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German Pages 642 Year 2000
KAY WINDTHORST
Der Universaldienst im Bereich der Telekommunikation
Schriften zu Kommunikationsfragen Band 27
Der Universaldienst im Bereich der Telekommunikation Eine öffentlichrechtliche Betrachtung unter Einbezug des amerikanischen Rechts
Von
Dr. Kay Windthorst
Duncker & Humblot . Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Windthorst, Kay: Der Universaldienst im Bereich der Telekommunikation: eine öffentlichrechtliche Betrachtung unter Einbezug des amerikanischen Rechts / Kay Windthorst. - I. Aufl. - Berlin : Duncker und Humblot, 2000 (Schriften zu Kommunikationsfragen ; Bd. 27) Zugl.: München, Univ., Diss., 1997 ISBN 3-428-09300-3
D 19 Alle Rechte vorbehalten Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany
© 2000 Duncker &
ISSN 0935-4239 ISBN 3-428-09300-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97068
Vorwort Die vorliegende Dissertation wurde von der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maxirnilians-Universität zu München im Sommersemester 1997 angenommen. Sie wurde aktualisiert und befmdet sich nunmehr auf dem Stand vom Februar 1999. Berücksichtigt wurden insbesondere die zwischenzeitlich ergangenen Telekommunikationsrichtlinien der Gemeinschaft zur Lizenzierung, zur Zusammenschaltung und zum Sprachtelefondienst, die aufgeflammte Diskussion zu universaldienstrelevanten Regelungen des Telekommunikationsgesetzes, z. B. hinsichtlich der Entgeltregulierung und des Netzzugangs, sowie die von der Federal Communications Commission in den USA zur Umsetzung des Telecommunications Act entwickelten Vorgaben. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Peter Lerche, der meine Neigung für das öffentliche Recht geweckt und das Promotionsvorhaben mit großem Verständnis und Einfühlungsvermögen betreut hat, und meinem Habilitationsvater, Herm Professor Dr. Michael Sachs, der mich in der Technik wissenschaftlichen Arbeitens unterwiesen hat. Zu danken habe ich auch Herrn Professor Dr. Peter Badura für die überaus rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Die Arbeit ist im wesentlichen in den Jahren 1995/1996 entstanden, die für die Telekommunikation stürmische Zeiten des Umbruchs waren. Sie konnte nur deshalb so zeitnah abgeschlossen werden, weil ich von verschiedener Seite tatkräftige Unterstützung erhalten habe. Besonders hervorheben möchte ich das Sekretariat des Ausschusses für Post und Telekommunikation, das mir trotz starker Arbeitsbelastung die notwendigen Gesetzesmaterialien auf direktem Weg zur Verfügung gestellt hat, die Mitarbeiter der Bibliothek des Fachbereichs II der Freien Universität Berlin, die mir bestmögliche Arbeitsbedingungen gewährten, und die Mitarbeiter am Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, insbesondere Frau Uta Biskup, Herrn Thornas Brüggemann und Herrn Bemd Wermeckes, deren Hilfsbereitschaft über das unter Kollegen übliche Maß weit hinausging. Mein Dank gilt schließlich auch Frau Yvonne Jaenicke für die umsichtige Umsetzung des Manuskripts sowie Frau Dorrit Weinspach und Herrn Oliver Gäng für die Hilfe bei der Erstellung der Druckvorlage. Mehr als Danksagung schulde ich meiner Familie rur die Nachsicht und den Rückhalt. Berlin, im November 1999
Kay Windthorst
"We are faced with the reality that technology and consumer demand have combined to overrun the defmitions and regulatory scheme of telecommunications" . (Federal Communications Commission, Second Computer Inquiry)
Inhaltsübersicht
Erster Teil
Grundlegung und Fixierung des Problemrabmens
37
Erstes Kapitel: Einleitung .................................................................................. 37 A. Gegenstand der Untersuchung .................................................................... 37 B. Anlaß der Untersuchung ............................................................................. 38
I. Rechtstatsächliche Detenninanten ......................................................... 38 11. Rechtsnonnative Detenninanten ........................................................... 39
C. Problemaufriß ............................................................................................. 39 I. Verfassungsrechtliche Analyseebene ..................................................... 39 11. Einfachgesetzliche Analyseebene .......................................................... 41 D. Fortgang der Untersuchung ........................................................................ 41
l. Zielsetzung .......... ,......... .......... .............................................................. 41 11. Vorgehensweise .................................................................................... 42
Zweites Kapitel: Der Geltungsbereich der Univenaldienstgewllhrleistung ... 43 A. Der Terminus .. Telekommunikation" .......................................................... 43
I. Der Ursprung des Wortes "Telekommunikation" .................................. 44 11. Die Gründe für die Aufnahme des Wortes "Telekommunikation" in das Grundgesetz .................................................................................... 46 B. Der Inhalt der Telekommunikation .............................................................. 48
l. Der Ausgangspunkt: Das Fernmeldewesen ........................................... 49 Il. Die konturierende Kraft der Merkmale des Fernmeldewesens fIlr Begriff und Bereich der Telekommunikation ....................................... 55 III. Erschütterung der überkommenen Kriterien durch veränderte technologische Bedingungen und Möglichkeiten ............................................ 58 IV. Beeinflussung des Begriffs und des Bereichs der Telekommunikation durch veränderte rechtliche Anforderungen und Vorgaben .................. 68
8
Inhaltsübersicht V. Festlegung des Begriffs und Ordnung des Bereichs der Telekommunikation in diesem veränderten Umfeld ..... ...................... ........................ 80 VI. Abgrenzungen ....................................................................................... 95
Zweiter Teil
Die verfassungs rechtliche Gewährleistung eines Universaldienstes
112
Drittes Kapitel: Tatsächliche und rechtliche Determinanten einer Universaldienstgewährleistung .............................................. 112 A. Der Begriff des Universaldienstes ............................................................... 112
I. Die Entstehungsgeschichte .................................................................... 112
II. Die Vorgaben rur eine Begriffsfestlegung ............................................. 115 III. Die Elemente der Begriffiichkeit .......................................................... 115 IV. Abgrenzungen ....................................................................................... 116 B. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen .......................... 118
I. Die Merkmale des Art. 87 f Abs. 1 GG als Filter der universaldienstrelevanten Fakten .................................................................................. 118
II. Die bestehende Versorgungssituation ................................................... 119 III. Die ökonomischen Bedingungen und Möglichkeiten ........................... 123 IV. Die gesellschaftlichen Bedürfnisse ....................................................... 131
C. Die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben im Bereich der Telekommunikation .......................................................................................................... 133
I. Grundzüge des europäischen Telekommunikationsrechts ..................... 133
11. Systematisierung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben rur die Telekommunikation .............................................................................. 135 III. Die ordnungspolitischen Schritte im Bereich der Telekommunikation. 138 D. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben im Bereich der Telekommunikation .. 189
I. Die Struktur der telekommunikationsbezogenen Bestimmungen des Grundgesetzes ........................................................................................ 189 II. Die Anordnung einer Aufgabenprivatisierung durch Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG .............................................................................................. 194 III. Der Verfassungsauftrag einer Organisationsprivatisierung gemäß Art. 143 b Abs. 1 GG ............................................................................ 233 E. Die gemeinschaftsrechtlichen Einwirkungen aufverfassungsrechtliche Vorgaben im Bereich der Telekommunikation ............................................. 243
I. Unterschiede zwischen dem gemeinschaftsrechtlichen und dem verfassungsrechtlichen Ordnungsmodell ............................................... 244
Inhaltsübersicht
9
11. Art und Ausmaß der Beeinflussung verfassungsrechtlicher Regelungen durch gemeinschaftsrechtliche Vorgaben ............................................. 244
Viertes Kapitel: Die Gewährleistung eines Universaldienstes gemäß Art. 87 f Abs. 1 GG ..................................................... 247 A. Die rechtsdogmatischen Grundlagen .......................................................... 247 I. Der Universaldienst als Ausprägung des Gemeinwohls ........................ 247
11. Die Gewährleistung eines Universaldienstes als Ausdruck veränderter Wahrnehmung der Gemeinwohlverantwortung .................................... 249 III. Die Gewährleistung eines Universaldienstes durch Art. 87 f Abs. I GG - eine Ausprägung des Sozialstaatsprinzips .......................................... 258 B. Der Inhalt des durch Art. 87 f Abs. 1 GG gewährleisteten Universaldienstes ........................................................................................................ 262 I. Die verfassungsrechtlichen Konturen des Universaldienstes ................. 262
11. Der Gegenstand des Universaldienstes .................................................. 274 III. Der Umfang des Universaldienstes ....................................................... 300
C. Der Inhalt der durch Art. 87 f Abs. 1 GG begründeten Pflicht zur Gewährleistung eines Universaldienstes ................................................................. 304 I. Der Regelungsgehalt .............................................................................. 304
11. Die verfassungsdogmatische Kategorisierung ....................................... 339 D. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben fiir die Umsetzung der Verpflichtung zur Gewährleistung eines Universaldienstes .............................................. 349 I. Die staatlichen Einflußnahmemöglichkeiten ......................................... 350
11. Die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen ................................... 363 III. Die Verteilung der Verwaltungskompetenzen und die Vorgaben hinsichtlich der Organisationsform ....................................................... 366
Dritter Teil
Die gesetzlichen Regulierungsmodelle in Deutschland und in den Vereinigten Staaten von Amerika
388
Fünftes Kapitel: Das deutsche Regulierungsmodell ......................................... 388 A. Veränderungen im Rahmen der Postreformen ............................................ 388 I. Die Postreform I .................................................................................... 389
11. Die Postreform 11 ................................................................................... 394 B. Ordnungspolitische Vorgaben des Telekommunikationsgesetzes ................ 401 I. Die Entstehung des Telekommunikationsgesetzes ................................ 401
10
Inhaltsübersicht 11. Der Geltungsbereich des Telekommunikationsgesetzes ........................ 404 III. Die Regulierungszie\e des Telekommunikationsgesetzes ..................... 409 IV. Die Regulierungsgegenstände des Telekommunikationsgesetzes ......... 415 V. Die Gewährleistung eines Universaldienstes gemäß dem Telekommunikationsgesetz ................................................................... 446 Sechstes Kapitel: Das amerikanische Regulierungsmodell ............................. 484 A. Grundlegung ................................................................................................ 484 I. Verbindungslinien zwischen der Ordnung der Telekommunikation in
Deutschland und in den USA ................................................................ 484 11. Überblick zur geschichtlichen Entwicklung .......................................... 486 B. Bundesgesetzliche Vorgabenfiir die Regulierung der Telekommunikation .. 500 I. Der Untersuchungsgegenstand .............................................................. 500
11. Die Struktur der Regulierung ................................................................ 501 III. Die Gegenstände der Regulierung ........................................................ 508 IV. Die Organisation der Regulierung ........................................................ 516 C. Gewährleistung eines Universaldienstes im Bereich der Telekommunikation ............................................................................................................ 519 I. Die ordnungspolitischen Ziele ............................................................... 519
II. Der Begriff des Universaldienstes ......................................................... 522 III. Das Verfahren zur Festlegung des Universaldienstes und der seiner Gewährleistung dienenden Vorkehrungen ............................................ 524 IV. Die inhaltliche Ausgestaltung der Universaldienstgewährleistung ....... 527 V. Der Inhalt des Universaldienstes ........................................................... 550 VI. Die Maßnahmen zur Sicherung eines Universaldienstes ...................... 556 D. Gegenüberstellung des deutschen und des amerikanischen Regulierungssystems ........................................................................................................ 569 I. Gemeinsamkeiten und Unterschiede ...................................................... 569 II. Fazit und Ausblick ................................................................................ 571 Zusammenfassung der Ergebnisse .................................................................... 573 Literaturverzeichnis ........................................................................................... 582 Verzeichnis der Rechtsakte der EU ................................................................... 621 Sachverzeichnis ................................................................................................... 627
Inhaltsverzeichnis
Erster Teil
Grundlegung und Fixierung des Problemrahmens
37
Erstes Kapitel: Einleitung ................................................ .................................. 37 A. Gegenstand der Untersuchung .................................................................... 37 B. Anlaß der Untersuchung ............................................................................. 38 I. Rechtstatsächliche Determinanten .......................................................... 38
11. Rechtsnormative Determinanten ............................................................ 39
C. Problemaufriß ........................................................................................ ..... 39 I. Verfassungsrechtliche Analyseebene ...................................................... 39
11. Einfachgesetzliche Analyseebene ........................................................... 41 D. Fortgang der Untersuchung ........................................................................ 41 I. Zielsetzung ...... ................................................................. ...................... 41
11. Vorgehensweise ..................................................................................... 42
Zweites Kapitel: Der Geltungsbereich der Universaldienstgewllhrleistung ... 43 A. Der Terminus .. Telekommunikation" .......................................................... 43 I. Der Ursprung des Wortes "Telekommunikation" ................................... 44
Ir. Die Gründe flir die Aufnahme des Wortes "Telekommunikation" in das Grundgesetz ...................... ........................................................... 46 1. Anpassung an den internationalen Sprachgebrauch ...... .... ........... ...... 46 2. Öffnung der Begrifflichkeit flir die Aufnahme neuer Formen der Telekommunikation ........................................................................... 47 B. Der Inhalt der Telekommunikation .. ........ .............. ......... ............................. 48 /. Der Ausgangspunkt: Das Fernmeldewesen ............................................ 49
1. Überblick zu den wesentlichen Entscheidungen ....... .............. ........... 50 2. Die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Kriterien des Fernmeldewesens ............................................................................... 52
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Inhaltsverzeichnis a) In bezug auf den Übennittlungsgegenstand .... ...... ........................ 52 b) In bezug auf den Übennittlungsvorgang ...................................... 52 aa) Sachliche Komponente ........................................................... 52 bb) Zeitliche Komponente .................... ............................ ........... 53 c) In bezug auf den Übennittlungsweg ............................................. 54 3. Die vom Bundesverfassungsgericht gefonnte Definition des Fernmeldewesens ............................................................................... 55 II. Die konturierende Kraft der Merkmale des Fernmeldewesens flir Begriff und Bereich der Telekommunikation ....................................... 55 III. Erschütterung der überkommeneR Kriterien durch veränderte technologische Bedingungen und Möglichkeiten ................................. 58
I. Interdependenzen zwischen Recht und Technik ............ .................... 58 2. Die Ausgangssituation: Das Fernmeldewesen Mitte der siebziger Jahre ................................................................................................... 59 a) Funktionsdetenninierte Netze, Dienste und Endgeräte ................. 59 b) Trennung zwischen Telekommunikation und Datenverarbeitung. 60 3. Veränderung der Telekommunikation infolge der technologischen Entwicklung....................................................... .................................. 61 a) Fortschritte in der Basistechnologie .............................................. 61 aa) Leistungsfähigere Mikroelektronik .. ............................... ...... 61 bb) Digitalisierung der Infonnationsübennittlung ....................... 61 b) Auswirkungen auf die technologische Struktur der Telekommunikation ............................................................................ 62 aa) Hochkapazitäre multifunktionale Netze ................................ 62 bb) Komplexe multifunktionale Endeinrichtungen ...................... 64 c) Auswirkungen auf die ordnungsrechtlichen Vorgaben der Telekommunikation .... ............. ......... ......... ...... ........... .................. 66 aa) Konvergenz zwischen Telekommunikation und Datenverarbeitung ........................................................................... 66 bb) Konvergenz zwischen Diensten, Netzen und Endeinrichtungen .................................................................................... 67 IV. Beeinflussung des Begriffs und des Bereichs der Telekommunikation durch veränderte rechtliche Anforderungen und Vorgaben ................... 68 1. Überlagerung der überkommenen Kriterien und Grundsätze durch supranationale Vorgaben? .................................................................. 68 2. Veränderung der Telekommunikation infolge modifizierter verfassungsrechtlicher Bedingungen .... .................. ........... ................ 75 3. Konkretisierung des Begriffs der Telekommunikation durch einfachgesetzliche Regelungen .......... ........... ........... .......................... 78
Inhaltsverzeichnis
13
V. Festlegung des Begriffs und Ordnung des Bereichs der Telekommunikation in diesem veränderten Umfeld ..................................................... 80 I. Überholte Ordnungsmodelle .............................................................. 80 a) Trennung zwischen Individual- und Massenkommunikation als Grundlage für eine Eingrenzung der Telekommunikation .. .......... 81 b) Trennung zwischen Netzerrichtung und -betrieb sowie zwischen Diensteeinrichtung und -betrieb als Grundlage einer Regulierung der Telekommunikation ............ ....... ............ ................ ......... ....... 82 2. Inhalt und Grenzen des Begriffs der Telekommunikation .......... ....... 83 a) Die Bedeutung des Merkmals körperloser Nachrichtenübermittlung für den Telekommunikationsbegriff .... ........... ................ 83 b) Die Bestandteile des Merkmals körperloser Nachrichtenübermittlung ............ .......... .......... ......... ....... ....... ............ .......... ............ 84 aa) Der Übermittlungsgegenstand ........................................ ........ 84 bb) Der Übermittlungsvorgang .................................................... 85
(I) Körperlose Übertragung von Nachrichten ....................... 85 (2) Vermittlung oder Verteilung von Nachrichten ................. 87 (3) Zulässigkeit der Speicherung und Verarbeitung von Nachrichten .... .................... ..... ............... ..... ...... ............... 88 3. Struktur und Ordnung des Bereichs der Telekommunikation ...... ...... 89 a) Die Telekommunikationsdienste ....... ................................ ............ 89 b) Die Telekommunikationsnetze ..................................................... 91 c) Die Endeinrichtungen ................................................................... 92 VI. Abgrenzungen ... ...................... ........ ....... ...................... .......... ............... 95 I. Telekommunikation und Rundfunk .. ................... ............ .................. 96 2. Telekommunikation und Multimediadienste ..................................... 102 3. Telekommunikation und Postwesen .................................................. 110
Zweiter Teil
Die verfassungsrechtliche Gewährleistung eines Universaldienstes 112 Drittes Kapitel: Tatsächliche und rechtliche Determinanten einer Universaldienstgewährleistung ............................................... 112
A. Der Begriffdes Universaldienstes ............................................................... 112 I. Die Entstehungsgeschichte .................................................................... 112 11. Die Vorgaben für eine Begriffsfestlegung ............................................. 115 III. Die Elemente der Begriffiichkeit .......................................................... 115
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Inhaltsverzeichnis IV. Abgrenzungen ....................................................................................... 116 I. Universaldienst und Universaldienstgewährleistung ......................... 116 2. Universaldienstgewährleistung und Infrastruktursicherung ............... 117 B. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen .......................... 118
I. Die Merkmale des Art. 87 f Abs. I GG als Filter der universaldienstrelevanten Fakten .................................................................................. 118 H. Die bestehende Versorgungssituation ................................................... 119 I. Aus- und Umbau der Netze ................................................................ 119 a) Drahtgebundene Übertragungswege ............................................. 119 b) Drahtlose Übertragungswege ........................................................ 121 2. Steigerung der Übertragungskapazitäten und Nutzungsmöglichkeiten 121 3. Verbesserung der Qualität der Telekommunikationsdienstleistungen . 122 III. Die ökonomischen Bedingungen und Möglichkeiten ........................... 123 I. Die Bedeutung der Telekommunikation für die gesamtwirtschaftliche Lage ........................................................................................... 123 2. Die Wechselwirkungen zwischen technischer Innovation, wirtschaftlicher Progression und staatlicher Universaldienstgewährleistung ............................................................................................... 124 3. Die Auswirkungen der ökonomischen Bedingungen der Telekommunikation auf Inhalt und Umfang des Universaldienstes ......... 125 a) Hinsichtlich des Versorgungsraumes ............................................ 125 b) Hinsichtlich des Ausmaßes der Versorgung ................................. 128 c) Hinsichtlich der Kosten der Versorgung ....................................... 128 IV. Die gesellschaftlichen Bedürfnisse ....................................................... 13 I
C. Die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben im Bereich der Telekommunikation .......................................................................................................... 133 I. Grundzüge des europäischen Telekommunikationsrechts ..................... 133
H. Systematisierung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben für die Telekommunikation .............................................................................. 135 I. Einteilung anhand der ordnungspolitischen Ziele .............................. 136
2. Einteilung anhand der Regelungsgegenstände ................................... 137 3. Einteilung anhand der Vorgehensweise ............................................. 138 III. Die ordnungspolitischen Schritte im Bereich der Telekommunikation .. 138 I. Die rechtliche und tatsächliche Situation der Telekommunikation in der Gemeinschaft Mitte der achtziger Jahre als Ausgangspunkt .... 139 a) Umfassende staatliche Femmeldemonopole ................................. 139
Inhaltsverzeichnis
15
b) Keine Trennung zwischen hoheitlichen und betrieblichen Aufgaben ....................................................................................... 140 c) Überhöhte Gebühren ..................................................................... 141 2. Die ordnungspolitischen Ziele der Gemeinschaft .............................. 141 a) Liberalisierung .............................................................................. 142 b) Harmonisierung ............................................................................ 143 c) Universaldienstgewährleistung ..................................................... 144 3. Die ordnungspolitischen Maßnahmen der Gemeinschaft ................... 147 a) Aufhebung der ausschließlichen Rechte ....................................... 147 aa) In bezug auf Telekommunikationsendgeräte .......................... 148 (I) Sekundärrechtliche Vorgaben .......................................... 148 (2) Primärrechtliche Grundlage ............................................. 148 (3) Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen .............................................................................. 150 bb) In bezug auf Telekommunikationsdienste und -netze ............ 151 (I) Sekundärrechtliche Vorgaben .......................................... 151 (2) Primärrechtliche Grundlage ............................................. 154 (3) Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen .............................................................................. 158 b) Aufhebung der besonderen Rechte ............................................... 158 c) Trennung hoheitlicher und betrieblicher Funktionen .................... 160 aa) Sekundärrechtliche Vorgaben ................................................ 160 bb) Primärrechtliche Grundlage ................................................... 161 d) Angleichung der Bedingungen im Bereich der Telekommunikation auf der Grundlage der ONP-Konzeption ........................... 163 . aa) Der Begriff der ONP-Bedingungen ........................................ 163 bb) Die Ziele der ONP-Bedingungen ................................ ........... 163 cc) Der Inhalt der ONP-Bedingungen .......................................... 164 dd) Der Geltungsbereich der ONP-Bedingungen ......................... 166 e) Aufrechterhaltung und Fortentwicklung eines gemeinschaftlichen Universaldienstes ............................................................... 168 aa) Die rechtlichen Grundlagen eines gemeinschaftlichen Universaldienstes ................................................................... 168 bb) Die Universaldienstdefinition der Gemeinschaft ................... 169 cc) Die Universaldienstkonzeption der Gemeinschaft ................. 170 (I) Die maßgeblichen Grundsätze für eine Ausgestaltung des Universaldienstes ....................................................... 170
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Inhaltsverzeichnis (2) Die Wesensmerkmale des gemeinschaftlichen Universaldienstes ........................................................................ 171 a) Mindestgarantie ............................................................ 171
ß) Entwicklungsgarantie
................................................... 173
(3) Die Kriterien und Indikatoren für die Festlegung des gemeinschaftlichen Universaldienstes ............................. 174 dd) Der Inhalt des gemeinschaftlichen Universaldienstes ............ 175 (I) Die Art der Dienstleistungen ............................................ 175 (2) Der Umfang der Dienstleistungen .................................... 178 (3) Die Qualität der Dienstleistungen .................................... 179 (4) Der Preis der Dienstleistungen ......................................... 180 ee) Die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben für die Gewährleistung eines Universaldienstes durch die Mitgliedstaaten ... 182 (I) Universaldienstgewährleistung durch Sicherung und Förderung von Wettbewerb ............................................. 182 (2) Universaldienstgewährleistung durch Universaldienstauflagen im Rahmen von Genehmigungsverfahren ......... 183 (3) Universaldienstgewährleistung durch Zusarnmenschaltung von Telekommunikationsnetzen und Interoperabilität von Telekommunikationsdiensten ......................... 185 (4) Universaldienstgewährleistung durch Festlegung einheitlicher Grundsätze und Verfahren für die Ermittlung der Kosten von Universaldienstleistungen und für ihre Finanzierung .................................................................... 185 D. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben im Bereich der Telekommunikation .. 189 I. Die Struktur der telekommunikationsbezogenen Bestimmungen des Grundgesetzes ......................................................................................... 189
1. Überblick zu den einschlägigen Regelungen ..................................... 189 2. Systematisierung der telekommunikationsbezogenen Verfassungsnormen ............................................................................................... 189 a) Inhaltliche Verbindungslinien ....................................................... 190 b) Strukturelle Unstimmigkeiten ....................................................... 192 11. Die Anordnung einer Aufgabenprivatisierung durch Art. 87 f Abs. 2 Satz I GG ............................................................................................... 194 I. Tatbestandsmerkmale ......................................................................... 194 a) Dienstleistungen im Bereich der Telekommunikation .................. 194 aa) Der Begriff "Dienstleistung" .................................................. 194 bb) Der Begriff "Telekommunikationsdienstleistung" ................. 195
Inhaltsverzeichnis
17
b) Erbringen als privatwirtschaftliche Tätigkeit ................................ 196
aal Angebot und Ausführung der Dienstleistungen
..................... 196
bb) Privatwirtschaftliche statt private Tätigkeit ........................... 197 c) Durch die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen und andere private Anbieter .... 200
aal Die Deutsche Telekom AG als Nutznießerin der Verfassungsgarantie des Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG ................... 201 (I) Die von Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG erfaßten Unternehmensteile .................................................................... 201 (2) Die verfassungsrechtlichen Vorgaben in bezug auf das Eigentum des Bundes an der Deutschen Telekom AG .... 202 bb) Andere private Anbieter als Nutznießer der Verfassungsgarantie des Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG ................................. 203 (I) Der Inhalt des Merkmals "private Anbieter" .................... 203
(2) Öffentliche und gemischt-wirtschaftliche Unternehmen als private Anbieter .......................................................... 203 (3) Ausländische Unternehmen als private Anbieter ............. 205 2. Verfassungsrechtliche Grundsatzentscheidungen und ihre Konsequenzen für das ordnungspolitische Umfeld ............................ 206 a) Anordnung einer Aufgabenprivatisierung .................................... 206 aa) Die Begriffsmerkmale einer Aufgabenprivatisierung ............. 206 bb) Art. 87 f Abs. 2 Satz I GG - eine angestrebte, aber zunächst noch nicht vollendete echte Aufgabenprivatisierung .............. 208 (I) Anforderungen an eine "echte" Aufgabenprivatisierung ... 209 (2) Einschränkung der Aufgabenprivatisierung in folge des Bundeseigentums an der Deutschen Telekom AG? ......... 210 (3) Einschränkung der Aufgabenprivatisierung infolge fortbestehender Monopole? ............................................. 211 (4) Einschränkung der Aufgabenprivatisierung infolge staatlicher Universaldienstgewährleistung? ..................... 211 cc) Die Folgen der Privatisierungsentscheidung in Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG für die Deutsche Telekom AG und andere private Anbieter .......................................................... 214 (I) Handlungsspielraum der Deutschen Telekom AG ........... 214 (2) Handlungsformen der Deutschen Telekom AG ............... 215 (3) Handlungsspielraum anderer privater Anbieter ................ 216 (4) Handlungsformen anderer privater Anbieter .................... 216 dd) Die Folgen der Privatisierungsentscheidung in Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG für Bund und Länder ................................. 217
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Inhaltsverzeichnis b) Zulassung und Förderung von Wettbewerb .................................. 219 aa) Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG als Grundsatzentscheidung für eine Öffnung des Bereichs der Telekommunikation für den Wettbewerb ............................................................................ 219 bb) Zu1ässigkeit fortbestehender Monopole ................................. 221 cc) Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG als Grundsatzentscheidung für eine Wettbewerbsgleichheit im Bereich der Telekommunikation .225 (I) Der Inhalt der Wettbewerbsgleichheit .............................. 225
(2) Gefahrdung der Wettbewerbsgleichheit wegen fehlender Wettbewerbsfahigkeit der Deutschen Telekom AG? ........ 226 (3) Gefahrdung der Wettbewerbsgleichheit wegen fehlender Grundrechtsfahigkeit der Deutschen Telekom AG? ......... 226 (4) Gefahrdung der Wettbewerbsgleichheit wegen einer marktbeherrschenden Stellung der Deutschen Telekom AG? ... 232 III. Der Verfassungsauftrag einer Organisationsprivatisierung gemäß Art. 143 b Abs. 1 GG ............................................................................ 233 1. Tatbestandsmerkmale ......................................................................... 233 a) Das Sondervermögen Deutsche Bundespost als Umwandlungsgegenstand .................................................................................... 233 b) Unternehmen privater Rechtsform als Umwandlungsergebnis ..... 234 aa) Der Unternehmensbegriff ....................................................... 234 bb) Die geeignete Rechtsform der Unternehmen ......................... 235 cc) Die Anzahl der Unternehmen ................................................. 236 c) Umwandlung nach Maßgabe eines Bundesgesetzes ..................... 237 aa) Die Qualität und Anzahl der Gesetze ..................................... 237 bb) Die Gesetzgebungskompetenz ............................................... 237 cc) Die Gesetzgebungspflicht ...................................................... 238 2. Verfassungsrechtliche Grundsatzentscheidungen und ihre Konsequenzen für das ordnungspolitische Umfeld ............................ 239 a) Die Umwandlung des Sondervermögens Deutsche Bundespost - eine Organisationsprivatisierung ................................................ 239 aa) Die Begriffsmerkrnale einer Organisationsprivatisierung ...... 239 bb) Art. 143 b Abs. 1 Satz 1 GG - eine besondere Form der Organisationsprivatisierung ................................................... 240 b) Die Umwandlungsanordnung - ein Gesetzgebungsauftrag unter Maßgabevorbehalt ........................................................................ 241
E. Die gemeinschaftsrechtlichen Einwirkungen auf verfassungsrechtliche Vorgaben im Bereich der Telekommunikation ............................................. 243 I. Unterschiede zwischen dem gemeinschaftsrechtlichen und dem verfassungsrechtlichen Ordnungsmodell ............................................... 244
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II. Art und Ausmaß der Beeinflussung verfassungsrechtlicher Regelungen durch gemeinschaftsrechtliche Vorgaben .................................. 244 I. In bezug auf die Gewährleistung eines Universaldienstes ................. 244 2. In bezug auf die Privatisierung .......................................................... 245 3. In bezug auf die Liberalisierung ........................................................ 246 Viertes Kapitel: Die Gewährleistung eines Universaldienstes gemäß Art. 87 f Abs. 1 GG ..................................................... 247 A. Die rechtsdogmatischen Grundlagen .......................................................... 247
1. Der Universaldienst als Ausprägung des Gemeinwohls ......................... 247 1. Das Gemeinwohl - ein Leitbild .......................................................... 247 2. Der Universaldienst - eine Grundversorgung im Interesse des Gemeinwohls ..................................................................................... 248 11. Die Gewährleistung eines Universaldienstes als Ausdruck veränderter Wahrnehmung der Gemeinwohlverantwortung ..................................... 249 I. Die Gemeinwohlverantwortung - eine komplementäre Pflicht von Staat und Gesellschaft ........................................................................ 249 2. Die Verteilung der Gemeinwohlverantwortung im Bereich der Telekommunikation im Spiegel der Zeiten ........................................ 252 a) Von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum lnkrafttreten des Grundgesetzes ............................................................................... 252 b) Vom lnkrafttreten des Grundgesetzes bis zu den Verfassungsänderungen im Rahmen der Postreform II ................................... 253 c) Die Umformung des grundgesetzlichen Verteilungsplans durch die Verfassungsänderungen im Rahmen der Postreform II ........... 254 III. Die Gewährleistung eines Universaldienstes durch Art. 87 f Abs. 1 GG - eine Ausprägung des Sozialstaatsprinzips .......................................... 258 1. Die Zuordnung der Universaldienstgewährleistung zur Sozialstaatlichkeit ........................................................................................ 258 2. Weitergehende Gewährleistungen aufgrund des Sozialstaatsprinzips? .............................................................................................. 260 B. Der Inhalt des durch Art. 87f Abs. I GG gewährleisteten Universaldienstes ....................................................................................................... 262
1. Die verfassungsrechtlichen Konturen des Universaldienstes .................. 262 1. Der Bedeutungsgehalt der Merkmale des Art. 87 f Abs. 1 GG .......... 262 a) Dienstleistungen im Bereich der Telekommunikation .................. 263 aa) Darstellung der unterschiedlichen Interpretationslinien ......... 263 bb) Ablehnung einer weiten Auslegung, die alle durch Telekommunikation übermittelten Dienstleistungen umfaßt ........ 264
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Inhaltsverzeichnis cc) Begrenzung auf eine enge Auslegung, die nur Dienstleistungen der Telekommunikation beinhaltet ....................... 266 b) Flächendeckend ............................................................................ 268 c) Angemessen .............. ..... .. ... .. ... .. ...... ....... .. .... .. ... .. ...... .. ........ .. ....... 272 d) Ausreichend .................................................................................. 272 2. Das Zusammenwirken der Merkmale des Art. 87 f Abs. I GG ......... 272 11. Der Gegenstand des Universaldienstes ................................................... 274 I. Vorgaben für die Zuordnung von Dienstleistungen zum Universaldienst .................................................................................................. 274 a) Die Qualifizierung des Universaldienstes als verfassungsrechtlich gebotene Grundversorgung .................................................... 274 aa) Der Begriff der Grundversorgung im Bereich der Telekommunikation ...................................................................... 274 bb) Die Grundversorgung - eine verfassungsdetenninierte Mindestversorgung ................................................................ 276 cc) Der Universaldienst als historisch gewachsene, dynamisch fortzuentwickelnde Grundversorgung .................................... 277 b) Der Maßstab für die Zuordnung von Dienstleistungen zum Universaldienst ............................................................................. 279 c) Die Kriterien für die Zuordnung von Dienstleistungen zum Universaldienst ............................................................................. 281 2. Bestandsaufnahme der zum verfassungsrechtlich gewährleisteten Universaldienst gehörenden Dienstleistungen .................................... 285 a) Essentielle selbständige Dienstleistungen ...... .. ............................. 285 aa) Angebot eines Sprachtelefondienstes ...................... .... ........... 285 bb) Bereitstellung von Übertragungswegen ................................. 286 b) Akzessorische unselbständige Dienstleistungen ........................... 291 aa) Auskunfterteilung über Rufnummern .................................... 292 bb) Herausgabe von Teilnehmerverzeichnissen ........................... 293 cc) Bereitstellung öffentlicher Telefone ....................................... 293 dd) Nutzung unabdingbarer Ressourcen? .................................... 295 BI. Der Umfang des Universaldienstes ....................................................... 300 \. Flächendeckende Dienstleistungen .................................................... 301 2. Angemessene und ausreichende Dienstleistungen ............................. 301 C. Der Inhalt der durch Art. 87 f Abs. 1 GG begründeten Pflicht zur Gewährleistung eines Universaldienstes ..................................................... 304
I. Der Regelungsgehalt ............................................................................... 304 I. Gewährleistungspflicht ...................................................................... 304
Inhaltsverzeichnis
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a) Universaldienstgewährleistung als Rechtspflicht des Bundes ...... 304 b) Verfassungsrechtlicher Anspruch des einzelnen auf Gewährleistung eines Universaldienstes? ................................................. 309 c) Anspruch des einzelnen aus einfachgesetzlicher Gewährleistung eines Universaldienstes? ................................................. 311 2. Maßgabevorbehalt ............................................................................. 312 a) Begriff und Entstehung ...................... .. ......................................... 312 b) Inhalt des Maßgabevorbehalts ...................................................... 314 aa) Die Quantität der vorbehaltenen Gesetze ............................... 314 bb) Die Qualität der vorbehaltenen Gesetze ................................. 315 (I) Förmliche und/oder materielle Gesetze ............................ 316 (2) Künftige und/oder bestehende Gesetze .................. :......... 319 (3) Bundesgesetze .................................................................. 321
c) Bedeutungsdimensionen des Maßgabevorbehalts ......................... 322 aa) Vorbehalt des Gesetzes .......................................................... 322 bb) Qualifizierter Ausgestaltungsvorbehalt ................................. 326 cc) Grundrechtsbegrenzung? ........................................................ 332 3. Zustimmungsvorbehalt ...................................................................... 336 11. Die verfassungsdogmatische Kategorisierung ........................................ 339 1. Verfassungsauftrag ............................................................................ 339 2. Staatszielbestimmung ......................................................................... 341 3. Gesetzgebungsauftrag ........................................................................ 344 4. Einrichtungsgarantie .......................................................................... 346 D. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben fiir die Umsetzung der Verpflichtung zllr Gewährleistung eines Universaldienstes .............................................. 349
I. Die staatlichen Einflußnahmemöglichkeiten ........................ ...... ............ 350 1. Universaldienstgewährleistung durch Regulierung ........................... 350 a) Der Begriff der Regulierung ......................................................... 350 b) Die Zulässigkeit und die Bedeutung der Regulierung für die Gewährleistung eines Universal dienstes ....................................... 350 c) Die Ziele, Gegenstände und Adressaten der durch Art. 87 f Abs. 1 GG zugelassenen Regulierung ........................................... 352 d) Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die durch Art. 87 f Abs. 1 GG zugelassene Regulierung .............................. 353 2. Universaldienstgewährleistung im Rahmen einer Beteiligungsverwaltung ......................................................................................... 354 a) Der Begriff der Beteiligungsverwaltung ................ .. ..................... 354
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Inhaltsverzeichnis b) Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Gewährleistung eines Universaldienstes mit Mitteln der Beteiligungsverwaltung ............ 354 c) Die einfachgesetzlichen Möglichkeiten der Gewährleistung eines Universaldienstes mit Mitteln der Beteiligungsverwaltung ............ 357 3. Verhältnis zwischen einer Universaldienstgewährleistung durch Regulierung und mittels Beteiligungsverwaltung .............................. 362 II. Die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen .................................... 363 I. Art. 73 Nr. 7 GG ................................................................................ 364 2. Art. 87 f Abs. I GG ............................................................................ 365 3. Art. 143 b Abs. I GG ......................................................................... 365 III. Die Verteilung der Verwaltungskompetenzen und die Vorgaben hinsichtlich der Organisationsform ....................................................... 366 I. Unmittelbare Bundesverwaltung bei Hoheitsaufgaben gemäß Art. 87 f Abs. 2 Satz 2 GG ................................................................. 366 a) Hoheitsaufgaben im Bereich der Telekommunikation .................. 367 aa) Der Begriff und der Inhalt der Hoheitsaufgaben des Art. 87 f Abs. 2 Satz 2 GG ..................................................... 367 bb) Die rechtlichen Mittel zur Wahrnehmung der Hoheitsaufgaben des Art. 87 f Abs. 2 Satz 2 GG ............................... 369 cc) Die Gewährleistung eines Universaldienstes - eine Hoheitsaufgabe im Sinne des Art. 87 f Abs. 2 Satz 2 GG? ................ 370 dd) Sonstige Hoheitsaufgaben im Bereich der Telekommunikation ..................................................................................... 372 b) Ausführung der Hoheitsaufgaben in bundeseigener Verwaltung ... 372 aa) Verwaltungskompetenz des Bundes ....................................... 372 bb) Unmittelbare Bundesverwaltung mit oder ohne eigenen Verwaltungsunterbau ............................................................. 373 (I) Der Begriff der bundeseigenen Verwaltung ..................... 373
(2) Die Zulässigkeit rechtlicher Ausgliederungen ................. 374 (3) Die Zulässigkeit von Organisationsgebilden unterhalb der Ebene einer rechtlichen Verselbständigung ................ 375 a) Der Infrastrukturrat ...................................................... 375
ß) Der Regulierungsrat
..................................................... 376
y) Der Beirat ...................................................................... 377
cc) Wahrnehmungspflicht in bezug auf die Hoheitsaufgaben ...... 379 2. Mittelbare Bundesverwaltung bei einzelnen Aufgaben gemäß Art. 87 f Abs. 3 GG ............................................................................ 380 a) Einzelne Aufgaben in bezug auf die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen ............... 380 b) Ausführung in mittelbarer Bundesverwaltung .............................. 385
Inhaltsverzeichnis
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Dritter Teil
Die gesetzlichen Regulierungsmodelle in Deutschland und in den Vereinigten Staaten von Amerika
388
Fünftes Kapitel: Das deutsche Regulierungsmodell ......................................... 388 A. Veränderungen im Rahmen der Postreformen ............................................ 388 I. Die Postreform I ..................................................................................... 389 I. Ursachen und Ziele ............................................................................ 389 2. Gesetzliche Ausgestaltung der ordnungspolitischen Leitlinien ......... 389 a) Umstrukturierung der Deutschen Bundespost .............................. 389 b) Trennung hoheitlicher und unternehmerischer Funktionen .......... 390 c) Daseinsvorsorge aufgrund von Monopol- und Pflichtleistungen .. 391 II. Die Postreform II .................................................................................... 394 I. Ursachen und Ziele ............................................................................ 394 2. Gesetzliche Ausgestaltung der ordnungspolitischen Leitlinien ......... 396 a) Organisationsprivatisierung gemäß dem PostUmwG ................... 396 b) Regulierung aufgrund des PTRegG .............................................. 398 B. Ordnungspolitische Vorgaben des Telekommunikationsgesetzes ................ 401 I. Die Entstehung des Telekomrnunikationsgesetzes ................................. 401 II. Der GeItungsbereich des Telekomrnunikationsgesetzes ......................... 404 I. In sachlicher Hinsicht ................................................................... 404 2. In zeitlicher Hinsicht ..................................................................... 406 III. Die Regulierungsziele des Telekomrnunikationsgesetzes ..................... 409 I. Die Verbindungslinien zwischen den einzelnen Regulierungszielen .. 409 2. Die spezifischen Merkmale der Regulierung ..................................... 409 3. Die universaldienstrelevanten Regulierungsziele .............................. 411 a) Sicherstellung eines chancen gleichen und funktionsfahigen Wettbewerbs im gesamten Bundesgebiet ...................................... 411 b) Sicherstellung einer flächendeckenden Grundversorgung zu erschwinglichen Preisen ................................................................ 412 c) Förderung von Telekomrnunikationsdiensten bei öffentlichen Einrichtungen ................................................................................ 414 IV. Die Regulierungsgegenstände des Telekomrnunikationsgesetzes ......... 415 I. Die Lizenzierung ................................................................................ 416 a) Der Iizenzpflichtige Bereich ......................................................... 416 b) Die Lizenzerteilung ...................................................................... 418
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Inhaltsverzeichnis 2. Die Entgeltregulierung ....................................................................... 427
3. Der offene Netzzugang ....................................... .. ............................. 430
4. Die Organisation der Regulierung ..................................................... 438 a) Die Notwendigkeit einer besonderen Regulierungsbehörde ......... 438 b) Die Organisationsform der Regulierungsbehörde ......................... 440 c) Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde ............................. 443 V. Die Gewährleistung eines Universaldienstes gemäß dem Telekommunikationsgesetz .......................................................................................... 446
I. Das Zusammenwirken der universaldienstbezogenen Regelungen des Telekommunikationsgesetzes ...................................................... 446 2. Der im Telekommunikationsgesetz vorgesehene Universaldienst ..... 447 a) Der Begriff des Universaldienstes ................................................ 447 b) Die Merkmale des Universaldienstes ............................................ 448 c) Das Verfahren und die Kriterien zur Festlegung des Universaldienstes ......................................................................................... 449 d) Der Inhalt und der Umfang des Universaldienstes ....................... 452 aa) Die Art der Dienstleistungen .................................................. 452 bb) Die Quantität und die Qualität der Dienstleistungen ............. 454 cc) Die Preise der Dienstleistungen ............................................. 456
3. Die Maßnahmen zur Sicherung eines Universaldienstes nach dem Telekommunikationsgesetz ................................................................ 458 a) Die Begründung einer Universaldienstpflichtigkeit ...................... 458 b) Die Auferlegung von Pflichten zur Erbringung von Universaldienstleistungen ............................................................................ 462 c) Die Festlegung von Ausgleichsleistungen und Finanzierungspflichten für Universaldienstleistungen ........................................ 471 Sechstes Kapitel: Das amerikanische Regulierungsmodell ............................. 484
A. Grundlegung ................................................................................................ 484 I. Verbindungslinien zwischen der Ordnung der Telekommunikation
in Deutschland und in den USA ............................................................. 484 11. Überblick zur geschichtlichen Entwicklung ........................................... 486 I. Die Situation vor Inkrafttreten des Communications Act of 1934: Machtagglomeration des Bell Systems .............................................. 486 2. Die Entwicklung bis zum Telecommunications Act of 1996: Zerschlagung des Bell Systems und weitere Schritte zur Regulierung der Telekommunikation ............................................................. 488 3. Die Veränderungen aufgrund des Telecommunications Act of 1996 .. 496
Inhaltsverzeichnis
25
a) Die Entstehungsgeschichte ........................................................... 496 b) Die ordnungspolitischen Leitlinien ............................................... 497 aa) Sicherung und Förderung von Wettbewerbsmärkten ............. 497 bb) Aufrechterhaltung und Fortentwicklung eines Universaldienstes .................................................................................. '499
B. Bundesgesetzliche Vorgaben for die Regulierung der Telekommunikation .. 500 I. Der Untersuchungsgegenstand ............................................................... 500 11. Die Struktur der Regulierung ................................................................. 501 1. Umfangreicher Gestaltungsspielraum der Behörden und Gerichte .... 502 2. Unterschiedliche Regulierungskompetenzen für zwischenstaatliche und innerstaatliche Telekommunikation ............................................ 502 3. Unterschiedliche Regulierungsvorgaben entsprechend dem Status der Unternehmen ................................................................................ 503 a) Common Carrier-Regulierung ...................................................... 504 b) Besondere Regulierungsvorgaben für Bell Operating Companies . 506 III. Die Gegenstände der Regulierung ........................................................ 508 1. Die Lizenzregulierung ....................................................................... 509 2. Die Entgeltregulierung ....................................................................... 510 3. Die Regulierung der Zusammenschaltung und des offenen Netzzugangs .............................................................................................. 512 IV. Die Organisation der Regulierung ........................................................ 516 1. Die Federal Communications Commission ........................................ 516 a) Weitreichende Entscheidungsmacht ............................................. 516 b) Organisatorische, personelle und sachliche Unabhängigkeit ........ 517 2. Die Public Utility Commissions ........................................................ 518
C. Gewährleistung eines Universaldienstes im Bereich der Telekommunikation .......................................................................................................... 519 /. Die ordnungspolitischen Ziele ............................................................... 519 11. Der Begriff des Universaldienstes ......................................................... 522 111. Das Verfahren zur Festlegung des Universaldienstes und der seiner Gewährleistung dienenden Vorkehrungen ............................................ 524 IV. Die inhaltliche Ausgestaltung der Universaldienstgewährleistung ....... 527 I. Die Grundsätze für die Festlegung und Sicherung eines Universaldienstes ............................................................................................... 527 a) Die Regelungssystematik des § 254 (b) Communications Act ..... 527 b) Der Inhalt der Universaldienstprinzipien ...................................... 528
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Inhaltsverzeichnis aa) Qualitätsdienste zu gerechten, angemessenen und erschwinglichen Preisen ......................................................................... 528 bb) Flächendeckender Zugang zu fortgeschrittenen Telekommunikations- und Informationsdiensten ...................................... 534 cc) Vergleichbare Zugangsbedingungen und -möglichkeiten in kostenintensiven Gebieten und für Nutzer mit geringem Einkommen ............................................................................ 535 dd) Besondere Förderung von Schulen, Bibliotheken und Anbietem von Gesundheitsdiensten ....................................... 540 ee) Spezifische und berechenbare Ausgestaltung des Mechanismus zur Sicherung und Förderung eines Universaldienstes ... 544 ff) Wettbewerbsneutralität ........................................................... 545 2. Die Kriterien für die Zuordnung von Telekommunikationsdiensten zum Universaldienst ........................................................................... 548 V. Der Inhalt des Universaldienstes ............................................................ 550 I. Die regulatorischen Vorgaben bezüglich Art, Qualität und Preis der Dienste ......................................................................................... 550
2. Die Telekommunikationsdienste des allgemeinen Universaldienstes . 550 a) Bereitstellung eines zur Sprachübermittlung geeigneten Zugangs zum öffentlichen Telekommunikationsnetz über einen EinzeIanschluß ........................................................................................ 551 b) Signalübermittlung mittels DTMF oder eines funktionalen Äquivalents .................................................................................. 552 c) Zugang zu Not-, Vermittlungs- und Auskunftsdiensten ............... 553 3. Die Telekommunikationsdienste des erweiterten Universaldienstes .. 555 VI. Die Maßnahmen zur Sicherung eines Universaldienstes ...................... 556 I. Die Wesensmerkmale der Universaldienstgewährleistung ................ 556
2. Die beitragspflichtigen Unternehmen ................................................ 557 3. Die unterstützungsberechtigten Unternehmen ................................... 562 4. Die mittelverwaltende Stelle .............................................................. 568 D. Gegenüberstellung des deutschen und des amerikanischen Regulierungssystems ........................................................................................................ 569 I. Gemeinsamkeiten und Unterschiede ....................................................... 569
11. Fazit und Ausblick ................................................................................. 571
Zusammenfassung der Ergebnisse .................................................................... 573 Literaturverzekhnis ................................................................................... 582 Verzekhnis der Rechtsakte der EU ............................................................. 621 Sachverzeichnis .......................................................................................... 627
Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O.
a. D. a. E. a. F. ABI ABlEG Abs. Abschn. ACRO ÄndG AfP AK-GG
AktG
All ANGA ANI Anm. AöR ArchPF ArchPT Art. AT&T Aufl. AuR BAkkrV
anderer Ansicht am angegebenen Ort außer Dienst am Ende alte Fassung Amtsblatt Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz Abschnitt Access Charge Reform Order vom 07.05.1997, First Report and Order, FCC 97-158 Änderungsgesetz Archiv für Presserecht Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Reihe Alternativkommentare, Axel Azzola u. a., Gesamtherausgeber: Rudolf Wassermann, 2 Bände, 2. Auflage, Neuwied 1989 Aktiengesetz vom 06.09.1965, BGBI I, S. 1089, zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes zur Neuregelung des Kaufmanns- und Firmenrechts und zur Änderung anderer handels- und gesellschaftsrechtlicher Vorschriften (Handelsrechtsreformgesetz - HRefG) vom 22.06.1998, BGBI I, S. 1474 Automatie Location Information Verband Privater Kabelnetzbetreiber e. V. Automatie Numbering Information Anmerkung Archiv des öffentlichen Rechts Archiv für Post- und Fernmeldewesen Archiv für Post und Telekommunikation Artikel American Telephone and Telegraph Company Auflage Arbeit und Recht, Zeitschrift für Arbeitsrechtspraxis Verordnung über die Anforderungen und das Verfahren rur die Beleihung von benannten Stellen und für die Akkreditierung von Testlabors rur Endeinrichtungen und Prüfstellen rur Qualitätssicherungssysteme auf dem Gebiet der Telekommunikation (Beleihungsund Akkreditierungsverordnung - BAkkrV) vom 10.12.1997, BGBI I, S. 2905
28 BAPostG
BAPT Bay, bay BayVBI BB Bbg, bbg Bd. BegleitG Berl, berl BGBI Bit, bit BMPT BOC BR BR-Drs. Brem, brem BT BT-Drs. BVerfG BVerfGE BVelWG BVelWGE BW,bw bzw. ca. CC CCL CDU CPE CR CSU DB DBP D. C. DDR DEM ders.
d. h. dies.
Abkürzungsverzeichnis Gesetz über die Errichtung der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost (Bundesanstalt Post-Gesetz BAPostG), BGBI I, S. 2325, zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 30 BegleitG vom 17.12.1997, BGBI I, S. 3108 Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Bayern, bayerisch Bayerische VelWaltungsblätter Betriebs-Berater Brandenburg, brandenburgisch Band, Bände Begleitgesetz zum Telekommunikationsgesetz (BegleitG) vom 17.12.1997, BGBI I, S. 3108 Berlin, berlinerisch Bundesgesetzblatt Binary digit (lnforrnationseinheit) Bundesministerium für Post und Telekommunikation Bell Operating Company Bundesrat Bundesratsdrucksache Bremen, bremisch British Telecom, Deutscher Bundestag Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BundesvelWaltungsgericht Entscheidungen des BundesvelWaltungsgerichts Baden-W ürttemberg, baden-württembergisch beziehungsweise circa Commission Council Common Carrier Line Christlich-Demokratische Union (Deutschlands) Customer Premises Equipment Computer und Recht Christlich-Soziale Union Der Betrieb Deutsche Bundespost District of Columbia Deutsche Demokratische Republik Dia) Equipment Minute derselbe das heißt dieselben
Abkürzungsverzeichnis DirRufV
Diss. DJT DM DÖV DRiZ Drs. DRZ DTMF DuR DVBI DZWir E
ebda EG EGVa. F.
EGV n. F.
Erstbearb. et seq. EU EuR EUV
EuZW e. V.
EWG f.
FAG
F.C.C. F.D.P.
29
Verordnung über das öffentliche Direktrufnetz für die Übertragung digitaler Nachrichten (Direktrufverordnung - DirRufV) vom 24.06. 1974, BGBI I, S. 1325 Dissertation Deutscher Juristentag Deutsche Mark Die Öffentliche Verwaltung Deutsche Richterzeitung Drucksache Deutsche Rechts-Zeitschrift Dial-Tone Multifrequency Signal Demokratie und Recht Deutsches Verwaltungsblatt Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Entscheidung, Entwurf eben da Europäische Gemeinschaft, Europäische Gemeinschaften Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25.03.1957, BGBI 11, S. 766 (Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft) in der Fassung des EUV vom 07.02.1992 (Vertrag von Maastricht), BGBI 11, S. 1253 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25.03.1957, BGBI 11, S. 766 (Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft) in der Fassung des EUV vom 02.10.1997 (Vertrag von Amsterdam), BGBI 1998 11, S. 386 Erstbearbeiter, Erstbearbeitung et sequentes (und folgende) Europäische Union Europarecht Vertrag über die Europäische Union vom 07.02.1992 (Vertrag von Maastricht), BGBI 11, S. 1253, zuletzt geändert durch den Vertrag von Amsterdam zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte vom 02.10.1997, BGBI 1998 11, S. 386 Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht eingetragener Verein Europäische Wirtschaftsgemeinschaft folgende Gesetz über Fernmeldeanlagen in der Fassung der Bekanntmachung vom 03.07.1989, BGBI I, S. 1455, zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 35 BegleitG vom 17.12.1997, BGBII, S. 3108 Federal Communications Commission Freie Demokratische Partei (Deutschlands)
30
ff. FO F.R.C. F.SJ.8. Fußn.
G GaststG
GATS
GATT GBI gern. GewArch GewO
GG GG-ÄndG-E ggfs. grds. GVBI GVK GWB HandwO
Hbg, hbg Hess, hess h. M. Hrsg. Hs. HStR I, 111 - V
Abkürzungsverzeichnis fortfolgende Fernmeldeordnung in der Fassung vom 05.05.1971, BGBI I, S. 543 Federal Radio Commission Federal-State Joint Board on Universal Service Fußnote Gesetz Gaststättengesetz vom 05.05.1970, BGBI I, S. 465, zuletzt geändert durch Art. 2 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung und sonstiger gewerberechtlicher Vorschriften vom 16.06.1998, BGBI I, S. 1291 General Agreement on Trade in Services (Allgemeines Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen), BGBI 1994 II, S. 1643 General Agreement on Tariffs and Trade (Allgemeines Zoll- und Handelsübereinkommen ) Gesetzblatt gemäß Gewerbearchiv Gewerbeordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 01.01.1987, BGBI I, S. 425, zuletzt geändert durch Art. 1 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung und sonstiger gewerberechtlicher Vorschriften vom 16.06.1998, BGBI I, S. 1291 Grundgesetz Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes gegebenenfalls grundsätzlich Gesetz- und Verordnungsblatt Gemeinsame Verfassungskommission Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 26.08.1998, BGBI I, S. 2546 Handwerksordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 28.12.1965, BGBI 1966 I, S. 1, zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EWG) NT. 2186/83 des Rates vom 22. Juli 1993 über die innergemeinschaftliche Koordinierung des Aufbaus von Unternehmensregistern für statistische Verwendungszwecke vom 16.06.1998, BGBI I, S. 1300 Hamburg, hamburgisch Hessen, hessisch herrschende Meinung Herausgeber Halbsatz Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, herausgegeben von Josef lsensee und Paul Kirchhof, Heide1berg, Bd. I, 2. Aufl. 1995, Bd. III, 2. Aufl. 1996, Bd. IV, 1990, Bd. V, 1992
Abkürzungsverzeichnis
I.C.c. i. d. R. i. e. S. ILEC insb. i. S. d. ISDN
i. S. v. ITU IuKDG
i.V.m. i.w.S. IXC JA JbDBP JbStuVw Jura JuS
JZ Kap. kHz KJ km2
krit. LATA LCO LEC
lit. LTS MDStV
MFJ
31
Interstate Commerce Commission in der Regel im engeren Sinne Incumbent Local Exchange Carrier insbesondere im Sinne des Integrated Services Digital Network (diensteintegrierendes digitales Netzwerk) im Sinne von International Telecommunication Union (Internationale Fernmeldeunion) Gesetz zur Regelung der Rahmenbedingungen für Informations- und Kommunikationsdienste (lnformations- und Kommunikationsdienste-Gesetz - IuKDG) vom 22.07.1997 (BGBI 1997 I, S. 1870) in Verbindung mit im weiteren Sinne Interexchange Service Carrier Juristische Arbeitsblätter Jahrbuch der Deutschen Bundespost Jahrbuch für Staats- und Verwaltungswissenschaft Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristenzeitung Kapitel Kilohertz Kritische Justiz Quadratkilometer kritisch Local Access and Transport Area Local Competition Order, First Report and Order, 11 FCC Rcd 15499 (1996), ce Docket No. 96-98 Local Exchange Carrier littera (Buchstabe) Long-Term Support Staatsvertrag über Mediendienste (Mediendienste-Staatsvertrag) vom 01.08.1997, abgedruckt in BWGBI 1997, S. 181; BayGVBI 1997, S. 225; BerlGVBl 1997, S. 360; BbgGVBl 1997 I, S. 75; BremGB11997, S. 205; HbgGVB11997, S. 253; HessGVB11997, S. 134; MVGVBI 1997, S. 242; NdsGVBI 1997, S. 280; NWGVBI 1997, S. 158; RhPfGVBI 1997, S. 235; SaarlABI 1997, S. 641; SachsAnhGVBI 1997, S. 572; SachsGVBI 1997, S. 500; SchlH GVB11997, 318; ThürGVB11997, S. 258 Modified Final Judgement
32 MMR Mrd. MV,mv m.w.N. MwSt NAFTA Nds, nds NECA n. F. NJW NJW-CoR No. NPRM Nr. NVwZ NW,nw NWVBI NZV ONA ONP OVG PC PostG PostPersRG
PostStruktG
PostUmwG
PostVerfG
PostVcrwG Prot.
Abkürzungsverzeichnis Multimedia und Recht - Zeitschrift rur Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht Milliarde, Milliarden Mecklenburg-Vorpommern, mecklenburg-vorpommerisch mit weiteren Nachweisen Mehrwertsteuer North American Free Trade Agreement Niedersachsen, niedersächsisch National Exchange Carrier Association neue Fassung, neue Folge Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift-Computerreport Number (Nummer) Notice ofProposed Rulemaking and Order Establishing Joint Board Nummer, Nummern Neue Zeitschrift rur Verwaltungsrecht Nordrhein-Westfalen, nordrhein-westfalisch Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter Verordnung über besondere Netzzugänge (Netzzugangsverordnung NZV) vom 23.10.1996, BGBI I, S. 1568 Open Network Architecture Open Network Provisions (Bedingungen rur einen offenen Netzzugang) Oberverwaltungsgericht Personal Computer Postgesetz (PostG) vom 22.12.1997, BGBI 1997 I, S. 3294 Gesetz zum Personalrecht der Beschäftigten der früheren Deutschen Bundespost (Postpersonalrechtsgesetz PostPersRG) vom 14.09.1994, BGBI I, S. 2353 Gesetz zur Neustrukturierung des Post- und Fernmeldewesens und der Deutschen Bundespost (Poststrukturgesetz - PostStruktG) vom 08.06.1989, BGBI I, S. 1026 Gesetz zur Umwandlung der Unternehmen der Deutschen Bundespost in die Rechtsform der Aktiengesellschaft (Postumwandlungsgesetz - PostUmwG) vom 14.09.1994, BGBI I, S. 1339, zu!. geändert durch Art. 2 Abs. 32 BegleitG vom 17.12.1997, BGBI I, S. 3108 Gesetz über die Unternehmensverfassung der Deutschen Bundespost (Postverfassungsgesetz - PostVerfG) vom 08.06.1989, BGBI I, S. 1026 Gesetz über die Verwaltung der Deutschen Bundespost (Postverwaltungsgesetz) vom 24.07.1953, BGBI I, S. 676 Protokoll
Abkürzungsverzeichnis PTNeuOG
PTRegG PTSG
PUC RabelsZ RC RD
RdA Rdnr. Rdnrn. RDV Ref-E Reg-E RGBI RGSt RhPf, rhpf RO
Rs. Rspr. RStV S. Saarl, saarl SachsAnh Sächs SchlH, schlh SLC Slg. sog. SPD SZ TDG 3 Windthorst
33
Gesetz zur Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation (Postneuordnungsgesetz - PTNeuOG) vom 14.09.1994, BGBI I, S. 2325, zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 30, 32 und 33 BegleitG vom 17.12.1997, BGBI I, S. 3108 Gesetz über die Regulierung der Telekommunikation und des Postwesens (PTRegG) vom 14.09.1994, BGBI I, S. 2371 Gesetz zur Sicherstellung des Postwesens und der Telekommunikation (Post- und Telekommunikationssicherstellungsgesetz - PTSG) vom 14.09.1994, BGB! I, S. 2378, zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 33 BegleitG vom 17.12.1997, BGBI I, S. 3108 Public Utility Commission Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Report to'Congress der F.C.C. vom 10.04.1998, CC Docket No. 9645 Recommended Decision of the Federal-State Joint Board on Universal Service vom 08.11.1996 (CC Docket No. 96-45) Recht der Arbeit Randnummer Randnummern Recht der Datenverarbeitung Referentenentwurf Gesetzentwurf der Bundesregierung (Regierungsentwurf) Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Rheinland-Pfalz, rheinland-pfälzisch Report & Order der F.C.C. 97-157 in the Matter of Federal-State Joint Board on Universal Service vom 08.05.1997, CC Docket No. 96-45 Rechtssache Rechtsprechung Rundfunkstaatsvertrag vom 31.08.1991, zuletzt geändert durch § 22 MDStV Satz, Seite, Sinn Saarland, saarländisch Sachsen-Anhalt sächsisch Schleswig-Holstein, schleswig-holsteinisch Suscriber Line Charge Sammlung sogenannte, sogenannter Sozialdemokratische Partei Deutschlands Süddeutsche Zeitung Gesetz über die Nutzung von Telediensten (Teledienstegesetz-TDG), erlassen als Art. 1 IuKDG vom 22.07.1997 (BGB11997 I, S. 1870)
34 TeiG TEntGV Thür, thür TKG
TKG-E
TKLGebV TKO TKV TPtlV TRS TUDLV Tz. u. a. US, U.S. USA U.S.c. UStG
v. VerfGH VerfGHE
VerwArch VG VGH vgl. Vorb., Vorbem. VR vs. VVDStRL VwVfG
Abkürzungsverzeichnis Gesetz über das Te1egraphenwesen des Deutschen Reichs vom 06.14.1892, RGBI S. 467 Te1ekommunikations-Entgeltregulierungsverordnung (TEntgV) vom 01.10.1996, BGBI I, S. 1492 Thüringen, thüringisch Telekommunikationsgesetz (TKG) vom 25.07.1996, BGBI I, S. 1120, zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 34 BegleitG vom 17.12.1997, BGBI I, S. 3108 Entwurf eines Te1ekommunikationsgesetzes (TKG) durch die Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P (BT-Drs. 13/3609) und durch die Bundesregierung (BT-Drs. 13/4438) Telekommunikations-Lizenzgebührenverordnung (TKLGebV) vom 28.07.1997, BGBI I, S. 1936 Telekommunikationsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 16.07.1987, BGBI I, S. 1761 Telekommunikations-Kundenschutzverordnung (TKV) vom 11.12. 1997, BGBI I, S. 2910 TELEKOM-Ptlichtleistungsverordnung vom 16.09.1992, BGBI I, S. 1614 Telecommunications Re1ay Service Telekommunikations-Universa1dienstleistungsverordnung (TUDL V) vom 30.01.1997, BGBI I, S. 141 Textziffer und andere, unter anderem United States United States of America (Vereinigte Staaten von Amerika) United States Code Umsatzsteuergesetz vom, von Verfassungsgerichtshof Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, abgedruckt in Teil 11 der Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, Neue Folge (BayVGHE n. F.) Verwaltungsarchiv Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche Vorbemerkung Verwaltungsrundschau gegen Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsverfahrensgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 21.09.1998, BGBI I, S. 3050
Abkünungsverzeichnis WRV WTO WuW z. B. ZfA ZG ZGR ZHR zit. ZKF ZögU ZöR ZRP ZSR z. T. ZTR zu\. ZUM
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Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11.08.1919, RGBI S. 1383 (Weimarer Reichsverfassung) World Trade Organization (Welthandelsorganisation) Wirtschaft und Wettbewerb zum Beispiel Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Gesetzgebung Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht zitiert Zeitschrift für Kommunalfinanzen Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen Zeitschrift für öffentliches Recht Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Sozialreform zum Teil Zeitschrift für Tarifrecht zuletzt Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht
Für alle übrigen Abkürzungen wird auf Kirchner, Abkürzungsveneichnis der Rechtssprache, BerlinlNew York, 4. Auflage 1993, verwiesen, soweit sie nicht aus sich selbst heraus verständlich sind.
3·
Erster Teil
Grundlegung und Fixierung des Problemrahmens
Erstes Kapitel
Einleitung A. Gegenstand der Untersuchung "Nach Maßgabe eines Bundesgesetzes, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, gewährleistet der Bund im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen." Mit diesen Worten begründet und begrenzt der am 31.08.1994 in Kraft getretene' Art. 87 f Abs. 1 GG eine verfassungsrechtliche Gewährleistungspflicht des Bundes. Das danach vorzuhaltende Versorgungsniveau wird nachfolgend als Universaldienst, seine rechtliche Sicherung durch den Staat als Universaldienstgewährleistung bezeichnet. 2 Sie bildet insoweit den Gegenstand dieser Untersuchung als der Bereich der Telekommunikation betroffen ist. Das daneben in Art. 87 f GG erwähnte Postwesen bleibt trotz der auf historischen und systematischen Gründen 3 beruhenden gemeinsamen verfassungsrechtlichen Fundierung ausgeklammert, weil die darauf bezogene Sicherstellungspflicht
, Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 30.08.1994, BGBI I, S. 2245. " Zu den Wurzeln und zum Inhalt dieser Begrifflichkeit unten S. 112 ff., 116 f. 3 Telekommunikation und Postwesen werden in den Vorschriften des Grundgesetzes regelmäßig nebeneinander angesprochen, z. B. in Art. 73 NT. 7 in bezug die Gesetzgebungskompetenzen für diese Bereiche; zu den Verbindungslinien zwischen dieser Vorschrift und Art. 87 f GG unten S. 46, 55 ff.
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I. Kap.: Einleitung
aufgrund unterschiedlicher rechtlicher4 und tatsächlicher Bedingungen5 eigenen Regeln folgt.
B. Anlaß der Untersuchung Die augenfällige, weil ungewöhnliche Aufnahme einer sozialstaatlich motivierten staatlichen Pflicht zur Gewährleistung eines Universaldienstes im Bereich der Telekommunikation6 ist naheliegender, aber nicht alleiniger Anlaß dieser Untersuchung. Art. 87 f Abs. 1 GG bildet nur die Spitze des Eisberges in einer Flut unterschiedlicher klärungsbedürftiger Rechtsfragen. Sie werden durch folgende Bedingungen und Vorgaben beeinflußt: I. Rechtstatsächliche Determinanten
Der rasante technische Fortschritt hat die Nutzung der Telekommunikation durch weite Bevölkerungskreise über die Landesgrenzen hinaus in bisher ungekanntem Ausmaß ermöglicht. 7 Folge dieser Internationalisierung und der veränderten gesellschaftlichen Akzeptanz ist eine steigende ökonomische Relevanz der Telekommunikation. Ihre Bedeutung wird mit dem Ausbau der Eisenbahn im 19. Jahrhundert verglichen. 8 Diese tatsächliche Entwicklung wirkte auf die Willensbildung des Gesetzgebers ein und war mitursächlich für seine Entscheidung, die bislang ausschließlich von der Deutschen Bundespost als Sondervermögen des Bundes erbrachten Dienstleistungen zu privatisieren, d. h. ihre Bereitstellung durch Verlagerung der Erfüllungszuständigkeit und -verantwortung auf Private zu entstaatlichen9 und sie zugleich zu liberalisie-
4 Diesbezügliche Divergenzen werden bei den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben (dazu unten S. 134 ff.) und den einfachgesetzlichen Ausformungen (dazu unten S. 401 f.) sichtbar. S Das gilt insb. für die technologischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten, vgl. unten S. 58 ff., 119 ff., 123 ff., 131 f. 6 Eine ähnliche Struktur und Zielsetzung weist Art. 87 e Abs. 4 GG für den Bereich der Eisenbahnen des Bundes auf; dazu unten S. 117 mit Fußn. 28. 7 Vgl. R. Scholz/J. Aulehner, ArchPT 1993,221 (223,225,229 f.). 8 So für die USA B. Clinton/A. Gore, Technology for America's Economic Groth - A New Direction to Build Economic Strength, S. 16. Zur Bedeutung der Telekommunikation rur die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland T BlankeID. SterzeI, KJ 1993, 278 (280 f.), wonach die Informationstechnik bis zur Jahrtausendwende die Automobilindustrie als dominierenden Wirtschaftszweig abgelöst haben wird. 9 Allgemein zu Begriff und Formen einer Privatisierung F. Schoch, DVBI 1994, I (3 f.); H. Bauer, VVDStRL 54 (1995), 243 (250 ff.) sowie unten S. 206 f., 239 f.; zur Postprivatisierung J. Wieland, Die Verwaltung 28 (1995), 315 ff.
C. Problemaufriß
39
ren,IO d. h., durch Abbau staatlicher Beschränkungen dem Wettbewerb auszusetzen. Parallel dazu erhebt sich die Frage, ob eine besondere Gemeinwohlverantwortung des Staates im Bereich der Telekommunikation fortbesteht und, so dies bejaht wird, in weIchem Umfang und aufweIche Weise sie auszufüllen ist. Die Antwort hierauf führt in das hinter dem Bandwurmbegriff "Universaldienstgewährleistungspflicht" verborgene Labyrinth. 11. Rechtsnormative Determinanten Eckpfeiler des verfassungsrechtlichen Fundaments sind die Verpflichtung zur Gewährleistung eines Universaldienstes gemäß Art. 87 f Abs. 1 GG, die Privatisierungsanordnungen in Art. 87 f Abs. 2 Satz 1, 143 b Abs. 1 Satz 1 GG, die Trennung zwischen privatwirtschaftlichen Dienstleistungen i. S. d. Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG und Hoheitsaufgaben nach Art. 87 f Abs. 2 Satz 2 GG und die durch Art. 143 b Abs. 2 Satz 1 GG für eine Übergangszeit eröffnete Möglichkeit einer Aufrechterhaltung bestimmter rechtlicher Monopole. Inhalt und Zusammenwirken dieser Regelungen werfen vielfältige Fragen auf, zumal mit Blick auf den Spielraum, der dem Gesetzgeber bei der erforderlichen Ausgestaltung zur Verfügung steht. 11 Eine weitere Dimension der Untersuchung eröffnen gemeinschaftsrechtliche Vorgaben, die auf nationales Verfassungs- und Gesetzesrecht einwirken. 12 Darüber hinaus sind die jeweiligen Querverbindungen zu sonstigen supranationalen Regelungen (z. B. GATS) zu berücksichtigen.
C. Problemaufriß Diese tour d'horizon hat bereits einzelne Problempunkte gestreift. Sie können zur Abrundung eines ersten Überblicks anhand ihres Regelungsgegenstandes vervollständigt und unter Beachtung der Interdependenzen unterschiedlichen Analyseebenen zugeordnet werden. I. Verfassungsrechtliche Analyseebene Im Vordergrund steht die durch Art. 87 f Abs. 1 GG gebotene Universaldienstgewährleistung. Problembehaftet erscheinen vor allem folgende Rechtsfragen: 10 Die Impulse flir eine Liberalisierung des Telekornrnunikationssektors gingen vor allem von der EU aus, vgl. unten S. 133 ff., insb. 141 ff. 11 Einzelheiten unten S. 189 ff., 221 ff., 274 ff., 304 ff. 12 Näher dazu unten S. 243 ff. und 415 ff.
I. Kap.: Einleitung
40
- Anhand welcher Merkmale lassen sich Begriff und Bereich der Telekommunikation in dem gewandelten rechtlichen, technischen und wirtschaftlichen Umfeld bestimmen und gegenüber dem Rundfunk und multimedialen Diensten abgrenzen?13 - Was versteht man unter "Universaldienstgewährleistung" und wie verhält sich dieser Begriff zu dem im gleichen Zusammenhang verwendeten Ausdruck "Infrastruktursicherung"? 14 - Welche Stellung nimmt Art. 87 f Abs. 1 GG im Gefuge des Grundgesetzes ein? Welche Verbindungslinien bestehen zur vordem aus Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F. abgeleiteten Gemeinwohlverantwortung des Staates, zur Infrastrukturgewährleistung im Bereich der Eisenbahnen des Bundes gemäß Art. 87 e Abs. 4 GG, zum Sozialstaatsprinzip und zu grundrechtlichen Gewähr. ?15 Ielstungen. - Welchen Bedeutungsgehalt entfaltet die verfassungsrechtliche Gewährleistung eines Universaldienstes vor dem Hintergrund rechtsdogmatischer Kategorien wie Programmsatz, Staatszielbestimrnung, Gesetzgebungsauftrag, Ausgestaltungsvorbehalt oder Gesetzesvorbehalt? 16 - Anhand welcher Kriterien können Inhalt und Umfang des durch Art. 87 f Abs. 1 GG vorgezeichneten Universaldienstes festgelegt werden? Sichert diese Vorschrift nur die unerläßliche oder eine optimale bzw. jedenfalls eine zu optimierende Versorgung; auf welchem Niveau ist diese anzusiedeln?l? - Gegenüber welchen Anbietem und auf welche Weise kann die verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Gewährleistung eines Universaldienstes umgesetzt werden?18 Ein weiteres Gravitationszentrum bilden die Privatisierungsgebote der Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 und 143 b Abs. 1 Satz 1 GG, die wegen der Wechselwirkung mit der staatlichen Gewährleistung eines Universaldienstes ebenfalls zum Untersuchungsgegenstand gehören. Die unter diesem Aspekt betrachtete und dadurch thematisch begrenzte Privatisierung wirft insb. folgende Fragen mit z. T. übergreifender Bedeutung auf: - Verlangen bestimmte Formen der Privatisierung eine kompensatorische Gewährleistung eines Universaldienstes? Bedarf es hierrur einer verfassungsrechtlichen Fundierung, wie sie durch Art. 87 f Abs. 1 GG erfolgt ist?19 Dazu unten S. 83 ff., 95 ff. S. dazu unten S.112 ff., 117 f. 15 Zu diesem Fragenkreis unten S. 75 ff., 189 ff., 247 ff., 258 ff., 309 ff., 332 ff. 16 Vgl. unten S. 304 ff., 312 ff. 17 Näher dazu unten S. 262 ff. 274 ff., 281 ff. 18 Problematisch ist hier insb. die Zulässigkeit einer Universaldienstgewährleistung mittels Beteiligungsverwaltung, vgl. unten S. 354 ff. 19 Vgl. unten S. 350 ff.; zur Frage, ob die bloße Streichung der Worte "die Bundes13
14
D. Fortgang der Untersuchung
41
- Begrenzt die verfassungsrechtliche Gewährleistung eines Universaldienstes die Entscheidungsfreiheit des Staates bei der Privatisierung, und werden umgekehrt die Möglichkeiten hoheitlicher Einflußnahme im Rahmen einer Universaldienstgewährleistung durch den Verfassungsauftrag zur Privatisierung beschnitten?20
11. Einfachgesetzliche Analyseebene
Im Mittelpunkt steht die Durchleuchtung der universaldienstrelevanten Regelungen des Telekommunikationsgesetzes (TKG) und ihre Gegenüberstellung mit der Universaldienstregulierung in den USA auf der Grundlage des Telecommunications Act of 1996. Dabei sind vor allem folgende Punkte hervorzuheben: - Genügen die Bestimmungen des TKG den verfassungs- und gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen?21 - Welchen Unternehmen können auf der Grundlage des TKG aufweIche Weise weIche Universaldienstverpflichtungen auferlegt werden? Bedarf es im Gegenzug besonderer Ausgleichsleistungen und wie können diese ggfs. finanziert werden?22 - Worin unterscheiden sich die in Deutschland und in den USA entwickelten Regelungsmodelle zur Gewährleistung eines Universaldienstes im Bereich der Telekommunikation; wie sind diese Abweichungen rechtlich zu bewerten?23
D. Fortgang der Untersuchung I. Zielsetzung
Zentrales Anliegen der nachfolgenden Ausführungen ist es, die unterschiedlichen Probleme in ihrer Vielschichtigkeit zu erfassen und sie einer Lösung zuzuführen, die dieser Komplexität Rechnung trägt. Die einzelnen Fragen lassen sich nicht aus einseitiger, ausschließlich gesetzesfokussierter Perspektive bepost" in Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F. zur Verwirklichung der rechtspolitischen Ziele genügt hätte, unten S. 75 ff., 191. 20 Dazu unten S. 206 ff., 239 ff. 21 Näher dazu unten S. 416 ff., 427 ff., 430 ff., 438 ff., 448 ff. 22 Einzelheiten unten S. 462 ff., ebda, S. 473 mit Fußn. 391, auch zum Problem sog. Infrastrukturfonds. 23 Vgl. unten S. 556 ff., 569 ff.
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1. Kap.: Einleitung
antworten, sondern bedürfen einer ganzheitlichen Betrachtung. Dabei sind neben den rechtlichen Vorgaben, insb. des Gemeinschaftsrechts, des Verfassungsrechts und einfachgesetzlicher Vorschriften, auch die tatsächlichen Bedingungen, zumal die technologischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten und Entwicklungen einzubeziehen. Erst die Offenlegung der zwischen und unter diesen Elementen bestehenden Interdependenzen ermöglicht ein umfassendes Verständnis der Universaldienstgewährleistung im Bereich der Telekommunikation. 11. Vorgehensweise
Zunächst wird der Geltungsbereich der Universaldienstgewährleistung eingegrenzt (Kap. 2) und die ihr zugrunde liegenden rechtlichen wie tatsächlichen Determinanten dargestellt (Kap. 3). Anschließend werden die verfassungsrechtlichen Inhalte und Dimensionen dieses Rechtsinstituts ausgeleuchtet (Kap. 4). Abschließend wird ihre einfachgesetzliche Ausgestaltung untersucht (Kap. 5) und mit der Rechtslage in den USA verglichen, die in neuerer Zeit ebenfalls tiefgreifenden Veränderungen unterworfen ist (Kap. 6).
Zweites Kapitel
Der Geltungs bereich der Universaldienstgewährleistung Art. 87 f Abs. 1 GG verlangt die Gewährleistung eines Universaldienstes im Bereich der Telekommunikation. Seine Eingrenzung bereitet angesichts veränderter rechtlicher Vorgaben (vgl. insb. Art. 87 f Abs. 2 Satz 1, Art. 143 b GG) erhebliche Schwierigkeiten. Sie werden durch die technische Entwicklung verstärkt, die unterschiedliche Konvergenzen auslöst. Dies gilt vor allem rur die Abgrenzung gegenüber dem Rundfunk und den Multimediadiensten. Eine trennscharfe Grenzziehung ist jedoch wegen der mit der Universaldienstkonzeption verbundenen regulatorischen Implikationen unerläßlich. I
A. Der Terminus "Telekommunikation" Art. 87 f Abs. 1 GG, die verfassungsrechtliche Grundlage der Universaldienstgewährleistung, verankert den aufgrund seiner technologischen und fremdsprachlichen Färbung 2 im verfassungsrechtlichen Sprachgebrauch ungewohnt klingenden Begriff "Telekommunikation" im Grundgesetz, läßt aber seinen Inhalt offen. Das erscheint auf den ersten Blick unproblematisch, weil der Ausdruck "Telekommunikation" mittlerweile im allgemeinen wie im juristischen Sprachgebrauch scheinbar selbstverständlich verwendet wird. Diese häufig umeflektierte Handhabung darf indes nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Ursprung der Begrifflichkeit weitgehend im dunkeln liegt (dazu unten 1 Das wird insb. anhand der aus Art. 87 f Abs. I GG für die Telekommunikation und aus Art. 5 Abs. I Satz 2 GG für den Rundfunk abgeleiteten Modelle einer Grundversorgung und der Modalitäten ihrer Gewährleistung deutlich, vgl. dazu noch unten S. 99,
274 ff. 2 Auf den Fremdwortcharakter hat K. Stern bei der öffentlichen Anhörung vor dem Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages am 08.03.1994 hingewiesen, ohne ihm allerdings entscheidende Bedeutung beizumessen (vgl. BT-Rechtsausschuß-Prot. 117/94, S. I f.). Der früher konstatierte Befund, wonach "das Grundgesetz keine ,Fremdworte' verwendet" (vgl. M. Hilf, HStR VII, § 161 Rdnr. 43), hat insoweit eine Einschränkung erfahren. Dagegen haben sich die Rechtsprechung und der Verordnungsgeber schon vorher dieses Ausdruckes bedient, vgl. z. B. BVerwGE 77, 128 (\ 31) sowie die Telekommunikationsordnung (dazu unten S. 45 mit Fußn. 18). Das Grundgesetz verwendet den Begriff "Telekommunikation" nunmehr an verschiedenen Stellen, dazu unten S. 46.
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2. Kap.: Geltungsbereich der Universaldienstgewährleistung
I) und die Grunde für ihre Rezeption durch das Grundgesetz tiefer reichen als die verfassungsgesetzgeberische Begrundung es vermuten läßt (dazu unten 11). I. Der Ursprung des Wortes "Telekommunikation" Verfolgt man die Wurzeln des Terminus "Telekommunikation" zuruck, stößt man auf zwei unterschiedliche Sprachstämme: Den griechischen Ausdruck "tele", was "fern" bedeutet, und das lateinische Wort "communicare", dessen vielschichtiger Sinngehalt sich im vorliegenden Zusammenhang mit ,jemandem eine Mitteilung machen" (cum aliquo de aliqua re communicare) übersetzen läßt. 3 Aus ihrer Verbindung entsteht das Begriffsgehäuse "Telekommunikation". Seine wörtliche Abbildung als "Fern-Mitteilung" zieht allerdings lediglich einen äußeren semantischen Rahmen. Der konkrete Bedeutungsgehalt des Terminus erschließt sich erst aus dem für seine Aufnahme in den Sprachgebrauch maßgeblichen entstehungsgeschichtlichen Hintergrund. Er wird durch zwei sich kreuzende Entwicklungslinien geprägt: Die Bezeichnung "Telekommunikation" ist nicht, wie man zunächst vermuten könnte, im anglo-amerikanischen, sondern im französischen Sprachraum entstanden. 4 Ihr Schöpfer, Edouard Estaunie, verwendete den neuen Ausdruck "telecommunication" im Jahre 1903 als Oberbegrifffiir die Gebiete der Telegraphie und Telephonie. s Trotz partieller Akzeptanz durch das Schrifttum6 hat er sich auf rechtlicher Ebene international erst nach 1932 etabliert. In Deutschland beschritt man einen anderen Weg. Zwar war der Begriff "Telekommunikation" als Synonym für "Femrneldeverkehr" spätestens seit 1934 bekannt; 7 in dem Bestreben, Fremdwörter soweit möglich zu vermei3 Vgl. H. Drubba, ArchPF 1991, 343; s. auch F. Grieser/T Irlbeck, ComputerLexikon, 2. Aufl. 1995, S. 869, die allerdings in nicht nachvollziehbarer Weise auf den lateinischen Begriff "communio" (Gemeinschaft) abstellen. 4 Vgl. Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 21, 19. Aufl. 1993, S. 697. S Edouard Estaunie, Traite pratique de telecommunication electrique (telegraphie telephonie), Paris 1903, passim. 6 Zustimmend M. Aliamet, L'Electricien. Revue Internationale de I' Electricite et de ses Applications, Bd. 26, Nr. 673 vom 21.11.1903, S. 333; ebenso trotz Bezeichnung als "etwas Befremdendes" A. Tobler, Elektrotechnische Zeitschrift, Bd. 24, Heft 50 vom 10.12.1903, S. 1104 f. (zitiert nach H. Drubba, ArchPF 1991,343 [344]). 7 Vgl. die Anlage zur Bekanntmachung über den We1tnachrichtenvertrag vom 23.11.1934, in der der französische Ausdruck "telecommunication" mit "Fernmeldeverkehr, Nachricht jeder Art" übersetzt wird. Demnach umfaßt er jede telegraphische oder fernsprechmäßige Übermittlung von Zeichen, auch von Zeichen für Meldezwecke, von Schriften, Bildern und Schallwellen jeder Art, sei es auf dem Drahtweg oder drahtlos, sei es mit Hilfe anderer Mittel oder Verfahren elektrischer oder sichtbarer Zeichengebung (Semaphore), vgl. RGBI 193411, S. 1063 (1083).
A. Der Terminus "Telekommunikation"
45
den,8 sah man jedoch von seiner Rezeption ab. Statt dessen wurde im Jahr 1927 im Rahmen der Änderung des Telegraphengesetzes9 der seit Mitte des 19. Jahrhunderts übliche Begriff "Telegraphie" bzw. "Telegraphenwesen", 10 dem auch die im Jahr 1877 eingefiihrten Fernsprechanlagen zugerechnet worden sind,lI durch den Ausdruck "Fernmeldewesen" ersetzt. 12 Darunter verstand man gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 FAG die Einrichtung und den Betrieb von Fernmeldeanlagen, d. h. von Telegraphenanlagen, Fernsprechanlagen und, als Unterart, von Funkanlagen. 13 Das Fernmeldeanlagengesetz galt nach 1949 in bereinigter Fassung fort 14 und wurde mit unveränderter Terminologie am 17.03.1977 neu bekanntgemacht. 15 Der Begriff "Telekommunikation" taucht auf gesetzlicher Ebene, vorbereitet durch Sachverständigenkommissionen, 16 erstmals im Rahmen der aufgrund von § 14 PostVerwG 17 erlassenen Telekommunikationsordnung (TKO) vom 05.11.1986 18 auf. § 2 TKO i. V. m. Anhang 1 defmierte Telekommunikation als ,jede Art der Nachrichtenübermittlung im Sinne des Gesetzes über Fernmeldeanlagen". Nach ähnlich ausgerichteten Vorstößen im Schrifttum 19 hat der
8 Die Tendenz zur Eindeutschung von Fremdwörtern im Post- und Fernmeldewesen geht auf den Generalpostmeister H. v. Stephan zurück, der in den Jahren 1874 und 1875 viele Begriffe eingedeutscht hat, vgl. H. Drubba, ArchPF 1991, 343 (345). 9 Gesetz zur Änderung des Telegraphengesetzes vom 03.12.1927 (RGBI I, S. 331 ff.). 10 So B. Mayer, Die Bundespost, S. 31 m. w. N. unter Fußn. 23. 11 Vgl. § 1 Satz 2 des Gesetzes über das Telegraphenwesen des Deutschen Reichs vom 06.04.1892 (RGBI r, S. 467). 12 Vgl. die Ersetzungsanordnung. in Art. 1 NT. 17 und die Bekanntmachungsermächtigung in Art. 3 des Gesetzes zur Anderung des Telegraphengesetzes vom 03.12.1927 (RGBI I, S. 331 [333 f.]). 13 So die Bekanntmachung des Gesetzes über Fernmeldeanlagen vom 14.01.1928 (RGBI r, S. 8). Vgl. auch die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Telegraphengesetzes vom 19.10.1927, abgedruckt als Anlage Nr. 3682 zu den Verhandlungen des Reichstags, rn. Wahlperiode 1924, S. 5 f. 14 BGBI rn, Gliederungsnummer 9020-1 i. V. m. § 3 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über die Sammlung des Bundesrechts vom 10.07.1958 (BGBI r, S. 437) und § 3 des Gesetzes über den Abschluß der Sammlung des Bundesrechts vom 28.12.1968 (BGBI r, S. 1451). 15 BGBI 1977 r, S. 459. 16 Vgl. die Kommission für den Ausbau des technischen Kommunikationssystems (KtK), Telekommunikationsbericht, passim; E. Witte, Neuordnung der Telekommunikation. Bericht der Regierungskommission Fernmeldewesen, S. 22 und passim. 17 Gesetz über die Verwaltung der Deutschen Bundespost vom 24.07.1953 (BGBI r, S. 676), aufgehoben durch § 66 NT. 1 PostVerfG. 18 Verordnung über die Bedingungen und Gebühren für die Benutzung der Einrichtungen des Fernmeldewesens (BGBI 1986 I, S. 1749). 19 Vgl. nur P. Lerche, in: MaunzlDürig, Grundgesetz, Art. 87 Rdnr. \05, der bereits zum damaligen Zeitpunkt vorschlug, "das Wort ,Fernmeldewesen' durch den Begriff
46
2. Kap.: Geltungsbereich der Universaldienstgewährleistung
Begriff "Telekommunikation" durch verfassungsänderndes Gesetz vom 30.08.1994 Eingang in das Grundgesetz gefunden. 11. Die Gründe für die Aufnahme des Wortes "Telekommunikation" in das Grundgesetz Bei Untersuchung der für die Einführung der neuen Begrifflichkeit in das Verfassungsgefiige maßgeblichen Ursachen stößt man auf unterschiedliche Motivschichten. Neben den ausdrücklich genannten oder zumindest offen zutage tretenden Gründen (dazu unten 1) fmden sich unter der Oberfläche weitere, nicht auf den ersten Blick erkennbare Beweggründe (dazu unten 2). Dabei fällt auf, daß die Begründung des verfassungsändernden Gesetzentwurfs auf die Substitution des Ausdrucks "Fernmeldewesen" durch den Begriff "Telekommunikation" nur in bezug auf Art. 73 Nr. 7 GG eingeht, aber zur Verwendung des gleichlautenden Wortes in Art. 87 f GG schweigt. 20 Dies ist vor allem darauf zurückzufiihren, daß der verfassungsändernde Gesetzgeber offensichtlich davon ausging, daß Art. 73 Nr. 7 GG und Art. 87 f GG eine einheitliche Begrifflichkeit zugrunde liegt. Ein entsprechender Wille ergibt sich aus dem zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang zwischen der Novellierung dieser Grundgesetzvorschriften. 21 Er wird durch die Angleichung der Begrifflichkeit des Art. 80 Abs. 2 GG unterstrichen. 22 Die fiir die Verwendung des Wortes "Telekommunikation" anstelle des Ausdrucks "Fernmeldewesen" in Art. 73 Nr. 7 GG angeführten Gründe bilden daher auch die Grundlage fiir die Auslegung des Telekommunikationsbegriffs des Art. 87 fGG. 23 1. Anpassung an den internationalen Sprachgebrauch
Die Verwendung des Terminus "Telekommunikation" wurde vor allem mit der Notwendigkeit einer Anpassung an den internationalen Sprachgebrauch be-
der. Telekommunikation' zu ersetzen, der mittlerweile wohl über hinreichende Konturen verfügt und der Gegenwart besser gerecht wird" (Hervorhebungen im Original). 20 Vgl. die Begründung zu Nr. 3 des 41. GG-ÄndG-E, BT-Drs. 12/7269, S. 4. 21 Näher dazu unten S. 97, 365. 22 Diese Angleichung geht auf einen Vorstoß des Bundesrates im verfassungsändernden Gesetzgebungsverfahren zurück, vgl. Nr. 4 der Stellungnahme des Bundesrates zum 41. GG-ÄndG-E, BT-Drs. 12/7269, S. 7 f.; s. auch die Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 12/7269, S. 10. 23 Damit ist nicht gesagt, daß sich auch der Umfang der Kompetenzbereiche dieser Vorschriften deckt. Vielmehr bestehen insoweit aufgrund der veränderten und erweiterten Bedeutungsdimensionen des Art. 87 f GG Divergenzen, denen an anderer Stelle nachzugehen ist; s. im einzelnen unten S. 321 f.,365.
A. Der Tenninus "Telekommunikation"
47
gründet. Zugleich wurde darauf hingewiesen, daß auch im nationalen Sprachraum zunehmend eine Ersetzung des Ausdrucks "Fernmeldewesen" durch diese Bezeichnung zu beobachten ist. 24 Durch die neue Begrifflichkeit soll der wachsenden technologischen, ökonomischen und gesellschaftlichsozialen Internationalisierung dieses Bereichs2s auf (rechts)sprachlicher Ebene Rechnung getragen werden. Andere Mitgliedstaaten der EU gebrauchen ebenfalls den Begriff "Telekommunikation" als Bezeichnung für das Fernmeldewesen. 26 Eine ähnlich zugeschnittene Ausdrucksfonn beherrscht die supranationale Ebene. 27 Das Gemeinschaftsrecht spricht durchgehend von "Telekommunikation".28 2. Öffnung der Begrifflichkeit for die Aufnahme neuer Formen der Telekommunikation
Daneben läßt die Genese der Art. 73 Nr. 7, 87 f GG weitere, z. T. gegenläufige Beweggrunde hervortreten. Einerseits erklärt der verfassungsändernde Gesetzgeber, daß mit der Ersetzung des Wortes "Fernmeldewesen" durch den Ausdruck "Telekommunikation" keine inhaltliche Änderung angestrebt wird. 29 Dahinter steht der Wille nach Kontinuität im Hinblick auf die zum Kompetenzbegriff "Fernmeldewesen" entwickelten Kriterien. 30 Andererseits stellt sich die neue Begrifflichkeit auch als Reaktion auf die rechtlichen (z. B. Privatisierungsgebot gemäß Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG) und tatsächlichen Veränderungen (z. B. multifunktionale Übertragungswege infolge Digitalisierung und Datenkomprirnierung) in diesem Bereich dar. Dieser Entwicklung wird durch Ersetzung der starren, antiquierten Begriffshülse "Fernmeldewesen" durch den flexibleren und moderneren Rechtsbegriff "Telekommunikation" Rechnung getragen. 31 Er ennöglicht eine zeitangepaßte
Vgl. die Begründung zu Nr. 1 des 41. GG-ÄndG-E, BT-Drs. 12/7269, S. 4. Vgl. die in der Begründung zum PTI;:leuOG-E genannten Ziele und Motive (BTDrs. 12/6718, S. 75), auf die der 41. GG-AndG-E Bezug nimmt (BT-Drs. 12/7269, S. 4); ebenso das Schrifttum, s. nur B. Mayer, Die Bundespost, S. 23 ff.; zu den Ursachen der Internationalisierung unten S. 68 mit Fußn. 153. 26 Vgl. beispielsweise: telecommunications (englisch, dazu auch unten S. 501), telecommunications (französisch), telecomunicazione (italienisch), telecornunicaciones (spanisch) und telecomunicacoes (portugiesisch). 27 Dazu unten S. 68 f., 72 ff.; s. zum internationalen Sprachgebrauch auch B. Köbele, Fernmeldewesen, S. 29 ff. 28 Eingehend dazu unten S. 69 ff., 134 f. 29 Vgl. die Begründung zu Nr. I des 41. GG-ÄndG-E, BT-Drs. 12/7269, S. 4. 30 Zur Frage, ob diese Merkmale trotz des tenninologischen Wandels auch dem Rechtsbegriff "Telekommunikation" zugrunde gelegt werden können, unten S. 83 ff. 31 Darauf hat K. Stern in seiner schriftlichen Stellungnahme zur öffentlichen Anhö24 2S
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2. Kap.: Geltungsbereich der Universaldienstgewährleistung
Aufnahme neuer Formen der Nachrichtenübermittlung, grenzt sie nicht durch sprachliche Barrieren aus. Diese Vorgehensweise ist weder neu noch ungewöhnlich, was ein Blick in die Vergangenheit belegt. Der durch den Ausdruck "Telekommunikation" abgelöste Begriff "Fernmeldewesen" bildet nicht den Anfang terminologischer Anpassungen, sondern hat im Jahr 1927 seinerseits den Ausdruck "Telegraphenwesen" verdrängt. 32 Ausschlaggebend war damals wie heute der technische und wirtschaftliche Fortschritt. Der neu aufkommenden Funktelegraphie war das herkömmliche Verständnis des Telegraphenwesens nicht mehr gewachsen. 33
B. Der Inhalt der Telekommunikation Das Grundgesetz definiert weder den in Art. 73 Nr. 7, 87 fGG verwendeten Begriff "Telekommunikation,,34 noch seine Vorläufer "Bundespost" (Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F.) und "Fernmeldewesen" (Art. 73 Nr. 7 GG a. F.)/s sondern setzt sie auf der Grundlage der vorgefundenen rechtlichen und tatsächlichen Strukturen als bestehend voraus. Der Bedeutungsgehalt des Verfassungsbegriffs "Telekommunikation" ist somit im Wege der Auslegung zu ermitteln. An ihrem Anfang stehen die vom Bundesverfassungsgericht zu Art. 73 Nr. 7 GG a. F. entwickelten Merkmale des Fernmeldewesens (dazu unten I). Anschließend ist festzustellen, ob diese Kriterien trotz veränderter verfassungsrechtlicher Vorgaben auch bei der Bestimmung der Telekommunikation zu-
rung vor dem Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages am 08.03.1994 hingewiesen (BT-Rechtsausschuß-Prot. 117/94, S. 83). Vgl. zuletzt auch C. Grafv. Pestalozza, in: v. MangoldtIKleinlPestalozza, Das Bonner Grundgesetz, Bd. 8, Art. 73 Rdnr. 466. 32 Vgl. S. 45 mit Fußn. 12. 33 Vgl. oben S. 45 mit Fußn. 13; zum weiter gefaßten Bedeutungsgehalt des Begriffs "Fernmeldewesen" gegenüber dem Ausdruck "Telegraphie" B. Mayer, Die Bundespost, S. 31 f. 34 Dieses Schweigen wird in bezug auf die in Art. 73 NT. 7 GG verankerte Gesetzgebungskompetenz damit begründet, daß "Telekommunikation" mit dem früher als "Fernmeldewesen" bezeichneten Kompetenzbereich inhaltlich identisch sei, vgl. die Begründung zu NT. 1 des 41. GG-ÄndG-E, BT-Drs. 1217269, S. 4; aus dem Schrifttum J. Scherer, eR 1994,418 (419); M. Rottmann, ArchPT 1994, 193 (195): "bedeutungslose redaktionelle Anpassung an einen üblich gewordenen Sprachgebrauch". Diese Vorgehensweise erscheint jedenfalls insoweit problematisch, als sie ohne nähere Begründung auf Art. 87 fGG übertragen wird (s. etwa VG Berlin, MMR 1998, 164 [166]), ohne daß dabei die Divergenzen gegenüber Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F. ausreichend ins Kalkül gezogen werden. Auch aus dem rundfunkrechtlichen Bereich kommen ähnliche Vorstöße zur Bestimmung des Telekommunikationsbegriffs, vgl. H. Gersdorf, Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff, S. 84 ff., 174 ff.; K. Schrape, Digitales Fernsehen, S. 127 ff. 35 Vgl. nur J. PlagemaIlII. ZUM 1986,518.
B. Der Inhalt der Telekommunikation
49
grunde gelegt werden können (dazu unten 11). So dies bejaht wird, ist zu untersuchen, welche Auswirkungen die gewandelten technischen Bedingungen (dazu unten III) und supranationale Regelungen (dazu unten IV) entfalten. Abschließend sind vor diesem Hintergrund der Begriff sowie Inhalt und Grenzen des Art. 87 f GG zugrunde liegenden Bereichs der Telekommunikation festzulegen (dazu unten V) und gegenüber dem Rundfunk und multimedialen Applikationen abzugrenzen (dazu unten VI). I. Der Ausgangspunkt: Das Fernmeldewesen Die Merkmale des Fernmeldewesen gemäß Art. 73 Nr. 7 GG a. F. wurden vom Bundesverfassungsgeriche6 im Rahmen einer Verfassungsinterpretation anband von drei Entscheidungen entwickelt. 37 Sie befassen sich mit dem die Gesetzgebungskompetenz des Bundes begründenden Rechtsbegriff "Fernmeldewesen" aus verschiedenen Blickwinkeln je nach Funktionszusammenhang. 38 36 Das Bundesverwaltungsgericht hat weitgehend die vom Bundesverfassungsgericht zum Fernmeldewesen aufgestellten Merkmale übernommen, vgl. BVerwGE 77, 128 (131) m. w. N. auch zum Schrifttum. 37 Das Gericht greift zur Bestimmung von Inhalt und Grenzen des Fernmeldewesens auf den gesamten Kanon der der Gesetzesinterpretation entlehnten Regeln (diesem Ansatz im Grundsatz zustimmend K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 347; kritisch dagegen F. Müller, Juristische Methodik, S. 31 ff.) einer grammatischen (vgl. insb. BVerfGE 12,205 [226]; 28, 66 [85]; 46, 120 [139]), historischen (BVerfGE 12, 205 [226 f., 230 ff.]), genetischen (BVerfGE 12, 205 [236 f.]; die Abgrenzung zur historischen Auslegung ist teilweise nicht eindeutig; mitunter werden beide Ansätze unter dem Aspekt "Entstehungsgeschichte" behandelt), systematischen (insb. mit Blick auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F., vgl. BVerfGE 12,205 [228 ff.]) und teleologischen Verfassungsauslegung (BVerfGE 12, 205 [230]) zurück, die hier nicht im einzelnen nachgezeichnet werden soll (dazu K. Zeidler, AöR 86 [1961],361 [385 ff.]; G. Feigenbutz, Die Bindungen des Post- und Fernmeldewesens, S. 62 f., 65 ff.; R. Scholz. in: Festgabe BVerfG, Bd. I1, S. 252 [264 ff.]; F. Ossenbühl, Deutsche Bundespost, S. 31 ff.). 31 Dabei werden zwei Auslegungstopoi hervorgehoben: die historische Entwicklung (vgl. BVerfGE 12, 205 [226 f., 230 ff.]; 28, 66 [85]; 46, 120 [139 ff.]) und der allgemeine Sprachgebrauch (vgl. nur BVerfGE 28, 66 [85]). Die Entstehungsgeschichte ist zwar grundsätzlich ein gegenüber den anderen Auslegungsmethoden nachrangiges Kriterium (vgl. nur F. Ossenbühl, Deutsche Bundespost, S. 31), bei der Interpretation von Kompetenzvorschriften wie Art. 73 Nr. 7 GG rückt sie aber in den Vordergrund (H. Redelcer, Neue Informations- und Komrnunikationstechnologien, S. 74; H.-P. Schneider, in: Festschrift für K. Stern, S. 903 [insb. 914]). Ursächlich hierfür ist, daß die Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern sich nur bedingt an Kriterien der Gerechtigkeit orientieren kann (B. Köbele, Fernmeldewesen, S. 141). Daher greift das Bundesverfassungsgericht mit Blick auf die friedenssichernde Funktion dieser Abgrenzung im Bundesstaat verstärkt auf die Verfassungstradition und die kompetentielle Kontinuität zurück (G. Roelleclce, in: Festgabe BVerfG, Bd. I1, S. 22 [46]; R. Scholz, ebda, S. 252 [264 f.]). Der damit verbundenen Gefahr einer Versteinerung der Zuständigkeitsverteilung (H. v. Mangoldt/F. Klein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. I1, Vorbem.
4 Windlhorst
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2. Kap.: Ge\tungsbereich der Universaldienstgewährleistung
1. Überblick zu den wesentlichen Entscheidungen
Im Mittelpunkt des 1. Rundjunkurteili9 steht die Abgrenzung der Gesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern in bezug auf das Massenkommunikationsmittel Rundfunk, also bei femmeldetechnischer Übermittlung von Infonnationen fiir die Allgemeinheit. 40 Diese Entscheidung läßt je unterschiedliche Dimensionen des Rundfunkbegriffs hervortreten,41 an die kompetenzrechtliche Aussagen geknüpft werden. Seine "kulturelle Seite", also der Inhalt der Sendungen, ist Sache der Länder,42 während die technische Seite, d. h. die der Übermittlung von Signalen dienenden funktechnischen Vorgänge unter Ausschluß der sog. Studiotechnik der Zuständigkeit des Bundes unterfällt. 43 Die Zuordnung organisationsrechtlicher Regelungen wird davon abhängig gemacht, ob sie sendetechnische Vorgänge, insb. die Einrichtung und den Betrieb von Sendeanlagen betreffen oder die Organisation fiir die Veranstalter und fiir die Veranstaltung von Rundfunksendungen regeln. 44 Der Gebührenbeschlujls übernimmt die Bestimmung des Begriffs "Fernmeldewesen" samt der wichtigsten Auslegungstopoi des 1. Rundfunkurteils46 und erstreckt sie auf den Bereich der Individualkommunikation, also auf die femmeldetechnische Übennittlung von Infonnationen an einen Empfänger. 47 In eben diesem Bereich fixiert der Direktrujbeschluß,48 ausgehend von grundzum VII. Abschnitt Anm. III 9 a) begegnet das BVerfG dadurch, daß es den Kompetenzkatalog für neue Entwicklungen insb. im technologischen Bereich offen hält (vgl. P. Lerche, JZ 1972,468 [470]). Dies wurde bei der Auslegung des Fernmeldewesens betont (BVerfGE 46,120 [141 ff]; R. Scholz, in: Festgabe BVerfG, Bd. 11, S. 252 [265 f.], der als typisches Beispiel Art. 73 NT. 7 GG a. F. nennt) und gilt gleichennaßen für die Telekommunikation i. S. d. Art. 73 Nr. 7 n. F., Art. 87 f GG (P. Badura, Schriftliche Stellungnahme, BT-Rechtsausschuß-Prot. 117/94, S. 46 f.). 39 BVerfGE 12,205 ff. 40 Vgl. nur J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, S. 611. Näher zum Rundfunkbegriff unten S. 96. 41 Dazu P. Lerche, Rundfunkmonopol, S. 14 ff; W. Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation und Verfassung, S. 46 ff; s. auch H. Gersdorf, Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff, S. 84 f., der zutreffend darauf hinweist, daß diese bei den Seiten des Rundfunks sich nicht zu zwei Rundfunkbegriffen verselbständigen, sondern nur unterschiedliche Voraussetzungen des Gesamtphänomens "Rundfunk" regeln. 42 BVerfGE 12,205 (236), bestätigt durch BVerfGE 92, 203 (238). P. Lerche, Rundfunkmonopol, S. 14, bezeichnet dies als kulturell-rechtliche Seite. 43 BVerfGE 12,205 (226 f., 236). 44 BVerfGE 12,205 (237 f.). 45 BVerfGE 28, 66 fT. 46 Historische Entwicklung und allgemeiner Sprachgebrauch, vgl. BVerfGE 28, 66 (85); dazu schon oben S. 49 mit Fußn. 38. 47 J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, S. 613. Näher zum Begriff der Individualkommunikation unten S. 81. 48 BVerfGE 46, 120 ff
B. Der Inhalt der Telekommunikation
51
rechtlichen Rechtspositionen, aufgrund einer in weitem Umfang an den Bestimmungen des FAG orientierten Auslegung49 die wesentlichen Merkmale von Fernmeldeanlagen. Neue Technologien, wie die digitale Nachrichtenübertragung, werden im Wege einer zukunftsorientierten, dynamischen Interpretation des Begriffs der Fernmeldeanlagen in gewissen Grenzen einbezogen. 50 Dies beeinflußt (auch) das Verständnis der Verfassungsbegriffe "Fernmeldewesen" und "Telekommunikation".51 Die in den bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidungen entwickelten Merkmale des Fernmeldewesens decken sich indes nur zum Teil. Während das 1. Rundfunkurteil auf den Vorgang der Signalübermittlung abhebt52 und so zu einer vorrangig aufgabenbezogenen Begrifflichkeit gelangt, stellt der Direktrufbeschluß im Rahmen einer gesetzesorientierten Argumentation schwerpunktmäßig auf die körperlichen Bestandteile des Fernmeldewesens (Übertragungswege und Endeinrichtungen) ab und gelangt so zu einem stärker gegenstandsbezogenen Verständnis des Fernmeldewesens. 53 Dies darf nicht zu dem (Trug)Schluß verleiten, daß das Bundesverfassungsgericht von zwei unterschiedlichen Defmitionen des Begriffs "Fernmeldewesen" ausgegangen ist. Denn die einschlägigen Aussagen fUgen sich trotz ihrer unterschiedlichen Akzentuierung zu einem einheitlichen, konsistenten Begriffsbild zusammen. 54 Das entscheidende Merkmal, das diesen Verfassungsbegriff wie eine gußeiserne Spange umschließt, ist das der körperlosen Nachrichtenübermittlung.
49 Zur Rechtfertigung des argumentativen Zugriffs auf das FAG dient der eher beiläufig fallengelassene Satz, daß zum Fernmeldewesen jedenfalls die Fernmeldeanlagen gehören (BVerfGE 46, 120 [139]). Gemeinsames Merkmal beider Begriffe ist die Aufgabe "fernmeIden" (H. Redeker, Neue Informations- und Kommunikationstechnologien, S. 79, ebda auch zu den Unterschieden zwischen Fernmeldewesen und Fernmeldeanlagen). . 50 Auf diese Weise entsteht ein statisches und ein dynamisches Element. Sie widersprechen sich nicht, sondern ergänzen einander. Ersteres prägt den Wesenskem des Kompetenzbereiches, letzteres ermöglicht die Anpassung an veränderte tatsächliche Bedingungen; vgl. dazu auch M. BullingerlE.-J. Mestmäcker, Multimediadienste, S. 136 f. 51 Dazu unten S. 61 ff., 88 f. 52 BVerfDE 12,205 (227): "funktechnischen Vorgänge". 53 BVerfDE 46, 120 (139 ff., 144 ff.). 54 Die Verbindungsstränge zwischen dem I. Rundfunkurteil, dem Gebührenbeschluß und der Direktrufentscheidung werden durch die häufigen Rückverweisungen unterstrichen, vgl. nur BVerfDE 46,120 (139,152,157 f.) - auf BVerfDE 28, 66 ff. verweisend; BVerfGE 46, 120 (144,151 f.) - auf BVerfDE 12,205 ff. verweisend.
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2. Kap.: Ge1tungsbereich der Universaldienstgewährleistung
2. Die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Kriterien des fCernmeldelVesens
a) In bezug auf den Übennittlungsgegenstand Gegenstand der Übennittlung sind Nachrichten. 55 Daneben ist ohne nähere Differenzierung auch von Signalen,56 Zeichen57 oder Daten58 die Rede. Gemeinsames Merkmal dieser an anderer Stelle zu kategorisierenden Begriffe 59 ist, daß sie Informationen enthalten. Informationen sind Mitteilungen von Tatsachen oder Werturteile über Personen, Gegenstände, Verhältnisse oder Vorgänge. b) In bezug auf den Übennittlungsvorgang Der das Fernmeldewesen ausfiillende Übennittlungsvorgang enthält eine sachliche und eine zeitliche Komponente. aa) Sachliche Komponente
Das prägende Merkmal "Übennittlung" bezeichnet den technischen Vorgang 60 der körperlosen Beforderung von Nachrichten an den Empfangsort. 61 Anstatt von Nachrichtenbeforderung spricht das Gericht auch von Daten- oder Nachrichtenübertragung62 oder - beschränkt auf die Individualkommunikation63 - von Daten- oder Nachrichtenvennittlung. 64 Eine Veränderung des Inhalts der Nachricht wurde als unzulässig angesehen, wenn diese eine Rundfunkdarbietung darstellt. 65 Ob dies auch fiir die Übennittlung anderer Nachrichten, zumal im Bereich der Individualkommunikation gilt, hat das Bundesverfassungsgericht bislang
55 BVerfGE 46, 120 (140, 142 ff.); darunter fallen auch digitale Nachrichten, BVerfGE 46,120 (142f., 153). 56 BVerfGE 12,205 (226); dazu zählen insb. Ton- und Bildsignale, vgl. BVerfGE 12, 205 (227). 57 BVerfGE 46, 120 (143). 58 BVerfGE46, 120(122, 143 f., 151). 59 Vgl. unten S. 84 f. 60 BVerfGE 12,205 (226 f.). 6\ BVerfGE 46, 120 (142 ff.). 62 BVerfGE46, 120 (142 ff., 151, 153). 63 Im konkreten Fall ging es um die Überprüfung von § 6 Abs. 6 DirRufV. 64 BVerfGE 46, 120 (152 f.). 6S BVerfGE 12,205 (226 f.).
B. Der Inhalt der Telekommunikation
53
nicht ausdrücklich entschieden. In der Direktrufentscheidung wurde es als zweifelhaft erachtet, ob die Bundespost im Rahmen ihrer Zuständigkeit für die Erfüllung der Aufgabe "Fernmeldewesen" zur Datenfernverarbeitung für Dritte rechtlich imstande wäre. 66 Der gleichzeitige Hinweis auf die Passage des 1. Rundfunkurteils, in der die technische Prägung des Begriffs ,,Fernmeldewesen" hervorgehoben wird, deutet indes darauf hin, daß das Gericht schon damals einer generellen Ausgrenzung jeglicher inhaltlicher Veränderung der übermittelten Nachricht zuneigte. 67 Die Notwendigkeit dieser Einschränkung erhält angesichts der technischen Entwicklung, die zur Aufweichung der Grenzlinie zwischen Individual- und Massenkommunikation sowie zu neuen ,,zwischenformen" gefiihrt hat,68 zusätzliches Gewicht. Das Merkmal der Nachrichtenübermittlung impliziert, daß die Nachricht an einen anderen Ort befördert wird. Der an die Stelle der vom Reichsgericht gebrauchten Formulierung "an einem anderen entfernten Ort,,69 getretene Ausdruck "Empfangsort,,70 knüpft die Verbindung zum zweiten Element des bundesverfassungsgerichtlichen Übermittlungsbegriffs, das neben das Kriterium der Nachrichtenübertragung tritt: Die ausgesandten Zeichen müssen am Empfangsort wiedererzeugt (wiedergegeben) werden. 7\ Daraus leitet sich auch das dritte Element des Übermittlungsbegriffs ab: Die Nachricht muß vor ihrer Beförderung in eine zum Transport geeignete Form umgewandelt werden, sie muß "übertragungsfähig" sein. 72 Das lenkt den Blick auf einen weiteren Aspekt des Übermittlungsbegriffs, seine zeitliche Dimension. bb) Zeitliche Komponente Der den Begriff des Fernmeldewesens ausfiillende Tatbestand der körperlosen Nachrichtenübermittlung beginnt in der Diktion des Bundesverfassungsgerichts "mit der Übermittlung der sendefertigen Ton- und Bildsignale vom Rundfunkstudio zu einem oder mehreren Sendern". 73 Dies darf nicht dahingehend mißverstanden werden, daß die Übermittlung erst nach Umwandlung der Nachricht in eine zum Transport geeignete Form, z. B. elektrische Schwingungen oder Daten, einsetzt. Löst man die Aussage aus ihrem rundfunkspezifischen Zusammenhang, wird deutlich, daß die technische Umwandlung der 66
BVerfDE 46, 120 (151 f.).
67 Deutlicher insoweit BVerwGE 77, 128 (131). 68 Vgl. unten S. 8 I f. 69 Vgl. RGSt 19, 55 (58). 70 BVerfDE 46, 120 (143 f.); dazu B. Köbele, Fernmeldewesen, S. 69 f. BVerfDE 46, 120 (144). BVerfDE 12,205 (227) spricht von "sendefertig", was eine Übertragungsflihigkeit voraussetzt; dazu auch unten S. 85 ff. 73 BVerfDE 12,205 (227). 7\
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2. Kap.: Ge\tungsbereich der Universaldienstgewährleistung
Nachricht in einen zur Übertragung geeigneten Zustand Teil des Übermittlungsvorgangs ist, während ihre inhaltliche Erzeugung und Gestaltung ausgeklammert bleiben. Dies gilt für Massen- und Individualkommunikation gleichermaßen. 74 Die Übermittlung endet mit dem Empfang der Nachricht. 7s Das setzt voraus, daß die Nachricht dort von einer zu ihrer Wiedererzeugung geeigneten Endeinrichtung aufgenommen und von ihr wiedergegeben wird. 76 Da nicht die Möglichkeit, sondern die Durchführung der Wiedergabe entscheidet, gehört auch die Rückumwandlung der Nachricht von der Transportform in eine wahrnehmbare Form zur Übermittlung. Dagegen ist irrelevant, ob, durch wen (Mensch oder Maschine)77 und in welcher Form (sinnlich oder auf sonstige Weise) eine Nachricht wahrgenommen wird; insoweit genügt die bloße Möglichkeit. c) In bezug auf den Übermittlungsweg Zum Fernmeldewesen i. S. v. Art. 73 Nr. 7 GG a. F. gehören nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts auch die technischen Voraussetzungen, deren Regelung für einen geordneten Ablauf des Betriebs der Rundfunksender und des Empfangs ihrer Sendungen unerläßlich ist. 7S Damit ist zum einen der Übermittlungsweg angesprochen. Er ist nicht nur bei Übermittlung von Rundfunksendungen, sondern bei jeder körperlosen Nachrichtenübermittlung Bestandteil des den Begriff "Fernmeldewesen" ausfüllenden Lebensbereiches. 79 Zum anderen zählen neben dem unmittelbaren Netzbereich auch die Endeinrichtungen zum Fernmeldewesen, weil sie die Übermittlung einer Nachricht zwischen zwei oder mehreren Punkten und ihre Wiedererzeugung erst ermöglichen. so
74 Dazu auch schon, bezogen auf die Nachrichtenbef6rderung, oben S. 53 sowie unten S. 81 f. 7S Vgl. in Hinblick auf die Übermittlung von Rundfunksendungen BVerfGE 12, 205 (227): ,.Ausstrahlung der Sendung und die sich daran etwa anschließenden Vorgänge bis zum Empfang der Sendung". 76 Vgl. BVerfGE 46, 120 (123, 144, 153 ff.) 77 BVerfGE 46, 120 (143 f.). 78 BVerfGE 12,205 (227). Zur Kritik arn Erfordernis der Unerläßlichkeit unten S. 89 mit Fußn. 272. 79 Vgl. BVerfGE 46, 120 (144). so BVerfGE 46, 120 (144); dies gilt sowohl für den Anfang wie für das Ende des Übermittlungsvorgangs, vgl. B. Pieroth, in: JarasslPieroth, Grundgesetz, Art. 73 Rdnr. 17.
B. Der Inhalt der Telekommunikation
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3. Die vom Bundesverfassungsgericht geformte Definition des JCernmeldelVesens
Zusammenfassend läßt sich der vom Bundesverfassungsgericht in bezug auf Art. 73 Nr. 7 GG a. F. geformte Inhalt des Kompetenzbegriffs "Fernmeldewesen" defmieren als jede Übermittlung von Nachrichten durch körperlose Beförderung und Vermittlung oder Verteilung von Signalen oder Daten dergestalt, daß sie am Empfangsort wiedererzeugt werden. 11. Die konturierende Kraft der Merkmale des Fernmeldewesens für Begriff und Bereich der Telekommunikation
Die vom Bundesverfassungsgericht zur Eingrenzung des Fernmeldewesens i. S. d. Art. 73 NI. 7 GG a. F. entwickelten Kriterien sind bis zur Änderung dieser Grundgesetzbestimmung und darüber hinaus allgemein als maßgebend anerkannt worden. 81 Angesichts fehlender weiterfiihrender Anhaltspunkte im Verfassungstext erhebt sich die Frage, ob auch zur Bestimmung des Inhalts der Telekommunikation i. S. d. Art. 73 Nr. 7 GG n. F., Art. 87 f GG auf diese Merkmale zurückgegriffen werden kann. Ein solches Vorgehen begegnet in bezug auf Art. 73 NI. 7 GG n. F. keinen Bedenken, da er ausweislieh des ausdrücklichen Willens des Verfassungsgesetzgebers den Regelungsgehalt des Art. 73 Nr. 7 GG a. F. nur in ein neues sprachliches Gewand gehüllt hat, in dem die zum Fernmeldewesen aufgestellten Kriterien weiterwirken. 82 Diese Argumentation kann indes nicht unbesehen auf das Verhältnis von Art. 73 Nr. 7 GG a. F. und Art. 87 f GG übertragen werden. Vielmehr stellt sich, ähnlich wie zuvor zwischen Art. 73 Nr. 7 GG a. F. und Art. 87 Abs. I 81 Vgl. bis zur Änderung des Art. 73 Nr. 7 GG die Rechtsprechung, insb. BVerwGE 77, 128 (131), sowie das Schrifttum, s. nur I. v. Münch, in: ders. (Hrsg.), GrundgesetzKommentar, Bd. 3, 2. Aufl. 1983, Art. 73 Rdnm. 44 ff.; B. Schmidt-Bleibtreu, in: ders./K1ein, Grundgesetz, 7. Aufl. 1990, Art. 73 Rdnr. 23; T. Maunz, in: ders./Dürig, Grundgesetz, Art. 73 (Stand: 1988) Rdnm. 116 ff. jeweils m. w. N.; ebenso nach der Änderung bzw. Ergänzung der Art. 73 Nr. 7, 87 f GG das VG Berlin, MMR 1998, 164 (166) und die bislang vorliegenden Stimmen des Schrifttums, vgl. nur M. Rottmann, ArchPT 1994, 193 (195 f.); J. Scherer, eR 1994, 418 (422); B. Schmidt-Bleibtreu, in: ders./Klein, Grundgesetz, 8. Aufl. 1995, Art. 73 Rdnr. 23; B. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 4. Aufl. 1997, Art. 73 Rdnr. 17; C. Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 1996, Art. 73 Rdnm. 32 ff.; P. Kunig, in: v. MünchlKunig (Hrsg.), GrundgesetzKommentar, Bd. 3,3. Aufl. 1996, Art. 73 Rdnm. 30 f.; einschränkend C. Grafvon Pestalozza, in: v. MangoldtIKleinlPestalozza, Grundgesetz, Bd. 8, 1996, Art. 73 Rdnr. 467: "vorerst". 82 Zu dieser vor allem auf die Normgenese abstellenden Auslegung schon oben S. 46 ff.; zu den Folgen der rechtlichen und tatsächlichen Veränderungen flir den Begriffsinhalt unten S. 83 ff., insb. 88 f.
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2. Kap.: Ge1tungsbereich der Universaldienstgewährleistung
Satz 1 GG a. F.,83 das Problem, ob die zur Festlegung des Fernmeldewesens i. S. d. Art. 73 Nr. 7 GG a. F. entwickelten Kriterien auch im Rahmen des Art. 87 f GG zugrunde gelegt werden können. Dies wird zusätzlich dadurch in Frage gestellt, daß Art. 87 f GG im Unterschied zu Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F. nicht verwaltungskompetenzbezogene Aussagen, sondern die Ausgliederung der Leistungserbringung im Bereich der Telekommunikation aus der Verwaltungskompetenz des Staates in den Mittelpunkt stellt. 84 Art. 87 f GG spricht denn auch nicht mehr von Telekommunikation, sondern vom Bereich der Telekommunikation. Die Prüfung der konturierenden Wirkung der Merkmale des Fernmeldewesens erstreckt sich daher auf den in dieser Vorschrift verwendeten Verfassungsbegriff "Telekommunikation" und den ihm zugrunde liegenden Lebensbereich. Was den rechtlichen Gehalt des Telekommunikationsbegriffs angeht, so können die überkommenen verfassungsgerichtlichen Kriterien zur Eingrenzung des Kompetenzbegriffs "Fernmeldewesen" i. S. d. Art. 73 Nr. 7 GG a. F. auch im Rahmen des Art. 87 f GG bei der Fixierung des Inhalts des Verfassungsbegriffs "Telekommunikation" zugrunde gelegt werden. Darauf deutet zunächst der gleichlautende Sprachgebrauch der Art. 73 Nr. 7 GG n. F. und Art. 87 fGG hin. Er begründet eine widerlegbare Vermutung rur eine inhaltliche Übereinstimmung. Über das "Bindeglied" des Art. 73 Nr. 7 GG n. F. B5 fmden die zu Art. 73 Nr. 7 GG a. F. aufgestellten Grundsätze Eingang in Art. 87 fGG. 86 Das verfassungsändernde Gesetzgebungsverfahren enthält keine Anhaltspunkte fiir ein abweichendes Verständnis des Rechtsbegriffs "Telekommunikation". Dieses Ergebnis wird durch die Genese der Art. 73 Nr. 7 GG n. F., Art. 87 f GG bekräftigt. Die durchgängige Verwendung des Ausdrucks "Telekommunikation" ist nicht zufälliger Natur, sondern das Ergebnis darauf abzielender Vereinheitlichungsbestrebungen des Verfassungsgesetzgebers. Auf diese Weise sollte die terminologische Kluft zwischen Art. 73 Nr. 7 GG a. F. ("das Postund Fernmeldewesen") und Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F. ("die Bundespost") geschlossen werden, die vordem durch die Behelfskonstruktion einer sachbereichsbezogenen Auslegung des Begriffs "die Bundespost" in Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F. überbrückt worden ist. 87 83 Die damalige Diskussion betraf vor al1em die Reichweite der in diesen Vorschriften verankerten Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz; s. dazu BVerfGE 12,205 (229 f.) m. w. N.; auch F. Ossenbühl, Deutsche Bundespost, S. 30 ff.; P. Lerche, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 87 Rdnr. 100 jeweils m. w. N. 84 Dazu eingehend unten S. 189 ff., insb. 192 f. 85 Zum Verhältnis zwischen Art. 73 Nr. 7 GG a. F. und n. F. schon oben S. 55. 86 S. jetzt VG Berlin, MMR 1998, 164 (168); al1gemein auch H. Redeker, Neue Informations- und Kommunikationstechnologien, S. 68, der einer Identität des Wortlauts indiziel1e Bedeutung flir die Übernahme der hergebrachten Interpretation beimißt. .7 ,,Die Bundespost" im Sinne des Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F. wurde überwiegend nicht als das Organisationsgebilde "Deutsche Bundespost", sondern als die ihm zuge-
B. Der Inhalt der Telekommunikation
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Die in Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG angeordnete Privatisierung und Entmonopolisierung BB der Leistungserbringung im Bereich der Telekonununikation bewirkt zwar eine Veränderung der Kompetenzmaterie;B9 sie beriihrt aber nicht das weiterhin gleichlaufende Verständnis der Verfassungsbegriffe "Fenuneldewesen" und "Telekonununikation", sondern betrifft allein den durch sie eingegrenzten Lebensbereich. Dieser besteht nicht mehr ausschließlich (wie bei Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F.) bzw. prinzipiell (wie bei Art. 73 Nr. 7 GG a. F.)9O aus vom Staat organisierter, ihm vorbehaltener Materie, sondern ist privatwirtschaftlicher Natur. Das Merkmal der körperlosen Nachrichtenübermittlung verliert dadurch aber nicht seine begriffs- und bereichskonturierende Wirkung. Abweichungen gegenüber der früheren Rechtslage ergeben sich nur hinsichtlich der Rechtsnatur der den Bereich der Telekonununikation ausrollenden Tätigkeiten und in bezug auf Status und Anzahl der handelnden Rechtspersonen. Vor diesem Hintergrund muß die Ausgangsfrage neu formuliert werden: Problematisch ist nicht, ob die Merkmale des Fernmeldewesens auch fiir den Rechtsbegriff "Telekonununikation" konturierende Wirkung entfalten, sondern aufweIche Weise die technologische Entwicklung (dazu unten III) und supranationale und nationale Regelungen (dazu unten IV) auf diese Kriterien einwirken und sie ggfs. modifIzieren.
ordneten oder zugehörigen öffentlichen Aufgaben verstanden, vgl. nur P. Lerche, in: MaunzlDürig, Grundgesetz, Art. 87 Rdnr. 99: "die zugehörige (staatlich organisierte) Materie" (Hervorhebung im Original); stärker auf die institutionelle Anbindung abstellend B. Mayer, Die Bundespost, S. 27; auch das BVerfG sprach bei "Bundespost" i. S. d. Art. 87 Abs. I Satz I GG a. F. von Sachbereich, vgl. BVerfGE 12,205 (229 f;, 248). Der Rechtsbegriff umschloß bei dieser aufgabenbezogenen Betrachtung das Post- und Fernmeldewesen (vgl. F. Ossenbühl, Deutsche Bundespost, S. 30 mit Fußn. 28; A. Dittmann, Die Bundesverwaltung, S. 174 m. w. N.; J. Scherer, ArchPF 1992,5 [6]). Daraus folgte indes nicht eine Identität der Sachbereiche der Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F. und Art. 73 Nr. 7 GG a. F., vgl. P. Lerche, in: Festschrift flIr K. Obermayer, S. 75 (76 f.); ders., in: MaunzlDürig, Grundgesetz, Art. 87 Rdnr. 100; B. Köbele, Fernmeldewesen, S. 255 ff.; R. ScholzlJ. Aulehner, ArchPT 1993, 221 (228). BB Vgl. unten S. 208 ff., 219 ff. B9 Dazu eingehend P. Lerche, in: Maunz!Dürig, Grundgesetz, Art. 87 f Rdnrn. 2 ff. Die Änderung hat aber nicht zur Folge, daß die zuständigkeits-, organisations- und aufgabenrechtlichen Gehalte des Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F. ersatzlos entfallen; sie werden vielmehr durch Art. 87 f Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG in anderer Form und abweichendem Umfang fortgefllhrt; näher dazu K. Windthorst, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 87 f Rdnm. 9, 26 f., 36 ff., 46 f. sowie unten S. 75 ff. 90 Vgl. zu dieser Differenzierung, die nicht unstrittig geblieben ist, nur P. Lerche, in: MaunzlDürig, Grundgesetz, Art. 87 Rdnr. 100 m. w. N. auch zur a. A.
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2. Kap.: Geltungsbereich der Universaldienstgewährleistung
Irr. Erschütterung der überkommenen Kriterien durch veränderte technologische Bedingungen und Möglichkeiten Die Telekommunikation wird als technologisch geprägte Materie durch die Entwicklungen auf diesem Gebiet nachhaltig beeinflußt. Dies wirkt sich nicht nur auf die Begriffsmerkmale, sondern auch auf die auf diesem Fundament zur Steuerung des so umzäunten Lebensbereichs errichteten ordnungspolitischen Vorgaben aus. J. Interdependenzen zwischen Recht und Technik
Technik wird aus Sicht des Rechts überwiegend als tatsächlicher Sachverhalt wahrgenommen. Die von ihr ausgehenden Risiken fiir Leib und Leben sowie fiir die Umwelt sollen durch gesetzliche Vorkehrungen verhindert oder jedenfalls vermindert/ 1 ihre Nutzungskapazitäten durch Normierung technischer Standards zur Gewährleistung von Kompatibilität und Interoperabilität vergrößert werden. Dies darf nicht zu einer die vielschichtigen Interdependenzen verkürzenden Vorstellung verleiten, welche die Funktionen des Rechts im wesentlichen auf eine Kontrolle der technologischen Entwicklung und die reaktive Bekämpfung daraus erwachsender Mißbrauchstatbestände und Gefahren verengt. Denn technische Entwicklung wird nicht einseitig durch das Recht gesteuert oder (ein)gebunden, sondern beeinflußt ihrerseits die rechtlichen Vorgaben. 92 Augenfälliges Beispiel hierfiir ist die Telekommunikation. Dieser Rechtsbegriff ist technischen Ursprungs,93 sein Inhalt wird durch technische Elemente ausgefiillt (z. B. Übertragungsweg, Endeinrichtung), technische Fakten gewinnen normative Bedeutung. 94 Dies hat zur Konsequenz, daß technologische Veränderungen sich auf den rechtlichen Rahmen fiir die Telekommunikation aus-
91 Vgl. E.-J. Mestmäcker, in: ders. (Hrsg.), Kommunikation ohne Monopole 11, S. 13 (30); zum Verhältnis von Recht und Technik im Umweltrecht O. Kimminich, in: Festschrift für R. Lukes, S. 73 ff. 92 Dies wird insb. bei unbestimmten Rechtsbegriffen wie z. B. Stand der Technik deutlich, vgl. zu diesem und anderen Standards H.-W Rengeling, Der Stand der Technik, S. 17 ff., 39 ff., 70 ff.; zur sog. Techniksteuerung l. Lamb, Kooperative Gesetzeskonkretisierung, S. 64 ff.; für den Bereich der Telekommunikation J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, S. 623 ff.; R. ScholzlJ. Aulehner, ArchPT 1993,221 (229 f.); für den Bereich des Rundfunks G. Herrmann, Rundfunkrecht, § 2 Rdnm. 42 ff., § 17 Rdnm. 21 ff. 93 Dazu oben S. 45 ff. 94 Allgemein dazu K. Oftinger, in: Freyer/PapalekaslWeippert (Hrsg.), Technik im technischen Zeitalter, S. 247 (261 ff.); P. Marburger, Die Regeln der Technik im Recht, S. 32 ff., 286 ff.
B. Der Inhalt der Telekommunikation
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wirken. 9s Namentlich können bestehende gesetzliche Defmitionen, Einteilungen und Regularien unterspült und neuartige Steuerungsmechanismen erforderlich werden. Um Ausmaß und Folgen veränderter technologischer Bedingungen und Möglichkeiten auf die Art. 87 f GG zugrunde liegende Telekommunikation nachmessen zu können, ist zunächst ein geeigneter status quo ante als Vergleichspunkt zu fixieren (unten 2). Daran anschließend werden die technische Entwicklung nachgezeichnet (unten 3) und ihre rechtlichen Konsequenzen untersucht (unten 4).
2. Die Ausgangssituation: Das Fernmeldewesen Mitte der siebziger Jahre Telekommunikation (vormals: Fernmeldewesen) existiert nicht erst seit Mitte der siebziger Jahre, sondern blickt auf einen weit längeren Zeitraum zurück. 96 Gleichwohl erscheint die Situation des Fernmeldewesens Mitte der siebziger Jahre als besonders geeigneter Zeitpunkt für einen Vergleich mit der derzeit vorgefundenen Lage, weil die technologische Entwicklung bis dahin, abgesehen von einzelnen Quantensprüngen,97 in relativ ruhigen Bahnen verlief. 98 Das damalige situative Umfeld war durch folgende Bedingungen gekennzeichnet: a) Funktionsdeterminierte Netze, Dienste und Endgeräte Die Individualkommunikation wurde in verschiedene eigenständige Dienste untergliedert, insb. in Form von Telegrafie, Telefonie und Telex. 99 Charakteristisch für sie war die spezifische Form der Nachrichtenübermittlung, z. B. beim Telefonieren die akustische Verständigung zwischen natürlichen Personen. Die
9S Zu den spezifischen Auswirkungen der technologischen und ökonomischen Bedingungen auf das Rechtsinstitut "Universaldienstgewährleistung" unten S. 124 f. 96 Vgl. oben S. 44 ff. 97 Beispielsweise der Start des ersten Fernmeldesatelliten "Tel star" am 10.07.1962. Seine wirtschaftliche Bedeutung war aber vergleichsweise gering, weil er nur 60 Telefongespräche gleichzeitig vermitteln konnte. 98 Vgl. T.-s. Kluth, Telekommunikation, S. 5. Vor allem die Zahl der sog. "Telekommunikationsdienste" hat sich seit Mitte der siebziger Jahre sprunghaft erhöht. Das Fernmeldewesen hat 140 Jahre benötigt, um sich von einem Dienst auf etwa ein Dutzend Dienste Anfang der achtziger Jahre auszuweiten. Seit diesem Zeitpunkt ist ein explosionsartiges Anwachsen der Dienste zu beobachten, vgl. das Grünbuch Telekommunikationsdienstleistungen, BT-Drs. 11/930, S. 9 f.; auch J Scherer, Datenverarbeitung, S. 53. Allerdings weicht das insoweit zugrunde gelegte Verständnis des Begriffs der Telekommunikationsdienste bzw. -dienstleistungen von dem des Art. 87 f GG ab, vgl. unten S. 82 f. 99 Vgl. T.-S. Kluth, Telekommunikation, S. 14, der auch "gegebenenfalls Datenfernübertragung" dazu zählt.
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2. Kap.: Geltungsbereich der Universaldienstgewährleistung
Übertragungswege waren eigens für die jeweiligen Dienste konzipiert und dimensioniert. loo Sie arbeiteten mit unterschiedlichen Übermittlungsverfahren und verfügten über eine je autonome Infrastruktur. Die damaligen Telekommunikationsnetze waren somit dienstespezifisch angelegt und ließen sich nicht von diesen trennen (sog. "dedicated telecommunications networks,,).lol Gleiches galt für Telekommunikationsendgeräte, z. B. für Telefon oder Telexgerät. Sie waren auf einen bestimmten Telekommunikationsdienst zugeschnitten, konnten nur für seine Zwecke genutzt werden. Ihre technische Ausstattung war vergleichsweise einfach, sie verfügten nur über begrenzte, dienstenotwendige Leistungsmerkmale, wie beispielsweise beim Telefon das Klingelzeichen (sog. "dedicated telecommunications equipment,,).102 Da Dienst, Netz und Endgerät aufgrund ihres wechselseitigen "Aufeinander-angewiesen-Seins" eine funktionale Einheit bildeten, war eine ordnungsrechtliche Differenzierung zwischen diesen Bestandteilen nicht erforderlich. 103 Die rechtlichen Vorkehrungen beschränkten sich im wesentlichen auf eine Regelung der Standardisierung, um die erforderliche Kompatibilität herzustellen. 104 b) Trennung zwischen Telekommunikation und Datenverarbeitung Infolge der dienstespezifischen Netze waren Telekommunikation und Datenverarbeitung zwei weitgehend getrennte Bereiche. Das Fernsprechnetz benutzte eine analoge Signaldarstellung als Übertragungs- und Vermittlungstechnik. lOS Die analoge Nachrichtenübermittlung lO6 erforderte für die Übertragung i. d. R. keine, für die Vermittlung nur in begrenztem Umfang Datenverarbeitung. Umgekehrt konnten bei dieser Übermittlungsmethode grds. keine in Computern verarbeiteten und gespeicherten Daten über das Fernmeldenetz transportiert werden. Lediglich das Telexnetz ließ eine Datenübermittlung zu. 107 100 H. Gersdorf, Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff, S. 20. 101 J. Scherer, TeIekommunikationsrecht und TeIekommunikationspolitik, S. 58. 102 S. das Grünbuch Telekommunikationsdienstleistungen, BT-Drs. 11/930, S. 30. 103 S. die Konzeption der Bundesregierung zur Neuordnung des Telekommunikationsmarktes, S. 24, wonach nur die Leitungen der verschiedenen Netze in gemeinsamen Kabelsystemen zusammengefaßt wurden; auch T-S. Kluth, Telekommunikation, S. 5. 104 Allgemein zur Standardisierung im Bereich der Telekommunikation J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, S. 335 ff.; insb. bei Endgeräten waren Vorgaben der EU Schrittmacher der Standardisierung, dazu unten S. 143 f. lOS Vgl. das GTÜnbuch Telekommunikationsdienstleistungen, BT-Drs. 111930, S. 31. 106 Dabei wird im Mikrophon des Femsprechapparates durch Membranschwingung ein Signal erzeugt. Dieses wird übertragen, wobei das beim Empfänger ankommende Signal in Stärke und Schwingzeit dem Ursprungssignal entspricht, d. h. zu diesem analog ist, vgl. J. Scherer, Datenverarbeitung, S. 45; P. Müller, Telekommunikation, S. 22. 107 Dazu und zu Innovationsansätzen auf diesem Gebiet J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, S. 46 ff.
B. Der Inhalt der Telekommunikation
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3. Veränderung der Telekommunikation infolge der technologischen Entwicklung
Die Fortschritte auf dem Gebiet der Mikroelektronik und die Digitalisierung der Nachrichtenübermittlung (dazu unten a) wirken sich in technischer (dazu unten b) und rechtlicher Hinsicht (dazu unten c) auf die Bedingungen der Telekommunikation aus. a) Fortschritte in der Basistechnologie aa) Leistungsfljhigere Mikroelektronik
Der Mikroelektronik kommt eine Schlüsselrolle für den technischen Fortschritt in der Telekommunikation zu. Ihr gelingt es in steigendem Maße, viele tausend elektronische Schaltfunktionen (sog. Transistorfunktionen) auf Kristallplättchen mit einer Größe von wenigen Quadratmillimetern unterzubringen. \08 Auf diesen Chips lassen sich komplexe integrierte Schaltungen herstellen, die vielfältige Steuerungsfunktionen erfüllen können. Sie bilden die Grundbausteine der neuen Telekommunikationssysteme. I09 Die Miniaturisierung und damit die Leistungsfähigkeit dieser Schaltkreise wächst jährlich um den Faktor zwei, während die Kosten allein von 1965 bis 1985 auf 1110000 ihres Ursprungspreises gefallen sind. IIO Diese technischen und wirtschaftlichen Veränderungen haben zu einer wachsenden Implementierung der Mikroelektronik in der Telekommunikation geftihrt. Das gilt sowohl für die Endeinrichtungen als auch für die Telekommunikationsnetze. 111 bb) Digitalisierung der Informationsübermittlung
Digitalisierung bezeichnet einen Vorgang, bei dem beliebige Informationen (Worte, Töne, Schriftzeichen oder Bilder) in ein einheitlich strukturiertes
108 J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, S. 56; ders., Datenverarbeitung, S. 44. 109 Vgl. allgemein C. Evans, Die winzigen Riesen, passim; zum Aufbau von Mikroprozessoren und zu den Vorteilen der Mikroelektronik D. Ratzke, Handbuch der Neuen Medien, S. 35 f. 110 G. Knieps, Entstaatlichung, S. 8 f. 111 Netzseitig erfaßt dieser Prozeß vor allem die Vermittlungsstellen, vgl. z. B. die zunehmende Einführung speicherprograrnrnierter Vermittlungseinrichtungen (SPC Stored Program Control), dazu T.-S. Kluth, Telekommunikation, S. 6. Der Softwareanteil an den gesamten Entwicklungskosten von Vermittlungsanlagen ist in den letzten Jahren sprunghaft gestiegen und liegt mittlerweile über 80 %, vgl. Grünbuch Telekommunikationsdienstleistungen, BT-Drs. 11/930, S. 30.
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2. Kap.: Geltungsbereich der Universaldienstgewährleistung
Nutzsignal l12 umgewandelt (codiert) werden. Diese technische Methode wird u. a. zur körperlosen Nachrichtenübermittlung genutzt. Im Unterschied zur analogen Nachrichtenübertragung ll3 werden nicht die in der Membran erzeugten elektrischen Spannungs signale unter transportbegleitender Verstärkung (der Nutzsignale, aber auch der Störgeräusche) in ihrer ursprünglichen Form übermittelt,114 sondern die Nachricht wird für den Transport codiert und, so erforderlich, beim Empfänger decodiert (rückumgewandelt).115 Vorteile der Digitalisierung sind zum einen eine Vervielfachung der Übertragungskapazitäten und -möglichkeiten (z. B. Rückkanäle für interaktive Kommunikation) bei höherer Qualität der empfangenen Nachrichten und niedrigeren Kosten, zum anderen eine einheitliche, schnellere, störungsfreiere Übermittlung unterschiedlicher Nachrichten, die aus verschiedenen Informationsquellen stammen können. I 16 b) Auswirkungen auf die technologische Struktur der Telekommunikation
aa) Hochkapazitäre multifunktionale Netze Die Telekommunikationsnetze setzen sich aus dem Übertragungskanal und den Vermittlungseinrichtungen zusammen. 117 Der Übertragungskanal ist der
112 Dieses besteht aus den binären Werten "Null und Eins" oder aus den Schaltfunktionen "Strom anlStrom aus" bzw. "LichtimpulsIkein Lichtimpuls". 113 Näher dazu schon oben S. 60 mit Fußn. 106. 114 Vgl. D. Ratzke, Handbuch der Neuen Medien, S. 52. 115 Dieser Vorgang vollzieht sich in foigenden Schritten (vgl. im einzelnen K. Schrape, Digitales Fernsehen, S. 7 ff.; H. Gersdorf, Digitale Kabelnetze, S. 21 ff.): Zunächst sind die (analogen) Ausgangssignale in digitale Signale (Daten) umzuwandeln (sog. Signalbearbeitung; Einzelheiten des Pulscodemodulationsverfahrens bei J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, S. 56). Dann wird die zu übertragende Datenmenge durch Quellcodierung auf das für die InformationsübermittJung unerläßliche Minimum reduziert und komprimiert (zur Datenreduktion und -kompression K. Schrape, Digitales Fernsehen, S. 11 f.). Anschließend werden die verschiedenen Datenströme durch das sog. Multiplex-Verfahren zu einem einzigen kontinuierlichen Transport-Datenstrom vereint. Dieser wird auf dem zur Verfügung stehenden Übertragungsweg (z. B. schmalbandiges Telefonkabel oder Breitbandkabel) transportiert (Übertragungsvorgang), beim Empfänger durch ein dazu geeignetes Empfangsgerät empfangen (Empjangsvorgang) und in einem die Signalbearbeitung mit Ausnahme der Datenreduktion rückgängig machenden Signalaujbereitungsprozeß (er umfaßt DeMultiplexing, Entschlüsselung und Umwandlung der digitalen Daten in analoge, vgl. H. Gersdorf, a. a. 0., S. 22) in einen wahrnehmungsfahigen Zustand rückumgewandelt. 116 Vgl. für die Telekommunikation D. Ratzke, Handbuch der Neuen Medien, S. 52; J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, S. 56 f.; für das digitale Fernsehen und für multimediale Dienste K. Schrape, Digitales Fernsehen, S. 7 f.; H. Gersdorf, Digitale Kabelnetze, S. 18 ff.; B. Holznagel, ZUM 1996, 16 f. 11 7 S. dazu mit partiell abweichender Einteilung und Begrifflichkeit J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, S. 34 ff., dort auch zum Aufbau
B. Der Inhalt der Telekommunikation
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Weg, auf dem die Daten bzw. Signale vom Sender zum Empfänger befördert werden. Er besteht aus den Übertragungsleitungen (drahtgebunden oder Funkstrecke) einschließlich des Leitungsabschlusses. Bei drahtloser Nachrichtenübermittlung kann der Sender auf der Erde (terrestrisch) oder im Weltraum (orbital) stationiert sein. Die Empfangseinrichtung kann ortsgebunden (fest) oder nicht ortsgebunden (mobil) sein. 1I8 Bei drahtgebundener Nachrichtenübermittlung kann die Übertragungsleitung ein Glasfaser- 1I9 oder Kupferkabel 120 (Kupferkoaxialkabel) sein. Sende- und Empfangseinrichtung sind terrestrisch und ortsfest. Anband des Informationsdurchsatzvermögens kann nach Bandbreite (breitbandig und schmalbandig) oder Bitrate der Übertragungswege unterschieden werden. Als Kommunikationsformen kommen grds. Punkt-zuPunkt und Punkt-zu-Mehrpunkt-Verbindungen in Betracht. 121 Vermittlungseinrichtungen sind Schaltstellen, die gewährleisten, daß die von den Endstelleneinrichtungen (Empfangsgeräte, ggfs. auch Sender) ausgehenden Vermittlungswünsche durch Herstellung der Verbindung erfüllt und die Verbindung nach Beendigung wieder aufgelöst wird. Als Vermittlungstechniken kommen in neuerer Zeit verstärkt die auf der Digitaltechnik beruhenden Systeme SDH (Synchronous Digital Hierarchy) und ATM (Asynchronous Transfer Mode) zum Einsatz. 122 Bei sämtlichen Telekommunikationsnetzen führt die Digitalisierung zu einer größeren Übertragungskapazität und -geschwindigkeit bei höherer Übertragungsqualität, niedrigeren Kosten und längerer Lebensdauer der Übermittlungseinrichtungen. 123 Das ist vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht relevant. 124 Technisch wie rechtlich bedeutsam ist insb. die durch diese Technik herbeigeführte Multifunktionalität der Netze. Unterschiedliche Informationsträger (z. B.
der Netze bei Differenzierung zwischen Vermittlungs- und Verteilnetzen; aus technischer und ökonomischer Sicht G. Knieps, Entstaatlichung, S. 4 ff., ebda auch zur Aufteilung in lokale Übertragnngswege und Fernleitungen. 118 Näher dazu T-S. Kluth, Telekommunikation, S. 9 ff. 119 Diese Lichtwellenleiter besitzen eine hohe Kapazität für die digitale Nachrichtenübertragung. 120 Vgl. den Hinweis in BVerfGE 46, 120 (141). 121 Weitere Einzelheiten im GTÜnbuch Telekommunikationsinfrastruktur, Teil 2, BRDrs. 101/95, S. 42. 122 Sie werden vor allem bei Nachrichtenübermittlung durch Glasfaserkabel eingesetzt und bilden die Basis für das künftige Breitband-ISDN (Integrated Services Digital Network)-System. S. dazu und Zu den bei Kupferkabeln eingesetzten Vermittlungstechniken das Grünbuch Telekommunikationsinfrastruktur, Teil 2, BR·Drs. 101195, S. 59 f. 123 Vgl. nur das GTÜnbuch Telekommunikationsdienstleistungen, BT-Drs. 11/930, S. 30; T-S. Kluth, Telekommunikation, S. 6 f.; s. auch oben S. 62 f. 124 Dazu unten S. 124 ff., ebda auch zu den Auswirkungen dieser ökonomischen Bedingungen auf die normativen Vorgaben.
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2. Kap.: Geltungsbereich der Universaldienstgewährleistung
Bilder, Töne, Zeichen) können auf demselben Transportweg praktisch gleichzeitig in Fonn rasch hintereinander geschalteter oder miteinander verschachtelter Datenpakete befördert und dann auf Empfängerseite wieder getrennt werden (sog. Zeitmultiplexing).125 Dies verlangt eine erhöhte Netzintelligenz, die vor allem in den Vermittlungsstellen konzentriert und erst durch verstärkten Softwareeinsatz realisierbar geworden ist. Außerdem bedarf es sog. Netzmanagementsysteme, die die zusammengefaßten Daten nach der Beförderung wieder trennen und eine nutzungsabhängige Kostenrechnung für den jeweiligen Teilnehmer ennöglichen. 126 Infolge dieser Entwicklung wandeln sich die monofunktionalen dienstespezifischen Fernmeldenetze in multifunktionale diensteneutrale Telekommunikationsnetze.
bb) Komplexe multifunktionale Endeinrichtungen Telekommunikationsendeinrichtungen sind dadurch gekennzeichnet, daß sie zum unmittelbaren oder mittelbaren Anschluß an ein Telekommunikationsnetz bestimmt sind und den Empfang sowie die Umwandlung der darauf übermittelten Daten oder Signale ennöglichen. 127 Teilweise wird auch bedeutungsgleich von Endgeräten gesprochen. 128 Typische oder angesichts der technologischen Umwälzungen treffender: herkömmliche Beispiele für Telekommunikationsendeinrichtungen sind der Femsprechapparat (Telefon) und das Fernschreibgerät. Die technisch-funktionale Abgrenzung gegenüber dem Übertragungsweg erfolgt über die sog. Schnittstelle. 129 Sie fixiert den Übergabepunkt, an dem die
125 Vgl. M. Bullinger, Kommunikationsfreiheit, S. 25 f.; G. Knieps, Entstaatlichung, S. IO. 126 S. das GTÜnbuch Telekommunikationsinfrastruktur, Teil 2, BR-Drs. 101/95, S. 60 f., ebda, S. 106 f., auch zum ordnungspolitischen Konzept einer Zusammenschaltung. Dazu aufgemeinschaftsrechtlicher Ebene unten S. 163 ff., 185; zur Regelung aufnationaler Ebene durch das TKG und die NZV unten S. 430 ff. 127 Ähnlich G. Knieps, Entstaatlichung, S. 4. Zur Definition der Endeinrichtungen durch § 3 Nr. 3 TKG unten S. 79 mit Fußn. 209. 128 Vgl. Z. B. auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene einerseits Art. 1 Spiegel strich 1 Richtlinie 88/301/EWG: "Endgeräte", andererseits Art. 1 Abs. 2 Spiegel strich 2 Richtlinie 91/263/EWG: "Endeinrichtung". Zur Definition dieser Begriffe durch das sekundäre Gemeinschaftsrecht vgl. unten S. 70 mit Fußn. 163. 129 Näher zu Begriff und Bedeutung dieser Schnittstellen J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, S. 38 m. w. N.; vgl. aus den Anfängen der Telekommunikationspolitik der Gemeinschaft beispielsweise die Definition der Schnittstelle zwischen dem öffentlichen und dem privaten Netz in Ziffer I. 2 des Anhangs zur Empfehlung des Rates 86/659/EWG über die koordinierte EinfUhrung des diensteintegrierenden digitalen Fernmeldenetzes (ISDN) in der Europäischen Gemeinschaft vom 22.12.1986. Das TKG enthält keine Legaldefinition des Begriffs "Schnittstelle", sondern spricht in Übereinstimmung mit der zwischenzeitlich gewandelten gemeinschaftsrechtlichen Begriffiichkeit von Abschlußeinrichtungen bzw. Netzabschlußpunkten (vgl. z. B. § 3 Nr. 3, 15 TKG).
B. Der Inhalt der Telekommunikation
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genonnten Abschlußpunkte von Netz und Endeinrichtung zusarnrnengeschaltet werden, um den Nachrichtenempfang zu gewährleisten. I3O Während Endeinrichtungen lange Zeit nur mit begrenzten, übennittlungsnotwendigen Funktionen ausgestattet waren, gelang es in den letzten zwanzig Jahren auf der Grundlage der Mikroelektronik komplexe multifunktionale Geräte mit hoher Leistungsfahigkeit zu entwickeln. \31 Diese Entwicklung läßt zwei neuartige Eigenschaften der Endeinrichtungen hervortreten. Sie sind zum einen multifunktional. Endgeräte, die zu bestirnrnten Fonnen der Nachrichtenübermittlung geeignet und bestirnrnt sind,132 ennöglichen zunehmend eine Vielzahl von Anwendungsfunktionen, von denen einige telekornrnunikationsnotwendig,!33 andere telekornrnunikationsdienlich 134 und wieder andere telekornrnunikationsfremd sind. 135 Zum anderen wandeln sich dienste spezifische Endgeräte 136 aufgrund der Digitalisierung der Nachrichtenübertragung und der Standardisierung der Schnittstellen zu diensteneutralen Endeinrichtungen. !37 Zu diesem Ergebnis kornrnt es auch bei (End)Geräten, die ursprünglich nicht zur Telekornrnunikation bestirnrnt waren, wenn diese nunmehr aufgrund des technischen Fortschritts auch für diese Zwecke geeignet sind und entsprechend genutzt werden. 138 Diese Entwicklung läßt in naher Zukunft ein universell verwendbares Telekornrnunikationsendgerät in Fonn einer multifunktionalen Empfangs-, Verarbeitungs- und Sichteinrichtung erwarten. 139
130 Dies geschieht in der Regel über Steckverbindungen. 131 VgJ. das Grünbuch Telekommunikationsdienstleistungen, BT-Drs. 11/930, S. 30; ausgehend vom Rundfunk auch M. Bullinger, Kommunikationsfreiheit, S. 23 ff. m Z. B. der Fernsprechapparat rur die Sprachkommunikation. !33 Das heißt, sie sind unmittelbare, unabdingbare Voraussetzung der Nachrichtenübermittlung; vgJ. z. B. beim Fernsprechapparat: Hörermuschel, Wählvorrichtung, Anrufzeichen. 134 Das bedeutet, daß sie die Leistung und/oder den Benutzungskomfort des Endgeräts verbessern; vgJ. z. B. beim Fernsprechapparat: Rufnummernspeicher, Wahlwiederholung. 135 Diese Funktionen dienen weder unmittelbar noch mittelbar der Nachrichtenübermittlung; vgJ. z. 8. beim Fernsprechapparat eine eingebaute Uhr. Eine abweichende Einteilung legt T.-s. KlutlI, Telekommunikation, S. 18, zugrunde. 136 Darunter versteht man Endeinrichtungen, die auf bestimmte Te\ekommunikationsdienste zugeschnitten sind, wie z. B. der Fernsprechapparat rur den Sprachte\efondienst. S. auch oben S. 60. 137 So können z. B. schriftliche Mitteilungen über Mobilfunktelefone versendet werden (sog. Mailing). 138 Beispielsweise kann mittels bestimmter Personal Computer unter Nutzung des festen öffentlichen Telefonnetzes als Zugang zum Internet über dieses telefoniert werden, sofern diese Geräte mit einer entsprechenden Zusatzkarte ausgestattet sind; dazu Moritz/Niebler, CR 1997, 697 ff. 139 VgJ. J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, S. 293 ff.; Grünbuch Telekommunikationsinfrastruktur, Teil 2, BR-Drs. 10 I /95, S. 60. 5 Windthorst
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2. Kap.: Geltungsbereich der Universaldienstgewährleistung
Die damit einhergehende Potenzierung und Vermischung unterschiedlicher Funktionen wirft erhebliche rechtliche Probleme auf, zumal in bezug auf die Regulierung dieses Bereichs. 140 c) Auswirkungen auf die ordnungsrechtlichen Vorgaben der Telekommunikation Die Veränderung der technologischen Bedingungen der Telekommunikation zieht neben wirtschaftlichen 141 wichtige rechtliche Konsequenzen nach sich. Sie betreffen sowohl den Begriff als auch den Bereich der Telekommunikation und durchdringen das gesamte telekommunikationsrechtliche Regelungssystem. Besondere Bedeutung kommt folgenden Punkten zu: aa) Konvergenz zwischen Telekommunikation und Datenverarbeitung
Vor der "technischen Revolution" auf dem Gebiet der Mikroelektronik und der Digitalisierung der Nachrichtenübermittlung bildeten Telekommunikation (Fernmeldewesen) und Datenverarbeitung eigenständige, gesonderte Bereiche, die anband technischer Kriterien gegeneinander abgegrenzt werden konnten. Die Übermittlungsfunktionen des Fernmeldewesens unterschieden sich aufgrund der hierfür erforderlichen Handlungen und der dabei eingesetzten Einrichtungen von den Umwandlungsfunktionen der Datenverarbeitung. 142 Diese Trennlinie setzte sich auf rechtlicher Ebene fort. Telekommunikation und Datenverarbeitung lagen unterschiedliche ordnungspolitische Vorstellungen zugrunde, die mit z. T. veränderter Ausrichtung bis heute andauern. Einerseits das stark reglementierte, durch gesetzliche Monopole eines staatlichen Sondervermögens dominierte Fernmeldewesen, andererseits die weitgehend unregulierte, durch grundrechtliche (Wirtschafts)Freiheiten geprägte Datenverarbeitung. Mit dem Vordringen integrierter Schaltkreise und softwaregesteuerter Systemlösungen in allen Sparten der Informations- und Kommunikationstechnik lösen sich diese Grenzen auf. Informationsübermittlung und -verarbeitung können in einem elektronischen Baustein vereinigt werden; sie sind technisch und logisch häufig nicht trennbar. 143 Dies führt zu einem Zusammenwachsen von Telekommunikation und Datenverarbeitung, ein Phänomen, das verbreitet in
Näher dazu unten S. 92 ff. Vgl. im einzelnen unten S. 123 ff. 142 Vgl. die Konzeption der Bundesregierung zur Neuordnung des Telekommunikationsmarktes, S. 23; H. Fangmann, Rechtliche Konsequenzen des Einsatzes von ISDN, S. 38; T-S. Kluth, Telekommunikation, S. 18 f. 143 So die Konzeption der Bundesregierung zur Neuordnung des Telekommunikationsmarktes, S. 23. 140 141
B. Der Inhalt der Telekommunikation
67
das Kunstwort "Telematik"l44 gekleidet wird. Exemplarisch hierfiir ist der Endgerätesektor. Standardisierte, kompatible Schnittstellen erlauben es, daß anstelle von telekommunikationsspezifischen Endgeräten (z. B. Femsprechanlage) Computer als Endeinrichtungen an Nachrichtenübermittlungssysteme angeschlossen und auf diese Weise in den telematischen Kreislauf integriert werden. 145 Daraufhin erhobenen Forderungen, entweder den Anwendungsbereich der telekommunikationsrechtlichen Regelungen auf solche oder zumindest solchermaßen genutzte EDV-Endgeräte auszudehnen l46 oder ihn von vornherein enger zu fassen,147 ist an anderer Stelle nachzugehen. 148
bb) Konvergenz zwischen Diensten, Netzen und Endeinrichtungen Eine auf den Neuerungen der Mikroelektronik beruhende Tendenz zur Angleichung erfaßt insb. die Rolle der Telekommunikationsnetze und -endeinrichtungen bei der Bereitstellung von Telekommunikationsdiensten. Funktionen wie Anrufumleitung oder Wahlwiederholung, die typischerweise von Endgeräten durchgefiihrt werden, können mittlerweile auch netzseitig in den Vermittlungs stellen wahrgenommen werden, während umgekehrt beispielsweise sog. PABX-Endeinrichtungssysteme l49 über netztypische Vermittlungs- und Routingfähigkeiten verfiigen. Diese funktionale Konvergenz berührt indes weniger den Telekommunikationsbegriff als die Ordnungspolitik in dem ihn ausfiillenden wirtschaftlichen Bereich. Sie stellte in der Vergangenheit fiir Netze, Dienste und Endgeräte je unterschiedliche rechtliche Vorgaben bereit. Die Grenzziehung zwischen diesen spezifischen regulatorischen Anforderungen gerät infolge dieser Entwicklung unter erheblichen Druck. ISO Allerdings verlieren die dadurch ausgelösten Probleme zusehends an Gewicht, weil die Divergenzen zwischen den Regelungen durch eine auf das Gemeinschaftsrecht zurückge144 Der Begriff stammt aus dem französischsprachigen Raum ("telt!matique") und setzt sich zusammen aus "telecommunication" und "informatique", s. dazu H. Maier, ArchPF 1984, 132 ff.; J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, S. 55; ders., ZUM 1985,472. 145 H. Fangmann, Rechtliche Konsequenzen des Einsatzes von ISDN, S. 36. 146 In diese Richtung tendierte die Konzeption der Bundesregierung zur Neuordnung des Telekommunikationsmarktes, S. 23 f. 147 Auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene neigt das Grünbuch Telekommunikationsdienstleistungen, BT-Drs. 11/930, S. 35, einer restriktiven Anwendung femmelderechtlieher Regularien zu. 148 Dazu unten S. 92 ff. Die Abgrenzungsproblematik wird auch im Zusammenhang mit sog. erweiterten Diensten bzw. Mehrwertdiensten (dazu unten S. 90 mit Fußn. 277) diskutiert. 149 S. dazu das Grünbuch Telekommunikationsdienstleistungen, BT-Drs. 11/930, S. 30.
150 Vgl. das Grünbuch Telekommunikationsdienstleistungen, BT-Drs. 11/930, S. 30 f.; T.-s. Kluth, Telekommunikation, S. 20. 5'
68
2. Kap.: Geltungsbereich der Universaldienstgewährleistung
hende einheitliche Ausrichtung auf eine Liberalisierung und Harrnonisierung des gesamten Bereichs der Telekommunikation schrittweise nivelliert werden. 151 Unterschiede ergeben sich vor allem in Hinblick auf die Reichweite der Beschränkungen, die im Rahmen der Universaldienstgewährleistung bei Dienstleistungen und Endeinrichtungen eingreifen. IV. Beeinflussung des Begriffs und des Bereichs der Telekommunikation durch veränderte rechtliche Anforderungen und Vorgaben
Neben diesen technologischen Veränderungen mit ihren reflexartigen rechtlichen Folgen wirken supranationale (dazu unten I) und nationale Regelungen (dazu unten 2 und 3) auf den Begriff der Telekommunikation und die Ordnung des diesem zugrunde liegenden Bereichs ein. 1. Überlagerung der überkommenen Kriterien und Grundsätze durch supranationale Vorgaben?
Die Telekommunikation befindet sich in einem Prozeß wachsender Internationalisierung. 152 Ursächlich hierfUr sind u. a. die grenzüberschreitende Nachrichtenübermittlung, die z. T. bereits in der Natur der Technik angelegt ist (z. R bei Satelliten), und die weltweite Verflechtung der Kommunikationsmärkte. 153 Dieser Entwicklung wird durch Errichtung internationaler Organisationen, die mit eigenständigen Entscheidungsbefugnissen ausgestattet sind (z. B. die Internationale Fernmeldeunion I54 ), und durch bi- oder multilaterale Vereinbarungen (z. B. GATS I55 ) Rechnung getragen. Die auf dieser supranationalen 151 Unterschiede bestehen vor aIlem hinsichtlich des Umfangs der Liberalisierung. Während der Endgerätemarkt voIlständig für den Wettbewerb geöffnet wurde und die Regulierungsvorgaben nur noch auf Kompatibilität und Standardisierung sowie auf Gewährleistung der erforderlichen Sicherheit von Benutzer und Netz zielen, bestanden vor allem in der Anfangszeit bei öffentlichen Telekommunikationsdienstleistungen über diese sog. grundlegenden Anforderungen hinaus weitergehende Beschränkungen, die u. a. aus dem Erfordernis der Universaldienstgewährleistung resultier(t)en, vgI. eingehend unten S. 151 ff. 152 Allgemein zu dieser internationalen Komponente der Telekommunikation B. Jansen, EuZW 1994,333 ff.; A. Tegge, Die Internationale Telekommunikations-Union, S. 159 ff.; E.-J. Mestmäcker, in: ders. (Hrsg.), Kommunikation ohne Monopole II, S. 13 (60 ff., 72 ff.); C. Engel, ebda, S. 179 ff. Zur Globalisierung des Telekommunikationsmarktes auch G. Herbig, Die Deutsche Telekom AG: Ein nationales Monopol auf dem Weg in den europäischen Wettbewerb, S. 11 ff. 153 Dazu und zu weiteren Gründen C. Engel, in: Mestmäcker (Hrsg.), Kommunikation ohne Monopole II, S. 179 (181 ff.). 154 International Telecommunication Union (ITU). ISS General Agreement on Trade in Services.
B. Der Inhalt der Telekommunikation
69
Ebene getroffenen Regelungen beeinflussen in zunehmendem Maße unmittelbar oder mittelbar die nationalen Telekommunikationsordnungen. Die Einflußnahme geht vor allem von der ITU, der WTO l56 und der EU aus. Die von ihnen in bezug auf die Telekommunikation entwickelten Vorgaben werden nachfolgend getrennt dargestellt, da sie in unterschiedlicher Weise auf die Rechtsordnungen der jeweiligen Mitgliedstaaten einstrahlen. 157 Aber nicht nur in den Beziehungen zwischen den Einzelstaaten und diesen supranationalen Gebilden, sondern auch zwischen Letztgenannten ist vieles umstritten. So bereitet das Verhältnis zwischen gemeinschaftsrechtlichen und (sonstigen) völkerrechtlichen Regelungen gerade im Bereich der Telekommunikation erhebliche Schwierigkeiten, 158 denen hier nicht im einzelnen nachgegangen werden kann. 159 Die konkreten Vorgaben der Europäischen Union rur die Telekommunikation ergeben sich hauptsächlich aufgrund des Sekundärrechts. 160 Die dort vorgesehenen umfänglichen Kataloge von Legaldefinitionen l61 legen zwar nicht den
World Trade Organization (Welthandelsorganisation). Primäres Gemeinschaftsrecht sowie Verordnungen (Art. 249 Abs. 2 EGV n. F./Art. 189 EGV Abs. 2 a. F.) und, unter bestimmten Voraussetzungen, Richtlinien der EU entfalten unmittelbare Geltung im nationalen Rechtsraum (dazu H.-P. Ipsen, HStR VII, § 181 Rdnrn. 60 ff. m. w. N.), während völkerrechtliche Regelungen und Vereinbarungen grds. der Transformation durch ein förmliches Zustimmungsgesetz bedürfen (dazu H. Steillberger, HStR VII, § 173 Rdnm. 41 f. m. w. N., ebda auch zur Einordnung des Art. 25 GG in dieses System; s. auch unten S. 74 mit Fußn. 183). 158 Ein Beispiel hierftir bietet das Zusammenspiel der ITU-Regeln über die Nutzung von Rundfunk- und Kommunikationssatelliten mit den einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Regelungen, s. im einzelnen E.-J. Mestmäcker, in: ders. (Hrsg.), Kommunikation ohne Monopole II, S. 13 (63 f.). 159 Zum Verhältnis zwischen ITU und EU: A. Tegge, Die Internationale Telekommunikations-Union, S. 291 f. Zu den Beziehungen zwischen WTO und EU, die insb. im Rahmen der Verhandlungen zu einem neuen GA TI-Abkommen in Hinblick auf die Zuständigkeit der Gemeinschaft diskutiert wurden, vgl. das Gutachten des EuGH 1/94, Sig. 1994 I, S. 5267 (5240 ff.), Tz. 37 ff., wonach ftir den hier relevanten Dienstleistungsverkehr, der eine Regelung im GATS erfahren hat (zur Einbeziehung der Telekommunikation in dieses Abkommen unten S. 74 f. mit Fußn. 185 f.), die Zuständigkeit zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten geteilt ist; ebenso jetzt der Vorschlag der Kommission für einen Beschluß des Rates über die Genehmigung der Ergebnisse der WTO-Verhandlungen über Basistelekommunikationsdienste (97/C 267/14); vorher schon B. Jallsen, EuZW 1994,333 (336); M. Hilf, EuZW 1995,7 f., geht von der Zuständigkeit der Gemeinschaft aus; s. zu diesem Fragenkreis auch E.-J. Mestmäcker, in: ders. (Hrsg.), Kommunikation ohne Monopole II, S. 13 (72 mit Fußn. 180, S. 87); M. Schweitzer/W. Hummer, Europarecht, Rdnrn. 636 ff. 160 Die verbindlichen Anforderungen sind insb. in Richtlinien des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission enthalten, vgl. im einzelnen unten S. 138. 161 S. nur Art. I Richtlinie 88/301/EWG, zuletzt geändert durch Art. I NT. I Richtlinie 94/46/EG; Art. 2 Richtlinie 901387/EWG, neugefaßt durch Art. I NT. 2 Richtlinie 97/51/EG; Art. I Abs. I Richtlinie 90/388/EWG, zuletzt geändert durch Art. I Nr. I 156 157
70
2. Kap.: Geltungsbereich der Universaldienstgewährleistung
Begriff der Telekommunikation selbst, wohl aber einzelne darauf aufbauende Ausprägungen wie beispielsweise (öffentliche) Telekommunikationsnetze;62 Endeinrichtungen 163 und Telekommunikationsdienste l64 fest. Diese gemeinschaftsrechtlichen Festlegungen erfordern indes keine Neubestimmung des Verfassungsbegriffs "Telekommunikation" im Rahmen einer gemeinschaftsrechtskonformen Verfassungsauslegung, da seine Deutung auf Richtlinie 96/2/EG; Art. 2 Abs. I Richtlinie 97133/EG; Art. 2 Abs. 2 Richtlinie 98/l0/EG. 162 Unter einem "Telekommunikationsnetz" versteht der durch Art. I Nr. I Iit. ai und iii Richtlinie 96/l9lEG geänderte Art. I Abs. I Richtlinie 90/388/EWG Übertragungseinrichtungen und gegebenenfaHs Vermittlungseinrichtungen und andere Mittel, mit denen Signale zwischen definierten Netzabschlußpunkten über Draht, über Funk, auf optischem oder anderem elektromagnetischem Weg übermittelt werden können; ebenso bei geringfügigen Wortlautabweichungen jetzt der durch Art. I Nr. 2 Richtlinie 97/51/EG neugefaßte Art. 2 Nr. 2 Richtlinie 901387IEWG gegenüber anderslautenden Formulierungen in Art. 2 Nr. 3 Richtlinie 90/387/EWG a. F., Art. lAbs. 2 Spiegel strich I Richtlinie 91/263/EWG. Das "öffentliche Telekommunikationsnetz" wird in Art. I Abs. I Richtlinie 901388/EWG in der derzeit geltenden Fassung als ein Telekommunikationsnetz definiert, das unter anderem für die Erbringung öffentlicher Telekommunikationsdienste genutzt wird. Demgegenüber bestimmt Art. 2 Nr. 2 Richtlinie 90/387/EWG n. F. diesen Begriff als ein Telekommunikationsnetz, das ganz oder teilweise zur Bereitstellung von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten genutzt wird. Diese Regelung steHt somit hinsichtlich des Merkmals "öffentlich" stärker auf den Zugang ab. Ebenso auch Art. 2 Abs. I lit. bRichtlinie 97133/EG; s. noch unten S. 176 mit Fußn. 294. 163 Das sind Einrichtungen, die an das öffentliche Telekommunikationsnetz angeschlossen werden soHen, d. h. a) die direkt an die Abschlußeinrichtung eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes angeschlossen werden sollen oder b) die mit einem öffentlichen Telekommunikationsnetz zusammenarbeiten und dabei unmittelbar oder mittelbar an die Abschlußeinrichtungen eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes angeschlossen werden soHen, um Informationen auszusenden, zu verarbeiten oder zu empfangen, vgl. Art. lAbs. 2 Spiegelstrich 2 Richtlinie 98/13/EG. Bei den Verbindungssystemen kann es sich um Kabel-, Funk-, optische oder andere elektromagnetische Systeme handeln. Zum früher gebräuchlichen Begriff "Endgerät" vgl. die ähnlich angelegten Definitionen in Art. 2 Nr. 2 Richtlinie 86/361/EWG und in Art. I Spiegelstrich I Richtlinie 88/301/EWG in der durch Art. I Nr. I Iit. a Richtlinie 94/46/EG geänderten Fassung, wo zudem klargesteHt wird, daß auch SateHitenfunkanlagen mit ihren Geräten als Endgeräte im Sinne dieser Richtlinie anzusehen sind. 164 Darunter versteht man die Dienste, die ganz oder teilweise aus der Übertragung und Weiterleitung von Signalen auf dem Telekommunikationsnetz bestehen, mit Ausnahme von Rundfunk und Fernsehen (vgl. Art. 2 Abs. J Iit. d Richtlinie 97/33/EG, Art. 2 Nr. 3 Richtlinie 90/387/EWG n. F.). Dagegen verzichtete die Begriffsfestlegung durch Art. I Abs. I Spiegelstrich 5 Richtlinie 90/388/EWG in der durch Art. I Nr. I lit. a Richtlinie 95/51 /EG geänderten Fassung noch auf eine ausdrückliche Ausgrenzung von Rundfunk und Fernsehen. Ihre explizite Ausgrenzung in der aktueHen Definition der Telekommunikationsdienste deutet darauf hin, daß der Gedanke einer Trennung zwischen den zur Telekommunikation zählenden Übermittlungsdiensten und den ihr nicht zugehörigen, durch sie übermittelten Diensten sich auch im Gemeinschaftsrecht durchgesetzt hat (dazu noch unten S. 97, 174 f.).
B. Der Inhalt der Telekommunikation
71
nationaler Ebene nicht in Widerspruch zu europarechtlichen Regelungen tritt. 165 Die einschlägigen Richtlinienbestimmungen wie das nationale Verfassungsrecht (Art. 73 Nr. 7, 87 f GG) gehen von einem auf die körperlose Übermittlung beliebiger Nachrichten begrenzten Telekommunikationsbegriff aus, bei dem der Inhalt der Nachricht unverändert bleibt. Die Identität des Begriffsverständnisses der EU ist aber im Rahmen einer sog. gemeinschaftsrechtsorientierten Verfassungsauslegung als ein diese Interpretation bekräftigendes Merkmal zu beriicksichtigen. 166 Weit stärker als die Begrifflichkeit beeinflußt das Gemeinschaftsrecht die Regulierung des Bereichs des Telekommunikation durch die Mitgliedstaaten. Die in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen sind insb. bei der Darstellung der Regulierungsvorschriften des TKG zu erörtern. 167 165 Eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung erfordert anders als der Anwendungsvorrang keine Kollisionslage, wohl aber, ähnlich der verfassungskonformen Auslegung, daß die Vorschrift mehrere Deutungsmöglichkeiten zuläßt, von denen zumindest eine mit Gemeinschaftsrecht in Einklang steht, andere dagegen nicht. Hieran fehlt es beim Telekommunikationsbegriff der Art. 73 Nr. 7, 87 f GG wegen des gleichlaufenden europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Verständnisses. Zur Frage, ob Verfassungsrecht Gegenstand einer gemeinschaftsrechtskonformen, zumal richtlinienkonformen Auslegung sein kann, U. di Fabio, NJW 1990,947 (950); A. Scherzberg, Jura 1993,225 (232); W. Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, S. 148,254,263; M. GeIlermann, Beeinflussung des bundesdeutschen Rechts durch Richtlinien der EG, S. 106 m. w. N.; R. Hutka, Gemeinschaftsrechtsbezogene Prüfungs- und Verwerfungskompetenz, S. 60 ff. Eine solche Auslegung des Grundgesetzes ist zwar auf der Grundlage und in den Grenzen der verfassungsrechtlichen Integrationsermächtigung des Art. 23 Abs. 1 GG grds. anzuerkennen, da diese sich auch auf den Normbefehl des Art. 10 Abs. 2 EGV n. F./Art. 5 Abs. 2 EGV a. F. erstreckt, aus dem der Anwendungsvorrang von verbindlichem Gemeinschaftsrecht gegenüber nationalem Recht abgeleitet wird (dazu M. Nettesheim, AöR 119 [1994],261 [268 ff.]); sie darf aber die in Art. 79 Abs. 3 GG genannten Essentialia nicht antasten (zur Bedeutung dieser Vorschrift für die europäische Integration P. Lerche, in: Festschrift für K. Redeker, S. 131 [133 ff.]). 16b Anhaltspunkte für die Zulassung einer solchen gemeinschaftsrechtsorientierten Auslegung finden sich sowohl in Art. 10 Abs. 2 EGV n. F. (Gemeinschaftstreue) als auch in Art. 23 Abs. I Satz 1 GG (Staatsziel, an der Verwirklichung eines geeinten Europas durch Mitwirkung an der Entwicklung der EU beizutragen, R. Streinz, in: Sachs [Hrsg.], Grundgesetz, Art. 23 Rdnr. 10). Für sie ist insb. dann Raum, wenn es, wie vorliegend, an einer gemeinschaftsrechtswidrigen Norminterpretation fehlt. Bei einer gemeinschaftsrechtsorientierten Auslegung können europarechtliche Regelungen jeden Rangs unabhängig von ihrer Verbindlichkeit (nur) als ein Kriterium bei der Auslegung einer Verfassungsnorm Berücksichtigung finden. Das Ausmaß, in dem Aussagen des Gemeinschaftsrechts in die Verfassungsinterpretation einfließen, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Entscheidend ist, ob die Verfassungsnorm überhaupt einen Auslegungsspielraum eröffnet, ob der Verfassungsgesetzgeber den Inhalt der gemeinschaftsrechtlichen Regelung gebilligt und damit in seinen Willen aufgenommen hat und welchen Grad an Verbindlichkeit und Bestimmtheit sie aufweist. Eine gemeinschaftsrechtsorientierte Auslegung von Grundgesetzbestimmungen muß zudem die nationalen Auslegungsgrenzen beachten, die sich insb. aus dem Wortlaut und dem objektiv erkennbaren, eindeutigen Sinn der Vorschrift ergeben (für Vorrang dieser Regeln H. D. Jarass, EuR 1991,211 [218]; a. A. M. Nettesheim, AöR 119 [1994],261 [274 f.]). 167 Einzelheiten unten S. 409 ff., insb. 416 ff., 427 ff., 430 ff., 458 ff.
72
2. Kap.: Geltungsbereich der UniversaldienstgewährIeistung
Die weitere Untersuchung beschränkt sich daher an dieser Stelle auf die Frage, ob und ggfs. in welcher Weise die Konturierung des Begriffs und die Regulierung des Bereichs der Telekommunikation durch (sonstige) supranationale handelsrechtliche Übereinkommen (GA TI; GATS) und durch Entscheidungen supranationaler Organisationen (ITU; WTO) berührt werden. Das verlangt eine differenzierende Betrachtung. Zwar nehmen ITU wie WTO Zuständigkeiten in bezug auf die Telekommunikation für sich in Anspruch; ihre Befugnisse gestalten sich aber unterschiedlich, was auf Divergenzen in bezug auf Tradition, Mitglieder, Funktion und Arbeitsweise zurückzuführen ist. 168 Die bereits im Jahre 1865 gegründete Internationale Fernmeldeunion (ITU I69 ) ist Regulierungsinstanz und Kooperationsforum der internationalen Telekommunikation. Ihre Aufgaben sind auf der Grundlage der Territorialität l70 insb. die Entwicklung allgemeiner Regeln für grenzüberschreitende Telekommunikation sowie Fragen der Tarifierung, Standardisierung und Funkfrequenzkoordinierung. 17I Die Mitglieder der ITU sind staatliche Fernmeldeverwaltungen,172 neuerdings auch anerkannte Betriebsunternehmen im Sinne der Konstitution und Konvention der Internationalen Fernmeldeunion ("recognized private carriers").173 Gleichwohl ist die Arbeit dieses Gremiums bislang durch die festgeftigten nationalen Monopolstrukturen seiner Mitglieder geprägt gewesen. 174 Für das Verständnis des Begriffs der Telekommunikation spielt die ITU insoweit eine Rolle, als Art. 5 lit. a der Konstitution i. V. m. Tz. 1012 der dazu ergangenen Anlage Fernmeldeverkehr definiert als jede Übermittlung, jede Aussendung oder jeder Empfang von Zeichen, Signalen, Schriftzeichen, Bildern, Lauten oder Nachrichten jeder Art über Draht, Funk, optische oder elek-
168 Vgl. A. Tegge, Die Internationale Telekommunikations-Union, S. 286 ff 169 Früher: "Internationaler Fernmeldeverein" bzw. "Weltnachrichtenverein"; zur Geschichte W. Rudolf, in: FuhrlRudolf/Wasserburg (Hrsg.), Recht der Neuen Medien, S. 148 (149 f.); allgemein zu dieser Organisation auch ders., ebda, S. 148 (181 ff.); A. Tegge, Die Internationale Telekommunikations-Union, passim; E.-J. Mestmäcker, in: ders. (Hrsg.), Kommunikation ohne Monopole 11, S. 13 (62 ff). 170 Zu diesem Grundsatz und seiner Bedeutung E.-J. Mestmäcker, in: ders. (Hrsg.), Kommunikation ohne Monopole 11, S. 13 (60 f). 171 Vgl. die in Genf am 22.12.1992 von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnete Konstitution und Konvention der Internationalen Fernmeldeunion in der in Kioto am 14.10.1994 geänderten Fassung, der der Bundestag mit Gesetz vom 20.08.1996 zugestimmt hat (BGBI 1996 11, S. 1306 ff.). 172 Vgl. E.-J. Mestmäcker, in: ders. (Hrsg.), Kommunikation ohne Monopole 11, S. 13 (60).
173 Dazu gehören gemäß § 7 TKG Lizenznehmer, die internationale Te1ekommunikationsdienstleistungen erbringen oder im Rahmen ihres Angebots Funkanlagen betreiben, die schädliche Störungen bei Funkdiensten anderer Länder verursachen können. 174 Vgl. A. Tegge, Die Internationale Telekommunikations-Union, S. 79 f, 287 f
B. Der Inhalt der Telekommunikation
73
tromagnetische Systeme. 175 Der Inhalt dieser Begriffsfestlegung ist weder neu l76 noch weicht er von der verfassungsgerichtlichen Definition des Fernmeldewesens ab. Die Regelung vermittelt daher keine neuen Erkenntnisse, sondern bestätigt die historisch gewachsenen Merkmale dieses Verfassungsbegriffs. Insoweit herrscht weitgehende Übereinstimmung in der Staatengemeinschaft. Für die Regulierung des Bereichs der Telekommunikation durch die Verwaltungen der Mitgliedstaaten entfaltet die Politik der ITU aufgrund ihrer Ausrichtung nur geringe Bedeutung. 177 Anders verhält es sich bei der durch Art. I des Übereinkommens zur Errichtung der WTO errichteten Welthandelsorganisation. 178 Sie bildet den institutionellen Rahmen für das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen von 1994 (GA TI) und das Allgemeine Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS). 179 Kern dieser Vereinbarungen ist die Liberalisierung des Welthandels durch Abbau bestehender Marktzutrittsbeschränkungen und sonstiger Hindernisse. 18o Besondere Bedeutung entfaltet die dem GATS beigefügte Anlage zur Telekommunikation. 181 Sie konkretisiert in Anerkennung der spezifischen Eigenheiten dieses Sektors die Bestimmungen des GATS. 182 TelekomBGBI1996 II, S. 1318. Die Vorgänger der Konstitution und Konvention der ITU, die Fernmeldeverträge von Ma1aga-Torremolinos vom 25.10.1973 (BGBI 1976 II, S. 1089 ff.) und von Nairobi vom 06.11.1982 (BGBI 1985 II, S. 425 ff.) enthielten jeweils in Art. 51 lit. a i. V. m. Anlage 2, Tz. 2015, gleichlautende Definitionen. Ebenso die am 30.06.1989 in Nizza unterzeichnete Erstfassung der Konstitution und Konvention, der der Bundestag mit Gesetz vom 28.01.1994 zugestimmt hat (BGB11994 II, S. 146 ff.). 177 Relevanz entfalten die Vorgaben der ITU insb. im Rahmen der Frequenzfestlegung. 178 Vgl. das Gesetz vom 30.08.1994, in dem der Bundestag dem Übereinkommen vom 15.04.1994 zur Errichtung der Welthandelsorganisation und zur Änderung anderer Gesetze zugestimmt hat (BGBI 1994 II, S. 1483 ff.; zum Übereinkommen selbst ebda, S. 1625 ff.); s. auch B. Jansen, EuZW 1994,333; E.-J. Mestmäcker, in: ders. (Hrsg.), Kommunikation ohne Monopole II, S. 13 (72 ff.). 179 BGBI 1994 II, S. 1643 ff. 180 Vgl. insb. Art. II Abs. I, Art. III, VIII, XVI GATS (dazu noch unten S. 73 f. mit Fußn. 182). Dieses Abkommen bindet die Mitgliedstaaten, deren Stellen die Verpflichtungen umsetzen bzw. vollziehen müssen. Die Teilidentität des Adressatenkreises kann im Ergebnis angesichts der gegenüber der Tätigkeit der ITU divergierenden Zielsetzungen zu gewissen Friktionen führen, da Telekommunikation mittlerweile als handelbare Dienstleistung in den GeItungsbereich von GATS einbezogen worden ist (dazu unten S. 75 mit Fußn. 186); um dem zu begegnen, sieht Ziffer 7 der dem GATS beigefügten Anlage zur Telekommunikation (dazu unten Fußn. 181) Abstimmungsmodalitäten mit internationalen Organisationen, insb. der ITU, vor (dazu A. Tegge, Die Internationale Telekommunikations-Union, S. 290 f.). 181 BGBI 1994 II, S. 1664 f. Dazu H. Tietz, in: GrabitzJv. BogdandylNettesheim (Hrsg.), Europäisches Außenwirtschaftsrecht, S. 521 (570 f.). 182 Bedeutsam sind insb. die Meistbegünstigungsklausel des Art. II für den Verkehr mit Telekommunikationsendgeräten, die Vorgaben des Art. VIII in bezug auf Dienst175
176
74
2. Kap.: Geltungsbereich der Universaldienstgewährleistung
munikation wird in Ziffer 3 lit. a dieser Anlage definiert als Übertragung und Empfang von Signalen auf elektromagnetischem Weg. Auch insoweit besteht ein gleichlaufendes Verständnis wie im deutschen Verfassungsrecht. Die auf diesem Felde gewonnenen Begriffsmerkmale werden durch dieses multilaterale Handelsabkommen nicht in Frage gestellt, sondern untermauert. 183 Die telekommunikationsbezogenen Vorgaben des GATS betreffen vor allem die Regulierung dieses Wirtschaftszweiges durch die Vertragsstaaten. Hervorzuheben sind insb. die unter Ziffer 5 der oben erwähnten Anlage festgelegten Verpflichtungen zur Sicherstellung eines diskriminierungsfreien Zugangs zu öffentlichen Telekommunikationsnetzen und -diensten und deren diskriminierungsfreie Nutzung, da sie auch gegenüber Anbietern aus dem außereuropäischen Ausland bestehen. Dies fUhrt zu einer über das Gebiet der EU hinausgehenden weltweiten Liberalisierung der Telekommunikation. Allerdings waren die Regelungen über die wirtschaftlich bedeutsame Basistelekommunikation, zu der u. a. der Sprachtelefondienst zählt,184 bei Abschluß der GATS-Vereinbarung wegen fortbestehender Meinungsverschiedenheiten noch nicht bindend. Sie bildeten in der Folgezeit den Gegenstand kontroverser Verhandlungen eines eigens hierfür eingesetzten Gremiums (NGBT). Der ursprünglich vorgesehene Abschlußtermin (30.04.1996) konnte angesichts der gegensätzlichen Positionen nicht eingehalten werden. 18s Eine endgültige Einigung wurde erst am
leistungserbringer mit MonopolsteIlung und die Regelungen des Art. XVI hinsichtlich des Marktzugangs. S. dazu auch Ziffer 4 und 5 der GA TS beigeftigten Anlage zur Telekommunikation; dazu Barth, ArchPT 1997, 112 (114 f.). 183 Konstitution und Konvention der ITU sowie GATT und GATS nebst der sektorspezifischen Anlage zur Telekommunikation beruhen auf bzw. sind völkerrechtliche Vereinbarungen. Die in ihnen enthaltenen einschlägigen Bestimmungen sind aufgrund entsprechender Zustimmungsgesetze des Bundestages (dazu oben S. 69 mit Fußn. 157) innerstaatlich anwendbar und damit bindender Bestandteil der Rechtsordnung in Deutschland geworden. Ihr Rang entspricht dem Rang des Zustimmungsgesetzes (BVerwGE 47, 365 [378] unter Bezugnahme auf T. Maunz, in: ders./Dürig, Grundgesetz, Art. 25 Rdnrn. 24 f.). Sie stehen daher auf der Rangstufe von förmlichen Bundesgesetzen. Aufgrund der Verfassungsbindung (Art. 20 Abs. 3 Hs. 1 GG) können sie den Art. 73 Nr. 7, 87 f GG zugrunde liegenden Verfassungsbegriff "Telekommunikation" keinen dem Normtext oder dem Willen des Verfassungsgesetzgebers widersprechenden Inhalt verleihen; sie sind aber bei der Auslegung der Begriffsmerkmale zu berücksichtigen (zu Art und Umfang dieser Einwir~.ung unten S. 78 ff.). Dies gilt insb. ftir die Differenzierung zwischen Ubermittlung, Ubertragung, Vermittlung und Verteilung von Nachrichten, ftir den Ausschluß jeglicher Veränderung ihres Inhalts sowie ftir die Ausgrenzung von Hörfunk und Fernsehen (s. insb. die Definition von Telekommunikationsdiensten in der Schedule of Specific Commitments zum Vierten Protokoll zum GATS, abgedruckt in ABI EG 1997, NT. C 267, S. 83). 184 Unter Basistelekommunikation werden allgemein Telekommunikationsnetze und -dienste verstanden, vgl. Ziffer I des Beschlusses zu Verhandlungen über Basistelekommunikation (BGBI 199411, S. 1673). 185 Vgl. Ziffer 7 des Beschlusses zu Verhandlungen über Basistelekommunikation. Die Verhandlungsparteien beschlossen nach Fristablauf ein befristetes Moratorium, um
B. Der Inhalt der Telekommunikation
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15.02.1997 durch Abschluß des Vierten Protokolls zum GATS erzielt, das völkerrechtlich verbindlicher Bestandteil des WTO-Vertragswerkes ist und nach RatifIzierung am 1.1.1998 in den Vertragsstaaten in Kraft treten sollte. 186 Es enthält Länderlisten mit spezifIschen Liberalisierungsverpflichtungen fiir Basistelekommunikationsdienste, die insb. den Marktzugang, Investitionen und regulatorische Prinzipien zur Wettbewerbssicherung betreffen. 187 Seine Auswirkungen auf den Bereich der Telekommunikation sind gegenwärtig im einzelnen noch nicht abzusehen.
2. Veränderung der Telekommunikation infolge modifizierter verfassungsrechtlicher Bedingungen Die in Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG angelegte Entrnonopolisierung und materielle Privatisierung verändern nicht die Begriffsmerkmale der Telekommunikation, sondern den sie ausfiillenden Lebensbereich. 188 Die konturierende Wirkung des Kriteriums "körperlose Übermittlung inhaltlich unveränderter Nachrichten" fiir die Telekommunikation ist durch den verfassungsrechtlich fundierten ordnungspolitischen Paradigmenwechsel nicht angetastet worden. Die Veränderung der verfassungsrechtlichen Bedingungen der Telekommunikation wirkt sich allein auf die ordnungspolitische Handhabung des durch diesen Rechtsbegriff eingegrenzten Bereichs aus. Das Ausmaß dieser Abweichungen wird deutlich, wenn man die Bedeutungsgehalte der Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F. und Art. 87 f GG - gleichsam vor die Klammer gezogen - vergleicht. 189 Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F. ist aufgrund des Normtextes, seiner Entstehungsgeschichte, der Stellung im VIII. Abschnitt des Grundgesetzes und des systematischen Zusammenhangs mit Art. 30, 83 Hs. 2 GG als verwaltungskompetenzrechtliche Regelung zu qualifIzieren,190 der allerdings nach überwie-
die Möglichkeit einer Einigung offenzuhalten; dazu und zum weiteren Fortgang 1. Heilbock, MMR 1998, 129 (132 ff.). 186 Allerdings steht die Genehmigung der EU flir den ihren Zuständigkeitsbereich betreffenden Vertragsteil noch aus, vgl. den Vorschlag der Kommission flir einen Beschluß des Rates über die Genehmigung der Ergebnisse der WTO-Verhandlungen über Basistelekommunikationsdienste (97/C 267/14). 187 Vgl. Barlh, ArchPT 1997, 112 (114 f.); J. Heilbock, MMR 1998, 129 (132 ff.). 188 Näher dazu schon oben S. 57. 189 Vgl. den Überblick zu den Neuerungen bei P. Lerche, in: MaunzlDürig, Grundgesetz, Art. 87 f Rdnm. I ff. 190 S. bereits H. v. Mangoldl/F. Klein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. 111, Art. 87 Anm. " 4 a: "in erster Linie Verwaltungszuständigkeiten"; E. Schmidl-Aßmann/G. Fromm, Bundesbahn, S. 54 ff. m. w. N. in Fußn. 124; vgl. auch 1. Plagemann, Die erwerbswirtschaftliche Betätigung der Deutschen Bundespost durch Eigengesellschaften, S. 119; R. Schmidl, in: Festschrift flir P. Lerche, S. 965 f.; M. Jeslaedl, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 448, rechnet den Zuständigkeitsgehalt des Art.
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2. Kap.: Geltungsbereich der Universaldienstgewährleistung
gender Meinung im Wege der Auslegung neben zuständigkeitsrechtlichen auch aufgaben- und organisationsrechtliche Bedeutungsdimensionen entnommen werden. 191 In zuständigkeitsrechtlicher Hinsicht hat Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F. die Verwaltungskompetenz für den durch den Begriff "Bundespost" repräsentierten Bereich l92 abweichend von der Regelzuständigkeit der Art. 30, 83 Hs. 1 GG ausschließlich dem Bund zugewiesen. 193 Art. 87 f GG führt diesen Rechtszustand insoweit fort, als er in Absatz 2 Satz 2 für die Ausführung von Hoheitsaufgaben im Bereich des Postwesens und der Telekommunikation bundeseigene Verwaltung anordnet. Daneben sieht Absatz 3 eine Verwaltungszuständigkeit des Bundes bei der Wahrnehmung sehr unbestimmt umschriebener, einzelner Aufgaben in bezug auf die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen vor. Für eine QualifIzierung des Art. 87 f GG (auch) als Verwaltungskompetenzvorschrift sprechen vor allem der Wortlaut sowie seine Genese und die systematische Stellung im VIII. Abschnitt des Grundgesetzes, der nicht ausschließlich, aber doch überwiegend verwaltungskompetenzrechtliche Bestimmungen enthält. 194 Diese Einschätzung wird durch eine vergleichende Betrachtung des Art. 87 e GG untermauert. Diese Bestimmung ist ähnlich strukturiert wie Art. 87 f GG, 195 wie dieser regelt sie die Verwaltungskompetenz des Bundes, in diesem Fall rür den Bereich der Eisenbahnen des Bundes, und tritt an die Stelle der im gleichen Zug in Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F. gestrichenen Formulierung "die Bundeseisenbahnen,".196
87 Abs. 1 Satz I GG dem Primärgehalt dieser Norm zu. 191 Hierzu E. Schmidt-AßmanniG. Fromm, Bundesbahn, S. 53 ff.; U. Steiner, HStR III, § 81 Rdnr. 35; H. Lecheler, NVwZ 1989, 834 ff.; P. Badura, ArchPF 1991, 389 (397 ff.); ders., in: Festschrift für W. Lorenz, S. 3 ff.; J Scherer, ArchPT 1992,5 (6 ff.); P. Lerche, in: MaunzlDürig, Grundgesetz, Art. 87 Rdnm. 13 ff.; R. ScholzlJ Aulelmer, ArchPT 1993,103 (123 ff., 141 ff.); R. Schmidt, in: Festschrift für P. Lerche, S. 965 ff.; zur zusätzlichen Dimension eines aus Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG abgeleiteten Ausgestaltungsvorbehalts M. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 453 ff.; insgesamt ablehnend neben älteren Stimmen im Schrifttum (z. B. H. Krüger, DÖV 1949, 467 f.; F. Giese, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949, Art. 87 Anm. 11 4) insb. H. P. Bull, Staatsaufgaben, S. 52 f.; J Isensee, HStR III, § 57 Rdnm. 140 f.; auch B. GroßfeldlH. Janssen, DOV 1993,424 ff. 192 Zur Auslegung dieses Begriffs und zu den Verbindungslinien zu Art. 73 Nr. 7 GG a. F. oben S. 56 f. mit Fußn. 87. 193 Vgl. nur R. Schmidt, in: Festschrift für P. Lerche, S. 965 f. m. w. N. 194 P.Badura, Schriftliche Stellungnahme, BT-Rechtsausschuß-Prot. 117/94, S. 46 ff. 195 Darauf deutet die Stellungnahme des Bundesrates zu Nr. 3 des 41. GG-ÄndG-E hin (BT-Drs. 12/7269, S. 8); s. auch B. Pieroth, in: JarasslPieroth, Grundgesetz, Art. 87 f Rdnr. 3. Zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen Art. 87 e und Art. 87 f GG P. Lerche, in: Festschrift für K. H. Friauf, S. 251 (253 ff.). 196 Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 20.12.1993
B. Der Inhalt der Telekommunikation
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Aus alldem folgt indes nicht, daß Art. 87 f GG ausschließlich kompetenzrechtlichen Gehalt aufweist oder dieser gar in seinem Umfang insoweit deckungsgleich mit dem des Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F. ist. Ersteres wird bereits durch einen Blick auf Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG deutlich, der offensichtlich nicht primär kompetenzrechtliche Aussagen zum Gegenstand hat; letzteres erschließt sich aus der in dieser Regelung verankerten Entstaatlichung des Bereichs der Telekommunikation. Sie fUhrt zu einer Reduzierung der staatlichen Aufgaben, die Gegenstand der Verwaltungskompetenzen von Bund und Ländern sein können. 197 In organisationsrechtlicher Hinsicht verlangt Art. 87 f Abs. 2 Satz 2 GG ebenso wie Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F.,198 daß der Bund die dort aufrechterhaltene Verwaltungszuständigkeit in der Verwaltungsform der bundeseigenen Verwaltung ausfUhrt. Darunter versteht man mit Blick auf die Differenzierung in Art. 86 Satz 1 GG die sog. unmittelbare Bundesverwaltung. 199 Im Unterschied zu seinem "Vorgänger" legt Art. 87 f Abs. 2 Satz 2 GG diese Verwaltungsform aber nicht allgemein fUr die (Aufgaben der) Bundespost i. S. d. Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F., sondern nur für die Hoheitsaufgaben im Bereich der Telekommunikation fest. Die früher kontrovers diskutierte Frage, ob Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F. eine (begrenzte) Organisationsprivatisierung zuläßt,2°O ist infolge der in Art. 143 b Abs. 1 GG ausdrücklich angeordneten Umwandlung des Sondervermögens Deutsche Bundespost in Unternehmen privater Rechtsform gegenstandslos geworden. 201 Anders als bei Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F. ist die Errichtung eines eigenen Verwaltungsunterbaus durch Art. 87 f
(BGBI I, S. 2089); s. auch die Begründung zu Nr. 4 des 40. GG-ÄndG-E, BT-Drs. 12/5015, S. 6: "Die Streichung ist eine redaktionelle Folge der Einfügung des neuen Artikels 87 e". 197 Einzelheiten unten S. 366 ff. 198 Zum organisationsrechtlichen Gehalt des Art. 87 Abs. I Satz I GG a. F. vgl. B. Mayer, Die Bundespost, S. 36 ff.; P. Badura, in: Festschrift für W. Lorenz, S. 3 ff.; R. Schmidt, in: Festschrift für P. Lerche, S. 965 (969 f.). 199 Allgemein zu dieser engen Auslegung des Begriffs der bundeseigenen Verwaltung A. DUtmann, Die Bundesverwaltung, S. 82; P. Lerche, in: MaunzlDürig, Grundgesetz, Art. 86 Rdnr. 6; ders., in: Festschrift für F. Klein, S. 527 (528); zuletzt M. Sachs, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 86 Rdnr. 13; s. mit Bezug auf Art. 87 f Abs. 2 Satz 2 GG auch unten S. 373 f. 200 P. Badura, ArchPF 1991,389 (398 f.), schließt eine Ausgliederung im Kernbereich des Post- und Fernmeldewesens aus; dagegen R. Schalz/1. Aulehner, ArchPT 1993, 103 (105 ff., 143 ff.); größeren Spielraum für eine Organisationsprivatisierung räumt auch B. Mayer, Die Bundespost, S. 36 ff., ein; enger, der Kernbereichsbetrachtung P. Baduras angenähert, 1. Scherer, ArchPT 1992, 5 (8 f.); auf die essentiellen Funktionen abhebend P. Lerche, in: MaunzlDürig, Grundgesetz, Art. 87 Rdnr. 111; auf die positive Legitimation abstellend R. Schmidt, in: Festschrift für P. Lerche, S. 965 (974 f.). 201 Ausführlich dazu unten S. 233 ff.
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2. Kap.: Geltungsbereich der Universaldienstgewährleistung
Abs. 2 Satz 2 GG nicht zwingend vorgeschrieben, sondern der Organisationsgewalt des Bundes überlassen. 202 Schließlich sieht Art. 87 f Abs. 3 GG abweichend von Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F. mittelbare Bundesverwaltung durch eine bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts für die dort umrissenen Aufgaben vor. 203 In auJgabenrechtlicher Hinsicht wurde Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F. jedenfalls von einem Teil des Schrifttums eine Verpflichtung des Staates zur Erfüllung des durch Begriffe wie "Grundstock", "Begriffskern" oder "Garantiegehalt" umschriebenen Bestands essentieller, typischer staatlicher Aufgaben des Post- und Fernmeldewesens entnommen, dem ein materielles Privatisierungsverbot korrespondieren sollte. 204 Diesen umstrittenen Fragenkreis hat Art. 87 f GG durch folgende Differenzierung aufgelöst: Einerseits ordnet Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG eine materielle Privatisierung der Dienstleistungen im Bereich der Telekommunikation an, andererseits hält Art. 87 f Abs. 2 Satz 2 GG eine auf Hoheitsaufgaben beschränkte Aufgabenverantwortung des Staates aufrecht, zu der insb. die Verpflichtung zur Gewährleistung eines Universaldienstes nach Art. 87 f Abs. 1 GG gehört. 20s Auf diese Weise werden die aus Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F. abgeleiteten aufgabenrechtlichen Bindungen modifIziert und zurückgedrängt, aber nicht vollständig derogiert. 206 3. Konkretisierung des Begriffs der Telekommunikation durch einJachgesetzliche Regelungen
Das TKG enthält neben weitreichenden Vorgaben für die Regulierung des Bereichs der Telekommunikation207 einen Katalog von LegaldefInitionen (vgl.
Einzelheiten unten S. 379. Näher dazu unten S. 380 ff. 204 Vgl. P. Lerche/C. Graf v. Pestalozza, Die Deutsche Bundespost als Wettbewerber, S. 32 ff.; P. Lerche, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 87 Rdnm. 113 f. m. w. N. unter Fußn. 259; ohne Differenzierung zwischen formeller und materieller Privatisierung A. Roßnagel/P. Wedde, DVBI 1988,562 (564): "wesentliche Teile der Deutschen Bundespost" (Hervorhebung nicht im Original); anders insoweit R. Scholz/J. Aulehner, ArchPT 1993, 22 I (25 I), wonach Art. 87 Abs. I Satz I GG eine materielle Privatisierung verbiete, aber eine formelle Privatisierung bei hinreichender "Staatsnähe" zulasse; der "Kembereichstheorie" folgend R. Schmidt, in: Festschrift flir P. Lerche, S. 965 (966 ff.) m. w. N.; sie ablehnend unter Berufung auf einen unbedingten, umfassenden Verpflichtungsgehalt des Art. 87 Abs. I Satz I GG H. Lecheier, Grenzen flir den Abbau von Staatsleistungen, S. 32 f.; ders., NVwZ 1989,834 (835 f.). 205 Einzelheiten unten S. 370 f. 206 Zum Umfang des aufgabenrechtlichen Gehalts des Art. 87 Abs. I Satz I GG a. F. im Vergleich zu Art. 87 f Abs. I GG unten S. 276 f.; zu den veränderten Wahrnehmungsmodalitäten unten S. 350 ff. 207 Eingehend dazu unten S. 4 I I ff., 416 ff., 427 ff., 430 ff., 458 ff. 202 203
B. Der Inhalt der Telekommunikation
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§ 3). Sie betreffen vor allem die Gegenstände der Regulierung (Telekommunikationsnetz, 208 Endeinrichtungen, 209 Telekommunikationsdienstleistungen2Io), legen damit die Reichweite staatlicher Einflußnahme fest, definieren aber auch den zentralen Begriff der Telekommunikation selbst. Darunter ist gemäß § 3 Nr. 16 TKG der technische Vorgang 211 des Aussendens, Übermitteins und Empfangens von Nachrichten jeder Art in Form von Zeichen, Sprache, Bildern oder Tönen mittels Telekommunikationsanlagen212 zu verstehen. Während das TKG sich bei der Bestimmung der Regulierungsgegenstände vor allem an gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben orientiert,213 die Regulierungsregelungen daher insb. auf ihre Europarechtskonforrnität untersucht werden müssen/ 14 knüpft es bei der Festlegung des Begriffs der Telekommunikation erkennbar an die vom Bundesverfassungsgericht zum Kompetenzbegriff "Fernmeldewesen" entwickelten Merkmale an. § 3 Nr. 16 TKG liegt ein technisches Verständnis des Telekommunikationsbegriffs zugrunde, im Mittelpunkt 208 Das Telekommunikationsnetz ist gemäß § 3 NT. 21 TKG die Gesamtheit der technischen Einrichtungen (Übertragungswege, Vermittlungseinrichtungen und sonstige Einrichtungen, die zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Betriebs des Telekommunikationsnetzes erforderlich sind), die zur Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen oder zu nichtgewerblichen Zwecken dient. Übertragungswege werden in § 3 NT. 22 TKG definiert als Telekommunikationsanlagen in Form von Kabel- oder Funkverbindungen mit ihren übertragungstechnischen Einrichtungen als Punkt-zuMehrpunkt-Verbindungen mit einem bestimmten Informationsdurchsatzvermögen (Bandbreite oder Bitrate) einschließlich ihrer Abschlußeinrichtungen. Vgl. zu den Begriffen "Betreiben von Telekommunikationsnetzen" und "öffentliches Telekommunikationsnetz" § 3 NT. 2 und Nr. 12 TKG. 209 Unter Endeinrichtungen sind gemäß § 3 Nr. 3 TKG Einrichtungen zu verstehen, die unmittelbar an die Abschlußeinrichtung eines Telekommunikationsnetzes angeschlossen werden sollen oder die mit einem Telekommunikationsnetz zusammenarbeiten und dabei unmittelbar oder mittelbar an die Abschlußeinrichtung eines Telekommunikationsnetzes angeschlossen werden sollen. 210 Telekommunikationsdienstleistungen sind gemäß § 3 NT. 18 TKG das gewerbliche Angebot von Telekommunikation einschließlich des Angebots von Übertragungswegen für beliebige natürliche oder juristische Personen und nicht lediglich für die Teilnehmer geschlossener Benutzergruppen. Zur Differenzierung zwischen "Dienstleistung" und "Dienst" im nationalen Recht und im Gemeinschaftsrecht unten S. 405 f., 116. Zum Merkmal der Gewerbsmäßigkeit unten S. 194 f. 211 Die Hervorhebung des "technischen Vorgangs" fehlte noch in der im übrigen gleichlautenden Definition in § 3 NT. 10 des Referentenentwurfs zum TKG vom 06.10.1995. Sie soll sicherstellen, daß sich die Übermittlungsmöglichkeiten nicht auf die NachrichteninhaIte beziehen, vgl. die Begründung zu § 3 TKG-E, BT-Drs. 13/4438, S. 4 i. V. m. BT-Drs. 13/3609, S. 37. 212 Telekommunikationsanlagen sind gemäß § 3 Nr. 17 TKG technische Einrichtungen oder Systeme, die als Nachrichten identifizierbare elektromagnetische oder optische Signale senden, übertragen, vermitteln, empfangen, steuern oder kontrollieren können. 213 Zu den Definitionen zentraler telekommunikationsrechtlicher Begriffe durch das sekundäre Gemeinschaftsrecht oben S. 70 mit Fußn. 162 bis 164. 214 Dazu unten S. 411 ff., insb. 417 f., 422 f., 434 ff., 470 f.
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2. Kap.: GeItungsbereich der Universaldienstgewährleistung
steht das Kriterium körperloser Nachrichtenübermittlung. 21S Diese Regelung kann zwar wegen des Verfassungsvorrangs nicht als abschließende und verbindliche Definition der Telekommunikation den Art. 73 Nr. 7, 87 f GG zugrunde gelegt werden, prägt aber als gesetzliche Konkretisierung dieses Verfassungsbegriffs sein inhaltliches Verständnis. Die essentielle Bedeutung des technisch verstandenen Kriteriums "körperlose Übermittlung von Nachrichten beliebigen Inhalts" wird dadurch unterstrichen. Dieser Begriffskern der Telekommunikation stünde im übrigen wegen Art. 20 Abs. 3 Hs. 1 GG nicht zur Disposition des Gesetzgebers. 216
v. Festlegung des Begriffs und Ordnung des Bereichs der Telekommunikation in diesem veränderten Umfeld Die technischen und rechtlichen Veränderungen lassen einige der von Teilen der Literatur auf der Grundlage des 1. Rundfunkurteils entwickelten ordnungspolitischen Modelle hinfällig werden (dazu unten 1). Sie wirken sich zudem in unterschiedlicher Weise auf die Merkmale des Begriffs der Telekommunikation (dazu unten 2) und die Ordnung des Bereichs der Telekommunikation aus (dazu unten 3). 1. Überholte Ordnungsmodelle Das Schrifttum hat unterschiedliche rechtliche Kategorien im Zusammenhang mit der Eingrenzung und Regelung des Fernmeldewesens vorgeschlagen. 217 Hervorzuheben sind vor allem die auf eine Abgrenzung zwischen Monopol- und Wettbewerbsbereich bzw. auf den Umfang der Regulierung zugeschnittenen Differenzierungen zwischen Basis- und Mehrwertdiensten218 bzw. 215 Vgl. auch die Begründung zu § 3 TKG-E, BT-Drs. 13/4438, S. 4 i. V. m. BT-Drs. 13/3609, S. 37. 216 Gesetzliche Regelungen, die von diesem Begriffskern abweichen, sind gemäß Art. 20 Abs. 3 Hs. I GG verfassungswidrig und damit nichtig, mithin ohne prägende Wirkung. 217 Vgl. G. Feigenbutz, Die Bindungen des Post- und Fernmeldewesens, S. 55 ff.; H. FergeriH. Junker, DÖV 1981,439 ff.; U. v. Petersdorff, Bildschirmtextzentrale, S. 104 ff., insb. auch S. 115 ff.; J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, S. 614 ff.; ders., ZUM 1985,472 (477 ff.); ders., Datenverarbeitung, S. 150 ff.; J. Plagemann, ZUM 1986,518 (521 ff.); H. Fangmann, RDV 1988,53 ff.; H. Redeker, Neue Informations- und Kommunikationstechnologien, S. 79 ff.; T. Maunz, in: ders./Dürig, Grundgesetz, Art. 73 Rdnrn. 119 f., 127 ff.; D. Müller-Using, in: Fuhr/Rudolf/Wasserburg (Hrsg.), Recht der Neuen Medien, S. 211 (213 ff.); M. Bothe, AK-GG, Bd. 2, Art. 73 Rdnr. 20; B. Köbele, Fernmeldewesen, S. 137 ff. 218 S. dazu H. Schön/K.-H. Neumann, JbDBP 36 (1985), 478 ff.; Konzeption der Bundesregierung zur Neuordnung des Telekommunikationsmarktes, S. 64 f., 69 ff.; F.
B. Der Inhalt der Telekommunikation
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zwischen Monopolleistungen, Pflichtleistungen und freien Leistungen. 219 Sie sind vor dem Hintergrund der damals angestrebten Lockerung des umfassenden Fernmeldemonopols des Staates entstanden, betrafen weniger den Gesetzgebungskompetenzbegriff "Fernmeldewesen" als vielmehr die Ordnung des in Art. 87 Abs. 1 Satz I GG a. F. der bundeseigenen Verwaltung zur Erfiillung zugewiesenen Aufgabenbereichs. Im Zuge der Privatisierung und Entrnonopolisierung der Telekommunikation haben sie ihre Bedeutung eingebüßt. Erörterungswürdig und -bedürftig bleiben nachfolgende Kategorien: a) Trennung zwischen Individual- und Massenkommunikation als Grundlage fiir eine Eingrenzung der Telekommunikation Kommunikation - verstanden als Austausch von Informationen zwischen Menschen - wird verbreitet anband des Teilnehrnerkreises in Individual- und Massenkommunikation unterteilt. 220 Bei der Individualkommunikation wendet sich eine bestimmte Person an eine andere bestimmte Person oder an einen bestimmbaren Personenkreis, während bei der Massenkommunikation eine beliebige Öffentlichkeit Adressat und (potentieller) Empfänger der Nachricht ist. Auf die technischen Modalitäten der Nachrichtenübermittlung kommt es insoweit nicht an. 221 Auf der Grundlage dieser Unterscheidung ist im Schrifttum ein Zuordnungsmodell entwickelt worden, das die gesamte Individualkommunikation einschließlich der dort angesiedelten Mehrwertdienste 222 dem Fernmeldewesen und damit der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 73 Nr. 7 GG a. F. zugeschlagen hat. 223 Auf diese Weise sollte u. a. verhindert werden, Volkers, Telekommunikationsinfrastruktur, S. 26 ff.; s. auch noch unten S. 90 mit Fußn. 277. 2\9 Vgl. die Konzeption der Bundesregierung zur Neuordnung des Telekommunikationsmarktes, S. 65 f.; F. Volkers, Telekommunikationsinfrastruktur, S. 18 ff.; K. W. Riehmer, in: Mestmäcker (Hrsg.), Kommunikation ohne Monopole 11, S. 369 (372 f., 377ff.). 220 Vgl. zu dieser Unterscheidung 1. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, S. 32. Demgegenüber stellt H. Gersdorf, Digitale Kabelnetze, S. 45, auf den Öffentlichkeitsbezug ab. 22\ Individualkommunikation erfolgt i. d. R. über im Zweiweg-Betrieb nutzbare drahtgebundene oder drahtlose Vermittlungsnetze, während die Nachrichten bei der Massenkommunikation über im Einweg-Betrieb genutzte Verteilnetze übermittelt werden, vgl. 1. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, S. 32 m. w. N.; T.-s. Kluth, Telekommunikation, S. 13 f.; W. Hoffmann-Riem, in: R. Schmidt (Hrsg.), Öffentliches Wirtschaftsrecht, Besonderer Teil I, S. 563 (570 ff.). 222 Im Mittelpunkt der damaligen Diskussion stand die Zulässigkeit des Angebots von Bildschirmtext (Btx) durch die Deutsche Bundespost, dazu U. v. PetersdorfJ, Bildschirmtextzentrale, passim; W.-D. Kuhlmann, Bildschirmtext, S. 13 ff. mit Nachweisen zum Meinungsstand. 223 Vgl. H. FergeriH. Junker, DÖV 1981,439 (440 ff.); 1. Plagemann, ZUM 1986, 518 (521 ff.). 6 Windthorst
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2. Kap.: Geltungsbereich der Universaldienstgewährleistung
daß neue Infonnations- und Kommunikationsfonnen und -dienste (z. B. Bildschinntextdienst) in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fallen und den vom Bundesverfassungsgericht zum Massenkommunikationsmedium "Rundfunk" entwickelten Anforderungen unterworfen werden. Dieses Modell, das jüngst bei der (kompetenz)rechtlichen Erfassung multimedialer Dienste eine Renaissance erlebt,224 ist aus folgenden Gründen abzulehnen: 225 Zunächst differenziert es nicht mit der notwendigen Eindeutigkeit zwischen Übermittlung von Nachrichten und (dem Inhalt der) übermittelten Nachrichten, ein Mißverständnis, das bis heute nachwirkt. 226 Außerdem ist eine eindeutige Unterscheidung zwischen Individual- und Massenkommunikation angesichts der Multifunktionalität der Übertragungssysteme und Endeinrichtungen sowie wegen des oftmals hybriden Charakters der Infonnations- und Kommunikationsdienste schwer möglich, zumindest kaum praktikabel. 227 Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet entgegen der von Vertretern dieses Modells geäußerten Auffassung keine solche Differenzierung, verbietet vielmehr lediglich ein Eindringen des Bundes in den Bereich des Rundfunks, der den Ländern vorbehalten ist. 228 Vorliegend geht es nicht um die Ausgrenzung des Rundfunks, sondern um die Eingrenzung der Telekommunikation. Beides ist nicht spiegelbildlich miteinander verknüpft. Die fehlende Zuordnung zum Rundfunk impliziert weder die Zugehörigkeit zur Telekommunikation noch umgekehrt. 229 b) Trennung zwischen Netzerrichtung und -betrieb sowie zwischen Diensteeinrichtung und -betrieb als Grundlage einer Regulierung der Telekommunikation Ausgehend von den einschlägigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 230 differenziert dieses von J. Scherer vorgeschlagene Modell hinsicht224 Vgl. Bullinger, AfP 1996, 1 (4) sowie unten S. 104 ff. 225 Ablehnend zuletzt auch P. Lerche, in: MaunzlDürig, Grundgesetz, Art. 87 f Rdnr. 52 m. w. N. unter Fußn. 43. 226 Dies wird insb. anhand des unklaren Wortlauts des Art. 87 f Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 GG deutlich, dazu unten S. 263. 227 Vgl. B. Köbele, Fernmeldewesen, S. 237 f.; kritisch schon J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, S. 32 ff. m. w. N. 228 Das 1. Rundfunkurteil erhebt den technischen Vorgang der Signalübermittlung zum prägenden Element des Fernmeldewesens. Aus der Direktrufentscheidung läßt sich keine Verengung des Fernmeldewesens auf die Individualkommunikation ableiten, weil zur Eingrenzung des Fernmeldewesens gerade auf die auch insoweit maßgeblichen Passagen des I. Rundfunkurteils Bezug genommen wird (dazu schon oben S. 50 f.); s. auch H. Gersdorf, Digitale Kabelnetze, S. 47. 229 Weitere Einzelheiten unten S. 98 ff., 103 ff. 230 Vgl. oben S. 49 ff.
B. Der Inhalt der Telekommunikation
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lieh der Regelungskompetenz nach "Netzen" und "Diensten" sowie nach "Betrieb" und "Errichtung" ("Einrichtung").231 Begrüßenswert an den so gewonnenen analytischen Kategorien ist, daß sie eine differenzierte Würdigung der Auswirkungen der Telematik auf den Kompetenzbereich "Fernmeldewesen" erlauben. Dies wird vor allem bei der Fixierung der Grenzlinie zwischen Nachrichtenüberrnittlung und Nachrichtenverarbeitung deutlich. Aus heutiger Sicht leidet ihr Bedeutungsgehalt aber darunter, daß weder die gemeinschaftsrechtlichen Regulierungsvorgaben noch die deutschen Regulierungsvorschriften dieser Einteilung folgen. Das TKG sieht jedenfalls im grundlegenden Bereich der Lizenzierung keine unterschiedliche ordnungspolitische Behandlung von Übertragungswegen und Dienstleistungen vor; vielmehr stellt das Angebot von Übertragungswegen rur Dritte ebenfalls eine Telekornmunikationsdienstleistung dar. 232 Das Telekornmunikationsrecht der EU enthält unterschiedliche Anforderungen rur Telekommunikationsdienste und -netze einerseits und Telekommunikationsendeinrichtungen andererseits,233 wohingegen das Scherer 'sehe Ordnungsmodell nicht zwischen Endeinrichtung und Übertragungssystemen differenziert, sondern diese insgesamt dem Telekommunikationsnetz zuordnet. ~34 2. Inhalt und Grenzen des Begriffs der Telekommunikation a) Die Bedeutung des Merkmals körperloser Nachrichtenübermittlung rur den Telekommunikationsbegriff Trotz der rechtlichen und tatsächlichen Veränderungen bleibt das Kriterium körperloser Nachrichtenüberrnittlung das essentielle, unabdingbare Wesensmerkmal der Telekommunikation. Der in ihm verkörperte Transport- und Wiedererzeugungseffekt prägte den durch den traditionellen Grundbestand fernmelderechtlicher Tätigkeit vorgezeichneten Begriffskern des Fernmeldewesens 235 und setzt sich im Begriff der Telekommunikation fort. Dies gilt rur Art. 73 Nr. 7 GG und Art. 87 f GG gleichermaßen. Der technisch gefärbte Überrnittlungsbegriff ist nicht auf die herkömmliche, derzeit übliche Art und Weise der
231
J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, S. 615 ff.
232 Einzelheiten unten S. 266,405. Ausflihrlich dazu unten S. 137 f., 148, 151 ff. J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, S. 34; ders., Datenverarbeitung, S. 15. m Vgl. nur BVerfGE 46, 120 (144); auch BVerwGE 77, 128 (130); s. aus dem Schrifttum nur P. Lerche, in: MaunzlDürig, Grundgesetz, Art. 87 Rdnr. 105; U. Stein er, HStR 111, § 81 Rdnr. 34. S. in bezug auf den Zuständigkeitsbereich der Post F. Ossenbühl, Deutsche Bundespost, S. 44; vgl. auch U. v. PetersdorjJ, Bildschirmtextzentrale, S. 116: "Transport- und Übermittlungseffekt". 233
234
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2. Kap.: Geltungsbereich der Universaldienstgewährleistung
Übennittlung (z. B. analog oder digital) beschränkt, sondern dynamisch zu verstehen. Er ist zur Aufnahme von Neuerungen geeignet und bestimmt, sofern diese sich als körperlose Übermittlung von Nachrichten darstellen. Neben dieser Entwicklungsoffenheit ist die technische Neutralität ein weiteres Merkmal der Telekommunikation. 236 Danach kommt es nicht darauf an, welche Übermittlungssysteme (z. B. drahtlos oder drahtgebunden) verwendet werden, wenn die Nachricht nur auf körperlosem Wege an einen anderen Ort transportiert und dort wiedererzeugt wird. Hinzu tritt die Neutralität in bezug auf den Nachrichteninhalt. Entscheidend ist, daß eine Nachricht übermittelt wird, nicht hingegen, was für eine Nachricht übennittelt wird. b) Die Bestandteile des Merkmals körperloser Nachrichtenübermittlung aa) Der Übermitt!ungsgegenstand
Gegenstand der Übermittlung sind Nachrichten. 237 Dieser Begriff ist weder im umgangssprachlichen238 noch im publizistischen Sinne239 zu verstehen. Maßgeblich ist ein am nachrichtentechnischen Verständnis 240 orientierter, telekommunikationsrechtlicher Nachrichtenbegriff. Danach sind Nachrichten Informationen, die (körperlos) übermittelt werden sollen. 241 Informationen beschreiben tatsächliche und/oder rechtliche Vorgänge oder Zustände. Auf ihre Eignung, neues Wissen zu vermitteln oder Reaktionen beim Empfänger auszu-
S. schon P. Badura, in: Festschrift für W. Thieme, S. 877 (878). BVerfGE 46, 120 (140 ff.). Zum mit Ausnahme der Körperlosigkeit ähnlich strukturierten Nachrichtenbegriff im Postwesen W. Fahl, Der Mitteilungs- und Nachrichtenbegriff im Gesetz über das Postwesen, S. 6 ff. 238 Dazu B. Köbele, Fernmeldewesen, S. 75, der darauf hinweist, daß das umgangssprachliche Verständnis nicht auf die beim telekommunikationsrechtlichen Nachrichtenbegriff mögliche Kommunikation zwischen Maschinen paßt. 239 Danach bedeutet "Nachricht" die kurzgefaßte und sachliche Wiedergabe eines Vorgangs, die durch Kommunikationsmittel verbreitet wird, vgl. H. Redeker, Neue Informations- und Kommunikationstechnologien, S. 89 m. w. N. Diese Begriffsbildung wird wegen ihrer Ausrichtung auf Massenkommunikationsmittel abgelehnt, vgl. B. Köbele, Fernmeldewesen, S. 75. 240 Demzufolge versteht man unter einer Nachricht die Zusammenstellung von Zeichen oder Zuständen, die zum Zwecke der Weitergabe Informationen darstellen, vgl. H.-1. Schneider, Lexikon der Informatik und Datenverarbeitung, S. 394. Teilweise werden der nachrichtentechnische und der telekommunikationsrechtliche Nachrichtenbegriff gleichgesetzt, vgl. nur die Definition bei H. Fangmann, Rechtliche Konsequenzen des Einsatzes von ISDN, S. 36; zu Abwandlungen des nachrichtentechnischen Nachrichtenbegriffs B. Köbele, Fernmeldewesen, S. 74 f., mit eigener, ähnlich angelegter Definition, ebda, S. 77. 241 Vgl. dazu auch 1. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, S. 32 m. w. N. unter Fußn. 4. 236 237
B. Der Inhalt der Telekommunikation
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lösen, kommt es nicht an. 242 Die für die Einordnung als Nachricht maßgebende Eigenschaft als "zu übermittelnde Information" setzt keine entsprechende Verabredung zwischen Sender und Empfänger voraus. 243 Es genügt die Eignung zur telekommunikativen Übermittlung und ein darauf gerichteter Übermittlungswille des Senders. Dieser kann auch konkludent geäußert werden, indem beispielsweise dem Empfänger ein Zugriffsrecht eingeräumt wird. Der Informationsgehalt der Nachricht kann in beliebigen Elementen wie z. B. Tönen, Bildern, Wörtern oder Zeichen zum Ausdruck kommen. Sie sind Träger des Erklärungsgehalts. Davon zu trennen sind Signale und Daten als sog. Übermittlungsträger. 244 Sie machen Nachrichten erst transportfähig, dienen deren Übermittlung, lassen jedoch ihren informativen Gehalt unberührt. 24S Dieser wird regelmäßig durch Rückumwandlung des Transportmediums beim Empfänger wiedererzeugt. Die oft nicht hinreichend beachtete Differenzierung zwischen Informations- und Übermittlungsträger ist von grundlegender Bedeutung für die Frage, ob eine Veränderung der Nachricht im Rahmen des verfassungsrechtlichen Telekommunikationsbegriffs zulässig ist. 246 bb) Der Übermittlungsvorgang Unter "Übermittlung" ist die körperlose Übertragung und Vermittlung oder Verteilung von Nachrichten zu verstehen (dazu unten [1] und [2]). Sie umfaßt auch die Nachrichtenspeicherung sowie die übermittlungsnotwendige oder -dienliche Nachrichtenverarbeitung, sofern dadurch kein neuer Informationsgehalt entsteht (dazu unten [3]). (1) Körperlose Übertragung von Nachrichten Nachrichtenübertragung ist die körperlose Beförderung einer Nachricht. Der hierfür erforderliche tatsächliche Transport impliziert die Überwindung einer
242 A. A. H. Redeker, Neue Informations- und Kommunikationstechnologien, S. 91; offener 1. Ebsen, DVBI 1997, 1039. 243 Anders B. Köbele, Fernmeldewesen, S. 77. 244 Vgl. BVerfGE 12, 205 (226 f.), wo von Übermittlung von Signalen gesprochen wird. W S. auch ohne Hervorhebung dieser Unterscheidung U. v. Petersdorff, Bildschirmtextzentrale, S. 129; 1. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, S. 632, wonach "Protokoll- und Formatumwandlungen ,im Netz' zulässig sind, wenn und soweit die gesendete und die empfangene Information identisch sind" (Hervorhebungen im Original); B. Köbele, Fernmeldewesen, S. 239, spricht ebenfalls von der Notwendigkeit der Herstellung der für eine Übermittlung geeigneten physikalischen Repräsentation der zu übermittelnden Nachricht am Sendeort. 246 Näher dazu unten S. 88 f.
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2. Kap.: Geltungsbereich der Universaldienstgewährleistung
räumlichen Distanz zwischen Sender und Empfanger. 247 Der Übertragungsvorgang zerfällt in drei Teile. Er beginnt mit der Umwandlung der von einer anderen Stelle hergestellten Nachricht in eine zum Transport geeignete Form. 248 Es schließt sich die Durchführung des Transports auf einem dafür geeigneten Übermittlungssystem an, wobei auch in dieser Phase technikbedingte Verarbeitungsprozesse möglich sind (z. B. Signalverstärkung).249 Die Nachrichtenübertragung endet mit der Wiedererzeugung der Nachricht beim Empfänger. 25o Dabei wird ihr Informationsgehalt durch Rückumwandlung des Transportmediums in denselben oder einen anderen Informationsträger wahrnehmbar gemacht. 251 Kennzeichnend für die Übertragung einer Nachricht ist also ihre Umwandlung, Beförderung und Wiedererzeugung. Irrelevant ist dagegen, ob die Beförderung im einseitigen oder im zweiseitigen Betrieb abläuft und ob sie von einer Stelle an eine andere Stelle (Punkt-zu-Punkt) oder von mehreren Stellen zu mehreren Stellen (Mehrpunkt-zu-Mehrpunkt) erfolgt. 252 Gegenstand der Nachrichtenübertragung ist daher jede Form individualisierter oder allgemeiner Information und deren Austausch (Kommunikation).253 Die daneben geforderte Körperlosigkeit der Beförderung steht nicht jeder Form physikalischer Fixierung der Nachricht entgegen; etwas anderes wäre technisch ohnehin kaum möglich. 254 Das Merkmal ist aufgrund seiner entstehungsgeschichtlichen Wurzeln 255 und dem zugrunde liegenden Zweck, das Fernmeldewesen vom Postwesen abzugrenzen sowie Einrichtungen auszugrenzen, die zur Aufnahme und/oder Wiedergabe der übermittelten Nachricht am Empfangsort keine besondere Vorrichtung benötigen,256 als Absage an den 247 Dazu schon oben S. 53. 248 Vgl. oben S. 53 f.; auch J. Scherer, Datenverarbeitung, S. 152 ff. 249 S. U. v. PetersdorfJ, Bildschinntextzentrale, S. 124 und oben S. 62 mit Fußn. 115. 250 S. schon RGSt 19,55 (58); auch BVerfGE 46, 120 (143). 251 Auf die sinnliche Wahrnehmbarkeit kommt es nicht an, weil neben Menschen auch Maschinen Empfanger und/oder Sender einer Nachricht sein können, so BVerfGE 46, 120 (142 f); anders noch RGSt 19,55 (58). Auch die tatsächliche Wahrnehmung der Nachricht ist nicht erforderlich, vgl. oben S. 54. 252 S. J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Te\ekommunikationspolitik, S. 32. 253 Vgl. aus dem Schrifttum nur H. Gersdorf, Digitale Kabelnetze, S. 47 f; P. Lerche, in: MaunzlDürig, Grundgesetz, Art. 87 f Rdnr. 50; C. Graf v. Pestalozza, in: v. Mangoldt/Klein/Pestalozza, Das Bonner Grundgesetz, Bd. 8, Art. 73 Rdnr. 467. Zur diesbezüglichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schon oben S. 52 f 254 Auch elektrische Wellen oder digitale Daten konservieren den Inhalt der Nachricht und verhindern so ihre Verflüchtigung; sie stellen besondere Fonnen der Verkörperung einer Nachricht dar, ohne daß aus diesem Grund die Zugehörigkeit zum Fernmeldewesen (Telekommunikation) in Frage gestellt wird. 2SS Das Merkmal der körperlosen Beförderung geht auf die Definition des Wesens der Telegraphenanstalten durch das Reichsgericht zurück (RGSt 19, 55 [58]), die vom Bundesverfassungsgericht aufgegriffen wurde (BVerfGE 46, 120 [140]). 256 Zu solchen Einrichtungen zählen z. B. Megaphone. Ihre Ausgrenzung wird da-
B. Der Inhalt der Telekommunikation
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Transport des körperlichen Trägers der Nachrichten zu verstehen. 2S7 Eine körperlose Übertragung ist demnach gegeben, wenn nicht eine Person oder Sache als Träger der Nachricht selbst befördert wird, sondern die sie repräsentierenden Signale oder Daten. 258 Diese sind zwar physikalisch meßbar, besitzen aber keinen gegenständlichen, greifbaren Körper. Das Erfordernis der Körperlosigkeit ist als Gegenstück zur Notwendigkeit der Wiedererzeugung der Nachricht am Empfangsort zu verstehen. Weil diese nicht körperlich weitergegeben wird, muß sie durch Rückumwandlung wiedergegeben werden und umgekehrt, weil sie wiedererzeugt wird, liegt keine körperliche Übertragung vor. (2) Vermittlung oder Verteilung von Nachrichten Übermittlung ist nicht· mit Vermittlung gleichzusetzen,259 sondern urnfaßt über die Übertragung i. e. S. hinaus Vermittlung und Verteilung von Nachrichten. 260 Diesen Erscheinungsformen der Übermittlung ist gemeinsam, daß durch Herstellung einer Verbindung der Bestimmungsort der Nachricht festgelegt wird. Unterschiede ergeben sich hinsichtlich der Art und Weise der Verb indungsknüpfung und der daran beteiligten Stellen. Bei der Nachrichtenvermittlung werden zwei Anschlüsse durch Vermittlungsstellen zur Herstellung der Verbindung zusammengeschaltet. 261 Dagegen vollzieht sich die Nachrichtenverteilung i. d. R. durch Ausstrahlung der Signale von einem Sender zu mehreren Empfängern. 262 Diese Beispiele zeigen, daß die Unterscheidung vor allem auf die Kategorien Individualkommunikation und Massenkommunikation zudurch unterstrichen, daß das Bundesverfassungsgericht (E 46, 120 [142]) auf die Begründung des RegE zum FAG (Verhandlungen des Reichstags, III. Wahlperiode 1924, Band 419, Anlage zu den Stenographischen Berichten Nr. 3682, S. 6) Bezug nimmt. Die Entscheidung des Reichsgerichts zielte allerdings nicht auf eine Definition des Verfassungsbegriffs "Telegraphenwesen" (Art. 88 Abs. I WRV), sondern auf eine Festlegung des strafrechtlichen Schutzbereichs des § 318 StGB a. F. (vgl. RGSt 19,55 ff.). 257 So schon die in die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (E 46, 120 [140]) inkorporierte Formulierung des Reichsgerichts (RGSt 19,55 [58]); s. auch die Begründung des RegE zum FAG (Verhandlungen des Reichstags, III. Wahlperiode 1924, Band 419, Anlage zu den Stenographischen Berichten Nr. 3682, S. 6): " ... nicht Personen oder Sachen als Träger der Mitteilung selbst befördert werden, sondern Zeichen und Laute", auf die das Gericht ebenfalls hinweist (E 46, 120 [142]). 258 Vgl. RGSt 19,55 (58); BVerfGE 46,120 (140). 259 So in bezug auf das F AG J. Scherer, ArchPF 1991, 268 (271 ff.). 260 Jedenfalls dem Wortlaut nach anders E. Witte, Neuordnung der Telekommunikation, S. 22, wo auch bei Verteilkommunikation von Übertragung und Vermittlung gesprochen wird; zu dieser fernmeldetechnischen Auslegung des Vermittlungsbegriffs und zu anderen Interpretationsmöglichkeiten R. Schütz, BB 1996, 1445 f. 261 Vgl. zu § lAbs. 4 Satz 2 F AG a. F. J. Scherer, ArchPF 1991, 268 (274). 262 So für den Rundfunk BVerfGE 12, 205 (226 f.); eine abweichende Begrifflichkeit verwendete noch P. Badura, in: Bonner Kommentar, Art. 73 NT. 7 (Erstbearb.) Rdnr. 8, wonach Vermittlung sich aus Ausstrahlung und Empfang zusammensetzt.
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2. Kap.: Geltungsbereich der Universaldienstgewährleistung
geschnitten und dort entstanden ist. 263 Da diese Differenzierung für den Übermittlungsbegriff der Telekommunikation keine Rolle (mehr) spielt/64 können für eine Fortführung der Unterscheidung zwischen Nachrichtenvermittlung und -verteilung in diesem Zusammenhang allenfalls historische Gründe angeführt werden. Bei der Festlegung des Verfassungsbegriffs "Telekommunikation" entfaltet sie keine rechtliche Bedeutung; auch der Gesetzgeber trennt im Rahmen des TKG nicht mehr zwischen diesen Übermittlungsformen. 265 (3) Zulässigkeit der Speicherung und Verarbeitung von Nachrichten Ausgehend vom 1. Rundfunkurteie 66 hat sich der Grundsatz herausgebildet, daß die Herstellung und Verarbeitung von Nachrichten nicht unter den Übermittlungsbegriff f,illt und somit nicht zum Femmeldewesen gehört. 267 Fraglich ist, ob diese Ausgrenzung auch für die Telekommunikation i. S. d. Art. 73 Nr. 7, 87 f GG Geltung beansprucht und, so dies bejaht wird, ob sie angesichts der technischen Umwälzungen Einschränkungen unterliegt oder gar einer Neudefmition bedarf. In diesem Zusammenhang ist insb. zu klären, ob und ggfs. in welchem Umfang die Speicherung von Nachrichten zulässig ist. Der Ausschluß der Herstellung und Verarbeitung von Nachrichten ist ein wesentliches (negatives) Merkmal des Fernmeldewesens, das durch die Verfassungsänderung nicht in Frage gestellt worden ist;268 es prägt daher auch den Telekommunikationsbegriff. Allerdings bedarf der Tatbestand der Nachrichtenverarbeitung angesichts der technologischen Veränderungen einer Überprüfung. Bei neuen Übermittlungstechniken, z. B. in Form digitaler Nachrichtenübermittlung, sind Übertragung und Verarbeitung der Nachricht nur schwer zu trennen, da die äußere Gestalt der Nachricht sich bei der zu ihrer Bef'orderung unerläßlichen Codierung und Decodierung verändert. 269 Diese Verarbeitungsprozesse verleihen der Nachricht aber keinen zusätzlichen oder anderen Informationsgehalt, sondern "übersetzen" ihn nur in eine andere "Sprache".270 Sie 263 Bei Individualkommunikation spricht man üblicherweise von Nachrichtenvermitttung, bei Massenkommunikation von Nachrichtenverteilung. 264 Vgl. oben S. 81 f., 86 f. 265 Anders insb. die alten Fassungen des FAG, vgl. 1. Scherer, ArchPF 1991, 268 ff. 266 Hervorzuheben ist vor allem die Formulierung, wonach das Fernmeldewesen nur die der Übermittlung von Signalen dienenden funktechnischen Vorgänge erfaßt, vgl. BVerfGE 12,205 (227); ausflihrIich dazu schon oben S. 49 ff. 261 Vgl. nur 1. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, S. 629 ff.; H. Redeker, Neue Informations- und Kommunikationstechnologien, S. 91 ff. 268 Zur konturierenden Kraft der zum Fernmeldewesen entwickelten Merkmale für den Teiekommunikationsbegriff der Art. 73 NT. 7, 87 f GG oben S. 55 ff. 269 Vgl. W. Heun, Schriftliche Stellungnahme, BT-Rechtsausschuß-Prot. 117/94, S. 18 ff.; zu den technischen Vorgängen bei der Digitalisierung oben S. 62 mit Fußn. 115. 210 Vgl. B. Köbete, Fernmeldewesen, S. 82 f.; auch oben S. 86 mit Fußn. 254.
B. Der Inhalt der Telekommunikation
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betreffen allein das Transportmedium, nicht hingegen den Erklärungsgehalt. Solche übennittlungsnotwendigen oder -dienlichen Vorgänge gehören daher zur Telekommunikation, solange sie den Inhalt der Nachricht unangetastet lassen. 27I Telekommunikation urnfaßt auch die Speicherung von Nachrichten zu und während ihrer Übennittlung. Denn dieser Vorgang verändert nicht den Informationsgehalt einer Nachricht, sondern verlängert ihn lediglich durch "Aufbewahrung" in einem Transportmedium. Zulässig sind nicht nur Nachrichtenspeicherungen, die zur Übermittlung technisch unerläßlich272 und auf die schnellstrnögliche Übertragung begrenzt sind,273 sondern sämtliche der Nachrichtenübennittlung, d. h. der Umwandlung, Beförderung und Wiedererzeugung der Nachricht dienenden Speicherungsvorgänge. Bezugspunkt des wertenden Zuordnungskriteriums der Sachdienlichkeit ist der das Wesen des Telekommunikationsbegriffs prägende Transport- und Wiedererzeugungseffekt. 274 3. Struktur und Ordnung des Bereichs der Telekommunikation
Der Bereich der Telekommunikation umfaßt Telekommunikationsdienste, -netze und -endeinrichtungen. Sie sind potentieller Gegenstand staatlicher Regulierung, markieren damit zugleich die Grenzen hoheitlicher Einflußnahme. a) Die Telekommunikationsdienste Dienstleistungen, die die Merkmale des verfassungsrechtlichen Telekommunikationsbegriffs aufweisen, bezeichnet man als Telekommunikationsdienstleistungen. Erfiillen solche Dienstleistungen der Telekommunikation i. S. d. Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG ein durch bestimmte Leistungsmerkmale festgelegtes Diensteprofil, werden sie z. T. abweichend vom telekommunikationsgesetzlichen Sprachgebrauch auch unter der rechtlichen Kategorie unterschiedlicher Telekommunikationsdienste, etwa in Fonn des Sprachtelefondienstes oder des Auskunftdienstes, zusammengefaßt. 275 Diese vor allem früher übliche 27\ Im Ergebnis ähnlich zur alten Rechtslage J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, S. 632; ders., Datenverarbeitung, S. 155 f.; auch H. Redeker, Neue Informations- und Kommunikationstechnologien, S. 92 f. 272 So aber B. Köbele, Fernmeldewesen, S. 86, 239; ohne Bezugnahme auf das Problem der Nachrichtenspeicherung auch BVerfGE 12,205 (227); kritisch dazu P. Badura, in: Festschrift für W. Thieme, S. 877 (878); P. Lerche, in: MaunzlDürig, Grundgesetz, Art. 87 fRdnr. 51 mit Fußn. 35. 273 J. Scherer, Telekommunikationsrecht und Te1ekommunikationspolitik, S. 637 f. 274 Dazu oben S. 83 mit Fußn. 235. 275 Einzelheiten unten S. 195 f., 263 ff.; zum abweichenden Verständnis von Telekommunikationsdienstleistungen unten S. 115 f., 194 ff., 263, 405 f.
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2. Kap.: Geltungsbereich der Universaldienstgewährleistung
KlassifIzierung beschränkt sich im Gegensatz zum heute gebräuchlichen Begriff der Telekommunikationsdienstleistung auf die eigentliche Leistungserbringung, wobei nicht immer mit der gebotenen Eindeutigkeit zwischen Übermittlungsdienst und übermitteltem Dienst unterschieden wird. In diesem Lichte erhellt sich die angesichts der (verfassungs)rechtlichen Veränderungen276 hinfällig. gewordene Frage, ob die Deutsche Bundespost zur Erbringung sog. erweiterter Dienste277 befugt gewesen ist. 278 Das Nachfolgeunternehmen Deutsche Telekom AG ist nicht mehr durch irgendwelche verfassungsrechtlichen Beschränkungen an der Wahrnehmung solcher Angelegenheiten gehindert. 279 Unter kompetenzrechtlichen Aspekten und wegen der besonderen Vorgaben des Art. 87 f Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GG bleibt aber bedeutsam, ob diese Dienste zur Telekommunikation gehören. Das ist zu verneinen. Denn diese Tätigkeiten sind keine Dienstleistungen der Telekommunikation, sondern Dienstleistungen übermittelt durch Telekommunikation. Nur die körperlose Übermittlung solcher Informations- und Kommunikationsdienstleistungen, nicht aber ihre Bereitstellung (flir Dritte) fällt in den Art. 87 f GG zugrunde liegenden Bereich der Telekommunikation. 280 Sie unterliegen daher keiner telekommunikationsspezifIschen Regulierung. Dazu oben S. 75 ff. Unter erweiterten Diensten versteht man über Telekommunikationssysteme übermittelte Dienste, die neben der körperlosen Übertragung und Vermittlung oder Verteilung von Nachrichten zusätzliche "telekommunikationsfremde" Leistungsmerkmale aufweisen (z. B. die Verarbeitung von Nachrichten). Klassische Beispiele sind Auftragsdienst und Bildschirmtext; aktuelle Brisanz besitzen die sog. Onlinedienste. Die Bezeichnung als erweiterte Dienste geht auf den in der Computer lI-Entscheidung der F.C.C. gebrauchten Ausdruck der "enhanced services" zurück (vgl. dazu J. Scherer, Datenverarbeitung, S. 75 ff. sowie unten S. 494 f.). Teilweise ist mit identischem oder zumindest ähnlichem Bedeutungsgehalt von Mehrwertdiensten (value added services) die Rede (s. das Grünbuch Telekommunikationsdienstleistungen, BT-Drs. 11/930, S. 31 ff., 49 ff. sowie oben S. 80 mit Fußn. 218). 278 Zur damaligen Diskussion, die sich insb. am Btx sowie an sonstigen sog. Neuen Medien entzündete P. J. Tettinger, Neue Medien und Verfassungsrecht, S. 1,9 ff.; U. v. PetersdorjJ, Bildschirmtextzentrale, S. 118 ff.; M. Bullinger, Rechtsfragen der elektronischen Telekommunikation, S. 1 ff.; H. Schön/K.-H. Neumann, JbDBP 36 (\985), 478 (484 ff.); B. Schlink/J. Wieland, Jura 1985,570 ff.; J. Bohm/H. Schön/Go Tenzer, JbDBP 38 (\987), 207 (214 ff.); M. Wittig-Terhardt, in: FuhrIRud01fIWasserburg (Hrsg.), Recht der Neuen Medien, S. 38 ff.; T.-S. Kluth, in: EllgerlKluth, Internationale Telekommunikation, S. 103 ff.; G. Herrmann, Rundfunkrecht, § 2 Rdnrn. 14 ff. 279 Dagegen war vor der Postreform 11 entscheidend, ob erweiterte Dienste zur Bundespost i. S. d. Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F. gehörten oder nicht. Im letztgenannten Fall durfte die Deutsche Bundespost sie nicht wahrnehmen, während sie im erstgenannten Fall zu ihrer Erfüllung zuständig und hierbei oftmals durch ein Monopol geschützt war; zu den insoweit notwendigen Differenzierungen P. Lerche, in: Festschrift für K. Obermayer, S. 75 (77 ff.); auch B. Schlink/J. Wieland, Jura 1985, 570 (572 ff.); R. Schmidt, in: Festschrift für P. Lerche, S. 965 (966 f.). 280 Ausführlich dazu noch unten S. 266 f. 276
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B. Der Inhalt der Telekommunikation
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b) Die Telekommunikationsnetze Der Bereich der Telekommunikation umfaßt auch die Telekommunikationsnetze/ 81 unabhängig davon, ob sie zur Übermittlung von Nachrichten im Rahmen der Individual- oder Massenkommunikation genutzt werden. 282 Diese Zugehörigkeit ist schon in der Natur der Sache begründet. Körperlose Nachrichtenübermittlung in Form von Telekommunikation ist auf solche Transportwege nebst ihren Vermittlungseinrichtungen angewiesen, sie waren und sind unerläßliche technische Voraussetzung des "In-die-Ferne Meldens".283 Ihre Errichtung und ihr Betrieb ist daher schon nach alter Rechtslage dem Fernmeldewesen zugeordnet worden. 284 Daran hat die Postreform 11 nichts geändert. Die Bereitstellung von Telekommunikationsnetzen ist zwar nunmehr eine privatwirtschaftlich zu erbringende Telekommunikationsdienstleistung,28S wird dadurch aber nicht aus dem Bereich der Telekommunikation ausgegrenzt. Sie genügt auch in dem gewandelten ordnungspolitischen Umfeld den Anforderungen des Telekommunikationsbegriffs. In den Bereich der Telekommunikation fallen auch neuartige Übermittlungssysteme, sofern sie zur körperlosen Nachrichtenübermittlung geeignet sind. Auf Art und Inhalt der zu übermittelnden Nachricht,286 auf Aggregatzustand und physikalische Beschaffenheit der Übertragungsleitung, 287 auf die bisherige Funktion des Netzes 288 und die diesbezüglichen Eigentumsverhältnisse (staatlich oder privat) kommt es nicht an. 289 Daher umfassen Übermittlungssysteme der Telekommunikation drahtlose terrestrische oder orbital gestützte Netze (z. B. Satelliten; terrestrische digitaleMobilfunknetze) und drahtgebundene terrestrische Netze 290 mit Übertragungskanälen von unterschiedlicher physikalischer Konsistenz (z. B. Kupferkabel; Glasfaserkabef 91 ) und divergie-
281 Zum Begriff und zu den Bestandteilen von Telekommunikationsnetzen oben S. 79 mit Fußn. 208.
282 BVerwGE 77, 128 (131); M. Bothe, AK-GG, Bd. 2, Art. 73 Rdnr. 20; zuletzt P. Lerche, in: MaunzJDürig, Grundgesetz, Art. 87 f Rdnr. 50. 283 So schon BVerfGE 12, 205 (227). 284 Vgl. in bezug auf Breitbandnetze BVerwGE 77, 128 (131); dazu M. WichmanniP. Maier, DVBI 1987,814 ff.; s. auch P. Lerche, Städte und Kabelkommunikation, S. 30; U. Steiner, HStR II1, § 81 Rdnr. 34. 285 Eingehend dazu unten S. 197 ff., 208 ff. 286 Vgl. oben S. 84 f., 62 f. 287 BVerfGE 46, 120 (143) sowie oben S. 54. 288 Zu den vordem funktionsdeterminierten Netzen oben S. 59 f. 289 Vgl. dazu unter Betonung der Entwicklungsoffenheit und technischen Neutralität des Telekommunikationsbegriffs oben S. 63 f., 83 f. 290 BVerfGE 12,205 (227 f.). 291 Vgl. oben S. 63 mit Fußn. 119 f.
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2. Kap.: Geltungsbereich der Universaldienstgewährleistung
rendem Informationsdurchsatzvermögen (Frequenzbreite; Bits). Kabelfernsehnetze sind ebenfalls Telekommunikationsnetze in diesem Sinne. 292 Sie unterliegen aber nur insoweit einer telekommunikationsspezifischen Regulierung, als es um die technische Durchführung der Nachrichtenübermittlung geht. 293 c) Die Endeinrichtungen Die der Telekommunikation wesensimmanente Wiedererzeugung der Nachricht am Empfangsort fmdet in den Endeinrichtungen statt. 294 Das Bundesverfassungsgericht hat diese Geräte in den Kompetenzbereich des Fernmeldewesens einbezogen, da sie unerläßliche technische Voraussetzung für eine (vollständige) Durchführung der Nachrichtenübermittlung sind. 295 Die Modifizierung der verfassungsrechtlichen Vorgaben tastet diese Zuordnung aus vorgenannten Gründen nicht an. 296 Zu dem Art. 87 f GG zugrunde liegenden Bereich der Telekommunikation gehören daher auch die Telekommunikationsendeinrichtungen. Ihre Herstellung, ihr Vertrieb und ihre Wartung unterliegen als privatwirtschaftliche Tätigkeiten den besonderen Regulierungsanforderungen des Telekommunikationsrechts. Das ist unproblematisch bei Einrichtungen, die ausschließlich zur Telekommunikation geeignet und bestimmt sind. 297 Die funktionsdeterminierten Grenzen dieses Regulierungsbereichs sind jedoch durch die technische Entwicklung aufgeweicht worden. Monofunktionale Fernmeldeendgeräte werden zunehmend durch multifunktionale (Telekommunikations)Endeinrichtungen ersetzt. Sie verfügen neben telekommunikationsspezifischen auch über telekommunikationsfremde Funktionen298 oder sind an sich nicht zu Telekommunikationszwecken hergestellt worden, können aber hierfür wegen ihrer technologischen Vielseitigkeit genutzt werden. Bei diesen Geräten stellt sich die Frage, ob und ggfs. unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang sie zum Bereich der Telekommunikation gehören und dem einschlägigen Regulierungsregime zu unterstellen sind. 292 Vgl. Bullinger, ZUM-Sonderheft 1997,281 (286 f.); zu ihrer gemeinschaftsrechtlich angeordneten Öffnung für alle Formen der Nachrichtenübertragung unten S. 152 f. 293 Zur umstrittenen Zuständigkeit zur Regelung der Frequenzzuteilung unten S. 94 ff. 294 Zum Begriff der Endeinrichtungen bereits oben S. 70 mit Fußn. 163. 295 BVerfGE 46, 120 (144); dazu P. Lerche, in: MaunzJDürig, Grundgesetz, Art. 87 Rdnr. 105. Zur Kritik am Kriterium der Unerläßlichkeit, die allerdings stärker auf den Übermittlungsvorgang als auf die Endeinrichtungen zielt, oben S. 89. 296 Vgl. oben S. 55 ff., 83 f., wo insb. auf den prägenden Charakter der Nachrichtenwiedergabe für den Telekommunikationsbegriff abgehoben wird. 297 Z. B. ein schlichter Fernsprechapparat für den Sprachtelefondienst. 298 Einzelheiten oben S. 65 mit Fußn. 133 bis 135.
B. Der Inhalt der Telekommunikation
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Die im Schrifttum vorherrschende Meinung lehnt es bislang ab, solche multifunktionalen Endgeräte dem Bereich der Telekommunikation zuzuordnen. 299 Als Fernmeldeanlagen werden nur solche Geräte angesehen, die ausschließlich oder zumindest überwiegend der Übermittlung von Nachrichten unter Einschluß ihrer Wiedererzeugung dienen und daneben keine relevanten telekommunikationsfremden Funktionen besitzen. Dies wird vor allem damit begründet, daß andernfalls die Regulierungsmechanismen der Telekommunikation auf Handlungsfelder, wie z. B. die Datenverarbeitung, ausgedehnt würden, was sachwidrig und unverhältnismäßig sei. 3OO Zusätzlich wurde unter der Geltung eines umfassenden Fernmeldemonopols der Deutschen Bundespost auf die Gefahr hingewiesen, daß infolge eines extensiven Verständnisses des Begriffs der Fernmeldeanlagen multifunktionale Einrichtungen ebenfalls unter dieses ausschließliche Recht fallen würden. Dadurch würden Tätigkeiten, die solche Einrichtungen zum Gegenstand haben oder damit zusammenhängen, ohne sachliche Rechtfertigung dem grundrechtlich geschützten Bereich freier wirtschaftlicher Betätigung (vgl. insb. Art. 12 Abs. 1 GG) entzogen. 301 Weder die Begründung noch das Ergebnis dieser Auffassung überzeugen. Das monopolbezogene Argument ist schon durch Zeitablauf hinfällig geworden, weil Fernmeldeanlagen bereits Ende der achtziger Jahre aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben vom Fernmeldemonopol der Deutschen Bundespost ausgenommen wurden. 302 Seine rechtliche Stichhaltigkeit war zudem bereits während des Bestehens dieses Monopols fraglich, weil die Bedenken durch eine entsprechende Beschränkung der ausschließlichen Rechte hätten ausgeräumt werden können. 303 Einer ufer- und unterschiedslosen Einbeziehung multifunktionaler Einrichtungen in das Regulierungssystem der Telekommunikation kann durch folgende Differenzierung begegnet werden, die schwerpunktmäßig auf der Rechtsfolgenseite ansetzt. Für die Zugehörigkeit eines Geräts zum Bereich der Telekommunikation genügt es, daß dieses objektiv zur Telekommunikation geeignet ist, insb. körperlos übermittelte Nachrichten wiedergeben kann. Entscheidend hierfür sind allein die technischen Möglichkeiten des Geräts. Die Zweckbestimmung durch den Hersteller oder Lieferanten spielt insoweit keine Rolle; andernfalls könnten diese durch entsprechende Äußerungen die Anwendung telekommunikations-
299 Vgl. nur H. Redeker, Neue Inforrnations- und Kommunikationstechnologien, S. 103 ff.; B. Köbele, Fernmeldewesen, S. 88 ff., 102,239 ff. jeweils m. w. N. 300 So insb. B. Köbele, Fernmeldewesen, S. 95. 301 Allgemein zu dieser Problematik 1. Wolf, Medienfreiheit und Medienunternehmen, S. 349 ff. 302 Eingehend dazu unten S. 148 ff., 392 mit Fußn. 19. 303 So auch H. Redeker, Neue Inforrnations- und Kommunikationstechnologien, S. 104.
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2. Kap.: Geltungsbereich der Universaldienstgewährleistung
rechtlicher Regelungen vermeiden. Die Reichweite der Regulierung wird insoweit allein an objektive Elemente geknüpft. Allerdings ist die ausdrücklich (oder konkludene 04 ) geäußerte Absicht des Herstellers, daß die Einrichtung (auch) zu Telekommunikationszwecken dienen soll, bei Art und Ausmaß der Regulierung zu berücksichtigen. Gibt der Hersteller zu erkennen, daß die Einrichtung nicht zur Telekommunikation genutzt werden soll, obwohl sie hierfür geeignet ist/OS darf der Gesetzgeber sie nicht der besonderen Telekommunikationsregulierung, sondern lediglich einer allgemeinen Mißbrauchskontrolle unterstellen, die insb. ihre verdeckte Verwendung als Telekommunikationsendeinrichtung verhindern soll. Beabsichtigt der Hersteller dagegen, daß die Einrichtung an das Telekommunikationsnetz angeschlossen und zur Telekommunikation genutzt werden kann, so ist es aufgrund der funktionalen Identität gerechtfertigt, daß für sie grds. die gleichen Regeln wie für andere Telekommunikationsendeinrichtungen gelten. Dies gilt insb. im Hinblick auf Vorkehrungen, die die Sicherheit der Benutzer und des Personals des Netzbetreibers, die elektromagnetische Verträglichkeit, den Schutz des öffentlichen Telekommunikationsnetzes vor Schäden, die Kommunikationsfähigkeit der Endeinrichtungen untereinander und mit Einrichtungen des öffentlichen Telekommunikationsnetzes sowie ihre Konformitätsbewertung und Kennzeichnung gewährleisten sollen. 306 Der auf der Grundlage der §§ 59 Abs. 4, 60 Abs. 5, 61, 64 Abs. 3 und 96 Abs. 1 Nr. 9 TKG erlassenen, am 01.09.1997 in Kraft getretenen Telekommunikationszulassungsverordnung 307 liegen im wesentlichen diese Vorstellungen zugrunde. Sie differenziert zwischen (Te1ekommunikations)Endeinrichtungen, die an die Abschlußeinrichtungen eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes angeschaltet werden (sol1en),308 und Einrichtungen, d. h. Geräten, die aufgrund ihrer technischen Eigenschaften zwar für diesen Verwendungszweck 304 Eine solche Willenserklärung durch konkludentes Handeln ist z. B. dann anzunehmen, wenn der Hersteller die Endeinrichtung mit Schnittstellen ausstattet, die mit den Schnittstellen der Abschlußpunkte des öffentlichen Telekommunikationsnetzes kompatibel sind. 305 Hinreichende Bedingung flir eine solche Eignung ist, daß die Einrichtung die technischen Voraussetzungen flir den Empfang und die Wiedererzeugung der auf Telekommunikationssystemen übermittelten Nachrichten bietet. Als Telekommunikationsendeinrichtungen können somit beispielsweise auch Computer mit Sichtgerät (Bildschirm) fungieren. 306 Vgl. zu diesen gemeinschaftsrechtlich vorgegebenen grundlegenden Anforderungen die Festlegungen in § 59 Abs. 2 TKG. 307 Vgl. § 22 Satz I der Verordnung über die Konformitätsbewertung, die Kennzeichnung, die Zulassung, das Inverkehrbringen und das Betreiben von Funkanlagen, die nicht zur Anschaltung an ein öffentliches Telekommunikationsnetz bestimmt sind, und von Telekommunikationseinrichtungen (Telekommunikationszulassungsverordnung 1997) vorn 20.8.1997 (BGB! I, S. 2117). 308 S. im einzelnen § 2 Nr. 2 Telekommunikationszulassungsverordnung 1997.
B. Der Inhalt der Telekommunikation
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geeignet wären, aber hierrur nicht vorgesehen sind. 309 Zur Verhinderung von Mißbrauch dürfen letztere nur dann in Verkehr gebracht werden, wenn der Hersteller vorher erklärt hat, daß sie rur den Anschluß an ein öffentliches Telekommunikationsnetz nicht bestimmt sind. 310 Sie dürfen grds. nicht an ein solches Netz angeschlossen und müssen bestimmungsgemäß verwendet werden. 311 Dagegen dürfen Telekommunikationsendeinrichtungen an ein öffentliches Telekommunikationsnetz angeschaltet und in Betrieb genommen werden, wenn sie oben umrissene grundlegende Anforderungen errullen und administrativ zugelassen sind. 312 VI. Abgrenzungen Besondere Probleme bereitet seit geraumer Zeit das Verhältnis zwischen Telekommunikation (Fernmeldewesen) und Rundfunk (dazu unten 1).313 Hinzu treten die durch die technischen Veränderungen ermöglichten neuartigen Kommunikationsformen, die zunächst unter dem Begriff "Multimediadienste" zusammengefaßt wurden314 und nunmehr vom Gesetzgeber teils als Teledienste,315 teils als Mediendienste316 bezeichnet werden. Abgrenzungsschwierigkeiten bestehen insoweit sowohl gegenüber der Telekommunikation (dazu unten 2) als auch gegenüber dem Rundfunk. 317 Zudem bedarf die herkömmliche Unterscheidung zwischen Post- und Fernmeldewesen angesichts der Privatisierung dieser Bereiche und (partiell) divergierender Regulierungsvorgaben318 einer erneuten Überprüfung (dazu unten 3).
309 Vgl. die Begriffsfestlegung in § 2 Nr. 4 Telekommunikationszulassungsverordnung 1997. 310 Vgl. § 60 Abs. 2 und 4 TKG i. V. m. §§ lAbs. 2 Nr. 1,3 Abs. 2,4 Abs. 4 und § 15 Telekommunikationszulassungsverordnung 1997. 311 S. §§ 59 Abs. 1,60 Abs. 1 TKG. 312 § 59 Abs. I TKG i. V. m. § 4 Abs. 2 Telekommunikationszulassungsverordnung 1997. 313 Grundlegend BVerfGE 12,205 ff.; vgl. dazu schon oben S. 50. 314 Zum Begriff "Multimediadienste" unten S. 102 f. 315 Vgl. § 2 Abs. I Teledienstegesetz (TDG) vom 22.07.1997 (BGBI I, S. 1870), das als Art. I des Informations- und Kommunikationsdienstegesetz (luKDG) verkündet worden und gemäß Art. 11 IuKDG am 01.08.1997 in Kraft getreten ist. 316 Vgl. § 2 Abs. I Mediendienste-Staatsvertrag. 317 Vgl. zu dem komplizierten Verhältnis zwischen Rundfunk und Multimediadiensten, das an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden soll, unten S. 98 mit Fußn. 332 sowie S. 103 ff. 318 Näher dazu unten S. 110 f.
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2. Kap.: Geltungsbereich der Universaldienstgewährleistung
1. Telekommunikation und Rundfunk Der Rundfunk wird im Grundgesetz nicht bei den Kompetenzen, sondern bei den Grundrechten in Gestalt der Rundfunkfreiheit angesprochen (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG). Seine für das Gesamtgefüge der Verfassung relevanten Wesensmerkmale spiegeln sich in § 2 Abs. I des Rundfunkstaatsvertrages wider. 319 Danach ist Rundfunk die für die Allgemeinheit bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Darbietungen aller Art in Wort, in Ton und in Bild unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung oder längs oder mittels eines Leiters. Charakteristisch für den Rundfunkbegriff sind der Adressatenkreis ("die Allgemeinheit") und der Inhalt ("Darbietungen") der Sendung. Letztgenanntes Kriterium impliziert eine meinungsbildende Wirkung, weil der Rundfunk Medium und Faktor der Massenkommunikation und damit der öffentlichen Meinungsbildung ist (sog. publizistische Funktion).320 Hinzu tritt das Erfordernis einer Übertragung auf rundfunktechnischem Weg, d. h. durch körperlose Nachrichtenübermittlung. An dieser Stelle überschneiden sich die den Verfassungsbegriffen Telekommunikation und Rundfunk zugrunde liegenden Sachverhalte. Denn Telekommunikation umfaßt die körperlose Übermittlung von Nachrichten beliebigen, d. h. auch rundfunkrechtlichen Inhalts, während umgekehrt der Rundfunk zur Verbreitung seiner Sen·dungen auf femmeldetechnische Beförderung, d. h. auf Telekommunikation angewiesen ist. Eine trennscharfe Abgrenzung ist unerläßlich, weil die Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz für diese Gegenstände unterschiedlichen Rechtsträgern zugewiesen ist. 321 Die Regelung des Rundfunks ist Sache der Länder (Art. 70 Abs. 1 GG);322 gleiches gilt für die rundfunkbezogene Verwaltungstätigkeit (Art. 30 GG).323 Demgegenüber liegen Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz für die Telekommunikation beim Bund (Art. 73 Nr. 7, 87 f, 143 b GG).324 319 Rundfunkstaatsvertrag vom 31.05.1991 in der durch den Dritten Rundfunkstaatsvertrag vom 26.08. bis I \.09.1996 modifizierten Fassung, zuletzt geändert durch § 22 Mediendienste-Staatsvertrag vom 0 \.08.1997. Zum Verhältnis von einfachgesetzlichem und verfassungsrechtlichem Rundfunkbegriff H. Kuch, ZUM 1997,225. 320 Vgl. P. Badura, in: Bonner Kommentar, Art. 73 Nr. 7 Rdnr. 27; D. KrögeriF. Moos, ZUM 1997,462 (465); s. auch C. Starck, in: Festschrift für K. Stern, S. 777 (778 ff.); R. Schotz, in: Festschrift für M. Kriele, S. 523 (529 ff.). 321 Für eine flexiblere Abgrenzung zwischen Rundfunk und Telekommunikation wegen "Überlappungen" infolge der technischen Entwicklung zuletzt K.-H. Ladeur, ArchPT 1997, 193 (199 f.); ders., ZUM 1998, 261 (263 ff.). 322 Vgl. nur BVerfGE 90, 60 (\05); H. Kuch, ZUM 1997,225 (227); zum Umfang der Gesetzgebungskompetenz der Länder H. Gersdorf, in: Festschrift für M. EngelschaII, S. 163 (167 ff.). 323 Grundlegend BVerfGE 12,205 (243 ff., insb. 249). 324 Einzelheiten unten S. 321 f., 364 f., 372 f., 385.
B. Der Inhalt der Telekommunikation
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Die Unterscheidung dieser Kompetenzmaterie wirft seit jeher Probleme auf. Eine grundlegende Trennlinie zog das Bundesverfassungsgericht im 1. Rundfunkurteil. Danach urnfaßte das Fernmeldewesen gemäß Art. 73 Nr. 7 GG a. F. nicht den Rundfunk als Ganzes, sondern nur den sendetechnischen Bereich des Rundfunks unter Ausschluß der sog. Studiotechnik. Die von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geforderten gesetzlichen Vorkehrungen hinsichtlich Inhalt und Organisation des Rundfunks fallen dagegen, vorbehaltlich sog. Querschnittskompetenzen des Bundes, in die Gesetzgebungskompetenz der Länder. 325 Das Fernmeldewesen wurde so in eine dienende Funktion zurückgedrängt. Diese Grenzziehung zwischen Fernmeldewesen und Rundfunk wirkt bis heute fort. 326 Ihr Verlauf wurde durch die Verfassungsänderung (insb. Art. 73 Nr. 7, 87 Abs. I Satz 1, 87 f GG) nicht neu festgelegt, da der Telekommunikationsbegriff die Merkmale des Fernmeldewesens tradiert und wie dieses in ausschließlich übermittlungstechnischem Sinne zu verstehen ist. 327 Auch die immer dichteren Vorgaben der EU in bezug auf Telekommunikation und Rundfunk fUhren zu keiner Grenzverschiebung. Sie verlangen insb. keine Neuinterpretation des Begriffs der Telekommunikation im Wege einer gemeinschaftskonformen Auslegung der Art. 73 Nr. 7, 87 f GG, sondern gehen ebenfalls von einer auf die Übermittlung von Nachrichten begrenzten Defmition der Telekommunikation aus, bei der eine Änderung des Nachrichteninhaltes ausgeschlossen ist. 328 Rundfunk und Telekommunikation werden auch auf dieser Ebene als getrennte Bereiche behandelt, was durch die wechselseitigen Ausgrenzungen unterstrichen wird. 329 m BVerfGE 12, 205 (225), bestätigt durch BVerfGE 92, 203 (238); zu den Querschnittsgesetzgebungskompetenzen im Zusammenhang mit Multimediadiensten unten S. 108. Zur Verteilung der Verwaltungskompetenzen zwischen Bund und Ländern unten S. 101. 326 Anders K. -H. Ladeur, ZUM 1998, 261 (266 0; die von ihm vorgeschlagenen Abgrenzungskriterien, z. 8. der Bezug auf die Netzwerkstruktur, sind zwar flexibler, aber auch recht unscharf, bergen daher die Gefahr von Kompetenzkonflikten, die nur durch eine Kooperation von Bund und Ländern bewältigt werden können, die dem Grundgesetz in diesem Umfang fremd ist; zweifelnd gegenüber der dienenden Funktion der Telekommunikation auch B. Holznagel/D. Daufeldt, eR 1998, 151 (156); sie bestätigend zuletzt VG Berlin, MMR 1998, 164 (166). 327 Eingehend dazu schon oben S. 55 ff., 83 ff. m Im übrigen wäre eine Einbeziehung der Nachrichtenverarbeitung in den Telekommunikationsbegriff im Wege einer gemeinschaftskonformen Verfassungsauslegung aus grundgesetzlicher Sicht nicht unproblematisch, da sie die Trennlinie der Kompetenzbereiche von Bund und Ländern verschieben würde und damit, je nach Ausmaß der Kompetenzverlagerung, am Kembereich deutscher Bundesstaatlichkeit rühren könnte, die Teil der Verfassungsbestandsklausel des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. Art. 79 Abs. 3 GG ist. Zu Zulässigkeit und Grenzen einer gemeinschaftskonformen und gemeinschaftsrechtsorientierten Verfassungsauslegung oben S. 70 f. mit Fußn. 165 f. 329 Vgl. aus Sicht der Telekommunikation nur Art. 2 Nr. 3 Richtlinie 90/387/EWG in der durch Art. I Nr. 3 Richtlinie 97/51/EG geänderten Fassung, der Rundfunk und 7 Windlhorst
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2. Kap.: Geltungsbereich der Universaldienstgewährleistung
Die technologische Entwicklung, zumal neuartige Übermittlungstechniken (z. B. Digitalisierung), stellt die Abgrenzung gegenüber dem Rundfunk nicht in Frage. Die in diesem Dunstkreis angesiedelte These von einer durch den technischen Fortschritt ausgelösten Konvergenz zwischen Telekommunikation und Rundfunk330 erweist sich bei näherer Betrachtung als wenig tragfähig. Denn sie vernachlässigt das grundlegende Erfordernis einer Trennung zwischen der Übermittlung der Nachricht und (dem Inhalt) der übermittelten Nachricht. Allein bei letzterer(m) ist eine solche Konvergenz denkbar, da die Grenzen zwischen Individual- und Massenkommunikation verschwimmen. 331 Dies berührt aber lediglich die Zuständigkeit zu inhaltsbezogenen Regelungen, betrifft daher das Verhältnis von Rundfunk und Multimediadiensten. 332 Die Grenzlinie zwischen Rundfunk und Telekommunikation wird dadurch nicht angetastet; vielmehr wird ihre Bedeutung durch die technische Entwicklung zusätzlich unterstrichen. 333 Da beispielsweise bei digitaler Nachrichtenübermittlung Nachrichten unterschiedlichen Inhalts nahezu zeitgleich übertragen werden und während des Übermittlungsvorganges nicht mehr speziflzierbar sind, muß strikt zwischen der Tätigkeit "Nachrichtenübermittlung" und dem Angebot der zu übermittelnden Nachricht differenziert werden. Allerdings kann auch diese an sich trennscharf angelegte Unterscheidung nicht verhindern, daß bei der Regelung und Durchführung der Regulierung von Telekommunikation und Rundfunk in Randbereichen Überlappungen der Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen auftreten. Dazu kommt es, wenn Bestimmungen oder Maßnahmen Rechtswirkungen im Zuständigkeitsbereich einer anderen Stelle entfalten. Exemplarisch hierfür sind die Frequenzvergabe
Fernsehen ausdrücklich aus dem Begriff der Telekommunikationsdienste ausschließt; s. auch Art. 1 Abs. 2 Richtlinie 97/13/EG. Vgl. aus Sicht des Rundfunks Art. 1 Iit. a Satz 3 Richtlinie 89/552/EWG, zuletzt geändert durch Art. 1 Richtlinie 97/36/EG; zum Ganzen auch M. Bullinger, ZUM-Sonderheft 1997,281 (288 ff.). 330 Vgl. etwa W. Haffrnann-Riern, in: R. Schmidt (Hrsg.), Öffentliches Wirtschaftsrecht, Besonderer Teil 1, S. 563 (568). 33\ Die Unterscheidung zwischen Individual- und Massenkommunikation (dazu schon oben S. 82 ff.) bereitet vor allem bei den elektronischen Informations- und Kommunikationsdiensten erhebliche Schwierigkeiten, so daß vereinzelt vorgeschlagen wurde, den "Zwischenbereich" als eigene dritte Kategorie einer "individualisierten Allgemeinkommunikation" anzuerkennen (vgl. M. Bullinger, Kommunikationsfreiheit, S. 30 ff.; ders., NJW 1984, 385 [388 ff.]). Das IuKDG und der Mediendienste-Staatsvertrag scheinen sich (unter anderem) an dieser Differenzierung auszurichten (vgl. unten S. 103, 105 f.). Für die Konturierung des Bereichs der Telekommunikation liefert sie allerdings keine neuen Erkenntnisse, weil es für den Übermittlungsbegriff irrelevant ist, ob Nachrichten individuell vermittelt oder an eine beliebige Öffentlichkeit verteilt werden. 332 Dazu D. Müller-Using/R. Lücke, ArchPT 1995, 32 ff. m. w. N.; unten S. 104 ff. 333 Genau entgegengesetzt K.-H. Ladeur, ZUM 1998, 261 (264 ff.); wie hier R. Schalz, in: Festschrift für M. Kriele, S. 523 (529 ff.); ebenso am Beispiel der Frequenzvergabe M. Libertus, ZUM 1997,702 (704 ff.); dazu noch unten S.99 ff.
B. Der Inhalt der Telekommunikation
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und die Entscheidung über die Belegung von Kabelnetzen. 334 Die daraus resultierenden Schwierigkeiten verschärfen sich infolge der Privatisierung der Telekommunikation, weil die aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG für den Bereich des Rundfunks und aus Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG für den Bereich der Telekommunikation abgeleiteten ordnungspolitischen Vorstellungen nun noch weiter auseinander liegen. Während die in Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG verankerte Verfassungsgarantie privatwirtschaftlicher Leistungserbringung den Bereich der Telekommunikation der individuellen grundrechtlichen Freiheitsentfaltung öffnet und eine gemeinwohlbezogene Einflußnahme des Staates nur ausnahmsweise, z. B. im Rahmen des Art. 87 f Abs. 1 GG zuläßt, wird die Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG primär als eine (der freien und umfassenden Meinungsbildung) dienende Freiheit verstanden. Sie verlangt eine positive Ordnung, welche sicherstellt, daß die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck fmdet und daß auf diese Weise umfassende Information geboten wird. 335 Die wirtschaftliche Entfaltungsfreiheit des Grundrechtsträgers kann insoweit zurückgedrängt werden. Formelhaft ausgedrückt stehen sich die Antipoden "Privatnützigkeit" und "Gemeinnützigkeit" gegenüber. 336 Die Abgrenzungsprobleme ergeben sich indes nicht aus Unschärfen bei der Begriffsfestlegung, sondern aus (faktischen) Bindungen, die Regulierungsmaßnahmen von Bund und Ländern im jeweils anderen (Kompetenz)Bereich zeitigen. Das wird bei der Frequenzvergabe für Rundfunkdarbietungen augenfällig. Ihre Verbreitung ist auf eine Übermittlung zu den Empfängern durch Telekommunikation angewiesen. Die Ausstrahlung hängt ihrerseits von einer Frequenzbereichszuweisung (§ 45 TKG), dem aufgrund des Frequenzbereichszuweisungsplans zu erstellenden Frequenznutzungsplan (§ 46 TKG) und der auf dieser Grundlage vorzunehmenden Frequenzzuteilung (§ 47 TKG) ab. Diese Maßnahmen fallen allesamt in die Zuständigkeit von Bundesbehörden, insb. in die der Regulierungsbehörde nach dem TKG. Umgekehrt setzt die Zuteilung von Frequenzen zur Übertragung von Rundfunkprogrammen das Vorliegen einer medienrechtlichen Genehmigung der zuständigen Landesmedienanstalt für das auszustrahlende Rundfunkprogramm voraus (§ 47 Abs. 3 TKG). Diese Landesbehörden entscheiden über die Zuordnung und Nutzung von Übertragungskapazitäten, die zur Verbreitung von Rundfunk dienen, nach Maßgabe des Rundfunkstaatsvertrags und des jeweiligen Landesrechts (§ 50 RStV).
Einzelheiten unten S. 99 ff., 107. BVerfGE 57, 295 (320 ff.); 74, 297 (323 ff.); 83, 238 (295 ff.); 90, 60 (87 ff.). 336 Vgl. nur M. BullingerlE.-J. Mestmäcker, Multimediadienste, S. 80 f., 84; auch H. Gersdorf, AtP 1997, 424, der die Grundsätze "Verdienen statt Dienen" und "Dienen statt Verdienen" einander gegenüber steHt. 334 335
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2. Kap.: Geitungsbereich der Universaldienstgewährleistung
Die bereichsübergreifenden Bindungen resultieren aus dieser wechselseitigen Abhängigkeit. Kompetenzübergriffe werden durch eine Funktionenabschichtung vermieden. Danach ist die Telekommunikationsregulierungsbehörde bei Vorliegen der landesrechtlichen Genehmigung für die Rundfunkdarbietung aufgrund der Rundfunkfreiheit grds. zur Erteilung einer Lizenz nach dem TKG für die Nutzung der erforderlichen Frequenz verpflichtet, da andernfalls die Gewährleistungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG leerlaufen würden. 337 Sie ist insoweit auf eine Prüfung der technischen Voraussetzungen für eine störungsfreie Übertragung beschränkt und an die inbaltsbezogene Beurteilung der Landesmedienanstalt gebunden. Diese muß ihrerseits die "dienend-technische" Funktion des Telekommunikationsrechts beachten und darf die Genehmigung nicht an Kriterien knüpfen, die in diesen Bereich fallen. 338 Stehen ausreichend Übertragungskapazitäten zur Verfügung, vennag diese Zuordnung die Abgrenzungsprobleme zu lösen. Schwieriger gestaltet sich die Lage, wenn nicht genügend Kapazität vorhanden ist, um alle Nachrichten zu übertragen. Der Lizenzerteilung nach dem TKG muß in diesen Fällen eine Auswahlentscheidung vorausgehen. Dabei sind zwei Konstellationen zu unterscheiden: Soweit sämtliche geplanten Sendungen als Rundfunkdarbietungen zu qualifizieren sind, muß die zuständige Landesbehörde (Landesmedienanstalt) eine Rangentscheidung treffen,339 welche für die Regulierungsbehörde nach dem TKG bindend ist. Diese darf lediglich feststellen, ob die auszustrahlende Sendung den übennittlungstechnischen Anforderungen genügt. Kommt es dagegen zu einem Kapazitätskonflikt zwischen Rundfunkdarbietungen und sonstigen Nachrichten, wie sie insb. bei der Belegung von Kabelnetzen zu beobachten ist,340 muß die Telekommunikationsregulierungsbehörde eine Auswahlentscheidung anband materieller Kriterien treffen. Diese ergeben sich insb. aus den Gewährleistungen der Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG (Infonnations- und Meinungsfreiheit der Empfänger bzw. Nutzer)/41 Art. 5 Abs. 1 Satz
337 S. nur M. Liberlus, ZUM 1997, 702 (704 ff.). 338 Vgl. R. Scholz, in: Festschrift für M. Kriele, S. 523 (532). 339 Kritisch zum System landesrechtlicher Rangvorbehaite bei Einspeisung von Rundfunkprogrammen in Kabelnetze C. Engel, Kabelfernsehen, 1996, S. 21 ff.; s. zu den dabei zu beachtenden Rangfolgekriterien auch C. Wagner, Rechtsfragen digitalen Kabelfernsehens, S. 65 ff.; zu insoweit anzuerkennenden administrativen Entscheidungsfreiräumen K.-H. Ladeur, DÖV 1997,983 (985 ff). 340 Zu ihrer technischen Eignung und rechtlichen Qualifizierung als Telekommunikationsnetze oben S. 92 sowie unten S. 152 f, 158. 341 Vgl. allgemein zum Grundrecht auf Informationsfreiheit F. Schoch, VVDStRL 57 (1998), 158 (188 ff.); speziell zur Informationsfreiheit der Kabeiteilnehmer M. Bullinger, ZUM-Sonderheft 1997,281 (300 ff).
B. Der Inhalt der Telekommunikation
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2 GG (Rundfunkfreiheit)/42 Art. 87 f Abs. 1 GG (Universaldienstgewährleistungspflicht),343 Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG (Privatwirtschaftlichkeitsgarantie) und Art. 12 Abs. 1, 14 GG (Berufs- und Eigentumsfreiheit der Netzbetreiber).344 Potentielle Konflikte zeichnen sich vor allem zwischen den primär gemeinwohlfokussierten Art. 5 Abs. 1 Satz 2, Art. 87 f Abs. 1 GG einerseits und den Privatnützigkeit garantierenden Art. 87 f Abs. 2 Satz 1, Art. 14 GG andererseits ab; sie betreffen somit nicht nur die Zuständigkeitsabgrenzung innerhalb der staatlichen Gewalt, sondern auch das Verhältnis zwischen dieser und dem der Privatwirtschaft vorbehaltenen Bereich. Unabhängig von letztgenannter, an anderer Stelle zu vertiefenden Frage/ 45 muß bei der Anwendung der aus obigen Grundsätzen gewonnenen Entscheidungsparameter die verfassungsrechtlich vorgegebene Kompetenzverteilung beachtet werden; nur so können unzulässige rechtliche Übergriffe in die jeweils fremde Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz verhindert und die Gefahr einer wechselseitigen Blockade ausgeräumt werden. Die Regelung und Überprüfung der technischen Voraussetzungen gehört zur Telekommunikation, ist somit Sache des Bundes (Art. 73 Nr. 7, 87 f Abs. 2 Satz 2 GG), während die auf den Inhalt der Nachricht abstellende Auswahlentscheidung in die Zuständigkeit der Länder fällt, sofern sie die Voraussetzungen des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs erftillt (Art. 70 Abs. 1,30 GG).346 Konsequenz hiervon ist, daß die Regulierungsbehörde nicht anstelle der zuständigen Landesmedienanstalt erneut auf den Inhalt der Darbietung abstellen darf; dies würde zudem die Gefahr konfligierender Bewertungen heraufbeschwören. Vielmehr ist diese Bundesbehörde aufgrund des objektiven Gehalts des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verpflichtet, Rundfunkdarbietungen Vorrang bei der Übermittlung gegenüber anderen Nachrichten einzuräumen, die keinen vergleichbaren verfassungsrechtlichen Schutz genießen, um ihre Verbreitung sicherzustellen. Dies kann ggfs. dadurch geschehen, daß die Netzbetreiber zu ihrer Übertragung verpflichtet werden, sofern sie nicht freiwillig dazu bereit sind. Die Gewährleistungen der Privatwirtschaftlichkeitsgarantie des Art. 87 f Abs.2 Satz 1 GG und des Eigentumsrechts nach Art. 14 GG werden insoweit zurückgedrängt, da die Verbreitung von Rundfunkdarbietungen wegen ihrer meinungsbildenden Wirkung einen starken sozialen Bezug aufweist. 347
342 Zur Frage, wann Kabelnetzbetreiber in die Rundfunkgarantie des Art. 5 Abs. I Satz 2 GG einzubeziehen sind, H. Gersdorf, AfP 1997, 424 (427). 343 Eingehend zu diesem Verfassungsauftrag unten S. 339 ff. 344 Zur insb. bei Kabelnetzeinspeisungen relevanten Frage nach der Grundrechtsfahigkeit der Kabelnetzbetreiber, zumal der Deutschen Telekom AG, unten S. 226 ff. 345 Näher dazu oben S. 99 sowie unten S. 279 f. 346 Ähnlich auch H. Gersdorf, Digitale Kabelnetze, S. 49 ff.; M. Libertus, ZUM 1997, 702 (704 f.).
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2. Kap.: Geltungsbereich der Universaldienstgewährleistung
Darüber hinaus ist allgemein ein Zusammenwirken der beteiligten Bundesund Landesbehörden erforderlich. Hierfür kommen neben einer spezifischen Koordination bestimmte Formen der Kooperation zwischen Bund und Ländern sowie zwischen den Ländern in Betracht. 348 Sie beruhen auf dem Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens, der für Bund und Länder zwischeneinander und untereinander Geltung beanspruche 49 und sie insb. zur Abstimmung bei verfahrensrechtlichen Fragen und zur Rücksichtnahme beim Gebrauchmachen von Kompetenzen verpflichtet. 350 2. Telekommunikation und Multimediadienste
Neueren Ursprungs, aber rechtlich ähnlich problembehaftet wie die Abgrenzung zwischen Telekommunikation und Rundfunk ist das Verhältnis zwischen Telekommunikation und multimedialen Diensten. Hinter dieser Sammelbezeichnung verbergen sich unterschiedliche elektromagnetisch übermittelte, auf weiterentwickelter oder neuartiger Technik (insb. Digitalisierung) beruhende audiovisuelle Informations- und Kommunikationsformen. 351 Sie sind dadurch gekennzeichnet, daß verschiedene, gleichzeitig oder wechselseitig zusammenwirkende Ausdrucksformen wie Zeichen, Worte, Bilder und Töne von beliebigen Anbietern oder Nutzern zu beliebigen Zeiten zur durch Telekommunikation übermittelten Information oder Kommunikation genutzt werden. 352 Multimediadienste wurden in der Vergangenheit teilweise auch als "Neue Medien(dienste)" bezeichnet. Dieser Terminus kann indes Mißverständnisse 347
Vgl. H. Gersdorf, AfP 1997,424 (428 f.); anders VG Berlin, MMR 1998, 164
(167). 348 So in bezug auf die Entwicklung der "Neuen Medien" BVerfGE 73, 118 (196 f.); dazu M. Schuler-Harms, Rundfunkaufsicht im Bundesstaat, S. 116 f. 349 Vgl. für den Bereich des Rundfunks BVerfGE 73, 118 (197): " ... ergibt sich die Notwendigkeit einer Kooperation ... jedenfalls aus dem Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens ... "; s. zuletzt auch BVerfGE 92, 203 (227 f., 230 ff., 234 ff.); allgemein zur Bundestreue H.-w. Bayer, Die Bundestreue; H. Bauer, Die Bundestreue; zu interföderaler Koordination aufgrund Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG M. Schuler-Harms, Rundfunkaufsicht im Bundesstaat, S. 120 ff. 350 Zu den Abstimmungsnotwendigkeiten bei Kompetenzüberschneidungen zwischen Rundfunk und Telekommunikation P. Lerche, in: MaunzJDürig, Grundgesetz, Art. 87 f Rdnr. 109 m. w. N. Allgemein zur Notwendigkeit einer einstimmigen Entscheidung bei solchen Formen der Koordination und Kooperation zwischen Bund und Ländern BVerfGE 1,299 (314 f.); J. Isensee, AöR 115 (1990), 248 (268); für eine ausnahmsweise Zulassung von Mehrheitsentscheiden im interföderalen Bereich P. Feuchte, AöR 98 (1973),473 (500 f.); M. Schuler-Harms, Rundfunkaufsicht im Bundesstaat, S. 213 ff. 351 S. zum Begriff der Multimediadienste nur M. BullingerlE.-J. Mestmäcker, Multimediadienste, S. 31; D. Gutting, ZögU 1998,79 (81 f.). 352 Vgl. J. Rüttgers, eR 1996,51 (52); S. Engel-Flechsig, ZUM 1997,231 f.; D. Kröger/F. Moos, ZUM 1997, 462 (465).
B. Der Inhalt der Telekommunikation
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auslösen, da die von ihm umfaßten Infonnations- und Kommunikationsdienste z. T. bereits seit geraumer Zeit existieren;353 er erscheint deshalb im vorliegenden Zusammenhang wenig hilfreich. Die vorzugswürdige begriffliche (Er)Fassung solcher Dienste als Multimediadienste wird nicht dadurch infrage gestellt, daß neuerdings das Infonnations- und Kommunikationsdienste-Gesetz (luKDG)354 und der Mediendienste-Staatsvertrag (MDStV)355 ohne Verwendung dieser Bezeichnung von Telediensten und Mediendiensten sprechen;356 deIUl diese elektronischen Infonnations- und Kommunikationsdienste füllen gerade die Querschnittsmaterie "Multimedia" aus. 3S7 Gemeinsames, die Multimedialität begründendes Merkmal ist, daß ihr Infonnationsgehalt sich aus verschiedenen, miteinander verbundenen Elementen (Medien) ergibt (z. B. Bilder und Schriftzeichen), die via Telekommunikation befördert werden. Am Oberbegriff "Multimedia" ist däher festzuhalten. Zugleich weisen seine Wesensmerkmale auf zwei getreIUlt zu behandelnde Problemfelder hin. Da multimediale Dienste eine Datenübertragung durch Telekommunikation implizieren, stellt sich einerseits - ähnlich wie im Verhältnis zwischen Rundfunk und Telekommunikation - die schwerpunktrnäßig kompetenzrechtliche Frage, ob der Bund oder die Länder zur gesetzlichen Regelung dieser Materie befugt sind. 358 Andererseits erhebt sich angesichts des möglichen Adressatenkreises (einzelne, mehrere oder beliebig viele Nutzer) und des potentiell meinungsbildenden Inhalts dieser Dienste das vorrangig ordnungspolitische Problem, in welchen Fällen eine rundfunkähnliche Ausgestaltung anzunehmen ist und in welchem Umfang daIUl die objektiven Mindestgewährlei-
353 VgJ. die Begriffsdeutung von K. Stern, DVBI 1982, 1109 (1110); weitere Definitionsansätze mit Beispielen bei H. Bismark, Neue Medientechnologien und grundgesetzliche Kommunikationsverfassung, S. 28 ff.; H. Gersdorf, AfP 1995, 565 (566); eine sehr weitgefaßte Begrifflichkeit legt M. Bullinger in seiner rechtsgutachterlichen Stellungnahme zu den rechtlichen Möglichkeiten, den negativen Auswirkungen der "Neuen Medien" zu begegnen, zugrunde (abgedruckt im Abschlußbericht der Expertenkommission Neue Medien - EKM Baden-Württemberg, Band II: Materialien: Gutachten und Stellungnahmen, S. 125 [127]): "Neue technische Möglichkeiten der Telekommunikation"; ähnlich auch H. Betllge, in: FuhrlRudolf/Wasserburg (Hrsg.), Recht der Neuen Medien, S. 74; zum teilweise verwendeten Begriff "Electronic Publishing" als stärker technikorientierten Synonym für "Neue Medien" bzw. "Multimedia" K. Schrape, Digitales Fernsehen, S. I f. 354 Gesetz zur Regelung der Rahmenbedingungen für Informations- und Kommunikationsdienste (Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz - IuKDG) vom 22.07.1997, BGB119971, S. 1870. 355 Staatsvertrag über Mediendienste (Mediendienste-Staatsvertrag) vom 01.08.1997, abgedruckt beispielsweise in BerlGVBI 1997, S. 360. 356 VgJ. § 2 Abs. I TDG, § 2 Abs. I MDStV; s. auch unten S. 105 f. 357 Zur Charakterisierung von Multimedia als Querschnittsmaterie unter tatsächlichen und rechtlichen Aspekten S. Engel-Flechsig, ZUM 1997,231 (232 f.). 358 Einzelheiten unten S. 104 ff.
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2. Kap.: Geltungsbereich der Universaldienstgewährleistung
stungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG eingreifen. 359 Der bei der Abgrenzung zwischen Telekommunikation und Rundfunk zu beobachtende bipolare Kompetenzkonflikt weitet sich zu einem durch die Eckpunkte "Telekommunikation - Multimedia - Rundfunk" markierten Spannungsdreieck, das von kompetenzrechtlichen und ordnungspolitischen Verwerfungen durchzogen wird. Art und Ausmaß der Regulierung sind durch die Abschichtung zwischen Rundfunk und Multimedia vorgezeichnet. Bezugspunkt ist insoweit der einzelne Dienst, d. h. das konkrete, in sich abgeschlossene einzelne Dienstleistungsangebot, nicht hingegen das Gesamtspektrum der Angebote eines Dienstleisters. 360 Soweit der Dienst einer Rundfunkdarbietung vergleichbar ist, liegt die Gesetzgebungskompetenz gemäß Art. 70 Abs. 1 GG bei den Ländern; sie müssen dabei die aus der Rundfunkfreiheit gern. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleiteten Vorgaben an die Breite und Vielfalt der Meinungen beachten, was eine verdichtete Regulierung nach sich zieht. 361 Allerdings bereitet die Entscheidung, ob ein multimedialer Dienste den Anforderungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG unterfallt, erhebliche Schwierigkeiten. Zu ihrer Bewältigung wurden unterschiedliche Einteilungsmodelle entwickelt, die sich an den Wesensmerkmalen des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs ausrichten. Prägend ist insoweit insb. der Adressatenkreis (beliebige Öffentlichkeit) und die meinungsbildende Wirkung des Informationsangebots. 362 Letzteres hängt vor allem vom Grad des Öffentlichkeitsbezugs, d. h. von der Reichweite des Mediums und von seiner Suggestivkraft ab, die ihrerseits durch die Art der Informationsdarbietung (Bewegtbilder) und die Gestaltung ihres Inhalts bestimmt wird (planmäßig und zeitgleich ablaufend, ohne das die Empfanger auf den Inhalt Einfluß nehmen können).363 Diese Kriterien spielen auch für den Fall, daß Multimediadienste nicht dem Rundfunk zuzuordnen sind, eine Rolle, signalisieren sie doch die Nähe zu diesem Kompetenzbereich und den dort entwickelten ordnungspolitischen Vorkehrungen. Diese fmden auf rundfunkähnliche Dienste in abgeschwächter Form Anwendung, ihre Regelung ist Sache der Länder. Zur Konkretisierung
359 Näher dazu unten S. 106 f. 360 So in bezug auf die Abgrenzung zwischen Tele- und Mediendiensten S. EngelFlechsig, ZUM 1997, 231 (234); S. Engel-FlechsiglF. MaennellA. Tettenborn, NJW 1997,2981 (2982); C. v. Heyl, ZUM 1998, 115 (118); anders A. Waldenberger, MMR 1998,124 (125). 361 Vgl. § 20 Abs. 2 RStV; dazu G. Gounalakis, NJW 1997,2993 f.; D. KrögeriF. Moos, ZUM 1997,462 (465). Zur Gesetzgebungskompetenz der Länder für den Rundfunk s. oben S. 97, 101. 362 Vgl. D. KrögerlF. Moos, ZUM 1997,462 (465); H. Kuch, ZUM 1997,225 (226 f.).
363 So auch S. Engel-FlechsiglF. MaennellA. Tettenborn, NJW 1997,2981 (2983); M. Knothe, AfP 1997,494 (496); H. Kuch, ZUM 1997,225 (227).
B. Der Inhalt der Telekommunikation
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dieser Abgrenzung und Abstufung wurden multimediale Dienste nach Art und Umfang der Einflußnahmemöglichkeiten des Empflingers auf Zeitpunkt und Inhalt der Informationsübermittlung zunächst in Verteildienste (z. B. Fernsehtext)/64 Zugriffsdienste (z. B. near video on dernand)36s und Abrufdienste (z. B. video on demandl 66 untergliedert. Allerdings sind die Kriterien rur diese vornehmlich unter technischen Gesichtspunkten vorgenommene Einteilung umstritten geblieben. 367 Das Teledienstegesetz und der Mediendienste-Staatsvertrag knüpfen gleichwohl partiell an diese Unterteilung an und bilden sie fort. Bei den vom Bund
364 Vgl. nur H Gersdorf, Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff, S. 27 f, 36 f. Zum Interaktivitätslevel und der Entwicklungsperspektive "klassischer" TV-Programmangebote im Rahmen des digitalen Fernsehens K. Schrape, Digitales Fernsehen, S. 28 ff., 40 f Fernsehtext wird nunmehr gern. § 2 Abs. 2 Nr. 3 MDStV als Mediendienst behandelt; zugleich wurde er gern. § 22 MDStV aus dem Geltungsbereich des RStV herausgenommen. 365 Bei near video on demand werden die zugriffsbereiten Sendungen in turnusmäßigem Abstand wiederholt ausgestrahlt; die Rezipienten erhalten so unterschiedliche zeitliche Möglichkeiten zur Nutzung ein und desselben Programms, vgl. W. HojJmannRiem, AfP 1996,9 (13); zu den technischen Voraussetzungen H. Kresse/M. Heinze, AfP 1995, 574. Rechtlich problematisch bei near video on demand ist der hohe KanaIverbrauch ohne Steigerung der Meinungsvielfalt. Die Rundfunkreferenten der Länder haben unter Punkt I 3 c, III 2 ihrer Vorlage zur Sitzung des Chefs der Staats- und Senatskanzleien am 09.110.11.1994 near video on demand dem verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff zugeordnet; ebenso der Justitiar des ZDF C.-E. Eberle in einer schriftlichen Stellungnahme zur Anhörung der Arbeitsgruppe "Rundfunkbegriff' der Rundfunkrefe~ renten der Länder am 15.06.1994, ZUM 1994, 530 (531). 366 Video on demand gibt dem Zuschauer die Möglichkeit, aus einem auf einem Video-Server elektronisch gespeicherten Programmkatalog ein bestimmtes Angebot zu einer von ihm individuell bestimmten Zeit abzurufen, das dann auf die geeignete Endeinrichtung (Fernseher oder Personal Computer) eingespielt wird, vgl. H. Gersdorf, Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff, S. 39 f; zu den technischen Anforderungen H. Kresse/M. Heinze, AfP 1995, 574. Zu den Entwicklungsperspektiven K. Schrape, Digitales Fernsehen, S. 42. Rechtlich wurde video on demand zunächst teilweise dem verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff zugeordnet (vgl. BVerfGE 74, 297 [350 ff]; 83, 238 [302]; C.-E. Eberle, ZUM 1994, 530 [531 f]; W. HojJmann-Riem, AfP 1996, 9 [14]), teilweise als elektronische Videothek bzw. elektromagnetischer Versandhandel ausgeklammert (M. Bullinger, Kommunikationsfreiheit, S. 43; ders., AfP 1996, 1 [4, 6 ff.]; auch D. Müller-Using/R. Lücke, ArchPT 1995, 32 [42] m. w. N.). Andere schlugen eine Lösung vor, die nicht am Tatbestand des Rundfunkbegriffs, sondern an der von der Suggestivkraft und meinungsbiIdenden Wirkung abhängigen Regelungsdichte ansetzt, in diese Richtung z. B. H Kresse/M. Heinze, AfP 1995,574 (577 f); zur Zuordnung von Abrufdiensten nach dem TDG und dem MDStV unten S. 106 mit Fußn. 372. 367 Für die Unterscheidung zwischen Verteil-, Zugriffs- und Abrufdiensten H. Gersdorf, Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff, S. 27 ff.; W. HojJmann-Riem, AfP 1996, 9 (13 f.); eine abweichende Einteilung findet sich bei M. Bullinger, NJW 1984, 385 ff., der zwischen Abruf-, Bestell- und Zugriffsdiensten differenziert. Zur vorrangig technischen Unterteilung elektronischer Kommunikationsdienste F. Koch, BB 1996, 2049 ff.
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2. Kap.: Geltungsbereich der Universaldienstgewährleistung
geregelten Telediensten steht die individuelle Nutzung im Vordergrund (§ 2 Abs. 1 TDG), während die in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fallenden Mediendienste dadurch geprägt sind, daß sie sich an die Allgemeinheit richten (§ 2 Abs. 1 MDStV).368 Diese Abgrenzung erlaubt bei Angeboten im Bereich der Individualkommunikation, wie z. B. dem Telebanking (Teledienst, § 2 Abs. 2 Nr. 1 TDG),369 und bei Verteildiensten, wie z. B. dem Fernsehtext (Mediendienst, § 2 Abs. 2 Nr. 3 MDStV),370 eine eindeutige Zuordnung, wirft aber insb. bei Abrufdiensten einige Probleme auf, die auch anhand der Kollisionsregeln des TDG und des MDStV 371 und der dort verankerten Eingrenzungskriterien 372 nicht immer befriedigend im Hinblick auf Trennschärfe und Rechtssicherheit gelöst werden können. Sie legen letztlich die Achillesferse dieser Unterteilung offen: Die Fokussierung auf eine tatbestandliehe Abgrenzung, die aufgrund der rasch voranschreitenden technischen Entwicklung und der damit eröffneten Ausgestaltungsmöglichkeiten immer neue Löcher in den Grenzzaun reißt und so zu einer gewissen Rechtsunsicherheit fUhrt. Vorzugswürdig erscheint in ordnungspolitischer Hinsicht ein Lösungsmodell, das sich stärker an der Schutzfunktion des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ausrichtet und darauf abstellt, in welchen Fällen ein Dienst wegen seiner meinungsbildenden Wirkung in die Rüstung der Rundfunk"freiheit" gesteckt werden soll,373 während in kompetenzrechtlicher Hinsicht vor allem im Grenzbe368 Zu diesen Abgrenzungskriterien S. Engel-Flechsig/F. Maennel/A. Tettenborn, NJW 1997, 2981 (2983); R. Hochstein, NJW 1997, 2977 (2979); C. v. Heyl, ZUM 1998, 115 (117 f.); A. Roßnagel, NVwZ 1998, 1 (3). 369 Weitere Beispiele sind Angebote zur Nutzung des Intemets und zur Nutzung von Telespielen, vgJ. § 2 Abs. 2 NT. 3 und 4 TDG; dazu C. v. Heyl, ZUM 1998, 115 (119 f.); D. KrögeriF. Moos, ZUM 1997,462 (467 f.). 370 Dazu schon oben S. 105 mit Fußn. 364; zu den Wesensmerkmalen von Verteildiensten, die der Massenkommunikation zugeordnet werden, s. nur H. Kuch, ZUM 1997, 225 (228); zu ihrer Abgrenzung gegenüber dem Rundfunk R. Hochstein, NJW 1997,2977 (2979). 371 VgJ. in bezug auf die Abgrenzung zwischen Telediensten und Mediendiensten nur § 2 Abs. 4 Nr. 3 TDG, § 2 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 NT. 4 MDStV; zur Abgrenzung zwischen Mediendiensten und Rundfunkdiensten s. § 2 Abs. 1 Satz 2 MDStV, § 2 Abs. 1 Satz 3 RStV; zur Zuordnung von Mediendiensten zum Geltungsbereich des RStV und zu den hieraus erwachsenden Konsequenzen nach § 20 Abs. 2 RStV s. oben S. 104 mit Fußn. 361; zur Abgrenzung zwischen dem Geltungsbereich von TDG und MDStV einerseits und dem TKG andererseits unten S. 107 ff. 372 § 2 Abs. 4 NT. 3 TDG, § 2 Abs. 2 Nr. 4 MDStV stellen bei der Zuordnung von Abrufdiensten darauf ab, ob die redaktionelle Gestaltung zur Meinungsbildung für die Allgemeinheit oder der individuelle Leistungsaustausch bzw. die reine Übermittlung von Daten im Vordergrund stehen; dazu H. Kuch, ZUM 1997,225 (229); C. v. Heyl, ZUM 1998, 115 (119). 373 In diese Richtung R. Hochstein, NJW 1997, 2977 (2978 ff.); zum Regelungsbedarf bei Telediensten R. Funke, in: Festschrift für M. EngelschalI, S. 143 (147 ff.); zur Möglichkeit einer Selbstregulierung bei Onlinediensten C.-E. Eberle, in: Festschrift für M. EngelschalI, S. 153 ff.
B. Der Inhalt der Telekommunikation
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reich, in dem weder eine Zuständigkeit des Bundes aufgrund Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG oder sog. Querschnittskompetenzen374 noch eine Zuständigkeit der Länder nach Art. 70 Abs. 1 GG im Rahmen ihrer Rundfunkhoheit eindeutig auszumachen ist, eine befriedigende Lösung wohl nur durch Abstimmung und Kooperation auf der Grundlage der Bundestreue erzielt werden kann. Allerdings sind einem solchen Vorgehen durch den grds. nicht-dispositiven Charakter der Kompetenzen Grenzen gezogen; die Länder dürfen nicht auf ihre Zuständigkeiten verzichten,37S so daß sich die Konsensbildung im wesentlichen auf eine Vereinheitlichung der Ordnungsmodelle beschränkt. Bund und Länder sind diesem Postulat bei Erlaß des IuKDG und bei Abschluß des MDStV in weitem Umfang nachgekommen;376 das Kompetenzproblem wurde so zunächst einmal bewältigt, allerdings unter Preisgabe einer nach obigen Vorgaben stärker differenzierenden Regulierung. Außerdem muß die Zukunft zeigen, ob die normative Abgrenzung auch in praxi handhabbar ist. Die angesprochenen Friktionen sind hauptsächlich im Verhältnis von Multimedia und Rundfunk angesiedelt; die begriffliche und kompetenzrechtliche Eingrenzung der Telekommunikation wird dadurch nicht berührt. Sie umfaßt ausschließlich die körperlose Übermittlung von Multimediadiensten auf den Übertragungswegen der Telekommunikation, nicht aber ihre Herstellung und ihr Angebot an Dritte. 377 In die durch Art. 73 Nr. 7, 87 f GG begründete Zuständigkeit des Bundes fällt daher nur die Regelung telekommunikationsrechtlicher Fragen, z. B. der Standardisierung und Interoperabilität der Netzabschlußpunkte, der Codierung und Decodierung sowie die allgemeine technische Aufteilung der Frequenzbereiche, nicht hingegen die von einer inhaltlichen Beurteilung abhängige Zulassung multimedialer Dienste zur Übermittlung über drahtlose oder drahtgebundene Netze (z. B. Kabelnetze).378 Dies gilt auch dann, wenn sie ähnlich wie die Individualkommunikation ausgestaltet sind. Die in diesem Zusammenhang vereinzelt aufgetretenen Unklarheiten rühren vor allem daher, daß sich die Betrachtung in der Vergangenheit zu sehr auf die 374 Näher dazu unten S. 108. 375 Vgl. H. Gersdorf, in: Festschrift flir M. EngelschalI, S. 163 (181); G. Gounalakis, NJW 1997, 2993 (2994 f.); dagegen steht es dem Bund im Rahmen seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz offen, ob er von ihr Gebrauch macht, vgl. Art. 72 Abs. I GG. 376 Zur Vorgeschichte H. Kuch, ZUM 1997, 225; zu Unterschieden bei der Ausgestaltung der Regulierung D. KrögeriF. Moos, ZUM 1997,462 (468 ff.). 377 M. Bothe, AK-GG, Bd. 2, Art. 73 Rdnr. 20; P. Lerche, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 87 fRdnr. 52 m. w. N. 378 Vgl. BayVerfGH, VerfGHE n. F. 43, 95 (98 f.); ebenso noch M. Bullinger, AfP 1982, 69 (73). Besondere Probleme wirft die Zuständigkeit zur Auswahlentscheidung bei beschränkten Übertragungskapazitäten auf. Die Lösung orientiert sich bei getrennter Zuständigkeit, d. h. bei Vorliegen eines Mediendienstes, an dem zum Rundfunk entwikkelten Modell, vgl. oben S. 100 f.
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2. Kap.: Geltungsbereich der Universaldienstgewährleistung
Antipoden "Femmeldekompetenz des Bundes" - "Rundfunkkompetenz der Länder" verengt hat. Als logische Folge dieses (Irr)Weges erscheint die Annahme, wonach Individualkommunikation als Gegenstück zur Massenkommunikation dem Kompetenztitel des Art. 73 Nr. 7 GG unterfällt; ihr ist entgegenzuhalten, daß sie die notwendige Trennung zwischen Nachrichtenüberrnittlung und Inhalt der übermittelten Nachricht außer acht läßt. 379 Art. 73 Nr. 7 GG umfaßt ebenso wie Art. 87 f GG nur die technische Seite der Übermittlung von Daten mit multimedialem Gehalt, unabhängig davon, ob sie nach ihrem Inhalt als Teledienst, Mediendienst oder Rundfunkdienst einzuordnen sind. 380 Das Teledienstegesetz und der Mediendienste-Staatsvertrag halten sich an diese Kompetenzgrenzen, indem sie auf der Grundlage eines einheitlichen, in obigem Sinne verstandenen Telekommunikationsbegriffs381 die vom Telekommunikationsgesetz geregelten Gegenstände, insb. Telekommunikationsdienstleistungen und das geschäftsmäße Erbringen von Telekommunikationsdiensten, ausdrücklich von ihrem jeweiligen Geltungsbereich ausnehmen. 382 Eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes kann sich insoweit aber unter speziellen sachlichen Aspekten, z. B. für das Strafrecht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG) oder zum Schutze der Jugend (Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG) und der Urheberrechte (Art. 73 Nr. 9 GG) ergeben. 383 Fehlt eine solche Querschnittskompetenz, unterfällt die gesetzliche Regelung von Multimediadiensten grds. der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Recht der Wirtschaft gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 i. V. m. Art. 72 GG. Denn Gegenstand dieser Dienste ist eine wirtschaftliche Betätigung, nämlich die Herstellung des Wirtschaftsguts "multimediale Information"/84 das Dritten (gegen Entgelt) angeboten wird. 385 Hiervon ausgenommen sind solche Multimediadienste, die ähnlich wie der Rundfunk als zeitlich planmäßig ablaufendes Gesamtprogramm ausgestaltet sind und eine vergleichbare besondere meinungsbildende Wirkung entfalten. Ihre Regelung wird von der Rundfunkkompetenz der Länder erfaßt. 386 379 Weitere Einzelheiten oben S. 98. 380 Ebenso H. Kuch, ZUM 1997, 225 (228); R. Scholz, in: Festschrift für M. Kriele, S. 523 (537); anders wohl D. Mü/ler-Using/R. Lücke, ArchPT 1997, 101 (105). 381 D. Kröger/F. Moos, ZUM 1997,462 (466). 382 § 2 Abs. 4 Nr. 1 TDG, § 2 Abs. 1 Satz 3 MDStV; s. auch S. Engel-Flechsig/F. Maennel/A. Tettenborn, NJW 1997,2981 (2983); A. Roßnagel, NVwZ 1998, 1 (3). 383 So der Ratfor Forschung, Technologie und Innovation, Informationsgesellschaft, S. 24 ff.; vgl. auch die Stellungnahme von Bundesminister a. D. J Rüttgers vom 02.05.1996 zu den rechtlichen Rahmenbedingungen für neue Informations- und Kommunikationsdienste ("Multimediagesetz"), S. 2; M. BullingerlE.-J Mestmäcker, Multimediadienste, S. 143 f.; G. Bröhl, eR 1997, 73 (74). 384 S. auch die Stellungnahme von J. Rüttgers, a. a. 0., S. 2 f. Zur Qualifizierung von Informationen als Wirtschaftsgut F. Schoch, VVDStRL 57 {I 998), 158 (168). 385 Vgl. nur S. Engel-Flechsig, ZUM 1997,231 (233). 386 Vgl. H. Kuch, ZUM 1997,225 (228); D. Mü/ler-Using/R. Lücke, ArchPT 1997,
B. Der Inhalt der Telekommunikation
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Demgegenüber ist es mit der Kompetenzordnung des Grundgesetzes nicht zu vereinbaren, sämtliche Multimediadienste unter Zuhilfenahme der Erforderlichkeitsklausel des Art. 72 Abs. 2 GG der Kompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG zu entziehen und der Zuständigkeit der Länder nach Art. 70, 72 Abs. 1 GG zuzuschlagen, sofern sie nicht lediglich eine geringfUgige publizistische Wirkung entfalten. 387 Das für diese Auffassung angeführte Argument, die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG lägen nicht vor, weil eine bundeseinheitliche Regelung durch Se1bstkoordinierung der Länder verwirklicht werden könne, beruht auf einer sachlich nicht gerechtfertigten Verengung der Merkmale der Erforderlichkeitsklausel. 388 Folgt man diesem Ansatz, würde die dem Bund durch Art. 72 Abs. 1 GG eingeräumte Entscheidungsbefugnis weitgehend leerlaufen, weil sich mit dieser Begründung regelmäßig die Erforderlichkeit einer Regelung durch den Bund verneinen läßt. Dies fUhrt im Ergebnis zu einer Aushöhlung der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes, die weder vom Verfassungsgesetzgeber beabsichtigt war noch im Normtext eine Stütze fmdet. Insgesamt wird gleichwohl nicht verkannt, daß bei einer auf den Inhalt abstellenden Zuordnung multimedialer Dienste zum Zuständigkeitsbereich des Bundes oder der Länder Abgrenzungsprobleme auftreten können, da die Übergänge beim Kriterium der meinungsbildenden Wirkung fließend sind; sie lassen sich aber wohl nur durch die bereits erwähnte Koordination und Kooperation auf der Grundlage des Prinzips der Bundestreue lösen. 389 Dem Bund wächst insbesondere nicht aufgrund der Überregionalität der Angelegenheit eine ungeschriebene Regelungskompetenz zu, weil die Länder die anfallenden Aufgaben mittels Koordination und Kooperation bewältigen können. 39o Dies beschneidet zwar nicht die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes, da die Voraussetzungen der Erforderlichkeitsklausel nicht automatisch entfallen,39\ steht aber einer Kompetenzerweiterung durch Annahme einer ungeschriebenen Bundeszuständigkeit kraft Sachzusammenhangs entgegen. 392 101 (103 ff.) sowie oben S. 104, 106. 387 So H. Gersdorf, in: Festschrift für M. EngelschaII, S. 163 (178 ff.). 388 Ablehnend auch D. Müller-Using/R. Lücke, ArchPT 1997, 101 (lOS). 389 Dazu H. -J. Papier, DÖV 1990, 217 (2 19 ff.) sowie oben S. 102. 390 Vgl. in bezug auf den Rundfunk BVerfGE 12,205 (237); s. auch J. Scherer, Frequenzverwaltung zwischen Bund und Ländern, S. 10 ff.; T. Maunz, in: ders./Dürig, Grundgesetz, Art. 73 Rdnr. 126; W. HoJJmann-Riem, HdbVerfR, § 7 Rdnr. 68. 39\ Näher dazu oben S. 109. 392 Gegen eine Bundeskompetenz kraft Sachzusammenhangs auch H. Gersdorf, Digitale Kabelnetze, S. 53; a. A. M. Bullinger, JZ 1996,385 (391), wonach sich die Tele-
kommunikation zwar gegenüber dem Rundfunk auf die rein technische Seite beschränkt, Multimediadienste jedoch, soweit sie der Individualkommunikation zugehören oder ihr nahestehen, von einer Bundeskompetenz kraft Sachzusammenhangs erfaßt werden. Eine solche Kompetenz wurde indes vom BVerfG in bezug auf Art. 73 Nr. 7
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2. Kap.: Geltungsbereich der Universaldienstgewährleistung
3. Telekommunikation und Postwesen
Die Abgrenzung zwischen Telekommunikation und Postwesen ist weniger aus Sicht der Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen von Interesse, da sie durch Art. 73 Nr. 7,87 f Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3, Art. 143 b Abs. 1 GG sämtlich ausschließlich dem Bund zugewiesen worden sind; im Vordergrund steht vielmehr die Ausgestaltung des ordnungspolitischen Rahmens nach Privatisierung dieser Sachbereiche. Insoweit bestehen trotz gemeinsamer verfassungsrechtlicher Vorgaben, zumal aus Art. 87 f Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GG, einige Divergenzen. Sie gehen vor allem auf die unterschiedlichen technischen Bedingungen393 und rechtlichen Anforderungen der Gemeinschaft394 wie des nationalen Gesetzgebers 395 zurück. Konsequenz hiervon ist, daß die Liberalisierung des Postsektors deutlich langsamer voranschreitet als die der Telekommunikation. Dies belegt insb. die der Deutschen Post AG durch § 51 PostG eingeräumte Exklusivlizenz, die allerdings in Einklang mit europarechtlichen Vorgaben nur ftir reservierbare Dienste gilt und bis zum 31.12.2002 befristet ist. 396 Dagegen wurde die Universaldienstgewährleistung im Bereich des Postwesens inzwischen dem ftir die Telekommunikation etablierten Mechanismus angeglichen. 397 Trotz dieser Nivellierungstendenzen ist angesichts fortbesteGG im 1. Rundfunkurteil abgelehnt. Diese Kompetenzbestimmung begründet entgegen der Ansicht von Bullinger auch keine traditionell weite Bundeskompetenz kraft Sachzusammenhangs in diesem Bereich. 393 Die Telekommunikation unterliegt einem stärkeren Veränderungsdruck als das Postwesen, weil die ihr zugrunde liegende Technik seit ca. zwanzig Jahren radikalen Umwälzungen unterworfen ist. Allerdings erfassen diese Neuerungen nun in zunehmendem Maße auch das Postwesen. Beispiel hierflir ist der verstärkte Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen bei der Brief- und Paketverteilung. 394 Vgl. die Entschließung des Rates 94/C 48/02 über die Entwicklung der Postdienste in der Gemeinschaft vom 07.02.1994 und die Richtlinie 97/67/EG vom 15.12.1997. 395 Vgl. das Postgesetz vom 22.12.1997, BGBI 1997 I, S. 3294. 396 Die der Deutschen Post AG unmittelbar durch § 51 PostG eingeräumte Exklusivlizenz erstreckt sich auf die gewerbsmäßige Beförderung der in dieser Vorschrift spezifizierten Briefsendungen und adressierten Kataloge. Die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben sind in Art. 7 f. Richtlinie 97/67/EG enthalten; dort wird zugleich der Zusammenhang zwischen diesem befristeten Monopol und dem Erfordernis einer Aufrechterhaltung des Universaldienstes hervorgehoben, vgl. unten S. 169 mit Fußn. 268; auf verfassungsrechtlicher Ebene hat dieses ausschließliche Recht in Art. 143 b Abs. 2 Satz 1 GG eine Fundierung erfahren, vgl. P. Badura, ArchPT 1997, 277 (278 ff., 283) sowie unten S. 21 \. Zur grundsätzlichen Gleichstellung der Deutschen Post AG und anderer privater Anbieter L. Gramlieh, NJW 1996, 617 f. 397 Das gilt sowohl in terminologischer Hinsicht (§ 11 PostG-E [BT-Drs. \317774, S. 7: "Grundversorgung" - § 11 PostG: "Universaldienst") als auch flir die inhaltliche Ausgestaltung der Gewährleistungspflicht im PostG (§§ 12 ff.), das ebenso wie das TKG bei Unterschreitung der als Universaldienst gebotenen Versorgung eine Inpflichtnahme marktbeherrschender Lizenznehmer (bis 31.12.2002 ausschließlich die Deutsche Post AG, § 52 PostG) zur Erbringung von Universaldienstleistungen vorsieht, die im
B. Der Inhalt der Telekommunikation
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hender Divergenzen zwischen beiden Bereichen eine trennscharfe Grenzziehung auch nach Umgestaltung der sie umfassenden Verfassungsnormen weiterhin unerläßlich. Das maßgebliche Abgrenzungskriterium ergibt sich aus der Art der Nachrichtenübermittlung. Postwesen und Telekommunikation ist gemeinsam, daß sie die Übermittlung von Nachrichten zum Gegenstand haben. 398 Die Art und Weise, in der dies geschieht, gestaltet sich jedoch unterschiedlich. Bei der Telekommunikation werden Nachrichten körperlos übermittelt/ 99 während beim Postwesen die BefOrderung durch den räumlichen Transport des körperlichen Trägers der Nachricht (Schriftstücke, Güter, Personen) erfolgt. 40o Kennzeichnend für das Postwesen ist seine Überbringungsfunktion,401 während die Telekommunikation durch ihre Wiedererzeugungsfunktion geprägt ist. 402 In Zweifelsfällen entscheidet, ob eine Wiedergabe der Nachricht notwendig ist oder ob eine Weitergabe genügt.
Gegenzug für die dadurch entstehenden Defizite einen finanziellen Ausgleich erhalten, der sich aus einer Universaldienstabgabe speist, die von allen universaldienstpflichtigen Anbietem (Lizenznehmer mit einem gewissen Mindestumsatz, § 12 PostG) erhoben wird; bislang vorliegende Stellungnahmen des Schrifttums gehen allerdings von einer verfassungsrechtlichen Unzulässigkeit dieser Infrastrukturabgabe aus, vgl. P. Badura, ArchPT 1997, 277 (286 f.); M. Elicker, ArchPT 1997, 288 ff.; zur Rechtslage bei der Universaldienstabgabe nach dem TKG unten S. 478 ff. 398 S. nur P. Lerche, in: MaunzJDürig, Grundgesetz, Art. 87 Rdnr. IOD. 399 Vgl. oben S. 86 f. 400 B. Mayer, Die Bundespost, S. 30 f. 401 Ähnlich F. Ossenbühl, Deutsche Bundespost, S. 44 ff., der von Transport- und Übermittlungsfunktion spricht. Das hier vorgeschlagene Kriterium der Überbringungsfunktion soll die Körperlichkeit der Beförderung unterstreichen. 402 Dazu schon oben S. 83, 89.
Zweiter Teil
Die verfassungs rechtliche Gewährleistung eines Universaldienstes
Drittes Kapitel
Tatsächliche und rechtliche Determinanten einer Universaldienstgewährleistung A. Der Begriff des Universaldienstes I. Die Entstehungsgeschichte Der zentrale Begriff "Universaldienst" wird weder in der Verfassung noch in den sie konkretisierenden einfachen Gesetzen defmiert. Art. 87 f Abs. 1 GG sowie §§ 1,2 Abs. 2 Nr. 1,8 Abs. 1 PTRegG und die an ihre Stelle getretenen l §§ 1, 2 Abs. 2 Nr. 3, 17 Abs. 1 TKG bestimmen nicht den Terminus "Universaldienst", sondern legen nur seine Gewährleistung als eines der Regulierungsziele fest und grenzen Inhalt und Umfang der ihn ausfüllenden Universaldienstleistungen ein. 2 Das hat eine vielgestaltige Begrifflichkeit zur Folge, die z. T. mit unterschiedlichen Bedeutungsgehalten belegt wird. So werden vor allem in älteren Bestimmungen und Stellungnahmen statt des Ausdrucks "Universaldienst" die Worte "Infrastruktur(versorgung)"/ Zum übergangsweisen Zusammenwirken von TKG und PTRegG unten S. 406 ff. Der Grund für die fehlende Legaldefinition ist Gegenstand von Spekulationen. Teils wird sie aufgrund der inhaltlichen FestIegungen des Art. 87 f Abs. I GG, aber auch der §§ 17 ff. TKG, als entbehrlich, teils wegen der Gefahr einer "Versteinerung" sogar als schädlich erachtet, vgl. hierzu F. Peters, schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung vor dem Ausschuß für Post und Telekommunikation am 31.03.1996, Synopse 11, S. 204; s. auch unten S. 447 mit Fußn. 266. 3 Vgl. im Rahmen des verfassungsändemden Gesetzgebungsverfahrens die Begründung des 41. GG-ÄndG-E, BT-Drs. 12/7269, S. 4 f. und die Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 12/7269, S. 7; aus dem Schrifttum vorher schon R. Schalz/J. Aulehner, ArchPT 1993, 221 (224 f.); zum Begriff "Infrastruktur" s. nur K.-W. Schatz, ZögU I
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A. Der Begriff des Universaldienstes
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"Basisdienst,,4 oder Grundversorgung"S und, bezogen auf die Gewährleistung eines Universaldienstes, die Begriffe "Daseinsvorsorge", 6 "Infrastruktur( sicherungs)auftrag,,7 oder "Grundversorgungsauftrag"g gebraucht. Die im TKG als Umschreibung für den Gegenstand des Universaldienstes verwendete Formulierung "Universaldienstleistungen,,9 geht auf die unter der Ägide des PTRegG üblichen Begriffe "Infrastrukturdienstleistung" und "Pflichtdienstleistung" zurück. 10 Ursächlich für die uneinheitliche Terminologie ist neben der fehlenden Legaldefinition vor allem der Umstand, daß die Bezeichnung "Universaldienst" ausländischen Ursprungs ist und erst in neuerer Zeit Eingang in den deutschen Sprachgebrauch gefunden hat. Der Begriff ist im anglo-amerikanischen Sprachraum entstanden 11 und knüpft an den Ausdruck "universal service" an. 1996, Beiheft 19, S. 122 ff.; P. Lerche, in: MaunzlDürig, Grundgesetz, Art. 87 fRdnr. 72 m. w. N. unter Fußn. 6. 4 So mit abweichender Zielsetzung insb. frühere Ausführungen auf EU-Ebene, z. B. das Grünbuch Telekommunikationsdienstleistungen, BT-Drs. 11/930, S. 31 f., 38 f. Teilweise wird auch der Ausdruck "Grunddienst" benutzt, vgl. ebda; zum Verhältnis zwischen Grunddienst und Universaldienst unten S. 169 mit Fußn. 267. 5 Vgl. die Begründung des 41. GG-ÄndG-E, BT-Drs. 12/7269, S. 5 und die Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zum 41. GG-ÄndG-E, BT-Drs. 12/8108, S. 5; s. aus dem Schrifttum nur J. Scherer, CR 1994, 418 (421); weitere Einzelheiten zu Begriff und Inhalt einer solchen Grundversorgung unten S. 274 ff. 6 R. Scholz/J. Aulehner, ArchPT 1993, 103 (131 f.); dies., ArchPT 1993,221 (224 f.): "Daseinsvorsorge- und Infrastrukturauftrag"; ähnlich auch T. Blanke/D. Sterzei, KJ 1993, 278 (287): "Gemeinwohlauftrag". Zum Verhältnis zwischen den Rechtsinstituten .. Daseinsvorsorge" und "Universaldienstgewährleistung" unten S. 259 f. 7 Infrastrukturauftrag ist der wohl am meisten verbreitete Alternativbegriff, vgl. nur die Stellungnahme des Bundesrates zum 41. GG-ÄndG-E, BT-Drs. 12/7269, S. 7 f.; J. Scherer, CR 1994, 418 (421); L. Gramlich, NJW 1994, 2785 (2787); T. BlankeID. Sterzel, KJ 1993,278 (287) verstehen den Infrastrukturauftrag als spezielle Ausformung des Gemeinwohlauftrages; häufig wird gleichbedeutend auch die Bezeichnung "Infrastruktursicherungsauftrag" verwendet, vgl. die Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zum 41. GG-ÄndG-E, BT-Drs. 12/8108, S. 6; M. Rottmann, ArchPT 1994, 193 (194); D. Müller-Using, ArchPT 1995, 46; ähnlich auch B. Schmidt-Bleibtreu, in: Schmidt-BleibtreuiKlein, Grundgesetz, Art. 87 f Rdnr. 3: "Infrastrukturgewährleistungsauftrag". Daneben ist von "Infrastruktur(sicherungs)verpflichtung" die Rede, so z. B. der Vorsitzende der Deutschen Postgewerkschaft van Haaren bei der öffentlichen Anhörung vor dem Ausschuß für Post und Telekommunikation am 07.03.1994, BT-PT-Ausschuß-Prot. 54/94, S. 37. 8 Vgl. P. Badura, Diskussionsbeitrag, BT-Rechtsausschuß-Prot. 117/94, S. 7 (Hervorhebung im Original). 9 §§ 17 ff. TKG. 10 § 8 Abs. I Satz I PTRegG. 11 Vgl. für die USA: § 254 Telecommunications Act of 1996; dazu unten S. 522 ff. Zur Situation in Großbritannien unter Bezugnahme auf condition I of the BT's licence obligations C. D. Long, in: ders. (Hrsg.), Te1ecommunications Law and Practice, Tz. 508. Beide Regelwerke verwenden den Ausdruck "universal service". 8 Windlhorsl
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3. Kap.: Detenninanten der Universaldienstgewährleistung
Seine Übersetzung als "allgemeiner Dienst" oder als "umfassender Dienst" ruhrt indes kaum weiter, weil "universal service" in den USA und in Großbritannien nur als Worthülse rur eine unterschiedlich ausgeprägte rechtliche Vorstellung von einer im öffentlichen Interesse gebotenen Versorgung der Bevölkerung bzw. bestimmter Bevölkerungsteile fungiert. 12 Gemeinsamkeiten bestehen aber insoweit, als das dem "universal service" eigene gemeinwohlbezogene, dynamische Verständnis auch dem Rechtsbegriff "Universaldienst" immanent ist. Antriebsfeder rur seine Implementierung in die deutsche Rechtsordnung waren Vorgaben der Europäischen Union, die den Bereich der Telekommunikation zunehmend durchdringen und dabei häufig auf die Erfahrungen bei der Liberalisierung des amerikanischen Telekommunikationssektors zurückgreifen. Nachdem die Gemeinschaftsorgane anfänglich noch von "Grund- oder Basisdiensten" und "Infrastruktur" gesprochen hatten,13 setzte sich im Anschluß an die Entschließung des Rates vom 22. Juli 1993 14 die Bezeichnung "universeller Dienst" oder "Universaldienst" durch. 15 Inhaltlich ähnlich, aber zeitversetzt, verlief die Entwicklung in Deutschland. Die Neuregelungen im Rahmen der Postreform 11 und die ihnen zugrunde liegenden Entwurfsfassungen nebst deren Begründungen benutzten noch die oben herausgestellten "traditionellen" Begriffe. Nachfolgend setzten sich aber aufgrund der zwischenzeitlich verfestigten einheitlichen Sprachregelung in der EU die Begriffe "Universaldienst", "Universaldienstleistung" und "Universaldienstgewährleistung" immer stärker durch. Sie werden nunmehr im Telekommunikationsgesetz durchgehend verwendet. 16 Angesichts dieser Entwicklung und der angestrebten Harmonisierung der nationalen und supranationalen Begrifflichkeit sollten auch auf verfassungsrechtlicher Ebene die Bezeichnungen "Universaldienst" und "Universaldienstgewährleistung" gebraucht werden. 12 Das wird, bezogen auf die USA, insb. anhand der Festlegungen des § 254 (b) und (c) des Telecommunications Act of 1996 deutlich, dazu unten S. 523,528 ff., 548 ff. 13 Vgl. oben S. 112 f. mit Fußn. 3 f. 14 Entschließung des Rates 93/C 213/01 zur Prüfung der Lage im Bereich Telekommunikation und zu den notwendigen künftigen Entwicklungen in diesem Bereich. 15 S. insb. das Grünbuch Telekommunikationsinfrastruktur, Teil 2, BR-Drs. 101/95, S. 8 f., 72 ff., sowie die Entschließung des Rates 94/C 48/01 über die Grundsätze für den Universaldienst im Bereich der Telekommunikation vom 07.02.1994 und die Entschließung des Rates 94/C 379/03 über die Grundsätze und den Zeitplan für die Liberalisierung der Telekommunikationsinfrastrukturen vom 22.12.1994; vgl. zuletzt die Definition des Universaldienstes in Art. 2 Abs. I lit. g Richtlinie 97133/EG, in Art. 2 Abs. 2 lit. f Richtlinie 98/10/EG und im durch Art. I Nr. 2 Richtlinie 97/51 lEG neugefaßten Art. 2 Nr. 4 Richtlinie 90/387/EWG. 16 Vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 3, §§ 17 ff. TKG, in denen die den Universaldienst ausfüllenden Universaldienstleistungen eine Regelung erfahren haben. Daneben taucht noch der Begriff "Grundversorgung" vereinzelt auf, vgl. z. B. §§ 2 Abs. 2 NT. 3, 17 Abs. I Satz 2 und 3 TKG; s. dazu unten S. 412 ff., 450 f.
A. Der Begriff des Universaldienstes
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11. Die Vorgaben für eine Begriffsfestlegung Die Bedeutung des Begriffs "Universaldienst" erschließt sich vor allem aufgrund seiner Entstehungsgeschichte l7 und seiner Funktion, eine bestimmte, im öffentlichen Interesse gebotene Versorgung der Bevölkerung im Bereich der Telekommunikation bereitzustellen. Zu ihrer verfassungsrechtlichen Absicherung wird dem Staat durch Art. 87 f Abs. 1 GG eine darauf bezogene Universaldienstgewährleistungspflicht auferlegt. Inhalt und Umfang der jeweils notwendigen Versorgung werden durch den Ausdruck "Universaldienst" nicht abschließend festgelegt, sondern der staatlichen Gewalt zur Ausgestaltung überantwortet, die hierbei durch die Verfassungsmerkmale des Art. 87 f Abs. 1 GG geleitet wird. Die weite, offene Fassung der Begrifflichkeit trägt diesem Mechanismus Rechnung, impliziert insb. kein bestimmtes, feststehendes Versorgungsniveau, entfaltet aber durch Anbindung an verfassungsrechtliche Mindestanforderungen ausreichend konturierende Wirkung. 111. Die Elemente der Begrifflichkeit Spaltet man den zusammengesetzten Begriff "Universaldienst" auf, so umwölbt das Wort "Dienst" die von ihm umfaßten Telekommunikationsdienstleistungen. Sie sind dadurch qualifiziert, daß Gegenstand der Leistung das Angebot und die Erbringung von Telekommunikation ist. Darunter fällt der technische Vorgang der körperlosen Nachrichtenübermittlung einschließlich der Bereitstellung der dafür erforderlichen Infrastruktur in Form von Übertragungswegen, Vermittlungs- und Endeinrichtungen. 18 Dieses weite Verständnis des Dienstleistungsbegriffs liegt auch den (sonstigen) Regelungen des Gemeinschaftsrechts, 19 des VerfassungsrechtlO und des Telekommunikationsgesetzes21 zugrunde. Schwierigkeiten bereitet das Verhältnis zwischen Telekommunikationsdienstleistungen und durch Telekommunikation übermittelten Dienstleistungen22 sowie die Abgrenzung der Begriffe "Te1ekommunikationsdienst" und "Telekommunikationsdienstleistung". Während das Grundgesetz in Art. 87 f
Dazu oben S. 112 ff. Ausgegrenzt bleibt aber die Herstellung der Telekornrnunikationsinfrastruktur, vgl. noch unten S. 194, 263. 19 Vgl. unten S. 153 mit Fußn. 186, S. 174. 20 Vgl. unten S. 194,263. 21 Vgl. die Legaldefinition von TelekornrnunikationsdienstIeistungen in § 3 Nr. 18 TKG (dazu oben S. 79 mit Fußn. 210), die neben dem gewerblichen Angebot von Telekommunikation auch die Bereitstellung von Übertragungswegen für Dritte einschließt; s. auch § 17 Abs. I Satz 2, Abs. 2 TKG i. V. m. § 1 Nr. 3 TUDL V. 22 Dazu unten S. 263 ff. 17 IS
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3. Kap.: Detenninanten der Universaldienstgewährleistung
Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 ausschließlich von Dienstleistungen spricht, unterscheidet das TKG zwischen Diensten und Dienstleistungen. 23 Keine klare Differenzierung trifft das Gemeinschaftsrecht. Es gebraucht die Worte "Telekommunikationsdienst" und "Telekommunikationsdienstleistung" nebeneinander, ohne daß deutlich wird, ob und ggfs. welche unterschiedlichen Bedeutungsgehalte damit verbunden werden. Das mag daran liegen, daß im Englischen und Französischen, den Hauptsprachen der EU, der Ausdruck "service" Dienste und Dienstleistungen umfaßt, ohne daß insoweit eine zusätzliche Differenzierung vorgenommen wird. Der Begriffsteil "universal" steht für den durch die Verfassung geforderten Umfang, in dem diese Dienstleistungen vorzuhalten sind. Er gewinnt im Rahmen des Art. 87 f Abs. I GG einen eigenständigen, durch die dort genannten Verfassungsmerkmale geformten Bedeutungsgehalt. Sein Bezugspunkt sind die in dieser Verfassungsnorm als Universaldienst geforderten Dienstleistungen. Die Wendung "Universaldienst im Bereich der Telekommunikation" umfaßt daher nicht sämtliche Telekommunikationsdienstleistungen, sondern nur diejenigen, deren Bereitstellung für eine flächendeckende, angemessene und ausreichende Versorgung der Öffentlichkeit geboten ist. Der Ausdruck "Versorgung" beinhaltet das Angebot, die Bereitstellung und die Erbringung dieser Telekommunikationsdienstleistungen für den durch den Begriff "Öffentlichkeit" umschriebenen Adressatenkreis. Dazu zählen alle natürlichen oder juristischen Personen, die potentielle Nutzer von Telekommunikationsdienstleistungen sind. Ausgegrenzt bleibt die ausschließliche Eigennutzung. 24 Diese Einschränkung ergibt sich aus dem Zweck der den Universaldienst betreffenden Gewährleistungspflicht. Sie soll die aus übergeordneten Gründen des öffentlichen Interesses notwendige Versorgung eines beliebigen Personenkreises mit Telekommunikationsdienstleistungen sicherstellen. Ein solcher Gemeinwohlbezug fehlt bei der Eigenversorgung.
IV. Abgrenzungen
1. Universaldienst und Universaldienstgewährleistung Vom Universaldienst als verfassungsrechtlich verlangten Versorgungsniveau ist die darauf bezogene, ebenfalls im Grundgesetz angelegte Pflicht zur Gewährleistung eines Universaldienstes zu trennen, die seine Absicherung zum Gegenstand hat. Die Begriffe sind auseinanderzuhalten, weil die an sie geNäher dazu unten S. 194 f., 263,405 f. Die Leistungserbringung innerhalb geschlossener Benutzergruppen scheidet dagegen nicht von vornherein aus dem Dienstleistungsbegriff aus. Vgl. zu dieser Problematik aus verfassungsrechtlicher und einfachgesetzlicher Sicht unten S. 194 f., 405 f., 416. 23
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A. Der Begriff des Universaldienstes
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knüpften Rechtswirkungen verschiedene Adressaten betreffen und durch unterschiedliche Handlungen ausgerullt werden. Der Universaldienst wird gemäß Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG durch privatwirtschaftliche Leistungen der Deutschen Telekom AG und anderer privater Anbieter bereitgestellt, während die Pflicht zur Gewährleistung eines Universaldienstes durch Art. 87 f Abs. 1 GG dem Bund auferlegt worden und i. d. R. durch hoheitliche Maßnahmen auszurullen ist. 25 2. Universaldienstgewährleistung und Infrastruktursicherung Teile des Schrifttums, aber auch einzelne Beteiligte des verfassungsändernden Gesetzgebungsverfahrens, sprachen zunächst von "Infrastruktursicherung" statt von "Universaldienstgewährleistung" und bezeichneten die Verpflichtung hierzu als Infrastruktursicherungsauftrag. 26 Ausschlaggebend rur diese Terminologie war u. a. eine Angleichung an den Sprachgebrauch, der dem vorher in Kraft getretenen Art. 87 e Abs. 4 GG zugrunde liegt. 27 Er sieht eine Infrastrukturgewährleistungspflicht des Bundes im Bereich der Eisenbahnen des Bundes VOr. 28 Art. 87 f Abs. 1 GG enthält insoweit zwar keine explizite Festlegung, da der Ausdruck "Universaldienstgewährleistung" nicht im Normtext auftaucht;29 rur diese Bezeichnung spricht aber die dienstleistungsbezogene Fassung der Vorschrift. Außerdem ist sie besser an die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben angepaßt ist. Schließlich wird so dem Mißverständnis vorgebeugt, wonach die Gewährleistungspflicht sich nur auf die (Bereitstellung der) Telekommunikationsinfrastruktur im engen Sinne bezieht. 30 Die terminologische Kluft gegenüber dem infrastrukturbezogenen Wortlaut des Art. 87 e Abs. 4 GG kann dadurch geschlossen werden, daß der Infrastruk25 Zur Möglichkeit einer Universaldienstgewährleistung durch privatrechtliche Einflußnahme im Rahmen der Beteiligungsverwaltung unten S. 354 ff. 26 Vgl. neben den Nachweisen oben unter Fußn. 7 zuletzt P. Lerche, in: Maunz! Dürig, Grundgesetz, Art. 87 fRdnm. 71 f; ders., in: Festschrift für K. H. Friauf, S. 251 ff ("infrastrukturelle Gewährleistungen") m. w. N. 27 Vgl. die Stellungnahme des Bundesrates zum 41. GG-ÄndG-E, BT-Drs. 12/7269, S. 8 und die Begründung der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drs. 12/8108, S. 6; s. auch B. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Art. 87 f Rdnr. 3. 28 Dazu E. Schmidt-AßmanniH. C. Röhl, DÖV 1994,577 (583 ff); G. Fromm, DVB1 1994, 187 (191 f.); B. Pieroth, in: JarasslPieroth, Grundgesetz, Art. 87 e Rdnr. 4. 29 Gleiches gilt freilich für den Begriff "Infrastruktursicherung", der in Art. 87 e GG ebenfalls nicht erwähnt wird. 30 Telekommunikationsinfrastruktur im engen Sinne beschränkt sich auf die der Telekommunikation dienenden Einrichtungen, namentlich die Telekommunikationsnetze; M. Fehling, AöR 121 (1996), 59 (61) m. w. N. unter Fußn. 6, spricht in bezug auf Mitbenutzungsrechte Dritter bei Schienenwegen, Energieversorgungs- und Telekommunikationsleitungen von materieller Infrastruktur.
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3. Kap.: Determinanten der Universaldienstgewährleistung
turbegriff, wie im Vorfeld der Verfassungsänderung vorgeschlagen, im umfassenden Sinne als die Gesamtheit der staatlichen und privaten, materiellen, institutionellen und personellen Einrichtungen und Gegebenheiten verstanden wird, die insb. für eine ausreichende Daseinsvorsorge und für die wirtschaftliche Entwicklung eines Raumes unabdingbar sind. 31 Bei dieser weiten Auslegung fallen unter den Begriff "Infrastruktur" im Bereich der Telekommunikation neben Telekommunikationseinrichtungen (z. B. Übertragungswege) auch die darauf erbrachten Telekommunikationsdienstleistungen (z. B. Sprachtelefondienst), während umgekehrt Dienstleistungen im Bereich der Telekommunikation neben der Leistungserbringung unter Nutzung der Infrastruktur auch ihre Bereitstellung umfassen. Die Unterschiede zwischen diesen Begriffen werden auf diese Weise weitgehend nivelliert.
B. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen Der Bereich der Telekommunikation wird nicht nur durch supranationale und nationale Regelungen (dazu unten C - E), sondern auch durch das gesamte situative Umfeld, zumal durch die technologischen, ökonomischen und soziologischen Verhältnisse und Entwicklungen beeinflußt. 32 Dies gilt im besonderen für die Universaldienstgewährleistung. Das zu sichernde Versorgungsniveau hängt maßgeblich von der tatsächlichen Versorgungssituation (dazu unten II) und den bestehenden und künftigen wirtschaftlichen (dazu unten III) und gesellschaftlichen Bedürfnissen ab (dazu unten IV). I. Die Merkmale des Art. 87 f Abs. 1 GG als Filter der universaldienstrelevanten Fakten Eine umfassende Darstellung der ökonomischen und soziologischen Gegebenheiten und Entwicklungen würde nicht nur den Umfang dieser Untersuchung sprengen, sondern auch den rechtlich relevanten Gehalt dieser auf anderen Gebieten der Wissenschaft gewonnenen Aussagen durch Überfrachtung mit überflüssigen Einzelheiten verwässern. Es bedarf daher bestimmter Auswahlkriterien, die - gleich einem Filter - die für eine Universaldienstgewährleistung wesentlichen tatsächlichen Umstände von den unwesentlichen trennen. Das
3\ R. Scholz/J. Aulehner, ArchPT 1993,221 (224) m. w. N. unter Fußn. 12; zu den vom Infrastrukturbegriff umfaßten Gegenständen auch P. Eichhorn (Hrsg.), Verwaltungslexikon, S. 406 f.; G. Hermes, Staatliche Infrastrukturverantwortung, S. 170 ff. 32 Vgl. zu diesen Einwirkungen R. ScholzlJ. Aulehner, ArchPT 1993,221 (224). S. zu den technologischen Bedingungen schon oben S. 59 ff.
B. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen
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Zuordnungsraster bei dieser Bestandsaufnahme bilden die in Art. 87 f Abs. 1 GG enthaltenen Universaldienstmerkmale "flächendeckend", "angemessen" und "ausreichend".33 "Flächendeckend" kennzeichnet den Bereitstellungsraum, "angemessen" die Qualität und "ausreichend" die Quantität der Telekommunikationsdienstleistungen. 34 11. Die bestehende Versorgungssituation Der aktuelle Stand der Versorgung der Öffentlichkeit mit Telekommunikationsdienstleistungen bildet den tatsächlichen Bezugspunkt für die rechtliche Beurteilung, ob die Anforderungen des Art. 87 f Abs. 1 GG erfüllt sind und in welchem Umfang höherWertige oder zusätzliche Telekommunikationsdienstleistungen als Universaldienst anzubieten sind. Anband der Selektionsmerkmale des Art. 87 f Abs. 1 GG können die derzeitigen Bedingungen und künftigen Möglichkeiten der Versorgung wie folgt speziftziert werden.
1. Aus- und Umbau der Netze Diese Entwicklung berührt vor allem den Versorgungsraum, wobei weitergehend nach der Art des Übermittlungssystems differenziert werden kann. a) Drahtgebundene Übertragungswege In den alten Bundesländern stellte die Deutsche Telekom AG als Betreiberin des leitungsgebundenen öffentlichen Telekommunikationsnetzes im Jahre 1994 der Öffentlichkeit 40,4 Millionen Telefonanschlüsse zur Verfügung. 35 In diesem Gebiet verfügen über 97 % der Haushalte über ein Telefon, so daß insoweit eine Flächendeckung gegeben ist. Betrachtet man die Gleichmäßigkeit des Umfangs der Versorgung in der Fläche (sog. Flächengleichheit) unter besonderer Berücksichtigung des Einkommens und der sozialen Stellung ausgewählter Bevölkerungsgruppen, zeigt sich, daß diesbezügliche Unterschiede seit 1980 weitgehend eingeebnet worden sind. 36 33 Bei der Zuordnung sind allerdings gewisse Überschneidungen unvermeidbar, weil einzelne Tatsachen auf mehrere Tatbestandsmerkmale in unterschiedlicher Weise einwirken können. 34 AusflihrIich dazu unten S. 268 ff. 35 Deutsche Telekom AG, Geschäftsbericht 1995, S. 1. 36 Statistisches Bundesamt, Erhebung zur Ausstattung ausgewählter privater Haushalte im früheren Bundesgebiet mit ausgewählten langlebigen Verbrauchsgütern; der Ausstattungsgrad hängt vom Haushaltstyp ab. Haushaltstyp I (2-Personen-Haushalte von Renten- oder Sozialhilfeempfangern mit geringem Einkommen): 95,4 %; Haus-
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3. Kap.: Determinanten der Universaldienstgewährleistung
In den neuen Bundesländern bestanden dagegen im Jahre 1990 lediglich 1,9 Millionen Telefonanschlüsse für Wohnungen, wobei ein starkes räumliches Gefälle zu verzeichnen war. 37 Der Zustand des ostdeutschen Telefonnetzes entsprach dem westdeutschen Niveau Mitte der fünfziger Jahre, insb. die Übertragungs- und Vermittlungstechnik war stark überaltert. 38 Im Jahre 1995 verfügten die neuen Ländern dagegen bereits über 7 Millionen digitale oder analoge Telefonanschlüsse,39 mehr als 75 % der privaten Haushalte besaßen zu diesem Zeitpunkt ein Telefon. Parallel zu dieser mittlerweile abgeschlossenen Entwicklung hin zu einer Flächendeckung verringern sich dort auch die sozialbedingten Unterschiede bei der Flächengleichheit der Versorgung. 40 Somit ist nunmehr im gesamten Bundesgebiet eine Vollversorgung mit Sprachtelefondienst gegeben. Aber nicht nur die Versorgungsdichte, sondern auch die Versorgungsqualität, zumal die Struktur des festen öffentlichen Telefonnetzes,41 des mit Abstand bedeutsamsten Übermittlungssysterns, hat sich verändert. Die Digitalisierung des Fernnetzes und der wichtigsten, weil stark frequentierten Ortsnetze, ist 1997 abgeschlossen worden. 42 Die Zahl der ISDN-Basisanschlüsse ist
haltstyp 2 (4-Personen-Haushalte von Arbeitern und Angestellten mit mittlerem Einkommen): 98,5 %; Haushaltstyp 3 (4-Personen-Haushalte von Angestellten und Beamten mit höherem Einkommen): 99,8 %. Dagegen die Vergleichszahlen aus dem Jahr 1980: Haushaltstyp I: 73 %; Haushaltstyp 2: 86,4 %; Haushaltstyp 3: 97,9 %. 37 So verfUgte zu diesem Zeitpunkt in Ostberlin nahezu jede zweite Wohnung über einen Fernsprechanschluß, während beispielsweise in Dresden nur jede neunte Wohnung einen solchen Zugang besaß, vgl. Monopolkommission, Sondergutachten Telekommunikation, S. 12 m. w. N. 38 Vgl. Monopolkommission, Sondergutachten Telekommunikation, S. 12. 39 Deutsche Telekom AG, Geschäftsbericht 1995, S. 14. Von 1991 bis 1995 wurden also in den neuen Bundesländern mehr als 4 Millionen zusätzliche Anschlüsse geschaffen; davon sind 1,2 Millionen Haushalte direkt per Glasfaserkabel verbunden. Bei dieser Steigerung der Versorgung sind Mobilfunktelefone noch nicht berücksichtigt. 40 Statistisches Bundesamt, Erhebung zur Ausstattung ausgewählter Haushalte in den neuen Ländern und Ostberlin mit ausgewählten langlebigen Verbrauchsgütern. Die soziale Abstufung verläuft hier anders als in den alten Ländern (dazu oben Fußn. 36): Haushaltstyp 1: 78,7 %; Haushaltstyp 2: 67,1 %; Haushaltstyp 3: 74,5 %; dagegen die Vergleichszahlen von 1991: Haushaltstyp 1: 46,6 %, Haushaltstyp 2: 17,6 %; Haushaltstyp 3: 36,8 %. 41 Dieses Netz besteht in der Regel aus Kupferkabeln. Der Ausbau des Glasfasernetzes kommt dagegen deutlich langsamer voran (vgl. oben S. 63 mit Fußn. 119, 122) und beschränkt sich wegen der hohen Kosten bisher weitgehend auf Großkunden und Ballungszentren, vgl. P. Müller, Telekommunikation, S. 27 f.; zur Entwicklung auf europäischer Ebene s. das Grünbuch Telekommunikationsinfrastruktur, Teil 2, BR-Drs. 101/95, S. 58 ff., mit einem Vergleich der Übertragungsleiter, ebda, S. 63. Der Aufbau des digitalen europäischen Hochgeschwindigkeitsnetzes (Euro-ATM-Netz als Breitband-ISDN) befindet sich noch in der Pilotphase (vgl. Deutsche Telekom AG, Geschäftsbericht 1994, S. 22). 42 Vgl. Deutsche Telekom AG, Geschäftsbericht 1997, S. I \. Die Digitalisierung der fUnfzig größten Ortsnetze, die ca. 70 % der Festnetzanschlüsse umfassen, wurde bereits
B. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen
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allein im Zeitraum von 1990 bis 1997 von 14.500 auf 2,8 Millionen hochgeschnellt,43 was ebenfalls zu einem höheren Versorgungsniveau führt. b) Drahtlose Übertragungswege Neben der drahtgebundenen Vollversorgung mit Sprachtelefondienst ist inzwischen auch ein flächendeckendes Netz für drahtlose terrestrische Mobilfunkdienste entstanden. Unter den verschiedenen Anbietem44 hat der gegenwärtige Marktführer, die Mannesmann D2-Mobilfunk GmbH, seit Lizenzerteilung im Jahr 1991 sein Netz bis zum Jahr 1996 soweit ausgebaut, daß ein räumlicher Versorgungsgrad von über 90 % erreicht worden ist. Gleiches gilt seit 1997 auch für den Konkurrenten E-Plus. Hinzu kommt der vor allem in Randbereichen zur Überbrückung einsetzbare Richtfunk45 sowie die Ausdehnung des systembedingt flächendeckenden Satellitenfunks. Weiterer Versorgungszuwachs wird durch die zunehmende Zusammenschaltung von und zwischen festen und mobilen Netzen und durch die Gewährleistung eines offenen Zugangs zu diesen erzielt. 46 Auch beim Mobilfunk schreitet die Digitalisierung der Übertragungs- und Vermittlungstechnik voran; sie ist bei den seit 1991 errichteten Netzen der Standard. 47
2. Steigerung der Übertragungskapazitäten und Nutzungsmöglichkeiten Der Umfang der Versorgung der Bevölkerung mit Telekommunikationsdienstleistungen hat nicht zuletzt wegen der Ausweitung der ÜbertragungskaEnde 1996 abgeschlossen; bis zum Jahresende 1997 mußten noch rund 2200 von insgesamt 5200 Ortsnetzen digitalisiert werden, auf die jedoch nur ein Anteil von 20 % aller Teilnehmer entfällt. In den neuen Bundesländern waren bereits Ende 1996 99 % der Teilnehmer an digitale Vermittlungseinrichtungen angeschlossen. 43 Vgl. Deutsche Telekom AG, Geschäftsbericht 1997, S. 10. 44 Dazu zählen neben der Mannesmann D2-Mobilfunk GmbH und E-Plus-Mobilfunk vor allem die DeTeMobil GmbH, eine Tochtergesellschaft der Deutschen Telekom AG (zu den GTÜndungsproblemen, insb. mit Blick auf Art. 87 Abs. I Satz I GG a. F. P. Badura, ArchPF 1991,389 ff; R. Scholz/J. Aulehner, ArchPT 1993, 103 ff), mit ihrem DI-Netz und dem analogen C-Netz. Heute nutzen in Europa über 5 Millionen Menschen den Mobilfunk. Im Jahr 2000 sollen es 20 Millionen sein. Zugleich wachsen die Mobilfunknetze durch Vereinbarung gemeinsamer Standards (z. B. GSM [Global System for Mobile Communication]) zusammen. 45 Vgl. P. Müller, Telekommunikation, S. 29 f 46 Vgl. auf nationaler Ebene §§ 33 - 39 TKG i. V. m. der Verordnung über besondere Netzzugänge (Netzzugangsverordnung - NZV) vom 23.\0.1996 (BGBI I, S. 1568 f); s. auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene insb. die Richtlinien 90/3871EWG und 97/33/EG. Zu den Verbundvorteilen in der Telekommunikation G. Knieps, Entstaatlichung, S. 12; P. Müller, Telekommunikation, S. 65 ff Die Viag Interkom GmbH ist dabei, ein integriertes Mobilfunk- und Festnetz zu errichten, vgl. auch SZ vom 18.09.1997, S. 28. 47 Vgl. P. Müller, Telekommunikation, S. 28 f., 117 f.
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3. Kap.: Determinanten der Universaldienstgewährleistung
pazitäten der Netze zugenommen. Ursächlich fur diese Entwicklung ist der Einsatz neuartiger Übertragungsleiter (z. B. Glasfaserkabel), die Digitalisierung der Übertragungs- und Vermittlungs systeme und - im Bereich des Mobilfunks die Verwendung von Zellularnetzen. 48 Der Kapazitätszuwachs wirkt sich insb. auf den Versorgungsgrad der Ballungsgebiete mit Telekommunikationsdienstleistungen und die Möglichkeiten einer Nutzung der Telekommunikationsnetze fur Multimediadienste mit hohem Informationsdurchsatz aus. 49 Daneben fuhrt die Multifunktionalität der Übertragungssysteme und Endeinrichtungen50 zu einer Erweiterung der traditionellen Telekommunikationsdienstleistungen um benutzerfreundliche Zusatzfunktionen, z. B. beim Sprachtelefondienst die Anrufweiterleitung oder das "Anklopfen" während des Gesprächs. Aus Sicht des Art. 87 f Abs. 1 GG wirft diese Entwicklung die an anderer Stelle zu klärende Frage auf, wann welche Dienstleistungen bzw. Leistungsmerkmale zum Universaldienst gehören. 51 In diesem Zusammenhang ist auch zu erörtern, ob die Universaldienstgewährleistung eine Sicherungsfunktion hinsichtlich bestehender Dienstleistungen entfaltet, die zwar fur die Bevölkerung unabdingbar sind, deren angemessene und ausreichende Erbringung aber durch die Multiplizierung der Dienste und ihrer Anbieter gefährdet ist. 52 3. Verbesserung der Qualität der Telekommunikationsdienstleistungen
Der technische Fortschritt hat die Qualität der Telekommunikationsdienstleistungen erheblich verbessert. Die Digitalisierung der Übermittlungssysteme hat die Übertragungsgeschwindigkeit des Sprachtelefondienstes durch Mehrfrequenz- statt Impulswahl verzehnfacht, den Übertragungsvorgang rauschund störungsärmer werden lassen und die Mehrfachbelegung eines Anschlusses mit getrennten Endeinrichtungen und Rufnummern durch ISDN ermöglicht. 53 Die durch den Universaldienst geforderte Angemessenheit der Telekommunikationsdienstleistungen ist heute weniger ein Problem ihrer Qualität als ihres
S. das Grünbuch Telekornrnunikationsdienstleistungen, BT-Drs. 11/930, S. 30. Allerdings sind insb. der Einflihrung audiovisueller Dienste wegen ihres hohen Kapazitätsverbrauchs bislang Grenzen gesetzt. Mit modemen Modulationsverfahren, adaptiver Echounterdrückung und sonstigen Vorkehrungen aufgerüstete Kupferkabel haben ein Durchsatzvermögen von 3 mbps (Millionen bits pro Sekunde) je Richtung. DigitaIisierte Sprache kann bereits ab 7,5 kbps (Tausend bits pro Sekunde) übertragen werden, farbige Bewegtbilder benötigen 1,92 mbps, hochauflösendes Fernsehen erfordert 40 mbps. 50 Vgl. im einzelnen oben S. 62 ff. 5\ Vgl. unten S. 279 ff. 52 Beispiel hierflir ist der Zugang zur Fernsprechauskunft. Näher zu dieser Problematik aus verfassungsrechtIicher Sicht unten S. 292. 53 Vgl. P. Müller, Telekommunikation, S. 24 f., 29. 48 49
B. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen
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Preises. Ausschlaggebend hierfür sind nicht so sehr die technischen Möglichkeiten als vielmehr die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen. 54 III. Die ökonomischen Bedingungen und Möglichkeiten Zwischen den technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Determinanten der Telekommunikation bestehen weitreichende Interdependenzen. Neben der grundsätzlichen Frage nach der Bedeutung der Telekommunikation für die gesamtwirtschaftliche Situation (dazu unten 1) sind zwei sich überschneidende Problemkreise hervorzuheben: Zum einen die Wechselwirkungen zwischen technischem Fortschritt, wirtschaftlicher Entwicklung und staatlicher Universaldienstgewährleistung (dazu unten 2), zum anderen die Verbindungslinien zwischen den ökonomischen Bedingungen im Bereich der Telekommunikation und dem Inhalt und Umfang des Universaldienstes (dazu unten 3).
I. Die Bedeutung der Telekommunikation fiir die gesamtwirtschaftliche Lage Die der Telekommunikation zugrunde liegende Informations- und Kommunikationstechnologie ist der Schlüssel für den Übergang von der Industrie- zur Informationsgesellschaft. 55 Der Umsatz für Telekommunikationsdienstleistungen und durch Telekommunikation übermittelte Dienstleistungen (z. B. multimediale Dienste) in der Europäischen Union56 belief sich im Jahr 1993 trotz fallender Preise auf 120 Mrd. ECU, das sind knapp 3 % des Bruttosozialproduktes der Mitgliedstaaten. 57 Er wird nach bisherigen Schätzungen bis zum Ende des Jahrzehnts auf 7 % des Bruttosozialproduktes in der Gemeinschaft ansteigen. Die durchschnittlichen Wachstumsraten lagen zwischen 1992 und 1996 jeweils über 9 %; der Weltmarkt für Telekommunikationsgeräte und -dienste sowie für informationstechnische Produkte umfaßt derzeit ein Volumen von 1,5 Billionen DM pro Jahr. 58 Der internationale öffentliche Telefonverkehr in der 54 Zu den makroökonomischen Bedingungen unten S. 123 f. Zu den gemeinschaftsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Preisbildung bei Universaldienstleistungen unten S. 170, 185 ff., 302 ff. 55 Dazu länderübergreifend H. Kubicek, eR 1997, I ff.; aus bundesdeutscher Sicht unten S. 131 mit Fußn. 94. 56 Die Erhebungen auf europäischer Ebene, insb. die einschlägigen Grünbücher, unterscheiden oft nicht zwischen diesen Kategorien, sondern fassen sie unter dem Begriff der Telekommunikationsdienste zusammen. Das ist aus wirtschaftlicher Sicht aufgrund des sachlichen Zusammenhangs plausibel, entspricht aber nicht den Regelungen des deutschen Verfassungs- und Telekommunikationsrechts, unten S. 194 f., 263 f., 404 f. 57 Vgl. das Grünbuch Telekommunikationsinfrastruktur, Teil 2, BR-Drs. 101195, S. 6; s. auch R. Scholz/J. Aulehner, ArchPT 1993,221 (225,230). 58 So die Begründung des TKG-E, BT-Drs. 13/4438, S. 4 i. V. m. BT-Drs. 1313609, S. 33; zuletzt auch D. Barth, ArchPT 1997, 112 f.
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3. Kap.: Determinanten der Universaldienstgewährleistung
Union, ein Indikator für die Nutzung und Entwicklung der Telekommunikation, wuchs in den letzten Jahren durchschnittlich um über 10 % pro Jahr. Noch höhere Wachstumsraten weist der Mobilfunk auf, während der Umsatz bei multimedialen Diensten trotz rasch zunehmender Nachfrage noch vergleichsweise gering ausfallt. s9 In Deutschland, wo die Deutsche Telekom AG einen Anteil von derzeit ca. 84 % am inländischen Telekommunikationsmarkt hält, ist allein der Umsatz dieses Unternehmens von 38 Mrd. DM im Geschäftsjahr 1989 auf 67,6 Mrd. DM im Geschäftsjahr 1997 gestiegen, wobei der Mehrwertsteuereffekt, der 1995 immerhin 6,5 Mrd. DM betragen hat, weggefallen ist. 60 Zugleich veränderte sich die Struktur der vordem unter dem Dach der Deutschen Bundespost angesiedelten Betriebszweige. Die Postdienste weisen im Vergleich zu Telekommunikationsdiensten und telekommunikationsüberrnittelten Diensten ein langsameres Wachstum auf und mußten Marktanteile an diese abgeben. 61 2. Die Wechselwirkungen zwischen technischer Innovation, wirtschaftlicher Progression und staatlicher Universaldienstgewährleistung Technischer Fortschritt und steigender Bedarf an Telekommunikationsdienstleistungen beeinflussen sich gegenseitig. Dies zeigt sich bei der Digitalisierung der Telekommunikationsnetze. Sie verbessert nicht nur Qualität und Quantität der Telekommunikationsdienstleistungen,62 sondern ist auch unerläßliche Voraussetzung für einen funktionierenden Wettbewerb in der Telekommunikation. Denn ohne Digitalisierung läßt sich beispielsweise die für eine freie Wahl zwischen mehreren Anbietern wesentliche Nummernportabilität63 schon aus technischen Gründen nicht verwirklichen. 64 Die staatliche Gewährleistung eines Universaldienstes entfaltet in diesem Beziehungsgeflecht - je
S9 S. das Grünbuch Telekommunikationsinfrastruktur, Teil 2, BR-Drs. 101/95, S. 6 f., 46 ff., mit einer Übersicht zur Aufteilung der Umsätze im EU-Informationssektor im Jahre 1993. 60 Vgl. Deutsche Telekom AG, Geschäftsbericht 1997, S. 12 ff.; zur Änderung des § 3 a Abs. 4 UStG s. DB 1997,2403. 6\ So ersetzt z. B. der über Telekommunikationsnetze ablaufende Datenübertragungsdienst "E-Mail" zunehmend den Briefverkehr. Seine entscheidenden Vorteile sind, daß er wesentlich schneller und kostengünstiger als ein Brief ist. 62 Dazu schon oben S. 63. 63 § 43 Abs. 5 TKG spricht gleichbedeutend von Netzbetreiberportabilität, vgl. unten S.438. 64 Auf dieses "Einfallstor" für Wettbewerber der Deutschen Telekom AG hat ihr Vorstandsmitglied G. Tenzer hingewiesen (vgl. SZ vom 31.01.1997, S. 23). Diese Öffnung ist indes gerade eines der Ziele der verfassungs- und einfachgesetzlichen Regelungen.
B. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen
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nach Zuschnitt - ambivalente Bedeutung: Die Auferlegung von Verpflichtungen zur Erbringung von Universaldienstleistungen kann einerseits den Ausund Umbau der Kommunikationsinfrastruktur fördern und zu einem Wirtschaftswachstum führen, da die Anbindung an leistungsfähige Telekommunikationsnetze ein wichtiger Standortfaktor für die Ansiedlung von Unternehmen ist. 65 Andererseits kann eine solche Inpflichtnahme auch zu einem Hemmschuh für die wirtschaftliche Entwicklung werden. Die betroffenen Unternehmen werden durch sie in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeschränkt. Eine zusätzliche Belastung erwächst ihnen daraus, daß Gegenstand der Universaldienstpflicht oftmals unrentable oder jedenfalls zu unrentablen Preisen anzubietende Dienste sind, die nunmehr flächendeckend bereitgestellt werden müssen. Die damit verbundenen Kosten können außerdem ungeachtet späterer Kompensationsmöglichkeiten66 den Marktzutritt neuer Anbieter erschweren. Diese wirtschaftlichen Konsequenzen machen deutlich, daß staatliche Universaldienstgewährleistung ein zweischneidiges Schwert im angestrebten Wettbewerb in der Telekommunikation darstellt. Die Auswirkungen hängen vor allem davon ab, in welchem Umfang Telekommunikationsdienstleistungen diesem Rechtsinstitut unterstellt werden. Ein breit angelegter Universaldienst zieht eine umfängliche Gewährleistungspflicht des Staates und Bereitstellungspflicht der Anbieter nach sich. Sie kann zu einer Behinderung der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung der Telekommunikation führen, insb. die Verbreitung neuer Dienstleistungen durch übermäßige Regulierungsvorkehrungen erschweren,67 während umgekehrt ein eng begrenzter Universaldienst die Gefahr einer Unterversorgung birgt. Staatliche Universaldienstgewährleistung ist somit ein ebenso wichtiges wie sensibles Regulativ in den Wechselbeziehungen zwischen technischer Innovation und wirtschaftlicher Progression, das seinerseits durch diese Faktoren beeinflußt wird (dazu sogleich). 3. Die Auswirkungen der ökonomischen Bedingungen der Telekommunikation auf Inhalt und Umfang des Universaldienstes
a) Hinsichtlich des Versorgungsraumes Das Universaldienstmerkmal "flächendeckende Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen" wird durch unterschiedliche wirtschaftliche Ent65 Vgl. R. Schalz/J. Aulehner, ArchPT 1993,221 (225). Zur Bedeutung der Faktoren "Reduzierung von Kommunikationskosten" und "innovative Nutzung neuer Kommunikationstechnologien" für die Standortentscheidung im In- und Ausland P. Müller, Telekommunikation, S. 242; zur Bedeutung des Wettbewerbs in diesem Zusammenhang, vgl. das Grünbuch Telekommunikationsinfrastruktur, Teil 2, BR-Drs. 101/95, S. 80 f. 66 Zu dem im TKG vorgesehenen Modell von Ausgleichsleistungen unten S. 471 ff. 67 Dazu auch P. Lerche, in: MaunzlDürig, Grundgesetz, Art. 87 fRdnr. 79.
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3. Kap.: Detenninanten der Universaldienstgewährleistung
wicklungen beeinflußt. Die Preise rur Mikrochips sind in den letzten Jahren stark ~esunken, bei zunehmender Substituierung der Hardware durch Software. 6 Die Kosten pro Bit Speicherleistung sind zwischen 1973 und 1993 um den Faktor 4.000 gefallen, digitale Vermittlungstechnik ist allein zwischen 1979 und 1984 um bis zu 60 % billiger geworden, während die Kosten rur analoge Vermittlungstechnik relativ konstant (hoch) geblieben sind. 69 Parallel dazu sind die Aufwendungen rur Forschung und Entwicklung stark gestiegen. Gleiches gilt rur die Kosten des Ausbaus der Netzinfrastruktur, was insb. auf die Verwendung hochwertiger, teurer Übertragungsleiter (z. B. Glasfaser), die Umstellung von analoger auf digitale Überrnittlungstechnik und den Nachholbedarf in den neuen Ländern zurückzuruhren ist. 70 Dadurch erhöht sich der Finanzierungsbedarf, die Rentabilitätsschwelle von Investitionen wird hinausgeschoben. Dies löst Konzentrationstendenzen unter den Anbietern aus,71 die den sich gerade erst etablierenden Wettbewerb gef!ihrden. Ein Oligopol weniger großer Telekommunikationsgesellschaften würde kleinere Unternehmen vom Marktzutritt abschrecken, was sich nachteilig auf die Vielfalt und die Preise der Dienstleistungen, mithin auf den Umfang und die Angemessenheit der Versorgung auswirken könnte. Der hohe Investitionsaufwand rur die Neuerrichtung von Netzen und die Größenvorteile der bestehenden Infrastruktur72 begründen die Gefahr, daß das
68 G. Knieps, Entstaatlichung, S. 8; GTÜnbuch Telekommunikationsdienstleistungen, BT-Drs. 111930, S. 29 f. 69 Vgl. P. Müller, Telekommunikation, S. 22, 24. Zu Einzelheiten der ökonomischen Entwicklung von Netzinfrastruktur, Telekommunikationsdiensten und Endeinrichtungen T.-s. Kluth, Telekommunikation, S. 25 ff., 29 ff. 70 Die Deutsche Telekom AG (DBP TELEKOM) hat allein von 1990 bis 1994 in den neuen Ländern 35 Mrd. DM flir die Entwicklung der Telekommunikationsinfrastruktur investiert, vgl. Geschäftsbericht 1994, S. 12; zur Situation der Telekommunikation im Gebiet der ehemaligen DDR Mitte 1990 und zu den Aufbauplanungen der Deutschen Bundespost, vgl. oben S. 120 f.; s. auch die Monopolkommission, Sondergutachten Telekommunikation, S. 11 ff. 7\ Vgl. die verschiedenen, z. T. wechsenden "Telekommunikationsallianzen", die sich als Gegenspieler der Deutschen Telekom AG finnieren,so z. B. zwischen der Viag AG und British Telecom plc sowie zwischen der Veba AG und Cable & Wireless plc, der sich zuletzt auch die RWE AG angeschlossen hat (vgl. dazu SZ vom 11.1 0.1996, S. 25). Auffällig dabei ist, daß die deutschen Konkurrenten hauptsächlich Unternehmen aus dem Bereich der Energieversorgung sind, die dort bislang eine MonopolsteIlung innehatten; allerdings sind die Energieversorgungsmonopole durch gemeinschaftsrechtliche Vorgaben flir eine Marktöffnung in diesem Bereich nun ähnlich wie vor einigen Jahren die ausschließlichen Rechte im Bereich der Telekommunikation aufgrund der Richtlinie 96/92/EG beseitigt worden. Rechtlich stellt sich die an anderer Stelle zu erörtende Frage, ob solche Monopolunternehmen als private Anbieter i. S. v. Art. 87 f Abs. 2 Satz I GG qualifiziert werden können; vgl. dazu unten S. 203 ff. 12 Zu den ökonomischen Auswirkungen solcher sog. Größen vorteile, P. Müller, Telekommunikation, S. 62 ff.
B. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen
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bisherige rechtliche Monopol der Deutschen Telekom AG auch nach Aufhebung sämtlicher ausschließlichen Rechte als natürliches Monopol weiterleben wird, weil die Nachfrage von ihr kostengünstiger als von zwei oder mehreren Anbietern gedeckt werden kann. 73 Dem wird auf unterschiedliche Weise zu begegnen versucht. Die technischen Gründe rur ein natürliches Monopol sindbereits aufgrund der Entwicklung, die sich auf diesem Gebiet vollzogen hat, und durch sie flankierende ordnungspolitische Maßnahmen (z. B. einheitliche Standards zur Gewährleistung von Kompatibilität und Interoperabilität) weitgehend entfallen. 74 Den ökonomischen Ursachen eines natürlichen Monopols wird vor allem auf einfachgesetzlicher Ebene gegengesteuert, z. B. durch die im TKG vorgesehene Asymmetrie bei der Entgeltregulierung und der Gewährleistung eines offenen Netzzugangs. 75 Wettbewerbsfordernd könnte sich außerdem der Umstand erweisen, daß einzelne der derzeit potentesten Wettbewerber der Deutschen Telekom AG über gut ausgebaute eigene Telefon- und Datenleitungsnetze verfUgen. Diese wurden bisher nur fiir die interne Kommunikation genutzt, können aber seit Wegfall des Netzmonopols zur Erbringung von Dienstleistungen fiir die Öffentlichkeit eingesetzt werden. 76 Allerdings beschränken sich diese alternativen Telekommunikations infrastrukturen zur Zeit noch auf den Verkehr innerhalb und 73 Vgl. H. SondhofiM. Theurer, Wu W 1996, 177 (178); zur Problematik natürlicher Monopole in der Telekommunikation auch C. C. v. Weizsäcker, in: Mestmäcker (Hrsg.), Kommunikation ohne Monopole I, S. 127 (128 ff.); R. Windisch, in: ders. (Hrsg.), Privatisierung natürlicher Monopole im Bereich von Bahn, Post und Telekommunikation, S. I (41 ff.); G. Knieps, ebda, S. 147 (155 ff.); ders., Entstaatlichung, S. 25 ff.; zu faktischen Monopolen W. Mäschel, in: Mestmäcker (Hrsg.), Kommunikation ohne Monopole H, S. 397 ff. Die Gefahr eines natürlichen Monopols der Deutschen Telekom AG wird durch die wirtschaftliche Entwicklung seit Inkrafttreten des TKG unterstrichen; das Unternehmen hat 1996 nur 2 % seines Anteils am Inlandsmarkt verloren, vgl. Geschäftsbericht 1996, S. 14 f. 74 Zum von der technischen Entwicklung ausgehenden steigenden Druck auf natürliche Monopole in der Telekommunikation H. Sondhof, Wirtschaftsdienst 74 (1994),527 (529); exemplarisch hierfUr ist die oben S. 124 angesprochene Nummernportabilität, die infolge der Digitalisierung technisch realisierbar geworden ist. 75 Dazu unten S. 427 ff., 430 ff. Weitere Faktoren, die zur Aufweichung natürlicher Monopole fUhren, sind alternative Formen der Telekommunikation (z. B. Sprachte1efondienst via Internet statt über das feste öffentliche Telefonnetz) und die damit i. d. R. einhergehende Öffnung funktionsdeterminierter Netze fUr andere Applikationen der Telekommunikation (z. B. der Kabelfernsehnetze fUr die Übermittlung beliebiger Nachrichten, was freilich neben rechtlichen Schritten [dazu unten S. 152 f., 158] auch technische Vorkehrungen erfordert, damit diese Verteilnetze fUr den Zweiweg-Betrieb genutzt werden können). 76 So erhielt beispielsweise ein Konsortium, bestehend aus der Viag AG und British Telecom plc, am 04.02.1997 vom BMPT eine Lizenz zum Aufbau und Betrieb eines E2-Netzes, bei dem Mobilfunk und Festnetzdienste integriert werden sollen (vgl. SZ vom 05.02.1997, S. 17). Zum Fortfall des Netzmonopols unten S. 151 ff., 158,392 mit Fußn. 19.
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3. Kap.: Determinanten der Universaldienstgewährleistung
zwischen Ballungsgebieten. 77 Die Erfahrungen in anderen Ländern mit liberalisierten Telekommunikationsmärkten hissen erwarten, daß allenfalls ein weiteres festes flächendeckendes Telekommunikationsnetz wirtschaftlich sinnvoll betrieben werden kann. 78 Somit droht eine Entwicklung, bei der neben dem flächendeckenden, aber in seiner Übertragungskapazität beschränkten Festnetz der Deutschen Telekom AG alternative Netzinfrastrukturen als "spezialisierte" Übertragungssysteme ausgebaut werden, die vorrangig auf kapazitätsintensive Datenübermittlung (z. B. im Multimediabereich) fiir finanzkräftige Nutzer (z. B. Geschäftskunden) auf lukrativen Strecken (z. B. zwischen Ballungszentren) zielen. Dieses "Rosinenpicken" stellt zwar nicht die flächendeckende Versorgung mit den derzeit als Universaldienst gebotenen Telekommunikationsdienstleistungen in Frage, wohl aber die daneben geforderte Flächengleichheie9 infolge divergierender Nutzungskapazität der Netze in den Raumsegmenten. b) Hinsichtlich des Ausmaßes der Versorgung Der Blick richtet sich insoweit weniger auf den Sprachtelefondienst als auf die Übermittlung multimedialer Dienste, z. B. mit audiovisuellen Inhalten. Sie ist kapazitäts- und häufig auch kostenintensiv, wird daher jedenfalls in der Anfangsphase vorrangig auf Verdichtungsräume mit hoher Nachfrage und Netzkapazität beschränkt bleiben. Es droht ein ungleiches Versorgungsniveau, das sich aus dem Blickwinkel staatlicher Universaldienstgewährleistung als Unterversorgung darstellt, wenn die Übermittlung dieser Dienste aufgrund gestiegener Nachfrage zu einem Bestandteil des Universaldienstes geworden ist. 80 c) Hinsichtlich der Kosten der Versorgung Die im Tatbestandsmerkmal "angemessen" zum Ausdruck kommenden Anforderungen an die Qualität der Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen verengen sich aus wirtschaftlicher Sicht weitgehend auf die Höhe und die Struktur der Preise. 81 Eine besondere Rolle spielt in diesem Zusammenhang 77 So besitzt z. B. die aus der Deutschen Bahn AG ausgegliederte OB Com ein recht umfangreiches privates Telekommunikationsnetz. Es verläuft entlang der Bahnlinien, verbindet damit im wesentlichen die Ballungszentren. 78 Nach den Planungen der Viag AG und von British Telecom plc soll das E2-Netz anfänglich, d. h. ab Frühjahr 1998, beschränkt auf zehn deutsche Ballungsräume genutzt werden, dann jedoch binnen fünf bis sieben Jahren zu einem flächendeckenden Netz ausgebaut werden (vgl. SZ vom 11.10.1996, S. 25). 79 Näher zu diesem aus Art. 87 f Abs. 1 GG abgeleiteten Postulat unten S. 269 ff. 80 Vgl. zu den verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für eine solche (künftige) Einbeziehung in den Universaldienst unten S. 279 ff. 8\ Zu Verbindungen zwischen den Kriterien "Preis" und "Qualität" der Telekommunikationsdienstleistung und dem Verfassungsmerkmal "angemessen" unten S. 272.
B. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen
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die sog. Tarifeinheit im Raum. Sie läßt nach herkömmlichen Verständnis regionale Unterschiede in der Gebührenstruktur von Telekornrnunikationsdienstleistungen nicht zu. Dieser Grundsatz wurde, jedenfalls bis zum Inkrafttreten des Art. 87 f GG, vor allem auf das nunmehr in Art. 72 Abs. 2 GG verankerte Staatsziel einer Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet gestützt. 82 Zu seiner Verwirklichung gewährleistete dieses Ordnungsmodell beispielsweise beim Sprachtelefondienst, daß jeder Teilnehmer an jedem Ort identische entfernungs- und zeitabhängige Gebühren zahlt. 83 Dabei entsprechen die von den Nutzem zu entrichtenden Gebühren nicht den Kosten, die den Anbietern rur die Bereitstellung dieser Telekornrnunikationsdienstleistung entstanden sind. Diese liegen auf stark frequentierten Telekornrnunikationsstrekken innerhalb bzw. zwischen Ballungsgebieten unter den hierfiir von den Nutzem verlangten Preisen, 'während sie umgekehrt bei Strecken mit geringer Auslastung in dünn besiedelten oder strukturschwachen Gebieten darüber liegen. Die höheren Aufwendungen fiir die Bereitstellung von Telekornrnunikationsdienstleistungen in solchen benachteiligten Gebieten sind auf höhere Netzausbaukosten und fehlende Größenvorteile zurückzuruhren. Solche Vorteile entstehen in dicht besiedelten Gebieten aufgrund des sog. Nachbarschaftseffekts im Netz. Demnach sinken die Kosten des Anschlusses eines Teilnehmers, wenn viele Teilnehmer Nachbarn sind, weil dies die Nutzung gemeinsamer Kabelschächte ermöglicht. Außerdem steigen die Kosten unterproportional gegenüber einer durch die hohe Zahl der Teilnehmer bedingten intensiveren Nutzung der Telekornrnunikationsübertragungssysteme, weil vorhandene Kapazitäten besser ausgeschöpft werden. 84 Hingegen verliert das Merkmal "Entfernung", d. h. die räumliche Distanz, über die die Nachrichten übermittelt werden, durch Digitalisierung der Übertragung an Bedeutung, zumal bei drahtlosen Telekornrnunikationswegen. 85 Zum Verhältnis von Art. 87 f Abs. I GG und Art. 72 Abs. 2 GG vgl. S. 260, 337 f. Vgl. P. Müller, Telekommunikation, S. 83. Zur Tarifgleichheit und Tarifungleichheit im Raum K. Oettle, ZögU 1996, Beiheft 19, S. 80 (90 ff.); zu den Defiziten einer formalen Tarifeinheit im Raum E. Witte, ZögU 1997,435 (437 f.). 84 Allerdings erhöhen sich in Zeiten großer Nachfrage wegen Kapazitätsengpässen die Kosten. Entsprechend höhere Preise sind (weiterhin) mit gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben vereinbar, sofern sie wirtschaftlich gerechtfertigt sind und den harmonisierten Tarifgrundsätzen nicht zuwiderlaufen, vgl. Art. 2 Abs. 8 Richtlinie 90/387/EWG i. V. m. Anhang I Nr. 3 in der durch Art. 1 Nr. 2, 4, 10 und 11 Richtlinie 97/51 lEG geänderten Fassung; s. aber auch Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 98/10/EG (dazu unten S. 181 f.). Zum wirtschaftswissenschaftlichen Hintergrund der Kostenstruktur in der Telekommunikation P. Müller, Telekommunikation, S. 62 ff. Zu den Möglichkeiten eines Einsatzes von Funktechnologie in ländlichen Gebieten, s. die Monopolkommission, Sondergutachten Telekommunikation, S. 27. 85 Vgl. zu dieser Veränderung der Kostenstruktur das GTÜnbuch Telekommunikationsdienstleistungen, BT-Drs. 11/930, S. 29. 82 83
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3. Kap.: Determinanten der Universaldienstgewährleistung
Die Funktionsfahigkeit einer Tarifeinheit im Raum setzt demnach voraus, daß die Anbieter daraus entstehende wirtschaftliche Nachteile kompensieren können, weil sonst raumeinheitliche Tarife auf Dauer nicht aufrechterhalten werden können. Der DefIzitausgleich erfolgte bis zur Postreform I ausschließlich über eine Quersubventionierung, die durch das umfassende Fernmeldemonopol der Deutschen Bundespost ermöglicht wurde. Diese Form der Finanzierung ist aber nach Beseitigung sämtlicher ausschließlichen Rechte in der Telekommunikation nicht mehr zulässig. Das verfassungsrechtliche Ziel einer Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse bleibt indes bestehen und wird zusätzlich durch Art. 87 f Abs. 1 GG gestützt. Würden die Preise fiir Telekommunikationsdienstleistungen insb. im umsatzstärksten Bereich des Sprachtelefondienstes 86 im freien Wettbewerb allein nach marktwirtschaftlichen Kriterien von den Anbietern bestimmt, könnte dies neben einer allgemeinen zeit- und entfernungsabhängigen Tarifstaffelung ein regional unterschiedliches Preisniveau nach sich ziehen. Die Vermeidung eines solchen sozial-, wirtschafts- und raumordnungspolitisch unerwünschten Gefalles ist aber gerade eines der Ziele des Art. 87 f Abs. 1 GG. Die Tatbestandsmerkmale "angemessen" und "flächendeckend" vermitteln insoweit einen Mindestschutz der Nutzer,87 Nachteile fiir die Anbieter sind durch entsprechende Finanzierungsmodelle zu kom. 88 pensleren. Zur Realisierung dieses (Schutz)Konzepts einer (zumindest annähernd) flächengleichen Versorgung bedarf es wegen der in Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG verankerten Grundentscheidung fiir eine Privatisierung und Liberalisierung der Telekommunikation89 veränderter Sicherungsmechanismen. Außerdem läßt die verfassungsrechtlich garantierte Privatwirtschaftlichkeit der Leistungserbringung eine dauerhaft gesetzlich vorgeschriebene, starre, sämtliche Telekommunikationsdienstleistungen umfassende Tarifeinheit im Raum nicht zu. Das Verfassungsgebot aus Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG ist auch bei der Umsetzung der Universaldienstgewährleistung nach Art. 87 f Abs. 1 GG zu beachten, die potentiell konfligierenden Ziele sind dabei vom Gesetzgeber angemessen auszu-
86 So erwirtschaftete beispielsweise die Deutsche Telekom AG im Geschäftsjahr 1995 75 % ihres Gesamtumsatzes in Höhe von 66, I Mrd. DM (unter Einschluß der MwSt) im Telefondienst Inland, vgl. den Geschäftsbericht 1995, S. 14 f. 87 Zu den Wechselwirkungen zwischen diesen Elementen des Universaldienstes unter dem Gesichtspunkt einer flächengleichen Versorgung unten S. 271. 88 Diese Vorgabe ist zwar in Art. 87 f Abs. I GG nicht ausdrücklich hervorgehoben, aber stillschweigend vorausgesetzt. Sie ergibt sich im übrigen auch aus Art. 87 f Abs. 2 Satz I GG i. V. m. den Gewährleistungen des Rechtsstaats- und Sozialstaatsprinzips. Die Ausgestaltung der Modalitäten der Ausgleichsleistung und ihrer Finanzierung obliegt in den verfassungsrechtlichen Grenzen der Gestaltungsfreiheit des Normgebers. Einzelheiten dazu unten S. 471 ff. 89 Näher dazu unten S. 208 ff., 219 ff.
B. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen
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gleichen. Konsequenz hiervon ist, daß auf einfachgesetzlicher Ebene die vordem durch Monopole und Quersubventionierung abgestützte Tarifeinheit im Raum durch neuartige Regulierungsmodelle substituiert worden ist. Während § 2 Abs. 2 Nr. 2 PTRegG noch die Beachtung der Tarifeinheit im Raum für Monopol- und Pflichtleistungen als allgemeines Regulierungsziel festlegte, sehen § 17 Abs. 2 TKG i. V. m. § 2 Abs. 1 TUDLV jetzt nur noch für den Sprachtelefondienst eine Höchstpreisbegrenzung vor. 90 Im übrigen orientiert sich der Preis für Universaldienstleistungen grds. an den Kosten der effIzienten Leistungsbereitstellung. 91 Das Modell einer durch staatliche Monopolunternehmen gewährleisteten Tarifeinheit im Raum ist überholt. IV. Die gesellschaftlichen Bedürfnisse Der Ausbau der Telekommunikationsinfrastruktur und die zunehmende Verbreitung von Telekommunikationsdienstleistungen fördern den Übergang von der Industrie- zur Informationsgesellschaft und werden umgekehrt durch ihn gefordert. 92 Kennzeichnend für diese Gesellschaftsform ist, daß wesentliche Teile des Bruttosozialprodukts auf dem Informationssektor, d. h. durch den Umgang mit Informationen jeglicher Art erzeugt werden. Information, also der an einen anderen adressierte Sachverhalt, der geeignet ist, sein Verhalten oder seinen Zustand zu beeinflussen,93 wird zum Wirtschaftsgut, ihre Hervorbringung, Verarbeitung und Verbreitung ist ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor, der immer stärker an die Stelle der bislang üblichen Produktions formen tritt. 94 Nach vorliegenden Schätzungen werden im Jahr 2000 60 % aller Arbeitsplätze in der EU weitgehend von Telematik-Technologien abhängen. 95 Diese Entwicklung verändert nicht nur die Zahl, sondern auch die Struktur der Arbeitsplätze (z. B. Heimarbeit) und die für ihre Ausübung notwendige Ausbildung (z. B. Computerkenntnisse). Das hat Vorteile (z. B. weniger Verkehrsaufkommen und Umweltverschmutzung durch Arbeit am Heimcomputer), birgt aber auch Risiken, zumal mit Blick auf Datenschutz, Urheberrechte und Jugendschutz. 90 Bis zum 31.12.1997 fand der Grundsatz einer Tarifeinheit im Raum gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2, § 4 Abs. 2 Satz I PTRegG, § 97 Abs. 3 Satz I TKG noch bei der Entgeltregulierung in bezug auf den Sprachtelefondienst Anwendung. 91 Vgl. § 17 Abs. 2 TKG i. V. m. § 2 Abs. 2 TUDLV; näher dazu unten S. 456 ff. 92 Zu dieser Wechselbeziehung R. Schalz/J. Aulehner, ArchPT 1993,221 (230). 93 Anders als dieser wirtschaftlich gefärbte Informationsbegriff stellt die telekommunikationsrechtliche Interpretation (dazu oben S. 84 f.) weniger auf das Element der (Willens)Beeinflussung als auf das der (Sachverhalts)Mitteilung ab, ohne daß dadurch in der Sache eine Begriffsspaltung eintritt. 94 Eingehend zur Informationsgesellschaft und ihren Problemen aus öffentlichrechtlicher Sicht F. Schach, VVDStRL 57 (\ 998), 158 (\60 ff.). 95 Vgl. das Grünbuch Telekommunikationsdienstleistungen, BT-Drs. 11/930, S. 40.
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3. Kap.: Detenninanten der Universaldienstgewährleistung
An dieser Stelle tritt die individuumsbezogene Dimension der Informationsgesellschaft zutage, die die ökonomische Komponente ergänzt. Infolge wachsender Informationsabhängigkeit von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft wird der Zugang zu und der Besitz von Information zu einer elementaren Voraussetzung rur die Entfaltung des einzelnen, insb. rur die Inanspruchnahme grundrechtlicher Gewährleistungen. Der Staat kann insoweit nicht passiv abseits stehen, sondern muß wegen seiner grundrechtlichen Schutzpflichten und seiner rechtsstaatlichen, sozialstaatlichen und demokratischen Verantwortung eine ausreichende, gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Informationen sichern und fördern. 96 In diesem Prozeß kommt der staatlichen Gewährleistung eines Universaldienstes im Bereich der Telekommunikation die Aufgabe zu, jeder natürlichen oder juristischen Person unabhängig von ihrem Wohn- oder Geschäftsort den Zugang zu einem Mindestangebot an Telekommunikationsdienstleistungen, die rur den Informationszugriff unabdingbar sind, zu einem erschwinglichen Preis zu ermöglichen. Ob Art. 87 f Abs. 1 GG über diese Grundversorgung hinaus auch raumordnungspolitische97 sowie sozial-, erziehungs- und bildungspolitische Bedeutungsgehalte (z. B. preisgünstige Telekommunikationsdienstleistungen rur Schulen, Universitäten und Bibliotheken sowie rur ältere, behinderte oder sozial schwache Personen)98 besitzt oder sich jedenfalls durch einfachgesetzliche Ausformung in diese Richtung aktivieren läßt, ist eine der zentralen Fragen des Rechtsinstituts "Universaldienstgewährleistung".99
96 Zu den staatlichen Aufgaben gehört insb. die Verhinderung des Entstehens einer "Zweischichten-Infonnationsgesellschaft"; vgl. dazu und zu weiteren Gefahren, beispielsweise durch einen Informationsüberfluß, das GTÜnbuch Telekommunikationsinfrastruktur, Teil 2, BR-Drs. 10 I /95, S. 86. 97 In diese Richtung ging die Stellungnahme des Bundesrates zum PTNeuOG-E, wonach insb. aus raumordnerischen Gründen die Zielvorstellung eines flächendeckenden, modemen und preisgünstigen Angebots von Dienstleistungen der Telekommunikation und des Postwesens in § 2 Abs. 2 Nr. I PTRegG durch das Wort "bürgernah" ergänzt werden sollte, vgl. BT-Drs. 1217270, S. 13; a. A. die Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 12/7270, S. 29, mit dem Hinweis, daß dies nicht der vorgesehenen Formulierung des Art. 87 f Abs. I GG entspreche. Zur Verankerung raumplanerischer Ziele im TKG unten S. 411 f. 98 Diese Komponente eines Universaldienstes hat in den USA durch den Telecommunications Act of 1996 erhebliches Gewicht erhalten, vgl. unten S. 538 ff.; auch auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene gewinnt diese Zielsetzung zunehmend an Bedeutung, vgl. unten S. 169, 172. 99 S. im einzelnen unten S. 260 ff., 303 f., 414 f.
C. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben
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C. Die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben
im Bereich der Telekommunikation Die tatsächliche Situation der Telekommunikation und ihre künftige Entwicklung werden durch gemeinschafts- und verfassungsrechtliche Ordnungsmodelle eingebunden und gesteuert. Die darauf gerichteten Überlegungen konzentrieren sich zunächst auf die Vorgaben der Europäischen Union, da ihnen auch gegenüber den Regelungen des nationalen Verfassungsrechts ein Anwendungsvorrang zukommt, sofern sie sich aus verbindlichen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts ergeben und sich in den insoweit zu beachtenden verfassungsrechtlichen Grenzen halten, insb. den nunmehr in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 und 3 GG fixierten Anforderungen der verfassungsrechtlichen Integrationsermächtigung genügen. 100 I. Grundzüge des europäischen Telekommunikationsrechts Die EU besitzt keine autonome, unbegrenzte Handlungskompetenz, sondern darf nur nach Maßgabe der geltenden Fassung der Gründungsverträge lOl entsprechend der darin enthaltenen Bedingungen, Ziele und Zeitfolge handeln. Ihre Rechtsetzungsorgane können nicht wie Legislativorgane eines Staates aufgrund umfassender Verbands- und Organkompetenz grundsätzlich jede Materie regeln und die Regelungsform eigenverantwortlich wählen; sie bedürfen hierfür vielmehr einer in den Verträgen enthaltenen Kompetenzzuweisung. Außerdem müssen sie die jeweils vorgeschriebene Form des Rechtsaktes verwenden, es sei denn, primäres Gemeinschaftsrecht stellt ihnen insoweit die Wahl frei. Dieses sog. Prinzip der begrenzten Einzeiermächtigung l02 ist seit jeher ein grundlegendes Element der Gemeinschaftsrechtsordnung gewesen. Dies wird durch Art. 5 Abs. I EGV n. F. (Art. 3 b Abs. 1 EGV a. F.) bekräftigt,103 Danach darf die Gemeinschaft nur innerhalb der im EGV gesetzten Ziele und zugewiesenen Befugnisse tätig werden. Diese sind grds. in den Verträgen enumerativ aufgezählt, 104 100
Vgl. schon oben S. 71 mit Fußn. 165.
101 Der EGV ist durch den Vertrag von Amsterdam (BGBI 199811, S. 386) neu gefaßt worden, was u. a. zu einer neuen Numerierung geflihrt hat. Diese Fassung wird nachfolgend als EGV n. F., die vorgängige Fassung als EGV a. F. bezeichnet. 102 So unter Bezugnahme auf TOppermann, Europarecht, Rdnm. 432 und 433 BVerfGE 89,155 (192 f.); 92, 203 (240); s. auch H. D. Jarass, AöR 121 (1996), 173 (174 f.) m. w. N. zur Terminologie unter Fußn. I. 103 BVerfGE 89,155 (192 f.). 104 Gemeinschaftskompetenzen können sich daneben aufgrund der subsidiären Generalermächtigung des Art. 308 EGV n. F. (Art. 235 EGVa. F.) oder aus ungeschriebenem Recht nach der Lehre von den "implied powers" ergeben, vgl. E. Varadinek, Er-
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3. Kap.: Detenninanten der Universaldienstgewährleistung
Grundlage der vor allem durch Sekundärrecht geformten Vorgaben der Union für den Bereich der Telekommunikation ist daher eine entsprechende vertragliche Verbandskompetenz. Allerdings sind die einschlägigen primärrechtlichen Bestimmungen im Gegensatz zu den Gesetzgebungskompetenzen des Grundgesetzes nicht sachgebietsbezogen, sondern vorrangig fmal bzw. funktional ausgerichtet.'os Der Untersuchungsgegenstand "Telekommunikation" ist im Gemeinschaftsrecht nicht als ein gesondertes Sachgebiet ausgewiesen, sondern bildet nur einen Ausschnitt bei der Verwirklichung des vor allem auf Art. 2,3 lit. c, g, h, j und m, Art. 14, 154, 155 EGV n. F. (Art. 2, 3 lit. c, g, h, j und m, Art. 7 a, 129 b und c EGV a. F.) gestützten Zieles einer technisch fortgeschrittenen Informationsgesellschaft in einem Binnenmarkt mit offener Marktwirtschaft und freiem Wettbewerb. Gleichwohl hat sich ein eigenständiger, abgrenzbarer sekundärrechtlicher Ordnungsrahmen für die Telekommunikation herausgebildet. Rundfunk, rundfunkähnliche Dienste (z. B. Teleshopping) und das Postwesen bleiben ausgegrenzt. '06 Sie sind Gegenstand eigenständiger ordnungspolitischer Vorstellungen und Initiativen der Union. 107 Ursächlich für diese getrennte Entwicklung sind die unterschiedlichen rechtlichen, wirtschaftlichen, technischen und sozialen Bedingungen in diesen Bereichen in den · 1·le dstaaten. 108 M Itg
messen und gerichtliche NachpTÜfbarkeit im französischen und deutschen Verwaltungsrecht und im Recht der Europäischen Gemeinschaft, S. 203; auch W Kahl, NVwZ 1996, 865 (867 f.); H. D. Jarass, AöR 121 (1996), 173 (176 ff.), ebda, S. 178 ff., auch zu Abschwächungen dieses Prinzips; krit. zu darauf gestützten Kompetenzerweiterungen F. Schoch, JZ 1995, 109 (116) m. w. N. 105 H. D. Jarass, AöR 121 (1996), 173 (178); krit. F. Schoch, JZ 1995, 109 (115 f.): "strukturelle Inkompatibilität". 106 Die Ausgrenzung von Rundfunk und Fernsehen kommt insb. in der Definition des Telekommunikationsdienstes zum Ausdruck, vgl. nur Art. 2 Abs. I Iit. d Richtlinie 97/33/EG; s. auch die Neufassung des Art. I Abs. I Richtlinie 90/388/EWG durch Art. 2 Nr. I Iit. a iii Richtlinie 94/46/EG, der zwischenzeitlich durch Art. I Nr. I lit. a i Richtlinie 96/19/EG erneut geändert wurde, und den durch Art. I Nr. I nach Iit. b Richtlinie 95/511EG angefligten Vorbehalt des Art. I Abs. I Richtlinie 90/388/EWG. Beim Postwesen ist die Gefahr von Überschneidungen geringer, so daß von einer ausdrücklichen Abgrenzung abgesehen wurde. 107 Vgl. zur Entwicklung der Postdienste die Entschließung des Rates 94/C 48/02 über die Entwicklung der Postdienste in der Gemeinschaft vom 07.02.1994 und die Richtlinie 97/67/EG vom 15.12.1997 (sog. Postdiensterichtline); zum Rundfunk und Fernsehen vgl. die Richtlinie 89/552/EWG (dazu: BVerfGE 92, 203 ff.; P. Lerche, AfP 1995, 632), geändert durch Richtlinie 97/36/EG; zum Digitalfernsehen s. die Entschließung des Rates 94/C 181/02 zu einem Orientierungsrahmen flir die Gemeinschaftspolitik im Bereich des Digitalfernsehens vom 27.06.1994 sowie K. Schrape, Digitales Fernsehen, passim. 108 In bezug auf das Postwesen ergreift die Gemeinschaft neuerdings strukturell vergleichbare Maßnahmen wie zuvor in der Telekommunikation. Hervorzuheben ist beispielsweise die schrittweise Aufhebung ausschließlicher und besonderer Rechte, die Gewährleistung eines einheitlichen gemeinschaftsweiten Universaldienstes und die Har-
C. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben
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Eine Sonderstellung nehmen Multirnediadienste ein. Sie sind einerseits Gegenstand spezieller Initiativen der Gemeinschaft,109 andererseits bestehen Bestrebungen, Teile dieser Dienste in den Geltungsrahmen der Fernsehrichtlinie einzubeziehen, andere explizit auszugrenzen. 110 Außerdem gehören die ror ihre Verbreitung notwendige Vorhaltung von Übertragungskapazitäten und der Zugang zu Übertragungswegen zum Bereich der Telekommunikation. Insoweit sind telekommunikationsbezogene Regelungen der EU (mittelbar) auch tUr die Bereitstellung multimedialer Dienste relevant. Dieser kurze Überblick macht deutlich, daß die sekundärrechtlichen Bestimmungen unterschiedliche Ansatzpunkte tUr die Regelung der Telekommunikation wählen. Das tUhrt nicht zu Kompetenzüberdehnungen, sofern sich die Rechtsakte in den freilich Iecht weit gezogenen Grenzen der im EGV vorgesehenen Ermächtigungen halten. 111 Aus verfassungsrechtlicher Sicht muß der Bund auf die Einhaltung dieser Grenzen achten. Dies gilt auch in den Fällen, in denen das Grundgesetz die Regelung des von der Gemeinschaft beanspruchten Gegenstandes innerstaatlich dem Landesgesetzgeber vorbehält. Der Bund handelt insoweit als Sachwalter der Länder. Aus dieser Verantwortlichkeit entstehen prozedurale Pflichten zu bundesstaatlicher Zusammenarbeit und Rücksichtnahme, die es den Ländern ermöglichen, ihre ordnungspolitischen Vorstellungen einzubringen. 112 Ein Unterlaufen der innerstaatlichen Kompetenzverteilung durch Handeln von Gemeinschaftsorganen soll so verhindert werden.
11. Systematisierung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben für die Telekommunikation Das heute bestehende dichte Netz europarechtlicher Vorgaben ist, ausgehend von ersten zaghaften Ansätzen zu Beginn der tUnfziger Jahre, 113 in mehreren integrationspolitischen Schritten entstanden, die seit Mitte der achtziger
monisierung der Tarifierungsgrundsätze, vgl. Art. 1, 3 ff., 7 f., 12 ff. Richtlinie 97/67/EG. 109 S. dazu nur das Grünbuch Telekommunikationsinfrastruktur, Teil 2, BR-Drs. 101/95, S. 151 ff. m. w. N. 110 So werden etwa Kommunikationsdienste, die auf individuellen Abruf Informationen oder andere Inhalte übermitteln, durch Art. I lit. a Satz 3 Richtlinie 89/552/EWG ausgegrenzt, während Teleshopping durch den gemäß Art. 1 Nr. 1 lit. d Richtlinie 97/36/EG eingefügten Art. 1 lit. f Richtlinie 89/552/EWG in den Geltungsbereich der Femsehrichtlinie einbezogen worden ist. 111 Zum Problem der Kompetenzausdehnung aufgrund der offenen, finalen Struktur der Ermächtigungsnormen F. Schach, JZ 1995, 109 (114 ff.). II! BVerfGE 92, 203 (230 ff.). 113 Dazu im einzelnen T.-s. Kluth, Telekommunikation, S. 59 f.
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3. Kap.: Determinanten der Universaldienstgewährleistung
Jahre deutlich an Dynamik gewonnen haben. \14 Der so entstandene ordnungspolitische Rahmen der EU fiir den Bereich der Telekommunikation setzt sich aus einer Vielzahl von Rechtsakten unterschiedlichen Ranges und unterschiedlicher Geltungskraft zusammen. 11S Zu ihrer Einordnung ist nicht primär auf die Rangordnung der Rechtsquellen, sondern auf die ordnungspolitischen Ziele (dazu unten 1) und die Regelungsgegenstände (dazu unten 2) abzustellen. Aus verfahrensrechtlicher Perspektive sind bei Entwicklung und Umsetzung europäischer Telekommunikationspolitik gewisse wiederkehrende Regelabläufe zu beobachten (dazu unten 3). 1. Einteilung an hand der ordnungspolitischen Ziele
Die rechtliche Entwicklung der Telekommunikation wird von den Organen der Gemeinschaft vor allem durch verbindliches Sekundärrecht in Form von Richtlinien gesteuert. 116 Die in ihnen zum Ausdruck kommenden ordnungspolitischen Ziele bilden wegen der durch den Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung gebotenen Rückkopplung zu den überwiegend fmal aufgebauten Kompetenzzuweisungen des Primärrechts das maßgebliche Kriterium fiir eine Zuordnung dieser Rechtsakte zu den Grundlinien europäischer Telekommuni114 Vgl. zu den einzelnen Phasen der EU-Telekommunikationspolitik T.-s. Kluth, Telekommunikation, S. 59 ff., ebda, S. 73 ff., auch zur beschleunigten Verwirklichung der Integration auf diesem Gebiet. Zur Situation der Telekommunikation in den Mitgliedstaaten Mitte der achtziger Jahre unten S. 139 ff. Zu den jüngsten Schritten zur Schaffung der Rahmenbedingungen für einen liberalisierten Telekommunikationsmarkt in Europa ab 01.01.1998 K.-D. Ordemann, ArchPT 1997, 109 ff. Zur Notwendigkeit gemeinschaftsrechtlichen HandeIns und zu seiner Umsetzung H. Ungerer, in: Scherer (Hrsg.), Nationale und europäische Perspektiven der Telekommunikation, S. 18 (22 ff.); krit. zur Regelungsdichte des Gemeinschaftsrechts B. Molitor, in: Festschrift für U. Everling, Bd. I, S. 875 ff. Zum Konfliktpotential zwischen europäischer und nationaler Telekommunikationspolitik K.-H. Neumann, in: Scherer (Hrsg.), a. a. 0., S. 30 ff. 115 Wesentliche verfahrens- und materiellrechtliche Grundlagen des Primärrechts sind neben den oben S. 134 aufgeführten Bestimmungen insb. Art. 15, 16,28,30 f., 46, 47,49,81 f., 86, 95 und 249 EGV n. F. (Art. 7 c und d, Art. 30, 36 f., 56, 57, 59, 85 f., 90, 100 a und 189 b EGV a. F.), vgl. R. Schulte-Braucks, in: Scherer (Hrsg.), Nationale und europäische Perspektiven der Kommunikation, S. 82 ff.; Grünbuch Telekommunikationsdienstleistungen, BT-Drs. 11/930, S. 99 f. Auf der Ebene des Sekundärrechts können ausgehend von Art. 249 EGV n. F. (Art. 189 EGV a. F.) folgende im Bereich der Telekommunikation verbreitet auftretende Handlungsformen unterschieden werden: Richtlinien, Empfehlungen und Stellungnahmen, Beschlüsse, Entschließungen und Erklärungen. Zu der an ihrer Verbindlichkeit ausgerichteten Rangfolge T. Oppermann, Europarecht, Rdnm. 455 ff.; R. Streinz, Europarecht, Rdnm. 375 f., 384 ff. Zu den verschiedenen Grünbüchern der Kommission R. Schulte-Braucks, in: Scherer (Hrsg.), Telekommunikation und Wirtschaftsrecht, S. 1 ff. 116 Vgl. insb. die Endgeräterichtlinie, die ONP-Richtlinie, die Diensterichtlinie, die Sprachtelefondienstrichtlinie, die Genehmigungsrichtlinie und die Zusammenschaltungsrichtlinie.
C. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben
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kationspolitik. Dabei sind gewisse Überschneidungen unvermeidbar. Denn die Zielsetzungen des Primärrechts sind miteinander verwoben und ergeben häufig erst durch ihr Zusammenwirken die Grundlage fiir eine sekundärrechtliche Maßnahme. 117 Hauptziele der Gemeinschaft sind die Förderung und Sicherung eines offenen, fairen, nichtdiskriminierenden, transparenten Wettbewerbs .auf sämtlichen Märkten der Telekommunikation,118 die Harmonisierung der ihnen zugrunde liegenden technischen und rechtlichen Bedingungen 1l9 sowie die Sicherung einer Mindestversorgung der Nutzer in Gestalt eines einheitlichen Universaldienstes in den Mitgliedstaaten. 120
2. Einteilung anhand der Regelungsgegenstände Die EU hat je unterschiedliche Regelungen für Telekommunikationsendeinrichtungen, Telekommunikationsnetze und Telekommunikationsdienste erlassen. Bei letzteren ist weitergehend zwischen Funkrufdienst, Mobilfunkdienst, Satellitenfunkdienst, paketverrnittelten Datendienst und Sprachtelefondienst differenziert worden. 121 Ausschlaggebend für diese getrennte Entwicklung waren rechtliche und tatsächliche Gründe. Das Primärrecht enthält fiir Einfuhr und Verkauf von Telekommunikationsendeinrichtungen andere Vorgaben als fiir die Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen (Warenverkehrsfreiheit, Art. 28 EGV n. F. [Art. 30 EGV a. F.]; Dienstleistungsfreiheit, Art. 49 EGV n. F. [Art. 59 EGV a. F.]). Außerdem sind einige Dienste, wie z. B. der Satellitenfunk, wegen ihrer grenzüberschreitenden Natur besonderen internationalen Bindungen unterworfen, andere Dienste, wie z. B. der Sprachtelefondienst, weisen wegen ihrer Bedeutung fiir die Nutzer einen erhöhten Gemeinwohlbezug auf. In faktischer Hinsicht differieren der Stand der technischen Entwicklung und das Ausmaß der Verbreitung der einzelnen Dienste. Die Gemeinschaft hat sich daher zu einer schrittweisen Verwirklichung übergreifender Regelungsziele (z. B. Liberalisierung) und -mechanismen (z. B. Anwendung von ONP-Bedingungen) entschlossen. Die Unterschiede, die sich daraus erge-
117 Dies wird insb. bei der Harmonisierung der Regelungen der Mitgliedstaaten auf der Grundlage von ONP-Bedingungen deutlich, vgl. dazu unten S. 163 f. 118 Einzelheiten unten S. 142 f., 147 ff. 119 Dazu unten S. 143 f., 163 ff. 120 Vgl. unten S. 144 ff., 168 ff. 121 S. zu europaweiten terrestrischen öffentlichen Funkrufdiensten die Empfehlung des Rates 90/543/EWG und die Richtlinie 90/544/EWG; zum öffentlichen zellularen digitalen terrestrischen Mobilfunkdienst vgl. die Empfehlung des Rates 87/371/EWG und die Richtlinien 87/372/EWG und 96/2/EG; zum Satellitenfunkdienst s. die Entschließung des Rates 92/C 8/01 und die Richtlinien 93/97/EWG und 94/46/EG; zu paketvermittelten Datendiensten vgl. die Empfehlung des Rates 92/382/EWG; zum Sprachtelefondienst s. die Richtlinie 98/IO/EG.
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3. Kap.: Detenninanten der Universaldienstgewährleistung
ben, werden allerdings zusehends dadurch nivelliert, daß weitere Regelungsgegenstände etappenweise in den Ordnungsrahmen einbezogen und an den ihn prägenden Vorstellungen ausgerichtet werden. 122 3. Einteilung an hand der Vorgehensweise
Nicht nur die ordnungspolitischen Zielsetzungen in bezug auf die unterschiedlichen Regelungsgegenstände, sondern auch die Methode ihrer Umsetzung weist Gemeinsamkeiten auf. Daraus ergeben sich Anhaltspunkte, die insb. für die Zuordnung unverbindlicher Rechtsakte bedeutsam sind. Am Anfang des Vorgehens der Gemeinschaft stehen i. d. R. sog. Grünbücher. 123 Sie untersuchen und beschreiben die ordnungspolitischen Bedingungen und Möglichkeiten in dem jeweiligen Bereich und stellen nach Beteiligung der betroffenen Kreise einen oder mehrere Lösungsvorschläge als Entscheidungsgrundlage zur Diskussion. Hierüber treffen die zuständigen Organe der Gemeinschaft die erforderlichen ordnungspolitischen Entscheidungen nebst dem zu ihrer Implementierung vorgesehenen Zeitplan. Diese Vorgaben werden dann regelmäßig in die Form von Richtlinien gegossen. Sie sind für die Mitgliedstaaten verbindlich und müssen von diesen in dem dort festgelegten Zeitraum umgesetzt werden. IU. Die ordnungspolitischen Schritte im Bereich der Telekommunikation Ähnlich wie auf nationaler Ebene 124 werden auch die zentralen Aussagen des Gemeinschaftsrechts und die Verbindungslinien zwischen ihnen erst deutlich, wenn man ausgehend von der Situation der Telekommunikation in der Gemeinschaft Mitte der achtziger Jahre 125 (dazu 1) die in der Folgezeit entwikkelten ordnungspolitischen Ziele (dazu 2) und die zu ihrer Umsetzung ergriffenen Maßnahmen (dazu 3) betrachtet. 122 Exemplarisch hierftir ist das ONP-Konzept, das zunächst in der Richtlinie 90/387/EWG verankert worden ist, und nachfolgend zur Grundlage der Hannonisierung der Bedingungen ftir die Bereitstellung öffentlicher Telekommunikationsdienste und -netze in einern zunehmend liberalisierten Umfeld erhoben wurde, vgl. unten S. 163 f. 123 Vgl. das Grünbuch Telekommunikationsdienstleistungen, BT-Drs. 11/930; dazu 1. Scherer, CR 1987, 743 ff.; R. Schulte-Braucks, in: Scherer (Hrsg.), Telekommunikation und Wirtschaftsrecht, S. I ff.; das Grünbuch Telekommunikationsinfrastruktur, Teil I, BR-Drs. 1075/94, und Teil 2, BR-Drs. 101/95; das Grünbuch Satellitenkommunikation (KOM [90] 490 endg.) vorn 28.11.1990 und das Grünbuch Mobilfunk und Personal Communications (KOM [94] 492 endg.) vorn 27.04.1994; s. auch unten S. 168 f. 124 Dazu schon oben S. 59 ff. sowie unten S. 388 ff., 409 ff. 125 Dieser Zeitpunkt bietet sich als Vergleichsparameter an, da die Telekommunikationspolitik der Gemeinschaft bis dahin in relativ ruhigen Bahnen dahinfloß und erst in der Folgezeit erheblich an Dynamik gewonnen hat und zum Schrittmacher der Neuordnung der Telekommunikation durch die Mitgliedstaaten geworden ist.
C. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben
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1. Die rechtliche und tatsächliche Situation der Telekommunikation in der Gemeinschaft Mitte der achtziger Jahre als Ausgangspunkt
a) Umfassende staatliche Fernmeldemonopole In nahezu allen Mitgliedstaaten besaß der Staat Mitte der achtziger Jahre ein Endgeräte, Netze und Dienste der Teiekominunikation umfassendes Fernmeldemonopol, 126 das er nach seinem Ermessen durch Gewährung ausschließlicher oder besonderer Rechte 127 auf eine oder mehrere nationale Fernmeldeorganisationen 128 übertragen hatte. Diese waren ausschließlich zuständig rur die Errichtung, den Betrieb und die Nutzung der Fernmeldenetze, fiir das Angebot und die Erbringung der Fernmeldedienste sowie rur die Bereitstellung von Endgeräten rur die Benutzer zum Anschluß an das Netz einschließlich ihrer Einrichtung
126 Eine Sonderrolle nimmt insoweit Großbritannien ein. Die auf dem Post Office Act von 1969 beruhende MonopolsteIlung des Post Office wurde aufgrund des British Telecommunications Act von 1981 verändert und eingeschränkt, indem die Aufgaben des Post Office auf dem Gebiet des Fernmeldewesens auf das neue öffentliche Unternehmen British Telecommunications übertragen und Lizenzen zum Betrieb von Fernmeldeanlagen an Dritte vergeben wurden (z. B. im Jahre 1982 an Mercury Communications Limited). Durch den Telecommunications Act von 1984 (dazu C. D. Long, in: ders. [Hrsg.], Telecommunications Law and Practice, Tz. 3-01 ff.) wurde British Telecommunications in eine privatrechtliche Aktiengesellschaft umgewandelt, die sich seit 1991 BT nennt, und an der die britische Regierung jetzt nur noch einen Anteil von ca. 21 % hält. Das Unternehmen verlor zudem seine rechtliche Sonderstellung, mit Ausnahme der Basis-Telekommunikationsdienste (basic conveyance) über Festverbindungen (z. B. Fernsprech- und Telexdienst), die bis November 1990 den bereits bestehenden Netzbetreibern British Telecom und Mercury vorbehalten worden sind (vgl. J. Scherer, Datenverarbeitung, S. 108 ff.; T. Känigshofen, ArchPT 1992, 85 [86 f.]; zur neueren Entwicklung unter Berücksichtigung des Competition and Services [Utilities] Act von 1992, C. D. Long, a. a. 0., Tz. 3-25 ff.). 127 Zur Definition der ausschließlichen Rechte und der besonderen Rechte unten S. 147 f., 158 f. 128 Darunter waren gemäß Art. I Spiegel strich I Richtlinie 90/388/EWG staatliche oder private Einrichtungen einschließlich von ihnen kontrollierter Unternehmen zu verstehen, denen ein Mitgliedstaat besondere oder ausschließliche Rechte zur Bereitstellung von öffentlichen Telekommunikationsnetzen und ggfs. zur Erbringung von Telekommunikationsdiensten gewährt. Diese Bestimmung wurde aber vom EuGH für nichtig erklärt, soweit sie besondere Rechte regelte (Rs. C-271/90, C-281190 und C-289/90 [Spanien u. a.lKommission], Sig. 1992 I, S. 5833 [5869]). Die besonderen Rechte haben daraufhin durch Art. 2 Nr. I lit. a ii Richtlinie 94/46/EG eine mit primärem Gemeinschaftsrecht konforme Definition erhalten, vgl. dazu unten S. 159. Zunächst beschränkt auf Telekommunikationsendgeräte und den Zusammenhang mit ausschließlichen oder besonderen Rechten, dann mit fortschreitender Liberalisierung übergreifend, wird inzwischen der Begriff "Unternehmen" anstelle des Ausdrucks "Fernmeldeorganisationen" verwendet, vgl. Art. I Spiegel strich 2 Richtlinie 88/301/EWG, Art. I Nr. I lit. b, Art. 2 Nr. I lit. a i und ii Richtlinie 94/46/EG, Art. 2 Abs. I lit. a Richtlinie 97113/EG und Art. 2 Abs. I lit. f Richtlinie 97/33/EG.
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3. Kap.: Detenninanten der Universaldienstgewährleistung
und Wartung. 129 Ein fairer, chancengleicher Wettbewerb war angesichts der rechtlich abgesicherten, beherrschenden Stellung der Fernrneldeorganisationen auf dem jeweiligen nationalen Markt innerhalb und zwischen den Mitgliedstaaten ausgeschlossen. 130 Die Gewährung und Aufrechterhaltung ausschließlicher oder besonderer Rechte wurde gegenüber den restriktiven gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen, z. B. aus Art. 90 Abs. 1 i. V. m. Art. 30, 59, 86 EGV a. F. Uetzt: Art. 86 Abs. 1 i. V. m. Art. 28, 49,82 EGV n. F.), mit dem Argument zu rechtfertigen versucht, daß die (begünstigten) Unternehmen mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut seien und die Aufhebung dieser Rechte die Erfüllung dieser besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindern würde (vgl. dazu Art. 90 Abs. 2 Satz 1 EGV a. F. = Art. 86 Abs. 2 Satz 1 EGV n. F.).13I Ähnliche gemeinwohlfokussierte Begriindungsansätze wurden auch auf nationaler Ebene zur Verteidigung des Fernrneldemonopols der Deutschen Bundespost gegenüber den Gewährleistungen der Freiheitsgrundrechte, insb. aus Art. 12 Abs. 1 GG, herangezogen. 132 b) Keine Trennung zwischen hoheitlichen und betrieblichen Aufgaben Die Fernrneldeorganisationen waren in der Regel Teil der staatlichen Verwaltung, oder der Staat war Allein- oder Mehrheitseigentümer dieser Unter129 S. dazu die Begründungserwägungen I, 6 und 11 zu Richtlinie 88/30IlEWG, die Begründungserwägungen 2, 3 und 5 zu Richtlinie 90/388/EWG sowie unten S. 147 f. 130 Zu diesen und weiteren Folgen der ausschließlichen oder besonderen Rechte flir den Wettbewerb vgl. nur die Begründungserwägungen 4, 6 und 16 zu der Richtlinie 90/388/EWG. Zum Zusammenhang zwischen den diesen Unternehmen verliehenen ausschließlichen oder besonderen Rechten und einer beherrschenden Stellung auf dem gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben i. S. v. Art. 82 S. I i. V. m. Art. 86 Abs. 1 EGV n. F. (Art. 86 S. I i. V. m. Art. 90 Abs. I EGV a. F.) vgl. die Begründungserwägungen 14 bis 16 zu Richtlinie 90/388/EWG und die Entscheidungen des EuGH, Rs. C-18/88 (GB-INNO-BM), Slg. 1991 I, S. 5973 (5979), Tz. 17; Rs. C271190, C-281190 und C-289/90 (Spanien u. a./Kommission), Slg. 1992 I, S. 5833 (5868), Tz. 35. Allgemein zur Stellung der FernrneIdemonopole im Gemeinschaftsrecht Anfang der achtziger Jahre A. Pappalardo, in: Mestmäcker (Hrsg.), Kommunikation ohne Monopole I, S. 201 ff. 131 Vgl. in bezug auf das Endgerätemonopol die Begründungserwägung 11 zu Richtlinie 88/30IlEWG; in bezug auf das Netzmonopol und das Sprachtelefondienstmonopol die Begründungserwägung 18 zu Richtlinie 90/388/EWG; s. auch EuGH, Rs. C-18/88 (GB-INNO-BM), Slg. 1991 I, S. 5973 (5979 ff.), Tz. 16,22. 132 Zu diesen und anderen Rechtfertigungsgründen, insb. aus entstehungsgeschichtlicher Sicht, P. Badura, Das Verwaltungsmonopol, S. 204 ff.; s. auch G. Knieps, in: Windisch (Hrsg.), Privatisierung natürlicher Monopole im Bereich von Bahn, Post und Telekommunikation, S. 147 (171 ff.). Zur Verfassungs- und Zweckmäßigkeit der Tradierung des Fernmeldemonopols unten S. 221 ff. Zu seiner verfassungsrechtlichen Notwendigkeit vor der Privatisierung des Fernmeldewesens auch schon G. Herrmann, Fernsehen und Hörfunk in der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, S. 104 f.
C. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben
141
nehmen. Sie nahmen neben betrieblichen Aufgaben, wie beispielsweise der Bereitstellung der Telekommunikationsnetze, der Erbringung von Telekommunikationsdiensten und des Vertriebs von Telekommunikationsendeinrichtungen, auch hoheitliche Aufgaben, z. B. bei der Zuteilung von Frequenzen oder der Überwachung der Benutzungsbedingungen, wahr. 133 Die fehlende Funktionentrennung verstärkte ihre beherrschende Stellung und schloß auch nach Lockerung der rechtlichen Monopole einen Wettbewerb aus oder verfälschte ihn. c) Überhöhte Gebühren Die Monopole in den Mitgliedstaaten urnfaßten insb. solche Telekommunikationsdienste, auf die die Nutzer angewiesen waren, deren Bereitstellung für sie schlechthin unerläßlich war, wie beispielsweise den Sprachtelefondienst. Die Femrneldeorganisationen waren dadurch in der Lage, für diese Dienste Gebühren zu verlangen, die über den Kosten und den Preisen lagen, die in anderen Ländern mit weitgehend liberalisiertem Telekommunikationsmarkt (z. B. den USA) fur vergleichbare Leistungen in Rechnung gestellt wurden. Die verzerrte Gebührenstruktur wurde u. a. mit der Notwendigkeit einer Quersubventionierung begründet. Danach sei diese Form des Mitteltransfers erforderlich, damit andere Dienstleistungen der Telekommunikation und solche des Postwesens der Öffentlichkeit zu angemessenen, unter den tatsächlichen Kosten liegenden Preisen flächendeckend angeboten werden können. Daneben wurde der Grundsatz der Tarifeinheit im Raum angeführt. 134 Die überhöhten Gebühren gingen häufig einher mit einer wenig transparenten Rechnungslegung, aus der die Kosten flir die einzelnen Leistungsbestandteile nicht (eindeutig) ersichtlich waren.
2. Die ordnungspolitischen Ziele der Gemeinschaft Die technische und wirtschaftliche Entwicklung der Telekommunikation in den Mitgliedstaaten und die seit Mitte der achtziger Jahre intensivierten politischen Bestrebungen nach europäischer Integration führten zu einer wachsenden Einbindung und Lenkung des Telekommunikationsbereichs durch Regelungen der Gemeinschaft. Die in verbindlichen und unverbindlichen Rechtsakten zum Ausdruck kommenden Vorstellungen lassen sich drei grundlegenden Zielsetzungen zuordnen: Liberalisierung, Harmonisierung, Universaldienstgewährleistung. Dieser gegenüber dem Grundgesetz (Art. 87 f, 143 b) abweichende Steuerungsansatz der EU ist Folge der anders ausgerichteten Kompetenzzuwei133 Darauf wird in der Begründungserwägung 29 zu Richtlinie 90/388/EWO hingewiesen. 134 Eingehend dazu schon oben S. 128 ff.
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3. Kap.: Determinanten der Universaldienstgewährleistung
sungen des Primärrechts. 135 Während das Hauptaugenmerk in Deutschland zunächst auf die schrittweise Privatisierung der Deutschen Bundespost und ihrer Aufgaben gerichtet war,136 stand auf Gemeinschaftsebene der Abbau von Wettbewerbshindernissen und die Vereinheitlichung der Wettbewerbsbedingungen im Vordergrund. Bei der Ausgestaltung der Universaldienstgewährleistung schritten deutsche und europäische Telekommunikationspolitik anfanglich mit gleicher Stoß richtung, aber unterschiedlichem Tempo nebeneinander voran; in neuerer Zeit wird auch dieser Komplex zunehmend von Vorgaben der EU durchdrungen. 137 a) Liberalisierung Der Begriff "Liberalisierung" bezeichnet im nachfolgend gebrauchten Sinne über das enge, auf eine Beseitigung staatlicher Wettbewerbshindernisse und -hemmnisse gerichtete Verständnis hinaus jedes auf Herstellung, Förderung und Sicherung eines gemeinschaftsweiten, offenen, fairen, unverfälschten Wettbewerbs gerichtete Bestreben. Angesichts der Situation in den Mitgliedstaaten Mitte der achtziger Jahre war eine schrittweise Liberalisierung des Telekommunikationssektors zunächst vorrangiges Ziel der Gemeinschaft. Es sollten objektive, transparente, nichtdiskriminierende Rahmenbedingungen fiir einen solchen Wettbewerb ohne Quersubventionierung bei durchschaubarer Rechnungsführung der Unternehmen geschaffen werden. Allen Anbietern sollte grds. der freie Zugang zum und die freie Betätigung auf den Märkten der Telekommunikation ermöglicht werden. Dadurch sollten die Nutzer in die Lage versetzt werden, nach Preis und Qualität der Telekommunikationsdienstleistung ungeachtet ihrer Herkunft wählen zu können. Gleiches gilt auch für Telekommunikationsendeinrichtungen. 138 Befristete Ausnahmen waren zuletzt lediglich beim Sprachtelefondienst zulässig; 139 seit dem 01.01.1998 sind auch sie Dazu schon oben S. 134. Einzelheiten unten S. 338 ff. Das TKG zielt zwar, anders als das PTNeuOG, vor allem auf eine Liberalisierung der Telekommunikation, diese Ausrichtung geht aber gerade auf europarechtliche Vorgaben zurück, vgl. unten S. 402 f. 137 Vgl. insb. Art. 7 Abs. I lit. d, Art. 8 Abs. I i. V. m. NT. 4.5 des Anhangs zu Richtlinie 97/13/EG, Art. 5 Richtlinie 97/33/EG. 138 Dazu unten S. 148 ff. Weitere Einzelheiten zur damaligen Situation ergeben sich aus den im Grünbuch Telekommunikationsdienstleistungen, BT-Drs. 111930, S. 100 ff. und im Grünbuch Telekommunikationsinfrastruktur, Teil 2, BR-Drs. 101/95, S. 160 ff., enthaltenen Zusammenfassungen; s. auch die Begründungserwägungen 5, 9 und 16 zu Richtlinie 88130llEWG und die Begründungserwägungen 23 bis 25 zu Richtlinie 901388/EWG. 139 Vgl. den durch Art. I NT. 2 Richtlinie 96/I9IEG neugefaßten Art. 2 Abs. 2 Satz 3 Richtlinie 90/388/EWG, der die vordem getrennten Vorgaben für den Sprachtelefondienst (vgl. Art. 2 Abs. I Richtlinie 90/388/EWG in der durch Art. 2 Nr. 2 lit. a Richtlinie 94/46/EG geänderten Fassung) und für Telekommunikationsinfrastrukturen (s. die 135
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C. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben
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entfallen. Zur Verwirklichung dieser Ziele hat die EU insb. die Aufhebung der besonderen und ausschließlichen Rechte und die Trennung der betrieblichen und hoheitlichen Aufgaben verlangt. 140 Als Vorteile der Liberalisierung werden insb. größere Vielfalt, bessere Qualität und niedrigere Preise der Telekommunikationsdienstleistungen genannt. Zugleich soll durch sie der technische Fortschritt und die Verwirklichung des Binnenmarktes gefOrdert werden (Art. 3 lit. c und m EGV a. F./n. F.).141 Allerdings erfordert eine gemeinschaftsweite, umfassende Liberalisierung der Telekommunikation jedenfalls für einen Übergangszeitraum eine sektorspezifische Regulierung, weil ein funktionierender Wettbewerb in und zwischen den Mitgliedstaaten bei öffentlichen Telekommunikationsdiensten und -netzen derzeit (noch) fehlt. 142 Liberalisierung darf somit nicht mit Deregulierung gleichgesetzt werden. 143 b) Harmonisierung Ein gemeinschaftsweiter Wettbewerb auf dem Markt der Telekommunikation setzt einheitliche Rahmenbedingungen voraus. Eines der Ziele europäischer Telekommunikationspolitik ist daher die Harmonisierung der technischen Standards und der rechtlichen Regelung der Zugangs- und Nutzungsbedingungen, insb. der Genehmigungsverfahren. Sie ergänzt die Liberalisierung und gewinnt in dem Maße an Bedeutung, in dem sich die Märkte infolge der Liberalisierung dem Wettbewerb öffnen. Zugleich ist Harmonisierung ein wesentliches Element in der Konzeption der EU zur Gewährleistung eines einheitlichen Universaldienstes durch die Mitgliedstaaten. 144 Entschließungen des Rates 88/C 257/01, 93/C 213/01, 94/C 48/01, 94/C 379/03 und 95/C 258/01) zusammengeführt und für beide eine aufschiebende Befristung zugelassen hat. Für den Bereich der Kabelfernsehnetze wurde zwar deren Öffnung durch Art. 2 Nr. 2 Richtlinie 95/51/EG verlangt, eine Nutzung durch Sprachtelefondienst ist aber ebenfalls vorläufig ausgenommen worden. Zu den Gründen für diese Ausnahmeregelungen K.-D. Ordemann, ArchPT 1997, 109. Daran hat die Richtlinie 96/19/EG nichts geändert. Die insoweit bestehenden Beschränkungen sind jedoch seit 01.01.1998 ebenfal1s weggefallen; dazu unten S. 151 ff. 140 Einzelheiten unten S. 160 ff. 141 Vgl. die Entschließung des Rates 88/C 257/01 über die Entwicklung des gemeinsamen Marktes für Telekommunikationsdienste und -geräte bis 1992 vom 30.06.1988. 142 Begründungserwägung 25 zu Richtlinie 97/33/EG weist darauf hin, daß eine Expost-Kontrolle aufgrund der allgemeinen Wettbewerbsbestimmungen des EGV erst dann ausreicht, wenn ein effektiver Wettbewerb auf dem Markt besteht. Dieses Ziel ist zur Zeit nur bei Endgeräten vollständig verwirklicht; dazu noch unten S. 410. 143 Näher dazu unten S. 350 ff. Zum Verhältnis zwischen Liberalisierung und Regulierung, vgl. K. Oettle, ZögU 1996, Beiheft 19, S. 80 (93 ff.); zum Verhältnis zwischen Liberalisierung und Deregulierung auf europäischer Ebene B. Molitor, in: Festschrift für U. Everling, Bd. I, S. 875 ff. 144 Näher dazu unten S. 145, 164.
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3. Kap.: Determinanten der Universaldienstgewährleistung
Zur Umsetzung dieses Zieles wurden zum einen gemeinsame technische Spezifikationen und Konformitätsbewertungen festgelegt,145 zum anderen ONP-Bedingungen zur Grundlage der Regelung des Zugangs zu und der Nutzung von öffentlichen Telekommunikationsdiensten und -netzen sowie der Zusammenschaltung öffentlicher Telekommunikationsnetze und der Interoperabilität öffentlicher Telekommunikationsdienste erhoben; 146 dies gilt auch und gerade nach Vollendung der Liberalisierung zum 01.01.1998. 147 Zudem wurde ein gemeinsamer verbindlicher Rahmen tUr Allgemein- und Einzelgenehmigungen tUr Telekommunikationsdienste entwickelt. 148 Die notwendige Kompetenz der Gemeinschaft ergibt sich vor allem aufgrund Art. 3 lit. h, 94, 95 EGV n. F. (Art. 3 lit. h, 100, 100 a EGV a. F.), da eine Angleichung der einschlägigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften tUr das Funktionieren des gemeinsamen Marktes erforderlich ist. Ergänzend können Art. 3 lit. n, 154, 155 EGV n. F. (Art. 3 lit. n, 129 bund c EGV a. F.) herangezogen werden, weil die Harmonisierung die Bedingungen tUr den Auf- und Ausbau transeuropäischer Dienstleistungsnetze schafft. Die Rechtsetzungskompetenz liegt insoweit beim Europäischen Parlament und beim Rat (Art. 94, 95 EGV n. F. = Art. 100, 100 a EGV a. F.), während tUr Liberalisierungsmaßnahmen, z. B. in Form von Richtlinien, grds. die Kommission zuständig ist (Art. 86 Abs. 3 EGV n. F. = Art. 90 149 Abs. 3 EGV a. F.). c) Universaldienstgewährleistung Die Gewährleistung eines Universaldienstes im Bereich der Telekommunikation stand anfangs im Schatten der Liberalisierungsbestrebungen der Union. Die Sicherung eines universellen Dienstes war nur einer unter mehreren Belangen, die bei der Herstellung eines gemeinschaftsweiten, offenen, nichtdiskriminierenden, transparenten Wettbewerbs in der Telekommunikation beriick. h·hgt werden so11ten. ISO SIC
145 VgJ. nur die Richtlinie 83/1 89/EWG, geändert durch Richtlinie 88/1 82/EWG, die Richtlinie 8613611EWG sowie den Beschluß des Rates 87/95/EWG über die Normung auf dem Gebiet der Informationstechnik und der Telekommunikation vom 22.12.1986. 146 Dazu unten S. 164 ff. 147 VgJ. die Änderung der Richtlinien 90/387/EWG und 92/44/EWG durch Art. I und 2 Richtlinie 97/5 liEG. 148 Richtlinie 97/13/EG; s. auch noch unten S. 183 f. 149 VgJ. zur Zuständigkeitsverteilung im Bereich der Telekommunikation zwischen Europäischen Parlament, Rat und Kommission mit Bezug auf Art. 87,90 Abs. 3, 100 a und 169 EGV a. F. (Art. 83, 86 Abs. 3, 95 und 226 EGV n. F.) EuGH, Rs. C-202/88 (Frankreich/Kommission), Slg. 1991 I, S. 1223 (1264 ff.), Tz. 15 - 26; zu Richtlinien und Entscheidungen als rechtliche Instrumente der Kommission gemäß Art. 86 Abs. 3 EGV n. F. (Art. 90 Abs. 3 EGVa. F.) s. unten S. 162 mit Fußn. 234. 150 Die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung eines universeIJen Dienstes wurde erst
C. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben
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Die anfänglich geringe Beachtung, die der Universaldienstgewährleistung seitens der Gemeinschaft zuteil wurde, hat verschiedene Gründe. Die Notwendigkeit einer flächendeckenden Mindestversorgung wurde zwar allgemein (stillschweigend) anerkannt, eine besondere Hervorhebung dieses Zieles aber als überflüssig erachtet. Denn die Telekommunikationspolitik der EU beruhte auf der Annahme, daß die notwendige Grundversorgung ohnehin durch einen funktionierenden Wettbewerb gewährleistet werde. Durch Errichtung und Fortentwicklung eines obigen Grundsätzen entsprechenden ordnungspolitischen Rahmens würde zugleich ein Universaldienst gesichert und gefördert. Dazu sollte insb. auch die Harmonisierung der Bedingungen der Telekommunikation auf der Grundlage von ONP-Grundsätzen beitragen. 151 Für die Übergangszeit sicherten die befristet fortgeltenden besonderen und ausschließlichen Rechte die Bereitstellung einer begrenzten Anzahl von Grunddienstleistungen. 152 Zudem wurde die Gewährleistung eines Universaldienstes vor allem in der Anfangsphase in Übereinstimmung mit dem Subsidiaritätsprinzip (vgl. Art. 5 Abs. 2 EGV n. F./Art. 3 b Abs. 2 EGV a. F.) als eine Angelegenheit angesehen, die durch Maßnahmen der Mitgliedstaaten in ausreichendem Maße sichergestellt und diesen daher überlassen werden konnte. Im Zuge fortschreitender Integrationsbemühungen erkannte die EU die Bedeutung des Universaldienstes für einen offenen, wettbewerbsorientierten, gemeinschaftsweiten Telekommunikationsmarkt. Denn Universaldienstgewährleistung impliziert staatliche Regulierung, die zu Diskriminierung, Wettbewerbsverzerrung und DefIziten beim Verbraucherschutz fuhren kann, wenn die Ausgestaltung allein Sache der Mitgliedstaaten ist. Folgerichtig wurde dieses Steuerungs instrument zunehmend in den Ordnungsrahmen der Union einbezogen. Zugleich verstärkte sich mit dem schrittweisen Abbau der besonderen und ausschließlichen Rechte die Einsicht, daß auch in einem funktionierenden Wettbewerb die flächendeckende Bereitstellung elementarer, kostengünstiger Dienste fur die Nutzer einheitlich gemeinschaftsweit gesichert werden muß. in der Entschließung des Rates 93/C 213/01 zur Prüfung der Lage im Bereich Telekommunikation und zu den notwendigen künftigen Entwicklungen in diesem Bereich vom 22.07.1993 als eines der Hauptziele hervorgehoben. In der älteren Entschließung des Rates 88/C 257/01 über die Entwicklung des gemeinsamen Marktes für Telekommunikationsdienste und -geräte bis 1992 vom 30.06.1988 fand dieses Ziel dagegen noch keine ausdrückliche Erwähnung. 151 Vgl. die Entschließung des Rates 94/C 48/01 über die Grundsätze für den Universaldienst im Bereich der Telekommunikation vom 07.02.1994, in der festgestelIt wird, daß die Rechtsakte im Rahmen des ONP-Konzepts gewisse Elemente aufweisen, weIche die Grundlage für eine Definition des Universaldienstes bilden. 152 Die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung eines Universaldienstes wurde im Rahmen des Art. 90 Abs. 2 Satz 1 EGVa. F. (Art. 86 Abs. 2 Satz I EGV n. F.) als Rechtfertigungsgrund für die eingeschränkte Fortführung dieser Rechte benutzt, vgl. die Entschließung des Rates 88/C 257/01 über die Entwicklung des gemeinsamen Marktes für Telekommunikationsdienste und -geräte bis 1992 vom 30.06.1988. 10 Windlhorst
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3. Kap.: Detenninanten der Universaldienstgewährleistung
Wegweisend rur das weitere Vorgehen der Gemeinschaft waren zunächst vor allem die Entschließung des Rates 94/C 48/01 über die Grundsätze rur den Universaldienst im Bereich der Telekommunikation vom 07.02.1994, die Sprachtelefondienstrichtlinie vom 13 .12.1995 und die Mitteilung der Kommission zum Universaldienst vom 13.03.1996. Sie hoben die integrationspolitische Bedeutung des Universaldienstes und seinen komplementären Charakter zu den Liberalisierungsmaßnahmen hervor. Auf dieser Grundlage hat die von der Gemeinschaft entwickelte Konzeption einer Universaldienstgewährleistung zunehmend Konturen gewonnen. Sie verfolgt im wesentlichen drei Ziele: Erstens die Defmition des Universaldienstes, insb. die Festlegung und Fortschreibung seiner Elemente. Zweitens die Sicherung der Erschwinglichkeit des Universaldienstes, der in einem liberalisierten Umfeld zentrale Bedeutung zukommt. Drittens die Entwicklung einheitlicher, transparenter, nichtdiskriminierender Mechanismen zur Ermittlung der Kosten des Universaldienstes und zu ihrer Fi• 153 nanzlerung. Der Umsetzung dieser Ziele dienen verbindliche Vorgaben rur die Festlegung von Zugangs- und Nutzungsbedingungen rur öffentliche Telekommunikationsnetze und -dienste nach ONP-Grundsätzen sowie fiir die Zusammenschaltung der Netze und die Interoperabilität der Dienste. Hierzu wurden zum einen die grundlegenden Richtlinien 90/387/EWG (ONP-Richtlinie) und 92/44/EWG (Mietleitungsrichtlinie) durch Richtlinie 97/51/EG an ein wettbewerbsorientiertes Telekommunikationsumfeld angepaßt. Dabei ist insb. das Konzept des Universaldienstes weiterentwickelt worden ist, um mit dem technischen Fortschritt, den Marktentwicklungen und dem sich ändernden Bedarf der Nutzer Schritt zu halten. 154 Zum anderen wurden diese Zielsetzungen in den Richtlinien 97/13/EG (Genehrnigungsrichtlinie) und 97/33/EG (Zusammenschaltungsrichtlinie) konkretisiert, durch neue Akzente ergänzt und in eine rechtsverbindliche Form gegossen. Der Universaldienst erhielt eine einheitliche Definition, die rechtlichen Möglichkeiten, seine Bereitstellung anzuordnen, wurden ebenso festgelegt, wie das Verfahren zur Ermittlung und Aufteilung der dabei entstehenden Kosten.1 55 Zur Begründung wurde das Gemeinschaftsziel eines wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts und einer territorialen
153 Vgl. insb. die Entschließungen des Rates 94/C 48/01 über die Grundsätze fIlr den Universaldienst im Bereich der Telekommunikation vom 07.02.1994 und 95/C 258/01 zur Entwicklung des künftigen ordnungspolitischen Rahmens fIlr die Telekommunikation vom 18.09.1995 sowie die Mitteilung der Kommission zum Universaldienst vom 13.03.1996, BR-Drs. 278/96, S. 4 ff., 9 ff. Vgl. auch aus neuerer Zeit Art. 2 Abs. 2 des Vorschlags der Kommission 96/C 192/04 fIlr einen Beschluß des Rates über die Definition und DurchfIlhrung der gemeinschaftlichen Post- und Telekommunikationspolitik vom 12.04.1996. 154 Vgl. Begründungserwägung 4 zu Richtlinie 97/51/EG. 155 Einzelheiten unten S. 169 ff., 183 ff.
C. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben
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Ausgewogenheit angefuhrt, dem die Verpflichtung zur Bereitstellung eines Universaldienstes diene. Zugleich wurde betont, daß die Mitgliedstaaten die baldige Einfiihrung neuer Technologien auf möglichst breiter Grundlage fördern sollen. 156 Diese sozialen und innovationsfördernden Aspekte sind in der bisherigen Telekommunikationspolitik der Gemeinschaft nicht bzw. jedenfalls nicht mit dieser Deutlichkeit zum Ausdruck gekommen. Primärrechtliche Grundlage hierfür sind Art. 3 lit. c, j, m, n und s, Art. 94, 95, 153 - 156 EGV n. F. (Art. 3 lit. c, j, m, n und s, Art. 100, 100 a, 129 a - c EGV a. F.).157 3. Die ordnungspolitischen Maßnahmen der Gemeinschaft
a) Aufhebung der ausschließlichen Rechte Unter "ausschließlichen Rechten" in bezug auf Telekommunikationsdienstleistungen 158 sind gemäß Art. 1 Abs. 1 Spiegelstrich 2 Richtlinie 90/3881EWG in der durch Art. 2 Nr. 1 lit. a i Richtlinie 94/461EG geänderten Fassung die Rechte zu verstehen, die ein Mitgliedstaat für ein Unternehmen durch Rechtsoder Verwaltungsvorschrift gewährt, wenn der Mitgliedstaat die Leistung eines Telekommunikationsdienstes oder einer Tätigkeit in einem bestimmten Gebiet einem einzigen Unternehmen vorbehält. 159 Solche ausschließlichen Rechte bezeichnet man nach deutschem Sprachgebrauch auch als Monopole. 16o Ihre Be-
156 Vgl. Begründungserwägung 8 zu Richtlinie 97133/EG; s. auch schon Begründungserwägungen 4, 5 und 15 zu Richtlinie 97/13/EG. 157 Näher dazu unten S. 148 ff., 154 ff., 161 ff., 169. 158 Vgl. zum weitgehend identischen Verständnis ausschließlicher Rechte hinsichtlich der Einfuhr, Vermarktung, Einrichtung, Inbetriebsetzung und Wartung von Telekommunikationsendgeräten Art. 2 Abs. 1 Richtlinie 88/301/EWG in der durch Art. 1 Nr. 2 Richtlinie 94/46/EG geänderten Fassung. 159 Zur Erstfassung der Diensterichtlinie EuGH, Rs. C-202/88 (FrankreichIKommission), Slg. 1991 I, S. 1223 (1267 ff.), Tz. 33 ff. Zur ähnlichen Interpretation ausschließlicher Rechte in bezug auf die Errichtung und den Betrieb von Telekommunikationsinfrastrukturen s. die Entschließung des Rates 88/C 257/01 über die Entwicklung des gemeinsamen Marktes für Telekommunikationsdienste und -geräte bis 1992 vom 30.06.1988 und Art. 2 Abs. I Richtlinie 90/3881EWG in der durch Art. 2 Richtlinie 961l9/EG geänderten Fassung. 160 Grundlegend P. Badura, Das Verwaltungsmonopol, S. 2, mit weitergehenden Differenzierungen, ebda, S. 3 ff. Dazu aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht G. Deipenbrock, Die Deutsche Bundespost auf dem europäischen Binnenmarkt, S. 84 ff.; R. Ellger, in: ders.lKluth, Internationale Telekommunikation, S. 249 ff.; T-S. Kluth, Telekommunikation, S. 136 ff.; H. Tietz, in: Grabitzlv. BogdandylNettesheim (Hrsg.), Europäisches Außenwirtschaftsrecht, S. 544 ff.; B. Haar, Marktöffnung in der Telekommunikation, S. 235 ff.; R. Hallenga, ArchPT 1996,239 ff.; A. Heinemann, Grenzen staatlicher Monopole im EG-Vertrag, S. 3 ff.; zu den ebenfalls in Art. 86 EGV n. F. (Art. 90 EGV a. F.) angelegten europarechtlichen Grenzen des Postrnonopols J. Basedow, EuZW 1994, 359 ff.; zur diesbezüglichen Rechtsprechung des EuGH unten S. 149 f.,
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3. Kap.: Determinanten der Universaldienstgewährleistung
seitigung war eines der wesentlichen Ziele der Maßnahmen der EU zur Liberalisierung der Telekommunikation. 161 Zeitpunkt und Umfang der Aufhebung gestalten sich bei Telekommunikationsendgeräten und bei Telekommunikationsdiensten und -netzen unterschiedlich, was insb. auf die divergierende Wettbewerbssituation und Gemeinwohlbindung l62 zurückzuführen ist. aa) In bezug auf Telekommunikationsendgeräte
( I) Sekundärrechtliche Vorgaben Der erste ordnungspolitische Schritt der Gemeinschaft zur Aufhebung der Monopole zielte auf die Telekommunikationsendgeräte unter (späterer) Einbeziehung der Satellitenfunkanlagen. 163 Art. 2 Abs. 1 Richtlinie 88/301lEWG in der durch Art. 1 Nr. 2 Richtlinie 94/46IEG geänderten Fassung sieht vor, daß die Mitgliedstaaten, die den Unternehmen insoweit l64 ausschließliche Rechte gewährt haben, dafür sorgen, daß diese vollständig entzogen werden. Außerdem müssen die Mitgliedstaaten gemäß Art. 3 Satz 1 Richtlinie 88/301lEWG gewährleisten, daß die am Wirtschaftsleben Beteiligten grds. das Recht haben, Endgeräte einzuführen, zu vertreiben, einzurichten, in Betrieb zu setzen und zu warten. 165 (2) Primärrechtliche Grundlage Im Mittelpunkt der sekundärrechtlichen Vorgaben stehen die ausschließlichen Einfuhr- und Vertriebsrechte. Ihre Aufhebung wurde zum einen mit einem Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit des Art. 30 EGV a. F. (Art. 28 EGV n. F.) begründet. Denn diese ausschließlichen Rechte haben die Absatzmöglichkeiten der Ware "Telekommunikationsendgeräte" eingeengt. Es wurde 154 ff.; zur schrittweisen Liberalisierung des Marktes für Postdienste s. Art. 7 f. Richtlinie 97/67/EG. 161 Dazu oben S. 142 f. 162 Die Gemeinwohlbindung spielt vor allem im Rahmen des Ausnahmetatbestands gemäß Art. 86 Abs. 2 EGV n. F. = Art. 90 Abs. 2 EGV a. F. (Dienstleistungen im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse) eine wesentliche Rolle, vgl. K. Soukup, ZögU 1996, Beiheft 19, S. 164 (166). 163 Vgl. Art. I Spiegelstrich I Satz 3 Richtlinie 88/301/EWG in der durch Art. I Nr. I Iit. a Richtlinie 94/46/EG geänderten Fassung. 164 D. h. Gegenstand dieser ausschließlichen Rechte sind insb. Einfuhr und Vertrieb von Telekommunikationsendgeräten, was aus der Erstfassung des Art. 2 Abs. I Richtlinie 88/30IlEWG durch Bezugnahme auf Art. I dieser Richtlinie noch deutlicher hervorging. 165 Zu Ausnahmen aufgrund fehlender technischer Konformität oder wegen grundlegender Anforderungen vgl. Art. 3 Satz 2 Richtlinie 88/30IlEWG in der durch Art. I Nr. 3 Richtlinie 94/46/EG geänderten Fassung.
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den Benutzern verwehrt, die benötigten Geräte ungeachtet ihrer Herkunft frei nach Preis und Qualitätskriterien zu wählen. Solche Maßnahmen sind geeignet, den innergemeinschaftlichen Handel zu beschränken; sie lösen gleiche Wirkungen wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen aus. l66 Das Aufhebungsverlangen wurde zum anderen darauf gestützt, daß die ausschließlichen Einfuhr- und Vertriebsrechte nicht mit Art. 90 i. V. m. Art. 86 EGV a. F. (Art. 82 i. V. m. Art. 86 EGV n. F.) zu vereinbaren seien. Die Fernmeldeunternehmen sind als wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit Unternehmen i. S. d. Art. 90 Abs. 1 EGV a. F. (Art. 86 EGV n. F.), denen die Mitgliedstaaten besondere oder ausschließliche Rechte gewährt haben. Die Bundesrepublik Deutschland und die anderen Mitgliedstaaten durften und dürfen daher gemäß Art. 90 Abs. 1 EGV a. F. (Art. 86 Abs. 1 EGV n. F.) keine diesem Vertrag, insb. den Wettbewerbsregeln (Art. 85 - 94 EGV a. F. = Art. 81 - 89 EGV n. F.) widersprechenden Maßnahmen treffen oder beibehalten. Die Begründungserwägungen zu Richtlinie 88/3011EG sahen einen durch Handlungen der Mitgliedstaaten ermöglichten Verstoß der Unternehmen gegen Art. 86 i. V. m. Art. 90 EGV a. F. (Art. 82 i. V. m. Art. 86 EGV n. F.) darin, daß sie ihre durch das Monopol begründete beherrschende Stellung auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes mißbräuchlich ausnutzten. Da das von ihnen bereitgestellte Angebot an Endgeräten zwangsläufig begrenzt sei, sie somit die Bedürfnisse eines erheblichen Teils der Verbraucher nicht bestmöglich befriedigen könnten, würden die Absatzmöglichkeiten eingeengt und der technische Fortschritt behindert (Art. 86 Satz 2 lit. b EGV a. F. = Art. 82 Satz 2 lit. b EGV n. F.).167 Dies fiihre zu einer spürbaren Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten, die auf eine staatliche Maßnahme zurückgehe. Somit sei Art. 90 Abs. 1 i. V. m. Art. 86 EGV a. F. (jetzt: Art. 82 Abs. 1 i. V. m. Art. 86 EGV n. F.) einschlägig. Der Ausnahmetatbestand des Art. 90 Abs. 2 EGV a. F. (Art. 86 Abs. 2 EGV n. F.) sei hingegen nicht erfiillt. Die Aufhebung der ausschließlichen Rechte zur Einfuhr und zum Vertrieb von Endgeräten würde die Bereitstellung eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes fiir die Gesamtheit der Verbraucher als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse,168 mit deren Erbringung diese Unternehmen durch hoheitlichen Akt betraut seien, weder rechtlich noch tatsächlich verhindern. Die Mitgliedstaaten könnten die not-
166 EuGH, Rs. C-202/88 (FrankreichIKommission), Slg. 1991 I, S. 1223 (1267 f.), Tz. 33 ff.; s. auch die Begründungserwägungen 3 und 5 zu Richtlinie 88130llEWG sowie die Begründungserwägung 7 zu Richtlinie 94/46/EG. 167 Vgl. die Begründungserwägung 17 zu Richtlinie 88/30IlEWG. Zur Situation in Deutschland nach der Postreform I in bezug auf die DBP TELEKOM T. Känigshofen, ArchPF 1990, 355 (368 ff.). 168 Einzelheiten unten S. 157 f.
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3. Kap.: Detenninanten der Universaldienstgewährleistung
wendige Übereinstimmung der Endgeräte mit den grundlegenden Anforderungen l69 durch entsprechende Zulassungsverfahren gewährleisten. 17o Der EuGH . gelo clgt. 171 . d·leser Argumentatlon 1st Die in der Endgeräterichtlinie enthaltene Verpflichtung zur Aufhebung der ausschließlichen Rechte für die Einrichtung, Inbetriebsetzung und Wartung von Telekommunikationsendgeräten wurde vor allem damit gerechtfertigt, daß sie in der Praxis die gleiche Wirkung wie ausschließliche Vertriebsrechte entfalten würden, da solche Dienstleistungen ein wesentlicher Erwägungspunkt beim Kauf oder bei der Miete von Endgeräten seien. 172 Der EuGH hat diese Rechtsauffassung der Kommission im wesentlichen bestätigt. Er hob insb. hervor, daß die Aufrechterhaltung solcher ausschließlichen Rechte trotz Aufhebung der ausschließlichen Einfuhr- und Vertriebsrechte zu einer mit Art. 30 i. V. m. Art. 3 lit. g EGV a. F. (jetzt: Art. 28 i. V. m. Art. 3 lit. g EGV n. F.) unvereinbaren Wettbewerbsverfalschung führe. 173 (3) Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen Die Bundesrepublik Deutschland hat diese Vorgaben der Gemeinschaft in bezug auf das Endgerätemonopol und damit verbundene Tätigkeiten inzwischen erfüllt. Das auf § 1 Abs. 1 Satz 1 FAG in der Fassung vom 17.03.1977 174 beruhende ausschließliche Recht des Bundes, Fernmeldeanlagen zu errichten und zu betreiben, wurde durch NI. 1 lit. a des Gesetzes zur Änderung des FAG 175 vom 08.06.1989 aufgehoben. Aufgrund des neu gefaßten § 1 Abs. 3 FAG durfte ab dem 01.07.1989 jedermann zugelassene Endeinrichtungen im Rah-
169 Dazu gehörten nach damaligem Verständnis insb. die Sicherheit der Benutzer, die Sicherheit des Personals der Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze, die Anforderungen an die elektromagnetische Verträglichkeit, soweit sie rur Endeinrichtungen spezifisch sind, der Schutz des öffentlichen Telekommunikationsnetzes vor Schaden, die effiziente Nutzung des Frequenzspektrums, die Kommunikationsfähigkeit der Endeinrichtungen mit Einrichtungen des öffentlichen Telekommunikationsnetzes und die Kommunikationsfähigkeit der Endeinrichtungen untereinander über dieses Netz, vgl. Art. 3 Spiegelstrich I Richtlinie 88/301/EWG in der durch Art. 1 Nr. 3 Richtlinie 94/46/EG geänderten Fassung i. V. m. Art. 4 Richtlinie 911263/EWG in der durch Art. 4 Richtlinie 93/97/EWG ergänzten Fassung. Zu den unterschiedlichen Fassungen des Rechtsbegriffs der grundlegenden Anforderungen in bezug auf öffentliche Telekommunikationsnetze und -dienste unten S. 165 mit Fußn. 246, 248. 170 S. die BegTÜndungserwägung 11 zu Richtlinie 88/30IlEWG. 171 Rs. C-202/88 (FrankreichIKommission), Slg. 1991 I, S. 1223 (1267 ff.), Tz. 33 ff. 172 Vgl. die BegTÜndungserwägung 6 zu Richtlinie 88/301/EWG. 173 EuGH, Rs. C-202/88 (FrankreichIKommission), Slg. 1991 I, S. 1223 (1269), Tz. 41 ff. 174 BGBI I, S. 459 ff., berichtigt gemäß BGBI 1977 I, S. 573, geändert durch Gesetz vom 27.06.1986 (BGBI I, S. 948 ff.). 175 BGBI I, S. 1027 (1045).
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men der zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Fernmeldeverkehrs festgelegten Bedingungen errichten und betreiben. Das Zulassungsverfahren war in §§ 2 a ff. FAG näher geregelt worden. Diese Vorschriften sind zwar mittlerweile zunächst durch Nr. 11it. a und c, Nr. 4 und 5 des Gesetzes zur Änderung des FAG vom 14.09.1994 176 erneut geändert und seit dem 26.07.1996 gemäß § 99 Abs. I Nr. I lit. a, Nr. 3, § 100 Abs. 1 Satz 3 TKG aufgehoben worden; das Endgerätemonopol wurde aber nicht wieder zum Leben erweckt. 177 Die ausschließlichen Rechte hinsichtlich der mit dem Endgerätemonopol verbundenen Dienstleistungen sind zwischenzeitlich ebenfalls beseitigt worden. 178
bb) In bezug auf Telekommunikationsdienste und -netze (1) Sekundärrechtliche Vorgaben
Die Kommission hat den Wettbewerb im Bereich der Telekommunikationsdienste stufenweise eingeruhrt, indem der Geltungsbereich der Diensterichtlinie aufgrund mehrerer Änderungsrichtlinien sukzessive auf anfänglich ausgenommene Gegenstände ausgedehnt worden ist. Die Richtlinie 90/3881EWG verlangte in ihrer Erstfassung gemäß Art. 2 Abs. 1 von den Mitgliedstaaten die Beseitigung der besonderen oder ausschließlichen Rechte bei der Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen, 179 nahm hiervon aber den Sprachtelefondienst und - in Verbindung mit Art. 1 Abs. 2 - den Telexdienst, den Funktelefondienst, den Funkrufdienst und die Satellitenkommunikation aus. Diese Ausgrenzungen wurden durch Art. 2 Nr. 1 lit. bRichtlinie 94/46/EG, Art. 1 Nr. 2 Richtlinie 96/2/EG und Art. 1 lit. bRichtlinie 96/191EG schrittweise beseitigt, indem der Geltungsvorbehalt des Art. lAbs. 2 der Diensterichtlinie reduziert und schließlich aufgehoben worden ist. Der Sache nach ähnlich, allerdings zeitversetzt, verlief die Entwicklung im Bereich der Telekommunikationsnetze. Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 90/3881EWG ließ zwar zunächst zu, daß die Mitgliedstaaten rur die Errichtung und Nutzung der öffentlichen Netze die Gewährleistung besonderer oder ausschließlicher
BGBI I, S. 2325 (2363). Die Zulassung von Telekommunikationsendeinrichtungen ist nunmehr in §§ 59 ff. TKG i. V. m. der Telekommunikationszulassungsverordnung vom 20.08.1997 (BGBI I, S. 2117) geregelt worden, die die Telekommunikationszulassungsverordnung 1995 (BGBI 1995 I, S. 1671, 1996 I, S. 451) ersetzt hat. Die neuen Bestimmungen spiegeln aufgrund ihrer weitreichenden Bezugnahme auf Vorschriften des Gemeinschaftsrechts (vgl. nur § 59 Abs. 3 und 4 TKG) die starke Durchdringung dieses Bereichs durch Vorgaben der EU wider; vgl. auch oben S. 94 f., 148 ff. 178 Dazu T Königshofen, ArchPF 1990,355 (373 mit Fußn. 103, S. 374 f.). 179 Zur Aufhebung der besonderen Rechte in bezug auf Telekommunikationsdienste unten S. 158 f. 176
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3. Kap.: Detenninanten der Universaldienstgewährleistung
Rechte aufrechterhalten,180 verpflichtete sie aber zugleich, die erforderlichen Maßnalunen zu treffen, um die Bedingungen für den Zugang zu diesen Netzen zu veröffentlichen und sie objektiv und nichtdiskrirninierend zu gestalten. Außerdem mußten sie gemäß Art. 4 Abs. 2 dieser Richtlinie sicherstellen, daß die Benutzer auf Antrag in zumutbarer Frist Mietleitungen erhalten, fiir deren Nutzung nur die durch Art. 2 zugelassenen Einschränkungen bestehen durften. 181 Ausgehend von der Entschließung des Rates 94/C 379/03 über die Grundsätze und den Zeitplan fiir die Liberalisierung der Telekommunikationsinfrastrukturen vom 22.l2.1994 sieht der durch Art. 1 Nr. 2 Richtlinie 95/511EG eingefiigte Art. 4 Abs. 3 Spiegelstrich 1 Richtlinie 90/3881EWG angesichts drängender Kapazitätsprobleme der öffentlichen Telekommunikationsnetze, zumal des festen öffentlichen Telefonnetzes, eine weitere Öffnung der Netze vor. Die Mitgliedstaaten werden verpflichtet, alle Beschränkungen bei der Bereitstellung von Übertragungskapazität durch Kabelfemsehnetze aufzuheben und die Nutzung von Kabelnetzen zur Erbringung von Telekommunikationsdiensten zu gestatten. Dazu gehören aufgrund des weiten, allein auf die Signalübertragung auf Telekommunikationsnetzen abstellenden gemeinschaftsrechtlichen Verständnisses auch Multimediadienste. Ihre stärkere Verbreitung und Entwicklung war einer der Beweggründe für die Öffnung der Kabelnetze. 182 Davon ausgenommen blieb zunächst allein der Sprachtelefondienst. 183 Der Abbau von Nutzungsbeschränkungen wird wegen des hohen Informationsdurchsatzvermögens der Kabelfemsehnetze l84 besonders in Deutschland mit einer durchschnittlichen Verkabelungsdichte von etwa 65 % der Haushalte l85 zu einem erheblichen Zuwachs an Übertragungskapazität fiihren. Das vorerst letzte Mosaiksteinchen bei der Einfiihrung eines vollständigen Wettbewerbs im gesamten Bereich der Telekommunikation bildet die Neufassung des Art. 2 Richtlinie 90/3881EWG durch Art. 1 Nr. 2 Richtlinie 96/19IEG. S. zur Aufhebung der besonderen Rechte bei Telekornrnunikationsnetzen S. 159. Diese Einschränkungen dienen der Einhaltung der sog. grundlegenden Anforderungen. Zur damaligen Festlegung des Begriffs "grundlegende Anforderungen" vgl. Art. 1 Abs. 1 Spiegelstrich 6 Richtlinie 90/388/EWG, der durch Art. 1 NT. 1 lit. b Richtlinie 96/2/EG als Art. lAbs. 1 Spiegelstrich 13 Richtlinie 90/388/EWG neu gefaßt worden ist. Die derzeit im Rahmen der Diensterichtlinie gültige Definition der grundlegenden Anforderungen ergibt sich aufgrund Art. 1 Nr. 1 lit. a ii Richtlinie 96/19/EG, der Art. I Abs. I Spiegel strich 15 Richtlinie 90/388/EWG eine neue Fassung verleiht. 182 Vgl. nur die BegTÜndungserwägung 13 zu Richtlinie 95/5 I/EG. 183 Vgl. Art. 1 Nr. 2 Spiegelstrich 1 Richtlinie 95/51/EG; zum Wegfall dieser Einschränkung unten S. 153. 184 Zwischen 2,5 und 10 mbpts gegenüber 64 kpts bei schmalbandigen Telekornrnunikationsnetzen auf ISDN-Basis. 185 Vgl. das GTÜnbuch Telekornrnunikationsinfrastruktur, Teil 2, BR-Drs. 101/95, S. 46. Hierunter fallen allerdings nur die anschließbaren Haushalte; die Teilnehmerzahl liegt dagegen knapp über 40 %. 180 181
C. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben
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Diese Vorschrift bezieht sich nunmehr ausdriicklich auf Telekommunikationsdienste und -netze. 186 Nach Abs. 1 lit. a dieser Richtlinienbestirnmung müssen die Mitgliedstaaten alle Vorschriften zurückziehen, die ausschließliche Rechte fiir die Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen, einschließlich der Errichtung und der Bereitstellung von Telekommunikationsnetzen fiir die Erbringung solcher Dienste gewähren. Ausgenommen waren zunächst gemäß Art. 2 Abs. 2 Unterabsatz 2 Richtlinie 90/388/EWG in der durch Art. 1 Nr. 2 Richtlinie 96/19/EG geänderten Fassung nur der Sprachtelefondienst und die öffentlichen Telekommunikationsnetze; 187 fiir dessen Angebot bzw. fiir deren Errichtung und Bereitstellung durften besondere und ausschließliche Rechte bis zum 01.01.1998 aufrechterhalten werden. Im übrigen mußten Beschränkungen bei der Erbringung von Telekommunikationsdiensten auf alternativen Telekommunikationsinfrastrukturen (mit Ausnahme des Sprachtelefondienstes) bis spätestens 01.07.1996 aufgehoben worden sein. 188 Nach Abschluß der vollständigen Liberalisierung des Telekommunikationssektors durch die Mitgliedstaaten zum 01.01.1998 läßt der durch Art. 1 Nr. 3 lit. a Richtlinie 97/511EG neu gefaßte Art. 3 Abs. 2 und 3 Richtlinie 90/388/EWG Einschränkungen des Zugangs zu und der Nutzung von öffentlichen Telekommunikationsnetzen und -diensten nur auf der Grundlage von ONP-Bedingungen zur Wahrung sog. grundlegender Anforderungen ZU. 189 Außerdem fmden die allgemein geltenden Bedingungen fiir den Anschluß von Endgeräten an das Netz Anwendung. l90 Weitere Beschränkungen sind nur zulässig, wenn sie mit Gemeinschaftsrecht vereinbar sind. Dazu zählen beispielsweise Einzelgenehrnigungen nebst Auflagen, die allerdings nur zu den in Art. 7 Richtlinie 97/13/EG abschließend aufgefiihrten Zwecken (z. B. Verpflichtung zur Bereitstellung des Universaldienstes) unter dort spezifIzierten Voraussetzungen zulässig sind. 191 Ergänzend dürfen gemäß Art. 9 Abs. 6 Richtlinie 97/33/EG als ultima ratio hoheitliche Anordnungen in bezug auf Netzzusammenschaltungen ergehen, um wesentliche öffentliche Interessen zu schützen und gegebenenfalls Zusammenschaltungsbedingungen festzulegen. 192 186 Ursächlich für diese "Zusammen-Fassung" ist, daß nunmehr auf europäischer wie auf nationaler Ebene die Bereitstellung von öffentlichen Telekommunikationsnetzen als öffentliche Te1ekommunikationsdienstleistung angesehen wird, S. 115 m. Fußn. 19-21. 187 Zum Begriff "öffentliche Te1ekommunikationsnetze" s. oben S. 70 mit Fußn. 162. 188 Vgl. den durch Art. 2 Richtlinie 96/19/EG neugefaßten Art. 2 Abs. 2 Unterabsatz 3 Richtlinie 90/388/EWG; dazu R. Hallenga, ArchPT 1996,239 (242 f.). 189 Zu diesem Begriff unten S. 165 mit Fußn. 246, 248, S. 179, 422; bei Endeinrichtungen oben S. 150 mit Fußn. 169. 190 Vgl. Richtlinie 911263/EWG, geändert durch Richtlinie 93/68/EWG, ergänzt durch Richtlinie 93/97/EWG; zuletzt aufgehoben durch Art. 34 Abs. 2 Richtlinie 98/l3/EG, die in Art. I ff. eine einheitliche Neurege1ung vorsieht. 191 Einzelheiten unten S. 184,417 f., 425. 192 Näher dazu unten S. 436.
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3. Kap.: Detenninanten der Universaldienstgewährleistung
(2) Primärrechtliche Grundlage Ausgangspunkt bei der Ermittlung der Normen des Primärrechts, die den die Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes vorantreibenden Sekundärrechtsakten zugrunde liegen, ist Art. 86 Abs. 1 EGV n. F. (Art. 90 Abs. 1 EGV a. F.). Die damals so genannten Fernmeldeorganisationen 193 waren Unternehmen, denen vom Staat besondere oder ausschließliche Rechte übertragen worden sind. In den Mitgliedstaaten wurde die Errichtung und Nutzung der öffentlichen Telekommunikationsnetze und die Erbringung der öffentlichen Telekommunikationsdienste in der Regel unter Gewährung besonderer oder ausschließlicher Rechte einer oder mehreren Fernmeldeorganisationen übertra194 gen. Dieser Befund wird aus bundesdeutscher Sicht bestätigt. Bei Erlaß der Diensterichtlinie am 28.06.1990 stand dem Bund gemäß § 1 Abs. 2 und 4 FAG in der durch Nr. 1 lit. b des Gesetzes zur Änderung des FAG vom 08.06.1989 geänderten Fassung das Netz-, Funk- und Telefondienstmonopol zu. Die Befugnis zur Ausübung dieser ausschließlichen Rechte war durch § 1 Abs. 5 Satz 2 FAG in der damals geltenden Fassung auf die Deutsche Bundespost TELEKOM übertragen worden, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben nach dem PostVerfG erforderlich gewesen ist. 195 Art. 5 Nr. 1 PTNeuOG und § 99 Abs. 1 Nr. 1 TKG haben diese ausschließlichen Rechte zwar durch Änderung des FAG eingeschränkt, eine vollständige Beseitigung trat aber erst zum 01.01.1998 mit Wegfall des letzten verbliebenen Monopols ein. 196 Die Deutsche Telekom AG war bis zu diesem Zeitpunkt ein Unternehmen i. S. d. Art. 90 Abs. 1 EGV a. F. (Art. 86 Abs. 1 EGV n. F.), dem ein Mitgliedstaat ausschließliche Rechte gewährt hat. Demzufolge war die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, keine den Wettbewerbsregeln der EU widersprechenden Maßnahmen zu treffen oder beizubehalten. 197 Diese Verpflichtung dauert fort, da die Deutsche Telekom AG infolge der durch das Mehrheitseigentum des Bundes eröffneten staatlichen Einflußnahmemöglichkeiten weiterhin als öffentliches Unternehmen i. S. d. Art. 86 Abs. 1 EGV n. F. (Art. 90 Abs. 1 EGV a. F.) anzusehen ist. 198
193 S. zu diesem Begriff die Erstfassung des Art. 2 NT. 1 Richtlinie 901387/EWG; neuere Rechtsakte sprechen verbreitet inhaltsgleich von Organisationen (vgl. nur Art. 1 Nr. 2, 6 und 9 Richtlinie 97/51/EG; Art. 2 Abs. 1 Richtlinie 97/33/EG) oder Unternehmen (vgl. Art. 2 Abs. 1 Richtlinie 97/13/EG); dazu auch oben S. 139 mit Fußn. 128. 194 Vgl. die Begründungserwägungen 2 und 3 zu Richtlinie 90/388/EWG. 195 Dazu auch unten S. 392 mit Fußn. 19, S. 398 mit Fußn. 44. 196 § 99 Abs. I Iit. b TKG; Art. 2 Ahs. 35 TKG-BegleitG. 197 S. auch E.-J. Mestmäcker, in: ders. (Hrsg.), Kommunikation ohne Monopole 11, S. 13 (118). 198 Dazu R. Schmidt, Die Verwaltung 28 (1995), 281 (298 f.).
C. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben
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Ein solcher Verstoß ergab sich aufgrund des Mißbrauchstatbestands des Art. 86 EGV a. F. (Art. 82 EGV n. F.).I99 Er setzt eine beherrschende Stellung eines Unternehmens auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben voraus. Diese ist gegeben, wenn das Unternehmen in der Lage ist, einen wirksamen Wettbewerb auf dem jeweiligen Markt zu verhindern, weil es sich aufgrund seiner wirtschaftlichen Machtstellung seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und den Verbrauchern gegenüber in nennenswertem Umfang unabhängig verhalten kann. Auf die Ursachen der beherrschenden Stellung kommt es nicht an. Sie kann auf einem gesetzlichen oder auf einem faktischen Monopol, aber auch lediglich auf einem technologischen Vorsprung beruhen. 20o Die Deutsche Telekom AG ist trotz vollständiger Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes aufgrund ihrer fortbestehenden wirtschaftlichen Macht derzeit wohl noch im Besitz einer beherrschenden Stellung i. S. d. Art. 82 EGV n. F. (Art. 86 EGV a. F.); in jedem Fall war sie es zum hier maßgeblichen Zeitpunkt, dem Inkrafttreten der einschlägigen Richtlinien, die einen Abbau der ausschließlichen Rechte verlangten,201 da das Unternehmen damals mit einem gesetzlichen Monopol ausgestattet gewesen ist. 202 Das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, auf das sich dieses Monopol erstreckt, stellt einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes im Sinne dieser Vorschrift dar. 203 Daraus folgt indes nicht zwangsläufig der Tatbestand einer mißbräuchlichen Ausnutzung einer beherrschenden Stellung. Ihre bloße Schaffung durch Gewährung ausschließlicher Rechte i. S. d. Art. 86 Abs. 1 EGV n. F. (Art. 90 Abs. 1 EGV a. F.) ist als solche nicht mit Art. 82 EGV n. F. (Art. 86 EGV a. F.) unvereinbar. 204 Der Mißbrauch muß sich vielmehr entweder daraus ergeben, daß das Verhalten des Unternehmens, auf das sich die Maßnahme des Mitgliedstaates bezieht, gegen Art. 82 EGV n. F. (Art. 86 EGV a. F.) verstößt oder daß die
199 Zu weiteren Begründungsansätzen mit Bezug auf die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 59 EGV a. F. (Art. 49 EGV n. F.) unter besonderer Berücksichtigung der Art. 55,66 EGV a. F. (Art. 45, 55 EGV n. F.) s. die Begründungserwägungen 7 ff. zu Richtlinie 90/388/EWG; aus dem Schrifttum T. Königshofen, ArchPF 1990,355 (366 ff.); R. ScholzlJ. Aulehner, ArchPT 1993, 103 (120 f.); E.-J. Mestmäcker, in: ders. (Hrsg.), Kommunikation ohne Monopole 11, S. 13 (119 ff.); mit Bezug auf multimediale Dienste M. BullingerlE.-J. Mestmäcker, Multimediadienste, S. 95 ff. 200 R. ScholzlJ. Aulehner, ArchPT 1993, 103 (122) m. w. N. 201 Dazu schon oben S. 148, 151 ff. 202 Zur beherrschenden Stellung eines Unternehmens i. S. v. Art. 86 EGV a. F. (Art. 82 EGV n. F.) aufgrund eines gesetzlichen Monopols EuGH, Rs. C-320/91 (Corbeau), Slg. 1993 I, S. 2533 (2567), Tz. 9 m. w. N. 203 Vgl. allgemein zu diesen Anforderungen EuGH, Rs. C-18/88 (GB-INNO-BM), Slg. 1991 I, S. 5973 (5979), Tz. 17. 204 EuGH, Rs. C-271/90, C-281/90 und C-289/90 (Spanien u. a./Kommission), Slg. 1992 I, S. 5833 (5868), Tz. 35; Rs. C-320/91 (Corbeau), Slg. 1993 I, S. 2533 (2567), Tz. II,jeweils m. w. N.
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3. Kap.: Detenninanten der Universaldienstgewährleistung
bloße Ausübung des ausschließlichen Rechts durch das Unternehmen sich als mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung darstellt, was nur bei gesetzlich begründeten Ausschlußwirkungen möglich ist. 205 Aus nationaler Perspektive war allein letztgenannte Variante einschlägig. Das bei Inkrafttreten der Diensterichtlinie bestehende Monopofo6 erfaßte neben der Errichtung und dem Betrieb des öffentlichen Telekommunikationsnetzes nahezu das gesamte Angebot öffentlicher Telekommunikationsdienste, ohne daß dies in diesem Umfang objektiv gerechtfertigt gewesen ist. 207 Das hatte zur Folge, daß Wettbewerber ausgeschlossen oder zumindest ihr Zugang zu diesem Markt behindert und damit die freie Wahl der Benutzer begrenzt war. Daraus resultierte die Besorgnis einer Beeinträchtigung der technischen Entwicklung zum Schaden der Verbraucher. Außerdem wurde der Handel zwischen den Mitgliedstaaten spürbar behindert. Der Verbotstatbestand des Art. 90 Abs. 1 i. V. m. Art. 86 EGV a. F. (Art. 86 Abs. 1 i. V. m. Art. 82 EGV n. F.) war hiernach erfüllt. Dies gilt auch nach Zurückfiihrung der Monopole im Rahmen der Postreform 11 bis zu ihrem inzwischen erfolgten endgültigen, vollständigen Wegfall, da die für das Angebot des Sprachtelefondienstes befristet aufrechterhaltenen ausschließlichen Rechte angesichts des Umsatzvolumens der von ihnen erfaßten Dienstleistung20S Konkurrenten in weitem Umfang ausgrenzten. Fraglich ist aber, ob die Geltung des Art. 82 EGV n. F. durch Art. 86 Abs. 2 EGV n. F. (Art. 86 bzw. Art. 90 Abs. 2 EGV a. F.) ausgeschlossen oder begrenzt (gewesen) ist. Letztere Bestimmung ist als Ausnahmeregelung eng auszulegen. 209 Ein Unternehmen ist mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut, wenn die ihm durch Hoheitsakt übertragene Aufgabe auch bei entgegenstehendem unternehmerischen Interesse erfüllt werden soll. Indizien hierfür sind besondere, durch den Mitgliedstaat auferlegte Verpflichtungen, zumal im Bereich der Daseinsvorsorge, wie beispielsweise die Pflicht zu flächendeckender Versorgung zu einheitlichen Tarifen in gleichmäßiger Qualität. 210 Die Deutsche Telekom AG ist als früherer Träger des Sprachte1efondienstmonopols ebenso wie als gegenwärtiger Adressat von Universaldienstleistungserbringungspflichten211 ein Unternehmen i. S. d. Art. 86 205 Zu dieser Differenzierung E.-J. Mestmäcker, in: ders. (Hrsg.), Kommunikation ohne Monopole II, S. 13 (123 f.). 206 Dazu unten S. 392 mit Fußn. 19; zur früheren Lage oben S. 139. 207 S. zu diesem Kriterium EuGH, Rs. C-271190, C-281190 und C-289/90 (Spanien u. a./Kommission), Sig. 1992 I, S. 5833 (5868), Tz. 36. 208 Dazu in bezug auf den Sprachtelefondienst oben S. 130 mit Fußn. 86. 209 S. nur R. ScholzlJ. Aulehner, ArchPT 1993, 103 (123) m. w. N. 210 So flir das Postmonopol EuGH, Rs. C-320/91 (Corbeau), Slg. 1993 I, S. 2533 (2568), Tz. 15; s. auch E.-J. Mestmäcker, RabelsZ 1988,526 (564); F. Volkers, Telekommunikationsinfrastruktur, S. 109. 211 Eingehend zu der im TKG vorgesehenen asymmetrischen, auf die Marktrnacht
C. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben
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Abs. 2 EGV n. F. (Art. 90 Abs. 2 EGV a. F.), das mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut worden ist. Des weiteren ist gemäß Art. 86 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 EGV n. F. (Art. 90 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 EGV n. F.) klärungsbedürftig, ob die Anwendung des Art. 82 EGV n. F. (Art. 86 EGV a. F.) die Erfüllung der solchen Unternehmen übertragenen besonderen Aufgaben rechtlich oder tatsächlich verhindert (hat). Eine Antwort hierauf erfordert eine am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierte Abwägung zwischen dem Interesse des Mitgliedstaates und dem Interesse der Gemeinschaft. 212 Dabei ist die besondere Lage dieser Unternehmen zu berücksichtigen, die aus Gründen des Allgemeinwohls mit der Erbringung unrentabler Dienstleistungen betraut worden sind und dadurch entstehende Verluste durch Gewinne aus rentablen Sektoren oder durch anderweitigen Ausgleich kompensieren mußten. 213 In diesem Zusammenhang ist auch zu prüfen, ob die jeweilige konkrete Dienstleistung von den Dienstleistungen im allgemeinen Interesse abtrennbar (gewesen) iSt. 214 Diese Voraussetzungen des Ausnahmetatbestands gemäß Art. 90 Abs. 2 Satz 2 EGV a. F. (jetzt: Art. 86 Abs. 2 Satz 2 EGV n. F.) waren nur beim Sprachtelefondienst und bei öffentlichen Telekommunikationsnetzen erfüllt. Die finanziellen Mittel für Errichtung, Betrieb und Ausbau eines flächendeckenden öffentlichen Telekommunikationsnetzes stamm(t)en im wesentlichen aus dem Bereich des Sprachtelefondienstes. 215 Seine sofortige, vollständige Öffnung für den Wettbewerb hätte Bereitstellung, Instandhaltung und Ausbau eines Universalnetzes, eine Aufgabe von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, aus tatsächlichen Gründen gefährdet. 216 Die in der früheren Fassung der Diensterichtlinie vorgesehene Möglichkeit einer auf dort genannte Dienstleistungen beschränkten, bis zum 31.12 1997 befristeten Aufrechterhaltung ausschließlicher Rechte ist somit durch Art. 90 Abs. 2 EGV a. F. gerechtfertigt gewesen. Dagegen würde eine über diesen Zeitpunkt hinausreichende Gewährung ausschließlicher Rechte gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen, da gleich geeignete, aber weniger belastende Maßnahmen, z. B. in Form von Universaldienstauflagen, zur Sicherung eines Universaldienstes als Aufgabe von allgedes Unternehmens abstellenden Möglichkeit einer Auferlegung der Verpflichtung zur Bereitstellung bestimmter Universaldienstleistungen unten S. 462. 212 Vgl. I. Pernice, in: GrabitzJHilf (Hrsg.), Kommentar zur Europäischen Union, Art. 90 Rdnr. 59. 213 G. Grill, in: Lenz (Hrsg.), EG-Vertrag, Art. 90 Rdnr. 22 m. w. N. 214 Grundlegend EuGH, Rs. C-320/91 (Corbeau), Sig. 1993 r, S. 2533 (2569), Tz. 19. 215 Zum Anteil des Sprachtelefondienstes am Gesamtumsatz des Telekommunikationsunternehmens Deutsche Telekom AG, vgl. oben S. 130 mit Fußn. 86. 216 S. die Begründungserwägung 18 zu Richtlinie 90/388/EWG und die Begründungserwägung 4 zu Richtlinie 96/l9lEG.
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3. Kap.: Detenninanten der Universaldienstgewährleistung
meinem wirtschaftlichen Interesse zur Verfügung stehen. Art. 90 Abs. 2 EGV a. F. (Art. 86 Abs. 2 EGV n. F.) bleibt aber auch in einem vollständig liberalisierten Umfeld bedeutsam für die Rechtfertigung von Beschränkungen, die sich aus grundlegenden Anforderungen für den offenen Zugang zu und die Benutzung von öffentlichen Telekornmunikationsnetzen und -diensten ergeben. 217 (3) Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen Die gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen in bezug auf öffentliche Telekornmunikationsdienste und -netze sind inzwischen durch das TKG und das dazu ergangene Begleitgesetz umgesetzt worden. Der Deutschen Telekom AG ist gemäß § lAbs. 4 FAG in der durch § 99 Abs. 1 Nr. 1 lit. b TKG geänderten Fassung bis zum 31.12.1997 das Recht verliehen worden, Sprachtelefondienst nach § 6 Abs. I Nr. 2 TKG zu erbringen; diese wie auch andere Regelungen des FAG sind gemäß Art. 2 Abs. 35 TKG-BegleitG mit Ablauf dieses Zeitpunkts außer Kraft getreten. Die sonstigen ausschließlichen Rechte sind gemäß § 99 Abs. I Nr. 11it. a TKG seit dem 26.07.1996 aufgehoben. Allerdings hat die Bundesrepublik Deutschland bislang noch nicht die von der EU in der Richtlinie 95/511EG geforderten Maßnahmen zur Beseitigung der Beschränkungen der Bereitstellung der Übertragungskapazität durch Kabelfernsehnetze und zur Nutzung von Kabelnetzen zur Erbringung von Telekornmunikationsdiensten mit Ausnahme des Sprachtelefondienstes ergriffen. 218 Um in diesem liberalisierten Umfeld weiterhin die zur Wahrung wichtiger Gemeinwohlbelange notwendige staatliche Überwachung und ggfs. Einflußnahme zu ermöglichen, wurden öffentliche Telekornmunikationsdienstleistungen des ehemaligen Monopolbereichs einer Lizenzpflicht unterworfen. 219 b) Aufhebung der besonderen Rechte Die gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung zur Aufhebung der besonderen Rechte kann sich auf dieselben Gründe stützen wie die Aufhebung der ausschließlichen Rechte;220 sie erstreckt sich zudem auf diesselben Regelungsge217 Vgl. in bezug auf die Dienstleistungsfreiheit M. BullingerlE.-J. Mestmäcker, Multimediadienste, S. 102 ff.; s. jetzt auch die Begründungserwägung 9 zur Genehmigungsrichtlinie sowie die durch Art. 3 i. V. m. Nr. 2.1 des Anhangs zu eben dieser Richtlinie eröffnete Befugnis, Auflagen, die an alle Genehmigungen geknüpft werden dürfen, zur Sicherstellung der einschlägigen grundlegenden Anforderungen zu erlassen. 218 Insoweit droht die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens. 219 Näher dazu unten S. 416 ff., ebda auch zur Vereinbarkeit der einfachgesetzlichen Regelung mit Vorgaben des Gemeinschaftsrechts, die sich insb. aus der Genehmigungsrichtlinie ergeben. 220 Dazu oben S. 154 ff.
C. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben
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genstände (Telekommunikationsendeinrichtungen, Telekommunikationsdienste und -netze). Ihre gesonderte Behandlung erklärt sich vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH. Art. 2 Richtlinie 88/3011EWG und Art. 2 Abs. 1 Richtlinie 90/3881EWG verlangten in ihrer jeweiligen Erstfassung von den Mitgliedstaaten die Aufhebung der den Unternehmen gewährten besonderen Rechte bezüglich der Einfuhr, Vermarktung, Einrichtung, Inbetriebsetzung und Wartung von Telekommunikationsendgeräten und der Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen mit Ausnahme des Sprachtelefondienstes. Diese Bestimmungen wurden vom EuGH in zwei Entscheidungen rur nichtig erklärt, soweit sie besondere Rechte regeln. 221 Ursächlich hierfiir war indes nicht das Fehlen einer ausreichenden primärrechtlichen Grundlage, die, ebenso wie in bezug auf die ausschließlichen Rechte, insb. aufgrund Art. 90 i. V. m. Art. 86 EGV a. F. (Art. 86 i. V. m. Art. 82 EGV n. F.) gegeben ist, sondern ein Begründungsmangel. Weder aus den Bestimmungen noch aus den Begrundungserwägungen der Richtlinien ging hervor, was unter besonderen Rechten zu verstehen ist, welche Rechte unter diesen Begriff fallen und in welchem Umfang sie den verschiedenen Vertragsvorschriften zuwiderlaufen. 222 Als Reaktion auf diese Teilnichtigerklärung enthalten Art. 1 Abs. I Spiegelstrich 3, Art. 2 Abs. 1 Richtlinie 90/3011EWG in der durch Art. 1 Nr. 1 lit. b, Nr. 2 Richtlinie 94/461EG geänderten Fassung und Art. 1 Abs. 1 Spiegelstrich 3 Richtlinie 90/3881EWG in der durch Art. 2 Nr. 1 lit. a ii Richtlinie 94/461EG geänderten Fassung sowie Art. 2 Abs. 1 lit. bund c, Abs. 2 Unterabsatz 2 Richtlinie 90/388/EWG in der durch Art. 1 Nr. 2 Richtlinie 96/191EG geänderten Fassung eine genaue Festlegung, was unter besonderen Rechten in bezug auf die Einfuhr und den Vertrieb von Endgeräten (einschließlich Satellitenfunkanlagen), die Erbringung von Telekommunikationsdiensten und die Errichtung und Bereitstellung von Telekommunikationsnetzen zu verstehen ist und unter welchen Voraussetzungen sie in welchem Umfang von den Mitgliedstaaten zu entziehen sind. Die neuerliche Begriffsbestimmung der besonderen Rechte in Art. 2 Abs. 1 lit. f Richtlinie 97/331EG folgt im wesentlichen der in diesen Richtlinien entwickelten Defmition, wenngleich sprachliche Abweichungen unübersehbar sind.
221 EuGH, Rs. C-202/88 (FrankreichIKommission), Slg. 1991 I, S. 1223 (1273); Rs. C-271190, C-281190 und C-289/90 (Spanien u. a./Kommission), Slg. 1992 I, S. 5833 (5869). 222 EuGH, Rs. C-202/88 (FrankreichIKommission), Slg. 1991 I, S. 1223 (1270), Tz. 45 ff.; Rs. C-271190, C-281190 und C-289/90 (Spanien u. a./Kommission), Slg. 1992 I, S. 5833 (5867), Tz. 29 ff.
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3. Kap.: Detenninanten der Universaldienstgewährleistung
c) Trennung hoheitlicher und betrieblicher Funktionen aa) Sekundärrechtliche Vorgaben
Eng mit der gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtung zur Aufhebung der ausschließlichen und besonderen Rechte hängt das an die Mitgliedstaaten gerichtete Gebot zusammen, eine Trennung hoheitlicher und betrieblicher Funktionen zu gewährleisten. Es ergibt sich für Telekommunikationsendgeräte aus Art. 6 Richtlinie 88/301/EWG, für Telekommunikationsdienste und -netze aus Art. 7 Richtlinie 90/3881EWG in der durch Art. 1 Nr. 7 Richtlinie 96/191EG geänderten Fassung. Bei Telekommunikationsendgeräten betreffen die hoheitlichen Aufgaben die Festlegung und Veröffentlichung der erforderlichen technischen und sonstigen SpezifIkationen, die Kontrolle ihrer Anwendung sowie die Allgemeinzulassungsverfahren. 223 Bei Telekommunikationsdiensten und -netzen umfassen die hoheitlichen Aufgaben die Erteilung der Betriebsgenehmigungen, die Überwachung der Zulassungen und der verbindlichen SpezifIkationen, die Zuweisung der Frequenzen sowie die Überwachung der Nutzungsbedingungen. 224 Sie dürfen nicht von einem Unternehmen wahrgenommen werden, das zugleich im Bereich der Telekommunikation Waren einführt und vertreibt oder Dienste anbietet und Netze bereitstellt. Die vordem bei Femmeldeorganisationen verbreitet anzutreffende Funktio"nenbündelung22S ist mit dem Erfordernis einer Unabhängigkeit der hoheitliche Aufgaben wahrnehmenden Stelle nicht zu vereinbaren. 226 Art. 6 Richtlinie 8813011EWG und Art. 7 Richtlinie 90/388/EWG schreiben daher vor, daß hoheitliche Aufgaben von einer Stelle vorgenommen werden, die von den im Bereich der Telekommunikation Waren und Dienstleistungen anbietenden öffentlichen oder privaten Unternehmen unabhängig ist. 227 Diese Vorschriften zielen nicht auf die Aufhebung von Rechten, sondern auf eine Umgestaltung der Organisationsstrukturen. Ausgenommen bleiben bloße Hilfstätigkeiten, die den hoheitlichen Befugnissen der staatlichen Stelle untergeordnet sind. 223 Art. 6 i. V. m. Art. 5 Richtlinie 88/30l/EWG; zu den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben für eine gegenseitige Anerkennung der Zulassung von Telekommunikationsendgeräten R. Ellger, in: ders./Kluth, Internationale Telekommunikation, S. 261 ff. 224 Art. 7 Richtlinie 90/388/EWG in der durch Art. 1 Nr. 7 Richtlinie 96/19/EG geänderten Fassung; s. auch die Begründungserwägung 28 zu Richtlinie 90/388/EWG. 225 Dazu oben S. 139 ff. 226 EuGH, Rs. C-202/88 (FrankreichlKommission), Slg. 1991 I, S. 1223 (1270 f.), Tz. 48 ff.; Rs. C-18/88 (GB-INNO-BM), Slg. 1991 I, S. 5973 (5982), Tz. 26; Rs. C271/90, C-281/90 und C-289/90 (Spanien u. a.lKommission), Slg. 1992 I, S. 5833 (5865), Tz. 22; s. auch B. Haar, Marktöffnung in der Telekommunikation, S. 245 f., 257 ff. 227 EuGH, Rs. C-46/90, C-93/91 (Procureur du Roi), Slg. 1993 I, S. 5267 (5328 ff.), Tz. 25 ff., 37 ff.
C. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben
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Art. 8 Richtlinie 90/3881EWG in der durch Art. 1 Nr. 8 Richtlinie 96/191EG geänderten Fassung dehnt dieses Trennungsgebot in abgeschwächter Fonn auch auf den privatwirtschaftlichen Bereich aus. Er sieht zur Verhinderung wettbewerbswidriger Quersubventionen ab einem bestimmten Umsatzvolumen auf dem relevanten Telekommunikationsmarkt eine getrennte Finanzkontenführung für solche Unternehmen vor, denen in anderen Bereichen besondere oder ausschließliche Rechte gewährt worden sind und die zugleich als Anbieter von Sprachtelefondienst und/oder Netzen auftreten wollen. Art. 8 Richtlinie 97/331EG konkretisiert diese Verpflichtung und erstreckt sie auf sämtliche öffentlichen Telekommunikationsnetze und -dienste, die von solchen Organisationen bereitgestellt werden. Er läßt anstelle einer getrennten Buchführung auch eine strukturelle Ausgliederung der Telekommunikationstätigkeiten zu. Davon ausgenommen sina Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht. Sie müssen für Zusammenschaltungs- und anderweitige Tätigkeiten gesondert Buch fUhren, um Transparenz bei internen Kostenübertragungen zu gewährleisten. Diese europarechtlichen Vorgaben betreffen in Deutschland vor allem die ehemaligen Monopolunternehmen der Energiewirtschaft, die das Haup~oten tial (anderer) privater Anbieter i. S. d. Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG bilden. 2 8 Komplementär dazu enthält der durch Art. 1 Nr. 6 Richtlinie 97/511EG eingefUgte Art. 5 a Abs. 2 Richtlinie 90/3871EWG zusätzliche Anforderungen an die Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden. Er knüpft der Sache nach an obige Richtlinienbestimmungen an und verlangt, daß sich die Regulierungsbehörde rechtlich von allen Organisationen unterscheidet, die Telekommunikationsnetze, -geräte oder -dienste bereitstellen, und von diesen funktionell unabhängig ist. Außerdem müssen Mitgliedstaaten, wenn sie Eigentum an Organisationen behalten, die Telekommunikationsnetze oder -dienste bereitstellen, oder über diese eine wesentliche Kontrolle ausüben, eine wirksame strukturelle Trennung der hoheitlichen Funktion von Tätigkeiten im Zusammenhang mit Eigentum und Kontrolle sicherstellen. Diese Vorgabe ist für die Organisation der Regulierung in Deutschland von großer Bedeutung, da der Bund Mehrheitseigentümer der Telekom AG ist. Ob die gemäß §§ 66 ff. TKG errichtete Regulierungsbehörde diesen Anforderungen genügt, erscheint fraglich. 229 bb) Primärrechtliche Grundlage
Die Funktionentrennung stützt sich im Bereich der Endgeräte insb. auf die Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 28 EGV n. F. (Art. 30 EGV a. F.)/30 wäh228 Eingehend dazu aus verfassungsrechtlicher Sicht unten S. 205, 353. Zur einfachgesetzlichen Umsetzung gemäß § 14 TKG unten S. 410 f., 457. Zum wirtschaftlichen Hintergrund schon oben S. 126 mit Fußn. 71. 229 Dazu unten S. 443 ff. 230 Vgl. EuGH, Rs. C-18/88 (GB-INNO-BM), Slg. 1991 I, S. 5973 (5979 ff., 5982
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3. Kap.: Detenninanten der Universaldienstgewährleistung
rend im Bereich der Telekomrnunikationsdienste und -netze vor allem die Wettbewerbsregeln gemäß Art. 86 Abs. 1 i. V. m. Art. 82, 3 lit. g EGV n. F. (Art. 90 Abs. 1 i. V. m. Art. 86,3 lit. g EGV a. F.) maß~eblich sind. 23J Diesem Gebot liegt ein doppelter Begründungsansatz zugrunde. 32 Zum einen fUhrt die auf staatliche Maßnahmen (z. B. gesetzliche Zuständigkeitszuweisung) zurückgehende Vermischung von Schiedsrichter- und Mitspielerfunktion auf seiten der Telekommunikationsorganisationen zu einem Interessenkonflikt, dem auf seiten der (anderen) Anbieter und der Benutzer ein die Chancengleichheit beeinträchtigendes Diskriminierungspotential korrespondiert. Zum anderen verstärkt diese Funktionenpotenzierung die auch nach Aufhebung der besonderen oder ausschließlichen Rechte regelmäßig noch fortbestehende beherrschende Stellung dieser Unternehmen auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes, weil sie im Rahmen der Zulassung und Überwachung die Zugangs-, Nutzungs- und Absatzmöglichkeiten von Wettbewerbern in unzulässiger Weise einschränken können. 233 Die Zuständigkeit zur Durchsetzung der Funktionentrennung liegt im Rahmen der Marktöffnung bei sekundärrechtlichen Maßnahmen gemäß Art. 86 Abs. 3 EGV n. F. (Art. 90 Abs. 3 EGV a. F.) bei der Kommission. Sie überwacht die Einhaltung der aus dieser Vorschrift fließenden mitgliedschaftlichen Verpflichtungen und kann dazu erforderlichenfalls geeignete Richtlinien oder Entscheidungen an die Mitgliedstaaten richten. 234 Daneben kann der Rat aufgrund Art. 94, 95 EGV n. F. (Art. 100, 100 a EGV a. F.) die zur binnenmarktbezogenen Rechtsangleichung notwendigen Maßnahmen (gemeinsam mit dem Europäischen Parlament) treffen. 235 Ausdruck dieser Harmonisierungsbestrebungen ist insb. der neue Art. 5 a Richtlinie 90/387/EWG. 236 Die dort in Absatz ff), Tz. 14 ff., 30 ff; s. auch EuGH, Rs. C-202/88 (FrankreichIKommission), Slg. 1991 I, S. 1223 (1270), Tz. 49 ff. 23! S. EuGH, Rs. C-271190, C-281190 und C-289/90 (Spanien u. a./Kommission), Slg. 1992 I, S. 5833 (5865), Tz. 22; Rs. C-46/90, C-93/91 (Procureur du Roi), Slg. 1993 I, S. 5267 (5331), Tz. 44. 232 Vgl. insb. die Begründungserwägung 29 zu Richtlinie 90/388/EWG; zu Anforderungen im Zusammenhang mit Harmonisierungsbestrebungen unten S. 163 ff. 233 Vgl. auch EuGH, Rs. C-271190, C-281190 und C-289/90 (Spanien u. a./Kommission), Slg. 1992 I, S. 5833 (5865), Tz. 22, unter Rückverweis auf EuGH, Rs. C202/88 (Frankreich/Kommission), Slg. 1991 I, S. 1223 (1270 f.), Tz. 50 f; s. auch B. Haar, Marktöffnung in der Telekommunikation, S. 257 ff 234 Zur Zuständigkeit der Kommission nach Art. 90 Abs. 3 EGVa. F. Uetzt: Art. 86 Abs. 3 EGV n. F.) und zum Inhalt der dort verankerten Befugnisse EuGH, Rs. 202/88 (FrankreichIKommission), Slg. 1991 I, S. 1223 (1263 ff.), Tz. 12 ff., 19 ff.; Rs. C-48/90 und C-66/90 (Niederlande u. a./Kommission), Slg. 1992 I, S. 565 (633 ff.), Tz. 20 ff.; vgl. allgemein auch oben S. 144 mit Fußn. 149. 235 Vgl. EuGH, Rs. C-202/88 (FrankreichIKommission), Slg. 1991 I, S. 1223 (1265 f.), Tz. 23 ff; B. Haar, Marktöffnung in der Telekommunikation, S. 281 ff. 236 Dazu schon oben S. 161.
C. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben
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2 enthaltenen Vorgaben tasten die institutionelle Autonomie der Mitgliedstaaten nicht an. Denn sie verlangen nur eine rechtliche und funktionelle Trennung, schreiben aber keine bestimmte Organisationsform vor. Der in Art. 295 EGV n. F. (Art. 222 EGV a. F.) verankerte Grundsatz einer Neutralität der Verpflichtungen in Hinblick auf die Eigenturnsordnung wird ebenfalls nicht berührt, da nicht die Aufgabe des staatlichen Eigentums, sondern nur eine wirksame strukturelle Separierung gefordert wird. 237 d) Angleichung der Bedingungen im Bereich der Telekommunikation auf der Grundlage der ONP-Konzeption aa) Der Begriff der ONP-Bedingungen Unter ONP-Bedingungen versteht man die nach Maßgabe der ONPRichtlinie des Rates harmonisierten Bedingungen, die den offenen und effIzienten Zugang zu öffentlichen Telekommunikationsnetzen und gegebenenfalls öffentlichen Telekommunikationsdiensten und die effIziente Nutzung dieser Netze und Dienste betreffen. 238 Sie ergänzen die Liberalisierungsmaßnahmen der Kommission (insb. die Diensterichtlinie), bleiben auch nach deren Abschluß in einem liberalisierten Umfeld bedeutsam, bedurften insoweit freilich der Anpassung. 239 ONP-Bedingungen legen gemäß Art. 3 Abs. 2 und 3 Richtlinie 90/3871EWG in der durch Art. 1 Nr. 3 Richtlinie 97/511EG geänderten Fassung einheitlich die Voraussetzungen und den Umfang fiir eine Beschränkung des Rechts auf Zugang zu und Nutzung von öffentlichen Telekommunikationsdiensten und -netzen fest. Daneben fmden die allgemein geltenden Bedingungen ftir den Anschluß von Endgeräten an das Netz Anwendung. 24o ONPBedingungen sind und bleiben ein Fundarnentalprinzip der Telekommuniklltionspolitik der EU. bb) Die Ziele der ONP-Bedingungen Mit der Einfiihrung von ONP-Bedingungen verfolgt die EU unterschiedliche Zielsetzungen. Zunächst stand das Bestreben im Vordergrund, (neuen) AnbieS. auch Begründungserwägung 9 zu Richtlinie 97/51/EG. Vgl. die durch Art. 1 Nr. 2 Richtlinie 97/5 lIEG neu gefaßte Begriffsfestlegung gemäß Art. 2 Nr. 8 Richtlinie 90/387/EWG, die gegenüber der Erstfassung nur geringfligig sprachlich abweicht. 239 Die Anpassung ist inzwischen durch Art. 1 Richtlinie 97/511EG erfolgt, der die Richtlinie 90/387/EWG partiel1 modifiziert; zur fortdauernden Bedeutung der ONPGrundsätze ebda, Begründungserwägung 5. 240 Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Richtlinie 90/3871EWG in der durch Art. 1 Nr. 3 Richtlinie 97/51/EG geänderten Fassung; Art. 3 Satz 2 Richtlinie 88/3011EWG in der durch Art. 1 NT. 3 Richtlinie 94/46/EG geänderten Fassung; oben S. 148 mit Fußn. 165, S. 149 ff. 237 238
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3. Kap.: Detenninanten der UniversaldienstgewährIeistung
tern den Marktzugang zu erleichtern und die Handlungsfreiheit der Nutzer durch Bereitstellung harmonisierter Dienste zu fördern. Mittlerweile hat das Ziel, einen Universaldienst in der Telekommunikation zu gewährleisten und fortzuentwickeln, das schon in der Anfangskonzeption im Keim angelegt ge• 24\ eb enb'" -&'. hren. 242 Zur Umsetzung d'leser Z'le Ie ürtlge ReIevanz eua wesen 1st, muß die Ausgestaltung der sukzessive an die Stelle der besonderen oder ausschließlichen Rechte tretenden Genehmigungsverfahren nach Maßgabe von ONP-Bedingungen erfolgen. 243 Diese bilden außerdem die Grundlage für Vorgaben in bezug auf die Zusammenschaltung der Netze und die Interoperabilität der Dienste. Sie sollen insb. durch Festlegung harmonisierter technischer Schnittstellen und sonstiger SpezifIkationen gefördert werden. 244 Der dahinter stehende Zweck ist die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen und die Gewährleistung des Zugangs zu öffentlichen Telekommunikationsnetzen und -diensten sowie für deren Benutzung durch jedermann. Dazu ist die Vorhaltung eines Mindestangebots an Diensten sicherzustellen. ONP-Bedingungen sind daher die Basis der Liberalisierung und der Universaldienstgewährleistung. 245 ce) Der Inhalt der ONP-Bedingungen
ONP-Bedingungen, d. h. harmonisierte Bedingungen für den offenen und effIzienten Zugang zu und die offene und effIziente Benutzung von öffentlichen Telekommunikationsnetzen und -diensten, müssen gemäß Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 90/387/EWG folgenden fundamentalen Grundsätzen entsprechen: Sie müssen - auf objektiven Kriterien beruhen, - transparent sein und in geeigneter Form veröffentlicht werden, - gleichen Zugang gewähren und in Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht Diskriminierungen ausschließen. 241 S. die Erstfassung von Art. 1 Abs. 2, Art. 4 Abs. 4 lit. d i. V. m. Anhang 2 Nr. 1 Richtlinie 90/387/EWG, wonach ONP-Bedingungen zur Aufrechterhaltung und zum Ausbau einer flächendeckenden, angemessenen Versorgung mit Telekommunikationsdiensten beitragen sollen; B. Haar, Marktöffnung in der Telekommunikation, S. 282. 242 S. insb. Begründungserwägung 5 zu Richtlinie 97/51/EG. 243 Zur Bedeutung von ONP-Bedingungen für die Hannonisierung von Genehmigungsverfahren nebst insoweit zulässiger Auflagen s. nur Begründungserwägung 11 zu Richtlinie 97/13/EG. 244 Vgl. dazu und zu weiteren Zielen den durch Art. 1 Nr. 1 lit. bRichtlinie 97/51/EG eingefügten Art. 1 Abs.3 Richtlinie 90/387/EWG. W Zu den Interdependenzen zwischen ONP-Bedingungen, Liberalisierung und Universaldienstgewährleistung s. das Grünbuch Telekommunikationsinfrastruktur, Teil 2, BR-Drs. \01/95, S. 72 f., 76 f. sowie die Entschließung des Rates 93/C 213/01 zur Prüfung der Lage im Bereich Telekommunikation und zu den notwendigen künftigen Entwicklungen in diesem Bereich vom 22.07.1993.
C. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben
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Soweit ONP-Bedingungen Zugangsbeschränkungen enthalten, ist dies gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Richtlinie 90/3871EWG in der durch Art. 1 Nr. 3 lit. a Richtlinie 97/511EG (lediglich sprachlich) geänderten Fassung nur aus Gründen zulässig, die auf grundlegenden Anforderungen beruhen und in Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht stehen. Die als grundlegende Anforderungen anzuerkennenden Notwendigkeiten sind in der Erstfassung des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 der vom Rat erlassenen ONP-Richtlinie weitgehend inhaltsgleich wie in der Diensterichtlinie der Kommission vom gleichen Tage festgelegt worden. 246 Hier zeigt sich das Ineinandergreifen von Liberalisierung und Harmonisierung, das vor allem in der Anfangsphase der Marktöffnung stark ausgeprägt gewesen ist. 247 Inzwischen hat der Begriff der grundlegenden Anforderungen in dem durch Art. 1 Nr. 2 Richtlinie 97/51/EG neu gefaßten Art. 2 Nr. 6 Richtlinie 90/38 7IEW G eine veränderte Defmition erfahren. Identische F estlegungen enthalten der durch Art. 1 Nr. 1 lit. a ii geänderte Art. 1 Abs. 1 Spiegeistrich 15 Richtlinie 90/3881EWG sowie Art. 2 Abs. 1 lit. d Richtlinie 97/13IEG und (inhaltlich ausführlicher) Art. 10 Richtlinie 97/33IEG. 248 Diese Übereinstimmung, wie auch die Bezugnahme in diesen Regelwerken auf die ONP-Richtlinie,249 unterstreichen die überwölbende Bedeutung, die ONPBedingungen auch nach Abschluß der Liberalisierung bei der Harmonisierung der Regulierung zukommt. Sekundärrechtliche Maßnahmen dürfen die Dienstleistungsfreiheit grds. nur wegen grundlegender Anforderungen einschränken; sie unterliegen dann den Vorgaben der Art. 86, 49 EGV n. F. (Art. 90, 59 EGV a. F.).250 Soweit ONP-Bedingungen Benutzungseinschränkungen zulassen, verlangte die Erstfassung des Art. 3 Abs. 3 Richtlinie 90/387IEWG, daß diese sich aus
246 Vgl. Art. 2 Abs. I der Erstfassung der Richtlinie 90/388/EWG. Danach verstand man unter grundlegenden Anforderungen die im allgemeinen Interesse liegenden Gründe nichtwirtschaftlicher Art, die einen Mitgliedstaat veranlassen können, den Zugang zum öffentlichen Telekommunikationsnetz oder zu den öffentlichen Telekommunikationsdiensten zu beschränken. Diese Gründe waren, wie in der Erstfassung des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 90/387/EWG, die Sicherheit des Netzbetriebs, die Aufrechterhaltung der Netzintegrität sowie in begründeten Fällen die Interoperabilität der Dienste und der Datenschutz. 247 S. auch schon oben S. 143 f. 248 Die geltende Fassung der grundlegenden Anforderungen sieht gegenüber der Erstfassung (dazu oben Fußn. 246) vor allem eine Erweiterung der insoweit anzuerkennenden Gründe vor. Dazu zählen nunmehr auch der Umweltschutz, Raumordnungsziele, eine effiziente Nutzung des Frequenzspektrums sowie die Verhinderung von Störungen zwischen funkgestützten Telekommunikationssystemen und anderen, raumgestützten oder terrestrischen Systemen; s. auch unten S. 183 f. 249 Vgl. nur Art. 2 Abs. 2 Richtlinie 97/13/EG; Art. 2 Abs. 2, Art. 10 Unterabsatz I Richtlinie 97/33/EG. 250 Vgl. M. Bullinger/E.-J. Mestmäcker, Multimediadienste, S. liD ff., ebda, S. 95 ff., auch zur Freiheit des Dienstleistungsverkehrs.
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3. Kap.: Detenninanten der Universaldienstgewährleistung
der Ausübung besonderer oder ausschließlicher Rechte ergeben, die die Mitgliedstaaten den Fernmeldeorganisationen gewährt haben, und daß sie mit Gemeinschaftsrecht vereinbar sind. Besondere und ausschließliche Rechte und grundlegende Anforderungen beruhten auf der gleichen primärrechtlichen Legitimationsgrundlage, dem in Art. 90 Abs. 2 Satz 1 EGV a. F. Uetzt: Art. 86 Abs. 2 Satz 1 EGV n. F.) positivierten, allgemeinen wirtschaftlichen Interesse. Diese gemeinsame Wurzel erlaubte es, bei Benutzungseinschränkungen auch auf grundlegende Anforderungen251 und bei Zulassungsbeschränkungen ergänzend auf ausschließliche und besondere Rechte abzustellen. 2S2 Die Notwendigkeit einer solchen wechselseitigen Ergänzung der Beschränkungsmöglichkeiten ist allerdings mittlerweile mit Abschluß der Liberalisierung entfallen. Aufgrund des durch Art. 1 Nr. 3 lit. a Richtlinie 97/511EG geänderten Art. 3 Abs. 3 Richtlinie 90/3871EWG dürfen ONP-Bedingungen - abgesehen von grundlegenden Anforderungen und sonstigen, gemeinschaftsrechtskonformen Einschränkungen - keinerlei weitere Einschränkungen der Nutzung öffentlicher Telekommunikationsnetze und/oder öffentlicher Telekommunikationsdienste gestatten. Die Regulierungsbehörden der Mitgliedstaaten müssen rur die Einhaltung dieser Vorgaben sorgen. 2S3 dd) Der Geltungsbereich der ONP-Bedingungen
ONP-Bedingungen gelten gemäß Art. 1 Abs. 1 Richtlinie 90/387/EWG rur den Zugang zu und die Benutzung von öffentlichen Telekommunikationsnetzen und -diensten. Ausgehend von dieser Bestimmung sollte ihr Anwendungsbereich schrittweise auf die in Art. 4 Abs. 2 Satz 1 Richtlinie 90/3871EWG i. V. m. Anhang 1 (Erstfassung) genannten Einzelbereiche ausgedehnt werden. Das ist zwischenzeitlich rur Mietleitungen,2S4 paket- und leitungsvermittelte Datenübermittlungsdienste, 255 ISDN 256 und den Sprachtelefondiense 57 geschehen. ONP-Bedingungen müssen ihrerseits flexibel sein, um den sich ändernden Marktverhältnissen und dem technologischen Fortschritt angemessen Rech-
251 Dies unterstrich für den Sprachtelefondienst Art. 22 Abs. 5 Richtlinie 95/62/EG, der Zugangs- und Nutzungseinschränkungen beim festen öffentlichen Telefonnetz einheitlich aufgrund der dort spezifizierten grundlegenden Anforderungen zuließ. 252 Die nunmehr maßgeblichen Vorgaben ergeben sich aus Art. 13 Abs. 2 Richtlinie 98/l0/EG. 253 Vgl. für den Sprachtelefondienst zunächst die BegTÜndungserwägung 10 zu Richtlinie 95/62/EG und jetzt die BegTÜndungserwägung 12 zu Richtlinie 98/IO/EG. 254 Richtlinie 92/44/EWG in der durch Art. 2 Richtlinie 97/51/EG geänderten Fassung. 255 Empfehlung des Rates 92/382/EWG vom 05.06.1992. 256 Empfehlung des Rates 92/383/EWG vom 05.06.1992. 257 Richtlinie 98/IO/EG, die gemäß Art. lAbs. 3 die Richtlinie 95/62/EG ersetzt.
C. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben
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nung tragen zu können. 258 Art. 4 Abs. 3 und 4 der ursprünglichen Fassung der Richtlinie 90/3871EWG i. V. m. Anhang 2 regelten das dabei einzuhaltende verfahrensrechtliche Procedere. Folgerichtig sind diese Bestimmungen der ONP-Richtlinie nunmehr durch Art. 1 Nr. 4 und 10 Richtlinie 97/511EG aufgehoben worden, da ihr Zweck, das Vorgehen bei der Verbreitung der ONPBedingungen festzulegen, erreicht worden ist. Davon unberührt bleibt die Befugnis des Rates nach Art. 95 EGV n. F. (Art. 100 a EGV a. F.), die Liste der Einzelbereiche bei Bedarf zu ändern oder zu ergänzen. 259 Er hat davon insoweit Gebrauch gemacht, als nicht weitere einzelne Dienste in die ONP-Konzeption eingebunden worden sind, sondern diese zur übergreifenden Grundlage für die Harmonisierung der Genehrnigungs- und Zusammenschaltungsverfahren erhoben wurde. In dem so umgrenzten Geltungsbereich betreffen die ONP-Bedingungen folgende Gegenstände und Merkmale: - die Speziftkationen für technische Schnittstellen und/oder Netzfunktionen, die insb. der Harmonisierung und Publiftzierung bedürfen; - die Liefer- und Nutzungsbedingungen, die - soweit erforderlich - die Bedingungen für den Zugang und die Bereitstellung umfassen. Dazu gehören u. a. die Festlegung der Dienstemerkmale, für deren notwendige Qualität harmonisierte Parameter und ein einheitliches Meßverfahren erforderlich sind, und die Vereinheitlichung der Genehrnigungsverfahren sowie des Netzzugangs und der Netzzusammenschaltungen. Ihre Ausgestaltung muß objektiv, transparent und nichtdiskriminierend sein, Ablehnungen müssen begründet werden und anfechtbar sein; - die Tarifgrundsätze; sie müssen auf objektiven Kriterien beruhen, aufgegliedert, transparent und diskriminierungsfrei sein und ordnungsgemäß veröffentlicht werden. Eine grundSätzliche Kostenorientierung ist solange erforderlich, bis der Wettbewerb zu dauerhaft niedrigen Benutzerpreisen geführt hat. Von dieser Forderung kann die nationale Regulierungsbehörde schon vorher absehen, wenn auf dem betreffenden Markt keine Organisation mehr über eine beträchtliche Marktrnacht verfügt. Zugleich soll durch eine Defmition effIzienter Tarifgrundsätze die Grundversorgung für alle gewährleistet und die Finanzierung des Universaldienstes gemäß der Zusammenschaltungsrichtlinie berücksichtigt werden;
258 So ausdrücklich für den Sprachtelefondienst die BegründungseIWägung 46 zur nunmehr durch Richtlinie 98/1 O/EG substituierten Richtlinie 95/62/EG. 259 Vgl. den inzwischen aufgehobenen Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Richtlinie 90/387/EWG, der freilich nur eine bereits in Art. 95 EGV n. F. (Art. 100 a EGV a. F.) angelegte Handlungsmöglichkeit hervorgehoben hatte.
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3. Kap.: Determinanten der Universaldienstgewährleistung
- die Numerierung, Adressierung und Namensgebung; sie müssen auf einem hannonisierten Konzept beruhen, um eine gemeinschaftsweite Zusammenschaltung der Netze und eine Interoperabilität der Dienste sicherzustellen; - den Zugang zu Frequenzen, der im Rahmen von Genehmigungsverfahren reguliert wird, die obigen Anforderungen genügen müssen. 260 e) Aufrechterhaltung und Fortentwicklung eines gemeinschaftlichen Universaldienstes Der von der EU verlangte Universaldienst wird als gemeinschaftlicher Universaldienst bezeichnet. Dieser Ausdruck ist leicht mißverständlich, erweckt er doch den Eindruck, der Universaldienst sei von der Gemeinschaft bereit- oder zumindest sicherzustellen. Darum geht es jedoch gerade nicht. Die Bereitstellung des Universaldienstes erfolgt durch die Anbieter in den Mitgliedstaaten, die Gewährleistungspflicht trifft die nationalen Regulierungsbehörden. Der Begriff "gemeinschaftlicher Universaldienst" umschreibt die Vorgaben der Gemeinschaft, die von den Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung des Universaldienstes und der darauf bezogenen Gewährleistung beachtet werden müssen. aa) Die rechtlichen Grundlagen eines gemeinschaftlichen Universaldienstes
Anders als bei der Liberalisierung und Hannonisierung der Telekommunikation261 ergaben sich die von der EU zum Universaldienst entwickelten Grundsätze und Vorgaben zunächst ausschließlich aus Grünbüchem der Kommision262 und Entschließungen des Rates. 263 Grünbücher entfalten weder für 260 S. den durch Art. 1 Nr. 11 Richtlinie 97/511EG neu gefaßten Anhang I zu Richtlinie 90/387/EWG, der den bisherigen Anhang 11 ersetzt; dazu R. Ellger, in: ders.lKluth, Internationale Telekommunikation, S. 280 ff.; zu den Schwierigkeiten B. Haar, Marktöffnung in der Telekommunikation, S. 282 ff. 261 Sie erfolgt, wie oben S. 136, 144 mit Fußn. 149 dargelegt, hauptsächlich durch Richtlinien der Kommission, des Rates und des Europäischen Parlaments. 262 Vgl. das GTÜnbuch Telekommunikationsdienstleistungen, BT-Drs. 111930, insb. S. 31 ff., 50 ff., 97 ff.; das GTÜnbuch Telekommunikationsinfrastruktur, Teil 1, BR-Drs. 1075/94, insb. S. 30, 32 ff., und das GTÜnbuch Telekommunikationsinfrastruktur, Teil 2, BR-Drs. 10 1/95, insb. S. 72 ff., 118 ff. Zu Inhalt und Bedeutung solcher GTÜnbücher oben S. 138 sowie unten S. 168 f. mit Fußn. 264. 263 Entschließung des Rates 88/C 257/01 über die Entwicklung des gemeinsamen Marktes für Telekommunikationsdienste und -geräte bis 1992 vom 30.06.1988; Entschließung des Rates 93/C 213/01 zur PTÜfung der Lage im Bereich Telekommunikation und zu den notwendigen künftigen Entwicklungen in diesem Bereich vom 22.07.1993; Entschließung des Rates 94/C 48/0 I über die Grundsätze für den Universal dienst im Bereich der Telekommunikation vom 07.02.1994; Entschließung des Rates 94/C 379/03 über die Grundsätze und den Zeitplan für die Liberalisierung der Telekommunikationsinfrastrukturen vom 22.12.1994 und Entschließung des Rates 95/C 258/01 zur Ent-
C. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben
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die Gemeinschaft noch für die Mitgliedstaaten rechtliche Bindungskraft. Entschließungen des Rates artikulieren rechtspolitische Zielvorstellungen und führen als selbst auferlegte politische Verpflichtun~ lediglich zu einer beschränkten Selbstbindung dieses Gemeinschaftsorgans. 64 Allerdings gewinnt in neuerer Zeit in Übereinstimmung mit dem Vertragsziel einer Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts (Art. 3 lit. j EGV n. F.la. F.) der Gesichtspunlct einer einheitlichen gemeinschaftsweiten Festlegung des durch die Mitgliedstaaten zu gewährleistenden Universaldienstes aus oben dargelegten Gründen265 zunehmend Bedeutung für die Telekommunikationspolitik der Gemeinschaft. Dies wird insb. anhand der Genehrnigungsrichtlinie, der Zusammenschaltungsrichtlinie, der Richtlinie zur Änderung der ONP- und Mietleitungsrichtlinie und der neuen Sprachtelefondienstrichtlinie deutlich. Sie enthalten verbindliche, detaillierte Vorgaben bezüglich Begriff, Gewährleistung und Finanzierung eines gemeinschaftsweiten Universaldienstes. 266 bb) Die Universaldienstdefinition der Gemeinschaft Die Europäische Union versteht unter einem Universaldiense67 im Bereich der Telekommunikation268 ein defmiertes Mindestangebot an Diensten von
wicklung des künftigen ordnungspolitischen Rahmens für die Telekommunikation vom 18.09.1995. 264 T. Oppermann, Europarecht, Rdnrn. 496 f.; zu dem bei Entschließungen oft unklaren Ausmaß des Bindungswillens U. Everling, in: Gedächtnisschrift für L.-J. Constantinesco, S. 133 (138, 142). 265 Vgl. oben S. 145 ff. 266 Einzelheiten unten S. 169 ff., 182 ff. In diese Richtung gehende Ansätze sind schon in der alten Sprachtelefondienstrichtlinie erkennbar, in der die Mitgliedstaaten ohne Verwendung des Ausdrucks "Universaldienst" zur Sicherung eines mit diesem weitgehend inhaltsgleichen Versorgungsniveaus verpflichtet werden (s. insb. Art. 3, 5, 6, 14, 16 f. und 19 Richtlinie 95/62/EG); vgl. auch nunmehr die expliziten Festlegungen in Art. 2 Abs. 21it. f, Art. 3 ff. Richtlinie 98/10IEG. 267 Gewisse Ähnlichkeiten scheinen auf den ersten Blick die im GTÜnbuch Telekornmunikationsdienstleistungen, BT-Drs. 111930, S. 31 f. erwähnten "Grund"-Telekornmunikationsdienste aufzuweisen, da hierzu eben die Dienste gehören, die auch den Kern des Universaldienstes bilden. Bei näherer Betrachtung treten freilich erhebliche Unterschiede zutage, die einer Gleichsetzung dieser Rechtsinstitute entgegenstehen. Grunddienste markierten in Abgrenzung zu sog. Mehrwertdiensten (dazu oben S. 80 mit Fußn. 218; s. auch oben S. 90 mit Fußn. 277) den Bereich, der ausschließlich den Fernmeldeverwaltungen vorbehalten gewesen ist, während der Universaldienst ein von privaten Anbietern bereitzustellendes Versorgungsniveau festlegt. 268 Ähnliche Bestrebungen bestehen im Postwesen, vgl. die Entschließung des Rates 94/C 48/02 über die Entwicklung der Postdienste in der Gemeinschaft vom 07.02.1994 sowie die Richtlinie 97/67/EG. Letztere enthält gemeinsame Vorschriften für die Bereitstellung eines postalischen Universaldienstes in der Gemeinschaft, für die Kriterien zur Abgrenzung der für die Anbieter von Universaldienstleistungen reservierbaren Dienste, für die Tarifierungsgrundsätze und die Transparenz der Rechnungslegung für
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3. Kap.: Determinanten der Universaldienstgewährleistung
bestimmter Qualität, das allen Benutzern unabhängig von ihrem Standort und, gemessen an den landesspezifischen Bedingungen, zu einem erschwinglichen Preis zur VertUgung steht. 269 Sein konkreter Inhalt wird durch Festlegung der hierfiir wesentlichen Elemente geformt. 270 Die Begrifflichkeit gibt insoweit nur einen äußeren Rahmen vor. cc) Die Universaldienstkonzeption der Gemeinschaft
(1) Die maßgeblichen Grundsätze tUr eine Ausgestaltung des Universaldienstes Der gemeinschaftsrechtlich geforderte Universaldienst und die zu seiner Sicherung vorgesehenen Mechanisinen beruhen auf den Grundsätzen der Universalität, Gleichbehandlung, Kontinuität, Objektivität, Transparenz und Verhältnismäßigkeit. 271 Universalität bedeutet in diesem Zusammenhang die Bereitstellung der Dienste tUr alle Benutzer an jedem Ort in der Gemeinschaft. Das Gebot der Gleichbehandlung soll die Einfiihrung diskriminierender Bedingungen tUr den Zugang zu diesen Diensten verhindern. Der Grundsatz der Kontinuität gewährleistet eine durchgängige Bereitstellung und berechenbare Fortentwicklung der Dienste. Die Prinzipien der Objektivität, Transparenz und Verhältnismäßigkeit betreffen vor allem die Kosten und die Finanzierung des Universaldienstes. Sie verlangen insoweit insb. die verhältnismäßige Anwendung einheitlicher, nachvollziehbarer Kriterien.
die Erbringung der Universaldienstleistungen und für die Festlegung von Qualitätsnormen für die Erbringung von Universaldienstleistungen (Art. I). Geregelt wurde zudem der Begriff des Universaldienstes, die Anforderungen an seinen Inhalt und die daran anknüpfende Gewährleistungspflicht der Mitgliedstaaten (Art. 3-6). 269 Vgl. Art. 2 Abs. I lit. g Richtlinie 97/33/EG, den durch Art. I Nr. 2 Richtlinie 97/51/EG neu gefaßten Art. 2 Nr. 4 Richtlinie 901387/EWG und zuletzt Art.2 Abs. 2 Iit. f Richtlinie 98/IO/EG. Die vorher maßgebliche Definition des Universaldienstes ergab sich aus der Entschließung des Rates 94/C 48/01 über die Grundsätze für den Universaldienst im Bereich der Telekommunikation vom 07.02.1994, auf die das GTÜnbuch Telekommunikationsinfrastruktur, Teil I, BR-Drs. \075/94, S. 32 mit Fußn. 52 und die Entschließung des Rates 95/C 258/01 zur Entwicklung des künftigen ordnungspolitischen Rahmens für die Telekommunikation vom 18.09.1995 Bezug nehmen. Danach war unter einem Universaldienst ein gemeinschaftsweiter, auf der Grundlage der Grundsätze Universalität, Gleichbehandlung und Kontinuität festgelegter Mindestdienst mit bestimmter, durch wesentliche Dienstemerkmale fixierter Qualität und Quantität zu verstehen, der für alle Benutzer, unabhängig von ihrer geographischen Lage, zu einem im Lichte spezifischer nationaler Gegebenheiten erschwinglichen Preis bereitgestellt wird. Die jetzt geltende Festlegung ist gegenüber dieser Definition offener angelegt, enthält aber ebenfalls die wesentlichen Elemente (Mindestangebot, Flächendeckung, Erschwinglichkeit, Qualitätsstandard). 270 Vgl. im einzelnen unten S. 171 ff., 175 ff. 271 Vgl. die Entschließung des Rates 94/C 48/01 über die Grundsätze für den Universaldienst im Bereich der Telekommunikation vom 07.02.1994.
C. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben
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(2) Die Wesensmerkmale des gemeinschaftlichen Universaldienstes Cl) Mindestgarantie
Nach der Konzeption der Gemeinschaft beschränkt sich der europarechtlich gebotene Universaldienst auf ein Mindestangebot an defmierten Telekommunikationsdienstleistungen mit einer bestimmten Qualität zu einem - unter Berücksichtigung der Gegebenheiten in den einzelnen Mitgliedstaaten - erschwinglichen Preis. 272 Dieses Wesensmerkmal des Universaldienstes kommt jetzt auch im Wortlaut der Universaldienstdefmition der Zusammenschaltungsrichtlinie und der geänderten ONP-Richtlinie zum Ausdruck ("Mindestangebot"). Auf diese Weise soll zum Schutz der Verbraucher vor einer Unterversorgung (Art. 3 lit. s EGV n. F.la. F.) und zur Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts in der Gemeinschaft und der territorialen Ausgewogenheit (Art. 2, 3 lit. j EGV) sichergestellt werden, daß die Mitgliedstaaten in dem sich entfaltenden Wettbewerb eine einheitliche Grundversorgung gewährleisten. 273 Ausschlaggebend für die enge Fassung des gemeinschaftlichen Universaldienstes im Bereich der Telekommunikation war die Befürchtung, daß eine zu weite Defmition die Wettbewerbskräfte, die als Hauptantriebskräfte fiir bessere Dienste, niedrigere Preise und verstärkte Innovationen angesehen wurden, behindert, da neue Wettbewerber bei umfänglichen Universaldienstverpflichtungen wegen der damit verbundenen Kosten vom Markteintritt abgehalten werden könnten. Eine verfrühte Ausdehnung des Universaldienstes birgt nach Ansicht der Kommission außerdem das Risiko, daß Benutzer für Dienste zahlen müssen, die sie weder brauchen noch nutzen, und Dienste aufgrund der Universaldienstgarantie bereitgestellt oder sogar subventioniert werden, die die Benutzer auch im Rahmen normaler Geschäftsbeziehungen verlangen und hierfür den üblichen Preis bezahlen würden. 274 Aus Sicht der Mitgliedstaaten bildet der gemeinschaftliche Universaldienst im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip (Art. 5 Abs. 2 EGV n. F.lArt. 3 b Abs. 2 EGV a. F.) nur eine Untergrenze fiir die Ausgestaltung des von ihnen zu gewährleistenden Versorgungsniveaus. Die EU hat auch davon abgesehen, alle 272 Vgl. die Entschließungen des Rates 94/C 48/01 über die Grundsätze für den Universaldienst im Bereich der Telekommunikation vom 07.02.1994 und 95/C 258/01 zur Entwicklung des künftigen ordnungspolitischen Rahmens für die Telekommunikation vom 18.09.1995. 273 Zu diesen hinter der Universaldienstkonzeption stehenden Gemeinschaftszielen s. Begründungserwägung 15 zu Richtlinie 97/13/EG, Begründungserwägung 8 zu Richtlinie 97/33/EG und Begründungserwägung 4 zu Richtlinie 97/5 liEG. 274 Mitteilung der Kommission zum Universaldienst vom 13.03.1996, BR-Drs. 278/96, S. 8 f.
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3. Kap.: Determinanten der Universaldienstgewährleistung
Merkmale des Universaldienstes einheitlich und verbindlich gemeinschaftsrechtlich festzulegen, sondern läßt bezüglich der Erschwinglichkeit der Dienste die Berücksichtigung spezifisch nationaler Gegebenheiten zu. 27S Darüber hinaus können die Mitgliedstaaten zusätzliche telekommunikationsbezogene Verpflichtungen276 zur Bereitstellung bestimmter Dienste bzw. Dienstemerkmale vorsehen, sofern diese mit obigen Grundsätzen und den übrigen Regeln des Gemeinschaftsrechts vereinbar sind. 277 Aus ihnen ergibt sich eine Obergrenze bei der Festlegung des Umfangs des Universaldienstes. Denn eine durch Anreicherung mit zusätzlichen Telekommunikationsdienstleistungen aufgeblähte Definition des Universaldienstes durch einen Mitgliedstaat würde den angestrebten offenen, diskriminierungsfreien Wettbewerb auf den Telekommunikationsmärkten der Gemeinschaft beeinträchtigen und die Dienstleistungsfreiheit in unverhältnismäßiger Weise beschränken. In diesen Kontext fällt auch die Frage, ob der gemeinschaftliche Universaldienst die besondere und gezielte Bereitstellung von öffentlichen Telekommunikationsdienstleistungen aus sozialen Gründen (z. B. besondere öffentliche Telefonstellen fiir Obdachlose; Bereitstellung von Sondereinrichtungen fiir Behinderte; günstige Tarife fiir Personen mit besonderen sozialen Bedürfnissen) umfaßt oder jedenfalls entsprechende mitgliedstaatliche Regelungen zuläßt. Das ist vor allem wegen der damit verbundenen Finanzierungspflicht von Interesse. Zu dieser Problematik hat sich anfangs in der Gemeinschaft keine eindeutige Rechtsposition herausgebildet. Die Kommission schien eher geneigt, dem auf gemeinschaftlicher Ebene festgelegten Universaldienst auch eine sozialpolitische Steuerungsdimension beizumessen,278 während der Rat die Berücksichtigung sozialer Belange zwar zuließ, aber die Entscheidung über ihre
275 Vgl. die Mitteilung der Kommission zum Universaldienst vom 13.03.1996, BRDrs. 278/96, S. 5, wo auf die enge Verbindung zwischen der Erschwinglichkeit des Dienstes und den tatsächlichen Bedingungen und politischen Zielen (z. B. Regionalentwicklung) des jeweiligen Mitgliedstaates abgehoben wird. 276 Durch die Begrenzung auf telekommunikationsbezogene Verpflichtungen soll eine Berücksichtigung sachfremder Belange und ein Mißbrauch des Universaldienstes als Sanktionsmittel verhindert werden, vgl. die Entschließung des Rates 951C 258/01 zur Entwicklung des künftigen ordnungspolitischen Rahmens für die Telekommunikation vom 18.09.1995 und das GTÜnbuch Te1ekommunikationsinfrastruktur, Teil 2, BR-Drs. \0 1195, S. 161. 277 S. die Entschließung des Rates 951C 258/01 zur Entwicklung des künftigen ordnungspolitischen Rahmens für die Telekommunikation vom 18.09.1995 sowie die Mitteilung der Kommission zum Universaldienst vom 13.03.1996, BR-Drs. 278/96, S. 3 f. 278 S. insb. die Mitteilung der Kommission zum Universaldienst vom 13.03.1996, BR-Drs. 278/96, S. 14, in der allerdings zugleich darauf hingewiesen wird, daß die Frage, ob eine besondere finanzielle Unterstützung zur Sicherung der Erschwinglichkeit solcher Dienste für eine bestimmte Gruppe von Benutzern gewährt wird, der nationalen Sozialpolitik überlassen bleibt, jedenfalls nicht in die Finanzierungsmechanismen des Universaldienstes Eingang finden darf.
C. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben
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QualifIzierung als Universaldienst den Mitgliedstaaten überantwortete. 279 Inzwischen hat letztgenannte Auffassung durch die Zusamrnenschaltungsrichtlinie und die neue Sprachtelefondienstrichtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates eine erhebliche Stärkung erfahren. Art. 5 Abs. 1 Satz 3 Richtlinie 97/331EG i. V. m. Anhang I Abschnitt 1 legt fest, daß nur das feste öffentliche Telefonnetz und der feste öffentliche Telefondienst unter den dort spezifIzierten Universaldienstfmanzierungsmechanismus fallen. Der feste öffentliche Telefondienst kann die Bereitstellung von Diensten unter Sonderbedingungen und/oder die Bereitstellung von Sondereinrichtungen für Behinderte oder Benutzer mit besonderen sozialen Bedürfnissen einschließen, muß es aber nicht von Gemeinschaftsrechts wegen. Die Entscheidung bleibt den Mitgliedstaaten überlassen. Diesen Ansatz greifen Art. 3 und 8 Richtlinie 98/101EG auf und bauen ihn aus. Danach müssen die Mitgliedstaaten für diese Benutzergruppen und Nutzer in ländlichen Regionen und kostenintensiven Gebieten die Erschwinglichkeit der Preise für die genannten Universaldienste durch Preisobergrenzen, über die Fläche gemittelte Tarife oder ähnliche Mechanismen sicherstellen und den gleichberechtigten Zugang zu ihnen gewährleisten. Dieser Paradigmenwechsel wirft die Frage nach der Vereinbarkeit dieser neuen Akzentuierung mit primärem Gemeinschaftsrecht auf. Insoweit scheint Zurückhaltung geboten. Zwar nennt Art. 3 lit. j EGV n. F. (Art. 3 lit. j EGV a. F.) die soziale Kohäsion als eines der Tätigkeitsziele der Union; ihre Verwirklichung steht aber unter dem Subsidiaritätsvorbehalt des Art. 5 Abs. 2 EGV n. F. (Art. 3 b Abs. 2 EGV a. F.). Es ist zumindest zweifelhaft, ob die Förderung einer Bereitstellung von öffentlichen Telekommunikationsdiensten aus sozialen Gründen im Rahmen der Gewährleistung eines Universaldienstes auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden kann und daher wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene zu verwirklichen ist. Die gemeinschaftlich gebotene Universaldienstgewährleistung durch die Mitgliedstaaten soll vor einer Unterversorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen infolge Wettbewerbsversagens schützen; sie darf nicht zu einem primär sozialpolitischen Steuerungselement der EU umfunktioniert werden.
ß) Entwicklungsgarantie Nach den Vorstellungen der EU soll der Universaldienst nicht lediglich den status quo der Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen absichern, sondern muß dynamisch fortentwickelt und an die sich ändernden Bedürfnisse und Erwartungen der Benutzer in der Informationsgesellschaft angepaßt wer-
279 Vgl. neben den oben S. 168 mit Fußn. 263 genannten Entschließungen des Rates auch Art. 14 Abs. 2, Art. 19 der inzwischen außer Kraft getretenen Richtlinie 95/62/EG.
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3. Kap.: Determinanten der Universaldienstgewährleistung
den. Nur so ist gewährleistet, daß dieses Rechtsinstitut mit dem technischen Fortschritt und der wirtschaftlichen Entwicklung Schritt hält. Das erfordert eine periodische Übe~rüfung des Umfangs der als Universaldienst gebotenen Dienstleistungen. 2 0 Dabei ist zugleich sicherzustellen, daß die Anbieter als potentielle Adressaten mitgliedstaatlieh auferlegter Universaldienstverpflichtungen die für ihre Investitionsentscheidungen notwendige Planungssicherheit erhalten. Probates Mittel hierfür sind nach Ansicht der Kommission berechenbare verfahrensrechtliche Vorkehrungen, z. B. ein fester Zeitrahmen für die notwendigen empirischen Erhebungen, Transparenz der für die Ermittlung eines Anpassungsbedarfs maßgeblichen Kriterien und eine frühzeitige Beteiligung der betroffenen Kreise. Die Vor- und Nachteile für Nutzer und Anbieter müssen bei der Festlegung des Umfangs des Universaldienstes und der Geschwindigkeit seiner Weiterentwicklung abgewogen werden.28\
(3) Die Kriterien und Indikatoren für die Festlegung des gemeinschaftlichen Universaldienstes Der gemeinschaftliche Universaldienst wird durch unterschiedliche Telekommunikationsdienstleistungen ausgefüllt. Unter diesen von den Gemeinschaftsorganen nicht durchgängig gebrauchten Rechtsbegriff 82 fallen nicht nur das Angebot und die Erbringung der Dienstleistung "Telekommunikation", sondern auch die Bereitstellun der hierfür erforderlichen Telekommunikationsinfrastrukturen für Dritte. 28 Die als Universaldienst gebotenen Telekommunikationsdienstleistungen bilden mit ihren hiernach notwendigen Dienstemerkmalen die sog. wesentlichen Diensteelemente. Daneben bestehen sog. zusätzliche Diensteelemente in Form von fortgeschrittenen Merkmalen und empfohlenen Angeboten, die nicht als Universaldienst garantiert, aber ordnungs-
f
280 Vgl. die Entschließung des Rates 94/C 48/01 über die Grundsätze für den Universaldienst im Bereich der Telekommunikation vom 07.02.1994; s. auch Begründungserwägung 7 zu Richtlinie 97/33/EG und Begründungserwägung 4 zu Richtlinie 97/51/EG. 281 So die Mitteilung der Kommission zum Universaldienst vom 13.03.1996, BRDrs. 278/96, S. 8 f.; s. auch den Zeitplan für die bis 1998 geplanten Maßnahmen der EU, ebda, Anhang 1. 282 Zu den Ursachen der schwankenden Terminologie oben S. 116; in den einschlägigen Richtlinien ist regelmäßig von (öffentlichen) Telekommunikationsdiensten und -netzen die Rede. 283 Vgl. nur die Entschließungen des Rates 93/C 213/01 zur Prüfung der Lage im Bereich Telekommunikation und zu den notwendigen künftigen Entwicklungen in diesem Bereich vom 22.07.1993, 94/C 48/01 über die Grundsätze für den Universaldienst im Bereich der Telekommunikation vom 07.02.1994 und 94/C 379/03 über die Grundsätze und den Zeitplan für die Liberalisierung der Telekommunikationsinfrastrukturen vom 22.12.1994, die die gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen an einen Universaldienst auf das Angebot von öffentlichen Telekommunikationsdiensten und die Bereitstellung von öffentlichen Telekommunikationsnetzen erstrecken.
C. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben
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politisch erwünscht sind. Sie markieren Orientierungspunkte, an denen sich die künfti.re Entwicklung des Universaldienstes in den Mitgliedstaaten ausrichten soll.28 Die Zuordnung einzelner Telekommunikationsdienstleistungen zum Universaldienst erfolgt auf der Grundlage der oben dargestellten Ausgestaltungsgrundsätze. 285 Kriterien für diese Entscheidung sind insb. ihr Verbreitungsgrad und die Nachfrage (Bedarf).286 Indikatoren für die Beurteilung, ob die Zuordnungskriterien erfüllt sind, ergeben sich aus tatsächlichen Umständen, z. B. bei öffentlichen Telefonen anhand ihrer Zahl, Verfügbarkeit und Funkti. 287 ons fla'h'Igk elt. dd) Der Inhalt des gemeinschaftlichen Universaldienstes
( 1) Die Art der Dienstleistungen Der gemeinschaftsrechtlich gebotene Universaldienst beschränkt sich gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 3 Richtlinie 97/33/EG i. V. m. Anhang I Abschnitt 1 auf das feste öffentliche Telefonnetz und den festen öffentlichen Telefondienst, da nur diese Arten eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes und eines für die Öffentlichkeit zugänglichen Telekommunikationsdienstes288 in den zur Gewährleistung eines Universaldienstes unabdingbaren Finanzierungsmechanismus einbezogen werden dürfen. Herzstück des Universaldienstes ist die Bereitstellung des Sprachtelefondienstes289 über einen Festnetzanschluß. Die Mitglied-
284 S. die Erklärung der Kommission 94/C 48/06 bezüglich der Entschließung des Rates über den universellen Dienst im Bereich der Telekommunikation vom 07.02.1994. 285 "Universalität", "Gleichbehandlung", "Kontinuität", "Objektivität", "Transparenz" und "Verhältnismäßigkeit". Zur Bedeutung dieser Begriffe, die auch bei der Ausgestaltung des Finanzierungsmodells des Universaldienstes zu beachten sind (dazu unten S. 187), oben S. 170. 286 Vgl. nur BegTÜndungserwägung 4 zu Richtlinie 97/51/EG: " ... sich ändernden Bedarf der Benutzer .... " 287 GTÜnbuch Telekommunikationsinfrastruktur, Teil 2, BR-Drs. 101195, S. 125 f. 288 Der Ausdruck "öffentlich zugängliche Telekommunikationsdienste" ersetzt zunehmend den bislang gebrauchten Begriff "öffentliche Telekommunikationsdienste". Dies erscheint sachgerecht, wenn letztere, wie beispielsweise in der Erstfassung des Art. 2 Richtlinie 901387/EWG, als Telekommunikationsdienste verstanden werden, mit deren Erbringung die Mitgliedstaaten insb. eine oder mehrere Fernmeldeorganisationen betraut haben, da es darauf in einem liberalisierten Telekommunikationsmarkt nicht mehr ankommen kann. Werden öffentliche Telekommunikationsdienste dagegen wie Art. 1 Nr. 1 Iit. a i Spiegelstrich 2 Richtlinie 96119/EG als für die Öffentlichkeit verfügbare Telekommunikationsdienste definiert, ist der Unterschied zur zugangsfokussierten Begriffsfestlegung wohl nur sprachlicher Natur. 289 Unter "Sprachtelefondienst" versteht das Gemeinschaftsrecht einen der Öffentlichkeit für die kommerzielle Bereitstellung des direkten Transports von Sprache in Echtzeit über das (die) öffentliche(n) vermittelte(n) Netz(e) verfügbaren Dienst, so daß
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3. Kap.: Determinanten der Universaldienstgewährleistung
staaten müssen den Zugang zu einem festen öffentlichen Telefonnetz,290 über das auch eine Telefax-Kommunikation und eine Sprachband-Datenübertragung über Modems erfolgen kann, und das Angebot eines Sprachtelefondienstes sicherstellen. 291 Dagegen ist der Zugang zu und die Nutzung von Mobilfunknetzen derzeit (noch) kein Bestandteil des gemeinschaftlichen Universaldienstes. 292 Gleiches gilt fiir das Angebot multimedialer Dienste. Allerdings hat die Union den Zugang zu diesen Diensten dem Universaldienst zugeordnet. 293 Hierfiir genügt indes schon ein Festnetzanschluß, der oben genannte Kommunikationsformen ermöglicht. Somit verlagert sich die Fragestellung auf den durch den Universaldienst gebotenen Umfang, in dem Übertragungskapazitäten mittels dieses Netzes zur Verfiigung gestellt werden müssen. Auf die Kabelnetze, die wegen ihres hohen Informationsdurchsatzvolumens die insb. bei Multimediadiensten virulente Problematik von Kapazitätsengpässen entschärfen könnten, darf insoweit nicht zurückgegriffen werden. Sie sind zwar nach ihrer durch Art. 1 Nr. 2 Richtlinie 95/51/EG angeordneten Öffnung zur Erbringung von Telekommunikationsdiensten als feste öffentliche Telekommunikationsnetze zu qualifizieren, somit (auch) zur Übermittlung von Multimediadiensten geeignet und bestimmt, gehören jedoch gleichwohl nicht zum derzeit von der EU verlangten Universaldienst, da sie kein festes öffentliches Telefonnetz darstellen. 294 jeder Nutzer das an einem Netzabschlußpunkt an einem bestimmten Standort angeschlossene Endgerät zur Kommunikation mit dem Nutzer eines an einem anderen Netzabschlußpunkt angeschlossenen Endgeräts verwenden kann (Hervorhebungen im Original), vgl. Art. 2 Abs. 2 Iit. e Richtlinie 98/10IEG. S. auch die wohl nur dem Wortlaut nach geringfügig abweichende Begriffsfestlegung in Art. I Abs. I Richtlinie 90/388/ EWG. Zum Ganzen zuletzt K. WindthorstlN. Franke, CR 1999, 14 (16 ff.). 290 Ein festes öffentliches Telefonnetz wurde zunächst gemäß Art. 2 Abs. 2 Spiegelstrich I Richtlinie 95/62/EG als das öffentlich vermittelte Telekommunikationsnetz definiert, über das unter anderem der Sprachtelefondienst zwischen Netzabschlußpunkten an festen Standorten bereitgestellt wird. Die nunmehr maßgebliche Begriffsfestlegung ergibt sich aus Anhang I Abschnitt I zu Richtlinie 97/33/EG; sie bezieht auch die Übermittlung von Ton und die notwendige Bandbreite von 3,1 kHz mit ein, nennt zudem einzelne Dienste, wie den Sprachtelefondienst, deren Übermittlung dieses Netz unterstützt. Demgegenüber war früher, insb. in der Entschließung des Rates 94/C 48/01 über die Grundsätze für den Universaldienst im Bereich der Telekommunikation vom 07.02.1994 und in der Mitteilung der Kommission zum Universaldienst vom 13.03.1996 (BR-Drs. 278/96, S. 4), in Bezug auf Universaldienstleistungen allgemein vom weiter gefaßten Begriff "öffentliches Telekommunikationsnetz" die Rede, dazu schon oben S. 70 mit Fußn. 162 sowie unten S. 176 mit Fußn. 294. 291 Vgl. die Hervorhebungen in Anhang I Abschnitt I zu Richtlinie 97/33/EG. 292 Dies folgt aus Art. 5 Abs. I Satz 3 Richtlinie 97133/EG i. V. m. Anhang I Abschnitt 3 und wird durch Art. lAbs. 2, Art. 3 Richtlinie 98/10/EG unterstrichen. 293 Vgl. die Mitteilung der Kommission zum Universaldienst vom 13.03.1996, BRDrs. 278/96, S. 5; s. auch Art. 5 Abs. 2 Richtlinie 98/1 O/EG. 294 Das folgt bei Zugrundelegung der Begriffsfestlegung in Anhang I Abschnitt I zu Richtlinie 97/33/EG aufgrund der dort verlangten Bandbreite und Übermittlungsfunk-
C. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben
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Unklar war zunächst außerdem die Bedeutung der im Zusammenhang mit dem Universaldienst mitunter auftauchenden Zusätze "Grund"-(Sprachtelefondienst) und "Basis"-(Telekommunikationsnetz).295 Sollten daraus Einschränkungen abzuleiten gewesen sein, betrafen sie jedenfalls nicht die Art der Universaldienstleistungen, sondern allenfalls ihren Umfang. Die mittlerweile in Kraft getretene Zusammenschaltungsrichtlinie legt indes die Annahme nahe, daß diese Zusätze gegenstandslos geworden sind, da sie dort nicht mehr erwähnt, vielmehr das feste öffentliche Telefonnetz und der feste öffentliche Telefondienst umfassend verbindlich defmiert werden. Diese essentiellen Dienstleistungen sind zwingender Bestandteil des von der EU geforderten Universaldienstes. Dieser umfaßt aber darüber hinaus weitere, annexe, selbständige oder unselbständigen Dienstleistungen. Kennzeichnend für diese "ergänzenden" Universaldienstleistungen ist, daß sie Voraussetzung für den Zugang zum und für die Nutzung des Sprachtelefondienstes sind oder so eng damit zusammenhängen, daß ihre Bereitstellung (auch) aus Gründen des Allgemeinwohlinteresses als unerläßlich oder jedenfalls sachgeboten angesehen wird. 296 Aufgrund dieser Annexfunktion sind sie durch Anhang I Absclmitt 1 zu Richtlinie 97/33/EG dem festen öffentlichen Telefondienstes zugeordnet worden, der seinerseits i. V. m. dem festen öffentlichen Telefonnetz den derzeit notwendigen gemeinschaftlichen Universaldienst ausfüllt. Zu solchen annexen Universaldienstleistungen werden die Lieferung bzw. Bereitstellung von Teilnehmerverzeichnissen für Teilnehmer und andere Nutzer, der Zugang zu Vermittlungshilfe, Not- und Auskunftsdiensten, die Vorhaltung einer sowohl zahlenmäßig als auch unter dem Aspekt der Flächendeckung entsprechend dem Bedarf der Nutzer angemessenen Zahl öffentlicher Telefone297 gezählt, von detionen. Stellt man dagegen, wie fiiihere Universaldienstfestlegungen (S. 176 m. Fußn. 290), auf das feste öffentliche Telekommunikationsnetz ab, würde der Zugang zu den Kabelnetzen zum Universaldienst gehören. Dies ergibt sich u. a. aus der durch Art. I Nr. I lit. ai Richtlinie 96/19/EG neu gefaßten Definition des Begriffs "öffentliches Te1ekommunikationsnetz" in Art. I Abs. I Spiegelstrich 4 Richtlinie 90/388/EWG, wonach darunter jedes Telekommunikationsnetz fällt, das unter anderem für die Erbringung öffentlicher Telekommunikationsdienste genutzt wird (Hervorhebung nicht im Original); s. auch die durch Art. I NT. 2 Richtlinie 97/51 lEG neugefaßte Begriffsfestlegung in Art. 2 Richtlinie 90/387/EWG. Danach ist ein öffentliches Telekommunikationsnetz ein Telekommunikationsnetz ist, das ganz oder teilweise zur Bereitstellung von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten genutzt wird; auch oben S. 70 m. Fußn. 162. 295 Vgl. z. B. die Entschließung des Rates 94/C 48/01 über die Grundsätze für den Universaldienst im Bereich der Telekommunikation vom 07.02.1994 und die dazu gehörige Erklärung der Kommission vom gleichen Tage. 296 Zunächst wurden solche annexen Dienstleistungen als Bestandteil des Sprachtelefondienstes angesehen, so für Vermittlungshilfe und Telefonauskunft die Erklärung der Kommission 94/C 48/06 bezüglich der Entschließung des Rates über den universellen Dienst im Bereich der Telekommunikation vom 07.02.1994; s. aber jetzt Art. 6-8 Richtlinie 98/10/EG. 297 Unter einem öffentlichen Telefon ist gemäß Art. 2 Abs. 2 lit. d Richtlinie 12 WindtllOrst
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3. Kap.: Detenninanten der Universaldienstgewährleistung
nen aus auch gebührenfreie Notrufe getätigt werden können. Sie schließen außerdem die Bereitstellung von Diensten unter Sonderbedingungen und/oder die Bereitstellung von Sondereinrichtungen fiir behinderte Nutzer und solche mit speziellen sozialen Bedürfnissen ein, um ihren gleichberechtigten Zugang zu und die Erschwinglichkeit von festen öffentlichen Telefondiensten zu gewährleisten. Zudem sollen alle Nutzer Zugang zu veröffentlichten Informationen über Nutzungsbedingungen, Gebühren und Qualität der Dienste erhalten. 298 Dagegen gehört die Bereitstellung natürlicher Ressourcen, z. B. die unentgeltliche Gewährung von Wegerechten fiir die Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze, nicht zum von der Gemeinschaft vorgesehenen Universaldienst. Da solche Rechte aber die Bedingungen fiir die Bereitstellung des Universaldienstes, zumal die Kosten der von ihm urnfaßten Dienste, günstig beeinflussen können, besteht ein sachlicher Zusammenhang zu diesem Rechtsinstitut. Die EU befaßt sich vor allem im Rahmen der Art. 86 i. V. m. Art. 82 und 49 EGV n. F. (Art. 90 i. V. m. Art. 86 und 59 EGV a. F.) mit dieser Frage. Im Vordergrund steht zum einen das Gebot, wonach die Mitgliedstaaten Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze bei der Erteilung von Wegerechten fiir die Bereitstellung solcher Netze nicht diskriminieren dürfen. 299 Zum anderen erlaubt Art. 7 Abs. 1 lit. bRichtlinie 97/13/EG nunmehr die Einfiihrung von Einzelgenehmigungen, um dem Genehrnigungsträger besondere Rechte im Hinblick auf den Zugang zu öffentlichem oder privatem Grund einzuräumen. Außerdem sind gemäß Art. 8 Abs. 1 Richtlinie 97/13/EG i. V. m. Nr. 4.3 des Anhangs Auflagen zur Sicherung dieses Rechts zulässig. Auf diese Weise wird der sachlichen Konnexität zur Pflicht, einen Universaldienst zu gewährleisten, ausreichend Rechnung getragen. (2) Der Umfang der Dienstleistungen Jeder Nutzer muß auf vertretbaren Antrag über einen entsprechenden Anschluß Zugang zum festen öffentlichen Telefonnetz an einem bestimmten Standort erhalten und zugelassene Endeinrichtungen, die sich in seinen Räumlichkeiten befmden, in Übereinstimmung mit dem einzelstaatlichen Recht und dem Gemeinschaftsrecht anschließen und benutzen können. 3oo Einschränkun98/IO/EG ein Telefon für die Allgemeinheit zu verstehen, das mit Münzen, Kreditund/oder Telefonkarten benutzt werden kann. 298 Vgl. Art. 6 ff., 11 Richtlinie 98/10/EG; s. auch die Mitteilung der Kommission zum Universaldienst vom 13.03.1996, BR-Drs. 278/96, S. 4 f.; weitergehend, aber ohne rechtliche Bindung für die Mitgliedstaaten, die Erklärung der Kommission 94/C 48/06 bezüglich der Entschließung des Rates über den universellen Dienst im Bereich der Telekommunikation vom 07.02.1994. 299 Vgl. Art. 4 d Richtlinie 90/388/EWG in der durch Art. 1 Nr. 6 Richtlinie 96/19/EG geänderten Fassung. 300 Vgl. Art. 5 Abs. 1, Art. 9 Richtlinie 98/IO/EG.
C. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben
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gen des Zugangs zu oder der Nutzung des öffentlichen Festnetzes und des festen öffentlichen Telefondienstes sind nach Aufhebung sämtlicher besonderen oder ausschließlichen Rechte nur aufgrund sog. grundlegender Anforderungen (z. B. Sicherheit des Netzbetriebs, Aufrechterhaltung der Netzintegrität, Interoperabilität von Diensten, Datenschutz, effiziente Nutzung des Frequenzspektrums) möglich. 301 Eine Änderung bestehender Diensteangebote, durch die deren Nutzungsmöglichkeit wesentlich verändert wird, unterliegt nach Aufhebung der ausschließlichen oder besonderen Rechte nicht mehr den speziellen Anforderungen der Art. 22 f. Richtlinie 98110/EG. 302 Orientierungspunkte hinsichtlich des für die Nutzung telekommunikationsübermittelter Dienste bedeutsamen Mindestinformationsdurchsatzvermögens des Universaldienstnetzes ergaben sich zunächst aus Anhang 11 zur Mietleitungsrichtlinie303 in der durch die Entscheidung der Kommission 94/439/EG vom 15.06.1994 geänderten Fassung. Art. 5 Abs. 1 Satz 3 Richtlinie 97/33/EG i. V. m. Anhang I Abschnitt 1 verlangen jetzt eine Bandbreite von 3,1 KHZ. 304 Demgegenüber ist die Bereitstellung eines Mindestangebots an Mietleitungen oder von ISDN derzeit (noch) nicht Teil des gemeinschaftlichen Universaldienstes, weil eine solche Ausdehnung der Universaldienstverpflichtungen als verfrüht angesehen wird, zurnal das ISDN-Netz nicht allen Nutzern zugänglich iSt. 305 (3) Die Qualität der Dienstleistungen Die notwendige Qualität der Universaldienstleistungen ergibt sich aus den von den nationalen Regulierungsbehörden im Rahmen des Gemeinschaftsrechts und des nationalen Rechts festgelegten und veröffentlichten Standards. Indikatoren für die Dienstequalität sind u. a. die Frist für die erstmalige Bereitstellung des Netzanschlusses, die Fehlerrate pro Verbindung und die Reparaturzeit. 306 Für den Sprachtelefondienst sieht die dazu ergangene neue Sprachtelefondienstrichtlinie besondere Qualitätsanforderungen vor, deren Umfang von der
301 Art. 3 Abs. I, 5 Abs. I, Art. 13 Richtlinie 98/1 O/EG; Art. 3 Abs. 2 und 3 Richtlinie 90/387/EWG in der durch Art. I Nr. 3 Richtlinie 97/511EG geänderten Fassung; s. auch schon oben S. 153. Zu Begriff und Inhalt der grundlegenden Anforderungen in bezug auf Telekommunikationsendgeräte oben S. 150 mit Fußn. 169 und in bezug auf öffentliche Telekommunikationsdienste und -netze unten S. 165 mit Fußn. 246,248. 302 Darin wird u. a. eine vorherige Beratung mit den betroffenen Nutzem und die Wahrung einer angemessenen öffentlichen Ankündigungsfrist verlangt. 303 Richtlinie 92/44/EWG. 304 Vgl. auch oben S. 176 mit Fußn. 290, unten S. 454 ff. 305 Vgl. die Mitteilung der Kommission zum Universaldienst vom 13.03.1996, BRDrs. 278/96, S. 8 m. w. N. und die Begründungserwägung 8 zu Richtlinie 97/33IEWG. 306 Vgl. zunächst Art. 5 Abs. I i. V. m. Anhang 11 Richtlinie 95/62/EG, jetzt den auf die beträchtliche Marktrnacht des Anbieters abhebenden Art. 12 Abs. 2 Richtlinie 98/1 O/EG i. V. m. Anhang III.
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3. Kap.: Oetenninanten der Universaldienstgewährleistung
Marktrnacht der Anbieter abhängt. Er muß die in Art. 14, 15 1 i. V. m. Anhang I Richtlinie 98/10/EG aufgeführten Dienstemerkmale (z. B. Anzeige der Rufnummer des Anrufers) aufweisen, wobei - anders als bei der alten Fassung der Sprachteiefondienstrichtlinie 307 - ihre Qualifizierung als Teil des Universaldienstes offenbleibt. Das feste öffentliche Telefonnetz muß gemäß Anhang I Abschnitt 1 zu Richtlinie 97/33/EG nach Netzstruktur und Informationsdurchsatzvermögen zur Übermittlung dieses und anderer, dort genannter öffentlicher Telekommunikationsdienste geeignet sein. Weitere qualitätsbezogene Universaldienstvorgaben der EU ergeben sich aus den Grundsätzen für die Preisbildung (dazu sogleich). (4) Der Preis der Dienstleistungen Kennzeichnend für den Universaldienst ist, daß die ihm zugehörigen Dienstleistungen zu einem angemessenen und für alle Benutzer erschwinglichen Preis angeboten werden müssen. Letzteres hebt u. a. die UniversaldienstdefInition in der Zusammenschaltungsrichtlinie hervor. 308 Die EU hat aber im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip davon abgesehen, gemeinschaftsweit einheitliche Preise oder Preisobergrenzen für die verschiedenen Universaldienstleistungen festzusetzen. Die Zuständigkeit liegt insoweit bei den Mitgliedstaaten, da die Erschwinglichkeit häufig (auch) von den dort vorgefundenen Gegebenheiten und politischen Zielsetzungen (z. B. spezielle Programme zur Regionalentwicklung) abhängt. 309 Allerdings ist eine gewisse Harmonisierung der einzelstaatlichen Preisbildungspolitik zur Gewährleistung einer gemeinschaftsweiten Grundversorgung in einem offenen, wettbewerbsorientierten Telekommunikationsmarkt auch nach dessen Liberalisierung weiterhin erforderlich. Grundlage hierfür sind die ONP-Bedingungen, denen die Prinzipien zur Kostenrechnung und Tariflerung genügen müssen. 3lO Dies wird rur den Sprachtelefondienst durch Art. 17 ff. Richtlinie 98/1 O/EG ausdrücklich gefordert und näher spezifiziert, gilt aber im Grundsatz für sämtliche öffentlichen Telekommunikationsdienste und -netze. Denn seit Abschluß der Liberalisie-
307 Danach war ist die Bereitstellung fortgeschrittener Leistungsmerkmale, wie z. B. gemeinschaftsweite Umlegung oder gemeinschaftsweite Anzeige der Rufnummer des Anrufers, nicht als Universaldienst geboten, vgl. Art. 9 Abs. 2 i. V. m. Anhang JII Ziffer 2 Richtlinie 95/62/EG. 308 Dazu schon oben S. 170 mit Fußn. 269. 309 Vgl. die Mitteilung der Kommission zum Universaldienst vom 13.03.1996, BROrs. 278/96, S. 5; s. auch Anhang I Nr. 3 Spiegelstrich I zu Richtlinie 90/387/EWG in der durch Art. I NT. 11 Richtlinie 97/51 /EG geänderten Fassung, wo betont wird, daß die Festlegung der tatsächlichen Tarife nicht den ONP-Bedingungen unterliegt. 310 S. zunächst Anhang 2 NT. 4 zu Richtlinie 90/387/EWG (Erstfassung), der jetzt durch Art. I Nr. 10 f. Richtlinie 97/511EG als Anhang I Nr. 3 zu der geänderten Fassung der Richtlinie 90/387/EWG geringfügig modifiziert worden ist.
C. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben
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rung der Telekommunikation ist die Quersubventionierung unrentabler Telekommunikations dienste und/oder Kunden durch rentable Dienste und/oder Kunden zumal im Bereich besonderer oder ausschließlicher Rechte als Finanzierungsquelle versiegt. 311 Das verlangt eine Umstrukturierung der Tarife auf der Grundlage unionsweit abgestimmter, gemeinsamer Kriterien. Ausgehend von den ONP-Grundsätzen der Transparenz, Publizität, Objektivität, Nichtdiskriminierung und Verhältnismäßigkeit haben sich die Tarife grds. an den Kosten zu orientieren, solange der Wettbewerb sich noch nicht in dauerhaft niedrigen Benutzerpreisen auswirkt. Allerdings können die zuständigen nationalen Regulierungsbehörden von dieser Forderung absehen, wenn eine Organisation nicht länger beträchtliche Marktrnacht auf dem betreffenden Markt besitzt, da dann die Gefahr einer mißbräuchlichen Ausnutzung dieser Stellung zu Lasten der Benutzer weggefallen sein kann. 312 In jedem Fall müssen die Tarife den Wettbewerbsregeln des EGV entsprechend aufgegliedert sein, da nur so die gebotene Transparenz gesichert ist. 313 Konsequenz des Postulats grundsätzlicher Kostenorientierung ist die Zulässigkeit unterschiedlicher Tarife, sofern dies wirtschaftlich gerechtfertigt ist, obigen Prinzipien nicht zuwiderläuft und die Anforderungen an die Erschwinglichkeit nach Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 98/10/EG gewahrt sind. In diesen Grenzen kann z. B. Überlastungen in Hauptverkehrszeiten und unzureichender Auslastung in Nebenverkehrs. Rec hnung getragen werden. 314 zelten Zu klären bleibt, ob neben dieser allgemeinen zeitlichen Staffelung eine standortabhängige Abstufung zulässig ist, bei der beispielsweise Benutzer in abgelegenen Gebieten höheren Tarifen unterworfen werden. Das mag zwar aufgrund der dadurch verursachten überdurchschnittlichen Kosten gerechtfertigt sein, widerspricht aber dem Universaldienstgrundsatz territorialer Ausgewogenheit. Dieser ist hat nunmehr für öffentliche Telefondienste und -netze in Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 98/1 O/EG eine verbindliche Ausgestaltung erfahren. Danach müssen die Preise für diese Dienstleistungen auch für Nutzer in ländlichen Regionen und in kostenintensiven Gebieten erschwinglich bleiben, was ggfs. von den Mitgliedstaaten durch entsprechende Tarifregulierungsmaßnah-
311
S. das Grünbuch Telekommunikationsinfrastruktur, Teil 2, BR-Drs. 101195, S.
73.
m Anhang I Nr. 3 Abs. 2 Spiegel strich I zu Richtlinie 90/387/EWG in der durch Art. I Nr. 11 Richtlinie 97/5 liEG geänderten Fassung; ähnlich nach vollständiger Liberalisierung für feste öffentliche Telefondienste Art. 17 Abs. 6 Richtlinie 98/10/EG, der Ausnahmen vom Grundsatz der Kostenorientierung des Art. 17 Abs. 2 zuläßt, wenn der Wettbewerb auf diesem Markt als zufriedenstellend erachtet wird. 313 S. Anhang I Nr. 3 Abs. 2 Spiegelstrich 3 zu Richtlinie 90/387/EWG in der durch Art. I Nr. 11 Richtlinie 97/51 lEG geänderten Fassung 314 Vgl. Anhang I Nr. 3 Abs. 4 zu Richtlinie 90/387/EWG in der durch Art. I Nr. 11 Richtlinie 97/511EG geänderten Fassung.
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3. Kap.: Detenninanten der Universaldienstgewährleistung
men durchzusetzen ist. Der damit garantierte Schutz gegen standortabhängige Tarife außerhalb dieses Preiskorridors ist bei der Tarifgestaltung ebenfalls an.. k SIC . h' gemessen zu beruc ngen. 315 Zudem führt die Anwendung des Gebots territorialer Ausgewogenheit des Tarifsystems nicht automatisch zu solchen Zielkonflikten. Denn die Bereitstellung solcher Universaldienstleistungen bleibt bzw. wird regelmäßig wirtschaftlich rentabel, weil bzw. wenn der Wettbewerb die Höhe der Kosten senkt und ihre Struktur verändert. 316 Hierauf grundet sich die Überzeugung eirles durch und im Wettbewerb gewährleisteten Universaldienstes, die der Telekommunikationspolitik der Gemeirlschaft zugrunde liegt. Die EU erkennt aber zugleich an, daß Universaldienstverpflichtungen irlsb. bei bedürftigen Kunden oder irl Randgebieten dazu fuhren können, daß bestimmte Dienste nur unter Verlust zu erschwirlglichen und angemessenen Preisen erbracht werden können. Die dann eintretende Kollision zwischen Kostenorientierung und flächengleicher Versorgung ist in der Weise auszugleichen, daß eirlerseits eirl Mirldestmaß standortunabhängiger Einheitlichkeit der Tarife gewährleistet bleibt, andererseits die den Anbietem dadurch entstehenden Deflzite auf der Grundlage obiger Grundsätze unter Wahrung der Wettbewerbsregeln der Gemeirlschaft über Finanzierungs- und Ausgleichsmechanismen abgedeckt werden. 317
ee) Die gemeinschaftsrechtlichen Vorgabenfor die Gewährleistung eines Universaldienstes durch die Mitgliedstaaten (1) Universaldienstgewährleistung durch Sicherung und Förderung von Wettbewerb Die Festlegung der Modalitäten der Gewährleistung eirles Universaldienstes ist Aufgabe der Mitgliedstaaten, die irlsoweit aber durch Vorgaben der Ge315 Vgl. neben der erwähnten Regelung der neuen Sprachtelefondienstrichtlinie insb. die Entschließungen des Rates 94/C 48/01 über die Grundsätze für den Universaldienst im Bereich der Telekommunikation vom 07.02.1994 und 95/C 258/01 zum ordnungspolitischen Rahmen für die Telekommunikation vom 18.09.1995 sowie Anhang 1 NT. 3 Abs. 3 zu Richtlinie 90/387/EWG in der durch Art. I Nr. 11 Richtlinie 97/51/EG geänderten Fassung. 316 Diese Einschätzung wird eingehend im Grünbuch Telekommunikationsinfrastruktur, Teil 2, BR-Drs. 101/95, S. 72 ff., begründet. Art. 3 Abs. I Unterabsatz 3 Richtlinie 98/1 O/EG läßt denn auch Tarifregulierungsmaßnahmen zur Sicherung territorial ausgewogener Preise nur solange zu, wie ihre wirksame Kontrolle durch den Wettbewerb noch nicht gegeben ist. 317 Grundlegend die Entschließung des Rates 94/C 48/01 über die Grundsätze für den Universaldienst im Bereich der Telekommunikation; s. auch die Begründungserwägungen 28 bis 30 zu Richtlinie 95/62/EG, die Mitteilung der Kommission zum Universaldienst vom 13.03.1996, BR-Drs. 278/96, S. 9 ff., sowie zuletzt Art. 3, 4, 17 ff. Richtlinie 98/1 O/EG; weitere Details unten S. 185 ff.
C. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben
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meinschaft eingebunden sind. Sie läßt sich dabei von der Grundüberzeugung leiten, daß die notwendige Versorgung mit Telekommunikationsdiensten grds. durch und im Wettbewerb bereitgestellt wird. Die Sicherung und Förderung eines offenen, fairen, gemeinschaftsweiten Wettbewerbs auf den Märkten der Telekommunikation trägt demnach auch zur Aufrechterhaltung und Fortentwicklung eines Universaldienstes bei. Die hierzu im Rahmen der Liberalisierungs- und Harmonisierungsbestrebungen ergriffenen Maßnahmen zielen vor allem auf einen Abbau von Zugangs- und Nutzungsbeschränkungen bei öffentlichen Telekommunikationsnetzen und -diensten und auf eine Vereinheitlichung der fortbestehenden Einschränkungen, die grds. nur noch zur Wahrung grundlegender Anforderungen zulässig sind. 318 Dadurch soll verhindert werden, daß Unternehmen mit beträchtlicher Marktrnacht diese Stellung, die i. d. R. auf ehemaligen ausschließlichen oder besonderen Rechten beruht, zum Nachteil von (potentiellen) Konkurrenten auszunutzen und so den Wettbewerb behindern. Darüber hinaus hat die EU nach Abschluß der Liberalisierung verstärkt Vorkehrungen in bezug auf Netzzugang, Netzzusammenschaltung und Interoperabilität der Dienste getroffen, um die Ausgangssituation der Wettbewerber zu verbessern und faktische Marktzutrittshindernisse abzubauen. 319 (2) Universaldienstgewährleistung durch Universaldienstauflagen im Rahmen von Genehmigungsverfahren Die dem Staat auferlegte Pflicht, die Bereitstellung von Universaldienstleistungen durch private Anbieter zu gewährleisten, erfordert die Möglichkeit ihrer hoheitlichen Inpflichtnahme. Die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben waren insoweit zunächst nur schwach ausgebildet. Einen Wendepunkt markiert die Genehmigungsrichtlinie. Ihr Ziel ist eine Harmonisierung der Genehmigungsverfahren fiir die Erbringung von Telekommunikationsdiensten und fiir die Errichtung und/oder den Betrieb von Telekommunikationsnetzen. Diesem Aspekt kommt nach Aufhebung der ausschließlichen und besonderen Rechte eine Schlüsselrolle fiir den ordnungspolitischen Rahmen in der Gemeinschaft ZU. 320 Im Mittelpunkt der Richtlinie steht die Frage, welche Arten von Genehmigungen und Auflagen unter welchen Voraussetzungen zulässig sind. Für sie gilt der Grundsatz, daß sie in bezug auf den betreffenden Dienst objektiv gerechtfertigt, nichtdiskriminierend, verhältnismäßig und transparent sein müssen. 321 318 Vgl. Art. 3 Abs. 2 und 3 Richtlinie 90/387/EWG in der durch Art. 1 Nr. 3 Richtlinie 97/51/EG geänderten Fassung; Art. 3 Abs. 1, Art. 5, 13 Richtlinie 98/l0/EG. 319 Vgl. neben den oben unter Fußn. 318 genannten Bestimmungen der neuen Sprachtelefondienstrichtlinie die im folgenden dargestellten Regelungen der Genehmigungsrichtlinie und der Zusammenschaltungsrichtlinie, dazu unten S. 184 f. 320 Art. lAbs. 1, Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 97/13/EG nebst Begründungserwägungen 2f. 3"1 Vgl. Art. 3 Abs. 1 und 2 Richtlinie 97/13/EG.
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3. Kap.: Determinanten der Universaldienstgewährleistung
Um die gemeinschaftsweite Verfügbarkeit von Telekommunikationsdiensten zu erleichtern, haben die Mitgliedstaaten gemäß Art. 3 Abs. 3 Richtlinie 97/13/EG sicherzustellen, daß Telekommunikationsdienste und/oder -netze grundsätzlich genehmigungsfrei oder aufgrund von Allgemeingenehmigungen bereitgestellt werden können. 322 Sie dürfen gemäß Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Richtlinie 97113/EG nur mit den im Anhang unter den Nummern 2 und 3 aufgeführten Auflagen versehen werden. Dazu zählen insb. Auflagen, die auf die SiehersteIlung der Einhaltung der einschlägigen grundlegenden Anforderungen abzielen (Nr. 2.1), oder von den Anbietern einen fmanziellen Beitrag zur Bereitstellung des Universaldienstes entsprechend dem Gemeinschaftsrecht fordern (Nr. 3.2); die Erbringung des Universaldienstes selbst darf dagegen nicht verlangt werden. Eine Auferlegung dieser Verpflichtung ist nur im Rahmen von Einzelgenehmigungen möglich,323 die als ultima ratio gemäß Art. 4 Abs. 3 Satz 2 Richtlinie 97/13/EG allein zulässig sind, wenn der Genehmigungsträger Zugang zu knappen (Sach)Ressourcen erhält oder besonderen Verpflichtungen unterworfen ise 24 oder besondere Rechte genießt. Diese Genehmigungszwecke werden in der abschließenden Regelung des Art. 7 Richtlinie 97/13/EG konkretisiert (Abs. 1) und erweitert (Abs. 2).325 In den dort genannten Fällen gestattet Art. 8 Abs. 1 dieser Richtlinie, daß Einzelgenehmigungen zusätzlich zu den bei Allgemeingenehmigungen zugelassenen Auflagen mit den im Anhang unter der Nummer 4 aufgezählten besonderen Auflagen verbunden werden, wenn dies sachlich gerechtfertigt ist. Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang vor allem besondere Umweltschutz- und Raumplanungsauflagen einschließlich Auflagen in bezug auf die Gewährung des Zugangs zu öffentlichem oder privatem Grund (Nr. 4.3) und Auflagen, die einzelne Unternehmen zur Bereitstellung des Universaldienstes entsprechend der Zusammenschaltungsrichtlinie verpflichten (Nr. 4.5). 322 S. auch Begründungserwägung 7 f. zu Richtlinie 97/13/EG. Die in Art. 2 Abs. I lit. a Spiegelstrich 1 dieser Richtlinie definierten Allgemeingenehmigungen berechtigen zur Erbringung von Telekommunikationsdiensten und zur Errichtung und/oder zum Betrieb von Telekommunikationsnetzen, ohne daß dafür eine ausdrückliche Entscheidung der nationalen Regulierungsbehörde erforderlich wäre. Derartige Allgemeingenehmigungen können als Gruppengenehmigung oder als Rechtsvorschrift ausgestaltet sein, vgl. Begründungserwägung 8 zu Richtlinie 97/13/EG. 323 Zum Begriff der Einzelgenehmigung s. Art. 2 Abs. I lit. a Spiegelstrich 2 Richtlinie 971\3/EG. 324 Dazu zählt die Verpflichtung zur Erbringung des Universaldienstes (vgl. sogleich unten), nicht aber die Verpflichtung zu seiner Finanzierung. Letztere rechtfertigt insb. nicht die Einführung von Einzelgenehmigungen, da hierfür die bei Allgemeingenehmigungen vorgesehenen besonderen Auflagen genügen, s. auch Begründungserwägung 15 zu Richtlinie 97/13/EG. 325 Nach dieser Regelung können ungeachtet des Absatzes I die Erbringung von öffentlich verfügbaren Sprachtelefondiensten und die Errichtung und Bereitstellung öffentlicher Telekommunikationsnetze und anderer Netze, bei denen Funkfrequenzen genutzt werden, von der Erteilung von Einzelgenehmigungen abhängig gemacht werden.
C. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben
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(3) Universaldienstgewährleistung durch Zusarnrnenschaltung von Telekornrnunikationsnetzen und Interoperabilität von Telekornrnunikationsdiensten Weitere gemeinschaftsrechtliche Vorgaben fiir die Universaldienstgewährleistung durch die Mitgliedstaaten ergeben sich aus der Zusarnrnenschaltungsrichtlinie. Sie geht davon aus, daß die Sicherstellung der Zusarnrnenschaltung von Telekornrnunikationsnetzen und die Gewährleistung eines Universaldienstes untrennbar miteinander verknüpft sind. 326 Der Richtlinie liegt insoweit ein zweifacher Regulierungsansatz zugrunde: Zum einen trägt ein harmonisierter ordnungspolitischer Rahmen für Netzzusarnrnenschaltungen mittelbar zur Bereitstellung des Universaldienstes bei, weil dadurch der Wettbewerb zwischen den Anbietern gefördert und der Zugang der Benutzer zu diesen Diensten infolge ihrer Interoperabilität erleichtert wird. 327 Zum anderen enthalten Art. 5 i. V. m. Anhang I Abschnitt 1, Anhang III unmittelbar Festlegungen hinsichtlich der Finanzierung von Universaldienstverpflichtungen. Darunter sind diejenigen Verpflichtungen zu verstehen, die ein Mitgliedstaat einer Organisation auferlegt und die die Bereitstellung eines Netzes oder eines Dienstes in einem bestimmten geographischen Gebiet betreffen; dazu gehören, wo dies erforderlich ist, auch Durchschnittspreise fiir die Bereitstellung dieser Dienste. Im einzelnen zielen die Bestimmungen auf die Telekornrnunikationsdienste und -netze, die aufgrund ihrer Qualiftzierung als Universaldienst dem hierfiir vorgesehenen Finanzierungsmechanismus unterfallen. Sie regeln insb. die bei der Ermittlung des demen) zur Erbringung des Universaldienstes verpflichteten Unternehmen entstandenen Deftzits ansatzfähigen Kosten und Vorteile, die Art und den Umfang der Beitragspflicht sowie die Abwicklung des fmanziellen Ausgleichs. (4) Universaldienstgewährleistung durch Festlegung einheitlicher Grundsätze und Verfahren für die Ermittlung der Kosten von Universaldienstleistungen und für ihre Finanzierung Scheitert in einem wettbewerbs orientierten Umfeld die flächendeckende Bereitstellung einer als Universaldienst gebotenen Telekornrnunikationsdienstleistung, liegt das i. d. R. an einer Unterdeckung der Kosten. Die Unternehmen können aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen, zumal wegen einer staatlichen Begrenzung der Tarife aufgrund des Universaldienstrnerkmals der Erschwin,glichkeit, nicht die für eine Gewinnerzielung oder jedenfalls zur Ko-
326 Vgl. nur die grundlegende Zielsetzung in Art. I Unterabsatz I Richtlinie 97/33/EG. Folgerichtig enthält diese Richtlinie spezifische Regelungen in bezug auf Begriff und Finanzierung dieses Rechtsinstituts, s. nur Art. 2 Abs. I lit. g und Art. 5. 327 S. insb. Art. 9 Abs. I Satz 2 Spiegel striche 2 und 6 Richtlinie 97/33/EG sowie die dazu ergangenen Begründungserwägungen I, 2 und 8.
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3. Kap.: Detenninanten der Universaldienstgewährleistung
stendeckung erforderlichen Preise verlangen. Die Gewährleistung eines Universaldienstes stellt sich in diesen Fällen vorrangig als ein Problem der Tarifstrukturen und der Kompensation defIzitärer Dienstleistungen sowie ihrer Finanzierung dar. Dabei sind folgende Fragenkreise zu unterscheiden: - Welche unwirtschaftlichen Telekommunikationsdienstleistungen sind der Universaldienstverpflichtung zuzurechnen und dürfen über den dafür vorgesehenen Mechanismus fInanziert werden? - Nach weIchen Grundsätzen sind die ausgleichspflichtigen Kosten für diese unwirtschaftlichen Verpflichtungen zu ermitteln? - AufweIche Weise und von wem ist der Ausgleich des ansatzfahigen DefIzits zu fInanzieren? Finanzierungsfahig als Universaldienst(leistungs)verpflichtung sind gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 3 Richtlinie 97/33/EG i. V. m. Anhang I Abschnitt 1 von vornherein nur das feste öffentliche Telefonnetz und der feste öffentliche Telefondienst, nicht hingegen sämtliche öffentlichen Telekommunikationsnetze und -dienste. Eine Ausgleichspflicht entsteht aufgrund Art. 5 Abs. 1 Satz 1 dieser Richtlinie, wenn ihre Bereitstellung als Universaldienst für den Anbieter eine unzumutbare Belastung darstellt. Zur Ermittlung der Belastung ist gemäß Art. 5 Abs. 3 Richtlinie 97/33/EG i. V. m. Anhang III auf die Nettokosten dieser Verpflichtungen abzustellen. Eine Unzumutbarkeit ist demnach dann anzunehmen, wenn Dienste(Elemente) nur unter Verlust oder außerhalb des Rahmens der üblichen kommerziellen Bedingungen von privaten Anbietem erbracht werden können. Dies beruht entweder auf der Verpflichtung, unwirtschaftlichen Kunden Telekommunikationsdienste zu bestimmten Tarifen anzubieten (z. B. allgemeine und gleiche Versorgung von Gelegenheitsnutzem in Randgebieten; günstige Tarife aus sozialen Gründen für besondere Nutzergruppen, wie z. B. Behinderte) oder auf der Pflicht, Dienstleistungen vorzuhalten, die aufgrund der Diskrepanz zwischen Kostenaufwand und Ertrag unrentabel sind, weil der Aufwand hoch und/oder der zugelassene Preis zu gering ist (z. B. Vorhaltung bestimmter öffentlicher Telefone; Zugang zu unentgeltlichen Notrufdiensten).328 Trotz oder genauer: gerade wegen der fehlenden wirtschaftlichen Rentabilität kann ihre Bereitstellung als Universaldienst erforderlich sein. In diesem Fall verlangt schon die Wettbewerbsgleichheit einen Ausgleich des infolge von Universaldienstverpflichtungen entstandenen DefIzits.
328 Vgl. Art. 5 Abs. 3 Richtlinie 97/33/EG i. V. m. Anhang 1Il; weitere, z. T. abweichende Einzelheiten enthält das Grünbuch Telekommunikationsinfrastruktur, Teil 2, BR-Drs. 101195, S. 120 f., die aber aufgrund seiner fehlenden Bindungswirkung (dazu oben S. 136 mit Fußn. 115, S. 138, 168 f.) nicht maßgebend sind.
C. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben
187
Diese sog. Universaldienstkosten ergeben sich allgemein aus der Differenz zwischen den Nettokosten, die einer Organisation mit Universaldienstverpflichtungen und denen, die einer Organisation ohne solche Verpflichtungen entstehen. Dabei sind auch die Einnahmen und ein etwaiger Marktvorteil, der einer Organisation aus der Bereitstellung des Universaldienstes erwächst, zu beIÜcksichtigen. 329 So basiert beispielsweise beim Sprachtelefondienst ihre Berechnung auf einer Gegenüberstellung der Erträge, die insb. durch den Kunden (Miet- und Telefonkosten) und durch bei ihm eingehende Anrufe generiert werden, mit den dem Anbieter hierfür entstandenen Kosten. 33o Diese gliederten sich während des Bestehens ausschließlicher oder besonderer Rechte für die Bereitstellung öffentlicher Telekommunikationsnetze und Sprachtelefondienste in direkte und indirekte Kosten sowie in Kosten, die aufgrund eines allgemeinen Schlüssels umgelegt werden. 33 ) Die Anwendung anderer Kostenrechnungssysteme durch die Mitgliedstaaten ist seit Wegfall dieser Rechte nur unter den in Art. 18 Abs. 3 letzter Unterabsatz Richtlinie 98/10/EWG genannten Voraussetzungen möglich. Entscheidend ist insoweit, ob sie zur Umsetzung des Art. 17 Richtlinie 98/10/EG geeignet sind, in dessen Zentrum der Grundsatz der Kostenorientierung gemäß Anhang lIder Richtlinie 90/387/EWG steht. Die Finanzierung des Universaldienstes soll aus Sicht der EU nicht durch allgemeine Subventionen, sondern durch finanziellen Ausgleich des den Telekommunikationsunternehmen aufgrund der Universaldienstverpflichtung entstandenen Defizits erfolgen. Die Mittel hierfür stammen aus einer Teilung und Umlegung der Universaldienstkosten zwischen den Wettbewerbern. Bei der Festlegung der zu entrichtenden Beiträge sind die Grundsätze der Transparenz, der Nichtdiskriminierung und der Verhältnismäßigkeit gebührend zu beIÜcksichtigen. J32 Nicht abschließend geklärt war zunächst der Kreis der fmanzierungspflichtigen Personen. Das GIÜnbuch Telekommunikationsinfrastruktur, Teil 2, sieht vor, daß grds. alle Netzbetreiber und Diensteanbieter finanzierungspflichtig sind, läßt aber im Rahmen der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Nichtdiskriminierung ZU,333 daß die Finanzierungspflicht an die Er-
329 S. Art. 5 Abs. 3 Richtlinie 97/33/EG i. V. m. Anhang 111; das Nettokostenprinzip liegt schon dem durch Art. I Nr. 6 Richtlinie 96/1 9/EG eingefligten Art. 4 c Abs. I Richtlinie 90/388/EWG zugrunde. 330 Grünbuch Telekommunikationsinfrastruktur, Teil 2, BR-Drs. 101195, S. 9. 33) Vgl. zunächst Art. 13 Abs. 3 Richtlinie 95/62/EG, an dessen Stelle nunmehr Art. 18 Abs. 3 Richtlinie 98/1 O/EG getreten ist. 332 Vgl. den durch Art. I NT. 6 Richtlinie 96/19/EG eingefligten Art. 4 c Abs. I Richtlinie 90/388/EWG. 333 Die Mitgliedstaaten müssen bei Ausgestaltung des Finanzierungsmodells darauf achten, daß neue Marktteilnehmer nicht unverhältnismäßig stark belastet werden. Denn dies würde verhindern, daß die marktbeherrschende Stellung der Telekommunikationsorganisationen nach der Liberalisierung aufgebrochen wird und somit gegen Art. 86 i.
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3. Kap.: Determinanten der Universaldienstgewährleistung
bringung bestimmter lukrativer Dienste (z. B. Sprachtelefondienst) geknüpft und der Kreis der Finanzierungspflichtigen auf Anbieter mit einer gewissen Marktmacht beschränkt wird. 334 Demgegenüber verlangt Art. 4 c Abs. I Richtlinie 90/388IEWG, daß unbeschadet der Harmonisierung im Rahmen des offenen Netzzugangl 35 jedes nationale System, das die Aufteilung der Nettokosten von Universaldienstverpflichtungen regelt, nur auf Unternehmen angewendet werden darf, die öffentliche Telekommunikationsnetze im Wettbewerb anbieten. Dies ruhrt zu einer weitergehenden Eingrenzung der fmanzierungspflichtigen Anbieter. Die Zusammenschaltungsrichtlinie greift diese Ansätze auf und bringt eine (vorläufig) abschließende Entscheidung. Art. 5 Abs. I Satz I dieser Richtlinie legt fest, daß nur Organisationen, die öffentliche Telekommunikatonsnetze betreiben und/oder rur die Öffentlichkeit zugängliche Sprachtelefondienste erbringen, fmanzierungspflichtig sind. Daraus folgt nicht automatisch, daß alle diese Anbieter stets der Finanzierungspflicht unterfallen; Ausnahmen sind aber nur bei Wahrung obiger Grundsätze zulässig. Als Finanzierungsmechanismus schlägt die Kommission alternativ zwei Modelle vor: Entweder die Lasten rur den universellen Dienst werden wie Gemeinkosten behandelt und durch eine Zugangsgebühr ausgeglichen, die auf die Zusammenschaltungsgebühren aufgeschlagen wird, oder die Kosten der unwirtschaftlichen Dienste werden durch nationale Fonds (sog. Universaldienstfonds) finanziert, zu denen die Finanzierungspflichtigen auf der Basis ihres Marktanteils beitragen müssen. Auch die Zusammenschaltungsrichtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates bringt insoweit keine abschließende Klarheit. Art. 5 Abs. 2 läßt explizit alternativ zu, daß Beiträge zu den Kosten von Universaldienstverpflichtungen nach einem Verfahren, das speziell rur diesen Zweck eingerichtet und von einer von den Nutznießern unabhängigen Stelle verwaltet wird und/oder in Form eines Zusatzentgelts, das zu den Zusammenschaltungsentgelten hinzukommt, erhoben werden können. Jedenfalls mittelfristig ist erstgenannte Lösung aus Gründen der Flexibilität, Wettbe. Co •• 336 werbse ffilZienz un d -transparenz zu lavonsieren.
V. m. Art. 82 EGV n. F. (Art. 90 i. V. m. Art 86 EGV a. F.) verstoßen, vgl. die BegTÜndungserwägung 19 zu Richtlinie 96/I9IEG. 334 Abgedruckt als BR-Drs. 101195, S. 122 ff. 335 Diese Formulierung zielt insb. auf die inzwischen in Kraft getretene Zusammenschaltungsrichtlinie. 336 Vgl. das Grünbuch Telekommunikationsinfrastruktur, Teil 2, BR-Drs. 101195, S. 122 ff.; s. auch die Mitteilung der Kommission zum Universaldienst vom 13.03.1996, BR-Drs. 278/96, S. 5 f. sowie die Begründungserwägung 8zu Richtlinie 97/33/EG, wonach abweichend zum Wortlaut des Art. 5 Abs. 2 finanzielle Beiträge im Zusammenhang mit der Teilung von Universaldienstverpflichtungen getrennt von Zusammenschaltungsentgelten behandelt werden sollen; s. auch L. Gramlieh, ArchPT 1995, 189 (190 f.).
D. Verfassungsrechtliche Vorgaben
189
D. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben im Bereich der Telekommunikation Die unmittelbaren und mittelbaren Vorgaben des Grundgesetzes für die Gewährleistung eines Universaldienstes im Bereich der Telekommunikation können anband ihres Zusammenwirkens einander zugeordnet und auf diese Weise systematisiert werden (dazu unten I). Universaldienstrelevante Aussagen fmden sich nicht nur in der zentralen Regelung des Art. 87 f Abs. 1 GG, sondern auch in Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG (dazu unten 11) und in Art. 143 b Abs. 1 GG (dazu unten III). Ihr Regelungsgehalt und die in ihnen enthaltenen verfassungspolitischen Grundentscheidungen bilden den Gegenstand des nachfolgenden Untersuchungsabschnitts. Die eigentliche Verpflichtung zur Gewährleistung eines Universaldienstes gemäß Art. 87 f Abs. 1 GG wird ebenso wie die in Art. 87 f Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 GG geregelten Kompetenz- und Organisationsfragen schwerpunktrnäßig an anderer Stelle behandelt (unten Kap. 4). I. Die Struktur der telekommunikationsbezogenen Bestimmungen des Grundgesetzes 1. Überblick zu den einschlägigen Regelungen Das Grundgesetz enthält in Art. 10, 18,44 Abs. 2 Satz 2, 73 Nr. 7, 80 Abs. 2, 87 f, 130 Abs. I und 143 b Aussagen mit Bezug auf die Telekommunikation. Gemeinsames, diese Normen verbindendes Merkmal ist, daß sie sich mit teils identischer, teils divergierender Zielsetzung mit der Telekommunikation befassen. Das kommt im Normtext durch Verwendung der gleichlautenden Bezeichnung oder des vorgängigen Begriffs "Fernmeldewesen" zum Ausdruck. 2. Systematisierung der telekommunikationsbezogenen Verfassungs normen Der Regelungsgehalt des Art. 87 f Abs. 1 GG und der anderen telekommunikationsbezogenen Verfassungsnormen wird nachhaltig durch ihr Zusammenwirken geprägt. Diese Interdependenzen337 erschließen sich allerdings nicht
337 Darstellungen der einzelnen Regelungen und ihres Zusammenwirkens finden sich in den einschlägigen Kommentierungen, z. B. B. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Art. 87 f Rdnr. 1; H. FangmannlK. LärcherlW. ScheurleiM. Schwemm/eiE. Wehner, Telekommunikations- und Postrecht, Art. 87 f Rdnm. 1 ff.; P. Lerche, in: MaunzlDürig, Grundgesetz, Art. 87 f Rdnm. 1 ff., 9 ff.; R. Uerpmann, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 3, Art. 87 f Rdnm. 1, 3; K.
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3. Kap.: Determinanten der Universaldienstgewährleistung
schon unmittelbar aufgrund der Stellung der Vorschriften, weil diese zu unterschiedlichen Zeitpunkten entstanden und teils als dauerhafte Bestimmungen, teils als zeitlich begrenzte Übergangsvorschriften konzipiert worden sind. Entscheidend sind vielmehr die jeweiligen Verbindungslinien, die sich insb. aus dem Normtext und dem dahinter stehenden Willen des Verfassungsgesetzgebers ergeben. So treffen beispielsweise Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 und Art. 143 b Abs. 1 Satz 1 GG trotz ihrer Verankerung an unterschiedlichen Stellen im Grundgesetz ineinandergreifende Regelungen hinsichtlich der Privatisierung im Bereich der Telekommunikation. Solche inhaltlichen Verbindungsstränge bilden die Grundlage der nachfolgenden Systematisierung (dazu unten a), die freilich auch von einigen strukturellen Unstimmigkeiten durchzogen wird (dazu unten b). a) Inhaltliche Verbindungslinien Den Ausgangs- und Mittelpunkt der Betrachtung bildet Art. 87 f Abs. 1 GG. Die weiteren Bestimmungen stehen in einem unterschiedlich eng- oder weitmaschigen Beziehungsgeflecht zu der dort verankerten Universaldienstgewährleistung. Art. 87 f Abs. 1 GG ist untrennbar mit der Aufgabenprivatisierung gemäß Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG und der in Art. 87 f Abs. 2 Satz 2 GG aufrechterhaltenen bundeseigenen Verwaltung fiir die Ausfiihrung von Hoheitsaufgaben verbunden. 338 Diese gegenläufigen Entscheidungen werden ihrerseits durch die in Art. 143 b Abs. 1 Satz 1 GG angeordnete Organisationsprivatisierung und die in Art. 87 f Abs. 3 GG vorgesehene mittelbare Bundesverwaltung für die Ausführung einzelner, dort umrissener Aufgaben ergänzt. 339 Weitere Verbindungsfäden spannen sich von der durch Art. 143 b Abs. 2 Satz 1 GG für eine Übergangszeit abgesicherten Möglichkeit einer Aufrechterhaltung von Monopolen im Bereich der Telekommunikation zum Universaldienstgewährleistungsgebot des Art. 87 f Abs. 1 GG340 und zum Privatisie-
Stern/M. Bauer, in: Stern (Hrsg.), Postrecht, Art. 87 fGG Rdnm. 13 ff.; P. Badura, in: Bonner Kommentar, Art. 87 f Rdnr. 6, und Beiträgen, z. B. J. Scherer, eR 1994,418 (419 ff); M. Rottmann, ArchPT 1994, 193 (194 ff.); L. Gramlieh, NJW 1994, 2785 (2787 f.); P. Lerche, in: Festschrift für R. Kreile, S. 377 (378 ff.); K. Stern, ArchPT 1996, 148 ff.; unter besonderer Würdigung der InfrastrukturIeistungen auch L. Gramlieh, ArchPT 1995, 189 (192 ff); unter Hervorhebung der Regulierungsmöglichkeiten T Königshofen, ArchPT 1995, 112 (116 ff.). 338 Zum Bedeutungsgehalt und Zusammenwirken dieser Vorschriften K. Stern, DVBI 1997,309 ff sowie unten S. 194 ff., 211 ff., 367 ff., 370 f. 339 S. im einzelnen unten S. 233 ff., 380 ff. 340 Zu den Interdependenzen zwischen der Gewährleistung eines Universaldienstes und ausschließlichen Rechten unter dem Gesichtspunkt einer durch das (Mehrheits)Eigentum des Staates eröffneten sog. Beteiligungsverwaltung unten S. 354 ff.
D. Verfassungsrechtliche Vorgaben
191
rungsauftrag des Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG 341 sowie von dem durch Art. 143 b Abs. 3 GG legitimierten Beleihungsmodell zu den Privatisierungsgeboten der Art. 87 f Abs. 2 Satz 1, 143 b Abs. 1 Satz 1 GG einerseits und dem der Bundesverwaltung gemäß Art. 87 f Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 GG vorbehaltenen Bereich andererseits. 342 Die korrespondierenden Gesetzgebungskompetenzen ergeben sich vor allem aus Art. 73 Nr. 7, 87 f Abs. 1, 3 und Art. 143 b Abs. 1 Satz 2 GG. 343 Zwischen den telekommunikationsbezogenen Bestimmungen in Art. 87 f Abs. 1, 143 b GG und dem Fernmeldegeheimnis des Art. 10 GG besteht nur ein mittelbarer Zusammenhang, der sich insb. im Rahmen der datenschutzrechtlichen Anforderungen aktualisiert. 344 Außer Betracht bleiben nachfolgend Art. 18,44 Abs. 2 Satz 2, 143 b Abs. 2 Satz 2 und 3 und Art. 130 Abs. 1 GG, weil ihr Regelungsziel (Art. 18,44 Abs. 2 Satz 2 GG) oder ihr Regelungsgegenstand (Art. 143 b Abs. 2 Satz 2 und 3 GG) keinen Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand aufweist oder weil ihr Regelungsgehalt infolge Zeitablaufs insoweit ohne praktische Relevanz ist (Art. 130 Abs. 1 Gd4S ). Gleiches gilt, freilich aus anderen Gründen, auch für Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG. Diese Norm hatte in ihrer alten, d. h. vor Inkrafttreten des verfassungsändemden Gesetzes vom 30.08.1994 geltenden Fassung zentrale Bedeutung für die Organisation und Ausführung des Fernmeldewesens;346 die insoweit maßgeblichen Worte ,,,die Bundespost" wurden aber als redaktionelle Folge der Einfügung des Art. 87 f GG gestrichen. 347 Die zu Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F. entwickelten Grundsätze bleiben indes im entstehungsgeschichtlichen Kontext auch für das Verständnis des Art. 87 f GG relevant. 348
34\ Zur Frage, ob dieses Privatisierungsgebot durch die befristete Aufrechterhaltung eines Monopols eingeschränkt wird, unten S. 211, 222 ff. 342 Dieses Zusammenwirken wirft vor allem mit Blick auf den Trennungsgrundsatz des Art. 87 f Abs. 2 GG Probleme auf, dazu unten S. 192 f., 209 f., 255 ff., 366 ff., 380
ff.
Zu ihrem Bedeutungsgehalt unten S. 321 f., 337 f., 363 ff., 386. S. dazu mit Bezug auf das Handeln der Telekommunikationsuntemehmen M Rottmann, ArchPT 1994, 193 (196); vgJ. auch U. Wuermeling/S. Felixberger, eR 1997, 230 (234 ff.). 345 VgJ. zur praktischen Bedeutung dieser Vorschrift M. Sachs, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 130 Rdnm. 2, 12. 346 Zu den organisations- und aufgabenrechtlichen Bedeutungsdimensionen des Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F. vgJ. oben S. 77 f. 347 Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 30.08.1994 (BGBl I, S. 2245). VgJ. auch die Begründung zu Nr. 2 des 41. GG-ÄndG-E, BT-Drs. 343
344
12/7269, S. 5. 348
Näher dazu oben S. 75 ff., unten S. 208, 214, 257, 276 f., 307, 347, 368, 371,
373,379.
192
3. Kap.: Detenninanten der Universaldienstgewährleistung
b) Strukturelle Unstimmigkeiten Die Universaldienstgewährleistung gemäß Art. 87 f Abs. 1 GG steht zwar formal an der Spitze des Art. 87 f GG, der Magna Charta des verfassungsrechtlichen Ordnungsrahmens der Telekommunikation; rechtssystematisch betrachtet ist diese Entscheidung aber eher unglücklich, weil die mit der Verfassungsänderung verfolgte veränderte Prioritätensetzung in der Architektur des Art. 87 f GG nur sehr unvollkommen zum Ausdruck kommt. 349 Das verfassungspolitische Grundanliegen ist zunächst die in Art. 87 f Abs. 2 GG festgelegte Trennung zwischen nunmehr privatwirtschaftlich zu erbringenden Dienstleistungen (Satz 1) und weiterhin in bundeseigener Verwaltung zu führenden Hoheitsaufgaben (Satz 2).350 Dieser Trennungsgrundsatz geht vor allem auf gemeinschaftsrechtliche Entwicklungen zurück351 und war ansatzweise bereits in §§ lAbs. 4, 4 Abs. I PostVerfG enthalten. Er wird durch Art. 87 f Abs. 2 GG in ein verfassungsrechtliches Gewand gekleidet, das dem des Art. 87 e GG ähnlich ist. 352 Der entscheidende Paradigmenwechsel ist freilich die in Art. 87 f Abs. 2 Satz I GG angeordnete Entstaatlichung der Leistungserbringung im Bereich der Telekommunikation; diese Botschaft hätte eigentlich an den Anfang der Vorschrift gestellt werden sollen. 353 Die in Art. 87 f Abs. I GG vorgesehe-
S. G. F. Schuppert, Diskussionsbeitrag, BT-Rechtsausschuß-Prot. 117/94, S. 14. Dieses Trennungsgebot wird in der Begründung des 41. GG-ÄndG-E hervorgehoben, vgl. BT-Drs. 12/7269, S. 4; aus dem SchrifttumJ. Scherer, eR 1994,418 (419 f.); L. Gram/ich, NJW 1994,2785 (2787); W. Spoerr/M. Deutsch, DVBI 1997,300 (301 f.). Die von T Känigshofen, ArchPT 1995, 112 (117), als Durchbrechung dieses Grundsatzes angeführten weiterbestehenden Hoheitsrechte der Deutschen Telekom AG reduzieren sich nach Aufhebung der in § 9 Abs. 2 FAG a. F. geregelten Möglichkeit, privatrechtliche Entgeltforderungen für Leistungen im Monopolbereich nach dem VwVG nach Maßgabe des § 9 Abs. 3 und 4 FAG a. F. beizutreiben (§ 99 Abs. 1 Nr. 3 TKG) und dem Wegfall der Befugnisse im Planfeststellungsverfahren für Femmeldelinien gemäß § 7 TWG und dem Gesetz zur Vereinfachung des Planverfahrens für Femme\delinien in den durch Art. 8 und 9 PTNeuOG geänderten Fassungen durch Außerkrafttreten dieser Vorschriften (§ 100 Abs. 3 TKG) auf die in § 1 PostPersRG enthaltenen dienstrechtlichen Zuständigkeiten gegenüber den bei ihr beschäftigten Beamten, wobei sie insoweit als Beliehene (vgl. § lAbs. 1 PostPersRG) und damit funktionell als Hoheitsträger handelt; s. auch unten S. 209 f., 229 mit Fußn. 540, S. 256 mit Fußn. 38. 351 Vgl. L. Gramlich, NJW 1994, 2785 (2787) und oben S. 160 ff.; allgemeiner zur Einwirkung auf den verfassungsrechtlichen Rahmen unten S. 244 ff. Anders als im Bereich der Eisenbahnen des Bundes ist aber keine Trennung zwischen Netzen und Dienstleistungen erfolgt, s. nur M. Feh/ing, AöR 121 (1996),59 (71). 352 Zu den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen Art. 87 e und Art. 87 f GG vgl. schon oben S. 76,117 f., unten S. 199 mit Fußn. 386, S. 200, 212 mit Fußn. 449, S. 257 f., 305 f., 310, 321 f., 326 mit Fußn. 366, S. 339 mit Fußn. 434, S. 341, 356, 373 mit Fußn. 618. 353 Vgl. R. Stober, Diskussionsbeitrag, BT-Rechtsausschuß-Prot. 117/94, S. 38; G. F. Schuppert, Schriftliche Stellungnahme, BT-Rechtsausschuß-Prot. 117/94, S. 69; s. aus 349 350
D. Verfassungsrechtliche Vorgaben
193
ne Verpflichtung des Staates zur Gewährleistung eines Universaldienstes stellt sich demgegenüber als Reaktion auf diese Privatisierungsanordnung dar; sie gehört zu den dem Bund durch Art. 87 f Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 GG zugewiesenen Aufgaben. Die an anderer Stelle eingehend zu untersuchende Zuordnung der Uni versaldienstgewährleistung zu den Hoheitsaufgaben des Bundes gemäß Art. 87 f Abs. 2 Satz 2 GG 354 kam im Gesetzentwurf der Bundesregierung aufgrund der Stellung dieser Verpflichtung im Normtext deutlicher zum Ausdruck, weil Art. 87 f Abs. I Satz 2 GG-E ("Universaldienst") an Art. 87 f Abs. 1 Satz 1 GG-E ("hoheitliche Aufgaben") anschloß. 355 Erst aufgrund der Stellungnahme des Bundesrates wurde das ursprünglich in Art. 87 f Abs. 1 Satz 3 GG-E enthaltene Privatisierungs gebot hera~sgelöst mit dem Ziel, es in einen eigenen Absatz einzustellen. 356 Diese auf systematischen Erwägungen beruhende Umstellung ist mißglückt, weil nicht die Privatisierungsentscheidung, sondern die Universaldienstgewährleistung auf der Grundlage der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses einen eigenen Absatz erhalten hat (Art. 87 f Abs. 1 GG), während das Privatisierungsgebot und die Anordnung bundeseigener Verwaltung ungeachtet ihrer inhaltlichen Separierung in einem anderen Absatz zusammengefaßt worden sind (Art. 87 f Abs. 2 GG).357 Die so entstandene Struktur des Art. 87 f GG bietet nicht nur Angriffsfläche fur formale Kritik, sondern löst mit Blick auf die Verwaltungszuständigkeit des Bundes gemäß Art. 87 f Abs. 3 GG auch inhaltliche Bedenken aus. Denn die rechtssystematische Abkopplung der Universaldienstgewährleistung (Art. 87 f Abs. 1 GG) von den Hoheitsaufgaben (Art. 87 f Abs. 2 Satz 2 GG) hat die Unsicherheit verstärkt, ob die Erfüllung dieser Gewährleistungspflicht zu den hoheitlichen Aufgaben des Art. 87 f Abs. 2 Satz 2 GG und/oder zu den sonstigen Aufgaben des Art. 87 f Abs. 3 GG zu rechnen ist und ob sie demzufolge in bundeseigener Verwaltung von unmittelbaren Bundesbehörden oder in mittelbarer Bundesverwaltung von der in Art. 87 f Abs. 3 GG vorgesehenen Bundesanstalt wahrzunehmen ist. 358
dem seither ergangenen Schrifttum nur P. Badura, in: Bonner Kommentar, Art. 87 f Rdnr.20. 354 Zur Begründung vgl. unten S. 370 f. 355 BT-Drs. 1217269, S. 3 . .\5b NT. 7 der Stellungnahme des Bundesrates zum 4\. GG-ÄndG-E, BT-Drs. 12/7269, S. 8. 357 Vgl. Art. I NT. 3 der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drs. 12/8108, S. 3, nebst Begründung, ebda, S. 6. 358 S. zu diesem Problem noch unten S. 370 f., 384. Die intrikate Struktur des Art. 87 f GG wurde auch bei der Anhörung vor dem Rechtsausschuß am 08.03.1994 beklagt, s. nur W. Heun, Diskussionsbeitrag, BT-Rechtsausschuß-Prot. 117/94, S. 9; P. Badura, Diskussionsbeitrag, ebda, S. 31 f. 13 Windlhorst
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3. Kap.: Detenninanten der Universaldienstgewährleistung
11. Die Anordnung einer Aufgabenprivatisierung durch Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG 1. Tatbestandsmerkmale
Art. 87 f GG ist durch Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 30.08.1994 ins Grundgesetz eingefügt worden. 359 Sein Absatz 2 Satz 1 bestimmt, daß Dienstleistungen im Sinne des Absatzes 1 als privatwirtschaftliche Tätigkeiten durch die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen und durch andere private Anbieter erbracht werden. Die einzelnen Merkmale besitzen folgenden Bedeutungsgehalt: a) Dienstleistungen im Bereich der Telekommunikation aa) Der Begriff" Dienstleistung "
Unter "Dienstleistungen" versteht man allgemein zweckgerichtete Handlungen zur Befriedigung der Bedürfnisse anderer Personen, die im Gegensatz zu Waren (Sachgütern) nicht gegenständlicher Natur sind. Typische Merkmale sind insb. ihre fehlende Dauerhaftigkeit und Lagerfahigkeit sowie die Simultaneität ihrer Erbringung und ihres Konsums. 360 Dieses weite Verständnis von Dienstleistungen liegt auch dem in Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG verwendeten Ausdruck zugrunde, was durch die Formulierung "als privatwirtschaftliche Tätigkeiten" unterstrichen wird. 361 Demgegenüber ist die in Begriffsbestimmungen des Telekommunikationsgesetzes geforderte Gewerbsmäßigkeit der Leistung 362 kein Wesensmerkmal des verfassungsrechtlichen Dienstleistungsbegriffs. Ihre Berechtigung war schon auf einfachgesetzlicher Ebene umstritten/ 63 weil nicht-kommerzielle Leistungen, z. B. im Rahmen von Pilotprojekten, ausgegrenzt werden, ohne daß hierfür in dieser Allgemeinheit eine sachliche Rechtfertigung besteht. 364 Auf verfassungsrechtlicher Ebene hat das Kriterium BGBI I, S. 2245. Vgl. P. Eichhorn (Hrsg.), Verwaltungslexikon, S. 224 f.; mit Bezug auf Art. 87 f GG auch P. Lerche, in: MaunzlDürig, Grundgesetz, Art. 87 f Rdnr. 74. 361 Zu dieser als "Auslegungsbefehl" bezeichneten Wendung zuletzt G. Schmidt, NJW 1998,200 (201). 362 § 3 Nr. 15, 18 und 19 TKG; anders für Telekommunikationsdienste § 3 Nr. 5 TKG: "geschäftsmäßiges ... "; dazu unten S. 405 f. 363 Vgl. Nr. 12 der Stellungnahme des Bundesrates zum TKG-E, BT-Drs. 13/4438, S. 7; a. A. die Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 13/4438, S. 31; s. auch unten S. 405 f. 364 Dies betrifft z. B. "good-will"-Aktionen mit (auch) werbendem Charakter, wie die von der Deutschen Telekom AG mit Unterstützung des BMPT angekündigte kostenlose Anschließung einer großen Zahl von Schulen an das ISDN-Netz. 359
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D. Verfassungsrechtliche Vorgaben
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der Gewerbsmäßigkeit jedenfalls keinen Eingang in den Begriff der Dienstleistung gefunden. Weder der Normtext noch die Entstehungsgeschichte enthalten dahingehende Anhaltspunkte. Für eine solche defmitorische Einengung fehlt auch die Notwendigkeit, weil das Merkmal "Leistungserbringung fiir andere" ausreichend konturierende Wirkung entfaltet. Gewerbsmäßige Leistungserbringung ist zwar die Regel, aber nicht unerläßliche Voraussetzung einer Dienstleistung. Diese Interpretation deckt sich mit dem im Gemeinschaftsrecht entwickelten Verständnis, das insoweit ebenfalls primär auf die Öffentlichkeit der Leistung abstellt. 365
bb) Der Begriff" Telekommunikationsdienstleistung " Der Dienstleistungsbegriff des Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG wird durch die Bezugnahme auf Art. 87 f Abs. 1 GG näher eingegrenzt, wobei die Formulierung zu einigen Mißverständnissen gefiihrt hat. Einigkeit besteht darüber, daß Dienstleistungen i. S. d. Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG, ebenso wie Dienstleistungen gemäß Art. 87 f Abs. 1 GG, Dienstleistungen im Bereich der Telekommunikation sind. Umstritten ist dagegen, ob unter diese sog. Telekommunikationsdienstleistungen sämtliche durch Telekommunikation übermittelten Dienstleistungen oder nur Dienstleistungen der Telekommunikation fallen. Aus den im Rahmen des Art. 87 f Abs. 1 GG entwickelten Gründen,366 die aufgrund der durch den Normtext und die systematische Stellung hervorgehobenen Anbindung des Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG an diese Regelung auch insoweit Geltung beanspruchen, ist die Formulierung "Dienstleistungen im Bereich der Telekonununikation" in Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG ebenfalls im engen Sinne als Dienstleistungen der Telekommunikation zu interpretieren. Hierzu gehören nur diejenigen Dienstleistungen, die den Anforderungen des Verfassungsbegriffs "Telekonununikation" genügen. Dieser restriktive Telekommunikationsdienstleistungsbegriff wird im wesentlichen durch das Angebot des Sprachtelefondienstes und die Bereitstellung der hierfiir notwendigen Übertragungswege ausgeftillt. Dagegen bezieht sich der Rückverweis in Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG auf Art. 87 f Abs. 1 GG nicht auf den dort vorgesehenen Umfang, in dem Telekonununikationsdienstleistungen bereitzustellen sind. Der Wortlaut des Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG ist insoweit irrefiihrend. 367 Dienstleistungen im Sinne dieser Vorschrift sind nicht nur flächendeckende, angemessene und ausreichende,
Näher dazu oben S. 70 mit Fußn. 164, unten S. 175. Vgl. unten S. 263 ff. 367 Darauf hat bereits P. Lerche, Schriftliche Stellungnahme, BT-RechtsausschußProt. 117/94, S. 100, hingewiesen. 365
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3. Kap.: Determinanten der Universaldienstgewährleistung
sondern sämtliche Dienstleistungen im Bereich der Telekommunikation. 368 Diese Abweichung erklärt sich aus den divergierenden Zielsetzungen dieser Bestimmungen. Absatz 2 Satz 1 ordnet umfassend die Entstaatlichung der Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der Telekommunikation an; demgegenüber begründet Absatz 1 fiir einen durch dort genannte Merkmale fixierten Kernbereich, den sog. Universaldienst, eine Gewährleistungspflicht des Staates, um die aus Gründen des Gemeinwohls unerläßliche Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen sicherzustellen. Die gegenüber Art. 87 f Abs. 1 GG weitere Fassung des Dienstleistungsbegriffs in Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG wird durch die Entstehungsgeschichte der Norm bekräftigt. Art. 87 f Abs. 1 und Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG gehen auf Art. 87 f Abs. 1 Satz 2 und Art. 87 f Abs. 1 Satz 3 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zurück. 369 Diese Vorschriften waren in bezug auf das Tatbestandsmerkmal "Dienstleistungen" durch das Wort "diese" in Art. 87 f Abs. 1 Satz 3 GG-E verknüpft, das sich allein auf das Substantiv "Dienstleistungen" in Art. 87 f Abs. 1 Satz 2 GG-E, nicht aber auf die dort aufgefiihrten Attribute "flächendeckend, angemessen und ausreichend" bezog. Die in der endgültigen Fassung des Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG verwendete Formulierung "Dienstleistungen im Sinne des Absatzes 1" geht auf einen Vorschlag des Bundesrates zurück,370 ohne daß damit ein gegenüber der Entwurfsfassung divergierendes inhaltliches Verständnis des Dienstleistungsbegriffs verbunden worden ist. Der aufgrund der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses redaktionell abgeänderte Wortlaue 71 ist lediglich die Reaktion auf die Aufspaltung des Art. 87 f Abs. 1 Satz 2 und 3 GG-E in zwei gesonderte Absätze. b) Erbringen als privatwirtschaftliche Tätigkeit
aa) Angebot und Ausfiihrung der Dienstleistungen Das auf das Hauptwort "Dienstleistungen" bezogene Verb ,,(werden) erbracht"m in Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG umfaßt neben der Ausfiihrung der Dienstleistung auch ihr Angebot. Die Ersetzung der noch im Regierungsentwurf enthaltenen Formulierung "werden angeboten,,373 durch die Worte Vgl. nur P. Lerche, in: Festschrift für R. Kreile, S. 377 (379). BT-Drs. 1217269, S. 3. 370 Vgl. Nr. 7 der Stellungnahme des Bundesrates zum 4 \. GG-ÄndG-E, BT-Drs. 1217269, S. 8: .. Dienstleistungen im Sinne von Absatz 1 Satz 2 .... " 371 BT-Drs. 12/8\08, S. 3: .. Dienstleistungen im Sinne von Absatz 1 ..... ; zur Begründung vgl. ebda, S. 6. m Zur Bedeutung des Wortes ..werden" vgl. unten S. 213. 373 Vgl. Art. 87 f Abs. 1 Satz 3 GG-E, BT-Drs. 12/7269, S. 3. 368 36Q
D. Verfassungsrechtliche Vorgaben
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"werden erbracht" grenzt die Bereithaltung und das Angebot von Dienstleistungen nicht aus, sondern beruht ausschließlich auf sprachlichen Gründen. 374 bb) Privatwirtschaftliehe statt private Tätigkeit Den eigentlichen verfassungspolitischen Paradigmenwechsel verkörpert die Teilsentenz "als privatwirtschaftliche Tätigkeit" in Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG. Bis zu dieser Verfassungsänderung waren die Aufgaben des Fernmeldewesens verfassungsrechtlich, ungeachtet gewisser Lockerungen auf einfachgesetzlicher Ebene im Gefolge der Postreform 1,375 sämtlich dem Bundesministerium für Post- und Fernmeldewesen und der Deutschen Bundespost zugeordnet;376 dieses Sondervermögen mußte gemäß Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F. in bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau feführt werden. Dieses Ordnungsmodell wurde aus unterschiedlichen Gründen 77 als zu enges Korsett empfunden; folgerichtig sind diese Bindungen durch Streichung der Worte ,,,die Bundespost" gesprengt worden. 378 Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG stellt diesen von seinen bisherigen verfassungsrechtlichen Fesseln befreiten Tätigkeitsbereich unter die Garantie privatwirtschaftlicher Leistungserbringung. Um die endgültige Formulierung des Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG wurde im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens heftig gerungen, da von ihr Art und Ausmaß der Entstaatlichung abhängen. Art. 87 f Abs. 1 Satz 3 GG-E sprach noch von privaten Tätigkeiten. Auf diese Weise sollte der nunmehr ausschließ374 S. die Begründung der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drs. 12/8 \08, S. 6. Ursächlich flir diese redaktionelle Anderung ist die Formulierung der Entwurfsfassung des Art. 87 f GG. Art. 87 f Abs. I Satz 2 GG-E verwendete den Begriff "erbringen" flir die Universaldienstgewährleistung und sprach in Absatz I Satz 3 zur Vermeidung von Wiederholungen von "angeboten". Da das Wort "erbringen" keinen Eingang in Art. 87 f Abs. I GG fand, konnte im Rahmen des Art. 87 f Abs. 2 Satz I GG auf diesen zutreffenderen, da weiter gefaßten Begriff zurückgegriffen werden. m Sie kamen insb. in § I Abs. I Satz 3 PostVerfG zum Ausdruck, wonach der Deutschen Bundespost in Wahrnehmung ihres öffentlichen Auftrags im nationalen und internationalen Bereich unternehmerische und betriebliche Aufgaben des Post- und Fernmeldewesens obliegen; dazu E. HustädtlK. Bach, DuR 17 (1989), 294 (299); W. Schatzschneider, NJW 1989,2371 ff.; s. auch noch unten S. 390 f. Zum verfassungsrechtlichen Spielraum einer Effektivierung der Telekommunikationsdienstleistungen ohne Privatisierung s. die schriftlichen Stellungnahmen zur öffentlichen Anhörung des Ausschusses flir Post und Telekommunikation am 07.03.1994, Synopse I, S. 83 ff. 376 Ebenso auf einfachgesetzlicher Ebene der in § I Abs. I Satz I PostVerfG angelegte Grundsatz. Kritisch hinsichtlich der Kompetenzen des Bundesministers flir Postund Fernmeldewesen E. HustädtlK. Bach, DuR 17 (1989), 294 (299 f.). 371 Vgl. unten S. 255 f., 394 ff. 378 Dazu schon oben S. 191 mit Fußn. 347. Diese Streichung allein hätte allerdings angesichts des rechtspolitischen Paradigmenwechsels flir die angestrebte Neuordnung der Telekommunikation nicht genügt; damit ist indes nicht gesagt, daß eine Regelung des getroffenen Umfangs im Grundgesetz selbst erfolgen mußte.
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3. Kap.: Detenninanten der Universaldienstgewährleistung
lich private Charakter der Leistungserbringung zum Ausdruck gebracht werden. 379 Dabei wäre aber unklar geblieben, ob die Wendung "private Tätigkeit" sich nur auf die Handlungsform oder auch auf die Rechtsnatur der Aufgabe bezieht. Der alternativ erwogene Begriff "privatrechtliche Tätigkeit" erwies sich in diesem Zusammenhang ebenfalls als ungeeignet, weil er nur auf die Form des Handeins, nicht aber auf die ihm zugrunde liegende Aufgabenzuordnung abzielt. 380 Auch staatliche Aufgaben können grds. mit privatrechtlichen Mitteln erfüllt werden, sofern sich aus der Rechtsordnung oder der Natur der Sache nicht etwas anderes ergibt. 381 Das Sondervermögen Deutsche Bundespost handelte schon vorher in weiten Bereichen privatrechtlich. Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG wollte diesen Handlungsformspielraum nicht bestätigen oder partiell erweitern, sondern die Aufgabenzuordnung verändern. Die bislang vom Staat wahrgenommene Verwaltungsaufgabe "Telekommunikation" ("Fernmeldewesen") sollte dergestalt entstaatlicht werden, daß sie nicht lediglich privater Initiative überlassen wird (daftir hätte die Änderung des Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F. genügt), sondern dieser Tätigkeitsbereich ausschließlich Privatrechtssubjekten zur privatrechtlichen Erfüllung zugewiesen wird. Damit schieden auch Begriffe wie "erwerbswirtschaftlich" o