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German Pages XVI, 475 [483] Year 2020
Innovative Konfliktforschung – Innovation in Conflict Research
Carolina Rehrmann
Der Zypernkonflikt Eine sozialpsychologische Diskursanalyse
Innovative Konfliktforschung – Innovation in Conflict Research Reihe herausgegeben von Rafael Biermann, Jena, Deutschland
Diese Buchreihe Innovative Konfliktforschung bietet eine Plattform zum besseren Verständnis internationaler Konflikte und ihrer Lösung. Sie fokussiert auf Theorien, Methoden und Themen, die in der Forschung zukunftsträchtig, aber eher vernachlässigt sind. Sie zielt auf theoretische und methodologische Innovation auf der Basis fundierter Feldstudien. Wir stimulieren interdisziplinäre Ansätze, die Konzepte aus dem Völkerrecht, der Soziologie, Psychologie oder anderen Nachbarwissenschaften in die Konfliktforschung einführen. Wir betrachten Konflikte aus allen Weltregionen, oberhalb wie unterhalb der Gewaltschwelle. Unsere Reihe formuliert, soweit möglich, praxistaugliche Politikempfehlungen in den existenziellen Fragen von Krieg und Frieden, die wir erforschen. Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats der Buchreihe Thomas Bagger, Diplomat, Auswärtiges Amt; Thorsten Bonacker, Professor für Friedens- und Konfliktforschung, Universität Marburg; Manuel Fröhlich, Professor für Internationale Politik und Außenpolitik, Universität Trier; Andrea Gawrich, Professorin für Internationale Integration, Universität Gießen; Andreas Hasenclever, Professor für Friedensforschung und Internationale Politik, Universität Tübingen; Michael Lipson, außerordentlicher Professor für Politikwissenschaft, Concordia University of Montreal; Stefan Oeter, Professor für deutsches und ausländisches Öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht an der Universität Hamburg und Direktor des Instituts für internationale Angelegenheiten; Stefan Wolff, Professor für Internationale Sicherheit, University of Birmingham
Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/15767
Carolina Rehrmann
Der Zypernkonflikt Eine sozialpsychologische Diskursanalyse
Carolina Rehrmann Institut für Politikwissenschaft Friedrich-Schiller-Universität Jena Jena, Deutschland Zugl.: Dissertation, Friedrich-Schiller-Universität Jena, 2017
Innovative Konfliktforschung – Innovation in Conflict Research ISBN 978-3-658-31191-9 ISBN 978-3-658-31192-6 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-31192-6 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany
Für Athena, Norbert, Sevgül, Hercules, Fernando und alle, die gern über den Grenzen des nationalen Vorstellungsraumes flanieren
Danksagung Man könnte sich an dieser Stelle einer Fülle metaphernreicher Zitate bemühen, um den langen, aufregenden, mitunter steinigen Weg und wundersamen Abschluss einer Dissertation zu beschreiben. So war dieser wohl nicht anders als viele andere. Am Anfang standen weitläufige Ideen und verstrickte Konzepte, die sich nach und nach in eine Struktur fügten, umgepflügt, arrangiert, geschliffen und ergänzt wurden, viele neue Ideen und Einsichten mit sich brachten; auch Fragen und Momente der bangen Ratlosigkeit, aus denen sich neue Erkenntnisse und Wege erschlossen. Das vorliegende Buch ist das Ergebnis dieser dynamischen Entwicklung, die einen wissenschaftlichen wie persönlichen Reifeprozess begründet. Es ist aus einem tiefen Interesse an den großen Fragen des alltagsweltlichen und interkulturellen Miteinanders für die Entstehung und Vertiefung politischer Konflikte und die Chancen genuiner Verständigung und Versöhnung entstanden. Zu diesem Feld gehört in besonderem Maße ein Verständnis für die Strahlkraft kultureller Mikrokosmen, die manchmal blühen, je leidenschaftlicher sie aufeinanderprallen; für die Macht ästhetischer Geschichten, vernarbter Wunden, enger Rollenmuster und machtpolitischer Manipulation von Heimatliebe, Leid und Angst. Mein besonderer Dank gilt in diesem Sinne intellektuellen Vorbildern wie Benedict Anderson, der die Idee des nationalen Vorstellungsraumes populär gemacht hat und Daniel BarTal, der in diesem Raum die sozialpsychologischen Mechanismen von unteilbaren Konflikten beleuchtet, indem er die Relevanz von tiefen Grundbedürfnissen und gemeinschaftlichen Überzeugungen aufzeigt. Für den Zypernkonflikt war Yannis Papadakis mit seinem feinsinnigen, humorvollen Blick für den kulturellen Zwischenraum im griechisch-türkisch-zypriotischen Spannungsfeld eine der größten Inspirationen und eine wahre Lesefreude. Richtungsweisend waren auch die vielen spannenden Gespräche mit Hercules Millas zu seinen griechisch-türkischen Wurzeln und seine vielseitigen Publikationen zu den stereotypen Bildern des Anderen in griechischen und türkischen Lehrbüchern. Meine Hochachtung gilt der investigativen Journalistin und Friedensaktivistin Sevgül Uludağ, die allen Widrichkeiten und Gefahren zum Trotz an die neuralgischsten Punkte der zypriotischen Konfliktgeschichte herangeht. Der Austausch mit ihr und die Lektüre ihrer Publikationen waren für Einsichten in die verdrängen und unliebsamen Aspekte des Konfliktes ein riesiger Gewinn. Danken möchte ich meinen Doktorvätern Prof. Dr. Rafael Biermann, Inhaber des Lehrstuhls für Internationale Beziehungen am Institut für Politikwissenschaft und Prof. Dr. Martin Leiner, Inhaber des Lehrstuhls für Systematische Theologie und Ethik an der Theologischen Fakultät und Direktor des Jena Center for Reconciliation Studies (JCRS) der Friedrich-SchillerUniversität Jena für ihre kritische und versierte Begleitung des Dissertationsprozesses. Durch Forschung und universitäre Tätigkeit sowohl in der Politikwissenschaft als auch als Geschäftsführerin des JCRS profitiere ich bis heute von einem vielseitigen, interdisziplinären Umfeld. Herrn Prof. Biermann als Herausgeber der vorliegenden Buchreihe danke ich außerdem für die Aufnahme in selbige. Ohne Prof. Dr. Corinna Dahlgrün und ihren so nüchternen wie einfühlsamen Blick für die kleinen und großen Zusammenhänge meiner Arbeit, Prof. Dr. Phillip Tolliday und seine erheiternden Bonmots und geistreichen Ausführungen zu Konflikt und Versöhnung, Dr. André Zempelburg und seinen einzigartigen Wissensfundus an der Schnittstelle von Kultur und Religion, Charalampos Karpouchtsis und seine außergewöhnlichen Initiativen zur interkulturellen Erinnerungsarbeit und Dr. Dina Dajani mit ihrer tiefen, erfahrungsbasierten Expertise zum Nahostkonflikt hätten essenzielle und inspirierende Gesprächspartner zu meinen Forschungsthemen
VIII
Danksagung
gefehlt. Ich danke ganz besonders Jana Thierbach für die Korrektur des finalen Manuskriptes und für ihre mentale Unterstützung. Last but not least, danke ich aus ganzem Herzen meiner Familie für die liebende und geduldige Unterstützung – allen voran Athena Karagouni-Rehrmann für die wunderbaren Diskussionen über Feinheiten der Übersetzung, über Kultur, Identität, Wahrheit und Ursprung; Evgenia Papaioannou für ihre wertvolle graphische Unterstützung; Michalis Ydraios für die humorvollen Gespräche über die griechische und zypriotische Seele; Nils Wittling für die anregenden und tiefsinnigen Kontroversen zu den Dissertationsthemen (und darüber hinaus) und Hermann Funk für die lehrreiche, erdende wie beflügelnde Fortführung einer besonderen Rolle. Diese Rolle verbindet sich mit jenem Mann, dem ich meine Liebe für Kultur und Wissenschaft, für Sprache und Ästhetik, für Literatur und Geschichte zuallererst verdanke: Prof. Dr. Norbert Rehrmann. Wenn er dem Dissertationsprozess auch nicht mehr selbst beiwohnen konnte: Viele seiner kritischen und visionären Ideen, etwa aus seinen Schriften zum interkulturellen Dialog, zur Rolle von Erinnerung oder zur unbedingten Klarheit und Ästhetik von Wissenschaftssprache haben meinen eigenen akademischen Weg beflügelt und werden mich für immer begleiten. In diesem Sinne ist dieses Buch vor allem denen gewidmet, die disziplinäre wie kulturelle Grenzen hinterfragen und in der Infragestellung des vermeintlich Gegebenen, des klar Definierten, des Meß- und Quantifizierbaren ganz eigene Wege gehen. Deshalb gilt mein tiefer Dank auch populären Querdenkern wie Richard David Precht und Harald Lesch, die – wenn sie auch nicht direkt mit Theorie und Empirie der vorliegenden Arbeit verbunden sind – für eine akademische und lebensweltliche Haltung stehen, die über den (fachlichen) Tellerrand blickt und Brücken über Parallelwelten schlägt. Berlin, März/Frühjahr 2020
Carolina Rehrmann
Inhaltsverzeichnis 1
Einleitung......................................................................................................................... 1 1.1 Der Zypernkonflikt: Historischer Hintergrund und sozialpsychologische Relevanz .................................................................................................................. 1 1.2 Forschungsdesign .................................................................................................... 7 1.2.1 Phänomenologie der Unteilbarkeit: Leitfrage und methodologische Prämissen ................................................................................................... 7 1.2.2 Theoretisches Fundament der Forschungsarbeit und Hypothese ............. 15
2
Forschungsstand ........................................................................................................... 21 2.1 Theorie: Unteilbarkeit aus konstruktivistischer und sozialpsychologischer Sicht... 21 2.2 Empirie: Die Unteilbarkeit des Zypernkonfliktes im Spannungsfeld der Mutterländer .......................................................................................................... 27
3
Rien ne va plus: Die Komponenten von Unteilbarkeit............................................... 37 3.1 Einleitung: Wie unteilbar ist Unteilbarkeit? .......................................................... 37 3.2 Im Großen wie im Kleinen: Charakteristika von ethno-nationalistischer Unteilbarkeit im Spiegel der Kommunikationspsychologie ................................. 41 3.3 Die Eigendynamik polarisierter Konfliktstrukturen .............................................. 48
4
Unus pro omnibus: Die Macht kollektiver Selbstbilder............................................. 57 4.1 Einleitung: Das grenzenlose Ich und das Nadelör des Anderen ........................... 57 4.2 Personale und soziale Identität: Erkenntnisse aus Sozialpsychologie und Konfliktforschung ................................................................................................. 59 4.3 Ich will, tue und denke, was ich bin: Eingefärbte Wahrnehmungen von Welt ..... 64
5
Mit kühlem Kopf? Emotionen in unteilbaren Konflikten ........................................ 71 5.1 Einleitung: Emotionen als vernachlässigte Komponente der Konfliktforschung .... 73 5.2 Vernunft und Emotion: Zwei Seiten einer Medaille ............................................. 74 5.3 Implizit und allgegenwärtig. Emotionen in interdisziplinärer Perspektive ........... 77 5.4 Bedürfnisse und Affekte – Impulse aus der Kognitionspsychologie .................... 80 5.5 Angst, Wut, Schuld und Demütigung: klassische Konfliktemotionen und ihr kognitiver Einfluss ................................................................................................ 82 5.6 Emotion und Gedächtnis ....................................................................................... 84 5.7 Emotion – Kognition – Identität ............................................................................ 85 5.7.1 Warum Emotionen sozial (konstruiert) sind ............................................ 85 5.7.2 Emotionale Normen – normenkonforme Emotionen ............................... 88 5.7.3 Emotionale Identitäten als soziale Repräsentationen ............................... 90
6
Im Anfang war das Wort: Die Macht diskursiver Realitätskonstruktion .............. 95 6.1 Einleitung: Die Strahlkraft dominanter Frames .................................................... 95 6.2 Macht, Wissen und Wahrheit: Die kritische Diskurstheorie ................................. 99
7
Allgegenwärtige Vergangenheit: Das kollektive Gedächtnis .................................. 113 7.1 Einleitung: Die Relevanz von Erinnerung........................................................... 113 7.2 Konstruktion, Verdrängung, Anpassung: Erkenntnisse der Kognitionspsychologie ........................................................................................ 115
X
Inhaltsverzeichnis 7.3 7.4
Soziale und institutionelle Erinnerung ................................................................ 120 Geschichte in Geschichten .................................................................................. 123 7.4.1 Das Narrativ als zweite Grundmetapher der Sozialpsychologie ............ 123 7.4.2 Autobiographische Erinnerung: Oral History ........................................ 127 7.4.3 Die Geschichte vom nationalen Erbe ..................................................... 129 7.4.4 Spurensuche und Spurensicherung über Relikte .................................... 132
8
Heimat, Familie, Unsterblichkeit: Von der Anziehungskraft des Nationalen ...... 135 8.1 Einleitung: Die vorgestellte Gemeinschaft damals und heute............................. 135 8.2 „All Animals Are Equal…“: Die Nation als moderner Janus ............................. 138 8.2.1 Die Entwicklungsstadien des Nationalismus ......................................... 138 8.2.2 Im Anfang war die Revolution: Das originäre Selbstverständnis der Nation und ihr neuer Vorstellungsraum ................................................. 140 8.2.3 Erinnern, Vergessen, Erfinden: Die Entstehung der primordialen Nation ..................................................................................................... 142 8.2.4 Die exklusive Nation als affektiver Vorstellungsraum .......................... 147
9
Von Gerechtigkeit, Heilung und Zukunft: Versöhnung als sozio-emotionale Transformation ........................................................................................................... 153 9.1 Einleitung: Qualitative Ebenen der Konflikttransformation ............................... 153 9.2 Der steinige Weg zur Versöhnung: Top-down oder Bottom-up, implizit oder direkt? ............................................................................................ 155 9.3 Transitional Justice: Vergangenheitsbewältigung durch Recht und Gerechtigkeit ....................................................................................................... 159 9.3.1 Elemente und Ziele – Widersprüche und Gefahren ............................... 159
10
Unteilbarer Zypernkonflikt: Vorgehensweise und Methodik ................................ 171 10.1 Einleitung: Ein holistischer Ansatz als Ausgangspunkt ...................................... 171 10.2 Auswahl und Vergleich von Nationalnarrativen und Erinnerungsfacetten ......... 171 10.3 Spaces und Places ................................................................................................ 174 10.4 Bildungswesen und Schulbuchanalyse ................................................................ 175 10.5 Diskursanalyse..................................................................................................... 178
11
„Parallelmonologe“: Die Nationalnarrative der zypriotischen Mutterländer ...... 183 11.1 Einleitung: Gegenseitige Abgrenzung und Westaspiration................................. 183 11.2 „Auferstanden aus den heiligen Knochen“: Griechischer Nationalismus ........... 185 11.3 Ne mutlu türküm diyene: Türkischer Nationalismus ........................................... 192 11.4 Griechisch-türkische Erinnerungskulturen .......................................................... 197 11.4.1 Gründungsmythen im Spannungsfeld des europäischen Fremdblicks... 197 11.4.2 Narzissmus kleiner Differenzen? Die griechisch-türkischen Beziehungen ........................................................................................... 205 11.5 Nationale Identität und Orthodoxe Kirche .......................................................... 213
12
Man ist, was man erinnert: Die zypriotische Konfliktgeschichte und ihr Gedächtnis ..................................................................................................... 221 12.1 Einleitung: Die komplexen Eskalationsfaktoren der Konflikjahre ..................... 221 12.2 Der lange Schatten der Vergangenheit: Erinnerungen an die Konfliktjahre ...... 237 12.2.1 Das dominante Gedächtnis der griechischen Zyprioten......................... 237 12.2.2 Das dominante Gedächtnis der türkischen Zyprioten ............................ 247
Inhaltsverzeichnis
XI
12.3 Schatten der Wahrheit: Verdrängte und ambivalente Erinnerungen ................... 250 12.4 Verdrängung, Trauma und das Schweigen der Wissenden: Der Fall des CMP .. 261 13
„Ich vergesse nicht und kämpfe!“: Geschichtsbücher als nationales Erbe ........... 273 13.1 Rolle und Geschichte der Bildung auf Zypern .................................................... 273 13.2 Die griechisch-zypriotische Erinnerungskultur nach 1974 in den Geschichtsbüchern............................................................................................... 276 13.3 „Ich weiß, vergesse nicht und kämpfe“ für die 5./6. und 1./2. Klassen .............. 280 13.4 „Die Kirche Zyperns“ für die 5./6. Klasse .......................................................... 290
14
„Nicht mit uns!“: Die Kontroverse um den Annan-Plan und seine Ablehnung 2004........................................................................................................... 293 14.1 Einleitung ............................................................................................................ 293 14.2 Auswahl und Methodik ....................................................................................... 294 14.3 Diskursiver Kontext ............................................................................................ 295 14.4 Kernelemente und zentrale Streitpunkte des Planes............................................ 297 14.5 Feinanalyse des zypriotischen Printdiskurses ..................................................... 303 14.5.1 Quantitative Einordnung ........................................................................ 303 14.5.2 Diskursverlauf, Positionen und argumentative Stilmittel im Überblick .. 306 14.5.3 Recht und Gerechtigkeit ......................................................................... 312 14.5.4 Das Für und Wider des Planes: Framingstrategien ................................ 317 14.5.5 Geschichte und nationales Leidensnarrativ ............................................ 328 14.5.6 Die Türkei .............................................................................................. 331 14.5.7 Hobbesianisches Weltbild: Macht, Taktik und graue Eminenzen ......... 333 14.5.8 Ein Paradies von Teufeln bewohnt? Die Europäische Union ................ 337 14.5.9 Die andere Seite: Türkische Zyprioten und „TRNZ“ ............................ 338 14.5.10 Emotionen als Strategie und Appraisal .................................................. 341 14.5.11 Die Kirche .............................................................................................. 344 14.6 „Faraway, so close“? Auszüge aus dem Konfliktdiskurs 2016 und 2017 ........... 354 14.7 Resümee .............................................................................................................. 358
15
Unteilbarkeit versöhnen? Engagement, Chancen und Hindernisse ...................... 363 15.1 Gel(i)ebte Unteilbarkeit als gesellschaftlicher Referenzrahmen ......................... 363 15.2 Friedensaktivismus: Home for Cooperation und Association for Historical Dialogue and Research ........................................................................................ 379 15.3 Geschichte erleben, erfassen und diskutieren: Peace Education in der Praxis ... 385 15.3.1 Einleitung ............................................................................................... 385 15.3.2 Metaebene und Relativität in der Geschichtsvermittlung ...................... 388 15.3.3 Empathie, Reflexion und Kreativität...................................................... 389 15.3.4 Mehrebenenblick: Bedingtheit, Differenziertheit und Menschlichkeit .. 391 15.3.5 Historizität und Geschichtsdidaktik sensitiver Fragen: Die Booklet-Reihe zur Vermisstenfrage ................................................ 393
16
Resümee und Ausblick ............................................................................................... 399
Literaturverzeichnis ............................................................................................................. 409
Abkürzungsverzeichnis AHDR AKEL CTP DISY DIKO EDEK EFT EOKA IET HfC ICTY ICTR ICTJ CDA/ KDA THT UBP STAMP TJ TRNZ TSI/SIT UNFICYP TRC TC IB EGMR OH PCFF CDRSEE IKME
Association for Historical Dialogue and Research Ανορθωτικό Κόμμα Εργαζόμενου Λαού (Fortschrittspartei des werktätigen Volkes) Cumhuriyetçi Türk Partisi (Republikanisch-türkische Partei) Δημοκρατικός Συναγερμός (Demokratischer Allarm) Δημοκρατικό Κόμμα (Demokratische Partei) Κίνημα Σοσιαλδημοκρατών (Bewegung der Sozialdemokraten) Emotionally Focused Therapy Εθνική Οργάνωσις Κυπρίων Αγωνιστών (Nationale Organisation zypriotischer Kämpfer) Intergroup Emotion Theory Home for Cooperation International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia International Criminal Tribunal for Rwanda International Center for Transitional Justice Critical Discourse Analysis/ Kritische Diskursanalyse Turkish History Thesis Committee of Missing Persons in Cyprus Ulusal Birlik Partisi (Nationale Einheitspartei) Slave Trade Arts Memorial Project Transitional Justice Turkish Republic of Northern Cyprus Theorie der sozialen Identität/ Social Identity Theory United Nations Peacekeeping Force in Cyprus Truth and Reconciliation Commission Truth Commission Internationale Beziehungen Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Oral History Parent’s Circle Family’s Forum Center for Democracy and Reconciliation in Southeast Europe Ίδρυμα Κοινωνικοπολιτικών Μελετών (Sociopolitical Studies Institute)
XIV OECD CEDAW CMP CCMC EuGH
Abkürzungsverzeichnis Organisation for Economic Cooperation and Development Committee on the Elimination of Discrimination against Women Committee on Missing Persons Cyprus Community Media Center Europäischer Gerichtshof
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1 – kommunikationsbasierte Polarisierung (eigene Darstellung) .......................... 56 Abbildung 2 – individuelle und soziale Identitätskonstruktion (eigene Darstellung) .............. 71 Abbildung 3 – Emotion und Vernunft (eigene Darstellung) .................................................... 80 Abbildung 4 – Emotionen als sozial-normative Marker (eigene Darstellung) ........................ 87 Abbildung 5 – emotionale Rollen (eigene Darstellung)........................................................... 91 Abbildung 6 – Emotionales Erbe (eigene Darstellung) ........................................................... 92 Abbildung 7 – (normative) Assoziationsketten ...................................................................... 103 Abbildung 8 – Klaus Stuttmann. „Das Elend dieser Welt“.................................................... 105 Abbildung 9 – Die fünf Formen des Erinnerns (eigene Darstellung) .................................... 120 Abbildung 10 – Schwarze Hand in weißem Frauenkörper .................................................... 150 Abbildung 11 – „A, NTOITƩ“ ............................................................................................... 199 Abbildung 12 – „Erzbischof Kyprianos und die anderen Geistlichen im Serai“, Öl auf Leinwand, G. Mavrogénis (1971). .............................................................................. 218 Abbildung 13 – „Hinrichtung des Ethno-Märtyrers Kyprianos“, Akryl auf Holz, G. Mavrogénis (1971) ............................................................................................................ 218 Abbildung 14 – Die Geschichte der Orthodoxie durch die Tiefen der Jahrhunderte hindurch 220 Abbildungen 15-22 – Artefakte des öffentlichen Raumes in Südzypern mit politischer Botschaft ........................................................................................................ 239-240 Abbildungen 23-25 – Aus der Ausstellung Ode an die Freiheit im Palast des zypriotischen Erzbistums 2013 .............................................................................................. 241 Abbildung 26 – Ich vergesse nicht ......................................................................................... 241 Abbildungen 27-39 – Photographien aus dem griechisch-zypriotischen Museum des Nationalen Kampfes.................................................................................................. 242-245 Abbildungen 40-44 – Artefakte des öffentlichen Raumes in Nordzypern mit politischer Botschaft ........................................................................................................ 247-248 Abbildungen 45-49 – Photographien aus dem Barbarismus-Museum............................ 248-249 Abbildung 50 – The Tziaos Five ............................................................................................ 265 Abbildung 51 – „Attilas Angriff“........................................................................................... 281 Abbildung 52 – „Ich vergesse nicht und kämpfe“ ................................................................. 282 Abbildung 53 – „Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit“ ................................................................ 282 Abbildung 54 – „Hommage an die zypriotische Frau“ .......................................................... 283 Abbildung 55 – „Die eingepferchten Gräber“........................................................................ 284 Abbildung 56 – Deckblatt ...................................................................................................... 286 Abbildung 57 – „Eine Insel“ .................................................................................................. 286
XVI
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 58 – „Die Mutter des Vermissten“ ....................................................................... 287 Abbildung 59 – „trauernde Großmutter“ .............................................................................. 288 Abbildung 60 – „Die Berge des Pendadaktylos“ ................................................................... 288 Abbildung 61 – „Der Schwur des Flüchtlingskindes“ ........................................................... 289 Abbildung 62 – Geplante Grenzverschiebung zugunsten des griechisch-zypriotischen Teilstaates ............................................................................................................................... 301 Abbildung 63 – Themen und Häufigkeit im Diskurs (eigene Darstellung) ........................... 304 Abbildung 64 – „Das NEIN der DISY“ ................................................................................. 310 Abbildung 65 – Wir sind die Zukunft, wir haben das Wort“ ................................................. 311 Abbildung 66 – Funktionalität und Wirtschaft ...................................................................... 317 Abbildungen 67 & 68 – Papadopoulos und Denktaş ............................................................. 324 Abbildung 69 – „ Ich stimme mit ja“ ..................................................................................... 324 Abbildung 70 – „Nein ist unsere einzige Wahl“, so M. Nikiphoros ...................................... 344 Abbildung 71 – Ich vergesse nicht…meine Zähne zu putzen ................................................ 377 Abbildungen 72-76 – Spaces and Places des öffentlichen Raumes ................................ 377-378 Abbildung 77 – Eröffnung des HfC ....................................................................................... 381 Abbildungen 78, 79, 80 – Umschläge der drei alternativen Geschichtsbücher ..................... 386 Abbildung 81 – Spurensuche in Artefakten ........................................................................... 390 Abbildung 82 – Heterogene Beziehungsmuster ..................................................................... 393 Abbildung 83 – Die allgegenwärtige Sehnsucht nach dem Mutterland ................................. 404 Abbildung 84 – Grenzgänger ................................................................................................. 407
1 Einleitung 1.1 Der Zypernkonflikt: Historischer Hintergrund und sozialpsychologische Relevanz Der Zypernkonflikt gilt in der einschlägigen politikwissenschaftlichen Fachliteratur als sog. unteilbarer Konflikt (Intractable Conflict). Mit diesem Begriff werden Konflikttypen bezeichnet, die politisch verhandlungsresistent und tief in den jeweiligen Gesellschaften verwurzelt sind. Aus sozialpsychologischer und kulturwissenschaftlicher Perspektive kann man den Zypernkonflikt als ethno-nationalistischen Identitäts- bzw. Territorialkonflikt bezeichnen: Zwei Gemeinschaften, die sich auf der Basis ethno-nationaler Zugehörigkeit bzw. „nationalem Erbe“ voneinander abgrenzen, erheben Anspruch auf dasselbe Territorium bzw. auf eine Form staatlicher Souveränität, die der jeweils andere zurückweist. Die historischen Herleitungen des Konfliktes und die daraus abgeleiteten Kernpositionen der Konfliktparteien in Politik und Mehrheitsgesellschaft schließen sich gegenseitig aus. Daran hat sich seit der Inselteilung 1974 bis heute im Wesentlichen nichts geändert. Der öffentliche Raum unterstreicht das. Zypern ist ein Ort des Wettstreites der Nationalflaggen und Ehrendenkmäler, der Nationalfeiertage und Paraden, der wütenden und erhabenen politischen Festtagsapelle an die Nation und den Aufopferungswillen ihrer Mitglieder in Sinne der nationalen Idee und dem Schutz der eigenen Gemeinschaft vor den Expansionsinteressen externer Kräfte. In diesen Grundzügen ähnelt der Zypernkonflikt anderen ethno-nationalistischen bzw. religiösen Territorialkonflikten wie etwa dem Nahostkonflikt, dem Nordirlandkonflikt, den Konflikten im ehemaligen Jugoslawien oder dem Streit um Bergkarabach zwischen Armenien und Aserbaidschan. Er beleuchtet dadurch die Relevanz von Identität bzw. der Idee der nationalen Gemeinschaft für machtpolitische und territoriale Aspirationen, aber auch für Privilegierung und Exklusion und repräsentiert damit im Kleinen viele weltpolitische Herausforderungen im Kontext von Renationalisierungs- und Kulturkonfliktdiskursen. Warum bleibt der Zypernkonflikt bis heute ungelöst? Ist er überhaupt lösbar? Seit 2004 ist die Republik Zypern EU-Mitglied – de jure die gesamte Insel, de facto nur der griechisch-zypriotische Süden. Der Norden ist seit 1974 durch die Türkei besetzt. Sie war nach Jahren interethnischer Spannungen und einem versuchten griechischen Militärputsch zum Schutz der türkischen Zyprioten interveniert. In der Folge flohen innerhalb der Insel mehr als 600 000 Menschen. Viele wurden Opfer von Gewalt. Bis vor kurzem galten etwa 2000 Zyprioten als vermisst. Griechische und türkische Zyprioten, die seit jeher in gemischten Dörfern und Städten gelebt hatten, flüchteten bzw. wurden in den jeweiligen Inselteil vertrieben (Galatariotou 2008: 846). Zypern blickt seither auf zahlreiche Verhandlungen unter der Schirmherrschaft der UN und auf unzählige bilaterale Gespräche zwischen den Volksgruppenführern zur Wiedervereinigung der Insel zurück. Während eine Mehrheit der griechischen Zyprioten die türkischen Zyprioten als Minderheit ansehen und auf einem Einheitsstaat mit beschränken Autonomierechten bestehen, sehen sich die türkischen Zyprioten als gleichberechtigte Volksgruppe und scheinen allenfalls dazu bereit zu sein, Zypern in einem konföderativen Modell zweier weitgehend autonomer Teilstaaten zusammenzuführen.
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Rehrmann, Der Zypernkonflikt, Innovative Konfliktforschung – Innovation in Conflict Research, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31192-6_1
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1 Einleitung
Bis heute konnten sich beide Seiten nicht auf einen Kompromiss einigen. So bleibt die Insel in einem völkerrechtlichen Schwebezustand. Dabei besteht freilich – zumindest nach offiziellen Bekundungen – eine Asymmetrie nationaler Erfüllung: Während der langjährige Volksgruppenführer Denktaş stets auf der Aufrechterhaltung des Status quo bestand, fordert die griechisch-zypriotische Politik mit Vehemenz bis heute die Überwindung der Teilung. Über Jahrzehnte hinweg wurde der türkisch-zypriotischen Führung deshalb unterstellt, sie sei nicht aufrichtig an einer Lösung interessiert (Richmond 1998: 711). Dieser Eindruck schien sich zu bestärken, als 1983 die sog. „Türkische Republik Nordzypern“ („TRNZ“) ausgerufen wurde. Beide Seiten befinden sich seither in einer Beziehung wechselseitiger Nicht-Anerkennung: Während die „TRNZ“ als De-Facto-Staat bis heute nur durch die Türkei anerkannt wird, erkennen Türkei und „TRNZ“ ihrerseits die Republik Zypern nicht an. Zwischen beiden Inselteilen verläuft die sogenannten Grüne Linie, eine demilitarisierte Pufferzone unter UN-Aufsicht, die nun faktische EU-Außengrenze ist. Fast dreißig Jahre war sie hermetisch abgeriegelt gewesen. Erst 2003 hatte sie der damalige Volksgruppenführer Denktaş auf internen politischen Druck hin nach Süden öffnen lassen. Seither kann sie von türkischen und griechischen Zyprioten wie auch von EU-Bürgern problemlos unter Vorlage eines Ausweises passiert werden. Ein Jahr später – 2004 – stimmten beide Volksgruppen über ein unter der Ägide des damaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan erarbeitetes, verfassungsrechtliches Dokument zur Wiedervereinigung Zyperns ab, das unter dem Namen „Annan-Plan“ bekannt wurde. Es stellte den bisher umfassendsten Versuch dar, den eingefrorenen Konflikt zu lösen und sah die Errichtung einer bizonalen, bikommunalen Föderation, umfassende Demilitarisierung und Restitution bzw. Entschädigung von verlorenem Besitz vor. Eine Mehrheit der türkischen Zyprioten stimmte dafür, um ihre internationale Isolation zu überwinden und Teil der Europäischen Union zu werden. Die griechischen Zyprioten indes stimmten nach einer emotionalen Medienkampagne mehrheitlich mit Nein. Das erstaunte und enttäuschte Mediatoren und internationale Beobachter gleichermaßen, hatten doch die griechischen Zyprioten mit Vehemenz über Jahrzehnte die völkerrechtswidrige Intervention angeprangert, den Abzug der türkischen Truppen und die Wiederherstellung des 1960 gegründeten Einheitsstaates gefordert. Umgekehrt hatte sich eine Mehrheit der türkischen Zyprioten in öffentlichen Massenprotesten sogar vehement gegen die eng mit den kemalistischen Militärs verbundenen politischen Kreise um Denktaş zur Wehr gesetzt. Hoffnungen, der EU-Beitritt würde als Katalysator für die Wiedervereinigung fungieren, erwiesen sich so als Trugschluss (Bryant 2004b). Hatten sich die Parameter also plötzlich umgekehrt? Beobachter sprachen von machtpolitischem Kalkül der griechisch-zypriotischen Führungsriege um Präsident Tassos Papadopoulos. Dieser habe – so die auch von deutschen Kommentatoren geteilte Überzeugung – die Strategie verfolgt, den EU-Beitritt Zyperns abzuwarten, um in der Folge die Türkei ob ihrer eigenen EU-Aspirationen unter Druck zu setzen und damit zu einer für die griechischen Zyprioten vorteilhafteren Lösung zu gelangen (Kadritzke 2003; Thumann 2004). Dieses Kalkül ist – so kann man nicht zuletzt vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Spannungen zwischen EU und Türkei sagen – nicht aufgegangen. Seit 2008 verhandeln die wechselnden Volksgruppenführer weiter. Dabei ist sowohl von zypriotischer wie auch von internationaler Seite immer wieder von Fortschritten und der
1.1 Der Zypernkonflikt: Historischer Hintergrund und sozialpsychologische Relevanz
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Chance auf eine baldige Lösung die Rede. Gemeinsame Presserklärungen der Volksgruppenführer und der UN nehmen immer wieder Bezug zum laufenden Ringen um Territorialfragen, zur politischen Balance, Besitzrestitution, Abrüstung und zu Sicherheitsbelangen.1 Wurde – so lassen die vagen Stellungsnahmen verlauten – in etlichen Bereichen, z.B. in Fragen des endgültigen Grenzverlaufes, der föderativen Struktur und der Kompensationsforderungen eine Annäherung bzw. Übereinstimmung erzielt, scheint vor allem die Frage nach Präsenz und Einfluss der Mutterländer Griechenland und der Türkei ein weiterhin neuralgischer Punkt (Grigoriadis 2017). Während die türkischen Zyprioten die in der Verfassung von 1960 zur Wahrung des völkerrechtlichen Status quo verankerten Interventionsrechte Großbritanniens und der Mutterländer aus Sicherheitsgründen gewahrt wissen wollen, ist den griechischen Zyprioten die geographische Nähe und Militärpräsenz der Türkei ein Dorn im Auge. Warum, so fragt man sich vor diesem Hintergrund, wird seit über vierzig Jahren ergebnislos verhandelt? Wird es jemals eine Lösung geben? Ein Blick auf die zentralen Streifragen um ethnische Zugehörigkeit und Souveränität zeigt, dass sie tief in die Geschichte zurückreichen. Schon mit Gründung des modernen Griechenlands 1827 wurden auf Zypern, das damals noch zum Osmanischen Reich gehörte und 1878 in britische Kolonialadministration überging, nationalstaatliche Bestrebungen durch den Anschluss an Griechenland (Enosis) laut. Sie blieben bis 1960 die zentrale politische Forderung der griechischen Zyprioten, während auch die türkischen Zyprioten im Spiegel der Nationalstaatsgenese ihres Mutterlandes 1923 zunehmend von der Idee der nationalen Zugehörigkeit durch die Inselteilung (Taksim) ergriffen wurden. Forciert wurden beide Bewegungen durch die Propagierung nationaler Identitäten, die – erleichtert durch die bewegte Konfliktgeschichte der beiden Mutterländer – zunehmend auf gegenseitiger Abgrenzung und Dämonisierung basierten. Aus Christen und Muslimen wurden so nach dem Vorbild der westlichen Nationalstaatsbestrebungen und der einhergehenden Vorstellung von der souveränen und homogenen Nationalgemeinschaft (Anderson 2005) Angehörige der türkischen und griechischen Nation. Ab 1955 begann mit der griechisch-zypriotischen EOKA, der sog. „Nationalen Organisation zypriotischer Kämpfer“, ein Guerillakampf gegen die Kolonialherren und für die Enosis, den die türkischen Zyprioten mit der Gründung der „türkischen Widerstandsorganisation“ TMT beantworteten. Keines der beiden nationalen Ziele – weder Enosis noch Taksim – wurden erreicht. Stattdessen wurde Zypern 1960 auf Basis eines Kompromisses in einem Powersharing-Modell unter dem Schutz der drei sog. Garantiemächte (Großbritannien, Türkei, Griechenland), die für die Aufrechterhaltung dieses Gleichgewichtes Verantwortung tragen, in die Unabhängigkeit entlassen. Der griechisch-zypriotische Erzbischof Makarios III. wurde Präsident, der türkische Zypriot Fazil Küçük Vizepräsident. Die politische Kooperation indes funktionierte nur drei Jahre. 1963 zogen sich die türkischen Zyprioten als Konsequenz unüberbrückbarer Differenzen und interethnischer Gewalt aus den Staatsorganen zurück. Bis heute sind ihre Plätze in Regierung und Parlament vakant. Im Zuge der interethnischen und intraethnischen Spannungen der Folgejahre, die durch extremistische Minderheiten mit dem Ziel forciert wurden, die entsprechenden Maximalziele doch noch zu verwirklichen, floh ein Viertel der türkischen Zyprioten in Enklaven unter dem Schutz der 1
[Zugegriffen am 24.04.2012].
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türkischen Armee. 1974 putschte die griechische Militärjunta gegen Makarios in einem Versuch, die Insel zu annektieren. Daraufhin intervenierte die Türkei unter Berufung auf das in der Verfassung verankerte Interventionsrecht. Indes wurde nicht der Status quo wiederhergestellt, sondern die faktische Inselteilung verwirklicht. Bereits ein Jahr später begannen – nun in umgekehrten Kräfteverhältnissen – die Verhandlungen zwischen den Volksgruppenführern zur Beilegung des Konfliktes. 1977 einigte man sich im sog. „High-Level-Agreement“ auf die Gründung einer bizonalen, bikommunalen Föderation (Bryant und Papadakis 2012: 1-26; Yilmaz 2010; Anastasiou 2008: 75-108). Über die Details dieses zu schaffenden politischen Gebildes wird seither verhandelt. Allerdings haben sich die demographischen Realitäten des Nordens inzwischen durch eine forcierte Siedlungspolitik mit Festlandtürken entscheidend verändert. Siedlerfamilien leben mittlerweile seit Jahrzehnten im Norden – u.a. in Häusern griechisch-zypriotischer Flüchtlinge, was deren etwaige Restitution verkompliziert. Viele türkische Zyprioten entschlossen sich ferner ob der ökonomischen Rückständigkeit als Folge der internationalen Isolation und der demographisch-kulturellen und politischen Veränderungen zur Emigration (Ramm 2006: 235). Obgleich die Konfliktparteien seit Jahrzehnten über die Details der Föderation verhandeln, fand bisher weder rechtliche noch symbolische Vergangenheitsbewältigung statt. Beide Seiten klagten zwar vor zypriotischen und internationalen Gerichten gegen Gewalt, Vertreibung und Enteignung durch die jeweils andere Seite. Keine der beiden Seiten aber erkannte die Forderungen an. Etwaige öffentliche Schuldeingeständnisse bleiben bis heute aus. In den dominanten Diskursen beider Seiten präsentieren sich die Entwicklungen der Konfliktjahre vielmehr als Resultat von langer Hand geplanter, geopolitischer Strategien der jeweils anderen Seite und externer Akteure. Bei den türkischen Zyprioten ist von geheimen Säuberungsplänen die Rede, die die griechischen Zyprioten gehegt und verfolgt hätten, um die Enosis zu realisieren. Die griechisch-zypriotische Mehrheit wiederum sieht sich vornehmlich als Opfer der geostrategischen Ziele der Türkei und der griechischen Junta. Türkische und türkisch-zypriotische Extremisten hätten bewusst Zwietracht geschürt und auf einen Vorwand gewartet, um die Inselteilung zu realisieren, so das Argument (Papadakis 2005 a: 149). Wer hat nun Recht? Tatsächlich erscheint die heiße Konfliktphase Zyperns durch ein komplexes Wechselspiel unterschiedlicher Ebenen im Spannungsfeld machtpolitischen Ringens, verschärft durch die polarisierten Fronten des Kalten Krieges (O´Malley und Craig 2001; Kadridzke 1991). Diese Komplexität, so kann man vorwegnehmen, erleichtert die argumentative Untermauerung der jeweils vertretenen Opferperspektiven. Die Schuld der eigenen Gemeinschaft gegenüber der anderen, wie auch die intrakommunale Gewalt und Diskriminierung – die Aktionen der Extremisten richteten sich nicht nur gegen Angehörige der eigenen Volksgruppe, sondern auch gegen Gemäßigte und Kooperationsbereite aus der eigenen – sind bis heute tabuisiert. Wenn sie denn überhaupt zur Sprache kommen, weisen beide Seiten eine strafrechtliche Verfolgung der eigenen Verbrechen mit dem Verweis auf die Tatenlosigkeit der anderen Seite zurück. Dieses normative Argument wird durch realpolitische Argumente untermauert: So verweisen beide Seiten auf den völkerrechtlichen Ausnahmezustand und die damit verbundene Notwendigkeit zum nationalen Zusammenhalt. Weder die Thematisierung der intrakommunalen Bruchlinien noch etwaige interkommunale Annäherung erscheinen aus dieser Perspektive zulässig. Beide Parteien beharren so auf ihren jeweiligen Maximalpositionen, die im
1.1 Der Zypernkonflikt: Historischer Hintergrund und sozialpsychologische Relevanz
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Rekurs auf die Konfliktgeschichte vehement verteidigt werden: So weisen die griechischen Zyprioten ein konföderatives Modell mit den Argumenten zurück, es sei zum einen aufgrund der hohen Gefahr einer politischen Blockade nicht funktionsfähig und komme zum anderen einer retrospektiven Anerkennung des völkerrechtswidrigen Einmarsches gleich. Die türkischen Zyprioten indes wollen ihre Sicherheit und Autonomie mit Verweis auf Diskriminierung und Gewalt der Konfliktjahre unbedingt in einem entsprechenden Modell gewahrt wissen. Ist der vielzitierte zypriotische Knoten zu lösen? Zum sozialpsychologischen Verständnis der gegenwärtigen Blockade ist zuvorderst ein Blick auf die Strahlkraft der institutionellen Gedächtnisse beider Seiten relevant, die in Museen, an Feiertagen, zu Gedenkfeiern und in Geschichtsbüchern zelebriert werden. Während die griechischen Zyprioten sich dabei auf Leid und Unrecht der türkischen Intervention konzentrieren, erinnern die türkischen Zyprioten (ausschließlich) an politische Entrechtung, Diskriminierung und Gewalt zwischen 1963 und 1974. Diese Perspektiven dienen offenkundig der Legitimierung der jeweiligen (Verhandlungs-) Positionen. Jenseits dieser strategischen Dimension aber besitzen sie auch eine enorme sinn-, gemeinschaftsstiftende und normative Kraft. Das gilt einmal mehr für die Generationen, die seit nunmehr vier Jahrzehnten in ihrem Geiste sozialisiert werden. Beide Gemeinschaften scheinen sich dabei in ihren eigenen sprichwörtlichen Mikrokosmen zu bewegen, die sich auf der Abgrenzung vom Anderen begründen. Erschwerend hinzu kommt die Rolle der Mutterländer: In ihrem Antagonismus spiegeln die institutionellen Gedächtnisse beider Seiten en miniature die historische Rivalität ihrer Mutterländer wider. Denn auch Griechenland und die Türkei begründen ihre Beziehung auf konkurrierenden Helden-, Unterwerfungs- und Erlösungsgeschichte(n) im kontinuierlichen Ringen um historische Deutungshoheit, Autochthonie und Territorialansprüche (Heraclides 2011; Millas 2001). Die Gegenüberstellung beider Dimensionen lässt die enorme emotionale Strahlkraft der zypriotischen Krisendiskurse erahnen. Denn diese monolithischen, sich gegenseitig ausschließenden Narrative und der eklatante Mangel an Aufarbeitung und Vergangenheitsbewältigung untermauern die jeweiligen Opferrollen und verhindern die Bereitschaft zum Kompromiss. Das gilt ganz besonders für die griechischen Zyprioten, die ja vehement die Revidierung des Status Quo fordern. Die konkurrierenden Großerzählungen und ihre alltagsweltlichen Ausprägungen scheinen damit ein wesentlicher Kernpunkt zum Verständnis der sog. „Unteilbarkeit“ des Zypernkonfliktes. Unteilbarkeit definiert sich dabei über die Nullsummenperspektiven der Konfliktparteien. So wird jedweder Gewinn der einen Seite automatisch als Verlust für die eigene Seite angesehen. Damit befinden sich die Konfliktparteien in einem exklusiven Konkurrenzverhältnis zueinander, das Kompromisse erschwert oder gänzlich verhindert (Bonacker und Imbusch 2010: 69-74; Coleman 2006: 325; H. und G.M. Burgess 2003; Bar-Tal 2007). Warum aber, so mag man sich fragen, wird vor diesem Hintergrund kontinuierlich und doch ergebnislos weiterverhandelt? Insbesondere die offizielle griechisch-zypriotische Haltung scheint dabei von Widersprüchen zwischen – pointiert formuliert – Maximalansprüchen und Tatenlosigkeit durchzogen: Nähren Politik, Kirche und Bildungswesen in fortwährenden offiziellen Stellungsnahmen und Durchhalteparolen die Idee von der endgültigen Gerechtigkeit, also der Wiederherstellung des Status Quo ante, erscheinen die demographischen und soziokulturellen Entwicklungen eine solche Rückkehr immer unwahrscheinlicher zu machen. Mit jeder gescheiterten Verhandlungsrunde, so zeigt die realpolitische Entwicklung, wachsen die beiden
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1 Einleitung
Gemeinschaften demographisch und politisch weiter auseinander – mit der Konsequenz, dass eben gerade die faktische Zweiteilung der Insel weiter voranschreitet. Die Tatsache, dass sich die zypriotischen Gemeinschaften in einem Verhältnis reziproker Nicht-Anerkennung befinden, kommt erschwerend hinzu. Trotz offener Grenzen finden nämlich keine institutionelle Kooperation und kaum sozialer Austausch zwischen den Gemeinschaften statt, die dem alltagsweltlichen Auseinanderdriften entgegenwirken könnten. So bleibt die griechisch-zypriotische Gemeinschaft in einer eigenartigen Dynamik aus Hoffnung, Frustration und Gewöhnung verhaftet. Politische Diskurse scheinen seit Jahrzehnten von derselben Rhetorik gezeichnet. In den essenziellen Streitfragen indes hat sich kaum etwas bewegt. Das wiederum wirft die Frage auf, inwiefern der Zypernkonflikt (auch) ein „bequemer“ Konflikt geworden ist, der vielfältige Interessen bedient, die aus den Dekaden eines völkerrechtlichen und emotionalen Schwebezustandes resultieren. Beiden politischen Kreisen wird, wie einleitend angedeutet, vorgeworfen, sich in den Strukturen des Konfliktes „eingerichtet“ zu haben und eine Lösung aus machtpolitischen Motiven zu verhindern (Richmond 2001; Kadritzke 2003; Tocci 2006; Ker-Lindsay 2014). Als Anzeichen dafür gelten nicht nur das kontraproduktive Beharren auf maximalistischen Positionen, sondern auch die seit Jahrzehnten gleiche Rhetorik und die ritualisierte Praxis einer in gewisser Weise aus der Zeit gefallenen, allgegenwärtigen Konfliktgeschichte, wie sie etwa an Feiertagen zelebriert oder in Schulbüchern gelehrt wird. Nicht zuletzt muss vor diesem Hintergrund jede der zahlreichen Forschungsarbeiten über den Zypernkonflikt – einschließlich der vorliegenden – auch heute noch notgedrungen mit einem Rekurs auf die Ereignisse zwischen 1960 und 1974 beginnen. Beide Aspekte – die emotionale und strategische Dimension des Zypernkonfliktes – stehen in der vorliegenden Forschungsarbeit im Fokus. Mit einem deutlichen Schwerpunkt auf der griechisch-zypriotischen Gemeinschaft sollen die sozioemotionalen und kulturellen Strukturen beleuchtet werden, die den schwelenden und schwebenden Konflikt reproduzieren. Die Arbeit öffnet damit die sprichwörtliche sozialpsychologische „Blackbox“, indem sie erstens die Macht kollektiver Glaubensgrundsätze als Ursache und Folge selektiver Wahrnehmung und limitierten Wissens übereinander aufzuzeigen beabsichtigt. Zweitens möchte sie die mächtigen Grundbedürfnisse sichtbar machen, die aus den Verstrickungen aus ungesühnter Schuld und verdrängtem Leid resultieren. Drittens will sie die Wirkung politischer Manipulation im Kontext forcierter Solidaritäten und enger sozialer Rollenmuster unterstreichen, die in ihrer Gesamtheit die widersprüchliche Routine eines kontinuierlichen Ausnahmezustandes konstituieren. Im Rekurs auf alternative konflikt- und friedensforschungsrelevante Ansätze richtet sich das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Forschungsarbeit damit auf die sozialpsychologischen Tiefenstrukturen des Zypernkonfliktes und ihre Ausprägungen in der zypriotischen Alltagswirklichkeit. Der Konflikt soll so als Fallbeispiel die zentralen Komponenten unteilbarer Konflikte sichtbar machen, einen zentralen Beitrag zum theoretischen Verständnis von Unteilbarkeit leisten und hier die besondere Rolle von Sozialpsychologie und Versöhnungstheorie unterstreichen. In der Auswahl und Zusammenführung der theoretischen wie empirischen Forschungsbereiche wird ein besonderer Schwerpunkt so auf der Genese und Strahlkraft kollektiver Glaubensgrundsätze (kognitive Komponente) und auf der Bedeutung unerfüllter Grundbedürfnisse (emotionale Komponente) für das Verständnis von Unteilbarkeit liegen. Insbesondere
1.2 Forschungsdesign
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Bedürfnisse nach Gerechtigkeit, aber auch nach Ermächtigung aus empfundener Machtlosigkeit und der Wunsch nach Augenhöhe mit anderen Nationalstaaten scheinen eine zentrale Rolle für die Perpetuierung des Konfliktes zu spielen, die in der Zypernforschung bisher weitgehend vernachlässigt wurden.
1.2 Forschungsdesign 1.2.1
Phänomenologie der Unteilbarkeit: Leitfrage und methodologische Prämissen
Etliche Publikationen zum Zypernkonflikt befassen sich zum einen mit der Ergründung, Verifizierung und Falsifizierung der heiß umstrittenen zypriotischen Konfliktgeschichte im Kontext regional- und weltpolitischer Auseinandersetzungen nationaler Akteure, zum anderen mit der Frage nach einem bestmöglichen Kompromiss zwischen gegensätzlichen Forderungen, machtpolitischen Balancen und realpolitischen Spielräumen. Beide Schwerpunkte spiegeln den Fokus traditioneller Konfliktforschungsansätze auf Machtpolitik, dem Ringen um materielle und ideelle Ressourcen und ihre Prämissen vermeintlich exogener, der menschlichen Natur inhärenter bzw. systemischer Gründe für staatliche und internationale Strukturen und Konfliktverläufe wider. Konstruktivistische, sozialpsychologische und noch mehr versöhnungsorientierte Ansätze – also Ansätze, die die sozioemotionalen Ursachen und Langzeitfolgen dieser Strukturen und Verläufe erklären – standen dabei, wie im im Forschungsstand aufgezeigt wird, lange im Hintergrund. Dabei sind sie – das soll im Folgenden veranschaulicht werden – notwendig, um die Tiefenschichten und Widersprüche greifbar zu machen, die maßgeblich dafür verantwortlich sind, dass auf Zypern seit Jahrzehnten ergebnislos (aber dennoch weiter-) verhandelt wird. Vor diesem Hintergrund lautet die Leitfrage der Forschungsarbeit: Welches sind die sozialpsychologischen Komponenten, die Unteilbarkeit grundsätzlich und im Fall des Zypernkonfliktes erklären und welche Bedingungen müssten erfüllt sein, um sie zu überwinden? In Orientierung an dieser Frage werden im Folgenden Forschungsdesign und methodologische bzw. epistemologische Prämissen erörtert, die Auswahl der folgenden Theoriekapitel begründet und eine zentrale Hypothese formuliert. Im darauffolgenden Abschnitt wird der Forschungsstand erörtert, der kurz die traditionellen Ansätze von Theorie und Empirie vorstellt, von denen sich die vorliegende Forschungsarbeit abgrenzt, um dann diejenigen Hauptwerke vorzustellen, auf denen die Arbeit zum einen wesentlich begründet ist und die zum anderen zum Grundstein eigener Überlegungen und empirischer Untersuchungen wurden. Damit soll abschließend der Mehrwert des eigenen Ansatzes aufgezeigt werden. Die Forschungsarbeit verfolgt in ihrem sozialpsychologischen Schwerpunkt den Anspruch, das theoriegeleitete Fallbeispiel Zypernkonflikt aus einer holistischen und kulturvermittelnden Perspektive zu beleuchten. Sie bedient sich deshalb neben sozialpsychologischer, auch politik-, sprach-, kulturwissenschaftlicher und anthropologischer Methoden. Damit steht sie in der Tradition alternativer Konfliktforschungs- und Konfliktlösungsansätze, denen die Prämisse gemeinsam ist, dass nur ein Ansatz, der die politisch-institutionelle Sphäre mit der sozialen und intersubjektiven Alltagswirklichkeit verbindet, nachhaltige und profunde Aussagen über die Wirkungsweise von Konflikten machen kann – insbesondere, wenn es sich um
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1 Einleitung
unteilbare und ethnozentrische Konflikte handelt. Politische Kulturen, Institutionen, institutionelle Praktiken und ihre Evolution können – so die Prämisse – nicht losgelöst von dieser Alltagwirklichkeit erklärt werden. Sie verweisen vielmehr auf das stetige Ineinanderwirken von Akteuren und Strukturen. Zu dieser Alltagswirklichkeit gehören nationale Identitäten mit ihren spezifischen Verhaltensnormen und tradierten Rollen für den Einzelnen sowie ein Fundus an gemeinsamen Glaubensgrundsätzen und Wissensbeständen, aus denen sich gemeinschaftliche Werte und Interessen ableiten. Diese möchte die Forschungsarbeit dabei „aus erster Hand“ erschließen und berücksichtigt dazu auch eine ganze Reihe von kulturellen Spezifika, die – das wurde der Verfasserin seit den ersten Forschungsaufenthalten bewusst – zentral für das Verständnis des zypriotischen Kulturraumes sind. Das betrifft zuallererst die Bedeutung von Geschichte. Schon in den ersten Tagen vor Ort fiel der Verfasserin die enorme Präsenz und Relevanz von erzählten Geschichten in einem engmaschigen und dynamischen sozialen Beziehungsgefüge auf. Ob im Taxi oder im Kaffeehaus, am Kiosk, in Bars oder am Wegesrand, wo Nachbarn des Viertels Agios Kassianos, in dem sie drei Monate lebte, ihre weißen Plastikstühle aufgestellt hatten und bei griechischem (bzw. türkischem oder zypriotischen) Mokka über Tagespolitik und die Vergangenheit debattierten: Überall standen lebhafte Geschichten, schmerzhafte, verdrängte oder nostalgische Erinnerungen verwoben mit den bekannten Eckdaten der Konfliktgeschichte im Vordergrund. Auffällig war auch der öffentliche Raum der Altstadt Nikosias. Beide Stadtteile sind gespickt mit Heldenund Märtyrer-Denkmälern, die das eigene Leid und die (zeitlose) Bösartigkeit des Anderen untermauern sollen. Im Süden sieht man die überdimensionale Statue des ersten zypriotischen Erzbischofs Makarios, der von einer Mehrheit als großer Staatsmann und märtyrerischer Kämpfer für die Belange der griechischen Zyprioten im bösen Spiel weltpolitischen Kräfteringens angesehen wird. An exponierter Stelle findet sich ein großes Denkmal der Befreiung vom „osmanischen Joch“ und in der Nähe eine Tafel mit den Namen gefallener griechischer Zyprioten aus den Konfliktjahren. Überall, insbesondere in der Nähe der Grenze findet sich die griechische gleich neben der zypriotischen Fahne. Im Norden sieht man als Pendant dazu die türkische neben der Fahne der „TRNZ“. Atatürks Konterfei ist an etlichen Stellen der Altstadt im Norden zu sehen. Darunter steht der Satz, den jedes türkische Schuldkind traditionell nach dem allmorgendlichen Gesang der Nationalhymne zitieren muss: Ne mutlu Türküm diyene („Glücklich ist derjenige, der sich ein Türke nennen darf“). Auch zu zahlreichen Feiertagen wird der Konfliktgeschichte in eindeutiger Schuldzuweisung gehuldigt. Sie wird in Festzügen zelebriert. Ihr werden Spielfilme und dramatische Lieder gewidmet. Sie ist – insbesondere, wenn es um die Legitimität gegenwärtiger politischer Forderungen in den laufenden Verhandlungen geht – exponiertes Dauerthema in Printmedien, politischen Talkshows und Informationssendungen. Alle zypriotischen Parteien definieren sich zuvorderst über ihre Haltung zum Zypernkonflikt, wie auf ihren Internetpräsenzen zu sehen ist. Dabei zeigen sich die linken Parteien zwar grundsätzlich internationaler und differenzierter in ihrer Geschichtsperspektive, als die dezidiert nationalistischen. Auch sie haben aber keine grundsätzliche Neuausrichtung der Zypernfrage initiiert. Der tendenziell monolithische Grundtenor von der eigenen Unschuld bleibt derselbe. Dies belegen die historisch-kritischen Arbeiten etlicher Zypernforscher, die die vorliegende Arbeit inspiriert haben (siehe Forschungsstand).
1.2 Forschungsdesign
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Ein anderer Aspekt, der zentral für das Selbstverständnis der griechischen Zyprioten zu sein scheint, ist weit weniger sichtbar (und erforscht), aber nicht minder relevant. Gleich zu Beginn ihres ersten Aufenthaltes beim Besuch einer Ausstellung zur griechischen Revolution – Gründungsmythos des modernen Griechenlands – und der Rolle Zyperns in dieser Revolution stach der Verfasserin die offenkundige Sehnsucht nach Zugehörigkeit zum Westen und zur Moderne ins Auge. Die gesamte Ausstellung schien auf zwei kulturellen Frames begründet: Zum einen dem Zerrbild eines rückständigen, repressiven und aggressiven Orients, zum anderen das Idealbild eines westlich-fortschrittlichen, von den Ideen der Aufklärung geleiteten modernen Griechenlands. Auferstanden aus den heiligen Knochen lautet die dritte Zeile der griechischen Nationalhymne und suggeriert, dass das heutige Griechenland gleichsam aus den verschütteten Tiefenschichten der Antike in die Neuzeit gehoben wurde. Dieses mächtige Sinnbild findet sich im griechischen und griechisch-zypriotischen Diskurs, wie zu zeigen sein wird, immer wieder: in Gedichten, in Gemälden, in Filmen oder in Büchern. Das idealisierte Bild Griechenlands und seine erfolgreiche Staatsgründung haben für die griechischen Zyprioten mit Blick auf den essenziellen Wunsch nach kultureller Zugehörigkeit zum Westen und nach staatlicher Augenhöhe – beides ist unzertrennlich mit der Kolonialvergangenheit Zyperns verknüpft – gleich eine doppelte Anziehungskraft. Etwas, das schließlich ebenfalls aus, wenn man so will, west- oder nordeuropäischer Sicht auffällig ist, ist die Dominanz ethnisch-religiöser Leitbilder in Form von Helden- oder Heiligenverehrung und die damit verbundenen rigiden Gender- und Altershierarchien. Persönlichkeiten aus Politik, Zeit- und mythischer Geschichte sind zumeist mahnende oder sich opfernde, in jedem Fall kämpferische junge und vor allem ältere Männer, deren gesprochenes Wort oder märtyrerische Taten als normative Vorbilder fungieren, die gegen jedwede Form von Kritik vehement verteidigt werden. Auch dies wurde der Verfasserin über eine erste Einsicht in Schulbücher und Ausstellungen zur Nationalgeschichte bewusst. Diese ersten Eindrücke sensibilisierten für die mannigfaltigen Facetten von Geschichte, ihre Funktion als Handlanger gegenwärtiger Interessen, für die enorme Relevanz ästhetisch geformter Großerzählungen und die Rolle von kultureller Zugehörigkeit und Abgrenzung.2 Der Kulturraum Zyperns ist der in Deutschland aufgewachsenen Verfasserin dabei aufgrund ihrer deutsch-griechischen Herkunft in Teilen bekannt, der griechisch-zypriotische Inselteil über ihre zweite Muttersprache direkt zugänglich. Dennoch warfen die erste Beschäftigung mit der Konfliktgeschichte und die ersten Forschungsaufenthalte etliche Fragen auf, die darauf deuten, dass das – bildlich gesprochen – theoretische Rüstzeug und die (möglicherweise doch
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Die Haltung der Verfasserin während der fünfjährigen Auseinandersetzung mit dem Zypernkonflikt war die einer selbstkritisch-reflexiven und vergleichenden Annäherung. Sie wurde flankiert durch Theorievertiefung und universitäre Lehrtätigkeit in ähnlichen Feldern, wie beispielsweise in den Gender- und Kulturtheorien der Friedens- und Konfliktforschung, in der Diskurstheorie und Populismusanalyse, in der Dekonstruktion der emotionalen, ethischen und rechtlichen Herausforderungen von Konflikt- und Postkonfliktgesellschaften am Beispiel des Nahostkonfliktes, des ehm. Jugoslawien und Südafrikas, den Dynamiken von Politik, Wirtschaft, Exklusion und Identität in der Alltagswirklichkeit geteilter Städte (am Beispiel von Berlin, Nikosia, Jerusalem, Belfast und Mostar), dem globalen Phänomen von „Enforced Disappearance“ oder etwa der Lehre von Formen und Divergenzen von Erinnerungskulturen am Beispiel des doppelten deutschen Gedächtnisses. Immer beinhaltete die Lehre neben profunder Theorie auch Praxisnähe durch studentische Feldforschung, Exkursionen und Gespräche mit einschlägigen Experten oder Zeitzeugen.
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1 Einleitung
mitteleuropäischen) Prämissen, mit denen die Verfasserin zunächst auf die Insel reiste, zu einem Teil an der Lebenswirklichkeit des Konfliktes vorbeigingen. Während ihrer Magisterarbeit über den Zypernkonflikt hatte sich die Verfasserin primär mit Fragen nach der Ergründung gemeinsamer kultureller Wurzeln der Zyprioten und mit Chancen eines bestmöglichen Powersharing-Systems beschäftigt. Beide Ansätze unterliegen derselben, wenn man so will, kulturessentialistischen und rationalen Grundidee: Wenn die Zyprioten nur zum einen ihre Gemeinsamkeiten (wieder) entdecken würden (derer es in der Tat viele gibt!) und man zum anderen ihre Interessen in einem möglichst gerechten politischen Repräsentationssystem (Konkordanzmodel) miteinander in Einklang bringen könnte, müsste doch eine Wiedervereinigung möglich sein. Im Verlauf der theoretischen wie empirischen Auseinandersetzung mit interethnischen und unteilbaren Konflikten reifte ein Verständnis für die Relativität, Wandelbarkeit und Subjektivität von Identitäten, Zugehörigkeiten und verbundenen Interessen. Sie wurde zunächst wesentlich durch eine Reihe von Irritationen motiviert, die erste Forschungsaufenthalte auf der Insel mit sich brachten. Sie verweisen auf vier Aspekte von Unteilbarkeit (intractability), die das eigenartige Ausderzeitgefallensein, die hartnäckige Dauerpräsenz des Konfliktes und die scheinbare Unverhandelbarkeit seiner Positionen begründen. So ist der Konflikt selbst erstens im Alltag kaum greifbar. Seit 1974 ist er faktisch auf Eis, einen Zwischenfall von 1996 ausgenommen absolut gewaltfrei (frozen conflict). Im Alltag wirkt er nur über soziale Erzählungen, institutionalisierte Erinnerung und ritualisierte Praxis nach. Während sich der Nahostkonflikt beispielsweise bis heute durch ein hohes Maß an militärischer Konfrontation, dringliche Sicherheitsfragen, soziale Not und nur wenige, kurze Perioden politischer Verhandlungen bzw. erklärter Verhandlungsbereitschaft auszeichnet, scheinen die politischen Eliten auf Zypern seit dem Jahr seiner Teilung durchgehend um eine Wiedervereinigung bemüht. Seit 1975 sind der Süden, seit 2003 der Norden zudem zunehmend zu blühenden Tourismuszentren geworden. Die Spuren des Konfliktes sind für diejenigen, die sich nicht für Heldendenkmäler interessieren, die hiesigen Sprachen nicht verstehen und sich im Norden nicht an den dann und wann durch die Straßen patrouillierenden Soldaten stören lassen, nicht präsent. Jedenfalls hegen die Massen von Touristen, die in Agia Nappa am Strand verweilen, die Kulturgüter von Pathos bestaunen oder von großen Reiseveranstaltern in Bussen durch die Küstenorte und antiken Relikte des Nordens gefahren werden, keinerlei Sicherheitsbedenken. Zwar kann man keine Pauschalreise durch beide Inselteile buchen. Die interne Grenze ist aber für Touristen und Einheimische zumeist problemlos zu Fuß oder mit dem PKW passierbar. Vor diesem Hintergrund erscheinen die UN-Blauhelme, die bereits seit 1963 im Rahmen der UNFICYP auf der Insel stationiert sind, völlig obsolet. Dennoch ist die Grenze da – für die griechischen Zyprioten vor allem mental. So empfand die Verfasserin zweitens einen Widerspruch zwischen politischer Haltung und Alltagspraxis. Die griechischen Zyprioten (wie auch die internationale Gemeinschaft) erkennen den Norden als staatliche Entität und auch die Grenze nicht an und fordern vehement den Abzug der türkischen Armee. Sie betrachten die Grenze damit als Provisorium. Das sticht bei einem Spaziergang entlang des Sperrgebietes der Hauptstadt von griechisch-zypriotischer Seite ins Auge. An etlichen Stellen ist der Übergang zur Pufferzone nur mit rostenden Fässern verschlossen, durch bereits massiv geschädigte Zäune oder lediglich durch Warnschilder gekennzeichnet. Er ist da-
1.2 Forschungsdesign
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mit viel durchlässiger als die Grenze vom Norden her, die durch hohe rundum bewachte Betonmauern und Militär verschlossen ist. Vor diesem Hintergrund wäre zu erwarten, dass die griechischen Zyprioten den Norden bereisen, wann und wo sie nur können oder Kooperationen aller Art (etwa wissenschaftliche Gemeinschaftsprojekte, wirtschaftliche Zusammenarbeit, soziale oder Umweltprojekte) begründen, um Vertrauen zu schaffen, die faktische Annäherung zu stärken und damit der Teilung auf allen Ebenen entgegenzuwirken. Ganz im Gegenteil aber passiert eine Mehrheit der griechischen Zyprioten unter Verweis auf die Nicht-Anerkennung des De-Facto-Staates die Grenze nicht und kritisiert eine Minderheit, die es tut. Jedwede Form von Kooperation mit dem Norden – auch und vor allem friedenspolitische Versöhnungsprojekte! – werden als Gefahr für seine implizite völkerrechtliche Aufwertung und damit als unethisch und kontraproduktiv für die eigene, einheitliche Frontstellung gegenüber dem Status quo angesehen. Hier findet sich eine offenkundige Parallele zum Nahostkonflikt, genauer zu den Palästinensern im Sinne ihrer mit den griechischen Zyprioten vergleichbaren Asymmetrie der nationalen Erfüllung gegenüber den Israelis. Sie rührt aus einer grundlegenden Zwangslage der verhandlungstechnisch unterlegenen Seite, die eine Veränderung der gegenwärtigen Verhältnisse anstrebt. Denn in beiden Konflikten scheint diejenige Seite gleichsam einen „Standortvorteil“ zu besitzen, die den Status quo aufrechterhalten will – wenn sie die militärischen Mittel dazu besitzt. Die unterlegene Gegenseite hat (wenn auch realpolitisch in sehr beschränktem Maße) die Möglichkeit der offenen Konfrontation, die erwartungsgemäß Gegenreaktionen hervorrufen muss und damit faktisch die Bruchlinien verschärft, die sie zu überwunden trachtet. Oder sie akzeptiert den Status quo und strebt nach Annäherung durch staatsrechtliche Anerkennung des Anderen und Pflege guter politischer und Alltagsbeziehungen. Doch auch dies birgt die Gefahr einer (internationalen) Konsolidierung der ungewollten Situation, wenn sie als Akzeptanz ausgelegt wird. Aus diesem Grund wählen die griechischen Zyprioten den Weg der internationalen Diplomatie bei passiver Frontstellung im Inneren: Immer wieder wird die Unrechtmäßigkeit der Inselteilung unterstrichen und die internationale Gemeinschaft zum Handeln aufgerufen. Zugleich aber wachsen die beiden Gemeinschaften – durch das Fehlen jedweder Form von institutionellem Austausch und Zusammenarbeit – mit jedem Jahr weiter auseinander. Die Generationen, die sich an das interethnische Zusammenleben erinnern, werden immer älter. Ihre Nachkommen wachsen im geteilten Zypern auf und betrachten dies als Normalität. Dieses anfangs als irritierender Widerspruch wahrgenomme, später als realpolitisches und psychologisches Dilemma erkannte Problem könnte man pointiert mit den Worten umschreiben: Die griechischen Zyprioten fordern lautstark Tear down this wall!, während sie in jedweder öffentlichen Äußerung und Tat tunlichst darauf bedacht sind, die Existenz dieser Mauer zu unterstreichen. Im Laufe der Arbeit wird auf dieses Dilemma und seine soziopsychologischen Facetten immer wieder zurückzukommen sein. Eine dritte Irritation resultierte aus den faktisch völlig unvereinbaren Konfliktgeschichten. Nach ersten Interviews mit politischen Repräsentanten fragte man sich, ob überhaupt vom selben Konflikt die Rede war. Dabei schien der Grundtenor beider Seiten indes genau gleich: Die eigene Gemeinschaft wurde als unschuldiges Opfer übermächtiger äußerer Agression dargestellt. Die jeweiligen Perspektiven wurden mit reichhaltigen Daten und Fakten untermauert, zu denen Verschwörungspläne, Massaker und tägliche Diskriminierung gehörten. Dabei wurde
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immer wieder die Notwendigkeit der „Wahrheitsfindung“, „Wahrheitsbewahrung“ und die Gefahr der „Wahrheitsverzerrung“ unterstrichen – Phrasen, die im politischen Diskurs beider Seiten allgegenwärtig sind. Naturgemäß frage man sich unter diesen Umständen zunächst: Wer hatte mehr, wer weniger Recht? Wo lag die historische Wahrheit oder zumindest ihre Schnittmenge? Wer hatte welches Interesse, sie zu verdecken? Es bedurfte eines erst allmählich einsetzenden ontologischen und damit auch epistemologischen Paradigmenwechsels, um zu verstehen, dass genau jenes monolithische Wahrheitsverständnis essenzieller Bestandteil der Unteilbarkeit des Zypernkonfliktes ist – ein Wahrheitsverständnis, in dem Subjektivität, Befindlichkeit und Identität völlig ausgeblendet werden. Diese Einsicht mag für manchen kultursensiblen Feldforscher im Bereich interethnischer Konflikte eine Selbstverständlichkeit sein. Man braucht indes nur auf das Groß der Zypernforschung (siehe Forschungsstand) und vor allem auf die Verhandlungsschwerpunkte der internationalen Diplomatie zu schauen, um zu sehen, dass dort ein rationalistisches Paradigma vorherrschend ist. Ein nahezu ausschließlicher Fokus auf historischen Fakten und den sich daraus abgeleiteten, zu verhandelnden Territorial- und Repräsentationsfragen aber spart zum einen die sozialpsychologische Tiefendimension, zum anderen die daraus resultierenden strategischen Interessen aus, die den Blick der Konfliktparteien auf die jeweilige „Sachlage“ entscheidend prägen. Schon Friedrich Nietzsche hatte zurecht bekundet: Alles Sehen und Erkennen ist perspektivisch. Im Zeitalter der widerstreitenden Fakten und Fakenews bzw. der „alternativen Fakten“, wie es jüngst US-Präsident Donald Trumps leitende Wahlkampfstrategin Kellyanne Conway formulierte, scheint es umso wichtiger, genauer auf eben jene Befindlichkeiten, Weltbilder und Interessen zu schauen. Denn diese movieren erst die Auswahl bestimmter Fakten, die allein der Untermauerung der eigenen Rechtmäßigkeit dienen. Diese Einsicht sollte die spätere Tiefenanalyse der politischen Diskurse motivieren und begleiten. Aufschlussreich, wenn auch ernüchternd, erschienen in diesem Sinne die formellen und informellen Gespräche mit Wissenschaftlern und Aktivisten, von denen sich etliche pessimistisch bis zynisch zu den Lösungschancen des Konfliktes äußerten. Der Zypernkonflikt würde unter den gegebenen Bedingungen wohl kaum gelöst werden. Außerdem, so fügten sie hinzu, sei über ihn schon so viel geschrieben worden, dass man wohl kaum etwas Neues würde beisteuern können. Implizit schien dabei die Botschaft mitzuschwingen, man müsse sich als externer Forscher erst einmal en detail mit den Lebenswirklichkeiten und Widersprüchlichkeiten des Konfliktalltags auseinandersetzen, bevor man den Anspruch erheben könne, einen Beitrag zum Verständnis, geschweige denn zur Lösung des Konfliktes zu leisten (Papadakis 2012; Mavratsas 2012). Der Zypernkonflikt scheint in der Tat – das belegen vor allem die zahlreichen englischen und griechischen Publikationen – zu einem attraktiven Feld für die Konfliktforschung selbst geworden zu sein. Viele internationale Wissenschaftler kommen auf die Insel und befragen die Hiesigen. Ganze Wissenschaftsprofile und Karrieren haben sich auf der Analyse des Zypernkonfliktes begründet. Der so aufgeworfene Eindruck des ersten Forschungsaufenthaltes verfestigte sich über die Jahre durch zahlreiche weitere informelle Kontakte und Gespräche. Dazu gehörten beispielsweise die Gespräche mit dem Ehepaar Savvas Christofides und Christina Koutsavaki, die der Verfasserin für einige Monate ein Zimmer nahe der Grenze in der Altstadt Nikosias (Agios Kassianos) vermieteten. Auf der Straße vor ihrem Haus – ein Treff-
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punkt der gesamten Nachbarschaft – wurde leidenschaftlich über die tabuisierte, heiße Konfliktzeit der 1960er und 1970er Jahre diskutiert, wurde von Terror, Angst und politischer Konfrontation berichtet und die immer gleiche Rhetorik der politischen Führungen von der angeblich kurz bevorstehenden Lösung bemängelt. Besuche der sog. „Museen des nationalen Kampfes“ beider Inselteile oder die Teilnahme an Liturgien, in denen der orthodoxe Priester Geduld und den Glauben an die Rückerlangung der verlorenen Heimat anmahnte, ließen die Erkenntnis reifen, dass das monolithisch-investigative Wahrheitsverständnis und die aus diesem Verständnis resultierenden Maximalansprüche beider Seiten nicht nur Folge, sondern vor allem Ursache für die Unteilbarkeit des Konfliktes sind. Daraus resultierte die Entscheidung, in der vorliegenden Arbeit einen Schwerpunkt auf Geschichtsverständnis und Geschichtsvermittlung zu legen. Geschichte auf Zypern ist (wie in den meisten anderen Nationen zu unterschiedlichem Grad) eine in erster Linie auswendig zu lernende und nicht zu hinterfragende Monumentalgeschichte mit einem engen Fokus auf Großereignissen, Kampf, Gefahr und Nationalhelden. Dabei präsentieren die dominanten Diskurse beider Seiten die jeweils andere als einzigen historischen Aggressor, der mit manipulativen Mitteln seine expansionistischen Ziele über das eigene Territorium zu verwirklichen sucht. Hier spielt die orthodoxe Kirche, die ihre absolute Deutungshoheit in der Verquickung theologischer Botschaften mit der National- und Konfliktgeschichte begründet, eine exponierte Rolle. So entsteht das Gesamtbild eines sprichwörtlichen Kampfes der Kulturen zweier Völker mit ihren vermeintlich unvereinbaren Wesenszügen und konkurrierenden Interessen. Die Folge sind Entfremdung und wechselseitige Ressentiments, die eine Annäherung und vor allem den Willen zum Kompromiss schmälern. Der exklusiv-aggressive Nationalismus der Mutterländer ist damit ein zentrales Merkmal für das Verständnis der zypriotischen Binnenperspektiven. Die Konflikt- und Gewaltgeschichte der Mutterländer – das jedenfalls suggerieren die dominanten zypriotischen Narrative – scheint sich außerdem, wie einleitend erwähnt, en miniature auf Zypern wiederholt zu haben: Während die griechischen Zyprioten ausschließlich an die türkische Intervention und das mit ihr verbundene Leid erinnern und sie als Resultat lang gehegter Teilungsabsichten darstellen, erinnern die türkischen Zyprioten ausschließlich an die Diskriminierung und Gewalt der 1960er Jahre, die sie wiederum als Resultat eines strategischen Planes zur politischen Entmündigung, ja teils sogar zum Völkermord seitens der griechischen Zyprioten ansehen, um den Anschluss an Griechenland zu realisieren. Ganz besonders die Geschichtsbücher sind darum bemüht, der eigenen Jugend ein gleichsam glatt geschliffenes, bequemes Bild der eigenen Gemeinschaft zu vermitteln, das etwaige Schuldfragen ausklammert. Die intra-, wie die interkommunale Gewalt liegt so wie ein Schatten über beiden Inselteilen. So verwundert es nicht, dass es jenseits der selektiven Zurschaustellung der eigenen Opferrolle auch an strafrechtlicher wie symbolischer Aufarbeitung der massiven Menschenrechtsverletzungen der Konfliktjahre fehlt. Monolithisches Geschichts- und Konfliktnarrativ, die weder materielle noch ideelle Anerkennung von Leid und die, wenn man so will, realpolitische Schwäche den Status Quo im Sinne der eigenen Forderungen zu revidieren, verstärken in der griechisch-zypriotischen Bevölkerung die Empfindung von Unrecht und Demütigung. Dies sind – in einleitender Zusammenfassung – die sozioemotionalen und versöhnungsrelevanten Faktoren, die ein Einlenken in der Zypernfrage zu behindern scheinen.
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Die Frustrationen, Sorgen und Projektionen erscheinen – hier kommt die strategische Dimension der Unteilbarkeit des Zypernkonfliktes zum Tragen – leicht für machtpolitische Zwecke nutzbar. Die politischen Diskurse um Konfliktgeschichte und Verhandlungspositionen zeugen denn auch von beeindruckender Statik: Vehement werden von einer Mehrheit der politischen Akteure die maximale Umsetzung der eigenen Forderungen verlangt, interne Kritiker als Gefahr für den inneren Zusammenhalt delegitimiert und unter Verweis auf die nationale Frage Konformität eingefordert. Zur politischen Praxis gehört dabei, wie einleitend erwähnt, die theoretische wie praktische Nicht-Anerkennung des Nordens: Unter Verweis auf die Unrechtmäßigkeit des De-facto-Regimes wird jedwede Form institutioneller Kooperation (z.B. zwischen Schulen oder Universitäten) mit Blick auf die Gefahr einer völkerrechtlichen Aufwertung Nordzypern von Regierungsseite zurückgewiesen, werden die Bürger angehalten, den Norden nicht zu bereisen und wenn sie es doch tun, dort kein Geld auszugeben. Auch bi-kommunale Aktivitäten der Zivilgesellschaft werden vor diesem Hintergrund scharf kritisiert. So verweilen große Teile der beiden Gemeinschaften in alltäglicher Distanz zueinander: Weder institutionell noch individuell kann so Vergangenheitsbewältigung und sozioemotionale Annäherung erfolgen. Das Gebaren der Politik wird deshalb von etlichen Beobachtern als Obstruktionsstrategie angesehen (spoiling). Politikern beider Seiten wird unterstellt, kein genuines Interesse an einer Überwindung des Konfliktes zu haben, da mit ihr machtpolitische Einbußen verbunden wären. Welche Chancen, welche Hindernisse bestehen damit für eine Beilegung? Ein Blick auf die widersprüchlichen Ebenen einer Alltagskultur, die gleichsam lieb gewonnene „Konfliktidentität“, die mit dem Schwebezustand, seinen Diskursen und parteipolitischen Rivalitäten verbunden ist, wirft die Frage auf, ob der Konflikt nicht zu bequem geworden ist, als dass man den sprichwörtlichen Schritt ins Ungewisse riskieren würde. Kritische Bilanzen derer, die durch ihre Kritik am gesellschaftlichen Tenor und durch ihr friedenspolitisches Engagement selbst zur Zielscheibe von Vorwürfen und Anfeindungen geworden sind, deuten auf die neuralgischen Punkte der Mehrheitsgesellschaft: Zu ihnen gehören, so scheint es, der tief mit der Kolonialgeschichte verankerte Argwohn gegenüber dem Einfluss externer Akteure, der die Konjunktur von Verschwörungsszenarien erklärt, das Bedürfnis nach staatlicher und kultureller Augenhöhe und Frustration über die realpolitische Schwäche. Gemeinsam mit den monolithischen Narrativen und den aufgearbeiteten Traumata aus Gewalt, Verlust und Vertreibung verfestigt die so konstituierte sozioemotionale Infrastruktur (Bar-Tal) die Empfindung von Unrecht und Benachteiligung, was wiederum das Beharren auf Maximalpositionen motiviert. Diesen, wenn man so will, Teufelskreis zu durchbrechen trachtet die friedenspolitisch engagierte Minderheit auf beiden Seiten der Grenze, die sich der Nicht-Anerkennungspraxis widersetzt, die exklusiven Narrative infrage stellt und für Empathie und Reflexion wirbt. Ihre Arbeit selbst wie auch ihr gesamtgesellschaftliches Echo sind damit, wie die Anthropologie besagt, ein Negativbild der Mehrheitsgesellschaft.
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Theoretisches Fundament der Forschungsarbeit und Hypothese
Die empirische Auswahl der für die Ergründung der zypriotischen Unteilbarkeit relevanten Dimensionen leitet sich aus der Theorie der unteilbaren, interethnischen Konflikte (Intractable Conflicts) als kollektivem Referenzrahmen ab (Kapitel 3). Vier als zentral erachtete Elemente der Unteilbarkeitsforschung wurden dabei mit einem sozialpsychologischen Verständnis der Nation, verstanden als kollektivem, kognitiv-affektivem Vorstellungsraum von Sinnstiftung und Zugehörigkeit, zusammengeführt (Kapitel 8). Unteilbarkeit und Nation bilden die beiden Rahmenkapitel der theoretischen Erörterung der als zentral erscheinenden Komponenten von ethnonationalistischer Unteilbarkeit. Ihnen zwischengelagert sind Erörterungen der Funktionsweise sozialer Identität (Kapitel 4), dem Ineinanderwirken von Kognition und Emotion (Kapitel 5), diskursiver Realitätskonstruktion (Kapitel 6), sowie den Formen und Ebenen von Erinnerung (Kapitel 7). Gemeinsam konstituieren sie die wesentliche Wirkmacht des ethnisch-exklusiven nationalen Vorstellungsraumes, der massiv identitätsstiftend ist, große Emotionen hervorruft, sich über mächtige Sprachbilder konstituiert und auf ästhetischen Erinnerungen begündet ist. Jedes Kapitel vereint dabei human- wie sozialwissenschaftliche Konzepte. Diese Entscheidung ist der in der Konfliktforschung zunehmend geteilten Prämisse geschuldet, dass Konflikte auf der kollektiven Ebene in zentralen Aspekten mit inner- und zwischenmenschlichen Konflikten vergleichbar sind. Ja, erst durch den Vergleich mit der individuellen und sozialen Ebene scheinen viele als vermeintlich vom Menschen losgelöste gesellschaftliche Mechanismen greifbar. Mögen ihre Formen und Ausdruckweisen sich in Abhängigkeit vom Grad ihrer Institutionalisierung unterscheiden, verweisen sie doch auf elementare Bestandteile psychischer wie sozialer Mechanismen: Gestörte und entfremdete Beziehungen finden sich auf der zwischenmenschlichen, auf der Gruppen- wie auf der nationalen und internationalen Ebene. Im Kleinen wie im Großen können sie dabei auf verschleppte Missverständnisse und Frustration oder auf die Unfähigkeit verweisen, eine gemeinsame Sprache zu finden, auf Neurosen, vergangene Kränkungen und unausgesprochene Vorwürfe, die jede Kommunikation zu einem sprichwörtlichen Minenfeld werden lassen, in der ein „falsches“ Wort zur emotionalen Explosion führen kann. Um die Menschlichkeit internationaler und zwischenstaatlicher Beziehungen, wie sie Teile der politisch-psychologischen und sozialkonstruktivistischen Forschung vehement vertreten (Coleman 2006 und Beck 2000) sichtbar zu machen und zugleich dem Vorwurf der mangelnden Messbarkeit zu begegnen, mit dem sich die qualitative Analyse sozial-, insbesondere politikwissenschaftlicher Phänomene in der Konfliktforschung konfrontiert sieht, greifen die Erörterungen der Kapitel 4 - 7 explizit auf human- und sozialwissenschaftliche Befunde zurück. Der Aufbau der einzelnen Kapitel sei im Folgenden erläutert. Kapitel 3, „Rien ne va lus: Die Komponenten von Unteilbarkeit“, erörtert die kommunikations- bzw. sozialpsychologischen und institutionellen Mechanismen von Unteilbarkeit in einleitender und zusammenfassender Perspektive. Dabei sollen zunächst die kommunikationspsychologischen Konzepte der gestörten, asymmetrischen und komplementären Beziehung untersucht und demonstriert werden, dass Unteilbarkeit essenziell mit destruktiven Beziehungsformen und ihrem charakteristischen Scheitern von Verständigung zu tun hat. Alsdann werden die Kernbestandteile unteilbarer Konflikte auf inner- und zwischenstaatlicher Ebene erläutert.
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Hier soll erstens aufgezeigt werden, dass sich Unteilbarkeit als Konfliktspezifikum über kontinuierliche Brisanz und Universalität der Konfliktthemen konstituiert, die aus einem zumeist Jahrzehnte langen Ringen um unerfüllte Grundbedürfnisse und Identitäten resultieren und die Lebenswirklichkeiten ganzer Gemeinschaften definieren. Um diese zu verstehen, so soll untermauert werden, bedarf es einer interdisziplinären Erörterung der Konfliktinnenansicht, zugehöriger Glaubensgrundsätze, Erinnerungen und Emotionen. Zweitens soll vor dem Hintergrund der empirischen Ausrichtung der Forschungsarbeit erörtert werden, dass Unteilbarkeit nicht notwendigerweise mit Gewalt und wiederkehrender Eskalation verbunden sein muss, sondern dass eine Reihe von kognitiven, sozioemotionalen wie institutionellen Mechanismen zur Konfliktverhärtung beitragen können – obgleich bzw. gerade weil die Konfliktparteien wenig direkt interagieren. Nachdem die zentralen Komponenten unteilbarer Konflikte einleitend erörtert wurden, analysiert Kapitel 4, „Unus pro omnibus: Die Macht kollektiver Selbstbilder“ Identitäten als erster Komponente von Unteilbarkeit. Ziel des Kapitels ist es, aufzuzeigen, dass Identitäten insbesondere im Krisenkontext und in ethnischen Rivalitäten zu einem mächtigen Instrument für innere Einheit (Konformität) und äußere Abgrenzung (Konfrontation) werden können. Um das herzuleiten, wird erörtert, wie sehr Identitäten ursächlich mit der Wahrnehmung der sozialen Lebenswelt, mit Bedürfnissen nach Sinn, Selbstachtung und Zugehörigkeit verbunden sind und damit als essenzielle Bindemasse von Gemeinschaft fungieren. Identitäten, dass soll veranschaulicht werden, sind nicht etwa ein statisches Aushängeschild des Einzelnen, sondern werden durch identitätsbasierte Kollektive wirkmächtig reguliert. In dem Maße nämlich, wie der Einzelne sich einer Gruppe verbunden fühlt, übernimmt er – so belegen kognitionspsychologische Befunde – Wahrnehmung, Einstellungen und Emotionen dieser Gruppe, verschmelzen Glaubensgrundsätze und Werte der Gruppe mit den eigenen. Über die soziale Interaktion werden Identitäten damit zu Sinnbildern von Normen, Zielen und ganzen Weltbildern einer Gemeinschaft, an denen sich der Einzelne orientiert. Ihre eigentliche Kraft entfalten sie dabei durch die vermeintliche Selbstverständlichkeit der Kategorien, die sie konstituieren. Vor allem im Hinblick auf die Naturalisierung ethnischer Zugehörigkeit im Zypernkonflikt unterstreichen sie damit die Wirkmacht von Gemeinschaft und Exklusion. Fest mit Identitäten verwoben und für den Krisenkontext ebenso essenziell sind Emotionen – eine bisher weitgehend vernachlässigte Komponente in der politikwissenschaftlichen Konfliktforschung. Kapitel 5, „Mit kühlem Kopf? Emotionen in unteilbaren Konflikten“, möchte vor diesem Hintergrund die zweite als zentral erachtete Komponente von Unteilbarkeit erörtern. Es soll aufzeigen, dass auch Emotionen (wie Identitäten) erstens als Ausdruck tiefer Bedürfnisse und Kolorit sozialer Bindungen ursächlich für gemeinschaftlichen Zusammenhalt verantwortlich sind, zweitens ebenso sozialhomogenisierende Wirkung entfalten und damit zum mächtigen Konformitätsinstrument werden können und drittens ebenfalls Ausdruck und Sinnbild kollektiver Rollen und Normen sein können. Im Unterschied zu Identitäten, die als Konzept zwar beschrieben, erklärt, vermittelt und dargestellt, aber in letzter Instanz nicht gemessen werden können, sind Emotionen Kernbestandteil neurologischer, kognitions-, verhaltens-, wie sozialpsychologischer Forschung. Sie können in Gehirnströmen, in Erregungszuständen (arousal), in Gestik, Mimik und Haltung erfasst werden und haben – so belegen kognitionspsychologische Experimente – einen deutlichen Einfluss auf Wahrnehmung, Erinnerung
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und Tat. Mehr noch als Identitäten sind Emotionen in medizinisch-pathologischen und humanwissenschaftlichen Kontexten mit der Analyse von Krisenzuständen verbunden. Für das vorliegende Erkenntnisinteresse ist dabei zuvorderst die Rolle von Konfliktemotionen relevant: Dazu gehören die emotionalen Reaktionen auf physische und strukturelle Gewalt wie auch verschleppte (intractable!) Zustände von verdrängten und verwickelten Schuld- und Leidzuständen, die – das soll aufgezeigt werden – maßgeblich zur Perpetuierung von Konfliktstrukturen beitragen können. Um die disziplinäre Brücke zwischen den Human- und Sozialwissenschaften zu schlagen, werden zunächst – ebenso wie im vorangehenden Kapitel – der soziale Charakter von Emotionen erörtert und die vielfältigen Formen ihrer kollektiven Expression nachgezeichnet. Aus konflikttheoretischer und kultursoziologischer Perspektive erscheint dabei besonders wichtig, ihren zentralen Einfluss auf (insbesondere Gender-) Identitäten und normative soziale Repräsentationen des kollektiven Leidensnarrativs sichtbar zu machen. Da Emotionen also gleichsam die „doppelte Blackbox“ von Gesellschaft und Psyche zu beleuchten vermögen, wird ihnen mit Blick auf die bewusst umfassende empirische Erfassung der zypriotischen Alltagswirklichkeit ein besonderer Stellenwert beigemessen. Als dritter Komponente der Unteilbarkeitsanalyse und zugleich als wesentlicher Referenzpunkt für die methodische Ausrichtung der Forschungsarbeit erörtert Kapitel 6 die alltagsweltliche Wirkung von Sprache. Sie wird unter dem Titel „Im Anfang war das Wort: Die Macht diskursiver Realitätskonstruktion“ – ebenfalls mit interdisziplinärem Bezug – über das Framingkonzept als einer Leitmetapher der Sozialpsychologie und über eine kompakte Erörterung populistischer Medienstrategien hergeleitet. Beides soll mit Blick auf die empirische Medienanalyse die Selektions- und Interpretationsmechanismen von Sprache als effektivem, machtpolitischem Instrument veranschaulichen. Alsdann werden im Rekurs auf Foucault die Kernkonzepte der Diskurstheorie als Basis der kritischen Diskursanalyse (KDA) und damit das trianguläre Verhältnis von Macht, Wissen und Wahrheit erörtert. Dabei geht es darum, sichtbar zu machen, dass Sprache im Kleinen (Metaphern, Slogans, Symbole) wie im Großen (assoziative Verknüpfungen, Kollektivsymboliken) limitierte Räume absoluter Deutungshoheit kreiert. Der vermeintlich universelle Geltungsanspruch sprachlicher Etikette einer außersprachlichen Wirklichkeit, wie auch ihr Radikalisierungspotential werden durch Sprachspiele wie auch durch gegenwärtige Exempel populistischer Dehumanisierung illustriert. Schließlich soll in Orientierung an Foucaults Dreiebenenanalyse – dem Diskurs, der diskursiven Praxis und dem Dispositiv – aufgezeigt werden, wie Sprache und institutionelle Praxis ineinanderwirken bzw. wie sich implizite Leitideen in unterschiedlichen Formen und Ebenen der sozialen Wirklichkeit manifestieren und Handlung leiten. Auch die Diskurstheorie begründet damit – wie en detail zu erörtern sein wird – den interdisziplinären Zugang der empirischen Analyse der zypriotischen Konfliktdiskurse. Die vierte ausgewählte Komponente von Unteilbarkeit ist das kollektive Gedächtnis. Es wird in Kapitel 7, „Allgegenwärtige Vergangenheit: Das kollektive Gedächtnis“ erörtert. Da die sichtbaren und benannten, wie auch die unsichtbaren bzw. unausgesprochenen und verdrängten Komponenten der Konfliktgeschichte in unteilbaren Konflikten sowohl für das tiefenpsychologische Verständnis von Schuld, Leid und Projektion wie auch für politische Legitimitätsstrategien eine zentrale Rolle spielen, wird Erinnerung ebenfalls aus individual- wie sozial-
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psychologischer Perspektive erörtert. Wie in der Analyse von Identitäten, Emotionen und Diskursen soll auch hier zuvorderst die Relevanz der sozialen Lebenswelt als Referenzpunkt für individuelle und kollektive Erinnerung untermauert werden. Aufgrund der sozialpsychologischen Ausrichtung der Forschungsarbeit wird dabei der ästhetischen Form dieser Erinnerungen und damit ihrem sinnstiftenden und emotionalen Gehalt ein zentraler Stellenwert beigemessen. Dabei werden zunächst die Selektions- und Konstruktionsmechanismen individueller, sozialer und institutioneller Erinnerung und damit die beiden Pfeiler des kollektiven Gedächtnisses – die lebendige, erzählte und dynamische im Vergleich zur statischeren, repräsentativen und überlieferten Erinnerung – aufgezeigt. Im zweiten Teil des Kapitels soll im Sinne einer Formfits-function-Prämisse illustriert werden, welch bedeutende Rolle die sorgfältige Auswahl, Präsentation und die narrative Form der Erinnerungselemente für ihre sozioemotionale Wirkung besitzen. Drei Bereiche, die im empirischen Teil in Beziehung gesetzt werden, wurden dafür ausgewählt: Institutionelle Geschichte, autobiographische Erinnerung (Oral History) und die Spuren des öffentlichen Raumes. Alle Ebenen und Formen gemeinsam vermögen den Grad an Kohärenz bzw. Divergenz und kritischer Reflexion von Erinnerung aufzuzeigen und damit Aussagen über den Grad der Vergangenheitsbewältigung und die Chancen einer Konfliktbeilegung zu machen. Als letzte Komponente von Unteilbarkeit in ethnozentrischen Konflikten wird die Idee der primordialen Nationalgemeinschaft erörtert. Kapitel 8, „Heimat, Familie, Unsterblichkeit: Von der Anziehungskraft des Nationalen“, setzt dabei – ebenfalls aus sozialpsychologischer Perspektive – einen Fokus auf den kognitiv-affektiven Vorstellungsraum, der die Nation historisch möglich und insbesondere ihre ethnische Variante (seither) wirkmächtig macht(e). Dabei sollen in historischer Perspektive erstens die inhärente Ambivalenz der Nation als „modernem Janus“ (Nairn) mit fortschrittsorientiert-egalitärem wie rückwärtsgewandt-exklusivem Anspruch erörtert werden. Zweitens sollen die Bedingungen und die Motivationen untersucht werden, die die Vorstellung der primordialen Nationalgemeinschaft attraktiv, opportun und – durch retrospektive Konstruktion vermeintlich gegebener Charakteristika ihrer Mitglieder – selbstverständlich machte. Dabei wird zu veranschaulichen sein, dass die Transformation der ursprünglichen aufklärerisch-staatsbürgerrechtlichen Idee zu einer zunehmend aggressiv-exklusiven, teils rassistischen und auf gemeinsamem, historischem Erbe begründeten Vorstellung vor allem ein effektives machtpolitisches Instrument war, insofern sie eine populäre Antwort auf die sozialen und ideellen Umbrüche der Moderne lieferte – insbesondere für diejenigen, die mit dem Gefühl zurückblieben, von ihrem Fortschritts- und Teilhabeversprechen nicht zu profitieren. Mit Blick auf die Erörterung des Zypernkonfliktes sollen so die emotionale Strahlkraft des Nationalismus und seine enge Verbindung zu Bedürfnissen nach Sinn, Zugehörigkeit und Ermächtigung unterstrichen werden. Schließlich soll die zeitlose Wirkmacht des Nationalen durch seinen quasi-religiösen Anspruch illustriert werden. Das Kapitel rahmen kompakte Referenzen auf gegenwärtige Formen und Kontroversen nationaler (Rück-) Besinnung. In seinem Fokus auf historischer Konstruktion, machtpolitischer Instrumentalisierung und emotionaler Strahlkraft lässt die auf das primordiale Verständnis fokussierte Nationalismustheorie so vielfältige Bezüge zu den historischen Wurzeln und gegenwärtigen Ausprägungen des Zypernkonfliktes zu.
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Nachdem die aus sozialpsychologischer Sicht zentralsten Elemente ethnonationalistischer Unteilbarkeit erörtert wurden, behandelt das letzte Kapitel (9) unter dem Titel „Vergeben, verstehen, vereinen: Versöhnung als Konzept und Strategie“ die Chancen, inhärenten Widersprüche und Hindernisse institutioneller, vor allem aber sozioemotionaler Vergangenheitsbewältigung. Zunächst wird dabei die Relevanz von Versöhnung aus den Erkenntnissen und Prämissen der konstruktivistischen Konfliktforschung abgeleitet, die als Gegenstück der Unteilbarkeitstheorie für eine tiefenpsychologische Transformation der Konfliktstrukturen plädiert und dabei Wahrheit, Vergebung, Gerechtigkeit und positiven Frieden als zu erstrebende Ziele in den Vordergrund rückt. Dabei werden zu Beginn unterschiedliche Ansätze und Formen der (emotionalen) Annäherung und (kognitiven) Verständigung erörtert, die jeweils spezifische Gesellschaftsbereiche – von der Politik bis zur Alltagssphäre – tangieren. Alsdann werden die Elemente des wohl zentralsten Forschungs- und Praxisbereichs der Vergangenheitsbewältigung, die Transitional Justice (TJ), erörtert, die sich mit Recht und Gerechtigkeit im Postkonfliktkontext befasst. Dabei soll mit Blick auf den empirischen Teil aufgezeigt werden, dass gerade unteilbare Konflikte im Kern um unerfüllte Gerechtigkeitsfragen kreisen, die auf materielle wie ideelle Forderungen, auf die Empfindung von Demütigung und auf verdrängte Schuld verweisen. Sie aufzulösen wird wiederum durch eine Reihe von immanenten Dilemmata und Gefahren erschwert, die mit den Spannungen zwischen retributiver und restaurativer Gerechtigkeit, zwischen externer Mediation und Local Ownership verbunden sind. Obgleich auf Zypern nahezu keine institutionellen TJ-Maßnahmen zu verzeichnen sind bzw. gerade deshalb, vermögen die Befunde dieses Kapitels die sozioemotionalen Widerstände der zypriotischen Gesellschaften gegen (zivilgesellschaftliche) Versöhnungsinitiativen zu erklären und verweisen auf die enorme Strecke, die – bildlich gesprochen – auf dem Weg zu einem nachhaltigen Frieden zurückgelegt werden müsste. Ist die Zielsetzung der Forschungsarbeit vor diesem Hintergrund, die konstitutiven Elemente dieser Unteilbarkeit sichtbar zu machen, ihr Ineinanderwirken zu erklären und damit aufzeigen zu können, welche Bedingungen zur nachhaltigen Transformation dieser Konfliktstrukturen erfüllt sein müssen, so lautet die zu überprüfende Hypothese: Werden die aus der soziopsychologischen Infrastruktur des Konfliktes resultierenden Grundbedürfnisse (1) nicht erfüllt, die Identitäten und verbundenen Glaubensgrundsätze (2) der beiden Gemeinschaften und die daraus abgeleiteten konkurrierenden Interessen (3) nicht transformiert, wird der Zypernkonflikt auf der sozioemotionalen Ebene nicht gelöst werden. In diesem Sinne sollen im empirischen Teil der Forschungsarbeit – also in der sozialpsychologischen Analyse des Zypernkonfliktes – zunächst die historische Genese der Mutterlandsnationalismen, vor allem aber ihre gegenwärtige Präsenz in den kollektiven Erinnerungskulturen erörtert und ihre Konstitution durch gegenseitige Abgrenzung und Hinwendung gen Westen illustriert werden, die auch heute noch die wechselseitige Wahrnehmung und das jeweilige, für Fremdblicke und Wertungen äußerst sensible Selbstverständnis Griechenlands und der Türkei prägen (Kapitel 11). Das darauffolgende Kapitel soll die bis heute relevanten Streitfragen der zypriotischen Konfliktgeschichte aufzeigen, um – entgegen der geformten, monokausalen Konfliktnarrative – ihre Dynamik und Bedingtheit zu untermauern (Kapitel 12.1). Alsdann sollen die Facetten der staatlich initiierten und zelebrierten im Verhältnis zu den sozialen und intersub-
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jektiven Erinnerungen an die Konfliktgeschichte illustriert werden, um den kognitiven und normativen Einfluss der dominanten Narrative zu erörtern (Kapitel 12.2). Er wird en detail am Beispiel der brisanten Frage um das Schicksal der Vermissten (Kapitel 12.3) und am Beispiel ausgewählter Geschichtsbücher belegt (Kapitel 13). Alle ausgewählten Dimensionen sollen dem Leser den sprichwörtlichen langen Schatten der erzählten, erlebten und konstruierten Vergangenheit nahebringen, um im darauffolgenden Kapitel zu demonstrieren, wie sehr sie die gegenwärtige Konfliktwahrnehmung prägt: Dafür wurde eine umfassende Medienanalyse vorgenommen, die sich im Kern auf die der Abstimmung um den Annan-Plan 2004 vorausgehenden Monate beschränkt (Kapitel 14). Als potenzieller Wendepunkt und sozioemotionales Krisenmoment erscheinen in diesem Zeitraum die im Alltag oftmals wesentlich weniger sichtbaren Bedürfnisse, Interessen und Sorgen mit Vehemenz an die gleichsam diskursive Oberfläche zu treten. Eine Tiefenanalyse der Kollektivsymbolik – der wiederkehrenden Schreckensmetaphern, der Rechtsslogans und historischen Analogien – erscheinen dabei als mächtiger Indikator für die diskursive Alltagswirklichkeit der griechisch-zypriotischen Gesellschaft und ihre dem sozioemotionalen, rechtlichen und politischen Schwebezustand geschuldete Statik. Schließlich sollen die eben bereits angesprochenen gegenwärtigen Widersprüche und Widerstände des Konfliktdiskurses aus dem Blickwinkel der Kritiker des dominanten Diskurses und ihres versöhnungsorientierten Engagements zur Sprache kommen, um abschließend eine Bewertung über die Herausforderungen und Chancen für eine Beilegung der Konfliktstrukturen geben zu können (Kapitel 15). Dabei wird ausdrücklich zwischen nachhaltiger sozioemotionaler Transformation und politischer Beilegung unterschieden: Erscheint angesichts dieser emotionalen Tiefenstrukturen eine politische Lösung auch unwahrscheinlich, ist sie nicht zuletzt von regionalen wie internationalen, geopolitischen, ökonomischen wie sicherheitspolitischen Faktoren und Konstellationen abhängig, die nur am Rande bzw. gänzlich außerhalb des Erkenntnisinteresses der vorliegenden Forschungsarbeit liegen. Mit anderen Worten: Ob die europäische und internationale Diplomatie, etwaige Kooperationsanreize in der Erschließung der Öl- und Gasvorkommen in der Ägäis oder eine Annäherung zwischen Griechenland und der Türkei die Konfliktparteien am Ende doch noch zum Einlenken motivieren sollten: Sich gegenseitig ausschließende Konfliktnarrative und das völlige Fehlen staatlicher Anerkennung-, Aufarbeitungs- bzw. Versöhnungmaßnahmen würde eine tragfähige politische Zusammenarbeit und ein konstruktives gesellschaftliches Miteinander auch in einem wiedervereinigten Zypern erschweren oder gar unmöglich machen. So zielt die Analyse vielmehr darauf ab, zu ergründen, welche psychologischen Faktoren die Annäherung bisher behindern und auch effektive Kooperation und friedliche Koexistenz im Falle einer politischen Lösung weiterhin behindern würden. Um profunde Aussagen über die Wahrscheinlichkeit einer sozioemotionalen Beilegung des Konfliktes als Voraussetzung für konstruktive und nachhaltige Kooperation zu machen, erscheint vor diesem Hintergrund ein sozialpsychologischer Ansatz als unerlässlich.
2 Forschungsstand 2.1 Theorie: Unteilbarkeit aus konstruktivistischer und sozialpsychologischer Sicht Um das Ineinanderwirken sozialpsychologischer mit institutionellen und machtpolitischen Faktoren von Unteilbarkeit sichtbar zu machen, wurde auf die zentralen soziologischen wie kognitionspsychologischen Befunde für das Verständnis von Identitäten, Emotionen, Diskursen, Erinnerung und nationalem Vorstellungsraum zurückgegriffen, die in den jeweiligen Kapiteln einleitend durch eine kurze Gegenüberstellung zwischen alltagsweltlichem und epistemologischem Verständnis erörtert werden. Dabei folgt die Beschäftigung mit der Literatur dem Bemühen einer doppelten Querverbindung – der Verbindung zwischen humanwissenschaftlichen und soziologischen Befunden und der Transferwirkung der einzelnen Unteilbarkeitskomponenten. Die folgende Literaturauswahl resümiert in diesem Sinne zunächst die sozial- wie humanwissenschaftlichen Publikationen, auf denen der Theorieteil der Arbeit begründet ist. Im zweiten Teil wird ein Überblick über jüngere Publikationen zum Zypernkonflikt gegeben und erörtert, welche davon für das vorliegende Erkenntnisinteresse entscheidend sind und von welchen sich die Forschungsarbeit abgrenzt. Dabei soll die Abgrenzung von realistischen, aber auch zu einem guten Teil liberal-institutionalistischen Prämissen unterstrichen und der Mehrwert konstruktivistisch-sozialpsychologischer Ansätze für das Verständnis von ethnonationalitischer Unteilbarkeit untermauert werden. Eine der wichtigsten Einsichten in die allgemeingültigen Strukturen unteilbarer Konflikte, wie auch in die Bedingungen ihrer nachhaltigen Überwindung, lieferten zunächst die Analysen von Coleman, Bar-Tal, Nadler und Kelman. Als essenziell für eine holistische und interdisziplinäre Herangehensweise an unteilbare Konflikte erscheint vor allem Colemans (2006; 2000) Ansatz. In seinen Aufsätzen erörtert er die Entstehungsvoraussetzungen von Unteilbarkeit, zu denen er asymmetrische Machtkontexte, Gewalt und Diskriminierung zählt, wie auch die institutionellen und sozialen Mechanismen, die zur Eskalation und Polarisierung beitragen. Im Sinne der eben vorgestellten Prämisse zeigt er, dass unteilbare Konflikte auf allen Ebenen menschlichen Miteinanders zu finden sind, da sie sich durch (vermeintlich) unvereinbare Perspektiven, gegensätzliche Forderungen und destruktive emotionale Beziehungen auszeichnen. Ausdrücklich plädiert er in diesem Sinne für eine tiefenstrukturelle und kulturell informierte Analyse von Unteilbarkeit. Nur wer ein profundes und tiefes Verständnis für die zumeist langwierige Konfliktgeschichte und die daraus resultierenden Facetten der Alltagswirklichkeit besitze und seine eigenen Weltbilder als Forscher kritisch hinterfrage, könne Unteilbarkeit effektiv ergründen. Watzlawick (2011), Bar-Tal und Beck ergänzen die Elemente einer so verstandenen Unteilbarkeit, indem sie kognitive und emotionale Polarisierung und negative Eigendynamik von Individuen wie von Konfliktgesellschaften aufzeigen. Während Beck (2000) im Rekurs auf Erkenntnisse der Kognitions- und Kommunikationspsychologie in seinem Buch „Prisoners of Hate. The Cognitive Basis of Anger, Hostility, and Violence“ auf das Eskalationspotential gestörter, destruktiver Kommunikationsabläufe und den kognitiven Einfluss von Glaubensgrundsätzen und Identitäten auf die Wahrnehmung von Welt und die Dehu-
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Rehrmann, Der Zypernkonflikt, Innovative Konfliktforschung – Innovation in Conflict Research, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31192-6_2
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manisierung von Rivalen und Outgroup fokussiert, erörtert Bar-Tal (2007) in „Sociopsychological Foundations of Intractable Conflicts“ die wesentlichen Grundbedürfnisse (Basic Needs) nach Sicherheit und einem positiven Selbstbild, die diese Strukturen verursachen und aufrechterhalten. Die Sichtbarmachung eben dieser Grundbedürfnisse als Elementarteilen von Konfliktstrukturen, etwa in Form von Schuldprojektion und Ermächtigungsdrang, gaben der Verfasserin wesentliche Impulse für die weitere Beschäftigung mit Emotionen, (emotionalen) Identitäten und Gruppenprozessen, die fest mit eben diesen Bedürfnissen verwoben zu sein und unteilbare Konflikte „festzuzurren“ scheinen. Das erschien der Verfasserin umso relevanter, als mit dem Fallbeispiel Zypern ein unteilbarer Konflikt untersucht werden soll, der sich gegenwärtig gerade nicht durch Gewalt und Eskalation konstituiert. Als erstes Konzept für das Verständnis von Unteilbarkeit wird, wie erwähnt, Identität erörtert. Neben dem Fallbeispiel der Dissertation beschäftigte sich die Verfasserin dabei im Rahmen der eigenen Lehre insbesondere mit dem Spannungsverhältnis ost- und westdeutscher (Woderich 1999; Wedl 2007; Pates und Schochow 2013; Ahbe 2013) und europäischer Identitäten (Kantner 2006; Armbruster et al. 2003; Fligstein et al. 2012). Obgleich kein integraler Bestandteil der vorliegenden Arbeit, schärfte sie den Blick für die Dynamik von Identitäten und die Problematik von Fremdzuschreibung und Identitätskrise. Gerade die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der (retrospektiven Konstruktion der) ostdeutschen Identität zeigt, wie essenziell Identitäten mit Grundbedürfnissen nach Anerkennung und Gleichwertigkeit verbunden und welch ursächlichen Einfluss sie auf Erinnerungs- und Zugehörigkeitsfragen haben können. Die Arbeiten zentraler Identitätstheoretiker wie Hall, Brubaker und Yuval-Davis unterstreichen in diesem Zusammenhang zum einen die fluide, multiple und damit schwer messbare Natur von Identität, zugleich aber ihren entscheidenden und ursächlichen Einfluss auf die soziale Lebenswelt. Im Rekurs auf die Grundideen, die der Genese des Identitätskonzeptes vorausgingen, soll die Entstehung von Identität im Spannungsfeld von Selbst- und Fremdbild erörtert und damit Parallelen zwischen der individuellen bzw. intersubjektiven und kollektiven (für das Verständnis von Konfliktgesellschaften relevante) Ebene aufgezeigt werden. Dazu gehören der Symbolische Interaktionismus von Mead (1978) und daran orientierte Publikationen, allen voran Howard (2000), Schmidt-Denter und Wachten (2009), sowie Brubaker und Cooper (2000), die nicht nur die ontologische Relevanz, sondern auch die zunehmend kritisch-reflexive wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Konzept der Identität nachzeichnen. Für das vorliegende Erkenntnisinteresse ist dabei die Verbindung von Identität und Krise besonders wichtig. Hier zeigen Theoretiker wie Hall (1992) und Kantner (2006) auf, wie sehr Identität Ausdruck menschlicher Bedürfnisse nach Sinn und Zugehörigkeit sowie gemeinschaftlicher Werte, Glaubensgrundsätze und ganzer Weltbilder ist, die im Zweifelsfall verteidigt werden (müssen). Hall (1992; 2000; 2008) betrachtet Identität in seinen renommierten Publikationen zum Ineinanderwirken von Selbstverständnissen, Ideologie und Politik in diesem Sinne geradenach als Spiegel der jeweiligen historischen und gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnisse, als Ausdruck und Mittel von Zugehörigkeitsdefinitionen, von Konformität, Sanktion und Exklusion und damit als Mittel zur Macht. Wendt (1992), Abdelal et al. (2006), Raz und Fabrega (2006), Reicher et al. (2015) und Yuval-Davis (2009) wiederum systematisieren die ursächliche Verbindung von Identitäten mit Normen, Interessen und Weltbildern einer Gemeinschaft, indem
2.1 Theorie: Unteilbarkeit aus konstruktivistischer und sozialpsychologischer Sicht
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sie ihre Wirkung auf (empfundene) Handlungsspielräume und gemeinschaftliche Zugehörigkeiten, Werte und Ziele aufzeigen, die umso größer erscheint, als Identitäten zumeist als selbstverständlich angesehen würden. Zur Demonstration des kognitiven Einflusses von Identität wurden zentrale Befunde der (Sozial-) Psychologen Beck (2000), Petersen und Six (2008), Mercer (2006) Mackie et al. (2000; 2008; 2009) und Sasley (2011) erörtert, die in ihren Analysen individuelle und kollektive Wahrnehmungsmuster in Abhängigkeit von Selbstbild und Gruppenzugehörigkeit erörtern. Sie sollen die kognitiven Mechanismen erklären, die der Beständigkeit von Konfliktstrukturen und dem charakteristischen Nullsummenverständnis zugrunde liegen. Der in der traditionellen Konfliktforschung lange vernachlässigten, systematischen Erörterung von Emotionen als zweiter relevanten Komponente von Unteilbarkeit wurde, wie erwähnt, mit Blick auf den sozialpsychologischen und interdisziplinären Anspruch ein besonderer Stellenwert beigemessen. Hier lieferten die Monografie Turners und Stets (2005), „Sociology of Emotion“ und die Beiträge von Oatley et al. (2011), Crawford (2011), von Scheve (2009) und Hutchison und Bleiker (2007) wichtige Impulse für die Frage, warum Emotionen so lange für politikwissenschaftliche und soziologische Konfliktforschungsansätze irrelevant zu sein schienen, indem sie zum einen die traditionelle (und immer noch weit verbreitete) Auffassung einer vermeintlichen Dichotomie zwischen Rationalität und Emotion dekonstruieren und zugleich auf die Schwierigkeit verweisen, Emotionen als Phänomen zwischen körperlichem Affekt und Idee greifbar zu machen. Um die Wirkungsweise von Emotionen zu belegen, wurde auf evolutionsbiologische und kognitionspsychologische Erkenntnisse zurückgegriffen, die die Rolle von Affekten für kollektives Handeln und kognitive Polarisierung untersuchen (Ross 2006; Hymans 2010) und aus sozialpsychologischer Perspektive die Rolle von Konfliktemotionen, insbesondere der destruktive Einfluss von Wut, Angst und Demütigung für Verständigung und Traumabewältigung untersucht (Bar-Tal et al. 2007; Scheff 1999; Lake und Rothchild 1996; Long und Brecke 2003; Rydell 2008; Miron und Branscombe 2008). Um die Querverbindungen zwischen Emotionen, Normen, Ideen und Identitäten zu unterstreichen, wurde schließlich auf Arbeiten zurückgegriffen, die den sozialen Charakter und damit den sozialen Einfluss von Emotionen untermauern. Neben den bereits genannten Autoren sind das vor allem die Sozialpsychologen Manstead (2005), Parkinson (1996) und Miron et al. (2010). Sie inspirierten die Verfasserin zu weiteren Überlegungen im Hinblick auf die Rolle von Emotionen für Genderrollen, kulturelle Artefakte und nationale Sinnbilder von Konfliktgesellschaften. Die dritte ausgewählte Komponente von Unteilbarkeit bezeichnet die Rolle von Sprache für die Wahrnehmung von Welt. Hier wurde auf die Diskurstheorie als derjenigen Forschungsdomäne zurückgegriffen, die sich mit den gleichsam sprachlichen Kristallisationen der vorangehenden kognitiven und sozialen Konzepte beschäftigt, indem sie die kognitiv-affektive und handlungsleitende Macht von Sprache belegt. Sie wird zunächst über das Konzept des Framing als Grundmetapher der Sozialpsychologie hergeleitet, die Nelson et al. (1997) aus politik-, Pan und Kosicki (1993) aus medien- und van Gorp (2007) aus kulturwissenschaftlicher Sicht untersuchen. Aktualität und Relevanz von Frames, verstanden als die selektive und wertende Wahrnehmung von Welt, unterstreicht hier die neueste Publikation der Neuropsychologin Wehling
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2 Forschungsstand
(2016), die auf Basis neurologischer Erkenntnisse den Zusammenhang zwischen mentalen Frames und geframter politischer Kampagnen aufzeigt und damit die Relevanz des gewählten interdisziplinären Ansatzes untermauert. Die Konstruktion von monolithischen Wahrheitsverständnissen – denn sie sind für das Verständnis der charakteristischen Nullsummenperspektiven unerlässlich – und von begrenzten Wirklichkeitsräumen mit ihren spezifischen Hierarchien wird im Rekurs auf strukturalistische und poststrukturalistische Theorien (Canepari 2011), aktuelle Publikationen zur Diskurstheorie (Keller et al. 2001; Fairclough und Wodak 1997; Jäger 2012) und auf Basis der zentralen Ideen der relevanten Hauptwerke Foucaults („Die Ordnung der Dinge“ 1974; „Überwachen und Strafen“ 1977; „Dispositive der Macht“ 1978; „Sexualität und Wahrheit“ 2003) erörtert. Das Kapitel führt damit die grundlegenden Erkenntnisse und Theoretiker der kritischen Diskursanalyse zusammen und zeigt den Zusammenhang von mentalen und sprachlichen Modellen als Abbildern von Wirklichkeitsframes auf, die auf spezifische Epochen, Hierarchien, Institutionen und vermeintliche Selbstverständlichkeiten einer Gesellschaft verweisen. Es will so aufzeigen, wie Sprache als Ausdruck und Folge spezifischer Weltbilder und – nicht zuletzt – als machtpolitisches Instrument (Weldes 1996; Barnett 2011) bzw. zur Legitimierung aggressiver und rassistischer Praktiken (D. Tutu und M. Tutu 2010) fungieren kann. Auf Basis dieser Erkenntnisse wurden aktuelle Beispiele aus dem deutschen und europäischen Diskurs ausgewählt, die den Blick für die kulturraumspezifischen Prämissen und Perspektiven schärfen sollen, die durch Sprache geformt werden und eben auch – wie zu erörtern sein wird – so charakteristisch für den Zypernkonflikt und seine dominanen Diskurse sind. Als vierter, ausgewählter Komponente von Unteilbarkeit stehen Formung und Konstruktion spezifischer Selbstbilder durch kollektives Erinnern im Fokus. Dabei wurde auf Befunde der zentralen Theoretiker des kollektiven Gedächtnisses zurückgegriffen, zu denen Halbwachs’ (1985) „Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen“, Welzers (2001) „Das kommunikative Gedächtnis: Eine Theorie der Erinnerung“, Aleida Assmanns (2006) „Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses“ und „Das Unbehagen in der Erinnerungskultur (2013)“ gehören. Sie erörtern die unterschiedlichen Ebenen und Formen gemeinschaftlichen Gedächtnisses und vor allem die Macht des sozialen bzw. politischen Rahmens auf individuelle Erinnerung. Die Referenztheoretiker greifen dabei teils selbst auf kognitionspsychologische Erkenntnisse zurück. Um die Verbindung zwischen Human- und Sozialwissenschaften zu untermauern, wurden sie durch weitere Befunde ergänzt (Erdelyi 2006; Hübenthal 2014; Gudehus et al. 2010; Frey 2006; Pintar und Lynn 2006). Alle Autoren unterstreichen dabei, wie sehr sozialer Austausch und institutionelle Erzählungen und Praktiken individuelle Erinnerung formen. Halbwachs’, Welzers, sowie Aleida und Jan Assmanns Differenzierung zwischen institutionell-ritueller und lebendig-kommunikativer Erinnerung – also zwischen Erlebtem und Erzähltem (Memoire vs. Histoire) – stellen dabei eine wichtige Grundlage für das Verständnis der Erinnerungshierarchien unteilbarer Konflikte dar. Ein weiteres Konzept, das Auswahl und Analyse der Forschungsbereiche wesentlich motivierte, ist das „Narrativ“. Es wurde, da es aus kognitions- wie sozialpsychologischer Sicht erstens die Relevanz von sinn- und gemeinschaftsstiftenden Erzählungen aufzeigt und zweitens zugleich die Verbindung zur Strahlkraft des nationalen Vorstellungsraumes liefert, aus interdisziplinärer Perspektive erörtert (Straub 2010; Franzosi 1998; Hoffmann 2000), um seinen Einfluss auf die autobiographische Erinnerung (Shopes 2002; Brüggemeier et al. 2009;
2.1 Theorie: Unteilbarkeit aus konstruktivistischer und sozialpsychologischer Sicht
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Niethammer 2012; Hesse-Biber 2006) und seine Unerlässlichkeit für die Konstruktion monumentaler, nationaler Großerzählungen (Korostelina 2016; Pingel 2009; Bar-Tal und Rose; 2009; Liu und Hilton 2005; Hammack und Pilecki 2012) aufzuzeigen. Damit soll die emotionale, identitätsrelevante sowie manipulative Kraft von narrativ geformter Erinnerung unterstrichen werden. Die ästhetische, geformte Erinnerung wird schließlich durch die Erörterung der sog. „Spuren“ (Assmann 2006) und emotionalen Artefakte und ihrer verwobenen Geschichten kontrastiert und ergänzt (te Heesen 2014), die in unteilbaren Konflikten Teil der gewollten wie der verdrängten Erinnerung sein können. Als fünfte und letzte Komponente von Unteilbarkeit wird, wie erläutert, der nationale Vorstellungsraum erörtert, der alle vorangehenden vereint. Um die Komponenten, die zur sozioemotionalen Gemeinschaftsbildung und zur Perpetuierung der politischen Fronten beitragen, mit diesem Vorstellungsraum zu verbinden, wurde im Kapitel zur Nationalismustheorie vor allem auf diejenigen Standardwerke zurückgegriffen, die aus sozialpsychologischer Sicht besonders relevant erscheinen. Dabei sind für das Erkenntnisinteresse der Arbeit zuvorderst Andersons (2005) „Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Konzeptes“, in zweiter Linie Hobsbawms (2005) „Nationen und Nationalismus: Mythos und Realität seit 1780“, Nairns (1975) „The Modern Janus“ und Yuval-Davis (2009) „Gender and Nation“ und weniger andere Nationalismustheorien wie Gellners (1983) oder Smiths (1999) maßgebend, weil erstere den imaginierten und konstruierten Charakter der Nation, ihren kognitiven Einfluss und ihre emotionale Strahlkraft besonders in den Vordergrund rücken und damit ihre historische Bedingtheit und ihre sozialpsychologischen Wirkmechanismen aufzeigen. Sie kontextualisieren damit die im empirischen Teil zu erörternden Widersprüche zwischen inklusivem Anspruch und exklusiver Wirklichkeit der Nationalgemeinschaft, unterstreichen den zentralen Aspekt der machtpolitischen Aspirationen für die Konstitution von Nationen (Nationalismus von oben), wie auch die Zeitlosigkeit ihrer Attraktivität. Die ausgewählten Autoren rücken dabei die retrospektive, selektive Rekonstruktion der Nationalgeschichte und das Vergessen um die anfänglich inklusiven Ansprüche, Anderson ganz besonders die Rolle kollektiv geteilter Medien und sinnstiftender Natur- und Familienmetaphern von Transzendenz und Unsterblichkeit, ihren aggressiv-exklusiven Charakter und ihre besondere Rolle in Krisenzeiten in den Fokus. Da das Fallbeispiel Zypern sich durch die Besonderheit einer ethnoreligiösen Synthese charakterisiert, soll so der sakrale Anspruch der exklusiven Nation besonders unterstrichen werden. Gerade vor dem Hintergrund gegenwärtiger Kontroversen um die Renaissance exklusiv-nationalistischer Ideen soll allerdings auch unterstrichen werden, dass der Zypernkonflikt als ethnonationalistischer Identitätskonflikt zwar geopolitische und historische Besonderheiten aufweisen mag. Die Elemente seiner Unteilbarkeit indes sind viel allgemeingültiger, als es kulturessentialistische Urteile externer Beobachter suggerieren.3 Die Erörterung von Chancen und Hindernissen einer Versöhnung von Unteilbarkeit schließlich nimmt Rekurs auf diejenigen Referenzautoren, die sich selbst explizit von rationalen 3
Einen semi-formellen, kritischen Vortrag vor einer deutschen Reisegruppe über die aus seiner Sicht tief paternalistischen soziokulturellen Strukturen der griechisch-zypriotischen Gesellschaft schloss ein Mitarbeiter des Goetheinstitutes Nikosia im Beisein der Verfasserin im April 2013 mit der bezeichnenden Erklärung: „Das ist alles Levante hier“. Nebst der abwertend-stereotypen Etikettierung erscheinen solche Pauschalisierungen vor allem deshalb als problematisch, weil in ihnen die Prämisse einer vermeintlich gegebenen, kulturellen Andersartigkeit mitschwingt, die vorschnelle Urteile zu motivierten vermag.
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2 Forschungsstand
Quid-pro-quo-Ansätzen der Konfliktbeilegung distanzieren. Allen Ansätzen ist dabei gemeinsam, dass sie die sich selbst reproduzierenden Konfliktstrukturen aufzeigen, die aus unaufgearbeiteten Traumata, Gerechtigkeitsforderungen und Ermächtigungswünschen resultieren. Damit wird im Versöhnungskapitel theoretisch zusammengeführt, was die vorliegende Forschungsarbeit im empirischen Teil als innovative Perspektive auf den Zypernkonflikt für sich reklamiert, indem sie die Grundbedürfnisse nach Wahrheit, Gerechtigkeit, Anerkennung und Vergebung in den Vordergrund der Analyse rückt. Die zentralen Konzepte zur Versöhnung greifen dabei zuvorderst auf die Sammelbände von Nadler, Malloy und Fishers (2008) „The Social Psychology of Intergroup Reconciliation“ und Bar-Siman-Tovs (2004) „From Conflict Resolution to Reconciliation“, sowie Long und Breckes (2003) Monographie „War and Reconciliation. Reason and Emotion in Conflict Resolution” und die Beiträge von Nadler, Malloy und Fischer (2008), Bar-Tal (2000), Bar-Tal und Bennink (2004), Kelman (2008), Boraine (2006), Fletcher et al. (2009), Rim et al. (2011) und Hutchison und Bleiker (2008 a & b) zurück. Allen gemeinsam ist die Prämisse von der Notwendigkeit einer tiefenpsychologischen Erörterung unteilbarer Konflikte und der Unerlässlichkeit einer Erfüllung eben jener Grundbedürfnisse als Bedingung für die nachhaltige Überwindung der Konfliktstrukturen. Autoren wie Kelman und Boraine (letzterer ist Begründer des International Center for Transitional Justice und einer der zentralen Initiatoren der Südafrikanischen Truth and Reconciliation Commission (TRC)) unterscheiden dabei zwischen psychologischen Tiefenebenen von Versöhnung, die die Qualität der Beziehung der Konfliktparteien und ihre innere Heilung und Ausgeglichenheit miteinschließt und zeigen im Kontext der Transitional Justice auf, welche politischen, institutionellen, sozialen und psychischen Transformationen zur Konfliktbeilegung erfolgen müssen. Insbesondere Nadler und Shnabel, Hutchison und Bleiker unterstreichen dabei die Rolle von Emotionen als Katalysatoren wie auch als Hindernis für Versöhnung. Die parallele Beschäftigung mit den Fallbeispielen Südafrika und Nahost – ersteres im Hinblick auf die Leistungen und Herausforderungen seines Versöhnungsprozesses, letzteres vor allem mit Blick auf die destruktiven und beharrlichen Konfliktstrukturen – verhalfen der Verfasserin zu entscheidenden Einsichten in die Widersprüche, Gefahren und sozioemotionalen Barrieren, die Versöhnung behindern. Dazu gehören die Publikationen der zentralen, selbst involvierten Akteure wie Desmond und Mpho Tutu (2010; 2000), Gobodo-Madikizela (2004a; 2004b; 2006) und Sachs4, die auf eindrückliche Weise die konstruktive Rolle von Empathie und Vergebung nachzeichnen. Ein zentrales Verständnis für die Widersprüche und Hemmnisse von Versöhnung wie auch für die machtpolitischen Motive und kognitiv-emotionalen Ausprägungen nationaler Vorstellungsräume im Spannungsfeld widerstreitender Territorialansprüche, asymmetrischer Staatlichkeit und materieller Ressourcen im Ringen um Deutungshoheit und Autochthonie brachte ferner die intensive Beschäftigung mit sozialpsychologisch relevanten Publikationen zum Nahostkonflikt. Zu ihnen zählen Hermons (2012) „Within the Eye of the Storm“ und Bachas und Avnis (2006) „Encounter Point“, die als Dokumentarfilme aus erster Hand ein eindrückliches
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[zugegriffen am 01.08.2016].
2.2 Empirie: Die Unteilbarkeit des Zypernkonfliktes im Spannungsfeld der Mutterländer
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Bild der israelisch-palästinensischen Alltagswirklichkeiten zeichnen, Arbeiten zur ethnoreligiösen Synthese israelischer Identität (Elazar 2017, Seidel 2012; Ram 2000), zur Reproduktion nationaler Fronten und interner Hierarchien durch aggressiv-patriotische Genderrollen (Sharoni 1995; Cockburn 2007 & 1999), zur (kontra-) produktiven Rolle von Schuldbildung, insbesondere von Geschichtsvermittlung (Bar-Tal 1998; Bar-Tal und Rosen 2009; Bekerman und Nir 2006), wie auch zu abweichenden Zielen der politischen Führungen (Ranstorp 2006; Stepanova 2006). Die Fallbeispiele werden in der vorliegenden Arbeit nur bedingt thematisiert, bilden aber gleichwohl eine wichtige Grundlage für Auswahl und Erarbeitung der zypriotischen Quellen. Auch sie unterstreichen Vergleichbarkeit und Allgemeingültigkeit zentraler Aspekte der zypriotischen Unteilbarkeit.
2.2 Empirie: Die Unteilbarkeit des Zypernkonfliktes im Spannungsfeld der Mutterländer Bevor die Grundlagenwerke, die der Verfasserin zu einem umfassenden Verständnis für die Alltagswirklichkeit Zyperns, seine politische Kultur, sein nationales Selbstverständnis und die neuralgischen Punkte seiner Konfliktgeschichte und -gegenwart verhalfen, erörtert werden, werden im Folgenden ausgewählte Publikationen von Zypern- und Südosteuropaexperten vorgestellt, die in ihrem tendenziell rationalistischen, auf politische Führungskreise beschränkten Fokus als repräsentativ für das Gros der wissenschaftlichen Literatur über den Zypernkonflikt und die griechisch-türkischen Beziehungen gelten. Der Fokus liegt dabei auf vornehmlich englischsprachigen Analysen und beginnt mit den griechisch-türkischen Beziehungen. Auf eine explizite Unterscheidung zwischen zypriotischen, griechischen, türkischen und internationalen Autoren wird dabei verzichtet. Einen aktuellen Beitrag zu dieser Thematik liefert Dimitrakisʼ (2013) Dissertation „Greek Military Intelligence and the Crescent Estimating the Turkish Threat Crises, Leadership and Strategic Analyses 1974-1996“, die er am Department of War Studies am King’s College in London vorlegte. Es zeichnet darin die Militärstrategien und Versuche des außenpolitischen Krisenmanagements der beiden Länder im Spannungsfeld geostrategischer Rivalitäten und NATO-Partnerschaft seit der ersten Zypernkrise von 1955 bis in die Gegenwart nach. Krisenzuspitzung und -verlauf erscheinen dabei vornehmlich als Resultat von Fehleinschätzungen und falschen Signalen der Politik durch mangelnde Abstimmung mit den Geheimdiensten. Das Vorwort schrieb der renommierte Historiker Sir Lawrence Freedman – Experte des Falklandkrieges.5 Die plötzliche Verbesserung der griechisch-türkischen Beziehungen im Jahr 1999 nimmt Ker-Lindsay (2007), Experte für südosteuropäische Politik, zum Anlass einer Monographie mit Titel „Crisis and Conciliation. A Year of Rapprochement between Greece and Turkey“. Darin zeichnet er die für viele Beobachter erstaunliche Wandlung der bilateralen Beziehungen nach dem gerade einige Jahre zurückliegenden Tiefpunkt gegenseitigen Säbelrasselns und den, wie er sagt, Jahrhunderten nationaler Feindschaft nach. Humanitäre Krisen als Folge von Erdbeben in beiden Ländern hatten damals eine Welle der Hilfsbereitschaft ausgelöst und zugleich eine (historische) Wende der bilateralen Beziehungen eingeleitet. Mit Blick auf die Rolle der beiden 5
Ein ähnlicher Ansatz findet sich bei Aksu und Guder (2014), die die vielfältigen Krisen beider Länder im 20. Jahrhundert auf außenpolitisches Missmanagement und Sicherheitsdilemmata zurückführen.
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Präsidenten beleuchtet Ker-Lindsay das Potential der sog. Disasterdiplomatie – definiert als die plötzliche Vergrößerung politischer Handlungsspielräume durch humanitären Handlungsdruck und eine veränderte öffentliche Meinung als vielversprechendem neuen Forschungsfeld der IB. Beiden Publikationen ist gemeinsam, dass sie – obgleich dies zugegebenermaßen nicht ihre Intention ist – die sozialpsychologischen Ursachen für Krisen und Transformation in ihren Analysen außen vorlassen. Gerade in ersterer erscheinen die Interessen beider Länder im Sinne realistischer und institutionalistischer Prämissen als statisch und exogen. Dahinter scheint sich nicht nur eine thematische Präferenz, sondern eine grundsätzliche Haltung zu verbergen. Diese klingt auch in einem Bericht von Dimitris Keridis (1999) von der Harvard Universität an. In „Greek-Turkish Relations in the Era of European Integration and Globalization“ untersucht der Südosteuropaexperte offenkundig ebenfalls unter dem Eindruck der griechischtürkischen Annäherung die Chancen einer nachhaltigen Überwindung der alteingesessenen Rivalitäten durch sicherheitspolitische und ökonomische Anreize. Dabei sollen EU-Integration bzw. Annäherung und die Vernetzung globaler Märkte eine entscheidende Rolle spielen. Populismus und aggressiver Nationalismus – der hier zumindest thematisiert wird – erscheinen ihm vor diesem Hintergrund als rückwärtsgewandte, ökonomisch und politisch kontraproduktive Ideologien, die es durch die Stärkung zivilgesellschaftlicher und liberaler Kräfte, durch die Einsicht über die nachteiligen Folgen nationalistischer Politik und durch die Transformation nationaler in europäische Identitäten zu überwinden gelte. Mit demselben Optimismus, so lässt sich anmerken, war die Verfasserin zu Beginn ihrer Forschung nach Zypern gereist. Doch auch diese Perspektive unterschätzt die Strahlkraft und tiefe Verankerung nationaler Identitäten in politischer Kultur und Alltagswelt und damit ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber liberalen Reformkräften. Eine erste historische Auseinandersetzung mit den nationalen Narrativen der zypriotischen Mutterländer bot der Verfasserin das damals neu erschiene Buch Brewers (2012), „Greece, The Hidden Centuries: Turkish Rulers form the Fall of Constantinople to Greek Independence“. Der Autor, Oxford-Absolvent in klassischen Griechenlandstudien und Experte für die griechische Revolution, dekonstruiert dort die Mythen vom Joch der Osmanen und entschuldigt sich im Vorwort für die zu erwartenden Proteste, die sein Buch in Griechenland wohl zu evozieren vermöge. Obgleich er nach eigenen Angaben das historische Fundament für das Verständnis des heutigen Griechenland erörtern möchte und dabei beispielsweise die inklusive Natur des griechischen Revolutionsgeistes oder (entgegen ihres heutigen Selbstbildes) die wenig revolutionäre Rolle der Kirche aufzeigt, bleiben doch wesentliche machtpolitische und vor allem emotionale Aspekte, insbesondere die enorme Sensitivität für Kritik am nationalen Narrativ und der, wenn man so will, sehnsüchtig-argwöhnische Blick gen „Westen“ als Referenzpunkt nationaler Aspirationen im Hintergrund. Er ist, wie zu zeigen sein wird, auch für das Verständnis des Zypernkonfliktes essenziell. Wesentlich näher am konstruktivistischen und sozialpsychologischen Erkenntnisinteresse erscheinen vor diesem Hintergrund die Arbeiten der Nationalismustheoretiker Heraclides, Aktar, Sophos, Özkirimli und – vor allem – Millas. Heraclides (2011), IB-Professor an der Pantheon-Universität in Athen, beurteilt in „The Essence of Greek-Turkish Rivalry“ die Chancen für Deeskalation und Annäherung der beiden Länder denn auch weitaus skeptischer. Die Einstellungen Griechenlands und der Türkei, so sein
2.2 Empirie: Die Unteilbarkeit des Zypernkonfliktes im Spannungsfeld der Mutterländer
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Fazit, hätten sich trotz politischer Reformen und diplomatischer Annäherung nicht grundsätzlich geändert. Immer wieder würden die Länder in Krisensituationen durch ihre Geschichte, unaufgearbeitete Traumata und aggressiv-exklusive Mythen eingeholt. Die Legitimität dieses Urteils belegen die Politikwissenschaftler Özkirimli und Sophos (2008) in ihrer Monographie „Tormented by History. Nationalism in Greece and Turkey”. Sie kann als eine der wenigen umfassenden, kritischen und vergleichenden Studien zu den griechisch-türkischen Nationalismusgenesen angesehen werden. Die Autoren zeichnen darin die erstaunlichen Parallelen und vor allem die Konstitution durch gegenseitige Abgrenzung der jeweiligen Nationalbewegungen nach und verweisen damit zugleich auf die internen Widersprüche und Spannungen, wie auch auf die daraus resultierende, so charakteristische Sensitivität für nationale Belange in beiden Ländern. Ihre Befunde ergänzt der Sammelband „Nationalism in the Troubled Triangle. Cyprus, Greece and Turkey” (2010) von Aktar, Kizilyürek und Özkirimli. Der Titel des von John Breuilly verfassten Vorwortes „Bringing History back into Nationalism?“ fasst die Intention des Buches treffend zusammen, dessen Beiträge die forcierten Nationalisierungsprozesse der jeweiligen Regionen durch die Konstruktion von primordialer Geschichte erörtern, ihre Relevanz für das Verständnis der heutigen Gesellschaften und die zentralen von den Mythen und Narrativen profitierenden Stakeholder aufzeigen. Ein 2014 erschienener Sammelband mit Titel „When Greeks and Turks Meet: Interdisciplinary Perspectives on the Relationship Since 1923” ergänzt diese Perspektiven durch vielfältige Analysen der jeweiligen Identitätspolitiken, der sozialen und institutionellen Erinnerung an die Traumata des gemeinsamen Konflikterbes und durch eine kritische Reflexion des Umgangs beider Länder mit ihren wechselseitigen Minderheiten. Sie gaben der Verfasserin den Anreiz für eine vertiefende Auseinandersetzung mit den historischen Facetten und gegenwärtigen Ausprägungen des griechischen Nation Building. Hierher gehört Herzfelds „Ours Once More: Folklore, Ideology and the Making of Modern Greece“ (1982), eine anthropologisch-kulturwissenschaftliche Auseinandersetzung mit den politischen Ideen und kulturellen Artefakten, über die der nationale Vorstellungsraum im Verlauf des 19. Jahrhunderts geschaffen wurde und Anastasakis et al.’s Sammelband „In the Long Shadow of Europe: Greeks and Turks in the Era of Postnationalism“, in dem die Autoren in historischer und gegenwärtiger Perspektive das konkurrierende Eifern um Westlichkeit erörtern. In allen vorangehend genannten Beiträgen, so kann man zusammenfassen, tauchen explizit der Sehnsuchtsort des „Westens“ und implizit die Furcht vor kultureller Abwertung auf. Beide Aspekte werden vertiefend erörtert. Das profundeste Verständnis für die konkurrierenden nationalen Vorstellungsräume und ihre emotionale Macht brachte die Beschäftigung mit den breiten Publikationen Hercules Millas’, den die Verfasserin zum ersten Mal auf einem Kongress der Friedrich-Schiller-Universität Jena im Sommer 2013 kennenlernte und in der Folge mehrfach in Griechenland aufsuchte. Etliche Gespräche mit dem in vielerlei Hinsicht exzeptionellen Wissenschaftler und Wandler zwischen zwei Welten, sowie die Lektüre seiner Bücher und Aufsätze rundeten das Bild von den negativen, tief miteinander verwobenen Identitäten Griechenlands und der Türkei ab. Millas selbst gehört zur griechischsprachigen Minderheit Istanbuls, die 1964 ausgewiesen wurde und seither in Griechenland lebt. Er begründete das einzige Institut für Neogräzistik in der Türkei (Universität Ankara), übersetzt griechische Lyrik ins Türkische, erforscht die gegenseitigen
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Bilder beider Länder in Schulbüchern, Literatur und Historiographie und leitet Begegnungsworkshops mit griechischen und türkischen Studenten. Als bisher erster Wissenschaftler legte er mit „The Image of Greeks in Turkish Literature: Fiction and Memoirs“ (1996), „Oikones Ellinon kai Tourkon [Bilder von Griechen und Türken]“ (2001) und „Tourkokratia. History and the Image of Turks in Greek Literature“ (2005) vergleichende Analysen der nationalen Stereotype beider Länder in der formellen und informellen Bildung vor, die bis heute durch Schule und institutionelle Erinnerung reproduziert werden. Was für die griechisch-türkischen Beziehungen gilt, so kann man überleiten, erscheint auch für die traditionelle Perspektive auf den Zypernkonflikt charakteristisch. Als repräsentativ für Publikationen mit ausschließlich machtpolitischem Fokus – von denen sich die vorliegende Forschungsarbeit distanziert – kann O’Malleys und Craigs (2001) Monographie „The Cyprus Conspiracy: America, Espionage and the Turkish Invasion“ gelten. Die beiden Autoren weisen auf Basis erstmals veröffentlichter Geheimdienstdokumente und Interviews mit zentralen historischen Akteuren – u.a. mit Kissinger selbst – nach, dass die Teilung Zyperns im sicherheitspolitischen und geostrategischen Interesse Großbritanniens und der USA war, die um jeden Preis eine Gefährdung der Südostflanke der NATO verhindern wollten. Im Vorwort des Buches, das von sich behauptet, einen entscheidenden Beitrag zum Verständnis von klassischer Machtpolitik zu leisten, sprechen die Verfasser von der Intention, die „wahre Geschichte“ hinter der Zypernkrise zu erforschen, durch welche die Insel bis heute geteilt bleibe (Ibid.: 11). Zypern gilt ihnen dabei als “legacy of the Cold War which continues to haunt the West” (Ibid.: 15). Aus sozialpsychologischer und konstruktivistischer Sicht problematisch erscheint auch bei diesem Fokus – obgleich die Überzeugung der Autoren im Hinblick auf die historischen Entwicklungen durchaus gerechtfertigt ist –, was ausgespart bleibt: Nämlich erstens die innenpolitischen, kulturellen und sozioemotionalen Faktoren, die seinerzeit zur Eskalation beitrugen und seither die Perpetuierung des Zypernkonfliktes forcieren. Zweitens erscheint auch die Absicht der etwaigen Aufdeckung einer verborgenen „Wahrheit“ nah an den problematischen Narrativen der zypriotischen Diskurse selbst, die sich durch ein realistisches und monokausales Geschichtsbild auszeichnen.6 Eine optimistische, ebenfalls an der Hoffnung auf eine bürgerrechtlich-liberale Transformation orientierte Monographie von Green und Collins erschien 2003 – also vor dem Scheitern des Annan-Planes – unter dem Titel „Embracing Cyprus. The Path to Unity in the New Europe“. Ökonomische Prosperität, Sicherheitsgarantie und kulturelles Vorbild Europas könnten, so die Überzeugung, einen entscheidenden Beitrag für die Entstehung einer inklusiven Identität, für das Zusammenwachsen der zypriotischen Gemeinschaften und eine Annäherung der Mutterländer leisten. Nicht nur erscheint diese Hoffnung vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Entwicklungen in Europa wenig begründet. Die Auffassung unterschätzt eben die machtpolitischen und emotionalen Mechanismen, die derartigen Wandel verhindern. Als aufschlussreich für den externen Blick etlicher Internationals im Zypernkonflikt mag die Monographie des britischen Diplomaten Lord Hannay angesehen werden. Er war von 1996
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Deutschsprachige Publikationen, die ganz oder in Teilen auf die zypriotische Konfliktgeschichte und das machtpolitische Ringen um Zypern Bezug nehmen, sind Bahcheli 1998, Zervakis 1998, Hillenbrandt 1990, Wendt 2006 und Richters „Die Geschichte der Insel Zypern“ in drei Bänden (2004; 2009; 2009).
2.2 Empirie: Die Unteilbarkeit des Zypernkonfliktes im Spannungsfeld der Mutterländer
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bis 2003 – also in der heißen Phase der Verhandlungen um den Annan-Plan – UN-Sondergesandter für Zypern. 2009 erschien seine Monographie „Cyprus: The Search for a Solution“. Darin bezeichnet er das Zypernproblem als unerklommene Bergspitze, an der schon so viele Diplomaten gescheitert seien. Das sei zum zentralen Motiv seines eigenen Engagements geworden. Ob dabei aufrichtiges Interesse an einem Beitrag zur Lösung oder persönlicher Ehrgeiz überwiegen, bleibt offen. Sein Urteil über die Vergangenheit indes scheint klar: Zypern verharre im Bann seiner historischen Altlasten. „It does not, however,”, fährt er fort, „suffer from a surfeit of properly recorded and reasonable objective (sic!) historical works. Indeed it is almost entirely lacking in them“, denn die Geschichte würde entweder ausschließlich aus der Perspektive des einen oder des anderen erzählt (Ibid.: VIII). Zum internationalen Ringen um die Zypernfrage vor 1960 heißt es lapidar: „The British, for their part, zigzagged between the options for keeping the island under colonial tutelage in perpetuity for geostrategic reasons and a traditional gradualist approach to self-government, finally dumping the whole problem in the laps of the Greeks and Turks“ (Ibid.: 2). Mögen solche Formulierungen überheblich und deplaziert anmuten – insbesondere, wenn sie der Feder eines UN-Mediators entstammen –, erscheint indes noch bemerkenswerter, dass er in keinem Wort die Divide-Et-Impera-Politik Großbritanniens oder etwa die drakonischen Maßnahmen gegenüber den jungen Aufständlern erwähnt. Viele der noch minderjährigen EOKA-Guerillas wurden von den Kolonialverwaltern gehängt. Bis heute sind sie als Märtyrer und Symbole britischer Repression integraler Bestandteil des griechisch-zypriotischen Kollektivgedächtnisses und nähren – so kann man vorwegnehmen – den Kolonialkomplex der Zyprioten, schwelende Ressentiments gegenüber übermächtigen externen Kräften und das Bedürfnis nach wiederherstellender Gerechtigkeit. Das politische Ringen im Zeitraum seiner Amtszeit bezeichnet er zwar unverblümt als taktisches Blame Game beider Seiten. Indes scheint ihm, dass ein Grunddilemma in der Zielsetzung eines auszuhandelnden Kompromisses selbst liegt, der gegenüber einem militärischen Sieg stets als zweite Wahl erscheinen muss: „Some of the problems the negotiators faced in Cyprus were generic ones, which could have arisen anywhere in the world. To get agreement to a territorial adjustment at the negotiating table and not on the battlefield is one of the most difficult challenges for any negotiator and it has not often been successfully achieved” (Ibid: 228). So erscheint das Buch bemerkenswert für das, was es auslässt bzw. für den ausschließlichen Fokus auf realistischer Machtpolitik – aus Genderperspektive würde man hinzufügen: einem androzentristischen Fokus, der das gesamte Buch durchzieht. Ethische Fragen historischer Verantwortung bleiben ausgespart, während Interessen und Fronten beider Seiten als relativ statisch und exogen erscheinen. Schließlich zeigt sich auch hier zwischen den Zeilen seiner kritischen Bewertung der exklusiven Geschichtsperspektiven die Prämisse vom Wahren und Falschen, von Taktik und Manipulation als zentralen Parametern für die Ergründung des Konfliktes. Dieser Fokus, so sollen die folgenden Publikationen aufzeigen, ist deshalb nicht zielführend, weil er auf denselben Prämissen von vermeintlich eindeutiger Wahrheit und universellem Recht beruht, die die Strukturen des Zypernkonfliktes überhaupt erst reproduzieren. Es mag der damit verbundenen Einsicht in die Widerstandsfähigkeit von unteilbaren ethnischen Konflikten unter dem Eindruck des realpolitischen Scheiterns der groß angelegten Verhandlungen von 2004 geschuldet sein, dass etliche aktuelle Publikationen zum Zypernkonflikt auf einen tendenziellen Richtungswandel deuten. Dabei steht zunehmend die Bedeutung eben
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dieser, sich selbst reproduzierenden Konfliktstrukturen im Vordergrund, die gegen etwaige rationale Vorteile und Win-Win-Anreize immun zu sein scheinen. Das sieht man beispielsweise in Publikationen zur zypriotischen Mediationsgeschichte: Noch traditionell erscheint vor diesem Hintergrund die publizierte Masterarbeit Seiferts (2015) „Die Mediationsstile im Zypernkonflikt. Die Relevanz von Kontext, Mandat und Mediator“. Der Autor reflektiert darin kritisch die Effektivität unterschiedlicher Haltungen der jeweiligen UN-Mediatoren von Cuéllar bis Annan im Spannungsfeld zwischen Zurückhaltung und Engagement, Anreizen für, politischen Druck auf und Sanktionierung der Konfliktparteien. Bereits 1998 hatte sich auch Richmond in „Mediating in Cyprus. The Cypriot Communities and the United Nations“ mit den Hindernissen und Chancen externer Vermittlung befasst. Nach eigenen Angaben ist der Autor darum bemüht, die jeweiligen Positionen „so fair wie möglich” gegeneinander abzuwägen. Am Ende des Buches, das akribisch das langwierige Hin und Her unvereinbarer Positionen und offenkundig unzureichender Zugeständnisse, widerstreitender Interessen der beiden Gemeinschaften und ihrer Mutterländer nachzeichnet, kommt zum ersten Mal die Vermutung auf, die Konfliktparteien könnten in letzter Instanz gar nicht an einer Lösung interessiert sein. Die daraus abgeleitete Hypothese der sog. „abweichenden Ziele“ (Devious Objectives) politischer Akteure, die damit zu Spielverderbern (Spoilers) in Friedensprozessen werden können, erörtern Richmond und Newman (2006) im Sammelband „Challenges to Peacebuilding: Managing Spoilers During Conflict Resolution“. Die Suche nach alternativen Erklärungen für Langwierigkeit und Ineffektivität der zypriotischen Verhandlungen motivierte hier offenkundig die Entwicklung eines neuen Forschungsansatzes. Die Erkenntnisse des Zypernkenners, der seit Jahrzehnten zum Konflikt publiziert, lieferten der Verfasserin wertvolle Einsichten zur (mangelnden) Aufrichtigkeit, mit der politische Kreise um eine Lösung verhandeln und motivierten sie zur Beschäftigung mit den Mitteln machtpolitischen Taktierens durch populistische Sprache und – in einem zweiten Schritt – mit der tiefergehenden Frage nach den (soziopsychologischen) Gründen für die Empfänglichkeit breiter Bevölkerungsteile für etwaige Botschaften. Eine kritische Revidierung der Überzeugung von der Effektivität extern motivierter Transformation durch liberale Werte (wie sie in den vorangehenden Publikationen immer wieder zum Ausdruck kam) motivierte den IB-Professor und Friedensforscher Richmond (2011) zur Monographie „A Post-Liberal Peace“, in der er eben diese Prämisse von der nachhaltigen Wirksamkeit gleichsam importierten bzw. von oben eingeführten Wandels durch Werte und Anreize infragestellt. Seine aktuelle Palgrave-Buchreihe „Rethinking Peace and Conflict Studies“, in der neben Ansätzen der Konfliktlösung auch Widersprüche und Grenzen von Konflikttransformation, Gerechtigkeitsbelange (Transitional Justice) oder etwa die Rolle von kulturellen Artefakten als friedenspolitischen Repräsentationen (Visual Peace) im Fokus stehen (z.B. Möller 2013), ist in diesem Lichte zu beurteilen. Auch James Ker-Lindsays Publikationen, so etwa „The European Union as a Catalyst for Conflict Resolution: Lessons from Cyprus on the Limits of Conditionality“ (2007), insbesondere indes „Resolving Cyprus: New Approaches to Conflict Resolution” (2014) scheinen der Bemühung Rechnung zu tragen, nach dem Scheitern des Annan-Planes neuen Ansätzen und Perspektiven auf die Erklärung und Überwindung von Unteilbarkeit Raum zu geben. Dieser in vielerlei Hinsicht exzeptionelle Sammelband, der darin etliche zypriotische Konfliktforscher
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und Friedensaktivisten mit ihren teils zynisch-pessimistischen Einschätzungen zur Wahrscheinlichkeit einer Lösung zu Wort kommen lässt, wird im letzten Kapitel der Forschungsarbeit en Detail erörtert. Der Sammelband von Varnava und Faustmann (2009) „Reunifying Cyprus. The Annan Plan and Beyond” schließlich, gab der Verfasserin einen ersten Überblick über die ineinander verwobenen, interdisziplinären Herausforderungen der Zypernfrage. Neben den divergierenden Perspektiven der Konfliktparteien, ökonomischen, verfassungs- und völkerrechtlichen Fragen, die im Band klar im Vordergrund stehen, tauchen hier auch vereinzelt Beiträge zur Medienkampagne von 2004, der kontraproduktiven Rolle von Geschichtsunterricht oder den emotionalen Gründen für die Ablehnung des Annan-Planes auf (Stavrinides), in denen Angst als Resultat eines historischen Sicherheitsdilemmas im Fokus steht. Sie motivierten die Verfasserin zur Detailanalyse der kulturellen Artefakte und Erinnerungsorte, die diese Angst – insbesondere im Hinblick auf die Jugend – ursächlich zu begründen scheinen und zur Erweiterung der soziopsychologischen Dimension um Gerechtigkeitsfragen, Vergebung und Sühne und eine kritische Reflexion des eindimensionalen Wahrheitsverständnisses und seiner Ausprägungen in der politischen Kultur. Mit der Rolle der Medien im Zypernkonflikt, die bisher kaum erforscht ist, befasst sich die Publikation „Media Narratives, Politics and the Cyprus Problem“ (Christophorou 2010). Sie beleuchtet die medialen Diskurse von Ende 2002 – 2003 und 2007 – 2008, spart dabei also die heißen Monate vor den Referenda 2004 nach eigenen Angaben aus Kapazitätsgründen aus (Ibid.: 3). In der Überblicksdarstellung werden die polarisierten Fronten und Opfernarrative sichtbar, nicht jedoch die sozialpsychologischen Tiefenstrukturen aus verwobenen Bedürfnissen und Ressentiments und ihr Einfluss auf die politische Kultur. Was – so kann man zu den Publikationen überleiten, die den empirischen Teil der Forschungsarbeit maßgeblich leiteten – die Begegnung mit Millas und seiner Lektüre für das Verständnis der griechisch-türkischen Beziehungen bedeutete, leisten im zypriotischen Kontext ganz besonders die mannigfaltigen Publikationen des Politikprofessors und Anthropologen Yannis Papadakis. Nicht zufällig ist auch er ein sprichwörtlicher Wandler zwischen den Welten, der sich – wie Millas – in und durch seine Forschungen in einen oftmals schmerzhaften Initiationsprozess kritischer Reflexion mit den eigenen vermeintlichen Selbstverständlichkeiten begab. Als wichtigste Monografie erscheint der Verfasserin dabei „Echoes from the Dead Zone. Across the Cyprus Divide“ (2005a), in der der griechische Zypriot, der in Cambridge promovierte und zu Beginn der 1990er Jahre für seine Dissertationsforschung eine exklusive Genehmigung erhielt, die damals hermetisch verriegelte innerzypriotische Grenze zu passieren, die konkurrierenden und doch so ähnlichen Narrative der jeweiligen nationalen Vorstellungsräume illustriert. Es erscheint als humorvolles, zuweilen selbstironisches, kurzweiliges und doch als eines der tiefgründigsten anthropologischen Werke zum Zypernkonflikt überhaupt. In vielen erhellenden Episoden skizziert er den Narzissmus der kleinen Differenzen (Freud) auf seiner Reise durch Nordzypern und – als empfundener Exot – in der Türkei. Der omnipräsente Streit um die – wenn man so will – kulturellen Urheberrechte bringt er in Abhandlungen, wie „Is there ‘Cypriot Coffee’ or only Greek and Turkish Coffee?” (2011) treffend zum Ausdruck. Zahlreiche Beiträge, wie „Nation, Narrative and Commemoration. Political Ritual in Divided Cyprus
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(2003) oder „The National Struggle Museums of a Divided City” (1994) reflektieren die gegensätzlichen Weltbilder der rituellen und instituionellen Erinnerungsnarrative. Analysen des öffentlichen Raumes, wie „Locating the Cyprus Problem: Ethnic Conflict and the Politics of Space“ (2005b) ergänzen seine Befunde. Besonders aufschlussreich – indes zunächst unverständlich – erschien sein Dokumentarfilm „Pyla. Living together Separately” (2003). Darin zeigt er anschaulich auf, wie sehr die im einzigen Dorf der Insel seit 1974 unter UN-Aufsicht zusammenlebenden griechischen und türkischen Zyprioten trotz täglicher Interaktion in ihren separaten Vorstellungsräumen gefangen zu sein scheinen. Solche und ähnliche Beiträge untermauern nach Auffassung der Verfasserin den Mehrwert einer Synthese von anthropologischen und politikwissenschaftlichen Erkenntnissen, weil sie die sozialen Wurzeln politischer Kulturen untermauern. Arbeiten der Ethnologin Bryant, wie ihre Monographie „Imagining the Modern: The Cultures of Nationalism in Cyprus” (2004) und ihr gemeinsam mit Papadakis herausgegebener Sammelband „Cyprus and the Politics of Memory: History, Community and Conflict“ (2012) oder Loizidesʼ (2007) „Ethnic Nationalism and Adaption in Cyprus“ erörtern die historischen und lebensweltlichen Hintergründe dieser Vorstellungsräume, die dahinterstehenden Interessen und die zentrale (historische wie gegenwärtige) Rolle der Bildung in der Vermittlung von historischem Erbe als gleichsam nationaler „Wahrheit“ über die eigene Identität. Beiträge, wie Makriyiannis und Psaltisʼ (2007) „The Teaching of History and Reconciliation” lieferten hier wertvolle Impulse für die Analyse ausgewählter zypriotischer Geschichtsbücher und ihrer exklusiven, emotionalen Botschaften. Entgegen vermeintlich statischer Identitäten und Interessen zeigt – neben anderen – etwa der Politologe Mavratsas (1997) in „The Ideological Contest Between Greek‐Cypriot Nationalism and Cypriotism 1974–1995: Politics, Social Memory and Identity“ auf, wie sich Identitäten, Identitätspolitik und Interessen durch die historischen Umbrüche veränderten. Andere, wenn auch insgesamt wenige Beiträge analysieren die unter der Oberfläche der monolithischen Großerzählungen liegende soziale Erinnerung, die die Überzeugung von der vermeintlich primordialen Feindschaft der Zyprioten widerlegt. Galatariotous (2008) „From Psychological Equilibrium to Catastrophic Breakdown: Cyprus 1955-1974“ oder die beiden Monographien von Harry Anastasiou (2008) „The Broken Olive Branch. Nationalism, Ethnic Conflict and the Quest for Peace in Cyprus” beispielsweise unterstreichen, dass die Eskalation der Konfliktjahre vor allem durch extremistische Minderheiten motiviert war, die sich auch gegen Gemäßigte und Linke richteten. Maria Hadjipavlou (2010), Genderforscherin und friedenspolitische Aktivistin, ergänzt die verborgenen Schichten der sozialen Erinnerung durch die so essenzielle Genderperspektive, die in „Women and Change in Cyprus“ den Chauvinismus, Machismus und Militarismus der zypriotischen politischen Kulturen sichtbar macht. Kann man so auf einige differenzierte Analysen der zypriotischen Konfliktjahre zurückgreifen, ist Literatur, die die Alltagsebene der Konfliktjahre analysiert, dennoch spärlich. Über persönliche Gespräche, Archivrecherche, Dokumentarfilme und Oral-History-Interviews wurde sie mit der Intention ergänzt, die institutionellen Narrative zu widerlegen, vor allem aber, die gleichsam sozioemotionale Hypothek jener Zeit und ihren Einfluss auf die gegenwärtige Gesellschaft und ihr Konfliktverständnis greifbar zu machen. Die Ergründung von tabuisierter Schuld und un-
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terdrücktem Leid motivierten die Verfasserin schließlich zur Analyse der bisher kaum erforschten, strafrechtlich äußerst brisanten Vermisstenfrage und der für den zypriotischen Kontext beinahe exotischen Rolle friedenspolitischer Aktivisten als Widerstandspunkten der gesellschaftlichen Peripherie. Die Synthese aller genannten Bereiche soll die interdependenten Facetten der für das Konflikt-, Gesellschafts- und Zukunftsverständnis relevanten Alltagskultur, die Bedeutung von Geschichte(n), die Rolle von (Aber-) Glauben und nicht zuletzt die Rolle der Kirche für die ethno-religiöse Synthese der nationalen Identität unterstreichen. So liegt ein zentraler Mehrwert der vorliegenden Arbeit in der Zusammenführung ausgewählter Komponenten für das Verständnis von Unteilbarkeit, also der Sichtbarmachung, Erörterung und Bewertung der „missing links“ zwischen unaufgearbeiteten Traumata, unerfüllten Bedürfnissen, tradierten Glaubensgrundsätzen, institutionalisierten sozialen Rollen und politischer Kultur und ihrer Anwendung im Kontext einer holistischen, sozialpsychologischen, politikwissenschaftlichen und anthropologischen Analyse des Zypernkonfliktes. Sie sollen in ihrer Gesamtheit die Macht des sozioemotionalen und normativen Vorstellungsraumes und die, wenn man so will, emotionale Trägheit aufgezeigt werden, die den Schwebezustand des Zypernkonfliktes charakterisieren und der Bereitschaft zu Wandel und Kompromiss entgegenstehen.7
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An dieser Stelle sei abschließend eine persönliche Anmerkung zur Verortung der Verfasserin erlaubt: Als Kind eines deutschen Vaters und einer griechischen Mutter wuchs sie mit der oftmals gehegten Empfindung auf, selbst Teil zweier gleichsam unvereinbarer Welten zu sein. Es waren erstens Augenblicke kultureller Befremdlichkeit zwischen Deutschen und Griechen im Hinblick auf Befindlichkeiten, Bräuche und Ansichten des „Anderen“, zweitens eine auf beiden Seiten erlebte, als unangenehm und unangemessen empfundene Tendenz zur Essentialisierung von vermeintlichen Wesensunterschieden und drittens die für interkulturell aufgeschlossene, insbesondere aber für binationale Menschen charakteristische Erfahrung, dass das sprichwörtliche Eintauchen in den jeweiligen Kulturkreis oftmals mit einem automatischen (zumeist unbewussten) Wandel an Sicht- und Verhaltensweisen verbunden ist, die der Verfasserin die kognitive Macht, den Absolutheitsanspruch und zugleich die Relativität geschlossener kultureller Bezugssysteme aufzeigte. In diesem Sinne erscheinen der Verfasserin als für Außenstehende möglicherweise zunächst befremdliche Charakteristika Griechenlands und Zyperns ganz besonders das engmaschige soziale Beziehungsgefüge, teils überbordender Nationalstolz und die erwähnte Rolle von erzählten Geschichten, die über institutionelle und soziale Kanäle geteilt und als kollektive Referenzpunkte von Identität und Abgrenzung dienen. Kann man mit Blick auf die aktuell akuten Themen der internationalen Beziehungen eine besondere und zukünftig höchst wahrscheinlich noch stärkere Rolle von traditionellen und sozialen Medien und der durch sie geteilten Geschichten für die Etablierung nationaler bzw. transnationaler Vorstellungsräume prognostizieren, in denen die Ausübung von Soft Power über Informationsmonopole und Überzeugungsstrategien von vermeintlichen Ingroup-Werten und kulturessentialistischen „Wahrheiten“ über Outgroups in den Vordergrund treten, erscheint die Bedeutung von konstruktivistischen und kulturvermittelnden Ansätzen in der Konfliktforschung umso zentraler.
3 Rien ne va plus: Die Komponenten von Unteilbarkeit 3.1 Einleitung: Wie unteilbar ist Unteilbarkeit? 3.1 Einleitung: Wie unteilbar ist Unteilbarkeit? Was unterscheidet, so lässt sich einleitend fragen, unteilbare von teilbaren Konflikten? In ihrer konzeptuellen Erörterung von Konflikten unterscheiden Bonacker und Imbusch (2010: 69-74) zunächst zwischen unterschiedlichen Ebenen, Formen und Ursachen: Ebenen reichen von der intra-, über die interpersonale, bis zur innergesellschaftlichen und internationalen. Während die Autoren als Ursache für Konflikte der intrapersonalen Ebene psychische Spannungen und für die interpersonale Beziehungsprobleme anführen, benennen sie für die gesellschaftliche und internationale Ebene das Ringen um materielle und immaterielle Ressourcen wie Geld und Ansehen, machtpolitische Interessen sowie ethnische und religiöse Weltbilder. Sie unterscheiden dabei zwischen symmetrischen und asymmetrischen, von der Mehrheitsgesellschaft als legitim oder illegitim erachteten, zwischen informellen und institutionalisierten, objektiven und subjektiven, konsensualen und dissensualen (ob also eine wenigstens partielle Übereinstimmung über die Form einer künftigen Beilegung besteht) und antagonistischen bzw. nicht-antagonistischen Konflikten: „Ein antagonistischer Konflikt“, so heißt es, „liegt dann vor, wenn sich die widerstreitenden Konfliktparteien unversöhnlich und kompromisslos gegenüberstehen und die Gegnerschaft, die durch den Konfliktgegenstand heraufbeschworen wird, aufgrund struktureller Bedingungen nicht aufzulösen ist“ (Ibid.: 72). Schließlich differenzieren sie zwischen konstruktiven und destruktiven Konflikten als „zwei Extreme[n] eines Kontinuums“, die sich darüber definierten, inwiefern Konfliktparteien mit dem Ergebnis einer Beilegung zufrieden seien bzw. „etwas gewonnen haben“ (Ibid.: 74). In welchem Bereich des Spektrums ein Konflikt anzusiedeln ist, sei davon abhängig, ob er von den Parteien als absolutes Nullsummenspiel angesehen werde oder ob beide Seiten der Ansicht seien, sie würden von einer Beilegung (wenigstens relativ) profitieren. Im Rekurs auf Hirschmann umschreiben sie Teil- bzw. Unteilbarkeit in diesem Sinne als „Mehr-oder-Weniger-Konflikte“ gegenüber „Entweder-Oder-Konflikten“ (Ibid.: 72,74). Definiert man Unteilbarkeit in Orientierung an dieser Darstellung über die ihr inhärente Nullsummenperspektive (Zero-Sum-Perspective), kann man entsprechende Konflikte also zugleich dem Lager der dissensualen und destruktiven Konflikte zurechnen. Unteilbar wäre damit prinzipiell synonym mit unlösbar, weil die Konfliktparteien in ihren Positionen keine Schnittmenge besitzen und sich gänzlich unversöhnlich gegenüberstehen. Sind diese Positionen aber unveränderbar? Nach rationalistischem Konfliktverständnis, das die Konfliktakteure als vernunftgeleitet, ihre Interessen als exogen ansieht und sich mit Blick auf den Konflikt praktisch allein auf Machtbalancen im Widerstreit um materielle Ressourcen konzentriert, wären sie nicht lösbar. Lange, so kritisieren sozialpsychologisch orientierte Konfliktforscher, hat man Konflikte in den Sozialwissenschaften denn auch als reine Ressourcenkonflikte angesehen. Zwei oder mehr Parteien streiten sich nach diesem Verständnis um ein beschränktes und begehrtes Gut. Die Wahrscheinlichkeit einer Beilegung ist folglich mit der Bereitschaft der Parteien verbunden, sich auf eine sprichwörtliche Verteilung der Kuchenstücke zu einigen bzw. mit der Stärke der einen oder anderen Partei sie durchzusetzen (Nadler, Malloy & Fisher 2008: 4).
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Rehrmann, Der Zypernkonflikt, Innovative Konfliktforschung – Innovation in Conflict Research, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31192-6_3
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Gängige Attribute wie verhandlungsresistent, undurchsichtig, bösartig, unkontrollierbar, langwierig u.a., die die wissenschaftliche Auseinandersetzung um die Definition unteilbarer und im Speziellen ethno-nationalistischer Konflikte prägen, unterstreichen diese Perspektive. Denn die Streitfragen, um die dabei gerungen wird – ob um staatliche Souveränität, politische, kulturelle oder ökonomische Autonomie und Teilhabe einer ethnischen Minderheit, um Sezessionsbestrebungen oder territoriale Alleinvertretungsansprüche – sind im Alltag dieser Konfliktgesellschaften allgegenwärtig, genießen zumeist oberste Priorität auf der politischen Agenda und durchdringen sämtliche Gesellschaftsbereiche (Bar-Tal 2007: 1444; Kelman 2008: 38). BarTal, Halperin und Pliskin (2015: 73) definieren Unteilbarkeit in diesem Sinne wie folgt: “Intractable conflicts are violent, fought over goals viewed as existential, perceived as being of zero sum nature and unsolvable, preoccupy a central position in the lives of the involved societies, require immense investments of material and psychological resources, and last for at least 25 years.”
Diese Definition unterstreicht die enge Verbindung des Konfliktes zu Alltag, Selbstverständnis und Wahrnehmung der involvierten Akteure und zugleich die Schwierigkeit, solche Konflikttypen als Außenstehender (z.B. als sog. Internationals) zu verstehen, zu operationalisieren und zu mediieren. Im Gegensatz zu einer rein rationalistischen Perspektive aber sprechen die Autoren vom Einsatz materieller und psychologischer Ressourcen und – am Allerwichtigsten – nennen die Nullsummenperspektive eine empfundene. „Yet intractability”, so H. und G.M. Burgess (2003) explizit, „is a perception, not a firm characteristic“. Was bedeutet das? Ein Blick auf die Weltkarte unteilbarer Konflikte nach obiger Definition – man denke an schwelende oder beigelegte Sezessions- bzw. Autonomiekonflikte um Katalonien, das Baskenland, die Republika Srpska, das Kosovo, die Kurdengebiete, Tschetschenien, Nordirland oder Abchasien oder an territoriale Alleinvertretungsansprüche im Nahostkonflikt und auf Zypern – zeigt: Zumeist spielen exklusive ethnische bzw. religiöse Identitäten und sich gegenseitig ausschließende Nationalnarrative von Gruppen ein Rolle, auf denen sich politische, kulturelle und territoriale Ansprüche begründen. Weniger greifbar doch nicht minder relevant, sind in diesen Konflikten ferner Bemühungen um Wahrung bzw. Wiederherstellung existentieller Grundbedürfnisse wie staatliche Anerkennung, Teilhabe, Integrität, Freiheit, Sicherheit und Lebensqualität, die durch Gewalt und Repression bedroht sind. Vermeintlich unumstößliche, exogene Streitpunkte der Konfliktparteien werden also durch Binnenansichten, insb. Selbstverständnisse, Glaubensgrundsätze und Bedürfnisse beeinflusst. Im Sinne des sozialkonstruktivistischen Schwerpunktes der vorliegenden Forschungsarbeit kann man unter Berücksichtigung der äußerst dynamischen Entwicklung der Idee von Ethnie und Nation und der daraus erwachsenden blutigen Konflikte der vergangenen zwei Jahrhunderte postulieren: Diese Selbstverständnisse, Binnenansichten und Gefühle sind wirkmächtige Parameter für Eskalation und Gewalt wie für Frieden und Versöhnung. Anders gesagt: Sie können Konflikte beflügeln, perpetuieren oder nachhaltig transformieren. Sie sind damit grundsätzlich wandelbar. Das oftmals absolute, exklusive-homogene und in seinem Anspruch zeitlose Selbstverständnis der Nation mag seine Mitglieder darüber hinwegtäuschen. Wie das 20. Jahrhundert der Weltkriege und auch die gegenwärtigen ethno-nationalistischen Konflikte zeigen, sind Menschen damals wie heute von der Idee beflügelt (gewesen) zu einer gleichsam gottgegebenen Gemeinschaft zu gehören und folglich bereit für die Idee der
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eigenen Ethnie bzw. Nation Entbehrungen hinzunehmen oder sogar ihr Leben zu lassen. Nationale Identität erscheint dabei als mächtiger, vermeintlich unumstößlicher Referenzpunkt von Gemeinschaften. Dabei wird oft übersehen, dass die Vorstellung der Nation als Einheit von Volk, Souveränität und Staatgebiet eine moderne Idee ist und noch dazu zunächst – ein Kind der Amerikanischen und Französischen Revolutionen – eine politisch-inklusive. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde sie durch Forcierung in Medien und Bildung zu einer für die Massen populären Idee mit zunehmend exklusivem Charakter (siehe Kapitel 8). So bestimmte sie das „kurze“ und blutige 20. Jahrhundert. In Europa ebnete sie aggressivem Chauvinismus und Kolonialismus den Weg und mündete im Ersten Weltkrieg. In Übernahme der Idee von der Souveränität eines klar definierbaren Volkes dominierten von 1945 bis 1989 antikoloniale Befreiungsbewegungen die Bühne ethno-nationalistischer Konflikte, die sich mit dem Ende des Kalten Krieges und dem Zerfall der Sowjetunion mit ihren blutigen Autonomie-, Sezessions- und Eroberungskonflikten unter ethnisch-exklusiven Vorzeichen im Kaukasus und auf dem Balkan auf den ehemaligen Ostblock ausdehnte (siehe Rehrmann 2020; Scherrer 2000). Die Nation ist damit nicht statisch und gegeben. Sie ist vielmehr zum einen eine anziehende, mächtige Idee für Identität, Zugehörigkeit, Gleichberechtigung und Freiheit, die sich seit dem Zeitalter der Revolutionen über den Globus ausbreitete. Zum anderen ist sie ein Mittel zum Zweck für Souveränität und Gebietsansprüche. Sie hat somit eine emotionale und eine strategische Komponente. Darauf wird im nächsten Abschnitt zurückzukommen sein. Ihre Wandelbarkeit zeigt sich beispielsweise in der zumindest für Teile der europäischen Gesellschaft über Jahrzehnte existente Strahlkraft der europäischen Idee und die daraus abgeleitete supra-nationale bzw. europäische Identität, die einst aus nationalistischen Exzessen geboren wurde und nun durch nationalistische Zentrifugalkräfte wieder verdrängt zu werden scheint (siehe Kapitel 8). Die Überwindung der so lange propagierten Erzfeindschaft zwischen Deutschland und Frankreich durch die Visionen der europäischen Gründerväter, die folgende transnationale politische und wirtschaftliche Verflechtung, aber auch deutsche Versöhnungsgesten, Städtepartnerschaften und gemeinsame Schulbuchprojekte sind Zeichen einer nachhaltigen Aussöhnung, die so Jahrzehnte zuvor völlig unmöglich erschien (Defrance und Pfeil 2011). Im ehemaligen Jugoslawien, das in den 1990ern durch nationalistische Bestrebungen blutig zerfiel, haben heute zwischen den exklusiven Erinnerungsorten auch (wenn auch wenige) pan-jugoslawische Erinnerungsorte (Jugonostalgia) wieder Konjunktur und verändern damit nicht zuletzt die Wahrnehmung der eigenen Geschichte und kollektiven Identität (Vukcevic 2020: 139-158). Gleichwohl bleiben in der Realität viele der langwierigen Konflikte ungelöst. Fast zwei Drittel aller zeitgenössischen Konflikte, so Scherrer (Ibid.: 47) im Jahr 2000, seien ethnischer Natur – ein Befund, der sich auch 15 Jahre später nicht wesentlich verändert hat (Denny 2015). Die Hauptgründe für ihre Perpetuierung scheinen denn auch in der Strahlkraft und Beständigkeit exklusiver Identitäten, in der Überlieferung und Bewahrung der Konfliktnarrative mit ihren althergebrachten Feinbildern und dem Fortbestand ungünstiger Emotionen wie Angst, Kränkung und Misstrauen als Resultat von Gewalterfahrung und Repression zu liegen. Sie bergen damit auch ein besonderes Eskalationsrisiko (Coleman 2000: 537; Stephan 2008: 373; Aggestam 2006: 25-27). Je länger dieser Zustand andauert, so belegen Colaresi und Thompson (2002: 266; siehe auch Colaresi et al. 2008: 102) desto größer ist die Wahrscheinlichkeit einer
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erneuten Eskalation. Denn der größte Prozentsatz gewaltsamer Auseinandersetzungen beschränkt sich auf eine äußerst kleine Gruppe zwischenstaatlicher Konflikte, die sich dafür durch fortdauernde bzw. wiederkehrende Gewaltspiralen definieren. Eine lange Konfliktvergangenheit in Kombination mit asymmetrischer Ressourcenverteilung ist, so belegt Brecher (1996) in einer vergleichenden Studie aus 388 Krisenkontexten im 20. Jahrhundert, ein entscheidender Faktor für Eskalation. Um unteilbare, im speziellen ethno-nationalistische Konflikte verhandelbar zu machen und ihre nachhaltige Überwindung zu gewährleisten– so kann man daraus folgern – müssten also jenseits der greifbaren Streitpunkte auch die Bedürfnisse und Emotionen, die aus Entbehrungen, Repression und Gewalterfahrung resultieren und die exklusiven Identitäten und verbundenen Glaubensgrundsätze, die sich vor allem in nationalen Großerzählungen und in einem intensiven und allgegenwärtigen Gemeinschaftsgefühl manifestieren zunächst (an) erkannt und alsdann in irgendeiner Form mit auf den Verhandlungstisch. In etlichen ethno-nationalistischen bzw. ethno-religiösen Konflikten – ob heiß oder kalt, politisch gelöst oder nicht – erscheinen Identitäten und Emotionen in Friedensgesprächen aber in sehr unterschiedlichem Maße relevant (gewesen zu sein). Der Nahostkonflikt, beispielsweise, erscheint repräsentativ für die nahezu gänzliche Aussparung dieser Dimension. Die Gespräche um die territorialen und politischen Streitpunkte einer Ein- bzw. Zweistaatenlösung wurden – in den Zeiten, in denen sie mühselig verhandelt wurden – nicht auf Augenhöhe, ohne einen breiten gesellschaftlichen Konsens und in einem Klima gegenseitigen Misstrauens geführt (Hallward 2011). Eine Einigung, die beispielsweise im Oslo-Friedensprozess daraus zumindest in einem politischen Minimalkonsens hätte erwachsen können, hätte so allenfalls eine sehr fragile sein können. Aber auch in politisch gelösten Konflikten wie Nordirland, Südafrika oder Bosnien und Herzegowina erscheinen die Bedürfnisse und Identitäten zu sehr unterschiedlichen Graden verhandelt und versöhnt. Einschlägige Arbeiten zur Bilanz der interethnischen bzw. interreligiösen Beziehungen zeichnen eher das Bild einer im besten Fall friedlichen Koexistenz, in der die Parallelgeschichten über den Konflikt und die traditionellen Gruppenpolaritäten (wenn auch zu unterschiedlichen Graden) und damit auch die sprichwörtlichen Schatten der Vergangenheit in Form latenter oder offener Ressentiment und unerfüllter Forderungen und Bedürfnisse weiterbestehen (Knox 2018; Zenker 2014; Tambe Endoh 2015; Biermann 2020). Das vorliegende Kapitel möchte vor diesem Hintergrund die unterschiedlichen sozialpsychologischen und institutionellen Mechanismen von Unteilbarkeit mit einem Fokus auf ethnonationalistischen Konflikten einleitend vorstellen, um die vielschichtigen Ebenen aufzuzeigen, die zur Unteilbarkeit und zur Beständigkeit und Verhärtung von Konfliktstrukturen beitragen. Jenseits rationalistischer Konfliktforschungsansätze, die sich vor allem auf das Ringen um knappe Ressourcen konzentrieren und von strukturellen Zwängen und universellen Verhandlungsparametern ausgehen, sollen dabei die Innenansicht, also die Subjektivität und Relativität von Unteilbarkeit und ihre Binnenansicht bzw. „interne Logik“ im Fokus stehen, die oftmals für externe Beobachter und Mediatoren schwer verständlich ist. Dabei soll aufgezeigt werden, dass die Unteilbarkeit eben prinzipiell wandelbar, aber dennoch wirkmächtig für den Fortbe-
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stand von Konflikten ist, insofern sie auf gegensätzlichen Selbstbildern, Ressentiments, unerfüllten Grundbedürfnissen, misslungener Verständigung, gegensätzlichen Glaubensgrundsätzen und stetiger Gewöhnung beruht.
3.2 Im Großen wie im Kleinen: Charakteristika von ethno-nationalistischer Unteilbarkeit im Spiegel der Kommunikationspsychologie 3.2 Charakteristika von ethno-nationalistischer Unteilbarkeit Welche Auswirkungen mag ein mitunter Jahrzehnte andauernder ethno-nationalistischer Konflikt mit all seinen sprichwörtlichen wie realen vernarbten Wunden, erfahrenen Entbehrungen, politischen Durchhalteparolen, seinen Erzählungen von Leid und Hoffnung, die durch soziale und institutionelle Träger gepflegt und verbreitet werden, auf Haltung, Wahrnehmung, Selbstverständnis und Interessen jener Gesellschaften haben? Eine Reihe von Gemeinsamkeiten scheinen hier sowohl heiße Konflikte (wie den Nahostkonflikt), sporadisch eskalierende, zumeist indes durch fragilen, negativen Frieden geprägte Konflikte (wie den zwischen Abchasien, Südossetien und Georgien oder Armenien und Aserbaidschan um Bergkarabach) oder gänzlich kalte Konflikte (wie Zypern) zu definieren: In der Regel kommunizierten die Konfliktparteien mit Verweis auf die völlige Zurückweisung des Anderen, seiner Perspektiven und Forderungen kaum oder gar nicht miteinander oder scheinen sich in Verhandlungen allenfalls mit rhetorischen, also sprachlich festgefahrenen Maximalpositionen gegenüberzustehen. Sie senden dafür aber über interne Diskurse oder Symbole des öffentlichen Raumes wie Denkmäler oder Feiertage implizite Botschaften der Stärke und Konfrontation an den Rivalen. Die essenziellen Streitfragen und die schmerzhafte Last der Vergangenheit scheinen zwar nicht unbedingt durchweg im Zentrum gesellschaftlicher Auseinandersetzungen zu stehen, treten dafür aber in Krisenund Eskalationsmomenten durch kollektive Ängste, Gefühle der Demütigung oder Ressentiments und Aggression umso intensiver hervor. Auch bleiben die maximalistischen Grundhaltungen der Konfliktparteien nicht nur über Jahrzehnte weiter bestehen, sondern gewinnen über die Zeit – vor allem in dem Maße wie Generationen in ihnen aufwachsen – sogar noch an Bedeutung. So bleiben die Konfliktparteien in ihren sprichwörtlichen Mikrokosmen gefangen. Ein Blick in die Kommunikationspsychologie und die Strukturen zwischenmenschlicher Beziehungen mag die sozioemotionalen Faktoren beleuchten, die hier am Werk sind, sowie die universelle, zwischenmenschliche Relevanz von Unteilbarkeit untermauern. Die Kommunikationspsychologie liefert der konstruktivistischen und sozialpsychologischen Konflikttheorie denn auch wertvolle Erkenntnisse in ihrer Analyse sog. gestörter Beziehungen, die aus Asymmetrie, Missverständnissen, selektiver Wahrnehmung, enttäuschten Erwartungen und aufgestauten, negativen Emotionen resultieren. Wie in diesem Abschnitt gezeigt werden soll, können auch ethno-nationalistische Konflikte als kollektiver Ausdruck einer solchen gestörten Beziehung angesehen werden. Der oftmals ausschließliche Analysefokus auf politisch-völkerrechtlichen Dimensionen (Power-Sharing, Souveränität, territoriale Integrität, Restitution etc.) verschleiert, dass auch in diesen Konflikten Menschen – ob einzelne Regierungschefs oder ganze Kulturgemeinschaften – miteinander in Verbindung stehen, deren Haltungen zueinander, Wissen übereinander, deren emotionale Bindung und etwaige Altlasten mit darüber entscheiden,
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wie sie im Zweifels- bzw. im Krisenfall aufeinander reagieren. Coleman (2006: 325) definiert Unteilbarkeit in diesem Sinne mit den Worten: „Conflicts that endure despite repeated good faith attempts to resolve them are considered intractable. Such conflicts can exist at the family, organizational, community, and international levels and present conflict resolution practitioners with extraordinarily difficult challenges. Over time, they can become highly complex, mercurial, and malignant, and render standard methods of conflict resolution such as negotiation and mediation less effective”.
Unteilbarkeit resultiert nach dieser Definition nicht nur aus lang andauernden, verhandlungsresistenten Konflikten, die je länger sie trotz wiederholter Bemühungen ungelöst bleiben, stetig an Komplexität hinzugewinnen. Sie sind auch – dies ist in der anfänglichen Definition Bonackers und Imbuschs nicht explizit deutlich – auf ganz unterschiedlichen Ebenen individueller, sozialer und institutioneller Interaktion zu finden. So kann man etwa an Rivalitäten zwischen Geschwistern denken, die auf unaufgearbeiteten Kindheitswunden basieren und bei jedem Familientreffen zu eskalieren drohen, wenn ein „falsches“ Wort ein anderes bedingt. Familienfehden und ihre destruktiven Vergeltungsspiralen unter dem Vorzeichen der Vendetta sind beliebtes Motiv der Weltliteratur. Sie gründen sich auf Familienehre mit strengem Verhaltenscodex nach innen und außen und erhalten ihre Strahlkraft über die zwischen den Familienmitgliedern immer wieder ausgetauschten, gemeinsamen Geschichten, auf denen sich die Familientradition begründet. Unteilbare ethno-nationalistische Konflikten weisen, wie zu zeigen sein wird, mit Blick auf die Rolle von Identitäten, negativen Emotionen, selektiven Narrativen und forcierten Loyalitäten viele Gemeinsamkeiten mit Familienfeden auf. Dasselbe gilt für Grundeinstellungen gegenüber einem Anderen und etwaige Altlasten. So schreibt Coleman (2006: 336) weiter: „In any healthy relationship – whether between individuals, groups, or nations – there are likely to be many distinct issues and dimensions along which the relationship is experienced (e.g., my friend is chronically late and tends to exaggerate the truth, but is generally well-intentioned, funny, and kind). Such multidimensionality and complexity in relationships mitigates against malignant social relations“.
Die emotionale Verbindung zu einem Menschen oder einer Gruppe hängt also mitunter von sehr spezifischen Assoziationen und zugleich von emotionalen Grunddispositionen gegenüber diesem Anderen ab, die im Zweifelsfall darüber entscheiden, wie sein Verhalten bewertet wird. Beispiele wie eben Familienfehden illustrieren anschaulich, dass das Fehlen einer solchen, positiven Grundeinstellung etwa aufgrund von Kränkung durch die Fremdzuschreibung unvorteilhafter Wesenseigenschaften in der Folge Missverständnisse, Misstrauen und Ressentiments motivieren kann, die Folgekommunikation ihrerseits beschweren und sich am Ende nicht selten zu völlig unvereinbaren Versionen einer Streitgeschichte entwickeln können. Beide Zitate Colemans verweisen so auf das menschliche Gesicht und menschliche Gemüt, das sich auch hinter kollektiven Konflikten mit ihren sich gegenseitig ausschließenden Konfliktgeschichten verbirgt. Denn Autonomie- und Sezessionsbestrebungen, schwelende Grenzstreitigkeiten oder territoriale Alleinvertretungsansprüche sind in ethno-nationalistischen Konflikten zumeist mit völlig unvereinbaren, konkurrierenden und selbstverherrlichenden Großerzählungen verbunden. Die jeweilige Gemeinschaft definiert sich über sie und begründet auf ihr ihre politischterritorialen Ansprüche. Das sieht man in den Konflikten um Bergkarabach und Südossetien oder Abchasien wie zwischen Israel und Palästina (siehe dazu etwa Zemskov-Züge 2015, Ayunts et al. 2016; Pappé & Hilal 2010).
3.2 Charakteristika von ethno-nationalistischer Unteilbarkeit
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Die zwischenmenschliche Ebene vermag aber auch zu veranschaulichen, dass unteilbare Konflikte auf der – wenn das auch zunächst befremdlich anmuten mag – tiefen Verbundenheit der Konfliktpartner beruhen, die sich in oftmals kontinuierlicher (expliziter oder impliziter, innerer oder äußerer) Auseinandersetzung mit- und umeinander befinden. Denn ohne die Abgrenzung vom Anderen würden die Großerzählungen und kollektiven Identitäten weit weniger emotionale Wirkung entfalten (Kapitel 4 und 7). Das unterstreicht die Relevanz der Beziehungsebene der Konfliktparteien. In ihrer kommunikationspsychologischen Analyse zwischenmenschlicher Beziehungsmuster stellen Watzlawick et al. (2017) eine Reihe von metakommunikativen Grundannahmen auf, die aufzeigen, welche Ebenen eine Beziehung grundsätzlich bestimmen und unter welchen Umständen sie sich zu einer gestörten Beziehung entwickeln kann. Zunächst unterstreichen sie, es gäbe keine „Nicht-Kommunikation“. Selbst ostentative Nichtbeachtung sei eine (möglicherweise sogar besonders intensive) Form der Kommunikation. Sie scheint vor dem Hintergrund des Vorangehenden für unteilbare Konflikte besonders charakteristisch. Des Weiteren unterscheiden sie zwischen Inhalts- und Beziehungsebene. Während erstere den (Sach-) Informationsgehalt einer Aussage definiert, verweist letztere auf etwaige Kräfte- oder Vertrauensverhältnisse, auf Erwartungen, Bekundungen oder Wünsche, die aus der Qualität und Form der Beziehung der Partner resultiere. Außerdem unterscheiden sie zwischen digitaler, also durch Zeichen verschlüsselter und nonverbaler bzw. analoger Kommunikation durch Gestik, Mimik, Symbolik, Haltung oder Tat. Reine Sachkommunikation sei, so die Autoren, kaum möglich. Zumeist schwingen Appell- und Offenbarungsfunktionen der Beziehungsebene und analoge Botschaften mit (Watzlawick et al. 2017: 57-81). Anschaulich belegen Psychoanalytiker wie Watzlawick (Ibid.: 83-143), Beck (2008), Johnson (2004) oder Brunner et al. (1997: 226-228) an Beispielen aus der Paartherapie, dass Verständigung auf der inhaltlichen Ebene kontinuierlich scheitern kann, wenn Probleme auf der Beziehungs- bzw. Gefühlsebene nicht erkannt bzw. gelöst werden und auf divergierende Grundauffassungen über Selbst-, Fremdwahrnehmung und Status der Beziehung deuten. Alle drei Aspekte erscheinen für das Verständnis der charakteristischen Kommunikationsformen und kontinuierlichen Missverständnisse von Akteuren unteilbarer Konflikte bedeutsam, die erstens oftmals nicht mitsondern hauptsächlich übereinander kommunizieren, deren Beziehungsebene mit ihren divergierenden Rollen, Erwartungen und Selbstbildern zweitens so gestört ist, dass Sachinformationen unterschiedlich interpretiert werden oder die Kommunikation gar unmöglich macht und die drittens in ihren allgegenwärtigen Kollektivsymboliken des öffentlichen Raumes, in Bildsymbolen der eigenen Opferrolle, Militärparaden als Gesten der Konfrontation oder ritualisierter Heldenverehrung über vielfältige analoge Kommunikationsformen verfügen. Es sind diese analogen und auf die Beziehungsebene gerichteten Kommunikationsformen, die – so kann man vorwegnehmen – für das Verständnis der Konfliktbeziehung aussagekräftiger erscheinen als formell-sachliche Aussagen etwa am Verhandlungstisch. Eine weitere metakommunikative Annahme besagt, die Basis jeder Beziehung sei auf der sog. Interpunktion der Kommunikationsabläufe, einer Spirale aus Ursache und Wirkung bzw. Reiz und Reaktion begründet, deren Ursprung meist nicht mehr zurückzuverfolgen sei und die oftmals eine destruktive Eigendynamik entwickelt (Watzlawick et al. 2017: 107-112). Auch diese Erkenntnis lässt sich gut auf die Eskalation unteilbarer ethno-nationalistischer Konflikte
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übertragen. Was Loriot in seinem berühmten Sketch über ein Ehepaar am Frühstückstisch skizziert, deren anfängliche Meinungsverschiedenheit über ein (zu) hart gekochtes Ei in ein von gegenseitigen Vorwürfen gespicktes Konfliktgespräch über die Widrigkeiten des Ehelebens ausartet, versinnbildlichen Watzlawick et al. exemplarisch in einem Zick-Zack-Graph, der die zunehmende Entfremdung zwischen einer über den Rückzug ihres Mannes nörgelnden Frau und einem stetig zurückweichenden Mann illustrieren soll. In beiden Fällen wird eine gestörte und sich zuspitzende Beziehung nachgezeichnet, in der die beiden Partner immer den Anderen als Auslöser von Ärgernis sehen, sich selbst als lediglich reagierendes Element: „In der gemeinsamen Psychotherapie von Ehepaaren kann man oft nur darüber staunen, welch weitgehende Unstimmigkeiten über viele Einzelheiten gemeinsamer Erlebnisse zwischen den beiden Partnern herrschen können, sodass manchmal der Eindruck entsteht, als lebten sie in zwei verschiedenen Welten. Und doch liegt ihr Problem hauptsächlich in der […] Unfähigkeit, über ihre individuellen Definitionen der Beziehung zu metakommunizieren. Dies macht ihre Interaktion zu einer Ja-nein-ja-nein-ja-nein-Oszillation, die theoretisch ad infinitum andauern kann, praktisch aber fast unweigerlich zu den typischen gegenseitigen Vorwürfen von Böswilligkeit oder Verrücktheit führt. Internationale Beziehungen haben nur zu oft dieselbe Struktur (sic!) […]“ (Watzlawick et al. 2011: 68).
Was die Autoren also zwischenmenschlichen wie internationalen Beziehungen attestieren, ist ein Prozess kontinuierlicher Entfremdung, die auf einer Eigendynamik aus Ressentiments und Unverständnis beruht. Wie genau solch ein Prozess aussehen kann, illustriert der Kognitionspsychologe und Konfliktforscher Beck (2000: 87) in seinem Buch „Prisoners of Hate”, in dem er den destruktiven, ja fatalen Einfluss negativer Emotionen auf Beziehungsverläufe zwischen Individuen und Nationen analysiert. So entwickelt sich ein fiktiver Alltagsdialog zwischen zwei Partnern folgendermaßen: „Wife: You never do what you promise. Husband: Why are you making a federal case of this? Wife: Because you never do what I ask you to. You never pull your own weight. Husband: There you go again – you never appreciate what I do. Wife: How can I? You’re always watching the games on TV or hitting golf balls. Husband: You just can’t stand it if you see me enjoying myself. You need to control everything I do. Wife: Why don’t you shut up and do what you’re supposed to do? Husband: You even want to control my speaking.”
Was an diesem Beispiel besonders augenfällig ist, sind hohe Emotionalität, Normativität und die Totalität der jeweiligen Deutungsansprüche, auf die die Häufung absoluter Zeitangaben („never“, „always“) verweist. Obgleich der eigentliche Auslöser für das Konfliktgespräch hier nicht ersichtlich ist, erscheinen derartige Adverbien als deplatziert bzw. übertrieben und lassen vermuten, dass hier erfahrungsbedingte Altlasten, Frustration, Ärger und Machtgerangel mit hineinspielen. Was möglicherweise als Lappalie, als harmlose Meinungsverschiedenheit begann, ist im vorliegenden Gesprächsabschnitt durch einen extremen Anspruch auf Allgemeingültigkeit und ein hohes Abstraktionsniveau gekennzeichnet, durch das sich die Partner gegenseitig – wenn man so will – „kolonisieren“, d.h. ihre Perspektive gleichsam als ungünstige Wahrheit über den Anderen stülpen. Auf solcherlei Unterstellung reagieren beide Seiten mit einem stetig höheren Maß an Unterstellung und Provokation. Geht es zunächst darum, was jeder tut, ist bereits in den folgenden Sequenzen vom vermeintlichen Wesen der Partner, vom Mangel an grundsätzlicher Wertschätzung, lästigen Alltagsgewohnheiten und bösen Absichten die Rede. Es erscheint als wahrscheinlich, dass die Partner sich so lange gegenseitig anstacheln, wie sie im Affekt dem Bedürfnis folgen, das Argument des Anderen zurückzuweisen und zu
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überbieten. Das Gespräch endet so vermutlich in der völligen Eskalation oder wird vorzeitig abgebrochen, weil sich einer der Partner zurückzieht. Dennoch ist die Gefahr groß, dass scheinbar unbedeutende Anlässe immer wieder ähnliche Eskalationsgespräche motivieren. Derartige Beziehungsmuster – so absurd sie anmuten – wären kein so beliebtes Analyse- und Unterhaltungsobjekt, wären sie nicht ein erstaunlich allgegenwärtiges Phänomen für den Mangel an Empathie bzw. der Fähigkeit zum Perspektivwechsel, die hier einer konstruktiven Verständigung im Wege stehen. Auch dieses Axiom erscheint damit beispielsweise hilfreich für das Verständnis der Empfindung (vermeintlich) primordialer Rivalität oder von Eskalation entzündet an geringen Anlässen. Die letzte für den vorliegenden Kontext relevant erscheinende Grundannahme besagt, dass sich das Kräfteverhältnis aller Beziehungen entweder über Symmetrie oder über Komplementarität definiert. Während symmetrische Beziehungen auf Augenhöhe und Parallelität beruhen, sind komplementäre Beziehungen durch Asymmetrie und komplexe Abhängigkeit geprägt. Letztere ist für das vorliegende Erkenntnisinteresse besonders aufschlussreich: „In der komplementären Beziehung gibt es zwei verschiedene Positionen: Ein Partner nimmt die sogenannte superiore, primäre Stellung ein, der andere die entsprechende inferiore, sekundäre. Diese Begriffe dürfen jedoch nicht mit „stark“ und „schwach“, „gut“ und „schlecht“ oder ähnlichen Gegensatzpaaren verquickt werden. Komplementäre Beziehungen beruhen auf gesellschaftlichen oder kulturellen Kontexten (wie z. B. im Fall von Mutter und Kind, Arzt und Patient, Lehrer und Schüler), oder sie können die idiosynkratische Beziehungsform einer ganz bestimmten Dyas sein. In beiden Fällen muss jedoch die ineinander verzahnte Natur der Beziehung hervorgehoben werden, wobei unterschiedliche, aber einander ergänzende Verhaltensweisen sich gegenseitig auslösen. Es ist nicht etwa so, dass ein Partner dem anderen eine komplementäre Beziehung aufzwingt; vielmehr verhalten sich beide in einer Weise, die das bestimmte Verhalten des anderen voraussetzt, es gleichzeitig aber auch bedingt“ (Watzlawick et al. 2017: 80).
Die Definition veranschaulicht, dass sich das Selbstverständnis beider Seiten in komplementären Beziehungen wechselseitig erschafft. Anders gesagt: Die eine Seite definiert sich über die Beziehung zur anderen. Verändert sich eine der beiden Seiten, verändert sich automatisch auch die andere. Komplementäre Beziehungen funktionieren also, solange beide Partner die Asymmetrie akzeptieren. Im Krisenfall indes zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen beiden Beziehungsformen. Während bei ähnlichem Status Auseinandersetzungen zwar einen Schlagabtausch motivierten, dafür aber zugleich das Bestreben nach Erhalt der Gleichwertigkeit im Fokus stehe, könne eine Krise in einer komplementären Beziehung viel leichter zur Existenzverleugnung bzw. Demütigung des inferioren Partners führen (Watzlawick et al. 2017: 122). Die Kommunikationspsychologie bezeichnet diesen Prozess als Entwertung. Eine solche Entwertung zeige beispielsweise ein Arzt, wenn er die Schmerzbekundung seines Patienten, den er für einen Hypochonder halte, nicht ernst nehme und damit die existentiellen Bedürfnisse des Patienten missachte (Mayer und Buddeberg 1998: 38-39). Empfundene Demütigung und Frustration können daraus resultieren. Solch ein Szenario wäre in der Kommunikation zweier gleichrangiger Medizinerkollegen denkbar unwahrscheinlich. Das Beispiel verweist bereits auf zentrale Konzepte der Unteilbarkeit wie Macht und Ohnmacht, Deutungshoheit sowie Fremdzuschreibung von Identität („Sie sind ein Hypochonder“), die sich der Arzt im konkreten Beispiel aufgrund seines gesellschaftlich anerkannten Fachwissens und seines Status´ erlauben kann bzw. meint erlauben zu können. Ganz in diesem Sinne können auch auf der internationalen Ebene asymmetrische Verteilung von politischem, ökonomischem Einfluss bzw. militärischem
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oder strategischem Handlungsspielraum, so Richmond und Newman (2006: 8, 16) die überlegene Seite zu Arroganz, Kompromisslosigkeit und exzessiver Gewalt motivieren, bei der unterlegenen Seite das Gefühl von Ungerechtigkeit und Schmach verstärken. Beide Seiten würden dabei zu einer Nullsummenperspektive motiviert: Die eine Seite mit dem Motiv weiter an Boden zu gewinnen, die andere im Bestreben eine Niederlage zu verhindern. Der zweite Aspekt komplementärer Beziehungen, nämlich die enge Verquickung des jeweiligen Selbstverständnisses und der verbundenen Rollen, verweist darauf, wie konfliktaffin sie sind. Denn die Infragestellung oder Veränderung des eigenen Selbst- bzw. Fremdbildes hat unmittelbaren Einfluss auf die des Partners. Dies ist in der Arzt-Patient-Dyas, aber beispielsweise auch im Eltern-Kind-Verhältnis augenscheinlich, in dem der Emanzipations- und Abnabelungsprozess des Kindes den Eltern eine möglicherweise schmerzhafte Neudefinition ihrer Rolle abnötigt (Watzlawick et al. 2017:122). Für den superioren Partner ist das (zumindest äußerliche) Aufzwingen der gewünschten Identität aufgrund seiner Stellung dabei naturgemäß leichter. Man denke hier, um im Bilde zu bleiben, an den umgekehrten Fall der sprichwörtlichen „Rabeneltern“, die ihre Jungen aus dem Nest werfen, wenn sie sich der neuen Rolle nicht fügen wollen. Doch auch der superiore Partner ist letztlich von der Anerkennung seiner Identität durch den inferioren Partner abhängig. Auch unteilbare ethno-nationalistische Konflikte sind zumeist asymmetrische Identitätskonflikte innerhalb von Staaten oder zwischen ihnen. Zentral ist hier nämlich das Ringen um Anerkennung der eigenen ethnisch-kulturellen (bei Minderheiten, die Autonomie fordern) oder staatlichen (z.B. bei De-facto-Staaten) Identität bzw. der Anerkennung als Staatsvolk (vgl. Richmond 2006: 63). Die Anerkennung (Recognition) der Identität hat dabei wie in komplementären Individualbeziehungen eine strategische bzw. mit Macht und Einfluss verbundene und eine emotionale Dimension. Denn in innerstaatlichen ethno-nationalistischen Rivalitäten legitimiert Identität auf der einen Seite Status, Einfluss und Zugang zu Ressourcen, in zwischenstaatlichen die Rechtmäßigkeit nationaler Souveränität und die Kontrolle eines bestimmten Territoriums. Auf der anderen Seite ist die Anerkennung der Legitimität des eigenen nationalen Selbstverständnisses und damit auch der eigenen Leidensgeschichte eine hoch emotionale Frage, in der es um Augenhöhe mit der internationalen Gemeinschaft und um die glückliche Erfüllung der mitunter seit Generationen gehegten Gemeinschaftsziele geht. Das Ringen um territoriale Alleinvertretungsansprüche im Zeichen konkurrierender ethno-nationalistischer Narrative und das gegenseitige Nicht-Anerkennen als Gemeinschaft bzw. Staatsvolk wie zwischen Israel und Palästina oder eben Zypern, die mit der Nichtexistenz diplomatischer Beziehungen oder dem Abbruch von Friedensverhandlungen einhergehen, hängt also zusammen. Das gegenseitige Absprechen von staatlicher Anerkennung und Legitimität verhindert dabei in Friedensverhandlungen – man denke an Oslo – dass die Parteien überhaupt erst miteinander in Kontakt treten (vgl. dazu Richmond 2006: 68 und Hallward 2011). Der gescheiterte Friedensprozess in Nahost ist dabei ein äußerst anschauliches Beispiel für eine gestörte komplementäre Beziehung, in der sich Israelis und Palästinenser gegenseitig das Selbstverständnis als Staatsvolk bzw. als Nation absprechen und damit auch die staatlich-territorialen Ansprüche des Anderen zurückweisen. Die beiden Narrative des Nahostkonfliktes konstituieren sich dabei durch sich gegenseitig ausschließende und doch fest miteinander verwobene, negative Ereignisfolgen (Interpunktion). Aber nicht nur das Selbstverständnis der jeweiligen Gemeinschaft, sondern
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auch interne Hierarchien und der Status bestimmter Interessengruppen sind fest mit dem Konflikt und seinen Feindbildern verbunden. Eine Beilegung des Konfliktes hätte damit sowohl eine Neuordnung der innerstaatlichen Machtbalancen als auch eine Neudefinition der jeweiligen kollektiven Identität zu Folge.8 Dass dies kontraproduktiv für eine Transformation der Konfliktstrukturen sein kann, wird im nächsten Abschnitt zu erörtern sein. Gestörte, komplementäre Beziehungen, so kann man zusammenfassen, sind also im Gegensatz zu symmetrischen Beziehungen durch Differenzbestrebungen bei gleichzeitiger identitärer Verbundenheit geprägt, in denen die Versuchung der Machtausübung durch den überlegenen Partner bzw. die Frustration über die Fremdzuschreibung durch den Anderen zu einem impliziten und kontinuierlichen Ringen um Deutungshoheit und Selbstvergewisserung führen können. Dieser Teufelskreis, so resümieren die Autoren, könne nur durch einen Perspektivwechsel bzw. durch eine metakommunikative Erkenntnisebene durchbrochen werden. So müssten den Kommunizierenden ihre eigene Rolle und die Subjektivität und Bedingtheit ihrer eigenen Perspektive, bzw. die Rolle und Perspektive des Anderen bewusst werden. Dass das in der alltäglichen Kommunikation oftmals nicht geschehe, habe mit dem absoluten Deutungsanspruch beider Partner zu tun: „Wir können nur vermuten, dass Interpunktionskonflikte mit der tief im Innern verwurzelten und meist unerschütterlichen Überzeugung zu tun haben, dass es nur eine Wirklichkeit gibt, nämlich die Welt, wie ich sie sehe, und dass jede Wirklichkeitsauffassung, die von der meinen abweicht, ein Beweis für die Irrationalität des Betreffenden oder seine böswillige Verdrehung der Tatsachen sein muss“ (Watzlawick et al. 2017: 108-109).
Dieser absolute Wahrheitsanspruch (naiver Realismus) – das wird in der folgenden Argumentation zu erörtern sein – ist eng mit krisenhaften individuellen Beziehungen, aber auch mit dem Realitätspostulat von (Konflikt-) Gesellschaften verknüpft, in denen ideelle wie materielle Ressourcen auf dem Spiel stehen und im dominanten Diskurs eine populistische, einheitsstiftende und aggressive Rhetorik von der vermeintlichen Universalität der eigenen Perspektive zeugen soll. Die Emotionally Focused Therapy (EFT) als neuester Ansatz der kognitionspsychologischen Kommunikationstheorie zielt in diesem Sinne darauf ab, automatisierte, impulsive (Ketten-) Reaktionen innerhalb gestörter Beziehungsmuster durch kognitiv-affektives Reframing, d.h. durch die Förderung neuer Gefühle zueinander und neuer Ansichten übereinander zu überwinden und Re-Humanisierung und Empathie für den Anderen zu ermöglichen: „EFT expands experience and interactions. The first goal of therapy is to access and reprocess the emotional responses underlying each partner’s often narrow and rigidly held inter-actional position, thereby facilitating a shift in these positions toward accessibility and responsiveness, the building blocks of secure bonds. The second goal of therapy is to create new interactional events that redefine the relationship as a source of security and comfort for each of the partners. The reprocessing of inner experience is used to expand the interpersonal context (such as when a partner discovers that his wife is desperate rather than malicious). In turn, the structuring of new interactional events expands and redefines each partner’s inner experience (as when a spouse expresses his need for his wife, and she then experiences her own fear of responding, rather than staying focused on his unavailability). When EFT is successfully implemented, each partner becomes a source of security, protection, and contact comfort for the other. Each partner can then assist the other in regulating negative affect and constructing a positive and potent sense of self. The EFT therapist choreographs bonding events in the session, which then powerfully redefine the relationship. This process is a journey:
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Vgl. zu den machtpolitischen Interessen unterschiedlicher Gruppen an einer Aufrechterhaltung des Status Quo in Nahost Golan und Sher 2019.
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From alienation, to emotional engagement.
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From vigilant defence and self-protection, to openness and risk taking.
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From a passive helplessness in the face of the inexorable dance of the relationship, to a sense of being able to actively create that dance.
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From desperate blaming of the other, to a sense of how each partner makes it difficult for the other to be responsive and caring.
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From a focus on the other’s flaws, to the discovery of one’s own fears and longings. But most of all, from isolation to connectedness. This is not an easy journey for most couples, even with guidance of a seasoned therapist” (Johnson 2004: 10-11).
In dieser Passage finden sich im Verweis auf Langwierigkeit und Entfremdung, das Verharren in Abwehr und Passivität und die Notwendigkeit von fundamentalem Umdenken und von Identitäts- und Einstellungswandel durch „bonding events“ bereits die wesentlichen Charakteristika, die komplementäre Konfliktbeziehungen charakterisieren und die notwendigen Voraussetzungen für ihre konstruktive Transformation formulieren. Im letzten Thoeriekapitel (9) wird darauf zurückzukommen sein.
3.3 Die Eigendynamik polarisierter Konfliktstrukturen 3.3 Die Eigendynamik polarisierter Konfliktstrukturen Der vorangehende Abschnitt sollte die kommunikationspsychologischen und universellmenschlichen Aspekte von Unteilbarkeit veranschaulichen. Was im Kleinen die Mechanismen gestörter komplementärer Beziehungen bezeichnet, hat im Alltag sporadisch eskalierender oder kalter unteilbarer Konflikte nochmals eine ganz eigene Dynamik. Wie in diesem Abschnitt aufgezeigt werden soll, tragen zum einen insbesondere unerfüllte Grundbedürfnisse, die Botschaften des sozialen Raumes, selektive Wahrnehmung und die stetige Etablierung und Normalisierung des Ausnahmezustandes, zum anderen die machtpolitische Instrumentalisierung des Status Quo zur Frontenverhärtung und damit zur Perpetuierung der Konfliktstrukuren bei. Diese Strukturen sind in heißen und kalten Konfliktkontexten beständig, werden also nicht notwendigerweise durch Gewalt und Eskalation motiviert. Zu dieser Struktur gehören zuvorderst, wie einleitend erwähnt, eine Reihe von Grundbedürfnissen, die durch den Konflikt gefährdet werden. Dazu zählen ein positives Selbstbild, das Bedürfnis nach Sinn und Kontinuität als Folge von Trauma und Deprivation, das Bedürfnis nach Sicherheit und aus Gewalterfahrung, Angst, Frustration und Demütigung resultierende Impulse nach Vergeltung, Strafe und wiederherstellender Gerechtigkeit (vgl. Bar-Tal 2007: 1430-1453). Um die Bedürfnisse zu befriedigen und mit den unangenehmen Impulsen fertig zu werden, verfügten Gesellschaften, so Bar-Tal, über ein gemeinsames Repertoire an Glaubenpsgrundsätzen und Emotionen, die es erlauben, eben dieses positive Selbstbild zu wahren und so den gesellschaftlichen Zusammenhalt für die Abwehr äußerer Gefahr zu stärken. Zu ihnen zählen das traditionell stereotype und negative Bild des Rivalen und die Propagierung der Rechtmäßigkeit der eigenen Ziele bzw. die eigene Opferrolle und moralische Erhabenheit. Aggestam (2006: 24) erklärt diese kognitiv-emotionale Grunddisposition als eine Art strategische Anpassung an den ermüdenden und unangenehmen Dauerausnahmezustand, in dem Konfliktgesellschaften leben. Glaubensgrundsätze und Emotionen von Konfliktgesellschaften erfüllen also bestimmte bedürfnisorientierte Funktionen und dienen dem Zweck des Zusammenhaltes. Das
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heißt im Umkehrschluss: Solange grundlegende Bedürfnisse nicht erfüllt und gegensätzliche Opferrollen nicht verhandelbar sind, kann keine nachhaltige Annäherung erfolgen.9 Die sozio-psychologische Ebene verstärkt und reproduziert sich durch die soziale: Die Geschichte unteilbarer Konflikte findet sich, wie im Vorangehenden bereits angedeutet, zumeist in statischer, institutioneller Form in Museen, Denkmälern und Geschichtsbüchern wieder, wird an Nationalfeiertagen und durch Medien, Kunst oder Literatur reproduziert und weitergegeben (Bar-Tal 2007: 1431-1444). Diese institutionalisierten „Erzählungen“ über die Vergangenheit charakterisierten sich zumeist durch klare Zuweisung von „Gut und Böse“, durch einen selektiven Fokus auf Kampf und Gefahr und verdrängten unliebsame Aspekte der eigenen Geschichte oder fügten sie in einen für die eigene Gemeinschaft vorteilhaften Erklärungszusammenhang: „Ethnic groups (…)“, postulieren Worchel und Coutant (2008: 426-427), „have a history of data, myths, and recollection that describes their beginning and justifies their existence.“ Die Ursprünge des Konfliktes sind mit dieser (mitunter mystischen) Vergangenheit verwoben und werden als unbestreitbare Fakten angesehen: „The root of conflict is always generations in the past. Ethnic groups often make historical claims based on a one-sided interpretation of events, but which are interpreted as fact”. Ursprung und Konfliktverlauf werden im Sinne der geschilderten Interpunktion der anderen Seite angelastet, während Handlungen und Forderungen als legitim gelten. Geschichte dient damit der Viktimisierung der Ingroup und Stereotypisierung bzw. Dämonisierung der Outgroup (Bar-Tal 2008). Dieses Narrativ – das wird in den Kapiteln zur Nationalismus-, Diskurstheorie und der kollektiven Erinnerung en detail zu erörtern sein – dient dem Zweck der Wahrung eines positiven Selbstbildes, der Stärkung des Gruppenzusammenhaltes, sowie der Legitimierung von Handlungen und ist durch seinen sorgsam arrangierten, an nationalen Gründungsmythen orientierten Charakter per se in seiner monolithischen, konstruierten Form den komplexen und dynamischen Entwicklungen der Realität entgegengesetzt. Es ist ferner oftmals gerade für die Generationen bestimmt, die im Falle lang erkalteter Konflikte Gewalt, Unterdrückung oder Vertreibung nicht selbst erlebt haben. Diese Folgegenerationen sind damit in ihrem Selbstverständnis ausschließlich auf die in Medien und Bildungswesen überlieferte Geschichte der Gemeinschaft angewiesen. Oftmals erscheint sie in ihrer Sichtweise und ihren Forderungen nicht weniger absolut, manchmal im Zuge forcierter Identitätspolitik sogar radikaler als die vorangehenden Generationen.10 Gewalterfahrung wird damit, so kann man daraus folgern, zu einem hinreichenden, doch keinem notwendigen Kriterium für Unteilbarkeit. Der Preis für Sinn, positive Identifikation und soziale Kohäsion ist indes eine kontinuierliche Polarisierung der Fronten, die durch die geschaffenen institutionellen Repräsentationen
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Jedoch tun sich die Konfliktparteien vor dem Hintergrund konkurrierender Ansichten und gegenseitiger Ressentiments oftmals schwer, die Grundbedürfnisse des Anderen überhaupt zu erkennen, geschweige denn anzuerkennen. Daher betonen versöhnungsorientierte Ansätze für die Überwindung der Konfliktstrukturen die Notwendigkeit von Empathie, Vertrauen, Anerkennung und Vergebung (Nadler et al. 2008; Coleman 2006; Bar-Tal 2007; Hutchison und Bleiker 2008; Stephan 2008: 374-375). Im Versöhnungskapitel wird darauf zurückzukommen sein. Siehe beispielsweise zur Theorie von Erinnerung und Geschichtsvermittlung in Postkonfliktkontexten Korostelina (2016), zur palästinensischen Diaspora Alshaibi (2006) oder zu Israel Bar-Tal (1998) und Podeh (2000).
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der eigenen Opferrolle stetig reproduziert werden. Das erörterte Narrativ der gemeinschaftlichen Erinnerung fungiert nämlich nicht nur als Kollektivsymbol der eigenen Opferrolle, sondern auch als gleichsam historisches Fundament für die Beurteilung von Gegenwart und Zukunft: So werden die Botschaften der staatlichen Erinnerung zum Deutungsrahmen, der zur stereotypen Wahrnehmung des Konfliktpartners bzw. der Konfliktpartner, zur negativen Beurteilung ihrer möglichen Absichten oder zu Pessimismus im Hinblick auf eine Lösung motivieren können. Diese Filterung und Bewertung konfliktspezifischer Informationen nennt Bar-Tal „top-down cognitive processing” (2007:1446). So würden Informationen bevorzugt wahrgenommen, wenn sie eine bestehende Grundüberzeugung untermauerten und inkongruente Informationen vernachlässigt bzw. im Sinne der Grundüberzeugungen interpretiert. Glaubensgrundsätze prägen also Wahrnehmung und Interpretation und damit auch Handlungsoptionen. Im kognitionspsychologischen Teil des nächsten Kapitels (4) wird zu erklären sein, welche Mechanismen dafür verantwortlich sind. Das aus diesen Vergangenheitsrepräsentationen erwachsende Konfliktverständnis der Gegenwart nennt Bar-Tal (2007:1437) Conflict Ethos. Gemeinsam mit typischen emotionalen Grundhaltungen und der kollektiven Erinnerung entstünde so die typische soziopsychologische Infrastruktur der Konfliktgesellschaft, die als fester Bestandteil der sozialen Identität maßgeblich für die Perpetuierung des Konfliktes verantwortlich sei.11 Insbesondere in Augenblicken der Krise bildet sich so eine destruktive Eigendynamik heraus: „If one expects cooperative behavior from a state, threats are likely to be interpreted more as warnings or slaps on the wrist as opposed to threats of an oncoming military conflict. Conversely, in a relationship plagued by mistrust and expectations of conflict, the same threat may take on a much graver interpretation […] In the language of rivalry analysis, a rivalry context with its increased mistrust and expectation of conflict will affect the way objective information is processed, all else being equal. […] Thus, crisis triggers such as verbal threats, sanctions, or military mobilizations are likely to lead to more violent and escalatory responses within rivalry as compared to non-rival interactions“ (Colaresi und Thompson 2002: 289).
Rivalisierende Beziehungen, die auf eine lange Reihe gescheiterter Verhandlungen und gewaltsamer Auseinandersetzungen zurückblicken, bergen also (ähnlich wie gestörte Individualbeziehungen) die latente Gefahr einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Hier wird deutlich, dass Misstrauen bzw. die Unterstellung böser Absichten den Interpretations- und Handlungsmustern der Streitparteien vorgelagert sind und damit ein besonders hohes Eskalationspotential mit sich bringt, das sich eben auch an sehr geringen Anlässen entzünden kann (Colaresi et al. 2008: 111). Diesen für unteilbare Konflikte charakteristischen Kreislauf zeichnet Morton Deutsch, renommierter Sozialpsychologe und Konfliktforscher, anschaulich in seiner Charakterisierung kompetitiver Beziehungen nach. So illustriert er, wie grundlegender Mangel an Vertrauen zwischen den Parteien Verschleierungstaktiken und aggressive Gesten motiviert, die die gegenseitige Wahrnehmung immer weiter trüben. Beide Konfliktparteien versuchten sich etwa durch Täuschungsmanöver, wie falsche Versprechungen, Schmeicheleien oder Fehlinformationen einen Vorteil zu verschaffen. Dadurch wiederum entstehe – durch immer wiederkehrende, negative Erfahrung bestärkt – ein Klima des gegenseitigen Misstrauens und der Entrüstung über das Gebaren des Anderen, in dem selbst Annäherungsgesten und Dialogbereitschaft nicht mehr als solche angesehen würden. In der Konsequenz würden Maximalpositionen, Drohungen und Zwang als einzig adäquate Mittel betrachtet, die eigenen Ziele zu erreichen. Damit erscheine 11
Siehe zur kognitiven Voreingenommenheit und politischen Instrumentalisierung von Unteilbarkeit das Fallbeispiel Israel-Palästina in Bar-Tal und Neta (2004) und das Fallbeispiel Ukraine in Radnitz (2014).
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die Überlegenheit über die andere Seite als alternativlos bzw. als Frage der Ehre, die sich immer mehr von den konkreten Streitfragen löse: „The competitive process stimulates the view that the solution of a conflict can be imposed only by one side on the other, which in turn leads to using coercive tactics such as psychological as well as physical threats and violence. It tends to expand the scope of the issues in conflict as each side seeks to superiority in power and legitimacy. The conflict becomes a power struggle or a matter of moral principle and is no longer confined to a specific issue at a given time or place. Escalating the conflict increases its motivational significance to the participants and may make a limited defeat less acceptable and more humiliating than a mutual disaster” (Deutsch 2007: 474).
Das unterstreicht auch Brecher (1998: 219) in seiner 70 Jahre umfassenden, historisch-vergleichenden Kriseneskalationsanalyse des 20. Jahrhunderts. Unteilbare Konflikte seien deshalb extrem eskalationsanfällig, weil die Konfliktparteien durch tiefes Misstrauen geprägt seien, das die Kommunikation gänzlich eintrübe: „The result is that virtually any issue over which there is less than a total understanding becomes a source of friction, hostility, and mutual threat.” Man kann also, fasst man die bisherigen Konzeptualisierungen zusammen, unteilbare Konflikte als eine Form kompetitiver, durch negative Erfahrungen, Affekte und selektive Wahrnehmung belastete Beziehung definieren, die durch gesteigertes Bedrohungsempfinden und Ressentiments das Risiko einer Frontenverhärtung erhöht. Zugleich wird bei Deutsch und Stephan deutlich, dass auch eine normativ-emotionale Komponente in diese Beziehung mit hineinspielt, in der der vollständige Triumpf über den Rivalen unbedingte Priorität für den (National-) Stolz, die Integrität und Identität der eigenen Gemeinschaft genießt. Aus diesen Mechanismen erklärt sich die zu Beginn des Kapitels erwähnte und in der einschlägigen Literatur vielzitierte Wahrnehmung von Nullsummenspiel bzw. Alternativlosigkeit der Konfliktparteien (Zero-Sum-Perspective) und damit auch die Verhandlungsresistenz (siehe dazu Colaresi et al. 2008: 110). Denn in einem Klima extremer ideologischer Polarisierung durch Misstrauen, Entfremdung und Existenzangst kann die Realisierung der eigenen Ziele nur mit einem automatischen Verlust für die andere Seite verbunden sein: Unteilbare Konflikte besitzen deshalb qua definitionem keine gemeinsame Schnittmenge, die sich durch Kompromissbereitschaft der einen oder beider Parteien definieren würde. Materielle und immaterielle Ressourcen können nur erkämpft, Territorium nur erobert (nicht geteilt), staatliche Souveränität nur durch die Nicht-Anerkennung bzw. schlussendliche Verdrängung des Anderen realisiert werden. Die durch das „kognitive Prisma“ des jeweiligen Konfliktethos’ gefilterte Lebenswirklichkeit der Konfliktparteien kann sich damit auch grundlegend von den Lösungsmodellen (beispielsweise föderative Lösungen für Territorialkonflikte) externer Mediatoren unterscheiden. Was von außen betrachtet möglicherweise als (sicherheits-) politische oder ökonomische „Win-Win-Situation“ angesehen würde, ist aus der Sicht der involvierten Akteure (moralisch) inakzeptabel und gefährlich. Durch historische Last und selektive Erinnerung bzw. Wahrnehmung gegenüber dem Rivalen, Zukunftsangst und ihrer kognitiven Eigendynamik können die involvierten Akteure schließlich in eine Verhandlungsfalle ihrer eigenen Maximalpositionen geraten. Einschlägige Forschungen sprechen hier von Entrapment. Es bezeichnet nach Krell (2009: 396), „eine Situation, in die sich Entscheidungsträger mehr oder weniger bewusst hineinmanövriert haben oder haben lassen und aus der sie nur mit erheblichen realen und symbolischen Verlusten wieder herauskommen. ‘Augen zu und durch’ wird dann, salopp formuliert, die Devise“. Meerts (2005: 122) illustriert, wie schwer es für externe Beobachter
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ist, den Einfluss unbewältigter Vergangenheit auf die Konfliktparteien zu verstehen, der sich in Verhandlungen mitunter plötzlich Bahn zu brechen scheint: „In psychoanalysis we need to examine the negotiator’s past to understand part of his or her reactions during the process of entrapment. As this process develops and stress builds up, personal characteristics start to play an increasingly important role. Matters and feelings that lurk in the shadows will appear as higher levels of stress force them out into the open. When these become explicit, they effect the entrapment process as an important semi-autonomous factor. […] If the negotiators are part of the crisis they are bargaining about, there is a serious risk that they will be carried away by their own experiences and traumas. They become ensnared in their own and their opponents’ psychological frames, and thus complicate and exacerbate the entrapment process as it proceeds”.
Man kann sich die Verhandlungsfalle also, ganz ähnlich wie in den zu Beginn dargestellten Beispielen gestörter Beziehungen und ihrer Interpunktionsverläufe, als argumentative Eskalation vorstellen, die in einer Sackgasse mündet. „This process”, schreibt Mitchell (2011: 87), „can lead adversaries into a position where they have sacrificed time, effort, resources and lives well beyond any value that others might consider could accrue from actually ‘winning’, yet they persist in the continuation of the conflict on the grounds that ‘There is no alternative’”. Damit ist ein Zustand erreicht, in dem die Parteien in ihren Denk- und Wahrnehmungsmustern gefangen zu sein scheinen, weil die bereits erbrachten Opfer kein Einlenken erlauben.12 Diese Situation definiert Meerts, wie anfänglich erwähnt, als eine Form der Konfliktverhärtung, die sich durch die Unfähigkeit bzw. den Unwillen von Verhandlungspartnern charakterisiert, einmal konstituierte Grundhaltungen und Verhaltensweisen zu ändern, obgleich sie sich als nicht zielführend erwiesen haben: „It occurs when the shape of the negotiation process is like a gorge that has a wide entrance, but that slowly but surely becomes narrower and narrower. One or more of the parties are left with increasingly less room for maneuver, so that at a certain point they can no longer turn back and are forced to work toward an agreement that they are finding less and less attractive. Even when they can still turn back, entrapped parties – like gamblers who are very much aware that they are losing but want to recover some of the losses they have already suffered – are often compelled to continue” (Meerts 2005: 104).
Die Metapher von der sich schließenden Schlucht demonstriert dabei anschaulich, wie sich durch die kontinuierliche Verhärtung der (Verhandlungs-) Fronten der Handlungsspielraum der Parteien stetig verkleinert, sie damit immer mehr an „Boden verlieren“ und doch die Motivation weitere Ressourcen zu investieren, nicht abnimmt. Er vergleicht diesen Prozess treffend mit dem psychopathologischen Phänomen der Spielsucht, bei dem sich (Wahrnehmungs-) Phasen von Gewinn, Verlust und Verzweiflung abwechseln und jede für sich die Rechtfertigung und den Impuls für das Weiterspielen liefert. Dabei geht es insbesondere um die Wahrnehmung bereits investierter Ressourcen, die die Überzeugung von der Fortführung des einmal beschrittenen Weges zu untermauern scheinen: „If protracted conflicts were not about such salient issues, then they would hardly protract in the first place. Furthermore, protracted and deep-rooted conflicts are also situations that have a high ´long-term investment` characteristic, which helps to keep them going. Rewards only come at the very end of the struggle through ´victory`, so the investment nature of the process itself becomes a reason for not changing until ultimate success has been achieved. To employ an analogy, one does not gain the benefits from building a bridge until the structure is finally completed. There is no point to a half completed bridge. Likewise, investment in struggle to a half-way point seems sacrifice for nothing, especially when no alternatives to struggle seem feasible” (Mitchell 2005: 90, vgl. auch Richmond 1998: 711).
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Siehe zur Rolle von Entrapment das Fallbeispiel Georgien/Abchasien Nalbandov (2010).
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Der Verweis auf die zeitlich vage und doch absolute Idee der letztendlichen Belohnung für die lang ertragenen Widrigkeiten kann gut mit der Idee nationaler Heilsnarrative verbunden werden. Darauf wird immer wieder zurückzukommen sein. Die im Vorangehenden erörterten emotionalen und sozialen Strukturen von Konfliktgesellschaften, die auf Haltungen und Wahrnehmung des Einzelnen wirken, sind aber nur die eine Seite der sprichwörtlichen Medaille. Die andere Seite ist ihre handlungsverengende, strategische bzw. machtpolitische Dimension. Denn die Konfliktstrukturen reproduzieren sich nicht nur selbst. Sie werden auch täglich aktiv gestaltet und im Zweifel vehement verteidigt. So zeichnen sich unteilbare Konflikte durch hohen Konformitätsdruck und Sanktionierung von internen Kritikern aus. Wie einschlägige Arbeiten etwa zum Nahost- oder zum Abchasienkonflikt untermauern, wird die Abkehr vom Konsens in Form konkreter Zugeständnisse oder Offenheit für die Perspektive(n) der anderen Seite oder Kritik am Handeln der eigenen Gruppe von der Mehrheitsgesellschaft oftmals als Angriff auf das lang gehegte Selbstbild und als Gefahr für den Zusammenhalt der eigenen Gemeinschaft angesehen (siehe dazu Bar-Tal 2007: 1434; Bar-Tal und Teichmann 65).13 Hier zeigt sich aus kommunikationspsychologischer Sicht der zweite Aspekt der komplementären Beziehung, nämlich das verwobene Selbstverständnis beider Partner, das keine Transformation des Anderen zulässt, weil es sich damit selbst (schmerzhaft) verändern müsste. Dass die zentralen Institutionen des Konfliktnarrativs nicht nur im Dienste einer spezifischen Perspektive stehen, sondern ihre Anfechtung auch kontrollieren und sanktionieren, wird in Becks Begriff der „mindguards“ deutlich, deren Aufgabe es sei, den dominanten Diskurs von Informationen abzuschirmen, die die gemeinschaftlichen Glaubensgrundsätze infrage stellen könnten (Beck 2000: 155). Dieser Aspekt verweist auch auf die schwierige Position moderater Politiker in Friedensprozessen, die von ihrer Wählerschaft für Kompromissbereitschaft abgestraft werden oder für ihre Haltung gar mit dem Leben bezahlen müssen, wie Yitzhak Rabin. Auch die undankbare Rolle externer Mediatoren oder der harsche Gegenwind, der Friedensaktivisten entgegenweht, die in ihrer eigenen Gemeinschaft als Verräter und Manipulatoren diffamiert werden, ist in diesem Zusammenhang zu sehen. Beides, Kontrolle und Sanktion, werden in der empirischen Diskursanalyse und im empirischen Versöhnungskapitel (15) erörtert. Die Forcierung von Maximalpositionen wie auch die vehemente Zurückweisung interner Kritik kann schließlich auch machtpolitisch bzw. strategisch motiviert sein. Dabei steht die Grundsatzfrage im Vordergrund, ob eine oder sämtliche Konfliktparteien überhaupt an einer Lösung interessiert sind. Gerade in langanhaltenden Konflikten, so Richmond (1998; 2006), können die Politik und etwaige Stakeholders wie Militär, Bildungssektor, Kirche oder Industrie ein berechtigtes Interesse an der Aufrechterhaltung des Status Quo hegen. Das gilt für politische Kreise, die in einem etwaigen Power-Sharing-Modell mit Macht- oder materiellen Einbußen zu rechnen 13
Der Vorwurf der Verrats der nationalen Sache und Gefährdung der nationalen Sicherheit, mit dem sich kompromiss- und versöhnungsbereite Akteure und Kritiker des Konsens in Konfliktgesellschaften und Krisenkontexten konfrontiert sehen, ist ein weit verbreitetes Phänomen. Siehe zur politischen Relevanz des Vorwurfs „Verräter“ in vergleichender Perspektive Chernobrov (2019), zur Delegimierung von Friedensaktivismus in Abchasien https://oc-media.org/abkhazian-activists-under-fire-for-peacebuilding-projects/ und zum Nahostkonflikt den prominenten Fall von Prof. Dajani-Daoudi unter ; .
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haben, für das Militär, das durch die veränderte Sicherheitslage nach einer Lösung an Einfluss verlieren kann oder etwa für die Industrie, die – ist nur die eine Partei völkerrechtlich anerkannt – die Entstehung neuer Konkurrenzmärkte zu verhindern sucht. Schließlich können Think Tanks, pädagogische Einrichtungen, Medien oder andere Träger der öffentlichen Meinung einer Lösung abgeneigt sein, weil sie von Konfrontation und Polarisierung insofern profitieren, als sie als Ideengeber und Berater politischen und gesellschaftlichen Einfluss genießen. Politische Eliten und Interessengruppen könnten somit zwar um Frieden verhandeln, tatsächlich aber nicht aufrichtig an einer Lösung interessiert sein. Derartige Akteure bezeichnet Richmond als Spielverderber (Spoiler), ihre Intentionen als abweichende Interessen (Devious Objectives). Als Motive für das Festhalten an Verhandlungen trotz abweichender Interessen nennt Richmond erstens Gesichtswahrung (vor der Internationalen Gemeinschaft oder der heimischen Wählerschaft). Verhandlungen könnten zweitens auch bewusst in die Länge gezogen werden, um Zeit zu gewinnen, bis sich günstigere Konstellationen für die eigene Seite ergäben – beispielsweise durch Koalitionen oder militärischen Bodengewinn. Dabei könne Gewalt als willkommener Grund für die Legitimation von Maximalpositionen oder militärische Maßnahmen dienen, die in der Konsequenz zur weiteren Verhärtung der Fronten führten. Das inhärente Spannungsverhältnis zwischen Wort und Tat, wie es zu Beginn im skizzierten Widerspruch zwischen digitaler und analoger Kommunikation erörtert wurde, vermag in diesem Zusammenhang beispielsweise die Spannung zwischen verbalem Einlenken in Verhandlungen oder Bekundungen guten Willens bei gleichzeitigem Festhalten an kontraproduktiven sozialen Praktiken und Symbolen zu beleuchten. Zumeist indes sei es schwierig, solch abweichende Interessen nachzuweisen, so Richmond und Newman. Denn könnten Kompromisslosigkeit und Maximalforderungen immer sowohl Verhandlungsstrategie sein, um am Ende den maximal möglichen Gewinn zu erzielen, als auch dem Zweck dienen, eine Lösung nachhaltig zu verhindern. Als Indikatoren für die Wahrscheinlichkeit von abweichenden Interessen nennt er die Existenz kontinuierlicher bzw. sporadischer und stockender Verhandlungen ohne essenzielle Fortschritte, insbesondere im Kontext einer breiteren gesellschaftlichen Ablehnung jedweden Kompromisses. Auch das eben angesprochene Spiel um Anerkennung könne taktische Hintergründe haben, bedenke man, dass es Verhandlungen platzen lassen oder gar die Aufnahme von Gesprächen verhindern könne (Richmond und Newman 2008: 1-19; Richmond 2008: 59-77). Es erscheint also äußerst schwierig, die „wahren“ Intentionen von Konfliktparteien zu beurteilen, zumal das Manövrieren in verhandlungspolitische Sackgassen auf Entrapment wie auf Spoiling deuten kann. Um das eine oder andere als Ursache greifbar zu machen, erscheint deshalb die Frage zentral, ob bzw. wie unhaltbar der Status quo für die Konfliktparteien empfunden wird. Richmond spricht hier von einem Hurting Stalemate im Gegensatz zu einem Enticing Opportunity Model: Während im ersten Fall die Überwindung eines schmerzhaften bzw. mit hohen Kosten verbundenen Zustandes angestrebt wird, erscheinen Verhandlungen im zweiten Fall entweder als Selbstzweck aus Imagegründen oder als Mittel für abweichende Ziele (Richmond 1998: 711). Erörterungen von Unteilbarkeit stehen, so kann man daraus schließen, vor der entscheidenden Herausforderung, das Emotionale vom Strategischen zu trennen. Da die Motivationen von Akteuren aber in der Realität nicht statisch und exogen sind, emotionale und strategische Beweggründe verwoben und in letzter Instanz schwer nachzuweisen sind, erscheint es aus forschungsrelevanten Gesichtspunkten als opportun, die Erörterung etwaiger (abweichender) Interessen
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und Ziele mit der Grundsatzfrage zu kombinieren, ob und wie sehr eine Mehrheit den Status Quo als unhaltbar empfindet und welchen Interessen er dient. Mit anderen Worten: Handelt es sich um einen Hurting Stalemate oder um einen (zumindest für Teile der involvierten Akteure) kommoden Konflikt? Die Beantwortung dieser Frage unterstreicht die Bedeutung eines holistischen, eines alltagsweltlichen und politischen Fokusʼ, der in der Lage ist, die vielfältigen Akteure, Interessen und sozioemotionalen Komponenten von Unteilbarkeit zu beleuchten. Unteilbare Konflikte zeichnen sich – so kann man resümieren – also durch ihre hohe Brisanz, Präsenz und Langwierigkeit aus. Je länger ein Konflikt andauert, desto größer ist die potentielle Entfremdung der Konfliktparteien, die insbesondere in asymmetrischen Konstellationen und ethnonationalistischen Kontexten durch Manifestationen der entsprechenden Konfliktpositionen in Diskursen und sozialen Repräsentationen noch verstärkt und durch machtpolitische, ökonomische oder emotionale Interessen politischer Eliten und Interessengruppen bewusst gesteuert werden kann. Die Entfremdung der Konfliktparteien und ihre Maximalpositionen werden durch die Existenz unerfüllter Grundbedürfnisse sowie durch kognitive Eigendynamik noch verstärkt und können schließlich in einer Verhandlungsfalle münden, in der der Imperativ der bereits erbrachten Opfer jedweden Kompromiss als inakzeptabel erscheinen lassen. Vor diesem Hintergrund werden interne Kritik und abweichende Praxis sowohl als illegitim wie auch als gefährlich für den gemeinschaftlichen Zusammenhalt angesehen und können zu strategischen Zwecken delegitimiert werden. Die Zurückweisung von interner Kritik oder Abkehr von der etablierten Frontenstellung wird damit zum effektiven Instrument für Konformität und Machterhalt. Abb. 1 fasst die sozioemotionale Prädisposition, die kontraproduktiven Kommunikationsgrundlagen und den daraus resultierenden Eskalations- und Polarisationsmechamismus von unteilbaren Konflikten nochmals zusammen:
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Abbildung 1 – kommunikationsbasierte Polarisierung (eigene Darstellung)
Im Verständnis von ethno-nationalistischer Unteilbarkeit spielen Selbst- und Fremdbilder, der Appell an Gemeinschaftswerte und (vermeintlich) kollektive Wesensmerkmale also eine zentrale Rolle. Um die kognitive, emotionale und potenziell strategische Macht des Kollektivs aufzuzeigen, wird in diesem Sinne im nächsten Kapitel das Konzept der Identität als erste ausgewählte Teilkomponente von Unteilbarkeit erörtert. Denn Indentitäten fungieren, wie zu zeigen sein wird, insbesondere in unteilbaren ethno-nationalistischen Konflikten als soziale Bindemasse sowie als Katalysator und Ausdruck gemeinschaftlicher Normen, Ziele, Rechte und Weltbilder.
4 Unus pro omnibus: Die Macht kollektiver Selbstbilder 4.1 Einleitung: Das grenzenlose Ich und das Nadelör des Anderen 4.1 Einleitung: Das grenzenlose Ich und das Nadelör des Anderen „Precisely because identities are constructed within, not outside, discourse, we need to understand them as produced in specific historical and institutional sites within specific discursive formations and practices, by specific enunciative strategies. Moreover, they emerge within the play of specific modalities of power, and thus are more the product of the making of difference and exclusion, then they are the sign of an identical, naturally, constituted unity – an ´identity` in its traditional meaning (that is, an all-inclusive sameness, seamless, without internal differentiation). Above all, and directly contrary to the form in which they are constantly invoked, identities are constructed through, not outside difference” (Hall 1992: 4).
Identität, wie sie in der zitierten Passage zum Ausdruck kommt, erscheint als dynamisches, multiples, gebrochenes und nichtlineares Konzept, das im sozialen Austausch entsteht und um dessen Bedeutung gerungen wird. Diese Minimalauffassung von Identität ist, so kann man einleiten, Tenor des wissenschaftlichen Diskurses. Dabei erscheint die Schwierigkeit, Identität als Konzept einzugrenzen, als eine ihrer konstitutiven Eigenschaften selbst. Fünf Eigenschaften von Identität seien im Folgenden erörtert. Von ihnen verweisen die ersten drei auf die Dynamik, die letzten beiden auf die Statik von Identität. Erstens sind, wie die gängige Vorstellung der postmodernen Lebenswelt suggeriert, den Elementen, die individuelle und kollektive Selbst- und Fremdbilder erschaffen, theoretisch keine Grenzen gesetzt. Sie können sich aus Alltagserfahrungen, kulturellen Prägungen, Wunsch- und Weltbildern speisen, aber auch durch individuelle Merkmale wie Geschlecht, Alter, Status und Beruf geprägt sein. Identitäten können an Lebensphasen, Überzeugungen oder spezifische externe Einflüsse gebunden sein, können sich also wandeln, in dem Maße, wie sich Gesinnungen oder äußere Umstände verändern. Früher erschienen Zuschreibungen über Geschlecht, Bildung oder Profession beispielsweise als relativ statische Etikette der eigenen Wahrnehmung (durch einen selbst- oder durch andere). Heute erscheint es zumindest in Teilen der individualistischen Marktgesellschaften zunehmend en vogue sich selbst zu entwerfen, ja sich nicht festzulegen oder festlegen zu lassen und damit in der eigenen Vielfalt und Dynamik ungreifbar zu sein. Zweitens erscheint auch ihr Inhalt selbst (inter-) subjektiv: Denn Merkmale wie Status und Macht, Erinnerungen und Wissen, sogar Geschlecht und Alter sind aus konstruktivistischer Sicht keine objektiven, statischen, sondern durch soziale Interaktion und Aushandlung erschaffene Konzepte. Die Genderforschung und ihre Kritik an der sog. Heteronormativität – also an der Auffassung, die Geschlechtertrennung in „Mann“ und „Frau“ sei etwas Natürliches, Unveränderbares – sowie die gesellschaftlichen Debatten und neuen Begriffe (wie LGBTQ), die sie hervorgebracht hat, sind ein anschauliches Beispiel dafür. Drittens definieren sich Identitäten im Prozess der sozialen Interaktion durch ein stetiges Wechselspiel zwischen Selbstbildern und Selbstdarstellungen des Einzelnen und sozialen Referenz- und Widerstandspunkten. Denn Selbst- und Idealbilder des Selbst werden in der sozialen Interaktion zu kommunikativen Rollen und treffen dabei immer auf den kritischen (realen oder imaginierten) Blick anderer, während (neue) kollektive Ideale oder Feindbilder einen fundamentalen Einfluss auf die Selbstbilder anderer haben können. Identitäten sind als Teil des
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Rehrmann, Der Zypernkonflikt, Innovative Konfliktforschung – Innovation in Conflict Research, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31192-6_4
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sozialen Spannungsfeldes also wandelbar und relativ. Auch hier sind die vielfältigen Genderrollen und die hitzigen gesellschaftlichen Kontroversen um sie – ob und inwiefern Geschlecht (gender) sozial konstruiert ist, was also Biologie und was Erziehung ist, was anständig, normal und angemessen ist, beispielhaft. Viertens: In all ihrer theoretischen Vielfalt aber verweisen Identitäten umgekehrt auch auf Langfristiges, Bekanntes und Statisches. Insbesondere dann, wenn sie die Basis von Gruppenzugehörigkeiten bilden. Denn gemeinsame Identitäten entstehen aus und motivieren umgekehrt ähnliche Gefühle, Ideen und Wahrnehmungen. Angehörige derselben kollektiven Identitäten scheinen oftmals ähnliche Ansichten, Einstellungen und Emotionen zu haben und ähnlich zu handeln. Das gilt für so unterschiedliche Gruppen wie Arbeitskollegen, mit denen man dieselben beruflichen Routinen und Fachkenntnisse teilt; für alte Schulfreunde, mit denen man auf dieselben Erinnerungen zurückblickt oder für Angehörige derselben Kulturgemeinschaft, die sich beispielsweise über den gemeinsamen Literaturkanon oder ihre gemeinsame Geschichte definieren. Es sind dabei sowohl die Routinen des Austausches über das Gemeinsame und Bekannte als auch das Wissen um (und der Wunsch nach) Zugehörigkeit, die die jeweiligen Gruppenidentität entstehen lassen. Fünftens: Damit können Identitäten aber auch zur Grundlage von Inklusion und Zugangsberechtigung zu Ressourcen, von Exklusion und Diskriminierung werden. Sie sind denn auch politisch als Instrument für Gruppenzusammenhalt oder kollektive Frontstellung gegen Andersartige hoch relevant. Die Frage, welche und ob nationale, ethnische oder religiöse Minderheiten zu „Europa“ gehören und was denn Europa im Kern zusammenhielte, hat beispielsweise wissenschaftliche wie populistische Debatten der letzten Jahrzehnte beflügelt. Identitäten verweisen also auch auf Statik und Kontinuität, auf Interessen und Macht. Für das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Arbeit und ihres Fokusʼ auf der Entstehung von Unteilbarkeit im Kontext ethnozentrischer Konflikte sind diese Aspekte besonders relevant. Identitäten, das soll im vorliegenden Kapitel auf Basis sozialpsychologischer wie soziologischer Erkenntnisse erörtert werden, bilden die Grundlage für Wahrnehmung von Welt und für Bedeutungen eines Kollektivs, die in dem Maße für den Einzelnen gelten, wie er sich ihm zugehörig fühlt. Kollektive – insbesondere kollektivistische Gesellschaften mit engen Ideal- und Rollenvorgaben – können so zu einem mächtigen Definitions- und Sanktionsinstrument für den Einzelnen werden, weil sie tief mit der sozialen Lebenswelt, mit dem Bedürfnis nach Sinn und Zugehörigkeit verbunden sind. Das wird insbesondere in Krisenmomenten sichtbar. Identitäten verweisen damit weit weniger auf einen reinen Fundus an vermeintlich wertfreien und frei gewählten „Aushängeschildern“, sondern sind soziale und politische Bindemasse von Gemeinschaften mit kollektiven Werten und Interessen, damit auch Ausdruck gemeinschaftlicher Rollenvorgaben und als solches Erkennungszeichen kultureller Zugehörigkeit und gemeinschaftlicher Ziele. Die Wirkmacht identitätsbasierter Kollektive auf ihre Mitglieder entfaltet sich über die Selbstverständlichkeit ihres lebensweltlichen Mikrokosmosʼ durch Prozesse der Sozialisation und Akkulturation. Identitäten, das soll das vorliegende Kapitel veranschaulichen, werden damit zum Schlüsselkonzept für Statik und Wandel von kognitiv-emotionalen Referenzpunkten einer Gemeinschaft und damit auch zum Schlüssel für die Perpetuierung wie Überwindung von Unteilbarkeit.
4.2 Personale u. soziale Identität: Erkenntnisse aus Sozialpsychologie u. Konfliktforschung 59 4.2 Personale und soziale Identität: Erkenntnisse der Sozialpsychologie und Konfliktforschung 4.2 Personale u. soziale Identität: Erkenntnisse aus Sozialpsychologie u. Konfliktforschung Identität entsteht durch soziale Interaktion. Lebten wir allein auf dieser Welt, so kann man pointiert einleiten, wären wir uns einer etwaigen Identität nicht bewusst. Erst über die Auseinandersetzung mit den vielfältigen Blicken der sozialen Umwelt und der daraus motivierten Reflexion über die eigene Rolle darin entsteht Identität. Dieses dynamische Wechselspiel dekonstruieren die Befunde des „Symbolischen Interaktionismus“, aus dem die Identitätstheorie schöpft. Er besagt, dass sich die Identität des Einzelnen zunächst über den (imaginierten oder tatsächlichen) Fremdblick durch einen bedeutenden Anderen (wie Eltern oder engen Freunden) und im weiteren Sozialisationsprozess über komplexe Symbole konstituiert (Mead 1978; Hall 2008; Brubaker und Cooper 2000: 3). Der große Gesellschaftstheoretiker Stuart Hall spricht hier in seiner vielzitierten Sentenz vom „Nadelöhr des Anderen“, durch das Identität „gehen (müsse), bevor sie sich selber konstruiert“ (1994: 45), der Soziologe Heinz Bude von Identitätsgenese als einer „Spirale reziproker Perspektivübernahmen“ (2014: 28). Die Identität des Einzelnen entsteht damit erstens in der sozialen Interaktion durch die Übernahme kollektiver Haltungen und die Aneignung komplexer, kollektiver Bedeutungen (Codes), auf deren Grundlage der Einzelne handelt und zweitens durch das Bewusstsein über die eigene(n) soziale(n) Rolle(n). Kollektive Bedeutungen wirken so auf die Identität des Einzelnen – man denke an spezifische Berufsgruppen, Geschlecht oder Hautfarbe – und können Wertungen über Position, Status und Ansehen enthalten. Umgekehrt besitzt der Einzelne Handlungsspielraum, um seine Identität im Einklang oder im Widerstreit mit den sozialen Etiketten darzustellen bzw. auszuhandeln (Self-Presentation, Impression Management) (Howard 2000: 371). Identitäten sind damit „kein soziales Datum im Sinne eines meßtechnisch erfaßbaren, stabilen (…) kategorialen Systems, wie es die positivistische Umfrageforschung nahelegt, sondern ein gesellschaftlicher Definitions- und Konstruktionsvorgang“ (Woderich 1999: 55), der immer durch Selbst- und Fremdblick geprägt ist. Diese Ambivalenz unterstreichen Definitionen, wie die von Schmidt (2003: 5), der das Selbstbild des Einzelnen auf dem „Selektionsmechanismus [begründet], durch den Selbst- und Fremdwahrnehmung gesteuert werden“. Aus welchen Elementen sich dieses reziproke Verhältnis konstituiert, zeigt die Unterscheidung zwischen personaler und sozialer Identität auf – gleichwohl sie als komplementäre Elemente nicht immer eindeutig voneinander zu unterscheiden sind: „Während unter der personalen Identität allgemein derjenige Anteil des Selbstkonzepts verstanden wird, der durch Beschreibungen individualisierender Faktoren konstituiert wird, stellt die soziale Identität denjenigen Anteil des Selbstkonzepts dar, der durch die Beschreibung der diversen Zugehörigkeiten zu sozialen Kategorien und Systemen zustande kommt“ (Schmidt-Denter und Wachten 2009: 6).
Zu den individualisierenden (bzw. differenzierenden) Faktoren gehören etwa persönliche Erfahrungen, besondere Leistungen oder Fähigkeiten, die den Einzelnen von Anderen unterscheiden, während die soziale Ebene die interpersonellen bzw. gemeinschaftlichen Merkmale und Identifikationsbestrebungen beschreibt. Identität wäre in diesem Sinne dual als Einheit aus Differenz- und Anpassungsbestrebungen zu begreifen, die in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen. Gregorio-Godeo (2006: 92), der die Veränderung von Männerrollen in der britischen Popkultur analysiert, definiert Identitätskonstruktion denn auch passend als „processes involving ongoing redefinitions of the borderland between uniqueness and difference“. Jeder, so
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kann man sagen, möchte also einzigartig sein und zugleich dazu gehören. Für den Idealtypus einer toleranten und pluralistischen Gesellschaft kann man sich den Prozess der Identitätsgenese als ein freies, stetiges Wechselspiel zwischen individuellen Impulsen und kollektiven Vorbildern vorstellen. Im Zeitalter von Globalisierung und sozialen Medien erscheinen Identitäten ohnehin als multiple, ja mitunter ephemere Angebote, die man annehmen oder ignorieren kann, wie ein Menü, aus dem man sich das herausgreift, was einem schmeckt, oder als Etikett, das man (temporär) zur Schau stellen kann. Das erscheint nicht zuletzt als Prämisse von Konstruktivismus, Psychologie und Gender Studies selbst, die das Konzept der Identität aus der Taufe hoben, um im selben Atemzug seine Mannigfaltigkeit und Ungreifbarkeit zu postulieren. Alles kann – nichts muss, könnte man in diesem Sinne folgern und verweist damit sowohl auf die epistemologische wie auch auf die breitere, postmoderne Auffassung von Identität. So postuliert Howard (2000: 367): „At earlier historical moments identity was not so much an issue; when societies were more stable, identity was to a great extend assigned, rather than selected or adopted”. Diese aktiven, affirmativen Aspekte der Identitätsgenese indes verdecken, dass Identität ursächlich für eine ganze Reihe von kognitiven Mechanismen verantwortlich ist. Kognitionsund sozialpsychologische Befunde belegen nämlich, welch handlungsleitende Macht Gemeinschaften über den Einzelnen besitzen, je mehr sie auf kollektiven Glaubensgrundsätzen, Werten und Überzeugungen basieren, mit denen sich der Einzelne identifiziert. Dafür wird im Folgenden erstens der Einfluss von Glaubensgrundsätzen auf individuelle Wahrnehmung erläutert. Zweitens wird aufgezeigt, dass die Übernahme kollektiver Glaubensgrundsätze an den Grad der Gruppenidentifikation gekoppelt ist. Drittens wird das daraus resultierende, charakteristische Verhältnis zwischen In- und Outgroup erörtert. Identität entsteht zunächst, so besagt die Theorie der sozialen Identität (TSI), durch aktive Kategorisierung von Anderen in Relation zum Selbst. Grundmotivation dafür – hier wird die tiefe Verbindung zwischen Identität und Bedürfnissen sichtbar – ist das Streben nach positiver Distinktheit durch einen vorteilhaften sozialen Vergleich. Insbesondere im Kontext von Zweifel, Krise oder etwaigen Schuldverwicklungen dient die Abgrenzung vom Anderen dazu, die Unsicherheit über das eigene Selbst zu kaschieren oder zu lindern. Diese Anderen können der ungeliebte Kollege, eine Minderheit innerhalb einer größeren Gemeinschaft oder der etikettierte Erzfeind einer exklusiv-nationalistischen Gruppe sein, deren Präsenz den inneren Zusammenhalt der eigenen Gruppe stärkt und zugleich ihre Außengrenzen definiert. Das Bedürfnis nach einem positiven Selbstbild, nach Sinn und Kohärenz basiert also in besonderem Maße auf Identitätsaffirmation durch Vergleich und Abgrenzung (Klauer 2008: 23-32). Identität ist damit nicht so frei wählbar wie die postmoderne Auffassung suggeriert. Denn sie ist an bestimmte Grundbedürfnisse gekoppelt. Dasselbe gilt für die Interaktion mit der kognitiven Sphäre. So belegen kognitionspsychologische Befunde zunächst, dass bestehende Überzeugungen, Ideen und Glaubensgrundsätze als unbewusste, emotionsverankerte Assoziationsmuster fungieren, die Wahrnehmung vorstrukturieren: „They are brought about by an emotional association without us even realizing it“, so Kamp (2004: 33-34). „[…] Once the idea has been planted with us, we will tend to filter our experience for more evidence to back our forming belief until we can become convinced that we are right and may even be prepared to stand up and fight for it”.
4.2 Personale u. soziale Identität: Erkenntnisse aus Sozialpsychologie u. Konfliktforschung 61 Welche Mechanismen dabei im Einzelnen wirken und dass diese Ideen auch essenzieller Bestandteil unseres Selbstbildes sein können, bringt Beck (1999: 30) auf den Punkt: „Our beliefs and information-processing systems play a decisive role in determining our feelings and behavior. We interpret and misinterpret signals from others according to our values, rules, and beliefs. When we overemphasize the significance of personal success, or national superiority, we slip into the trap of regarding individual competitors, members of outgroups, or citizens of other nations as less worthy than ourselves. Primitive mechanisms for processing information, retained from our evolutionary experience, prejudice our judgments about people who differ from us. Cognitive biases may also lead us to indiscriminately attribute malice to anyone whose actions or beliefs conflict with ours”.
Diese assoziative Schablone scheint besonders ausgeprägt, wenn es um fundamentale Bestandteile des eigenen Selbstverständnisses geht. So ergänzt er an anderer Stelle: „A relationship exists between rigid thinking, ideology, and prejudice. A person with an extreme commitment to a religious belief, for example, tends to ‘sacrilize’ the difference between the believer and nonbeliever and to dismiss all those who do not fit into his hallowed world” (Beck 2000: 154). In diesen beiden kurzen Auszügen zeigen sich bereits die zentralen kognitiven und sozioemotionalen Mechanismen, die die Wahrnehmung von Welt und das Verhältnis zu Anderen in Abhängigkeit vom eigenen Selbstverständnis bzw. von persönlichen Präferenzen prägen. Ein exklusives nationales Selbstverständnis oder die besondere Bedeutung religiöser Identität motivieren also offenkundig sowohl Selektion, Hervorhebung und Interpretation von Informationen mit dem Ziel der Untermauerung der eigenen Überzeugungen, als auch die Kategorisierung und ggf. die Abwertung von Menschen anhand dieser für einen selbst so bedeutenden Merkmale. Solche Mechanismen mögen dem Einzelnen gerade dann ins Auge stechen, wenn er in einen unbekannten Raum vordringt, dessen interne Überzeugungen nicht den eigenen entsprechen – ob es sich dabei um eine religiöse Gemeinschaft und ihre leitende Heilsidee, einen Familienclan mit starrem Ehrencodex oder einen fremden Kulturkreis mit ganz eigenen Hierarchien handelt. Das verweist bereits auf die Rolle von Frames und Narrativen als sinnstiftenden Assoziationsmustern, die in den folgenden Kapiteln (6 und 7) im Kontext von Sprache und Erinnerung erörtert werden. Was in großen kulturellen Kollektiven nur annähernd bestimmt werden kann (Bar-Tal bezeichnet es, wie erwähnt, im Kontext der Unteilbarkeit als „top-down cognitive processing“), belegt die Sozialpsychologie auf Basis von Experimenten. Das in der Psychologie als „prior belief effect“ etikettierte Phänomen zeigt beispielsweise auf, dass die Leistung eines Kindes signifikant positiver bewertet wurde, wenn den Probanden die wohlsituierte, bildungsnahe Herkunft dieses Kindes suggeriert wurde (Greitemeyer 2008: 80) oder die kindliche Grundüberzeugung von vermeintlich inhärenten Wesensmerkmalen von Menschen mit bestimmten äußerlichen Attributen ein ganzes Leben implizit Einfluss auf die Wahrnehmung von Menschen mit entsprechenden Attributen haben, dabei also unbewusste, naive Kausalschlüsse motiviert werden (Kamp 2004: 33). Das ist, wie zu zeigen sein wird, insbesondere in unteilbaren Konflikten relevant, in denen Kinder und Jugendliche im Geiste bestimmter Überzeugungen sozialisiert werden, die sie in späteren Jahren schwer ablegen können (Kapitel 11.4.2). Gleiches gilt für die assoziative Prävalenz eines bestimmten Stereotyps für Repräsentanten einer sozialen Kategorie. Dabei orientiert sich die Imagination gern an bereits existierenden repräsentativen Prototypen, die als geistiges Bild manifest werden, sobald das Stereotyp greift: „The stereotype of African-Americans as athletic, for example, is thought to be stored in the
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form of specific individuals“ (Hilton und Hippel 1996: 242). Ein Prototyp wird damit gleichsam zum Etikett für alle Mitglieder einer sozialen Kategorie, denen bestimmte Eigenschaften zugesprochen werden. Auch dies ist, wie zu zeigen sein wird, für die Kindeserziehung in ethnozentrischen Rivalitäten von Belang, so sie auf stereotypen Bildern des Anderen begründet sind (Kapitel 11.5 und 13). Hat sich ein Stereotyp erst einmal verfestigt, so zeigt sich weiter, kommt kognitiver Bias ins Spiel, der die stereotype Wahrnehmung noch verstärkt: Wird einer sozialen Gruppe nämlich eine bestimmte Eigenschaft – z.B. die Neigung zu einer besonders expressiven Gestik – zugeschrieben, werden entsprechende Verhaltensweisen in dieser Gruppe bevorzugt wahrgenommen und auf die Gruppenzugehörigkeit zurückgeführt (Ursachenzuschreibung). Zeigen Menschen, die nicht zu dieser Gruppe gehören, dasselbe Verhalten, erscheint es als weniger auffällig bzw. weniger repräsentativ für seine eigene Gruppe (Hilton und Hippel 1996: 239). Die europäischen und amerikanischen Diskurse über den Umgang mit religiös oder rechtsextremistisch motivierten Gewaltakten sind dafür ein gutes Beispiel. Die mediale Darstellung des Attentates des Rechtsextremisten Anders Breivik auf der norwegischen Insel Utøya auf Teilnehmer eines sozialistischen Jugendlagers im Sommer 2011 oder des Massakers in zwei Moscheen von Christchurch (USA) im Frühjahr 2019, das der rechtsextremistische Australier Branton Tarrant verübte, motivierten in einigen Medien die Kritik, derartige Gewaltakte würden in den westlichen Gesellschaften zu leicht als Akte von Einzeltätern deklariert. Damit stelle man sie als Ausnahme von der Regel dar und verharmlose den ideologischen Nährboden, aus dem sie schöpften, während man islamistische Gewalt umgekehrt in der Regel als repräsentativ für ein pauschales, kulturell-religiöses Kollektiv sehe.14 Es besteht also eine gewisse Prädisposition für die assoziative Verknüpfung von (vermeintlich) charakteristischen Merkmalen oder Verhaltensweisen und Kategoriezugehörigkeit.15 Sie wird dadurch verstärkt, dass auch assoziative Verknüpfungen zwischen Stereotypengruppen bestehen, die sich gegenseitig aktivieren, bestärken und die Überzeugung vermeintlich kollektiver Eigenschaften von Outgroups untermauern, je öfter sie „gedacht“ werden. Ob eine bestimmte Kategorie aktiviert wird, hängt zwar auch davon ab, inwiefern eine Person mit der prototypischen Erwartung übereinstimmt (Passung). Indes zeigt sich, dass bei einmal ausgeprägten stereotypen Grundüberzeugungen untypische Repräsentanten einer Gruppe oft einfach als Ausnahme deklariert bzw. einer Subgruppe zugesprochen werden (Substereotypisierung) (Klauer 2008: 22-23, 45). Die bevorzugte Wahrnehmung von tatsächlichen oder vermeintlichen Merkmalen kann schließlich auch durch externen Einfluss manipuliert werden. Hier belegt der sog. Priming-Effekt die (unbewusste) Aktivierung von Gedächtnisinhalten durch vorausgehende Reize: „The way that we process information, even unambiguous information is heavily influenced by information that we have previously encountered […]. Prior experience determines what we see and hear, how we interpret that information, and how we store it for later use” (Hilton und Hippel, 1996: 248). Wurde in Versuchen belegt, wie die Grundhaltung bzw. 14 15
Vgl. z.B. https://www.dw.com/de/christchurch-der-mythos-vom-einsamen-wolf/a-47959256-0; https:// taz.de/Fuenf-Jahre-nach-dem-Massaker-von-Utya/!5328471/ Man denke hier beispielsweise an die Wahrnehmung und Bewertung von Terror. Im Nachgang zu Anders Behring Breiviks Massenmord an Teilnehmern eines sozialistischen Jugendlagers 2011 in Oslo wurden Stimmen laut, die kritisierten, in der westlichen Welt würden solche Terrorakte gern als Ausnahmeerscheinungen psychisch kranker Individuen deklariert, während umgekehrt eine Tendenz bestehe, islamistische Attentate als repräsentativ für größere Teile der islamischen Glaubensgemeinschaft zu sehen.
4.2 Personale u. soziale Identität: Erkenntnisse aus Sozialpsychologie u. Konfliktforschung 63 Sensibilisierung der Probanden durch Farben, Gerüche oder Schlagworte im Hinblick auf die Beurteilung späterer Zusammenhänge manipuliert werden konnte (Klauer 2008: 26-27), so erscheint Priming gerade im Kontext medialer Meinungsbildungsstrategien in ethno-nationalistischen Konflikten als besonders relevant. Was für den Einzelnen gilt, gilt auch für ein Kollektiv. Je mehr sich nämlich der Einzelne durch die Übernahme einer gemeinsamen Gruppenidentität „depersonalisiert“, desto mehr tendiert er dazu, die Wirklichkeit nach kollektiven Mustern zu filtern. Tajfel (1978: 63) definiert kollektive Identität vor diesem Hintergrund als „that part of an individual’s self-concept which derives from his knowledge of his membership of a social group (or groups) together with the value and emotional significance attached to that membership”. Das Wissen um Zugehörigkeit bzw. der Grad an bewusster Identifikation und die kognitive und emotionale Bewertung dieser Zugehörigkeit bestimmen also die Herausbildung der jeweiligen Gruppenidentität. Je nach Identifikationsgrad mit einer Gruppe, so die auf psychologischen Experimenten begründete Evidenz, übernehmen Individuen kollektive Wahrnehmungs- und Deutungsmuster, in der die Interessen der Gruppe als persönliche Interessen, die Gefahren als persönliche Gefahr eingeschätzt werden (Mackie et al. 2009: 287; Mercer 2006: 297; Reicher et al. 2015: 220). Der Grad an Depersonalisierung wie auch Dauer und Intensität der subjektiven Relevanz einer Gruppe für den Einzelnen sind von ihrer sog. Salienz abhängig. Da Identitäten, wie einleitend skizziert, multipel sind und über die Zuschreibung des Selbst in soziale Kategorien erfolgen, entscheidet die Hierarchie der Teilidentitäten, mit welchen Kategorien sich der Einzelne über kurz oder lang besonders oder weniger stark identifiziert. Hierarchien können dabei konstant sein, aber auch durch Stimuli plötzlich verändert werden. Ein bestimmter Reiz aktiviert dabei eine bestimmte Zugehörigkeit (Mercer 2006: 297). Das geschieht zum einen affirmativ durch positive Emotionen, angenehme Assoziationen, gemeinsame Erinnerungen oder kulturelle Symbole, aber auch abgrenzend bei empfundener Bedrohung der eigenen Identität: „So hearing one’ s school song, being targeted by an ethnic slur; donning a uniform, a turban, or a stethoscope; and seeing, being with, or interacting with members of the outgroup can all activate a self-categorization“ (Mackie et al. 2008: 1867-1868). Das ist insofern für das vorliegende Erkenntnisinteresse bedeutsam, als in unteilbaren Konflikten die Forcierung ethnischer Identität durch permanente Trigger, wie mediale Appelle an den nationalen Zusammenhalt und die Einforderung von Kampfbereitschaft und Gefahrenabwehr, zu einer Dauersalienz führen kann, die andere Selbstverständnisse kontinuierlich überlagert (Kapitel 12.2, 13 und 15). Schließlich sind auch Intergruppenprozesse für Fortdauer und Verstärkung von Entfremdung verantwortlich. Denn nicht nur die Zuordnung einer Person zu einer Kategorie, auch die künstliche (d.h. merkmalsunabhängige und temporäre) Einteilung von Probanden in unterschiedliche Gruppen hat bereits – wie die Verfasserin selbst in sozialpsychologischen Experimenten belegen konnte – sofortige, massive Effekte auf gegenseitige Wahrnehmung und Bewertung, die durch kompetitive Kontexte noch verstärkt werden. Zu ihnen gehören OutgroupHomogenisierung, erhöhte Wahrnehmung von Intergruppendistinktheit und die Tendenz zu positiven Gefühlen und Bewertungen für die eigene, negativen für die andere Gruppe. Ist die eigene Gruppe im Verhältnis zur Outgroup besonders groß, verstärkt sich dieser Effekt nochmals (Howard 2000: 360-370; Worchel und Coutant 2008: 423-446; Beck 2000: 151-153; Sasley 2011: 452-476; Malloy 2008: 348). Allein die Einteilung eines Individuums in die Kategorie
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„Fremdgruppe“ also reicht schon aus, um Differenzbewusstsein, Abwertung und Stereotypisierung zu motivieren. Was bedeuten diese Erkenntnisse nun für das Verhältnis von Identität, Gruppendynamiken und unteilbarem Konflikt? In Intergruppenkonflikten, so belegen die folgenden Ausführungen, scheinen genau jene kognitiven Mechanismen, die eben erklärt wurden, in besonders drastischer Form zu greifen: „Intergroup conflict may be viewed in terms of the network construct. Group members generally have stereotyped images about members of an outside group. Negative messages about the other group’s actions generally trigger the stereotypes that help to mold a biased interpretation of the other’s group behavior. These stereotypes are often robust. When encased in a rigid schema (or frame), they do not permit any modification of the prejudiced belief and bear the earmarks of what we call a ‘closed mind’” (Beck 2000: 147).
Sei das Outgroup-Bild durch die Verknüpfung negativer Stereotypen einmal konstituiert, könne – so Beck (2000: 152) weiter – ein Prozess der Dehumanisierung einsetzen, in dem Pauschalisierungen und Übertreibungen schnell mit degradierenden Werturteilen einhergingen, die durch Intergruppengewalt extreme Formen annehmen könnte. Zugleich kann sich die Ingroup durch Abgrenzung in ein positives Licht stellen (negative Identität) und für sich selbst ein Idealbild konstruieren. Hall und Gieben bezeichnen das als duale Stereotypisierung, bei der zwei simplifizierte Etikette geschaffen und dann unterschiedlichen normativen Polen zugeordnet würden (Hall und Gieben 1992: 215-216). Diese Simplifizierung und kollektive Glorifizierung der Ingroup und Herabwürdigung der Outgroup ist, wie im Kapitel zur Diskursanalyse und im empirischen Teil (insb. Kapitel 13.4, 14.5.3) zu zeigen sein wird, besonders in sprachlichen Mustern augenfällig, die auf eine gruppenspezifische Doppelmoral (Double Standard) deuten (Krell 2009: 399). Dabei werden Outgroup-Mitglieder schneller als unmenschlich oder etwa als von unlauteren Motiven angetrieben dargestellt, während die eigenen Ansprüche zumeist als legitim und moralisch gelten. Beck veranschaulicht, wie solch ein Prozess der zunehmenden Entfremdung zwischen In- und Outgroup bzw. ihre möglicherweise strategische Degradierung zur Polarisierung der Fronten beiträgt und schließlich zu Gewaltexzessen führen kann: „Prevailing biases stirred up by pronouncements regarding religious heresy, class warfare, or political subversion are magnified as they reverberate around the group. The demand to control, if not eliminate the threatening antagonist becomes accentuated. Identifying an enemy greatly enhances group solidarity and provides widespread gratification. The malevolent images lead to persecution or massacres. The perpetrator banishes the victims from the universe of their moral obligation. Since the opponents are wrong, bad, evil, they are not entitled to human rights and deserve to be harmed or killed” (Beck 2000: 239).
Anschaulich illustriert diese Beschreibung, wie selektive Wahrnehmung, Gruppenidentifikation, kollektive Glaubensgrundsätze und Intergruppenprozesse verstärkend ineinander und damit zugleich eskalierend wirken können.
4.3 Ich will, tue und denke, was ich bin: Eingefärbte Wahrnehmungen von Welt 4.3 Ich will, tue und denke, was ich bin: Eingefärbte Wahrnehmungen von Welt Die kognitionspsychologischen Befunde sollten aufzeigen, dass Identität ursächlich für die Wahrnehmung und Bewertung der sozialen Lebenswelt verantwortlich sein kann und damit im Konfliktfall zur stetigen Entfremdung und Polarisierung beitragen kann. Zugleich zeigen die kognitiven Prozesse der sozialen Kategorisierung und Stereotypisierung, wie sie die TSI belegt,
4.3 Ich will, tue und denke, was ich bin: Eingefärbte Wahrnehmungen von Welt
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das enorme Krisenpotential, das mit Diskriminierung und Fremdzuschreibung von außen verbunden ist. Identitäten sind also soziale Phänomene mit kollektivistischer Wirkung. Zugleich verweist der kognitive Einfluss von Ideen, Glaubensgrundsätzen und Werten implizit darauf, wie sehr Identität zugleich mit der Vermeidung von Unsicherheit und Widersprüchen des eigenen Selbstverständnisses verbunden ist. Denn Identitäten sind eben nicht nur ein gleichsam soziales Spiel mit Etiketten, sondern Ausdruck eines tiefen sozialen Bedürfnisses nach Integrität und Sinn, nach Zugehörigkeit, Schutz und Anerkennung (Brubaker und Cooper 2000: 7). Das wird besonders deutlich, versteht man Identität als Krisenphänomen: Wie Hall unterstreicht, wird sie nämlich vor allem dann erst fühl- und greifbar, wenn sie durch krisenhafte Erfahrungen ins Wanken gerät. Diese Erfahrungen von Bruch, Wandel und Ambivalenz als Charakteristika der Moderne und Postmoderne erklären damit überhaupt erst Entstehung und Konjunktur des Konzeptes (Hall 1994: 181-192; Hettlage 1997: 10). In unteilbaren, ethnozentrischen Konflikten können Gewalterfahrung oder der Verlust von Heimat (und damit von kindlichem Ursprung) durch Migration und Vertreibung oder aber die Wahrnehmung von Bedrohung der eigenen Identität durch die empfundene Überpräsenz eines kulturell Fremden solch krisenhafte Momente definieren. In den aktuellen europäischen Krisendiskursen beispielsweise lässt sich gut beobachten, wie Augenblicke der Kontroverse, Infragestellung und Redefinition von gemeinschaftlichen Referenzpunkten selbige umso stärker ins kollektive Bewusstsein zu rücken scheinen. In den Worten Kantners: „It might be a major historical event (either catastrophic or fortunate), the initiation of a collective project, or a major revision of it: in those situations, suddenly a certain nerve might be touched, and people might begin to argue quite passionately for their normative convictions and values“ (Kantner 2006: 513).
Es sind also, so mag man daraus ableiten, im Großen wie im Kleinen Augenblicke drohender Identitätskrisen bzw. Identitätsverlustes (ähnlich, wie im plötzlichen Krankheitsfall nach einem als „normal“ bzw. selbstverständlich empfundenen Gesundheitszustand), in denen sich der Einzelne am ehesten gewahr wird, dass er überhaupt eine Identität besitzt, die es zu bewahren und im Zweifelsfall zu verteidigen gilt. Im Nationalismuskapitel wird zu erörtern sein, wie sich Identitäten mit exklusivem und universellem Anspruch gerade als Reaktion auf die verlorenen Sicherheiten der vormodernen Lebenswelt entwickelten. In der Diskursanalyse wird zu zeigen sein, wie im Augenblick der Krise nationale Identität, historisches Erbe und kollektive Werte in den Fokus rückten (Kapitel 14). Kollektive Identitäten erscheinen damit offenkundig als Antwort auf gesellschaftliche Umbrüche und Umdeutungen von Selbst und Welt. Damit verbindet sich eine noch bedeutendere Einsicht: Da das Kollektiv sinnstiftende und Anerkennungsfunktion besitzt, kann es umso wirksamer Konformität vom Einzelnen einfordern. Denn in dem Maße, in dem der Einzelne in seinem Selbstverständnis um Harmonie und soziale Integration bemüht ist, ist er in existentieller Weise angreifbar. Schon die Psychoanalyse erklärt das, indem sie vom stetigen Kohärenzbestreben, also der Vermeidung identitärer Widersprüche und dem Streben nach sozialer Anerkennung spricht, die sie in der frühkindlichen Erfahrung von Machtlosigkeit und Triebunterdrückung begründet sieht. Je größer der daraus resultierende Minderwertigkeitskomplex bzw. je schwächer das Selbstbewusstsein, desto eher neige man zur „unkritische(n) Bindung an ein Kollektiv“ und – dieser Aspekt wird später noch vertieft – der Aufwertung dieses Kollektivs
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durch Abwertung einer Fremdgruppe (Schmidt-Denter und Wachten, 2009: 8). Identität, so definiert es die Gendertheoretikerin Howard, entstehe in der tiefen Bemühung um zwischenmenschliche Bindung, um Anerkennung und Würde, Stärke (Empowerment) und Selbstentfaltung (Agency). Kollektive Identitäten könnten damit als emotionale und soziale Kompensation für mangelnde individuelle Anerkennung oder Selbstwertgefühl dienen (Howard, 2000: 385). Gerade nationalistischer Chauvinismus – auf diesen Aspekt wird im Empirieteil zurückzukommen sein – kann damit als Kompensationsmoment für mangelndes Selbstbewusstsein und beschränkte Handlungsfähigkeit angesehen werden. Umgekehrt sind individuelle Lebensentwürfe, die mit gesellschaftlichen Vorgaben in Konflikt stehen, mit (inneren) Spannungen und (äußeren) Auseinandersetzungen konfrontiert. Das gilt besonders für Gesellschaften, die ein enges Identitätsverständnis mit dem Anspruch auf hohe soziale Homogenität verbinden, d.h. in denen rigide Vorgaben für das Selbstverständnis ihrer Mitglieder existieren und Abweichungen sanktioniert werden. Kollektive Identitäten sind in diesem Sinne nicht etwa die Summe der individuellen Identitäten, sondern repräsentieren oftmals das dominante Selbstverständnis einer Gemeinschaft, mit dem sich der Einzelne identifizieren soll. Das verweist auf die enge Verbindung von Identitäten und Normen, verstanden als Maßstäbe für angemessenes Verhalten im Sinne eines vordefinierten Identitätsideals und einhergehender Rollenmodelle. Hogg und Vaughan (2010: 124) definieren Normen in diesem Sinne als “[a]ttitudinal and behavioural uniformities that define group membership and differentiate between groups“. Abdelal et al. (2006: 695) definieren den normativen Gehalt von Identität und seinem handlungsleitenden Charakter so: „The normative content of a collective identity specifies its constitutive rules—the practices that define that identity and lead other actors to recognize it. The rules that determine group membership and putative attributes of the group can also be thought of along these lines. This normative content, the set of constitutive rules, may be bundled together into one or more coherent “role” identities.“
Normen als kollektive Maßstäbe für angemessenes Verhalten regulieren also soziale Praktiken und geben damit Handlungsmuster vor, aus denen soziale Rollen entstehen, die von anderen als solche erkannt werden und als Zeichen der Gleichheit und Zugehörigkeit bzw. der Verinnerlichung gelten (man denke an die Selbstverständlichkeiten spezifischer Kulturräume zurück). Ob es sich dabei um Vorgaben für angemessenes Verhalten eines guten Christen, pflichtbewussten Patrioten oder fortschrittlichen Familienvaters handelt: Identitäten können Vorbilder sein, die genauso beflügeln können, wie man – bildlich gesprochen – unter ihrer normativen Last zerbrechen kann.16 In beiden Fällen motivieren sie Gebaren und Verhalten und werden damit in der sozialen Interaktion zu Symbolen von gegenseitiger (An-) Erkennung, von Konformität und Akzeptanz. Die Sozialpsychologie erklärt Normkonformität in diesem Sinne aus der Existenz mächtiger Referenzpunkte (Frame of Reference), also kollektiver Werte, die erstens oft von besonders prestigeträchtigen bzw. einflussreichen Gesellschaftsmitgliedern vorgegeben werden, denen gegenüber sich Andere zweitens ob ihrer (positiven) Strahl- oder ihrer (negativen) Sanktionskraft orientieren (Conformity/Compliance) und die drittens gern (je höher die Deu-
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Vgl. zur Macht normativer Identität Stets und Carter 2011.
4.3 Ich will, tue und denke, was ich bin: Eingefärbte Wahrnehmungen von Welt
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tungsmacht des Referenzrahmens) als unhinterfragbare Wahrheit angenommen wird (Informational and Normative Influence) (Hogg und Vaughan 2010: 124-134). Das erscheint besonders für ethnisch-exklusive, kollektivistische und starr-hierarchische Gesellschaften relevant. Normative Identitäten bergen neben ihrem homogenisierenden Effekt aber auch erhebliches Konfliktpotential: Denn enge Rollenvorgaben für ethnische, geschlechterspezifische oder andere Identitätsideale können für diejenigen problematisch sein, die diesen Vorgaben nicht entsprechen können oder wollen und sich damit jenseits der definierten Sphäre von Sitte, Anstand oder Normalität bewegen. Insbesondere asymmetrische Kräftekonstellationen bergen dabei die Gefahr der Fremdzuschreibung, der Stereotypisierung und Diskriminierung abhängiger Zielgruppen anhand zugeschriebener Identitätsmerkmale und daraus resultierender Identitätskrisen und Abwehrreaktionen (Identity Ascription). Zugleich können andersdenkende Minderheiten aber auch die aktive Rolle von Identitäts-, bzw. Normunternehmern (Minority Influence/Conversion Effect) spielen, die die vermeintlichen Selbstverständlichkeiten eines Kollektivs infragestellen und so Wandel motivieren (Ibid.: 143-147). Mit Blick auf ethnozentrische Konflikte mit ihren engen kulturspezifischen Normen als Orientierungspunkten für kollektive Selbstbilder erscheint aber schwer und mitunter gefährlich, den Konsens aktiv infrage zu stellen. Denn gerade beispielsweise kulturelle Symbole für kollektive Werte oder geteilten Schmerz sind mächtige Instrumente von Identifikation, die durch ihre Universalität und Unbestimmtheit als gemeinschaftliche Projektionsfläche dienen. Da sie Sicherheit, Zugehörigkeit und Sinn stiften, werden sie bewahrt und im Zweifelsfall vehement verteidigt. Aus kultursoziologischer Sicht definieren sich Identitäten deshalb vor allem als allgemeingültige und anerkannte Verhaltensregeln und als kollektiv geteilte Sinnbilder einer Gemeinschaft (Hettlage 1997: 10). Wie zentral kulturelle Identitäten – die ja im empirischen Teil der Forschungsarbeit im Fokus stehen werden – ursächlich mit spezifischen Wahrnehmungs- und Verhaltensmustern verwoben sind, unterstreichen Raz und Fabrega, wenn sie kulturelle Identität als sehr relatives, vom soziokulturellen Umfeld abhängiges Konzept bezeichnen: „[P]roducts of enculturation reside in brain networks that influence processes such as awareness, memory and action. As a pool of information, culture allows individuals to shape behavior and habit patterns and informs as to what is acceptable and normative. […] Culture influences how attention and repression function in a context of competing impulses, values and goals toward adaptive behavior. […] For example bicultural individuals can assume different roles as a function of environmental cues, and bilingual persons can report feeling like a different person depending on the language they use. Thus, personality can change as a function of language and culture, including historical periods and mentalities, suggesting that personality is perhaps more malleable, and culture more influential, than is commonly held” (Raz und Fabrega 2006: 530).
Angehörige eines bestimmten Kulturkreises schöpfen demnach aus dem Fundus gemeinsamer Wissensbestände, zu denen auch Maßstäbe für gebührendes oder wünschenswertes Verhalten gehören. Der Prozess der Akkulturation bezeichnet dabei die stetige Anpassung des Einzelnen an kulturelle Codes, Verhaltensmuster und Gewohnheiten, die seine Wahrnehmung und Erinnerung prägen. Das Beispiel vom plötzlichen Umdenken bilingualer bzw. bikultureller Akteure – Mercer spricht hier vom „identity switch“ (Mercer 2006: 297) – versinnbildlicht anschaulich die Relativität des „Mikrokosmos Kultur“ und die damit verbundene Möglichkeit eines plötzlichen Wandels von Präferenzen, Werten oder Verhaltensweisen. Auch die Bedeutung von Sprache als Mittler in und zwischen diesen Systemen kommt dabei zum Vorschein, da Sprache
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als System von spezifischen Bedeutungseinheiten selbst (aus konstruktivistischer Sicht) die gleichsam „geronnenen“ Weltbilder ihrer Sprecher reflektiert (Kapitel 6).17 Neben der Verknüpfung von Interessen mit Normen unterstreicht der Verweis auf die Bedeutung von identitären Rollen als Medium der kulturellen Verständigung, dass Identitäten auch einen bestimmten Zweck erfüllen, wenn sie dargestellt werden bzw., dass dieser Zweck auch darüber entscheidet, wie sie dargestellt werden. Beides illustriert die Verknüpfung von Identitäten mit spezifischen Interessen. So definieren Brubaker und Cooper (2009: 9) Identität als „manner in which action – individualistic or collective – may be governed by particularistic self-understandings rather than by putatively universal self-interests“. In einem Hörsaal beispielsweise verhielte man sich anders als bei einer politischen Demonstration. Während in der ersten Situation die „akademische Identität“ mit ihren Werten der Genauigkeit, Vernunft und Nachvollziehbarkeit entsprechende Wortwahl und Gebaren motivierten, gelte es in der zweiten, Solidarität und Engagement zum Ausdruck zu bringen: „Already, this points to the way in which group (or social) identities define interests. They tell us what counts, what is ‘utility’ and what we should therefore seek to maximize through our choices” (Reicher et al. 2015: 220). Identitäten als Rollen repräsentieren also auch Werte und Erwartungen und motivieren bestimmtes Verhalten. Ferner schärfen sie Wahrnehmung für spezifische, im entsprechenden Kontext als wünschenswert erachtete Merkmale: So werden naturgemäß in einem akademischen Umfeld Abweichungen von der Norm einer logischen und kohärenten Argumentation unangenehmer auffallen als im Kontext politischer Agitation. Abdelal et al. definieren diesen Vorgang als soziale Ziele einer Identität: „The content of a collective identity may be purposive, in the sense that the group attaches specific goals to its identity. This purposive content is analytically similar to the common sense notion that what groups want depends on who they think they are. Thus, identities can lead actors to endow practices with group purposes and to interpret the world through lenses defined in part by those purposes. Whereas the normative content of an identity refers to practices that lead to individual obligation and social recognition, the purposive content of an identity helps to define group interests, goals, or preferences” (2006: 698).
Identitäten können Interessen also vorgelagert sein. Wer man ist, bestimmt also nicht nur, wie man sich gibt, sondern auch, was man will. Wie spezifische Identitäten bestimmte Ziele in den Vordergrund stellen, zeigt Wendt am Beispiel der amerikanischen Außenpolitik vor Ende des Kalten Krieges auf, indem er unterstreicht, dass diese vor allem durch ein vorherrschendes gesellschaftliches Selbstverständnis als Agent des Antikommunismus und daraus resultierende Wählerpräferenzen beeinflusst wurde (Wendt 1992: 411). Heute, da sich eine steigende Anzahl von US-Amerikanern über die Abgrenzung von Islam und Islamismus definieren, so kann man daraus schließen, verändern sich auch die außenpolitischen Schwerpunkte. Zugleich verweist die Thematik auf die enge Verquickung von interessengeleiteter Manipulation von Identitäten (Top-down) und Druck auf die Politik durch tief verwurzelte Selbstverständnisse (Bottom-up). In Kombination kann beides, wie im empirischen Teil zu zeigen sein wird (Kapitel 14), einen
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So erinnert sich die Verfasserin an das wirkmächtige Sinnbild, mit dem Prof. Heinz Richter – Griechenlandexperte und Historiker – in einem Vortrag über die politische Kultur Griechenlands sagte, er würde im Flugzeug auf dem Weg gen Süden zunächst sein „griechisches Gehirn“ einschalten, um die interne Logik jenes Kulturkreises zu verstehen (Richter 2013). Obgleich solch ein Ausspruch etwas kulturessentalistisch anmutet, vermag er doch die Relativität von Kulturräumen und zugleich ihren internen Absolutheitsanspruch für diejenigen zu unterstreichen, die sich (ausschließlich) in ihm bewegen.
4.3 Ich will, tue und denke, was ich bin: Eingefärbte Wahrnehmungen von Welt
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erheblichen Einfluss auf das Scheitern von Verhandlungen besitzen, weil sich Politik und Gesellschaft gegenseitig zur Kompromisslosigkeit motivieren. Identitätspräferenzen können aber auch über Wahlverhalten entscheiden: In einem bekannten Beispiel aus der US-amerikanischen Innenpolitik illustriert Hall (nach Phoenix 2010: 304) wie die subjektive Salienz eines spezifischen Selbstverständnisses situationsbedingte Solidarität bzw. Abgrenzung motivieren kann. So hatte Präsident Bush mit Clarence Thomas einen konservativen schwarzen Richter für den Supreme Court in der Annahme nominiert, dass konservative, weiße Amerikaner ihn aufgrund seiner politischen Gesinnung, Schwarze aufgrund seiner Hautfarbe wählen würden. Als Thomas wenig später der sexuellen Nötigung einer Frau bezichtigt wurde, zeigte sich, dass die hitzige, öffentliche Debatte um seine Person weitgehend ebenso entlang von Gruppenzugehörigkeiten geführt wurde und seine Verurteilung bzw. Verteidigung mit der Salienz spezifischer Selbstverständnisse zusammen hing: So tendierten weiße Männer zu seiner Verteidigung, wenn sie sich stärker als „konservativ“ sahen, denn als „weiß“, schwarze Frauen eher zu seiner Verurteilung, wenn feministisch Einstellungen überwogen usw. Schließlich – dies ist wohl das für den Kontext ethnozentrischer Gebietskonflikte am bedeutendsten – kann Identität auch zur abhängigen Variable und zum Instrument spezifischer Interessen selbst werden, indem sie territoriale Ansprüche legitimiert: Am Beispiel des Falklandkrieges zwischen Großbritannien und Argentinien zeigen die Autoren die Fremdzuschreibung bzw. Neudefinition von Identität aus strategischen Motiven auf: „In 1981, in the context of new nationality legislation, the status of the Falkland Islanders was downgraded from full British citizenship to that of British Dependent Territories Citizenship. There was little dissent. However, in the context of an invasion of the island by Argentina in 1982, the Falkland Islanders were rapidly constituted as prototypically British. On the day after the invasion […] the Daily Express commented: ´The right of the Falkland Islanders, people who are wholly British in origin, sentiment and loyalty, to remain British and to continue to live under British rule must be defended as if it were the Isle of Wight which had been invaded` […]. Equally, and unsurprisingly, the war led to the restoration of full citizenship rights to the islanders through the British Nationality” (Reicher et al. 2015: 221).
Die Verquickung nationaler Identität mit territorialen oder politischen Ansprüchen bzw. das Zu- oder Absprechen bestimmter Identitäten von Minderheiten in Abhängigkeit von den jeweiligen Interessen wird ebenfalls im empirischen Teil der Arbeit en detail zu erörtern sein. Der kognitive Einfluss von Identität und ihre enge Verquickung mit Verhaltensvorgaben als Ausdruck von Werten und darstellerischer Kommunikation sind also als zumeist unbewusste Prozesse einer sozialen Alltagsroutine zu verstehen. In dem Maße, wie Identitäten kollektiv gepflegt, inszeniert, zelebriert und propagiert werden, erscheinen sie mit der Zeit – insbesondere für diejenigen, die mit ihr aufwachsen und keine Alternative kennen – zunehmend als selbstverständlich. Damit liefen, wie Barnett (2011: 155) zurecht bemerkt, Gemeinschaften Gefahr, kollektive Ideen als Ausdruck einer vermeintlich gegebenen Wirklichkeit, als „brute facts“, anzusehen und damit Konzepten zwischenmenschlicher Übereinkunft, wie Geld, Flüchtlingen oder Souveränität implizit denselben existentiellen Stellenwert beizumessen, wie Steinen, Blumen oder etwa der Schwerkraft. Insbesondere, so kann man sich vorstellen, ethnonationalistische Kontexte mit ihren auf Dauer angelegten Referenzen (Erzählungen, Praktiken, Rituale) werden als fortwährend zelebrierte Ankerpunkte der kollektiven Identität mit der Zeit immer selbstverständlicher (Jachtenfuchs, 1995: 430). Genau darin liegt ihre handlungsleitende
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4 Unus pro omnibus: Die Macht kollektiver Selbstbilder
Kraft begründet. So schreibt Yuval-Davis, „[…] one of the measures of success of hegemonic ethnicities is the extent to which they succeed in ‘naturalizing’ their social and cultural constructions“ (1997: 44). Das ist insbesondere für ethnisch-exklusive Identitäten relevant, die – im Nationalismuskapitel (8), sowie im empirischen Teil wird darauf zurückzukommen sein – als konstitutive Merkmale einer Gemeinschaft sogar mitunter biologisch-genetisch begründet werden. Zwar weisen Abdelal (et al. 2006: 699) wie auch Rademacher und Eickelpasch (2004: 80) zu Recht auf den konstruierten Charakter dieser Wesensmerkmale hin: „[...] race, ethnicity, and nation are not things in the world but ways of seeing the world“. Akteure tragen aber im Glauben bzw. in der aus machtpolitischen Gründen forcierten Überzeugung der vermeintlichen Universalität und Unantastbarkeit von Weltbildern gerade zur Aufrechterhaltung jener Strukturen bei, die diese Weltbilder konstituieren. Abdelal. et Al. (2006: 697) beschreiben diesen Prozess als eine zunehmend unbewusste Verinnerlichung von Normen und verbundenen Praktiken: „ The process by which constitutive practices are internalized or habituated, may be manifested in three ways. First, norms may bias choice, meaning that certain behaviors are consciously ruled out or discounted as inappropriate for one’s identity. The commonly used phrase, ´logic of appropriateness` might best describe this level of internalization. Second, norms may reduce the level of consciousness in choice. Semiconscious choice would mean options are barely considered, or only fleetingly considered, and are dismissed out of hand. “Common sensible” choice might capture this form of internalization. Third, norms may be so deeply internalized that they are acted upon completely unconsciously, out of habit.”
Abhängig vom Internalisierungsgrad strukturieren Normen also Entscheidungen vor, lassen Alternativen als unangemessen oder unvorstellbar erscheinen und verhindern so den sprichwörtlichen „Blick über den Tellerrand“. Gerade, weil diese Strukturen als gleichsam natürlich und damit als unveränderbar gelten, werden sie durch die Akteure nicht hinterfragt und damit kontinuierlich reproduziert: „To the degree that the basis of their own conflicts is invisible to them, they see them as exterior and constraining, as inevitable. This attitude toward conflict provides a strong link with Durkheimian theory: nationalism and warfare are social facts, social institutions that are reaffirmed in the day-to-day organization of our civilization. To the extent that individuals and groups deny conflict and/or their own part in conflict, it will be seen as inevitable, as self-fulfilling prophecy” (Sheff 1999: 334).
Spezifische Geschichtsbilder bzw. die (stereotype) Wahrnehmung der eigenen Rolle gegenüber der Rolle des Rivalen sind damit fest mit dem kollektiven Selbstverständnis einer Konfliktgesellschaft verwoben und mit gewohnheitsmäßigen Reaktionen verbunden. Nur in der gesamtgesellschaftlichen De-Konstruktion dieser vermeintlichen Selbstverständlichkeiten kann Wandel erfolgen (Wendt 1992: 420). Da aber – wie illustriert – Identitäten als Codes kultureller Kommunikation mit elementaren Grundbedürfnissen, mit politischen oder territorialen Ansprüchen und anderen langfristigen Zielen, mit tief internalisierten Werten und routinemäßig dargestellten Rollen verwoben sind, so kann man schließen, fällt dieser Wandel schwer. So tragen Identitäten massiv zur Selbstverständlichkeit sozialer Systeme bei und können damit – wie die vielzitierte Formulierung von der „Mauer in den Köpfen“ suggeriert – im Effekt mit physikalischen Kräften vergleichbar sein. Gerade ethnisch-exklusive Identitäten sind – sowohl ihrem eigenen Anspruch nach als auch in der Tat – langlebig und widerstandsfähig, weil sie eben mit der institutionalisierten Lebenswirklichkeit der Gemeinschaftsmitglieder verschmelzen. Identitäten verbinden sich damit mit anderen Konzepten der einleitend dargestellten Diskussion um Unteilbarkeit, indem sie sowohl die zentrale Bedeutung von identitären Grundbedürfnissen, die
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destruktive kognitive Eigendynamik kollektiver Selbstbilder, sowie ihre handlungsleitende Kraft untermauern. Abb. 2 fasst Konstruktion und Ineinanderwirken individueller und sozialer Identität abschließend zusammen. Einen ähnlichen Effekt auf Kollektive, auf Wahrnehmung und Handlung, so kann man in Überleitung zum folgenden Kapitel sagen, besitzen auch Emotionen. Sie sind damit die zweite, zentrale Komponente von Unteilbarkeit.
Abbildung 2 – individuelle und soziale Identitätskonstruktion (eigene Darstellung)
5 Mit kühlem Kopf? Emotionen in unteilbaren Konflikten 5.1 Einleitung: Emotionen als vernachlässigte Komponente der Konfliktforschung 5.1 Einleitung: Emotionen als vernachlässigte Komponente der Konfliktforschung „It is not until the 70s that sociologists undertook the systematic analysis of emotions. In hindsight, this late date is remarkable in light of the fact that emotions pervade virtually every aspect of human experience and all social relations. […] emotions are ´glue` binding people together and generating commitments to largescale social and cultural structures; in fact, emotions are what make social structures and systems of cultural symbols viable. Conversely, emotions are also what can drive people apart and push them to tear down social structures and to challenge cultural traditions” (Turner und Stets 2005: 1).
Emotionen – das unterstreicht obige Passage aus der renommierten Monografie „Sociology of Emotion“ – sind allgegenwärtig, wurden indes in der Forschung lange vernachlässigt. Wie auch in den vorangehenden Kapiteln hilft zunächst ein Blick auf das Alltagsverständnis von Emotionen, um diesen Befund zu untermauern. Zwei Aspekte erscheinen dabei relevant. Erstens: Emotionen werden vor allem mit Affekt assoziiert. Sie gelten damit primär als körperliche Reaktion auf Ereignisse oder Handlungen Anderer. Zweitens: Emotionen werden oftmals als unliebsamer Störfaktor angesehen. Mag der Ausdruck von Emotionen in bestimmten, begrenzten öffentlichen Räumen und Situationen wie im darstellerischen Spiel, in politischen Kundgebungen oder in feierlichen Festzügen explizit erwünscht sein, gelten sie doch im Arbeitsumfeld oder in der Politik gemeinhin als Zeichen von Schwäche, als Gefahr für Klar- und Umsicht oder als Mittel der Manipulation (Stichwort Populismus). Beides hat lange offensichtlich auch den wissenschaftlichen Umgang mit Emotionen beeinflusst. Wie im Alltagsverständnis, so erschienen Emotionen auch für die klassische Konfliktforschung lange irrelevant bzw. allenfalls als Störfaktor für einen klaren Blick auf die wesentlichen Konfliktfaktoren. Finden Emotionen explizit Erwähnung, gelten sie in erster Linie als Reaktion auf das soziale Umfeld und seine Selektions-, Interpretations-, Konformitäts-, und Sanktionsmechanismen. Die gemeinsame emotionale Orientierung als eine der drei Grundkomponenten der soziopsychologischen Infrastruktur unteilbarer Konflikte kommentiert Bar-Tal denn auch mit den Worten: „Societies may develop characteristic collective emotional orientations, with an emphasis on one or a number of particular emotions. The society provides the context, information, cues, models, and instructions against which the emotions of its members arise” (Bar-Tal 2007: 1439). Wie im Einleitungskapitel erwähnt und im Identitätskapitel kognitionspsychologisch erklärt, erscheint die eigene Gruppe dabei oftmals als Referenzrahmen für positive Selbst- und negative Fremdwahrnehmung und motiviert spezifische Affekte, wie etwa Liebe, Stolz oder das Gefühl moralischer Erhabenheit für die Ingroup bzw. Angst, Ärger, Missgunst oder Hass für die Outgroup. Dass Emotionen aber nicht nur eine Folge kognitiver Prozesse sind, sondern darüber hinaus maßgeblich an der Entwicklung der psychologischen Grundstruktur beteiligt sind, wird selbst in bedürfnisorientierten Ansätzen wie denen Bar-Tals nicht explizit deutlich. Was sonst steckt, so könnte man fragen, hinter dem Bedürfnis nach Sicherheit, als die Vermeidung von Angst, hinter dem Streben nach positiver Identität anderes als das warme Gefühl der Selbstach-
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Rehrmann, Der Zypernkonflikt, Innovative Konfliktforschung – Innovation in Conflict Research, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31192-6_5
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5 Mit kühlem Kopf? Emotionen in unteilbaren Konflikten
tung bzw. die Vermeidung von Scham, Schuldgefühlen oder Demütigung? In Definitionen unteilbarer Konflikte als Konflikten, die sich durch extremes Misstrauen und die Allgegenwart bzw. höchste Priorität der Konfliktthemen auf der sozialen Agenda auszeichnen, wird ihr zutiefst affektiver Charakter zwar angedeutet, aber meist nicht weiter ausgeführt. Dabei sind Emotionen, wie im vorliegenden Abschnitt aufgezeigt werden soll, ein zentraler und vor allem ursächlicher Bestandteil von Konfliktstrukturen: Emotionen prägen Wahrnehmung, trüben Erinnerung, geben sozialen Bindungen Bedeutung. Sie können affektive Handlungen motivieren oder paralysieren und als Marker für Zugehörigkeit, Normen und (Gender-) Rollen fungieren. Sie erfüllen damit vielfältige Funktionen. So kann die sprichwörtliche „blinde Wut“ vor schmerzhafter Konfrontation, die exzessive Liebe zur Gemeinschaft vor unliebsamen Wahrheiten der eigenen Schuld bewahren. Umgekehrt motivieren Emotionen als handlungsleitende Normen den innergesellschaftlichen Zusammenhalt und die Alarm- bzw. Aktionsbereitschaft gegenüber potenziellen Gefahren („withstanding the rival“) (Bar-Tal 2007: 1434). Bestimmte Emotionen tragen damit, wie zu zeigen sein wird, auch maßgeblich zur Perpetuierung von Konfliktstrukturen bei und – das wird im letzten Theoriekapitel zu erörtern sein – erschweren Versöhnung oder verhindern sie gänzlich. Um dies zu veranschaulichen seien zunächst die kulturgeschichtlichen und epistemologischen Faktoren aufgezeigt, die sowohl das alltagsweltliche wie auch das wissenschaftliche Verständnis von Emotionen beeinflussen und dazu beitragen bzw. beitrugen, dass ihr Einfluss lange ausgeblendet wurde. Alsdann soll das Wesen von Emotionen und die Problematik ihrer Greifbarkeit interdisziplinär erörtert werden, bevor in der Feinanalyse die Rolle von Emotionen im Konfliktkontext diskutiert und illustriert wird. Hier wird zu zeigen sein, wie eng Emotionen mit Narrativen, Identitäten, Rollen, Gruppendynamiken und Normen verwoben sind und damit einen wesentlichen Teil der Blackbox beleuchten, durch die sich die soziopsychologische Infrastruktur von Konfliktgesellschaften konstituiert.
5.2 Vernunft und Emotion: Zwei Seiten einer Medaille 5.2 Vernunft und Emotion: Zwei Seiten einer Medaille Die weitgehende Vernachlässigung von Emotionen als Analysekonzept scheint zwei wesentlich miteinander verbundene Gründe zu haben. Sie sind kulturgeschichtlicher wie epistemologischer Natur: So galten Emotionen im Geiste der Aufklärung lange Zeit lediglich als zu vermeidende Ausnahme von der Regel des rational handelnden Individuums. „In the history of ideas in the West”, so Oatley et al., „cognition and emotion were viewed as parallel systems in which one of them (emotion) might interfere with the other (rational cognition), although perhaps the other (rational cognition) might be able to moderate the effects of the one (emotion)” (Oatley et al. 2011: 1343). Sie unterstreichen damit das traditionelle Verständnis von Emotion als dem „Jenseits“ des selbstbestimmten, vernunftgeleiteten Denkens (und Handelns). Schon Foucault kritisierte im Rekurs auf die antike und zeitgeschichtliche Philosophie in „Sexualität und Wahrheit“ die Vernachlässigung der Triebe als Handlungstrigger. Die vermeintliche Polarität von Denken und Fühlen und das Rationalitätspostulat der Moderne entlarvt er als Konstrukt (Foucault nach Ruffing 2010: 73-87). Für Aufsehen sorgte in den 1990ern auch die Publikation des Neuropsychologen Damasio (1995), der in seiner Monografie „Descartes´ Irrtum.
5.2 Vernunft und Emotion: Zwei Seiten einer Medaille
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Fühlen, Denken und das menschliche Gehirn“ Descartes´ Trennung von Körper und Geist bzw. die Entkopplung rationalen Denkens und Handelns als Mythos bezeichnet. Im Rekurs auf Patientenbefunde und Erkenntnisse zur Gehirnstruktur belegt er, dass Entscheidungsfindung grundsätzlich mit Empfindungen verbunden ist. Patienten, die keine Empfindungen mehr hegten, seien unfähig, ihr Leben zu organisieren. Neben der epistemologischen Revolution der Psychoanalyse ist es vor allem den Befunden und der steigenden Popularität der Neuro-, Kognitions- und Sozialpsychologie geschuldet, dass diese Dualität zunehmend widerlegt wird und den zentralen Einfluss von Emotionen in den Vordergrund rückt. Bestseller wie Daniel Golemans (1997) „Emotionale Intelligenz“ verweisen dabei auf ein zunehmend breites, gesellschaftliches Interesse am Einfluss von Emotionen. Das Konzept ist als Spezifizierung sozialer Intelligenz zu verstehen, die auf der Fähigkeit gründet, die eigenen und die Emotionen Anderer angemessen zu deuten, um sie zur erfolgreichen Kommunikation oder zu strategischen Zwecken zu nutzen (siehe auch Mayer et al. 2004: 197-215). Das lässt aber auch den Eindruck entstehen, dass die neue „Sensitivität“ für (sozial) psychologische Mechanismen wesentlich effizienzorientiert ist. Sie unterstreicht beispielsweise die Effektivität erfolgreicher Unternehmensführung durch New Leadership (z.B. Hogg und Vaughan 2010) oder in der Politikwissenschaft die Relevanz neuerer Ansätze der Wahl- und Protestforschung (Gabriel und Westle 2012; Betz 2016). Obgleich die direkte oder indirekte Auseinandersetzung mit Emotionen in der und über die Wissenschaft hinaus also en vogue ist, möglicherweise aber eben gerade aufgrund ihrer zweckrationalen Ausrichtung, sind sie für die traditionelle Konfliktforschung lange sekundär geblieben. Emotionen seien, so die Kritik etlicher Autoren, in Konfliktanalysen nur implizit präsent, würden aber kaum systematisch erörtert und als Analysekonzept greifbar (vgl. z.B. Crawford 2000: 116 - 118; Sheff 1999: 334f). Emotionen seien „too useful to avoid entirely, but too embarrassing to elevate to the status of a concept”, so Sheff. Wo sie direkt erschienen, galten sie im Sinne der eben erklärten Prämisse als „´irrationale Störfaktoren` soziologischer Erklärungsbestrebungen, als Ausnahme, die die Regel eines ansonsten überwiegend rational und normativ motivierten und strukturierten Handelns bestätigt“ (von Scheeve 2009: 36). Kritiker des Rationalitätspostulats, insbesondere in der Konfliktforschung und den IB, versuchen in diesem Sinne, Emotionen als Handlungsvariable im Rückgriff auf die eigenen Theorien und Konzepte sichtbar zu machen. Sie zeigen dabei auf, wie Emotionen ideengeschichtlich – und dies ist hier im Wortsinne gemeint – wegrationalisiert wurden. Dem Verständnis von Rationalität und Emotion als hierarchischen Parallelsystemen aus assoziativen Gegensätzen, wie Leidenschaft und Raison, widerspricht Mercer mit dem Verweis, selbst Adam Smith als Begründer der klassischen Nationalökonomie, mit der die Theorie der rationalen Entscheidung maßgeblich verbunden ist, habe Habgier selbst als Grundimpuls des liberalen Wirtschaftssystems angesehen, die später durch den vermeintlich rationalen Begriff des Interesses ersetzt wurde und „das interessengeleitete Handeln“ zum Synonym für Rationalität machte (Mercer 2006: 288-291). Ähnlich argumentieren auch Crawford, Hutchison und Bleiker, indem sie unterstreichen, welch zentrale handlungsleitende Rolle die Vordenker des klassischen Realismus Thukydides und Hobbes (hier könnte man auch Machiavelli hinzufügen) Emotionen, wie Angst, Gier und Ehrgefühl zugewiesen hätten, bis auch jene durch Interessen als leitendem Handlungsprinzip von Mensch und Politik rationalisiert worden
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5 Mit kühlem Kopf? Emotionen in unteilbaren Konflikten
seien. Wo der klassische Realismus im Rekurs auf die menschliche Natur immerhin einen impliziten Fokus auf affektives Handeln gesetzt habe, seien spätestens seit dem systemischen Ansatz des Neorealismus der Mensch und seine Emotionen gänzlich aus dem Blickfeld geraten (Hutchison und Bleiker 2008: 117; Crawford 2000: 10). Offenkundig wurde also aus einer Norm für erstrebenswertes Denken und Handeln in der Tradition des Rationalismus allmählich eine ontologische Prämisse – eine Prämisse, die besonders die klassische Politikwissenschaft charakterisiert. Denn Emotionen sind nicht zuletzt in Philosophie und Anthropologie fest verankert (Hutchison und Bleiker 2008b: 387). Wie sehr sie indes auch mit den klassischen Konzepten der Politikwissenschaft verwoben sind, zeigt die Dekonstruktion der vermeintlich rationalen Interessen: In unteilbaren Konflikten, die Jahrzehnte andauern, ist die soziopsychologische Infrastruktur – so kann man bildhaft zum Ausdruck bringen – ein komplexes Gemisch aus (strategisch) offen gehaltenen oder vernarbten Wunden, unerfüllten Sehnsüchten und individuellen wie kollektiven Opfer- und Leidensrollen, die individuelle Lebensmotive wie gemeinschaftliche Erzählungen begründen können. Im Anfangskapitel wurde darauf verwiesen, dass ein über Jahrzehnte ungelöster Konflikt ein Cluster aus Akteuren und Strukturen um sich herum herausgebildet hat, das Wandel erschwert, weil er den Interessen einer zunehmenden Anzahl von Akteuren zuwiderläuft, die in der kontinuierlichen Ausnahmesituation ihren Platz eingerichtet haben. Betrachtet man erstens die Interessen der Akteure im Sinne des oben Gesagten nicht ausschließlich als materielle bzw. rationale Interessen der klassischen Stakeholder (Militär, Parteien, Veteranen, Opferverbände, Medien u.a.), öffnet sich die Perspektive für das Spektrum an emotionalen Identitäten, emotionalen (Gender-) Rollen und emotionalen Großerzählungen des ungelösten Konfliktes, die Alltags- und Erinnerungskultur, intergenerationelle Bindungen, Loyalitäten und Zugehörigkeiten unterstreichen. Emotionen können zweitens dazu dienen, konkreten Situation, dem eigenen Leben oder der sozialen Gemeinschaft einen Erklärung-, einen Sinnzusammenhang und einen Aktionsradius zu eröffnen, der Zugehörigkeit und Sicherheit bietet. Wie im Kapitel zur Erinnerungstheorie zu zeigen sein wird, ist beispielsweise die Wirkung von Nationalnarrativen wesentlich durch ihre ästhetische Form bestimmt. Lowenthals (1985: 254) vielzitierter Sinnspruch lautet: „The pearls of history take their value not merely from being many and lustrous, but from being arranged in a causal narrative sequence; the narrative lends the necklace meaning as well as beauty“. Dieses ästhetische Arrangement, so kann man folgern, erhält seine Bedeutung und seine Schönheit also durch die ihm zugrundeliegende emotionale Strahlkraft. In sozialen, politischen und rechtlichen Kontexten dienen Emotionen drittens oftmals auch als Legitimitätsinstrument. So wie Emotionen, die Taten zugrunde liegen, vor Gericht beispielsweise mildernde Umstände erwirken können, können sie in (ethno-nationalistischen) Konfliktkontexten Gewalt oder Repression legitimieren – und motivieren: Appelle an die Liebe zum Vaterland oder kämpferischen Mut können als Causa für Tatendrang und als mächtige Handlungsmaximen fungieren und damit als Grundlage von Entscheidungen dienen, die sich rationaler Handlungslogik entziehen. Umgekehrt resultieren aus der Lebenswirklichkeit unteilbarer Konflikte häufig Lethargie, Frustration und Apathie, die wiederum Ursache oder Rechtfertigung für Gleichgültigkeit und Passivität sein können. Emotionen können also als Kreislauf
5.3 Implizit und allgegenwärtig. Emotionen in interdisziplinärer Perspektive
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von Ursache und Wirkung zur Perpetuierung sowohl von Gewalt wie von Unteilbarkeit beitragen. Gerade mit den verwobenen, schwer greifbaren emotionalen Nuancen von Gesellschaften unteilbarer Konflikte verbindet sich, so kann man diesen Abschnitt schließen, ein nicht minder relevanter Aspekt, der das traditionell dichotome Verständnis zwischen Emotion und Kognition infrage stellt.Ebenso problematisch erscheint die eindeutige Zuordnung von konstruktiven und destruktiven Emotionen. So kann Wut expressiv-kathartisch oder destruktiv wirken, Eifersucht motivieren oder paralysieren, Hass befreien oder „zerfressen“, zum Identitätsmarker werden und zugleich vor der Konfrontation mit unliebsamen Wahrheiten schützen. Freud brachte die doppelte emotionale Natur des Menschen in der Dichotomie aus Eros- und Thanatostrieb zum Ausdruck. Ihre Implikationen für soziales Zusammenleben und Traumabewältigung in PostKonfliktkontexten wurden indes bisher kaum erforscht. Wie im empirischen Teil zu erörtern sein wird, ist es genau dieser, für einen externen Forscher anfangs unverständliche und somit undurchdringliche Schleier verwobener Emotionen aus mitunter nostalgischer Vergangenheitsverklärung, leidenschaftlichem Patriotismus und zynischer Gleichgültigkeit, die die Alltagswirklichkeit, die Identitäten und Rollen jener Gesellschaften charakterisieren (insb. Kapitel 12 und 15). In diesem Sinne attestiert Ross dem Konstruktivismus eine konzeptionelle Nähe zu Emotionen und plädiert für ihre entschiedene Integration: „They have already arrived at important theoretical frameworks for understanding identities and norms, and it seems only a small step from here to the idea that emotions mediate our receptivity to these phenomena“ (Ross 2006: 198). So sei im Folgenden der Versuch einer Konzeptualisierung von Emotionen unternommen, um erstens sowohl die Gründe zu beleuchten, die auf ihre traditionelle Vernachlässigung in der Konfliktforschung verweisen und zweitens ihren ursachlichen Einfluss auf die zentralen Komponenten von Unteilbarkeit aufzuzeigen.
5.3 Implizit und allgegenwärtig. Emotionen in interdisziplinärer Perspektive 5.3 Implizit und allgegenwärtig. Emotionen in interdisziplinärer Perspektive Einfluss und Form von Emotionen erscheinen jenseits neurologischer oder psychoanalytischer Individualanalysen (und selbst dort) schwer bestimmbar. Schon ihre Definition verweist auf die Herausforderung einer präzisen Verortung zwischen körperlichem Impuls und (geistiger) Reflexion. Im sozialen Kontext wird solch eine Verortung noch schwieriger. Denn man kann weder in die sprichwörtlichen Herzen noch in die Köpfe ganzer Gesellschaften hineinschauen. Soziale Emotionsforscher stehen damit gleichsam vor einer doppelten Herausforderung. Denn die soziale Wirkung von Emotionen manifestiert sich zwar – teils drastisch – in Diskursen und kulturellen Artefakten, in Gesten, Haltungen und Handlungen, die Emotionen selbst aber scheinen wesentlich schwieriger zu greifen. Ist eine genaue Verortung überhaupt möglich oder erscheint ihr sozialer Einfluss vielmehr erst über die Verbindung aus Erkenntnissen der Humanund Geisteswissenschaften und ihrer engen Verquickung mit anderen sozialpsychologischen Konzepten? Eine interdisziplinäre Annäherung deutet auf Letzteres. So sollten Emotionen viel-
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mehr als facettenreicher, ineinander verwobener, schwer greif-, definierbarer und höchst subjektiver Fundus verstanden werden, aus dem der Einzelne oder auch ganze Kollektive schöpfen und der vielfältigen Zwecken dient: „Biological, cognitive, and social constructivist approaches to emotion account for findings at different levels (cellular, behavioral, social, etc.) Specifically, as the research on pathological fear suggests, no one theoretical approach will likely be able to account for the complex relationship between experience, perception, cognition, culture, and biology” (Crawford 2000: 129).
In dieser Passage kommt bereits die grundlegende Problematik zum Ausdruck, Emotionen konzeptionell zu definieren und damit zugleich die grundsätzliche Herausforderung des qualitativen, sozioemotionalen und kognitiven Ansatzes der Forschungsarbeit. Soziale Emotionsforschung ist somit notwendigerweise interdisziplinär. Gerade soziologische und politikwissenschaftliche Ansätze greifen dabei explizit auf neurobiologische, sozialpsychologische und anthropologische Befunde zurück. Über die einzelnen Disziplinen hinaus ist, wie zu zeigen sein wird, das Verständnis von Emotionen dabei von den Dichotomien „sozial“ versus „individuell“ und bewusst (geistig, rational, kontrolliert) versus unbewusst (affektiv, irrational, unkontrolliert) durchzogen. Sie markieren sowohl die (sozial-) psychologischen, wie auch die politikwissenschaftlich-konstruktivistischen Definitionen von Emotionen. „If we fancy some strong emotion, and then try to abstract from our consciousness of it all the feelings of its bodily symptoms, we find we have nothing left behind them, no mindstuff out of which the emotion can be constituted, and that a cold neutral state of intellectual perception is all that remains” (James nach Dolan 2002: 1191). In diesem vielzitierten Auszug aus Jamesʼ Aufsatz von 1884 klingen bereits im Rückgriff auf die traditionelle Dualität von Körper und Geist der affektive Charakter von Emotionen an und die Schwierigkeit, sie rational zu erklären.18 Zugleich finden sich unterschiedliche Konzepte, die auf emotionale Zustände verweisen: Affekt impliziert einen kurzen, heftigen Impuls („Im Affekt handeln“), Stimmung hingegen eine eher latente Grunddisposition. Das neutrale Gefühl vermag beides einzuschließen. Im Oxford English Dictionary finden sich denn auch zwei Definitionen, die Emotionen erstens als „strong feeling deriving from one’s circumstances, mood, or relationships with others” und zweitens als „[i]nstinctive or intuitive feeling as distinguished from reasoning or
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Definiert sich Angst, so kann man fragen, eher als körperlicher Affekt (Impuls, Gefühl, Schmerz, Druck etc.) oder eher als Reflexion, die aus der Einschätzung einer spezifischen Situation resultiert? Und was davon ist handlungsleitend(er)? Im deutschen Sprachgebrauch deuten teilsynonyme Differenzierungen von emotional-kognitiven Zuständen, wie Panik versus Angst versus Befürchtung auf unterschiedliche Anteile körperlicher bzw. geistiger Manifestation, die sowohl als „affektive Idee“ wie auch als „emotionales Werturteil“ verstanden werden können. Doch kann man Kognition und Empfindung überhaupt klar trennen? Wie unterscheiden sich die körperlichen Empfindungen von Enttäuschung und Sehnsucht? Wie fühlt sich Trauer an, wie Traurigkeit, aus welchen Gefühls- und Gedankenfacetten bestehen Melancholie, Frustration und Verzweiflung? Die exakte Beschreibung der jeweiligen Gefühlsregung erscheint schwer, ihre rationale Unterscheidung bzw. Aussagen über die Komplexität ihrer Zusammensetzung fallen leichter: Enttäuschung und Sehnsucht unterscheiden sich in der Präsenz bzw. Abwesenheit von Hoffnung auf Bedürfnis- bzw. Erwartungserfüllung, Trauer erscheint als eine Unterkategorie von Traurigkeit, zu der die Einsicht der Endgültigkeit eines Verlustes gehört. Melancholie könnte man als traurige Sehnsucht umschreiben, während Frustration Enttäuschung und Ärger vereint. Verzweiflung impliziert das Wissen um bzw. den Glauben an die Ausweglosigkeit einer Situation. Emotionen erscheinen also als miteinander verwoben, als teilsynonym und unterscheiden sich auch durch den geistig-reflexiven Kontext, der ihre Nuancen bestimmt und sie mehr oder weniger erträglich oder angenehm macht.
5.3 Implizit und allgegenwärtig. Emotionen in interdisziplinärer Perspektive
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knowledge”.19 Sie erscheinen damit als (individuelle) Reaktionen auf äußere Einflüsse und zugleich als betont körperliche Empfindungen in Abgrenzung von geistigen Prozessen. Beide Definintionen betonen die Körperlichkeit und stehen damit der psychoanalytischen Definition von Affekten als „´uranfänglichen Bausteine[n]` des psychischen Lebens“ nahe, die neben den Trieben als primäre Handlungskräfte gelten. Indes wird zwischen angeborenen Primäraffekten, wie Wut, Freude oder Ekel und Sekundäraffekten, wie Schuldgefühlen, Scham oder Demütigung unterteilt, die erst in späteren kognitiven Entwicklungsstadien zu erkennen seien.20 Bestimmte Emotionen, so lässt sich daraus schließen, setzen also ein Verständnis für bzw. die Fähigkeit zur Bewertung einer Situation voraus und haben damit auch eine soziale bzw. zwischenmenschliche Dimension. Ullrich (2000) unterteilt Emotionen in diesem Sinne in neurophysiologische, kognitive und intersubjektiv-expressive bzw. semantische Anteile. Darüber, welche Anteile überwiegen, scheinen sich auch Politikwissenschaftler nicht einig. So betont Crawford den sozialen und konstruierten Charakter von Emotionen, wenn sie postuliert, Emotionen seien „inner states that individuals describe to others as feelings […], the meaning attached to those feelings, the behavior associated with them” und schließt: „[…] the recognition of emotions in others are cognitively and culturally construed and constructed” (Crawford 2000: 125). Emotionen sind demnach nicht primär affektiv, sondern geistig-kommunikativ und erlangen erst über ein kollektives Verständnis ihre eigentliche Bedeutung. Sie sind damit relational, kontext- und kognitionsgebunden und kultur- und zeitspezifisch. Ross (2006: 199) hingegen unterscheidet zwischen Affekten und Gefühlen, von denen er letztere als rein kognitives Konzept definiert: „Whereas feelings are subjective ideas, affects cut across individual subjects and forge collective associations from socially induced habits and memories”. Während hier Gefühle nur individuellen Gedanken entsprechen, erscheinen Affekte gemeinschaftlich auslösbar. Ihre Rolle für kollektives Handeln rückt damit in den Vordergrund. Beide Foci unterstreichen, wie im Verlauf des Kapitels zu erörtern sein wird, ihre Breitenwirkung durch soziale Mechanismen. Emotionen können sich also, so kann man vorerst zusammenfassen, als körperlicher Affekt und Reaktion auf äußere Einflüsse manifestieren, setzen teilweise kognitive Fähigkeiten voraus und besitzen eine soziale bzw. kommunikative Funktion. Sie bewegen sich damit im Spektrum zwischen universellen, ephemeren Impulsen und sozial motivierten Gefühlszuständen, die ausgedrückt, aber auch verdrängt und verleugnet werden können. Wie also kann ihr Einfluss bestimmt werden? „Emotions cannot be quantified, nor can they easily be measured, even in qualitative terms. […] They cannot be assessed in the same manner as more tangible phenomena, such as patterns of conflict, trade volumes and peace agreements”, so Hutchison und Bleiker. Sie plädieren in diesem Sinne für einen interdisziplinären Ansatz und einen offenen Forschungsprozess: „[I]f examinations of fear can provide us with explanations of political behaviour that would otherwise not have been possible through other, more factual accounts, then they have made a contribution to knowledge, even though the so generated insight may remain contested and, ultimately, unprovable“ (Hutchison und Bleiker 2007: 17).
Hier zeigt sich dieselbe Problematik, die in der qualitativen Sozialforschung für die Greifbarkeit von Weltbildern und Identitäten oder für den Nachweis konkreter Absichten gilt, gerade wenn 19 20
[abgerufen am 22.02.2017]. [abgerufen am 22.02.2017].
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diese aus strategischen oder normativen Gründen verschleiert werden. Nichtsdestotrotz sind Emotionen als körperlicher Ausdruck in Gestus, Mimik, Stimme, auf sprachlicher Ebene in rhetorischen Stilmitteln (mediale Kampagnen) und nicht zuletzt in künstlerischen Artefakten (z.B. Heldendenkmäler) sichtbar, die Emotionen abbilden oder auslösen sollen und sind damit jenseits individueller Gefühlsregungen insbesondere in Konfliktgesellschaften auf sozialer Ebene als Teil der (politischen) Kultur greifbar: „Emotions play a central role at all times: they lie at the heart of how communities, including states, are organized and function. But traumatic events challenge and often uproot related attachments, exposing their emotional nature in a particularly acute and visible manner“ (Hutchison, Bleiker 2007: 18). Die Analyse von Emotionen ergänzt damit die sozialpsychologischen Ansätze der Forschungsarbeit – insbesondere, weil Emotionen in Krisensituationen zum Ausdruck kommen und dann, ähnlich, wie Diskurse, auf (versteckte) Machtverhältnisse deuten können. Abb. 3 fasst die traditionellen ontologischen und epistemologischen Prämissen des Verhältnisses zwischen Emotion und Ratio schematisch zusammen. Wie Emotionen auf Gruppendynamik, Wahrnehmung, Erinnerung, Normen und Identitäten wirken, soll im Folgenden erläutert werden.
Abbildung 3 – Emotion und Vernunft (eigene Darstellung)
5.4 Bedürfnisse und Affekte – Impulse aus der Kognitionspsychologie 5.4 Bedürfnisse und Affekte - Impulse aus der Kognitionspsychologie „Ideas without emotions produce observers, not actors” bemerkt Mercer und verweist auf die emotionale Basis von handlungsleitenden Ideologien und ihren stark polarisierenden Emotio-
5.4 Bedürfnisse und Affekte - Impulse aus der Kognitionspsychologie
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nen (Mercer 2006: 298), während andere den kollektiven Enthusiasmus als Grundlage für nationalistische Mobilisierung und kriegerische Auseinandersetzung unterstreichen.21 Parkinson, prominenter Emotionstheoretiker, veranschaulicht diesen Aspekt in einem alltäglichen Beispiel aus der Sportpsychologie: „[…] sports coaches try to work up a sense of team spirit and determination in their charges by conveying the appropriate solidarity-related emotion, and expressing enmity towards opponents” (Parkinson 1996: 271). En miniature zeigt die emotionale Polarisierung eines Sportwettkampfes, dass dem Mechanismus „Ingroup-Solidarität versus Outgroup-Konfrontation“ die entsprechenden Emotionen zugrunde liegen. Doch nicht nur Gruppendynamiken, jegliche individuelle Handlung – so Hymans – sei durch Affekte wie Appetitbefriedigung oder dem Streben nach Sicherheit motiviert. „Rational cognition is itself impossible without the participation of affect“ (2010: 462). Er argumentiert damit, Impulse seien (rationalen) Entscheidungen vorgelagert und erfüllten damit eine bestimmte Funktion. Diese Prämisse hat ihren Ursprung in der Evolutionspsychologie: „[I]n evolutionary psychologistsʼ view of the mind, form follows function. Thus, it is presumed that the brainʼs systems are designed not for cool rationality, but for hot cognition, to respond to crucial events related to survival and reproduction” (Long und Brecke 2003: 28). Emotion und Kognition sind damit Teilkomponenten eines funktionalen Systems, das dem Überleben dient. Diese Beispiele untermauern die erwähnte Funktion der kollektiven emotionalen Orientierung zur Stärkung des inneren Zusammenhaltes und der Gefahrenabwehr. Mit Emotionen – so kann man folgern – lässt sich aber offenkundig auch Politik und Absatz machen. In seinem jüngsten Bestseller zum Umgang mit Angst und Depression als Malaise der modernen Lebenswelt fasst Haig diese Strategie mit einem Augenzwinkern zusammen: „The World is increasingly designed to depress us. Happiness isn’t very good for the economy. If we were happy with what we had, why would we need more? How do you sell an anti-ageing moisturiser? You make someone worry about ageing. How do you get people to vote for a political party? You make them worry about immigration. How do you get them to buy insurance? By making them worry about everything. How do you get them to have plastic surgery? By highlighting their physical flaws. How do you get them to watch a TV show? By making them worry about missing out. How do you get them to buy a new smartphone? By making them feel like they are being left behind. To be calm becomes a kind of revolutionary act. To be happy with your own non-upgraded existence. To be comfortable with our messy, human selves, would not be good for business” (Haig 2015: 189).
Affekte haben also, so kann man festhalten, eine starke handlungsleitende Kraft, dienen der Identifikation mit der Gruppe und sichern durch die Stärkung des Zusammenhaltes die Befriedigung grundlegender Bedürfnisse. Gleichzeitig können sie, wie am Beispiel von emotionsdurchdrungenen Ideologien, Wettkämpfen oder Angst als Trigger von Absatzsteigerung spezifiziert, auch bewusst durch externe Akteure gesteuert bzw. durch (temporäre) Konkurrenzsituationen geschürt werden. Gerade die Instrumentalisierung von Leid kann in ethnonationalistischen Konflikten Opfernarrative und Entschädigungsansprüche legitimieren (vgl. insb. Kapitel 12.3). Emotionen können darüber hinaus, wie im folgenden Abschnitt verdeutlicht werden soll, auch eine starke Eigendynamik entwickeln und damit die Wahrnehmungsmuster von Akteuren jenseits vorübergehender Impulse nachhaltig beeinflussen.
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Vgl. Ross 2006: 199 und Kuzmics und Haring 2013 zu Emotionen im Vorlauf des Ersten Weltkrieges.
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5 Mit kühlem Kopf? Emotionen in unteilbaren Konflikten
5.5 Angst, Wut, Schuld und Demütigung: klassische Konfliktemotionen und ihr kognitiver Einfluss 5.5 Angst, Wut, Schuld und Demütigung Gewalt, Repression und Deprivation können Angst, Wut, Hass und Demütigung motivieren. Diese Emotionen können, wie im Folgenden verdeutlich werden soll, Individuen wie auch ganze Gesellschaften damit „in Schach halten“ und besitzen eine äußerst destruktive Eigendynamik. Die Existenz von Angstkreisläufen und ihre nachhaltige Wirkung auf die Gehirnstruktur ist durch die neurobiologische Traumaforschung belegt. Wiederholte Angstzustände führen zu einer hormonell-neuronal motivierten Sensibilisierung für Angst, die in der Folge immer häufiger auftritt und zu einem sog. „attentional bias“ führt (Oatley et al. 2011: 1346; Calvo und Avero 2005: 433-451). Eine derartige Angstspirale lässt sich auch auf Intergruppenkonflikte übertragen. So scheint Angst die ohnehin bestehende Tendenz zur kognitiven Outgroup-Homogenisierung zu verstärken. Das wiederum motiviert die Radikalisierung politischer Rhetorik, die Empfänglichkeit für Bedrohungsszenarien und einen engen Wahrnehmungsradius. Damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit kollektiver Stressreaktionen, die der Grundangst neue Berechtigung liefern (Worchel 2008: 428). Zugleich motiviert Angst die Forcierung von Ingroupcompliance, denn Bedrohungswahrnehmung senkt die Toleranzschwelle für interne Meinungsunterschiede (Bar-Tal et al. 2009: 21). Anschaulich skizzieren Lake und Rothchild das destruktive Potential solcher angstmotivierter, kognitiv-affektiver Spiralen: „As groups begin to fear for their safety, dangerous and difficult-to-resolve strategic dilemmas arise that contain with them the potential for tremendous violence. As information failures, problems of credible commitment, and security dilemma take hold, groups become apprehensive, the state weakens, and conflict becomes more likely. Ethnic activists and political entrepreneurs, operating within groups, build upon their fears of insecurity and polarize society. Political memories and emotions also magnify these anxieties, driving groups further apart. Together, these between-group and within-group strategic interactions produce a toxic brew of distrust and suspicion that can explode into murderous violence” (Lake und Rothchild 1996: 41).
Einen ähnlichen kognitiven Effekt hat Wut: „[…] anger“, so Long und Brecke, „can be understood as a strong emotion or experiential response to a real or imagined shame, frustration, threat, or injustice; aggression is an impulse to hurt as a possible response of anger; and revenge is a more deliberate form of aggression“ (Long und Brecke 2003: 28). Wut ist also mit einer Vielzahl von anderen Emotionen verknüpft, die eine Folge von Gewalterfahrung und (empfundener) Ungerechtigkeit sein können und motiviert zugleich impulsive (Aggression) oder strategische (Rache) Handlungen. Wut, bemerken Mackie et al., senke die Risikobereitschaft und Sasley attestiert eine Korrelation von Wut und Outgroup-Stereotypisierung (Mackie et al. 2008: 1834; Sasley 2011: 463). Damit kann Wut als Handlungsimpuls – ähnlich wie Angst – durch ihren kognitiven Einfluss sogar noch verstärkt werden. Wut und Angst motivieren aber auch unterschiedliche Wahrnehmungsmuster: Small et al. (2006:289) belegen in einer repräsentativen Studie über Reaktionen US-amerikanischer Bürger auf den „11. September“ beispielsweise, dass bei Befragten, in denen die Terroranschläge primär Wut hervorriefen, stärker die Ermittlung der Ursachen bzw. der Schuldigen und deren Bestrafung im Vordergrund stand, als bei Personen, die vornehmlich Trauer und Angst empfanden. Im Hinblick auf die Rolle von Wut in interkommunalen Konflikten zeichnen Rydell et al. anschaulich die kognitiv-affektive
5.5 Angst, Wut, Schuld und Demütigung
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Kettenreaktion und die damit verbundene Eskalationsgefahr nach, die durch die Wechselwirkung von selektiver Wahrnehmung und Aggressionsbereitschaft entstehen kann: „[I]f intergroup anger triggers heuristic processing, it might undermine systematic processing in information, that might appease anger or allay aggression, such as apologies, attributions, excuses, and justification. And, diminished ability to process information systematically means that people in intergroup conflict may be unable to thoughtfully take the other side´s perspective, reconsider the situation, or think about alternatives to aggression. […] Because arousal, heuristic processing, and risk taking are some of the very processes that lead intergroup conflicts to escalate and be impervious to apology, diplomacy, and mediation even when individuals are not directly involved, understanding intergroup anger can help us appreciate why some intergroup transgressions lead to escalation of intergroup violence and other transgressions do not” (Rydell et al. 2008: 1151).
Wut und Angst potenzieren sich also und haben einen erheblichen destruktiven Einfluss auf Informationsbearbeitung, Abwägung von Alternativen und Intergruppenverständigung. Bedenkt man, dass Gewalt und Diskriminierung zu den Entstehungsvoraussetzungen von Unteilbarkeit gehören, liegt nahe, dass unter der oftmals sichtbareren Ebene von Angst und Wut, die Diskursen, Gesten und Haltungen Expressivität verleihen, eine möglicherweise noch explosivere, verwobene Mischung aus Schuld und Demütigung liegt. Sozialpsychologische Experimente belegen, dass sie einen ähnlichen kognitiven Effekt haben wie die vorangehenden. Zu den erstaunlichsten Befunden mag zählen, dass beispielsweise Schuldgefühle gegenüber einer gedemütigten Outgroup sogar ihre Dehumanisierung motivieren (Miron und Branscombe 2008: 78-79). Etwaige Schuldkonfrontation wird damit vermieden bzw. projiziert, indem ein normativer Doppelstandard geschaffen wird. Ein anderes Mittel mit Schuld umzugehen, ist ihre Verdrängung. In ihrer später noch näher zu erörternden Emotionenanalyse von Postkonfliktgesellschaften attestieren Nadler und Shnabel (2008: 46-53) Tätern stetige Schuldverdrängung aus Angst vor sozialer Sanktionierung und Opfern ein Verharren in unverwirklichten Racheimpulsen. Dieser für die Vergangenheitsbewältigung gänzlich ungünstige Zustand bliebe solange bestehen, wie öffentliche Reuebekundungen (durch den Täter) und etwaige Vergebung (durch das Opfer) ausblieben. Schuld- und Schamverstrickung aber haben fatale Konsequenzen: „Unacknowledged shame appears to be recursive; it feeds upon itself. To the extent that this is the case, it could be crucial in the causation of interminable conflict. If shame goes unacknowledged, it can loop back upon itself (being ashamed that one is ashamed) or co-occur with other emotions, such as grief (unresolved grief), fear (fear panics), or anger (humiliated fury). Unacknowledged shame seems to foil the biological and cultural mechanisms that allow for the expression and harmless discharge of these elemental emotions. In the absence of shame, or if it is acknowledged, grief may be discharged by weeping, under culturally appropriate conditions of mourning. But if shame is evoked by grief and goes unacknowledged, unending loops of emotions (shame-grief sequences) may occur. The individual will be unable to mourn“ (Sheff 1999: 334).
Eindrücklich beschreibt Sheff hier en miniature die sich selbst verewigende emotionale Hypothek von Schuld und Scham und ihre Relevanz für tabuisierte Gewaltkontexte. Unverarbeitete Emotionen spiegeln damit den destruktiven Schwebezustand wider, der das Konzept der Unteilbarkeit im Kern definiert. Emotionen zu erkennen, ihren normativen Charakter bzw. ihre soziale Relevanz abzuschätzen, ist also insbesondere in Konflikt- und Versöhnungskontexten von zentraler Bedeutung. „[I]t is no wonder”, betont Crawford (2000: 116) in diesem Sinne, „that postconflict peacebuilding efforts too frequently fail and wars reerupt because settlements and peacebuilding policies play with emotional fire that practitioners scarcely
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5 Mit kühlem Kopf? Emotionen in unteilbaren Konflikten
understand but nevertheless seek to manipulate”. Sind Konflikte, so lässt sich bis hier resümieren, durch eine derartige „kognitiv-emotionale Sackgasse“ gekennzeichnet, sind sie auf einer sachlich-pragmatischen Ebene mit hoher Wahrscheinlichkeit verhandlungsresistent.
5.6 Emotion und Gedächtnis 5.6 Emotion und Gedächtnis Es erscheint nicht erstaunlich, dass Erinnerungen, die einen bleibenden emotionalen Eindruck hinterlassen, besonders präsente Erinnerungen sind. Einschneidende – ob tragische oder besonders angenehme – Ereignisse erscheinen als besonders schnell abrufbar oder (insbesondere im Falle des Traumas) als latent dauerpräsent (Bar-Tal et al. 2007: 447). Ebenso offenkundig erscheint, dass es zumeist eben jene Ereignisse sind, die besonders häufig kommuniziert werden und – so sie eine intersubjektive Relevanz besitzen – zu gemeinschaftlichen Erinnerungen werden können. Das noch zu erörternde soziale Gedächtnis manifestiert sich denn auch, so Assmann, durch seinen emotionalen Gehalt (Assmann 2008). Die Verankerung von Emotion und Erinnerung erscheint jedoch – so belegen neuronale wie soziale Befunde – viel stärker und im Konfliktkontext problematischer als das Alltagsverständnis nahelegt: „Aus den Erkenntnissen der neurowissenschaftlichen Forschung ist bekannt, dass Episoden mit den zu ihnen gehörigen emotionalen Markern gespeichert werden. […] Dabei spielen Emotionen und Affekte gleichermaßen die Rolle eines Auswahlkriteriums und eines Verstärkers: Erinnerungen, die stärker emotional aufgeladen sind, erhalten eine höhere Prägnanz und Wertigkeit als solche, die weniger stark emotional aufgeladen sind. Dabei ist es unerheblich, ob die emotionale Ladung eher positiv (beispielsweise als Gefühle von Liebe, Anerkennung, Anteilnahme oder dem Wunsch dazuzugehören) oder eher negativ (beispielsweise als Gefühle von Feindseligkeit, Misstrauen, Schmerz oder dem Gefühl, sich abzugrenzen zu wollen) konnotiert ist. Die emotionalen Marker verleihen den Erinnerungen innerhalb des sozialen Rahmens eine bestimme Relevanz und eröffnen wiederum einen weiteren Horizont, vor dem sich das Individuum versteht und vor dem es in der Interaktion mit der Gruppe letztlich seine Identität entwirft“ (Hübenthal 2014: 87).
In dieser kurzen Passage bringt Hübenthal die Verschränkung zwischen individueller Erinnerung, Identität und sozialer Interaktion auf den Punkt. Denn es sind, wie in Kapitel 7 veranschaulicht werden wird, die erinnerten und erzählten, weil als relevant, gehaltvoll und sinnhaft erachteten Geschichten (hi-/stories), die in der Alltagskommunikation im Vordergrund stehen. Was erinnert und (wie) kommuniziert wird, wird dabei maßgeblich durch Emotionen und Grundstimmungen beeinflusst. Welzer spricht hier von „affektiver Kongruenz“ und meint die assoziative Präsenz und Verknüpfung von Ereignissen in Abhängigkeit von eben jener Grundstimmung. Sie führe beispielsweise dazu, dass depressive Menschen dazu neigten, ausschließlich negative Erinnerungen zu hegen (Welzer 2011: 36). Untermauert wird dieser Befund durch die sog. Enkodierspezifität. Sie bezeichnet im Kontext des episodischen Gedächtnisses (es wird im übernächsten Kapitel erörtert) die Notwendigkeit semantischer oder emotionaler Bezugsrahmen für die Abspeicherung und Abrufbarkeit von Erinnerungen: „Die Reaktivierung der Enkodierprozesse sollte wesentlich davon anhängen, ob derselbe Kontext beim Enkodieren und Abrufen wirksam ist. Was enkodiert wurde, legt fest, welche Abrufhilfen wirksam sind“ (Hoffmann und Engelkamp 2013: 144). So können Orte, Personen, Ereignisse oder Schlagworte, aber eben auch Stimmungen bestimmte enkodierte Erinnerungen aktivieren. Die Befunde neuropsychologischer Experimente, wie der klassischen Konditionierung (man denke an die berühmten Versuche Pawlows), werden dabei
5.7 Emotion – Kognition – Identität
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von klinischen Studien mit Amnesie-Patienten untermauert, deren emotive Erinnerung im Versuch erfolgreich abgerufen werden konnte, obgleich das ereignis- bzw. kontextbezogene Gedächtnis kaum noch vorhanden war (Dolan 2002: 1193). Zwischen Emotion und Erinnerung besteht also eine reziproke, assoziative Verbindung. Ereignisse rufen bestimmte Emotionen hervor und Emotionen bestimmte Ereignisse. Dieser Befund allein unterstreicht schon die fatale Eigendynamik traumatischer Konfliktverläufe und ist damit für das Verständnis von Unteilbarkeit essenziell. Noch bedeutsamer erscheint indes, dass Emotionen auch semantische Parallelen motivieren. Crawford spricht hier von „analogical reasoning“. Gemeint ist die assoziative und argumentative Verknüpfung zweier Ereignisse (allein) durch ihren emotionalen Gehalt. Häufig würden dabei vorschnelle Vergleiche gezogen (2000: 140-141). So nennt Ross Angst als gemeinsamen Nenner und Trigger einer impulsiven Verknüpfung von 9/11 und Pearl Harbor durch die amerikanische Öffentlichkeit (Ross 2006: 212-214). Als passendes Beispiel erscheint auch die deutsche PEGIDA-Bewegung, die ihren Demonstrationen gegen die vermeintliche Gefahr einer „Islamisierung des Abendlandes“ mit dem Slogan „Wir sind das Volk“ Nachdruck verleiht. Die Analogie zwischen Protest gegen Überfremdung und gegen politische Repression motivierte ironische Presseberichte. 22 Obgleich die Nutzung eines bereits positiv konnotierten Wahlspruchs auch als Legitimitätsstrategie erscheint, ist doch evident, dass die Empfindung von Machtlosigkeit, Wut auf die politische Führung und Entrüstung über deren Entscheidungen als zentrale emotionale Momente fungieren, die eine Analogie zwischen beiden Bewegungen zu rechtfertigen scheint – schlicht, weil ähnliche Gefühle im Spiel sind. Beide Aspekte, die assoziative Analogie und ihre Instrumentalisierung spielen – das wird im empirischen Teil beispielhaft zu erklären sein – eine zentrale Rolle für die Effektivität ethnisch-exklusiver politischer Rhetorik in unteilbaren Konflikten. Schließlich belegen psychologische Befunde, dass die Grundbedürfnisse, also Schmerzvermeidung bzw. das Streben nach einem positiven Selbstbild, einen massiven Einfluss auf Erinnerung und Bewertung vergangener Ereignisse haben. Dazu gehört die Verdrängung bzw. Verzerrung von Erinnerungen, die die eigene Integrität oder Glaubwürdigkeit infrage stellen könnten. Akteure hegten dabei einen „emotional bias against counterfactual thinking” (Crawford 2000: 142-143). Alle genannten Aspekte, die neuropsychologische Verknüpfung von Emotion und Erinnerung und das assoziativ-affektive Arrangement vergangener Ereignisse lassen sich leicht auf den sozialen Kontext übertragen. Das wird im nächsten Abschnitt veranschaulicht.
5.7 Emotion – Kognition – Identität 5.7 Emotion – Kognition – Identität 5.7.1 Warum Emotionen sozial (konstruiert) sind In den vorangehenden Abschnitten wurde der Einfluss von Emotionen auf Kognition und Handlung erläutert. Damit sollte die handlungsleitende Bedeutung vermeintlich rationaler Interessen 22
Vgl. z.B. einen Bericht des ZDF-“Morgenmagazins” vom 29.10.2015, in dem Teilnehmer einer AFD-Versammlung am Erfurter Dom zu ihren politischen Ansichten befragt wurden. „Ich bin voller Hass!“, wird eine Demonstrantin zitiert, nachdem sie eben jene Analogie zum Ausdruck brachte.
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5 Mit kühlem Kopf? Emotionen in unteilbaren Konflikten
relativiert und die Rolle der ihnen vorgelagerten Bedürfnisse und Affekte demonstriert werden. Im folgenden Abschnitt soll in Erweiterung des traditionellen, kognitionspsychologischen Verständnisses von Emotionen ihr sozialer und konstruierter Charakter erläutert werden. Das vorherrschende kognitionspsychologische Verständnis von Emotionen beruhte bis in die 1990er Jahre hinein auf dem bereits kurz erwähnten Konzept des „Appraisal“. Dahinter steckt die „Idee der Einschätzung als primärem Emotionsauslöser“, also, „die Evaluation […] eines Ereignisses unter Berücksichtigung der eigenen Ziele, Wünsche und Absichten als erwünscht oder unerwünscht, angenehm oder unangenehm, bekannt oder unbekannt“ (Von Scheve 2009: 114). Emotionen sind nach dieser Definition das Resultat eines Bewertungsvorganges und damit lediglich reaktives Nebenprodukt individueller Wahrnehmung. Diese Annahme verbindet sich mit der grundsätzlichen, anfänglich erörterten Prämisse der rational handelnden Akteure, in der Emotionen auf Evaluationen folgen und so interessengeleitetes Handeln „stören“ können (ähnlich wie es das Konzept der Bounded Rationality postuliert). Hier liefert die (Neuro-) Psychologie die zentrale Erkenntnis, dass Emotionen, die durch Gestik, Mimik oder Stimme zum Ausdruck kommen, impulsiv nachgeahmt oder infolge der Interpretation einer spezifischen Emotion übernommen werden (Emotional Contagion). Emotionen sind also „ansteckend“ (Hathfield et al. 1994: 19-30). Verantwortlich dafür sind die sog. Spiegelneuronen (Nervenzellen), die die impulsive Übernahme emotionaler Zustände unseres Gegenübers steuern. Das wird besonders für marketingstrategische Zwecke genutzt (Niermann et al. 2012: 45-53). Überträgt man diesen Befund auf die soziale Ebene, kann man im Sinne der Social Learning Theory – die belegt, dass sich Einstellungen und Handlungen von Akteuren durch gegenseitige Observation, Interpretation und Nachahmung konstituieren – darauf schließen, dass sich auch Emotionen entsprechend verbreiten (Crawford 2000: 133). Doch auch jenseits der neuronalen Ebene fällt es nicht schwer, den zutiefst sozialen Charakter von Emotionen zu veranschaulichen. Erstens, so kann man einleitend sagen, entstehen individuelle Emotionen oftmals durch soziale Interaktion. So kritisiert Manstead das klassische Appraisal-Verständnis mit den Worten: „[M]y complaint is that it fails to pay sufficient attention to the social context“ und skizziert ein schlichtes Beispiel: Jemand höre des Nachts ein Geräusch aus seiner Küche. In Abhängigkeit von seiner spezifischen Interpretation dieses Geräusches würde er, so die traditionelle Annahme, eine entsprechende Emotion entwickeln. Individuen, so Manstead, lebten aber nicht in einem „sozialen Vakuum“: „[I]f you have company you will probably ask your companion whether he or she also heard the noise and what he or she made of it. And both your appraisal of the event and your reaction to it are likely to be shaped by the companion´s responses” (Manstead 2005: 484). Was hier stark vereinfacht erscheint – denn der Grund des Geräusches mag wohl relativ schnell und konkret zu bestimmen sein – ist offenkundig mit Blick auf unteilbare Konflikte umso relevanter, je größer der Radius der involvierten Akteure, und je komplexer und undurchsichtiger die Zusammenhänge sind. Zweitens zeigt sich der zutiefst soziale Charakter von Emotionen in der Tatsache, dass sie nahezu ausschließlich mit sozialen Objekten, mit Personen, Ereignissen oder Artefakten verbunden sind. Bei Empathie, Liebe oder Bewunderung, Verachtung, Misstrauen oder Demütigung erscheint offenkundig, dass dabei zumeist ursächlich Menschen mit Menschen in Verbindung stehen. Aber auch Emotionen wie Trauer, Schock und Panik, die temporäre Zustände des individuellen Rückzuges und der Isolation von der Umwelt definieren, sind auch sozial,
5.7 Emotion – Kognition – Identität
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insofern die Gemeinschaft einen spezifischen Umgang mit ihnen motiviert. Im empirischen Teil wird insbesondere im Kontext der Trauerbewältigung darauf zurückzukommen sein. Emotionen sind ferner – dies erscheint für das vorliegende Erkenntnisinteresse noch bedeutender – Indikatoren für die Qualität sozialer Beziehungen: „Fear of rejection, loneliness, embarrassment, guilt, shame, jealousy and sexual attraction are emotions that seem to have at their primary function the seeking out or cementing of social relationships”, sagt Manstead (2005: 485). Emotionen sind damit Ursache und Wirkung von sozialen Bindungen, Normen und Sanktionen und besitzen rezeptiven, appellativen und expressiven CharakAbbildung 4 – Emotionen als sozial-normative Marker (eigene Darstellung) ter. Das bringt Kemper in seiner viel zitierten Passage auf den Punkt, wenn er sagt, „[…] an extremely large class of human emotions results from real, anticipated, imagined, or recollected outcomes of social relationship” (Kemper nach Parkinson 1996: 664). Emotionen markieren damit in der alltäglichen Kommunikation die affektive Seite von Informationen oder Glaubensgrundsätzen und verleihen dem sozialen Beziehungsgefüge, in dem sich der Einzelne positioniert (oder positioniert wird), Gewicht und Wertigkeit (Abb. 4). Im Vorwort von Johnsons vielbeachteter Monografie zur emotionsbasierten Paartheraphie attestiert Gurman den traditionellen Kognitionswissenschaften in diesem Sinne eine durch Fehlschlüsse und therapeutische Ineffizienz motivierte fundamentale Kehrtwende durch die Einsicht der emotionalen Grundlage einer jeden intensiven Bindung. Er resümiert: „But behaviour therapy no longer merely did not fear affect; it actually embraced affect. Why? Because, as EFT [Emotionally Focussed Therapy, A.d.V.] theorists had been saying all along, it is emotion that organizes attachment bonds, and, after all, long-term, committed relationships are about attachment” (Gurman nach Johnson 2004: X-5). Emotionen sind also sozial, weil sie sich zumeist auf Soziales beziehen und relational, weil sie die Qualität zwischenmenschlicher Beziehungen definieren. Zugleich sind sie affektive Werturteile, die mit Botschaften verbunden sind. Damit ist auch klar, dass der Einfluss individueller Appraisals umso größer ist, je breiter ihre geteilte Öffentlichkeit. Das rückt die Rolle emotionaler top-down-Diffusion durch Medien und zentrale gesellschaftliche Persönlichkeiten mit hohem Standing in den Fokus (Bar-Tal et al. 2007: 447; Parkinson, 1996: 271; Manstead, 2005: 487). Dabei spielen, wie im folgenden Abschnitt zu erörtern sein wird, die normativen Botschaften, die durch Emotionen vermittelt werden, eine zentrale Rolle.
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5 Mit kühlem Kopf? Emotionen in unteilbaren Konflikten
5.7.2 Emotionale Normen – normenkonforme Emotionen Wer keine Emotionen empfinde, handele leicht gewissenlos, mahnen Cacioppo und Gardner (1999) an und deuten damit schon auf die Rolle von Emotionen als normativen Handlungsparametern und als Indikatoren für Normkonformität. Während viele Emotionen aus der Befolgung oder Nichteinhaltung von Normen resultieren können, sind manche – etwa Scham, Stolz und Ehrgefühl – essenziell mit Normen verbunden. So postuliert Shef (1999: 334), der Stolz und Scham geradezu als Katalysatoren ethnischer Konflikte betrachtet: „Pride and shame are crucial elements in social systems. Pride signals and generates solidarity. Shame signals and generates alienation”. Erstens, so kann man daraus schließen, geben Emotionen Akteuren Aufschluss über angemessenes Verhalten. Das Bedürfnis nach Anerkennung bzw. sozialer Integration und die Vermeidung von Demütigung und Isolation werden damit zu einem mächtigen gesellschaftlichen Sanktionsinstrument für konformes Verhalten. Staller und Petta attestieren in diesem Sinne eine enge Wechselwirkung zwischen Emotionen und Normen, „with emotions playing an instrumental role for the sustenance of social norms and social norms being an essential element of regulation in the individual emotional system“ (Staller und Petta 2001). Es sind also auch und vor allem soziale Bedürfnisse und weniger rationalistisches Kalkül, die die Einhaltung von Normen motivieren. Auf dieser Basis erweitert Crawford unterschiedliche Herleitungen normkonformen Verhaltens – von der strategischen Absicht nach Koordinationskostenminimierung (Institutionalismus), über die Vermeidung von Sanktionen (Realismus) bis zur Normbefolgung aus Gründen der Angemessenheit (Konstruktivismus) um die zentrale emotionale Komponente (Crawford 2000: 154). Jenseits der emotionalen Sanktionierung von Normabweichung können Normen sich zweitens auch auf emotionale Rollenmuster beziehen und damit, wie im Abschnitt zu den Gefahren von Verdrängungsmechanismen schon anklang, Emotionen selbst sanktionieren oder bestimmte emotionale Reaktionen favorisieren: Sich Emotionen wie Scham oder Empathie einzugestehen oder zum Ausdruck zu bringen, kann in kulturellen Kontexten als unangemessen, als Schwäche oder gar als Affront gegenüber der Gemeinschaft angesehen werden, während andere Emotionen wie Stolz oder Aggression als Rollenvorbilder gelten (Parkinson 1995: 202). Das spielt auch für Versöhnungsfragen eine zentrale Rolle: Wie sollen Traumata aufgearbeitet, Demütigung oder Scham greifbar gemacht werden, wenn sie den kulturellen Darstellungsnormen von Emotion widersprechen, wenn (offene) Empathie oder Mitleid mit der Outgroup als „Verrat am Vaterland“ und Untergrabung des kommunalen Zusammenhaltes angesehen werden, wenn das Eingeständnis von Schuld oder Scham als unehrenhaft oder unmännlich gilt und demgegenüber aggressive Impulse mit Anerkennung belohnt werden? Denn nicht nur in der Kriegsführung, so kann man postulieren, gilt jedweder Ausdruck von Emotionen, die der Gegner als Schwäche deuten könnte, als unbedingt zu vermeiden. In unteilbaren Konfliktkontexten – so sieht man in den Terrorialdisputen zwischen Israel und Palästina oder zwischen Russland und Georgien – gehören harsche Kompromisslosigkeit und nationalistisches Pathos zum guten politischen Ton. Sie werden durch die dauerhafte Vergegenwärtigung von Leid und Kampfgeist in den Heldendenkmälern der institutionalisierten Erinnerung der jeweiligen Gesellschaften
5.7 Emotion – Kognition – Identität
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flankiert.23 Öffentlich bekundetes Mitgefühl, Reue oder Kompromissbereitschaft werden deshalb oftmals mit kollektiver Entrüstung als affektivem Werturteil beantwortet und damit als Normüberschreitung gebrandmarkt. Emotionen und Normen, so kann man zusammenfassen, hängen also insofern zusammen, als Akteure aus emotionaler Motivation normkonformes Verhalten und damit gesellschaftliche Anerkennung anstreben. Die spezifischen Expressionsformen und Vorgaben für Emotionen reflektieren ferner kulturelle Idealvorstellungen oder auch strategische Absichten (die Vermeidung von Signalen, die als Schuldeingeständnis oder Schwäche ausgelegt werden könnten.) Das scheint insbesondere im Kontext ethnozentrischer bzw. aggressiv nationalistischer Gesellschaften mit engen (Gender-) Definitionen von konformem Verhalten relevant.24
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Auf der „7th Midterm Conference on Emotions” der European Sociology Association (ESA), die vom 25.27.08.2016 an der Universität Stockholm stattfand, hielt Prof. Monique Scheer eine Key-Note-Rede zur Rolle von Emotionen im deutschen Diskurs im Umgang mit islamistischem Terror. Sie zitierte Herfried Münkler und Henrik M. Broder als Repräsentanten zweier gegensätzlicher Enden eines Spektrums: Während Münkler „heroische Gelassenheit“ anmahne, plädiere Broder für unkontrollierten Affekt. Beides soll in der Konsequenz von emotionalen Verwicklungen befreien bzw. sie gar nicht erst entstehen lassen. Der Verfasserin fällt auf, dass es sich bei den Handlungsempfehlungen der beiden prominenten männlichen Denker wohl nicht zufällig um idealisierte maskuline, emotionale Rollen handelt. Traditionelle Frauenrollen hingegen scheinen oftmals den hadernden Zwischenraum zwischen stoischer Gelassenheit und aggressivem Affekt auszufüllen. Gerade dieser Raum indes mag für eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Für und Wider komplexer, bedrohlicher oder schmerzhafter Thematiken von entscheidendem Vorteil sein. Vor diesem Hintergrund können enge, emotionale Männerrollen gerade in traditionellen, hierarchischen Postkonfliktgesellschaften für einen multiperspektivischen, empathischen und differenzierten Umgang mit brisanten Fragen hinderlich sein (Rehrmann 2017). Die Auseinandersetzung um die Rolle von Emotionen findet isch auch in den Internationalen Beziehungen. Hier machen konstruktivistische Ansätze auf den sozialen und intersubjektiven Charakter von Emotionen aufmerksam. Sie werden dabei als handlungsleitende, affektive Werturteile verstanden: „Emotions are important forms of knowledge and evaluative thought“, so Hutchison und Bleiker. „Understood this way, emotions either involve, or indeed are, judgements” (2008b: 124). Als solche werden sie als Grundbestand internationaler Strukturen angesehen: „Fear and other emotions are not only attributes of agents, they are institutionalized in the structures and processes of world politics”, bemerkt etwa Crawford und schließt sich damit Mercers expliziter Kritik an Waltz´ first image-Klassifikation von Emotionen an (Crawford 2000: 119; Mercer 2000: 288). Emotionen seien auf allen kommunikativen Ebenen präsent: Sie prägten individuelle Akteure, Staaten und auch die Struktur des internationalen Systems. Mercer definiert staatliches Handeln demnach als dynamischen und intersubjektiven Prozess der Konstitution eines Gemeinschaftsgefühls, statt als Interessenaggregation rationaler Akteure und betont damit indirekt seine enge Verbindung zum Konzept der sozialen Identität (Mercer 2006: 296-298). Man solle sich von der überkommenen Vorstellung lösen, Individuen könnten von irrationalen Bedürfnissen geleitet sein, Staaten aber seien rational, so Hymans. Man sollte sie nicht als „gigantic calculating machines” definieren, sondern als „hierarchically organized groups of emotional people” (2010: 462). Damit relativieren die Autoren auch zentrale (neo-) realistische und institutionalistische Theorien: „Theory of international politics and security depend on assumptions about emotion that are rarely articulated and which may not be correct. Deterrence theory may be fundamentally flawed because its assumptions and policy prescriptions do not fully acknowledge and take into account reasonable human responses to threat and fear. Similarly, liberal theories of cooperation under anarchy and the formation of security communities that stress actors´ rational calculation of the benefits of communication and coordination are deficient to the extent that they do not include careful consideration of emotion and emotional relationships” (Crawford 2010: 116). Die Theorie der Abschreckung wie der liberalen Kooperation – das unterstreicht die Passage – funktioniert eben nur unter der Prämisse rationaler Handlungslogik. Sie schließt damit den potentiell massiven Einfluss von destruktiven Handlungen, von Affektreaktionen, emotionalen Solidaritäten etc. aus. Das bringt Lebow im Sinne der konstruktivistischen und sozialpsychologischen Prämissen am Beispiel der Angst auf den Punkt: „Fear transforms liberal or constructivist worlds into realist ones because its behavioural consequences tend to make the expectations that aroused it self-fulfilling“ und demonstriert damit im Wend´schen Sinne, wie zugrundeliegende
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5 Mit kühlem Kopf? Emotionen in unteilbaren Konflikten
5.7.3 Emotionale Identitäten als soziale Repräsentationen Zugleich sind Emotionen, wie im folgenden Abschnitt verdeutlich werden soll, wesentlicher Bestandteil kollektiver Identität. Im Kapitel zur Theorie der sozialen Identität wurde erörtert, wie sich Identität in Geschichten, Diskursen (Kommunikation) und kulturellen Artefakten (Institutionalisierung) manifestiert. Zur sozialen Identität, so kann man ergänzen, gehören auch kollektive Emotionen. Sie sind deshalb ein zentraler Bestandteil von sozialer Identität, weil sie erstens den gesellschaftlichen Zusammenhalt durch ihren affektiven und affirmativen Charakter stärken, zweitens ein Instrument der (kulturellen) Selbstdarstellung von Individuen und Gesellschaft und als solche drittens fest mit sozialen Repräsentationen und kollektiver Erinnerung verbunden sind. In Uljas (2001: 257) Definition von sozialer Identität als „that part of an individual´s selfconcept which derives from his knowledge from his membership of a social group (or groups) together with the value and emotional significance attached to that membership” klingt die implizite Rolle von Emotionen bereits an. Soziale Identität setzt sich demnach aus kognitiven und affektiven Elementen zusammen. Sie besteht – nimmt man die Identität der „Kulturnation“ als Beispiel – aus einem Fundus an kollektivem Wissen und Zugehörigkeit und einer Reihe von Emotionen, ohne die diese Zugehörigkeit als reiner „cold neutral state of intellectual perception“ (James) nicht greifbar wäre. Emotionen – verstanden als affektive Identität – untermauern, wie im letzten Abschnitt demonstriert werden soll, die intrakommunalen Beziehungen und die Wahrnehmung der Outgroup, machen Gründungsmythen, Gegenwart und Zukunft der Gemeinschaft bedeutend und geben den Akteuren dieser Gemeinschaft eine affektive Basis, um ihre eigene Rolle darin zu demonstrieren. Auch hier liefert die Sozialpsychologie wertvolle Erkenntnisse für die Untermauerung konstruktivistischer Befunde. So belegt die „Intergroup Emotion Theory“ (IET) durch Experimente, dass die Salienz einer bestimmten sozialen Kategorie bei ihren Repräsentanten gleiche oder ähnliche Gefühle hervorruft und damit zugleich gemeinsame Wahrnehmungs- und Gefühlsmuster gegenüber einer Outgroup konstituiert (Rydell 2008: 1141). Sie ergänzt damit die Theorie der Sozialen Identität (TSI), nach denen Individuen je nach Identifikationsstärke mit einer Gruppe kollektive Wahrnehmungs- und Deutungsmuster dieser Gruppe übernehmen und sich damit „depersonalisieren“ (Mackie et al. 2009: 287). Dabei können, unabhängig davon, ob die Kategorisierung freiwillig erfolgt (z.B. durch die Ausübung eines bestimmten Berufes) oder man in sie hineingeboren wird (wie bei ethnisch definierter Zugehörigkeit), starke kollektive Emotionen hervorgerufen werden. Andere Experimente belegen, dass kulturelle Referenzpunkte, wie beispielsweise das Hören der Nationalhymne, nicht nur Identität, sondern auch die zugehörigen Emotionen aktivieren (Mackie et al. 2008: 1872). Zahlreiche Studien, die hier aus Gründen der Sparsamkeit nicht detailliert ausgeführt werden, untermauern einen Kausalzusammenhang zwischen einem experimentell hervorgerufenen Wechsel in der Salienz zwischen individueller und kollektiver Identität und wechselnden Emotionen der Akteure und auch eine Korrelation zwischen der Stärke dieser Affekte in Abhängigkeit vom Grad an „Depersonalisie-
Emotionen die wechselseitige Bedeutungszuweisung zwischen Akteuren und damit auch die Strukturen beeinflusst (Lebow 2005: 302-303).
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rung“. Das Streben der Gruppenmitglieder nach positiver Distinktheit (wie die TSI belegt) beeinflusst dabei sowohl die Wahrnehmung der Ingroup und Outgroup als auch entsprechende positive bzw. negative Affekte (Mackie et al. 2000: 602-616; Mackie et al. 2008: 1871; Sasley 2011: 458). Wie Miron et al. durch künstlich geschaffene Konfliktsituationen belegen, hat eine starke affektive Identifikation mit der eigenen Gruppe zugleich den kognitiven Effekt eines „higher confirmatory injustice standards“: Je stärker die emotionale Bindung an die eigene Gruppe, desto schwieriger war es für die Versuchsleiter, sie vom unrechtmäßigen Handeln ihrer Gruppe zu überzeugen (Miron et al. 2010: 768-779). Diese einfache Erkenntnis zeigt, wie Affekt, Identität und Kognition zugleich die negativen Haltungen zwischen Gruppen und IngroupSolidarität verstärken können. In unteilbaren bzw. ethnozentrischen Konflikten, in denen die ethnische Identität aus kulturellen wie strategischen Gründen dauersalient ist (bzw. gehalten wird), können also auch dauerhaft bestimmte Emotionen im Vordergrund öffentlicher Repräsentationen stehen und so Wandel erschweren. Neben dem affektiven Charakter von Zugehörigkeit können Emotionen aber auch als aktiver Ausdruck von sozialen Rollen gelten, die im Augenblick ihrer Darstellung ihre Wirkung entfalten (Schmidt 2003: 5). Im Rekurs auf Habermasʼ Theorie des kommunikativen Handelns schreibt Jachtenfuchs: „In seinem Spiel schafft der Handelnde eine bestimmte Identität nicht nur für das Publikum, sondern auch für sich selbst. Nur wenn das Spiel ausschließlich für das Publikum bestimmt wäre, ließe es sich auf strategisches Handeln reduzieren“ (1995: 427). Diese Selbstdarstellung, so kann man nun aus der engen Verbindung zwischen Emotion und Identität ableiten, enthält auch wesentliche affektive Anteile. „[P]eople”, schreibt Parkinson (1996: 675) und demonstriert damit die identitätsstiftende und kulturelle Funktion von Emotionen, „intentionally adopt emotional Abbildung 5 – emotionale Rollen (eigene Darstellung) roles for rhetorical purposes to further the development of their self-narratives“, und fährt fort: „[I]n getting emotional people are conforming to a cultural script for making claims about their identities. […] [E]motional roles derive from the myths, legends and unarticulated common knowledge which are background features of cultural life”. Mit anderen Worten: Indem Akteure emotionale Rollen einnehmen, verleihen sie ihren Botschaften Nachdruck und bekräftigen zugleich implizit ihre Zustimmung und Zugehörigkeit zu ihrer Gemeinschaft. Insofern definiert sich „Rolle“ hier als Synthese von Emotion, Identität und Handlung. Das ist da besonders relevant, wo nationale Narrative ganz besonders darauf abzielen, kollektive Emotionen zu evozieren. So können, wie Hutchison und Bleiker am Beispiel traumatischer Erfahrungen nachzeichnen, Emotionen leicht zum Sinnbild einer Gemeinschaft selbst werden: „[I]ndividual experiences of trauma can translate, through processes of representation, into shared or collective experiences”, sagen sie und fahren fort: „[I]nfluence that representations of emotion exert on political dynamics is particularly evident in the realm of visual culture“ (2008b: 131). In diesem Sinne können die in Konfliktgesellschaften allgegenwärtigen Repräsentationen von physischem und psychischem Leid, von Mut und Aufopferung, die
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in Erinnerungsorten, Epen oder erzählten Geschichten zum Ausdruck kommen, als „emotionales Erbe“ verstanden werden, das in ritualisierter Form an die junge Generation weitergegeben wird und gerade durch seinen emotionalen Gehalt seine Wirkung entfaltet. Der Schmerz der Nationalhelden, kann man pointiert zusammenfassen, wird so für die konserviert, die ihn nicht am eigenen Leib erfahren haben (vgl. Abb. 6). Das demonstriert die hervorgehobene Bedeutung von kulturellen Artefakten als Emotionsträgern: „Aesthetic sources”, heißt es weiter, „are particularly suited to capture emotions because they seek to do more than simply represent an object or event as realistically as possiAbbildung 6 – Emotionales Erbe (eigene Darstellung) ble. To be of artistic value, a work of art – be it a poem, an opera, a painting or a photograph – must be able to engage and capture not only exterior realities, but also, and above all, our human and emotional relationship with them” (Ibid.: 131). Emotionale Rollen und Artefakte werden damit, so kann man schließen, zur affektiven Bindemasse einer Gemeinschaft. Watzlawick, der in seiner kommunikationspsychologischen Abhandlung „Anleitung zum Unglücklichsein“ (1994) ein Grundbedürfnis, nämlich das Streben nach Glück, in ironischer Umkehrung zum Initialzünder für fortwährendes Unglück macht, spricht denn auch von „leidenschaftlichem Affekt“, von „heiligem Zorn, der zum berauschenden Akt der Rache und Vergeltung für Unrecht führt“ (Ibid.: 19-20.) Wie schön sei, so illustriert er pointiert an vielen kommunikativen Alltagsbeispielen, das melancholische Schwelgen in für immer verlorener Vergangenheit, das fatalistische Verharren in der eigenen Opferrolle und die Projektion allen Unglücks auf externe Faktoren (Ibid.:1-35). Diese Ausführungen verweisen auf die paralysierende Kraft von Emotionen, die das Verharren in Schwebezuständen erklären, die aus rationaler Perspektive als wenig wünschenswert und kontraproduktiv für die eigenen Ziele gelten mögen. Aus emotionaler, subjektiver Sicht indes charakterisieren sich derartige Zustände, in denen sich der Einzelne wie auch ganze Gesellschaften bisweilen eingerichtet haben, als offenkundig durchaus „angenehm“. Für das Verständnis von Unteilbarkeit ist diese Erkenntnis, wie in Kapitel 15 aufgezeigt werden wird, essenziell. Emotionen – so kann man alle im Kapitel aufgeführten Aspekte noch einmal abschließend zusammenfassen – haben also insbesondere in Form von Affekten eine starke handlungsleitende Kraft und besitzen die Funktion der Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhaltes. Sie haben ferner einen Einfluss auf Wahrnehmung und Erinnerung. Insbesondere Emotionen wie Angst, Wut und Demütigung können dabei eine gefährliche Eigendynamik entwickeln, die das Eskalationsrisiko von Konflikten erhöhen und ihre Beilegung behindern, solange grundlegenden Bedürfnissen der Konfliktparteien nicht entsprochen wird. Emotionen sind schließlich von zutiefst sozialer Natur, insofern sie sich mit Identitäten und Normen verbinden und damit auch kollektiv handlungsleitend sind. Mit all diesen Punkten verbindet sich ein weiterer Aspekt, der zugleich zum nächsten Kapitel überleitet: Die Rolle von Emotionen für die strategische Mobilisierung von Gesellschaften, wie sie in kulturellen Artefakten, aber vor allem in Sprache –
5.7 Emotion – Kognition – Identität
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insbesondere in populistischen Medienkampagnen – zum Ausdruck kommt. Diese Mobilisierung funktioniert dabei über emotionale Appelle, die sowohl Handlungen zur Vermeidung negativer Emotionen (Angst-, Isolations-, Sanktionsvermeidung), wie auch zur Aufrechterhaltung bzw. Generierung angenehmer Empfindungen (Stolz, Anerkennung, Sinn etc.) motivieren. Eine profunde Analyse von Artefakten und Diskursen von Konfliktgesellschaften sollte daher immer auch die affektiven Botschaften berücksichtigen, um die Rolle der „kollektiven emotionalen Orientierung“ (Bar-Tal) greifbar zu machen.
6 Im Anfang war das Wort: Die Macht diskursiver Realitätskonstruktion 6.1 Einleitung: Die Strahlkraft dominanter Frames 6.1 Einleitung: Die Strahlkraft dominanter Frames „Wir wollen übrigens das Wort nicht verachten. Es ist doch ein mächtiges Instrument, es ist das Mittel, durch das wir einander unsere Gefühle kundgeben, der Weg, auf den anderen Einfluss zu nehmen. Worte können unsagbar wohltun und fürchterliche Verletzungen zufügen. Gewiss, zu allem Anfang war die Tat, das Wort kam später, es war unter manchen Verhältnissen ein kultureller Fortschritt, wenn sich die Tat zum Wort ermäßigte. Aber das Wort war doch ursprünglich ein Zauber, ein magischer Akt, und es hat noch viel von seiner alten Kraft bewahrt“ (Freud: 1955: 214).
In den vorangehenden Kapiteln wurden der verwobene Einfluss von Identitäten und Emotionen auf die individuelle und kollektive soziale Lebenswirklichkeit, ihre wahrnehmungsfilternde, konformitätsmotivierende und handlungsleitende Kraft illustriert. So wie Unteilbarkeit eine Frage der Perspektive, Identitäten multipel und relativ und Emotionen Ursache und Folge komplexer Wahrnehmungsprozesse sind, so kann man einleiten, ist auch Sprache kein reines Abbild der Wirklichkeit, sondern besitzt enorme kognitive Macht. Das scheint aus konstruktivistischer Sicht Common Sense. Das alltagsweltliche Verständnis indes ist ein anderes. Darauf verweisen sowohl gegenwärtige Debatten um das sog. „postfaktische Zeitalter“, die widersprüchlicherweise vornehmlich um die Verifizierung bzw. Widerlegung von Fakten kreisen. Gleiches gilt für gegenwärtige Tendenzen der politischen Sprache in populistischen Kampagnen selbst, die mit der kritischen Rede vom Postfaktischen gemeint sind. Denn auch sie wähnen sich im Besitz der vermeintlich einen, richtigen Wahrheit gegenüber vermeintlichen Lügen, Verzerrungen und Manipulation der politischen Gegner. Dieses Ringen um Deutungshoheit besitzt für Postkonfliktgesellschaften, die in ihrem monolithischen Wahrheitsverständnis Multiperspektivität und Relativität per se als ontologische Grundhaltung ausschließen, eine besondere Bewandtnis. Dabei wird alles Denken, so belegen Kognitionspsychologie, Kommunikationstheorie wie auch soziologische und sprachwissenschaftliche Befunde, in besonderem Maße durch implizite Grundideen vorstrukturiert – sog. Frames, verstanden als subjektive „Bedeutungsrahmen“. So soll im folgenden Kapitel in Orientierung am Framing-Konzept, den Charakteristika populistischer Medienstrategien und der Diskurstheorie der Zusammengang von Sprache, Denken und Wirklichkeit und die Macht von dominanten Diskursen aufgezeigt werden. Im Kontext der TSI wurde bereits erläutert, dass sich Wahrnehmung notwendigerweise auf einer potenziell wandelbaren, dennoch meist beständigen Struktur aus Selektion, Betonung und Bewertung von Ereignissen begründet. Hier spricht die Neuropsychologie vom Wirken eines Frames. Die Neuropsychologin Wehling, die in ihrem populären Buch die Prämisse vom rationalen Akteur vor dem Hintergrund humanwissenschaftlicher Erkenntnisse als veralteten Mythos entlarvt, definiert sie als durch Sprache aktivierte, assoziative Verknüpfungen des Gehirns, als selektive und normative „gedankliche Deutungsrahmen“. Alles Sprechen und Denken, so betont sie, vollziehe sich in diesen limitierten Frames (2016: 17-18). Gamson und Modigliani (1989: 3) definieren sie als „central, organizing idea”, die Informationen selektiere und bewerte, während Pan und Kosicki (1993: 55f) vom roten Faden bzw. einer kognitiven Schablone sprechen, die sowohl auf individueller wie auf sozialer Ebene wirke.
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Rehrmann, Der Zypernkonflikt, Innovative Konfliktforschung – Innovation in Conflict Research, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31192-6_6
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6 Im Anfang war das Wort: Die Macht diskursiver Realitätskonstruktion
Unsere Gedanken, die Interpretation äußerer Ereignisse oder die Art und Weise, wie wir diese Ereignisse kommunizieren, sind dabei immer mehr oder weniger explizit an eine übergeordnete Leitidee geknüpft. Diese Leitidee bestimmt maßgeblich darüber, welche Fakten oder Ereignisse als relevant erachtet, wie sie eingeordnet und miteinander in Bezug gesetzt werden und welche außer Acht gelassen werden. In der Literatur, beispielsweise in Mythen, Fabeln oder religiösen Geschichten mögen diese Leitideen als Moral oder Sentenz leicht erkennbar sein. Auch die großen „Ismen“ wirken über sie. Die Ideen des Nationalismus beispielsweise teilen die Welt – wie noch zu zeigen sein wird – in klar abgrenzbare Schicksals- und Abstammungsgemeinschaften. Der Kommunismus baut auf der Überzeugung von den unvereinbaren Gegensätzen zwischen internationaler Bourgeoisie und Proletariat und dem daraus resultierenden Klassenkampf. Der Liberalismus wiederum gründet auf Fortschrittsglauben durch Freiheit. Alle drei Ideologien gehen von unterschiedlichen Menschenbildern aus, erklären politische Ereignisse und Ereignisketten in einem anderen Licht und denken mitunter in Kategorien, die für die jeweils anderen Ideologien nicht existent oder irrelevant sind. Ursächlich dafür ist die Leitidee, die eben den Rahmen absteckt, in dem sich Ereignisse bewegen. Frames dienen also sowohl in der individuellen Wahrnehmung und Bewertung wie auch in der Kommunikation von Informationen als Orientierungs- und Strukturierungsinstrument. In seiner Diskurstheorie schließlich postuliert Glee, alles menschliche Denken sei in zumeist unbewussten kulturellen Modellen auf Basis eines assoziativen Grundmodells organisiert, das in bestimmten Kontexten aktiviert würde (Glee 1999: 40-52). Auch hier klingt die Idee des Frames an: „A cultural model is usually a totally or partially unconscious explanatory theory or ´storyline` connected to a word – bits and pieces of which are distributed across different people in a social group – that helps to explain why the word has the different situated meanings and possibilities for the specific social and cultural groups of people that it does” (Ibid.: 44).
Neben kognitiven Strukturierungsmechanismen und (mehr oder minder bewusster) Selektion durch Medien verweist das „cultural model“ auf die Rolle von unbewussten Wahrnehmungsund Bewertungspräferenzen kultureller Gemeinschaften. Die Vielfalt der Definitionen und verbundenen Begrifflichkeiten spiegelt, so kann man folgern, das interdisziplinäre Verständnis von Frames wie auch ihre vielfältige Anwendbarkeit: Frames können in (sprachlich geäußerten) Glaubensgrundsätzen, Narrativen, Normen, Mythen oder Stereotypen zum Ausdruck kommen, insofern sie Wahrnehmung filtern bzw. vorstrukturieren. Sie sind ferner, ähnlich wie Identitäten, multipel, überlagernd und assoziativ verbunden: Sie können sich auf individuelle und kollektive Vorstellungen von Politikbereichen, Kulturräumen oder sozialen Gruppen beziehen und sind oftmals – ebenso wie Identitäten – durch einen einzigen Slogan oder ein Schlagwort aktivierbar. Grundlegend ist dabei die Prämisse, dass sie sich über politische oder Alltagskommunikation herausbilden und in allen Gesellschaftsbereichen wirken: „From the proverbial chat over a cup of coffee to the full-scale multimedia hammering that is today´s presidential campaign”, so Nelson et al., „much of political life revolves around the transmission of ideas and information” (1997: 221). Gerade politische Einstellungen konstituierten sich dabei, so die Autoren, über den kontinuierlichen sozialen Austausch von Ansichten, Affekten und Erfahrungsschätzen, die auf Auswahl und Bewertung basieren (Ibid.: 237). Dasselbe gilt für den medialen Betrieb, für den Pan und Kosicki (1993: 55)
6.1 Einleitung: Die Strahlkraft dominanter Frames
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drei framerelevante Akteursebenen ausmachen: Medienproduzenten, Interessengruppen bzw. Spin-Doctors und Medienrezipienten. Dabei geht es erstens darum, wie Medien Informationen auswählen, hierarchisieren und bewerten und damit wesentlich den Rahmen vorgeben, innerhalb dessen politische Ereignisse wahrgenommen und diskutiert werden. Zweitens sind Art und Einfluss etwaiger Interessengruppen auf die Auswahl und Darstellung von Ereignissen von Belang. Drittens wird untersucht, wie Leser bzw. Zuschauer die dargebotenen Informationen bewerten. Die drei Bereiche stehen dabei in wechselseitiger Beeinflussung: Akteure produzieren Wissen und beeinflussen damit die vielfältigen Wahrnehmungs- und Erwartungsmuster von Zuhörer-, Zuschauer-, Leser-, oder Wählerschaft, die ihrerseits in ihrer Rezeption als Kollektiv Einfluss auf politische und mediale Akteure nimmt. Da Frames auf der individuellen, kommunikativen wie sozialen und kulturellen Ebene wirken, reicht ihre Analyse von der greifbaren sprachlichen Ebene – hier spielen Metaphern, Slogans, Bilder und Agenda Setting (Beeinflussung durch Themenpriorität) eine zentrale Rolle – über die Kommunikationsform dieser Inhalte – z.B. durch besonders expressiven und appellativen Gestus – bis hin zur Herausfilterung von kulturellen Wissensbeständen mit ihren charakteristischen Ideen und Kollektivsymboliken, innerhalb derer sprachliche Kommunikation und Rezeption erfolgen. Denn auf all diesen Ebenen wird selektiert bzw. selektiv wahrgenommen und bewertet und damit eine spezifische Wahrnehmung von Welt geschaffen. Dabei spielt – dies wird in der Framinganalyse oftmals vernachlässigt – Kultur, verstanden als relativ stabiler Fundus von Wissensbeständen, eine zentrale Rolle: Denn spezifische Kulturräume verfügen, wie in Glees Definition bereits anklang, über gemeinsames Wissen und zugleich über gemeinsames „Wissen über dieses Wissen“, also über seine spezifische Bedeutung und Bewertung. Van Gorp (2007) plädiert in seinem Verständnis von Frames daher für einen Schwerpunkt auf langfristigen und beständigen Wahrnehmungsfiltern kultureller Lebenswirklichkeit. Sie gelten ihm gleichsam als Behälter, innerhalb dessen im Kleinen wie im Großen Frames auf Basis kontinuierlicher Kommunikation produziert und reproduziert werden und die den meisten Akteuren dieser Gemeinschaft als selbstverständlich, als natürlich erscheinen. Das deutet bereits auf die Wirkmacht von Frames und Framingstrategien als Mittel der Meinungsbildung in Medien und Politik. Der Friedensforscher Daniele Ganser (2016) beispielsweise erklärt in seinen Vorlesungen zu illegalen Kriegen am Beispiel US-amerikanischer Außenpolitik, insb. im sog. Krieg gegen den Terror, welche Deutungsrahmen sowohl die Interpretation als auch die Legitimation US-amerikanischer Interventionen steuern: Je nachdem, ob man den (von den US-Regierungen einstimmig genutzten) Rahmen „Bekämpfung des internationalen Terrorismus“, den Rahmen „Maximierung geostrategischer und ökonomischer Interessen“ oder „UNO-Gewaltverbot“ auf die US-geführten Kriege in Irak, Afghanistan und ihre Rolle im Syrienkonflikt anwendet, kommt man zu sehr unterschiedlichen Erklärungszusammenhängen. In der internationalen – US-amerikanischen und europäischen – Öffentlichkeit aber spielt der erste Rahmen eine viel größere Rolle als der letzte. Denn die Phrase „Krieg gegen den Terror“ allein dient bereits als vorgefertigter Deutungsrahmen, der durch stetige Wiederholung in Politik und Medien an Selbstverständlichkeit gewinnt, sodass politische Ereignisse von einer Mehrheit in eben diesem Rahmen gedeutet werden. In der Konsequenz bewertet eine Mehrheit internationale Militäreinsätze viel eher vor dem Hintergrund des westli-
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6 Im Anfang war das Wort: Die Macht diskursiver Realitätskonstruktion
chen Sicherheits- und Demokratisierungspostulats, als über die Tatsache, dass jedweder Militäreinsatz ohne UNO-Mandat ein expliziter Bruch des Völkerrechts ist. Ganser nutzt dabei die anschauliche Metapher eines Billardtisches (als Deutungsrahmen), in dem sich die Kugeln (Ereignisse) bewegen, ohne jedoch je den Tisch zu verlassen.25 Diese Grundprämisse vom Ineinanderwirken individueller Erfahrungen und kollektiver Deutungsmuster im Kontext kultureller Selbstverständlichkeiten ist grundlegend für das Verständnis von attraktivitäts- bzw. überzeugungsbasierter Machtpolitik (Soft Power) und damit für die Strahlkraft dominanter Diskurse, die für sich beanspruchen, legitime Abbilder der Wirklichkeit zu sein. Das zeigt sich besonders in der populistischen Meinungsformung und Mobilisierung, die – wie etliche aktuelle Publikationen zur politischen Lage Europas zeigen – als Krisenphänomen anzusehen und damit für das vorliegende Erkenntnisinteresse besonders relevant sind. Wie die sozialpsychologische Framinganalyse belegt, ist die Überzeugungskraft spezifischer Darstellungen nämlich am größten, wenn sie bei bereits vorhandenen Einstellungsmustern ansetzt, die durch sprachliche Mittel aktiviert werden (Nelson et al. 1997: 225-238). Für Populisten sind dabei vor allem Frustrationen, Ressentiments, stereotype Grundeinstellungen und vage Ängste einer Wählerschaft relevant, die für politische Zwecke genutzt werden können (Durant et al. 2013). Das geschieht über eine charakteristische Rhetorik, die erstens den vermeintlichen Antagonismus zwischen „Volk“ und „eigennütziger Elite“, zweitens der Forderung nach Ermächtigung des Volkes und drittens der Stilisierung desselben als vermeintlich homogenem Körper mit klar konturiertem Volkswillen unterstreicht. Populistische Rhetorik kreist in diesem Sinne um Bemühungen zur Wiederherstellung einer vermeintlich verlorenen Volkssouveränität und strebt nach direktdemokratischen Elementen wie Petitionen und Volksentscheiden. Nur durch diese – so die populistische Überzeugung – könne der unmittelbare Wille der Mehrheit in den Entscheidungssphären der Politik Gehör finden (Abts und Rummens 2007: 407- 408; Durant et al. 2013: 29). Wie im Empirieteil am Beispiel der griechisch-türkischen und inner-zypriotischen Beziehungen zu zeigen sein wird, spielt derartige Rhetorik auch in ethno-nationalistischen Rivalitäten eine zentrale Rolle. Aus konfliktpsychologischer Sicht problematisch ist sie, weil sie auf vereinfachten Weltbildern, insbesondere inneren und äußeren Feindbildern fußt und „das Volk“ zumeist als ethnisch-exklusive Einheit mit gleichen Ansichten und gleichen Interessen stilisiert. Stehen soziale Herausforderungen, politische Weichenstellungen oder dringliche, kritische Entscheidungen von gesamtgesellschaftlicher Relevanz zur Debatte, kann auf dieser Basis außerdem Konformität eingefordert bzw. Exklusion und Sanktion gegenüber denen legitimiert werden, die vom Tenor abweichen. Populismus bedeutet also per se forcierte Homogenität durch Selektion und vereinfachte Kausalität, die den universellen Geltungsanspruch der propagierten Ideen untermauern sollen. Dieser Geltungsanspruch überdeckt dabei den inhärenten Widerspruch zwischen Souveränitätspostulat und autoritärer Praxis, indem sich Populisten als Vertreter der Schwachen und Entrechteten präsentierten (FES 2015: 10; Hartleb und Grabow 2013: 15). Aus sprachlicher Sicht relevant ist dabei die Monolithik bzw. die Bedeutungsverengung, die allgegenwärtige politische Schlagworte, wie Souveränität, Integrität, Gerechtigkeit und Freiheit im populistischen Diskurs erfahren: Denn erstens gelten sie nicht für Alle (wie etwa 25
[abgerufen am 22.06.2019].
6.2 Macht, Wissen und Wahrheit: Die kritische Diskurstheorie
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für politische Gegner, religiöse Minderheiten oder Migranten) bzw. nur unter der Bedingung der Konformität. Zweitens obliegt „dem Volk“ ihre vermeintlich einzig legitime Interpretation. Abweichende Interpretationen bzw. alternative Blickwinkel – Frames – besitzen keine Gültigkeit. Etwaige Leerstellen und Widersprüche werden, wie im empirischen Teil der Arbeit en Detail zu erörtern sein wird (Kapitel 14), eben durch die vermeintlich universelle Gültigkeit dieser und anderer Schlagworte überdeckt. Forderungen nach Freiheit oder Gerechtigkeit können so leicht zu Totschlagargumenten werden, die im Kontext von Unteilbarkeit keinen Raum für Alternativen und Kompromisse zulassen. Sprachliche Überzeugungskraft als Instrument autoritärer Praxis, der es um Macht durch Überzeugung geht, reflektiert der berühmte Gesellschaftskritiker Noam Chomsky in seinem Buch „On Democracy and Education“. Seine pointierte Antwort auf die Frage, wie er rhetorische Stilmittel in politischer Sprache beurteilt, bringt er mit den Worten „the best rhetoric is the least rhetoric“ zum Ausdruck und leitet damit bereits zur Rolle autoritärer Wirklichkeitsvermittlung über, die in der Arbeit im Kontext der Geschichtsvermittlung und der institutionellen Erinnerung immer wieder von Belang sein wird (Chomsky in Otero 2003: 376; Kapitel 12 und 13).
6.2 Macht, Wissen und Wahrheit: Die kritische Diskurstheorie 6.2 Macht, Wissen und Wahrheit: Die kritische Diskurstheorie Mit genau dieser Thematik – der sprachlichen Konstruktion von vermeintlich universeller Wirklichkeit und ihrer Instrumentalisierung – befasst sich die Diskurstheorie. Sie basiert auf der Analyse der Wechselbeziehung von Sprache, Handeln und außersprachlicher Wirklichkeit. Konkret geht es darum, wie (sprachliches) Wissen einen Raum des Sag- und Vorstellbaren, die Grenzen zwischen Norm und Abweichung konstituiert und damit gesellschaftliche Hierarchien, Praktiken und politische Entscheidungen legitimiert. Ihren Ursprung hat die Diskurstheorie in den Prämissen de Saussuresʼ und seiner Auffassung von Sprache als System. De Saussure kritisierte damit das im 19. Jahrhundert vorherrschende kulturetymologische und appellative Verständnis von Sprache unter der Prämisse, dass ein Begriff keine absolute, von anderen Begriffen losgelöste Bedeutung habe, sondern diese erst über seine relative Position im System der Sprache und damit über seine Beziehung zu anderen Begriffen erhalte (Wortfelder). Anschaulich schildert Canepari (2011: 14 -31) den Übergang vom viktorianischen Zeitalter mit seinem inhärenten Fortschrittsglauben und absoluten (naturwissenschaftlichen) Wahrheitsverständnis hin zum Paradigmenwechsel der Moderne, die in Literatur, Psychoanalyse und Linguistik die Subjektivität und Relativität in den Vordergrund rückt. Sprache definiert de Saussure in diesem Sinne als Netzwerk von Ähnlichkeiten und Unterschieden. Damit verbreitet sich die Idee einer diskursiven Wirklichkeitskonstruktion und ihrer kultur-, kontext- und epochenabhängigen Spezifika. Er legte damit den Grundstein für Strukturalismus, Poststrukturalismus und für die moderne Sprachwissenschaft mit ihrem Fokus auf Wortfeldanalysen und der damit verbundenen systematischen Erforschung von Bedeutungen in Relation zu anderen (kulturellen) Bedeutungen, die eng mit der psychoanalytischen Erforschung von Assoziations- und Wahrnehmungsmustern verbunden ist (Ibid.: 21). Sie wurde von Lévi-Strauss’ (1967) „strukturaler Anthropologie“ und Mythenanalyse zum ersten Mal soziologisch unter der Prämisse angewandt, dass alle kulturelle Praxis zeichenhaften
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Charakter hat und sich in den spezifischen Kultursprachen widerspiegelt. „Sprich zu mir und ich sage dir, wer du bist“, könnte man so pointiert formulieren. Foucault schließlich erweitert und spezifiziert zugleich die Vorstellung von der subjektiven Sprachwelt durch die Konzepte Macht und Wissen. Für das vorliegende Erkenntnisinteresse ist dabei der Fokus auf der Verknüpfung von Sprache und Denken durch Wortfelder, insbesondere durch Prototypen und komplementäre Dichotomien erkenntnisreich (Lévi-Strauss 1958; Clarke 2010; Canepari 2011). Die Idee des Wortfeldes basiert auf der Prämisse, dass ein Begriff seine Bedeutung erst über die vielfältigen Abgrenzungen gegenüber verwandten, vor allem aber gegenüber gegensätzlichen Begriffen erhält. Die Prototypentheorie belegt dabei, dass sprachlich evozierte Bilder sich oftmals an Prototypen, also subjektiv besonders passenden Beispielen orientieren. Welche Prototypen jemand indes mit dem Begriff „Mann“ oder der „Industriegesellschaft“ assoziiert, ist offenkundig von Erfahrungen und kulturellen Prägungen abhängig. Eine zentrale Rolle im sprachlichen Denken spielen ferner Gegensatzpaare wie Leben/Tod, Tag/Nacht, gut/schlecht – Strauss nennt sie binäre Oppositionen. Alle drei Konzepte illustrieren die Relativität von Bedeutungen, die Rolle von prototypischen „Orientierungsankern“ – die, so kann man folgern, auch schnell zu stereotypischen Assoziationen führen können – wie auch die Relevanz von Gegensätzlichkeiten, die sprachliches Denken bestimmen. Das ist insofern für das vorliegende Erkenntnisinteresse besonders relevant, als sie damit die Nähe zwischen sprachlichen Mustern, kognitiven Prozessen und sozialen Konzepten (wie der negativen Identität) unterstreichen. So wie beim Hören oder Lesen des Wortes Tag auch die Worte Nacht, Morgengrauen oder Licht mitschwingen, schwingen beispielsweise in komplexeren Konzepten wie der Idee von Europa oder des Westens historisch vielfältige Relationen zu anderen Begriffen wie Orient, Fortschritt oder Kolonialismus mit, die – jeder für sich – der Idee Europa ein Stück Bedeutung verleihen (siehe z.B. zu dichotom-relationalen Ideen und Identitäten von Nationalismus und Kolonialismus Rademacher und Eickelpasch 2004: 68-93). Das Verständnis von Sprache als kognitivem System, so kann man überleiten, dient damit der Analyse von intersubjektiven Wissenssystemen, die der Konstitution spezifischer Weltbilder zugrunde liegen. Mit ihnen befasst sich die kritische Diskursanalyse (KDA). Sie definiert einen Diskurs zunächst als „Auseinandersetzung mit einem Thema, die sich in Äußerungen und Texten der unterschiedlichsten Art niederschlägt, von mehr oder weniger großen gesellschaftlichen Gruppen getragen wird, das Wissen und die Einstellungen dieser Gruppen zu dem betreffenden Thema sowohl spiegelt, als auch aktiv prägt und dadurch handlungsanleitend für die zukünftige Gestaltung der gesellschaftlichen Wirklichkeit in Bezug auf dieses Thema wirkt“ (Gardt 2007: 30).
Diskurse sind demnach sprachliche Frames von einer gewissen Größe und Relevanz. Im Unterschied zur Kognitionsforschung geht es der KDA aber nicht um individuelle Denkprozesse, sondern um die (De-) Konstruktion gemeinschaftlicher Wissensbestände, um das Ringen um Deutungshoheit und Norm (-alität) und die daraus abgeleiteten Handlungsspielräume (Keller et al. 2001: 12-26). Diskurse werden dabei als eine Form sozialer Praxis verstanden, die auf die gesellschaftlichen Denkweisen, Mentalitäten, Institutionen und Hierarchien deutet, die ihn prägen, während er diese ihrerseits beeinflusst: „CDA sees discourse – language use in speech and writing – as a form of ´social practice`. Describing discourse as a social practice implies a dialectical relationship between a particular discursive event and the situation(s), institution(s) and social structure(s) which frame it. A dialectical relationship is a two-way
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relationsship: the discursive event is shaped by situations, institutions and social structures, but it also shapes them“ (Fairclough und Wodak 1997: 258).
Die KDA zielt in diesem Sinne auf die Infragestellung vermeintlich universeller Wahrheiten und auf die Aufdeckung gesellschaftlicher Machtstrukturen bzw. der Interessen, die mit der Verbreitung bestimmter Ideen und Normen verbunden sind (Jäger 2012: 8). Foucault als Begründer der kritischen Diskursanalyse bringt diese Verbindung in seiner triangulären Verflechtung aus Wahrheit, Macht und Wissen zum Ausdruck. Um die epochen- und gesellschaftsspezifische Relativität von Wissen und damit verbundenem Verständnis von Wahrheit zu demonstrieren, analysiert er zunächst in seiner „Archäologie des Wissens“ (1981) die Rede-, Erkenntnis- und Handlungsformen unterschiedlicher Gesellschaften, bestimmt damit den „Möglichkeitsraum“ von diskursivem Wissen über die Welt und damit zugleich die Grenzen des Sagund Vorstellbaren. In einem zweiten Schritt befasst er sich mit der „Genealogie“ dieser spezifischen Wissensstrukturen und zeigt auf, wie sich Diskurse (und vermeintliche Wahrheiten) im Zuge veränderter Machtstrukturen und Interessen wandeln. In der philosophischen Tradition Kants und seiner „Kritik der reinen Vernunft“, der Ablehnung der Phänomenologie und in Weiterführung des linguistischen Strukturalismus sieht er Bedeutungen damit als gebunden an den historischen Kontext und dessen spezifische Machtkämpfe aus Deutungshoheit und Exklusion. Dazu gehört erstens der Begriff der Wahrheit. Foucault versteht Wahrheit dabei als einen kontinuierlich umstrittenen Prozess des Aushandelns von Wahrem und Falschem auf Basis aufgestellter Regeln, der zugleich eine unmittelbare Wirkung auf die Verteilung ideeller und materieller Werte hat (vgl. Ruffing 2010: 1-73). Es geht also in Kontroversen um die Legitimität der eigenen Perspektive „nicht um einen Kampf ´für die Wahrheit` […], sondern um einen Kampf um den Status der Wahrheit und um ihre ökonomisch-politische Rolle“ (Foucault 1978: 53). Wahrheit bezeichnet also jenseits eines alltäglichen oder theologischen Verständnisses gerade nicht den Einblick in universelle, höhere Wirkungsweisen von Welt, sondern verweist vielmehr auf die Interessen derjenigen, die sie vertreten. Damit ist Wahrheit fest mit Status, Einfluss und Macht verbunden. Foucaults Definition von Macht spiegelt denn auch zweitens seine Nähe zur Wirkungsweise von Diskursen selbst: „Unter Macht, scheint mir, ist zunächst zu verstehen: die Vielfältigkeit von Kraftverhältnissen, die ein Gebiet bevölkern und organisieren; das Spiel, das in unaufhörlichen Kämpfen und Auseinandersetzungen diese Kräfteverhältnisse wandelt […] und schließlich die Strategien, in denen sie zur Wirkung gelangen und deren große Linien und institutionellen Kristallisierungen sich in den Staatsapparaten, in der Gesetzgebung und in den gesellschaftlichen Hegemonien verkörpern. […] Die Macht ist der Name, den man einer komplexen strategischen Situation in einer Gesellschaft gibt. […] Die Machtbeziehungen verhalten sich zu anderen Typen von Verhältnissen (ökonomischen Prozessen, Erkenntnisrelationen, sexuelle Beziehungen) nicht als etwas Äußeres, sondern sind ihnen immanent“ (Foucault 2003: 93).
Macht bezeichnet also die strategischen und dynamischen Kräfteverhältnisse einer Gesellschaft, die alle anderen Beziehungen durchdringen und sich langfristig in ihren Institutionen, Regeln und Hierarchien widerspiegeln. Hinter vermeintlich wertneutralen Aussagen stecken damit Deutungskämpfe, Status- und Dominanzfragen, da sie zugleich potenziell normative Aussagen über angemessenes Verhalten sind, gesellschaftliche Hierarchien legitimieren und die Grenzen des Handelns und Denkens markieren können. Damit ist auch der dritte Begriff – das Wissen – verbunden: „Wissen über eine Sache“ definiert sich dabei durch den Fundus an sprachlichen Äußerungen zu einem bestimmten Themengebiet. Der für die Mehrheit der darin
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befindlichen Akteure als selbstverständlich und alternativlos empfundene Raum des Wissens ist zugleich der Raum von Denken und Handeln. Die Synthese aus diesen Wissensinhalten und ihren inhärenten Machtstrukturen nennt Foucault den Macht/Wissens-Komplex. Grundfragen der KDA sind in diesem Sinne: Was wird gesagt und was nicht? Wo liegen die (normativen oder kognitiven) Grenzen des Sag- und Vorstellbaren im Kontext spezifischer Gesellschaften, Epochen oder einzelner diskursiver Ereignisse? Welchen Interessen dienen diese „Wahrheiten“, wessen Herrschaft untermauern sie und wen exkludieren sie damit aus der Norm? Antworten auf die Fragen finden sich erstens vornehmlich in der gesellschaftlichen Peripherie, also in den Sphären jenseits des dominanten Diskurses mit seinem universellen Deutungsanspruch: gerade unterdrückte und ausgeklammerte Perspektiven von Minderheiten und Kritiker des gesellschaftlichen Konsens – Foucault (1995: 117-118) spricht von vielfältigen, meist schwachen und sporadisch aufflackernden „Widerstandspunkten“ – spiegeln direkt und indirekt die Macht etablierter Regelsysteme, indem sie sich der Selbstverständlichkeit der tonangebenden Mehrheit, die spezifisches „Wissen“ produziert, widersetzen. Damit verbindet sich zweitens die kritische Reflexion zentraler Konzepte, Kategorien und verwandter Stilmittel eines Diskurses wie Metaphern, Schlagworten, Slogans oder Analogien, die nicht nur zu den grundlegenden Framing-Techniken zählen, sondern ähnlich wie Idenitätstrigger ganze Weltbilder aktivieren können, weil sie auf normativen, assoziativ verbundenen Kategorisierungen beruhen (Nelson et al. 1997: 224; Gamson und Modigliani 1989: 3). Grundlegend ist dabei die Erkenntnis, dass diese Kategorien als immer selbstverständlicher erscheinen, je öfter und vehementer sie in Diskursen vertreten sind. Jäger bemängelt hier beispielsweise, die Idee des fortwährenden Wachstums als notwendige Voraussetzung für den Bestand der liberalen Marktwirtschaft erscheine „als unumstößliche geradezu metaphysische Wahrheit“ (Jäger 2012: 49). Die (subjektive) Dekonstruktion eines solchen Konzeptes im Sinne der Wortfeldanalyse lässt unterschiedliche assoziative Bedeutungsketten zu und zeigt damit, dass es grundsätzlich ganz unterschiedliche Verständnisse und Wertungen von Begrifflichkeiten geben kann: „Kapitalismus“ kann wohlwollend mit Wohlstand, Konsum und freien Märkten oder ablehnend mit Begriffen wie Rezession, sozialer Ungerechtigkeit oder Schlagworten wie Sweatshops assoziiert werden. Jäger (2012: 54-69) sieht in diesen „semantischen Verkettungen“ die Basis einer Kollektivsymbolik, die für einzelne Wissensbereiche, aber auch für ganze Gesellschaften gelten kann („kulturelle Stereotypen“). Sie entstehen durch die Verbindung einzelner Metaphern durch bildliche, assoziative oder kausale Analogieverhältnisse. In der Diskursforschung wird dafür auch der Begriff der Intertextualität, also der impliziten Analogien, Konnotationen und zusätzlichen Bedeutungszusammenhänge benutzt, der durch Ideen und Schlagworte aktiviert zu werden vermag (Canepari 2011: 132). Wie ein Begriff verstanden wird bzw. welche Assoziationen und spezifischen Bedeutungen er aktiviert, so besagt die Diskurstheorie, hängt vom jeweiligen situativen Kontext und vom Kulturkreis ab. Wie Abb. 7 am Beispiel der assoziativen Verknüpfungen der US-amerikanischen „Pro-live“- versus „Pro-choice“-Bewegungen illustriert, kann ein einziges Schlagwort als gleichsam kondensierter, normativ oder assoziativ aufgeladener Kernbegriff ganze Weltbilder evozieren. Auf der Begriffs- und Wortebene, die der Konzeptebene vorgelagert ist, spielen dabei besonders Katachresen (die sinnbildliche Nutzung eines Begriffs für einen anderen, insbesondere die Übertragung von Konkreta auf Abstrakta) und Metaphern eine zentrale Rolle. In politischen Diskursen sind sie beliebt
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und omnipräsent, weil sie komplexe Zusammenhänge unmittelbar verständlich, „greifbar“ (selbst eine Katachrese) machen und dabei meist – je öfter sie benutzt werden – gar nicht mehr als solche erkannt werden. In der deutschen, medialen Berichterstattung um die sog. „Griechenlandkrise“ aus den Jahren 2010 – 2015 beispielsweise finden sich viele solcher bildlicher Analogien („Mini-Framer“): „Finanzspritze“, „Griechenlandvirus“ und „Ansteckungsgefahr“ suggerieren Krankheit, Warnungen vor der Gefahr von „Flächenbränden“, „Dominoeffekten“ und „Rezessionswellen“ spiegeln die implizite Vorstellung von einer um sich greifenden Naturgewalt. Beide untermauern die Notwendigkeit schneller, effektiver Gegenmaßnahmen und deuten die europäische Wirtschafts- und Finanzkrise auf eine bestimmte Art und Weise (Bickes et al. 2012).26 Sprache ist also – mal mehr, mal weniger explizit – handlungsleitend. In Konfliktkontexten kann sie den Grundstein für politische Polarisierung, Exklusion, Diskriminierung und Mord legen. Rechtsextreme Hetze gegen Flüchtlinge ist beispielsweise, was der selbsternannte deutsch-türkische „Schriftsteller“ Akif Pirincci im Oktober 2015 anlässlich des einjährigen Bestehens der Pegida-Bewegung betrieb, die sich selbst als Sammelbecken „besorgter Bürger“ bezeichnet. So sprach er von „Flüchtilanten“, „nutz- und kulturlosen […] Moslemfritzen“, „Clans“ von „Invasoren […] aus Mohammed-Land“, von deutschen Politikern als „Gauleitern gegen das eigene Volk“ und forderte die „Deut- Abbildung 7 – (normative) Assoziationsketten (eigene Darstellung) schen“ dazu auf, sich der „Vergewaltigung ihres eigenen Landes“ zu widersetzen.27 Derartige Rhetorik zeugt von dem unverblümten Versuch, Sprache im wahrsten Sinne als Massenvernichtungswaffe für die Verzerrung von Tatbeständen zu rassistischer Propaganda zu nutzen.28 Einig scheinen sich wissenschaftliche Kommentatoren dieses Phänomens darüber zu sein, dass solche Sprache die Hemmschwelle zu Gewalttaten senkt und darüber hinaus rechtes Gedankengut in weiteren gesellschaftlichen Kreisen salonfähig macht (Kalkhoven 2011; Schwarz-Friesel 200929). Sprache ist damit massiv handlungsleitend. Wie sehr sie Denken und Handeln bei der Umsetzung der wohl 26
27 28 29
; ; [abgerufen am 22.02.2017]. https://www.youtube.com/watch?v=hXV1VYgEnac > [abgerufen am 21.02.2017]. [abgerufen am 22.02.2017]. Zu wissenschaftlichen und politischen Initiativen gegen Gewaltsprache ; ;_; Ein aktueller Überblick über Verfahren des EGMR im Zusammenhang mit hate-speechDelikten findet sich unter [abgerufen am 22.02.2017].
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extremsten Form umfassender Gewalt gegen etikettierte Gruppen – dem Genozid – zum Tragen kommt, verdeutlicht Prof. Greg Stanton, Präsident von „Genocide Watch“: Er macht zehn Stadien eines Radikalisierungsprozesses aus, der schließlich zum Völkermord führe. Die ersten Stadien beinhalten noch keine Handlung. Sie bezeichnen die (schleichende) ideologische Radikalisierung durch Sprach- und Denkmuster: Jeder Völkermord – so Stanton – beginne mit der Kategorisierung in Eigen- und Fremdgruppe, die sich in institutioneller Segregation widerspiegeln kann oder auch nicht. Es folge die homogenisierende Etikettierung der Outgroup mit negativen Symbolen (äußere Merkmale, angebliche Charaktereigenschaften). Dies lege den Grundstein für die Legitimation diskriminierender Praktiken (Exklusion, Unterdrückung, Demütigung) und für die weitere ideologische Radikalisierung, in deren Zuge die so konstruierte Outgroup zunehmend entmenschlicht würde und verzerrt durch rationalistische Termini („Säuberung“, „Selbstverteidigung“, „Bewahrung der Rassenreinheit“) die Notwendigkeit kollektiven Handelns gegen sie untermauert würde. Erst dann sei der Weg für die Polarisierung der Gesellschaft durch den Staat oder extremistische Gruppen und die Durchführung des Massenmordes frei (Stanton 2016). In diesem Sinne schreibt der ehemalige Erzbischof Südafrikas und Präsident der südafrikanischen TRC Desmond Tutu über die Irrwege des Menschen fort von seiner im Grunde gütigen Natur: „The wholesale slaughters that were hallmarks of the Rwandan Genocide and the Nazi holocaust were not sudden events. The horrors of apartheid did not spring from nothing into full bloom. In each case the path from goodness to evil was laid carefully. In order to permit ourselves to inflict wanton harm, our actions must be accompanied by a host of rationalizations and justifications. Those we call national enemies are described first as ´them` and then in progressively less human terms before the bombing can start” (Tutu und Tutu 2010: 89).
In seinem Buch beschreibt er die vielen alltäglichen Diskriminierungspraktiken und die dahinter verborgene rassistische Ideologie des Apartheidregimes, die die systematische Gewalt gegen die schwarze Bevölkerung erst ermöglicht hätten. Die linguistisch-kognitiven Bedingungen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit würden jedoch selten thematisiert. So fährt er fort: „Our media report the dramatic end. […] What we seldom learn are the small acts of misrepresentation that paved the way for the larger lies. The padded expense reports, the feigned illness, the willfully inaccurate account of one´s movements, the titillating half-truths about other people – these are also part of the story. Each on its own is not an act of wanton perversion. Each opens the door for the next wrong; each sets the stage for the cascade of corruption” (Ibid.: 90).
Tutu und Tutu unterstreichen so die zentrale Rolle von Sprache für die strategische Manipulation von „Wirklichkeit“ und den (zumeist unbewussten) Prozess der Legitimation von Diskriminierungspraktiken durch die breite Gesellschaft, die notwendigerweise organisierten Massenmorden vorausgehen (im Kontext der Radikalisierungsprozesse der zypriotischen Konfliktgeschichte wird darauf zurückzukommen sein). Auch die prominente Sozialpsychologin und Friedensaktivistin Pumla Gobodo-Madikizela (2006) beschreibt in ihrem Buch über ihre Gespräche mit dem ehm. Chef der südafrikanischen Geheimpolizei Eugene de Kock – in leitender Funktion maßgeblich verantwortlich für die massiven Menschenrechtsverletzungen des Apartheid-Regimes – die arendtsche Banalität des Bösen als Folge eines schleichenden, sprachlichroutinierten Legitimationsprozesses von Ausgrenzung und Entwertung.
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Das Kausalverhältnis ist naturgemäß nicht reziprok: Nicht jede sprachliche Radikalisierung führt zu Gewalt, doch kollektiver, rassistisch motivierter Gewalt geht immer ein sprachlicher Radikalisierungsprozess voraus. Das verdeutlicht die enorme Bedeutung von sprachlichen Feinheiten, Konnotationen, vermeintlich selbstverständlichen Begrifflichkeiten, die in der Alltagssprache unter dem (impliziten) Anspruch benutzt werden, reine Abbilder einer außersprachlichen Wirklichkeit zu sein. „Raubtierkapitalismus“ erscheint dabei offenkundig wertender als „freie Marktwirtschaft“. Doch auch vermeintlich neutrale Begriffe, wie „Schwellenland“, „Strukturanpassungsprogramm“ oder „illegaler Einwanderer“ enthalten Deutungen und sind damit keineswegs alternativlos. So ist eine der Grundprämissen der Sprachwissenschaft, wie sie auf de Saussure zurückgeht, die Arbitrarität sprachlicher Zeichen, also die Tatsache, dass die vermeintlich universellen, sprachlichen Etikette (signifiant) nicht auf eine gleichsam gegebene außersprachliche Wirklichkeit, sondern auf unterschiedliche Vorstellungen (signifié) verweisen. Jeder Begriff evoziert so in Abhängigkeit von Wissen, Erfahrung und/oder Kulturkreis unterschiedliche mentale Bilder, die in der Regel nicht als relativ wahrgenommen werden. Das mag bei einem simplen Lautbild wie „Baum“ leicht nachvollziehbar und für Konfliktkontexte irrelevant sein. Politische Kampfparolen oder diskriminierende Attribute für etwaige Minderheiten, die für sich den Anspruch erheben vermeintlich universelle Etikette einer außersprachlichen Wirklichkeit zu sein, sind aber durchaus relevant. Der komische Effekt von Sprachspielen beispielsweise funktioniert gerade dadurch, diese angeblich exogene Einheit über Rekontextualisierung infrage zu stellen. So machte der deutsche Kabarettist HG. Butzko in bissig-satirischer Manipulation tagespolitischer Begrifflichkeiten den Vorschlag, das Wort „Wirtschaftsflüchtling“ auf Industrieunternehmen anzuwenden, die ihre Produktion zu Gewinnmaximierungszwecken ins Ausland verlagerten, ihre Vorstandssitzungen als Treffen des „Organisierten Verbrechens“ zu deklarieren und die EU-FlüchtAbbildung 8 – Klaus Stuttmann. „Das Elend dieser Welt“ lingspolitik im Mittelmehr als (mit freundlicher Genehmigung von © Klaus Stuttmann. „Verbrechen gegen die Mensch- All Rights Reserved.) lichkeit“ zu brandmarken (Butzko 2015). Desselben Mittels bedient sich auch die Karikatur in Abb. 8, deren Schöpfer Klaus Stuttmann für sein graphisch arrangiertes Sprachspiel mit dem deutschen Karikaturenpreis 2016 ausgezeichnet wurde.30 Diese Beispiele zeigen auf, dass bei der Etikettierung von Sachverhalten mit bestimmten Begrifflichkeiten immer geframed wird, insofern dabei eine Auswahl getroffen und eine Wertung vollzogen wird. Auswahl und Wertung wiederum können in der Summe Weltbilder und normative Fronten zeichnen und damit Handlungen legitimieren. Dies 30
[abgerufen am 23.02.2018].
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geschieht genauso gewohnheitsmäßig (unbewusst) wie strategisch. Für das vorliegende Erkenntnisinteresse ist beides elementar. Ersteres, nämlich die strategische Nutzung von Sprache für Legitimität, illustrierte der große Intellektuelle und Linguist Noam Chomsky 2002 in einer feinsinnigen Kritik an der US-amerikanischen Doppelmoral im „Kampf gegen den Terror“. Was überhaupt sei Terror, fragt er und zitiert im Rekurs auf amerikanische Regierungspapiere, die USA definierten ihn offiziell als „the calculated use of violence or the threat of violence to attain goals that are political, religious or ideological in nature through intimidation, coercion or instilling fear.” Nicht ohne Ironie zeigt er daraufhin auf, wie sehr Praktiken der US-amerikanischen Außenpolitik des 20. und 21. Jahrhunderts eben dieser Definition selbst entsprächen und wie sich der staatliche Diskurs – offenkundig ob des Dilemmas bewusst – inoffiziell durch eine konzeptuelle, assoziative Bedeutungsverengung gewandelt habe, in der „Terror“ primär schlicht als jedwede Form von Angriff auf die Vereinigten Staaten selbst verstanden würde.31 Die mehr oder minder unbewusste Relativität von Begrifflichkeiten, verbundener Interessen (-gruppen) und ihr selektiver Gebrauch im Kontext kultureller Frames und politischer Überzeugungen wiederum wurde im Nachgang zu den Pariser Terror-Attentaten vom 13.11.2015 deutlich: So entzündete sich in den sozialen Netzwerken im Kontext der globalen, Schreckens- und Beileidsbekundungen eine Debatte über die Frage, ob und warum die sich am Vortag des Terrors in Paris ereigneten Attentate von Beirut im „Westen“ weniger und anderes mediales und politisches Echo hervorgerufen hätten. Journalisten und Facebook-User beklagten, im Gegensatz zum Pariser Kontext hätte es für Beirut-Opfer und Angehörige weder ein „Ich-bin-in-Sicherheit“-Tool, noch ein Angebot gegeben, per Klick das eigene Profilbild als Zeichen der Solidarität in den Farben der libanesischen Nationalflagge zu tünchen. Auch global agierende Konzerne wie Amazon hätten sich in ihren nationalen Internetpräsenzen nur mit Frankreich, nicht mit dem Libanon solidarisiert. Der mediale Tenor der Gegenstimmen zu dieser Kritik lautete, die Medien spiegelten in erster Linie das mangelnde Interesse ihrer Leserschaft, die sich erstens kulturell weniger mit dem Nahen und Mittleren Osten identifizierten und zweitens im Hinblick auf Kriegs- und Krisenberichte in diesen Regionen verständlicherweise „abgestumpft“ seien (Yücel 2015; Steinlein 2015; Schulze 2015; Schülbe 2015). Diesen Diskurs relativiert die libanesische Schriftstellerin und Journalistin Ciezadlo (2015) in ihrem Artikel „Paris is a City. Beirut is a ‘War Zone.’ Why the Way We Talk About Those Places Matters“, indem sie die vermeintlich selbstverständlichen Begrifflichkeiten in den jeweiligen Kontexten und ihre kognitive Wirkung herausarbeitet und aufzeigt, wie sie Unterschiede, Ähnlichkeiten und Hierarchien konstruieren. Das attestierte Desinteresse weiter Bevölkerungsteile an bestimmten Weltregionen ist also nicht nur Ursache entsprechender Medienberichte, sondern eben auch ihre Folge. Genau auf diese Problematik hatte schon Foucault im ersten Absatz seiner „Ordnung der Dinge“ (1974: 17-18) verwiesen, indem er zum einen die zeitliche und räumliche Relativität von Bedeutungsmustern und zum anderen ihre Normen generierende Kraft illustrierte (Normalismus), durch den sich Hierarchien und Zentrum-Peripherie-Beziehungen konstituierten. In seinem vielzitierten Beispiel verweist er durch die fiktive Konstruk-
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[Noam Chomsky: The History and Hypocrisy of the War on Terror; abgerufen am 02.02.2017].
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tion eines fremden Ordnungssystems pointiert auf die Relativität begrifflicher Kategorisierungen und nutzt dabei den zu erwartenden Effekt von empfundener Absurdität und Sinnlosigkeit als Stilmittel gegen die Selbstverständlichkeit eben jener gewohnter Kategorien: So berichtet er im Rekurs auf den Schriftsteller Jorge Luis Borges von einer Gesellschaft, in der Tiere darin unterschieden werden, ob sie „dem Kaiser angehören“, zur Gattung der „Milchschweine […], Sirenen, […] Fabeltiere“ gehörten oder gar zu denjenigen Tieren, „die mit einem ganz feinen Pinsel aus Kamelhaar gezeichnet sind […] Die Aufzählung, die sie aufeinanderstoßen lässt“, so Foucault, „besitzt für sich allein bereits eine Zauberkraft“. Foucault beschreibt hier für die sprachliche Ebene genau das, was im vorletzten Kapitel im Hinblick auf die kognitive Kategorisierung der sozialen Umwelt in Abhängigkeit von Glaubensgrundsätzen und Selbstverständnis attestiert wurde. Dort wie hier verweist das Fremde, Ungewöhnliche, Erstaunliche und (zunächst) Unverständliche darauf, dass in den entsprechenden sprachlichen Systemen eine andere interne Logik am Werk ist. Wie relativ und wandelbar Sinnkategorien als Kollektivsymboliken sind, die implizit als unausgesprochenes Wahrheitsnetz zwischen den Zeilen der Diskurse geknüpft sind und dabei spezifischen Interessen dienen, zeichnet Foucault (1977: 25-31) in einer kritischen Gegenüberstellung der neuzeitlichen Erkenntnisprozesse nach. So habe sich die Wissenskonstruktion der Renaissance in ihrem spezifischen Wahrheitsverständnis auf bildhaften Analogien begründet. Hinter diesen Ähnlichkeiten, so die damalige Prämisse, verberge sich das Wesen der Dinge selbst, wie Foucault u.a. am Beispiel einer vermeintlichen Ähnlichkeit zwischen dem menschlichen Auge und dem Eisenhut-Gewächs veranschaulicht. Dahingegen begründe sich wissenschaftliche Erforschung in der Klassik auf systematischen Abstraktionen (Tabellen, Skizzen, Maßen etc.), die als Repräsentationen einer zu ergründenden, universellen Wahrheit galten. Im Übergang zur Moderne schließlich seien menschlicher Körper und Psyche als Forschungsobjekt und die ihn beherrschenden (psychischen und sozialen) Strukturen in den Vordergrund gerückt und mit ihnen eine Reihe von Disziplinierungsinstitutionen, die neue Kategorien hervorbrachten und damit einen Paradigmenwechsel in der Beziehung von Mensch und Gesellschaft einleiteten. Am Beispiel von Gefängnis und Psychiatrie veranschaulicht er, wie sich Macht, die im Mittelalter durch unmittelbare, öffentliche und körperliche Bestrafung durch einen Souverän oder seinen Repräsentanten zum Ausdruck kam, in der Neuzeit weniger offenkundig, weil in indirekter, komplexer, strukturierter und institutioneller Form durch Zwang und Disziplinierung in medizinischen und Bildungseinrichtungen, Gefängnissen und Fabriken äußert. Diese neue Form von Macht ist „ausgelagert“, wirkt und potenziert sich durch den Erkenntnisgewinn über das gleichsam neu entdeckte Forschungsobjekt Mensch, um das sich die neuen Disziplinierungssegmente – Foucault sieht enge Parallelen zwischen den peniblen Lehr-, Zeit- und Arbeitsplänen aller genannten Institutionen – gleichsam herumclustern. Gerade die Psychiatrie veranschaulicht darüber hinaus, dass die Stigmatisierten auch zugleich an den normativen Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Die Kategorie des „Wahnsinnigen“, der der Umerziehung und Heilung bedarf, ist – das beschreibt der späte Foucault im Kontext der „Macht der Psychiatrie“ – eine „Normalisierungstechnik“, die den neuen gesellschaftlichen Standard beschreibt und Abweichungen von der Norm bestraft. Diese Entwicklungen seien eine Folge der neuen Imperative der bürgerlichen Industriegesellschaften, die auf Produktivität und
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Effizienz von Arbeitskraft beruhten. Der Wahnsinnige bewege sich – da nicht zweckdienlich – jenseits des normativen Möglichkeitsraumes. Sprache kreiert also Wirklichkeiten, nach denen sich Akteure richten und sie bringt Institutionen hervor, die wiederum Diskurse kreieren und kontrollieren. Die Existenz dieser Institutionen sagt etwas über die Standards, Verhaltensvorschriften und Sanktionsmechanismen, aber auch über die spezifischen, dominanten Interessen einer Gesellschaft aus. In diesem Sinne richtet sich das Augenmerk der KDA schließlich auf die diskursive Praxis der Diskurse, „bestehend aus Institutionen, Verfahren der Wissenssammlung und –verarbeitung, autoritativen Sprechern bzw. Autoren, Regelungen der Versprachlichung, Verschriftlichung und Mediatisierung“ (Jäger 2012: 23). Wodak et al. (1998: 42), die sich auf die sozialen Effekte von Sprache fokussieren, ergänzen: „Das Verhältnis zwischen den spezifischen diskursiven Handlungen und den Situationen, Institutionen und sozialen Strukturen, die sie rahmen, sieht die Kritische Diskursanalyse als dialektisches an: Einerseits formt und prägt der situationale, institutionelle und soziale Kontext den Diskurs, andererseits wirkt der Diskurs auf die soziale und gesellschaftliche Wirklichkeit formend zurück“.
Um die vielschichtigen expliziten und verdeckten Macht/Wissens-Komplexe einer Gesellschaft zu analysieren, ist also ein umfassender Blick auf die sprachlichen, aber auch auf die vor- bzw. außersprachlichen Regelsysteme und komplexen Wechselbeziehungen zwischen Individuen, Institutionen, Praktiken und Bedeutungen notwendig, innerhalb derer sich Diskurse formieren und die sie ihrerseits erst entstehen lassen. Foucault (1978: 199-200) nennt diese implizite, auf den sprachlichen Wirklichkeiten, ihren Hierarchien, Normalitäten und Grenzen begründete Gesamtstruktur ein „Dispositiv“.32 Es bezeichnet den komplexen sprachlichen und institutionellen Raum, in dem und durch den sich Diskurse entfalten. Keller (2001: 50) nennt es in Anlehnung an Foucault ein „Maßnahmenbündel, das einen Diskurs trägt und in weltliche Konsequenzen umsetzt“. Es hat eine sprachlich-gedankliche (diskursive), eine handlungsorientierte (praktische), eine gegenständliche Seite (alles, was die diskursive Praxis produziert: Häuser, Mauern, Zäune, Apparate etc.) und eine (implizite) strategische Ausrichtung, da es auf einen „Notstand“ reagiert. Als Beispiel nennt Foucault das Dispositiv der Inhaftierung als Maßnahme gegenüber dem „Problem der Kriminalität“, das ungeplant durch „Filterung und Konzentration […] Professionalisierung und Abschließung“ von als kriminell Etikettierten im 19. Jahrhundert zur „Konstituierung eines Milieus der Delinquenz“ geführt hätte. Mit der Konstitution dieses Milieus seien im Laufe der Zeit, z.B. durch die Organisation von Prostitution, Strategien zur ökonomischen Nutzbarmachung der neu entstandenen Struktur entstanden. Daraus folgert Foucault: 32
„Was ich unter diesem Titel festzumachen versuche ist erstens ein entschieden heterogenes Ensemble, das Diskurse, Institutionen, architekturale Einrichtungen, reglementierende Entscheidungen, Gesetze, administrative Maßnahmen, wissenschaftliche Aussagen, philosophische, moralische oder philanthropische Lehrsätze, kurz: Gesagtes ebensowohl wie Ungesagtes umfasst. Soweit die Elemente des Dispositivs. Das Dispositiv selbst ist das Netz, das zwischen diesen Elementen geknüpft werden kann. / Zweitens [Hervorhebung im Original] möchte ich in dem Dispositiv gerade die Natur der Verbindung deutlich machen, die zwischen diesen heterogenen Elementen sich herstellen kann. So kann dieser oder jener Diskurs bald als Programm einer Institution erscheinen, bald im Gegenteil als ein Element, das es erlaubt, eine Praktik zu rechtfertigen und zu maskieren, die ihrerseits stumm bleibt […]. / Drittens verstehe ich unter Dispositiv eine Art von – sagen wir – Formation, deren Hauptfunktion zu einem gegebenen historischen Zeitpunkt darin bestanden hat, auf einen Notstand (urgence) zu antworten.“
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„Das Dispositiv reagiert also auf einen Notstand und sucht ihn zu beseitigen, verursacht bei diesem Versuch jedoch negative Effekte, oder auch oft nicht gewollte oder sogar positive Effekte, die sich gegen diesen Versuch richten und dadurch weitere Notstände hervorrufen, aber möglicherweise auch Widerstände gegen Entwicklungen, die im ursprünglichen Dispositiv nicht ´vorgesehen` waren“ (Foucault 1978: 121).
Aus dem Angeführten lässt sich resümieren: Um ein Dispositiv und damit das Regelsystem, das der Produktion einer kollektiven Alltagswirklichkeit mit ihren Imperativen und Leerstellen zugrunde liegt, zu analysieren, muss man also auf drei Ebenen agieren: Der sprachlichen Vorstellungswelt, der damit interagierenden Verhaltensnormen und der gegenständlich-sichtbaren Sphäre, die aus den ersten beiden hervorgeht und jene ihrerseits prägt. Orientierung gibt dabei die Leitfrage, welchen Missständen eben jene Struktur entgegenwirkt bzw. welchen und wessen Interessen sie dient. Widersprüche zwischen den Ebenen und Widerstandspunkte des Dispositivs bringen dabei besonders deutlich implizite Machtstrukturen, Interessen und Zwänge zum Vorschein. Jäger veranschaulicht das am Beispiel des „Krankenhausdispositivs“. So stünden Krankenhäuser zunehmend unter dem Druck der wirtschaftlichen Effizienz. Die Folgen seien Diskrepanzen zwischen Anspruch und institutioneller Wirklichkeit im Hinblick auf Patientenversorgung, Hygiene, unnötige Geräteanschaffungen oder Therapien, die wiederum mit internen und gesamtgesellschaftlichen Unsicherheiten und Kontroversen einhergingen. Sie machten das Dispositiv zu einem „diskursiven Kampffeld“, innerhalb dessen sich die Akteure der etablierten Strukturen meist erfolgreich gegen äußere Einflüsse zu wehren bemühten (Jäger 2012: 116). Institutionelle Veränderungen in Diskurs und Praxis unter der Maxime der Effizienzsteigerung, die zugleich veränderte Interessen legitimieren und neue Wirklichkeiten selbstverständlich werden lassen, reflektiert auch die gegenwärtige Transformation der Institution Universität: Was sich auf der sprachlichen Ebene durch neue Schlagworte, wie Exzellenzcluster, Zukunftskonzept oder Pakt für Forschung und Innovation und in Vorlagen für Drittmittelanträge auf der Basis von Konzepten wie Mehrwert, Effekt oder Anwendbarkeit zeigt, spiegelt auf der institutionellen Ebene die Einführung neuer Regelsysteme, wie die im letzten Jahrzehnt vollzogene Modularisierung und Vereinheitlichung von Studiengängen und die Vertiefung von Evaluations- und Sanktionsmechanismen für wissenschaftliche und finanzielle Leistungen. Diese Entwicklungen werden durch gegenwärtige Forderungen von Studierenden nach Abschaffung der Anwesenheitspflicht flankiert, die u.a. auf der Performance der Lehrenden begründet wird, wie auch nach möglichst zeitsparender und zielorientierter Aufarbeitung des Lehrstoffs. Alle Prozesse gemeinsam deuten anschaulich darauf, wie sich eine Grundidee über sprachliche, institutionelle und praktische Handlungsebenen manifestiert, auf diese einwirkt und von ihnen wiederum geprägt wird. Die Ökonomisierung der Institution Universität reflektiert dabei im weiteren Sinne, was Gesellschaftsphilosophen und Wissenschaftler, wie Klaus Eder (2014), Richard David Precht, Harald Lesch und andere immer wieder öffentlich kritisieren: Nämlich eine akademische und politische Kultur, die sich zu sehr mit Evaluation und Messbarkeit bzw. der Auswertung immer größerer Datenmengen beschäftigt, hinter denen gesellschaftliche Grundsatzdebatten und Zukunftsvisionen immer weiter in den Hintergrund treten. Das gilt, wie im empirischen Teil zu zeigen sein wird, auch für den wissenschaftlichen wie gesellschaftlichen Umgang mit Unteilbarkeit.
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6 Im Anfang war das Wort: Die Macht diskursiver Realitätskonstruktion
So zeigt Foucault letztlich auf, wie sehr sprachliche Kollektive als diskursive Mikrokosmen mit je eigenen Wirklichkeiten, Regelsystemen und Praktiken zu verstehen sind. Seine Konzepte – die Rolle von Institutionen, von vermeintlich selbstverständlichen Kategorisierungsprozessen, die zu Weltbildern werden und Hierarchien und Handlungen legitimieren – finden sich auch in zahlreichen konstruktivistischen Analysen der Weltpolitik. Sie reichen von der diachronen Analyse eines einzigen Begriffes, über die diskursive Praxis von Institutionen, bis zur assoziativen Dekonstruktion konfrontativer Weltbilder: So illustriert Barnett (2011: 156) am Beispiel des Konzeptes „Flüchtling“ die völkerrechtliche Entstehung des Konzeptes aus den realhistorischen Bedingungen des 20. Jahrhunderts und seine strategische Bedeutungsveränderung im Zuge sich wandelnder Interessen. Er verweist damit auch auf die gegenwärtigen Deutungskämpfe und das Ringen um Definitionen wie „sicheres Herkunftsland“ oder den pejorativ konnotierten Neologismus „Wirtschaftsflüchtling“ und damit darauf, wie brisante politische Fragen und widerstreitende Interessen sich auf der diskursiven Ebene widerspiegeln. Pointiert bringen Barnett und Finnemore in ihrer Analyse diskursiver Realitätskonstruktion von internationalen Organisationen die Praxis der Selektion, Betonung, Interpretation und (Neu-) Definition von Ereignissen, Prozessen und Akteuren in einem Satz auf den Punkt: „They define shared international tasks (like ´development`), create and define new categories of actors (like ´refugee`), create new interests of actors (like ´promoting human rights`) and transfer models of political organization around the world (like markets and democracy)” (Barnett und Finnemore 1999: 699). Basierend auf ihrer Expertise, ihren Zielen und daraus resultierendem Prestige als Normunternehmer, bestimmten sie die Relevanz von Themen oder etwa die Legitimität von Akteuren (Naming-And-Shaming). Durch ihre Definition von Maximen, wie „good governance“ und „best practices“ könnten Internationale Organisationen so mit dazu beitragen, aus der Vielfalt an Ereignissen, Prozessen, Perspektiven und Positionen „gültiges Wissen“ zu machen (Ibid.). In ihrer Analyse der „Kuba Krise“, schließlich, illustriert Weldes die vor allem durch sprachliche Mittel konstruierten gegensätzlichen Weltbilder der USA und Russlands, mit denen entsprechende Konfliktpositionen gerechtfertigt wurden. Nach dem Modell der Identitätskonstruktion durch Artikulation (Konstruktion) und Interpellation (Positionierung und assoziative Verknüpfung der Akteure darin) erklärt sie die gegensätzlichen Interpretationen und Handlungsmuster der beiden Weltmächte vor dem Hintergrund ihrer jeweiligen Identitäten und eines bipolaren Systems, das sich durch Misstrauen und Abschreckung definiert (Weldes 1996: 276). Der diskursive Spiegel des Konfliktes reflektiere dabei das spezifische Weltbild und die eigene Rollenvorstellung der USA: Das US-amerikanische Selbstverständnis als „Führer der freien Welt“ konstituiere sich in Abgrenzung vom „aggressiven Totalitarismus“ der Sowjetunion. Diese Dichotomie würde durch assoziative, scheinbar kausale Verbindungen zwischen anderen Konzepten, wie „dominos“ und „puppets of the creml“ ergänzt. Aus diesen mit strategischen Interessen verbundenen sprachlichen Analogien ergebe sich schließlich ein moralischer, wie sicherheitspolitischer Handlungszwang („warranted conditions“, Ibid.: 282). Dieser Zwang sei der amerikanischen Bevölkerung von Seiten der Regierung aufgrund der Internalisierung und folgenden Naturalisierung dieses Weltbildes gut zu vermitteln gewesen, obgleich er aus realpolitischer Sicht nicht gerechtfertigt, der kubanischen Perspektive diametral entgegengesetzt und im Hinblick auf die Vorgeschichte des Konfliktes selektiv war (Ibid: 282-284). Sprache
6.2 Macht, Wissen und Wahrheit: Die kritische Diskurstheorie
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steht also wie Identität in einem wechselseitigen Wirkungsverhältnis mit Weltansichten und spezifischen Intentionen. Im Rekurs auf die sozialpsychologische Leitmetapher des Frames und die Instrumentalisierung von Sprache durch populistische Strategien wurden im vorliegenden Kapitel die Prämissen der kritischen Diskurstheorie erörtert. Dazu zählte zuvorderst die Dekonstruktion der vermeintlichen Einheit von sprachlichem Zeichen und außersprachlicher Wirklichkeit über die Kernkonzepte der KDA, den Macht/Wissens-Komplex, seine kognitiven Effekte und seine lebensweltlichen Ausprägungen. Im Kontext unteilbarer ethnozentrischer Konflikte mit ihrem so bezeichnenden monolithischen und exklusiven Wahrheitsanspruch, so kann man daraus ableiten, ist die KDA unerlässlich für die Sichtbarmachung der über Medien, Institutionen und Praktiken verbreiteten Leitideen, die Radikalisierungsprozesse erklären, Handlungen motivieren, regulieren, sanktionieren oder gar aus dem sprachlichen Möglichkeitsraum ausschließen und auf die versteckten und evidenten Interessen und Hierarchien deuten, die ihnen zugrunde liegen. Eng mit diesen Interessen und Hierarchien verbunden, so kann man wiederum überleiten, sind in unteilbaren Konflikten die allgegenwärtigen Repräsentationen der Konfliktgeschichte. Hier zeigen die unterschiedlichen Formen und Ebenen von Erinnerung ebenso das Ringen um Deutungshoheit wie die Selektion und Verdrängung von unliebsamen Aspekten der Vergangenheit und schließlich die Strahlkraft und Dominanz von ästhetisch geformten Erzählungen als Teil der kollektiven Identität auf.
7 Allgegenwärtige Vergangenheit: Das kollektive Gedächtnis 7.1 Einleitung: Die Relevanz von Erinnerung 7.1 Einleitung: Die Relevanz von Erinnerung „Jede Repräsentation von Vergangenem – auch und gerade in Gestalt persönlicher, stets an kulturelle und soziale Vokabulare, Schemata, Scripts etc. gebundener Erinnerungen – ist eine (Re-) Konstruktion, die vom Standpunkt und in der Perspektive einer Gegenwart vorgenommen wird. Diese Gegenwart ist konstitutiv für das, was wir Vergangenheit nennen, als solche identifizieren, beschreiben, verstehen oder erklären und vom ehemaligen Geschehen begrifflich unterscheiden. Im Unterschied zu dem, was unwiderruflich geschehen ist, verändern sich Vergangenheiten im Licht einer sich wandelnden Gegenwart (und damit verwobener Zukunftserwartungen) [Hervorhebung im Original]“ (Straub 2010: 140). „La relativitá dei contenuti memorali é allora conseguenza del fatto che il ricordo del passato […] cambia in rapporto alla sua presente rappresentazione interpretativa; come giá osservato da Aristotele prima ancora che da Einstein, il fenomeno non é lo stesso se considerato da differenti sistemi spazio-temporali” (Svevo 2001: XXVI).
Wie Identität, so erscheint auch Erinnerung weder statisch noch objektiv gegeben. Beiden Konzepten ist gemein, dass ihre Wirkmechanismen im lebensweltlichen Alltag zumeist nicht hinterfragt, wohl aber in ihrer Krise – man denke an den Verlust von Gedächtnis – zum Problem werden. Erinnerung sei relativ und standpunktabhängig, schreibt der italienische Romancier Italo Svevo in seinem 1923 erschienenen Hauptwerk „La Coscienza di Zeno“ durch die Figur eines Psychoanalytikers. Er nimmt damit u.a. Bezug auf die griechische Philosophie, Erkenntnisse Freuds und verweist zugleich auf die folgende systematische, wissenschaftliche Auseinandersetzung mit kollektivem Gedächtnis. Diese nimmt nur zwei Jahre später in Maurice Halbwachs´ interdisziplinär inspiriertem, zum sozialwissenschaftlichen Klassiker avancierten Buch „Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen“ ihren Anfang und reicht von Pierre Noras Geschichte der „Gedächtnisorte“ bis hin zu Aleida und Jan Assmanns jüngsten Analysen der unterschiedlichen gesellschaftlichen Erinnerungsformen, die durch neuro-psychologische Studien untermauert werden. Dass Erinnerung in individueller oder kollektiver Form vom gegenwärtigen, kulturellen, gruppenspezifischen Bezugsrahmen geformt wird, ist dabei allen Beiträgen gemein. So zeichnet Halbwachs nach, wie individuelle Erinnerungen in Abhängigkeit von kollektiven, sozialen Bezugsrahmen rekonstruiert werden. Er unterscheidet dabei zwischen autobiographischem (als erlebtem) und historischem (als überliefertem) Gedächtnis, die später in den Analysen von Aleida und Jan Assmann zum sozialen und kulturellen Gedächtnis ausdifferenziert wurden. Die interdisziplinäre Gedächtnisforschung befasst sich in diesem Sinne seit den 1980er Jahren zunehmend mit der Relativität und Intersubjektivität von Erinnerung. Sie tangiert dabei ganz unterschiedliche Disziplinen: Spricht man im Rahmen der konstruktivistischen Wende in den IB vom „Constructivist Turn“ und vom „Iconic“ und „Linguistic Turn“ in der Diskursanalyse, so attestiert Straub der Gedächtnisforschung – nicht zufällig scheint sich die Popularität von Erinnerungsforschung mit dem von Konstruktivismus und Sprachwissenschaft motivierten Paradigmenwechseln zu verbinden – die Triebkraft eines „Narrative Turn“ zu sein, in der die erzählten Erinnerungen der alltäglichen Interaktion im Fokus stünden und so unterschiedliche Bereiche wie die Kultur-, und Kommunikationsforschung, die Anthropologie und die narrative Psychologie beeinflusst hätten (Straub 2010: 136). Erklärt sich daraus ihre
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Rehrmann, Der Zypernkonflikt, Innovative Konfliktforschung – Innovation in Conflict Research, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31192-6_7
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7 Allgegenwärtige Vergangenheit: Das kollektive Gedächtnis
interdisziplinäre Popularität? „Schreibt man in der Gegenwart über das Forschungsfeld ´Erinnerung und Gedächtnis`, dann dürfen die Wörter ´Konjunktur` und ´Boom` nicht fehlen“, postuliert Moller (2010). So sei es zum einen den wissenschaftlichen Strömungen des postmodernen Relativismus, zum anderen dem realhistorischen (insbesondere dem deutschen) Kontext erinnerungsorientierter Transformationsprozesse und der Diskussion um „richtiges“ Erinnern, von der sie begleitet waren, geschuldet, dass jene Konzepte mittlerweile zu „Schlüsselkategorien der Geistes- und Sozialwissenschaften“ geworden sind (Ibid.). Den kollektiven Einfluss von Erinnerungen zu erörtern ist also in dreifacher Hinsicht von Bedeutung: Erstens haben Erinnerungen eine politische Dimension: Gesellschaften streiten sich über das kollektive Gedächtnis, das zum Aushängeschild einer politischen Gemeinschaft und ihres Umgangs mit der Vergangenheit werden kann. Unter dieser „offiziellen“, sichtbaren Ebene liegen zweitens die interaktiven Erinnerungen einzelner Gruppen, wie sie Halbwachs untersuchte. Beide können sich im Widerstreit befinden. Das Bedürfnis nach Sinn und Zugehörigkeit, Deutungshoheit und Dominanz, Interessen und Identitäten von Akteuren spielen dabei eine zentrale Rolle. In der Untermauerung dieser Aspekte liefern – wie auch in der politikwissenschaftlichen Identitäts- und Emotionsforschung – Neuro- und Kognitionspsychologie wertvolle empirische Befunde, die die Konstruktion und Dynamik von kollektiver Erinnerung zu erklären vermögen. Drittens prägen die politische, soziale und psychologische Dimension der Erinnerungsforschung auch die Auseinandersetzung mit „Geschichte“ selbst: Die Strahlkraft von Narrativen und Bildern und die (positive, wie negative) Relevanz von Geschichte für die nationale Identität (History Versus Heritage) sind dabei für das vorliegende Erkenntnisinteresse von besonderer Bedeutung. Auf Basis der Prämisse von der Wandelbarkeit und Relativität von Erinnerung werden im vorliegenden Kapitel die unterschiedlichen Ebenen und Formen kollektiver Erinnerung erörtert. Dabei soll aufgezeigt werden, wie sehr auch sie – wie Identitäten und Emotionen – erstens von eben diesem sozialen Bezugsrahmen (Frame), zweitens von Bedürfnissen nach Kohärenz, Zugehörigkeit und einem (kollektiven) positiven Selbstbild geprägt und drittens – der wichtigste Aspekt von Erinnerungen – spezifischen Interessen dienen: Insbesondere in ethnozentrischen Konfliktkontexten ist die Darstellung von Vergangenheit ein zentrales Instrument für die Begründung von Autochthonie und ethnischer Dominanz, von Unschuld und Rechtsansprüchen (Kapitel 11, 12, 13). So seien im Folgenden die zentralen Erkenntnisse der konstruktivistischen Gedächtnisforschung erstens die soziologischen und psychologischen Befunde der Konstruktion, Verdrängung und Anpassung von Erinnerung im individuellen und sozialen Kontext (Soziales bzw. Kommunikatives Gedächtnis), zweitens die statische, institutionelle Ebene des Gedächtnisses und ihre kulturelle und politische Dimension (Kulturelles Gedächtnis) erörtert und drittens – dieser Aspekt soll eine besondere Rolle spielen – die Macht der narrativen Erinnerungsform illustriert, wie sie in allen erörterten Ebenen zum Ausdruck kommt.
7.2 Konstruktion, Verdrängung, Anpassung: Erkenntnisse der Kognitionspsychologie
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7.2 Konstruktion, Verdrängung, Anpassung: Erkenntnisse der Kognitionspsychologie 7.2 Konstruktion, Verdrängung, Anpassung: Erkenntnisse der Kognitionspsychologie Individuelle Erinnerung ist – so kann man einleitend sagen – zum einen assoziativ, zum anderen in hohem Maße abhängig von individuellen Aktivierungsprozessen. Gegenstand des vorliegenden Abschnittes ist es, zu zeigen, dass Selektions- und Verzerrungsmechanismen wie sie die sozialpsychologische, aber auch die kognitionspsychogische Forschung analysieren, ebenfalls wesentlich vom sozialen Kontext abhängen. Um seine Hypothese von der retrospektiven Rekonstruktion von Erinnerung zu überprüfen, untersucht Halbwachs (1985: 25-124) in Orientierung an psychologischen und literarischen Befunden und eigenen Beobachtungen den Traum als vermeintlich einzigen Lokus außerhalb sozialer Interaktion. Er kommt zu dem Schluss, dass selbst Träume zu großen Teilen aus bruchstückhaften und verzerrten Erinnerungen und durch Sehnsüchte, Ängste oder Erwartungen motivierte Fiktionen bestehen und damit weit weniger ein etwaiger Abdruck individueller Erfahrung sind, als vielmehr eine komplexe Melange aus Erlebtem, Erzähltem und Erdachtem. Es sei kaum möglich, weit vergangene Ereignisse, die möglicherweise in den Tiefen des menschlichen Geistes „schlummerten“ authentisch zu erinnern, da sich Erinnerung im „Lichte des Intellekts veränderte, den Anblick wechselte, verderbt […] in dem Maße, wie sie heraufsteigt und sich der Oberfläche nähert“ (Ibid.: 54). Ein Erwachsener, der ein altes Kinderbuch lese und an jene Zeit zurückdenke, würde dies vor dem Hintergrund vielfältiger neuer Erfahrungen, breiterer Wissensbestände und intellektueller Kompetenz ganz anders lesen, als er es als Kind erlebt hatte (Ibid.: 129-131). Reflektierende Einordnung, Strukturierung und Bewertung von Erinnerung sei somit ein Automatismus, der dem Einzelnen einen unmittelbaren Zugang zu Erlebtem erheblich erschwert. Die Möglichkeit, Erinnerungen außerhalb eines sozialen bzw. intellektuellen Bezugsrahmens zu bewahren, gebe es nicht: „Diese Bilder [der Erinnerung, C.R.] werden Traumbildern zu vergleichen sein, die in einem unbestimmten Raum und einer unbestimmten Zeit schweben und die, weil man sie nicht lokalisieren kann, auch nicht erinnert werden können, sobald sie aus dieser halb bewussten Zone entschwunden sind, in der sie einige Zeit nach dem Erwachen verbleiben“ (Ibid. 147) .
Der spezifische Bezugsrahmen schließlich sei davon abhängig, welchen Gruppen der Einzelne angehöre. Halbwachs analysiert hier unterschiedliche „Erinnerungsmilieus“ anhand des Familiengedächtnisses, der Erinnerungen religiöser Gemeinschaften und sozialer Klassen. Ersteres erscheint als repräsentativ für die Konstruktion von Erinnerung in der sozialen Interaktion: So seien die einzelnen Erinnerungen von Familienmitgliedern nicht jenseits des „Familiengeistes“ mit seinen spezifischen Überzeugungen, moralischen Leitlinien und kollektivem Selbstverständnis denkbar: „Nehmen wir nun an, wir riefen uns ein Ereignis unseres Familienlebens in die Erinnerung zurück, das, wie man sagt, sich in unser Gedächtnis eingegraben hat. Versuchen wir, diese traditionellen Ideen und Urteile, die den Familiengeist bestimmen, davon zu trennen. Was bleibt übrig? Ist es überhaupt möglich eine solche Trennung durchzuführen und in der Erinnerung an das Ereignis so zu unterscheiden zwischen dem ´Bild von dem, was nur einmal stattgefunden hat und sich auf einen einzigen Moment und Ort bezieht`, und den Vorstellungen, in denen sich gewöhnlich unsere Erfahrung von der Handlungsweise und den Verhältnissen unserer Verwandtschaft ausdrückt?“ (Ibid.: 210).
In Anbetracht der bereits aufgeführten Befunde der Identitäts- und Kognitionsforschung deutet sich an dieser Stelle bereits an, wie eng der von Halbwachs erörterte „soziale Rahmen“ (man denke hier an die Befunde der TSI und des Symbolischen Interaktionismus mit seinem Fokus
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7 Allgegenwärtige Vergangenheit: Das kollektive Gedächtnis
auf den „bedeutenden Anderen“ zurück) eben nicht nur die individuelle Wahrnehmung und Bewertung von aktuellen Ereignissen, sondern auch die Rekonstruktion und Bewertung von Vergangenheit prägt. Das unterstreicht auch die (Neuro-) Psychologie, die bemerkenswerterweise – wie Erdelyi (2006: 511) betont – dem sozialen Bezugsrahmen eine zentrale Bedeutung beimisst: „Psychology has become pervasively constructivist (as neuroscience and psychoanalysis have always been). It is by now the standard view that memory is not strictly veridical and subject to wide-ranging and ongoing distortions. The source of these distortions [is] omissions, elaborations”. Selektion und retrospektive Strukturierung erscheinen hier als zentrale Merkmale individueller Erinnerung. Der Sozialpsychologe Harald Welzer (2011: 20-21) bezeichnet Erinnerung im Rückgriff auf neuropsychologische Studien denn auch als assoziative Aktivierung von Denkmustern. Entgegen anderslautender Annahmen sei inzwischen belegt, dass einzelne Erinnerungen im Gehirn nicht etwa als Ganzes an konkreten Orten, sondern durch komplexe, neuronale Muster zwischen unterschiedlichen Hirnregionen repräsentiert würden. Die Beschaffenheit und Stärke dieser Verbindungen wiederum sei davon abhängig, wie oft sie genutzt würden. Neuronale Verbindungen, die kaum oder gar nicht genutzt würden, verblassten mit der Zeit bzw. verschwänden gänzlich. Ersteres deutet auf die semantische Komplexität von Erinnerungen, letzteres darauf, dass Erinnerungen eine Eigendynamik besitzen: Was man kaum erinnert, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit vergessen (mit Ausnahme der Verdrängung), was wiederholt abgerufen wird, wird dafür kontinuierlich präsenter. Das ist mit Blick auf die allgegenwärtigen, stilisierten Gedächtnisse von Konfliktgesellschaften äußerst bedeutsam. Noch aufschlussreicher als die Frage, was erinnert wird, erscheinen indes die Befunde auf die Frage, wie etwas erinnert wird: Die Neurowissenschaft unterteilt die individuelle bzw. autobiographische (Langzeit-) Erinnerung nämlich in semantisches, episodisches, prozedurales, perzeptuelles und assoziatives Gedächtnis. Für das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Arbeit sind alle fünf, insbesondere aber die ersten drei relevant: Erinnerung unterteile sich demnach erstens in abstraktes, symbolisches, sprachlich kommunizierbares Wissen (semantisches Gedächtnis), zweitens in ein lineares Gedächtnis aus erlebten Ereignissen, die temporal und lokal zugeordnet werden können (autobiographisches Gedächtnis). Beide Gedächtnisse seien explizite, d.h. bewusste Gedächtnisse, während die übrigen drei auf einer nahezu unbewussten Ebene operierten: „Prozedural“ bezeichnet dabei das implizite, „nicht-deklarative“ Erlernen, die automatisierte und routinierte Reproduktion von Verhaltensweisen und die Entwicklung bestimmter Fähigkeiten. „Perzeptuell“ meint das automatische Wiedererkennen von präexistenten Reizen (Personen, Gegenständen, Ereignissen) und „Priming“ (wie bereits erläutert) die unbewusste Aktivierung von Gedächtnishalten durch bestimmte Marker (Kölbl und Straub 2010: 27-31; Welzer 2011: 23-27). Die ersten drei Kategorien können auch auf die kollektive Ebene übertragen werden: So wird das kollektiv-semantische Gedächtnis als kontextunabhängiges „Weltwissen“ oder „Wissenssystem“ einer Gemeinschaft bezeichnet und rückt damit in die Nähe der Diskurstheorie Foucaults. Das kollektiv-episodische Gedächtnis erinnert gemeinsame Erlebnisse und deren (emotionale) Bedeutung (Hübenthal 2014: 82-84). Beim ersten handelt es sich also um erzähltes bzw. überliefertes, beim zweiten um erlebtes Wissen.
7.2 Konstruktion, Verdrängung, Anpassung: Erkenntnisse der Kognitionspsychologie
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Das kollektive-prozedurale Gedächtnis wiederum konstituiert sich über Generationen vermittelte, zumeist unbewusst und gewohnheitsmäßig praktizierte Traditionen oder spezifische Rituale, wie kommunikative Gesten, schöpft aus „Traditionen und Rituale[n], die von einzelnen Personen häufig nicht-bewusst ausgeführt und weitergegeben werden“, schreiben Kölbl und Straub (2010: 32), während Kramp (2011: 98), der eindrücklich die Rolle des Fernsehens als kulturellem Erinnerungsmedium analysiert, von „unbewussten Traditionen“ spricht, „die sich in ihrer Ausübung kaum verändern und von Generation zu Generation weitervermittelt werden, in diesem Sinne mit der gewohnheitsmäßigen Wiederholung motorischer Mechanismen verglichen werden“. Wie gleich noch auszuführen sein wird, entsprechen die drei Kategorien im Wesentlichen den von Aleida und Jan Assmann aufgestellten Unterscheidungen zwischen sozialem und kulturellem und rituellem Gedächtnis. Erkenntnisreich für die Relevanz der einzelnen Erinnerungsbereiche sind dabei die Befunde, dass erstens semantisches und episodisches Gedächtnis in unterschiedlichen Gehirnregionen abgespeichert werden, zweitens „die episodischen Informationen beim Abruf als Erinnerung der Vergangenheit konstruiert sind, die semantischen Informationen jedoch als Wissen der Gegenwart“ und drittens eine abfallende Hierarchie zwischen prozeduralem, semantischen und episodischem Gedächtnis existiert (Hübenthal 2014: 84). Diese Hierarchien haben für die Art der Erinnerung erhebliche Konsequenzen: So belegen neuropsychologische Befunde eine deutliche Prävalenz des prozeduralen Gedächtnisses im Hinblick auf Konsistenz und Unmittelbarkeit. Welzer rekurriert in diesem Zusammenhang auf die Studie zu einem hirngeschädigten Patienten, „dem nahezu vollständig die Fähigkeit abhandengekommen ist, sich an etwas zu erinnern, der nach wie vor aber ein glänzender Golfspieler ist, der mit Selbstverständlichkeit nicht nur über die Technik und das Körperwissen, sondern auch über die zugehörigen Fachausdrücke verfügt – jedenfalls während des aktuellen Spiels, danach nicht mehr“ (Welzer 2011: 27).33 Diese Befunde sind, obgleich es sich hier um den Kontext eines spezifischen Krankheitsbildes handelt, für das zentrale Interesse der Forschungsarbeit insofern besonders relevant, als sie auf die grundsätzlichen Gedächtnisstrukturen verweisen. Der Bezug zu ethnisch-exklusiven Gesellschaften mit ihren normativen Verhaltensvorgaben, ihrem zumeist engmaschigen Netz aus Traditionen, Riten, gender- oder generationsspezifischen Verhaltensvorgaben und ihrem Fundus an kollektiv geteilten überlieferten Geschichten vermag dabei den (nur impliziten und doch gerade deshalb) immensen Einfluss von erstens kollektiven Rollen und zweitens kollektiven Sinnbildern im individuellen Gedächtnis zu verdeutlichen: Selbst wenn der Einzelne seine Lebensgeschichte und damit wesentliche Merkmale seiner Identität nicht mehr erinnern 33
Aus ihrer eigenen ehrenamtlichen Arbeit mit Alzheimerpatienten kann die Verfasserin bestätigen, dass Habitus, routiniertes themen- und rollenspezifisches Vokabular (insbesondere Redewendungen, Lehrsätze, allg. Wahrheiten) oder etwa die Wiederholung derselben Geste als Reaktion auf unterschiedliche Reize zu den klassischen Verhaltensweisen von Patienten gehören, deren episodisches Gedächtnis nachhaltig gestört ist. Da eine kohärente, „intellektuelle“ Konversation nicht mehr möglich ist, bleibt nur die Ebene der Körpersprache und der noch abrufbaren semantischen Zusammenhänge übrig. Sie erscheinen als das einzige Mittel, das einem Alzheimerpatienten im fortgeschrittenen Stadium zur Kommunikation geblieben ist. Interessant ist dabei die Beobachtung, dass diese Verhaltensmuster in zunehmendem Maße nur noch durch äußere Reize und dann nur für einen kurzen Zeitraum aktiviert werden. Je mehr, kann man daraus schließen, die Fähigkeit der inneren, geistigen Reflexion abhandenkommt, desto relevanter wird der äußere, soziale Kontext und mit ihm die ritualisierte Kommunikation, über die der Patient in der Lage ist, die noch übrigen Gedächtnisinhalte zu aktivieren (man denke an Halbwachs´ ephemere Traumbilder zurück).
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7 Allgegenwärtige Vergangenheit: Das kollektive Gedächtnis
kann, werden die zumeist unbewussten, rituellen Verhaltensweisen und Assoziationen der Person gleichsam als leere Hülle der Erinnerung nicht tangiert. Ferner können vereinzelte Wissensbereiche, wie obiges Beispiel der Golfkenntnis belegt, durch bestimmte Reize, wie z.B. Wissensfragen oder Schlagworte prägnant aktiviert werden. Dabei bleiben auch das perzeptuelle und assoziative Gedächtnis bis ins fortgeschrittene Stadium funktionsfähig. Was fehlt, ist die Fähigkeit der Kontextualisierung und des Transfers, sodass die Erinnerungen gleichsam losgelöst von jeglichem Referenzpunkt aufbewahrt werden. So kann man im Hinblick auf die unterschiedlichen individuellen Gedächtniskategorien folgern, dass gerade das dem Bedürfnis nach Sinn und Kohärenz der eigenen Identität am nächsten gelegene episodische Gedächtnis und auch zu einem guten Teil das semantische im Hinblick auf interne Einflüsse, wie Krankheit und Erinnerungsschwäche, am fragilsten erscheinen. Die unbewusst-affektiven und routinierten Inhalte des prozeduralen, perzeptuellen und assoziativen Gedächtnisses – und damit explizit die Gedächtnisinhalte, die ohne soziale Kommunikation nicht denkbar sind – sind beständiger als die geistig-reflexiven. Das unterstreicht die Bedeutung rituell-affektiver Erinnerung, wie sie für den Kontext vieler ethnonationalistischer Konflikte charakteristisch ist. Die Gegenüberstellung von episodischem und semantischem Gedächtnis unterstreicht diese Tatsache. So soll im Folgenden aufgezeigt werden, wie der soziale Kontext individuelles Erinnern und Vergessen konditioniert. Dabei geht es um den übergeordneten Einfluss kulturellen Wissens auf die Einordnung persönlicher Erfahrungen und auf die Probleme, die sich aus der Inkongruenz zwischen Erlebtem und institutionellem Gedächtnis ergeben können. Gudehus spricht in diesem Zusammenhang von „Exogrammen“ als externen, kollektiven Gedächtnisinhalten (Bild, Schrift, Film, Form) und „Endogrammen“ als neuronalen, erfahrungsbasierten, individuellen „Eindrücken“ des menschlichen Erinnerungsvermögens. Wie er in Anlehnung an Halbwachs postuliert, werden persönliche Erinnerungen dabei im Zweifelsfall in Orientierung an exogrammatischen Strukturen geordnet: „In diesem zugleich en- wie exogrammatischen Charakter des menschlichen Gedächtnisses liegt begründet, dass autobiographische Gedächtnisinhalte durchaus externen Quellen entstammen können, obwohl die sich erinnernde Person fest davon überzeugt ist, sich an Selbsterlebtes zu erinnern. Um alle möglichen, aus Filmen, Erzählungen oder Kommunikation stammenden Episoden nahtlos in das eigene autobiographische Gedächtnis einzufügen, ist lediglich erforderlich, dass diese eine hinreichende Wahrscheinlichkeit aufweisen, dass sie auch im Leben des sich Erinnernden vorgekommen sein könnten, und das sie zweitens von den Erinnerungsgemeinschaften geteilt werden können, zu denen die sich erinnernde Person zählt. Die Wahrheit des autobiographischen Gedächtnisses unterliegt also allein sozialen Bestätigungskriterien“ (Gudehus et al. 2010: 4).
Überträgt man diesen Befund auf den Kontext unteilbarer Konflikte mit ihren spezifischen individuellen und kollektiven Erinnerungen an Krieg, Gewalt, Leid und Widerstand ist erkenntnisreich, dass mächtige „Erinnerungsinstitutionen“ die inkongruenten oder (für den öffentlichen Diskurs) unliebsamen individuellen Erinnerungen durch die Allgegenwart der dominanten Geschichten überdecken können. Ein umgekehrtes Beispiel liefert die ebenfalls für Gewaltkontexte relevante Analyse der Verdrängung (Repression). Assmann (2006: 261) nennt sie „eine besonders hartnäckige Form der Konservierung“. Die Neuropsychologie belegt in diesem Sinne, wie Verdrängung zu einer obsessiven Dauerpräsenz von traumatischen Erinnerungen führen kann (Erdelyi 2006: 506). In
7.2 Konstruktion, Verdrängung, Anpassung: Erkenntnisse der Kognitionspsychologie
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Weiterführung dieser Erkenntnis verweisen Judith und Steven darauf, dass auch Verdrängungsmechanismen sozial motiviert sein können: „Sometimes forgetting and unawareness are explicitly encouraged by others – for instance, when harmful events are perpetrated by one person or group of people on another with manipulations to reduce the subsequent disclosure and memory of those events. […] Awareness of betrayal is destabilizing. […] a similar process can occur when people systematically remain unaware of observable betrayals by their own government. One motivation for remaining unaware is likely dependence upon the government for protection from threat. […] War memories are among those most susceptible to forgetting. It is commonly stated that the primary motive for repression is avoidance of psychic pain. […] Rather than avoidance of pain per se, I argue that repression is most likely when it serves a function such as protecting a necessary relationship” (Freyd 2006: 518-519).
Verdrängung kann also durch äußeres Einwirken einer dominanten Gruppe und innerlich durch das Anliegen nach Übereinstimmung mit dem gesellschaftlichen Konsens und der politischen Führung motiviert werden, die individuelle Bedürfnisse (Akzeptanz, Anerkennung, Zugehörigkeit) und Interessen (Sicherheit) bedient. Andere Autoren untermauern diesen externen Einfluss durch die Übertragung individualpsychologischer Kognitions- und Konditionierungsprozesse von Erinnerung (Vergessen/Verdrängen) auf die soziale Ebene: „Remembering and forgetting are also collective processes, and as such are subject to specific narrative pressures. On the one hand there are multiple ways in which attention is directed to salient social events, including reinforcement (´Yes, that’s what’s happened`), suggestion (´Do you remember when that happended?`), and rehearsal (´Tell everyone what happened`). On the other hand there are narrative processes of directed inattention (´Don’t tell, don’t think about it, it didn’t happen`) […]. If memory is understood to reside in the relational space between people who share direct and indirect experiences, then its dynamics take on considerable depth. We remember and forget not only within the parameters given to us by our social worlds, but as part of the mutual creation of the narratives that give form to our social worlds” (Pintar und Lynn 2006: 529).
Besonders in repressiven und autoritären gesellschaftlichen Kontexten, so kann man folgern, greift durch die Vermeidung kognitiver Dissonanz und die Verdrängung persönlicher Traumata in Orientierung an kollektivem Druck die allmähliche Abwertung individueller Erinnerung vor dem dominanten Narrativ oder dem kommunikativen Ringen über Vergangenheit, wie es – was noch zu zeigen sein wird – für den sozialen Alltag vieler unteilbarer Konflikte charakteristisch ist. Die Verdrängung bzw. umgekehrt die besondere Betonung von bestimmten Ereignissen erscheint dabei als natürlicher Mechanismus der Sinnkonstruktion, der sich im Kontext von Gewalt und Trauma potenziert. So ergänzt Hell (1998: 274): „Emotionale Voreingenommenheit in eine Richtung, wiederholtes Abfragen, Suggestionen und vieles andere kann eine falsche Erinnerung auslösen, die für die Betroffenen so real wie eine richtige Erinnerung ist und die für die Zuhörer dieser Erinnerung durch die Lebendigkeit der Schilderung absolut glaubwürdig wirkt. Bei Kindern ist dieser Effekt noch stärker als bei Erwachsenen“.
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Neurologische Erinnerungsforschung unterstreicht damit zum einen die Validität der geschilderten kollektivkognitiven Prozesse unteilbarer Konflikte. Zum anderen zeigt sich hier auch die Brisanz kommunikativer Interpretationsmacht, wie sie an der Schnittstelle zwischen erlebter und erzählter Erinnerung im Generationendialog zum Ausdruck kommt: In der GeschichtsbuchAbbildung 9 – Die fünf Formen des Erinnerns (eigene Darstellung) und Museenanalyse des Empirieteils wird aufgezeigt werden, dass die effektive Vermittlung einer kohärent gemachten Erinnerung sich vor allem an Kinder und Jugendliche richtet – also an die Folgegenerationen, die den Konflikt nicht selbst erinnern und die für die ästhetisch arrangierten Formen dieser erzählten Erinnerung besonders empfänglich sind (11.1-4., 12.2.1., 12.2.2., 13.). Abb. 9 fasst die einzelnen Erinnerungsdimensionen nochmals schematisch zusammen. Aushandlung von Vergangenheit und Intergenerationendialog verweisen indes bereits auf die nächste Gedächtnisebene zwischen sozialer und institutioneller Erinnerung.
7.3 Soziale und institutionelle Erinnerung 7.3 Soziale und institutionelle Erinnerung Wurde im Vorangehenden gezeigt, dass individuelle Erinnerung keineswegs (nur) aus authentischen Vergangenheitsabbildern besteht, sondern wesentlich durch soziale Bezugsrahmen, durch Bedürfnisse nach Kohärenz und Zugehörigkeit geprägt ist, so wird im Folgenden in der Erörterung des sozialen und institutionellen Gedächtnisses noch deutlicher, dass Erinnerung als kollektives Phänomen primär der Stiftung und Darstellung von Identität dient. Obgleich ersteres intersubjektiv und in ständigem Wandel, letzteres langfristig statisch und repräsentativ ist, erfüllen doch beide eine zentrale sinnstiftende und emotionale Funktion, mit der auch die Wahrscheinlichkeit einer Verfremdung einhergeht. „Das ´kommunikative Gedächtnis` ist im Vergleich zum kulturellen beinahe so etwas wie das Kurzzeitgedächtnis der Gesellschaft“, schreibt Welzer (2011: 14), „es ist an die Existenz der lebendigen Träger und Kommunikatoren von Erfahrung gebunden und umfasst etwa 80 Jahre, also drei bis vier Generationen. Der Zeithorizont des ´kommunikativen Gedächtnisses` wandert entsprechend mit dem fortschreitenden Gegenwartspunkt mit“. Das kommunikative wird deshalb auch „lebendiges“ genannt: Es konstituiert sich über und altert mit seinen Trägern
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und ist damit, so Jan Assmann, dem kulturellen Gedächtnis vorgelagert bzw. kann in einem Konkurrenzverhältnis zu ihm stehen. Es entsteht in der alltäglichen Interaktion, ist von individuellen Emotionen durchdrungen und definiert die kontinuierliche Selbstvergewisserung einer spezifischen Gruppe, die durch die Kommunikation „ein Bild oder einen Begriff von sich selbst, d.h. ihrer Einheit und Eigenart [erzeugt] und dies auf ein Bewusstsein gemeinsamer Vergangenheit [stützt]“ (Assmann 1988: 10). Damit werden sowohl der einheits- und identitätsstiftende wie auch der dynamische Charakter des kommunikativen Gedächtnisses deutlich. Da das kommunikative Gedächtnis auf den kontinuierlich erzählten Geschichten seiner Träger beruht, wird es zum einen in „Generationengedächtnis“ unterteilt, wenn es aus den kollektiv-episodischen Erinnerungen einer altersmäßig weitgehen homogenen Gruppe besteht. Das gemeinsame, identitätsstiftende Erinnern „an die alten Zeiten“ und das Debattieren darüber „wie es war“ steht dabei im Vordergrund. Zum anderen beruht es auf „Überlieferung“ eben jener Geschichten. Dabei steht der Generationendialog im Fokus (intergenerationelle Tradierung). Wie Analysen des Familiengedächtnisses zeigen, kann dabei beispielsweise die überlieferte Holocaust-Erinnerung der eigenen Großeltern für die Enkel repräsentativ als „Wahrheit“ über die gesamte historische Epoche gewertet werden, die auch an grundsätzliche Überzeugungen über Eigenschaften und Grundsätze der eigenen Familie gebunden sein kann (Welzer 2011, Moller 2010). Anders verhält es sich mit dem kulturellen Gedächtnis, das sich gerade durch Alltagsferne und durch bewusste Selektion und Verbindlichkeit auszeichnet: „Das lebendige Gedächtnis weicht […] einem mediengestützten Gedächtnis, das sich auf materielle Träger wie Denkmäler, Gedenkstätten, Museen und Archive stützt. Während im Individuum die Erinnerungsprozesse weitgehend spontan ablaufen und den allgemeinen Gesetzen psychischer Mechanismen folgen, werden auf kollektiver und institutioneller Ebene diese Prozesse durch eine gezielte Erinnerungs- bzw. Vergessenspolitik gesteuert“ (Assmann 2006: 21).
Die kommunikative Erinnerung (memoire) ist, so könnte man in diesem Sinne nach Pierre Nora behaupten, gleichsam in das wohl geformte und (sorgsam) ausgewählte Geschichtsbild (histoire) einer Gemeinschaft geronnen, die sich nicht mehr auf persönlichen Erzählungen, sondern auf formalisierten „Texte[n], Riten [und] Denkmäler[n]“ begründet und durch „Rezitation, Begehung [und] Betrachtung“ kontinuierlich vergegenwärtigt werden muss, da es sich nicht mehr um persönliche oder durch Zeitzeugen überlieferte Erinnerungen handelt (Assmann 1988: 12). Es ist nicht nur der Faktor „Zeit“, der die erlebten Erinnerungen praktisch automatisch zu „Geschichte“ werden lässt. Ebenso wie das autobiographische und das kommunikative Gedächtnis ist auch das kulturelle Gedächtnis im Sinne dominanter Selektions- und Deutungsmechanismen relativ. Denn es erfüllt in Form von Mahnmalen, Feiertagen, Gedenkreden, Museen oder Paraden auch eine politische Funktion. Es ist damit als „intentionale, äußerst organisierte und größtenteils institutionalisierte mnemonische Manifestation“ und damit als repräsentatives Aushängeschild einer Gemeinschaft nach außen gerichtet und damit ebenso wie das kommunikative Gedächtnis Referenzpunkt der Gruppenidentität (Gudehus et al. 2010: 93). Es ist allerdings im Gegensatz zu diesem hierarchisch konstruiert, denn es basiert vornehmlich auf der Deutungshoheit von Institutionen und Experten und symbolisiert als „offizielle“ Perspektive zumeist die Ansichten einer dominanten Gruppe. Aleida Assmann fasst die konstitutiven Merkmale des kulturellen Gedächtnisses folgendermaßen zusammen: Erstens sei es „identitätskonkret“, d.h. basiere auf dem „Wissensvorrat“ einer Gemeinschaft, mit dem sie sich durch eine „scharfe
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Grenze, die das Zugehörige vom Nichtzugehörigen […] trennt“ von anderen Gesellschaften distanziere. Das gilt besonders für ethnisch-exklusive Gemeinschaften und noch mehr für erinnerungstechnisch kompetitive Konfliktkontexte. Zweitens charakterisiere es sich durch interpretative Rekonstruktion, d.h. Neubewertung von Vergangenheit im Lichte der Gegenwart. Das bedeutet zwar nicht, dass das kollektive wie das kommunikative Gedächtnis auf einem kontinuierlichen, intersubjektiven Perspektivendialog beruht. Die Referenzpunkte bestehen nämlich drittens aus „Objektivation und Kristallisation kommunizierten Sinns“ (Geformtheit) und institutionellen Trägern (Organisiertheit), die das Selbstbild einer Gruppe bewahren und im Zweifelsfall verteidigen (Verbindlichkeit) (Assmann 88: 12-14). Je demokratisch-pluralistischer die Gesellschaft, so Gudehus et al. (2010: 116), desto offener und dynamischer der Aushandlungsprozess. Auch in demokratischen Gesellschaften aber gestaltet sich die Vergangenheitsbewältigung – wie die doppelte deutsche Erinnerung lehrt – durch Deutungs-, Macht- und Interessenkonflikte, die von Phasen der Verdrängung und Verleugnung charakterisiert sind. In diesem Sinne unterteilt Assmann (2013: 28) die kollektive Erinnerung in (überlappende) offizielle (Politik), institutionelle (Museen, Archive), öffentliche (Medien) und inoffizielle (Stammtisch) Sphären. In all diesen Sphären wird kontrovers über die Geschichte diskutiert. Als Ankerpunkte des kulturellen Gedächtnisses gelten dabei gemeinsame Erinnerungsorte, die mannigfaltige Formen besitzen: „Erinnerungsorte können ebenso materieller wie immaterieller Natur sein, zu ihnen gehören etwa reale wie mythische Gestalten und Ereignisse, Gebäude und Denkmäler, Institutionen und Begriffe, Bücher und Kunstwerke – im heutigen Sprachgebrauch ließe sich von "Ikonen" sprechen. Erinnerungsorte sind sie nicht dank ihrer materiellen Gegenständlichkeit, sondern wegen ihrer symbolischen Funktion. Es handelt sich um langlebige, Generationen überdauernde Kristallisationspunkte kollektiver Erinnerung und Identität, die in gesellschaftliche, kulturelle und politische Üblichkeiten eingebunden sind und die sich in dem Maße verändern, in dem sich die Weise ihrer Wahrnehmung, Aneignung, Anwendung und Übertragung verändert“ (François und Schulze 2000: 17).
Erinnerungsorte sind damit symbolische Referenzpunkte von Vergangenheit, die eine Bedeutung für die Gegenwart besitzen und damit in bestimmten Kontexten aufgerufen werden. Bedeutung und Relevanz dieser imaginären „Topoi“ hängen dabei von ihrer Bewertung durch die vielfältigen Erinnerungsgemeinschaften und ihrer Präsenz in der öffentlichen Auseinandersetzung ab. Sie können zum bildungsbürgerlichen oder popkulturellen, zu allgegenwärtigen oder kaum noch erinnerten Wissensbeständen gehören. Auch das kulturelle Gedächtnis, so kann man aus dem Vorangehenden schließen, ist damit grundsätzlich multipel und wandelbar. Je mehr die kulturellen Fixpunkte von Erinnerung aber in institutionelle Formen übergehen, desto mehr ist mit ihnen ein Anspruch auf Allgemeingültigkeit und Beständigkeit verbunden. Indes kann sich, wie im empirischen Teil zu verdeutlichen sein wird, auch das kulturelle Gedächtnis durch politische Umbrüche und veränderte Interessen transformieren. Dass sich die unterschiedlichen Ebenen der Erinnerung – das kulturelle, institutionelle und soziale Gedächtnis – in einem dynamischen Miteinander der Ergänzung und des Widerstreits befinden und sich der Übergang vom einem ins andere durch Überlappungen, Latenzzeiten und widerstreitende Prozesse der Deutungshoheit charakterisieren, kommt in den wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Kontroversen um die doppelte deutsche Erinnerungskultur zum Ausdruck. Zwischen dem „kommunikativen Beschweigen“ (Lübbe 2007) der unmittelbaren Nachkriegsgeschichte, der Auseinandersetzung der „68er“ mit der Elterngeneration,
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über die geschichtswissenschaftliche Debatte um Erbe und Schuld im Historikerstreit, bis zur Institutionalisierung des Holocaustgedächtnisses als negativem Gründungsmythos liegen fünf Jahrzehnte dynamischer Formung und Widerstand (Münkler 2009; Assmann 2013). Und auch heute erscheint mit Blick auf die Kritik an einer als zu rituell empfundenen Erinnerungskultur und den wideraufflammenden Streit über historische Verantwortung keine Einigkeit über Form und Legitimität kollektiver Erinnerung zu bestehen. Gleiches gilt für die DDR-Erinnerung, die sich noch in der Phase dynamischer Aushandlung zwischen erzähltem und erlebtem Gedächtnis befindet. Zu den Facetten der Erinnerung an die „zweite deutsche Diktatur“ (selbst eine umstrittene Bezeichnung) gehören vor allem der Vorwurf der westdeutschen Deutungshoheit und der andauernde Prozess der ostdeutschen Identitätsarbeit („Wissen, wie es war“; „Das wahre Leben im falschen“). Der Blick auf die ostdeutsche Vergangenheit wiederum veränderte sich seit der Wiedervereinigung vor dem Hintergrund der kulturellen, politischen und ökonomischen Transformation und des ostdeutschen Generationendialogs und ist zum Gradmesser für die Qualität der deutsch-deutschen Beziehungen geworden (Pates 2013; Ahbe 2013; Hacker et al. 2012; Hensel 2002). Die deutschen Erinnerungskulturen illustrieren damit anschaulich die Relevanz von Erinnerung als Indikator für Stadium und Qualität der Vergangenheitsbewältigung, ihren engen Bezug zu Identitätsfragen, das Ringen um Deutungshoheit und um ein positives Selbstbild. Diese Aspekte zeigen sich in unteilbaren, ethnisch-exklusiven Konflikten noch vehementer, weil sich nationale Gründungsmythen und Konfliktgeschichte zumeist mit brisanten territorialen oder politischen Interessen verbinden. Das verweist bereits auf die besondere Rolle von Monolithik, Statik und Omnipräsenz von Erinnerungsorten als Indikator für ungelöste Streitfragen. Im institutionellen, repräsentativen Gedächtnis einer Nation wie in der sozialen Kommunikation konstituiert sich der Anspruch auf Wahrheit und Relevanz dabei – wie zu zeigen sein wird – über die Form des Erzählten, die durch Sinnhaftigkeit, Schönheit und emotionale Strahlkraft bestechen soll. Die narrative und damit die ästhetisch arrangierte Struktur von Erinnerung sei deshalb im Folgenden erörtert.
7.4 Geschichte in Geschichten 7.4 Geschichte in Geschichten 7.4.1 Das Narrativ als zweite Grundmetapher der Sozialpsychologie Wie Identität – so kann man aus dem Vorangehendem vorerst schließen – ist auch Erinnerung erstens fest mit sozialer Interaktion verknüpft: Erinnerungen werden in der alltäglichen Kommunikation „ins Gedächtnis gerufen“, debattiert, ausgemalt, erweitert, manipuliert, infrage gestellt oder abgestritten. Sie fungieren dabei als Identitätsanker und –marker, als gemeinschaftlicher Referenzpunkt oder auch als Abgrenzungsindikator in freundschaftlichen, familiären, beruflichen, politischen oder kulturellen Beziehungen. Die kommunizierte Vergangenheit basiert also zumeist auf Erzählungen. Vor allem in traditionellen Gesellschaften, in denen die soziale Kommunikation über „Politisches“ fester, gleichsam ritueller Bestandteil des alltäglichen, lokalen Beziehungsgefüges ist, spielt das emotionale und bildreiche Erzählen und gemeinsame Debattieren über Tagespolitik wie über Vergangenes (in Südosteuropa und arabischen Ländern traditionell im „Kaffeehaus“) eine übergeordnete Rolle.
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Zweitens konstituiert sich Erinnerung verstanden als kollektives Geschichtsverständnis über institutionelle Vermittlung: Auch hier ist Geschichte an einer bestimmten Form orientiert. Insbesondere in ethnisch-exklusiven und noch einmal mehr in unteilbaren Konfliktkontexten, nimmt das institutionelle Gedächtnis einen zentralen Stellenwert im öffentlichen Leben ein, wird im Unterricht gelehrt und auswendig gelernt, begangen, zelebriert und repräsentiert (Kapitel 12 und 13). In beiden, im sozialen Kontext meist auf lebendige, vielfältige und impulsive Weise, im institutionellen politisch angeleitet und in sorgsamer Konzeption, spielt die narrative Struktur eine zentrale Rolle. Sie findet sich im autobiographischen, sozialen wie auch im institutionellen Gedächtnis und sie verbindet sich mit der Frage nach der identitätsstiftenden Relevanz von Geschichte und Geschichtswissenschaft. Narrative erfüllen nämlich die Funktion, der Fülle von erzählten oder erinnerten Ereignissen eine Struktur zu geben, die Kohärenz schafft: „Yet, just as nature abhors the vacuum“ – hier sei nochmals der Rekurs auf die Neurobiologie erlaubt – „so psyche abhors gaps and actively tends to fill-in these gaps”, denn es gelte, um jeden Preis Kontinuität zu stiften (Erdelyi 2006: 509). Narrative prägen damit Wahrnehmung, Denken, Erinnerung und Kommunikation, durchziehen die Kunst und ganz besonders die Literatur. Sie verbinden so als interdisziplinäres Konzept Politik-, Geschichtswissenschaft, Archäologie und Anthropologie. So spricht man von ihnen inzwischen (neben dem Frame) als einer weiteren Grundmetapher der Sozialpsychologie, da sie als Spiegel für individuelle wie kollektive Sinnund Gemeinschaftskonstruktion gelten. „Geschichten“, so Straub in seinem Aufsatz zur Erzähltheorie, „sind eine in ihrer praktischen, kulturellen, sozialen und psychischen Bedeutung kaum zu überschätzende Artikulationsform des Menschen […]. Der Mensch ist unweigerlich in Geschichten verstrickt und zeitlebens mit diesen Verstrickungen befasst“ (Straub 2010: 136). In seiner Analyse sozialer Identität führt Schmidt (2003: 7) Identität, Erinnerung und Diskurse über das Konzept des Erzählens zusammen: Der soziale Mensch definiere sich und kommuniziere ausschließlich über Geschichten, an denen andere Teil hätten. „Ohne Handeln in Geschichten, ohne Mitmachen, geschieht nichts Sinnvolles, weder im Alltag noch in komplexen Handlungszusammenhängen.“ Doch was genau macht die spezifische Form dieser Geschichten aus und was hat sie für einen Effekt? Das Oxford English Dictionary definiert ein Narrativ als „a representation of a particular situation or process in such a way as to reflect or conform to an overarching set of aims or values”.34 Demnach besitzen einzelne Ereignisse in dem Maße Zeichenhaftigkeit, als sie auf eine übergeordnete Idee verweisen. Im Gegensatz zum verwandten Frame aber definieren sich Narrative über eine zielgerichtete Ereignisfolge, also über Dynamik bzw. Chronologie. Die Linguistik spricht hier auch vom Scripts, die Erzähltheorie von Plot und suggeriert mit diesem der Literaturwissenschaft entlehnten Begriff bereits den konstruierten und ästhetischen Charakter der narrativen Erzählform: „Zentrale, psychologisch besonders wichtige Bestandteile eines Plots sind die Versuche eines oder mehrerer Akteure, Intentionen oder Absichten zu verwirklichen […]. Narrationen sind mit Motiven, Wünschen, Sehnsüchten und Bestrebungen sowie dem Gelingen oder Scheitern menschlichen Handelns befasst“ (Straub 2010: 143).
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[abgerufen am 22.02.2017].
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Während Frames also den Möglichkeitsrahmen vorgeben, bezeichnen Narrative, Scripts oder Plots die Handlungsabfolge, die sich in ihnen vollzieht. Ganz in diesem Sinne ergänzt Papadakis (2003: 253) die Definition des Narrativs in Orientierung an der griechischen Dramaturgie: „[A narrative consists of] a beginning, a plot, certain categories of actors, the spatial location where history unfolds, the moral centre through which events are to be evaluated and the end“ (Vgl. auch Franzosi 1998: 521). Nicht die bloße Ereigniskette, sondern der Spannungsbogen, die Botschaft, Lehre oder Mahnung, die sich in ihnen erkennen lässt, konstituiert also Narrative. Im Kernfach der Narratologie, der Literaturwissenschaft, finden sich zahlreiche Formen und Stilmittel, die unterschiedliche narrative Formen begründen, Spannung erzeugen und eine etwaige (moralische) Botschaft pointiert vermitteln: Die antike Tragödie mit ihrem Schema "rising action, climax, falling action, catastrophe and katharsis“ um die schicksalhaften Verwicklungen des tragischen Helden, In-medias-res-Anfänge, überraschende Wendepunkte durch einen deus ex machina oder etwa bewusste Brüche bzw. Manipulationen der Chronologie durch flashbacks, foreshadowings und Variationen zwischen „Erzählzeit“ und erzählter Zeit gehören dabei zum Grundgerüst der fiktionalen Darstellungskraft (Braungart et al. 2010). Sie durchziehen aber auch andere, vornehmlich öffentliche Sphären, angefangen von der antiken Rhetorik, über journalistische Genres, bis hin zu parteipolitischen Kampagnen und ethnomethodologischen Ansätzen wie beispielsweise dem narrativen Interview (Blatter et al. 2007: 60). Auch wissenschaftliche Präsentationsformen bedienen sich narrativer Strukturen, insbesondere natürlich die Geschichtswissenschaft selbst, deren Selektions- und Betonungsmechanismen Franzosi (1998: 530) kritisch reflektiert: „There are ´hot` chronologies such as World War II where the historian closely follows the events day by day, hour by hour, and chronologies where the historian quickly jumps over long spans of thousands of years. This selection of dates and events (the ´facts` of the historian), these narrative strategies are not ´innocent`”. Diese Erkenntnisse werden im Empirieteil sowohl in der Medien-, als auch in der Geschichtsbuchanalyse von Belang sein. Narrative schaffen damit über ihre dynamische Kohärenz – einem Theaterstück gleich – einen sequentiellen Sinnzusammenhang, dem der Zuschauer folgt, deren Ereignisverlauf er aufgrund einer bekannten Leitidee oftmals schon vorwegnimmt und, deren möglicherweise ergreifende und formschöne Anordnung darüber hinwegtäuschen mag, dass hier kein vollständiges, sondern ein geformes Bild gezeichnet wurde. Interessanterweise sind Narrative gerade im Hinblick auf ihre Anschaulichkeit und Wirkkraft auch für naturwissenschaftliche Erkenntnisse von Belang. Pointiert verweist Roald Hoffmann (2000: 310), amerikanischer Chemiker und Nobelpreisträger, darauf, dass alle großen naturwissenschaftlichen Theorien, von den kosmischen, geologischen, über die evolutionsbiologischen, wie auch Geschichten einschneidender Errungenschaften der Medizin, von chronologischen Spannungssequenzen, komplexen Kausalmechanismen, die es aufzudecken gelte, durchzogen seien: „Our microsociety’s ossified structures on what should go into a paradigmatic article are relaxed in seminars. One tells a story, and the audience drinks it up, for it sees the why and wherefore. And the speaker naturally tells a heroic tale of blind alleys, serendipity, obstacles overcome and all-conquering logic. Who needs a samurai epic when I can hear Sam Danishefsky or K. C. Nicolau struggling with the synthesis of calicheamicin?”
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Die Mediziner Meisel und Karlawish (2011: 2022) plädieren unter dem Titel “Narrative vs. Evidence-Based Medicine—And, Not Or” dafür, Narrative in Form von Individualgeschichten von Krankheitsverläufen in Evaluationsberichte mit aufzunehmen, um Popularität und Wirkungskreis wissenschaftlicher Erkenntnisse zu vergrößern: „[…] evidence from social psychology research suggests that narratives, when compared with reporting statistical evidence alone, can have uniquely persuasive effects in overcoming preconceived beliefs and cognitive biases. Therefore, although narrative is often maligned as anecdote and thus scrubbed from the toolbox of guidelines developers, epidemiologists, and regulatory scientists, there experts should consider narrative to develop and translate evidence-based politics”.
Die vorangehenden Beispiele verdeutlichen, welche Strahl- bzw. Überzeugungskraft und damit auch, welche Macht Narrative besitzen. Neben diesen universellen Eigenschaften narrativer Strukturen spielt aber auch Kultur für die Deutung von Geschichte(n) eine zentrale Rolle, die hier im Hinblick auf die konkurrierenden Erinnerungswelten im Kontext unteilbarer Konflikte interessiert. Denn, wie etwas erzählt bzw. erinnert wird, hängt (man denke hier an die Kognitionstheorie zurück) wesentlich von kulturellen Gewohnheiten, Präferenzen und logischen Erwartungen ab, die Erinnerung verfälschen und ihrerseits Leerstellen produzieren, die durch eigene Reproduktionen besetzt werden müssten. Der Einzelne „redigiere“, so Erdelyi (2006: 509510) im Rekurs auf Freud, im Verlauf der sozialen Kommunikation Gehörtes im Sinne der eigenen Erfahrungen und Erwartungen, während er unterdrücke, was widersprüchlich und unangenehm sei. Das Ergebnis sei ein „amalgam of fact and fiction”. Wie sehr der kulturelle Rahmen bei der Erinnerungsformung eine Rolle spielt, erläutern Kölbl und Straub (2010: 30) am Beispiel einer klassischen kulturpsychologischen Studie. In einem vielzitierten Experiment (Bartlett) wurde britischen Studenten eine uramerikanische Legende erzählt und ihnen aufgetragen, diese nach- bzw. weiterzuerzählen. Bartlett sei zu dem Ergebnis gekommen, dass Erinnerung nicht authentisch, sondern manipuliert durch kulturelle Schemata und Skripte (Kürzungen, Fehler, Fokussierungen, Umdeutungen, Veränderungen der kulturell fremden Geschichte im Sinne eigener kultureller Deutungen) reproduziert wurde. Die serielle Reproduktion von erlebter oder übermittelter Erinnerung in der sozialen Kommunikation kann sich also an diesen Schemata orientieren, um kulturspezifischen Sinn zu erzeugen. Erzählte Geschichten können so zu Sinnbildern ganzer Kulturgemeinschaften werden. In einem Beitrag des Deutschlandfunks unterzieht Regisseur Georg Seeßlen in diesem Sinne die fundamentale Bedeutung von Geschichten einer feinsinnigen historischen Reflexion, die von den Märchen des Mittelalters, den magischen Erzählungen der Moderne, bis zur Strahlkraft von „Game of Thrones“ und den mächtigen „Geschichten“ der Bildzeitung reicht. Gern sei die Erzählung transzendent und utopisch, stelle Vergangenes zukünftigen Verheißungen gegenüber, verbinde Generationen und diene durch den Akt des Erzählens der sozialen Identitätsaffirmation. Jede Geschichte spiegele dabei auch die jeweilige „Erzählergemeinschaft“: „Jedes Gesellschaftssystem erzeugt genau die Form des Erzählens, die ihr angemessen ist. Die klerikale Herrschaft erzeugt eine fortlaufende Erzählung der Fundamentalisierung, die feudalistische Herrschaft erzeugt eine Erzählung der Hierarchie und der Formvollendung, die nationalistische Herrschaft erzeugt die Erzählung von Ehre und Opfer […]“ (Seeßlen 2017).
In Anlehnung an dieses Verständnis und in Variation der bekannten Redewendung könnte man also schließen: „Erzähle mir deine Geschichten und ich sage dir, wer du bist, sein willst und zu
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wem du gehörst.“ Genau diese Funktionen, so kann man zum nächsten Abschnitt überleiten, erfüllen Geschichten en miniature in der autobiographischen Erinnerung.
7.4.2 Autobiographische Erinnerung: Oral History „What is the relationship between history and memory? There is still a strong tendency among historians – even historians of memory – to draw clear boundaries between the two. History is usually seen as scientific, somehow based on the truth, rigorous and as a good alternative to memory. Memory on the other hand, is bracketed as unreliabl, far from truth, a kind of flimsy superstructure. Often memory is seen as unwritten, and history as written. Yet, for a whole series of reasons, the distinctions are no longer convincing. For one thing, memory is part of history. Twentieth century history cannot be written, or understood, without reference to memory. Often, memory is the only way to grasp the lived experience of people, and their relationship with the past. Moreover, history itself is also unstable, flimsy, and unreliable, and often highly politicized” (Foot 2009: 5).
In dieser Passage bringt Foot nicht nur die bis heute zentrale geschichtswissenschaftliche Kontroverse über die Objektivität erlebter im Gegensatz zu wissenschaftlicher Geschichte, sondern auch ihre enge Verwebung zum Ausdruck. Beides ist für die Analyse individueller Erinnerung, wie sie in der Oral History (OH) geschieht, von zentraler Bedeutung. Als Teil der individuellen und sozialen Erinnerungsdimension jenseits institutionalisierter Geschichte ist sie für das Verständnis der Lebenswelten von Menschen in Konfliktkontexten von hervorragender Bedeutung (vgl. für Zypern Kapitel 12.3). Werden im Methodikkapitel Vorgehensweise und Techniken für Oral-History-Interviews erörtert, sollen im Folgenden Zielsetzung, Form, Relevanz und Herausforderungen dieser besonderen und relativ jungen qualitativen Methode erörtert werden. Seit ihrer Etablierung als Methode der Geschichtswissenschaft in den 1940er Jahren in den USA und Großbritannien (Black History, Frauenperspektiven, Arbeiterklasse) liegt ihr Fokus auf der „Sichtbarmachung“ von persönlichen Erinnerungen, dabei insbesondere von marginalisierten und unterdrückten Gesellschaftsgruppen im Kontext von Transformationsprozessen mit dem Ziel der Aufarbeitung von Unrecht durch „Auffüllung der Lücken“ offizieller Geschichtsschreibung bzw. der authentischen Vermittlung eines persönlichen Geschichtsbildes „aus erster Hand“ (Shopes 2002). So dient OH traditionell insbesondere der expliziten Infragestellung des institutionellen (politischen oder etwa auch geschichtswissenschaftlichen) Tenors. Dient sie doch der Sichtbarmachung und Konservierung von subjektiven, persönlichen und rituell kommunizierten Geschichten jenseits der institutionalisierten Sphäre und leistet so einen wichtigen Beitrag zur Ausbalancierung des traditionellen Ungleichgewichtes zwischen mündlichen und schriftlichen Quellen, zwischen impulsiv und emotional erzähltem Wort und auf Breitenwirkung und Langzeitspeicherung ausgerichtetem, gedrucktem Wort (vgl. Brüggemeier et al. 2009: 6). Dies ist insbesondere in Kontexten von zentraler Bedeutung, in denen die Vielfalt von Perspektiven durch das institutionelle Gedächtnis verdrängt wird. Die Vielfalt des erlebten und emotional zugänglichen Gedächtnisses stirbt mit den letzten Zeitzeugen. Die OH markiert damit den Übergang zwischen kommunikativer und institutioneller, zwischen erlebter und erzählter Geschichte. Doch kann man den subjektiven Erinnerungen trauen oder sind sie nicht durch Wunschdenken, Verdrängung oder kulturelle Schemata, durch
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individuelles Vergessen, Projektion, Analogien, Emotionen, Stereotype oder den Einfluss dominanter Gedächtnisse zu verklärt, um als verlässliche historische Quellen zu fungieren? In der deutschen Nachkriegsdiskusssion verwies die Kontroverse um Relevanz und Authentizität von Zeitzeugen des Holocaust, wie er im berühmten Historikerstreit zwischen Saul-Friedländer und Broszat zum Ausdruck kam, auf die breitere Kontroverse um Historizität, historische Verantwortung, aber auch um Wahrheit und richtige Erinnerung. Vertrat ersterer, die Verbrechen der Nationalsozialisten könnten nur über das Leid der Zeitzeugen wahrhaft vermittelt werden, forderte letzterer gerade die Entkopplung von persönlichen Bezügen. Nur dadurch, so Broszat, könnte der Holocaust wissenschaftlich erfasst werden.35 Gerade der Anspruch auf besondere Authentizität und Beweiskraft durch den individuellen Fokus wird dabei aus positivistischer Sicht aufgrund der erörterten Gefahr retrospektiver Verklärung kritisiert. Zeitzeugen seien unzuverlässig, so der kritische Tenor. Im Zuge der sog. post-positivistischen Wende der 1970er Jahre reagierte die OH-Forschung darauf, zum einen mit einer Differenzierung der Methoden zur kritischen Überprüfung individueller Erinnerungen, zum anderen aber durch eben jene epistemologische Fokusverlagerung, die nicht mehr auf die alleinige Aufdeckung von „Wahrheit“ abzielt, sondern erstens die alltagsweltlichen Facetten aufzeigen und zweitens aufzeigen will, was individuelle Perspektiven auf Vergangenes, was Verfälschungen und Rekonstruktionen über den gegenwärtigen Kontext auszusagen vermögen (Brüggemeier et al. 2009: 11-14; Mariner 2005: 59-69). Auf die bewusste Manipulation bzw. interessengeleitete Konstruktion von Vergangenem verweist Niethammer im Kontext seiner langjährigen Nachkriegsstudien mit Zeitzeugen, die er in unterschiedliche Gruppen unterteilt. Neben denjenigen, denen primärere Motivation in der Übermittlung der eigenen Lebens- und kollektiven Leidensgeschichte liege, gebe es Gruppen, die „in geschichtspolitischen Auseinandersetzungen der Gegenwart ein bestimmtes Geschichtsbild, das mit ihrer Gruppe zu tun hat, in den Vordergrund“ rückten. Am Beispiel der sog. „roten Kapos“ – kommunistischen Funktionshäftlingen im KZ Buchenwald – dekonstruiert er den Mythos des „anständigen Soldaten“. Jenen Häftlingen sei es gelungen, eine Geschichtsversion zu etablieren, in denen ihre Rolle im Lager als positiv und selbstlos erinnert wurde. So sei zu Unrecht das „Kollektivgedächtnis der roten Kapos zu einem Herzstück des antifaschistischen Kollektivgedächtnisses der DDR“ geworden (Niethammer 2012). OH-Interviews setzen also immer eine informierte und kritische Auseinandersetzung mit dem historischen, politischen, sozialen und auch – soweit umsetzbar – dem persönlichen Kontext des Interviewten voraus. Jenseits der schlichten Frage, ob der Zeitzeuge „die Wahrheit spricht“ (ob er also bewusst manipuliert) vermag die OH – und dies scheint für das vorliegende Erkenntnisinteresse wesentlich relevanter – gerade über die tiefenpsychologischen Auseinandersetzungen mit den persönlichen Erzählungen sowohl greifbare Einblicke in etwaige Leerstellen institutioneller Erinnerung zu bieten und zugleich Schlüsse über neuralgische Punkte oder kulturelle Spezifika der jeweiligen Gesellschaft zuzulassen. Das ist besonders in Konfliktkontexten wichtig, in denen sich kollektive Erinnerung durch das Ringen um Deutungshoheit auszeichnet. Subjektive und detaillierte Beschreibungen und Interpretationen, Farben, Gerüche, Eindrücke und Gefühle sol-
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len kommenden Generationen damit zum einen ein authentischeres Bild bewahren als distanzierte Historizität. Die OH steht so in ihrem Fokus auf individuellen Narrativen für Multiperspektivität und Subjektivität von Vergangenheit, die – pointiert formuliert – die abstrakten Höhen einer statischen und auf „bedeutenden“ Ereignissen und breiten Entwicklungslinien beruhende Geschichtsschreibung durch die lebendige, emotionale Perspektive des Einzelnen ergänzt. Die erinnerten und erzählten Geschichten geben dabei Aufschluss über persönliche wie kollektive Lebensmotive, denn die OH operiert im Zwischenraum zwischen persönlicher Biografie, kollektiver Geschichte und Kultur (Hesse-Biber 2006: 156). Sie deutet also zum einen auf den kulturellen Rahmen bzw. den etwaigen institutionellen Tenor und seinen Einfluss auf die individuelle Erinnerung und dekonstruiert ihn zum anderen, indem sie Dissonanzen zwischen erlebter und institutioneller Geschichte aufzeigt. In unterschiedlichen Fallstudien, die von Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg bis zur Erinnerung an den 11. September reichen, zeigt Hesse-Biber beispielsweise anschaulich auf, wie individuelle Erzählungen desselben Ereignisses sich in dem Maße unterschieden bzw. anglichen, wie sie durch Glaubensgrundsätze und Leitideen wie Patriotismus oder Religiosität durchzogen waren (Ibid.: 153-158). Ähnlich wie kollektive Identität prägen kollektive Referenzpunkte also was und wie erinnert wird. Dasselbe gilt indes auch für persönliche Leitideen bzw. Grundüberzeugungen über den eigenen Lebenssinn. Bluck und Habermas (2000: 127) sprechen hier vom sog. Life Story Schema. Darunter verstehen sie die retrospektive Einordnung der eigenen Lebenserinnerungen in einen übergeordneten narrativen Sinnzusammenhang: „[…] the more often memories are retold“, so die Autoren, „the more they become integrated into well-formed stories. We suggest that the life story schema is formed by analogous processes, as a residue of repeated speaking, thinking, and reasoning about the events of one’s past through which events are related to one another and to the self”. Sie unterscheiden dabei vier zentrale Merkmale dieser retrospektiven Konstruktion von biographischer Erinnerung: Linearität, moralische Färbung durch kulturelle Normen, Thematik (wiederkehrende Motive oder Leitideen, wie z.B. der Verweis auf eine göttliche Prüfung) und Kausalität (Wirkungsverhältnis der einzelnen Ereignisse zueinander). Alle Aspekte verweisen darauf, wie der Einzelne seine Erinnerungspunkte in Abhängigkeit von sozialem Kontext und auch persönlichen Maximen, Richtlinien oder Wahlsprüchen nach subjektiver Relevanz und Bedeutung narrativ strukturiert. Darauf wird in Kapitel 12.3 zurückzukommen sein.
7.4.3 Die Geschichte vom nationalen Erbe Was für den Einzelnen gilt, so kann man in Orientierung an der TSI folgern, gilt auch für die Gemeinschaft. Ganz im Sinne der Literaturtheorie und ihres fiktiven und ästhetischen Charakters definiert Löwenthal – wie im Emotionenkapitel bereits zitiert – auch das Charisma der institutionalisierten, offiziellen Geschichte über ihre ästhetische Form, indem er sie mit einer schillernden Perlenkette vergleicht (Lowenthal 1985: 254). Was Lowenthal poetisch formuliert, definiert Papadakis als übergeordneten Sinn von Ereignissen am Beispiel des ritualisierten Kollektivgedächtnisses: „[…] commemorative rituals reveal their full meaning only if treated as
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components (´events`) building a narrative that articulates a certain story (à history`)“ (Papadakis 2003: 253). Einzelne historische Ereignisse werden also erinnert, um, ähnlich wie auf individueller und sozialer Ebene, das Selbstverständnis eines Kollektivs (z.B. einer Nation) zu untermauern. Dabei schwingt eine grundsätzliche Problematik mit, die auf zwei Eckpunkte des Umgangs mit Geschichte, einerseits als wissenschaftlichem Forschungsobjekt, andererseits als (primordialem) gesellschaftlichem Erbe verweist. Gehen mit Institutionalisierung, Formung und Bewahrung von Geschichte notwendigerweise auch Selektion und Arrangement einher (denn anders könnte man kein kohärentes und konsistentes Bild der eigenen Vergangenheit konservieren), bestimmen auch politische Kultur und wissenschaftliche Tradition den Umgang mit Geschichte. Während im Idealfall Geschichtswissenschaft und Geschichtsdidaktik reflexiv, kritisch-distanziert, investigativ, erkenntnisorientiert und auch zu einem guten Teil interdisziplinär ausgerichtet sind, versteht sich „Monumentalgeschichte“ (Korostelina 2016) als (statisches) Erbe der eigenen Gemeinschaft, das erlernt, weitergegeben und geehrt werden muss. Wie Pingel (2009: 9-19) in den UNESCO-Richtlinien zur Schulbuchanalyse resümiert, steht Geschichtsvermittlung im 20. Jahrhundert im Zeichen bedingt erfolgreicher internationaler Bemühungen das monolithische, auf die eigene Gemeinschaft bzw. die eigenen nationalen Grenzen beschränkte, naiv-realistische Geschichtsverständnis durch eine kritisch-reflexive, multiperspektivische und globale Perspektive zu transformieren. Das scheint, wie bereits angemerkt, besonders dort kritisch, wo Geschichte gegenwärtige Ansprüche legitimiert. Polemisch kommentieren Makriyianni und Psaltis die Folgen von statisch-normativer Geschichtsdidaktik, die für ethnozentrische Kontexte besonders charakteristisch zu sein scheint: „When school ʽhistoryʼ is understood and taught as heritage it deliberately omits certain aspects of the past and thrives on ignorance and error; its nurturing virtue is bias and its essential purpose prejudiced pride“ (Makriyianni und Psaltis, 2007: 44). In seiner Analyse zum Geschichtsunterricht in unteilbaren Konfliktkontexten misst Bar-Tal der institutionellen Bildung in diesem Sinne eine zentrale Rolle für die Perpetuierung des interkommunalen Antagonismus zu: Frontalunterricht von selektiver Monumentalgeschichte in Kombination mit Schulzeremonien zum einen und die Sozialisation der Schüler in den Familien, durch die Medien und Erinnerungsorte zum anderen, ließe eine Generation heranwachsen, die das Konfliktethos mit Pathos verinnerlicht habe und damit gleichsam ein „perfektes“ Abbild der sozialen Konfliktartefakte widerspiegele: „By adulthood the majority of members share the same beliefs, attitudes, values, and emotions. As a result they will tend to have similar perceptions of reality and endorse, or indeed take, similar courses of action. Such a culture, however, the more solidly it is installed, acts as a major obstacle to any peace process as it inhibits and suppresses ideas that promote peaceful reconciliation” (Bar-Tal und Rosen 2009: 558).
Tabelle I zeigt in diesem Sinne die beiden Randpunkte eines potentiellen Kontinuums im Verständnis von Geschichte auf, die zugleich darauf verweisen, wie Geschichte praktiziert wird, welche Motivationen sich mit ihrer Auseinandersetzung bzw. Pflege verbinden, wie sich Geschichte als wissenschaftliches Konzept darstellt, welche Themen im jeweiligen Fokus stehen und wie das Selbstverständnis entsprechender Gesellschaften aussieht:
7.4 Geschichte in Geschichten
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Tabelle 1 – Monumentalgeschichte versus kritisch-reflexive Geschichtswissenschaft (eigene Darstellung)
Praxis
Kritisch-reflexives Geschichtsverständnis interinstitutionell; interdisziplinär; individuell und offen-kommunikativ
Monumentalgeschichte als nationales Erbe rituell; kollektiv zelebriert; institutionell homogen; staatlich gesteuert; auf Deutungshoheit zentraler Akteure basiert
Motivation
interdisziplinärer Erkenntnisgewinn; Verifikation von Hypothesen durch Quellenstudie und kritische Diskussion
vermeintlich universelle Ursprünge und Essenz der nationalen Gemeinschaft aufdecken und bewahren; seine vermeintlich wahre Natur und Zugehörigkeit erkennen; vorbildhaften, idealbildlichen Repräsentanten der eigenen Gemeinschaft huldigen; gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken; Stolz und Ehrfurcht generieren
Haltung
kritisch-reflexiv, objektiv, sachlich-distanziert, investigativ, offen
glaubensgebunden; normativ; hierarchisch; emotional (ehrfürchtig und stolz)
Konzeptverständnis
relativistisch und multidimensional: temporal, modal, lokal, komplex und dynamisch
absolut und eindimensional; naiv-realistisch; gruppenzentriert; Gefahr vor externer Manipulation und Repression der historischen „Wahrheit“
Zeitverständnis
historisch, zeitgeschichtlich, linear und episodisch
primordial; zumeist linear; episodisch mit gleichnishafttranszendentem Charakter
Perspektive
multiperspektivisch, relativ, vergleichend; regional, kommunal, national, international, global; sozial, kulturell, genderorientiert, politisch, ökonomisch, naturwissenschaftlich
eigene Nation als moralischer und politischer Referenzpunkt und Vorstellungsraum
Themen
keine inhaltliche, regionale oder zeitliche Themenbeschränkung; kritische Reflexion von Interaktion zwischen Weltund Partikulargeschichte und dem Ineinanderwirken von ökologischen, geographischen, sozialen, ökonomischen, politischen und kulturellen Entwicklungen relativ, dynamisch, (inter-) subjektiv
Krieg und Niederlage; Fokus auf hohen politischen Akteuren und ethnischen Repräsentanten, zumeist auf Männern; Unrechtserfahrung und Manipulation durch externe Akteure; Aggression, Ehre, Aufopferung, Kampfgeist; Errungene oder bevorstehende nationale Erfüllung; nationale Solidarität als unbedingte Ingroup-Norm
staatsbürgerlich (civic); multiethnisch, multikulturell, inklusiv
ethnisch-exklusiv; homogen, unumstritten
Gegenwartsbezug
Kollektives Identitätsverständnis
keine Historizität: Allgegenwart und allegorisch-symbolische Bedeutung von Geschichte für Gegenwart und Zukunft; Geschichte als quasi biologisch-kulturelles Erbe unzertrennlich mit jedem Individuum der Gemeinschaft verbunden
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Je mehr sich das Geschichtsverständnis dem Monumentalen annähert, desto mehr tritt, so kann man sagen, die narrative Form in den Vordergrund. Vor dem Hintergrund der neuropsychologischen Erkenntnisse, die aufzeigen, wie sehr menschliche Wahrnehmung, Identität und Erinnerung an (das Bedürfnis nach) Kohärenz durch übergeordnete Sinnzusammenhänge und Kontinuität geknüpft ist, wird die emotionale Strahlkraft von Narrativen deutlich. Sie basiert auf der sorgfältigen Selektion (Auswahl und Auslassung) von Ereignissen und ihrem Arrangement im Sinne einer übergeordneten Botschaft. Wie im empirischen Teil zu zeigen sein wird, konstituiert sich Geschichte im Fall der ethnisch-exklusiven Nation als Kausalkette von bedeutenden (heldenhaften bis dramatischen) Ereignissen in der linearen Entwicklung der nationalen Schicksalsgeschichte. Die Ereignisse besitzen allegorischen Charakter, sind also als universelle und übergeordnete Wahrheit und Lehre für das Verständnis von Gegenwart und die Erwartungen an die Zukunft zu sehen. Geschichte wird in der Schule entsprechend als Frontalunterricht praktiziert und basiert auf Verinnerlichung von Fakten, Zahlen, Daten und Lehrsätzen, die durch ritualisierte (Prozessionen, Versammlungen zu politischen oder religiösen Gedenktagen) und institutionelle (Museen, Denkmäler, Bildungseinrichtungen, Medien) Formen ergänzt und stetig vergegenwärtigt werden. Sie werden damit zu Pfeilern kollektiver Identität mit starkem handlungsleitendem Charakter. Hammack und Pilecki (2012: 78) definieren die narrative Struktur in diesem Sinne als „the sensible organization of thought through language, internalized or externalized, which serves to create a sense of personal coherence and collective solidarity and to legitimize collective beliefs, emotions, and actions“. Diese Definition unterstreicht die Funktion von Narrativen für das Bedürfnis nach Sinn, Ästhetik und Kohärenz. Eine fein abgestimmte, auf Kampf, Gefahr und heroischen Taten basierende, zusammenhängende und moralisierende Geschichte kann damit gerade in unteilbaren Konflikten gesellschaftliche Aktivitäten und Praktiken regulieren, indem sie Solidarität evoziert und Konformität einfordert.
7.4.4 Spurensuche und Spurensicherung über Relikte Die institutionelle und soziale, kollektive und individuelle, die bewusste, stilisierte sowie die unbewusste Auseinandersetzung mit Vergangenheit spiegelt sich schließlich auch im Umgang mit historischen Relikten – Assmann nennt sie Spuren – als gleichsam ungeformten materiellen Bruchstücken einer vergangenen Zeit. Sie können unbeabsichtigten und intentionalen Charakter haben und sind damit ebenfalls ein wichtiger gesellschaftlicher Indikator für die Frage nach dem Umgang mit Vergangenheit. Die Idee der Spurensuche definiert Assmann (2006: 208-211) als die kulturhistorische Erforschung von Geschichte über Gegenstände, die seinerzeit ohne historische Bedeutung konstruiert wurden. Sie schließen damit das unbeabsichtigte, möglicherweise auch das ungewollte, in jedem Fall ungeformte Gedächtnis einer vergangenen Ära ein, deren Überbleibsel „obwohl nicht als Zeichen gemeint, dennoch nachträglich als Zeichen lesbar“ sind. In Postkonfliktgesellschaften können dies im öffentlichen Raum Grenzzäune, Mauern oder verfallene Häuser, aber auch persönliche Gegenstände sein. Am Beispiel von Aufzeichnungen, Bildern aus Zeitschriften, Liebesbriefen oder Artefakten des öffentlichen Raumes unterstreicht Kramp (2011:
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97), wie Gegenstände, die seinerzeit zu spezifischen Zwecken kreiert wurden, schon nach kurzer Zeit als zeithistorische Relikte – ob das im Sinne ihrer Begründer war, oder nicht – neue Bedeutung generieren, indem sie erstens etwas über den Kontext aussagen, dem sie entstammen. Das gilt also für alles, was den Zahn der Zeit irgendwie überdauert und als gleichsam ungeformte Primärquelle von einer vergangenen Zeit – vom Zeitpunkt ihrer Entstehung und möglicherweise auch der Zeit danach bis hin zur Gegenwart – erzählt. Zweitens verweisen sie als Relikte aber auch auf den gegenwärtigen Umgang der Gesellschaft mit ihnen selbst. Was wird im Schrank verschlossen, was in Museen zur Schau gestellt, was wird abgerissen, was stehengelassen, was wird neu aufgebaut, was dem Verfall überlassen, was gilt als Touristenattraktion, was ist „einfach nur da“, weil man es nicht gänzlich beseitigen kann oder darf? Manche Erinnerungsorte und -gegenstände im öffentlichen wie im privaten Raum werden kreiert, inszeniert und gepflegt, andere (mitunter demonstrativ) ignoriert. Die Unterscheidung zwischen geformten und ungeformten Erinnerungsorten sagt also etwas über deren gegenwärtige, insbesondere deren politische Bedeutung aus. Im Schwebezustand unteilbarer Konflikte spiegeln sich, wie im empirischen Teil zu zeigen sein wird, sowohl der Bedeutungswandel als auch die widersprüchliche Zeitlosigkeit von Relikten des öffentlichen Raumes und ihre politische Relevanz wider. In jedem Fall besitzen Relikte als Gegenstände aus der Vergangenheit eine besondere emotionale Anziehungskraft. Wie te Hessen (2014: 251) am Beispiel einer Ausstellung nach Spoerris Musée Sentimental illustriert, in der Relikte und Reliquien der Vergangenheit und die sie umwebenden Geschichten im Vordergrund stehen, verbinden historische Gegenstände damit Institutionelles, wie Privates, kollektive Aushängeschilder und persönliche Lebensgeschichten. Die Ausstellung von Relikten basiert dabei auf der Idee der Vermittlung eines „sinnlichen Zugang[s] zu einer vergangenen Zeit, die exemplarisch in den Objekten als Kulturgeschichte aufleuchten soll“. Im geschilderten Museum steht die zufällige Anordnung persönlicher Gegenstände im Vordergrund. Sie soll die Fantasie der Besucher beflügeln, mit ihnen verbundene Geschichten zu rekonstruieren und Parallelen zum eigenen Leben herzustellen (Ibid. 2014: 248-255). Die Idee solcher Museen entstand mit der Absicht der „Spurensicherung“ (durchaus verstanden in seiner forensisch-kriminalistischen Konnotation), die als künstlerischgeschichtswissenschaftliche Bewegung unter der Prämisse, „dass wir keinen zeichenfreien und interpretationsunabhängigen Zugang zur Welt und Wirklichkeit haben“, einen Schwerpunkt auf emotional und haptisch vermittelte, also sinnlich erfahrbare Alltagsfragmente setzt (Ibid.: 255). Dass diese emotionale, gegenständliche Vermittlung von Vergangenheit – wie sie im vorangehenden Kapitel bereits anklang – sowohl offenen und kreativen wie auch monumentalgeschichtlichen Charakter haben kann, wird im empirischen Teil (Kapitel 12.2.1.) aufgezeigt werden. Individuelle wie kollektive Erinnerung – das sollte das vorliegende Kapitel aufzeigen – ist nicht statisch, sondern relativ und intentional. Sie verändert sich erstens vor dem Hintergrund des gegenwärtigen Blickwinkels, der als interpretativer, aber auch interessen- bzw. bedürfnisorientierter Rahmen dient. Sie formt sich zweitens in der und durch die soziale Interaktion, in der das Erlebte und Erzählte miteinander verschmelzen. Drittens dient Erinnerung als repräsentatives Aushängeschild einer Gemeinschaft und unterliegt als solches Deutungskämpfen. Für
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die gleichsam geronnenen sozialen Repräsentationen, für Geschichtsvermittlung und Zelebration, wie auch für die vielfältigen, kommunizierten Geschichten spielt viertens die ästhetische Form – das Narrativ – eine zentrale Rolle, weil es entscheidend zur Strahlkraft, Sinnhaftigkeit und Selbstverständlichkeit von Geschichte beiträgt. Alle vier bisher erörterten Konzepte (Identitäten, Emotionen, Sprache bzw. Ideen und Erinnerung) kommen darin zum Ausdruck. Wie zu zeigen sein wird, sind Narrative zugleich auch die sprichwörtlichen Pfeiler für die Bindekraft der ethnisch-exklusiven, vorgestellten Gemeinschaft. Denn narrative Form, soziale Konstruktion und institutionelle Relevanz von Geschichte sind auch für das Selbstverständnis nationaler Gemeinschaften charakteristisch. Klangen die zentralen Ideen der primordialen Nationalgemeinschaft in der Definition von Monumentalgeschichte bereits an, soll im folgenden Kapitel das fünfte und letzte Kernelement der soziopsychologischen Analyse von Unteilbarkeit erörtert werden: der nationale Vorstellungsraum, sein historischer Hintergrund, seine Widersprüche, Funktionen und seine Macht.
8 Heimat, Familie, Unsterblichkeit: Von der Anziehungskraft des Nationalen 8.1 Einleitung: Die vorgestellte Gemeinschaft damals und heute 8.1 Einleitung: Die vorgestellte Gemeinschaft damals und heute „Of course, it is the ideology of world nationalism itself which induces us along this road, by suggesting that human society consists essentially of several hundred different and discrete ´nations`, each of which has (or ought to have) its own postage-stamps and national soul” (Nairn 1975). „Our existence today is marked by a tenebrous sense of survival, living on the borderlines of the ´present`, for which there seems to be no proper name other than the current and controversial shiftiness of the prefix ´post`: postmodernism, postcolonialism, postfeminism […]. The very concepts of homogenous national cultures, the consensual or contiguous transmission of historical traditions, or 'organic' ethnic communities - as the grounds of cultural comparativism - are in a profound process of redefinition. The hideous extremity of Serbian nationalism proves that the very idea of a pure, 'ethnically cleansed' national identity can only be achieved through the death, literal and figurative, of the complex interweavings of history, and the culturally contingent borderlines of modem nationhood” (Bhabha 1994: 1-5). „Man kann hier die diversen religiösen fundamentalistischen Bewegungen einordnen, die Bewegungen eines erstarkten Nationalismus, etwa in Putins Russland, auch in Modis Indien oder in der Türkei Erdoğans, schließlich die rechtspopulistischen Bewegungen in ganz Europa. Auf den ersten Blick sind alle diese Tendenzen kaum auf einen Nenner zu bringen, ja ihre Anliegen scheinen diametral entgegengesetzt. Tatsächlich jedoch teilen sie alle die Gemeinsamkeit, Kultur im Sinne eines Kulturessenzialismus gegen die kosmopolitische Hyperkultur in Stellung zu bringen. Kultur ist hier kein dynamischer, hybrider Markt, sondern hantiert mit der großen Differenz zwischen Ingroup und Outgroup, mit dem Gegensatz zwischen dem Wertvollen des Eigenen – das als Grundlage kollektiver Identität taugt – und dem Fremden, das indifferent oder wertlos erscheint” (Reckwitz 2016).
Ein Abstand von jeweils etwa zwei Jahrzehnten liegt zwischen jeder der zitierten Passagen, in denen die renommierten Nationalismus- bzw. Kulturtheoretiker Nairn, Bhabha und Reckwitz das exklusive Selbstbild nationaler Gemeinschaften reflektieren. Zunehmende Entgrenzung im Zuge der europäischen Integration parallel zur Hochphase und Überwindung der politischen Blockkonfrontation, neue religiös-kulturelle Bruchlinien und jüngst eine Renaissance kulturessentialistischer Strömungen scheinen die Vorstellung der exklusiven Nation in dieser Zeitspanne vor immer wieder neue Herausforderungen und in neue weltpolitische Zusammenhänge gestellt zu haben. An ihrer Grundidee und Strahlkraft scheint sich aber insgesamt wenig verändert zu haben. Gegenwärtige Auseinandersetzungen um den Begriff der „Nation“, der nationalen Zugehörigkeit und nationalen Identität – das zeigen die Kontroversen um die Frage, ob sich Europa als politisch-inklusiver, transnationaler, abendländisch-christlicher Kulturraum oder etwa als „Europa der Vaterländer“ (De Gaulle) definieren sollte, ob also eher bürgerrechtliche (civic) Werte oder Abstammung, Geschichte und Tradition über Grenzen und Zugehörigkeit entscheiden sollen. Die Legitimität des europäischen Staatengefüges auf Basis seiner friedensethischen Gründungsidee scheint jedenfalls zunehmend durch aggressiv nationalistische Fliehkräfte bedroht. Angesichts der globalen Entwicklungen der 1990er und 2000er Jahre nach dem Zerfall des Ostblocks mit seinen blutigen Sezessionskonflikten und umfassenden Renationalisierungsprozessen in Südosteuropa und dem Kaukasus oder der weiteren Eskalation des Nahostkonfliktes, haben die großen Eck- und Streitpunkte des Zeitalters der Nationengenese wenig an Aktu-
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Rehrmann, Der Zypernkonflikt, Innovative Konfliktforschung – Innovation in Conflict Research, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31192-6_8
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alität eingebüßt. Zugleich bewegen sich diese neuen Entwicklungen im dynamischen Spannungsfeld politischer, ökonomischer und lebensweltlicher Trans- und Entnationalisierungsprozesse. Könnte die Rede vom postnationalen Zeitalter, wie sie Bhabha als feinsinniger Analytiker des hybriden kulturellen Zwischenraumes formuliert, die Nation als Anachronismus erscheinen lassen, erscheint die Rückbesinnung bzw. Hinwendung zum Nationalen doch als sehr zeitgenössische Reaktion auf die vielfältigen sozialen Unsicherheiten, (sicherheits-) politischen, ökonomischen und identitätsrelevanten Herausforderungen einer zunehmend durch globale Wirtschaft, Digitalisierung und Mobilität entgrenzten Welt. Nairn (2003: 347) jedenfalls bezeichnete den Nationalismus zynisch als krankhaftes Symptom von Hilflosigkeit, als Reaktion auf die Widrigkeiten der Moderne, die gesamtgesellschaftlich so unausweichlich und schwer zu behandeln seien, wie die Neurose des Einzelnen. Analysen der Gegenwart zur Anziehungskraft populistischer, auf völkisch, ethnisch oder kulturell exklusiven Botschaften beruhender Parteien und Bewegungen bekräftigen das. Wie Murray-Leach, Fligstein et al. oder Durant et al. im Kontext der aufstrebenden europäischen Populisten erörtern, wirken die teils aggressiv nationalistischen auf horizontale (Homogenität) und vertikale (Anti-Establishment) Abgrenzung gerichteten Botschaften auf eine steigende Anzahl europäischer Bürger deutlich ansprechender als Appelle an eine Besinnung auf die europäischen Errungenschaften und Gründungsmotivationen (Murray-Leach 2014; Fligstein et al. 2012; Wodak 2015). Gleichsam als Spiegel der internationalen Ebene und ihrer immer komplexeren Gemengelage scheinen so insbesondere die westlichen Industriegesellschaften im Angesicht der vielzitierten Erosion der sozial-moralischen Milieus und verstärkt durch die sozioökonomischen Folgen der Weltwirtschaftskrise anfälliger für die auf Abgrenzung und Diskriminierung basierenden sinn- und gemeinschaftsstiftenden Identitätsangebote populistischer, aggressiv nationalistischer Parteien geworden zu sein. Wenn Eder (2014: 229) die gegensätzlichen Zentrifugalkräfte beschreibt, die gegenwärtig ihre Schatten auf den europäischen Integrationsprozess werfen, erscheint sein Befund geradezu als Sinnbild für die Nation im 21. Jahrhundert überhaupt: „The crisis in Europe therefore indicates a situation for a potential rupture in the ongoing process of transnationalization of the collective identity of its people. The brute fact is that the transnationalization of social relations in Europe fosters imaginaries either of a return to national identities or a move towards the cosmopolitan collective identity frame. Both imaginaries intensify the crisis of Europe: Europe is entering the stage of identity politics in which established interests and their equilibration no longer contain the dynamics triggered by ruptures in collective identities“.
Die (Rück-) Besinnung auf die Nation und nationale Identität ist also eine von zwei möglichen Reaktionen auf soziale Umbrüche, Unsicherheiten und die Redefinition staatlicher Grenzen. Zugleich lässt sich in den gegenwärtigen Diskursen um Europa wie auch im Rekurs auf das „kurze“ 20. Jahrhundert (Hobsbawm) erkennen wie leicht aggressiv-nationalistische Botschaften von Zugehörigkeit und Erhabenheit als Ventil für gesellschaftliche Frustrationen, Ressentiments gegen politische Klassen, ethnische Minderheiten oder für den Widerstand gegen repressive (oder also solche empfundene) Strukturen nutzen lassen. Im Gegensatz zu den konkurrierenden politischen Ideen, den anderen, großen „Ismen“, wird der Nationalismus – sozialpsychologisch gesprochen – also besonders effektiv über identitätsrelevante Appelle und Abgrenzung gegenüber einem bedeutenden Anderen zur ideologischen Massenbasis (Wodak et al. 1997). Ignacio Ramonets (1998) düstere Analogie zwischen dem rasanten Aufstieg der europä-
8.1 Einleitung: Die vorgestellte Gemeinschaft damals und heute
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ischen Populisten und Rechtsextremisten der 1990er Jahre und der Alltagswirklichkeit der ausgehenden 2020er Jahre scheint vor dem Hintergrund der sozioemotionalen Anziehungskraft von aggressivem Abstammungsnationalismus in beunruhigendem Maße aktuell. Auch der renommierte Soziologe Heinz Bude zieht diese besorgniserregende Parallele, wenn er das deutsche Klima der Zwischenkriegszeit mit der heutigen „Gesellschaft der Angst“ vergleicht, die sich u.a. durch das Schwinden kollektiver Vorbilder, universeller Ideale und sozialer Gewissheiten charakterisiere (Bude 2014). Wie lassen sich, so mag man fragen, die Vorstellungen genetischer oder kultureller Zusammengehörigkeit und moralischer Überlegenheit gegenüber Mitgliedern anderer Nationen mit bürgerrechtlichen, politisch-inklusiven, auf Freiheit und Gleichheit begründeten Ideen verbinden, die die Idee Europas konstituierten? Wie im Folgenden im Rekurs auf die zentralen Theorien zur Genese und Konstitution der Nation zu erörtern sein wird, illustrieren die gegenwärtigen Kontroversen um Europa en miniature sowohl die inhärenten Widersprüche der Nationenidee, wie auch ihre Transformation von einer inklusiven, vergangenheitsbrechenden Idee zu einem zunehmend exklusiven, historisch-kulturell definierten Selbstverständnis. Die Erörterung der Nationengenese veranschaulicht nämlich, dass der Nationalismus essenziell eine Strategie zur Mobilisierung und Herrschaftsabsicherung war (und ist), die sich je nach historischem Kontext, pointiert gesprochen, in unterschiedliche Gewänder kleidete: Die Idee der Nation konstituierte sich erstens im revolutionären Bruch mit der feudalen und dynastischen Lebenswelt. Ihr Initialzünder waren die inklusiv-bürgerrechtlichen Aspirationen der Neuzeit geboren in der Amerikanischen und Französischen Revolution. Der so geschaffene Vorstellungsraum eines politischen Gemeinwesens legte zweitens den Grundstein für eine als zunehmend selbstverständlich empfundene Einheit von „Volk und Vaterland“, in deren Zuge sich die Nation vermehrt auf exklusiven Merkmalen wie vermeintlichen Wesenseigenschaften und gemeinsamer Geschichte begründete. Damit wurde sie in zunehmendem Maße für sezessionistische und antikoloniale Aspirationen interessant. Beides, der Appell an politische Ideale wie kollektive Wurzeln, wurde so in den Nationalbewegungen des 19. und 20. Jahrhunderts zum mächtigen Mobilisierungsinstrument für den Kampf um politische Souveränität und territoriale Ziele intellektueller Eliten, mit denen sich – je primordial-exklusiver sie waren bzw. wurden – schließlich ähnlich universalistische Botschaften und Heilsversprechen verbanden, wie sie einst für die religiösen Gemeinschaften gegolten hatten. Die ethnisch-exklusive bzw. primordiale Idee der Nation soll in der vorliegenden Erörterung im Vordergrund stehen. Denn sie ist es, die – um eine zentrale Formulierung Andersons (2005: 20) vorwegzunehmen – vermag „den Zufall in Schicksal zu verwandeln“ und damit insbesondere als Instrument der Sinnstiftung und Mobilisierung in Zeiten der Krise und Transformation wirksam wird. So sollen im Folgenden die historischen Bedingungen und Mechanismen veranschaulicht werden, die der Nation als Vorstellungsraum zugrunde liegen. Dabei soll es weniger um eine detaillierte Nachzeichnung der historischen Staatenentwicklung gehen, sondern vielmehr um eine sozialpsychologische Erörterung derjenigen Elemente, die den Imaginationsraum der exklusiven Nation konstituier(t)en. Aus diesem Grund wird bewusst auf die ebenfalls zur Nationalismustheorie gehörende Streifrage nach den historischen Wurzeln bzw. der Präexistenz etwaiger kultureller Gemeinschaften als Grundlage für die spätere Nationenbildung verzichtet (Perennialismus versus Konstruktivismus; Smith 1999: 3-6) – sollen doch eben
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die sozioemotionalen und strategischen Aspekte der Nationengenese illustriert werden. Als roter Faden soll deshalb das renommierte Konzept der „vorgestellten Gemeinschaft“ (Anderson) dienen. In der genealogischen Re- und Dekonstruktion ihrer vermeintlichen Selbstverständlichkeiten sollen so die Strukturen, Institutionen und Normen in den Vordergrund rücken, die die soziale Alltagswelt der Nation (re-)produzier(t)en. Denn die Nation unterscheidet sich grundsätzlich vom vormodernen Vorstellungsraum der Dynastien, der keine Geschichte im heutigen Verständnis, keine kulturelle Homogenität und keine festen staatlichen Grenzen kannte. Zugleich soll in der Erörterung ihrer Entwicklungsstadien veranschaulicht werden, welch enorme Anziehungskraft sie als revolutionär-inklusive, insbesondere indes als ethnisch-exklusive Idee als Ersatz für die verlorene Transzendenz der mittelalterlichen Ordo besaß. Mit ersterer verband sich – wie im nächsten (empirischen) Kapitel zu zeigen sein wird – auch die bis heute so wirkmächtige Idee des Westens als Pendant zum rückschrittlichen Orient.
8.2 „All Animals Are Equal…“: Die Nation als moderner Janus 8.2 „All Animals Are Equal…“: Die Nation als moderner Janus 8.2.1 Die Entwicklungsstadien des Nationalismus Spätestens seit der konstruktivistischen Wende der 1980er und 1990er Jahre mit ihren zentralen Theoretikern Anderson, Hobsbawm, Smith und Gellner scheint weitgehende Einigkeit über die soziale Konstruktion und damit auch über die historische Bedingtheit und kulturelle Relativität der Nation zu bestehen. Insbesondere Andersons Konzept der „Vorgestellten Gemeinschaft“ wie auch Hobsbawms „Erfundene Tradition“ sind dabei zum geflügelten Wort der (post-) modernen Nationalismustheorie geworden, die die wissenschaftliche und alltagswirkliche Vorstellung von der gleichsam naturwüchsigen Nationalgemeinschaft widerlegte, indem sie die kognitiven, sozialen, ökonomischen und (macht-) politischen Transformationsprozesse sichtbar machte, die ihr zugrunde liegen (Anderson 2005; Hobsbawm 2005; Smith 1999 & 2009; Gellner 1983; Yuval-Davis 2009; Özkirimli und Sophos 2008). Die Entwicklungsstadien des Nationalismus, wie sie in den Werken jener Theoretiker zum Ausdruck kommen, veranschaulichen, wie sehr seine spezifischen Selbstverständnisse Ausdruck der jeweiligen historischen Epochen und der vorherrschenden Ideen waren, die sich angefangen vom Revolutionszeitalter gleichsam von Westen nach Osten ausbreiteten. Dass dabei für die Begründung von Gemeinschaft zunehmend die „ethnische Karte“ ausgespielt wurde, hat vielfältige Gründe, die in gleichem Maße auf neue Formen historischer, anthropozentrischer Reflexion wie auf die Verbreitung völkisch-rassis(tis)cher Ideen verweisen, auf die sich die nach Sezession und Vereinigung strebenden Nationalismen der „zweiten Stunde“ beziehen. Den Analysen von Hobsbawm (2005: 25-154), Anderson (2005: 18-114), Gellner (1983: 8-52) und Smith (2009: 1-78) ist dabei gemein, dass sie die historischen Bedingungen und Entwicklungen nachzeichnen, die die Nation als Vorstellungsraum möglich und mit der Zeit selbstverständlich werden ließen. Stellten im postrevolutionären Zeitalter Ethnizität, Sprache oder Kultur für Herrschende wie Untergebene keine bedeutenden Kriterien für Zugehörigkeit dar, standen doch mit Kant, Herder und Rousseau primär ethisch-philosophische Gesellschaftsreflexionen im Vordergrund, begann mit der griechischen Befreiungsbewegung die allmähliche Verbreitung der Idee „one
8.2 „All Animals Are Equal…“: Die Nation als moderner Janus
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culture – one state“. Sie rückte nach und nach vermeintliche Wesenseigenschaften bzw. kulturelle und historische Merkmale von Gemeinschaftsmitgliedern in den Vordergrund. So konnte sich ein zunehmend völkischer Nationalismus zur Massenbasis entwickeln, dessen aggressiver Antagonismus zu den konkurrierenden politischen Ideologien mit dem Ende des dynastischen Zeitalters im Ersten Weltkrieg und im europäischen Faschismus seinen Höhepunkt fand. Der sich zusammenbrauende, aggressive Nationalismus im Vorfeld des Ersten Weltkrieges markiert denn auch nach Hobsbawm das Ende des „langen 19. Jahrhunderts“, den Zerfall der Habsburger Monarchie, des russischen Kaiserreiches, des Osmanischen Reiches. Voraussetzung für diese Entwicklung war die Verfestigung der exklusiven, auf historischen bzw. ethnischen Kriterien beruhenden Idee einer Volksgemeinschaft, die, wie Hobsbawm (2005: 157) am Beispiel der Bestrebungen der Mazedonier und Albaner, Katalanen, Waliser und Sardinier aufzeigt, eine Vielzahl von sprachlich-ethnisch begründeten Bewegungen motivierte, die es noch 1870 nicht gegeben hatte. Mit ihr verändern sich auch die demographisch-territorialen Prämissen des revolutionären Zeitalters und des klassischen Liberalismus mit seiner inklusiven Vorstellung des Schwellenprinzips, wonach jede Nation eine bestimmte Größe aufweisen müsse, um bestehen zu können und dabei kleinere, rückständigere durchaus zu ihrem Vorteil in größeren aufgehen sollten (Ibid. 37-47). Am Beispiel der Romanows veranschaulicht Anderson (2005: 88-114), dass die traditionell multiethnischen und vielsprachigen Dynastien gezwungen waren, auf diesen neuen Zeitgeist zu reagieren. Als Antwort auf die nationalen Unabhängigkeitsbestrebungen innerhalb des Großreiches in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann so ein von oben gesteuerter Prozess der Russifizierung durch die Forcierung des Russischen als Amtssprache und die Ausweitung der Orthodoxie. Dieser Prozess, den Anderson als „Naturalisierung der Dynastien“ bezeichnet, habe geradezu „akrobatische Manöver“ in dem Versuch nötig gemacht, „die schmale und enge Haut der Nation über den riesigen Körper eines Imperiums zu spannen“ (Ibid.: 91). „Dass sich die Monarchen an ʽdie Nationʼ angepasst haben“, so ergänzt Hobsbawm (2005: 102), „ist ein aussagekräftiger Hinweis darauf, in welchem Ausmaß traditionelle Institutionen sich nach dem Zeitalter der Revolutionen umstellen mussten, wenn sie nicht untergehen wollten“. So entwickelte sich die Idee der Nation als Erfindung des bürgerlich-liberalen Zeitalters zum, wie Bhabha (1990: 1) treffend formuliert, romantischen Selbstverständnis im „narcism of self-generation, the primeval present of the Volk“. Der Widerspruch beider Ideen indes bleibt bis heute erhalten. Im Gegensatz beider Vorstellungen zeigt sich par excellence die im Folgenden ausführlich zu erörternde Ambiguität zwischen inklusiv-fortschrittsausgerichtetem und exklusiv-vergangenheitsorientiertem Denken, das Nairn (1975) in seiner berühmten Metapher des „modernem Janus“ zum Ausdruck bringt. Denn die „idea of an even and progressive development of material civilization and mass culture”, die Nairn als Charakteristikum der europäischen Aufklärung bezeichnet, schuf durch die sozial-ökonomische Verflechtung des öffentlichen Raumes einen neuen Vorstellungsraum, der in der Folge zum sprichwörtlichen Taufbecken der großen politischen Bewegungen wurde, in dem der völkische Nationalismus seinen großen Siegeszug antrat.
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8.2.2 Im Anfang war die Revolution: Das originäre Selbstverständnis der Nation und ihr neuer Vorstellungsraum Entgegen der weitverbreiteten Selbstverständlichkeit von Konzepten wie einer gemeinsamen Sprache und Geschichte und von kulturellen Identifikations- und Kristallisationspunkten für die Vorstellung von Nation, verstanden sich die allerersten Nationen gleichsam als Kinder der Aufklärung. Denn sie verstanden sich als egalitär-visionäre Gemeinwesen und definierten sich gerade durch den Bruch mit der Vergangenheit. Voraussetzung dafür waren, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, erstens zunehmende Mobilität und Massenmedien, die den überschaubaren sozialen Rahmen traditioneller Gesellschaften sprengten und ihn mit anderen Parallelräumen in Beziehung setzten, zweitens die interne Zentralisierung und Homogenisierung der Gemeinschaft durch die allmähliche Entstehung moderner Verwaltungsstrukturen und drittens ein zunehmend einheitliches Bildungssystem (Gellner 1983: 8-21; Nairn 1975). Lange vor großen Teilen Europas und im Gegensatz zu ihm, so zeigt Anderson (2005:4787) in seiner Analyse der latein- und nordamerikanischen Unabhängigkeitsbewegungen, habe sich innerhalb der jeweiligen Gemeinschaften ein Nationalbewusstsein entwickelt, für das zunächst weder sprachliche noch kulturelle Kriterien von Bedeutung waren. Denn die nordamerikanischen Einwanderer wie auch die lateinamerikanischen Kreolengemeinschaften unterschieden sich in Sprache und Herkunft nicht von ihren europäischen Landsleuten. Niemand der Autoren der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, so Anderson, sei auf die Idee gekommen, die Legitimität des neuen Staates historisch zu begründen. In beiden Amerikas waren es vielmehr die politische und ökonomische Unterdrückung durch die europäischen Kolonialmächte, in Frankreich die Abschaffung der Feudalstrukturen, die den Revolutionen Auftrieb gaben. Weder Columbus noch etwa die Pilgrim Fathers seien seinerzeit Teil des amerikanischen Diskurses zur Nation gewesen. Die Entscheidung des französischen Nationalkonventes von 1793, den christlichen Kalender abzuschaffen, gilt Anderson (Ibid.: 194) denn auch als repräsentatives Symbol für den gewollten Bruch mit der Zeitrechnung des Ancien Régime. Vielmehr als vermeintlich gegebene Charakteristika ihrer Mitglieder sei es ein neuer Vorstellungsbzw. Identifikationsraum gewesen, der die Idee der Nation möglich machte. Am Beispiel der amerikanischen Verwaltungseinheiten belegt er anschaulich, wie sich dieser Raum insbesondere durch Mobilität und die Verbreitung von Printmedien konstituiert – mit der bemerkenswerten Konsequenz, dass die nationalen Grenzen der aus dem Unabhängigkeitskrieg gegen die Kolonialherren entsprungenen Nationen mit den schon zwei Jahrhunderte zuvor bestehenden kolonialen Verwaltungseinheiten identisch sind. Mit der errungenen Unabhängigkeit und der unmittelbaren Ausübung politischer Herrschaft sind die beiden nach Anderson konstitutiven Elemente des nationalen Vorstellungsraumes gegeben, nämlich, dass er erstens als souverän, zweitens als begrenzt angesehen wurde (Anderson 2005: 15-16). In Europa wiederum war es der effizienzorientierte Apparat des Absolutismus, der den Grundstein der imaginierten Nation legte, indem er die traditionellen gesellschaftlichen Hierarchien und lokale Verbundenheit der agrarischen Gesellschaft allmählich ablöste und so eine steigende Anzahl an Gemeinschaftssubjekten miteinander in Berührung brachte. Die allgegenwärtigen und in ihrer Funktion und Qualifikation austauschbaren Beamten, vom Briefträger bis
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zum Dorfschullehrer, versinnbildlichen dabei auch den universellen Charakter der Nation im Gegensatz zur mittelalterlichen Standesstruktur (Hobsbawm 2005: 98-99; Gellner 1983: 18). Die neuen Mobilitätsstrukturen und sich ausbreitenden Märkte und Industrien, so schildert Anderson (2005: 44-83), reproduzierten und verstärkten sich gegenseitig und trugen damit auch zur sprachlichen Homogenisierung des vorgestellten Raumes bei, während Buchdruck und Reformation (die der Heiligen Schrift erstmals ein volkssprachiges Gegenstück entgegensetze) die Entwicklung einer einheitlichen (Landes-) Sprache vorantrieben und ihr eine mediale Massenbasis verliehen. Dabei ist der Kern seines berühmten Sinnbildes der vorgestellten Gemeinschaft die gleichzeitige, gleichsam zeremonielle Rezeption derselben Medien – seinerzeit die Zeitungen – und ihrer Geschichten, die die vorgestellte (heute könnte man hinzufügen virtuelle) Identifikationsgemeinschaft konstituierten bzw. das, was man heute Öffentlichkeit nennt. Es ist dieser neuartige, homogenisierende Vorstellungsraum von Gleichgesinnten und Gleichberechtigten, der im Zuge der Aufklärung und der politischen und ökonomischen Aspirationen des sich formierenden Bürgertums die Verbreitung der liberalen Staatstheorien über die bürgerlichen Freiheiten, Rechte und Pflichten, die Eigentumsfreiheit oder den Freihandel möglich macht. Die revolutionären Nationen, der klassische Liberalismus wie auch der Marxismus sind dabei freilich inklusiv und transnational orientiert. Der exklusive Nationalismus lagert, wie im nächsten Abschnitt gezeigt werden soll, dem so geschaffenen Vorstellungsraum eine konstruierte Geschichte vor und weist ihm undurchdringliche Grenzen zu. Die nur vermeintliche Selbstverständlichkeit des klar abgrenzbaren politischen und relativ bestimmbaren kulturellen Gemeinwesens – wie sie in Nairns Anfangszitat zum Ausdruck kam – unterstreicht ihre Abgrenzung von der Vorstellungswelt der religiösen Gemeinschaft und der dynastischen Lebenswelt, die „in ihrer Blütezeit als unhinterfragbar gegebene Bezugssysteme“ ebenso selbstverständlich waren (Ibid.: 20). Charakteristika der dynastischen Großreiche und auch der Weltreligionen seien ihre Tendenz zur Inklusion bzw. die Unschärfe ihrer Grenzen. Alle Großreiche, so erinnert er anschaulich, seien traditionell multiethnisch und durch pyramidenförmige Hierarchien gekennzeichnet, an deren Spitze (oftmals durch Heirat verbundene) weltliche Herrscher standen (Ibid.: 20-26). Die großen religiösen Gemeinschaften wiederum zeichneten sich durch ihren Glauben an eine überirdische Welt aus und durch die Heilige Schrift als ihr universeller Ausdruck jenseits sprachlicher oder geographischer Variabilität: So hätte der Koran lange als „buchstäblich unübersetzbar“ gegolten (und gilt es heute noch vielen), „weil Allahs Wahrheit nur durch die nicht zu ersetzenden wahren Zeichen des geschriebenen Arabisch zugänglich war“ (Ibid.: 23). Wer ein Verständnis der heiligen Sprache besaß, hatte damit Zugang zur Gemeinschaft. Ähnlich sei auch die „Eintrittskarte“ ins Reich der Mitte für die „Barbaren“ einst das Verständnis der chinesischen Bilderschrift gewesen: „Die Möglichkeit der Konversion durch die heilige Sprache“, so Andersons feinsinniger Kommentar, „erlaubte es, dass ein ʽEngländerʼ Papst und ein ʽManschuʼ Sohn des Himmels wurde“ (Ibid.: 22-23). Anders als die Nation (ob mit politisch-inklusivem oder ethnisch-exklusivem Selbstverständnis ist sie doch immer begrenzt und souverän) sind die „´[s]ozialen Gruppen`“ jener Zeit `zentripetal` und hierarchisch aufgebaut und „[verbinden] [...] sich über Grenzen hinweg. Die erstaunliche Macht des Papsttums in seiner Blütezeit ist nur verständlich, wenn man einen kosmopolitischen und lateinschreibenden Klerus in Betracht zieht und eine von praktisch jedem geteilte Vorstellung einer dualen Welt, der zufolge eine zweisprachige, zwischen
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8 Heimat, Familie, Unsterblichkeit: Von der Anziehungskraft des Nationalen der Umgangssprache und dem Lateinischen vermittelnde Intelligenz zwischen Himmel und Erde stand“ (Ibid.: 24).
Während sich die vornationale Welt (wenn auch durch Glaubens- und Stammeskriege und durch Kriege zwischen Königreichen und Fürstentümern durchzogen) grundsätzlich als multiethnisch und multipolar im hierarchischen Verhältnis zwischen Zentrum und Peripherie und durch den Glauben an eine praktisch zeit- und grenzenlose göttliche Welt definierte, schufen die Nationen einen im Inneren zunehmend mobilen Raum mit nach Außen hin umso undurchlässigeren, vertikalen Bruchlinien. Wie im nächsten Abschnitt zu erläutern sein wird, hat dieser Raum seinen ganz eigenem transzendenten Anspruch. In Kapitel 11 zur griechisch-türkischen Nationalismusgenese wird zu zeigen sein, wie sich daraus eine widersprüchliche Gleichzeitigkeit aus nationalistischer Abgrenzung und prenationalem Identifikationsmarkern ergibt. In seiner berühmten Rede „Was ist eine Nation“ dekonstruiert der französische Intellektuelle Ernest Renan (1990) im ausgehenden 19. Jahrhundert vor dem Hintergrund der zunehmend aggressiv-exklusiven nationalistischen Tendenzen in Deutschland die vermeintliche Selbstverständlichkeit von Staat und Staatsvolk, indem er darauf verweist, dass auch multiethnische Großreiche wie das Römische Reich über die Zusicherung von Frieden und Wohlstand von seinen Bewohnern als „Heimat“ angesehen wurden (Ibid.: 9). Was heute als selbstverständlich erscheint, die Einheit von Staat und einem wie auch immer definierten Volk als Grundlage politischer Legitimität, ist, so kann man aus den geschilderten Darstellungen schließen, erst durch die Entstehung jener kollektiven Identifikationsmuster möglich geworden, die mit dem Verlust traditioneller Hierarchien und lokaler, meist auf die Dorfgemeinschaft beschränkter Lebenswirklichkeit einherging.
8.2.3 Erinnern, Vergessen, Erfinden: Die Entstehung der primordialen Nation Die geschilderten kollektiven Identifikationsräume legen also den (kognitiven) Grundstein für die Nation. Viele der Folgenationen des 19. und 20. Jahrhunderts, die jene tendenziell politischinklusiven Gesinnungsgemeinschaften der ersten Stunde ablösten, unterschieden sich denn auch in doppelter Hinsicht – nämlich in einer horizontal-vertikalen Raum-Zeit-Achse – von ihren Vorgängern: Sie basierten immer stärker auf Abgrenzung von anderen imaginierten Gemeinschaften und auf der Vorstellung einer Vergangenheit verstanden als Monumentalnarrativ mit vagem, sich gleichsam in den Tiefen einer geheimnisumwobenen Geschichte verlierenden Gründungsmythos (Smith 1999: 82). Wie zu zeigen sein wird, setzt das primordiale Verständnis das Vergessen der historischen Bedingtheit der Nation und ihrer widerstreitenden Gründungsideen voraus. Doch nicht nur die Nationen mit primordialem Anspruch mussten vergessen, um sich retrospektiv als positive Gemeinwesen, als Bastionen der Freiheit und des Fortschritts zu konstituieren. Denn die als solche deklarierten Befreiungsbewegungen der beiden Amerikas galten, wie der Umgang mit den Sklaven und Indijenos unterstreicht, offenkundig nicht für alle. Wie Anderson und Norbert Rehrmann am Beispiel der lateinamerikanischen Unabhängigkeitsbestrebungen beschreiben, galt die Furcht vor einer politischen Mobilisierung der armen, indigenen Bevölkerung sogar als eines der zentralen Motive für den Befreiungskampf unter natio-
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nalen Parametern (Rehrmann 2009: 91-105; Anderson 2005: 56-57). Finden sich in ihren Anfängen noch liberal-inklusive Vorstellungen, wie die eines kolumbianischen Liberalen, der äußerte „es wäre zu wünschen, dass die Indianer durch die Vermischung mit den Weißen ausgelöscht würden“, indem man ihnen die gleichen Bürgerrechte gewährte, wird die Vorstellungswelt der Nation, so Anderson (2005: 22), stetig exklusiver. Das gilt auch für die folgenden, europäischen Nationalismen: In eklatantem Gegensatz zu ihren Vorbildern habe es diesen, so Anderson, zwischen dem Wiener Kongress und der Revolution von 1848 angesiedelten Bestrebungen an jener „jungfräulichen Begeisterung“ gefehlt. Mit ihnen begann vielmehr die Tendenz „den Nationalismus genealogisch zu lesen – als Ausdruck einer historischen Tradition von serieller Kontinuität“ (Ibid.: 167). Initiiert wurde diese Entwicklung – hier widerspricht die Realhistorie dem Selbstverständnis der primordialen Nation am offensichtlichsten – nahezu ausschließlich durch intellektuelle Eliten, Gesellschaftstheoretiker, Ethnographen, Historiker und Sprachwissenschaftler mit dem Motiv der Herrschaftsabsicherung bzw. der Konsolidierung der aus der Taufe gehobenen nationalen Gemeinschaft. Angefangen mit dem griechischen Befreiungskampf (sic!) begann so im Europa der Dynastien ein Prozess der nationalen Abspaltungsund Vereinigungsbestrebungen, auf den die in ihrem Herrschaftsraum bedrohten Dynastien ihrerseits mit forcierten Homogenisierungsinitiativen reagierten (Hobsbawm 2005: 107). Dabei werden die neuen Referenzpunkte der Nation – obgleich anfänglich also lediglich (Bei-) Produkt des neuen Verwaltungsraums und Basis für die Identifikation und Verbundenheit der vorgestellten Gemeinschaft – alsdann Mittel zum Zweck für die Untermauerung einer zunehmend primordialen Vorstellung von Nation. Anders formuliert: Zum neuen Raumverständnis kommt nun auch ein neues historisches Bewusstsein, das die sozusagen messianische Zeitvorstellung des Mittelalters ablöst und zur Basis eines zunehmend exklusiven Gemeinschaftsbewusstseins wird. Denn durch diese Ideen ließ sich – das zeigen die mit dem griechischen Nationalismus beginnenden Bewegungen des 19. Jahrhunderts – auch (geo-) politische Herrschaft legitimieren und konsolidieren. So wurden die linguistischen, ethno- und historiographischen Programme der westlichen Nationalismen von den jeweiligen Eliten von oben eingeführt und dienten als ideologische Vorzeichen, unter deren Schlag die Massen politisiert und zum Kampf motiviert werden sollten. Die Voraussetzung dafür war dieselbe, die den nationalen Vorstellungsraum schuf, nämlich das Vorhandensein kommunikativer Codes und Strukturen, die eine kritische Masse an Akteuren als Multiplikatoren erreichen und begeistern konnte. Dabei spielten zunächst das Vorhandensein bzw. die Verbreitung einer gemeinsamen Sprache eine entscheidende Rolle: Zumeist wurde sie durch eine ihrer bereits mächtigen kulturellen Elite über Verwaltung und Bildungswesen standardisiert. Am Beispiel des Serbokroatischen, Walisischen, Italienischen und der griechischen Koiné zeichnet Hobsbawm (2005: 6876, 117-234) den Prozess forcierter Bildungs- und Sprachpolitik nach. Was von oben eingeführt und folglich in weiten Teilen konstruiert war, so kann man pointiert sagen, wurde und wird retrospektiv als vermeintlich charakteristisches Merkmal der Nation stilisiert. So durchläuft die Idee einer gemeinsamen Landessprache als Kommunikationsmedium der gebildeten Eliten hin zum Symbol vermeintlich authentischer Partikularität vor allem in der deutschen Romantik – und wie in den Kapiteln 11.2. und 11.4.1. zu zeigen sein wird, auch in Griechenland – eine folkloristische Wende (Ibid.: 122-124). Für die deutsche Frage war die Auffassung deutsch-
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sprachiger Intellektueller von der übergeordneten Bedeutung von Sprache aus territorialpolitischen Gesichtspunkten besonders attraktiv, weil in ganz Europa verstreute Gemeinden lebten, die „eine deutsche Mundart sprachen und deren gebildete Mitglieder Hochdeutsch schrieben und sprachen“ (Ibid.: 118). Die Vorstellung von der gleichsam natürlichen Einheit von Volk und Sprache, wie sie bei Herder zum Ausdruck kam, weist Anderson (2005: 73) als „herrlich eng-europäische Konzeption“ zurück. Wie im übernächsten Kapitel zu zeigen sein wird, sind Konstruktion, Purifizierung und Standardisierung der Sprache konstitutive Elemente des nationalen Aushängeschildes nach innen, dienen vor allem aber der Abgrenzung nach außen. Die Vorstellung von Gleichzeitigkeit und sprachlicher Homogenität wiederum setzte erstmals den Blick auf vergangene Epochen frei, wie die sich im späten 18. Jahrhundert entwickelnde (vergleichende) Sprachwissenschaft belegt (Ibid.: 75-85). Mit ihr begann die Erforschung und Konstruktion der „Nationalgeschichte“. Sie schuf, so schreibt Anderson nicht ohne Ironie, auch die modernen Historiker, deren retrospektive Konstruktion einer wohlgeformten Nationalgeschichte er denn auch als „(r)ückwärts gewandte Kunst des Bauchredens“ bezeichnet (Ibid.: 200). In Frankreich sei es zuerst Michelet gewesen, der „glaubte, er könne, ja, er müsse die lange Geschichte ʽFrankreichsʼ niederschreiben, gerade weil die Toten nicht wussten, dass sie Franzosen waren“ (Ibid.: 212). Insbesondere die Trope „aus dem Schlaf erwacht“ sei dabei für diese späteren Nationenvorstellungen konstitutiv (Ibid.: 195). Wie noch zu zeigen sein wird, ist diese Idee auch für das Verständnis des griechischen Nationalismus von zentraler Bedeutung (Kapitel 11.2.). Entscheidend für diese reflexive Historizität war, so Anderson im Rückgriff auf Auerbach, die Wiederentdeckung der Antike im Humanismus und der, sozusagen, aufgeklärte Blick auf die dazwischenliegenden „dunklen“ Epochen. Er schuf ein Geschichtsbewusstsein, „das das natürliche In-sich-selbst-Leben der antiken Kultur oder die geschichtliche Naivität des 12. und 13. Jahrhunderts“ für immer ablöste (Ibid.: 73). Besonders die Form dieser Geschichte mit ihrem klassischen Monumentalcharakter sei dabei entscheidend gewesen: „In einem Zeitalter da man ʽGeschichteʼ noch weitgehend als von ʽgroßen Ereignissenʼ und ʽgroßen Persönlichkeitenʼ, den ʽEdelsteinenʼ in einer Geschichtsschreibung, bestimmt verstand, war es sicher verlockend, die Vergangenheit der Gemeinschaft in den Dynastien mit alten Wurzeln zu entdecken“ (Ibid.: 113). Diese Geschichte, das illustriert Gellner (2000: 8-38; 167-169), präsentiert sich vor allem im Bemühen um Verbreitung einer standardisierten Hochkultur als neuem kollektiven Referenzrahmen für Identität und Geschichte. Wo diese Hochkultur nicht, wie in Deutschland, Frankreich oder den USA bereits präexistent war, wurde sie durch Konstruktion und Integration von folkloristischen Elementen für die breite Bevölkerung attraktiv. Einmal als exklusiver Identifikationsraum konstituiert konnte die Idee der Nation ihre Strahlkraft und Macht entfalten, weil sie – wie im nächsten Abschnitt erörtert wird – im Appell an Erhabenheit und Universalität erstens eine sinnstiftende Antwort auf die mit den politischen und sozialen Umbrüchen und Migration verbundenen Unsicherheiten gab und damit zweitens eine Antwort auf die entstandenen „Probleme der Loyalität der Staatsbürger gegenüber dem Staat und dem Herrschaftssystem und der Identifikation mit diesen“ zu geben schien (Hobsbawm 2005: 99). Mobilisierung und Forcierung von Loyalität durch das Schüren negativer Identitäten sei, so Hobsbawm (Ibid.: 109), gerade für die Zeit von der Jahrhundertwende bis zum Ersten Weltkrieg, der Zeit der großen Wanderbewegungen innerhalb und zwischen Staaten und zunehmender imperialer Konfrontation, bezeichnend gewesen: Schließlich gebe es wohl
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kaum ein effektiveres „Mittel, die zerstreuten Gruppen ruheloser Völker zusammenzuschließen, als sie gegen Außenstehende zu vereinigen“. Insbesondere die „neuen, gänzlich traditionslosen Klassen und Schichten“ und schließlich „der Widerstand traditioneller Gruppen, die sich durch den Ansturm der Moderne bedroht fühlten“ und ihre sozial-ökonomische Unzufriedenheit und Orientierungslosigkeit, hätten dem Nationalismus schließlich die entscheidende Massenbasis beschert (Ibid.: 130-132). Den inhärenten Widerspruch des Nationalismus in seinem egalitären Anspruch und seiner exklusiv-aggressiven, an Ängste und Ressentiments appellierenden Form bringt Nairn gekonnt auf den Punkt, wenn er exklusiven Nationalismus mit Populismus gleichsetzt. Seinen Ursprung sieht er in den Bemühungen, die Versprechen von Fortschritt und Inklusion den Massen jenseits der bürgerlich gebildeten, kosmopolitisch-industriellen Sphäre „zu verkaufen“: „The Enlightenment was born into wider reality by bourgeois revolutions which shook the older social world around them to pieces. In these less-developed lands the élites soon discovered that tranquil incorporation into the cosmopolitan technocracy was possible for only a few of them at a time. The others, the majority, saw themselves excluded from the action, rather than invited politely to join in; trampled over rather than taught the rules of the game; exploited rather than made partners […]. Mobilization had to be in terms of what was there; and the whole point of the dilemma was that there was nothing there […] All that there was was the people and peculiarities of the region: its inherited ethnos, speech, folklore, skincolour, and so on. Nationalism works through differentiae like those because it has to. It is not necessarily democratic in outlook, but it is invariably populist. People are what it has to go on: in the archetypal situation of the really poor or ‘under-developed’ territory, it may be more or less all that nationalists have going for them. For kindred reasons, it had to function through highly rhetorical forms, through a sentimental culture sufficiently accessible to the lower strata now being called to battle. This is why a romantic culture quite remote from Enlightenment rationalism always went hand-in-hand with the spread of nationalism. The new middle-class intelligentsia of nationalism had to invite the masses into history; and the invitationcard had to be written in a language they understood” (Nairn 1995).
Hier schließt sich der Kreis zur im Beginn des Kapitels erörterten Populismuskontroverse. Denn er beleuchtet die Ursachen für die Transformation einer, wie Hobsbawm (2005: 143) schreibt, fortschrittlich-liberalen und linken Ideologie zu einer „chauvinistischen, imperialistischen und fremdenfeindlichen Bewegung der Rechten“. Anschaulich belegen hier beispielsweise die Genesen der beiden sog. „verspäteten Nationen“ Deutschland und Italien im Risorgimento eben diese Ambivalenz im Bestreben nach Befreiung und Vereinigung. Zwar charakterisierten sich beide Bewegungen von Beginn an durch das Ringen liberal-konservativer und republikanischer Kräfte. In den Folgejahrzehnten jedoch gewinnt ein zunehmend völkisch-rassisches Selbstverständnis die Oberhand (Schieder 2010). Für die deutsche Nationalbewegung attestiert Langewiesche denn auch: „Freiheit und Nationalstaat – sie galten auch in der deutschen Geschichte einmal als zwei Seiten einer Medaille. Erst als der von Demokraten und Liberalen ersehnte Nationalstaat geschaffen war, nahmen ihn die Konservativen an und richteten sich in ihm ein. Der populistische Nationalismus der Wilhelminischen Ära, die chauvinistische Hybris im Ersten Weltkrieg, die wirklichkeitsflüchtige Sehnsucht nach „nationaler Wiedergeburt“ in der Weimarer Republik, schließlich der rassistische Weltmachtswahn des Nationalsozialismus – diese in Terror und Massenmord führende Entwicklungslinie hatte die Erinnerung an die demokratisch-liberalen Anfänge der deutschen Nationalstaatshoffnungen fast völlig ausgelöscht“ (1991).
Dieser Befund ist insofern besonders relevant, als er erstens die Wandelbarkeit von Ideologie und gemeinschaftlichem Selbstverständnis und zweitens die Selbstverständlichkeit der jeweiligen Lebenswirklichkeit illustriert, die einem kollektiven Bewusstsein von geschichtlicher Bedingtheit zuwiderläuft. Dieses affektive, mystische Selbstverständnis hat sich – blickt man in
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die Geschichte wie in die Gegenwart – für die strategische Forcierung von Zusammenhalt, Solidarität und Kampfgeist offenkundig als zuträglicher erwiesen als ein rein vernunftsorientiertes, politisches Selbstverständnis. Der Patriotismus fungiert also als emotionale Bindemasse für die Verwirklichung politischer Ziele, die seiner Entstehung vorgelagert sind. So ist es vor allem die Strahlkraft einer auf Abstammung basierenden und gleichsam Gott gegebenen Identität, die Erfolg, Macht und Dauer der ethnisch-exklusiven Nation begründet hat. War ihre historische Genese komplexen Entwicklungen und vielseitigen Interessen geschuldet, ist ihr Absolutheitsanspruch – einmal konstituiert – in den Routinen der institutionalisierten Alltagswirklichkeit der jeweiligen Gemeinschaften umso universeller. Schließlich konstituiert sich der exklusive Nationalismus, folgt man den Ausführungen Nairns, als Gegenbewegung der „Modernisierungsverlierer“, derer, die nicht vom kosmopolitischen Liberalismus profitierten bzw. als effektive Kanalisierung ihrer Ressentiments im Appell an eine gleichsam natürliche Erhabenheit.36 „Eine paradoxe Bewegung“, so folgert Hermann (2006: 52), „kennzeichnet folglich die Aufklärung: Sie hat das Ideal der Selbstbestimmung für alle Menschen entwickelt und sich aus der traditionellen Ordnung der Welt befreit: Zugleich jedoch hat sie der Mehrheit der Menschen den Weg in diese selbstbestimmte Geschichte versperrt, mehr noch: Sie meine, Ausbeutung und Unterwerfung dieser Völker und Kulturen – für immer festschreiben zu können“.
Hermanns Kritik am aufklärerischen Anspruch zeigt schließlich auch die Doppelmoral des europäischen Kolonialismus auf, die sich implizit in Nairns Argument vom gebrochenen Fortschrittsversprechen findet: Als zentrales Motiv für die antikolonialen Befreiungsbewegungen erscheint nämlich der Widerspruch aus (forcierter) Modernisierung, die mit dem „Import“ des westlichen Gedankenguts mit seinen Ideen von Freiheit und Gleichheit bei gleichzeitiger Verweigerung eben dieser politischen Rechte einherging. In den Worten Andersons (2005: 140): „Die Verknüpfung der jeweiligen Ausbildungs- und Verwaltungsfahrten lieferte die räumliche Grundlage für die neuen ʽvorgestellten Gemeinschaftenʼ, in welchem die ʽEingeborenenʼ dazu gelangten, sich als Staatsbürger zu verstehen. Der Kolonialstaat lud die ʽEingeborenenʼ in die Schulen und Amtsstuben ein, der Kolonialkapitalismus schloss sie gleichzeitig von den Vorstandszimmern aus“. Durch die gesellschaftliche Modernisierung als Folge der Ausweitung der kolonialen Verwaltungsstrukturen und des (westlichen) Bildungssystems sei der Nationalismus der Kolonialstaaten maßgeblich von der lokalen, „zweisprachige[n] Intelligenz“ initiiert worden, die es verstanden habe, der neuen Ideologie nach dem Modell der Dynastien eine populäre Massenbasis zu geben (Ibid.: 155-131). Wie in den Kapiteln zur Nationalstaatsgenese der Mutterländer und Zyperns (11.1.,11.2., 11.3., 12.1.) zu zeigen sein wird, sind es eben jenes Fortschrittsversprechen und schmeichelhafte Appelle an primordiale Größe, die die jeweiligen geistigen Träger zur Massenmobilisierung nutzen konnten. Für den griechischen, wie für den griechisch-zypriotischen Nationalismus spielte dabei die Befreiung vom „Joch“ der Osmanen bzw. der Briten eine zentrale Rolle. Das erklärt, warum „Freiheit“ als Kollektivsymbol in beiden
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Wie im nächsten Abschnitt veranschaulicht werden soll, ist es eben jene teils pseudowissenschaftliche Naturalisierung von vermeintlichen Wesensunterschieden, die den Grundstein für die imperialistische Expansion der konstituierten Nationen und die Legitimation von rassistisch begründeter Unterdrückung legt.
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Ländern bis heute so prävalent ist. Für Zypern sind darüber hinaus die sozioemotionalen Konsequenzen der überheblichen Doppelmoral der britischen Kolonialherren sichtbar, die ihren Untergebenen, wie Anderson sagt, die Moderne priesen, ihre Freiheiten jedoch vorenthielten.
8.2.4 Die exklusive Nation als affektiver Vorstellungsraum Worauf nun begründet sich die emotionale Strahlkraft der exklusiven, primorialen Idee? Hatte Ernest Renan in seiner Rede 1882 etwaige sprachliche, ethnische und territoriale Merkmale als konstitutive Elemente einer Nationalgemeinschaft als Mythos entlarvt, so leitete er die Wirkmacht der Nationalgemeinschaft über die Solidarität und das Wissen seiner Mitglieder um gemeinsam Durchlebtes und Erlittenes ab. Die Nation, so sein vielzitierter, indes auch kritisierter Ausspruch, sei ein „tägliches Plebiszit“ (Renan 1990: 1-19). Diese Definition steht dem sozialpsychologischen Verständnis der vorgestellten, affektiven Gemeinschaft zwar nahe. Indes verkennt die ausschließlich positive, liberale Definition von Zugehörigkeitempfindung auf der Basis von Identifikation und Engagement die destruktiven Effekte von Zwang und Homogenisierung. Denn die mannigfaltigen Konnotationen der ethnisch-exklusiven Gemeinschaft wie Unsterblichkeit, Opfertod, Transzendenz, Blutsbande und Familienzugehörigkeit, die sich in das Wortfeld des weiteren assoziativen Konzeptes integrieren lassen, sind, wie im Folgenden gezeigt werden soll, keinesfalls wertfrei. Hierzu gehört zuvorderst ihr Anspruch auf Transzendenz, wie er in der Auferstehungstrope in den skizzierten Beispielen Deutschland und Italien im Begriff des Risorgimento und in Langewiesches Etikett für den Zeitgeist der deutschen Zwischenkriegsperiode zum Ausdruck kommt. In seinem bekannten Werk über dem Ethnosymbolismus der Nation fasst Smith diese Ambivalenz prägnant zusammen: „In the West it is the symbol of the cross that has epitomized human sacrifice and resurrection; and in the World Wars it was the resurrection of the soldiers themselves as in Stanley Spencer´s gigantic fresco The Resurrection (1928-32) at Burghclere, each soldier holding his own cross, that embodied the triumphant destiny of the nation” (Smith 2009: 78-79).
Wie Smiths Gegenüberstellung nahelegt, erscheint der Begriff ganz besonders in Nationalismen präsent, die sich – wie der irische, israelische, spanische, serbische und, wie zu zeigen sein wird, auch der griechische – auf der Synthese zwischen religiöser und nationaler Identität begründen (Thuente 1989: 57; Aberbach 2005; Végel 2007; Conversi 1994). Es ist aber auch ein ureigenes Leitmotiv des primordialen Nationalismus, das mit den Kampf- und Aufopferungsidealen der nationalen Gründungsmythen verschmilzt. Anderson (2005: 20) definiert die Nation demgemäß als quasi-religiöse Schicksalsgemeinschaft und beleuchtet damit ihren ambivalenten Ursprung als neuzeitlicher Erfindung mit gleichwohl vormoderner Färbung: „Das Jahrhundert der Aufklärung, des rationalistischen Säkularismus, brachte auch seine eigene, moderne Dunkelheit mit sich. Mit dem Verfall der Religiosität verschwand das Leid, in das der Glaube eine Ordnung gebracht hatte, keineswegs. Der Zusammenbruch des Paradieses macht den Tod willkürlich und überführt jeden Erlösungsgedanken der Absurdität. Notwendig wurde somit eine Umwandlung des Unausweichlichen in Kontinuität, der Kontingenz in Sinn“.
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Die Nation versteht sich also als Produkt der Neuzeit, das nach dem Zerfall der mittelalterlichen Ordo und doch im Rückgriff auf vormoderne Motive eine neue Form von sinnstiftender Gemeinschaft bietet. Am Beispiel des populären Grabes des unbekannten Soldaten – wie es sich heute etwa unter dem Triumphbogen in Paris, im Alexandergarten am Kreml, eingraviert in die Vorderfront des griechischen Parlamentsgebäudes oder im US-amerikanischen Arlington National Cemetery wiederfindet – zeigt Anderson die mächtige Symbolik der unsterblichen Nation auf. Nicht zufällig handele es sich dabei entweder um ein Kenotaph oder um ein Grab mit nicht identifizierbaren sterblichen Überresten. Sein Tod für die Nation, wie auch die Austauschbarkeit seines individuellen Schicksals, machten das Grab zu einem mystischen, quasireligiösen Wallfahrtsort, der der Willkür und dem Zufall eine eigene Form von Zeitlosigkeit und Bestimmung entgegensetzt. Damit bietet sie ihren Mitgliedern Antworten auf Fragen von Schicksal, Zugehörigkeit und Ursprung, die vormals vornehmlich mit den Erklärungsmustern der Weltreligionen verbunden waren. In bewusster Abgrenzung zu politischen Geisteshaltungen und Bewegungen der neuzeitlichen Geschichte definiert sich die nationale Gemeinschaft für Anderson damit gerade durch Schicksalshaftigkeit und Exklusion. Es sei ein Irrtum, den Nationalismus mit dem Liberalismus oder dem Kommunismus gleichzusetzen. Anders als diese, so bemerkt Anderson (2005: 15-19, 42) scharfsinnig, habe der Nationalismus nie große Vordenker hervorgebracht, die ihn unter dem Vorzeichen einer politischen Ideologie zu konzeptualisieren suchten. Denn der exklusive Nationalismus evoziere vielmehr die Idee einer großen, unsterblichen Nationalfamilie „der Lebenden mit den Toten und den noch Ungeborenen – ein Letztwert, der zumindest in Zeiten der Gefahr, allen voran in Kriegszeiten, von jedem und jeder einzelnen unbedingte Loyalität verlangt“ (Langewiesche 2005: 225). Die Nation bzw. der Nationalismus als der ihr zugehörigen Geisteshaltung erscheint also als modernes Konstrukt mit primordialem Anspruch, das qua definitionem exklusiv sein muss, weil nur durch eine gleichsam gottgegebene Zusammengehörigkeit ihrer Mitglieder eine Schicksalsgemeinschaft beschworen werden kann. Damit präsentiert sie sich als effektiver Ersatz für die durch die Säkularisierung verloren gegangene Transzendenz und macht zugleich mahnend die Opferbereitschaft, Solidarität und Treue ihrer Mitglieder zur conditio sine qua non. Entscheidende Voraussetzung dafür – hier verbindet sich das vorliegende Kapitel mit den vorangehenden kognitions-, emotions- und sprachwissenschaftlichen Erörterungen und mit dem holistischen und anthropologischen Ansatz der Forschungsarbeit – sind emotionale Verbundenheit und Vorstellungskraft. Smith (2009: 42) bringt dies treffend zum Ausdruck, wenn er dafür plädiert, sichtbar zu machen, was meist nur implizit im Fokus der Analyse steht, nämlich „the sway they [die Nationen, A. d. V.] continue to hold over the hearts and minds of millions of men and women. While our categories of analysis must as far as possible be kept distinct from popular perceptions, as Brubaker rightly points out, they must be able to address the powerful emotion, will and imagination that are the hallmarks of nations - in other words, the content and not just the form, the empty shell, of nations”.
Welches genau nun sind die Assoziationen und verbundenen Affekte? Wie der Begriff des „Primordialen“ suggeriert, baut die Idee zuvorderst auf vermeintlich organischer Natürlichkeit und Universalität. Das zeigt sich in der Prävalenz von Natur- und Familienmetaphotik, wie
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„Vaterland“ und „Muttererde“, aber auch polarisierten Genderidealen als Sinnbildern nationaler Stärke und Reinheit: Unzählige Beispiele von Delacroix´s Lady Liberty über die Mutter Albaniens bis zur Hispania zeigen Frauen als Sinnbilder der Nation und damit als Pendant zum sterbenden Soldaten (Rehrmann 2017). Nationalismustheoretikerinnen wie Yuval-Davis, Cockburn oder Sharoni zeigen am Beispiel ethno-nationalistischer Konflikte, wie enge Genderrollen zum Herzstück unteilbarer Rivalitäten werden können, in denen die Frau zur symbolischen Hüterin der nationalen Reinheit und Reproduktion und der Mann zum chauvinistischen, aggressiven Kämpfer und Hüter der Familienehre stilisiert werden und damit Konformität forcieren, starre, gesellschaftliche Hierarchien legitimieren und Gewalt und Eskalation motivieren können (Yuval-Davis 2009; Cockburn 2007; Sharoni 1995; Milicevic 2006). Solche Genderideale – insbesondere, wie im empirischen Teil zu zeigen sein wird, das Bild der gedemütigten bzw. entehrten Frau (Kapitel 13.3.) – können damit zur mächtigen Basis kollektiver Opferrollen und ihrer monolithischen Narrative werden. Gender- und Naturmetaphorik können sich dabei gegenseitig in ihrem universalistischen Anspruch bestärken. So illustriert beispielsweise Hermann (2006: 56-62) in seiner kulturgeschichtlichen Analyse des deutschen Nationalismus im 19. Jahrhundert am Beispiel von Gedichten und Epen anschaulich, wie über eine rassistische Verfremdung von Kants Verbindung aus Natur- und Kulturgeschichte und eine zunehmend aggressive Abgrenzung nach außen vermeintlich natürliche Wesenseigenschaften der Deutschen konstruiert wurden. Die reiche Natur- und Familienmetaphorik prägte damit ein stilisiertes Verständnis deutscher Tugendhaftigkeit und Familienliebe, von Männlichkeit, Zivilisiertheit, Sittlichkeit, Treue und unbändigem Freiheitsdrang, die sich bezeichnenderweise gerade über die Abwehr des gefürchteten „Barbarenvorwurfs“ konstituierten. „Nach Schlegel verschwanden die aufklärerischen Bestimmungen der ´Tugend` aus den Texten und nahm ihre Ethnisierung zu. In Klopstocks Hermann´s Schlacht drängen Natur-Vokabeln und -Beschreibungen in den Text, verdrängen jede diskursive und gesellschaftliche Argumentation, werden Handlungen, Reden und lyrische Einlagen von wuchernder Naturmetaphorik dominiert“ (Hermann 2006: 60).
Diese Metaphorik, die Sinnbild für die affektive, zumeist nicht hinterfragte Identität der exklusiven, nationalen Gemeinschaft ist, ist deshalb so relevant für das Verständnis von Strahlkraft und Macht jener Idee, weil – wie Anderson (2005: 144-145) richtig bemerkt – mit ihr die vermeintliche Interessenlosigkeit und moralische Reinheit der Nation einhergeht, die umso effektiver für die Einforderung von Konformität genutzt werden kann: „Gerade weil solche Bindungen [an die Nation, A. d. V.] nicht bewusst eingegangen werden, erhalten sie den hehren Schein, hinter ihr stünden keine Interessen“. Aus dieser populären Vorstellung erwächst also die ethische Unberührbarkeit der Nation und auch ihre Rechtfertigung Opfer einzufordern. Nicht ohne Ironie erscheint vor diesem Hintergrund seine vielzitierte Passage, in der er den transzendenten Anspruch der Nation auf den Punkt bringt: „Der Tod für das eigene Land, das man sich in der Regel nicht erwählt, ist von einer moralischen Erhabenheit gekrönt, an die das Sterben für die Labour Party, für die American Medical Association und auch für Amnesty International nicht im Geringsten heranreicht, da man diesen Vereinigungen leicht beitreten und sie wieder verlassen kann“ (Ibid.). Die erörterten Facetten der Natur- und Familienmetaphorik mit ihrem Fokus auf Kampf, Aufopferung, Ehre, Tugend und Verrat im Kontext religiöser Konnotationen und Verweise auf
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8 Heimat, Familie, Unsterblichkeit: Von der Anziehungskraft des Nationalen
eine uralte Geschichte finden sich denn auch eindrücklich in nahezu allen europäischen Nationalhymnen. Als Anachronismus in Pathos und Weltbild mögen sie angesichts internationaler Transformationen in einer technologisch und sozial zunehmend entgrenzten Welt manchen lediglich als ritualisierte Hüllen für Nationalfeiertage gelten. Auch variiert die Exklusivität von Nationalismen von Land zu Land und innerhalb jeder nationalen Gemeinschaft und kann sich, wie gezeigt wurde, über die Zeit oder etwa durch transnationale Zusammenschlüsse verändern. Man braucht sich indes nur ins Gemüt zu rufen, mit welcher Feierlichkeit beispielsweise die französische Regierung auf der Trauerfeier für die Opfer der Pariser Anschläge im November 2015 zur Demonstration von Würde und Stärke die Marseillaise anstimmte, um zu sehen, welche Relevanz die Besinnung auf etwaige nationale Referenzpunkte für Krisenzeiten besitzt. Nicht zuletzt zeigt sich ihre Aktualität in den sozialen Netzwerken oder in der Kommentarleiste von Youtube-Videos von Nationalhymnen, in denen wüste Beschimpfungen auf Basis degradierender Ehr- und Fäkalsprache anschaulich belegen, wie präsent die Idee der primordialen Nation heute ist und, wie eng sie mit dem Ringen um Erhabenheit durch Abgrenzung und Degradierung eines Anderen verbunden ist. Einer der zentralsten Anderen für die Konstitution des „Westens“ im Zeitalter der Nationen ist der Orient (-alismus). Die historischen wie gegenwärtigen europäischen Kontroversen um den Islam als abstrakter Gefahr für Fortschritt, Freiheit und Sicherheit des Westens, zeigen eindrücklich die identitäre Konsolidierung nach innen durch äußere Abgrenzung wie auch die Legitimation kultureller und politischer Hegemonie durch OutgroupDehumanisierung. Tyantafillidou (2015) und Edmunds (2012) zeichnen hier beispielsweise feinsinnig die assoziative, verzerrende Diskursverschränkung zwischen traditionellen Orientalismusstereotypen und gegenwärtigen Sicherheitsdebatten nach. Edmunds (69-77) spannt dabei einen Bogen von den herabwürdigenden Stereotypen vom „rohen Wilden“ der europäischen Romantik als Antipode zum zivilisierten, rationalen Europäer, der so seine koloniale Vorherrschaft als legitim, ja natürlich erscheinen ließ, bis zu gegenwärtiAbbildung 10 – Schwarze Hand in weißem gen, selbstherrlichen US-amerikanischen KriegsFrauenkörper Die Abbildung im Hintergrund rechts zeigt, wo epen und den Menschenrechtsverletzungen in Guanund in welcher Größe die umstrittene Graphik tanamo und Abu Ghraib auf Basis stereotyp-degraauf der Titelseite der Süddeutschen Zeitung dierender Bilder des „arabischen Mannes“. Ein konvom 09./10. Januar 2016 plaziert war (mit freundlicher Genehmigung von © Süddeutsche troverses Beispiel aus dem deutschen Diskurs illusZeitung. All Rights Reserved.) triert die tiefe Verwurzelung dieses Stereotypes: So zeigte die Süddeutsche Zeitung im Nachgang zu einer öffentlichen Debatte um sexuelle Übergriffe von Männern mit Migrationshintergrund in der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof 2016 die Figur einer schwarzen Hand, die in einen weißen Frauenkörper greift. Nach vehementer Kritik entschuldigte sich der Chefredakteur kurz darauf (Abb. 10; Meedia 2016). Der Orientalismusframe verweist so auf die Ingroup-Konsolidierung des „Westens“ im Zeitalter der Nationen sowie auf die Legitimiation von kultureller Hegemonie und Exklusion. Beides wird
8.2 „All Animals Are Equal…“: Die Nation als moderner Janus
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in der Erörterung der griechischen und türkischen Nationalstaatsgenese wieder aufgegriffen. Dabei wird zu zeigen sein, dass die für den deutschen Nationalismus attestierte Furcht vor dem Barbarenvorwurf auch zentrales Leitmotiv der Konstitution und gegenseitigen Abgrenzung beider Länder war bzw. bis heute ist und auch die zypriotischen Identitäten charakterisiert. Die erörterten Aspekte unterstreichen den sinn- und identitätsstiftenden Einfluss der vorgestellten Nationalgemeinschaft und ihre bis heute ungebrochene Strahlkraft. Damit wird auch deutlich, welche Relevanz sie für machtpolitische Aspirationen besitzt. In ethnozentrischen Konflikten um politische und territoriale Ressourcen werden Abstammungs- und Aufopferungsideen damit zum zentralen Instrument für die Legitimität von entsprechenden Forderungen nach außen und Konformitätsansprüchen nach innen. Diese Aspekte unterstreichen die Relevanz dessen, was am Fallbeispiel des Zypernkonfliktes en detail erörtert werden soll. Dabei werden vor dem Hintergrund des eben Dargestellten die konstitutiven Elemente der nationalen Vorstellungsräume aufgezeigt werden, die die dominanten Identitäten der zypriotischen Gemeinschaften definieren und ursächlich für historische Eskalation und Unteilbarkeit verantwortlich sind. Vor dem Hintergrund, dass ihre „kognitiven Parallelkosmen“ wesentlich durch Nicht-Wissen, Nicht-Kommunikation, sich gegenseitig ausschließende Referenzpunkte und verdrängte Vergangenheit bestimmt sind, sollen im folgenden und letzten Theoriekapitel die Chancen und Herausforderungen sozioemotionaler Versöhnung von unteilbaren, ethnonationalistischen Konflikten aufgezeigt werden. Die sozioemotionale Versöhnungstheorie, so wird gezeigt werden, ist dabei das Pendant zu den erörterten konstruktivistisch-sozialpsychologischen Prämissen der Unteilbarkeitstheorie, insofern beide das traditionelle, rationalistische Konfliktund Konfliktlösungsverständnis infragestellen. Anders gesagt: Sie gehört zum ersten Teil, Unteilbarkeit zum zweiten Teil der alternativen Friedens- und Konfliktforschung.
9 Von Gerechtigkeit, Heilung und Zukunft: Versöhnung als sozio-emotionale Transformation 9.1 Einleitung: Qualitative Ebenen der Konflikttransformation 9.1 Einleitung: Qualitative Ebenen der Konflikttransformation „There is no Revenge so Complete as Forgiveness.“ - Josh Billings, US-amerikanischer Schriftsteller
Wie die vorangehende Analyse der sozioemotionalen Wirklichkeiten unteilbarer Konflikte in Abgrenzung von einem rationalistischen Konfliktverständnis aufzeigen sollte, sind unaufgearbeitete Traumata, konkurrierende Narrative und stereotype Wahrnehmungsmuster auf einer quid-pro-quo-Ebene schwer oder gar nicht verhandelbar, solange sie den Grundbedürfnissen und Konfliktverständnissen der Parteien widersprechen. Angesichts der geschilderten Beständigkeit unteilbarer Konfliktkonstellationen und ihres hohen Eskalationsrisikos als Konsequenz polarisierter Gruppenbeziehungen und negativer Emotionen wie Schuldkomplexen und dem Gefühl der Machtlosigkeit betonen Versöhnungstheoretiker die Bedeutung von Grundbedürfnissen wie Sicherheit, Anerkennung von Leid, einem positiven Selbstbild, von Recht und Gerechtigkeit als Grundbedingungen für nachhaltigen Frieden und damit für eine Differenzierung und Erweiterung des traditionellen Konfliktlösungsansatzes. Das Wissen um die sozio-emotionalen Tiefenstrukturen gelte, so Bar-Tal und Bennink (2004: 14) ganz besonders für die sog. „Internationals“, also Mediatoren, die nach der Beilegung eines Konfliktes vor der Herausforderung stehen, die ehemals verfeindeten Parteien in einem konstruktiven Klima langfristiger Kooperation zusammenzubringen. Kelman unterscheidet dabei zwischen drei qualitativen Ebenen von Konflikttransformation: Der Beilegung (settlement), der Lösung (resolution) und der Versöhnung (reconciliation). Die erste bezeichnet die Abwesenheit von Gewalt durch Waffenstillstand als Resultat externer Einflussnahme. Diesem Zustand – er wird auch als negative peace bezeichnet (Hallward 2011: 189) – folgten die Konfliktparteien aus der Logik der Konsequenzen heraus (logic of consequences; rule/agent control). Offenkundig handelt es sich dabei um eine besonders fragile Form des Friedens, die auf politischer Machtausübung und militärischer Unterwerfung beruht. Die zweite Ebene verweist auf Frieden, den die Konfliktparteien aus pragmatischen Interessen heraus selbst verhandelt haben. Sie impliziert eine Veränderung der gegenseitigen Einstellungsmuster und ein sachliches Vertrauensverhältnis (working trust), das sich in weiten Teilen beider Gemeinschaften wiederfindet und damit die Möglichkeit der friedlichen Koexistenz eröffnet. Die dritte Ebene der Versöhnung hingegen setzt einen profunden Paradigmenwechsel durch die Transformation von Identitäten, Glaubensgrundsätzen und Emotionen als Konsequenz einer umfassenden, strafrechtlichen und symbolischen Vergangenheitsbewältigung voraus. Nur dies gewährleiste die Re-Humanisierung und Re-Differenzierung der ehemaligen Outgroup und lege den Grundstein für eine inklusive Erinnerungskultur, eine kollektive Identität und geteilte Normen (Kelman 2008: 15-32; Boraine 2006: 22-23). Vier zentrale gesellschaftliche Konzepte der Versöhnungsarbeit müssten dafür adressiert werden: “truth, which requires open expression of the past; mercy, which requires forgiveness for rebuilding new
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Rehrmann, Der Zypernkonflikt, Innovative Konfliktforschung – Innovation in Conflict Research, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31192-6_9
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9 Von Gerechtigkeit, Heilung und Zukunft
relations; justice, which requires restitution and new social structuring; and peace, which underscores common future, well-being, and security for all the parties in a society” (Bar-Tal und Bennink 2004: 12). Wahrheit, Vergebung, Recht und Frieden stehen also hier im Vordergrund. Viele weitere teilsynonyme bzw. überlappende Begriffe wie Entschädigung, Strafe, Sühne, Ermächtigung, Empathie, Toleranz, Vertrauen oder Reintegration tauchen in der einschlägigen Literatur auf. Wie sind sie mit dem Begriff der Versöhnung verbunden? Während Versöhnung ganz allgemein die Wiederherstellung freundschaftlicher Beziehungen nach einem Konflikt bzw. den Prozess der Vereinbarkeit entgegengesetzter Ideen, Glaubensgrundsätze oder Umstände bezeichnet, stehen in Postkonfliktkontexten die umfassende emotionale, ethische und rechtliche Ausarbeitung und Bewältigung der Vergangenheit im Vordergrund.37 Das Handbuch „Reconciliation After Violent Conflict“ (Bloomfield et.al 2003: 19-22) definiert Versöhnung vor diesem Hintergrund einmal ideell und einmal praktisch. Als Idealzustand definiere sich Versöhnung als Stadium der völligen konstruktiven Befreiung von allen sprichwörtlichen Schatten der Vergangenheit: “Ideally reconciliation prevents, once and for all, the use of the past as the seed of renewed conflict. It consolidates peace, breaks the cycle of violence and strengthens newly established or reintroduced democratic institutions. As a backward-looking operation, reconciliation brings about the personal healing of survivors, the reparation of past injustices, the building or rebuilding of non-violent relationships between individuals and communities, and the acceptance by the former parties to a conflict of a common vision and understanding of the past. In its forward-looking dimension, reconciliation means enabling victims and perpetrators to get on with life and, at the level of society, the establishment of a civilized political dialogue and an adequate sharing of power (Ibid.: 19)”
Praktisch vollziehe sich ein Versöhnungsprozess, so die Autoren, durch drei rein emotionale Stadien. Er beginne mit der Überwindung von Angst und mache damit den Weg für friedliche Koexistenz, Vertrauen, Zuversicht und schließlich gegenseitige Empathie frei. Dieser Prozess müsse durch eine nachhaltige Überwindung der politischen, ökonomischen und rechtlichen Ungleichheiten begleitet werden. Das impliziert also, die sprichwörtlichen Wunden der Vergangenheit zu heilen und zugleich ein nachhaltiges Fundament für eine gemeinsame Zukunft zu schaffen. Letzteres setzt ein Klima konstruktiver sozialer und politischer Beziehungen voraus. Das aber erfordert, dass Verbrechen sichtbar gemacht, geahndet und gesühnt wurden, dass Opfer und Opfergruppen angehört und entschädigt wurden und dass tief verwurzelte Routinen der Exklusion und Diskriminierung und mit ihnen verbundene autoritäre Strukturen und Hierarchien nachhaltig transformiert wurden. Wie im Folgenden zu erörtern sein wird, steht derartige Vergangenheitsbewältigung indes vor komplexen sozioemotionalen und praktischen Hindernissen, die aus den inhärenten Spannungen, Widersprüchen und Gefahren der Aufarbeitung von Vergangenheit resultieren. Diese Hindernisse, so soll außerdem gezeigt werden, können umso effektiver überwunden werden, je umfassender Versöhnungsmaßnahmen erfolgen und es gelingt eine Kultur der Versöhnung zu etablieren.
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Vgl. die Definition im Oxford English Dictionary unter [abgerufen am 21.09.2019].
9.2 Der steinige Weg zur Versöhnung: Top-down oder Bottom-up, implizit oder direkt?
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9.2 Der steinige Weg zur Versöhnung: Top-down oder Bottom-up, implizit oder direkt? 9.2 Der steinige Weg zur Versöhnung: Top-down oder Bottom-up, implizit oder direkt? „If reconciliation is to succeed”, so Alexander Boraine (2006: 22-23), ehemaliger Vizepräsident der südafrikanischen Wahrheits- und Versöhnungskommission, „it must have an impact on the life chances of ordinary people. If genuine coexistence is to take place, then the building of trust is indispensable. If trust is absent, citizens will not be prepared to invest their energies in the consolidation of democracy”. Wie aber motiviert man Gesellschaften dazu, sich auf einen Prozess der gegenseitigen Vertrauensbildung einzulassen, wenn das Negativbild des „Anderen“ tief in Institutionen und sozialer Praxis verwurzelt ist, wenn ganze Generationen dazu erzogen wurden, der Outgroup zu misstrauen, wenn Opfer- und Interessenverbände die Infragestellung der traditionellen Narrative verbieten, der Status quo machtpolitischen und materiellen Interessen einflussreicher Gruppen dient und sich die politische Kultur durch althergebrachte Hierarchien und forcieren Konsens charakterisiert, in der interne Kritik und Abweichung von der Norm delegitimiert und sanktioniert wird? Ähnlich wie bereits im Konzept der mind guards zum Ausdruck kam, postuliert Bar-Tal (2000: 360-361): „[S]ocieties in intractable conflict maintain societal mechanisms to guard consensus evolved around the conflict ethos, which is viewed as a functional system for coping with the threatening and stressful situation. Individuals or groups expressing beliefs that deviate from the conflictive ethos are informally and sometimes even formally sanctioned. The sanctions thus inhibit the appearance of alternative ideas and opinion”.
Als Antwort auf diese Herausforderungen haben sich eine Reihe unterschiedlicher Ansätze entwickelt, die sowohl in fortbestehenden, heißen und kalten Konflikten wie auch in unversöhnten Postkonfliktgesellschaften zum Tragen kommen. So findet sich die Unterscheidung zwischen prozess- und zielorientierten, zwischen politischen und sozialen (top-down/bottom-up) sowie zwischen instrumentellen und sozioemotionalen und zwischen revolutionären und evolutionären Ansätzen. Cuhadas und Dayton (2012: 158) unterscheiden in diesem Sinne am Beispiel des Nahostkonfliktes zwischen zielorientierten Initiativen, „designed to generate ideas for political agreements that can be adopted by official diplomats“ und prozessorientierten, „designed to build relationships, trust, and mutual understanding among adversaries at both the elite and the grassroots level to prepare the groundwork for peace to take hold”. Bezieht sich ersteres auf die Auslotung praktischer Kompromisse und gemeinsamer Ziele im Rahmen politisch vertret- und institutionell realisierbarer Maßnahmen – z.B. die (quid-pro-quo) Verteilung von territorialen und politischen Ressourcen oder die (win-win) Entwicklung umwelttechnischer oder wirtschaftlicher Projekte – die einer zukünftigen Lösung bzw. Lösungsbereitschaft den Weg ebnen, wird im zweiten Fall die Beziehungsebene der Konfliktparteien tangiert (man denke an die Kommunikationstheorie zurück). Das überschneidet sich alltagsweltlich weitgehend mit den Maßnahmen der politisch-institutionellen bzw. offiziellen (top-down) und der zivilgesellschaftlichen Sphäre (bottom-up), wobei auf beiden Ebenen natürlich sowohl Inhalts- wie Beziehungsfragen relevant sein können. Die top-down-diplomacy bzw. track I/II-diplomacy (erstes bezeichnet Regierungen, letzteres bekannte Persönlichkeiten) indes zielt auch explizit auf die Vorbildfunktion und den Einfluss politischer Repräsentanten und prominenter, angesehener und gut vernetzter Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die als Multiplikatoren von Ideen fungieren oder direkte Reformen einzuleiten vermögen, während die Zivilgesellschaft in erster
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9 Von Gerechtigkeit, Heilung und Zukunft
Linie die Mobilisierung von Ressourcen und Einfluss auf Stakeholder und die breite Öffentlichkeit anstrebt (Böhmelt 2010: 167-178). Im breiten Feld der bottom-up-Initiativen können NGOs, Think Tanks, humanitäre Organisationen oder etwa Künstlerinitiativen natürlich auch sowohl ziel-, wie auch prozessorientiert sein, je nachdem, ob sie eher darauf hinarbeiten, praktische Lösungen für die Überwindung des Konfliktes, administrative, städtebauliche oder touristische Pläne für Postkonfliktgesellschaften entwickeln oder direkt auf die sozioemotionale Konfliktebene abzielen. Während sich also die Makro- und Mesoebene auf politische und institutionelle Breitenwirkung konzentriert, sind grass-roots-Initiativen insbesondere für transkommunale bzw. interkulturelle Begegnung prädestiniert, für Kooperation und Bildung auf der Alltagsebene zur Transformation individueller Glaubensgrundsätze, Identitäten und Emotionen. Ob nun top-down oder bottom-up: Angesichts der tief verwurzelten, zur unhinterfragten Normalität gewordenen Einstellungsmuster geteilter Gesellschaften setzt solch ein Umdenken die Bereitschaft voraus, sich in alltagsweltliches Neuland zu begeben, das durch seine Kritik an den monolithischen Großerzählungen möglicherweise unangenehme und unbequeme Einblicke in die Konfliktmechanismen und die eigene Rolle darin eröffnet. Existiert solch eine Mindestbereitschaft nicht, da die Wunden der Vergangenheit zu schmerzhaft und die ethnonationalen Gräben zu tief sind, bergen interkommunale Auseinandersetzungen über konfliktrelevante Themen die Gefahr einer Eskalation und Frontenverhärtung durch gegenseitige Vorwürfe. Hier zielen instrumentelle Versöhnungsansätze darauf ab, Akteure jenseits sensibler Themen zu Kontakt und Dialog zu motivieren. Dazu gehören Friedenserziehung (peace education), Kooperation für trans-kommunale Ziele, etwa in administrativen oder umweltpolitischen Angelegenheiten oder im Bereich der Jugendarbeit explorative Sommercamps oder gemeinsame Sportwettkämpfe, in denen – ähnlich wie in der sozialen Jugendarbeit überhaupt – Teamgeist und fair play gefördert werden. Solche Ansätze folgen dabei der Prämisse, dass allein der interkommunale Kontakt bzw. die Überwindung der für unteilbare Konflikte so charakteristischen Nicht-Kommunikation, das stereotype Wissen über den Anderen revidiert und zur Re-Humanisierung beiträgt (contact hypothesis). Jugendbegegnungen sind darüber hinaus gerade in unteilbaren Konflikten so relevant, weil sie eben die Generationen zusammenbringen, die durch erzählte Erinnerung und Monumentalgeschichte im Konfliktalltag sozialisiert wurde. Friedenserziehung ist deshalb darauf ausgerichtet, für friedensrelevante Konzepte, wie Menschenrechte, Ethnoempathie, Respekt, Inklusion und Toleranz zu sensibilisieren und zu kritischer Reflexion zu motivieren. Sie wirkt insbesondere in Gesellschaften, die sich durch die geschilderten selektiven Monumentalnarrative charakterisieren (Markriyanni und Psaltis 2007: 45). Solch eine Sensibilisierung kann, eben weil sie das Risiko etwaiger Abwehrhaltungen minimiert, den Grundstein für eine spätere oder parallele Auseinandersetzung mit den „heißen“ Konfliktthemen legen; erstens, indem sie durch Dialog eine Vertrauensbasis schafft, die es erleichtert die Perspektive des Anderen einzunehmen; zweitens, weil sie auf die ambivalente Gleichzeitigkeit von Glaubensgrundsätzen bzw. auf die Doppelmoral (oder nach Noam Chomsky: moral relativism) verweisen mag, die oftmals für das Konfliktverständnis involvierter Gesellschaften typisch ist. Pointiert gesagt: Die Wenigsten würden wohl Schwierigkeiten haben, Respekt zu definieren oder die zentrale Bedeutung von Toleranz anzuerkennen. Wenn es indes um die essenziellen Grundbedürfnisse der Outgroup
9.2 Der steinige Weg zur Versöhnung: Top-down oder Bottom-up, implizit oder direkt?
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geht, scheint jenes allgemeine Verständnis durch das Verständnis der spezifischen Wahrnehmung getrübt. So kann eine vorsichtige Konfrontation mit dieser Ambivalenz ein nachhaltiges Umdenken motivieren. Erfolgreiche Initiativen aus der gesellschaftlichen Praxis zeigen, dass top-down- und bottom-up-, prozessorientierte, instrumentelle wie auch sozioemotionale Ansätze oft zu unterschiedlichen Anteilen verbunden werden und sich im besten Fall bestärken. Auf der grassroots-, der instrumentellen wie sozioemotionalen Ebene sind die Friedenworkshops des Karuna Center in Bosnia and Herzegovina anzusiedeln, die sowohl auf friedensethische Erziehung und Empowerment von Frauen wie auf alltägliche Begegnung und Erörterung traumatischer Konflikterfahrungen zielen.38 Das Center for Democracy and Reconciliation in Southeast Europe (CDRSEE) arbeitet durch die Entwicklung multiperspektivischer Geschichtsbücher, Lehrertrainings und im Fernsehen übertragener Diskussionsrunden auf eine vorsichtige institutionelle Revision der Monumentalgeschichte(n) für die Nationen und Ethnien des Balkans und auf mediale Breitenwirkung hin.39 Im israelisch-palästinensischen Parent’s Circle Family’s Forum“ (PCFF) wiederum haben sich Opfer des Konfliktes selbst für einen sozioemotionalen Paradigmenwechsel zusammengeschlossen. Das PCFF besteht aus Eltern, deren Kinder im Konflikt ums Leben kamen. Dokumentationen, Publikationen und Internetauftritte veranschaulichen eindrücklich seine intensiven Bemühungen, beide Volksgruppen zum Umdenken, zu Kompromiss und sozioemotionaler Versöhnung zu bewegen, indem sie die traditionellen Narrative vehement infrage stellen und für Empathie und Kooperation werben.40 Zwei unterschiedliche Grundformen soziopsychologischer Transformation sind schließlich in Ansätzen ersichtlich, in denen von ziel-, prozessorientierter, instrumenteller sowie sozioemotionaler Versöhnung die Rede ist. Sie seien im Folgenden erklärt. Die Theorien der sozialen (SIT) und emotionalen Identität (IET) verwiesen bereits darauf, dass Wandel sowohl evolutionär (also entweder über kontinuierliche, bewusste Anstrengungen oder über mehr oder minder unbewusste, „schleichende“ Veränderungen) als auch revolutionär (von einem Augenblick zum anderen) erfolgen kann. Während der erste Fall auf neue Kontakte (z.B. interkommunale Begegnungen) und neues Wissen (z.B. Friedensethik) verweist und Umgewöhnung und Umdenken durch neue Einsichten impliziert, kann Einstellungswandel eben auch plötzlich durch Schlüsselerkenntnisse motiviert werden (Nadler und Shnabel 2008: 37-56). Beides unterstreicht die Bedeutung von Identität: So zielt instrumentelle Versöhnung gleichsam auf unbeabsichtigte, unbewusste Transformation der Einstellungen und Emotionen der Beteiligten, indem sie einen „neutralen“ Begegnungsraum bietet, der konfliktrelevante Identitäten temporär ausblendet oder – im besten Fall – durch wiederholte Kooperation eine gemeinsame, neue Identität schafft. Dieser neutrale Raum erlaubt es, sich selbst und auch den Anderen weniger durch den ethnischen „Filter“ zu sehen. Solche „Zwischenräume“ im Spannungsfeld polarisierter Lebenswelten bieten die Möglichkeit der positiven Identifikation. Einfach gesagt: Wo die ethnisch-exklusive Identität Ingroup-Loyalität und Ablehnung der Outgroup für ein positives Selbstbild und gesellschaftliche Anerkennung einfordert, bietet eine neue, überkommunale bzw. überethnische Identität etwa durch Fair Play im Sportwettkampf oder durch gemeinsamen 38 39 40
[abgerufen am 22.06.2016]. [abgerufen am 22.06.2017]. [abgerufen am 27.01.2017].
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Einsatz für Umweltfragen genau dieselben positiven Anknüpfungspunkte – hier allerdings im Sinne der interkommunalen Annäherung. Es wird also – man erinnere sich an Daniele Gansers Bild vom Frame als Billardtisch zurück – ein anderer Bezugsrahmen geschaffen. Wie sehr der jeweilige „Identitätsframe“ des positiven Selbstbildes die Einstellungen von Gruppen prägt und auch, wie schnell eine Veränderung dieses Frames einen fundamentalen Einstellungswandel motivieren kann, verdeutlichen etliche zeitgeschichtliche Beispiele: So zeigte eine Umfrage zur Identifikation Ostdeutscher mit der Bundesrepublik, dass sie zur Fußball-WM 2006 sprunghaft anstieg, um wenig später wieder auf das vormalige Niveau zu fallen. Dies sei, so Ahbe (2013: 28), eine Folge der temporären Ausblendung der belasteten Ost-WestBeziehungen durch den Fremdblick von außen. So wurden die ost- und westdeutschen Identitäten zeitweilig durch eine an die Weltöffentlichkeit gerichtete, gemeinsame Identität überlagert. Einen ähnlichen Prozess versinnbildlicht Dembinsky, der schildert, wie 1999 zwei kurz aufeinanderfolgende Erdbeben in Griechenland und der Türkei eine gegenseitige Welle der Hilfsbereitschaft auslöste, obgleich beide Länder wenige Jahre zuvor am Rande eines Krieges gestanden hatten (Dembinsky 2006: 29). Die Naturkatastrophe blendete den interethnischen Konflikt temporär aus und schuf so einen neuen, neutralen Raum, in dem beide Parteien über Empathie und Hilfe ein positives Selbstbild generierten. Derartige Ereignisse werden im Forschungsfeld der Katastrophendiplomatie (Disaster Diplomacy) untersucht (siehe z.B. Kelman 2012). Während in den geschilderten Fällen eine Veränderung auf der Beziehungsebene über die Transformation kollektiver Identität erfolgte, kann auch Schock und Trauer diesen plötzlichen Sinneswandel motivieren: Anschaulich zeigt das der israelisch-palästinensische Dokumentarfilm „Within the Eye of the Storm“ auf. Am Beispiel zweier Väter, deren Töchter im Nahostkonflikt ihr Leben lassen mussten, illustriert er, wie das traumatische Erlebnis des Verlustes die ehemaligen Hardliner zu einem fundamentalen Umdenken motiviert. Über gegenseitige ReHumanisierung und Empathie verarbeiten sie ihren eigenen Schmerz und sind damit, wie etliche Andere, zu einem wirkmächtigen Vorbild des bikommunalen Friedensaktivismus geworden (Hermon 2012). Aufschlussreich ist schließlich auch, welche Rolle mediales Framing für die revolutionäre Aktivierung konfrontativer wie empathischer Identitäten haben kann: So motivierte die boulevard-mediale deutsche Kampagne der Bildzeitung, wie angedeutet, auf Basis von Diffamierung und Pauschalisierung der „faulen Griechen“ und der Berufung auf vermeintliche Ingroup-Tugenden wie deutschem Fleiß breite Empörung und die Ablehnung weiterer Finanzhilfen. Umgekehrt löste die medial ebenfalls breit dargestellte Ankunft tausender syrischer Flüchtlinge am Münchner Hauptbahnhof im September 2015 große Empathie und Hilfsbereitschaft aus, die wiederum wenig später durch die gesellschaftlichen Kontroversen über die Grenzen und Gefahren von Integration überlagert wurden. Obgleich beide Themen nur partiell vergleichbar sind und auch auf unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen und politische Einstellungen verweisen, zeigt sich, welches handlungsleitende Selbstbild durch das jeweilige Framing motiviert wurde. Statt die ethnisch-exklusive, normativ-abgrenzende Identität zu aktivieren – so könnte man pointiert daraus schließen – ist Versöhnung vor allem dann erfolgreich, wenn es gelingt, das positive Selbstbild eines Menschen über Empathie und Menschlichkeit zu formen. Die Gegenüberstellung zwischen Kulturkonflikt und temporärem Ausnahmezustand,
9.3 Transitional Justice: Vergangenheitsbewältigung durch Recht und Gerechtigkeit
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wie es das Erdbeben und die Flüchtlingsnot veranschaulichen, unterstreicht ferner Relativität vermeintlich „natürlicher“ Rivalitäten. Viele weitere Beispiele – auch aus der Literatur: Man denke an Kleists Novelle „Das Erdbeben in Chili“ (Kleist 2012)41 – ließen sich anführen. Solche Befunde untermauern die Bedeutung sozialmoralischer wie emotionaler Strukturen sowohl für die Perpetuierung von Konfliktstrukturen als auch für ihre Überwindung. Der Versöhnungsprozess kann also durch einen Fokus auf gemeinsame, auszuhandelnde Ziele, durch Kontakt und Kooperation sowohl in nicht direkt mit dem Konflikt verbundenen wie auch in sensiblen konfliktrelevanten Fragen, durch das Vorbild der Politik und durch Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und durch zivilgesellschaftliche Initiativen angestoßen werden und damit stetigen oder plötzlichen Einstellungswandel generieren. Nach massiven Menschenrechtsverletzungen aber stehen, wie im nächsten Abschnitt erörtert werden soll, insbesondere für die Opfer von Gewalt und Repression Forderungen nach Gerechtigkeit, Anerkennung und Entschädigung im Fokus, die nur institutionell beantwortet werden können.
9.3 Transitional Justice: Vergangenheitsbewältigung durch Recht und Gerechtigkeit 9.3 Transitional Justice: Vergangenheitsbewältigung durch Recht und Gerechtigkeit 9.3.1 Elemente und Ziele – Widersprüche und Gefahren Wurde im Vorangehenden aufgezeigt, welche Formen und Ebenen einen versöhnungsorientierten gesellschaftlichen Transformationsprozess einleiten können, sollen im Folgenden die Kernpunkte der Transitional Justice (TJ) und damit die Konzepte Recht und Gerechtigkeit (Justice) als einem der größten Forschungsfelder der Postkonflikttheorie diskutiert werden. Denn Annäherungs- und Versöhnungsmechanismen können in Kontexten massiver Gewalterfahrung nur wirksam sein, wenn sie zum einen die vielfältigen Grundbedürfnisse nach Wissen und Wahrheit, nach Vergeltung und Vergebung, nach Trauer und Sühne, nach Anerkennung, Kompensation, nach Augenhöhe und Sicherheit berücksichtigen und zum anderen für eine nachhaltige
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Ein junger Mann in einer Gefängniszelle, so beginnt die Novelle, ist im Begriff sich zu erhängen, als ein plötzliches Erdbeben seinen Überlebensinstinkt weckt und ihn durch die einstürzenden Mauern in die Freiheit entlässt. Man erfährt, dass seine Verzweiflungstat durch den bevorstehenden Vollzug eines Todesurteils an seiner Geliebten motiviert ist, die für die uneheliche Liaison mit ihm, aus der ein Kind entstanden ist, bestraft werden soll. Es gelingt ihm sich in die Natur außerhalb der Stadt zu retten, wo er unter anderen Überlebenden auch eben diese Frau und das gemeinsame Kind wiederfindet. War das junge Paar zuvor harsch von der Gesellschaft verurteilt worden, findet es sich nun unter den Geretteten in einem Klima der Dankbarkeit wieder angenommen und ist mit Rührung erfüllt. Gemeinsam entscheidet sich die Gemeinschaft in der Stadt an einem Gottesdienst teilzunehmen. Obgleich das Paar von einer skeptischen Freundin gewarnt wird, entschließt es sich daran teilzunehmen. Während des Gottesdienstes schwenkt der Prediger nach anfänglichem Dank schnell auf seine Überzeugung, das Erdbeben sei eine Folge des Sittenverfalls und verurteilt in dem Zuge die vermeintliche Freveltat des jungen Paares. So kommt es durch einen auf die Masse überschwappenden Impuls zum mehrfachen Lynchmord, dem das Paar zum Opfer fällt. Ironisch kontrastiert Kleist hier die bösen Impulse von Gesellschaft mit einem idealisierten Naturzustand, in dem eine plötzliche Katastrophe einen kurzzeitigen Ausnahmezustand schafft, der die Menschen von den Einflüssen sozialer Normen, Zwänge und negativer Impulse befreit und damit ihre „bessere“ Natur zum Ausdruck bringt. Diese in der Philosophie der Aufklärung wiederkehrende Idee kann man auch sozialpsychologisch über die kurzzeitige Salienz einer inklusiven, humanitären Identität erklären.
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Überwindung der institutionellen Konfliktstrukturen sorgen. Die TJ befasst sich dabei mit juristischen, emotionalen, ethischen und materiellen Fragen im Umgang mit den Folgen massiver Menschenrechtsverletzungen und ihren inhärenten Spannungen. Das International Center for Transitional Justice42 definiert TJ folgendermaßen: “Transitional justice refers to the set of judicial and non-judicial measures that have been implemented by different countries in order to redress the legacies of massive human rights abuses. These measures include criminal prosecutions, truth commissions, reparations programs, and various kinds of institutional reforms.”
Fletcher et al. (2009: 165) differenzieren die Tätigkeitsfelder bzw. Ziele der TJ. Sie sprechen von sechs Säulen: “trials, truth commissions, vetting, reparations, memorialization and institutional change” (Fletcher et al. 2009: 165). Nebst strafrechtlicher, wahrheits-, entschädigungsorientierter und institutioneller Maßnahmen, rückt hier die Rolle von kollektiver Erinnerung in den Fokus.43 Im Kontext dieser Maßnahmen findet sich in der einschlägigen Literatur eine Vielzahl von miteinander verwobenen und sich überlappenden Gerechtigkeitskonzepten. So spricht man etwa von abschreckender, heilender und ausgleichender Gerechtigkeit oder Gerechtigkeit als Ausdruck menschlicher Würde (Clark 2008: 333). Mit Blick auf die Einzelmaßnahmen der TJ kann man von drei wesentlichen Zielen, nämlich der Verwirklichung retributiver (strafrechtlicher/strafender), restaurativer (wiederherstellender/heilender) und distributiver (auf materiellen Ausgleich ausgerichteter) Gerechtigkeit sprechen – wobei mit restaurativer Gerechtigkeit vielfach auch die distributive miteinbezogen wird. Ist jede Säule der TJ essenziell für sozioemotionale Versöhnung, bergen sie auch Dilemmata und Gefahren. Diese vermögen damit auch die Beharrlichkeit unteilbarer Konfliktstrukturen – wie sie sich im Nahost- oder im Zypernkonflikt zeigen – zu erklären. Zunächst gilt die strafrechtliche Verfolgung als unmittelbarstes Instrument, um zivile und militärische Akteure zur Verantwortung zu ziehen und damit den Weg für gesamtgesellschaftliche Transformation frei zu machen. Das Nürnberger Straftribunal, das International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia (ICTY) oder das Kriminaltribunal für Rwanda (ICTR) sind zu internationalen Symbolen gegen Straffreiheit, Lynchjustiz und kollektive Schuldzuschreibung geworden (Leebow 2008: 110). Gerade der Fall des ICTY aber zeigt umgekehrt auch, dass strafrechtliche Maßnahmen auch zu massiven Konflikten innerhalb von und zwischen Konfliktgesellschaften führen können. Für einen Großteil der serbischen Bevölkerung gelten die Prozesse und Urteile des ICTY gegen serbische Verantwortliche nämlich bis heute als ungerecht und parteiisch (Clark 2008: 332-344), weil die grundlegenden Konfliktnarrative und
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Das International Center for Transitional Justice (ICTJ) ist die wichtigste internationale Nichtregierungsorganisation, die sich mit dem Feld der TJ auseinandersetzt. 2001 ins Leben gerufen durch Mittel der Ford Foundation berät bzw. kooperiert die Organisation in ihrer interdisziplinären Expertise durch angestellte Wissenschaftler und Praktiker internationale Organisationen, Regierungen, Zivilgesellschaft und Opfergruppen in der Aufarbeitung von Menschenrechtsverletzungen in Postkonfliktgesellschaften; siehe: [abgerufen am 13.11.2019]. Sozio-emotionale Versöhnung und TJ sind dabei insofern konzeptuell voneinander getrennt, als ersteres eine interdisziplinäre Theorie und TJ ein praktisches Tätigkeitsfeld bzw. ein Maßnahmenbündel bezeichnet. In ihrer Zielsetzung aber erscheinen sie identisch: So umfassen beide einen mitunter langwierigen Prozess hin zu einem (idealen) Endergebnis, in dem Wahrheit, Recht und Gerechtigkeit walten und in dem Sühne und Vergebung in ihrer emotionalen, philosophischen und rechtlichen Dimension eine umfassende und dauerhafte Vergangenheitsbewältigung ermöglichen.
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die interethnischen Beziehungen die gleichen geblieben sind. Darauf wird gleich noch zurückzukommen sein. Wahrheitskommissionen (TCs) zielen im Unterschied zur bzw. in Erweiterung der strafrechtlichen Sphäre in erster Linie auf die Sichtbarmachung und Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen – gegen das Vergessen und Verleugnen. Mehr als dreißig solcher Kommissionen wurden seit den 1980er Jahren zu diesem Zweck eingesetzt. Zu den prominentesten zählen die zur Aufarbeitung der Pinochet-Diktatur in Chile, die nach dem Ende der Apartheid in Südafrika und die nach dem Völkermord in Rwanda eingesetzten TCs. Diese drei sind außerdem im Gegensatz zu ihren Vorgängern Kommissionen mit explizitem Versöhnungsanspruch. Die südafrikanische TC nannte sich denn auch „Wahrheits- und Versöhnungskommission“. TCs verstehen sich als Orte der Katharsis für die Täter und – vor allem – für die Opfer und zielen damit in erster Linie auf wiederherstellende Gerechtigkeit (restorative justice) (Rim et al. 2011: 695). Je nach strafrechtlichem Mandat und Fokus ersetzen oder ergänzen sie Strafjustiz in Kontexten, die massive Gewaltverwicklung breiter Bevölkerungsteile einschließt und so strafrechtliche Verfolgung zum einen vor praktische Schwierigkeiten stellt und zum anderen mit Gefahren für den gesellschaftlichen Zusammenhalt verbunden ist. TCs operieren damit in sensiblem Terrain. Auch ihre Ergebnisse sind mitunter umstritten, wenn die politisch-ideologische Spaltung der Gesellschaft bestehen bleibt. Ferner sagen auch Form, Rezeption und langfristige Erfolge einer TC viel über den Status Quo und das Versöhnungspotential einer Gesellschaft aus. Die chilenische TC beispielsweise wurde 1990 nach der Rückkehr des Landes zur Demokratie von der neuen Regierung gegen den Willen der immer noch mächtigen Obristen eingesetzt. Sie beschränkte sich auf die Investigation politischer Morde der Junta ohne Täterbenennung, besaß kein strafrechtliches Mandat und kein Vorladungsrecht und operierte nur für wenige Monate. Ihr Bericht wurde von den Repräsentanten und Anhängern der Diktatur als Halbwahrheit und Verzerrung vehement zurückgewiesen, während Opfergruppen und Menschenrechtsorganisationen ihn als völlig ungenügend ansahen (vgl. Ruderer 2008: 113-117). Wahrheit führt also nicht automatisch zu Annäherung, geschweige denn zu Versöhnung. Im Gegenteil. Sie kann bestehende Fronten verhärten und den fragilen Frieden einer demokratischen Transition gefährden. Im Gegensatz dazu operierte die südafrikanische TRC insgesamt sechs Jahre, nachdem sie zuvor in einem parlamentarischen Prozess über zwei Jahre von den neuen Parteien ausgehandelt worden und damit legislativ legitimiert war. Sie besaß ein strafrechtliches Mandat, ein Vorladungs- und ein Amnestierecht für geständige Täter und ihre Mitglieder waren nach breitem gesellschaftlichem Dialog mit Bedacht auf ihre Repräsentation und Symbolfunktion gewählt (Minev 2008: 35-39). Vor allem aber lautete ihr erklärtes Ziel „ [t]o restore victims’ human and civil dignity by letting them tell their stories and to recommend how they could be assisted” (Ibid.: 37). So standen im Fokus der TRCs denn auch die Bedürfnisse der Opfer und damit jenseits der strafrechtlichen Täterverfolgung, zu denen zuvorderst Traumaverarbeitung, Ermächtigung und soziale Reintegration (empowerment) zählen. Allen drei Bedürfnissen wurde begegnet, indem Opfern ein öffentlicher Ort für die Erzählung und Anerkennung ihres Leids gewährt wurde, der sich in vielen Fällen sogar als konstruktiver Begegnungsort zwischen Tätern und Opfern erwies.
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Während Wahrheitskommissionen auf die unmittelbaren ethischen und emotionalen Herausforderungen von massiven Menschenrechtsverletzungen reagierten, gehören Überprüfung und ggf. Austausch von Personal (vetting) und institutionelle Transformation – die dritte und sechste der oben aufgeführten Maßnahmen der TJ – zu den breiteren strukturellen Grundbedingungen für die Erneuerung korrumpierter und belasteter politischer Systeme und zur Schaffung demokratischen Friedens. Beim vetting steht die Integrität von Staatsbeamten und damit die Frage nach ihrer Eignung im Vordergrund (Mayer-Rieckh und de Greiff (2008: 17). Überprüfung und Austausch von belasteten Beamten ist damit ein Teilbereich breiterer institutioneller Transformation. Zu ihr zählen beispielsweise die Reform von Staatsorganen, ggf. die Auflösung der Streitkräfte, die Verabschiedung neuer Gesetzte zum Schutz ehemals diskriminierter Minderheiten oder etwa eine umfassende Bildungsreform, die eine kritische Reflektion der Konfliktvergangenheit gewährleistet (ICTJ 2016). Auch institutionelle Reformen sind mit Widerständen verbunden. Die Kontroversen um Überprüfungen und Entlassungen ehemaliger Staatsbeamter der DDR nach der deutschen Wiedervereinigung zeigen, dass sie von Teilen der ostdeutschen Bevölkerung als unfair und als Ausdruck westdeutscher Dominanz und Deutungshoheit angesehen wurden (Rehrmann 2020). Im postkommunistischen Mazedonien wurden derartige Maßnahmen als Instrument gegen parteipolitische Gegner genutzt (Angelowska 2020). Auch in diesem Bereich zeigt sich die Notwendigkeit eines gesamtgesellschaftlichen Paradigmenwechsels als Folge von Aussöhnung als Voraussetzung für den Erfolg von Reformen. Die vierte Maßnahme – Entschädigungen für die Opfer von physischer und struktureller Gewalt – gelten als „most tangible manifestation of the state’s efforts to remedy the harms they have suffered” (Boraine 2006: 24). Zu ihnen gehören Entschädigungszahlungen, Rehabiliations- und Reintegrationmaßnahmen für Opfer und Opfergruppen, aber auch symbolische Kompensation etwa durch öffentliche Erinnerungsorte für Opfergedenken oder politische Gesten der Sühne (ICTJ 2019). In den Kontroversen um die Aufarbeitung der SED-Diktatur beispielsweise beklagten viele ehemalige DDR-Regimegegner sowohl mangelnde finanzielle Hilfe als auch breites gesellschaftliches Desinteresse an den physischen und psychischen Langzeitschäden von Haft und Folter (siehe beispielsweise Knabe 2009). Schließlich gehört als umfassendste Maßnahme zur Vergangenheitsbewältigung und Gradmesser ihres Erfolges eine inklusive, trans-, inter-, intrakommunale und intersubjektive Erinnerungskultur, die von Gegnern wie von Mitstreitern und Verfechtern des alten Regimes, von stillen Mitwissern und Leugnern anerkannt werden kann (Boraine 2006: 24). Damit ist nicht – das sei an dieser Stelle betont – ein etwaiger Kompromiss, gleichsam eine „goldene Mitte“ aus unterschiedlichen „Wahrheiten“ gemeint, sondern eine multi-perspektivische und zugleich sachliche Auseinandersetzung mit den Konfliktursachen und ihren Akteuren. Die TJ zielt damit auf die sozioemotionalen Tiefenstrukturen von Postkonfliktgesellschaften und auf einen profunden Paradigmenwechsel, der das Risiko für einen Rückfall in vergangene Strukturen beseitigen will. Die Erfolge von TJ-Maßnahmen können indes durch inhärente Widersprüche und emotionale Hürden geschmälert oder gänzlich konterkariert werden – insbesondere dann, wenn eben die wesentlichen Frontlinien, Glaubensgrundsätze und emotionalen Einstellungen der Konflikt-
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zeit unverändert bleiben. Wie zu zeigen sein wird, ist deshalb ein holistischer, integrativer Ansatz der Vergangenheitsbewältigung am erfolgreichsten, insofern es ihm gelingt, breite Gesellschaftsteile in ein konstruktives, versöhnungswilliges Klima hinein zu holen. Ein zentrales Spannungsverhältnis betrifft zunächst das zwischen strafrechtlicher (retributive) und wiederherstellender (restorative) Gerechtigkeit. Strafrechtliche Maßnahmen gegen mitunter riesige Tätergruppen – das zeigt das Beispiel Rwanda – sind eine kaum zu bewältigende logistische Herausforderung und operieren in einem Klima breiten, schweigenden Mitwissertums und Leugnung vonseiten der Täter. Die Erwägung strafrechtlicher Maßnahmen gegen große Tätergruppen geht mit der schwierigen Frage einher, bis zu welchem Grad individuelle Schuldzuschreibung im Kontext repressiver Regime von Terror und Einschüchterung überhaupt möglich ist und muss zugleich die Risiken einer Gefährdung des sozialen und politischen Zusammenhaltes abwägen. Zugleich ist das Potential zur umfassenden und erfolgreichen Strafrechtsverfolgung nach demokratischen Übergängen mit der realpolitischen Machtstellung der neuen Mehrheit verbunden. Nicht wenige Länder wie Chile, Argentinien oder Spanien wählten als Antwort auf diese Herausforderungen zunächst oder gänzlich den Weg der Amnestie. Wo Straftribunale durch Internationals und damit durch externe Akteure initiiert und konstituiert wurden, stoßen sie mitunter auf vehemente Zurückweisung. Das zeigt der eben erwähnte Fall der ICTY-Prozesse, die von vielen (bosnischen) Serben bis heute mit dem Vorwurf der Siegerjustiz behaftet bleiben (Garbett 2012: 66-70). Strafrecht allein vermag also nicht automatisch einen gesamtgesellschaftlichen Dialog über die Vergangenheit anzustoßen und bleibt ferner aus praktischen Durchführbarkeitsgründen auf die Zurrechenschaftsziehung hoher Repräsentanten beschränkt. Hier unterscheidet sich der Fall Rwanda beispielsweise darin, dass neben dem ICTR auf Lokal- und Regionalebene weit mehr als zehntausend sog. Gacaca-Gerichte eingerichtet wurden. Nur 70 hohe politische Repräsentanten wurden nämlich direkt durch das ICTR verurteilt, dahingegen 1,9 Millionen durch die Gacaca-Gerichte, in die nahezu ausschließlich lokale Akteure involviert waren, die sich mit Straftaten des entsprechenden Dorfes bzw. der Region befassten. Tätern wurde Strafmilderung im Austausch für Geständnisse ermöglicht und Urteile in Form von gemeinnütziger Arbeit ausgesprochen (Hermann 2012: 106). Retributive Gerechtigkeit – so ein häufiges Argument in der TJ-Forschung – rücke die Täter in den Fokus, restaurative die Opfer. Doch auch TCs in ihrer Ausrichtung auf Wahrheit und Anerkennung sind mit Hürden und Gefahren konfrontiert. Das Versprechen der Straffreiheit im Tausch für Geständnis und Information – wie in der südafrikanischen TRC angewandt – erscheint zwar zum einen als effektiveres Instrument der Wahrheitsfindung als reine Strafrechtssanktion (Boraine 2006: 20). Reaktionen auf die Arbeit der Kommission zeigen indes, dass genau dies zum Vorwurf führte, den Tätern damit die Möglichkeit des „Freikaufs“ zu gewähren. So belegt eine Umfrage unter südafrikanischen Studenten, von denen ein signifikanter Anteil der Überzeugung war, Täter hätten sich durch vorschnelle Geständnisse und Halbwahrheiten der strafrechtlichen Verfolgung und moralischer Verurteilung entzogen (Vora und Vora 2004: 309-310). Auch das direkte Aufeinandertreffen von Täter und Opfer mag Gräben vertiefen, statt sie zu überwinden: Eine Studie zu den rwandischen Gacaca-Tribunalen beispielsweise illustriert den enormen psychischen Druck und die negativen emotionalen Konsequenzen, die die Konfrontation von Opfern mit ihrem Peiniger oder dem ihrer Angehörigen haben kann.
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Umgekehrt schienen die Tribunale durch ihren strafrechtlichen Freispruch eher den Tätern zu nützen, so die Autoren (Rim et. al 2011: 704). Die mediale Exposition der Leidensnarrative und verbundener Täternamen birgt ferner etliche Risiken, die ihrer sozialen Intention zuwiderlaufen. Am Beispiel Südafrika erläutert Godwin Phelps (2004: 101-129) die Gefahr einer Abstumpfung durch die Konfrontation mit einer Vielzahl an dramatischen Schicksalserzählungen und einer zwar intensiven, doch nur kurzzeitigen Auseinandersetzung mit den Folgen der Gewalt, wodurch die langfristigen Herausforderungen aus dem Blickfeld gerieten. Opfernarrative könnten außerdem leicht zu politischen Zwecken instrumentalisiert werden und so alte und neue Fronten kreieren. Schließlich sei auch die Täternennung – wenn auch ohne strafrechtliche Konsequenzen – kritisch für deren Reintegration. Uneingeschränkt positiv scheint der Faktor des sog. Local Ownership sowohl für Legitimität, Erfolg und Reichweite von TJ-Maßnahmen zu sein. Das gilt sowohl für retributive wie für restaurative Gerechtigkeit. Denn internationale Intervention, so Fletcher et al. (2009: 207), hinterlasse „an indelible mark on the nature of the transitional justice response adopted by a country”. So hat die extern initiierte strafrechtliche Verfolgung interethnischen Dialog, Kooperation und Annäherung in Serbien nicht nur nicht beflügelt, sondern sogar eher behindert (Meernik 2005: 271). Umgekehrt weist der Fall Rwanda trotz des tragischen Ausmaßes der Verbrechen, des Mangels an institutionellen Reformen und materieller Kompensation der Opfer und deren schmerzhaftes Wiedererleben ihrer Traumata in den Prozessen bedeutende Versöhnungserfolge auf, die zu einem guten Teil auf eben jene lokale Verankerung der TJ durch die Gacaca zurückzuführen sind.44 Auch TCs erscheinen umso erfolgreicher, je tiefer sie in der Lokalkultur verankert sind (Laurel und Harvey 2009: 7-11). Neben der Tatsache, dass die südafrikanische TRC im Gegensatz zur chilenischen eben aus einem breiten, politisch und gesellschaftlich legitimierten Aushandlungsprozess entstand, die Kommission sich aus angesehenen Persönlichkeiten zusammensetzte, die selbst Opfer von Rassismus und Diskriminierung gewesen waren, nahm die TRC auch lokale spirituelle Traditionen auf, indem vor Anhörungen gesungen und gebetet wurde (Vora und Vora 2004: 305-306). Die Bedürfnisse nach strafender wie nach ausgleichender Gerechtigkeit in Postkonfliktgesellschaften legen vor dem Hintergrund des Vorangehenden nahe, dass retributive und restaurative Maßnahmen im Idealfall Breitenwirkung besitzen und ineinandergreifen. Gleiches gilt für materielle und symbolische Entschädigung und ihr Verhältnis zueinander, was ebenso auf die weitere Qualität von Vergangenheitsbewältigung deutet. Demokratische Transformationsprozesse sind mit dieser Frage unterschiedlich umgegangen. Bis heute bemängeln vor allem Menschenrechtsorganisationen in Bosnien und Herzegowina das faktisch völlige
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Ausschnitte aus Anhörungen der südafrikanischen TRC, die die Chancen wie auch die Herausforderungen sozioemotionaler Versöhnung aufzeigen, so beispielsweise die emotionale Anstrengung der Opfer in der Schilderung erfahrener Gewalt, die Herausforderungen in Opfer-Täter-Begegnungen (z.B. wenn der Täter leugnet, statt um Vergebung zu bitten), aber auch die befreiende Wirkung kollektiver Trauerrituale und öffentlicher Anerkennung der Opfer finden sich in zahlreichen, frei zugänglichen Dokumentationen, so u.a. unter ; ; [zugegriffen am 06.09.2019].
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Fehlen von Kompensations-, Rehabilitations- und Anerkennungsmaßnahmen von Gewaltopfern des Krieges und führen ihn vor allem auf die weitgehende Kontinuität der ethnischen Bruchlinien und exklusiven Nationalnarrative sowie die alten politischen Hierarchien zurück. Diese Kontinuität spiegelt sich auch im Mangel an strafrechtlicher und politisch-institutioneller Transformation (Moratti/Sabic-El-Rayess 2009: 25-27; Hanušić 2015; Bojicic-Dezelilovic 2008: 206). In Chile wurde – obgleich die strafrechtlich-symbolische Vergangenheitsbewältigung äußerst begrenzt war – eines der umfassendsten Kompensations- und Rehabilitationsprogramme für Opfer und Hinterbliebene (lebenslange Rente, Haftentschädigung, psychologische und medizinische Betreuung u.a.) aufgesetzt (Kritz 1995: xxvii). Doch so wie Wahrheitsfindung ohne strafrechtliche Konsequenzen bei den Opfern den schalen Beigeschmack des Lippenbekenntnisses hinterlassen muss, kann materielle Entschädigung ohne öffentliche Anerkennung des erfahrenen Leids als Versuch angesehen werden, eine breitere Auseinandersetzung mit der Vergangenheit zu umgehen – sich also in gewisser Weise „freizukaufen“. Die bis heute lauten Forderungen chilenischer Opferverbände unterstreichen dies. In Südafrika wiederum finden sich im wissenschaftlichen wie politischen Diskurs Viele, die bemängeln, ein zu enger Fokus auf Wahrheit und Anerkennung habe die Frage der materiellen Entschädigung und im Weiteren der drastischen ökonomischen Disparitäten zwischen Schwarzen und Weißen ungenügend angegangen. Sei die Apartheid politisch überwunden, so eine vielgeäußerte Kritik, bestehe sie materiell weiter (Zenker 2014; Tambe Endoh 2015). Es braucht also auch den Willen und die Macht zur mitunter großflächigen Umverteilung, um soziale Gerechtigkeit und Teilhabe sicherzustellen und die Postkonflikttransformation damit glaubwürdig und nachhaltig zu machen. Auch die deutsch-griechischen Nachkriegsbeziehungen sind bis heute von griechischer Seite durch die Forderung nach umfassenden Entschädigungszahlungen und der seit der Finanzkrise 2008 lauter gewordenen Kritik durchzogen, Deutschlands Reuebekundungen für die Verbrechen der Wehrmacht und sein Versöhnungswille seien unglaubwürdig, da es am Willen zur materiellen Kompensation fehle. Kooperations- und Versöhnungsprojekte etwa im Rahmen des von der Bundesregierung etablierten deutsch-griechischen Zukunftsfonds zur Institutionalisierung einer gemeinsamen Erinnerungskultur werden von etlichen griechischen politischen Repräsentanten sogar offen als Strategie Deutschlands gebrandmarkt von seinen ausstehenden materiellen Verpflichtungen abzulenken.45 45
Zum Zukunftsfond siehe: https://griechenland.diplo.de/gr-de/themen/willkommen/-/1676028. Im Mai 2016 nahm die Verfasserin an der interkulturellen Konferenz „Forum Erinnerung und Bildung“ im griechischen Lechovo teil, in dem Wissenschaftler, politische Repräsentanten, Leiter von Erinnerungsstätten und Vertreter der Zivilgesellschaft zu Gesprächen über Hindernisse und Chancen für Versöhnung zusammenkamen. Das Dorf gehört zum Verbund der sog. „Opferdörfer“ bzw. „Märtyrergemeinden“, mit denen über hundert griechische Dörfern etikettiert sind, in denen die deutsche Wehrmacht Massaker verübte. Mit Vehemenz und Bitterkeit wurde von griechischer Seite das Fehlen strafrechtlicher Maßnahmen, vor allem aber materieller Entschädigung für die Opfer und Hinterbliebenen bemängelt. Diese Position spiegelt auch den parteipolitischen Tenor in Griechenland, der deutsche Versöhnungsgesten und Initiativen mit Skepsis betrachtet. Als etwa der deutsche Botschafter Peter Schoof bei einer Gedenkveranstaltung im Juni 2017 im griechischen Dorf Dystomo einen Kranz für die Opfer der NS-Massaker niederlegen wollte, stellte sich ihm die Politikerin Zoe Konstantopoulou mit den wütenden Worten in den Weg, er hätte dazu kein Recht. Erinnerung allein ohne Reparationszahlungen reiche nicht aus, so die SYRIZA-Abgeordnete; siehe [abgerufen am 27.02.2018]. Auch die Etablierung eines Zukunftsfonds zur Förderung deutsch-griechischer Gesellschaftsbeziehungen (insb. Jugendaustausch) wird in diesem Sinne in politischen Kreisen und der Gesellschaft von Vielen als Lippenbekenntnis bzw. gar als Ablenkungsmanöver kritisiert und politische oder zivilgesellschaftliche Kooperation mit deutschen Trägern mit Nachdruck ablehnt. Das zeigt, dass sprichwörtliche „offene Rechnungen“ auch den weiteren Versöhnungsprozess behindern können. Im Rahmen der Organisation „The Elders“ besuchen Lakhdar Brahimi, Jimmy Carter and Desmond Tutu 2011 Zypern und diskutieren im Kontext der Vermisstenfrage die Bedeutung von Vergebung, die – so Desmond Tutu – nicht mit Vergessen gleichgesetzt werden sollte; https://www.youtube.com/ watch?v=RGh_rbPLfV4
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existing antagonisms, further entrenching the disingenuous perceptions of identity that may have created violence in the first place“ (Hutchison und Bleiker 2008: 385).
Die emotionale Energie und das Bedürfnis nach Kontinuität und Heilung, die durch traumatische Ereignisse freigesetzt würden, könnten – so die Autoren – auch ein konstruktives Ventil finden: „Rather than presenting reconciliation as simply the management of fear, anger and resentment, one must appreciate how feelings such as empathy, compassion or even wonder may be part of experiencing trauma as well“ (Ibid.: 386). Solche Emotionen sind – wie im empirischen Teil zu erörtern sein wird – vor allem das Resultat von interkommunalem Dialog, neuem Wissen, dem bereits angesprochenen Frame einer gemeinsamen Identität und – so selbstverständlich diese Einsicht erscheinen mag – einem Bekenntnis zur universellen „Menschlichkeit“ allen Leids jenseits ethnischer Kategorien. Es setzt damit auch voraus, dass breite Teile der Postkonfliktgesellschaft(en) in den Versöhnungsprozess mit einbezogen werden. So fasst Gobodo-Madikizela (2004a) die unterschiedlichen Bedürfnisse und Rollen der Akteure zu Beginn des südafrikanischen Versöhnungsprozesses treffend und repräsentativ mit den Worten zusammen: „There was the question of perpetrators: Not only those who committed acts sanctioned by the government but also those who in the fight against Apartheid committed human rights abuses. And as in all societies that have suffered mass trauma there were bystanders, the beneficiaries of Apartheid privilege. Most important, there were victims, all of whom wanted to heal […]. The […] TRC was established to provide a public platform for all these groups of people, to try and deal with South Africa’s traumatic past and to break the circles of violence that so often repeat themselves historically. […] Its mandate was clear: To restore hope and justice in a country ravaged by years of violence, fear, hatred, and to do this not through a process of rigid justice that condemns but through one that invited dialogue”.
Die Passage unterstreicht, dass die TJ im Idealfall die sozioemotionale Blackbox aus Traumata, Schuld und Verleugnung als Konsequenzen massiver Gewalt öffnet, um so große Teil der Gesellschaft wie möglich in den Transformationsprozess einzubinden. Sie tut das – wie bereits einleitend gesagt –indem sie zunächst vor allem den Stimmen der ehemals Entrechteten und Unterdrückten Gehör verschafft. Jenseits der fundamentalen Bedürfnisse nach Wiederermächtigung (Re-Empowerment) und öffentlicher Anerkennung eröffnet ganz besonders die Praxis des Erzählens selbst die Restrukturierung der oftmals fragmentierten, schmerzhaften Erinnerungen und ihre Greifbarmachung als kohärente Erfahrung, die gehört, empfunden, geteilt, diskutiert und im besten Fall als Teil der kollektiven Erinnerung bewahrt werden kann. Zugleich sind die öffentlichen Plattformen der Opfererzählungen ein mächtiges Symbol der verfassungsrechtlichen Reintegration (Godwin Phelps 2004: 123): „Truth reports sponsored by the state are visible manifestations of a country’s willingness to listen to its citizen and to incorporate their voices. In this way, the reports can be sacramental, in the sense that a sacrament is grace made visible. In the acts of storytelling, both public and private, something even more profound can occur. In remembering, we re-member. We put back together that which was broken apart – ourselves, our families, our communities, our countries. In this new space, which may be both carnivalesque and sacramental, the unimagined may occur” (Ibid).
So dienen TCs nicht nur der Wahrheitsfindung. Sie erkennen das Recht auf Wissen um die Umstände des Todes oder Verschwindens von Angehörigen oder um die Drahtzieher und Mitwisser von Menschenrechtsverletzungen zu, die aktives Trauern bzw. die Überwindung emotionaler Schwebezustände aus offenen Fragen, quälenden Zweifeln oder bangen Hoffnungen ermöglichen. Dabei geht es nicht nur darum, eine bestimme, faktische Wahrheit „ans Licht zu
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bringen“, wie es rationalistische Wissenschaft oder kriminalistische Forensik suggerieren. So unterscheidet Boraine (2006: 20) zwischen faktischer, narrativer, dialogischer und heilender Wahrheit. Jede dieser Definitionen vergrößert und differenziert das Konzept, indem sie Wahrheit in subjektive, sinnkonstruierende Vergangenheitsarbeit (Narrative Truth), die Auseinandersetzung zwischen zwei Perspektiven – möglicherweise zwischen Opfer und Täter – (Dialogical Truth) und Wahrheitsfindung als Ergebnis konstruktiver gesamtgesellschaftlicher Auseinandersetzung (Healing/ Restorative Truth) definiert. Das ist für das vorliegende Erkenntnisinteresse in doppelter Hinsicht von Bedeutung: Erstens basiert die Analyse im Sinne ihrer konstruktivistischen und sozialpsychologischen Orientierung ohnehin auf einem dynamischen, intersubjektiven Wahrheitsverständnis, da es gilt, die kognitiv-emotionalen Lebenswelten der Zyprioten zu erfassen. Zweitens erscheint „Wahrheit“ in traditionellen kulturellen Kontexten und einmal mehr in Kontexten konkurrierender Narrative und heißer Ressourcenkonflikte, in denen die Vergangenheit strafrechtlich, emotional und politisch brisant ist, zu einem Legitimitätsinstrument für die eigenen Maximalperspektiven zu werden. In hoch antagonistischen, ethnonationalistischen und ideologischen Konflikten erscheint Wahrheit – wie bereits in der Diskurstheorie erörtert – zumeist als „reine“ und „einzige“ Wahrheit im Kontext gegenseitiger Manipulationsvorwürfe. Fragt man nach den sozialen Tiefenstrukturen eines solchen Verständnisses, wird deutlich, warum dies so ist: Gerade unteilbare Konflikte charakterisieren sich eben oftmals durch diskursiven Konsens, forcierte Konformität bzw. Loyalität, Patriotismus und Chauvinismus als Teil der politischen Kultur, monolithische Kausalverständnisse einer Monumentalgeschichte und starre Genderrollen und stehen damit einem intersubjektiven Wahrheitsverständnis naturgemäß ablehnend gegenüber. Denn es würde erstens die Universalität sämtlicher der aufgezählten Gesellschaftsbereiche und ihrer zugrundeliegenden Mechanismen infrage stellen. Zweitens muss – wie eingangs im Kontext der kognitiven Analyse von Entrapment aufgezeigt – bei einer entsprechenden Grundeinstellung jegliches Plädoyer für ein intersubjektives Wahrheitsverständnis in allen konfliktrelevanten Fragen automatisch als Aufweichung der Maximalpositionen, als Abkehr vom Ideal der Standhaftigkeit, als Gefahr für die Auslegung als Schwäche und damit in jedem Fall als Nachteil betrachtet werden. Diese Erkenntnisse vermögen zu erklären, warum Vergangenheitsbewältigung und sozioemotionale Versöhnung von Wahrheitsfragen in unteilbaren Konflikten so schwer zu erreichen sind. In diesem Sinne spricht Albie Sachs, prominenter Anti-ApartheidAktivist und Verfassungsrechtler, von der Notwendigkeit einer Transformation „from knowledge to achnowledgement“ auf der Basis von Kommunikation über lebendige Erinnerung (ICTJ 2015). Wie aber ist, neben dem zentralen Umgang mit Gewaltopfern, der Täterseite und damit dem Aspekt der Schuldverstrickung, Verdrängung und Projektion zu begegnen? So illustriert beispielsweise Adorno anschaulich das gesellschaftliche Klima der deutschen Nachkriegszeit als kollektive, implizit allgegenwärtige Neurose aus Schuldverdrängung: „Daß die Vergangenheit in Deutschland keineswegs bloß im Kreis der sogenannten Unverbesserlichen, wenn es denn so sein soll, noch nicht bewältigt ward, ist unbestritten. Es wird da immer wieder auf den sogenannten Schuldkomplex verwiesen, oft mit der Assoziation, dieser sei durch die Konstruktion einer deutschen Kollektivschuld eigentlich erst geschaffen worden. Unbestreitbar gibt es im Verhältnis zur Vergangenheit viel Neurotisches: Gesten der Verteidigung dort, wo man nicht
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angegriffen ist; heftige Affekte an Stellen, die sie real kaum rechtfertigen; Mangel an Affekt gegenüber dem Ernstesten; nicht selten auch einfach Verdrängung des Gewußten oder halb Gewußten. So sind wir im Gruppenexperiment des Instituts für Sozialforschung häufig darauf gestoßen, daß bei Erinnerungen an Deportation und Massenmord mildernde Ausdrücke, euphemistische Umschreibungen gewählt werden oder ein Hohlraum der Rede sich darum bildet; die allgemein eingebürgerte, fast gutmütige Wendung »Kristallnacht« für das Pogrom vom November 1938 belegt diese Neigung. Sehr groß ist die Zahl derer, die […] nichts gewußt haben wollen, obwohl überall Juden verschwanden, und obwohl kaum anzunehmen ist, daß die, welche erlebten, was im Osten geschah, stets über das geschwiegen haben sollen, was ihnen unerträgliche Last gewesen sein muß; man darf wohl unterstellen, daß zwischen dem Gestus des Von-allem-nichts-gewußt-Habens und zumindest stumpfer und ängstlicher Gleichgültigkeit eine Proportion besteht“ (Adorno 1977: 555-556).
Die vielzitierte Passage versinnbildlicht die sozioemotionale Infrastruktur der frühen deutschen Nachkriegsgesellschaft, die Lübbe so treffend mit dem Begriff des „kommunikativen Beschweigens“ etikettierte (Lübbe 2007), in der direkte Konfrontation zwischen Opfern und Tätern praktisch ausblieb bzw. dort, wo sie im Rahmen des Nürnberger Straftribunals erfolgte, ebenso von Verleugnung und Verdrängung durchzogen war. Die sozioemotionalen Bedingungen für die Überwindung einer solchen Infrastruktur veranschaulichen Nadler und Shnabel im sog. „Apology-Forgiveness-Circle“, in dem sie die emotionale Abhängigkeit zwischen Opfern und Tätern und die soziale Bedeutung dieser Abhängigkeit schematisch illustrieren: Während der Täter aufgrund der normativen Sanktionsgefahr einem Impuls der Verdrängung und Rechtfertigung folge, seien Opfer als Folge des Angriffs auf ihre psychische und physische Unversehrtheit oftmals in Hass und Frustration gefangen. Nur durch Schuldeingeständnis bzw. Vergebung könnten sich beide – Opfer und Täter – aus ihrem jeweiligen Zustand befreien (Shnabel und Nadler 2008: 117). Wenngleich solch ein Mechanismus als stark vereinfachend und idealtypisch erscheint, unterstreichen sie die enorme symbolische Wirkung öffentlicher Schuldeingeständnisse. Willi Brandts Warschauer Kniefall, Papst Johannes Pauls Abbitte für die Opfer religiöser Verfolgung, Kofi Annans Urteil über das Versagen der internationalen Gemeinschaft in der Verhinderung des Genozids in Rwanda oder etwa Kevin Rudds Entschuldigung für Unterdrückung und Enteignung der Aborigines (Nadler und Shnabel 2008: 39) wurden denn auch als zentrale Indikatoren für einen politischen Paradigmenwechsel betrachtet. Akteure des südafrikanischen Versöhnungsprozesses wie Gobodo-Madikizela und Albie Sachs verleihen dem Konzept der Vergebung eine weitere Nuance, die Stärke und Macht des Opfers in den Vordergrund rückt: „For just at the moment when the perpetrator begins to show remorse, to seek some way to ask forgiveness, the victim becomes the gatekeeper to what the outcast desires – readmission into the human community. […] In this sense, then, forgiveness is a kind of revenge, but revenge enacted at a rarefied level. Forgiving may appear to condone the offence, thus further disempowering the victim. But forgiveness does not overlook the deed: it rises above it. ʽThis is what it means to be humanʼ, it says. ʽI cannot and will not return the evil you inflicted on me.ʼ And that is the victim’s triumph“ (Gobodo-Madikizela 2006: 117).
Ein religiöses und zugleich idealtypisches Verständnis von Erhabenheit und Erlösung durch Vergebung kommt hier zum Ausdruck, von dem – so mag man urteilen – viele unteilbare Konflikte mit ihren Gewaltspiralen sehr weit entfernt sind. Sachs, der mit den körperlichen Folgen eines gegen ihn gerichteten Bombenattentates zu leben hat, prägte – man denke an Billings anfängliches Zitat zurück – den Begriff der „Soft Vengeance“ als Befreiung des Opfers von destruktiven Emotionen unter Betonung der eigenen Wertetreue. Für den südafrikanischen
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Kontext postuliert er: „Getting the wonderful constitution that we drafted as part of soft vengeance, getting democracy in South Africa, voting as equals for the first time: That is part of soft vengeance. It is more powerful than hard vengeance” (ICTJ 2015). Sowohl Schuldeingeständnis als auch Vergebung, so kann man schließen, tragen zum Empowerment bei und wirken damit den destruktiven sozioemotionalen Kreisläufen unteilbarer Konflikte entgegen, wie sie im Emotionenkapitel aufgezeigt wurden. Versöhnung von und in Postkonfliktgesellschaften, so kann man aus dem Vorangehenden schließen, ist ein komplexer, mit inhärenten Spannungen und praktischen, ethischen und emotionalen Herausforderungen beschwerter Prozess. So zeigen die unterschiedlichen Ansätze, Ebenen und Mechanismen von Versöhnung, wie breit das Spektrum und damit die Chancen für Versöhnung sein können, je breiter ihr durch die Verbindung von instrumenteller und sozioemotionaler Annäherung und durch die Breitenwirkung von retributiver, restaurativer und distributiver Gerechtigkeit der Weg geebnet wird. Voraussetzung dafür sind – so kann man schließen – politischer Wille und Mut zum Wandel wie auch eben eine konstruktive Grunddisposition gegenüber Versöhnung. Wie im empirischen Teil gezeigt werden soll, wirken monolithisches Wahrheitsverständnis, politische Kultur, starre soziale Hierarchien, Maximalpositionen, verdrängte Traumata und tabuisierte Schuldfragen verstärkend ineinander und behindern die Transformation des so konstituierten Konfliktethos. Dennoch finden sich ganz unterschiedliche, vor allem zivilgesellschaftlichen Versöhnungsmaßnahmen, die – wenn auch in einem ungünstigen politischen Klima – mit Vision und Leidenschaft im Bereich von Wahrheit und Traumabewältigung, des interkommunalen Dialogs und der Transformation der exklusiven Konfliktnarrative operieren.
10 Unteilbarer Zypernkonflikt: Vorgehensweise und Methodik 10.1 Einleitung: Ein holistischer Ansatz als Ausgangspunkt 10.1 Einleitung: Ein holistischer Ansatz als Ausgangspunkt Wie einleitend bereits erläutert nutzt die Arbeit im Sinne ihres holistischen, interdisziplinären und kulturvermittelnden Ansatzes sprach-, politik-, kulturwissenschaftliche wie anthropologische Methoden, die alle auf die Ergründung der zypriotischen Unteilbarkeit zielen. Diese umfassen zuvorderst die kritische Diskurs- und Framinganalyse von zypriotischen Medien, Experteninterviews mit zypriotischen Wissenschaftlern, Politikern, Psychologen und Friedensaktivisten, Wahrnehmungsspaziergänge des öffentlichen Raumes, teilnehmende Beobachtung, die Durchführung bzw. Auswertung von Oral-History-Interviews, die regelmäßige Rezeption der zypriotischen Abendnachrichten im öffentlichen Rundfunk und eine ganze Reihe informeller Gespräche, die die Verfasserin während ihrer insgesamt vier mehrwöchigen bis mehrmonatigen Forschungsaufenthalte führte. Dabei stand, wie einleitend erwähnt und im Sinne von Foucaults Auffassung von der unsichtbaren, dennoch leitenden Grundidee als „Netz“ sozialer Strukturen die breite, kritisch-reflexive und offene Auseinandersetzung mit dem Forschungsobjekt im Fokus, der die eigenen Prämissen miteinschließt. In den Worten Hesse-Bibers: „[…] a holistic approach does not require researchers to disavow their underlying belief systems, but rather to examine how ontological and epistemological perspectives impact methodology. Therefore, a holistic approach views research as a process rather than an event” (Hesse-Biber 2014: 32).
Der eigenen Quellengenerierung und Primärquellenanalyse ging dabei eine intensive Beschäftigung mit den im Forschungsstand benannten Sekundärquellen zypriotischer, griechischer, türkischer und internationaler Wissenschaftler mit konstruktivistischer und anthropologischer Ausrichtung voraus. Quellenauswahl auf Basis der Erkenntnisse der erörterten Unteilbarkeitstheorie, thematische Schwerpunktsetzung und methodische Erfassung seien im Folgenden in Orientierung an den Empiriekapiteln und den spezifischen Schwerpunkten und Zielsetzung eines jeden Kapitels vorgestellt. Die Intention des vorliegenden Kapitels ist es, neben den methodologischen Erörterungen von Diskursanalyse, Oral-History und Anthropologie auch die Quellenauswahl zu begründen und so den Erkenntnisgewinn des holistischen Ansatzes zu unterstreichen.
10.2 Auswahl und Vergleich von Nationalnarrativen und Erinnerungsfacetten 10.2 Auswahl und Vergleich von Nationalnarrativen und Erinnerungsfacetten Verweisen die Emotions-, Erinnerungs-, und Nationalismustheorie auf die besondere Relevanz von Nationalnarrativen und ihrem ästhetisch-normativen Gehalt für das Verständnis von nationalem Vorstellungsraum, der Ausrichtung nationaler Identitäten, wie auch für den Grad an kritischer Reflexion, Multiperspektivität und Inklusion, begann die Erforschung des Zypernkonfliktes über den Nationalismus Griechenlands im Vergleich zur Türkei in Kapitel 11, „´Parallelmonologe`: Die Nationalnarrative der zypriotischen Mutterländer“. In der Erörterung der Nationalstaatsgeschichte – mit einem deutlichen Schwerpunkt auf Griechenland – wurden nur diejenigen Aspekte ausgewählt, die zur Herleitung der gegenwärtigen Facetten der griechischen
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Rehrmann, Der Zypernkonflikt, Innovative Konfliktforschung – Innovation in Conflict Research, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31192-6_10
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10 Unteilbarer Zypernkonflikt: Vorgehensweise und Methodik
Erinnerungskultur und nationalen Identität dienen. Dabei ist das primäre Ziel, die sozialpsychologischen Facetten der griechisch-türkischen Beziehungen auf Basis der präsenten und implizit allgegenwärtigen nationalen Vorstellungsräume, ihre bis heute neuralgischen Punkte und ihre Sensitivität gegenüber dem (westlichen) Fremdblick aufzuzeigen. Die Analyse wird durch eine Erörterung der historischen wie gegenwärtigen nationalen Rolle der Orthodoxen Kirche ergänzt, die für die Identität Griechenlands, sein Verhältnis zur Türkei und auch im Zypernkonflikt eine zentrale Rolle spielt. Die Gegenüberstellung der konstruierten Nationalvergangenheit der beiden Mutterländer, die sich gegenseitig die ethnische Primordialität, territoriale und kulturelle Autochthonie und Zugehörigkeit zum Westen absprechen sowie die Illustration der widersprüchlichen Mehrebenen einer Alltagswelt, die dem fein konstruierten Nationaletikett in essenziellen Punkten widerspricht, sollen eine bisher weitgehend vernachlässigte Komponente der griechischen und türkischen Nationalismen in den Fokus rücken: nämlich das aus den historischen Rivalitäten und internen Widersprüchen resultierende, essenzielle Bedürfnis nach Augenhöhe und nationaler Anerkennung. Eben jenes Bedürfnis – das soll im darauffolgenden Kapitel (12) aufgezeigt werden – ist für das Verständnis der soziopsychologischen Infrastruktur der griechisch-zypriotischen Gemeinschaft unerlässlich. Beide Nationalnarrative (das griechische und griechisch-zypriotische) basieren auf einer (bis heute existenten) spannungsreichen Synthese aus revolutionär-inklusiver und ethnisch-exklusiver Identität, auf vehementer Abgrenzung von einem stilisierten Orientbild und einer forcierten Hinwendung zum (idealisierten) Westen. Die Erörterung der griechischen im Spiegel der türkischen Identität basiert zuvorderst auf der Beschäftigung mit den wenigen existenten Publikationen, die sozusagen „aus erster Hand“ die Widersprüche dieser forcierten nationalen Vorstellungsräume illustrieren. Ganz besonders die Begegnung mit dem griechisch-türkischen Wissenschaftler Hercules Millas, seine Berichte und breiten, innovativen Publikationen zu den konkurrierenden Nationalgedächtnissen Griechenlands, der Türkei und Zyperns und ihrer durch Politik, Bildungswesen und Kirche forcierten Statik gaben der Nationalismuserörterung des Empirieteils wesentliche Kontur und legten zugleich den Grundstein für die breitgefächerte Analyse des Zypernkonfliktes und seiner an den Mutterländern orientierten Erinnerungskultur. Die Zielsetzung der Erörterung des kollektiven Gedächtnisses – das soll nochmals ausdrücklich betont werden – hat nicht den in erster Linie forensischen Anspruch, eine wie auch immer geartete Wahrheit aufzudecken. Vielmehr geht es darum, die verschiedenen Formen der Erinnerung mit Blick auf die Vergegenwärtigung wie die Verdrängung der Konfliktjahre zu erörtern. In seinem Buch über die komplexen Facetten konkurrierender Erinnerungen in Italien bringt John Foot im Hinblick auf seine eigene Rolle als feldforschender Historiker diese Intention mit den Worten auf den Punkt: „This book will use stories, microhistories, and testimonies to explain and describe some to these divided memories. It will investigate plaques, monuments, anniversaries, commemorations, and other visible signs of memorial practice, but also absences and silences. What is remembered is important, but we must also consider what has not been remembered. This book is not always interested in ´what happened` in a strict sense, but the debates about what happened afterward […]. I draw a strong distinction […] between the role of the judge and that of the historian. The former is obliged to come to a conclusion about the facts of each case; the latter is interested in the ways these facts have been interpreted, remembered, and contested“ (Foot 2009: 1).
10.2 Auswahl und Vergleich von Nationalnarrativen und Erinnerungsfacetten
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Mit eben dieser Zielsetzung werden in den folgenden Kapiteln alle zentralen Facetten der zypriotischen Erinnerungskultur und ihre Interdependenz aufgezeigt. Kapitel 12, „ʽMan ist, was man erinnertʼ: Die zypriotische Konfliktgeschichte und ihr Gedächtnis“, ist ebenso wie das vorangehende in einen (herleitenden) historischen und einen (wesentlich detaillierteren) gegenwartsbezogenen Teil gegliedert. Die Erörterung der nationalstaatlichen Bestrebungen der griechischen Zyprioten und der verbundenen heißen Konfliktphase zwischen 1960 und 1974 auf Basis historischer Dokumente, Zeitungsberichte aus dem zypriotischen Medienarchiv und (teils autobiographischen und investigativen) kritischen wissenschaftlichen Analysen, soll in Orientierung an den Erkenntnissen der Nationalismus- und Gedächtnistheorien sowohl das (sozioemotionale) Klima jener Zeit, die historische Bedingtheit des Konfliktverlaufes, wie auch die massive retrospektive Konstruktion der jeweiligen Nationalnarrative mit ihren charakteristischen Widersprüchen, Leerstellen und ihrer emotionalen Strahlkraft unterstreichen. Sie wurde um die Analyse von Ausstellungen in Nationalmuseen der Konfliktgeschichte („Museen des nationalen Kampfes“), um Experteninterviews mit zypriotischen Politikern und um Erkundungen des öffentlichen Raumes ergänzt, die sich an den Erörterungen des „emotionalen Erbes“ durch Artefakte, den Befunden zum Musée Sentimental und der Rolle von Spuren orientieren. Die Quellenauswahl und ihr Vergleich soll dabei kulturessentialistische und strategische Behauptungen von den vermeintlich primordialen bzw. unvereinbaren politischen und territorialen Interessen widerlegen und zugleich die widersprüchlichen gegenwärtigen Ausprägungen der Konfliktgeschichte und ihre wirkmächtigen Botschaften greifbar machen. Kritische Sekundärquellen zu Ebenen und Gegensätzen zwischen sozialer, institutioneller und ritueller Erinnerung, wie sie im Forschungsstand vorgestellt wurden, kontextualisieren die Befunde. Um die Leerstellen des dominanten Diskurses aufzuzeigen, wurde ein besonderer Schwerpunkt auf die autobiographische Erinnerung gelegt. Dazu wurden 90 Oral-History-Interviews des unabhängigen zypriotischen Friedensforschungsinstitut Sociopolitical Studies Institute (IKME) analysiert. Die Interviews wurden 2003 von zypriotischen Anthropologen im Rahmen des Projektes „Cypriotsʼ Bi-Communal Oral History“ geführt und folgten der Leitfrage nach den Erinnerungen an den interethnischen Alltag vor 1974. Von der geographisch, sozial und gendertechnisch repräsentativen Gesamtauswahl wurden der Verfasserin von IKME-Leiter Orestis Tringides die griechisch-zypriotischen Interviews, die noch nicht anderweitig veröffentlicht wurden, zur Verfügung gestellt. Methodologische Aspekte der Erhebung können auf der Internetpräsenz des Instituts eingesehen werden.47 Die Interviews liegen in schriftlicher Form mit detaillierten Angaben über die Interviewten (Name, Geburtsjahr, Herkunftsort) vor. Auswertung und Interpretation orientierten sich dabei sowohl an den bereits erörterten Zielen und Prämissen der OH wie an spezifischen Richtlinien zur Vorbereitung. Die vorangehende intensive Beschäftigung mit den Ebenen, Formen und Widersprüchen der Erinnerung durch Primär- und Sekundärquellenkunde war dabei notwendige Voraussetzung für eine informierte Kontextualisierung48 und der Analyse von Dissonanzen und Leerstellen individueller Erinnerung (Hesse-Biber 2006). Zugleich richtete sich das Augenmerk auf die Existenz narrativer Strukturen, d.h. auf die Ästhetik von Anordnung, Sinn, Auslassung und Betonung und den kleinen Geschichten als Teil
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[abgerufen am 26.01.2017]. [abgerufen am 26.01.2017].
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der Gesamtbotschaft (Weimar et al. 1997; Gudehus 2010). Auch hier ging es nicht primär um die Zusammentragung bzw. Widerlegung von Faktenwissen über jene Zeit, sondern um die identitätsrelevanten, sinn- und gemeinschaftsstiftenden und kulturspezifischen Aspekte der (inter-) subjektiven Erinnerung. Linda Shopes (2002), ehemalige Präsidentin der Oral History Association, bringt dies prägnant mit den Worten zum Ausdruck: „What is needed then is an understanding of oral history not so much as an exercise in fact finding but as an interpretive event, as the narrator compresses years of living into a few hours of talk, selecting, consciously and unconsciously, what to say and how to say it. […] Each interview is a response to a particular person and set of questions, as well as to the narrator's inner need to make sense of experience. What is said also draws upon the narrator's linguistic conventions and cultural assumptions and hence is an expression of identity, consciousness, and culture”.
Ganz im Sinne der Intention, durch die Analyse von OH eine entscheidende Facette der emotionalen, subjektiven und gegenwartsrelevanten Erinnerung aufzuzeigen, wurden die Interviews auf wiederkehrende Motive und Symbole, auf kulturelle Referenzpunkte und soziokulturelle Besonderheiten hin untersucht, um so Aussagen über ihr Verhältnis zum kollektiven Konfliktgedächtnis machen zu können. Gleichzeitig ist es im Sinne des kulturvermittelnden Ansatzes ein Anliegen, dem Leser der Forschungsarbeit einen lebendigen Eindruck der Bräuche, Sorgen und Herausforderungen zu vermitteln, denen sich die Zyprioten in allen Teilen der Insel in einem Klima zunehmender Konfrontation, Gewalt, Unsicherheit und Vertreibung konfrontiert sahen und die schwere emotionale Hypothek der Konfliktgeschichte zu illustrieren. Eine zentrale, brisante und bisher kaum systematisch erforschte Dimension dieses Erbes schließlich betrifft den institutionellen und sozialen Umgang mit der Frage der bis heute durch den Konflikt Vermissten. Hier wurden teils vertrauliche Interviews mit Diplomaten, Regierungsbeauftragten, mit zivilgesellschaftlichen Aktivisten, Psychologen und Angehörigen geführt, die äußerst eindrücklich die problematischen Folgen einer fehlenden strafrechtlichen, emotionalen wie symbolischen Aufarbeitung der Gewaltverbrechen aufzeigen. Das Kapitel untersucht damit die statischen, die lebendigen, die strategischen, sowie die unbequemen Facetten des Konflikterbes und schließlich auch den kognitiven Einfluss des im Theorieteil erörterten sozialen Rahmens auf die individuelle Erinnerung.
10.3 Spaces und Places 10.3 Spaces und Places Grundlegende Einsichten in die Bedeutung des öffentlichen Raumes für das Verständnis der, wenn man so will, lauten und stummen Vergangenheit, der Hierarchien und Interessen, der institutionellen Repräsentationen, der Spuren und der erzählten Geschichten, die die Artefakte des öffentlichen Raumes umweben, gab ein Workshop der ECPR-Winterschool in Wien mit Titel „Methods in Political Anthropology“, den die Verfasserin im Februar 2014 besuchte. Kursleiter war der türkische Zypriot Murat Erdal Ilican, der selbst in Südzypern lebt. Im Workshop wurden wesentliche Methoden der politischen Ethnographie vermittelt, also der Analyse von sozialer Alltagswelt im Hinblick auf ihre politische, ideologische und kulturelle Relevanz. Dabei standen die Rolle des öffentlichen Raumes (Space and Place) und die Oral History im Vordergrund. In Quellenarbeit und einer selbstgewählten anthropologischen Erkundung, die die Verfasserin mit ihrem Promotionskollegen Johannes Gold auf den Wiener Zentralfriedhof
10.4 Bildungswesen und Schulbuchanalyse
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führte, in dem implizite Hierarchien und vermeintliche Selbstverständlichkeiten religiöser Zentrum-Peripherie-Strukturen diskutiert wurden. Die Workshop-Quellen zur diachronen Analyse von kulturellen Referenzpunkten im öffentlichen Raum (Demetriou 2009), zu den Leerstellen und Grenzen des nationalen Vorstellungsraumes (Constantinou 2011) und zu Ruinen und verlassenen Häusern als Ausdruck des widersprüchlichen politischen Schwebezustandes Nordzyperns (Navaro-Yashin 2009) wurden durch weitere anthropologische Quellen ergänzt. Sie vermittelten der Verfasserin ein tiefes Verständnis für die gewollten, vor allem aber die impliziten Aussagen über diskursive Hierarchien und Praktiken, die der öffentliche Raum, seine institutionellen Repräsentationen wie auch seine Spuren zu vermitteln vermögen. Sie leiteten so die eigenen Wahrnehmungsspaziergänge durch den öffentlichen Raum mit zahlreichen informellen Gesprächen mit Taxifahrern, Grenzpolizisten und Militärs und Kaffeehausbesuchern, die Teilnahme an bikommunalen Musikabenden der Gruppe „The Cyprus Dream“, vor allem durch den sprichwörtlichen „Zwischen-Raum“ Zyperns – der UN-Pufferzone und ihren NGOs – an, die im Kapitel zur Erinnerungskultur und im Versöhnungskapitel präsentiert werden. Als erheiterndes und zugleich aufschlussreiches Experiment diente die höfliche, dennoch bewußte Verunsicherung von ephemeren Gesprächspartnern, insbesondere Grenzpolizisten, durch die Thematisierung von neuralgischen Punkten der Konfliktgeschichte und linguistischen Spielen mit Identitätsfragen. Es ist sowohl an Abdelals (2006: 704-705) Empfehlung von sozialen Experimenten zur Ergründung dominanter Normen wie an Garfinkels Ethnomethodologie orientiert, der in seinen Feldstudien – pointiert gesprochen – Normen brach, um sie sichtbar zu machen (Garfinkel nach Hogg und Vaughan 2010: 124). Vor allem aber interessierte die Verfasserin vor dem Hintergrund des anthropologischen Fokusʼ auf kritischen Minderheiten ein Zugang zum dominanten Diskurs über die informierte Erörterung seiner Widerstandspunkte. Dazu zählten formelle Gespräche mit den Friedensaktivisten Sevgül Uludağ, Alev Tugberg, Kyriakos Pachoulides, Prof. Maria Hadjipavlou, Prof. Ahmet Sözen, Marios Epaminontas (Interviews), sowie informelle Gespräche mit selbigen und anderen, wie Orestis Tringides vom friedenspolitischen IKME-Institut, Prof. Caesar Mavratsas und Prof. Yiannis Papadakis, die alle im bikommunalen Dialog engagiert sind und der Verfasserin über das persönliche Gespräch und über die folgende Lektüre ihrer Publikationen wertvolle Einblicke in die Widersprüche und Spannungen der zypriotischen Unteilbarkeit vermittelten, indem sie ihren Blick für machtpolitische Interessen, politische Kultur und Genderrollen schärften, die alle maßgeblich zur Unteilbarkeit des Zypernkonfliktes beitragen. Ferner erscheinen sie in ihrer täglichen Praxis auch als Normunternehmer, die in ihrer Abkehr vom identitären Konsens einen Paradigmenwechsel einzuleiten trachten (man denke an den Begriff der Minority Conversion zurück).
10.4 Bildungswesen und Schulbuchanalyse 10.4 Bildungswesen und Schulbuchanalyse Einen zentralen Teilaspekt der institutionellen Erinnerung, nämlich die Rolle der schulischen Geschichtsvermittlung erörtert Kapitel 13, „ʽIch vergesse nicht und kämpfe!ʼ: Geschichtsbücher als nationales Erbe.“ Auf Basis kritischer Analysen zypriotischer Bildungsexperten (viele
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von ihnen sind auch im interkommunalen Dialog tätig) wird zunächst die fundamentale historische Rolle der Bildung für die Konstruktion nationaler Identität vor 1960 illustriert, alsdann ihre Dynamik bzw. Anpassung an die neuen Interessen nach 1974. Bis heute – so soll unterstrichen werden – ist die Geschichtsvermittlung ein zentraler Topos parteipolitischer und öffentlicher Kontroversen und dabei fest mit Fragen nationalen Zusammenhaltes, territorialen Ansprüchen, politischen Zielen und dem kollektiven Image nach außen verbunden. Drei in diesem Sinne besonders relevante, bisher noch nicht wissenschaftlich erörterte Geschichtsbücher, nämlich zwei Ausgaben des Lehrwerkes „Ich weiß, vergesse nicht und kämpfe“, das an die verlorene Heimat im Norden erinnern soll und „Die Kirche Zyperns“, das politische Rolle und soziale Verankerung der Orthodoxen Kirche behandelt, wurden analysiert. Die aus der Erörterung der institutionellen Geschichtsvermittlung abgeleiteten Befunde werden im letzten Kapitel (15), „Unteilbarkeit versöhnen? Chancen, Hindernisse und zivilgesellschaftliches Engagement“ den alternativen, auf Inklusion, Verständigung und Versöhnung ausgerichteten Geschichtsbüchern der NGO Association for Historical Dialogue and Research (AHDR) gegenübergestellt. Zu den versöhnungsorientierten Publikationen gehören „The Ottoman Period in Cyprus. Learning to explore change, continuity and diversity”. Es behandelt – wie der Titel vermuten lässt – die osmanische Geschichte der Insel aus unterschiedlichen Blickwinkeln. „Learning to investigate the History of Cyprus through Artefacts. Teacher's Guide and Museum Activity Booklet for Students” vermittelt Hintergrundwissen und praktische Anleitungen für archäologische Untersuchungen und „Thinking Historically about the Missing Persons. A Guide for Teachers” – das wichtigste, weil brisanteste Lehrwerk – behandelt als mehrteiliges Lehr- und Handbuch das sensible Thema der Vermissten in globaler und zypriotischer Perspektive. Die alternativen Geschichtsbücher behandeln die konfliktrelevanten Themen, wie zu zeigen sein wird, zumeist nur indirekt. Vielmehr als die eine oder andere Geschichtsversion zu falsifizieren, geht es dort um vorsichtige Annäherungen konfligierender Positionen insbesondere durch reflektierte, sachliche Argumentation und durch Multiperspektivität, die zum Nachdenken anregen. Die Berechtigung dieses Ansatzes unterstreicht Pingel (2009: 10), wenn er nachzeichnet, dass die zunehmend internationalen Initiativen – insbesondere des Georg-EckertInstitutes und des Europarates – um internationale Verständigung durch eine Transformation der Geschichtsbücher weniger auf der Erörterung von wahren bzw. falschen Fakten fokussierten, sondern auf der Vermittlung von demokratischen Werten, kritischer Reflexion und einer offenen und toleranten Diskussionskultur jenseits reiner Wissensvermittlung. Pointiert fasst er die Wirkungslosigkeit von (rein) faktenbasierten Ansätzen für die Verwirklichung eines grundsätzlichen Einstellungs- und Wertewandels mit den Worten zusammen: „[…] stereotypes and prejudices tend to be related to the need of the society in question to find points of self-orientation in its own development process. As a result, they are often immune to pure factual information. This circumstance probably reveals the weakest point in the traditional approach to combating prejudice, namely adding more, or more ´accurate` knowledge; the idea that simply supplying the right facts will help to “correct” a ´wrong` image. We already know that this approach does not suffice to change someone’s mind. Textbooks as educational tools offer greater opportunities and can do much more than merely convey facts. They should provide points of references for students whose behavioural and cognitive patterns are being formed. Readers should strive to find out the key points of reference in a given text and to examine the degree to which the concept of oneself, embedded in history, geography or social studies textbooks, is also open to other identities” (2009: 37).
10.4 Bildungswesen und Schulbuchanalyse
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Dieser Auszug unterstreicht damit sowohl die im Theorieteil erörterte kognitive Macht von Glaubensgrundsätzen und Identität als auch die Relevanz von werte-, statt faktenorientierter Peace Education. Die beiden Eckpunkte autoritativ-überzeugungsorientierter gegenüber kritisch-reflexiver Bildung bringt bereits Chomsky in seiner Kritik an strategischer Wortgewalt zum Ausdruck: „It seems to me that the best teacher would be the one who allows students to find their way through complex material as you lay out the terrain. Of course, you can´t avoid guiding, because you´re doing it a particular way and not some other way. But it seems to me that a cautionary flag should go up if you´re doing it too much, because the purpose is to enable students to be able figure for themselves, not to know this thing or to understand that thing but to understand the next thing that´s going to come along; that means you´ve got to develop the skills to be able to critically analyse and inquire and be creative. This doesn´t come from persuasion or forcing things on people. There´s sort of a classical version of this – that teaching is not a matter of pouring water into a vessel but helping a flower to grow in its own way – and I think that´s right” (Chomsky in Otero 2003: 375).
Für die Ergründung und Bewertung des griechisch-zypriotischen Bildungssystems, der staatlichen und alternativen Lehrwerke und ihrer inhaltlichen wie didaktischen Ansätze wurden vor diesem Hintergrund in Orientierung an den UNESCO-Richtlinien für Schulbuchanalysen (Pingel 2009: 7-52) und auf Basis der relevanten, im Theorieteil erörterten Aspekte zur Geschichte und Geschichtsvermittlung zentrale Leitfragen entwickelt, die im Folgenden zusammengefasst werden: Zu den Lehrwerken: 1.
2.
3.
4.
5. 6.
7.
Zweck: o Ist das Lehrwerk primär sachlich-informativ oder setzt es auf der Beziehungsebene an? o Soll es Toleranz und Verständnis generieren oder primär Gruppensolidarität und Patriotismus motivieren? o Welche Emotionen werden evoziert? Sollen eher Neugier, Interesse, Erstaunen und Empathie oder eher Ärger, Traurigkeit, Stolz und Ehrfurcht geweckt werden? o Welche Botschaften, welche Normen werden vermittelt? Inhalt: o Welche Themen, welche Akteure stehen im Mittelpunkt? o Welche (offenkundigen) Themen fehlen? Kognitiv-affektiver Vorstellungsraum: o Macht er an den nationalen/territorialen Grenzen halt und rekurriert er auf eine vermeintlich homogene Gemeinschaft oder lässt er Raum für Diversität? o Inwiefern nimmt er Rekurs auf Gründungsmythen und Heilsnarrative und inwiefern lässt er Raum für unterschiedliche bzw. alternative Perspektiven? Ethische Referenzpunkte: o Tendiert das Lehrwerk inhaltlich zu Toleranz, Inklusion und Egalität oder zu Rassismus, Chauvinismus und Stereotypisierung? o Beinhaltet es die Themen Menschenrechte, Demokratie, Frieden? Wenn ja, gelten sie nur für die eigene Gemeinschaft? Wissenschaftliche Qualität: o Beruht es auf differenzierten und wissenschaftlichen Quellen? Perspektive und Themenbreite: o Ist sie multithematisch? o Ist sie mono- oder multiperspektivisch? o Ist Multiethnizität sichtbar? Sprachliche Mittel:
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10 Unteilbarer Zypernkonflikt: Vorgehensweise und Methodik Beruht das Lehrwerk auf einer faktisch-sachlichen, diplomatischen oder auf einer emotiv-normativen Sprache? Zeitverständnis und Historizität: o Wie ist das Verhältnis zwischen erlebter und erzählter Zeit? o Wie ist das Verhältnis zur Gegenwart? o
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Zum Bildungssystem: 9.
Didaktische Kultur: o Ist der Unterricht lehrer- oder schülerzentriert bzw. ist der Unterricht als Frontalunterricht konzipiert oder wird zu Diskussion und Initiative motiviert? o Erhalten Lehrer institutionelle Anleitung bzw. Hilfe für den Umgang mit sensiblen Fragen? 10. Institution Bildung: o Welche Rolle spielt Bildung im gesamtgesellschaftlichen (Konflikt-) Kontext? o Wie zentralisiert ist das Bildungssystem? o Wie breit ist die gesellschaftliche Diskussion um Bildungsformen? Stehen Lehrer, Eltern, möglicherweise sogar die Schüler selbst, in aktivem Dialog über Inhalte und Formen der Bildung?
Über die erörterten Komponenten von Unteilbarkeit und die UNESCO-Richtlinien hergeleitet, dienen diese Leitfragen so als ideeller Richtwert und ihre Erfüllung als Indikator für den Grad an kritischer Reflexion und Dialogbereitschaft über sensible, konfliktrelevante Themen im Geschichtsunterricht.
10.5 Diskursanalyse 10.5 Diskursanalyse „If I had to single out a primary function of human language, it would be not one, but the following two: to scaffold the performance of social activities (whether play or work or both) and to scaffold human affiliation within cultures and social groups […] These two functions are connected. Cultures, social groups, and institutions shape social activities: there are no activities like ´water-cooler gossip sessions` or ´corridor politics` without an institution whose water cooler, social relations, corridors, and politics are the sites of and rationale for these activities. […] There is nothing special, then, about politics. Politics is part and parcel of using language. […] When we speak or write we always take a particular perspective on what the ´world` is like. This involves us in taking perspectives on what is ´normal` and not; what is ´acceptable` and not; what is ´right` and not; what is ´real` and not; what is the ´way things are` and not; what is the ´ways things ought to be` and not; what is ´possible` and not; what ´people like us` or ´people like them` do and don’t do; and so on and so forth, again through a nearly endless list. But these are all, too, perspectives on how we believe, wish, or act as if potential ´social goods` are, or ought to be, distributed […] Furthermore, far from exonerating us from looking at the empirical details of language and social action and allowing us simply to pontificate, an interest in politics demands that we engage in the empirical details of language and interaction. Politics has its lifeblood in such details. It is there that social goods are created, sustained, distributed and redistributed. It is there that people are harmed and helped” (Gee 1999: 2-3).
Diese einleitende Passage aus Gee´s plastischer und feinsinniger theoretischer und methodischer Erörterung der Diskursanalyse bringt erstens anschaulich die Verschränkung von alltagsweltlichem, institutionellem und politischem Ideenaustausch und damit zweitens die hochpolitische Bedeutung von sprachlicher Kommunikation auf den Punkt. Es ist – um Gee zu umschreiben – die Intention der Forschungsarbeit, die „empirical details of language and interaction“ in eben diesem Ineinanderwirken zu illustrieren und damit die Ideen zu erfassen, die auf die politische Dimension (die Unteilbarkeit) des Zypernkonfliktes wirken. Das Herzstück des empirischen Teils bildet deshalb eine umfassende, kritische Diskursanalyse (KDA). Sie soll die
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sprachlichen Kristallisationen der vorangehenden, interdisziplinären und kulturvermittelnden Erörterungen unter der Leitfrage nach den Komponenten der zypriotischen Unteilbarkeit erfassen. Anschaulich bringt Jäger diese Intention zum Ausdruck, wenn er sagt, man könne „die KDA auch als eine Abteilung der Cultural Studies ansehen, die sich als prinzipiell kontextuell, theoriegeleitet, interventionistisch, inter- und transdisziplinär sowie selbstreflexiv verstehen“ (Jäger 2012: 11). Den größten Teil macht die Printmedienanalyse der Monate aus, die der Abstimmung um den Annan-Plan 2004 vorausgingen. Sie werden ergänzt durch die erwähnte Analyse von Zeitungsartikeln der Konfliktjahre 1963-1974 und durch ausgewählte, aktuelle Zeitungsartikel und Nachrichtenbeiträge des öffentlichen Rundfunks, die im Forschungszeitraum bis 2017 veröffentlicht wurden. Alle gemeinsam sollen sowohl die diachrone Statik und Kontinuität der zypriotischen Krisendiskurse mit ihren zentralen Streitfragen erörtern als auch die impliziten Grundbedürfnisse und strategischen Interessen, die sich mit ihnen verbinden. Die KDA basiert dabei erstens auf den im Theoriekapitel erörterten Prämissen, d.h. es geht zuvorderst um eine Analyse des diskursiven Vorstellungs- und Möglichkeitsraumes, um normatives Zentrum und normative Peripherie, um das Selbstverständliche und Umstrittene, um die als Kulturmodelle und kognitive Schablonen bezeichneten assoziativen Bedeutungsverknüpfungen (intertextuelle Referenzen), Kausalketten und daraus resultierende Selbst-, Fremd und Weltbilder. Eingebettet in die Analyse der Erinnerungshierarchien, Erinnerungsformen, der zentralen politischen Akteure und der politischen und gesellschaftlichen Haltungen und Praktiken – insbesondere im Hinblick auf die völkerrechtliche Nicht-Anerkennung des Nordens und die Nichtüberschreitung der internen Grenze – sollen damit die Kernelemente der diskursiven Wirklichkeit und ihre handlungsleitende Wirkung in diachroner Perspektive aufgezeigt werden. Dabei sollen insbesondere Leitideen und Grundmotive im Fokus stehen, die in wiederkehrenden Rechts- und Gefahrenmetaphern, Slogans und Schlagworten zum Ausdruck kommen und auf den hohen rhetorischen und symbolischen Gehalt des Diskurses verweisen. Vor dem Hintergrund des holistischen, bedürfnis-, emotionen- und versöhnungsorientierten Ansatzes soll es zweitens darum gehen, die unerfüllten Grundbedürfnisse und verwickelten Emotionen aufzuzeigen, die jenseits strategischer bzw. politischer Manipulation auf die soziopsychologische Infrastruktur der griechisch-zypriotischen Gesellschaft verweisen – eine Infrastruktur, die machtpolitische Instrumentalisierung erleichtert. Pointiert fasst Shaw die Relevanz von Sprache mit den Worten zusammen, politische Diskurse basierten auf der Wissensproduktion und der Evolution von Praktiken durch Sprache und Interaktion, „with policy embracing a set of tacit assumptions determined by its relationship to a particular situation, social system or ideological framework and representing a struggle over ideas and values” (Shaw 2010: 198). Leitfragen der Analyse sind in diesem Sinne: Für die kapitelübergreifende Gesamtanalyse: 1. Wie konstant ist die Präsenz zentraler Diskursfragmente in diachroner Perspektive? 2. Welche konstanten Grundbedürfnisse, emotionalen Verwicklungen und (macht-) politischen Interessen sind daraus abzuleiten? Für die Erörterung des Diskurses um den Annan-Plan: 1. Wie und mit welchen sprachlichen Mitteln werden die laufenden Verhandlungen um den Annan-Plan gefamed? 2. Welche Diskurspositionen stehen sich gegenüber, in welchen Hierarchien und mit welchen Interessen?
180 3.
4. 5.
10 Unteilbarer Zypernkonflikt: Vorgehensweise und Methodik Welche assoziativen Verknüpfungen bestehen zwischen Gegenwart und Vergangenheit? Welche Rolle spielt die Konfliktgeschichte als „Akteur im Konflikt“, d.h. welche gegenwartsrelevanten Botschaften werden durch sie vermittelt? Wie konstituiert sich das dominante Selbstbild der Gemeinschaft, wie demgegenüber die Outgroup bzw. bedeutende Andere? Welche Rolle spielen Recht und Gerechtigkeit im Diskurs? Wie sind sie mit strategischen Interessen und Grundbedürfnissen verbunden?
Die Vorgehensweise ist dabei iterativ. Es wurden zunächst auf Basis der Grundkenntnisse der Diskurspositionen, der Konfliktgeschichte und der griechisch-zypriotischen Medienlandschaft für die Analyse von 2004 zwei Tageszeitungen – die größte, gemäßigt-liberale Phileleftheros und die nationalistische Máhi ausgewählt, daraus alle Artikel, die direkt oder indirekt zum Plan Stellung nehmen und dabei auf zentrale Diskurspositionen verweisen: Dazu gehören Kommentare zu den Verhandlungen, zum Inhalt des Planes und Wiedergaben politischer Positionen, aber auch assoziative Verbindungen zur Konfliktgeschichte und allen involvierten Akteuren in gegenwärtiger und historischer Perspektive. Die Analyse spezifischer Themen wurde durch weitere repräsentative Artikel, insbesondere Meinungsartikel des linken Politis ergänzt. Dadurch ergibt sich ein Korpus, der sowohl auf breit rezipierten Medien als auch auf gegensätzlichen Positionen und dem Nationalnarrativ am nächsten stehenden Positionen beruht und damit einen anschaulichen und repräsentativen Querschnitt der lebhaften Kontroverse aufzeigt. Alle Artikel bzw. Rundfunksendungen wurden zu diesem Zweck exzerpiert, thematisch codiert und mittels der Software MaxQDA nach einer quantitativen Erfassung qualitativ ausgewertet. Dabei stechen die Orthodoxe Kirche als normativer Nationalakteur, die besondere Rolle Europas als kultureller Sehnsuchtsort und die Omnipräsenz von rhetorisch-floskelhaften wie anklagend-einfordernden Gerechtigkeitsreferenzen ins Auge. Diese drei Aspekte werden deshalb vertiefend analysiert. Neben der thematischen und hierarchischen Dekonstruktion dieses Diskurses wurde im Sinne des interkulturellen Transferanspruchs der Forschungsarbeit ein Fokus auf die möglichst authentische und detaillierte Übersetzung der Nuancen der linguistischen Charakteristika und Gepflogenheiten gesetzt. Alle deutschsprachigen Direktzitate des zypriotischen Diskurses sind Übersetzungen der Verfasserin. Im Sinne Chomskys (1991), der Sprache als unmittelbarem Spiegel geistiger Kulturmodelle bezeichnet, wurden ausgewählte, ob ihrer Botschaften, ihrer emotionalen Intensität oder Sprachgewalt als Schlüsselstellen des Diskurses erkannten Fragmente in weiten Teilen übersetzt, um dem Leser neben der Sachinformation einen möglichst umfassenden Eindruck der assoziativen und emotionalen Strahlkraft zu vermitteln. Dies gilt einmal mehr vor dem Hintergrund, dass der politische Diskurs Zyperns oft zwischen internen, an das heimische Publikum und den eigenen Kulturkreis gerichteten Botschaften, gegenüber denen unterscheidet, die vornehmlich für die Internationals Zyperns und für die zypriotischen Geschicke einflussreiche externe Akteure wie die UN, die EU und die USA bestimmt sind. Dabei sind letztere oftmals wesentlich diplomatischer und selektiver. Dieser Anspruch steht im Einklang mit einem zeitgemäßen Verständnis des Übersetzers als kulturellem Mediator: „Thus, the traditional notion of the translator as the one who mechanically transposes words from one language to another has now been replaced by the idea of the translator as a cultural mediator, meaning a person who works as an intermediary between the receiver and the author of a text, and who, through his/her
10.5 Diskursanalyse
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research work and textual production, enables the users of a language to receive the cultural products originally intended for speakers of another language” (Canepari 2011: 183).
Zu den zentralen Herausforderungen, denen sich Übersetzungsarbeit im Allgemeinen und Übersetzungsarbeit im interkulturellen Kontext gegenübersehen, besagt die sog. Sapir-WhorfHypothese: „Die Strukturen der Muttersprache der Menschen determinieren die kognitiven Schemata, mentalen Bilder und praktischen Erlebnisse, die sie von der empirischen Welt haben, sodass letztlich Menschen, die unterschiedliche Sprachen sprechen, auch die Welt unterschiedlich wahrnehmen. Übersetzungen und interkulturelles Verstehen sind nach dieser Theorie unmöglich“ (Wrana et al. 2014: 343). Obgleich die erörterten Aspekte von Sozialpsychologie und Diskurstheorie eine zumindest teilweise Berechtigung dieser Aussage unterstreichen, soll dennoch der Versuch der interkulturellen Mediation unternommen werden. Gerade deshalb scheint ein kulturholistischer Ansatz, der eben die kollektiven Wissensbestände mit ihren normativen und assoziativen Verkettungen – das kollektive Gedächtnis, die politische Kultur, die vermeintlichen Selbstverständlichkeiten spezifischer Weltbilder – erörtert und schließlich die kristallisierte, sprachliche Seite dieser Weltbilder „aus erster Hand“ aufzeigt, besonders fruchtbar. Im Einklang mit den poststrukturalistischen Theorien und den kultur- und sprachorientierten Paradigmenwechseln, die sie hervorbrachten, wurden so in der Übersetzung, gerade weil es um populistische, autoritative und tief emotionale Texte geht, die semantischen, syntaktischen und stilistischen Gepflogenheiten der deutschen Sprache berücksichtigt, also ein Fokus auf die authentische Vermittlung eines rhetorischen Gesamtbildes gelegt. Die Übersetzungen orientieren sich also so sehr wie möglich am Bedeutungskern, versuchen sich aber zugleich dem deutschen Sprachgefühl soweit anzunähern, dass der weitere Sinn mitsamt etwaiger Ironie, Melancholie, Pathetik oder sarkastischen Untertöten – kurz: die emotionale und bildliche Dimension – insbesondere im Falle von Redewendungen und geflügelten Worten (die in der griechischen Sprache gern und oft angewendet werden) angemessen vermittelt werden (dazu auch Canepari 2011: 170-185). Es geht also nicht in erster Linie darum, das grammatisch-lexikalische Original, sondern die Idee bzw. den kulturellen Frame zu transferieren und dabei die, wenn man so will, richtige Mischung aus kultureller Authentizität und ästhetischer Übertragung zu treffen, damit die kulturspezifischen Eigenheiten nicht verloren gehen. Der in der Diskurstheorie erörterte assoziative Bedeutungskern von Begriffen – in der vorliegenden Analyse ist das beispielsweise der Begriff Europa, der im griechischen und zypriotischen Kontext mit so vielen anderen Bedeutungen, wie Fortschritt, Zugehörigkeit, Abkehr vom Orient, Staatlichkeit, Augenhöhe etc. verwoben ist – bettet die Übersetzung so in einem kulturanalytischen Gesamtrahmen. Zu diesem gehören im Einzelnen (alle Kapitel umfassend:) Akteure im Diskurs: Medienapparat, politische und religiöse Repräsentanten, Beamte, wiss. Experten, Interessenvertreter (Wirtschaft, Opferverbände), private Kommentatoren über Leserbriefe, zivilgesellschaftliche Aktivisten und die weitere zypriotische Öffentlichkeit unter Berücksichtigung der Kategorie Zypriot vs. Nicht-Zypriot Diskursebenen: Medien, Institutionen, öffentlicher Raum (Spaces and Places), privater Raum Diskursformen: Syntax von Texten (Überschrift, Lead, Episoden, Ausblick; Skript: Narrative Strukturen, zentrale Akteure, erzählte und erlebte Zeit; Semantik: Bedeutungen, Kausalverknüpfungen; Rhetorik: sprachliche Stilmittel Diskursfragmente: Informelle, persönliche Gespräche, Printmedien, Rundfunknachrichten, Dokumentarfilme, Internetquellen, Musik, Interviews, Schulbücher, Plakate, Inschriften, Denkmäler, Ausstellungen, persönliche und soziale Geschichten, wissenschaftliche Quellen
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10 Unteilbarer Zypernkonflikt: Vorgehensweise und Methodik
Diskursinhalt: Konfliktgeschichte und -gegenwart mit Bezug zu den Komponenten von Unteilbarkeit sowie versöhnungsrelevante Themen, ethnische und religiöse Mythen und Nationalnarrative aus monumentalgeschichtlicher und kritisch-reflexiver Perspektive Diskursereignisse: Schlüsselereignisse im Verlauf der Konfliktgeschichte, aktuelle politische Verhandlungen um eine Beilegung des Zypernkonfliktes Diskurspositionen als Dichotomien: Dominanter Diskurs versus Gegendiskurs, Politik versus Zivilgesellschaft, nationalistisch versus nationalismuskritisch, inklusiv versus exklusiv, differenziert versus monolithisch Diskurscharakteristika: Hierarchie und etwaige Relevanz von Stakeholder und „Expertenwissen“, Grad an kritischer Reflexion Intertextuelle Referenzen bzw. assoziative und normative Verknüpfungen: historische Analogien, historisches und kulturelles Wissen und Kollektivsymbole, Kulturbegriffe (Culture-bound Expressions) Diachrone Diskursentwicklung: Wechselnde versus statische Slogans bzw. Wendungen, Forderungen und Analogien
Fasst man Vorgehensweise und Methodik zusammen, kann die Arbeit so eine Reihe von innovativen Ansätzen und Themen für sich reklamieren, die das Ineinanderwirkten von politischen, kulturellen und alltagsweltlichen Faktoren in der Formung politisch relevanter Einstellungen unterstreichen: Neben der erhobenen Primärquellenbasis, den en Detail analysierten Geschichtsbüchern und auch der systematischen Medienanalyse von 2004, sind das vor allem die umfassende und verbundene Erörterung anthropologischer und versöhnungsorientierter Publikationen und die über formelle und informelle Gespräche gewonnenen Einsichten zur Wechselwirkung von Politik und sozialer Lebenswelt, zur Relevanz von Geschichten nationaler Schicksalshaftigkeit und göttlicher Fügung, zur Rolle von Aberglauben, monolithischem Wahrheitsverständnis, starren Genderrollen und Hierarchien, Kolonialkomplex, Ermächtigungsbedürfnis und einer liebgewonnenen Konfliktalltagswirklichkeit mit einer politischen Kultur aus statischer Rhetorik, Chauvinismus, Schuldprojektion und deren machtpolitischer Instrumentalisierung. Dabei stechen ganz besonders die Rolle der Kirche und die soziopsychologischen Ursachen und Folgen der symbolischen und rechtlichen Nichtaufarbeitung der Vergangenheit ins Auge. Der holistische und interdisziplinäre Anspruch, der sich zugleich mit den Prämissen der KDA verbindet, fügt sich damit in aktuelle Publikationen zum Zypernkonflikt (Ker-Lindsay 2014), die den widersprüchlichen Schwebezustand des Zypernkonfliktes zu greifen suchen. Dem kulturvermittlenden Anspruch der Forschungsarbeit und der geschilderten „Doppelzüngigkeit“ des griechisch-zypriotischen politischen Krisendiskurses ist es geschuldet, dass in der Diskursanalyse der Anteil an ausführlichen Übersetzungen höher ist, als bei nicht-kulturvermittelnden Analysen. Denn sie sollen dem Leser ein authentisches Bild der Sprachgewalt, der Spezifika und Grenzen des (eben nur sprachlich zugänglichen) Vorstellungsraumes vermitteln.
11 „Parallelmonologe“: Die Nationalnarrative der zypriotischen Mutterländer 11.1 Einleitung: Gegenseitige Abgrenzung und Westaspiration 11.1 Einleitung: Gegenseitige Abgrenzung und Westaspiration Im Nachgang des missglückten Putschversuches vom Juli 2016 und der diplomatischen Spannungen mit Griechenland, das sich entschied, geflüchteten türkischen Militärs Asyl zu gewähren, sorgte Präsident Erdoğan für einiges Aufsehen in der griechischen Öffentlichkeit, als er wiederholt die Territorialgrenzen des Lausanner Vertrages infrage stellte: „They”, so wird er zitiert, „threatened us with Sèvres in 1920 and persuaded us to accept Lausanne in 1923. Some tried to deceive us by presenting Lausanne as a victory. At Lausanne, we gave away the (Greek) islands that you could shout across to [Klammern im Original, A.d.V.]” (Harris 2016; auch Theros 2016). Erdoğans aggressiv-nationalistische Rhetorik erscheint als populistische Strategie und klare außenpolitische Geste der Stärke im Kontext der geo-, und sicherheitspolitischen Herausforderungen um den selbsternannten Islamischen Staat in Irak und Syrien (ISIS), die Flüchtlingskrise und die spannungsreichen Beziehungen zu Russland und Europa. Zugleich baut die Rhetorik aber auf tief verwurzelten Ressentiments, die mit dem Gründungsmythos der modernen Türkei und den territorialen Verlusten um die Verträge von Sèvre und Lausanne verbunden sind, die der Konstitution des neuen Staates vorausgingen. Die empfundene „Schmach“ der Gebietseinbußen, die mit der Transformation des dynastischen Reiches in die Nation einhergingen und das Misstrauen gegenüber westlichen Mächten, werden seither mit dem Begriff des „Sèvre-Syndroms“ etikettiert. Es erscheint als Pendant zur „Kleinasiatischen Katastrophe“, des forcierten griechisch-türkischen Bevölkerungsaustausches von 1923, der als „nationales Trauma“ Griechenlands gilt. Die konkurrierenden Nationalnarrative und Selbstverständnisse beider Länder, die sich – das soll im vorliegenden Kapitel erörtert werden – in gegenseitiger Abgrenzung konstituier(t)en, zeigen sich bis heute in der Sensibilität ungelöster Minderheitenfragen, im schwelenden Streit um Luft- und Seerechte in der Ägäis und, nicht zuletzt, um Zypern. Dahinter verbergen sich – so die These des vorliegenden Kapitels – die jeweiligen exklusiven Identitäten eines ideologischen, von narzisstischen Zügen durchzogenen Konkurrenzverhältnisses um Primordialität, Kultur und Zivilisation, um Territorium und Zugehörigkeit zum Westen. Diese, den Jahren der jeweiligen Gründungsmythen nahen Identitäten erhalten im Augenblick der Krise neue Schubkraft und können leicht zu politischen Zwecken genutzt werden. Der sprichwörtliche „lange Schatten der Vergangenheit“ (Assmann), so urteilt Heraclides, habe denn auch trotz politischer Deeskalation, diplomatischer Annäherung und zaghafter wirtschaftlicher Kooperation ein Spill-Over von den hohen politischen Sphären in die Gesellschaft und damit einen gesamtgesellschaftlichen Paradigmenwechsel verhindert (Heraclides 2001: 1-7). Die konstruierten Narrative, ihre historische Genese, vor allem aber ihre gegenwärtige Ausprägung sollen im vorliegenden Kapitel erörtert werden. Dabei liegt der Schwerpunkt, wie in der Einleitung bereits verkündet, auf dem griechischen Nationalismus. Der türkische wird punktuell erörtert, wo er entweder für das Verhältnis beider Nationen zueinander relevant ist, beide Nationalismen besonders eingängige Parallelen aufweisen, die ihre historische Bedingtheit untermauern oder für die spätere Erörterung der Zypernfrage von Bedeutung sind. Nach einer
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Rehrmann, Der Zypernkonflikt, Innovative Konfliktforschung – Innovation in Conflict Research, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31192-6_11
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11 „Parallelmonologe“: Die Nationalnarrative der zypriotischen Mutterländer
historischen Erörterung der Nationengenese soll das historische Gedächtnis im Vordergrund stehen, wie es sich in griechischen Schulbüchern, Medien, Ausstellungen und in der Literatur manifestiert. Das Kapitel basiert dabei nebst selbst erhobener Quellen (Interviews, Ausstellungen) insbesondere auf Publikationen der letzten zwei Dekaden, die die zunehmende Infragestellung des monolithischen Wissenschafts- und Gesellschaftstenors repräsentieren. Ein Blick auf die Nationalstaatsgenesen Griechenlands und der Türkei, die bezeichnenderweise auch als „Parallelmonologe“ bezeichnet werden (Sophos und Özkirimli 2008: 2), beleuchtet die neuralgischen Punkte der jeweiligen Selbstverständnisse, zu denen das widersprüchliche Verhältnis beider Länder zum Westen – insbesondere zu Europa – sowie mit dem jeweils Anderen verwobene Minderheitenfragen gehören, die als implizite Bedrohung der nationalen Homogenität für heiße Kontroversen innerhalb beider Länder sorgten. „As I read how Greece came to be what it now was, the similarities with Turkey were striking: changing capitals, cleansing the language, adopting new ancestors and histories; changing clothes, and desperately striving to become western by moving away from the East”, schreibt Papadakis (2005: 62). Er fasst damit pointiert die erstaunlichen Parallelen der Nationalstaatsgenese beider Länder zusammen und verweist zugleich auf den erörterten Vorbild- und Nachahmungseffekt des Nationalismus von West nach Ost. Bis heute ist das Verhältnis beider Länder zum „Westen“ von einem sensiblen Spannungsverhältnis geprägt, das auf die immer noch zu einem guten Teil ungebrochene Macht der Gründungsmythen und die in ihnen enthaltenen Leerstellen beider Nationalnarrative verweist. Beide Länder begründeten sich durch gegenseitige ethnisch-kulturelle Abgrenzung voneinander und zugleich im Streben gen Westen durch die Abgrenzung vom „Orient“ (Kadritzke, 1991: 23-57; Millas, 1991: 22). Die Referenzpunkte „Westen“/„Europa“ waren (und sind bis heute) für die konkurrierende Nationalstaatsgenese beider Länder essenziell. Im Gegensatz zu anderen Rivalitäten zwischen europäischen Nachbarstaaten nämlich „they grew as nation states, as each other´s Other at the periphery of Europe, not as core parts of it. Indeed, their relationship came to define the very limits of Europeanness, the marshes of the continent, the borderland between Euope and its Beyond, its Orient, its Other, its Limes. Greece and Turkey may be a study in contrast in this regard: The former baptized the continent, yet lost touch with its center, while the latter galvanized it through conquest, yet eventually insisted on peaceful integration. But both in the end craved to be recognized by as European“ (Anastasakis et al. 2007:1).
Der Wunsch nach Zugehörigkeit zum und Anerkennung vonseiten des Westens – er wird in der vorliegenden Analyse immer wieder thematisiert – scheint in beiden Ländern omnipräsent. Beide verteidigen diese Zugehörigkeit denn auch vehement. Die mit dieser Konstruktion verbundenen Ambivalenzen und Spannungen für das eigene Selbstverständnis indes werden in den jeweiligen Gesellschaften kaum thematisiert. Wie zu zeigen sein wird, sind beide Nationalismen entgegen ihres primordialen und kulturell klar verortbaren Anspruchs nämlich erstens wesentlich heterogener und zweitens historisch vor allem strategische Eliteprojekte zum Machtgewinn bzw. -erhalt und zur Legitimation von Territorium. Sie reflektieren damit die historischen Herausforderungen und ideologischen Strömungen ihrer jeweiligen Epoche: „Greek nationalism“, so Sophos und Özkirimli (2008: 38-39) bildhaft, „developed as a movement for independence, an attempt to break away from a sinking ship, whereas the delayed Turkish nationalism can be read as an outcome of an ill-fated effort to save the ship” (auch Millas 2001: 24). Dabei hatten die intellektuellen und staatlichen
11.2 „Auferstanden aus den heiligen Knochen“: Griechischer Nationalismus
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Vordenker der jeweiligen Nationalprojekte nebst divergierenden Vorstellungen über die konstitutiven Elemente der neuen Gemeinschaften große Anstrengungen zu vollbringen, um die neuen Staatsbürger, von denen die meisten nicht wussten, was es bedeutete „Grieche“ oder „Türke“ zu sein, von ihrer „wahren“ Herkunft zu überzeugen (Ibid.: 2). Die Kontroversen und realhistorischen Entwicklungen, die der jeweiligen Nationalstaatsgründung vorausgingen, belegen, dass die Idee der homogenen Nation entgegen ihrer retrospektiv stilisierten Alternativlosigkeit mit anderen Modellen konkurrierte und wesentlich forciert wurde. Vor allem aber unterstreichen die nationalen Identitäten beider Länder die gegenwärtige Widersprüchlichkeit bzw. die enorme Sensitivität beider Länder für den (vornehmlich westlichen) Fremdlick auf die eigene Identität, zweitens das ausgeprägte Bedürfnis nach nationaler Gleichwertigkeit und drittens das daraus resultierende sozioemotionale Konfliktpotential. Alle drei Punkte sind auch essenziell für das Verständnis der griechisch-zypriotischen Identität. So seien im Folgenden die historischen, danach die gegenwärtigen Ausprägungen des griechischen und – in Relation – des türkischen Nationalismus erörtert.
11.2 „Auferstanden aus den heiligen Knochen“: Griechischer Nationalismus 11.2 „Auferstanden aus den heiligen Knochen“: Griechischer Nationalismus Wie die Kontroversen um die ideologische Basis des griechischen Staates zeigen, herrschte über die Frage, was denn das „Griechisch sein“ konstituiere, weder vor noch nach der Staatsgründung Einigkeit. Im Gegenteil: So zeigt auch Griechenland den für so viele andere Nationalismen charakteristischen Verlauf von einer den aufklärerischen Ideen und der ethno-linguistischen Vielfalt entspringenden, inklusiven Vorstellung von Nation hin zu einem zunehmend exklusiven Verständnis. Dieser Prozess wurde vor und während der Nationalstaatsgründung durch gezielte Bildungs- und Sprachpolitik und später durch die Konstruktion eines um den Gründungsmythos des Freiheitskampfes gewobenen Nationalnarrativs begleitet. Beide Motive der Nationengenese, das revolutionäre, der Antike entlehnte und das christlich-ethnozentrische Selbstbild stehen bis heute in einem konstitutiven Widerspruch zueinander und prägen, wie im zweiten Teil des Kapitels zu zeigen sein wird, auch die nationale Erinnerungskultur wesentlich. Während ersteres von westlich orientierten Intellektuellen und ihren politisch-ökonomischen Aspirationen getragen wurde, spiegelt letzteres die byzantinisch-orientalischen Wurzeln und den Einfluss der Orthodoxen Kirche wider. Anderson (2005: 72-87), der den Übergang von den revolutionären, mit der Geschichte brechenden „ersten“ Nationen zu den späteren Modellen der Abstammungsgemeinschaft beschreibt, nimmt denn auch exemplarischen Bezug auf den griechischen Nationalismus: Mit ihm habe das Zeitalter einer Hinwendung zur geschichtlichen und auch lokalen Partikularität Europas begonnen, das mit der Aufwertung der (Umgangs-) Sprache einherging und zum Initialzünder der Ethnographie wurde. Diese Entwicklung indes war weder absehbar noch alternativlos. Denn sie spiegelte keineswegs eine, wie auch immer geartete, „nationale“ Wirklichkeit wider: „In the course of the long and tortuous process of national ´awakening` at the end of the eighteenth century, intellectual and political debates suggested a number of possible futures, and relevant identifications for the disgruntled subjects of the Ottoman Empire, including those who remained loyal to the ecclesiastical authority of the Patriarchate of Constantinople, those who made up its large, dispersed Greek speaking population, and those who inhabited the Southernmost part of the Balkan peninsula and the Aegean and Ionian islands. These populations, who eventually identified themselves or were identified by others as parts of
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11 „Parallelmonologe“: Die Nationalnarrative der zypriotischen Mutterländer the Greek nation, only partially overlapped with each other, although it is fairly clear that membership of the Rum millet was probably the closest to a common denominator” (Sophos und Özkirimli 2008: 16).
Die griechische Nationalbewegung konnte in ihrer Gründungsphase – wie obiges Zitat anschaulich zusammenfasst – weder auf ein klar abgrenzbares Territorium noch auf eine eindeutig definierbare Nationalgemeinschaft zurückgreifen. Ihre treibende Kraft waren – wie auch die Bewegungen der anderen „erwachten“ Völker des Balkans, die ihre „Freiheit“ vom Osmanischen Reich erkämpften – zunächst die Vorbilder der Aufklärung, des Westens und der Moderne in Abgrenzung zum Orient (vgl. z.B. Weber 2006). Mit der Anknüpfung an die Antike und ihrem bis heute sorgsam gehüteten Selbstverständnis als „Wiege der westlichen Demokratien“ hatte die griechische Nationalbewegung allerdings ein besonders günstiges Alleinstellungsmerkmal. Sie befügelte als Pendant zum Orientalismusstereotyp die Unterstützung Großbritanniens, des Deutschen Reiches und Russlands für die griechische Revolution. Schon 1814 hatte sich dazu in Odessa die geheime „Philiki Eteria“ (Freundliche Vereinigung) aus griechischsprachigen Intellektuellen, Händlern und Mitgliedern der politischen und militärischen Elite des Zarenreiches (um die späteren Nationalhelden Ipsilantis und Kapodistrias) mit dem Ziel gegründet, die Idee der wiedererwachten griechischen Nation in den Territorien des alten Griechenland und darüber hinaus zu verbreiten (Herzfeld 1982: 14). Anschaulich schildert die Archäologin Tsigakou in ihrem Bilderband zum griechischen Gründungsmythos, wie insbesondere deutsche Romantiker, Philosophen, Literaten, Maler, Philantropen und Sozialreformer die Idee Griechenland zu einer visionären Projektionsfläche für die eigenen verfehlten revolutionären Aspirationen nach der Restauration machten. Hölderlin, Delacroix, Chateaubriand und Fransisco Martínez de la Rosa widmeten ihr künstlerische Artefakte, während einer der berühmtesten Philhellenen, Lord Byron, sogar sein Leben im griechischen Unabhängigkeitskampf ließ. Nach der Staatsgründung 1828 zielten die europäischen Archäologen um den neuen bayrischen König Otto von Wittelsbach denn auch auf „die Verwandlung Athens aus einem großen Trümmerhaufen in eine europäische Hauptstadt“ (Tsigakou1982: 64). Ypsilantis´ Proklamation von 1821 baut dabei auf der Idee von primordialer Kontinuität, dem Pathos der Romantik und dem populären Orientalismusmotiv: „Erinnern wir uns, tapfere und edelmütige Griechen, der Freiheit des klassischen Griechenland, der Schlachten bei Marathon und den Thermopylen; lasst uns über den Gräbern unserer Ahnen kämpfen, die für unsere Freiheit kämpften und gestorben sind. Vergießen wir das Blut unserer Tyrannen für die Schatten des Thebaners Epaminontas, […] vor allem aber für jene des Miltiades, Themistokles, Leonidas und der Dreihundert, die aus der unzählbaren Masse des barbarischen Perserheeres ein Vielfaches ihrer eigenen Zahl mit in den Tod nahmen. – Die Stunde ist gekommen, in der wir deren Nachfahren vernichten werden, die um so viel barbarischer und verachtenswerter sind als jene es waren!“ (Ibid.: 48).
Im Kielwasser der Humanisten segelnd wurde so mit Unterstützung der europäischen Philhellenen und griechischsprachigen Intellektuellen innerhalb und außerhalb des Osmanischen Reiches die „Revolution“ geplant, verfochten und das „Erwachen“ der neuen Nation aus dem Schlaf seiner glorreichen Vergangenheit zelebriert (Eichheim 2006: 14-15, 117). Entgegen dieser Stilisierung zeigt der kritische Blick, dass die Entstehung des griechischen Staates von (mitunter widerstreitenden) ideellen, geostrategischen und politisch-ökonomischen Aspirationen der europäischen Großmächte motiviert war. So legte die alliierte Flotte in der Schlacht von Navarino – für das griechische Narrativ einer der prominentesten Topoi – den Grundstein für die Entstehung Griechenlands, ohne „dass auch nur ein einziger Grieche an
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dieser Schlacht teilnahm“ (Ibid.: 119). Im neuen Staat wiederum herrschte ein, wie Eichheim schreibt, „unentwirrbares Interessengemisch“ aus republikanischen, monarchistischen, liberalen und klerikalen Kräften zwischen politischer Elite, ehemaligen Räuberbanden und Rebellen des Freiheitskampfes und den Interessen der ethnischen Minderheiten, die man für den Kampf gewonnen hatte. Mit der Ermordung des republikanischen Kapodistrias und der Ernennung König Ottos von Wittelsbach 1832 siegte die Monarchie (Ibid.: 119-120). Die bewegte Zeit der griechischen Staatsgründung deutet damit auf die politischen und ideologischen Spannungen, die das Land bis heute begleiten und unterstreicht die historische Kontingenz gegenüber vermeintlicher Primordialität. Die schillernde Idee des Hellenismus als Leitbild der europäischen Aufklärung war zum Zeitpunkt des Aufstandes schon weit verbreitet und untermauerte jenseits politischer Lager die internationale Legitimität des neuen Staates: „Whatever Greece is or was, the idea [sic!] of Greece – like any symbol – could carry a wide range of possible meanings, and so it survived triumphantly“ (Herzfeld 1982: 5). Diese Erkenntnis verweist auf historische Kontroversen um die Abstammung der Griechen wie auch auf die kontinuierlichen, bis heute gehegten Bemühungen Griechenlands, seine antiken, westlichen Wurzeln zu unterstreichen. Das Augenmerk der frühen Ethnographen galt in diesem Sinne zunächst auf dem Nachweis einer Kontinuität zwischen den antiken und zeitgeschichtlichen Bräuchen. Sie sollten der geistig-intellektuellen Ebene gleichsam eine ethnisch-kulturelle Basis verleihen und waren klar durch den Fremdblick Europas motiviert: „Against the backdrop of the Greeks´ dependence on European patronage, moreover, the role of folklore in fashioning an acceptable external image for the country had political significance right from the start. It could be shown that the peasants, the largest demographic element, retained clear traces of their ancient heritage, the fundamental requirement of philhellenic ideology would be satisfied, and European support for the emergent nation-state could be based on a secure foundation of historical justification” (Herzfeld 1982: 7).
So machten sich Ethnographen und Dichter wie Evlambios, Zambelios, Valvis, Manousos, D´Istria, Foscolo und Solomos (Verfasser der Nationalhymne „Ode an die Freiheit“) daran, den antiken griechischen Geist in kulturellen Artefakten, in Gedichten und Volksliedern zu belegen und zu verbreiten. Wesentlich motiviert erschien die Suche nach den antiken Wurzeln durch ihre Infragestellung vonseiten des Tiroler Historikers Fallmerayer, dessen 1830 veröffentlichte These vom sklavischen Ursprung der Griechen von selbigen bis heute als massiver Affront angesehen wird. Erst später reiste er selbst zum ersten Mal nach Griechenland und war, so Herzfeld (8, 32-96), überrascht über die Anfeindungen, die ihm dort entgegenschlugen. Auch andere intellektuelle Zeitgenossen fuhren in das idealisierte Land, nur um ihre Enttäuschung über die Unkultiviertheit der dortigen Bevölkerung zum Ausdruck zu bringen (Rondholz 2011: 21). Das in seinen Schriften gezeichnete Bild von Dekadenz und Aberglauben der zeitgenössischen griechischen Gesellschaft in scharfem Kontrast zu einer idealisierten Hochkultur wie auch die Sensitivität, mit der in Griechenland auf Infragestellungen des Antikennarrativs reagiert wird, wird in der Analyse der gegenwärtigen Griechenlandbilder im zweiten Teil dieses Kapitels erörtert. Die Thesen Fallmerayers beflügelten jedenfalls die Etablierung der Ethnographie als Disziplin. Breite Publikationen, verstärkt durch die appellative Kraft ethnographischer Wettbewerbe, sollten der Untermauerung der Kontinuität zwischen Antike und Gegenwart dienen (Herzfeld 1982: 99-113). Zugleich wurde eine dem Altgriechischen entlehnte
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Hochsprache (Katharevousa) erfunden (Ibid.: 20) und der öffentliche Raum „entorientalisiert“. So fällte man beispielsweise zuallererst die Palmen im Herzen Athen (Giaimo 2016). Als geistiger Wegbereiter für die Wiedergeburt Griechenlands nach altem Vorbild gilt der aus Smyrna stammende Adamantios Korais, der selbst die Renaissance der Antike in Europa durch Zusammentragung und Übersetzung klassischer, griechischer Werke beflügelte und gemeinsam mit Schriftstellern wie Dora D´Istria und den zahlreichen Ethnographen einen entscheidenden Beitrag zur Romantisierung des Freiheitskampfes der einfachen griechischen Bauern als Erben des Perikles, Sokrates und Plato leistete (Sophos und Özkirimli 2008: 60-82; Millas 2001: 297; Herzfeld 1982: 55-58). Die zweite Strophe der mehr als 150 Strophen umfassenden griechischen Nationalhymne ist für dieses Selbstverständnis charakteristisch: „Απ’ τα κόκαλα βγαλμένη, Των Ελλήνων τα ιερά, Και σαν πρώτα ανδρειωμένη, Χαίρε, ω χαίρε, Ελευθεριά!“ [„Den Knochen entsprungen, den heiligen der Griechen, und wie einst in Tapferkeit, sei gegrüßt, sei gegrüßt, oh Freiheit!“].49
Diese „Freiheit“ war indes zunächst noch durchaus inklusiv. So galten als „Eintrittskarte“ in die Gemeinschaft allein politische Aspirationen und hellenische Bildung (Herzfeld 1982: 18; Eideneier 2010: 21). Dem revolutionären „Geist“ waren so etliche nicht-griechischsprachige Minderheiten gefolgt. Die überethnische Strahlkraft der Revolutionsidee begründete sich dabei zum einen auf der kaum existenten Bedeutung ethnischer (im Gegensatz zu religiösen) Kategorien innerhalb und außerhalb der Millets, zum anderen auf dem Prestige griechischer Bildung und vor allem der griechischen Sprache als Lingua Franca in den Handelszentren des Schwarzund Mittelmeers, die als Mittel für Mobilität und sozialen Aufstieg angesehen wurde (Sophos und Özkirimli 2008: 43-50). Linguistische und kulturelle Vielfalt galten deshalb in der jungen Nation nicht als Widerspruch oder potentielle Gefahr. Noch heute ziert beispielsweise das traditionelle Gewand albanischer Schäfer – die Foustanella – die griechische Präsidentengarde (Rondholz 2011: 46). Umgekehrt sorgte die der Revolution geschuldete Forcierung des Unterscheidungsmerkmals „Christen-versus-Muslime“– beispielsweise im Hinblick auf die Vertreibung der muslimischen Minderheit Kretas nach dem Vertrag von Lausanne 1923 – für klare Bruchlinien innerhalb der neuen Staatsgrenzen, obgleich sich die Betroffenen in Sprache und Kultur wenig von ihren griechischen Nachbarn unterschieden (Lytra 2014: 1). Gleiches gilt, wie später zu zeigen sein wird, auch für die christlichen Flüchtlinge Kleinasiens, die eng mit ihrem Heimatort verwoben waren (und blieben), die neu gegründete Türkei aber aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit verlassen mussten. Sie symbolisieren damit die spannungsreiche Konstruktion vermeintlicher Homogenität in beiden Ländern, die ihr Inneres wie auch ihre Beziehung zueinander bis heute nachhaltig prägen.
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[abgerufen am 17.01.2017].
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Die Befunde der alltagsweltlichen Sphäre werden durch einen kritischen Blick auf die zentralen politischen Akteure untermauert: So gilt Rigas Ferraios neben Adamantios Korais als geistiger Gründungsvater der „wiedererwachten“ Nation und wird heute ob seiner republikanisch-revolutionären Aspirationen erinnert und verehrt (Brewer 2012: 209-225; Rondholz 2011: 39-40). Dass er die Werte von Liberalität und Freiheit keinesfalls ethnisch eingefärbte, bringt Brewer (2012) in einer historischen Analyse treffend in den Worten zum Ausdruck: „But even in the full flow of revolutionary fervour Rígas maintains his ecumenical vision. The revolution is to be not against the Turks as such but against tyranny. Thus Turks are summoned to join in the coming struggle and not only the Turks; in the course of some twenty lines Rígas calls for support from Bulgarians, Albanians, Armenians and Arabs, and from the people of Malta, Egypt and Aleppo, and says to them: ´We who suffer under the yoke, let us kill the ravening wolves who keep us in harsh subjection, Christian and Turk alike`”.
Unter dem Eindruck der Französischen Revolution hatte jener vielmehr, wie Özkirimli und Sophos auf Basis historischer Dokumente unterstreichen, lediglich eine Reform des Osmanischen Reiches angestrebt, nicht seine Auflösung. In seiner Charta (1797) plädierte er denn auch für die Überwindung der verkrusteten Hierarchien und für die Transformation der Dynastie durch eine moderne Verfassung und damit für eine Synthese aus dynastischer Struktur und den politischen und ethno-linguistischen Ideen der aufstrebenden Nationalismen. Denn die lebensweltlichen Strukturen des Reiches schienen ihm zu kostbar, als dass man sie nicht in Teilen bewahren sollte (Sophos und Özkirimli 2008: 21). Ferraiosʼ Schriften wie auch seine Biographie als kosmopolitischer Intellektueller, der im Kreise der einflussreichen griechisch-sprachigen Elite Istanbuls (der Phanarioten) verkehrte, versinnbildlichen die Kraft der von Anderson beschriebenen Vorstellungwelt des dynastischen Reiches mit seinem multilingualen, interreligiösen Selbstverständnis und seinen fließenden Grenzen um einen zentralen Machtkern, dem die ethnisch-homogene Nation fremd war. Auch die Rolle der Kirche, die in der institutionellen Erinnerungskultur – vor allem im Bildungswesen – in Erzählungen, Gemälden und Statuen als märtyrerischer Vorkämpfer des griechischen Freiheitskampfes gilt, wird zunehmend kritisch hinterfragt. Als Repräsentantin des orthodoxen Millets zählte sie neben den wohlhanden Phanarioten zu denjenigen Akteuren, die von den Privilegien und Hierarchien innerhalb der Millets wesentlich profitierten. Dabei sah sich der hohe Klerus zwar als Repräsentant eines sprachlich-kulturellen Erbes, stand indes den aufklärerisch-revolutionären Ideen gleichgültig bis offen feindselig gegenüber und sprang gleichsam erst im Augenblick, da die „Revolution“ als unvermeidbar galt, als letztes auf den sprichwörtlichen Zug der Zeit auf (Sophos und Özkirimli 2008: 18, 53-54; Eichheim 2006: 166; Kechriotis 2010: 290-291; Herzfeld 1982: 59; Brewer 2012: 185-203). Statt als Hüterin der nationalen Identität zu fungieren (denn als solche wurde sie später verklärt) zielte die Kirche, so Brewer (2012: 193-203), auf die Wahrung der orthodoxen Glaubenslehre. Wenn die Kirche überhaupt eine Rolle in sozialen und politischen Belangen als Repräsentantin ihrer Bevölkerung gehabt habe, so seien es die lokalen Dorfpfarrer, nicht der hohe Klerus gewesen. Anschaulich illustriert Michael (2010: 149-159) am Beispiel der Kirche Zyperns, dass die Geistlichen die religiöse, nicht eine etwaige „nationale“ Bildung ihrer Untergebenen im Blick hatten und sie weder an einer Überwindung der osmanischen Herrschaft interessiert waren, noch sie aktiv herbeizuführen strebten. Dass die Kirche dennoch retrospektiv in die Reihen der Nationalhelden eingefügt wurde, hat machtpolitische und lebensweltliche Gründe. So engagierte sich der
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11 „Parallelmonologe“: Die Nationalnarrative der zypriotischen Mutterländer
Klerus für die Redefinition des Narrativs zur Sicherung seines traditionellen Einflusses und konnte dabei wirksam auf das Christentum als Identitätsmarker und die Erinnerung an die osmanische Alltagswelt zurückgreifen. Denn die revolutionären Ideen zur Neugründung Hellasʼ wirkten zwar in den Kreisen der griechischsprachigen Diaspora und der kaufmännischen Mittelschichten, deutlich weniger indes bei der einfachen Landbevölkerung mit ihrer traditionellen Verbundenheit zur Kirche (Sophos und Özkirimli 2008: 25, 46, 83). Um die Synthese dieser nationalen Ambivalenz bemüht, versuchten sich Ethnographen an einer christlich-hellenischen Synthese. So meinte Zambelios in seiner Tiefenanalyse von Folklore, Klage- und Hochzeitsliedern sowohl den epischen, dramatischen und philosophischen Geist der Antike, als auch seine Fortführung in den Symboliken der Passion Christi zu erkennen (Herzfeld 1982: 44-59). Wie wichtig die Integration des Christentums in die Alltagswelt des neuen Staates war, unterstreicht auch das kulturelle Selbstverständnis seiner neuen Staatsbürger: Ironisch kommentiert Papadakis (200: 63-64) ihr Desinteresse an den Heldentaten des Achilles. Wenn überhaupt, hätten sich diese nämlich nicht als „Griechen“, sondern als „Romoio“, als Nachkommen Byzanzʼ und seiner römischen Wurzeln gefühlt. Diese Tatsache trug dazu bei, dass in den Folgejahrzehnten die von humanistischen Historikern als „Dark Period“ etikettierte Epoche im Streben nach einer Synthese aus Antike und den Jahrhunderten christlich-dynastischer Prägung positiv umdefiniert wurde. Herzfeld (1982: 19) formuliert diesen, bis heute evidenten, konzeptuellen Widerspruch der griechischen Identität als Widerstreit zwischen der „Hellenic Thesis“ und der „Romaic Thesis“. Die Schriften des als Nationalhistorikers geltenden Paparrigopoulos spielten in dieser Redefinition eine zentrale Rolle (Sophos und Özkirimli: 83). Sie spiegeln – das wird im folgenden Unterkapitel deutlich – auch das türkische Bemühen um eine Synthese aus westlichem Laizismus und osmanisch-religiöser Tradition wider. So führte die Reintegration der Orthodoxie in das Nationalverständnis zur Betonung einer historischen Kontinuität der antiken, byzantinischen und modernen, hellenischen Zivilisation. Sie motivierte aber vor allem das für den griechischen Nationalismus so charakteristische Heilsnarrativ der primordialen Nation. Wie am Ende des Abschnitts zu zeigen sein wird, erscheint die Kirche – insbesondere ihre märtyrerisch sterbenden orthodoxen Geistlichen – als charakteristische Variante der griechischen Ausprägung dessen, was Anderson im Bild des unbekannten Soldaten als Inbegriff des neuen Unsterblichkeitstopos der nationalen Moderne zum Ausdruck brachte. Sie motivierte damit die Abgrenzung vom bürgerrechtlichen Verständnis der Staatsnation und unterstrich das Selbstverständnis der im wahrsten Sinne „gottgegebenen“, auserwählten Schicksalsgemeinschaft. Korais selbst, so heißt es, habe realisieren müssen, dass seine Landsmänner empfänglicher für Appelle an Ehre, Moral und Religion waren, als für Bilder einer ungreifbaren Antike (Sophos und Özkirimli 2008: 78). Die mit der Inszenierung der Kirche verbundene Strahlkraft der ethnisch-exklusiven Nation, ihrer Transzendenz und ihres überepochalen Überlebenskampfes zeigt sich beispielhaft in der Tatsache, dass der Tag des Revolutionsbeginns auf den 25. März (Mariä Verkündigung) datiert wurde, womit er – so Herzfeld (1982: 22) – die Wiedergeburt konnotiere. Derartige Konnotationen und Rückdatierungen sind, wie in Kapitel 12 zu zeigen sein wird, auch charakteristisch für das griechisch-zypriotische Nationalnarrativ. Die Synthese unterstreicht nicht zuletzt die Relevanz der griechisch-zypriotischen Vorstellung von Nation als zentralem, moralischen Akteur, der sich statisch durch die
11.2 „Auferstanden aus den heiligen Knochen“: Griechischer Nationalismus
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Widrigkeiten der Geschichte bewegt, ihr Sinn verleiht und die düsteren oder glorreichen Ahnungen von der Zukunft mit sich führt, wie Papadakis (1994: 400) treffend definiert. Der Rückgriff auf Byzanz diente darüber hinaus aber auch als ideologische Basis für die Legitimierung territorialer Ansprüche: „The new history“, schreibt Papadakis (2005: 64), „provided the historical rationale for the military implementation of the Great Idea“. Die sog. Megali Idea, die auch in den zypriotischen Konfliktnarrativen eine zentrale Rolle spielt, definiert sich durch die Bestrebungen nach „Rückeroberung“ der einst byzantinischen und von den Osmanen eroberten Territorien. Die Ethnographie untermauerte diesen Anspruch durch die Sammlung historischer Epen, die allen voran die Heldentaten des Kämpfers Digenis und seiner Akriten – der Randbewohner Byzanz´ und ihrer mutigen Verteidigung des Reiches gegen äußere Feinde – zum Thema hatten (Herzfeld 1982: 117-120). Die irredentistischen Aspirationen mündeten im gescheiterten griechischen Angriff, der zum griechisch-türkischen Krieg von 1919-1922 wurde, aus dem die moderne Türkei hervorging. Die territorialen und demographischen Konsequenzen gingen, wie einleitend erwähnt, mit nationalen Traumata für beide Länder einher, die auch die Eskalation um Zypern motiviert haben. Erst nach dem ebenso fatalen Eroberungsversuch durch die griechische Junta wurden die irredentistischen Ziele offiziell aufgegeben (Terkourafi 2007: 75). Implizit ist das Trauma beider Länder indes in ihren bis heute ungelösten Territorialstreitigkeiten präsent, die angeheizt durch den Zypernkonflikt in den 1990er Jahren ihren Höhepunkt fanden. Ebenso strategisch und spannungsreich wie die nationale Identität erscheinen auch die Bemühungen um eine gemeinsame Sprache, die konstruiert und purifiziert wurde, um zum einen als konstitutives Element der neuen nationalen Identität zu dienen und zum anderen Territorialansprüche zu unterstreichen. Wie das Jahrhundert nach der Staatsgründung zeigt, wurde die expansive Territorialpolitik des jungen Griechenland auf der Sprach- und Bildungsebene zunächst jenseits und dann innerhalb der im Zuge der Balkankriege und nach dem Ersten Weltkrieg neu errungenen nördlichen Staatsgebiete ausgefochten: „The quest for expansion of the newly-founded state to the north in late 19th c. was also fought on linguistic grounds, with the state taking the lead in educational efforts promoting the use of Greek in areas of Macedonia from 1860 onwards” (Ibid.: 76). Indes war das Lager der „Sprachpolitiker“ gespalten. Befürworter der Demotike (Volkssprache) standen den Verfechtern der Einführung einer am Altgriechisch orientierten, konstruierten Bildungssprache, der Katharevousa („reine Sprache“) gegenüber. Korais sprach sich für eine Favorisierung der Volkssprache und ihrer lokalen Varietäten aus, die dem Kirchengriechisch und der osmanischen Alltagswelt nahe waren (Sophos und Özkirimli: 86-87.) Am Ende aber siegte das Lager der Bildungssprachler und damit die Zurschaustellung einer vermeintlich universell gepflegten Hochkultur, die sich neben Territorialansprüchen für die Betonung des Vorbildcharakters der griechischen Antike als raison d´ être des neuen Staates nutzen ließ (Herzfeld 1982: 17). Im nächsten Kapitel zum griechisch-zypriotischen Nationalismus und seiner stilisierten Hochkultur wird darauf zurückzukommen sein. Hier reihen sich – so kann man mit Blick auf die von Gellner hervorgehobene Rolle eben dieser Hochkultur für etliche Nationalbewegungen sagen – Griechenland und Zypern in die charakteristischen Aspirationen anderer Nationalbewegungen ein.
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11 „Parallelmonologe“: Die Nationalnarrative der zypriotischen Mutterländer
Alle ideellen Elemente und Prozesse der griechischen Nationalstaatsgenese spiegeln sich schließlich auch in den Bildern des „Anderen“, der Osmanen bzw. später der Türkei. Bahnbrechend für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesen, in der öffentlichen Wahrnehmung beider Länder kaum kritisch reflektierten Bildern, sind die Publikationen Millasʼ. Schulbücher, so erkennt man in Millasʼ breiten Analysen, verweisen als offenkundigster Ausdruck der staatstragenden Perspektive auf die forcierte, negative Identität, mit der sich beide Länder konstituierten und konsolidierten. Das Bild der Osmanen bzw. Muslime sei vor 1921 in der griechischsprachigen Literatur, so Millas (2001: 293-303)50, keineswegs negativ gewesen. Erst nach der griechischen Revolution sollte ein zunehmend vom Orientalismusframe gespeistes Bild die Rechtfertigung der Mühen des Kampfes untermauern und die neuen Staatsbürger einen. Zwischen den 1830er Jahren und dem Ersten Weltkrieg konsolidiert und verschärft sich – ganz im Sinne der eben dargestellten ideologischen Entwicklungen – unter dem Einfluss Paparrigopoulos das Stereotyp des barbarischen Erzfeindes. 11.3 Ne mutlu türküm diyene51: Türkischer Nationalismus 11.3 Ne mutlu türküm diyene: Türkischer Nationalismus Vor demselben Dilemma, wie einst die griechischen Gründerväter im Spannungsfeld zwischen revolutionärem Bruch mit der Vergangenheit und Integration der alltagsweltlichen Bezüge der neuen Nationalbürger, standen auch die Jungtürken und späteren Republikbegründer. Die Spannungen der politischen Kultur zwischen Kemalismus und Islam, das daraus abgeleitete historische Selbstverständnis und der Umgang mit der eigenen, ethno-linguistischen Vielfalt sind – wie die aktuelle Staats- und Gesellschaftskrise um Präsident Erdoğan anschaulich illustriert – in der heutigen Türkei hochaktuell. Ein Blick in die Nationalgeschichte erklärt die Wurzeln dieser Spannungen und verweist zugleich auf die Gemeinsamkeiten der „Troubled Triangle“ zwischen Griechenland, Zypern und der Türkei (Aktar et al. 2010). Das türkische „Nationalprojekt“, so Onar (2007: 53-59), ist zunächst einmal das Ergebnis einer langen Krise, die aus dem Scheitern anderer Modelle zur Rettung des dynastischen Zusammenhaltes resultierte und zugleich – ähnlich, wie der türkisch-zypriotische Nationalismus – eine Art Konternationalismus vor dem Hintergrund der sezessionistischen Nationalbewegungen war. Versuche zur Stärkung des Zusammenhaltes innerhalb des krisenbefallenen Reiches im 19. Jahrhundert motivierten zunächst die Säkularisierungs- und Bürgerrechtsreformen des Tanzimat. Diese lösten eine Gegenbewegung aus, die die zentrale Rolle des Islam für den Zusammenhalt des Reiches unterstrich. Beide Bewegungen zielten auf die Wahrung des multiethnischen Reiches und waren – wie Millas (2001: 27-35) am Beispiel der Visionen des später in Vergessenheit geratenen Prinzen Sabahaddin illustriert – am westlichen Vorbild orientiert. Die Erfindung des „Türken“ erscheint erst als drittes Reformprojekt der osmanischen Eliten unter 50
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Initialzünder für die Beschäftigung mit der gegenseitigen Wahrnehmung von Griechen und Türken sei, so schreibt er, die Irritation über die negativen Stereotypen „der Türken“ gewesen, die sein in Griechenland geborener Sohn aus dem Schulunterricht mit nach Hause brachte (Millas 2001: 1-18). Darauf wird zurückzukommen sein. „Glücklich ist der, der sich Türke nennen darf“: Dieser Satz Atatürks begegnete der Verfasserin an etlichen Stellen des öffentlichen Raumes Nordzyperns – als Inschrift unter nationalen Denkmälern, auf Transparenten und im türkisch-zypriotischen „Museum des nationalen Kampfes“.
11.3 Ne mutlu türküm diyene: Türkischer Nationalismus
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dem Eindruck der nationalistischen Abspaltungen ihrer Minderheiten und der daraus resultierenden zunehmenden Spannungen zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen. Im Augenblick des Notstandes (Foucault) – der drohenden Aufteilung bzw. Auflösung der Dynastie nach dem Ersten Weltkrieg und der Abwehr des griechischen Angriffs – wurde das Nationalprojekt von Mustafa Kemal „Atatürk“ militärisch erfochten und in den folgenden Jahrzehnten konsolidiert (Seufert und Kubasek 2006: 80). Wie andere Nationalbewegungen wurde auch diese erst durch die Existenz einer kommunikativen Infrastruktur möglich, die den nationalen Raum „vorstellbar“ machte. So waren es – wie auch im Falle Griechenlands – intellektuelle Vordenker innerhalb und außerhalb der Grenzen des Osmanischen Reiches wie Ahmet Vefik Paşa, Yusuf Akçura und Ziya Gökalp, die den zuvor negativ konnotierten Begriff des „Türken“ am westlichen Vorbild (ethnographisch) neu erfanden. Denn bis dahin war der Begriff pejorativ für die ungebildete Landbevölkerung oder turkmenische „Nomaden“ genutzt worden (Millas 2001: 2328). Damit schufen sie die Voraussetzung für die Vorstellung von territorialer und politischer Einheit unter dem Etikett der gemeinsamen Ethnizität, Sprache und Religion. Diese Synthese zeigt – auch hier dem griechischen Vorläufer gleich – die Bemühung um eine nicht selbstverständliche Verbindung aus Alltagskultur und Tradition mit politischen Leitbildern und ideologischer Positionierung. So definiert Gökalp Türkischsein über die Angehörigkeit zur türkischen Nation, zur islamischen Religion und zur europäischen Zivilisation. Dabei versteht er Kultur als eine nicht übertrag- oder erwerbbare Mischung aus Traditionen und Werten und unter Zivilisation die politischen Errungenschaften des Westens. Das Türkische, so Gökalp, sei reich an Kultur und arm an Zivilisation und müsste sich über gegenseitigen Austausch zwischen intellektueller Elite und Volk befruchten. Dabei erscheint die Vorstellung dieser Zugehörigkeit bei den „Jungtürken“ zunächst eben wie die griechische noch durchaus inklusiv und als Idee mit politisch-reformerischen, pan-osmanischen und pan-islamischen Elementen durchzogen. Wie im Falle Griechenlands finden sich ethnische und religiöse Minderheiten wie Araber, Albaner und Juden unter den Anhängern der jungtürkischen Ideen (Sophos und Özkirimli 2008: 34-37). Gleiches gilt für die Kemalisten der ersten Stunde, die sich selbst als bürgerrechtlich-inklusive und muslimische Nationalbewegung ansahen (Ibid.: 2008: 67). Bis 1910 wurden beispielsweise noch Gesetze zur Autonomie der Millets in Bildungsfragen erlassen (Millas 2001: 56). Der charakteristische Wandel vom bürgerrechtlichen zum ethnonationalistischen Nationenverständnis vollzog sich indes auch in der Türkei. Auch hier erscheint er als Antwort auf machtpolitische Interessen und als Reaktion auf die Suche nach einem neuen gemeinschaftsstiftenden Zusammenhalt und vor allem als Ersatz für vormals religiös-lokale Identifikationen innerhalb der osmanischen Alltagswelt. Das zeigt sich offenkundig im (bis heute) ambivalenten Verhältnis zwischen Staat, Ethnie und Islam. So wurde der türkische Befreiungskrieg auf der Grundlage ethnonationalistischer Parameter geführt, die der so definierten Gemeinschaft nach innen Kontur gaben und ihr nach außen hin über die Forcierung bestehender Ressentiments gegenüber Nichtmuslimen zusätzliche Impulse verliehen. Zugleich gingen die „Freiheitskämpfer“ eine taktische Allianz mit dem Islam ein, um die unterschiedlichen islamischen Bevölkerungsgruppen nicht zuletzt auf der Basis ihrer Ressentiments gegenüber den nicht-muslimischen Minderheiten zu vereinen und die Abwehrhaltung der traditionellen Eliten abzudämpfen (Millas 2001: 31). Der Konstitution der vermeintlich homogenen Nation ging, wie Aktar (2010:
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11 „Parallelmonologe“: Die Nationalnarrative der zypriotischen Mutterländer
23-28) anschaulich belegt, ein gutes Jahrzehnt forcierter Umsiedlungspolitiken und der Umbenennung von Orts- und Straßennamen als Grundlage der vorgestellten Gemeinschaft voraus. So konnte nach der Etablierung des neuen Staates, der mit der Entmachtung der alten Eliten und der Etablierung des laizistischen Staates einherging, der Bruch mit der Vergangenheit umso leichter erfolgen. In diesem Sinne galt das Osmanische Reich in den ersten Jahrzehnten der jungen Republik – ähnlich, wie das byzantinisch-christliche Erbe für den neuen griechischen Staat – als rückständige Epoche, von der sich die neuen Gesellschaftsideale im Zeichen des zeitgeschichtlichen Fortschritts abgrenzten. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sollte eine politische Reintegration der Religion und damit auch einer Redefinition der osmanischen Vergangenheit einsetzen, die in den 60er Jahren mit dem Begriff der Türkisch-Islamischen Synthese (TIS) etikettiert wurde (Millas 2001: 33-34). Ethnologisch basierte sie auf dem Argument, die Ahnen der heutigen Türken seien gern zum Islam konvertiert, da er ihren kulturellen Werten entsprach (Heraclides 2011: 11). Sie war damit – auch hier ist die Parallele zu Griechenland evident – eine späte Antwort auf die Leerstellen des nationalen Gründungmythos und, wie Millas sagt, ein Versuch, der Entfremdung zwischen Staat und weiten Teilen der islamisch orientierten Bevölkerung entgegenzuwirken (Millas 2011: 38). Zugleich war der Schulterschluss zwischen kemalistischer Politik und islamischer Tradition strategisches Mittel zur Stärkung einer einheitlichen Front gegenüber stärker werdenden kommunistischen Tendenzen (Sophos und Özkirimli 2008: 27-61) und sollte die türkischen Wurzeln des Osmanischen Reiches betonen und damit die kulturelle Bedeutung Byzanzʼ in den Hintergrund stellen (Papadakis 2005: 29). Allerdings erscheint die Beziehung zwischen Kemalismus und Islam bis heute deutlich spannungsreicher als die ambivalenten Identitäten Griechenlands – eine Tatsache, die vor dem Hintergrund der Krisen der Regierung Erdoğan seit 2003 umso deutlicher hervortritt. Dieses Spannungsverhältnis zeigt sich – wie im nächsten Kapitel zu zeigen sein wird – en miniature in der Entfremdung zwischen türkischen Zyprioten und Festlandsiedlern der „TRNZ“. Zunächst einmal aber forcierten die neuen politischen Eliten um „Atatürk“ (den „Vater der Türken“) ein ethnozentrisches und westlich-fortschrittsorientiertes Selbstbild der Nation. Die Einführung einer europäischen Kleiderordnung und Nachnamen (die es zu osmanischer Zeit nicht gab) und des lateinischen Alphabets waren die sichtbarsten Zeichen einer Strategie, den modernen und westorientierten Charakter des neuen Staates zu unterstreichen. Zugleich setzte ein Prozess der forcierten „Türkizifierung“ der eigenen Minderheiten ein und der ökonomischen Privilegierung derjenigen, die nach der zunehmend ethnischen Definition als türkische Staatbürger galten (Aktar 2010: 81-90). Die innerhalb weniger Jahre vollzogenen, massiven, zentralistischen Reformen sollten die heterogene, noch nicht vorgestellte Gemeinschaft nach den einschneidenden Umbrüchen im Übergang von der dynastischen zur nationalstaatlichen Lebenswelt und den Traumata des Krieges zusammenschweißen und das fragile Fundament des neuen Staates nach innen und außen absichern. Dafür spielte (und spielt) der Bildungsbereich eine zentrale Rolle. Im Gegensatz zur griechischen Nationalstaatsgenese, in der Bildung sich vor und nach Staatsgründung innerhalb und außerhalb der Landesgrenzen vollzog und Mittel zur territorialen Expansion und nationalstaatlichen Konsolidierung war, folgte die nationalistische Bildungspolitik in der Türkei der Staatsgründung. Höhepunkt der Identitätspolitik war die sog. „Türkische Geschichtsthese“ (THT) der 1930er Jahre, die, wie Millas bemerkt, ganz im Zeichen des europäischen – allen voran des deutschen – Zeitgeistes stand (Millas 2001: 31, 52-
11.3 Ne mutlu türküm diyene: Türkischer Nationalismus
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57, 61; Thelen 2010: 27). Sie sollte den indogermanischen Ursprung der „türkischen Rasse“ wissenschaftlich untermauern und damit das in Europa vorherrschende Bild vom mongolischen Ursprung zurückweisen. Ihr gemäß waren die Türken als Nachkommen einer arischen Rasse mit asiatischem Ursprung und siebentausendjähriger Tradition die Gründer der Weltzivilisationen von den Hethitern über Mesopotamien bis nach Ägypten (Sophos und Özkirimli 2008: 70; Papadakis 2005: 28; Özdogan 2010: 50-51). Anschaulich schildern Özkirimli und Sophos die Ursprünge dieser Entwicklung als eine am europäischen Klassizismus, dann am aggressiven Ethnonationalismus orientierte Suche nach der eigenen, glorreichen Vergangenheit. Wie einst die griechischen Ethno-Unternehmer zeichneten türkische Historiker, Ethnographen und Dichter das Bild einer türkischen Urzivilisation, ihrer zentralen Rolle in der Weltgeschichte und schrieben den Türken damit zusammenhängende, kollektive Charaktereigenschaften zu (Sophos und Özkirimli 2008: 90-92). Diese erfundenen Traditionen der neuen Gemeinschaft ergänzte für einige Jahre die sog. Sonnensprachentheorie, nach der das Türkische durch einen mystisch-religiösen Akt der Sonnenanbetung entstanden und zugleich die Mutter aller Sprachen sei (Ibid.: 66). Sie war (pseudo-) wissenschaftlicher Höhepunkt eines historischen Konstruktions- und linguistischen Purifizierungsprozesses, von denen letzterer bereits um die Jahrhundertwende im Zuge der ersten ethnographischen Hochphase eingesetzt hatte und mit der kemalistischen Sprachreform von 1928 gesamtgesellschaftlichen Einfluss erlangte. Dazu gehörten die Popularisierung des Türkischen durch Literatur und Sprachwissenschaft, seine „Säuberung“ von persischen und arabischen Elementen, die Einführung des lateinischen Alphabets und die Abschaffung des Arabischen und Persischen als Unterrichtsfach an den Schulen (Ibid.: 63-67). Anschaulich kommt in Millasʼ Analyse der türkischen Geschichtsbücher die forcierte Identitätspolitik der jungen Türkei zum Ausdruck. Charakteristisch dafür sind die ersten Schulbücher der 1930er Jahre: Von Historikern verfasst, die zugleich politische Verantwortung innehatten, bis zu 300 Seiten lang, auf teurem Papier gedruckt und mit zahlreichen großflächigen Bildern versehen, illustrieren die Werke selbst ihre politische Relevanz. Als Mittel zur Widerlegung der westlichen Historiographie seien, so Millas, Bilder der „Griechen“ zentral: Auf Basis der erwähnten Geschichtsthese werden die Türken als Nachfahren einer Hochkultur der kurzschädeligen (sic!) Hethiter, einer zentralasiatischen Urzivilisation stilisiert, die sich später über den Balkan und die griechische Halbinsel ausgebreitet hätte. Alle Hochkulturen des Mittelmeers samt ihren geistigen und architektonischen Artefakten seien auf jene Ursprünge zurückzuführen. Dabei wird beispielsweise auch der türkische Ursprung byzantinischer Baukunst, wie der Hagia Sophia, unterstrichen. Die Untermauerung der eigenen ethnisch-kulturellen Kontinuität geht mit der Infragestellung der anderen einher: So werden die Griechen interessanterweise mit vier unterschiedlichen Bezeichnungen versehen: Als Yunan, Rum, Grek und Helen. Die Griechen gelten dabei als Abkömmlinge von barbarischen Stämmen, die das Gebiet des heutigen Griechenlands besetzten und später von den Römern als Grek etikettiert wurden. Die heutigen Griechen seien eine Mischung aus Slawen, Albanern und Mazedoniern, heißt es. Deutlich klingt hier die These Fallmerayers an. Andere Volksstämme, wie die Achaier und insbesondere die Ionier seien von den heutigen Griechen zu unterscheiden (Millas 2001: 72-73). Damit werden die Überzeugung vom antiken Ursprung der Griechen und – hier sind territoriale Aspekte evident – die griechischen
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Wurzeln des Peloponnes und der kleinasiatischen Küstenregionen zurückgewiesen. Byzanz ist in Schulbüchern denn auch praktisch inexistent, während die Griechen bezichtigt werden, noch heute aggressive Expansionsabsichten für den gesamten Mittelmeerraum zu hegen. Der großen Raum einnehmende griechisch-türkische Krieg gilt in diesem Sinne als Konsequenz der schon immer gehegten territorialen Aspiration der Griechen, der Megali Idea, die umso gefährlicher seien, da es den Griechen gelungen sei, den Westen gleichsam auf ihre Seite zu ziehen (Heraclides 2011: 12). Schon zu osmanischen Zeiten hätten die Griechen – wohlhabend, korrupt und privilegiert – im Zusammenschluss mit den Juden gegen das Osmanische Reich integriert. Das Argument vom ungerechtfertigten, gar hinterhältigen Angriff der Griechen auf ihre gütigen Herren ist – wie im nächsten Abschnitt zu zeigen sein wird – ein zentrales Motiv der türkischen Erinnerungskultur. Schließlich ist auch auffällig, wie sehr der türkische Gründungsmythos mit der Darstellung „des Anderen“ verwoben ist. So wurden beispielsweise zwischen 1906 und 1919 populäre Geschichtswerke unter dem Reihentitel „Schwarze Bibel“ publiziert, die den barbarischen Charakter der Griechen unterstreichen sollten. Griechen erscheinen dort stereotyp als fanatische Geistliche mit Kreuzen und Fahnen, die quälen, kreuzigen, plündern und wehrlose Alte und Kinder ermorden. 1966 wurden diese Publikationen unter dem Eindruck der Zypernkrise nochmals aufgelegt (Millas 2001: 133-134). Nicht Teil des jeweiligen griechischen und türkischen Narrativs sind, wie Heraclides (2011: 15-16) zusammenfasst, die jeweils eigenen Verbrechen. Vergessen seien die Massaker, Plünderungen und Brandstiftungen, die die Griechen 1821 an den Muslimen des Peloponnes und im kleinasiatischen Eroberungsfeldzug begangen hätten und die, nach einem Ausspruch des damaligen griechischen Premiers selbst, das moralische Ansehen Griechenlands vor der Weltgemeinschaft drastisch gefährdeten. Umgekehrt würden die Massaker der Osmanen an den friedlichen Einwohnern von Chios, die Exekution hoher orthodoxer Geistlicher (von denen wenige überhaupt in die Revolution verwickelt gewesen seien) oder die Gewaltakte der türkischen Armee in Smyrna 1922 entweder geleugnet, als legitime Verteidigungsreaktion dargestellt oder als Ausnahmeerscheinungen deklariert (Rondholz 2011: 43). Aus dem öffentlichen Bewusstsein verdrängt erscheinen auch die aus Angst motivierten oder forcierten Migrationsströme und Ausweisungen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts im Zuge der Krisen und ethnischexklusiven nationalstaatlichen Konsolidierung beider Länder (James 2001: 1-9). Selbst die Eroberungszüge Alexanders des Großen, respektive Sultan Mehmet II., erscheinen beim jeweils Anderen als blutige Gewaltakte, in den eigenen Narrativen als „humane expeditions, acts of benevolence and expressions of tolerance“ (Millas 1991: 14). Auch dieses Phänomen ist auf Zypern, wie zu zeigen sein wird, en miniature zu beobachten. Die strategische Konstruktion des „Anderen“ belegt Millas (1996) eindrücklich in einer Analyse der gegensätzlichen Darstellungen von Griechen in türkischen Romanen und in persönlichen Memoiren. Am Beispiel von Autoren, die mit ihren Publikationen im zeithistorischen Kontext der Genese des türkischen Gründungsmythos berühmt wurden und bis heute als zentrale nationale Romanciers gelten, zeigt er auf, dass die fiktive Literatur ein gänzlich ungünstiges Bild von den Griechen zeichnet, während die Memoiren von freundschaftlichen Beziehungen zeugen. Eine ähnliche Dichotomie zwischen institutioneller und individueller Erinnerung weist auch die griechische Literatur auf, in der „Türken“ in Nationalromanen als abstraktje Reprä-
11.4 Griechisch-türkische Erinnerungskulturen
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sentanten repressiver Obrigkeit, in erinnerungsbasierten Darstellungen indes als durchaus positiv erscheinen (Millas 2005: 47-60; Millas 2014: 74). Auch dieser Punkt verweist auf die Unterschiede zwischen sozialer Erinnerung und institutionellem Gedächtnis auf Zypern.
11.4 Griechisch-türkische Erinnerungskulturen 11.4 Griechisch-türkische Erinnerungskulturen 11.4.1 Gründungsmythen im Spannungsfeld des europäischen Fremdblicks Ziel des vorangehenden Abschnittes war es, die historische Bedingtheit bzw. die elitengesteuerte Konstruktion der beiden Nationalismen zu aufzuzeigen und damit auf die daraus resultierenden inhärenten Spannungen und Leerstellen zu verweisen. Die konkrete Ausformung dieser Spannungen und Leerstellen, wie sie sich in Politik, Bildung und Alltagswelt beider Länder manifestiert, soll – mit einem deutlichen Fokus auf Griechenland – Gegenstand des vorliegenden Abschnittes sein. Sie ist im Sinne des Erkenntnisinteresses der Forschungsarbeit von vorrangigem Interesse, denn sie erklärt die Ursprünge der sozioemotionalen Sensitivität von Identitäts- und Anerkennungsfragen. Beide Länder sind in Bezug auf die Fremdwahrnehmung der eigenen, nationalen Identität, in internen Minderheitenangelegenheiten, wie auch in ihren Beziehungen zueinander bis heute äußerst sensibel. Sie deuten damit zum einen auf die ethnokulturellen Realities on the Ground, die eben nicht so homogen sind, als dass sie nicht vehement verteidigt werden müssten, zum anderen auf die sozioemotionale Bedeutung dieser Narrative, die Zugehörigkeit, Sinn und ein positives Selbstbild verleihen. Dabei spielt, wie erörtert, immer auch die Beziehung zum „Westen“ und die Abgrenzung vom Orientalischen eine zentrale Rolle. Die Einstellungen beider Länder zur eigenen Nationalgeschichte und die Beziehung zum „most representative ethnic other“ (Theodossopoulos 2004: 29) scheinen durch eine ambivalente Gleichzeitigkeit geprägt. Widersprüche zwischen konstruierter Hochkultur, die sich abgrenzen will und einer sozialen Lebenswelt, die sich in Essen, Aberglauben, in Musik und Temperament so sehr ähnelt, werden gelebt, ohne sie zu hinterfragen. Dabei mag durchaus Wissen um und Sensibilität für die kulturellen Gemeinsamkeiten vorhanden sein, mögen individuelle Begegnungen zwischen Griechen und Türken, gemeinsame Konzerte (die insbesondere in den 1970ern und 1980ern Konjunktur hatten) oder mediale Ko-Produktionen der jüngsten Vergangenheit die monolithischen Narrative ergänzt bzw. widerlegt haben. Implizit indes scheinen die gegenseitigen Stereotype und Ressentiments – wie im Folgenden zu zeigen sein wird – als nach wie vor essenzieller Teil der nationalen Identität, der Sinn und Zugehörigkeit verleiht und für (macht-) politische Interessen genutzt werden kann und damit – schlicht formuliert – zu wertvoll, um es aufzugeben. Zu dieser ambivalenten Gleichzeitigkeit gehören, wie im Folgenden zuvorderst am Beispiel des griechischen Nationalismus und am Beispiel der griechisch-türkischen Beziehungen erörtert werden soll, laute, öffentliche Kontroversen wie auch „stille“ Artefakte, von denen viele auch und gerade für Zypern von Belang sind. Die öffentlichen Räume beider Länder sind durchdrungen mit Referenzen an die jeweiligen Gründungsmythen, repräsentieren damit die Zeitlosigkeit bzw. Konservierung dieser Epoche für das Nationalverständnis und unterstreichen die Legitimität des historischen Narrativs.
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In der Türkei ist das – im öffentlichen Raum – zuvorderst der Kemalismus. Özdogan (2010: 56-57) formuliert treffend: „Given variegated formulations of Turkish identity and different interpretations of Anatolian history, it seems that a republican ´state symbolism` has been used as a pervasive common denominator. Nation building in Turkey made use of symbolic imagery to reinforce allegiance to the state […]. As the Republic came to represent a ´new golden age`, almost all new monuments, statues, squares, and government buildings bore ample references to those ´heroes` who founded and fought for the Republic of Turkey. Construction of territoriality, in that sense, was more preoccupied with charging immediate association with the survival of the state and the ´blood` paid for the rescue and protection of the territory. To that end, fortresses, war sites and camps, and monuments for martyrs, symbolizing the military and political ordeal of statebuilding and survival, have come to elicit a militant patriotic attachment to territory more than a romanticizing of landscape could.”
Diese Passage ist insofern besonders relevant, als das besetzte Nordzypern als gleichsam kondensierte Miniatur eines derartigen nationalistisch-militaristischen Vorstellungsraumes erscheint, in dem die territorialen Aspirationen verwirklicht wurden. Die Zurschaustellung der Rolle des Militärs als Befreier der türkischen Zyprioten wie auch die überdeutliche Präsenz von Statuen Atatürks mit dem charakteristischen Satz „Ne mutlu Türküm diyene“ sind dafür symptomatisch. Die universalistischen Theorien jener Gründungszeit scheinen zwar einen guten Teil ihrer Strahlkraft verloren zu haben. So resümiert Papadakis (2005: 38) auf seiner Initiationsreise: „The Turkish Thesis of History appeared to have been abandoned. The Turks not longer agreed with the Greeks about the evil Ottomans. The Ottomans had made a galloping comeback to the stage of history. Even the Sun-Language Theory was now ridiculed as people laughed at etymologies like Amazon (from Turkish amma-uzun) and OK (ok-ay)”.
Indes zeigt die Explosivität von Minderheitenfragen, dass die Vorstellung von der homogenen, primordialen Nation alles andere als obsolet ist. Aktar (2010: 21-22) illustriert dies an den wütenden Protesten von 2005, die sich an der UNDP-Bezeichnung einer türkischen Wolfsart als „Vulpes Vulpes Kurdistanicum“ entzündeten und eine Regierungserklärung motivierten, die die Bezeichnungspraxis der UN als Gefahr für den nationalen Zusammenhalt bezeichnete.
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In Griechenland wie auch auf Südzypern lesen sich Plätze und Straßennamen wie das Who´s Who des griechischen Befreiungskampfes (Rondholz 2011: 38-39). Gleichzeitig – deutlich weniger in Straßennamen als in musealen und touristischen Artefakten – durchziehen Griechenland Referenzen an die Antike. Dieses Erbe – man könnte hinzufügen: seine schwere Last – ist eng mit der humanistischen Wahrnehmung Griechenlands verbunden und als solche in erster Linie europäische Fremdwahrnehmung, die – insbesondere in Bildungskreisen – mit stereotypen Assoziationen verknüpft sind. Interessanterweise scheint diese Amivalenz bereits für die Epoche der hellenistischen Romantisierung selbst zu gelten. Goethe beispielsweise, der in seiner „Iphigenie auf Tauris“ den vielzitierten Satz prägte „Das Land der Griechen mit der Seele suchend“, oder Hölderlin, der den griechischen Genius pries, bereisten jenes Land selbst nie. „Was hätten Hölderlin oder Goethe denn dort betrachten sollen?“, so der deutsche Griechenlandexperte Eideneier nicht ohne Ironie in einem scharfsinnigen Beitrag zur gegenwärtigen deutschen Griechenlandwahrnehmung. „Dieses Griechenland, dieses Arkadien existierte doch vorwiegend nur in den Köpfen, und das war Hölderlin so gut wie Goethe natürlich voll bewusst. Ein Abgleichen dieser virtuellen, romantisch erhöhten, idealisierten antiken Landschaft mit der Wirklichkeit am Südzipfel des Balkans stand überhaupt nicht zur Debatte“ (Eideneier 2010: Abbildung 11 – „A, NTOITƩ“ 24). Die Projektion eines realitätsfernen Ideals auf ein wesentlich (mit freundlicher Genehmigung komplexeres und historisch bedingtes Kollektiv erscheint auch für von © Kostas Mitropoulos. All Rights Reserved.) das heutige Griechenland aktuell. Eideneier bringt das pointiert im Auftakt seines Artikels durch die Karikatur in Abb. I zum Ausdruck. Ein Deutscher in antiker Rüstung zitiert die ersten vier Verse der Odyssee, während der Grieche mit den Worten „Ah, deutsch“ reagiert (Ibid.: 19, Abb. 11).52 Die selektive, stereotype Zurschaustellung nationaler Etikette gilt wohl für viele „ausländische Nationalismen“, wie sie in den Artefakten und Bräuchen anderer Diasporas zum Ausdruck kommen. Die enorme Diskrepanz zwischen einer stilisierten Hochkultur als Aushängeschild für ein gesamtes Land und die damit einhergehenden Erwartungen im Verhältnis zur Alltagskultur machen den Fall Griechenland (und auch Südzypern!) allerdings besonders. Die übertriebene Zurschaustellung und Verteidigung jener antiken Größe trug zur Popularität von 52
Die Dominanz dieser Wahrnehmung innerhalb wie außerhalb Griechenlands zeigt sich beispielsweise, gibt man in elektronischen Suchmaschinen oder Literaturverzeichnissen das Stichwort „griechische Geschichte“ oder „Geschichte Griechenlands“ ein, die zunächst nahezu ausschließlich Schrift- und Bildquellen mit Antikenbezug zutage befördert. Nicht zufällig ist es jene verkitschte und stilisierte Antike, die das Gros der griechischen Restaurants im Ausland als Aushängeschild gewählt haben. Innerhalb Griechenlands finden sich entsprechende Symbole im Alltag – also jenseits der institutionellen, bildungsbürgerlichen Sphäre der Museen, Gedenkstätten und der Schule – zumeist nur in touristischen Einkaufsstraßen oder bei international relevanten Großereignissen, wie den Olympischen Spielen, in denen es um die internationale Fremdwahrnehmung geht. In wohl nahezu allen lokalen Tavernen außerhalb des touristisch relevanten Raumes würde man umsonst nach antiken Springbrunnen, Statuen und Ornamenten suchen.
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Filmen, wie „My Big Fat Greek Wedding“ bei. Solche kulturwissenschaftlichen Befunde sind insofern für das vorliegende Erkenntnisinteresse zentral, als sie die Sensitivität für den Fremdblick auf die eigene, kollektive Identität beleuchten, die massive Auswirkungen auf die politische Kultur Griechenlands und Zyperns besitzt. Auch die gegenwärtige Rolle der erwähnten Bildungssprache verweist auf die, wenn auch implizite Relevanz des nationalen Grand Narrative im Spannungsfeld von Zeitgeschichte und Alltagswelt. Nicht zufällig wurde sie, nachdem die Regierung Papandreou sie 1964 erstmals abschaffte, drei Jahre später von der hypernationalistischen Militärjunta als Pflichtsprache in allen Unterrichtsfächern, in Zeitungen und behördlicher Korrespondenz wieder eingeführt, nur um nach der Rückkehr Griechenlands zur Demokratie erneut abgeschafft zu werden. Aufgrund ihrer halbgriechischen Herkunft weiß die Verfasserin um den universellen Imperativ dieser konstruierten Hochsprache bis weit in die 1970er Jahre hinein, die als Mischsprache bis heute in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens nachwirkt. Da die Katharevousa für weniger gebildete Menschen schwer verständlich ist, erscheint sie auch heute noch als Fanal der zivilisierten, antikenorientierten Nationalgemeinschaft in Abgrenzung zum „unkultivierten Orient“ und unterstreicht bildungsbürgerliche Hierarchien. So wird der, der die Bildungssprache beherrscht, im öffentlichen Leben mit besonderer Ehrfurcht und Anerkennung belohnt, weil er implizit als versierter Vermittler des nationalen bzw. kulturellen Erbes gilt. Ungebildete Menschen verstanden so traditionell kaum den Richterspruch oder amtliche Verlautbarungen, Patienten nicht ihren Arzt. Auch die Kirche pflegte und pflegt bis heute – hier ist ihre symbolische Nähe zum Nationalnarrativ evident – noch die Katharevousa in und über die Liturgie hinaus. Ehrfürchtig – so kann man es formulieren – lausch(t)en weite Teile insbesondere ländlicher Gemeinden der göttlichen Wahrheitsverkündung, ohne ihren Inhalt zu verstehen.53 „In der Schule“, so bestätigt Auernheimer (2007: 303), „bewirkte das Festhalten an der Hochsprache (sogar in der Grundschule!) sprachliche Verunsicherung, psychische Zwänge und eine Überbewertung des formalen Wissens auf Kosten kognitiver Prozesse. Die Diglossie trug zur hohen Analphabetenrate bei, die noch Anfang des 20. Jahrhunderts bei Männern über 50% und bei Frauen über 80% betrug. Breite Bevölkerungskreise waren also vom politischen und kulturellen Leben ausgeschlossen.“
Die derartig forcierte, gesellschaftspolitisch offenkundig völlig kontraproduktive Stilisierung von vermeintlicher sprachlicher Homogenität, hohem Bildungsniveau und Antikennähe, so kann man aus sozialpsychologischer Sicht folgern, macht den tiefen Identitätskonflikt und das Geltungsbedürfnis der griechischen (und, wie zu zeigen sein wird, auch der griechisch-zypriotischen) Gesellschaft sichtbar. Dieser starre, bildungssprachliche Imperativ hat auch den Umgang und den Status von Dialekten geprägt. Im Gegensatz zu Deutschland, Italien oder Spanien, in denen die Dialekte als Ausdruck regionaler Partikularität und Verbundenheit en vogue sind und als solches vor allem Eingang in die Jugendkultur fanden, finden sich – wie Terkourafi
53
Das berichteten Mutter und Tante der Verfasserin im Interview und verwiesen auch auf ihren Schulunterricht. Im Fach Altgriechisch beispielsweise mussten sie die Odyssee in die Katharevousa – also von einer Fremdsprache in eine andere – übersetzen. Das sei zäh wie Mathematik gewesen, erinnert sich die Tante der Verfasserin. Wie „Papageien“ hätten die Schüler die hochsprachlichen Übersetzungen wiedergegeben. Der tiefere Sinn und die Ästhetik der Texte indes sei ihnen verborgen geblieben. Wieso, so fragte sich die Tante, konnten Franzosen, Engländer oder Deutsche Homers Odyssee in ihrer Muttersprache lesen, die Griechen aber nicht (Interview Rehrmann-Karagouni 2015)?
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(2007: 77) treffend bemerkt – in Griechenland in sozialen Netzwerken oder im Hip-Hop praktisch keine Varietäten. Wie zu zeigen sein wird, spielt der Aspekt der bildungsbasierten Vermittlung einer „wahren“ und „reinen“ nationalen Identität insbesondere für den griechisch-zypriotischen Nationalismus eine zentrale Rolle. Denn er erschwert die Akzeptanz von Multikulturalität bzw. dem Verständnis von Kultur und Identität als einem dynamischen und sozialisierten Konzept.54
54
Interessanterweise durchzieht auch die griechische Musik eine eigentümliche Ost-West-Dichotomie aus Hoch- und Alltagskultur: Standardmäßig unterscheidet das griechische Repertoire zwischen Laiko (Volksmusik) und Entehno (wörtlich: kunstvolle bzw. Kunstmusik). Die Kompositionen von Größen der Kunstmusik, wie Theodorakis und Hadjidakis, spiegeln vielfältige zentraleuropäische, latein- und nordamerikanische Einflüsse der Klassik oder etwa der Nueva Canción wider und vertonen oftmals Lyrik der griechischen Literaturnobelpreisträger, teils mit Bezug zur Antike. Theodorakis und Loizos, die gegen die Militärdiktatur ansangen und damit in den 1970er Jahren gemeinsam mit Maria Farantouri auch in Deutschland populär waren, gehören zu den prominentesten regimekritischen Komponisten jener Zeit. Ihre politischen Ideen wie auch ihre Lieder verstehen sich als trans- bzw. antinational. Theodorakis antifaschistischer Liederzyklus, seine Hommage an Federico García Lorca oder Loizos´ Lieder an die Freiheit, von denen einige Vertonungen des türkischen Dichters Nazim Hikmet sind dafür beispielhaft. Sie sind, so kann man sagen, bis heute eine Art linksintellektuelles, weltweit bekanntes Aushängeschild Griechenlands. Die „Volksmusik“ und ihre Tänze dagegen sind eindeutig orientalisch. Unzählige Varianten des „Tsifteteli“, des griechischen Bauchtanzes, finden sich im traditionellen Repertoire und kommerziellen Pop-Erfolgen. Der „Rembetiko“ (man nennt ihn auch den „griechischen Blues“) ist in Rhythmik, Harmonik und Improvisation ebenfalls offenkundig orientalisch. Er kam mit den Griechen Kleinasiens ins Land, die ihn in den Subkulturen der Migrantenmillieus der 1920er Jahre weiterentwickelten und zelebrierten. Als Symbole jener Subkultur und ihres Ursprungs waren sie zurzeit der Militärjunta verboten. Weniger bekannt als die Lieder selbst, ist die Tatsache, dass etliche von ihnen auch mit türkischem Text existieren, wie die Verfasserin im Gespräch mit türkischstämmigen Berlinern erfuhr. So scheint es kein Zufall zu sein, dass ausgerechnet das populärste Orchesterwerk Theodorakis´, das „Axion Esti“, eine Synthese aus westlichen und traditionellen, antiken und christlichen Elementen verkörpert. Es stellt in Orientierung an der Passion Christi und damit „in mythologisch-biblischem Geist die Geschichte des griechischen Volkes dar“, enthält klassische und traditionelle Instrumente, symphonischen und traditionellen Liedern und Tänzen entnommene Passagen, [abgerufen am 18.03.2016]. Theodorakis selbst sagt über sein Werk: „Der Unterschied besteht darin, dass ich vorher einfach versucht habe, unsere nationale Tradition in den Rahmen der westlichen Musik hineinzustellen, indem ich zu diesem Zweck alle technischen Mittel und alle Formen benutzt habe, die diese uns hinterlassen hat, vom gregorianischen Gesang über Bach bis zu Schönberg, Strawinsky, Bartók und Schostakowitsch. Damit folgte ich nur dem Beispiel unserer nationalen Schulen. Hingegen habe ich mit ´Axion Esti` versucht, ein Klanggewand zu nähen, das von der neo-hellenischen Musikwelt herkommt“, http://de.mikis-theodorakis.net/index.php/article/articleview/203/1/46/. [abgerufen am 26.01.2017]. Derartige musikethnologische Synthesen, die für sich beanspruchen, ein Spiegel der nationalen Artefakte zu sein, zeugen von der immer noch hohen Relevanz der Ethnographie, mit der sich die Nation selbstvergewissert und positioniert. Bezeichnenderweise scheint auch die türkische Musik durch eine ähnliche Dichotomie durchzogen. Poulos (2014: 91) beschreibt in seinem Essay über die jüngste Renaissance griechisch-türkischer bzw. osmanischer Musiktradition, wie einst die nationalen Unternehmer die größtenteils mündliche und transkulturelle osmanische Musik kategorisierten und aus ihr Elemente einer vermeintlich „türkischen Klassik“ extrahierten, die forthin als Nationalmusik galt. Zu diesem Prozess gehörte auch die retrospektive Konstruktion nicht-muslimischer Musiker als klaren Repräsentanten einer ethnischen Gemeinschaft, die es zu osmanischen Zeiten gar nicht gab: „Adhering to the perception of the Rum community of musicianship, the concept of ´composer`, as it is used in this context in modern Turkish music historiography, conforms with a very Western notion of artistry and authorship, which in the orally transmitted Ottoman repertoire has a quite different and far more complex meaning”. Dieses Beispiel illustriert nicht nur den historischen Einfluss der nationalen Konstrukte, sondern auch ihren Einfluss auf die Bewertung und Einordnung der vornationalen Lebenswelt. Anschaulich kommt hier Andersons Argument von der Schwierigkeit zum Vorschein, sich im Zeitalter der Nationen die Alltagwirklichkeit der Dynastie mit ihren fließenden lokalen, territorialen, linguistischen, religiösen und eben auch musikalischen Affinitäten „vorzustellen“.
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Die geschilderten Befunde unterstreichen den konstruierten Charakter wie auch das inhärente Spannungsverhältnis der griechischen nationalen Identität und die damit verbundene Sensibilität, die sich durch das Streben nach Anerkennung durch den Westen manifestiert und zum sprichwörtlichen Pulverfass werden kann. Dieses Anerkennungsbedürfnis wurde, sozialpsychologisch gesprochen, durch die deutsche, kulturessentialistische Stereotypisierung seit der Finanzkrise 2008 und den folgenden (boulevard-) medialen Schlagabtausch auf eine harte Probe gestellt und hat die Beziehung beider Länder zueinander dramatisch und nachhaltig verschlechtert. Die dabei zentrale Sensitivität für den westlichen Fremdblick spielte auch im zypriotischen Krisendiskurs um den Annan-Plan eine Sonderrolle und sei deshalb hier kurz dargestellt. Initialzünder dieses Schlagabtausches und zugleich Auftakt einer beispiellosen Hetzkampagne gegenüber Griechenland wurde ein Fokus-Artikel von Michael Klonowski (2010) – späterer Pressesprecher der AFD-Chefin Frauke Petry – mit dem Titel „2000 Jahre Niedergang. Von der Wiege Europas zum Hinterhof Europas“. Mit dramaturgischem Fingerspitzengefühl, Orientalismusmotiven, Halbwahrheiten, Kulturframes und rassistischen Essentialisierungen zeichnet er dort die Geschichte eines scheinbar unabwendbaren Verfalls nach. Die abendländische „Hochkultur“ (sic!) präsentiert der Autor in Imponiermanier durch etliche Aufzählungen antiker Denker und ihrer Errungenschaften, die den Gegensatz zum heutigen, intellektuell, kulturell und sogar kulinarisch angeblich völlig minderwertigen Griechenland unterstreichen sollen (Bickes et al. 2012: 73-89). Als Untermauerung seines Argumentes zitiert er Fallmerayer mit den Worten: „ʽKein Tropfen des alten Heldenblutes fließt ungemischt in den Adern der jetzigen Neugriechenʼ, befand anno 1830 der Orientalist Jakob Philipp Fallmereyer und rügte die zeitgenössischen Griechenlandfreunde: ´Eure schwärmerische Teilnahme ist verschwendet an ein entartetes Geschlecht, an die Abkömmlinge jener slawischen Unholde, die im fünften und sechsten Jahrhundert über das byzantinische Reich hereinbrachen und die hellenische Nationalität mit Stumpf und Stiel ausrotteten`“ (Fallmerayer nach Klonowski 2010).
Viele weitere Artikel, insbesondere aus der Bildzeitung, folgten seinem Vorbild. In „Griechenland zerstörte schon einmal Europas Ordnung“ charakterisiert ein Autor der Welt die Ideale des Philhellenismus als Trugschluss, das verbundene Engagement der europäischen Großmächte im griechischen Freiheitskampf als fatale Fehlentscheidung und schließt mit den Worten: „Die Vorstellung, dass es sich bei den Griechen der Neuzeit um Nachfahren eines Perikles oder Sokrates handeln würde und nicht um eine Mischung aus Slawen, Byzantinern und Albanern, wurde für das gebildete Europa zu einem Glaubenssatz. Dem konnten sich auch die Architekten der EU nicht entziehen. In seinem Sinne holten sie das schon 1980 klamme Griechenland ins europäische Boot. Die Folgen sind täglich zu bestaunen“ (Seewald 2015).
Solche rassistischen Essentialisierungen – man mag sich fragen, wie eine seriöse, deutsche Zeitung derartige Entgleisungen drucken kann – beflügelten offenkundig auch die Konsolidierung der rechtspopulistischen AFD, die sich im Kielwasser der (Boulevard-) Medien konstituieren und radikalisieren konnte. Auffällig ist nämlich, dass die zwei Kernthemen der Partei – die Ablehnung des Euro bzw. der Krisenfinanzpolitik gegenüber Griechenland und die spätere Kritik an der deutschen Flüchtlingspolitik und den Gefahren einer angeblichen europäischen Islamisierung – beide aus dem Orientalismusframe schöpfen: Subtile Referenzen an eine angeblich slawische Herkunft der heutigen Griechen – ein unglaublicher Affront für breite Teile der grie-
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chischen Bevölkerung – repräsentiert die zynische Kehrseite der Antikeninszenierung Griechenlands und verweist in Besorgnis erregender Weise auf eine europäische Renaissance aggressiv-nationalistischer, rassistischer und – wie Reckwitz treffend postulierte – kulturessentialistischer Weltbilder, in denen Abstammung, vermeintlich inhärente Wesenseigenschaften und Ansprüche kultureller Überlegenheit durch Boulevardmedien und Populisten wieder salonfähig gemacht werden. Es zeigt darüber hinaus, wie leicht sich die Ideen universeller Kultur-, Wesens-, mitunter gar wieder genetischer Unterschiede, wie sie seit Beginn der 1990er Jahre realhistorisch durch die Zunahme ethnonationalistischer Konflikte und ideengeschichtlich durch die verbreitete Überzeugung eines „Aufeinanderprallens der Zivilisationen“ politisch nutzen lassen. Solch eine kulturessentialistische Auffassung ist, wie die folgenden Kapitel aufzeigen sollen, auch und in besonders drastischer, politisch unkorrekter Form auf Zypern vorherrschend. Ihre Gegenüberstellung mit den gegenwärtigen europäischen Populismusdiskursen und den deutsch-griechischen Beziehungen macht das Phänomen indes über das Fallbeispiel hinaus greifbar und zeigt, wie sehr sie essenziell mit Bedürfnissen nach Selbstaufwertung durch Fremdabwertung und mit Ressentiments verbunden ist und wie leicht sie sich für machtpolitische Zwecke instrumentalisieren lässt. Die als kollektive Demütigung empfundene deutsche Medienberichterstattung jedenfalls motivierte – verstärkt durch den deutschen Einfluss auf die griechische Sparpolitik – wütende Reaktionen in Medien und sozialen Netzwerken, die der essentialistischen Diffamierung und Pauschalisierung der deutschen Seite in nichts nachstanden ([griechischer] Fokus 2010). Sie wurde nicht zuletzt deshalb als so kränkend empfunden, weil eben ein wesentlicher Teil der über die Fremdwahrnehmung konstituierten nationalen Identität und empfundenen Anerkennung mit der Zugehörigkeit zum Westen bzw. zu Europa verknüpft ist. Der mit der Abwertung (-sbedrohung) verbundene Minderwertigkeitskomplex unterstützt, so Heraclides (2011: 18), innerhalb Griechenlands die Empfänglichkeit für Opfernarrative und Verschwörungsszenarien. Eine ähnliche, indes griechisch-europäische Frontstellung zeigte sich bereits in der landesweiten Entrüstung um die Namensgebung der post-jugoslawischen Republik Mazedonien, die auf Druck Griechenlands nun offiziell Former Yugoslav Republic of Macedonia (FYROM) genannt wird. Sie illustriert die Brisanz der offenkundig immer noch ungelösten Territorial- und Alleinvertretungsansprüche, die sich im erbitterten Streit um die ethnische Zugehörigkeit Alexanders des Großen manifestierten.55 In den politischen Reihen Europas motivierte die Haltung Griechenlands vielerorts ironisches Unverständnis.56 Die Furcht vor kultureller Abwertung und die damit verbundene Sensitivität für den Fremdblick des Westens durchzog – wie zu zeigen sein wird – auch die griechisch-zypriotischen Krisendiskurse von 2004 und gab den Kompromisslosen Auftrieb. Ein ähnlich spannungsreiches Verhältnis zwischen Zugehörigkeit und Entfremdung scheint auch die Beziehung zwischen Europa und der Türkei zu bestimmen. Die emotionalen europäischen Auseinandersetzungen um einen möglichen Türkeibeitritt warfen in Europa viele elementare Grundsatzfragen zu Identitäten und Grenzen des europäischen Staatengefüges auf, 55 56
[abgerufen am 28.06.2016]. Ablehnung und Unverständnis gegenüber Griechenlands Haltung in der FYROM-Frage verzeichnete die Verfasserin auch in persönlichen Gesprächen mit Europaabgeordneten im Rahmen einer Studienreise nach Brüssel 2007.
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in der die Türkei als historisches und kulturelles „Anderes“ erscheint (Kylstad 2010). Die Türkei, so Onar in seiner feinsinnigen Analyse zur Sensitivität beider Länder gegenüber Europa, habe es schwerer in ihrer Identätsaffirmation. Während sich Griechenland aufgrund seines Antikenrückgriffs, seiner christlichen Tradition und seiner Geographie leichter in Europa verorten konnte, würde die Türkei in allen diesen Aspekten weiterhin im Bann ihrer tiefen Spannungen verharren (Onar 2007: 47). In seinem Artikel „Türkei ante Portas. Zur Finalität des europäischen Erweiterungsprozesses“ erörtert Biermann (2005) in historischer Perspektive auf Basis völkerrechtlicher, kultureller und geographischer Selbstverständnisse der EU die kontrovers diskutierte Frage einer Integration der Türkei. Er zeigt dabei zum einen die beharrlichen und wirkmächtigen kulturhistorischen Buchlinien zwischen Orient und Okzident, Christentum und Islam und die historische Konstitution der europäischen Identität über die Verteidigung des „Abendlandes“ vor der „Türkengefahr“ (Ibid.: 65) auf. Bis heute zeige sich in diesem Sinne eine assoziative Prävalenz von „Europa“ als „Westeuropa“, die sich im allgemein synonymen Sprachgebrauch von „Europa“ und „EU“ manifestiere (Ibid.: 67, 77). Zum anderen verweist er auf die zeitweilige Transformation dieses Fremdbildes als Resultat der kemalistischen Reformen innerhalb der Türkei, wie auch ihrer neuen geostrategischen und sicherheitspolitischen Rolle als NATO-Mitglied (Ibid.: 66). Seit den nicht zuletzt über die Zypernfrage ins Stocken geratenen EU-Beitrittsverhandlungen jedenfalls ist das Verhältnis auch jenseits der sicherheitspolitischen Spannungen wieder durch zunehmende Entfremdung vonseiten Europas und Enttäuschung vonseiten der Türkei geprägt, in der die sensible Frage um Zugehörigkeit zum Westen wieder in den Vordergrund rückt.57 Als repräsentativ wie charakteristisch für die historisch-ideologische Dimension erscheint die provokante Analogie des EU-Binnenmarktkommissars Bolkestein, würde die Türkei der EU beitreten, wären die Anstrengungen europäischer Truppen gegen die türkische Belagerung von Wien 1683 umsonst gewesen (Müftüler Bac 2004: 29). Hatte die Aussicht auf einen Beitritt – im Sinne des Gründungsmythos steht dieser für die (verspätete) Anerkennung der Zugehörigkeit zur europäischen Völkerfamilie – in den ersten Jahren nach der Regierungsübernahme der AKP umfassende Reformen beflügelt (Müftüler Bac 2005), die eben nicht allein durch die ökonomischen und politischen Anreize motiviert waren, beleuchtet die wechselseitige Entfremdung einen wesentlichen Faktor für das Stocken eben dieser Reformen und die Abwendung von „Europa“. In einer regierungsnahen Publikation, die eine türkische Innenansicht auf die gescheiterte Annäherung zur EU widerspiegelt, erscheinen jene historischen Bestrebungen zur Westbindung als zentral. Sie endet mit den bezeichnenden Worten: „They [die Türken] regarded EU membership as confirmation of Turkey’s European identity and its acceptance as part of European civilization. This psychological factor has to be understood as an important element within the relations between Turkey and the EU” (Yeşilyurt Gündüz 2012: 18). Biermann (2005: 57) mahnte bereits 2005 in diesem Sinne an, nach Assoziierungsabkommen (1963) und Kandidatenstatus (1999) dürfe die EU einen zukünftigen Beitritt nicht grundsätzlich ausschließen, denn das „würde nicht nur die Glaubwürdigkeit europäischer Politik in
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Die enorme, europaweite Verbreitung und Popularität der Figur Erdoğans als Sultan verweist auf eine Tendenz zur historischen Analogie und die Präsenz der dahinterliegenden Weltbilder.
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Frage stellen, sondern auch dem innenpolitischen Reformprozess in der Türkei einen schweren, möglicherweise tödlichen Schlag versetzen“. Aus sozialpsychologischer Sicht destruktiv ist in den medialen europäischen Kontroversen um Griechenland und die Türkei, so lässt sich in diesem Sinne resümieren, die Verschränkung zwischen berechtigter Kritik an Ökomomie bzw. Demokratie und Menschenrechten und einer teils massiven, stereotypen Kulturessentialisierung, die als demütigende, asymmetrische Fremdzuschreibung in beiden Ländern wütende Gegenangriffe motivierte. Auch für Zypern gilt, wie insbesondere die Medienanalyse aufzeigen wird, die äußerst sensible und aufmerksame Abwehrhaltung gegenüber möglichen Orientalismusetikettierungen und das ambivalente Verhältnis zu Europa als fragilem Sehnsuchtsort. Das Problematische an den sozioemotionalen Konsequenzen derartiger Essentialisierungen ist eben, das sei abschließend nochmals betont, dass sie leicht politisch instrumentalisierbar sind. Das unterstreicht die Relevanz eines holistischen Ansatzes, der hier den sozioemotionalen Einfluss auf politische Fragen aufzeigt.
11.4.2 Narzissmus kleiner Differenzen? Die griechisch-türkischen Beziehungen Was sich im Verhältnis beider Länder zu Europa – insbesondere in Krisenzeiten – zeigt, spiegelt sich, so kann man einleitend sagen, en miniature auf der bilateralen Ebene wider. Man könnte das Konkurrenzverhältnis beider Länder wortschöpferisch als westeifern etikettieren. So spricht Kotzias (2007: 263-289) von einem destruktiven Anerkennungsringen vonseiten der Türkei, das daraus resultiere, das Griechenland Teil der EU, die türkische Integration indes nicht vollzogen worden sei. Die Symmetrie von empfundener Augenhöhe, die mit einem Beitritt der Türkei verbunden sei, so der Autor, würde den griechisch-türkischen Beziehungen ihre destruktive Rivalität entziehen. „The volatile character of the relationship, however, is always evident whenever tensions arise over intractable issues (Cyprus, the Aegean, the Patriarchate, the Theological School of Halki)“, so Hirschon (2014: 40) über die griechisch-türkischen Beziehungen heute. Zwar wurden die Territorialgrenzen und Minderheitenverhältnisse, wie im Vertrag von Lausanne 1923 festgesetzt, offiziell von beiden Seiten anerkannt. Die mit den Nationalnarrativen verbundenen Ressentiments und historischen Kränkungen indes scheinen die bilateralen Beziehungen bis heute entscheidend zu prägen. Das gilt für die an der Zypernkrise 1964 entzündete Ausweisung der verbliebenen griechisch-orthodoxen Minderheit Istanbuls (unter ihnen Millas), über die Teilung Zyperns 1974 und die Zunahme der bilateralen Spannungen in den 1990er Jahren mit dem Höhepunkt der sog. Imia-Krise (Dembinsky 2006). Diese Streitigkeiten sind, wie im folgenden Abschnitt gezeigt werden soll, Ausdruck des nach wie vor zentralen Einflusses der antagonistischen Nationalnarrative, die – wenngleich sie bröckeln bzw. intern und extern kritisiert und widerlegt werden mögen – eben noch entscheidenden Einfluss auf die Identitäten und Alltagswahrnehmung der beiden Gesellschaften besitzen. So sind die Länderbeziehungen bis heute durch ein eigentümliches Spannungsverhältnis aus einer monolithischen, konservierten Vergangenheit und einer Gegenwart gezeichnet, deren Facetten– bildlich gesprochen – langsam und gleichsam unbemerkt neue Schichten und Farben in das fein inszenierte Portrait des Nationalnarrativs einfügen und auf das deuten, was in der offiziellen Geschichtsschreibung fehlt
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bzw. verdrängt wird. So ist institutionelle Erinnerung, insbesondere Historiographie und Schulbildung beider Länder bis heute tief von den Ideen der Gründungsmythen mit ihren OpferTäter-Dichotomien durchzogen. Sie erscheinen der Verfasserin zuvorderst in der stereotypenbehafteten, gegenseitigen Wahrnehmung: So bemühen traditionelle, nationalistische Kreise in Griechenland das Vorurteil von der türkischen Paranoia als Folge des „Sèvre-Syndroms“. Nationalisten der Türkei wiederum werfen, wie gesagt, den Griechen vor, bis heute expansionistische Bestrebungen zu hegen. Inwiefern diese Vorwürfe gesellschaftliche Wirklichkeiten widerspiegeln, ist nicht Teil des vorliegenden Erkenntnisinteresses. Vielmehr gelten sie der Verfasserin als Indikator für Allgegenwart und Instrumentalisierung von Geschichte und einer von gegenseitiger Befremdung und Argwohn geprägten Beziehung, die im Krisenfall schnell in Misstrauen und Aggression umzuschlagen vermag. Implizit schwingt von griechischer Seite – das kann die Verfasserin aus zahllosen Gesprächen mit ihrem Familien- und Bekanntenkreis und medialer Rezeption bestätigen – im Verhältnis zur Türkei immer auch die Trauer um die „unerlösten Gebiete“, der damit verbundene implizite Wunsch nach alter Größe und empfundene Demütigung mit, die aus dem Wissen um die militärische Unterlegenheit resultiert. Dass Istanbul in Griechenland nahezu ausschließlich mit seinem byzantinischen Namen Konstantinopel bezeichnet wird, ist dafür symptomatisch. Die empfundene Demütigung und Machtlosigkeit gegenüber der Türkei als Konsequenz der politisch-militärischen Asymmetrie mag ein Faktor sein, der das Bedürfnis nach kultureller Abgrenzung durch Verankerung im „Westen“ und Übernahme des europäischen Orientalismusframes für stereotype Bilder der Türkei noch unterstreicht. In diesem Sinne war auch das naive Schwarzweißbild des ethisch überlegenen Selbst im Gegensatz zum barbarischen Anderen in griechischen Schulbüchern bis in die 1990er Jahre prominent. Die Türken gelten dort als historische Kriegstreiber, bestialische Mörder, Sklavenhalter und unkultiviertes Pendant zum europäischen Humanismus (Millas 2001: 306-307). Das eigene Genos hingegen könne – von der Antike, über Alexander den Großen und das Byzantinische Reich bis zur heutigen Zeit – trotz Fremdherrschaft auf einen Zeitraum von 4000 Jahren Hochkultur und Zivilisationserweiterung zurückblicken (Millas 1991: 12). Unter dem Einfluss der UNESCO und ihren Schulbuchrichtlinien kam es in den 1990er Jahren zwar zu rhetorisch-diplomatischen Anpassungen – beispielsweise wurde die Bezeichnung „Barbaren“ gestrichen und nationale Akteure nicht mehr als ausschließlich altruistisch, sondern auch als strategisch motiviert dargestellt. Sie tangierten die Narrative indes nur oberflächlich. Kritik beschränkt sich auf akademische Kreise – wenngleich selbst dort eine systematische Analyse der Türkei als Gegenstand der griechischen Historiographie bisher kaum erforscht ist. Breite Bevölkerungskreise erscheinen nach wie vor nicht empfänglich für kritischreflexive Darstellungen der Nationalgeschichte (Millas 2001: 292-311). Wie im nächsten Kapitel zu zeigen sein wird, gilt das auch für Zypern. Die Bilder der Griechen in türkischen Schulbüchern und die Darstellung der eigenen Geschichte bis in die 1990er Jahre hinein zeugen von ähnlicher Kontinuität. Im Mittelpunkt stehen die zivilisatorischen Errungenschaften der Türken, während die Griechen als hinterhältig und undankbar dargestellt werden. Der griechische Coup d ‘Etat auf Zypern gilt denn auch als Zeichen eines primordialen Expansionsdrangs (Millas 1991: 12-14). Erst in den 1990er Jahren wurde die türkische Geschichtsschreibung in wissenschaftlichen Symposien – u.a. vom Georg-
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Eckert-Institut – kritisiert. Wie im griechischen Kontext motivierte die Annäherung an UNStandards vor allem rhetorische Änderungen. Sie stießen in der türkischen Öffentlichkeit jedoch kaum auf Nachhall (Millas 2001: 64-102). Der Grund dafür liegt offenkundig im Widerwillen, die fest verankerte soziale Identität und das mit ihr verbundene, positive Selbstbild zu revidieren. Auch das gilt – wie in den folgenden Kapiteln zu zeigen sein wird – für Zypern. Die ethnisch-exklusiven, kulturell-intellektuellen Artefakte beider Länder von Museen und Denkmälern bis zu Schulbücher, Medien und populären Literaturen unterstreichen die monolithischen Opfernarrative und bilden damit einen institutionellen Korpus, der kritischen Einflüssen mit massivem (nicht nur strategischem, sondern auch impulsiv-unbewusstem) Widerstand begegnet. So belegen beispielsweise kanonische, auch heute noch breit rezipierte, semi-fiktionale Standardwerke beider Länder, die den „Unabhängigkeitskrieg“ (türkische Bezeichnung) bzw. die „Kleinasiatische Katastrophe“ (griechische Bezeichnung) und damit die Gründungsbzw. Opfermythen beider Länder zum Thema haben, die anfänglich erwähnten „Parallelmonologe“. Keines der Werke sei – mit Ausnahme weniger, kommentierter Auszüge, die den Fanatismus des Anderen unterstreichen sollen – in die jeweils andere Sprache übersetzt worden (Lemos 2014: 185). Gleiches gilt für Historiographie und öffentliche Diskurse zum forcierten Bevölkerungsaustausch, der ebenfalls selektiv und als jeweilige nationale Leidensgeschichte erzählt wird. Die Traumata der Entwurzelung und die Fremdheitsempfindungen der neuen Staatsbürger in ihrer neuen Heimat sind nicht oder nur marginaler Teil dieses Narrativs (Tsitselikis 2014: 211226; Hirschon 2014: 31). Das ist insbesondere im Umgang beider Länder mit dem orientalischen Erbe ersichtlich, das eben nicht nur das „ungeliebte Selbst“ vor dem westlichen Ideal repräsentiert, sondern auch die geleugneten gemeinsamen Wurzeln. Während sich die kulturelle Spaltung der Türkei relativ klar zwischen Laizismus und Islam durch die parteipolitischen Lager zieht, erscheint das Erbe der unvereinbaren nationalen Identitäten Griechenlands und seiner Gründungsmythen verwobener, ist aber nicht minder widersprüchlich. So blendet die institutionelle antike und byzantinische Selbstdefinition Griechenlands die unleugbare Präsenz der osmanischen Alltagswelt, die in Bräuchen und kulturellen Artefakten, wie z.B. im griechischtürkischen Schattentheater, im Essen, in der Musik, in türkischen Worten der Alltagssprache oder im transreligiösen (Aber-) Glauben an den „bösen Blick“ zum Ausdruck kommen, schlicht aus (Herzfeld 1982: 20). Damit hängt ein weiteres zentrales Charakteristikum zusammen, das der Verfasserin selbst von griechischer und griechisch-zypriotischer Seite gut vertraut ist: Beide Nationen stehen gleichsam in einem Dauerwettkampf um kulturelle Urheberrechte und nationales Eigentum. Papadakis kommentiert dies mit einem Augenzwinkern an etlichen Stellen: So in einer kurzen, ironischen Abhandlung über die Frage, ob der Mokka nun griechischen, türkischen, zypriotischen oder arabischen Ursprungs sei (Papadakis 2011: 8-11). In seiner Initiationsreise beschreibt er, wie er sich von einem Griechen durch Istanbul führen lässt, der fortwährend den marroden Zustand der byzantinischen Kulturgüter beklagt. Die Türken ließen sie verfallen, obgleich sie alles von den Griechen gestohlen hätten. Am Ende sitzen der ob derartiger Daueräußerungen etwas ermüdete Autor und seine Bekanntschaft beim Mittagessen. Papadakis schreibt: „Our rice had just arrived. It was deliciously spiced with pine kernels and sultanas. I tried to change the subject. `The rice is really good, isn´t it?`, I suggested meekly. ´Yes, it is`, he replied. ´It´s Byzantine rice of course, that´s how the Byzantines used to cook it. They even stole our rice´” (Papadakis, 2005: 18).
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Diese und ähnliche, der Verfasserin wohl bekannte, in Alltagskonversationen vielfach präsenten Äußerungen zeigen Relevanz, Brisanz und Sensitivität von historischen Alleinvertretungsansprüchen für das Selbstverständnis Griechenlands. Die unvorteilhaften Bilder des Anderen können so gut zur Externalisierung bzw. Projektion der eigenen Unliebsamkeiten genutzt werden. So würden beispielsweise schlechte Angewohnheiten der Griechen, wie sie vor allem in Ressentiments gegenüber Flüchtlingen aus Kleinasien zum Ausdruck kommen, als türkische Einflüsse gelten (Millas 2001: 313). Das geflügelte Wort „zum Türken werden“ als Synonym für das Verlieren der Beherrschung kann als solche Projektion verstanden werden. Die allgegenwärtige Präsenz des negierten Anderen und Strategien seiner Verschleierung zeigen sich auch in der Sprache: Allein 870 türkische Worte existierten laut Mackridge (2014: 166-172) im Griechischen, nebst semantischen Überlappungen und zahlreichen geflügelten Worten. Insbesondere im Essen zeige sich die gemeinsame Etymologie: Etliche Bezeichnungen – wie keftés/köfte oder halvás/helva – existieren in Varianten der Wortendung bei (fast) gleichem Stamm. Nach dem türkischen Einmarsch auf Zypern seien Rufe nach einer De-Türkifizierung des Griechischen laut geworden, um – so die Begründung – den guten Ruf der griechischen Hochkultur nicht zu gefährden (Rondholz 2011: 182). Nicht ohne Ironie beschreibt Papadakis, wie das Osmanische Reich in Griechenland und Zypern als dunkle Epoche der Barbarei gilt und seinen schlechten Einfluss auch auf jene auszuüben scheint, die sich seinerzeit von ihm freikämpften: „But the sickness was clearly contagious. Take cheating, for example, that was said to be the national vice of the Greeks. We all admitted this. We were cheating in queues, cheating to get a government job, cheating the tax inspector, cheating the state in every way we could. And we knew where it came from, whose fault it was. The generic world for corruption in Greek was rousfeti; etymologically, this was not a Greek word but Turkish. Even the cribs we used for cheating at school, that came especially handy during the Ancient Greek lessons, had a Turkish name, kettapes” (Papadakis 2005: 7).
Diese Passage ist aus psychologischer Sicht besonders aufschlussreich, prägt doch die osmanische Vergangenheit unzweifelhaft die griechische politische Kultur im Hinblick auf die Einstellung zum Staat (Richter 2012: 51-58). Diese Erkenntnis wird allerdings offenkundig über die Projektion auf den schlechten Einfluss des Anderen als gleichsam unveränderbare Wesenseigenschaft etikettiert und kann so bequem als Rechtfertigung für das Verharren in denselben Strukturen dienen. Derselben Mittel bedienten sich, wie Papadakis ironisch im Kapitel „A short guide to watching historical films for non-Turkish speakers“ illustriert, türkische Filmemacher der 1980er Jahre in populären Filmen über den Kampf zwischen Byzantinern und Osmanen. Selbst ohne Sprachkenntnisse, so die ironische Einleitung, könnten beide Seiten leicht voneinander unterschieden werden: So seien die osmanischen Männer gutaussehend, fair im Kampf und würden stets gegen eine Überzahl an Feinden siegen. Denn sie seien wesentlich talentierter, verfügten über japanische Karate-, Cowboy- und Indianerfertigkeiten, während die Byzantiner als hässliche, primitive, intrigante und gewaltbereite „Hinterwäldler“ dargestellt würden. Dieselbe Dichotomie gilt offenkundig auch für die Frauen: Während sich die türkischen Frauen als unschuldiger „girl-from-the-village type“ präsentierten, gäben sich die byzantinischen Frauen durch verruchtes Gebaren und Manipulationsstrategien als „prositute-from-the-town type“ zu erkennen (Papadakis 2005: 35-37).
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Diese Gegenüberstellung unterstreicht – obgleich sie hier pointiert-humoristisch formuliert ist – die Bedeutung kultureller Artefakte für die Aufrechterhaltung von Stereotypen. Breites Unwissen übereinander bei gleichzeitiger entsprechender Sozialisation durch Schule, Museen und Medien, tragen offenkundig eben zu jenem, durch Abgrenzung konstituierten, positiven Selbstbild bei, dessen Überwindung unbequem und unangenehm ist. Darüber hinaus zeigt Papadakis´ ironische Filmkritik die universellen Genderrollen, aus dem sich der traditionelle, normative Fokus auf Kampf (männlich), Unterdrückung und Ehre (weiblich) und auch das westliche (in dem Fall insbesondere US-amerikanische) Vorbild beider Nationalnarrative speist. Sie sind, wie zu zeigen sein wird, auch für das Verständnis des Zypernkonfliktes essenziell. Die sinnstiftende Kraft dieser Lieu de Mémoir erklären – das soll an drei weiteren Beispielen verdeutlicht werden – die Beharrlichkeit und Beständigkeit der Nationalnarrative gegenüber äußeren Veränderungen. So überschreiten beispielsweise immer mehr Griechen und Türken als Geschäftsleute oder Touristen die Grenze zum anderen Land – allein 400 000 Griechen 2006 und 561 000 Türken 2010. Ferner existiere eine linksintellektuelle Kultur der Annäherung und der künstlerisch-literarischen Kooperation zwischen beiden Ländern (Hirschon 2014: 39). Indes tangieren diese Aktivitäten interessanterweise kaum die institutionellen Narrative und die beteiligten Stakeholder, insbesondere die Kirche und den Bildungssektor. Das verweist auf die unbestreitbare Tatsache, dass sich aus den Fronten politisch Kapital schlagen lässt. Die weit weniger beleuchtete sozioemotionale Perspektive indes ist ein nicht minder relevanter Erklärungsfaktor. Hier illustriert ein besonderer Dokumentarfilm, Millasʼ (2011) „The Other Town“ als einziger seiner Art die Parallelen der griechischen und türkischen institutionellen Erinnerungskultur am Beispiel zweier Dörfer, dem griechischen Dimitsana und dem türkischen Birgi. Beiden wird im nationalen Gedächtnis eine Sonderrolle für den Freiheitskampf gegen den jeweils Anderen zugeschrieben. In kurzen, thematischen Sequenzen illustriert er kollektive Zelebrationen der Nationalfeiertage, den Geschichtsunterricht und die jeweiligen dominanten Diskurse, wie sie in Interviews mit Schülern, Lehrern, Dorfbewohnern und politischen Repräsentanten zum jeweiligen Nationalnarrativ zum Ausdruck kommen. Auffällig ist die Parallelität des ritualisierten Erinnerns an die historischen Schlachten gegen die andere Seite, die mithilfe aufwändiger Kostüme und Choreografien kriegsspielartig inszeniert werden. Kinder und Jugendliche stehen dabei im Mittelpunkt. Sie schwenken Fahnen oder rezitieren in feierlichem Rahmen Gedichte an die unsterbliche Nation. Hier zeigt sich, dass die institutionelle und rituelle Erinnerung ganz besonders als Inszenierung mit der und für die junge Generation gedacht ist. Leidenschaftliche Liebes- und Solidaritätsbekundungen der Jugend für die Nation in Wort, Tanz und Lied werden von den versammelten Erwachsenen mit – so erscheint es – gewohnheitsmäßigem Stolz beantwortet. Die Feierlichkeiten zeigen damit eindrücklich die Bedeutung emotionaler Rollen für das rituelle Gedächtnis im Generationendialog auf und verweisen auch auf die – für die beiden Ortschaften mit ihrer historischen Sonderrolle besonders ausgeprägte – Dauersalienz von nationaler Identität. Auch der oberflächlich-repräsentative Charakter der Erinnerung als Reinform der erörterten Heritage zeigt sich im Film auffällig im Unwissen bzw. in der Unsicherheit der Schüler in der korrekten Einordnung von Daten und Epochen. Auf Fragen antworten sie zumeist impulsiv mit auswendig gelernten Redewendungen und zentralen Slogans des Narrativs, erscheinen
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bei differenzierten Nachfragen aber bisweilen ratlos oder uninformiert: „When asked about local history, students seem confused to the point of mixing up incidents of the 14th century […] with the 20th century and Byzantines of Middle Age with the Modern Greeks!” kommentiert Millas (2011). Hier zeigen sich par excellence die Konsequenzen einer Geschichtsvermittlung, die auf vagen, monolithischen Inhalten, Expressivität und Zeitlosigkeit gründet. Dass ein derartiges Geschichtsverständnis eben aufgrund seines primären Identitätsbezuges wenig oder gar nicht vom politischen Tagesgeschäft tangiert bzw. nicht mit ihm assoziiert wird, belegt eine Interviewsequenz mit den jeweiligen Bürgermeistern, die entschieden zurückweisen, ihre Erinnerungskulturen hätten einen negativen Einfluss auf die bilateralen Beziehungen. Während der griechische Bürgermeister von Versöhnung spricht, schwenkt die Kamera auf ein in opulenten Farben kreiertes, überdimensionales Portrait, das hinter ihm an der Wand hängt. Es zeigt die Hinrichtung des Patriarchen Grigorious durch die Osmanen (Ibid.). Die tiefen, emotionalen Wurzeln dieses Widerspruches veranschaulicht Theodossopoulos (2004: 34-35) in einer Studie, die sich mit Türkenbildern seiner Heimatstadt Patras auseinandersetzt. Die überwiegend negativ-oberflächlichen Vorstellungen der Interviewten sind, wie der Autor anschaulich illustriert, überwiegend impulsiv-assoziativ und deutlich weniger argumentativ oder erfahrungsbasiert. Die meisten Bilder scheinen dem frühen Schulunterricht zu entspringen. Männer erinnern sich mit Enthusiasmus an Kriegsrollenspiele zwischen „Griechen“ und „Türken“ zurück. Eine Frau berichtet, wie sie in der Grundschule nach dem Geschichtsunterricht ein bekanntes Motiv des Heldennarrativs nachspielte: So sollen sich Griechinnen der Provinz Souli Ende des 18. Jahrhunderts von einem Felsen gestürzt haben, um den Osmanen nicht in die Hände zu fallen. Viele Interviewte seien sich wohl bewusst, dass sich ihr Negativbild allein durch vermittelte Geschichtsbilder konstituiere und versuchten, ihre Unsicherheit darüber mit rational-pragmatischen Argumenten zu untermauern. So würde die griechische Geschichtsschreibung etwa als vielleicht nicht in jedem Punkt differenzierte, aber dennoch verständliche Abwehrreaktion auf die türkische Geschichtsschreibung und als Konsequenz der zentralstaatlichen Bildung interpretiert und nicht weiter hinterfragt (Ibid.: 36-40). Auffällig ist die Ambivalenz bei Griechen, die die Türkei besucht haben und damit im Sinne der Kontakttheorie Gelerntes durch Erlebtes ergänzen können. Die Verwebung unterschiedlicher Assoziationen und Erklärungszusammenhänge, wie sie im folgenden Interviewauszug erkennbar sind, erscheinen dabei repräsentativ: Die Türken seien unterwürfig und ungehobelt, so eine Befragte. Das sei aber nicht ihre Schuld, sondern eine Konsequenz von Armut und Bildungsmangel. Sie fährt fort: „When I was in Turkey for holidays I saw a man. He was tall and blond with blue eyes and nice clothes. He was holding a camera. […] When he told me he was a Turk something broke within me […]. It happened spontaneously, but I realized that the Turks can be beautiful and educated. This is why I say that the people of Greece and Turkey have nothing against each other. It is the governments and the politicians who cultivate the hatred. … The politicians and the Americans. If the Americans do not interfere there will be peace” (Thodossopoulos 2004: 38 [Auslassungszeichen im Original]).
Die Interviewte schwankt hier zwischen spontaner Essentialisierung und argumentativer Rationalisierung: Die Türken seien zwar unterwürfig und ungehobelt, das aber immerhin unverschuldet. Die Überraschung über die Herkunft des großen, blonden und blauäugigen Mannes – nicht ungefähr das genaue Gegenbild des „rohen Wilden“ – beschreibt sie mit den bezeichnen-
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den Worten „etwas zerbrach in mir“, was ein umgangssprachliches Synonym für tiefe Enttäuschung ist. Die Dekonstruktion ihrer stereotypen Vorstellung löst also eindeutig negative Empfindungen aus. Alsdann – möglicherweise, um diese Ambivalenz zu überdecken – werden wieder exogene Faktoren für die Belastung der griechisch-türkischen Beziehungen angeführt (ein Argument, das auch für Zypern zentral ist). Die widersprüchliche Gleichzeitigkeit dieser Aspekte, die der Autor unkommentiert lässt, unterstreicht den Stellenwert emotionaler Assoziationen, die sich, pointiert gesprochen, genauso in den vagen, schwer hinterfragbaren Ursprüngen der Kindheit zu verlieren scheinen, wie die großen Mythen der vermeintlich primordialen Nationalgeschichte in den Tiefen der Jahrhunderte. Diese fest mit der negativen Identität verwobenen Gefühle und Bedürfnisse verschwinden nicht einfach, nur weil neues, widerstreitendes Wissen hinzukommt. Das untermauert die im Theorieteil erörterte kognitive Macht von Glaubensgrundsätzen für die Kategorisierungs- und Bewertungsmechanismen sozialer Identität. Ähnliche Widersprüche zeigt Millas eindrücklich auf Basis seiner bi-nationalen Studentenerfahrung. Er konfrontierte Studenten in einem ESVP-finanzierten Workshop mit ihrem Wissen, ihren Einstellungen und gegenseitigen Vorurteilen. Seine Befunde erscheinen aus sozialpsychologischer Sicht äußerst relevant: Obgleich die Studenten als NGO-Aktivisten bereits alle Erfahrung mit der jeweils anderen Seite gemacht hätten (das Problem der „üblichen Verdächtigen“), zeugten ihre Einstellungen zueinander von einem deutlichen Mangel an Wissen und Empathie, von implizitem Negativprägungen (Bias), latenten Vorurteilen und einer daraus resultierenden Hemmung im gegenseitigen Miteinander. Millas attestiert beiden Seiten einen eklatanten Mangel an Selbstreflexion über den Einfluss von Nationalismus und ethnozentrischem Geschichtsnarrativ auf die eigene Wahrnehmung. Im Hinblick auf die andere Seite hingegen würden diese Konzepte durchaus kritisch-differenziert betrachtet: „They are confident that only the Other is ill informed, biased, obsessed, uneasy with and not ready to face reality“, so Millas (2004: 6). Hier zeigt sich das erörterte Phänomen des naiven Realismus, das – wie im nächsten Kapitel zu zeigen sein wird – auch für die Zyprioten essenziell ist. Wichtiger aber noch erscheint das Unbehagen beider Seiten im Umgang miteinander, das sich aus den stereotypen Bildern der jeweiligen Schulbücher speist. Die neuralgischen Punkte werden aber nicht thematisiert. Im Gegenteil, so stellten Einzelne, wie Millas skizziert, zunächst ihre positiven Haltungen und etwaige Freundschaften zur anderen Seite in den Vordergrund. Nach kritischen Einstellungen gegenüber der Türkei gefragt, hätten die Griechen interessanterweise nur innenpolitische Aspekte, wie Mangel an Demokratie, Schattenstaat und Umgang mit Minderheiten genannt, nicht aber etwaige bilaterale Probleme. Erst im Laufe der Workshops kämen nach und nach die latenten historischen Ressentiments zum Ausdruck (Millas 2004: 16-33). Auch hier zeigt sich der Versuch der Legitimierung von Grundeinstellungen durch rationale Argumente, die vom impliziten Einfluss der Kindheitsbilder zeugen, wie auch das etwaige Unbehagen, sich selbst und den Anderen mit den tiefsitzenden Einstellungsmustern zu konfrontieren. Betrachtet man die Workshops als einen repräsentativen Mikrokosmos, der auf den Stand der griechisch-türkischen Beziehungen verweist, wird ersichtlich, welche Strecke an Dialog, Ressentimentabbau, Wissenstransfer und Identitätsaushandlung auf dem Weg hin zu einer sozioemotionalen Annäherung liegt. Schließlich erscheinen als wirkmächtiger Ausdruck der verdrängten, gemeinsamen kulturellen Wurzeln und der traumatischen Konfliktgeschichte die in beiden Ländern verbliebenen
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Minderheiten, die im Zuge von Bevölkerungsaustausch und Ausweisung umsiedeln mussten. Sie personifizieren aus der Perspektive des Nationalen – pointiert sozialpsychologisch gesprochen – das Unbehagen, das sie ob ihrer impliziten Infragestellung von Primordialität und Homogenität motivieren (Hirschon 2010: 62). Obgleich der öffentliche Raum mit Referenzen des Gründungsmythosʼ durchzogen ist, haben die einstigen Flüchtlinge von 1923 ihren neuen Wohnorten beispielsweise die Namen der alten Heimat mit dem Präfix „neu“ (griechisch: Nea) gegeben: Die Athener Stadtteile „Nea Ionia“, „Nea Smirni“ (zu deutsch: Neu Smyrna) oder „Nea Makri“ (Marki ist das heutige Fethiye) sind mit „Heimat“ verbundene Erinnerungsorte, die die Landesgrenzen und damit das enge, nationalistische Narrativ überschreiten (Sophos und Özkirimli 2008: 117). Viele sog. „Kleinasiaten“ fühlen sich auch nach Generationen als Angehörige einer eigenen Gemeinschaft, pflegen und zelebrieren besonders die kosmopolitischen Erinnerungen an Konstantinopel/Istanbul und Smyrna/Izmir im Kontrast zu einer empfundenen Provinzialität der neuen Heimat (James 2001: 6). Auf Basis langjähriger Feldforschung illustriert die Anthropologin Hirschon (2014) die traumatischen Lebensgeschichten, den Sonderstatus, die tiefe Heimatverbundenheit und die Bemühungen der Kleinasiaten um Kontinuität und Anerkennung in der neuen Gesellschaft. Repräsentativ ist die Geschichte der bekannten Filio Haidemenou, die 2007 als eine der letzten Zeitzeugen einhundertundachtjährig starb, nachdem sie sich zeitlebens für die Etablierung einer institutionellen Erinnerung an die Heimat und den Schmerz der Kleinasiaten eingesetzt hatte. Anschaulich und berührend schildert Hirschon die Sehnsucht nach Rückkehr in die Heimat, das Festhalten an haptischen und geistigen Erinnerungsstücken (als wiederkehrendes Motiv beispielsweise die Heimaterde, in der man begraben werden möchte), den schwierigen Umgang der Folgegeneration mit dem Schmerz ihrer Eltern und den Besuch der alten Heimat Jahrzehnte später mit emotionalen Begegnungen zwischen griechischen und türkischen Flüchtlingen im Austausch über den gemeinsamen Schmerz des Heimatverlustes. Ersichtlich ist auch das Überdauern gemeinsamer Gesten und Bräuche wie auch gegenseitiger Stereotypen zwischen beispielsweise Pontos-, Smyrna- und Istanbul-Griechen, die als „social landscape geography“ von der alten in die neue Heimat transportiert wurden (Ibid.: 32). Neben all diesen gelebten doch institutionell kaum thematisierten Widerstandspunkten gegenüber dem monolithischen Narrativ finden sich auch vereinzelte künstlerische Vorstöße. So erzählt der populäre griechisch-türkische Film Politiki Kouzina (Zimt und Koriander) am Beispiel einer verwobenen Liebesgeschichte von der Vertreibung der christlich-griechischsprachischen Minderheit Istanbuls im Kontext der Zypernspannungen 1963. Die Alltagswelt, die vielfältigen inter-ethnischen Bindungen und kulturellen, musikalischen und kulinarischen Gemeinsamkeiten stehen dabei genauso im Vordergrund, wie der Verlust von Heimat und die Schwierigkeiten des Neuanfangs in einem Land, das von vielen nicht als Heimat angesehen wurde (Zimt und Koriander 2003). 2004 begann ferner die Ausstrahlung einer griechisch-türkischen Telenovela, in der die von Hindernissen, Missfallen und Stereotypen belastete Liebesgeschichte eines Griechen mit kleinasiatischen Wurzeln und einer Türkin erzählt wurde. Wie Mackridge (2014: 164) berichtet, erschienen viele griechische Zuschauer positiv überrascht über die Tatsache, dass Griechen und Türken sich so ähnlich sähen und benähmen. Die Serie habe, so Mackridge, einen deutlich positiven Einfluss auf die Einstellungen der griechischen
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Bevölkerung gegenüber der Türkei und die EU-Beitrittsverhandlungen gehabt. Das unterstreicht nicht zuletzt die besondere Relevanz von Popkultur als top-down-Instrument für interkulturelle Verständigung. Die illustrierten Aspekte, die soziolinguistische Zweiteilung, die Dichotomie der (hohen) „Kunst-“ gegenüber der (niederen) „Volks“-Musik oder der eben geschilderte Gegensatz zwischen Schulwissen und Alltagserfahrung, zwischen institutioneller und sozialer Erinnerung als besondere Charakteristika Griechenlands verweisen auf die Stärke des Nationalnarrativs und auf die anhaltende Dynamik der kulturellen, sozialen und politischen Kontroversen von Selbstfindung bzw. Selbstvergewisserung, die im europäischen Kontext zugleich obsolet und hochaktuell erscheinen. Der im vorangehenden Kapitel von Kultursoziologe Reckwitz treffend formulierte Widerstreit zwischen Hyperkultur und Kulturessentialismus vermag hier die Widersprüche zwischen konstruierter Hoch- und facettenreicher Alltagskultur zu unterstreichen (Reckwitz 2016). Indes zeigt sich, dass die neuen Nuancen die institutionelle Erinnerung kaum tangieren. Explizite Reformversuche lösen sogar vehemente Proteste aus. Hier steht die orthodoxe Kirche, wie im folgenden Abschnitt erörtert werden soll, an vorderster Front (im gegebenen Kontext eine durchaus treffende Metapher).
11.5 Nationale Identität und Orthodoxe Kirche 11.5 Nationale Identität und Orthodoxe Kirche Die orthodoxe Kirche, so kann man einleitend festhalten, ist in Griechenland im Alltag omnipräsent. Ihre staatstragende Rolle ist sogar in der griechischen Verfassung verankert. In keinem anderen europäischen Land habe, so Eichheim (2006: 81), die Kirche eine derartige Machtfülle. Ihre dominante Rolle als Identitätsanker des Alltags auf Basis der ethno-religiösen Synthese als auch ihre widersprüchliche Einstellung zur helleno-religiösen Synthese illustrieren erstens anschaulich den Einfluss der Kirche auf das primordiale Nationalnarrativ mit all seinen religiösen Konnotationen, wie sie im Theorieteil erörtert wurden. Zweitens beleuchten sie die bis heute existenten Spannungen und Leerstellen der institutionellen Identität Griechenlands und seiner Abgrenzung von der osmanischen Alltagswelt. Ersteres verdeutlicht die Allgegenwart der Orthodoxie in Politik und Alltag und die tiefe Verwobenheit von ethnischem und religiösem Selbstverständnis. Treffend schreibt Hirschon (2010: 61): „despite the conscious process of nation-building in Greece […] practices and concepts of personal and national identity evoke a curiously unrecognized Ottoman quality. Greece in a paradoxical fashion, I suggest, can be said to represent an aspect of the Ottoman millet system, namely that national identity corresponds to religious affiliation […]”.
Ihre Präsenz und ihr Einfluss zeigen sich in der Fülle religiöser Artefakte im öffentlichen Raum, sozial durch intensiv praktizierte Riten der Glaubensbekundung, politisch durch die späte Einführung von Zivilehe und liberalem Scheidungsgesetz und die traditionelle Vereidigung der neuen Regierung durch die Kirchenoberhäupter oder etwa durch die von der Kirche geführte Kampagne gegen die Abschaffung der Religionszugehörigkeit im Personalausweis (Ibid; Eichheim 2006: 80-82).
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Ihre Macht zeigt sich zuvorderst in ihrer effektiven Frontstellung gegen die wiederholten politischen Reformvorstöße in Fragen des Nationalnarrativs. So entzündete sich 2016 eine wütende Kontroverse am Versuch der SYRIZA-Regierung, den Einfluss des Nationalnarrativs im Geschichts- und Religionsunterricht zu schmälern (Hope 2016). Schon 2006 hatte das die PASOKRegierung versucht, als sie eine Gruppe von Historikern um Maria Repoussi damit beauftragte, die Geschichtsbücher im Sinne europäischer Leitbilder zu reformieren. Das von ihnen konzipierte Geschichtsbuch charakterisierte sich durch eine deutlich weniger von Pathetik und normativen Appellen durchdrungenen Sprache und durch eine differenziertere Darstellung der Kriegsverbrechen der türkischen und griechischen Seite. Seine Veröffentlichung führte zu einer heißen Debatte, in der die Kirche an vorderster Front vor den katastrophalen Folgen einer „Dehellenisierung“ für Sicherheit und Integrität des Staates warnte. Gar von barbarischer Vergewaltigung des Nationalbewusstseins der Jugend war die Rede (Kechriotis 2010: 290-294; Kraft 2007: 315-336;). Das Buch sei von der EU in Auftrag gegeben worden, munkelte der Vorsitzende eines nationalistischen Vereins, während andere sogar rechtliche Schritte gegen die Autoren forderten. Denn sie hätten gegen die Verfassung verstoßen, in der die Bildung als zentraler Anker der nationalen und religiösen Identität gilt (Kraft 2007: 319). Gemäßigte und kritische Stimmen gingen dabei, so Kraft, völlig unter, sodass dem Buch der Eingang in die Schulen verwehrt blieb.58 Dieses Beispiel unterstreicht die enorme Bedeutung der ethno-religiösen Identität für das nationale Selbstverständnis, die vehement gegen Revisionsversuche verteidigt. Wie zu zeigen sein wird, spielte die griechische und zypriotische Kirche auch eine zentrale Rolle in der Ablehnung des Annan-Planes. Alle hier ersichtlichen Aspekte – die jenseits aller Parteifronten dominante ethnisch-exklusive Staatsräson und ihre enge Verquickung mit Sicherheitsfragen – ist, wie in Kapitel 13 gezeigt werden wird, auch für den zypriotischen Bildungsdiskurs charakteristisch. Die emotionale Basis dieser Proteste versteht, wer die Rolle der Kirche im Nationalnarrativ reflektiert, in dem sie als Vorreiter der Bewahrung und Befreiung des Hellenismus gilt. Die sog. „Geheime Schule“ (krifó scholió) ist dabei einer der wirkmächtigsten Topoi. Der inzwischen eindeutig als Erfindung des späten 19. Jahrhunderts dekuvrierte Mythos basiert auf der Erzählung, die osmanischen Herrscher hätten griechische Sprache und Bildung verboten. So hätten die gebildeten, orthodoxen Geistlichen die christlichen Kinder im Geheimen, in versteckten Kellern unterrichtet und so entscheidend zum „Überleben“ der griechischen Kultur beigetragen. 1888 hatte Nikolaos Gyzis dem Mythos in seinem gleichnamigen, inzwischen berühmten Gemälde und wenig später Ioannis Polemis in einem in allen Grundschulgeschichtsbüchern enthaltenen Gedicht zu enormer Popularität verholfen (Brewer 2012: 191-192). Zwei weitere Aspekte unterstreichen den Einfluss des Religiösen auf die Idee der Kontinuität und Schicksalshaftigkeit des nationalen Narrativs: Die ritualisierte Erinnerung und der Glaube an Wunder. Ersteres illustriert James am Beispiel der religiösen Praxis kleinasiatischer Griechen, deren wesentlicher Referenzrahmen für die Erinnerung an die verlorene Heimat das Zelebrieren des orthodoxen Glaubens ist: 58
„Vonseiten der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE)“, so heisst es bezeichnenderweise, „konzentrierte sich die Kritik weniger auf die angebliche ´Entnationalisierung` als darauf, dass den Schülern weiterhin der wahre Schlüssel zum Verständnis der Geschichte, nämlich die marxistisch-leninistische Heilslehre, vorenthalten wurde“ (Ibid. 318).
11.5 Nationale Identität und Orthodoxe Kirche
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„Shared memories have allowed the refugees to reconstruct their lives, if not just as they had been, at least with continuity. […] Orthodox Christianity emphasizes the importance of memory. Every day has a Saint´s name attached to honour the memory of that saint. Rituals to remember the dead abound in Orthodox tradition. Memory is power in Orthodoxy and tradition gives the past its meaning. Through ritual, Greek religion links the dead of preceding generations with the living and the unborn” (James 2001: 6).
Es fällt nicht schwer, aus dieser Beschreibung eine Verbindung zur politisch relevanten, institutionellen Erinnerungskultur und zum primordialen Heilsnarrativ zu schaffen. Ebenso (politisch) relevant erscheint der in der Alltagskultur tief verankerte Glaube an Wunder. Die Verfasserin führte bei ihren regelmäßigen Besuchen von Kirchen und Liturgien in Griechenland und Zypern immer wieder informelle Konversationen mit Geistlichen und Gläubigen, in deren Mittelpunkt Huldigungen von Schutzheiligen mit enthusiastischen, bildhaften Erzählungen ihrer vollbrachten Wunder standen. Relikte wie heilsbringende Ikonen oder gehütete, persönliche Gegenstände des Heiligen sollen die Greifbarkeit und Gültigkeit des Erzählten untermauern. Die Hoffnung auf Wunder prägt nämlich, wie in den folgenden Kapiteln vor allem am Beispiel des Kirchenschulbuches und des kirchlichen Mediendiskurses zu veranschaulichen sein wird, auch die Einstellung zur Bewältigung des schwebenden und schwelenden Zypernkonfliktes und hat damit eine immense politische Dimension. Schließlich erscheint auch das Erbe der helleno-christlichen Synthese bis heute so relevant wie umstritten: So werden beispielsweise im öffentlichen Diskurs Anhaltspunkte für die Ähnlichkeit christlicher und hellenischer Feiertage und Feste betont, die die Kontinuität der helleno-christlichen Traditionen bzw. ihre Verankerung in der griechischen Lebenswelt untermauern sollen. Eine weit verbreitete Idee ist dabei, dass die christlichen Schutzheiligen, wie beispielsweise St. Nikolaus als Beschützer der Seefahrer, mit der Tradition der antiken Götter und ihrer jeweiligen Schutzsphären verbunden ist. Eine derartige Analogie beschreibt Thermou (2012) im Rekurs auf mythologische Überlieferungen in einem Artikel, der etliche weitere Gegenüberstellungen der gleichen Art enthält, anschaulich mit den Worten: „Die Heeresführerin und Jungfrau Maria schützt ihre Gläubigen in schwierigen Augenblicken, so wie einst die Göttin Athene die Bewohner ihrer Stadt. Im Jahre 1626, während der Belagerung von Konstantinopel durch die Awaren und Perser sehen die in der zentralen Kirche versammelten Gläubigen plötzlich die Mutter Gottes vor sich, wie sie ihren Schleier schützend über die Stadt hält (man denke hier an den Schleier Athenes während der Panathenäen)“ [Klammern im Original; Übersetzung der Verfasserin].
Die Kirche selbst scheint sich zu dieser Synthese nicht eindeutig positionieren zu wollen, braucht sie indes zur Legitimation ihrer nationalen Führungsrolle. Dieses Dilemma zeigt sich beispielsweise darin, dass der in Griechenland wichtige Namenstag historisch nur für christliche Namen galt und damit ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung aus einem Kernbereich der kirchlichen Sphäre, der Taufe, ausgeschlossen war. Inzwischen dürfen grundsätzlich auch Träger nicht-christlicher Namen getauft werden. Die Kirche legitimierte ihre Entscheidung, indem sie antike Namen historischen Persönlichkeiten zuordnete, die (angeblich) als christliche Märtyrer gestorben waren. So feiern Athene, Aphrodite und Achill nun auch Namenstag. Indes besteht massive Uneinigkeit über die Rechtmäßigkeit dieser Praxis. So weigern sich etliche Pfarrer bis heute, die Taufe von Kindern mit hellenischen Namen zu vollziehen (Rodopoulou 1998). In einem Blog Spot der Kirche ist zu lesen, man dürfe die vermeintlich hellenischen Wurzeln der orthodoxen Tradition nicht überbewerten, handele es sich doch bei dieser Verbin-
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dung seinerzeit um eine durch die Liebe des Westens zur Antike motivierte „Modeerscheinung“, die wenig mit der Essenz des Griechischseins zu tun habe.59 Diese Widersprüche unterstreichen die bis heute existenten Spannungen, auf denen die nationale Identität Griechenlands begründet ist. Sie verweisen aber auch auf die für europäische Maßstäbe problematische Verquickung von Staat und Religion und auf den darauf begründeten politischen Führungsanspruch der Kirche, der ja auch für Zypern charakteristisch ist. Anschaulich fasst Fokas (2009: 353) die für das zentraleuropäische Selbstverständnis bis heute bezeichnende, kulturhistorische Bruchlinie zwischen Katholischer und Orthodoxer Kirche zusammen, die auch auf das Verhältnis Letzterer zu Demokratie und Moderne deutet: If Islam is the most conspicuous source of change on the religious scene in Europe, Christian Orthodoxy is among the most obscure and poorly understood presences on the European religious scene. In spite of the inclusion of large Orthodox populations in the EU with the last waves of its expansion, comprehension of Orthodoxy remains fairly limited beyond its borders. There are of course several seemingly logical reasons for this, including the lack of a unified representative voice comparable to the Roman Catholic Pope […], as well as the fact that much of the Orthodox population now part of the EU was, until relatively recently, under communist rule. Meanwhile the faith´s emphasis on mystery, ritual, and the like may also render it less conducive to easy comprehension from an external perspective. Certainly, there is a sense of strong difference from Western Christianity which, for some, rightfully justifies Orthodoxy´s position as one of Samuel Huntington´s civilization blocs. These differences are generally explained with references to the facts that the Orthodox world did not experience the Renaissance or the Enlightenment, but, rather, centuries of Ottomman rule […]”.
Diese offenkundig für den „Westblick“ auf die Orthodoxie sensible Darstellung – darauf wird in den folgenden Kapiteln zu Zypern zurückzukommen sein – verweist auch darauf, warum beispielsweise die Rolle der Orthodoxen Kirche für Konfliktverständnis und politische Kultur Zyperns – außer von Zyprioten selbst – wissenschaftlich bisher wenig beleuchtet wurde. Zwei Ausstellungen im Sitz des zypriotischen Erzbischofpalastes in Nikosia – eine liegt der Verfasserin als Buch vor, die andere besuchte sie im Dezember 2013 – sollen in diesem Sinne im Folgenden die traditionelle Darstellung der Kirche im griechischen Nationalnarrativ illustrieren. Die erste Ausstellung trägt den englischen Titel „Risen From The Sacred Bones...190 Years From The Revolution of 1821. The Contribution of Cyprus” (Eliades 2011). Das 80seitige, bilinguale Booklet mit Vorworten des zypriotischen Erzbischofs und des griechischen Botschafters präsentiert sich als epische Hommage an die Helden des griechischen „Freiheitskampfes“, mahnt, die Lehren der Geschichte niemals zu vergessen und erzählt auf Basis von Chronologien, historischen Gemälden (auch von deutschen Malern der Romantik) und Abbildungen der originalen Kampfausrüstung den glorreichen Sieg Griechenlands über die barbarischen Türken. Dabei stehen ganz im Sinne des eben Dargestellten die Nähe der Revolution zu den Idealen der Aufklärung und die Begeisterung Europas für den griechischen Freiheitskampf als Fanal des politischen Fortschritts im Vordergrund: „[…] a multitude of engravings floods Western Europe, with pictures – models inspired by the Greek War of Independence. The Greek Revolution excites the interest and wins the sympathy of the public; it becomes a fashion and various household or ornamental objects (e.g. clocks, dishes etc.) and pro-Greek pictures adorn European houses” (Ibid.: 31).
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Die Rolle der Kirche erscheint im Text immerhin stellenweise differenziert. Der Ausstellungsband stellt damit – das wird in der Medienanalyse deutlich werden – eine gewisse Ausnahme im kircheninternen bzw. kirchennahen Diskurs dar. So räumt der Text ein, dass die zypriotische Kirche unter osmanischer Herrschaft Privilegien genoss und auch die Lebensbedingungen der Christen Zyperns über weite Zeiträume hinweg überwiegend gut waren (Ibid.: 50-52). Das steht indes in eklatantem Widerspruch zu häufigen (insgesamt 12) Referenzen auf das „Sklaventum“ der osmanischen Christen. Ferner erscheinen privilegierte Stellung und Zurückhaltung der Kirche in der Revolution zuvorderst als Resultat historischer Zwänge und strategischer Abwägung, die ihre grundsätzliche nationale Führungsrolle nicht infrage stellen. „The Church was Hellenism’s greatest cohesive bond, which out of necessity maintained its character of Ethnarch, given to it as a ´privilege`. The church leaders represented politically the enslaved Greeks and had the authority to solve in a judicial manner differences among Greeks in their daily lives. Notable was also the care taken by the Church to ransom captives. In addition to keeping the faith, which ensured the spiritual cohesion of Hellenism, the Church was responsible for the Greek education of the enslaved. During the period of the spread of the ideas of the Enlightenment in the 18th century, the Church tried to promote the spiritual regeneration of the enslaved Greeks, through the Higher schools controlled by the Church […]. However, the prudent, reserved stand of the Church whose first and foremost concern was to save the lives of Christians, for objective reasons was not in a position to follow the rapid developments taking place in the West, created among the scholars of the Diaspora the impression of a sterile conservatism. Consequently, several scholars, the most famous of whom was Adamantios Korais, developed tendencies of renewal in line with the teachings of Enlightenment” (Ibid.: 43).
Obgleich die Passage explizit auf die Kontroversen um die Rolle der orthodoxen Kirche rekurriert, ist doch das Bild der Kirche als spirituell-intellektuellem Vorbild und der Kirchenväter als weit-, umsichtigen und selbstlosen Leitfiguren dominant. Am eindrücklichsten illustrieren die Bilder die emotionale Strahlkraft der ethno-religiösen Synthese. Beide Gemälde finden sich sowohl im Booklet als auch in der besuchten Ausstellung.
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Abb. 12 zeigt Erzbischof Kyprianou, wie er mit anderen orthodoxen Geistlichen im Palast des Sultans vorspricht. Mit erhobener Hand erscheint er in der Mitte des Bildes, dem nicht sichtbaren Sultan zugewandt. Hinter ihm stehen weitere Geistliche, die eine Gruppe von offenkundig einfachen Untertanen anführen. Einer von ihnen hält anklagend die Hände in die Höhe, zwei andere knien betend am Boden. Das Bild unterstreicht damit die mutige Führungsrolle der Kirche, die Einheit der christlich-orthodoxen Bevölkerung und deren offenkundige Verzweiflung. In augenAbbildung 12 – „Erzbischof Kyprianos und die anderen Geistlichen im Serai“, scheinlichem KonÖl auf Leinwand, G. Mavrogénis (1971). trast dazu stehen die drei Angehörigen des Sultans, die dem Erzbischof mit grimmiger Miene gegenüberstehen. Auffällig setzen sich die schillernden Farben ihrer traditionellen osmanischen Gewänder vom Turban bis zu den typischen Pumphosen von der farblosen, einfachen Kleidung der UnAbbildung 13 – „Hinrichtung des Ethno-Märtyrers Kyprianos", Akryl auf Holz, tertanen ab und unterG. Mavrogénis (1971) mauern die Botschaft von der Misere der einfachen Leute im Gegensatz zum Prunk der Herrscher. Die Physiognomie schließlich – alle drei haben eng zusammenstehende und hervorstechende Augen, eine krumme Nase und Vollbart erscheinen durch ihre Ähnlichkeit deutlich als Karikaturen, als Sinnbilder eines orientalistischen Stereotypes. Das wird durch die gebeugte, konfrontative Haltung unterstrichen, die ebenfalls einen Gegensatz zur aufrechten Haltung des Erzbischofs darstellt.
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Dieselbe stereotype Dichotomie durchzieht auch Abb. 13, auf der die Exekution des Erzbischofs dargestellt ist. Bunte Kleidung, charakteristische Gesichtszüge und dynamische Körperhaltung heben die Osmanen klar von den schwarz gekleideten Geistlichen ab. Rohheit, ungezügelte, möglicherweise sogar mit Freude verbundene Gewaltbereitschaft gegenüber den unterworfenen, augenscheinlich demütig ihrem Schicksal ergebenen Priestern bedienen klar das erläuterte Orientalismusmotiv. Die stereotypen und dichotomen Darstellungen repräsentieren so die im Theorieteil erörterten binären Oppositionen (Kapitel 6.2.) und sind, wie die Schulbuchanalyse (13.4.) unterstreichen wird, zugleich Kollektivsymbole mit hohem Erkennungswert, die ganze Weltbilder aktivieren (Kapitel 4.2. und 6.1.). Fasst man die ausgewählten Charakteristika des griechischen in Relation zum türkischen Nationalismus zusammen, wird deutlich, wie sehr beide Länder in negativen, spannungsreichen und sehr sensiblen Identitätsfragen verhaftet sind. Sie charakterisieren sich, so kann man resümieren, durch eben jene Westaspirationen und das Bedürfnis nach Gleichwertigkeit, durch gegenseitige kulturelle Abgrenzung bzw. Urheberrechtsansprüche und eine widersprüchliche Gleichzeitigkeit aus konstruierter Monolithik und vielfältigem Alltag. Die griechische Identität konstituiert sich dabei durch den idealisierten Fremdblick des Humanismus und durch die Ambivalenzen der ethnischen, hellenischen, religiösen, westlich-säkularen und orientalischen Referenzpunkte. Ihre Beziehung zur Türkei ist geprägt durch die affektiven Botschaften des ethnoreligiösen Heilsnarrativs, die etwaigen Rationalisierungsversuchen standzuhalten scheinen. Die Sensitivität dieser Identitäten kommt in Krisenaugenblicken – zwischen Deutschland und Griechenland, der Türkei und Europa und zwischen Griechenland und der Türkei – besonders deutlich zum Vorschein. Schließlich spielt(e) die orthodoxe Kirche als Hüterin des nationalen Erbes mit ihrer für breite Bevölkerungsteile akzeptierten Deutungshoheit für die Entstehung und Bewahrung der nationalen Identität eine zentrale Rolle. Das Gemälde in Abb. 14 fasst die stilisierten Botschaften der ethnoreligiösen Synthese eindrücklich zusammen. Alle vorgestellten Aspekte sind für das Verständnis der zypriotischen Identitäten und den Einstellungen einer Mehrheit der griechischen zypriotischen Gesellschaft zum Konflikt unabdingbar.
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11 „Parallelmonologe“: Die Nationalnarrative der zypriotischen Mutterländer Das eingerahmte Bild (Abbildung 14, eigene Photographie, All Rights Reserved.) hängt am Eingang der Heiligen Kirche Mutter Gottes (Ιερός Ναός Γενεσίου της Θεοτόκου) im Herzen der alten griechischen Hauptstadt Nauplia. Es handelt sich um den Druck einer bekannten Hagiographie von Vlasis Tsotsonis mit Titel „Die Geschichte der Orthodoxie durch die Tiefen der Jahrhunderte hindurch“ („Η ιστορία της Ορθοδοξίας, στα βάθη των αιώνων“). Von links nach rechts betrachtet beginnt das Narrativ mit der Vertreibung aus dem Paradies (links oben) und verweilt dann bei den Philosophen der griechischen Antike, deren geistige Errungenschaften über die Schriftenrollen und die antiken Bauten symbolisiert werden (in der Antike, so erklärte der Verfasserin ein Geistlicher der Kirche, hätten die Bürger an einen allmächtigen Gott, Zeus, geglaubt und sich mittels der anderen Götter auf ihn bezogen). Es folgen Alexander der Große zu Pferde (unten) und die byzantinische Periode als christliche Blütezeit, in der die Gottesehrfurcht durch das übergroße Bild Christi und die mühevolle Errichtung von Gotteshäusern im Mittelpunkt stehen. Alsdann sieht man die griechische Revolution (Erkennungszeichen ist die weißblaue Fahne) und die blutige Gegenwehr der Osmanen: Man erkennt den Shisha rauchenden Sultan und hinter ihm den am Baum gehängten Bischof. Auffälligerweise scheint die osmanische Epoche als bildliche Einheit mit der deutschen Besatzung (ein deutscher Soldat mit Hakenkreuzbinde hält seine Waffe auf einen am Boden liegenden Engel gerichtet) und dem griechischen Bürgerkrieg, dessen leidvolle Konsequenzen für das Volk in der gebückten Haltung und den gramvollen Gesichtern einer Familie zum Ausdruck kommen (weder den Deutschen, so der Geistliche weiter, noch den „gottlosen Kommunisten“ sei es gelungen, den orthodoxen Glauben auszulöschen). Erst mit der glücklichen Rückkehr Griechenlands zur Demokratie kehrt – hier symbolisiert durch die schwebenden Engel – der göttliche Segen zurück. Die historische Kooperation der Kirche mit den Osmanen, wie auch die zeitgeschichtliche mit der Militärjunta bleibt freillich ausgespart. Das Bild endet mit der offenkundigen Schaffung eines Idealzustandes, der dem „Reich Gottes auf Erden“ entspricht. Das Bild symbolisiert damit in seiner Gesamtheit ein wohl abgestimmtes, selektives Narrativ, das die Kontinuität der Orthodoxie, ihre Verbindung zur Antike, ihre Standhaftigkeit gegen schlechte, äußere Kräfte, ihre schlussendliche Erfüllung und damit ihre enge Verbindung zum Nationalnarrativ versinnbildlichen soll.
12 Man ist, was man erinnert: Die zypriotische Konfliktgeschichte und ihr Gedächtnis 12.1 Einleitung: Die komplexen Eskalationsfaktoren der Konfliktjahre 12.1 Einleitung: Die komplexen Eskalationsfaktoren der Konflikjahre Die Ursprünge der nationalen Identitäten Zyperns und ihre gegenwärtigen Facetten, so kann man mit Blick auf die folgenden drei Kapitel einleiten, weisen zum einen viele der eben aufgeführten Merkmale der beiden Mutterlandsnationalismen wie auch die typischen Motivationen und Entwicklungen der europäischen Nationalstaatsgenesen auf, insofern sie als Instrument für machtpolitische und territoriale Bestrebungen von oben fungier(t)en und ihre Strahlkraft weite Bevölkerungsteile erfasste. Zum anderen indes – und hier zeigt sich ein in der Forschung wie in der mediationspolitischen Auseinandersetzung um Zypern deutlich vernachlässigter Aspekt – unterstreichen die Konfliktgeschichte und ihre gegenwärtige Bedeutung das tief mit der Kolonialvergangenheit und der realpolitischen Schwäche verbundene Bedürfnis nach staatlicher und kultureller Gleichwertigkeit vor der internationalen Staatengemeinschaft. Die, wenn man so will, durch externe, gleichwohl aber auch durch eigene Handlungen motivierte, kontinuierliche Gefährdung und Infragestellung dieser Gleichwertigkeit hat, wie zu zeigen sein wird, tiefe psychische Spuren im Konfliktverständnis, der politischen Kultur und der Kompromissbereitschaft der griechischen Zyprioten hinterlassen. Dieses Grundmotiv und ein monumentalgeschichtliches, monolithisches Wahrheitsverständnis, starre soziale Hierarchien und unaufgearbeitete Schuld- und Leidfragen konstituieren – das soll hier aufgezeigt werden – die soziopsychologische Infrastruktur des Konfliktes und verhindern seine konstruktive Transformation. Zur heißen Konfliktgeschichte Zyperns liegen – wie im Forschungsstand angegeben – bereits etliche internationale Publikationen vor, die die politischen Entwicklungen der Konfliktperiode bis 1960 und vor allem zwischen 1960 und 1974 erörtern. Dabei stehen zuvorderst die Enosis-Bestrebungen der griechischen Zyprioten und nach der Unabhängigkeit das Ringen mit der Verfassung, interethnische Spannungen und Gewalt im Spiegel politischer Auseinandersetzungen in und um Zypern im Vordergrund. Bis heute werden Legitimität der historischen Forderungen und die „Wahrheit“ um die Ereignisse der Konflikteskalation innerhalb Zyperns kontrovers diskutiert – zwischen den beiden Gemeinschaften und ihren Mutterländern, auf politischer Ebene zwischen den Parteien, in der Wissenschaft wie in den Kaffeehäusern. Vor allem aber haben beide Seiten eine selektive Erinnerungskultur etabliert, die auf der Zurschaustellung der eigenen Opferrolle gründet und damit unliebsame Aspekte der eigenen Schuld ausklammert. Unzählige Referenzpunkte der vorgestellten nationalen Gemeinschaften und der Konfliktgeschichte zieren den öffentlichen Raum, werden an Feiertagen zelebriert und in Museen ausgestellt. Sie erscheinen dabei, ganz ähnlich wie in den Mutterländern, als Selbstvergewisserung, als Zurschaustellung einer glattgeschliffenen Geschichte, die aber auf Zypern im Gegensatz zu den Mutterländern mit wesentlich akuteren territorial- und machpolitischen Interessen und mit unaufgearbeiteten Schuld- und Leidfragen verknüpft ist.
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Rehrmann, Der Zypernkonflikt, Innovative Konfliktforschung – Innovation in Conflict Research, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31192-6_12
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Wie im vorangehenden Kapitel soll im vorliegenden im Sinne des Erkenntnisinteresses die gegenwärtige Rolle von Geschichte im Vordergrund stehen. Um sie indes in ihrer sozioemotionalen, politisch-kulturellen und strategischen Dimension zu erfassen, sei zunächst überblickshaft die Konfliktgeschichte bis 1974 skizziert. Dabei sollen erstens die verfassungsrechtlichen Herausforderungen und Positionen der beiden Gemeinschaften im Kontext der zypriotischen Unabhängigkeit vorgestellt werden, um mit Blick auf die Diskursanalyse des folgenden Kapitels Kontinuität und Brisanz der grundlegenden Streitfragen aufzuzeigen. Zweitens soll auf Basis historischer Dokumente und Zeitungsartikel das Klima jener Zeit illustriert werden, das – auch hier mit Blick auf die folgende Gegenwartsanalyse – wertvolle Rückschüsse auf die politische Kultur Zyperns als post-kolonialer Nation zulässt, die das Bedürfnis nach Gleichwertigkeit im internationalen System und die Rolle von (heute würde man sagen:) Imagekampagnen zur Beeinflussung der internationalen Meinung unterstreicht. Auf die Analyse der zypriotischen Konfliktgeschichte im ersten Teil des vorliegenden Kapitels folgt alsdann eine sozialpsychologisch orientierte Erörterung ihrer Erinnerungsfacetten und ihres Einflusses auf Politik und Alltagwelt. Zypern, das nach den Venezianern und der dreihundert Jahre langen osmanischen Herrschaft 1882 unter britische De facto-Verwaltung fiel und 1925 durch Großbritannien annektiert wurde, ist, wie einleitend erwähnt, seit 1960 souverän. Als es in die staatliche Unabhängigkeit entlassen wurde, blickte es auf bereits mehr als einhundert Jahre nationalstaatlicher Bestrebungen zurück, die mit der griechischen Unabhängigkeit ihren Anfang nahmen und in Aufständen der 1930er Jahre bzw. ab 1955 im Guerillakrieg der EOKA, eines geheimen Zusammenschlusses selbsternannter Freiheitskämpfer, gegen die Kolonialherren ihren Höhepunkt fanden. Wie im nächsten Kapitel zur Schulbuchanalyse noch näher zu zeigen sein wird, waren die Bestrebungen ein maßgebliches Resultat der griechischen Schulbildung, die über die gezielte Entsendung von Lehrern erfolgte, die die einfachen Zyprioten im „hellenischen Geist“ erziehen sollten. Sie mündeten politisch in der Forderung nach Enosis, nach Einheit mit Griechenland und spiegelten damit auch die irredentistischen Bestrebungen des Mutterlandes wider, wie sie im vorangehenden Kapitel erläutert wurden. Gleichsam als verspätetes Echo und Reaktion auf den griechisch-zypriotischen Nationalismus entwickelte sich im Spiegel der türkischen Nationalstaatsgenese auch der türkisch-zypriotische Nationalismus. Im Zeichen der zunehmenden interkommunalen Spannungen, die durch die britische Divide-et-Impera-Politik geschickt weiter angefacht wurden, begannen die türkischen Zyprioten ihre Forderung nach Taksim, nach Teilung der Insel, zu artikulieren und gründeten eine Kontra-Guerilla, die TMT (Zervakis 1998: 56-85; Hillenbrandt 1990: 34; Wendt 2006: 33; Bahcheli 1998: 97-98). Beide Forderungen wurden nicht erfüllt. In trilateraler Übereinkunft zwischen Großbritannien und den Mutterländern wurde 1959 eine Verfassung ausgearbeitet, mit der Zypern als bikommunale Föderation in die Unabhängigkeit entlassen wurde, den drei Ländern als Garantiemächten aber zur Wahrung des Status quo ein Interventionsrecht eingeräumt wurde. Wie zu zeigen sein wird, war eine Mehrheit der griechischen Zyprioten mit dem verfassungsrechtlichen Status quo unzufrieden, der als ungerechtfertigte Überrepräsentation der Minderheit – sie machten 18% der zypriotischen Bevölkerung aus – angesehen wurde. Zunehmende politische Kont-
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roversen motivierten 1963 erste interethnische Gewalt, die zum Rückzug der türkischen Zyprioten aus den gemeinsamen politischen Organen führte – bis heute sind ihre Plätze vakant. Die folgenden Jahre – mit einer erneuten Gewalteskalation 1967 – stehen für ein zunehmendes Klima der Angst im Zeichen alltäglicher Gewalt und Einschüchterung durch die weiter agierenden TMT und die der EOKA nachfolgende EOKA-B, die gezielte Anschläge auch gegen gemäßigte, kooperationsbereite Mitglieder der eigenen Gemeinschaft verübten. Nahezu ein Viertel aller türkischen Zyprioten flüchtete in Enklaven unter dem Schutz der türkischen Armee. 1967 putschte sich in Griechenland das Militär an die Macht, für das die Eroberung Zyperns als unerlöstem Gebiet ganz oben auf der Agenda stand. Ein von griechischer Junta und EOKA-B-Führer General Grivas initiierter Putsch gegen Präsident Makarios, während dessen kurzzeitig der EOKA-Kämpfer und berüchtigte „Türkenhasser“ Nicos Sampson als Interimspräsident ernannt wurde, motivierte 1974 die türkische Intervention, die zur Teilung der Insel führte. Zur Bilanz des Konfliktes in Opferzahlen gehören etwa 230 0000 Binnenflüchtlinge (davon 160 000 griechische Zyprioten), 4500 Tote und 2000 Vermisste (davon etwa 2/3 griechische Zyprioten) (Demetriou 2014: 46; Fisher 2001: 311). Die tiefen Wunden der Gewalterfahrung indes wurden, so Galatariotou (2008: 846), nie systematisch aufgearbeitet. Insbesondere die wohl weit verbreiteten Massenvergewaltigungen von Frauen und Mädchen als Degradierungswaffe gegen die jeweils andere Gemeinschaft ist bis heute ein Tabuthema. Aufschlussreich für die demographischen Folgen des Konfliktes ist schließlich die Tatsache, dass vor 1960 bis zu 50% aller Zyprioten in gemischten Dörfern und Städten lebten, 1970 noch 10% (Fisher 2001: 310). Bis heute verhandeln die Volksgruppenführer, teils bilateral, teils unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen um eine Wiedervereinigung der Insel. Indes scheinen die Grundpositionen beider Parteien damals wie heute weiterhin in etlichen Teilen unvereinbar. Im Kern ging und geht es, wie einleitend gesagt, um den Status der türkischen Zyprioten, die von den griechischen Zyprioten als Minderheit angesehen werden, sich selbst aber als gleichberechtigte Volksgruppe betrachten. Ein Blick auf die zypriotische Verfassung, von der Zervakis (2002: 849) schreibt, sie zähle „mit 199, z.T. sehr umfangreichen Artikeln sowie drei Anhängen zu den umfangreichsten und kompliziertesten der Welt“, zeigt, dass sie in ihrer Bemühung um Interessenausgleich auf einer äußerst fragilen Balance gründet. Sie schuf ein konkordanzdemokratisches, föderatives Staatsmodel, in dem türkische und griechische Zyprioten durch prozentuale Repräsentation und partielle Autonomie als weitgehend gleichberechtigte Volksgruppen angesehen wurden. Zu ihm zählt eine Regierungsdoppelspitze aus griechisch-zypriotischem Präsidenten und türkisch-zypriotischem Vizepräsidenten mit wechselseitigem Vetorecht und eine viergliedrige Legislative mit zwei Bundesorgangen nach US-amerikanischem Vorbild und zwei Kommunalparlamenten. Repräsentation und Mitwirkung ist auf allen Ebenen – in Regierung, Parlamenten und Verwaltung – durch getrennte Wahllisten, doppelte Mehrheiten und Sperrminoritäten vor allem in verfassungsrechtlichen Fragen und durch Selbstverwaltung in sensiblen kulturellen, religiösen und bildungspolitischen Angelegenheiten geregelt. Der öffentliche Dienst sieht ein Verhältnis von 70/30 vor, für die zypriotischen Streitkräfte und die Polizei sogar eines von 60/40 und damit eine höhere Repräsentation für die türkischen Zyprioten, als es – wie die griechischen Zyprioten bemängeln – den demographischen Realitäten entspricht.
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Auf Basis des Garantievertrages wird den Mutterländern zur Sicherung der territorialen Integrität das Recht eingeräumt, ebenfalls Truppen auf der Insel zu stationieren. Großbritannien werden außerdem Hoheitsrechte über zwei Militärbasen zugesprochen. Das umstrittene Interventionsrecht wird unter Art. 3 so festgehalten: „In the event of any breach of the provisions of the present Treaty, Greece, the United Kingdom, and Turkey undertake to consult together, with a view to making representations, or taking the necessary steps to ensure observance of those provisions. In so far as common or concerted action may prove impossible, each of the three guaranteeing Powers reserves the right to take action with the sole aim of re-establishing the state of affairs established by the present Treaty” (Hakki 2007: 40).
Bis heute besteht die Türkei unter allgemeinem Verweis auf diesen Artikel auf der Legitimität ihrer Intervention von 1974, die von GZs und der internationalen Gemeinschaft – ebenso unter explizitem Verweis auf den letzten Teilsatz – zurückgewiesen wird.60 Wie die zunehmenden Spannungen der jungen Republik zeigen, waren die Einschränkungen der staatlichen (und territorialen) Souveränität, sowie das konkordanzdemokratische Powersharing den griechischen Zyprioten, die – einfach formuliert – der verfehlten Enosis nachtrauerten, ein Dorn im Auge. Es könne nicht angehen, so Präsident Makarios – übrigens weltliches und geistliches Oberhaupt zugleich und damit Sinnbild des osmanischen Erbes und seiner tiefen Verwurzelung in der politischen Kultur Zyperns – dass eine Minderheit von 18% über die Mehrheit bestimmen wolle (Michail 2013; Youtube 2008). Auch heute ist die Frage Kernthema. Ende 1963 legte Makarios den sog. 13-Punkte-Plan vor, mit dem die Verfassung revidiert und der einheitsstaatliche Charakter gestärkt werden sollten. Er sah u.a. die Abschaffung des wechselseitigen präsidentiellen Vetorechts, die gemeinsame Wahl der Präsidenten, die Aufhebung der getrennten, parlamentarischen Mehrheiten und der getrennten Stadtverwaltungen, Staatsdienst nach Proporz und die Auflösung der Kommunalparlamente vor (Zervakis 2002: 149-151). Wütende Kontroversen über die getrennten Stadtverwaltungen führten im Dezember 1963 zu Gewaltakten, die von den türkischen Zyprioten bis heute als „Kanli Noel“ (blutiges Weihnachten) erinnert werden. Wie zu zeigen sein wird, sind dieses und auch die folgenden Ereignisse, mit denen der Konflikt bis 1974 seinen Lauf nimmt, zwischen beiden Seiten hochumstritten. Beide bezichtigen die andere Seite, sich subversiver Strategien zu Realisierung der eigenen Ziele bedient zu haben, die – so zeigen historische Dokumente – tatsächlich zu bestimmten Zeitpunkten und in bestimmten Kreisen existierten, aber weit weniger einheitlich bzw. gradlinig waren, als die retrospektive Konstruktion der monolithischen Narrative vermuten lässt. Aus den Berichten des UN-Sondergesandten Galo Plaza und aus der Korrespondenz der politischen Führungen Zyperns geht vielmehr hervorgeht, wie sehr die zypriotischen Volkgruppenführer und auch die Mutterländer sowohl von strategischen Absichten als auch von Bemühungen um Schadensbegrenzung, aufrichtigen Lösungsanstrengungen und dem steigenden Druck der öffentlichen Meinung geleitet waren. So charakterisieren sich jene Jahre – wie im Folgenden gezeigt werden soll – vor allem durch einen Kontext der Unsicherheit und des diplomatischen, politischen und geheimen Kräfteringens in und um Zypern. Zweifelsfrei lässt sich sagen, dass die politischen Führungen Zyperns sowohl von den internen Unruhen als auch – spätestens 1967 mit der Errichtung der griechischen Militärjunta – von den äußeren Entwicklungen ein- und überholt wurden. Das zeigt sich am deutlichsten in 60
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der zunehmenden Kluft zwischen Präsident Makarios und General Grivas: Schienen beide zunächst bestrebt, die Enosis doch noch zu realisieren, zeigen die Folgejahre einen Prozess der gegenseitigen Entfremdung, in der Makarios aus offenkundig realpolitischen Gründen vom Ziel der Enosis abließ, während Grivas als facettenreiche und widersprüchliche Persönlichkeit im Untergrund weiter agierte: Er war zunächst Oberbefehlshaber der griechischen Streitkräfte auf Zypern, wurde 1967 nach einem Massaker gegen türkische Zyprioten aus der Armee ausgeschlossen, gründete später eine Resistance gegen die griechischen Militärs und führte zuletzt die Guerilla EOKA-B, von denen Teile offenkundig mit der griechischen Junta operierten, um Makarios zu stürzen. Wie das jüngst publizierte Buch des zypriotischen Journalisten und Politis-Redakteures Makarios Drousiotis zur Junta und Zypern in den Konfliktjahren anschaulich illustriert, war jene Zeit unter der Oberfläche der öffentlichen Auseinandersetzungen von intensivsten internationalen diplomatischen Bemühungen, aber auch von Sabotageakten, Mordkomplotten durch Doppelagenten und wechselnden Koalitionen geprägt. Wie seine Enthüllungen belegen, begann Grivas schon 1964 mit der geheimen Aufstockung der griechischen Division. Diese diente nicht etwa – wie retrospektiv behauptet – der Abwehr einer türkischen Intervention, sondern war höchstwahrscheinlich im Wissen der Türkei und der USA durch die Absicht legitimiert, eine Hinwendung Makarios zu Russland mit etwaiger Waffengewalt zu verhindern, um die Enosis nicht zu gefährden (Drousiotis, 2009: 15-17). Zu den zentralen Akteuren, die im Untergrund agierten, gehörte auch der EOKA-Veteran und damaliger Innenminister Georgatzis – ebenso ein leidenschaftlicher Agitator für die Enosis. Wie Drousiotis belegt, unterhielt dieser enge Geheimbeziehungen zum späteren griechischen Junta-Chef Papadopoulos und war schließlich in mehrere Mordanschläge gegen Makarios verwickelt, bevor er selbst ermordet wurde (Ibid.: 115-155). Jenseits seiner investigativen Analyse zur Frage, was denn genau in jenen Konfliktjahren geschah, veranschaulichen die Schilderungen Drousiotis – damit sind sie für das vorliegende Erkenntnisinteresse zentral – das fragile Demokratieverständnis einer Gesellschaft, die gerade erst vollwertiges Mitglied der internationalen Staatengemeinschaft geworden war, in der etliche Akteure auf unterschiedlichen Ebenen agierten, um kurz- und langfristige Ziele zu erreichen und dabei auch vor extremer Gewalt nicht zurückschreckten. An etlichen Stellen schildert Drousiotis anschaulich, wie die griechischen und griechisch-zypriotischen Militär- und Polizeikreise als „Staat im Staat“ mit dem Selbstverständnis absoluter Macht agierten, deren Geheimagenten bis in die Leibgarde Makarios vorgedrungen waren und Attentate auf Polizisten, kritische und linke Regierungsmitglieder und Journalisten verübten. Diese Entwicklungen waren von Makarios – spätestens mit dem griechischen Putsch 1967 – nicht mehr einzufangen (Ibid.: 177-200). Die zypriotische Konfliktgeschichte ist also außerst dynamisch, vielschichtig und verwickelt. Das ist insofern besonders relevant, als es die Hintergründe der gegenwärtigen Präsenz und Brisanz von Verschwörungstheorien, gegenseitigen Vorwürfen und die besondere Sensitivität für Sicherheitsfragen zu erklären vermag, die effektiv für die Ablehnungskampagne gegen den Annan-Plan genutzt werden konnten. Die Erörterung des sozialen Klimas und der Gewalteskalation jener Zeit und der folgenden Kontroversen, die bis heute um die so populäre
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Frage nach den „wahren“ Ereignissen kreisen, zeigt, dass die Entwicklungen zu komplex waren, um eine etwaige Wahrheit mit Sicherheit zu bestimmen. Zum anderen waren sie – pointiert gesprochen – verwickelt und komplex genug, um beiden Seiten genug vermeintliche Evidenz für die Konstruktion der jeweiligen monolithischen Narrative und des verbundenen blame games zu liefern. Die erste Kontroverse betrifft die Ereignisse von 1963. Prägnant fasst Hakki in seiner einzigartigen Anthologie historischer Dokumente zum Zypernkonflikt ihre Bedeutung mit den Worten zusammen: „The true nature of the events that took place in the island is still being disputed. While Turkish historians argue that between 21 December 1963 and 20 July 1964 the Greek Cypriot authorities embarked on a programme of ethnic cleansing of the Turkish Cypriots based on the so-called Akritas Plan, the Greeks argue that in the relevant period there was a state of revolt, namely armed rebellion and insurrection against the established Government of the Republic by some Turkish Cypriots led by the TMT […]. Whatever the nature of the events was, the bi-communal partnership envisaged in the 1960 Constitution as being necessary for running the key organs of the state effectively ended with the start of the armed conflict from December 1963 onwards“ (Hakki 2007:101).
Hier zeigt sich exemplarisch sowohl die Schwierigkeit, den genauen Ereignisverlauf zu bestimmen, wie auch seine gegensätzliche Interpretation. Der Streit um die etwaigen Schuldigen der Eskalation der frühen Konfliktjahre ist – so soll aufgezeigt werden – wie auch die vielen weiteren Streitpunkte, symptomatisch für das Ablenken von den unleugbaren Grundproblemen durch das kleinteilige Ringen um Ereignisabläufe. Die Gewalt von 1963 gilt, wie obiges Zitat illustriert, als Initialzünder für alle weiteren Entwicklungen, die beide Gemeinschaften in einen konspirativen Frame betten, der sie selbst als Opfer strategischer Absichten zeigt. Gleiches gilt für die Frage, ob die türkischen Zyprioten in die Enklaven flüchteten oder dahin vertrieben wurden. Griechische Zyprioten sprechen von einer türkisch-zypriotischen „Rebellion“ gegen die Republik Zypern. Die türkischen Zyprioten seien unter dem Vorwand meist selbst vom Zaun gebrochener Streitigkeiten freiwillig in die Enklaven gezogen, um so im Sinne geheimer Teilungsabsichten – sie basieren auf Spekulationen über einen geheimen Teilungsplan, den sog. Acheson-Plan – die demographische Trennung der beiden Ethnien zu vollziehen (Papadakis 2005 a: 149). Galo Plaza (nach Hakki 2007: 108) spricht von den Enklaven als „a kind of self-segregation“, während der griechisch-zypriotische Wissenschaftler Coufoudakis (2006: 72-73) sie ganz im Sinne des dominanten Narrativs als strategisch initiierte Schutzräume für die spätere Inselteilung darstellt. Für die türkisch-zypriotische Führung gelten die Enklaven im Gegensatz dazu als Symbol der politischen Entrechtung und ökonomischen Marginalisierung der türkischen Zyprioten zur Realisierung der Enosis (Bryant und Hatay 2008; Suguoğlu 2013). Die Wahrheit liegt wohl, so lassen diplomatische, mediale, erinnerungsbasierte und wissenschaftliche Quellen vermuten, jenseits dieser strategischen Maximalpositionen und ist auch wesentlich komplexer: So erscheinen Radikalisierungsprozesse mit Tipping Points und Panikreaktionen genauso hineingespielt zu haben, wie langfristiges politisches Taktieren und kurzfristige Krisenbewältigungsstrategien. Am Ende des Abschnittes wird in der Illustration des gesellschaftlichen Klimas darauf zurückzukommen sein. Beide Volksgruppen indes, so Papadakis in seinem Essay zur Rolle des öffentlichen Raumes, nutzten die Kontrolle über einen geographischen Raum, um ihn sofort im Sinne eines exklusiven nationalen Vorstellungsraumes zu formen, indem, wie erwähnt, Orts-, Straßen und Platznamen umbenannt wurden (Papadakis 2005: 85).
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Noch brisanter erscheinen vor diesem Hintergrund die Vorwürfe geheimer, strategischer Absichten: So sprechen die türkischen Zyprioten bis heute vom sog. Akritas-Plan, der vom unterstellten Ziel der politischen Entmündigung bis zum beabsichtigten Genozid an den türkischen Zyprioten reicht. Obgleich die Existenz des Planes zweifelsfrei bewiesen ist, spielt sie im öffentlichen Diskurs der griechischen Zyprioten kaum eine Rolle (Galatariotou 2014: 249; Papadakis 2005: 194; Bahcheli 1998: 103). Sie stellen den sogenannten Acheson-Plan in den Vordergrund, der die strategischen Teilungsbemühungen der türkischen Zyprioten unterstreichen soll (Coufoudakis 2006: 83). Eine Feinanalyse beider Vorwürfe beleuchtet sowohl die historische Bedingtheit wie auch die besondere Rolle strategischer Manipulation der internationalen Meinung, die bis heute charakteristisch ist. Der geheime Akritas-Plan, der höchstwahrscheinlich der Feder Georgatzis selbst entstammt, zielt darauf ab, zunächst die internationale Gemeinschaft von der Dysfunktionalität der Verfassung zu überzeugen, die Verfassung alsdann durch die Abschaffung des Garantievertrages und alle konkordanzdemokratischen Elemente zu reformieren und schließlich den Anschluss an Griechenland zu realisieren. Man müsse dabei, so betont das Dokument, äußerst behutsam vorgehen: Man dürfe nicht die eigenen Interessen betonen, sondern müsse völkerrechtliche und pragmatische Legitimität in den Vordergrund stellen. Zugleich müsse man die internationale Gemeinschaft von der Unrechtmäßigkeit der türkisch-zypriotischen Forderungen überzeugen: „Today, it has been generally demonstrated that the international climate is against every type of oppression and, more specifically, against the oppression of minorities. The Turks have already succeeded in persuading international opinion that union of Cyprus with Greece amounts to an attempt to enslave them. Further, it is estimated that we have greater chances of succeeding in our efforts to influence international public opinion in our favor if we present our demand, as we did during the struggle, as a demand for exercise the right of self-determination, rather than as a demand for union with Greece (Enosis). In order, however, to secure the exercise of complete and free self-determination, we must get rid of all those provisions of the constitution and of the agreements (Treaty of Guarantee, Treaty of Alliance etc.) which prevent the free and unfettered expression and implementation of the wishes of our people and which create dangers of external intervention. It is for this reason that the first target of attack has been the Treaty of Guarantee, which was the first that was stated to be no longer recognized by the Greek Cypriots. When this is achieved no legal or moral power can prevent us from deciding our future alone and freely and exercising the right of self-determination by a plebiscite” (Akritas-Plan nach Hakki 2007: 92).
Anschaulich kommen in der folgenden Passage die Notwendigkeit eines positiven Framing der eigenen Position und der Delegitimierung des Kontrahenten zum Ausdruck. En detail leitet der Plan zu einzelnen taktischen Schritten an, die auf eine passive Zermürbungsstrategie gegenüber der Minderheit deuten. Stück um Stück sollen unter dem Vorzeichen der Funktionalität die Verfassung ausgehebelt und die türkischen Zyprioten durch etwaige gewaltsame Reaktionen als Unruhestifter dargestellt werden, was wiederum die Notwendigkeit weiterer Maßnahme untermauere: „Before the right of unilateral amendments of the constitution is established, decisions and actions that require positive violent acts, such as, for example, the use of force to unify the separate municipalities, must be avoided. Such a decision compels the Government to intervene by force to bring about the unification of municipal properties which will probably compel the Turks to react violently. On the contrary, it is easier for us, using legal methods, to amend, for instance, the provision of the 70 to 30 ratio in the public service, when it is the Turks who will have to take positive violent action, while for us this procedure will not amount to action, but to a refusal to act“ (Ibid.: 95).
Weder der Türkei würde so ein Anlass zur Intervention gegeben, noch könnten die politischen Gegner innerhalb der eigenen Gemeinschaft der Führung nationalistische Ziele unterstellen,
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denn vordergründig ginge es ja nur um eine Verfassungsreform (Ibid.: 95-96). Die hier evidente strategische Rolle von Legitimität durch Diskursentlehnung (Nutzung etwaiger universell legitimer Konzepte und Forderungen für die eigenen Ziele) und damit verbundene Imagefragen – so sei vorweggenommen – durchzieht die politische Kultur Zyperns ebenfalls bis heute. Denn – wie im zweiten Teil dieses Kapitels und auch im nächsten zu zeigen sein wird – die zitierten Passagen sind sowohl für die parteipolitischen Gräben Zyperns wie eben auch für die Rolle politischer Strategien aufschlussreich. Die Tatsache, dass die Enosis im Laufe der 1960er Jahre von der politischen Führung um Makarios aufgegeben wurde, scheint indes realpolitische wie emotionale Gründe zu haben. Die emotionalen werden in der Zypernforschung allerdings kaum thematisiert. So gelangte Makarios im Laufe der politischen Spannungen innerhalb und um Zypern offenkundig zu der Überzeugung, dass ein Anschluss an Griechenland der Junta ohne erhebliche Kosten weder durchsetzbar noch opportun war. Seine Haltung erzürnte seine ehemaligen Unterstützer in Politik und Kirche: Bischöfe rebellierten gegen den einstigen Helden der Enosis-Bewegung und wurden nach heftigen Auseinandersetzungen ihrerseits von der Synode abgesetzt (Galatariotou 2008: 849). Was indes noch mehr gewogen haben mag, ist die Einsicht, dass die Einheit mit Griechenland die Insel nun – da die (de facto vollständige) staatliche Souveränität ja vollzogen war – zur Provinz abstufen würde. Denn die Enosis-Bestrebungen auf der Basis einer griechischen Identität waren historisch ein Instrument zur Legitimation von Souveränitätsansprüchen, die das Bedürfnis nach staatsbürgerrechtlicher und nationaler Unabhängigkeit und Gleichberechtigung widerspiegeln. Richters (2004) „Geschichte der Insel Zypern von 1878-1949“ illustriert in diesem Sinne die lauter werdenden Forderungen der Zyprioten nach Gleichberechtigung durch Freiheit und Wohlstand, die wie bei so vielen Kolonialvölkern und ethnischen Minderheiten nicht zuletzt über ihre Beteiligung am Zweiten Weltkrieg auf der Seite Großbritanniens Auftrieb erhielten. In seiner prämierten Dokumentation „Our Wall“ zeichnet der international ausgezeichnete Regisseur Panikos Chrysanthou auf Basis historischer Filmaufnahmen eindrücklich nach, wie die griechischen Zyprioten diesen Wunsch in den Jahren vor der Unabhängigkeit im Spiegel der europäischen Griechenlandbegeisterung einst zelebrierten. Mal sieht man von Geistlichen mit Kreuzen angeführte Prozessionen, mal prunkvolle Straßenzüge mit rollenden Wagen, die künstlerische Abbilder des antiken Griechenlands in Szene setzen: Frauen in drapierten Kleidern und Lorbeerkränzen und Kämpfer in antiker Rüstung bewegen sich darin animationsartig in einer Endlosschleife. In ihrem beeindruckenden Aufwand erinnern die Züge an Eröffnungsfeiern von Olympiaden und sind eine Mischung aus euphorischer Selbstinszenierung und einer an die internationale Gemeinschaft gerichtete Botschaft. „So in etwa begann alles“, kommentiert der Autor. „Wir strömten auf die Straßen mit der griechischen Fahne und großen Gefühlen, nur Gefühlen. Sonst nichts. Es war so etwas, wie ein religiöser Glauben, ohne Rationalität, ohne offene Fragen, nur Stolz und Ungewissheit. Wir hatten nicht den geringsten Zweifel daran, dass wir im Recht waren und, dass wir eines Tages gewinnen würden. […] Es ging nicht nur darum, dass wir unsere Freiheit mit dem Anschluss an Griechenland verknüpften, von der wir uns bessere Tage erhoffen und, dass uns von allem Schlechten, Unerwünschten erlösen würde. Es war mehr als das. Es war eine Idee, die den Duft des Parthenon mit sich führte und uns mit Stolz erfüllte“ (Chrysanthou 1997: 9:58´14:02´; Transkribiert und übersetzt durch die Verfasserin).
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Tiefe Entrüstung und Erniedrigung habe man empfunden, als die Briten einem gesagt hätten, man selbst würde nie Souveränität erlangen, da Zypern geostrategisch wichtig sei. So habe, resümiert Chrysanthou, der kollektive Wahn begonnen. Häuser seien angezündet, Menschen getötet und die Zyprioten in ethnische Kategorien unterteilt worden, ohne, dass ihnen die Konsequenzen der kollektiven Transformation bewusst gewesen wären (Ibid.). Das emotionale Klima jener Zeit fängt auch der Dokumentarfilm „The Third Motherland“ eindrücklich ein. Eine Szene zeigt Makarios zu seiner Amtsantrittsrede von 1960, wie er vor einer riesigen, jubelnden Menschenmenge den Verheißungen der erkämpften Freiheit mit den feierlichen Worten huldigt: „So bin ich nun wieder unter euch, in meiner geliebten Heimat, in einer neuen Heimat. Die Wolken der Sklaverei haben sich aufgelöst und die Sonne der Freiheit scheint aus dem zypriotischen Himmel. Die Dunkelheit der Jahrhunderte weicht dem süßen Tageslicht und der unsterbliche Geist unserer Ahnen kommt aus den Tiefen unserer Geschichte empor, um die große Botschaft überall kund zu tun: Zypern ist frei!“ (Constantinou 2001; Transkribiert und übersetzt durch die Verfasserin).
Eindrücklich spiegelt die Szene die Freude über die staatliche Ermächtigung wider, die ganz im Sinne der exklusiven Abstammungsnationalismen auf der transzendenten Wiederauferstehungstrope basiert und damit der neu errungenen Staatlichkeit nochmals einen immensen Schub an Erhabenheit liefert, in der das Versprechen von Moderne und Inklusion mitschwingt. Welch emotionales Delirium, so kann man sich leicht vorstellen, vermochten diese beiden verwobenen Ideen (Wiederauferstehung und Moderne) in breiten Bevölkerungsteilen zu evozieren! Und – dies ist keinesfalls eine Rechtfertigung, gleichwohl eine sozialpsychologische Erklärung – wie sehr musste die „fremde Minderheit“ im so geschaffenen Staat der Mehrheit und ihrem vehementen Streben nach Souveränität, Autorität und ethnischer Reinheit ein Dorn im Auge sein! Ebenfalls eindrücklich zeigt sich hier auch die Janusköpfigkeit des Nationalismus, der Freiheit und Gleichheit für ausgewählte Mitglieder einfordert und sie zugleich anderen verwehrt. Dieser Widerspruch wird in der Diskursanalyse von 2004 tiefergehend zu erörtern sein. In dem Maße, wie sich das Selbstverständnis der neuen Souveränität verfestigte, so kann man indes ebenfalls schließen, verlor der erstrebte Anschluss an das Mutterland zumindest für einen Teil der griechischen Zyprioten an Attraktivität. Denn Freiheit und Gleichwertigkeit waren erreicht. Galo Plaza gibt 1965 eine Zusammenfassung seiner Beobachtungen an den UNGeneralsekretär weiter, die diesen Eindruck unterstreicht: „It is true that among them, as among many people in Greece, the word and the thought of enosis have a highly emotional quality: it serves to some as a symbol of Pan-Hellenistic ideals, to others as the battle-cry of the resistance against colonial rule […]. But as a practical step in the political evolution of Cyprus it has struck me, in discussions with a wide range of Greek-Cypriot opinion, as having a much less united and imperative driving force behind it. This may be in part because there have been few precise indications of the form which Enosis should take and the economic, social and political consequences which would flow from it“ (Galo Plaza nach Hakki 2007: 116).
Noch deutlicher beschreibt es Panayiotidou in seiner Definition des griechisch-zypriotischen Nationalismus: „Greekness was always a form of status claim – vis-à-vis the British it was a claim of equality, vis-à-vis traditional Cypriots it was a claim of modern superiority versus traditional backwardness. But here, as Cypriot modernity was itself emerging as an experience in politics and everydayness, Greekness-as-status acquired a new dimension: it was a claim to who could rule, who could talk legitimately on behalf of the people-as-nation, who could eventually inherit colonial power” (Panayiotidou 2012: 86).
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Enosis ist also – lyrisch gesprochen – vielmehr ein Ruf nach Freiheit und Augenhöhe, als eine aggressive Parole hellenischen Expansionsdrangs. Das Bedürfnis nach (staatlich-nationaler) Gleichwertigkeit – das sei an dieser Stelle betont – erscheint überhaupt bis heute für den Verlauf, wie auch für die Unteilbarkeit des Zypernkonfliktes zentral. In der Diskursanalyse (Kapitel 14) und im Versöhnungskapitel (15) wird darauf zurückzukommen sein. Auch im Schulbuchkapitel (13) wird aufzuzeigen sein, dass die politische Forderung nach einer Wiedervereinigung der Insel bis heute tiefer von unerfüllten Grundbedürfnissen geleitet zu sein scheint als von konkreten politischen oder gesellschaftlichen Zielen. Beide obigen Passagen unterstreichen derweil, wie sehr Kontroversen über nationale Identitäten auf Zypern mit Souveränitäts- und Anerkennungsfragen verbunden waren. Vor dem Hintergrund der ungelösten politischen und territorialen Streitpunkte scheinen diese Identitätsfragen ferner bis heute wenig an Brisanz eingebüßt zu haben. Anders formuliert: Der Zypernkonflikt in seinem eingefrorenen bzw. konservierten Zustand illustriert anschaulich die elementaren Territorial- und Machtfragen, die, wie im Nationalismuskapitel erörtert, Leitmotiv aller Nationalbewegungen „der zweiten Stunde“ waren und im Verlauf der nationalstaatlichen Konsolidierung und der Verbreitung eines primordialen Selbstverständnisses zunehmend in Vergessenheit gerieten – auf Zypern scheint es eingefroren zu sein. Solange also – so mag man darauf folgern – die zentralen Territorialund Machtfragen nicht gelöst sind, wird auch der chauvinistische Nationalismus nicht an Strahlkraft einbüßen. Sind die Enosis-Bestrebungen, wie auch der Akritas-Plan im griechisch-zypriotischen Gegenwartsdiskurs nahezu inexistent, taucht umso häufiger der sog. Acheson-Plan auf. Vielmehr, als ein von langer Hand vorbereiteter türkischer Teilungsplan – wie es griechisch-zypriotische politische Kreise suggerieren – erscheint der Plan des ehemaligen US-Außenministers Acheson als Bemühen um eine schnelle und pragmatische Lösung der Zypernfrage im Sinne einer stabilen Südostflanke der NATO, die sowohl durch das Erstarken aggressiv-nationalistischer Kräfte in Griechenland und auf Zypern, als auch durch Makarios strategische Hinwendung zur Sowjetunion und den Blockfreien Staaten motiviert ist (Kadridzke 1991). Seine dokumentierte Korrespondenz mit dem griechischen Ministerpräsidenten Papandreou beweist, dass es sich dabei sogar um das Angebot eines Anschlusses großer Inselteile an Griechenland mit Zuerkennung einer türkischen Militärbasis und Minderheitenstatus für die türkischen Zyprioten handelte (Acheson und Papandreou nach Hakki 2007: 129-139). Dass Papandreou diesen Vorschlag und selbst eine nochmals zu seinen Gunsten revidierte Version mit dem Verweis auf das Selbstbestimmungsrecht der Zyprioten zurückwies, zeigt, dass er bereits unter massivem Druck seitens der nationalistischen Streitkräfte stand, die sich kurz darauf an die Macht putschten und die „Erlösung“ Zyperns zur obersten Priorität erklärten. Darauf deuten auch die innerzypriotischen Verhandlungen zwischen dem türkisch-zypriotischen Volksgruppenführer Denktaş und dem griechisch-zypriotischen Chefunterhändler Clerides (beide bestimmten übrigens, wie im nächsten Kapitel zu sehen sein wird, bis weit in die 2000er Jahre die Geschicke der Insel). Wie die historische Korrespondenz beider illustriert, kreisen die Positionen weiterhin um die neuralgischen Punkte der politischen Kräfteverhältnisse und der kulturellen Autonomie. Sie demonstrieren – denkt man an die Befunde der Kommunikationspsychologie zurück – eindrücklich das kontinuierliche Scheitern von Sachkommunikation durch die Schieflage der Beziehungsebene und verweisen damit auf bis heute zentrale
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Charakteristika der Verhandlungen. Die Forderungen Denktaş´ werden dabei offenkundig mit immer fadenscheinigeren Argumenten zurückgewiesen: Befürchtungen vor Majorisierung beschwichtigt Clerides beispielsweise mit Verweis auf die Möglichkeit einer Verfassungsklage (Denktaş und Clerides nach Hakki, 2007: 140-153). Formulierungen, wie „Let me deal briefly with these contentions and bring into focus the correct picture“ oder „The objects of good Government are not compatible with burdering the citizens with added taxes or cover of institutions which are neither necessary nor wanted“ (Ibid.: 151, 153) zeugen von der charakteristischen Maximalargumentation, mit denen Positionen und grundlegende Bedürfnisse des Anderen in Gänze zurückgewiesen werden und einem Kompromiss so jedwede Basis entziehen. Zugleich verweist Drousiotis (2009: 15-23) darauf, dass die Unnachgiebigkeit vonseiten Makarios´ möglicherweise auch politisches Kalkül zur Verhinderung eines etwaigen Anschlusses an ein immer bedrohlicher wirkendes Griechenland war. In jedem Fall weist Denktaş – der in späteren Verhandlungen und bis zu seinem Tod 2012 ähnlich maximalistische Positionen vertrat – Clerides auf diese Problematik hin: „Your objection to my proposal that the powers, duties and jurisdiction of the local authorities should be embedded in great detail in the Constitution seems to rest on appearance. You argue that if we did this our constitution would be very long and unwieldy. That may be so, but this is necessary in view of your side´s treatment of the Turkish rights under the 1960 Constitution. You propose that the basic provisions regarding autonomous local authorities should be embedded in the Constitution and the rest be left to the legislation. But it is exactly because the legislators failed in their duties in the past and refused to pass the legislation necessitated by certain basic provisions in the Constitution (regarding the separate Municipalities and the Army) that an artificial Constitutional crisis was created and later used as an excuse for attacking us. We cannot afford to run the same risk again“ (Denktaş nach Hakki 2007: 172).
Dieser Abschnitt erscheint insofern als besonders bedeutend, als viele griechische Zyprioten mit Verweis auf die friedliche Koexistenz der zypriotischen Volksgruppen bis heute die Notwendigkeit des Schutzes von Autonomierechten zurückweisen. Galo Plazas Kommentar zur unnachgiebigen Haltung beider Führungen jedenfalls erscheint für das Zypernproblem bis heute charakteristisch, ähnelt dieser Absatz – wie zu zeigen sein wird – bis in den Wortlaut hinein Äußerungen des UN-Sondergesandten Alvaro de Soto von 2004. „I have been obliged to look for this common ground with each of them separately, since under the circumstance which I have described, none of the principal parties has been willing to meet the others except under conditions mutually unacceptable. […] I have emphasized to each of them the need to open some line of direct communication and to engage in a discussion of any aspect of the problem. I found the leadership of both sides agreeable in principle yet unable in practice to come together. This was because each side made the acceptance of certain considerations a precondition of any such meeting. The Greek-Cypriot leadership has repeatedly stated to me, and up to very recent times has affirmed this in public, that it is prepared only to discuss with the other side the question of minority rights within the framework of a unitary state. The Turkish-Cypriot leadership, in turn, insist […] that any discussion with the other side could only be within the context of a return to the 1960 Constitution“ (Galo Plaza nach Hakki 2007: 109).
Wie im nächsten Kapitel zu erörtern sein wird, finden sich – wenn auch unter umgekehrten territorial-politischen Vorzeichen – erstaunliche Parallelen dieser Grundpositionen und der Rhetorik in den Verhandlungen von 2004. Auch seine tiefgründigen Überlegungen zur Legitimität der gegensätzlichen Positionen vor dem Hintergrund einer schwierigen Balance völkerrechtlicher und pragmatischer Gesichtspunkte scheinen für das Zypernproblem bis heute charakteristisch: „It is far from me, in any event, to dispute the principle that the people of an independent country possess the right to determine their own future, including their relationship with any other State. This right follows
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12 Man ist, was man erinnert: Die zypriotische Konfliktgeschichte und ihr Gedächtnis naturally from the fact of sovereign independence. If Cyprus should become ´fully independent` by being freed from the 1960 treaty limitations, it would automatically acquire at the same time the right of selfdetermination; and if it were an independent State based on democratic principles, it would be entitled to insist that the right should be exercised by the people as a whole, acting directly by such means as a referendum […]. This brings me to what I regard as the most crucial aspect of the question of Enosis. What are the considerations by which a modern sovereign State exercises its rights of self-determination? I suggest that just as the enjoyment by the citizen of his fundamental rights is not an absolute matter but is governed by considerations for the rights and legitimate interests of his fellow citizens, so also is the exercise by the State of its right of self-determination governed by its obligations as a State. These obligations relate to the well-being of all its citizens and […] to the cause of international peace and security” (Ibid: 118).
Damals begründeten die griechischen Zyprioten ihre Maximalforderungen auf dem Selbstbestimmungsrecht. Seit dem EU-Beitritt Zypern verweisen sie auf die im Acquis Communautaire verankerten Grundrechte der Reise-, Dienstleistungs-, Niederlassungsfreiheit und Arbeitnehmerfreizügigkeit, um jegliche Einschränkungen des einheitsstaatlichen Charakters zu delegitimieren. Insofern ist das Geschilderte auch für das heutige Verständnis des Zypernkonfliktes äußerst relevant, weil es zeigt, dass die Untermauerung der eigenen Forderungen mit dem Verweis auf Grundrechte und praktische Notwendigkeiten, wie auch der Versuch der Konsolidierung eines einmal erreichten Status quo als diachrones Verhandlungscharakteristikum der beiden Parteien schon damals evident war. Die offenkundige Schwierigkeit des Mediators Galo Plaza verweist bereits auf die Dilemmata, mit denen sich seine Nachfolger und besonders Kofi Annan konfrontiert sahen und bis heute konfrontiert sehen. Sind akademische und politische Publikationen zu den politischen Entwicklungen der Konfliktjahre überaus präsent, erscheint die alltagsweltliche Ebene der relevanten Zeit wesentlich spärlicher dokumentiert. Dabei ist sie mindestens ebenso bedeutend, wenn nicht bedeutender für das Verständnis des zypriotischen Konfliktethosʼ. Wie in Griechenland, so sind auch auf Zypern die 1960er Jahre eine Zeit großer Bewegungen und politischer Umwälzungen. Sie zeichnen sich durch politische Transformation zwischen Kolonialismus und Demokratie, ideologische Polarisierung zwischen Monarchie und Kommunismus und damit durch äußerst fragile politische Strukturen aus, die vor dem Hintergrund der gerade erworbenen Staatlichkeit Zyperns noch wesentlich akuter erscheinen. Dokumentarfilme61 zeichnen eindrücklich die ideologische Polarisierung, vor allem aber das gesamtgesellschaftliche Pathos nach, die die politische Führung zur Projektionsfläche für leidenschaftliche Huldigungen im Versprechen um Freiheit und Wohlstand machte. Besonders eindrücklich erscheinen in „Makarios Returns to Cyprus in 1974 from Exile“ (2008)62 die riesigen Menschenmassen, die Makariosʼ leidenschaftlichen Appellen an die nationale Freiheit lauschen und in frenetischen Sprechchören „Nato, CIA, Verrrat“ skandieren. Die Szene veranschaulicht sozialpsychologisch gesprochen, das enorme kollektive Arousal und die Strahlkraft politischer Parolen, die nicht zuletzt das Eskalationspotential einer Gesellschaft demonstriert, für die – insbesondere 1974 – Agitation und Gewalt zum Normalzustand geworden zu sein schien. Ferner deutet sie bereits auf das selektive und geformte Gedächtnis der griechischen Zyprioten, demgemäß die türkischen Zyprioten durch externe Kräfte 61
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Vgl. nebst den genannten auch: [Documentary. The Cyprus Problem, Still Divided 1974]; [Cyprus - Britain’s Grim Legacy. The Full Documentary; abgerufen am 22.02.2017]; Sie sind neben ihren Sachbotschaften, die auf der Basis von Interviews mit führenden Politikern und Diplomaten jener Zeit das Erörterte untermauern, besonders ob ihrer emotionalen Bilder eindrücklich. [abgerufen am 07.08.2016].
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zum Widerstand angestachelt worden seien, um interethnische Gewalt zu motivieren, die dann als Grund für eine externe Intervention genutzt werden konnte. Erinnerungsbasierte Beiträge belegen darüber hinaus, dass durch massive und gezielte Einschüchterungen, durch ökonomische Isolation von gemäßigten, kooperationswilligen Kräften, bis hin zu politisch motivierten Morden an „überzeugungsresistenten“ Zyprioten durch die jeweiligen Terrorgruppen ein Klima der Angst kreiert wurde, das die traditionellen sozialen Strukturen außer Kraft setzte. Anastasiou (2008: 1-2) eröffnet seine Monographie über den Zypernkonflikt beispielsweise mit einem persönlichen Kindheitstrauma: Während einer Kinovorstellung wurde der damals Fünfjährige Zeuge eines Mordes von EOKA-Anhängern an einem linken Nachbarn, der am Boden verblutete, weil keiner der schockierten Zeugen sich traute, ihn in ein Krankenhaus zu geleiten. „What had occurred was a political assassination, one no different from the many taking place in Cyprus during the 1950ies” (Ibid.). Dieses Klima prägte auch die 1960er Jahre: Zyprioten besuchten die Kaffeehäuser der jeweils anderen ethnischen Gruppe nicht mehr, kauften nicht mehr bei deren Angehörigen ein und unterhielten kaum noch Handelsbeziehungen. Von denen, die diese Normen nicht befolgten, bezahlten viele mit dem Leben (Galatariotou 2008: 851-855). Eindrücklich illustriert hier der Dokumentarfilm „Birds of a Feather“ das Klima gegenseitigen Misstrauens im Zeichen zunehmender Gewaltakte, über deren Drahtzieher bis heute heiß in den Kaffeehäusern debattiert wird (Evripidou und Nugent 2012). Galatariotou resümiert: „In each community there was in fact a very small minority who pursued politics of violence and fragmentation with enthusiasm, using various methods of persuasion but above all intimidation, ranging from verbal warning to beatings and exemplary murder. And in both communities attacks on inter-communal integration were accompanied by attacks on intra-communal integration: patriotism became equated with aggressive ´mother-country` ethnic nationalism and any Greek or Turkish Cypriot openly disagreeing with the pursuit of enosis or taksim ran the risk of being branded ´a traitor`, and thus become a potential assassination target. Most of the population, exposed to the miasma of such politics, were soon turned into an intimidated silent majority” (Galatariotou 2008: 854).
Im Zuge der Gewaltausbrüche, die dem Streit um politische Zuständigkeiten folgten, habe, so die Autorin weiter, ein sprachlich eingeleiteter Radikalisierungsprozess eingesetzt: „It was during and following the 1963-1964 fighting that the idea of the extermination of the other community was articulated, indirectly, by some individuals. In the modern world at least, the basic discourse of those pursuing a genocidal aim is always and everywhere the same. It is never, to start with, explicit and rarely if ever becomes explicit. It relies instead on metaphor, and it always draws on images of a split and clean, clear, part-object world: there is talk of ´us` and ´them`; of ´purity` and ´danger`; expulsion and murder are referred to as ´cleansing`; genocide as a ´necessary`, ´final` or ´only` solution; the imagined collective self is ´pure`; the collective other is initially given denigrating characteristics and subsequently becomes the dehumanized representative of these characteristics. For example in Cyprus ´the Turks` were described as ´dirty` before they were described as ´dirt`: a small linguistic difference, with genocidal implications” (Ibid.: 857).
Die Ausführungen erinnern an jene von Desmond Tutu für das Apartheidregime beschriebenen subtilen sprachlichen, institutionellen und praktischen Dehumanisierungsprozesse, die der gruppenbezogenen Gewalt in Südafrika vorausgingen und untermauern die Relevanz der im Diskurstheoriekapitel erörterten Eskalationsmechanismen. Ker-Lindsay unterstreicht die Polarisierung der traditionell eng verbundenen Volksgruppen durch zahlenmäßig geringe radikale Kräfte, die mit zunehmenden Diskriminierungspraktiken gegenüber den türkischen Zyprioten und auch mit steigenden ökonomischen Disparitäten verbunden war:
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12 Man ist, was man erinnert: Die zypriotische Konfliktgeschichte und ihr Gedächtnis „The following years saw a widening economic gap between the two communities. While Greek Cypriots experienced a small economic miracle, with gains in tourism and finance, Turkish Cypriots suffered from unemployment and growing poverty. Moreover, constant harassment by Greek Cypriot nationalist officials at control points, airports and government offices made the majority of Turkish Cypriots lose what was left of their trust in their Greek Cypriots compatriots” (Ker-Lindsay 20014: 35).
Das unterstreichen auch die persönlichen Erinnerungen vieler türkischer Zyprioten, die im Dokumentarfilm „Women of Cyprus“ (2009) von täglichen Übergriffen griechisch-zypriotischer Extremisten berichten. In den Enklaven, so erzählt eine Frau, habe man sich aufgrund massiver Entbehrungen und Isolation wie Bürger zweiter Klasse gefühlt. Doch sie zu verlassen sei in den Hochphasen der Gewalt verboten und lebensgefährlich gewesen. Sogar die Orangen, die aus der Türkei geliefert wurden, hätten Löcher gehabt, weil die griechischen Zyprioten sie zuvor auf versteckte Waffen untersucht hätten. Kurz nach dem griechischen Coup schließlich war das Klima, wie sich eine griechische Zypriotin erinnert, so angespannt, dass die türkischen Zyprioten in den meisten Supermärkten nicht einmal mehr bedient wurden (Evripidou und Nugent 2012). Diskriminierung und ein Klima der Angst trugen also offenkundig zur geographischen Trennung beider Volksgruppen bei. Die griechisch-zypriotischen Enosis-Befürworter nutzten diese Ausnahmesituation offenkundig, um sich ihren staatlichen Maximaleinfluss zu sichern. Wie aus den Berichten Galo Plazas hervorgeht, erscheinen die verhärteten Fronten ab 1963 als fragiles Gleichgewicht der Abschreckung mit der Hoffnung auf externe Intervention, die schließlich durch den griechischen Coup und die türkische Intervention erfolgt: „They are“, so Galo Plaza (nach Hakki 2007: 107) 1965, „still pointing guns at each other in a number of localities in the island by the danger or the hope, as the case may be, of possible intervention from the outside“. Seine Äußerung verweist auf das im Theorieteil erörterte Eskalationspotential von Asymmetrie, das sowohl für die Gewaltspirale zwischen den zypriotischen Extremisten als auch für die Haltungen der politischen Führungen erkenntnisreich scheint. Einen authentischen Eindruck des Klimas jener Zeit veranschaulichen die medialen Diskurse zwischen 1963 und 1974. Mit Blick auf den folgenden Abschnitt zur Erinnerungskultur und die Diskursanalyse des nächsten Kapitels erscheinen sie als untrügliches Indiz für die Maximalpositionen der politischen Führung, die ausgeprägte gesellschaftliche Nullsummenperspektive und das Ausmaß an Gewalt. 191 Artikel63 – hauptsächlich der größten Tageszeitung Phileleftheros entnommen – wurden dazu im zypriotischen Medienarchiv PIO recherchiert.64 Der erste Fokus liegt auf den Auseinandersetzungen im Dezember 1963 um die Verfassungsänderungsvorschläge Makarios und den blutigen Ausschreitungen, von denen sie begleitet waren. Politik und Bevölkerung scheinen geschlossen hinter dem Präsidenten zu stehen, der international um Unterstützung für die eigenen Forderungen wirbt. Seine Entschiedenheit und Klarsicht im Interesse der Nation werden mit großem Lob und Ehre bedacht. Die offenkundigen Reaktionen der türkischen Zyprioten, die vom politischen „Selbstmord“ sprechen, mit dem eine derartige Verfassungsänderung verbunden sei, werden als völlig unbegründet abgetan (SA1). Wie aus etlichen Berichten hervorgeht, lehnt die Türkei diese Vorschläge konsequent ab und 63 64
Die Artikel sind übrigens in der erwähnten Hochsprache Katharevousa verfasst, was die Verbundenheit der griechischen Zyprioten mit den Entwicklungen des Mutterlandes untermauert. Aus Gründen der Sparsamkeit seien die erörterten Diskursstränge im Folgenden zumeist ohne Einzelnachweise, sondern in Sammelangaben (SA) angegeben. Die zum jeweiligen Strang gehörigen Artikel können unter der entsprechenden Sammelangabe im Anhang dieser Arbeit eingesehen werden.
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droht im Falle unilateraler Schritte der griechischen Zyprioten offen mit Intervention. Die Türkei solle sich aus den inneren Angelegenheiten Zyperns heraushalten, solle ihren „Fanatismus“ und ihre „Eigeninteressen“ ablegen, heißt es polemisch. Eine Intervention – so bemühen sich etliche Artikel sie als unwahrscheinlich darzustellen – sei völkerrechtswidrig und würde dem Image der Türkei schaden (SA2). Griechenland stehe uneingeschränkt hinter Makarios, so wird betont. Seine Marine sei in Alarmbereitschaft, jedweden feindlichen Angriff abzuwehren (SA3). Die interethnischen Auseinandersetzungen erscheinen im Spiegel der griechisch-zypriotischen Presse ausschließlich als gezielte Gewalt- und Sabotageakte von „Extremisten“ und „Aufständlern“ gegen die „legitime Staatsgewalt“. Bezeichnenderweise tauchen die beiden Ethnien stets als „Griechen“ und „Türken“ auf. Türkisch-zypriotische Opfer, von denen ja wesentlich mehr zu beklagen waren, finden kaum Erwähnung und wenn, gelten sie als selbstverschuldet (SA4). „Das griechische Zypern beerdigt heute sechs seiner Kinder, die der türkischen Front zum Opfer fielen“ titelt der Phileleftheros (55). Verweise auf NATO-Manöver und militärische Drohgebärden der Türkei zeigen, wie brisant die Lage schon 1963 war (53). Gleiches gilt für die Berichterstattung über die Gewalt von 1967 – also, als fast ein Viertel der türkischen Zyprioten bereits in Enklaven lebte und der interethnische Alltag durch Segregation und Gewalt geprägt war. Das Massaker an türkischen Zyprioten erscheint hier noch als gekonnter „Blitzfeldzug“ zur Wiederherstellung der Ordnung, die durch „türkische Terroristen“ gestört worden sei (SA5). Wie erwähnt, wird General Grivas von Makarios daraufhin entlassen und agiert in den Folgejahren in Kooperation mit Teilen der griechischen Junta im Untergrund. Bis 1974 schließlich hat sich das Verhältnis zwischen Makarios und den Militärs drastisch verschlechtert. Auch die Bevölkerung scheint sich von den Aktivitäten der EOKA-B zunehmend zu distanzieren. Die Artikel von Mai bis Juni 1974 illustrieren anschaulich die Zuspitzung der Fronten: Nahezu täglich finden sich Berichte über Waffenraube oder die Aufdeckung illegaler Depots. Makarios entlässt Teile der Nationalgarde und führt Kontrollmechanismen für Neubesetzungen ein. 60 Lehrer, heißt es, seien aufgrund von Verbindungen zur EOKA-B entlassen worden (51). Bis Ende Juni scheinen sich die Ereignisse zu überschlagen: Von Großdemonstrationen gegen die EOKA-B, von Sabotageakten, Morden und der Aufdeckung ihres Hauptquartiers ist die Rede. In wütenden Kommentaren machen Autoren ihrem Ärger über die griechischen Militärs Luft, die sich – so der Vorwurf – in Eigenregie der nationalen Sache angenommen hätten und dabei in Zyperns Souveränität eingriffen (SA6). Die Verbindungen zwischen EOKA-B und den griechischen Militärs sind also zu dem Zeitpunkt kein Geheimnis mehr und werden von der Bevölkerung (so zumindest stellt es die Presse dar) mehrheitlich abgelehnt. Die Enosis scheint damit nicht mehr auf der Agenda, dafür allerdings die maximale Durchsetzung der griechisch-zypriotischen Souveränität, die in einem angeheizten Klima gegenseitiger Unterstellungen und militärischer Drohgebärden ausgefochten wird: Dabei betonen UN, Türkei und türkische Zyprioten den unbedingten Fortbestand der föderalen Struktur, was die Medien mit wütenden und diffamierenden Kommentaren – vor allem gegenüber der Türkei – quittieren. Griechische Kriegsschiffe, so heißt es kurz vor der türkischen Intervention, seien in der Ägäis bereits auf Konfrontationskurs gegen etwaige expansionistische Absichten der Türkei (SA7). Damit endet die Berichterstattung und beginnt erst wieder im September 1974, also zwei Mo-
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nate nach der Intervention. Berichte von Massakern an der Zivilbevölkerung, von Massenvergewaltigungen und dem Bangen um die Vermissten, großflächige Bilder von Trauerzügen und Klageschriften vermitteln einen Eindruck des gesellschaftlichen Leids. Dazu heißt es bitter: Das märtyrerische Volk Zyperns habe den Preis für Griechenlands Freiheit bezahlt, während sich die Türkei ihres angeblich heldenhaften Einmarsches rühme. Dabei hätten auch die NATO und die CIA ihre Finger im Spiel gehabt. Ein Bild von Kissinger ist mit den Worten „Wanted by the Cypriots“ versehen (86). Während die griechisch-zypriotische Seite zwischen Bangen und Hoffnung auf eine baldige Rückkehr verharrt – es wird von allnächtlichen Gebeten Makariosʼ berichtet – macht Denktaş vor dem Hintergrund der neuen Kräfteverhältnisse unmissverständlich klar, dass er kein Interesse an der Revision des Status quo hat (SA8). Die Berichterstattung der Konfliktjahre ist in vielfacher Hinsicht aufschlussreich. Allein die Überschriften der Berichte von 1963 (der Leser möge sie im Anhang in deutscher Übersetzung en Detail einsehen), wie zum Beispiel „Im Sinne einer reibungslosen Funktion zielt Makarios auf radikale Reformen“ (5), „Meldungen über türkisches Ultimatum gänzlich falsch“ (11), „Starker Einsatz für die Zypernfrage in Paris“ (14), „Die Türken [gemeint sind die türkischen Zyprioten, A.d.V.] wollen Blutvergießen um jeden Preis“ (33), „Großbritannien macht unmissverständlich klar, dass die Vorschläge Makarios als innerzypriotische Angelegenheit behandelt werden müssen“ (34), „Die griechischen Streitkräfte in kontinuierlicher Alarmbereitschaft“ (40), oder „Griechenland wird jedwede feindliche Handlung der Türkei im Keim ersticken“ (45) zeigen eindrücklich die zeitlosen Charakteristika des dominanten Diskurses auf, der von Internationalisierungsbemühungen und der Suche nach Koalitionspartnern, bis zur mit wütender Vehemenz der eigenen Rechtmäßigkeit vorgetragenen Maximalpositionen reicht. Erstens stimmt also die retrospektive Konstruktion vom vermeintlich friedlichen Zusammenleben, das allein durch äußere Intervention gestört worden sei, keineswegs. Vielmehr scheint tatsächlich die von Georgatzis dargelegte Strategie zunächst staatstragend gewesen zu sein, die durch das maximale Ausreizen des Möglichen im Hinblick auf die politische Verdrängung der türkischen Zyprioten vollzogen werden sollte, ohne der Türkei dabei Anlass zur Intervention zu geben. Die Gefahr solch einer Intervention erschien dabei – auch dies schmälert die Berechtigung vom Vorwurf der geheimen Teilungsabsichten – völlig klar, wurde aber offenkundig vor dem Hintergrund nationalistischer Hochstimmung bewusst verkannt. Ein unbestreitbarer Indikator dafür ist die nationale „Etikettierung“ von Ingroup- und Outgroupidentität: So ist im Hinblick auf die türkischen Zyprioten zumeist von „Türken“, von der eigenen Gemeinschaft als den „Griechen“ die Rede. Vor dem Hintergrund, dass seit der türkischen Intervention und nach Aufgabe der Enosis-Bestrebungen im Interesse der Legitimation der Wiedervereinigung von „Zyprioten“ die Rede ist, zeigt sich hier par excellence die strategische Dimension kollektiver Identität. Zweitens unterstreichen die Artikel die widersprüchliche Haltung zu Griechenland, auf dessen Schutz man zwar hoffte, dessen Einmischung man aber zunehmend zurückwies. Keines der beiden Ziele – die politische Verdrängung der türkischen Zyprioten und die Rettung durch das Mutterland – wurden realisiert. Vielmehr erscheint der nationalistische Eifer der frühen 1960er Jahre offensichtlich die sprichwörtlichen Geister hinaufbeschworen zu haben, die in der Folge unkontrollierbar wurden. In der Museen-, Schulbuch- und in der Medienanalyse wird am
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Beispiel der nationalistischen Zeitung „Máhi“ zu zeigen sein, dass die Beziehung der griechischen Zyprioten zum Mutterland bis heute auf einem fundamentalen Widerspruch gründet. Historisch ist es das Spannungsverhältnis zwischen Souveränitäts- und Ermächtigungsaspirationen bei gleichzeitiger staatlich-kultureller Orientierung an Griechenland (zur Legitimation eben dieser Souveränitäts- und Ermächtigungsansprüche), nach 1974 der ambivalente Umgang mit der historischen Schuld Griechenlands. Drittens war offenkundig trotz der innenpolitischen Ausnahmesituation und der sich abzeichnenden Gefahr einer kriegerischen Auseinandersetzung zu keiner Zeit der Wille zu einem für die türkischen Zyprioten annehmbaren Kompromiss vorhanden. Viertens – für die Frage nach den gegenwärtigen Facetten der soziopsychologischen Infrastruktur der griechisch-zypriotischen Gesellschaft möglicherweise am relevantesten – zeigt sich das dramatische Ausmaß an Gewalt und Schrecken, das die Beziehungen der zypriotischen Gemeinschaften bis heute überschattet und die tiefe Verstrickung von Schuld- und Leidfragen, die – so illustriert der zweite Teil dieses Kapitels – durch die zypriotische Erinnerungskultur kaum tangiert und somit nicht aufgearbeitet werden. Die Etikettierung der türkischen Zyprioten („die Türken“, „die Meuterer“ etc.), die völlige Delegitimierung ihrer Positionen („völlig inakzeptabel“) und gänzliche Negierung ihrer Bedürfnisse verweist anschaulich auf den Effekt von Kolonisierung und Abwertung als Ausdruck asymmetrischer Beziehungsmuster und auf die offenkundig immense Entfremdung der Konfliktparteien im Zeichen zunehmenden Misstrauens und argwöhnischer Unterstellungen böser Absichten bei gleichzeitig ständigem Verweis der griechischen Zyprioten auf den vermeintlich homogenen Volkswillen, wie er für die ethnisch-exklusive Nation und populistische Gemeinschaftsauffassungen charakteristisch ist.
12.2 Der lange Schatten der Vergangenheit: Erinnerungen an die Konfliktjahre 12.2 Der lange Schatten der Vergangenheit: Erinnerungen an die Konfliktjahre 12.2.1 Das dominante Gedächtnis der griechischen Zyprioten „History is presented as a holy truth whose questioning is an act of sacrilege. […] We endlessly debate in Cyprus on whose history is correct, ours or theirs, the Left´s or the Right´s, and what we miss in all this, is the most obvious. That history is and can only be an open continuing debate among informed perspectives“ (Papadakis 2010: 65).
Die zypriotischen Nationalismen, wie sie sich in Erinnerungsorten, im öffentlichen Diskurs und im Schulunterricht manifestieren, sind wie ihre Mutterlandsvorbilder allgegenwärtig, nahezu monolithisch, um Linearität und moralische Erhabenheit bemüht. Papadakis bezeichnet die „Geschichte“ denn auch ironisch als ein Hauptakteur im „Kampf“ um politische und territoriale Rechte, in der alle An- und Widersprüche, Hierarchien und Machtkämpfe, Wunschphantasien und Verdrängtes gebündelt zum Ausdruck kämen und in der die Historiker sich traditionell zugleich als politische Unternehmer verstünden. Daraus resultiert eine Funktion von Geschichte, die als Reinform des Monumentalcharakters mit seinen Hierarchien und Leerstellen erscheint: „This state of affairs gives rise to certain social paradoxes […]: an almost religious yet strongly secular discourse; an intense preoccupation with history leading to an outcome where nothing can belong to the past and so, in effect, there is no history; the overtly political use of history in tandem with an abhorrence
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12 Man ist, was man erinnert: Die zypriotische Konfliktgeschichte und ihr Gedächtnis for any political use of history; the overwhelming of an official/dominant historical narrative and the proliferation of unofficial stories” (Bryant und Papadakis 2012: 4; Papadakis 2005: 34).
Papadakis bringt hier pointiert Form und Dimensionen von Geschichte zum Ausdruck, die so charakteristisch für das allgegenwärtige Ringen um „Wahrheit“ und die ambivalente Gleichzeitigkeit zwischen institutionellen und sozialen Erinnerungen ist, wie sie im folgenden Abschnitt veranschaulicht werden soll. Wie allgegenwärtig Geschichte bzw. historische Ressentiments sind, zeigt sich bereits eindrücklich in der Tatsache, dass sie häufig als Schablone für die Bewertung der Gegenwart fungieren. Das zeigt Heraclides (2014: 116) am Beispiel der neuralgischen Schlagworte Enosis und Taksim, die als fortwährende, bedrohliche Agenda des Anderen erscheinen: „Thus, for instance, even the accession of the RoC [Republic of Cyprus, a. d. V.] to the EU is seen by the Turkish Cypriots (and many in Turkey) as indirect enosis with Greece; and as for the Greek Cypriots (and many in Greece), any concept of federation is seen as stepping stone to taksim”. Diese gegenseitigen Vorwürfe suggerieren ein statisches und universalistisches Verständnis des Anderen und sind damit, wie im zweiten Teil dieses Abschnittes am Beispiel der Museen des Nationalen Kampfes illustriert werden soll, bezeichnend für weite Teile der institutionellen Erinnerung beider Gesellschaften, die Komplexität und Dynamik aussparen. Spätestens nach 1974 nämlich werden die Enosis-Bestrebungen endgültig aufgegeben und tauchen im Diskurs kaum mehr auf. Auch die Beziehung zum Mutterland kühlt sich merklich ab. Denn beides – die Enosis-Agitation und der Putschversuch – werden als ursächlich für die Inselteilung angesehen. Erklärtes Ziel wird und bleibt bis heute die Rückkehr zum Status quo ante von 1960. Auf Identitätsebene erscheint dies, wie zu zeigen sein wird, durch eine Hinwendung zur eigenen Geschichte und durch die erstmalige Konjunktur einer zypriotischen Identität. Die Erinnerung an die Konfliktgeschichte soll die Legitimität der nationalen Ziele untermauern. So wird der unbequeme Teil zwischen 1960 und 1974 aus dem öffentlichen Diskurs verdrängt. Nicht nur wird kaum über die brisanten Ereignisse gesprochen, qua Regierungsverordnung darf es, wie die Verfasserin im Gespräch mit einem Museumführer erfuhr65, sogar keinen staatlichen Erinnerungsort geben, der diesen Zeitraum darstellen würde. Vor allem die EOKA-B, die ja nach Staatsgründung weiterhin für die Enosis kämpfte, ist im Diskurs praktisch inexistent.66 Zur Untermauerung der Legitimität einer Rückkehr zum Status quo von 1960 rückt in der institutionellen Erinnerung der griechischen Zyprioten der Freiheitkampf gegen die Kolonialherren in den Vordergrund, der in Feiertagen, Museen, Denkmälern, Geschichtsbüchern und Medien zum Ausdruck kommt. Der Hellenismus dient – obgleich das Verhältnis zum Mutterland angespannt ist – weiterhin als notweniges Mittel zur Untermauerung des autochthonen Statusʼ der griechischen Zyprioten. Geschichtsbücher betonen in diesem Sinne den zweitausendjährigen griechischen Charakter der Insel. Der heroische Befreiungskampf des Mutterlandes vom osmanischen „Joch“, so präsentiert sich das Narrativ, habe die zypriotischen Hellenen
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Interview der Verfasserin vom 23.04.2013 im Museum des Nationalen Kampfes in Nikosia. Vgl. insbesondere die Dokumente und Erklärungen des staatlichen Presseamtes unter: und die Regierungserklärungen unter: [abgerufen am 02.02.2016].
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zum erfolgreichen Aufstand gegen die Kolonialherren motiviert und damit der jahrhundertelangen Fremdherrschaft über die Insel ein glückliches Ende gesetzt. Parallel dazu entsteht der Slogan vom jeher friedlichen Zusammenleben mit den türkischen Zyprioten, der die interethnische Gewalt verharmlost (Demetriou 2012: 63-65). Ursache der Inselteilung sei, wie bereits im Vorangehenden einleitend erörtert, allein die türkische Aspiration, die von Großbritannien und den USA unterstützt worden sei, um dem „Zankapfel“ an der Südostflanke des transatlantischen Militärbündnisses seine sicherheitspolitische Sprengkraft zu entziehen. Das suggeriert eine historische Kontinuität von Fremdbestimmung, die das eigene Verschulden am Status quo und auch das Verschulden der griechischen Junta übertüncht. Stattdessen kreist der Diskurs, wie Bilder des öffentlichen Raumes, Medien, Internetpräsenzen der Regierung oder touristische Broschüren belegen, um Leid, Unrecht und die von Politik und Kirche gepflegte Hoffnung auf Rückkehr in die verlorene Heimat. Ist die Erinnerung des öffentlichen Raumes im Südteil also gespickt mit Referenzen an Unterdrückung und Leid, finden sich – wie Papadakis treffend bemerkt – interessanterweise keine Erinnerungsorte für das „friedliche Zusammenleben“ (Papadakis 2003:254). Die folgenden kommentierten Photographien aus dem öffentlichen Raum beider Inselteile – beschränkt auf Artefakte mit (impliziter oder expliziter) politischer Botschaft – unterstreichen die Rolle eben jenes Raumes für das Verständnis des Konfliktes. Zu ihm zählen Transparente, Denkmäler, Fahnen, der Umgang mit der Grenze oder Ausstellungsobjekte, die das selektive Opfernarrativ wie auch die stilisierte Hoffnung auf Rückkehr zum Status quo ante illustrieren: Artefakte des öffentlichen Raumes Südzypern mit politischer Botschaft Auf dem Bild ist das 1973, also noch vor der Inselteilung errichtete „Liberty Monument“ zu sehen. Es befindet sich im Herzen Nikosias und ist eine Hommage an den Freiheitskampf der EOKA; eine Hommage, die offenkundig berühmte nationale Symboliken (z.B. die Lady Liberty) konnotiert und damit Zypern offenkundig zu den anderen Nationen gezählt wissen möchte, die sich durch den Freiheitskampf konstituierten. Ganz oben thront allegorisch die Freiheit selbst, während zwei EOKA-Kämpfer die Gefängnisgitter emporziehen, damit das Volk in die Freiheit treten kann (Abb. 15). Hier sieht man ein vom Gemeinderat des Dorfes Potamia (griechisch-zypriotischer Süden) gestiftetes Denkmal, das zwei Vermissten huldigen soll. Die weiße Marmortafel zwischen den beiden nachgeformten Statuen ziert ein Gedicht an ihre Unsterblichkeit. Name, Geburts- und Datum des Verschwindens, sowie die massiven Steinplatten erinnern offenkundig an ein Grab. Sie sind damit nicht nur symbolisches Anklageobjekt, sondern verweisen auch auf die im letzten Teil des Kapitels zu erörternde emotionale Herausforderung für die Angehörigen von Vermissten, die an keinem Grab trauern können (Abb. 16).
Abbildung 15
Abbildung 16
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Die Photographie zeigt einen Kebab-Stand in der Altstadt Nikosias, der unmittelbar an der Grenze gelegen ist. Sein Name „Berlin Wall“ bzw. „Berlin No. 2“ verweist offenkundig auf den Wunsch, auch Nikosia möge nach deutschem Vorbild wiedervereinigt werden. In diesem Sinne sprechen die griechischen Zyprioten auch gern von der „letzten geteilten Hauptstadt Europas“ (Abb. 17).
Abbildung 17 Ein anklagendes Transparent am Eingang zu Pufferzone und Grenzübergang „Ledra Palace“ steht im Zentrum dieser Photographie. Es zeigt die Exekution bzw. den Lynchmord zweiter griechischer Zyprioten durch türkische Soldaten bzw. türkische Zyprioten von 1996, die geschahen, nachdem beide zu unterschiedlichen Anlässen in die Pufferzone gedrungen waren. Sie stehen für den einzigen blutigen Zwischenfall seit 1974 und gelten als Nationalhelden. Die Auseinandersetzungen motivierten, wie im vorangehenden Kapitel erwähnt, beinahe einen heißen Konflikt zwischen den Mutterländern (Abb. 18).
Abbildung 18 Beide Bilder zeigen jeweils unterschiedliche Aufnahmen der Grenze vom griechisch-zypriotischen Süden aus fotografiert. Auf dem linken sieht man die an unzähligen Orten der Grenze angebrachten Masten mit der griechischen und zypriotischen Fahne, die an das unerlöste Territorium auf der anderen Seite erinnern sollen. Die Grenze wirkt dabei äußerst provisorisch. An etlichen Stellen könnte man die durch Fässer (rechts) oder durch halb verfallene Zäune markierte Pufferzone leicht überwinden (Abb. 19 und 20). Auch diese beiden Aufnahmen aus der Altstadt Nikosias vermittlen einen Eindruck vom Provisorium, als dass die Grenze vom Süden her erscheint. In der Straße, die auf dem oberen Bild zu sehen ist, wohnte die Verfasserin drei Monate während ihrer Forschungsaufenthalte. Das Grenzhäuschen erinnert offenkundig an eine griechische Fahne. Das Haus im Hintergrund hinter den blauweißen Fässern liegt bereits in der Pufferzone. Man kann an seiner Fassage Einschusslöcher erspähen und durch die halb geöffneten Fenster Mobiliar, dass seit 1974 verlassen ist. Es ist unter Lebensgefahr untersagt, die Pufferzone zu betreten. Indes müsste man schlicht an den blauen Fässern vorbeigehen und wäre schon in ihr. Die Widersprüchlichkeit dieser Tatsache, wie auch, dass das Grenzhäuschen nur an wenigen Stunden des Tages besetzt ist, erweckt den Eindruck, dass die griechischen Zyprioten in ihrem gleichsam widerwilligen Umgang mit der Grenze uneins sind. Das untere Bild zeigt ebenfalls einen Blick auf die Grenze im Herzen Nikosias. Die Pufferzone ist hier so schmal, dass man bereits – an der türkischen und türkisch-zypriotischen Fahne im Hintergrund – den Beginn des besetzten Territoriums erkennt [Alle Bilder entstammen der Verfasserin] (Abb. 21 und 22).
Abbildung 19
Abbildung 21
Abbildung 22
Abbildung 20
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Alle drei Bilder entstammen einer Ausstellung von Schülermalereien, die 2013 im Rahmen des staatlichen Bildungsprogramms „Ode an die Freiheit“ entstanden. Die Verfasserin entdeckte sie bei ihrem Besuch des Erzbischofspalastes. Das linke ist offenkundig von der Idee des primordial-transzendenten Heilsnarrativs inspiriert. Es zeigt die symbolischen Tiefenschichten des zypriotischen Freiheitskampfes und sein (erhofftes) glückliches Ende: Die Kinder an der leuchtenden Oberfläche halten Transparente mit dem Wort „Freiheit“ in die Luft. Die beiden Bilder rechts erscheinen der Verfasserin charakteristisch für die klassische Genderrolle der passiv leidenden Frauen und ihrer wirkmächtigen Opfersymbolik. Das untere verweist auf die präsente Kollektivsymbolik der göttlichen Erlösung bzw. Gerechtigkeit, an der die griechischen Zyprioten „festhalten“ sollen. Im nächsten Kapitel, der Schulbuchanalyse, wird darauf zurückzukommen sein (Abb. 23, 24 und 25).
Abbildung 23
Abbildungen 24 und 25
Die allgegenwärtige Symbolik des Nationalnarrativs wird auch an einer ganzen Reihe von Feiertagen zelebriert: Neben den beiden griechischen Nationalfeiertagen (25. März und 28. Oktober) feiern die griechischen Zyprioten am 1. April den Beginn des „Freiheitskampfes“ der EOKA – er gilt also interessanterweise nicht als Kampf für die Enosis. Am 1. Oktober wird mit großen Militär- und Schülerparaden der Unabhängigkeitstag gefeiert. Bezeichnenderweise wird er indes erst seit 1979 begangen – also erst im Zuge der Besinnung auf eine zypriotische Identität. Um die erwünschte Botschaft effektiv an die Folgegeneration weiterzugeben wurde, wie Papadakis (2010: 61-67) scharfsinnig bemerkt, der Unabhängigkeitstag, der historisch auf den 16. August und damit in die Schulferien fiel, extra um sechs Wochen nach hinten verschoben. Unterhalb der Ebene der gesetzlichen Feiertage gedenkt insbesondere die nationalistische DISY am 29. Mai der beklagenswerten Eroberung Byzanzʼ durch die Osmanen und am 20. Juli der „brutalen türkischen Invasion“ (Papadakis 2003: 256258). Regelmäßig organisieren die geflüchteten Vertreter nordzypriotischer Kommunen Paraden, in denen Schüler in Schuluniformen und mit Transparenten mit den Namen der „unerlösten“ Gemeinden durch die Straßen ziehen, um die Allgegenwart der Erinnerung an die verlorene Heimat zu demonstrieren. Sie hat Ausdruck im Slogan Δεν Ξεχνώ („Ich vergesse nicht“) gefunden, der zu einem Kollektivsymbol für das eigene Leid und die Erinnerung an die Vermissten geworden ist. Auch im Internet ist er Abbildung 26 – „Ich vergesse nicht“ (Google - Sceenshot) – wie so viele Symbole des
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Zypernkonfliktes – allgegenwärtig. Abb. 26 zeigt die ersten Bilder, die Google anzeigt, gibt man den Slogan als Suchbegriff ein. Die blutunterlaufene Inselsiluette und die verzweifelten Frauen, die Bilder ihrer vermissten Angehörigen in die Höhe halten, sind zu Kollektivsymbolen für die eigene Opferrolle geworden. Sie gelten, wie gleich zu zeigen sein wird, auch für die türkischen Zyprioten. Fein inszeniert und emotional gebündelt kommen die dominanten, ethnisch-exklusiven und zugleich an den Mutterländern orientierten Narrative der beiden Gemeinschaften in Erinnerungsorten zum Ausdruck, die dem jeweiligen nationalen Befreiungskampf gewidmet sind. In allen steht, wie Papadakis (1994) in seinem Essay über die Museen nachzeichnet, externe Gewalt und eigene Opferrolle im Fokus, beide sind mit Referenzen an die primordialen Nationalnarrative durchzogen. Während die türkischen Zyprioten dabei die Grausamkeiten der griechischen Zyprioten veranschaulichen, drehen sich die griechisch-zypriotischen Erinnerungsorte um Unterdrückung und erfolgreichen Aufstand gegen die britischen Kolonialherren. Was jedoch in Papadakis´ (im übrigen bilderlosen) Analyse nicht explizit zum Ausdruck kommt, Abbildung 27 sind die primäre Ausrichtung dieser Museen auf die Jugend, ihr forensischer Wahrheitsanspruch durch Visualität und Haptik, wie auch der in vielen Karikaturen zum Ausdruck kommende emotionale Geltungsdrang beider Gemeinschaften, der bis heute bezeichnend für ihre politische Kultur ist. Diese Aspekte seien im Folgenden erörtert. Das griechisch-zypriotische Musio Agonos ist im Gebäudekomplex des zypriotischen Erzbischofpalastes untergebracht und dem Freiheitskampf der EOKA von 1955-1960 gewidmet.67 Es hört also Abbildung 28 vor der brisanten Konfliktphase auf, denn diese ist – wie erwähnt – zu umstritten, brisant und unbequem, als dass sie Teil der institutionellen Erinn erung werden könnte. In Abfolgen großer, mit Titeln versehener Bildkollagen zeigt es Szenen demonstrierender griechisch-zypriotischer Menschenmassen, patrouillierender und schikanierender britischer Polizei (Abb. 27). Berichte internationaler Zeitungen zu den Unruhen auf Zypern und den Strafmaßnahmen der Briten sollen das internationale Interesse und die Legitimität der Darstellungen unterstreichen. Hinter beleuchteten Vitrinen finden sich persönliche Gegenstände der Kämpfer nebst zeitgeschichtlichen, internationalen Presseberichten zum Aufstand auf Zypern, der sein weltweites Echo unterstreichen soll (Abb. 28). An der Decke im obersten Stock der atriumartig und aufsteigend angerichteten Räumlichkeiten hängt ein Galgen. Auf selber Höhe liegt eine Wand aus rechteckigen Schreinen mit Photographien der gefallenen Helden. 67
[abgerufen am 04.04.2017].
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Jedes Bild ist mit einer flackernden LED-Lampe erleuchtet (Abb. 29 und 30). Daneben ist ein Lorbeerkranz mit – wie das Etikett informiert – Erde vom Parthenon platziert. Die architektonische Konzeption – man steigt gleichsam kreisförmig zum „Schicksal der tragischen Helden“ hinauf – wie auch der Standort des Museums sind keineswegs zufällig: In unmittelbarer Nähe zum Erzbischofssitz symbolisiert das Museum auch physisch die Nähe zum nationalen Narrativ und zum Zentrum der politischen, wie auch der geistlichen Macht, das in der Person Makariosʼ zum Ausdruck kommt (Papadakis 1994: 402). Lorbeerkranz und Erde des Parthenon sind unAbbildung 29 Abbildung 30 übersehbare Symbole der Zugehörigkeit Zyperns zum Hellenismus. Positionierung und Konzeption des Museums sagen aber noch mehr aus, als die Kuratoren vermitteln wollen. So wirkt es als kleines, unscheinbares Gebäude ohne äußere Inschrift hinter dem riesigen, prunkvollen Bischofssitz relativ versteckt. Es ist offensichtlich, dass es sich hier nicht um einen zur Schaus gestellten, etwa für touristische Zwecke konstruierten Erinnerungsort handelt. WennAbbildung 31 gleich etliche Überschriften auch auf EngAbbildung 32 lisch erscheinen, ist die primäre Zielgruppe lokal: Ein Blick auf die Öffnungszeiten – das Museum ist zumeist nur wochentags von 8 bis 14 Uhr geöffnet – legt die Vermutung nahe, dass es in erster Linie für Schulklassen konzipiert ist. Auf Nachfrage der Verfasserin bestätigte der Museumsführer, dass Schulklassen den prozentual weitaus größten Teil der Besucher ausmachten. Sie sind offensichtlich die wichtigste Zielgruppe, auf die die haptisch, visuell und emotional aufgeladene Ausstellung ausgerichtet ist. Augenfällig ist in diesem Sinne die Überpräsenz von Originaldokumenten aus der geheimen Korrespondenz der EOKA-Kämpfer und persönlichen Gegenständen, von Kleiderfetzen, Patronenhülsen, Tagebüchern, Landkarten, bis hin zu Kochutensilien. Unter einer illuminierten Patrone findet sich die Aufschrift: „Fragment of the bullett from the place where hero Petrakis Yiallouros fell“ (Abb. 31). In einem bewegenden Abschiedsbrief an seine Mutter schreibt „Held“ Palikarides am Abend vor seiner Exekution durch die Briten, wenn sie diese Zeilen lese, werde er nicht mehr unter ihnen weilen. Doch, was gäbe es Glorreicheres, als für die Freiheit zu sterben. Die Orientierung an diesen erhaltenen Bruchstücken einer zu rekonstruierenden bzw. zu bewahrenden Epoche erinnert an Ausstellungskonzepte archäologischer Museen – wie
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Abbildung 33
Abbildung 34
Abbildung 36
des Museé Sentimental. Visualität und Haptik sollen die Geschichte für die junge Generation lebendig halten: Bilder, Berichte und Gegenstände der Kämpfer, die sich als Untergrundrebellen in den Bergen des Trodosgebirges versteckten, wie die in der Photographie (Abb. 32) abgebildete, in Realgröße geformte Gips-Installation suggeriert, Eide auf Heldentum und Opfertod schworen und die strategisch und intellektuell unterlegenen Briten durch gewiefte Manöver an der Nase herumführten, soll ergreifen, erheitern und die Ingroup in moralisch-strategischer Überlegenheit erstrahlen lassen. Insbesondere Karikaturen bringen die erwünschte Erhabenheit eindrücklich zum Ausdruck. Obgleich sie als bissig-humoristisches Zeugnis dieser Überlegenheit gemeint sind, sagen sie doch mehr über die Emotionen ihrer Macher aus, als die Zeichnungen darzustellen beabsichtigen: Abb. 33 mokiert sich über das britische Ultimatum an die EOKA-Kämpfer. Die „Kapitulationsstelle“ bleibt gähnend leer. Schilder, die korrekte Einreihung in die Warteschlange anmahnten, lassen das Ultimatum vollends lächerlich erscheinen. Den Kräften der Comic-Figur Popeye gleich erscheint Grivas im Bild darunter, wie er die Briten als Bowling-Kegel hinwegfegt (Abb. 34). Offen kundig soll er für die Kinder, die die Ausstellung besuchen, als Vorbild fungieren. Noch aussagekräftiAbbildung 35 ger indes sind die drei Karikaturen darunter: Während erstere die so grausame wie offenkundig anzügliche „Zersägung“ der Insel Zypern in Form einer wehrlosen Frau durch den britischen Premier Macmillan als Symbol für die gleichsam unnatürliche Inselteilung aufzeigt (Abb. 35), sieht man im zweiten den in einem winzigen Boot an der amerikanischen Freiheitsstatue vorbeifahrenden Makarios. Mit überheblich-ungläubiger Miene – sie hält sich ein Brillengestell vor das Antlitz, um das winzige Gefährt zu ihren Füßen zu beäugen – mustert die Statue das Boot (Abb. 36). Augenscheinlich kommt hier der Vorwurf der Doppelmoral der großen Nationen zum Ausdruck, die für sich als selbstverständlich erachten, was sie anderen vorenthalten. Das deutet sowohl auf die im Theorieteil erörterte Spannung zwischen Nationalismus und Kolonialismus wie auf den damit verbundenen, bis heute immer wiederkehrenden Vorwurf der Degradierung, der bis heute das Konfliktverständnis der Zyprioten prägt. Vor diesem Hintergrund scheint es nur folgerichtig, dass Makarios – wie die
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unterste Karikatur zeigt – das als wehrlose Frau personifizierte Zypern vor den säuselnden Stimmen der internationalen Gemeinschaft mit ihren Teilungs- und Verfassungsplänen, allen voran der Briten und US-Amerikaner, „abschirmt“ (Abb. 37). Bezeichnenderweise war es genau diese warnende Rhetorik, derer sich Präsident Papadopoulos noch in den Monaten vor dem Referendum 2004 bediente, als er jedwede Argumente externer Akteure als manipulative Einmischung in die inneren Angelegenheiten Zypern diffamierte. In der Karikatur darunter erscheint das antike Griechenland in der Rolle der Schutzmacht – ebenfalls in Form einer anmutigen Frau, die den „Attacken“ und Überredungsversuchen der Nato-Player standhält (Abb. 38). Der Galgen, wie auch die wandhohen Transparente, auf denen detailgenau grausam zugerichtete, leblose Körper abgebildet sind (Abb. 39), oder etwa eine lebensgroße Gipsplastik, die eine Gruppe von Demonstranten mit griechischer Fahne darstellt, wie sie von britischen Aufsehern mit einem Knüppel angegriffen werden, soll eben diese Unmittelbarkeit und damit auch die erwähnte „Zeitlosigkeit“ von Geschichte unterstreichen. Zugleich vermitteln die zahlreichen materiellen „Relikte“ die Wahrhaftigkeit, also den universellen Geltungsanspruch des Dargestellten. Abbildung 37 Auch dieser Aspekt verbindet sich, wie an zahlreichen Stellen der folgenden Diskursanalyse immer wieder zu zeigen sein wird, mit dem Kollektivsymbol der aufzudeckenden, zu bewahrenden, zu verteidigenden „absoluten Wahrheit“. Auch auf die überaus zweifelhafte Konfrontation von Kindern mit derartigen Grausamkeiten wird in der Diskursanalyse zurückzukommen sein. In jedem Fall, so lässt sich resümieren, beabsichtigt die Ausstellung, Emotionen und Phantasien zu evozieren, durch die die mit dem Gründungsmythos der griechischen Zyprioten verwobene Epoche in all ihren Abbildung 38 Alltagsfacetten greifbar wird. Diese aus den 1960er Jahren stammenden Karikaturen, so könnte man pointiert zusammenfassen, scheinen dabei mehr über die soziopsychologische Infrastruktur, das Selbstbewusstsein und das dominante Weltbild vieler griechisch-zypriotischer Regierungen auszusagen, als die Sachanalysen ihrer Verhandlungspositionen. Denn sie versinnbildlichen Abbildung 39 den tief mit der Geschichte verbundenen Argwohn gegen die internationale Gemeinschaft und die empfundene, eigene Machtlosigkeit. Sie sind damit ein anschauliches Beispiel für die in Kapitel 7 erörterten „Spuren“ bzw. historischen Relikte (Assman, Kramp), verstanden als Gegenstände der Vergangenheit, die in der Gegenwart gewollt oder ungewollt neue Bedeutungsschichten erhalten.
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Auffällig sind schließlich auch hier die Genderrollen, die die nationale Symbolik durchziehen: Offenkundig ist die Nation – ob nun Griechenland oder Zypern – eine Frau, deren Ehre, Anmut und Reinheit es vor den – pointiert gesprochen – hässlichen und manipulativen „grauen Eminenzen“ der Weltpolitik zu schützen gilt. Solche Symboliken – man erinnere sich, dass sie primär für Kinder gedacht sind – erscheinen als ungeheuer wirkmächtige Konstruktion einer normbeladenen, perfekten Opferrolle, die – man denke an Andersons Konzept der Schicksalshaftigkeit zurück – den Tod für die (Mutter-) Nation als selbstlos und erhaben erscheinen lässt. Die stilisierte Hilflosigkeit und Frömmigkeit, wie sie in Mimik, Haltung und Kleidung der personifizierten Insel zum Ausdruck kommt, deutet so auch auf ein durchaus positiv konnotiertes Idealbild von Passivität und Dependenz, dass – im Versöhnungskapitel wird darauf zurückzukommen sein – auf die politische Kultur Zyperns verweist. Mit anderen Worten: Moralische Erhabenheit in Person eines weiblichen Stereotyps als Repräsentation der Nation erscheint hier geradezu als Ausgleich für die realpolitische Schwäche, schützt das positive Selbstbild der Gemeinschaft und unterstreicht damit sowohl den TSI-Befund der sozialen Distinktheit durch Identitätsaffirmation, wie auch den Ausgleich von identitärer Unsicherheit und Schwäche durch die normative Bindung an ein Kollektiv (den Hellenismus). Die zypriotischen Nationalhelden – das unterstreicht ihre Bedeutung für die griechischzypriotischen Beziehungen – sind auch im kollektiven Gedächtnis Griechenlands äußerst präsent. Bewegende Hymnen an Freiheit, Mut, Tod und Unsterblichkeit, die in feierlichen musikalischen Großinszenierungen mit bekannten griechischen Sängern, wie Georgos Dalaras, den EOKA-Kämpfern huldigen, kennt die Verfasserin bereits aus ihrer Kindheit. Besonders berühmt ist in beiden Ländern ein vertonter Vierzeiler von Evagoras Pallikarides, der mit neunzehn Jahren von den Briten gehängt wurde und kurz vorher den EOKA-Kämpfern mit den Worten huldigte:68 Των αθανάτων το κρασί το ‘βρετε σεις και πίνετε ζωή για σας ο θάνατος κι αθάνατοι θα μείνετε
Der Unsterblichen Wein habt ihr gefunden, euch zu laben Leben ist für euch der Tod unsterblich werdet ihr für immer bleiben [Übersetzung der Verfasserin].
Eindrücklich ist hier die von Anderson in den Mittelpunkt seiner Nationsanalyse gerückte Wiederauferstehungstrope sichtbar. Wer die bewegenden musikalischen Hommages an die Freiheitskämpfer und ihre unsterblichen Ideen im griechischen Fernsehen verfolgt hat – man kann vertonte Hymnen der Enosis-Bestrebungen, lyrisch-opernhafte Liebesbekundungen zwischen Griechenland und Zypern oder kämpferische Rembetika, die die Hoffnung auf eine baldige Befreiung der versklavten Heimat nähren, in unzähligen Youtube-Filmen einsehen, die mit historischen Photographien der Kämpfer, mit klagenden Müttern Gefallener oder Vermisster untersetzt sind – kann dort klar die kristallisierten Artefakte eines emotionalen Erbes erkennen, das immensen Nationalstolz motiviert, in dem die impliziten Botschaften des griechischen Freiheitskampfes von 1821 mitschwingen und eine – wenn man so will – wohlig-sehnsüchtige, sinn- und gemeinschaftsstiftende Opferhaltung inszeniert wird. Nimmt man die Botschaften 68
Vgl. die Huldigungsrede des zypriotischen Präsidenten unter: [abgerufen am 13.09.2016].
12.2 Der lange Schatten der Vergangenheit: Erinnerungen an die Konfliktjahre
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dieser mannigfaltigen, populären Lieder, die von männlichem Kampfgeist, Ehre, Verrat, von selbstloser Aufopferung, wehenden Fahnen und christlichen Kreuzen, klagenden und doch stolzen Müttern heldenhafter Söhne, der Liebe zur Heimaterde, zum weinenden Meer und verlassenen Städten, von unsterblichen Seelen der Ahnen, Treppenstufen zur Freiheit, göttlicher Vorsehung oder prophetischen Vögeln, die in der Himmelshöhe Nationalerbe und glückliche Zukunft im Blick haben, erzählen, erkennt man die emotionale Kollektivsymbolik, die die Nationalnarrative Griechenlands und Zyperns durchzieht und vereint. Aufschlussreich sind in allen Videos auch die User-Kommentare, die die emotionalen Botschaften durch Fäkalsprache, aggressive Drohungen gegenüber der Türkei und Solidaritätsbekundungen gegenüber der unsterblichen Nation flankieren (MA Youtube 2017).
12.2.2 Das dominante Gedächtnis der türkischen Zyprioten Die institutionelle Erinnerung der türkischen Zyprioten wiederum reflektiert offenkundig das Ziel einer Wahrung des völkerrechtlichen Status quo. Die glückliche Intervention (Happy Peace Operation) des Mutterlandes habe dem Leid der türkischen Zyprioten ein endgültiges Ende gesetzt. Die Erinnerung soll somit unterstreichen, dass ein gemeinsames Zusammenleben unter keinen Umständen mehr möglich ist. Das zeigt zuvorderst der öffentliche Raum: Artefakte des öffentlichen Raumes Nordzypern mit politischer Botschaft Im Gegensatz zum Süden vermittelt der Grenzund Territorialraum des Nordens die klare Botschaft von der endgültigen Inselteilung. Das ist in beiden Bildern rechts evident: Während das Grenzhäuschen mit der für griechische Zyprioten provokanten Schrift „TRNC Forever“ versehen ist, ist auf dem zweiten Bild eine überdimensionierte Fahne der „TRNZ“ zu sehen. Neben ihr – nicht im Bild – ist eine gleichgroße türkische Fahne auf den Berg des Drodos-Gebirges gemalt. Beide sind auch vom Süden her deutlich erkennbar und werden nachts beleuchtet. Ein klareres und aggressiveres Signal für die Botschaft „Dies gehört nun uns“, kann man sich schwerlich vorstellen. Das Leid der türkischen Zyprioten ist im Gegensatz zum Süden im öffentlichen Raum des Nordens inexistent. Nur zwei, noch vorzustellende Museen zeichnen dieses Leid – denn es gilt als Legitimation zur Aufrechterhaltung des Status quo. Darüber hinaus indes, so scheint es, soll nichts mehr an die gemeinsame Vergangenheit erinnern. Das versinnbildlichen auch die folgenden Bilder (Abb. 40 und 41).
Abbildung 40
Abbildung 41
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Die Grenze, wie sie sich dem Betrachter von nördlicher Seite mit Stacheldrahtabsperrung bzw. massivem Mauerwerk darbietet, deutet in diesem Sinne auf die Endgültigkeit, mit der der nationale Vorstellungsraum vom anderen abgegrenzt werden soll. Soldaten patrouillieren hier, die warnende Zeichen geben, nähert man sich der Grenze zu sehr (Abb. 42 und 43). Abbildungen 42 und 43 Repräsentativ für die zahlreichen Huldigungen an die Mutternation ist das Denkmal Atatürks, dem auf dem Bild „Präsident“ Akinci am Jahrestag der „TRNZ“-Proklamation Ehre erweist. Es versinnbildlicht, was Denktaş zeitlebens postulierte: Nämlich den Wunsch, die Vergangenheit hinter sich zu lassen und das klare Bekenntnis der Zugehörigkeit zur türkischen Nation zu untermauern. Auch in der Vermisstenfrage erkennt man, wie am Ende des Kapitels aufgezeigt werden soll, die Diskrepanz aus Zurschaustellung des Leids (im Süden) versus Tabuisierung (im Norden; Abb. 44). Abbildung 44
Der öffentliche Raum verweist damit eindrücklich auf die jeweiligen Vorstellungsräume, ihre Hierarchien, Interessen und Widersprüche.69 Untermauert wird die Botschaft der Bilder durch die TatAbbildung 45 Abbildung 46 sache, dass im Nordteil nach 1974 alle griechischen Straßen-, Platz und Ortsnamen umbenannt wurden. Nichts soll im Sinne der traditionellen politischen Führung um den 2012 verstorbenen Denktaş und seine Nationale Einheitspartei Abbildung 48 Abbildung 47 (UBP), an das gemeinsame Leben mit den griechischen Zyprioten erinnern. Über das Leid der griechisch-zypriotischen Flüchtlinge zu sprechen gilt in dieser Perspektive gemeinhin als unpatriotisch (Papadakis 2005: 122). Auch bei den türkischen Zyprioten wird die Legitimität der Geschichtsbilder durch die Mutterlandsnarrative untermauert: Die Enosis gilt in diesem Sinne als natürliche Folge der Me-
69
Abb. 29 und 30 gehören der Verfasserin. Abb. 26, 27 und 30 wurden erworben (© shutterstock).
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gali Idea. So feiert man gemeinsam mit dem Mutterland am 30. August den Türkischen Befreiungskrieg (inoffiziell nennt man ihn auch den Tag des Sieges über die Griechen), am 20. Juli den Tag der türkischen Intervention auf Zypern und am 15. November den Tag der Proklamation der „TRNZ“ 1983 und erinnert am 21. Dezember an das blutige Weihnachten (Kanlı Noel) von 1963, an dem nach offiziellen Angaben der türkisch-zypriotischen Seite mehr als hundert türkische Zyprioten ums Leben kamen.70 Im türkisch-zypriotischen Teil der Hauptstadt Nikosias finden sich zwei Museen, die die Leidensgeschichte der türkischen Zyprioten visualisieren: Das kleinere Museum of Barbarism71 ist – wie der Informationsbroschüre zu entnehmen ist – an einem historischen Tatort untergebracht: 1963 wurde hier eine ganze Familie durch griechische Zyprioten ermordet. „Unsere Märtyrer“ titelt die marmorne Tafel links, während die rechte der Unsterblichkeit der Nation in einem Gedicht huldigt (Abb. 45). Am Eingang des Museums prangt das Kollektivsymbol des Nordens als Pendant zur blutunterlaufenen Insel im Süden: „Apralik“ (Dezember) 1963 ist zentraler Erinnerungsort für das Opfernarrativ und die Untermauerung der Legitimität des Status quo (Abb. 46). Genau wie das griechisch-zypriotische Museum zeichnet sich die kleine Ausstellung durch den Anspruch auf gleichsam forensische Unmittelbarkeit, auf Haptik und emotionale Wirkmacht aus, die den Besucher von der unleugbaren Grausamkeit „der griechischen Zyprioten“ überzeugen soll. Bad und Toilette, in denen die – wie daneben angebrachte Photographien beweisen – die grausam zugerichteten Körper der Opfer aufgefunden worden waren, können durch eine Glasscheibe geschützt eingesehen werden und wirken so gleichsam als verstörendes „Zeitfenster“, die den Besucher in das Geschehen treten lassen (Abb. 47 und 48). Die Legitimität der Botschaft wird – auch dies eine Parallele zum Süden Abbildung 49 – durch den Blick der internationalen Gemeinschaft untermauert. Zeitungsausschnitte des Daily Express, der Times und des Figaro berichten hier von den politischen Spannungen und der Gewalt von 1963 (Abb. 49). Das zweite Museum, das türkisch-zypriotische „Museum des nationalen Kampfes“ spiegelt das griechisch-zypriotische Museum in vielerlei Hinsicht: Es befindet sich auf dem Militärgelände der türkischen Armee und ist damit – wie sein griechisch-zypriotisches Pendant – geographisch bewusst positioniert. Für die Besichtigung der Ausstellung musste denn auch der Ausweis hinterlegt werden. Die Position des Museums unterstreicht die Nähe zum Nationalnarrativ, in dem Fall zum Mutterland und seiner Bedeutung als Schutzmacht und zugleich auch den militaristischen Nationalismus der Türkei selbst. Im Gegensatz zum griechisch-zypriotischen Museum allerdings, erzählt jenes im Norden nicht nur die Geschichte großen Leids, sondern auch die glückliche Erlösung durch die Mutterlandsarmee, die in der Rhetorik und Bild-
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[abgerufen am 27.06.2014]. Der Vorwurf des „Barbarismus” evoziert hier offenkundig das nationalistische Blame Game der Mutterländer mit ihren gegenseitigen Degradierungsmechanismen und nicht zuletzt die Dichotomien der Idee von der westlich-fortschrittlichen National und ihrer Abgrenzung von „Barbarentum“ und „Orient“ überhaupt, wie sie im Theorieteil erörtert wurde.
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symbolik des dominanten türkisch-zypriotischen Diskurses gleichsam als deus ex machina stilisiert wird. Gleich am Eingang befindet sich eine Statue Atatürks, darunter der auf Nordzypern neben den zahlreichen türkischen Fahnen allgegenwärtige Satz „Ne Mutlu Türküm diyene“. Die Ausstellung besteht neben apokalyptisch anmutenden Gemälden, die Leid und Ausweglosigkeit vermitteln, aus einer chronologischen Abfolge von Photographien, die weinende oder fliehende Menschen – insbesondere Frauen und Kinder – und leblose Körper abbilden, die sich – so informieren die Unterschriften – auf die für die türkischen Zyprioten leid- und angsterfüllten Jahre 1963 bis 1967 beziehen. Gleich zu Anfang zeigt die oben abgebildete Tafel ganz im Sinne des Mutterlandsnarrativs die Referenzpunkte der gleichsam primordialen Aggressionsabsichten der „Griechen.“ Die Betrachtung der Photographien und Gemälde führt einen gewundenen Gang entlang, an dessen Ende sich ein hoher, durch breite Fenster hell erleuchteter Raum befindet. Dort steht neben einer riesigen türkischen Fahne eine wandhohe, weiß getünchte Tafel, auf der in goldener Inschrift die Namen der 1974 gefallenen türkischen Zyprioten und der türkischen Militärs aufgelistet sind. Wie Papadakis treffend bemerkt, reflektiert dieses Interieur das glücklich vollendete Narrativ des nationalen Freiheitskampfes der türkischen Zyprioten: Der letzte Raum symbolisiert Freude, Freiheit und Ruhm (Papadakis 1994: 408-409). In roten Lettern heißt es bezeichnend: „Unser Staat ist auf dem Blut unserer Märtyrer begründet und niemand kann ihn uns wieder weg nehmen“ [Übersetzung aus dem Türkischen von Sevgül Uludağ; Übersetzung ins Deutsche durch die Verfasserin]. Die dominanten Narrative, so kann man resümieren, sind erstens ein in vielen Aspekte negatives Spiegelbild voneinander. In den Aspekten, in denen sie sich unterscheiden, verweisen sie zweitens auf die unterschiedlichen Interessen die mit der jeweiligen Legitimierung (türkische Zyprioten) bzw. Überwindung des Status quo (griechische Zyprioten) verbunden sind.
12.3 Schatten der Wahrheit: Verdrängte und ambivalente Erinnerungen 12.3 Schatten der Wahrheit: Verdrängte und ambivalente Erinnerungen Die Leerstellen der dominanten Narrative verweisen aber nicht nur auf die inter-, sondern auch auf die intra-kommunalen Bruchlinien zwischen Nationalisten und Kommunisten, deren Wunden – wie auch in Griechenland – nicht aufgearbeitet wurden. So erinnert die AKEL im Rahmen von Parteifeiern an den griechischen Coup und den verbundenen Mordversuch gegen Makarios und an die Ermordung eines türkischen und eines griechischen Kommunisten im Jahr 1965 durch die TMT. Beide waren Mitglieder der AKEL und stellten – so die Perspektive der Partei und ihr nahestehende Veröffentlichungen – sich offen gegen die Spaltungspolitik von Terror, Einschüchterung und Diskriminierung durch aggressiv nationalistische und paramilitärische Gruppen. Die türkisch-zypriotische Linke, die CTP, wiederum erinnert an den 1996 mutmaßlich von Grauen Wölfen ermordeten Journalisten Kutlu Adali72 (Papadakis 2003: 256-266). Sie relativieren damit das dominante Bild der vermeintlich unvereinbaren ethnischen Gegensätze und lenken den Fokus auf die Forcierung des gespannten politischen Klimas durch gezielte Gewaltakte gegen Gemäßigte bzw. parteipolitische Gegner.
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Adali ist der Schwager der türkisch-zypriotischen Investigativjournalistin Sevgul Uludag, von der im Kontext der Vermisstenfrage noch die Rede sein wird.
12.3 Schatten der Wahrheit: Verdrängte und ambivalente Erinnerungen
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Im Kontext seiner Initiationsreise, die Papadakis (2005: 57-200), wie erwähnt, in den 1990er Jahren mit einer Ausnahmegenehmigung nach Nordzypern und später in die Türkei führte, illustriert er den Riss, der sich quer durch die Gesellschaft zieht. So berichtet er von den divergierenden Erzählungen innerhalb der parteipolitischen Kaffeehäuser, in denen die AKELAnhänger von den Schikanen der eigenen Gemeinschaft berichteten und sogar angaben, die EOKA hätte mehr Kommunisten getötet als türkische Zyprioten. Ein türkischer Zypriot wiederum vertraut ihm die Geschichte vom Tod seines Vaters an: Dieser habe, trotz Drohungen vonseiten der TMT, gute Kontakte zu seinen griechisch-zypriotischen Nachbarn gepflegt und sei daraufhin ermordet worden. Der Familie sei erzählt worden, die Täter seien EOKA-B-Guerillas gewesen. Erst später habe sich herausgestellt, dass es die TMT selbst war. An (2014: 26-27) ergänzt derartige Berichte durch Angaben über systematische Morde an Gewerkschaftlern und linken Journalisten vor und nach 1960. Die tiefe ideologische Polarisierung zwischen Nationalisten und Kommunisten – bis heute charakteristisch für Zypern – bezeichnet insbesondere im griechischen und griechisch-zypriotischen Nationalismus mehr als nur einen politischen Gegensatz. Denn vor dem Hintergrund der dargestellten Symbiose zwischen Souveränitätsansprüchen und nationaler Identität wurden die internationalistischen Aspirationen und bikommunalen Aktivitäten der Linken naturgemäß als Bedrohung angesehen. Diese Kluft wird durch die ethnoreligiöse Synthese der nationalen Identität noch verstärkt. Schon 1947, so bemerkt Loizides (2007: 176) habe der griechisch-zypriotische Erzbischof gewarnt, „that Communism was in direct contrast to Christianity and Hellenism, and no real Orthodox Greek could also be a Communist”. Was für die institutionelle Erinnerung gilt, spiegelt sich auch in der Geschichtsschreibung wider, die ganz nach dem Vorbild der Mutterländer den jeweiligen Interessenlagen angepasst wird: Erklärtes Ziel der griechischen Zyprioten vor 1960 ist somit das Souveränitätsbestreben und nach 1960 im Sinne der Alleinvertretungsansprüche die maximale ethnische Distanzierung. So erklärt Spyridakis, Historiker und Präsident der griechisch-zypriotischen Nationalkammer, denn auch Geschichte zum wertvollsten Gut für die Bewahrung einer griechischen und die Verhinderung einer zypriotischen Identität zur Verwirklichung der Enosis (Spyridakis nach Makriyianni und Psaltis 2007: 52). Populäre Geschichtswerke untermauern diese Bemühung, indem sie die hellenischen Wurzeln Zyperns unterstreichen und dabei sogar angeben, bei den türkischen Zyprioten handele es sich um konvertierte Christen – ein bis heute populäres Argument, das wie in den Mutterländern gern durch genetische Verweise untermauert wird (Papadakis 2012: 34-36). Letzteres Argument ist natürlich widersprüchlich, insofern es den gemeinsamen ethnischen Ursprung der Zyprioten unterstreicht. Es wird indes nach 1974 umso wichtiger, als die Betonung der friedlichen Koexistenz und der destruktive Einfluss externer Kräfte unterstrichen werden soll. So charakterisieren sich – wie noch zu erörtern sein wird – die Geschichtsbücher nach 1974 durch die „Entdeckung“ einer genuinen zypriotischen Kulturgeschichte, in der zum ersten Mal von „griechischen und türkischen Zyprioten“ und ihres harmonischen Miteinanders die Rede ist, während die Historiographie der türkischen Zyprioten umgekehrt, wie es die Museen bereits nahelegen, die immer schon währende Unterdrückung durch die griechischen Zyprioten unterstreicht (Ibid.: 40-46). Die griechischen Zyprioten finden sich indes in einem Dilemma: Um die Opferrolle, die mit der türkischen Intervention verbunden ist, nicht zu trüben, plädierten nationalistische Kreise
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der griechischen Zyprioten für ein Vergessen und Vergeben des Coups. Da aber, wie Papadakis spitzfindig bemerkt, der Slogan „Ich vergesse nicht“ bereits zum Leitbild des kollektiven Opfergedächtnisses gegenüber der Türkei erkoren wurde, etikettiert man die Vergebung des Mutterlandes mit dem altgriechische Nomen Λήθη (das Vergessen) (Papadakis 2003: 257). Die daraus resultierenden „neuen historischen Fakten“ fasst er nicht ohne Ironie mit den Worten zusammen: „I did not remember us being taught anything like this when I was in school but then our books came from Greece and we learned very little about the history of Cyprus. I now learned some new historical facts. How sometimes the Christian and Muslim peasants revolted together, either against the oppression of the Ottoman authorities, or against the oppression of the Orthodox Church in Cyprus, which was an equally ruthless oppressor. The historians had documented how people visited each other’s’ houses and coffee shops, how they exchanged gifts or sweets on religious days. We had used religious differences to unite, not to divide us. There were cases of intermarriage and of people of one religion worshipping at the others´ sacred places. […] If we had been living so well, how did the problems emerge? Once again the answer Greek Cypriot historians gave was clear: foreign influences and outside interferences“ (2005: 64).
Auf der Identitätsebene führte die Enttäuschung über das Mutterland so zu einer gewissen Abkehr vom hellenozentrischen hin zu einem zypriozentrischen Selbstverständnis, die indes – entgegen anderweitiger Bekundungen vom stets guten Verhältnis zur anderen Ethnie in der Praxis eine helleno-zypriozentrische Identität sei (Mavratsas 1997; Philippou und Clerides 2010). Die Verfasserin erinnert sich in diesem Zusammenhang daran, wie Mavratsas (2012) als Reaktion auf ihr hoffnungsvolles Bekunden von der Einsicht vieler Zyprioten über die gemeinsamen kulturellen Wurzeln, die doch den aggressiven Nationalismus schmälern könnten, mit einem ironischen Lächeln antwortete: Hinter diesen, wie hinter anderen, vermeintlich versöhnlichen Bekundungen versteckten sich zumeist handfeste politische Interessen. Diese Einsicht ist, wie auch die folgenden Kapitel untermauern sollen, besonders wichtig. Auch die institutionelle türkisch-zypriotische Erinnerung zeigt Frakturen. Jenseits der offiziellen Geschichtsschreibung vom glorreichen Ende des türkisch-zypriotischen Leids nehmen auch im Norden die Anzeichen für zunehmende politische und kulturelle Spannungen innerhalb Nordzyperns zu. Viele türkische Zyprioten fühlen sich politisch durch die Türkei und die ihr nahestehenden Kreise um Denktaş bevormundet und bekunden öffentlich ihr Missfallen am Establishment. Die ökonomischen Folgen der internationalen Isolation und die kulturelle Entfremdung durch den Zuzug der türkischen Siedler führen zu zunehmendem Exodus aus Nordzypern. Gegner des Establishments beklagen Korruption, Klientelismus und Diskriminierungspraktiken der politischen Führung, die internationale Presse berichtet von politisch motivierten Morden gegen Regimegegner.73 Die vehemente Ablehnung der für fast drei Jahrzehnte unangefochtenen Regierung unter Denktaş kommt schließlich im Vorfeld der UN-Verhandlungen 2003 deutlich zum Vorschein, als Zehntausende gegen die unnachgiebige Haltung der politischen Führung demonstrieren (Loizides 2007: 177-183). Zwei Interviews mit hohen Repräsentanten der liberal-nationalistischen griechisch-zypriotischen DISY, der nationalistischen türkisch-zypriotischen UBP Denktaş´ (Prodromou 2013; Suguoǧlou 2013), deren Narrative staatstragend sind, zeigen anschaulich auf, wie sehr beide
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Vgl. zur Pressefreieheit: [abgerufen am 27.06.2014].
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Seiten von einem Kompromiss entfernt sind und, welcher sprachlicher und bildhafter Mittel sich beide Seiten bedienen, um die Berechtigung ihrer Perspektive zu untermauern. Das Interview mit dem Pressesprecher der größten und heutigen Regierungspartei DISY (Konservativ-Liberale und parteipolitisches Sammelbecken der ehemaligen Kämpfer von EOKA und EOKA-B) repräsentiert in vielerlei Hinsicht die Standardargumente und Leerstellen des politischen Diskurses. Das etwa einstündige persönliche Gespräch im Büro der Parteizentrale in Nikosia indes, illustrierte der Verfasserin anschaulich auch die stilistischen Mittel und Assoziationen, auf denen er begründet ist. Das Argument von der Schuld externer Kräfte – angefangen von der britischen Teilungsstrategie, über die schon immer gehegten Teilungsabsichten der Türkei und die ungerechtfertigten, überzogenen Ansprüche der türkischen Zyprioten, bis zur Verharmlosung bzw. Negierung von Spannung und Gewalt vor 1974 – durchzog die Antworten von Herrn Prodromou. Dabei sprang er häufig zwischen historischen und gegenwärtigen Ereignissen und setzte sie miteinander in Bezug, um die zeitlose Berechtigung seiner Argumente zu untermauern. Die Briten hätten die Türkei, als die Unabhängigkeit Zyperns zur Debatte stand, gegen die Enosis und zu einer föderativen Lösung angestachelt, so begann er, um dann widersprüchlicherweise die primordiale Expansionspolitik der Türkei zu untermauern: Immer schon sei ihr die Insel ein geopolitischer Dorn im Auge gewesen. Schon 1963 habe sie ihre Teilung im Sinn gehabt. Seit ihrer Verwirklichung versuche der Norden nun, die christlichen Wurzeln der Insel auszuradieren, obgleich die türkischen Zyprioten selbst nichts anderes seien als konvertierte Christen. Das Dorf seines Vaters, so der vehemente Ausspruch, sei dem Erdboden gleichgemacht, christliche Namen in türkische geändert. Noch dazu sei der Norden jetzt voller Siedler. Von bis zu 700 000 sei die Rede. Man wisse vor diesem Hintergrund ja nicht einmal, mit wem man genau verhandelte. Bald, so meinte er zynisch, müsste man in einer künftigen Föderation um die eigene Gleichberechtigung kämpfen. Nicht umsonst, so nickte er der Verfasserin in vorwegnehmender Zustimmung zu, gelte die Phrase der „Türken vor Wien“ als Kollektivtrauma der europäischen Erinnerung. Fragen nach der Gewalt von 1963 und 1967 tat er als irrelevant ab. Man hätte seit jeher, so betonte er, friedlich mit den türkischen Zyprioten gelebt. Nach 1963 hätten sie sich schlicht – angestachelt durch die Türkei – in „selbst konstruierten Ghettos“ verschanzt, zu denen kein griechischer Zypriot Zugang gehabt hätte. Sie selbst indes hätten sich völlig frei bewegen können. Dasselbe sehe man nun seit der Grenzöffnung, die er als „gerissenen Schachzug“ Denktaş´ bezeichnet: Die türkischen Zyprioten mit europäischem Pass kämen nun über die Grenze, genössen die Annehmlichkeiten des südlichen Lebensstandards, nähmen medizinische Versorgung in Anspruch, bezahlten aber keine Steuern. Man habe dem nun durch ein Gesetz ein Ende gesetzt. Im Annan-Plan hätten sie bezeichnenderweise völlig überproportionale Rechte eingefordert, die die Zweiteilung der Insel besiegeln würde. Der Plan sei völlig „widernatürlich“ gewesen. Auf die Frage nach der Relevanz von Versöhnungsgesten, wie sie beispielsweise Nordzypern durch eine Geschichtsbuchreform gezeigt hätte, antwortete er: Man könne die „historischen Wahrheiten“ doch nicht verändern. Assoziativ fügte er hinzu: Smyrna sei und bleibe ein Völkermord. Die Exekution von zypriotischen Geistlichen und Intellektuellen 1821 hätte Zypern um fast ein Jahrhundert zurückgeworfen. All dies sei die Wahrheit. Was helfe, so schloss er, den Familien von Getöteten eine Geschichtsbuchrevision? (Prodromou 2013). Die Argumente von Herrn Prodromou verweisen eindrück-
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lich auf das monolithische und selektive Geschichts-, Wahrheits- und Konfliktverständnis. Auffällig ist dabei die Untermauerung der Gegenwart durch historische Analogien bzw. assoziative Verknüpfungen. So verbindet sich das historische Ressentiment von der (angeblichen) Privilegierung der Minderheit mit ihren auch heute noch überzogenen Ansprüchen. So wie sie sich einst in die Enklaven zurückzogen, so würden sie heute den Nordteil der Insel unrechtmäßigerweise für sich beanspruchen, aber dennoch die Vorteile nutzen können, die ihnen die – man möchte hinzufügen strebsamen – griechischen Zyprioten ermöglichten. Dass die Enklaven Schutz vor Übergriffen baten, das niedrige ökomische Niveau des Nordens eine Folge seiner fortdauernden Isolation ist, Denktaş´ nicht aus strategischen Motiven, sondern auf politischen Druck hin die interne Grenze öffnen ließ und es schließlich die griechischen Zyprioten waren, die (wie zu zeigen sein wird) den Plan aus primär strategischen Motiven ablehnten, gehört naturgemäß nicht zu diesem Frame. Seine Argumentation scheint sich in diesem Sinne auf Selektion, starker Vereinfachung und zweifelhaften Kausalschlüssen zu begründen. Versöhnung spielt keine Rolle, die Bedürfnisse des Anderen werden negiert und eine differenziertere Sichtweise sofort als Angriff auf eine ganze Reihe von offenkundig verbunden „Wahrheiten“ betrachtet. Wieviel davon Spoiling-Strategie und wieviel Ressentiment ist, lässt sich offenkundig nicht bestimmen. Allen seinen Argumenten diametral entgegengesetzt erscheint die Perspektive des UBPKreisabgeordneten von Nord-Nikosia, dem Denktaş-nahen Faiz Sucuoğlu. Während die Verfasserin im Vorraum seines Büros wartete, ergab sich ein Gespräch mit einem älteren Herrn, der in gebrochenem Englisch erzählte, wie die griechischen Zyprioten Teile seiner Familie umgebracht hätten. Sie seien böse Menschen, denen man niemals trauen könne, schloss er mit einem Kopfschütteln. Das etwa einstündige Interview mit Herrn Sucuoğlu, der als Arzt etliche Jahre in Stuttgart lebte und fließend Deutsch spricht, drehte sich denn auch um das Leitargument vom mangelnden Vertrauen und der Angst vor erneuter Degradierung und Diskriminierung, die die türkischen Zyprioten vor dem Hintergrund der Konfliktjahre bis heute hegten. Er berichtete, wie er als kleiner Junge einige griechische Worte gelernt habe, um sie am Strand zu rufen, damit griechische Zyprioten dachten, er sei einer von ihnen. Türkisch habe man in jenen Jahren im öffentlichen Raum aus Angst vor Übergriffen nur leise gesprochen. Auch heute noch spreche man, wenn man in den Süden gehe, im Restaurant leise, so Sucuoğlu, der nach eigenen Angaben (widersprüchlicherweise) viele griechisch-zypriotische Freunde hat. Die griechischen Zyprioten hingegen kämen hier herüber und seien sehr laut. Es handele sich also um zwei völlig unvereinbare Gemeinschaften. Das sehe man schon daran, dass sich trotz Jahrhunderte langen Zusammenlebens keine gemeinsame kulturelle Basis entwickelt hätte. Indikator sei hier beispielsweise die geringe Anzahl interethnischer Ehen. Auf die brisante Frage nach den Siedlern antwortete er, es seien nur etwa 100 000, wirkte dabei aber verunsichert und fügt hinzu, er wisse die genaue Zahl nicht. Auch der Süden, so fuhr er hastig fort, habe schließlich in den letzten Jahrzehnten 250 000 Ausländer eingebürgert. Auf die Frage nach seiner Einschätzung der Verhandlungen unterstrich er den unbedingten Willen seiner Führung, eine Lösung zu erzielen. Um das zu untermauern fügte er hinzu, man selbst zeige im Gegensatz zu den griechischen Zyprioten keine Bilder griechisch-zypriotischer Grausamkeiten im öffentlichen Raum. Auch habe man die Geschichtsbücher revidiert, der Süden nicht. Die griechischen Zyprioten, so unterstrich er, seien also offenkundig nicht so motiviert, wie man selbst. Als Begründung fügte er hinzu, der
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Leidensdruck sei vor dem Hintergrund der internationalen Anerkennung ihres Staates eben nicht vorhanden. Aufgrund des Mangels an Vertrauen und des ausgeprägten Sicherheitsbedürfnisses, so schloss er aus dem Gesagten, müsste die Türkei im Falle einer Wiedervereinigung in jedem Fall weiterhin als Garantiemacht gelten. Den Wunsch nach weitgehender Autonomie in einem konföderativen Modell untermauerte er sinnbildlich und mit einem Augenzwinkern: Die griechischen Zyprioten wollten eine katholische Hochzeit, man selbst indes plädiere erst einmal für eine Verlobung. Sollten die beiden Gemeinschaften unter einem politischen Dach gut kooperieren, könne man ein weiteres Zusammenwachsen erwägen. Auch er schien schließlich mit der Frage nach der Relevanz vertrauensbildender Maßnahmen durch Kontakt und Kooperation, wie es die Friedensaktivisten vormachen, wenig anfangen zu können. Wenige würden sich in diesem Bereich engagieren, denn die meisten hätten Angst, so seine schlichte Antwort, die er mit einem Schulterzucken quittierte (Sucuoğlu 2013). Herr Sucuoğlus Argumentationsmuster erscheinen in vielfacher Hinsicht seinem Gegenstück gleich. Auch er bedient sich historischer Analogien und zweifelhafter Kausalverhältnisse, in denen die Arroganz, Dominanz und wesensbedingte Andersartigkeit der griechischen Zyprioten zum Ausdruck kommen soll. Argumente, die durchaus als berechtigt erscheinen – wie die Enttäuschung über die Ablehnung des Annan-Planes, die viele türkische Zyprioten als ein „Im-Stich-Lassen“ seitens ihrer südlichen Landsmänner empfanden – werden dabei ausgewählt, um die Grundidee zu untermauern. Aspekte, die nicht in diesen Frame passen, werden ausgelassen oder verklärt: Das betrifft vor allem die heikle Frage der türkischen Siedler. Nebst der Tatsache, dass eine Spanne von bis zu 600 000 zwischen den jeweiligen Angaben liegt, die unterstreichen, wie weit beide Seiten in dieser Frage von einer Übereinkunft entfernt sind, erscheint noch wesentlich brisanter, was hier verschwiegen wird: Denn es handelt sich bei der Besiedlung nicht um eine Form der Einbürgerung, sondern um die illegale, systematische und strategische Unterbringung von Festlandtürken in ehemals griechisch-zypriotischem Besitz. Auch die vermeintliche Nichtexistenz von Gewaltnarrativen im öffentlichen Raum wird zum einen durch die Museen widerlegt und reflektiert zum anderen die eben erörterte Grundhaltung eines gewollten Bruchs mit der Vergangenheit. Sie ist damit kein Ausdruck einer versöhnlicheren Einstellung. Ganz im Gegenteil: Im übernächsten Kapitel wird zu erörtern sein, dass beispielsweise Verfall und Zweckentfremdung von griechisch-zypriotischen Kulturgütern tiefen Ärger bei den griechischen Zyprioten motiviert. Sie selbst pflegen Moscheen und Friedhöfe der türkischen Zyprioten und begründen dies ganz ähnlich auf ihrem gemäßigten und kultivierten Wesen. Doch auch die griechischen Zyprioten verfolgen damit strategische Ziele, nämlich die Untermauerung von der Erzählung der friedlichen Koexistenz. Beide Seiten, so kann man folgern, stilisieren sich selbst und kolonisieren den Anderen mit dem Verweis auf vermeintliche Wesenseigenschaften, die die jeweiligen, dahinter verborgenen Interessen übertünchen. Schließlich verschweigt er, dass die Geschichtsbuchreform der Vorgängerregierung unter dem Vorsitz seiner Partei wieder zu einem guten Teil revidiert wurde. Diese Änderungen, so antwortete er auf Nachfrage, seien unerheblich. Vor dem Hintergrund, dass „TRNZ“-Präsident Dervis Eroglu 2009 mit dem Versprechen die Wahlen gewonnen hatte, die reformierten Geschichtsbücher sofort wieder abzuschaffen, erscheint das Argument wenig gehaltvoll. Auch wurde die Reform der Reform von unabhängigen Bildungsexperten (Kapitel 15) als umfassende Wiederherstellung des dominanten Narrativs bezeichnet. Hier handelt es sich also offenkundig
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um eine Fehlinformation. Sucuoğlu´s Argument, das Sicherheitsbedürfnis der türkischen Zyprioten würde die Aufrechterhaltung der Interventionsrechte unabdingbar machen, ist offenkundig aus historischer Erfahrung motiviert, kann aber insofern Spoiling-Instrument sein, als die Befürchtung von einer erneuten türkischen Intervention bei den griechischen Zyprioten äußerst prominent ist. Offenkundig ist indes bei beiden Politikern, wie sehr ihre selektive und maximalistische Argumentation von einem multiperspektivischen bzw. versöhnungsorientierten Ansatz entfernt ist. Wie charakteristisch die Existenz von Totschlagargumenten für den politischen Diskurs ist, wird in der folgenden Medienanalyse en Detail zu erörtern sein. Auch in diesem Interview sind in diesem Sinne strategische Verklärung, Selektion und die Untermauerung von Grundüberzeugungen zu verzeichnen. Unter bzw. neben der sichtbaren Sphäre der staatstragenden, umfassend visualisierten und ritualisiert zelebrierten offiziellen Geschichte liegen schließlich die vielfältigen Schichten der individuellen Erinnerung. Zum Wechselverhältnis beider Erinnerungen auf Zypern sagt Papadakis (2012: 18): „The other side of the same coin, however, is the creation of a culture of rumors, insider jokes, quasi-underground counter histories, or subcultures based on the divergent memories of specific social groups“. Um eben diese vielschichtigen Facetten der sozialen Erinnerung bzw. der zypriotischen Alltagswirklichkeit der Konfliktjahre aufzuzeigen, wurde die Analyse um die im Methodikteil erwähnten 90 Oral-History-Interviews ergänzt. Alle Interviews sind in der Form offen, orientieren sich jedoch an zentralen Leitfragen, die auf ein Verständnis der interethnischen Alltagsbeziehungen in Friedens- und Konfliktzeiten zielen. Zu ihnen gehören, ob man gute nachbarschaftliche Beziehungen mit den türkischen Zyprioten pflegte, welches die gemeinsamen Kontaktpunkte waren, ob man sich an Konflikte erinnern könne und nach Form und Verlauf dieser Konflikte. Die Interviewten sind im Durchschnitt etwa siebzig Jahre alt, waren also in den Konfliktjahren zwischen 25 und 45 Jahre. Sie entstammen etwa zu gleichen Teilen dem ländlichen und dem städtischen Raum. Der weitaus größte Teil – fast drei Viertel – der Interviewten sind Männer. Drei zentrale Diskursstränge lassen sich ermitteln und seien hier, da sich die Interviews, obgleich tiefgründig und erkenntnisreich, in vielen Formulierungen und Argumentationen sehr ähnlich sind, in kompakter Form dargelegt. Auch dies ist bereits eine erste, relevante Erkenntnis, die die Bedeutung des sozialen Rahmens unterstreicht. Ausnahmslos alle Interviewten betonen erstens die engen, herzlichen und vertrauensvollen Alltagsbeziehungen zwischen griechischen und türkischen Zyprioten. In den Dörfern gehören dazu zuvorderst Austausch im Rahmen religiöser Feierlichkeiten – von Hochzeiten und Taufen, Oster- und Weihnachtsfeierlichkeiten, bis zum Ramadan und der Beschneidungszeremonie. Es sei undenkbar gewesen, so betonen Etliche, die türkischen Zyprioten nicht einzuladen und man selbst sei ihren Einladungen ebenfalls stets gefolgt. Lebhaft und mannigfaltig sind die Schilderungen der gemeinsam zelebrierten Feste, zu denen man sich gegenseitig Gebäck und Geschenke brachte, die griechischen Zyprioten sich auf muslimischen Hochzeiten mit Henna bemalen ließen und beide nicht selten auch als Trauzeugen des Anderen fungierten. Da in der griechischen und griechisch-zypriotischen Tradition der Trauzeuge durch seine Rolle symbolisch in die Familie aufgenommen wird, untermauern derartige Angaben die Existenz einer weit vorhandenen, emotionalen Verbundenheit. Neben den rituell-traditionellen Beziehungen ist an etlichen Stellen von engen Freundschaften, gemeinsamen Kulturinitiativen und
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Freizeitaktivitäten – in den Städten Besuche in Kino oder Tanzverein – die Rede oder sogar von Müttern, die Babys anderer Mütter stillten, wenn diese zu wenig Milch hatten (1;4;15;56;88). Als großzügig und spendabel werden die türkischen Zyprioten dargestellt, die zu Hochzeiten ganze Lämmer schenkten (13;27;86). Auffällig ist zweitens die Betonung der ethnisch-kulturellen Nähe griechischer und türkischer Zyprioten. Sie kommt zum einen in Form von Bekundungen zum Ausdruck, man entstamme derselben Kultur bzw. Ethnie und hätte dieselben Bräuche. Man hätte als Kinder stets zusammen gespielt, auf Festen dieselbe Musik gehört und dieselben Tänze getanzt; äußerlich hätte man griechische und türkische Zyprioten kaum auseinanderhalten können. Auch diese Argumente sind in der absoluten Mehrheit der Interviews sichtbar. Zum anderen indes – und dies scheint noch bedeutender – betonen viele Befragte, wie sehr die türkisch-zypriotische Minderheit in die griechische bzw. christliche Lebenswelt integriert war. Die türkischen Zyprioten, so wird immer wieder erinnert, hätten fließend griechisch gesprochen, viele ihre Kinder auf griechisch-sprachige Schulen geschickt. Außerdem hätten sie regelmäßig an orthodoxen Gottesdiensten teilgenommen, Kerzen entzündet, den orthodoxen Schutzheiligen der jeweiligen Region Opfergaben dargebracht, Gelübde abgelegt oder – ein wichtiges Ritual – Weihwasser mit nach Hause genommen (17;35;52;81). Die im vorangehenden Kapitel erwähnten wundersamen Geschichten tauchen auch in diesem Zusammenhang auf und sollen das Argument untermauern: Eine türkisch-zypriotische Frau, so heißt es, habe nur Totgeburten gehabt. Da sei ihr der Apostel Andreas im Traume erschienen und habe sie zum Beten in seiner Kirche angehalten. Nachdem sie dies getan hatte, sei sie fünf Mal Mutter geworden (62). Die türkischen Zyprioten hätten die christlichen Stätten geehrt und an die Heilkraft ihrer Heiligen geglaubt, so wird immer wieder betont. Bei einem anderen hat die „Wundererzählung“ indes offenkundig diskriminierende Züge: Einem korpulenten türkisch-zypriotischen Händler, so erinnert sich ein Gemeindevorsteher, sei immer wieder die Mutter Gottes erschienen, um ihn wissen zu lassen, dass türkische Zyprioten innerhalb der Dorfgrenzen nicht willkommen seien. Solange er die Erscheinung ignorierte, habe er jeden Tag abgenommen. Beinahe wäre er gestorben, hätte er ihrer Aufforderung, umzuziehen, nicht schließlich Folge geleistet. „Das weiß ich aus seinen eigenen Erzählungen“, schließt er (6). Die Universalität und Macht des eigenen Glaubens, auch die ethnoreligiösen Großerzählungen – das wird im Abschnitt zur Schulbuchanalyse deutlich werden – schwingen hier mit. Heimlich, so berichten zwei andere, hätten türkische Zyprioten auch Schweinefleisch gegessen und Alkohol getrunken, wenn sie bei griechischen Zyprioten zu Gast waren (14; 20). Ein türkisch-zypriotischer Lehrer sei jeden Sonntag in das griechischzypriotische Kaffeehaus gekommen, um die Radioübertragung des Gottesdienstes aus Athen mit anzuhören, denn er habe die byzantinische Musik so geliebt, erzählt ein älterer Herr und ergänzt, viele türkische Zyprioten – das betonen auch andere (18;52;75) – hätten beim Referendum von 1950 gar für die Enosis gestimmt (16). Damit sollen offenkundig Nähe und Vertrauen beider Gemeinschaften unterstrichen werden. Auf Ähnliches scheinen auch Bekundungen zu zielen, in denen vom christlichen Ursprung der Zyprioten die Rede ist. Die türkischen Zyprioten – hier bedienen die Interviewten das auch zwischen den Mutterländern viel bemühte Argument – seien eigentlich konvertierte Christen bzw. „Kryptogriechen“ (19;50). Ein türkischer Zypriot, so erzählt ein älterer Herr, habe seine Familie auf dem Sterbebett zu sich gerufen um ihr – in der Hand einen byzantinischen Talisman – zu gestehen, dass sie eigentlich alle Griechen seien
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und seine Familie die christliche Insigne schon seit 1453 heimlich hüte. Seine Kinder hätten ihm geglaubt, seine Enkel nicht, heißt es (21). Neben dem nationalen Metanarrativ, das hier mitschwingt, ist vor allem das Verständnis einer gleichsam göttlich-primordialen Natur, über die der Vater seine Nachkommen informiert, bemerkenswert. Die Thematik wird im Folgekapitel (13) erörtert. Den geschilderten synchretistischen Gepflogenheiten sind indes scharfe Grenzen gesetzt, die das skizzierte Bild etwas – wenn nicht sogar deutlich – revidieren. Auf die Frage nach gemischten Ehen lautet die impulsive Antwort nämlich nahezu ausschließlich: „Nein, die gab es nicht!“ Einige können sich im Folgenden dann doch an wenige Ausnahmen erinnern, in denen sich griechische und türkische Zyprioten verliebten und daraufhin (stets) die Frau konvertierte. Zumeist heißt es, die Paare hätten unter hohem sozialen Druck gestanden. Entweder seien die Verbindungen zerbrochen oder die Paare seien ins Ausland emigriert (37;53;83;87). Einen Pfarrer, der ein solches Paar getraut habe, habe man sogar seines Amtes enthoben (57). Vor dem Hintergrund der ethnoreligiösen Synthese der griechisch-zypriotischen Identität ist dies nicht erstaunlich. Auffälligerweise sprechen etliche Interviewte, wenn sie auf die zypriotischen Gemeinschaften rekurrieren, von „Türken“ und „Christen“. Neben der offenkundigen OutgroupHomogenisierung unterstreicht diese asymmetrische Bezeichnungspraxis die klare Rolle von Religion als Differenzierungsmerkmal der Ingroup. Das dritte große Themenfeld befasst sich mit der interethnischen Gewalt und ihren Folgen. Fast alle Interviewten beginnen hier mit dem Verweis, bis 1963 – manche sagen bis 1954, also kurz vor Beginn des EOKA-Widerstandes – seien die interethnischen Beziehungen durchweg harmonisch gewesen. Einer macht die britische Divide-et-impera-Politik für die Entzweiung der Volksgruppen verantwortlich (17), ein anderer die Mutterländer (7). Von eingeschleusten türkischen Militärs, die sich als türkische Lehrer tarnten und von geheimen Waffenlieferungen bestochener Blauhelme ist die Rede (70). Die meisten jedoch berichten von gezielten Einschüchterungen und Anschlägen zumeist junger, externer (d.h. nicht aus dem eigenen Dorf oder Viertel stammender) Extremisten von EOKA (-B) und TMT, die inselweit ein Klima der Angst und des Argwohns geschaffen hätten. Von geteilten Dörfern und Städten, Grenzposten und Kontrollen, von Übergriffen und Morden wird erzählt. Die tiefgreifenden unter den Freundschaften, indes, so heißt es oft im selben Atemzug, hätten weiterhin Bestand gehabt. Etliche erzählen davon, wie griechische Zyprioten ihren türkisch-zypriotischen Nachbarn und Freunden zu Hilfe eilten, sie warnten oder sie sogar bei sich versteckten und umgekehrt. Im eigenen Dorf, so unterstreichen etliche, habe man ganz besonders zusammengehalten (14;32;46;59;67;72;78;79;85;89). In bewegenden Worten berichten zwei Männer, man habe türkisch-zypriotischen Freunden, als diese während der türkischen Intervention 1974 in Schulen einkaserniert waren, Essen und Kleidung gebracht und die Verzweifelten über das Schicksal ihrer Angehörigen informiert (33;79). Ein anderer erzählt, wie ein junger griechischer Zypriot ermordet wurde. Im Affekt sei der Vater auf einen unschuldigen türkischen Zyprioten losgegangen, um ihn zu töten. Glücklicherweise hätte man ihn daran gehindert. Auf Nachfrage des Interviewers gesteht der Erzähler, er selbst habe ihn aufgehalten (82). Ein mutiger türkisch-zypriotischer Metzger, so erzählt eine Interviewte, habe sie und ihre Freundin als junge Mädchen knapp vor den Fängen der TMT bewahrt, habe sie versteckt, verteidigt und mit Proviant versorgt (67). Dabei schien ihnen zu-
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gute zu kommen, dass die Gewalt wohl oftmals durch Dorffremde verübt wurde, die die ethnischen Zugehörigkeiten nicht kannten: Eines Tages, so erinnert sich ein Mann, seien „Graue Wölfe“ vor ihrem Haus erschienen. Da sei die türkisch-zypriotische Haushälterin nach draußen geeilt und habe den Männer erzählt, hier lebten nur türkische Zyprioten. Sie habe sie damit gerettet (46). Andere erinnern sich an Drohungen und Übergriffe gegenüber türkischen und griechischen Zyprioten, die sich weiterhin gemeinsam im öffentlichen Raum zeigten (29;75). Ältere Zyprioten hätten sich für die Schandtaten der jungen Extremisten entschuldigt, so erzählt ein anderer (65). Verstörende Berichte von Exekutionen und Massenvergewaltigungen an türkischen Zypriotinnen und von (interethnisch) geteiltem Schmerz vermitteln, dass die Erzähler immer noch mit den Folgen ihrer Erfahrung ringen (39;43;55;58;84). Diese Berichte und andere, in denen von zeitweiliger, panischer Flucht türkischer Zyprioten erzählt wird (23), davon, die EOKA habe sie vertrieben oder „wie Säcke“ auf Laster geworfen und weggeschafft (73; 77), revidieren die institutionelle Erzählung von ihrer angeblich rein strategischen Umsiedlung. Er habe mit einem türkisch-zypriotischen Freund in einer Taverne gesessen, als Schüsse fielen, erinnert sich ein Mann und erzählt, seine Freunde hätten zu ihm gesagt: „´Lieber Freund, Diomides, vielleicht ist das das Ende. Bring uns bis zum Ende der Straße, damit wir uns dort nochmal umarmen können und wenn es uns vergönnt ist, uns wieder zu sehen, dann sei es so.` Das war das letzte Zeichen von ihnen und eines, dass sich tief in meine Seele gegraben hat, weil ich mich von Freunden verabschieden musste und zugleich bereit sein musste, ihnen als Feinden zu begegnen“ (30) [Übersetzung der Verfasserin].
Hier kommt Traurigkeit und ein Hadern zum Ausdruck, das Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ingroup erkennen lässt. Verhalten-nachdenkliche und einige offen selbstkritische Stimmen finden sich denn auch, die die Gewaltspiralen aus Schmerz und Vergeltung reflektieren (36;82). Am Mittag hätte man gemeinsam bei der Arbeit gegessen und abends auf getrennten Posten Wache gehalten, so erzählt ein Mann und schließt, diese Absurdität werde er nie vergessen (38). „Unsere Beziehungen veränderten sich ´54 mit der EOKA“, erinnert sich ein sechsundsechzigjähriger Mann aus Nikosia. „Wir sagen, wir sind mit dem bewaffneten Aufstand recht, weil wir Zypern befreien wollten. In Wahrheit bin ich natürlich der ENOSIS verpflichtet, ich habe im Namen der Heiligen Schrift auf sie geschworen. Ob das nun gut oder schlecht ist: Ich kann es nicht verleugnen. Die türkischen Zyprioten sagen: Ihr wollt den Anschluss an Griechenland. Und wir? Ich denke, Schuld an der Geschichte ist unser ungeschicktes Vorgehen. Sie hatten gar keinen Bezug zur Türkei, sie bedeutete ihnen nichts“ (5) [Übersetzung der Verfasserin].
Eine bezeichnende Ambivalenz zwischen Loyalität zur eigenen Gemeinschaft und ehrlichem Bedauern über den Ereignisverlauf kommt hier zum Ausdruck. „Aber ich sage noch einmal“, betont ein Anderer, „trotz unserer Freundschaften und unserer engen Verbindung, gab es so etwas in uns, dass uns die Lehrer in den Schulen eingepflanzt hatten, über unsere gegenseitigen Beziehungen“ (39). Diese Ambivalenz auf freundschaftlicher Verbundenheit und national(istisch)er Distanzierung wird im Versöhnungskapitel wieder aufgegriffen, zeigt sie doch eine der widersprüchlichsten und hartnäckigsten Facetten der zypriotischen Parallelkosmen. Einige Interviewte verweisen schließlich auch auf die intra-kommunalen Bruchlinien, wenn sie vom zunehmenden Druck von rechts auf die gemeinsamen Gewerkschaften und offen von Morden der TMT an türkisch-zypriotischen und der EOKA (-B) an griechisch zypriotischen Kommunisten berichten (44;53;67;72;75).
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Fasst man die Grundbotschaften der Oral-History-Interviews zusammen und ordnet sie in den weiteren Erinnerungsdiskurs, so lassen sich anschaulich die Spannungen, das Ineinanderwirken von individueller, sozialer, institutioneller Erinnerung sowie die Grundbedürfnisse erkennen, die in beidem zum Ausdruck kommen. Im Einklang mit der strategischen, denn bequemen Erzählung der externen Störkräfte steht die allgegenwärtige Betonung von Harmonie und Freundschaft und ihre Bedrohung durch ortsfremde Extremisten. Diese Darstellung erscheint sowohl gerechtfertigt als auch inakkurat: Wahrscheinlich, so kann man aus den Berichten folgern, war es vor dem Hintergrund des engmaschigen sozialen Netzes für die jungen Kämpfer der Untergrundtruppen leichter, in fremden Dörfern ihr Unwesen zu treiben. Auffällig indes ist, dass keiner der Interviewten von den eigenen Unruhestiftern spricht, geschweige denn Namen nennt. Dass überall auf der Insel Gewalt verübt wurde, die Drahtzieher aber stets aus dem „Nachbardorf“ kamen, erscheint unwahrscheinlich. Vielmehr erscheint hier eine bedürfnisorientierte Verschleierung der eigenen Schuld oder derer, die man persönlich kannte, als Motiv. Auch verkennt die Botschaft von den kaum vorhandenen Unterschieden zwischen beiden Gruppen und der gänzlichen Harmonie das aggressive politische Klima jener Zeit, das zum Verfall des bikommunalen Systems führte. Wenn ekstatische Massen Makarios zujubelten, während er die überproportionalen „Rechte der Minderheit“ kritisierte, wirken derartige Erzählungen allenfalls als Ausschnitt der „Gesamtwahrheit“ – wenn man denn von Wahrheit sprechen möchte. Im Interview mit der Verfasserin erzählte Professorin und Gender-Aktivistin Maria Hadjipavlou von ihrer Feldforschung mit griechisch-zypriotischen Frauen nach 1974, in der eben jene Ambivalenz auch zur Sprache kam: „Especially those women who came from mixed villages […] their stories were ´We always had good relations`, you know. At that time, I thought they were very genuine, but at the same time I felt that there was a part that they would not talk about and that was, I think the issue […] I discovered later that we had tensions as well. We had some differences. So, I came to understand that being away they […] had a need of nostalgia, but also of romanticizing a bid, you know” (Hadjipavlou 2016).
Zu den historischen Ereignissen, über deren Hintergrund man streiten mag, kommen schließlich die für die soziale Alltagswelt so wichtigen Geschichten: Es sind emotionale, persönliche Geschichten von Großzügigkeit und Gastfreundschaft, von Liebe und Leid, von Heldentum und von Rettung in letzter Minute, die sich mit den wundersamen Erzählungen des ethnoreligiösen Narratives verweben, aber auch auf die Leerstellen der institutionellen Erinnerung verweisen. Auffällig ist in allen Interviews nicht zuletzt die übergroße Übereinstimmung in der impulsiven Reaktion auf die einleitende Frage nach der Qualität der interethnischen Beziehungen, die nahezu identisch mit dem politischen Slogan „We used to get along well“ ist. Sie verweisen damit anschaulich auf die Wirkkraft der im theoretischen Teil erörterten Konzepte von Erinnerung: Denn sie beleuchten erstens ihre retrospektive Verzerrung im Dienste eines positiven Selbstund Weltbildes74, zweitens die Rolle des sozialen Bezugsrahmens für das Erinnern, Vergessen,
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Zu dieser Verklärung gehört höchst wahrscheinlich auch die erwähnte Erzählung von der Enosis-Befürwortung der türkischen Zyprioten im historischen Referendum. Interessanterweise fand die Verfasserin etliche derartige Bekundungen, indes ausschließlich in griechisch-sprachigen Medienquellen (Leventis 2017; Neofitou 2017), während in englischen Publikationen davon keine Rede ist. Das Referendum, so illustrieren historisch-differenzierte Analysen, war seinerzeit nämlich von der Orthodoxen Kirche mit der Absicht durchgeführt worden, den Einfluss der Kommunisten zurückzudrängen und sich als Agent der „nationalen Sache“ ihren politischen Einfluss zu sichern (Heath-Kelly 2013: 31; Anagnostopoulou 2013: 246-248). Das
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Einordnen und Bewerten, drittens die Bedeutung narrativer Ästhetik für Sinn und Kohärenz individueller Erinnerung und viertens den Einfluss des kollektiv-semantischen, institutionellen Gedächtnisses auf die Interpretation der biographischen Erinnerungen. Die Rede von gegenseitiger Freundschaft und Hilfe gegen äußere Aggression scheint so in etlichen Erinnerungen geradenach zu einem retrospektiven Life Story Schema geworden zu sein, das die eigene Lebensgeschichte in den bequemen, kollektiven Erklärungszusammenhang integriert. Die Interviews vermitteln damit nicht nur ein buntes Bild der erlebten Geschichte, sondern auch einen wichtigen Querschnitt der zypriotischen Alltagskultur. Letztlich verweisen sie auch darauf, wie wenig ein ausschließlicher Fokus auf Tatsachen hier sprichwörtliches Licht ins historische Dunkel zu bringen vermag. Denn die „Wahrheit“ ist offenkundig eine komplexe, von Bedürfnissen und Verzerrungen durchdrungene Melange, aus dem, was man persönlich erlebt hat, gemeinsam mit dem, was andere berichte(te)n, um schließlich in bestimmten Bereichen mit dem zu verschmelzen, was die institutionelle Erinnerung vermittelt.
12.4 Verdrängung, Trauma und das Schweigen der Wissenden: Der Fall des CMP 12.4 Verdrängung, Trauma und das Schweigen der Wissenden: Der Fall des CMP Die Kehrseite der glattgeschliffenen Narrative ist die der unaufgearbeiteten Traumata, die Verletzungen, Demütigungen und Verlust motiviert haben. Auf Zypern gibt es kaum Transitional Justice-Maßnahmen. Einzige Ausnahme bildet das schon 1981 auf UN-Initiative gegründete Committee of Missing Persons in Cyprus (CMP). In dem bikommunalen Komitee unter der Schirmherrschaft des Roten Kreuzes sind Archäologen, Biologen und Psychologen an der Exhumierung, Identifizierung und Rückführung der sterblichen Überreste der etwa 2000 bis heute Vermissten griechischen und türkischen Zyprioten beteiligt. Dennoch dauerte es mehr als drei Jahrzehnte, bis vorsichtiger Informationsaustausch zwischen der politischen Führung und Hinweisen aus der Bevölkerung zu ersten Exhumierungen führte. 2016 konnten bereits über die Hälfte der Vermissten exhumiert und davon mehr als die Hälfte identifiziert werden.75 Die lange Zeit des Schweigens deutet auf die enorme Sensibilität und Aktualität der Vergangenheit. Die
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Referendum spielt denn auch in der sozialen Erinnerung der linken Zyprioten eine immer noch hervorgehobene Rolle: In einer teilnehmenden Gesprächsrunde mit griechischen und türkischen Zyprioten, die sich regelmäßig zum Kaffee in einer Gasse der Altstadt Nikosias (Antigonou Street) treffen, wurde mit Vehemenz darauf verwiesen, dass das Referendum auf öffentlicher Abstimmung beruht habe und man so von immensem sozialen Druck ausgehen müsse. Da die Kirche ihre Position im Voraus klar kommuniziert habe, könne man kaum von einem Referendum in heutigen Sinne sprechen. Es sei fraglich, ob es den türkischen Zyprioten überhaupt erlaubt gewesen sei, dort mitzustimmen. Hier ist ersichtlich, wie relevant und umstritten das weit zurückliegende Ereignis noch heute als sprichwörtliches Glied in der Kausalkette des nationalen Narrativs ist. Dass die Entscheidung der Republik Zypern im Februar 2017 das Referendum 67 Jahre später mit einem gesetzlichen Gedenktag zu ehren, für einen Eklat in den aktuellen Verhandlungen zwischen beiden Seiten sorgte, zeigt jedenfalls, dass es (zumindest retrospektiv – und das ist für den Erkenntniswert der Arbeit relevant) bei den türkischen Zyprioten keinesfalls als gemeinsame Geste des Widerstandes gegen die Kolonialherren, sondern als exklusiv-nationalistische Aggression gewertet wird (Gumrukcu und Kambas 2017); vgl. auch https://www.thenationalherald.com/151616/cyprus-unity-talks-break-1950enosis-vote/; [abgerufen am 27.06.2014]. Wie bereits mehrfach erwähnt, hat die Forschungsarbeit nicht den Anspruch, in akribischen, historischen Recherchen nachzuweisen, dass keine oder ob doch einzelne türkische Zyprioten am Referendum teilnahmen und wie sie stimmten. Das Argument selbst indes, erfüllt einen offenkundigen Zweck. [abgerufen am 03.03.2018].
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Hinweise gehen zwar unter Garantie auf Anonymität und Straffreiheit an das CMP, trotzdem erschien die Bereitstellung von Informationen lange Zeit brisant. Wie lassen sich Resonanz und Effektivität des CMP im Kontext gänzlicher Straffreiheit beurteilen? Zur Vermisstenfrage und zur Arbeit des CMP liegen kaum wissenschaftliche Analysen vor. Zwei Artikel betten die Vermisstenfrage in den weiteren Kontext von TJ. So übt Kaymak (2007) in seinem Artikel „Does Cyprus Need a Truth and Reconciliation Commission“ Kritik am monolithischen Wahrheitsverständnis beider Gemeinschaften und erörtert die geringe Wahrscheinlichkeit von Verständigung und Versöhnung in sensiblen Fragen, so auch in der Vermisstenfrage. Yakinthou und Bozkurt erörtern in „Legacies of Violence and Overcoming Conflict in Cyprus: The Transitional Justice Landscape“ die Tabuisierung der Vergangenheit, in der die Vermisstenschicksale einen prominenten Platz einnimmt. Darin erörtern sie die problematische, politische Instrumentalisierung der Vermisstenfrage für die Untermauerung der gemeinschaftlichen Opferrolle vonseiten der politischen Führungen. Ein Online-Paper gibt ferner einen Überblick über die Arbeitsschritte und forensischen Erfolge des CMP und beleuchtet mit einem klaren Fokus auf dem Leid der griechischen Zyprioten und den von der Türkei begangenen Grausamkeiten das strafrechtliche Ringen in der Vermisstenfrage (Stylianou 2009). Die vorliegende Analyse indes geht noch einen entscheidenden Schritt weiter, indem sie in Erörterung der CMP-Arbeit und ihrer Resonanz nicht nur die tiefe Unehrlichkeit politischer Kreise in Fragen der Vergangenheitsbewältigung, sondern auch das Ausmaß an Entfremdung zwischen Politik und Opfergruppen und die gänzliche Verzerrung des Versöhnungsgedankens aufdeckt, die das CMP geradenach zum Miniaturbild der weiteren gesellschaftlichen Missstände in Sachen Versöhnung macht. So soll aufgezeigt werden, dass das Ausbleiben strafrechtlicher Auseinandersetzung, die Jahrzehnte des emotionalen Schwebezustandes, forcierte Konformität mit dem dominanten Narrativ und die Instrumentalisierung des Leids für die Untermauerung der eigenen Opferrolle erstens dazu beigeträgt, dass das CMP seinem eigenen Anspruch der Versöhnung und Vergangenheitsbewältigung ganz im Gegensatz zu seinem öffentlich präsentierten Image kaum gerecht wird.76 Zweitens soll die Tiefenerörterung der Vermisstenfrage im Kontext des CMP aufzeigen, wie weit beide Gemeinschaften in sich und zwischen einander von sozioemotionaler Versöhnung entfernt sind. So ist aus strafrechtlicher Sicht – dem direktesten, offenkundigsten Indikator über den Grad an Vergangenheitsbewältigung – bezeichnend, dass keine einzige der zwischen 1963 und 1974 verübten Menschenrechtsverletzungen (Morde, Vergewaltigungen, Vandalismus, Schikane, Bedrohung) griechischer oder türkischer Zyprioten (zumeist rechtsextremer Gruppierungen) von der einen oder anderen Gemeinschaft verfolgt wurden. Lediglich diejenigen, die den griechischen Coup d'etat hauptsächlich mitverantwortet hatten oder ihn priesen, wurden von ihren politischen Ämtern entfernt – ohne dass dem eine gesellschaftliche oder gerichtliche Auseinandersetzung vorausgegangen wäre. Strafrechtliche TJ-Maßnahmen für Opfer von Gewalt oder deren Angehörige oder interkommunale Entschädigungszahlungen fehlen gänzlich. Materielle und symbolischen Anerkennung erfahrenen Leids findet sich lediglich innerhalb der griechisch-zypriotischen Gemeinschaft, ist aber höchst ambivalent und mitunter kontraproduktiv.
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[abgerufen am 03.03.2017].
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Griechische wie türkische Zyprioten klagten daher vor internationalen Gerichten um ihr Recht – mit mäßigem, vornehmlich auf Einzelfälle in Besitzfragen beschränkten Erfolg (Bozkurt und Yiakinthou 2012: 22-2677). Wie ein türkisch-zypriotischer Angehöriger eines Vermissten der Verfasserin berichtete, ist die Klage zusätzlich erschwert, weil keine sterblichen Überreste als Beweismittel geltend gemacht werden können (Interview 2016). 2014 verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Türkei in letzter Instanz zu insg. 90 Mio. Euro Schmerzensgeld für die Familien von Vermissten und für die Entschädigung für Diskriminierung von bis heute in der „TRNZ“ lebenden griechischen Zyprioten.78 Die Türkei reagierte darauf mit Ablehnung: Sie wies Zahlungen mit Verweis auf Widersprüche im Urteil und die Nicht-Anerkennung Zyperns ab und bezeichnete die Entscheidung des EGMR als nicht bindend (Karadeniz und Toksabay 2014). So beschränkt sich materielle Entschädigung auf Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitierung und eine kleine finanzielle Unterstützung von Flüchtlingen, Opfern und Angehörigen, inklusive Familienangehörigen der Vermissten. Ein entsprechendes Gesetz wurde indes auffälligerweise erst 1997 verbschiedet. Mit diesen Maßnahmen und der Erklärung des 15. Juli als Gedenktag für die Gefallenen und Geschädigten der türkischen Intervention, wird dem Leid der Opfer – so erscheint es – auch institutionell gehuldigt (Closa Montero 2008: 21, 101, 411). Eine umfassende Entschädigung bzw. die Restitution der verlorenen Immobilien wurde bis heute mit dem Argument zurückgewiesen, derartige Gesten würden die Teilung der Insel untermauern.79 In der „TRNZ“ wurden – nebst den Flüchtlingen, die in den Häusern griechisch-zypriotischer Flüchtlinge untergebracht werden konnten – Opfer und Angehörige der Vermissten nicht entschädigt. Ihre Schicksale und der Schmerz der Familien sollten, so der Tenor der türkisch-zypriotischen Führung, aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwinden. Das türkisch-zypriotische Narrativ vom „erfüllten, glücklichen Ende des nationalen Kampfes“ vermag diesen Befund zu untermauern. Denktaş äußerte immer wieder, alle Vermissten seien tot, stilisierte sie als Helden des Freiheitskampfes und stellte sich damit gegen den Anspruch der Angehörigen, die näheren Umstände ihres Verschwindens zu erforschen (Bozkurt und Yiakinthou 2012: 8). Sevgül Uludağ, investigative Journalistin, Frauen-, und Menschenrechtsaktivistin erklärt: „The missing persons issue was a kind of taboo on our side […]. People were told they are dead, don't look for them. The missing persons issue was a zone of silence in our community and I wanted to break that silence.“80 Auf ihr mutiges Engagement wird gleich noch einzugehen sein. Was im Norden komplett aus dem öffentlichen Leben verdrängt zu sein scheint, findet sich in statisch-allgegenwärtiger Präsenz im Süden. Der Umgang beider mit der Vermisstenfrage spiegelt damit anschaulich die jeweiligen politischen Interessen wider: Hier repräsentieren die medial vielfach reproduzierten Bilder der klagenden, schwarz bekleideten Mütter, die Fotographien ihrer vermissten Söhne in den Händen halten (sie sind im Internet allgegenwär-
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Vgl. als prominentesten Fall den Fall der „Orams“: [abgerufen am 01.09.2016]. http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-144151#{"itemid":["001-144151"]} Παπαδόπουλος, Γ.: Ανοιχτή επιστολή στον Πρόεδρο της Δημοκρατίας Ή βρέστε τη λύση ή αποζημειώστε τους πρόσφυγες [Ein offener Brief an den Präsidenten. Entweder ihr findet eine Lösung, oder ihr entschädigt die Flüchtlinge], in: Politis v. 08.02.2004. [abgerufen am 29.12.2016].
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tig), die kollektive psychische Grundhaltung der Gemeinschaft, die sich im Slogan „Ich vergesse nicht“ und in der medialen und institutionellen Dauerpräsenz von Erinnerungsbildern der verlorenen Heimat und religiöser Feierlichkeiten zur Fürbitte für die Wiederherstellung des Status quo ante widerspiegeln (beides wird in den folgenden Kapiteln erörtert). Dieses Festhalten an den Wunden der Vergangenheit soll als Symbol für den unbedingten Willen zur Wiederherstellung des Status quo ante fungieren und ist zugleich höchst problematisch, denn die von Politik, Medien und Kirche immer wieder feierlich postulierte Hoffnung auf endgültige Wiedergutmachung – das wird in der Diskursanalyse erörtert – ist mittlerweile, angesichts der jahrzehntelangen Teilung und der veränderten demographischen Realitäten, immer unrealistischer. Nicht ohne Ironie fasst Papadakis (2005: 94) diese Haltung mit den Worten zusammen: „For decades Greek Cypriot political rhetoric, as expressed by almost all parties, was the chant of ALL: ALL refugees back to their homes; ALL Turkish settlers out of Cyprus; ALL Turkish troops out of Cyprus. Even if on paper a federal solution had been agreed upon in 1977, even if this was to be a bi-zonal, bicommunal federation that meant not all refugees would be able to return—though all would be compensated—this had never been spelled out”.
In einem Dokumentarfilm zur Vermisstenfrage reflektiert Spyros Hadjinikolaou, dessen Vater vermisst war, seit er ein kleiner Junge war, eindrücklich seinen schmerzhaften Initiationsprozess und die bis heute währenden emotionalen Herausforderungen auf der Suche nach einer Antwort für das Verschwinden des Vaters, das ihm das einseitige und selektive Konfliktnarrativ der griechisch-zypriotischen Gesellschaft nicht geben konnte: „But is that the real story of Cyprus? Can that explain to us in a rational sense, satisfy our thirst for truth. At least until the age of seventeen, nineteen, when someone starts questioning things etc. made me and my brother start looking around for real information, not for just the mainstream thing that used to come from the schools, from the newspapers and the politicians, cause it wouldn´t really make sense to us that some crazy guys come and kill your father. The very essence of my emotions when I saw my father´s remains is that there was this guy in bones only and a couple of holes in his skull, who was my father and he was younger than me. There should be something else behind it, there should be something that led these things, although, that is not a justification for the wrong doers. We are still very angry about the wrong doers, who dropped our family into despair and pain for all these years. But, I believe that my family got a peace of mind after the exhumation and the identification of the remains and the funeral, even if it was delayed for forty years. With the question mark of course that we don´t know what happened to them and how, and when, by whom. That is still an issue that we are after” (Evripidou und Nugent 2012) [transkribiert durch die Verfasserin].
Hadjinikolaou zeigt – repräsentativ für die Angehörigen der Vermissten – das quälende Bedürfnis nach Wissen und zugleich nach Abschluss (Closure) in einem Umfeld, das sowohl für die strafrechtliche und forensische wie ethische Dimension der Vergangenheitsbewältigung hinderlich ist. Das wirft die Frage auf, ob die Zurschaustellung des Leids nicht auch politische Interessen bedient. Bewiesen ist jedenfalls, dass Informationen über das Schicksal offiziell als vermisst geltender mehrfach willentlich zurückgehalten wurden (Galatariotou 2008: 856). Besonders prominent erscheint hier die Aufdeckung des Schicksals der sog. „Tziaos Five“ (Abb. 50), fünf zur
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Legende gewordener griechischer Zyprioten, die während des türkischen Einmarsches 1974 verschwunden waren.81 Hinweise an das CMP führten 2009 zur Exhumierung und Identifikation ihrer sterblichen Überreste. Sie ergaben indes nicht nur, dass die Fünf schon kurz nach der Aufnahme der populären Photographie hingerichtet worden waren, sondern auch, dass hohe politische Zirkel von ihrem Schicksal gewusst und dennoch geschwiegen hatten (Galatariotou 2014: Abbildung 50 257-259). Diese Vorfälle legen die Vermutung nahe, dass die Ungewissheit über das Schicksal der Vermissten als kollektiv-psychische Strategie benutzt wird, um das Versprechen von der Wiedergutmachung allen erfahrenen Leids emotional gehaltvoll zu machen. Sie versinnbildlichen aber auch den weiteren Schwebezustand der zypriotischen Gesellschaft, der auf einer idealisierten Erwartungshaltung gründet: „[…] the missing“, so Galatariotous (2008: 862) tiefsinniges Urteil, „were kept metaphorically alive and culturally speaking unburied, both in official propaganda and in the minds of their relatives. The recovery of the missing became a metaphor for the recapture of a lost past, or lost territory, or national recovery and redemption”. Diese Idee (die sich übrigens mit den religiösen Heilversprechungen der Orthodoxen Kirche gut verbindet) sei ein Mittel, sich vor schmerzhafter Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit eines endgültigen Verlustes zu schützen (Galatariotou 2012: 248). Sie attestiert großen Teilen der zypriotischen Generation, die die Konfliktjahre selbst erlebte, sich in einen psychischen Schwebezustand aus widersprüchlichen und unaufgearbeiteten Gefühlen zu befinden, den sie als paranoid-schizoid und tendenziell depressiv etikettiert. Unterdrückung der eigenen Scham und Schuld, traumatische Erlebnisse und ihre Folgen führten, so Galatariotou, zu einer kognitiven Polarisierung, einer Aufspaltung des Selbst und des „Anderen“ in gegensätzliche moralische Kategorien. Daraus resultiere ein gefährliches psychisches Grundmuster aus Vergangenheitsverklärung und -idealisierung als Vermeidungsstrategie, schnell abrufbaren Grundängsten und genauso impulsiven Verteidigungsstrategien als Konsequenz unaufgearbeiteter Schuldgefühle. Zwei zentrale Folgen seien die Unfähigkeit zu trauern und die Neigung zu falschen Analogien als Grundlage einer Outgroup-Dehumanisierung (Ibid.: 242-245). Die charakteristische Intergruppen-Polarisierung bzw. die gegenseitige Herabwürdigung und der Mangel an Empathie und Multiperspektivität der zypriotischen Nationalnarrative sind damit auch Ausdruck der psychischen Prädispositionen vieler Zyprioten, die aus der Nichtaufarbeitung von Opfer/Täter-
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Die „Tziaos Five“ knien mit erhobenen Armen neben Soldaten der türkischen Armee. Das Bild genießt hohen Bekanntheitsgrad und findet sich in Printmedien, wie in sozialen Netzwerken; [abgerufen am 22.04.2017].
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Verstrickungen resultieren. Die falschen Analogien (sie nennt sie „false metaphor“), die vorschnelle bzw. inexistente Kausalschlüsse zwischen Ereignissen oder zwischen Personen und ihren Eigenschaften bezeichnen, werden in der Diskursanalyse zu erörtern sein. Die Effekte der hier erörterten Befunde indes zeigen sich anschaulich in der Arbeit des CMP selbst: Auf der Homepage des Komitees steht der Gedanke von Closure und Versöhnung im Fokus. Repräsentative Bilder der UN und der jeweiligen Regierungsentsandten, Videos und Berichte über beidseitige Anstrengungen und Erfolge lassen den Eindruck freiwilliger und konstruktiver Kooperation zum allgemeinen Nutzen entstehen.82 Dieser Eindruck – so kann man einleitend sagen, ohne dabei die faktischen Erfolge in der Aufdeckung etlicher Vermisstenschicksale zu verkennen – trügt. So führte die Verfasserin im März 2016 eine Reihe von Gesprächen mit politischen Repräsentanten des CMP, mit Forensikern, mit den griechisch-zypriotischen Psychologen (die türkisch-zypriotischen reagierten auf die Anfrage der Verfasserin nicht) und Angehörigen von Vermissten. Die Forensiker traf sie vor Ort im in der Pufferzone befindlichen Laboratorium, in dem auf langen Tischen Skelette und Skelettteile zu sehen sind, die auf DNA-Tauglichkeit überprüft wurden. 20% aller Vermissten seien Frauen und Kinder, so die Forensiker, die damit einen Eindruck vom Gewaltausmaß vermitteln. Sowohl sie, wie auch die Psychologen betonten die enorme emotionale Brisanz, die das Schicksal der Vermissten und die Umstände ihres Todes auch nach mehr als vier Jahrzehnten für die Angehörigen besitzt (CMP-Forensiker 2016). Sie lebten, so betont einer der Psychologen, mit einer „vernarbten Wunde“, die den gesamten Lebensalltag bestimme: Sie sei bestimmt durch bange Hoffnung auf Rückkehr des Geliebten. Alle, so betonen die Psychologen, lebten bis zuletzt mit der Hoffnung. In den persönlichen Gesprächen, die die Verfasserin mit einer türkisch-zypriotischen Familie und einem griechischen Zyprioten (beide Angehörige von Vermissten) führte, stand denn auch das Bedürfnis nach Wissen um die Umstände des Todes im Vordergrund. Dieses Bedürfnis schien auch nach mehr als vier Jahrzehnten noch akut (Angehörige 2016). Reaktionen auf die Botschaft von der Identifikation der sterblichen Überreste reichten, so die Psychologen, denn auch von Rage und Ungläubigkeit bis zu trauriger Dankbarkeit. Zumeist kämen dabei die über Jahrzehnte verwickelten Emotionen in voller Stärke an die Oberfläche. Dennoch blieben etliche Familien auch nach der Beerdigung der sterblichen Überreste in einem Stadium von Wut und Nichtakzeptanz und zeigten ein hohes Maß an emotionalem Stress. Grund dafür – das wird im Verlauf vieler detaillierter Beschreibungen der Psychologen sichtbar – ist die Gewöhnung an den in Situ-Zustand der Hoffnung, der in etlichen Fällen tief mit der eigenen Identität verwoben ist. Eine alte Frau, so erinnern sich die Psychologen, habe sie nach der Beerdigung ihres Sohnes flehend darum gebeten, ihr zu erlauben, weiterhin daran festzuhalten, dass ihr Sohn vermisst sei. Dieser offenkundige Widerspruch deutet auf den Schmerz wie auf die Schwierigkeit der plötzlichen und fundamentalen emotionalen Transformation eines jahrzehntelangen Zustandes, der vor allem für alte Menschen – die größte Gruppe der unmittelbaren Angehörigen – eine kaum zu bewältigende Herausforderung ist. So erzählt einer der Psychologen:
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[abgerufen am 03.03.2017].
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„Oftmals denke ich: Ist es die Sache wert, einen alten Menschen von 86 oder 87 Jahren völlig aus der Fassung zu bringen? […] Ich erinnere mich an eines der ersten Male, als ich noch sehr unerfahren [in der Übermittlung der Botschaft, A. d. V.] war. Und er [der Enkel, a. d. V.] geht zum Großvater und sagt: ´Großvater, wir haben ihn gefunden, deinen Sohn.` Und er [der Großvater, A.d.V.] lief auf die Straße hinaus und begann, seinen Sohn zu suchen. ´Wo ist er? Wo ist er? Wo habt ihr ihn?`“ (CMP-Psychologen II 2016) [Übersetzung und Transkription der Verfasserin].
Die Akzeptanz des Todes sei in den Fällen noch einmal schwerer, in denen nur wenige Knochen auf die Überreste des geliebten Menschen deuteten. Manche lebten mit Gewissensbissen, keinen emotionalen Bezug zu diesen Überresten aufbauen und folglich nicht trauern zu können. Im Verlauf der sehr bewegenden und menschlichen Gespräche kamen auf Nachfrage brisantere Aspekte des gesellschaftlichen und politischen Umgangs mit der Vermisstenfrage zum Vorschein. Nahezu alle Angehörige, so erklärten die Psychologen, seien frustriert und hegten Wut gegen die politische Führung, von der sie sich betrogen und alleingelassen fühlten. „Warum kommt ihr erst jetzt?“, so ein oft artikulierter Vorwurf. Angehörige würden sich sogar manches mal weigern, den zumeist im Beisein politischer Repräsentanten feierlich zelebrierten, im Rundfunk übertragenen Beerdigungen beizuwohnen oder sprächen sich zumindest offen gegen die Präsenz von Politikern aus (CMP-Psychologen I). Etliche Male, so die Psychologen, hätte man den Angehörigen erklären müssen, dass man nicht von einer Partei komme (sic!) und keine abweichenden Interessen hege. Solche Berichte illustrieren anschaulich die Entfremdung zwischen Politik und Opfergruppe und deuten auf das politische Desinteresse an einer ehrlichen Auseinandersetzung mit dem Leid der Angehörigen. Sie zeigen aber auch, dass Akzeptanz und Trauerarbeit durch Gewissheit – denn dies ist erklärte Absicht der CMP-Arbeit – vor dem Hintergrund der politisch forcierten Hoffnung auf Rückkehr zum Status quo ante (für die die Rückkehr der Vermissten sinnbildlich steht), der Jahrzehnte anhaltenden Gewöhnung an diese Hoffnung und der im Übrigen weitgehenden Gleichgültigkeit der Politik für die Thematik, nachhaltig behindert werden. Darauf verweisen indirekt auch die Psychologen selbst. Alle drei sind unter 40, nur zwei haben einen Abschluss in Psychologie. Obgleich sie sehr kompetent und engagiert wirken, beklagen sie die hohe psychische und zeitliche Belastung, die mit der steigenden Anzahl an Familien, die nach dem Erstkontakt das Bedürfnis nach psychologischer Begleitung hätten, kaum zu bewältigen sei. Vor dem Hintergrund der engen kulturellen Bindungen und der sozialen Offenheit der zypriotischen Gesellschaft ist zu sehen, dass die Psychologen von etlichen Familien aufgrund ihrer emotionalen Bedeutung geradezu als „Teil der Familie“ angesehen würden (wie sie selbst unterstrichen) und sich damit der intensiven Betreuung noch stärker verpflichtet fühlten. Für diese Arbeit gebe es keine gesellschaftliche Anerkennung, monieren zwei der drei (CMP-Psychologen II 2016). Dass sich das CMP, wie ein Insider erklärte, zu 80% über externe Quellen finanziert, ist ein weiterer, möglicherweise einer der wichtigsten Indikatoren für das politische Desinteresse an einer strafrechtlich, emotional und ethisch so brisanten Sphäre. Dieselbe Problematik zeigt sich im Übrigen in der gleichgültigen bis ablehnenden Haltung der Politik gegenüber bikommunaler Friedensarbeit. In Kapitel 15 wird darauf zurückzukommen sein. Auch haben die griechisch- und türkisch-zypriotischen Psychologen, wie die Interviews belegen, keinerlei Kontakt zueinander. Vertrauliche Gespräche mit Angehörigen aus dem Umfeld des CMP unterstreichen, dass es den politischen Kreisen beider Seiten zuvorderst darum
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geht, das Leid der eigenen Gemeinschaft in den Vordergrund zu rücken. Die Verhandlung um Preisgabe von Informationen über mögliche Fundorte sind denn auch auf einer Quid-pro-quoMotivation begründet und bedurften immensen internationalen Drucks. Denn die Vermisstenfrage birgt sozialen Sprengstoff: Sie tangiert nachbarschaftliche Beziehungen, wirft unliebsame Fragen über ungestrafte und unbenannte Täter und Tätergruppen und über die verdrängten interkommunalen, vor allem aber über die noch mehr verdrängten intra-kommunalen Gewalttaten auf: Zunächst ist es, wie Galatariotou betont, angesichts des begrenzten geographischen Raumes und dem traditionell dichten Netz sozialer Beziehungen auf der Insel kaum denkbar, dass Verbrechen verborgen blieben. Vielmehr herrsche seit mehr als vier Jahrzehnten Stillschweigen darüber (Galatariotou 2012: 260). Dieses Stillschweigen wird von politischer Seite implizit mit dem allgegenwärtigen Appell an die Notwendigkeit des nationalen Zusammenhalts und der Stärke nach Außen forciert oder mit dem Verweis abgewiesen, die andere Seite habe ihre Verbrechen auch nicht aufgearbeitet, warum sollte man also selbst die Wunden der Vergangenheit öffnen: „The denial of crimes committed by one community towards the other is legitimated internally by the other’s lack of acknowledgement of their transgressions. Because Greek Cypriots have not as a community examined their behaviour, Turkish Cypriots have been able to avoid assessing their own actions during the conflict. Further, the Turkish army’s continued overpowering presence on the island makes Greek Cypriots reluctant to talk of Greek Cypriot human rights violations or inter- or intra-communal atrocities committed during the war” (Bozkurt und Yiakinthou 2012: 25).
Innerhalb der eigenen Gemeinschaft, so kann man zusammenfassen, wollte die politische Führung die strafrechtliche Aufarbeitung der Vergangenheit nicht, während sie zwischen den Gemeinschaften bis heute nicht durchsetzbar ist. Diese Befunde deuten darauf, wie viel Frustration und Unausgesprochenes sich unter der Oberfläche der monolithischen Narrative verbirgt, die ein schweigendes, verdrängendes und neurotisches Mitwissertum befördert haben. Fragen über die Vergangenheit, gar strafrechtliche Recherchen erscheinen somit als äußerst heikel, weil sie über die Täterbenennung, wie gesagt, soziales Konfliktpotential bergen und ferner ohnehin oftmals schwierig sind: „Many of the crimes that resulted in death or disappearance, resulted from an escalation of tit-for-tat antagonisms, or were perpetrated by people from neighboring villages or even by neighbors. In some cases, this makes survivors quietly reluctant to see that the guilty parties are named for what they have done, and in others, more determined to keep the book of the past closed” (Bozkurt und Yiakinthou 2012: 26). Genau gegen diese Intention wehrt sich Sevgül Uludağ, die sich seit Jahrzehnten gegen die militärnahen Kreise Nordzyperns und ihre politische Repression zu Wehr setzt.83 Gemeinsam mit Angehörigen von Vermissten gründete sie die bikommunale NGO „Together we can“ (TWC), die sich jenseits der politischen Sphäre für die Ermittlung der Vermisstenschicksale engagiert und – noch bedeutsamer – die verdrängten und vergessenen Geschichten der Gewaltopfer öffentlich macht. Von diesen Geschichten erzählt sie in Seminaren, Jugendcamps und publiziert sie online. „Cyprus. The Untold Stories“ ist eine ergreifende Anthologie aus anonymisierten Augenzeugenberichten und persönlichen Erinnerungen, die grausame Details von Gruppendeportationen und gezielten Exekutionen beider Seiten festhalten und einen Eindruck
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Uludağ wurde 2019 für den Friedensnobelpreis nominiert.
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der emotionalen Hypothek vermitteln, die die Erzählenden mit sich tragen (Uludağ 200584). Aufgrund ihres Mutes, ihrer bikommunalen Reputation und (dies ist möglicherweise der wichtigste Faktor:) ihrer Politikferne – so bestätigten selbst Mitglieder des CMP – trägt sie maßgeblich zur Aufklärung von Vermisstenschicksalen bei. Denn etwaige Mitwisser bringen ihr deutlich mehr Vertrauen entgegen, als den halbherzigen von den Regierungen entsandten offiziellen Ermittlern. In etlichen informellen Gesprächen, die die Verfasserin im Café des Home for Cooperation führte – es liegt direkt gegenüber des Hotels Ledra Palace, in dem das CMP untergebracht ist – erzählten Mitglieder und Freunde des TWC bewegende Geschichten später Beichte von Tätern und Mitwissern von Gewaltverbrechen und ihrer kathartischen Wirkung. Vor diesem Hintergrund erscheint es erstaunlich, wie wenig die Konfliktgeschichte und ihre Gegenwart trotz der breiten wissenschaftlichen Auseinandersetzung Teil des internationalen politischen und gesellschaftlichen Bewusstseins ist. Im nächsten Kapitel wird auf die politische Ebene zurückzukommen sein. Ein Grund für das mangelnde gesellschaftliche Bewusstsein liegt offenkundig auch an dem in Broschüren und Reisekatalogen gepflegten Image von Idylle und Beschaulichkeit, das auf die hunderttausenden Touristen ausgerichtet ist, die jährlich auf die Insel strömen (man denke an deutsche Reiseslogans, wie „Zypern: Wo die Götter Urlaub machen“). Insbesondere in der „TRNZ“ wird der ambivalente Schwebezustand deutlich: Sie ist bis heute ein De factoStaat, den man international nicht direkt anfliegen kann und in dem 30 000 türkische Soldaten stationiert sind, die durch die Straßen patrouillieren und die Grenze sichern (Bryant und Hatay 2008: 429). Gerade deshalb bemüht sich die politische Führung um die Pflege eines attraktiven Touristenimages.85 Ein offenkundig ausgeprägtes Desinteresse und Oberflächenwissen von Zyperntouristen im Hinblick auf Verlauf und gegenwärtigen Einfluss der zypriotischen Konfliktgeschichte, welche die Verfasserin in zahlreichen informellen Gesprächen erkunden konnte, unterstreicht, dass dies den Führungen beider Inselteile gelungen ist. Zurecht verweist Adamides (2014: 7) darauf, dass der Konflikt in der sozialen Alltagsoberfläche – vor allem seit die innerzypriotische Grenze passierbar ist – kaum eine Rolle spielt. Der sprichwörtliche zweite, kritische Blick jedenfalls zeigt die tief verwickelten Emotionen auf, die unter dieser sichtbaren Oberfläche liegen und darauf verweisen, wie ungünstig die Ausgangslage für Versöhnung ist. Im letzten Kapitel wird darauf zurückzukommen sein. Das verdeutlichen nicht zuletzt die Äußerungen politischer Akteure nach ihrer Einschätzung zur Einführung einer Wahrheits- und Versöhnungskommission: „ […] over the course of our work we found that key policy makers in the field received truth commissions with a great deal of cynicism. The main concern is that they may undermine the ongoing truth-seeking process initiated by the CMP. If people fear their crimes becoming public, they will no longer provide the
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[abgerufen am 02.03.2017]. Die Verfasserin reiste im April 2014 mit einer deutschen Reisegruppe der Europa Union über Zwischenlandung in der Türkei in die TRNZ ein und nahm an einem vom Reiseveranstalter empfohlenen pauschalen Kulturprogramm teil. Dies bestand aus Tagesreisen durch die „TRNZ“, in der insbesondere osmanische Architektur, Vegetation, Landwirtschaft (Olivenanbau) vorgestellt und auf die multikulturellen Traditionen der Insel verwiesen wurde. Fragen zum Konflikt und zum völkerrechtlichen Status quo wurden dabei gänzlich ausgespart.
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12 Man ist, was man erinnert: Die zypriotische Konfliktgeschichte und ihr Gedächtnis CMP with information about burial sites, which will prevent families of victims from ever finding their loved ones’ remains” (Bozkurt und Yiakinthou 2012: 19).
Diese Sorgen erscheinen – wie so viele andere Parameter des Konfliktes – durchaus berechtigt, aber janusköpfig, denn sie dienen zugleich der Rechtfertigung einer Aufrechterhaltung des Status quo. Sind sie also eher eine politische Vermeidungsstrategie? Interessanterweise steht die Bevölkerung einem Versöhnungsprozess nämlich weitaus positiver gegenüber als die politische Führung. Nahezu dreiviertel aller Zyprioten befürworteten demnach die Etablierung einer solchen Kommission mit dem langfristigen Ziel einer sozioemotionalen Annäherung (Bozkurt und Yiakinthou, 2012: 19). Dieser Befund wirft die Frage auf, inwiefern die exklusiven Narrative des dominanten Diskurses in erster Linie durch gezielte Forcierung und Perpetuierung durch Politik und Bildungswesen aufrechterhalten werden. Die Vermisstenfrage auf Zypern zeigt damit, so kann man aus dem Vorangehenden schließen, etliche der Herausforderungen, die im Versöhnungskapitel in vergleichender Perspektive erörtert wurden: Das von allen Psychologen thematisierte, kontraproduktive „erneute Durchleben“ des Verlustschmerzes, der mit der endgültigen Todesnachricht auch nach Jahrzehnten mit Vehemenz zum Ausdruck kommt, unterstreicht die erörterten Gefahren einer traumatischen Störung für das Opfer. Anschaulich zeigt sich ferner die von Vora und Vora thematisierte Gefahr einer medialen Instrumentalisierung des Leids und ihrer immensen Folgen für die Opfer (die Angehörigen). Schließlich sind auch die Konsequenzen eines eklatanten Nichtvorhandenseins von Local Ownership evident. Das CMP erscheint allenfalls als Prestigeobjekt für den internationalen Blick auf Zypern, dessen Gründung man notgedrungen zustimmte, weil man sie nicht hätte zurückweisen können, ohne das eigene friedensorientierte Image zu untergraben. Sein so vehement vertretener „Versöhnungsgedanke“ jedenfalls findet sich in keinster Weise im Verständnis der zypriotischen Gesellschaften wieder. Die Vermisstenfrage spiegelt damit en minuature die, wenn man so will, strafrechtlichen und sozioemotionalen Missstände der Nichtbewältigung der Vergangenheit wider. Eindrücklich und sprachlich auf den Punkt gebracht fasst Galatariotou (2008: 858) die psychischen Folgen dieser Missstände und ihre Konsequenzen für das Verhältnis von Bürgern und Staat zusammen: „As justice was never done nor seen to be done the Cypriots became accustomed to keeping their heads low, speaking quietly and trying not to cross the path of the gunmen. That it was known that someone had killed with impunity damaged the moral authority of the republic irretrievably in the minds of all its citizens, intensified the sense of fear and insecurity, and kept primitive anxieties permanently unleashed. In its function as collective super-ego – representative of moral conscience, arbiter of guilt and deliverer of just punishment – the state emerged deeply compromised” (Galatariotou 2008: 858).
So haben, kann man resümieren, mangelnde strafrechtliche und sozioemotionale Aufarbeitung nebst den Verheißungen der politischen Propaganda und der forcierten Vergegenwärtigung dessen, was erinnert werden soll, eine kollektiv-psychische Grunddisposition genährt, die in einem Schwebezustand aus diffuser Angst, Leugnung, Verdrängung, Frustration und (falscher) Hoffnung verharrt. Wurden im vorliegenden Kapitel die zentralen Formen und Ebenen der zypriotischen Konfliktgeschichte und der mit ihr verwobenen Erinnerungskultur im Spannungsfeld politischer Interessen und strafrechtlicher bzw. sozioemotionaler Herausforderungen erörtert, sollen vor diesem Hintergrund in den folgenden Kapiteln ausgewählte zypriotische Geschichtsbücher und der mediale Diskurs um den Annan-Plan zwei weitere Komponenten der zypriotischen
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Unteilbarkeit beleuchten. Dabei soll erstens die Schulbuchanalyse die Relevanz erzählter Geschichte für die Lebenswirklichkeit und das Konfliktverständnis der jungen Generation aufzeigen, die Diskursanalyse zweitens den Einfluss der eng verquickten politisch-medialen Sphäre auf die Einstellungen weiter Teile der griechisch-zypriotischen Öffentlichkeit illustrieren. Im letzten Kapitel, das zum einen die Ambivalenz einer Alltagskultur beleuchtet, die sich mit dem Konflikt arrangiert zu haben scheint und zum anderen die verbundene Rolle von zivilgesellschaftlichen Versöhnungsinitiativen erörtert, sollen alle illustrierten Komponenten im Hinblick auf Chancen und Hindernisse für eine nachhaltige Transformation der sozioemotionalen Infrastruktur zusammengeführt und abschließend beurteilt werden.
13 „Ich vergesse nicht und kämpfe!“: Geschichtsbücher als nationales Erbe 13.1 Rolle und Geschichte der Bildung auf Zypern 13.1 Rolle und Geschichte der Bildung auf Zypern „[...] modern educational systems are vital institutions for the survival of the nation because the official history taught in schools is supposed to lay the foundation for a collective narrative that reiterates the inevitability of the nation´s existence and grandeur“ (Christou, 2007: 710).
Wie insbesondere die institutionelle Erinnerung und die Vermisstenfrage, so kann man einleiten, verweist auch die griechisch-zypriotische Bildung, allen voran der Geschichtsunterricht, auf die Deutungsmacht des dominanten Diskurses mit seiner glatt geschliffenen und wohl geformten Erzählung der Vergangenheit, aber auch auf kulturellen Eigenheiten der griechischzypriotischen Gesellschaft und ihren Hierarchien. Wie brisant die Geschichte ist und welche Interessen sie bedient, zeigt sich zuvorderst in den vehementen parteipolitischen und gesamtgesellschaftlichen Widerständen gegen jedwede Reformierung des Bildungswesens, sowie an der harschen Zurückweisung jedweder Kritik an den Widersprüchen und Tabus einer eindimensionalen Geschichtsschreibung. Wie zu zeigen sein wird, erscheint die griechisch-zypriotische Geschichtsdidaktik – die im vorliegenden Kapitel erörtert wird – als Beispiel par excellence für die Instrumentalisierung von Geschichte zur Legitimation politischer Forderungen, wie sie im UNESCO Guidebook on Texbook Research and Texbook Revision mit den Worten beschrieben werden: „Authochtonism and founding myths legitimize current territorial interests and claims for cultural dominance, uniqueness and exclusiveness“ (Pingel 1999: 38). So werden im Folgenden zunächst die wichtigsten Etappen in der historischen und ideologischen Entwicklung des zypriotischen Bildungswesens erörtert, um zu verdeutlichen, wie tief die Bildung mit der nationalen Identität verwoben ist. Im zweiten Teil des Kapitels wird eine Feinanalyse ausgewählter griechisch-zypriotischer Geschichtsbücher vorgenommen, die das Erörterte unterstreichen sollen. Dabei beinhaltet die Analyse neben einer kompakten Erörterung zweier bereits vorgenommener Geschichtsbuchanalysen und zentraler problematischer Charakteristika des nationalistischen Diskurses die (erstmalige) Analyse eines Lehrbuchs zur Geschichte der „Kirche Zyperns“ sowie zwei Lehrwerke der Reihe „Ich vergesse nicht und kämpfe“. Beide Lehrwerke erscheinen der Verfasserin äußerst relevant für das Verständnis der zypriotischen Unteilbarkeit. Erkenntnisreich für das Ringen und die Widerstände rund um die Bildung erscheint zunächst die durch die Beitrittsverhandlungen und den EU-Beitritt 2004 angeregte gesamtgesellschaftliche Debatte um eine Bildungsreform in Orientierung an den europäischen Bildungsrichtlinien, die von Seiten der Kirche und konservativer Parteikreise als Gefahr für die nationale Identität abgelehnt wurde (Philippou 2010: 227). Im Norden reformierte die progressive CTP – seit 2003 in der Regierung – wie bereits erwähnt die türkisch-zypriotischen Geschichtsbücher in Richtung einer inklusiveren, bürgerrechtlichen, aber auch gemeinsamen zypriotischen Identität. Negative nationale Stereotype „des Anderen“ wurden vermieden und die eindimensionale, an einem Schwarz-Weiß-Schema von „Gut und Böse“ orientierte Geschichte durch eine differenzierende, auf unterschiedlichen Perspektiven und Quellen beruhende Geschichtsdarstellung
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Rehrmann, Der Zypernkonflikt, Innovative Konfliktforschung – Innovation in Conflict Research, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31192-6_13
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13 „Ich vergesse nicht und kämpfe!“: Geschichtsbücher als nationales Erbe
ersetzt, mit der die Schüler angeregt werden sollten, die präsentierten Inhalte kritisch zu hinterfragen und zu diskutieren (Beyidoğlu et al. 2010: 98-99). 2009 wurden die reformierten Geschichtsbücher indes – wie gesagt – zum zentralen Hauptthema des Wahlkampfes in Nordzypern. Die konservative UBP versprach, die Bücher im Falle eines Wahlerfolgs wieder abzuschaffen. Sie gewann die Wahlen und löste das Versprechen sofort ein. Das Potential für Reformen ist also gegeben, aber fragil, so mag man urteilen. Im Süden wurden die Geschichtsbücher bezeichnenderweise nicht reformiert. Zwar wurde vor allem zur Zeit der linken AKEL-Regierung zwischen 2008 und 2013 eine Neuausrichtung der Bildung mit einem Fokus auf interkultureller Verständigung angeregt. So sprach der Staatssekretär des Bildungsministeriums von der Vision, Zypern zu einer Modellgesellschaft harmonischen interkulturellen Zusammenlebens zu machen. Sie blieben aber offenkundig ein Lippenbekenntnis, denn die hellenozentrische und selektive Perspektive der Geschichtsbücher ist bis heute unangetastet (Philippou 2010: 226-228). Die in informellen Äußerungen AKEL-naher Zyprioten geäußerte Kritik an der (wahl-) taktischen Nähe von AKEL-Chef Christofias zur Orthodoxen Kirche mag ein Grund dafür sein. Das griechisch-zypriotische bzw. türkisch-zypriotische Bildungssystem spiegelt, so kann man einleitend feststellen, im Kleinen die gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung und die machtpolitischen Hierarchien in der Definition von nationaler Identität und den Umgang mit den umstrittenen und tabuisierten Ereignissen der zypriotischen Konfliktgeschichte wider. So finden sich im Diskurs um die Vermittlung von Geschichte denn auch die zentralen Konzepte des hegemonialen Diskurses rund um Fragen der kollektiven Identität, Erinnerung, historischen Kontinuität und Legitimität. Bis heute präsentieren sich auch die Geschichtsbücher beider zypriotischen Gemeinschaften als konkurrierende Narrative eines nationalen Kampfes um Freiheit. Die Rekonstruktion der Entwicklung der zypriotischen Schulbildung vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart illustriert die historische Rolle der Bildung für die top-down-Verbreitung nationaler Identität, die bis heute so bezeichnend ist. Schon seit Anbeginn der osmanischen Herrschaft nämlich sind die Zyprioten in ihren Bildungssystemen zunächst als Muslime und orthodoxe Christen im Rahmen des Millet-Systems getrennt (Zervakis 1998: 56-58). Die bis heute vor allem für das griechisch-zypriotische Bildungssystem charakteristische Nähe zu Kirche und Politik erklärt sich im bereits angedeuteten traditionellen Bildungsmonopol der orthodoxen (und osmanischen) Eliten, die zugleich politische Funktionen inne hatten: „[...] the ecclesiastical monopoly of education among the Greek Orthodox was never separated from politics, while the monopoly in the Ottoman Islamic contexts was never independent from the state but was integrated into the state´s most basic structures“ (Bryant 2004a: 81). Bildung und Religion sind also eng miteinander verwoben und über Jahrhunderte Ankerpunkt der kulturellen Identifikation. Wie in der erörterten Nationalstaatsgenese der Mutterländer, spiegelt auch die zypriotische Bildung den Übergang vom dynastisch-religiösen zum historisierten, ethnisch-exklusiven Vorstellungsraum wider. Es sind zunächst griechische Lehrer vom Festland, die die Kultivierung einer griechischen Identität mit den irredentistischen Aspirationen der Megali Idea verbinden, während die Nationalisierung der türkischen Zyprioten im Geiste Atatürks erst in den 1930er Jahren beginnt (Bryant 2001: 584-589). In ihrer Rekonstruktion der zypriotischen Nationalismen zeigt Bryant auf, wie im Zuge der administrativen und sozialen Modernisierung Zyperns durch die Briten allmählich Repräsentanten der Mutternationen die Bildung und damit
13.1 Rolle und Geschichte der Bildung auf Zypern
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die gleichsam sakrale Deutungshoheit einer höheren „Wahrheit“ übernahmen, die den neuen bzw. zu schaffenden Staatsbürgern ihr vermeintlich ureigenstes Wesen nahebringen sollte: „(…) through education one became more fully what one was, in ethnic terms. Becoming a ´true` Greek or a ´true` Ottoman (and later a ´true` Turk) was something achieved through education”. Dieses Image konnte bei der einfachen Dorfbevölkerung Zyperns mit ihrer hohen Analphabetenrate umso stärker wirken, als die neuen Botschaften – wie in den Mutterländern – in Form der purifizierten Hochsprachen gelehrt wurden (Bryant 2004a: 127). Auch hier zeigt sich zum einen die bei Gellner und Smith veranschaulichte Verknüpfung von nationaler Identität mit einer konstruierten Hochkultur (Gellner 1983: 36; Smith 2000: 167-169). Zum anderen verweist die Vorstellung von Bildung als etwas, durch das der zunächst unmündige Bürger seine gleichsam wahre und ideale Natur erkennt, schon auf die Problematik einer starren, nicht zu hinterfragenden Geschichtsvermittlung, die als nationales Erbe betrachtet wird. Seinerzeit indes war die Frage der Bildung, wie die Kapitel zu den Mutterlandsnationalismen, aber auch indirekt die emotionalen Hintergründe der Enosis-Bestrebungen belegen, vor allem ein Mittel zur Legitimation politischer Forderungen, gleichsam die Raison d'être für das Recht auf Freiheit durch die Demonstration kultureller „Westbindung“ und Abgrenzung vom Orient. Die Nähe zu den Mutterländern im Bestreben nach kultureller Anerkennung formuliert Terkourafi (2007: 78) treffend mit den Worten: „Under British rule, Greek Cypriots´ quest for a degree of autonomy and political freedom was largely played out on the civilizing front, with several initiatives including the founding of cultural associations and societies, the organizations of public celebrations and athletic meetings, the abandonment of ´uncivilized` traditions, and the encouragement of philanthropy, intended to educate the local public and to prove Greek Cypriots´ worthiness of greater freedom to their rulers”.
Dieses Leitmotiv unterstreicht erstens, warum die Bildung einen derartig zentralen kulturellen und politischen Stellenwert für die zypriotische Gesellschaft besitzt und, warum etwaige Reformen sofort zumindest implizit als Gefahr für nationale Anerkennung angesehen werden. Bezeichnenderweise nennen die griechischen Zyprioten die Festlandgriechen im scherzhaften Jargon übrigens Kalamarades („Schreibgelehrte“) und ihre Sprache Kalamaristika (Papadakis 1998: 156-158) und zeigen damit eine umgangssprachliche Facette der importierten Hochkultur auf. Bis heute erscheinen Bryants historische Analysen in diesem Sinne bezeichnend für das Bildungssystem, in dem der Lehrer als hochangesehene Persönlichkeit die „nationale Wahrheit“ kundgibt: „When school ´history` is understood and taught as heritage“, postulieren Makryianni und Psaltis (2007: 44-45) im Rahmen der aktuellen Debatte um die Ziele von Geschichtsunterricht, „it deliberately omits certain aspects of the past and thrives on ignorance and error; its nurting virtue is bias and its essential purpose prejudiced pride.“ Geschichte erscheint hier als Fanal einer glorreichen Vergangenheit, die – insofern sie dem Schüler als Leitbild dienen soll – zeitlose Bedeutung erlangt: „[...] the past and the present ends up before the students as a catechism to be memorized“.86 86
Diese Aspekte verweisen auch auf ein naiv-realistisches, epistemologisches Geschichtsverstädnis, das Bildungspädagogin Philippou in einem Friedensworkshop mit den Worten kritisiert, Geschichte sei im Verständnis der meisten Lehrer „a subject for which students are expected perhaps to work actively, but only to the extent that they will come up with the answers the textbooks expected them to come up with or the teachers” (Philippou 2012). Im Kapitel zu den zypriotischen Versöhnungsaktivitäten wird zu zeigen sein, wie diesem Verständnis entgegengewirkt wird.
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13.2 Die griechisch-zypriotische Erinnerungskultur nach 1974 in den Geschichtsbüchern 13.2 Die griechisch-zypriotische Erinnerungskultur nach 1974 in den Geschichtsbüchern Blieb die enge kulturelle Verbindung zu den Mutterländern zunächst nach der Unabhängigkeit Zyperns erhalten – denn die Verfassung sicherte den kommunalen Einfluss über empfindliche Bereiche der nationalen Identität in Religion, Kulturpolitik und in der Bildung (Rumpf 1998: 163), leitete die Zäsur von 1974 und der mit ihr verbundene Identitätswandel, wie einleitend erwähnt, bei den griechischen Zyprioten vor allem im Bildungssystem eine Wende ein. Mit ihr setzt eine neue Phase der Erinnerungskultur an die jüngste zypriotische Konfliktgeschichte ein. Wie bereits im vorangehenden Kapitel geschildert, werden die Enosis-Bestrebungen verdrängt und stattdessen die EOKA als Guerilla im Dienste der zypriotischen Unabhängigkeit dargestellt. Die inter- und intra-kommunale Gewalt der 60er Jahre verschwindet aus dem öffentlichen Diskurs, während nach und nach der Begriff der „peaceful coexistence“ die Erinnerung an das einstige Zusammenleben mit den türkischen Zyprioten verklärt (Papadakis 2003: 161). Erstmals tritt so in Abgrenzung vom Mutterland auch ein Buch zur zypriotischen Geschichte auf den Lehrplan, in der es um die spezifische ältere und neuere Kulturgeschichte der Insel geht, die jüngste Vergangenheit aber kaum, nur sehr oberflächlich und selektiv behandelt wird. Gleichzeitig erscheint ein neuer Slogan, der sich bald in allen griechisch-zypriotischen Klassenzimmern, auf Postern und Transparenten wiederfindet: „Δεν ξεχνώ και αγωνίζομαι” [„Ich vergesse nicht und kämpfe“]. Es ist, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, repräsentativ für das institutionelle Opfer- und Erlösungsnarrativ, wie auch für die „Zeitlosigkeit“ von Geschichte und fächerübergreifend bis heute im griechisch-zypriotischen Bildungssystem zu finden (Philippou und Klerides 2010). Er erscheint zugleich als moralischer Appell für Erinnerungsbewahrung („Ich vergesse nicht“) und als implizite Aufforderung zur sozialen Agitation für eine Rückkehr zum Status quo ante („und kämpfe“). Regelmäßig am 20. Juli, dem Jahrestag der türkischen Intervention, versammeln sich Schüler auf Geheiß mancher Lehrer an den Grenzzäunen der geteilten Hauptstadt Nikosia und rufen nationalistische Parolen und Vergeltungsdrohungen in Richtung des besetzten Nordens.87 Die junge Generation wird damit zum ausführenden Organ einer aggressiven nationalistischen Rhetorik, mit der die unliebsamen Aspekte der zypriotischen Konfliktgeschichte, welche die Schüler nicht selbst erlebt haben, tabuisiert werden. Diese Rhetorik verbindet sich mit der ambivalenten, romantisierten Vision einer einstigen Idylle, die es wiederherzustellen gilt: […] Greek Cypriot national imaginary – which is evident in the educational system“, so Christou (2006: 286), „maintains conflicting desires by declaring both a vision of peace in a unified Cyprus and a nostalgic attachment to previous nationalistic struggles. For the younger generation of Greek Cypriots, the national goal in the post-1974 curriculum is discursively empty; it falls short of constructing an imagination of what the future will look like in a reunified Cyprus“. Es fällt nicht schwer, diesen Schwebezustand als Symbol für die weitere zypriotische Gesellschaft zu sehen. Im letzten Kapitel wird darauf zurückzukommen sein. Indes scheint noch erkenntnisreicher und nicht unproblematisch, dass die Jugend offenkundig als Projektionsfläche für die Bedürfnisse und Verfehlungen der Elterngeneration gilt. Ihre (stilisierte) Wut und ihre (durch die erzählte Erinnerung) geformte Imagination soll, 87
Das berichtete eine griechisch-zypriotische Bewohnerin des Hauptstadtviertels „Tachtakale“ in einem persönlichen Gespräch mit der Verfasserin am 17.12.2013.
13.2 Die griechisch-zypriotische Erinnerungskultur nach 1974 in den Geschichtsbüchern 277 wie zu zeigen sein wird, den vorangehenden Generationen die Vergangenheitsbewältigung erleichtern. Der Widerspruch zwischen Friedenssymbolen (wie sie im letzten Kapitel beispielsweise in den Schülermalereien zum Ausdruck kamen) und nationalistischer Exklusion zeigt sich auch in den rhetorischen Anpassungen der Bildung an europäische Werte. Gemäß neuer Richtlinien des Bildungsministeriums von 2002 solle Erziehung der Herausbildung „freier, demokratischer und mündiger Bürger“ („ελέυθερων, δημοκρατικών και και αυτόνομων πολιτών“) und der Völkerverständigung dienen. Zugleich aber gilt als oberste Priorität, den Schülern ihre griechische Identität und orthodoxe Tradition nahe zu bringen (Anagnostopoulou et al. 2004: 7-9). So heißt es, der Lehrer sei aufgefordert „mit seinem Glauben an die unsterblichen [griechisch-orthodoxen, A.d.V.] Ideale und Werte und seinen tiefen Gefühlen auch die Seelen seiner Schüler innerhalb und außerhalb des Klassenraumes zu beflügeln, ihnen das Abendmahl und den heiligen Schrein von Ethnie und Religion darzubringen, um nicht nur dafür zu sorgen, dass die Erinnerung an unsere besetzten Gebiete unauslöschlich ist, sondern auch um ihren unstillbaren Willen zum Kampf zu entfachen, bis in unserer Heimat wieder die Grundsätze von Recht, Moral und Würde walten“ (Ibid.: 8) [Übersetzung der Verfasserin].
Der inhärente Widerspruch aus politisch-egalitärem und ethnisch-exklusivem Anspruch, wie er für so viele Nationalismen charakteristisch ist, scheint hier in Reinform zum Ausdruck zu kommen. Zugleich scheinen hier die auch für andere Postkonfliktgesellschaften und ihre EU-Annäherung geltenden Oberflächenreformen zu gelten. Schließlich bleibt auch die intra-kommunale Gewalt, die bis heute ein sensibles Thema zwischen den Parteien ist, gänzlich unerwähnt. Wie die institutionellen Erinnerungsorte, so darf auch die Schuldbildung die neuralgischen Punkte der sensiblen Konfliktgeschichte nicht tangieren. Aufschlussreich dafür ist ein Blick in das (von Papadakis 2008 bereits analysierte) Lehrbuch der „Geschichte Zyperns“ für die 5. und 6. Klasse. Es besteht hauptsächlich aus einer kulturgeschichtlichen Nachzeichnung des römischen und byzantinischen Erbes Zyperns. Nur ein Sechstel, das letzte Kapitel, beinhaltet die jüngste Geschichte Zyperns seit 1960. Die Hälfte davon ist wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen gewidmet und wird als Zeit rasanten Aufschwungs beschrieben, der durch die von langer Hand geplante türkische Intervention ein jähes Ende gefunden habe. Die politische Entwicklung wird auf zwei Seiten spärlich zusammengefasst: Darin erscheint ganz im Sinne des dominanten Diskurses die Gründung der Republik als natürliches Resultat des griechisch-zypriotischen „Freiheitskampfes“ (und nicht als für die Mehrheit der griechischen Zyprioten schmerzlicher Kompromiss). Die enttäuschten Hoffnungen der Enosis-Anhänger bleiben unerwähnt. En Detail werden hingegen die konkordanzdemokratischen Elemente der zypriotischen Verfassung aufgezählt und als unverhältnismäßige Privilegierung der türkischen Zyprioten bezeichnet, welche die Funktionalität des politischen Systems von Anfang an gefährdet habe (Πολυδόρου 2003: 115). „Die Türken missbrauchten kontinuierlich ihre Privilegien im Bereich der Legislative und des Vetorechts und behinderten so das Funktionieren des Staates“ heißt es (Ibid., [Übersetzung der Verfasserin]). Auch die Darstellung der interkommunalen Gewalt, sowie die Hintergründe der Enklavenbildung spiegeln die institutionelle Darstellung. Gezielte Sabotageakte der Minderheit hätten, so das Fazit, die harmonische und von ökonomischem Aufschwung begleitete Epoche getrübt. Schließlich habe der griechische Coup (auch hier wird die Beteiligung rechter zypriotischer Kreise verschwiegen) der Türkei die lang ersehnte Rechtfertigung zur Teilung gegeben. Ganz
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im Sinne der institutionellen Erinnerung wird die Legitimität dieser Perspektive durch ihre Einordnung in die weitere Geschichte der zypriotisch-hellenischen Nation und ihres vermeintlich jahrhundertelangen Ringens mit fremder Herrschaft untermauert. So heißt es im Vorwort:„´Many peoples passed over Cyprus or conquered her [...]. But its inhabitants safeguarded its Hellenic character created since the Mycenaeans settled in Cyprus“ (Πολυδόρου nach Papadakis 2008: 7). In allen griechisch-zypriotischen Lehrwerken wird der Begriff „Zypriot“ denn auch synonym mit „Grieche“ verwendet. „According to the logic of this model”, meint Papadakis (Ibid.: 7-8), „others (Turkish Cypriots, for example) have (historically speaking) no rightful place in Cyprus“. Umgekehrt werden die zypriotischen Landsmänner historisch als „Türken“ bezeichnet, womit der autochthone Charakter der griechischsprachigen Inselbewohner und damit ihre territorialen Ansprüche unterstrichen werden. Nur in der jüngsten Konfliktgeschichte gelten sie, aus den genannten strategischen Gründen, als türkische Zyprioten. Ganz im Sinne der Mutterlandsnarrative erscheinen die griechisch-antike und byzantinische Zeit als Epochen der Freiheit und kulturellen Blüte, während Franken, Osmanen und Briten mit Unterdrückung und kulturellem Niedergang assoziiert sind. Das zeigt schon das Suffix „kratia“ (Fremdherrschaft), das sich in „Frankokratia“ („Frankenherrschaft“), „Tourkokratia“ („Türkenherrschaft“) und Agglokratia („Britenherrschaft“) manifestiert (Ibid.: 1, 7-9). Im traditionellen türkisch-zypriotischen Geschichtsbuch werden die Griechen (wie in der Türkei) in Yunan und Rum unterteilt. Die Geschichte Zyperns beginnt erwartungsgemäß mit den Osmanen, die als Initiatoren von Fortschritt und Prosperität gelten. Die gegenwärtige Bedeutung dieses Narrativs erscheint explizit in den Worten, „´from historical-geographical, strategic and economic perspectives, Cyprus is connected to Anatolia`, while ´for Greece, Cyprus has no significance at all neither from a historical nor from a strategic perspective`“ (Serter nach Ibid.: 13). Im Gegensatz dazu wird im reformierten türkisch-zypriotischen Geschichtsbuch der für die graeco-türkischen Beziehungen so charakteristische Wettstreit um Autochthonie durch eine ethnisch-inklusive bzw. bürgerrechtliche Identität ersetzt. Statt von Griechen und Türken spricht das Buch von „uns Zyprioten“ als einer geopolitischen Kategorie. Das eindimensionale Narrativ wird durch eine kritisch-differenzierte Darstellung abgelöst, in der historische, soziale und politische Entwicklungen der Insel eingebettet in die Weltgeschichte als kontingent, komplex, multikausal und relativ erscheinen. Während dieses Geschichtsbuch eben 2010 wieder abgeschafft wurde, werden im griechisch-zypriotischen Inselteil Reformen – insbesondere durch Kirche und Pädagogen selbst – grundsätzlich abgelehnt. Als die linke Regierung 2008 ein Bildungsmotto initiieren möchte, das friedliche Koexistenz, inklusive Identität und kollektives Leid der Zyprioten unterstreichen soll, sehen sich Lehrerverbände in ihrer Autorität und ihrem Bildungsauftrag untergraben und verweisen vehement (man denke an die erörterte Haltung der griechisch-orthodoxen Kirche zurück) auf die Gefahr von Geschichtsvergessenheit für den nationalen Zusammenhalt (Zembylas et al. 2011: 332). Die Kontroverse spiegelt nicht nur die geschilderten Auseinandersetzungen des Mutterlandes wider. Sie verweist auch auf das in der Medienanalyse immer wiederkehrende, „Notstandsargument“, das jedwede Abkehr vom Exklusivnarrativ oder den Maximalpositionen durch Reformen, politische Anerkennung, Gesten der Annäherung und Verständigung oder das Eingeständnis der eigenen Schuld als Zeichen der Schwäche und damit als Gefahr für die Ingroup auslegt.
13.2 Die griechisch-zypriotische Erinnerungskultur nach 1974 in den Geschichtsbüchern 279 Brisanz und Ambivalenz dieser Einstellungen zeigt Christou auf (2007: 717), die zwei auf teilnehmender Beobachtung und Interviews mit Lehrern und Schülern beruhende Studien vorlegte. Darin kommt zuvorderst das Dilemma zum Ausdruck, mit dem Lehrer konfrontiert sind, wenn sie den brisanten Konfliktzeitraum im Unterricht durchnehmen: „Of course it is difficult for a teacher”, so zitiert sie die Sorge eines Pädagogen, „to go into detail because in that way, each person gives his own perspective and position. There is also the danger of someone being accused. And then the next day the students go to the political party meeting and they say, ´In such and such school the teacher said this`. Then it doesn´t take to much for the television crews to come to interview you and say that this teacher, in this school, is doing political propaganda.“
Wieviel, so möchte man sagen, vermag dieser kurze Ausspruch über Tabuisierung und Brisanz der Konfliktjahre, die politische Kultur der griechischen Zyprioten, die tiefe Spaltung der Lager und das Ineinandergreifen aus Parteipolitik und Alltagswelt auszusagen. Noch bezeichnender erscheint das naiv-realistische bzw. faktische Wahrheitsverständnis, wie es im Theorieteil in der Kontroverse um die Oral History zum Ausdruck kam: „Both students and teachers argued“, so Christou (Ibid.: 714), „that the official history cannot be written through personal memories because conflicting views and opposing perspectives will only cripple the hope to discover the real events“. Auch dieser Befund spiegelt die traditionelle Nullsummenperspektive der Politik. Er vermittelt außerdem einen Eindruck davon, wie weit das Bildungssystem von der kritisch-differenzierten und relationalen Herangehensweise einer modernen Friedenserziehung entfernt ist und, dass Lehrer im Umgang mit den sensiblen Fragen keinerlei Hilfestellung erhalten. Lassen sich derartige Befunde verallgemeinern? Die erste interkommunale Studie (Psaltis et al. 2001) überhaupt – sie wurde von der im letzten Kapitel vorzustellenden Association for Historical Dialogue and Research (AHDR) durchgeführt – zeigt auf Basis von Fragebögen die epistemologischen und ontologischen (Wahrheitsverständnis), konfliktrelevanten und gegenseitigen Einstellungen von griechisch- und türkisch-zypriotischen Lehrern der Sekundarstufe I und II. Sie belegt eine deutliche Kausalität zwischen geringerer Kompromissbereitschaft, weniger aufgeschlossener Grundhaltung zur anderen Seite und einer starken Orientierung am nationalistischen Narrativ (Ibid.: 32-34). Als aufschlussreiche Erklärung erscheint, wie die Studie informiert, die Tatsache, dass erstens ein signifikanter Anteil an Lehrern in den Mutterländern ausgebildet wird und damit wenig Detailwissen zur Geschichte Zyperns mit sich bringt. Zweitens – dies gilt für die griechischen Zyprioten – sind die absolute Mehrheit der Geschichtslehrer keine studierten Historiker, sondern Philologen und damit nicht in Geschichtsdidaktik befähigt und zugleich aufgrund der fachlichen Themenschwerpunkte besonders daran interessiert, die kulturelle Kontinuität des Hellenismus zu unterstreichen. Nur 7% der Grundschullehrer und 33% in der Sekundarausbildung hätten überhaupt einen Abschluss in Geschichte. Entsprechend ist der Anteil derjenigen, die ihre Expertise skeptisch bewerten signifikant hoch (Ibid.: 16, 20, 22). Bei den türkischen Zyprioten ist der Anteil derer mit Geschichtsabschluss deutlich höher und sie fühlen sich entsprechend besser ausgebildet (Ibid.: 24). Überraschenderweise bewertet eine Mehrheit beider Gemeinschaften die gegenwärtigen Geschichtsbücher kritisch im Hinblick auf Multiperspektivität und Versöhnung. Doch das scheint nur eingeschränkt richtig zu sein. So problematisieren die Autoren einen für sie unverständlichen Widerspruch aus der grundsätzlichen Akzeptanz der Befragten eines
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konstruktivistischen Geschichtsverständnisses bei gleichzeitiger Zustimmung zu naiv-realistischen Statements (Ibid.: 33-44). Sie resümieren: „When they agree with statements such as ´In studying historical texts it is important to ask questions about the validity of the author´s arguments`, ´It is possible for one interpretation to be more valid than another`, ´Historical knowledge is open to review as it is subjected to new findings and new evidence` this is done on the condition that this openness to new interpretations will not lead to upsetting the dominant ethnocentric official narrative of their community” (Ibid.: 44).
Hier zeigt sich die in der Forschungsarbeit bereits mehrfach zitierte, ambivalente Gleichzeitigkeit (man denke an Millas´ Workshops mit griechischen und türkischen Studenten zurück) aus allgemein akzeptierten Normen, deren Geltung im spezifischen Konfliktkontext als problematisch erscheint. Im übernächsten Kapitel zu Versöhnungsaktivitäten wird auf diese Problematik und entsprechende Methoden zu ihrer Überwindung zurückzukommen sein. Die folgende Feinanalyse dreier Geschichtsbücher unterstreicht diesen Befund.
13.3 „Ich weiß, vergesse nicht und kämpfe“ für die 5./6. und 1./2. Klassen 13.3 „Ich weiß, vergesse nicht und kämpfe“ für die 5./6. und 1./2. Klassen In Orientierung an der Framing-Analyse stehen im Folgenden thematisch die Auswahl, Anordnung und Gewichtung der historischen Ereignisse im Fokus, auf der Skript- bzw. Akteursebene die Perspektiven, aus denen die Ereignisse geschildert werden und auf der rhetorischen Ebene Bilder, Metaphern und Konnotationen. Das Buch „Ich weiß, vergesse nicht und kämpfe“ für die 5./6. Klasse (Papadopoulos 2001; im Folgenden: „B1“) ist zusammen mit der „Geschichte Zyperns“, der griechischen Geschichte (herausgegeben vom griechischen Bildungsministerium) und der „Geschichte der Kirche Zyperns“ obligatorischer Teil des Lehrplanes.88 Ergänzt wird die Erörterung im Anschluss durch die Analyse der Ausgabe für Erst- und Zweitklässler (im Folgenden: „B2“). B1 wurde 1990 herausgegeben, 2001 neu aufgelegt und hat einen Umfang von 242 Seiten. Es ist als Anthologie von Landschaftsphotographien und insbesondere christlichen und antiken Kulturdenkmälern aus dem Norden, kurzen Erzählungen und Gedichten konzipiert. Mit mehr als 150 großflächigen, vielfach halbseitigen Photographien, Skizzen und Landkarten wird ein berührendes und plastisches Bild der verlorenen Heimat skizziert, das die Texte sinnbildreich ergänzt. Im ersten Viertel finden sich unter dem Titel „Erinnerung und Hoffnung“ Gedichte und Auszüge aus literarischen Werken, in denen vornehmlich idyllische Kindheitserinnerungen aus dem Norden und die als traumatisch erscheinenden Erlebnisse der Vertreibung thematisiert werden. Der Rest des Buches ist in Abschnitte unterteilt, die jeweils einem geographischen Teilgebiet Nordzyperns gewidmet sind. Ganz im Sinne der Bildungsrichtlinien unterstreicht das Vorwort die Intention, den Schülern die reiche Kulturgeschichte des Nordens nahezubringen und zugleich Erinnerung und Kampfgeist wachzuhalten. Weiter heißt es: „Achtzehn Jahre sind seit dem türkischen Einmarsch vergangen und das Drama der Vermissten, der Flüchtlinge, der Eingekesselten und des zypriotischen Griechentums als Ganzem bleibt noch immer ungelöst. Die Eroberer versuchen auf jede erdenkliche Weise die Charakteristika […] unserer versklavten Ortschaften auszuwischen, indem sie Siedler herankarren und unser breites Kulturerbe zerstören, das unsere Vorfahren mit so viel Mühe über viele Jahrhunderte hinweg erschaffen haben. […] Solange die Besatzung andauert, 88
Vgl. die Lehrpläne auf der Internet-Seite des zypriotischen Bildungsministeriums unter [abgerufen am 18.11.2013].
13.3 „Ich weiß, vergesse nicht und kämpfe“ für die 5./6. und 1./2. Klassen
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wird dies [die Aufrechterhaltung von Erinnerung und Kampfgeist] kontinuierliche Priorität haben“ (B1: 6; [Übersetzung der Verfasserin]).
Die Aufrechterhaltung von Erinnerung und Kampfgeist wird also dem „strategischen Vergessen“ der anderen Seite entgegengesetzt und gilt als moralische Pflicht im Hinblick auf die Mühen und Errungenschaften der Vorväter. Das wird auch auf rhetorischer Ebene deutlich: „Unsere versklavten Ortschaften“ repräsentiert den Alleinvertretungsanspruch der griechischen Zyprioten, die Konnotation des Attributes „versklavt“ die dem Mutterlandsnarrativ entlehnte Allgegenwart von Unterdrückung und Ungerechtigkeit. Ein wenig gleich den Traumbildern einer verlorenen Kindheit reflektieren die Photographien die üppige, natürliche Schönheit und den kulturellen Reichtum des Nordens. Wie auch in den Museen des „Nationalen Kampfes“ stehen im Sinne der Zielgruppe Visualität und Greifbarkeit im Vordergrund: Die Schüler sollen sich ein „Bild“ von den Orten machen, die sie nur aus Erzählungen kennen. „Auf seinem langen Weg“, heißt es in bekannter Manier, „hat der Hellenismus Zyperns eine der reichsten Kulturen der Welt begründet. […] All dies ist Zeugnis unseres Weges und Zeichen unserer Kultur, unserer Wurzeln, unserer Vergangenheit und von uns selbst mit unserer doppelten Identität als Griechen und Christen“ (B1: 25). Über die kulturellen Artefakte wird so der helleno-christliche Charakter des Nordens unterstrichen. Geschichten von griechischen Freiheitskämpfern, die sich gegen die im Überfluss lebenden Feudalherren zur Wehr setzen (B1; 73-77), unterstreichen das Grand Narrative von Unterdrückung und Widerstand und weisen damit auf die Hoffnung einer zukünftigen Wiedererlangung der verlorenen Heimat. Augenfällig ist die Häufung religiöser Motive. Sechzehn Photographien zeigen Kirchen in Großaufnahme, dazu kommen zahlreiche Skizzen von Kirchen und religiöser Symbolik. Zu ihr zählen (Rache-) Engel, Ikonen, Geistliche und Christus, der sein Kreuz trägt. Die Bilder symbolisieren damit die typische Verschränkung von nationalem und religiösem Diskurs. Gleichsam als Beweisfotos finden sich Bilder zu jeder Kategorie, mit dem das Leid der griechischen Zyprioten im öffentlichen Diskurs veranschaulicht wird: Eine historische Aufnahme der „Vermissten“, weinende Mütter mit Bildern ihrer Söhne, mittellose Flüchtlinge und die im Norden „Eingekesselten“ griechischen Zyprioten. Diese Kategorien werden auch im weiteren Teil des Buches immer wieder aufgegriffen und verdichten so das Täter- Abbildung 51 – „Attilas Angriff“ Opfer-Schema. Die türkischen Zyprioten sind, wie erwartet, im Bilderkanon inexistent. Auch die Türkei als Aggressor wird im Kapitel „Der türkische Einmarsch und seine Folgen“ nur auf
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einem einzigen Bild dargestellt. Es sticht indes von den anderen, in schwarz-weiß bzw. in milden Farben dargestellten Bildern des Buches als grelle, blau-rote Collage deutlich hervor. Im Fokus des Bildes mit Untertitel „Attilas Angriff“ (Abb. 51; B1: 10) steht ein aggressiv blickender Soldat, der bedrohlich auf den Betrachter zuzulaufen scheint und sich mit dem Rot der im Hintergrund wehenden türkischen Fahne und rot-gelben Flammen vermischt. Diagonal und sich überlappende Kampfjets und Panzer erwecken den Eindruck von Planlosigkeit, Verwüstung und Inferno.89 Die Botschaft von Aggression und Zerstörung wird durch Bilder ergänzt, auf denen teils ausgebrannte, teils verfallene oder in Viehställe verwandelte Kirchenruinen zu sehen sind. Darunter liest man: „Sie haben unsere Kirchen geschändet“ (B1: 14). Das Bild der Türkei bzw. Abbildung 52 – „Ich vergesse nicht der türkischen Zyprioten bleibt damit, wie auch im übrigen Bilund kämpfe“ dungsdiskurs, schemenhaft und stereotypisch. In Aussparung der Widersprüche und Tabus der jüngsten Konfliktgeschichte, skizziert das Buch so eine romantisch verklärte und monolithische Interpretation der Vergangenheit und damit implizit der imaginierten Nationalgemeinschaft als moralischem Ankerpunkt. Das unterstreicht auch die appellative Friedenssymbolik, die das Buch durchzieht. Gleich auf der Titelseite des Buches (Abb. 52; B1:1) sieht man die schemenhaft skizzierte Insel und ein Herz, das die beiden durch einen blitzartigen Pfeil getrennten Inselteile verbindet. „Zypern mein Herz“, steht daruntergeschrieben. Die eindeutige Botschaft ist zugleich Appell: Durch vereinte Kraft, Erinnerung und Liebe zum Vaterland kann die Teilung der Insel überwunden werden. Es sind, wie die zweite Graphik (Abb. 53; B1: 9) expliziert, die Imaginationen der lesenden Kinder, die die schlussendliche Vision der friedlichen Wiedervereinigung (symbolisiert durch die von den Worten „Frieden“, „Freiheit“, „Gerechtigkeit“ umschlossene Friedenstaube) verwirklicht werden. Sie deutet auf Christous anfänglich erörterten Widerspruch: Die Friedensbotschaft bleibt inhaltsleer. Eingebettet in ein historisches Narrativ, abstrakt und Abbildung 53 – „Frieden, Freiheit, normativ aufgeladen, lässt sie keinen Spielraum für eine AnGerechtigkeit“ näherung an die andere Seite. Dieselbe Selektion und Verklärung zeigt sich auch in den Gedichten und Erzählungen, die sich als Oden an die geliebte, verlorene Heimat verstehen. Die in der Nationalismustheorie erörterte Kollektivsymbolik zeigt sich im vorliegenden wie auch im folgenden Buch eindrücklich durch Personifizierung. Neben dem allgegenwärtigen Motiv der blutüberströmten bzw. weinenden 89
Ebd.: 10. Die Synekdoche „Attila“ (König im historischen Kriegerverband der Hunnen) für „Türken“ findet sich häufig im medialen Diskurs der griechischen Zyprioten und unterstreicht das gewünschte Bild der Türkei als des historischen Aggressors.
13.3 „Ich weiß, vergesse nicht und kämpfe“ für die 5./6. und 1./2. Klassen
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Insel kommt sie in lyrischen Begriffen, wie etwa der Klage um die „versklavten Dörfer“ und den „betrogenen Frühling“ zum Ausdruck. Als dominantestes Motiv erscheint ferner auch hier die typische religiöse Schicksalshaftigkeit. Ein Ostergedicht beispielsweise, das visuell von Glocken, Blumen und einer Friedenstaube eingerahmt wird, huldigt der blühenden Frühlingslandschaft und verweist auf die frohe Botschaft Christi Auferstehung. Es folgt ein Aufruf zum friedlichen Miteinander der Völker im Lichte der göttlichen Erlösung. Schließlich folgt das Versprechen der endgültigen Gerechtigkeit für die griechischen Zyprioten selbst, als Versprechen der Auferstehung der leidenden Völker und Flüchtlinge, „unserer in Bitterkeit beerdigten Toten (…), unserer in Trauer gehüllten Madonnen und unserer Mütter, die rot des Blutes sind“. In den letzten beiden Zeilen erscheint die Verknüpfung der eigenen Geschichte mit dem Leidensweg Christi expressis verbis: „Unser wiederauferstandener Jesus spiele den Ostermarsch des gekreuzigten Griechentums und der Auferstehung Glocken“ (B1: 52 [Übersetzung der Verfasserin]). Damit erscheint die zypriotische Konfliktgeschichte und im weiteren Sinne das nationale Narrativ der Hellenen als eine Geschichte von Prüfung und Leid durch eine höhere, undurchsichtige Instanz, die gleichsam auf ein glorreiches Ende der Erlösung wartet. Auch hier bleibt der Topos einer zukünftigen Wiedervereinigung leer. Denkt man an die Charakteristika von Unteilbarkeit in gestörten Beziehungen und an Johnsons Postulat von der Notwendigkeit von Perspektivwechsel und Empathie durch „bonding events“ zurück, wird ersichtlich, wie weit das vorliegende Schulbuch im Gegenteil notwendigerweise zur weiteren Entfremdung beider Seiten beitragen muss. Ein anderes Gedicht trägt den Titel „Hommage an die zypriotische Frau“ (Abb. 54). Auch hier steht die religiöse Metaphorik im Fokus. Sie verbindet sich mit der im theoretischen Teil erörterten Rolle der Frau als Repräsentantin der Nation (Kapitel 8.2.4.). Das traditionelle Frauenbild, verwoben mit Konzepten von Natürlichkeit, Ehre und Reproduktion verschwimmt mit dem Bild der verletzten, „in Ketten gelegten“, doch anmutigen nationalen Gemeinschaft (B1: 39). „Aufrecht und anmutig ist ihre Seele In dem Augenblick, da sie so sehr erniedrigt wurde Trauer in ihrem Herzen Da der Nordwind ihre Träume verwehte Und der Nachbar aus dem Norden Schlamm und Blut mit sich brachte Und die Türe ihres Hauses verriegelt hat Aufrecht und anmutig ist ihre Seele Stumm misst sie ihren Schmerz Gedenkt sie ihres Kindes und dem Schmerz der Mutter GotAbbildung 54 – „Hommage an die zypriotische tes Frau“ [...] Sie pflanzt einen Baum der Geduld Und wartet unermüdlich auf den Heiligenschein und den Blitz des Wunders“ [Übersetzung der Verfasserin].
Die metaphorische Verschränkung der Nationalgeschichte mit dem Leidensweg Christi hat zwei Dimensionen: Zum einen soll sie unliebsame Erinnerungen verdecken und verklären
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(bzw. für die Schüler, die die Konfliktgeschichte nicht selbst erlebt haben, eine „bequeme“ Vergangenheit rekonstruieren). Die im griechisch-zypriotischen Inselteil allgegenwärtige Kirche wird damit zur emotionalen Projektionsfläche mit einem kathartischen Effekt für die traumatischen Erlebnisse. Zum anderen steckt in den Analogien auch ein normativer Aspekt, der auf Zypern angesichts der beschriebenen Machtstellung der Orthodoxen Kirche und ihrem Selbstverständnis als Hüterin der nationalen Identität besonders relevant ist. Der Leidensweg Christi, direkt und indirekt präsent in zahlreichen Skizzen und Erzählungen und verbunden mit dem Leid der vorangegangenen griechisch-orthodoxen Generationen, soll den Schüler unter Androhung von Konsequenzen an seine moralische Verpflichtung erinnern, im Sinne der Nation und der christlichen Lehre zu handeln. Besonders deutlich ist dies in der folgenden, man möchte ergänzen: politisch gänzlich unkorrekten Erzählung mit Titel „Wie das ´Kloster des Widersprechenden` zu seinem Namen kam“. Der Überlieferung gemäß habe ein mittelloser Christ einen Juden gebeten, ihm Geld zu leihen, um in der Fremde zu arbeiten. Mit harter Arbeit und Gottes Hilfe wird aus ihm ein reicher Händler. Als er sich seiner Schuld erinnert, schickt er dem Juden das geliehene Geld über eine Flaschenpost und betet zum Erzengel, sie möge ihren Empfänger erreichen. Der hinterhältige Jude nimmt das Geld entgegen, gibt aber vor, es nicht erhalten zu haben. Der Händler schlägt dem Juden daraufhin vor, die Ikone des Erzengels nach der Wahrheit zu fragen. Als sie gemeinsam in die Kirche gehen, poltert dieser aus der Ikone mit strenger Stimme gegen den Juden und nimmt ihm sein Augenlicht. Neben dem rassistischen Stereotyp des Juden und dem Idealbild des aufrichtigen Christen ist hier die Rolle des Heiligen als allwissender, moralischer Instanz bemerkenswert (B1: 206-207). Die aus dem Vorangehenden abgeleitete Verpflichtung des Schülers, sich im Andenken an seine Vorväter in den historischen Kampf zu reihen, wird durch mannigfaltige Huldigungen an Nationalhelden unterschiedlicher Epochen untermauert – allen voran: den EOKA-Kämpfern. Zwei ganzseitige Photographien von und lyrische Lobpreisungen für Grigoris Afxentiou und Kyriakos Matsis sind dafür repräsentativ. Beide waren 1958 von den Briten exekutiert worden. Um Aufsehen um die Gräber der gefallenen Kämpfer zu unterbinden, wurden sie in einem abgeschlossenen Innenhof beerdigt, der heute zu einem zentralen Erinnerunngsort geworden ist. Man bezeichnet Abbildung 55 – „Die eingepferchten Gräber“ (mit freundlicher ihn lyrisch als „die eingepferchten Genehmigung von © Politis. All Rights Reserved.) Gräber“ (Abb. 55).90 Im literarischen Stil eines stillen Beobachters wird von ihren geheimen Aktivitäten und ihrem heldenhaften Tod erzählt. Über Matsis heißt es: „Kyriakos Matsis wurde in den eingepferchten Gräbern
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Abbildung unter: [abgerufen am 13.11.2015].
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beerdigt, zusammen mit den anderen Helden Zyperns. Die Briten gaben ihn nicht frei, dass er in der Erde von Palaiochoros [seines Dorfes] begraben würde. Seit diesem Augenblick und für alle Zeiten wird er in den Herzen aller Zyprioten beherbergt sein. Ehre und Segen allen Kämpfern für die Heimat und die Freiheit! (B1: 47; [Übersetzung der Verfasserin]). Die Geschichten der Freiheitskämpfer sind bemerkenswerterweise mit klassischen antiken Kämpfern und einer griechischen Frauenfigur eingerahmt, die in einem drapierten Gewand einem nicht sichtbaren Anderen einen Lorbeerkranz entgegenhält. Damit werden die EOKA-Kämpfer nochmals in Bezug zu den antiken Heldenfiguren gestellt. Ein Bogen von 2000 Jahren heroischen Kampfes ist gespannt. Zwei Kapitel befassen sich explizit mit Revolte – einer weltlichen, einer geistlichen – und ihrer Niederschlagung. Eine geht zurück ins 12. Jahrhundert zur Zeit der fränkischen Herrschaft, in der die griechisch-orthodoxen Bewohner, so der Text, als Sklaven dienen mussten und unter erbärmlichen Bedingungen lebten. Ein junger Grieche, der Überlieferung nach ein Bote des Königspalastes, initiiert eine Revolte und öffnet die Keller mit den reichen Vorräten für die arme Bevölkerung. Schließlich wird der daraus erwachsene Aufstand der „einfachen Bauern“ blutig niedergeschlagen. Der Text schließt mit den Worten: „Seitdem sind 560 Jahre vergangen. Die tapfere Mutter Mesaoria [der im Norden gelegene Geburtsort des Protagonisten] seufzt noch immer unter dem Stiefel des fremden Herrschers. Die Seele ihres mutigen Sprosses beobachtet noch immer mit Bangen das Drama seines Vaterlandes. Wann werden die Fremden, die unsere Erde mit Füßen treten, endlich gehen, damit das Volk Herr seiner Heimat wird und die Seele von Re Alexis Ruhe und Erlösung findet [?]“. Eindeutiger könnten der Gegenwartsbezug und der damit verbundene Imperativ kaum sein. Eine andere Erzählung mit dem Titel „Die Widerstandsbewegung des Mönchs von Ailia (1932)“ erzählt vom Leben und Wirken eines zypriotischen Mönchs, der mit dem Versuch, Widerstand gegen die osmanische Obrigkeit zu initiieren, scheitert und hingerichtet wird (B1: 120-122). Auch hier ist der Bezug zum nationalen Narrativ durch konturierte Schemata aus gutböse, Täter-Opfer, kultiviert-roh, heldenhaft-feige etc. und durch die stilisierte Rolle der Kirche für den Freiheitskampf klar. Bevor der Mönch sich gegen die Osmanen Zyperns erhob, so informiert die Erzählung, hatte er bereits im griechischen Unabhängigkeitskampf gedient: „Die heldenhaften Taten der Kämpfer der griechischen Revolution“, heißt es, „erfüllten seine Seele mit dem Traum, dass dasselbe sich eines Tages auf seiner geliebten Insel zutragen möge.“ Über die Vorbereitung des geheimen Widerstandes heißt es: „Am 20. Juli 1832, am Feiertag des Heiligen Ilias, ging Ioannikios [der Mönch] in die Kirche seines Dorfes und erhob einen Schwur auf das Heilige Evangelium, sein Vaterland vom Türkenjoch zu befreien oder zu sterben.“ Der 20. Juli ist – jedem Schüler bekannt und noch dazu im thematischen Zentrum des vorliegenden Buches – der Jahrestag der türkischen Intervention. Durch diese assoziative Verknüpfung, verstärkt durch die pointierte Darstellung des Aufopferungswillens eines Geistlichen für die Nation, entsteht einmal mehr der Eindruck einer religiös konnotierten Schicksalshaftigkeit im Sinne Andersons. Diese gleichnishafte Polysemie durchzieht den gesamten Text. Am Ende heißt es, der Mönch habe im Augenblick seines qualvollen Todes ein Lied an seine Leid erfüllte Mutter angestimmt. Einer anderen Überlieferung gemäß habe man seine (wohl nicht zufällig) zwölf Mitstreiter gehängt. Diese Stilmittel, die der Geschichte den Charakter einer Legende
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zuweisen, stehen in einem eigenartigen Widerspruch zu wiederholten konkreten Zeit- und Ortsangaben, die augenscheinlich den Wahrheitsgehalt des Erzählten unterstreichen sollen und an die Wundergeschichten der Oral-History-Berichte erinnern. Die dichotome Gegenüberstellung vermeintlicher nationaler Wesenseigenschaften reicht bis in die Physiognomie: „Er war großgewachsen, blond, ein stattlicher Mann mit dem scharfen Blick eines Adlers“, heißt es. Daneben sind zwei Osmanen mit groben, unförmigen Staturen abgebildet, die man am Turban und ihren Säbeln erkennt. Über den Leichnamen der Widerständler gebeugt reichen sie sich triumphierend mit einem überlegenen Lächeln die Hand (B1: 122). Auch hier ist der Einfluss des Nationalnarrativs und seinen Referenzpunkten aus westlich/kultiviert versus „von niederen Instinkten getrieben“ eviAbbildung 56 – Deckblatt dent. So ist äußerst fraglich, ob der im Vorwort formulierte Anspruch, den Schülern ein umfassendes Bild der Kulturgeschichte Nordzyperns nahe zu bringen oder das in den zypriotischen Bildungsrichtlinien formulierte Ziel der Erziehung mündiger Bürger erfüllt werden. Das vorliegende Buch und nahezu jeder Text en miniature zeichnen jedenfalls keine (kultur-) geschichtlichen Entwicklungen nach, die den Leser zur Interpretation anregen, sondern erscheinen als fein abgestimmte Komposition eines nicht zu hinterfragenden nationalen Katechismus (Makriyianni und Psaltis 2007: 54), der den Schüler an seine historische Verantwortung erinnern soll. Diese Zielsetzung ist in B2, dem Lehrbuch für Schulanfänger, noch evidenter. Auf 80 Seiten dominieren bunte Zeichnungen, die durch schematische Erzählungen und Gedichte komplementiert werden. Auch hier indiziert das Vorwort des leitenden Direktors der zypriotischen Grund- Abbildung 57 – „Eine Insel“ schulausbildung das primäre Interesse des Buches, nämlich die plastische Erinnerungsvermittlung und -bewahrung bis zur erwarteten Rückkehr in den Norden. Was im vorangehenden Buch visuell durch eine Mischung aus photographischen und skizzenhaften Elementen vermittelt wird, taucht hier, wie die Abbildungen illustrieren, im Stile naiv-kindlicher Malerei auf. Sie zeigen eine oftmals personifizierte, idyllische Natur, strahlend-sonnige Landschaften, blühende Pflanzen und Obstbäume, glückliche Menschen und Tiere, alte Burgen und Häfen, die den Wert der zu bewahrenden Erinnerungen unterstreichen. Es finden sich märchenhafte Gedichte an die Schönheit und Schicksalsprüfung der Insel und an den Glauben der Rückkehr. Fabelartige Symbolik in Form eines „ruhig schlafenden Schlosses“, das traurig „von seiner Jugend träumt“ oder eines streunenden, im Müll wühlenden Hundes, der das Leid der Flüchtlinge symbolisiert, durchziehen die Bilder und Erzählungen und unterstreichen den enormen emotionalen Gehalt
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und die imaginative Kraft dieses Buches. Das Buchcover (Abb. 56) zeigt die „aus dem Schaum geborene“ Aphrodite in altgriechischem Gewand mit einer Friedenstaube vor der Küste Kyrenias. Das Bild lässt viele Assoziationen zu, die sich als Leitthemen im Buch wiederfinden. Göttliche Kraft und Fügung, die antiken, griechischen Wurzeln der Inselbewohner, die verheißungsvolle Rückkehr. Es bleibt dabei – gibt man die Kernaussage des Buches in seinem eigenen Jargon wieder – kein Zweifel, dass die sehnsuchtsvoll zu bewahrende Vergangenheit eine durchweg idyllische war und diese Idylle nur von bösen, äußeren Mächten gestört wurde. Das illustriert ein anfängliches Gedicht (Abb. 57; B2: 9): „Eine Insel Es war einmal am Rande des offenen Meeres eine Insel die Meer und Sonne mit liebender Fürsorge umgaben Aber es gab da welche Die beneideten sie um ihre Schönheit Und kamen und besetzten sie Und raubten ihr ihre Freude
Nun ist sie geteilt unsere Insel und leidet wie eine verwundete Taube, mit gebrochenem Flügel Taube, hebe wieder Deine Flügel in die Lüfte Und bring auf unsere geliebte Insel Die Freude zurück. Alexandros Tapákis“ [Übersetzung der Verfasserin].
Zentrale Themen wie das Leid der Flüchtlinge und die Ungewissheit der Angehörigen von Vermissten werden in Geschichten und Gedichten verwoben. So zeigt in einer Geschichte die Tante des jungen Erzählers ihm das Foto eines Zeltes und erzählt dem verwunderten Kind, dort sei sie zur Schule gegangen (B2: 18). Der Schmerz der Ungewissheit einer Mutter über das Schicksal ihres Sohnes (B2:24) erinnert an das Motiv der klagenden Mutter Gottes von B1 (Abb. 58). „Die Mutter des Vermissten ´Wo ist mein Sohn?`, so schneidet die tragische Wehklage der Mutter durch den Wind. Wer, Brüder, kann ihr die Antwort geben? Über tausend Meilen würde sie suchen, auch wenn sie dafür Tag und Nacht laufen müsste. Niemand weiß etwas…Und die Zeit vergeht Und nicht eine Nachricht hat sie von ihm. Ihr Kummer – Schlangen (wörtlich: Echsen) im Herzen. ´Lebt ihr Kind? Geht es ihm gut?` Und die Sorge treibt sie um, wie ein Orkan. Kýpros Tókas, „Sprossen“, Zypern 1979“ [Übersetzung der Verfasserin, Zeichensetzung im Original].
Abbildung 58 – „Die Mutter des Vermissten“
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„Die Berge des Pendadakylos Großvater, sag mir warum du mit Tränen in den Augen bei Sonnenuntergang mal mich und mal die Berge dort betrachtest? Mein Kind, die Berge dort die hab ich wohl bewandert, bei Sonne, Regen und bei Schnee in jenen gesegneten Jahren!
Hinter jenen Bergen schläft still ein Dorf und ein düst´res Haus harrt aus und ruft uns zu „So kommt doch!“ Hinter jenen Bergen vom Türken unterjocht, trauern die verwaisten Bäume und die kühlen Wasser!
Mein Kind, jene Berge Sind die bitt´re Heimat! Und wenn die Seele weint und schmerzt, so bist du meine Hoffnung! Andreas Konstantinides“ [Übersetzung der Verfasserin, Zeichensetzung im Original].
Im Vordergrund des Buches steht indes der Generationendialog, vornehmlich – auch hier wird ein märchenhaftes Motiv bedient – in Form lyrischer Erzählungen der Großeltern von ihren Kindheitserinnerungen. Von den Heimatorten, Schulausflügen, der unberührten Natur des Nordens, dem Duft der Blumen und von Fabelwesen ist die Rede. Ein Enkel erzählt, seine Großmutter sei anders als die anderen Großmütter, die mit ihren Enkeln scherzten. Seit er zurückdenken könne, halte sie nur weinend das Foto des Onkels in den Händen. „Verflucht seien jene, die Krieg und Zerstörung mit sich brachten“, höre er sie sagen und umarme sie, um sie zu trösten (Abb 59; B2: 11). Erinnerung erscheint hier als abstrakt-symbolischer Schmerz, der nur erahnen lässt, welches Leid sich hinter ihm verbirgt und dem der Enkel vorbildhaft mit Empathie begegnet. Der moraliAbbildung 59 – trauernde sche Appell an die Jugend ist denn auch in B2 ein durchgehendes Großmutter Motiv, das ebenfalls in den folgenden Gedichten zum Ausdruck kommt (Abb. 60; B2:22-23). Dasselbe gilt auch für den „Schwur des Flüchtlingskindes“ (Abb. 61; B2: 75).
Abbildung 60 – „Die Berge des Pendadaktylos“
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„Türkischer Einmarsch – Der Schwur des Flüchtlingskindes
Ins Haus, Mutter, und in das Dorf, das du vermisst welches auch ich liebe, wenn ich es auch nicht kennenlernen durfte, wisse, eines Tages wird dein Sohn dich dorthin zurückführen, denn ich leistete einen Schwur In der kleinen, verwaisten Bergkirche sollst du eine Kerze anzünden, die Erde küssen und weinen und wie einst sollst du die vom Türken geschundenen Orangenbäume in deine Arme schließen Welche Jahreszeit es auch sein mag, sie werden vor Freude blühen Und dich willkommen heißen. Kóstas Móntis „Jetzt, wo ich besser lesen kann“, 1988“ [Übersetzung der Verfasserin, Zeichensetzung im Original].
Fasst man die Stilmittel, derer sich die zwei Bücher bedienen zusammen, so fallen zwei Aspekte ins Gewicht. Erstens sticht die hohe Emotionalität hervor. Das Leid der vorangehenden Generationen als Resultat ihrer unerfüllten Liebe zur Heimat steht dabei im Vordergrund. Beide Emotionen sollen – gleichsam konserviert – auf die Folgegeneration übertragen werden Abbildung 61 – „Der Schwur des Flüchtlingskindes“ und damit auch politisch nutzbar bleiben. Denn das (emotionale) Vergessen käme einer schleichenden Akzeptanz des geopolitischen Status quo gleich. Vor allem in B2 ist die für den affektiven Vorstellungsraum der Nation mannigfaltige Naturmetaphorik und ihre Verwebung mit Familienbande und nationalem Überleben evident. Damit fügen sich B1 und B2 in die weitere institutionelle Erinnerungskultur der beschriebenen Museen des nationalen Kampfes mit ihrem Fokus auf Unmittelbarkeit, physischer Greifbarkeit und universellem Geltungsanspruch und der durch Medien und Kirche vermittelten Botschaft von der schlussendlichen Erfüllung. Zugleich repräsentieren sie damit auch eines der vielen Erinnerungsartefakte, die sich eben der Historisierung der Konfliktgeschichte entgegenstellen. Zweitens sind Norm und Handlungsleitung zentral. Ähnlich wie in den Museen konstituiert sich die Botschaft der Bücher durch Vorbildfiguren und emotionale Rollen. Zu ihnen gehören die passiv ihren Schmerz ertragende Frau bzw. Mutter, die geistlichen Märtyrer, die Freiheitskämpfer der EOKA, aber auch die tröstenden und Hoffnung spendenden Kinder selbst. Da das Leid der Anderen bzw. Fragen der eigenen Schuld in den Darstellungen inexistent sind, präsentieren sie sich als uneigennützige, unangreifbare, moralische Erzählung, die Empathie und Kampfgeist verlangen darf. Auch hier erkennt man die Berechtigung von Andersons Erörterungen zur normativen Macht vermeintlicher Natürlichkeit. Akzeptanz des Status quo, Kompromiss und Versöhnung müssten vor diesem Hintergrund geradenach als Verrat am Schmerz der Eltern- und Großelterngeneration erscheinen. Das ist pädagogisch genauso problematisch, wie die Konfrontation der Kinder mit den Schreckensbildern und -erzählungen der Museen.
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13.4 „Die Kirche Zyperns“ für die 5./6. Klasse 13.4 „Die Kirche Zyperns“ für die 5./6. Klasse Ähnliches gilt, wie die folgende Erörterung zeigen soll, auch für das Schulbuch zur Orthodoxen Kirche Zyperns (im Folgenden: „Orth.“) im Hinblick auf ihre normative und moralische Vorbildfunktion. Auf 208 Seiten werden nach einem Vorwort des zypriotischen Erzbischofs Geschichte, Struktur und Kulturgüter der zypriotischen Kirche vorgestellt, die durch zahlreiche Bilder von historischen Figuren, Ikonen, Klöstern und Kirchen ergänzt werden, die eben den christlichen Charakter der Insel unterstreichen. Im Vordergrund stehen die byzantinischen Wurzeln des zypriotischen Christentums, die Anstrengungen ihrer Vertreter gegenüber feindlich gesonnenen Kräften und die historische Rolle der Kirche für Bildung und Nationalbewusstsein der Zyprioten. So heißt es im Vorwort: „Seit Anbeginn ihrer Existenz auf Zypern hat die Kirche für die Geschichte des Landes eine entscheidende Rolle gespielt und erfüllt das Leben der Bürger mit Sinn. In ihrer Funktion und ihrer Tätigkeit leistet sie einen aktiven Beitrag für den Erhalt der christlichen und nationalen Identität der Insel“ (Orth.: 19). Sie tut dies – so heißt es – durch ihr historisches Engagement für die Bildung und Erziehung der einfachen Bürger, durch die Gründung von Klosterschulen und anderen Bildungseinrichtungen, die mitunter gegen den Widerstand der Inselherren verteidigt wurden und nach der Unabhängigkeit Zyperns florierten (Orth.: 77-83). Auch hier steht die Kirche also für Kultiviertheit und geistige Blüte, aber auch für die einzig wahre Lehre. Über ihre historische Abgrenzung von den anderen christlichen Glaubensrichtungen lernt man: „Als Heterodoxe bezeichnet man Christen, die sich aus unterschiedlichen Gründen von wesentlichen Elementen des christlichen Glaubens entfernt haben. So spaltete sich im 11. Jahrhundert der römisch-katholische Glaube von der Orthodoxen Kirche ab und von jenem später der Protestantismus. Die Orthodoxe Kirche, die der Wahrheit Christi treu blieb, wartet darauf, dass die Heterodoxen zur Orthodoxie zurückkehren. Deshalb befindet sie sich im Dialog mit ihnen“ (Orth.: 193; [Übersetzung der Verfasserin]).
Wichtig für das vorliegende Erkenntnisinteresse ist hier der anzunehmende Einfluss, den ein solches Selbstverständnis auf die eben geschilderte Auffassung von Wahrheit und Deutungshoheit im politischen Diskurs haben mag, was vor dem Hintergrund der ethno-religiösen Synthese des griechisch-zypriotischen Nationalismus umso wahrscheinlicher erscheint. Auch die handlungsleitende Funktion der Kirche tritt deutlich hervor. Eltern hätten die Pflicht, heißt es explizit, sich um die christlich-orthodoxe Ausbildung der Kinder zu bemühen, damit sie auf dem rechten Weg der Zivilisation blieben (Orth.: 92). An anderer Stelle werden in diesem Sinne die Motive der physiognomischen Charakteristika in den ikonographischen Darstellungen von Heiligen als Idealbilder erklärt. Ziel der Hagiographen sei es, so heißt es, die Heiligen und die Welt so darzustellen, wie sie sein sollten. So sei ihr Körper betont schlank, damit er genügsamer aussehe, ihr Mund schmal, damit deutlich würde, dass nur Aufrechtes aus ihm käme, ihre Augen groß, um zu unterstreichen, dass sie das Licht Jesu erblickt hätten und ihre Stirn voluminös, um ihre geistige Kraft zu betonen (Orth.: 159-160). Als besonders Leitbild gelten die Mönche, von deren positivem Einfluss auf die Menschheit durch ihre asketische, auf Liebe und Mitmenschlichkeit ausgerichtete Lebensweise die Rede ist (Orth.: 135). Dieser Aspekt wird durch die Schilderungen der historischen Aufopferungsbereitschaft und Widerstandskraft der Kirche unterstrichen. Im Einklang mit dem im vorangehenden Kapitel erörterten Bild der Kirche im nationalen Narrativ erscheint sie auch hier als Fanal der Hoffnung und Fürsorge gegenüber Unterdrückung und Ausbeutung. Von den Arabern, über die
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Herrschaft der Franken und der Osmanen (der „türkischen Barbarei“, die „die Insel ins Unglück stürzte“, Orth.: 59), bis zu den Briten gelten die historischen Epochen auch hier als Zeit des kulturellen Rückschritts, mehr aber noch: der Demütigung und zeitweise brutalen Repression der Kirche, die als stellvertretend für das Leid der Bevölkerung skizziert wird. Von Märtyrern ist die Rede, die von den Franken bei lebendigem Leibe verbrannt wurden, weil sie sich weigerten, den orthodoxen Glauben abzulegen und vom signifikanten Rückgang der Bevölkerungszahl zu osmanischer Zeit als Indikator für das Ausmaß der Unterdrückung. Dennoch sei es gelungen, den orthodoxen Charakter der Insel zu bewahren (Orth.: 45-84). Die Rolle, die der Kirche vor diesem Hintergrund zukommt, fasst die folgende Analogie zusammen, die als visuell abgegrenztes Zitat hervorgehoben wird: „Die andere Arche Noah Die kleine Orthodoxe Kirche Zyperns kämpfte gegen tausende Widrigkeiten unter dem Stiefel des barbarischen Eroberers und versuchte die Flamme der Bildung, den reinen christlichen Glauben vor dem Verlöschen zu bewahren und die Herde ihrer vernunftbegabten Gläubigen unter ihren Schutz zu stellen. Ganz zu Recht wurde sie mit der Arche verglichen, die Noah vor der Sintflut rettete“ (Orth.: 63; Übersetzung der Verfasserin]).
Die Strahlkraft der historischen Skizzierung wird ergänzt durch lyrische Transzendenz, die charakteristisch für das populäre Bild der Kirche in der griechischen, wie griechisch-zypriotischen Gesellschaft ist. Ein großer Teil sind Berichte über den Ursprung von Klöstern und Kirchen und den mit ihnen verbundenen, leidvollen und doch wundersamen Geschichten ihrer jeweiligen Schutzheiligen gewidmet. Vom Märtyrertod vieler Gläubiger wird erzählt, die es vorgezogen hätten zu sterben, statt ihren Glauben zu leugnen, von mutigen Menschen, die zurzeit des byzantinischen Bilderstreits Ikonen versteckten, die sich später als wundersam herausstellten („θαυματουργό“), während Anderen Heilige im Traum erschienen sein sollen, die ihnen Angaben über das Versteck von Ikonen machten, an deren Fundort später eine Kirche errichtet wurde. Über den Ursprung des im Norden gelegenen Klosters des Heiligen St. Mamas sage eine Legende: Nach seinem gewaltsamen Tod sei sein Sarg in Kleinasien ins Meer geworfen und an der Küste Zyperns angespült worden. Gläubige hätten ihn in ihr Dorf tragen wollen, doch sei er mit einem Mal so schwer geworden, dass man das göttliche Zeichen erkannt und ihm zu Ehren gleich an Ort und Stelle ein Gotteshaus errichtet habe. Über den berühmtesten orthodoxen Heiligen Zyperns St. Barnabas wird berichtet, dass er, nachdem er die Orthodoxie im ersten Jahrhundert n. Chr. auf die Insel gebracht, den Hass der Juden von Salamis auf sich gezogen habe. Diese hätten ihn gefoltert, gesteinigt und seinen leblosen Körper ins Feuer geworfen. Doch sei er nicht verbrannt (Orth.: 1- 40, 99, 70-73, 135-170). Das Buch unterstreicht damit die im Kontext der Mutterlandsnationalismen und der Oral History erörterte soziale Rolle wundersamer Erzählungen. Wie bereits im ersten Empiriekapitel angesprochen, wurden der Verfasserin ähnliche Geschichten von Priestern, Diakonen und Gläubigen zuteil, als sie an den Liturgien der kleinen Kirche Agios Kassianos teilnahm, die nur wenige Meter vom Grenzstreifen entfernt ist. Wie der Verfasserin mehrfach erzählt wurde, sei es der Kraft des Heiligen zu verdanken, dass die „Grenze des Attila“ nicht noch weiter gen Süden gezogen sei, sondern vor der kleinen Kirche Halt gemacht hätte.
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Die Schulbücher, so kann man zusammenfassen, spiegeln den dominanten Erinnerungsdiskurs und seine Leerstellen. Sie sind damit erstens ein zentraler Indikator für die sensiblen, unausgesprochenen Aspekte der Konfliktgeschichte. Zweitens repräsentieren die ausgewählten Lehrwerke en miniature in ihren Helden-, Aufopferungs- und Heilserzählungen die Referenzpunkte des nationalen Vorstellungsraumes. Drittens – und dieser Punkt scheint noch wesentlicher für die Frage der Unteilbarkeit – zeichnen sie das wohlgeformte und selektive Bild, das die Konfliktgeneration sich selbst, vor allem aber den Folgegenerationen vermitteln möchte. Sie schaffen damit eine aus Versöhnungsgesichtspunkten äußerst problematische Hypothek, die konstruktive Aufarbeitung nicht nur verhindert, sondern die beiden Gemeinschaften noch weiter auseinandertreibt. Denkt man mit Blick auf die kollektiven Gedächtnisse der Mutterländer und Zyperns an die erörterten Ebenen von erzählter, erlebter, praktizierter, erkannter und gedachter Erinnerung, an die Relevanz des sozialen Rahmens und an die Strahlkraft von Ästhetik und Form für die Übermittlung des Nationalerbes zurück, wird in den Geschichtsbüchern ersichtlich, wie sich die jeweiligen Konfliktgeschichten über ein engmaschiges Netz aus kollektiven Referenzpunkten konstituieren und reproduzieren. Zu ihnen gehören das semantische Gedächtnis der Museen, Geschichtsbücher und Denkmäler, die erzählten Geschichten (wie sie in den OH-Interviews und in den Geschichtswerken zum Ausdruck kamen), gemeinschaftliche Riten (man denke an Millas Dokumentation über die zelebrierten Riten des Opfernarrativs zurück), eine allgegenwärtige und von allen (an-) erkannte Kollektivsymbolik aus Leid und Kampf (wie sie in der Parole „Ich vergesse nicht“ und in den vielfältigen, verbundenen Bildern, Gedichten und Liedern ersichtlich ist) und schließlich die vielen assoziativen Verknüpfungen, die in den Kausalschlüssen und historischen Analogien der interviewten Politiker zum Ausdruck kommen. Das kollektive Gedächtnis verweist damit zum einen auf die Strahlkraft des fein abgestimmten Nationalnarrativs auf den Einzelnen, zum anderen aber auch auf die Folgen unaufgearbeiteter Kränkungen und unerfüllter Bedürfnisse, wie sie im Theorieteil am Beispiel der über Emotionen gesteuerten Erinnerung erörtert wurden. Es sind in diesem Sinne sowohl die Glaubensgrundsätze dieses dominanten Erinnerungsdiskurses, als auch die dahinter verborgenen Grundbedürfnisse, Sorgen und Interessen, die in der emotionalen Medienkontroverse um den Annan-Plan 2004 zum Ausdruck kamen und im folgenden Kapitel erörtert werden.
14 „Nicht mit uns!“: Die Kontroverse um den Annan-Plan und seine Ablehnung 2004 14.1 Einleitung 14.1 Einleitung Wie in der Einleitung dieses Buches zusammengefasst, erstaunte die Abstimmung über den UN-vermittelten Wiedervereinigungsplan, den „Annan-Plan“, viele internationale Beobachter. Eine Mehrheit der türkischen Zyprioten hatte sich denn auch gegen die über Jahrzehnte verfolgte Regierungsleitlinie der endgültigen Inselteilung hinweggesetzt und mit „Ja“ gestimmt. Eine Mehrheit der griechischen Zyprioten wiederum hatte entgegen der traditionellen Forderung von einer Überwindung der Teilung mit „Nein“ abgestimmt. Die Hintergründe dieses „Neins“ sollen hier erörtert werden. Da die Abstimmung über den Plan zugleich über eine Transformation des damals dreißigjährigen Status quo der Inselteilung entschied, ist der mediale Diskurs um diese Abstimmung aus sozialpsychologischer Sicht ein Krisendiskurs, in dem viele der Grundängste und Bedürfnisse mit Vehemenz an die sprichwörtliche psychische wie gesellschaftliche Oberfläche gelangten. Wie zu zeigen sein wird, finden sich denn auch zentrale Aspekte der monolithischen Erinnerung, der unaufgearbeiteten brennenden, emotionalen und strafrechtlichen Fragen und des in der Geschichtsvermittlung gehegten aggressiven, primordial-religiösen Nationalnarrativ in ihm wieder. Ziel des vorliegenden Kapitels ist vor diesem Hintergrund zweierlei: Erstens soll gezeigt werden, dass die Weltbilder der erörterten Nationalnarrative und der zypriotischen Erinnerungskultur durch ein kollektives Arousal aus unerfüllten Grundbedürfnissen und Ängsten in den Monaten vor dem Referendum in den Mittelpunkt einer gesellschaftlichen Debatte rückten. Zweitens soll veranschaulicht werden, dass und wie diese von Stakeholdern, insbesondere von Politik und Kirche, durch gezieltes Framing und normative Appelle entscheidend verstärkt wurden. Beides motivierte, dass letztlich 76% aller griechischen Zyprioten unter Verweis auf die Ungerechtigkeit und Dysfunktionalität des Planes mit Nein stimmten. Die Diskursanalyse basiert im Kern auf der Analyse dreier zypriotischer Tageszeitungen rund um die heißen Verhandlungen um den Annan-Plan. Zwei Zeitungen (die rechte Máhi und der linke Politis) umfassen die letzten vier Monate bzw. die letzten vier Wochen (der gemäßigte Phileleftheros) der UN-geleiteten Verhandlungen zu einer Lösung der Zypernfrage, die mit den in beiden Inselteilen abgehaltenen Referenda am 26.04.2004 ihren Abschluss fanden. Nicht mehr im Analysezeitraum, dennoch gleichwohl als diskursives Ereignis omnipräsent, ist der kurz darauffolgende EU-Beitritt Zyperns am 01. Mai 2004. Um die Beharrlichkeit und Omnipräsenz zentraler Ideen, Kollektivsymboliken und verbundener Bedürfnisse und Emotionen zu untermauern, werden umstrittene Grundsatzfragen durch Expertenwissen kontextualisiert. Am Ende des Kapitels folgt eine kurze Gegenüberstellung zentraler Positionen und Fragmente mit späteren Diskurselementen (bis 2017) und den in den vorangehenden Kapiteln erörterten Diskursen der Konfliktjahre 1963-1974.
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Rehrmann, Der Zypernkonflikt, Innovative Konfliktforschung – Innovation in Conflict Research, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31192-6_14
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14 „Nicht mit uns!“: Die Kontroverse um den Annan-Plan und seine Ablehnung 2004
14.2 Auswahl und Methodik 14.2 Auswahl und Methodik Recherchiert wurden die Artikel im griechisch-zypriotischen Medienarchiv der Orthodoxen Kirche in Nikosia, das neben einer eigenen theologischen Bibliothek auch einen analogen Bestand aller griechisch-zypriotischen Zeitungen umfasst. Zu den drei ausgewählten Zeitungen gehört der politisch in der Mitte verortete Phileleftheros (355 Artikel), der mit einer Auflage von 90 000 und einem Marktanteil von über 50% in Relation zu den 5 größten Tageszeitungen Südzyperns das mit deutlichem Abstand größte Printmedium darstellt. Aufgrund der hohen Anzahl relevanter Artikel wurde der Analysezeitraum auf April beschränkt. Die beiden politisch links bzw. rechts des Phileleftheros angesiedelten Zeitungen Máhi (358 Artikel) und Politis (131 Artikel) wurden über vier Monate analysiert. Politis ist mit einer Auflage von über 30 000 Exemplaren an fünf Wochentagen auf Platz zwei. Hier wurden aufgrund der relativen Nähe zum Phileleftheros nur ergänzende Kommentarartikel ausgewählt. Die nationalkonservative Máhi birgt dabei eine Besonderheit. Sie wurde 1960 vom EOKA-Veteran und späteren Putschisten Nicos Sampson höchstpersönlich gegründet und gehört heute seinem Sohn (Christophorou 2010: 188). Wie zu zeigen sein wird, erscheint sie in ihren vielen historischen Analogien und ihrer aggressiven, ethnisch-exklusiven und warnend-prophetischen Grundhaltung bemerkenswert nah an der institutionellen Erinnerungskultur. Seit dem türkischen Einmarsch indes erscheint sie diskreditiert. Grund dafür ist die historische Verantwortung der Putschisten für die türkische Intervention. Das erklärt ihre geringe Auflage: 2004 lag sie nach eigenen Angaben bei 15 000. Seit 2014 erscheint die Zeitung als Printversion sogar nur noch am Sonntag mit einer Auflage von etwa 5000 Exemplaren.91 Diese Ambivalenz versinnbildlicht den fundamentalen Widerspruch, auf dem nationale Identität und Erinnerungskultur der griechischen Zyprioten begründet zu sein scheint. Schließlich ist die Máhi ebenfalls besonders nah am Diskurs der Orthodoxen Kirche, der in einem separaten Kapitel analysiert wurde. Der Kirchendiskurs umfasst sämtliche Tageszeitungen und insgesamt 69 Artikel. Der eigentlichen Diskursanalyse vorgelagert ist im Folgenden eine sekundärquellenbasierte Erörterung des diskursiven Kontexts und der zentralen Elemente und Streitfragen des Annan-Planes. Alsdann werden auf Basis der Zeitungsartikel die zentralsten griechisch-zypriotischen Kritikpunkte erörtert, die sich um die Frage der politisch-territorialen Balance und um die Rückkehr- und Eigentumsfrage drehen. Dabei stehen Ablehnung versus Befürwortung des Planes, Gerechtigkeitsfragen, die Wahrnehmung externer Akteure sowie parteipolitische Auseinandersetzungen innerhalb Zyperns und die Rolle von Geschichte bzw. des nationalen Narrativs im Vordergrund. In einem gesonderten Kapitel der Feinanalyse werden abschließend alle Artikel analysiert, die Äußerungen der Orthodoxen Kirche oder mit ihr verbundene Themen enthalten.92 91 92
[abgerufen am 14.06.2016]. Innerhalb dieser Blöcke bleibt die Chronologie, wo sie dem Argumentationsstrang nicht zuwiderläuft, gewahrt, um auch der zeitlichen Entwicklung Rechnung zu tragen. Die Analyse beinhaltet sowohl die quantitative Erfassung zentraler Themen und Schwerpunkte als auch die qualitative Erörterung zumeist repräsentativer Passagen, die direkt zitiert und durch Verweise auf ähnliche Textstellen unter Angabe der Artikelnummer kontextualisiert wurden, um die intersubjektive Nachvollziehbarkeit der Relevanz von Konzepten auf Basis ihrer Häufigkeit im Diskurs zu gewährleisten. Die Artikel werden dabei durch Verweise auf ihre Listennummer angegeben. M steht für Máhi, Ph für Phileleftheros, Po für Politis und K
14.3 Diskursiver Kontext
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14.3 Diskursiver Kontext 14.3 Diskursiver Kontext Der vorliegende Diskursabschnitt repräsentiert den diskursiven Höhepunkt eines bewegten, von den Konfliktseiten kontrovers diskutierten und immer wieder unterbrochenen Verhandlungszeitraumes, der bereits 1999 mit der Ernennung Alvaro de Sotos zum UN-Sonderberater für Zypern und dem Beginn der sog. „Proximity Talks“ zwischen den Volksgruppenführern seinen Anfang nahm. 2002 wurde er mit der Aufnahme offizieller Gespräche unter UN-Mediation konsolidiert. Bis 2004 änderten sich die Entwürfe des Lösungsplanes immer wieder. Erst der fünfte (Annan V) wurde beiden Volksgruppen zur Abstimmung vorgelegt. Politische Führungswechsel, Gesprächsstillstand und interner wie internationaler Druck auf die Konfliktparteien zeichnen den Verhandlungsverlauf aus. Kernstreitpunkt ist die Frage nach der Form des zu schaffenden Staates. Während die griechischen Zyprioten den einheitsstaatlichen Charakter unterstreichen, fordern die türkischen Zyprioten eine möglichst bizonale und bikommunale Föderation, die dauerhafte Abweichungen vom europäischen Acquis Communautaire zur Folge hätte (Seifert 2015: 49-67). Wie Drousiotis´ kritischer Dokumentarfilm anschaulich illustriert, gelten bis wenige Wochen vor den Referenda Unnachgiebigkeit und Maximalforderungen des türkisch-zypriotischen Volksgruppenführers Denktaş´ (UBP) als Hauptgrund für das Stocken der Verhandlungen. Über den gesamten Zeitraum zeigt sich Denktaş, der über Jahrzehnte den Slogan „Keine Lösung ist die Lösung“ vertreten hatte, als wortgewaltiger Populist (Michael 2007: 594). Er setzt die Realisierung des Planes gar mit dem Verlust der Insel gleich und warnt davor, aus Zypern ein zweites Kreta zu machen (Drousiotis 2004). Er spielt dabei auf die Ausweisung der muslimischen Minderheit nach Anschluss Kretas an Griechenland und evoziert damit die verwobenen Territorialfragen der Mutterlandsnarrative. Gegen die Haltung des Hardliners, der über drei Jahrzehnte die Geschicke des Nordteils lenkte, formiert sich ab 2002 interne Opposition auf zivilgesellschaftlicher, wie parteipolitischer Ebene, die Ende 2003 den kompromissbereiten Mehmet Ali Talat (CTP) in die Regierung bringt. Zugleich übt – gerade neu im Amt – Präsident Erdoğan massiven Druck auf Denktaş aus, um ihn im Sinne der türkischen EU-Aspirationen zum Einlenken zu bewegen. Er steht damit in einem kontinuierlichen Spannungsverhältnis zu den Interessen der nationalistischen Elite Nordzyperns, wie auch der kemalistischen Militärs im eigenen Land (Ibid.: 2004; Asmussen 2004).
für Kirchendiskurs. Bei Verweisen auf mehr als drei Artikel steht das Kürzel SA für Sammelangabe. Die zur jeweiligen Menge gehörigen Artikel können in einer eigenen Tabelle im Quellenverzeichnis eingesehen werden. Bewusst wurden etliche, durch ihre Botschaft oder Vehemenz als Schlüsselstellen definierte Fragmente in Gänze übersetzt und als Bild-Text-Graphik in die Analyse integriert. Da sich die Arbeit, wie einleitend unterstrichen, auch als kulturvermittelnde und anthropologische Arbeit versteht, soll dem Leser so die Möglichkeit gegeben werden, durch die Lektüre übersetzter Passagen authentischen Zugang zu Sprache, Argumentation und impliziten Prämissen des Diskurses zu erhalten. Dabei wurde darauf geachtet, dass die Häufigkeit der Konzepte sich ungefähr in der Abschnittslänge der Diskursanalyse widerspiegelt. Der Erstellung des Kapitels ging die Zusammenstellung eines Dossiers mit allen 913 Artikeln voraus, die mit Hilfe der Software MaxQDA mit Nummer, Datum, Medium, Titel (ggf. Untertitel und Leads) und Kommentaren versehen, chronologisch geordnet und mit Codes verknüpft wurden, die im Kern den Themen der vorliegenden Kapitelabschnitte entsprechen. Diese Kategorisierung ergab sich zum einen aus den bereits erarbeiteten Charakteristika der ethnonationalistischen Theorie und zypriotischen Praxis, zum anderen aus Impulsen, die während der Diskursanalyse entstanden. Die Arbeit folgt damit einer semistrukturierten, iterativen Vorgehensweise.
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Im selben Jahr löst in der griechisch-zypriotischen Gemeinschaft hingegen der für Maximalforderungen bekannte Tassos Papadopoulos (DIKO) den versöhnlicheren Glafkos Clerides (DISY) im Amt des Präsidenten ab. Beide Amtswechsel verweisen bereits auf den Ausgang der Referenda, in denen die türkischen Zyprioten mehrheitlich für, die griechischen gegen den Plan stimmen. Während Papadopoulos allerdings zunächst wiederholt grundsätzliche Verhandlungsbereitschaft und verhaltenen Optimismus zum Ausdruck bringt, beginnt er in dem Augenblick offen gegen den Plan zu polemisieren, da der unter internem und externem Druck zunehmend in Bedrängnis geratene Denktaş den Verhandlungstisch verlässt. So merken zahlreiche internationale Beobachter jener letzten Verhandlungswochen kritisch an, Papadopoulos habe sich lediglich hinter der Unnachgiebigkeit des türkischen Zyprioten versteckt und sei nach dessen Rücktritt gezwungen gewesen, seine wahre Intention – nämlich die Ablehnung des Planes zu erzielen – in die Tat umzusetzen. Hinter dieser Intention verbirgt sich offenkundig die Hoffnung, die Türkei nach dem EU-Beitritt Zyperns mit deren eigenen EU-Aspirationen zu einem vorteilhafteren Kompromiss zu bewegen. Denn unter griechischem Druck war schon 1999 beschlossen worden, die Lösung der Zypernfrage vom Beitritt der Insel zu entkoppeln, was Experten als problematisch für den Verhandlungserfolg einschätzten (Dembinsky 2006: 24; KerLindsay 2007: 20; Axt 2001: 304). Die letzte Phase der Verhandlungen zeigt, dass Papadopoulos nach Denktaş´ offiziellem Rückzug im März in einer gezielten Kampagne gegen den Plan warb. Dabei werden in Äußerungen vor der internationalen Presse vor allem die Ablehnung einer bizonalen Lösung, die Unsicherheit in der Umsetzung des Planes vonseiten der Türkei und die möglichen Kosten der Wiedervereinigung (nach eigenen Angaben etwa 15 Mrd. zypriotische Pfund (26 Mrd. Euro)) angeführt. Die letzten Wochen vor den Referenda zeugen in diesem Sinne vom beherzten Versuch der EU und der UN, diesen Argumenten die Grundlage zu entziehen: So stimmt das EU-Parlament gegen dauerhafte Abweichungen vom Acquis. Die Kommission beruft eine Geberkonferenz ein, die finanzielle Unterstützung zusichert, während sie die Kosten der Wiedervereinigung auf nur 2 Mrd. bemisst. Die UN schließlich bemüht sich um die Verabschiedung einer Resolution zur Untermauerung einer Umsetzung des Planes, die allerdings am russischen Veto im Sicherheitsrat scheitert. Papadopoulos selbst gibt dieses Veto in Auftrag und lässt über seinen Pressesprecher verlauten, derartige Bemühungen würden das Volk auf unangemessene Weise in seiner Entscheidung beeinflussen (Drousiotis 2004; auch Kadritzke 2003; Thumann 2004). Wie die türkisch-zypriotische Presse aufdeckt und selbst Ministerpräsident Gül mit drastischen Worten bemängelt, hatten sich Papadopoulos und Denktaş dabei sogar zu geheimen Unterredungen getroffen, um ihre Haltung abzustimmen. „Denktaş and Papadopoulos were no doubt equally sincere in their own tears, but they cried for fear of what they might loose“, kommentiert die Zypernexpertin Bryant (2004b) nicht ohne Ironie. Die Absurdität dieser Enthüllung scheint indes weite Teile der zypriotischen Öffentlichkeit nicht zum Umdenken motiviert zu haben. Die letzten Tage vor den Referenda zeigen, wie sich die großen Parteien, Verbände und die Kirche gegen den Plan in Stellung bringen, Menschenmengen demonstrieren und sogar in Telenovelas Stimmung gegen den Plan gemacht wird: „Ύπαγε ο πίσω μου σατανάν Aνάν!“, ruft dort eine Frau in Anspielung an den Bibelvers „Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen!“ (Matthäus 16), erweitert „Satan“ jedoch um „Annan“
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(Drousiotis 2004). Den Höhepunkt des emotionalen Diskurses gegen den Plan repräsentiert Papadopoulos´ Rede an die Nation am Vorabend der Referenda, die en miniature das nationalistische Narrativ widerzuspiegeln scheint: Er verurteilt die historische Ungerechtigkeit des Planes, seine Dysfunktionalität, die Unnachgiebigkeit der „anderen Seite“ und die großen Zugeständnisse an sie, verweist auf Zyperns „uralte Geschichte“, die nicht aufs Spiel gesetzt werden dürfe und mahnt die Bürger zu Rationalität und Einheit. Er schließt mit den Worten: „Ich vertraue auf eure Urteilskraft. Ich bin sicher, dass ihr nicht von falschen Nöten geleitet werdet; dass ihr euch nicht durch Drohungen vermeintlicher internationaler Isolation einschüchtern lasst; dass euch Pseudoverweise auf letzte Chancen nicht überzeugen. Ich bin sicher, dass die ethischen Grundsätze und Werte unseres Volkes, unserer Zivilisation und unserer Lebensgeschichte als Nation für euch weiterhin Bestand haben und ihr weiterhin in Sicherheit, Gerechtigkeit, Freiheit und Frieden leben wollt. Griechischzypriotisches Volk, wenn wir das Nein und das Ja in die Waagschale werfen, wiegen die Konsequenzen des Ja weitaus schwerer. Ich rufe dich dazu auf, den Annan-Plan abzulehnen. Ich rufe dich dazu auf, am 24. April ein lautes Nein zu sagen. Ich rufe dich dazu auf für dein gutes Recht, deine Würde und deine Geschichte einzustehen. Allen frohe Ostern [wörtlich: Frohe Auferstehung, A.d.V.]“ (PRIO 2004 [Übersetzung der Verfasserin]).
Eine große Menschenmenge versammelt sich daraufhin am Regierungssitz und jubelt ihm zu, während sie in Reimen skandiert, der Plan sei nationaler Verrat und ein Ausverkauf Zyperns an die Türkei und dem Präsidenten und EOKA-Veteran zuruft: „Tasso kämpfe gegen die Blutsauger“ (Drousiotis 2004). Die offenkundig nationalistisch-historischen Töne der Rede motivieren zu zynischen Kommentaren gegen die „ewig Gestrigen“. So macht Oppositionsführer Anastasiades, ein vehementer Befürworter des Planes, seinem Ärger mit den Worten Luft: „Wie Sie alle, so habe auch ich die dramatische Rede des Präsidenten verfolgt. Ich möchte Ihnen nicht verschweigen, dass mich die Dinge, die dort zur Sprache kamen, aufs Äußerste überrascht haben. Ich möchte Ihnen nicht verschweigen, dass es enttäuschend war, zu verfolgen wie der Präsident die guten Vorsätze des Planes der Reihe nach dämonisierte, um schließlich zu einer Entscheidung zu gelangen, die er schon vor langer Zeit getroffen hatte. Ich wäre meines Amtes nicht würdig, wenn ich mich in diesem kritischen Augenblick vom populistischen Strom würde mitreißen lassen, um selbst populär zu sein und mich damit zum Mitverantwortlichen der Konsequenzen zu machen, die sich aus der Ablehnung des zur Wahl stehenden Planes ergeben werden. Dies Freunde, ist die Stunde der Wahrheit. Es ist der Augenblick, da die Geschichte tatsächlich an unsere Türe klopft. Und ich werde sie nicht ignorieren“ (Ibid. [Übersetzung der Verfasserin]).
Die beiden Zitate illustrieren anschaulich die Eckpunkte der kollidierenden Positionen zwischen einer den Plan ablehnenden Mehrheit und einer ihn befürwortenden Minderheit. Dass kurz nach dem Referendum eine Bombe vor Anastasiades Haus in die Luft geht, unterstreicht das Ausmaß der aggressiven Stimmung gegen diese Minderheit (Papadakis 2005: 95). 14.4 Kernelemente und zentrale Streitpunkte des Planes 14.4 Kernelemente und zentrale Streitpunkte des Planes Da bereits mehrfach wissenschaftlich erörtert, wird davon Abstand genommen, die Elemente des Wiedervereinigungsplanes en detail zu diskutieren.93 Die folgende, dem Verständnis des Diskurses dienende Erörterung soll vor allem verdeutlichen, dass der Plan in seiner Mischung aus ethischen, völkerrechtlichen und realpolitischen Gesichtspunkten zwar wohldurchdacht war, indes vor denselben, ja noch größeren soziopsychologischen Herausforderungen stand, als
93
Vgl. vor allem zur Erörterung von Powersharing im Annan-Plan und darüber hinaus: Wendt 2006; Loizides 2004; Khashman 1999 und Milne 2003.
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seinerzeit die zypriotische Verfassung. So war er, neben dem evidenten Bemühen um einen für beide Seiten akzeptablen Kompromiss in Fragen der Gewaltenteilung und Souveränität, zugleich darum bemüht, den Realitäten der jahrzehntelangen Teilung Rechnung zu tragen. Brisante Themen, wie Eigentums-, Rückkehr- und Autonomiefragen wurden in komplizierten Detailregelungen festgehalten, die eine Lösung für beide Seiten so gerecht wie möglich gestalten und zugleich den Grundstein für ein organisches Zusammenwachsen legen sollten. Die wiederholte Betonung Annans, es handele sich um einen Kompromiss, wie auch sein Werben für die „Win-Win-Chance“ einer Wiedervereinigung symbolisieren den gescheiterten Versuch, sowohl den Maximalpositionen als auch der Nullsummenspielprämisse entgegenzuwirken. Wie die Verfassung greift auch der Annan-Plan, der auf einer Gründungsvereinbarung, den Teilstaatenverfassungen sowie Gesetzesentwürfen und Maßnahmen zu sicherheitspolitischen und EU-rechtlichen Fragen basiert, auf ein Powersharing-Modell mit geteilter Repräsentation und partieller Autonomie zurück (Comprehensive Settlement 2004; im Folgenden „CS“). Im Gegensatz zur Verfassung von 1960 aber lässt er eine deutlich konföderative Schwerpunktverlagerung erkennen. Zypern soll nach den Vorstellungen Kofi Annans im Rahmen einer bikommunalen – im Gegensatz zu 1960 aber auch bizonalen – Föderation aus zwei gleichberechtigten, weitgehend unabhängigen Teilstaaten mit eindeutigen ethnischen Mehrheiten wiedervereinigt werden. Damit – so die Zielsetzung – würden Teilung und völkerrechtlicher Schwebezustand überwunden, zugleich aber die weitestgehende Autonomie der Volksgruppen im Sinne des türkisch-zypriotischen Sicherheitsbedürfnisses gewahrt. So soll sich die Souveränität des Zentralstaates vornehmlich auf außen-, finanzpolitische und wirtschaftliche Fragen beschränken. Wie in der Verfassung von 1960 ist ein ethnischer Prozentsatz im öffentlichen Dienst vorgesehen. Auf legislativer Ebene soll die Gleichstellung der Minderheit wie einst durch ein Zweikammersystem gesichert werden. Ebenso ist der politische Einfluss der türkischen Zyprioten durch Sperrminoritäten und getrennte Mehrheitsentscheidungen in Regierung und Legislative gesichert. Im Falle einer Blockade der politischen Kooperation obläge dem Obersten Gerichtshof – wie in der Verfassung von 1960 – die Schiedsgerichtsbarkeit. Wie sein historisches Vorbild wäre er zu gleichen Teilen mit griechischen, türkischen und externen Richtern besetzt, sodass erneut Nicht-Zyprioten zum sprichwörtlichen Zünglein an der Waage würden (CS, Foundation Agreement (FA), Main Articles, Annex I). Letztlich kämen erneut, wie schon 1960, auf kaum eine Million Bürger vier Präsidenten, drei Regierungen und vier Parlamente. Die Autonomie zwischen den beiden Volksgruppen würde im Vergleich zu 1960 aber deutlich anwachsen: So durch Zuerkennung einer doppelten Staatsbürgerschaft der künftigen Bürger – des Bundes- und des jeweiligen Teilstaates –, die Vorsehung einer eigenen Hymne und Flagge für jeden der beiden Teilstaaten, sowie ihre Berechtigung, in Kultur- und Handelsfragen selbständig Verträge mit Drittstaaten abzuschließen und in internationalen Organisationen vertreten zu sein (CS, FA, Main Articles, Art. 2, 3; Annex I, Art. 8 und Art. 18.4). Ebenfalls im Unterschied zur einstigen Verfassung, in der der Vizepräsident zwar mit umfassenden Vetorechten ausgestattet, aber niemals allein für die Regierungsgeschäfte verantwortlich war, würden sich der griechisch- bzw. der türkisch-zypriotische Präsident die Legislaturperiode durch Rotation und im Verhältnis 2:1 teilen (CS, Annex I, Art. 27). Die Regierung be-
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stünde, wie einst, aus einem Präsidialrat, dessen Zusammensetzung die ethnischen Mehrheitsverhältnisse widerspiegeln soll, die Minderheit aber mindestens ein Drittel der Minister stellt (CS, CA, FA, Main Articles, Art. 5.) Einstimmige EU-Entscheidungsfragen – hierunter fällt insbesondere die Aufnahme neuer Staaten – könnten von Zypern nur im Falle eines einstimmigen Votums aller vier Parlamente abgelehnt werden (CS, Annex I, Art. 19.7). Damit hätten die griechischen Zyprioten kein Veto-Recht gegen den zukünftigen Beitritt der Türkei. Wie zu zeigen sein wird, betonen die griechischen Zyprioten hier vor allem die Ungerechtigkeit einer Überrepräsentation der Minderheit und die Gefahr einer erneuten Blockade, während externe Beobachter gerade die Chancen einer Verringerung externer Einflussnahme über das Zusammenwachsen der beiden Gemeinschaften unterstreichen (Milne 2003: 151). Der Errichtung der Föderation würde zunächst eine territoriale Verschiebung zu Gunsten des südlichen Teilstaates vorausgehen, die einem großen Teil der 1974 vertriebenen griechischen Zyprioten in einer mehrjährigen Übergangsfrist die Rückkehr in ihre alte Heimat ermöglichen würde (CS, FA, Annex IV). Dies ginge mit dem Abzug eines Großteils der türkischen Truppen einher (CS, Treaty on Matters Related to the New State of Affairs in Cyprus, Art. 8). Allianz- und Garantievertrag der Verfassung blieben bestehen, allerdings mit der Einschränkung, dass die griechischen und türkischen Kontingente bis 2018 höchstens 3000 und danach höchstens 950 bzw. 650 Mann betragen dürften (CS, Main Artikels, Art. 8 und Annex I, Art. 6). Durch alle geschilderten politischen und militärischen Strukturen und die verbleibenden Interventionsrechte der Mutterländer bliebe Zypern für die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik ein Sonderfall. Im Hinblick auf die staatsbürgerlichen Siedlungsrechte sieht der Plan vor, dass auch nach einem Beitritt der Türkei zur EU die Teilstaaten über die ethnischen Mehrheitsverhältnisse wachen dürfen. Dabei gilt nach einer Übergangszeit als Zugehörigkeitskriterium allein die Muttersprache. Es würde also nicht mehr zwischen Zyprioten und Migranten aus den Mutterländern unterschieden (CS, Annex I, Art, 3.7, 9 und Annex IV, Art. 2.2.). Zwar ermöglicht der Plan im Falle eines EU-Beitritts der Türkei die Ergreifung sog. „safeguard measures“ für ein ausgeglichenes Verhältnis von Insel- und Mutterlandsbürgern, die unter Konsultation der EU-Kommission getroffen würden. Genaue Angaben über die Art dieser Maßnahmen werden indes nicht gemacht. So heißt es bezeichnend: „Thereafter, the United Cyprus Republic, in consultation with the Commission, may take safeguard measures to ensure that the demographic ratio between Cypriot permanent residents speaking either Greek or Turkish as mother tongue is not substantially altered” (CS, Draft Act of Adaption of the Terms of Accession of the Unoted Cyprus Republic to the European Union, Art. 3, siehe auch MA, Annex IX). Das Wort „may” lässt dabei ausdrücklich Spielraum für die zukünftige Detailregelung. Die zukünftige Nichtunterscheidung zwischen Insel- und Mutterlandsbürgern schürte in der griechisch-zypriotischen Öffentlichkeit Ängste vor einem unkontrollierbaren Zuzug von Festlandtürken, die auch Präsident Papadopoulos in seiner Fernsehansprache bediente (PRIO 2004). Dieser Aspekt verweist auf das grundsätzlichere Dilemma zwischen Detailregelung und Flexibilität, dem der Plan gegenüberstand: So kommt das Wort „may“ im Plan bezeichnenderweise insgesamt 131 Mal vor. Es eröffnet etwa Handlungsspielräume in der finanziellen Beteiligung der Mutterländer an Eigentums- und Kompensationsfragen der Binnenflüchtlinge, Mög-
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lichkeiten der Verfassungsänderung und damit auch die Modifikation des Rotations- und Repräsentationssystems durch Mehrheitsentscheidungen. Es ermöglicht eine Ausdehnung föderaler Gesetzgebungsbereiche, die zukünftige Neuregelungen der ethnischen Zugehörigkeit zypriotischer EU-Repräsentanten und etwaige Abweichungen von den im Plan vorgesehenen Teilstaatengrenzen. Damit wird ersichtlich, dass trotz detaillierter Vorgaben Spielraum für den Fall konstruktiver Kooperation gelassen wird, die – so die offensichtliche Hoffnung – den einen oder anderen Paragraphen obsolet werden ließe. Was den Verbleib der türkischen Siedler angeht, sieht der Plan neben einem einmaligen Einbürgerungsrecht eines jeden Teilstaates von jeweils 45 000 Ausländern vor, dass Nichtstaatsbürger nach neun Jahren nachweislichen Aufenthaltes einen Antrag auf Staatsbürgerschaft stellen können. Allerdings muss laut Annan-Plan jeder zypriotische Staatsbürger beide, die Zentralstaats- und die Teilstaatsbürgerschaft besitzen. Die Vergabe letzterer unterläge dem Zentralstaat bzw. dem sog. Citizen Board, das aus drei griechischen, drei türkischen und in den ersten zwei Jahren zusätzlich aus zwei Nicht-Zyprioten bestehen würde (CS, Main Articles, Art. 3, 8, 12, 20 und Measures to be taken during April 2004; Valinakis 2002). Keiner der beiden Teilstaaten wäre also in der Lage, Mutterländer ohne die Mitsprache des anderen Teilstaates, bzw. der Zentralregierung, einzubürgern. Mögliche Pattsituationen verweisen aber wiederum auf die bekannte Problematik: Nicht-Zyprioten würden vorübergehend über die Geschicke der Insel zu entscheiden haben. Um der wirtschaftlichen Rückständigkeit des Nordens zu begegnen, sieht der Plan eine Reihe von vorübergehenden Beschränkungen von Investitionen und Mobilität vom griechischzypriotischen in den türkisch-zypriotischen Teilstaat vor (CS, Main Articles, Annex I, Basic Articles, Art. 52; Draft of the Adaption of the Terms of Accession of the United Cyprus Republic to the European Union, Art. 4). Prognosen und Einschätzungen über die ökonomischen Folgen dieser Beschränkungen, die Kosten der Wiedervereinigung und die Prosperität einer wiedervereinigten Insel klaffen weit auseinander. Während die (griechisch-) zypriotische Regierung die unmittelbaren Kosten durch Umsiedlung und Entschädigung, die strukturelle Schwäche des Nordens und seine Abhängigkeit von der Türkei betont, unterstreichen externe Studien vor allem die langfristigen Aufschwungschancen durch die Aufhebung der völkerrechtlichen Isolation des Nordens, internationale Investitionen und die europäische Strukturförderung (PRIO 2004; Vassiliou 2003; Eichengreen et al. 2004; Noe und Watson 2005). Die Schwierigkeit einer genauen Prognose, wie auch die griechisch-zypriotische Verknüpfung wirtschaftlicher Fragen mit Grundsatzdebatten zu Gerechtigkeit und Repräsentation, ermöglichte, wie zu zeigen sein wird, eine äußerst negative Darstellung der ökonomischen Aspekte des Planes.
14.4 Kernelemente und zentrale Streitpunkte des Planes
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Abbildung 62 – Geplante Grenzverschiebung zugunsten des griechisch-zypriotischen Teilstaates (mit freundlicher Genehmigung von Phileleftheros; All Rights Reserved.)
Schließlich betrifft eines der kontroversesten Themen, dem ein gutes Drittel des gesamten Dokumentes gewidmet ist, die Rückkehr-, Besitz- und Kompensationsregelungen der etwa 165 000 griechischen und 45 000 türkisch-zypriotischen Binnenflüchtlinge. Sie mussten den schwierigen Spagat zwischen Rückkehr- und Eigentumsrecht und die Wahrung der Bizonalität schlagen. Im Plan ist zunächst eine signifikante Grenzverschiebung (etwa 10%) zugunsten des griechischen Teilstaates vorgesehen, der vornehmlich dicht besiedelte Gebiete enthält und somit einem signifikanten Anteil an Flüchtlingen den etappenweisen Rückzug die alte Heimat ermöglichen würde (Abb. 62).94 Um die ethnischen Mehrheitsverhältnisse der Teilstaaten zu sichern, wären von den griechisch-zypriotischen Binnenflüchtlingen, die nicht von der Grenzverschiebung profitierten – so sieht es der Plan vor – nur ein Teil zur Rückkehr berechtigt. Insgesamt würden so etwa 84 000, also mehr als die Hälfte aller griechisch-zypriotischen Flüchtlinge, in ihre alten Häuser zurückkehren dürfen.95 Die Übrigen bzw. grundsätzlich alle, die sich für diese Option entscheiden würden, erhielten eine Kompensation und würden unter bestimmen Voraussetzungen ihre Häuser bzw. einen Teil davon als Wochenenddomizile nutzen dürfen. Im Sinne einer möglichst gerechten Regelung entscheiden Investitionen, Umbauarbeiten und die Länge des Zeitraumes, den der neue Bewohner in der Immobilie eines einstigen Flüchtlings verbracht hat, im Zweifelsfall darüber, ob er sie abtreten muss. Mit Inkrafttreten des 94 95
o.V. (2004): Territorial Adjustment, in: Phileleftheros v. 07.04. [abgerufen am 02.04.2016].
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Plans würden schließlich alle offenen Rechtsstreitigkeiten in Eigentumsfragen an internationalen Gerichtshöfen geschlossen und Kompensationen stattdessen zur Angelegenheit des zypriotischen Zentralstaates (CS, FA, Main Articles, Art. 3 und Annex VII, Annex VII, Art. 5 und Attach. 5; vgl. zur Detailanalyse Gürel und Özersay 2006). Vor dem Hintergrund der vehementen Kritik der griechischen Zyprioten an den vorgestellten Regelungen, so kann man einleiten, erscheint das erhoffe zukünftige Zusammenwachsen nach der Wiedervereinigung sehr unwahrscheinlich. So wurden alle geschilderten Maßnahmen politischer Balance und Autonomiesicherung der türkischen Zyprioten von der Presse (ähnlich wie nach 1960) mehrheitlich als Gefahr für den Bestand der Republik Zypern und als Herabwürdigung der eigenen Staatlichkeit – implizit als Herabwürdigung der Nation – und als retrospektive Legitimierung des völkerrechtlichen Status quo kritisiert (Valinakis 2002; Coufoudakis 2004). Die (temporäre) Regierung und Repräsentation ganz Zyperns durch einen türkischzypriotischen Präsidenten wurde von einer Mehrheit als völlig inakzeptabel angesehen. Ebenso kontrovers wurde von griechisch-zypriotischer Seite Präsenz und der Verbleib der türkischen Siedler diskutiert. So ist nach dem Annan-Plan zypriotischer Staatsbürger, wer im Jahr 1963 die zypriotische Staatsbürgerschaft besaß, dessen Ehepartner und Nachkommen.96 Damit wären die Festlandsiedler keine Staatsbürger Zyperns. Die Kritik basiert zum einen auf der Befürchtung, ein Großteil der Siedler könnte letztlich durch Ausschöpfung bzw. Überschreitung des legalen Spektrums dennoch auf der Insel verbleiben. Kritik regt sich auch an vorgesehenen Entschädigungszahlungen des Zentralstaates für Siedlerfamilien, die nach der Wiedervereinigung zur Gruppe jener gehörten, die die Insel würden verlassen müssen oder die sich freiwillig dazu entscheiden würden (Vassiliou 2003: 24). Zum anderen wird die sofortige Einbürgerung eines Teiles der Siedler ebenso als retrospektive Legitimierung eines völkerrechtswidrigen Aktes angesehen. Dieser Argumentation schließen sich externe Beobachter an (Reuter 2003: 28; Zervakis, 2002: 874). Problematisch ist ferner, dass über die tatsächliche Zahl der Siedler, wie schon in den politischen Interviews anklang, große Uneinigkeit besteht: Die offiziellen Angaben liegen zwischen 60 000 (so die TRNZ-Regierung, Sucuoğlu 2013) und 115 000 (Angabe der Republik Zypern97) (vgl. weitere Angaben: Schoch 2003: 19; Hatay 2005; Ramm 2006: 535). Misstrauen, die Unterstellung von Verschleierung, die Schwierigkeit genauer Prüfung und eben die emotionale Brisanz der Thematik, die auf griechisch-zypriotischer Seite Maximalforderungen motiviert, scheinen eine konstruktive Annäherung in der Siedlerfrage (bis heute) zu erschweren. Neben Gerechtigkeitsfragen richtete sich die griechisch-zypriotische Kritik schließlich besonders gegen die grundsätzliche Beschränkung der Rückkehr und des Rückerwerbs von Immobilien. Sie äußerte sich in warnender Empörung, durch den Plan würde man zu „Bürgern
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Attach. 4, Federal Law on Citizenship of the United Cyprus Republic [Nicht Teil des 180 Seiten langen Vertragswerks], Peace Research Institute Oslo, [abgerufen am 02.10.2012]. „Cyprus Problem- Turkish Colonization”, Government Web Portal, [zugegriffen am 11.11.2016]
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zweiter Klasse“, denen der Zugang zum eigenen Hab und Gut verwehrt würde. Einschränkungen der Reise- und Niederlassungsfreiheit seien allenfalls für eine Übergangszeit akzeptabel (Annan 2003: 21). In einer Zwischenbilanz seiner Vermittlungsbemühungen bringt Annan (2003: 23) selbst das Dilemma auf den Punkt: „Almost half the population of Cyprus lost properties as a result of intercommunal strife or military action between 1963 and 1974 and the unresolved division of the island since that time. The Greek Cypriot side advocated a solution based on full respect for property rights so that all displaced persons, from either community, would have the right to have their properties reinstated. The Turkish Cypriot side argued that property claims should be settled through liquidation by means of a global exchange and compensation scheme, meaning that no displaced persons, from either side, would have the right to have their properties reinstated”.
Wenngleich die komplexen Ausnahmeregelungen und Interventionsrechte auch von externen Kommentatoren als problematisch bewertet wurden (Reuter 2003: 9-15), unterstreichen die angeführten Aspekte, dass die Funktionsfähigkeit des zu konstituierenden politischen Systems Kompromissbereitschaft, guten Willen zur nachhaltigen Zusammenarbeit und einen Grundstock an Vertrauen voraussetzt. Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, unterstreicht der vorliegende Diskurs, wie sehr solch eine Bereitschaft durch die Last der Geschichte und der verbundenen Weltbilder und Bedürfnisse belastet ist.
14.5 Feinanalyse des zypriotischen Printdiskurses 14.5 Feinanalyse des zypriotischen Printdiskurses 14.5.1 Quantitative Einordnung Der analysierte Diskurs charakterisiert sich zuvorderst dadurch, so lässt sich einleitend sagen, dass er in hohem Maße auf den zumeist unkommentierten Äußerungen von „Expertenwissen“, allen voran politischer Führungspersönlichkeiten bzw. der unkommentierten Nachzeichnung parteipolitischer Kontroversen basiert. Dies scheint im Übrigen ein allgemeines Merkmal des zypriotischen Diskurses zu sein (Christophorou et al. 2010). So äußern sich zumeist ältere politische und geistliche Repräsentanten in kurzen Statements bis ganzseitigen Interviews zu allen relevanten Themen rund um den Plan, geben Handlungsanweisungen oder mahnen zur Vorsicht. Häufig sind Repräsentanten von Flüchtlingsverbänden im Diskurs präsent, die an die Politik appellieren, im Sinne ihrer Interessen zu handeln sowie (zumeist zypriotische und griechische) Wissenschaftler, die Rechts- und Geschichtsanalysen vornehmen. Damit ist der Diskurs auffällig politik-, interessengruppen- und expertenbasiert, womit sich eine unmissverständliche und zumeist unhinterfragte Deutungshoheit jener Gruppen verbindet. Statements zu den laufenden Verhandlungen und dem Plan selbst charakterisieren sich durch einen hohen Grad an Spekulationen über die Absichten der involvierten Akteure, durch eindeutige Werturteile zum Plan, Appelle an die Konformität der Bevölkerung und Angriffe auf den parteipolitischen Gegner. Damit spiegelt der Diskurs die männerdominierte, in Teilen gerontokratische, starr hierarchische und paternalistische politische Kultur Zyperns wider. Der Phileleftheros, so lässt sich einleitend sagen, zeigt sich im Gegensatz zur aggressiv nationalistischen Máhi, sprachlich moderat, argumentativ differenziert und setzt seinen inhaltlichen Schwerpunkt auf die laufenden Verhandlungen – hier zumeist auf Äußerungen hoher
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involvierter Akteure – und auf den Annan-Plan und seine weiteren Implikationen für Zypern. Die Máhi setzt sich in aggressiv-populistischer Sprache mit verschwörerischen Untertönen, frontenschärfender Polemik gegen das linkspolitische Lager und Planbefürworter, vagen und expliziten Gefahrenverweisen und zahlreichen historische Analogien klar vom Phileleftheros ab. Auffällig ist in beiden Zeitungen dennoch die Tendenz zur zumeist unkommentierten Wiedergabe und die deutliche Unterrepräsentation differenzierter und vertiefender Kommentare. Innerhalb der 356 analysierten Artikel des Phileleftheros nehmen fast die Hälfte im Ganzen oder in Teilen direkt Bezug zum Annan-Plan. Davon lehnen ihn über zwei Drittel (nahezu ausschließlich zypriotische Akteure) klar ab und verweisen dabei in absoluter Mehrheit auf Gerechtigkeit gegenüber der Türkei. Der Plan – so die prominentesten Argumente – diene in erster Linie den Interessen und dem Image der Türkei, denn er käme einer Generalamnestie gleich, da er den Status und damit die Invasion institutionalisiere und vorsehe, dass offene Menschenrechtsverfahren eingestellt würden. Manche Autoren bezeichnen ihn als abgekartetes Spiel der
Abbildung 63 – Themen und Häufigkeit im Diskurs (eigene Darstellung)
großen Player, insbesondere der USA und der UN, die im Sinne der geostrategischen und politischen Interessen der Türkei und ihrer EU-Aspirationen handelten (SA1). Eindeutig für den Plan sprechen sich etwa 15% aus. Bei einem Drittel handelt es sich dabei allerdings um Äußerungen von UN-, US-amerikanischen oder europäischen, also nichtzypriotischen Akteuren. Zu den häufigsten Motiven der Befürworter gehört die Ansicht, er sei eine Chance für die nachhaltige Überwindung des Konfliktes und für politische und ökonomi-
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sche Vorteile gegenüber dem Status quo. Noch häufiger allerdings plädieren Autoren aus realpolitischen Erwägungen für ein Ja. Sie verweisen zurecht darauf, dass sich die Position der griechisch-zypriotischen Seite in den vergangenen Jahrzehnten mit jeder gescheiterten Verhandlungsrunde verschlechtert habe und es keine bessere Lösung geben werde bzw., dass man sich mit den Realitäten arrangieren müsse. Dabei werden häufig die Gefahren eines endgültigen Stillstandes der Zypernfrage und die völkerrechtliche Aufwertung des Nordens angeführt (SA2). Die Autoren üben damit Kritik an für sie unhaltbaren Maximalforderungen und Idealvorstellungen. 10% der Artikel weisen gemischte Positionen zum Plan auf und schwanken zumeist zwischen realpolitischen Erwägungen und sicherheitspolitischen Bedenken (SA3). Etwa ein Fünftel aller Artikel hat Streitigkeiten innerhalb oder zwischen den Parteien zum Thema (zumeist in Form von Statements der Parteiführer). Während von den Regierungsparteien die DIKO von Ministerpräsident Papadopoulos sich klar gegen den Plan positioniert, ringen Koalitionspartner AKEL und die oppositionelle DISY mit zunehmenden innerparteilichen Grabenkämpfen (SA4). Etwas weniger als ein Drittel aller Artikel beschäftigen sich mit der „andere Seite“, der Türkei, der „TRNZ“ als politischem Gebilde (hier insbesondere mit Denktaş) und den türkischen Zyprioten als Gemeinschaft. Prominent sind dabei die Türkei und – mit und ohne direkten Verweis auf den Annan-Plan – Forderungen nach Gerechtigkeit. In einem signifikanten Teil stehen aber auch Angst, Misstrauen und Abneigung gegenüber der Türkei in Geschichte und Gegenwart in Fokus. Etwa ein Viertel (sic!) zeichnen indes ein neutrales bis differenziert-positives Bild der Türkei, in denen besonders Präsident Erdoğans positive Haltung in der Zypernfrage gewürdigt wird. Denktaş erscheint hingegen als ausschließlich negativ: Seine Unnachgiebigkeit und Polemik sowie seine enge Verbindung zu kemalistischen und nationalistischen Kreisen steht dabei im Vordergrund. Die türkischen Zyprioten finden zumeist nur indirekt im Kontext der Sorge vor einer völkerrechtlichen Aufwertung des Nordens oder überproportionaler Zugeständnisse im Annan-Plan Erwähnung. Die „TRNZ“ als De facto-Staat tritt nahezu ausnahmslos negativ in Erscheinung: Auch hier ist die Gefahr einer staatsrechtlichen Aufwertung am prominentesten. Es folgen Abhandlungen über die Nähe zur bzw. Abhängigkeit von der Türkei, über die umfassenden Plünderungen bzw. den Verfall hellenischer Kulturgüter (SA5). Etwa ein weiteres Drittel aller Artikel sind (hauptsächlich) der EU, alsdann Griechenland, den USA und Großbritannien gewidmet. Die EU taucht dabei als Verhandlungsakteur und als Garant für sicherheitspolitische und völkerrechtliche Interessen der griechischen Zyprioten auf. In der Spätphase des Diskurses sind Imagefragen gegenüber der EU das häufigste Motiv. Das überwiegend negative Bild der USA stellt ihre machtpolitische Überlegenheit und kontraproduktive, geostrategische Absichten in der Zypernfrage im Vordergrund. Griechenlands Darstellung ist neutral bis negativ: Neben Verweisen auf Statements seiner politischen Führung, wird vor allem seine historische Rolle für Zypern kritisch beurteilt (SA6). Das nationale Narrativ taucht 21 Mal im Phileleftheros zumeist implizit durch historische Analogien und Heldengedenken, aber auch explizit in primordialen und religiösen Konnotationen auf. 14 Artikel schließlich appellieren an die Raison der Bürger und spiegeln damit das aufgeheizte Klima jener Zeit wider (SA7/8).
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Insgesamt kaum ein Viertel aller Máhi-Artikel behandeln den Annan-Plan, davon drei Viertel ablehnend. Ähnlich wie im Phileleftheros stehen dabei vor allem Gerechtigkeitsfragen, deutlicher aber noch als im Phileleftheros die Gefahr des Staatsverlustes im Fokus (SA9). Immerhin etwa 15 % appellieren – alle aus realpolitischen Gesichtspunkten – an den Leser, mit Ja zu stimmen oder bringen ihre Sorge über den Plan zum Ausdruck, ohne abschließend Stellung zu beziehen (SA10/11). Die parteipolitischen Auseinandersetzungen präsentieren sich im Gegensatz zum Phileleftheros ausschließlich als aggressive Polemik gegen die Plan-Befürworter (SA12). Auffällig ist auch hier, dass die türkischen Zyprioten nahezu inexistent sind. Die „TRNZ“ unter der ausschließlichen Bezeichnung die „besetzten Gebiete“ erscheint als dekadenter, rückständiger und verruchter Ort. Die Türkei wird in gut einem Viertel aller Artikel thematisiert und gilt durchweg als historischer Aggressor, dem man nicht trauen darf. Sie taucht im Kontext von Verschwörungsszenarien externer Kräfte gegen Zypern, als Gefahr für die territoriale Integrität und Souveränität Zyperns auf, wird als Taktierer dargestellt, der mithilfe der ebenfalls durchgängig negativ dargestellten USA, Druck auf die beteiligten Verhandlungspartner ausübe (SA13/14). Die Darstellungen der Europäischen Union sind zwiespältig. Sie erscheint vor allem da als positiv, wo sie den Interessen der griechischen Zyprioten als dienlich erscheint. Die drei häufigsten Motive sind denn auch Einflusssteigerung („Empowerment“) durch den EU-Beitritt, von dem man sich völkerrechtliche Aufwertung und effektivere Druckmittel gegenüber der Türkei erhofft. Deutlich mehr Raum als im Phileleftheros nehmen historische Analogien und Referenzen auf das nationale Narrativ ein (SA15). Auch in der Máhi finden sich etliche Appelle an die Bürger, sich nicht von ihren Emotionen (ver) leiten zu lassen (SA16). Der Politis – obgleich hier, wie gesagt, der Fokus ausschließlich auf Kommentaren lag – hebt sich in drei Aspekten vom deskriptiven und skeptischen Tenor des Phileleftheros ab. Nahezu alle Autoren sprechen sich erstens für den Plan aus und betonen dabei deutlich stärker den großen Gewinn an Lebensqualität durch die Überwindung des Status quo. Zweitens finden sich – und das schon ab Februar – etliche kritische bis zynische Kommentare zum Gebaren der politischen Führung, denen destruktive Absichten unterstellt werden und Appelle für eine Überwindung der gesellschaftlichen Polarisierung. Drittens publizieren im Politis auch türkisch-zypriotische Journalisten, wie Sener Levent, Hasan Kafetzioglou und Sevgul Uludağ sowie Makarios Drousiotis selbst, deren kritischer Feinblick sich gegen beide politischen Führungen wendet.
14.5.2 Diskursverlauf, Positionen und argumentative Stilmittel im Überblick Die diachrone Analyse des Diskurses, so lässt sich einleitend zusammenfassen, illustriert inhaltlich wie auch in Hinblick auf sprachliche und visuelle (Stil-) Mittel die dramatische Polarisierung der inner- und zwischenparteilichen Fronten, die das höchst gespannte Klima innerhalb der Bevölkerung zu reflektieren scheint. Bis zum Schluss hadern die beiden großen Parteien, die konservative DISY und die kommunistische AKEL mit ihrer Position zum Plan, während die DIKO sich eindeutig gegen ihn positioniert. Während Oppositions- und DISY-Chef Anastasidis und Altpräsident Clerides sich
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als vehemente Befürworter präsentieren und dafür in der eigenen Partei, von Regierung und Öffentlichkeit zunehmend kritisiert werden, fügt sich der lange Zeit den Plan befürwortende AKEL-Chef Christofias und Koalitionspartner der DIKO im letzten Augenblick dem gesellschaftlichen Tenor und sorgt damit vor allem bei den türkischen Zyprioten für tiefe Enttäuschung. Offenkundig stehen dabei, wie zu zeigen sein wird, auch machtpolitische Erwägungen im Vordergrund. Bemerkenswert und ein wichtiger Indikator für das politische Klima von 2004 ist dabei auch die bis dahin beispiellose Regierungskoalition zwischen der gemäßigt konservativen DIKO und der kommunistischen AKEL sowie auch der zeitweilige Schulterschluss zwischen Christofias und Anastasiades selbst, der zeigt, wie sehr die zypriotische Gesellschaft jenseits traditioneller politischer Lager über den Umgang mit dem Status quo gespalten war. Im viermonatigen Diskursstrang der Máhi lässt sich sehr gut erkennen, dass Papadopoulos sich zunächst positiv und versöhnlich zeigt, solange Denktaş´s ablehnende Haltung als Gegengewicht dient und schließlich in dramatischen und warnenden Tönen gegen den Plan polemisiert. Dabei spielen ihm nicht zuletzt das innenpolitische Ringen zwischen Erdoğan und den kemalistischen Kreisen der Türkei, die für die griechischen Zyprioten ungünstige Revidierung des finalen Planes und der als Resultat der gescheiterten bilateralen Verhandlungen erfolgte Schiedsspruch Annans in die Hände. Im Folgenden werden repräsentativ für das Klima von Januar bis April zentrale Fragmente des Diskurses illustriert. Bis wenige Wochen vor den Referenda zeigt sich die Máhi denn auch auffällig oberflächlich und rhetorisch. Ihre Artikel zum Plan beruhen ausschließlich auf unkommentierter Wiedergabe floskelhafter Statements von Spitzenpolitikern zum Stand der Verhandlungen. Papadopoulos erscheint zunächst verhalten optimistisch und scheint mit den wesentlichen Elementen des Planes einverstanden zu sein. Man selbst sei verhandlungsbereit, stehe für klare und stabile Positionen und hoffe, dass sich Denktaş zur Wiederaufnahme der Gespräche motivieren lasse. Die Entscheidung darüber, so wiederholt er mehrfach, würde ohnehin in Ankara getroffen (SA33). Gelten zu diesem Zeitpunkt die türkischen Zyprioten als die unkooperative Seite, wandeln sich die Fronten nach dem Treffen der beiden Volksgruppenführer Mitte Februar in New York. Ein offenkundig dem Druck aus Ankara geschuldetes Einlenken Denktaş´ zwingt Papadopoulos, seine diplomatische Zurückhaltung aufzugeben. Er und seine Führungsriege äußern sich plötzlich mit zunehmender Skepsis zum Erfolg der Verhandlungen, bezeichnen die Forderungen Denktaş´ als überzogen und das geplante politische Gebilde als dysfunktional (SA35). Bis zu den Referenda wird die Berichterstattung vehement ablehnend und bisweilen schrill-polemisch: Dabei erscheint als kritischer Tenor, der Plan privilegiere die Türkei und missachte die Rechte der griechischen Zyprioten in Freiheitsrechten, Kompensations- und Sicherheitsbelangen (SA34). Der Politis zeigt sich hier wesentlich regierungskritischer: Beide Führungen spielten sich in die Hände, um eine Lösung zu verhindern, heißt es offen schon nach den New Yorker Gesprächen. Papadopoulos habe sich hinter Denktaş verstecken können und fahre nun eine Taktik der Kompromisslosigkeit, die so gar nicht zu seinen früheren Bekundungen passe. In einem Klima der kontinuierlichen Unterstellungen schlechter Absichten und des Ringens um maximalen Eigengewinn verliere man den Blick für das Wesentliche, so der selbstkritische Tenor (SA36). Der Diskursstrang des Phileleftheros (April 2004) präsentiert sich im Vergleich deutlich differenzierter. Zwar werden auch hier die Verhandlungen scharf kritisiert. So werden sie
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sarkastisch als Bühne der Selbstinszenierung der mächtigen Akteure bezeichnet, von kontinuierlicher, externer Einflussnahme und steigendem Druck ist die Rede. Mit Genugtuung etwa wird registriert, dass ein Versuch von Linken und Liberalen im EU-Parlament, die griechischzypriotische Haltung zu verurteilen, gescheitert sei. Doch auch befürwortende Stimmen finden Raum. So u.a. die Argumente des Generalsekretärs selbst und führender griechischer und USamerikanischer Politiker oder etwa animierende Signale der EU-Kommission zur Unterstützung bei der Umsetzung des Planes (SA37). Den größten Teil des Diskursstrangs indes nehmen gegenseitige Vorwürfe und Beschuldigungen zwischen den und innerhalb der Parteien ein, in denen das Argument der partei- bzw. machtpolitisch motivierten Manipulation von beiden Seiten bemüht wird. Dabei stehen vornehmlich Anastasiades und Christofias zunehmend am Pranger. Während die Máhi in teils schrillen Tönen ausschließlich gegen die Befürworter polemisiert, illustriert der Phileleftheros in seiner Präsentation der zunehmenden innerparteilichen Spaltungen und der vehementen Auseinandersetzungen auf allen Ebenen anschaulich, wie (auch kurzfristige) politische Interessen und ein gesellschaftliches Klima der Konfrontation und Sorge gemeinsam zur zunehmenden Polarisierung beitrugen. Während sich zum einen Christofias, Anastasiades´ und Talat vergeblich darum bemühen, dem sich abzeichnenden Negativvotum der Bevölkerung durch eine zeitliche Verschiebung der Referenda beizukommen, treten zum anderen Minister aus Protest dagegen zurück, während sich Grundsatzdebatten daran entzünden, ob man in der Abstimmung der Partei oder lediglich seinem Gewissen verpflichtet sei (SA17). Die Befürworter des Planes und ihre Sachargumente werden so zunehmend von polemischen Stimmen überlagert. Damit verbindet sich für den Einzelnen offenkundig auch die Frage der politischen Zukunft. Das zeigt sich anschaulich in der Kehrtwende von Christofias, dessen linke AKEL bis zuletzt als „Zünglein an der Waage“ gegolten hatte und am Ende auf die Linie des Koalitionspartners DIKO unter Präsident Papadopoulos umschwenkte. In den Diskurs um sicherheitspolitische Mängel des Planes mischen sich dabei Verhandlungen um die zukünftige Regierungszusammensetzung, die die parteipolitische Motivation hinter Christofias Entscheidung untermauern (SA38). Wie scharf – bildlich gesprochen – der Wind gegen die Befürworter wehte, sollen die folgenden repräsentativen Passagen demonstrieren: Wohlwollend nimmt Prodromou (siehe Experteninterview) den Schwenk der AKEL zur Kenntnis. Er freue sich darüber, dass sie verstanden habe, dass man das Volk nicht zum Versuchskaninchen machen könne (F189). An Anastasiades gerichtet fragt er polemisch, ob dieser schon von seinem Nachfolger im Amt wisse. Man spreche sich nach den Referenda (F261). Anastasiades´ Haltung, so stellt Börsenchef Kleanthous klar, repräsentiere nicht den Nationalrat (F14) und Yannakis Matsis, Bruder des EOKA-Helden Kyriakos Matsis, plane, so wird berichtet, einen Feldzug gegen den DISYChef (F250). Etliche Vorwürfe werden in diesem Sinne gegen ihn gerichtet: Er und das JaLager würden im Hinblick auf die Gefahr einer Anerkennung der „TRNZ“ lediglich „Ängste schüren“ (F266). Giannakis Omirou von der sozialistischen EDEK wirft den Befürwortern vor, Papadopoulos mit Denktaş gleichzusetzen, während der Rechtspopulist und stellvertretende Parteivorsitzende Nikos Koutsou (Neue Horizonte) von Wahrheitsverzerrung und „einem wohl abgestimmten Versuch von Seiten Anastasiades und Vassiliou“ spricht, „den Präsidenten zu schädigen, die Bürger zu täuschen und die Flüchtlinge zu spalten“ [Übersetzung der Verfasserin]. Man fordere „Anastasiades Kopf auf einem Tablett“ heißt es aus den DISY-Reihen am
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Vortag der Referenda (F354). In der Máhi zeigt sich der „Feldzug“ gegen die Befürworter mit besonderer Schärfe und Wortgewalt. Die Befürworter seien „Totengräber“ der Republik (M269), „Annan-Anbeter“, die „Brutusse von Zypern“ (Ανανολάτρες), die im Zusammenspiel mit äußeren Kräften – wie einst – den Niedergang der Insel besiegelten. Sarkastisch kommentiert ein Autor ihr drohendes Schicksal mit den Worten „Getreu ihren Gesetzen gehorcht“ („Τοις κοίνων ρήμασι πειθόμενoi“). Dies stand der Überlieferung nach auf dem Grabstein der 300 von Leonidas Getöteten (M59). Kritik richtet sich dabei auch gegen Gemäßigte: So hatte sich DISY-Abgeordneter Pourgourides gegen die harsche Darstellung Denktaş´ in den griechisch-zypriotischen Medien ausgesprochen. Es sei inakzeptabel, den im Falle einer Lösung in wenigen Wochen zu vereidigenden Vizepräsidenten mit entwürdigenden Beinamen zu benennen. „Pourgourides nimmt Denktaş in Schutz“ lautet unpassenderweise der Titel der Máhi (M154). Erwartungsgemäß bezieht sie zunächst vor allem Front gegen den parteipolitischen Hauptgegner, die AKEL, die in ihrer Positivhaltung völlig aus der Reihe falle (M106). Die Annäherung zwischen AKEL und DISY wird konspirativ als „Geheimtreffen“ deklariert (M112), die Motive der beiden Parteiführer als Gefühlsduseleien quittiert, die die Zukunft der Insel gefährdeten (M250) und – hier ist das kognitive Prisma des Konfliktethos evident – als intrigant, eigennützig und dem “genuinen” Volkinteressen widersprechend (M322; M318) dargestellt werden. Was im Phileleftheros als Kontroverse innerhalb der DISY beschrieben wird, gilt in der Máhi nahezu durchweg als Machtgerangel. Repräsentativ für etliche weitere Artikel seiner Art holt ein Autor zum Rundumschlag gegen prominente Befürworter des Planes aus: „Nikos Anastasiades, Sokratis Xasikos, Averof Neofitou, Kaiti Clerides und Christos Pourgouridis befinden sich in ständiger direkter Kommunikation über die Abstimmung einer gemeinsamen Linie, um mit ihrer bereits getroffenen Entscheidung eines „JA“ zum Annan-Plan Einfluss auf die DISY-Wähler in den Referenda am 24. April zu nehmen. Nach Informationen eines führenden DISY-Mitgliedes, der zur Teilnahme an den Bemühungen um eine Durchsetzung des „Ja“ innerhalb der DISY hatte bewegt werden sollen, zielten die „Fünf“ darauf ab, zwischen den Parteimitgliedern ein für sie günstiges Klima zu schaffen, um die Abwehrhaltung der Partei gegenüber dem Plan zu Fall zu bringen. Wie wir aus sicherer Quelle wissen, werden sich die „Fünf“ dabei zweier strategischer Schachzüge bedienen. Der erste Schachzug beruhe darauf, den Annan-Plan tagtäglich in den Medien zu verteidigen und seine positiven Merkmale herauszustellen. Der zweite strategische Schachzug zielt darauf ab, mit Verweisen auf die vermeintlichen Gefahren einer endgültigen Teilung Unsicherheit innerhalb der DISY zu schüren. Zeitgleich werden die zweitklassigen, aber ehrgeizigen Mitglieder der DISY die Gefahr einer Spaltung der Partei betonen“ (M243a; [Übersetzung der Verfasserin]).
Wie Papadakis in den Schilderungen seiner Initiationsreise treffend zum Ausdruck brachte, sieht man auch hier, wie die „Wahrheit“ des einen zur „Propaganda“ des anderen wird. Etliche Artikel der Máhi zeichnen in diesem Sinne das populistische Bild einer homogenen Wählerbasis, die gegen konträre Interessen und unlautere Praktiken der Parteielite zu Felde ziehe. Die Vorwürfe reichen von der machtpolitisch motivierten Fälschung von Meinungsumfragen, über angebliches Redeverbot für die Gegner des Planes und geheimen Absprachen mit Griechenland, die – so wird berichtet – von den Bürgern mit massenhaftem Parteiaustritt und wütenden Protesten quittiert werden (SA18).
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Prodromou antwortet in einem Kommentar auf den offenkundig vorangegangenen Populismusvorwurf: „Populisten oder Handlanger? Bleibt jetzt etwa nur noch, das Volk ´wieder gerade zu biegen` weil es ´Nein` sagt?“ Umfragen attestierten Anastasiades geringe Beliebtheitswerte (M262), während die Zustimmung zu Papadopoulos und seiner Partei deutlich hervorsticht (M309). Allein die Titelseiten der Máhi, die sich im April fast ausschließlich der Diskreditierung der Planbefürworter widmen, unterstreichen die Relevanz dieser Thematik: Anastasiades habe, so der Text in Abb. 64 (M323), eine Ohrfeige von der Wählerbasis erhalten. Die Botschaft vom aufbegehrenden Volk wird zwei Tage vor dem Referendum durch die frenetische Bejubelung eines Erdrutschsiegs für den Bürgerprotest abgerundet (M325). Die Parteiführer, so heißt es, hätten in einem verzweifelten Versuch, der geplanten Versammlung der wütenden Parteibasis etwas entgegenzusetzen, mit Abbildung 64 – „Das NEIN der DISY“ (mit freundlicher Hilfe der türkischen Zyprioten eine GegenGenehmigung von Máhi; All Rights Reserved) demonstration organisiert. Dafür hätten sie – bezahlt mit Geld der „freien Gebiete“ – türkische Zyprioten aus dem Norden in Bussen in den Süden gebracht (M315). Ein offenkundiger Siedler – er schwenkt die türkische Fahne und trägt einen Hut mit türkischem Emblem – suggeriert, dass vor allem Festlandtürken der Demonstration beiwohnten. Die Angabe, dass die Busse mit Geldern des Südens bezahlt wurden, ist Teil der Nichtanerkennungsnorm, die insbesondere seit der Grenzöffnung 2003 jedwede Form der politischen und ökonomischen Aufwertung des Nordens abstraft. Im nächsten Kapitel wird darauf zurückzukommen sein. Was in der Máhi fehlt, findet sich im Phileleftheros: Die Perspektive der befürwortenden Politiker. Clerides und Anastasiades kritisieren ihrerseits die Haltung der Regierung als machtpolitisch motiviert, chauvinistisch und überholt. Ein guter Politiker, so Clerides vielsagend, müsse an die Zukunft seines Landes denken, nicht an den politischen Preis, den er zu zahlen hätte (F236). Sie verweisen denn auch auf die Funktionalität des Planes bei gutem Willen, auf die dargebotene Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, wie auch die imminente, endgültige Inselteilung (SA19). Halbseitig wird von einer großen Kundgebung der Planbefürworter berichtet, auf dem DISY- und AKEL-Anhänger – darunter etliche Spitzenpolitiker – gemeinsam für den Plan demonstrieren und dabei Transparente mit der Aufschrift „Scher dich weg, Papadopoulos“ und „Christofias, schließ dich uns an!“ geschwenkt haben und über düstere Prophezeiungen der Kirche gespottet haben sollen. Das Bild der Menge trägt die Überschrift „´Genossinnen und Genossen`, rief Anastasiades den Versammelten zu und betonte, in diesen Stun-
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den gäbe es keine ideologischen Unterschiede“ (F307). Denkt man ferner an die tiefe gesellschaftliche Verankerung der traditionell scharf abgegrenzten parteipolitischen Lager ist ersichtlich, welche Bewegung in jener Zeit in die politische Landschaft Zyperns kam.98 In den brisanten Vortagen der Abstimmung erreichen Anschuldigungen, Spaltungen und Emotionen innerhalb Zyperns ihren Höhepunkt. Während Anastasiades in Ermahnung der Meinungsfreiheit die EU-Kommission anruft, nachdem sich zwei zypriotische Fernsehsender geweigert hatten, Interviews mit ihm auszustrahlen, werden vom anderen Lager die Bemühungen von EU-Parlament und UN-Sicherheitsrat als Strategie von „Zuckerbrot und Peitsche“ und unlautere Einmischung in innerzypriotische Angelegenheiten verbrämt. Schließlich dienen Berichte der letzten 48 Stunden vor den Referenda offenkundig der Stimmungsmache. So wird beispielsweise von der Aufdeckung eines geheimen Dokumentes berichtet. Es belege, dass die Änderungen in der letzten Version des Annan-Planes deckungsgleich mit sämtlichen Forderungen der türkiAbbildung 65 – Wir sind die Zukunft, wir haben das Wort“ schen Zyprioten gewesen seien. Im Nor- (mit freundlicher Genehmigung von Fileleftheros; All Rights den, so verlautet ein anderer Text, drohten Reserved) die Grauen Wölfe mit Attentaten auf JaSager. Wütende Schüler, so beschreibt ein anderer Artikel am Folgetag, hätten sich vor der DISY-Parteizentrale versammelt, laut gegen den Vorsitzenden geschimpft und seien sogar gegenüber Taxifahrern mit Ja-Schildern handgreiflich geworden. Obgleich der Titel lautet „Schüler gingen mit Ja- und Nein-Schildern auf die Straße“ zeigt das Bild interessanterweise (Abb. 65; F323) – ein offensichtlicher Fall von Framing – nur die Nein-Sager. Anastasiades reagiert darauf mit scharfer Kritik an den Lehrern, die, so der Vorwurf, einen kontraproduktiven Nationalismus schürten. Das Bildungsministerium verschickt daraufhin, so berichtet ein anderer Artikel, ein Rundschreiben, in dem Lehrern persönliche Stellungnahme zum Plan oder organisierte Aktionen mit Schülern ohne Vorabbewilligung durch den Schulleiter ausdrücklich untersagt werden. Gleiches gilt schließlich nach einem Beschluss der Sicherheitskräfte auch für das Tragen von Ja-/Nein-Shirts an der Wahlurne (SA39). Diese bewegten und bewegenden Kontroversen veranschaulichen indes eben nicht nur die Sorgen und Frustrationen, die in den folgenden Abschnitten immer wieder thematisiert werden sollen. Sie verweisen auch auf die strategischen Interessen, die Devious Objectives der Führungselite, die sich (ob vordergründig oder essenziell) mit der Hoffnung auf eine zweite, bessere Chance der Verhandlungen nach dem Beitritt Zyperns verbinden. Zu Papadopoulos Rede an die Nation gehört der vielzitierte Satz „Παρέλαβα Κράτος διεθνώς αναγνωρισμένο. Δεν θα 98
Wenngleich die sozialen Strukturen und politischen Schwerpunkte der Parteien auf Zypern nicht eins zu eins auf die Parteienlandschaft der Bundesrepublik übertragbar ist, möge man sich doch vorstellen, ein CSU-Politiker rufe auf einer gemeinsamen Veranstaltung mit der Partei Die Linke dazu auf, die ideologischen Fronten für die gemeinsame Sache temporär beiseite zu lassen.
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παραδώσω ´Κοινότητα`“ („Mir wurde ein international anerkannter Staat anvertraut, ich werde keine Gemeinschaft abliefern“).99 Er wurde von vielen Beobachtern als Indikator für die persönlichen machtpolitischen Aspirationen des Präsidenten und politischen Führung gewertet. In Phileleftheros und Máhi finden sich in diesem Sinne im Diskursverlauf immer vehementere Stimmen, die das Nein zum Plan mit strategischen Argumenten stützen. Sie reichen von impliziten Verweisen, wie, in der Zypernfrage sei noch nicht das letzte Wort gesprochen, über Hoffnungen auf ein baldiges, zweites Referendum unter günstigeren Umständen, bis zu konkreten Spekulationen über die Stärkung der eigenen Verhandlungsposition durch den EUBeitritt (SA40). Impliziert wird dabei, dass das internationale Interesse an einer Annäherung zwischen Türkei und EU die zentralen Akteure (USA, GB, EU, UN, Türkei) doch wohl zum Einlenken bewegen würde. Parteien und Verbände in Zypern und Griechenland, so heißt es in der Máhi feierlich, zögen nun an einem Strang (M296; M297). Die Türkei und die türkischen Zyprioten fürchteten, so wird suggeriert, das Szenario eines durch den EU-Beitritt gestärkten Zyperns (M199). Warnungen, ein Nein zum Plan würde mit einer staatlichen Aufwertung Nordzyperns einhergehen, hält ein Autor die vermeintliche Sorge und Hilflosigkeit der türkischen Zyprioten entgegen: „Niemand wird uns anerkennen, gesteht Pseudopräsident ein. Wir sitzen in der Klemme, meint Talat“ titelt er (M312). Um die eigenen Maximalziele zu erreichen, so Verteidigungsminister Mavronikolas in einem ganzseitigen Interview, müsse man eine möglichst einvernehmliche Botschaft an die internationale Gemeinschaft senden, die Ungerechtigkeit des Planes unterstreichen und damit seine Außenwirkung erhöhen. Alsdann könnte auf die Abschaffung der Garantien und auf ein am Acquis Communautaire orientiertes Staatsgebilde hingearbeitet werden (F26, F342). Eine frappierende Ähnlichkeit scheint sich hier, so kann man vorerst festhalten, in Expressivität, Wortlaut und Botschaft zu den erörterten Krisendiskursen der 1960er Jahre aufzutun, die unterstreicht, wie sehr zum einen Gefühlswallungen, zum anderen Kalkül und Taktik als machtpolitische Instrumente zum Ausgleich realpolitischer Schwäche in der Denkweise der politischen Eliten und weiterer Gesellschaftsteile verankert sind. Ein paar so zeitlose wie repräsentative Konzepte und Themen sollen dabei im Folgenden herausgegriffen werden, weil sie charakteristisch für die griechisch-zypriotische Haltung im Zypernkonflikt allgemein zu sein scheinen.
14.5.3 Recht und Gerechtigkeit Die Konzepte „Recht“ und „Gerechtigkeit“, konkret die Forderung nach Ausgleich historischen Unrechts, erscheinen in der analysierten kollektiven Erinnerung und der „glattgeschliffenen Rhetorik“ des Krisendiskurses nicht nur omnipräsent. Sie sind als Ausdruck der erörterten unverarbeiteten Traumata, Ressentiments und Frustrationen, die mit der empfundenen Institutionalisierung des völkerrechtswidrigen Status quo und den fehlenden Sanktionen gegen die Türkei verbunden sind. Beide Dimensionen werden im Folgenden erörtert.
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[abgerufen am 02.03.2016].
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Als repräsentativ für den Rechtsdiskurs erscheint zunächst die bis heute omnipräsente Forderung nach einer nachhaltigen (βιώσιμο) und funktionellen (λειτουργικό) Lösung der Zypernfrage im Einklang mit Menschenrechten und dem Acquis Communautaire (K3). Diese Phrase – in gleichem Wortlaut und gleicher Sequenz – wird gebetsmühlenartig in sämtlichen offiziellen Äußerungen – ob in Talkshows, Grundsatzpapieren der Parteien, Regierungserklärungen oder zu feierlichen Anlässen wiederholt, in denen es um die Zukunftsvision der erhofften Wiedervereinigung geht.100 Gibt man beispielsweise die vier Schlagworte in griechischer Sprache (ohne weitere Referenzen zu Zypern) in eine elektronische Suchmaschine ein, werden eine Vielzahl an älteren, wie auch stets aktuellen Regierungsdokumenten, Erklärungen und Presseberichten angezeigt, die unterstreichen, wie allgegenwärtig (und statisch) die Forderung ist. Sie besitzt, wie im Folgenden gezeigt werden soll, eine strategische und eine sozioemotionale Dimension. Zunächst wirken in der Máhi Gerechtigkeitsverweise polemischer und präsenter als im Phileleftheros und werden mit einer Reihe von Metaphern und wirkungsmächtigen Schlagworten bekräftigt. Fast ein Viertel ihrer Artikel enthalten den Wortstamm „Recht“, zumeist im Rekurs auf Menschenrechte oder auf die politische Balance einer neuen Föderation. In beiden Zeitungen indes sind Gerechtigkeitsforderungen fest mit politischen, völkerrechtlichen und ökonomischen Begriffen verwoben. Dabei stehen Befürchtungen vor Herabwürdigung der eigenen Staatlichkeit bzw. drohende Auflösung des Staates, Kritik am illegitimen Einfluss externer Akteure, vor allem aber die Befürchtung einer retrospektiven Konsolidierung des völkerrechtlichen Status quo durch den Annan-Plan an erster Stelle (SA 20). Als zentralste Forderung des Gerechtigkeitsdiskurses erscheint die Forderung nach ideeller und materieller Entschädigung durch die Türkei. Kritik wird in diesem Sinne an der empfundenen Zurückhaltung der internationalen Gemeinschaft gegenüber der Besetzung des Nordens geübt. Verweise auf völkerrechtliche Verträge, wie die Genfer Konvention, die gegen die Türkei erlassenen UN-Resolutionen oder etwa Vergleiche des türkischen Einmarsches mit Vertreibung, Mord und Siedlungspolitik der Nationalsozialisten, sollen die Legitimität der Forderung unterstreichen (SA21). Ressentiments, Frustration und Misstrauen gegenüber der Türkei zeigen sich ganz besonders in der Vermisstenfrage, die durch die Grenzöffnung 2003 – also wenige Monate zuvor – neue Brisanz erhielt. So plädiert ein Artikel mit Vehemenz für die Bemühungen der griechisch-zypriotischen Regierung, sich angesichts der offenen Grenze um die Lokalisierung der sterblichen Überreste zu bemühen. Seit 30 Jahren nun kämpften die Angehörigen in internationalen Organisationen darum, das Schicksal ihrer Vermissten zu ergründen und die Türkei als Kriegsverbrecher zu verurteilen. Wenn man nichts unternehme, würde das Besatzerregime sicher dazu übergehen, die Knochen im Geheimen zu verlegen (M110). Tiefes Misstrauen und Frustration kommen hier zum Ausdruck und verweisen auf die Frustration, die das Rechtsargument von der retrospektiven Legitimation des Einmarsches durch den konföderativen Charakter des Annan-Planes nährt. Anklagend und zynisch erscheinen in diesem Sinne etliche Äußerungen der griechisch-zypriotischen Führungsriege, die von einer drohenden Generalamnestie für die Türkei im Falle einer Realisierung des Planes warnen und ein Ja zum Plan als materiellen wie moralischen Freispruch des Täters durch die Opfer selbst bezeichnen (SA22). Kein Referendum der Welt könne die „Verletzung grundlegender Menschenrechte legalisieren“ betont ein 100
[zugegriffen am 27.02.2017].
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Autor scharf (M182). Als unhaltbar gilt in diesem Sinne die Schließung aller offenen Fälle am EGMR (Po38). Ein emotionaler Appell zur Ablehnung des Planes schließt mit den Worten: „Die Stunde einer ehrlichen und wahrhaftigen Politik hat geschlagen. Die Ablehnung vonseiten des zypriotischen Volkes, einen Plan zu unterschreiben, der einer Amnestie des Verbrechens von 1974 gleichkäme, war ein Ausweg aus dem stummen Schmerz. Eine historische Antwort als Symbol der Geduld und der Hoffnung. Ein ethischer Protest vor der Hybris der türkischen Habgier“ (M341; [Übersetzung der Verfasserin]).
Als zweites zentrales Charakteristikum des Gerechtigkeitsdiskurses erscheint der Verweis auf den europäischen Acquis. Die im Annan-Plan vorgesehenen Einschränkungen von Freizügigkeit bzw. Niederlassungsfreiheit, Eigentumsrechten, staatlicher Souveränität und Repräsentation werden heftig kritisiert. Ein derartiges Staatengebilde, so lauten die häufigsten Argumente, sei politisch dysfunktional und daher gefährlich, ökonomisch kontraproduktiv, entspräche nicht den europäischen Realitäten und stünde außerdem für die Einschränkung universeller Freiheiten und politischer Grundrechte, die für alle selbstverständlicherweise Gültigkeit haben müssten (SA23). Dafür werden eine ganze Reihe von Argumenten bemüht, die mal realpolitischer, mal ideeller Natur sind. Wird die empfundene Überrepräsentation der türkischen Zyprioten zum einen mit drastischen Worten zurückgewiesen („zutiefst antidemokratisch“, „Diktatur der Minderheit“), ist man zum anderen vor allem darum bemüht, die Legitimität der eigenen Forderungen mit Grundsatzargumenten zu untermauern. Sie reichen von der Warnung, dass Ausnahmen vom EU-Recht als gefährlicher Fanal für andere Minderheiten dienen könnte, über den Verweis, die EU-Grundfreiheiten hätten doch auch nicht zur Auflösung nationaler Identitäten oder etwa der Assimilation kleinerer Staaten durch größere geführt, bis hin zu Modernitäts- und Völkerrechtsdiskursen, die „moderne“ und „effiziente“ Strukturen für das EU-Mitglied Zypern fordern und die Zuerkennung politischer Rechte auf Basis ethnischer Kriterien als „veraltet“ darstellen (SA41). Gerade Letzteres – also der Rekurs auf eine bürgerrechtliche Identität – erscheint vor dem Hintergrund des aggressiven Ethnozentrismus als fadenscheinig und ist damit ein besonders evidentes Beispiel für die Relevanz der hier genutzten diskursiven Strategien. Indes scheint die omnipräsente Sorge einer möglichen Blockade bzw. gar einer Auflösung des Staates als tatsächlich tiefsitzende, realhistorische Sorge. Etliche Autoren kritisieren hier den konföderativen Schwerpunkt und Souveränitätsbeschränkungen des Planes, die damit verbundene Sezessionsgefahr und führen gar vereinzelt die Gefahr einer erneuten Invasion an (SA42). Diese rationalen Argumente werden durch wirkmächtige Metaphern und Gefahrenszenarien untermauert. Von „verfassungsrechtlicher Allchemie“, und „Staatsamputation“ ist die Rede (F333). Ein Areopag-Strafrichter (aus Griechenland) warnt vor der „Auflösung eines Staates zur Konstituierung eines ´Rechtsmonsters`“ (M342), während Papadopoulos Pressesprecher verlauten lässt, ein derartiges Staatengebilde könne leicht „wie ein Kartenhaus zusammenfallen“. Zurück blieben dann die Teilstaaten als „zwei kleine Burgen“ (F168). Zwischen den Zeilen dieser funktionalen Kritik kommt immer wieder die empfundene Herabwürdigung der eigenen Staatlichkeit zum Vorschein: Sie reichen von der Kritik der retrospektiven Legitimation eines Status quo, der das Resultat von Waffengewalt sei, über die vehemente Zurückweisung einer erneuten externen Schiedsgerichtsbarkeit, bis zur evidenten Frustration über die Aufrechterhaltung der britischen Militärbasen, die als missliches Überbleibsel einer längst abgeschlossenen Epoche betrachtet werden (SA43). Warum sollte nach EU-Recht,
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so fragt schließlich ein Autor spitz, jeder Franzose im Norden siedeln dürfen, die griechischen Zyprioten aber nicht (M155)? Hier zeigt sich die tief mit der Kolonialgeschichte verbundene Aversion gegen externe Bevormundung und die Sorge vor völkerrechtlicher Degradierung. Das ist sozialpsychologisch insofern besonders relevant, weil es die historisch-ideologische Dimension der gegenwärtigen Streitfragen sichtbar macht, insofern sie als Verlängerung der demütigenden Kolonialgeschichte verstanden werden. Strategie und Emotion zeigen sich drittens auch in der prominenten Anerkennungsproblematik des Nordens. Wie bereits erörtert, spiegelt die Befürchtung vor einer völkerrechtlichen Aufwertung des Nordens ein weiteres zentrales Feld der diskursiven Grabenkämpfe wider. Sie sind vor allem in der Máhi präsent, die Verweise auf den Norden nahezu ausschließlich durch die Präfixe „Pseudo-“ und „Schein-“ kennzeichnet und damit im Sinne Foucaults den diskursiven Möglichkeitsraum beschränkt. Erstaunlicherweise spiegelt die nationalistische Randzeitung damit eher die sprachlichen Gepflogenheiten des Alltagsdiskurses, der Erinnerungsorte und Schulbücher rund um den Konflikt wider. So ist vom „Pseudopräsident“, der „Pseudoregierung“, „Pseudopolizei“ oder dem „Pseudobürgermeister“ die Rede. Manche Artikel zitieren dabei türkisch-zypriotische Politiker in der indirekten Rede mit den entsprechenden Begriffen sogar ohne Anführungszeichen – so, als würden jene diese Begriffe selbst verwenden. Das zeugt nicht nur von mangelnder journalistischer Qualität und Qualifikation, sondern untermauert auch die implizite Überzeugung der griechisch-zypriotischen Interpretationshoheit (SA44). Von dieser sprachlichen Prämisse leiten sich vielfältige Argumente ab: Während ein Autor betont, vertragliche Vereinbarungen zwischen der Türkei und der „TRNZ“ dürften keinesfalls in EU-Primärrecht integriert werden (F264), mahnt ein zweiter an, Namen von Ortschaften im Norden, die erst nach 1974 vergeben wurden, dürften im Falle einer Einigung nicht beibehalten werden (M163) und ein Dritter postuliert gar, ein „Pseudostaat“ mit völkerrechtswidrig angesiedelter Bevölkerung hätte gar kein Recht, ein Referendum abzuhalten (M179). Konsequenterweise wird auch den Behörden der „TRNZ“ Entscheidungsbefugnis in der Vermisstenfrage aberkannt: Denktaş habe die DNA-Analyse von sterblichen Überresten als staatliche Aufgabe erklärt. Die TRNZ sei aber kein Staat und dürfe solche Aufgaben folglich nicht übernehmen (M226). Hier zeigt sich, wie ein ideologisch aufgeladenes Rechtsargument zum universellen Blockadeinstrument wird. Als wesentliches Motiv hinter der vehementen Nicht-Anerkennung des Nordens scheint die Problematik der türkischen Siedler zu liegen. Ihre Präsenz gilt als massiver Affront. Sie stellen eines der emotionalsten und somit am schwersten verhandelbaren Themen dar. Als unmittelbare Konsequenz des türkischen Einmarsches wird jedwede retrospektive Naturalisierung der türkischen Einwanderer kategorisch zurückgewiesen. Mit Ärger, Skepsis und Sorge werden in diesem Sinne im Phileleftheros die Verhandlungen rund um Verbleib und Rechte zumindest eines Teils der türkischen Siedler verfolgt. Indes bleiben die Formulierungen auf die sachliche Untermauerung des Unrechtscharakters beschränkt (SA26). Die Máhi findet deutlichere Worte: Sie bezeichnet die mögliche Einbürgerung der Siedler als „Dolch im Herzen“ (M4), die illegale Besiedelung als ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ (M148). In den geschilderten Aspekten dieses Kapitelabschnittes ist, so kann man resümieren, zum einen die Tendenz ersichtlich, die Legitimität der eigenen Perspektive sprachlich dadurch zu untermauern, dass sie in die Sphäre vermeintlich allgemeingültiger Wahrheiten gehoben wird: Staatsrechtliche, politische und ökonomische Konzepte – von Gerechtigkeit und Freiheit, über
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Moderne, Demokratie, Menschenrechte und europäischen Werte, bis hin zu Funktionalität und Effizienz – sollen die Botschaft vermitteln: „Es geht nicht um unsere Befindlichkeiten. Es geht ums Prinzip.“ Damit können sich die Verfechter derartiger Argumentationsmuster im Sinne einer Totum-pro-parte-Metonymie (man denke an die theoretisch erörterten Charakteristika populistischer Medienstrategien zurück) als Anwälte universeller Werte und Prinzipien stilisieren und zugleich potenzielle Widersprüche verdecken. De facto indes, so zeigt die Unteilbarkeit des Konfliktes, wirken solche universalistischen Verweise als Totschlagargumente und unterstreichen damit die destruktive Dynamik entsprechender Kommunikation, wie sie eingangs im Kontext der Watzlawik´schen Interpunktion illustriert wurde. Tocci (2006: 262) bezeichnet eine derartige Diskursentleihung in ihrem Artikel zum machtpolitischen Kalkül der zypriotischen Diskurse zurecht als „legalistic speech“, die in der Beschlagnahmung universeller Rechtsprinzipien die grundlegenden Bedürfnisse der anderen Seite verschleiere. Hinter der funktionellen Kritik verbirgt sich also eine tiefere ideologische Dimension. Deutungshoheit und Alleinvertretungsanspruch der griechischen Zyprioten scheinen dabei durch die Jahrzehnte alleiniger De-facto-Repräsentation der Insel noch verstärkt worden zu sein. In Papadopoulos Rede vor den Referenden kommt dieser Punkt deutlich zum Vorschein: „Shall we do away with our internationally recognized state exactly at the moment it strengthens its political weight, with its accession to the European Union? We have to assess seriously the dangers from a possible collapse of the new state of affairs, because the facts that will be created will be irreversible. Collapse of the Federal State would mathematically lead to what we all want to avoid: partition through the international recognition of the constituent states“ (PRIO 2004; [Übersetzung der Verfasserin]).
Die Gerechtigkeitsforderungen verweisen, so kann man aus allen erörterten Aspekten resümieren, sowohl auf die normativ-legalistische Untermauerung von Maximalzielen wie auch die Dringlichkeit eben jener grundlegenden Bedürfnisse nach Anerkennung und Gleichwertigkeit. Diese Verwicklungen motivieren eine evidente Doppelmoral, die im ambivalenten Verständnis zentraler Begriffe zum Ausdruck kommt – einem allgemeinen (theoretischen) und einem konfliktspezifischen (emotionsbehafteten) Verständnis. So wird zwar mit Nachdruck die Einhaltung von „Menschenrechten“ und „Grundfreiheiten“ für die eigene Gemeinschaft eingefordert – und damit die Universalität der eigenen Bedürfnisse unterstrichen –, eben diese Bedürfnisse der anderen Seite indes, werden nicht als universell anerkannt. Mit unverhohlenem Sarkasmus beispielweise kritisiert ein Artikel unter dem Titel „Humanitäre Fragen gemäß Annan“ die Siedlungsrechte von Festlandtürken: „Aus humanitären Gründen sollen – so wird es verlangt – die Siedler auf Zypern bleiben. Ebenfalls aus humanitären Gründen ist laut Annan sogar vorgesehen, dass sie in den Häusern verbleiben, die mit Attilas Waffengewalt besetzt wurden. Denjenigen Siedlern, die ebenfalls aus humanitären Gründen umgesiedelt werden, müssen vorher alternative Unterkünfte und warum nicht auch Arbeitsstellen zugesichert sein. Diejenigen Siedler, die man ´qua Taufe` zu Zyprioten machen würde, hätten über Nacht aus humanitären Gründen alle Rechte zypriotischer Staatsbürger. Aus humanitären Gründen gemäß Annan werden die türkischen Zyprioten, die es sich seit 30 Jahren in griechisch-zypriotischem Besitz bequem gemacht haben, diesen nicht verlassen müssen, so sie dort schon etliche Jahre leben oder bestimmte Investitionen in die Häuser getätigt haben“ (M313; [Übersetzung der Verfasserin]).
Solle man, so schließt er im selben Stil gegen die strafrechtliche Entbindung der Türkei, am Ende etwa noch die Vermissten, Gefallenen, Gefangenen und Behinderten des Einmarsches „aus humanitären Gründen“ vergessen? Solche Widersprüche untermauern – einmal mehr – die
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Relativität von vermeintlich rational verhandelbaren Konzepten und verweisen auf Brisanz und Sensibilität dieser Thematik. Die emotionale Hypothek der Streitpunkte – auch dies sei als sozialpsychologischer Befund und nicht als Werturteil zu verstehen – unterstreicht, dass zentrale Elemente des Annan-Planes, wie sie hier dargestellt wurden, sicherlich besser verhandelbar wären, wenn sie nicht als kollektive Demütigung mit historischer Dimension, sondern eben schlicht als Kompromiss und Zugeständnis an die ebenso grundlegenden Rechte der türkischen Zyprioten verstanden und empfunden werden könnten.
14.5.4 Das Für und Wider des Planes: Framingstrategien 14.5.4.1
Die Gegner
Die intensiven politischen und gesellschaftlichen Kontroversen um den Plan, wie auch die jeweiligen Überzeugungsstrategien zeigen sich anschaulich in der Gestaltung der äußerst präsenten und großflächigen Werbeanzeigen des Phileleftheros, von denen die absolute Mehrheit (16:3) gegen den Plan Stimmung machen soll.101 Die Anzeigen greifen jeweils Einzelbereiche des Planes heraus und enden oft mit einer rhetorischen Frage an den Leser. „Denkst du, dieser Staat kann effektiv funktionieren?“, heißt es etwa nach einer selektiven Aufzählung relevanter Artikel zur Gewaltenteilung (F157). Gleiches gilt für Darstellungen der ökonomischen Aspekte, der Siedlerfrage, der Sicherheit und der Zurückerlangung von Besitz. Die Präsenz dieser Anzeigen nimmt erwartungsgemäß gegen Ende des Diskurses zu. Die folgenden Anzeigen wurden zur möglichst authentischen Veranschaulichung in Gänze übersetzt und als Graphiken aufgeführt. Sie sind – sowohl die für, als auch die gegen den Plan – ein illustratives Beispiel für die Macht strategischen Abbildung 66 Framings. „Funktionalität“ und „Wirtschaft“ des Planes erscheinen folgendermaßen (Text von Abb. 66): „Wir kennen den finalen Entwurf des Annan-Planes WIR ENTSCHEIDEN RATIOAL, OHNE GEFÜHLSWALLUNGEN Panzypriotische Bürgerbewegung
FUNKTIONALITÄT ES STEHEN ZUR WAHL:
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101
Ein Präsidialrat, in dem Entscheidungen nur im Einvernehmen mit einem der beiden Repräsentanten des türkischzypriotischen Staates getroffen werden können (S. 32, Artikel 26 [7]*)
In der Máhi finden sich interessanterweise kaum Werbeanzeigen, da ihr Leserkreis offenkundig zu klein ist, um für kostspielige Werbeblöcke attraktiv zu sein.
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Ein Präsident und ein Vizepräsident werden sich alle 20 Monate ablösen, ohne jedwede selbständige Entscheidungsbefugnis zu besitzen (S. 32, Artikel 26 [7]*) Der Senat, also das eigentliche Legislativorgan, wird sich aus 24 griechischen Zyprioten und 24 türkischen Zyprioten zusammensetzen (S. 29, Artikel 22 [3]) Kein Gesetz kann ohne eine qualifizierte Mehrheit von 1/4 oder 2/5 der Senatoren aus den beiden Teilstaaten verabschiedet werden (S. 30, Artikel 25) Der Oberste Gerichtshof mit drei griechisch-zypriotischen, drei türkisch-zypriotischen und drei ausländischen Richtern wird über Streitfragen entscheiden, so zum Beispiel über Haushaltsfragen, Außenpolitik und über die Mitglieder des Präsidialrates Denkst du, dieser Staat kann nachhaltig funktionieren?
*Die Verweise beziehen sich auf die englische Ausgabe (31. Mai 2004)“ [Übersetzung der Verfasserin] (F157).
„Wir kennen den finalen Entwurf des Annan-Planes WIR ENTSCHEIDEN RATIONAL, OHNE GEFÜHLSWALLUNGEN
Panzypriotische Bürgerbewegung
WIRTSCHAFT ES STEHEN ZUR WAHL:
-
-
Es fallen außergewöhnlich hohe Umsetzungskosten der Lösung und erhöhte Fixkosten an (Anhang III, Annex 8*) Die Kosten einer Lösung werden hauptsächlich von den griechischen Zyprioten getragen, die mindestens 90% zum Bundeshaushalt beisteuern werden (Anhang III, Annex 8) Er wird eine Abtretung der Währungsreserven der Republik Zypern im Wert von 1.600 000 (1.6 Mrd. Lira) an die Bundeszentralbank erfolgen. Der angehäufte Reichtum der griechischen Zyprioten wird damit zum gemeinsamen Reichtum der Bundesregierung und der beiden Teilstaaten (Anhang III, Annex 6) Es werden besorgniserregende Schwierigkeiten im Tourismussektor entstehen. Erwartet wird ein signifikanter Abfluss von Touristenströmen aus den freien Gebieten in den türkisch-zypriotischen Teilstaat (Anhang I, Artikel 16) Gesunder Wettbewerb durch Ausbleiben eines einheitlichen Wirtschaftsraumes wird maßgeblich behindert Dadurch werden Euroeinführung und Beitritts Zyperns zur Wirtschafts- und Währungsunion um mindestens 10 Jahre nach hinten verschoben Denkst du, dieser Staat kann wirtschaftlich solide und politisch beständig sein?
* Die Verweise beziehen sich auf die englische Ausgabe (31. Mai 2004)“ (F158 [Übersetzung der Verfasserin]).
Auffällig ist zunächst sozusagen der „Frame des Frames“, nämlich der Verweis auf profundes Wissen („Wir kennen“) und Rationalität („Wir entscheiden rational“), die etwaigen Vorwürfen schon vorab den Wind aus den Segeln nehmen sollen. Die folgenden Punkte sind nichtsdestotrotz einseitig und selektiv. Die Auswahl der fünf Artikel, die die Funktionsfähigkeit des neuen Staatsgebildes infrage stellen sollen, dienen augenscheinlich dem Ziel, unverhältnismäßige Repräsentation und Einfluss der türkischen Zyprioten und externer Akteure zu unterstreichen. Auffällig erscheint zunächst, dass die einfache Zitation der entsprechenden Paragraphen schon ausreicht, um die Funktionalität des Annan-Planes negativ zu framen. D.h., es bedarf keiner weiteren konkreten Ausführungen zur Untermauerung der Botschaft. Diese Erkenntnis bestärkt das Argument, dass in zentralen Streitfragen – hier der politischen Balance – vornehmlich kollidierende Grundeinstellungen und historische Erfahrungen – über die Interpretation des Planes entscheiden. Indes bedient sich die Anzeige offenkundig sprachlicher Mittel und argumentativer
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Selektion: Die Ansicht, den Präsidenten entbehrte „jedwede(r) selbständige(n) Entscheidungsbefugnis“, ist wie ebenso viele Elemente des Planes erstens eine Frage der Perspektive und zweitens eine der politischen Praxis: Zusammensetzung und Entscheidungsstrukturen des Präsidialrates basieren, wie anfänglich erörtert, auf konkordanzdemokratischen Kontrollmechanismen und Kooperationsanreizen innerhalb derer die Handlungsspielräume durchaus die Mehrheitsverhältnisse widerspiegeln. Das Rotationsprinzip sichert den türkischen Zyprioten präsidiale Repräsentation, das zeitliche Verhältnis 2:1 und die Entscheidungsverfahren im Rat antworten auf die demographischen Realitäten. Wenn die griechischen Zyprioten monieren, es sei unhaltbar, dass der Vertreter einer Minderheit für 20 Monate die Regierungsgeschäfte übernehme, so könnte man im Umkehrschluss entgegenhalten, dass eben auch die Minderheit über 40 Monate allein vom Mehrheitsrepräsentanten regiert würde. Diese Gegenüberstellung – sie ist in nahezu allen Regelungen des Planes möglich – zeigt, wie leicht durch argumentative Selektion geframed werden kann. Ob ferner lähmende Vetos genutzt würden und externe Entscheidungsträger zum Zug kämen, hängt ebenso maßgeblich vom Kompromisswillen der beiden Seiten ab. Das gilt für die Regierung ebenso wie für Parlament und Judikative: Je höher der Konsens, desto größer die Handlungsspielräume der Mehrheit. Im Falle schlechter Kooperation indes wären Blockaden in allen verfassungsrechtlichen Ebenen wahrscheinlich und rückten die Rolle der Minderheit bzw. externer Akteure in den Vordergrund. Damit wird auch deutlich, dass die Negativauffassung nicht nur allein Ausdruck einer bestimmten Sichtweise ist, sondern in der politischen Praxis wohl maßgeblich zur Reproduktion der Konfliktstrukturen beitragen würde. Auch wirtschaftliche Streitfragen wurden bereits diskutiert. Ein offenkundiger Vorteil für die Konstruktion des hier ersichtlichen Negativframes ist der breite Spielraum für Spekulationen im Hinblick auf zukünftige Entwicklungen, von denen nur die negativen ausgewählt werden. Belege des zu erwartenden Wirtschaftsaufschwungs für Gesamtzypern fehlen ebenso wie Argumente, die die Legitimität vorübergehender Maßnahmen zum Schutz des wettbewerbsschwachen Nordens veranschaulichen. Vielmehr schwingt in allen Paragraphen der implizite, althergebrachte Vorwurf mit (man denke an Prodromos zurück), die Mehrheit müsse die Minderheit finanzieren und damit auch noch für die Revidierung des unverschuldeten Status quo geradestehen. Das negative Framing zielt hier also in besonderer Weise darauf ab, bestehende Ressentiments zu bedienen und gehegte Befürchtungen zu untermauern. Gleiches gilt für die Darstellung der Eigentumsfrage, die ebenso wie die der politischen Balance eine der emotionalsten Angelegenheiten darstellt: „Wir kennen den finalen Entwurf des Annan-Planes WIR ENTSCHEIDEN RATIONAL, OHNE GEFÜHLSWALLUNGEN
Panzypriotische Bürgerbewegung
EIGENTUMSREGELUNG ES STEHEN ZUR WAHL:
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Verringerte Chancen der Restitution. Wiedererlangung von 1/3 des Besitzes nur im Falle, dass eine ganze Reihe von komplexen und strengen Bedingung erfüllt werden (Anhang VIII*): (1) Organisationen und Unternehmen besitzen kein Recht auf Wiedererlangung ihres Besitzes (S. 98, Artikel 9) (2) Wenn Besitz zu öffentlichen Zwecken genutzt wird, kann er nicht wiedererlangt werden (S. 99. Artikel 11) (3) Wenn der Besitz für militärische Zwecke benötigt wird, kann er nicht wiedererlangt werden (S.99, Artikel 11)
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(4) Wenn der gegenwärtige Eigentümer des Besitzes selbst ein türkischer-zypriotischer Flüchtling ist, gelten zusätzliche Bedingungen (S. 100, Artikel 13) (5) Wenn der gegenwärtige Eigentümer den Besitz von einem türkisch-zypriotischen Flüchtling erworben hat, gelten andere Bedingungen (S. 100, Artikel 13) (6) Wenn am Besitz signifikante Verbesserungen vorgenommen wurden, gelten zusätzliche Bedingungen (S. 100 Artikel 14) Wenn alle diesen Voraussetzungen erfüllt sind, kann der griechisch-zypriotische Flüchtling 1/3 seines Besitzes beanspruchen (S. 14, Artikel 10). Wenn es sich dabei allerdings um Ackerland von weniger als 5 Hektar bzw. um bewässerungsfähiges Land von weniger als 2 Hektar handelt, kann der Besitz nicht wiedererlangt werden (S. 101, Artikel 16 [5]). Wenn das eine Drittel des Besitzes mehr als 100 Hektar umfasst, darf ein griechisch-zypriotischer Flüchtling dennoch nur bis zu 100 Hektar beanspruchen (S. 103, Artikel 19) Alle, die ihren Besitz nicht wiedererlangen, sind zu einer Entschädigung berechtigt, die in Form von Aktien und Wertpapieren innerhalb von 5 Jahren ausgezahlt wird. Die Wertpapiere müssen eingelöst werden (S. 124, Artikel 18) und zwar bis maximal 25 Jahre nach ihrer Ausgabe (S.125, Artikel 18 [5] ). Die Kosten der Entschädigungen werden mehrheitlich vom Bundeshaushalt getragen. (Anhang VII, Anhang 2, Teil E) Alle offenen Verfahren des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte gegenüber der Türkei werden eingestellt (S. 97, Artikel 5). Die Türkei wird von der Zahlung der Entschädigungssummen entbunden. Für Entschädigungen verlorener Nutzungsrechte werden sich griechisch-zypriotische Flüchtlinge an den griechisch-zypriotischen Teilstaat wenden (S. 103, Artikel 21). „Denkst du, die Flüchtlinge erhalten ihren Besitz zurück? * Die Verweise beziehen sich auf die englische Ausgabe (31. Mai 2004)“ (F159; [Übersetzung der Verfasserin]).
Die rhetorische Frage soll Entrüstung darüber motivieren, dass die Rückerlangung eingeschränkt und möglicherweise zeitlich stark verzögert sein würde. Zur Untermauerung wählt der Autor den für einen griechisch-zypriotischen Flüchtling denkbar schlechtesten Fall einer Eigentumsregelung. Zahlreiche Attribute bestärken die Unsicherheit und Langwierigkeit einer schnellen Abwicklung. Dass, wie angemerkt, mit Inkrafttreten des Planes mehr als die Hälfte aller griechisch-zypriotischen Flüchtlinge ihre Häuser durch die interne Grenzverschiebung und den Teilrückzug in den nördlichen Teilstaat vollständig zurückerhielten, außerdem die Tatsache, dass es fraglich wäre, wie viele griechische Zyprioten (leider gibt es dazu keine umfragebasierten Statistiken) angesichts des Jahrzehnte langen Alltags im Süden überhaupt die Restitution einer Entschädigung vorziehen würden, liegt naturgemäß außerhalb dieses Frames. Weitere thematische Variationen dieser Anzeigen finden sich unter den Leitfragen: „Wirst du einem Plan zustimmen, der die Rückerlangung unserer besetzten Gebiete weder garantiert noch durchzusetzen vermag?“ (F242). „Wirst du für ein wiedervereinigtes Zypern mit Grenzkontrollen stimmen, in dem die Freizügigkeit der Bürger von der Gesetzgebung und den Beschränkungen des türkisch-zypriotischen Teilstaates abhängt?“ „Wirst du für einen Plan stimmen, dessen Verwirklichung und korrekte Umsetzung vom guten Willen und der politischen Glaubwürdigkeit der Türkei anhängt?“ (F251). „Wirst du für einen Plan stimmen, der unwiderruflich die nationale und religiöse Trennung der griechischen und türkischen Zyprioten festsetzt?“ (F252). „Wirst du für einen Plan stimmen, der dich zwingt für die Kosten von Invasion und Besatzung deiner Heimat aufzukommen?“ (F254). „Wirst du für einen Plan stimmen, der allen Siedlern den Verbleib auf Zypern „zusichert“, was mit Sicherheit auch ihre Wahl in die bundesstaatlichen Organe, ja sogar ihre Wahl zum Präsidenten der wiedervereinigten Republik Zypern möglich macht?“ (F285). [Übersetzung der Verfasserin].
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In der Gesamtheit der Fragen sieht man die Instrumentalisierung einer Mischung aus hypothetischen „Worst-Case-Scenarios“ und Appellen an das Gerechtigkeitsempfinden der Leser im Sinne der traditionellen Maximalansprüche. Interessant, weil von der erörterten Ambivalenz durchzogen, ist vor allem Frage 4. Der nachweisliche Erfolg dieser Frames – so kann man zusammenfassen – liegt also vor allem in ihrer Instrumentalisierung von Ressentiments und Befürchtungen, die umso stärker wirken, als ungelöste Gerechtigkeitsfragen mit hineinspielen, Prognosen über die zukünftigen, politischen wie ökonomischen Entwicklungen des wiedervereinigten Zypern stark auseinandergehen und schließlich die offenkundige Komplexität des Planes selbst bestehende Sorgen leicht zu schüren vermag. Wie in der Gegenüberstellung mit den Argumenten der Befürworter des Planes und ihrer Werbeanzeigen deutlich werden wird, erscheint es als ein Leichtes, aus den komplexen Details und den möglichen (inter-) nationalen Entwicklungen eben das herauszunehmen, was den Realitätsbezug der eigenen Argumente unterstreicht.
14.5.4.2.
Die Befürworter
Die Befürworter des Planes – so kann man einleitend zusammenfassen – argumentieren im Phileleftheros zumeist realpolitisch. Sie betonen dabei vor allem die Nachteile und Gefahren einer Ablehnung, die sich – wie man retrospektiv sagen kann – bewahrheitet haben. Durchweg positive Verständnisse sind, bis auf eine Ausnahme (F535), nicht vorhanden bzw. finden sich ausschließlich bei externen Akteuren. Versöhnung sei das größte Geschenk an die Folgegenerationen, so Pat Kox, EU-Parlamentspräsident (F272). Und Annan selbst unterstreicht noch im Januar den Mehrwert für alle Beteiligten, die vielzitierte Win-win-Situation (F12). Am Ende des Diskurses wirkt er indes deutlich resignierter: Er wisse, dass die Zyprioten den Plan „Annan-Plan“ nennen würden. Natürlich entstamme ein Teil des Planes der Feder der UN, in erster Linie aber sei er, so betont er, das Resultat vierjähriger Verhandlungen zwischen den zypriotischen Parteien (F308). Auch hier ist der Versuch offenkundig, dem althergebrachten Ressentiment der externen Entscheidungsmacht entgegenzuwirken. Die Argumente zypriotischer Autoren kreisen vor allem um die Gefahren eines Imagebzw. Glaubwürdigkeitsverlustes durch ein Nein, der völkerrechtlichen Aufwertung des Nordens und eines endgültigen Stillstandes der Zypernfrage (SA45). Mitunter zynisch verweisen Autoren auf die kontinuierliche Verschlechterung der griechisch-zypriotischen Lage und Position nach jeder gescheiterten Verhandlungsrunde. Andere deuten auf das günstige Zeitfenster einer Lösung, das sich durch eine Ablehnung endgültig schließe: Griechenland und die Türkei hätten sich durch ihr Einlenken in den Verhandlungen von ihrer beider historischen Verantwortung befreit. Auch die EU würde sich nach einem Scheitern des Planes sicher nicht mehr vehement für die Revision des Status quo engagieren. Die türkischen Zyprioten könnten ihre EU-Rechte geltend machen, während man umgekehrt keinen Einfluss auf den Norden hätte und auch der zukünftige Beitritt der Türkei sei vor dem Hintergrund europäischer Türkeiskepsis, wie der innenpolitischen Spaltung der Türkei, keineswegs wahrscheinlich. Damit bliebe die Zypernfrage ungelöst und auch die kontinuierlichen Sockelstreitigkeiten in der Ägäis würden nicht beigelegt (SA46). In der Retrospektive erscheinen diese Sorgen geradenach prophetisch. Etliche Artikel,
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allen voran die Kommentare des Politis, plädieren in diesem Sinne für einen Paradigmenwechsel durch selbstkritische Bilanz der eigenen Geschichte, für eine Kultur des Kompromisses, eine Öffnung gegenüber der Türkei und für ein Zusammenwachsen der Gemeinschaften durch die Beilegung der Anerkennungsrivalitäten (Po71;Po87;Po92). Ioannides, ehemaliger Bildungs- und Kulturminister, spricht von einer nötigen Überwindung der Quid-pro-quo-Mentalität (M89) und PRIO-Forscher Trimikliniotis kritisiert das Klima mit den treffenden Worten: „Die Positionierung der Parteien wird von zentraler Bedeutung zur Überwindung eines kollektiven Klimas von Hysterie und Stress sein, das polarisiert ohne aufzuklären, glüht ohne zu erhellen und plärrt ohne Essenzielles zu sagen“ (F55). Seine Kritik an der medialen Stimmungsmache schließt mit einem Appell an ein „Ja“, das er ironisch durch eine Analogie zum Nationalnarrativ unterstreicht: Statt in einem ungewissen Schwebezustand zu verharren und auf die Rückkehr des marmornen Königs zu warten, sollte man die Gelegenheit friedlichen Zusammenlebens beim Schopf ergreifen. Er rekurriert damit auf eine zum Volkslied gewordene Legende, wonach der letzte byzantinische König in Marmor versteinert in der Hagia Sophia sehnsüchtig auf die Befreiung Konstantinopels wartet. Sein Artikel veranschaulicht sinnbildlich die Synthese aus Nationalmythos und Unteilbarkeit, wie auch die repräsentative Frustration der Friedensaktivisten über den Status quo, die er im informellen Gespräch mit der Verfasserin zum Ausdruck brachte. Obgleich „Geschichte“ im Diskurs vornehmlich der Untermauerung der historischen Opferrolle und verbundener Rechtsansprüche dient, findet sie sich auch als mahnendes Negativbeispiel. Die Máhi konzentriert sich dabei auf die zypriotische Geschichte, kritisiert historischen Extremismus beider Seiten und eine machiavellistische Einstellung zur Politik, die damals wie heute zu kontraproduktiven Ergebnissen führe. Wenn die selbstkritisch-differenzierten Artikel in der Máhi auch spärlich gesät sind, sind die doch erstaunlich konkret: Keiner, weder die Mutterländer noch die zypriotischen Gemeinschaften hätten sich an die Verfassung von 1960 gehalten, heißt es. Es sei an der Zeit, kritisch Bilanz zu ziehen. Man müsse nun gute Kooperation mit den türkischen Zyprioten anstreben, um den gemeinsamen Staat auf ein solides Fundament zu stellen und sich endlich, wie die anderen europäischen Staaten, zukunftsorientierteren Themen widmen zu können, so der Tenor (SA24). Der Phileleftheros bezieht in einem Vergleich zwischen dem nationalistischen Eifer Griechenlands und Präsident Papadopoulos Gebaren in den Verhandlungen auch Frontstellung gegen das Mutterland. Nationalistische Abenteuer hätten zu internationalem Imageverlust geführt, mahnt eine Autorin, während ein Anderer im selben Duktus an die europaweite Verärgerung über den Namensstreit der „FYROM“ erinnert. Griechenland hätte durch seinen aufschäumenden Chauvinismus an Überzeugungskraft und Ansehen eingebüßt. In der Konsequenz würden die meisten internationalen Akteure nun trotzdem von „Mazedonien“ sprechen. Dieselbe Gefahr bestünde nun auch für die griechischen Zyprioten, so das Fazit (F338; F339). In einem signifikanten Anteil an Artikeln von Plan-Befürwortern bzw. kritisch-reflektierten Autoren finden sich zynische bis frustrierte Anklagen gegen die eigene Führung, denen Eitelkeit, machtstrategische Manipulation, politische Unfähigkeit, Feigheit und Vergangenheitsverklärung vorgeworfen wird (SA25). Von „erfolglosen Kaffesatzlesern“ ist die Rede, die über Feuer sprächen, die sie selbst entzündet hätten (F88) und sich hinter einer hölzernen Sprache versteckten (M49). Als einziger seiner Art sticht ein Artikel des Vorsitzenden der New Cyprus Association heraus, der im Sinne des erörterten Narrativs der
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Linken für ein Ja zum Plan plädiert, um die politisch motivierten Morde der 1960er Jahre und die damaligen Bemühungen der Gemäßigten um Einheit der Insel zu rächen (F327).102 Auffälligerweise taucht jener Diskursstrang, außer noch in vereinzelter Kritik von AKEL-Wählern an der Kehrtwende ihrer Partei, mit der man die türkischen Zyprioten im Stich lasse, nicht mehr direkt auf (F265, F256). Das unterstreicht, dass die Wirkung etwaiger Betonungen der gemeinsamen politischen Wurzeln vor dem Hintergrund der aufgeheizten Negativstimmung kaum vorhanden war. Am vehementesten plädiert der Politis für ein Ja zum Plan. Seine Argumente beinhalten pragmatische Überlegungen – eine bessere Chance zur Konfliktbewältigung würde es nicht geben (Po25;Po29;Po91) –, vor allem aber Kritik an der politischen Kultur und flammende Appelle an die Überwindung der parteipolitischen Polarisierung, des nationalistischen Fanatismus und des tief verankerten historischen Misstrauens gegenüber externen Akteuren (SA47). „Die nationalistischen Ergüsse unserer Vergangenheit waren nicht wirklich patriotisch, denn Hass und Feindschaft verzerren jeden klaren Gedanken“ (Po76). Man sehe den Wald vor lauter Bäumen nicht, kritisieren etliche Autoren mit Verweis auf das als destruktiv empfundene Ringen um Details (SA48). Wisse man vielleicht selbst nicht, was man wolle, habe Angst vor der eigenen Courage und versteife sich deshalb auf die Unnachgiebigkeit der anderen Seite, fragt ein Autor und hält der Gesellschaft damit den psychoanalytischen Spiegel vor (Po28). Sener Levent, Publizist und Journalist der regimekritischen, türkisch-zypriotischen Zeitung „Afrika“, die bereits mehrfach Zielscheibe rechtsnationalistischer Angriffe wurde, kritisiert die Zurückhaltung der griechisch-zypriotischen Linken und plädiert in etlichen Artikeln des Politis für ein beherztes zivilgesellschaftliches Aufbegehren gegen das strategische Spiel der politischen Führungen in und um Zypern. Man könne das Ruder noch herumreißen, wenn es gelinge, die öffentliche Meinung positiv zu beeinflussen. Man dürfe sich nicht von einer kleinen Minderheit der ewig Gestrigen verleiten lassen, die Zypern in den 1960er Jahren schon einmal in die Katastrophe geführt hätten, so die klarsichtigen und offenen Worte Levents. Dabei übt er auch harsche Kritik an der türkischen Besatzung und den kontraproduktiven geostrategischen Interessen de Mutterlandes. Bei ihm indes wird sie mit Appellen an die Zyprioten beider Seiten verbunden, sich in Abwehr externer Einflüsse zu vereinen. Die Siedler, so Levent, sollten nicht am Referendum teilnehmen dürfen (SA49). Levent erscheint damit repräsentativ für viele AKEL-nahe und friedenspolitisch engagierte türkische Zyprioten, die den politischen und kulturellen Einfluss der Türkei auf den Norden kategorisch zurückweisen.
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Die NGO “New Cyprus Association” wurde 1975, ein Jahr nach der Teilung Zyperns als interkommunale Plattform mit dem Ziel gegründet durch öffentliche, kritische Reflexion über die Hintergründe der Konfliktjahre für eine Annäherung beider Seiten zu sorgen. In einem Radiointerview von 2015 wirbt der spätere Vorsitzende in diplomatisch-zurückhaltender Form für ein inklusives, bürgerrechtliches Verständnis nationaler Identität und ein Überdenken des dominanten Konfliktnarrativs. Im Laufe des Interviews wird immer wieder der öffentliche Widerstand gegen derartige Positionen reflektiert. So sei der Association der Vorwurf gemacht worden, sie wolle den Zyprioten ihr Griechischsein absprechen; [abgerufen am 11.11.2016].
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In einem bissig-satirischen, mit zwei Karikaturen versehenen Leitartikel des Politis entlarvt Hazan Kafezioglou die Obstruktionsstrategien der beiden politischen Führungsmänner Denktaş und Papadopoulos. Sturköpfig, unehrlich und nicht an einer Lösung interessiert, könnten sie nur durch vehementen Druck vonseiten der Mutterländer zum Kompromiss bewegt werden, so sein Fazit (Abb. 67 & 68; Po131). Dieser Perspektive schließen sich etliche AutoAbbildungen 67 & 68 – Papadopoulos und Denktaş (mit freundlicher Genehmigung von Politis; All ren in offenkundigen Versuchen eines PositivRights Reserved) framings an: Sie reichen von Verweisen auf das Engagement der Internationalen Gemeinschaft, über lyrische Phantasien des Wiederaufblühens der brachliegenden Pufferzone, bis zur Verantwortung, den Folgegenerationen ein Leben ohne Stacheldraht zu ermöglichen. Für die Älteren sei der Plan ein Kompromiss, für die Jungen eine einmalige Chance (SA50). Drei Anzeigen des Phileleftheros werben für ein Ja zum Plan. Die Anzeige in Abb. 7 appelliert offenkundig an den Mündigkeitssinn der Bürger und greift damit implizit einen Diskursstrang auf, der Starrheit und Hierarchie der politischen Kultur und nationaler Referenzpunkte kritisiert: „Also ehrlich…Ich habe doch Ohren, ich habe Augen, ich habe eine Stimme. ICH STIMME MIT JA!“, titelt die „Bewegung Fortschritt“ (F291). Im folgenden AbAbbildung 69 – „ Ich stimme mit ja“ (mit schnitt wird dieser Strang immer wieder zum Ausdruck freundlicher Genehmigung von Philkommen. Die Anzeige in Abb. 69 nimmt eine deutliche eleftheros; All Rights Reserved) Sonderrolle ein. Denn sie präsentiert sich als einzige ihrer Art als optimistische Zukunftsprognose, als Chronik einer erfolgreichen Umsetzung des Planes im Zeichen zunehmenden Zusammenwachsens konzipiert und damit ein anschauliches Beispiel für positives Framing. Im ersten Teil sind stichwortartig die im Plan vorgesehenen Etappen vermerkt, die mit Zugewinnen an Territorium, Eigentum, Sicherheit oder Freizügigkeit für die griechischen Zyprioten einhergehen. Ab dem Jahr 2010 basiert die Prognose nicht mehr ausschließlich auf bereits getroffenen Vereinbarungen, sondern auf potentiellen Entscheidungen der involvierten Akteure als Resultat konstruktiver Kooperation. Ob ihrer einzigartigen Stellung im Diskurs wird die Anzeige im Folgenden in Gänze übersetzt.
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Ich denke darüber nach… und wäge das Für und Wider ab… Die Vorteile überwiegen CHRONIK DER LÖSUNG 2004: 29. April: - Es öffnen sich 12 Übergänge zur freien Grenzüberschreitung, ohne, dass man einen Reisepass vorzeigen müsste. Nur einen Personalausweis, wenn überhaupt nötig. - Wir erhalten das uneingeschränkte Recht auf einen Zweitwohnsitz, ohne Unterschied zu anderen EU-Bürgern und ohne Einschränkungen der Aufenthaltsdauer. - Das Territorium, das zur Rückgabe vorgesehen ist, gehört völkerrechtlich dem griechisch-zypriotischen Teilstaat an und wird bis zur Abtretung im Auftrag des UN-Sicherheitsrates von den Vereinten Nationen überwacht. - Es wird sofort eine Übergangsregierung, ein Parlament und eine Verwaltung gebildet, sowohl auf Bundesebene, als auch auf Ebene der Teilstaaten, bis zu den offiziellen Wahlen nach 46 Tagen. - Die Beamten behalten ihre Stellen und alle ihre Rechte. - Die griechischen Zyprioten aus Gialousa, aus Agia Triada, aus Melanarga und aus Rizokarpaso erhalten sofort Autonomiestatus mit uneingeschränkter Selbstbestimmung in den Bereichen Bildung, religiöser Praxis und politischen Traditionen. - Die zypriotische Lira ist offizielle Währung ganz Zyperns. - Die Bundespolizei übernimmt die Überwachung der Außergrenzen Zyperns und der Migration. - Zypriotische Bürger sind alle, die 1963 die zypriotische Staatsbürgerschaft besaßen, ihre Ehepartner und Nachkommen, ferner diejenigen, die in der bereits eingereichten und einvernehmlich beschlossenen Liste der 45 000 zusammengefasst wurden. - Diejenigen Türken, die möglicherweise ein uneingeschränktes Aufenthaltsrecht erhalten, werden den Gesamtanteil von 10% der türkisch-zypriotischen Staatsbürger nicht überschreiten und damit auf 15 000 beschränkt sein. - Eine weitere Einwanderung aus der Türkei bleibt untersagt, es sei denn der Anteil der türkischstämmigen Staatsbürger fällt auf 5% der türkischen Zyprioten, also auf insgesamt 7500 Türken. Mai – Die Hälfte des Territoriums der britischen Basen wird an die wiedervereinigte Republik Zypern übergeben, davon der größte Teil von etwa 90 % an den griechisch-zypriotischen Teilstaat. 13 Juni – Allgemeine Bundes- und Landesparlamentswahlen zeitgleich mit den Europawahlen. 1. Juli – Das Bundeparlament waltet seines Amtes und wählt den Präsidialrat aus 6 griechischen Zyprioten (zwei ohne Stimmrecht) und 3 türkischen Zyprioten (einer ohne Stimmrecht). 1. August – Die neue UN-Friedenstruppe wird zur Ausführung ihrer vom UN-Sicherheitsrat beschlossenen Mission voll besetzt und ausgestattet. 11. August – Der griechisch-zypriotische Teilstaat erhält die Gebiete der ersten Phase zurück, zu denen alle Gebiete der neutralen Zone, die eingegrenzten Gebiete Varosha und Kokkina gehören. 15 000 Flüchtlinge und deren Nachkommen kehren nach Hause zurück und erlangen ihren Besitz wieder. 29. Oktober – Die Gebiete der zweiten Phase, zu denen die Dörfer Ahna, Petra und Agios Georgios Lefkas gehören, werden dem griechisch-zypriotischen Teilstaat zurückgegeben. 3200 Flüchtlinge kehren nach Hause zurück und erlangen ihren Besitz wieder. 2005 1. Januar – Im türkisch-zypriotischen Teilstaat wird die türkische Lira abgeschafft. 29. Januar – 6000 Mann der türkischen Streitkräfte werden aus Zypern abgezogen. Die Nationalgarde und die türkisch-zypriotischen Streitkräfte verringern ihre Stärke und Waffenausrüstung um 20 %. 29 April – Diejenigen Türken, die gemäß den bundesstaatlichen Gesetzen keine temporäre oder permanente Aufenthaltsgenehmigung besitzen, müssen Zypern verlassen. 29 Juli – Die Dörfer Galini, Loutros, Pyroi und Tympou werden dem griechisch-zypriotischen Teilstaat zurückgegeben. 4000 Flüchtlinge und deren Nachkommen kehren nach Hause zurück und erlangen ihren Besitz wieder. 29. September – 7500 Mann der türkischen Streitkräfte werden aus Zypern abgezogen. Die Nationalgarde und die türkisch-zypriotischen Streitkräfte verringern ihre Stärke und Waffenausrüstung um weitere 25%. 2006 29. Januar – 7500 Mann der türkischen Streitkräfte werden aus Zypern abgezogen. Die Nationalgarde und die türkisch-zypriotischen Streitkräfte verringern ihre Stärke und Waffenausrüstung um weitere 25%.
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29. April – Alle Flüchtlinge über 65 Jahre und alle Flüchtlinge aus Gialousa, Agia Triada, Melanarga und Rizokarpaso und deren Nachkommen kehren mit uneingeschränkten politischen Rechten und Autonomie in ihre Dörfer zurück. Alle, die in der Folge ihr 65. Lebensjahr erreichen, kehren ebenfalls zurück. 29. September – Die türkischen Streitkräfte werden auf 6000 Mann im türkisch-zypriotischen Teilstaat beschränkt. Griechische Streitkräfte der gleichen Stärke lassen sich im griechisch-zypriotischen Teilstaat nieder. Die sechs Teilstreitkräfte werden jedes für sich in sechs vorab bestimmten Militärzonen untergebracht, innerhalb derer sie über ein beschränktes Waffenkontingent verfügen und in jeder Aktion von den Vereinten Nationen überwacht werden. 29. Oktober - Die Dörfer Aheritou, Ammadies, Ablona, Kalopsida, Kontea, Limnities, Lysi, Makrasyka, Xerobounos und das Gebiet südwestlich von Varosha werden dem griechisch-zypriotischen Teilstaat zurückgegeben. 12 000 Flüchtlinge und deren Nachkommen kehren nach Hause zurück und erlangen ihren Besitz wieder. 2007 29. April - Die Stadt Morphouo und die Dörfer Agia Marina, Agios Ermolaos, Agios Basileios, Agridaki, Argaki, Assia, Asomatos, Filia, Gaidouras, Kalohorio, Karabostasi, Karpasia, Katokopia, Kontemenos, Kormakites, Kyra, Larnakas von Lapythos, Myrtou, Nikitas, Pentagia, Potamos von Kampos, Vorort von Famagusta, Vorort von Morphou, Pyrga, Sysklipos, Skylloura und die Hälfte von Batyli werden dem griechisch-zypriotischen Teilstaat zurückgegeben. 33 000 Flüchtlinge und deren Nachkommen kehren nach Hause zurück und erlangen ihren Besitz wieder. - Jedwede Grenzkontrollen an den Übergängen zwischen dem griechisch- und türkisch-zypriotischen Teilstaat werden eingestellt. Damit ist das Vorzeigen eines Ausweises und jedwede sonstige Form formeller Kontrolle allenfalls auf Einzelfälle beschränkt. 2009 29. April - Alle griechischen Zyprioten erhalten das Recht sich in jedem Dorf und jeder Stadt im türkisch-zypriotischen Teilstaat im Rahmen von bis zu 6% der jeweiligen Bevölkerung anzusiedeln. Vorrang besitzen Flüchtlinge und jene, die ein Drittel ihres Besitzes beanspruchen können. - Die griechischen Zyprioten erhalten ihren Besitz auf Basis der 1/3-Kriteriums zurück, da zu diesem Zeitpunkt die türkischen Zyprioten mit Hilfe der Kommission für Eigentumsfragen in andere Häuser umgesiedelt sein werden. 2010 1. Juni – Zypern, Griechenland und die Türkei beraten darüber, inwiefern die Stationierung der griechischen und türkischen Streitkräfte von jeweils 6 000 Mann notwendig ist. 2011 1. Januar – Die Stärke der türkischen und griechischen Streitkräfte wird auf jeweils 3 000 Mann verringert. 2014 29. April – Die griechischen Zyprioten erhalten uneingeschränktes Siedlungsrecht im türkisch-zypriotischen Teilstaat im Rahmen von bis zu 12% der jeweiligen Bevölkerung einer Stadt oder eines Dorfes. 2018 1. Januar – (oder aber mit Beitritt der Türkei zur EU, wenn dies früher geschehen sollte) verringert sich die Truppenstärke der türkischen und griechischen Streitkräfte auf Zypern auf die in der Verfassung von 1960 bestimmten Zahl, also auf 950 Griechen und 950 Türken. 2019 29 April - Jedwede Beschränkung des Immobilienerwerbs im türkisch-zypriotischen Teilstaat wird abgeschafft. - Beschränkungen des permanenten Siedlungsrechtes griechischer Zyprioten im türkisch-zypriotischen Teilstaat in Relation zu den jeweiligen Städten und Dörfern werden aufgehoben. Die griechischen Zyprioten erhalten das Recht uneingeschränkter Siedlung im Rahmen eines Anteils von 18 % der Gesamtbevölkerung des türkisch-zypriotischen Teilstaates, was mehr als 40 000 griechischen Zyprioten entspricht. 2021 1. Januar – Beratung über die Truppenstärke der türkischen und griechischen Streitkräfte auf Zypern mit Aussicht auf vollständigen Abzug.
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2023 29. April - (oder aber mit Beitritt der Türkei zur EU, wenn dies früher geschehen sollte) Abschaffung jeglicher Siedlungsbeschränkungen griechischer Zyprioten im türkisch-zypriotischen Teilstaat. - Der griechisch-zypriotische Teilstaat kann Maßnahmen ergreifen, um zu gewährleisten, dass mindestens 2/3 seiner Bevölkerung griechische Muttersprachler sind. In diesem Sinne kann auch der türkisch-zypriotische Teilstaat Maßnahmen ergreifen, um zu gewährleisten, dass 2/3 seiner Bevölkerung türkischsprachige Muttersprachler sind. Der Anteil griechischer Zyprioten kann bis zu 100 000 Menschen betragen. - Die Beschränkungen der Migration aus der Türkei werden durch spezifische Sicherheitsmaßnahmen ersetzt, damit der Migrationsfluss die demographischen Mehrheitsverhältnisse nicht berührt. Die Verantwortung für die Umsetzung entsprechender Maßnahmen tragen die Bundeskommission für Migration und der Oberste Gerichtshof. - Die UN-Friedenstruppe verbleibt weiterhin auf Zypern, solange sie benötigt wird. Über ihren Abzug entscheidet die Bundesregierung im Einvernehmen mit den Teilstaaten. VORSTOß DER BÜRGER „Ganz Zypern gemeinsam“ meine Garantie Europa Politische Werbeanzeige“ (F309; [Übersetzung der Verfasserin]).
Neben ihrer einzigartigen Botschaft stellt die Anzeige ein besonders gelungenes Beispiel von Form-Fits-Function dar. Auch deshalb erscheint ihre Gesamtdarstellung aufschlussreich. Ihre penible, ja gleichsam monoton-schematische, auf Wiederholung begründete Detailgenauigkeit erhebt zugleich den Anspruch auf Gültigkeit, Verbindlichkeit und positiver Zukunftsvision gegenüber den düster-vagen Prognosen der Gegner und soll damit besondere Strahlkraft entfalten. Man könnte sich den Text in diesem Sinne auch gut als feierlichen O-Ton eines visionären Dokumentarfilms vorstellen. Tatsächlich zeigt denn auch die Darstellung der etappenweisen Umsetzung des Planes, dass – von der Einschränkung politischen Entscheidungsspielraums durch das föderale System und Befürchtungen, die Vereinbarungen könnten missachtet werden abgesehen – die griechischen Zyprioten gegenüber dem Status quo in jeglicher Hinsicht im Vorteil wären: Geostrategisch im Hinblick auf den deutlichen Zugewinn an Territorium und zunehmende Siedlungsrechte im Norden und finanziell durch umfassende Kompensationsleistungen für verlorenen Besitz. Diese faktischen Zugewinne treten hier durch ihre schlichte Aufzählung deutlich hervor, weil sie eben nicht im Lichte eines unvorteilhaften Vergleichs mit Maximalforderungen, Idealzuständen oder mit dem Status quo ante von 1960 präsentiert werden. Ferner sollen die Aufzählung des etappenweisen Truppenabzugs, die klare Verortung eines jeden Kontingents, der Verweis auf UN-Überwachung, Sicherheitsratsmandat (die Hoffnungen auf eine entsprechende Resolution des Sicherheitsrates bestehen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Anzeige noch) und auf die Garantierolle der EU etwaige Befürchtungen abfedern. Die Nennung jeder einzelnen zurückgewonnenen bzw. besiedelbaren Ortschaft und die der genauen Anzahl der zurückkehrenden Flüchtlinge machen den, wenn man so will, „Mehrwert“ des Planes greifbar. Zugleich wird durch Verweise auf die Rolle der Bundespolizei und durch die Hervorhebung der Entscheidungskompetenzen von Bundesorganen in den für die griechischen Zyprioten so wichtigen Eigentums- und Staatsbürgerrechtsangelegenheiten der einheitsstaatliche Charakter der Föderation unterstrichen. Diese Botschaft wird dadurch untermauert, dass am Ende in Form eines ideellen Verlaufs einvernehmliche Entscheidungen der zyprioti-
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schen Gemeinschaften und der Mutterländer zur Autonomiesteigerung Zyperns und zur Stärkung des einheitsstaatlichen Charakters aufgelistet werden. Indes ist eine derartige – man möchte sagen von historischen Altlasten entschlackte – Sichtweise eben im sonstigen Diskurs gänzlich inexistent. Das untermauern die folgenden Abschnitte.
14.5.5 Geschichte und nationales Leidensnarrativ Die Präsenz der Konfliktgeschichte mit ihren konkurrierenden, hierarchischen, widersprüchlichen und verdrängten Narrativen wurde bereits ausführlich im vorangehenden Kapitel diskutiert und ist auch im aktuellen Diskurs präsent – in der Máhi sind sie deutlich häufiger und expliziter. Sie erscheinen in Form direkter oder zeichenhaft-abergläubischer Parallelisierungen, beispielsweise, wenn zwei Ereignisse (angeblich nicht) zufällig auf denselben Jahrestag fallen. Sie dienen damit insbesondere in der Máhi als handlungsweisende Mahnungen und als Delegitimierungsinstrumente gegenüber externen Akteuren und internen Kritikern des dominanten Diskurses und der politischen Führung (SA30). Die Rolle von Geschichte kommt um die Osterzeit vor allem durch religiöse Referenzen zum Vorschein. Historisches Märtyrertum, Leid und Freiheitskampf Zyperns werden dabei den Leiden und der Auferstehung gegenübergestellt oder Verrat und Kreuzigung Christi sogar explizit mit der gegenwärtigen Rolle der Zyprioten gegenüber der internationalen Gemeinschaft verglichen. Auf einer großen DIKO-Kundgebung, auf der der bekannte griechische Sänger Georgios Dalaras auftritt, schwenken Teilnehmer Transparente mit der Aufschrift: „28. Oktober 1940 – NEIN – 24. April 2004“. Das Nein zum Plan wird hier mit dem „historischen Nein“ des griechischen Diktators Metaxás gegenüber Mussolini gleichgesetzt (F322). Es sei kein Zufall, so heißt es schließlich, dass Annan am 1. April, dem Tag des Beginns des EOKA-Kampfes, die letzte Version seines Planes verkündet hätte (M271). Die implizierte Schicksalshaftigkeit nur vermeintlich zusammenfallender Ereignisse wird im Diskurstrang der Kirche wiederauftauchen. Ganz im Sinne der Schulbücher und Museen gilt die Konfliktgeschichte vor allem in der Máhi als Resultat externer Kräfte. Von „antigriechischen Zentren“, die seinerzeit den Putsch der Junta initiiert hätten, spricht der Vorsitzende der „panzypriotischen Bewegung gegen die Besatzung“ (M287) und ein griechischer Politikwissenschaftler ruft seine „zypriotischen Brüder“ auf, der Versklavung ihrer Insel mit einem Nein zu begegnen und sich damit als würdige Nachfahren der Hellen zu erweisen. Sein Titel „Die Welt der Wahrheit, der Würde, der Ideale und der Geschichte wartet auf das ´NEIN`“ (M303) führt dabei alle relevanten Konzepte des Narrativs anschaulich zusammen. Andere Autoren unterstreichen dieses Argument in tief emotionalen Ermahnungen zum Kampfgeist und zur Huldigung der nationalen Identität, in denen auch die Rolle von Bildung für die Wahrung des hellenischen Geistes unterstrichen wird (SA52). Offenkundig tief bewegt kommentiert ein Autor eine Demonstration griechisch-zypriotischer Flüchtlinge der Halbinsel Karpassia: „Die Stimme des märtyrerischen Karpassia erklang schallend […]. In einer Großveranstaltung bekundeten die Karpassioten ihre Entschlossenheit zur Fortführung des Freiheitskampfes zur Rückkehr auf die märtyrerische Halbinsel. Sie entsandten klare Botschaften […], die unsere politische Führung beschäftigen sollten. Das Volk von Karpassia hat mit den heroischen Eingepferchten als seinen Vorkämpfern über dreißig widrige Jahre barbarischer türkischer Besatzung hinweg die Würde der Nation auf ihren Schultern getragen.
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Sie haben Schreckliches ertragen müssen. Verfolgung, Demütigung, Erniedrigung, das Auseinandergerissenwerden von Familien, Raub, […] Mord an wehrlosen Gefangenen. Alle unsere politischen Führer, alle zypriotischen und griechischen Regierungen erklärten, dass die Opfer der Eingepferchten gewürdigt würden. Sie versprachen, keiner Lösung zuzustimmen, die nicht die Unterstellung Karpassias unter griechisch-zypriotische Verwaltung stellen würde. Es scheint aber, dass die Erinnerung verblasst. Die Halbinsel der Heiligen und der Helden, Basis des Hellenismus und der Orthodoxie, droht nun, dem Gutdünken der Türkei ausgeliefert zu werden. Sollten wir tatsächlich an dieser äußersten Grenze nationaler Erniedrigung angelangt sein, nämlich der Türkifizierung von Karpassia zuzustimmen, werden wir als diejenigen in die Geschichte eingehen, die den Ausverkauf ihrer Heimat zu verantworten haben. Im Fall von Karpassia gibt es keine mildernden Umstände“ (M210; [Übersetzung der Verfasserin]).
Die Passage ist nicht nur Sinnbild für das Pathos des Nationalnarrativs. Sie unterstreicht auch, dass der Diskurs von unterschiedlichen Interessengruppen geprägt ist, die im Sinne der propagierten Maximalinteressen Druck auf die politische Führung ausüben. Immer wieder äußern Vertreter von Flüchtlingsverbänden Unmut, wenn ihre Heimatorte nicht oder nur beschränkt zur Rückgabe vorgesehen sind (SA53). Die Analogien und Referenzen zum Freiheitskampf werden durch die traditionellen Huldigungen der Nationalhelden bestärkt. Sie sind ein häufiges Motiv des Diskurses. Führende Politiker und Geistliche besuchen dabei zentrale Gedenkorte des Leids der Jahrhunderte langen Fremdherrschaft und mahnen die Bürger an, ihren Beitrag für die noch ausstehende nationale Vollendung zu leisten (SA51). Erwartungsgemäß spielt dabei der Generationendialog eine hervorgehobene Rolle: Literaturwettbewerbe über das Leben der EOKA-Kämpfer und die historische Mission der Kirche oder Veranstaltungen mit EOKA-Veteranen sollen die Schüler mit jener Zeit in Berührung bringen (SA54). Ein großflächiges Bild mit einer Gruppe Jugendlicher, die um einen älteren Herrn versammelt sind, lautet: „Schüler lauschen ehrfürchtig den Erzählungen des EOKA-Kämpfers“ (M208). So wie die Schuljugend 1955 gegen die Briten auf die Straße ging, demonstriere sie heute gegen den Annan-Plan, kommentiert ein anderer Autor stolz (M355). Ähnlich wie in der griechischen Nationalstaatsgenese ethnographische Wettbewerbe die antike Herkunft Griechenlands untermauern sollten, dienen die nationalen Leitfiguren hier offenkundig als Mittel zur Selbstvergewisserung, Heraufbeschwörung historischer Größe, als heroische Gradmesser für die Bewertung der gegenwärtigen Verhältnisse, aber auch als Projektionsfläche für die Sehnsucht nach einer verlorenen Ursprünglichkeit (vgl. weitere Ausführungen der Thematik in SA27). Als repräsentativ dafür erscheint eine Hommage an General Grivas aus Anlass einer Literaturgedenkfeier: „Dreißig Jahre sind vergangen seit jenem Wintertag, da die eisige Stille des Todes sich über die gesamte Insel Zypern legte. Dreißig Jahre sind vergangen seit dem 27. Januar 1974, an dem endlose Massen von Menschen aus den Städten und Dörfern, von den Bergen und Tälern strömten, mit sicherem Schritt und gehobenem Haupt strebten sie nach dem kleinen Haus in der Umgebung von Larnaka, um ihm die letzte Ehre zu erweisen und das Salböl ihrer Seele darzubieten. Der Tugendhafte, der Unbestechliche, der Ideologe, der Erlöser, der Inspirierer, der uns Mut machende, der unbeugsame Kämpfer für die Freiheit, General Georgios Grivas der Anführer Digenis, überschritt die Schwelle zum Tod und gemeinsam mit der Ehre, die neben ihm ihre Schwingen schlug, nahm er den Weg der Unsterblichkeit auf sich“ (M38; [Übersetzung der Verfasserin]).
Diesen feierlichen, ja geradezu messianischen Duktus kennt die Verfasserin aus etlichen EOKA-Referenzen der abendlichen Hauptnachrichten des zypriotischen Rundfunks RIK als offenkundiges Aushängeschild der dominanten Erinnerungskultur. Demgegenüber deutet der nachdenkliche Kommentar, Afxentíou und Matsis hätten ihr Leben geopfert und dabei in Kate-
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gorien von Freiheit und Tod, nicht an Superpensionen, steuerfreie Automobile, Vergnügungsreisen und Luxusverköstigungen gedacht, in eine andere Richtung (M154). Er versteht sich als Kritik an der willkommenen materiellen Ablenkung, die der rasante wirtschaftliche Aufschwung Südzyperns seit 1975 bot und verweist damit nicht zuletzt auf die widersprüchlichen Facetten der zypriotischen Alltagswirklichkeit, die in ihrer Gleichzeitigkeit aus forcierter Statik und Tradition und einer fluktuierenden Postmoderne zu einem „Alltag der Ausnahme“ zusammengewachsen ist und damit ebenso einen zentralen Aspekt der Unteilbarkeit aufzeigt. Das institutionelle Geschichtsverständnis schließlich, wird vehement gegen interne Kritik verteidigt. Im Kontext eines neu verabschiedeten Gesetzes, das den 14. September zum Gedenk- und Ehrentag für die vertriebenen Griechen Kleinasiens macht, greift Historikerin Eleftheriou u.a. Makarios Drousiotis namentlich an, der das griechisch-zypriotische Geschichtsverständnis als verzerrt, selektiv und kontraproduktiv für die gegenwärtigen Verhandlungen bezeichnet hatte, belehrt den Kritiker über das zweitausendjährige Erbe der zypriotischen Hellenen und rechtfertigt in einer Detailanalyse die griechische, wie griechisch-zypriotische Politik des 20. Jahrhunderts (M31, M234). Warum sollte, so reagiert ein Geschichtswissenschaftler auf die Kritik am monolithischen Opfernarrativ der griechischen Zyprioten, an den Gedenktagen für die eigenen Opfer auch an die der anderen Seite erinnert werden? Würden sich die Türken etwa an die griechischen und zypriotischen Opfer von 1922 erinnern, fragt er polemisch, bevor er zu einer langen, mit detaillierten Zeit- und Ortsangaben untermauerten Aufzählung von historischen Gewaltakten an griechischen Zyprioten übergeht (M53). Beide Argumentationsmuster sind repräsentativ für den dominanten Geschichtsdiskurs. Auch die traditionellen Bruchlinien zwischen Nationalisten und Kommunisten tauchen in Form aggressiver Geschichtsabhandlungen auf. Eine Anti-Grivas-Demonstration der AKEL-Jugendorganisation EDON nimmt ein Autor zum Anlass, um sich über die instrumentalisierten „Jungspunde der Linken“ zu mokieren und im detaillierten Rekurs auf Presseberichte der vergangenen 40 Jahre das internationale Renommee des Freiheitskämpfers zu unterstreichen (M39). Die AKEL polemisiere in alter Bürgerkriegstradition gegen die EOKA und „vergewaltige“ dabei die Geschichte, meint ein anderer. Mit dem erklärten Ziel, die „Wahrheit“ ans Licht zu bringen, zeichnet der den Zypernkonflikt im 20. Jahrhundert nach und betont dabei Kontinuität, Einheit und Patriotismus der Nationalisten im Unterschied zu Wechselhaftigkeit, Irrtümern und interner Spaltung der Linken (M41). Der vorliegende Abschnitt demonstriert damit erstens die enorme Emotionalität, kausale Eindimensionalität, historische Oberflächlichkeit und ideologische Polarisierung als Charakteristika eines offenkundig immer noch vorherrschenden Geschichtsverständnisses. Zweitens zeigt er die fortwährende Brisanz der unaufgearbeiteten intrakommunalen Streitigkeiten um historische Verantwortlichkeiten und Deutungszusammenhänge. Drittens erklärt er die ebenfalls erörterte Statik eines verkrusteten Konfliktes, der wenig Historisierung zulässt. Viertens – der im vorliegenden Kontext wichtigste Aspekt – verweist er auf die sozioemotionale Basis eines kognitiven Prismas der Gegenwart. In dieses Prisma gehören die Zeichenhaftigkeit und normative Relevanz der Geschichte und – wie im Folgenden zu zeigen sein wird – auch die verbundenen Akteure der Gegenwart.
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14.5.6 Die Türkei Das Bild der Türkei im Diskurs ist erwartungsgemäß nahezu ausschließlich negativ. Dabei stehen gegenwärtige Sicherheitsbedenken auf Basis historischer Ressentiments im Vordergrund. Als primäre Sorge gilt im Phileleftheros die empfundene Unsicherheit darüber, ob die Türkei sich an die Umsetzung der Vereinbarungen halten, ob langfristig die kooperationsbereiten, proeuropäischen politischen Kräfte in der Türkei die Oberhand behielten und, wie sie sich im Falle erneuter, bikommunaler Spannungen verhalten würde. Im ungünstigen Fall – so weit reichen die Sorgen, die etliche Politiker äußern – könne die Türkei ihren Einfluss auf ganz Zypern ausdehnen (SA28). Unter dem Titel „Die stetige Unverlässlichkeit der Türkei“ untermauert ein Autor, der sich als „Realist“ und nicht als „Antitürke“ verstanden wissen möchte. Die Türkei hätte in der Vergangenheit immer wieder internationale Vereinbarungen und Rechtsvorschriften missachtet. Auch heute folge sie ihrer traditionellen Expansionspolitik. Von den im Vertrag von Lausanne vom Bevölkerungsaustausch ausgenommenen Griechen Istanbuls beispielsweise lebten nahezu keine mehr in der Türkei. Die Anzahl der ebenfalls unter diese Gruppe fallenden Muslime des griechischen Thraziens hingegen wüchse. Auch die einst zugesicherte Autonomie der heute türkischen Inseln Imbros und Tenedos sei Makulatur. Aber nicht nur mit Griechenland und Zypern, auch mit Syrien habe die Türkei offene Grenzstreitigkeiten, so der Autor mit Verweis auf die bis heute zwischen beiden Ländern umstrittene Zugehörigkeit der Provinz Hattay (ehemals „Sanjak of Alexandretta“), die die Türkei 1939 annektierte. So heißt es: „Alexandretta ist eine Stadt nahe der türkisch-syrischen Grenze, die bis 1937 geographisch und administrativ zu Syrien gehörte. Die große Mehrheit ihrer Bewohner waren Syrer (Araber), sie hatten allerdings das Pech, dass eine kleine Minderheit von Türken ebenfalls dort lebte. 1937 nutzte die Türkei die für sie günstigen Umstände jener Zeit und verlangte mit Erfolg unter dem Vorwand die Menschenrechte der türkischen Minderheit zu schützen gegenüber dem Völkerbund die Zuerkennung eines Autonomiestatus für diese Stadt. Nach einem merkwürdigen Abkommen mit Frankreich, das Syrien zu jener Zeit kontrollierte, gelang es der Türkei 1938, dass Alexandretta als ´unabhängiger Staat` ausgerufen wurde. Das war der Anfang vom Ende. Die Türkei setzte durch die Anstachelung und Bewaffnung der Türken und durch die Ansiedlung türkischer Bergbewohner aus Anatolien als ´Kämpfern` zu einer Orgie der Angst, der Vertreibungen und der Morde gegen die Bewohner der Stadt an. Als Resultat dieser Strategie verringerte sich die Anzahl der arabischen Einwohner in kürzester Zeit drastisch und die türkische Minderheit wurde zur Mehrheit. So folgte denn auch als gleichsam ´natürliches` Resultat, das die internationale Gemeinschaft kaum verwundern mochte, die Entscheidung der ´Regierung` des ´unabhängigen Staates`, in dem natürlich die Türken eine Mehrheit stellten, die Stadt und ihre angrenzenden Gebiete mit dem ´Mutterland` zu vereinen“ (F312; [Übersetzung der Verfasserin]).
Bis heute ist die Zugehörigkeit der ethnisch heterogenen, türkischen Provinz Hatay als Teil konkurrierender Nationalnarrative und widerstreitender sozialer Erinnerungen zwischen der Türkei und Syrien umstritten und erhielt im Kontext der Syrienkrise seit 2013 neue Brisanz. Die Annexion der Provinz 1939 erscheint auch in anderen medialen und wissenschaftlichen Quellen als Resultat gesteuerter Nationalisierungsprozesse und geschickter Diplomatie (Seewald 2012, Demirci Akyol 2015). Jenseits der Frage historiographischer Legitimität ist hier indes die gegenwärtige Botschaft des Artikels relevant, weil sie plastisch den Vergleich zur Siedlungspolitik Nordzyperns nahelegt. Damit unterstreicht der Artikel implizit die nationalistische Prämisse eines historischen wie gegenwärtigen Expansionsdrangs, den die Türkei mit allen strategischen und manipulativen Mitteln führe.
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Der Phileleftheros zeichnet aber auch ein verhalten optimistisches Bild der Türkei, bei dem die Chancen für eine künftige Annäherung im Vordergrund stehen. Dabei wird die konstruktive Grundhaltung Erdoğans zum Plan gewürdigt und dafür plädiert, den europäischen Weg der Türkei zu unterstützen (F40, F346). Während ein Artikel über die aggressiven Entgleisungen des Direktors der Universität Istanbul Alemdaroğlu berichtet, der gedroht hatte, die Türkei könne Griechenland und Zypern besetzen, sollten ihre Forderungen nicht erfüllt werden, betont ein anderer zugleich, jene Äußerungen seien von Politik und Öffentlichkeit großflächig ignoriert und mit Kopfschütteln bedacht worden. Das sei ein evidentes Zeichen dafür, dass sich die Türkei zunehmend vom aggressiven Nationalismus distanziere (F81, F101). Die Máhi polemisiert unverblümt gegen die Türkei. Sie spricht vom „Henker des 20. Jahrhunderts“ (M58), der von Egoismus und Selbstüberschätzung getrieben sei und sich mit manipulativen Mitteln der Verantwortung für seine Verbrechen zu entziehen versuche, so der Tenor (SA55). Ganz im Sinne des traditionellen Outgroup-Images, das Papadakis in seiner Initiationsreise beschreibt, gilt die Türkei als ausschließlich taktisch-konspirativ. Sollte sie in die EU aufgenommen werden, mahnt IB-Professor Ifaistos an, würde das Europa in langwierige ´anatolische Handelsspiele` stürzen“ (M100). Marios Matsakis, EU-Abgeordneter mit Beobachterstatus, berichtet von einem türkischen „Propagandapapier“ „voller Lügen und Ungenauigkeiten“, das an EU-Abgeordnete verschickt worden sei (M37). Das „ehemalige Osmanische Reich“ hätte den Lohn für sein Fehlverhalten in der EU-Entscheidung des uneingeschränkten Beitritts Zyperns erhalten und würde nun notgedrungen darauf abzielen, Nikosia den schwarzen Peter für das Scheitern der Verhandlungen in die Schuhe zu schieben, heißt es an anderer Stelle (M61). Auffälligerweise suggerieren dabei Überschriften etlicher Artikel implizite Gefahren und unlautere Machenschaften, während die Texte selbst nur spärliche Sachinformationen enthalten. Das deutet auf populistische Taktiken der Stimmungsmache und wirft Fragen journalistischer Ethik auf (M81; M82; M234). Ebenfalls im Sinne der geschilderten Initiationsreise Papadakis´ wird mit Blick auf die Türkei das erörterte Orientalismusmotiv bedient: „Attila gehört nicht nach Europa, warum soll er bleiben?“ polemisiert ein Artikel gegen die zukünftige Präsenz von Siedlern und türkischen Truppen (M131). Ein anderer verschränkt seine lange und detaillierte Auflistung der Toten, Verletzten und Vermissten des türkischen Einmarsches mit Bildern des moralischen Verfalls des Nordens, bei dem von Schändung an Frauen und der Umwandlung von orthodoxen Kirchen in Ställe und Kabaretts die Rede ist (M135). Die Türkei, so ein dritter, habe mit Erdoğan einen Rückfall ins „Zeitalter der Dunkelheit“ erlitten. Während die Griechen in den 1960er Jahren unter dem Banner „Brot, Bildung und Freiheit“ (Ψωμί, παιδεία, ελευθερία) soziale und politische Errungenschaften erkämpft hätten, seien die Türken gezwungen worden „Anatolier zu bleiben und wieder zu Muslimen zu werden“. Glücklicherweise zögen insbesondere Deutschland und Frankreich gegen das Kopftuch, die Vielehe und fanatische Mullahs im eigenen Land zu Felde (M52). Ein Aufruf zur absoluten Unnachgiebigkeit gegenüber der Türkei erscheint vor diesem Hintergrund nur konsequent und spiegelt anschaulich die Dynamik des im Theorieteil erörterten Entrapment wider: „Was die türkische Diplomatie aus unserer Taktik kontinuierlicher Zugeständnisse und der zumindest teilweisen Anerkennung des Annan-Planes herausliest, ist, dass sie in den Verhandlungen immer noch an Boden gewinnen kann, solange wir in die Falle tappen und aus Angst, man könnte uns die Schuld in die Schuhe
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schieben, als das brave Kind verhalten. Diese Drohung lassen die Angloamerikaner wie ein Damoklesschwert über unseren Köpfen kreisen; eine Drohung, die in der Vergangenheit aufging und auch weiterhin zum Vorteil der Türkeiverbündeten Früchte trägt“ (M246; [Übersetzung der Verfasserin]).
Etliche Artikel befassen sich in diesem Sinne mit der Frage, wie das Kräfteungleichgewicht gegenüber der Türkei durch den eigenen EU-Beitritt ausgeglichen werden kann. Würde die Türkei aufgrund ihrer eigenen Aspirationen einlenken, bzw. könnte sie dazu motiviert werden? Kommentare reichen von konstruktiven Appellen, bis zu gehässigen Ermahnungen. Die Türkei hätte nun die Chance, sich von ihrer Rolle des historischen Aggressors zu befreien und einen europäischen Weg einzuschlagen (M66). Dabei sitze Zypern am längeren Hebel (M27), denn die Türkei sei mit ihrer Besatzung zur „Geisel“ der Insel geworden (M104), die Insel wiederum ihr „kylonischer Frevel“(M26). Anschaulich kommt in diesen Passagen das Ermächtigungsbedürfnis der griechischen Zyprioten zum Ausdruck. Interessanterweise wird aber auch offenkundige Kompromissbereitschaft der Türkei als Taktik bzw. als Lippenbekenntnis angesehen oder mit Verweis auf die innenpolitische Instabilität zwischen Erdoğan und den Kemalisten als unbefriedigend für das eigene Sicherheitsbedürfnis angesehen (SA56). Während die türkischen EU-Bestrebungen als historischer Expansionsdrang gewertet werden, gelten die Eigenen als legitime Vollendung kultureller Zugehörigkeit (M56, M176). Diese „Doppelmoral“ findet sich auch im Kontext des nationalen Narrativs: Skeptisch äußert sich ein Autor zur Istanbulreise des griechischen Bildungsministers, der sich gegen die exklusive Historiographie beider Länder und für ein reflexives Verständnis aussprach. Eine Annäherung zwischen beiden Ländern nach deutsch-französischem Modell sei doch gar nicht möglich. Denn die Türkei lehre eine höchst selektive Geschichte, die im Übrigen vom Verteidigungsministerium vorgegeben sei (M71). Das eigene Geschichtsverständnis wird hier offenkundig nicht für selektiv, monolithisch oder aggressiv gehalten. Dieser „naive Realismus“ wird im empirischen Versöhnungskapitel wieder aufgegriffen. Indes veranschaulichen die vorangehenden Zitate vor allem, wie sich „top-down cognitive processing“ und negatives Framing ergänzen: Ganz gleich, wie sich die andere Seite verhält: Selektion, Interpretation und Gewichtung der entsprechenden Informationen laufen zumeist auf ein negatives Urteil hinaus.
14.5.7 Hobbesianisches Weltbild: Macht, Taktik und graue Eminenzen Das Gewicht der unaufgearbeiteten bzw. projizierten Geschichte verweist denn auch auf das von der Verfasserin als „hobbesianisches Weltbild“ etikettierte, interpretative Prisma der gegenwärtigen Verhandlungen. Erwartungsgemäß ist es in der Máhi am stärksten bzw. tritt in aggressiver Sprache deutlich hervor (SA31). Doch auch im Phileleftheros ist es, obgleich – wie bereits angeführt – der thematische Schwerpunkt auf der zumeist unkommentierten Wiedergabe von Äußerungen der Spitzenpolitiker zu den Verhandlungen liegt, deutlich erkennbar. Titel, wie „Der vorangehende, mehrstündige Thriller. Gespannte Nerven und Komplikationen hinter den Kulissen“, „Die alles entscheidenden Stunden, Zusammentreffen und Einmischungen in allerletzter Sekunde“, in denen von erbitterten Verhandlungen bis in die frühen Morgenstunden, vom Beinahescheitern, von kontinuierlicher Einmischung vonseiten Bushs und Powels und einer fragwürdigen Rolle des UN-Generalsekretärs die Rede ist, scheinen dafür repräsentativ.
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Andere Titel, wie „Tassos bringt Russland ins Spiel“, „Die Stunde der Wahrheit und die Masken“ oder „Tassos legt heute seine Karten offen“ am Vorabend seiner Rede an die Nation sind Beispiele par excellence für ein Weltbild, in dem allein Macht und Manipulation (als Mittel des Machtausgleichs) zählen (SA57). Auch im Politis finden sich zahlreiche Artikel, die frustriert bis zynisch die Machtlosigkeit Zyperns als Spielball übermächtiger externer Interessen beklagen (SA66). Charakteristisch für die Máhi ist die an die Museen und Schulbücher erinnernde Wortgewalt, mit der sie die „Gefahr von Außen“ präsentiert. Dafür sind vor allem die zahlreichen Metaphern charakteristisch: Von „Marathonverhandlungen“ ist die Rede, von einem „erstickend engen Eisenring“, der sich um die Insel ziehe (M93). Externe Akteure gelten als „säuselnde Sirenen“ (M262), die „Algen als seidene Schleifen“ verkauften (M98), auf dem „geopolitischen Schachbrett“ (M119) der Weltpolitik „Russisch Roulette“ (M87) mit Zypern spielten und die Weltöffentlichkeit dazu brächten, den Konflikt durch ihre „Zerrlinse“ (M127) zu betrachten. Die USA, Großbritannien und die Türkei werden gar als „Triple Entente“ (M314), als „Neobarbaren“ (M248) bezeichnet. Der Plan wird vor allem gegen Ende des Diskurses mit drastischen Attributen, wie „Monsterplan“ (M98) oder „Orakel von Pythia“ belegt, aus dem jeder herauslese, was ihm beliebe (M87). In den letzten Wochen vor den Referenden nimmt auch die Kritik an den Vereinten Nationen beständig zu. Sie sei „ein Wolf im Schafspelz“, ein „dorisches Pferd“ in den Händen der Starken (M221). Im Phileleftheros finden sich weniger Sprachbilder. Dennoch spricht beispielsweise der spätere Bildungsminister Kleanthous von faulen Spielchen (F49). Es ist die Rede von „knallharten Botschaften“ und inakzeptablen Drohungen vonseiten Verheugens (F34) und von der Gefahr, zum Spielball externer Kräfte und zum Opfer der „türkischen Gier“ zu werden (F239). So kommt auch hier ein Weltbild zum Ausdruck, in dem die Wahrnehmung der Weltpolitik die eigene Machtlosigkeit reflektiert. Offensichtlich ist das im präsenten Argument, der Plan sei ein abgekartetes Spiel im Interesse der Türkei und ihren völkerrechtlichen, imagetechnischen und europäischen Aspirationen. So ziele der Plan darauf ab, die Türkei von ihrer Schuld freizusprechen, ihr den Weg nach Europa zu ebnen und uns vor unlösbare Dilemmas zu stellen, meint ein Autor repräsentativ (F54). Es gehe in diesem Sinne gar nicht um eine nachhaltige Lösung der Zypernfrage, wird EOKA-Veteran und politisches Urgestein der EDEK Vasos Lyssarides im Interview zitiert (F64). Alle weinten Krokodilstränen, meint ein anderer gehässig, dabei sei doch ohnehin alles vorherbestimmt gewesen (F149). Im Politis befindet ein Autor, die Zypernfrage sei zu einem Schachspiel Erdoğans und dessen EU-Aspirationen degradiert (Po9). Warum, so beklagt ein anderer so zynisch wie bitter, sollte man nun dem Drängen der Briten und Amerikaner nachgeben, wo doch beide Länder – ersteres über die Kolonialherrschaft, letzteres durch seine konspirative Rolle in den Konfliktjahren – maßgeblich am Status quo beteiligt seien (Po124). Man solle keine überzogenen Erwartungen an die EU haben. Die habe schließlich zur Überwindung der deutschen Teilung, des Nordirlandkonfliktes oder der griechisch-türkischen Sockelstreitigkeiten auch nicht viel bewirken können, so das pessimistische Fazit eines Dritten (Po103). Die Kritik an einer gleichsam „weltpolitischen Show“ vermeintlicher Wahl- und Entscheidungsfreiheit ist auch in den zahlreichen informellen Gesprächen präsent, welche die Verfasserin führte und erscheint dort wie auch im vorliegenden Diskurs ursächlich für Frustration
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und Politikverdrossenheit, für Selbstermächtigungswünsche und Trotz (vgl. auch Coufoudakis 2006: 35). Noch 2007 weisen 55% aller griechischen Zyprioten in einer UNFICYP-Meinungsumfrage jegliche Form äußerer Einmischung mit Verweis darauf zurück, sie sei parteiisch.103 Man lasse sich nicht manipulieren oder gar zwingen, so der Tenor etlicher Texte, in denen führende politische Akteure zu Wort kommen und mit teils trotzig-aggressivem Unterton die historische Hartnäckigkeit und Gewandtheit der griechischen Zyprioten gegenüber den übermächtigen Kräften preisen. Besonders die USA stehen dabei am Pranger. Während sich im Phileleftheros einige, wenige Texte finden, die das Engagement der USA positiv bewerten, ist der Tenor doch deutlich negativ. In der Máhi gelten sie durchweg als manipulativ, von ökonomischen (Sicherung von Erdölrouten) und geostrategischen (Nutzung Zyperns als „unsinkbarem Flugzeugträger“ für Nahosteinsätze) Eigeninteressen geleitet, die Zypern nun zum ersten Mal seit Jahrzehnten aus rein strategischen Gründen wieder umschmeichelten (SA58). Ärger über die empfundene Machtlosigkeit gegenüber externen Akteuren und ihrem Gebaren kommt in den Worten zum Ausdruck: „Der Wert der Volkssouveränität wird zum wiederholten Mal in den Papierkorb geworfen. In der Morgenröte des 21. Jahrhunderts (so poetisch dies auch klingen mag) lebt die dunkle Epoche der Hegemonialherrschaften und der blutsaugenden Geheimdiplomatie wieder auf” (M218). Vor dem Hintergrund der dominanten Monumentalgeschichte auf Zypern vermag solch ein Argument widersprüchlich wirken. Es illustriert in jedem Fall den psychischen Ursprung des allgegenwärtigen Ermächtigungsbedürfnisses. Andere Autoren nehmen die realpolitischen Zwänge zum Anlass einer selbstkritischen Reflexion: Unter dem Titel, „das Gleichnis Salomo und der Annan-Plan“, plädiert der Autor, im Sinne der Liebe zur Heimat für das Bestmögliche, nicht das maximal Wünschenswerte einzustehen (F214). Unter dem Titel „Im Würgegriff der Boa“ rekurriert der Autor auf die zeitlosen Lehren des Thukydides. Nach der Eroberung von Mílos durch die Athener hätten jene den Athenern ihre Freundschaft angeboten, doch diese hätten entgegnet, Freundschaft nicht nötig zu haben. „Das heutige Zypern teilt das Schicksal von Milos. Die Starken zwingen uns ihre Freundschaft auf und fragen nicht nach unserem Einverständnis. Sie wenden die Methode der tödlichen Umarmung an. […] Es herrscht das Recht des Stärkeren, über das Schicksal der Schwachen zu entscheiden“ (M58). Sollten die Zyprioten, so ergänzt ein Anderer, gesenkten Hauptes einem Plan zustimmen, der ihnen vorenthalte, was seine Initiatoren für sich selbst als selbstverständlich erachteten (M262)? Hier erscheint das hobbesianische Weltbild in Reinform und bringt Frustrationen, Sicherheitsbefürchtungen und historischen Minderwertigkeitskomplex offen zum Ausdruck. Zwei miteinander verbundene Argumente erwachsen aus dem skizzierten Weltbild: Erstens die Mahnung zum Zusammenhalt, zweitens die unbedingte Notwendigkeit der Pflege einer positiven Fremdwahrnehmung. Zahlreiche Autoren warnen vor den verheerenden Folgen einer parteipolitischen und gesellschaftlichen Spaltung (SA59). Dieser Zusammenhalt – das erscheint der Verfasserin als besonders wichtige Einsicht – ist nicht nur für innere Handlungsfähigkeit und Demonstration einer einheitlichen Frontstellung nach außen relevant. Er ist insbesondere für schwache Staaten – dieses Argument fehlt in Bar-Tals Analyse des Conflict Ethos, das sich auf ein positives Self-Image konzentriert – zentral für ein potentiell konfliktentscheidendes, 103
[abgerufen am: 24.11.2013]. Der diplomatische Druck- insbesondere seitens der USA während der Verhandlungen, wurde von externen wie internen Beobachtern kritisiert (Milne 2003; Coufoudakis 2006: 27).
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positives Fremd-Image. Dabei geht es weniger um ein Image der Stärke (die Zypern nicht besitzt), als um Legitimität: Denn, was die internationale Gemeinschaft denkt, wem sie Recht und wem sie die Schuld am Status quo gibt, entscheidet im Zweifelsfall über Finanzhilfen, diplomatische Anerkennung, militärischen Beistand und politisches Engagement. Das zeigt sich offenkundig in der verbreiteten internationalen Praxis, den de facto immer noch isolierten Norden Zyperns über die Türkei anzufliegen, um dort Urlaub zu machen. Der massive Touristenaufschwung trotzt, so kann man pointiert sagen, dem Völkerrecht. Er ist nämlich eine direkte Folge des Imageverlustes der griechischen und des gestiegenen Ansehens der türkischen Zyprioten durch ihre Abstimmung in den Referenda. Dessen (zum Zeitpunkt des Diskurses eine potentielle Gefahr) sind sich die griechischen Zyprioten wohl bewusst. Nach ersten internationalen Reaktionen auf das sich abzeichnende Nein steigt denn auch die Sorge um den eigenen Ruf (F10, F263). Wird zu Beginn des Diskursabschnittes noch mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen, die EU habe die Verantwortung für die Verhandlungsschwierigkeiten eindeutig Denktaş zugeschrieben (M25) und überhaupt lasse sich die EU glücklicherweise nicht durch türkische Manipulationsversuche täuschen (M37), heißt es später: Bush, Blair, Prodi, Annan, und Verheugen würden nun die griechischen Zyprioten für das Scheitern verantwortlich machen. Wie hatte es dazu kommen können? Die politische Führung dürfe sich in der Hinsicht keine Fehler mehr erlauben, heißt es (M48). Ähnlich wie in der völkerrechtlichen Anerkennungsproblematik, gilt auch für die Verhandlungen die unbedingte Abwehr eines Imagegewinns der Türkei, die von etlichen Artikeln unterstrichen wird (F64, F74, F93). Man müsse „eine Politik der public relations fahren“ und dabei ein gutes Spiel liefern, heißt es (M59). EDEK-Ehrenvorsitzender Lyssarides schließlich gibt zu bedenken: Die USA seien zwar traditionell pro-türkisch. Wenn es aber gelinge, sie einheitlich und entschlossen davon zu überzeugen, dass der Friede der südöstlichen Mittelmeerregion von der Zypernfrage abhinge, könnte man sie als strategischen Partner gewinnen (M36). Schließlich wird berichtet, Papadopoulos habe Gesandte in beinahe jedes europäische Land geschickt, um die Positionen der griechischen Zyprioten publik zu machen (M181). Einvernehmen und Entschiedenheit in der Ablehnung des Planes sollen eine klare Botschaft an die internationale Gemeinschaft entsenden und damit die Chancen auf eine bessere Lösung erhöhen, heißt es aus der politischen Führungsriege (F271, F352). Der Imageverlust sei nur vorübergehend, beschwichtigt ein Autor (F264). Um das sicherzustellen habe die Regierung, so informiert ein Anderer, die amerikanische PR-Agentur Covington & Burling engagiert (F350). Die geschilderten Themen verweisen auf eine komplexe Mischung aus strategischen und emotionalen Aspekten: So lassen sich Aufrufe zum Zusammenhalt offenkundig leicht als Delegitimierungsinstrument nutzen. Sie sind aber vor dem eben beschriebenen Hintergrund auch eine direkte Konsequenz der akuten Sicherheitsbedenken. Der Wunsch nach Anerkennung und Empowerment – die Kehrseite des kontinuierlichen Sicherheitsdilemmas, des völkerrechtlichen Schwebezustandes und der Kolonialvergangenheit – zeigen sich in einer ausgeprägten Sensitivität für den (potentiellen) Fremdblick. Sie vermag auch die Hintergründe der zu Beginn geschilderten Starrheit des institutionellen Konfliktdiskurses bzw. die Verknüpfung der eigenen Sache mit universellen Rechtsfragen zu beleuchten. So hält man sich, pointiert gesagt, lieber an die von der politischen Führung bzw. dem Tenor vorgegebenen Formulierungen, als sich durch Offenheit und Reflexivität womöglich auf linguistisches Glatteis zu begeben und sich damit angreifbar zu machen. Denn die Verhandlungen der Zypernfrage sind vor allem ein Kampf um
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die sprichwörtlichen Köpfe und Herzen externer Beobachter und Entscheider. Die bereits im Kapitel zu den Narrativen der Mutterländer erörterte Relevanz des „Fremdblicks“ für Griechenland potenziert sich bei den griechischen Zyprioten offenkundig noch durch die absolute Notwendigkeit zur Verwirklichung ihrer Ziele, mächtigere Partner zu gewinnen und zugleich – deshalb sind die Koalitionen der Türkei ebenso relevant – Image und Position des Rivalen zu delegitimieren. Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, sind eben diese Imagefragen in der Beziehung zur EU von herausragender Bedeutung.
14.5.8 Ein Paradies von Teufeln bewohnt? Die Europäische Union Das Bild der EU ist nahezu ausschließlich positiv. Als Synonym zur „Europäischen Völkerfamilie“ und zum Westen gilt es als Sehnsuchtsraum kultureller Erfüllung, als polito-ökonomisches und militärisches Gebilde als Instrument der Sicherheit und Ermächtigung. Erstens so die Botschaft, die aus zahlreichen Texten spricht, sei Zypern nun gleichsam – nach langen, Fremdherrschaften geschuldeten Irrwegen – wieder in seiner ursprünglichen Heimat angelangt. Zweitens besitzt der EU-Beitritt eine enorme emotionale Bedeutung für das Bedürfnis nach staatlicher Anerkennung und Gleichwertigkeit, die sowohl der Kolonialvergangenheit als auch dem völkerrechtlichen Schwebezustand geschuldet ist. Damit verbunden ist drittens die Hoffnung nach materieller und ideeller Ressourcensteigerung durch den EU-Beitritt verbunden. Er soll sowohl die Legitimität der griechisch-zypriotischen Rechtsansprüche gegenüber der Türkei untermauern wie auch ihrem Sicherheitsbedürfnis entgegenkommen (SA60). „Die zypriotische Demokratie schreitet ihrer europäischen Vollendung entgegen. Sie wird die Menschenrechte ihrer Bürger sicherstellen und gewährleisten. Diese Rechte werden sich in keiner Weise von den Rechten auch des letzten Bürgers jedweden anderen EU-Mitgliedstaates unterscheiden“, heißt es charakteristisch (M55; [Übersetzung der Verfasserin]).
Stolz betonen etliche Autoren Gleichwertigkeit und Rechtsschutz Zyperns und zitieren Bekundungen europäischer Repräsentanten über gemeinsame Interessen und gute, bilaterale Beziehungen zu Zypern (SA29). Der griechische Botschafter bezeichnet den EU-Beitritt am 25. März, dem griechischen Nationalfeiertag, feierlich als Krönung des langen nationalen Freiheitskampfes (M221). Zypern würde nun dafür belohnt, dass es an seinem „Instinkt der Freiheit“ festgehalten habe (M222), so ein Ausspruch, der ebenso die Prämissen des Nationalnarrativs, wie auch des staatlichen Souveränitätsbestrebens evoziert. Schließlich erscheint die EU explizit als Mittel zum Zweck, als Selbstermächtigungsinstrument für die eigenen Rechtsansprüche und zur Durchsetzung einer vorteilhafteren Lösung. Eine „europäische Lösung“ wird dabei zum geflügelten Wort für die Durchsetzung der Maximalpläne und zum zentralen Argument für die Ablehnung des Planes. Zypern, so bringt es ein Autor auf den Punkt, habe sein erstes „strategisches Ziel“ mit dem EU-Beitritt erreicht und müsse sich nun durch den Erwerb europäischer Koalitionspartner um eine bestmögliche Lösung der Zypernfrage bemühen (M15). So drängen die griechischen Zyprioten zum offenkundigen Unmut der anderen Seite auf die Präsenz von EU-Beamten, die die Vereinbarkeit des Planes mit EU-Recht überwachen sollen (M105; M64). Ab Mitte Februar erscheint – zunächst vereinzelt – das Argument, Zypern müsse zuerst der EU beitreten, erst dann könne die Zypern-
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frage im Sinne der griechisch-zypriotischen Interessen gelöst werden (M90). Mit dem EU-Beitritt, so unterstreicht ein Autor treffend, würde die türkische Armee zur Besatzungsmacht auf EU-Territorium. Warum sollte man dem Plan vorher zustimmen und sich damit in türkische Abhängigkeit begeben (F215)? Mit besonderer Genauigkeit werden denn auch Positionierungen europäischer Akteure zu den Verhandlungen verfolgt. Mit Wohlwollen wird zur Kenntnis genommen, wer sich im Sinne der griechisch-zypriotischen Positionen bzw. (auch in allgemeiner kultureller Abgrenzung) gegen die Türkei äußert (SA61). In der Spätphase des Diskursstrangs, die insbesondere durch Zerwürfnisse zwischen Präsident Papadopoulos und Erweiterungskommissar Verheugen geprägt ist – letzterer gibt an, sich persönlich durch den zypriotischen Präsidenten betrogen zu fühlen und warnt vor negativen Konsequenzen einer Ablehnung des Planes – wird die EU in der Máhi zunehmend mit anderen externen Akteuren gleichgesetzt, während der Phileleftheros sich vornehmlich auf neutrale Berichterstattung der zunehmenden Kritik aus Europa beschränkt bzw. aufrichtige Sorge über die Folgen des Imageverlustes zum Ausdruck bringt (SA62). Repräsentativ für das kollektive, insbesondere regierungsnahe Klima in den Tagen vor der Abstimmung schließt ein Autor: “Es ist wohl das Schicksal unserer Ethnie: Eine Hand voll Griechen nehmen es in ihrem Kampf um das `NEIN` mit den Drachen der ´neuen Weltordnung` auf, angefangen mit Bush, Powel und Blair, über Verheugen, Solana, de Soto und Annan“ (M313). Auch hier ist man unweigerlich an den bereits erwähnten Mythos des spartanischen Königs Leonidas erinnert, der sich „mit einer Hand voll“ Kriegern dem übermächtigen Heer der Perser opferte und damit als Inbegriff für Aufopferungsbereitschaft und Vaterlandsliebe in die (erzählte) Geschichte einging. Die Rolle der Europäischen Union im Diskurs veranschaulicht aus sozialpsychologischer Sicht die vielfältigen Hoffnungen, Projektionen und die Sensitivität, die mit dem EU-Beitritt Zyperns verbunden sind.
14.5.9 Die andere Seite: Türkische Zyprioten und „TRNZ“ Nordzypern taucht zumeist in Berichten über die Unnachgiebigkeit Denktaş´ oder in Befürchtungen über eine völkerrechtliche Aufwertung auf. Detailartikel zur „TRNZ“ betonen besonders ihre ökonomische und kulturelle (Siedler) Rückschrittlichkeit und die darauf resultierenden negativen Konsequenzen für den Süden im Falle einer Wiedervereinigung. Während der Phileleftheros Denktaş´ kontraproduktive Haltung kritisiert und seine Nähe zu den kemalistischen Militärkreisen herausstellt, erscheint die Máhi expressis verbis mit dem Schulbuch- und Museendiskurs zu verschmelzen. Denktaş wird in diesem Sinne mit einer Vielzahl von ungünstigen Attributen etikettiert: Er gilt als „listiger Anatole“, als Extremist und politischer Bombenleger der Grauen Wölfe, als Heuchler und Taktiker, der einen Plan ablehne, der ihm doch in allen Punkten entgegenkäme und die internationale Gemeinschaft an der Nase herumführe (SA63). Historisch begründete Forderungen Denktaş´ nach Entschädigung der türkischen Zyprioten werden erwartungsgemäß als illegitim zurückgewiesen (M106). Auch das Argument von den unverhältnismäßigen ökonomischen Vorteilen der türkischen Zyprioten zieht sich durch etliche Artikel. Unter dem Titel „Million für die türkischen Zyprioten“ macht ein Autor Angaben über die Zahl der türkischen Zyprioten, die sich seit der Grenzöffnung in
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griechisch-zypriotischen Krankenhäusern hätten behandeln lassen (M12). Das Thema spielt – wie das Interview mit DISY-Pressesprecher Prodromou illustriert, bis heute eine zentrale Rolle. In solchen Angaben schwingt zum einen das historische Ressentiment von der Privilegierung der türkischen Zyprioten mit, zum anderen sollen sie als Geste der eigenen Großzügigkeit das Bild von den immer schon guten Beziehungen untermauern. Das gilt indes für die Siedler nicht: Aus humanitären Gründen, so berichtet ein anderer Autor, hätte man einem Siedler in einem Krankenhaus „der freien Gebiete“ behandelt und ihm damit das Leben gerettet, wofür sich der Siedler herzlich bedankt habe. Kurz vor seiner Entlassung hätten die Ärzte auf seinem Arm jedoch ein Tattoo mit der Aufschrift „1974 – fuck the Greeks“ entdeckt. Bezeichnenderweise lautet der Titel „Er wollte griechisches Blut“ (M153). Die Unrechtmäßigkeit ihrer Existenz auf der Insel wird durch die Sorge um die Unkontrollierbarkeit ihres Verbleibs ergänzt (M206). Über einem Artikel, der die Details der Staatsbürgerschaftsfragen im Annan-Plan analysiert, ist auf einem großen Bild eine demonstrierende Menge zu sehen. Ganz vorn erkennt man Frauen mit Kopftuch, die mit gehobenen Armen etwas skandieren und aus der Froschperspektive gefilmt bedrohlich wirken. Offenkundig handelt es sich um Siedler, die ihre Rechte einfordern (Details dazu enthält der Text nicht) (M161). Nordzypern und die Festlandsiedler werden in diesem Sinne in einen kulturhistorischen Frame aus Rückschrittlichkeit gebettet, der die große Abhängigkeit von der Türkei und die Nähe zu ihren nationalistischen Kreisen betont (F83, F85; F306). So wie sich die Türkei durch Reislamisierung und Fanatismus kennzeichne, meint ein Autor, würde auch der Norden Zyperns zunehmend ein Hort unzeitgemäßer Ideen und Bräuche. Als Beispiel nennt er die kürzliche Schächtung von Lämmern zum Bairam, die eindeutig gegen hygienische Standards verstoße: „Niemand dachte daran, einzuschreiten. Unser Staat kuschte (drei Monate vor dem Beitritt). Die europäische Zivilisation machte einen Schritt rückwärts. ´Aische`, liebe türkische Zyprioten, macht keinen Urlaub mit uns in Europa. Sie hat ihr Kopftuch aufgesetzt und sich zu Hause eingeschlossen. Sie liest den Koran“ (M52; [Übersetzung der Verfasserin]).
Die hier sichtbaren soziokulturellen Ressentiments sind Teil einer Kontroverse, die sich auch im Norden selbst durch die zumeist säkularen und besser gebildeten türkischen Zyprioten entzündete, die sich durch die zumeist stark religiösen und weniger gebildeten Festlandsiedler majorisiert fühlen (Interview Sevgül Uludağ). Zum Unmut über die unkontrollierte demographische und kulturelle Transformation des Nordens kommt die Entrüstung über systematische Plünderungen, Sachbeschädigung und Zweckentfremdung griechisch-zypriotischer Kulturgüter, die seit 1974 auch international Aufsehen erregten (Morris 2002; Miller 1998104). Seit der Grenzöffnung, so berichten ganzseitige, mit entsprechenden Bildern versehene Artikel des Phileleftheros, sei offenkundig, was man zuvor befürchtet hatte: Meilensteine der zypriotischen Zivilisation seien dem Zahn der Zeit überlassen oder seien systematisch zerstört worden. Archäologische Stätten seien zu Mülldeponien verkommen (F36, F37). Was die letzten 30 Jahre an kulturhistorischem Schaden verursacht hätten, so ein Autor zynisch, sei in den vorangehenden Jahrhunderten nicht gelungen. Die zypriotische Regierung plane eine Broschüre für Touristen, die sie darauf hinweisen solle, während 104
„The Looting of Cultural Heritage in Occupied Cyprus“ [Wirtschaftsministerium der Republik Zypern, Archäologische Abteilung]; [abgerufen am 22.11.2014].
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ihres Aufenthaltes im Norden keine antiken Fundstücke mitzunehmen (F35). Moralischer Verfall, wie auch die Bemühungen des Nordens um touristische Öffnung werden mit Argwohn und Sorge betrachtet: Während der Phileleftheros sachlich die steigende Kazinopräsenz moniert (F275), skizziert die Máhi den Norden als einen Drogenumschlagplatz, den das Regime sogar aktiv unterstütze (M1). Das türkische Militär, ergänzt ein anderer, sei mit zweifelhaften Verbindungen seiner hochrangigen Repräsentanten konfrontiert. Ein nicht näher benannter Offizier – man würde seinen Namen zu gegebener Zeit öffentlich machen -, der nur „die Spitze des Eisbergs“ repräsentiere, arbeite inoffiziell als Kartenleger in einem Casino und habe sich dort bereits hoch verschuldet. Das Casino ziele darauf ab, besonders griechischen Zyprioten das Geld aus der Tasche zu ziehen. Der Ort, an dem man günstig an Zigaretten, Alkohol und Frauen käme, würde auch vom türkischen Geheimdienst zwecks brisanten Informationsaustausches genutzt. Passend dazu lautet der Titel: „Enthüllt. Militärs als Kartenleger in den besetzen Gebieten“ (M33). Die Beschreibungen einer in organisierte Kriminalität im Rotlichtmillieu verwickelten Besatzungsmacht zeichnet damit ein Bild vollkommener moralischer und politischer Dekadenz. Ein anderer Artikel bedient sich dem Diskurs um die umstrittene und konspiratorische Konfliktgeschichte: Unter Verweis auf nicht genauer benannte Informanten (ein insbesondere, in derartigen Kontexten wiederkehrendes Merkmal der Máhi-Artikel) berichtet der Autor, im Norden formiere sich in beiden Inselteilen mit Unterstützung Denktaş´ und Teilen des türkischen Militärs eine neue „TMT“ mit dem Ziel, die Verhandlungen zu untergraben und die Unmöglichkeit einer Symbiose zwischen griechischen und türkischen Zyprioten zu demonstrieren. Sie hätten bereits zahlreiche Drohungen ausgesprochen (M17). Je größer die Enttäuschung über die veränderten soziokulturellen Realitäten des Nordens, so mag man daraus schließen, desto größer die Nostalgie, die die Erinnerung an die verlorene Heimat birgt: So taucht der Norden, gleichsam als Kehrseite jener Beschreibungen, die ihn als Hort der Sittenlosigkeit zeichnen, auch als Sehnsuchtsort von Heimat und Jugend, von Schmerz und Unrecht auf, der sich mit dem Appell an die unbedingte Wiederherstellung des Status quo ante verbindet: „Ich vergesse nicht“ titelt ein Text in der Ich-Perspektive. Die Autorin schildert darin ihre Erinnerungen an die türkischen Fallschirmjäger von 1974 und an das letzte Mal, dass sie ihren Vater sah, der kurz darauf ums Leben kam. Manche Politiker, so resümiert sie, hätten ihre Geschichte vergessen (M323). Als verbundenes Motiv der Unterdrückung und Entrechtung der griechisch-zypriotischen Gemeinschaft tauchen die sog. „Eingepferchten“ (εγκλωβιζμένοι) im Diskurs auf. Sie gelten als heroische Widerständler, die den griechischen Geist des Nordens bewahren und dafür Entbehrung und Diskriminierung ertragen (F311). Im Vienna Agreement von 1975 zwischen Denktaş und Clerides verpflichtet sich ersterer der griechisch-zypriotischen Minderheit Autonomie zu gewährleisten.105 Bis in die frühen 1990er Jahre verringert sich die Zahl der im Norden lebenden griechischen Zyprioten auf etwa 500 (Gürel und Özersay 2006).106 Gegen den konföderativen Cha-
105 106
[abgerufen am 07.03.2013]. Im Rahmen einer von ihr organisierten Bildungsreise durch Nord- und Südzypern sprach die Verfasserin am 24.04.2013 mit einem geistlichen Repräsentanten dieser Minderheit, einem Mönch in Karpassia, der sich selbst als letzten Hort der Orthodoxie bezeichnete und über Isolation und Diskriminierung berichtete.
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rakter des zukünftigen Staates und die dann fehlenden kommunalpolitischen Rechte der griechischen Zyprioten polemisiert ein Autor, indem er die zukünftig im nördlichen Teilstaat lebende Minderheit als „die neuen Eingepferchten“ bezeichnet (M155). Von den internen Demonstrationen der türkischen Zyprioten gegen die eigene Führung und für den Beitritt zu Europa wird kaum, allenfalls unkommentiert berichtet und soll eher die politische Repression unterstreichen, als Empathie mit den nördlichen Landsmännern motivieren (MA 64). Ein türkisch-zypriotischer Journalist der regimekritischen Afrika (Arif Hasan Tahsin) wird mit dem Ausspruch zitiert, die Türkei hätte im Plan alles erreicht, was sie wollte (F23). Das soll offenkundig die Legitimität der griechisch-zypriotischen Kritik untermauern. Ein anderer berichtet unter dem Titel „Generalprobe der Grauen Wölfe um den Frieden zu torpedieren“ über eine Demonstration der Vereinigung, die von Denktaş initiiert worden sei. Dass man sie gewähren ließe, zeige, dass Pseudopolizei und Militär auf ihrer Seite stünden. Dass die Demonstration eine Reaktion auf den in beiden Inselteilen veranstalteten „Karneval des Friedens“ war, wird indes nur am Rande erwähnt (F85). Die vorgestellten Fragmente bringen Ärger und Frustration über den unbeeinflussbaren Umgang des Nordens mit dem eigenen kulturellen Erbe und seiner Demographie zum Ausdruck, die dadurch noch verstärkt werden, dass sich der Norden als Ganzes durch den Einfluss des kulturellen „Anderen“ zu entfremden scheint. Beides ist, wie im übernächsten Abschnitt zu zeigen sein wird, im Kirchendiskurs zentral.
14.5.10 Emotionen als Strategie und Appraisal Wie Sprachgewalt und Polarisierung des bis hier vorgestellten Diskurses implizit unterstreichen, sind Emotionen tief mit den parteipolitischen Grabenkämpfen, mit vehementen Forderungen nach ausgleichender Gerechtigkeit, mit Ängsten vor einer Wiederholung der Geschichte und leidenschaftlichen Appellen an Patriotismus und Konformität verbunden. Wie sehr Emotionen und auch die Sorge um ihren Einfluss selbst die Debatte prägten, zeigt sich auch explizit in etlichen Texten, die Emotionen entweder direkt thematisieren, in Aufrufen zu Vernunft und Besonnenheit und in Texten, die aufrichtige Sorge, das Hadern und tiefe Auseinandersetzung mit den zur Disposition stehenden Wahlmöglichkeiten zum Ausdruck bringen. Zunächst sind vor allem im Phileleftheros auffällig häufig Mahnungen zur Raison präsent. Man sollte auf der Basis politischer Kriterien entscheiden und nicht aus dem Bauch heraus, so betonen Befürworter wie Gegner des Planes. Insbesondere hohe politische Repräsentanten unterstellen dem politischen Gegner dabei aktive Panikmache oder Verklärung der Realitäten durch falsche Ängste und Wunschvorstellungen (SA32). Man müsse die Emotionen beiseitelassen. Man müsse rational, mutig und mit klarem Kopf entscheiden, so EDEK-Ehrenvorsitzender Lyssarides (M249). Man solle die Dogmatik außen vorlassen, ergänzt der Präsident der Universität Zypern (M295). Auch Präsident Papadopoulos verweist schon zu Beginn seiner Rede an die Nation, alle seien nun durch die Sorge um die Zukunft der Heimat vereint und dürften sich nicht von parteipolitischem Fanatismus hinreißen lassen. Alsdann heißt es mit Blick auf seine Kritiker: „Ich respektiere und schätze alle aufrichtigen und gutwilligen Perspektiven und ich versuche ihnen objektiv zu begegnen und sie zu bewerten, ohne mich von Vorurteilen und Dogmatismus oder meinen Emotionen verleiten zu lassen“ (PRIO 2004; [Übersetzung der Verfasserin]).
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Dieser und die vorangehenden Passagen unterstreichen die Bedeutung emotionaler Rollen und das dichotome Grundverständnis einer verzerrenden Emotionalität im Gegensatz zu wünschenswerter Rationalität als Voraussetzung für einen ungetrübten Blick auf die (einzige) „Wahrheit“. Bei Papadopoulos, der während der Ansprache seine vielzitierten „Krokodilstränen“ weinte und dessen Rede von emotionalen Appellen tief durchdrungen ist, erscheint der Verweis auf die eigene Rationalität geradenach als vorauseilende Verteidigungsstrategie. In dieser Argumentation, so mag man als Zwischenresümee dieses Aschnittes festhalten, erscheinen Emotionen ähnlich wie in der Gerechtigkeitsdebatte („legalistic speech“) als rhetorische Abwehrstrategie der eigenen Widersprüchlichkeit und erinnern damit an Einleitungen wie „Ich bin kein Rassist, aber…“. Viel ehrlicher erscheinen vor diesem Hintergrund die kritischen Zwischentöne eines Artikels, der das empfundene Neureichengehabe der eigenen Gemeinschaft als Vermeidungsstrategie kritisiert, die dem Zweck diene, vor einer schmerzhaften Auseinandersetzung mit den Traumata und der historischen Verantwortung zu schützen und einen realpolitischen Blick für das nun Mögliche trübe (M141). Auch die Emotionen, die als unmittelbares Resultat der Verhandlungen thematisiert werden, wirken in ihrem breiten Spektrum von affektiv bis deliberativ als authentischer bzw. authentischerer Ausdruck der kollektiven Gefühlslage: Sie reichen von Wut und Verbitterung eines Diplomaten über den Verhandlungsverlauf, Bestürzung über die parteipolitische Spaltung, bis zu tiefer Sorge in Fragen der Sicherheit vor der Türkei und der Funktionalität des Staates vor dem Hintergrund. Insbesondere der Politis bringt hier differenzierte Kommentare zur Gefahr erneuter extremistischer Tendenzen auf beiden Seiten (SA65). Der Annan-Plan, so ein ironischer Kommentar, habe den Psychologen reichlich Arbeit verschafft, denn die Zyprioten seien hin und her gerissen von ihren Zukunftsängsten (M113, M319). Tatsächlich attestiert eine Gruppe von Psychologen der griechisch-zypriotischen Gemeinschaft kollektive Zustände von Depression und „greifbarer Agonie“, die den unzähligen Gewalterfahrungen geschuldet seien. Insofern, so die anklagende Schlussfolgerung, könne man sie nicht einfach zur Akzeptanz des Planes überreden, als wären sie störrische Kinder (M325). Vor dem Hintergrund einer absoluten Mehrheit an Texten, die sich vehement gegen den Plan positionieren, sticht der folgende Artikel auffällig hervor. Er wurde aufgrund seiner empfundenen Relevanz in Gänze übersetzt: „Ich denke immer wieder darüber nach. Ich ärgere mich über die, die sich schon entschieden haben und uns ihre Meinung um jeden Preis aufzwingen wollen. Wie können sie sich so sicher sein, dass der Annan-Plan abgelehnt werden muss? Warum ist er katastrophal? [...] Und die anderen? Wie konnten sie schon die unschuldige weiße Fahne mit der geschundenen Insel in der Mitte vergessen und sie mit Stolz für ein Stück dreifarbigen Stoffs eintauschen, das sie nun im Wind schwenken? Ich muss beim Anblick dieser erneuten nationalistischen Euphorie schaudern, die an Zeiten erinnern, als im Klang der Nationalhymne und der griechischen Fahne Verbrechen an Zypern und seinem Volk begangen wurden. Genauso ärgert mich das naive Gebaren, dass sich mit der Annahme des Annan-Planes für beide Gemeinschaften die Tore zum Paradies öffnen würden. Was ich auch immer am Ende im Hinblick auf den Annan-Plan V entscheiden sollte [...], ich bin sicher, dass mich beide Extreme nicht repräsentieren, genauso wenig, wie die große Mehrheit der Anderen. [...] Ich wäge das für und wider ab. Ich versuche die Konsequenzen des Nein und jene des Ja vorwegzunehmen. Die Entscheidung ist schwer, die Dinge komplex. Die vorgeschlagene Lösung ist unklar, mehrdeutig und widersprüchlich. Ich bin mir bei zwei Dingen sicher. Erstens: Ich möchte, dass sich dieses Problem endlich löst, damit wir die Schizophrenie des Status quo endlich hinter uns lassen können, damit wir die Wunden von 1974 schließen. Zweitens: Ich bin nicht bereit zu akzeptieren, dass meine Kinder das erleiden müssen, was ich und meine Generation erlitten haben, die mit den bikommunalen Spannungen der Jahre 1963-64 aufwuchs, mit der Krise von Kophinou, mit dem Terror der EOKA-B, mit dem Einmarsch
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und Albtraum der Besatzung. Die Wiederholung dieser Tragödie ist ein absehbares Risiko, weil in Luzern klar zum Vorschein kam, dass die Ziele der Türkei und Rauf Denktaş´s (und aller Kräfte, die hinter ihnen stehen und bis ins Herz der staatlichen Strukturen der Türkei reichen) in der Zweiteilung der Insel liegen. Ich möchte nicht, dass meine Unterschrift neues zypriotisches Leid begründet, dass meine Kinder und Kindeskinder belasten werden. Die Frage ist: Wie kann man diese Gefahr abwenden? Mit einem Ja oder mit einem Nein? Ich denke immer wieder darüber nach. Ich möchte, dass meine Entscheidung stabil, klar und fern von emotionalen oder extremen Einsprengseln ist“ (F43; [Übersetzung der Verfasserin]).
Aufrichtige Sorge über die Folgen der einen oder anderen Entscheidung, Wut über den Verlauf der Konfliktgeschichte, Frustration über den Status quo und Ärger über die empfundene Polarisierung und die selektive Argumentation beider Lager kommen hier zum Ausdruck und repräsentieren damit die tieferen Dilemmata und Sorgen, mit denen sich die griechischen Zyprioten konfrontiert sahen (und sehen). Dass solche differenzierten, nicht auf Überzeugung des Lesers oder die Untermauerung einer eindeutigen Botschaft hin argumentierenden Artikel ansonsten kaum vorgekommen sind, spiegelt – so kann man sagen – Wahrheitsverständnis und argumentative Kultur des Gesamtdiskurses wider. Ein emotionaler Appell für die Befürwortung des Planes sticht ebenfalls heraus: „Ja, damit die türkische Armee abzieht DISY hat sich für das Ja entschieden […] damit sich das türkische Militär endlich verzieht, woher es gekommen ist […]. Damit der Norden endlich keine faktisch türkische Provinz bleibt, sondern Teil der wiedervereinigten Republik Zypern wird. Damit der Zuzug von Siedlern und die Türkifizierung des Nordens ein Ende findet. Damit wir einen signifikanten Anteil an Territorium unter ausschließlich griechischer Hoheit zurückgewinnen. Damit alle Griechen auf die eine oder andere Weise ihren verlorenen Besitz zurückerhalten. Damit viele Griechen sich wieder im Norden ansiedeln, wenn auch unter türkisch-zypriotischer Verwaltung. Damit wir den Norden wieder mit griechischem Geist erfüllen. Damit wir uns wieder mit unseren Wurzeln verbinden. Damit man im Norden wieder griechische Stimmen hört, wieder christliche Glocken schlagen und wieder griechische Inschriften erscheinen. Heldentum bedeutet heute, dass sich Griechen finden, die sich dazu entschließen, zwischen den Türken unter türkisch-zypriotischer Verwaltung zu leben, damit das Griechentum des Nordens wiederauflebt. Das ist die einzige Form von Heldentum ohne Blutvergießen, das die Griechen Zyperns heute zeigen können. Wie schon seit jeher ist Heldentum mit Taten verbunden, nicht mit harschen, lauthalsen Slogans, die jene Taten vereiteln und lediglich als Alibi für vergebliche, leere Hoffnungen dienen. Heldentum bedeutet also heute sich dafür zu entscheiden, die griechische Lebensart wieder in den Norden zu bringen, mit allen Gefahren und Opfern, die damit verbunden sind. Das bedeutet griechische Tugend heute. Und damit niemand denkt, ich würde das alles mit bequemem Sicherheitsabstand erzählen, schwöre ich vor Gott und den Menschen, dass ich – obgleich ich kein Flüchtling bin – sofort nach einer möglichen Lösung darum bitten werde, in der ersten eröffneten Schule des Nordens griechische Sprache und Geschichte zu lehren. Kyriakos Anastasiades ist Philologe und Mitglied des Politbüros des DISY“ (F295; [Übersetzung der Verfasserin]).
Auffällig ist die für einen klaren Befürwortungstext ungewöhnliche Präsenz nationaler Symbolik. Unterstellte man strategische Absicht, wäre hier der Versuch ersichtlich, die Zielgruppe durch jene Symbolik im statischen Narrativ „abzuholen“, um sie dann leichter von den Vorteilen einer Veränderung zu überzeugen. Denn der Autor wirbt nach einem empathischen Resümee der Konfliktgeschichte nicht mit bürgerrechtlichem Selbstverständnis und Multikulturalismus, sondern mit einem Appell an gleichsam modernes Heldentum und die Wahrung der Nation durch eine an den Realitäten orientierte Zustimmung zum Plan. Als Repräsentant einer traditionellen Identität und zugleich glühender Befürworter einer Einigung ist er eine Ausnahmeerscheinung. Er spiegelt damit die tiefen Dilemmata und verwickelten Emotionen der griechischen Zyprioten wider, aber stellt auch die für den Forscher manchmal allzu selbstverständlichen Analysekategorien infrage.
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14.5.11 Die Kirche Die Rolle der Orthodoxen Kirche für das nationale Selbstverständnis und ihre Autorität als moralische Instanz klang bereits in allen vorangehenden Kapiteln an. Da sie im vorliegenden Diskurs eine zentrale handlungsleitende Rolle spielt, sei ihr ein separates Kapitel gewidmet. Als Vertiefung der Gesamtanalyse wurde ein Korpus zur Orthodoxen Kirche zusammengestellt, der Artikel aller zypriotischen Tages- und Wochenzeitungen vom 01.01.2004 – 26.04.2004 enthält, in denen die Kirche explizit im Fokus steht. In ihm kommen, wie zu zeigen sein wird, en miniature das ethno-religiöse Narrativ mit seinem allegorischen Geschichtsverständnis und seine handlungsleitende Macht zum Ausdruck. Die explizite Beschäftigung mit der medialen Rolle der Kirche im Annan-Plan, zu der bisher keine der Verfasserin bekannten Publikationen vorliegen, soll außerdem ihren auch heute noch massiven politischen Einfluss als moralischer Akteur des ethnonationalistischen Diskurses illustrieren. Im Analysezeitraum ist die Kirche Zyperns de facto führungslos, da der Erzbischof aufgrund einer schweren Erkrankung nicht in der Lage ist sein Amt auszuüben. Die Heilige Synode, bestehend aus den fünf Metropoliten (M.), von denen zwei nur de jure über ihre Metropolien verfügen, da sie im besetzen Norden liegen, tritt unter dem Vorsitz des ranghöchsten M. Chrysostomos mehrfach zusammen, um über ihre offizielle Position zum Annan-Plan zu beraten. Mit Ausnahme des M. Morphou schließt sich die Synode rhetorisch und argumentativ dem kritisch-pessimistischen Tenor der politischen Führung an. Wie die Politik, so scheinen Abbildung 70 – „Nein ist unsere einzige Wahl“, so M. Nikiphoros (mit freundlicher Genehmigung von Máhi; auch die Äußerungen der Kirche zunächst von All Rights Reserved) diplomatischer Zurückhaltung, zugleich aber von unterschwelligen Botschaften gespickt. So wird „das Volk“ zu Wachsamkeit, Zusammenhalt und zum Gebet aufgerufen, auf das Gott die gerechte Lösung [welche dies auch immer ist, A.d.V.] herbeiführen möge, heißt es zu Diskursbeginn (K6). Es sei die „Kampfbereitschaft“ des Volkes gefragt, sich gegen die „türkische Propaganda“ zu behaupten, fügt ein Geistlicher hinzu (K2). Im Diskursverlauf werden diese Töne stärker und münden schließlich in einer aggressiven, populistischen Kampagne, in der vom Ausverkauf der Heimat, dem Verrat an der Geschichte und den Opfern der Nationalhelden und von verschwörerischen Interessen feindlicher Großmächte die Rede ist. Institutionelle Macht und politischer Einfluss zeigen sich in der Tatsache, dass die Kirchenväter oftmals während der Liturgien von der Kanzel herab zu den Verhandlungen Stellung nehmen oder etwa nach dem Gottesdienst Pamphlete verteilen lassen (K66). Anschaulich zeigt sich die politische Agitation auch im Bericht über eine EOKA-Veteranenveranstaltung, auf der der Metropolit von Kykkos für ein Nein wirbt (Abb. 70; K67)107. 107
„Seine Eminenz, der Metropolit Nikoforos von Kykkos. ´NEIN ist unsere einzige Wahl`“; Untertitel: „Ein mächtiges Nein erklang gestern auch von den Kämpfern der EOKA ´55- ´59 aus dem Stadion der Freiheit.
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Ganz im Sinne ihrer illustrierten nationalen Rolle repräsentiert sich der Diskursstrang der Kirche in seiner Verschränkung aus historischen und religiösen Elementen und Appellen an den patriotischen Gemeinschaftssinn und rhetorisch durch ein hohes Abstraktionsniveau, das sich durch ein deutliches Übergewicht an wiederholten, dem politischen Tenor entnommenen Slogans, Phrasen und Metaphern, vagen Anspielungen auf latente Gefahren und oftmals dekontextualisierten Ereignissen der Nationalgeschichte zu Lasten einer konkreten und differenzierten Auseinandersetzung mit dem aktuellen politischen Geschehen auszeichnet. Immer wieder mahnt die Kirche zu „Nüchternheit“ und Ruhe. M. Chrysostomos beispielsweise gibt sich als besonnener, wohlüberlegt handelnder Kirchenvater, der nach eigenem Verständnis aus dem undurchsichtigen, gefährlichen Netz internationaler, machtpolitischer Verflechtungen und Entscheidungen über die Köpfe der Zyprioten hinweg die „Wahrheit“ herausfiltert. Es sei „nicht die Zeit nationalistischer Übertreibungen und Aphorismen“, mahnt er an. Und M. Kykkos fügt hinzu: „Die Orthodoxe Kirche Zyperns hat ihre Lehren aus den Fehlern der Vergangenheit gezogen. Sie blickt nun nach vorn und wird sich im Rahmen ihrer geistigen Pflichten um Frieden und Gerechtigkeit auf Zypern bemühen“. Im selben Atemzug aber warnen die Metropoliten vor den „tödlichen“ Folgen des Planes, der die „zypriotische Demokratie abschaffen“ würde und vor dem drohenden Ende der hellenischen Geschichte (K4). Auf Kritik an seiner politischen Rolle reagiert er mit den Worten: „Wir leben in einer Demokratie. Jeder kann seine Meinung frei und ungezwungen zum Ausdruck bringen.“ Ein ihm offenkundig wohlgesonnener Autor zitiert das mit dem ähnlich widersprüchlichen Titel „Wir leben in einer Demokratie` bringt Paphos [seine Kritiker] zum Schweigen“ (K56). Die Orthodoxe Kirche übernimmt also zum einen die Rhetorik der Politik. Zum anderen indes, legitimiert sie die ablehnende Haltung zum Annan-Plan, aber auch im Rekurs auf die Bibel: „Basis der Kritik der Kirche am Annan Plan ist das Evangelium“, heißt es in einem Schreiben Chrysostomos´. „Denn es gründet auf Gerechtigkeit, Liebe und Freiheit. All diese Grundsätze werden im UN-Plan missachtet“ (K13). Hier ist der für den Gesamtdiskurs so typische populistische Rückgriff auf universelle Wertvorstellungen evident, durch den mögliche Gegenargumente geschickt (begrifflich) verdeckt und (moralisch) verdrängt werden. Ebenso präsent ist der religiös-märtyrerische Heilsdiskurs, der in den vorangehenden Kapiteln analysiert wurde. So heißt es in einem Artikel vom April, als sich das bevorstehende Negativvotum der Bevölkerung bereits abzeichnet, tröstend aus dem Munde des Metropoliten von Alexandria: „Unser Gott des Friedens und der Liebe wird das zypriotische Volk beschützen und wird eine gerechte Lösung für seine Probleme herbei führen“ (K7). In den Osterliturgien, die wenige Tage vor den Referenden stattfinden, ist von der Hoffnung auf „Wiederauferstehung“ des gepeinigten Volkes die Rede (K57). Auch hier wird das ethnoreligiöse Narrativ durch zumeist vage und zeichenhafte Analogien untermauert, die das politische Geschehen in einen schicksalhaften Bedeutungszusammenhang stellen. Wie die Regierung, so bemüht auch die Kirche wirkmächtige Metaphern, die einen
Der Rat historischen Gedenkens EOKA ´55- ´59, die Vereinigung der Kämpfer ´55- ´59, die Stiftung Freiheitskampf ´55-´59 und verbundene Organisationen bekundeten in einem feierlichen Akt ihren Willen, im Referendum, dass über das Schicksal des Annan-Planes enscheiden wird, mit Nein zu stimmen“ [Übersetzung der Verfasserin].
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aktuellen Verschwörungs- und Gefahrenframe zeichnen, der die Kontinuität des nationalen Metanarrativs untermauert. Vom „Trojanischen Pferd“ (K6) und einem „türkisch-amerikanischen“ Komplott (K36) ist die Rede. Die Türkei und die türkisch-zypriotische Führung gelten als unzivilisierter Aggressor und die „Internationale Gemeinschaft“ als feindliche, manipulative Übermacht, die sich gegen das machtpolitisch unterlegene Zypern verschworen haben (K21;K27;K39). Chrysostomos ruft in diesem Sinne zu Achtsamkeit und Patriotismus auf, fechte doch der griechisch-zypriotische Präsident „in diesen schweren Stunden einen harten […] und endgültigen Kampf aus“, in dem das Volk geeint hinter ihm stehen müsse (K35). Die Unterzeichnung des Annan-Planes, so warnt Metropolit Paulus, würde zu einer zweiten Kleinasiatischen Katastrophe führen (K46). In einer flammenden Fernsehrede unterstreicht der griechische Erzbischof Christodoulos die Mahnungen der zypriotischen Kirchenväter, spricht von der Gefahr einer „De-Hellenisierung“ (αφελληνίση) durch den Annan-Plan, der die Zyprioten dazu zwingen würde, „ihre Geschichte, den Kampf ihrer Vorväter, ihre Sprache und Flagge“ zu vergessen und sich den Mächtigen der Welt zu unterwerfen (K18). Die Rede stößt auf breite Zustimmung in der Synode, wie auch innerhalb der zypriotischen Gesellschaft. Die Μάχη lobt das orthodoxe Kirchenhaupt dafür, dass er „die Dinge mutig beim Namen nennt […] ohne Beschönigung und Schnörkel“ und dankt für seine „patriotischen Worte“, seine „unerschütterlichen Argumente“, die „das Gewissen des Griechentums wachrütteln“ (K23). Die Nähe des Kirchendiskurses an der politischen Führung unterstreicht auch seine diachrone Betrachtung: Wie die Regierung, so übt sich auch die Kirche zunächst in diplomatischer Zurückhaltung und verweist darauf, sie würde ihre Position zum Plan erst „zu gegebener Zeit“, dann aber „mit Vehemenz zum Ausdruck bringen, bevor das Volk wählt“ (K14). Gleichsam, als wolle sie ihre Deutungshoheit über die spätere Entscheidung schon im Voraus klarstellen, unterstreichen die Kirchenväter die fundamentale Bedeutung des gesellschaftlichen Zusammenhaltes. Sie ist in nahezu einem Drittel aller Artikel präsent. „Eine Spaltung unseres Volkes und seine Einkesselung in feindlichem Territorium“, so M. Nikiphoros, „wäre das schlimmste, was unserem märtyrerischen Vaterland passieren könnte“ (K36). M. Kition ergänzt: „Einheitlich und unzertrennlich soll unser Volk ´Ja` oder ´Nein` sagen“ (K30), während Chrysostomos betont, eine einheitliche Front sei wichtiger als jedwedes Resultat der Abstimmung, denn die Lösung könne zwar unvorteilhaft ausfallen, die Spaltung des Volkes indes sei in jedem Fall eine Katastrophe (K19). Die Appelle zur Einheit erscheinen so zum einen als populistische Mobilisierungsstrategie. Zum anderen indes zeigt sich bei Chrysostomos, dass die Position der Kirche auch deutlich durch die öffentliche Meinung motiviert ist. So reagiert er auf die flammende Rede des griechischen Erzbischofs zunächst noch mit öffentlicher Danksagung. Nach heftigen politischen Reaktionen insbesondere außerhalb Zyperns sieht er sich offensichtlich gezwungen, seine Haltung zu revidieren. In einem ganzseitigen Interview mit der AKEL-nahen Χαραυγή präsentiert er sich ein einziges Mal im gesamten Diskurs pragmatisch. Er distanziert sich von den Äußerungen des griechischen Erzbischofs über die drohende „De-Hellenisierung“ der Insel durch den Annan-Plan mit den Worten, der Erzbischof sei offenkundig schlecht über den Plan informiert und kenne
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sich auch in der Zypernfrage wenig aus. Man könne kaum von einer De-Hellenisierung sprechen, da die beiden Teilstaaten ihre nationalstaatliche Symbolik ja unabhängig von den Emblemen der Föderation gestalten könnten. Zum Plan selber heißt es: „´Der Plan ist ein Kompromiss. Etwas Anderes wird es nicht geben. Eine Abkehr von der bizonalen Lösung ist unrealistisch.` Er könne die Forderung seiner Landsleute nach Rückkehr zwar nachvollziehen, mahnt aber: ´Verschließen wir nicht die Augen: Die Kyrenioten werden nicht zurückkehren dürfen. […] Wenn M. Kyrenias sagt, er möchte, dass alle zurückkehren, verkennt er die politischen Realitäten. Kyrenia hatte damals [vor der Teilung von 1974, A.d.V.] 2000, heute 22 000 oder 32 000 Einwohner. Und, wenn die alten Kyrenioten zurückkehren, wo wollen sie arbeiten? Wir müssen unsere Augen öffnen: Kyrenia ist nicht mehr wie vorher, es ist eine Utopie zu glauben, alles könne werden wie vorher`“ (K31; [Übersetzung der Verfasserin]).
Diese Haltung steht in fundamentalem Widerspruch zu seinen Äußerungen in den Wochen vor der Abstimmung, wo er den Plan als „Provokation“, als „Beleidigung für Recht und Gerechtigkeit“, gar als „Gräueltat“ und „Missgeburt“ bezeichnet (K49, K50). Was sagt das über die geistige Führungsriege? Offenkundig ist sich der spätere Erzbischof der „Realitäten“ voll bewusst, schließt sich aber gegen Diskursende offenkundig aus machtpolitischen bzw. Imagegründen dem schrillen Tenor der Ablehner an. Das ist umso deutlicher, als die Kirche im Verlauf ihrer rhetorischen Radikalisierung immer wieder unverblümt ihre politischen Rechte einfordert. So titeln die Zeitungen nach der Rückkehr Präsident Papadopoulos´ von der New Yorker Gesprächsrunde Mitte Februar: „Mitropolit Paphou: ´Irgendetwas riecht faul`(K68) und „Heilige Synode erwartet Einweihung in Verhandlungsdetails“ (K13). In der linken Αλήθεια heißt es unverblümt „Kirche fordert ein Mitspracherecht im Zypernproblem“ (K12). Chrysostomos, so heißt es, sei um den Stand der Verhandlungen äußerst besorgt und betone die herausragende Rolle der Kirche als moralischem und politischem Orientierungsleitbild in Krisenzeiten. Seine Rhetorik von der drohenden Gefahr für Staat und Nation und den „erstickend“ engen Verhandlungszeiträumen (K12) spiegelt dabei anschaulich die Rhetorik der Regierung wider, sein Verweis auf die hervorgehobene Bedeutung der Menschenrechte im Evangelium erscheint als Mittel, den politischen Führungsanspruch der Kirche zu legitimieren (K13). Das spricht der Bischof von Kition offen aus, wenn er betont, jenseits ihres religiösen Bildungsanspruches könne die Kirche „in gesellschaftlichen, ökonomischen oder nationalen Belangen nicht untätig sein.“ Sie erhebe zwar keinen expliziten Anspruch auf die politische Rolle, bete aber für die politische Führung und berate sie. „In Zeiten der Sklaverei, wie in Zeiten der Freiheit“, so heißt es, „ist es ihre Pflicht, für die Lösung der nationalen Probleme zu kämpfen, um in den zwischenmenschlichen Beziehungen Frieden, Liebe, Gerechtigkeit, Freiheit und all die anderen Menschenrechte zu gewährleisten. […] Das griechisch-zypriotische Volk ist daran gewöhnt, langwierige, ungerechte und schwierige Kämpfe zu führen und zu überleben. Die Kirche wird dabei immer an seiner Seite stehen und eine hervorgehobene Rolle spielen“ (K30; [Übersetzung der Verfasserin]).
In ihrem Selbstverständnis erscheinen die Kirchenväter als selbstlose und klarsichtige Führungspersönlichkeiten, als „geistiges Bollwerk des Hellenismus“ (K47), die eine „traditionell harte Linie“ führten, „historische Verantwortung“ zeigten (K33) und als Agitatoren für eine endgültige göttliche Gerechtigkeit in der Zypernfrage eintreten, die die Rückkehr zum Status quo ante impliziert. Den Verfall und Umbau orthodoxer Kirchen im Norden prangern sie als „Verbrechen gegen die Zivilisation“ an und präsentieren sich zugleich als Fanal der Hoffnung
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für die Rückkehr der Flüchtlinge. So heißt es unter dem Titel „M. Kyrenia beklagt die Umwandlung einer Kirche in ein Geschäft im besetzten Kyrenia“: „Der Metropolit Pavlos nahm die Entscheidung des Okkupationsregimes, die Kirche des heiligen Charalambos [...] in ein Einkaufszentrum umzuwandeln, nicht etwa mit gefalteten Händen hin.“ Er habe, so heißt es weiter, schriftlich an Botschafter, UN-Repräsentanten und Regierungschefs appelliert, dem Treiben der „gottlosen, dem Konsum verfallenen Frevler“ im Norden Einhalt zu gebieten (K2). Laut erscheint ihre Stimme zwischen jenen, die zur Raison mahnen. Auch die Kirche sieht sich im Besitz der einen Wahrheit, die in wiederholten Attributen der orthodoxen Glaubenslehre, wie „ehrlich“, „unverfälscht“ und „wahrhaft“ zum Ausdruck kommt (K7; K27; K31). Sie unterstreichen nicht zuletzt das Selbstverständnis der „Ortho-doxie“ als dem richtigen bzw. wahrhaften Glauben selbst. „Ich stehe niemals hinter dem Volk“, so M. Chrysostomos, „sondern gehe immer voran und meine Meinung begründet sich auf der Wahrheit.“ Er betont, dass er vor öffentlichen Äußerungen stets lange nachdenke und erst danach mit der Stimme der Wahrheit spreche, ohne sich von Gefühlsduseleien hinreißen zu lassen“ (K56). M. Nikiphoros ergänzt: „Wir müssen jetzt ruhig, vereint und nüchtern bleiben, ohne Hysterien und gegenseitige Vorwürfe“ (K36). Als moralische Instanz ruft die Kirche in dieser Rolle zu „Nüchternheit“, zum Gebet und schließlich dazu auf, mit einem „donnernden ´Nein` auf den Annan-Plan zu antworten und die „Augen und Ohren vor dem ´Ja`“ zu verschließen (K62). Sein traditionell-hierarchisches Gesellschaftsverständnis unterstreicht M. Chrysostomos, als er die Referenda als „Taktik“ kritisiert, „dem Volk die Last der Entscheidung aufzubürden“. Moderne „Politik sollte das Volk anleiten, was zu tun ist. So würde auch die Kirche handeln“, argumentiert er (K46). Sein Verständnis demokratischer Werte, auf die er interessanterweise kurz zuvor in Zurückweisung seiner Kritiker rekurriert hatte, erscheint wider seinem eigenen Anspruch und seiner monolithischen Deutungshoheit also keineswegs universell gültig. Sie erinnert einmal mehr an die im Diskurs präsente Doppelmoral und an die erörterte Rolle der nationalen Erziehung des einfachen Bürgers zu einer höheren Wahrheit (Bryan 2004: 127). Ähnlicher Mittel bedient sich ein Autor, der Erdoğans Kritik an der Haltung der Kirche entrüstet als „manipulativ“, als jenseits der Realitäten zurückweist und demgegenüber ihre Vorreiterrolle in den Bemühungen um friedliche Koexistenz und interreligiösen Dialog unterstreicht (K4).108 Hier zeigt sich eine evidente Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit, die umso größer erscheint, da auch die Consensus Guarding Mechanisms der Kirche mehr als offenkundig sind: Zur zentralen innerkirchlichen und gesellschaftlichen Streitfrage entwickelt sich nämlich die „abtrünnige“ Haltung des M. Neophytos, dessen Amtssitz sich im türkisch-zypriotischen Morphou befindet. Zum Ärger der anderen Synodenmitglieder gibt er an, er reise mehrmals in der Woche zu seinem Amtssitz, habe schon freundschaftliche Kontakte zu den Menschen vor Ort 108
Er verweist dabei auf einen kurz zuvor durchgeführten „Weltkongress der Religionen und Kulturen“, dessen Programmheft indes verrät, dass kein einziger türkischer oder türkisch-zypriotischer Vertreter dazu geladen war; vgl. das Programmheft der Konferenzen: „Πρόγραμμα. Συνέδριο. Παγκόσμιο Βήμα Θρησκειών και Πολιτισμών“, online unter: [zugegriffen am 12.09.2014]. Ebenfalls fiel der Verfasserin auf, dass in Klöstern und Kirchen des Südens Touristeninformationen in zahlreichen unterschiedlichen Sprachen vorliegen, nicht jedoch auf Türkisch. Die Spannung zwischen Anspruch und Wirklichkeit bzw. zwischen der Rhetorik von der „friedlichen Koexistenz“ der beiden Gemeinschaften, die aber nicht durch gemeinsame Referenzpunkte oder Versöhnungs- und Annäherungsgesten untermauert werden, zeigen sich auch bei der Kirche.
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aufgebaut, Gespräche mit politischen Repräsentanten geführt und sei somit für einen endgültigen Umzug in den Norden nach der Wiedervereinigung bestens vorbereitet. Das Gebaren des Metropoliten wird in der Presse als „Extremposition“ (K39) gebrandmarkt, die die Einheit der Kirche gefährde, als „Schnapsidee“, die einem Verrat an den Nationalhelden gleichkomme und mit dem Leid der Flüchtlinge spiele (K45). Wie könne man in das besetzte Land reisen, „solange der blutbefleckte Stiefel Attilas es kontaminiert?“ Solle Neophytos doch allein „im Schatten des Halbmondes schlafen“, so ein Autor, der dem Metropoliten unter Berufung auf aktuelle Umfragen eine besonders geringe Popularität attestiert (K43). Selbstverständnis und Führungsanspruch der Kirche spiegeln offenbar auch die Erwartungen ihrer Gläubigen: Die Kirche, so wird gefordert, solle ihren internationalen Einfluss geltend machen, um sich der „türkischen Propaganda“ entgegenzustellen (K7). Dafür müsse sie eine einheitliche Position zum Plan vertreten und dürfe nicht jedem Metropoliten gestatten, sich „aufs Geratewohl“ zum Plan zu äußern oder ihn mit Blick auf das neu zu besetzende Amt des Erzbischofs zu Wahlkampfzwecken zu nutzen (K24). „Das Kirchenschiff braucht seinen Kapitän“ schnellstmöglich, damit er die Gesellschaft durch die aktuellen Widrigkeiten führe, so wie die Kirche historisch das Überleben des Volkes gesichert hatte (K15), denn „im Schoss der Kirche wurde der Keim der Freiheit bewahrt und im rechten Augenblick ausgebrütet. Er schuf das Fundament des heutigen zypriotischen Staates“ (K28). Mutig, so huldigt ein anderer Autor, schütze die zypriotische und griechische Kirche vor „ethnischer Entwürdigung und ethnischem Verrat“, wie einst Papaflessas (ein Geistlicher im griechischen Freiheitskampfs, A.d.V.) für den unsterblichen Geist der Antike eingetreten sei (K25). In Hochgriechisch (der erörterten Katharevousa) dankt ein politischer Repräsentant in einem offenen Brief dem griechischen Kirchenoberhaupt für sein mutiges Aufbegehren gegen „den Besatzer“, der die Kirchen des Nordens schände und warnt, mit der Realisierung des Annan-Planes würden „unsere Insel tausende graue Wölfe, die türkischen Siedler, überschwemmen“ (K37). Wirkungsvoll ergänzen sich hier Form und Inhalt durch die Wahl der altmodischen Bildungssprache (derer sich die Kirche überhaupt in den meisten öffentlichen Äußerungen bedient), die vielfältige Assoziationen zum Nationalnarrativ zulässt, wie sie in den vorangehenden Kapiteln erörtert wurden. „Hier im Grenzposten des äußersten Territoriums des freien Zypern“, grüßt der M. Kykkos in diesem Sinne von der innerzypriotischen Grenze, „hier vor den Propyläen der besetzten Stadt Evagoras´, des sonnendurchfluteten Famagusta, können wir nicht umhin, uns unserer besetzten Gebiete zu erinnern“ (K10). Das Wort für „äußerstes“ („akritikos“) evoziert dabei die byzantinischen Grenzverteidiger (Akriten). So eröffnet ein einziges Wort eine Analogie zwischen dem einstigen Abwehrkampf gegen die eindringenden Muslime und dem der griechischen Zyprioten gegen die gegenwärtige, expansionistische Gefahr aus dem Norden. Die Beispiele unterstreichen die enorme Bedeutung der ethnoreligiösen Synthese, die offenkundig nicht nur den politischen Einfluss der Kirche sichert, sondern tief mit den gesellschaftlichen Erwartungen an die Kirche verbunden ist. Drei Tage vor den Referenden heißt es öffentlich aus dem warnenden Munde M. Kykkos´: „Heute hängt das Schicksal der Hellenen Zyperns an einem seidenen Faden. Weil im schweizerischen Luzern in einem dunklen Spiel einer gewissenlosen, lasterhaften Diplomatie auf dem Altar der Interessen all derer, die das Schicksal der Menschheit bestimmen, die Grundsätze der Vereinten Nationen ermordet wurden, die Menschenrechte, der Acquis Communautaire und das Völkerrecht […] von genau der Person, die eben jene Grundsätze hätte bewahren müssen, vom UNO-Generalsekretär Kofi Annan, der mit Dreistigkeit
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14 „Nicht mit uns!“: Die Kontroverse um den Annan-Plan und seine Ablehnung 2004 und Gefühlskälte die Verbrecher der Okkupation zu Lasten ihres Opfers preiskrönte, womit er die Hoffnungen all der kleinen Völker erstickte, die um ihre Rechte kämpfen. […] Das zypriotische Volk sieht sich mit diesem vorgefertigten Plan konfrontiert, der nicht das Resultat von Verhandlungen ist, sondern von skrupellosen, geheimen Absprachen. Dieser Plan ist eine Provokation für die Intelligenz und die Würde des zypriotischen Volkes, vergewaltigt die Menschenrechte und zerstört seinen einzigen Stützpunkt innerhalb der internationalen Gemeinschaft, die Republik Zypern, denn es gefährdet seine Zukunft“ (K66; [Übersetzung der Verfasserin]).
Seine wortgewaltige Drohkulisse, die sich noch dramatischerer Metaphern und Frontstellungen bedient, als Papadopoulos´ Rede, schließt der Metropolit mit einem Zitat aus dem Galater-Brief (Paulus): „Υμεῖς γὰρ ἐπ' ἐλευθερίᾳ ἐκλήθητε“ [Denn ihr seid berufen frei zu sein]. In seinem Brief warnt Paulus die Christen der römischen Provinz Galatia in Kleinasien vor judaisierenden Missionaren. Auch hier sind intertextuelle Bezüge bzw. assoziative Verknüpfungen naheliegend, die seiner Botschaft Zeitlosigkeit verleihen: Die Bewahrung des Christentums vor externem (muslimischem) Einfluss, Kleinasien als unerlöster nationaler Vorstellungsraum und das Inachtnehmen vor Fremden, die Zypern seiner Freiheit berauben, so man ihren Überzeugungskünsten erliegt. Damit ist auch hier die primordiale, ethnoreligiöse Synthese evident. Auffällig ist im Sinne des damit verbundenen religiösen Heilsversprechens, das im Kapitel zum Mutterlandsnationalismus angesprochen wurde, auch die Häufigkeit mit der zum Gebet als impliziter politischer Praxis aufgerufen wird. Erzbischof Christodoulos mahnt einen „Paroxysmus“ (vulkanartiger Ausbruch) von Gebeten an, die Gottes Beistand in den Verhandlungen sichern sollen (K20) und der M. Kykkos lässt verlauten, er bete für eine günstige Revidierung des aktuellen Entwurfes des Annan-Planes, was den Autor des Textes dazu veranlasst, vom Gebet als einem „patriotischen und christlichen Gegenmittel gegen die imperialistischen Pläne des angloamerikanischen Establishments der Vereinten Nationen“ zu sprechen (K9). Gebetet wird für die politische Führung, damit diese angesichts ihrer schwierigen Herausforderungen erleuchtet werden möge (K19) und selbst für Denktaş, der damit auf den rechten Weg geholt werden soll, damit er eine „gerechte Lösung der Zypernfrage möglich“ macht“ (K6). Kurz vor den Referenda schließlich erscheint das Gebet als abstrakter Eid an die unsterbliche Nation, die zugleich die geistliche und weltliche Führungsrolle der Kirche unterstreicht: „Ich rufe die zypriotischen Bürger dazu auf, die Zeichen der Zeit zu erkennen, insbesondere die Botschaften der geistigen Führung und einer Herde gleich in die Kirchen zu strömen, auf die Beerdigung des AnnanPlanes zu schwören, so wie einst unser großer Führer Makarios seinen Schwur für die Einheit […] abgab“ (K25; [Übersetzung der Verfasserin]).
Der ethno-religiösen Symbolik des Nationalnarrativs bedient sich die Kirche vor allem in ihrer moralisch-kulturellen Abgrenzung von der anderen Seite – hier in erster Linie von der Türkei und den Festlandsiedlern, die als „Barbarenbrut“ bezeichnet werden, deren „einziges Lebensziel im schönen Leben und dem materiellen Gewinn“ liege (K40). „Heute schänden sie schon unsere Kirchen in den besetzten Gebieten“, moniert ein Autor und warnt, mit der Realisierung des Annan Planes würden sie auch die Kirchen des Südens schänden (K37). Die für griechischzypriotische Leser mitschwingende Kollektivsymbolik von Kulturlosigkeit und Expansionsdrang, so kann man sich vorstellen, unterstreicht die Legitimität dieser Befürchtung, die aus realpolitischer Sicht absurd anmutet. Die Siedler gelten in diesem Sinne als latente muslimische Gefahr, die – hier klingen breitere, gegenwärtige Diskurse „westlicher“ Gesellschaften an – durch die Gefahr demographischer Expansion unterstrichen werden: „Sie werden in 20 bis 30 Jahren die Mehrheit auf der Insel stellen. Denn sie bekommen 12 Kinder und wir ein bis zwei.
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So war es auch im Libanon. Wir müssen aus der Geschichte lernen, warnt M. Chrysostomos, differenziert aber zugleich im Sinne des dominanten Erinnerungsmotivs: „Die türkischen Zyprioten sind unsere Landsmänner, wir müssen sie lieben. Sie sind doch Kinder desselben Gottes.“ (K31). Der schwer nachvollziehbaren Logik dieses Argumentes nach, definierte sich die Zugehörigkeit zum selben Gott also über ethnisch-kulturelle Kriterien, im Rahmen derer die Türkei den offenkundigen Gegenpol von Kultur und Zivilisation markiert: „Sie wollen die Dunkelheit auf Zypern“, urteilt der griechische Erzbischof über den Annan-Plan und suggeriert damit, eine Föderation griechischer und türkischer Zyprioten würde zum kulturellen Verfall beitragen (K47). Mit deutlichen Worten kritisiert ein Geistlicher in diesem Sinne die empfundene türkeifreundliche Haltung der Europäischen Union: „Sie sollen sie [die Türkei] nur in unser geliebtes Europa aufnehmen, dann werden diese Ungerechten und Heuchler erkennen, was ihr Freund der Besatzer auf Zypern angerichtet hat. Er verwandelte unsere Altäre, unsere heiligen Stätten und Denkmäler, von denen die undankbaren Europäer selbst einst ihre Erleuchtung und ihre Zivilisation ableiteten. Sollen sie doch die Qualität der Zivilisation der Türkei sehen, die sie in ihre Familie aufnehmen wollen, die Friedhöfe ausgräbt und die Knochen der Toten zerstört“ (K21; [Übersetzung der Verfasserin]).
Der Auszug unterstreicht die ambivalente Haltung zu Europa, die hier durch das Bedürfnis nach Anerkennung durch klare Abgrenzung zum kulturell Anderen zum Ausdruck kommt. Obgleich die türkischen Zyprioten auf der einen Seite als Kinder desselben Gottes bezeichnet werden, zeichnet sich insgesamt ein ambivalentes Bild, das vor allem das historische Argument ihrer Privilegierung bemüht (K40, K13.2, K41). So bedient Chrysostomos in Zuspitzung der verbreiteten ökonomischen Sorgen kurz vor den Referenda historische Ressentiments: Die türkischen Zyprioten wollten die griechischen Zyprioten „fortwährend aussaugen“, betont er. Sie würden deshalb mit Ja stimmen (K64). „Der Grieche Zyperns wird bis in alle Ewigkeit die türkisch zypriotische Gemeinschaft finanzieren […]. Ich bin mir sicher, dass der griechische Zypriot das nicht lange wird ertragen können und dann wird die Situation sehr schwierig sein. Wir werden nicht zurückkehren dürfen, um nach unserer Heimat zu fragen“ (K31). Vor diesem Hintergrund klingt es wenig überzeugend, wenn die Kirche nach dem sich abzeichnenden Negativvotum der griechischen Zyprioten verlauten lässt, die Ablehnung richte sich nicht gegen die Landsmänner im Norden, sondern gegen ausländische Verschwörer (K61). Ganz im Sinne des Máhi-Tenors gelten externe Akteure als manipulativ und gefährlich. Vom „Feldzug fremder Machtzentren“ ist die Rede, der Plan gilt als „Parodie“ (K59) und die liberale Simerini titelt: „Ausländische Botschaften haben versucht, die Kirche vom rechten Weg fortzuzerren“ (K48). Über Chrisostomos heißt es: „Er warnt festlandgriechische Politiker, sie sollen gar nicht erst anreisen, wenn sie das Volk verführen wollen“ (K53). Die Drohkulisse wird durch eine ganze Fülle von Metaphern untermauert: Die Geistlichen sprechen ähnlich wie politische Kreise vom „geheimnisvollen Dröhnen der gegenwärtigen Ereignisse“, von den „erstickenden Zeitfenstern der Verhandlungen“, das zypriotische Volk befinde sich „auf des Messers Schneide“ und müsse durch seine Einheit und Stärke „eine undurchdringliche Wand schaffen“, um sich – auch hier kommt (mythologische) Geschichte ins Spiel – vor den Stimmen der „Sirenen“ zu schützen (K65). Solche und andere Formulierungen, wie „Verschließt die Türen vor den Liebhabern des ´Ja`“ lassen die Kirche als normative Antipode erstrahlen und schützen – pointiert formuliert – vor sachlicher Auseinandersetzung (K60). Am Ende verspricht die Kirche gar, die griechisch-zypriotischen Flüchtlinge von 1974 aus eigener Kasse zu
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14 „Nicht mit uns!“: Die Kontroverse um den Annan-Plan und seine Ablehnung 2004
entschädigen (K54). Neun Jahre später, auf dem Höhepunkt der zypriotischen Wirtschaftskrise 2013, warnen die Medien wieder gegen den Ausverkauf ihrer Heimat durch „fremde Interessen“. Chrysostomos, inzwischen zypriotischer Erzbischof, beschwichtigt, man solle sich keinem Fremden anbiedern. Die Kirche würde dem Staat ihren gesamten Besitz zur Verfügung stellen. Keine der beiden Versprechungen wurde erfüllt.109 Gegen die Positionen der Kirche regt sich – wenn auch zahlenmäßig geringe, so doch im Ton oftmals scharfe – Kritik. Von den 203 Artikeln, weichen nur 13 von der Rhetorik und den Prämissen des vorherrschenden Tenors ab. Der auffällige Zynismus etlicher Autoren reflektiert dabei das hohe Maß an (wenn auch stark asymmetrischer) Polarisierung und Frustration als Merkmal der zypriotischen Gesellschaft. Nicht ironisch, sondern zugleich realistisch und visionär zeigen sich zwei hohe Repräsentanten der Orthodoxen Kirche, die den Plan als Chance auf nachhaltige interkommunale Annäherung begreifen. Einer von ihnen ist der ökumenische Patriarch Bartholomäus, Oberhaupt der griechisch-orthodoxen Kirche mit (historischem) Amtssitz in Istanbul. Er äußert sich im Diskursabschnitt mehrmals optimistisch zur nachhaltigen Überwindung des Zypernproblems. Er hoffe, jenseits der Verhandlungsdetails, mit denen sich die Politik auseinandersetze, auf eine „menschliche und geistige Annäherung“ nach einer Wiedervereinigung, die sich auch positiv auf die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, auf die griechisch-türkischen Beziehungen und den Status der griechisch-orthodoxen Minderheiten der Türkei auswirken würden (K5). Die lange Zeit der Mühen und leidvollen Prüfungen sei nun vorüber. Die „Auferstehung“ Zyperns stehe kurz bevor. „Die Sonne der Verheißung geht auf über dem Horizont und bringt die Gewissheit, dass bessere Tage warten“, so klingt offenkundig der Frame nationaler Verheißung an, der seinerzeit die Enosis-Bestrebungen entfachte (K17). Offenkundig spielen beim Urteil Bartholomäus sowohl die historische Erfahrung der interethnischen Spannungen hinein, die die Zypernfrage in der Türkei motivierte, wie auch die im Gegensatz zur (autokephalen) zypriotischen Kirche die immer noch währende Erfahrung eines interreligiösen und interkulturellen Alltags. Ganz anders als der griechische Erzbischof beurteilt Bartholomäus die überregionalen Auswirkungen einer zypriotischen Wiedervereinigung als grundlegend positiv und stellt damit die ethnonationalistische Prämisse von der unüberwindbaren griechisch-türkischen Feindschaft infrage. Ähnlich argumentiert auch M. Neophytos, der seine dem Mainstream widersprechende Praxis der innerzypriotischen Grenzüberschreitung und seine alltägliche Kommunikation mit den türkischen Zyprioten und den Siedlern mit den Worten erklärt: „Die Kirche darf kein Fanal des Fanatismus sein, sondern muss zum Bindeglied für die Einheit der Vielfalt werden. Sie muss für die Menschenrechte aller – auch der türkischen Zyprioten – eintreten. […] Die Metropoliten müssen hinübergehen, in ihre Klöster zurück. Wir müssen zuerst ein Zeichen der friedlichen Koexistenz setzen, dann können auch die griechischen Zyprioten folgen. Die Politik wird sich mit politischen und wirtschaftlichen Fragen beschäftigen, die Kirche muss die psychologischen und geistigen Fragen übernehmen. […] Wir lebten seit 1974 in einer Scheinwelt und genossen das Wirtschaftswunder, 109
Nicht unerheblich für die Frage nach potentiell „abweichenden Zielsetzungen“ ist dabei die auf Zypern allgemein bekannte Tatsache, dass die Kirche der größte Großgrundbesitzer mit signifikanten Anteilen an Unternehmen der Tourismusindustrie (insb. von Hotels und der Getränkeindustrie) ist. Es liegt daher nahe, dass auch sie, wie die südzypriotische Tourismusbranche im Allgemeinen die Konkurrenz mit den nordzypriotischen Küsten fürchtete; [abgerufen am 03.03.2016].
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nun hat uns die Geschichte eingeholt. Einmal musste dieser Zeitpunkt kommen. […] Die Grenzüberschreitung hin zu und von den besetzten Gebieten hat zu einer psychologischen Befreiung von emotionalen Bindungen geführt. Türkische und griechische Zyprioten haben ein neues Vermögen für Raum und Zeit gewonnen, haben den Bezug zur Realität wiederhergestellt und sich von Illusionen verabschiedet. Früher dachte der eine, der andere sei ein Monster“ (K16; [Übersetzung der Verfasserin]).
Zum ersten Mal erscheinen Verweise auf Menschenrechte und geistige Führungsrolle der Kirche nicht als Mittel zur Untermauerung der eigenen Rechtsansprüche oder der bestehenden Hierarchien, sondern als pragmatischer Appell an einen Paradigmenwechsel. Zum dritten Mal taucht im Diskurs die vehemente Kritik an einer Scheinwelt auf, die auf den empfundenen ideellen wie materiellen Rückzug vor der schmerzhaften Auseinandersetzung mit den politischen Realitäten zielt. Im Unterschied zu seinen Synodenkollegen verzichtet er explizit auf politische Einflussnahme, sondern zielt im Sinne seines religiösen Amtes auf das geistige und emotionale Potential christlicher Versöhnung. Wie angedeutet, gelten Einstellung und Praxis des Metropoliten vielen als unpatriotisch und provokant. Über das Versprechen des M. Paphos, die Flüchtlinge selbst zu entschädigen, spottet ein Autor, die Kirche bediene sich äußerst geschickter Schachzüge zur Manipulation der Öffentlichkeit, sollte sich aber lieber ihrer moralischen Grundsätze erinnern. Den Metropoliten nennt er ironisch Paphouflessas – ein Wortspiel aus Paphos und dem erwähnten geistlichen Freiheitskämpfer Papaflessas (K55). Die Heilige Synode schlafe ja angeblich nicht, weil sie voll der Sorge um die richtige Entscheidung zum Plan sei. Dabei habe sie selbige doch längst getroffen, spottet ein Autor (K69). Unter dem Titel „Beständig wechselhaft“ kommentiert ein anderer Autor mit sarkastischem Unterton den Widerspruch zwischen Chrysostomos´ Mahnung zur Einheit und seiner vehementen Polemik gegen Andersdenkende. Außerdem könne er den griechischen Erzbischof nicht für dessen Dämonisierung des Annan-Planes loben und zugleich zur geschlossenen Unterstützung des Präsidenten aufrufen, der auf der Basis des Planes gerade verhandele (K26; K70). Zwei weitere Autoren machen sich über die Lebenswirklichkeit des griechischen Erzbischofs lustig und kritisieren seine Warnungen als weltfremd und überzogen. Er wolle, so ersterer, erst gar nicht nach Zypern einreisen, da er befürchtete, von feindlichen Kräften eingekesselt zu werden und habe die Türken mehrmals öffentlich als Barbaren bezeichnet, um seine Äußerungen alsdann nach heftigen politischen Reaktionen wieder zurückzunehmen (K32). Wie einfach wären doch Probleme zu lösen, ergänzt letzterer scharfzüngig, könnte man mit Schwüren, Metaphern und Flüchen die Widrigkeiten des Lebens abwenden (K38). Öffentliche Kritik am griechischen Erzbischof kommt schließlich von Vassiliou, der mit Nachdruck betont, die Kirche solle sich aus den politischen Verhandlungen heraushalten. Chrystodoulos, so Vassiliou, solle den Zyprioten „nach allem, was wir durchgemacht haben, keine Lehren in Patriotismus erteilen“ und „Respekt vor Erzbischof Makarios zeigen, der aus realpolitischen Notwendigkeiten seinerzeit das Abkommen mit Denktaş vereinbart hatte, das die gegenwärtige Handlungsgrundlage darstellt“ (K76). Daraufhin werden dem Altpräsidenten wahltaktische Manöver und unlautere Diffamierungskampagnen unterstellt (K29, K11). Der Kirchendiskurs, so lässt sich zusammenfassen, unterstreicht die hervorgehobene Bedeutung der ethnoreligiösen Synthese für die nationale Identität, wie auch für den politischen Einfluss der Kirche. Diese bedient sich denn auch in besonders evidenter Weise der nationalistischen, geschichtsdurchdrungenen Rhetorik und schafft damit einen wirkungsvollen Me-
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taframe für die Interpretation der laufenden Verhandlungen, der Konformität als dringliche Notwendigkeit erscheinen lässt und Ambivalenzen kaschiert. So scheint sich auch die Kirche der machtpolitisch motivierten Ablehnungskampagne um Papadopoulos anzuschließen. Dass die Kirche ihren Führungsanspruch, wie die vorliegende Analyse zeigt, offenkundig primär über Abgrenzung und Gefahrenszenarien legitimiert, unterstreicht – noch dazu vor dem Hintergrund ihrer ökonomischen Interessen – die Wahrscheinlichkeit einer strategisch motivierten Positionierung zum Annan-Plan. Zugleich erscheinen ihr Einfluss und ihre Weltbilder äußerst aufschlussreich für das Verständnis der politischen Kultur, wie auch für das Wesen des gesellschaftlichen Schwebezustandes: Wie die politische Führung, so kann man resümieren, verhindert auch die Kirche durch die Forcierung von Opferrollen, die Propagierung von Maximalforderungen, die Verlockung abstrakter Heilsversprechen und die kontinuierlichen Konformitätsappelle durch Verweis auf nationale Identität und historisches Erbe die Transformation des Status quo – sowohl in realpolitischer wie in emotionaler Hinsicht.
14.6 „Faraway, so close“? Auszüge aus dem Konfliktdiskurs 2016 und 2017 14.6 „Faraway, so close“? Auszüge aus dem Konfliktdiskurs 2016 und 2017 „Substantial progress was achieved in the bicommunal negotiations that were ongoing for almost two years and led to the decision to continue the talks in Switzerland. The aim was to create conditions conducive to a final bargaining agreement bet ween the Greek Cypriots and Turkish Cypriots and the three guarantor states of the Republic of Cyprus: Greece, Turkey, and the United Kingdom. Although recent talks in Switzerland failed to deliver a breakthrough, negotiations continue, and hope survives. With the exception of negotiations on security and guarantees – a chapter whose negotiation inevitably also involves Cyprus’ three guarantor states – convergence on negotiations in all other chapters, namely territory, property, governance and power sharing, as well as economic and EU matters, have resulted in agreement or have brought the positions of the parties within the radius of an agreement” (Grigoriadis 2017: 1).
So lautet die Einleitung einer SWP-Publikation zum aktuellen Stand der Verhandlungen zwischen Anastasiades und Akıncı von Februar 2017. Sie trägt den Titel „Faraway, So Close: Approaching the Endgame in the Cyprus Negotiations“. Der Autor beurteilt die Chancen einer Lösung als so gut wie noch nie, verweist auf die konstruktive Einstellung der beiden Volksgruppenführer und substanzielle Einigung oder zumindest signifikante Annäherung in den erwähnten Bereichen. Im Gegensatz zu 2004, so heißt es weiter, seien DISY und AKEL diesmal klar für eine Lösung, außerdem betonten beide Seiten die Aushandlung einer „zypriotischen Lösung“ im Gegensatz zum durch den Schiedsspruch Kofi Annans als aufoktroyiert empfundenen UN-Plan. Die Konstellationen in den Mutterländern mit den innenpolitischen Spannungen in der Türkei und den rechtspopulistischen Koalitionspartnern der SYRIZA in Griechenland wiederum seien zwar komplexer. Indes stehe das Thema Zypern aufgrund der vielfältigen Herausforderungen der Türkei auf der Agenda nationalistischer Geopolitik nicht mehr an oberster Stelle. Damit steige die Kompromissbereitschaft (Grigoriadis 2017). Letzteres darf angesichts der (im vorangehenden Kapitel erörterten) wiederaufflammenden territorialen Spannungen zwischen den Mutterländern bezweifelt werden. Die komplexe Gemengelage ist in jedem Fall charakteristisch für das Zypernproblem und die Verhandlungen seit 1974: Mal scheint die eine, mal die andere zypriotische Seite kompromissbereiter, mal die Beziehung der Mutterländer de-/konstruktiver, mal die politische Weltlage (un)günstiger. Dass gegenwärtig zwei Volksgruppenführer miteinander verhandeln, die aufrichtig an einer Lösung
14.6 „Faraway, so close“? Auszüge aus dem Konfliktdiskurs 2016 und 2017
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interessiert zu sein scheinen, mit Anastasiades ein griechisch-zypriotischer Präsident am Verhandlungstisch sitzt, der seine Position 2004 mit Vehemenz bis zum Schluss verteidigt hatte und mit Akinci ein in der bikommunalen Annäherung engagierter Politiker, gibt Anlass zur Hoffnung. Indes hatten nach dem Scheitern des Annan-Planes die ebenfalls gemäßigten Talat und Christofias schon zwischen 2008 und 2010 ergebnislos verhandelt. Neue Bewegung schließlich bringt die Entdeckung großer Öl- und Gasvorkommen um Zypern. Sie gibt als ökonomischer Kooperationsanreiz für die zypriotischen Parteien Anlass zur Hoffnung, birgt aber zugleich die Gefahr eines neuen Konfliktherdes, der en miniature die Seerechts- und Sockelstreitigkeiten der Mutterländer spiegeln würde (Faustmann 2012; Gürel et al. 2013). Die Entwicklung der nahen und weiteren Zukunft Zyperns scheint also ungewiss. Leichter zu bestimmen ist indes die relative Kontinuität der wenig lösungsorientierten institutionellen Erinnerung und politischen Rhetorik, wie sie in den Fragmenten des aktuellen Diskurses zum Vorschein kommt. So wurden aus Anlass der wieder intensivierten Gespräche zwischen den beiden Volksgruppenführern von Oktober 2015 bis Mai 2016 die abendlichen, einstündigen Hauptfernsehnachrichten des größten staatlichen Senders RIK im Hinblick auf Themen rund um das Zypernproblem ausgewertet (RIK 2016110). Meldungen zu den laufenden Verhandlungen sind in nahezu jeder Sendung zu finden und nehmen oftmals über die Hälfte der Sendezeit ein. Charakteristisch ist, dass dabei ein Großteil der Berichterstattung auf einer Aneinanderreihung (unkommentierter) politischer Statements der Parteivorsitzenden beruht, die zumeist von Warnungen vor „falschen“ Entscheidungen und gegenseitigen Vorwürfen zwischen Regierung und Opposition gespickt ist. Immer wiederkehrende Motive sind auch Statements führender ausländischer Akteure zur Zypernfrage. Hier werden entweder bilaterale Übereinkünfte und gute Beziehungen zur Republik Zypern betont – insbesondere, wenn sich politische Repräsentanten im Sinne griechisch-zypriotischer Positionen äußern – oder abweichende Positionen kritisiert. Auf der Agenda stehen wie auch 2004 weiterhin Eigentums-, Siedler-, Territorial- und Sicherheitsfragen. Anastasiades lässt verlauten, er sei optimistisch, dass noch im Jahr 2016 eine Einigung erzielt werde (31.01.2016), betont die Notwendigkeit der Abschaffung der Garantien und der hervorgehobenen Rolle der EU für den Schutz von Integrität und Bürgerrechten der beiden zypriotischen Gemeinschaften (31.01/ 23.02.2016). Immer wieder findet sich die Standardformulierung einer funktionalen Lösung im Einklang mit Acquis und Menschenrechten. Konkretere Statements der Führungsriege oder der UN finden sich indes nicht. Nur einmal wird der UN-Sonderbeauftragte für Zypern Eide konkret, als er angibt, man habe sich in der Eigentumsfrage zu 90% geeinigt, der Teufel indes stecke in den restlichen 10% (20.01.2016). Die Berichterstattung über die Türkei ist äußerst negativ: Ihre Positionen und die der türkischen Zyprioten gelten als „überzogen“, „kompromisslos“ oder als „Propaganda“. Erdoğan, so heißt es, habe die türkischen Zyprioten dazu aufgerufen, keine weiteren Zugeständnisse zu machen. Wütend äußert sich die politische Repräsentanz Zyperns zur türkischen „Provokation“ (21.01./06.02/11.02./12.02.2016). Immer wieder stehen Anerkennungsfragen und territoriale Spannungen im Vordergrund: Die Türkei sei schon mehrfach in zypriotischen Luftraum eingedrungen und sie erkenne die AWZ der Republik Zypern nicht an, 110
[abgerufen am 01.02.2016].
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so politische Repräsentanten in schneidendem Ton (18.12.2015/12.05.2016). Mit Argusaugen wacht, so scheint es, die Opposition über Anastasiades´ Äußerungen und wirft ihm vor, die anderen Parteien zu wenig über die Verhandlungsdetails zu informieren: Er dürfe in Eigentumsfragen bloß nicht der türkischen Propaganda auf den Leim gehen, so heißt es von der DIKO. Empörung äußert die Opposition über die Einladung Akincis zum EU-Ratstreffen in Davos. Anastasiades müsse klarstellen, dass er nicht als offizielles Staatsoberhaupt eingeladen worden sei. Ein Streit ist außerdem über die Urheberrechte des zypriotischen Haloumi (Käse) zwischen den beiden Seiten entbrannt (17.-21.01.2016). Wenig später wird über geheime Informationen der Verhandlungsdokumente berichtet, die an die Öffentlichkeit gelangt seien und auf die Aufrechterhaltung der britischen Basen deuteten. Konspirativ heißt es von der Opposition, Anastasiades versuche wohl über die Köpfe der Zyprioten hinweg zu entscheiden. Anastasiades seinerseits wirft der Opposition vor, die Verhandlungen torpedieren zu wollen (02./03.02.2016). Fast in jeder Sendung finden sich direkte oder indirekte Referenzen zur National- und Konfliktgeschichte in Form von Berichten über Trauerfeiern aufgefundener Vermisster oder von der Politprominenz und geistigen Führung besuchten Gedenkfeiern für gefallene EOKAKämpfer an den zentralen Erinnerungsorten. Darunter ist auch eine opulente Gedenkfeier an Präsident Papadopoulos, der von Parlamentspräsident Omirou als „unsterblich“ bezeichnet wird, während die Ablehnung des Annan-Planes als „Glanzstück seiner Karriere“ gewürdigt wird (12.12.2015). Wütende Schülergruppen, so heißt es, hätten an mehreren Stellen der Hauptstadt türkische Zyprioten angegriffen und bedroht. Politiker verurteilen das Gebaren der „kopflosen“ Schüler. Gleich danach folgt ein Bericht über eine Großdemonstration von Schüler- und Studentenvereinigungen, die mit Transparenten an der Grenze gegen „Atilla“ demonstriert hätten (16.11.2015). Interessant ist, dass die Handlungen der Jugendlichen im ersten Bericht verurteilt werden, um im Folgenden als Verfechter der nationalen Freiheit zu präsentieren. In einer langen Hommage gedenken die Abendnachrichten Panikos Dimitriou, eines jungen Mannes, der 1975 im Tumult wütender Proteste griechischer Zyprioten gegen die Entscheidung der Türkei, türkisch-zypriotische Flüchtlinge in Häusern griechisch-zypriotischer Flüchtlinge unterzubringen, ums Leben kam. Man nennt ihn einen gefallenen Helden aus der Reihe der großen Märtyrer für die Heimat, einen strebsamen, bescheidenen Musterschüler und glühenden Patrioten. Es heißt, er sei von einem britischen Panzer getötet worden. Ein Bericht der New York Times von 1975 indes berichtet, ein UN-Fahrzeug hätte den jungen Mann versehentlich überfahren, als es einem UN-Konvoi zu Hilfe eilte, der von der aufgebrachten Menge attackiert wurde (17.01.2016; Roberts, 1975). Ein langer, bewegender, mit Musik untersetzter Bericht am Tag der Heiligen Drei Könige (Theophania) zeigt griechische Zyprioten, die, so heißt es, zum ersten Mal seit 1974 das wichtige orthodoxe Fest in ihrer besetzten Heimat Famagusta feiern durften. Während junge Männer traditionell nach dem Kreuz tauchen, spricht Anastasiades, umringt von Metropoliten, vor einer berührten Menschenmenge von der großen Hoffnung, dass im nächsten Jahr alle Bürger Zyperns in Freiheit lebten und gemeinsam die Bürgerrechte und die Sicherheit der Europäischen Union genössen. Von der „stummen Stadt“ und ihrem „schweren Herz“ ist die Rede. „Wir hoffen, dass wir im nächsten Jahr wieder alle (sic!) hier leben können“, so ein Geistlicher. Den Bericht ergänzt eine ebenso bewegte Reportage über die Griechen Smyrnas, die Romioi, denen es ebenfalls zum ersten Mal erlaubt worden sei, das orthodoxe Fest öffentlich zu zelebrieren. Während die Nachrichtensprecherin von „drückender
14.6 „Faraway, so close“? Auszüge aus dem Konfliktdiskurs 2016 und 2017
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emotionaler Atmosphäre“ für die griechische Minderheit dort spricht, klingt die Live-Schalte, in der ein Geistlicher erzählt, die Erlaubnis und Umsetzung sei ganz leicht mit den lokalen Behörden abgestimmt worden, deutlich positiver (06.01.2016). Die Berichte evozieren den national-religiösen Diskurs der göttlichen Erlösung, ziehen Parallelen zum Mutterland, erinnern an die Rhetorik der Schuldbücher und unterstreichen auch die Kontinuität der problematischen Botschaft einer uneingeschränkten Rückkehr zum Status quo ante. Als äußerst brisant erscheint weiterhin die Vermisstenfrage. Neue Anstrengungen müssten erfolgen, doch sei die Türkei unkooperativ, so der Vorsitzende des griechisch-zypriotischen Vermisstenkommittees (11.02.2016). Mit Entrüstung reagieren die politischen Kreise auf ihre Forderung nach Zugang zu südzypriotischen Militärzonen zur Lokalisierung sterblicher Überreste, die damit auf gleiche Forderungen von griechisch-zypriotischer Seite reagierte. Von „makabren Spielchen“ und Provokationsversuchen ist die Rede. Zugleich bemühen sich Akinci und Anastasiades in einer gemeinsamen Stellungnahme, in der sie die Bevölkerung beider Seiten zur Kooperation auffordern, offenkundig um einvernehmlichen Fortschritt in der Sache (24.01.11.02.2016). Die hier vorgestellten Fragmente illustrieren, dass sich die grundsätzlichen Haltungen der griechischen Zyprioten weder in der Rhetorik noch in den essenziellen Streitpunkten verändert haben. Misstrauen und Abneigung prägen das Verhältnis zur Türkei, Positionen zu den Verhandlungen erscheinen tief mit parteipolitischen Grabenkämpfen verwoben. So wird auch deutlich, welchen potentiellen Sprengstoff jede politische Geste und jede Entscheidung in einem Klima kontinuierlicher Unterstellungen und Gefahrenverweise bergen und damit auch, unter welchem Druck der offenkundig um eine Lösung bemühte Anastasiades agiert. Auch die Anerkennungsfrage scheint nichts von ihrer Brisanz eingebüßt zu haben. Im August 2016 berichtet die Cyprus Mail über die Drohungen gegen einen griechisch-zypriotischer Händler, der Kartoffeln aus dem Norden importiere. Die EU hatte nach den gescheiterten Verhandlungen 2004 im Rahmen eines Maßnahmenpakets für die ökonomische Unterstützung des Nordens die sog. Green Line Regulation eingeführt, die unter bestimmten Parametern den beidseitigen Warenaustausch jenseits der Grünen Linie erlaubt. Der griechische Zypriot handelte also nicht illegal. Unbekannte hätten daraufhin Schüsse vor seinem Haus abgegeben, gefolgt von einer wütenden Demonstration von 200 Bürgern, darunter auch DISY-und ELAM-Abgeordnete, die den Handel als „illegal“ bezeichneten. DISY-Pressesprecher Prodromou (Interview) beschwichtigte mit den Worten, die Aktion sei zwar unglücklich, die Abgeordneten indes hätten unter dem Druck der Wählerschaft aus der Kartoffelindustrie gehandelt. Es ist bezeichnend, dass sich Prodromou als hoher DISY-Repräsentant und damit als Repräsentant der größten Partei, die aktuell mit der anderen Seite verhandelt und sich lösungsbereit zeigt, nicht klar gegen diese Aktion positioniert. Der Artikel verweist denn auch fast entschuldigend auf die schwelenden Ressentiments in der Bevölkerung, die sich auch nicht von geltenden Verordnungen „einfangen“ lassen und auf den Druck potentieller Wählerinteressen, auf die die Parteien reagierten (Cyprus Mail 2017). Ferner illustriert die Fernsehberichterstattung über die pöbelnde und demonstrierende Jugend und die politischen Reaktionen die tiefen Widersprüche von omnipräsenter Konfliktgeschichte und Bildungskultur, die nationalistischen Fanatismus schüren, der alsdann (angeblich) verurteilt wird. Führende Bildungspolitiker beispielsweise reagieren nur wenige Monate später mit großer Entrüstung auf die Kritik der Vorsitzenden des parlamentarischen Ausschusses zum
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Schutz der Kinderrechte am obligatorischen Besuch der „eingepferchten Gräber“ im Kindergartenalter. Die Konfrontation mit diesem Ort von Tod und Gewalt habe für die Kinder mitunter traumatische Folgen, so Koursoumpa. In den lauten Gegenstimmen, die sie motiviert und zu der auch der Bildungsminister selbst zählt, gilt die Kritik als „antipädagogisch“, als Missachtung der fundamentalen Kinderrechte, über Freiheit, Demokratie und die Grundfesten der griechisch-zypriotischen Nation unterrichtet zu werden, gar als Ablenkmanöver von bildungspolitischen Herausforderungen (Po134; Po135). Jenseits der vehementen Verteidigung der institutionellen Erinnerungskultur sind die (wieder einmal) breiteren Grundrechtsdiskursen entlehnten sprachlichen Stilmittel auffällig, mit denen die Kritik zurückgewiesen wird. Ein Autor des Politis macht sich denn auch über die Reaktionen der politischen Kreise lustig und bezeichnet sie als anachronistisches und inhaltsleeres Imponiergehabe (Po136). Die Haltung der Kirche zum nationalen Erbe schließlich zeigt sich exemplarisch in der Reaktion des zypriotischen Erzbischofs, der sich im Nachgang der Parlamentswahlen im Mai 2016 im Fernsehen zufrieden über den erstmaligen Einzug der rechtsextremen, ultra-nationalistischen ELAM (ein Ableger der griechischen Goldenen Morgenröte) äußert.111 Im Februar 2017 verabschiedet das Parlament unter DISY-Mehrheit einen von der ELAM vorgelegten Gesetzesentwurf, der einen an den Schulen zelebrierten Gedenktag für das Enosis-Referendum etabliert. Auf die Kritik der türkischen Zyprioten reagiert Anastasiades mit den Worten: “If the Turkish Cypriot community demonstrates such sensitivity to a simple reference to an historical fact, how provocative for the Greek Cypriot community are the celebrations for the anniversary of the Turkish invasion that led to the occupation and imposed the unacceptable status quo?” (Cyprus Mail 2017).
Sein Ausspruch unterstreicht Brisanz und Statik einer immer noch hoch kompetitiven Erinnerungskultur, die – anstatt, dass sie reformiert würde – sogar noch weiter gefestigt wird. Der Vorwurf der Sensitivität gegenüber einer „schlichten historischen Tatsache“ evoziert den für den Diskurs so charakteristischen Wettbewerb um Wahrheiten, der Multiperspektivität und Empathie außen vor lässt. Im nächsten Kapitel wird darauf zurückzukommen sein.
14.7 Resümee 14.7 Resümee In der vorliegenden Diskursanalyse, so lässt sich resümieren, zeigt sich anschaulich das Ineinanderwirken kognitiver und strategischer Frames, wie sie im Theorieteil vor allem mit Blick auf die Rolle von Medienmedienstrategien beschrieben wurde: Zeitungen und Fernsehen, gespeist durch und flankiert von angesehenen Persönlichkeiten und zentralen Interessengruppen – zuvorderst Politik, Wissenschaft und Kirche – geben durch (vermeintliches) Expertenwissen und Werturteile den offenkundig relativ engen Rahmen vor, in dem die Argumente um den Annan-Plan öffentlich diskutiert, wahrgenommen und bewertet wurden. Im Diskurs selbst zeigen
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[abgerufen am 11.01.2017]. Die ELAM (Nationale Volksfront) definiert sich nahezu ausschließlich über rassistische Polemik gegenüber „der anderen Seite“ und über historische Referenzen nationaler Größe und kämpft gegen die vermeintliche Verdrehung von Wahrheiten. Auf ihrer Homepage sympathisiert die ELAM offen mit der deutschen NPD [http://elamcy.com/]. Trotz intensiver Bemühung konnte die Verfasserin keinen ihrer Vertreter zu einem Interview gewinnen.
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sich erstens – an etlichen Stellen lehrbuchhaft – die zentralen Merkmale unteilbarer Konflikte im kognitiven Prisma einer Win-lose-Perspektive und eines Verschwörungs-und-Gefahren-Frames, der Maximalansprüche und Sicherheitsbedenken in den Vordergrund rückt. Externe Akteure sowie interne Kritiker erscheinen in diesem Sinne in der Mehrheit als illegitim und bedrohlich für die eigene Sache. Fragen ideeller und materieller Ressourcenverteilung (nationale Würdigung, staatliche Souveränität, Territorium) sowie ideeller und materieller Entschädigung für vergangenes Leid werden nahezu ausschließlich als Nullsummenspiel betrachtet. Planbefürworter wie Gegner scheinen das Konfliktprisma im Hinblick auf ihre Sorge vor potenziellen Gefahren im Falle einer Realisierung des Planes zu teilen. Erstere indes plädieren aus pragmatischen Gründen für eine Überwindung des Status quo und stellen dabei die relativen materiellen Zugewinne in den Vordergrund. Mit Ausnahme weniger Artikel des Politis, in dem türkische Zyprioten zu Wort kommen, ist die Kontroverse auf griechisch-zypriotische Akteure beschränkt. Statt eines gemeinsamen Dialoges über Details einer gemeinsamen Zukunft, charakterisiert sich der Diskurs durch die vielsagende Nicht-Kommunikation mit der anderen Seite, die zugleich Ausdruck und diskursive Praxis der sprachlichen Nicht-Anerkennung ist. Der Diskurs speist sich zweitens durch eine Vielzahl historischer Referenzen, die – wenn auch mit deutlichen stilistischen Unterschieden zwischen Phileleftheros und Máhi – in der Mehrheit als mahnendes Beispiel Analogien zu den gegenwärtigen Verhandlungen zeichnen und damit vor einer Wiederholung der Geschichte warnen. Indes finden sich, vor allem im Phileleftheros auch kritisch-differenzierte Beiträge, die im Rekurs auf die Geschichte gerade für einen Paradigmenwechsel plädieren und damit implizit die erörterte Frustration mit dem jahrzehntelangen Schwebezustand zum Ausdruck bringen. Daraus leitet sich drittens ein entsprechendes Verständnis der internationalen Beziehungen ab, dass zum einen klassische (anthropologische) wie neorealistische Elemente enthält, insofern sowohl die potentielle Bösartigkeit externer Akteure, wie auch die primäre Notwendigkeit von Koalitionen zur Überwindung des Sicherheitsdilemmas im Fokus stehen (hier tendiert die Máhi zu ersterem, der Phileleftheros zu letzterem). So dient die institutionelle Einbindung in die EU als primäres Ziel zum Schutz vor militärischer Aggression der Türkei. Zum anderen aber spielen für die Umsetzung der eigenen machpolitischen und geostrategischen Ziele Fragen der Legitimität eine zentrale Rolle, die als Fremd-Image etikettiert wurden. Ob es um Fragen historischer Schuld, der völkerrechtlichen Anerkennung Nordzyperns oder um Ansprüche materieller und ideeller Entschädigung geht: Immer spielt die Außenwahrnehmung, die bereits durch das Nationalnarrativ fest mit der kollektiven Identität verankert ist, eine entscheidende Rolle. Im Krisenfall nämlich entscheidet, wie erwähnt, Legitimität potenziell über militärischen Beistand, über Sanktionen, Finanzhilfen oder – für beide Inselteile essenziell – über den internationalen Tourismus. Alle drei Aspekte untermauern die Wahrscheinlichkeit eines Erfolges politischer Manipulation, die vonseiten internationaler Beobachter im Kontext des Annan-Planes immer wieder moniert wurde. Dabei unterstreichen Verlauf und Sprachgewalt des Diskurses das kollektive Arousal der Gesellschaft, sowie die hohe (forcierte) Homogenität gemeinsamer Glaubensgrundsätze und kollektiver Identität. Beides erklärt die Frontstellung gegenüber den Befürwortern. Immerhin, so muss man festhalten, traten die Spitzenrepräsentanten der beiden größten Parteien DISY und AKEL für den Plan ein und am Ende stimmen zwar 76% gegen den Plan,
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aber 24% dafür. Dass Christofias (wohl) aus wahltaktischen Erwägungen umschwenkte und damit sowohl dem Regierungspartner, wie dem Druck der Öffentlichkeit nachgab, zeigt, wie wirkungsvoll die Kampagne der Führungsriege um Papadopoulos sich binnen weniger Monate entfalten konnte. Hier deckt die vorliegende Diskursanalyse anschaulich die sozialpsychologische Tiefenstruktur der griechisch-zypriotischen Gesellschaft auf, die den großen Widerhall der entsprechenden Botschaften, wie sie in den erörterten Konformitätsapellen als Notwendigkeit zur Gefahrenabwehr oder als Imagestrategie zum Ausdruck kamen und durch eine politische Kultur enger und hierarchischer Interpretations- und Handlungshoheit erleichtert wurden. Mit anderen Worten: Offensichtlich war es der politischen Führung und allen Ablehnern des Wiedervereinigungsplans in ihrer strategischen Absicht dienlich, sich historischer Feindbilder zu bedienen. Doch reflektieren die veranschaulichten Prämissen, Sorgen und Ressentiments, wie sie vor allem im Abschnitt der Gerechtigkeitsforderungen illustriert wurden, auch die unerfüllten Grundbedürfnisse, die kontraproduktive Eigendynamik von verschleppten Dauerzuständen negativer Wahrnehmung und Emotion, wie auch das daraus erwachsende Konfliktcluster (Interessen-Hierarchien) und -prismen (gefilterte Wahrnehmung). Beides erklärt den Widerspruch, dass die griechischen Zyprioten sowohl den detaillierten Regelkatalog kritisieren, wenn er ihre Freiheiten einschränkt, als auch den Mangel an Präzision, wenn er ihren Freiheitsansprüchen und Sicherheitsinteressen zuwiderläuft. Das Erörterte verweist aber auch anschaulich auf das Entrapment-Konzept, wie es in Kapitel 3 erörtert wurde. Frustration und Ressentiments motivierten nämlich offenkundig eine „Ganz-oder-gar-nicht“-Haltung. Erinnert man sich an Mitchells (2005: 104) Metapher von der halb vollendeten Brücke und seiner Definition von Entrapment der Konfliktparteien als einer Situation, die jegliches Einlenken verbiete und beide Seiten somit zwinge „to work toward an agreement that they are finding less and less attractive”, so gilt das ganz besonders für die griechisch-zypriotische Gemeinschaft und ihren Mythos von der (göttlichen) Wiederherstellung des Status quo ante. Kann man daraus schließen, dass der Annan-Plan in seiner konkordanzdemokratischen Konzeption aus ähnlichen Gründen scheiterte, wie sein historisches Vorbild? Beide beruhen letztlich auf den Bemühungen, ein Fehlen an Vertrauen, Kooperationsbereitschaft und gesinnungsgemeinschaftlicher Identifikation durch ein Mehr an Detailregelungen wettzumachen, die den Spagat zwischen zentrifugalen (Autonomiesicherung) und zentripetalen (Kooperationszwang bzw. -anreize) Kräften schlagen müssen. Ein Vergleich zwischen den Diskursen um 1963 und 1974 mit dem von 2004 zeugt davon, dass damals wie heute die exklusiven Nationalnarrative, das Bedürfnis nach staatlicher Anerkennung und Gleichwertigkeit, Ressentiments gegenüber der empfundenen Überrepräsentation einer Minderheit und daraus resultierende Erwägungen zu politischer Taktik und Strategien weiterhin im Vordergrund stehen. Das Bedürfnis nach Augenhöhe mit der internationalen Staatengemeinschaft zieht sich dabei wie ein roter Faden durch die einschlägigen Diskurse seit 1955 und ist ein offenkundiges Resultat der Kolonialvergangenheit und verspäteten Nationenbildung. Hier kann man von einer Kontinuität der soziopsychologischen Infrastruktur sprechen, die durch die demütigenden und traumatischen Erfahrungen von Besatzung und Vertreibung noch verstärkt wird. Dass der Annan-Plan das Sicherheitsbedürfnis der türkischen Zyprioten und die demographischen Realitäten der vorangehenden Jahrzehnte berücksichtigen musste,
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brachte das Dilemma mit sich, dass das so geschaffene, konföderative Modell von den griechischen Zyprioten als völkerrechtliche Konsolidierung der Besatzung wahrgenommen wurde. Diese Perspektive, so kann man zusammenfassen, wird erstens durch das Ausbleiben strafrechtlicher Maßnahmen gegenüber der Türkei, zweitens durch die weiterhin diametral entgegengesetzten Ansichten zum Konfliktverlauf motiviert, die symbolische und materielle Anerkennung verhindern. Die Maximalforderungen werden drittens durch die institutionell forcierte Statik der kollektiven Erinnerung an den Status quo ante, wie sie im vorangehenden Kapitel erörtert wurde, sowie durch die kollektive Opferrolle, die schmerzhafte und unbequeme Schuldfragen projiziert, noch verstärkt. Der Trugschluss, man könnte zu den demographischen und politischen Wirklichkeiten von 1974 zurückkehren, die (mehrheitliche) Überzeugung von der absoluten Rechtmäßigkeit der eigenen Position und die kollektive Kränkung durch Gewalterfahrung und Staatsverlust, potenzieren sich gegenseitig und halten die griechisch-zypriotische Gesellschaft in eben dem charakteristischen Schwebezustand der Unteilbarkeit, der sich auch im Jahr 2016 nicht grundsätzlich verändert hat. Zugleich aber stehen die Maximalforderungen in dem im vorangehenden Kapitel erörterten Spannungsverhältnis zu einer Alltagswirklichkeit des Arrangements mit den Postkonfliktrealitäten. Während viele türkische Zyprioten 2004 aus der Erfahrung der Bevormundung durch die kemalistischen und nationalistischen Kreise und in Aussicht internationaler Anerkennung für den Plan stimmen, scheint sich die Mehrheit der griechischen Zyprioten mit dem Status quo zumindest nicht so unwohl zu fühlen, als dass man die (faktisch) volle staatliche Souveränität für ein Modell der Gewaltenteilung eintauschen würde. Gleichzeitig erscheint es als Frage des Grundsatzes und der nationalen Würde, die Maximalansprüche, wie sie sich in den Botschaften der institutionellen Erinnerungskultur manifestiert, nicht aufzugeben. Dieser Widerspruch zeigt sich aus sozialpsychologischer Sicht offen in Augenblicken der Krise, wie in den UN-Verhandlungen, die den verwobenen Schwebezustand gefährden, indem sie klare Positionen einfordern. Auf die Gefahr einer Konfrontation mit einer Wirklichkeit des Kompromisses jenseits der Grand Narratives – so scheint es – also in Augenblicken, in denen nationale, machtpolitische, territoriale Interessen und sozioemotionale Kernfragen zur Disposition stehen, rücken die Maximalansprüche wieder in den Vordergrund. Das beleuchtet den Widerspruch, der darin zum Ausdruck kommt, dass die nationalistische Máhi zwar der institutionellen Erinnerungskultur nahesteht – führende Politiker wie DISY-Pressesprecher Prodromou und Bildungsminister Ioannides und zypriotische und griechische Wissenschaftler publizieren dort regelmäßig und ihr Jargon gleicht dem Gros der Máhi-Artikel –, sich auch etliche Parallelen zur Fernsehberichterstattung zeigen, die Zeitung indes nur eine sehr geringe Auflage hat. Obgleich die Verfasserin hier nur eine Vermutung aussprechen kann, scheint es doch, dass die Máhi als Sprachrohr der „EOKA-Veteranen“ mit ihren maximalistischen Ansprüchen für eine gesellschaftliche Mehrheit im Alltag offenkundig nicht brisant genug ist, als dass sie die Zeitung regelmäßig lesen würde. Auch aus Gründen des internationalen Images erscheinen ihre Positionen nicht unbedingt „salonfähig“. Die diskursive Nähe der Máhi zur Rede Papadopoulos untermauert aber das bereits angeführte Argument, dass die institutionalisierten Weltbilder offenkundig im Augenblick der Krise als Legitimationsinstrumente in die gesellschaftliche Mitte rückten. Außerhalb dieser „Hochphasen“ erscheinen sie eher Teil einer rituellen (Feiertage, „Sonntagsreden“) Erinnerungskultur und als gleichsam von allen Widersprüchen und Leerstellen glatt geschliffene
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Botschaft für die nachfolgende Generation. Manche Zyprioten huldigen ihr aktiv, manche (insbesondere die Friedensaktivisten) lehnen sie vehement ab. Die größte Gruppe der griechischen Zyprioten, so erscheint es der Verfasserin auch im Rekurs auf zahllose informelle Gespräche, setzt sich aber aus jenen zusammen, die im Alltag einen gemäßigten emotionalen Bezug zu den institutionellen Referenzpunkten der Nationalgeschichte pflegen. Sie scheinen sich mit der Mischung aus Widersprüchlichkeit, dem „Aus-der-Zeit-gefallen-sein“ und den dennoch vielfältig dienlichen Funktionen dieser Referenzpunkte arrangiert zu haben. Mit Blick auf das folgende Kapitel stellt sich so die Frage, welche Rolle Versöhnung als Katalysator für die Transformation der erörterten Nullsummenwahrnehmung spielen kann und, ob es dadurch gelingen könnte die widersprüchliche Koexistenz der beiden Gemeinschaften durch eine konstruktive Form von Gemeinschaftsverständnis abzulösen. Denn die Zeit, das erscheint evident, vergrößert die bestehende Spannung zwischen maximalem Anspruch und realistischer Umsetzbarkeit. Die im Annan-Plan vorgesehene Etablierung einer Wahrheits- und Versöhnungskommission spielte im Diskurs bezeichnenderweise gar keine Rolle, wurde sie doch von Quid-pro-quo-Fragen völlig überlagert. Das zeigt, dass ein breites Verständnis für die Rolle von Versöhnung kaum vorhanden ist. Im Sinne der Transitional Justice erscheint es daher als Fehler, dass in den Verhandlungen um den Annan-Plan, wie auch in den Jahrzehnten zuvor, im inhärenten Spannungsverhältnis zwischen Vertrauensförderung bzw. sozialer Kohäsion und strafrechtlicher Verantwortung zur Vergangenheitsbewältigung bisher zugunsten des Ersteren entschieden wurde. Auch die bilateralen Verhandlungen der folgenden Jahre bis zum heutigen Zeitpunkt klammern Aspekte der symbolischen und materiellen, geschweige denn der strafrechtlichen Anerkennung für das Leid der anderen Seite aus. So stellt sich die Frage, ob nicht an den essenziellen Belangen „vorbeiverhandelt“ wird.
15 Unteilbarkeit versöhnen? Engagement, Chancen und Hindernisse 15.1 Gel(i)ebte Unteilbarkeit als gesellschaftlicher Referenzrahmen 15.1 Gel(i)ebte Unteilbarkeit als gesellschaftlicher Referenzrahmen „Three men are sentenced to death in a far-away country: an Englishman, a Frenchman and a Cypriot. On the day of their execution they are asked to name their last wish. The Englishman asks for a cigar; the Frenchman asks for a glass of wine. The Cypriot asks to be granted a last opportunity to talk to the execution squad about the Cyprus problem. On hearing this, the Frenchman and the Englishman change their last wish and beg to be shot before the Cypriot starts talking” (Constantinou 2014: 65).
Vieles deutet darauf hin, so kann man mit Blick auf das vorherige Kapitel sagen, dass die dominanten Narrative Griechenlands und Zyperns jenseits der institutionellen Ebene nicht nur von politischen Kreisen und bestimmten Interessengruppen aktiv propagiert, sondern von einer weitaus größeren Gruppe stillschweigend gebilligt werden, bzw. als Teil der eigenen Tradition und damit der kollektiven Identität gelebt, zu bestimmen Anlässen (nationale Feierlichkeiten, kirchliche Feiertage) zelebriert und in Augenblicken, in denen (macht-) politische und territoriale Interessen auf dem Spiel stehen, besonders relevant werden. Ein anthropologischer Blick zeigt dabei – ähnlich, wie in den Mutterländern – sowohl die Widersprüchlichkeiten des öffentlichen (Vorstellungs-) Raumes, wie auch seine vielfältigen Widerstandspunkte auf. Zu Beginn ihrer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Zypern erstaunte die Verfasserin Frustration, Pessimismus und die Unterstellung inhaltsleerer Rhetorik, mit der insbesondere die Friedensaktivisten auf etwaige optimistische Äußerungen politischer Zirkel reagierten. Erst ein allmählich gereiftes Verständnis für die geschilderten widersprüchlichen Facetten versetzte sie in die Lage, die Diskrepanz zwischen optimistischen internationalen Pressemitteilungen und der „Lokaleinschätzung“ zu verstehen. Kann, so fragt man sich vor diesem Hintergrund, die Unteilbarkeit des Zypernkonfliktes jemals überwunden werden? Wurden in den vorangehenden Empiriekapiteln die zentralen Aspekte der zypriotischen Unteilbarkeit in den drei zentralen Bereichen der Erinnerungskultur, der Bildungspolitik und der politisch-medialen Sphäre erörtert, sollen im vorliegenden Kapitel in diesem Sinne die Hindernisse, Chancen und die zivilgesellschaftliche Praxis für Versöhnung erörtert werden. Dabei werden vor allem die psychologischen und kulturanthropologischen (Meta-) Perspektiven der zentralen zypriotischen Friedensforscher und -aktivisten erörtert, von denen die Verfasserin etliche über formelle und informelle Gespräche kennenlernen durfte. Wie im vorangehenden Kapitel mit einem Fokus auf der griechisch-zypriotischen Gemeinschaft gezeigt wurde – denn sie ist diejenige, die vehement eine Abkehr vom Status quo fordert – scheinen sich die mehrheitlichen Einstellungen zum Konflikt und die verbundene gesellschaftliche Praxis durch einen widersprüchlichen Schwebezustand aus zum einen nostalgischer Verklärung, Verdrängung und Projektion und zum anderen politischer Obstruktionsstrategie zu charakterisieren. Trotz der Tatsache, dass weder die politische Rhetorik noch die monolithischen und aggressiven Geschichtsnarrative etwas von ihrem Maximalanspruch eingebüßt haben, scheinen sich die meisten Zyprioten indes mit den Folgen des Konfliktalltages arrangiert zu haben. Viele verharren dabei in einer Mischung aus Frustration und Kränkung vor dem Hintergrund eines als unveränderbar empfundenen Status quo, Desinteresse und Zynismus – eine häufige, von der Verfasserin beobachtete Reaktion – und dennoch nicht schwindender
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Rehrmann, Der Zypernkonflikt, Innovative Konfliktforschung – Innovation in Conflict Research, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31192-6_15
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15 Unteilbarkeit versöhnen? Engagement, Chancen und Hindernisse
Hoffnung, dass der Konflikt doch eines Tages gelöst werden könnte. Sie gilt für Vertreter des dominanten, ethnisch-exklusiven Diskurses, wie für diejenigen, die für eine Abkehr vom selektiven, ethnozentrischen Diskurs, für Dialog, Kompromiss und Versöhnung eintreten. Der große Widerspruch indes liegt in der breiten gleichgültigen bis offen feindseligen Haltung breiter Gesellschaftsteile gegenüber eben jenen Friedensaktivisten, die im täglichen interkommunalen Kontakt, durch Augenhöhe, Dialog und Projekte zur Vergangenheitsbewältigung tatsächlich im Kleinen an die neuralgischen Punkte der zypriotischen Unteilbarkeit herangehen. Nicht nur die Tatsache, dass es sich um eine zahlenmäßig kleine Gruppe handelt, sondern vor allem eben jene gesellschaftliche (ostentative) Gleichgültigkeit und Antipathie scheint einer der zentralsten Indikatoren für die emotionalen Barrieren, Widersprüchlichkeiten und abweichenden Interessen der beiden Mehrheitsgesellschaften zu sein. Denn die Aktivisten halten – hier kommt die anthropologische Perspektive zum Tragen – ihnen offenkundig den sprichwörtlichen Spiegel ihrer eigenen Widersprüche vor. Diese Widersprüche – so scheint es – sind mit den „herkömmlichen“ Mitteln der Konfliktbeilegung nicht aufzulösen. Diese Einsicht prägt offensichtlich zunehmend auch – wie im Forschungsstand einleitend erwähnt – die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Zypern. „Resolving Cyprus. New Approaches to Conflict Resolution“ (Ker-Lindsay 2014) beispielsweise ist der Titel eines Sammelbandes mit Kurzbeiträgen von Zypernkennern unter der Leitfrage, ob der Konflikt ihrer Meinung nach gelöst werden könne. Anders als der Titel vermuten lässt, zeichnen die Autoren mit teils sarkastischem Unterton hauptsächlich die Langwierigkeit und Widerspenstigkeit des Konfliktes nach, ohne wesentliche Handlungsempfehlungen zu geben. So eröffnet Jan Asmussen (2014: 31) seinen Beitrag „Escaping the Tyranny of History” – untypisch für einen wissenschaftlichen Zugang, doch umso wirkungsvoller – mit einer Aneinanderreihung unkommentierter Zitate. Zunächst kritisiert dort der griechisch-zypriotische Volksgruppenführer die für sein Verständnis zu weitreichenden Zugeständnisse an die türkischen Zyprioten, hält eine baldige Lösung dennoch für wahrscheinlich. Ein UN-Gesandter äußert sich optimistisch, dass es bald gelingen möge, die komplexen Positionen der Zypernfrage greif- und verhandelbar zu machen. In einem dritten Zitat wird beklagt, die beiden höchsten politischen Vertreter würden zwar kontinuierlich verhandeln, seien indes von einer Lösung weit entfernt. Ein UN-Sondergesandter mahnt schließlich an: „The current window of opportunity is not limitless and there is little to suggest that the future will bring more propitious circumstances for a settlement”. Das irritierende an diesen Zitaten sei, so Asmussen, dass die ersten zwei von 1968 seien, die letzten von 2012 (Ibid.: 31-32). Eine ähnliche Pointe wurde der Verfasserin im persönlichen Gespräch zuteil. So erzählte Savvas Christofides (2013), zypriotischer Architekt und interkommunaler Aktivist, er habe kürzlich das private Familienvideo einer Geburtstagsfeier seines Sohnes von 1990 angesehen. Im Hintergrund der gefilmten Szene sei der laufende Fernseher zu sehen gewesen, in dem eine Nachrichtensprecherin von den „aktuellen Gesprächen in der Zypernfrage“ berichtete und darauf verwies, die Verhandlungen befänden sich an einem äußerst kritischen Punkt. Eine Lösung sei dennoch in Reichweite. Die Türkei und die türkischen Zyprioten müssten nur ein wenig von ihren unverhältnismäßigen Maximalpositionen abrücken. Dieses Erlebnis, so Christofides, sei für ihn schockierend und erhellend zugleich gewesen. Die Anthropologin Olga Demetriou erklärt diesen Befund als eine auf Dauerverhandlungen basierende „Normalisierungsstrategie“:
15.1 Gel(i)ebte Unteilbarkeit als gesellschaftlicher Referenzrahmen
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„So what were the techniques through which abnormality was rendered familiar? In short, negotiations. Negotiations have lain at the center of the confluence of peace and conflict in Cyprus. They have defined the sphere of the political for decades, as the prospect of imminent agreement was perpetually deferred” (Demetriou 2012: 68).
Die Allgegenwart und Brisanz der Konfliktfragen, wie sie einleitend als Charakteristikum von unteilbaren Konflikten erörtert wurden, sind also hier in ihrer Statik Teil der Perpetuierung von Unteilbarkeit selbst. Etliche Konfliktwissenschaftler kommentieren denn auch kritisch die Mechanismen einer Alltagsroutine der griechisch-zypriotischen Gesellschaft aus parteipolitischer Rhetorik zum Zypernkonflikt, Bekundungen des guten Willens und gleichzeitiger Tatenlosigkeit. So postuliert der eine ironisch, das starre Festhalten an ethnischer Exklusivität entspreche doch gar nicht mehr den postmodernen Realitäten der Insel und einem Alltag, der durch Konsum oder die Beschäftigung mit persönlichen Angelegenheiten gezeichnet sei. Warum könne man sich im Lichte dieser Realitäten nicht endlich auf gute Nachbarschaft einigen, um von den ökonomischen, sozialen und politischen Vorteilen einer Lösung zu profitieren? (Akcali 2014: 16-23). Resigniert resümiert Kitromilides (2014: 152) seine Lebenserinnerungen an die mittlerweile bereits Jahrzehnte währende Rhetorik einer bevorstehenden Lösung, die indes niemals gelänge. Zypern, so schließt er, gehöre gemeinsam mit dem Nahostkonflikt zu jenen Konflikten, die niemals gelöst würden. Das solle man sich eingestehen. Dass ein zentraler Grund dafür ist, dass der Konflikt über die ritualisierte Praxis mittlerweile zum festen Bestandteil von Identitäten und Rollen geworden ist, veranschaulicht Constantinou, der an der University of Cyprus lehrt und den Zyprioten kollektiven Narzissmus unterstellt: „Concerning their conflict, Cypriots are caught in a narcissistic game whose stakes are extremely high. Group narcissism physically functions to produce a collective ´ego ideal`, which members of the groups are expected to live up to and, if they do not, they are then castigated. This speaks not only of Greek Cypriot and Turkish Cypriot nationalism, but equally of neo-Cypriot nationalism that is supposed to be pro-reconciliation, yet reproduces a Cypriot super-ego vis-à-vis the ´primitive` Greek and Turkish ones. Group narcissists of this type ceaselessly talk and lecture about ´the problem` through idealized and romanticized images of the Self (Cyprus, Greece, Turkey), and deride and attack those who fail to live up to the expectations of their superego. Tragically, because the beautiful image they have fallen in love with is confirmed by others in their group, they view their behaviour as normal and are therefore less likely to accept it as pathological. There is an aesthetic certitude and erotic excitement when talking about their collective ego, its destiny and its problems” (Constantinou, 2014: 67).
Die Essenz dieser Aussage, in der ironische Verbitterung mitschwingt, untermauert er im Text mit weiteren Verweisen auf das Zypernproblem als Lebenssinn und Projektionsfläche für Leidenschaft und Tatendrang. Auf Zypern, so kann man daraus schließen, sind nicht allein postkonfliktrelevante Bewältigungsmechanismen am Werk. Die Lebenswirklichkeit des Konfliktes bringt mitunter auch neue, attraktive Formen der Selbstdarstellung, der sozialen Verortung und der persönlichen und kollektiven Lebensziele (Non Hurting Stalemate). Der Konflikt und die routinierte Auseinandersetzung mit ihm scheint damit zu einer Art Aushängeschild und Teil der kollektiven Identität geworden zu sein. […] the political elites engage in routinized behaviour by constantly reiterating their positions, frequently reminding the public why they are more suitable than their opponents to handle the ´national cause`. More importantly, media and the elite to a large extend live off the perpetuation of the conflict. Journalists, politicians and political parties have identified themselves with specific positions regarding the ´sources` of the conflict as well as with the most appropriate approaches to a settlement. Thus, the elite routinely use their established positions […] to differentiate themselves […]. The perpetuation of the conflict is therefore particularly important for the survival of many within the political elite” (Ibid.; 10-11).
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15 Unteilbarkeit versöhnen? Engagement, Chancen und Hindernisse
Neben Identitäts- und Rechtsfragen, so beleuchtet der letzte Teil des Zitats, sind mit den Auseinandersetzungen um den Konflikt, wie auch die Medienanalyse belegte, handfeste machtpolitische Interessen verbunden. Aus dem parteipolitischen Ringen um die Wählergunst erwächst auf Zypern ferner, wie andere Autoren illustrieren, eine besondere Koalitionsbredouille, die anschaulich die Unteilbarkeit fördernden Realitäten eines Konfliktclusters demonstrieren: So stellten DISY und DIKO stets die ethnische Identität in den Vordergrund und unterhielten ein traditionell enges Verhältnis zur Kirche (Charalambous 2014: 50). Die beiden großen Parteien AKEL und DISY wiederum seien – da sie miteinander aus ideologischen Gründen niemals eine Koalition bilden würden (nur informell vor den Referenda 2004) – auf die Unterstützung der kleineren Parteien angewiesen, die sich aus wahltaktischen Gründen traditionell deutlich weniger Kompromissbereit zeigten (Faustmann 2014: 76). Wie die Verfasserin aus informellen Gesprächen mit AKEL-Wählern im Café heraushören konnte, gilt aber auch AKEL-Chef Christofias vielen als inkonsequent. Er selbst stehe der Kirche nah und hätte sich beispielsweise nie an ihren immensen Besitz herangewagt (Kyrios Dimitris 2016). Das sich selbst reproduzierende Dilemma aus parteipolitischen Interessen und (maximalistischen) Wählererwartungen, die zugleich Ursache und Folge der geschilderten Konfliktstrukturen sind, bringt Christou auf den Punkt: „(I)t is very easy for political elites on both sides to fall back on intransigent nationalist rhetoric that stands in direct opposition to the official status of negotiations, since the political costs of bringing the negotiations to a standstill is negligible. In fact the opportunity cost of not playing the nationalist card may be realized in the form of ethnic outbidding by political opponents within each community. Thus, while the technicalities of negotiation process deal with specific aspects of BBF (bizonal, bicommunal federation), the rhetoric on both sides regresses to the politically expedient themes of maximalism, thereby reinforcing a zero-sum characterization […] that is by now deeply ingrained in the socio-political psyche of each community” (Christou, 2014: 59).
Damit verweist der Autor eindrücklich auf das parteipolitische Risiko, sich allzu kompromissbereit zu zeigen – ein Aspekt, den die Medienanalyse eindrücklich belegt. Jenseits der Wählerinteressen indes stellt sich die Frage, ob und wenn ja welche Teile der politischen Führung überhaupt ein genuines Interesse an einer Lösung des Konfliktes besitzen, wenn die griechisch-zypriotischen Politiker, wie geschildert, de facto Alleinrepräsentanten der Insel geworden sind, während jedwede Form der Beilegung mit einem Power-Sharing-Modell verbunden wäre. Eines der ersten Interviews, die die Verfasserin 2012 mit Caesar Mavratsas – Professor an der University of Cyprus – führte, war in dieser Hinsicht wegweisend: Er bezeichnete die Verhandlungen bis 2012 offen als „Farce“. Weder 2004, noch 2012, noch in der Zukunft sei eine Lösung vor dem Hintergrund des kaum vorhandenen politischen Willens wahrscheinlich (Mavratsas 2012). Selbst die traditionell enger verbundenen linken Regierungen – so in der für viele Beobachter hoffnungsvollen Konstellation zwischen AKEL-Chef Christofias und CTP-Chef Talat von 2008-2012 – würden letztlich eine Lösung scheuen. Keiner – selbst die Kompromissbereiten unter den Politikern – wollte, so betonte Prof. Ahmet Sözen im Gespräch, letztlich als derjenige in die Geschichte eingehen, der einer Lösung unterhalb der maximalen Ansprüche zugestimmt hat (Sözen 2012). Die Entfremdung beider Seiten wird durch einen wesentlichen Faktor, die Anerkennungsfrage und die mit ihr verbundene Asymmetrie von Staatlichkeit, noch verstärkt. Denn sie behindert aus der Perspektive der türkischen Zyprioten massiv die Empfindung von Augenhöhe. Sie zeigt sich, wie in der Medienanalyse illustriert wurde, im Diskurs durch das allgegenwärtige
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Präfix „Pseudo“, in der diskursiven Praxis durch ein widersprüchliches Verhältnis zur Grenze: Ein Großteil der griechischen Zyprioten überschreitet nämlich die seit 2003 offene Grenze aus ideologischen Gründen gar nicht oder selten. Manche scheinen dabei mit Befürchtungen zu hadern, was sie denn nach Jahrzehnten der Abwesenheit dort erwarten möge. Manche wiederum entgegnen, sie würden an der Grenze keinen Ausweis vorzeigen wollen und sich nicht wie ein Tourist in ihrer eigenen Heimat fühlen wollen. Etliche verurteilten dabei die Grenzübertritte anderer griechischer Zyprioten und unterstellten rein ökonomische Motivationen (im Norden kann man vieles günstiger erwerben). Man solle die illegale Besatzung nicht auch noch finanziell unterstützen, so ein häufiges Argument (Dikomitis 2005:7-12). Was in der Bevölkerung auf einer Mischung aus Ressentiments und Unbehagen vor der Konfrontation mit schmerzhaften Tatsachen erscheint, gilt vielen Beobachtern vonseiten der Politik als reine Obstruktionsstrategie. Denn sie hält die Bürger offen an, den Norden nicht zu besuchen. Pressesprecher Prodromou betonte im Interview repräsentativ für diesen Tenor, man könne doch keine akademische Kooperation mit dem Norden etablieren, wenn dieser griechisch-zypriotische Hotels in Studentenwohnheime umwandele (Prodromou 2013). An der Praxis und den Appellen der Nichtüberschreitung (und Nicht-Anerkennung) lässt sich gut einer der Knotenpunkte des Dispositivs erkennen, „das es erlaubt eine Praktik zu rechtfertigen oder zu maskieren, die ihrerseits stumm bleibt“ (Foucault 1978: 199-200). Denn am Umgang mit der Grenze zeigt sich das widersprüchliche Ineinanderwirken des diskursiven Dreiklangs aus sprachlicher Vorstellungswelt (Pseudo-Staat etc.), Verhaltensvorschriften/Reglements (Nicht-Überschreitung, Nicht-Kooperation, Nicht-Kommunikation, Nicht-Anerkennung) und gegenständlicher Welt (die verfallende Grenze auf der Südseite selbst, der „Berlin-Wall“-Dönerladen, die anklagendenden Tafeln am Eingang zur Pufferzone). Auf welchen Notstand es antwortet und welches seine unsichtbaren Leitideen sind, ist indes schwerer zu bestimmen. Sicher erscheint nur, dass hinter dem statischen Rechtsdiskurs eine machtpolitische und emotionale Dimension verborgen liegen. Kutlay Erk, ehemaliger Bürgermeister von Nordnikosia und CTP-Abgeordneter, der über Jahre im interkommunalen Dialog aktiv war, legte der Verfasserin im Interview jedenfalls dar, wie enttäuscht er über diese Haltung sei und, dass er sich deshalb kaum mehr friedenspolitisch engagiere. Augenscheinlich verärgert schilderte er, wie eine bikommunale Veranstaltung daran gescheitert war, dass der griechisch-zypriotische Abgeordnete den Saal verließ, weil der türkisch-zypriotische Abgeordnete sich geweigert hätte, ein „TRNZ“-Schild vom Tisch zu nehmen. In der Ablehnung des Annan-Planes, so fügte er hinzu, sehe man anschaulich den Grund für derartiges Gebaren: Die griechischen Zyprioten würden die türkischen Zyprioten einfach nicht auf Augenhöhe ansehen. Weder in der Geschichte hätten sie das getan, noch heute (Erk 2013). Dahinter mag ein strategisches Argument stehen, indes offenkundig auch ein emotionales. So zeigen sich nämlich insbesondere CTPAnhänger und türkisch-zypriotische Friedensaktivisten, die sich in den UN-Verhandlungen 2004 vehement gegen die politische Führung gewandt hatten, zutiefst desillusioniert und von der AKEL tief enttäuscht (Holland 2014: 124-125). Ein ähnliches Bild zeichnet Kyriakos Pachoulides von der gleich noch vorzustellenden Association for Historical Dialogue and Research im Interview mit der Verfasserin, als er von der Weigerung eines griechisch-zypriotischen Wissenschaftlers erzählt, an einer internationalen Konferenz teilzunehmen, weil ein Vertreter der nordzypriotischen Eastern Mediterranean
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University (Famagusta) dort eingeladen war und die „TRNZ“ im Programmheft ohne Anführungszeichen angegeben war (Pachoulides 2012). Die Nicht-Anerkennung wird damit auch zum Mittel der universellen Blockadepolitik jedweder Kooperation und Annäherung. Zum einen zeigt sich hier zumindest die Widersprüchlichkeit, wenn nicht gar Inkonsequenz und Unehrlichkeit der politischen Führungen, die von nötiger Annäherung sprechen, aber etwaiger Grass-Roots- bzw. Second-Track-Kooperation jegliche Basis entziehen. Umgekehrt machen die Präsenz der türkischen Armee, das Wissen um die forcierte Siedlungspolitik, die völkerrechtswidrige Ausrufung der „TRNZ“ und die Nicht-Anerkennung der EGMR-Urteile es den griechischen Zyprioten ebenfalls nicht leicht, sich empathisch für das Leid der anderen Seite zu zeigen (Kyriakides 2014: 158-69). Das Verhältnis zwischen EU und Türkei wiederum – wie geschildert – scheint sich merklich abgekühlt zu haben. Die Türkei, so Kyris (2014: 170f) habe den Eindruck, dass sich viele Länder in Europa hinter der Zypernfrage versteckten, um ihr Missfallen an einem möglichen EU-Beitritt der Türkei zu verschleiern. Auch Sözen beurteilte schon 2012 die Chancen einer Lösung vor dem Hintergrund der veränderten politischen Kräfteverhältnisse im Interview als schlecht. Die Zyprioten selbst, so belegen die unter seiner Leitung durchgeführten Meinungsumfragen, seien denn auch mehrheitlich pessimistisch (Sözen 2012; vgl. zu mehrheitlichem Pessimismus in Meinungsumfragen auch Kaymak 2007: 80). Verweisen die hier erörterten Aspekte sowohl auf Enttäuschung, Frustration und Entfremdung, wie auch auf Spoiling-Strategien, machtpolitisches bzw. imageorientiertes Hadern und sinkende Motivation zur Veränderung der aktuellen Situation, so zeigt schließlich der gesellschaftliche Umgang mit Friedensaktivisten möglicherweise am eindrücklichsten, wie weit die beiden Seiten von einer genuinen Annäherung entfernt sind. Was einem externen Forscher denn auch kaum nahegebracht wird, wenn man nicht nachfragt, sind die, wenn man so will, unsichtbaren Grenzen der Konformitätssphären, deren Überschreitung mitunter horrende negative Konsequenzen haben kann. Wissenschaftler und Aktivisten sehen sich, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, in ihrer Arbeit wütenden Reaktionen von Seiten der Mehrheitsgesellschaft konfrontiert, die von beruflichen Hürden, polizeilicher Schikane bis zu anonymen Morddrohungen reichen. Schon Papadakis´ berichtete in „Echoes from the Dead Zone“ (2005: 43), wie seine Eltern von der Polizei befragt wurden, nachdem er während seines Forschungsaufenthaltes in der Türkei mit ihnen telefoniert hatte. Waren damals die innerzypriotischen Grenzen noch hermetisch geschlossen und das Sicherheitsempfinden ein anderes, so scheint sich das Klima bis heute nicht grundsätzlich verändert zu haben. Ein im Süden lebender türkisch-zypriotischer Wissenschaftler und Friedensaktivist berichtete der Verfasserin 2013, dass er kurz zuvor unangekündigten Polizeibesuch bekommen hatte. Die Polizisten hätten nachts bei ihm geklingelt und ihn mit Vorwürfen eines Diebstahls konfrontiert. Wenig später hätte man ihm mitgeteilt, er sei verwechselt worden. „Sie wollten mir zu verstehen geben: Wir sind hier und haben ein Auge auf dich“. Erkenntnisreich sind in diesem Zusammenhang die Interviews mit drei der prominentesten friedenspolitisch engagierten Frauen. Die erste ist Sevgül Uludağ, deren Arbeit bereits im Kontext der Vermisstenfrage kurz skizziert wurde. Uludağ, deren Schwager, Journalist und Regimekritiker Kutlu Adali, wie erwähnt, 1996 wahrscheinlich von Grauen Wölfen ermordet wurde (die Täter sind bis heute nicht gefasst), schreibt seit Jahrzehnten gegen die, wie sie sagt,
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Fremdbestimmung Nordzyperns durch das Militär und die ihm nahestehenden politischen Kreise an und kämpft gegen Diskriminierung von Minderheiten und Frauen. Für ihre Arbeit in der Auffindung von Vermissten wurde sie 2015 mit dem European Citizens Prize des EU-Parlamentes ausgezeichnet. Die zweite Aktivistin, Alev Tugberg, ist Englischlektorin an der Eastern Mediterranean University in Famagusta. Sie war von 2010 bis 2012 Vorsitzende der benannten NGO Association for Historical Dialogue and Research, die im zweiten Teil des Kapitels vorgestellt werden soll. Maria Hadjipavlou, schließlich, ist Friedens- und Konfliktforscherin mit Lehrstuhl an der University of Cyprus, langjähriger Forschungspraxis im Nahostkonflikt und gemeinsam mit Uludağ Begründerin der bikommunalen Frauen-NGO Hands Across the Divide. Beide fördern so die grenzüberschreitende Kommunikation und Emanzipation von zypriotischen Frauen mit dem Ziel, langfristig sowohl die patriarchalischen Strukturen der zypriotischen Gesellschaften aufzuweichen, als auch neue Impulse für den Friedensprozess zu schaffen und die Nöte und Interessen von Frauen außerhalb ethnischer Frames als menschliche Belange zu zeigen. So ist sie versierte und renommierte Kennerin der theoretischen, wie empirischen Sphäre von Unteilbarkeit. Seit etlichen Jahren motiviert sie den Austausch zwischen griechisch- und türkisch-zypriotischen Frauen vor dem Hintergrund der Überzeugung, dass das Herz des Zypernkonfliktes auf der absoluten politischen Männerdominanz und auf Militarismus und Chauvinismus begründeten Genderrollen beruhe. Allen drei Interviewten ist gemein, dass sie ihr Engagement für Versöhnung zum Lebenswerk gemacht haben. Hadjipavlou, die in Harvard bei Herbert Kelman promovierte, begann nach eigenen Angaben ihre Dissertation über Traumata, genderbasierte Gewalt und die Lebensgeschichten geflüchteter griechisch-zypriotischer Frauen, weil sie in den unmittelbaren Postkonfliktjahren zu der Einsicht gelangte, dass in der (Insel-) internen und externen Diskussion um den Zypernkonflikt die menschliche Perspektive völlig fehlte (Hadjipavlou 2016). Als Ursache sieht sie eine tief patriarchalische, militaristische politische Kultur, die der Wahrnehmung von Konfliktgeschichte und Gegenwart ihren Stempel aufgedrückt habe: „Issues such as victimhood, truth, human rights violations and justice acquire a monofocal, masculinist meaning according to the process of constructing memories and forgetting which enter into what Volkan aptly termed ´chosen glories and chosen traumas`” (Hadjipavlou 2014: 96). Es fällt nicht schwer, diese Perspektive im monolithischen Geschichtsfokus auf Heldentum, Kampf und Konfrontation zu erkennen. Im Interview berichtete sie bezeichnenderweise, dass die systematischen Vergewaltigungen von Frauen beider Gemeinschaften bis heute ein absolutes TabuThema seien. Es gäbe kaum gesicherte Angaben zum Ausmaß dieser Gewalt und die Betroffenen schwiegen (Hadjipavlou 2016). Genderbasierte Gewalt gehört, so kann man daraus schließen, ähnlich, wie die anderen im Erinnerungskapitel erörterten brisanten, sozioemotionalen Aspekte der Konfliktgeschichte, nicht zum offiziellen Diskurs. Es erstaunt daher nicht, wenn Hadjipavlou attestiert, Frauen seien in der politischen Sphäre und vor allem in den Verhandlungen völlig unterrepräsentiert. Zypriotische Frauen charakterisierten sich mehrheitlich durch Konformität mit traditionellen Genderrollen und ließen Männern in zentralen familiären, wie politischen Entscheidungen den Vortritt. Diese starren Rollen und verbundenen Hierarchien sieht sie in einem ursächlichen Zusammenhang mit Ethnozentrismus, Rassismus und aggressiv-ma-
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ximalistischen Verhandlungspositionen. Prägnant fasst sie in diesem Sinne die in der Gendertheorie als Intersektionalismus etikettierte Verwobenheit von Genderdimensionen, gesellschaftlichen Hierarchien und sozialer Inklusion für Zypern mit den Worten zusammen: „In Cyprus we might not have armed violence […] but we do have high levels of structural violence – especially gender-based violence. It is also important not to forget that gender identity is only one of many other social identities, and is closely connected to class, race, ethnicity, sexual orientation, age, etc. Such a complex web of relationships has not been taken into account when drafting most international documents or national peace agreements, let alone the participation of women in the negotiation processes. […] Cypriot Society is a hierarchical society characterized both by sexual, racial and generational oppressions where the private/public divide – which is often used as an excuse to exclude women from public life based on binary sexual psychological differences – still prevails, and most of the research confirms both this divide and the gender stereotypes that define the choices men and women make” (Hadjipavlou 2014: 95-96).
Die Befunde Hadjipavlous decken sich mit einschlägigen OECD- und CEDAW-Berichten, die auf die im europäischen Vergleich außerordentlich geringe politische Präsenz von Frauen deuten bzw. erheblichen Handlungsbedarf in Fragen der geschlechtlichen Gleichstellung sehen.112 In auffälligem Unterschied zu Zentral- und Nordeuropa, so erscheint es der Verfasserin, doch zugleich anderen südeuropäischen Ländern wie Griechenland, Italien und Spanien ähnlich, lässt sich die Gender-Dimension auch anschaulich im Rundfunk bzw. in der Informationskultur erkennen. In den allabendlichen Nachrichten finden sich erstens nahezu ausschließlich Sprecherinnen, deren Rolle sich auf die unkommentierte Wiedergabe von Meldungen beschränkt. Weite Teile der Nachrichten basieren zweitens zu einem erheblichen Teil aus Interviews mit oder Zusammenfassungen von Statements (Reden, Kommentaren) in der absoluten Mehrheit älterer, männlicher politischer Akteure. Diese Statements – übrigens ja auch ein Charakteristikum der Printmedien – werden kaum kommentiert, geschweige denn kritisch hinterfragt. Friedensaktivistin Magda Zenon macht ihrem Ärger darüber mit den Worten Luft: „You see all these grey suited pensioners on television discussing our future and they´ ll have a token woman here and there and it really annoys me” (Zenon nach Katrivanou und Azzouz 2009). Diese Aspekte belegen das von Hadjipavlou postulierte Ineinandergreifen von Genderrollen und politischer Kultur. In ihrem Essay, das die Normalisierung von Militärpräsenz, von Macht und Abschreckung im öffentlichen Raum postuliert, schreibt Demetriou, „much of the conceptualization of ‘peace’ in Cyprus has been built on this gendered division of political labor with highlevel political negotiation and civil society reconciliation standing at opposite ends of masculine–feminine views of conflict resolution” (Demetriou 2012: 59). Gender- und zivilgesellschaftlich orientierte Friedensaktivisten haben in ihrer Infragestellung der vermeintlich gegebenen Hierarchien vor diesem Hintergrund erwartungsgemäß keinen Rückenwind. Jedwedes zivilgesellschaftliches Friedensengagement würde, so Hadjipavlou, als potentielle Bedrohung für den traditionellen Einfluss der Parteien oder zumindest als irrelevant für die Lösung der Zypernfrage erachtet. So seien Konfliktlösungsworkshops geradenach als „angloamerikanische Manipulationsstrategie” deklariert worden, weil man Angst hatte, damit das sprichwörtliche Steuer der Verhandlungen um Zypern aus der Hand zu geben. Im internen Konfliktjargon der politischen Kreise erscheinen etwaige Aktivitäten als Bedrohung für die „Internationalisierung des Zypernkonfliktes“ (Hadjipavlou 2016). Diese Formulierung, die der 112
[abgerufen am 08.06.2016] und [abgerufen am 08.06.2016].
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Verfasserin zunächst nicht verständlich erschien, verweist bei näherem Blick auf das ganze Dilemma von Machtpolitik und emotionaler Verstrickung: Denn zivilgesellschaftliches Engagement würde erstens den Fokus des Geschehens, pointiert gesprochen, von der hohen, politischen Sphäre auf die Gesellschaft verlagern und damit sowohl potentiell die Aufmerksamkeit internationaler Beobachter gewinnen, wie auch die Legitimität der Maximalpositionen untergraben. Zweitens gelten diejenigen, die die wohlbehüteten ethnischen und geographischen Grenzen durch ihr Engagement infrage stellen, auch in der Öffentlichkeit als Gefährder von nationalem Zusammenhalt und einheitlicher Frontstellung. Das bestätigt auch Uludağ im persönlichen Interview, wenn sie vom mangelnden parteipolitischen Interesse an ihren Aktivitäten spricht: Parteien seien argwöhnisch gegenüber dem neuen Phänomen der Zivilgesellschaft, weil sie den Verlust ihrer traditionellen Kontrolle fürchteten (Uludağ 2016). Die parteipolitische Omnipräsenz in den zypriotischen Sozialstrukturen, so kann man daraus folgern, forciert auch die Politisierung sehr persönlicher, schmerzhafter Belange, wie sie im Kontext der Vermisstenfrage erörtert wurden und tragen damit umgekehrt – wie beschrieben – zum Argwohn der Bürger gegenüber der Politik bei. Aus Uludağs Berichten jedenfalls spricht tiefe Enttäuschung von der politischen Sphäre. Dabei schließt sie auch die Internationals mit ein. Am Vorabend des Interviews wohnte die Verfasserin einer Konferenz in der Pufferzone bei, auf der Uludağ als Sprecherin unterschiedlicher Fraueninitiativen im Beisein hoher UN- und UNFICYP-Repräsentanten die mangelnde Unterstützung der UN für zivilgesellschaftliches Engagement auf Zypern scharf kritisierte. Während sich im Auditorium peinlich berührtes Schweigen ausbreitete, nahmen einige Ko-Redner die UN sofort in Schutz. Uludağ kritisierte diese Haltung im Interview als kontraproduktive Anbiederung an eine politisch-institutionelle Sphäre, die in sozioemotionalen Fragen nichts bewege. Im Rekurs auf die Annan-Plan-Verhandlungen attestierte sie der UN, sie hätte sich viel zu sehr von realpolitischen Zwängen leiten lassen und viel zu wenig mit versöhnungsrelevanten Fragen beschäftigt. So sei man seinerzeit aufgrund der schwelenden Gefahr einer Eskalation zwischen den kemalistischen Militärkreisen und Erdoğan der Türkei stark entgegengekommen, hätte dabei die Grundbedürfnisse der griechischen Zyprioten und Maßnahmen zur genuinen Annäherung der beiden Seiten vernachlässigt: „It is also the failure of the UN […]. It was […] Alvaro de Soto. […] He went to Turkey. He changed the Plan five times to please Turkey, ok? […] We asked him: What about the Greek Cypriots? I mean, are their needs and concerns being taken care of? He said to us: Ha, when AKEL says yes, all members of AKEL will vote yes. And when DISY says yes, all members – so it´s ok. And, he didn´t put anything concerning reconciliation in the plan. [´There was the reconciliation commission, right?`, fragte die Verfasserin] There was one paragraph. And it was an office! – a government office, a small government office to do that. And I asked him, personally, we went to Oxford University workshop and I asked him: ´Why didn´t you put anything concrete there?` – ´Oh, we want to leave it to the two communities.` I mean, this shows how the UN is not genuinely interested in reconciliation” (Ibid.).
Die hier offenkundige Strategie einer forcierten „Vereinigung von Oben“, ohne die sozialpsychologische Tiefenstruktur der Gesellschaft zu berücksichtigen, ist – wie die Medienanalyse unterstreicht – nicht aufgegangen. Obgleich nicht im Fokus der vorliegenden Forschungsarbeit deutet der Vorwurf Uludağs nicht zuletzt auf die Frage, inwiefern die UN in Form der UNFICYP seit 1963 nicht auch zu einem Akteur in den sich selbst reproduzierenden Strukturen
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der Unteilbarkeit des Zypernkonfliktes geworden ist.113 Eindrücklich hebt sich vor diesem Hintergrund ihr unentgeltliches Engagement und das ihrer ebenfalls EU-prämierten Mitstreiter in der Recherche der Vermisstenschiksale ab, das augenscheinlich auf persönlicher Leiderfahrung und Empathie begründet ist: „Petros was ten years old. His whole family was massacred. And he was shot. They thought he was dead. And they left him. And Hussein is from this famous village […] were the EOKA-B raped the women and killed afterwards everybody including babies. Hundretandtwentysix people, they buried them in mass graves in 1974, so that they would not discover that rapes were involved. Husseins whole family, thirty members of his family, mother, all his brothers and sisters, grandmother, grandfather, aunts, uncle – everybody – everybody killed! Everybody! – Thirty members! Imagine this. So, they go together, and they speak to people. Ok? This is what we do. This is peace building. But nobody recognizes. The the UN does not recognize. The two leaders don´t recognize. […] Nobody thanks them. Nobody acknowledges them. Ok? […] We never applied for funding. We could have. We didn´t, on purpose. It´s a choice! – not to apply. We want to show you can do things without money. You don´t need donors. You don´t need the EU […] You can do things“ (Ibid.).
Es ist bezeichnend für die politische Sphäre Zyperns (insbesondere Nordzyperns), dass die international renommierte Friedensaktivistin in ihrer Arbeit bewusst auf institutionelle Kooperation und externe Finanzierung verzichtet, weil sie damit Gefahr liefe, ihren Ruf als uneigennützige Menschenrechtlerin zu verlieren. Nach eigenen Angaben hat sie immer wieder mit Schikane und Drohungen zu kämpfen. Außerdem stünde ihr Name auf einer schwarzen Liste, die sie daran hinderte, jemals in den Staatsdienst zu treten. Auch linke Regierungen, so unterstreicht sie Reichweite und Beständigkeit des politischen Tenors, hätten dieses Verbot nicht aufgehoben (Ibid.). 2004 wurden Hadjipavlou und Uludağ für Ihr Engagement und die öffentliche Befürwortung des Annan-Plans von politischen Kreisen als „Verräter“ an der nationalen Sache bezeichnet. Nach den Referenden zitierte man Hadjipavlou vor eine parlamentarische Ethikkommission, die ihr unterstellte, von den Vereinten Nationalen Geld erhalten zu haben, um für ein „Ja“ im Annan-Plan zu werben. „This“, so ihr ironischer Kommentar, „is an example of how democracy works in an intractable conflict situation” (Hadjipavlou 2014: 101). Als friedensorientierte Professorin sei sie, so berichtet sie im Interview, von Medien und Teilen der Öffentlichkeit beschimpft worden, sie würde die griechische Identität ihrer Studenten manipulieren wollen. Für solche Ziele – so das Plädoyer für ihre Entlassung – sollte nicht auch noch der Steuerzahler aufkommen (Hadjipavlou 2016). Das gesellschaftliche Echo auf das Engagement der beiden Frauen versinnbildlicht damit exemplarisch – man denke hier an die Darstellung der Annan-Plan-Befürworter zurück – wie kognitive Verzerrung und strategische Manipulation
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In seinem Paper „Peacekeeping: Organised Hypocrisy“ legt Lipson (2002) im Kontext einer grundsätzlicheren Re-Evaluierung der Effektvität von Friedensmissionen die Widersprüche aus Anspruch und Wirklichkeit, insb. UN-initiierter Friedensarbeit aufgrund konfligierender Normen dar. So heißt es allgemein und dann auf die UN übertragen: „[…] we should expect organized hypocrisy to be most evident in aspects of international relations characterized by organizations facing inconsistent norms and practical requirements, including a need to conform to standards of legitimacy and efficiency demands in conflict with each other. […] UN peacekeeping fits these criteria. The United Nations, and UN peace operations in particular, face inconsistent requirements such as the need for both consent and effectiveness, or impartiality and forceful intervention. UN Peace Operations are supposed to uphold the norms of sovereignty and human rights, and of juridical and empirical sovereignty.” (Ibid.: 11). Im Fragen der Unterstützung des von den zypriotischen Regierungen ungern gesehenen zivilgesellschaftlichen Versöhnungsengagements scheint die UNFICYP den Weg der neutralen Zurückhaltung zu Lasten effektiver Einmischung gewählt zu haben.
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dazu genutzt werden können, jedwede Form interkommunaler Annäherung zu verbrämen. Der Umgang mit den Friedensaktivisten spiegelt damit ebenfalls die für unteilbare Konflikte so charakteristischen Consensus Guarding Mechanisms wider. Wer am gesellschaftlichen Tenor kratzt, der sich auf der kollektiven Stilisierung der eigenen Opferrolle begründet, muss aus emotionalen wie strategischen Gründen mit scharfen Reaktionen rechnen. Was bedeuten die geschilderten Befunde nun für die Chancen auf Versöhnung? Es gäbe keine Infrastruktur für sozioemotionale Versöhnung vonseiten der Politik, so das pessimistische Fazit Uludağs. Obgleich Politiker, wie Akinci und Anastasiades ein aufrichtiges Interesse an der Überwindung des Konfliktes hegten, seien sie doch offenkundig nicht mutig genug, eine bilaterale Lösung im Widerstreit mit internen oder externen Interessengruppen durchzusetzen. Umgekehrt ließen sich die Bürger von den politischen Vorbildern und dem nationalistischen gesellschaftlichen Tenor leiten und scheuten aus Furcht vor sozialer Sanktion vor Eigeninitiative zurück (Uludağ 2016). Paternalismus und Konformität, so kann man daraus folgern, untermauern sich wechselseitig in der Reproduktion des erörterten Konfliktethos. Das untermauert Uludağ pointiert mit dem – man möchte sagen - Fundamentalsatz: „Nobody is talking about the day after. Even the negotiation is connected with the past, not the day after” (Ibid.) Würden ein griechischer und türkischer Zypriot beispielsweise als Kollegen eine Auseinandersetzung haben, würde man das dann gleich als Diskriminierung ansehen oder wäre man im Stande zu differenzieren? An diesem simplen Beispiel zeigt sich eindrücklich, wie sehr der monolithische Fokus auf der Vergangenheit einen klaren Blick auf die zukünftige Gestaltung eines interethnischen Alltags trübt. Ihre Kritik erinnert an eben jene Problematik des erörterten Geschichtsbuches „Ich vergesse nicht und kämpfe“, in der die stilisierte friedenspolitische Vision der Wiedervereinigung ausschließlich auf die Wiederherstellung einer idealisierten Vergangenheit abzielt. Selbstkritisch, feinsinnig-humoristisch und bilderreich zeichnet Uludağ schließlich ein Psychogramm der zypriotischen Gesellschaft, das politik-, kulturwissenschaftliche und anthropologische Befunde aus den vorangehenden und dem vorliegenden Kapitel der Forschungsarbeit pointiert zusammenführt: „ One friend said: We are the only people on earth who fought to give our island to foreigners. It´s true! […] It´s not us who enjoy. We are still […] fighting and struggling and the foreigners they enjoy. Turks enjoy. Greeks enjoy. Prodi enjoys. Europeans enjoy. Russians enjoy. British! They live like kings in their own ghettos. They have their own pubs. […] Because you see: This is a chameleon island. […] three thousand five hundred years we were colony. Ok? This came and colonized, that came and colonized. And somehow the Cypriots always survived because they cooperate. […] It´s a survival thing. […] They all tried to get married to the Lusignan, the Greek Cypriots, ok? There were Venetian. They all tried to get married to the Venetian, ok? And get a hold of power. Now the Turks. They try to cooperate with the Turks. Turkish Cypriots, ok? I am not trying to blame. I am trying to understand the nature. It´s hybrid. It´s like Chameleon. It changes according to the condition. Because it is an island. It does not have a big power of its own and it doesn´t believe – this is important – it doesn´t believe that they can change things. They wait from outside. They wait from outside. We had an anthropologist, years ago from America […]. We had this conflict resolution group. He didn´t do anything six months. And we thought: ´Hm, he is lazy`. […] At the end of six months he said: ´I analysed [lacht] your culture and I will tell you who you are, ok?` He said three things. […] You live in cities. You drive cars. You have computers, whatever. But you´re villagers […] villagers´ mentality, what is it: It´s closed. It´s not open for change. So, you react to change. Second thing he said: You have the colonial syndrome, ok? You have the Pasha Syndrome. You blame outsiders for all the faults. So, you don´t take responsibility. Ok? And, you try to go along with the Pashas, whoever the ruler is, so long as it doesn´t touch you, you know, you don´t get hurt […]. And the third thing is the idea of limited good in economy: Let´s say you have three cookies on the table. And if somebody tries to reach out to the cookie you beat him up […]. You think it´s limited, but there is store full. You can do it as
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15 Unteilbarkeit versöhnen? Engagement, Chancen und Hindernisse well! You try to destroy each other […] In everything he said he was right. They kick him out! [lacht]. He had to go back!” (Uludağ 2016).
Eindrücklich kommen hier also die kulturelle Dimension des erörterten Kolonialkomplexes und des allgegenwärtigen Ermächtigungswunsches, des fruchtbaren Bodens für den Glauben an äußere Verschwörung, der, wenn man so will, in Tradition und Konsum wurzelnde Widerwille gegenüber einschneidender Veränderung und die ebenso tief verankerte Quid-pro-Quo-Mentalität der Zyprioten zum Ausdruck. Das engmaschige Netz an sozialen Beziehungen mit ihren vielen Geschichten über Alltag und Vergangenheit – so könnte man zusammenfassen –, die allgegenwärtigen und sich selbst reproduzierenden Botschaften von Medien, Kirche und Bildungswesen, die ambivalente Gleichzeitigkeit von Tradition und Moderne – wie sie westliche Reisekataloge im Übrigen gern romantisierend für den nahöstlichen Kulturraum zeichnen – bei gleichzeitigem, besorgen Blick nach „Westen“ als Gradmesser für Fortschritt und Anerkennung, der sich nicht zuletzt in einer verbreiteten Tendenz zur etwas verkrampft wirkenden Imitation amerikanischer Popkultur zeigt (das gilt auch für Griechenland), bilden die zentralen Facetten der zypriotischen Alltagskultur – des Mainstreams – und sind Spiegel des mehrheitlichen Selbstverständnisses. Eine Reihe von Dokumentarfilmen der vorgestellten und anderer Friedensaktivisten, die die Verfasserin in öffentlichen Vorführungen entsprechender Kreise sah, runden das Bild dieser Tiefenschichten und Widersprüche ab. So zeigt beispielsweise „The Third Motherland“ den Alltag der maronitischen Minderheit Zyperns, die nicht Teil der jeweiligen Heldennarrative und ihrer Kristallisationen in Straßennamen und Denkmälern sind: Bis heute fühlen sich die Maroniten, die sich 1960 innerhalb weniger Monate entscheiden mussten, zu welcher Seite sie gehören möchten, als „the internal other“. In einem nationalen Vorstellungsraum, in dem sie nahezu unsichtbar sind, versuchen sie dennoch bis heute, ihre kulturellen Referenzen zum Libanon zu bewahren (Constantinou 2011). Nicht minder aussagekräftig für das Gesamtbild erscheint auch der Dokumentarfilm, „Women of Cyprus“, in dem Hadjipavlou mitwirkt. Er vermittelt ein tiefes Verständnis für die versteckten Leidensgeschichten und den Schwebezustand der Flüchtlinge beider Seiten aus der Genderperspektive. So zeichnet er bewegende Begegnungen zwischen griechisch- und türkisch-zypriotischen Frauen nach, die nach der Grenzöffnung 2003 ihre alten Wohnorte besuchen, ins Gespräch kommen und ihre persönlichen Erzählungen von Leid, Vertreibung und der Sehnsucht nach der Heimat austauschen. Den gesamten Film charakterisieren lebhafte Gespräche, die in leidenschaftlichen, von Lachen und Herzlichkeiten gespickten gegenseitigen Empathiebekundungen den „Anderen“ – mitunter in dessen ursprünglichem Haus selbst – willkommen heißen und in ihren Berichten die universelle Menschlichkeit des gemeinsamen Leids in den Vordergrund rücken. Möglicherweise – so fragt man sich zwischenzeitlich – soll im vehementen Ausdruck von gegenseitiger Zuneigung, die suggerieren soll „Wir kommen sehr gut miteinander aus“ auch ein Stück Unsicherheit überbrückt werden, die etwaige Leerstellen und Ressentiments der unaufgearbeiteten Vergangenheit übertünchen soll (man denke hier an Hadjipavlous Befund vom Erinnerungskapitel zurück). Denn die Geschichten der Frauen erzählen von Angst und Diskriminierung in Lagern, von Gewalterfahrung und Entwurzelung und von der Ungewissheit, die seither besteht. Dazu gehört zuvorderst das Leben in fremden Häusern, zwischen Möbeln und Erinnerungsstücken einer fremden Familie, die in vielen Fällen über
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Jahrzehnte nicht angerührt wurden, während man sich vorstellte, wer die Personen wohl waren, in deren ehemals intimem Raum man nun lebte (Katrivanou und Azzouz 2009). Der berühmte Anthropologe Navaro-Yashin (2009) zeichnet in seiner Feldforschung im Norden Zyperns genau diesen Schwebezustand türkisch-zypriotischer Flüchtlinge nach, die mit verwickelten Emotionen aus Ressentiments, unaufgearbeiteten Traumata, dem Wunsch nach endgültiger Heimat und politisch-völkerrechtlicher Ungewissheit konfrontiert seit Jahrzehnten in einem essenziell fremden Zuhause leben. Er attestiert den geflüchteten Bewohnern des Nordens eine Grundmelancholie als Resultat dieser unaufgelösten Widersprüche im Spannungsfeld eines heterotopen öffentlichen Raumes von Ruinen und gleichsam aus dem Moment gefallenen Relikten derer, die Hals über Kopf und in dem Glauben flohen, dass sie alsbald zurückkehren würden (Ibid.: 1-11). Über das Ineinanderwirken von Außen- und Innenraum sagt er: „I am interested in understanding this melancholy not only as an expression of the inner worlds of my informants, but also as the mark of the energy (the affect, as I will call it) discharged upon them by the dwellings and environments they have now lived in for decades. ‘I never warmed to this house’, said a Turkish-Cypriot lady, referring to the Greek-Cypriot house she and her family were allocated to live in by the administration. ‘We have lived in it for thirty years, but it doesn’t feel as though it is ours’” (Ibid.: 4).
Während, so kann man überleiten, die zypriotischen Flüchtlinge, von denen hier berichtet wird, in ihrem abwartenden Schwebezustand wesentliche Teile beider Gemeinschaften repräsentieren und die Protagonistinnen aus „Women of Cyprus” für einen kleinen Prozentsatz derjenigen stehen, die mit der Motivation die physische Grenze überschreiten, vor allem die imaginären Grenzen der eigenen Gemeinschaft hinter sich zulassen, beleuchtet der Dokumentarfilm „Pyla. Living Together Separately“ schließlich umgekehrt das alltägliche Zusammenleben der beiden Gemeinschaften in unterschiedlichen Vorstellungswelten. Hier steht das Dorf Pyla im Fokus, das als einziges Dorf in der UN-Pufferzone liegt, unter UN-Aufsicht steht und bis heute von beiden Gemeinschaften bewohnt wird. Im griechisch-zypriotischen Diskurs, aus der Perspektive der Internationals und für Touristen gilt es als Vorzeigemodell des friedlichen Zusammenlebens. So lässt ein UN-Gesandter euphorisch verlauten: „People in this village are living without law, but in a very lawful manner, which is wonderful, it´s absolutely an example for everybody!” (Papadakis 2003). Ein anthropologischer Blick auf den interethnischen Alltag indes zeigt, dass man bestenfalls von einer stereotypenbehafteten friedlichen Koexistenz sprechen kann, die den geteilten Raum sichtbaren Sphären zuordnet, zwischen denen kaum interagiert wird: Männer sitzen im türkisch-zypriotischen Kaffeehaus, das mit türkischen Fahnen und Nationalsymbolen gespickt ist und türkischen Rundfunk überträgt, während aus dem griechischzypriotischen Kaffeehaus, in dem ebenfalls das Who´s Who der Nationalhelden aus den Bilderrahmen von den Wänden lächelt, das Fernsehen die Feierlichkeiten zur griechischen Unabhängigkeit überträgt. Die türkischen Zyprioten, so erfährt man, bezahlen weder Strom noch Wasser, das vom Süden bereitgestellt wird, weil sie die Republik Zypern eben nicht anerkennen. Und eine griechische Zypriotin erklärt, das Dorf hätte keine Straßennamen, denn man habe sich nicht darauf einigen können, ob die Straßen den griechischen oder türkischen Nationalhelden gewidmet sein müssten [sic!]. Eine ältere griechische Zypriotin erzählt beim Kochen: „Die Türken stinken, da kannst du nichts machen. Deshalb benutzen sie so viel Parfüm. [Interviewer: ´Warum ist das so? Waschen sie sich nicht?`] Sie sind nicht getauft. Deshalb stinken sie“ (Ibid. [Übersetzung der Verfasserin]).
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Auch die Gotteshäuser scheinen in einem Konkurrenzverhältnis zueinander zu stehen: Muezzinrufe und Glockengeläut durchdringen beide den öffentlichen Raum. Die Dorfbewohner indes scheinen sich von der jeweils anderen Geräuschkulisse gestört. Als die türkischen Zyprioten sich für den Bau eines neuen Minaretts entscheiden, beschließen die griechischen Zyprioten den Bau einer dritten Kirche, die im Dorf sehr beengt wirkt. So entsteht der Eindruck, dass die beiden Gemeinschaften gänzlich aneinander vorbei leben und noch dazu in einem Konkurrenzverhältnis zueinanderstehen. Diese Parallelität versuchen bikommunale Aktivisten mit gemeinsamen Kunst-, und Musikprojekten aufzubrechen. Man sei von den Pylioten (den Bewohnern Pylas) behandelt worden, als würde man von einem anderen Planeten kommen, erzählt ein junger Mann. Von offenen Anfeindungen ist die Rede. Über die Initiativen sagt er: „Die ersten Begegnungen fanden in Kaffeehäusern statt, in Restaurants, an Orten, von denen wir wussten, dass uns die Polizei beider Seiten beobachtete, auf eine Art und Weise, bei der wir uns wie potentielle Verbrecher fühlten. Mit der Zeit aber wurden wir – sagen wir – ein Möbel im Interieur Pylas. Wir sind nun ein fester Bestandteil des Dorfes“ (Ibid.; [Übersetzung der Verfasserin]).
Der Film – er ist der einzige seiner Art – zeigt damit nicht ohne eine Spur Ironie die widersprüchlichen Zwischenräume bzw. die ambivalente Gleichzeitigkeit von nationalen Vorstellungsräumen und den Widerstand gegen Akteure, die diesen Vorstellungsraum durch ihre Andersartigkeit infrage stellen. Er bietet damit auch eine anschauliche Ergänzung für die Leitfrage der Oral-History-Interviews, deren Grundmotiv vom friedlichen Miteinander durch den Film einen anderen Beigeschmack erhält. „Pyla“ ist damit in vielerlei Hinsicht ein äußerst aufschlussreicher Miniaturausschnitt des weiteren gesellschaftlichen, spannungsgeladenen Schwebezustandes aus exklusiver Nationalgesinnung und oberflächlichem Idealismus („We get along well“). Letzterer dient offenkundig dem externen Blick, aber möglicherweise auch dem sozioemotionalen Kohärenz- und Harmoniebestreben der eigenen Identität. Zwei unvereinbare Ideen – das greifbare, nationale Ideal der vielfältigen alltäglichen Referenzpunkte und ein abstrakteres Ideal der Idee eines friedlichen Miteinanders versuchen dabei offenkundig kontinuierlich in Einklang gebracht zu werden. Daraus ergibt sich ein ungelöster Schwebezustand. Konkret gesprochen: Die ethnisch-exklusive Identität aufzugeben, würde – wie bei den Mutterländern – das Bekannte, Angenehme und Sichere gefährden. Die Idee vom friedlichen Miteinander aufzugeben würde wiederum bedeuten, die Inselteilung zu akzeptieren. Vor beidem schrecken die Pylioten, wie auch die weitere griechisch-zypriotische Gemeinschaft zurück.114 114
Um diese ambivalenten Schichten der Selbstbilder heraufzubeschwören nutzte die Verfasserin im Sinne der Idee des Ethnosymbolismus (Normen sichtbar zu machen, indem man sie bricht) in ihren zahlreichen informellen Gesprächen mit unbekannten griechischen und türkischen Zyprioten, insbesondere mit Grenzpolizisten, Ladenbesitzern und Caféhausbesuchern, das linguistische Spiel mit nationaler Symbolik als Eisbrecher für Gespräche über nationale bzw. Identitätsfragen: Von den griechisch-zypriotischen Grenzpolizisten immer wieder mit väterlich wirkendem Tadel darauf angesprochen, warum eine junge Griechin (die Verfasserin zeigte an der (griechisch-zypriotischen) Grenze auf Nachfrage manchmal bewusst ihren griechischen, mal ihren deutschen Personalausweis) die besetzten Gebiete betrete und was sie für ein Interesse daran haben könnte, mit türkischen Zyprioten zu sprechen, gab die Verfasserin beispielsweise – wenn es die Atmosphäre des Augenblicks erlaubte – scherzhaft zur Antwort, sie sei ja keine Zypriotin, sondern eine Kalamaro-Germanaróu. Dieses Wortspiel, mit dem sie sich als Halbdeutsche-Halbgriechin zu erkennen gab, benutzt den negativ konnotierten, griechisch-zypriotischen Begriff „Schreibgelehrter“ (Kalamaras) als pejoratives Etikett für („abgehobene“) Festlandgriechen und den Begriff „Deutscher“ mit abwertendem aróu-Suffix, so wie er in griechischen und griechisch-zypriotischen sozialen Netzwerken vor allem im Kontext der europäischen
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Abbildung 71 – Ich vergesse nicht … meine Zähne zu putzen (mit freundlicher Genehmigung von © tzagalagabugu; All Rights Reserved
Abbildung 72
Abbildung 73
Finanzkrise vielfach benutzt wurde. Dieses Suffix suggeriert, dass es sich bei der bezeichneten Person um einen besonders charakteristischen Vertreter einer bestimmten ethnischen Gruppe handelt und ist eindeutig negativ gemeint. Im Deutschen käme das Attribut „typisch“ oder das Präfix „Ur“ dem am nächsten. Der Begriff Kalamaro-Germanaróu suggeriert also eine (hier humorvoll gemeinte) doppelte Selbstabwertung aus dem linguistischen Fundus (griechisch-) zypriotischer, nationaler Stereotype und ist damit natürlich eine zumindest implizite Provokation. Die Reaktion der Grenzpolizisten auf dieses Wortspiel erschien fast ausschließlich als eine Mischung aus Irritation, peinlicher Berührung, Verunsicherung, Argwohn, aber auch Überraschung, Belustigung und Interesse. Fast immer ergab sich daraus ein von den Grenzbeamten initiiertes Gespräch über mehrere Minuten. Darin wurden Detailfragen nach dem Forschungsinteresse der Verfasserin gestellt und – oftmals achselzuckend mit Blick gen Himmel – die Hoffnung ausgesprochen, die andere Seite möge sich als offener, fairer und aufrichtiger Gesprächspartner erweisen. Im türkisch-zypriotischen Teil Nikosias ergaben sich ähnliche Gespräche (auf Englisch) – zumeist mit älteren männlichen Zyprioten in den Kaffeehäusern – und dieselbe Mischung aus Irritation, Peinlichkeit und Interesse, wenn die Verfasserin auf die Frage, ob sie auch türkisch spreche oder verstehe, mit dem Satz „Ne Mutlu Türküm Diyene“ antwortete. Im Gegensatz zum Süden erschien die Verfasserin im Norden als klare Ausländerin. Das exklusiv-nationalistische Zitat Atatürks motivierte denn auch viel häufiger als das Sprachspiel im Süden kurzes betretenes Schweigen oder herzhaftes Lachen, das zur offenkundigen Überbrückung eines als peinlich empfundenen Momentes diente. Viele erzählten daraufhin lebhaft von den einst (vor 1974) guten Beziehungen zu den griechischen Zyprioten und ihrer Enttäuschung über den Verlauf der Konfliktgeschichte. Dabei wurde auf beiden Seiten (mit Ausnahme der Grenzpolizisten) gern darauf verwiesen, dass die Politiker oder die Politik das Haupthindernis für eine Beilegung des Konfliktes darstellten. Auf Nachfrage, wer oder was damit genau gemeint sei, wichen die Gesprächspartner meist aus. Neben den Standardsätzen bzw. Standardhaltungen, die im (teils gespielten) Argwohn der griechisch-zypriotischen Grenzpolizisten und im vorsichtigen Ausweichen insbesondere der türkischen Zyprioten in potentiell sensiblen Fragen des politischen Regimes zum Ausdruck kamen, erschien das (nicht überhebliche oder urteilende, sondern herzlich zum Ausdruck gebrachte) Spiel mit den Etiketten, das den Gesprächspartnern einen Spiegel ihrer eigenen ethnischen Kategorisierungen und Stereotype vorhielt, zumindest bei den älteren, traditionellen Repräsentanten beider Gemeinschaften als enormes Verunsicherungsmoment und Gesprächstrigger zugleich, der spontane Rechtfertigungsnarrative hervorrief. Die spielerische Konfrontation mit der nationalen Selbststilisierung und ihren impliziten Botschaften von Erhabenheit und Outgroupabwertung ist ihnen also offenkundig unangenehm. Dass fast alle Gesprächspartner mit kurzer Sprachlosigkeit und Irritation reagieren, deutet darauf, dass solche Situationen im Alltag ansonsten nicht vorkommen. Die skizzierten Beispiele illustrieren, wie sehr anthropologische Befunde auf die politische Kultur und im weiteren Sinne die politische Dimension des Zypernkonfliktes verweisen.
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Schließlich zeigt auch der öffentliche Raum selbst – im Erinnerungskapitel wurden die gewollten, geformten Facetten der nationalen Erinnerungen aufgezeigt – die ambivalenten Tiefenschichten des kollektiven Vorstellungsraumes. Er kommt in tenorkritischen und mitunter ironischen Sentenzen an Häuserwänden zum Ausdruck. So wird der allgegenwärtige Slogan „Ich vergesse nicht“ im Bild rechts mit der Aussage Abbildung 74 „…meine Zähne zu putzen“ vervollständigt (Abb. 71115). Manche – wie viele ist schwer zu bestimmen – fühlen sich offenkundig von den statischen Parolen nicht repräsentiert. Etliche Anklagen gegen die politisch en F ührungskreise in und um Zypern oder etwa der Satz „No Borders, No Nations“ finden sich in Form von Graffitis überall in der südlichen – auffälligerweise nicht in der nördlichen – Altstadt Nikosias. Auch die Hypothek der Konfliktgeschichte im öffentlichen Raum scheint im Süden so widersprüchlich wie der geschilderte Umgang mit der Grenze. Etliche verfallene, verlassene Häuser finden sich ebenfalls in der Altstadt (Abb 72). Im Falle von Agios Sozomenos ist es ein ganzes Dorf (im Süden der Insel; Abb. 73). Im März 2016 bereiste es die Verfasserin mit Friedensaktivist Orestis Tringides, der ihr berichtete, in den Konfliktjahren hätten sich dort derartig umfassende Gewaltakte gegen die mehrheitlich türkisch-zypriotischen Bewohner zugetragen, dass nach 1974 alle Bewohner das bis heute verwaiste Dorf verlassen hätten. Während einige ErinneAbbildung 76 Abbildung 75 rungsorte ostentativ dem „Zahn der Zeit“ überlassen werden, werden manche im Zuge jüngster Sanierungsmaßnahmen, beispielsweise an der „Ermou“-Straße, einer ehemals bedeutenden und lang verfallenen Einkaufsstraße entlang der Grenze im Herzen der Altstadt Nikosias, gleichsam „in Szene gesetzt“ (Abb. 74). Auch im Norden zeigen sich – beispielhaft an den beiden Photographien rechts – die postmodernen Vielebenen der Alltagswelt. In Abb. 75 wird ein osmanischer Dervis-Tanzabend beworben, der ganz im Gegensatz zur exklusiv-kemalistischen Färbung der Museen und sonstigen Erinnerungsorte damit eine lang verpönte Epoche des interethnischen Zusammenlebens in den Fokus stellt, wie sie auch für das Mutterland Türkei charakteristisch zu sein scheint (Hatay und Bryant 2008). Die weit verbreitete Zweckentfremdung verlassener Gebäude, schließlich, kommt in der letzten Photographie zum Ausdruck, die eine ehemalige Kirche mit Minarettanbau zeigt, die nun einen Kindergarten beherbergt (Abb. 76). Der öffentliche Raum zeigt damit zum einen die mannigfaltigen 115
[abgerufen am 11.10.2016].
15.2 Friedensaktivismus
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„Spuren“ des Konfliktes, die politische Bedeutung erlangen, obgleich sie nicht als solche gemeint sind, wie auch die Widerstandspunkte der konstruierten Nationalgeschichte(n). Die kritischen Bilanzen der Experten und eine anthropologisch-kulturwissenschaftlichpolitologische Querschnittsanalyse der Alltagswirklichkeit zeigt so die sich gegenseitig bestärkenden Ursachen der zypriotischen Unteilbarkeit auf.
15.2
Friedensaktivismus: Home for Cooperation und Association for Historical Dialogue and Research 15.2 Friedensaktivismus Das gesellschaftliche Klima auf beiden Seiten – so kann man aus dem Vorangehenden schließen – steht bikommunalen Aktivitäten gleichgültig bis vehement ablehnend gegenüber. Wie auch das CMP, so werden bikommunale NGOs nicht nur von staatlicher Seite finanziell nicht unterstützt. Sie gelten vor dem Hintergrund des Nicht-Anerkennungs-Dualismus eben als provokante und bisweilen gefährliche Praxis der nationalen Frontaufweichung. Das wird so offen freilich zumeist nicht gesagt. Die beiden hochrangigen Politiker Prodromou und Suguoglu hielten sich in Versöhnungsbelangen denn auch diplomatisch bedeckt: Der Frage, warum NGOs mit bikommunaler Ausrichtung von staatlicher Seite nicht unterstützt würden, wich Prodromos aus, indem er die Konfliktgeschichte verharmloste und den Versöhnungsbedarf so als unerheblich deklarieren konnte. Selbst Suguoglu, der die ausgeprägte Angst und das Misstrauen der türkischen Zyprioten in den Fokus seiner Argumentation stellte, um die Notwendigkeit einer konföderativen Lösung zu untermauern, antwortete auf dieselbe Frage, aus eben dieser Angst heraus könnten bikommunale Initiativen ohnehin nie eine kritische Zahl an türkischen Zyprioten erreichen (Prodromou 2013; Suguoglu 2013). Das kommt einem argumentativen Zirkelschluss gleich. Denn macht, so könnte man entgegenhalten, diese Ausgangssituation die Unterstützung derartiger Initiativen doch noch dringlicher. In einer geschlossenen politischen Diskussionsrunde konfrontierte die Verfasserin einen hochrangigen griechisch-zypriotischen Regierungsvertreter mit diesem Widerspruch. Er reagierte darauf mit unverhohlenem Ärger. Sollen die Aktivisten doch tun, was ihnen beliebe, entgegnete er mit einer abwehrenden Handbewegung. Niemand würde sie daran hindern, so sein repräsentativer Kommentar. Genau dies, so kann man pointiert einleiten, tun sie denn auch in einem kleinen Abschnitt der begeh- bzw. passierbaren UN-Pufferzone im Herzen Nikosias. Er ist als kultureller und staatlicher Zwischenraum im Sinne Bhabhas zugleich Provokation für, Infragestellung der und Verweis auf die national(istisch)en Räume, die er geographisch verbindet. Am westlichen Rand des Altstadtkerns gelegen, markiert er die Zone, in der sich das Hotel Ledra Palace befindet. 1949 erbaut und einstiges Luxussymbol sind nun UN-Soldaten dort untergebracht, die ihre Wäsche zum Trocknen auf die Balkone hängen. In den 1990er Jahren – als die Grenze noch hermetisch abgeriegelt war – wurde das Hotel zum einzigartigen Treffpunkt für bikommunale Friedensgespräche. Beide Seiten brauchten seinerzeit noch eine Passiersondererlaubnis, um die Pufferzone zu betreten (Papadakis 2005: 149). Heute muss man, so man vom Norden herkommt, lediglich seinen Ausweis vorzeigen. Beim Eintritt aus dem Süden oder dem Verlassen der Pufferzone in den Süden musste die Verfasserin zumeist keinen Ausweis vorzeigen, nachdem sie auf Griechisch Angaben über den Grund ihres Grenzübertritts gemacht hatte. Auch hier ist also der asymmetrische Umgang mit der Grenze ersichtlich.
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In der Pufferzone liegen symbolträchtigerweise außerdem das Goetheinstitut Nikosia, eine Zweigstelle der Fullbright Kommission und das Cyprus Commmunity Media Center, in dem sich vornehmlich junge Zyprioten aus beiden Landesteilen zu Friedensseminaren und interaktiver Medienarbeit zusammenfinden: Sie betreiben eine trilinguale Radiostation, bieten Workshops zum Umgang mit Medien für zivilgesellschaftliches Empowerment, zur zypriotischen Konfliktgeschichte oder zu friedenspolitisch relevanten Themen an.116 Schließlich beherbergt die Pufferzone auch das sog. Home for Cooperation (HfC), dass, wie bereits im Methodikteil erwähnt, ein einzigartiger Ort der Begegnung ist.117 Mit Erlaubnis der UNFICYP und finanziert durch EU und UN wurde das brachliegende Haus 2011 auf zivilgesellschaftliche Initiative hin zum interkommunalen Treffpunkt ausgebaut. Das HfC beherbergt eine Reihe von NGOs, wie die Peace Players, die Jugendliche aus beiden Inselteilen zu Sportturnieren zusammenführen oder den Office of the Religious Track, der unter der Ägide der schwedischen Botschaft religiöse Führer Zyperns zum Dialog einlädt. Die wichtigste NGO indes ist die Association for Historical Dialogue and Research (AHDR), die unter der Leitung von Wissenschaftlern und Bildungsexperten alternative Geschichtsbücher entwickelt und freiwillige Lehrerfortbildungen im Bereich Friedenserziehung anbietet (AHDR 2017). Während ihrer Forschungsaufenthalte verbrachte die Verfasserin etliche Tage und Abende in der Bibliothek und im Café des HfC, wertete Bücher und Medien aus, von denen eine aus Versöhnungsperspektive besonders relevante Auswahl im Folgenden erörtert werden soll und nahm an wissenschaftlichen und kulturellen Veranstaltungen teil. Im HfC führte sie auch nahezu alle der formellen Interviews mit UN-Repräsentanten, Wissenschaftlern und Bildungsexperten, außerdem eine ganze Reihe von informellen Gesprächen mit Aktivisten und Künstlern. Die Verbindung aus Quellenanalyse und teilnehmender Beobachtung über die täglichen Aufenthalte vorort zeigt, dass das HfC, wenn man so will, das Who´s Who der bikommunalen Friedensarbeit beherbergt: Nahezu alle prominenten Namen der wissenschaftlichen oder künstlerischen Sphäre gehen dort ein und aus, treffen sich zum informellen Austausch oder planen gemeinsame Projekte. Zu ihnen gehörten etwa der international prämierte Regisseur Panikos Chrissanthou, die teils bereits erwähnten Friedenswissenschaftler Papadakis, Hadjipavlou, Uludağ und Prof. Niyazi Kizilyürek oder CCMCLeiter Orestis Tringides, der jüngst über zivilen Ungehorsam inselweite Bekanntheit erreichte. Über ihre Präsenz vorort konnte die Verfasserin durch aktive Kontaktaufnahme wertvolle Verbindungen knüpfen, die zumeist zur Vorstellung weiterer Personen führten. Zwei Eindrücke können so einleitend vermittelt werden: Erstens erscheint das HfC jenseits seiner reinen Funktion als Veranstaltungsort ein geschützter und hoch symbolischer Raum für diejenigen zu sein, die sich der nationalistischen Exklusion beider Seiten entziehen und trotz des ungelösten Konfliktes einen bikommunalen Alltag leben wollen. Diejenigen, die – ein bereits erörtertes emotionales Charakteristikum der Friedensaktivisten – ob des politischen Stillstandes Enttäuschung und Frustration zu bewältigen haben, können so im Kleinen leben, was im Großen nicht möglich ist. Das HfC erscheint damit, wenn man so möchte, als wirkliches Zuhause, als Ort der interkommunalen Freundschaft und des Respektes, der beispielsweise im Bemühen um einen inklusiven Sprachduktus zum Ausdruck kommt: So wird im mit Blick fürs künstlerische Detail
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[abgerufen am 11.10.2016]. [abgerufen am 11.10.2016].
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eingerichteten Café der Mokka – ein nationalistisch heiß umkämpfter Lokus – weder als türkischer, noch als griechischer, sondern als zypriotischer Kaffee angeboten. Die scherzhafte Rede vom ungewissen nationalen Ursprung des Mokkas – so der Eindruck aus etlichen informellen Kontakten – ist ohnehin mittlerweile zu einem humoristischen Erkennungszeichen für nationalismuskritische Kreise geworden (vgl. dazu auch Papadakis´ augenzwinkernden Essay 2011). Zweitens indes bestätigte der tägliche Aufenthalt im HfC den in Interviews selbst oft mit Bedauern geäußerten Befund, dass nämlich die Kreise der kritisch-reflexiven, transnationalen und friedenspolitisch Engagierten aus zumeist denselben, zahlenmäßig geringen und untereinander eng vernetzten Akteuren (den sprichwörtlichen Usual Suspects) bestehen. Vor dem Hintergrund der geschilderten negativen Einstellungen gegenüber bikommunalen InitiaAbbildung 77 – Eröffnung des HfC tiven erscheint dies nicht verwunderlich. Die Aktivitäten des HfC scheinen dieser Schwierigkeit Rechnung zu tragen, indem sie sowohl friedenpolitische wie auch nicht konfliktrelevante Ausrichtung haben. Letztere wollen gerade einen weiteren Kreis an Zyprioten erreichen, die dem Versöhnungsgedanken skeptisch gegenüberstehen. „Wir sollten nicht so sehr mit Labels beschäftigt sein“, erklärte AHDR-Kommunikationsbeauftrage Yaprak Aydin der Verfasserin: „Nicht nur helfen uns diese Labels nicht in unserer Arbeit, sie sind unseren Zielen hinderlich.“ Schülergruppen würden leichter für bikommunale Veranstaltungen zu gewinnen sein, wenn man den Aspekt der Versöhnung außen vorlasse. So hätte man Lehrer mit ihren Klassen von beiden Seiten zu einem von der AHDR organisierten Straßenfest in der Pufferzone geladen, ohne zu betonen, dass auch Schüler der jeweils anderen Seite dort anwesend sein würden. „Es war ein voller Erfolg. Was passierte, passierte indirekt“ (Aydin, 2016). In diesem Sinne bietet das HfC ein breites Angebot an Aktivitäten, die dem Bereich der indirekten Versöhnung zugeordnet werden: Zum festen Angebot des Hauses gehören Sprachkurse (vornehmlich Griechisch und Türkisch), auch bilinguale Sprachkurse für Kleinkinder, kreative Schreib-, Theater- und Tanzworkshops, Kunstwettbewerbe und Jugendbegegnungen, gut besuchte Konzerte mit griechischer und türkischer Folklore, multilinguale Poetry Slams, aber auch Civic Education-Seminare für Lehrer in Kooperation mit dem Europarat. Erst jüngst sprach EU-Bildungskommissar Tibor Navracsics dort mit Jugendlichen über das Konzept des Friedens. Das HfC ist damit nicht nur bikommunaler Treffpunkt, sondern auch beliebte europäische Anlaufstelle für Veranstaltungen mit inklusivem, bürgerrechtlichem und multikulturellem Charakter. Das HfC ist damit Sinnbild für Internationalismus und Moderne und aus diesem Grund offenkundig auch für die politischen Führungen imagetechnisch so attraktiv, dass beide Volksgruppenführer 2011 zur Eröffnung kamen (Abb. 77: AHDR-Vorsitzende Chara Mariyianni, „TRNZ“-Präsident Eroglu, RoC-Präsident Christofias (v.l.)).118
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[abgerufen am 24.03.2013].
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Die friedenspolitische Arbeit (direkte Versöhnung) indes ist das Herzstück des HfC. In diesem Rahmen bietet die AHDR beispielsweise Workshops zur Durchführung von Oral History-Interviews, laden die „Cyclists Across Barriers“ zu einer Radtour durch die Altstadt entlang verschiedener Referenzpunkte zur Kultur- und Konfliktgeschichte ein oder bietet der Zusammenschluss „See why“ eine organisierte Bildungstagesreise in verlassene Dörfer an. Die Verfasserin selbst nahm während ihrer Aufenthalte an etlichen Abendveranstaltungen teil. Dazu gehörten zwischen 2013 und 2016 drei wissenschaftliche Symposien zur zypriotischen Bildung, Konfliktgeschichte und zur Entwicklung der Pufferzone, zwei Podiumsdiskussionen zu den besonderen Herausforderungen, die die Inselteilung in Gender- und Umweltfragen birgt sowie etliche Filmabende, in denen die erörterten Dokumentarfilme zur zypriotischen Konfliktgeschichte, aber auch illustrative Dokumentationen bikommunaler Jugendcamps gezeigt und diskutiert wurden. Letztere zeigen anschaulich das Potential von sich gegenseitig verstärkender indirekter und direkter Versöhnung durch die Herausbildung einer gemeinsamen, transethnischen Identität: So sind die Jugendcamps als Abenteuer- und Forschungsbegegnungen konzipiert, in der die Exploration der zypriotischen Flora und Fauna im Fokus stehen, Umweltfragen diskutiert, gemeinsame naturwissenschaftliche Experimente im Stil von „Jugend forscht“ unternommen werden und schließlich in Diskussionsrunden auch über friedenspolitische Konzepte, wie Toleranz für Andersartigkeit diskutiert oder Ideen für eine wiedervereinigte Insel gesammelt werden. Man sei mit Skepsis angereist, wie „der Andere“ wohl sein würde, betonen die Jugendlichen dort immer wieder. Auch hätten Freunde und Bekannte nicht immer positiv auf die Information über die Teilnahme an einem derartigen Camp reagiert. Zaghafte Unsicherheit im gegenseitigen Umgang weicht schnell positiver Überraschung und Freude am interkulturellen Austausch. Das illustrieren die Filme anschaulich, wenn die Teilnehmer strahlend über ihre neuen Sprachkenntnisse, über neue Freundschaften und Einsichten berichten (Avgousti 2005; Avgousti 2008). Veranstaltungen und Quellen unterstreichen, wie holistisch auch der friedenspolitische Ansatz des HfC ist. Zwei jeweils einstündige Interviews mit den AHDR-Vorsitzenden Alev Tugberg und Kyriakos Pachoulides gaben wertvolle Einblicke in Prämissen, Ziele, Methodik und Aktivitäten der friedensorientierten Geschichtsdidaktik. Ein transkribierter Auszug aus dem Gespräch mit Tugberg, die 2014 in der ersten bikommunalen zypriotischen Liste ihrer Geschichte für die Europawahl antrat, illustriert anschaulich persönliche Leidenschaft und politische Vision, die ihrer Arbeit zugrunde liegen: „A. T.: „We are blessed because we have such a beautiful country. Why make life miserable? I mean, this is – excuse my word – but this is stupid. […] It is simple. In this house, we are living together. I mean, there are good times, there are bad times. We support each other […]. Yes, we do have problems. But it has nothing to do with identity. No one perceives me as a Turkish Cypriot and shouts at me. No! Maybe if I kind of make a mistake, someone might be angry with me and that someone might happen to be a Greek Cypriot, but it is normal. We are all humans. The problems have to do with humanity.”
Auf die Frage nach ihrer Einschätzung der Chancen für eine Konfliktbeilegung antwortet sie: „I am a hundred percent sure there is the potential. But it is hidden somewhere deep. It is just a click of a finger by the leadership to reveal this and to take this out and everything can change overnight […] Let me give you an example. It is […] personal though: Because my son has been going to school on the South side since 2004. He was the first Turkish student, Turkish-Cypriot student to go to school in the South first after the check points were opened.“ C.R.: „To understand: He had lessons in Greek?”
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A.T.: „Yes, yes, he speaks Greek. So, I call him: ´You are the future of Cyprus`. […] I wanted him to be […] a representation of my kind of ideals. And thanks god, you know, he followed the route. So, everyone blamed me for sending my son to a Greek school and we actually didn´t tell anyone. Only the closed family members knew about it and they sort of condemned us for this. But in time, because of the quality of education he has been receiving and because he can now fluently speak, read and understand both languages plus English people got to know that: Ok, we had a point. All three years he grew up to be a Cypriot. Because he didn´t study Greek history, he goes to an English national curriculum school and he didn´t study Turkish history – thanks god – so he is a person of the world. He has no preconceptions. He knows the problems […] but he doesn´t have this notion of the two commonalities. He doesn´t know this. Everyone is Cypriot to him […]. C.R.: „He is a living example of how it could be.” A.T.: „Yes, he is a living example. […] There is another personal example that I want to actually mention relating to what I said before about this existing potential […]. Just for reasons of practicality I tried to rent a small flat for us to make transportation easier in the morning to take them to school etc. And I had some reservations […] to rent a flat in the South. Who would offer me […], even if I pay for it – you know, I wouldn´t have liked reactions from what you hear, ok, what you sometimes see: Newspapers and official narratives – […] The first thing when I called to look for a flat, the first thing I revealed was: ´I am a Turkish Cypriot. I mean, you have every right to refuse to give me a flat, ok, but I am interested in your flat`. Not a single person out of like ten, fifteen […] landlords and landladies reacted to my being Turkish Cypriot that wanted to rent a flat and live next to them. And, apparently on top of it they were very welcoming. They said: ´Oh, yeah!` They started talking about past, talking about how they lived together with the Turkish Cypriots […]. And they even remembered names. But they said, we cannot go and find them, but they shared. They shared. So, the continuity of this shared life and shared past is so reflected today. They were very pleasant towards me and I made them remember their past and they looked to the future. They said, it´s fine. I mean, we welcome you. Some of the owners, well, when I said, ´This flat is too big for me`, they were sad that I wasn´t going to rent […]. I mean, you see this in the shops, this welcoming. So, what is this exaggerated hatred between the two communities? […] I am accepting the fact that it does exist but in some certain, small groups of people.”
Gegen Ende wird der Charakter des Interviews informeller. Lachend und kopfschüttelnd fragen sich Tugberg und die Verfasserin, ob denn die nationalistischen Zentrifugalkräfte nicht durch zwischenmenschliche Kontakte ausgeglichen werden könnten. Die Verfasserin erinnert an die (im Forschungsstand angesprochene) Imia-Krise, die auf die Erdbeben in Griechenland und der Türkei folgende Welle der gegenseitigen Hilfsbereitschaft und die damit verbundene Wende im bilateralen Verhältnis. Aus versöhnungstheoretischer Perspektive handelt es sich dabei um eine revolutionäre Veränderung, die sich darin erklärt, dass die exklusiven nationalen Identitäten durch die humanitäre Katastrophe temporär ausgeblendet wurden und so den Griechen und Türken eine neue Form der gemeinsamen menschlichen Identifikation gaben. Tugberg antwortete darauf mit lachender Zustimmung und einer kulturtheoretischen Ergänzung: A.T.: „It is just crazy. There must be something wrong with us as a community. I am not separating the two communities. This is one of the common properties that we have. We are a little bit oversentimental in our approaches and we are always in the extreme ends of the continuum and we can never come towards the middle to find a common ground and overcome our problems. We have to be either very angry – maybe we are Mediterranean – or very happy. I mean, nothing in between can happen, ha? [lacht]. […] All of a sudden – like you said, it is a very good example – at the verge of a war in one minute and the next minute there is all this feeling of solidarity and, you know, crying for each other.” C.R.: „There is the potential, in either direction.” A.T.: „Yes, there is the potential” (Tugberg 2012).
Auch im Interview mit Tugberg zeigen sich – deshalb wurde es im Detail dargestellt – ebenso wie bei Uludağ und Hadjipavlou das Bedürfnis nach einer Überwindung der ethnischen Kategorisierung durch einen Fokus auf Empathie und Menschlichkeit, ein feinsinniges Gespür für
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die kulturellen Zwischentöne und Widersprüche der zypriotischen Gesellschaft wie auch der Glaube an eine Überwindung der Inselteilung durch eben jenen zwischenmenschlichen Fokus. Die Schilderung ihres herzlichen Empfangs vonseiten der Wohnungseigentümer deckt sich mit vielen, von Friedensaktivisten geteilten Erzählungen bewegender Begegnungen nach der Grenzöffnung von 2003, die – ähnlich der Mutterlandsannäherung nach der Imia-Krise – zeigen, wie sich bildlich gesprochen die aufgestauten Gefühle des dichotomen Schwebezustandes Bahn brechen, wenn man ihnen Gelegenheit dazu gibt. So berichteten die Mitglieder der bikommunalen Gruppe „The Cyprus Dream“, mit denen die Verfasserin etliche Musikabende verlebte, wie viele griechisch- und türkisch-zypriotische Flüchtlinge in vorauseilender Gastfreundschaft ihre Häuser für den potentiellen Besuch ihrer alten Bewohner präparierten oder sich spontan als Taxifahrer anboten, um die euphorischen Menschen, die nur zu Fuß über die Grenze kommen konnten, im jeweils anderen Inselteil zu chauffieren. Tugbergs Prämissen sind repräsentativ für alle Mitarbeiter des HfC, die die Verfasserin kennenlernen durfte. Mit dem Historiker und Pädagogen Pachoulides sprach sie schon 2012 über die Chancen und Hindernisse einer bildungspolitischen Reform. Wie einleitend erwähnt, konzipiert die AHDR freiwilliges, zweisprachiges (griechisch-türkisches) Zusatzmaterial für den Geschichtsunterricht. Die Initiatoren und Unterstützer der Vereinigung – zumeist selbst im Bildungswesen oder in der Geschichtswissenschaft zuhause – bemühen sich durch hauseigene Informationsveranstaltungen, über gezielte Fortbildungsangebote für Lehrer oder bikommunale Seminare für Schüler um Bekanntmachung und Verbreitung des Lehrmaterials und der Philosophie der Vereinigung. Wie Pachoulides auf Nachfrage bestätigte, kann kein direkter Einfluss auf die Schulbücher des regulären Lehrplanes beider Gemeinschaften genommen werden. Im Norden ist, wie Pachoulides erklärt, die Rezeption des Materials durch die (freiwillige) Kooperation mit Lehrerverbänden auf einer semistrukturellen Basis, im Süden hingegen basiert die Verteilung zumeist auf persönlichen Netzwerken. Der Widerstand gegen Reformversuche scheint also, wie bereits im Schulbuchkapitel erörtert, bei den griechischen Zyprioten deutlich größer. Bezeichnend für den externen Blick eines nicht-zypriotischen Wissenschaftlers ist (möglicherweise), dass die Verfasserin zunächst davon ausging, hier würden Lehrwerke zur brisanten Konfliktgeschichte verfasst, die eben jenen Ereignissen Raum gäben, die von der jeweiligen Seite ausgespart oder verzerrt würden. Auch war die Verfasserin zunächst primär an einer quantitativen Erfassung des Effektes der friedenspolitischen Bemühungen interessiert. Das sorgte im Gespräch – so der Eindruck – für Irritation seitens des Gesprächspartners, dem die Verfasserin damit wohl ungewollt zeigte, wie wenig sie mit der Lebenswirklichkeit des Konfliktes vertraut war. Man spare die heißen, brisanten Konfliktfragen in den Büchern bewusst aus, erklärte er. Würde man sich daran wagen, würde man in ein Wespennest treten und jedwede Bemühung um Veränderung wäre im Keim erstickt. Vielmehr gehe es primär darum, erstens das Verständnis von Geschichtsdidaktik zu verändern, zweitens das grundsätzliche Kooperationspotential der beiden Gemeinschaften aufzuzeigen und drittens zu unterstreichen, dass man selbst in so sensiblen Bereichen, wie der Nationalgeschichte einen gemeinsamen Nenner finden könne. So konzentrierten sich die bilingualen Bücher vor allem auf die Sozial- und Kulturgeschichte Zyperns für Kinder und junge Erwachsene. Um ihr nahezubringen, was einem zypriotischen Aktivisten selbstverständlich erscheint, erklärte er, der Repräsentant des Bildungsministeriums, dem man ein erstes derartiges Lehrwerk zur Ansicht dargereicht hätte, hätte
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es sofort zurückgegeben, ohne es überhaupt aufzuschlagen. Auch wären die reinen „Zahlen“ demotivierend. Was solle er sagen? Dreihundert? Vierhundert? Er wisse nicht genau, wie viele Lehrer mittlerweile zu formellen und informellen Bildungsveranstaltungen von AHDR und HfC kämen. Auch sei es schwer, den „Effekt“ auf ihr Geschichtsverständnis zu messen. Doch Quantität sei in diesem Falle nicht auschlaggebend, fügte er hinzu. Vielmehr wolle man auf qualitative Veränderungen hinwirken. Zugleich räumte er ein, die Entscheidung, auf brisante Konfliktinhalte zu verzichten, hätte der AHDR den Vorwurf eingebracht, den „leichteren Weg zu wählen“. Die Verfasserin erinnert sich, dass sie in jenem Augenblick mit einem Gefühl der Enttäuschung denselben Gedanken gehegt hatte. Etliche Forschungsjahre später und mit profunder Kenntnis der alltagwirklichen Auswirkung dessen, was sich hinter Bezeichnungen, wie monolithischem Wahrheitsverständnis und Monumentalgeschichte verbirgt, erscheinen die Bemühungen der AHDR nicht nur wohlbedacht, sondern – vielmehr als oberflächliche Reformen – auf den eigentlichen Kern der zypriotischen Unteilbarkeit ausgerichtet: Sowohl Pachoulides als auch sein Kollege Marios Epaminondas erklärten, Bildungsreformen wie jene im Norden oder EU-orientierte, rhetorische Anpassungen wie jene im Süden, änderten nichts an den Grundeinstellungen von Lehrern und Schülern. Eine Reform könne man von oben durchsetzen und, wie die jüngsten Entwicklungen zeigten, auch schnell wieder rückgängig machen. Einem griechisch-zypriotischen Schüler, dessen Wissen sich darauf beschränke, dass die Türken bestialische Griechenmörder seien, die Idee der friedlichen Koexistenz zu vermitteln – beispielsweise, indem man vom alltäglichen Besuch orthodoxer Geistlicher in osmanischen Kaffeehäusern erzählte – oder ein Grundverständnis für Multiperspektivität und Relativität durch die Diversifizierung und offene Interpretation von Quellen, sei demgegenüber ein großer Erfolg (Pachoulides 2012; Epaminondas 2016). Hier findet sich eben jene Problematik eines bedürfnis- und identitätsbasierten Widerwillens zur Infragestellung kollektiver Glaubensgrundsätze wieder, die bereits in der Analyse des griechischen (Festlands-) Nationalismus im Widerwillen einer Revidierung der Grundeinstellungen und Kindheitsbilder zum Ausdruck kam und die Pingel (2009: 37) in den UNESCO-Richtlinien unterstrichen hatte. Der Ansatz der AHDR erscheint vor diesem Hintergrund angemessen und ambitioniert. Ausgewählte Lehrwerke, ihre Methodik und Intention seien im Folgenden abschließend erörtert.
15.3 Geschichte erleben, erfassen und diskutieren: Peace Education in der Praxis 15.3 Geschichte erleben, erfassen und diskutieren: Peace Education in der Praxis 15.3.1 Einleitung Zu den alternativen Publikationen der AHDR zählt erstens „Introducing Oral History“, ein englisches Booklet, das auf Basis praktischer Anleitungen und Vorlagen für den Umgang mit Zeitzeugen und das Durchführen von Interviews einem nicht versierten Publikum den Mehrwert einer Beschäftigung mit Sozial- und Alltagsgeschichte aufzeigen möchte. „A Look at our Past“ ist zweitens ein fast 200 Seiten dickes, dreisprachiges (Griechisch, Türkisch, Englisch) Buch, das mit zahlreichen Bildern und kreativen Gruppen- und Rechercheaufgaben die zypriotische Kulturgeschichte, von Hochzeitsbräuchen, über die soziale Bedeutung des Kaffeehauses, Kinderarbeit in den Minen, bis zu Kontinuität und Wandel von zypriotischer Mode illustriert und
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damit – wie das Buch zu Beginn anschaulich zusammenfasst – die kritische und kreative Auseinandersetzung mit dem öffentlichen Raum, mit kulturellen Artefakten als Sinnbild und Indikator für soziale Präferenzen und Hierarchien fördern will. Dabei zeichnet es zugleich – ohne, dass dies direkt thematisiert würde – ein mannigfaltiges, dynamisches und multiethnisches Bild der zypriotischen Gesellschaft, das sich von den monokausalen und eindimensionalen Narrativen der staatlichen Bildung absetzt. Dieselbe Zielsetzung ist in der ebenfalls dreisprachigen Publikation „How to Introduce Gender in History Teaching“ ersichtlich, das auf Basis gendertheoretischer Reflexionen vorsichtig den selektiven und maskulinistischen Zugang zu Geschichte und Gegenwart kritisiert und die mannigfaltigen Rollen und Errungenschaften von Frauen in der zypriotischen Sozialgeschichte sichtbar macht (Birey et al. 2914). Die drei folgenden Bücher bzw. Buchreihen der AHDR seien en Detail erörtert, weil sie besonders anschaulich die erörterten geschichtsdidaktischen Ziele illustrieren (AHDR 2017).
Abbildungen 78, 79, 80 – Umschläge der drei alternativen Geschichtsbücher (mit freundlicher Genehmigung der © AHDR; All Rights Reserved)
1. „The Ottoman Period in Cyprus. Learning to explore change, continuity and diversity” (Lehrbuch/ OS) 2. „Learning to investigate the History of Cyprus through Artefacts. Teacher's Guide and Museum Activity Booklet for Students” (Lehrerhandbuch und Lehrbuch/ AR)
3. „Thinking Historically about the Missing Persons. A Guide for Teachers” (Lehrerhandbuchreihe mit interaktiven Arbeitsmaterialien/ MP), dazu gehören: 3.1 „Introduction and Acknowledgements” (MP I) 3.2 „Developing Historical Thinking” (MP II) 3.3 „What do we mean by Missing Persons? Experience and Responses Around the World” (MP III) 3.4 „Missing Persons in Cyprus” (MP IV) 3.5 „How should the Missing Persons of the Cyprus Conflict be Remembered. Lesson Plans and Rationale” (MP V) 3.6. „Resources” (MP VI)
Vor dem Hintergrund, dass die impliziten Prämissen und das Vorwissen der Schüler, Lehrer und Eltern berücksichtigt werden müssen, erscheinen sie alle, so kann man einleiten, als vor-
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sichtige Alternative im Umgang mit Geschichte als Forschungsobjekt, die Freude am Diskutieren, am wissenschaftlichen Umgang mit Quellen wecken und die Relativität von historischen Perspektiven in den Vordergrund stellen soll. Für die Autoren selbst erscheint die Arbeit an den Büchern als Initiationsprozess: „The experience of working together on these materials, and reflecting on our own presuppositions and assumptions from our own communities, was educative for us too. This was the first time that Turkish and Greek Cypriots had participated in such a project. We had to learn how to find out about each other´s starting points, concerns and understandings. We had many debates about which sources to include, the purpose of the lesson, and even the title of the booklet. We managed to overcome potential difficulties by building mutual understanding and respect for one another as scholars, teachers and enquirers into how children can learn to think historically” (OS: 7).
Die Kooperation der Autoren repräsentiert damit en miniature die Prozesse, die sie durch das Buch zu initiieren trachten und soll offenkundig eine Vorbildfunktion besitzen. Ausgewählte Inhalte und Methodik der Publikationen seien im Folgenden dargestellt und im Hinblick auf versöhnungsrelevante Ziele eingeordnet und beurteilt. Mit Blick auf das erläuterte Wahrheitsverständnis, pädagogische Kultur und zentralistische Ausrichtung der staatlichen Bildung zielen sie, wie die Stavroula Philippou, Bildungsforscherin an der University of Cyprus, in einem AHDR-Workshop für Lehrer unterstreicht, vor allem auf die Vermittlung eines konstruktivistischen Geschichtsverständnisses, das Dynamik und Relativität von Vergangenheit in den Vordergrund rückt und zu kritischer Reflexion und Interaktion motivieren soll (Second Order Understanding). Wie sie anhand einer Graphik erläutert, sollen in der Bildungsarbeit im Idealfall erstens die Ideen der Schüler (Child-Centered) und nicht vordefiniertes, passiv zu rezipierendes Wissen (Subject-Centered) im Vordergrund stehen. Zweitens soll die kritisch-offene Form des Geschichtszugangs eher sozialen Wandel motivieren, als Normkonformität (Social Acceptance). Das Lehrmaterial möchte also zum differenzierten und reflexiven Austausch motivieren, muss aber zugleich einen sensiblen Mittelweg finden, der trotz alternativer Zugänge das Risiko etwaiger Abwehrreaktionen minimiert. Im Sinne dieses Mittelwegs bedienen sich die Publikationen, so kann man einleiten, offenkundig folgender Methoden: Erstens basieren sie auf einer vorsichtigen Infragestellung traditioneller epistemologischer Prämissen auf Basis einer diachronen Wissenschaftskritik, ohne dabei „missionarisch“ zu wirken (Philippou 2012). Sie sollen insbesondere die Lehrer vom Mehrwert einer dynamischen Geschichtsvermittlung überzeugen. Zweitens sind die Lehrmaterialen auf Kreativität, Interaktion und kritische Diskussion ausgerichtet: Differenzierte Lektüre und Quellenarbeit, Exkursionen und kreative Gruppenaufgaben sollen dies befördern. Drittens ist das Bemühen evident, den traditionellen, normativ aufgeladenen und monolithischen Darstellungen entgegenzuwirken, indem Themen in sachlich-rationaler Sprache verfasst und durch die Einbindung unterschiedlicher sozialer Ebenen und unterschiedlicher Perspektiven Differenziertheit und Multikausalität in den Vordergrund rücken. Viertens geschieht die Heranführung an sensible Fragen innerhalb Zyperns über die vorangehende Auseinandersetzung mit Fallstudien anderer Konfliktregionen. Die Konzeption der fünf Booklets zur Vermisstenfrage (MP I-V) zeigen die feine Abstimmung und kollektive Anwendung dieser Methoden. Sie sind in trilateraler Kooperation zwischen der AHDR, den Elders und dem International Center for Transitional Justice (ICTJ) entstanden. Alle Lehrwerke sind um Multiperspektivität und historische Kontextualisierung be-
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müht. Dabei soll den Schülern, so die Autoren, über eine sachliche, vergleichende, globale Perspektive der Problematik von Vermissten und der Erinnerung an sie der Zugang zum zypriotischen Kontext und die Historisierung erleichtert werden (MP I: 3). Das erste Buch gibt in diesem Sinne einen Überblick über die Situation auf Zypern und ordnet diese zugleich in einen globalen Kontext. Wie Workshop-Teilnehmerin Maria Georgiou treffend formuliert: „Giving an overview by zooming in and zooming out“ (Philippou 2012). MP II gibt in diesem Sinne einen wissenschaftskritischen Überblick über Kontroversen der Geschichtsdidaktik, während MP III auf Basis umfassender Fallstudien den schwierigen Umgang mit der Problematik der Vermissten skizziert. Erst MP IV geht explizit auf den zypriotischen Kontext ein und schildert diesen sachlich-kritisch und aus diversen Perspektiven. Die Geschichte zur osmanischen Periode Zyperns ist als einladende Zeitreise in den interethnischen Alltag konzipiert. Sie vereint Zeitzeugenschilderungen mit Berichten von Forschungsreisenden, ergänzenden Erklärungen, Fragen und Lückentexten. Die Bücher zum Umgang mit Artefakten, schließlich, geben einen anschaulichen Überblick über die Möglichkeiten und Grenzen archäologischer Rekonstruktion von Vergangenheit und sollen zugleich Handwerk zur eigenen Recherche und kritische Wissenschaftsreflexion bieten.
15.3.2 Metaebene und Relativität in der Geschichtsvermittlung Die Heranführung an ein alternatives, kritisch-reflexives Geschichtsverständnis geschieht im Sinne des indirekten Anspruchs eher implizit, als explizit. So finden sich in den wissenschaftskritischen Erörterungen der Publikationen beispielsweise Passagen, wie die Folgende aus dem Lehrerhandbuch MP V: “We can distinguish between approaches to the past: • that aim to identify the present with the past (or to assert continuity between them) or that aim to differentiate the present from the past (or to assert discontinuity); and • that aim to affirm the value of aspects of the past or that seek to negate them. Thus, for example, traditional orientations towards the past assert continuity of identity between the past and the present and aim to ensure that the future is shaped by adherence to past values or practices through monuments, heroic narratives and so on. By contrast, critical orientations towards the past disrupt continuity, effect a breach between the past and the present and model the past as something to be negated and overcome, for example through iconoclasm and critique” ([Hervorhebung im Original], MP V: 23).
Hier erscheinen die unterschiedlichen Zugänge als gleichwertig und werden ohne Wertung gegenübergestellt. Andere Passagen sind expliziter. So verwebt beispielsweise MP II, das den Unterschied zwischen Geschichte und historischem Erbe (Heritage) und zwischen forensischem, intersubjektivem und investigativen Wahrheitsverständnis erläutert, dick markierte Sätze in seine Argumentation: „To focus on story is, of course, to focus on what is to be taught rather than on how it is to be learned and understood”, heißt es, oder: „When we think of history as a discipline, school history ceases to be simply about acquiring knowledge about the past and becomes, instead, a matter of learning to think with and think about this knowledge and a way of understanding how this knowledge is produced“ (MP II: 7). Dass Letzteres langfristig den Lern- und Verständniswert erhöht, unterstreicht die darauffolgende historische Skizzierung
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geschichtsdidaktischer Kontroversen und Reformen des 20. Jahrhunderts. Erkenntnisse der Psychologie und Lerntheorie, so heißt es, hätten Stück um Stück zur Dominanz einer reflexiven, interaktiven und kritischen Geschichtsdidaktik und zu einer Abkehr von strikt chronologischer und auf passiver Rezeption basierender Vermittlung geführt. Nur über die kritische Reflexion, ein Verständnis zwischen kausalen Wirkmechanismen und Empathie, könne ein umfassendes und nachhaltiges Verständnis für historische Prozesse vermittelt werden (MP II: 4-23). Damit wird der (für den zypriotischen Kontext) alternative Zugang zur Geschichtsdidaktik als innovativ, auf der Höhe der Zeit und wissenschaftlicher Mainstream geframed und soll zur Nachahmung motivieren. Würden sich zypriotische Lehrer, so die Autoren, nicht selbst über die Schwierigkeiten ihrer Schüler beschweren? „Classroom experience in Cyprus, at least, suggests that the above descriptions apply in the case of Cypriot students also and this claim is also supported by anecdotal evidence of teachers’ perceptions: concerns about students’ inability to connect the knowledge of different historical periods and about the tendency to confuse chronology and to ‘misplace’ people and events in time appear frequently in history teachers’ everyday discussions” (MPII: 15). Ohne den dominanten Geschichtsdiskurs direkt anzugreifen wird so eine attraktive Lösung für das dargestellte Problem angeboten, das als offenkundige Folge universalistisch-abstrakter Geschichtsdidaktik auch in Millasʼ erörtertem Dokumentarfilm „The Other Town“ zum Ausdruck kam. Zugleich wird die Frage der richtigen Geschichtsdidaktik bewusst nicht als spezifisch zypriotische Herausforderung dargestellt.
15.3.3 Empathie, Reflexion und Kreativität Für die Förderung von kritischer Reflexion und aktiver Auseinandersetzung mit Geschichte erscheint für die Autoren das Konzept der historischen Empathie zentral. Solides Wissen und die Fähigkeit der Kontextualisierung vergangener Ereignisse stehen dabei im Vordergrund. Wie Philippou erklärt, handelt es sich ausdrücklich nicht um ein emotionales, sondern um ein kognitives Konzept, das auf der Fähigkeit beruht, Geschichte auf Basis möglichst umfassender und differenzierter Quellen zu rekonstruieren, zu interpretieren und sich damit in die Lebenswirklichkeit von historischen Akteuren, ihre Interessen, Ideen und Bedürfnisse hineinzuversetzen (Philippou 2013). OS und AR zeigen, wie dieser Anspruch umgesetzt wird. So sollen die Schüler in OS mittels historischer Quellen zu relevanten Ereignissen, Biographien muslimischer, wie orthodoxer Schlüsselfiguren der osmanischen Geschichte, Leitfragen zu kulturellen und architektonischen Artefakten des zypriotischen öffentlichen Raumes und auf der Basis von Lückentexten ihr Wissen über die Epoche generieren und diskutieren. Einer kurzen Anleitung für den Lehrer zu Kapitelbeginn, in der die jeweilige Zielsetzung erläutert wird, folgt der eigentliche Lehrstoff. Ähnlich wie die Vermisstenfrage ist, wie in den Kapiteln zur Genese der Mutterlandsnationalismen und der zypriotischen Erinnerungskultur gezeigt wurde, die osmanische Epoche auf Zypern naturgemäß hoch umstritten und selektiv.
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Um die Relativität von Geschichte, wie auch die Grenzen dessen, was Quellen auszusagen vermögen, zu demonstrieren, sollen die Schüler zunächst persönliche Gegenstände mitbringen, über deren Aussagekraft über den Besitzer dann diskutiert werden soll. So könne der Pass beispielsweise zwar Angaben über die Staatsangehörigkeit machen, nicht aber über das etwaige Lieblingsland des Inhabers (OS 11). Mit dieser einfachen, anthropologisch orientierten Methode lernen die Schüler, Gegenstände mit Geschichten zu verweben. Zugleich tritt die Subjektivität und Relativität dieser Geschichten in den Vordergrund. In AR (I/II), in dem es um die Analyse historischer Relikte und Artefakte geht, kommt diese Methode en Detail zum Ausdruck. Während AR I als Lehrerhandbuch konzipiert ist, ist AR II ein Mal- und Zeichenheft mit Graphiken und Fragen für die praktische Forschung während des Museumsbesuches. AR I soll, wie die Autoren einleitend erklären, mit Zielen und Methoden der Archäologie vertraut machen und den Schülern dabei implizit vermitteln, dass es nicht nur eine Großerzählung, sondern viele, teils überlappende, teils divergierende Erzählungen geben kann. So wird der Schüler zunächst für die diversen Ebenen und Formen von Erinnerung sensibilisiert. Erzählte und erlebte Geschichte, Generationendialog, „Spaces und „Places“ des öffentlichen Raumes, individuelle, institutionelle, architektonische, technische und künstlerische Artefakte tauchen in der folgenden Graphik als Arbeitseinheit auf (Abb. 81; AR: 19). Es folgen detaillierte, mit Bildern und Beschreibungen versehene Darstellungen archäologischer Arbeitsschritte, bei deAbbildung 81 – Spurensuche in Artefakten (mit freundlicher Genehmigung der © AHDR; All Rights Reserved) nen das Wissen um den historischen Kontext und die versierte Interpretation von Indikatoren, wie Erdbeschaffenheit des Auffindungsortes, Form und Material der Gegenstände oder ihre Beziehung zu anderen Gegenständen im Zentrum stehen. Auf Basis von Fachwissen über die entsprechende Epoche könnten, so erzählt der Text, mehr oder weniger gesicherte Aussagen über Funktion bzw. Gebrauch von Gegenständen gemacht werden, die umgekehrt möglicherweise neue Aspekte der Epoche ans Licht bringen. Dabei seien die Artefakte immer auch als „Zeitzeugenrelikte“ zu verstehen, die nicht auf eine universelle Wahrheit verwiesen (AR: 9-22). Es folgen Aufgabenstellungen, in denen der Lehrer beispielsweise zum Mitbringen von Artefakten angehalten ist, über deren Sinn dann spekuliert werden soll. Sie sollen Neugier und Forschergeist wecken, zum Aufstellen von Grundannahmen, zum Testen und Modifizieren von Hypothesen motivieren und schließlich nicht nur die Möglichkeiten, sondern auch die Grenzen von Erkenntnis demonstrieren (AR: 23-64). Der archäologische Arbeitsund Interpretationsprozess steht damit – ohne, dass dies explizit gesagt würde – sinnbildlich für eine investigative, transdisziplinäre und umfassende Auseinandersetzung mit Geschichte, die sämtliche Bereiche menschlichen Lebens umfassen kann. Sie basiert denn auch auf der Erfor-
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schung von „Spuren“, wie es Aleida Assmann in der Archäologie als Gedächtnismetapher illustriert und ist damit implizite bzw. nicht-konfrontative Methode, um das vorherrschende, implizite Geschichtsverständnis zu revidieren.
15.3.4 Mehrebenenblick: Bedingtheit, Differenziertheit und Menschlichkeit Durch Multiperspektivität, einen bewusst breiten, sozialgeschichtlichen Fokus und sachlichdeskriptive Sprache sollen historische Epochen aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet werden. In einem Lückentext des OB beispielsweise sollen zentrale Namen und Daten ergänzt werden. Was den Schülern als simple Wissensabfrage erscheinen mag, ist ein Beispiel für eine rational-differenzierte, nicht-normative, zugleich aber auch nicht belehrende Darstellung. So ist von strategischen Interessen der Eroberer die Rede, nicht von blutrünstiger Besatzung, ethnische Minderheiten finden Erwähnung und die Rechte der Nichtmuslime werden etwa durch Formulierungen, wie „freedom with some restrictions“ differenziert dargestellt. Die Exekution des orthodoxen Erzbischofs zu Beginn der griechischen Revolte wird als individuelles Bestreben des zypriotischen Gouverneurs dargestellt, nicht pauschal als Racheakt der osmanischen Herrscher (OS: 14-15). Hier ist das Interesse an einer Outgroup-Differenzierung evident. Reiseberichte von europäischen Handlungsreisenden, die die Schüler in Quellenarbeit kommentieren und einordnen sollen, sensibilisieren für den Fremdblick auf das Reich und zugleich für die Facetten der politischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Dimensionen des osmanischen Alltags. Positive Entwicklungen, wie die Statusverbesserungen der orthodoxen Bevölkerung nach der Eroberung Zyperns durch die Osmanen finden genauso Erwähnung, wie die Grausamkeiten der Eroberer an den Venezianern. Verwaltungstechnische Initiativen und Herausforderungen des Großreiches werden skizziert, gescheiterte Reformbemühungen, Misswirtschaft und Epidemien als Faktoren benannt, die zur Unzufriedenheit weiter Bevölkerungsteile beitrugen und schließlich das Ende der Epoche einleiteten, indem sie neuen Ideen Raum und Schubkraft gaben. Alltagsnöte jenseits religiös-administrativer Grenzen, freiwillige Konvertierung bzw. die Diskriminierung von Mischehen oder etwa die Schilderung freundschaftlicher Beziehungen zwischen und gemeinsamer Interessen der jeweiligen Volksgruppenrepräsentanten – beispielsweise in Form einer zaghaften Infragestellung des Revolutionsgeistes des orthodoxen zypriotischen Klerus – sollen zur Überwindung ethnisch-exklusiver Denkkategorien motivieren und unterstreichen offenkundig die Idee der Cross Cutting Cleavages (OS: 20-37). Geschichte erscheint so als multikausal und gänzlich ohne normatives oder ethnisches Kolorit. Das ist besonders in einem Text evident, der den Aufstand gegen den osmanischen Gouverneur Chil Osman zum Thema hat. 1764 neu auf die Insel entsandt habe dieser, so heißt es, eine rigorose Steuerpolitik zur Selbstbereicherung betrieben („to get as much as possible and as quickly as possible out of the island“). In einer geheimen Depesche an die Hohe Pforte hätte der orthodoxe Klerus mit Unterstützung muslimischer Eliten auf die Missstände aufmerksam gemacht. Ein Repräsentant des Großwesirs sei daraufhin auf die Insel entsandt worden, um sicherzustellen, dass keine Wuchersteuern erhoben würden. Der Gouverneur habe die zypriotischen Eliten daraufhin zu einer Unterredung in seinen Palast geladen, während draußen besorgte Untertanen auf Nachricht warteten. Im Text heißt es dazu: „As Nicosia happened that
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day to be full of people, being the eve of the important fair of St. Demetrios, a great number of them gathered in the square in front of the palace, anxiously awaiting news.“ Plötzlich, so wird berichtet, stürzte ein Teil des Bodens des Gebäudes ein, auf dem sich u.a. der orthodoxe Klerus befand. Es wird auf die Möglichkeit eines Sabotageaktes verwiesen, ohne jedoch mögliche Initiatoren zu benennen. Da die Versammelten dies für einen geplanten Mordanschlag auf den Klerus hielten, sei ein Tumult ausgebrochen, in dessen Folge der Gouverneur getötet worden sei. „For three hours”, so der Text, „the capital presented the spectacle of revolution, but once the governor was killed, the wrath of the people subsided. The Turkish authorities succeeded in calming them and they dispersed to their homes or went to the fair.” Um höhere Strafmaßnahmen durch die Pforte abzuwenden, hätten die türkischen Repräsentanten den Aufstand als verständliche Reaktion auf den Machtmissbrauch des Gouverneurs dargestellt. So sei lediglich eine Aufklärungskommission entsandt worden. Am Ende heißt es: „Both Turks and Greeks did their upmost to appease the Commissioners. Valuable gifts and money offers, plus promises for the rebuilding of the Saray (Governor´s Palace), the restoration of the looted treasures and prompt payment of the taxes in full, helped to smooth the way. Chil Osman was declared guilty and directly responsible for the outbreak and the Commissioners departed much richer than they went in” (Alastos nach OS: 38).
Der Text – zitiert nach einer alten englischen Publikation – scheint in vielfacher Hinsicht passend für die Zielsetzung des Buches. Wie die vorangehenden Quellen differenziert er erstens zwischen (wie man heute sagen würde) lösungsorientierten und repressiven Akteuren und deren Kooperation jenseits religiöser und sozialer Kategorien. Zum einen deutet das ausgewählte Beispiel auf allgemeinere Diskurse um Korruption und Misswirtschaft im Osmanischen Reich, zum anderen erscheint die Reaktion der osmanischen Eliten in ihrer Beschwichtigungstaktik durchaus sympathisch. In Abgrenzung von monolithischen, zeichenhaften Erzählungen steht hier zweitens ganz offenkundig die Bedingtheit historischer Entwicklungen durch die Betonung zusammenfallender Ereignisse, die falsche Deutung des Einsturzes durch die Anwesenden und die folgende Gruppendynamik im Vordergrund. Nicht „ancient hatreds“ ethnischer Rivalen, sondern soziale, lebensweltliche Konflikte werden hier beschrieben, die sich von normativ-abstrakten Darstellungen abgrenzen. Dafür steht besonders die letzte Passage, die einen humoristisch-fiktionalen Beiklang hat, nicht zuletzt auf die gegenwärtige politische Kultur Zyperns verweist und damit den Rezipienten zur Identifikation einlädt. Nach der Lektüre dieses Textes sollen die Schüler emotionale Beziehungsmuster zwischen zentralen Figuren bestimmen, die von Vertrauen und Bewunderung, bis zu Provokation und Unterwürfigkeit reichen und damit die dichotome und homogenisierende Wertung traditioneller Geschichtsansätze revidieren (Abb. 82; OS: 38-39). Quelle und Aufgabe erscheinen so als gelungenes Beispiel für die Vermittlung von Geschichte als facettenreich und multikausal.
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Abbildung 82 – Heterogene Beziehungsmuster (mit freundlicher Genehmigung der © AHDR; All Rights Reserved)
15.3.5 Historizität und Geschichtsdidaktik sensitiver Fragen: Die Booklet-Reihe zur Vermisstenfrage Einen besonderen Fokus legt die AHDR offenkundig auf die Vermisstenfrage. Fünf Booklets (und ein sechstes mit weiterführenden Quellen) behandeln die sensible Thematik. Darüber hinaus bietet die AHDR Workshops für Lehrer zum Umgang mit dem Material an. Im vierstündigen von Stavroula Philippou geleiteten Workshop, der der Verfasserin als Video vorliegt, finden sich die Ko-Autoren der diversen AHDR-Bände, Wissenschaftler der Friedens- und Konfliktforschung, sowie (nur) zwei Lehrer. Der Workshop präsentiert sich damit zuvorderst als informierter, wissenschaftlicher Austausch über epistemologische und didaktische Grundfragen und weniger als Lehrerfortbildung, gewährt aber wichtige Einblicke in die Herausforderungen, denen sich die Beteiligten gegenübersehen. Philippou und Maria Georgiou schildern dort die Schwierigkeiten in der Bewerbung der Booklets vor dem Hintergrund eines zentralisierten Bildungssystems mit seiner traditionellen Ein-Buch-Politik und dem Widerwillen der Lehrer – ob aus emotionalen, normativen Gründen oder aus Gründen des Mehraufwands bleibt
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offen – die Booklets einzusetzen. Man sei eine progressive Minderheit und müsse realistische Erwartungen haben, so Georgiou. Der Verlauf des Workshops verfestigt den Eindruck, dass hier tatsächlich eine kleine Gruppe von Andersdenkenden sich vor allem mit den Widerständen des zypriotischen Mainstreams auseinandersetzt: Es geht um Fragen der Vermittlung von Dialogbereitschaft, Empathie und Fairness, um die Kritik am traditionellen Wahrheits- und Wissensverständnis und um die Hoffnung, dass internationale wissenschaftliche und gesellschaftliche Leitbilder auch die zypriotischen Krisendiskurse beeinflussen mögen (Philippou 2012). Die intendierte Vorbild- und Sensibilisierungsfunktion des internationalen Kontextes ist denn auch in den Booklets deutlich präsent und soll im Folgenden erörtert werden. Nachdem MP I und II (Einleitung und Wissenschaftskritik) bereits vorgestellt wurden, seien hier MP III, IV und V dargestellt. MP III (4-11) präsentiert sich zunächst als theoretisch fundierte, sensible Auseinandersetzung mit den sozioemotionalen Herausforderungen für Angehörige und Gesellschaften, mit der Dauerpräsenz des Verlustes und der Ungewissheit umzugehen. Menschen verschwinden zu lassen, sei die schlimmste aller möglichen Menschenrechtsverletzungen, eine Form von Terror, Demütigung und Entmenschlichung, betont der Text. Bedenkt man die Nuancen zwischen Tabuisierung und Instrumentalisierung des Leids der Vermisstenangehörigen auf Zypern, so ist hier das Bemühen um eine angemessene Würdigung der Thematik ersichtlich. Ein historischer Abriss zeichnet die zunehmende Sensibilisierung für die Thematik und die internationale Rechtslage nach, unterstreicht das Recht auf Wahrheit, erörtert die Chancen und Herausforderungen der Wahrheitsfindung und betont die Rolle der Zivilgesellschaft. Am Ende folgt eine detaillierte Darstellung von Fallbeispielen (Guatemala, Jugoslawien, Spanien und Marokko), in der zentrale, interne und externe Akteure und ihre teils widerstreitenden Interessen, die Erfolge, wie auch die emotionalen Hürden der Aufarbeitung der jeweiligen Länder differenziert erörtert werden (Ibid.: 23-49). Vor dem Hintergrund der sehr begrenzten zivilgesellschaftlichen Präsenz, des „Politikums“ und der nicht aufgearbeiteten Schuld-Leid-Verstrickungen der Vermisstenfrage erscheint das Booklet als empathische und zugleich motivierende Lektüre, die zypriotische Leser zu einem „Außenblick“ auf die eigene Thematik einlädt. Erst der vierte Band (MP IV) bezieht sich explizit auf Zypern und verweist damit auf die Methode der Annäherung an sensible Themen über externe Vergleiche. In sachlich-deskriptiver Sprache ist der Text, so der Eindruck der Verfasserin, dennoch ungewöhnlich direkt und kritisch: Nach einem historischen Abriss der Problematik, der aufzeigt, dass beide Seiten unterschiedlich mit der Vermisstenfrage umgehen, ist offen vom Mangel an Reaktivität („responsiveness“; MP IV: 7) vonseiten der politischen Kreise die Rede, welche zivilgesellschaftliche Initiativen durch die Betroffenen selbst zur Folge gehabt hätte. Die Feldarbeit von Uludağ, wie auch die investigativen Recherchen Drousiotis´ und dessen Vorwurf der politischen Instrumentalisierung der Vermisstenschicksale werden kurz thematisiert. Schließlich stehen das (trans-kommunale) Leid der Familien, aber auch die Erfolge der Auffindung sterblicher Überreste im Fokus, die als Erfolg des CMP, aber auch als Resultat zivilgesellschaftlicher Eigeninitiative und beharrlichen Engagements erscheinen. Die Darstellungen des differenzierten zypriotischen Engagements in der Vermisstenfrage erscheinen so als motivierendes Leitbild zu einer vertiefenden Auseinandersetzung, die zuvor durch die Erörterung des komplexen internationalen Kontextes erleichtert werden soll (Ibid.: 1-22).
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MP V übersetzt das Hintergrundwissen des vorangehenden Bandes in praktische, interaktive Lehreinheiten, in denen die Schüler über Leitfragen, Gruppen- und Quellenarbeit Stück für Stück an die sensible Thematik herangeführt werden und – sozusagen als krönenden Abschluss – einen geeigneten Erinnerungsort für die Vermissten Zyperns kreieren sollen. Zunächst wird über Fallstudienvergleiche erarbeitet, wie unterschiedliche Gesellschaften mit der Vermisstenfrage umgehen und sich in die Rolle beteiligter Akteure, in ihre Bedürfnisse und Interessen hineinversetzen. Alsdann folgt der zypriotische Kontext: Kurze Infoblöcke über die aktuelle Situation werden ergänzt durch Quellenarbeit mit Zeitungsmeldungen aus den Jahren 1960-1974 über die Vermissten, die die AHDR über ihre hauseigene Bibliothek zugänglich macht. Auch hier sollen die Schüler in Rollenspielen die Perspektiven unterschiedlicher Akteure, insbesondere der zypriotischen Opferverbände beider Seiten einnehmen und Leitfragen beantworten: Warum gäbe es heute noch Vermisste? Wie hätten sich die Positionen der Akteure über die Zeit hin verändert? „Help students understand that people’s behaviour is based on a variety of motives according to their ideas, aims and feelings”, heißt es dazu (MP V: 19). Auch hier ist die Intention klar, die Schüler zu einer Auseinandersetzung jenseits der oberflächlichstatischen Staatsnarrative zu motivieren. Besonders relevant für diese Intention erscheint die Sektion zu globalen Erinnerungsorten, die als Vorbereitung für die finale Aufgabe dienen soll („To help students understand how representations of the past express the aims and purposes of the people who construct them”; MP V: 23). Darin werden mono-, wie multiethnische, umstrittene, inklusive oder entzweiende, staatliche, wie zivilgesellschaftliche Erinnerungsorte vorgestellt, Hommages an die Größe der Nation oder Mahnmale für die eigenen Verbrechen (so u.a. deutsche Erinnerungsorte, wie das ehemalige Konzentrationslager Sachsenhausen und die „Stolpersteine“). Sinnbildreich wird das britische „Victoria Memorial, Lancaster” als Erinnerungsort an nationale Größe mit dem “Slave Trade Arts Memorial Project“ (STAMP) kontrastiert. Dazu heißt es: „Whereas the Victoria Memorial expresses a conventional (if now discredited) narrative of ‘national greatness’ created at the height of the British Empire, the STAMP Memorial expresses a counter-history, commemorates a group of people ‘hidden’ in the older ‘official’ narrative and draws attention to the suffering of the victims of ‘empire’” (MP V: 24).
Offenkundig ist hier die Absicht, das sensible Thema der umstrittenen zypriotischen Diskurse anzudeuten. Auch ungewöhnliche, postmoderne Erinnerungsorte, wie die Statue von Bruce Lee auf einem zentralen Platz Mostars, wurden ausgewählt. Der Kultstar amerikanischer Actionfilme ist dort in einer typischen Kampfpose zu sehen und soll – so die Initiatoren der Jugendgruppe „Urban Movement Mostar“ – als Symbol für die interethnische Gewalt im Bosnienkrieg fungieren, zugleich aber als einstiges Idol für die Jugend Jugoslawiens ein Inklusionsmoment darstellen und zum Nachdenken anregen. Der Text kommentiert: „Unlike the other two memorials discussed in this section, the Bruce Lee statue bears little apparent relationship to the history of Bosnia and Herzegovina. Urban Movement Mostar clearly intended a relationship, however: by memorialising Bruce Lee, first, they looked for common ground between divided communities, and, second, by not memorialising an ethnic ‘hero’ they refused to fall back on the conventional political narratives that fuelled the Bosnian conflicts. The relationship between past and present that Urban Movement Mostar sought to create is symbolic rather than literal and explicitly future-oriented as much, and perhaps more than, past-oriented” (MP V: 29).
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Das Denkmal kann vor dem Hintergrund der normativ-statischen Erinnerungsorte Zyperns, die allesamt die Allgegenwart von Geschichte zelebrieren, als frisches und erheiterndes Pendant erscheinen. Der dezente Hinweis auf die Zukunftsorientierung des Denkmals erinnert an die feinsinnige Kritik Uludağs. Nach einer Arbeitseinheit zu Gedenkorten für Vermisste (die im zypriotischen Kontext mit Ausnahme exklusiver Opferdenkmäler inexistent ist) werden den Schülern versöhnungsrelevante Kriterien vorgestellt, die als Orientierung für die Kreation des erwähnten Erinnerungsortes für zypriotische Vermisste gelten sollen. In folgenden Punkten fasst der Text sie zusammen: „• Diversity: commemorations should aim to include as wide a range of experiences, communities and time periods as possible; • Multiperspectivity: commemorations should encourage participants or audiences to consider a number of perspectives on the missing persons question; • Openness: commemorations should aim to encourage participants or audiences to form their own meanings and narratives rather than to impose one meaning or story; • Accuracy and balance: commemorations should be thoroughly researched and historically accurate in their details and also provide a comprehensive treatment of the issue; • Sensitivity: commemorations should demonstrate awareness that the missing persons issue is a sensitive one and ensure that the issue is represented in ways that anticipate and take account of a range of community reactions; • Engagement: commemorations should foster a meaningful interaction with members of the public, and thus questions of who to reach and how should be taken into account” (MP V: 35; [Hervorhebung im Original]).
Hier werden also die vorab an internationalen Beispielen erläuterten, wünschenswerten Merkmale des Erinnerns quasi als Best Practices zusammengefasst und repräsentieren damit – so kann man sagen – genau diejenigen Merkmale, die die zypriotischen Erinnerungsorte und Praktiken vermissen lassen. Denn sie sind nahezu ausschließlich ethnisch-exklusiv und auf spezifische, zeitlich begrenzte Ereignisse bezogen (≠ diversity), monoperspektivisch, monokausal bzw. eindeutig in ihrer Aussage (≠ openness) und dabei in Bezug auf den historischen Kontext oftmals selektiv, abstrakt normativ und monolithisch (≠ accuracy and balance). Denkt man ferner an die offenkundig provokant gemeinte Inschrift des türkisch-zypriotischen Grenzhäuschens „TRNC Forever“ oder an die durch Bild und Sprache zur Schau gestellten Grausamkeiten der Museen des nationalen Kampfes, der „eingesperrten Gräber“ und der Geschichtsbücher, erscheint als wahrscheinlich, dass Sensitivität – sie ist hier offenkundig als Vorsicht verstanden, nicht zu verstören oder jemandes Gefühle zu verletzten – nicht nur nicht vorrangig ist, sondern in vielen Fällen der sozioemotionalen Intention zuwiderliefe. Die Bücher, so kann man zusammenfassen, wirken durch Sprache und Multiperspektivität, durch analytische Offenheit, Interpretationsspielraum und zur Diskussion motivierende Aufgaben eben jenem Geschichtsverständnis entschieden entgegen, das Korostelina, Papadakis, Makriyianni, Psaltis u.a. als passiv zu rezipierende Monumentalgeschichte mit ihrem Fokus auf Kampf, Gewalt und Machtpolitik etikettiert haben. Das vorliegende Kapitel, so kann man resümieren, zeigt über den kritischen, zynischen und zugleich hoffnungsvollen Metablick zypriotischer Wissenschaftler und Aktivisten, über den Widerstand, den sie erfahren und über die sprichwörtliche andere, um einen Paradigmenwechsel von traditionellen Sichtweisen und Einstellungen bemühte Perspektive die neuralgischen
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Punkte der gegenwärtigen griechisch-zypriotischen Gesellschaft und ihrer verwickelten Emotionen und liebgewonnen Identitäten auf. Es zeigt, dass Versöhnungsbemühungen wie -potential nicht nur auf einen zahlenmäßig geringen Teil der Gesellschaft beschränkt ist, sondern vor allem, dass Versöhnung als Konzept und Praxis von den politischen Kreisen als Gefahr für ihren traditionellen Einfluss und von Teilen der Gesellschaft als unverständliches und mitunter provokantes Gebaren wider traditioneller Fronten und damit als „unangemessenes“, gefährliches Verhalten angesehen wird. Monokausales und selektives Opfernarrativ und Mangel an strafrechtlicher und emotionaler Vergangenheitsbewältigung, wie sie in den vorangehenden Kapiteln erörtert wurden, tragen offenkundig zur stetigen Reproduktion einer maximalistischen Mainstreamhaltung bei, deren Infragestellung auch Politiker selbst aus machtstrategischen Gründen scheuen. Wie sehr, so mag man sich mit vergleichendem Blick auf den Nahostkonflikt abschließend fragen, haben sich die zypriotischen Gesellschaften in machtpolitischer und alltagsweltlicher Hinsicht im Konflikt eingerichtet, um etwaige wahrhafte Versöhnungsbemühungen als derartig störendes Moment zu empfinden.
16 Resümee und Ausblick 16 Resümee und Ausblick Nachdem in Orientierung an den Unteilbarkeitskomponenten die Facetten der zypriotischen Alltagswirklichkeit im Rekurs auf den Mutterlandsnationalismus, seine Ausprägungen in der zypriotischen Erinnerungskultur, Formen und Ebenen des kollektiven Gedächtnisses der zypriotischen Konfliktgeschichte, die hervorgehobene Rolle der Bildung als Spiegel von Wahrheitsverständnis und nationaler Identität, die Wahrnehmungen, Positionen und Bedürfnisse der griechischen Zyprioten im medialen Diskurs einer ausgewählten Krisenphase und schließlich die kritisch-reflexiven Stimmen und das friedenspolitische Engagement zur Konfliktbewältigung erörtert wurden, bleibt die Beantwortung der anfänglich aufgestellten Leitfrage und die Beurteilung der Hypothese. Vor der Zusammenführung und abschließenden Einschätzung des Erörterten indes sei ein ausführlicher Auszug aus einem Artikel erlaubt, der im März 2017 in der Cyprus Mail unter dem Titel „The Risk of Cyprus Being Thrown out of the EU is Visible“ erschienen ist. Denn er untermauert in vielfacher Hinsicht das Fazit der vorliegenden Forschungsarbeit: “I am aware that a few readers of this article will seek to downgrade my concerns by calling me ´an alarmist`. I would say to them that identifying and assessing risks is a process that successful managers always go through when confronting serious problems. […] My own feeling is that the EU is getting tired of Cyprus, the Cypriots and their problems. In 2004, the EU sought an agreed solution in the context of Cyprus’ entry into the union. In his statement before the European Parliament, the protagonist of that process, Commissioner Gunter Verheugen, stated – in no uncertain terms – that the Greek Cypriots had deceived him […]. He concluded his prophetic statement as follows: ´To those who now argue, yes but then too many Turkish soldiers will remain on the island, let me say this: rejecting the plan perpetuates the presence of 30,000 Turkish troops in Cyprus (applause). Another complaint is that too many Turkish settlers will remain on the island. Let me tell you this: rejecting the plan opens the door for a further 100,000 Turkish settlers to come to Cyprus.` Glafcos Clerides was equally prophetic when he said: ´The years will lapse with the refugees remaining away from their homes and the division of Cyprus into two pieces will be the outcome of our own behaviour.` In the recent past, the United Nations, the United States and the European Union, in a coordinated effort have all attempted to help resolve the Cyprus problem. They warned us that this could be our last chance to avert the turkification of Cyprus. We chose to ignore this warning (even though it was given in a manner that left little room for misinterpretation). This – possibly last – chance appears to be faltering because of an action taken by fringe Cypriot politicians, who are seeking the division of Cyprus. Personally, I have grown tired of hearing the rejectionist parties telling me what they dislike about the plans that are in the making for a solution. I am very keen to hear what they are in a position to offer in terms of a solution that would be accepted by the other side. Needless to say, I do not wish to hear them setting nice but unattainable targets or merely expressing what they would like to see happening. I do not want them endlessly debating amongst themselves about red or green lines, as if, once they reach an agreement among themselves, the problem would vanish overnight […]. The Europeans have grown tired with the problems confronting the Greek Cypriots and – regrettably – they believe that our problems largely stem from our intransigence. My assessment is that, if these problems persist, they would not hesitate to throw Cyprus out of the European Union. Whoever believes that we are in a position to stop them from doing this is politically naive. Right now, the battle between the EU and Turkey caused by the forthcoming referendum is in full swing. However, this battle, which is fought with blank shots, will soon come to an end and then, if we continue behaving irresponsibly, we may see Cyprus being led to the altar, as Iphigenia was in the Trojan War. If such a thing happens only deus ex-machina would be in a position to save us” (Panagyotides 2017).
In wohlwissender Vorwegnahme etwaiger Reaktionen auf seine Kritik hält der Autor – das lässt sich nach den vorangehenden Kapiteln mit Fug und Recht sagen – vielen griechischen Zyprioten den Spiegel ihrer eigenen Widersprüche vor. Auffällig ist, dass auch diese Kritik den warnenden Kommentaren der vorangehenden Jahre bzw. Jahrzehnte sehr ähnlich ist. Ähnlich sind auch die Reaktionen: Das Gros ist negativ bis zynisch, während eine Minderheit (darunter die Verfasserin) den Autor vehement unterstützt. Der Autor sei verrückt, nicht richtig informiert,
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 C. Rehrmann, Der Zypernkonflikt, Innovative Konfliktforschung – Innovation in Conflict Research, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31192-6_16
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wisse nicht, wovon er rede, so der Tenor unter Verweis auf die rechtliche Unmöglichkeit eines EU-Ausschlusses. Auch wütende Appelle an die Aufdeckung der „Wahrheit“ der Konfliktjahre werden wieder einmal in diesem Zusammenhang gefordert. Der User John Aziz Kent Kent schreibt dort: „when we all start tellıng the Truth about the tragedıes startıng from 1950 up untıll today so that every Cyprıot YOUNG AND OLDthelTRUE knowledge OF WHY WHATFORE AND WHEN THE KATASTROPHIÇ DISASTERS AND BY WHOM were started that ıs the tıme when most people wıll look for the BASED on TRUTH SOLUTION IN FACT IF THE CHURGE STOOD UP AND ENLIGHTED EVERY BODY OF THE TRUE FACTS IT WILL HAVE THE BEST AFFECT OTHER WISE ANY OLD GREEK OR TURKISH PEOPLE THAT LIVED THOSE DAYS CAN ELABORATE THE TRUTH THERE ARE PLENTY OF OLD HONEST GREEK AND TURKISH PEOPLE THAT MUST BE CONSULTED. AFTER ALL WE ARE NOT LIVING IN (THE PLANET OF THE APES ) AS THE FILM THAT WAS MADE FOR THE APES RULING THE HUMANS THROUGH FEAR THE TRUTH IS THE ESENCE TO A SOLUTION” (John Aziz Kent Kent nach Panagyotides 2017;
[Rechtschreibfehler und Hervorhebung im Original]).
Auf Facebook schließlich kommentiert George Melachrinos: „No, Mr Panayiotides. I am not saying ´you are an alarmist`. I just say that EU is hypocritical. The Leaders of EU and of the powerful countries-leaders of EU, do not dare stand for human rights, and international law principles. That is because of their financial interests. That's all“ (Facebook 2017). Es ist bezeichnend, dass keiner der Kritiker auf die geschilderten Widersprüche eingeht, sondern in zumeist großspurigen Allgemeinplätzen die bekannten Forderungen und Vorwürfe repliziert. Wie also lassen sich der gegenwärtige Status quo der zypriotischen Unteilbarkeit, wie etwaige Lösungschancen beurteilen? Die anfangs aufgestellte Hypothese lautete: Werden die aus der sozioemotionalen Infrastruktur des Konfliktes resultierenden Grundbedürfnisse (1) nicht erfüllt, die Glaubensgrundsätze (2) der beiden Gemeinschaften und die daraus abgeleiteten konkurrierenden Interessen (3) nicht transformiert, wird der Zypernkonflikt auf der sozioemotionalen Ebene nicht gelöst werden. Vor dem Hintergrund des Vorangehenden wurde diese Hypothese verifiziert. Das sei nochmals retrospektiv untermauert. Hatte UN-Sondergesandter Lord Hannay – wie im Forschungsstand zitiert – von den historischen Altlasten des Konfliktes gesprochen, derer sich Zypern nur durch eine rationale und objektive Erörterung der Geschichte entledigen könne (wie auch der oben zitierte User verlauten lässt), so lässt sich rational und objektiv resümieren, dass nationale Fronten, ideologische Radikalisierung, die Schwäche des Staates, seine mangelnde demokratische Tradition und das Lavieren zwischen pragmatischen Sicherheits- und maximalen Machtinteressen der involvierten politischen Akteure in und um Zypern in Verlauf und Zuspitzung der Ereignisse zusammenwirkten. Die der Akteurs- und Interessenvielfalt geschuldete Komplexität der konfliktrelevanten Ereignisse und die aus dem Ausbleiben einer heilenden oder strafrechtlichen Aufarbeitung resultierenden Leerstellen und Mythen, die sich um jene Zeit ranken, haben einen offenen und integrativen Dialog bisher maßgeblich erschwert, weil sie fadenscheinigen und Totschlagargumenten Raum lassen. Jenseits der Ebene von Taktik und Manipulation illustriert die Geschichte Zyperns bis 1974 aber auch, warum die historischen, ethnischen und politischen Fragen auf der Insel so eng verwoben und von immerwährender, emotionaler Aktualität sind: Da Geschichte und Ethnizität jenseits identitärer Sphären eben eine territoriale und machtpolitische Bedeutung besitzen, wird deutlich, warum Distanz zur Geschichte auf Zypern (wie im Nahostkonflikt) schwer zu erlangen sein wird, solange territoriale und politische Fragen nicht geklärt sind: Die (konstruierte) Vergangenheit legitimiert auf Zypern – wie einst für die Hochphase des prototypischen Natio-
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nalismus des 19. Jahrhunderts charakteristisch – eben gegenwärtige, wie zukünftige völkerrechtliche Ansprüche. In Fragen routinierter Vergangenheitsreferenz mit Identitätsbezug unterscheidet sich Zypern damit – ohne dass hier der Anspruch auf etwaige qualitative Vergleiche gemacht werden soll – nicht von anderen ritualisierten Erinnerungskulturen, die sich mit (positiven und negativen) Gründungsmythen verbinden und über die kontinuierliche Praxis tief mit dem kollektiven Selbstverständnis verschmolzen sind. Zum anderen illustriert die zypriotische Konfliktgeschichte – und dies macht die Zypernfrage vor dem Hintergrund ihrer Unteilbarkeit wiederum zu einem Sonderfall – mit welcher psychologischen Hypothek seine Gesellschaft belastet ist. Die soziopsychologische Infrastruktur der Zyprioten ist durch die koloniale Vergangenheit, durch empfundene Herabwürdigung durch externe Entscheidungsträger, die implizite Drohung einer kulturellen Abwertung durch den „Westen“ (dieser Aspekt ist auch für beide Mutterländer besonders relevant), durch die Erfahrung von Gewalt, Machtlosigkeit, Souveränitäts- und Territorialverlust viel mehr geprägt, als im politischen Tagesgeschäft, in öffentlichen Äußerungen zum Konflikt möglicherweise zum Ausdruck kommt. Die konstruierten, ethnisch-exklusiven Narrative, die sich gern – weil sie von den eigenen sensiblen Fragen ablenken – als Verlängerung der vermeintlich primordialen Feindschaft der Mutterländer präsentieren –, die Instrumentalisierung und Perpetuierung von erfahrenem Leid und die Forcierung von Ignoranz und Vorurteilen gegenüber der jeweils anderen ethnischen Gemeinschaft verstärken die negativen, soziopsychologischen Konsequenzen der bewegten zypriotischen Vergangenheit. Jenseits aller sozialen Konstruktion von Vergangenheitsbildern, exklusiven Identitäten, engen Rollenvorgaben und vorgegebenen Interessen – so kann man hinzufügen – hat die Erfahrung von Fremdbestimmung und Machtlosigkeit aufgrund massiv begrenzter Ressourcen Selbstverständnis und politische Kultur der Zyprioten tief geprägt. Diese Erfahrung ist mitverantwortlich für eine Politik, die sich, wie die Medienanalyse beweist, durch nervöse Bemühungen um internationale Legitimität und das Werben um Bündnispartner charakterisiert und eben auch eine gewisse „Doppelzüngigkeit“, einen Hang zum Taktieren in den politischen Verhandlungen um eine Lösung der Zypernfrage motiviert. Eine grundlegende Sensibilisierung für diese sozialpsychologischen Prämissen des Zypernkonfliktes hätte den Blick der internationalen Diplomatie, insbesondere während der Verhandlungen um den Annan-Plan, möglicherweise noch stärker in Richtung der potentiellen Gefahren politischer Instrumentalisierung durch die Konfliktparteien und des übergroßen Einflusses unbewältigter Vergangenheit auf die Maximalpositionen der Parteien und der Bedeutung von Transitional Justice für die Überwindung der Fronten geschärft. Diese Sensitivität beeinflusst nicht zuletzt auch das monolithische Wahrheitsverständnis, ohne dessen Überwindung die maximalistischen Positionen (und ihre empfundene Berechtigung) nicht überwunden werden können. Denn es ist – so lässt sich aus den vorangehenden Kapiteln resümieren – nicht nur Ausdruck der politischen Kultur und der ethnoreligiösen Synthese, sondern eben auch Konsequenz der unerfüllten Grundbedürfnisse, zuvorderst des Gefühls von Unrecht und Demütigung und der unerfüllten Bedürfnisse nach Sicherheit und wiederherstellender Gerechtigkeit. Solange diese emotionalen Verwicklungen nicht gelöst sind, so scheint es, fällt es schwer, sich auf eine relative, reflexive und emphatische „Wahrheit“ einzulassen. Auch dieser Aspekt untermauert Relevanz und Mehrwert eines holistischen Anspruches, der aufzeigt, wie unterschiedliche Faktoren im Prozess der kognitiven Polarisierung ineinanderwirken. Umgekehrt, so mag man daraus schließen, können auch nur eine umfassende Transformation der politischen Kultur, Differenzierung zwischen göttlicher und irdischer Wahrheit und
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die Anerkennung von Schuld und Leid einen entsprechenden Paradigmenwechsel einleiten. Erfolgt diese Transformation nicht, reproduzieren sich die kognitiven Prismen, indem sie alle neuen Informationen gleichsam in einen vorstrukturierten Bereich des weltbildlichen Getriebes schleudern, ohne alternative Sichtweisen zuzulassen. Solche Prismen, Cluster, Zentrifugen – oder wie auch immer man jene soziopsychologischen Strukturen bezeichnen mag – sind nicht nur maßgeblich dafür verantwortlich, dass alternativen, gleichsam systemfremden Vorstellungen kein oder nur marginaler Raum gewährt wird und Positionen in Verhandlungen zu Totschlagargumenten werden. Sie verzerren und verbrämen im Einzelfall Systemfremdes auch automatisch als „feindlich“. Ähnlich, wie im Nahostkonflikt, in denen versöhnungswillige Akteure, die Empathie zum Ausdruck bringen und für Multiperspektivität werben, „Normalisierer“ (sic!) geschimpft werden, gelten, wie das letzte Kapitel illustrierte, auch auf Zypern oftmals diejenigen Akteure, die sich differenziert und selbstkritisch auf die Argumente der Gegenseite einlassen, als unpatriotisch und aus sicherheitspolitischen Erwägungen gar als gefährlich. Diese Absurdität zeigt einem Brennspiegel gleich die gesamte soziopsychologische Infrastruktur weiter Teile der zypriotischen Gesellschaften und ihrer exklusiven Weltbilder, in denen – so könnte man in Orientierung an den berühmten Ministerien aus George Orwells Klassiker „Nineteeneightyfour“ pointiert behaupten – Empathie Ausdruck von Schwäche ist, der Wille zum Kompromiss dem Eingeständnis einer absoluten Niederlage gleichkommt und interne Kritik als manipulativ abgetan wird. Viel gekränkter Stolz, verdrängte Schuld und unverarbeitetes Leid schwingen offenkundig in den wütenden (An-) Klagen der zypriotischen Diskurse mit. Man mag über die Berechtigung der monokausalen Opfernarrative streiten. Ihre emotionale Wirkung aber bleibt unabhängig von jeglichen Legitimitätsfragen bestehen. Sie ist, anders gesagt, eine Wirklichkeit, um deren kritisch-reflexive, also nicht-normative Auseinandersetzung niemand umhinkommt, der sich aufrichtig um eine Überwindung des Zypernproblems bemüht. In etlichen der zu Beginn vorgestellten Analysen, die sich auf die politische Ebene beschränken, aber auch in denen, die Alltagswirklichkeit, Nationalgeschichte und Erinnerungskultur thematisieren und in dieser Arbeit im Vordergrund standen, spielen die besondere Sensitivität für nationale Belange der griechischen Zyprioten, ihre Angst, ja man kann sagen Panik vor Staatsverlust, ihre chauvinistische Nationalgeschichte und die Dämonisierung und kulturelle Abwertung der Türkei entweder gar keine bzw. eine untergeordnete Rolle (erstere) oder sie werden kritisiert bzw. verurteilt, ohne die tieferen Ursachen und ihr Ineinanderwirken mit Traumata, Kolonialkomplex und der empfundenen Gefahr kultureller Abwertung aufzuzeigen (letztere). Damit bleiben die Hindernisse und Chancen sozioemotionaler Versöhnung zumeist außen vor. Wenn UN-Sondergesandter Hannay abfällig über das zypriotische Problem spricht und behauptet, die Geschichte würde Zypern in ihrem Bann halten, solange sie nicht durch das sprichwörtliche Licht der Vernunft erhellt würde, kann man erstens entgegenhalten, dass der Fokus schlicht nicht auf der Trennung zwischen „Wahrem“ und „Falschem“, sondern auf eben diesen Verwicklungen liegen sollte, die unvoreingenommene Verhandlungen unmöglich machen und damit die Wahrscheinlichkeit einer Lösung drastisch verringern. Zweitens, so könnte man weiter argumentieren, reicht das Licht der Vernunft nicht in die dunklen Tiefenschichten der kollektiven Emotionen, unerfüllten Bedürfnisse und liebgewonnen Identitäten, die – so kann man ebenfalls aus den Erkenntnissen der Forschungsarbeit schließen – eine ganz eigene Form von Wahrheit für sich reklamieren, die nicht oder nur sehr schwer verhandelbar ist. Anders gesagt: Jenseits der Ebene der Brute Facts würden Akteure wohl leicht ins Straucheln
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kommen, sollten sie aus unterschiedlichen Blickwinkeln, mit unterschiedlichen Informationen und unterschiedlichen Bedürfnissen sich darüber einigen müssen, wie etwas empfunden wurde. Es sind also diese Tiefenschichten, die pointiert gesprochen auf den Verhandlungstisch gelegt werden müssten. Das aber scheint nicht in Sicht. Reproduzieren sich die Strukturen ja auf institutioneller Ebene durch Erinnerungskultur und nationalistische Narrative, die im Sinne Foucaults Raum für Wissen über den Anderen erschweren. Denkt man an Johns (2004: 10-11) anfänglich zitierte Bedingungen für die emotionale Transformation gestörter Paarbeziehungen zurück (Kapitel 3.2) – zu ihnen gehören gemeinsame Augenblicke, die näher zusammen bringen (bonding events), die empathische Rehumanisierung des Anderen und die Überwindung der eigenen, angestammten Abwehrrolle, die alle gemeinsam die destruktive Interpunktion der lang praktizierten Kommunikationsabläufe durchbrechen – wird ersichtlich, warum die beiden zypriotischen Gesellschaften, die gefangen in ihren Mikrokosmen stetig aneinander vorbeileben, nicht zueinander finden (können). Schließlich sind mit dem Status quo, wie das Kapitel zur Erinnerung und die Medienanalyse belegen, handfeste machtpolitische und territoriale Interessen verbunden. Die eklatante Nichtaufarbeitung von Schuld – sowohl im Inneren der beiden Gemeinschaften, als auch im Hinblick auf die Rolle externer Akteure (vor allem britischer Kolonialismus, griechischer Militärputsch und türkische Invasion) – wird, so lässt sich aus den vorangehenden Kapiteln resümieren, aus realpolitischen, wahltaktischen und emotionalen Gründen nicht tangiert. Anders gesagt: Zypriotische Politiker konstruieren und reproduzieren die dominanten Narrative entweder aus persönlicher Überzeugung, weil sie aus machtpolitischen Motiven keine Lösung anstreben oder, weil sie die Reaktion des Wählers fürchten. UN-Diplomaten und externe Akteure wiederum, wie die USA, die EU und die Mutterländer, sind teils selbst in Schuldfragen involviert bzw. verfolgen eigene Interessen. In jedem Fall konzentrieren sich ihre diplomatischen Bemühungen gemeinsam mit der UN allenfalls auf die Mediation des (vermeintlich) rational Verhandelbaren. Ist eine politische Lösung vor diesem Hintergrund denkbar? Die Verfasserin hält sie für sehr, sehr unwahrscheinlich. Angesichts der paternalistischen politischen Kultur Zyperns, in der die Parteien und ihre Führungspersönlichkeiten starke normative Leitbilder darstellen und Parteipolitik bis weit in die Gesellschaft hineinreicht, erscheinen auch zivilgesellschaftliche Impulse erschwert. Umgekehrt hätten und hatten – wie man kurzfristig in den griechisch-türkischen Beziehungen sehen konnte – engagierte Annäherungsversuche der politischen Führung große Vorbildfunktion. Sie stehen aber, wie die politischen Reaktionen auf Anastasiades und Clerides 2004 zeigten, vor großen parteipolitischen Widerständen. Darüber hinaus erscheint es – so lehrt die Geschichte der Zypernverhandlungen – bei der hohen Zahl an involvierten Stakeholdern, den wechselnden Lagern und Regierungen der zypriotischen Gemeinschaften und der Mutterländer, als wahres Glückspiel, im inneren, wie im äußeren politischen Einflussradius aufrichtig kompromissbereite Politiker zu haben, die den Mut und den Rückhalt besitzen, eine Lösung durchzusetzen. Außerdem bleibt die Frage, wie viele Zyprioten vor dem Hintergrund eines kommoden Konfliktstatus´, der dann und wann die Weltgemeinschaft beschäftigt, eine Lösung tatsächlich wollen. Papadakis´ zynischer Kommentar, Zypern sei es zwar nicht gelungen, zur globalen Macht zu avancieren, wohl aber zum globalen Kopfschmerz, ist in diesem Sinne aus sozialpsychologischer Sicht aufschlussreich (Papadakis 2005: 250). Schließlich werden auch die Realities on the Ground für die Ansprüche der griechischen Zyprioten zum Hindernis. Die Zeit spiele gegen eine Wiedervereinigung, so die immer wiederkehrende Warnung
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von Beobachtern. Ein Blick auf die weiterhin ungelöste Eigentumsfrage zeigt, dass die Situation sich auch hier kontinuierlich verkompliziert, da immer mehr Besitz durch Garantien der „TRNZ“-Regierung gedeckt an ausländische Investoren verkauft wurden, während Urteile des EuGH die Rechtsansprüche griechischer Zyprioten im Hinblick auf verlorenen Besitz und Menschenrechtsverletzungen gegenüber der Türkei bekräftigt haben, die aber von der Türkei nicht anerkannt werden (Bryant 2005; Stavrinides 2005; Borger 2014). Auch eine Rückführung von türkischen Siedlern wird mit jedem weiteren Jahr, das vergeht, ethisch fraglicher. Jede gescheiterte Verhandlungsrunde, so kann man resümieren, konsolidiert die faktische Inselteilung ein Stück mehr. Das wiederum mag die griechischen Zyprioten zu noch vehementeren Gerechtigkeitsforderungen motivieren. Viel nützen wird es ihnen nicht. Wie eingangs angemerkt steht die Frage nach der Wahrscheinlichkeit für die Verwirklichung einer politischen Lösung nicht im Fokus der vorliegenden Forschungsarbeit. Denn wichtiger als diese Frage sind die sozioemotionalen Herausforderungen, die auch nach einer Wiedervereinigung bestehen blieben. Denn ob nun die Nationalisten und ewig Gestrigen oder progressivere Strömungen in allen nötigen Schlüsselstellen der Troubled Triangle die Oberhand gewinnen: Die Herausforderung der Vergangenheitsbewältigung, die symbolische Anerkennung von Schuld und Leid und die Transformation der sich durch gegenseitige Abgrenzung konstituierenden ethischen Identitäten und selektiven Erinnerungskulturen bleibt bestehen. Ob diese Prozesse – so sie denn überhaupt breitflächig erfolgen sollten – einer politischen Lösung der Zypernfrage vorgelagert sind oder aus ihr resultieren, erscheint dabei zweitrangig. Eine wiedervereinigte Insel mit föderalen Strukturen, in denen die Abbildung 83 – Die allgegenwärtige Sehnsucht nach dem Mutterland Schulbücher beider Seiten ihre je- (mit freundlicher Genehmigung vom ©; All Rights Reserved) weils eigene Geschichte erzählen, Museen an die Schandtaten des Anderen erinnern und die eigenen aussparen oder, in denen der Jahrestag der türkischen Intervention von der einen Seite als „Happy Peace Operation“ gefeiert und von der anderen als „Brutal Invasion“ geächtet wird, erscheint jedenfalls langfristig kein solides Fundament für ein gemeinsames Staatswesen zu sein. Optimistischere Stimmen könnten anführen – geht man davon aus, dass die gegenwärtigen anti-demokratischen Tendenzen in der Türkei revidiert werden können –, dass Europa als sicherheitspolitischer Garant und die wenigstens für die griechischen Zyprioten geltenden Jahrzehnte demokratischer Verfassungspraxis in einem souveränen Staat den Schritt zur politischen Einigung motivieren könnten, die durch zivilgesellschaftliche Bemühungen zur Förderung einer gemeinsamen zypriotischen Identität – ob nun ethnisch oder bürgerrechtlich – flankiert würde. Das aber würde das Loslassen von Bekanntem, Liebgewonnenem, von der Sicherheit einer negativen Identität und bequemen Opferrolle voraussetzen, wie es beispielsweise das im griechisch-zypriotischen Diskurs in zahlreichen Blogs und diversen Internetportalen allgegenwärtige Sehnsuchtsbild in Abb. 83 zur
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Enosis repräsentiert.119 Aus kommunikationspsychologischer Sicht formuliert: Die griechischen Zyprioten müssten sich durch einen sozioemotionalen Emanzipationsprozess aus den komplementären Dependenzbeziehungen mit den vielen involvierten Akteuren um sie herum lösen und einer neuen, inklusiven Form kollektiver Identität Raum geben. Was würde diesen Prozess erleichtern? Aus versöhnungsrelevanter Sicht spielt die symbolische Anerkennung von Leid und Schuld eine zentrale Rolle. Neben vertrauensbildenden Maßnahmen und symbolischen Gesten zwischen den beiden zypriotischen Gemeinschaften, die deutlich verstärkt werden müssten, könnte das über den kritisch-reflexiven Umgang Großbritanniens mit den selbst nach Meinung führender britischer Historiker kaum präsenten Verbrechen der eigenen Kolonialgeschichte im Schulunterricht erfolgen. Spricht das politische Klima in Großbritannien aktuell nicht unbedingt für die Wahrscheinlichkeit einer solchen Kehrtwende, sieht man die Überheblichkeit einer „Recht-des-Stärkeren“-Haltung, die in Lord Hannays Urteil über den Zypernkonflikt zum Ausdruck kam, auch in der offenen Frage um ausstehende Reparationszahlungen für die britischen Militärbasen Dhekelia und Akrotiki. Bis heute weisen die britischen Regierungen etwaige, in den Verträgen von 1960 verankerte Zahlungen unter Verweis auf die ungelöste völkerrechtliche Situation Zyperns zurück. Viele griechische Zyprioten – die ohnehin für eine gänzliche Rückgabe der Basen plädieren – empfinden dies als doppelten Affront, in der nationalstaatliche Abwertung mitschwingt. Die Forderung nach Zahlungen – so erinnert sich die Verfasserin an informelle Gespräche mit zypriotischen Freunden – kam im Kontext der zypriotischen Finanzkrise 2013 wieder verstärkt auf. Sie zeigt, dass schwelende Ressentiments aus Unrechtsempfindungen eben im Augenblick der Krise neue Kraft bekommen und sich dabei gern – das macht sie politisch umso explosiver und schwerer angehbar – mit anderen Diskursen verschränken. Dieselbe Problematik zeigt sich übrigens auch in den deutsch-griechischen Beziehungen: Interessanterweise ist nämlich die Argumentation Großbritanniens erstaunlich nah am Argument der deutschen Regierungen gegenüber jahrzehntelangen griechischen Reparationsforderungen. Mit Verweis auf die ungelöste innerdeutsche Frage wurden diese über Jahrzehnte verschoben, um nach der Wiedervereinigung im ZweiPlus-Vier-Vertrag über juristische Spitzfindigkeiten als unberechtigt bezeichnet zu werden. Offenkundig vermeiden es die deutschen Regierungen nicht zuletzt, etwaige Forderungen anzuerkennen, weil damit potentielle Folgeforderungen anderer Länder verbunden seien könnten. Die im wahrsten Sinne des Wortes offene Rechnung indes beflügelt in Griechenland wütende Unrechtsdiskurse, die sich auch für die populistische Externalisierung von Schuld und Ablenkung von den hausgemachten Problemen der griechischen Finanzkrise instrumentalisieren lassen. So zeigt sich in beiden Beispielen, wie schnell empfundene Kränkungen im Augenblick der Krise die sprichwörtlichen Schatten der Vergangenheit politisch relevant werden lassen. Selbes gilt für das bis heute fehlende öffentliche Schuldeingeständnis Griechenlands für die Folgen des Coups auf Zypern. Doch auch dieses Eingeständnis scheint sehr unwahrscheinlich, würde doch eine öffentliche Auseinandersetzung um das Erbe der Militärdiktatur in Griechenland die bis heute kaum aufgearbeitete Konfliktgeschichte des Bürgerkriegs tangieren. Am unwahrscheinlichsten erscheint vor dem Hintergrund der gegenwärtigen innenpolitischen Lage ein Einlenken der Türkei. Versöhnungsgesten, so mag daraus und vor dem Hintergrund des
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https://www.offsite.com.cy/articles/eidiseis/topika/231025-17-oktovrioy-1915-otan-i-ellada-aperripteprosartisi-tis-kyproy> [abgerufen am 12.10.2018].
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zunehmend populistischen Zeitgeistes westlicher Gesellschaften, der weltweiten Zunahme autoritärer Tendenzen, gesteigerter Bedrohungswahrnehmungen durch das kulturell Fremde und der empfundenen Renaissance eines Clash of Civilizations folgern, erscheinen aktuell nicht gerade en vogue. Vielmehr scheint das vorherrschende internationale Paradigma wieder von zunehmend realistischen Prämissen, von Abschreckung, Konfrontation und Bodengewinn gekennzeichnet. Die weltpolitischen Strukturen, die entsprechende Akteure (re-) produzieren, sind indes nicht alternativlos. Mögen in derartigen Weltbildern versöhnungsrelevante Fragen zweitrangig, irrelevant oder gar kontraproduktiv erscheinen, unterstreicht die vorliegende Forschungsarbeit, wie essenziell sie für friedenspolitische Transformation und ein respektvolles, menschliches Miteinander sind. Gelänge den zypriotischen Gesellschaften eine entsprechende Transformation, könnten sie gar en miniature zu einem Gegenstück der bilateralen Beziehungen ihrer Mutterländer werden und sich damit gleich in doppelter Hinsicht emanzipieren: Die vielzitierte zypriotische Lösung – verstanden als die Aushandlung einer Lösung ohne externe Mediation und als das langfristige Zusammenwachsen der beiden Gemeinschaften – würde, wie von vielen Beobachtern erwähnt, etwaige ausländische Schiedsrichter aus den internen politischen Angelegenheiten heraushalten und den Mutterländern Anlass und Rechtfertigung entziehen, ihren Einfluss über die Insel zu vergrößern, die sich in Zyperns Konfliktgeschichte so oft als die sprichwörtlichen Geister aus Goethes Zauberlehrling erwiesen. Denn von beiden Mutterländern wurde und wird Zypern, so zeigt die Geschichte ihrer geopolitischen Dauerkonkurrenz, bis heute offenkundig als Prestigeobjekt angesehen. Die Zyprioten wiederum eifern ihren Mutterländern bis heute in der jeweiligen Nationalstaatsgenese hinterher – mit Vehemenz und Sorge darauf bedacht, als gleichwertige Repräsentanten der jeweiligen Ethnie zu erscheinen und begründen Souveränitätsforderungen und territoriale Aspirationen ethnisch. Würden sie sich dieses fundamentalen Widerspruchs gewahr – also, dass sie in dem Maße, wie sie ihre nationale Ermächtigung und internationale Gleichberechtigung über die ethnonationale Identifikation mit dem jeweiligen Mutterland legitimieren, genau diese Gleichberechtigung und Souveränität im selben Zug einbüßen – könnte ein Verständnis für die Vorteile einer bürgerrechtlichen oder zypriotischen Identität reifen und damit in einem ganz anderen Licht erscheinen, als es das jetzt für eine Mehrheit der Zyprioten tut. Als positiv geframte Vision wäre das identitätsbasierte Zusammenwachsen eine Chance, sich politisch und kulturell von den Mutterländern zu lösen, im Europa der wiedererstarkten Grand Narratives und in Zeiten einer beunruhigenden Konjunktur von Grenzen – das ist so idealistisch gemeint, wie es klingt – als Fanal interkultureller Kooperation zu dienen und damit auch den Mutterländern als Modell. Ist solch eine Entwicklung möglich? Uludağs Kritik am gänzlichen Fehlen einer gemeinsamen Zukunftsvision – ein Befund, den die vorliegende Forschungsarbeit über die Erörterung der unterschiedlichen Erinnerungsorte untermauert – erscheint jedenfalls symptomatisch für das, was Eder (2014) für das heutige Europa postuliert: Europa, so moniert er, sei seit seiner visionären Gründungsidee zu einem abstrakten Vorstellungsraum vermeintlich bestimmbarer Wähler- und Käuferinteressen geworden, zu einem „statistischen Artefakt“, in dem immer breitere und differenziertere Datenansammlungen über die Befindlichkeiten und Präferenzen der „Europäer“ existierten, die Strahlkraft der Idee selbst indes in immer breiteren Bevölkerungsteilen verlorengehe (so sie denn überhaupt existierte), ebenso wie die komplexen soziopsychologischen Ursachen dieses Phänomens im Dunklen blieben. Im Forschungsstand, im Theoriekapitel zur Diskursanalyse und indirekt im Emotionenkapitel, wurden der ausschließliche politische bzw. akademische Fokus auf Quantifizier-,
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Bestimm- und Messbarkeit kritisiert, hinter dem schwer greifbare, verwickelte, unbequeme und schmerzhafte Aspekte in den Hintergrund treten. Der Philosoph Martin Seel kommentiert diese Entwicklungen nicht ohne Ironie in dem Ausspruch: „Die messbare Seite der Welt ist nicht die Welt; sie ist die messbare Seite der Welt“ (Seel nach Pönicke 2016: XXII). Das auf endlosen Sachargumenten basierte zypriotische Ringen um vermeintlich aufteilbzw. verhandelbare Ressourcen und die politischen und wissenschaftlichen Publikationen, die sich mit ihm befassen und es damit in gewisser Weise reifizieren, erinnern damit an die Pointe, die Paul Watzlawick (1994: 6) in seinem Buch „Anleitung zum Unglücklichsein“ mit den Worten beschreibt: „Unter einer Straßenlaterne steht ein Betrunkener und sucht und sucht. Ein Polizist kommt daher, fragt ihn, was er verloren habe, und der Mann antwortet: ´Meinen Schlüssel`. Nun suchen beide. Schließlich will der Polizist wissen, ob der Mann sicher ist, den Schlüssel gerade dort verloren zu haben, und jener antwortet: ´Nein, nicht hier, sondern dort hinten – aber dort ist es viel zu finster`. Finden Sie das absurd?“, fragt Watzlawick seinen Leser, „dann suchen auch Sie am falschen Ort. Der Vorteil ist nämlich, dass eine solche Suche zu nichts führt, außer ´mehr desselben`, nämlich nichts“.
Während die Politik auf Zypern „mehr desselben“ produziert, so kann man schließen, leben diejenigen Zyprioten, die im Home for Cooperation über bikommunale Filmprojekte diskutieren oder in der interkulturellen Bar Hoi Polloi im Herzen der Altstadt Nikosias griechischtürkische Musikabende veranstalten, die den politischen Eliten und weiten Teilen der Gesellschaften fehlende Zukunftsvision bereits. Für sie existiert die Grenze weder ideell noch physisch. Sie bewegen sich vielmehr in einem selbst gewählten transnationalen Zwischenraum. Die meisten dieser sprichwörtlichen Wandler zwischen den Welten sind über den Status quo – wie das empirische Versöhnungskapitel illustrierte – äußerst frustriert. Einer von ihnen, der erwähnte Leiter des CCMC, Orestis Tringides, ist über ihn so verärgert, dass er im Februar 2017 einen Akt zivilen Ungehorsams beging, der so seit 1996 (und damals moti- Abbildung 84 – Grenzgänger (mit freundlicher Genehmigung von © George vierte er ein nationales Nicolaou; All Rights Reserved) Drama) nicht mehr begangen worden war: Gemeinsam mit George Nicolaou durchbrach er die Grenze zur UN-Pufferzone, bevor sie beide von Blauhelmen festgenommen wurden (Abb. 84; Facebook 2017). Seine Tat, die – erinnert man sich an den 1996 erschossenen Isaak – ein blutiges Ende hätte nehmen können, löste inselweit besonders unter jungen Menschen Solidaritätsbekundungen und Bewunderung aus, während sie von politischen Kreisen beider Seiten (sic!) scharf verurteilt wurde. Auch wenn derartige Aktionen aus sicherheitspolitischen Erwägungen zu kritisieren sind – 1996 hatte sie gemeinsam mit der Imia-Krise beinahe für einen griechisch-türkischen Krieg gesorgt – birgt letztere doch Hoffnung. Denn war Isaak 1996 aus
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rein nationalistischen Motiven in die Sperrzone gedrungen – er war, wie erwähnt bei dem Versuch erschossen worden, eine türkische Fahne vom Sockel zu reißen und wurde als Symbolfigur des griechisch-zypriotischen Märtyrertums ins Nationalnarrativ integriert – so stehen Tringides und Nicolaou für eine Generation und für eine politische und lebensweltliche Haltung, die gerade nicht in den Kategorien von Nationalgrenzen und Opfernarrativen denkt. Der Ausspruch „No barriers. It only takes a decision“ ist vor diesem Hintergrund ein feinsinniger, frecher und inspirierender Kommentar, der daran erinnert, dass Grenzen von Menschen gemacht sind.
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Vorträge: Vortrag von Heinz. A. Richter am 20. Juni 2013 auf Einladung der Verfasserin im Rahmen ihres Seminars „In der Krise: Die deutsch-griechischen Beziehungen im Spiegel der öffentlichen Wahrnehmung“ an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Analysierte Oral-History-Interviews: (1) Yangou,, Dimos ♂ 70, Agia Irini (Nordzypern). (2) Shiakides, Anthimos ♂ 70, Lapithos (Nordzypern) (3) Kazafaniotis, Kostas ♂ 70, Kafazani (Nordzypern) (4) Christou, Michalakis ♂ 57, Trahonas-Nikosia (Nordzypern) (5) Kazakaios, Achill ♂ 66, Trahonas-Nikosia (Nordzypern) (6) Paphitis, Nikos ♂ 74, Trahonas-Nikosia (Nordzypern) (7) Georgiou, Michalils ♂ 59, Trahonas-Nikosia (Nordzypern) (8) Αvxendiou, Theodora ♀ 83, Limassol (Südzypern) (9) Symeonides, Renos ♂ 84, Morphou (Nordzypern) (10) Hatjiloizou, Christos ♂ 67, Batyli (Nordzypern) (11) Louca, Vasos ♂ 59, Neapolis (Nordzypern) (12) Zarteras, Efthychios ♂ 65, Nisou (Südzypern) (13) Georgiou, Vryonis ♂ 76, Paphos (Südzypern) (14) Vroutras, Georgios ♂ 76, Kouklia (Südzytern) (15) Charalambous, Petros ♂ 63, Timi (Südzypern)
Literaturverzeichnis (16) Constantinou, Prodromos ♂ 72, Yeroskipos (Südzypern) (17) Michaelides, Andreas ♂ 59, Paphos (Südzypern) (18) Avraam, Stavros ♂ 76, Stato-Paphos (Südzypern) (19) Pieri Kramvi, Eleni ♀ 61, Akanthou (Nordzypern) (20) Louka, Michalis ♂ 79, Arnadi (Nordzypern) (21) Matheou, Matheos ♂ 69, Achna (Nordzypern) (22) Christou, Paraskevou ♀ 67, Pyrga (Südzypern) (23) Karavis, Loukas ♂ 83, Komi Kepir (Nordzypern) (24) Theoklitou, Despina ♀ 72, Kontea (Nordzypern) (25) Paschali, Andreas ♂ 74, Kontea (Nordzypern) (26) Stavrou, Eleni ♀ 51 Arnadi (Nordzypern) (27) Stylianou, Pantelis ♂ 79, Agios Anthronikos (Nordzypern) (28) Kakoulils, Andreas ♂ 73, Pyla (Pufferzone) (29) Ellinas, Andreas ♂ 65, Prastio (Nordzypern) (30) Vasiliou, Diomides ♂ 60, Kythrea (Nordzypern) (31) Paraschos, Andreas ♂ 45, Larnaka (Südzypern) (32) Georgiou, Andreas ♂ 73, Afantia (Nordzypern) (33) Papadakis, Vasos ♂ 57, Larnaka (Südzypern) (34) Kikas, Michalis ♂ 73, Potamia-Nikosia (Südzypern) (35) Panayotou, Thalia ♀ 73, Paphos (Südzypern) (36) Askotis, Andreas ♂ 71, Nikosia (Südzypern) (37) Ioannidou, Maria ♀ 73, Paphos (Südzypern) (38) Hadjitheodosiou, Haris ♂ 65, Chrysochou (Südzypern) (39) Fanis, Loukas ♂ 65, Chrysochou (Südzypern) (40) Fantides, Andreas ♂ 71, Nikosia (Nordzypern) (41) Kavazi, Elveris ♂ 72, Dahli (Südzypern) (42) Sparsi, Lavra ♀ 67, Omorfita (Nordzypern) (43) Violaris, Andreas ♂ 79, Agios Basilios (Nordzypern) (44) Hadjiloizou, Sofokles ♂ 69, Nikosia (Südzypern) (45) Poullou, Eleni ♀ 80, Kythrea (Nordzypern) (46) Klitides, Andreas ♂ 75, Nikosia (Südzypern) (47) Partakelas, Georgios ♂ 72, Kythrea (Nordzypern) (48) Kyprianidou, Kalomoira ♀ 64, Nikosia (Südzypern) (49) Diamantidou, Paraskevi ♀ 67, Nikosia (Südzypern) (50) Diamantides, Christoforos ♂ 78, Limassol (Südzypern) (51) Profitou, Christos ♂ 80, Limassol (Südzypern) (52) Agapiou, Yiannakis ♂ 71, Limassol (Südzypern) (53) Posidias, Christofis ♂ 76, Dhali (Südzypern) (54) Hadjigeorkalli, Markos ♂ 80, Dhali (Südzypern) (55) Palma, Andriani ♀ 63 Peristeronas (Pufferzone) (56) Assiotis, Grigoris ♂ 70, Assia (Nordzypern) (57) Argyrou, Charalambos ♂ 76, Peristeronas (Pufferzone) (58) Kyriakides, Kyriakos ♂ 73, Limassol (Südzypern) (59) Themistokleous, Andreas ♂ 79, Limassol (Südzypern) (60) Paraskevas, Efstathios ♂ 68, Limassol (Südzypern) (61) Nikolaou, Chryso ♀ 59, Lefka (Nordzypern) (62) Petsasis, Stylianos ♂ 68 Kythrea (Nordzypern) (63) Loizou, Georgakis ♂ 84, Lefka (Nordzypern) (64) Karayianni, Despina ♀ 63, Agios Kassianos-Nicosia (Südzypern) (65) Stylanou, Andreas ♂ 66, Deneia (Pufferzone) (66) Kakoulli, Maro ♀ 63 Nicosia (Südzypern) (67) Constantinou, Elli ♀ 80, Nicosia (Südzypern) (68) Kakoullis, Loukas ♂ 74, Kaimakli-Nicosia (Südzypern) (69) Nikolaou, Palladios ♂ 66, Karabostasi (Nordzypern)
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Literaturverzeichnis
(70) Papanestoros, Nestoras ♂ 64, Lefka (Nordzypern) (71) Zannetou, Kyriaki ♀ 60, Famagusta (Nordzypern) (72) Zambas, Theoris ♂ 68, Barosi (Nordzypern) (73) Pieri, Rita 61, Famagusta (Nordzypern) (74) Vasiliou, Sotiris ♂ 64, Famagusta (Nordzypern) (75) Lambras, Melis ♂ 78, Famagusta (Nordzypern) (76) Nikolaou, Palladios ♂ 66 Karavostasi (Nordzypern) (77) Georgiou, Tasos ♂ 70, Famagusta (Nordzypern) (78) Kolokasidou, Meropi ♀ 61, Omorfita (Nordzypern) (79) Efthymiou, Michalis ♂ 59, Episkopi (Südzypern) (80) Gavriel, Kyriakos ♂ 65 Episkopi (Südzypern) (81) Chatzimiltis, Andreas ♂ 77, Limassol (Südzypern) (82) Panayi, Neofytos ♂ 61, Sylikou (Südzypern) (83) Alexandrou, Chrystalla ♀ 73 Asomatos-Limassol (Südzypern) (84) Orthodoxou, Maroulla ♀ 62 Vasilia (Nordzypern) (85) Loizi, Konstantis ♂ 83. Eptakomi (Nordzypern) (86) Paraskevas, Nikos ♂ 72, Pentakomo (Südzypern) (87) Georgiadou, Anastasia ♀ 61 Kafazani (Nordzypern) (88) Evangelou, Ellou ♀ 73, Polemida-Limassol (Südzypern) (89) Papanastasiou, Anastasia ♀ 64, Nikosia (Südzypern) (90) Vasiliou, Anthoula ♀ 63, Pentakomo (Südzypern)
Geführte Interviews: Interview mit Psychologen des CMP am 13.03.2016 (als CMP-Psychologen I) – auf Wunsch nicht aufgenommen Interview mit Psychologen des CMP am 14. und 15.03.2016 (als CMP-Psychologen II) (auf Audio-CD) Interviews mit Angehörigen von Vermissten am 15. und 16.03.2016 in beiden Inselteilen (auf Audio-CD) Interview mit politischen Repräsentanten des CMP am 16.03.2016 – auf Wunsch nicht aufgenommen. Interview mit politischen Repräsentanten des CMP am 13.03.2016 – auf Wunsch nicht aufgenommen. Interview mit Sevgül Uludağ am 10.03.2016 in Nikosia (auf Audio-CD) Interview mit Prof. Maria Hadjipavlou am 07.03.2016 in Nikosia (auf Audio-CD) Interview mit Kyrios Dimitris am 06.03.2016 in Nikosia (auf Audio-CD) Interview mit Yaprak Aydin am 06.03.2016 in Nikosia Interview mit Faiz Suguoglu am 22.12.2013 in Nikosia (auf Audio-CD) Interview mit Orestis Trindiges am 19.12.2013 in Nikosia (auf Audio-CD) Interview mit Prodromos Prodromou am 18.12.2013 in Nikosia (auf Audio-CD) Interview mit Savvas Christofides am 18.12.2013 in Nikosia Interview mit Alev Tugberg am 04.03.2012 in Nikosia (auf Audio-CD) Interview mit Kyriakos Pachoulides am 04.03.2012 in Nikosia (auf Audio-CD) Interview mit Prof. Ahmet Sözen 04.03.2012 in Nikosia (auf Audio-CD) Interview mit Prof. Caesar Mavratsas am 03.03.2012 in Nikosia (auf Audio-CD)
Literaturverzeichnis
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Artikel der Medienanalyse von 1963, 1967, 1974 und 2004: Phileleftheros 1963 (1) o. V.: Ο Μακάριος Προδιέγραψε με εθνικήν συνέπειαν και με αποφασιστηκότητα την τελικήν πορείαν του Κυπριακού [Makarios hat mit Nachdruck und Entschiedenheit die nationale Zielgerade des Zypernproblems eingeleitet], in: Phileleftheros v. 03.12.1963. (2) o.V.: Σοβαρόν επεισόδιον εις τον Τακτακαλάν [Gravierende Auseinandersetzung in Taktakalan], in: Phileleftheros v. 04.12.1963. (3) o.V.: Ο Μακαριώτατος επέδωσεν σχέδιον δια την τροποποίησηιν ωρισμένων διατάξεων του Συντάγματος [Seine Heiligkeit reichte einen Plan zur Abänderung bestimmter Verfassungselemente ein], in: Phileleftheros v. 06.12.1963. (4) o.V.: Νέα απειλή ´Τουρκικής επεμβάσεως` , Η ´ΜΠΟΖΚΟΥΡΤ` γράφει ότι επιδιώκεται η αναθεώρησις των σχετικών με την χωριστήν πλειοψηφίαν, τους χωριστούς Δήμους και την αναλογίαν του 70:30% [Erneute Interventionsdrohung vonseiten der Türkei. Die Zeitung Bozkurt berichtet über getrennte Mehrheiten, getrennte Kommunen und das Verhältnis 70:30%], in: Phileleftheros v. 07.12.1963. (5) o.V.: Δια την ομαλήν λειτουργίαν, ριζικήν τροποποίησιν των συμφωνιών επιδιώκει ο Μακάριος [Im Sinne einer reibungslosen Funktion zielt Makarios auf radikale Reformen], in: Phileleftheros v. 08.12.1963. (6) o.V.: Η Ελλάς απορρίπτει πάσαν επέμβασιν εις εσωτερικάς υποθέσεις της Κύπρου [Griechenland lehnt jedwede Intervention in die inneren Angelegenheiten Zyperns ab], in: Phileleftheros v. 09.12.1963. (7) o.V.: Δεν απήντησε μέχρι χτες εις τας προτάσεις του Μακαρίου ο Αντιπρόερδος Δρ Κουτσιούκ [Bis gestern hat Vizepräsident Kücük Makarios keine Antwort gegeben], in: Phileleftheros v. 10.12.1963 (8) o.V.: Δεν θα επιτραπεί υπό της Ελλάδος ανάμιξις εις τας εσωτερικάς υποθέσεις της Κύπρου. Πολιτικόν ολίσθημα η ´απόρριψις` των προτάσεων Μακαρίου [Griechenland wird sich nicht in die inneren Angelegenheiten Zyperns einmischen. Makarios´ Vorschläge abzulehnen ist ein großer politischer Fehler], in: Phileleftheros v. 10.12.1963. (9) o.V.: Η Κύπρος κατέθεσεν εις τον ΟΗΕ κοινοποίησιν ότι εξακολουθεί αύτη να δεσμεύεται δυνάμει των κανόνων του διεθνούς Δικαίου [Zypern erklärt gegenüber der UN, dass es weiterhin im Einklang mit dem Völkerrecht handelt], in: Phileleftheros v. 11.12.1963. (10) o.V.: Πλήρις συμπαράστασις εις τας προσπαθείας του Αρχιεπισκόπου Μακαρίου [Absolute Mehrheit unterstützt Makarios Bemühungen], in: Phileleftheros v. 12.12.1963. (11) o.V.: Εξ ολοκλήρου αβάσιμος και αναληθής ειναι η πληροφορία περί εκδόσεως τουρκικού τελεσιγράφου [Meldungen über türkisches Ultimatum gänzlich falsch], in: Phileleftheros v. 12.12.1963. (12) o.V.: Ο Μακάριος δεν θα δεχτεί τακτικήν κωλυσιεργίας υπό του Δρ Κουτσιούκ. Αλλαγαί εις το Σύνταμα θα γίνουν οπωσδήποτε [Makarios wird jegliche Obstruktiontaktik ablehnen. Die Verfassungsänderung findet statt], in: Phileleftheros v. 12.12.1963. (13) o.V.: Η κατάστασις θα εξελιχθή κατ' ευχήν [Erwartete Entwicklung zu unseren Gunsten], in: Phileleftheros v. 13.12.1963. (14) o.V.: Έντονος δραστηριότης θ’αναπτηχθεί επι του Κυπριακού εις τους Παρισίους [Starker Einsatz für die Zypernfrage in Paris], in: Phileleftheros v. 14.12.1963. (15) o.V.: Ο Πρόεδρος της Δημοκρατίας συνεζήτησε χθες τας εν Κύπρω εις τους Παρισίους [Der Präsident legte gestern in Paris die Details der Zypernfrage dar], in Phileleftheros v. 14.12.1963. (16) o.V.: Ο Μακάριος θα δεχτεί εις ακρόασιν αύριον τον πρεσβευτήν της Τουρκιας κ. Μ. Οτκόλ. Η γραμμή Μακαρίου είναι απολύτως σύμφωνος με εκείνην της Ελλάδος διά την αναθεώρησιν του Συντάγματος [Makarios empfängt morgen den türkischen Botschafter M. Otkol. Makarios´ Haltung steht in absolutem Einklang mit Griechenland im Hinblick auf die Verfassungsreform], in: Phileleftheros v. 15.12.1963. (17) o.V.: Απέρριψεν ως απαράδεκτον τουρκικήν νόταν ο Μακαριώτατος [Seine Heiligkeit bezeichnete die türkische Haltung als völlig inakzeptabel], in: Phileleftheros v. 17.12.1963. (18) o.V.: Ευρίσκεται ακόμη υπό σύνταξιν η απάντησις του Δρ Κουτσιούκ [Die Antwort von Dr. Kücük lässt noch auf sich warten], in: Phileleftheros v. 18.12.1963. (19) o.V.: Δηλώσεις Βενιζέλου: Αι δύο Κοινότητες της Κύπρου οφείλουν να εξεύρουν λύσιν επικοδομητικήν μεταξύ των [Venizelos erklärt: Die beiden Gemeinschaften müssen untereinander eine konstruktive Lösung verhandeln], in: Phileleftheros v. 18.12.1963.
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Literaturverzeichnis
(20) o.V.: Η Τουρκία ουδέποτε θα εκαταλείψη τα συμφέροντα των Τούρκων της Κύπρου εις το έλεος και διάθεσιν των Ελλήνων [Die türkische Demokratie wird sich vehement für die Interessen der türkischen Zyprioten einsetzten], in Phileleftheros v. 18.12.1963. (21) o.V.; Ευμενής απήχησις των Προτάσεων Μακαρίου. Τούρκοι υπέρ αναθεωρήσεως [Makarios Vorschläge finden Anklang. Türkei für Verfassungsreform], in: Phileleftheros v. 19.12.1963. (22) o.V.: Το Ανακοινωθέν [Bekanntmachung], in: Phileleftheros v. 19.12.1963. (23) o.V.: Η Τουρκία δέχεται συνομιλίας επί των προτάσεων Μακαρίου [Die Türkei akzeptiert Gespräche zu den Vorschlägen Makarios´], in: Phileleftheros v. 19.12.1963. (24) o.V.: Συνάντηση στο Παρίσι των Κυπριανού-Βενιζέλου-Ερκίν [Treffen in Paris zwischen Kyprianou-Venizelos-Erkin], in: Phileleftheros v. 20.12.1963. (25) o.V.: Η δήλωσις Έρκιν [Erkin´s Erklärung], in: Phileleftheros v. 20.12.1963. (26) o.V.: Ο Ερκίν δίδει εντολή στον Κουτσιούκ να αρχίσει διαπραγματεύσεις με τον Μακάριον [Erkin beauftragt Kücük Verhandlungen mit Makarios aufzunehmen], in: Phileleftheros v. 20.12.1963. (27) o.V.: Αιματηρά επεισόδια εις την Λευκωσίαν [Blutige Zwischenfälle in Nikosia], in: Phileleftheros v. 20.12.1963. (28) o.V.: Η κατάστασις υπό έλεγχον [Die Situation ist unter Kontrolle], in: Phileleftheros v. 22.12.1963. (29) o.V.: Λεπτομέρειαι των χθεσινών επεισοδίων [Einzelheiten zu den gestrigen Ereignissen], in: Phileleftheros v. 22.12.1963. (30) o.V.: Επίσημοι ανακοινώσεις επι των χθεσινών επισοδίων [Offizielle Erklärung zu gestrigen Zwischenfällen], in: Phileleftheros v. 22.12.1963. (31) o.V.: Δεκάδες Τουρκοκύπριοι νεκροί [Dutzende türkische Zyprioten tot], in: Phileleftheros v. 23.12.1963. (32) o.V.: Η Αγκυρα δίνει συμβουλάς ψυχραιμίας και μετριοπάθειας εις τους Τούρκους [Ankara rät den Türken zu Gelassenheit und Zurückhaltung], in: Phileleftheros v. 23.12.1963. (33) o.V.: Οι Τούρκοι ζητούν επιγόντως αίμα [Die Türken wollen Blutvergießen um jeden Preis], in: Phileleftheros v. 23.12.1963. (34) o.V.: Η Αγγλία καθιστά σαφές ότι αι προτάσεις του Μακαρίου πρέπει να τύχουν χειρισμού ως εσωτερική υπόθεσις των Κυπρίων [Großbritannien macht unmissverständlich klar, dass die Vorschläge Makarios als innerzypriotische Angelegenheit behandelt werden müssen], in: Phileleftheros v. 23.12.1963. (35) o.V.: Έκκληση Μακαρίου και Κουτσιούκ [Forderungen von Makarios und Kücük], in: Phileleftheros v. 23.12.1963. (36) o.V.: Ένα λεωφορείο επυροβολήθη εις Πέργαμον [Bus in Pergamon beschossen], in: Phileleftheros v. 23.12.1963. (37) o.V.: ΤΟ ΑΚΕΛ προσυπογράφει την έκκλησιν Μακαρίου [AKEL unterschreibt Forderungen Makarios´], in: Phileleftheros v. 23.12.1963. (38) o.V.: Τούρκοι κατέλαβον τον αστυνομικόν σταθμόν και την οπλαποθήκην Λευκωσίας [Türken besetzten Polizeistation in Nikosia und Waffendepot], in: Phileleftheros v. 23.12.1963. (39) o.V.: Η Αναταραχή [Der Aufruhr], in: Phileleftheros v. 24.12.1963. (40) o.V.: Αι ένοπλοι δυνάμεις της Ελλάδας εις συνεχή επαγρύπνησιν [Die griechischen Streitkräfte in kontinuierlicher Alarmbereitschaft], in: Phileleftheros v. 27.12.1963. (41) o.V.: Ωμή επέμβασις [Grausamer Eingriff], in: Phileleftheros v. 27.12.1963. (42) o.V.: Οι Τούρκοι στασιασταί συνέχισαν και χτες σποραδικώς τα πυρά των [Türkische Meuterer führten auch gestern Gewaltaufstand fort], in: Phileleftheros v. 27.12.1963. (43) o.V.: Νέα τουρκική προκλητική παραβίασις [Erneut provokante Grenzüberschreitung vonseiten der Türkei], in: Phileleftheros v. 27.12.1963. (44) o.V.: Ο Μακαριώτατος διακυρύσσει ότι η Κυβέρνησις θα πράξει το παν δια την αποκατάστασιν του νόμου και της ομαλότητας [Makarios verkündet, Regierung wird alles in ihrer Macht Stehende zur Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung tun], in: Phileleftheros v. 27.12.1963. (45) o.V.: Η Ελλάς θα καταπνίξη εν τη γενέσει πάσαν εχθρική ενέργειαν της Τουρκίας [Griechenland wird jede feindliche Handlung der Türkei im Keim ersticken], in: Phileleftheros v. 27.12.1963. (46) o.V.: Η εκεχειρία θα εφαρμοσθή πλήρως από την σήμερον [Ab heute greift ein umfassender Waffenstillstand], in: Phileleftheros v. 27.12.1963. (47) o.V.: Νέον αίμα αθώων πολιτών κατά το τελευταίον διήμερον [Neues Blutvergießen unschuldiger Zivilisten in den letzten zwei Tagen], in: Phileleftheros v. 27.12.1963. (48) o.V.: Η Ελλάς εις συνεχή ετοιμότητα [Griechenland in Alarmbereitschaft], in: Phileleftheros v. 27.12.1963.
Literaturverzeichnis
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(49) o.V.: Ανέτρεψε τα επιδρομικά τουρκικά σχέδια η προσφυγή της Κύπρου εις τον ΟΗΕ [Die Anrufung der UN vonseiten Zyperns konnte türkische Angriffspläne vereiteln], in: Phileleftheros v. 28.12.1963. (50) o.V.: Οι Τούρκοι είναι εκείνοι οι οποίοι εφήρμοσαν μεθόδους γενοκτονίας κατά των Ελλήνων κατοίκων της Κύπρου [Die Türken sind diejenigen, die genozidale Pläne gegenüber den Griechen Zyperns hegten], in: Phileleftheros v. 28.12.1963. (51) o.V.: Η Ελληνική Κύπρος κηδεύει σήμερον τα θύματα της Τουρκικής θηριωδίας [Das griechische Zypern beerdigt heute die Opfer der türkischen Bestialität], in: Phileleftheros v. 28.12.1963. (52) o.V.: Συζητείται η αποστολή στρατευμάτων του ΟΗΕ [Man diskutiert über die Entsendung von UN-Truppen], in: Phileleftheros v. 28.12.1963. (53) o.V.: Πανέτοιμον προς δράσιν το Ναυτικόν της Ελλάδος [Griechische Marine in absoluter Einsatzbereitschaft], in: Phileleftheros v. 28.12.1963. (54) o.V.: Απάγουν και σουβλίζουν Έλληνα στον τομέα τους Τούρκοι στασιασταί [Türkische Meuterer entführen Griechen in ihren Sektor und stechen auf ihn ein], in: Phileleftheros v. 28.12.1963. (55) o.V., Η ελληνική Κύπρος εκήδευσεν εξη τέκνα της που έπεσαν στις επάλξεις [Das griechische Zypern beerdigte sechs seiner Kinder, die im Kampf der Zinnen ihr Leben ließen], in: Phileleftheros v. 28.12.1963. (56) o.V.: Η Ελλάς παρά το πλευρόν της Κύπρου [Griechenland an der Seite Zyperns], in: Phileleftheros v. 28.12.1963. (57) o.V.: Η Ελλάς απεδέχθη Βρεττανικήν πρότασιν διά την σύγκλησιν συνδιασκέψεως διά το Κυπριακόν [Griechenland akzeptierte den britischen Vorschlag zur Durchführung einer Konferenz über das Zypernproblem], in: Phileleftheros v. 28.12.1963. (58) o.V.: Σφυροκοπηθείσα εις τα Ην. Εθνη η Τουρκία επροφασίσθη ότι πολεμικά της εκινούντο εξ ενός λιμένος της εις άλλον [Türkei gab vor,pokijuh Kriegsschiffe lediglich von einem Hafen zum anderen zu bewegen und wurde von UN abgemahnt], in: Phileleftheros v. 28.12.1963. (59) o.V.: Συνηντήθη χθες με τον Μακάριον ο Ντάνκαν Σαντς [Makarios traf sich gestern mit Duncan Sands], in: Phileleftheros v. 28.12.1963. (60) oV.: Το ΑΚΕΛ υποστηρίζει καταγγελίαν της συνθήκης Εγγυήσεων εις τον ΟΗΕ [AKEL unterstützt bei UN Aufkündigung der Garantieverträge], in: Phileleftheros v. 28.12.1963. (61) o.V.: Η Σοβ. Ένωσις και η ΗΑΔ εξεδήλωσαν ενδιαφέρον εδήλωσε χθες ο Μακάριος [Sowjetunion und Vereinigte Arabische Republik bekundeten Interesse, äußerte Makarios gestern], in: Phileleftheros v. 28.12.1963. (62) o.V.: Τουρκικά πολεμικά σκάφη εθεάθησαν εξ Αιγιαλούσης [Türkische Kriegsschiffe vor Gialoussa zu sehen], in: Phileleftheros v. 28.12.1963. (63) o.V.: Η Ελλάς παρά τω πλευρόν της Κύπρου [Griechenland an der Seite Zyperns], in: Phileleftheros v. 28.12.1963. (64) o.V.: Η κηδεία των έξι θυμάτων [Die Beerdigung der sechs Opfer], in: Phileleftheros v. 28.12.1963. (65) o.V.: Τούρκοι ζητούν ελληνική προστασία [Türken fordern griechischen Beistand ein], in: Phileleftheros v. 28.12.1963. (66) o.V.: Είναι νεκραί αι συμφωνίαι λέγει ο Κιουτσούκ [Die Vereinbarung sei null und nichtig, so Kücük], in: Phileleftheros v. 28.12.1963. (67) o.V.: Συζητείται η αποστολή στρατευμάτων του ΟΗΕ [Es wird diskutiert, ob UNO-Truppen nach Zypern geschickt werden], in: Phileleftheros v. 28.12.1963. (68) o.V.: Επανελήφθησαν χθες αι αστυνομικαί περιπολίαι εις Άγιον Θεόδωρον χωρίς να σημειωθούν επεισόδια [Polizei patrouillierte gestern bei St. Theodoroi ohne, dass es zu Auseinandersetzungen kam], in: FYO v.15.11.1967. (69) o.V.: Στη θέσην των οι τρομοκράται χωρίς εναν πυροβολισμό [Terroristen zurückgedrängt, ohne dass auch nur ein Schuss fiel], in: Agon v. 15.11.1967. (71) o.V.: Κεραυνοβόλος και αναίμακτος επιχείρησις. Αι δυνάμεις του κράτους επέβαλον την ομαλότητα εις τον Άγιον Θεόδωρον [Blitzeinsatz ohne Blutvergießen. Staatsgewalt stellt in A.Theodoroi Ordnung wieder her], in: Phileleftheros v. 15.11.1967. (72) o.V.: Επιχείρησις - αστραπή υπό τας διαταγάς του Στατηγού Γρίβα [Blitzeinsatz unter der Leitung von General Grivas], in: Patris v. 15.11.1967. (73) o.V.: ΔΙ' αποφασιστικής ενεργείας της Εθνικής Φρουράς... [Durch entschlossenes Handeln der Nationalgarde...], in: Machi v. 15.11.1967.
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Literaturverzeichnis
(74) o.V.: Η Εθνική Φρουρά ηναγκάστη να επέμβη εις τα χωρία Κοφίνουν και Άγιοι Θεόδωροι [Die Nationalgarde war gezwungen, in den Dörfern Kofinou und A.Theodoroi zu intervenieren] in: FYO v. 16.11. 1967. (75) o.V.: Η Εθνοφρουρά εισήλθε χθες εις Κοφίνουν - Αγ. Θεόδωρον [Die Nationalgarde intervenierte gestern in den Dörfern Kofinou und A. Theodoroi], in: Agon v. 16.11.1967. (76) o.V.: Οι κυονόκρανοι εγκατεστάθησαν εις την Κοφίνου [Blauhelme haben sich in Kofinou niedergelassen], in: Phileleftheros v. 17.11.1967. Phileleftheros 1974 (2) o. V.: Ο Ντενκτάς λέγει ότι θα προσφύγη στα Ηνωμ. Έθνη [Denktaş sagt, er würde die UN anrufen], in: Phileleftheros v. 07.05.1974. (3) o. V.: Κίσσιγκερ – Γρομύκο εις την Λευκωσίαν [Kissinger und Gromyko in Nikosia], in: Phileleftheros v. 07.05.1974. (4) o. V.: Οι κκ. Κίσσιγκερ και Γκρομύκο ενημερώθησαν επί του Κυπριακού [Die Herren Kissinger und Gromyko wurden über die Zypernfrage unterrichtet], in: Phileleftheros v. 07.05.1974. (5) o. V.: Την ελπίδα ότι θα εξευρεθεί τελικώς λύση εξέφρασαν οι κ.κ. Κίσσιγκερ-Γκρομύκο [Die Herren Kissinger und Gromyko gaben ihre Hoffnung kund, dass es eine Lösung der Zypernfrage geben möge], in: Phileleftheros v. 07.05.1974. (6) o. V.: Οξεία πολιτική κρίσις σοβεί εις την Τουρκίαν, απειλείται διάλυσις του κυβερνώντος συνασπισμού [Schwere politische Krise in der Türkei, es droht die Auflösung der Regierungskoalition], in: Phileleftheros v. 08.05.1974. (7) o. V.: Τείνομεν χείρα φιλίας προς όλους, απαιτούντες σεβασμόν της κυριαρχίας μας [Nach allen Seiten strecken wir die Hand zur Freundschaft aus in Erwartung der Anerkennung unserer Souveränität], in: Phileleftheros v. 09.05.1974. (8) o. V.: Ενημερώθη το υπουργικόν [Ministerium wurde in Kenntnis gesetzt], in: Phileleftheros v. 10.05.1974. (9) o. V.: Μεγάλη κλοπή όπλων [Immenser Waffenraub], in: Phileleftheros v. 11.05.1974. (10) o. V.: Δια να συνεχίση την εθνικήν της αποστολήν, ζητούντια εκκαθαρίσεις στην εθνοφρουράν, [Man verlangt nach Bereinigungen innerhalb der Nationalgarde, damit diese ihrer nationalen Aufgabe gerecht werden möge], in: Phileleftheros v. 14.05.1974. (11) o. V.: Πολιτική Βεντέττα. Ο φόνος του Μενοίκου. Παράνομοι της ΕΟΚΑ-Β οι δράστες [Politische Vendetta. Der Mord an Menoikos. Illegale Täter der EOKA-B], in: Phileleftheros v. 15.05.1974. (12) o.V.: Εντροπή επιτέλους [Schande!], in: Phileleftheros v. 17.05.1974. 13) o.V.: Βαρυσήμαντος συνέντευξις Μακαρίου. Ωρισμένοι κύκλοι των Αθηνων Βοηθούν την ΕΟΚΑ-Β [Höchst bedeutendes Intervies mit Makarios. Gewisse Athener Kreise unterstützen die EOKA-B], in: Phileleftheros v. 17.05.1974. (14) o.V.: Επαναρχίζουν οι συνομιλίες [Verhandlungen werden wiederaufgenommen], in: Phileleftheros v. 21.05.1974. (15) ο. V.: Ενιαίον κράτος ήτο και θα είναι η βάσις δια συνομιλίας [Einheitsstaat war und wird immer die Basis aller Verhandlungen sein], in: Phileleftheros v. 25.05.1974. (16) o.V.: Εις το Συμβούλιον Ασφαλείας. Θα συζητηθή η ουσία του Κυπριακού [Im Sicherheitsrat wird Zypernfrage erörtert], in: Phileleftheros v. 16.05.1974. (17)o.V.: Αποφασιστική η Ελλάς. Υα προασπίση τον εθνικόν χώρον [Griechenland entschlossen. Verteidigung des nationalen Raumes], in: Phileleftheros v. 28.05.1974. (18) o.V.: Συναγερμός Ελληνικών ενόπλων δυνάμεων [Alarmbereitschaft der griechischen Streitkräfte], in: Phileleftheros v. 30.05.1974. (19) o.V.: Συνεζητήθη θέμα Ε. Φρουράς [Man beriet sich in der Frage der Nationalgarde], in: Phileleftheros v. 05.06.1974. (20) o.V.: Λόγω της τουρκικής εμμονής εις Ομοσπονίαν. Προς νέον αδιέξοδον στας ενδοκυπριακάς [Türkei beharrt auf Bundesstaat. Verhandlungen steuern auf neuen Stillstand zu], in: Phileleftheros v. 05.06.1974. (21) o.V.: Ανευρέθησαν νέα βαρέα όπλα του Κεν, [Neue Waffen des zentralen Waffenlagers entdeckt], in: Phileleftheros v. 05.06.1974. (22) o.V.: Όργανον του κράτους θα γίνη η Εθνοφρουρά «και όχι οιουδήποτε αξιωματικού» [Nationalgarde wird Ausführungsorgan des Staates und nicht „eines jedweden Generals“], in: Phileleftheros v. 06.06.1974.
Literaturverzeichnis
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(23)o.V.: Η κυβέρνησις θα αποφασίζει ποιοι θα στελεχώνουντην Εθνοφρουράν [Die Regierungen werden künftig über die Entsendung der Nationalgardisten entscheiden], in: Phileleftheros v. 07.06.1974. (24) o.V.: Ήρχισεν η κάθαρσις στην Εθνοφρουράν [Säuberung der Nationalgarde eingeleitet], in: Phileleftheros v. 08.06.1974 (25) o.V.: Επιμένουν εις «συνεταιριστικόν καθεστώς». Δεν δεχόμαστε τελεσίγραφα» λέγει ο Ντενκτάς [Sie bestehen auf einem „gemeinschaftsstaatlichen Modell“. Er würde keine Ultimaten akzeptieren, so Denktaş], in: Phileleftheros v. 08.06.1974. (26) o.V.: Aι Αθήναι παραδέχονται την ενοχή αξιωματικών [Athen räumte Schuld der Militärs ein], in: Phileleftheros v. 09.06.1974. (27) o. V.: Ανοικτή επιστολή προς τυς Έλληνας αξιωματικούς [Ein offener Brief an die Generäle], in: Phileleftheros v. 11.06.1974. (28) o. V.: Και άλλος κρατούμενος υπέδειξε κρύπτην με κλαπέντα οπλισμόν [Ein weiterer Gefangener gab geheimen Ort gestohlener Waffen preis], in: Phileleftheros v. 12.06.1974. (29) o. V.: Περί ‘αδυναμίας του κράτους’ τουρκική προπαγάνδα [Über die Schwäche des Staates spricht türkische Propaganda], in: Phileleftheros v. 12.06.1974. (30) o.V.: Το Κυπριακόν θα συζητηθή εις το ΝΑΤΟ [Zypernfrage wird in der NATO erörtert], in: Phileleftheros v. 13.06.1974. (31) o: V.: Δεν είναι δυνατόν αι Αθήναι να επιβάλλουν στους Κυπρίους ηγέτην ιδικής των αρεσκείας [Es kann nicht angehen, dass Athen Zypern Führer nach ihrem Geschmack aufzwingt], in: Phileleftheros v. 13.06.1974. (32) o.V.: Η Τουρκική ηγεσία αποδελιγμένως ψεύδεται [Die türkische Regierung lügt erwiesenermaßen], in: Phileleftheros v. 13.06.1974. (33) o.V.: Εάν υποβληθεί νέον σύνταγμα οι Τούρκοι θα προωθήσoυν άλλο [Würde eine neue Verfassung durchgesetzt, würden die Türken eine eigene verabschieden], in: Phileleftheros v. 13.06.1974. (34)o. V.: Έντονος καταδίκη των εγκληματιών [Scharfe Verurteilung der Verbrechen], in: Phileleftheros v. 15.06.1974. (35) o.V.: Επίθεσις ενόπλων επί της κυρίας οδού Λευκωσίας-Λεμεσού δρα προς δολοφονίαν αστυνομικών [Angriffe Bewaffneter an der Autobahn Nikosia-Limassol zielen auf die Ermordnung von Polizisten], in: Phileleftheros v. 18.06.1974. (36) o.V.: Εκρηκτικάς διαστάσεις προσλαμβάνει παγκυπρίως η λαϊκή οργή κατά των εγκληματιών [Zutiefst erzürnt zeigt sich inselweit das zypriotische Volk über die Verbrechen], in: Phileleftheros v. 18.06.1974. (37) o.V.: Παλλαϊκή αντίστασις κατά της βίας. Φωνή Λαού οργή Θεού [Massenhafter Widerstand gegen Gewalt. Die Stimme des Volkes, der Zorn Gottes], in: Phileleftheros v. 19.06.1974. (38) o.V.: Εκηδεύθη ο Έλληνας εις Πάφον [Beerdigung eines Griechen in Pathos], in: Phileleftheros v. 19.06.1974. (39) o.V., Aνεκαλύφθη το αρχηγείον της ΕΟΚΑ Β εις Λευκωσίαν [Entdeckung des Hauptquartiers der EOKA-B in Nikosia], in: Phileleftheros v. 19.06.1974. (40) o.V.: Ανεύρεις όπλων εις Λεμεσόν [Waffenfund in Limassol], in: Phileleftheros v. 19.06.1974. (41) o.V.: Αδιάλλακτος παραμένει η θέσις Ντενκτάς, [Weiterhin unnachgiebige Haltung Denktaş], in: Phileleftheros v. 19.06.1974. (42) o.V.: Απόρθητο το τείχος ηγεσίας του λαού. Δεν θα περάση η τρομοκρατία διακηρύτει ο Μακάριος [Undurchdringliche Einheitsfront des Volkes. Terror wird keine Früchte tragen, so Makarios], in: Phileleftheros v. 20.06.74. (43) o. V.: Ο λαός ζητεί να τεθεί τέρμα στο όργιον της παρανομίας [Das Volk verlangt nach einem Ende der illegalen Machenschaften], in: Phileleftheros v. 20.06.1974. (44) o.V.: Τι ζητεί ο Ντενκτάς [Was Denktaş verlangt], in: Phileleftheros v. 20.06.1974. (45) o.V.: Τιμούν τα θύματα της τρομοκρατίας [Man ehrt die Opfer des Terrors], in: Phileleftheros v. 22.06.1974. (46) o.V.: Σχέδιον δολοφονιών – δολιοφθορών [Mordkomplott und Sabotage], in: Phileleftheros v. 23.06.1974. (47) o. V.: Καθοδηγειταί εξ Αθηνών η ΕΟΚΑ Β [EOKA-B wird von Athen aus gesteuert], in: Phileleftheros v.25.06.1974. (48) o. V.: Στελέχη του καθεστώτος Αθηνών είναι οι καθοδηγητές της ΕΟΚΑ Β [Führungskräfte der Athener Einheiten steuern die EOKA-B], in: Phileleftheros v.26.06.1974.
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Literaturverzeichnis
(49) o.V.: Ανεκαλύφθησαν χτες και άλλα πυρομαχικά και εκρηκτικές ύλες. [Erneut Munition und Sprengstoff entdeckt], in: Phileleftheros v. 26.06.1974. (50) o.V.: Δεν δέχεται συνέχισιν συνομιλιών δι’ενιαίον κράτος ο κ. Ρ. Ντενκτάς [Herr R. Denktaş lehnt weitere Verhandlung über einen Einheitsstat ab], in: Phileleftheros v. 26.06.1974. (51) o.V.: Απολύονται 60 διδάσκαλοι. Σαφείς μαρτυρίαι εναντίον των [60 Lehrer entlassen. Belastende Zeugenaussagen], in: Phileleftheros v. 28.06.1974. (52) o.V.: Ανευρέθησαν κι άλλα όπλα εις Λάρνακα [Weitere Waffenfunde in Larnaka], in: Phileleftheros v. 28.06.1974. (53) o. V.: Η Κυβέρνησις θα εφαρμόση και θα επιβάλλει τα μέτρα της [Die Regierung wird weitere Maßnahmen ergreifen und durchsetzen], in: Phileleftheros v. 28.06.1974. (54) o.V.: Κρατήσεις – ανακρίσεις. [Inhaftierungen - Verhöre], in: Phileleftheros v. 30.06.1974. (55) o.V.: Τον λαόν και μόνον πλήττουν οι δολιοφθοραί [Das Volk ist der Leittragende jeglicher Sabotageakte], in: Phileleftheros v. 20.06.1974. (56) o.V.: Από τον ΟΗΕ η λύσις του Κυπριακού [Von den UN wird die Lösung der Zypernfrage kommen], in: Phileleftheros v. 04.09.1974. (57) o.V.: Κραυγή πόνου γονέων και συγγενών. 3189 οι αγνοούμενοι [Erschütternde Wehklagen von Eltern und Verwandten. 3189 Vermisste], in: Phileleftheros v. 04.09.1974. (58) o.V.: Κάθε απουσιάζοντα Τούρκον τον θεωρούν ως φονευθέντα δολίως [Jeden vermissten Türken melden sie intriganterweise als tot], in: Phileleftheros v. 04.09.1974. (59) o. V.: Σύσκεψις εις Λονδίνον δια το Κυπριακόν [Zusammenkunft zur Zypernfrage in London], in: Phileleftheros v. 06.09.1974. (60) o.V.: Βιομήχανοι και εργάτες άνεργο, ζητούν δουλειά [Arbeitslose Unternehmer und Arbeiter fordern Arbeit], in: Phileleftheros v. 06.09.1974. (61) o.V.: Ολονύκτιος προσευχή εις την μονήν Κύκκου [Nachtwachen und Gebete im Kloster von Kykkos], in: Phileleftheros v. 06.09.1974. (62) o.V.: Βίασαν γυναίκες στο ιερό εκκλησίας [Frauen sind in den heiligen Hallen der Kirche geschändet worden], in: Phileleftheros v. 06.09.1974. (63) o.V.: Θάνατος ιερέως λόγω βασανιστηρίων από Τούρκους [Geistlicher an den Folgen von Folter durch Türken den Tod gefunden], in: Phileleftheros v. 06.09.1974. (64) o.V.: Μεγάλη Σοβιετική βοήθεια [Große Hilfe durch Russland], in: Phileleftheros v. 06.09.1974. (65) o.V.: Θρήνος και Μοιρολόι χθες στους δρόμους της Λευκωσίας [Trauer und Wehklage gestern auf den Straßen Nikosias], in: Phileleftheros v. 06.09.1974. (66) o.V.: Η Τουρκία δυνατόν ν’αποσύρει στρατεύματά της εκ Κύπρου [Möglicherweise zieht die Türkei Truppen aus Zypern ab], in: Phileleftheros v.08.09.1974. (67) o.V.: «Η Κύπρος πλήρωσε το βαρύ τίμημα της λευτεριάς στην Ελλάδα» [Zypern zahlte den hohen Preis der Freiheit an Griechenland], in: Phileleftheros v. 08.09.1974. (68) o.V.: Εντείνεται η διπλωματική δραστηριότης [Diplomatische Bemühungen werden intensiviert], in: Phileleftheros v. 08.09.1974. (69) o.V.: Φεύγουν μαζικά οι Έλληνες εκ Τουρκίας [Massenhafter Exodus von Griechen aus der Türkei], in: Phileleftheros v. 08.09.1974. (70) o. V.: Φάντασμα η Κυρήνεια [Kyrenia eine Geisterstadt], in: Phileleftheros v. 08.09.1974. (71) o.V.: Ανταλλαγή πληθυσμών και περουσιών το σχέδιον του Ντενκτάς [Denktaş plant Austausch von Bevölkerungen und Eigentum], in: Phileleftheros v. 10.09.1974. (72) o. V.: Μακάριος: το Κυπριακόν είναι διεθνές πρόβλημα [Makarios: Die Zypernfrage ist ein internationales Problem], in: Phileleftheros v.10.09.1974. (73) o.V.: Καταγγέλεται το σατανικόν σχέδιον της Τουρκίας [Klage gegen den teuflischen Plan der Türkei], in: Phileleftheros v.10.09.1974. (74) o.V.: Η Λιβύη υποστηρίζει την ενότητα της Κύπρου [Libyen für die Einheit Zyperns], in: Phileleftheros v. 14.09.1974. (75) o.V.: Χούντα και η CIA είχον οργανώσει δολοφονίαν του Μακαρίου [Junta und CIA hatten Mordkomplott gegen Makarios geschmiedet], in: Phileleftheros v. 14.09.1974. (76) o.V.: Να δώσωμεν όλοι τα χέρια διά να αναστηλώσωμεν τα ερείπιά μας [Lasst uns einander die Hände reichen und unsere Ruinen wiederaufbauen], in: Phileleftheros v.15.09.1974.
Literaturverzeichnis
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(77) o.V.: Οι Τούρκοι αποκαλύπτουν ότι εμπαιγμός υπήρξεν η διάσκεψις της Γενεύης [Türkei bezeichnet die Unterredung in Genf als lächerlich], in: Phileleftheros v.15.09.1974. (78) o.V.: Προκλητική πτήσις τουρκικών αεροσκαφών [Provokante Flugmanöver der türkischen Luftwaffe], in: Phileleftheros v.15.09.1974. (79) o.V.: Εγγύησης διά το μέλλον της Κύπρου [Garantien für die Zukunft Zyperns], in: Phileleftheros v. 19.09.1974. (80) o.V.: Φίλοι Σοβιετικοί σώστε την Κύπρον φώναζε το πλήθος εις Ιλιτσώφ [Sowjetische Freunde, rettet Zypern, riefen die Massen Iljitschow zu], in: Phileleftheros v.19.09.1974. (81) o.V.: Μας προκαλούν και εμπαίζουν τον κόσμον [Sie provozieren uns und halten die Welt zum Narren], in: Phileleftheros v. 19.09.1974. (82) o.V.: Υπό τουρκικήν κατοχήν τα πλείστα ξενοδοχεία [Die meisten Hotels in türkischer Hand], in: Phileleftheros v. 19.09.1974. (83) o.V.: Μεγαλειώδες σήμερον το συλλαλητήριον υπέρ της επανόδου του Εθνάρχου [Riesige Demonstration zu Ehren der Rückkehr des Ethnarchen], in: Phileleftheros v. 19.09.1974. (84) o.V.: Φόβος να παραμείνει η Κύπρος επί μακρόν χρόνον διηρημένη [Furcht, Zypern könnte langfristig geteilt bleiben], in: Phileleftheros v. 29.09.1974. (85) o.V.: Ο Μακάριος το επίκεντρον επαφών εις Νέαν Υόρκη [Makarios im Zentrum des Interesses in New York], in: Phileleftheros v. 29.09.1974. (86) WANTET by the Cypriots [Photo von Henry Kissinger], in: Phileleftheros v. 29.09.1974. (87) o.V.: Αύριον πορεία δημοσιογράφων εις Λευκωσίαν [Morgen Demonstration von Journalisten in Nikosia angekündigt], in: Phileleftheros v. 29.09.1974. (88) o.V.: Όχι και πάλιν όχι στην διχοτότμηση [Nicht schon wieder. Nein zur Teilung], in: Phileleftheros v. 15.10.1974. (89) o.V.: Αρκετοί αγνοούμενοι ευρέθησαν εις τας κατεχόμενας περιοχάς [Etliche Vermisste in den besetzten Gebieten aufgefunden], in: Phileleftheros v. 15.10.1974. (90) o.V.: Το Βατερλώ της τoυρκικής εισβολής. Βαρβαρότητες…[Das Waterloo der türkischen Invasion. Barbareien], in: Phileleftheros v. 15.10.1974. (91) o.V.: Προειδοποίηση η ομιλία Μακαρίου [Warnende Rede Mararios´], in: Phileleftheros v. 16.10.1974. (92) o.V.: Σοβαρά τα προβλήματα ανηλίκων αιχμαλώτων [Schwerwiegende Probleme minderjähriger Gefangener], in: Phileleftheros v.16.10.1974. (93) o.V.: Με τα ξενοδοχεία μας θα κάμουν τουρισμόν [Sie werden unsere Hotels für ihren Touorismus nutzen], in: Phileleftheros v. 16.10.1974. (94) o.V.: Δεν θα υποχωρήσωμεν [Wir werden nicht nachgeben], in: Phileleftheros v. 23.10.1974. (95) o.V.: Από τα μπουτρούμια των Αδάνων στην ελευθερία [Von den Kerkern Anatoliens in die Freiheit], in: Phileleftheros v. 23.10.1974. (96) o.V.: Κλιμακούνται αι εκδηλώσεις του λαού μας [Demonstrationen des Volkes spitzen sich zu], in: Phileleftheros v. 23.10.1974. (97) o.V.: Οι Τούρκοι… ειρηνευταί στην Κυρήνειαν [Die Türken…Friedensmacht in Kyrenia], in: Phileleftheros v. 31.10.1974. (98) o.V.: Εξετοξεύθει από Τούρκον υπουργόν. Απειλή διά τρίτον γύρον εις Κύπρον. [Türkischer Minister spricht Dolche. Drohung einer dritten Runde für Zypern], in: Phileleftheros v. 31.10.1974. (99) o.V.: Κίσσιγκερ: Δεν ανέτρεψα κυβερνήσεις [Kissiniger: Ich habe keine Regierungen gestürzt], in: Phileleftheros v. 31.10.1974. (100) o.V.: «Φωτιά καίει τη μητέρα για το αγνοούμενο παιδί» [Eine lodernde Flamme verzehrt die Mutter nach ihrem vermissten Kinde], in: Phileleftheros v. 31.10.1974. (101) o.V.: Αντικυπριακή συνωμοσία [Antizypriotisches Komplott], in: Phileleftheros v. 01.11.1974. (102) o.V.: Εγκαθίδρυση «Δημοκρατίας» επιδιώκεται υπό των Τούρκων [Türkei strebt die Errichtung einer „Demokratie“ an], in: Phileleftheros v.01.11.1974. (103) o.V.: Ο Μακάριος αποκαλύπτει [Makarios deckt auf], in: Phileleftheros v. 07.11.1974. (104) o.V.: Ο Μακάριος εις Λονδίνον [Makarios in London], in: Phileleftheros v. 15.11.1974. (105) o.V.: Πώς ο Κίσσιγκερ άφησε να εξελιχθεί η εισβολή εις Κύπρον [Wie Kissinger die Invasion Zyperns geschehen ließ], in: Phileleftheros v. 23.11.1974. (106) o.V.: Σοβιετικαί διαβεβαιώσεις προς επιτροπήν προσφύγων [Sowjets sichern Flüchtlingskommission zu], in: Phileleftheros v. 23.11.1974.
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(107) o.V.: Παρεδέχθησαν την ύπαρξιν αγνοουμένων στα Τούρκικα [In den besetzten Gebieten räumten sie die Existenz von Vermissten ein], in: Phileleftheros v. 26.11.1974. (108) o.V.: Το συμβούλιον της Ευρώπης απομονώνει την Τουρκίαν [Europarat isoliert Türkei], in: Phileleftheros v. 28.11.1974. (109) o.V.: Μακάριος: Είμαι ευτυχής διότι έχει έλθει η ημέρα επιστροφής στην πατρίδα [Makarios: Ich bin glücklich, dass der Tag der Rückkehr in die Heimat gekommen ist], in: Phileleftheros v. 28.11.1974. (110) o. V.: Ανακουφιστικά μέτρα βοηθείας [Umfassende Hilfsmaßnahmen], in: Phileleftheros v. 28.11.1974. (111) o.V.: Σεισμός εις Αθήνας [Erdbeben in Athen], in: Phileleftheros v. 30.11.1974. (112) o.V.: Συγκεκριμένη συμφωνίαν αναμένει ο κ. Κληρίδης εις την σύσκεψιν Αθηνών [Clerides erwartet konkrete Übereinkunft während seines Austauschs in Athen], in: Phileleftheros v. 30.11.1974. (113) o.V.: Επαναρχίζει ο διάλογος [Dialog wird wieder aufgenommen], in: Phileleftheros v. 13.11.1974. (114) o.V.: Έλληνες της Κύπρου ανασυνταχθήτε υπό τον Μακαριώτατον δι’εθνικήν επιβίωσιν [Griechen Zyperns, versammelt euch unter der Führung seiner Heiligkeit zum Überleben der Nation], in: Phileleftheros v. 04.12.1974. (115) o.V.: Θρήνος δια τους αγνοουμένους [Trauer um die Vermissten], in: Phileleftheros v. 04.12.1974. (116) o.V.: Δεν θα γίνη τρίτος γύρος [Es wird keine dritte Runde geben], in: Phileleftheros v. 05.12.1974. (117) o.V.: Έρχεται αύριον ο υπεράξιος ηγέτης. Σύσωμος ο λαός θα τον υποδεχτή ως ελευθερωτήν [Morgen kehrt unser fähiger Anführer zurück. Einheitlich wird das Volk ihn als Befreier in Empfang nehmen], in: Phileleftheros v. 05.12.1974. Máhi 2004 (M) (1) o.V.: Διασύρουν το όνομα της Κύπρου. Οργιάζει η φαντασία και άλλων για το νησί [Die Phantasie der Türken und anderer im Bezug auf die Insel feiert Orgien. Sie bringen den Namen Zyperns in Verruf], in: Máhi v. 04.01.2004. (2) o.V.: Ζυμώσεις στην Τουρκία γιά το σχέδιο [In der Türkei werden die Zutaten für den Plan zusammengeknetet], in: Máhi, 04.04.2004. (3) o.V.: Για να είναι αίσιο το 2004 [Damit das 2004 hoffnungsvoll ist], in: Máhi, 04.01.2004. (4) o.V.: Γιατί δεν αξιοποιούμε την Ε.Ε. [Warum machen wir uns die EU nicht zunutze?], in: Máhi v. 04.01.2004. (5) o.V.: To χρέος μας γιά τo 2004 [Unsere Verpflichtungen im Jahr 2004], in: Máhi v. 04.01.2004. (6) o.V.: Kυπριακo 2004 – Λύση ή παράλυση [Lösung oder Paralye?], in: Máhi v. 04.01.2004. (7) o.V.: Θετικές και ριζικές εξελίξεις στην Κύπρο. Aστρολογικές προβλέψεις του 2004 γιά την Κύπρο, την Ελλάδα και τον κόσμο [Positive und einschneidende Veränderungen für Zypern. Astrologische Vorhersehungen für das Jahr 2004 für Zypern, Griechenland und die Welt], in: Máhi v. 04.01.2004. (8) o.V.: Oλα έτοιμα γιά το σχηματισμό ψευδοκιβέρνησης. Ta σενάρια σύμφωνα με τον Τ|Κ τύπο [Alles bereit für die Bildung der Pseudoregierung. Mögliche Szenarien], in: Máhi v. 04.01.2004. (9) o.V.: Kρίσιμες εξελίξεις αναμένει ο ΔΗΣY [DISY sieht schwerwiegende Entwicklungen voraus], in: Máhi v. 08.01.2004. (10) Υψηλού επιπέδου σύσκεψη γιά το Κυπριακό στην Άγκυρα [Hochrangiges Treffen zur Zypernfrage in Ankara], in: Máhi v. 08.01.2004. (11) o.V.: O Tαλάτ παραδόθηκε στους Ντεκτάς. Επικρίσεις για την αλλαγή στάσης της αντιπολίτευσης [Talat fügt sich Denktaş. Vorwürfe gegen die Oppositon wegen Änderung ihrer Linie], in: Máhi v. 08.01.2004. (12) o.V.: Eκατομμύρια γιά τους T/K [Million für die türkischen Zyprioten], in: Máhi v. 08.01.2004. (13) o.V.: Oμοφωνία πολιτικών στρατιωτικών και στήριξη στον Ντενκτάς. Εοιμένει σε πραγματικότητες η Aγκυρα [Ankara beharrt auf Wahrheiten. Einstimmigkeit von Politik und Militär in Unterstützung von Denktaş], in: Máhi v. 09.01.2004. (14) o.V.: Υπέρ νέων εκλογών o Tαλάτ [Talat für Neuwahlen], in: Máhi v. 09.01.2004. (15) o.V.: Σε ύψιστη επιχειρησιακή ετοιμότητα [Höchste Handlungsbereitschaft], in: Máhi v. 09.01.2004. (16) o.V.: Τάσος Παπαδόπυλος: Χωρίς όρους και προυποθέσεις. „Eίμαστε πανέτοιμοι για συνομιλίεs“ [Tassos Papadopoulos: Ohne Bedingungen und Voraussetzungen. Wir sind mehr als bereit für Gespräche], in: Máhi v. 09.01.2004. (17) o.V.: Σε δράση παρακλάδια της T.M.T. Στόχος η υπόσκαψη των προσπαθιών για Λύση [Untergruppen der TMT in Aktion. Ziel ist Untergrabung der Lösungsbemühungen], in: Máhi v. 10.01.2004.
Literaturverzeichnis
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(18) o.V.: Θα εγκριθεί κατά τον Ερντογκάν στις 23 Ιανουαρίου. Οδικό χάρτη ετοιμάζει η Τουρκία. Θέλει ψευδοκυβέρνηση το συντομότερο δυνατό [Türkei bereitet Roadmap vor. Er will Pseudoregierung so schnell wie möglich. Nach Angaben Erdoğans wird sie am 23. verabschiedet], in: Máhi v. 10.01.2004. (19) o.V.: Η Toυρκία κάνει δημόσιες σχέσεις [Die Türkei macht Public Relations], in: Máhi v. 10.01.2004. (20) o.V.: Η ώρα του Λαού [Die Stunde des Volkes], in: Máhi v. 10.01.2004. (21) o.V.: Η Τουρκία διεκδικεί τώρα νέες περιοχές. Μετά τη συμφωνία γιά τους αεροδιαδρόμους στο Αιγαίο, αμφισβητεί ανοιχτά το FIR Αθηνών [Die Türkei beansprucht nun neue Territorien. Nach der Übereinkunft über die Luftwege in der Ägäis zweifelt die Türkei nun offen die Ausbreitung des griechischen Luftraums an], in: Máhi v. 10.01.2004. (22) o.V.: Σήμερα η απαντητική επιστολή Ανάν στον Τάσσο Παπαδόπουλo [Heute Annans Antwortschreiben an Tassos Papadopoulos], in: Máhi v. 13.01.2004. (23) o.V.: Στην άγκυρα Πρόντι – Φερχόιγκεν. To Kυπριακό πρώτο στις επαφές τους με την τουρκική ηγεσία [Ponti und Verheugen in Ankara. Die Zypernfrage ganz oben im Gespräch mit der türkischen Führung], in: Máhi v. 15.01.2004. (24) o.V.: Η καλιέργεια ιστορικών ενοχών στους Έλληνες Κυπρίους [Das den Griechen Zyperns eingetrichterte, historische schlechte Gewissen], in: Máhi v. 15.01.2004. (25) o.V.: Ανάν-Ερντογκάν-Παπανδρέου στο Νταβός. 2100 προσωπικότητες στην ετήσια σύναξη του οικονομικού Φορουμ [Annan – Erdoğan – Papandreou in Davos. 2100 Persönlichkeiten auf dem Jahrestreffen des Wirtschaftsforums], in: Máhi v. 15.01.2004. (26) Μορώνης, Μ.: Πλήρης ένταξη όχι, ειδικές σχέσεις ναι [Uneingeschränkter Beitritt nein, Sonderbeziehungen ja], in: Máhi v. 17.01.2004. (27) o.V.: Συνομιλίες το Φεβρουάριο βλέπουν οι Τούρκοι [Türken sehen Gespräche im Februar], in: Máhi v. 17.01.2004. (28) o.V.: Η απόφαση της Τουρκίας [Die Entscheidung der Türkei], in: Máhi v. 17.01.2004. (29) o.V.: Σχόλια γιά την απόφαση της Άγκυρας [Kommentare zur Entscheidung Ankaras], in: Máhi v. 17.01.2004. (30) o.V.: Οι ΗΠΑ θέλουν να διαπιστώσουν την αποφασιστικότητα της Τουρκίας για επίλυση του Κυπριακού. Η Άγκυρα ζήτησε να ασκηθεί πίεση στην ε/κ πλευρά [Ankara verlangte, den Druck auf die GCs zu erhöhen. Die USA möchten die Entschlossenheit der Türkei der Türkei zur Lösung der Zypernfrage sehen], in: Máhi v. 22.01.2004. (31) o.V.: Άξιος της Πατρίδας [Dem Vaterland würdig. Das griechische Parlament erklärt Digenis als ´dem Vaterland würdig`], in: Máhi v. 25.01.2004. (32) o.V.: Νέο διαμεσολαβητή ζήτησε ο Ερντογκάν. Aπογοητευμένες Κύπρος και Αθήνα [Erdoğan verlangt nach neuem Unterhändler. Zypern und Athen enttäuscht], in: Máhi v. 25.01.2004. (33) o.V.: Aποκακυπτικό. Στρατιωυικοί –κρουπιέρηδες στα κατεχόμενα [Aufgedeckt: Militärs arbeiten in den besetzten Gebieten als Croupiers], in: Máhi v. 27.01.2004. (34) Γιαλλουρίδης, Χ.: Η στάση της Τουρκίας στο Κυπριακo. Tακτικές κινήσεις ή πολιτικές αμηχανίας; [Die Haltung der Türkei in der Zypernfrage. Taktische Züge oder politische Unsicherheit?], in: Máhi v. 27.01.2004. (35) o.V.: Δύσπιστος ο Τάσσος Παπαδόπουλος γιά τη στάση Ερντογκάν. Επικοινωνιακή η πολιτική της Άγκυρας [Tassos Papadopoulos traut der Haltung der Türkei nicht. Politik der Türkei ist auf Außenwirkung bedacht], in: Máhi v. 27.01.2004. (36) o.V.: Ατέλειωτες αγωγές με το σχέδιο Ανάν. Επισημάνσεις και προειδοποιήσεις Βάσου Λυσσαρίδη [Endlose Kämpfe um den Annan Plan. Erläuterungen und Warnungen von Vasos Lyssarides], in: Máhi v. 29.01.2004. (37) o.V.: Οργιάζει η τουρκική προπαγάνδα. Τί φέρνει από τις Βρυξέλλες ο Μάριος Ματσάκης [Die Türkische Propaganda feiert Orgien. Was Marios Matsakis aus Brüssel mitbringt], in: Máhi v. 29.01.2004. (38) o.V.:Φιλολογικό μνημόσυνο Γεωργίου Γρίβα Διγενή [Literaturwissenschaftliche Gedenkfeier für Georgios Grivas], in: Máhi v. 29.01.2004. (39) o.V.:Η αντιγριβική υστερία του ΑΚΕΛ [Die Antigrivische Hysterie der AKEL], in: Máhi v. 29.01.2004. (40) o.V.: Προβληματίζεται ο Κόφι Ανάν [Kofi Annan skeptisch], in: Máhi v. 30.01.2004. (41) o.V.: Η ιστορική πραγματικότητα και οι συκοφαντίες του AKEΛ [Historische Tatsachen und die Verzerrungen der AKEL], in: Máhi v. 30.01.2004. (42) o.V.; o.T., in: Máhi v. 30.01.2004.
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(72) o.V.: Συνομιλίες με ημίχρονο και επανάληψη. Υποχώρησε ο Ανάν και συνεχίζουν πάλι απόψε [Gespräche mit Halbzeit und Verlängerung. Annan gibt nach und heute geht´s weiter], in: Máhi v. 11.02.2004. (73) o.V.: Προωθείται αναβολή της Διεύρυνσης [Erweiterung soll verschoben werden], in: Máhi v. 11.02.2004. (74) o.V.: Έντονη ανησυχία επιχειρηματιών γιά τις εξελίξεις στο κυπριακό [Unternehmer über Verlauf der Zypernfrage äußerst besorgt], in: Máhi v. 11.02.2004. (75) o.V.: O μεγάλος εκβιασμός [Die große Erpressung], in: Máhi v. 11.02.2004. (76) o.V.: Πάμε σε τρίτο ημιχρόνιο. Η Τουρκία αντέγραψε τις προτάσεις Τάσσου Παπαδόπουλου [Auf in die dritte Halbzeit. Türkei überdenkt die Vorschläge von Tassos], in: Máhi v. 12.02.2004. (77) o.V.: Eπίθεση προπαγάνδας από την T/K πλευρά. Eσπασε το εμπάργκο δηλώσεων που επέβαλε ο Ανάν [Türkisch-zypriotische Seite begeht Propagandafeldzug und durchbricht von Annan auferlegtes Schweigegelübte], in: Máhi v. 12.02.2004. (78) o.V.: Eντονο παρασκήνιο στην Νέα Υόρκη [Hinter den Kulissen in New Work geht es heiß her], in: Máhi v. 12.02.2004. (79) o.V.: Συμπεράσματα συζήτησης του Κέντρου Ερευνών Intercollege. Δεν αλλάζει στρατηγική στο κυπριακό η Τουρκία [Fazit des Forschungszentrums Intercollege. Türkei wird ihre Strategie in der Zypernfrage nicht revidieren], in: Máhi v. 12.02.2004. (80) o.V.: Ta „παπαγαλάκια“ της Κοπεγχάγης [Die Papageien von Kopenhagen], in: Máhi v. 12.02.2004. (81) o.V.: Συμπεράσματα συζήτησης του Κέντρου Ερευνών Intercollege. Ρίχνει το μπαλάκι στην E/K πλευρά. To ψευδοκράτος έχει κάποιες ευαισθησίες που δεν μπορεί να εγκαταλείψει είπε [Fazit des Forschungszentrums Intercollege: Er spielt der griechisch-zyprioitischen Seite den schwarzen Peter zu], in: Máhi v. 12.02.2004. (82) o.V.: Ο τουρκικός Τύπος στην Υπηρεσία Ερντογκάν [Die türkisch-zypriotische Presse im Dienst Erdoğans], in: Máhi v. 12.02.2004. (83) o.V.: Tελέστηκε το μνημόσυνο του ηρωομάρτυρα της EOKA Γιαννάκη Στεφανίδη και Παπανδρέα Στεφανίδη [Gedenkfeier für die Heiligen und Märtyrer Gannakis Stefanidis und Papandreas Stefanidis zelebriert], in: Máhi v. 12.02.2004. (84) o.V.: O Tάσσος βάζει τη Ρωσία στο παιγνίδι. Με μιά κίνηση μας απαντά στιν τουρκική τετραμερή [Tassos bringt Russland ins Spiel. Mit nur einer Geste antwortet er auf das von der Türkei vorgeschlagene Vierergespann], in: Máhi v. 13.02.2004. (85) Ζανέτου, Φ.: Ο τύπος σε Ελλάδα, Τουρκία και Κατεχόμενα. Προβληματισμός σε Αθήνα-ΆγκυραΚατεχόμενα [Pressespiegel in Griechenland, Türkei und besetzten Gebieten. Skepsis in Athen-Ankara und besetzten Gebieten], in: Máhi v. 13.02.2004. (86) o.V.: 11.12.1959 - 11.12.2004: Iδιο θέμα ίδιοι πρωταγωνιστές [11.12.1959- 11.12.2004: Dieselben Themen, dieselben Protagonisten], in: Máhi v. 13.02.2004. (87) o.V.: Η ώρα της αλήθειας και οι μάσκες [Die Stunde der Wahrheit und die Masken], in: Máhi v. 14.02.2004. (88) o.V.: Συμφώνησαν… διαφωνόντας. Για το ρόλο της Ευρωπαϊκής Ένωσης [Sie stimmten darüber ein, nicht übereinzustimmen. Die Rolle der Europäischen Union], in: Máhi v. 14.02.2004. (89) o.V.: Δεν υπάρχει λύση τώρα [Jetzt gibt es keine Lösung], in: Máhi v. 14.02.2004. (90) Ιωαννίδης, Ου.: Διαπραγματεύσεις [Verhandlungen], in: Máhi v. 15.02.2004. (91) o.V.: Aπειλείται η συνοχή των κομμάτων. Βουλευτές προειδοποιούν με αποχωρήσεις και ίδρυση νέου σχήματος [Einheit der Parteien in Gefahr. Abgeordnete drohen mit Abspaltung und Gründung neuer Formationen], in: Máhi v. 15.02.2004. (92) Ιωσηφίδης, Χ.: Aπρόσκοπτη και ισχυρή πλέον η ένταξη στης Κύπρου στην E.E. [Zyperns Beitritt zur EU nun unnaufhaltbar], in: Máhi v. 15.02.2004. (93) o.V.: Tάσσος Παπαδόπουλος ´O καθένας θα αναλάβει τις ευθύνες του`[Jeder trägt seine Verantwortung], in: Máhi v. 15.02.2004. (94) o.V.: Στην τελική ευθεία με στόχο τη λύση. Tην τελευταία στιγμή ήρθη το αδιέξοδο που είχε προκαλέσει η τουρκική άρνηση ρόλου της E.E. [In der Zielgeraden auf dem Weg zur Lösung. Im allerletzten Augenblick kommt die Blockade aufgrund des türkischen Vetos gegenüber einer Sonderrolle der EU], in: Máhi v. 15.02.2004. (95) o.V.: Bolkestein: ´Στους επόμενους μήνες η προσοχή του κόσμου θα είναι στραμμένη στην Κύπρο` [Bolkestein: In den nächsten Monaten wird sich das Augenmerk der Welt auf Zypern richten], in: Máhi v. 15.02.2004.
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(96) Χριστοφίδης, M.: Ωρα μηδέν – Στώμεν μετά φόβου. Πλάστιγγα δικαιοσύνης [Stunde Null – Steht mit Ehrfurcht vor der Waage der Gerechtigkeit], in: Máhi v. 16.02.2004. (97) o.V.: Κρίσιμες ώρες για την Κύπρο [kritischer Punkt für Zypern], in: Máhi v. 17.02.2004. (98) o.V.: Το χρονικό μιάς προαναγγελθείσας συμφωνίας [Die Chronik einer vorangekündigten Übereinkunft], in: Máhi v. 17.02.2004. (99) o.V.: o.T., in: Máhi v. 17.02.2004. (100) Ήφαιστος, Π. Prof.: To σχέδιο Ανάν και το αυτογκόλ [Der Annan-Plan und die Eigentore], in: Máhi v. 17.02.2004. (101) o.V.: Oυσιαστική η εμπλοκή της Ε. Ένωσης. To κόστος της λύσης θα τεθεί στις διαπραγματεύσεις [Rolle der Europäischen Union entscheidend. Auf dem Verhandlungstisch ist auch der Preis der Lösung], in: Máhi v. 17.02.2004. (102) o.V.: Aπαισιόδοξοι οι Κύπριοι για το αποτέλεσμα των συνομιλιών. Η Μάχη αποτυπώνει τις τάσεις της κοινής γνώμης [Zyprioten pessimistisch was Lösung anbelangt. Die Máhi druckt die Tendenzen der öffentlichen Meinung], in: Máhi v. 19.02.2004. (103) o.V.: Οι Κερυνειώτες καλούν σε επαγρύπνηση [Die Kyrenioten mahnen zu Achtsamkeit], in: Máhi v. 19.02.2004. (104) Δημητρίου, Π.: Κύπρος –ώρα μηδέν- η επόμενη μέρα [Zypern – Stunde Null – der nächste Tag], in: Máhi v. 19.02.2004. (105) Ζαννετου, Φ.: Θα παραστεί στην έναρξη των συνομιλιών. Με τεχνοκράτες φθάνει ο Φερχόιγκεν [Er wird dem Verhandlungsbeginn beiwohnen. Verheugen kommt mit seiner Entourage], in: Máhi v. 19.02.2004. (106) o.V.: Αρχίζουν σήμερα οι συνομιλίες με δυσοίωνες προοπτικές για την Κύπρο. Ανησυχία και αγωνία για το μέλλον [Unter schlechten Vorzeichen beginnen heute die Gespräche zur Zypernfrage. Sorge und Furcht vor der Zukunft], in: Máhi v. 19.02.2004. (107) o.V.: To τέλος μιάς εποχής [Das Ende einer Ära], in: Máhi v. 20.02.2004. (108) o.V.: Στο 1963 πάει ο Ντεκτάς και απαιτεί αποζημειώσεις. Η κακή μέραφάνηκε από το πρωί. Ετσεβίτ: Έπεσαν έξω όσοι δεν υπολόγισαν τον Ντεκτάς [Denktaş geht ins Jahr 1963 zurück und verlangt Entschädigungen. Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Ecevit: Wer Denktaş nicht mit einkalkuliert, liegt am Ende daneben], in: Máhi v. 20.02.2004. (109) Τρίφωνας, Γ.: Νενικήκαμεν αδελφοί!!! [Brüder, wir haben gesiegt!!!], in: Máhi v. 20.02.2004. (110) Πανταζης, Π.: Ζητούν οι συγγενείς αγνοουμένων. Εγκληματίας πολέμου ο Ντεκτάς [Forderungen der Familien von Vermissten. Denktaş ist Kriegsverbrecher], in: Máhi v. 21.02.2004. (111) Πανταζής, Π.: Δίνουν δώρα εκατομμυρίων στους Τ|κύπριους [Sie machen den türkischen Zyprioten Millionen schwere Geldgeschenke], in: Máhi v. 21.02.2004. (112) Κωνσταντίνου, K.: Οργιάζει το παρασκήνιο – Συνεχείς επαφές της πολιτικής ηγεσίας. Κλειδί ο Χριστόφιας για τις εξελίξεις [Orgien hinter den Kulissen. Ständige der politischen Führung. Christofias wird zum Schlüssel für den Fortgang der Ereignisse], in: Máhi v. 21.02.2004. (113) Ευθυμίου, Η.: Το σχέδιο Ανάν αύξησε τη δουλειά των ψυχολόγων [Der Annan-Plan beschert den Psychologen schön viel Arbeit], in: Máhi v. 22.02.2004. (114) Ιωαννίδης, Ου.: ΣχέδιοΑνάν – Ευλογία ή Κατάρα; [Annan-Plan – Segen oder Fluch?], in: Máhi v. 22.02.2004. (115) Παπαφώτης, Φ.: Να ενημερωθεί σωστά ο Λαός πριν το Δημοψήφισμα [Vor dem Referendum muss das Volk gut informiert werden], in: Máhi v. 22.02.2004. (116) Aναστασιάδης, K.: Δρόμος χωρίς επιστροφή [Einbahnstraße], in: Máhi v. 22.02.2004. (117) Εθυμίου, Η.: Bάσος Λυσσαρίδης. Oυδείς δικαιούται να διαπραγματευτεί την τύχη του Λαού [Niemand hat das Recht, das Schicksal des Volkes zu verhandeln], in: Máhi v. 22.02.2004. (118) Κωνσταντίνου, K.: Συμπορευόμαστε με την κοινωνία των Πολιτών. Ευρωπαϊκή λύση το αντίδοτο στο σχέδιο Ανάν [Wir stehen hinter der Zivilgesellschaft. Europäische Lösung als Pendant zum Annan-Plan; Interview mit Νικος Κουτσου], in: Máhi v. 22.02.2004. (119) Ζαννέττου, Φ.: Aρχίζουν την Τρίτη τα σπουδαία. Tριήμερο συσκέψεων και μελέτης στο Προεδρικό [Am Dienstag beginnen die Großereignisse. Dreitägige Unterredungen im Regierungssitz], in: Máhi v. 22.02.2004. (120) Ιωσηφίδης, Χ.: Kυπριακό: Iσως λάθος αρμενίζουμε [Zypernfrage: Vielleicht liegen wir falsch], in: Máhi v. 22.02.2004.
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(121) Μακρίδης, Χ.: Aνάν: O κρυφός φιλέλληνας της Κύπρου [Annan: Der heimliche Philhellene Zyperns], in: Máhi v. 22.02.2004. (122) o.V.: Oι πρωταγωνστές [Die Protagonisten], in: Máhi v. 22.02.2004. (123) o.V.: To σχέδιο Aνaν γιά το Κυπριακό [Der Annan-Plan für die Zypernfrage], in: Máhi v. 22.02.2004. (124) o.V.: Tί ακριβώς προβλέπει, πώς θα εφαρμοστεί…[Was er vorsieht, wie er umgesetzt wird…], in: Máhi v. 22.02.2004. (125) o.V.: Tρίτο αναθεωρημένο έγγραφο Ανάν. Οι νέες διαφοροποιήσεις στο σχέδιο του Γενικού Γραμματέα σε σχέση με το προηγούμενο είναι… [Der dritte überarbeitete Entwurf Annans. Die neuen Änderungen im Plan des Generalsekretärs im Vergleich zum vorangehenden sind…], in: Máhi v. 22.02.2004. (126) o.V.: Παρατηρήσεις επί της εδαφικής προσαρμογής και συσχετισμός με το περιουσιακό ζήτημα [Kommentar zur territorialen Anpassung und Erörterung der Eigentumsfrage], in: Máhi v. 22.02.2004. (127) o.V.: Mεθοδεύουν κατάρρευση των συνομιλιών. Oι Toύρκοι εγείρουν απαράδεκτα ζητήματα και θέτουν όρους [Die Türken erheben inakzeptable Forderungen. Sie zielen auf das Scheitern der Verhandlungen ab], in: Máhi v. 25.02.2004. (128) o.V.: Στην πλάστιγγα η τύχη του διαλόγου. Oι ακραίες τοποθετήσεις του Ντενκτάς ναρκοθετούν τη διαδικασία [Der Verlauf der Gespräche steht auf dem Spiel. Denktaş´ überzogene Darstellungen sind Gift für die Entwicklungen], in: Máhi v. 26.02.2004. (129) o.V.: Ta παπαγαλάκια έγιναν κοτόπουλα [Aus den Papageien wurden Hühner], in: Máhi v. 26.02.2004. (130) Kaσουλίδηs, A.: …λύκοι θα υπάρχουν … όσο υπάρχουν πρόβατα … [Wölfe wird es geben…solange es Schafe gibt…], in: Máhi v. 26.02.2004. (131) Λυγερός, N.: O Aττίλας δεν είναι Ευρωπαίος, γιατί να μείνει [Attila ist kein Europäer. Warum soll er bleiben?]; in: Máhi v. 26.02.2004. (132) o.V.: Aμηχανία διακατέχει τον Ντεκτάς. Eκτημήσεις Γ. Ιακώβου για την πορεία των συνομιλιών [Denktaş agiert aus Schwäche. Eine Einschätzung], in: Máhi v. 26.02.2004. (133) o.V.: Σκέφτεται τη διάλυση πριν τη λύση. Kυνικός ο Ντεκτάς μιλά από τώρα για σπάσιμο της συμφωνίας [Er denkt schon vor der Lösung an die Auflösung. Zynischer Denktaş spricht schon jetzt davon, die Vereinbarung zu brechen], in: Máhi v. 27.02.2004. (134) Σοφοκλέους, Σ.: Η πραγματικότητα για το σχέδιο Aνάν [Die Wirklichkeit über den Annan-Plan], in: Máhi v. 27.02.2004. (135) Tρύφωνος, Γ., Λύση του Κυπριακού ή διάλυση της Κυπριακής Δημοκρατάις [Lösung der Zypernfrage oder Auflösung der Republik Zypern?], in: Máhi v. 27.02.2004. (136) o.V.: Δεν θα μας εγκλωβίσει ο Ντενκτάς. Ο Πρόεδρος Παπαδόπουλος απαντάει στα σημεία του κατοχικού ηγέτη [Denktaş wird uns nicht in die Enge treiben. Präsident Papadopoulos antwortet auf die Argumente des Besatzungschefs], in: Máhi v. 27.02.2004. (137) o.V.: Μας οδηγούν στη φτώχια βάσει Σχεδίου. Καταπέλτης ο διοικητής της κεντρικής τα είπε έξω από τα δόντια [Man führt uns auf Basis des Annan-Plans in die Armut. Chef der Zentralbank nimmt kein Blatt vor den Mund], in: Máhi v. 27.02.2004. (138) o.V.: Oταν παρεμβαίνουν οι Θεσμοί [Wenn Institutionen intervenieren], in: Máhi v. 28.02.2004. (139) Λειβαδάs, B.: To σχέδιο Ανάν καταλύει την Κυπριακή Δημοκρατία [Der Annan-Plan löst die Republik Zypern auf], in: Máhi v. 28.02.2004. (140) Ιωαννίδης, Oυ,: Χθές, σήμερα, αύριο [Gestern, heute, morgen], in: Máhi v. 28.02.2004. (141) Aναστασιάδηs, K.: Ντεκτάς. Τελευταίος βρυχηθμός πριν το ξεψύχισμα [Denktaş. Letztes Röcheln vor dem Tod], in: Máhi v. 28.02.2004. (142) Θεοφάνους, A.: To σχέδιο Ανάν και τα διλήμματα [Der-Annan Plan und die Dilemmata], in: Máhi v. 28.02.2004. (143) Φρυδάς, A.: Η αυτοκρατορία των „ρεαλιστών“ [Die Diktatur der „Realisten“], in: Máhi v. 28.02.2004. (144) Πασχαλίδηs, A.: Όχι μια οποιαδήποτε λύση [Keine Lösung um jeden Preis], in: Máhi v. 28.02.2004. (145) Σκορδής, Γ.: Με ποιο δικαίωμα κύριε Ντεκτάς [Mit welchem Recht, Herr Denktaş]; in: Máhi v. 28.02.2004. (146) o.V.:Οι Αμερικάνοι αναλαμβάνουν δράση για να τηρηθεί η διαδικασία των συνομιλιών. Eπιχειρούν αγορά της λύσης. Ντενκτάς: Εξαναγκάστηκα να αποδεχτώ συζήτηση του Σχεδίου Ανάν [Amerikaner legen sich für Fortführung der Gespräche ins Zeug. Sie wollen die Lösung erkaufen. Denktaş: Einwilligung zu Gesprächen über den Annan-Plan unter Zwang], in: Máhi v. 28.02.2004. (147) o.V.: Η απάτη του δημοωηφίσματος [Die Intrige einer Volksabstimmung], in: Máhi v. 28.02.2004.
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(148) Ξενοφώντος, Ξ.: Yπό περιορισμούς και αβέβαιη. Eκτοπισμένοι: Επιστροφή υπό Ε|Κ διοίκηση. To σχέδιο Ανάν σε απλή γλώσσα [Einschränkungen und Unsicherheit. Exilanten: Rückkehr unter griechisch-zypriotische Administration], in: Máhi v. 28.02.2004. (149) Ιωαννίδηs, Ου.: Πλανάται πλάνην οικτράν οποίος νομίζει ότι μπορεί να χειραγωγήσει το λαό [Es unterliegt einem fatalen Fehler, wer glaubt, das Volk manipulieren zu können], in: Máhi v. 28.02.2004. (150) Λυγερός, N.: Κάθε άνθρωπος δικαιούται ένα σπίτι, το δικό του [Jeder Mensch hat das Recht auf ein Dach über dem Kopf. Und das sollte das eigene sein], in: Máhi v. 28.02.2004. (151) o.V.: Eπανέλαβε τo óραμά του o Ντεκτάs. Παπαδόπουλος: Επανήλθε στις θέσεις που είχε πάντοτε [Denktaş wiederholte seine Vorstellungen. Papadopoulos bleibt bei dem, was er immer schon sagte], in: Máhi v. 28.02.2004. (152) o.V.: Ελληνικό Ύμνο και Σημαία θέλει ο ΔΗΣY. Ομόφωνα υπέρ το εκτελεστικό γραφείο και η κοινοβουλευτική ομάδα [DISY plädiert für griechische Nationalhymne und Fahne. Einstimmig dafür Politbüro und Fraktion], in: Máhi v. 03.03.2004. (153) Niκολάου, A.: Ήθελε αίμαι ελληνικό. Eποικος που νοσηλεύςηκε στο νοσοκομείο Λευκωσίας [Er wollte griechisches Blut: Siedler in Krankenhaus in Nikosia in Behandlung], in: Máhi v. 03.03.2004. (154) Πανταζής, Π.: Προστατεύει τον Ντεκτάς ο Πουλγουρίδης [Poulgouridis nimmt Denktaş in Schutz], in: Máhi v. 03.03.2004. (155) Ξενοφώντος, Ξ.: To Σχέδιο Ανάν… σε απλή γλώσσα. Επιστροφή υπό T/K διοίκηση – Oi νέοι εγκλωβισμένοι [Der Annan-Plan…in verständlicher Sprache. Rückkehr unter türkisch-zypriotische Administration], in: Máhi v. 03.03.2004. (156) Πολυκάρπου, K.: Àδικα δώσατε το αίμα σας [Ihr habt umsonst geblutet], in: Máhi v. 03.03.2004. (157) o.V.: Eπιμένει στο διαχωρισμό ο Ντενκτάς. T. Παπαδόπουλos: Δεν είχε καιρό να μελετήσει τις θέσεις μας [Denktaş besteht auf Teilung. T. Papadopoulos: Er hat keine Zeit, unsere Stellungnahme zu lesen], in: Máhi v. 03.03.2004. (158) Iωαννίδης, Oυ. M.: Ta υπέρ και τα κατά του NAI και του OXI [Das Für und Wider von JA und NEIN], in: Máhi v. 03.03.2004. (159) o.V.: Mνήμη Γ. Αυξεντίου Auxentíou (3. Mαρτίου) [Erinnerung an G. Afxentiou (3. März)], in: Máhi v. 03.03.2004. (160) Kωνσταντίνου, K.; Παναγιώτης Πανταζής, Kινδυνεύει η ένταξή μας στην EE. Στα συρτάρια ακόμα τα αναγκαία εναρμονιστικά νομοσχέδια [Unser Beitritt zur EU steht auf dem Spiel. Die Dokumente zur rechtlichen Harmonisierung sind noch in der Schublade], in: Máhi v. 04.03.2004. (161) o.V.: Kaταπνήγουν κάθε αντίθετη φωνή. Στόχος όσοι αντιτίθενται στο Σχέδιο Ανάν [Sie ersticken jede kritische Stimme im Keim. Gegner des Annan-Planes werden zur Zielscheibe], in: Máhi v. 04.03.2004. (162) o.V.:Eτοιμάζει έξοδό του ο Ντενκτάs [Denktaş bereitet seinen Austritt vor], in: Máhi v. 04.03.2004. (163) Αγγελίδης, Σ.: Ti προτείνει το σχέδιο Ανάν για τους έποικους και τί το διεθνές δίκαιο; [Was der AnnanPlan im Hinblick auf die Siedler und das Völkerrecht vorsieht], in: Máhi v. 04.03.2004. (164) o.V.: Υπέρ του „ΟΧΙ“ και ο Ν.Έρογλου [Eroglu auch für ein „NEIN“], in: Máhi v. 04.03.2004. (165) Αιμιλιανίδης, A.: To σχέδιο Ανάν… σε απλή γλώσσα. To πρόβλημα της νομιμοποίησης του ψευδοκράτους στο σχέδιο Ανάν [Der Annan-Plan… in verständlicher Sprache. Das Problem der völkerrechtlichen Aufwertung des Pseudostaates durch den Annan-Plan], in: Máhi v. 04.03.2004. (166) o.V.: Η κολοσυρμαδκιά της κουφής [Die Sandspur der Schlange], in: Máhi v. 06.03.2004. (167) Kέντos, Γ.: Διαλύεται η Κυπριακή Δημοκρατία σύμφωνα με το σχέδιο Ανάν; [Löst sich die Republik Zypern mit dem Annan-Plan auf?] in: Máhi v. 06.03.2004. (168) Χριστοφορίδηs, A,: Η ανθρώπινη αξιοπρέπεια δεν είναι διαπραγματεύσιμη [Die Würde des Menschen ist nicht verhandelbar], in: Máhi v. 06.03.2004. (169) o.V.: Nαι στην επανατοποθέτηση [JA zur Überarbeitung], in: Máhi v. 06.03.2004. (170) Ζαννέττου, Φ.: To Εθνικό ενημερώνεται για το αδιέξοδο. „Παράξενες εισηγήσεις“ έκανε ο Nτενκτάς [Der Nationalrat wird über die Blockade unterrichtet. Denktaş stellt merkwürdige Analogien auf], in: Máhi v. 06.03.2004. (171) Zaννέττου, Φ.: Στηρίζει τον Ντενκτάς ο Τύπος [Presse steht hinter Denktaş], in: Máhi v. 06.03.2004. (172) Tα ψάλλαμε στους Άγγλους [Wir haben den Briten die Meinung gegeigt], in: Máhi v. 06.03.2004. (173) Aιμιλιανίδης, A.: To Σχέδιο ανάν… σε απλή γλώσσα. Η λειτουργία του Προεδρικού Συμβουλίου [Der Annan-Plan… in verständlicher Sprache. Die Funktionsweise des Regierungsrats], in: Máhi v. 06.03.2004.
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(174) o.V.: O Ντενκτάς επιστράτευσε τον πιο καλό του εαυτό. Τάσσος Μητσόπυλος. Να μη φορτωθεί ο λαός το ασήκωτο βάρος του δημοψηφίσματος [Denktaş zeigt sich von seiner besten Seite. Tassos Mitsopoulos: Die unendliche Last der Abstimmung darf nicht auf das Volk abgewälzt werden], in: Máhi v. 06.03.2004. (175) Oρφανίδου, Σ.: Ιωσήφ, Ιωσήφ. Χρυσή ευκαιρία για να χτίσουμε πάνω της το σχέδιο Ανάν. To Σχέδιο αποτελεί συμβιβασμό και όπως κάθ συμβιβασμός, δεν μπορεί να ικανοποιήσει πλήρως όλα τα μέρη [Annan-Plan bietet einmalige Chance. Er basiert auf einem Kompromiss und wie alle Kompromisse erfüllt er nun mal nicht die Forderungen aller Parteien], in: Máhi v. 06.03.2004. (176) o.V.: Διπλή λαϊκή εντολή και τα σκυλιά δεμένα [Doppeltes Volksmandat und die Hunde noch an der Leine], in: Máhi v. 09.03.2004. (177) Κέντας, Γ.: To Σχέδιο Ανάν…σε απλή γλώσσα. To καθεστώς εγγυήσεων μέσα από το σχέδιο Ανάν [Der Annan-Plan… in verständlicher Sprache. Der Status der Garantieverträge], in: Máhi v. 09.03.2004. (178) Σαμψών, Σ.: Naι στη λύση, αλλά όχι οποιαδήποτε ΄λύση [Nicht um jeden Preis eine Lösung], in: Máhi v. 09.03.2004. (179) Λυγερós, N.: O κίνδυνος της ασφάλειας [Sicherheitsrisiko], in: Máhi v. 09.03.2004. (180) o.V.:To σχέδιο Ανάν … σε απλή γλώσσα. Η δυνατότητα αναθεώρησης του Συντάγματος στο σχέδιο Ανάν [Der Annan-Plan…in verständlicher Sprache. Die Möglichkeit einer Verfassungsreform im AnnanPlan], in: Máhi v. 10.03.2004. (181) o.V.: Eμμένει στην επικύρωση της συμφωνίας από την Άγκυρα πριν τα Δημοψηφίσματα. Για κόκκινη γραμμή μιλάει η Λευκωσία [Er besteht auf der Bestätigung der Vereinbarung durch Ankara. Nikosia spricht von roter Linie], in: Máhi v. 10.03.2004. (182) Aμιλιανίδης, A.: Το Σχέδιο Ανάν … σε απλή γλώσσα. Τα δημοψηφίσματα του Σχεδίου Ανάν [Der AnnanPlan…in verständlicher Sprache. Die Referenden des Annan-Planes], in: Máhi v. 10.03.2004. (183) o.V.: Η Τουρκία τι θα πληρώσει κ. Πρόεδρε; [Und was wird die Türkei zahlen, Herr Präsident?], in: Máhi v. 10.03.2004. (184) Zaννέττου, Φ.: Σχεδιάζει να φέρει χιλιάδες Τούρκους στο κρατίδιό του. Επιμένει στην ιθαγένεια ο Ντενκτάς [Er plant, tausende Türken in seinem Teilstaat anzusiedeln. Denktaş besteht auf getrennter Nationalität], in: Máhi v. 12.03.2004. (185) Χριστοφόρου, Λ.: Πάντα αδιόρθωτοι οι Βρεττανοί [Die Briten sind unverbesserlich], in: Máhi v. 12.03.2004. (186) Kέντos, Γ.: To σχέδιο Ανάν … σε απλή γλώσσα. Το καθεστώς των Βρεττανικών Βάσεων μέσα από το σχέδιο ανάν [Der Status der Britischen Basen im Annan-Plan], in: Máhi v. 12.03.2004. (187) o.V.:To σχέδιο Ανάν … σε απλή γλώσσα. Η εκλογή του Προεδρικού Συμβουλίου [Der Annan-Plan… in verständlicher Sprache. Die Wahl des Regierungsrats]¸ in: Máhi v. 13.03.2004. (188) Kωνσταντίνου, K.: Mε ένa βελτιωμένo σχέδιο η απάντησή μας θα είναι ένα μεγάλo NAI [Wenn der Plan verbessert wird, wird unsere Antwort ein großes JA], in: Máhi v. 13.03.2004. (189) o.V.: Ούτε να ακούσει για εποίκους. O Ντενκτάς αρνείται να συζητήσει το θέμα [Er will kein Wort über die Siedler hören. Denktaş weigert sich, das Thema überhaupt anzuschneiden], in: Máhi v. 13.03.2004. (190) o.V.: Eκτιμήσεις Φερχόιγκεν για το Κυπριακό. Σχεδόν γεμάτο το ποτήρι [Verheugen über die Zypernfrage: Das Glas ist halbvoll], in: Máhi v. 13.03.2004. (191) o.V.: Eπιστροφή όλης της Kaρπασιάs [Rückgabe von ganz Karpassia], in: Máhi v. 13.03.2004. (192) Ζαννέττου, Φ.: O Tαλάτ θέλει συσκότιση δηλώσεων. Διχάζει στα κατεχόμενα το σχέδιο Ανάν [Talat will die Rücknahme der Äußerungen. Der Annan-Plan spaltet die besetzten Gebiete], in: Máhi v. 13.03.2004. (193) Iωαννίδηs, Oυ.: Χθες, Σήμερα, Αύριο [Gestern, heute, morgen], in: Máhi v. 13.03.2004. (194) Αιμιλιανίδης, A.: To σχέδιο Ανάν … σε απλή γλώσσα. Η λειτουργία του Ανώτατου Δικαστηρίου στο σχέδιο Ανάν [Der Annan-Plan… in verständlicher Sprache. Die Funktionsweise des Obersten Gerichtshofs im Annan-Plan], in: Máhi v. 13.03.2004. (195) Συλλούρης, Δ.: Οι ξένοι θα αποτύχουν αν πιέσουν εμάς και όχι την Τουρκία [Die Fremden werden scheitern, wenn sie uns statt der Türkei unter Druck setzen], in: Máhi v. 13.03.2004. (196) Αγγελίδης, Σ.: To σχέδιο Ανάν … σε απλή γλώσσα. Η «Κύπρος» στην «Ευρώπη» ή μήπως καλύτερα η Κυπριακή Δημοκρατία στην Ευρώπη [Der Annan-Plan… in verständlicher Sprache. „Zypern“ in „Europa“ oder vielleicht besser „Die Republik Zypern“ in „Europa“?], in: Máhi v. 13.03.2004.
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(197) o.V.:Κρίνεται η τύχη του Ρ. Ντενκτάς. Πάλι στην Άγκυρα και αποφασίζει αν θα πάει στην τετραμερή [Das Schicksal Denktaş´ wird besiegelt. Wieder in Ankara überlegt er, ob er am Vierertreffen teilnimmt.], in: Máhi v. 16.03.2004. (198) Ξενοφώντoς, Ξ.:To σχέδιο Ανάν … σε απλή γλώσσα. Περουσιακά δικαιώματα και σχέδιο Ανάν. Γενικά για το δικαίωμα ιδιοκτησίας ως ανθρώπινο δικαίωμα [Der Annan Plan… in verständlicher Sprache. Über das Menschenrecht der Niederlassungsfreiheit], in: Máhi v. 16.03.2004. (199) o.V.: Η Aγκυρα φοβάται την 1η Μαϊου. Εκτιμήσεις αμερικανικού οργανισμού για τις εξελίξεις [Ankara fürchtet den 1. Mai. Einschätzungen einer amerikanischen Vereinigung zu den Entwicklungen], in: Máhi v. 17.03.2004. (200) o.V.: To σχέδιο Ανάν … σε απλή γλώσσα. Περουσιακά δικαιώματα και σχέδιο Ανάν [Der AnnanPlan…in verständlicher Sprache. Eigentumsrechte im Annan-Plan], in: Máhi v. 17.03.2004. (201) Ξενοφώντos, Ξ.: Απαράδεκτες οι θέσεις του Ντενκτάς. Σαφέστατος ο Αναστασιάδης για τις εξελίξεις [Position Denktaş´ ist völlig inakzeptabel. Anastasiadis findet klare Worte zu den Entwicklungen], in: Máhi v. 17.03.2004. (202) o.V.: Εκβιαστικός ελιγμός Ντενκτάς. Γεγονός η προαναγγελθείσα αποχώρηση του από την τετραμερή [Erpressunngsmanöver vonseiten Denktaş´. Vorzeitige Abreise vom Vierertreffen ist nun eine Tatsache], in: Máhi v. 18.03.2004. (203) o.V.: To σχέδιο Ανάν … σε απλή γλώσσα. Η λειτουργία των συνιστώντων κρατών στο σχέδιο Ανάν [Der Annan-Plan… in einfacher Sprache. Die Funktionsfähigkeit der Teilstaaten im Annan-Plan], in: Máhi v. 18.03.2004. (204) Πασχαλίδης, A.: Έχει και η υπομονή όρια [Geduld hat ihre Grenzen], in: Máhi v. 18.03.2004. (205) o.V.: Όχι στις μόνιμες παρεκκλίσεις [Nein zu dauerhaften Abweichungen], in: Máhi v. 18.03.2004. (206) o.V.: O νέο-λινοπαμπακισμός [Der Neu-Loinobambakismus], in: Máhi v. 18.03.2004. (207) o.V.: Διαδικασία „ελβετικού Ντέιτον“. Ασφυκτικές πιέσεις από ΗΠΑ για συμφωνία [Das Prozedere im „schweizer Dayton“. USA üben massiven Druck für eine Einigung aus], in: Máhi v. 20.03.2004 (208) o.V.: ¨Τα παιδιά κοιτάζουν την ιστορία“ [„Die Kinder schauen auf die Geschichte“], in: Máhi v. 20.03.2004. (209) o.V.: To σχέδιο Ανάν … σε απλή γλώσσα. Oι μεταβατικές διατάξεις στο σχέδιο Ανάν [Der AnnanPlan…in verständlicher Sprache. Die Übergangsphasen im Annan-Plan], in: Máhi v. 20.03.2004. (210) Ξενοφώντos, Ξ.: To σχέδιο Ανάν … σε απλή γλώσσα. Iσότητα και Σχέδιο Ανάν [Der Annan-Plan…in verständlicher Sprache. Gleichwertigkeit im Annan-Plan], in: Máhi v. 20.03.2004. (211) o.V.: Δεν θέλουμε απλώς συμφωνία, αλλά μια δίκαιη συμφωνία. Είπαν Αμερικανοί βουλευτές στον Κόφι Ανάν για το Κυπριακό [Sie möchten nicht bloß eine Lösung. Sie möchten eine gerechte Lösung, so amerikanische Abgeordnete gegenüber Kofi Annan], in: Máhi v. 20.03.2004. (212) o.V.: Δεν θα ακολουθήσουμε τους ακροβατισμούς Ντενκτάς. Δ. Χριστόφιας: Στην τετραμερή μοναδικός γνώμονας της πλευράς μας είναι το συμφέρον της Κύπρου [Wir werden den aktobatischen Manövern Denktaş´ nicht folgen. D. Christofias: Einzige Leitfrage beim Vierertreffen ist das Wohl Zyperns], in: Máhi v. 20.03.2004. (213) o.V.: Η φωνή της μαρτυρικής Καρπασίας [Die Stimme des märtyrerischen Karpassia], in: Máhi v. 21.03.2004. (214) o.V.: Εάν είχα δέκα χέρια θα τα έκοβα να μην ψηφίσω το σχέδιο Ανάν. Οι Αμερικανοί μας ξεγέλασαν ακόμα μια φορά [Hätte ich zehn Hände, ich würde sie mir abhacken, um nicht für den Annan-Plan zu stimmen. Und wieder einmal haben uns die Amerikaner hinter´s Licht geführt], in: Máhi v. 22.03.2004. (215) Κέντας, Γ.: O ρόλος του ΟΗΕ μέσα από το σχέδιο Ανάν [Die Rolle der UN im Annan-Plan], in: Máhi v. 22.03.2004. (216) Λυγερós, N.: O μοναδικός στόχος μας [Unser einziges Ziel], in: Máhi v. 22.03.2004. (217) o.V.: Στέλνει στην Ελβετία τον Ταλάτ όμως παραμένει διαπραγματευτής. Πάει δι’αντιπροσώπου ο Ντενκτάς [Er schickt Vertreter in die Schweiz, bleibt aber Verhandlungspartner. Denktaş schickt Stellvertreter], in: Máhi v. 23.03.2004. (218) o.V.: Πίσω από την πλάτη μας [Hinter unserem Rücken], in: Máhi v. 23.03.2004. (219) o.V.: To μάτι του συγγενή [Das Auge deines Nächsten], in: Máhi v. 23.03.2004. (220) o.V.: O Tάσσος ήγειρε θέμα εκπροσώπισης του Μεχμέτ Αλή Ταλατ. Αδιέξοδος στην τετραμερή [Tassos thematisiert Stellvertretung durch Mehmet Ali Talat. Stillstand beim Vierertreffen], in: Máhi v. 25.03.2004.
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(335) Kωνσταντίνου, K.: Iδού τα ρεζιλίκια. Ta τερτίπια του Aναστασιάδη μας εκθέτουν διεθνώς. Εξεγείρεται η νεολαία [Er sollte sich was schämen! Anastasiadis´ Spielchen stellen uns international bloß], in: Máhi v. 23.04.2004. (336) Kωνσταντίνου, K.: Eννέα χιλιάδες χρόνια Ιστορίας… Περίφανη απάντηση ενός λαού με «διαχρονική Ιστορική συνείδηση» [9000 Jahre Geschichte…Die stolze Antwort eines Volkes mit „zeitlosem historischen Bewusstsein“], in: Máhi v. 24.04.2004. (337)Ζανέτου, Φ.: O Πατ Κοξ «άδειασε» τον Αναστασιάδη [Pat Kox hat Anastasiadis völlig dumm dastehen lassen], in: Máhi v. 24.04.2004. (338) o.V.: Κανένας αγώνας δεν πάει χαμένος [Kein Kampf ist umsonst], in: Máhi v. 24.04.2004. (339) Φαράκος, Γ.: Η ευθύνη των πολιτικών. Κυπριακό: Λύση για όλους τους Κύπριους [Die Verantwortung der Politik. Zypern: Eine Lösung für alle Zyprioten], in: Máhi v. 24.04.2004. (340) Μούζουλoς, Σ.: To βάθος του γκρεμού [Der Abgrund], in: Máhi v. 24.04.2004. (341) Παγειώτης, Γ.: O λαός κι ο νέος δρόμος [Das Volk und der neue Weg], in: Máhi v. 24.04.2004. (342) Χαρίτos, Π.: To "Σχέδιο Ανάν» για την Κύπρο: Η κατάλυση ενός κράτους και η δημιουργία ενός «νομικού τέρατος» [Der „Annan-Plan“ für Zypern. Die Auflösung eines Staats zur Konstituierung eines „Rechtsmonsters“], in: Máhi v. 24.04.2004. (343) o.V.: O λαός μίλησε. Σαρωτικό OXI [Das Volk hat gesprochen. Das alles entscheidende NEIN], in: Máhi v. 25.04.2004. (344) Σαμψών, Σ.: Πανεθνική διάσκεψη για νέα όμως, στρατηική [Panethnische Versammlung für eine neue Strategie], in: Máhi v. 25.04.2004. (345) o.V.: Mεσούρανα ακούστηκε το ΟΧΙ. To δημοψήφισμα έδωσε συντριπτική απάντηση [Das NEIN erschallte am Firmament. Das Referendum ergab ein vernichtendes Urteil], in: Máhi v. 25.04.2004. (346) o.V.: Διαφοροποιημένος Ανάν [Ein ausgewechselter Annan], in: Máhi v. 25.04.2004. (347) Vargas Llosa, M.: Η αγωνία της Δύσης στις νέες συνθήκες [Die Sorge des Westens im Angesichte der neuen Welt], in: Máhi v. 25.04.2004. (348) o.V.: O Tάσσος Παπαδόπουλος δήλωσε ότι παραμένει προσηλωμένος στην εξεύρεση λύσης. Δεν είναι το τέλος του δρόμου [Tassos Papadopoulos lässt verlauten, er würde sich auch weiterhin für eine Lösung einsetzen. Es ist nicht das letzte Wort gesprochen], in: Máhi v. 25.04.2004. (349) Μακρίδης, K.: Στη νέα γενιά. Kύπρος – η τελευταία ελπίδα [An die junge Generation. Zypern – die letzte Hoffnung], in: Máhi v. 25.04.2004. (350) Πολυκάρπου, K.: Ξένοι στη γη μας [Fremde auf unserer Heimaterde], in: Máhi v. 26.04.2004. (351) o.V.: Aνεπίδεκτοι μαθήσεως [Die Unbelehrbaren], in: Máhi v. 26.04.2004. (352) o.V.: Aναστασιάδης, Βασιλείου, Παπαπέτρου επιχειρούν να επιβιώσουν πολιτικά μέσω του «ΝΑΙ» [Αnastasiádis, Basileiou und Papapétrou arbeiten daran, mit ihrem „JA“ ihr politisches Überleben zu sichern], in: Máhi v. 27.04.2004. (353) o.V.: O Νίκος τρώει και τα παιδιά του. [Nikos frisst seine Kinder], in: Máhi v. 27.04.2004. (354) Κωνσταντίνου, K.: Mas βομβαρδίζουν οι Αμερικάνοι [Die Amerikaner bombardieren uns], in: Máhi v. 27.04.2004. (355) o.V.: Δέλλας, A.: O λαός μίλησε [Das Volk hat gesprochen], in: Máhi v. 27.04.2004. (356) o.V.: Πεγειώτης, Γ.: Ο λαός μας και ο δόλος [Unser Volk und die List], in: Máhi v. 27.04.2004. (357) o.V.: Πολυκάρπου, A. Φ.: Òχι σε απολογίες [Nein zu Rechtfertigungen], in: Máhi v. 27.04.2004. (358) o.V.: Μια φορά κι ένα καιρό…[Es war einmal...], in: Máhi v. 27.04.2004. Phileleftheros 2004 (Ph) (1) o.V.: Ο κύβος ερρίφθη από Ανάν που παρέπεμψε σε χωριστά δημοψηφίσματα το σχέδιο. Το λόγο έχει τώρα ο Λαός. Ο Πρόεδρος δεν είναι καθόλου ικανοποιημένος [Die Würfel sind gefallen. Es wird nun in zwei Refenden über den Plan abgestimmt. Die Entscheidung liegt beim Volk. Der Präsident ist unzufrieden.], in: Phileleftheros v. 01.04.2004. (2) o.V.: Kόφι Ανάν, «αυτή η λύση ή καμία άλλη» [Kofi Annan: „Diese Lösung oder keine Lösung], in: Phileleftheros v. 01.04.2004. (3) o.V.: Η Κύπρος τιμά την επέτειο του απελευθερωτικού αγώνα [Zypern ehrt das Jubläum des Freiheitskampfes], in: Phileleftheros v. 01.04.2004. (5) Κώστας Βενιζέλος, Παρασκήνιο, τεντωμένα νεύρα και περιπλοκές [Komplikationen und gespannte Nerven hinter den Kulissen], in: Phileleftheros v. 01.04.2004.
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(6) o.V.: Το πολύωρο θρίλερ που προηγήθηκε [Vorangehender mehrstündiger Thriller], in: Phileleftheros v. 01.04.2004. (7) Παύλος Ξανθούλης, Kομισιόν. Μιά στο καρφί και μιά στο πέταλο. Γιά τις παρεκλίσεις από το κεκτημένο [Kommission: Wankelmütig in Fragen der Abweichungen vom Acquis], in: Phileleftheros v. 01.04.2004. (8) o.V.: Ψυχραιμία και νηφαλιότητα συστήνει ο Χριστόφιας, κακίζοντας έντονες αντιδράσεις στην Κύπρο [Christofias maht zu Ruhe und Besonnenheit an und motiviert damit heftige Reaktionen auf Zypern] in: Phileleftheros v. 01.04.2004. (9) o.V.: Παρεμβάσεις προς Μπους γιά πρόληψη εκβιασμών [Bush wird vorsorglich gewarnt, sich mit etwaigen Erpressungen zurückzuhalten] in: Phileleftheros v. 01.04.2004. (10) Παύλος Ξανθούλης, Ευρωδιχοτόμηση βλέπει ο Αρί Οστλάντερ [Ari Oslander sieht die Zweiteilung Europas voraus] in: Phileleftheros v. 01.04.2004. (11) o.V.: Γιώργος Παπανδρέου. Θα πούμε όχι άν δεν γίνουν βελτιώσεις στο σχέδιο [Georgios Papandreou: Wenn der Plan nicht verbessert wird, sagen wir nein], in: Phileleftheros v. 01.04.2004. (12) o.V.: Ανάν. Δίκαιο και λειτουργικό το σχέδιό μου [Annan: Mein Plan ist gerecht und funktionsfähig] in: Phileleftheros v. 01.04.2004. (13) o.V.: Ο Ερντογκάν μας καλεί να πορευτούμε μαζί στο δρόμο της ειρήνης [Erdoğan lädt uns ein, gemeinsam den Weg des Friedens zu bestreiten] in: Phileleftheros v. 01.04.2004. (14) Γιώργος Στυλιανού, Πρώτη ρήξη στο Μπούργκενστοκ μεταξύ μελών του Εθνικού Συμβουλίου [Erste schwere Auseinandersetzung zwischen Mitgliedern des Nationalrates in Bürgernstock], in: Phileleftheros v. 01.04.2004. (15) Ανδρούλα Ταραμούντα, Συνέντευξη Μάρκου Κυπριανού. Θα ήταν άδικο ο λαός να τεθεί μπροστά σε δίλημμα μιάς άδικης λύσης ή διατήρησης της σημερινής κατάστασης. Το χειρότερο που μπορεί να συμβεί είναι η υπονόμευση του κλίματος ομοψυχίας και να αρχίσει η διχόνοια [Interview mit Markos Kyprianou. Es wäre unfair, würde das Volk vor das Dilemma gestellt zwischen einer ungerechten Lösung und der Aufrechterhaltung des Status quo. Das schlimmste, was uns passieren kann, wäre, dass das konstruktive Klima der einheitlichen Front einer Spaltung weicht] in: Phileleftheros v. 01.04.2004. (16) o.V.: Θα μας ζητήσουνε να πληρώσουμε και τα έξοδα της εισβολής, λέει ο Πάφου [Paphou sagt: Als nächstes werden sie uns aufbürden, noch für die Kosten der Invasion gradezustehen] in: Phileleftheros v. 01.04.2004. (17) o.V.: Καταργούνται βασικά ανθρώπινα δικαιώματα με το νέο σχέδιο Ανάν [Der neue Annan-Plan verletzt grundlegende Menschenrechte] in: Phileleftheros v. 01.04.2004. (18) Στυλιανού, Γ.: Συνέντευξη. Ελένη Μαύρου. Λάθος να ξεκινήσουμε τώρα να επιρρίπτουμε ευθύνες ο ένας στον άλλο [Interview mit Eleni Mavrou. Es wäre ein Fehler, uns jetzt gegenseitig die Schuld in die Schuhe zu schieben], in: Phileleftheros v. 01.04.2004. (19) Κασκάνης, Π.: Συνέντευξη. Χρήστος Κληρίδης. Η ένταξή μας στην Ε.Ε. θα τεθεί εν κινδύνω, με το «ναι» στο Σχέδιο και όχι με το «όχι» [Interview mit Christos Clerides. Unser Beitritt zur EU wird mit einem „Ja“ gefährdet, nicht mit einem „nein“] in: Phileleftheros v. 01.04.2004. (20) Χρυσάνθου, Χ.: Συνέντευξη. Λουκής Λουκαίδη. Μόνο πολιτικές και όχι νομικές οι επιπτώσεις από ένα «όχι». Το σχέδιο Ανάν απαλλάσσει την Τουρκία από ευθύνες για την παραβίαση ανθρωπίνων δικαιωμάτων [Interview mit Loukis Loukaidis. Die Konsequenzen des „Nein“ werden politischer, nicht rechtlicher Natur sein. Der Annan-Plan spricht die Türkei von ihren Menschenrechtsverletzungen frei] in: Phileleftheros v. 01.04.2004. (21) ο.V.: Ταγίπ Ερντογκάν. Χάσαμε ποσοστά λόγω της θέσεώς μας στο Κυπρικό [Tayyip Erdoğan: Unsere Haltung in der Zypernfrage hat uns], in: Phileleftheros v. 01.04.2004. (22) ο.V.: Ο Ντενκτάς θα πει όχι άν δεν εξασφαλίσει μόνιμες παρεκλίσεις [Denktaş wird Nein sagen, wenn es ihm nicht gelingt, dauerhafte Abweichungen durchzusetzen], in: Phileleftheros v. 01.04.2004. (23) ο.V.: Εάν ήμουν Ε|κ θα ψήφιζα όχι, έγραψε Τ|κ απθρογράφος [Wäre ich griechischer Zypriot, ich würde mit Nein stimmen, so ein türkisch-zypriotischer Journalist], in: Phileleftheros v. 01.04.2004. (24) ο.V.: Όχι σε παραμονή του στρατού, λέει Βρετανός βουλευτής [Nein zum Verbleib des Militärs, so ein britischer Abgeordneter], in: Phileleftheros v. 01.04.2004. (25) Χριστοδούλου, Α.: 1η Απριλιόυ 1955. Ημέρα μνήμης και τιμής [1. April 1955. Ehren- und Gedenktag], in: Phileleftheros v. 01.04.2004. (26) Τσιμιλλής, Κ.: Τώρα τελειώνουν τα ψέμματα [Die Stunde der Wahrheit], in: Phileleftheros v. 01.04.2004.
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(27) Καραβία, Μ.: Ημέρα μνήμης και χρέους [Tag des Gedenkens und der Pflichterfüllung], in: Phileleftheros v. 01.04.2004. (28) Παπαγιάννης, Τ.: Οι κεραυνοί του Νικηφόρου [Das Donnergrollen des Nikiphoros], in: Phileleftheros v. 01.04.2004. (29) ο.V.: Ο Πάουελ μας υπόσχεται χρήματα και στήριξη [Powel verspricht Geld und Unterstützung], in: Phileleftheros v. 02.04.2004. (30) ο.V.: Παρέμβαση Μπους προς Καραμανλή [Bush interveniert bei Karamanlis], in: Phileleftheros v. 02.04.2004. (31) ο.V.: Οι στρατιωτικοί δεν μίλησαν ακόμη [Die Militärs haben sich noch nicht geäußert], in: Phileleftheros v. 02.04.2004. (32) ο.V: Ώρα περίσκεψης και σωφροσύνης [Zeit für Besonnenheit und Konzentration], in: Phileleftheros v. 02.04.2004. (33) Κώστας Βενιζέλος, Αλλαγές από το παράθυρο [Änderungen über die Hintertür], in: Phileleftheros v. 02.04.2004. (34) ο.V.: Σκληρά μηνύματα στέλνει ο Φερχόιγκεν [Verheugen gnadenlos], in: Phileleftheros v. 02.04.2004. (35) Σχίσα, Μ.: Εκ των υστέρων ενημέρωση για τη μεγάλη λεηλασία. Εκστρατεία κατόπιν εορτής για την καταστροφή του πολιτιστικού πλούτου της Κύπρου [Erst im Nachhinein werden wir über die immensen Plünderungen informiert. Jetzt, wo der Zug abgefahren ist, beginnen wir eine Kampagne gegen die Zerstörung unseres reichen Kulturerbes], in: Phileleftheros v. 02.04.2004. (36) Βασιλείου, Β.: Θλιβερή εικόνα παρουσιάζει ο λόφος της ΠΑΣΥΔΥ στη Λευκωσία. Άσχημα τα νέα για τα αρχαία λόγω εγκατάλειψης [Traurig anzusehen ist der Hügel von Pasidi in Nikosia. Antike Stätten in trostlosem Zustand], in: Phileleftheros v. 02.04.2004. (37) ο.V.: Από εσώρουχα μέχρι προφυλακτικά [Von Unterwäsche bis zu Präservativen], in: Phileleftheros v. 02.04.2004. (38) o.V.: Η Κύπρος τίμησε την επέτειο της ΕΟΚΑ. Πανηγυρικές εκδηλώσεις [Zypern ehrte das Jubiläum der EOKA. Volksfeste und Programm], in: Phileleftheros v. 02.04.2004. (39) o.V.: Τουρκοκυπριακός και τουρκικός τύπος [Türkisch-zypriotischer und türkischer Pressespiegel], in: Phileleftheros v. 02.04.2004. (40) o.V.: Ντενκτάς: Θα αποφασίσουμε μετά την αξιολόγηση αλλά τώρα δεν βλέπω οτοδήποτε για να πώ «ναι» [Denktaş: Wir werden uns beraten und erst dann entscheiden. Im Augenblick sehe ich nichts, was mich für „Ja“ stimmen ließe], in: Phileleftheros v. 02.04.2004. (42) Στυλιανού, Γ.: Βουνό η δουλειά που πρέπει να γίνει [Ein Berg Arbeit liegt noch vor uns], in: Phileleftheros v. 02.04.2004. (43) Χρυσάνθου, Χ.: Οι ακραίοι δεν μας επηρεάζουν [Die Extreme beeinflussen uns nicht], in: Phileleftheros v. 02.04.2004. (44) Στυλιανού, Γ.: Καταγραφή σημααντικών στοιχείων του τελικού σχεδίου Ανάν [Zentrale Aspekte des finalen Annan-Planes], in: Phileleftheros v. 02.04.2004. (45) o.V.: Γιαννίτσης. Τώρα θα μετρήσουμε πόσο θα ωφεληθεί ή πόσο θα ζημειωθεί η Κύπρος [Jetzt wird sich zeigen, was Zypern an Vorteilen und Entschädigungen zu erwarten hat], in: Phileleftheros v. 02.04.2004. (46) Ξανθούλης, Π.: Στο κενό η προσπάθεια απόδοσης ευθυνών στην ε|κ πλευρά [Versuch, der griechisch-zypriotischen Gemeinschaft die Schuld in die Schuhe zu schieben, gescheitert], in: Phileleftheros v. 02.04.2004. (47) Ταραμούντα, Α.: Συνέντευξη. Νίκος Αναστασιάδης. Με νηφαλιότητα και χωρίς φανατισμούς θα τοποθετηθούμε και θα ενημερώσουμε το λαό [Interview mit Nikos Anastasiadis. Mit Maß und Besonnenheit werden wir Stellung beziehen und das Volk unterrichten], in: Phileleftheros v. 02.04.2004. (48) Ταραμούντα, Α.: Συνέντευξη. Νίκος Κατσουρίδης. Με κύρια στόχευση το ναι θελήσαμε να εξαντλήσουμε κάθε περιθόριο [Interview. Nikos Katsouridis. Wir wollten das Bestmögliche mit einem Ja], in: Phileleftheros v. 03.04.2004. (49) o.V.: Κλεάνθους. Υπερισχύουν διαιρετικά στοιχεία [Kleanthous. Die Teilungsaspekte überwiegen], in: Phileleftheros v. 03.04.2004. (50) Καστάνης, Π.: Το 5ο σχέδιο δεν ικανοποιεί τις προσδοκίες [Der 5. Plan entspricht nicht unseren Vorstellungen], in: Phileleftheros v. 03.04.2004.
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(51) Καστάνης, Π.: Κουτσου. Από τη στιγμή που ξέρουμε ότι το νέο σχέδιο είναι χειρότερο, πολλοί πρέπει να το απορρίψουμε [Jetzt, da wir wissen, dass der neue Plan noch schlechter ist, müssen ihn möglichst viele ablehnen], in: Phileleftheros v. 03.04.2004. (52) Μιχαήλ, Σ.: Περδίκης. Ενωμένοι όλοι να πούμε ένα μεγάλο όχι [Perdikis. Vereint sollten wir ein klares Nein sagen], in: Phileleftheros v. 03.04.2004. (53) o.V.: Μιχαηλίδης. Απογοητευτικό το αποτέλεσμα [Das Ergebnis ist enttäuschend], in: Phileleftheros v. 03.04.2004. (54) o.V.: Κύριε Ανάν, παρεμβαίνετε το καθήκον σας [Herr Annan, Sie überschreiten Ihre Zuständigkeit], in: Phileleftheros v. 04.04.2004. (55) Τσιμικλινιώτης, Ν.: Η τοποθέτησή μας μπροστά στα δύσκολα [Wie wir uns den Herausforderungen stellen], in: Phileleftheros v. 04.04.2004. (56) Ιωσηφίδης, Ι.: Λύση και δείκτες αδικίας [Lösung und Unrecht], in: Phileleftheros v. 04.04.2004. (57) Ταραμούντα, Α.: Ανοίγει πρώτος τα χαρτιά του [Er legt als Erster seine Karten offen], in: Phileleftheros v. 04.04.2004. (58) o.V.: Ερντογκάν. Στα κατεχόμενα για να στηρίξει το ναι [Erdoğan wirbt in den besetzten Gebieten um ein Ja], in: Phileleftheros v. 04.04.2004. (59) o.V.: Ο Ντεκτάς θα ηγηθεί εκστρατείας γιά το όχι [Denktaş führt Nein-Kampagne], in: Phileleftheros v. 04.04.2004. (60) Βενιζέλος, Κ.: Το Σ. Ασφαλείας έκλεισε την πόρτα στον Ντε Σότο [Der Sicherheitsrat erteilte de Soto eine Absage], in: Phileleftheros v. 04.04.2004. (61) o.V.: Χριστόφιας. Ο λαός θα αποφασίσει [Christofias: Das Volk entscheidet], in: Phileleftheros v. 04.04.2004. (62) o.V.: Δεν δεχόμαστε απειλές ξένων [Wir lassen uns externe Drohungen nicht bieten], in: Phileleftheros v. 04.04.2004. (63) Ταραμούντα, Α.: Ο πρόερδος Παπαδόπουλος έδωσε στίγμα γιά οχι στην ηγετική ομάδα του Δημοκρατικού κόμματος [Präsident Papadopoulos signalisierte der Parteispitze, mit Nein zu stimmmen], in: Phileleftheros v. 04.04.2004. (64) Φράγκος, Γ.: Βάσος Λυσσαρίδης. Το μόνο κόστος που θα έχουμε είναι το κόστος των εντυπώσεων [Der einzige Preis, den wir werden zahlen müssen, ist ein Imageverlust], in: Phileleftheros v. 04.04.2004. (65) o.V.: Οχι στο σχέδιο από Ντεκτάς [Denktaş sagt Nein zum Plan], in: Phileleftheros v. 04.04.2004. (66) o.V.: Τιμούν τη θυσία Καβάζογλου και Μισιαούλη [Ehrung für Opfer Kavazoglou und Misiaouli], in: Phileleftheros v. 04.04.2004. (67) o.V.: Συγχωροχάρτι στην Τουρκία [Absolution für die Türkei], in: Phileleftheros v.04.04.2004. (68) o.V.: Παρήλθε η ώρα των συρραφών [Jetzt ist das Gesamtpaket geschnürt], in: Phileleftheros v. 04.04.2004. (69) Μαύρου, Ε.: Πατριωτισμός [Patriotismus], in: Phileleftheros v. 04.04.2004. (70) o.V.: Με στρατηγική διαχείρηση των ηγετών [Führungsspitze soll strategisch handeln], in: Phileleftheros v. 04.04.2004. (71) Θεοφάνους, Α.: Το 5ο σχέδιο Ανάν, η οικονομία και η βιωσιμότητα της λύσης [Der 5. Annan-Plan, Wirtschaft und die Tragfähigkeit einer Lösung], in: Phileleftheros v. 04.04.2004. (72) Νικολάου, Ι.: Η ώρα της ευθύνης [Im Augenblick der Verantwortung], in: Phileleftheros v. 04.04.2004. (73) Κουσκουβέλης, Η.: Ούτε ιστορική, ούτε μοναδική, ούτε τελευταία... [Weder historisch, noch einzigartig, noch die letzte…], in: Phileleftheros v. 04.04.2004. (74) o.V.: Να επωφεληθούμε από την ένταξη στην Ε.Ε. Γιά να επανενώσουμε την πατρίδα μας [Jetzt die Vorteile des EU-Beitritts nutzen. Zur Wiedervereinigung unserer Heimat], in: Phileleftheros v. 04.04.2004. (75) o.V.: Αποφασίστε ελέυθερα στα δημοψηφίσματα [Entscheidet in den Referenden frei], in: Phileleftheros v. 04.04.2004. (76) Ο. V., Το σκηνικό της Λουκέρνης το never του Ταλάτ και η «αναλώσιμη» Κύπρος [Die Szenerie von Luzern, das never von Talat und Zypern des Konsums], in: Phileleftheros v. 04.04.2004. (77) ο.V.: Ο Ανάν τελειώνει με το δημοψήφισμα [Annans Einsatz endet mit den Referenden], in: Phileleftheros v. 04.04.2004. (78) o.V.: Οι πρωταγωνιστές δεν ήταν όλοι στη Λουκέρνη [Nicht alle Protagonisten waren in Luzern anwesend], in: Phileleftheros v. 04.04.2004. (79) o.V.: Στη σέντρα τα κόμματα, στο ακουστικό οι πολίτες [Parteien am Ball, Bürger auf der Tribüne], in: Phileleftheros v. 04.04.2004.
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SA3 SA4
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Literaturverzeichnis
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Kapitel Erinnerungskultur: Repräsentative Auswahl an musikalischhen Youtube-Videos, die die gefallenen EOKA-Kämpfer, die Enosis, das Leid der griechischen Zyprioten oder die zuzünftige Befreihung der Insel thematisieren https://www.youtube.com/watch?v=3OqerD0uiVc (Ton Athanaton to Krasi [Der Wein der Unsterblichen] 2017). https://www.youtube.com/watch?v=jY3UUYPKwok (Tin Ellada Agapo, [Griechenland, meine Liebe] 2017). https://www.youtube.com/watch?v=dbayWN8Zg_U (Xipna Grigori [Erwache Grigori] 2017). https://www.youtube.com/watch?v=QeVoY__3ejY (Tou Bagorí [Von Bagorís] 2017). https://www.youtube.com/watch?v=RkV-SOmq9Vk (O Evagoras [Evagoras] 2017). https://www.youtube.com/watch?v=-kDjQwgmENE (Tha Pao Mia Anifora [Eine Hürde werde ich meistern] 2017). https://www.youtube.com/watch?v=RiTBK4qojoM (I Kypros Einai Elliniki [Zypern ist griechisch] 2017). https://www.youtube.com/watch?v=UnyvHav9D3M (Kante Adelfia Ypomoni Kai I Lefteria Tha Mas Fanei, [Geduld, Brüder, die Freiheit wird kommen] 2017). https://www.youtube.com/watch?v=WUn3tzxRCXY (Lefteria, [Freiheit] 2017). https://www.youtube.com/watch?v=iEy6SjRnU-o (Logariasate Lathos [Falsch kalkuliert] 2017). https://www.youtube.com/watch?v=3iXj8-meaXA (Tria Poulia Petasasin [Drei Vögel flogen empor] 2017). https://www.youtube.com/watch?v=llO3B0oAq6c (T´Onoiron [Der Traum] 2017). https://www.youtube.com/watch?v=4M54OE3j950 (Karteroume Mera Nihta [Tag und Nacht harren wir aus] 2017). https://www.youtube.com/watch?v=-Bv0uGvgAzQ (Ammohostos-Homa Pou Perpatis [Die Erde von Famagusta unter den Füßen] 2017). https://www.youtube.com/watch?v=iAqryBYXozY (Eitan Trelos [Er war verrückt] 2017). https://www.youtube.com/watch?v=W32C9p914Go (Eitan 1. Apriliou tis EOKA I Arthi [Am ersten April nahm die EOKA ihren Anfang] 2017). https://www.youtube.com/watch?v=Ub8_H8N7cdo (Ena Tragoudi Gia ton Griva Kai Tin EOKA Ein Lied für Grivas und die EOKA] 2017). https://www.youtube.com/watch?v=W1a33h6VLCk (Tha´rthei O Kairos Kai Pali To Galazio [Eines Tages kehrt das Himmelblau zurück] 2017). https://www.youtube.com/watch?v=InMUKTzerN4 (EOKA Ola Ta Paidia [EOKA, nicht als EOKA] 2017). https://www.youtube.com/watch?v=wlrISdQM_pE (Zidro Mou [Mein Zidro] 2017). https://www.youtube.com/watch?v=Asy3Uq2h3RI (Den Proskino [Ich bete nicht] 2017).