Der soziale Bezug des Eigentums: Eine Betrachtung bundesverfassungsgerichtlicher Grundrechtsinterpretation angesichts des gesetzlichen Kohleausstiegs [1 ed.] 9783428586981, 9783428186983

Das Bundesverfassungsgericht bestimmt mit dem Verweis auf den sozialen Bezug die Weite des Gestaltungsspielraums des Ges

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Der soziale Bezug des Eigentums: Eine Betrachtung bundesverfassungsgerichtlicher Grundrechtsinterpretation angesichts des gesetzlichen Kohleausstiegs [1 ed.]
 9783428586981, 9783428186983

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1494

Der soziale Bezug des Eigentums Eine Betrachtung bundesverfassungsgerichtlicher Grundrechtsinterpretation angesichts des gesetzlichen Kohleausstiegs

Von

Lennart Andersen

Duncker & Humblot · Berlin

LENNART ANDERSEN

Der soziale Bezug des Eigentums

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1494

Der soziale Bezug des Eigentums Eine Betrachtung bundesverfassungsgerichtlicher Grundrechtsinterpretation angesichts des gesetzlichen Kohleausstiegs

Von

Lennart Andersen

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hat diese Arbeit im Jahr 2021 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D6 Alle Rechte vorbehalten

© 2023 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Fotosatz Voigt, Berlin Druck: CPI Books GmbH, Leck Printed in Germany

ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-18698-3 (Print) ISBN 978-3-428-58698-1 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit ist im Wintersemester 2020/2021 von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Dissertation angenommen worden. Der Stand der Bearbeitung ist August 2020. Danach erfolgte Veröffentlichungen, Gerichtsentscheidungen und Gesetzesänderungen konnten noch vereinzelt berücksichtigt werden. Mein erster Dank gilt meiner Doktormutter Frau Prof. Dr. Sabine Schlacke, die mich schon während des Studiums förderte, mir viel wissenschaftlichen Freiraum gewährte und maßgeblich zum Entstehen dieser Arbeit beigetragen hat. Ferner danke ich Herrn Prof. Dr. Oliver Lepsius LL.M. (Chicago) für die hilfreichen Anmerkungen und die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Die Dissertation ist während meiner zweijährigen Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Sozietät Hengeler Mueller in Düsseldorf entstanden. Für diese lehrreiche Möglichkeit und die wertvolle Unterstützung bei der Themenfindung danke ich Herrn Prof. Dr. Dirk Uwer LL.M. (Northumbria). Markus Hellwig LL.M. (Melbourne), Julian Hinz LL.M. (Yale), Lars Kroemer und Jana Röttig gilt mein Dank für ihre hilfreichen und sorgfältigen Korrekturanmerkungen. Ebenso wie Dr. Arno Görlitz, Nils Meerkamp und Dr. Julius Verse haben sie mich durch Freundschaft, Ermutigung und fachlichen Austausch während der Promotionszeit unterstützt. Mit liebevollem und geduldigem Zuspruch stand mir in den letzten Jahren Marie Ludes zur Seite, wofür ich ebenfalls sehr dankbar bin. Abschließend danke ich meinen Eltern Cordula Schmidt-Andersen und Peter Andersen, ohne deren bedingungslosen Rückhalt diese Arbeit wie auch meine gesamte juristische Ausbildung nicht denkbar gewesen wären. Düsseldorf, im Juli 2022

Lennart Andersen

Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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A. Stand der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Kapitel Inhalt des sozialen Bezugs

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A. Interpretation des Art. 2 Abs. 1 GG als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Eigenart und Funktion der Eigentumsgegenstände als abstrakte Leitlinie . . . . . .

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C. Konkretisierung der den sozialen Bezug auslösenden Eigenschaften . . . . . . . . . . I. Sozial-Element . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Art. 14 GG: Die Allgemeinheit als Bezugs-Rezipient . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vergesellschaftung im Sinne des Art. 15 S. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sozialpflichtigkeit und Sozialbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Art. 14 Abs. 2 GG als Verkörperung von Sozialpflichtigkeit und Sozialbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zwischenergebnis zur begrifflichen Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abgrenzung zu Herleitung, Inhalt und Wirkung von Sozialpflichtigkeit und Sozialbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Herleitung von Sozialpflichtigkeit und Sozialbindung . . . . . . . . . bb) Inhalt von Sozialpflichtigkeit und Sozialbindung . . . . . . . . . . . . . (1) Sozialpflichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Sozialbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Keine unmittelbare rechtliche Wirkung von Art. 14 Abs. 2 GG für den Eigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis: Abgrenzung zum sozialen Bezug . . . . . . . . . . 4. Menschenbild des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Interpretation in der Literatur: Kontaktbrücke zu anderen Rechtsträgern 6. Das Sozialstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Relevanz des Sozialstaatsprinzips für die Eigentumsgarantie . . . . . . . b) Bedeutungsermittlung des Sozial-Begriffs beim Sozialstaatsprinzip . . 7. Zwischenergebnis zur Bedeutung des Sozial-Begriffs: Sozial als Synonym für die Allgemeinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bezugs-Element . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt 1. Soziale Bedeutung als ergänzender Begriff zum sozialen Bezug . . . . . . . 2. Keine inhaltliche Einschränkung durch den Begriff der sozialen Funktion III. Zwischenergebnis zur begrifflichen Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Auswertung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . 1. Ermittlung der Begründung des sozialen Bezugs und des Verhältnisses zu Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fallgruppen anhand der regulierten Eigentumsgegenstände . . . . . . . . . . . . a) Grund und Boden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Entscheidung zum Grundstücksverkehrsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die gerichtliche Vorgehensweise: Feststellung der sozialen Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Bezugspunkt der Verbindung zum Eigentumsgegenstand . . . (3) Für das Wohl der Allgemeinheit förderliche Eigenschaften . . bb) Entscheidung zum Niedersächsischen Deichgesetz . . . . . . . . . . . . b) Geistiges Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schulbuchprivileg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Hineintreten in den sozialen Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Objektiv-rechtliche Grundrechtsgehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Freiwillige Entscheidung des Eigentümers . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kirchenmusik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Pflichtexemplarentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Sendung von Musikwerken in Vollzugsanstalten . . . . . . . . . . . . . . c) Wohneigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vergleichsmiete I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Kriterium der Angewiesenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zweckentfremdung von Wohnraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Kleingartenentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Eigenbedarf I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Mietpreisbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Mietpreisbremse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Zwischenergebnis: Wohneigentum maßgeblich für die Bedürfnisbefriedigung der Allgemeinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Anteilseigentum respektive Unternehmenseigentum – Mitbestimmungsurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Sozialversicherungsrechtliche Ansprüche – Versorgungsausgleich I . . f) Denkmalgeschütztes Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Anlageneigentum – Atomausstiegsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Staatliche Förderung des Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gefährdung der Allgemeinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Energieversorgung der Allgemeinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

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dd) Zwischenergebnis zu den unterschiedlichen Fallgruppen . . . . . . . 101 h) Zwischenergebnis und Definition des sozialen Bezugs . . . . . . . . . . . . 102 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

2. Kapitel Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs A. Maßgebliche rechtliche Handlungsform: Inhalts- und Schrankenbestimmung . . I. Inhalts- und Schrankenbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Enteignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Abgrenzung von Inhalts- und Schrankenbestimmung und Enteignung . . . . . IV. Verortung des sozialen Bezugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Der soziale Bezug als Ergebnis der Interpretation des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Keine Bindungswirkung durch die Stellung im Verfassungsgefüge . . . . . . . . II. Rechtliche Wirkung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts . . . III. Faktische Wirkung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts . . . . IV. Bedeutung für die rechtlichen Auswirkungen des Vorliegens des sozialen Bezugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriff des Gestaltungsspielraums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Herleitung des Gestaltungsspielraums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungsdichte des materiellen Verfassungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorausgesetzter Gestaltungsspielraum in offenen Normen und der offenen Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Regelungsdichte als untauglicher Anknüpfungspunkt? . . . . . . . . . . . . . c) Herleitung des Gestaltungsspielraums durch das Bundesverfassungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gestaltungsspielraum als Ausdruck der Gesetzgebungsfunktion . . . . . . . 3. Kombination der Herleitung aus der Funktion des Gesetzgebers und der Regelungsdichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Notwendigkeit der Berücksichtigung des normativen Gehalts . . . . . . . . . 5. Konkreter Sachverhalt als Kennzeichnung des gesetzgeberischen Regelungsbedürfnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zwischenfazit zur Herleitung des Gestaltungsspielraums . . . . . . . . . . . . . III. Rechtliche Auswirkung des Vorliegens des Gestaltungsspielraums . . . . . . . . 1. Bestehen einer rechtlichen Auswirkung des Gestaltungsspielraums . . . . 2. (Anteiliger) Ausschluss der verfassungsrechtlichen Kontrolle . . . . . . . . . a) Kennzeichnung des verfassungsrechtlich Erlaubten . . . . . . . . . . . . . . . b) Abgestufte Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht . . . . . . . . .

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Inhalt aa) Evidenzkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vertretbarkeitskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Einteilungsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zwischenergebnis: Veranschaulichung der Kontrollabstufung . . . 3. Keine über die Verfassungsinterpretation hinausgehende Flexibilisierung 4. Berücksichtigung des Gestaltungsspielraums beim Entscheidungsausspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Normative und tatsächliche Bezugspunkte des Gestaltungsspielraums . . . . . 1. Freiraum des Gesetzgebers bei der Bewertung tatsächlicher Umstände . . 2. Normative Auswirkung des aus dem sozialen Bezug folgenden Gestaltungsspielraums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie . . . . . . . . . . I. Herleitung des Gestaltungsspielraums bei der Eigentumsgarantie . . . . . . . . . 1. Methodik bei der Herleitung des Gestaltungsspielraums . . . . . . . . . . . . . . 2. Bestätigung des Gestaltungsspielraums durch den Regelungsauftrag . . . . a) Wortlaut des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Exkurs: Normprägung des eigentumsrechtlichen Schutzbereichs . . . . aa) Schutzbereich bei der Eigentumsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Allgemeinwohldienlichkeit nach Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG als unbestimmte Grenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Aus dem Vergleich zur Enteignung resultierende Bestätigung des Regelungsauftrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Funktionell-rechtliche Betrachtung des Regelungsauftrags aus Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einschränkungen des Gestaltungsspielraums durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG a) Institutsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Legitimer Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Eignung und Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Regelungsinhalt des Angemessenheitserfordernisses . . . . . . . (2) Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei Beachtung der Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Abwägungsdirektiven im Rahmen der Eigentumsgarantie . . . (a) Insbesondere Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis . . (aa) Berücksichtigung der Privatnützigkeit bei bereits bestehenden Eigentumsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt (bb) Berücksichtigung der Privatnützigkeit bei neu zu schaffenden Eigentumsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Vertrauensschutz bei bereits bestehenden Eigentumsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Abwägungsdirektive zugunsten der Allgemeinheit . . . . . (4) Die Angemessenheit als Gewährleistung der Berücksichtigung der Eigentümerbelange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Fazit zur Beschränkungswirkung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Struktur der Angemessenheitsprüfung als Bestätigung des Gestaltungsspielraums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Differenzierung bei der Kontrolldichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Flexibilisierung des Kontrollmaßstabes durch Auslegung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kontrollvorgaben außerhalb von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG . . . . . . . . . . . 4. Zwischenfazit zur Herleitung des Gestaltungsspielraums bei der Eigentumsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Konkretisierung des Gestaltungsspielraums aufgrund des betroffenen Sachbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erforderliche Rückführbarkeit auf die Regelungsdichte . . . . . . . . . . . . b) Untersuchung möglicher Begründungsansätze für die Erweiterung des Gestaltungsspielraums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erforderliche Bezugnahme auf den Sachbereich bei der Auslegung des Art. 14 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Keine unmittelbare Wirkung des Art. 14 Abs. 2 S. 1 GG . . . . . . . cc) Sozialer Bezug als Absenkung der Wertigkeit der Eigentümerinteressen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Schutzzweck der Eigentumsgarantie als Kennzeichnung der Wertigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Starke Ausprägung des personalen Bezugs . . . . . . . . . . . . (b) Relation zu Regelungs- und Kontrolldichte der Eigentumsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Eigentumsschutz trotz Verringerung des personalen Bezugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Keine zwangsläufige Verbindung zwischen sozialem Bezug und Wertigkeit des Eigentumsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Ansätze für eine mögliche Wechselwirkung von personalem und sozialem Bezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Trennung der Freiheitsrelevanz für den Eigentümer und der Eigentums-Außenwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Unternehmenseigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Grundeigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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205 206 207 208 210 211 212 213 214 215 217 220 222 223 224 228 229 231 233 236 239 240 244 245 247

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Inhalt (cc) Sozialversicherungsrechtliche Ansprüche . . . . . . . . . (dd) Geistiges Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (ee) Zwischenergebnis zur Trennung von Freiheitsrelevanz und Außenwirkung des Eigentums . . . . . . . . . . (3) Zwischenergebnis: Keine Absenkung der Wertigkeit der Eigentümerinteressen durch den sozialen Bezug . . . . . . . . . . . . . dd) Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG als Rechtfertigung der Erweiterung des Gestaltungsspielraums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Der jeweilige Sachbereich allein als untauglicher Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Verringerung der Regelungsdichte durch Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Erweiterung des Regelungsgehalts und gleichzeitige Absenkung der Regelungsdichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Zwischenergebnis zur durch Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG verringerten Regelungsdichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) „Zugleich“ sicherzustellende Allgemeinwohldienlichkeit als Kollisions-Kennzeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zwischenergebnis: Rechtfertigung der Erweiterung des Gestaltungsspielraums durch Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG . . . . . . . . . c) Herleitung der Regelungsdichte bei einem konkreten Eigentumsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Fazit zur Herleitung des Gestaltungsspielraums bei der Eigentumsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Auswirkungen der Erweiterung des Gestaltungsspielraums auf den Eigentumsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Festlegung des Prüfungsmaßstabes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Systematisierung der gesetzgeberischen Wertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Übertragung der Schutzabstufung auf Eigentumsarten . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Erforderliche Kohärenz von sozialem Bezug und verfolgtem Allgemeinwohlinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verantwortung des Eigentümers für das Entstehen des sozialen Bezugs . . 6. Fazit: Flexibilisierung der Wirkkraft des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

249 249 250 253 254 255 256 257 259 260 264 264 267 268 269 271 272 275 276 279

3. Kapitel Auswirkungen des sozialen Bezugs bei Eigentum an Kohlekraftwerken A. Anwendbarkeit der Eigentumsgarantie bei Kohlekraftwerken . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schutzwirkung des Art. 14 GG bei Eigentum an Kohlekraftwerken . . . . . . . . II. Im Kohleausstiegsgesetz vorgesehene Eigentumsbeschränkungen . . . . . . . . . 1. Regelungsgehalt des Kohleausstiegsgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steinkohlekraftwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

281 281 281 282 282 283

Inhalt

13

a) Ausschreibungsverfahren nach den §§ 10 ff. KVBG . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesetzliche Reduzierung der Steinkohleverstromung . . . . . . . . . . . . . . 3. Braunkohlekraftwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Einordnung als Inhalts- und Schrankenbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

284 285 286 286

B. Weite des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Sozialer Bezug des Eigentums an den Kohlekraftwerken . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Klimaschädlichkeit der Kohleverstromung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gefährdung der Zielvorgabe aus Art. 20a GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zusätzliche Umweltschädlichkeit der Kohlekraftwerke . . . . . . . . . . . . . . . 3. Notwendige Einordnung als Hochrisikotechnologie? . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kohlekraftwerke als Energieversorger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausprägung des personalen Bezugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Auswirkungen auf den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers . . . . . . . . . . 1. Erforderliche Kohärenz zwischen sozialem Bezug und dem Allgemeinwohl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auswahl der Energieträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beschränkung des Gestaltungsspielraums durch staatliche Schutzpflichten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

288 288 288 289 291 292 293 294 295 296 297 298

C. Auswirkungen des Gestaltungsspielraums auf die Verhältnismäßigkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Legitimer Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Eignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überprüfung der Eignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auswirkungen des erweiterten Gestaltungsspielraums . . . . . . . . . . . . . . . . III. Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Eigentümerinteressen: Wirtschaftliche Nutzung der Kohlekraftwerke . . . a) Eingriffsintensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vertrauensschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Herleitung des Vertrauensschutzgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vertrauenstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Keine bereits bestehende Übergangsregelung . . . . . . . . . . . . . (2) Immissionsschutzrechtliche Genehmigung . . . . . . . . . . . . . . . (3) Genehmigung aus § 4 Abs. 1 TEHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Beschränkung des Vertrauens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Wirkkraft des Vertrauensschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gegenüberstehender Allgemeinwohlbelang: Klimaschutz . . . . . . . . . . . . .

299 299 300 300 300 302 302 305 305 307 308 308 312 313 313 314 314 316 317 319 320

14

Inhalt 3. Zulässiges Abwägungsergebnis: Amortisationsbedingte Ausgleichsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entwertung der bestehenden Ertragsfunktion des Eigentums für die Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vertrauen auf die Amortisierung von Investitionen . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ausgleichsregelungen im KVBG: Steinkohle . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ausgleichsregelung im KVBG: Braunkohle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fazit zu den Auswirkungen des sozialen Bezugs im Rahmen der Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

323 324 325 329 330 331

4. Kapitel Zusammenfassung

332

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359

Abkürzungsverzeichnis a. a. O. Abs. AEUV a. F. AK Akt. AöR Art. Aufl. BauGB BB Bd. BGB BGBl. BGHZ BImSchG BMU BMWi bspw. BR BT BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwGE bzw. ca. CCS ders. Dez. dies. DÖV DüngeG DVBl. Ed. EG

am angegebenen Ort Absatz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Alternativkommentar Aktualisierung Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift) Artikel Auflage Baugesetzbuch Betriebsberater (Zeitschrift) Band Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bundesimmissionsschutzgesetz Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie beispielsweise Bundesrat Bundestag Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverfassungsgerichtsgesetz Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts beziehungsweise circa Carbon Capture and Storage derselbe Dezember dieselbe Die Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Düngegesetz Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) Edition Europäische Gemeinschaft

16 EnWG EnWZ ER Erg. EStG EU EuGRZ f. Feb. ff. GewArch GG GrCH Hrsg. IPCC IR JöR Jura JuS JZ KritV KSpG KVBG Lfg. LKV m.w. N. NJOZ NJW Nr./Nrn. N&R NuR NVwZ NZA NZM NZS REE RL Rn. Rspr. S. s. o.

Abkürzungsverzeichnis Energiewirtschaftsgesetz Zeitschrift für das gesamte Recht der Energiewirtschaft EnergieRecht (Zeitschrift) Ergänzung Einkommensteuergesetz Europäische Union Europäische Grundrechte Zeitschrift folgende Februar die Folgenden Gewerbearchiv (Zeitschrift) Grundgesetz Grundrechtecharta Herausgeber Intergovernmental Panel on Climate Change InfrastrukturRecht (Zeitschrift) Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart (Zeitschrift) Juristische Ausbildung (Zeitschrift) Juristische Schulungen (Zeitschrift) JuristenZeitung (Zeitschrift) Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtsprechung (Zeitschrift) Gesetz zur Demonstration der dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid Kohleverstromungsbeendigungsgesetz Lieferung Landes- und Kommunalverwaltung (Zeitschrift) mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Online-Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Nummer/Nummern Netzwirtschaft und Recht (Zeitschrift) Natur und Recht (Zeitschrift) Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht Neue Zeitschrift für Sozialrecht Recht der Erneuerbaren Energien (Zeitschrift) Richtlinie Randnummer Rechtsprechung Satz/Seite siehe oben

Abkürzungsverzeichnis sog. std. s. u. u. a. UrhG Var. Verf. VG Vgl. Vorb. VR VVDStRL VwVfG WEG WiVerw WM WRV ZAR ZG ZGR ZNER ZPO ZRP ZUM ZUR ZWE

17

sogenannte/sogenannter ständige siehe unten unter anderem Urhebergesetz Variante Verfasser Verwaltungsgericht Vergleiche Vorbemerkung Verwaltungsrundschau (Zeitschrift) Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsverfahrensgesetz Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht Wirtschaft und Verwaltung (Zeitschrift) Wertpapiermitteilungen (Zeitschrift) Weimarer Reichsverfassung Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik Zeitschrift für Gesetzgebung Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für Neues Energierecht Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht Zeitschrift für Umweltrecht Zeitschrift für Wohnungseigentumsrecht

Einleitung Der soziale Bezug des Eigentums ist ein prägender Begriff innerhalb von aktuellen, die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG betreffenden Fragestellungen. So stützt sich das Bundesverfassungsgericht in der vielbeachteten Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der 13. Novelle des Atomgesetzes („Atomausstiegsentscheidung“) maßgeblich auf den sozialen Bezug des Eigentums an den Atomkraftanlagen.1 Anknüpfend an diese Entscheidung wird zur Begründung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit eines gesetzlich verordneten Ausstiegs aus der Kohleverstromung auch auf den sozialen Bezug des Eigentums an den Kohlekraftwerken verwiesen.2 Wissenschaft und Praxis diskutierten hierzu lebhaft, inwieweit der auf die Eigenschaft der Atomkraftwerke als Hochrisikotechnologie zurückzuführende soziale Bezug auch bei Kohlekraftwerken vorliegt.3 Darüber hinaus legitimiert der soziale Bezug von Wohneigentum aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts auch die Verfassungsmäßigkeit der sog. Mietpreisbremse4 und entfaltet zusätzlich im Zuge der verfassungsrechtlichen Prüfung des sog. Mietendeckels5 Relevanz. Die Bedeutung des sozialen Bezugs für die jeweilige verfassungsrechtliche Prüfung, ob den Vorgaben des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG entsprochen wurde, geht auf die Interpretation der Eigentumsgarantie durch das Bundesverfassungsgericht zurück. In ständiger Rechtsprechung verbindet es das Vorliegen des sozialen Bezugs mit der Weite des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers. Bei Vorliegen des sozialen Bezugs räumt das Bundesverfassungsgericht hierdurch dem Gesetzgeber eine vergrößerte Befugnis zur Beschränkung von Eigentumsrechten ein.

1

BVerfGE 143, 243 (324 f. Rn. 218 ff., 351 ff. Rn. 297 ff.). P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 106 ff.; C. Ziehm, ZNER 2017, S. 7 (8); O. Däuper/S. Michaels, EnWZ 2017, S. 211 (214); C. KreuterKirchhof, Rechtliches Gutachten zur Positionierung des Wirtschafts- und Energieministeriums NRW im Hinblick auf die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, S. 66; T. Schomerus/G. Franßen, Klimaschutz und die rechtliche Zulässigkeit der Stilllegung von Braun- und Steinkohlekraftwerken, S. 169 f.; vgl. C. Franzius, NVwZ 2018, S. 1585 (1586). 3 P. Zimmermann, Juristische Perspektiven nach dem Atomausstiegsurteil des Bundesverfassungsgerichts – Diskussionsbericht, in: M. Burgi (Hrsg.), 15. Deutsches Atomrechtssymposium, 2019, S. 115 ff. 4 BVerfG Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 18. Juli 2019 – 1 BvL 1/ 18, 1 BvL 4/18, 1 BvR 1595/18 –, Rn. 71. 5 B. Wolfers/K.-U. Opper, DVBl. 2019, S. 1446 (1449); M. Putzer, DVBl. 2020, S. 969 (973); A. Farahat, JZ 2020, S. 602 ff. 2

20

Einleitung

Auf diese Weise verknüpft das Bundesverfassungsgericht die Interpretation des Grundrechts der Eigentumsgarantie mit der Stellung des Gesetzgebers im Verfassungsgefüge und dem Ausmaß der eigenen Kontrollmöglichkeit von Verfassungsverstößen. Soweit diese Auslegung der Eigentumsgarantie – wie bspw. im Falle des gesetzlich angeordneten Ausstiegs aus der Kohleverstromung – zur verfassungsrechtlichen Begutachtung zukünftiger Gesetzesvorhaben herangezogen werden soll, muss ihr Bedeutungsgehalt und ihre rechtliche Auswirkung feststehen. Insbesondere muss Klarheit darüber bestehen, unter welchen Voraussetzungen einem Eigentumsgegenstand sozialer Bezug zukommt und wie stark dessen Ausprägung ist. Gleiches gilt für den Inhalt des Begriffs des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers und wie sich dessen Erweiterung auf den Eigentumsschutz auswirkt. Die Notwendigkeit der Bestimmung des Inhalts des sozialen Bezugs folgt auch daraus, dass der Sozial-Begriff im Wortlaut des Art. 14 GG nicht ausdrücklich enthalten ist. Zudem liegt mit dem Begriff der Sozialbindung als Umschreibung der Vorgabe aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG ein ähnlicher und zugleich prominenter Terminus vor, der leicht mit dem sozialen Bezug verwechselt werden kann. Bei Rückgriff auf die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung zur Legitimierung beabsichtigter Eigentumsbeschränkungen ist daher eine klare Konturierung des Inhalts des sozialen Bezugs erforderlich. Dies gilt auch, um einem möglichen Vorwurf entgegenzuwirken, dass durch ein zu weites Verständnis des sozialen Bezugs von Art. 14 GG nicht vorgesehene Beschränkungsmöglichkeiten geschaffen werden. Gerade zur Sicherung der Akzeptanz gerechtfertigter, auf den Klimaschutz gerichteter Eigentumsbeschränkungen darf der Verweis auf den sozialen Bezug einschließlich der erweiterten Befugnisse des Gesetzgebers nicht als Vehikel zur Umsetzung eines absoluten Klimaschutz-Vorrangs6 missverstanden werden. Auch bei Vorliegen des sozialen Bezugs sind vor Vornahme einer Eigentumsbeschränkung stets die Eigentümerinteressen zu berücksichtigen.7

A. Stand der Forschung Angesichts der Mannigfaltigkeit und Tiefe des Schrifttums zum Eigentum im Allgemeinen und der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG im Besonderen sowie der angesprochenen Konjunktur des Begriffs des sozialen Bezugs über6 Hierzu W. Frenz, DVBl. 2013, S. 688 (691); vgl. T. Attendorn, NVwZ 2012, S. 1569 (1570); W. Spieth/N. Hellermann, Energiewende – Kohle zwischen Recht und Politik, in: T. Hebeler u. a. (Hrsg.), Die Zukunft der Energiewende. 32. Trierer Kolloquium zum Umwelt- und Technikrecht vom 28. bis 29. September 2017, 2018, S. 83 (91); vgl. J. Saurer, NVwZ 2017, S. 1574; zum Umweltschutz allgemein O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft im öffentlichen Recht, S. 375. 7 Vgl. F. Shirvani, Sozialbindung des Eigentums, in: M. Ludwigs (Hrsg.), Regulierender Staat und konfliktschlichtendes Recht. Festschrift für Matthias Schmidt-Preuß zum 70. Geburtstag, 2018, S. 303 (311 f.).

B. Gang der Untersuchung

21

rascht die vergleichsweise gering ausgeprägte dezidierte Auseinandersetzung mit Inhalt und Wirkung des sozialen Bezugs in der Literatur. Ausnahmen von dieser Feststellung sind die Ausführungen von M. Thormann8, O. Lepsius9, C. Sellmann10 und J. R. Sieckmann11. Ebenfalls zu nennen sind die Untersuchungen von C. Kreuter-Kirchhof 12, die sich eingehend mit der personalen Dimension der Eigentumsgarantie befasst hat, und P. Overkamp13. Weiterhin findet der soziale Bezug in der Kommentarliteratur 14 zur Eigentumsgarantie Beachtung, regelmäßig jedoch mit schwerpunktmäßiger Wiedergabe der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Insbesondere die normative Begründung der Verknüpfung von sozialem Bezug und gesetzgeberischem Gestaltungsspielraum erfährt nur eingeschränkte Aufmerksamkeit. Die Kombination aus der bedeutenden Stellung des sozialen Bezugs im Rahmen der Überprüfung von Eigentumsbeschränkungen sowie dessen noch nicht erschöpfender Betrachtung im Schrifttum legt daher die vorliegende Untersuchung nahe.

B. Gang der Untersuchung Zur Ermittlung des Inhalts des sozialen Bezugs beginnt die Untersuchung mit der Darstellung seines Ausgangspunktes in der bundesverfassungsgerichtlichen Judikatur (S. 23 f.) sowie dessen begrifflicher Betrachtung (S. 25 ff.). Hierauf folgt eine Analyse der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung einschließlich ihrer Besprechung in der Literatur (S. 55 ff.). Diese Rechtsprechungsanalyse ist auf die Bestimmung einer Definition des Inhalts des sozialen Bezugs gerichtet (S. 102 ff.). Sodann werden die rechtlichen Folgen des Vorliegens des sozialen Bezugs in Form der Erweiterung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums aufgezeigt (S. 109 ff.). Hierfür ist die Inhalts- und Schrankenbestim8

M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, passim. O. Lepsius, Die maßstabsetzende Gewalt, in: M. Jestaedt/ders./C. Möllers/C. Schönberger, Das entgrenzte Gericht, 2011, S. 217 f.; ders., Verfassungsrechtlicher Rahmen der Regulierung, in: M. Fehling/M. Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, § 4 S. 178 ff.; ders., Besitz und Sachherrschaft im öffentlichen Recht, S. 68 f.; ders., WiVerw 2011, S. 206 (212 f.). 10 C. Sellmann, Nutzungsbeschränkungen zugunsten der Umwelt und eigentumsrechtlich gebotener Ausgleich, S. 187 ff. 11 J.-R. Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 367 ff. 12 C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, passim. 13 P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 105 ff. 14 Eingehend jedoch O. Depenheuer/J. Froese, in: H. von Mangoldt/F. Klein/C. Starck u. a. (Hrsg.), Grundgesetz, 7. Aufl. 2018, Art. 14 Rn. 282; H. Dederer, in: W. Kahl/ C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 118. Akt. Dez. 2017, Art. 14 Rn. 880 ff.; R. Wendt, in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 9. Aufl. 2021, Art. 14 Rn. 111; J. Sieckmann, in: K. Friauf/W. Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, 44. Erg.-Lfg. XI/14, Art. 14 Rn. 143; H.-J. Papier/F. Shirvani, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 83 April 2018, Art. 14 Rn. 425 ff. 9

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Einleitung

mung gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG als rechtlicher Kontext des sozialen Bezugs zu kennzeichnen (S. 109 ff.), die rechtliche und tatsächliche Bindungswirkung von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu beleuchten (S. 116 ff.) sowie der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers zu betrachten (S. 124 ff.). Aufbauend auf die insoweit erzielten Erkenntnisse kann die Herleitung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums im Rahmen der Eigentumsgarantie nachvollzogen werden (S. 168 ff.). Dies erfolgt zunächst auf abstrakter Ebene (S. 168 ff.), um im Anschluss die Wechselwirkung von konkreten Eigentumsrechten einschließlich ihres sozialen Bezugs mit dem gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum zu untersuchen (S. 217 ff.). Hierbei werden normative Anknüpfungspunkte des Art. 14 GG aufgezeigt, die die Erweiterung des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers und damit auch eine geringere grundrechtliche Schutzwirkung legitimieren (S. 254 ff.). Nach Darstellung der Herleitung der GestaltungsspielraumsErweiterung, die aus dem sozialen Bezug resultiert, werden dann die Folgen dieser Erweiterung des Gestaltungsspielraums für den Eigentumsschutz dargelegt (S. 268 ff.). Zu diesen Folgen ist namentlich die Flexibilisierung der Beschränkungswirkung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit für den Gesetzgeber zu zählen (S. 279 f.). Veranschaulicht wird diese Flexibilisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes abschließend im Zuge der Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der zur Umsetzung des Kohleausstiegs angeordneten Eigentumsbeschränkungen (S. 281 ff.).

1. Kapitel

Inhalt des sozialen Bezugs Die Untersuchung beginnt mit der Bestimmung des Inhalts des sozialen Bezugs von Eigentumsgegenständen. Ausgangspunkt dieser Bestimmung ist die erstmalige Erwähnung des Begriffs durch das Bundesverfassungsgericht im Rahmen einer Entscheidung zu Art. 2 Abs. 1 GG (S. 23 f.). Die dort erlangten Erkenntnisse zum Inhalt des sozialen Bezugs werden sodann mit der abstrakten Leitlinie des Bundesverfassungsgerichts verknüpft, wonach Eigenart und Funktion der Eigentumsgegenstände für das Vorliegen des sozialen Bezugs entscheidend sind (S. 24 f.). Zur Konkretisierung der den sozialen Bezug auslösenden Eigenschaften erfolgt sodann eine begriffliche Betrachtung des sozialen Bezugs (S. 25 ff.), der sich eine Analyse der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung anschließt (S. 55 ff.).

A. Interpretation des Art. 2 Abs. 1 GG als Ausgangspunkt Das Bundesverfassungsgericht thematisiert den sozialen Bezug erstmals in der Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der Strafvorschriften gegen die männliche Homosexualität (§§ 175 f. StGB a. F.).1 Im Rahmen der rechtspolitisch äußerst kritisch zu sehenden und mittlerweile überholten Erklärung der Verfassungsmäßigkeit der §§ 175 f. StGB a. F.2 prüft das Bundesverfassungsgericht einen Verstoß der genannten Strafvorschriften gegen Art. 2 Abs. 1 GG. Ein Verstoß hätte nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts vorgelegen, wenn das durch § 175 StGB a. F. pönalisierte Verhalten zum engsten Bereich der menschlichen Freiheit gehören würde.3 Ein Verhalten falle jedoch nicht mehr in diesen Bereich, „wenn Handlungen des Menschen in den Bereich eines anderen einwirken [. . .]. Grundsätzlich gibt schon die Berührung mit der Persönlichkeitssphäre eines anderen Menschen einer Handlung den Bezug auf das Soziale, der sie dem Recht zugänglich macht.“ 4 1

BVerfGE 6, 389. Vgl. A. Straßmeir/R. Ullerich, ZRP 2013, S. 76; H. Maas, ZRP 2017, S. 14. 3 BVerfGE 6, 389 (433). 4 BVerfGE 6, 389 (433), (Hervorhebung durch den Verf.); zum Sozialbezug im Kontext des allgemeinen Persönlichkeitsrechts U. Di Fabio, in: G. Dürig/R. Herzog/ R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 39 Juli 2001, Art. 2 Abs. 1 Rn. 157 ff. 2

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1. Kap.: Inhalt des sozialen Bezugs

Bezogen auf den Inhalt des sozialen Bezugs kann der Entscheidung damit entnommen werden, dass für dessen Vorliegen das Vordringen eines Rechtsträgers in einen Bereich außerhalb seines eigenen Wirkkreises vorliegen muss. Die Entscheidung zielt hierbei insbesondere auf das zwischenmenschliche Verhalten von natürlichen Grundrechtsträgern ab, was sich aus der Erwähnung der Berührung der Persönlichkeitssphäre und anschließend aus der Thematisierung der „Vorgänge, die sich in ,Kommunikation‘ mit anderen vollziehen“ ergibt.5 Gleichwohl bedarf es weiterer Konkretisierungen, um den Begriff des sozialen Bezugs und die von diesem erfasste Sphäre im Kontext der Eigentumsgarantie zu bestimmen.

B. Eigenart und Funktion der Eigentumsgegenstände als abstrakte Leitlinie Maßgeblich für die Bestimmung des Inhalts des sozialen Bezugs ist im weiteren Verlauf der Untersuchung die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Eigentumsgarantie. Insoweit ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass für einen durch das Bundesverfassungsgericht geprägten Begriff – neben der Verfassung selbst – dessen eigene Judikatur6 den entscheidenden Interpretationsmaßstab darstellt. Bezugnehmend auf die vorangegangenen Entscheidungen, in denen der soziale Bezug erwähnt wurde, führt das Bundesverfassungsgericht in der Atomausstiegsentscheidung aus, dass für das Vorliegen des sozialen Bezugs von Eigentumsobjekten und dessen Ausprägung „Eigenart und Funktion [der Eigentumsobjekte] von entscheidender Bedeutung“ 7 sind. Eine weitere Konkretisierung dieser für das Vorliegen und die Ausprägung des sozialen Bezugs notwendigen Eigenart und Funktion der Eigentumsobjekte erfolgt auf dieser abstrakten Ebene nicht. Der Begriff des sozialen Bezugs ist mithin bei isolierter Betrachtung nicht derart selbsterklärend bzw. selbstverständlich,8 dass dessen notwendige Eigenart und Funktion bereits an dieser Stelle der Untersuchung genannt werden könnten. Vielmehr sind die aufgeführten Begriffe „Eigenart und Funktion“ zu neutral ausgestaltet, um ohne weitere Spezifizierung eine Eingrenzung von betroffenen Eigentumsobjekten bzw. deren Eigenschaften vornehmen zu können. Gleichwohl können die bereits genannten Vorgaben aus der Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der §§ 175 f. StGB a. F. mit der abstrakten Beschreibung des sozialen Bezugs durch das Bundesverfassungsgericht verknüpft werden. 5 BVerfGE 6, 389 (433); in BVerfGE 65, 1 (44) beschreibt das Bundesverfassungsgericht den Einzelnen als auf Kommunikation mit anderen angewiesen. 6 Auf die rechtlichen und tatsächlichen Wirkungen, die mit Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts einhergehen, wird im weiteren Verlauf der Untersuchung unter S. 116 ff. eingegangen. 7 BVerfGE 143, 246 (324 Rn. 218); W. Farke, Öffentliche Bedeutung privater Wirtschaftsunternehmen und Sozialpflichtigkeit des Eigentums, S. 50. 8 Vgl. W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 147.

C. Konkretisierung der den sozialen Bezug auslösenden Eigenschaften

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Die mögliche Verbindung der Ansätze besteht darin, dass die für das Berühren der sozialen Sphäre erforderliche Geltung über den eigenen Wirkkreis hinaus auf die Eigenschaften und Funktion der Eigentumsgegenstände zurückzuführen sein muss. Die Eigenschaften müssen sich folglich auf den Bereich auswirken, in dem der Gebrauch der Eigentumsgegenstände „in der Sozialsphäre, also außerhalb der Privatsphäre erfolgt.“ 9 Gleichzeitig muss aufgrund der den jeweiligen Eigentumsgegenstand auszeichnenden Eigenschaften eine Verbindung zu anderen Rechtssubjekten oder -objekten bestehen. Das Ziel der Untersuchung im Folgenden ist daher zunächst anhand der relevanten Gegenparte dieser vom Eigentumsgegenstand ausgehenden Verbindung sowie der Gestalt dieser Verbindung eine Konkretisierung der den sozialen Bezug auslösenden Eigenschaften vorzunehmen.

C. Konkretisierung der den sozialen Bezug auslösenden Eigenschaften Angesichts der aufgezeigten, zur alleinigen Bestimmung des Inhalts des sozialen Bezugs zu unkonkreten Ausgangslage ist eine Eingrenzung der den sozialen Bezug auslösenden Faktoren erforderlich. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Personen oder Objekte, zu denen der soziale Bezug bestehen kann. Eine derartige Eingrenzung erfolgt im weiteren Verlauf der Untersuchung zunächst anhand einer genaueren Betrachtung des Begriffspaars des sozialen Bezugs (S. 26 ff.) sowie der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Eigentumsgarantie, in der der soziale Bezug Relevanz entfaltet (S. 55 ff.). Hierfür wird zunächst mit „sozial“ das beschreibende Element des Begriffspaares „sozialer Bezug“ betrachtet. Dieses bestimmt insbesondere den Gegenpart der Verbindung des Eigentumsobjektes und ist damit auch inhaltsbegründend für die Gestalt des sozialen Bezugs. Das „Bezugs“-Element verdeutlicht hingegen lediglich die Notwendigkeit einer Verbindung im Allgemeinen, vermag aus sich selbst heraus zu dem Inhalt der Verbindung jedoch keine Aussagen zu treffen. Konturierend wirkt das „Bezugs“-Element im weiteren Verlauf der Untersuchung für den Inhalt des sozialen Bezugs indes dadurch, dass der soziale Bezug synonym auch als soziale Bedeutung und soziale Funktion beschrieben wird. Zur Übertragung der genannten Vorgaben aus der erstmaligen Verwendung des sozialen Bezugs durch das Bundesverfassungsgericht auf die Eigentumsgarantie und der Bedeutungs-Ermittlung des Sozial-Elements ist der erste Untersuchungsgegenstand naturgemäß Art. 14 GG selbst (S. 26 ff.). Weiterhin wird die Bedeutung des Sozial-Begriffs durch Bezugnahme auf den auf die Vergesellschaftung des Eigentums gerichteten Art. 15 S. 1 GG (S. 29 f.), die eigentumsspezifischen 9 E. Stein, Lehrbuch des Staatsrechts, 2. Aufl. 1971, S. 173; W. Farke, Öffentliche Bedeutung privater Wirtschaftsunternehmen und Sozialpflichtigkeit des Eigentums, S. 50.

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1. Kap.: Inhalt des sozialen Bezugs

Topoi der Sozialbindung und der Sozialpflichtigkeit (S. 30 ff.), das Menschenbild des Grundgesetzes (S. 42 f.), Interpretationsansätze in der Literatur (S. 43 f.) sowie das Sozialstaatsprinzip (S. 44 ff.) aufgezeigt.

I. Sozial-Element Aus der nachfolgenden Betrachtung des Sozial-Begriffs ergibt sich, dass die Allgemeinheit der maßgebliche Rezipient der Auswirkungen der Eigentumsgegenstände ist. 1. Art. 14 GG: Die Allgemeinheit als Bezugs-Rezipient Art. 14 GG kommt bei Betrachtung eines durch das Bundesverfassungsgericht zur Interpretation der Eigentumsgarantie genutzten Begriffs als die durch diesen Begriff spezifizierte Norm die größte Bedeutung bei der Ermittlung des Inhalts des sozialen Bezugs zu. So wird der soziale Bezug als in Art. 14 Abs. 2 GG „verfassungsrechtlich anerkannt“ angesehen.10 Zwar ist der Sozial-Begriff im Wortlaut von Art. 14 GG nicht ausdrücklich enthalten. Jedoch betrachtet die Norm die Inhaber des Freiheitsgrundrechts der Eigentumsgarantie nicht isoliert, sondern setzt eine durch den Eigentumsgebrauch entstehende Verbindung zu anderen Akteuren voraus. Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG fordert, dass der Eigentumsgebrauch „zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“ soll, woraus zusammen mit u. a. Art. 2 Abs. 1 und Art. 15 GG die im Grundgesetz angelegte Gemeinschaftsbezogenheit des Individuums gefolgert wird.11 Als Betroffener einer vom Eigentumsobjekt ausgehenden Auswirkung bzw. als Inhaber einer dem Eigentümer gegenüberstehenden Sphäre kommt daher vornehmlich die hinter dem Allgemeinwohl stehende und in Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG ausdrücklich erwähnte Allgemeinheit in Betracht. Diese Deutung entspricht auch dem allgemeinen sprachlichen Verständnis: Hiernach erfasst der Terminus „sozial“ anknüpfend an die lateinische Herkunft „das Zusammenleben der Menschen in Staat und Gesellschaft“, wird aber auch im Sinne von „gesellschaftsbezogen“ 12 und „dem Gemeinwohl, der Allgemeinheit dienend“ verstanden.13 Die 10 R. Wendt, AöR 104 (1979), S. 414 (470); vgl. J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 435. 11 Vgl. BVerfGE 4, 7 (15 f.) in dessen „Gesamtsicht“-Verweisung auch Art. 14 GG enthalten ist; W. Farke, Öffentliche Bedeutung privater Wirtschaftsunternehmen und Sozialpflichtigkeit des Eigentums, S. 50; gleichwohl muss diese Gemeinschaftsbezogenheit noch durch den Gesetzgeber umgesetzt werden, s. u. S. 37 ff. und S. 224 ff. 12 H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 28 Rn. 21; so auch K. Stern, Das sozialstaatliche Prinzip, in: ders. (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Bd. I, 2. Aufl. 1984, § 21 II 1 S. 891 f., der als Wort-Interpretation „sozial gleich gesellschaftlich, die Gesellschaft respektive zwischenmenschliche Beziehungen betreffend oder Hilfsbereitschaft verheißend“ nennt.

C. Konkretisierung der den sozialen Bezug auslösenden Eigenschaften

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insoweit angesprochene Allgemeinheit stellt die „Gemeinschaft der Herrschaftsunterworfenen“ 14 innerhalb des staatlichen Hoheitsgebiets der Bundesrepublik Deutschland dar. Sie wird von verschiedenen Rechtsträgern verkörpert. Ausdruck dieser Verschiedenheit ist, dass bei Umsetzung der Vorgabe aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG von einer „Fremd- oder Allgemein- oder Staatsnützigkeit des Eigentums“ gesprochen wird.15 Zugleich lässt sich dem Erfordernis der Allgemeinwohldienlichkeit aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG entnehmen, dass der Inhalt der Verbindung zwischen Eigentumsobjekt und der Allgemeinheit durch einen Einfluss auf das Allgemeinwohl geprägt sein muss. Anders gewendet sieht die Konzeption des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG vor, dass vom Eigentumsgegenstand eine Verbindung zur Allgemeinheit ausgeht, die gleichzeitig auch eine Auswirkung auf deren Wohl hat. Mithin nennt Art. 14 GG neben der Allgemeinheit keine weiteren Rechtssubjekte bzw. -objekte, die von den Eigentümern abgegrenzt werden und die soziale Sphäre verkörpern könnten. Durch den Rückgriff auf die Allgemeinheit und deren Wohl wurde Art. 14 GG indes auf den größtmöglichen Empfängerkreis ausgerichtet, zu dem eine Verbindung der Eigentumsgegenstände bestehen kann. Jede Normierung eines spezielleren Empfängerkreises wäre damit bereits in Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG enthalten. Die Interpretation des Art. 14 GG im Hinblick auf vorgesehene Rezipienten der Eigentumsauswirkungen ergibt daher, dass mit dem Hinweis auf den sozialen Bezug durch das Bundesverfassungsgericht die Verbindung des jeweiligen Eigentumsgegenstandes zur Allgemeinheit thematisiert wird. So wird auch die Grundlage für die aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG folgende und im weiteren Verlauf der Untersuchung noch zu betrachtende Sozialbindung des Eigentums16 darin gesehen „daß Menschen in einer Gemeinschaft leben“.17 Konstituierend für den sozialen Bezug ist damit, dass eine Auswirkung auf die Allgemeinheit und daher auch ihr Wohl besteht. Insoweit liegt ein Anknüpfungspunkt für die vorliegend zu ermittelnden Betroffenen des Eigentumsgebrauchs vor. Die Gestalt der Eigenschaften, die den sozialen Bezug auslösen, konnte jedoch über das Erfordernis einer Auswirkung auf das Allgemeinwohl hinaus noch nicht konkretisiert werden. Bedingt durch die Bezugnahme auf das Allgemeinwohl in Art. 14 Abs. 2 13 Vgl. https://www.duden.de/rechtschreibung/sozial (zuletzt abgerufen am 15.7. 2022); E. Benda, Industrielle Herrschaft und sozialer Staat, S. 90 f. 14 D. Riedel, Eigentum, Enteignung und das Wohl der Allgemeinheit, S. 164; vgl. auch J. Isensee, Gemeinwohl im Verfassungsstaat, in: ders./P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV, 3. Aufl. 2006, § 71, S. 11 Rn. 20, der die „Gesamtheit der Bürger [. . .] als staatlich verbundene, integrale Allgemeinheit“ ansieht; ähnlich M. Jaschinski, Der Fortbestand des Anspruchs aus enteignendem Eingriff, S. 144. 15 H.-J. Papier/F. Shirvani, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 83 April 2018, Art. 14 Rn. 472. 16 S. 30 ff. 17 W. Böhmer, NJW 1988, S. 2561 (2568).

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1. Kap.: Inhalt des sozialen Bezugs

S. 2 GG ist ohne Ansehung eines spezifischen Eigentumsobjektes an dieser Stelle auch keine weitere Konkretisierung dieser Auswirkungen möglich. Schließlich gibt „[d]as Grundgesetz keinen materiellen Begriff des Allgemeinwohls“ vor, sodass dieses nicht positiv definiert werden kann.18 Vielmehr kommen als Allgemeinwohlbelang „je nach Sachbereich Erwägungen der verschiedensten Art“ 19 in Betracht, wobei die jeweils einschlägige verfassungsrechtliche Norm besonders berücksichtigt werden muss.20 Darüber hinaus steht dem Gesetzgeber auch eine Allgemeinwohlkonkretisierungskompetenz zu,21 sodass für das Vorliegen eines Allgemeinwohlbelangs dessen Auswahl mitentscheidend ist. Da jedoch die vorliegende Untersuchung insbesondere die Auswirkungen des Gebrauchs von Eigentumsgegenständen auf andere Grundrechtsträger berücksichtigt, bietet die Interpretation des Gemeinwohls durch J. Isensee eine Orientierung. Für diesen ist das Gemeinwohl „der Inbegriff aller äußeren Bedingungen, unter denen sich die Grundrechtsträger ihrer Menschenwürde gemäß in Freiheit entfalten können“.22 Mithin vollziehe sich die „Realisierung des Gemeinwohls [. . .] weitgehend im Schutzbereich der Grundrechte“.23 Hieraus folgt, dass das Allgemeinwohl in besonderem Maße betroffen ist, soweit sich die Eigentumsgegenstände auf die Freiheitsverwirklichung Dritter auswirken. Diese Feststellung ermöglicht zwar ebenfalls keine Eingrenzung der Allgemeinwohlbelange, die das Vorliegen des sozialen Bezugs auslösen. So kann der soziale Bezug eines Eigentumsgegenstandes auch dann bestehen, wenn sich dieser nicht auf die Freiheitsentfaltung von Dritten auswirkt, sondern Allgemeinheitsinteressen betrifft, die keine subjektiven Rechte vermitteln.24 Jedoch gewährt das Anknüpfen an die Freiheitsgrundrechte entsprechend ihrer Betroffenheit die Möglichkeit, innerhalb 18 O. Depenheuer/J. Froese, in: H. von Mangoldt/F. Klein/C. Starck u. a. (Hrsg.), Grundgesetz, 7. Aufl. 2018, Art. 14 Rn. 430; W. Farke, Öffentliche Bedeutung privater Wirtschaftsunternehmen und Sozialpflichtigkeit des Eigentums, S. 27; vgl. auch M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 202; konkret bezogen auf Art. 14 Abs. 2 GG H. Melchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes und das Recht des Denkmalschutzes, S. 132; D. Riedel, Eigentum, Enteignung und das Wohl der Allgemeinheit, S. 130 ff.; zum Begriff des Gemeinwohls auch C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 76 ff.; kritisch F. Ekardt, Theorie der Nachhaltigkeit, 3. Aufl. 2021, S. 336 ff. 19 BVerfGE 56, 249 (275) – Abweichende Meinung des Richters Böhmer; vgl. S. Kluckert, JuS 2015, S. 116 (118). 20 R. Kreile, Die Sozialbindung des geistigen Eigentums, in: P. Badura/R. Scholz (Hrsg.), Wege und Verfahren des Verfassungslebens. Festschrift für Peter Lerche zum 65. Geburtstag, 1993, S. 251 (263). 21 S. u. S. 179. 22 J. Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: ders./P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. III, 2. Aufl. 1996, § 57, S. 62 Rn. 134. 23 J. Isensee, Gemeinwohl im Verfassungsstaat, in: ders./P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV, 3. Aufl. 2006, § 71, S. 56 f. Rn. 115. 24 S. u. S. 95 und S. 99.

C. Konkretisierung der den sozialen Bezug auslösenden Eigenschaften

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der umfassenden Reichweite der möglichen Allgemeinwohlbelange eine Wertung vorzunehmen und Auswirkungen auf Grundrechtsausübungen in besonderer Weise zu berücksichtigen. Auch im Rahmen der einzelnen Herleitungen des sozialen Bezugs durch das Bundesverfassungsgericht25 offenbart sich, dass den Freiheitsgrundrechten der dem jeweiligen Eigentumsgegenstand gegenüberstehenden Grundrechtsträger entscheidende Bedeutung zukommt.26 Insoweit bildet das Allgemeinwohl-Verständnis von J. Isensee mit der Bezugnahme auf die Freiheitsentfaltung einen maßgeblichen Orientierungspunkt, um bei Betrachtung der Auswirkungen der Eigenschaften der Eigentumsgegenstände das Vorliegen des sozialen Bezugs zu bestimmen. Letztlich zeigt die Betrachtung des Art. 14 GG daher, dass die Allgemeinheit einschließlich des Allgemeinwohls die für die Auswirkungen des Eigentumsgegenstandes zu berücksichtigende Sphäre außerhalb des Wirkkreises des Eigentümers darstellt. Vor diesem Hintergrund ist der soziale Bezug synonym als Allgemeinheitsbezug bzw. Allgemeinwohlbezug anzusehen. 2. Vergesellschaftung im Sinne des Art. 15 S. 1 GG Das soeben aufgezeigte Verständnis, wonach das Begriffspaar des sozialen Bezugs die Verbindung des jeweiligen Eigentumsgegenstandes zur Allgemeinheit und dem Allgemeinwohl darstellt, findet sich auch in Art. 15 GG wieder. Art. 15 GG eröffnet dem Gesetzgeber die Möglichkeit der Vergesellschaftung des Eigentums. Die Norm sieht in Satz 1 vor, dass „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel [. . .] zum Zwecke der Vergesellschaftung [. . .] in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden [können]“. Zunächst verdeutlicht Art. 15 GG hierdurch, dass die Eigentümer einschließlich des jeweiligen Eigentumsgegenstandes gegenüber Gesellschaft und Allgemeinheit grundsätzlich abgegrenzt, gleichzeitig aber auch in eine Beziehung gesetzt werden können. Entsprechend zeigt sich die Bedeutung, die die Verfassung den in Art. 15 S. 1 GG aufgeführten Eigentumsgegenständen für die Allgemeinheit respektive deren Wohl beimisst, indem die Möglichkeit ihrer Vergesellschaftung vorgesehen ist. Diese Vergesellschaftung führt dazu, dass die Eigentümer der aufgeführten Eigentumsgegenstände zugunsten der Allgemeinheit aus ihrer alleinigen Eigentümerstellung verdrängt werden können. Die Allgemeinheit spiegelt sich in Art. 15 S. 1 GG insbesondere in den Begriffen des „Gemeineigentums“ und der „Gemeinwirtschaft“ wider.27 Auch wenn Art. 15 S. 1 GG für gesellschaftliche und wirtschaftliche Extremkonstellationen vorgesehen ist und der Gesetzge25

S. 56 ff. P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 110 sieht es „bei der abstrakten Frage der Sozialbindung“ hingegen nicht für entscheidend an, „ob die dahinterstehende Rechtsposition auch subjektiv aufgeladen ist“. 27 Hervorhebungen durch den Verf. 26

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1. Kap.: Inhalt des sozialen Bezugs

ber von dieser Ermächtigung seit Erlass des Grundgesetzes bislang keinen Gebrauch gemacht hat, unterstreicht die Norm, dass die Bedeutung und Auswirkung von Eigentumsgegenständen auf die Allgemeinheit zu berücksichtigen sind. Bezogen auf das Verständnis des sozialen Bezugs als Kennzeichnung der Verbindung zur Allgemeinheit kann zudem angeführt werden, dass die Vergesellschaftung nach Art. 15 S. 1 GG regelmäßig als „Sozialisierung“ bezeichnet wird.28 Insoweit wird der Begriff „Sozial“ als Synonym zur Gesellschaft verwendet. Hierdurch wird das Verständnis unterstrichen, im sozialen Bezug die Auswirkungen eines Eigentumsgegenstandes auf die Allgemeinheit zu erblicken. Daher spricht auch die Betrachtung des Art. 15 S. 1 GG dafür, die Allgemeinheit und damit das Allgemeinwohl als entscheidenden Rezipienten der Auswirkungen von Eigentumsgegenständen anzusehen. 3. Sozialpflichtigkeit und Sozialbindung Die Bezugnahme auf Allgemeinheit und Gesellschaft anhand des Sozial-Begriffs ist weiterhin ein regelmäßiger Vorgang im Rahmen der Auslegung der Eigentumsgarantie. Stellvertretend für dieses Vorgehen stehen die Termini Sozialbindung und Sozialpflichtigkeit des Eigentums, die grundsätzlich synonym verwendet werden können.29 Allein schon die begriffliche Ähnlichkeit zum sozialen Bezug macht für dessen Verständnis eine Abgrenzung der Bedeutungsgehalte und rechtlichen Auswirkung von Sozialbindung und Sozialpflichtigkeit erforderlich. a) Art. 14 Abs. 2 GG als Verkörperung von Sozialpflichtigkeit und Sozialbindung Das Bundesverfassungsgericht hat in der Entscheidung zum Viehseuchengesetz aufgezeigt, dass es unter dem Begriff der Sozialpflichtigkeit die „Gesamtheit der in den gesetzlichen Normen sichtbar werdenden Beschränkungen des Eigentums“ versteht.30 Weiterhin ziehe diese Sozialpflichtigkeit „der umfassenden Gebrauchs- und Verfügungsbefugnis des Eigentümers im Interesse des gemeinen Wohls allgemein geltende Grenzen“.31 28 O. Depenheuer/J. Froese, in: H. von Mangoldt/F. Klein/C. Starck u. a. (Hrsg.), Grundgesetz, 7. Aufl. 2018, Art. 15 Rn. 11; R. Scholz, NVwZ 1982, S. 337 (338); zum Begriff der Sozialisierung auch T. Schell, Art. 15 GG im Verfassungsgefüge, S. 43 ff. 29 F. Shirvani, Sozialbindung des Eigentums, in: M. Ludwigs (Hrsg.), Regulierender Staat und konfliktschlichtendes Recht. Festschrift für Matthias Schmidt-Preuß zum 70. Geburtstag, 2018, S. 303; vgl. W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173, Rn. 143; differenzierend jedoch E. Stein/G. Frank, Staatsrecht, 21. Aufl. 2010, S. 355. 30 BVerfGE 20, 351 (356); H. Dederer, in: W. Kahl/C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 118. Akt. Dez. 2017, Art. 14 Rn. 823. 31 BVerfGE 20, 351 (356).

C. Konkretisierung der den sozialen Bezug auslösenden Eigenschaften

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Die zitierten Aussagen zeigen, dass synonym zur Sozialpflichtigkeit und im Einklang mit der soeben erfolgten Interpretation des Art. 14 GG32 auch von einer Allgemeinwohlpflichtigkeit des Eigentums gesprochen werden kann.33 Dies folgt daraus, dass der Begriff „sozial“ für die Zielrichtung der Gesamtheit der Normen steht, die „im Interesse des gemeinen Wohls allgemein geltende Grenzen“ 34 setzen.35 Dementsprechend sieht das Bundesverfassungsgericht den Sozial-Begriff als in Art. 14 Abs. 2 GG verkörpert an. So stellt es fest, dass Inhalt und Schranken des Eigentums „eine [diesem] gemäß Art. 14 Abs. 2 GG anhaftende Sozialpflichtigkeit“ verdeutlichen.36 Aus diesem Entscheidungsabschnitt folgt, dass das Bundesverfassungsgericht die Allgemeinheit mit der Sphäre des Sozialen gleichsetzt. Bestätigt wird diese Gleichsetzung auch dadurch, dass der Verpflichtungsausspruch in Art. 14 Abs. 2 S. 1 GG durch Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG konkretisiert wird. Denn gegenüber wem der Eigentümer verpflichtet sein soll, ergibt sich nicht ausdrücklich aus Art. 14 Abs. 2 S. 1 GG selbst. Vielmehr zeigt sich die Allgemeinheit als Begünstigter dieser Verpflichtung erst in Zusammenschau mit Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG. Durch den Rückgriff auf den Begriff der „Pflichtigkeit“ wird die Orientierung des Bundesverfassungsgerichts an Art. 14 Abs. 2 S. 1 GG bei Herleitung des Begriffs der Sozialpflichtigkeit somit nochmals verdeutlicht. Letztlich kann festgehalten werden, dass die Definition der Sozialpflichtigkeit durch das Bundesverfassungsgericht ebenfalls dafür angeführt werden kann, den Sozial-Begriff als Verweis auf die in Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG angesprochene Allgemeinheit anzuerkennen. Auch in der Literatur wird Art. 14 Abs. 2 GG und damit die von der Norm in den Mittelpunkt gestellte Allgemeinheit als maßgeblicher Bezugspunkt für den Begriff der Sozialpflichtigkeit angesehen.37 So ermögliche „[i]nsbesondere das in Art. 14 Abs. 2 GG verankerte rechtssatzförmige Prinzip ,Sozialpflichtigkeit des Eigentums‘ [. . .] dem Gesetzgeber und in zweiter Linie auch den Gerichten, Ausmaß und Intensität der Sozialgebundenheit des Eigentums den sich wandelnden Rechtsüberzeugungen ebenso wie den jeweiligen sozialen Gegebenheiten und Notwendigkeiten anzupassen“.38

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S. o. S. 26 ff. W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 148 nutzt den Begriff der „Gemeinwohlbindung“. 34 BVerfGE 20, 351 (356). 35 Vgl. auch W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 179. 36 BVerfGE 20, 351 (356), (Hervorhebung durch den Verf.). 37 R. Scholz, NVwZ 1982, S. 337 (338); F. Otto, NVwZ 1986, S. 900 (901); H.-J. Papier/F. Shirvani, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 83 April 2018, Art. 14 Rn. 416. 38 R. Lutz, Eigentumsschutz bei „störender“ Nutzung gewerblicher Anlagen, S. 181. 33

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1. Kap.: Inhalt des sozialen Bezugs

Die betrachtete, bislang erfolgte Interpretation des Begriffs der Sozialpflichtigkeit stützt daher die Annahme, dass der Sozial-Begriff aus dem Begriffspaar des sozialen Bezugs auf die Allgemeinheit und deren Wohl ausgerichtet ist. Gleiches gilt für den synonym zu verwendenden Begriff der Sozialbindung, der durch das Bundesverfassungsgericht ebenfalls mit Art. 14 Abs. 2 GG verknüpft wird.39 Hierdurch wirkt die vom Gesetzgeber anzustrebende Allgemeinwohldienlichkeit des Eigentumsgebrauchs wiederum als inhaltlicher Anknüpfungspunkt.40 b) Zwischenergebnis zur begrifflichen Betrachtung Die Annahme, dass der soziale Bezug von Eigentumsgegenständen auf die Allgemeinheit gerichtet sein muss, wird dadurch bestätigt, dass mit Sozialpflichtigkeit und Sozialbindung auch bei anderen Termini, die im Kontext der Interpretation der Eigentumsgarantie den Sozial-Begriff enthalten, die Herleitung aus Art. 14 Abs. 2 GG erfolgt. Damit ist die Allgemeinheit einschließlich ihres Wohls als maßgeblicher Rezipient der den sozialen Bezug auslösenden Eigentums-Eigenschaften anzusehen. c) Abgrenzung zu Herleitung, Inhalt und Wirkung von Sozialpflichtigkeit und Sozialbindung Die Bedeutung der Sozialpflichtigkeit und der Sozialbindung des Eigentums für die vorliegende Untersuchung erschöpft sich nicht darin, den Inhalt des Sozial-Begriffs zu konkretisieren. Für das Verständnis des Begriffs des sozialen Bezugs und seine rechtliche Einordnung innerhalb der Eigentumsdogmatik ist vielmehr zusätzlich dessen Abgrenzung zur Sozialpflichtigkeit und zur Sozialbindung erforderlich. Zwar wird der Inhalt des sozialen Bezugs vorliegend erst ermittelt und kann damit noch nicht feststehen. Gleichwohl ermöglicht die soeben aufgezeigte abstrakte Definition des Bundesverfassungsgerichts41 bei der Gegenüberstellung mit Herleitung (S. 33 f.), Inhalt (S. 34 ff.) und Wirkung (S. 37 ff.) von Sozialpflichtigkeit und Sozialbindung weiterführende Hinweise für diese Ermittlung.

39 BVerfGE 18, 121 (131); M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, S. 58; W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 143. 40 Vgl. hierzu BVerfGE 20, 351 (356) wonach die Sozialpflichtigkeit „der umfassenden Gebrauchs- und Verfügungsbefugnis des Eigentümers im Interesse des gemeinen Wohls allgemein geltende Grenzen“ zieht (Hervorhebung durch den Verf.). 41 BVerfGE 143, 246 (324 Rn. 218): „Dagegen ist die Befugnis des Gesetzgebers zur Inhalts- und Schrankenbestimmung umso weiter, je stärker der soziale Bezug des Eigentumsobjekts ist; hierfür sind dessen Eigenart und Funktion von entscheidender Bedeutung.“ (Hervorhebung durch den Verf.).

C. Konkretisierung der den sozialen Bezug auslösenden Eigenschaften

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aa) Herleitung von Sozialpflichtigkeit und Sozialbindung Die Eigentümer können aufgrund des dem Grundgesetz zugrundeliegenden Menschenbildes42 nicht ausschließlich isoliert betrachtet werden, sondern bilden im Hinblick auf ihre Freiheitsausübung mit anderen Grundrechtsträgern eine Gemeinschaft.43 Dies zeigt sich auch darin, dass der Eigentümer bei wesentlichen von der Eigentumsgarantie geschützten Handlungsformen, wie der wirtschaftlichen Betätigung und der Verfügung, typischerweise der Mitwirkung Dritter bedarf.44 Dementsprechend wird auch ausgeführt, dass das Eigentum „wesensnotwendig in den sozialen Raum“ hineinrage.45 So setzten „Vermögenswerte als Gegenstand der Eigentumsgarantie [. . .] eine Abhängigkeit – wenn auch nicht immer von existenzieller Bedeutung – des Nachfragers im Wirtschaftsverkehr voraus“.46 Schon durch diese Ausrichtung steht das Eigentum in einer Verbindung zur Gemeinschaft.47 Diese Verbindung hat der Verfassungsgeber mit Aufnahme des Art. 14 Abs. 2 GG in die Eigentumsgarantie verdeutlicht.48 Weiterhin gilt es zu berücksichtigen, dass „die Ausübung von Nutzungs- und Verwertungsmöglichkeiten einer vermögenswerten Rechtsposition durch ihren Inhaber zwangsläufig die Sphäre der Nichteigentümer als konkrete Individuen oder [die Sphäre] der Allgemeinheit berührt“.49 Der zwangsläufigen Beziehung von Eigentümer und Allgemeinheit Rechnung tragend, hatte bereits das Preußische Oberverwaltungsgericht festgestellt, dass „für die Ausübung des Eigentums naturgemäß Grenzen gezogen“ werden müssen.50 Die in Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG zum Ausdruck kommende und zum Verfassungsgrundsatz erhobene51 Sozialpflichtigkeit bzw. Sozialbindung des Eigentums 42

Hierzu s. u. S. 42 f. A. Henning, Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff, S. 286; vgl. J. Wieland, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 14 Rn. 29; differenzierend A. von Arnauld, Die Freiheitsrechte und ihre Schranken, S. 25; W. Böhmer, NJW 1988, S. 2561 (2568). 44 C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 127 f.; weiterführend zur Ausrichtung von Kommunikationsgrundrechten auf die gemeinsame Ausübung A. Gornik, Die Bindung der Betreiber öffentlicher Räume an die Kommunikationsgrundrechte, S. 303. 45 R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 384 (Hervorhebung durch den Verf.); vgl. O. Issing, „Kleineres Eigentum“ – Grundlage unserer Wirtschaftsordnung, in: ders./W. Leisner, „Kleineres Eigentum“, 1976, S. 7 (22 f.). 46 J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 450. 47 Vgl. C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 128. 48 A. Henning, Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff, S. 286; J. Ipsen, Staatsrecht II, 23. Aufl. 2020, § 17 Rn. 746. 49 J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 434. 50 Preußisches OVGE 8, 327 (329); W. Farke, Öffentliche Bedeutung privater Wirtschaftsunternehmen und Sozialpflichtigkeit des Eigentums, S. 49. 51 W. Farke, Öffentliche Bedeutung privater Wirtschaftsunternehmen und Sozialpflichtigkeit des Eigentums, S. 49. 43

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1. Kap.: Inhalt des sozialen Bezugs

ist damit eine Anerkenntnis des Verfassungsgebers bezogen auf die Notwendigkeit, die Eigentumsnutzung zu beschränken. Die Natur bzw. Grundidee des gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG vom Gesetzgeber ausgestalteten Eigentums ist mithin nicht schrankenlos.52 Vielmehr ist dieses „als im Rahmen der Gesamtheit umgrenzt“ anzusehen.53 Dementsprechend liegt der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG der Gedanke zugrunde, dass „zwischen Freiheit und Bindung der [jeweils] notwendige Ausgleich zu finden ist“.54 Eine Aussage über die rechtliche Wirkung von sozialem Bezug und Sozialbindung bzw. Sozialpflichtigkeit wird hierdurch jedoch nicht getroffen. Entscheidend für die Herleitung von Sozialbindung und Sozialpflichtigkeit ist vielmehr die Vorstellung, dass der Eigentumsgebrauch innerhalb einer Gesellschaft auch Beschränkungen erfordert. Ob diese Beschränkungen der Eigentumsgarantie nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG schon immanent sind55 oder nachträglich erfolgen und wie diese Beschränkungen dogmatisch zu verorten sind, ist für diese Erkenntnis nicht entscheidend. Vielmehr wird diesen Fragen im weiteren Verlauf der Untersuchung bei Betrachtung der rechtlichen Folgen des Vorliegens des sozialen Bezugs nachgegangen.56 bb) Inhalt von Sozialpflichtigkeit und Sozialbindung Für das Verständnis des Begriffs des sozialen Bezugs und seine rechtliche Einordnung innerhalb der Eigentumsdogmatik erfolgt als Abgrenzung eine Darstellung des Inhalts von Sozialpflichtigkeit und Sozialbindung. (1) Sozialpflichtigkeit Die Sozialpflichtigkeit57 stellt eine Vorgabe an den einfachen Gesetzgeber dar, die „der gesetzlichen Hervorbringung auf dem Wege der Schrankenbestimmung 52 Vgl. U. Scheuner, Grundlagen und Art der Enteignungsentschädigung, in: R. Reinhardt/ders., Verfassungsschutz des Eigentums, 1954, S. 109. 53 U. Scheuner, Grundlagen und Art der Enteignungsentschädigung, in: R. Reinhardt/ders., Verfassungsschutz des Eigentums, 1954, S. 109; vgl. W. Leisner, Das Eigentum zwischen privatem Nutzen und sozialer Bindung, in: J. Isensee (Hrsg.), Eigentum, 1996, S. 537 (541); vgl. M. Jaschinski, Der Fortbestand des Anspruchs aus enteignendem Eingriff, S. 144. 54 E. Benda, Industrielle Herrschaft und sozialer Staat, S. 314; ferner zu dem den Grundrechten immanenten Ausgleichsbedürfnis BVerfGE 148, 267 (280 Rn. 32); H. Bethge, Grundrechtskollisionen, in: D. Merten/H.-J. Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. III, 2009, § 72 Rn. 1. 55 Zu den sog. Immanenztheorien D. Blasberg, Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Grundeigentums zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, S. 69 ff.; umfassend D. Bruch, Umweltpflichtigkeit der grundrechtlichen Schutzbereiche, passim. 56 Siehe unten S. 224 ff. 57 Kritisch zur begrifflichen Herkunft W. Leisner, Das Eigentum zwischen privatem Nutzen und sozialer Bindung, in: J. Isensee (Hrsg.), Eigentum, 1996, S. 537 (544).

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des Eigentums“ bedarf.58 Bei Hervorbringung dieser Vorgabe muss berücksichtigt werden, dass die Eigentümerinteressen „in Beziehung zu den Interessen der Allgemeinheit an einem sozialverträglichen Gebrauch des Eigentums“ zu setzen sind.59 Damit umfasst die Sozialpflichtigkeit einerseits die Vorgabe für die Beschränkung von Eigentumsrechten und andererseits die ersichtlich werdenden Beschränkungen als Produkt des Gesetzgebungsprozesses selbst. Letztere Bedeutung ist darauf zurückzuführen, dass das Bundesverfassungsgericht in der bereits betrachteten Entscheidung zum Viehseuchengesetz in der Sozialpflichtigkeit die „Gesamtheit der in den gesetzlichen Normen sichtbar werdenden Beschränkungen des Eigentums“ erkennt.60 Innerhalb des Gesetzgebungsprozesses erfährt der Begriff damit in unterschiedlichen Ausführungsstadien Bedeutung: Einerseits bei Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Gewährleistung verfassungsgemäßen Handelns bei der Inhalts- und Schrankenbestimmung und andererseits als Produkt des Gesetzgebungsprozesses auf der Ebene des einfachen Rechts. Indes muss das gesetzgeberische Handeln in beiden Ausführungsstadien auf das Ziel gerichtet sein, dass die anvisierten bzw. erfolgten Eigentumsbeschränkungen „im Interesse des gemeinen Wohls“ 61 erfolgen. (2) Sozialbindung Ebenso wie bei der Sozialpflichtigkeit wird der Begriff der Sozialbindung einerseits interpretiert als verfassungskräftige Vorgabe aus Art. 14 Abs. 2 GG, die das Parlament neben der Gewährleistung der Privatnützigkeit des Eigentums zu verwirklichen hat.62 Insoweit wird dem Verständnis zur Vorgängervorschrift Art. 153 Abs. 3 WRV („Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich Dienst sein für das Gemeine Beste.“) entsprochen.63 Andererseits dient der Begriff aber auch als abzugrenzender Gegensatz zur Enteignung.64 Daraus folgt, 58 R. Wendt, in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 9. Aufl. 2021, Art. 14 Rn. 72; H.-J. Papier/F. Shirvani, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 83 April 2018, Art. 14 Rn. 416. 59 A. Henning, Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff, S. 286. 60 BVerfGE 20, 351 (356). 61 BVerfGE 20, 351 (356). 62 In BVerfGE 21, 73 (83) wird das „Gebot sozialgerechter Nutzung“ als „eine Richtschnur für den Gesetzgeber“ bezeichnet; J. Wieland, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 14 Rn. 31; das Bundesverfassungsgericht trägt darüber hinaus der Beachtung dieser Vorgabe durch den Gesetzgeber Rechnung, indem es bezogen auf die Eigentumsausgestaltung von Konkretisierungen der Sozialbindung spricht: BVerfGE 87, 114 (146); 101, 54 (71); H. Kube, Eigentum an Naturgütern, S. 43. 63 F. Shirvani, Sozialbindung des Eigentums, in: M. Ludwigs (Hrsg.), Regulierender Staat und konfliktschlichtendes Recht. Festschrift für Matthias Schmidt-Preuß zum 70. Geburtstag, 2018, S. 303 (305 f.). 64 J. Wieland, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 14 Rn. 35; R. Wendt, in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 9. Aufl. 2021, Art. 14

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1. Kap.: Inhalt des sozialen Bezugs

dass der Begriff der Sozialbindung synonym zum Begriff der Inhalts- und Schrankenbestimmung gebraucht werden kann.65 Diese steht nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG dem Gesetzgeber neben der Enteignung als Handlungsform zur Ausgestaltung der Eigentumsgarantie zur Verfügung.66 In der Bedeutung der Sozialbindung auf der einen Seite als Vorgabe an den Gesetzgeber und auf der anderen Seite als Produkt dieser Vorgabe liegt – ebenso wie bei der Sozialpflichtigkeit – jedoch kein Widerspruch. Vielmehr ist diese Bedeutungsmehrheit auf die mittlerweile aufgegebene Abgrenzung von Inhalts- und Schrankenbestimmung und Enteignung zurückzuführen. Bis das Bundesverfassungsgericht in der Nassauskiesungsentscheidung67 das Aliud-Verhältnis zwischen den beiden staatlichen Maßnahmen aus Art. 14 Abs. 1 S. 2 und Art. 14 Abs. 3 GG festgestellt hat, wurde mit dem Begriff der Sozialbindung in besonderer Weise verdeutlicht, dass eine eigentumsbeschränkende Wirkung mangels ausreichender Eingriffsintensität für eine Enteignung ohne Entschädigung hinzunehmen war.68 Dadurch, dass das „Schwergewicht des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes“ auf die Entschädigungspflicht aus Art. 14 Abs. 3 S. 2 GG bzw. Art. 153 Abs. 2 S. 2 WRV gelegt wurde,69 bedurften die Eigentumsbeschränkungen ohne Entschädigung stets des Hinweises auf die Sozialbindung. Diese konnte mit Verweis auf Art. 14 Abs. 2 GG als Rechtfertigung der entschädigungslosen Eigentumsbeschränkung angeführt werden.70 Mit anderen Worten wurden somit Rn. 85 spricht – zwischen Inhalts- und Schrankenbestimmung differenzierend – von der „sozialbindende[n] Schrankenziehung des Eigentums gemäß Art. 14 I 2, II“. 65 Vgl. BVerfGE 50, 290 (340) wonach „das zulässige Ausmaß einer Sozialbindung auch vom Eigentum selbst her bestimmt werden“ müsse sowie „der Gestaltungsbereich des Gesetzgebers [. . .] im Blick auf dessen Sozialbindung relativ weit“ sei; eine Differenzierung zwischen Sozialbindung und Enteignung nimmt das Bundesverfassungsgericht auch in BVerfGE 72, 200 (258) vor. 66 Vgl. M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, S. 111, der von einer „lediglich entschädigungslose[n] Inhalts- und Schrankenbestimmung/Sozialbindung im Sinne des Art. 153 I 2, III WRV“ spricht; vgl. unten S. 110 f. 67 BVerfGE 58, 300. 68 In BVerfGE 58, 300 (329) nutzt der BGH in seiner Vorlage die Formulierung „Das Wasserhaushaltsgesetz verwische damit ,begriffliche und praktisch‘ die Grenze zwischen (entschädigungsloser) Sozialbindung und Enteignung“; für M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, S. 112 war die „Inhaltsbestimmung/Sozialbindung [. . .] damit lediglich ,Negation der Enteignung‘ “; zur Entschädigungslosigkeit auch BVerfGE 100, 226 (241); BVerfGE 143, 246 (333 Rn. 245); hierzu weiterhin O. Depenheuer/J. Froese, in: H. von Mangoldt/F. Klein/ C. Starck u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 7. Aufl. 2018, Art. 14 Rn. 201. 69 M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, S. 112 mit Verweis auf BGHZ 6, 270 (282). 70 Zur Übersetzung der Terminologie in die „moderne [. . .] Eigentumsdogmatik“ O. Depenheuer/J. Froese, in: H. von Mangoldt/F. Klein/C. Starck u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 7. Aufl. 2018, Art. 14 Rn. 297; vgl. auch M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, S. 237.

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Inhalt und Grund bzw. Rechtfertigung der Entschädigungslosigkeit der staatlichen Maßnahme in dem Begriff der Sozialbindung kombiniert und dem Gesetzgeber eine „Befugnis zur Sozialbindung“ eingeräumt.71 Soweit mit der Sozialbindung der beschränkende Anteil von Inhalts- und Schrankenbestimmung bezeichnet wird,72 wirkt das soeben skizzierte Verständnis noch fort. Im Übrigen ist es gerade Ziel einer Vorgabe, dass sich diese in ihrer Umsetzung wiederfindet. Folglich ergänzen sich die verschiedenen Bedeutungen von Sozialpflichtigkeit und Sozialbindung und schließen sich nicht aus. cc) Keine unmittelbare rechtliche Wirkung von Art. 14 Abs. 2 GG für den Eigentümer Bei der soeben erfolgten Betrachtung des Inhalts von Sozialpflichtigkeit und Sozialbindung wurde bereits aufgezeigt, dass Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG eine umsetzungsbedürftige Vorgabe an den Gesetzgeber darstellt. In der Entscheidung zum Viehseuchengesetz geht das Bundesverfassungsgericht indes noch von einer „dem Sacheigentum immanente[n] Sozialbindung [aus], die sich auch ohne spezialgesetzliche Regelung unmittelbar aus Art. 14 Abs. 2 GG ergeben würde“.73 Folglich ist das Bundesverfassungsgericht – ebenso wie verschiedene Stimmen in der Literatur74 – zu diesem Zeitpunkt von einer unmittelbaren rechtlichen Wirkung der Sozialbindung für den Eigentümer ausgegangen. Bei Annahme einer derartigen unmittelbaren Wirkung ließe sich Art. 14 Abs. 2 GG ein „subjektives Verhaltensgebot“ entnehmen, für dessen Inhalt die Vorstellung des jeweiligen Grundrechtsinterpreten maßgeblich sei und dessen Nichtbeachtung sanktioniert werden könne.75 Dementsprechend seien auf Art. 14 Abs. 2 GG gestützte Schrankenbestimmungen auch lediglich als für die Pflichtenstel71

H. Rittstieg, NJW 1982, S. 721. W. Leisner, Sozialbindung des Eigentums, S. 17. 73 BVerfGE 20, 351 (361); hierzu J. Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 66. 74 B.-O. Bryde, in: I. von Münch/P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 6. Aufl. 2012, Art. 14 Rn. 69; J. Wieland, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 14 Rn. 107 f.; vgl. W. Farke, Öffentliche Bedeutung privater Wirtschaftsunternehmen und Sozialpflichtigkeit des Eigentums, S. 54; siehe auch den Überblick bei R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 296; A. Gornik, Die Bindung der Betreiber öffentlicher Räume an die Kommunikationsgrundrechte, S. 294; vgl. H.-P. Schneider, „Eigentum verpflichtet“ – Zur Entstehung von Art. 14 Absatz 2 Grundgesetz, in: F.-J. Peine/H. Wolff (Hrsg.), Nachdenken über Eigentum. Festschrift für Alexander v. Brünneck zur Vollendung seines siebzigsten Lebensjahres, 2011, S. 80 f. gestützt auf die Genese der Norm; F. Kübler/W. Schmidt/S. Simitis, Mitbestimmung als gesetzgebungspolitische Aufgabe, S. 63; eine Übersicht zur die unmittelbare Wirkung des Art. 14 Abs. 2 GG bejahenden Literatur bietet auch M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, S. 233 Fn. 436. 75 F. Shirvani, Sozialbindung des Eigentums, in: M. Ludwigs (Hrsg.), Regulierender Staat und konfliktschlichtendes Recht. Festschrift für Matthias Schmidt-Preuß zum 70. Geburtstag, 2018, S. 303 (309). 72

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lung des Eigentümers nicht konstitutive Konkretisierungen der Sozialbindungsklausel anzusehen.76 Darüber hinaus könnte neben dem Gesetzgeber auch die Judikative ohne eine derartige Konkretisierung als einfachgesetzliche Rechtsgrundlage die Vorgabe des Art. 14 Abs. 2 GG umsetzen.77 Gegen diese unmittelbare, das gesetzgeberische Handeln nicht erfordernde Beschränkung des Eigentums durch die Verfassung sprechen jedoch gewichtige Gründe, sodass das Bundesverfassungsgericht zurecht von dieser Interpretation des Art. 14 Abs. 2 GG abgerückt ist.78 Zwar enthält der Wortlaut von Art. 14 Abs. 2 S. 1 GG keinen ausdrücklichen Adressaten der ausgesprochenen Verpflichtung,79 sodass eine unmittelbare Wirkung für den Eigentümer bei erster Betrachtung der Norm sogar naheliegt. Die Abwesenheit einer ausdrücklichen Pflichtenbindung des Eigentümers sowie von Rechtsprechung und Verwaltung an Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG sprechen jedoch – trotz umfassender Bindung der Staatsgewalt in Art. 1 Abs. 3 GG – „bei einer so wesentlichen Regelung wie dem Sozialbindungsgebot“ gegen eine Erstreckung der Verpflichtungswirkung über den Gesetzgeber als Adressaten hinaus.80 Weiterhin würde bei nicht vorhandenen klaren gesetzlichen Regelungen „weniger die Pflichtenbindung als der Eigentumsgebrauch für legitimierungsbedürftig erklärt“ werden.81 Eine derartige, den Freiheitsgebrauch in Frage stellende und aufgrund der Bezugnahme auf das Allgemeinwohl nahezu umfassende Beweislastumkehr würde jedoch der Konzeption der Eigentumsgarantie als Freiheitsgrundrecht widersprechen.82 Zudem ergibt sich aus Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG ausdrücklich, dass die Schranken des Eigentums durch den Gesetzgeber bestimmt werden.83 Hierdurch ent-

76 R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 297; so auch A. Gornik, Die Bindung der Betreiber öffentlicher Räume an die Kommunikationsgrundrechte, S. 295 f.; O. Kimminich, Jura 1979, S. 366 (371 f.). 77 O. Kimminich, Jura 1979, S. 366 (371 f.); R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 297. 78 Vgl. hierzu M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 134 f. mit Hinweis auf BVerfGE 80, 137 (150 f.); 89, 1 (5), der jedoch auch kritisiert, dass das Bundesverfassungsgericht den vorgenommenen Rechtsprechungswandel nicht ausreichend kennzeichnet (Fn. 472); zum Stand in der Literatur A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 185 Fn. 647. 79 Vgl. F. Shirvani, Sozialbindung des Eigentums, in: M. Ludwigs (Hrsg.), Regulierender Staat und konfliktschlichtendes Recht. Festschrift für Matthias Schmidt-Preuß zum 70. Geburtstag, 2018, S. 303 (308); A. Henning, Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff, S. 290; bezugnehmend auf den Wortlaut auch D. Bruch, Umweltpflichtigkeit der grundrechtlichen Schutzbereiche, S. 246. 80 A. Henning, Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff, S. 291. 81 R. Wendt, in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 9. Aufl. 2021, Art. 14 Rn. 72. 82 Zum Verhältnis von Eigentum und Freiheit s. u. S. 229 ff. 83 Vgl. W. Farke, Öffentliche Bedeutung privater Wirtschaftsunternehmen und Sozialpflichtigkeit des Eigentums, S. 57; J. Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 67.

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steht ein „unmittelbare[r] Zusammenhang zu Art. 14 Abs. 2 GG“.84 Dementsprechend ist schon bei systematischer Betrachtung nicht ersichtlich, wie dem Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG folgenden Absatz über die Inhalts- und Schrankenbestimmung hinausgehende Schranken entnommen werden können. Mithin darf „[d]ie in Art. 14 I 2 GG verwurzelte Gesetzesabhängigkeit [. . .] nicht eindimensional auf Art. 14 I 1 GG gerichtet verstanden werden“.85 Vielmehr ist auch die in Art. 14 Abs. 2 GG angesprochene Pflichtigkeit nur im Kontext mit dem Ausgestaltungsauftrag aus Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zu sehen. Weiterhin soll es gemäß dem Rechtsstaatsprinzip dem Bürger möglich sein, die von ihm verlangten Verhaltensweisen aus dem Gesetz abzulesen.86 Ohne gesetzliche Konkretisierung ist der Inhalt der Sozialbindungsklausel jedoch „kaum fassbar“.87 Zudem werden die Beschränkungen des Eigentums gerade im Verhältnis zu Dritten relevant und müssen klarer sein als die unbestimmten Vorgaben des Art. 14 Abs. 2 GG. Andernfalls würde es bei der Durchsetzung dieser vermeintlichen, dem Eigentum immanenten Schranken letztlich auf die faktischen Machtverhältnisse zwischen den Grundrechtsträgern ankommen. Ebenfalls zu beachten ist, dass Art. 14 Abs. 2 GG in Verbindung mit den Grundrechten Dritter zu einer unmittelbaren Drittwirkung der Eigentumsgarantie führen würde, die sich der Norm im Vergleich zu Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG und vor dem Hintergrund der grundsätzlich abschließenden Aufzählung der Grundrechtsadressaten in Art. 1 Abs. 3 GG nicht entnehmen lässt.88 Angesichts der bereits beschriebenen Unbestimmtheit des in Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG enthaltenen Allgemeinwohls darf die Konkretisierung der Sozialbindung nur durch den nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zuständigen Gesetzgeber erfolgen, der zudem die für

84 F. Shirvani, Sozialbindung des Eigentums, in: M. Ludwigs (Hrsg.), Regulierender Staat und konfliktschlichtendes Recht. Festschrift für Matthias Schmidt-Preuß zum 70. Geburtstag, 2018, S. 303 (308); vgl. auch W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/ P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 143; A. Henning, Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff, S. 291. 85 M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, S. 235; U. Hösch, Eigentum und Freiheit, S. 201. 86 H. Kube, Eigentum an Naturgütern, S. 44; zur Normklarheit auch W. Farke, Öffentliche Bedeutung privater Wirtschaftsunternehmen und Sozialpflichtigkeit des Eigentums, S. 56. 87 F. Shirvani, Sozialbindung des Eigentums, in: M. Ludwigs (Hrsg.), Regulierender Staat und konfliktschlichtendes Recht. Festschrift für Matthias Schmidt-Preuß zum 70. Geburtstag, 2018, S. 303 (310). 88 Vgl. hierzu M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 134 f.; zur Drittwirkung auch R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 303; A. Henning, Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff, S. 292; zur (unmittelbaren) Drittwirkung von Grundrechten L. Kroemer, Die Grundrechtsbindung Privater im Widerstreit zwischen gesellschaftlicher Freiheit und staatlicher Verantwortung, in: O. Ammann/ F. Bottega et al. (Hrsg.), Verantwortung und Recht, S. 23 ff.

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diese Aufgabe größte demokratische Legitimation besitzt.89 Würde die Exekutive hingegen eine Einschränkung von Eigentum ausschließlich auf Art. 14 Abs. 2 GG stützen, käme weiterhin ein Verstoß gegen den Parlamentsvorbehalt und den Vorbehalt des Gesetzes in Betracht.90 Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die Verpflichtung der Eigentümer im Rahmen der Eigentumsgarantie durch den Gesetzgeber erfolgen muss.91 Eine unmittelbare rechtliche Wirkung der Sozialbindung bzw. Sozialpflichtigkeit, die über den Ausgestaltungsauftrag an den Gesetzgeber im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG hinausgeht, besteht nicht.92 Dem entspricht auch das Wesen grundrechtlicher Freiheit, wonach eine ohne vorheriges staatliches Handeln bestehende rechtliche Verantwortung „für die sozialen Folgen individuellen Handelns“ ausgeschlossen ist.93 Vielmehr kann entsprechend dem liberalen Grundrechtsverständnis der Grundrechtsträger grundsätzlich selbst über Art und Weise des Freiheitsgebrauchs entscheiden.94 dd) Zwischenergebnis: Abgrenzung zum sozialen Bezug Auf Grundlage der aufgezeigten abstrakten Definition des Bundesverfassungsgerichts95 kann bereits zum jetzigen Untersuchungszeitpunkt eine Abgrenzung des sozialen Bezugs von Sozialbindung und Sozialpflichtigkeit erfolgen. 89 Vgl. W. Farke, Öffentliche Bedeutung privater Wirtschaftsunternehmen und Sozialpflichtigkeit des Eigentums, S. 56; vgl. auch allgemein S. Kluckert, JuS 2015, S. 116 (118); s. u. auch S. 182 f. und S. 260 ff. 90 M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 134; W. Farke, Öffentliche Bedeutung privater Wirtschaftsunternehmen und Sozialpflichtigkeit des Eigentums, S. 56; auch P. Badura, Eigentum im Verfassungsrecht der Gegenwart, in: Ständige Deputation des deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des neunundvierzigsten deutschen Juristentages, 1972, T 12; dagegen A. Gornik, Die Bindung der Betreiber öffentlicher Räume an die Kommunikationsgrundrechte, S. 295; zusätzlich zur Gesetzesgebundenheit der Judikative J. Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 67. 91 H. Kube, Eigentum an Naturgütern, S. 44; H. D. Jarass, in: ders./B. Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 16. Aufl. 2020, Art. 14 Rn. 35a. 92 H.-J. Papier/F. Shirvani, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 83 April 2018, Art. 14 Rn. 416; dies entspricht auch dem Verständnis zu Art. 153 Abs. 3 WRV als Vorgängervorschrift des Art. 14 Abs. 2 GG, F. Shirvani, Sozialbindung des Eigentums, in: M. Ludwigs (Hrsg.), Regulierender Staat und konfliktschlichtendes Recht. Festschrift für Matthias Schmidt-Preuß zum 70. Geburtstag, 2018, S. 303 (311). 93 R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 300. 94 R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 300; vgl. aber auch BVerfGE 128, 226 (248). 95 BVerfGE 143, 246 (324 Rn. 218): „Dagegen ist die Befugnis des Gesetzgebers zur Inhalts- und Schrankenbestimmung umso weiter, je stärker der soziale Bezug des Eigentumsobjekts ist; hierfür sind dessen Eigenart und Funktion von entscheidender Bedeutung.“ (Hervorhebung durch den Verf.).

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Sozialer Bezug und Sozialbindung bzw. Sozialpflichtigkeit des Eigentums kennzeichnen unterschiedliche Stufen des Entstehungsprozesses der Inhalts- und Schrankenbestimmung, stehen jedoch hierbei in einem Zusammenhang.96 Bei der Ausgestaltung des Eigentums muss der Gesetzgeber die Vorgabe aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG verdeutlichen97 und zum Vorschein bringen. Bis zu dieser Ausgestaltung wirkt sich Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG nicht im Sinne einer Beschränkung des Eigentümers aus.98 Der Gesetzgeber kommt der Vorgabe des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG nach, indem er bei den Eigentumsobjekten den sozialen Bezug identifiziert, der sich aus den jeweiligen Eigentumseigenschaften ergibt. Dass die Eigenschaften der Eigentumsgegenstände für das Vorliegen des sozialen Bezugs maßgeblich sind, hat das Bundesverfassungsgericht auf abstrakter Ebene festgestellt.99 Die den sozialen Bezug auslösenden Eigenschaften schaffen hierdurch die Legitimation für eine Bindung des Eigentümers durch eine Inhalts- und Schrankenbestimmung.100 Mithin lenkt der soziale Bezug „den Blick auf entscheidungsrelevante Sachverhalte“ im Rahmen der Eigentumsausgestaltung.101 Im Anschluss an diese Identifizierung muss diesen Eigenschaften der Eigentumsobjekte durch insbesondere verhältnismäßige Schrankensetzung derart Rechnung getragen werden, dass der Eigentumsgebrauch nicht nur dem Eigentümer, sondern gemäß Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG auch dem Allgemeinwohl dient. Die so ausgestalteten Eigentumsschranken sind dann wiederum Ausdruck der zu beachtenden Sozialbindung des Eigentums. Dass sozialer Bezug und Sozialbindung bzw. Sozialpflichtigkeit unterschiedliche Stufen des Entstehungsprozesses von Eigentum kennzeichnen, zeigt sich auch schon darin, dass die Bindung bzw. Gebundenheit begrifflich eine Steigerung gegenüber dem Bezug bzw. der Bezogenheit darstellt.102 Mithin verkörpert das Vorliegen des sozialen Bezugs eine Vorstufe gegenüber der durch den Gesetzgeber zu verwirklichenden Sozialbindung. Darüber hinaus kann bei sozialem Bezug und Sozialbindung auf tatsächlicher und rechtlicher Ebene differenziert werden: Der soziale Bezug ergibt sich – entsprechend der Anknüpfung an die Eigenschaften der Eigentumsobjekte – über96 Zur Abgrenzung auch C. Sellmann, Nutzungsbeschränkungen zugunsten der Umwelt und eigentumsrechtlich gebotener Ausgleich, S. 187; vgl. D. Bruch/H. Greve, DÖV 2011, S. 794 (798): „[. . .] einen erhöhten sozialen Bezug auf (Art. 14 Abs. 2 GG), der es dem Gesetzgeber grundsätzlich ermöglicht, Inhalt und Grenzen und damit die Sozialbindung des Eigentums [. . .] zu bestimmen.“ 97 C. Sellmann, Nutzungsbeschränkungen zugunsten der Umwelt und eigentumsrechtlich gebotener Ausgleich, S. 187. 98 S. o. S. 37 ff. 99 Siehe hierzu oben S. 24. 100 W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 179. 101 J. Meyer-Abich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 162. 102 Vgl. U. Becker, Das ,Menschenbild des Grundgesetzes‘ in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 85.

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1. Kap.: Inhalt des sozialen Bezugs

wiegend aus tatsächlichen Gegebenheiten, die aber auch durch rechtliche Wertungen wie bspw. grundrechtliche Geltungsansprüche ergänzt werden können. Die Sozialbindung stellt hingegen eine rechtliche Vorgabe an den Gesetzgeber dar.103 Der soziale Bezug kann damit als „Realtypus“ bezeichnet werden, der anders als die Vorgabe aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG als „Idealtypus“ noch keine „Idee oder Vorbild ist, sondern nur [auf die] Erfassung im Hinblick auf das Wohl der Allgemeinheit wesentlicher“ Eigenschaften gerichtet ist.104 Die Begriffe des sozialen Bezugs und der Sozialbindung bzw. Sozialpflichtigkeit ergänzen sich daher bei der durch den Gesetzgeber anzustrebenden Herstellung einer sozialgerechten Eigentumsordnung. 4. Menschenbild des Grundgesetzes Das Ergebnis der Interpretation des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG, wonach die Allgemeinheit den für die Eigentumsausgestaltung maßgeblichen Rezipienten der Auswirkungen von Eigentumsgegenständen darstellt, lässt sich auch auf das dem Grundgesetz durch das Bundesverfassungsgericht zugrunde gelegte Menschenbild stützen. So führt das Bundesverfassungsgericht aus, dass „[d]as Menschenbild des Grundgesetzes [. . .] nicht d[em] eines isolierten souveränen Individuums“ entspreche.105 Dementsprechend habe das Grundgesetz „die Spannung Individuum – Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person entschieden“, was „sich insbesondere aus einer Gesamtsicht der Art. 1, 2, 12, 14, 15, 19 und 20 GG“ ergebe.106

103 So auch H. Bergbach, Anteilseigentum, S. 128; ähnlich O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft im öffentlichen Recht, S. 120. 104 W. Farke, Öffentliche Bedeutung privater Wirtschaftsunternehmen und Sozialpflichtigkeit des Eigentums, S. 42 f. 105 BVerfGE 4, 7 (15); 50, 290 (353); zur Herkunft der Formel des Menschenbild des Grundgesetzes: U. Becker, Das ,Menschenbild des Grundgesetzes‘ in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 47 ff.; U. Volkmann, Freiheit und Gemeinschaft, in: D. Merten/H.-J. Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. II, 2006, § 32 Rn. 23. 106 BVerfGE 4, 7 (15 f.); vgl. H.-J. Papier, WM 2009, S. 1869 (1872 f.): „Dieser universelle Ansatz der freiwilligen Übernahme von Eigenverantwortung liegt auch dem grundgesetzlichen Menschenbild zugrunde, das Verantwortung zwar nicht in Form von Grundpflichten rechtlich vorschreibt, sehr wohl aber als unabdingbar voraussetzt. Seinen wohl deutlichsten Ausdruck findet das in der Sozialbindung des Eigentums.“; vgl. U. Scheuner, VVDStRL 11, S. 1 (20); kritisch U. Becker, Das ,Menschenbild des Grundgesetzes‘ in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 97 ff., der darauf hinweist, dass das Grundgesetz durch das Verfassungsprinzip der Freiheit geprägt sei und daher das Menschenbild des Grundgesetzes in dieser Gestalt nicht dem Grundgesetz entnommen werden könne. Es handele sich vielmehr um eine Verfassungserwartung.

C. Konkretisierung der den sozialen Bezug auslösenden Eigenschaften

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Dieses nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts dem Grundgesetz zugrundeliegende Menschenbild veranschaulicht, dass bei der Betrachtung des Grundrechtsgebrauchs die Auswirkungen auf die Gemeinschaft einen maßgeblichen Bezugspunkt darstellen. Diese Erwägungen können auf die Eigentumsgarantie übertragen werden, da das Bundesverfassungsgericht die konkrete Gestalt des Menschenbildes auch auf Art. 14 GG stützt. Insoweit stellt die Gemeinschaft einen dem einzelnen Eigentümer übergeordneten Bezugspunkt dar, der damit synonym zum Begriff der Allgemeinheit verwendet werden kann. 5. Interpretation in der Literatur: Kontaktbrücke zu anderen Rechtsträgern In der Literatur zur Eigentumsgarantie nimmt W. Leisner eine ausdrücklich den sozialen Bezug betreffende Interpretation des Sozial-Begriffs vor. So gebrauche das Bundesverfassungsgericht „das Wort ,sozial‘ nicht nur in dem Sinn des ,Schwächerenschutzes‘ oder gar einer einebnenden Umverteilung, sondern zutreffend synonym mit ,gesellschaftlichen Bezügen‘, als sichtliche Kontaktbrücke, vor allem zu anderen Rechtsträgern und deren Interessenlagen“.107 W. Leisner verdeutlicht hierdurch, dass für das Vorliegen des sozialen Bezugs nur eine Verbindung zur Allgemeinheit insgesamt vorliegen muss und nicht die Betroffenheit spezifischer Interessenlagen. Ebenso setzt der ehemalige Bundesverfassungsrichter und Berichterstatter bei der Nassauskiesungsentscheidung W. Böhmer „die sozialen Bezüge, in denen der Einzelne steht“ mit „seine[n] Beziehungen zur Rechtsgemeinschaft“ gleich.108 Die Verbindung des Sozial-Begriffs mit den gesellschaftlichen Bezügen entspricht dem an Art. 14 Abs. 2 GG anknüpfenden Verständnis, wonach die Allgemeinheit bzw. die Gesellschaft maßgebliche Rezipienten der Eigentumsobjekte sind. Weiterhin gelingt es W. Leisner durch den Hinweis auf andere Rechtsträger und deren Interessenlagen neben dem Eigentümer, die jeweils von den Eigentumsgegenständen berührte Allgemeinheit zu konkretisieren. Insoweit verdeutlicht er, dass der soziale Bezug nicht nur zur Allgemeinheit insgesamt denkbar ist, sondern auch einzelne Rechtsträger aus dieser Allgemeinheit für die Begründung des sozialen Bezugs herausgegriffen werden können. Gleichwohl darf nicht übersehen werden, dass dem Wohl der Allgemeinheit – etwa veranschaulicht durch den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen

107 W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 179; nachdrücklicher ders., Das Eigentum zwischen privatem Nutzen und sozialer Bindung, in: J. Isensee (Hrsg.), Eigentum, 1996, S. 537 (544 f.). 108 W. Böhmer, NJW 1988, S. 2561 (2568); vgl. auch H. Melchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes und das Recht des Denkmalschutzes, S. 116: „Eigentum beinhaltet daneben auch die Einbindung des Einzelnen und seiner Sache in die Rechtsgemeinschaft insgesamt (Beziehung zur Allgemeinheit, Sozialbezug).“

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1. Kap.: Inhalt des sozialen Bezugs

im Sinne des Art. 20a GG109 – auch losgelöst von der Fokussierung auf einzelne Rechtsträger und deren Interessenlagen entsprochen werden kann.110 Insbesondere bei auf die Allgemeinheit in ihrer Gesamtheit und nicht auf einzelne Rechtsträger gerichteten Maßnahmen bestehen die von W. Leisner angesprochenen (gesamt-)gesellschaftlichen Bezüge. Für eine Gleichsetzung von Sozialbezug und Gesellschaftsbezogenheit spricht weiterhin, dass die von Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG vorausgesetzte Allgemeinwohldienlichkeit des Eigentumsgebrauchs nicht umgesetzt werden könnte, wenn sich der Gebrauch des Eigentums allein auf die Sphäre des Eigentümers auswirken würde. Bezogen auf die Umsetzung der Vorgabe aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG stellen die „gesellschaftlichen Bezüge“ damit eine notwendige Bedingung dar, die vom Gesetzgeber zu beachten ist.111 Die Interpretation von W. Leisner und W. Böhmer stützt daher das aus Art. 14 GG, Art. 15 S. 1 GG und den Termini der Sozialbindung und Sozialpflichtigkeit hergeleitete Verständnis, dass der Sozial-Begriff die Verbindung des Eigentums zur Gesellschaft bzw. Allgemeinheit verdeutlicht und weiterhin zu dessen Konkretisierung beiträgt. 6. Das Sozialstaatsprinzip Weiterhin berücksichtigt werden kann bei der Interpretation des Sozial-Begriffs das Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG. Nachdem bislang mit Art. 14 und 15 GG Verfassungsnormen betrachtet wurden, die den Sozial-Begriff gerade nicht im Wortlaut enthalten, sollen nunmehr die Vorschriften Berücksichtigung finden, in denen dieser anzutreffen ist. Weitere Vorschriften, die den Sozial-Begriff enthalten, beinhaltet die Verfassung im Kontext der Sozialversicherung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 12, Art. 87 Abs. 2 S. 2 und 3 und Art. 120 Abs. 1 S. 4 GG), der Sozialgerichtsbarkeit (Art. 95 Abs. 1 GG) und der sozialen Wohnraumförderung (Art. 125c Abs. 2 S. 1 GG und Art. 143c Abs. 1 S. 1 GG). Angesichts der Mannigfaltigkeit der von den Vorschriften erfassten Sachverhalte und ihrer fehlenden unmittelbaren Verbindung zur Eigentumsgarantie ergibt sich aus diesen Vorschriften jedoch kein Erkenntnisgewinn für das Verständnis des sozialen Bezugs.112 109

S. u. S. 99. D. Riedel, Eigentum, Enteignung und das Wohl der Allgemeinheit, S. 164 versteht „die Allgemeinheit, die den Bezugspunkt des Gemeinwohls bildet, als Gemeinschaft der Herrschaftsunterworfenen.“; vgl. auch ders., a. a. O. S. 148 mit dem Hinweis auf die klassischen Gemeinwohlvorstellungen, wonach das Gemeinwohl „vorgegeben und objektiv, weil unabhängig von den subjektiven Interessen der Einzelnen“ ist. 111 Vgl. BVerfGE 37, 132 (140). 112 Vgl. hierzu H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 28 Rn. 2, der von einem „Mißverhältnis zwischen der Fülle gesellschaftlicher Verhältnisse und Entwicklungen und dem einzigen Wort ,sozial‘, das den Maßstab liefern soll, sie zu 110

C. Konkretisierung der den sozialen Bezug auslösenden Eigenschaften

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a) Relevanz des Sozialstaatsprinzips für die Eigentumsgarantie113 Das Sozialstaatsprinzip muss im Rahmen der Inhalts- und Schrankenbestimmung als Staatszielbestimmung durch den Gesetzgeber beachtet werden,114 sodass eine Verbindung zur eigentumsrechtlichen Handlungsform besteht, in der der soziale Bezug Bedeutung entfaltet.115 Für die Relevanz des Sozialstaatsprinzips bei der Interpretation des Sozial-Begriffs spricht auch, dass Art. 14 Abs. 2 GG, aus dem die für die Formel vom sozialen Bezug bedeutsame Sozialbindung bzw. Sozialpflichtigkeit des Eigentums hergeleitet wird, eine Ausprägung des Sozialstaatsprinzips darstellen soll.116 Im Kontext der angestrebten Subsidiarität des Sozialstaats komme der Eigentumsgarantie weiterhin durch die Möglichkeit, „einen Anteil an den existenzermöglichenden und -bestimmenden Gütern zu erwerben, zu haben, zu nutzen und darüber zu verfügen“, eine zentrale Rolle für die funktionierende Autonomie der gesellschaftlichen Verhältnisse und Prozesse

beurteilen“ spricht; K.-P. Sommermann, in: H. von Mangoldt/F. Klein/C. Starck u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 7. Aufl. 2018, Art. 20 Rn. 102 nennt ebenfalls die Kompetenzvorschriften als Hinweis auf einzelne Aufgaben des Sozialstaats neben den speziellen Ausprägungen in Art. 6, 7, 9 Abs. 3, Art. 14 Abs. 2 und 3, Art. 15 GG. 113 Hierzu auch J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 436 ff. 114 BVerfGE 14, 263 (278); 25, 112 (117); J. Wieland, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 14 Rn. 147; dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass durch die Gewähr der Grundrechte durch den Rechtsstaat die ökonomischen Voraussetzungen individueller Freiheit und damit der Grund, auf dem sich soziale Gleichheit erst entfalten kann, gesichert werde, B. Grzeszick, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 73 Dezember 2014, Art. 20 GG VIII Rn. 28. Dieser Aspekt muss auch im Rahmen von normgeprägten Grundrechten Geltung entfalten; U. Hösch, Eigentum und Freiheit, S. 180. 115 Vgl. unten zur rechtlichen Einordnung im Kontext der Inhalts- und Schrankenbestimmung S. 114 f. 116 V. Epping/S. Lenz/P. Leydecker, Grundrechte, 9. Aufl. 2021, Rn. 481; K.-P. Sommermann, in: H. von Mangoldt/F. Klein/C. Starck u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 7. Aufl. 2018, Art. 20 Rn. 102; H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: J. Isensee/ P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 28 Rn. 17; F. Wittreck, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, 3. Aufl. 2015, Art. 20 (Sozialstaat) Rn. 26; M. Sachs, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz 9. Aufl. 2021, Art 20 Rn. 53 spricht von „[s]achlich verwandt“; K. Stern, Das sozialstaatliche Prinzip, in: ders. (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Bd. I, 2. Aufl. 1984, § 21 II 4, S. 912; nach R. Wendt, in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 9. Aufl. 2021, Art. 14 Rn. 72 bilden „Art. 14 I 2 und II eine der vornehmsten Handhaben des GG zur Entfaltung der Sozialstaatlichkeit“; E. Benda, Industrielle Herrschaft und sozialer Staat, S. 341; dagegen H. Dederer, in: W. Kahl/C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 118. Akt. Dez. 2017, Art. 14 Rn. 882; F. Shirvani, Sozialbindung des Eigentums, in: M. Ludwigs (Hrsg.), Regulierender Staat und konfliktschlichtendes Recht. Festschrift für Matthias Schmidt-Preuß zum 70. Geburtstag, 2018, S. 303 (306); kritisch auch J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 436 ff.; W. Leisner, Sozialbindung des Eigentums, S. 63 f.

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1. Kap.: Inhalt des sozialen Bezugs

zu.117 Im Ergebnis kann daher von „ein[em] in mehrfacher Hinsicht überaus enge[n] Konnex“ zwischen der Eigentumsgarantie und dem Sozialstaatsprinzip gesprochen werden,118 der vorliegend die Berücksichtigung des Sozialstaatsprinzips bei der Interpretation des Sozial-Begriffs nahe legt. b) Bedeutungsermittlung des Sozial-Begriffs beim Sozialstaatsprinzip Bei der Entstehung von Art. 20 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG bzw. der Beratung innerhalb der jeweiligen Gremien des Parlamentarischen Rates erfolgte keine Problematisierung des Wortsinns des Sozial-Begriffs.119 Die Genese des Grundgesetzes bietet daher bezogen auf das Sozialstaatsprinzip keine zusätzliche Erkenntnis für die beabsichtigte Bedeutungsermittlung. In der Literatur zum Sozialstaatsprinzip wird indes ausgeführt, das Wort „sozial“ stehe für alle Herausforderungen, die mit „sozial“ assoziiert werden können und daher bei abstrakter Betrachtung „offen und unendlich“ seien.120 Weiterhin verdichte sich der „Sinn des Wortes ,sozial‘ [. . .] nach Maßgabe der gesellschaftlichen, politischen und rechtlichen Wahrnehmung sozialer Herausforderungen und Maßgabe der gesellschaftlichen, politischen und rechtlichen Diskussion und Formulierung sozialer Antworten“.121 Schließt man sich diesem unbeschränkten und wiederum selbst den Sozial-Begriff nutzenden Verständnis an, folgt allein aus der Verortung des Wortes „sozial“ im Rahmen eines „Grundprinzip[s]“ 122 des Grundgesetzes keine Konkretisierung des Begriffs.123 Mit anderen Worten 117 H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 28 Rn. 31, der in diesem Zusammenhang betont, dass „das ,Soziale‘ sich wesentlich auch durch die Gesellschaft und in der Gesellschaft zu vollziehen“ habe. 118 K. Stern, Das sozialstaatliche Prinzip, in: ders. (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Bd. I, 2. Aufl. 1984, § 21 IV 4 S. 926. 119 H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 28 Rn. 15 f.; vgl. auch F. Wittreck, in: H. Dreier, Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, 3. Aufl. 2015, Art. 20 (Sozialstaat) Rn. 10, der die Genese der Norm für ihre Deutung als „denkbar unergiebig“ bezeichnet. 120 H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 28 Rn. 3. Dieser Aussage schließt sich jedoch die Einschränkung an, dass „[i]n der gesellschaftlichen, politischen und rechtlichen Praxis aber [. . .] nur ein begrenzter Kreis von Herausforderungen wirksam“ werde. 121 H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 28 Rn. 3. 122 H. D. Jarass, in: ders./B. Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 16. Aufl. 2020, Art. 20 Rn. 153. 123 Überdies führt H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 28 Rn. 24 aus, dass sich „das Grundgesetz selbst [. . .] jeglicher Verfestigung im Sinne sozialer Programme und sozialer Grundrechte enthalten“ habe.

C. Konkretisierung der den sozialen Bezug auslösenden Eigenschaften

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geht mit der Bezeichnung eines (Bundes-)Staates als „sozial“ (Art. 20 Abs. 1 GG) keine konkrete eindeutige Charakterisierung dieses Staates einher. Dementsprechend wird auch die Bildung einer Definition des Sozialstaatsprinzips teils als nicht möglich erachtet.124 Angesichts dieser begrifflichen Unklarheit wird zur Eingrenzung der Begriffsbedeutung an die durch Rechtsprechung und Literatur gewonnenen materiellen Vorgaben des Sozialstaatsprinzips angeknüpft, die trotz eines gewährten Gestaltungsspielraums125 durch den Gesetzgeber berücksichtigt werden müssen126 und das Sozialstaatsprinzip prägen. So soll sich aus der Entscheidung für den Sozialstaat in Art. 20 Abs. 1 GG ergeben, dass „[d]er Staat für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen“ habe und dabei „eine grundsätzliche Verantwortung für den Schutz des sozial Schwachen“ trage.127 Weiterhin wird der soziale Rechtsstaat als Staat bezeichnet, der aktiv gestaltend die Voraussetzungen für die Freiheitsbetätigung seiner Bürger verbessert, wozu namentlich die Befreiung aus wirtschaftlichen Notlagen, die Daseinsvorsorge, die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit sowie die Förderung der Chancengleichheit zählen.128 In die gleiche Richtung geht H. F. Zacher, der als wichtigste Ziele des Sozialstaats die „Hilfe gegen Not und Armut und ein menschenwürdiges Existenzminimum für jedermann; mehr Gleichheit durch den Abbau von Wohlstandsdifferenzen und die Kontrolle von Abhängigkeitsverhältnissen; mehr Sicherheit gegenüber den ,Wechselfällen des Lebens‘; und schließlich wirtschaftliche Verhältnisse, die eine allgemeine Wohlstandsteilhabe ermöglichen“ nennt.129

124 F. Wittreck, in: H. Dreier, Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, 3. Aufl. 2015, Art. 20 (Sozialstaat) Rn. 24; dagegen K. Stern, Das sozialstaatliche Prinzip, in: ders. (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Bd. I, 2. Aufl. 1984, § 21 II 1 S. 891. 125 H. D. Jarass, in: ders./B. Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 16. Aufl. 2020, Art. 20 Rn. 154, 168 mit Hinweis auf BVerfGE 65, 182 (193); 70, 278 (288); 71, 66 (80); 97, 169 (185); 98, 196 (204); 103, 271 (288); vgl. auch K.-P. Sommermann, in: H. von Mangoldt/F. Klein/C. Starck u. a. (Hrsg.), Grundgesetz, 7. Aufl. 2018, Art. 20 Rn. 116; K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 888; vgl. zum Begriff des Gestaltungsspielraums, S. 124 ff.; daher auch skeptisch hinsichtlich der Aussagekraft des Sozialstaatsprinzips J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 437. 126 K.-P. Sommermann, in: H. von Mangoldt/F. Klein/C. Starck u. a. (Hrsg.), Grundgesetz, 7. Aufl. 2018, Art. 20 Rn. 116 weist auf die Forderung des Bundesverfassungsgerichts nach einem „grundsätzlich funktionsfähige[n] Regime“ hin. 127 B. Grzeszick, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 73 Dezember 2014, Art. 20 GG VIII Rn. 1 mit Verweis auf BVerfGE 26, 16 (37); 25, 202 (236); 45, 376 (387); 94, 241 (263); 97, 169 (185); 100, 271 (284); 103, 197 (221); 110, 412 (445). 128 K.-P. Sommermann, in: H. von Mangoldt/F. Klein/C. Starck u. a. (Hrsg.), Grundgesetz, 7. Aufl. 2018, Art. 20 Rn. 112. 129 H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 28 Rn. 25.

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1. Kap.: Inhalt des sozialen Bezugs

Diese Zielvorgaben und deren Umsetzung dienen allesamt dem Allgemeinwohl130 und lassen eine Anknüpfung an die Vorgabe aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG zu, die den Ausgangspunkt für das Verständnis des sozialen Bezugs bildet. Im Ergebnis ist daher der Schluss zulässig, dass der im Sozialstaatsprinzip enthaltene Sozial-Begriff – veranschaulicht durch Konkretisierungen in der Verfassung131 und dem einfachen Recht132 – einen Teilaspekt der insgesamt angestrebten Allgemeinwohldienlichkeit des staatlichen Handelns verkörpert.133 Der Sozial-Begriff des Sozialstaatsprinzips ist mithin ebenfalls auf die Allgemeinheit gerichtet bzw. als gesellschaftsbezogen anzusehen. Dementsprechend kann auch der Inhalt des Sozialstaatsprinzips dafür angeführt werden, dass die Allgemeinheit den maßgeblichen Bezugspunkt bei der Bewertung der Auswirkungen von Eigentumsgegenständen darstellt. Gleichzeitig ist zu betonen, dass der Sozial-Begriff des Sozialstaatsprinzips aufgrund der primären Ansprache von Teilaspekten tendenziell enger gefasst ist als der Inhalt des in Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG angesprochenen Allgemeinwohls.134 So erfassen die beiden soeben aufgeführten Definitionen des Inhalts des Sozialstaatsprinzips insbesondere den Schwächerenschutz und die Armutsbekämpfung,135 während bspw. der Umweltschutz als gemäß Art. 20a GG weiterer zu beachtender Allgemeinwohlbelang nicht unmittelbar angesprochen wird.136 Die unterschiedliche Reichweite des Sozial-Begriffs innerhalb der verfassungsrechtlichen Dogmatik137 verdeutlicht daher nochmals, dass der soziale Bezug aus sich heraus nicht selbsterklärend ist und angesichts seiner noch aufzuzeigenden Bedeutung für die Auslegung der Eigentumsgarantie genauerer Betrachtung bedarf.

130 K. Stern, Das sozialstaatliche Prinzip, in: ders. (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Bd. I, 2. Aufl. 1984, § 21 IV 4 S. 926 verweist darauf, dass „die Interessen der Allgemeinheit [. . .] der Sozialstaatsklausel immanent“ seien. 131 Vgl. H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 28 Rn. 17 f. 132 Vgl. hierzu den Überblick von T. Voelzke, NJW 2017, S. 1867. 133 In diese Richtung auch BVerfGE 25, 112 (117); J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 436. 134 Nochmals J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 436. 135 Vgl. E. Benda, Industrielle Herrschaft und sozialer Staat, S. 90. 136 Dagegen wohl C. Calliess, ZUR 2019, S. 385 (386). 137 Hierzu auch E. Benda, Industrielle Herrschaft und sozialer Staat, S. 89: „Aber bis in die neuesten Erörterungen läßt sich keine Einigung darüber erkennen, was mit dem vielfach als vage empfundenen Wort ,sozial‘ von der Verfassung gemeint ist.“

C. Konkretisierung der den sozialen Bezug auslösenden Eigenschaften

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7. Zwischenergebnis zur Bedeutung des Sozial-Begriffs: Sozial als Synonym für die Allgemeinheit Die Bedeutung des Sozial-Begriffs wurde ermittelt, um denjenigen Bereich zu kennzeichnen, in den die Eigenschaften der Eigentumsobjekte für das Vorliegen des sozialen Bezugs hineinwirken müssen. Anders gewendet sollte aufgezeigt werden, inwieweit im Rahmen der Eigentumsgarantie Rezipienten der Auswirkungen der Eigentumsgegenstände berücksichtigt werden. Bei dieser Ermittlung wurde Art. 14 GG als Ausgangspunkt gewählt und es konnte festgestellt werden, dass vor dem Hintergrund der Vorgabe des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG die Allgemeinheit den maßgeblichen Rezipienten außerhalb des dem Eigentümer eigenen Wirkbereichs darstellt. Diese Annahme konnte dadurch bestätigt werden, dass im Kontext des Art. 15 S. 1 GG und bei den Begriffen der Sozialpflichtigkeit und -bindung ebenfalls eine Gleichsetzung des Sozial-Begriffs mit der Allgemeinheit bzw. Gesellschaft erfolgt. Auch die Betrachtung des Inhalts des sozialen Bezugs in der Literatur und die Berücksichtigung des Sozialstaatsprinzips untermauern dieses Ergebnis.138 Nach Interpretation des Sozial-Begriffs lässt sich festhalten, dass für das Vorliegen des sozialen Bezugs eine Auswirkung der Eigenschaften der jeweiligen Eigentumsgegenstände auf die Allgemeinheit und damit gleichzeitig das Allgemeinwohl gegeben sein muss.139 Weiterhin ist klarzustellen, dass der Sozial-Begriff, anstatt ethische Elemente zu vermitteln,140 neutral auf die Auswirkungen auf die Gesellschaft insgesamt verweist,141 um eine Abgrenzung zur Sphäre des Einzelnen zu ermöglichen. Hinzu tritt weiterhin die Vorgabe aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG, die zugleich den Bezugspunkt der Auswirkungen der Eigentumsgegenstände sowie deren vom Gesetzgeber anzustrebende allgemeinwohldienliche Wirkung vorgibt. Der Begriff des sozialen Bezugs wird somit anhand der Kennzeichnung von für die Allgemeinheit relevanten Eigentumseigenschaften genutzt, um zu gewährleisten, dass der Gebrauch der durch den Gesetzgeber geschaffenen Eigentumsgegenstände in ausreichendem Maße zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dient.142 Daher erfordert nach bisherigem Erkenntnisstand dieser Untersuchung 138 Vgl. zudem auch BVerfGE 7, 377 (402 f.), wonach der Einzelne durch die Berufsausübung „unmittelbar in das soziale Leben“ eingreift. 139 Vgl. W. Farke, Öffentliche Bedeutung privater Wirtschaftsunternehmen und Sozialpflichtigkeit des Eigentums, S. 15: „Unter den zahlreichen Versuchen der begrifflichen Erfassung der überprivaten Erheblichkeit privater Wirtschaftsunternehmen nimmt neben der Bedeutung für das Gemeinwohl [. . .].“ (Hervorhebung durch den Verf.). 140 Vgl. E. Benda, Industrielle Herrschaft und sozialer Staat, S. 92. 141 W. Leisner, Das Eigentum zwischen privatem Nutzen und sozialer Bindung, in: J. Isensee (Hrsg.), Eigentum, 1996, S. 537 (544 f.). 142 Dies ergibt sich bereits dadurch, dass der Gesetzgeber anknüpfend an Art. 14 Abs. 2 GG einen „gerechte[n] Ausgleich zwischen den schutzwürdigen Interessen des

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1. Kap.: Inhalt des sozialen Bezugs

der Sozial-Begriff des sozialen Bezugs die Verbindung eines Eigentumsgegenstandes zur Gesellschaft aufgrund der Auswirkungen seines Gebrauchs auf die Allgemeinheit und das Allgemeinwohl. Die Auswirkungen müssen zudem nicht die Allgemeinheit insgesamt betreffen, sondern können auch lediglich einzelne Rechtsträger erfassen, die dann in der jeweiligen Situation die Allgemeinheit verkörpern.143 Die Auswirkungen auf die Allgemeinheit muss der Gesetzgeber erkennen und in verhältnismäßiger Weise regulieren, um den Vorgaben der Sozialbindung bzw. der Sozialpflichtigkeit aus Art. 14 Abs. 2 GG gerecht zu werden.144

II. Bezugs-Element Zu Beginn der Untersuchung wurde weiterhin bereits betont, dass der Begriff „Bezug“ zwar keine Aussagen über die inhaltliche Gestalt des sozialen Bezugs trifft, jedoch die Notwendigkeit einer Verbindung vom Eigentumsgegenstand zum Rezipienten verdeutlicht.145 Auch bei sprachlicher Betrachtung des Bezugs-Begriffs ergibt sich das Erfordernis, dass zwischen Eigentumsgegenstand und Allgemeinheit eine „sachliche Verbindung“ bzw. eine „Verknüpftheit“ bestehen muss.146 Dadurch, dass das jeweilige Eigentumsobjekt über seine eigene Sphäre hinauswirken muss, darf es hinsichtlich seiner Wirkung nicht lediglich isoliert betrachtet werden. Aus dem Verbindungs-Erfordernis selbst ergeben sich indes keine Anhaltspunkte darüber, in welcher Gestalt und wem gegenüber die Verbindung bestehen muss. Zur genaueren Bestimmung des Inhalts dieser Verbindung ist daher auf die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung zurückzugreifen.147 1. Soziale Bedeutung als ergänzender Begriff zum sozialen Bezug Dagegen, dass der Betrachtung des Bezugs-Begriffs zu große Bedeutung beigemessen wird, spricht weiterhin folgende Beobachtung: In den beiden ersten in der Zusammenfassung der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum sozialen Bezug angeführten Entscheidungen kommt die „soziale BeEigentümers und den Belangen des Allgemeinwohls“ anzustreben hat, vgl. nur BVerfGE 100, 226 (240 f.). 143 Vgl. A. Gornik, Die Bindung der Betreiber öffentlicher Räume an die Kommunikationsgrundrechte, S. 294 f.: „als Gedanke der Gemeinschaftsbeziehung des Eigentums und damit der Verwirklichung der Grundrechte Dritter“. 144 Vgl. H. Dederer, in: W. Kahl/C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 118. Akt. Dez. 2017, Art. 14 Rn. 880: „Je stärker der soziale Bezug ist, desto stärker tritt die Verpflichtung aus dem Eigentum hervor, dem Allgemeinwohl dienlich zu sein (Art. 14 Abs. 2 GG).“ 145 S. o. S. 25. 146 Vgl. https://www.duden.de/rechtschreibung/Bezug (zuletzt abgerufen am 15.7. 2022). 147 S. u. S. 55 ff.

C. Konkretisierung der den sozialen Bezug auslösenden Eigenschaften

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deutung“ der jeweils betroffenen Eigentumsgegenstände und nicht der soziale Bezug zur Sprache.148 Die für das Vorliegen der sozialen Bedeutung erforderliche Tragweite bzw. das Gewicht149 der Eigenschaften des Eigentumsobjektes für die Allgemeinheit und deren Wohl kann als Ergänzung zur für den sozialen Bezug notwendigen sachlichen Verbindung bzw. Verknüpfung für das Allgemeinwohl gesehen werden. Ergänzt durch die Anforderungen der sozialen Bedeutung können daher spürbare Auswirkungen der Eigentumseigenschaften auf die Allgemeinheit gefordert werden, um das Vorliegen des sozialen Bezugs zu bejahen. Folglich ergänzen sich die Begriffe sozialer Bezug und soziale Bedeutung.150 Dem entspricht es auch, dass die Bedeutung des jeweiligen Eigentumsgegenstandes als maßgeblich für die Erfüllung der Vorgabe aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG anzusehen ist.151 2. Keine inhaltliche Einschränkung durch den Begriff der sozialen Funktion Darüber hinaus ist zu beachten, dass das Bundesverfassungsgericht teils das Vorliegen einer „sozialen Funktion“ zusätzlich zum sozialen Bezug als Voraussetzung für den Erlass einer dem Wohle der Allgemeinheit dienenden Vorschrift nennt.152 Dieser Begriff vermag den Anwendungsbereich des sozialen Bezugs insgesamt jedoch nicht einzuschränken. Durch die Bezugnahme auf die Funktion, die auch als Forderung einer „Stellung“ oder „Aufgabe innerhalb eines größeren Zusammenhanges“ 153 verstanden werden kann, nähert sich das Bundesverfassungsgericht begrifflich der Zielvorgabe für den Gesetzgeber aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG an.154 Mithin müsste neben 148

BVerfGE 21, 73 (83) und 31, 229 (241). Vgl. https://www.duden.de/rechtschreibung/Bedeutung (zuletzt abgerufen am 15.7.2022). 150 Vgl. W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 78 und W. Farke, Öffentliche Bedeutung privater Wirtschaftsunternehmen und Sozialpflichtigkeit des Eigentums, S. 35: „Gegenüber allen bisherigen Umschreibungsversuchen erfaßt die ,öffentliche Bedeutung‘ den Gemeinwohlbezug [. . .] am treffendsten.“ 151 A. Scheidler, GewArch 2009, S. 1 (4). 152 BVerfGE 37, 132 (140); zum Begriff der sozialen Funktion auch P. Badura, Eigentum, in: E. Benda/W. Maihofer/H.-J. Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1994, § 10 Rn. 2; kritisch zum Begriff der Funktion des Eigentums W. Leisner, Situationsgebundenheit des Eigentums – eine überholte Rechtssituation?, S. 8. 153 Vgl. https://www.duden.de/rechtschreibung/Funktion (zuletzt abgerufen am 15.7. 2022); W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 77 bezeichnet die „Funktion“ indes als „Allerweltsbegriff“. 154 Vgl. hier auch BVerfGE 37, 132 (140), wonach das Vorliegen von sozialem Bezug und sozialer Funktion „vorausgesetzt“ dafür ist, dass der Gebrauch des Privateigentums zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll. 149

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1. Kap.: Inhalt des sozialen Bezugs

der bloßen Auswirkung des Eigentumsobjektes auf die Allgemeinheit auch eine Funktion für die Allgemeinheit erfüllt werden. Damit dürften trotz der neutralen Konzeption des Begriffs der „Funktion“ grundsätzlich keine für das Wohl der Allgemeinheit negativ anzusehenden Eigenschaften für die Begründung der sozialen Funktion in Betracht kommen. Denn bei für die Allgemeinheit negativen Eigentumseigenschaften wie etwa der Umweltschädlichkeit und dem daraus resultierenden gesetzgeberischen Handlungsbedarf übernehmen die Eigentumsgegenstände keine Aufgabe und haben auch keine Stellung innerhalb eines größeren Zusammenhangs inne. Soziale Funktionen von Eigentumsgegenständen sind typischerweise auf die Schaffung eines Mehrwerts bzw. das Erreichen eines Ziels gerichtet.155 Dies veranschaulicht die Ausführung des Bundesverfassungsgerichts, wonach „die Eigentumsgarantie eine die soziale Funktion eines Eigentumsobjektes mißachtende Nutzung [nicht] schützt“.156 Darüber hinaus ergibt sich für den Gesetzgeber die Aufgabe, die Wirkung von schädlichen Eigentumseigenschaften zu verhindern.157 Die Annahme einer sozialen Funktion kommt daher nur bei Eigenschaften von Eigentumsobjekten in Betracht, denen eine positive Auswirkung auf die Allgemeinheit zukommt. Die soziale Funktion ist hierdurch als Unterfall des sozialen Bezugs anzusehen und nicht als synonymer Begriff zu diesem.158 Zudem kann die soziale Funktion auch als „Richtschnur“ für den Gesetzgeber angesehen werden, die keine Übereinstimmung mit den tatsächlich bestehenden Umständen erfordert.159 Insoweit beschreibt die soziale Funktion dann nicht die tatsächlichen Auswirkungen des Eigentums auf die Gesellschaft, sondern nur die von seiner sozialen Funktion vorgesehenen Auswirkungen. Wie bereits ausgeführt, ist der Rekurs auf die soziale Funktion dann als Zielvorgabe und nicht als Beschreibung der – noch nicht durch eine Inhalts- und Schrankenbestimmung geprägten – tatsächlichen Umstände anzusehen. Daher schränkt die zusätzliche Bezugnahme auf die soziale Funktion den Anwendungsbereich des sozialen Bezugs des Eigentums nicht ein. Für das Vorliegen des sozialen Bezugs genügt vielmehr eine Auswirkung des jeweiligen Eigentumsobjektes auf die Gesellschaft, ohne dass dessen Eigenschaften auch eine gesellschaftliche Funktion erfüllen müssten. Dem entspricht es, dass in der Literatur 155 Hierzu C. Engel, Die soziale Funktion des Eigentums, in: T. von Danwitz/ O. Depenheuer/ders., Bericht zur Lage des Eigentums, 2002, S. 10 (33 ff.) mit einer Aufführung unterschiedlicher Eigentumsfunktionen. 156 BVerfGE 68, 361 (368). 157 C. Pestalozza, NJW 1982, S. 2169 f. 158 Vgl. W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 78, der die soziale Funktion in der Judikatur zu den sozialen Bezügen verallgemeinert sieht. 159 Vgl. P. Badura, Eigentum, in: E. Benda/W. Maihofer/H.-J. Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1994, § 10 Rn. 2 und 76.

C. Konkretisierung der den sozialen Bezug auslösenden Eigenschaften

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der Begriff der sozialen Funktion als „nur ein anderes Wort für die [. . .] Sozialpflicht des Eigentums“ angesehen wird.160 Auch wenn bspw. die Formulierung „[v]orausgesetzt ist hierbei, daß das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und einer sozialen Funktion steht“ 161 des Bundesverfassungsgerichts für das Erfordernis kumulativen Vorliegens der beiden Begriffe sprechen könnte, ist letztlich allein das Vorliegen des sozialen Bezugs für die Umsetzung des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG maßgeblich. Dies zeigt u. a. das Vorgehen des Bundesverfassungsgerichts in der Atomausstiegsentscheidung: Zwar wird bei Betrachtung der Befugnisweite des Gesetzgebers zur Inhalts- und Schrankenbestimmung die Bedeutung von sozialem Bezug und sozialer Funktion betont.162 Dennoch sorgen auch die für die Allgemeinheit negativen Eigenschaften der Atomkraftanlagen – namentlich die Belastung mit extremen Schadensfallrisiken und die nicht geklärte Endlagerproblematik, die keine soziale Funktion begründen können – für einen „intensiven sozialen Bezug“.163 Der soziale Bezug kann daher gerade auch dann vorliegen, wenn Eigenschaften von Eigentumsgegenständen zwar Auswirkungen auf die Gesellschaft haben, hierbei aber – insbesondere aufgrund von für die Allgemeinheit negativen Eigenschaften – nicht ausschließlich eine einen Mehrwert schaffende Funktion für diese besitzen. Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG beinhaltet ebenfalls keine Beschränkung auf das Allgemeinwohl fördernde Eigenschaften, da der Zustand der Allgemeinwohldienlichkeit des Eigentumsgebrauchs erst nach erfolgter Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums vorliegen muss. Die Offenheit des Begriffs des sozialen Bezugs auch gegenüber für die Allgemeinheit negativ wirkenden Eigentumsgegenständen ist zudem vor dem Hintergrund geboten, dass der durch den sozialen Bezug vergrößerte gesetzgeberische Gestaltungsspielraum bzw. die verstärkte Befugnis zur Inhalts- und Schrankenbestimmung164 insbesondere bei negativen Eigentumseigenschaften durch den Gesetzgeber mit Hilfe von regulierenden Vorschriften ausgefüllt werden muss.165 Ohne gesetzgeberische Intervention würde ein unbeschränkter Gebrauch von bspw. gefährlichen oder schädlichen Eigentumsobjekten dem Erfordernis der Allgemeinwohldienlichkeit der Eigentumsnutzung entgegenlaufen. Darüber hinaus ist die soziale Funktion des Eigentums abzugrenzen von der Funktion der Eigentumsgegenstände für den jeweiligen Eigentümer.166 Diese Ei160 C. Engel, Die soziale Funktion des Eigentums, in: T. von Danwitz/O. Depenheuer/ C. Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, 2002, S. 10 (20). 161 BVerfGE 37, 132 (140) (Hervorhebung durch den Verf.). 162 BVerfGE 143, 246 (341 f. Rn. 268). 163 BVerfGE 143, 246 (351 Rn. 297); eingehend hierzu S. 98 f. 164 Hierzu unten S. 109 ff. 165 Vgl. P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 103. 166 Hierzu P. Badura, Eigentum, in: E. Benda/W. Maihofer/H.-J. Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1994, § 10 Rn. 27.

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1. Kap.: Inhalt des sozialen Bezugs

gentumsfunktion gibt Auskunft darüber, inwieweit der Eigentumsgegenstand und damit das Eigentumsrecht geeignet sind, die Freiheitssicherung des Inhabers zu verwirklichen.167 Die Bezugnahme auf die Funktion des Eigentumsrechts für die Freiheitssicherung erfolgt zudem zur Bestimmung der für den Eigentümer sprechenden Belange im Angesicht einer Beschränkung seiner Rechte. Insoweit wird der Schutzgehalt des konkret betroffenen Eigentumsrechts bestimmt.168 Die Ermittlung der sozialen Funktion erfolgt hingegen im Hinblick auf eine „der Interessenbefriedigung irgendwelcher anderer Rechtssubjekte [dienende] Beschränkung des Eigentums“.169

III. Zwischenergebnis zur begrifflichen Betrachtung Die einzelnen Interpretationen der Begriffselemente des sozialen Bezugs haben ergeben, dass für den sozialen Bezug eine Verbindung der beim Gebrauch des Eigentumsobjektes auftretenden Eigenschaften zum Allgemeinwohl im Sinne einer Gesellschaftsbezogenheit bestehen muss. Besondere Bedeutung ist bei dieser Interpretation der ausdrücklichen Bezugnahme auf die Allgemeinheit in Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG und dem unterschiedlichen Einsatz des Sozial-Begriffs in der Eigentumsdogmatik zugekommen. Welche Gestalt die Eigentumseigenschaften für das Vorliegen des sozialen Bezugs haben müssen, konnte bei allein begrifflicher Betrachtung indes nicht festgestellt werden. Insbesondere wurde aufgezeigt, dass aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG keine Beschränkung auf Eigentumsgegenstände mit positiven Eigenschaften für die Allgemeinheit resultiert, da mit der anzustrebenden Allgemeinwohldienlichkeit des Eigentumsgebrauchs der Zeitpunkt nach dem gesetzgeberischen Handeln beschrieben wird. Daher kann an dieser Stelle auch festgestellt werden, dass ein Begriff genauer konturiert sein müsste als es beim sozialen Bezug der Fall ist, um sein Vorliegen im konkreten Fall anhand des alleinigen Hinweises auf nicht weiter spezifizierte Eigenschaften sowie die Funktion zu erkennen. Das weitere Ziel der Untersuchung ist daher, anhand der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum sozialen Bezug dessen Charakteristika anhand einer Definition aufzuzeigen. Hierbei ist von besonderem Interesse, inwieweit Allgemeinheit und Allgemeinwohl als Rezipienten des Eigentumsgegenstandes konkretisiert werden können sowie welche Qualität und Gestalt die Auswirkungen der Eigentumseigenschaften haben müssen, damit eine Verbindung zur Allgemeinheit entsteht. 167 Vgl. W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 83; zum Zusammenhang zwischen Eigentum und Freiheit auch W. Berg, JuS 2005, S. 961 (963) und unten S. 229 ff. 168 W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 80. 169 W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 83.

C. Konkretisierung der den sozialen Bezug auslösenden Eigenschaften

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IV. Auswertung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Der Begriff des sozialen Bezugs wird durch das Bundesverfassungsgericht in einer Vielzahl von Entscheidungen verwendet.170 Um die Inhaltsentwicklung des Begriffs nachvollziehen zu können, werden im Folgenden die Entscheidungen dargestellt, die jeweils eigenständige Begründungsansätze für das Vorliegen des sozialen Bezugs enthalten (S. 56 ff.). Hierbei werden die für das Gericht entscheidenden Argumentationsmerkmale herausgearbeitet, um abschließend eine Definition des sozialen Bezugs zu formulieren (S. 102 ff.). 1. Ermittlung der Begründung des sozialen Bezugs und des Verhältnisses zu Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG Der Inhalt des sozialen Bezugs wird im Folgenden anhand der Eigenschaften der Eigentumsgegenstände konkretisiert, die in den jeweiligen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts betrachtet werden. Im Rahmen der begrifflichen Betrachtung wurde die Allgemeinheit als maßgeblicher Rezipient der Auswirkungen der Eigenschaften der Eigentumsgegenstände gekennzeichnet. Daher steht bei der sich nun anschließenden Analyse insbesondere im Vordergrund mit welchen Eigenschaften und auf welchem Wege das Bundesverfassungsgericht das Vorliegen des sozialen Bezugs begründet.171 Mithin stellt sich die Frage, ab welchem Ausmaß einer Auswirkung des Eigentumsgegenstandes von einer Betroffenheit stellvertretend für die Allgemeinheit stehender Dritter durch den Eigentumsgebrauch gesprochen werden kann.172 Hierbei ist wiederum zu berücksichtigen, dass Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG zugleich die Allgemeinwohldienlichkeit des Gebrauchs von Eigentumsgegenständen vorgibt. Soweit der Gebrauch eines Eigentumsgegenstandes in die Sphäre der Allgemeinheit hineinwirkt, muss damit auch beurteilt werden, wie sich die Auswirkungen in die gesellschaftliche Sphäre zu den Vorgaben des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG verhalten. Schließlich konnte bereits festgestellt werden, dass mit dem sozialen Bezug diejenigen Eigenschaften von Eigentumsgegenständen gekennzeichnet werden sollen, die eine Umsetzung der Vorgabe aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG ermöglichen. Diese Eigenschaften der Eigentumsgegenstände können bezogen auf das Wohl der Allgemeinheit einerseits förderlich und andererseits schädlich sein. Der Gesetzgeber muss dann im Rah170 BVerfGE 21, 73; 31, 229; 36, 281; 37, 132; 38, 348; 42, 263; 49, 382; 50, 290; 52, 1; 53, 257; 58, 81; 58, 137; 68, 361; 70, 191; 71, 230; 79, 29; 79, 292; 87, 114; 95, 64; 100, 226; 101, 54; 102, 1; 112, 93; 116, 96; 143, 246 (324 f., Rn. 218 ff., 351 ff. Rn. 297 ff.) – teils bezieht sich das Bundesverfassungsgericht hierbei auch auf die soziale Funktion bzw. die soziale Bedeutung. 171 Vgl. auch W. Böhmer, NJW 1988, S. 2561 (2573): „Die Frage der Eigentumsbeschränkung stellt sich dann, wenn und soweit der Mensch mit seiner Sache in einer Beziehung zur Rechtsgemeinschaft steht.“ 172 Vgl. M. Graßhof, ZWE 2003, S. 33 (36).

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1. Kap.: Inhalt des sozialen Bezugs

men des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG berücksichtigen, ob er die positiven Auswirkungen des Eigentumsgebrauchs auch zukünftig sicherstellen oder den sich negativ auswirkenden Eigentumsgebrauch beschränken muss. 2. Fallgruppen anhand der regulierten Eigentumsgegenstände In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 14 GG stechen im Hinblick auf die Thematisierung des sozialen Bezugs die Eigentumsrechte bzw. -gegenstände Grund und Boden (S. 56 ff.), geistiges Eigentum (S. 63 ff.), Wohneigentum bzw. Mietwohnungen (S. 70 ff.), unternehmerisches Eigentum (S. 86 ff.), sozialversicherungsrechtliche Ansprüche (S. 92 f.), denkmalgeschütztes Eigentum (S. 93 ff.) und zuletzt das Eigentum an umweltgefährdenden Anlagen (S. 97 ff.) hervor. Der soziale Bezug ergibt sich zwar grundsätzlich aus den Eigenschaften von Eigentumsgegenständen.173 Bei geistigem Eigentum, Anteilseigentum sowie den sozialversicherungsrechtlichen Ansprüchen fehlt es indes jedenfalls an einem deckungsgleichen Eigentumsgegenstand,174 auf den das geschaffene Eigentumsrecht projiziert wird. Daher muss bei den genannten Eigentumsrechten bei Erörterung des sozialen Bezugs eine Orientierung am jeweiligen Eigentumsrecht selbst erfolgen. Im Folgenden wird der Inhalt des sozialen Bezugs anhand der genannten Fallgruppen konkretisiert. Hierbei wird in erster Linie auf die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts in den entsprechenden Entscheidungen, aber auch auf die Rezeption der Entscheidungen in der Literatur zurückgegriffen. a) Grund und Boden aa) Entscheidung zum Grundstücksverkehrsgesetz175 In der Atomausstiegsentscheidung nennt das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung zum Grundstücksverkehrsgesetz als erste Referenz für die Bezugnahme auf den vorher genannten sozialen Bezug.176 Der Entscheidung liegt der Sachverhalt zugrunde, dass die rechtsgeschäftliche Veräußerung eines forstwirtschaftlich genutzten Grundstücks mit Hinweis auf die ungesunde Verteilung des Grund und Bodens nicht die erforderliche behördliche Genehmigung erhalten hatte und diese Verwehrung der Genehmigung auch instanzgerichtlich bestätigt wurde.177 173 Vgl. H. Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, S. 126 bezugnehmend auf Eigentumsobjekte. 174 F. Leinemann, Die Sozialbindung des „Geistigen Eigentums“, S. 58. 175 BVerfGE 21, 73. 176 BVerfGE 143, 246 (324 Rn. 218). 177 Kritisch zu Verfügungssperren, da es insoweit nicht um den „Gebrauch“ des Grundstücks im Sinne des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG gehe W. Leisner, Das Eigentum zwi-

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Vor dem Hintergrund der Relevanz, die der Entscheidung durch die fortwährende Zitierung noch heute zukommt, ist zunächst zu konstatieren, dass der Begriff „sozialer Bezug“ in der Entscheidung gar nicht enthalten ist. Dennoch besteht eine Verknüpfung zum sozialen Bezug: Wie bereits dargestellt, kennzeichnet das Bundesverfassungsgericht anhand einer abstrakten Definition die Eigenart, Funktion oder Lage von Eigentumsgegenständen als entscheidend für das Vorliegen des sozialen Bezugs.178 Diese Vorgehensweise spiegelt sich – wie sogleich dargestellt wird – auch in der Entscheidung zum Grundstücksverkehrsgesetz wider. Zudem wurde schon aufgezeigt, dass der Begriff der sozialen Bedeutung synonym zum sozialen Bezug genutzt werden kann, da bei Vorliegen der für den sozialen Bezug erforderlichen Auswirkungen auf die Allgemeinheit auch gleichzeitig eine Bedeutung für diese gegeben ist.179 (1) Die gerichtliche Vorgehensweise: Feststellung der sozialen Bedeutung Die Eigenschaften von Grund und Boden sind aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts der maßgebliche Aspekt für die Begründung der Vereinbarkeit der im Grundstücksverkehrsgesetz enthaltenden Beschränkungen mit der Eigentumsgarantie. So sei der Boden „unvermehrbar und unentbehrlich“, sodass „seine Nutzung dem unübersehbaren Spiel der freien Kräfte und dem Belieben des Einzelnen“ nicht vollständig überlassen werden dürfe.180 Zudem könne der Grund und Boden „weder volkswirtschaftlich noch in seiner sozialen Bedeutung mit anderen Vermögenswerten ohne weiteres“ gleichgestellt und auch nicht „im Rechtsverkehr wie eine mobile Ware behandelt werden“.181 Diese Eigenschaften benennt schen privatem Nutzen und sozialer Bindung, in: J. Isensee (Hrsg.), Eigentum, 1996, S. 537 (543). 178 Vgl. nur BVerfGE 102, 1 (17) mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen. 179 Siehe hierzu oben S. 50 f. 180 BVerfGE 21, 73 (82 f.); hierzu H. Dederer, in: W. Kahl/C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 118. Akt. Dez. 2017, Art. 14 Rn. 893; kritisch O. Depenheuer/J. Froese, in: H. von Mangoldt/F. Klein/C. Starck u. a. (Hrsg.), Grundgesetz, 7. Aufl. 2018, Art. 14 Rn. 286; zu nicht vermehrbaren Umweltgütern auch U. Hösch, Freiheit und Eigentum, S. 182; daraus die Möglichkeit von strengeren Bindungen folgernd E. Schmidt-Aßmann/F. Schoch, Bergwerkseigentum und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren, S. 37; R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 384 f.; kritisch ebenfalls W. G. Leisner, Existenzsicherung im Öffentlichen Recht, S. 324; die Unvermehrbarkeit in Frage stellend W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/ P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 192. 181 BVerfGE 21, 73 (83); u. a. in BVerfGE 87, 114 (146) wird dieser Gedanke fortgesetzt, indem auf die fehlende Austauschbarkeit von Grundstücken für bestimmte Nutzungen und die daraus resultierende Folge hingewiesen wird, dass sich ein „im Hinblick auf die soziale Funktion des Grundstücks nicht angemessener Preis“ bilden könne; G. Leibholz/D. Lincke, DVBl. 1975, S. 933: „Daher begegnet das Grundeigentum [. . .] wegen seiner überragenden Bedeutung für die Allgemeinheit der größten ,Dichte‘ der Sozialpflichtigkeit.“

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1. Kap.: Inhalt des sozialen Bezugs

das Bundesverfassungsgericht, um das bei Grund und Boden konkrete und erhöhte Regelungsbedürfnis gerade im Vergleich zur Übertragbarkeit anderer Vermögensgüter aufzuzeigen, dem durch die Eigentumsbeschränkungen im Grundstücksverkehrsgesetz entsprochen wurde. Dieses festgestellte erhöhte Regelungsbedürfnis bzw. die besondere Bedeutung von Grund und Boden für die Allgemeinheit wird in unterschiedlichen Verfassungstexten anerkannt. So stellte die nordrhein-westfälische Landesverfassung im Jahr 1950 durch Art. 29 Abs. 1 die Vorgabe auf, die Verbindung weiter Volksschichten mit dem Grund und Boden anzustreben. Ebenso zeigt sich das Regelungsbedürfnis in Art. 15 GG182 in Verbindung mit Art. 74 Abs. 1 Nr. 15 GG sowie Art. 74 Abs. 1 Nr. 30 GG: Die genannten Normen erteilen dem (Bundes-) Gesetzgeber die Ermächtigung, einerseits Grund und Boden in Gemeineigentum zu überführen sowie andererseits eine „Bodenverteilung“ vorzunehmen, um hierbei eine „Agrarreform im Wege der Umverteilung von Grund und Boden unter Privaten“ 183 durchzuführen. Wenn das Grundgesetz derartig eingriffsintensive, den Boden betreffende Maßnahmen vorsieht, ist dem Gesetzgeber grundsätzlich auch in Fällen, die nicht auf Vergemeinschaftung des Eigentums oder eine Bodenreform abzielen, eine strenge Regulierung der Eigentümerbefugnisse vorbehalten. Die dieses Regelungsbedürfnis auslösende Unvermehrbarkeit184 des Bodens im Sinne der Erdoberfläche innerhalb des Hoheitsgebiets deutscher Staatsgewalt wird vom Bundesverfassungsgericht als bestehend vorausgesetzt.185 Den Hinweis auf die Eigenschaft der Unvermehrbarkeit des Bodens verstärkt das Bundesverfassungsgericht argumentativ anschließend durch die zusätzlich vorgenommene Feststellung, dass der Boden auch unentbehrlich sei. Die Endlichkeit einer Ressource ist schließlich erst dann von Relevanz, wenn der Nutzung dieser Ressource gleichzeitig auch besondere Bedeutung zukommt. Diese Bedeutung des Bodens lässt sich indes schon dadurch erkennen, dass dieser „mehr noch als die meisten anderen Eigentumssubstrate oder doch deutlicher als bei ihnen zu Konflikten führende zahlreiche Funktionen“ hat.186 Der Hinweis auf die Unentbehr182

Hierzu schon S. 29 f. F. Wittreck, in: H. Dreier, Grundgesetz-Kommentar, Bd. II, 3. Aufl. 2015, Art. 74 Rn. 145. 184 R. Scholz, NVwZ 1982, S. 337 (338); eingehend H. F. Zacher, VVDStRL 51, S. 304; aktuelle Relevanz entfaltet die Unvermehrbarkeit des Bodens im Rahmen von nach § 1a Abs. 2 S. 1 BauGB auf das notwendige Maß zu begrenzenden Versiegelungen. 185 Siehe auch G. Wenzel, Volkswirtschaftslehre – kurzgefaßt, S. 40, der darauf hinweist, dass der Produktionsfaktor Boden in den sehr entwickelten europäischen Ländern kaum mehr vermehrbar sei. Zusätzlicher Boden könne nur durch Eindeichungen und Moorkultivierungen gewonnen werden, wobei diese Möglichkeiten eng begrenzt seien. 186 F. Weyreuther, Die Situationsgebundenheit des Grundeigentums, S. 7; hierzu auch P. Badura, Eigentum, in: E. Benda/W. Maihofer/H.-J. Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1994, § 10 Rn. 75. 183

C. Konkretisierung der den sozialen Bezug auslösenden Eigenschaften

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lichkeit verdeutlicht zudem die Bedeutung des Bodens für die Allgemeinheit, die in ihrer Gesamtheit die Möglichkeit entbehren würde, den Boden als Lebensbereich bzw. Umwelt zu nutzen.187 Insoweit sieht das Bundesverfassungsgericht die genannten Merkmale als von der „sozialen Bedeutung“, die sich an diese Aussagen im nächsten Hauptsatz anschließt, mitumfasst. In der Entscheidung zum Grundstücksverkehrsgesetz wird daher die soziale Bedeutung von Grund und Boden aufgrund der Eigentumseigenschaften der Unvermehrbarkeit und Unentbehrlichkeit begründet. Diese beschriebene Vorgehensweise und entsprechende Identifizierung der Relevanz für das Allgemeinwohl entspricht auch der soeben einleitend in der Entscheidungsanalyse genannten abstrakten Definition des sozialen Bezugs in der Atomausstiegsentscheidung. In dieser sieht das Bundesverfassungsgericht unter anderem die „Eigenart“ der Eigentumsgegenstände als für das Vorliegen des sozialen Bezugs entscheidend an.188 Weiterhin kann trotz der fehlenden Nennung des sozialen Bezugs in den Entscheidungsgründen hinsichtlich der Bedeutung der Entscheidung zum Grundstücksverkehrsgesetz für dessen Entwicklung und Inhalt bereits Folgendes festgestellt werden: Es werden Eigenschaften189 des betroffenen Eigentumsobjektes angeführt, deren Relevanz für Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG die Zuordnung zum Oberbegriff „soziale Bedeutung“ unterstreicht. (2) Bezugspunkt der Verbindung zum Eigentumsgegenstand Eine Verbindung dieser Eigenschaften zur Allgemeinheit und damit auch zum Allgemeinwohl zeigt das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung zum Grundstücksverkehrsgesetz nicht ausdrücklich auf. Die Verbindung zur Allgemeinheit ist vielmehr darin zu sehen, dass die Entbehrungen, die aus der die soziale Bedeutung des Bodens begründenden Unentbehrlichkeit des Bodens und bei einer nicht mehr gewährleisteten Verfügbarkeit folgen würden, eines Bezugsobjektes bedürfen. Als dieses Bezugsobjekt kommt die Allgemeinheit dadurch in Betracht, dass im darauffolgenden Absatz der Entscheidung das auf die Allgemeinheit gerichtete Gebot aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG erwähnt wird.190 Weiterhin erfolgt ein Verweis auf die Genese des Grundgesetzes, bei der der Boden bereits als Eigentumsobjekt angesehen worden sei, das in besonderem Maße dem Wohl 187 Vgl. H. Rittstieg, in: R. Wassermann (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (AK), Bd. I, 2. Aufl., 1989, Art. 14 Rn. 94; zur Verbindung auch sogleich. 188 S. o. zu den Gemeinsamkeiten bei Betrachtung der Begriffe „Bezug und Bedeutung“, S. 50 f. 189 T. Kingreen/R. Poscher, Grundrechte Staatsrecht II, 37. Aufl. 2021, Rn. 1161 f. führen die Unvermehrbarkeit und Unentbehrlichkeit als Beispiel für eine zu beachtende Eigenart an. 190 BVerfGE 21, 73 (83).

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1. Kap.: Inhalt des sozialen Bezugs

der Allgemeinheit dienen solle.191 Auch insoweit bezieht sich das Bundesverfassungsgericht auf die Allgemeinheit als das maßgeblich von den Eigentumsauswirkungen betroffene Subjekt. Entscheidend für das Entstehen der Verbindung zwischen dem Eigentumsgegenstand Boden und der Allgemeinheit ist dann, dass die Allgemeinheit zur Wahrung des Allgemeinwohls die Nutzung dieser nur begrenzt vorhandenen Ressource nicht entbehren kann. Die Unentbehrlichkeit für die Allgemeinheit resultiert insbesondere daraus, dass die einzelnen von der Allgemeinheit umfassten Grundrechtsträger zur Freiheitsverwirklichung auch auf Grund und Boden zurückgreifen müssen.192 Entsprechend des Wortsinns stellt der Boden die Grundlage und das Fundament für die Ausübung menschlicher Verhaltensweisen und damit auch der Freiheitsausübung dar.193 Besonders deutlich wird dies im Hinblick auf das Grundrecht der Freizügigkeit aus Art. 11 Abs. 1 GG und die trotz notwendiger einfachgesetzlicher Ausgestaltung im Zusammenhang mit der Eigentumsgarantie stehende Baufreiheit.194 So erfordert die Möglichkeit einer Wohnsitzbegründung im Sinne des Art. 11 Abs. 1 GG195 ebenso wie die Ausübung der Baufreiheit durch die Errichtung eines Bauwerkes die grundsätzlich bestehende Verfügbarkeit von Grund und Boden. Auch im Rahmen von Kommunikationsgrundrechten wie der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 1. Var. GG sowie der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG kann der Zugriff auf fremdes Eigentum – und hierbei namentlich auf den Boden – entscheidend für die Verwirklichung der grundrechtlich geschützten Verhaltensweisen sein.196 Diese entscheidende Bedeutung folgt daraus, dass dem „zu öffentlichem Raum gemachten Eigentum [. . .]“ Kommunikationsfunktionen zukommen,197 wenn dieses einen Begegnungsort für Grundrechtsträger darstellt. Hinzu tritt bei der Ermittlung der Bedeutung des Bodens für die Allgemeinheit, dass das mit dem Grund und Boden gleichzusetzende „Staatsgebiet die Basis für die Wirksamkeit des Staates ist“.198 Letztlich ist die Eigenschaft des Bodens als bedeutsames Umweltgut anzuerken-

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BVerfGE 21, 73 (83). Vgl. M. Graßhof, ZWE 2003, S. 33 (36). 193 So auch W. Berg, JuS 2005, S. 961 (964). 194 Siehe zur Baufreiheit nur H.-J. Papier/F. Shirvani, in: G. Dürig/R. Herzog/ R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 83 April 2018, Art. 14 Rn. 164. 195 Hierzu W. Durner, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz, Stand: Lfg. 66 August 2021, Art. 11 Rn. 76; vgl. auch F. Weyreuther, Die Situationsgebundenheit des Grundeigentums, S. 7. 196 Vgl. BVerfG NJW 2015, S. 2485; siehe auch BVerfGE 128, 226. 197 A. Gornik, Die Bindung der Betreiber öffentlicher Räume an die Kommunikationsgrundrechte, S. 303. 198 W. Berg, JuS 2005, S. 961 (964); ders., VVDStRL 51, S. 46 (67); vgl. R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 385. 192

C. Konkretisierung der den sozialen Bezug auslösenden Eigenschaften

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nen, das entsprechend Art. 20a GG auch im Interesse der künftigen Generationen zu erhalten ist.199 Maßgeblich für das Entstehen der Verbindung zwischen Eigentumsgegenstand und Allgemeinheit ist damit das Bedürfnis der Allgemeinheit an der Teilhabe an Grund und Boden, die durch eine „ungesunde Bodenverteilung“ im Sinne des der Entscheidung zugrundeliegenden Grundstücksverkehrsgesetzes gefährdet würde. Dieses Bedürfnis der Allgemeinheit kann u. a. durch die Bezugnahme auf die vom Grundgesetz vorausgesetzte Möglichkeit der Freiheitsausübung durch die Grundrechtsträger anhand von einzelnen Freiheitsgrundrechten konkretisiert werden. Der Inhalt der sozialen Bedeutung ergibt sich damit vorliegend aus einer Kombination der Eigenschaften der Eigentumsgegenstände und gleichzeitig der Bedürfnisse des Bezugsobjekts Allgemeinheit. (3) Für das Wohl der Allgemeinheit förderliche Eigenschaften Die Einschätzung hinsichtlich der Unentbehrlichkeit des Bodens weist gleichzeitig auf die damit verbundene positive Eigenschaft für die Allgemeinheit hin, namentlich die Gewährung von Lebensbereich und Umwelt für die Bevölkerung. Diese positive Eigenschaft bedarf eines Schutzes vor „ungesunder Verteilung“ und ist angesichts der Unvermehrbarkeit des Bodens in besonderer Weise geboten. Um der Vorgabe des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG zu entsprechen, muss der Gesetzgeber daher bei der Eigentumsausgestaltung berücksichtigen, dass der Zugriff auf Grund und Boden durch die Eigentümer den identifizierten, für die Allgemeinheit förderlichen Eigenschaften nicht entgegenläuft. bb) Entscheidung zum Niedersächsischen Deichgesetz200 In der Entscheidung zum Niedersächsischen Deichgesetz überprüft das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit von Vorschriften, die die Beschränkung der Bebaubarkeit von Deichgrundstücken vorsehen. Maßgeblicher Eigentumsgegenstand ist daher wiederum der Grund und Boden. Die Entscheidung enthält insbesondere Anhaltspunkte für die Bewertung von Eigentumsgegenständen, obwohl sich die Begriffe soziale Bedeutung bzw. sozialer Bezug in ihr nicht wiederfinden. Indes wird der soziale Bezug von Grund und Boden indirekt hervorgehoben, indem das Bundesverfassungsgericht feststellt, dass „vor allem“ bei den Grund und Boden betreffenden Vorschriften das Wohl der Allgemeinheit beachtet werden müsse.201

199 200 201

Vgl. R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 385. BVerfGE 25, 112. BVerfGE 25, 112 (117).

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1. Kap.: Inhalt des sozialen Bezugs

Weiterhin unterstreicht das Bundesverfassungsgericht, dass „gesetzliche Eigentumsbindungen vom geregelten Sachbereich her geboten und in ihrer Ausgestaltung selbst sachgerecht sein“ müssen.202 Dass sich der Gesetzgeber bei einer Regelung am Sachbereich der einzuschränkenden Rechtsposition orientieren muss, stellt eine grundsätzliche Notwendigkeit dar, die sich nicht auf die Gesetzgebung im Kontext der Eigentumsgarantie beschränkt.203 Das in den folgenden Entscheidungen zu betrachtende Vorgehen, Teile eines Sachbereichs mit den Begriffen soziale Bedeutung und sozialer Bezug zu kennzeichnen, zeigt jedoch, dass das Bundesverfassungsgericht den insoweit hervorgehobenen Eigenschaften für die Eigentumsausgestaltung aufgrund ihrer Verbindung zur Allgemeinheit bzw. Gesellschaft besondere Relevanz beimisst. Soziale Bedeutung und sozialer Bezug lassen sich damit als spezielle Merkmale des jeweiligen Sachbereichs einordnen, der die gesetzlichen Eigentumsbindungen gebietet. Diese Kennzeichnung verdeutlicht mithin, dass der soziale Bezug vorwiegend aus dem betroffenen Sachbereich heraus ermittelt werden muss. Zudem ist er Ausdruck einer besonderen Relevanz für die Bewertung der Eigentumsausgestaltung durch das Bundesverfassungsgericht. Weiterhin zeigt sich in der Entscheidung eine zusätzliche mögliche Facette des Bedürfnisses der Allgemeinheit auf den Eigentumsgegenstand, aus dem sich die den sozialen Bezug kennzeichnende Verbindung zwischen Eigentümer und Gesellschaft ergibt. Die Deichgrundstücke als Grund und Boden werden hierbei nicht als Nutzungsgegenstände zur aktiven Freiheitsverwirklichung durch die Allgemeinheit betrachtet. Dies liegt zum einen daran, dass sie nur einen geringen Teil des Grund und Bodens im Hoheitsgebiet verkörpern. Zum anderen sollen sie von Dritten stellvertretend für die Allgemeinheit nicht in besonderer Form genutzt werden, sondern in ihrer derzeitigen unbebauten Form bestehen bleiben, um die Allgemeinheit vor Hochwassergefahren zu bewahren.204 Diese für die Allgemeinheit positive, hochwasserschützende Eigenschaft soll erhalten bleiben, um die Freiheitsverwirklichung von Grundrechtsträgern im Hinblick auf die aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und Art. 14 GG erwachsenden Rechte zu gewährleisten. Die Verbindung von Eigentümer und Allgemeinheit kann somit wiederum auf ein durch grundrechtliche Wertungen legitimiertes Bedürfnis gestützt werden. Die hinter den Bedürfnissen der Allgemeinheit stehenden Grundrechte kommen hierbei in ihrer objektiv-rechtlichen Funktion205 zum Tragen, insbesondere weil 202 BVerfGE 25, 112 (117 f.); kritisch hierzu W. Leisner, Sozialbindung des Eigentums, S. 154 ff. 203 So auch W. Leisner, Sozialbindung des Eigentums, S. 154 mit dem Hinweis darauf, dass „das Gebot der Sachgerechtigkeit auch nur eine sehr allgemeine Feststellung [darstellt], daß die Bestimmung der Sozialbindung nach dem Wesen des jeweils beschränkten Rechts zu erfolgen habe“. 204 BVerfGE 25, 112 (119). 205 Zur objektiv-rechtlichen Funktion der Grundrechte T. Kingreen/R. Poscher, Grundrechte Staatsrecht II, 37. Aufl. 2021, Rn. 121 ff.

C. Konkretisierung der den sozialen Bezug auslösenden Eigenschaften

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hinsichtlich des Hochwasserschutzes auch eine staatliche Schutzpflicht für die bereits genannten Grundrechte besteht.206 Dementsprechend kommt den unbebauten Deichgrundstücken sozialer Bezug zu, auch ohne dass das Bundesverfassungsgericht diesen ausdrücklich benennt. Letztlich ist die spezifische Hochwasserschutz-Funktion der Eigentumsgegenstände exemplarisch für die aus örtlicher Lage und Art der Nutzung folgende Möglichkeit einer unterschiedlich starken Ausprägung des sozialen Bezugs.207 b) Geistiges Eigentum208 aa) Schulbuchprivileg209 In der Entscheidung „Schulbuchprivileg“ wird die soziale Bedeutung von Urheberrechten im Zusammenhang mit der Frage thematisiert, ob es mit der Eigentumsgarantie vereinbar ist, dass die Aufnahme eines Werkes u. a. in eine Schulsammlung ohne die Zustimmung des Urhebers erfolgen kann und dieser hierfür auch keine Entschädigung erhält.210 Bei der Beurteilung dieser Frage weist das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber die Aufgabe zu, „im Rahmen der inhaltlichen Ausprägung des Urheberrechts nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG sachgerechte Maßstäbe festzulegen, die eine der Natur und der sozialen Bedeutung des Rechts entsprechende Nutzung und angemessene Verwertung sicherstellen“.211 (1) Hineintreten in den sozialen Raum Die für diese sachgerechten Maßstäbe entscheidende soziale Bedeutung der Urheberrechte zeigt sich aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts darin, dass „[m]it der Publikation [. . .] das geschützte Werk nicht nur dem Einzelnen zur Verfügung [steht], es tritt zugleich in den sozialen Raum und kann damit zu einem eigenständigen, das kulturelle und geistige Bild der Zeit mitbestimmenden

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S. Jablonski, Hochwasserschutzrecht, S. 68 ff. Vgl. H.-P. Ipsen, VVDStRL 10, S. 74 (95). 208 Zum Begriff des geistigen Eigentums C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 191 ff.; siehe zu den verfassungsrechtlichen Grenzen der Einschränkung von Urheberrechten R. Schwartmann/C. Hentsch, ZUM 2012, S. 759. 209 BVerfGE 31, 229. 210 In einer weiteren Entscheidung zum Urheberrecht im Kontext von Patentanmeldungen weist das Bundesverfassungsgericht darauf hin, dass der Gesetzgeber u. a. dessen sozialer Bedeutung gerecht werden müsse, BVerfGE 36, 281 (292). In den folgenden Ausführungen der Entscheidung erfolgt dann aber keine dezidierte Auseinandersetzung mit den Eigentumseigenschaften, die Rückschlüsse auf den Bedeutungsinhalt des sozialen Bezugs zuließen. 211 BVerfGE 31, 229 (241) (Hervorhebung durch den Verf.); eingehend zur Sachgerechtigkeit bei Art. 14 GG R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 384. 207

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1. Kap.: Inhalt des sozialen Bezugs

Faktor werden“.212 Durch diese Formulierung knüpft das Bundesverfassungsgericht an die erstmalige Erwähnung des sozialen Bezugs im Rahmen einer Entscheidung zur allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG an. Der dort gewählten räumlichen Betrachtung entspricht es, dass der soziale Bezug des Eigentums besteht, wenn das Verhalten des Rechtsinhabers nicht in der eigenen Sphäre verbleibt, sondern auch andere, vom eigenen Wirkbereich abzugrenzende Sphären betrifft.213 Als derartige andere und für die Eigentumsgarantie relevante Sphäre sieht das Bundesverfassungsgericht in der vorliegenden Entscheidung den sozialen Raum an. Mithin besitzen Publikationen – entsprechend ihrer Einordnung als „Mitteilungsgut“ 214 – die Eigenschaft, die gesellschaftliche Entwicklung „durch [ihre] kulturelle und geistige Wirkung“ 215 beeinflussen zu können, und stehen insoweit zu ihr in Verbindung. Daher wird bei geistigen Schöpfungen im Gegensatz zu Sachgütern auch die Tendenz erkannt, dass diese „zu einem Gemeingut werden“ und nicht zur dauerhaften Verteilung auf die Eigentümer bestimmt sind.216 Mithin entfernt sich das Werk aus dem Herrschaftsbereich des Urhebers und verselbstständigt sich.217 Gestützt wird diese Entwicklung auch auf eine stärkere Abhängigkeit der Urheberrechte vom „Kommunikations- und Wirtschaftssystem“.218 Als weiterer Begründungsansatz für den sozialen Bezug von geistigem Eigentum kann angeführt werden, dass schon dessen Schöpfungsprozess typischerweise nicht allein in der Sphäre des Eigentümers erfolgen kann, sondern „der jeweiligen Kultur- und Wissensgemeinschaft“ entspringt.219 Hierdurch entsteht vor der Veröffentlichung zwar noch keine Auswirkung auf die Gesellschaft, gleichwohl ist umgekehrt eine Auswirkung der Gesellschaft auf den Schöpfungsprozess spürbar.220 Daher steht geistiges Eigentum schon bei seiner Entstehung in einer gesellschaftlichen Verflochtenheit.

212 BVerfGE 31, 229 (242); H. Dederer, in: W. Kahl/C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 118. Akt. Dez. 2017, Art. 14 Rn. 889; vgl. R. Kreile, Die Sozialbindung des geistigen Eigentums, in: P. Badura/R. Scholz (Hrsg.), Wege und Verfahren des Verfassungslebens. Festschrift für Peter Lerche zum 65. Geburtstag, 1993, S. 251 (254). 213 Vgl. BVerfGE 6, 389 (433). 214 F. Leinemann, Die Sozialbindung des „Geistigen Eigentums“, S. 58. 215 P. Badura, Privatnützigkeit und Sozialbindung des geistigen Eigentums, in: A. Ohly/D. Klippel (Hrsg.), Geistiges Eigentum und Gemeinfreiheit, 2007, S. 45 (57). 216 P. Badura, Privatnützigkeit und Sozialbindung des geistigen Eigentums, in: A. Ohly/D. Klippel (Hrsg.), Geistiges Eigentum und Gemeinfreiheit, 2007, S. 45 (50). 217 F. Leinemann, Die Sozialbindung des „Geistigen Eigentums“, S. 61. 218 B. Grzeszick, ZUM 2007, S. 344 (346); F. Leinemann, Die Sozialbindung des „Geistigen Eigentums“, S. 60; C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 217. 219 C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 215 f. 220 Vgl. C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 217.

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Das Hineinwirken in die gesellschaftliche Sphäre als Teil der zur „geistigen Werkschöpfung [gehörenden] eigentümlichen Finalität“ 221 führt dann zu dem „bedeutsame[n]“ Interesse der Allgemeinheit sowie der sozialen Aufgabe, „daß die Jugend im Rahmen eines gegenwartsnahen Unterrichts mit dem Geistesschaffen vertraut gemacht wird“.222 Anhand dieser Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts kann auch der Unterschied zwischen den Begriffen sozialer Bezug und Sozialbindung223 nochmals verdeutlicht werden: Aufgrund der sozialen Bedeutung bzw. des sozialen Bezugs (Eigenschaften des Eigentums) der Publikationen wird zu Tage gebracht, dass der Gesetzgeber der Sozialbindung des Eigentums (Rechtliche Vorgabe aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG) entsprechen kann, indem er bestimmte Verwendungen vom Willen des Eigentümers unabhängig macht.224 Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass der Gebrauch des Eigentums durch den Rechtsinhaber in Form der Publikation, der Verfügung und der Verwertung auch dem Wohle der Allgemeinheit dient. Anders gewendet hätte im konkreten Fall die fehlende Einschränkung der Verfügungsbefugnis des Eigentümers zur Folge, dass insbesondere Schulen vermittelnswertes „Geistesschaffen“ einzeln in der jeweiligen Ursprungsfassung zusammentragen müssten. Dies würde das Wohl der Allgemeinheit in Gestalt der Weiterbildung der Jugend angesichts der Eigenschaft des betroffenen geistigen Eigentums als potenziell „das kulturelle und geistige Bild der Zeit mitbestimmenden Faktor“ 225 beeinträchtigen. Folglich kennzeichnen die soziale Bedeutung und der soziale Bezug Bereiche, in denen der Gesetzgeber tätig werden muss, da ansonsten – bei nicht reguliertem Freiheitsgebrauch – die Privatnützigkeit des Eigentums die Sozialbindung in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarem Ausmaß überwiegen würde. Maßgeblich für diese Kennzeichnung ist bei Urheberrechten das Vorliegen eines möglichen Einflusses bzw. einer Auswirkung auf die Gesellschaft, wofür wiederum die Veröffentlichung des Werkes entscheidend ist. Ob ein Werk nach der Veröffentlichung Einfluss auf die Gesellschaft hat, kann der Gesetzgeber nicht vorhersehen, sodass er in dem der Entscheidung zugrundeliegenden § 46 Abs. 1 S. 1 UrhG a. F. die Auswahl der Werke einschließlich der Beurteilung einer Auswirkung auf die Gesellschaft an die Ersteller entsprechender Sammlungen dele-

221 P. Badura, Privatnützigkeit und Sozialbindung des geistigen Eigentums, in: A. Ohly/D. Klippel (Hrsg.), Geistiges Eigentum und Gemeinfreiheit, 2007, S. 45 (50). 222 BVerfGE 31, 229 (242); vgl. auch R. Schwartmann/C. Hentsch, ZUM 2012, S. 759 (771), die hier eine Diskrepanz zwischen dem Stärkeren (Rechteinhaber) und den Schwächeren (der Allgemeinheit) erkennen. 223 Siehe hierzu schon oben S. 40 f. 224 Vgl. BVerfGE 31, 229 (244): „Dem Interesse der Allgemeinheit, Zugang zu den Kulturgütern zu haben, ist mit dem Ausschluß des Verbotsrechts in dem erörterten Umfang Genüge getan; dieser Ausschluß konkretisiert die soziale Bindung des Urheberrechts für den hier maßgeblichen Bereich.“ 225 BVerfGE 31, 229 (242).

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1. Kap.: Inhalt des sozialen Bezugs

giert hatte.226 Hierdurch konnte der aus der Veröffentlichung erwachsenden sozialen Bedeutung im jeweiligen Einzelfall Rechnung getragen werden. Abschließend ist festzustellen, dass die Veröffentlichung für den Urheber bereits durch die Möglichkeit, die gesellschaftliche Entwicklung zu beeinflussen, zu einer Gesellschaftsbezogenheit führt. Diese Verbindung zur Gesellschaft kann sich einhergehend mit der sozialen Bedeutung anschließend durch tatsächliche Einflussnahme auf das geistige Bild der Gesellschaft noch verstärken. Damit ist die mögliche Auswirkung auf die Gesellschaft, indem das kulturelle und geistige Bild der Zeit mitbestimmt wird, gleichzeitig als Kontaktbrücke und fördernde Eigenschaft für die Allgemeinheit anzusehen, die entsprechend im Wege des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG gesetzlich abgesichert werden muss. (2) Objektiv-rechtliche Grundrechtsgehalte Das Erfordernis der Sicherung des gesellschaftlichen Zugriffs auf die kulturellen Wirkungen des geistigen Eigentums kann durch folgende verfassungsrechtliche Wertungen untermauert werden: Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG enthält den objektiv-rechtlichen Gehalt einer „allgemeine[n] Förderpflicht des Staates für Kunst (und Kultur)“,227 die durch die Zugänglichmachung des geistigen Eigentums für die Allgemeinheit verwirklicht werden kann. Konkret bezogen auf die Aufnahme von urheberrechtlich geschützten Werken in eine Schulsammlung wird die Beziehung der Urheberrechte zur Allgemeinheit auch durch den staatlichen Auftrag zur Gewährleistung von Bildung aus Art. 7 Abs. 1 GG228 verdeutlicht. (3) Freiwillige Entscheidung des Eigentümers Weiterhin ist anzumerken, dass die Entstehung des sozialen Bezugs durch die Veröffentlichung auf einer willentlichen Entscheidung des Eigentümers beruht und diesem die aus der Gesellschaftsnähe folgende erleichterte Einschränkbarkeit229 daher zugerechnet werden kann.230 Jedenfalls im Hinblick auf zukünftige, der Nähe zur Allgemeinheit geschuldete Beschränkungen kann sich gegenüber 226 § 46 Abs. 1 S. 1 UrhG a. F. setzt voraus, dass die betroffene Sammlung „die Werke einer größeren Anzahl von Urhebern vereinigt und nach ihrer Beschaffenheit nur für den Kirchen-, Schul- oder Unterrichtsgebrauch bestimmt ist“. 227 F. Wittreck, in: H. Dreier, Grundgesetz-Kommentar, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 5 III (Kunst) Rn. 72 mit Verweis auf BVerfGE 36, 321 (331 ff.). 228 P. Badura, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 74 Mai 2015, Art. 7 Rn. 2. 229 Vgl. hierzu insbesondere die an das Vorliegen des sozialen Bezugs geknüpften Rechtsfolgen S. 109 ff. 230 So auch R. Körner, Denkmalschutz und Eigentumsschutz, S. 133 und bezogen auf kommunikationsgrundrechtlich aufgeladenenes Grundeigentum A. Gornik, Die Bindung der Betreiber öffentlicher Räume an die Kommunikationsgrundrechte, S. 304 f.; zur Verantwortung des Eigentümers für die Entstehung des sozialen Bezugs s. u. S. 276 ff.

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einem die Allgemeinheit nicht berührenden Eigentumsgebrauch nur in geringerem Ausmaß Vertrauen auf den Bestand des bestehenden Rechtskreises des Eigentümers bilden.231 Das Entstehen des sozialen Bezugs ist insoweit mit der Ausübung der aus der Privatnützigkeit des Eigentumsrechts folgenden Verfügungsbefugnis verknüpft und erfolgt dementsprechend freiwillig. Bedingt durch das Interesse des Eigentümers an der gesellschaftlichen Aufnahme eines Werkes232 darf der eigentumsrechtliche Schutz auch nicht dazu führen, dass der Zugriff durch die Allgemeinheit auf das geschützte Werk faktisch unmöglich wird.233 Dies folgt daraus, dass die Nutzung des geistigen Eigentums – insbesondere in Form der vom Rechtsinhaber angestrebten Rezeption234 – gerade durch die Zugangsermöglichung und nicht durch den Ausschluss von Dritten erfolgt.235 Insoweit besteht eine wechselseitige Angewiesenheit zwischen Urheber und der Allgemeinheit.236 bb) Kirchenmusik237 Im Kontext des Urheberrechts als Verkörperung des geistigen Eigentums nutzt das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung „Kirchenmusik“ neben dem Begriff der bereits thematisierten sozialen Bedeutung nunmehr ebenfalls den Terminus des sozialen Bezugs als Ausdruck dafür, dass ein Musikwerk „bestimmungsgemäß in den gesellschaftlichen Raum [tritt] und [. . .] damit zu einem eigenständigen, das kulturelle und geistige Bild der Zeit mitbestimmenden Faktor werden“ 238 kann. Auf die Veröffentlichung des Werkes kann dann „das legitime Interesse der Allgemeinheit, am musikalischen Geistesschaffen der Zeit teilzuhaben“ 239 folgen. Wie im Kontext des geistigen Eigentums soeben bereits ausgeführt wurde, erwächst die Gesellschaftsbezogenheit aus der Veröffentlichung des Werkes und der damit einhergehenden Möglichkeit, zu einem die Zeit mitbestimmenden Faktor zu werden. Verstärkt werden kann die Gesellschaftsbezogenheit dann dadurch, dass sich das Werk tatsächlich zu einem die Zeit mitbestimmenden Faktor entwickelt.240 231

S. u. S. 277. C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 215 ff. 233 Vgl. R. Kreile, Die Sozialbindung des geistigen Eigentums, in: P. Badura/ R. Scholz (Hrsg.), Wege und Verfahren des Verfassungslebens. Festschrift für Peter Lerche zum 65. Geburtstag, 1993, S. 251 (260). 234 C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 217. 235 F. Leinemann, Die Sozialbindung des „Geistigen Eigentums“, S. 58. 236 C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 215. 237 BVerfGE 49, 382. 238 BVerfGE 49, 382 (394); R. Kreile, Die Sozialbindung des geistigen Eigentums, in: P. Badura/R. Scholz (Hrsg.), Wege und Verfahren des Verfassungslebens. Festschrift für Peter Lerche zum 65. Geburtstag, 1993, S. 251 (258). 239 BVerfGE 49, 382 (395). 240 Exemplarisch zur Variabilität BVerfG NJW 1979, S. 2029 (2032): „Es sind Veranstaltungen denkbar, die einen so starken ,sozialen Bezug‘ haben, daß dem Urheber im 232

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1. Kap.: Inhalt des sozialen Bezugs

Das legitime Interesse der Allgemeinheit, am musikalischen Geistesschaffen der Zeit teilzuhaben241, entspricht gemäß Art. 2 Abs. 1 GG dem Recht auf Persönlichkeitsentfaltung und erlangt hierdurch grundrechtliche Bedeutung.242 Ein vergleichbares Gewicht kommt dem Recht „auf den möglichst freien Zugang zu Wissen und Information“ zu, das auf eine Zusammenschau aus „Kulturstaats-, Sozialstaats- und Gleichheitsprinzip“ gestützt wird.243 Daraus ergibt sich für Musikstücke umfassende Urheberrechte eine gegenüber Grund und Boden schwächere Ausprägung grundrechtlicher Betroffenheit bei Dritten, die die Allgemeinheit im Sinne des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG verkörpern. Auch wenn eine Hierarchie bzw. Gewichtung der einzelnen Grundrechte auf abstrakter Ebene vorwiegend abgelehnt wird und das Ausmaß der Betroffenheit des Grundrechtsträgers im Einzelfall für die verfassungsrechtliche Beurteilung entscheidend ist,244 entfaltet der Zugang zu Musikstücken grundsätzlich eine nur gering ausgeprägte freiheitliche Relevanz. Bezogen auf geistiges Eigentum im Allgemeinen ist eine derartige pauschale Wertung jedoch nicht möglich, da die Umsetzung innovativer veröffentlichter Ideen245 – bspw. im medizinischen Bereich oder bezogen auf klimaschützende Maßnahmen – eine herausragende Bedeutung für die Freiheitsverwirklichung der Gesellschaftsmitglieder haben kann.

Interesse der Allgemeinheit ein Verzicht auf einen Nutzungsausgleich zugemutet werden kann.“ 241 Vgl. auch C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 215 ff. 242 Vgl. hierzu die Überlegung, ein Recht auf Bildung auf Art. 2 Abs. 1 GG zu stützen: T. Pflüger/J. Heeg, ZUM 2008, S. 649 (653). 243 Vgl. T. Pflüger/J. Heeg, ZUM 2008, S. 649 (653); R. Kreile, Die Sozialbindung des geistigen Eigentums, in: P. Badura/R. Scholz (Hrsg.), Wege und Verfahren des Verfassungslebens. Festschrift für Peter Lerche zum 65. Geburtstag, 1993, S. 251 (262 f.) mit Hinweis auf den „kulturellen Auftrag, der dem geistigen Eigentum eigen ist.“; vgl. auch C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 218; weiterhin hierzu BVerfGE 148, 267 (284). 244 Vgl. S. Kluckert, JuS 2015, S. 116 (117); zur Ablehnung einer abgestuften Werthierarchie M. Sachs, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, 9. Aufl. 2021, Art. 20 Rn. 156; vgl. K. Stern, in: ders. (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/2, 1994, § 84 IV 6 S. 828; siehe zur Wertrangordnung auch C. Gusy, Parlamentarischer Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht, S. 61 ff.; R. Uerpmann, Das öffentliche Interesse, S. 296; vgl. G. F. Schuppert, Funktionell-rechtliche Grenzen der Verfassungsinterpretation, S. 42; eingehend und mit der Beleuchtung von Alternativansätzen D. Burchardt, Grenzen verfassungsgerichtlicher Erkenntnis, S. 202 ff.; J. Hellermann, Die sogenannte negative Seite der Freiheitsrechte, S. 103; F. Ossenbühl, DVBl. 1995, S. 904 (907); vgl. aber auch mit einer Differenzierung ausgehend von den sog. „preferred freedoms“ M. Kriele, Grundrechte und demokratischer Gestaltungsraum, in: J. Isensee/ P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, § 188 Rn. 52 ff. 245 Vgl. C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 258.

C. Konkretisierung der den sozialen Bezug auslösenden Eigenschaften

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cc) Pflichtexemplarentscheidung246 Aus den bislang betrachteten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Urheberrecht247 wurde hergeleitet, dass der soziale Bezug aus der durch die Veröffentlichung entstehenden Möglichkeit folgt, für die Gesellschaft zu einem die Zeit mitbestimmenden Faktor zu werden, und sich durch die tatsächliche Einflussnahme noch verstärken kann. Diesem Grundsatz entsprechen die Ausführungen in der Pflichtexemplarentscheidung, wonach „künstlerisch, wissenschaftlich oder literarisch herausragend wertvollen [. . .] Druckwerken im Blick auf Art. 14 Abs. 2 GG“ eine „besondere soziale Bedeutung“ zukomme.248 Insoweit besteht angesichts der besonderen Qualität der Druckwerke eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass eine tatsächliche Einflussnahme auf die Gesellschaft erfolgt. Mithin bestätigt die Entscheidung, dass sich das Ausmaß des sozialen Bezugs bzw. der sozialen Bedeutung insbesondere aus dem Grad der konkreten Auswirkung auf die Gesellschaft ergibt. dd) Sendung von Musikwerken in Vollzugsanstalten249 Weiterhin zeigt das Bundesverfassungsgericht anhand der Situation von Insassen in Vollzugsanstalten auf, wie sich der soziale Bezug des Urheberrechts an einem Musikwerk zusätzlich zur Veröffentlichung und der möglichen Einflussnahme auf die Gesellschaft insgesamt250 verstärken kann. Vor dem Hintergrund der „Gefahr der Isolation, des Verlernens autonomer Lebenstechniken und der geistigen Verarmung“ sei der Musikgenuss geeignet, „die durch den Freiheitsentzug hervorgerufenen inneren Spannungen abzubauen und das seelische Gleichgewicht zu festigen“.251 Musiksendungen „stellen zugleich ein wichtiges akustisches Bindeglied zur Welt außerhalb der Strafvollzugsanstalt dar und erleichtern dem Gefangenen, nach der Entlassung ,mitreden‘ zu können“.252 Dementsprechend bestehe eine hohe Bedeutung für die „psychische Gesundheit“ der Gefangenen.253 Bei der Personengruppe der Gefängnisinsassen begründen die aufge246 BVerfGE 58, 137; hierzu auch P. Badura, Privatnützigkeit und Sozialbindung des geistigen Eigentums, in: A. Ohly/D. Klippel (Hrsg.), Geistiges Eigentum und Gemeinfreiheit, 2007, S. 50. 247 BVerfGE 31, 229; 49, 382. 248 BVerfGE 58, 137 (149 f.); vgl. M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, S. 215. 249 BVerfGE 79, 29; kritisch R. Kreile, Die Sozialbindung des geistigen Eigentums, in: P. Badura/R. Scholz (Hrsg.), Wege und Verfahren des Verfassungslebens. Festschrift für Peter Lerche zum 65. Geburtstag, 1993, S. 251 (265). 250 Vgl. BVerfGE 31, 229 (242); 49, 382 (394). 251 BVerfGE 79, 29 (42 f.). 252 BVerfGE 79, 29 (43). 253 BVerfGE 79, 29 (42); vgl. F. Leinemann, Die Sozialbindung des „Geistigen Eigentums“, S. 108.

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1. Kap.: Inhalt des sozialen Bezugs

führten Eigenschaften daher eine erhöhte Angewiesenheit auf die Musikwerke als Bezugsobjekte des Urheberrechts, sodass das Bundesverfassungsgericht neben dem sogleich zu betrachtenden Wohnraum eine weitere Facette für die Kategorie der Angewiesenheit erkennt.254 Durch die Relevanz für die psychische Gesundheit wird der soziale Bezug weiterhin durch die Wertung des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG verstärkt, dessen Recht auf körperliche Unversehrtheit auch die psychische Gesundheit erfasst.255 c) Wohneigentum Im Folgenden wird der soziale Bezug von Wohneigentum betrachtet. Zwar sind die sich auf einem Grundstück befindenden Gebäude nach den §§ 93, 94 BGB grundsätzlich als Teil des Grundeigentums anzusehen, sodass verfassungsrechtlich insoweit kein vom Grundstück unabhängiges Wohneigentum besteht.256 Indes hat der Gesetzgeber durch § 1 Abs. 2 WEG die Möglichkeit der Begründung von Sondereigentum an Wohnungen geschaffen. Dementsprechend ist das Wohneigentum je nach Gebäudeart und Aufteilung selbst vom Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG erfasst.257 Unabhängig von dieser Einordnung ist festzuhalten, dass das Bundesverfassungsgericht für den Inhalt des sozialen Bezugs prägende Feststellungen vor dem Hintergrund von Wohneigentum getroffen hat, sodass eine eigenständige Betrachtung angezeigt ist. aa) Vergleichsmiete I258 In der Entscheidung „Vergleichsmiete I“ nutzt das Bundesverfassungsgericht bei der Überprüfung des den Vermieter beschränkenden Mietraumkündigungsschutzgesetzes erstmalig den Begriff des sozialen Bezugs im Kontext der Eigentumsgarantie. So ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts Voraussetzung für die Allgemeinwohldienlichkeit des Eigentumsgebrauchs, „daß das Ei254 R. Kreile, Die Sozialbindung des geistigen Eigentums, in: P. Badura/R. Scholz (Hrsg.), Wege und Verfahren des Verfassungslebens. Festschrift für Peter Lerche zum 65. Geburtstag, 1993, S. 251 (265) weist indes darauf hin, dass es nicht um die Rücksichtnahme auf die Gefangenen, sondern fiskalische Belange gehe. 255 H. Lang, in: V. Epping/C. Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar Grundgesetz, Stand: 49. Ed. 15. Nov. 2021, Art. 2 Rn. 62. 256 W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 191; zum Eigentumsrecht des Mieters BVerfGE 89, 1 (5 ff.). 257 F. Shirvani, DÖV 2014, S. 173 (175); J. Froese, Wohnungseigentum zwischen individualgrundrechtlicher Gewährleistung und kollektiver Einbindung, S. 14 f.; C. KreuterKirchhof, Der rechtliche Status des Wohneigentums, in: M. Voigtländer/O. Depenheuer (Hrsg.), Wohneigentum, 2014, S. 97 (102); J. Wieland, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 14 Rn. 49; vgl. O. Depenheuer/J. Froese, in: H. von Mangoldt/F. Klein/C. Starck u. a. (Hrsg.), Grundgesetz, 7. Aufl. 2018, Art. 14 Rn. 116. 258 BVerfGE 37, 132.

C. Konkretisierung der den sozialen Bezug auslösenden Eigenschaften

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gentumsobjekt in einem sozialen Bezug und in einer sozialen Funktion steht“.259 Losgelöst von dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt bestimmt das Bundesverfassungsgericht mit dieser Aussage die Verbindung des sozialen Bezugs und der Sozialbindung bzw. -pflichtigkeit aus Art. 14 Abs. 2 GG: Nur wenn ein sozialer Bezug vorliegt, kann auch der Vorgabe der Allgemeinwohldienlichkeit des Eigentumsgebrauchs entsprochen werden.260 Weiterhin wird die Bezugnahme des Bundesverfassungsgerichts auf die tatsächlichen Umstände verdeutlicht, indem es das Eigentumsobjekt und nicht das Eigentumsrecht als Anknüpfungspunkt für den sozialen Bezug wählt.261 (1) Kriterium der Angewiesenheit262 Der Einordnung des sozialen Bezugs als Grundlage für die Sozialbindung lässt das Bundesverfassungsgericht die Erläuterung folgen, dass „[d]ieses Postulat einer am Gemeinwohl orientierten Nutzung auch das Gebot der Rücksichtnahme auf die Belange des einzelnen Rechtsgenossen [umfasst], der auf die Nutzung des Eigentumsobjektes angewiesen ist“.263 Die Angewiesenheit anderer Rechtsgenossen wird vom Bundesverfassungsgericht daher als eine Kategorie für das Vorliegen des sozialen Bezugs angesehen, aus der entsprechend der Sozialbindung des Art. 14 Abs. 2 GG die gesetzgeberische Pflicht folgt, bei der Eigentumsausgestaltung Rücksichtnahmepflichten des Eigentümers bezogen auf andere Rechtsträger zu normieren.264 Insoweit kommt dem Mieter als Nichteigentümer „eine Art Reflexwirkung der Sozialbindung des Eigentums zugute“.265 259

BVerfGE 37, 132 (140). Vgl. C. Sellmann, NVwZ 2003, S. 1417 (1419); so im Ergebnis auch W. Leisner, Das Eigentum zwischen privatem Nutzen und sozialer Bindung, in: J. Isensee (Hrsg.), Eigentum, 1996, S. 537 (542). 261 Zu der Differenzierung zwischen tatsächlichen Umständen und rechtlichen Vorgaben im Rahmen der Abgrenzung von sozialem Bezug und Sozialbindung s. o. S. 40 f. 262 Zur Angewiesenheit auch H. Dederer, in: W. Kahl/C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 118. Akt. Dez. 2017, Art. 14 Rn. 884; U. Hösch, Eigentum und Freiheit, S. 179 und 190 f.; kritisch O. Depenheuer/J. Froese, in: H. von Mangoldt/F. Klein/C. Starck u. a. (Hrsg.), Grundgesetz, 7. Aufl. 2018, Art. 14 Rn. 284 und M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 156; ebenfalls kritisch W. G. Leisner, Existenzsicherung im Öffentlichen Recht, S. 324 und J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 445 f. 263 BVerfGE 37, 132 (140); hierzu wiederum kritisch M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 156, da der Begriff angesichts der Vielzahl möglicher Gründe für eine Eigentumsbeschränkung zu eng sei und darüber hinaus im Sinne einer sich unmittelbar an den Eigentümer richtenden Wirkung des Art. 14 Abs. 2 GG missverstanden werden könne; W. Leisner, Das Eigentum zwischen privatem Nutzen und sozialer Bindung, in: J. Isensee (Hrsg.), Eigentum, 1996, S. 537 (542); kritisch auch J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 445 f.; T. Weigelt, Die wachsende Stadt als Herausforderung für das Recht, S. 65 f. 264 Vgl. BVerfGE 37, 132 (140): „Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, dieses Gebot auch im Rahmen privatrechtlicher Normierungen nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zu verwirklichen.“ Mithin löst das Gebot der Rücksichtnahme nicht den sozialen Bezug aus, 260

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1. Kap.: Inhalt des sozialen Bezugs

Das vom Bundesverfassungsgericht aus Art. 14 Abs. 2 GG hergeleitete266 Gebot der Rücksichtnahme267 ist als Konsequenz der „Entscheidung“ des Grundgesetzes für die Gemeinschaftsgebundenheit des Einzelnen anzusehen.268 Diese Gemeinschaftsgebundenheit erfordert hinausgehend über ein bloßes Nebeneinander, dass Interessen von prinzipiell „gleichrangigen Rechtsträgern untereinander auszugleichen“ sind.269 Indes kann Art. 14 Abs. 2 GG lediglich die Grundidee einer durch gegenseitige Rücksichtnahme geprägten Gesellschaft der Grundrechtsträger beinhalten, da die Norm gegenüber den Eigentümern gerade keine unmittelbar wirkenden Pflichten konstituiert.270 Die Wahl des Kriteriums der Angewiesenheit verdeutlicht zudem, dass nach dem Verständnis des Bundesverfassungsgerichts kein aktives Verhalten des Eigentümers vorliegen muss, um in die gesellschaftliche Sphäre hineinzuwirken: Schon die Inhaberschaft des als Wohnraum in Betracht kommenden Eigentums lässt – vergleichbar zur Eigentümerstellung am unvermehrbaren und unentbehrlichen Grund und Boden – angesichts von dessen Bedeutung für die Allgemeinheit eine Verbindung zu dieser entstehen. F. Becker sieht das Kriterium der Angewiesenheit in der „essential facilities doctrine“ begründet.271 Diese dem nordamerikanischen Wettbewerbsrecht entstammende Formel zur Behandlung des Zugangs zu wesentlichen Einrichtungen272 beinhaltet folgende Voraussetzungen: „(i.) Ein Monopolist besitzt eine wesentliche Einrichtung, (ii.) ein Konkurrent kann diese vernünftigerweise nicht duplizieren, (iii.) der Monopolist verweigert dem Konkurrenten den Zugang zu dieser Einrichtung und (iv.) die Bereitstellung der Einrichtung ist möglich.“ 273 sondern ist die vorgesehene Reaktion auf diesen; zur Herleitung der Rücksichtnahmepflichten aus Art. 14 Abs. 2 GG U. Battis, DVBl. 1978, S. 577 (581); kritisch G. Roellecke, NJW 1992, S. 1649 (1651). 265 G. Roellecke, NJW 1992, S. 1649 (1651). 266 Vgl. auch U. Battis, DVBl. 1978, S. 577 (581); differenzierend mit einem engen Verständnis der Sozialpflichtigkeit J. Müller, NJW 1979, S. 2378 (2379). 267 Zur Einordnung des Gebots der Rücksichtnahme als „allgemeingültiges Rechtsprinzip im öffentlichen Recht“ H. Dürr, NVwZ 1985, S. 719 (722); E. Stein, Lehrbuch des Staatsrechts, 2. Aufl. 1971, S. 173. 268 S. o. S. 42. 269 J. Müller, NJW 1979, S. 2378 (2379). 270 S. o. S. 37 ff.; so auch M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 156. 271 F. Becker, in: K. Stern/ders. (Hrsg.), Grundrechte-Kommentar, 3. Aufl. 2019, Art. 14 Rn. 186; M. Herdegen, Garantie von Eigentum und Erbrecht, in: P. Badura/ H. Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht. Bd. II, 2001, S. 273 (289 f.) zur Bedeutung der „essential facilities doctrine“ beim Zugang zu wesentlichen Einrichtungen der Infrastruktur. 272 C. Theobald/C. Nill-Theobald, Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts, 3. Aufl. 2013, S. 31. 273 H. Schröder/U. Bartl, in: H. von der Groeben/J. Schwarze/A. Hatje, Europäisches Unionsrecht 7. Aufl. 2015, Bd. II, Art. 102 AEUV Rn. 284; zum sozialen Bezug von Monopolisten H.-J. Papier, BB 1997, S. 1213 (1215 f.).

C. Konkretisierung der den sozialen Bezug auslösenden Eigenschaften

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Vermieden werden solle, dass der Inhaber der „essential facility“ durch Geschäftsverweigerung seine Monopolmacht auf einen weiteren Markt überträgt.274 Zwar stellt insbesondere die Mietwohnung eine wesentliche Einrichtung für den Nichteigentümer dar, zu der diesem der Zugang – etwa mangels Bereitschaft zum Abschluss eines Mietvertrags – jedenfalls erschwert wird. Jedoch soll mit einer dem sozialen Bezug Rechnung tragenden gesetzlichen Beschränkung primär das konkrete Spannungsverhältnis zwischen Eigentümern und Dritten aufgelöst und nicht einer Angewiesenheit in weiteren Lebensbereichen vorgebeugt werden. Somit bestehen zwar angesichts der Verfügungsmöglichkeit der Eigentümer über den für die Mieter wesentlichen Wohnraum vergleichbare Elemente zwischen dem sozialen Bezug und den für die „essential facilities doctrine“ relevanten Konstellationen. Die Verortung der Herkunft der Kategorie der Angewiesenheit in der „essential facilities doctrine“ lässt sich den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts jedoch nicht entnehmen. Die Angewiesenheit als Unterfall des sozialen Bezugs entstammt vielmehr der bundesverfassungsgerichtlichen Interpretation der Eigentumsgarantie und liegt damit in Art. 14 GG selbst begründet. Bezogen auf die Rezipienten des Eigentumsgegenstandes genügt beim Kriterium der Angewiesenheit für die Gesellschaftsbezogenheit nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts bereits die Betroffenheit eines einzelnen „Rechtsgenosse[n]“, sodass insoweit eine Individualisierung des Allgemeinwohls vorliegt. Die Verkörperung des Allgemeinwohls durch einzelne Grundrechtsträger ist auch schon bei der Interpretation des Sozial-Begriffs durch W. Leisner angeklungen.275 Insoweit macht sich die Allgemeinheit als „Verband [. . .] die Belange seiner Mitglieder zu eigen“.276 Ferner ist zu bedenken, dass auch eine Enteignung zugunsten Privater gemäß Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG dem Wohle der Allgemeinheit entsprechen kann, wenn die Enteignung unmittelbar die allgemeinwohldienliche Tätigkeit des Privaten fördert.277 Auch Einzelne kommen daher zur Verkörperung des Allgemeinwohls in Betracht.278 274 Vgl. A. Fuchs, in: U. Immenga/E.-J. Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Bd. I: EU. Kommentar zum Europäischen Kartellrecht, 6. Aufl. 2019, Art. 102 Rn. 331. 275 S. o. S. 43 f.; dagegen G. Roellecke, NJW 1992, S. 1649 (1652): „Die Identifikation der Mieter mit dem Gemeinwohl ist parteiisch, weil sie den Mieter im Streit mit dem Vermieter von vornherein bevorzugt.“ 276 J. Isensee, Gemeinwohl im Verfassungsstaat, in: ders./P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV, 3. Aufl. 2006, § 71, S. 20 Rn. 37. 277 Vgl. BVerfGE 74, 264 (284 f.); J. Isensee, Gemeinwohl im Verfassungsstaat, in: ders./P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV, 3. Aufl. 2006, § 71, S. 20 Rn. 37. 278 Insoweit zu eng W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 183, der auf die Allgemeinheit insgesamt abstellt.

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1. Kap.: Inhalt des sozialen Bezugs

Die Regelungen des der Entscheidung zugrundeliegenden Wohnraumkündigungsschutzgesetzes erfassen zudem alle Eigentümer von Wohnraum in der (potenziellen) Rolle als Vermieter. Daraus folgt, dass losgelöst vom einzelnen Rechtsträger gleichzeitig das – in besonderer Weise durch die Nichteigentümer verkörperte279 – gesamtgesellschaftliche Interesse an Zugang zu Wohnraum in Rede steht.280 Darüber hinaus stellt sich die Frage, ab wann das Vorliegen der Angewiesenheit im Sinne der erforderlichen gesellschaftlichen Verbindung bejaht werden kann. Innerhalb der vorwiegend abstrakten Ausführungen zur Eigentumsgarantie281 erfolgt in der Entscheidung keine Spezifizierung der Voraussetzungen des Angewiesenheits-Begriffs.282 Konkret bezogen auf die Eigenschaften der Mietwohnungen als betroffene Eigentumsobjekte weist das Bundesverfassungsgericht hingegen auf die „hohe Bedeutung, die der Wohnung für den Einzelnen und die Familie zukommt“, hin.283 Für die Bestimmung der Angewiesenheit sind daher die Bedürfnisse der insoweit aus der Allgemeinheit herausragenden Rechtsträger zu betrachten. Als mögliche Bestimmungsfaktoren werden in diesem Zuge „das Außmaß der Wohnungsnot sowie die wirtschaftliche und persönliche Lage des Mieters“ genannt.284 Hierbei spricht der Rekurs auf die hohe Bedeutung der Mietwohnungen für die Existenz einer für das Vorliegen der Angewiesenheit zu überschreitenden Erheblichkeitsschwelle. Diese Schwelle dürfte nicht überschritten sein, wenn für Mieter lediglich die bloße Präferenz zwischen verschiedenen Wohnmöglichkeiten beim Zugang zu Wohnraum in Rede steht.285 Für die Annahme einer grundsätzlich bestehenden Angewiesenheit der Nichteigentümer auf das Wohneigentum spricht indes, dass innerhalb des Wohneigentums höchstpersönliche Freiheit verwirklicht wird.286 Auf Seiten der Allgemeinheit besteht insoweit ein gewichtiges Anliegen, für dessen Verwirklichung ohne

279 280

Vgl. H.-J. Papier, BB 1997, S. 1213 (1215). Vgl. auch T. Weigelt, Die wachsende Stadt als Herausforderung für das Recht,

S. 66. 281

Zu dieser Vorgehensweise des Bundesverfassungsgerichts s. u. S. 121 f. Vgl. BVerfGE 37, 132 (139 f.). 283 BVerfGE 37, 132 (141). Darüber hinaus wird vom Bundesverfassungsgericht noch „die soziale Bedeutung der Wohnung für die hierauf angewiesenen Menschen“ genannt, ohne allerdings dies durch zusätzliche Eigenschaften zu begründen, BVerfGE 37, 132 (142); vgl. H. Rittstieg, Eigentum als Verfassungsproblem, S. 324 ff. 284 H.-L. Graf, NJW 1976, S. 1480 f. 285 Vgl. A. Blankennagel/R. Schröder/W. Spoerr, NZM 2015, S. 1 (19); weitergehend W. G. Leisner, Existenzsicherung im Öffentlichen Recht, S. 324, der die überzeugende Begründung einer „wahrhaft existenziellen Lage“ fordert. Eine „allgemeine Berufung auf ,irgendeinen Bedarf‘“ könne hingegen nicht ausreichen. 286 Vgl. C. Kreuter-Kirchhof, Der rechtliche Status des Wohneigentums, in: M. Voigtländer/O. Depenheuer (Hrsg.), Wohneigentum, 2014, S. 97 (108); F. Henschel, NJW 1989, S. 937 (938). 282

C. Konkretisierung der den sozialen Bezug auslösenden Eigenschaften

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eigenes Wohneigentum zwangsläufig auf fremdes Eigentum zurückgegriffen werden muss. Einzig der Erwerb eigenen Wohneigentums stellt eine Alternative zum Zugriff auf fremdes Eigentum zum Zwecke des Wohnens dar. Insbesondere in Zeiten hoher Immobilienpreise ist diese Alternative für weite Teile der Bevölkerung jedoch wirtschaftlich nicht realisier- und damit auch nicht zumutbar. Die aus dieser Alternativlosigkeit resultierende Angewiesenheit der Nichteigentümer auf fremdes Eigentum lässt dann aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts eine Verbindung der Allgemeinheit zu den Eigentumsgegenständen entstehen. Aus dem Vorliegen der Angewiesenheit folgt wiederum der soziale Bezug des Wohneigentums. Bei der generellen Bestimmung des Verhältnisses der Allgemeinheit zum Mietwohnraum ist weiterhin zu berücksichtigen, dass Parameter wie die wirtschaftliche Lage oder das Ausmaß der Wohnungsnot zum Teil von regionalen Unterschieden geprägt sind und daher regelmäßig keine bundeseinheitlichen Verhältnisse bestehen. Es ist dem Bundesgesetzgeber jedoch unbenommen, im Rahmen von Gesetzen, die auf die Angewiesenheit großer Bevölkerungsgruppen reagieren, die Möglichkeit zur Berücksichtigung von Einzelfällen vorzusehen, in denen der soziale Bezug etwa aufgrund der persönlichen Verhältnisse besonders stark ausgeprägt ist. Als aktuelles Beispiel ist hier § 556d BGB zu nennen, der in Gebieten „mit angespannten Wohnungsmärkten“ den Erlass einer sog. Mietpreisbremse ermöglicht.287 (2) Zwischenergebnis Zusammen mit der erstmaligen Erwähnung des sozialen Bezugs zeichnet das Bundesverfassungsgericht mit der Angewiesenheit eine Unterkategorie für den Begriff des sozialen Bezugs nach, um die notwendige Verbindung der Eigentumsgegenstände zur Gesellschaft zu verdeutlichen. Die hohe Bedeutung, die Wohnungen für die Mieter und deren Familie zukommt, nennt die Entscheidung als maßgeblichen Faktor, um das Vorliegen der Angewiesenheit auf das fremde Eigentum zu begründen. Hierbei zeigt das Kriterium der Angewiesenheit, dass sich der soziale Bezug bei Wohneigentum aus für die Allgemeinheit positiven Eigenschaften des Gebrauchs des Eigentumsobjektes ergibt. Zudem ist nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts der soziale Bezug konstitutiv dafür, dass eine der Sozialbindung aus Art. 14 Abs. 2 GG entsprechende Regelung getroffen werden kann.288 Letztlich ist zu berücksichtigen, dass die stärksten Beschränkungen für den Eigentümer – wie in der vorliegenden Entscheidung die Begrenzung der Mietpreise bei laufenden Mietverhältnissen – nur dann in Betracht kommen, wenn dieser einen Mietvertrag abschließt und hierdurch sein Eigentum gegenüber 287

Siehe hierzu sogleich S. 84 f. Vgl. BVerfGE 37, 132 (140): „Vorausgesetzt ist hierbei, dass das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und in einer sozialen Funktion steht.“ 288

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1. Kap.: Inhalt des sozialen Bezugs

der Allgemeinheit öffnet.289 Obgleich die Allgemeinheit unabhängig von der konkreten Nutzung des Wohneigentums auf dieses angewiesen ist, steht dem Eigentümer grundsätzlich die Entscheidung darüber zu, „welche Wohnungen aus seinem Immobilienbestand“ für eine Vermietung zur Verfügung stehen290 und wann sein Eigentum – durch die Freigabe als Mietwohnung – den stärksten sozialen Bezug innehat.291 Vergleichbar zum geistigen Eigentum folgt die Entstehung einer stärkeren Ausprägung des sozialen Bezugs damit aus einer freien Entscheidung des Eigentümers. bb) Zweckentfremdung von Wohnraum292 In einer weiteren Entscheidung zu Mietwohnungen überprüft das Bundesverfassungsgericht eine den Landesregierungen eingeräumte Ermächtigung zur Verhängung eines Zweckentfremdungsverbots von Wohnraum auf die Vereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie. Hierbei geht es erneut auf die Angewiesenheit als Fallgruppe des sozialen Bezugs ein. Anders noch als in der vorhergehenden Entscheidung hebt das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich hervor, dass „[d]ieses Angewiesensein [. . .] einen sozialen Bezug und eine besondere soziale Funktion dieser Eigentumsgegenstände“ begründet.293 Weiterhin belegt das Bundesverfassungsgericht die „unausweichlich[e]“ Angewiesenheit auf die Eigentumsgegenstände dadurch, dass der Wohnraum von großen Teilen der Bevölkerung nicht selbst geschaffen werden könne.294 Die Feststellung dieser unausweichlichen Angewiesenheit zeigt, dass die Angewiesenheit auf fremde Eigentumsgegenstände erst nach Überprüfung von möglichen Alternativen festgestellt werden kann.295 Angesichts der soeben angesprochenen tatsächlichen Unmöglichkeit des Erwerbs von Wohneigentum für große Teile der Bevölkerung liegen zumutbare Alternativen jedoch nicht vor. Der Auslöser der Angewiesenheit ist aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts das vom Grundgesetz durch die Wertung des Art. 13 GG296 flankierte Bedürfnis 289 Zur Verantwortung des Eigentümers für die Entstehung des sozialen Bezugs s. u. S. 276 f. 290 F. Shirvani, Eigentumsgrundrechtliche Bezüge des Miet- und Wohnungseigentumsrechts, in: M. Brinkmann/ders., Privatrecht und Eigentumsgrundrecht, 2016, S. 115 (119) mit Verweis auf BVerfG NJW 1994, S. 435 (436); an eine Verschärfung appellierend G. Morgenthaler, Freiheit durch Gesetz, S. 10; vgl. auch R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 386. 291 Siehe aber sogleich S. 76 ff. 292 BVerfGE 38, 348; aktuell zur Verfassungsmäßigkeit von Zweckentfremdungsverboten P. Heinemann, NVwZ 2019, S. 1070. 293 BVerfGE 38, 348 (370). 294 Vgl. BVerfGE 38, 348 (370). 295 Vgl. M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 205. 296 Vgl. hierzu BVerfGE 18, 121 (131 f.), wonach aus der Wertenscheidung des Art. 13 GG die Bedeutung der Wohnung als Mittelpunkt der menschlichen Existenz

C. Konkretisierung der den sozialen Bezug auslösenden Eigenschaften

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der Grundrechtsträger nach einer Wohnung, das in vielen Fällen nicht ohne die Mitwirkung Dritter verwirklicht werden kann.297 Der Schutz der Wohnung aus Art. 13 GG enthält als primäres Abwehrgrundrecht gegen den Staat zwar nicht die Pflicht des Staates „zur Schaffung angemessenen Wohnraums und/oder eines sozialen Mietrechts“.298 Jedoch muss für die Ausübung von Art. 13 GG denknotwendig eine Wohnung vorhanden sein. Folglich setzt die Norm voraus, „dass Wohnräume als menschliche Einrichtungen stets bestehen und erhalten bleiben sollen“.299 Mithin stellt das Innehaben einer Wohnung den von der Grundrechtsordnung vorgesehenen Zustand dar, der – wie bereits aufgezeigt – ohne eigenes Eigentum nur durch die Mitwirkung Dritter erreicht werden kann. Die grundrechtliche Wertung des Art. 13 GG stützt daher die Annahme einer grundsätzlich bestehenden und ernsthaften Angewiesenheit auf eine Mietwohnung, die zum Vorliegen des sozialen Bezugs führt. Die aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG folgende autonome Bestimmung der Lebensgestaltung300 findet weiterhin ihren Ausgangs- und Mittelpunkt typischerweise in der eigenen Wohnung. Daher verdeutlicht auch dieses Grundrecht die Bedeutung der Wohnung für die Nichteigentümer und damit gleichzeitig den aus der Angewiesenheit resultierenden sozialen Bezug. Weiterhin wird der „ohnehin“ bestehende soziale Bezug der Mietwohnungen nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts für den Fall verstärkt, dass „diese Versorgung [der Allgemeinheit mit Mietwohnungen] besonders gefährdet ist“.301 Folglich muss der Gesetzgeber das Eigentum gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG derart ausgestalten, dass die Berücksichtigung unterschiedlich starker Ausprägungen des sozialen Bezugs ermöglicht wird.302 Das in folge; H. Rittstieg, in: R. Wassermann (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (AK-GG), Bd. I, 2. Aufl. 1989, Art. 14/15 Rn. 88. 297 Das Bundesverfassungsgericht beschreibt den Wohnraum weiterhin als „für den Einzelnen und für die Familie unentbehrlich“, BVerfGE 38, 348 (370 f.); das Kriterium der Unentbehrlichkeit wurde bereits in der Entscheidung zum Grundstücksverkehrsgesetz verwendet, BVerfGE 21, 73 (82 f.). Die Unentbehrlichkeit kann mithin als besonders stark ausgeprägte Form der Angewiesenheit betrachtet werden; die besondere Bedeutung, die Wohnraum von der Verfassung eingeräumt wird, zeigt sich nunmehr auch in Art. 125c Abs. 2 S. 1 GG und Art. 143c Abs. 1 S. 1 GG. 298 H.-J. Papier, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 71 März 2014, Art. 13 Rn. 5; vgl. aber Art. 106 Abs. 1 Bayrische Verfassung; klarstellend, dass aus Art. 13 GG kein Recht auf fremdes Eigentum folge, W. Leisner, Sozialbindung des Eigentums, S. 83. 299 H-J. Papier, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 71 März 2014, Art. 13 Rn. 5. 300 U. Di Fabio, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 39 Juli 2001, Art. 2 Abs. 1 Rn. 147. 301 BVerfGE 38, 348 (371). 302 Vgl. M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 159, der darauf hinweist, dass „sozialer Bezug und soziale Funktion der Mietwohnungen unmittelbar mit der Lage auf dem Wohnungsmarkt“ zusammen hingen.

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1. Kap.: Inhalt des sozialen Bezugs

der Entscheidung zur Zweckentfremdung von Wohnraum gewählte Mittel der Rechtsverordnung ist hierfür geeignet, da die Wohnungsnot auf Länder-Ebene insbesondere in den Städten unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann.303 Die zuständigen Landesregierungen können dann in Form der Rechtsverordnung bedarfsgerecht auf die Wohnungsnot reagieren. Bezogen auf die Entwicklung weiterer abstrakter Kriterien für die Bestimmung der Angewiesenheit enthält die Entscheidung jedoch keine Anhaltspunkte, die über das Erfordernis einer Bedeutung des Eigentumsgegenstandes für die Nichteigentümer hinausgehen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Frage, ab wann das Bedürfnis der Nichteigentümer auf den Eigentumsgegenstand so stark ausgeprägt ist, dass von einer den sozialen Bezug begründenden Angewiesenheit gesprochen werden kann.304 Ergänzend ist daher maßgeblich an grundrechtliche Wertungen anzuknüpfen, die – wie anhand von Art. 13 GG erfolgt – eine Aussage über die Freiheitsrelevanz eines Eigentumsgegenstandes für Dritte und damit auch über die Ausprägung der Angewiesenheit treffen können. In der der Entscheidung zugrundeliegenden Konstellation stellt sich die Rolle des Eigentümers bei der Entstehung des sozialen Bezugs im Vergleich zur Entscheidung „Vergleichsmiete I“ zunächst weniger aktiv dar. Dies folgt daraus, dass vom betrachteten Mietrechtsverbesserungsgesetz305 Fälle erfasst werden, in denen das Wohneigentum gerade nicht zu Wohnzwecken verwendet werden soll und damit auch keine – den Bezug zur Allgemeinheit verstärkende – Vermietung des Wohnraums angestrebt wird. Jedoch kann hier für die Entstehung des sozialen Bezugs auf den Zeitpunkt abgestellt werden, in dem sich der Eigentümer oder dessen Rechtsvorgänger generell für das Entstehen von Wohnraum entschieden und mit der Errichtung des Bauwerks begonnen haben.306 Nach diesem Zeitpunkt genügt dann die bloße Inhaberschaft von Eigentum, das sich als Wohneigentum eignet, für das Vorliegen des sozialen Bezugs. Die Verbindung zur Allgemeinheit wird überwiegend durch ihr anhand von Art. 13 und Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG unterstrichenes Bedürfnis nach Wohnraum begründet.307 303

Hierzu schon S. 75. Kritisch hierzu auch F. Becker, in: K. Stern/ders. (Hrsg.), Grundrechte-Kommentar, 3. Aufl. 2019, Art. 14 Rn. 188, der „objektive gemeinwohlrelevante Aspekte“ als Beleg für die Angewiesenheit fordert; ähnlich M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 205. 305 Gesetz zur Verbesserung des Mietrechts und zur Begrenzung des Mietanstiegs sowie zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen vom 4. November 1971 (BGBl. I S. 1745). 306 Vgl. R. Körner, Denkmalschutz und Eigentumsschutz, S. 132. 307 Siehe auch A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 186; B.-O. Bryde, in: I. von Münch/P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 6. Aufl. 2012, Art. 14 Rn. 70 weist darauf hin, dass „die bloße Innehabung“ von Eigentum nicht als „sozial irrelevant“ anzusehen sei; R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 102 hebt indes die besondere Bedeutung des abgeschlossenen Mietvertrags hervor. 304

C. Konkretisierung der den sozialen Bezug auslösenden Eigenschaften

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Weiterhin steht der die Eigentümerinteressen beschränkenden Wirkung des Genehmigungsvorbehalts für eine andere Verwendung als zu Wohnzwecken308 ein festgestelltes erhöhtes Bedürfnis am Wohneigentum in diesen Regionen gegenüber. Spiegelbildlich zum gestiegenen Bedürfnis der Allgemeinheit wirkt das Eigentum dann auch stärker in die Gesellschaft hinein. cc) Kleingartenentscheidung309 In der Kleingartenentscheidung überprüft das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der strengen, eine Beendigung des Pachtverhältnisses seitens des Verpächters faktisch ausschließenden310 Kündigungsvorschriften bei Pachtverträgen für Kleingartenanlagen. Hierbei begründet es das Vorliegen des sozialen Bezugs wiederum mit der Angewiesenheit des Einzelnen auf die Nutzung des betroffenen Eigentumsgegenstandes.311 Durch diese Aussage verdeutlicht das Bundesverfassungsgericht nochmals, dass für die Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG entsprechende Allgemeinwohldienlichkeit auch ein einzelner Rechtsträger als Profiteur einer Inhalts- und Schrankenbestimmung ausreichen kann und für das Vorliegen des sozialen Bezugs nicht die Allgemeinheit in ihrer Gesamtheit betroffen sein muss. Um die soziale Funktion des als Kleingarten genutzten Grund und Bodens zu begründen, nennt das Bundesverfassungsgericht zunächst dessen bereits in der Entscheidung zum Grundstücksverkehrsgesetz312 herausgearbeiteten Eigenschaften der Unvermehrbarkeit und Unentbehrlichkeit.313 In dem Sachverhalt, der der vorliegenden Entscheidung zugrunde liegt, steht die Verpachtung dieses Bodens in Rede, sodass eine Vergleichbarkeit zum schon betrachteten und ebenfalls durch schuldrechtliche Verträge zur Verfügung gestellten Mietwohnraum besteht.314 Weiterhin führt das Bundesverfassungsgericht das in den Entscheidun308

BVerfGE 48, 348 (349). BVerfGE 52, 1. 310 U. Mager, Einrichtungsgarantien, S. 187. 311 BVerfGE 52, 1 (32): „Das Maß und der Umfang der dem Eigentümer von Verfassungs wegen zugemuteten und vom Gesetzgeber zu realisierenden Bindung hängt hiernach zunächst davon ab, ob und in welchem Ausmaß das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und einer sozialen Funktion steht [. . .]. Je stärker der Einzelne auf die Nutzung fremden Eigentums angewiesen ist, um so weiter ist der Gestaltungsbereich des Gesetzgebers; er verengt sich, wenn dies nicht oder nur in begrenztem Umfang der Fall ist.“ 312 BVerfGE 21, 73 (82 f.). 313 BVerfGE 52, 1 (32 f.). Dadurch, dass die Eigenschaft der Unentbehrlichkeit im Anschluss an die abstrakte Vorgabe der Angewiesenheit genannt wurde, lässt sich diese als besonders stark ausgeprägte Form der Angewiesenheit einordnen; in einer weiteren Entscheidung zu Kleingärten führt das Bundesverfassungsgericht weiterhin hierzu aus, dass bei Grundstücken sowohl das Angebot als auch die Nachfrage weniger flexibel sei als bei anderen vermögenswerten Gütern, BVerfGE 87, 114 (146). 314 Hierzu BVerfGE 52, 1 (36). 309

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1. Kap.: Inhalt des sozialen Bezugs

gen zum Mietwohnraum hergeleitete Kriterium der Angewiesenheit fort, sodass die Betrachtung der vorliegenden Entscheidung trotz Grund und Boden als betroffenem Eigentumsgegenstand im Mietwohnraum-Kontext geboten ist.315 Eben dieses Kriterium der Angewiesenheit nutzt das Bundesverfassungsgericht, um insbesondere den Wandel der sozialen Bedeutung des Kleingarteneigentums aufzuzeigen. Während der Weltkriege und der Weltwirtschaftskrise konnte und musste der Kleingarten zur Sicherung und Verbesserung der Ernährungsgrundlagen genutzt werden, wohingegen nunmehr der Freizeit- und Erholungswert und die damit einhergehende Förderung der Volksgesundheit im Vordergrund der Kleingartennutzung stehen.316 Dieser Wandel führt zu einer geringeren Intensität der Angewiesenheit auf Seiten der Nichteigentümer. Ermittelt werden kann diese geringere Intensität der Angewiesenheit wiederum mithilfe der Betrachtung, ob und wie viele Alternativen zur Nutzung des betroffenen Eigentumsgegenstandes bestehen. So sprechen die Einordnung der Kleingärten zu Krisenzeiten als zur „Existenzsicherung des Pächters“ 317 erforderlich und die damit einhergehende schwerpunktmäßige Selbstversorgung gegen zumutbare Alternativen der Nichteigentümer für die Sicherung der Ernährungsgrundlagen. Mithin war der durch Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG geschützte Freiheitsbereich des Pächters und seiner Familie auf Leben und körperliche Unversehrtheit während dieser Zeiträume in besonderem Maße betroffen. Demgegenüber kann das hochrangige Gemeinschaftsinteresse318 der Förderung der Volksgesundheit durch Freizeit und Erholung ebenfalls durch in ausreichendem Maße zur Verfügung stehende Alternativen zur Nutzung eines Kleingartens erreicht werden. Ein Schutz der Verwirklichung der mittlerweile „vorwiegend ideellen Bedürfnisse“ 319 innerhalb des Kleingartens würde daher auch lediglich durch die freie Persönlichkeitsentfaltung aus Art. 2 Abs. 1 GG, der – trotz Fehlens einer abstrakten Werthierarchie320 – ein „tendenziell niedriges abstraktes Gewicht“ zugesprochen wird 321, und nicht durch den Gehalt anderer 315

Zu Eigentum an Grund und Boden s. o. S. 56 ff. Vgl. BVerfGE 52, 1 (33 ff.); so auch BVerfGE 87, 114 (147), wonach den Kleingärten dadurch eine wichtige soziale Funktion zukomme, dass diese „Ausgleich für Mängel im Wohnbereich und Wohnumfeld sowie für oft einseitige Berufstätigkeit“ böten und auch der wirtschaftliche Nutzen des Kleingartens u. a. für untere Einkommensschichten noch von Bedeutung sei; zur sozialen Funktion der Volksgesundheit vgl. auch BVerfGE 70, 191 (212); zum sozialen Bezug von Grund und Boden weitergehend F. Shirvani, Sozialbindung des Eigentums, in: M. Ludwigs (Hrsg.), Regulierender Staat und konfliktschlichtendes Recht. Festschrift für Matthias Schmidt-Preuß zum 70. Geburtstag, 2018, S. 303 (313); eingehend auf den Wandel von Grund und Boden als Eigentumsobjekt insgesamt H. Sendler, GewArch 1975, S. 353. 317 BVerfGE 52, 1 (34). 318 Vgl. BVerfGE 52, 1 (35). 319 BVerfGE 52, 1 (36). 320 Hierzu s. o. S. 68. 321 M. Breckwoldt, Grundrechtskombinationen, S. 219. 316

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Freiheitsgrundrechte gewährleistet werden. Damit kann festgestellt werden, dass der Zugriff auf das als Kleingarten genutzte Eigentum jenseits von Krisenzeiten wie Weltkriegen und Wirtschaftskrisen für die Freiheitsverwirklichung von Nichteigentümern nicht alternativlos ist. Dementsprechend sinkt die Angewiesenheit der Nichteigentümer und damit auch der soziale Bezug des Kleingarteneigentums, sodass das Bundesverfassungsgericht von einem „Wunsch“ bzw. „Interesse“ der (potenziellen) Pächter an dem Besitz eines Kleingartens spricht.322 Weiterhin verdeutlicht das Bundesverfassungsgericht die gesunkene Angewiesenheit der Nichteigentümer durch einen Vergleich zu Mietwohnungen. Diese stellen „eine unabdingbare Voraussetzung für ein menschenwürdiges Dasein und die persönliche Lebensgestaltung dar [. . .]“ 323 und werden somit sogar in einen Zusammenhang mit der Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG als Ausdruck des höchsten grundrechtlichen Schutzes gestellt. Insgesamt erfolgt die Bestimmung des sozialen Bezugs in der Entscheidung schwerpunktmäßig durch eine Orientierung an den Bedürfnissen der Nichteigentümer und in geringerem Ausmaß durch eine Betrachtung des Eigentumsgegenstandes selbst. Schließlich haben sich die Eigenschaften der Kleingärten einschließlich Grund und Boden nicht verändert, sondern vielmehr ihre schwerpunktmäßige Nutzung durch die Nichteigentümer. Dass deren Perspektive entscheidend ist, ist die Konsequenz aus der aufgezeigten Bedeutung, die das Bundesverfassungsgericht dem Kriterium der Angewiesenheit beimisst. Weiterhin bestätigt sich das in der Entscheidung zur Zweckentfremdung von Wohnraum durch das Bundesverfassungsgericht aufgezeigte Vorgehen, wonach für die Ermittlung der Intensität der Angewiesenheit überprüft werden kann, wie viele zumutbare Alternativen die Nichteigentümer zum Zugriff auf den fremden Eigentumsgegenstand zur jeweils angestrebten Freiheitsverwirklichung besitzen. Zudem kann nochmals verdeutlicht werden, dass für die Bestimmung des sozialen Bezugs die tatsächlichen Umstände eines Eigentumsgegenstandes bzw. deren Wandel entscheidend sind.324 Dementsprechend wird die Betrachtung des Wandels des sozialen Bezugs der Kleingärten auch als „rechtssoziologische Analyse“ bezeichnet.325 Die rechtlichen Elemente bei der Ermittlung des sozialen Bezugs entstammen dann in Gestalt von grundrechtlichen Wertungen der sozialen Sphäre, um das Vorliegen einer Verbindung zu den tatsächlichen Eigenschaften zu begründen.326

322

BVerfGE 52, 1 (35 f.). BVerfGE 52, 1 (36). 324 So auch C. Sellmann, NVwZ 2003, S. 1417 (1419). 325 J. Berkemann, EuGRZ 1979, S. 594 (596). 326 Vgl. C. Sellmann, NVwZ 2003, S. 1417 (1419), der darauf hinweist, dass die Eigenart von Grundstücken durch die Einführung des Art. 87f Abs. 1 GG ausgestaltet wurde und sich hierdurch auch auf den sozialen Bezug auswirkt. 323

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1. Kap.: Inhalt des sozialen Bezugs

dd) Eigenbedarf I327 Im Rahmen der Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Kündigungsvorschrift § 546b BGB a. F., die die Beendigung des Mietverhältnisses durch den Vermieter bei Eigenbedarf vom Vorliegen eines berechtigten Interesses des Vermieters abhängig gemacht hat, ergänzt das Bundesverfassungsgericht die in den vorhergegangenen Entscheidungen erfolgte Begründung des sozialen Bezugs von Wohnraum. So stellt das Bundesverfassungsgericht fest, dass der Wohnraum allgemein nicht unbeschränkt zur Verfügung stehe und weiterhin als Lebensmittelpunkt des Mieters anzusehen sei.328 Durch den Rekurs auf den Lebensmittelpunkt spricht das Bundesverfassungsgericht auch den bereits erwähnten Schutzgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG an.329 Mithin führe ein Wohnungswechsel zu „regelmäßig nicht unbeträchtlichen Kosten und Unzuträglichkeiten in persönlicher, familiärer, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht“.330 Diese genannten Umstände verstärken das Kriterium der Angewiesenheit „durch eine ,personale‘ Komponente“ 331 und konkretisieren damit die Betroffenheit der Nichteigentümer im Rahmen der Freiheitsverwirklichung. ee) Mietpreisbindung332 Im Anschluss an die bislang betrachteten Entscheidungen zu Mietwohnraum und den Kleingärtengrundstücken attestiert das Bundesverfassungsgericht dem „Eigentumsobjekt Sozialwohnung [. . .] einen besonders starken Sozialbezug“.333 Dieser begründe sich dadurch, dass die Sozialwohnung „nicht zur Selbstnutzung durch den Eigentümer, sondern zur Fremdnutzung durch bedürftige Mieter bestimmt“ sei.334 Insoweit erfolgt eine spiegelbildliche Argumentation zur Begründung des personalen Bezugs des Eigentums,335 wonach ein „besonders ausgeprägte[r] Schutz“ des Eigentümers bestehe, „soweit es um die Funktion des Eigentums als Element der Sicherung der persönlichen Freiheit des Einzelnen

327

BVerfGE 68, 361. BVerfGE 68, 361 (370); vgl. E. Benda, Industrielle Herrschaft und sozialer Staat, S. 312. 329 Siehe S. 77; skeptisch dahingehend ob aus dem Lebensmittelpunkt ein Existenzbezug hergeleitet werden kann W. G. Leisner, Existenzsicherung im Öffentlichen Recht, S. 338. 330 BVerfGE 68, 361 (370); diese Erwägung wird fortgesetzt durch BVerfGE 79, 292 (302), wonach der Wohnungsverlust den Mieter in seinem „engeren persönlichen Lebenskreis“ betreffe. 331 R. Körner, Denkmalschutz und Eigentumsschutz, S. 72. 332 BVerfGE 95, 64. 333 BVerfGE 95, 64 (84 f.). 334 BVerfGE 95, 64 (85). 335 Hierzu S. 229 ff. 328

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geht“.336 Ein Eigentumsgegenstand, dessen unmittelbare Nutzung von Anfang an nicht durch den Eigentümer erfolgen soll, kann insoweit nicht als Gewährleistung eines Lebensmittelpunktes zur Freiheitsverwirklichung des Eigentümers beitragen.337 Vielmehr ist die Eigentumsnutzung bei Sozialwohnungen für den Eigentümer innerhalb der eigenen bzw. privaten Sphäre auf den vermögensrechtlichen Bereich begrenzt. Auch das Verschaffen eines Freiraums im vermögensrechtlichen Bereich wird vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich als von der Eigentumsgarantie mitumfasst angesehen.338 Dieser Eigentumsgebrauch im vermögensrechtlichen Bereich setzt jedoch die Nutzung durch Dritte gerade voraus, damit entsprechend der Ertragsfunktion des Eigentums339 Mietzinseinnahmen generiert werden können. Als unmittelbare Nutzer des Eigentums kommen damit nur Dritte aus der Sphäre der Allgemeinheit in Betracht, das Bestehen des sozialen Bezugs ist folglich schon mit der Planung einer (sozialen) Mietwohnung angelegt. Zudem betont das Bundesverfassungsgericht zur Begründung des sozialen Bezugs das typischerweise durch finanzielle Notlagen ausgelöste besondere Bedürfnis der Zielgruppe, für die die Sozialwohnungen geschaffen werden, gegenüber den Mietern, die nicht auf staatliche Unterstützung angewiesen sind.340 Insoweit lässt sich der soziale Bezug auch in der vorliegenden Entscheidung durch das Kriterium einer (besonders) starken Angewiesenheit von Nichteigentümern herleiten.341 Die bereits aufgezeigten Wertungen der Art. 13 GG und Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG342 verstärken diesen Befund. Als weiteres Argument für die Entstehung des sozialen Bezugs nennt das Bundesverfassungsgericht die Einbindung des Eigentümers in die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe des sozialen Wohnungsbaus durch die Inanspruchnahme von Fördergeldern.343 Die für den sozialen Bezug notwendige Verbindung zur Gesell-

336 BVerfGE 50, 290 (340) mit Verweis auf BVerfGE 14, 288 (293 f.); 42, 64 (77); 42, 263 (293 ff.). 337 Weitergehend zur Freiheitsrelevanz von vermietetem Wohnraum, S. 244. 338 BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 18. Juli 2019 – 1 BvL 1/18 –, Rn. 70. 339 Vgl. hierzu S. 232. 340 Vgl. den Hinweis auf „bedürftige Mieter“, für die die Sozialwohnung eine „elementare Bedeutung hat, BVerfGE 95, 64 (85); der ohnehin hohe soziale Bezug von Mietwohnungen zeigt sich in den bereits besprochenen Entscheidungen zum Mietraum: BVerfGE 37, 132; 38, 348; 68, 361; G. Morgenthaler, Freiheit durch Gesetz, S. 9 betont indes, dass aus der verfassungsrechtlichen Schwächung des Eigentümers angesichts des hohen Bedürfnisses die Folge sein könnte, dass mit auf den Wohnraum besonders angewiesenen Mietergruppen keine Mietverträge mehr abgeschlossen werden. 341 Vgl. insoweit auch den Hinweis in BVerfGE 95, 64 (85) darauf, dass „Wohnungen [. . .] ein knappes Gut geblieben sind“. 342 S. o. S. 76 ff. 343 BVerfGE 95, 64 (85); hierzu auch T. Weigelt, Die wachsende Stadt als Herausforderung für das Recht, S. 65.

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1. Kap.: Inhalt des sozialen Bezugs

schaft zeigt sich folglich zusätzlich darin, dass die Schaffung des Eigentums aufgrund von öffentlicher Beteiligung an der Finanzierung durch die Gesellschaft mitermöglicht wird. Diese gesellschaftliche Mitwirkung einschließlich der für den Eigentümer klar ersichtlichen Durchführung des Wohnungsbaus zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe begründet das Entstehen einer Verbindung der Allgemeinheit zum Eigentumsobjekt.344 Weiterhin ist die Mitwirkung des Staates bei der insbesondere wirtschaftlichen Schaffung des Eigentums Kennzeichen dafür, dass die Inhaberschaft des Eigentumsrechts nicht ausschließlich auf der Leistung des Eigentümers beruht.345 Hierbei gilt es zu berücksichtigen, dass die eigene Mitwirkung bei der Schaffung eines Eigentumsgegenstandes mitbegründend für den eigentumsrechtlichen Schutz ist.346 Die schutzverstärkende Wirkung der eigenen Schaffung des Eigentums wirkt insoweit je nach Anteil der staatlichen Leistung auch zugunsten der Allgemeinheit, wohingegen „die Legitimationsbasis des Einzeleigentümers dementsprechend schmaler“ geworden ist.347 Die „eigene“ Leistung des Staates in Form der Mitwirkung am sozialen Wohnungsbau erhöht damit den sozialen Bezug des Eigentumsobjektes. ff) Mietpreisbremse Auch in einer aktuellen Kammerentscheidung zur sog. Mietpreisbremse des § 556d BGB hält das Bundesverfassungsgericht an seiner Begründung des sozialen Bezugs von Wohnraum fest.348 Hierbei trägt es dem Umstand Rechnung, dass das jeweilige Ausmaß des sozialen Bezugs des Wohneigentums davon abhängt, ob der Wohnraum schon im Rahmen eines Mietverhältnisses der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt wurde oder sich noch vollständig in der Sphäre des Eigentümers befindet. So gelte die aufgrund des sozialen Bezugs vergrößerte Befugnis des Gesetzgebers zur Inhalts- und Schrankenbestimmung349 „bei Mietbeginn nur abgeschwächt, weil Wohnungssuchende ihren privaten Lebensmittelpunkt noch

344 Vgl. BVerfGE 95, 64 (92), wonach der Eigentümer sein Eigentum im Zusammenwirken mit der öffentlichen Hand in den Dienst einer langfristigen öffentlichen Aufgabe stellt. 345 Zum Leistungskriterium nur BVerfGE 53, 257 (292). 346 S. u. S. 176. 347 H. Sendler, GewArch 1975, S. 353 (354). 348 BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 18. Juli 2019 – 1 BvL 1/18 –, Rn. 71: „Die Befugnis des Gesetzgebers zur Inhalts- und Schrankenbestimmung geht auf der anderen Seite umso weiter, je mehr das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und in einer sozialen Funktion steht [. . .]. Das trifft auf die Miethöhenregulierung in besonderem Maße zu. Eine Wohnung hat für den Einzelnen und dessen Familie eine hohe Bedeutung.“ 349 Siehe zur vergrößerten Befugnis zur Inhalts- und Schrankenbestimmung S. 126.

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nicht in der Mietwohnung genommen haben und sich daher jedenfalls nicht auf ein Besitzrecht als vermögenswerte Rechtsposition berufen können“.350 Zudem knüpft das Bundesverfassungsgericht an die bereits aufgezeigte Begründung der sozialen Bedeutung bei Grund und Boden aufgrund dessen Unvermehrbarkeit an, indem es auf die Abhängigkeit des Wohnungsraums auf selbigen hinweist.351 Die Bedeutung grundrechtlicher Wertungen für die Ermittlung des sozialen Bezugs kommt dann dadurch zum Vorschein, dass das Bundesverfassungsgericht auf den durch die Eigentumsgarantie geschützten Besitz der Mieter verweist.352 Die hierdurch angesprochene Ausweitung des Eigentumsschutzes auf das Besitzrecht353 unterstreicht die Erkenntnis, dass das Wohnen innerhalb fremden Eigentums ein grundrechtlich geschütztes Verhalten darstellt, dem u. a. vermittelt durch Art. 14 GG und Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG354 ein hohes, verfassungsrechtlich relevantes Schutzniveau zukommt. Jenseits der grundrechtlichen Dimension des sozialen Bezugs begründet das Bundesverfassungsgericht diesen zusätzlich durch den Hinweis auf die durch die Mietpreisbremse angestrebte Verhinderung der Gentrifizierung einzelner Stadtteile.355 Mittels der Bezugnahme auf die Verhinderung der Gentrifizierung knüpft das Bundesverfassungsgericht an einen Allgemeinwohlbelang an,356 der insbesondere durch städtebauliche Motive geprägt ist. Mithin wird die Verbindung zwischen dem gesamtgesellschaftlichen Interesse an einer „durchmischten Wohnbevölkerung“ 357 und der Bedeutung des Wohneigentums für deren Aufrechterhaltung aufgezeigt. gg) Zwischenergebnis: Wohneigentum maßgeblich für die Bedürfnisbefriedigung der Allgemeinheit Anhand der das Wohneigentum betreffenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts konnte verdeutlicht werden, welche bedeutsame Rolle privates und gleichzeitig fremdes Eigentum für die im Grundgesetz angelegte Freiheits350 BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 18. Juli 2019 – 1 BvL 1/18 –, Rn. 71. 351 BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 18. Juli 2019 – 1 BvL 1/18 –, Rn. 71. 352 BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 18. Juli 2019 – 1 BvL 1/18 –, Rn. 72. 353 BVerfGE 89, 1 (5 ff.); kritisch hierzu nur O. Depenheuer, NJW 1993, S. 2561. 354 Siehe hierzu oben S. 77. 355 BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 18. Juli 2019 – 1 BvL 1/18 –, Rn. 72. 356 BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 18. Juli 2019 – 1 BvL 1/18 –, Rn. 72; J.-F. Schuldt, Mietpreisbremse, S. 179. 357 BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 18. Juli 2019 – 1 BvL 1/18 –, Rn. 72; M. Putzer, DVBl. 2020, S. 969 (973).

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1. Kap.: Inhalt des sozialen Bezugs

verwirklichung der Grundrechtsträger innehat. So wohnte im Jahr 2018 mit 57,9 % der Großteil der Bevölkerung in Deutschland zur Miete358 und bedarf regelmäßig mangels zumutbarer Alternativen des Zugriffs auf fremdes Eigentum, um seinen Lebensmittelpunkt und den Kernbereich seiner Privatsphäre zu begründen. Folglich kann die gesellschaftliche Verflochtenheit und der hieraus resultierende soziale Bezug zwischen Wohneigentümern und Gesellschaft insbesondere durch grundrechtliche Wertungen begründet werden. Zusätzlich bestehen aber auch über die Bezugnahme auf einzelne Grundrechtsträger hinausgehende Begründungsansätze, wie anhand des Einflusses des Wohneigentums auf die Durchmischung der Wohnbevölkerung aufgezeigt wurde. Die Entstehung des sozialen Bezugs insgesamt ist einerseits auf das gesellschaftliche Bedürfnis nach Wohnraum und andererseits auf die Eigenschaft des Eigentumsobjektes, dieses Bedürfnis befriedigen zu können, zurückzuführen. Die Gewährleistung von Wohnraum ist mithin eine der Vorgabe des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG entsprechende, positive Eigenschaft des Wohneigentums, deren Erhalt durch den Gesetzgeber sichergestellt werden muss. d) Anteilseigentum respektive Unternehmenseigentum – Mitbestimmungsurteil 359 Im vielbeachteten Mitbestimmungsurteil befasst sich das Bundesverfassungsgericht mit der Verfassungsmäßigkeit der Erhöhung des Einflusses von Arbeitnehmern bei der Willensbildung in Unternehmen. Bezogen auf das generelle Vorliegen des sozialen Bezugs bei Eigentumsgegenständen erklärt das Bundesverfassungsgericht durch Bezugnahme auf Art. 14 Abs. 2 GG es für „[m]aßgebend, daß Nutzung und Verfügung [des Eigentumsgegenstandes] nicht lediglich innerhalb der Sphäre des Eigentümers bleiben, sondern Belange anderer Rechtsgenossen berühr[t werden], die auf die Nutzung des Eigentumsobjekts angewiesen sind.“ 360 Die verfassungsrechtliche Relevanz der Auswirkung der Eigentumsnutzung auf andere Sphären folgt aus dem bereits angesprochenen gesellschafts358 Statistisches Bundesamt, „Verteilung der Haushalte in Deutschland nach Miete und Eigentum von 1998 bis 2018.“ Chart. 18. Januar 2019. Statista. https://de.statis ta.com/statistik/daten/studie/237719/umfrage/verteilung-der-haushalte-in-deutschlandnach-miete-und-eigentum/ (zuletzt abgerufen 15.7.2022). 359 BVerfGE 50, 290; vgl. hierzu auch U. Hösch, Eigentum und Freiheit, S. 194 ff. und R. Wendt, in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 9. Aufl. 2021, Art. 14 Rn. 118 f.; den „Gemeinwohlbezug“ von privaten Wirtschaftsunternehmen bejahend W. Farke, Öffentliche Bedeutung privater Wirtschaftsunternehmen und Sozialpflichtigkeit des Eigentums, S. 28; kritisch zur Begründung des sozialen Bezugs R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 390 f. 360 BVerfGE 50, 290 (340 f.); hierzu fügt H. Melchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes und das Recht des Denkmalschutzes, S. 133 lapidar an, dass es „eine ganze Reihe von Nutzungen und Verfügungen“ gebe, „die nicht lediglich in der Sphäre des Eigentümers bleiben, sondern die auch die Belange von Dritten berühren“.

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bezogenen Menschenbild, das das Bundesverfassungsgericht dem Grundgesetz zugrunde legt.361 So kann der Einzelne im Rahmen der Ausgestaltung nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG bei Gegenüberstellung von Eigentümerinteressen und der Vorgabe des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG nicht isoliert betrachtet werden, sondern muss mitsamt der Folgen seines Handelns innerhalb seiner gesellschaftlichen Sphäre Berücksichtigung finden.362 Mit der Feststellung der Überschreitung der Eigentümersphäre trifft das Bundesverfassungsgericht jedoch noch keine Aussage über den Umfang des letztlich von Art. 14 GG geschützten Verhaltens. Insbesondere bei der Betrachtung, inwieweit ein Eigentumsgegenstand dem Einzelnen einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich verschaffen kann, ist nur die Perspektive des Eigentümers maßgeblich.363 So umfasst der Schutzbereich der Eigentumsgarantie 364 ohne weitergehende und bereits bestehende gesetzliche Beschränkungen grundsätzlich auch die Möglichkeit, Unternehmenseigentum, an dem Anteilsrechte bestehen, unabhängig von dessen Auswirkungen zu nutzen.365 Bei der abschließenden verfassungsrechtlichen Bewertung des Schutzes dieser Eigentumsnutzung muss jedoch die Berührung anderer Rechtsgenossen infolge der Eigentumsnutzung berücksichtigt werden. Darüber hinaus konkretisiert das Bundesverfassungsgericht die Ausführungen aus der Entscheidung „Vergleichsmiete I“ 366 zur Angewiesenheit auf fremde Eigentumsgegenstände dahingehend, dass für den Nichteigentümer die „Nutzung des Eigentumsobjekts zu seiner Freiheitssicherung und verantwortlichen Lebensgestaltung“ 367 erforderlich sein muss.368 Durch die Betonung des Kriteriums der Angewiesenheit konzentriert sich das Bundesverfassungsgericht an dieser Stelle weiterhin auf für die Allgemeinheit förderliche Eigentumseigenschaften, die den sozialen Bezug begründen.369 Zudem veranschaulicht die Bezugnahme auf Freiheitssicherung und verantwortliche Lebensgestaltung wiederum die Möglichkeit, zur Begründung des sozialen Bezugs und der Angewiesenheit auf die Wertungen der grundgesetzlichen Freiheitsgrundrechte zurückzugreifen. 361

Hierzu s. o. S. 42 f. Zu den Auswirkungen auf die Freiheitsrelevanz des Einzelnen jedoch S. 240 ff. 363 S. u. S. 240 ff. 364 Hierzu S. 173 ff. 365 Vgl. nur BVerfGE 143, 246 (327 Rn. 228); anders jedoch P. Badura, Grundrechte und Wirtschaftsordnung, in: D. Merten/H.-J. Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. II, 2006, § 29 Rn. 29; zu einer Beschränkung der Schutzbereiche aufgrund von schädigendem Verhalten nur D. Bruch, Umweltpflichtigkeit der grundrechtlichen Schutzbereiche, S. 108 ff. 366 S. o. S. 70 ff. 367 BVerfGE 50, 290 (341). 368 W. Leisner, Eigentum – Grundlage der Freiheit, in: J. Isensee (Hrsg.), Eigentum, 1996, S. 21 (36) sieht ebenfalls eine Vergleichbarkeit zur Begründung des sozialen Mieterschutzes. 369 Zu ebenfalls negativ erfassten Eigenschaften siehe aber unten S. 97 ff. 362

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1. Kap.: Inhalt des sozialen Bezugs

Konkret ergibt sich nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts der „weittragende“ soziale Bezug des Anteilseigentums zunächst daraus, „daß [das Anteilseigentum] in aller Regel in der Gemeinschaft mit anderen an einer Gesellschaft besteht, die Eigentümer von Produktionsmitteln ist“.370 Während die Anzahl der Rechtsinhaber innerhalb einer derartigen Gesellschaft und die Auswirkungen eines Eigentumsgegenstandes auf die Nichteigentümer bzw. die Allgemeinheit indes voneinander unabhängig sind,371 führt insbesondere die Inhaberschaft von Produktionsmitteln zu der hier maßgeblichen Gesellschaftsbezogenheit des Unternehmenseigentums. Die Produktionsmittel sind in Orientierung an die Normierung in Art. 15 GG auf die Herstellung von Gütern gerichtet,372 die die Mitglieder der Gesellschaft je nach Bereich zur Lebensführung benötigen und dementsprechend auf diese angewiesen sind.373 Hierdurch tritt für das Anteilseigentum ausdrücklich die vom Grundgesetz anerkannte Gesellschaftsbezogenheit der Produktionsmittel in Art. 15 GG in den Vordergrund. Dementsprechend besteht bei Unternehmen, die Verfügungsgewalt über Produktionsmittel im Sinne des Art. 15 S. 1 GG oder einer ähnlichen Größenordnung besitzen bzw. herstellen, eine Indizwirkung für einen stark ausgeprägten sozialen Bezug.374 Anschließend ergibt sich nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts der soziale Bezug daraus, dass „es zur Nutzung des Anteilseigentums immer der Mitwirkung der Arbeitnehmer“ 375 bedürfe. Insoweit widmet sich das Bundesverfassungsgericht der Arbeitgeberrolle von Unternehmen, an denen Anteilseigentum besteht.376 Aus dieser Rolle resultieren folgende Verbindungen zur Gesellschaft 370

BVerfGE 50, 290 (348 f.); hierzu auch H. Sendler, GewArch 1975, S. 353 (354). So auch E. Schmidt-Aßmann, Der Schutz des Aktieneigentums durch Art. 14 GG, in: P. M. Huber u. a. (Hrsg.), Der Staat des Grundgesetzes – Kontinuität und Wandel. Festschrift für Peter Badura zum siebzigsten Geburtstag, 2004, S. 1009 (1016 f.), der den internen Umgang im Unternehmen nicht für ein „Thema der in Art. 14 Abs. 2 GG angesprochenen Verantwortung gegenüber dem Wohl der Allgemeinheit“ hält; H. Bergbach, Anteilseigentum, S. 270 spricht insoweit von einem „verbandsinternen“ sozialen Bezug, der von dem sozialen Bezug zu Gesellschaftsfremden abzugrenzen ist. 372 P. Axer, in: V. Epping/C. Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Onlinekommentar, 49. Ed. Stand 15.11.2021, Art. 15 Rn. 17. 373 Vgl. W. Farke, Öffentliche Bedeutung privater Wirtschaftsunternehmen und Sozialpflichtigkeit des Eigentums, S. 12: „[. . .] wenn die von ihm hergestellten Güter oder angebotenen Leistungen für große Teile der Bevölkerung mehr oder weniger lebensnotwendig sind.“ 374 W. Farke, Öffentliche Bedeutung privater Wirtschaftsunternehmen und Sozialpflichtigkeit des Eigentums, S. 51. 375 BVerfGE 50, 290 (349); C. Engel, AöR 118 (1993), S. 169 (231). 376 Nach H. Bergbach, Anteilseigentum, S. 261 entwickelt das Anteilseigentum den sozialen Bezug insoweit „in seinem ,mittelbaren‘ Verhältnis zum Vermögen der Gesellschaft“; vgl. auch H.-J. Papier, ZGR 1979, S. 444 (463), der den Fokus hinsichtlich des sozialen Bezugs weg vom Anteilseigentum hin zum Unternehmenseigentum setzt; zur Rolle der Anteilseigner auch E. Benda, Industrielle Herrschaft und sozialer Staat, S. 328 f.; zum Anteilseigentum W. Leisner, Eigentum – Grundlage der Freiheit, in: J. Isensee (Hrsg.), Eigentum, 1996, S. 21 (37 ff.). 371

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und dem Wohle der Allgemeinheit: Ohne aus der Sphäre der Allgemeinheit entstammende Arbeitnehmer könnte ein Unternehmen im Regelfall nicht geführt, das Anteilseigentum nicht verwirklicht und auch nicht die von Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG geforderte Allgemeinwohldienlichkeit des Eigentumsgebrauchs erzielt werden. Gleichzeitig werden durch das Unternehmenseigentum „größeren Bevölkerungsteilen einer Stadt oder Region [u. a.] Arbeit [und] soziale Sicherheit“ geboten.377 Allein durch diese Auswirkung auf die Existenzgrundlage größerer Bevölkerungsteile wird die „Sphäre privaten Beliebens“ hin zur gesellschaftlichen Sphäre verlassen.378 Die besondere Verantwortung des Unternehmens als Arbeitgeber richtet sich ebenso an die hinter dem Unternehmen stehenden Anteilseigentümer, da sich „die Ausübung der Verfügungsbefugnis durch den Eigentümer [. . .] zugleich auf [die] Daseinsgrundlage“ 379 der Arbeitnehmer auswirken kann. Ab dem Eintritt in das Arbeitsverhältnis liegt – gegebenenfalls verstärkt durch einen angespannten Arbeitsmarkt – eine Angewiesenheit und Abhängigkeit des Arbeitnehmers auf seine Arbeitsstelle vor.380 Hierdurch werde die „Grundrechtssphäre der Arbeitnehmer“ berührt.381 Das Bundesverfassungsgericht verdeutlicht insoweit ausdrücklich die Bedeutung der Grundrechte für die Bestimmung des sozialen Bezugs. Gemünzt auf das Anteilseigentum ergibt sich, dass die Grundrechte „die durch den Gesetzgeber zu konkretisierende soziale Bindung“ verdeutlichen und verstärken, da „Mitbestimmung im Unternehmen [. . .] zu einem nicht unwesentlichen Teil die Bedingungen [beeinflusst], unter denen die Arbeitnehmer nament377 W. Farke, Öffentliche Bedeutung privater Wirtschaftsunternehmen und Sozialpflichtigkeit des Eigentums, S. 14; Kapital und arbeitende Menschen gegenüberstellend E. Benda, Industrielle Herrschaft und sozialer Staat, S. 311. 378 W. Farke, Öffentliche Bedeutung privater Wirtschaftsunternehmen und Sozialpflichtigkeit des Eigentums, S. 14; vgl. auch P. Badura, Eigentum im Verfassungsrecht der Gegenwart, in: Ständige Deputation des deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des neunundvierzigsten deutschen Juristentages, 1972, T 25. 379 BVerfGE 50, 290 (349). 380 Nach F. Temming, in: H. Kiel/S. Lunk/H. Oetker, Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Bd. I, 5. Aufl. 2021, § 18 Rn. 16 ist die wirtschaftliche Abhängigkeit zur Begründung des Arbeitnehmerbegriffs zwar nicht erforderlich, „aber in den meisten Fällen auf Seiten des Arbeitnehmers gegeben“; vgl. E. Benda, Industrielle Herrschaft und sozialer Staat, S. 316 ff. und J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 446; zur Abhängigkeit der Arbeitnehmer auch W. Weber, Das Eigentum und seine Garantie in der Krise, in: H.-M. Pawlowski/F. Wieacker (Hrsg.), Festschrift für Karl Michaelis zum 70. Geburtstag am 21. Dezember 1970, 1972, S. 316 (330); W. Leisner, Sozialbindung des Eigentums, S. 81; ders., Eigentum, in: J. Isensee/ P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 185 sieht sogar entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Mietrecht die Gefahr einer Ausweitung auf ein „Eigentum am Arbeitsplatz“. 381 BVerfGE 50, 290 (349); R. Weber, AöR 104 (1979), S. 521 (535) klassifiziert das Anteilseigentum als „mit Hilfe abhängiger Arbeit genutztes Eigentum“. Die angeführte Abhängigkeit ergänzt sich vorliegend mit der Fallgruppe der Angewiesenheit.

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1. Kap.: Inhalt des sozialen Bezugs

lich ihr Grundrecht auf Berufsfreiheit wahrnehmen, das für alle sozialen Schichten von Bedeutung ist“.382 Die Ausführungen bestätigen die schon in den vorhergehenden Entscheidungen erlangte Erkenntnis, dass der soziale Bezug von Eigentumsobjekten insbesondere dann vorliegt, wenn sich die Eigentumsobjekte nicht nur unerheblich auf die grundrechtlich geschützte Freiheitsausübung von anderen Rechtsträgern auswirken. Hierfür spricht, dass die Grundrechte den Status der Gesellschaftsmitglieder gegenüber dem Staat als Abwehrrechte, aber auch untereinander in besonderer Weise prägen. Bei Betrachtung der gesellschaftlich relevanten Auswirkungen des Eigentumsgebrauchs bilden die Belange anderer Grundrechtsträger als Verkörperung der freiheitsrechtlichen Gewährleistungen daher einen Teil der für Allgemeinheit und Allgemeinwohl relevanten Sphäre ab. Weiterhin kommt der Ausübung der Grundrechte eine hohe verfassungsrechtliche Wertigkeit zu, sodass deren Berücksichtigung bei der Ermittlung des sozialen Bezugs der Vorgabe des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG in besonderer Weise Rechnung trägt. Soweit das Bundesverfassungsgericht das Vorliegen des sozialen Bezugs als Voraussetzung für die Verwirklichung des Auftrags aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG ansieht,383 verstärkt sich die Bedeutung der umzusetzenden Allgemeinwohldienlichkeit mit steigendem sozialen Bezug. Die Berücksichtigung grundrechtlicher Belange Dritter stellt mithin eine „Gemeinwohlkonkretisierung von Verfassungs wegen“ 384 dar. Bei der Begründung des sozialen Bezugs durch die Bezugnahme auf Grundrechte zeigt sich weiterhin auch ein „ambivalentes Verhältnis“ der Grundrechte zum Allgemeinwohl, da in der vorliegenden Entscheidung die Grundrechte der Arbeitnehmer als öffentliches Interesse wirksam werden und dies gleichzeitig eine Beschränkung des Unternehmenseigentums legitimiert.385 Der entscheidende Schritt für das Entstehen des sozialen Bezugs bei Unternehmenseigentum, auf das sich das Anteilseigentum bezieht, ist damit zum einen die

382 BVerfGE 50, 290 (349); obgleich die Grundrechte der Arbeitnehmer für die Beurteilung der Eigentumseigenschaften entscheidend sind und daher ebenso von einer Erhöhung des sozialen Bezugs gesprochen werden könnte, spricht die Verwendung des Begriffs der Sozialbindung nicht gegen die auf S. 40 f. aufgezeigte Differenzierung zwischen tatsächlichen Umständen bzw. Eigenschaften (sozialer Bezug) und rechtlicher Vorgabe bzw. Eigentumsbeschränkungen (Sozialbindung und Sozialpflichtigkeit). Vielmehr entspricht es gerade der Funktion des sozialen Bezugs, dass dieser die Vorgabe aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG konkretisiert und aufzeigt, inwieweit der Gesetzgeber durch Schrankenbestimmungen der anzustrebenden Allgemeinwohldienlichkeit gerecht werden kann; eingehend zur Berufsfreiheit der Arbeitnehmer auch schon F. Kübler/ W. Schmidt/S. Simitis, Mitbestimmung als gesetzgebungspolitische Aufgabe, S. 69; kritisch zum Anknüpfen an die Grundrechte der Arbeitnehmer W. Leisner, Sozialbindung des Eigentums, S. 81. 383 S. 70 f. 384 P. Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 355. 385 Vgl. P. Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 355.

C. Konkretisierung der den sozialen Bezug auslösenden Eigenschaften

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Positionierung am Markt durch Aufnahme einer gesellschaftsrelevanten Tätigkeit wie bspw. der Herstellung oder dem Einsatz von Produktionsmitteln im Sinne des Art. 15 S. 1 GG. Dem entspricht es, wenn das Vorliegen des sozialen Bezugs von der Einbettung des jeweiligen Eigentumsgegenstandes „in die Wirtschafts- und Sozialordnung“ abhängig gemacht wird.386 Zum anderen muss im Hinblick auf das Vorliegen des sozialen Bezugs die gleichzeitige Rolle des Unternehmens als Arbeitgeber berücksichtigt werden. Die genannte Positionierung am Markt wird auch als eine auf den Unternehmenszweck bezogene Widmung des Unternehmenseigentums angesehen, aus der dessen Überführung in die öffentliche Sphäre resultiere.387 Hierbei muss das Unternehmen der Verantwortung gerecht werden, die es durch das Tätigwerden im Rechtsverkehr übernimmt und insoweit auch andere Marktteilnehmer von einem potenziell dem Allgemeinwohl dienenden Handeln im Sinne des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG abhält. Die betroffene Berufsfreiheit der Arbeitnehmer sowie die Wertung des Art. 15 GG verdeutlichen vorliegend, dass sich diese Verantwortung durch die Auswirkung auf die Freiheitsausübung anderer Rechtsträger zusätzlich verstärkt. Die Positionierung des Unternehmens am Markt ist weiterhin als Vorgang zu betrachten, durch den der Eigentümer des Unternehmens bewusst von seiner aus der Eigentumsgarantie resultierenden Freiheit Gebrauch macht. Angesichts des Hineinwirkens in die soziale Sphäre und der hierdurch legitimierten gesetzlichen Regulierung ist der Eigentümer dann aber „insoweit nicht mehr schlechthin frei“.388 Mithin kann ein Eigentümer vor dem Hintergrund des gerade nicht isoliert bestehenden Menschenbildes des Grundgesetzes389 auch nicht erwarten, dass sein Freiheitsbereich keine Beschränkung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG erfährt.390 Die willentliche Herbeiführung des sozialen Bezugs ist daher insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung schutzwürdigen Vertrauens391 des Eigentümers von Relevanz. Abschließend gilt es als Erkenntnis für die Bestimmung des sozialen Bezugs aus dem Mitbestimmungsurteil zuvorderst festzuhalten, dass das Bundesverfassungsgericht zur Bestimmung der den sozialen Bezug auslösenden Angewiesenheit ausdrücklich auf grundrechtliche Wertungen zurückgreift.

386 C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 137; ebenso W. Farke, Öffentliche Bedeutung privater Wirtschaftsunternehmen und Sozialpflichtigkeit des Eigentums, S. 50. 387 A. Körber, Öffentlich-rechtliche Entschädigung und Wirtschaftslenkung, S. 121; W. Farke, Öffentliche Bedeutung privater Wirtschaftsunternehmen und Sozialpflichtigkeit des Eigentums, S. 51. 388 K. Ballerstedt, JZ 1951, S. 486 (491); E. Benda, Industrielle Herrschaft und sozialer Staat, S. 347. 389 Siehe hierzu oben S. 42 f. 390 Hierzu S. 276 f. 391 S. u. S. 206 f. und 312 ff.

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1. Kap.: Inhalt des sozialen Bezugs

e) Sozialversicherungsrechtliche Ansprüche – Versorgungsausgleich I 392 Der soziale Bezug von Rentenversicherungsansprüchen und Anwartschaften ergibt sich anders als bei den bislang betrachteten Eigentumsgegenständen nicht aus Eigenschaften der Ansprüche, die eine Angewiesenheit von Nichteigentümern begründen oder durch den Eigentumsgebrauch entstehende Auswirkungen auf das Allgemeinwohl haben. Vielmehr folgt der soziale Bezug aus der Zugehörigkeit zu einem Leistungssystem mit einer „besonders bedeutsame[n] sozialen Funktion“, das durch den Solidargedanken sowie den Generationenvertrag geprägt ist.393 Hierdurch ist ein sozialversicherungsrechtlicher Anspruch nur innerhalb der sozialen Sphäre denkbar.394 Weiterhin ist die Verbindung mit der sozialen Sphäre für die Anspruchsentstehung konstitutiv und der soziale Bezug im Vergleich zu anderen Eigentumsgegenständen stark ausgeprägt.395 Verdeutlicht wird die Verbindung zur sozialen Sphäre durch das Erfordernis des Tätigwerdens künftiger Generationen zur Sicherung der sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche sowie die aus der staatlichen Sphäre stammenden Zuschüsse zum Sozialversicherungssystem.396 Schon aufgrund der staatlichen Förderung können die sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche nicht nur isoliert beim Inhaber verortet werden. Vielmehr wirkt die soziale Sphäre auf das Eigentum ein, indem sie bei dessen Schaffung beteiligt ist.397 Obschon damit nicht eine Verbindung der Anspruchsinhaber zu einem fremden Eigentumsgegenstand in Rede steht, verdeutlicht das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung die Wechselwirkung zwischen privater und sozialer Sphäre. Weiterhin ist bei der Bewertung des sozialen Bezugs der sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche die soziale Funktion des Leistungssystems insgesamt zu berücksichtigen. Diese soziale Funktion wirkt sich auf die einzelnen sie begründenden Ansprüche aus und beeinflusst damit auch den jeweiligen einzelnen sozialversicherungsrechtlichen Anspruch. Letztlich verdeutlicht auch das Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 1 GG und Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG die Bedeutung der sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche für die soziale Sphäre.398 392

BVerfGE 53, 257. BVerfGE 53, 257 (292); hierzu auch F. Ossenbühl, in: Der Eigentumsschutz sozialrechtlicher Positionen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: W. Fürst/R. Herzog/D. C. Umbach (Hrsg.), Festschrift für Wolfgang Zeidler, 1987, S. 625 (638 f.). 394 Vgl. R.-U. Schlenker, Soziales Rückschrittsverbot und Grundgesetz, S. 177. 395 Zu Letzterem H. Sodan, NZS 2005, S. 561 (564). 396 Vgl. BVerfGE 53, 257 (292). 397 Vgl. C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 188; siehe auch C. König/J.-D. Braun, NVwZ 1999, S. 1056 (1058) hinsichtlich der Netzinfrastruktur der Deutsche Telekom AG. 398 Vgl. R. Jaeger, NZS 2003, S. 225 (227); H. Sodan, NZS 2005, S. 561 (567) weist indes darauf hin, dass aus dem Sozialstaatsprinzip keine konkreten Forderungen hergeleitet werden können; hierzu schon S. 44 ff. 393

C. Konkretisierung der den sozialen Bezug auslösenden Eigenschaften

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Die Entscheidung „Versorgungsausgleich I“ zeigt damit, dass aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts für die Begründung des sozialen Bezugs kein festes Schema existiert, sondern unabhängig von einem bestimmten Begründungsansatz die Feststellung der Verbindung zur Gesellschaft im Vordergrund steht. Für das Aufzeigen des sozialen Bezugs kann daher schon der Hinweis auf die Organisationstruktur der betroffenen sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche genügen. Durch das Sozialstaatsprinzip als verfassungsrechtlichen Anknüpfungspunkt wird die Bedeutung für die Allgemeinheit und die Notwendigkeit der Umsetzung des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG jedoch nochmals unterstrichen. f) Denkmalgeschütztes Eigentum Für die nähere Bestimmung des für das Vorliegen des sozialen Bezugs erforderlichen Inhalts der Auswirkungen des Eigentumsgegenstandes auf die Allgemeinheit ist auch auf die Einordnung von denkmalgeschütztem Eigentum durch das Bundesverfassungsgericht in der Denkmalschutz-Entscheidung399 zurückzugreifen. So unterliegt nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts das Eigentum an einem Denkmal „einer gesteigerten Sozialbindung“, da „[d]em öffentlichen Interesse an der Erhaltung eines geschützten Denkmals [. . .] nur durch Inpflichtnahme des Eigentümers des Grundstücks und Gebäudes Rechnung getragen werden“ könne.400 Das Bundesverfassungsgericht setzt hierbei den Begriff der Sozialbindung, der aufgrund des Vorliegens des sozialen Bezugs durch den Gesetzgeber verwirklicht werden soll, mit tatsächlichen Eigenschaften der betroffenen Eigentumsgegenstände in Verbindung. Dieses Vorgehen ist nicht als Abkehr von der vorangestellten Differenzierung zwischen Eigenschaften des Eigentumsgegenstandes (sozialer Bezug)401 und rechtlicher Vorgabe (Sozialbindung) zu verstehen.402 Vielmehr bezieht sich das Bundesverfassungsgericht auf die als Reaktion auf den sozialen Bezug des Denkmaleigentums bereits erfolgten gesetzlichen Beschränkungen der Denkmaleigentümer, die in ihrer Gesamtheit die Sozialbindung des Denkmaleigentums ergeben. Der soziale Bezug begründet sich daher – ohne vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich als solcher bezeichnet zu werden403 – in der vorliegenden Entscheidung zum einen durch die Eigenschaft des Eigentumsobjektes als schützenswertes Denkmal.404 Hinzu tritt zum anderen die 399

BVerfGE 100, 226. BVerfGE 100, 226 (242); vgl. S. 40 ff. zur teils uneinheitlichen Verwendung von Sozialbindung und sozialem Bezug durch das Bundesverfassungsgericht. 401 Vgl. C. Sellmann, Nutzungsbeschränkungen zugunsten der Umwelt und eigentumsrechtlich gebotener Ausgleich, S. 187. 402 Siehe hierzu S. 40 ff. 403 Der soziale Bezug findet lediglich im Kontext der abstrakten Ausführungen zu Art. 14 GG Erwähnung, BVerfGE 100, 226 (241); ausdrücklich aber das OVG Lüneburg NJOZ 2007, S. 4572 (4580). 404 Vgl. M. Müller, Baudenkmalschutz und Eigentumsbeeinträchtigung, S. 72 ff.; G. Leibholz/D. Lincke, DVBl. 1975, S. 933; F. Jerrentrup, DÖV 1958, S. 98. 400

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Angewiesenheit der Gesellschaft darauf, dass der Eigentümer als Inhaber der Sachherrschaft dem Denkmalerhalt entgegenlaufende Handlungen unterlässt. Diese Konstellation fasst das Bundesverfassungsgericht mit dem Verweis auf die Situationsgebundenheit in Gestalt der „Lage und Beschaffenheit“ des Eigentums zusammen.405 Die Situationsgebundenheit des Eigentums wird als spezielle Ausprägung der Sozialbindung angesehen.406 Sie verkörpert durch die Bezugnahme auf die tatsächlichen Eigenschaften407 wie Lage und Beschaffenheit eines Grundstücks richtigerweise jedoch vielmehr eine besonders benannte Form des sozialen Bezugs.408 Dementsprechend bedarf die Situationsgebundenheit des Eigentums der gesetzlichen Umsetzung, um eine rechtliche Wirkung gegenüber den Eigentümern zu entfalten.409 Abschließend lassen sich vorliegend zwei Elemente des sozialen Bezugs unterscheiden: die Angewiesenheit der Gesellschaft auf die Eigenschaften der Denkmäler selbst und daraus folgend die Notwendigkeit der Beschränkung der Befugnisse des Denkmaleigentümers.

405 BVerfGE 100, 226 (242) – auf weitere Aspekte aus der zitierten obergerichtlichen Rechtsprechung zur Situationsgebundenheit geht das Bundesverfassungsgericht nicht ein, sodass vornehmlich der Rückgriff auf die Eigenschaften von Denkmal-Eigentum verdeutlicht werden sollte (vgl. auch den Hinweis auf die zurückhaltende Verwendung durch das Bundesverfassungsgericht bei V. Epping/S. Lenz/P. Leydecker, Grundrechte, 9. Aufl. 2021, Rn. 483). Daher soll an dieser Stelle keine vertiefte Auseinandersetzung mit der (ohnehin auf das Bodeneigentum begrenzten) Rechtsprechung zur Situationsgebundenheit erfolgen; grundsätzlich und kritisch zur Situationsgebundenheit W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 174 ff.; ebenfalls zur Situationsgebundenheit H. Dederer, in: W. Kahl/C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 118. Akt. Dez. 2017, Art. 14 Rn. 890 ff.; R. Wendt, in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 9. Aufl. 2021, Art. 14 Rn. 116; kritisch D. Ehlers, VVDStRL 51, S. 211 (227) und J. Dietlein, Die Eigentumsfreiheit und das Erbrecht, in: K. Stern (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 113 S. 2232 f.; C.-L. Lee, Eigentumsgarantie und Bestandsschutz im Immissionsschutzrecht, S. 40 f.; eingehend auch D. Bruch, Umweltpflichtigkeit der grundrechtlichen Schutzbereiche, S. 241 ff. 406 W. Berg, JuS 2005, S. 961 (965); V. Epping/S. Lenz/P. Leydecker, Grundrechte, 9. Aufl. 2021, Rn. 483; R. Wendt, AöR 104 (1979), S. 414 (470). 407 G. Leibholz/D. Lincke, DVBl. 1975, S. 933 (938) mit Verweis auf die „faktische Situation“. Dass der Bundesgerichtshof anhand der vermeintlichen Reaktion eines „vernünftige[n] und einsichtige[n] Eigentümer[s]“ auf die jeweiligen faktischen Situationen bestimmte Nutzungsarten verbietet, bleibt für die vorliegende Untersuchung außer Betracht; R. Bartlsperger, DVBl. 2003, S. 1473 (1481); S. de Witt, DVBl. 1995, S. 107 (108). 408 So auch F. Becker, in: K. Stern/ders. (Hrsg.), Grundrechte-Kommentar, 3. Aufl. 2019, Art. 14 Rn. 191; W. Leisner, Situationsgebundenheit des Eigentums – eine überholte Rechtssituation?, S. 15; vgl. O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft im öffentlichen Recht, S. 263; differenzierend R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 389 f. und D. Couzinet, Die Zulässigkeit von Immissionen im anlagenbezogenen Immissionsschutzrecht, S. 249 f. 409 W. Leisner, Situationsgebundenheit des Eigentums – eine überholte Rechtssituation?, S. 9.

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Die Angewiesenheit der Gesellschaft auf das Denkmaleigentum ergibt sich zum einen durch die Möglichkeit des Einzelnen, kulturelles Erbe unmittelbar wahrnehmen zu können.410 Die den sozialen Bezug auslösende Eigenschaft des Eigentumsobjektes ist mithin die des „Erinnerungszeichens“.411 Eine tatsächliche Inanspruchnahme der kulturellen Sozialfunktion ist nicht erforderlich. Denn ähnlich den Urheberrechten als geistiges Eigentum412 tritt das Denkmal in den sozialen Raum und wird zu einem diese Sphäre kulturell mitbestimmenden Faktor.413 Das Ausmaß des sozialen Bezugs wird dann weiterhin durch den Hinweis des Bundesverfassungsgerichts auf fehlende Alternativen zur Beschränkung des Gebrauchs der fremden Eigentumsobjekte („nur durch Inpflichtnahme“ 414) verdeutlicht. Es entspricht der typischen Situation von Denkmälern, dass „zumeist als die einzig sachgerechte Lösung die Konservierung des Bauwerks in seinem Originalzustand in Betracht kommt“.415 Eine andere Form, um das gesamtgesellschaftliche Interesse an der Denkmalerhaltung zu erfüllen, besteht regelmäßig nicht, sodass die Verbindung des Eigentümers in einer treuhänderähnlichen Funktion zur Gesellschaft verstärkt wird. Hierdurch wird die Ausprägung des sozialen Bezugs erhöht. Ausschlaggebend für die Bewertung der Eigentumsgegenstände ist jedoch das gesamtgesellschaftliche Interesse an der Erhaltung von Denkmälern.416 Die Ausprägung dieses Erhaltungsinteresses richtet sich danach, in welchem Maße das jeweilige Eigentumsobjekt denkmalschutzauslösende Eigenschaften besitzt. Als solche kommen etwa „ein spezifische[r] Bezug des bebauten Grundstücks zur Geschichte der betreffenden Stadt oder auch [. . .] de[r] in ihm verkörperte individuelle künstlerische Gehalt“ in Betracht.417 Angesichts des vorwiegend gesamtgesellschaftlichen Interesses an der Erhaltung der Denkmäler ist ein Rückgriff auf freiheitsgrundrechtliche Wertungen lediglich in Form des Art. 2 Abs. 1 GG denkbar.418 Dies ergibt sich daraus, dass für die Lebensge410 R. Körner, Denkmalschutz und Eigentumsschutz, S. 131; vgl. auch H. Melchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes und das Recht des Denkmalschutzes, S. 229: „Denkmale werden als historisches Zeugnis geistiges und kulturelles Allgemeingut und prägen das geistige und kulturelle Bewußtsein der Allgemeinheit“. 411 R. Körner, Denkmalschutz und Eigentumsschutz, S. 130. 412 Siehe oben S. 63 ff.; so auch H. Melchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes und das Recht des Denkmalschutzes, S. 229. 413 Vgl. R. Körner, Denkmalschutz und Eigentumsschutz, S. 131. 414 BVerfGE 100, 226 (242). 415 G. Leibholz/D. Lincke, DVBl. 1975, S. 933 (937). 416 A. Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 291; P. Nethövel, Das Verursacherprinzip im Denkmalrecht, S. 238; vgl. zum gesamtgesellschaftlichen Interesse A. Guckelberger, NVwZ 2016, S. 17 (18), wonach der Stellenwert des Denkmalschutzes zwar nicht explizit dem Grundgesetz, dafür aber den Verfassungen der Länder entnommen werden kann. 417 G. Leibholz/D. Lincke, DVBl. 1975, S. 933 (939). 418 Gegen einen pauschalen Rückgriff auf Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG auch M. Müller, Baudenkmalschutz und Eigentumsbeeinträchtigung, S. 74; vgl. auch E.-R. Hönes, VR 2019, S. 109 (118).

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staltung der Nichteigentümer den Denkmälern eine ideelle und keine existenzielle Bedeutung zukommt.419 Angesichts der aufgezeigten Bedeutung für die Allgemeinheit insgesamt420 stellt das Bundesverfassungsgericht indes auch ohne einen im Grundgesetz mit Art. 150 WRV vergleichbaren normativen Anknüpfungspunkt421 fest, dass „die Denkmalpflege eine Gemeinwohlaufgabe von hohem Rang“ ist.422 Diese Erwägung kann auch darauf gestützt werden, dass die Landesverfassungen Staatszielbestimmungen zum Denkmalschutz enthalten und diese angesichts der Kulturhoheit der Länder gegenüber dem Grundgesetz als nicht nachrangig anzusehen sind.423 Auch ohne ausdrückliche Nennung des sozialen Bezugs und des Kriteriums der Angewiesenheit konstruiert das Bundesverfassungsgericht insoweit die Verbindung des Eigentumsobjektes zur Gesellschaft durch den Verweis auf gegenüber der Regulierung des Eigentumsgegenstandes kaum bzw. nicht vorhandene Alternativen zur Erreichung eines öffentlichen Interesses.424 Mithin wirkt sich der Eigentumsgegenstand durch spezifische kulturelle Eigenschaften auf die gesellschaftliche Sphäre aus425 und ist zugleich in seiner erhaltenswerten und auch nur insoweit von der Verfassung gewährleisteten426 Form als Teil der gesellschaftlichen Sphäre anzusehen. Folglich resultiert die gesellschaftliche Verbindung des Eigentumsgegenstandes aus einer Kombination seiner Eigenart mit dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung dieser Eigenart. Zugerechnet werden kann dem Eigentümer die Entstehung des sozialen Bezugs am Denkmaleigentum hingegen nicht, da die Entwicklung der das Denkmal prägenden Eigenschaften typischerweise außerhalb des Einflusses des Eigentümers liegt und diese vielmehr „im Laufe der Zeit“ erfolgt.427 Das Ausmaß des sozialen Bezugs bleibt von der 419

R. Körner, Denkmalschutz und Eigentumsschutz, S. 133. R. Körner, Denkmalschutz und Eigentumsschutz, S. 134. 421 H. Melchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes und das Recht des Denkmalschutzes, S. 211, der mit Art. 74 Nr. 5 und 18 GG auf Kompetenzvorschriften hinweist, die „vereinzelt Belange des Denkmalschutzes“ ansprechen. 422 BVerfGE 100, 226 (242); P. Nethövel, Das Verursacherprinzip im Denkmalrecht, S. 238; so auch A. Guckelberger, NVwZ 2016, S. 17 (18). 423 H. Melchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes und das Recht des Denkmalschutzes, S. 222; A. Guckelberger, NVwZ 2016, S. 17 (18). 424 Anders A. Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 133: „Denn der Gedanke einer verfassungsrechtlichen Verpflichtung des Eigentümers zur Denkmalerhaltung wird nicht etwa mit den in Art. 14 II angesprochenen Allgemeinwohlinteressen, sondern mit der besonderen örtlichen Lage und den besonderen historischen Bezügen des Eigentumsobjektes ausgefüllt, die offensichtlich als Selbstzweck ausreichen, um die gesetzlich vorgesehenen Beschränkungen der Eigentümerrechte zu legitimieren.“ 425 Dagegen BGH NJW 1979, S. 210 (211): „[. . .] ein Bauwerk für sich gesehen und nicht aufgrund seiner Beziehung zu seiner Umgebung für denkmalwürdig erachtet wird.“ 426 Vgl. G. Leibholz/D. Lincke, DVBl. 1975, S. 933 (939). 427 R. Körner, Denkmalschutz und Eigentumsschutz, S. 133; den sozialen Bezug eines bereits bestehenden Denkmals muss sich ein Neuerwerber hingegen zurechnen lassen. 420

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fehlenden Zurechenbarkeit jedoch unberührt,428 da hierfür die Auswirkungen auf die Gesellschaft unabhängig vom Beitrag des Eigentümers maßgeblich sind.429 g) Anlageneigentum – Atomausstiegsentscheidung430 An jüngerer Stelle findet sich der Begriff des sozialen Bezugs in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in der Atomausstiegsentscheidung. Der soziale Bezug der Atomanlagen wird hierbei durch unterschiedliche Aspekte begründet, namentlich mit der staatlichen Förderung des Eigentums, der Gefährdung der Gesellschaft und der Versorgung der Gesellschaft mit Energie.431 aa) Staatliche Förderung des Eigentums Zunächst betont das Bundesverfassungsgericht, dass die friedliche Nutzung der Kernenergie auf einer bewussten Entscheidung des Staates beruhe und der Staat insbesondere „mit zahlreichen Fördermaßnahmen auch Investitionen aus dem privaten Bereich veranlasst“ habe.432 Soweit die eigene Mitwirkung bei der Eigentumsentstehung prägend für den Eigentumsschutz ist, besteht im Hinblick auf den Staat jedenfalls eine Verstärkung der Beziehung zum Eigentumsgegenstand. Insoweit knüpft die Argumentation an die Ausführungen zum Eigentum an Sozialwohnungen an, für deren Errichtung die Eigentümer ebenfalls staatliche Förderung erhalten.433 Mithin besteht schon mit der Schaffung des Eigentumsobjektes eine Verbindung zur Gesellschaft, da das Entstehen des Eigentums durch öffentliche Gelder ermöglicht wurde. Insoweit bedarf es auch keiner Auswirkungen des Eigentumsgegenstandes auf die soziale Sphäre, weil der Eigentumsgegen-

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Für eine stärkere Legitimationswirkung hingegen R. Körner, Denkmalschutz und Eigentumsschutz, S. 139. 429 Hierzu s. u. S. 276 f. 430 BVerfGE 143, 246. 431 BVerfGE 143, 246 (325 Rn. 219): „Bei den auf der Grundlage des Atomgesetzes von den Energieversorgungsunternehmen geschaffenen Kernkraftwerken und damit in Zusammenhang stehenden Eigentumsrechtspositionen ist zu berücksichtigen, dass es sich hierbei um Eigentum mit einem besonders ausgeprägten sozialen Bezug handelt. Einerseits hat sich der Staat mit dem Atomgesetz von 1959 bewusst für die friedliche Nutzung der Kernenergie entschieden und mit zahlreichen Fördermaßnahmen auch Investitionen aus dem privaten Bereich veranlasst. Andererseits ist in den letzten Jahrzehnten zunehmend in den Vordergrund des öffentlichen Bewusstseins getreten, dass es sich bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie um eine Hochrisikotechnologie handelt, die unter anderem mit extremen Schadensfallrisiken und mit bisher noch nicht geklärten Endlagerproblemen belastet ist.“ 432 BVerfGE 143, 246 (325 Rn. 219); zur staatlichen Förderung auch F. Ekardt/ F. Valentin, Das neue Energierecht, S. 167 f.; ablehnend hinsichtlich des Kriteriums der staatlichen Entscheidung P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 112. 433 S. 84.

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stand die Verbindung zur Allgemeinheit schon durch die staatliche Förderung beinhaltet. bb) Gefährdung der Allgemeinheit Als neuer Begründungsansatz bei der Herleitung des sozialen Bezugs ist der Verweis auf die mit „extremen Schadensfallrisiken und mit bisher noch nicht geklärten Endlagerproblemen“ einhergehende Eigenschaft der Atomkraftanlagen als „Hochrisikotechnologie“ anzusehen.434 So wird die für den sozialen Bezug erforderliche gesellschaftliche Auswirkung erstmals ausdrücklich mit (potenziell) negativen Eigenschaften des betroffenen Eigentumsobjektes begründet.435 Die in den vorhergehend betrachteten Entscheidungen zum sozialen Bezug oftmals betonte Angewiesenheit auf fremde Eigentumsobjekte zur Freiheitsverwirklichung kann nur entstehen, wenn die Eigentumsobjekte auf die jeweiligen Grundrechtsträger bzw. die Gesellschaft insgesamt eine positive und fördernde Auswirkung haben.436 Andernfalls würde durch die Sicherung des Zugangs zu diesen Eigentumsgegenständen im Rahmen der Eigentumsausgestaltung nicht der Vorgabe des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG entsprochen werden. Als für die Gesellschaft positive Eigenschaften von Eigentumsgegenständen können auch die ebenfalls angesprochene Möglichkeit von Urheberrechten, das geistige und kulturelle Bild der Zeit zu bestimmen,437 und die Erhaltenswürdigkeit von Denkmälern438 eingeordnet werden.

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BVerfGE 143, 246 (325 Rn. 219 und 351 Rn. 297); hierzu weiterhin S. 295 f. In der Entscheidung BVerfGE 102, 1 wird die Zustandsverantwortlichkeit von Eigentümern für verfassungsmäßig erklärt. Maßgeblich sind hierfür mit der AltlastenBelastung freilich ebenfalls negative Eigenschaften sowie „die durch Sachherrschaft vermittelte [. . .] Einwirkungsmöglichkeit [des Eigentümers] auf die gefahrenverursachende Sache“. Trotz Nennung des sozialen Bezugs im Rahmen der einleitenden Ausführungen, wird dieser im Hinblick auf die dem Grundstück innewohnenden Gefahren und auch insgesamt nicht wieder aufgegriffen. Mithin geht es in der Entscheidung auch nicht darum, ob angesichts der Gefahren überhaupt eine vom Eigentümer zu duldende Gefahrenabwehrmaßnahme vorgenommen werden darf, sondern ob diesem hierfür die Verantwortung auferlegt werden darf. Dennoch befasst sich die Altlasten-Entscheidung mit Eigentums-Beschränkungen, die im Zusammenhang mit für die Gesellschaft negativen Eigenschaften stehen (vgl. nur den Hinweis auf Art. 2 Abs. 2 S. 1 und Art. 20a GG, BVerfGE 102, 1 (18)) und sich damit auch aus dem sozialen Bezug des Grundstücks ergeben. Zu Eigentumsbeschränkungen aufgrund von der Eigentumsnutzung ausgehenden Gefahren kann zudem die bereits angesprochene Tollwutentscheidung angeführt werden, BVerfGE 20, 351 (361); H. D. Jarass, in: ders./B. Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 16. Aufl. 2020, Art. 14 Rn. 81; F. Shirvani, DÖV 2014, S. 173 (177). 436 Exemplarisch BVerfGE 37, 132 und 50, 290. 437 Dies ergibt sich jedenfalls daraus, dass es in den hierfür relevanten Entscheidungen um die vom Gesetzgeber angestrebte, vom Willen des Urhebers unabhängige Verbreitung bzw. Wiedergabe ging, BVerfGE 31, 229; 49, 382. 438 BVerfGE 100, 226 (242). 435

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Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts in der Atomausstiegsentscheidung erstreckt sich der Inhalt des sozialen Bezugs indes durch die Gefährdung der von Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG geschützten Rechtsgüter auch auf für die Allgemeinheit negative Eigenschaften der Eigentumsobjekte.439 Auch und gerade im Kontext der negativen Auswirkungen von Eigentumsgegenständen kann zur Bestimmung des sozialen Bezugs auf die Wertungen der Freiheitsgrundrechte zurückgegriffen werden: Ebenso wie Grundrechtsträger für die Ausübung der Freiheitsgrundrechte auf fremde Eigentumsgegenstände angewiesen sein können, kann die Sicherung der zukünftigen Freiheitsausübung die Beschränkung eines hierfür schädlichen Eigentumsgegenstandes erfordern.440 Für das Ausmaß des sozialen Bezugs kann dann wiederum an die Stärke der Betroffenheit des grundrechtlich geschützten Lebensbereichs angesichts der bestehenden Freiheitsbedrohung angeknüpft werden. Insoweit besteht auch eine Vergleichbarkeit zu den gesetzgeberischen Schutzpflichten für Grundrechte, die durch von privaten Dritten hervorgerufene Gefahren ausgelöst werden.441 Weiterhin sind nicht nur die Grundrechtsträger, sondern ebenso die Umwelt selbst als von den Atomkraftwerken ausgehendem Risiko betroffen anzusehen. Dies ergibt sich daraus, dass das Bundesverfassungsgericht auch den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen gemäß Art. 20a GG als legitimen Zweck der Beschleunigung des Atomausstiegs anerkennt.442 Entsprechend des anthropozentrischen Umweltschutzes profitieren zwar auch die Grundrechtsträger jedenfalls „mittel- und langfristig“ von vornehmlich auf die Umwelt gerichteten Schutzmaßnahmen.443 Gleichwohl werden die natürlichen Lebensgrundlagen durch Art. 20a GG derart hervorgehoben, dass diese bei Betroffenheit durch den Eigentumsgebrauch eigenständig das Vorliegen des sozialen Bezugs auslösen können. Insoweit kommen auch Staatszielbestimmungen zur Begründung des sozialen 439 Der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat anschließend im Kontext von Spielhallenregulierung den sozialen Bezug von Spielhallen durch das Suchtpotenzial und damit ebenfalls mit negativen Eigenschaften für die Freiheitsverwirklichung von Grundrechtsträgern (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) begründet, BVerfG NVwZ 2017, S. 1111 (1124 Rn. 190); vgl. hierzu schon H. Rittstieg, in: R. Wassermann, Kommentar zum Grundgesetz (AK-GG), 2. Aufl. 1989, Art. 14/15 Rn. 74: „Je weiter allerdings Eigentumsrechte in die personale Entfaltung anderer ungleich eingreifen, desto größere Bedeutung gewinnen die Interessen der Nichteigentümer für die gesetzliche Gestaltung.“; zu den Gefahren durch Eigentumsobjekte und deren Nutzung U. Hösch, Eigentum und Freiheit, S. 184 ff.; gegen eine Ausweitung des sozialen Bezugs auf Beeinträchtigungen Dritter J. R. Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 369. 440 Vgl. auch den Verweis auf Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG in BVerfGE 143, 246 (347 Rn. 283). 441 D. Bruch/H. Greve, DÖV 2011, S. 794 (798); allgemein zu den Schutzpflichten T. Kingreen/R. Poscher, Grundrechte Staatsrecht II, 37. Aufl. 2021, Rn. 146 ff. und unten S. 293. 442 BVerfGE 143, 246 (353 f. Rn. 303); ausdrücklich D. Bruch/H. Greve, DÖV 2011, S. 794 (798). 443 S. Schlacke, Umweltrecht, 7. Aufl. 2019, § 1 Rn. 11.

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1. Kap.: Inhalt des sozialen Bezugs

Bezugs in Betracht.444 Angesichts der weitreichenden Folgen möglicher Schadensszenarien kann auch eine Gefährdung der verfassungsrechtlich vorausgesetzten staatlichen Funktionsfähigkeit aufgrund der Einordnung der Atomkraftanlagen als Hochrisikotechnologie nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Daher begründet sich der soziale Bezug des Einsatzes von Atomkraftwerken durch das gleichzeitig geschaffene intensiv ausgeprägte Schadensrisiko für weitreichende Gesellschaftsbereiche. Dass der soziale Bezug durch negative Eigenschaften ausgelöst werden kann, stützt auch das Ergebnis der vorgenommenen begrifflichen Auseinandersetzung. Hiernach ist eine Verbindung der beim Gebrauch des Eigentumsobjektes auftretenden Eigenschaften zum Allgemeinwohl im Sinne einer Gesellschaftsbezogenheit erforderlich.445 Eine derartige Verbindung kann gerade durch die Auswirkungen der negativen Eigenschaften hervorgerufen werden. Dies entspricht auch dem Verständnis des Bundesverfassungsgerichts, wonach der soziale Bezug den Bereich kennzeichnet, in dem der Gesetzgeber den Vorgaben des Art. 14 Abs. 2 GG entsprechen muss. Zwar ist die Vorgabe des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG begrifflich vornehmlich auf positive Folgen des Eigentumsgebrauchs ausgerichtet. Erst recht müssen aber auch schädigende Auswirkungen des Eigentumsgebrauchs beschränkt werden können.446 Sofern daher ein dem Wohle der Allgemeinheit dienender Gebrauch des Eigentumsobjektes aufgrund dessen schädigender Eigenschaften nicht in Betracht kommt und hierdurch dem Allgemeinwohl sogar entgegengewirkt wird, folgt aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG die Anforderung, diesen Eigentumsgebrauch zu unterbinden bzw. jedenfalls einzuschränken.447 Mithin ist die Herleitung des sozialen Bezugs bedingt durch die Einordnung der Kernenergie als Hochrisikotechnologie folgerichtig. Angesichts der bedeutenden Auswirkung eines Schadensfalls auf die durch Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG konkretisierte Freiheitsverwirklichung der Bevölkerung im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland ist die Ausprägung des sozialen Bezugs der Atomkraftanlagen auch als entsprechend hoch einzuordnen. cc) Energieversorgung der Allgemeinheit Letztlich weist das Bundesverfassungsgericht zur Begründung des sozialen Bezugs darauf hin, dass „die friedliche Nutzung der Kernenergie der Energiever-

444 Vgl. C. Sellmann, NVwZ 2003, S. 1417 (1419) mit ausdrücklichem Bezug auf Art. 20a GG; BVerfG NJW 1998, S. 367 (368). 445 S. o. S. 49 f. 446 C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 558. 447 Vgl. A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 186, der sich auf die „Bewahrung einer intakten Umwelt“ bezieht; W. Weber, Das Eigentum und seine Garantie in der Krise, in: H.-M. Pawlowski/F. Wieacker (Hrsg.), Festschrift für Karl Michaelis zum 70. Geburtstag am 21. Dezember 1970, 1972, S. 316 (334).

C. Konkretisierung der den sozialen Bezug auslösenden Eigenschaften

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sorgung der Bevölkerung“ dient.448 Zur Energieversorgung der Bevölkerung hat die Kernenergie im Jahr 2020 noch 11,3 % beigetragen.449 Diese Eigenschaft lässt sich im Rahmen der Begründung des sozialen Bezugs wiederum in die Kategorie der Angewiesenheit einordnen, da die zur Bevölkerung zusammengefassten Grundrechtsträger die Energieversorgung zur Freiheitsverwirklichung benötigen. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die Energieversorgung eine Leistung ist, die „der Bürger zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz unumgänglich bedarf“.450 Hierdurch rückt das Bundesverfassungsgericht die Energieversorgung ähnlich wie schon den Wohnraum451 in die Nähe der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG. Ebenso besteht eine Auswirkung auf die Schutzgüter des Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit der Nichteigentümer aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG,452 sodass auch im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit eine schutzpflichtähnliche Konstellation besteht.453 Die Verbindung des Eigentums an den Atomkraftanlagen zur sozialen Sphäre ergibt sich weiterhin dadurch, dass dieses als Teil der Energieversorgung auch den Bestand des staatlichen Gemeinwesens gewährleistet.454 Indes muss berücksichtigt werden, dass neben der Kernenergie auch andere Energieträger wie erneuerbare Energien und (noch) fossile Brennstoffe zur Energieversorgung in Betracht kommen. Soweit ausreichende und verlässliche Alternativen zum Anteil der Kernenergie im Energiemix zur Verfügung stehen, sinkt der auf dem Aspekt der Energieversorgung beruhende soziale Bezug wiederum. Für diesen Fall ist die Angewiesenheit auf die Energieversorgung durch Atomkraftwerke auch – anders als bei Wohnraum – nicht als unausweichlich anzusehen. dd) Zwischenergebnis zu den unterschiedlichen Fallgruppen Angesichts der aufgezeigten unterschiedlichen und weitreichenden Begründungsansätze des sozialen Bezugs bei Eigentum an Atomkraftanlagen ist dieser als sehr stark ausgeprägt anzusehen.455 Die Entstehung dieser starken gesell448 BVerfGE 143, 246 (351 Rn. 297); so auch schon D. Bruch/H. Greve, DÖV 2011, S. 794 (798). 449 https://www.kernd.de/kernd/themen/strom/Zahlen-und-Fakten/01_index.php (zuletzt abgerufen am 15.7.2022). 450 BVerfG NJW 1984, S. 1872 (1873). 451 Vgl. BVerfGE 109, 279 (311); vgl. auch C. Degenhart, DVBl. 2013, S. 207 (209); differenzierend P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 53. 452 S. Altenschmidt, NVwZ 2015, S. 559 (561). 453 L. Gramlich, LKV 2007, S. 247 (249); vgl. auch H.-J. Papier, BB 1997, S. 1213 (1217); zur Entstehung eines Gemeinwohlbezugs durch grundrechtliche Schutzpflichten S. Kluckert, JuS 2015, S. 116 (117). 454 S. Altenschmidt, NVwZ 2015, S. 559 (561). 455 So auch BVerfGE 143, 246 (325 Rn. 219).

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1. Kap.: Inhalt des sozialen Bezugs

schaftlichen Verflochtenheit456 ist auch auf den Willen der Eigentümer zurückzuführen. So stellt einerseits die Energieversorgung der Bevölkerung den der Ertragsfunktion entsprechenden Nutzungszweck des Eigentums an den Atomkraftanlagen dar. Folglich kann die Entstehung des sozialen Bezugs insoweit den Eigentümern zugerechnet werden.457 Andererseits ist auch die Eigenschaft der Atomkraftanlagen als Hochrisikotechnologie bekannt und wird daher beim Betrieb der Anlagen in Kauf genommen. h) Zwischenergebnis und Definition des sozialen Bezugs Die Betrachtung der Herleitung des sozialen Bezugs durch das Bundesverfassungsgericht hat eine Vielfalt unterschiedlicher Begründungsansätze offenbart. Diese unterschiedlichen Begründungsansätze sind auf die mannigfaltigen Eigenschaften458 und Auswirkungen der Eigentumsgegenstände auf die Gesellschaft zurückzuführen.459 Hierbei kann zwischen passiver und aktiver Auswirkung der Eigentumsgegenstände differenziert werden. Wenn wie bei insbesondere dem Wohnraum zur alleinigen Existenz des Eigentums das stark ausgeprägte gesellschaftliche Bedürfnis nach dem Zugriff auf dieses Eigentum hinzutritt, hat das Eigentum eine passivere Rolle inne, als wenn es aktiv – wie beim Anlagen- oder Unternehmenseigentum – in die Gesellschaft hineinwirkt. Bezogen auf die passive Wirkung der Eigentumsgegenstände in Kombination mit dem gesellschaftlichen Bedürfnis nach diesem Eigentum nutzt das Bundesverfassungsgericht vornehmlich das Kriterium der Angewiesenheit, um das Vorliegen des sozialen Bezugs sowie dessen Ausmaß zu bestimmen. Dieses Kriterium wurde in der obigen Betrachtung dahingehend konkretisiert, dass für das Vorliegen der Angewiesenheit für den Dritten als Verkörperung der Allgemeinheit keine zumutbaren Alternativen zum Zugriff auf das fremde Eigentum bestehen dürfen.460 Zudem kann auf freiheitsgrundrechtliche Wertungen zurückgegriffen werden, um das konkrete Ausmaß der Angewiesenheit zu bestimmen.461 Hierbei ist zu 456 Zur Verflochtenheit J. Meyer-Abich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 159. 457 Hierzu s. u. S. 276 f. 458 Vgl. auch W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 145, der den sozialen Bezug als „undifferenzierten Begriff“ einordnet; W. Farke, Öffentliche Bedeutung privater Wirtschaftsunternehmen und Sozialpflichtigkeit des Eigentums, S. 43 und 50. 459 J. Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 68. 460 Vgl. auch M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 205. 461 Zur Ermächtigung des Gesetzgebers durch „Freiheitsrechte anderer“ bei der Eigentumsausgestaltung auch W. Leisner, Sozialbindung des Eigentums, S. 77.

C. Konkretisierung der den sozialen Bezug auslösenden Eigenschaften

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berücksichtigen, dass Gegenstand des Bedürfnisses der Allgemeinheit fremdes Eigentum von Grundrechtsträgern ist, die entsprechend Art. 1 Abs. 3 GG im Gegensatz zur öffentlichen Gewalt nicht unmittelbar an die Grundrechte gebunden sind. Insoweit beeinträchtigt die „[a]ktive Freiheitsausübung nicht grundrechtsgebundener Privater [. . .] reale Freiheit Dritter“.462 In dieser Konstellation zwischen Dritten und Eigentümern kann der betroffene grundrechtliche Gehalt durch die Auswirkungen des Eigentums nicht etwa durch die Prüfung des Vorliegens eines staatlichen Eingriffs bestimmt werden. Jedoch besteht die Möglichkeit, sich bei der Bewertung des gesellschaftlichen Bedürfnisses am Zugriff auf das fremde Eigentum daran zu orientieren, inwieweit der durch die Grundrechte gewährleistete Lebensbereich auf den Kontakt mit fremden Eigentumsgegenständen ausgerichtet ist. Soweit bspw. das Grundrecht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 GG den Bestand von Wohnungen voraussetzt,463 sieht die Norm zur Verwirklichung der gewährleisteten Freiheit für einen Großteil der Bevölkerung den Zugriff auf fremdes Eigentum vor. Unterstützend kann geprüft werden, ob ein staatlicher Zugriff auf die Nutzung des relevanten Eigentumsgegenstandes den Schutzbereich eines Freiheitsgrundrechts fördert bzw. ob ohne den Zugriff auf den jeweiligen Eigentumsgegenstand das Grundrecht nicht ausgeübt werden könnte. Den Rückgriff auf grundrechtliche Wertungen zur Bestimmung des sozialen Bezugs legitimiert das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich im Mitbestimmungsurteil.464 Hierbei betont es den Zusammenhang zwischen dem Vorliegen des sozialen Bezugs der Eigentumsgegenstände sowie der Freiheitssicherung und verantwortlichen Lebensgestaltung der Nichteigentümer.465 Die Orientierung an den Grundrechten zur Bestimmung des sozialen Bezugs ist auch dadurch geboten, dass das hinter dem sozialen Bezug stehende Allgemeinwohl „vorrangig aus grundrechtlichen Wurzeln“ erwächst.466 Durch den Rückgriff auf die Freiheitsgrundrechte kennzeichnet der soziale Bezug gleichzeitig einen Bereich, in dem der Gesetzgeber die Ausübung von Grundrechten der Nichteigentümer gewährleisten bzw. ausgestalten467 kann. Für diese Vorgehensweise spricht weiterhin, dass die Grundrechte von Nichteigentümern grundsätzlich als kollidierendes Verfassungsrecht Einschränkungen der Eigentumsgarantie rechtfertigen können.468 Insoweit ist in Art. 14 Abs. 2 GG eine Verfassungsgüterkollision inner462

M. Mayer, Untermaß, Übermaß und Wesensgehaltsgarantie, S. 150. Hierzu s. o. S. 76 f. 464 S. o. S. 86 f. 465 BVerfGE 50, 290 (341); vgl. auch M. Graßhof, ZWE, 2003 S. 33 (36); so auch R. Körner, Denkmalschutz und Eigentumsschutz, S. 73. 466 J. Isensee, Gemeinwohl im Verfassungsstaat, in: ders./P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV, 3. Aufl. 2006, § 71, S. 56 f. Rn. 115 bezugnehmend auf „das Leben des Gemeinwesens“. 467 Siehe zur Grundrechtsausgestaltung nur C. Bumke, Ausgestaltung von Grundrechten, S. 41 ff. 468 T. Kingreen/R. Poscher, Grundrechte Staatsrecht II, 37. Aufl. 2021, Rn. 382 ff. 463

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1. Kap.: Inhalt des sozialen Bezugs

halb der Norm selbst angelegt,469 die durch den Begriff des sozialen Bezugs zum Vorschein gebracht wird.470 Insgesamt ist bei der Begriffsbestimmung des sozialen Bezugs deutlich geworden, dass dieser das Vorliegen von Interessenkollisionen kennzeichnet.471 Auf der einen Seite kann schon die bestimmungsgemäße Nutzung der betrachteten Eigentumsgegenstände den gesellschaftlichen Interessen entgegenlaufen, wie es etwa beim Einsatz der Atomkraftanlagen als Hochrisikotechnologie der Fall ist. Auf der anderen Seite sind Eigentumseigenschaften zwar in der Lage, gesellschaftliche Interessen zu befriedigen.472 Gleichwohl setzt eine Sicherstellung dieser für das Allgemeinwohl förderlichen Eigenschaften gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG eine Regulierung durch den Gesetzgeber voraus, da regelmäßig ein Konflikt zur unbeschränkten Privatnützigkeit des Eigentums aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG besteht. Die Auflösung dieser Kollisionslagen kommt dann entsprechend Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG vornehmlich dem Gesetzgeber zu.473 Jenseits der grundrechtlichen Relevanz bei der Bestimmung des sozialen Bezugs ist die Vielfalt der aufgezeigten Begründungsansätze auch darauf zurückzuführen, dass der soziale Bezug durch die Auswirkung auf verschiedenste Allgemeinwohlbelange entstehen kann.474 Dies ergibt sich dadurch, dass Art. 14 Abs. 1 S. 2 i.V. m. Abs. 2 S. 2 GG durch die Bezugnahme auf das Allgemeinwohl nicht als qualifizierter Gesetzesvorbehalt475 einzuordnen ist und die Auswirkung eines Eigentumsgegenstandes auf die soziale Sphäre nicht zwingend ein betroffenes Verfassungsgut erfordert.476 Eine Konkretisierung des Begriffs des sozialen Be469 Vgl. aber auch U. Hösch, Freiheit und Eigentum, S. 194: „Der Schritt zur Umdeutung des Art. 14 Abs. 2 GG in ein Grundrecht mit unmittelbarer Drittwirkung ist dann nur noch klein.“ 470 Hierzu auch unten S. 260 f. 471 Zu Grundrechtskollisionen bei der Eigentumsgarantie F. Shirvani, DÖV 2014, S. 173 (174); vgl. M. Jaschinski, Der Fortbestand des Anspruchs aus enteignendem Eingriff, S. 144; zusätzlich unten S. 260 f. 472 Vgl. hierzu R. Bartlsperger, DVBl. 2003, S. 1473 (1477) zur Konstituierung des Gemeinwohls durch die „dem betreffenden Eigentum allein faktisch bzw. immanent eigenen bzw. ,zugewachsenen‘ positiven externen Effekte für das Gemeinschaftsinteresse“. 473 G. Schwerdtfeger, Die dogmatische Struktur der Eigentumsgarantie, S. 16; hierzu s. u. S. 260 f. 474 Kritisch zur „allgemeinen Wendung der ,sozialen Bezüge‘“ W. G. Leisner, Existenzsicherung im Öffentlichen Recht, S. 323; vgl. auch J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 446 mit Verweis auf die „überaus vagen Kriterien“ des sozialen Bezugs; G. Schwerdtfeger, Die dogmatische Struktur der Eigentumsgarantie, S. 16. 475 D. Riedel, Eigentum, Enteignung und das Allgemeinwohl, S. 30; kritisch zum Begriff des Gesetzesvorbehalts aus Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG W. Böhmer, NJW 1988, S. 2561 (2573); allgemein M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, S. 225; hierzu auch S. 187 f. 476 So auch H. Melchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes und das Recht des Denkmalschutzes, S. 136; wiederum kritisch W. G. Leisner, Existenzsiche-

C. Konkretisierung der den sozialen Bezug auslösenden Eigenschaften

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zugs ist daher anhand einer Beschränkung auf abschließend in Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG vorgesehene Allgemeinwohlbelange nicht möglich. Stattdessen steht es dem Gesetzgeber frei, ein gesellschaftliches Interesse als Allgemeinwohlbelang auszuwählen und im Rahmen der Inhalts- und Schrankenbestimmung zu verfolgen.477 Mithin kann bei der Bestimmung der Allgemeinwohlbelange, auf die sich der Eigentumsgebrauch für das Vorliegen des sozialen Bezugs auswirken muss, auch auf bereits bestehende gesetzgeberische Wertungen zurückgegriffen werden.478 Maßgeblich für das Vorliegen des sozialen Bezugs bleiben jedoch die tatsächlichen Auswirkungen des Eigentumsgebrauchs, die gesetzgeberischen Wertungen ermöglichen insoweit eine Orientierung bei der Ermittlung dieser Auswirkungen. Für eine Beschränkung des Begriffs des sozialen Bezugs auf bestimmte Eigenschaften besteht auch kein Erfordernis, da sowohl die Gestalt des sozialen Bezugs als auch die Erweiterung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums als dessen Rechtsfolge479 nicht statisch sind, sondern vielmehr im jeweiligen Einzelfall das Ausmaß der konkreten Auswirkungen auf die Gesellschaft zu bestimmen ist. Mit anderen Worten kann der soziale Bezug je nach Eigentumsart und Sachverhalt unterschiedlich stark ausgeprägt sein und sich auch in unterschiedlichem Maße auf die Gestaltungsmacht des Gesetzgebers auswirken. Bei der Bestimmung der Intensität des sozialen Bezugs wirkt sich dann die „verfassungsrechtliche Verankerung eines Gemeinwohlbelanges“ durch eine grundsätzlich stärkere Ausprägung des sozialen Bezugs aus.480 So steigert sich das Gewicht der den sozialen Bezug auslösenden Gemeinwohlbelange etwa in der im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG erforderlichen Abwägung,481 wenn sie gegenüber der Eigentumsgarantie „vergleichbare Grundrechtsgüter betreffen“.482 Als ein möglicher Parameter zur Bestimmung der konkreten Ausprägung des sozialen Bezugs bzw. „der sozialen Verflochtenheit des Eigentums“ 483 kommt dann die Orientierung daran in Betracht, wie viele Nichteigentümer als Grundrechtsträger

rung im Öffentlichen Recht, S. 323; zur Unbestimmtheit des Begriffs auch J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 446. 477 Vgl. H. Melchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes und das Recht des Denkmalschutzes, S. 132; F. Shirvani, DÖV 2014, S. 173 (174 f.). 478 C. Sellmann, Nutzungsbeschränkungen zugunsten der Umwelt und eigentumsrechtlich gebotener Ausgleich, S. 189; vgl. D. Couzinet, Die Zulässigkeit von Immissionen im anlagenbezogenen Immissionsschutzrecht, S. 249 mit Verweis auf M. Burgi, NVwZ 1994, S. 527 (533). 479 Siehe hierzu unten S. 268 ff. und H. Melchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes und das Recht des Denkmalschutzes, S. 135. 480 Vgl. H. Melchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes und das Recht des Denkmalschutzes, S. 136. 481 Hierzu S. 191 ff. 482 M. Sachs, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, 9. Aufl. 2021, Art. 20 Rn. 157. 483 R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 384.

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1. Kap.: Inhalt des sozialen Bezugs

von den Auswirkungen des Eigentumsgegenstandes betroffen sind.484 Hinzu tritt die insbesondere durch Rückgriff auf grundrechtliche Wertungen erfolgende Überprüfung, wie stark die Auswirkung auf die Gesellschaft ist.485 Folgende Definition des sozialen Bezugs ist letztlich nach Auswertung der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung und vor dem Hintergrund der Vorgaben des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG möglich: Der soziale Bezug beschreibt eine Verbindung von Eigentumsgegenständen zur Allgemeinheit im Sinne des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG, die dadurch entsteht, dass insbesondere die Eigenschaften der Eigentumsgegenstände für die Freiheitsausübung von anderen Grundrechtsträgern notwendig oder gefährdend sind, die Eigenschaften sich auf die Erreichung gesamtgesellschaftlicher Ziele auswirken oder schon mit dem Entstehen durch staatliche Förderung an die Allgemeinheit gebunden wurden. Maßgeblich für das Entstehen des sozialen Bezugs ist eine Kombination aus den Auswirkungen des Eigentumsgegenstandes und den durch diese Auswirkungen betroffenen öffentlichen Interessen.486 Bspw. ist einerseits die wohnraumschaffende Eigenschaft des Eigentums, aber andererseits auch das durch den Verwirklichungsanspruch der Freiheitsgrundrechte konkretisierte gesellschaftliche Bedürfnis nach Wohnraum erforderlich. Die aus dieser Kombination entstandene Verbindung zwischen Eigentumsgegenstand und sozialer Sphäre wird erst dann zu einer rechtlichen, wenn der Gesetzgeber entsprechend Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG eine Beschränkung des Eigentumsgebrauchs vorgenommen hat. Bis zu diesem Zeitpunkt jedoch entfaltet Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG keine unmittelbare Wirkung für den Eigentümer, sodass der soziale Bezug ohne rechtliche Umsetzung auf tatsächlicher Ebene verbleibt. Indes betont C. Sellmann, dass der soziale Bezug nicht „mit dem Grad des mit den Maßnahmen verfolgten öffentlichen Interesses gleichgesetzt werden“ könne.487 Unabhängig von den Zielen einer konkreten Maßnahme sei vielmehr erforderlich, „die Auswirkungen des ,status quo‘ der Lage und Nutzung des be-

484 Vgl. bezogen auf den personalen Bezug M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 218; F. Ekardt, Theorie der Nachhaltigkeit, 3. Aufl. 2021, S. 392; hierzu auch S. 288 ff. 485 Vgl. H.-J. Papier/F. Shirvani, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 83 April 2018, Art. 14 Rn. 426: „Je intensiver der Dritt- oder Allgemeinbezug der Eigentumsnutzung und -verfügung ist, je elementarer die mitbetroffenen Drittinteressen sind [. . .].“ 486 Vgl. W. G. Leisner, Existenzsicherung im Öffentlichen Recht, S. 325, der folgert, dass „die Existenzsicherungsneigung dieser Vermögensgüter als solcher verselbstständigt [wird], die Problematik also von zu deckendem Bedürfnis generell auf die Mittel verlagert [wird], die dazu eingesetzt werden sollen“. 487 C. Sellmann, Nutzungsbeschränkungen zugunsten der Umwelt und eigentumsrechtlich gebotener Ausgleich, S. 187.

C. Konkretisierung der den sozialen Bezug auslösenden Eigenschaften

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troffenen Eigentumsobjekts“ zu bestimmen.488 C. Sellmann verdient insoweit Zustimmung, als dass sich die für den sozialen Bezug maßgeblichen Eigentumseigenschaften einschließlich ihrer Auswirkungen allein aus dem Eigentumsgegenstand selbst ergeben können. Es wurde jedoch bei Betrachtung der Entscheidungen, in denen das Bundesverfassungsgericht den Begriff des sozialen Bezugs gebraucht, verdeutlicht, dass das öffentliche Interesse bzw. Allgemeinwohl für die Bestimmung der Verbindung des Eigentumsgegenstandes einschließlich seiner Eigenschaften zur Gesellschaft ebenso erforderlich ist. Die Einbeziehung der Allgemeinheit und deren Wohl als Rezipient der Auswirkungen der Eigentumsgegenstände ist damit Teil der Bestimmung des sozialen Bezugs. Dass weiterhin keine strikte Trennung zwischen der Bestimmung des sozialen Bezugs und dem Grad der öffentlichen Interessen möglich ist, spiegelt sich in den Aussagen von C. Sellmann selbst wider. Indem er das Gewicht des sozialen Bezugs mit der Eignung des betroffenen Eigentumsobjektes zum Erhalt und Schutz der Umwelt in Verbindung setzt,489 werden Inhalt des sozialen Bezugs und öffentliche Interessen verknüpft. Zudem ergibt sich das für eine Inhalts- und Schrankenbestimmung öffentliche Interesse oftmals aus den Rechtsgütern, die von der Auswirkung der Eigentumsgegenstände betroffen sind. Abschließend kann daher festgestellt werden, dass ohne Bezugnahme auf die öffentlichen Interessen – in der obigen Definition namentlich Freiheitsgrundrechte und gesamtgesellschaftliche Ziele – nicht die Auswirkungen eines Eigentumsgegenstandes auf die Gesellschaft und damit auch nicht der soziale Bezug bestimmt werden können.

V. Ergebnis Im Anschluss an die begriffliche Betrachtung des sozialen Bezugs, durch die dieser als auf die Allgemeinheit gerichtet eingeordnet und insbesondere von der Sozialbindung bzw. Sozialpflichtigkeit abgegrenzt wurde, konnten dessen Elemente aus der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung herausgearbeitet und in der obigen Definition zusammengefasst werden. Der Rückgriff auf die konkreten Entscheidungen war erforderlich, da bei allein begrifflicher Betrachtung der Inhalt des sozialen Bezugs nicht ermittelt werden konnte.490 In der obigen Definition erfolgt kein Ausschluss bestimmter Eigentums-Sachbereiche, die für das Vorliegen des sozialen Bezugs nicht in Betracht kommen. Ein derartiges Vorgehen wäre angesichts der Weite des in Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG enthaltenen Allgemeinwohls491 auch nicht zulässig. Vielmehr ermöglicht die Bezugnahme 488 C. Sellmann, Nutzungsbeschränkungen zugunsten der Umwelt und eigentumsrechtlich gebotener Ausgleich, S. 187. 489 C. Sellmann, Nutzungsbeschränkungen zugunsten der Umwelt und eigentumsrechtlich gebotener Ausgleich, S. 187. 490 S. o. S. 24 f. 491 S. 30 f.

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1. Kap.: Inhalt des sozialen Bezugs

auf die konkreten Auswirkungen des Eigentumsgebrauchs auf die Freiheitsverwirklichung Dritter sowie gesamtgesellschaftliche Ziele, den Besonderheiten des jeweiligen Sachbereichs Rechnung zu tragen. Insbesondere können auch die unterschiedlich starke Ausprägung des sozialen Bezugs sowie „Veränderungen der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse“ berücksichtigt werden.492 Bei Betrachtung des sozialen Bezugs ist im Hinblick auf die durch ihn ausgelöste Erweiterung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums493 mithin weniger entscheidend, ob dieser vorliegt, sondern wie stark er ausgeprägt ist.494 Auf die hinter dem Begriff des sozialen Bezugs stehenden Wertungen wird darüber hinaus zurückgegriffen, wenn nicht die Verfassungsmäßigkeit von Inhalts- und Schrankenbestimmungen in Rede steht, sondern deren Reichweite nicht eindeutig ist und für die Anwendung durch Rechtsprechung oder Verwaltung ausgelegt werden muss. Mit dem Hinweis auf das Bestehen des sozialen Bezugs und dessen Ausprägung kann dann eine strengere Auslegung der das Eigentum beschränkenden einfach-rechtlichen Vorgaben legitimiert werden.495 Auch vor diesem Hintergrund war es daher erforderlich, den Inhalt des sozialen Bezugs zu konturieren. Indes ist bei der Auslegung von Inhalts- und Schrankenbestimmungen maßgeblich, dass schon eine gesetzliche Beschränkung der Eigentümerinteressen besteht und die Unklarheit sich lediglich auf den Umfang der aus der Norm folgenden Eigentumsbeschränkung bezieht. Wie bereits ausgeführt wurde, kann der soziale Bezug hingegen mangels unmittelbarer Wirkung des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG keinen eigenständigen Eingriff in Eigentümerinteressen begründen.496

492

BVerfGE 95, 64 (84). S. u. S. 268 ff. 494 Siehe hierzu auch S. 295 f. 495 Vgl. W. Farke, Öffentliche Bedeutung privater Wirtschaftsunternehmen und Sozialpflichtigkeit des Eigentums, S. 52; vgl. J. Dietlein, Die Eigentumsfreiheit und das Erbrecht, in: K. Stern (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/ 1, 2006, § 113 S. 2229; weitergehend bezogen auf § 17 BImSchG D. Couzinet, Die Zulässigkeit von Immissionen im anlagenbezogenen Immissionsschutzrecht, S. 455. 496 S. 37 ff. und weitergehend S. 224 ff. 493

2. Kapitel

Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs Nachdem im bisherigen Teil der Untersuchung der Inhalt des sozialen Bezugs bestimmt wurde, werden nunmehr die rechtlichen Folgen betrachtet, die das Bundesverfassungsgericht an das Vorliegen des sozialen Bezugs knüpft. Der Ausgangspunkt hierfür ist, dass das Bundesverfassungsgericht den sozialen Bezug im Kontext einer Zusammensetzung von Tatbestand und Rechtsfolge gebraucht. So wirkt sich das Vorliegen des sozialen Bezugs (Tatbestand) auf den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum1 bzw. auf die Befugnis des Gesetzgebers zur Inhaltsund Schrankenbestimmung2 aus (Rechtsfolge). Für die Betrachtung der rechtlichen Auswirkungen des sozialen Bezugs wird im Folgenden mit der Inhalts- und Schrankenbestimmung der maßgebliche rechtliche Kontext für dessen Betrachtung aufgezeigt (S. 109 ff.). Anschließend wird die besondere Bedeutung des Umstandes berücksichtigt, dass im Rahmen des vorliegenden Untersuchungsgegenstandes das Bundesverfassungsgericht der Interpret der Eigentumsgarantie ist (S. 116 ff.). Hierdurch wird die Grundlage dafür geschaffen, um die Auswirkungen einer Erweiterung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums bzw. der Befugnis zur Inhalts- und Schrankenbestimmung auf den durch die Eigentumsgarantie gewährten Grundrechtsschutz darzustellen. Dies erfolgt durch eine zunächst allgemeine Betrachtung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums (S. 124 ff.), um diesen dann bei der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG herzuleiten und einzuordnen (S. 168 ff.).

A. Maßgebliche rechtliche Handlungsform: Inhalts- und Schrankenbestimmung Art. 14 GG eröffnet dem Gesetzgeber zwei das Eigentum betreffende Handlungsmöglichkeiten, für deren Zulässigkeit bzw. Verfassungsmäßigkeit jeweils unterschiedliche rechtliche Anforderungen maßgeblich sind: Einerseits die Inhalts- und Schrankenbestimmung entsprechend Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG3 (S. 110 ff.)

1 Exemplarisch BVerfGE 42, 263 (294); 52, 1 (32); 53, 257 (292); 70, 191 (201); 100, 226 (241). 2 Siehe nur BVerfGE 50, 290 (349); 143, 246 (324 Rn. 218). 3 Instruktiv zu Inhalts- und Schrankenbestimmungen BVerfGE 58, 300 (330 ff.).

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

und andererseits die Enteignung gemäß Art. 14 Abs. 3 GG4 (S. 112 f.). Um den rechtlichen Kontext des sozialen Bezugs aufzuzeigen (S. 114), sind beide Handlungsmöglichkeiten darzustellen und voneinander abzugrenzen (S. 113 f.).

I. Inhalts- und Schrankenbestimmung Das Bundesverfassungsgericht definiert Inhalts- und Schrankenbestimmungen als „die generelle und abstrakte Festlegung von Rechten und Pflichten durch den Gesetzgeber hinsichtlich solcher Rechtsgüter, die als Eigentum im Sinne der Verfassung zu verstehen sind“.5 Inhalts- und Schrankenbestimmungen sind weiterhin „auf die Normierung objektiv-rechtlicher Vorschriften gerichtet, die den Inhalt des Eigentums vom Inkrafttreten des Gesetzes an für die Zukunft in allgemeiner Form bestimmen“.6 Im Rahmen der Inhalts- und Schrankenbestimmungen muss der Gesetzgeber dann die Privatnützigkeit des Eigentums aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG und dessen Sozialbindung gemäß Art. 14 Abs. 2 GG einer gerechten Abwägung zuführen.7 Soweit eine eigentumsrelevante Regelung als generell und abstrakt wirkend einzuordnen ist, kann auch eine stark ausgeprägte Intensität der die Eigentümerinteressen betreffenden Belastung das Vorliegen einer Inhalts- und Schrankenbestimmung nicht ändern8 bzw. das Umschlagen in eine entschädigungspflichtige Enteignung begründen.9 Gleichwohl kann eine besonders starke Belastung des Eigentümers im Einzelfall zu einer Ausnahme von dem Grundsatz führen, dass Inhalts- und Schrankenbestimmungen entschädigungslos hinzunehmen sind.10 In diesem Fall liegt eine sog. ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestim-

4 H. D. Jarass, in: ders./B. Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 16. Aufl. 2020, Art. 14 Rn. 24 nennt zusätzlich noch die sonstigen Eigentumseingriffe ohne Enteignungscharakter. 5 BVerfGE 52, 1 (27). 6 BVerfGE 72, 66 (76); H. D. Jarass, in: ders./B. Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 16. Aufl. 2020, Art. 14 Rn. 33; R. Wendt, in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 9. Aufl. 2021, Art. 14 Rn. 58. 7 Vgl. O. Depenheuer/J. Froese, in: H. von Mangoldt/F. Klein/C. Starck u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 7. Aufl. 2018, Art. 14 Rn. 206; ausführlich hierzu s. u. S. 191 ff. 8 P. Axer, in: V. Epping/C. Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Onlinekommentar, 49. Ed. Stand 15.11.2021, Art. 14 Rn. 72. 9 H. D. Jarass, in: ders./B. Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 16. Aufl. 2020, Art. 14 Rn. 34; O. Depenheuer/J. Froese, in: H. von Mangoldt/F. Klein/ C. Starck u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 7. Aufl. 2018, Art. 14 Rn. 206. 10 BVerfGE 100, 226 (244): „Wo ausnahmsweise die Anwendung des Gesetzes zu einer unzumutbaren Belastung des Eigentümers führt, können Ausgleichsregelungen aber zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit und zum Ausgleich gleichheitswidriger Sonderopfer in Betracht kommen.“

A. Maßgebliche rechtliche Handlungsform

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mung vor.11 Die Gewährung des finanziellen Ausgleichs kommt jedoch nur als ultima ratio in Betracht, vorrangig hat der Gesetzgeber auf Übergangsregelungen zurückzugreifen.12 Die grundsätzliche Entschädigungslosigkeit abstrakt-genereller Eigentumsbeschränkungen wird darauf gestützt, dass Inhalts- und Schrankenbestimmungen einen „Ausfluss der Sozialgebundenheit des Eigentums“ darstellen.13 Insoweit wird der bereits betrachtete Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG als Grundlage der vom Gesetzgeber zu verwirklichenden Sozialbindung14 derart interpretiert, dass Eigentumsbeschränkungen, die dessen Gebrauch zum Wohle der Allgemeinheit sicherstellen, in der Konzeption der Eigentumsgarantie vorgesehen und entsprechend vom Eigentümer hinzunehmen sind. Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG würde in seiner Geltung beeinträchtigt werden, wenn jede allgemeinwohldienliche Eigentumsbeschränkung durch Forderung einer Entschädigung kommerzialisiert werden könnte. Zusätzlich spricht für die grundsätzliche Entschädigungslosigkeit der Inhaltsund Schrankenbestimmungen aus systematischer Sicht, dass im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG anders als bei Art. 14 Abs. 3 S. 2 GG gerade keine Entschädigungspflicht normiert ist. Das Bundesverfassungsgericht differenziert weiterhin nicht zwischen Inhaltsbestimmungen und Schrankenbestimmungen des Eigentums.15 Einer entsprechenden Trennung in der Literatur16 wird an dieser Stelle nicht weiter nachgegangen. Dies folgt daraus, dass die Interpretation des Bundesverfassungsgerichts

11 Vgl. R. Wendt, in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 9. Aufl. 2021, Art. 14 Rn. 83; siehe hierzu auch unten S. 325 ff.; M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, S. 264 Fn. 597. 12 BVerfGE 100, 226 (245). 13 P. Axer, in: V. Epping/C. Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Onlinekommentar, 49. Ed. Stand 15.11.2021, Art. 14 Rn. 72; BVerfGE 100, 226 (241); vgl. BVerfGE 143, 246 (336 Rn. 253). 14 Hierzu s. o. S. 35 ff. 15 Siehe nur BVerfGE 143, 246 (340 f. Rn. 267); A. Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 165; H. D. Jarass, in: ders./B. Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 16. Aufl. 2020, Art. 14 Rn. 33; R. Wendt, in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 9. Aufl. 2021, Art. 14 Rn. 58; M. Dannert, Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Eigentumsentziehungen zur Verfolgung und Verhinderung von Straftaten, S. 35; so auch D. Riedel, Eigentum, Enteignung und das Wohl der Allgemeinheit, S. 22 f.; eingehend zur Differenzierung O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft im öffentlichen Recht, S. 55; H. Rittstieg, in: R. Wassermann (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (AK-GG), Bd. I, 2. Aufl. 1989, Art. 14/15 Rn. 161 f.; D. Blasberg, Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Grundeigentums zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, S. 93. 16 R. Wendt, in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 9. Aufl. 2021, Art. 14 Rn. 55 ff.; M. Dannert, Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Eigentumsentziehungen zur Verfolgung und Verhinderung von Straftaten, S. 36 ff.; D. Ehlers, VVDStRL 51, S. 211 (225) differenziert lediglich in zeitlicher Hinsicht.

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

und deren Auswirkungen für die Eigentumsdogmatik im Vordergrund der vorliegenden Untersuchung des sozialen Bezugs stehen. Der nach dem Verständnis des Bundesverfassungsgerichts einheitlichen Inhalts- und Schrankenbestimmung kommt insbesondere Eingriffswirkung zu,17 wenn bereits bestehende Eigentumsrechte von der Inhalts- und Schrankenbestimmung betroffen sind.18 Der Eingriffswirkung steht es auch nicht entgegen, dass das Eigentum entsprechend dem Regelungsauftrag aus Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG der Ausgestaltung bedarf.19 Denn im Rahmen dieser Grundrechtsausgestaltung werden die vorher durch den Gesetzgeber geschaffenen bzw. konkretisierten Eigentumsrechte in Form eines Eingriffs „zur Abstimmung mit anderen Grundrechtspositionen oder gegenläufigen Allgemeininteressen“ relativiert.20 Eine Exklusivität zwischen Eigentumsausgestaltung und Eingriff nimmt auch das Bundesverfassungsgericht nicht an und geht exemplarisch in der Atomausstiegsentscheidung von der Möglichkeit eines Eingriffs in „nach früherem Recht entstandene Rechte“ aus.21 Die folgende Untersuchung bezieht sich durch die Bezugnahme auf den gesetzlich angeordneten Kohleausstieg22 insbesondere auf die rechtlichen Folgen des sozialen Bezugs im Rahmen von Inhalts- und Schrankenbestimmungen, die bereits entstandene Eigentumsrechte beschränken.

II. Enteignung Unter der Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG versteht das Bundesverfassungsgericht „den Entzug konkreter Rechtspositionen“, der „auf die Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben gerichtet“ sein muss.23 Die Enteignung beendet als hoheitlicher Rechtsakt das bisherige rechtliche Zuordnungsverhältnis zwi-

17 K. Arnold, Die grundrechtliche Schutzbereichsbegrenzung, S. 39; C. Bumke, Der Grundrechtsvorbehalt, S. 186 f.; H. D. Jarass, in: ders./B. Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 16. Aufl. 2020, Art. 14 Rn. 33; kritisch O. Lepsius, Verfassungsrechtlicher Rahmen der Regulierung, in: M. Fehling/M. Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, § 4 S. 182. 18 P. Badura, Eigentum, in: E. Benda/W. Maihofer/H.-J. Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1994, § 10 Rn. 55; zur eingriffsähnlichen Wirkung von ausschließlich auf zukünftige Eigentumsrechte gerichteten Inhalts- und Schrankenbestimmungen s. u. S. 205 f. 19 Vgl. P. Badura, Grundrechte und Wirtschaftsordnung, in: D. Merten/H.-J. Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. II, 2006, § 29 Rn. 6; zur Abgrenzung von Eingriff und Ausgestaltung M. Cornils, Die Ausgestaltung der Grundrechte, S. 666 ff. 20 A. Wieckhorst, Grundrechtsschutz durch Legislativverfahren, S. 273. 21 BVerfGE 143, 246 (342 Rn. 269); vgl. auch bezogen auf die Umgestaltung von Eigentumsrechten H. Rittstieg, NJW 1982, S. 721 (722). 22 S. 281 ff. 23 BVerfGE 101, 239 (259); 102, 1 (15 f.); 104, 1 (9); 112, 93 (109); 134, 242 (289); P. Axer, in: V. Epping/C. Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Onlinekommentar, 49. Ed. Stand 15.11.2021, Art. 14 Rn. 73.

A. Maßgebliche rechtliche Handlungsform

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schen dem Schutzgegenstand der Eigentumsgarantie und dem Rechtsinhaber und stellt damit „einen besonders schweren Eigentumseingriff dar“.24 Daher kommen bloße Nutzungs- und Verfügungsbeschränkungen weiterhin beim Eigentümer verbleibender Rechte nicht in Betracht, um eine Enteignung zu begründen.25 Die Anforderungen an das Vorliegen einer Enteignung erschöpfen sich jedoch nicht in der Beendigung des Zuordnungsverhältnisses zwischen dem Eigentümer und dem betroffenen Gegenstand, vielmehr muss nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zusätzlich eine „Güterbeschaffung zugunsten der öffentlichen Hand oder sonstigen Enteignungsbegünstigten“ vorliegen.26 Bei der Enteignung ist ferner zwischen den beiden Fällen zu differenzieren, dass einerseits die Eigentumsentziehung ipso iure dem Erlass des Gesetzes nachfolgt (sog. Legalenteignung) oder andererseits die Verwaltung eine vom Gesetzgeber übertragene Ermächtigung zur Enteignung ausfüllt (sog. Administrativenteignung).27 Mithin besteht bei der Enteignung im Gegensatz zur Inhalts- und Schrankenbestimmung gemäß Art. 14 Abs. 3 S. 2 GG eine Entschädigungspflicht des Hoheitsträgers gegenüber dem aus seiner Eigentümerstellung verdrängten vormaligen Rechtsinhaber.28

III. Abgrenzung von Inhalts- und Schrankenbestimmung und Enteignung Inhalts- und Schrankenbestimmung sowie Enteignung schließen sich aufgrund der aufgezeigten Unterscheidung gegenseitig aus, sodass eine eigentumsrelevante Regelung nur eine der beiden Regelungsformen verkörpern kann. Die Enteignung ist gegenüber der Inhalts- und Schrankenbestimmung als aliud anzusehen.29 Entsprechend unzulässig ist die Umdeutung einer verfassungswidrigen Inhaltsund Schrankenbestimmung in eine Enteignung, um durch das Auslösen der Entschädigungspflicht des Art. 14 Abs. 3 S. 2 GG die Verfassungswidrigkeit zu hei24 H. D. Jarass, in: ders./B. Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 16. Aufl. 2020, Art. 14 Rn. 74; vgl. auch R. Wendt, in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 9. Aufl. 2021, Art. 14 Rn. 77, der das „Eingriffsinstrument der Enteignung“ als „ein extraordinäres“ bezeichnet. 25 BVerfGE 143, 246 (333 Rn. 245). 26 BVerfGE 143, 246 (333 f. Rn. 246); H. D. Jarass, in: ders./B. Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 16. Aufl. 2020, Art. 14 Rn. 77; O. Depenheuer/J. Froese, in: H. von Mangoldt/F. Klein/C. Starck u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 7. Aufl. 2018, Art. 14 Rn. 207. 27 P. Axer, in: V. Epping/C. Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Onlinekommentar, 49. Ed. Stand 15.11.2021, Art. 14 Rn. 73; vgl. auch die Differenzierung in BVerfGE 58, 300 (330 ff.); zur Differenzierung auch F. Shirvani, DÖV 2014, S. 173 (176 f.). 28 H. D. Jarass, in: ders./B. Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 16. Aufl. 2020, Art. 14 Rn. 74, 92 ff. 29 O. Depenheuer/J. Froese, in: H. von Mangoldt/F. Klein/C. Starck u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 7. Aufl. 2018, Art. 14 Rn. 207.

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

len.30 Vielmehr ist – statt eine Entschädigung für die Eigentumsbeschränkung einzufordern – gegen eine verfassungswidrige Inhalts- und Schrankenbestimmung im Wege des Primärrechtsschutzes vorzugehen.31 Wie bereits aufgezeigt, scheidet die Intensität der Beschränkung der Eigentümerbefugnisse als Abgrenzungskriterium zwischen Inhalts- und Schrankenbestimmung und Enteignung aus und ist mit der Nassauskiesungsentscheidung32 in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich einer formalen Betrachtung gewichen.33 Soweit eine Regelung sich in abstrakt-genereller Form auf die Eigentumsrechte bezieht, kann daher nur eine Inhalts- und Schrankenbestimmung vorliegen.34 Wie bereits erörtert, muss dem Bundesverfassungsgericht zufolge der Entzug fremden Eigentums zudem – über den Wortlaut des Art. 14 Abs. 3 GG hinaus – eine Güterbeschaffung des Hoheitsträgers darstellen.35 Eine bloße Eigentumsentziehung, ohne dass der Staat die Eigentumsrechte auf ihn überleitet, stellt mithin eine Inhalts- und Schrankenbestimmung dar.36 In derartigen Konstellationen einer vollständigen Eigentumsentziehung, in denen insbesondere als „Gemeinwohllast“ empfundene Eigentumsgegenstände betroffen sind,37 muss der Gesetzgeber aber jedenfalls ausreichende Übergangsregelungen bzw. eine Ausgleichsregelung zugunsten der Inhaber der entzogenen Rechte in Betracht ziehen.38

IV. Verortung des sozialen Bezugs Der soziale Bezug von Eigentumsgegenständen entfaltet im Rahmen der Handlungsform der Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG Relevanz. So verbindet das Bundesverfassungsgericht in der Atomausstiegsentscheidung den Begriff des sozialen Bezugs als Kombination von Tatbestand

30 BVerfGE 52, 1 (28); P. Axer, in: V. Epping/C. Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Onlinekommentar, 49. Ed. Stand 15.11.2021, Art. 14 Rn. 78. 31 P. Axer, in: V. Epping/C. Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Onlinekommentar, 49. Ed. Stand 15.11.2021, Art. 14 Rn. 77. 32 BVerfGE 58, 300 (330 ff.); hierzu O. Depenheuer/J. Froese, in: H. von Mangoldt/ F. Klein/C. Starck u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 7. Aufl. 2018, Art. 14 Rn. 201. 33 BVerfGE 58, 300 (330 ff.); P. Axer, in: V. Epping/C. Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Onlinekommentar, 49. Ed. Stand 15.11.2021, Art. 14 Rn. 78. 34 R. Wendt, in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 9. Aufl. 2021, Art. 14 Rn. 153. 35 BVerfGE 143, 246 (333 f. Rn. 246); hierzu auch C. Ziehm, ZNER 2017, S. 7 (8). 36 BVerfGE 143, 246 (339 Rn. 261). 37 BVerfGE 143, 246 (336 f. Rn. 253). 38 Vgl. BVerfGE 143, 246 (339 Rn. 261): „In diesen Fällen hat der Gesetzgeber besonders sorgfältig zu prüfen, ob ein solcher Entzug nur dann mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar ist, wenn für den Eigentümer ein angemessener Ausgleich vorgesehen ist“; H. D. Jarass, in: ders./B. Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 16. Aufl. 2020, Art. 14 Rn. 78; M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, S. 263 f.

A. Maßgebliche rechtliche Handlungsform

115

und Rechtsfolge39 ausdrücklich mit der Inhalts- und Schrankenbestimmung, indem es ausführt, dass „die Befugnis des Gesetzgebers zur Inhalts- und Schrankenbestimmung umso weiter [reicht], je stärker der soziale Bezug des Eigentumsobjektes ist“.40 Auch die sonstige Bezugnahme auf den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum spricht für die Verortung des sozialen Bezugs bei der Ausgestaltung der Eigentumsrechte im Rahmen der Inhalts- und Schrankenbestimmung und nicht bei dem konkreten Zugriff auf diese bereits ausgestalteten Eigentumsrechte in Form der Enteignung.41 Daher muss der Begriff des sozialen Bezugs im rechtlichen Kontext der generellen und abstrakten Festlegung von Rechten und Pflichten untersucht werden und nicht bei der Durchbrechung der schon zuvor ausgestalteten Eigentumsordnung.42 Die den sozialen Bezug auslösenden Eigenschaften können zwar auch zur Rechtfertigung einer Enteignung in Betracht kommen. Dies ergibt sich daraus, dass die Enteignung gemäß Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig ist und bei Betrachtung des Inhalts des sozialen Bezugs festgestellt werden konnte, dass dieser nur bei Auswirkungen auf die Allgemeinheit und deren Wohl vorliegen kann.43 Insoweit bestehen Überschneidungspunkte bei der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung von Inhalts- und Schrankenbestimmungen und der Enteignung. Der vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigte Mechanismus, dass bestimmte Eigentumseigenschaften sich anknüpfend an Art. 14 Abs. 2 GG auf die Reichweite der rechtlichen Handlungsbefugnisse des Gesetzgebers auswirken,44 bezieht sich jedoch in den jeweiligen Entscheidungen ausschließlich auf die Inhalts- und Schrankenbestimmung. Zudem ist die Befugnis des Gesetzgebers bei der Enteignung in Gestalt der Eigentumsentziehung bereits in äußerster Form vorgegeben und kann auch nicht mehr vergrößert werden.45 Mithin ist im Folgenden bezogen auf die rechtlichen Auswirkungen des sozialen Bezugs der rechtliche Kontext der Inhalts- und Schrankenbestimmung maßgeblich.

39

S. 109 f. BVerfGE 143, 246 (324 Rn. 218). 41 Vgl. auch F. Ossenbühl, Eigentumsschutz gegen Nutzungsbeschränkungen, in: J. Isensee/H. Lecheler, Freiheit und Eigentum, Festschrift für Walter Leisner zum 70. Geburtstag, 1999, S. 689 (697). 42 Vgl. BVerfGE 52, 1 (27); 49, 382 (393); 56, 249 (260); nochmals zur Inhalts- und Schrankenbestimmung H. D. Jarass, in: ders./B. Pieroth, Grundgesetz, 16. Aufl. 2020, Art. 14 Rn. 33 f. und R. Wendt, in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 9. Aufl. 2021, Art. 14 Rn. 54 ff. 43 S. o. S. 107 f. 44 Zur dogmatischen Verortung s. u. S. 268 ff. 45 Vgl. auch BVerfGE 143, 246 (336 Rn. 252): „Hierfür benötigt der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum, den ihm das Grundgesetz bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums lässt, nicht aber bei der in ihren Voraussetzungen und Rechtsfolgen streng fixierten Enteignung.“ 40

116

2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

B. Der soziale Bezug als Ergebnis der Interpretation des Bundesverfassungsgerichts Die aufgezeigten Erwägungen zum sozialen Bezug als Auslegung bzw. Interpretation des Art. 14 GG sind Bestandteil von Urteilen und Beschlüssen (§ 25 Abs. 2 BVerfGG) des Bundesverfassungsgerichts. Daher sind nicht nur die Folgen des Vorliegens des sozialen Bezugs im Rahmen der Inhalts- und Schrankenbestimmung zu untersuchen, sondern auch, ob durch den bundesverfassungsrechtlichen Entscheidungskontext zusätzliche, über den materiell-rechtlichen Inhalt hinausgehende Rechtsfolgen entstehen. Mit anderen Worten stellt sich die Frage, welche Konsequenzen aus der Auslegung des Art. 14 GG durch das Bundesverfassungsgericht resultieren, verglichen mit der inhaltlichen Auslegung durch sonstige Akteure, etwa dem Gesetzgeber oder der Wissenschaft. Da die Inhalts- und Schrankenbestimmung die für den Begriff des sozialen Bezugs maßgebliche rechtliche Handlungsform ist und dieser auf eine Erweiterung des Gestaltungsspielraums bzw. der Befugnis zur Inhalts- und Schrankenbestimmung abzielt, ist insbesondere die Auswirkung der bundesverfassungsgerichtlichen Interpretation des Art. 14 GG auf zukünftiges gesetzgeberisches Handeln maßgeblich. Hierbei ist zunächst festzustellen, dass das Grundgesetz das Verhältnis zwischen Legislative und Bundesverfassungsgericht nicht ausdrücklich im Hinblick auf die Interpretation von Verfassungsvorschriften regelt.46 Anknüpfend an diesen Ausgangspunkt wird im Folgenden aufgezeigt, dass allein aus der Stellung des Bundesverfassungsgerichts im Verfassungsgefüge keine Bindungswirkung für den Gesetzgeber folgt (S. 116 ff.). Anschließend wird die rechtliche und faktische Wirkung der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidungen dargestellt (S. 118 ff.) und letztlich die Bedeutung dieser Wirkungen für den Begriff des sozialen Bezugs dargelegt (S. 123 f.).

I. Keine Bindungswirkung durch die Stellung im Verfassungsgefüge Eine lenkende und auch zukünftig rechtlich verbindliche Auswirkung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts auf den Gesetzgeber würde vorliegen, wenn dem Bundesverfassungsgericht eine Vorrangstellung bei der Verfassungsinterpretation zukommt. Für das Vorliegen einer derartigen Vorrangstellung ist die Rolle des Bundesverfassungsgerichts im Institutionengefüge maßgeblich.47 Insoweit wird dem Bundesverfassungsgericht zwar eine herausgehobene Stellung im Staatsgefüge als „oberster Hüter“ der Verfassung zugesprochen, sodass dessen „verbindlicher Auslegung eine besondere Qualität“ zukomme.48 Je46

J. Aulehner, Grundrechte und Gesetzgebung, S. 240. F. Lange, Grundrechtsbindung des Gesetzgebers, S. 200. 48 T. Maunz, in: ders./G. Dürig u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: 1971, Art. 94 Rn. 3; K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 710; zur Stellung des Bun47

B. Der soziale Bezug als Ergebnis der Interpretation

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doch folgt aus dessen „gerichtsförmiger Organstruktur“ in erster Linie eine Kontrollfunktion.49 Diese Einordnung wird bestätigt durch Art. 93 GG, wonach dem Gericht mit der Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des Handelns der anderen Verfassungsorgane vornehmlich Kontrollaufgaben übertragen werden.50 Die Ausübung dieser Kontrollfunktion kann jedoch nicht in einer abschließenden, auch auf die Zukunft gerichteten und somit für den Gesetzgeber verbindlichen Verfassungsinterpretation resultieren.51 Eine Vorrangstellung bei der Verfassungsinterpretation könnte andernfalls zu einer Einschränkung des gesetzgeberischen Willensbildungsprozesses und insoweit zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung führen.52 Darüber hinaus wird die aus Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG folgende, „gleichermaßen“ bestehende Verantwortung zur Wahrung der Verfassung auch auf die Auslegung durch den Gesetzgeber übertragen.53 Hieraus resultiere dann ein „gleichberechtigte[r] verfassungsrechtliche[r] Dialog aller Staatsgewalten“.54 Zwar folgt aus der Kontrollfunktion des Bundesverfassungsgerichts auch zwangsläufig, dass bei einer divergierenden Verfassungsauslegung der gerichtlichen Verfassungsauslegung der Vorrang zukommt.55 Diese Kontrolle würde sich bei einer auf die Zukunft gerichteten Bindungswirkung jedoch im Ergebnis auf die Prüfung beschränken, ob der Gesetzgeber die bestehenden bundesverfassungsgerichtlichen Vorgaben eingehalten hat und nicht, ob die Auslegung des Gesetzgedesverfassungsgerichts auch C. Bickenbach, Die Entscheidungsprärogative des Gesetzgebers, S. 459 ff. 49 F. Lange, Grundrechtsbindung des Gesetzgebers, S. 200; zur Kontrollfunktion C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 450 ff.; zur Legitimation dieser Kontrolle und Korrektur durch das Bundesverfassungsgericht J. Aulehner, Grundrechte und Gesetzgebung, S. 241. 50 K. Vogel, Das Bundesverfassungsgericht und die übrigen Verfassungsorgane, S. 109 ff.; ausdrücklich festgelegt wird der Status des Bundesverfassungsgerichts jedoch nicht, sondern vielmehr vom Grundgesetz vorausgesetzt, T. Maunz, in: ders./G. Dürig u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: 1971, Art. 94 Rn. 1. 51 Vgl. F. Lange, Grundrechtsbindung des Gesetzgebers, S. 200 f. 52 Vgl. F. Lange, Grundrechtsbindung des Gesetzgebers, S. 201. 53 Vgl. U. Kischel, AöR 131 (2006), S. 219 (224 f.); F. Lange, Grundrechtsbindung des Gesetzgebers, S. 201; für „einen gleichberechtigten Diskurs“ auch T. Bauer, Die produktübergreifende Bindung des Bundesgesetzgebers an Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, S. 224; H. Schulze-Fielitz, Wirkung und Befolgung verfassungsgerichtlicher Entscheidungen, in: P. Badura/H. Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht. Bd. I, 2001, S. 385 folgert indes aus dem Vorrang der Verfassung, „daß gerichtliche Festlegungen des Inhalts verfassungsrechtlicher Normen über den entscheidenden Einzelfall hinaus Auswirkungen für die gesamte Rechtsordnung enthalten.“; vgl. S. Detterbeck, NJW 1996, S. 426 (428), der darauf hinweist, dass Art. 20 Abs. 3 GG nur formelles Verfassungsrecht erfasse und hierzu die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht gehöre. 54 F. Lange, Grundrechtsbindung des Gesetzgebers, S. 202. 55 U. Kischel, AöR 131 (2006), S. 219 (227) sieht weiterhin eine besondere Autorität durch diese letztverbindliche Entscheidungsmacht.

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

bers selbst mit der Verfassung vereinbar ist. Anders gewendet würde das Bundesverfassungsgericht die gesetzgeberischen Akte lediglich auf die Vereinbarkeit mit einschlägigen, bereits ergangenen Entscheidungen als „parakonstitutionellen Rechtsstoff“ 56 überprüfen. Letztlich könnten die aus den Entscheidungen folgenden verfassungsrechtlichen Vorgaben durch das Bundesverfassungsgericht auch nicht eigeninitiativ korrigiert werden.57 Dies folgt daraus, dass das Bundesverfassungsgericht aus eigenem Antrieb nicht handeln kann und im Rahmen seiner Rechtsprechung auf das Herantragen von verfassungsrechtlichen Streitigkeiten von Seiten Dritter angewiesen ist. Die Stellung im Verfassungsgefüge58 unterstreicht zwar die Bedeutung der bundesverfassungsgerichtlichen Auslegung. Eine verfassungsrechtlich relevante zukünftige Verbindlichkeit für den Gesetzgeber bzw. ein Auslegungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts lassen sich hieraus allein jedoch nicht ableiten.59

II. Rechtliche Wirkung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Eine Auswirkung der Interpretation des Bundesverfassungsgerichts für zukünftiges gesetzgeberisches Handeln kann sich indes aus den mit der Entscheidung einhergehenden Rechtsfolgen ergeben.60 Für den Fall, dass die betrachtete Inhalts- und Schrankenbestimmung mit der Verfassung vereinbar ist und der aus dem sozialen Bezug resultierende Gestaltungsspielraum bzw. die bestehende Befugnis zur Inhalts- und Schrankenbestimmung nicht überschritten wurden, kann gemäß § 31 Abs. 2 BVerfGG „positiv die Vereinbarkeit der Norm mit dem 56 R. Herzog, ZG 1987, S. 290 (295); J. Aulehner, Grundrechte und Gesetzgebung, S. 249. 57 U. Kischel, AöR 131 (2006), S. 219 (222); F. Lange, Grundrechtsbindung des Gesetzgebers, S. 203; K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 468; die Bedeutung des Antragserfordernisses abmildernd W. Heun, Funktionell-rechtliche Schranken der Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 9; M. Mayer, Untermaß, Übermaß und Wesensgehaltsgarantie, S. 126. 58 Hierzu auch O. Lepsius, Reaktionsweisen des Gesetzgebers auf verfassungsgerichtliche Entscheidungen, in: M. Jestaedt/H. Suzuki (Hrsg.), Verfassungsentwicklung durch Verfassungsgerichte. Deutsch-Japanisches Verfassungsgespräch 2017, 2019, S. 125 (129). 59 Vgl. U. Kischel, AöR 131 (2006), S. 219 (223). 60 Zu den allgemeinen Rechtsfolgen einer Gerichtsentscheidung wie der Bindung des Gerichts und der formellen und materiellen Rechtskraft, vgl. E. Stein, in: E. Benda/ ders./O. Klein, Verfassungsprozessrecht, 3. Aufl. 2011, § 40 Rn. 1416 ff.; die materielle Rechtskraft ist darüber hinaus auf den Entscheidungstenor begrenzt und kann daher nicht zu einer Bindungswirkung der Entscheidungsgründe führen, F. Lange, Grundrechtsbindung des Gesetzgebers, S. 202 mit Verweis auf BVerfGE 78, 320 (328); überdies ist bei Normkontrollentscheidungen der Gesetzgeber auch nicht der Antragsgegner und damit auch nicht von der Rechtskraft erfasst, U. Kischel, AöR 131 (2006), S. 219 (245).

B. Der soziale Bezug als Ergebnis der Interpretation

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Grundgesetz“ festgestellt werden.61 Unmittelbare Rechtsfolgen im Sinne einer Veränderung der Rechtslage ergeben sich aus § 31 Abs. 2 BVerfGG jedoch nicht. Bezogen auf das konkrete Gesetz liegt vielmehr eine bundesverfassungsgerichtliche Billigung der gesetzgeberischen Ausgestaltung des Eigentums vor, die auch durch das Vorliegen des sozialen Bezugs legitimiert wurde. Kommt das Bundesverfassungsgericht jedoch zum Ergebnis der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes, erklärt es dieses für nichtig (§§ 78 S. 1, 82 Abs. 1, 95 Abs. 3 S. 1 BVerfGG) oder für nicht mit der Verfassung vereinbar.62 Aus dieser Feststellung63 folgt, dass der Gesetzgeber den ihm durch Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG64 und den sozialen Bezug des Eigentumsgegenstandes eingeräumten Gestaltungsspielraum bzw. die Befugnis zur Inhalts- und Schrankenbestimmung überschritten hat. An die Erwägungen, die zu der Feststellung der Wahrung oder der Überschreitung des Gestaltungsspielraums geführt haben, könnte der Gesetzgeber auch in zukünftigen, ähnlich gelagerten Fällen gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG gebunden sein.65 So statuiert § 31 Abs. 1 BVerfGG auf einfachrechtlicher Ebene eine Bindung der Entscheidungen einschließlich der „tragenden Gründe“ 66 für die Verfassungsorgane des Bundes und damit auch den Gesetzgeber.67 Entgegen des Wortlauts68 des § 31 Abs. 1 BVerfGG lehnt der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts eine derartige Bindung des Gesetzgebers jedoch ab, indem er nach der

61 Vgl. K. Schlaich/S. Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 12. Aufl. 2021, Rn. 372. 62 K. Schlaich/S. Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 12. Aufl. 2021, Rn. 394 ff.; dies soll dem weiten Gestaltungsspielraum Rechnung tragen, der dem Gesetzgeber bei aus Freiheitsrechten abgeleiteten Regelungspflichten zukommt, U. Steiner, Zum Entscheidungsausspruch und seinen Folgen bei der verfassungsrechtlichen Normenkontrolle, in: J. Isensee/H. Lecheler, Freiheit und Eigentum. Festschrift für Walter Leisner zum 70. Geburtstag, 1999, S. 569 (570); als weitere Entscheidungsformen sind zusätzlich noch die Appellentscheidung sowie die verfassungskonforme Auslegung zu nennen, hierzu unten S. 163 f. 63 Vgl. K. Schlaich/S. Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 12. Aufl. 2021, Rn. 380 f. 64 Hierzu S. 170 ff. 65 Hierfür S. Detterbeck, NJW 1996, S. 426 (431); J. Aulehner, Grundrechte und Gesetzgebung, S. 247. 66 E. Stein, in: E. Benda/ders./O. Klein, Verfassungsprozessrecht, 3. Aufl. 2011, § 40 Rn. 1450; dagegen F. Lange, Grundrechtsbindung des Gesetzgebers, S. 203. 67 E. Stein, in: E. Benda/ders./O. Klein, Verfassungsprozessrecht, 3. Aufl. 2011, § 40 Rn. 1449; als tragende Gründe werden solche angesehen, „die als notwendige argumentative Stützen für das in der Entscheidungsformel zum Ausdruck kommende Ergebnis dienen (ratio decidendi)“; ders., in: E. Benda/ders./O. Klein, Verfassungsprozessrecht, 3. Aufl. 2011, § 40 Rn. 1452 mit Verweis auf BVerfGE 96, 375 (404); 115, 97 (110). 68 S. Detterbeck, NJW 1996, S. 426 (429) tritt indes für eine aus dem Wortlaut des § 31 BVerfGG folgende Bindungswirkung des Gesetzgebers ein; F. Lange, Grundrechtsbindung des Gesetzgebers, S. 203 sieht im Wortlaut keine Anhaltspunkte für das Normwiederholungsverbot.

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Norm durch das Bundesverfassungsgericht das Vorliegen eines sog. Normwiederholungsverbots für den Gesetzgeber verneint.69 So soll es für den Gesetzgeber grundsätzlich möglich sein, eine für verfassungswidrig erklärte Norm nochmals mit dem gleichen Inhalt zu erlassen. Begründet wird diese Interpretation des § 31 Abs. 1 BVerfGG durch den ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts mit der notwendigen „Gestaltungsfreiheit und Gestaltungsverantwortung“ des Gesetzgebers vor dem Hintergrund „wechselnde[r] soziale[r] Anforderungen und veränderte[r] Ordnungsvorstellungen“.70 Weiterhin seien „Akte der gesetzgebenden Gewalt an der Verfassung selbst und nicht an verfassungsgerichtlichen Präjudizen zu messen“ und es müsse einer „Erstarrung der Rechtsentwicklung“ vorgebeugt werden.71 Zusätzlich sei der Gesetzgeber nur an die verfassungsmäßige und nicht an die einfachgesetzliche Ordnung gebunden, sodass aus § 31 Abs. 1 BVerfGG keine Verpflichtung entstehen könne.72 Auch bei Ablehnung eines Normwiederholungsverbots kann jedoch keine gänzliche Freistellung des Gesetzgebers von der Bindung an die Entscheidungen zusammen mit den tragenden Gründen – die auch die Auslegung des Art. 14 GG einschließen können – gefolgert werden.73 So ist die Unabhängigkeit des Gesetzgebers von der bundesverfassungsgerichtlichen Auslegung des Grundgesetzes nur bei tatsächlich gewechselten sozialen Anforderungen und geänderten Ordnungs-

69 BVerfGE 77, 84 (103); A. Heusch, in: C. Burkiczak/W. Dollinger/F. Schorkopf, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 2015, § 31 Rn. 61 f.; R. Zuck, in: H. Lechner/ders., Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 8. Aufl. 2019, § 31 Rn. 35 weist darauf hin, dass sich ein Normwiederholungsverbot jedenfalls nicht im Grundgesetz finde; C. Lenz/R. Hansel, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 3. Aufl. 2020, § 31 Rn. 37; K. Schlaich/S. Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 12 Aufl. 2021, Rn. 483 f.; F. Lange, Grundrechtsbindung des Gesetzgebers, S. 178 sieht darin eine Verengung des Problems, ob dem Gesetzgeber ein eigenständiges Interpretationsrecht der Verfassung zukommt; eine ausführliche Übersicht hinsichtlich des Meinungsstandes in der Literatur bezüglich der Bindungswirkung des § 31 Abs. 1 BVerfGG liefert T. Bauer, Die produktübergreifende Bindung des Bundesgesetzgebers an Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, S. 229 Fn. 436; J. Aulehner, Grundrechte und Gesetzgebung, S. 247 ff. 70 E. Stein, in: E. Benda/ders./O. Klein, Verfassungsprozessrecht, 3. Aufl. 2011, § 40 Rn. 1467 mit Verweis auf BVerfGE 77, 84 (103); begrüßend K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 190; zum Gestaltungsspielraum sogleich S. 124 ff. 71 BVerfGE 77, 84 (104); J. Aulehner, Grundrechte und Gesetzgebung, S. 249. 72 U. Kischel, AöR 131 (2006), S. 219 (222); A. Heusch, in: C. Burkiczak/W. Dollinger/F. Schorkopf, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 2015, § 31 Rn. 61 – Voraussetzung hierfür ist indes, dass § 31 Abs. 1 keine „verfassungsrechtliche Fundierung“ aufweist; nach S. Detterbeck, NJW 1996, S. 426 (429) gebe es hingegen keinen Grundsatz, wonach „der Urheber an die von ihm selbst erzeugten Rechtsakte nicht gebunden“ sei. 73 U. Kischel, AöR 131 (2006), S. 219 (237) geht entgegengesetzt von einem grundsätzlich bestehenden Normwiederholungsverbot aus, von dem dann jedoch Ausnahmen bestünden.

B. Der soziale Bezug als Ergebnis der Interpretation

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vorstellungen erforderlich.74 Das Erfordernis einer Normwiederholung trotz vorher ergangener konträrer bundesverfassungsgerichtlicher Entscheidung aufgrund von gesellschaftlichen Wandlungen muss dementsprechend durch „beachtliche“ Gründe dargelegt werden.75 Darüber hinaus kann die Missachtung der bundesverfassungsgerichtlichen Auslegung zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Verfassungsorgantreue führen.76 Schließlich würde der im unmittelbaren Anschluss an eine Nichtigkeitserklärung durch das Bundesverfassungsgericht erfolgende Neuerlass des Gesetzes einer Weigerung des Gesetzgebers gleichkommen, die Nichtigkeitserklärung anzuerkennen.77 Daher kommt einer bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung die Wirkung zu, dass der Gesetzgeber die Auslegung des Gerichts – jedenfalls soweit diese zu den tragenden Gründen der Entscheidung gehört und sich die der Entscheidung zugrundeliegenden Umstände nicht geändert haben – berücksichtigen muss. Andernfalls läge ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verfassungsorgantreue vor.

III. Faktische Wirkung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Darüber hinausgehend kommt auch eine faktische Wirkung der in den Entscheidungen enthaltenen Interpretation des Art. 14 GG in Betracht, die ohne normativen Rechtsbefehl entsteht.78 So bestimme „[d]er ,Blick auf Karlsruhe‘ [. . .]

74 Vgl. hierzu auch U. Kischel, AöR 131 (2006), S. 219 (234 f.), der bei normativen oder tatsächlichen Veränderungen ein Normwiederholungsverbot für nicht gegeben erachtet. 75 C. Lenz/R. Hansel, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 3. Aufl. 2020, § 31 Rn. 37. 76 A. Heusch, in: C. Burkiczak/W. Dollinger/F. Schorkopf, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 2015, § 31 Rn. 62; nach Rn. 63 soll dieser Grundsatz wiederum den Erlass gleichlautender Normen nicht verhindern, „wenn [der Gesetzgeber] in Auseinandersetzung mit den Erwägungen des BVerfG neue rechtliche Argumente für seinen Standpunkt anzuführen weiß.“; T. Bauer, Die produktübergreifende Bindung des Bundesgesetzgebers an Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, S. 225 weist jedoch darauf hin, dass die Verfassungsorgantreue „den Schritt von der Treueforderung zur vorgangsbezogenen Argumentationspflicht jedoch nicht selbst begründen“ könne; K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 323; hierzu auch J. Aulehner, Grundrechte und Gesetzgebung, S. 248. 77 U. Kischel, AöR 131 (2006), S. 219 (233). 78 W. Hoffmann-Riem, Der Staat 13 (1974), S. 335 (339 f.); für H. Schulze-Fielitz, Wirkung und Befolgung verfassungsgerichtlicher Entscheidungen, in: P. Badura/ H. Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht. Bd. I, 2001, S. 385 (394) ist wegen der ebenfalls notwendigen „faktisch hohen Autorität [. . .] [d]er wissenschaftliche Streit um die Reichweite von § 31 BVerfGG [. . .] von praktisch geringer Bedeutung“; so auch E. Luetjohann, Nicht-normative Wirkungen des Bundesverfassungsgerichts, S. 40; H. Simon, Verfassungsgerichtsbarkeit, in: E. Benda/W. Maihofer/ H.-J. Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1994, § 34 Rn. 52 geht von einer mittelbaren gestaltenden Wirkung im politischen Prozess aus; zur hohen Bedeutung der faktischen Wirkung auch K. Meßerschmidt, Gesetz-

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

maßgeblich die Tätigkeit des Gesetzgebers“, sodass es zu einer „erfreuliche[n] Bestätigung der Verfassung – in der vom BVerfG gegebenen Auslegung“ kommen könne.79 Diese faktische Präjudizwirkung wird mit der inhaltlichen Überzeugungskraft und dem Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht angesichts seiner bereits aufgezeigten Stellung im Verfassungsgefüge erklärt.80 Hinzu komme das Interesse zu verhindern, dass das eigene Handeln als verfassungswidrig gekennzeichnet wird81 sowie die integrative Funktion des Bundesverfassungsgerichts.82 Das Bundesverfassungsgericht trennt weiterhin im Rahmen seiner Argumentation – exemplarisch hierfür sind auch die Entscheidungen zu Art. 14 GG83 – zunächst die normativen Aussagen vom Sachverhaltsbezug, sodass diese rechtlich objektiviert und nicht durch den Sachverhalt oder die Verfahrensart begrenzt werden.84 Mithin ermöglicht diese „besondere Begründungstechnik“ das Entste-

gebungsermessen, S. 192; G. Britz, Jura 2015, S. 319 (320); vgl. G. F. Schuppert/ C. Bumke, Die Konstitutionalisierung der Rechtsordnung, S. 51 f.; K. Hesse, JZ 1995, S. 265 (268); O. Lepsius, Reaktionsweisen des Gesetzgebers auf verfassungsgerichtliche Entscheidungen, in: M. Jestaedt/H. Suzuki (Hrsg.), Verfassungsentwicklung durch Verfassungsgerichte. Deutsch-Japanisches Verfassungsgespräch 2017, 2019, S. 125 (128). 79 E. Stein, in: E. Benda/ders./O. Klein, Verfassungsprozessrecht, 3. Aufl. 2011, § 40 Rn. 1417; so auch H. Schulze-Fielitz, Wirkung und Befolgung verfassungsgerichtlicher Entscheidungen, in: P. Badura/H. Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht. Bd. I, 2001, S. 385 (394), der anführt, dass sich „die Akteure im Verfassungsleben freiwillig den verfassungsgerichtlichen Vorgaben“ unterwerfen würden und der parlamentarische Gesetzgeber sich durchweg bemühe, „die Direktiven und Auslegungshinweise des BVerfG präzise zu berücksichtigen.“; K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 172 f. weist auf „die Antizipation der verfassungsgerichtlichen Kontrolle“ hin; zur Autorität das Bundesverfassungsgerichts, W.-R. Schenke, JZ 1989, S. 653 (655); vgl. O. Lepsius, Die maßstabsetzende Gewalt, in: M. Jestaedt/ders./ C. Möllers/C. Schönberger, Das entgrenzte Gericht, 2011, S. 159 (211). 80 Vgl. U. Kischel, AöR 131 (2006), S. 219 (228) insbesondere gemünzt auf Auswirkungen auf Gerichte; die Wichtigkeit der inhaltlichen Überzeugungskraft betont auch H. Schulze-Fielitz, Wirkung und Befolgung verfassungsgerichtlicher Entscheidungen, in: P. Badura/H. Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht. Bd. I, 2001, S. 385 (394), da er im Ergebnis die Wirksamkeit bundesverfassungsgerichtlicher Entscheidungen von dieser abhängig macht; auf die Stellung des Bundesverfassungsgerichts geht auch E. Luetjohann, Nicht-normative Wirkungen des Bundesverfassungsgerichts, S. 37 ein, der die Maßgeblichkeitswirkung „schon in der Existenz der Verfassungsgerichtsbarkeit“ angelegt sieht. 81 Vgl. ebenso U. Kischel, AöR 131 (2006), S. 219 (228); K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 188 f. 82 O. Lepsius, Zur Bindungswirkung von Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen, in: R. Scholz/D. Lorenz/C. Pestalozza u. a., Realitätsprägung durch Verfassungsrecht, 2008, S. 103 (110). 83 Vgl. nur BVerfGE 143, 246 (323 f. Rn. 216 f.). 84 O. Lepsius, Zur Bindungswirkung von Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen, in: R. Scholz/D. Lorenz/C. Pestalozza u. a., Realitätsprägung durch Verfassungsrecht, 2008, S. 103 (112 f.).

B. Der soziale Bezug als Ergebnis der Interpretation

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hen der faktischen Bindungswirkung.85 Ohne die „diskursfähig aufbereitet[e]“ und „zu Maßstäben verdichtete [. . .] sachverhaltsunabhängige [. . .] Auslegung“ der Verfassung könnten sich die politischen und gesellschaftlichen Akteure nicht in der bestehenden Form auf die auch zukünftige Aussagekraft der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidungen berufen.86 Unterstrichen wird diese Wirkung durch Aussagen in der Literatur, wonach das Grundgesetz praktisch nunmehr so gelte, wie es das Bundesverfassungsgericht auslegt.87 Ebenso geht das Bundesverfassungsgericht vor, das sich selbst als den „Hüter der Verfassung“ bezeichnet.88 Letztlich kann zur Darlegung der faktischen Bedeutung der Entscheidungen auch nochmals die sich aus Art. 1 Abs. 3 und 20 Abs. 3 GG ergebende Bindung des Gesetzgebers an die Verfassung angeführt werden. Obgleich diese Normen keine Bindungswirkung der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidungen statuieren,89 muss der Gesetzgeber dennoch die Verfassungsmäßigkeit seines Handelns sicherstellen. Die bereits ergangenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bieten in diesem Fall die sachnächste und rechtssicherste Orientierung für die verfassungsrechtliche Bewertung des konkreten Handelns und der Achtung der angesprochenen verfassungsrechtlichen Bindung. Im Ergebnis besteht daher eine erhebliche, über die rechtliche Wirkung der Entscheidungen hinausgehende faktische Bindungswirkung.90

IV. Bedeutung für die rechtlichen Auswirkungen des Vorliegens des sozialen Bezugs Über die im Folgenden zu untersuchenden materiell-rechtlichen Auswirkungen des Vorliegens des sozialen Bezugs als Auslegung des Art. 14 GG hinaus wirkt sich dessen Feststellung in den Entscheidungsgründen durch eine rechtliche und 85 O. Lepsius, Zur Bindungswirkung von Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen, in: R. Scholz/D. Lorenz/C. Pestalozza u. a., Realitätsprägung durch Verfassungsrecht, 2008, S. 103 (111). 86 O. Lepsius, Zur Bindungswirkung von Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen, in: R. Scholz/D. Lorenz/C. Pestalozza u. a., Realitätsprägung durch Verfassungsrecht, 2008, S. 103 (117). 87 R. Smend, Festvortrag zur Feier des zehnjährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts am 26. Januar 1962, in: Das Bundesverfassungsgericht 1951–1971, S. 23 (24); relativierend K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 106; kritisch O. Lepsius, Die maßstabsetzende Gewalt, in: M. Jestaedt/ders./C. Möllers/C. Schönberger, Das entgrenzte Gericht, 2011, S. 159 (163 f.); vgl. M. Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 157: „Damit sind es nicht mehr der Verfassungsgeber oder sein Werk, die Verfassung, die das Tun des Gesetzgebers heteronomen Determinanten unterwerfen, sondern es ist das Bundesverfassungsgericht, das bestimmt, in welchem Umfange es den Gesetzgeber seinem eigenen ,Verfassungsverständnis‘ unterwirft.“ 88 Siehe nur BVerfGE 40, 88 (93); hierzu eingehend O. Lembcke, Hüter der Verfassung, passim. 89 BVerfGE 77, 84 (103 f.). 90 Kritisch hierzu F. Ekardt, NVwZ 2013, S. 1105 (1106).

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

faktische Beachtungspflicht auf das zukünftige gesetzgeberische Handeln aus. Mithin muss der Gesetzgeber die jeweils bestehende Ausprägung des sozialen Bezugs berücksichtigen, um sich über das Ausmaß seines Gestaltungsspielraums bzw. seiner Befugnis zur Inhalts- und Schrankenbestimmung bewusst zu sein.91 Hierbei kommt insbesondere der faktischen Wirkung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bedeutung zu, da sich die Auswirkungen des sozialen Bezugs auf den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum stetig in den abstrakten Entscheidungsbegründungen wiederfinden92 und insoweit die Eigentumsdogmatik maßgeblich prägen. Dem entspricht die Feststellung, dass die letztverbindliche Herleitung der Reichweite des – auch vom Vorliegen des sozialen Bezugs beeinflussten – gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums aus der Verfassung durch das Bundesverfassungsgericht erfolgt.93 Insoweit wird der Verfeinerung und Differenzierung der Kontrollmaßstäbe bei der Eigentumsgarantie auch eine „unmittelbare reflexive“, die Eigentumspolitik rationalisierende Wirkung gegenüber dem Gesetzgeber zugesprochen.94 Weiterhin ist zu beachten, dass Art. 14 Abs. 2 GG zwar keine unmittelbare Wirkung für Verwaltung und Gerichte entfaltet,95 der soziale Bezug jedoch bei der Auslegung von bereits bestehenden Inhalts- und Schrankenbestimmungen zu berücksichtigen ist.96 In diesem Zusammenhang entfalten die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts dann auch eine den Vollzug des einfachen Rechts beeinflussende Wirkung.

C. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum Nachdem mit der Inhalts- und Schrankenbestimmung die maßgebliche eigentumsrelevante rechtliche Handlungsform identifiziert und die generellen Wirkungen einer Interpretation durch das Bundesverfassungsgericht aufgezeigt wurden, werden nunmehr die konkreten rechtlichen Konsequenzen betrachtet, die sich aus dem Vorliegen des sozialen Bezugs ergeben. Hierbei steht der Begriff des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums im Vordergrund. Dies folgt daraus, dass das Bundesverfassungsgericht regelmäßig einen besonders ausgeprägten Umfang dieses Gestaltungsspielraums als Rechtsfolge des sozialen Bezugs herleitet, wenn es die Verfassungsmäßigkeit von Eigentumsbeschränkungen überprüft.97 Um die rechtlichen Auswirkungen des Anknüpfens an den sozialen Bezug beurteilen zu 91 Vgl. A. Bräunig, Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur deutschen Wiedervereinigung, S. 63. 92 Siehe hierzu S. 269 ff. 93 M. Kaufmann, Staatswissenschaft und Staatspraxis 1997, S. 161 (166). 94 F. Ossenbühl, VVDStRL 51, S. 285 (287 f.). 95 S. o. S. 37 ff. 96 S. o. S. 107 f. 97 BVerfGE 42, 263 (294); 52, 1 (32); 53, 257 (292); 70, 191 (201); 100, 226 (241); 143, 246 (325 Rn. 219); zur Differenzierung in Tatbestand und Rechtsfolge vgl. schon S. 109.

C. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum

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können, werden daher im nächsten Schritt Begriff und Herleitung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums (S. 125 ff.) sowie die Rechtsfolgen seiner Anerkennung in unterschiedlich starker Ausprägung durch das Bundesverfassungsgericht nachgezeichnet (S. 147 ff.).

I. Begriff des Gestaltungsspielraums98 Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers99 ist eine – trotz fehlender normativer Fixierung100 – „vom Bundesverfassungsgericht seit jeher [verwendete] Argumentationsfigur“,101 deren Anwendung nicht auf einzelne Verfassungsnormen beschränkt ist.102 Das Bundesverfassungsgericht verwendet bei der Thematisierung der Handlungsmacht des Gesetzgebers einschließlich des Kontrollverhältnisses zwischen Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht keine einheitliche Terminologie. Neben dem Gestaltungsspielraum nutzt es u. a. den Begriff der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bzw. des gesetzgeberischen Ermessens.103 98 Umfassend zur Terminologie K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 251 ff.; O. Lepsius, Der Staat (52) 2013, S. 157 (178) plädiert für eine Ausweitung der parlamentarischen Gestaltungsspielräume; siehe auch H.-P. Schneider, NJW 1980, S. 2103 (2109). 99 Zum Begriff des Gesetzgebers O. Lepsius, Reaktionsweisen des Gesetzgebers auf verfassungsgerichtliche Entscheidungen, in: M. Jestaedt/H. Suzuki (Hrsg.), Verfassungsentwicklung durch Verfassungsgerichte. Deutsch-Japanisches Verfassungsgespräch 2017, 2019, S. 125 ff. 100 K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 237; A. Bräunig, Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur deutschen Wiedervereinigung, S. 45. 101 A. Bräunig, Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur deutschen Wiedervereinigung, S. 18; vgl. auch K. Hesse, Die verfassungsgerichtliche Kontrolle der Wahrnehmung grundrechtlicher Schutzpflichten des Gesetzgebers, in: H. Däubler-Gmelin (Hrsg.), Gegenrede. Aufklärung – Kritik – Öffentlichkeit, Festschrift für Ernst Gottfried Mahrenholz, 1994, S. 541 (542): „deus ex machina zahlreicher verfassungsgerichtlicher Entscheidungen“; insbesondere zu Beginn der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung wird alternativ auch der Begriff des gesetzgeberischen Ermessens verwendet, BVerfGE 6, 55 (71); 6, 84 (94); 7, 379 (403); 8, 1 (16); 9, 137 (146); 10, 89 (102); 12, 45 (50); 12, 73 (77); 107, 257 (271); zur Vielfalt der Terminologie auch R. Alexy, VVDStRL 61, S. 7 (15 f.); H.-P. Schneider, NJW 1980, S. 2103 (2109) thematisiert die Gestaltungsfreiheit ebenfalls im Kontext von Argumentationsfiguren; K. Chryssogonos, Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung, S. 169; H. Bethge, Grundrechtskollisionen, in: D. Merten/H.-J. Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. III, 2009, § 72 Rn. 73. 102 Vgl. hierzu Fn. 172; R. Alexy, VVDStRL 61, S. 7 (13 f.) weist darauf hin, dass die „Spielraumdogmatik“ ihren Schwer- und Ausgangspunkt bei den Grundrechten habe. 103 Siehe nur BVerfGE 143, 246 (325 Rn. 219); vgl. A. Bräunig, Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur deutschen Wiedervereinigung, S. 45; K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 251 ff.; vgl. auch C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 128 f. und M. Raabe, Grundrechte und Erkenntnis, S. 36; P. Kirchhof, Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung, in: P. Badura/R. Scholz (Hrsg.), Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung – Symposion aus Anlass des 70. Geburtstages von Peter Lerche, 1998, S. 5 (16).

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

Im Kontext der Eigentumsgarantie spricht das Bundesverfassungsgericht weiterhin synonym104 von einer Vergrößerung der Befugnis zur Inhalts- und Schrankenbestimmung des Gesetzgebers.105 In der vorliegenden Untersuchung steht der durch den sozialen Bezug begründete Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei Eingriffen in Eigentumsrechte im Mittelpunkt. Dies folgt daraus, dass in der Atomausstiegsentscheidung und damit in einer jüngeren Äußerung des Bundesverfassungsgerichts zur Eigentumsgarantie bei Betrachtung des sozialen Bezugs insbesondere der Terminus des Gestaltungsspielraums genutzt wird. So führt das Bundesverfassungsgericht aus, dass die extremen Schadensfallrisiken und die ungelöste Endlagerproblematik im Kontext der friedlichen Kernenergienutzung „den intensiven sozialen Bezug des Eigentums an Kernkraftwerken [prägen] und [. . .] dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Atomrechts einen besonders weiten Gestaltungsspielraum“ verschaffen.106 Im Nichtannahmebeschluss zur Mietpreisbremse als jüngste Entscheidung, in der das Bundesverfassungsgericht den sozialen Bezug gebraucht, stellt es diesen ebenfalls in den Zusammenhang mit dem Begriff des Gestaltungsspielraums.107 Entsprechend ist im Rahmen der vorliegenden Untersuchung auf den Begriff des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums zurückzugreifen. Der Gestaltungsspielraum wird angesehen als „Freiraum des Gesetzgebers in [insbesondere] grundrechtsrelevanten Konstellationen, welchen er durch eine eigene Entscheidung ausfüllen kann“.108 Jenseits der gleichzeitig zu beachtenden Grenzen des Gestaltungsspielraums wie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit109 soll eine „inhaltliche Überprüfung legislativer Entscheidungen durch das Gericht“ mangels kontrollfähiger Vorgaben nicht stattfinden.110 Folglich stellt der Begriff das für den Gesetzgeber „verfassungsrechtlich Erlaubte“ 104 Vgl. das Vorgehen in BVerfGE 70, 191 (200), erst auf die Grenzen der Gestaltungsbefugnis einzugehen, um dies anschließend anhand der Befugnis zur Inhaltsund Schrankenbestimmung zu konkretisieren – so auch BVerfGE 143, 246 (341 f. Rn. 268). 105 BVerfGE 50, 290 (340); 64, 87 (101); 68, 361 (368); 70, 191 (201); 84, 382 (385); 95, 64 (84); 126, 331 (360); 143, 246 (324 Rn. 218). 106 BVerfGE 143, 246 (351 Rn. 297). 107 BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 18. Juli 2019 – 1 BvL 1/18 –, Rn. 74: „Bei der Abwägung der betroffenen Belange, insbesondere des Eigentums als Sicherung der Freiheit des Einzelnen im persönlichen Bereich einerseits und des Eigentums in seinem sozialen Bezug sowie seiner sozialen Funktion andererseits, verfügt der Gesetzgeber, angesichts des Umstands, dass sich grundrechtlich geschützte Positionen gegenüberstehen, über einen weiten Gestaltungsspielraum.“ 108 F. Lange, Grundrechtsbindung des Gesetzgebers, S. 219; zur Problematik, das Handeln innerhalb eines rechtsfreien Raums wiederum als rechtmäßig zu bezeichnen, M. Kaufmann, Staatswissenschaft und Staatspraxis 1997, S. 161 (163). 109 Vgl. S. Seedorf, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Gesetzgebung, in: M. Jestaedt/O. Lepsius (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 129 (132); hierzu unten S. 185 ff. 110 H.-P. Schneider, NJW 1980, S. 2103 (2109).

C. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum

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dar,111 er soll mithin „selbst darüber entscheiden [dürfen], wie er eine Aufgabe lösen will“.112 Durch den Terminus des Gestaltungsspielraums erfolgt daher eine Annäherung an politische Entscheidungen, die „in normativ ungeprägten Bereichen“ getroffen werden.113 Dementsprechend besteht „[d]ie grundlegende Anforderung an den verfassungskonform agierenden Gesetzgeber [. . .] darin, die Grenzen seines Gestaltungsspielraums zu erkennen“.114 Der Begriff kennzeichnet weiterhin die durch das Bundesverfassungsgericht angestrebte Balance zwischen der „ausreichende[n] Nachprüfung de[s] ihm aufgetragenen Rechtsschutz[es] in Grundrechtsfragen“ und der möglichst geringen Beschränkung staatlicher Organe in der Wahrnehmung ihrer Kompetenz.115 Hierdurch soll insbesondere das Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. 2 GG geschützt werden.116 Gleichzeitig wird vertreten, dass der Gestaltungsspielraum „als bloßer Begriff [. . .] keinen eigenständigen und gleichbleibenden Topos“ enthalte.117 Die folgenden Ausführungen werden indes zeigen, dass der Gestaltungsspielraum eine bedeutsame Rolle bei der verfassungsgerichtlichen Kontrolle legislativen Handelns einnimmt, selbst wenn ihm lediglich eine „beschreibende Funktion“ 118 zugesprochen wird.119 An genetische Erkenntnisse kann hierbei nicht angeknüpft werden, da die Auswirkungen der mit dem Grundgesetz eingeführten Verfassungsbindung des Gesetzgebers auf dessen Gestaltungsspielraum in den Beratungen des Parlamentarischen Rates nicht thematisiert wurden.120 111 Vgl. C. Gusy, JöR 1984, S. 105 (110); in diese Richtung auch ausgehend von der Rahmenordnungsidee R. Alexy, VVDStRL 61, S. 7 (14): „Alles und nur das, was freigestellt ist, liegt im Spielraum.“ 112 K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 253. 113 Vgl. C. Gusy, Parlamentarischer Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht, S. 44; zur politischen Dimension des Gestaltungsspielraums s. u. S. 260 ff. 114 S. Seedorf, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Gesetzgebung, in: M. Jestaedt/O. Lepsius (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 129 (132). 115 M. Dumbs, DVBl. 2016, S. 691 (693). 116 Zur Gefahr, dass die Entscheidung des Grundgesetzes für eine demokratische Ordnung durch eine „Überanstrengung“ der Verfassung aufgrund der Entnahme konkreter Handlungsanweisungen aus den teils unbestimmten Normen unterlaufen wird, K. Hesse, Funktionelle Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit, in: P. Häberle/A. Hollerbach, Konrad Hesse – Ausgewählte Schriften, 1984, S. 311 (320); vgl. auch S. 137 f. 117 K. Hesse, Die verfassungsgerichtliche Kontrolle der Wahrnehmung grundrechtlicher Schutzpflichten des Gesetzgebers, in: H. Däubler-Gmelin (Hrsg.), Gegenrede. Aufklärung – Kritik – Öffentlichkeit, Festschrift für Ernst Gottfried Mahrenholz, 1994, S. 541 (542) folgert daraus, dass die Feststellung des Gestaltungsspielraums stets nur „Ergebnis einer verfassungsrechtlichen Prüfung“ sein könne; C. Gusy, JöR 1984, S. 105 (109 f.) bezweifelt ebenfalls den „eigenständigen Inhalt der Argumentationsfigur“; vgl. K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 58. 118 C. Gusy, JöR 1984, S. 105 (110); dagegen K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 69. 119 Vgl. K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 58 f. 120 K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 708 ff.

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

II. Herleitung des Gestaltungsspielraums Die folgenden Ausführungen werden zeigen, dass für die Herleitung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums zwei unterschiedliche Begründungsansätze in Betracht kommen.121 So kann einerseits angeführt werden, dass sich der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers aus der im jeweiligen Einzelfall in Rede stehenden Verfassungsnorm ergeben muss (S. 128 ff.). Gemäß diesem Vorverständnis ist der Gestaltungsspielraum begründungsbedürftig, sodass ohne dessen Legitimation durch normative Anknüpfungspunkte von einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle des gesetzgeberischen Handelns und umfassender Kontrollintensität ausgegangen werden müsste. Andererseits wird für den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers die funktionsrechtliche Stellung des Gesetzgebers im Verfassungsgefüge als grundlegend erachtet und seine Reichweite als grundsätzlich „umfassend“ verstanden (S. 137 ff.).122 Mithin soll der Gesetzgeber schon aufgrund seiner Funktion dazu in der Lage sein, auch im grundrechtlichen Bereich legislative Entscheidungen zu treffen und hierbei nicht weiterer verfassungsrechtlicher Legitimation bedürfen. Aus der jeweilig betroffenen Verfassungsnorm begründet werden muss bei Zugrundelegung dieser Prämisse daher im Einzelfall nicht der Gestaltungsspielraum, sondern vielmehr dessen Beschränkung. Unabhängig von der weiten Bandbreite dieser Begründungsansätze zwischen zunächst umfassender Kontrolle des gesetzgeberischen Handelns und generellem Vorliegen des Gestaltungsspielraums ist unbestritten, dass der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum aus der Verfassung hergeleitet werden kann.123 Bei genauerer Betrachtung wird zudem aufgezeigt, dass sich die darzustellenden Ansätze nicht widersprechen, sondern vielmehr kombiniert werden können (S. 140 ff.). 1. Regelungsdichte124 des materiellen Verfassungsrechts Das Vorliegen der Gestaltungsfreiheit wird einerseits auf die unterschiedliche Regelungsdichte der materiellen Verfassungsaussagen125 gestützt und ergibt sich 121 Vgl. hierzu auch J. Riecken, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, S. 439 ff.; mit Verweis auf einen „vorstaatlichen Begründungsüberhang“ M. Kaufmann, Staatswissenschaft und Staatspraxis 1997, S. 161 (170). 122 K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 1042. 123 H. Bethge, in: B. Schmidt-Bleibtreu/F. Klein/ders. u. a. (Hrsg.), in: Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Stand: 53. Lfg. Februar 2018, § 90 Rn. 28. 124 Zum Begriff der Regelungsdichte von Verfassungsvorschriften M. Jestaedt, Verfassungsgerichtspositivismus, in: O. Depenheuer/M. Heintzen u. a. (Hrsg.), Nomos und Ethos. Hommage an Josef Isensee zum 65. Geburtstag von seinen Schülern, 2002, S. 183 (213 f.); zur Regelungsdichte im Kontext des Vorbehalts des Gesetzes M. Meister, Das System des Freiheitsschutzes im Grundgesetz, S. 171 f.; zur Bedeutung auch C. Simons, Grundrechte und Gestaltungsspielraum, S. 16.

C. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum

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als Ergebnis eines Umkehrschlusses somit unmittelbar aus dem materiellen Verfassungsrecht.126 Hierfür sind die folgenden Erwägungen maßgeblich: Je präziser die Vorgabe bzw. der Rechtsbefehl einer Verfassungsnorm im Hinblick auf das Verhalten des Gesetzgebers ausgestaltet ist, desto stärker ausgeprägt ist auch ihre Regelungsdichte. Insoweit wird die Regelungsdichte auch mit dem Bestimmtheitsgrad der jeweiligen Verfassungsnorm gleichgesetzt.127 Zur Ermittlung dieser Regelungsdichte sind insbesondere der Verfassungstext, der vom Verfassungsgeber vorgesehene Normzweck, aber auch ungeschriebenes Verfassungsrecht zu berücksichtigen.128 Die Regelungsdichte „der als Kontrollmaßstab dienenden Verfassungsnorm“ ist dann der maßgebliche Anknüpfungspunkt für die Herleitung 125 C. Walter, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 80 Juni 2017, Art. 93 Rn. 120; B. Pieroth, in: H. D. Jarass/ders., Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 16. Aufl. 2020, Art. 93 Rn. 7; F. Lange, Grundrechtsbindung des Gesetzgebers, S. 244 mit Verweis auf P. Kirchhof, Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung, in: P. Badura/R. Scholz (Hrsg.), Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung. Symposion aus Anlaß des 70. Geburtstages von Peter Lerche, 1998, S. 5 (17 f.), der zwischen Verfassungsbefehl, Verfassungsauftrag, Verfassungsrahmen und des Anerkennens unverfasster Gesetzgebung differenziert; A. Bräunig, Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur deutschen Wiedervereinigung, S. 47; M. Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 201; kritisch K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 118; anknüpfend an die Kontrolldichte A. Scherzberg, DVBl. 1999, S. 356 (363); M. Brenner, AöR 120 (1995), S. 248 (255); vgl. O. Lepsius, JuS 2019, S. 14 mit besonderer Betrachtung der Normstruktur; H. Bethge, in: B. Schmidt-Bleibtreu/F. Klein/ ders. u. a. (Hrsg.), Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Stand: 57. Lfg. Juni 2019, Vorbemerkung, Rn. 160. 126 P. Kirchhof, Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung, in: P. Badura/R. Scholz (Hrsg.), Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung – Symposion aus Anlass des 70. Geburtstages von Peter Lerche, 1998, S. 5 (17); A. Bräunig, Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur deutschen Wiedervereinigung, S. 47; vgl. auch C. Gusy, EuGRZ 1982, S. 93 (100), der darauf hinweist, dass sich die „Kompetenzabgrenzung zwischen Legislative und Bundesverfassungsgericht nicht aus allgemeinen Grundsätzen, sondern aus den konkreten Normen der Verfassung“ ergeben müsse; K. Schlaich/S. Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 12. Aufl. 2021, Rn. 530; A. Wieckhorst, Grundrechtsschutz durch Legislativverfahren, S. 395; C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 134: „Die Verfassung ist der normative Rahmen aller Spielräume.“; J. Riecken, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, S. 439 f.; in diese Richtung auch G. Morgenthaler, Freiheit durch Gesetz, S. 3; vgl. M. Mayer, Untermaß, Übermaß und Wesensgehaltgarantie, S. 85; vgl. M. Cornils, Die Ausgestaltung der Grundrechte, S. 281; kritisch U. Haltern, Verfassungsgerichtsbarkeit, Demokratie, Mißtrauen, S. 223 f. 127 H. Simon, Verfassungsgerichtsbarkeit, in: E. Benda/W. Maihofer/H.-J. Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1994, § 34 S. 1672 Rn. 57; K. Korinek, VVDStRL 39, S. 7 (52); R. Alexy, VVDStRL 61, S. 7 (8); vgl. P. Kirchhof, Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung, in: P. Badura/R. Scholz (Hrsg.), Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung – Symposion aus Anlass des 70. Geburtstages von Peter Lerche, 1998, S. 5 (9). 128 C. Gusy, Parlamentarischer Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht, S. 140 ff.; zum Umgang mit dem Verfassungstext G. F. Schuppert/C. Bumke, Die Konstitutionalisierung der Rechtsordnung, S. 49.

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

der gerichtlichen Kontrolldichte,129 mithin der „Intensität, mit der eine angegriffene Maßnahme oder Entscheidung überprüft wird“ 130. Die größte Orientierung für diese Überprüfung bietet das Verfassungsrecht dem Bundesverfassungsgericht, wenn verfassungsrechtlich dem Gesetzgeber der Inhalt der Gesetzgebung oder einzuhaltende Verfahrensschritte klar vorgegeben sind. Schließlich muss sich das Bundesverfassungsgericht bei der Überprüfung von Hoheitsakten auf ihre Verfassungsmäßigkeit an kontrollfähigen Verfassungsvorgaben orientieren.131 Diese Abhängigkeit des bundesverfassungsgerichtlichen Handelns von kontrollfähigen Rechtssätzen führt dazu, dass die Möglichkeit zur Kontrolle des Gesetzgebers nur insoweit besteht, als diese durch „die inhaltlichen Vorgaben des Grundgesetzes“ vorgesehen ist.132 Mithin liegt ein akzessorisches Verhältnis zwischen Regelungsdichte bzw. den Bindungen des Gesetzgebers und der bundesverfassungsgerichtlichen Kontrolldichte vor.133 Konsequenz der Annahme einer Akzessorietät zwischen Regelungs- und Kontrolldichte ist auch, dass für eine differenzierende Betrachtung von Vorschriften

129 P. Badura, Richterliches Prüfungsrecht und Wirtschaftspolitik, in: P. Oberndorfer/ H. Schambeck (Hrsg.), Verwaltung im Dienste von Wirtschaft und Gesellschaft. Festschrift für Ludwig Fröhler zum 65. Geburtstag, 1980, S. 321 (339); H. Bethge, in: B. Schmidt-Bleibtreu/F. Klein/ders. (Hrsg.), in: Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Stand: 48. Lfg. Juni 2016, Vorbemerkung, Rn. 160; C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 507; C. Gusy, Parlamentarischer Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht, S. 143; kritisch J. Riecken, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, S. 442; M. Jestaedt, DVBl. 2001, S. 1309 (1316) differenziert zwischen Kontrollmaßstab und Kontrolldichte; A. Scherzberg, Grundrechtsschutz und „Eingriffsintensität“, S. 87; K. Korinek, VVDStRL 39, S. 7 (27); D. Merten, DVBl. 1980, S. 777; vgl. auch W. Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 72; T. von Danwitz, JZ 1996, S. 481 (487); M. Brenner, AöR 120 (1995), S. 248 (255); hierzu M. Raabe, Grundrechte und Erkenntnis, S. 288; E. Hofmann, Abwägung im Recht, S. 483; grundsätzlich bejahend aber abweichend zum Regulierungsrecht O. Lepsius, Verfassungsrechtlicher Rahmen der Regulierung, in: M. Fehling/M. Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, § 4 S. 194. 130 H. Simon, Verfassungsgerichtsbarkeit, in: E. Benda/W. Maihofer/H.-J. Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1994, § 34 Rn. 57; M. Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 257; vgl. C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 591. 131 Vgl. M. Jestaedt, DVBl. 2001, S. 1309 (1316). 132 G. Britz, Jura 2015, S. 319 (321); vgl. M. Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 196 f. 133 Vgl. A. Wieckhorst, Grundrechtsschutz durch Legislativverfahren, S. 387; mahnend hinsichtlich einer „Konfusion von Kontrollmaßstab und Kontrolldichte“ C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 166; vgl. J. Riecken, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, S. 441; hierzu M. Jestaedt, Verhältnismäßigkeit als Verhaltensmaßstab, in: ders./O. Lepsius, Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 293 (296 f.); M. Mayer, Untermaß, Übermaß und Wesensgehaltgarantie, S. 95 verweist hingegen auf verfassungsrechtliche Bindungen, die gleichzeitig keiner gerichtlichen Kontrolle zugänglich sind; M. Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 195.

C. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum

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des Grundgesetzes als Handlungs- und Kontrollnormen134 kein Raum verbleibt. Spezifische, aus einer Aufspaltung des Normgehalts resultierende Handlungsvorgaben an den Gesetzgeber, die keiner Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht zugänglich sind, lassen sich dem Grundgesetz nicht entnehmen.135 Allenfalls kann diesen Handlungsvorgaben eine politische und gleichzeitig unverbindliche Appellfunktion zukommen.136 Mithin haben insbesondere die Verfassungsvorgaben einschließlich der Grundrechte gegenüber Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht den gleichen Regelungsinhalt. Dieses Verständnis kann auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entnommen werden.137 Gleichwohl werden bei der Verfassungsinterpretation aus systematischer Perspektive138 auch funktionell-rechtliche Aspekte139 berücksichtigt, die ebenso für die Differenzierung zwischen Handlungs- und Kontrollnorm vorgebracht werden. Der hier betrachtete gesetzgeberische Gestaltungsspielraum resultiert dann nach dem an die Regelungsdichte anknüpfenden Verständnis nicht maßgeblich aus der Funktion des Gesetzgebers als politischem Organ,140 „sondern weil es für den betreffenden Sachbereich an verfassungsrechtlichen Regelungen und Bindungen im Sinne einer Kontrollnorm“ fehle.141 Diese Abwesenheit von verfassungs-

134 Siehe hierzu auch J. Riecken, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, S. 453 ff.; umfassend M. Mayer, Untermaß, Übermaß und Wesensgehaltgarantie, S. 94 ff.; bejahend auch D. Burchardt, Grenzen verfassungsgerichtlicher Erkenntnis, S. 274 ff.; M. Raabe, Grundrechte und Erkenntnis, S. 298 ff.; K. Schlaich/S. Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 12. Aufl. 2021, Rn. 515 ff. 135 Vgl. C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 505; J. Rieken, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, S. 456; vgl. auch W. Heun, Funktionell-rechtliche Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 49; M. Kaufmann, Staatswissenschaft und Staatspraxis 1997, S. 161 (178); D. Burchardt, Grenzen verfassungsgerichtlicher Erkenntnis, S. 275 f.; E.-W. Böckenförde, Der Staat 29 (1990), S. 1 (26); M. Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 195; vgl. R. Wahl, NVwZ 1984, S. 401 (402); C. Starck, Maximen der Verfassungsauslegung, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 271 Rn. 15; C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 590. 136 J. Riecken, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, S. 457. 137 Hierzu M. Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 189 f.; vgl. M. Raabe, Grundrechte und Erkenntnis, S. 152. 138 Vgl. J. Riecken, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, S. 456. 139 Hierzu sogleich S. 137 ff. 140 Ausdrücklich M. Herdegen, AöR 114 (1989), S. 607 (620): „Das Ausmaß gestalterischer Freiheit hängt vielmehr allein vom normativen Regelungsgefüge ab, in das der jeweilige Normgeber eingebunden ist.“; anders K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 283, der für die sogleich betrachteten „funktional gebotene[n] Gestaltungsspielräume“ eintritt. 141 K. Schlaich/S. Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 12. Aufl. 2021, Rn. 530; A. Steinbach, AöR 140 (2015), S. 367 (378); so auch F. Lange, Grundrechtsbindung des Gesetzgebers, S. 261, wonach sich der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers „negativ aus der Abwesenheit kontrollierbarer grundrechtlicher Bindungen“ ergebe; vgl. auch A. Bräunig, Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in der Rechtsprechung des Bun-

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

rechtlichen Anforderungen wird auch als „struktureller Spielraum“ bezeichnet.142 Daher ist festzuhalten, dass bspw. für jedes Grundrecht u. a. durch Berücksichtigung der Regelungsdichte festgestellt werden kann, welche von der Verfassungsgerichtsbarkeit zu kontrollierenden Grenzen den politischen Verfassungsorganen gesetzt werden und wo sich gleichzeitig der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers eröffnet.143 Vom Bundesverfassungsgericht zu kontrollierende Grenzen als Verkörperung der bereits angesprochenen Regelungsdichte der Verfassungsnormen und entsprechend kein Gestaltungsspielraum liegen hingegen vor, wenn die Aufgaben des Gesetzgebers und deren Erfüllung eindeutig durch die Verfassung geregelt sind.144 Gleiches muss gelten, wenn bestimmte Handlungsweisen für den Gesetzgeber verfassungsrechtlich ausdrücklich verboten sind.145 Als Beispiele können hier das Zensurverbot aus Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG sowie die Abschaffung der To-

desverfassungsgerichts zur deutschen Wiedervereinigung, S. 47: „Ist die Verfassung hingegen unbestimmt oder regelt sie nur die Leitlinien und Modalitäten für die Entscheidungsfindung, so obliegt es dem Gesetzgeber umso mehr, die belassenen Gestaltungsfreiräume auszugestalten und mit Leben zu füllen.“; K. Hesse, Die verfassungsgerichtliche Kontrolle der Wahrnehmung grundrechtlicher Schutzpflichten des Gesetzgebers, in: H. Däubler-Gmelin (Hrsg.), Gegenrede. Aufklärung – Kritik – Öffentlichkeit, Festschrift für Ernst Gottfried Mahrenholz, 1994, S. 541 (542), der die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers dort ausmacht, „wo die Verfassung keine Regeln enthält, an welche der Gesetzgeber kraft Vorrangs der Verfassung (Art. 20 Abs. 3 GG) gebunden wäre.“; P. Badura, Richterliches Prüfungsrecht und Wirtschaftspolitik, in: P. Oberndorfer/H. Schambeck (Hrsg.), Verwaltung im Dienste von Wirtschaft und Gesellschaft. Festschrift für Ludwig Fröhler zum 65. Geburtstag, 1980, S. 321 (337); dagegen K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 76 und 274; vgl. C. Gusy, Parlamentarischer Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht, S. 139 f. und M. Mayer, Untermaß, Übermaß und Wesensgehaltgarantie, S. 85. 142 J. Riecken, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, S. 437; R. Alexy, VVDStRL 61, S. 7 (16); M. Raabe, Grundrechte und Erkenntnis, S. 92 ff.; M. Cornils, Die Ausgestaltung der Grundrechte, S. 281. 143 Vgl. K. Vogel, Das Bundesverfassungsgericht und die übrigen Verfassungsorgane, S. 57 f.; M. Mayer, Untermaß, Übermaß und Wesensgehaltgarantie, S. 84 leitet Gestaltungsspielräume im Grundrechtsbereich aus den Schrankenvorbehalten her. 144 K. Hesse, Die verfassungsgerichtliche Kontrolle der Wahrnehmung grundrechtlicher Schutzpflichten des Gesetzgebers, in: H. Däubler-Gmelin (Hrsg.), Gegenrede. Aufklärung – Kritik – Öffentlichkeit, Festschrift für Ernst Gottfried Mahrenholz, 1994, S. 541 (542); C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 585; P. Kirchhof, Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung, in: P. Badura/R. Scholz (Hrsg.), Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung – Symposion aus Anlass des 70. Geburtstages von Peter Lerche, 1998, S. 5 (17). 145 Vgl. hierzu P. Kirchhof, Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung, in: P. Badura/R. Scholz (Hrsg.), Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung. Symposion aus Anlaß des 70. Geburtstages von Peter Lerche, 1998, S. 5 (17), der die höchste Dichte bei einem „Verfassungsbefehl“ sieht, der sich etwa aus Art. 102 und Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG ergibt; zur Auswirkung von Schranken-Schranken auf die Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers auch M. Mayer, Untermaß, Übermaß und Wesensgehaltgarantie, S. 85.

C. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum

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desstrafe in Art. 102 GG genannt werden.146 Hervorzuheben ist weiterhin der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der aus dem Wesen der Grundrechte und aus dem Rechtsstaatsprinzip147 hergeleitet wird,148 und dem Gesetzgeber eine unverhältnismäßige Beschränkung der Grundrechte verbietet. Jenseits dieser Vorgaben besteht dann spiegelbildlich der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers.149 a) Vorausgesetzter Gestaltungsspielraum in offenen Normen und der offenen Verfassung Als besonderen Ausdruck der für das Vorliegen des Gestaltungsspielraums nach diesem Ansatz maßgeblichen geringen Regelungsdichte können die sog. „offenen“ Normen angesehen werden, die – wie der im Folgenden noch zu betrachtende Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG – eine Inhaltsbestimmung bzw. Ausgestaltung150 durch den Gesetzgeber voraussetzen.151 So sehen ausgestaltungsbedürftige Verfassungsnormen gerade ein eigenes Handeln des Gesetzgebers vor, des146 P. Kirchhof, Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung, in: P. Badura/R. Scholz (Hrsg.), Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung – Symposion aus Anlass des 70. Geburtstages von Peter Lerche, 1998, S. 5 (17). 147 M. Sachs, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, 9. Aufl. 2021, Art. 20 Rn. 146; S. Seedorf, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Gesetzgebung, in: M. Jestaedt/ O. Lepsius (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 129 (130); kritisch C. Gusy, Parlamentarischer Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht, S. 75. 148 Siehe nur BVerfGE 76, 1 (50 f.) und unten S. 185 ff.; zur Herleitung auch B. Schlink, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, in: P. Badura/H. Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht. Bd. II, 2001, S. 445 (447 ff.) und M. Mayer, Untermaß, Übermaß und Wesensgehaltsgarantie, S. 158 ff.; weitergehend A. von Arnauld, JZ 2000, S. 276 ff.; D. von der Pfordten, Über das Prinzip der Verhältnismäßigkeit, in: M. Jestaedt/O. Lepsius (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 261 (275) ordnet die Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch als „allgemeine Forderungen der Rationalität auch ohne ausdrückliche Statuierung für das Recht“ ein. 149 So A. Bräunig, Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur deutschen Wiedervereinigung, S. 47, wonach der Gesetzgeber „innerhalb dieses Terrains [. . .] prima facie frei“ sei; hierzu auch C. Hillgruber/C. Goos, Verfassungsprozessrecht, 4. Aufl. 2015, S. 19 Rn. 41, die auf den „Vorrang gesetzgeberischer Gestaltungsfreiheit außerhalb des Kernbereichs des durch die Verfassung unbestimmbar Vorgegebenen“ eingehen; K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 64. 150 Umfassend hierzu M. Cornils, Die Ausgestaltung der Grundrechte, passim; M. Gellermann, Grundrechte in einfachgesetzlichem Gewande, passim; A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 164 ff.; kritisch W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 141. 151 K. Hesse, Die verfassungsgerichtliche Kontrolle der Wahrnehmung grundrechtlicher Schutzpflichten des Gesetzgebers, in: H. Däubler-Gmelin (Hrsg.), Gegenrede. Aufklärung – Kritik – Öffentlichkeit, Festschrift für Ernst Gottfried Mahrenholz, 1994, S. 541 (542); K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 200; vgl. G. Morgenthaler, Freiheit durch Gesetz, S. 37 f.; vgl. auch M. Raabe, Grundrechte und Erkenntnis, S. 289.

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

sen Inhalt nicht schon detailliert in der Verfassung determiniert ist.152 Dieses vorausgesetzte eigenständige gesetzgeberische Handeln korrespondiert mit der eingeschränkten Kontrolldichte aus der Perspektive des Bundesverfassungsgerichts. Schließlich soll etwa der bei der Grundrechtsausgestaltung notwendige Interessenausgleich vom Gesetzgeber selbst und nicht durch das Bundesverfassungsgericht vorgenommen werden.153 Mithin beinhaltet die Kontrollkompetenz des Bundesverfassungsgerichts typischerweise nicht, eine Entscheidung des Gesetzgebers durch eigene Vorstellungen zu ersetzen, sondern diese allein hin auf Grenzüberschreitungen zu überprüfen.154 Ebenfalls mit Blick auf das für den Gestaltungsspielraum insoweit entscheidende Kriterium der Regelungsdichte kann angeführt werden, dass das Grundgesetz in seiner Gesamtheit als „offene Verfassung“ bezeichnet wird.155 Diese Charakterisierung folgt daraus, dass „weite Bereiche [. . .] nur durch Bestimmungen von mehr oder minder großer inhaltlicher Weite und Unbestimmtheit, manche sogar überhaupt nicht geordnet“ werden.156 Die offene Verfassung korrespondiert mit dem Begriff der Rahmenordnung157 und verdeutlicht jenseits der einzelnen Verfassungsnormen bzw. als deren Summe von Vorgaben mit grundsätzlich geringer Regelungsdichte die Ausgestaltungsbedürftigkeit des Grundgesetzes.158 Für diese Ausgestaltung kommt der Gesetzgeber dann vornehmlich als das Verfassungsorgan mit der größten demokratischen Legitimation159 in Betracht.160 Die aufgezeigte Beschreibung der Verfassung selbst bzw. einzelner Verfassungsnormen als „offen“ vergegenwärtigt, dass der Gestaltungsspielraum als ei-

152 Für Art. 54 Abs. 7 GG und Art. 91e Abs. 3 GG hat das Bundesverfassungsgericht aus der Handlungsanweisung an den Gesetzgeber („Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.“) in BVerfGE 136, 277 (320) und BVerfGE 137, 108 (168) einen Gestaltungsspielraum hergeleitet. 153 Vgl. F. Shirvani, DÖV 2014, S. 173 (174 f.); hierzu auch unten S. 260 ff. 154 A. Wieckhorst, Grundrechtsschutz durch Legislativverfahren, S. 389. 155 Hierzu K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 394 ff.; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rn. 19 ff.; C. Gusy, Parlamentarischer Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht, S. 93 ff.; vgl. H.-J. Papier, WM 2009, S. 1869 f.; ebenso zur Rahmenordnung M. Mayer, Untermaß, Übermaß und Wesensgehaltgarantie, S. 96 ff. 156 K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rn. 19. 157 C. Bumke, Der Grundrechtsvorbehalt, S. 168 leitet den Gestaltungsspielraum aus der Rahmenordnung her; zur Rahmenordnung auch J. Riecken, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, S. 394 und R. Alexy, VVDStRL 61, S. 7 (14); zum Verhältnis von Rahmenordnung und Gestaltungsspielraum H. Bethge, Grundrechtskollisionen, in: D. Merten/H.-J. Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. III, 2009, § 72 Rn. 75. 158 Zur Konkretisierung G. Morgenthaler, Freiheit durch Gesetz, S. 261. 159 B. Grzeszick, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 57 Januar 2010, Art. 20 II Rn. 134. 160 Hierzu auch S. 260 ff.

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genständiger Handlungsbereich vom Grundgesetz vorausgesetzt wird und einen maßgeblichen Faktor für die Kontrolle des gesetzgeberischen Handelns durch das Bundesverfassungsgericht darstellt. b) Regelungsdichte als untauglicher Anknüpfungspunkt? Das Anknüpfen an die Regelungsdichte von Verfassungsnormen zur Herleitung des Gestaltungsspielraums ist auch Kritik ausgesetzt. So würden bei Gleichsetzung von Regelungs- bzw. Kontrolldichte und „sprachliche[m] Präzisionsgrad“ insbesondere die Grundrechte als teils stark auslegungsbedürftige Verfassungsnormen der gerichtlichen Kontrollkompetenz entzogen.161 Insbesondere würden den Texten keine „vorfindlichen und feststehenden Bedeutungen“ zukommen.162 Indes speist sich die Regelungsdichte nicht ausschließlich aus dem Wortlaut. Vielmehr ist – wie mit dem Hinweis auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als verfassungsrechtliche Grenze schon verdeutlicht163 – eine umfassende Auslegung der jeweiligen Verfassungsnorm vorzunehmen, um deren Regelungs- und damit auch Kontrollgehalt zu überblicken.164 Bei dieser umfassenden Auslegung einschließlich des Anknüpfens an den jeweiligen Normzweck165 können für eine Verfassungsnorm auch entsprechend der jeweiligen Umstände unterschiedliche Regelungs- und Kontrollgrade ermittelt werden.166 Veranschaulicht wird diese differenzierte Ausprägung des Regelungsgehalts einer Norm im weiteren Verlauf der Untersuchung anhand der Ausprägungen des sozialen Bezugs von Eigentumsgegenständen und dessen Auswirkungen auf den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum.167 c) Herleitung des Gestaltungsspielraums durch das Bundesverfassungsgericht Eine dem soeben aufgezeigten Verständnis entsprechende ausdrückliche Herleitung des Gestaltungsspielraums mit Bezugnahme auf die Regelungs- und Kon161 K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 118; zum Hintergrund der Formulierung der Grundrechte G. Morgenthaler, Freiheit durch Gesetz, S. 35 f. 162 J. Riecken, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, S. 442; F. Ossenbühl, VVDStRL 39, S. 189 (190) stellt insoweit die Frage nach der „Verdichtungskompetenz“. 163 S. o. S. 133. 164 Vgl. A. Bräunig, Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur deutschen Wiedervereinigung, S. 50 ff.; dies dürfte in die Richtung des von K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 119 geforderten „anspruchsvolleren Begriffs von ,Regelungsdichte‘“ gehen; vgl. O. Bachof, VVDStRL 39, S. 192. 165 C. Gusy, Parlamentarischer Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht, S. 142; siehe unten S. 229 ff. 166 Hierzu C. Gusy, Parlamentarischer Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht, S. 176; dagegen K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 119. 167 S. u. S. 217 ff.

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

trolldichte der betroffenen Verfassungsnormen erfolgt in der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung168 nur in wenigen Entscheidungen.169 So führt das Bundesverfassungsgericht zum Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Bestimmung des Existenzminimums aus, dass das Grundgesetz selbst keine exakte Bezifferung des Anspruchs erlaube und sich die materielle Kontrolle daher auf die Überprüfung beschränke, ob die staatlichen Leistungen evident unzureichend seien.170 Auch der vom Bundesverfassungsgericht anerkannte weite Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Umsetzung der Vielfaltssicherung im Kontext der Zusammensetzung der Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten resultiere daraus, dass die „Verfassung [. . .] hierzu keine näheren Vorgaben“ enthalte.171 Die entscheidende Bedeutung verfassungsrechtlicher Kontrollvorgaben für die Bestimmung des konkreten Umfangs des Gestaltungsspielraums zeigt sich indes in einer Vielzahl von Entscheidungen darin, wenn normübergreifend nach Feststellung des Gestaltungsspielraums dessen Grenze anhand von Verfassungsnormen oder Verfassungsprinzipien aufgezeigt wird.172 Aus dieser Gegenüberstel168 Umfassend zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 713 ff. 169 Vgl. BVerfGE 125, 260 (361) mit dem Hinweis auf fehlende Vorgaben in der Verfassung und dem daraus resultierenden Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Indienstnahme Privater zu Gemeinwohlzwecken; die Höhe der Besoldung für Beamte ist der Verfassung „nicht als fester und exakt bezifferter bzw. bezifferbarer Betrag zu entnehmen“; BVerfGE 125, 175 (226); 130, 263 (294); 131, 239 (258); 139, 64 (112 f.); 140, 240 (279); 145, 1 (17); zum Gebot der Vielfaltssicherung im Kontext des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, BVerfGE 136, 9 (42); „[. . .] nur ausnahmsweise lassen sich aus den Grundrechten des Grundgesetzes konkrete Regelungspflichten des Privatrechtsgesetzgebers ableiten“, BVerfGE 141, 186 (205); vgl. auch A. Bräunig, Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur deutschen Wiedervereinigung, S. 47; vgl. C. Simons, Grundrechte und Gestaltungsspielraum, S. 329. 170 BVerfGE 125, 175 (226). 171 BVerfGE 136, 9 (42); vgl. zu diesem Vorgehen allgemein G. Morgenthaler, Freiheit durch Gesetz, S. 10. 172 Vgl. BVerfGE 69, 272 (310) – Vertrauensschutz; BVerfGE 109, 64 (85); 109, 190 (236); 126, 233 (256); 139, 19 (62) – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; BVerfGE 111, 160 (169); 122, 39 (52); 130, 240 (254); 138, 136 (177) – Auswirkung der Ungleichbehandlung auf Freiheitsrechte; BVerfGE 116, 164 (180) – Verbleiben eines frei verfügbaren Vermögens, das dessen Privatnützigkeit sichtbar macht; BVerfGE 117, 302 (311); BVerfGE 105, 73 (125); 107, 27 (46); 116, 164 (180); 117, 1 (30); 122, 210 (230 f.); 123, 111 (120); 126, 268 (277 f.); 127, 224 (245) – Prinzipien der finanziellen Leistungsfähigkeit und der Folgerichtigkeit; BVerfGE 118, 79 (101); 120, 1 (29); 123, 1 (20); 126, 331 (366) – Willkür; BVerfGE 118, 168 (207); 133, 1 (23) – Zielrichtung und Grundzüge aus Art. 19 Abs. 4 GG; BVerfGE 119, 331 (353) – Entwertung der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Selbstverwaltungsrechts; BVerfGE 123, 39 (71) – verfassungskräftige Wahlgrundsätze; BVerfGE 100, 1 (37); 122, 151 (182) – keine unverhältnismäßige Einschränkung der Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis; BVerfGE 126, 400 (429) – Besteuerung nach Verwandtschaftsnähe/Familienprinzip; BVerfGE 126, 112 (156); 131, 47 (57) – Grundsatz der Zumutbarkeit; BVerfGE 130,

C. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum

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lung kann abgeleitet werden, dass jenseits der dargestellten verfassungsrechtlichen Grenzen kein justiziables Verhalten des Gesetzgebers besteht.173 Gleichwohl ist festzustellen, dass der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum schon vorher bestehen muss, um aus Verfassungsnormen beschränkt werden zu können. Mithin kann der Gestaltungsspielraum nicht erst aus den ihn beschränkenden Normen abgeleitet werden. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts deutet insoweit darauf hin, dass die Regelungsdichte zwar entscheidend für das finale Ausmaß des Gestaltungsspielraums ist, jedoch nicht dessen Ursprung darstellt. 2. Gestaltungsspielraum als Ausdruck der Gesetzgebungsfunktion174 Entgegen des soeben dargestellten Ansatzes wird weiter vertreten, dass das legislative Ermessen dem Gesetzgeber – anders als das Verwaltungsermessen – nicht besonders normativ eingeräumt werden müsse.175 Im Ausgangspunkt sei vielmehr von einer „beinahe durchgängigen Gestaltungsmacht der Gesetzgebung“ auszugehen.176 Diese Gestaltungsmacht komme dem Gesetzgeber „von Haus aus“ zu,177 sodass die Suche „in der Verfassung nach Anhalt und Bindung“ 178 nicht nur als nicht erforderlich, sondern als überflüssig anzusehen

263 (294); 131, 239 (258); 139, 64 (112 f.); 140, 240 (279); 145, 1 (17) – evidente Sachwidrigkeit; BVerfGE 132, 334 (350); 144, 369 (398) – grobes Missverhältnis zu verfolgten legitimen Gebührenzwecken; BVerfGE 133, 143 (160) – Grundsatz der Rechtssicherheit; BVerfGE 139, 148 (182) – Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG; BVerfGE 139, 148 (183) – Rechtsstaatsprinzip und Demokratieprinzip; BVerfGE 139, 19 (62) – Grenzen des Art. 33 Abs. 2 GG; BVerfGE 145, 304 (328) – Aus dem Leistungsprinzip (Art. 33 Abs. 2 GG) und Alimentationsprinzip (Art. 33 Abs. 5 GG) folgendes Abstandsgebot. 173 So auch K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 282: „[. . .] daß es sowohl beim Verwaltungsermessen als auch beim Gesetzgebungsermessen um die Behauptung eines nichtjustitiablen Bereiches staatlichen Handelns geht.“ 174 Gegen eine allein funktionell rechtliche Betrachtung C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 201. 175 Zum Terminus des Belassens von Spielräumen O. Lepsius, Die Chancen und Grenzen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, in: M. Jestaedt/ders. (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 1 (11). 176 K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 1042; vgl. G. Morgenthaler, Freiheit durch Gesetz, S. 259. 177 K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 274; O. Lepsius, JuS 2019, S. 14 folgert Konkretisierungsspielräume aus der organisatorischen Eigenständigkeit von Organen; ders., Der Staat (52) 2013, 157 (185); mit Verweis auf die Kompetenzordnung M. Kaufmann, Staatswissenschaft und Staatspraxis 1997, S. 161 (166). 178 K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 395 bezugnehmend auf U. Scheuner, Staatszielbestimmungen, in: R. Schnur, Festschrift für Ernst Forsthoff zum 70. Geburtstag, 1972, S. 325 (326 f.); vgl. auch B. Schlink, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, in: P. Badura/H. Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht. Bd. II, 2001, S. 445 (461).

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

sei.179 Begründet wird die zunächst umfassende Geltung des Gestaltungsspielraums nicht durch den oben dargestellten Ansatz, in der Offenheit der Verfassung als Rahmenordnung eine weitgehende Eigenständigkeit des Gesetzgebers gegenüber dem Bundesverfassungsgericht zu sehen, da hierfür letztlich wieder die Regelungsdichte des Grundgesetzes entscheidend wäre. Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers wird vielmehr auf dessen funktionell-rechtliche Stellung gestützt.180 Rechnung getragen wird mit dem funktionell-rechtlichen Begriff der „arbeitsteilige[n] Wahrnehmung der Staatsleitung durch verschiedene Verfassungsorgane mit je besonderer Struktur und besonderen Aufgaben“.181 Anhand des funktionell-rechtlichen Ansatzes soll die „auf arbeitsteilige Rechtsgewinnung ausgelegte [. . .] Funktionenordnung des Grundgesetzes“ 182 unterstrichen werden. Insbesondere folge aus dem Demokratieprinzip neben einem Repräsentationsvorrang183 ein Legitimationsvorsprung des Parlaments gegenüber anderen Verfassungsorganen.184 Weiterhin ist der Gesetzgeber der Gemeinwohlverwirklichung und dem Interessenausgleich gegenüber als das grundsätzlich „strukturell am nächsten“ stehende Verfassungsorgan einzuordnen.185 Dementsprechend wird die Gemeinwohldefinition dem Gesetzgeber als dem Verfassungsorgan übertragen, das sich „periodisch dem Votum des Wahlvolkes stellen“

179 Vgl. C. Gusy, Das Parlament als Wahlorgan, Gesetzgeber und Prozeßpartei im Verhältnis zum Bundesverfassungsgericht, in: H.-P. Schneider/W. Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, 2011, § 60 S. 1621 Rn. 4; vgl. S.-P. Hwang, KritV 2009, S. 31. 180 K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 397, 440 und 716; W.-R. Schenke, JZ 1989, S. 653 (655); vgl. P. Austermann, DÖV 2011, S. 267 (269 f.); vgl. A. Steinbach, AöR 140 (2015), S. 367 (380 f.); K. Schlaich/S. Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 12. Aufl. 2021, Rn. 506 ff.; zur funktionell-rechtlichen Betrachtung S.-P. Hwang, Verfassungsgerichtlicher Jurisdiktionsstaat?, S. 173 f. sowie M. Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 138. 181 M. Raabe, Grundrechte und Erkenntnis, S. 263. 182 M. Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 138. 183 H. Hofmann/H. Dreier, Repräsentation, Mehrheitsprinzip und Minderheitenschutz, in: H.-P. Schneider/W. Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, 2011, § 5 S. 173 f.; K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 507. 184 K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 479; zum Wechselspiel zwischen demokratischer Legitimation und gerichtlicher Kontrollintensität M. Herdegen, AöR 114 (1989), S. 607 (619 f.); ebenfalls zum Demokratieprinzip C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 196 und A. Scherzberg, Grundrechtsschutz und „Eingriffsintensität“, S. 107; vgl. R.-U. Schlenker, Soziales Rückschrittsverbot und Grundgesetz, S. 77 und M. Kaufmann, Staatswissenschaft und Staatspraxis 1997, S. 161 (174 f.); zur Begründung des funktionell-rechtlichen Gestaltungsspielraums durch das Demokratieprinzip auch M. Mayer, Untermaß, Übermaß und Wesensgehaltsgarantie, S. 129 ff. 185 A. Voßkuhle, in: H. von Mangoldt/F. Klein/C. Starck u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 7. Aufl. 2018, Art. 93 Rn. 40; M. Mayer, Untermaß, Übermaß und Wesensgehaltsgarantie, S. 117 und 132.

C. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum

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müsse.186 Im Umkehrschluss verdeutlicht das originäre Bestehen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums dann auch die Stellung des Bundesverfassungsgerichts: Die Lösung multidimensionaler Freiheitsprobleme kann und soll nicht durch eigenes richterliches Handeln des Bundesverfassungsgerichts erfolgen.187 Für diese Aufgabe ist vielmehr der Gesetzgeber berufen. Diese unter den Verfassungsorganen Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht aufgeteilte Zuständigkeit ist bei der Ermittlung des Kontrollmaßstabs des Bundesverfassungsgerichts zu berücksichtigen. Überdies entstammt dem Demokratieprinzip auch der zur Ausfüllung eines Gestaltungsspielraums notwendig vorliegende Gestaltungsanspruch des Gesetzgebers.188 Hervorzuheben zur Verdeutlichung der Stellung des Gesetzgebers sind weiterhin „der beträchtliche Umfang der parlamentsbezogenen Regelungen des Grundgesetzes“ sowie dessen „vielfältige Kreations- und Kontrollfunktionen“.189 Darüber hinaus wird auch die Bedeutung des Gewaltenteilungsgrundsatzes für die funktionell-rechtliche Betrachtung unterstrichen.190 So kann die für den Gestaltungsspielraum ebenfalls existenzielle Gestaltungsmacht des Gesetzgebers aus dessen Eigenständigkeit gegenüber den anderen Gewalten hergeleitet werden.191 Unterstrichen wird diese Eigenständigkeit bei der Gesellschaftsgestaltung durch den Unterschied in der Entscheidungsfindung zwischen Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht:192 Legislativakte werden „als Teil eines komplexen und

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M. Kaufmann, Staatswissenschaft und Staatspraxis 1997, S. 161 (175). Vgl. W. Heun, Funktionell-rechtliche Schranken der Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 14; C. Rau, Selbst entwickelte Grenzen in der Rechtsprechung des United States Supreme Court und des Bundesverfassungsgerichts, S. 234. 188 C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 212; zum Demokratieprinzip auch J. Riecken, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, S. 460; M. Kaufmann, Staatswissenschaft und Staatspraxis 1997, S. 161 (175): „Der demokratische Meinungskampf verlöre seine legitimitätsstiftende Kraft, mündete er statt in originär politischer Gestaltung im bloßen Verfassungsvollzug.“; zum Gestaltungsauftrag P. Kirchhof, Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung, in: P. Badura/R. Scholz (Hrsg.), Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung – Symposion aus Anlass des 70. Geburtstages von Peter Lerche, 1998, S. 5 (7); zum Begriff der Gestaltungsmacht H. Bethge, Grundrechtskollisionen, in: D. Merten/H.-J. Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. III, 2009, § 72 Rn. 61. 189 K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 514; vgl. C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 200 f. 190 A. Steinbach, AöR 140 (2015), S. 367 (380); S.-P. Hwang, Verfassungsgerichtlicher Jurisdiktionsstaat?, S. 174; A. Kees, in: T. Barczak, BVerfGG, 2018, § 78 Rn. 25; G. F. Schuppert, DVBl. 1988, S. 1191 (1193); A. Wieckhorst, Grundrechtsschutz durch Legislativverfahren, S. 194; J. Riecken, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, S. 444 f.; M. Kaufmann, Staatswissenschaft und Staatspraxis 1997, S. 161 (173 f.); vgl. auch M. Mayer, Untermaß, Übermaß und Wesensgehaltsgarantie, S. 122 ff., der jedoch hierdurch auch die Differenzierung zwischen Handlungs- und Kontrollnorm begründet. 191 C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 230. 192 Vgl. M. Mayer, Untermaß, Übermaß und Wesensgehaltsgarantie, S. 125. 187

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

mehrdimensionalen Rechts- und Sachzusammenhangs“ erlassen, wohingegen dem Bundesverfassungsgericht nur ein punktueller Zugriff eingeräumt ist.193 Damit muss nicht der Gestaltungsspielraum selbst aus der jeweils betroffenen Verfassungsnorm hergeleitet werden, sondern vielmehr dessen Grenzen.194 Der Ursprung des Gestaltungsspielraums ergibt sich insoweit mit dem Gewaltenteilungsgrundsatz und dem Demokratieprinzip aus übergeordneten Verfassungsprinzipien. Gleichzeitig sind sie als rechtliche Maßstäbe „Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Interpretation“.195 Dieses Verständnis entspricht auch dem bereits aufgezeigten regelmäßigen Vorgehen des Bundesverfassungsgerichts.196 So sieht es im Mitbestimmungsurteil die Grundrechte als „Maßstäbe der verfassungsrechtlichen Prüfung [an], welche die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen und Grenzen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei der Einführung einer erweiterten Mitbestimmung markieren“.197 Diese Einordnung der Grundrechte als materielle Verfassungsgrundsätze führt gleichzeitig dazu, dass die grundsätzliche Justiziabilität der verfassungsrechtlichen Streitfragen198 durch eine normative Anknüpfung mitgeprägt wird. 3. Kombination der Herleitung aus der Funktion des Gesetzgebers und der Regelungsdichte Bei näherer Betrachtung der aufgezeigten Begründungsansätze kann eine Kombination des funktionell-rechtlichen Ansatzes mit der Herleitung des Gestaltungsspielraums aus der Regelungsdichte der jeweils einschlägigen verfassungsrechtlichen Vorschriften erfolgen. Dies ist in der Form möglich, dass der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum entsprechend dem funktionell-rechtlichen Ansatz zunächst aus der Stellung des Gesetzgebers innerhalb des Verfassungsgefüges hergeleitet wird und durch die verfassungsrechtlichen Vorschriften lediglich beschränkt oder auch bestätigt werden kann. Im Rahmen der Überprüfung, ob eine Beschränkung des Gestaltungsspielraums vorliegt, ist dann jedoch die Regelungsdichte der Verfassungsvorschriften zu berücksichtigen. Diese Feststellung der Grenzen des Gestaltungsspielraums ist hierbei nicht als nachgeordneter Vorgang, sondern als Teil des Herleitungsprozesses selbst anzusehen. Dies folgt 193

M. Mayer, Untermaß, Übermaß und Wesensgehaltsgarantie, S. 125 ff. Vgl. S. Seedorf, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Gesetzgebung, in: M. Jestaedt/O. Lepsius (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 129 (132); E. Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, S. 52; vgl. auch W. Heun, Funktionell-rechtliche Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 39; M. Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 137. 195 J. Riecken, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, S. 461. 196 S. 135 ff. 197 BVerfGE, 50, 290 (336). 198 Vgl. C. Walter, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 80 Juni 2017, Art. 93 Rn. 3. 194

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daraus, dass nur wenige gesetzgeberische Handlungen denkbar sind, bei denen der Gesetzgeber nicht durch die Vorgaben einer Verfassungsnorm beschränkt wird. Mithin steht der zunächst umfassende Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers unter dem Vorbehalt, dass ihn der Regelungsgehalt einer durch das legislative Handeln betroffenen Verfassungsnorm beschränkt. Hierdurch spielt bei der Herleitung der Weite des finalen gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums die Regelungsdichte des materiellen Verfassungsrechts eine mitentscheidende Rolle. Diese Kombination der beiden Ansätze entspricht auch dem schon aufgezeigten Vorgehen des Bundesverfassungsgerichts, nach grundsätzlicher Feststellung des Gestaltungsspielraums dessen Grenze anhand von Verfassungsnormen oder Verfassungsprinzipien aufzuzeigen.199 Weiterhin ist bei diesem zweistufigen Vorgehen auch das Ergebnis denkbar, dass mangels verfassungsrechtlicher Regelungen und Bindungen im Sinne einer Regelungs- und Kontrollnorm200 keine Einschränkung des Gestaltungsspielraums erfolgt und dieser in umfassender und damit einer verfassungsgerichtlichen Kontrolle nicht zugänglichen Form bestehen bleibt. Insbesondere die Grundrechte führen als Grenze des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums in einer Eingriffskonstellation jedoch regelmäßig zu dessen Herabsenkung.201 Insoweit entfaltet der Vorbehalt einer Beschränkung des zunächst umfassend bestehenden Gestaltungsspielraums namentlich bei Berührung eines grundrechtlichen Schutzbereichs Geltung. 4. Notwendigkeit der Berücksichtigung des normativen Gehalts Da im weiteren Verlauf der Untersuchung der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei Beschränkungen der Eigentumsgarantie beleuchtet wird, ist im Folgenden die Notwendigkeit der Berücksichtigung des normativen Gehalts der Verfassungsvorschriften trotz Annahme eines zunächst umfassenden Gestaltungsspielraums allgemein anhand der Grundrechte zu verdeutlichen. Den Grundrechten wird eine „vergleichsweise hohe Regelungsdichte“ dadurch zugesprochen, dass durch ihre Schutzbereiche einzelne tatbestandlich bestimmte Sphären thematisiert werden.202 Zudem muss ein Eingriff in grundrechtliche Schutzgehalte stets den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ent199

S. o. S. 135 ff. S. o. S. 130 f. 201 Vgl. K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 1042; so auch O. Lepsius, Der Staat (52) 2013, S. 157 (178) und K. Chryssogonos, Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung, S. 48; vgl. C. Möllers, Gewaltengliederung, S. 140; M. Kriele, Grundrechte und demokratischer Gestaltungsraum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, § 188 Rn. 1; vgl. J. Riecken, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, S. 441; kritisch M. Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 122. 202 C. Gusy, Parlamentarischer Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht, S. 146; vgl. E. Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, S. 53. 200

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

sprechen.203 Sofern nach Berücksichtigung der materiellen Regelungsdichte ein Teil des Gestaltungsspielraums aufgrund fehlender normativer Vorgaben für den Gesetzgeber dennoch erhalten bleibt, besteht auch eine normative Legitimation für die Anerkennung der nicht bestehenden verfassungsrechtlichen Bindungen des Gesetzgebers. Diese Legitimation ist vor dem Hintergrund eines effektiven Grundrechtsschutzes204 auch als Rechtfertigung erforderlich für die prinzipielle Schwächung der schützenden Wirkung der Grundrechte durch die Annahme eines gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums.205 Denn auch wenn ein grundsätzlich bestehender umfassender Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers im Ausgangspunkt aus der unmittelbaren demokratischen Legitimation sowie der Aufgabe der Politikgestaltung durch Gesetzgebung angenommen werden kann,206 muss beachtet werden, dass das Grundgesetz gleichwohl eine Verletzung von Grundrechten durch die Legislative und damit ein Handeln außerhalb dieses Gestaltungsspielraums für möglich erachtet. Dies ergibt sich allein schon aus der Normierung der Verfassungsbeschwerde gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG als mögliche und damit vom Bundesverfassungsgericht zu kontrollierende Fallkonstellation. Diese vorgesehene Kontrollmöglichkeit207 würde beeinträchtigt, wenn dem für die Überprüfungsmöglichkeit maßgeblichen Regelungsgehalt der Grundrechte als Abwehrrechte bei der Bestimmung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums keine mitentscheidende Rolle zukommt. Mithin muss der Staat als derjenige, der „im Staat-Bürger-Verhältnis ein Dulden verlangt, [. . .] die Voraussetzungen der Duldungspflicht darlegen“.208 Dementsprechend löst ein Grundrechtseingriff eine Begründungs- bzw. Rechtfertigungspflicht209 zu Lasten des Gesetzgebers aus: Aus der Funktion der Grund-

203 Siehe auch M. Mayer, Untermaß, Übermaß und Wesensgehaltsgarantie, S. 156; zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit S. 185 ff. 204 Zum Begriff BVerfGE 53, 30 (65); H. Bethge, in: B. Schmidt-Bleibtreu/F. Klein/ ders. u. a. (Hrsg.), in: Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Stand: 53. Lfg. Februar 2018, § 90 Rn. 15. 205 Vgl. auch J. Riecken, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, S. 462: „Demgegenüber ist die Gestaltungswirkung, die mit der verfassungsgerichtlichen Konkretisierung der gegen den Staat gerichteten Abwehrrechte stets verbunden ist, im Interesse eines effektiven Grundrechtsschutzes grundsätzlich hinzunehmen.“; zur Folge des Vorliegens des Gestaltungsspielraums sogleich S. 147 ff. 206 C. Walter, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 80 Juni 2017, Art. 93 Rn. 104. 207 Vgl. J. Buchheim, Angemessenheit als prozedurales Kriterium?, in: M. Jestaedt/ O. Lepsius (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 77 (87). 208 C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 495 f. 209 J. Buchheim, Angemessenheit als prozedurales Kriterium?, in: M. Jestaedt/O. Lepsius (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 77 (89); A. Wieckhorst, Grundrechtsschutz durch Legislativverfahren, S. 400; C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 247; vgl. indes M. Mayer, Untermaß, Übermaß und Wesensgehaltsgarantie, S. 129, der „ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen parlamentarischer Gesell-

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rechte als Abwehrrechte folgt ein bedingtes Unterlassungsgebot210 an den Staat, das das staatliche Handeln unter einen Rechtfertigungszwang stellt.211 Dieser Rechtfertigungszwang, der sich insbesondere im Gebot der Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit widerspiegelt,212 würde unterlaufen, wenn die Überprüfbarkeit der Rechtfertigungsgründe in Frage gestellt wird, indem ohne Orientierung am Regelungsgehalt eines Grundrechts durch Anerkennung des Gestaltungsspielraums eine Freistellung des Gesetzgebers von verfassungsrechtlichen Bindungen gewährt wird. Damit ist die Regelungsdichte der Grundrechte als Verkörperung des materiellen Schutzgehalts gegenüber staatlichem Handeln als Grenze des Gestaltungsspielraums von entscheidender Bedeutung für dessen Bestimmung. Hierdurch leitet die aus diesen Grundrechten folgende Regelungsdichte die bundesverfassungsgerichtliche Kontrolle an.213 Es bleibt festzuhalten, dass für die Herleitung der finalen Weite des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums bei Vorliegen eines Grundrechtseingriffs das jeweilige Grundrecht selbst mitbestimmend ist. Dies folgt daraus, dass der grundsätzlich umfassend bestehende Gestaltungsspielraum bei Grundrechtseingriffen unter dem Vorbehalt einer Begrenzung steht. Anhand des Regelungsgehalts des betroffenen Grundrechts muss dann überprüft werden, inwieweit der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers aufrechterhalten werden kann. Im Rahmen der Berücksichtigung des den Gestaltungsspielraum grundsätzlich beschränkenden Schutzgehalts der Grundrechte sind jedoch auch Auslegungsergebnisse zugunsten der Handlungsbefugnisse des Gesetzgebers denkbar. So kann der u. a. durch das soeben aufgezeigte bedingte Unterlassungsgebot der Grundrechte begrenzte Gestaltungsspielraum wiederum aufgrund von in der Norm und im Sachverhalt angelegten Faktoren erweitert werden.214 Im weiteren Verlauf der Untersuchung schaftsgestaltung einerseits und verfassungsgerichtlicher Kontrolle andererseits“ erkennt. 210 Dies ist freilich nicht in dem Sinne zu verstehen, „dass bei Eröffnung des grundrechtlichen Schutzbereichs jegliche gesetzgeberische Tätigkeit unterbleiben und der jeweilige Lebensbereich von staatlicher Intervention frei bleiben müsste“, A. Wieckhorst, Grundrechtsschutz durch Legislativverfahren, S. 284; C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 232 ff.; kritisch zur Eindeutigkeit dieser Einordnung M. Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 118; R. Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, S. 156 ff. und 203. 211 C. Bumke, Der Grundrechtsvorbehalt, S. 63 f.; S. Seedorf, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Gesetzgebung, in: M. Jestaedt/O. Lepsius (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 129 (131) spricht von den „Verbots- und Gebotswirkungen der Grundrechte“. 212 M. Wrase, Zwischen Norm und sozialer Wirklichkeit, S. 384; vgl. auch A. von Arnauld, Zur Rhetorik der Verhältnismäßigkeit, in: M. Jestaedt/O. Lepsius (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 276 (281). 213 C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 232; vgl. BVerfGE 50, 290 (336); W. Heun, Funktionell-rechtliche Schranken der Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 39. 214 Vgl. auch K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 1043.

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wird eine derartige Erweiterung des Gestaltungsspielraums anhand des Vorgehens des Bundesverfassungsgerichts bei Vorliegen des sozialen Bezugs betrachtet und unter Berücksichtigung der Regelungsdichte normativ eingeordnet.215 Hierbei kommt der Regelungsdichte der Eigentumsgarantie aus Art. 14 GG maßgebliche Bedeutung zu. Der aufgezeigte Herleitungsprozess beschränkt sich letztlich jedoch nicht auf die Grundrechte, sondern entfaltet auch für andere Verfassungsvorschriften Geltung, die dem gesetzgeberischen Handeln Grenzen setzen. 5. Konkreter Sachverhalt als Kennzeichnung des gesetzgeberischen Regelungsbedürfnisses Weiterhin ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass sich die Reichweite des Gestaltungsspielraums im konkreten Einzelfall neben den vorhandenen verfassungsrechtlichen Kontrollmaßstäben auch „nach dem jeweiligen Prüfungsgegenstand“, der „Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs“ und der „auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter“ richtet.216 Daraus folgt, dass nicht nur die abstrakte Verfassungsinterpretation für die Bestimmung des Gestaltungsspielraums entscheidend ist, sondern diese mit den (Sach-)Umständen des Einzelfalls kombiniert werden muss.217 Mit anderen Worten müssen für die Bestimmung des Gestaltungsspielraums auch die „Realitätsbeziehungen“ der jeweils betroffenen Norm untersucht werden.218 Diese Vorgabe wird durch die Aussage gestützt, dass die Grundrechte im Rahmen der Auslegung angesichts 215

S. u. S. 217 ff. A. Voßkuhle, in: H. von Mangoldt/F. Klein/C. Starck u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 7. Aufl. 2018, Art. 93 Rn. 43, der zugleich darauf hinweist, dass „[d]er Gestaltungsspielraum als solcher“ nicht existiere; B. Pieroth, in: H. D. Jarass/ders., Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 16. Aufl. 2020, Art. 93 Rn. 7; F. Ossenbühl, Bundesverfassungsgericht und Gesetzgebung, in: P. Badura/H. Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht. Bd. I, 2001, S. 33 (52) lenkt den Blick neben dem maßgeblichen Sachbereich zusätzlich auf „Gestaltungskraft und [. . .] Gestaltungswillen des Bundesverfassungsgerichts“; hierzu auch K. Meßerschmidt, S. 212 und 737 f. mit der Charakterisierung als „bereichsspezifische [. . .] Ausweitung des legislativen Ermessens“; C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 481. 217 Vgl. hierzu C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 264 ff.; zum Problem der Verfassungsinterpretation im Kontext des Gestaltungsspielraums A. Bräunig, Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur deutschen Wiedervereinigung, S. 51; gerade der soziale Bezug, aus dem dann der Gestaltungsspielraum resultiert, ergibt sich aus den Eigenschaften des Eigentumsgegenstandes, sodass nicht nur die Auslegung des Art. 14 GG für das Vorliegen des Gestaltungsspielraums entscheidend sein kann; zu diesen sachbedingten Erweiterungen des Gesetzgebungsermessens K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 756; vgl. P. Badura, Richterliches Prüfungsrecht und Wirtschaftspolitik, in: P. Oberndorfer/H. Schambeck (Hrsg.), Verwaltung im Dienste von Wirtschaft und Gesellschaft. Festschrift für Ludwig Fröhler zum 65. Geburtstag, 1980, S. 321 (339). 218 K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 212; vgl. M. Mayer, Untermaß, Übermaß und Wesensgehaltgarantie, S. 93. 216

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ihrer geringen Präzision „ihr Leben nur in Kombination mit einem minutiös aufbereiteten Sachverhalt“ gewinnen.219 Zur „Sicherung der staatlichen Grundrechtsbindung“ ist die sachbezogene Konkretisierung geradezu erforderlich,220 um die geringe Regelungsdichte der Grundrechtsnormen selbst auszugleichen. Jedoch stellt sich die Frage, inwieweit dem jeweils betroffenen Sachverhalt Anhaltspunkte für den gerichtlichen Kontrollmaßstab entnommen werden können.221 Hierzu wird vorgebracht, dass die Eigenart des Sachbereichs wiederum stets „in Abhängigkeit von den diesen Sachbereich regelnden Verfassungsnormen“ zu bestimmen sei.222 Aus diesem Ansatz folgt, dass wenn das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber bspw. im Bereich der Wirtschaftspolitik einen weiten Gestaltungsspielraum zugesteht,223 dieser nicht aus der sachlichen Struktur dieses Gesellschaftsbereichs resultiert, sondern allein die in diesem Kontext bestehende Offenheit der Verfassungsnormen den Fortbestand des Gestaltungsspielraums ermöglicht.224 Als materielle bzw. normative Anknüpfungspunkte kommen insoweit der Ausgestaltungsvorbehalt der Eigentumsgarantie nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG, der fehlende Anspruch aus Art. 12 GG auf ein Recht auf Arbeit sowie die „wirtschaftspolitische Neutralität“ des Grundgesetzes in Betracht.225 Mithin müssen sich aus dem jeweiligen Sachbereich Anhaltspunkte entnehmen lassen, die etwa in besonderer Weise dem Telos der Norm entsprechen, deren Regelungsgehalt betrachtet wird. So erhöht sich die Regelungsdichte von 219 E. Mahrenholz, Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung, in: P. Badura/ R. Scholz (Hrsg.), Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung. Symposion aus Anlaß des 70. Geburtstages von Peter Lerche, 1998, S. 23 (34); vgl. auch P. Badura, Eigentum im Verfassungsrecht der Gegenwart, in: Ständige Deputation des deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des neunundvierzigsten deutschen Juristentages, 1972, T 19, wonach sich „[d]as Verfassungsgesetz [. . .] in spürbarem Maße den regulären Techniken juristischer Auslegung“ entziehe. 220 C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 366. 221 S. u. zur Kritik an der Auswirkung auf die Normstruktur S. 219. 222 W. Heun, Funktionell-rechtliche Schranken der Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 39; K. Schlaich/S. Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 12. Aufl. 2021, Rn. 537; vgl. C. Gusy, Parlamentarischer Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht, S. 176. 223 BVerfGE 50, 290 (338); 77, 84 (106); 77, 308 (332). 224 Vgl. W. Heun, Funktionell-rechtliche Schranken der Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 39; C. Simons, Grundrechte und Gestaltungsspielraum, S. 133; nur auf den Bereich abstellend hingegen G. F. Schuppert, DVBl. 1988, S. 1191 (1193); vgl. C. Starck, Maximen der Verfassungsauslegung, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 271 Rn. 29, der bei der Analyse der Wirklichkeit zum Zweck der Normanwendung stets „normative Gesichtspunkte“ fordert. 225 K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 1048; vgl. auch P. Badura, Richterliches Prüfungsrecht und Wirtschaftspolitik, in: P. Oberndorfer/H. Schambeck (Hrsg.), Verwaltung im Dienste von Wirtschaft und Gesellschaft. Festschrift für Ludwig Fröhler zum 65. Geburtstag, 1980, S. 321 (340) mit dem Hinweis auf die „Konsistenz der wirtschaftsverfassungsrechtlichen Regelungen des Grundgesetzes“; vgl. auch F. Kübler/ W. Schmidt/S. Simitis, Mitbestimmung als gesetzgebungspolitische Aufgabe, S. 94 ff.

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

Art. 14 GG, wenn – entsprechend seiner freiheitsgrundrechtlichen Prägung – ein Sachbereich dem Eigentümer in besonderer Weise die Möglichkeit zur Freiheitsverwirklichung eröffnet.226 Weiterhin kann für die Begründung der Einbeziehung des Sachbereichs zur Ermittlung des Gestaltungsspielraums daran angeknüpft werden, dass der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum als Leitbegriff des Verfassungsstaates angesehen wird, dessen Wahrung durch das Demokratieprinzip und den Gewaltenteilungsgrundsatz abgesichert wird.227 Auf diesen Leitbegriff ist auch bei der Verfassungsauslegung zurückzugreifen.228 Im Rahmen der Auslegung einer Verfassungsnorm sind die jeweils betroffenen Sachverhalte mit meist widerstreitenden Interessen dann Ausdruck dafür, dass die Verfassung gerade keine vorentschiedene Auflösung für die möglichen Kollisionen von Verfassungsgütern beinhaltet. Vielmehr wird die Aufgabe, den widerstreitenden Interessen und Güterkollisionen und damit den „Fragen des staatlichen Lebens“ 229 zu begegnen, dem unmittelbar demokratisch legitimierten Gesetzgeber übertragen. Hierdurch besteht eine Verknüpfung zu dem dargestellten Ansatz,230 den Gestaltungsspielraum maßgeblich aus der Funktion des Gesetzgebers herzuleiten.231 Darüber hinaus ist die funktionell-rechtliche Stellung des Gesetzgebers auch bei der Auslegung der Regelungsdichte der für das Ausmaß des Gestaltungsspielraums weiterhin entscheidenden Verfassungsnormen zu berücksichtigen.232 Der Berücksichtigung von funktionell-rechtlichen Gesichtspunkten vor dem Hintergrund des betroffenen Sachbereichs entspricht auch die Beobachtung, dass die Herleitung von Prüfungsmaßstäben „kaum einmal [. . .] rein funktionell- oder rein materiellrechtliche Überlegungen“ widerspiegelt.233 226

Hierzu S. 233 ff. K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 74 f. und 137; vgl. auch D. Grimm, JZ 1976, S. 697 (700); ausdrücklich bezugnehmend auf die Gewaltenteilung im Kontext der gerichtlichen Kontrolle BVerfGE 7, 377 (409). 228 Vgl. W.-R. Schenke, JZ 1989, S. 653 (655); K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 74; vgl. G. F. Schuppert, DVBl. 1988, S. 1191 (1195). 229 K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 18. Aufl. 1991, Rn. 30. 230 S. 137 ff. 231 Vgl. S.-P. Hwang, Verfassungsgerichtlicher Jurisdiktionsstaat?, S. 176. 232 A. Wieckhorst, Grundrechtsschutz durch Legislativverfahren, S. 387; umfassend zur Berücksichtigung funktionell-rechtlicher Aspekte M. Raabe, Grundrechte und Erkenntnis, S. 262 ff. 233 C. Simons, Grundrechte und Gestaltungsspielraum, S. 130; vgl. auch die aufgefächerte Herleitung von C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 458: „Die Einschätzungsprärogative hat Anteil an der Normativität der Verfassung, weil sie eine Resultante aus der Positivität der Grundrechte, der Gestaltungsfunktion der Gesetzgebung und der Kontrollkompetenzen des Gerichts ist.“; M. Wrase, Zwischen Norm und sozialer Wirklichkeit, S. 394 f.; vgl. auch M. Mayer, Untermaß, Übermaß und Wesensgehaltgarantie, S. 91, 120 und G. F. Schuppert, Funktionell-rechtliche Grenzen der Verfassungsinterpretation, S. 9; zur Einbeziehung funktionell-rechtlicher An227

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6. Zwischenfazit zur Herleitung des Gestaltungsspielraums Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers als Freiraum von rechtlichen Bindungen und gerichtlicher Kontrolle ist im Wege der Verfassungsinterpretation anhand der Regelungsdichte der betroffenen Norm herzuleiten. Hierbei ist zu berücksichtigen, wie stark dem Gesetzgeber durch die Verfassung eine Handlungsvorgabe erteilt wird. Dies gilt unabhängig davon, dass der Gestaltungsspielraum als originär bestehend und durch die Verfassungsnormen beschränkbar anzusehen ist. Im Rahmen der erforderlichen Betrachtung der Regelungsdichte sind u. a. vor dem Hintergrund des jeweils betroffenen Sachbereichs funktionell-rechtliche Erwägungen wie die unterschiedliche demokratische Legitimation von Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht sowie der Grundsatz der Gewaltenteilung zu berücksichtigen.234

III. Rechtliche Auswirkung des Vorliegens des Gestaltungsspielraums Die Regelungsdichte der vom gesetzgeberischen Handeln betroffenen Verfassungsnormen als materiell-rechtlicher Anknüpfungspunkt sowie die Umstände des jeweiligen Sachbereichs sind damit entscheidend dafür, welche Wirkkraft die verfassungsrechtlichen Grenzen gegenüber dem gesetzgeberischen Handeln im Rahmen der bundesverfassungsrechtlichen Kontrolle entfalten. Die praktische Bedeutung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums zeigt sich insoweit in seiner Auswirkung auf die richterliche Kontrollkompetenz.235 1. Bestehen einer rechtlichen Auswirkung des Gestaltungsspielraums Die Weite des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums offenbart eine in diesem Ausmaß nicht bestehende verfassungsrechtliche Bindung und damit eine entsprechend beschränkte Kontrollkompetenz des Bundesverfassungsgerichts. Diese rechtliche Auswirkung besteht unabhängig davon, ob der Gestaltungsspielraum vom Bundesverfassungsgericht „zuerkannt“ oder „zugestanden“ wird oder lediglich Ergebnis einer verfassungsrechtlichen Prüfung bzw. Auslegung ist.236 Bei sätze in die Grundrechtsinterpretation auch J. Riecken, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, S. 438. 234 Vgl. W. Heun, Funktionell-rechtliche Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 45; vgl. C. Gusy, Parlamentarischer Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht, S. 95; zu weiteren vermittelnden Ansätzen J. Riecken, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, S. 453 ff. 235 T. v. Danwitz, Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, S. 198 bezogen auf den Verordnungsgeber; für eine vorrangige bzw. unabhängige Erörterung der Gestaltungsfreiheit gegenüber der gerichtlichen Kontrolle jedoch K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 63 f. 236 K. Hesse, Die verfassungsgerichtliche Kontrolle der Wahrnehmung grundrechtlicher Schutzpflichten des Gesetzgebers, in: H. Däubler-Gmelin (Hrsg.), Gegenrede.

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

Annahme letzterer Prämisse ist der Gestaltungsspielraum zwar keine eigenständige Rechtsfigur,237 die durch das Anerkenntnis des Bundesverfassungsgerichts zu einer Veränderung der Rechtslage führt. Jedoch offenbart die Verfassungsauslegung aufgrund der durch sie veranschaulichten Vorgaben ebenfalls eine rechtliche Konsequenz. Anders gewendet wird eine in der Norm bereits angelegte Rechtsfolge durch die Interpretation des Bundesverfassungsgerichts aufgezeigt und zu Tage gebracht. Bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Ausführungen zu den generellen Wirkungen bundesverfassungsgerichtlicher Entscheidungen238 wird somit deutlich, dass angesichts der Autorität des Bundesverfassungsgerichts selbst eine beschreibende Tätigkeit239 maßgebliche Wirkung auf den Verfassungsdiskurs hat. 2. (Anteiliger) Ausschluss der verfassungsrechtlichen Kontrolle Das Anknüpfen an die verfassungsrechtliche Regelungsdichte zur Feststellung der verfassungsrechtlichen Grenzen, die den Umfang des Gestaltungsspielraums nach dessen zunächst umfassender Herleitung240 prägen, erfordert eine Betrachtung, die der unterschiedlich starken Ausprägung der Normvorgaben einschließlich des jeweiligen Sachbereichs Rechnung trägt. Sofern das Vorliegen des Gestaltungsspielraums eine gänzlich fehlende verfassungsrechtliche Determinierung kennzeichnet, ergibt sich, dass „mangels anwendbarer Maßstäbe keine verfassungsrechtliche Kontrolle“ vorgesehen ist.241 Folglich existiert eine auf diesen Bereich begrenzte, umfassende parlamentarische Souveränität gegenüber dem

Aufklärung – Kritik – Öffentlichkeit, Festschrift für Ernst Gottfried Mahrenholz, 1994, S. 541 (542) entgegen BVerfGE 80, 109 (118); 81, 156 (205); vgl. auch die oben auf S. 125 f. angeführten Stimmen, die eine eigenständige Bedeutung des Begriffs ablehnen; anders F. Ossenbühl, Bundesverfassungsgericht und Gesetzgebung, in: P. Badura/ H. Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht. Bd. I, 2001, S. 33 (52), der davon spricht, dass das Bundesverfassungsgericht die Kontrolldichte durch die Auswahl des Prüfmaßstabs selbst bestimme; so auch C. Simons, Grundrechte und Gestaltungsspielraum, S. 134 der im Gestaltungsspielraum lediglich einen „Reflex der vom [Bundesverfassungsgericht] festgelegten Reichweite des jeweiligen Grundrechts“ sieht; hierzu auch C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 585. 237 Hierzu M. Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 71; für die Annahme eines Rechtsbegriffs M. Kaufmann, Staatswissenschaft und Staatspraxis 1997, S. 161 (166); C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 585 bezeichnet die Gestaltungsfreiheit als „Leerformel“. 238 S. o. S. 116 ff. 239 Vgl. C. Gusy, JöR 1984, S. 105 (110); kritisch hinsichtlich der Einordnung als „beschreibend“ K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 69. 240 Hierzu s. o. S. 140 f. 241 C. Gusy, JöR 1984, S. 105 (110); so auch R. Alexy, VVDStRL 61, S. 7 (16) durch die Kategorisierung als strukturellen Spielraum; vgl. auch S. Altenschmidt, NVwZ 2015, S. 559 (561) zum Gestaltungsspielraum bei Erfüllung der grundrechtlichen Schutzpflichten.

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Bundesverfassungsgericht.242 Vor diesem Hintergrund lässt sich auch nochmals die Akzessorietät zwischen Regelungs- und Kontrolldichte243 von Normen verdeutlichen: Die gerichtliche Kontrolle muss sich am Regelungsgehalt der betroffenen Verfassungsvorschriften orientieren, sodass im Falle fehlender Kontrollvorgaben auch keine Kontrolle denkbar ist. Soweit hingegen verfassungsrechtliche Kontrollvorgaben vorliegen, kann das Bundesverfassungsgericht je nach Ausmaß und Dichte dieser Kontrollvorgaben und damit spiegelbildlich zum Gestaltungsspielraum die Verfassungsmäßigkeit entsprechend der Wirkkraft der jeweiligen Verfassungsnorm mit unterschiedlicher Intensität prüfen.244 a) Kennzeichnung des verfassungsrechtlich Erlaubten Im Rahmen der Ausführungen zur Herleitung des Gestaltungsspielraums wurde aufgezeigt, dass das finale Ausmaß des Gestaltungsspielraums nach zunächst umfassender Geltung maßgeblich auf die vorhandenen verfassungsrechtlichen Grenzen unter besonderer Berücksichtigung ihrer Regelungsdichte zurückzuführen ist.245 Bei Zugrundelegung dieses Ansatzes schwächt die Herleitung des Gestaltungsspielraums auch nicht die Verfassungsbindung des Gesetzgebers ab. Vielmehr ist die Annahme bzw. der Erhalt des Gestaltungsspielraums angesichts fehlender verfassungsrechtlicher Grenzen und insoweit auch fehlender Regelungs- und Kontrolldichte als gerade der Verfassung entsprechend anzusehen. Insoweit verkörpern Gestaltungsspielraum und Rechtsbindung prinzipielle Gegensätze.246 Aus dem Vorliegen des Gestaltungsspielraums resultiert, dass das „verfassungsrechtlich Erlaubte“ gekennzeichnet wird und für den Gesetzgeber insoweit kein Verfassungsverstoß möglich ist.247 Vielmehr ist sein eigenständiges Handeln gerade vom Grundgesetz vorgesehen. Dieses Verständnis geht einher mit dem Vorgehen des Bundesverfassungsgerichts, das gesetzgeberische Handeln innerhalb des Gestaltungsspielraums als synonym mit dem verfassungsmäßigen 242

Vgl. K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 468. S. o. S. 128 ff. 244 F. Lange, Grundrechtsbindung des Gesetzgebers, S. 244 f.; A. Bräunig, Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur deutschen Wiedervereinigung, S. 18 folgert aus dem Einsatz der Formel als Argumentationsfigur die Absenkung der Prüfungsintensität; vgl. auch F. Ossenbühl, Bundesverfassungsgericht und Gesetzgebung, in: P. Badura/H. Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht. Bd. I, 2001, S. 33 (52): „Der unterschiedlichen Weite des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums entspricht eine abgestufte Kontrolldichte bei der verfassungsrechtlichen Prüfung“ mit Verweis auf BVerfGE 88, 87 (96 f.); 91, 389 (401). 245 S. o. S. 140 ff. 246 F. Ossenbühl, DVBl. 1995, S. 904. 247 A. Bräunig, Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur deutschen Wiedervereinigung, S. 48 f. 243

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

Handeln zu kennzeichnen.248 Insoweit bezieht sich das Bundesverfassungsgericht mit dem Verweis auf den Gestaltungsspielraum bereits auf die Bewertung der Verfassungsmäßigkeit des konkreten gesetzgeberischen Handelns. Hinsichtlich einer Begrenzung der Aussagekraft des Gestaltungsspielraums auf das Aufzeigen des verfassungsrechtlich Erlaubten bringt A. Bräunig vor, dass der Begriff dann als überflüssig anzusehen sei. Stattdessen könne ohne den Rekurs auf den Begriff des Gestaltungsspielraums im Wege der Verfassungsinterpretation eindeutiger vermittelt werden, dass mangels bestehender Vorgaben auch keine Grundgesetzverletzung möglich sei.249 Dem ist insoweit zuzustimmen, als dass das Verdeutlichen der verfassungsrechtlichen Grenzen anhand des Regelungsgehalts selbst, gegenüber einem pauschalen Verweis auf die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers mehr argumentative Stärke enthält. Mithin stellen die verfassungsrechtlichen Grenzen das maßgebliche Prüfprogramm bei der Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit dar und bieten gegenüber dem Begriff des Gestaltungsspielraums eine ausgeprägtere Orientierung. Dennoch ist die Verfassungsbindung des Gesetzgebers für sein Handeln und auch für seine Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht prägend. Es dürfte nicht allein infolge des umfassenden Verständnisses von Art. 2 Abs. 1 GG als allgemeine Handlungsfreiheit in der Elfes-Entscheidung250 kaum ein Gesetz geben, das nicht jedenfalls in geringem Maße an verfassungsrechtlichen Vorgaben zu messen ist.251 Vor dem Hintergrund dieser grundsätzlich umfassenden Geltung der Grundrechte ist es angezeigt, den Freiraum des Gesetzgebers angesichts nicht weiterreichender verfassungsrechtlicher Grenzen durch eine eigene Begrifflichkeit zu verdeutlichen. Dies gilt auch dann, wenn sich der Begriff des Gestaltungsspielraums in der Aussage erschöpft, dass es gerade der Verfassung entspricht, dass das Handeln des Gesetzgebers nicht252 bzw. nur eingeschränkt kontrolliert werden soll.

248 Vgl. BVerfGE 70, 191 (201 f.): „[. . .] er kann insbesondere ohne seinen Gestaltungsspielraum zu überschreiten [. . .]“; BVerfGE 95, 64 (85); A. Bräunig, Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur deutschen Wiedervereinigung, S. 133. 249 A. Bräunig, Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur deutschen Wiedervereinigung, S. 48. 250 BVerfGE 6, 32; hierzu T. Darnstädt, NJW 2019, S. 1580 (1581). 251 Vgl. W. Heun, Funktionell-rechtliche Schranken der Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 9: „Insbesondere hat sich die von dem Verfassungsgericht durchzusetzende Bindung der gesamten staatlichen Gewalt an die Grundrechte gem. Art. 1 III GG als ein in seiner Reichweite praktisch uneingeschränkter Entscheidungsmaßstab verfassungsgerichtlicher Kontrolle aller staatlichen Entscheidungen hinsichtlich ihres sachlichen Inhalts erwiesen.“; S. Seedorf, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Gesetzgebung, in: M. Jestaedt/O. Lepsius (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 129 (131). 252 Ablehnend hinsichtlich einer derartigen „Null-Kontrolle“ E. Hofmann, Abwägung im Recht, S. 484.

C. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum

151

b) Abgestufte Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht Indes muss berücksichtigt werden, dass eine vollständige Freistellung des Gesetzgebers von verfassungsrechtlichen Bindungen eine Ausnahme im Kontext bundesverfassungsgerichtlicher Kontrolle darstellt. Daher sind bei der Betrachtung der Auswirkungen des Gestaltungsspielraums insbesondere die Konstellationen zu beleuchten, in denen die Kontrolle nur teilweise eingeschränkt ist, weil der zunächst umfassend bestehende gesetzgeberische Gestaltungsspielraum auf verfassungsrechtliche Grenzen trifft.253 Anders gewendet sind damit die Fälle von besonderem Interesse, in denen trotz Anerkenntnis eines teilweise bestehenden gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums dennoch eine gerichtliche Kontrolle stattfindet. In diesen Konstellationen erfolgt eine Differenzierung des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Ausprägung seines Kontrollmaßstabs.254 Grundlegend für eine solche Differenzierung bzw. Abstufung auf einer „gleitende[n] Skala“ 255 ist das Vorgehen des Bundesverfassungsgerichts im Mitbestimmungsurteil256 bezogen auf die Prognoseentscheidungen des Gesetzgebers. So differenziert das Bundesverfassungsgericht im Angesicht von unklaren zukünftigen Auswirkungen des kontrollierten Gesetzes und insoweit erforderlichen Prognosen zwischen der Evidenzkontrolle (S. 153 ff.), der Vertretbarkeitskontrolle (S. 155 f.) und der intensivierten inhaltlichen Kontrolle (S. 156 f.).257 Diese Kontrollabstufungen werden in der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung jedoch nicht auf Prognoseentscheidungen beschränkt, sondern betreffen nunmehr auch die Kontrolle der Einhaltung von rechtlichen Bindungen, wie etwa bei Abwägungsentscheidungen.258 So führt das Bundesverfassungsge-

253

Vgl. E. Hofmann, Abwägung im Recht, S. 484. Vgl. H. Bethge, in: B. Schmidt-Bleibtreu/F. Klein/ders. u. a. (Hrsg.), in: Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Stand: 53. Lfg. Februar 2018, § 90 Rn. 29; kritisch E. Hofmann, Abwägung im Recht, S. 483 ff. 255 W. Heun, Funktionell-rechtliche Schranken der Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 36; K. Schlaich/S. Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 12. Aufl. 2021, Rn. 536; vgl. K. Korinek, VVDStRL 39, S. 7 (26 f.). 256 Zur rechtspolitischen Entwicklung im Vorgang der Entscheidung O. Lepsius, Reaktionsweisen des Gesetzgebers auf verfassungsgerichtliche Entscheidungen, in: M. Jestaedt/H. Suzuki (Hrsg.), Verfassungsentwicklung durch Verfassungsgerichte. DeutschJapanisches Verfassungsgespräch 2017, 2019, S. 125 (139 f.). 257 BVerfGE 50, 290 (333); kritisch P. Austermann, DÖV 2011, S. 267 (270); vgl. M. Kaufmann, Staatswissenschaft und Staatspraxis 1997, S. 161 (172), der die Wahl des Kontrollmaßstabes als eine Wirksamkeitsvariante der politischen Gestaltungsfreiheit kennzeichnet; kritisch zum Eigenwert der Kriterien M. Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 179. 258 A. Steinbach, AöR 140 (2015), S. 367 (378); K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 1044; vgl. F. Ossenbühl, Bundesverfassungsgericht und Gesetzgebung, in: P. Badura/H. Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Bd. I, 2001, S. 33 (52); BVerfGE 125, 175 (226); vgl. O. Lepsius, Die maßstabsetzende Gewalt, in: M. Jestaedt/ders./C. Möllers/C. Schönberger, Das entgrenzte Gericht, 2011, S. 159 254

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

richt bezogen auf den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG aus, dass „[d]er unterschiedlichen Weite des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums [. . .] eine abgestufte Kontrolldichte bei der verfassungsrechtlichen Prüfung“ entspreche.259 Soweit bei der Überprüfung einer Ungleichbehandlung das Willkürverbot260 Anwendung findet, kommt lediglich die Kontrollstufe der Evidenz in Betracht. Eine strenge inhaltliche Kontrolle ist hingegen vorgesehen im Kontext einer unterschiedlichen Behandlung von Personengruppen bzw. der Beeinträchtigung von Freiheitsgrundrechten durch die gleich- oder ungleichbehandelnde und dementsprechend an Art. 3 Abs. 1 GG zu messende Maßnahme.261 Auch in bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidungen, in denen nicht explizit auf die soeben genannten Kontrollstufen eingegangen wird, steigen mit der Vergrößerung des Gestaltungsspielraums grundsätzlich die Anforderungen an die materiell-rechtliche Begründung eines Verfassungsverstoßes.262 Schließlich vergrößert sich bei geringeren verfassungsrechtlichen Bindungen der Bereich, in dem gesetzgeberische Maßnahmen als verfassungsgemäß anzuerkennen sind. Gleichzeitig darf diese Begründung auch nicht eine zu detaillierte Herleitung erfordern, da etwa ein vermeintlich evidenter Verfassungsverstoß bei erforderlicher kleinschrittiger Herleitung nicht mehr als evident bezeichnet werden kann. Diese Verschiebung der Kontrolldichte und damit auch der Erhöhung der Beweislast zulasten des Beschwerdeführers263 lässt sich anhand der Differenzierung zwischen den bereits genannten Kontrollstufen Evidenzkontrolle, Vertretbarkeitskontrolle und intensivierter inhaltlicher Kontrolle veranschaulichen.264 Hierbei steht die Aussage im Vordergrund, dass überhaupt unterschiedlich gestufte Ansätze der Kontrolldichte für das Bundesverfassungsgericht möglich erscheinen und angewandt werden. Inwieweit die drei Kontrollstufen als abschließend anzusehen sind, (noch) konsistent genutzt werden,265 oder nur auf die Prognoseentscheidun(206), der die Prüfung der Angemessenheit als „normativ angeleitet“ kategorisiert; gegen eine allgemeine Geltung J. R. Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 360. 259 BVerfGE 95, 267 (317); hierzu auch M. Kaufmann, Staatswissenschaft und Staatspraxis 1997, S. 161 (172). 260 Zum Willkürverbot nur H. D. Jarass, in: ders./B. Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 16. Aufl. 2020, Art. 3 Rn. 21 ff. 261 BVerfGE 88, 87 (96). 262 Vgl. F. Ossenbühl, Bundesverfassungsgericht und Gesetzgebung, in: P. Badura/ H. Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht. Bd. I, 2001, S. 33 (52). 263 M. Kriele, Grundrechte und demokratischer Gestaltungsraum, in: J. Isensee/ P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, § 188 Rn. 60 f. 264 Vgl. C. Starck, Maximen der Verfassungsauslegung, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 271 Rn. 54. 265 Eingehend hierzu H. Stuttmann, Gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit und verfassungsgerichtliche Kontrolle, S. 57 ff.; vgl. K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen,

C. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum

153

gen zugeschnitten sind, muss für die generelle Veranschaulichung der abgestuften Kontrolldichte des Bundesverfassungsgerichts nicht berücksichtigt werden.266 Dies gilt gerade angesichts der zu betrachtenden rechtlichen Auswirkungen des sozialen Bezugs des Eigentums als hier maßgeblichen Untersuchungsgegenstand: Soweit das Bundesverfassungsgericht den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum aus dem Vorliegen des sozialen Bezugs herleitet, benennt es hierbei keine daraus resultierende Kontrollstufe. Vielmehr begnügt es sich mit der Feststellung der Vergrößerung des Gestaltungsspielraums. Im Folgenden werden daher exemplarisch anhand der für Prognosen entwickelten Kontrollabstufungen die für den Gesetzgeber in Betracht kommenden Kontrollperspektiven aufgezeigt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass diese Kontrollabstufungen aufgrund der Verfassungsbindung des Gesetzgebers aus dem jeweiligen Regelungsgehalt der betroffenen Verfassungsnorm erwachsen müssen.267 aa) Evidenzkontrolle Bei der Evidenzkontrolle liegt ein Verfassungsverstoß aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts nur dann vor, wenn bspw. die dem Gesetzgeber zur Verfügung stehenden Argumente offensichtlich nicht in Betracht kommen, um den in Rede stehenden Grundrechtseingriff zu rechtfertigen.268 Mithin wird dem Gesetzgeber im Vergleich zu den anderen genannten Kontrollstufen der größte Handlungsspielraum zugesprochen.269 Hierbei ist nochmals zu betonen, dass dieser Handlungsspielraum nicht aus der Wahl der Kontrollstufe, sondern aus der Regelungsdichte der zu prüfenden Verfassungsnorm folgt. Die Evidenz-Kontrollstufe ist damit nicht Grund, sondern Folge des angesichts geringer Regelungsdichte weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht die Evidenzkontrolle im Mitbestimmungsurteil nicht definiert.270 Jedoch lässt sich die Beschränkung der Kontrolle auf die Feststellung einer offensichtlichen Fehlerhaftigkeit bzw. Ungeeignetheit der unternommenen Maßnahmen zur Zweckerreichung aus der Rechtsprechung

S. 1047; C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 135 ff.; M. Raabe, Grundrechte und Erkenntnis, S. 38; C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 588. 266 K. Korinek, VVDStRL 39, S. 7 (26) mit der Einordnung als „typische Prüfungsmuster“; vgl. aber auch C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 516, der der Abstufung lediglich „heuristische [. . .] Natur“ beimisst. 267 Hierzu schon S. 141 f. 268 Vgl. BVerfGE 37, 1 (34); 56, 54 (80); C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 322. 269 H.-P. Schneider, NJW 1980, S. 2103 (2105); K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 1046. 270 K. Chryssogonos, Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung, S. 180; K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 1046.

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

zu den grundrechtlichen Schutzpflichten ableiten. So führt das Bundesverfassungsgericht etwa im Fluglärm-Urteil aus, dass ein Verfassungsverstoß nur dann festgestellt werden könne, „wenn evident ist, daß eine ursprünglich rechtmäßige Regelung wegen zwischenzeitlicher Änderung der Verhältnisse verfassungsrechtlich untragbar geworden ist, und wenn der Gesetzgeber gleichwohl weiterhin untätig geblieben ist oder offensichtlich fehlsame Nachbesserungsmaßnahmen getroffen hat“.271 Das Handeln des Gesetzgebers muss mithin als Überschreitung der äußersten Verfassungsgrenzen „auf den ersten Blick“, „für jedermann erkennbar“, „offenkundig“ oder „offensichtlich gegen das Grundgesetz verst[oßen]“.272 Jedenfalls scheiden bei Zugrundelegung eines Kontrollmaßstabes, der evidente Verfassungsverstöße erfordert, vermeintliche, in nur geringem Maße verfassungswidrige Gesetze aus der gerichtlichen Kontrollperspektive aus. Begründen lässt sich dies nicht etwa dadurch, dass die nur in geringem Maße verfassungswidrigen Gesetze ignoriert würden.273 Vielmehr kommt zur Begründung dieses Ausschlusses zum einen in Betracht, dass die betroffene Norm die Eigenständigkeit des gesetzgeberischen Handelns derartig in den Vordergrund rückt, dass die abzuwägenden Belange gegenüber dem Gesetzgeber nur vor offensichtlicher Missachtung des Schutzgehalts geschützt sind.274 Zum anderen kann der großzügige Kontrollmaßstab auch den geringen durch die Verfassung gewährten Schutz für das betroffene Schutzgut widerspiegeln. Folglich müsste davon ausgegangen werden, dass in dem Bereich, in dem das Bundesverfassungsgericht entsprechend der vorliegenden Regelungsdichte eine Evidenzkontrolle für einschlägig erachtet, gering ausgeprägte Verfassungsverstöße bzw. Zweifelsfälle angesichts von „funktioneller Richtigkeit“ 275 denklogisch nicht mehr existent sein können.276 Soweit der Evidenzkontrollmaßstab nicht auf funktionell-rechtliche oder materiell-rechtliche Vorgaben aus der Norm selbst gestützt wird, würde die Rechtsfolge der Nichtigkeit vom materiellen Verfassungsverstoß distanziert.277 Die daraus resultierende Hinnahme von Verfassungsverstößen würde jedoch der Bindung

271

BVerfGE 56, 54 (81). A. Steinbach, AöR 140 (2015), S. 367 (379 f.) mit Hinweis auf BVerfGE 23, 12 (15); 27, 111 (128); 29, 327 (335); 37, 1 (20); 41, 269 (291); 79, 245 (249); 81, 40 (49 ff.). 273 Zu derartigen Grenzfällen K. Chryssogonos, Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung, S. 183 und S. Seedorf, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Gesetzgebung, in: M. Jestaedt/O. Lepsius (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 129 (134). 274 Vgl. hierzu J. Buchheim, Angemessenheit als prozedurales Kriterium?, in: M. Jestaedt/O. Lepsius (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 77 (87). 275 H.-P. Schneider, NJW 1980, S. 2103 (2105); vgl. auch A. Steinbach, AöR 140 (2015), S. 367 (382 f.). 276 Vgl. hierzu J. Buchheim, Angemessenheit als prozedurales Kriterium?, in: M. Jestaedt/O. Lepsius (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 77 (87). 277 A. Steinbach, AöR 140 (2015), S. 367 (404). 272

C. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum

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des Bundesverfassungsgerichts an die Verfassung aus Art. 20 Abs. 3 GG widersprechen278 und auch die dem Bundesverfassungsgericht durch das Grundgesetz zugewiesene Kontrollfunktion abschwächen.279 Daher muss der Rückgriff auf den Evidenzkontrollmaßstab in der Verfassung selbst angelegt sein und sich somit in der Regelungsdichte wiederfinden.280 In Betracht kommt die Evidenzkontrolle daher nur, wenn die aus der Verfassung folgenden Beschränkungen des Gestaltungsspielraums eine gesteigerte Offenheit aufweisen.281 Beispielhaft für diese gesteigerte Offenheit werden die Wiedervereinigungsklausel, der allgemeine Gleichheitssatz und generelle, nicht näher spezifizierte Verfassungsprinzipien genannt.282 bb) Vertretbarkeitskontrolle Soweit das Bundesverfassungsgericht die Vertretbarkeitskontrolle als den für die Entscheidung maßgeblichen Kontrollmaßstab anerkennt, konzentriert es sich vorwiegend auf die Beurteilung von Verfahrensfragen.283 Hiernach muss sich der Gesetzgeber „an einer sachgerechten und vertretbaren Beurteilung des erreichbaren Materials“ orientieren.284 Soweit der Gesetzgeber diesen Anforderungen entspricht, führt dies zur Annahme „inhaltlicher Vertretbarkeit“.285 Die Einhaltung der formellen Vorgaben wirkt sich damit gleichzeitig auf die materiell-rechtliche Ebene aus. Die Beschränkung auf das Nachprüfen der Einhaltung von Verfahrensvorgaben wird auch als Ausdruck dafür angesehen, dass bei „komplexe[n] Regelungen oder Sachverhalte[n]“ 286 auf Seiten des Bundesverfassungsgerichts schon keine Kompetenz zur geeigneteren inhaltlichen Beurteilung besteht. Dieser erkannte Kompetenzvorsprung des Gesetzgebers resultiert dann in einer Vermutung der „institutionelle[n] Richtigkeit“ bei Einhaltung der Verfahrensvorgaben.287 In Betracht kommt die Vertretbarkeitskontrolle insbesondere in Konstellationen, in denen „es sich um die Beurteilung komplexer Regelungen oder Sach278

Vgl. A. Steinbach, AöR 140 (2015), S. 367 (404). H.-P. Schneider, NJW 1980, S. 2103 (2105); A. Steinbach, AöR 140 (2015), S. 367 (401). 280 Vgl. J. Riecken, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, S. 458. 281 H.-P. Schneider, NJW 1980, S. 2103 (2105); A. Steinbach, AöR 140 (2015), S. 367 (379); H. Stuttmann, Gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit und verfassungsgerichtliche Kontrolle, S. 73 f.; kritisch K. Chryssogonos, Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung, S. 189. 282 H.-P. Schneider, NJW 1980, S. 2103 (2106); H. Stuttmann, Gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit und verfassungsgerichtliche Kontrolle, S. 74. 283 BVerfGE 50, 290 (334); H.-P. Schneider, NJW 1980, S. 2103 (2105). 284 BVerfGE 50, 290 (333 f.). 285 Vgl. BVerfGE 50, 290 (334); H. Stuttmann, Gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit und verfassungsgerichtliche Kontrolle, S. 53. 286 H.-P. Schneider, NJW 1980, S. 2103 (2105). 287 H.-P. Schneider, NJW 1980, S. 2103 (2105); H. Stuttmann, Gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit und verfassungsgerichtliche Kontrolle, S. 75. 279

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

verhalte vorwiegend auf wirtschaftlichem oder steuerlichem Gebiet handelt, für die das Gericht nicht kompetenter ist als andere Instanzen“.288 Bei der Überprüfung von Eingriffen in Freiheitsgrundrechte im Hinblick auf ihre Angemessenheit sind diese Erwägungen nur insoweit übertragbar, wie im Rahmen dieser Freiheitsgrundrechte Verfahrensanforderungen bestehen bzw. Gründe gegeben sind, „die einen Zusammenhang zwischen materieller Angemessenheit und prozeduraler Prüfungsweise herstellen“.289 Nur bei Bejahung dieser Vorgaben kann die „Prozeduralisierung der Einhegung an sich freier normativer Gestaltung dienen“.290 Weiterhin nutzt das Bundesverfassungsgericht den Begriff der Vertretbarkeit aber auch, um einen gegenüber dem Gesetzgeber schärferen Kontrollmaßstab als bei der Evidenzkontrolle und einen milderen Kontrollmaßstab als bei der nachfolgend zu betrachtenden intensiveren inhaltlichen Kontrolle zu verdeutlichen.291 Daher kann auf die Vertretbarkeitskontrolle als Ausdruck eines geringer ausgeprägten Gestaltungsspielraums als bei der Evidenzkontrolle zurückgegriffen werden, wenn keine spezifischen Verfahrensvorgaben bestehen. Letztlich muss auch die Anwendung der Vertretbarkeitskontrolle auf den Regelungsgehalt der zu überprüfenden Verfassungsnorm zurückzuführen sein. cc) Inhaltskontrolle Als dritte Kontrollabstufung besteht die Inhaltskontrolle als die „umfassende Überprüfung von Maßnahmen der öffentlichen Gewalt auf ihre sachliche Übereinstimmung mit den Normen des Grundgesetzes unter dem Gesichtspunkt materieller Richtigkeit“.292 Als dementsprechend gering ausgeprägt ist dann gleichzeitig der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers anzusehen.293 Diese geringe Ausprägung des Gestaltungsspielraums geht bei Anwendung der Inhaltskontrolle darauf zurück, dass die verfassungsrechtlichen Grenzen den zunächst umfassend bestehenden Gestaltungsspielraum in besonders intensiver Weise beschränken. Die Inhaltskontrolle findet Anwendung insbesondere bei Individualrechtsschutzfragen, die auf persönliche Freiheitsgrundrechte wie die Bewegungsfreiheit aus

288

H.-P. Schneider, NJW 1980, S. 2103 (2105). J. Buchheim, Angemessenheit als prozedurales Kriterium?, in: M. Jestaedt/O. Lepsius (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 77 (85). 290 J. Buchheim, Angemessenheit als prozedurales Kriterium?, in: M. Jestaedt/O. Lepsius (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 77 (83); A. Wieckhorst, Grundrechtsschutz durch Legislativverfahren, passim. 291 BVerfGE 76, 1 (52). 292 H.-P. Schneider, NJW 1980, S. 2103 (2105); H. Stuttmann, Gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit und verfassungsgerichtliche Kontrolle, S. 57. 293 H. Stuttmann, Gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit und verfassungsgerichtliche Kontrolle, S. 75. 289

C. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum

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Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG und das in Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG verkörperte Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit bezogen sind.294 Im Mitbestimmungsurteil differenziert das Bundesverfassungsgericht zwischen diesen persönlichen Freiheitsgrundrechten und den tendenziell wirtschaftlich geprägten Freiheitsgrundrechten aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG, indem es bei letzteren eine abgeschwächte Kontrolle zulässt.295 Weiterhin wird im Vergleich zu den beiden bereits genannten Kontrollstufen gefolgert, dass bereits begründete Zweifel an der Sachgemäßheit der gesetzgeberischen Annahmen genügen, um die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes zu begründen.296 Hieraus resultiert eine Erleichterung der Argumentationslast des Grundrechtsträgers bzw. des Bundesverfassungsgerichts297 im Rahmen der Darlegung eines Grundrechtsverstoßes. dd) Einteilungsfaktoren Nachdem anhand von Evidenz-, Vertretbarkeitskontrolle und der inhaltlichen Kontrolle unterschiedliche, durch das Bundesverfassungsgericht genutzte Kontrollmaßstäbe aufgezeigt wurden, sind nunmehr die Parameter innerhalb der Regelungsdichte der betroffenen Verfassungsnorm und des betroffenen Sachverhalts zu unterstreichen, die den jeweiligen Kontrollmaßstab auslösen. Wirkung auf die konkrete Weite des Gestaltungsspielraums entfalten diese Parameter dadurch, dass sie die den Gestaltungsspielraum beschränkenden verfassungsrechtlichen Grenzen mit Inhalt füllen. So leitet das Bundesverfassungsgericht die Ausprägung der Kontrollmöglichkeit bei Prognoseentscheidungen aus „der Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, und der Bedeutung der auf dem Spiele stehenden Rechtsgüter“ her.298 Diese Faktoren werden auch als Ausdruck einer funktionell-rechtlichen Abgrenzung zwischen Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht kategorisiert.299 Daher ist anhand der genannten Faktoren insbesondere zu untersuchen, inwieweit eine Entscheidung 294 H.-P. Schneider, NJW 1980, S. 2103 (2106); C. Simons, Grundrechte und Gestaltungsspielraum, S. 306 mit Verweis auf BVerfGE 50, 290 (333); K. Chryssogonos, Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung, S. 188. 295 BVerfGE 50, 290 (333). 296 K. Chryssogonos, Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung, S. 186. 297 S.-P. Hwang, Verfassungsgerichtlicher Jurisdiktionsstaat?, S. 177. 298 BVerfGE 50, 290 (332 f.); hierzu C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 138 ff.; hierzu auch F. Ossenbühl, Kontrolle von Tatsachenfeststellungen und Prognoseentscheidungen, in: C. Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz. Festgabe aus Anlass des 25jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts, Bd. I, 1976, S. 458 (506 ff.); kritisch A. Burghart, Die Pflicht zum guten Gesetz, S. 153. 299 S.-P. Hwang, Verfassungsgerichtlicher Jurisdiktionsstaat?, S. 176; kritisch K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 1052; vgl. M. Kaufmann, Staatswissenschaft und Staatspraxis 1997, S. 161 (173).

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

des Gesetzgebers durch das Bundesverfassungsgericht überhaupt nachvollzogen werden kann. Die besondere Bedeutung des jeweiligen Sachbereichs für eine Freistellung des Gesetzgebers von verfassungsrechtlichen Bindungen lässt sich damit begründen, dass die entscheidende Möglichkeit und Qualität einer Prognose durch den Gesetzgeber ganz maßgeblich von dem zugrundeliegenden Sachverhalt abhängig ist. Die notwendige Betrachtung der betroffenen Rechtsgüter300 einschließlich der Berücksichtigung der Intensität von Grundrechtseingriffen301 ist letztlich jedoch als materiell-rechtlicher Anknüpfungspunkt einzuordnen.302 Je bedeutender die Wertigkeit eines betroffenen Verfassungsguts ist, desto mehr muss der Gesetzgeber in seinem Handeln das Verfassungsgut berücksichtigen. Dementsprechend wird diesem Kriterium für die Herleitung des Gestaltungsspielraums die größte Bedeutung beigemessen.303 Insoweit ist daher wiederum die Regelungsdichte der betroffenen Verfassungsnorm für das Ausmaß des Gestaltungsspielraums mitentscheidend. Gleichzeitig kann auch der die Kontrolldichte beeinflussende Sachverhalt nicht losgelöst von den für ihn entscheidenden verfassungsrechtlichen Vorgaben betrachtet werden.304 Vielmehr konkretisiert der der Entscheidung zugrundeliegende Sachbereich den Bedeutungsgehalt der betroffenen Rechtsgüter.305 Daher zeigt sich, dass auch bei den Kontrollabstufungen, die vordergründig auf Prognosen und nicht auf rechtliche Wertungen bezogen sind, die Regelungsdichte der maßgebliche Anknüpfungspunkt ist. 300

Hierzu G. F. Schuppert, DVBl. 1988, S. 1191 (1194). A. Steinbach, AöR 140 (2015), S. 367 (408); W. Heun, Funktionell-rechtliche Schranken der Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 37; K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 1050; G. F. Schuppert, DVBl. 1988, S. 1191 (1193); vgl. M. Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 210; M. Kaufmann, Staatswissenschaft und Staatspraxis 1997, S. 161 (173). 302 W. Heun, Funktionell-rechtliche Schranken der Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 37; S.-P. Hwang, Verfassungsgerichtlicher Jurisdiktionsstaat?, S. 181; K. Schlaich/S. Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 12. Aufl. 2021, Rn. 537; C. Simons, Grundrechte und Gestaltungsspielraum, S. 133; C. Gusy, Parlamentarischer Gesetzgeber und Verfassungsgericht, S. 176; C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 591. 303 J. Riecken, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, S. 468; S.-P. Hwang, KritV 2009, S. 31 (34). 304 W. Heun, Funktionell-rechtliche Schranken der Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 39; K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 1048; P. Badura, Richterliches Prüfungsrecht und Wirtschaftspolitik, in: P. Oberndorfer/H. Schambeck (Hrsg.), Verwaltung im Dienste von Wirtschaft und Gesellschaft. Festschrift für Ludwig Fröhler zum 65. Geburtstag, 1980, S. 321 (343 und 347); J. Riecken, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, S. 468; C. Starck, Maximen der Verfassungsauslegung, in: J. Isensee/ P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 271 Rn. 29. 305 J. Riecken, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, S. 468. 301

C. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum

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Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass das vom Bundesverfassungsgericht aufgeführte Faktoren-Bündel keine klare Zuordnung von Verfassungsnormen zu einem Kontrollmaßstab zulässt. Vielmehr sind die Übergänge zwischen den unterschiedlichen Kontrollmaßstäben fließend und richten sich nach dem jeweiligen von der Regelung betroffenen Sachbereich. Bei der Betrachtung dieser Sachbereiche ist besonders zu berücksichtigen, inwieweit eine originär vom Gesetzgeber zu treffende Entscheidung in Rede steht. Zudem ermöglicht das Anknüpfen des Bundesverfassungsgerichts an die Bedeutung der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter eine Konzentration auf die jeweils in Rede stehende grundrechtliche Wertigkeit der betroffenen Freiheitsrechte. Dementsprechend ist bei der Herleitung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums bei der Eigentumsgarantie insbesondere die grundrechtliche Wertigkeit des betroffenen Eigentumsrechts zu berücksichtigen.306 ee) Zwischenergebnis: Veranschaulichung der Kontrollabstufung Anhand der verschiedenen vom Bundesverfassungsgericht genutzten Kontrollstufen konnte verdeutlicht werden, wie sich grundsätzlich die Annahme des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums in unterschiedlich starker Ausprägung auswirken kann.307 Insbesondere steigen mit der Vergrößerung des Gestaltungsspielraums – entsprechend des insoweit geringeren Regelungsgehalts – die inhaltlichen Anforderungen an das Vorliegen und die Begründung eines Verfassungsverstoßes. Umgekehrt sinken mit intensivierter Strenge „die Chancen des Gesetzgebers, daß eine von ihm verabschiedete Regelung vor dem Auge des Gerichts Bestand hat“.308 Gleichzeitig formuliert das Bundesverfassungsgericht unterschiedlich stark ausgeprägte Beweislasten des Gesetzgebers.309 Diese Auswirkungen müssen berücksichtigt werden, wenn – wie im weiteren Verlauf der Untersuchung bei der Eigentumsgarantie 310 – der bei einem spezifischen Grundrecht bestehende Gestaltungsspielraum beleuchtet wird. Für die Auswahl der jeweiligen Kontrollstufe ist die Regelungsdichte der betroffenen Verfassungsnorm entscheidend.311 Dies gilt auch in den Fällen, in denen 306

S. u. S. 229 ff. M. Kaufmann, Staatswissenschaft und Staatspraxis 1997, S. 161 (173) sieht in der Abstufung von Evidenzkontrolle bis Inhaltskontrolle auch „eine verallgemeinbare Differenzierung“; vgl. auch den deskriptiven Charakter, den M. Raabe, Grundrechte und Erkenntnis, S. 321 den drei Kontrollstufen zuspricht. 308 C. Simons, Grundrechte und Gestaltungsspielraum, S. 128. 309 N. Petersen, Verhältnismäßigkeit als Rationalitätskontrolle, S. 91 f. 310 S. u. S. 168 ff. 311 Hierzu A. Voßkuhle, in: H. von Mangoldt/F. Klein/C. Starck u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 7. Aufl. 2018, Art. 93 Rn. 38; vgl. G. F. Schuppert, DVBl. 1988, S. 1191 (1197), der bei dieser Verfassungsinterpretation auch die „funktionell-rechtliche Dimension“ betont. 307

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich der konkreten Ausprägung des Gestaltungsspielraums vornehmlich auf die Besonderheit des jeweiligen Sachbereichs verweist, da insoweit ebenfalls die den Sachbereich betreffenden bzw. hinter diesem stehenden Verfassungsnormen maßgeblich sind.312 Weiterhin vermitteln die aufgezeigten Kontrollstufen die Auswirkungen der Justierung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums. Soweit dieser vergrößert bzw. nur in geringem Maße eingeschränkt wird, können nur offensichtliche Verfassungsverstöße die Verfassungswidrigkeit von staatlichem Handeln begründen. In Fällen eines gering ausgeprägten Gestaltungsspielraums findet hingegen eine stärkere inhaltliche Kontrolle statt. Auch wenn „die Grenzen zwischen Evidenzkontrolle, Vertretbarkeitskontrolle und intensivierter inhaltlicher Kontrolle nicht trennscharf gezogen werden“ 313 können, lässt sich durch den Rückgriff auf diese Maßstäbe die Intensität der gerichtlichen Kontrolldichte veranschaulichen: Mit steigendem Gestaltungsspielraum sinkt die Intensität der bundesverfassungsgerichtlichen Prüfung, während sie mit Verminderung des Gestaltungsspielraums steigt. Durch den Begriff der Intensität wird hierbei verdeutlicht, mit welcher Wirkkraft die verfassungsrechtlichen Grenzen dem Gesetzgeber durch das Bundesverfassungsgericht entgegengehalten werden können. 3. Keine über die Verfassungsinterpretation hinausgehende Flexibilisierung Bereits bei Aufzeigen des Evidenz-Kontrollmaßstabes wurde betont, dass die Heranziehung eines großzügigeren Kontrollmaßstabes als Reaktion auf die Lockerung verfassungsrechtlicher Bindungen in der Verfassung selbst vorgesehen sein muss.314 Weitergehend als dieses Verständnis weist jedoch A. Bräunig als Folge des Einsatzes der „Argumentationsfigur“ des Gestaltungsspielraums auf die Flexibilisierung der verfassungsrechtlichen Anforderungen hin.315 Hierdurch solle die „Grenzlinie zur Verfassungswidrigkeit“ verschoben und die „grundgesetzliche Norm mit milderen inhaltlichen Anforderungen“ versehen werden.316 Diese Verschiebung führe wiederum dazu, dass „der Ausspruch der Verfassungswidrigkeit durch Reduktion der bundesverfassungsgerichtlichen Kontrollintensität“ vermieden werden könne.317 Insoweit wird vorausgesetzt, dass eine Herlei312 Vgl. C. Starck, Maximen der Verfassungsauslegung, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 271 Rn. 29. 313 N. Petersen, Verhältnismäßigkeit als Rationalitätskontrolle, S. 99. 314 S. o. S. 153 f. 315 A. Bräunig, Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur deutschen Wiedervereinigung, S. 48. 316 A. Bräunig, Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur deutschen Wiedervereinigung, S. 53. 317 A. Bräunig, Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur deutschen Wiedervereinigung, S. 53 f.; vgl. hierzu M. Je-

C. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum

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tung des Gestaltungsspielraums im Wege der Verfassungsinterpretation gerade nicht möglich ist.318 Da der Gesetzgeber319 erstmalig in der deutschen Verfassungsgeschichte320 und ebenso das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG an die verfassungsrechtlichen Vorgaben gebunden sind, ist der Anwendungsbereich für eine über die Verfassungsinterpretation hinaus erfolgende Herleitung des Gestaltungsspielraums jedoch nicht existent. Denn entweder ist der Gestaltungsspielraum einschließlich seiner Grenzen auch unter besonderer Berücksichtigung des jeweiligen Sachbereichs und funktionell-rechtlicher Erwägungen321 von der Verfassungsinterpretation umfasst, oder aber es läge eine Überschreitung der durch Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit der maßgeblichen Verfassungsnorm gesetzten Grenzen vor.322 So führt auch das Bundesverfassungsgericht selbst aus, dass „die Berücksichtigung der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers [. . .] nicht zu einer Verkürzung der in den Einzelgrundrechten garantierten Freiheiten“ führen dürfe.323 Mithin würde „[d]ie Annahme gerichtlich nicht durchsetzbarer Grundrechtspositionen [. . .] der Degeneration der Grundrechte zu bloßen Appellnormen Tür und Tor“ öffnen.324 Dementsprechend kann sich auch richterliche Rechtsfortbildung nicht über „gültige normative Wertungen“ hinwegsetzen.325 Gleiches gilt für eine durch das Bundesverfassungsgericht ohne normativen Bezugspunkt erfolgende Zurücknahme der Kontrolldichte in Gestalt des „judicial self restraints“.326 staedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 157, wonach das Bundesverfassungsgericht bestimme, „in welchem Umfang es den Gesetzgeber seinem eigenen ,Verfassungsverständnis‘ unterwirft“. 318 So jedenfalls für den Fall, dass verfassungsrechtliche Vorgaben gänzlich fehlen, A. Bräunig, Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur deutschen Wiedervereinigung, S. 53. 319 A. Bräunig, Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur deutschen Wiedervereinigung, S. 54. 320 Hierzu M. Mayer, Untermaß, Übermaß und Wesensgehaltgarantie, S. 92; R. Wahl, NVwZ 1984, S. 401. 321 Vgl. J. Riecken, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, S. 438 und 441. 322 Vgl. hierzu J. Riecken, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, S. 455; ähnlich M. Kaufmann, Staatswissenschaft und Staatspraxis 1997, S. 161 (166); vgl. auch M. Raabe, Grundrechte und Erkenntnis, S. 153 ff.; A. Steinbach, AöR 140 (2015), S. 367 (404). 323 BVerfGE 50, 290 (338). 324 M. Raabe, Grundrechte und Erkenntnis, S. 160. 325 M. Herdegen, AöR 114 (1989), S. 607 (621). 326 Vgl. C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 508 f.; kritisch auch W. Heun, Funktionell-rechtliche Schranken der Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 11 f.; ablehnend gegenüber dem Begriff M. Kaufmann, Staatswissenschaft und Staatspraxis 1997, S. 161 (166) und M. Mayer, Untermaß, Übermaß und Wesensgehaltsgarantie, S. 120; diese Vorgehensweise hingegen bevorzugend O. Lepsius, Die Chancen und Grenzen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, in: M. Jestaedt/ders. (Hrsg.), Ver-

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

Es erscheint daher überzeugender, die Flexibilisierung der verfassungsrechtlichen Anforderungen als mögliche Konsequenz der verfassungsrechtlichen Interpretation anzusehen, die insoweit das verfassungsrechtlich Erlaubte kennzeichnet. Schließlich fordern auch Art. 93 Abs. 1 Nrn. 2, 2a, 3, 4a, 4b, Art. 100 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4327 GG eine umfassende Kontrolle der Gesetzgebungsakte anhand der bestehenden Verfassungsvorgaben.328 Umfassend ist hier insoweit zu verstehen, dass nicht etwa das gesamte gesetzgeberische Handeln zu überprüfen ist, sondern die Einhaltung aller hierfür einschlägigen Verfassungsvorgaben.329 Diese umfassende Kontrolle darf nicht durch die Annahme von unabhängig der Beschränkungen bestehender Gestaltungsspielräume unterlaufen werden. Die Möglichkeit des Einräumens von Gestaltungsspielräumen, die über die Grenzen des Verfassungsrechts hinausgehen, ist aufgrund der in Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG verkörperten Verfassungsbindung abzulehnen. Mithin wird in der vorliegenden Untersuchung die sog. „Konvergenzlösung“ zugrunde gelegt, wonach von einer Identität zwischen der Reichweite der Grundrechte und verfassungsgerichtlicher Kontrolle auszugehen ist.330 Dementsprechend nicht gefolgt wird gleichzeitig der sog. „Divergenzlösung“, nach der die aus einem Grundrecht an den Gesetzgeber gerichteten Anforderungen strenger als die verfassungsgerichtliche Kontrolle sein können.331 Daher muss im Folgenden insbesondere überprüft werden, inwieweit die Flexibilisierung der verfassungsrechtlichen Anforderungen aus Art. 14 GG aufgrund des Vorliegens des sozialen Bezugs, die sich in der Erweiterung des Gestaltungsspielraums widerspiegelt, auf normative Anknüpfungspunkte einschließlich funktionell-rechtlicher Erwägungen gestützt werden kann.332

hältnismäßigkeit, 2015, S. 1 (12); hierzu weiterhin M. Raabe, Grundrechte und Erkenntnis, S. 291 ff. 327 Vgl. D. Couzinet, Die Zulässigkeit von Immissionen im anlagenbezogenen Immissionsschutzrecht, S. 217; weiterhin hierzu schon S. 140 f. 328 M. Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 195; A. Wieckhorst, Grundrechtsschutz durch Legislativverfahren, S. 342; B. Schlink, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, in: P. Badura/H. Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht. Bd. II, 2001, S. 445 (449); O. Lepsius, Die Chancen und Grenzen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, in: M. Jestaedt/ders. (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 1 (11) erkennt, dass das Bundesverfassungsgericht zunächst von einer Vollkontrolle am Maßstab der Verhältnismäßigkeit ausgeht; gegen eine umfassende Kontrolle G. Britz, Jura 2015, S. 319 (321). 329 M. Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 197; vgl. A. Wieckhorst, Grundrechtsschutz durch Legislativverfahren, S. 283. 330 Hierzu M. Raabe, Grundrechte und Erkenntnis, S. 147 ff.; J. Riecken, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, S. 439. 331 J. Riecken, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, S. 439. 332 Hierzu s. u. S. 222 ff.

C. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum

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4. Berücksichtigung des Gestaltungsspielraums beim Entscheidungsausspruch333 Die bislang betrachtete Form des Gestaltungsspielraums bezieht sich auf die Handlungsmacht des Gesetzgebers im Angesicht der verfassungsrechtlichen Vorgaben und ist mitentscheidend für die Bewertung seines Handelns als verfassungsgemäß oder verfassungswidrig.334 So ist das legislative Handeln als verfassungsgemäß anzusehen, wenn der Gesetzgeber innerhalb seines Gestaltungsspielraums gehandelt hat. Diese Form der durch das Bundesverfassungsgericht – gestützt auf die aus der Regelungsdichte folgenden Kontrolldichte – gewährten Freiheit ist abzugrenzen vom Gestaltungsspielraum, den das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber nach Feststellung eines Verfassungsverstoßes belässt. Nach Feststellung der Verfassungswidrigkeit wirkt sich der Gestaltungsspielraum dergestalt aus, dass wenn „die Verfassungswidrigkeit einer Norm [. . .] auf verschiedene Weise behoben werden kann“ keine Nichtigerklärung, sondern lediglich eine Unvereinbarkeitserklärung der Vorschrift mit der Verfassung erfolgt.335 Bei der Verfassungsbeschwerde setzt das Bundesverfassungsgericht hierdurch die vom Wortlaut zwingend vorgesehene Nichtigerklärung nach § 95 Abs. 3 S. 1 BVerfGG aus, ebenso wie es bei der Normenkontrolle gemäß § 78 S. 1 BVerfGG der Fall ist. Hieraus folgt, dass die für verfassungswidrig erklärte Norm vorübergehend fortgilt und bspw. „weiterhin als Rechtsgrundlage für die von ihr begünstigte Personengruppe dienen“ kann.336 Ausgeschlossen ist diese bloße Unvereinbarkeitserklärung jedoch bei besonders gravierenden und nicht verfassungsrechtlich gerechtfertigten Grundrechtseingriffen.337 Zu einer Feststellung der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes kommt es hingegen erst gar nicht, wenn mehrere Deutungsmöglichkeiten bezogen auf das Vorliegen eines Verfassungsverstoßes bestehen und das Gebot der verfassungskonformen Auslegung erfordert, „diejenige [Deutungsmöglichkeit] vorzuziehen, die mit dem Grundgesetz in Einklang steht“.338 Auch durch diese Vorgehensweise 333

Hierzu M. Kaufmann, Staatswissenschaft und Staatspraxis 1997, S. 161 (172 f.). Vgl. hierzu A. Kees, in: T. Barczak, BVerfGG, 2018, § 78 Rn. 25. 335 W. Nettersheim, in: T. Barczak, BVerfGG, 2018, § 95 Rn. 65; kritisch bezogen auf die Vorgehensweise des Bundesverfassungsgerichts bei Verstößen gegen den Gleichheitsgrundsatz A. Kees, in: T. Barczak, BVerfGG, 2018, § 78 Rn. 27 f.; B. Pieroth, in: H. D. Jarass/ders., Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 16. Aufl. 2020, Art. 93 Rn. 7; G. Britz, Jura 2015, S. 319 f.; hierzu auch C. Gusy, Parlamentarischer Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht, S. 188 ff.; ebenfalls kritisch W. Heun, Funktionell-rechtliche Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 21 ff. 336 W. Nettersheim, in: T. Barczak, BVerfGG, 2018, § 95 Rn. 68. 337 W. Nettersheim, in: T. Barczak, BVerfGG, 2018, § 95 Rn. 67. 338 BVerfGE 32, 373 (383 f.); H. Bethge, in: B. Schmidt-Bleibtreu/F. Klein/ders. u. a. (Hrsg.), in: Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Stand: 57. Lfg. Juni 2019, Vorbemerkung, Rn. 183; zur verfassungskonformen Auslegung C. Gusy, Parlamentarischer Gesetzgeber 334

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

soll die Wirksphäre des Gesetzgebers geschont339 und damit sein Gestaltungsspielraum gewahrt werden.340 Die verfassungskonforme Auslegung ist mithin im zeitlichen Verlauf zwischen der originären Bewertung des gesetzgeberischen Handelns und der Erklärung der Verfassungswidrigkeit einzustufen, da sie zum Zuge kommt, wenn das Bundesverfassungsgericht bereits eine verfassungswidrige Deutungsmöglichkeit erkannt hat. Ihre Grenzen findet die verfassungskonforme Auslegung im Wortlaut der betroffenen Vorschrift und den gesetzgeberischen Grundentscheidungen.341 In diesem Kontext sind auch die rechtlich unverbindlichen Appellentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts einzuordnen,342 bei denen Normen für „noch“ verfassungsgemäß erklärt werden.343 Diese ebenfalls auf den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers zurückzuführenden Verhaltensweisen des Bundesverfassungsgerichts werden im weiteren Verlauf der Untersuchung nicht weiter berücksichtigt, da vorliegend maßgeblich die Form des Gestaltungsspielraums Beachtung findet, die zur Wahrung der Verfassungsvorgaben nicht überschritten werden darf. Insoweit kann zwischen primärer und sekundärer Berücksichtigung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums auf Tatbestands- und Rechtsfolgenseite der Verfassungswidrigkeit differenziert werden. 5. Zwischenergebnis Im Rahmen der Betrachtung der rechtlichen Auswirkungen des Gestaltungsspielraums kann nunmehr abschließend festgestellt werden, dass ein Handlungsbereich des Gesetzgebers gekennzeichnet wird, in dem Verfassungsverstöße gar nicht oder im Vergleich zu einer inhaltlich strengen Kontrolle nur in begrenztem Maße möglich sind. Dies ergibt sich insbesondere aus der durch Verfassungsinterpretation zu ermittelnden Regelungs- und Kontrolldichte der Verfassungsnormen, die den im Ausgangspunkt umfassenden, aus der Stellung des Gesetzgebers im Verfassungsgefüge hergeleiteten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers beschränken. Die Kontrolldichte ist hier in dem Sinne der Intensität zu verstehen, mit der die materiellen Vorgaben des Grundgesetzes das Handeln des Gesetzgeund Bundesverfassungsgericht, S. 213 ff.; W. Heun, Funktionell-rechtliche Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 27 ff. 339 K. Schlaich/S. Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 12. Aufl. 2021, Rn. 449. 340 G. F. Schuppert, DVBl. 1988, S. 1191 (1192); zur Wirkung der verfassungskonformen Auslegung auch C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 479 f. 341 BVerfGE 54, 277 (299); K. Schlaich/S. Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 12. Aufl. 2021, Rn. 449. 342 Vgl. B. Pieroth, in: H. D. Jarass/ders., Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 16. Aufl. 2020, Art. 93 Rn. 7. 343 C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 480; vgl. C. Gusy, Parlamentarischer Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht, S. 205 ff.; W. Heun, Funktionell-rechtliche Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 24 ff.

C. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum

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bers vorgeben und kontrollierbar werden lassen. Daraus resultiert, dass das Bundesverfassungsgericht in dem durch den Gestaltungsspielraum gekennzeichneten Bereich keine Kontrolle vornehmen kann und auch nicht braucht.344 Die schützende Funktion des Bundesverfassungsgerichts ist mithin nicht einschlägig, soweit die betroffene Verfassungsnorm keinen Schutz vorsieht. Sofern der Gestaltungsspielraum hingegen noch darüber hinaus zur Flexibilisierung der verfassungsrechtlichen Anforderungen genutzt wird, würde das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber einen die Bindungen aus Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG missachtenden Weg aufzeigen.345 Insoweit würde ein Verfassungsverstoß des Gesetzgebers aber auch des ebenfalls an die Verfassung gebundenen Bundesverfassungsgerichts vorliegen. Daher ist für die Feststellung des finalen Umfangs des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums stets ein normativer Anknüpfungspunkt zu fordern, der die Weite des Gestaltungsspielraums anhand der verfassungsrechtlichen Grenzen aufzeigt. Erwägungen, die eine Freistellung des Gesetzgebers ohne verfassungsrechtliche Legitimation zu begründen versuchen, kommen hingegen nicht in Betracht.

IV. Normative und tatsächliche Bezugspunkte des Gestaltungsspielraums Es wurde festgestellt, dass der Gestaltungsspielraum den Bereich kennzeichnet, in dem der Gesetzgeber mangels fehlender weiterreichender normativer Grenzen in seinem Handeln nur eingeschränkt verfassungsrechtlichen Bindungen unterliegt. Diese geringere Geltungskraft betrifft verfassungsrechtliche Vorgaben, die vorwiegend durch normative, aber auch durch tatsächliche Umstände geprägt sind.346 Soweit sich die Abschwächung der Verfassungsbindung auf normativ geprägte Vorgaben beschränkt, stehen dem Gesetzgeber in seinem Handeln geringere rechtliche Hürden gegenüber. So verschiebt sich etwa die Schwelle, ab der die gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vorzunehmende Abwägung von sich gegenüberstehenden Rechtsgütern als nicht mehr angemessen anzusehen ist.347 Unter Rückgriff auf die soeben dargestellten Kontrollstufen kann die Schwelle etwa von Abwägungsfehlern, die bei strenger inhaltlicher Kontrolle 344 Kritisch ist hierbei anzumerken, dass einerseits kein klares Interpretationsmodell vorhanden und zudem wegen der Eigenschaft des Bundesverfassungsgerichts als „Letztentscheidungskompetenz in Fragen der Verfassungsinterpretation und -entwicklung“ keine zusätzliche rechtliche Kontrolle der Interpretation möglich ist, K. Vogel, Das Bundesverfassungsgericht und die übrigen Verfassungsorgane, S. 48. 345 Hierzu s. o. S. 160 f. 346 Zur Abgrenzung J. Buchheim, Angemessenheit als prozedurales Kriterium?, in: M. Jestaedt/O. Lepsius (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 77 (82) und G. Britz, Jura 2015, S. 319 (321). 347 Hierzu sogleich im Rahmen der Betrachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit s. u. S. 197 ff.

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

erkannt werden würden, zu notwendigerweise evidenten Abwägungsfehlern herabsinken. 1. Freiraum des Gesetzgebers bei der Bewertung tatsächlicher Umstände Über diese Auswirkung des Gestaltungsspielraums auf die normativen Vorgaben hinaus kann dem Gesetzgeber auch eine Freistellung in tatsächlicher Hinsicht gewährt werden.348 Die hierzu genannten, durch tatsächliche Umstände geprägten Vorgaben sind zwar, wie sich exemplarisch bei dem aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abgeleiteten Erfordernis der Geeignetheit eines gesetzgeberischen Eingriffs ergibt, ebenfalls auf einen rechtlichen Anknüpfungspunkt zurückzuführen. So ergibt sich aus der Vorgabe der Geeignetheit, dass ein Eingriff in eine grundrechtlich geschützte Rechtsposition nur dann zulässig ist, wenn auch eine Eignung der staatlichen Maßnahme zur Förderung des mit der Maßnahme verfolgten legitimen Zwecks besteht.349 Jedoch kann diese Frage nach der Förderung des angestrebten Zwecks durch die staatliche Maßnahme derart von den tatsächlichen Umständen abhängen, dass die empirische Ebene bei der Prüfung in den Vordergrund tritt.350 Hieraus folgt die Notwendigkeit, dem Gesetzgeber – etwa bei Erstellung einer Prognose über die beabsichtigte Zweckförderung – Freiräume zu garantieren.351 Bei der Garantie dieser Freiräume greift das Bundesverfassungsgericht ebenfalls auf die dargestellten Kontrollabstufungen zurück, die im Mitbestimmungsurteil ihren Ursprung gefunden haben.352 2. Normative Auswirkung des aus dem sozialen Bezug folgenden Gestaltungsspielraums Der auf den sozialen Bezug zurückzuführende Gestaltungsspielraum wirkt sich indes auf normative Vorgaben und weniger auf den gesetzgeberischen Umgang mit tatsächlich unklaren Sachverhalten aus. Dies ergibt sich schon daraus, dass der soziale Bezug typischerweise aus schon feststehenden Eigenschaften der Eigentumsobjekte hergeleitet wird. Beispielhaft können hier die von den Atomkraftwerken ausgehenden Risiken oder die Möglichkeit von Mietwohnungen, das gesellschaftliche Bedürfnis nach Wohnraum zu befriedigen, genannt werden.353 Zudem ist die Umsetzung der für die Berücksichtigung des sozialen Bezugs maßgeblichen Vorgabe aus Art. 14 Abs. 2 GG eine rechtliche Verpflichtung. Diese 348 Hierzu umfassend M. Raabe, Grundrechte und Erkenntnis, passim; S.-P. Hwang, KritV 2009, S. 31. 349 S. u. S. 188 f. 350 Vgl. R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 350. 351 S. u. S. 188 f. 352 S. o. S. 151 ff. 353 S. o. S. 98 f. und 70 ff.

C. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum

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Einordnung gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Sozialbindung mit der Privatnützigkeit aus Art. 14 Abs. 1 GG abgewogen werden muss.354 Abzugrenzen ist der für die Untersuchung im Mittelpunkt stehende Gestaltungsspielraum daher von der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, die für verfassungsrechtliche Vorgaben angesichts von empirischer Unsicherheit355 bzw. tatsächlichen Ungewissheiten356 Relevanz entfaltet.357 Insoweit liegt ein Unterschied zum aufgrund des sozialen Bezugs von Eigentumsgegenständen bestehenden gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum vor, der sich auf die Reichweite rechtlicher Bindungen bezieht, bei denen die zugrundeliegenden Tatsachen grundsätzlich schon feststehen.358 Jedenfalls muss zu diesem Zeitpunkt bereits Klarheit dahingehend bestehen, in welchem Ausmaß Kenntnis über die der Entscheidung zugrundeliegenden Tatsachen vorliegt. Bei der Kontrolle der Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit als maßgebliche verfassungsrechtliche Grenze des eigentumsausgestaltenden Gesetzgebers359 kommt dem aus dem sozialen Bezug folgenden Gestaltungsspielraum daher insbesondere bei der innerhalb der Angemessenheit zu überprüfenden Abwägung der jeweils gegenüberstehenden Interessen Bedeutung zu.360 Dieser Prüfungsabschnitt stellt eine „normativ angeleitete Prüfung“ dar.361 354

S. u. S. 200 ff. R. Alexy, VVDStRL 61, S. 7 (27). 356 O. Klein, JuS 2006, S. 960 (962). 357 Grundlegend BVerfGE 50, 290 (332 ff.); A. Bräunig, Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur deutschen Wiedervereinigung, S. 74 ff.; N. Petersen, Verhältnismäßigkeit als Rationalitätskontrolle, S. 91 ff.; differenzierend auch G. Britz, Jura 2015, S. 319 (320 f.) und J. R. Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 342. 358 Eine solche Differenzierung nimmt auch M. Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 248 vor: Rechtsetzungsfreiraum im Blick auf die Tatsachenbasis und auf die Ausfüllung des rechtlichen Rahmens; so auch A. Bräunig, Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur deutschen Wiedervereinigung, S. 76; K. Arnold, Die grundrechtliche Schutzbereichsbegrenzung, S. 223; siehe auch H.-P. Schneider, NJW 1980, S. 2103 (2108) und die Differenzierung in BVerfGE 77, 84 (106): „Das Bundesverfassungsgericht hat bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung der angegriffenen Norm allerdings die weite Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers auf dem Gebiet der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Wirtschaftsordnung und dessen Einschätzungs- und Prognosevorrang zu beachten“; ausdrücklich auch C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 152; zum Gestaltungsspielraum wegen normativen Unklarheiten M. Mayer, Untermaß, Übermaß und Wesensgehaltgarantie, S. 87; eingehend zu empirischen Erwägungen im Rahmen der Abwägung N. Petersen, Verhältnismäßigkeit als Rationalitätskontrolle, S. 79 ff. 359 Hierzu S. 185 ff. 360 Vgl. hierzu das Verhältnis von Gestaltungsspielraum und Verhältnismäßigkeit S. 197 ff. 361 O. Lepsius, Die maßstabsetzende Gewalt, in: M. Jestaedt/ders./C. Möllers/ C. Schönberger, Das entgrenzte Gericht, 2011, S. 159 (206); A. Tischbirek, Die Verhältnismäßigkeitsprüfung, S. 191; differenzierend M. Raabe, Grundrechte und Erkenntnis, S. 333 f. 355

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie Die soeben dargestellten Voraussetzungen und Auswirkungen des Gestaltungsspielraums werden im Folgenden auf die Dogmatik der Eigentumsgarantie übertragen, indem dieser hergeleitet wird (S. 168 ff.) und die Auswirkungen einer Erweiterung des Gestaltungsspielraums auf den Grundrechtsschutz aufgezeigt werden (S. 268 ff.). Insoweit wird die Betrachtung der rechtlichen Auswirkungen des sozialen Bezugs in „die allgemeine Fragestellung der verfassungsstaatlichen Bindung der Gesetzgebung durch die Grundrechte“ eingeordnet.362 Ausgangspunkt ist hierbei die Prämisse, dass der Gestaltungsspielraum aufgrund der Stellung des Gesetzgebers im Verfassungsgefüge zunächst in umfassender Form besteht, sein finales Ausmaß sich dann jedoch aus der Regelungsdichte des Art. 14 GG als Beschränkung des Gestaltungsspielraums ergibt.

I. Herleitung des Gestaltungsspielraums bei der Eigentumsgarantie Die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit ist bei der Eigentumsgarantie von besonderer Bedeutung und findet mit dem Regelungsauftrag in Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG (S. 170 ff.) und dem jeweiligen, die Eigentumsgegenstände prägenden Sachbereich (S. 217 ff.) zwei Anknüpfungspunkte.363 Bei der Betrachtung dieser beiden Aspekte wird im Folgenden insbesondere beleuchtet, inwieweit ihnen Aussagen zur Regelungsdichte und damit gleichzeitig zur Kontrolldichte des Art. 14 GG entnommen werden können. Voranzustellen ist hierbei, dass die Eigentumsgarantie als subjektives Abwehrrecht gegen staatliche Freiheitsbeeinträchtigungen eine negative Kompetenzvorgabe für den Gesetzgeber und damit eine Beschränkung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums darstellt.364 Insoweit muss der die Gesetzgebung begren362 P. Badura, Eigentum im Verfassungsrecht der Gegenwart, in: Ständige Deputation des deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des neunundvierzigsten deutschen Juristentages, 1972, T 19. 363 Vgl. auch A. Bräunig, Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur deutschen Wiedervereinigung, S. 54; K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 121; J. Riecken, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, S. 468. 364 K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 22 f.; M. Raabe, Grundrechte und Erkenntnis, S. 332; J. Dietlein, Die Eigentumsfreiheit und das Erbrecht, in: K. Stern (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 113 S. 2137; vgl. P. Badura, Eigentum, in: E. Benda/W. Maihofer/H.-J. Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1994, § 10 Rn. 6; H.-J. Papier/F. Shirvani, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 83 April 2018, Art. 14 Rn. 112; J. Isensee, Abwehrrecht und Schutzpflicht, in: ders./P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, § 191 Rn. 30; BVerfGE 31, 229 (239): „Diese si-

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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zende Charakter der Eigentumsgarantie in besonderer Weise berücksichtigt werden, obgleich die konkreten Eigentumsrechte gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG erst durch gesetzgeberisches Handeln entstehen. Insbesondere, wenn durch eine Inhalts- und Schrankenbestimmung in bereits bestehende Eigentumsrechte eingegriffen und nicht lediglich der Inhalt von zukünftigen Eigentumsrechten ausgestaltet wird, ist die Abwehrfunktion der Eigentumsgarantie hervorzuheben. Insoweit ist die Bestandsgarantie des Art. 14 GG betroffen.365 Aber auch jenseits von bestehenden Eigentumsrechten und der Bestandsgarantie entfaltet die Institutsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG eine abwehrrechtliche Dimension.366 Anknüpfend an die vorangegangenen Ausführungen zur Herleitung des Gestaltungsspielraums367 ist Art. 14 GG daraufhin zu überprüfen, inwieweit die Norm dem aus der Stellung des Gesetzgebers im Verfassungsgefüge folgenden Gestaltungsspielraum verfassungsrechtliche Grenzen setzt (S. 183 ff.). Mithin sind anders als bei Befugnisnormen im Verwaltungsrecht nicht den Gestaltungsspielraum bzw. das Ermessen legitimierende normative Anknüpfungspunkte erforderlich,368 sondern vielmehr dessen Beschränkungen. Zu diesen Beschränkungen ist die bereits erwähnte Konzeption der Eigentumsgarantie als Abwehrgrundrecht zu zählen. Indes kann sich bei der Interpretation der Eigentumsgarantie auch ergeben, dass die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers von Art. 14 GG nicht eingeschränkt, sondern durch Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG gerade vorausgesetzt wird. Insoweit wird der zunächst umfassend bestehende Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers dann nicht vermindert, sondern durch Art. 14 GG bestätigt. 1. Methodik bei der Herleitung des Gestaltungsspielraums369 Bezogen auf die Herleitung von demokratischer Gestaltungsfreiheit im Rahmen der Grundrechtsauslegung wird vertreten, dass für diese nicht die „formelchernde und abwehrende Bedeutung der Eigentumsgarantie [. . .]“; A. Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 254; differenzierend A. Farahat, JZ 2020, S. 602 (609). 365 D. Riedel, Eigentum, Enteignung und das Wohl der Allgemeinheit, S. 67 ff.; H.-J. Papier/F. Shirvani, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 83 April 2018, Art. 14 Rn. 114. 366 S. u. S. 233 f.; vgl. J. Dietlein, Die Eigentumsfreiheit und das Erbrecht, in: K. Stern (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 113 S. 2176 und K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rn. 442 f.; A. von Arnauld, Die Freiheitsrechte und ihre Schranken, S. 26 sieht eine Andeutung des Regel-Ausnahme-Prinzips von Freiheit und Beschränkung; zum Verhältnis von Rechtsstellungs- und Ausgestaltungsgarantie D. Riedel, Eigentum, Enteignung und das Wohl der Allgemeinheit, S. 67 f. 367 S. 128 ff. 368 Hierzu schon s. o. S. 137. 369 Zur Problematik der Verfassungsinterpretation angesichts eines unklaren Ansatzes A. Bräunig, Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur deutschen Wiedervereinigung, S. 51 und K. Vogel, Das Bundesverfassungsgericht und die übrigen Verfassungsorgane, S. 48.

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

len Auslegungsschritte der juristischen Methodenlehre [. . .], sondern [. . .] de[r] materiale Sachgesichtspunkt der Personnähe oder Gemeinschaftsbezogenheit“ entscheidend sei.370 Indes wurde bei der allgemeinen Betrachtung des Gestaltungsspielraums festgestellt, dass für die Regelungsdichte und damit spiegelbildlich den Gestaltungsspielraum „Existenz und Art der materiell-rechtlichen Normierung des betreffenden Sachgebiets“ betrachtet werden müssen.371 Auch wenn Sachgesichtspunkte für die Regelungsdichte besondere Bedeutung erlangen – namentlich ist hier auf die soeben genannte Gemeinschaftsbezogenheit als Synonym zum sozialen Bezug hinzuweisen –, sind diese in der allgemeinen Betrachtung der Art der materiell-rechtlichen Normierung zu verorten. Daher wird im Folgenden bei der Ermittlung des Gestaltungsspielraums bei Art. 14 GG auch auf Elemente der klassischen Auslegungsmethode zurückgegriffen.372 Insbesondere sind hier teleologische Gesichtspunkte zu berücksichtigen.373 2. Bestätigung des Gestaltungsspielraums durch den Regelungsauftrag Der aus der Stellung des Gesetzgebers im Verfassungsgefüge folgende Gestaltungsspielraum findet im Regelungsauftrag des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zunächst keine Beschränkung, sondern wird durch diesen vielmehr vorausgesetzt und bestätigt. Darlegen lässt sich dies durch Betrachtung des Wortlauts von Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG (S. 170 f.), die durch Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG vorgegebene Allgemeinwohldienlichkeit des Eigentumsgebrauchs (S. 177 ff.), einen Vergleich von Inhalts- und Schrankenbestimmung mit der Enteignung (S. 181 f.) und eine funktionell-rechtliche Betrachtung des Regelungsauftrags aus Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG (S. 182 f.). Durch die Bestätigung bleibt der zunächst umfassend bestehende Gestaltungsspielraum erhalten. Die Eigentumsgarantie und der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum stehen sich hierdurch nicht einander ausschließend gegenüber, sondern besitzen eine gemeinsame Schnittmenge. a) Wortlaut des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG richtet sich unmittelbar an den Gesetzgeber selbst, indem er ihm die Zuständigkeit für die Bestimmung des Inhalts und der Schranken 370 M. Kriele, Grundrechte und demokratischer Gestaltungsraum, in: J. Isensee/ P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, § 188 Rn. 71. 371 B. Pieroth, in: H. D. Jarass/ders., Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 16. Aufl. 2020, Art. 93 Rn. 7. 372 Hierzu C. Starck, Maximen der Verfassungsauslegung, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 271 Rn. 19 f. 373 S. u. S. 229 ff.

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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des Eigentums zuweist.374 Hierdurch ist der durch die Eigentumsgarantie geschützte Lebensbereich – die Inhaberschaft und Nutzung von Eigentum – „durch [die] gesetzgeberische Normierung [. . .] in seiner Existenz bedingt“.375 Art. 14 GG stellt daher ein ausgestaltungsbedürftiges und dementsprechend normgeprägtes376 Grundrecht dar, sodass das Vorliegen eines Gestaltungsspielraums schon im Wortlaut von Art. 14 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 GG angelegt ist.377 Der bloße Verweis auf den nicht näher konkretisierten Inhalt und die Schranken des Eigentums durch die Verfassung in Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG378 lässt es vielmehr genügen, dass diese vom Gesetzgeber überhaupt bestimmt werden. Daraus folgt zugleich, dass dem Gesetzgeber kein Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Entscheidung zukommt, ob er generell Eigentumsrechte ausgestalten soll. Dem Auftrag, „eine Eigentumsordnung zu schaffen, die sowohl den privaten Interessen des Einzelnen als auch denen der Allgemeinheit gerecht wird“ 379 und damit seiner grundrechtlichen Entfaltungspflicht380 nachzukommen, durfte und darf sich der Gesetzgeber auch zukünftig nicht widersetzen. Für die konkrete Gestalt der zu schaffenden Eigentumsrechte bestehen jedoch im direkten Zusammenhang mit dem Regelungsauftrag keine spezifischen Vorgaben, sodass die für den Gestal-

374 G. Morgenthaler, Freiheit durch Gesetz, S. 36 leitet hieraus „die freiheitsgestaltende Rolle des Gesetzes“ her. 375 A. Wieckhorst, Grundrechtsschutz durch Legislativverfahren, S. 271; vgl. BVerfGE 58, 300 (330). 376 Vgl. hierzu A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 24 ff.; „Gegenstand und die Reichweite des abwehrrechtlichen Grundrechtsschutzes [werden daher] durch den einfachgesetzlichen Bestand bestimmt“, M. Cornils, Die Ausgestaltung der Grundrechte, S. 256; zur Normprägung weiterhin S. 173 ff. 377 BVerfGE 50, 290 (316); M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 210; zum Gestaltungsermessen des Gesetzgebers bei Art. 14 GG auch R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 180 ff.; vgl. auch K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 90 und 1043, der in den Gesetzesvorbehalten der Grundrechte auch einen Verweis auf den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum sieht; G. Britz, Jura 2015, S. 319 (321); U. Scheuner, Grundlagen und Art der Enteignungsentschädigung, in: R. Reinhardt/ders., Verfassungsschutz des Eigentums, 1954, S. 109; vgl. R. Körner, Denkmalschutz und Eigentumsschutz, S. 137; D. Riedel, Eigentum, Enteignung und das Allgemeinwohl, S. 30 f.; A. Scherzberg, Grundrechtsschutz und „Eingriffsintensität“, S. 107 f.; J. R. Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 343; O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft im öffentlichen Recht, S. 118 und 376 mit einem rechtsvergleichenden Hinweis auf die Vereinigten Staaten; vgl. R. Wahl, NVwZ 1984, S. 401 (406); R. Breuer, NuR 1996, S. 537 (545); A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 102. 378 A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 102 verweist weiterhin darauf, dass aus der Norm eine „herausgehobene [. . .] Stellung des [. . .] Gesetzgebers [folgt], die sich mit einer einzelfallgenauen ,Auslegung‘ der Verfassung nicht vertragen würde“. 379 BVerfGE 58, 300 (335). 380 H. Dederer, in: W. Kahl/C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 118. Akt. Dez. 2017, Art. 14 Rn. 323 f.; vgl. G. Morgenthaler, Freiheit durch Gesetz, S. 3.

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

tungsspielraum maßgebliche Regelungs- und Kontrolldichte381 dementsprechend als grundsätzlich gering anzusehen ist.382 Folglich bestimmt Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG keine „ausdrücklichen Regelungsschranken“,383 die den zunächst umfassenden gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum beschränken, soweit der Gesetzgeber überhaupt tätig wird384 und hierdurch seiner grundrechtlichen Entfaltungspflicht nachkommt. Bei der Eigentumsgarantie bewahrheitet sich zudem in besonderem Maße die Aussage, dass für die Grundrechtskonkretisierung in Form des einfachen Rechts keine „vollumfängliche [. . .] grundrechtliche [. . .] Voraussteuerung“ besteht und sie damit „nicht uneingeschränkter bundesverfassungsgerichtlicher Kontrolle und Letztentscheidungsmacht unterliegen kann“.385 Zur Verwirklichung seines Auftrags aus Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG steht dem Gesetzgeber ein quantitativer Gestaltungsspielraum offen, da er hinsichtlich der Art386 und Anzahl der zu schaffenden Eigentumsrechte nicht beschränkt ist.387 Darüber hinaus muss ihm überhaupt die Möglichkeit zukommen, das begrifflich nicht beschränkte388 Gebot der Allgemeinwohldienlichkeit der Eigentumsnutzung aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG zu verwirklichen.389 Hierdurch besteht kein numerus clausus für die Schaffung der dem Gesetzgeber zugänglichen Eigentumsrechte. Diese quantitative Dimension ist abzugrenzen vom qualitativen Gestaltungsspielraum, der sich insbesondere auf die für die Eigentümer einschränkenden Folgen der Ausgestaltung bezieht und seine Grenze dann wiederum im Grundsatz der Verhältnismäßigkeit390 findet. Indes werden auch diese Beschränkungen ausdrücklich dadurch dem Gesetzgeber zugewiesen, dass dieser gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG die „Schranken“ des Eigentums bestimmen soll. Letztlich ist daher festzustellen, dass der unmittelbare Ausgestaltungsauftrag des Art. 14 381

Zur Differenzierung von Regelungs- und Kontrolldichte s. o. S. 128 ff. Vgl. hierzu auch A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 102: „Mehr als Grundlagen auf denen aufbauend der Gesetzgeber entscheiden soll, können Art. 14 GG nicht entnommen werden, ohne Rechtspolitik mit Verfassungsauslegung zu verwechseln.“; siehe auch M. Cornils, Die Ausgestaltung der Grundrechte, S. 265 f.; so auch D. Riedel, Eigentum, Enteignung und das Allgemeinwohl, S. 31, der den „Ausgestaltungsfreiraum“ in „der Struktur der Ausgestaltungsgarantie als Leistungsrecht“ verortet. 383 H.-J. Papier, BB 1997, S. 1213 (1214). 384 Dies bedeutet nicht, dass die „Konstituierung von Eigentum in bestimmten Bereichen“ nicht gänzlich unterlassen werden kann, vgl. R. Wendt, Gesetzgebung und Eigentum, S. 182. 385 A. Wieckhorst, Grundrechtsschutz durch Legislativverfahren, S. 271; vgl. G. Morgenthaler, Freiheit durch Gesetz, S. 37; relativierend zur Letztentscheidungsbefugnis auch M. Mayer, Untermaß, Übermaß und Wesensgehaltsgarantie, S. 136. 386 R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 181. 387 Vgl. auch R. Wahl, NVwZ 1984, S. 401 (406) zu den im Rahmen der Inhaltsbestimmung offenstehenden Alternativen. 388 S. o. S. 26 ff. 389 So auch A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 186. 390 Hierzu sogleich S. 185 ff. 382

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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Abs. 1 S. 2 GG den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers nicht beschränkt, sondern diesen vielmehr bestätigt. b) Exkurs: Normprägung des eigentumsrechtlichen Schutzbereichs Die soeben angesprochene Normprägung der Eigentumsgarantie wirft die Frage auf, inwieweit Art. 14 GG verfassungsrechtlichen Schutz gegenüber dem Gesetzgeber gewährleisten kann, wenn die Existenz des Eigentums maßgeblich vom gesetzgeberischen Handeln abhängt. Für die Beantwortung dieser Frage ist zwischen dem Schutzbereich der Eigentumsgarantie und dem verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff zu differenzieren.391 aa) Schutzbereich bei der Eigentumsgarantie Für den aus der Eigentumsgarantie entstammenden Schutzbereich des Eigentümers sind die in der einfachen Rechtsordnung festgelegten Eigentumsrechte maßgeblich. Mithin besteht der Schutzbereich bei Art. 14 GG in einer Rechtsposition.392 Die Angewiesenheit des Schutzbereichs der Eigentumsgarantie auf geschaffene Rechtspositionen ergibt sich aus Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG: Wenn der Inhalt des Eigentums durch die Gesetze bestimmt wird, kann für die Ermittlung des Schutzbereichs nicht an natürliche, vorrechtliche oder soziale Phänomene aus der Tatsachenwelt393 angeknüpft werden.394 Für diese inhaltsbestimmenden, den Schutzbereich der Eigentumsgarantie prägenden Gesetze kommt freilich prima facie auch das Verfassungsrecht selbst in Betracht.395 Eine Ableitung der konkreten Eigentumspositionen allein aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG scheitert jedoch an der Unbestimmtheit der normierten Eigentumsgewährleistung,396 die dem erheblichen, der Eigentumsgarantie innewohnenden Ausgestaltungsbedürfnis gegenübersteht. Zurückzuführen ist dieses Ausgestaltungsbedürfnis auf die Konfliktlagen zwi391 Siehe auch A. Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 164, 248; W. Farke, Öffentliche Bedeutung privater Wirtschaftsunternehmen und Sozialpflichtigkeit des Eigentums, S. 48. 392 H. D. Jarass, in: ders./B. Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 16. Aufl. 2020, Vorb. vor Art. 1 Rn. 19; A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 24 ff. 393 M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, S. 91. 394 Vgl. J. Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 27. 395 C. Jasper, DÖV 2014, S. 872 (875); M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, S. 91; J.-R. Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 135; dagegen D. Blasberg, Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Grundeigentums zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, S. 91; ebenso W. Böhmer, NJW 1988, S. 2561 (2573); vgl. zu den unterschiedlichen Ansätzen J. Froese, Wohnungseigentum zwischen individualgrundrechtlicher Gewährleistung und kollektiver Einbindung, S. 7 ff. 396 Vgl. A. Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 248.

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

schen Eigentümerinteressen und Allgemeinwohlbelangen.397 Daher würde man „Art. 14 interpretatorisch restlos überfordern, wenn man glaubte, ihm eindeutige Vorgaben für die Errichtung oder Aufrechterhaltung eines aus sich heraus funktionsfähigen umfassenden Systems scharf konturierter eigentumskräftiger Vermögensrechte entnehmen zu können“.398 Dies belegen Versuche einer verfassungsunmittelbaren Verortung des Schutzbereichs,399 die sich gleichwohl wiederum an „einfachgesetzlich vorgezeichneten Eigentumsrechten“ 400 orientieren.401 Ohne einfachrechtliche Verortung des eigentumsgrundrechtlichen Schutzes wäre zudem eine Verfestigung bloß faktischer Herrschaftsverhältnisse zu befürchten,402 da Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG allein keine rechtssichere Rechtsdurchsetzung ermöglicht. Eine im Rechtsleben praktikable Zuordnung der Eigentumsrechte zu ihren Rechtsträgern bedarf mithin auch nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts der Ausgestaltung durch den einfachen Gesetzgeber.403 Aus dieser Ausgestaltung ergibt sich dann nicht nur die Grundrechtsträgerschaft, sondern auch die durch die Eigentumsposition vermittelte Nutzungsmöglichkeit des Eigentums.404 Der Inhalt des Schutzbereichs der Eigentumsgarantie umfasst mithin die Inhaberschaft einer Eigentumsposition sowie die Möglichkeit, diese Eigentumsposition innerhalb des vorgegebenen gesetzlichen Rahmens zu benutzen.405 Insoweit verkörpert der Schutzbereich der Eigentumsgarantie den aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG resultierenden Bestandsschutz.406 397 Vgl. M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, S. 93; hierzu auch unten S. 260 ff.; vgl. O. Lepsius, WiVerw 2011, S. 206 (212). 398 R. Wendt, Gesetzgebung und Eigentum, S. 181 f.; M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, S. 93. 399 So vertritt C. Jasper, DÖV 2014, S. 872 (876), dass „vom grundrechtlichen Tatbestand des Art. 14 GG alle körperlichen Gegenstände erfasst sind sowie all diejenigen Güter und Rechte, die nach den Anschauungen des wirtschaftlichen Verkehrs zur jeweiligen Zeit einen Vermögenswert haben und die bereits hinreichend konkretisiert sind.“; vgl. auch W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 13 ff.; kritisch J. Dietlein, Die Eigentumsfreiheit und das Erbrecht, in: K. Stern (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 113 S. 2170. 400 F. Becker, in: K. Stern/ders. (Hrsg.), Grundrechte-Kommentar, 3. Aufl. 2019, Art. 14 Fn. 25. 401 F. Becker, in: K. Stern/ders. (Hrsg.), Grundrechte-Kommentar, 3. Aufl. 2019, Art. 14 Rn. 16. 402 Vgl. A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 36; siehe schon S. 37 ff. 403 BVerfGE 58, 300 (330). 404 Vgl. A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 243 f. 405 D. Couzinet, Die Zulässigkeit von Immissionen im anlagenbezogenen Immissionsschutzrecht, S. 69 f. 406 BVerfGE 58, 300 (336): „Aus der Gesamtheit der verfassungsmäßigen Gesetze, die den Inhalt des Eigentums bestimmen, ergeben sich somit Inhalt und Umfang des

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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An der prägenden Rolle des Gesetzgebers für die Eigentumsgarantie wird kritisiert, dass der Eigentumsschutz hierdurch gleichzeitig zur Disposition des Gesetzgebers stehe.407 Bei einer entsprechenden Freistellung des Gesetzgebers würde dann seine Bindung an die Eigentumsgewährleistung nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG über Art. 1 Abs. 3 GG leerlaufen.408 Dem kann jedoch entgegengehalten werden, dass allein aus der Verantwortung des Gesetzgebers für die Existenz des Schutzbereichs noch keine Aussage über die hierbei von ihm zu beachtenden verfassungsrechtlichen Grenzen folgt. So wird im weiteren Verlauf der Untersuchung insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als bei der Eigentumsausgestaltung zu wahrende Grenze betrachtet.409 Im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist der Schutzbereich des Art. 14 GG als Verkörperung des Bestandsschutzes nicht alleiniger Maßstab für den Gesetzgeber bei der Eigentumsausgestaltung. Vielmehr muss der Gesetzgeber hierbei auch den sogleich zu betrachtenden verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff berücksichtigen.410 Mithin besteht für den Gesetzgeber nicht nur die Pflicht, die von ihm selbst geschaffenen Eigentumsrechte angemessen zu berücksichtigen, sondern zusätzlich den verfassungsunmittelbaren Eigentumsbegriff zu wahren. bb) Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff 411 Das Bundesverfassungsgericht entnimmt den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG.412 Zwar definiert Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG den Begriff des gewährleisteten Eigentums nicht weiter,413 entdurch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG gewährleisteten Bestandsschutzes.“ (Hervorhebung durch den Verf.); A. Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 164 f. 407 O. Depenheuer/J. Froese, in: H. von Mangoldt/F. Klein/C. Starck u. a. (Hrsg.), Grundgesetz, 7. Aufl. 2018, Art. 14 Rn. 36 ff.; W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/ P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 54 ff.; J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 547 ff.; A. Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 248 ff.; M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, S. 90; zur darin erblickten „Janusköpfigkeit“ H. Bethge, Grundrechtskollisionen, in: D. Merten/H.-J. Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. III, 2009, § 72 Rn. 73. 408 Vgl. D. Blasberg, Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Grundeigentums zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, S. 94. 409 S. u. S. 185 ff. 410 Zur „verfassungsrechtlichen Rückbindung des eigentumsgestaltenden Gesetzgebers“ J. Dietlein, Die Eigentumsfreiheit und das Erbrecht, in: K. Stern (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 113 S. 2177 ff.; M. Jaschinski, Der Fortbestand des Anspruchs aus enteignendem Eingriff, S. 139. 411 Eingehend J. Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 42 ff. 412 BVerfGE 58, 300 (335): „Der Begriff des von der Verfassung gewährleisteten Eigentums muß aus der Verfassung selbst gewonnen werden.“ 413 BVerfGE 36, 281 (290); 42, 263 (292); J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 318.

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

spricht hiermit aber der Konzeption anderer Freiheitsgrundrechte, bei denen der Inhalt der knapp genannten Schutzgüter wie „Meinung“, „Kunst“ oder „Wissenschaft“ der Verfassungsinterpretation überlassen wird.414 Hierbei konnte das Bundesverfassungsgericht dem verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff folgende Strukturmerkmale415 entnehmen: die Privatnützigkeit des Eigentums,416 die Eigenleistung des Rechtsinhabers bei der Hervorbringung des Eigentumsrechts,417 der Beitrag des betroffenen Eigentums zur Existenzsicherung und der vom konkreten Eigentumsobjekt verkörperte Vermögenswert.418 Mit dem Begriff der Privatnützigkeit kommt insbesondere zum Ausdruck, dass der Eigentumsgebrauch „als Grundlage privater Initiative und im eigenverantwortlichen privaten Interesse“ nützlich sein soll.419 Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff hat dann einerseits die Funktion, den Anwendungsbereich der freiheitssichernden Gewährleistungen des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG zu bestimmen420 und damit aufzuzeigen, ob eine Rechtsposition vom Schutzbereich der Eigentumsgarantie umfasst ist.421 Anders als der Schutz414 M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, S. 35 f. 415 Hierzu auch J. Dietlein, Die Eigentumsfreiheit und das Erbrecht, in: K. Stern (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 113 S. 2178 f. 416 Zur Wahrung der Privatnützigkeit eines Grundstücks bei gleichzeitiger Abspaltung des Grundwassers BVerfGE 58, 300 (345); BVerfG NJW 1989, S. 972 (973); BVerfGE 70, 191 (209 f.); im Hinblick auf die Wahrung der Privatnützigkeit einer Mietwohnung BVerfGE 81, 29 (33 f.); ebenfalls zur Beschränkung von Nutzungsmöglichkeiten BVerfGE 87, 114 (140 f. und 147 f.); zu den geschützten Formen der Nutzung BVerfGE 100, 226 (242 f.); 101, 54 (81 ff.); 102, 1 (17 f.) wertet die (neben der Sachherrschaft bestehende) Nutzungsmöglichkeit als Grund dafür, dem Eigentümer besondere Pflichten aufzuerlegen; zum Stellenwert der baulichen Nutzung BVerfGE 104, 1 (11); H. Dederer, in: W. Kahl/C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 118. Akt. Dez. 2017, Art. 14 Rn. 857 f.; C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 113 und 120 f. 417 J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 272 ff.; A. Bräunig, Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur deutschen Wiedervereinigung, S. 56 ff.; H. Dederer, in: W. Kahl/C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 118. Akt. Dez. 2017, Art. 14 Rn. 859; W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 115 ff. 418 M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, S. 201; vgl. zum Vermögenswert BVerfGE 137, 148. 419 BVerfGE 50, 290 (339). 420 A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 46, 96; vgl. auch J. Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 45. 421 A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 66; D. Blasberg, Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Grundeigentums zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, S. 65; A. Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 249; D. Couzinet, Die Zulässigkeit von Immissionen im anlagenbezogenen Immissionsschutzrecht, S. 70 f.

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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bereich verkörpert der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff damit nicht das konkret geschützte Eigentumsrecht, das dem staatlichen Handeln bei dessen Berührung eine Rechtfertigungspflicht auferlegt. Die Notwendigkeit des Rückgriffs auf den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff folgt vielmehr daraus, dass die einfache Rechtsordnung nicht aus sich selbst heraus definieren kann, ob ein Gesetz dem Eigentumsbegriff des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG zuzurechnen ist.422 Zu bejahen ist diese Zurechnung, wenn die maßgebliche einfachgesetzliche Position einem oder mehreren der soeben dargestellten Strukturmerkmale entspricht.423 Andererseits verkörpern die Strukturmerkmale, soweit diese im Kontext eines Eigentumsgegenstandes einschlägig sind, die maßgeblichen, bei der Eigentumsausgestaltung zu berücksichtigenden Eigentümerinteressen.424 Insoweit besteht durch den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff eine verfassungsrechtliche Beschränkung des Gesetzgebers, sodass der Eigentumsschutz nicht vollständig zu dessen Disposition steht. c) Allgemeinwohldienlichkeit nach Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG als unbestimmte Grenze Als für die Regelungsdichte der Eigentumsgarantie relevante und justiziable Kontrollvorgabe kommt auf den ersten Blick Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG in Betracht, der eine Erläuterung der Verpflichtung aus Art. 14 Abs. 2 S. 1 GG darstellt.425 Die mögliche Einordnung als Kontrollvorgabe folgt daraus, dass das für die Eigentumsnutzung zu berücksichtigende „Wohl der Allgemeinheit [. . .] nicht nur den Grund, sondern auch die Grenze für die dem Eigentum aufzuerlegenden Belastungen“ 426 darstellt.427 Angesichts dieser doppelten Wirkung wird die Auswirkung der Verortung des „Wohl[s] der Allgemeinheit“ im Rahmen der Eigentumsgarantie als „ambivalent“ gekennzeichnet.428 Die Vorgabe aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG kann die Regelungs- und Kontrolldichte jedoch nur unmerklich erhöhen, da 422

A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 51. M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, S. 25 f.; G. Schwerdtfeger, Die dogmatische Struktur der Eigentumsgarantie, S. 13 f. 424 S. u. S. 200 f.; ebenso A. Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 250. 425 K.-B. v. Doemming/R. Füsslein/W. Matz, JöR 1951, S. 1 (147); B.-O. Bryde, in: I. von Münch/P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 6. Aufl. 2012, Art. 14 Rn. 70; hierzu auch s. o. S. 37 ff. 426 Siehe nur BVerfGE 100, 226 (241). 427 H.-J. Papier, BB 1997, S. 1213 (1215); nach J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 441 f. liegt bei einer Missachtung dieser Vorgabe ein Fall der „untermäßigen Beschränkung der Eigentümerbefugnisse“ vor; hierzu A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 181 ff.; kritisch A. Farahat, JZ 2020, S. 602 (606). 428 J. Isensee, Gemeinwohl im Verfassungsstaat, in: ders./P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV, 3. Aufl. 2006, § 71, S. 32 Rn. 60; ebenso C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 78. 423

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

die Einhaltung der zu verwirklichenden Allgemeinwohldienlichkeit angesichts der Unbestimmtheit des Begriffs kaum gerichtlich überprüfbar ist.429 Dementsprechend ist der Ausführung von A. Grochtmann beizupflichten, wonach man sich scheuen möge, „überhaupt von einer Eingrenzung der Befugnisse des Gesetzgebers durch die hier betonte Ausschließlichkeit der sog. Sozialpflichtigkeit als gesetzgeberischer Rechtfertigungsmöglichkeit zu sprechen“.430 Noch pointierter führt P. Kirchhof aus, dass das Eigentumsrecht „die Sozialpflichtigkeit des Eigentums in eine Offenheit nahe der inhaltlich unverfaßten Gesetzgebung“ entlasse.431 Kontrollierbar aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts sind bezogen auf die Wahrung der Vorgabe des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG lediglich eine begrenzte Anzahl verfassungsrechtlicher Verbote. So darf der Gesetzgeber keine dem Allgemeinwohl schlechthin entgegenstehenden Ziele mit der Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums verfolgen. Derartige Ziele sind im Grundgesetz insbesondere durch ausdrückliche Verbote gekennzeichnet.432 Weiterhin unzulässig ist eine Konzeption der Inhalts- und Schrankenbestimmung, die eine „ausschließliche Ausrichtung auf private Interessen“ beinhaltet.433 Und letztlich kann das Bundesverfassungsgericht auf Grundlage des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG überprüfen, ob der Gesetzgeber mit der Inhalts- und Schrankenbestimmung bloß fiskalische Interessen verfolgt434 oder willkürlich435 handelt. Folglich wird nur ein kleiner Bereich der Befugnis des Gesetzgebers zur Eigentumsausgestaltung beschränkt, während über diesen Bereich hinaus eine Vielzahl an gesetzgeberischen Motiven in Betracht kommt, um die Befugnis zur Inhalts- und Schrankenbestim429 Vgl. J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 445, der von einer „generalklauselartigen Weite dieses Begriffs“ spricht; U. Hösch, Eigentum und Freiheit, S. 180; M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 202 f.; K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 892; H.-J. Papier/F. Shirvani, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 83 April 2018, Art. 14 Rn. 426 mit einer Aufzählung möglicher Allgemeinwohlbelange; A. v. Brünneck, Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, S. 395 räumt dem Bürger hingegen die Möglichkeit ein zu rügen, dass andere Zwecke als das Allgemeinwohl verfolgt würden; vgl. W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 144; D. Blasberg, Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Grundeigentums zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, S. 119. 430 A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 186. 431 P. Kirchhof, Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung, in: P. Badura/R. Scholz (Hrsg.), Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung – Symposion aus Anlass des 70. Geburtstages von Peter Lerche, 1998, S. 5 (19). 432 Weiterführend F. Ekardt/F. Valentin, Das neue Energierecht, S. 146. 433 H. Melchinger, Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes und das Recht des Denkmalschutzes, S. 132. 434 A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 189 ff. 435 J. Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 68; M. Schmidt-Preuß, NJW 2000, S. 1524 (1526).

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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mung zu stützen. Diese Vielzahl an Motiven resultiert daraus, dass bezogen auf das Allgemeinwohl grundsätzlich eine „Gemeinwohlkonkretisierungskompetenz“ des Gesetzgebers vorliegt.436 Die Rolle des Bundesverfassungsgerichts als „Hüter der Verfassung“ beinhaltet hierbei gerade nicht, anstelle des Gesetzgebers das Gemeinwohl zu bestimmen.437 Auch ohne eine direkte Bezugnahme auf den Gesetzgeber wie in Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG („Gesetze“) kann der Verweis auf das „Wohle der Allgemeinheit“ in Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG damit als indirekter zusätzlicher Handlungsauftrag an den Gesetzgeber betrachtet werden.438 Dieser Handlungsauftrag wird auch nicht dadurch abgeschwächt, dass der Eigentumsgebrauch dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll, aber nicht muss.439 Anhand dieser gegenüber einer ausdrücklich normierten Pflicht begrifflichen Abschwächung440 verdeutlicht der Wortlaut vielmehr die dem Gesetzgeber bei der Verwirklichung des Allgemeinwohls eingeräumte Variabilität. 441 Den aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG folgenden Handlungsauftrag an den Gesetzgeber einschließlich dessen geringer Regelungs- und Kontrolldichte verdeutlicht auch das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung zum Grundstücksverkehrsgesetz. Hierbei verweist das Bundesverfassungsgericht auf den „verhältnismäßig weiten Gestaltungsbereich“, den „das Grundgesetz selbst [. . .] dem Gesetzgeber für die Bestimmung des Eigentumsinhalts“ eingeräumt habe.442 Insoweit 436 H. Bethge, in: B. Schmidt-Bleibtreu/F. Klein/ders. u. a. (Hrsg.), in: Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Stand: 57. Lfg. Juni 2019, Vorbemerkung, Rn. 164; K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 895; vgl. auch J. Isensee, Gemeinwohl im Verfassungsstaat, in: ders./P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV, 3. Aufl. 2006, § 71 S. 25 Rn. 47, der das Gemeinwohl als „Objekt politischer Entscheidung“ ausweist; vgl. M. Mayer, Untermaß, Übermaß und Wesensgehaltsgarantie, S. 132; J. Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 68; hierzu auch G. F. Schuppert, Funktionell-rechtliche Grenzen der Verfassungsinterpretation, S. 27 f.; vgl. O. Lepsius, Verfassungsrechtlicher Rahmen der Regulierung, in: M. Fehling/M. Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, § 4 S. 199; M. Schmidt-Preuß, NJW 2000, S. 1524 (1526); hierzu schon S. 28 und S. 102 ff. 437 K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 895; zum Begriff des Verfassungshüters C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 465 f. 438 A. Henning, Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff, S. 291; G. Schwerdtfeger, Die dogmatische Struktur der Eigentumsgarantie, S. 18. 439 Vgl. A. Henning, Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff, S. 287; A. Erler, Maßnahmen der Gefahrenabwehr und verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie, S. 80. 440 W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 146. 441 Vgl. A. Henning, Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff, S. 290, die Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG den Charakter einer Ermessensvorschrift zuspricht. 442 BVerfGE 21, 73 (83); vgl. auch O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft im öffentlichen Recht, S. 63, der in Art. 14 Abs. 2 GG einem Gestaltungsauftrag erkennt; U. Hösch, Freiheit und Eigentum, S. 198; so auch schon BVerfGE 8, 71 (80); zum Vorgehen des Bundesverfassungsgerichts auch E. Grabitz, AöR 98 (1973), S. 568 (598); A. v. Brünneck, Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, S. 395.

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

stellt Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG als Konkretisierung des Regelungsauftrags aus Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG für den Gesetzgeber nur ein gering ausgeprägtes Prüfprogramm dar und führt nicht zu einer Erhöhung von Regelungs- und Kontrolldichte im Kontext der Eigentumsgarantie, die zu einer signifikanten Beschränkung des Gestaltungsspielraums führen würde. Eine Beschränkung des Gestaltungsspielraums kann Art. 14 Abs. 2 Abs. 2 GG indes nur ansatzweise dadurch entnommen werden, dass der Eigentumsgebrauch zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll.443 Der Formulierung lässt sich zwar entnehmen, dass die Eigentumsgarantie primär die Nutzung des jeweiligen Eigentumsgegenstandes durch den Eigentümer vorsieht.444 Schließlich erfordert der Begriff „zugleich“, dass bereits eine Nutzung in anderweitiger Form vorliegt und adressiert hierbei die Eigentümer als die von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützte Gruppierung. Eine „allgemein verbindliche, absolute Belastungsobergrenze in der Nähe einer hälftigen Teilung (,Halbteilungsgrundsatz‘)“ lässt sich aus dieser Formulierung jedoch nicht herleiten.445 Mithin richtet sich das Ausmaß der zulässigen Eigentumsbeschränkungen vielmehr nach dem Gewicht der den Eigentümerinteressen gegenüberstehenden Allgemeinwohlbelangen als nach einer abstrakten Grenze aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG. Der Verweis auf den nicht einseitig vorgesehenen Nutzen des Eigentumsgebrauchs ist damit ebenfalls nur eine bedingt kontrollierbare normative Vorgabe, deren Schutzwirkung nicht über die Verhin443 Vgl. E. Benda, Industrielle Herrschaft und sozialer Staat, S. 349; A. Henning, Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff, S. 287; hierzu auch M. Herdegen, Garantie von Eigentum und Erbrecht, in: P. Badura/H. Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht. Bd. II, 2001, S. 273 (287) und J. Dietlein, Die Eigentumsfreiheit und das Erbrecht, in: K. Stern (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 113 S. 2246. 444 W. Weber, Das Eigentum und seine Garantie in der Krise, in: H.-M. Pawlowski/ F. Wieacker (Hrsg.), Festschrift für Karl Michaelis zum 70. Geburtstag am 21. Dezember 1970, 1972, S. 316 (324); W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 146; A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 196; zurückhaltender BVerfGE 115, 97 (114): „Andererseits muss dem Berechtigten ein privater Nutzen bleiben“; ebenfalls einschränkend A. Guckelberger, NVwZ 2016, S. 17 (20); vgl. W. Leisner, Sozialbindung des Eigentums, S. 89; für einen Vorrang der Privatnützigkeit hingegen M. Herdegen, Garantie von Eigentum und Erbrecht, in: P. Badura/H. Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Bd. II, 2001, S. 273 (288). 445 BVerfGE 115, 97 (114); zum Halbteilungsgrundsatz auch H.-J. Papier/F. Shirvani, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 83 April 2018, Art. 14 Rn. 427 und M. Herdegen, Garantie von Eigentum und Erbrecht, in: P. Badura/H. Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Bd. II, 2001, S. 273 (286 ff.); weitergehend jedoch J. Dietlein, Die Eigentumsfreiheit und das Erbrecht, in: K. Stern (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/ 1, 2006, § 113 S. 2247 und W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 152.

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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derung einer völligen Aushöhlung der Privatnützigkeit hinausreicht. Zu einer erheblichen Stärkung der abwehrrechtlichen Dimension der Eigentumsgarantie trägt Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG daher nicht bei, unabhängig von der bereits angesprochenen Unbestimmtheit des Allgemeinwohls. Angesichts der in Art. 14 Abs. 2 GG für den Gesetzgeber erblickten „Definitionsmacht“ hinsichtlich der Sozialbindung des Eigentums446 folgt aus dem Absatz insgesamt eine Absenkung von Regelungs- und Kontrolldichte und hierdurch ebenfalls eine Bestätigung des bereits aus der Stellung des Gesetzgebers im Verfassungsgefüge hergeleiteten Gestaltungsspielraums. d) Aus dem Vergleich zur Enteignung resultierende Bestätigung des Regelungsauftrags Auch bei einem systematischen Vergleich mit der von der Inhalts- und Schrankenbestimmung als Aliud abzugrenzenden447 Enteignung wird der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Schaffung und Beschränkung von Eigentumsrechten nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG bestätigt.448 Dies zeigt sich zum einen darin, dass bei der Enteignung als konkretem Zugriff auf bestehende Eigentumsrechte die Handlungsform des Gesetzgebers und die daraus resultierende Rechtsfolge schärfer konturiert sind, als dies bei der Inhalts- und Schrankenbestimmung gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG der Fall ist. So stellt die Enteignung stets einen hoheitlichen Zugriff auf privates Eigentum dar, der in einer Eigentumsentziehung resultiert.449 Die dem Gesetzgeber im Rahmen der Inhalts- und Schrankenbestimmung offenstehenden Handlungsmöglichkeiten reichen hingegen grundsätzlich von der Schaffung neuer Eigentumsrechte bis zur umfassenden Beschneidung des Eigentumsgebrauchs. Beschränkt werden die Handlungsform und der Anwendungsbereich der Enteignung zudem durch das Erfordernis des bereits angesprochenen ungeschriebenen Merkmals des Güterbeschaffungsvorgangs.450 Exemplarisch für die höhere Regelungs- und Kontrolldichte bei der Enteignung steht auch, dass das Wohl der Allgemeinheit als Tatbestandsmerkmal für die Zulässigkeit der Enteignung nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG enger verstanden wird als im Rahmen des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG.451 So muss bei der Enteignung 446

K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 319. Grundlegend hierzu BVerfGE 58, 300 (330 ff.); vgl. auch die Abgrenzung oben S. 113 f. 448 Hierzu auch BVerfGE 143, 246 (335 ff. Rn. 252). 449 O. Lepsius, Verfassungsrechtlicher Rahmen der Regulierung, in: M. Fehling/ M. Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, § 4 S. 198 folgert auch aus der schärferen individualisierbaren Wirkung der Enteignung eine höhere Kontrolldichte. 450 Vgl. BVerfGE 143, 246 (334 ff. Rn. 248 ff.). 451 E. Grabitz, AöR 98 (1973), S. 568 (598); D. Ehlers, VVDStRL 51, S. 342; A. v. Brünneck, Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, S. 407; kritisch W. Leisner, 447

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

ausdrücklich zugunsten eines konkreten452 Allgemeinwohlbelangs gehandelt werden, die bloße Dienlichkeit aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG ist nicht ausreichend.453 Dementsprechend wird für die Verfassungsmäßigkeit der Enteignung angesichts ihrer Eingriffsschwere ein „Gemeinwohlziel von besonderem Gewicht“ gefordert.454 Letztlich muss gemäß Art. 14 Abs. 3 S. 3 GG auch eine gerecht abgewogene Entschädigung des vormaligen Eigentümers für den Eigentumsentzug vorliegen. Daher bestehen bei der Enteignung im Vergleich zur Inhalts- und Schrankenbestimmung konkretere Vorgaben in Form von justiziablen Tatbestandsmerkmalen455 und damit eine höhere Regelungs- und Kontrolldichte.456 Dies unterstreicht wiederum den bei Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG in der Norm schon angelegten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum, der damit den aus der Funktion des Gesetzgebers im Verfassungsgefüge hergeleiteten Gestaltungsspielraum ebenfalls bestätigt. e) Funktionell-rechtliche Betrachtung des Regelungsauftrags aus Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG Der Regelungsauftrag in Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG ist zudem Ausdruck dafür, dass in der parlamentarischen Demokratie „die Auflösung der Spannungslage zwischen selbstbestimmtem Freiheitswunsch und entgegenstehenden Allgemeinwohlbelangen [. . .] niemand anderem sinnvoller [. . .] überantwortet werden [kann] als dem Gesetzgeber“.457 Das am stärksten ausgeprägte Ausmaß demokratischer Legitimation kann die finale Ausprägung des Gestaltungsspielraums zwar nicht selbstständig begründen, da hierfür weiterhin die aus Art. 14 GG herzuleiSozialbindung des Eigentums, S. 88, der hierbei den Begriff des „öffentlichen Interesses“ verwendet. 452 F. Becker, in: K. Stern/ders., Grundrechte-Kommentar, 3. Aufl. 2019, Art. 14 Rn. 249. 453 BVerfGE 56, 249 (276) – Abweichende Meinung des Richters Böhmer. 454 F. Becker, in: K. Stern/ders., Grundrechte-Kommentar, 3. Aufl. 2019, Art. 14 Rn. 249. 455 Vgl. zu Rechtsschutzfragen bei der Enteignung H.-J. Papier/F. Shirvani, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 83 April 2018, Art. 14 Rn. 748 ff. 456 So auch P. Kirchhof, Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung, in: P. Badura/ R. Scholz (Hrsg.), Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung – Symposion aus Anlass des 70. Geburtstages von Peter Lerche, 1998, S. 5 (19). 457 A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 64; J. Wieland, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 14 Rn. 28; vgl. M. Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 175; dies stellt einen funktionell-rechtlichen Ansatz der Verfassungsinterpretation dar, vgl. G. F. Schuppert, DVBl. 1988, S. 1191 (1195 f.); hierzu auch N. Petersen, Verhältnismäßigkeit als Rationalitätskontrolle, S. 93 f. und M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 209.

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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tenden verfassungsrechtlichen Schranken mitentscheidend sind.458 Indes bildet das Demokratieprinzip einerseits die Grundlage für die Stellung des Gesetzgebers im Verfassungsgefüge und kann andererseits bei der Ermittlung von Regelungs- und Kontrolldichte der Eigentumsgarantie als Gegenstand der Verfassungsinterpretation berücksichtigt werden. Insoweit wird das Demokratieprinzip sogar als „selbstständiger Schrankengrund“ für die Verminderung des Grundrechtsschutzes durch den Gestaltungsspielraum angesehen.459 Die starke Ausprägung der demokratischen Legitimation führt dann dazu, dass beim Gesetzgeber Handlungsspielräume ohne verfassungsgerichtliche Kontrolle im Vergleich zu anderen staatlichen Organen am ehesten hingenommen werden können.460 Dieses Verständnis ist auch insoweit als „freiheitsfreundlich“ anzusehen, als dass der Gesetzgeber im Gegensatz zum Bundesverfassungsgericht durch die Möglichkeit der Abwahl kontrolliert wird.461 3. Einschränkungen des Gestaltungsspielraums durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG Bei Betrachtung der Regelungs- und Kontrolldichte der Vorgaben für Inhaltsund Schrankenbestimmungen zur Herleitung des finalen Umfangs des Gestaltungsspielraums wurden zunächst die Faktoren berücksichtigt, die diesen bestätigen.462 Nunmehr werden die den Gestaltungsspielraum einschränkenden Aspekte beleuchtet. Für die Beschränkungen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums bei der Eigentumsgarantie stellt Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG den verfassungsrechtlichen Ausgangspunkt dar. Die in dieser Vorschrift zusammen mit dem Erbrecht normierte Gewährleistung des Eigentums konstituiert die Eigenschaft der Eigentumsgarantie als Abwehrgrundrecht, bei dessen Beschränkung der Gesetzgeber unter dem Rechtfertigungszwang der Verfassungsmäßigkeit seines Handelns steht. Um diesem Rechtfertigungszwang zu entsprechen, muss er insbe458 Vgl. auch C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 512; die Bedeutung der Legitimation für die Entscheidungsfindung verdeutlichend M. Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 138; zur Abhängigkeit der Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers durch „Schranken-Schranken“ M. Mayer, Untermaß, Übermaß und Wesensgehaltsgarantie, S. 85. 459 J. Riecken, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, S. 464 f. mit Verweis auf R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 2. Aufl. 1994, S. 120, 267 und 427. 460 Vgl. A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 64; vgl. auch M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 209 der fordert, dass „Konkretisierung und Ausdifferenzierung des verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstabs [. . .] nicht den Gestaltungsspielraum beschneiden [darf], der dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber nach der gewaltenteilenden Verfassungsordnung des Grundgesetzes zukommt.“; vgl. G. F. Schuppert, Funktionell-rechtliche Grenzen der Verfassungsinterpretation, S. 27. 461 Hierzu F. Ekardt/F. Valentin, Das neue Energierecht, S. 148; F. Ekardt, NuR 2012, S. 813 (816). 462 S. o. S. 170 ff.

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

sondere die Vorgaben der Institutsgarantie (S. 184 f.) und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (S. 185 ff.) einhalten, die jeweils aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG hergeleitet werden. a) Institutsgarantie463 Durch die Vorgabe der Eigentumsgewährleistung in Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG wird der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers zunächst insoweit beschränkt, als die jeweiligen Eigentumsschranken nicht so stark zu Lasten der Eigentümerinteressen wirken dürfen, dass der verfassungsrechtlich verbürgte Schutz der Eigentümer generell in Frage gestellt werden müsste. Die Begrenzung der Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers folgt daher aus der „grundgesetzliche[n] Anerkennung des privaten Eigentums“.464 Hierdurch entfaltet die Eigentumsgarantie als Institutsgarantie Wirkung465 und verkörpert eine vom Gesetzgeber zu beachtende Mindestgröße bzw. Mindestausprägung des insgesamt bestehenden Eigentumsschutzes. Mithin ist es dem Gesetzgeber im Rahmen der Eigentumsausgestaltung untersagt, etwas „an die Stelle des Privateigentums [zu] setzen [. . .], was den Namen ,Eigentum‘ nicht mehr verdient“.466 Aus dieser Vorgabe resultiert jedoch nicht nur ein ausgestaltungsfester Bereich, sondern auch das Gebot, bei der Eigentumsausgestaltung die Eigentümerinteressen nicht offensichtlich fehlsam ins Verhältnis zu der Vorgabe aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG zu setzen.467 Die Gewährleistung des Eigentums als Institut gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG wirkt sich daher auch auf den Inhalt des sogleich zu betrachtenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aus.468

463 Zur Entwicklung der Institutsgarantie M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 124 f.; eintretend für eine Verzichtbarkeit A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 198 f.; gegen eine Obsoleszenz D. Couzinet, Die Zulässigkeit von Immissionen im anlagenbezogenen Immissionsschutzrecht, S. 75. 464 H. Rittstieg, NJW 1982, S. 721 (723). 465 Zur Institutsgarantie allgemein M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, S. 206 f.; M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 124 ff.; H. Kube, Eigentum an Naturgütern, S. 40 ff.; J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 340 ff.; P. Badura, Eigentum im Verfassungsrecht der Gegenwart, in: Ständige Deputation des deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des neunundvierzigsten deutschen Juristentages, 1972, T 15; J. Wieland, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 14 Rn. 143. 466 BVerfGE 24, 367 (389). 467 J. Dietlein, Die Eigentumsfreiheit und das Erbrecht, in: K. Stern (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 113 S. 2176; vgl. M. Gellermann, Grundrechte im einfachgesetzlichen Gewande, S. 422; hierfür an die Struktur des Art. 14 GG anknüpfend R. Wahl, NVwZ 1984, S. 401 (404 Fn. 28); kritisch A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 200 f. 468 U. Mager, Einrichtungsgarantien, S. 185; J. Dietlein, Die Eigentumsfreiheit und das Erbrecht, in: K. Stern (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 113 S. 2176.

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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Gleichzeitig belässt die Institutsgarantie dem Gesetzgeber einen erheblichen Gestaltungsspielraum.469 Dies zeigt sich schon darin, dass das Bundesverfassungsgericht bislang eine Vielzahl von teils erheblichen Eigentumsbeschränkungen überprüft hat, ohne hierbei einen Verstoß gegen die Institutsgarantie festzustellen.470 Unbenommen bleibt es dem Gesetzgeber daher etwa, den Zugriff auf das Grundwasser aus dem Schutzbereich der Eigentumsgarantie herauszunehmen, indem das Grundwasser nicht zum von Art. 14 GG erfassten Schutzgut des Grundeigentums gezählt wird.471 Weiterhin ist hierbei zu berücksichtigen, dass sich das Bundesverfassungsgericht bei der verfassungsrechtlichen Billigung dieser Neujustierung des Schutzbereichs der Eigentumsgarantie mit dem Schutz des Grundwassers auf ein überragendes Gemeinschaftsgut stützt. Hierdurch wird ersichtlich, dass der Gesetzgeber bei der Abtrennung des Grundwassers vom Grundeigentum die Freiheitsrelevanz des Zugriffs auf das Grundwasser für den Grundeigentümer zwar berücksichtigt hat, diese aufgrund der Bedeutung des Grundwassers für die Allgemeinheit jedoch in verhältnismäßiger Weise zurückstellen konnte. Die Regelungs- und Kontrolldichte des gesetzgeberischen Handelns wird durch die Institutsgarantie dementsprechend einerseits für den Fall erhöht, dass von der spezifischen Eigentumsausgestaltung Gefahren für die Eigentumsgewährleistung insgesamt ausgehen würden. Andererseits entfaltet die Institutsgarantie auch als Abwägungsbelang im sogleich zu betrachtenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Wirkung472 und schränkt insoweit den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers ein. b) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Weiterhin ist bei der Ausgestaltung des Eigentums als wichtigste Begrenzung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit473 zu beachten.474 Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kommt Rechts469 R. Wahl, NVwZ 1984, S. 401 (406); A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 41. 470 A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 197. 471 BVerfGE 58, 300 4. Leitsatz. 472 Vgl. D. Couzinet, Die Zulässigkeit von Immissionen im anlagenbezogenen Immissionsschutzrecht, S. 73 ff. 473 BVerfGE 50, 290 (341); 52, 1 (29 ff.); zu beiden Aspekten A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 40; zur „herrschende[n] Ansicht“ M. Cornils, Die Ausgestaltung der Grundrechte, S. 250; H. Kube, Eigentum an Naturgütern, S. 47 f.; J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 359 ff. 474 D. Ehlers, VVDStRL 51, S. 211 (227); P. Badura, Eigentum im Verfassungsrecht der Gegenwart, in: Ständige Deputation des deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des neunundvierzigsten deutschen Juristentages, 1972, T 18; M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 128; H.-J. Papier, DVBl. 2000, S. 1398 (1401); zur Notwendigkeit entsprechender Grenzen angesichts der Bindung des

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satzform zu,475 sodass dieser im Hinblick auf die für die Kontrollintensität des Bundesverfassungsgerichts entscheidende Regelungsdichte untersucht werden kann.476 Die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums kann nicht ausdrücklich dem Wortlaut des Art. 14 GG entnommen werden,477 sondern wird durch eine Kombination der Absätze 1 und 2 des Art. 14 GG hergeleitet.478 Mithin verkörpert Art. 14 GG eine spezielle Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes,479 der allgemein aus dem Wesen der Grundrechte und dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG hergeleitet wird.480 Als Regelungsinhalt enthält der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz die Unterlassungspflicht des Gesetzgebers bezogen auf unverhältnismäßiges Handeln.481 Um diese auf unverhältnismäßiges Handeln im Rahmen der Eigentumsausgestaltung gerichtete Unterlassungspflicht zu konturieren, wird im Folgenden der Inhalt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Eigentumsgarantie aufgezeigt. So müssen die Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums einen legitimen Zweck verfolgen (S. 187 f.), geeignet und erforderlich (S. 188 ff.) sowie letztlich auch angemessen (S. 191) sein.

Gesetzgebers an die Verfassung gemäß Art. 1 Abs. 3 GG M. Cornils, Die Ausgestaltung der Grundrechte, S. 254; kritisch im Hinblick auf den Erhalt des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums R. Wahl, NVwZ 1984, S. 401 (406 Fn. 43). 475 A. Tischbirek, Die Verhältnismäßigkeitsprüfung, S. 174. 476 So auch hierzu M. Jestaedt, Verhältnismäßigkeit als Verhaltensmaßstab, in: ders./ O. Lepsius, Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 293 (296 f.); vgl. D. Burchardt, Grenzen verfassungsgerichtlicher Erkenntnis, S. 280. 477 H. Dederer, in: W. Kahl/C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 118. Akt. Dez. 2017, Art. 14 Rn. 816; insoweit besteht wiederum ein Unterschied zu Art. 14 Abs. 3 S. 3 GG, der sich ausdrücklich auf eine Abwägung bei Ermittlung der Enteignungs-Entschädigung bezieht. 478 A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 168; M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, S. 209 f.; M. Cornils, Die Ausgestaltung der Grundrechte, S. 281; J. Wieland, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 14. Rn. 145; B.-O. Bryde, in: I. von Münch/P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 6. Aufl. 2012, Art. 14 Rn. 60; jedoch gegen einen spezifisch eigentumsrechtlichen Gehalt O. Depenheuer/ J. Froese, in: H. von Mangoldt/F. Klein/C. Starck u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 7. Aufl. 2018, Art. 14 Rn. 230. 479 A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 100; M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 210. 480 K. Stern, in: ders. (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/2, 1994, § 84 III 5 S. 800 f.; zur allgemeinen Herleitung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 297 ff. 481 C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 297; zur Herleitung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit aus den Grundrechten selbst C. Hillgruber, JZ 2011, S. 861 (862).

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aa) Legitimer Zweck Die jeweilige Inhalts- und Schrankenbestimmung muss die Verfolgung eines legitimen Interesses anstreben.482 Diese Begrenzung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums entspricht der schon betrachteten483 Vorgabe der Allgemeinwohldienlichkeit des Eigentumsgebrauchs aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG.484 Soweit eine Inhalts- und Schrankenbestimmung die Förderung des Allgemeinwohls als „eine abstrakte Idee vom Guten für die menschliche Gemeinschaft“ 485 durch die Eigentumsnutzung anstrebt, ist diese auch als legitim anzusehen. Dementsprechend ist für das Vorliegen eines legitimen Interesses erforderlich, dass die angestrebten Ziele nicht „verfassungsrechtlich [. . .] illegitim“ sind bzw. gegen die Wertordnung des Grundgesetzes verstoßen.486 Die genannte verfassungsrechtliche Illegitimität besteht jedenfalls dann, wenn das Grundgesetz ein Verbot hinsichtlich des in der gesetzlichen Regelung angestrebten Zieles enthält. Konkret bezogen auf die Eigentumsgarantie darf für das Vorliegen eines legitimen Zwecks weiterhin keine Ausrichtung an rein privaten oder fiskalischen Interessen erfolgen.487 Da der Gestaltungsauftrag in Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zudem keinen qualifizierten, spezifische Verfassungsziele erfordernden Gesetzesvorbehalt darstellt,488 bestehen keine Positiv-Vorgaben hinsichtlich des legitimen Zwecks, die über die Notwendigkeit eines dem Wohl der Allgemeinheit dienenden Interesses hinausgehen.489 Insbesondere muss der angestrebte legitime Zweck nicht zwingend auf die Verwirklichung eines Zieles von Verfassungsrang gerichtet sein.490 Die aus der geringen Anzahl an Beschränkungen bei der Verfolgung eines legitimen Zwecks resultierende weitgehende freie491 Bestimmung des Eingriffs-

482 H. Dederer, in: W. Kahl/C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 118. Akt. Dez. 2017, Art. 14 Rn. 838; zum Zwecksetzungsermessen des Gesetzgebers K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 881 ff.; siehe auch S. Seedorf, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Gesetzgebung, in: M. Jestaedt/ O. Lepsius (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 129 (140). 483 S. o. S. 26 f. und S. 177 ff. 484 A. Gornik, Die Bindung der Betreiber öffentlicher Räume an die Kommunikationsgrundrechte, S. 291. 485 D. Riedel, Eigentum, Enteignung und das Wohl der Allgemeinheit, S. 168. 486 C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 311; E. Grabitz, AöR 98 (1973), S. 568 (603). 487 S. o. S. 177 ff. 488 D. Riedel, Eigentum, Enteignung und das Allgemeinwohl, S. 30 mit Verweis auf einen „einheitlichen Gesetzesvorbehalt [. . .] zugunsten des Allgemeinwohls“. 489 Vgl. C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 311; siehe auch G. Britz, Jura 2015, S. 319 (322). 490 S. o. S. 104. 491 Vgl. B. Schlink, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, in: P. Badura/H. Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht. Bd. II, 2001, S. 445 (450), der sogar für eine Vermutung der „Rechtmäßigkeit“ des verfolgten Zwecks eintritt.

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zwecks ermöglicht mithin eine Schwächung der Wirkung des Übermaßverbots.492 Dies ergibt sich daraus, dass die weiteren Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durch eine großzügige Zweckbestimmung leichter erfüllt werden können.493 So führt ein weit gefasster Allgemeinwohlbelang dazu, dass dieser verschiedene gewichtige Interessen erfassen und damit nur in eingeschränkterem Ausmaß von den Eigentümerinteressen überwogen werden kann. Insoweit bildet die Auswahl des legitimen Zwecks den Ausgangspunkt für die Bestimmung des sich aus dem jeweiligen Sachbereich ergebenden494 Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers.495 Abschließend kann daher festgestellt werden, dass die Regelungs- und Kontrolldichte von Inhalts- und Schrankenbestimmungen bezogen auf ausdrückliche Handlungsverbote im Grundgesetz zwar erhöht und der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum hierdurch beschränkt wird. Jenseits dieser Ausnahmefälle bleibt der aus der Stellung des Gesetzgebers hergeleitete Gestaltungsspielraum im Regelfall jedoch erhalten und wird durch die aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgende Vorgabe des erforderlichen legitimen Zwecks seines Handelns nicht beschränkt. bb) Eignung und Erforderlichkeit Die jeweils in Rede stehende Inhalts- und Schrankenbestimmung muss weiterhin den angestrebten Zweck fördern, damit sie der dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspringenden Vorgabe der Geeignetheit entspricht. Von einer derartigen Förderung kann jedoch nur dann nicht gesprochen werden, wenn die zugrundeliegenden Maßnahmen zur Erreichung des angestrebten Zwecks völlig ungeeignet sind.496 Weiterhin ist zu beachten, dass hinsichtlich der aus der Inhalts- und Schrankenbestimmung resultierenden Beeinträchtigung der Eigen-

492 C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 311; E. Grabitz, AöR 98 (1973), S. 568 (598); dagegen B. Schlink, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, in: P. Badura/H. Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht. Bd. II, 2001, S. 445 (450). 493 Vgl. S. Kluckert, JuS 2015, S. 116 (118): „Der Gesetzgeber kann somit zu einem gewissen Teil eine Determinante selbst bestimmen, die im Rahmen der Verhältnismäßigkeit für die Überprüfung seiner Maßnahme eine Rolle spielt.“; O. Lepsius, Die Chancen und Grenzen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, in: M. Jestaedt/ders. (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 1 (38) erkennt diese Gefahr jedoch ebenso als vom Bundesverfassungsgericht ausgehend; zur Wirkung auch J. Buchheim, Angemessenheit als prozedurales Kriterium?, in: M. Jestaedt/O. Lepsius (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 77 (88). 494 Siehe hierzu unten S. 217 ff. 495 C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 319; vgl. auch C. Engel, AöR 118 (1993), S. 169 (230). 496 M. Mayer, Untermaß, Übermaß und Wesensgehaltsgarantie, S. 165; vgl. auch A. Tischbirek, Die Verhältnismäßigkeitsprüfung, S. 188 mit dem Hinweis, dass „nur irgendeine Förderung des Zwecks“ erwartet werden müsse.

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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tümerinteressen keine gleich geeigneten milderen Mittel zur Verfügung stehen dürfen, um die Vorgabe der Erforderlichkeit zu erfüllen.497 Bei Betrachtung der unterschiedlichen Bezugspunkte des Gestaltungsspielraums wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Vorgaben der Eignung und Erforderlichkeit von Inhalts- und Schrankenbestimmungen die Regelungs- und Kontrolldichte des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG im Ergebnis nur eingeschränkt erhöhen können.498 Diese eingeschränkte Erhöhung von Regelungs- und Kontrolldichte ist darauf zurückzuführen, dass die beiden Vorgaben erheblich durch tatsächliche Umstände geprägt sind. Da das Bundesverfassungsgericht keine Tatsacheninstanz darstellt,499 räumt es dem Gesetzgeber bei der Bewertung der Vorgaben der Eignung und der Erforderlichkeit eine Einschätzungsprärogative hinsichtlich der Bewertung dieser tatsächlichen Umstände ein.500 Hierdurch wird der Prüfung der Geeignetheit auch ein „empirisch-analytische[r] Charakter“ zugesprochen, sodass eine Übertragung in rechtliche Maßstäbe schwer zu realisieren ist.501 Vielmehr ist für die Überprüfung der Geeignetheit und der Erforderlichkeit im Wesentlichen die Vornahme einer Tatsachenanalyse entscheidend.502 Die Prägung der Verfassungsnormen durch die tatsächlichen Umstände des betroffenen Sachbereichs verkürzt auch den Bereich der rechtlichen Kontrollmöglichkeit insoweit, als dass Zweifel hinsichtlich der tatsächlichen Effektivität der Förderung bzw. des Fehlens eines gleich effektiven, milderen Mittels hinzunehmen und für das Bundesverfassungsgericht nicht justiziabel sind.503 Folgerichtig ist daher auch,

497 P. Axer, in: V. Epping/C. Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Onlinekommentar, 49. Ed. Stand 15.11.2021, Art. 14 Rn. 89; für den Erhalt der Erforderlichkeitsprüfung mit Verweis auf BVerfGE 100, 226 (242); M. Cornils, Die Ausgestaltung der Grundrechte, S. 284 und S. 295. 498 S. 166 ff. 499 O. Lepsius, Die Chancen und Grenzen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, in: M. Jestaedt/ders. (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 1 (33). 500 Vgl. M. Wrase, Zwischen Norm und sozialer Wirklichkeit, S. 379 zur Erforderlichkeit bei Einschätzungs- und Prognoseentscheidungen; A. Tischbirek, Die Verhältnismäßigkeitsprüfung, S. 188 f.; K. Arnold, Die grundrechtliche Schutzbereichsbegrenzung, S. 223; zum Erfordernis einer Prognose bei Eignung und Erforderlichkeit B. Schlink, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, in: P. Badura/H. Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht. Bd. II, 2001, S. 445 (456); O. Lepsius, Die Chancen und Grenzen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, in: M. Jestaedt/ders. (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 1 (14); umfassend M. Raabe, Grundrechte und Erkenntnis, S. 332 f. 501 C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 322. 502 R. Wendt, AöR 104 (1979), S. 414 (449). 503 Instruktiv hierzu BVerfGE 50, 290 (332 ff.); vgl. auch K. Arnold, Die grundrechtliche Schutzbereichsbegrenzung, S. 35 f.: „Ausgestaltende Gesetze müssen daher – abgesehen vom weitergehenden Spielraum im Rahmen der Beurteilung der Geeignetheit und der Erforderlichkeit – denselben Anforderungen an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung genügen wie eingreifende Gesetze.“

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

dass der Gesetzgeber grundsätzlich keine Garantie für die Eignung zur Zweckerreichung darlegen muss.504 Soweit die in Rede stehenden Tatsachen jedoch unstreitig sind, was u. a. nach einer Erprobungsphase der betroffenen Inhalts- und Schrankenbestimmung der Fall sein kann, stellen die Eignung und Erforderlichkeit rechtlich kontrollfähige Vorgaben dar, die für die konkrete Ausgestaltung der Eigentumsrechte entscheidend sind. Insbesondere das zulässige Ausmaß der Einschränkungsintensität wird durch den der rechtlichen Kontrolle zugänglichen Vergleich mit milderen Mitteln im Rahmen der Prüfung der Erforderlichkeit geprägt. Die Bedeutung der rechtlichen Vorgaben im Rahmen der Erforderlichkeit zeigt sich ferner darin, dass diese insbesondere aufgrund der wertenden Elemente505 in die Nähe der Abwägung gerückt wird.506 Auch wenn die Vorgaben der Eignung und Erforderlichkeit durch tatsächliche Fragestellungen und damit empirische Unsicherheiten geprägt sein können, muss sich der Gesetzgeber schon im Zeitpunkt der Ausgestaltung der Inhalts- und Schrankenbestimmung über den Umfang seines Gestaltungsspielraums im Klaren sein.507 Dieses Bedürfnis führt dann dazu, dass insbesondere im Rahmen der Normenkontrolle die Unsicherheit über die Tatsachen im Verhältnis von Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht zugunsten des Gesetzgebers wirkt und die Vorgaben der Geeignetheit und Erforderlichkeit nur eingeschränkt überprüfbar sind. Schließlich entfaltet der Regelungsgehalt rechtlicher Vorgaben keine Wirkung, wenn diese mangels feststehender Tatsachen nicht angewendet werden können. Insoweit liegt zwar ein Regelungsgehalt der betroffenen Normen vor, dem aber keine Konsequenzen für den Umfang des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums zukommen. Für die Frage, inwieweit eine Wirkkraft von verfassungsrechtlichen Grenzen gegenüber dem gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie besteht, kommt es daher entscheidend auf die primär normativ geprägte und im Folgenden betrachtete Vorgabe der Angemessenheit staatlicher Eingriffe an.508

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C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 320. M. Mayer, Untermaß, Übermaß und Wesensgehaltsgarantie, S. 166 f. 506 A. Tischbirek, Die Verhältnismäßigkeitsprüfung, S. 189 f.; hierzu auch B. Schlink, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, in: P. Badura/H. Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht. Bd. II, 2001, S. 445 (453), der jedoch im Folgenden (S. 456 ff.) auf die Verzichtbarkeit der Wertung bei der Erforderlichkeitsprüfung hinweist. 507 C. Hillgruber, JZ 2011, S. 861 (863) bezweifelt diese Möglichkeit. 508 Vgl. C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 344; so auch C. Hillgruber, JZ 2011, S. 861 (862). 505

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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cc) Angemessenheit Im Rahmen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist letztlich vom Gesetzgeber die Angemessenheit der Eigentumsausgestaltung zu beachten.509 Hierbei sind durch den Gesetzgeber die „grundsätzliche Anerkennung des Privateigentums durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG einerseits und die Sozialpflichtigkeit (Art. 14 Abs. 2 GG) andererseits zu berücksichtigen und in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander zu bringen“.510 Die normative Anknüpfung dieser Vorgaben ist damit Art. 14 GG selbst,511 ergänzend aber auch das Rechtsstaatsprinzip sowie das Wesen der Grundrechte insgesamt, die grundsätzlich das normative Fundament des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bilden.512 Für den Fall der Nichtbeachtung der Vorgabe der Herstellung eines ausgewogenen Verhältnisses hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Lüth-Urteil festgehalten, dass „[e]ine unrichtige Abwägung [. . .] das [betroffene] Grundrecht verletzen kann“.513 Im Folgenden wird der Regelungsgehalt der Vorgabe der Angemessenheit aufgezeigt (S. 192 ff.), die gleichzeitig bestehende Wechselwirkung dieses Regelungsgehalts mit dem gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum untersucht (S. 197 ff.), der Abwägungsinhalt bei der Eigentumsausgestaltung dargestellt (S. 200 ff.) und letztlich die Be509 Kritisch zu dieser Anforderung B. Schlink, Abwägung im Verfassungsrecht, passim; C. Hillgruber, JZ 2011, S. 861 (862); K. Arnold, Die grundrechtliche Schutzbereichsbegrenzung, S. 220 ff. 510 BVerfGE 25, 112 (117 f.); 37, 132 (140); 50, 290 (340); 52, 1 (29); 58, 137 (147 f.); 58, 300 (335); 70, 191 (200); 79, 174 (198); 81, 208 (220); 83, 201 (208); bei Vorliegen eines Eingriffs darf dieser nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache stehen, BVerfG NJW 1986, S. 1603; anknüpfend an den Eingriff H. Dederer, in: W. Kahl/C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 118. Akt. Dez. 2017, Art. 14 Rn. 835; P. Axer, in: V. Epping/C. Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Onlinekommentar, 49. Ed. Stand 15.11.2021, Art. 14 Rn. 89; H.-J. Papier/ F. Shirvani, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 83 April 2018, Art. 14 Rn. 424; der eigentumsgrundrechtliche Ausgangspunkt führt nach M. Cornils, Die Ausgestaltung der Grundrechte, S. 295 nicht zu einer Höherbewertung gegenüber anderen Gütern; von A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 101 wird dieses Erfordernis als Abwägungsgebot bezeichnet; bezogen auf Inhaltsbestimmungen: M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 213. 511 A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 101; vgl. G. F. Schuppert/C. Bumke, Die Konstitutionalisierung der Rechtsordnung, S. 43, die aus den Vorgaben eine Festlegung der Abwägungsstruktur folgern. 512 Vgl. zur allgemeinen Herleitung J. Buchheim, Angemessenheit als prozedurales Kriterium?, in: M. Jestaedt/O. Lepsius (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 77 (88 ff.), der jedoch die Frage nach der normativen Anknüpfung der Angemessenheit selbst offen lässt und auf die ständige verfassungsgerichtliche Praxis verweist; ebenfalls mit Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts K. Stern, in: ders. (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/2, 1994, § 84 IV 3, S. 817 f. 513 BVerfGE 7, 198 (212); zu den Hintergründen der Entscheidung N. Petersen, Verhältnismäßigkeit als Rationalitätskontrolle, S. 146; F. Ossenbühl, DVBl. 1995, S. 904 (905).

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deutung des Angemessenheitserfordernisses für die Eigentümerinteressen unterstrichen (S. 208 ff.). (1) Regelungsinhalt des Angemessenheitserfordernisses Von einer gegen das Angemessenheitserfordernis verstoßenden unrichtigen Abwägung ist jedenfalls dann auszugehen, wenn „ein Belang evident zu einseitig zugunsten anderer Belange zurückgestellt“ wird514 oder wenn am Ende der Abwägung ein grobes Missverhältnis zwischen der Entfaltung von Privatnützigkeit und Sozialbindung besteht.515 Anhand dieser einleitenden, negativ formulierten Vorgabe wird schon deutlich, dass ein normativer Rechtsbefehl,516 aus dem der positive Inhalt einer angemessenen Abwägungsentscheidung hergeleitet werden kann, nicht besteht.517 Ebenso ist auch die auf eine Norm gestützte positive Feststellung der Einhaltung der Angemessenheit durch das Bundesverfassungsgericht nicht möglich. Insoweit entnimmt das Bundesverfassungsgericht dem Verhältnismäßigkeitsprinzip die Vorgabe, dass „[b]ei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe [. . .] die Grenze des Zumutbaren gewahrt bleiben“ muss.518 Dadurch dass das Bundesverfassungsgericht das Eingriffskriterium bei der Beurteilung hervorhebt, lässt sich die Frage nach der Angemessenheit einer Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zudem nicht abstrakt beantworten. Vielmehr bedarf es der Betrachtung der konkret von der Eigentumsausgestaltung betroffenen Eigentümer- und Allgemeinwohlinteressen einschließlich des Ausmaßes ihrer Betroffenheit.519 Weiterhin führt das Bundesverfassungsgericht im Kontext der Eigentumsgarantie aus, dass Wertungen und Erwägungen des Gesetzgebers nicht „offensichtlich fehlsam [sein] oder der Wertordnung des Grundgesetzes widersprechen“ dürf514 F. Eckardt/F. Valentin, Das neue Energierecht, S. 149; vgl. auch H.-P. Schneider, NJW 1980, S. 2103 (2108). 515 Vgl. P. Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, 2. Aufl. 1999, S. 348. 516 Zur Auswirkung der Formulierung auf die Nachprüfungskompetenz des Gerichts L. Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 96. 517 BVerfGE 92, 277 (327); M. Sachs, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, 8. Aufl. 2018, Art. 20 Rn. 156; vgl. L. Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 77; spezifisch zu Art. 14 GG W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 159 ff.; zur Problematik der Identifizierung eines geeigneten Abwägungsmaßstabs C. Sellmann, Nutzungsbeschränkungen zugunsten der Umwelt und eigentumsrechtlich gebotener Ausgleich, S. 116 ff. 518 BVerfGE 113, 167 (260); M. Sachs, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, 9. Aufl. 2021, Art. 20 Rn. 154; zur Zumutbarkeit R. Albrecht, Zumutbarkeit als Verfassungsmaßstab, passim; L. Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 97 ff. 519 A. Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 276; vgl. C. Sellmann, Nutzungsbeschränkungen zugunsten der Umwelt und eigentumsrechtlich gebotener Ausgleich, S. 121.

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ten.520 Ebenfalls dürfe keiner der abzuwägenden Faktoren „über Gebühr verkürzt werden“.521 Durch diese Formulierungen trägt das Bundesverfassungsgericht wiederum der soeben aufgezeigten Maßgabe Rechnung, dass das Grundgesetz keine normative Orientierung für die positive Feststellung der Angemessenheit bietet. Dementsprechend sind bis zur Grenze der offensichtlichen Fehlsamkeit die Wertungen des Gesetzgebers zu respektieren,522 da unterhalb dieser Schwelle der Regelungsgehalt der Angemessenheit nicht berührt ist. Plakativ erblickt auch R. Breuer in der Abwägung nur einen oberflächlichen Kontrollmaßstab. So nimmt er eine verfassungswidrige Abwägung dann an, wenn das Abwägungsergebnis die Privatnützigkeit oder die Sozialbindung in „normative Schwindsucht oder rechtstatsächliche Ineffizienz verfallen ließe“.523 Vor dem Hintergrund dieser Konkretisierungen der Kontrollmöglichkeit des Angemessenheitserfordernisses wird daher als Anforderung für die Angemessenheit vorliegend zugrunde gelegt, dass die Abwägung durch den Gesetzgeber bei der Eigentumsausgestaltung nicht offensichtlich fehlsam verläuft. Das zur Gewährleistung der Angemessenheit der Inhalts- und Schrankenbestimmung zu beachtende Gebot der gerechten bzw. nicht ungerechten Abwägung als Grenze „legislatorischer Gestaltungsfreiheit im Grundrechtsbereich“ 524 bezieht sich weiterhin sowohl auf den Vorgang des Abwägens, als auch auf den Inhalt der getroffenen Abwägungsentscheidung.525 Hierbei ist zunächst erforderlich, dass „beide [abzuwägenden] Seiten und ihre gegenseitige Beeinflussung erfasst“ 526 und im nächsten Schritt „beide Seiten richtig ins Verhältnis“ gebracht werden.527 Hierbei ist ein „angemessener Ausgleich zwischen dem Eingriffsge520 BVerfGE 24, 367 (406); C. Simons, Grundrechte und Gestaltungsspielraum, S. 118. 521 BVerfGE 50, 290 (340). 522 Vgl. J. R. Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 343. 523 R. Breuer, NuR 1996, S. 537 (545); ähnlich M. Jaschinski, Der Fortbestand des Eingriffs aus enteignendem Eingriff, S. 150. 524 H.-J. Papier/F. Shirvani, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 83 April 2018, Art. 14 Rn. 428; H.-J. Papier, DVBl. 2000, S. 1398 (1401). 525 H.-J. Papier/F. Shirvani, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 83 April 2018, Art. 14 Rn. 428; zur Prüfung der Angemessenheit H. Dederer, in: W. Kahl/C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 118. Akt. Dez. 2017, Art. 14 Rn. 842 ff.; kritisch zur Abwägung auch W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 159 ff.; gegen eine Überprüfung des Abwägungsvorgangs J. R. Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 348. 526 Hierzu A. Wieckhorst, Grundrechtsschutz durch Legislativverfahren, S. 373 ff. 527 J. Buchheim, Angemessenheit als prozedurales Kriterium?, in: M. Jestaedt/ O. Lepsius (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 77 (90); A. Wieckhorst, Grundrechtsschutz durch Legislativverfahren, S. 298 f. und 380 ff.; O. Lepsius, Die Chancen und Grenzen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, in: M. Jestaedt/ders. (Hrsg.), Ver-

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wicht der Regelung und dem verfolgten gesetzgeberischen Ziel, zwischen Individual- und Allgemeininteresse herzustellen“.528 Diese Maßgabe findet sich insoweit in Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG wieder,529 als dass für einen gleichzeitigen privatnützigen und allgemeinwohldienlichen Eigentumsgebrauch grundsätzlich kein vollständiges Überwiegen eines der beiden Interessenlager vorliegen darf. Mithin muss der Gesetzgeber bei der Eigentumsausgestaltung eine „einseitige Bevorzugung oder Benachteiligung“ 530 der sich im Rahmen der Ausgestaltung der Eigentumsgarantie gegenüberstehenden Belange verhindern. Eine derartige einseitige Bevorzugung zugunsten der Allgemeinheit hat das Bundesverfassungsgericht etwa in der Beschränkung der Kündigungsrechte von Kleingarten-Verpächtern in der bereits betrachteten Kleingartenentscheidung erkannt. Dort wurde „das Interesse des Pächters an der Erhaltung des vorwiegend ideellen Bedürfnissen dienenden Kleingartens“ in einseitiger Weise gegenüber den Interessen der Eigentümer geschützt.531 Die Forderung, allen betroffenen Werten in der Gesamtschau bestenfalls zu einer optimalen Wirksamkeit zu verhelfen,532 geht indes über das Verbot einer offensichtlich fehlsamen Abwägung hinaus. Obgleich die am Ende dieser Zielvorgabe stehende „praktische Konkordanz“ bzw. der angestrebte „schonendste Ausgleich“ 533 hochwertige Ziele darstellen, wird hierdurch die Abwägungsentscheidung auf einen Bereich gerichtet, der über den Regelungsgehalt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hinausgeht.534 Jedenfalls kann die praktische Konkor-

hältnismäßigkeit, 2015, S. 1 (23) mahnt indes an „bei der Gewichtung der materiellen Rechtsgüter keine Kompetenzkompetenz zu beanspruchen“. 528 BVerfGE 133, 277 (322); S. Kluckert, JuS 2015, S. 116 (117). 529 Vgl. M. Heintzen, DVBl. 2004, S. 721 (725) als Anknüpfung für eine Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. 530 BVerfGE 37, 132 (141); H.-J. Papier, DVBl. 2000, S. 1398 (1401); kritisch auch W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 156. 531 BVerfGE 52, 1 (36). 532 K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rn. 318; D. Bruch, Umweltpflichtigkeit der grundrechtlichen Schutzbereiche, S. 80; A. Wieckhorst, Grundrechtsschutz durch Legislativverfahren, S. 306; kritisch C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 274 ff. und 335; vgl. O. Lepsius, Die Chancen und Grenzen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, in: M. Jestaedt/ders. (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 1 (23) mit dem Verweis auf die „durch praktische Konkordanz aufzulösende [. . .] Konfliktlage“; relativierend K. Stern, in: ders. (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/2, 1994 § 84 IV 7, S. 835. 533 Hierzu H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Vorb. Rn. 149; im Rahmen des Art. 14 GG J. Dietlein, Die Eigentumsfreiheit und das Erbrecht, in: K. Stern (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 113 S. 2248. 534 Vgl. O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft im öffentlichen Recht, S. 377 und M. Wrase, Zwischen Norm und sozialer Wirklichkeit, S. 313; vgl. auch M. Gellermann,

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danz „nicht uneingeschränkt an einem anspruchsvollen verfassungsrechtlichen Objektivitätsanspruch gemessen werden“.535 Denn jenseits des Verbots einer offensichtlich fehlsamen Abwägung führt die Vorgabe der Angemessenheit nicht zu der Verpflichtung, ein Gesetz in einer einzig „richtige[n], verfassungsgerichtlich kontrollfähige[n]“ Form zu erlassen.536 Schließlich vollzieht der Gesetzgeber nicht lediglich bereits feststehende, vom Grundgesetz abschließend getroffene537 Wertungen nach, sondern trifft eine eigene Entscheidung.538 Eine derartige eigene Entscheidung ist jedoch nur möglich, wenn dem Gesetzgeber grundsätzlich auch verschiedene verfassungsrechtlich zulässige Alternativen zur Verfügung stehen. Weiterhin unterstreichen die soeben dargelegten, zur Konkretisierung der Angemessenheitsanforderungen genutzten Begriffe wie „evident“, „grobes Missverhältnis“ oder „offensichtlich“, dass das Bundesverfassungsgericht bei der Beurteilung der Angemessenheit eine zurückhaltende, dem aufgezeigten EvidenzKontrollmaßstab539 entsprechende Perspektive einnimmt.540 Mangels der bereits angesprochenen ausdrücklichen normativen Vorgaben, wie eine Abwägung durch den Gesetzgeber auf Verfassungsebene erfolgen und ausgehen muss,541 sehen Regelungs- und Kontrolldichte der Angemessenheitsvorgabe lediglich die Kontrolle der eindeutigen Überschreitung von Abwägungsgrenzen vor. Auch soweit das Bundesverfassungsgericht eine eigene Abwägung durchführt,542 dient dies der Überprüfung der durch den Gesetzgeber vorgenommenen „normativen EinGrundrechte im einfachgesetzlichen Gewande, S. 359; für einen Bewertungsspielraum C. Hillgruber, JZ 2011, S. 861 (862). 535 K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 905; siehe zur Verringerung des Gestaltungsspielraums durch das Erfordernis der praktischen Konkordanz C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 346. 536 A. Wieckhorst, Grundrechtsschutz durch Legislativverfahren, S. 314; C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 345; G. F. Schuppert/C. Bumke, Die Konstitutionalisierung der Rechtsordnung, S. 41; konkret bezogen auf Art. 14 GG M. Jaschinski, Der Fortbestand des Anspruchs aus enteignendem Eingriff, S. 149; vgl. F. Ekardt, Theorie der Nachhaltigkeit, 3. Aufl. 2021, S. 381. 537 M. Mayer, Untermaß, Übermaß und Wesensgehaltsgarantie, S. 170; vgl. auch B. Schlink, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, in: P. Badura/H. Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht. Bd. II, 2001, S. 445 (462). 538 C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 334 und 345; hier auch eingehend M. Mayer, Untermaß, Übermaß und Wesensgehaltsgarantie, S. 167 ff.; G. F. Schuppert/C. Bumke, Die Konstitutionalisierung der Rechtsordnung, S. 46. 539 S. o. S. 153 f. 540 So auch T. Reuter, Jura 2009, S. 511 (514); M. Sachs, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, 9. Aufl. 2021, Art. 20 Rn. 157 sieht in dieser Beschränkung eine Milderung des maßstäblichen Defizits; zur Abwägungskontrolle bei der Eigentumsgarantie anhand von Prinzipienmodellen J. R. Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 345 ff.; kritisch J. Riecken, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, S. 400. 541 Vgl. C. Gusy, Parlamentarischer Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht, S. 73 f. 542 Siehe nur BVerfGE 143, 246 (354 Rn. 305).

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

schätzung“ 543 auf die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Grenzen. In eine gesetzgeberähnliche, die Wertungen des Gesetzgebers ersetzende544 Stellung begibt sich das Bundesverfassungsgericht hierdurch jedoch nicht, sondern vollzieht mit der Abwägung lediglich einen Aspekt der gesetzgeberischen Eigentumsausgestaltung nach. Entsprechend der aufgezeigten Akzessorietät zwischen der Regelungsdichte der Vorgaben an den Gesetzgeber und der möglichen Kontrolldichte des Bundesverfassungsgerichts545 folgt aus der Gegenüberstellung von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG und Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG, dass eine Abwägung erfolgen muss, die in ihrem Vorgang und ihrem Ergebnis nicht als offensichtlich fehlsam anzusehen ist. Weiter reichen die Vorgaben des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und damit auch die Kontrollmöglichkeit des Bundesverfassungsgerichts nicht. In dem Bereich außerhalb einer offensichtlich fehlsamen Abwägung und damit innerhalb des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers hat das Bundesverfassungsgericht „die vom Gesetzgeber getroffene Zuordnung der Interessen hinzunehmen“.546 Ebenfalls für eine gegenüber einer vollen inhaltlichen Prüfung abgeschwächte Kontrolle tritt die Bundesverfassungsrichterin G. Britz ein, die die Überprüfung der Gewichtung der betroffenen Rechtsgüter im Hinblick auf ihre Vertretbarkeit für geboten erachtet.547 Insoweit erfolgt eine Orientierung am bereits aufgezeigten Prüfungsmaßstab der Vertretbarkeitskontrolle.548 Dieser Ansatz entspricht zudem der gleichermaßen bereits angesprochenen geringen Regelungsdichte der Angemessenheitsvorgabe, da eine vollständige inhaltliche Kontrolle voraussetzen würde, dass die Verfassung detaillierte inhaltliche Vorgaben bezogen auf den Abwägungsvorgang und das Abwägungsergebnis enthält. Inhaltlich trägt das Bundesverfassungsgericht diesem Ausmaß von Regelungs- und Kontrolldichte dadurch Rechnung, dass es statt schwerpunktmäßig gesetzgeberische Wertentscheidungen zu korrigieren, vornehmlich die Zuordnung finanzieller Lasten für öffentliche Maßnahmen anpasst, Konsistenzerwägungen anstellt sowie die Passgenauigkeit zwischen Maßnahmen und Ziel und den Ausgleich von Härtefällen überprüft.549 543

N. Petersen, Verhältnismäßigkeit als Rationalitätskontrolle, S. 97. M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 209; vgl. auch E. Hofmann, Abwägung im Recht, S. 478. 545 S. o. S. 130; für die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Eigentumsgarantie bejahend auch J. R. Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 362. 546 H. Dederer, in: W. Kahl/C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 118. Akt. Dez. 2017, Art. 14 Rn. 850. 547 G. Britz, Jura 2015, S. 319 (322); so auch C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 592. 548 Zur Vertretbarkeitskontrolle s. o. S. 155 f. 549 Zusammenfassend N. Petersen, Verhältnismäßigkeit als Rationalitätskontrolle, S. 161 ff. 544

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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(2) Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei Beachtung der Angemessenheit Auch hinsichtlich der Schutzwirkung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes liegt ein durch die Anwendbarkeit der abgeschwächten Kontrollstufe verkörperter Spielraum des Gesetzgebers vor, der auf strukturellen Gründen550 in Gestalt des Wesens der Abwägung beruht.551 Schließlich bietet der Regelungsgehalt der Abwägung keinen subsumtionsfähigen und damit der gerichtlichen Kontrolle leicht zugänglichen Anknüpfungspunkt.552 Die Grenze des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums ergibt sich vielmehr aus dem Verbot, bei der „Gegenüberstellung von Zweck und Mittel“ 553 eine die Vorgaben der Verfassung offensichtlich missachtende Gewichtung vorzunehmen.554 Dementsprechend sind im Rahmen der Abwägung bezogen auf das auszugestaltende Verhältnis der gegenüberstehenden Belange regelmäßig „mehrere Ergebnisse rational vertretbar“.555 Dies ist insbesondere der Fall, wenn „Eingriffsintensität und Wichtigkeit des verfolgten Zwecks auf derselben Stufe“ zu gewichten sind.556 Erschwert wird die Abwägung sowie deren Kontrolle auch dadurch, dass bei gegenüberstehenden 550 In diese Richtung auch G. F. Schuppert, DVBl. 1988, S. 1191 (1194) und H. Dederer, in: W. Kahl/C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 118. Akt. Dez. 2017, Art. 14 Rn. 850; M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 210; R. Breuer, NuR 1996, S. 537 (545) weist um die „Weite der gesetzgeberischen Gestaltungsbefugnis“ zu verdeutlichen darauf hin, dass diese lediglich die Verwirklichung von Instituts- und Grundrechtsgarantie sowie der Sozialpflichtigkeit in der Gestalt erfordere, „daß jeweils der eine den anderen mäßigt, aber nicht aufhebt“. 551 A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 41; M. Mayer, Untermaß, Übermaß und Wesensgehaltsgarantie, S. 171 erachtet sogar die Möglichkeit einer „verfassungsunmittelbare[n] Feststellung eines Missverhältnisses von Zweck und Mittel [für] nicht möglich“; vgl. auch M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 209. 552 Vgl. A. Wieckhorst, Grundrechtsschutz durch Legislativverfahren, S. 285; S. Seedorf, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Gesetzgebung, in: M. Jestaedt/ O. Lepsius (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 129 (135); zur Abgrenzung von Subsumtion und Abwägung A. Tischbirek, Die Verhältnismäßigkeitsprüfung, S. 181 ff.; B. Schlink, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, in: P. Badura/H. Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht. Bd. II, 2001, S. 462 bestreitet, dass die Verhältnismäßigkeitskontrolle eine bewertende Kontrolle darstelle; eingehend F. Ossenbühl, DVBl. 1995, S. 904 (905). 553 S. Seedorf, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Gesetzgebung, in: M. Jestaedt/O. Lepsius (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 129 (135). 554 Vgl. G. F. Schuppert/C. Bumke, Die Konstitutionalisierung der Rechtsordnung, S. 42, die von einem unangemessenen Ausgleich dann ausgehen, „wenn eines der beiden Prinzipien in nicht zu rechtfertigender Weise außer Acht gelassen wurde“. 555 J. Riecken, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, S. 439; konkret zu Art. 14 GG G. F. Schuppert/C. Bumke, Die Konstitutionalisierung der Rechtsordnung, S. 41 f.; G. F. Schuppert, Funktionell-rechtliche Grenzen der Verfassungsinterpretation, S. 43; vgl. auch R. Wendt, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 9. Aufl. 2021, Art. 14 Rn. 83. 556 M. Klatt/M. Meister, JuS 2014, S. 193 (197).

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

Verfassungsgütern auf keine allgemeine „Wertrangordnung“ der Verfassungsgüter zurückgegriffen werden kann.557 Folglich bleibt dem Bundesverfassungsgericht bei der Kontrolle der gesetzgeberischen Abwägung eine Orientierung anhand einer abstrakten Wertehierarchie verwehrt.558 Mithin kann etwa bei der Kollision von Freiheitsgrundrechten kein abstrakter Vorrang einer der beiden Abwägungsbelange festgestellt werden.559 Hinzu tritt die Annahme einer Inkommensurabilität der abzuwägenden Verfassungsgüter auf abstrakter Ebene.560 Hieraus folgt freilich nicht, dass die Verfassung gänzlich als Orientierungspunkt für die Überprüfung der Abwägung ausscheiden würde. So lassen sich insbesondere vor dem Hintergrund der Ausprägung der Verfassungsgüter im jeweiligen Einzelfall „Rangaussagen [. . .] in bezug auf jede Einzelfallentscheidung treffen“.561 Bezogen auf die Eigentumsgarantie ist hier entscheidend, welche Wertungen zu den durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG und Art. 14 Abs. 2 GG geschützten Interessen herangezogen werden können und in welchem Ausmaß diese im konkret betrachteten Fall ausgeprägt sind. Im Folgenden ist daher von besonderem Interesse, inwieweit der Hinweis auf den sozialen Bezug eines Eigentumsgegenstandes einen Rückgriff auf hinter Art. 14 GG stehende Wertungen darstellt.562 Mithin kann in Ansehung des Prüfprogramms der Angemessenheit von einem „verfassungsrechtlich dirigierten, aber nur begrenzt determinierten Verhalten“ 563 gesprochen werden, bei dem der Gesetzgeber mehr ist als ein „bloße[s] Vollzugs557 M. Sachs, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, 9. Aufl. 2021, Art. 20 Rn. 156; vgl. K. Stern, in: ders. (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/2, 1994, § 84 IV 6 S. 828; siehe zur Wertrangordnung auch C. Gusy, Parlamentarischer Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht, S. 61 ff.; R. Uerpmann, Das öffentliche Interesse, S. 296; vgl. G .F. Schuppert, Funktionell-rechtliche Grenzen der Verfassungsinterpretation, S. 42; eingehend und mit der Beleuchtung von Alternativansätzen D. Burchardt, Grenzen verfassungsgerichtlicher Erkenntnis, S. 202 ff.; J. Hellermann, Die sogenannte negative Seite der Freiheitsrechte, S. 103; F. Ossenbühl, DVBl. 1995, S. 904 (907); vgl. aber auch mit einer Differenzierung ausgehend von den sog. „preferred freedoms“ M. Kriele, Grundrechte und demokratischer Gestaltungsraum, in: J. Isensee/ P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, § 188 Rn. 52 ff.; C. Sellmann, Nutzungsbeschränkungen zugunsten der Umwelt und eigentumsrechtlich gebotener Ausgleich, S. 109; H. Bethge, Grundrechtskollisionen, in: D. Merten/H.-J. Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. III, 2009, § 72 Rn. 82; hierzu schon S. 68. 558 N. Petersen, Verhältnismäßigkeit als Rationalitätskontrolle, S. 55. 559 J. Hellermann, Die sogenannte negative Seite der Freiheitsrechte, S. 103. 560 Hierzu N. Petersen, Verhältnismäßigkeit als Rationalitätskontrolle, S. 57 ff.; vgl. C. Sellmann, Nutzungsbeschränkungen zugunsten der Umwelt und eigentumsrechtlich gebotener Ausgleich, S. 117. 561 R. Albrecht, Zumutbarkeit als Verfassungsmaßstab, S. 117. 562 Hierzu s. u. S. 217 ff. 563 M. Gellermann, Grundrechte im einfachgesetzlichen Gewande, S. 310; vgl. A. Wieckhorst, Grundrechtsschutz durch Legislativverfahren, S. 283.

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organ“.564 Letztlich ist darauf hinzuweisen, dass die Regelungsdichte des Angemessenheitsgebotes und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes angesichts der Verortung in entgegenlaufenden Prinzipien wie Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG und Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG oder dem weitreichenden Rechtsstaatsgebot geringer anzusehen sind, als wenn eine ausdrückliche verfassungsrechtliche Normierung565 der Vorgaben vorliegen würde. Gleichwohl vermögen die genannten Aspekte nicht die Möglichkeit und auch nicht die Notwendigkeit566 der verfassungsgerichtlichen Kontrolle der Abwägung durch den Gesetzgeber insgesamt in Frage zu stellen. Entsprechend der Verfassungsbindung des Gesetzgebers darf dieser „nicht der (alleinige) authentische Interpret der Verfassung sein; seine Entscheidungen, auch seine Abwägungsentscheidungen, müssen verfassungsrechtlicher Kontrolle unterliegen, und das heißt in letzter Konsequenz auch: verfassungsgerichtlicher“.567 Unabhängig von der grundsätzlich bestehenden Justiziabilität der Abwägung im Verfassungsrecht ist jedoch festzuhalten, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit trotz seines „Verbotscharakters“ 568 Einfallstore für Abstufungen in der Kontrolldichte enthält. Diese Wechselwirkung von Gestaltungsspielraum und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Eigentumsgarantie wird im weiteren Verlauf der Untersuchung dargestellt569 und geht mit einem „tendenziell großzügig[eren]“ Kontrollmaßstab einher, der sich mit steigender Eingriffsintensität 564 M. Gellermann, Grundrechte im einfachgesetzlichen Gewande, S. 312; vgl. allgemein gegen einen bloßen Verfassungsvollzug des Gesetzgebers M. Kaufmann, Staatswissenschaft und Staatspraxis 1997, S. 161 (175); M. Mayer, Untermaß, Übermaß und Wesensgehaltsgarantie, S. 174 sieht im Verhältnismäßigkeitsgrundsatz „jenseits der Prüfung der Frage der Geeignetheit einer gesetzlichen Maßnahme keine Maßstäbe, anhand derer Gesetzgebung im Grundrechtsbereich verfassungsgerichtlich verbindlich gemessen und kontrolliert werden kann.“ 565 C. Gusy, Parlamentarischer Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht, S. 73 f.; insoweit kritisch M. Jestaedt, Verfassungsgerichtspositivismus, in: O. Depenheuer/ M. Heintzen u. a. (Hrsg.), Nomos und Ethos. Hommage an Josef Isensee zum 65. Geburtstag von seinen Schülern, 2002, S. 183 (186); H. Bethge, Grundrechtskollisionen, in: D. Merten/H.-J. Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. III, 2009, § 72 Rn. 75. 566 Hierzu s. u. S. 208 f. 567 A. von Arnauld, Zur Rhetorik der Verhältnismäßigkeit, in: M. Jestaedt/O. Lepsius (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 276 (280); ähnlich hierzu M. Jestaedt, Verhältnismäßigkeit als Verhaltensmaßstab, in: ders./O. Lepsius, Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 293 (302); R. Uerpmann, Das öffentliche Interesse, S. 274 f.; M. Wrase, Zwischen Norm und sozialer Wirklichkeit, S. 384; kritisch in Bezug auf die Eigentumsgarantie O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft im öffentlichen Recht, S. 376; mit der Aufteilung in Erst- und Zweitinterpret P. Kirchhof, Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung, in: P. Badura/R. Scholz (Hrsg.), Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung – Symposion aus Anlass des 70. Geburtstages von Peter Lerche, 1998, S. 5 (16). 568 C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 249. 569 Siehe nur S. 279 f.; weiterhin M. Mayer, Untermaß, Übermaß und Wesensgehaltsgarantie, S. 156, der bei der Vollziehung des Verhältnismäßigkeitsprinzips von „Gestaltungs- und Ermessensfreiheit“ des Gesetzgebers ausgeht.

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jedoch wiederum verschärft.570 Zur Bestimmung dieser schon angesprochenen Eingriffsintensität der jeweiligen Inhalts- und Schrankenbestimmung ist auf das Ausmaß der sogleich zu betrachtenden Beschränkung der Privatnützigkeit und der freiheitsermöglichenden Funktion des Eigentums zurückzugreifen.571 Die durch das Anknüpfen an die Eingriffsintensität offenbarte Prägung durch die Umstände des jeweiligen Einzelfalls ist auch darauf zurückzuführen, dass – wie bereits aufgezeigt – die Angemessenheit selbst nicht positiv formuliert, „wann ein Mittel verhältnismäßig ist und wann nicht“.572 Wenn zusätzlich auf abstrakter Ebene keine feststehende Wertehierarchie existiert, gewinnt die durch die Betrachtung des zu regulierenden Sachbereichs erlangte Wertung entscheidende Bedeutung. Schließlich „muß im konkreten Rechtsstreit am Ende doch die Entscheidung für eine der beiden Positionen stehen“.573 Dementsprechend ist bei Überprüfung der Angemessenheit besonderes Augenmerk auf die konkreten Ausprägungen der betroffenen Rechtsgüter zu richten. Daher werden im weiteren Verlauf der Untersuchung die Aspekte aufgezeigt, die das dargestellte Prüfungsmodell bei der Eigentumsgarantie mit Inhalt füllen.574 (3) Abwägungsdirektiven im Rahmen der Eigentumsgarantie Als Abwägungsdirektive zugunsten des Eigentümers ist vordergründig das Prinzip des Privateigentums zu beachten. Dieses Prinzip stellt trotz Normprägung der Eigentumsgarantie575 als Inhalt des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs einen „genuin verfassungsrechtlichen, materiellen Prüfungsmaßstab“ dar.576 So weist auch das Bundesverfassungsgericht in der Altlasten-Entscheidung auf die „grundgesetzliche [. . .] Anerkennung des Privateigentums“ hin.577 Im Rahmen der Ermittlung und Gewichtung der sich innerhalb der Abwägung gegenüberstehenden Rechtsgüter ist auf das Prinzip des Privateigentums daher unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG und insoweit unabhängig von bereits bestehenden einfachrechtlich ausgestalteten Eigentumspositionen anzuknüpfen. 570 G. Britz, Jura 2015, S. 319 (322); A. Wieckhorst, Grundrechtsschutz durch Legislativverfahren, S. 381 mit Verweis auf BVerfGE 92, 277 (327) und 117, 163 (193); T. Reuter, Jura 2009, S. 511 (514); zur Kontrollabstufung als Veranschaulichung des Ausmaßes des Gestaltungsspielraums schon S. 159 f. 571 P. Badura, Privatnützigkeit und Sozialbindung des geistigen Eigentums, in: A. Ohly/D. Klippel (Hrsg.), Geistiges Eigentum und Gemeinfreiheit, 2007, S. 56. 572 BVerfGE 92, 277 (327); M. Sachs, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, 9. Aufl. 2021, Art. 20 Rn. 155. 573 J. Hellermann, Die sogenannte negative Seite der Freiheitsrechte, S. 104. 574 Hierzu auch M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 143 ff., der sich insoweit ausschließlich auf Schrankenbestimmungen bezieht. 575 Hierzu s. o. S. 173 ff. 576 M. Cornils, Die Ausgestaltung der Grundrechte, S. 252, der darin eine Annäherung an die allgemeine „(Schranken-)Dogmatik der Freiheitsrechte“ sieht. 577 BVerfGE 102, 1 (17).

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Gleichwohl können die bereits bestehenden Eigentümerbefugnisse auch die Privatnützigkeit verkörpern. Bezogen auf den Inhalt des Privateigentums verdeutlicht das Bundesverfassungsgericht anhand des Rückgriffs auf die Funktion des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG, dass die Eigentumsgarantie dem Grundrechtsträger „einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich sichern und ihm dadurch eine eigenverantwortliche Gestaltung des Lebens ermöglichen“ soll.578 Für diese eigenverantwortliche Lebensgestaltung als vom Staat sicherzustellender Freiraum für den Eigentümer ist indes erforderlich, dass das Eigentum – vermittelt durch die Inhalts- und Schrankenbestimmungen – „dem Einzelnen zu dessen Privatnützigkeit zugeordnet ist und dem Eigentümer zudem darüber grundsätzlich auch die freie Verfügungsgewalt zusteht“.579 (a) Insbesondere Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis Folgerichtig sind im aufgezeigten Abwägungsmodell des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes das freie Eigentümerbelieben, die umfassende Privatnützigkeit und die Verfügungsbefugnis580 über das Eigentum als prinzipielle Ausgangspunkte auf der Seite der Eigentumsgarantie und damit auch als entscheidend für die eigentumsspezifische Grenze des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums581 anzusehen.582 Unter der Privatnützigkeit des Eigentums versteht das Bundesverfassungsgericht „die Zuordnung zu einem Rechtsträger [. . .], in dessen Hand es als Grundlage privater Initiative und im eigenverantwortlichen privaten Interesse ,von Nutzen‘ sein soll“.583 Insoweit umfasst die Privatnützigkeit sowohl die „Er578 BVerfGE 58, 137 (151); 104, 1 (8); 115, 97 (110); hierzu auch A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 104; O. Lepsius, WiVerw 2011, S. 206 (212) verweist darauf, dass hiernach alle subjektiven Rechte dem Schutzbereich von Art. 14 GG unterfallen könnten. 579 A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 104 mit Verweis auf BVerfGE 100, 226 (241); Bezug nehmend auf die mögliche teleologische Herleitung der Privatnützigkeit auch M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, S. 42 ff. 580 Zur Verfügungsbefugnis die abweichende Meinung Grimm, Dieterich, Kühling in BVerfGE 81, 35 (38). 581 R. Körner, LKV 2013, S. 57 (61). 582 M. Cornils, Die Ausgestaltung der Grundrechte, S. 279; vgl. auch BVerfGE 115, 97 (111): „Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistet das Recht, die geschützten vermögenswerten Rechte innezuhaben, zu nutzen, zu verwalten, und über sie zu verfügen.“; BVerfGE 122, 151 (182); zu Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis auch D. Riedel, Eigentum, Enteignung und das Allgemeinwohl, S. 42; U. Di Fabio, Beschleunigter Kernenergieausstieg und Eigentumsgarantie, in: ders./W. Durner/G. Wagner, Kernenergieausstieg 2011, 2013, S. 9 (34). 583 BVerfGE 50, 290 (339); M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, S. 42; vgl. auch P. Badura, Eigentum, in: E. Benda/ W. Maihofer/H.-J. Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1994, § 10 Rn. 2; hierzu schon S. 175 f.

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

tragsfähigkeit der vermögenswerten Rechte“ als auch die „rechtliche und wirtschaftliche Verfügungsmacht und Gebrauchsmöglichkeit“.584 Die durch das Eigentum sicherzustellende Freiheitsverwirklichung des Eigentümers spiegelt sich auch in der Bedeutung wider, die das Bundesverfassungsgericht dem Merkmal der Verfügungsbefugnis zuspricht. So gelange in „dem Element der grundsätzlichen Verfügungsbefugnis [. . .] die Herrschaft über das Eigentumsobjekt und damit der besondere personale Bezug des Inhabers zu diesem zum Ausdruck“.585 Mithin versinnbildlicht die Verfügungsbefugnis auch die Möglichkeit selbst zu entscheiden, in welcher Form das Eigentum zum Einsatz kommt. Ihr für die Abwägung maßgebliches Gewicht entfalten diese zunächst abstrakt586 aufgeführten Prinzipien dann in Ansehung des zu regelnden bzw. bereits geregelten Eigentumsgegenstandes.587 Hierbei ist zwischen bereits bestehenden und erst für die Zukunft geltenden Eigentumsrechten, die sich auf den jeweiligen Eigentumsgegenstand beziehen, zu differenzieren. (aa) Berücksichtigung der Privatnützigkeit bei bereits bestehenden Eigentumsrechten Bei schon bestehenden Eigentumsrechten wirkt sich der Schutzgehalt der Eigentumsgarantie in Form der Bestandsgarantie588 zugunsten des von der Regelung betroffenen Rechtsträgers aus, „wenn die zur Debatte stehende Rechtsposition in besonderer Weise Ausdruck einer oder mehrerer Strukturmerkmale“ des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG ist.589 Der 584 P. Badura, Eigentum im Verfassungsrecht der Gegenwart, in: Ständige Deputation des deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des neunundvierzigsten deutschen Juristentages, 1972, T 15; zur Ertragsfunktion auch s. u. S. 231 f. 585 BVerfGE 53, 257 (291). 586 Vgl. M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, S. 212; N. Petersen, Verhältnismäßigkeit als Rationalitätskontrolle, S. 58 führt aus, dass „[i]n der Praxis der verfassungsrechtlichen Abwägung [. . .] jedoch keine rein abstrakten Wertvergleiche vorgenommen“ würden. 587 Vgl. A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 105; vgl. auch M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, S. 59: „Das Eigentumsrecht habe dabei mehr oder weniger Gewicht, je nachdem, wie hoch der Anteil der Eigenleistung im Einzelfall sei.“; dass keine bloß abstrakte Abwägung erfolgt, verdeutlicht auch H. Kube, Eigentum an Naturgütern, S. 48. 588 Zur Bestandsgarantie C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 124 ff.; P. Badura, Eigentum, in: E. Benda/W. Maihofer/H.-J. Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1994, § 10 Rn. 11. 589 M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, S. 71 ff. und 201; vgl. zu den Strukturmerkmalen auch S. 175 f.; D. Blasberg, Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Grundeigentums zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, S. 111 ff. thematisiert die „Merkmale des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs“ losgelöst vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als „Grenze des Schrankenbestimmungsrechts“; kritisch M. Cornils, Die Ausgestaltung der Grund-

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verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff entstammt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Gegensatz zum vom einfachen Recht abhängigen Schutzbereich unmittelbar dem Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG.590 Anders als der Schutzbereich verkörpert der Eigentumsbegriff dann nicht das konkret geschützte Recht, das dem staatlichen Handeln bei dessen Berührung eine Rechtfertigungspflicht auferlegt. Zu den genannten, für das Ausmaß des Eigentumsschutzes in der Abwägung entscheidenden verfassungsrechtlichen Strukturmerkmalen des Eigentumsbegriffs zählen insbesondere die schon aufgeführte Privatnützigkeit des Eigentums,591 die Eigenleistung des Rechtsinhabers bei der Hervorbringung des Eigentumsrechts,592 der Beitrag des betroffenen Eigentums zur Existenzsicherung und der vom konkreten Eigentumsobjekt verkörperte Vermögenswert.593 Vor diesem Hintergrund kann die Wertigkeit bereits bestehender Eigentumsrechte durch die Betrachtung ermittelt werden, inwieweit die Strukturmerkmale bei dem jeweiligen Eigentumsrecht einschließlich des zugrundeliegenden Eigentumsgegenstandes ausgeprägt sind. Je stärker diese Ausprägung ist, desto höher ist das Gewicht, das den Eigentümerinteressen im Rahmen der Abwägung gegenüber neuen Beschränkungen zukommt. Insoweit muss der ebenfalls aus der Bestandsgarantie folgende594 grundsätzlich sicherzustellende Substanzerhalt des Eigentums im Rahmen der Verhältnismäßigkeit berücksichtigt werden und wirkt zurechte, S. 286 und C. Jasper, DÖV 2014, S. 872 (875); zum Bestandsschutz J. R. Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 372. 590 BVerfGE 58, 300 (335): „Der Begriff des von der Verfassung gewährleisteten Eigentums muß aus der Verfassung selbst gewonnen werden.“; zum verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 111 ff.; hierzu auch S. 175 f. 591 Zur Wahrung der Privatnützigkeit eines Grundstücks bei gleichzeitiger Abspaltung des Grundwassers BVerfGE 58, 300 (345); BVerfG NJW 1989, S. 972 (973); BVerfGE 70, 191 (209); im Hinblick auf die Wahrung der Privatnützigkeit einer Mietwohnung BVerfGE 81, 29 (33 f.); ebenfalls zur Beschränkung von Nutzungsmöglichkeiten BVerfGE 87, 114 (140 f. und 147 f.); zu den geschützten Formen der Nutzung BVerfGE 100, 226 (242 f.); 101, 54 (81 ff.); 102, 1 (17 f.) wertet die (neben der Sachherrschaft bestehende) Nutzungsmöglichkeit als Grund dafür, dem Eigentümer besondere Pflichten aufzuerlegen; zum Stellenwert der baulichen Nutzung BVerfGE 104, 1 (11); H. Dederer, in: W. Kahl/C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 118. Akt. Dez. 2017, Art. 14 Rn. 857 f.; C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 113 und 120 f. 592 J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 272 ff.; A. Bräunig, Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur deutschen Wiedervereinigung, S. 56 ff.; H. Dederer, in: W. Kahl/C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 118. Akt. Dez. 2017, Art. 14 Rn. 858; W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 115 ff. 593 M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, S. 201; vgl. zum Vermögenswert BVerfGE 137, 148; zur Verfügungsbefugnis BVerfGE 70, 191 (210). 594 BVerfGE 126, 331 (363).

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

gunsten des Eigentümers.595 Eine absolute Grenze für den ausgestaltenden Gesetzgeber stellt das Gebot des Substanzerhalts hingegen nicht dar,596 da der typische Regelungsbereich neben der Umprägung und dem Teilentzug von Rechtspositionen auch den „Totalentzug von Rechten“ erfasst.597 Gleichwohl muss der Gesetzgeber bei derart intensiven Eingriffen zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit regelmäßig Übergangsvorschriften bzw. Ausgleichsregelungen in Betracht ziehen.598 Wegen des soeben aufgezeigten Einflusses der verfassungsunmittelbaren Strukturmerkmale auf den Schutzgehalt der Eigentumsgarantie kann trotz der entscheidenden Bedeutung der einfachen Rechtsposition für den Eigentumsschutz bei entsprechend gegenüberstehenden Verfassungsgütern von einer „verfassungsrechtlichen Prinzipienkollision“ gesprochen werden.599 Die sich aus der Relevanz für die Abwägung ergebende entscheidende Rolle der Strukturmerkmale im Rahmen des Eigentumsschutzes wird letztlich auch dadurch verdeutlicht, dass das Bundesverfassungsgericht Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis als Teil des grundsätzlich nicht auszuhöhlenden Kernbereichs der Eigentumsgarantie ansieht.600 Das Ausmaß des Vorliegens der der Eigentumsgarantie entstammenden Abwägungsdirektiven zugunsten des Eigentümers im konkreten Fall wird durch die Bezugnahme auf den personalen Bezug601 bzw. die Sicherung der persönlichen Freiheit des Einzelnen im vermögensrechtlichen Bereich602 unterstrichen.

595 BVerfG NJW 1986, S. 1669 (1670); BVerfG NJW 1986, S. 2188 (2189); BVerfGE 126, 331 (363); zum Gebot der Substanzerhaltung M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, S. 259 ff.; BVerfG NJW 1995, S. 511 (512) zu Substanzgefährdungen durch Mietpreisbindungen; allgemein zur Bestandsgarantie B.-O. Bryde, in: I. von Münch/P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 6. Aufl. 2012, Art. 14 Rn. 61; J. Wieland, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 14 Rn. 145 sieht in der Bezugnahme auf die Substanz lediglich eine Abgrenzung zur Enteignung. 596 Relativierend M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 144 f.; weiterhin weist C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 285 darauf hin, dass die Möglichkeit, gesetzgeberische Entscheidungen zu revidieren, dem Demokratieprinzip entspreche. 597 O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft im öffentlichen Recht, S. 57; BVerfGE 126, 331 (363); strenger noch die Formulierung in BVerfGE 50, 290 (340 f.); vgl. M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, S. 261 f. 598 BVerfGE 143, 246 (338 f. Rn. 260); M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, S. 263 f.; hierzu auch s. o. S. 110. 599 M. Cornils, Die Ausgestaltung der Grundrechte, S. 291 mit Verweis auf BVerfGE 102, 1 (18). 600 BVerfGE 100, 226 (241). 601 BVerfGE 112, 93 (109 f.); 117, 272 (294) („personaler Anteil“); zum personalen Bezug auch H. Dederer, in: W. Kahl/C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 118. Akt. Dez. 2017, Art. 14 Rn. 861; ausführlich s. u. S. 229 ff. 602 BVerfGE 101, 54 (75); 102, 1 (17); 126, 331 (360).

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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(bb) Berücksichtigung der Privatnützigkeit bei neu zu schaffenden Eigentumsrechten Bei erst zukünftig geltenden Eigentumsrechten603 kann hingegen nicht auf eine schon bestehende Rechtsposition zurückgegriffen werden, um die Ausprägung der innerhalb der Abwägung zu berücksichtigenden Privatnützigkeit zu bestimmen. Daher wirkt bei neu geschaffenen Eigentumsrechten aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG nicht die Bestandsgarantie, sondern die Institutsgarantie im Rahmen der Abwägung zugunsten der Eigentümer.604 Denn auch zur Gewährleistung der Institutsgarantie ist eine Bezugnahme auf die Privatnützigkeit des Eigentums im Rahmen der Abwägung erforderlich.605 So folgert das Bundesverfassungsgericht das Gebot der Herstellung eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen den Eigentümerinteressen und der Sozialbindung – unabhängig von bestehenden Eigentumsrechten – schon aus der „grundlegende[n] Wertentscheidung im Sinne eines sozial gebundenen Privateigentums“.606 Die durch die soeben genannten Strukturmerkmale verkörperten Eigentümerinteressen müssen mithin unabhängig von einer subjektiven Betroffenheit berücksichtigt werden.607 Für die Gewichtung innerhalb dieser Abwägung ist dann im ersten Schritt zu ermitteln, inwieweit der betroffene Eigentumsgegenstand überhaupt einen privatnützigen Gebrauch durch den Eigentümer vorsehen könnte.608 Im zweiten Schritt gilt es zu betrachten, wie stark die vom Gesetzgeber sicherzustellende Privatnützigkeit im Rahmen der Inhalts- und Schrankenbestimmung verwirklicht wird und in welchem Ausmaß zugunsten der Sozialbindung aus Art. 14 Abs. 2 GG zurückstehen soll. Anhand der Differenz aus der potenziell verwirklichbaren Privatnützigkeit bzw. der Stärke des „Freiheitsbezug[s] im Einzelfall“ 609 und der tatsächlich erfolgten privatnützigen Ausgestaltung des Eigentumsrechts lässt sich eine jedenfalls eingriffsähnliche Wirkung der Inhalts- und Schrankenbestimmung fest-

603 Insgesamt zu den Anforderungen an Eigentumsausgestaltungen von Neurechten M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, S. 201 ff. 604 M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, S. 212 ff.; hierzu auch J. R. Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 371 ff.; kritisch A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 200 ff. 605 M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, S. 215 mit Verweis auf BVerfGE 31, 229 (240); siehe BVerfGE 42, 263 (295) bezugnehmend auf den „grundsätzlichen Freiheitsanspruch des Bürgers“. 606 BVerfGE 25, 112 (118). 607 A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 132. 608 M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 218; mit ähnlicher Perspektive A. Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 253. 609 M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, S. 214.

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stellen.610 Diese eingriffsähnliche Wirkung bzw. das Zurückstehen der Eigentümerinteressen muss für eine angemessene Eigentumsausgestaltung durch die gegenüberstehenden Allgemeinwohlbelange überwogen werden. Bei der Überprüfung der Wahrung der Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist daher das Ausmaß bzw. das Gewicht der Allgemeinwohlbelange entscheidend dafür, ob „solche Sachbereiche der Privatrechtsordnung entzogen werden, die zum elementaren Bestand grundrechtlich geschützter Betätigung im vermögensrechtlichen Bereich gehören und [ob] damit der durch Art. 14 GG gesicherte Freiheitsbereich aufgehoben oder wesentlich geschmälert wird“.611 Mithin setzt auch die Wahrung der Institutsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG voraus, dass keine offensichtlich fehlsame Abwägung zwischen Eigentümerinteressen und dem Allgemeinwohl durch den Gesetzgeber erfolgt. (b) Vertrauensschutz bei bereits bestehenden Eigentumsrechten Zugunsten der Eigentümer bereits bestehender Eigentumsrechte kann zusätzlich612 der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes eine die Abwägung beeinflussende Wirkung entfalten.613 So stellt Art. 14 GG strengere Anforderungen an Inhalts- und Schrankenbestimmungen, die in bereits bestehende Rechtspositionen eingreifen,614 auf deren Bestand der Eigentümer vertrauen durfte.615 Der Grund610 J. R. Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 371 erkennt insoweit einen Eingriff „nur hinsichtlich prinzipieller Rechte“; vgl. M. Cornils, Die Ausgestaltung der Grundrechte, S. 285; ablehnend D. Riedel, Eigentum, Enteignung und das Wohl der Allgemeinheit, S. 33; D. Couzinet, Die Zulässigkeit von Immissionen im anlagenbezogenen Immissionsschutzrecht, S. 200 f. 611 BVerfGE 58, 300 (339). 612 Nach A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 150 setzt das Bundesverfassungsgericht sowohl das Abwägungsgebot als auch die Prüfung des Vertrauensschutzes mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gleich. 613 A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 111 f., 138 ff.; J. Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 37; zur Bedeutung des Vertrauens für den Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich H. Kube, Eigentum an Naturgütern, S. 51; BVerfG NZA 1988, S. 139 (141); H. Dederer, in: W. Kahl/C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 118. Akt. Dez. 2017, Art. 14 Rn. 864 ff.; K.-A. Schwarz, Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip, passim; J. R. Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 374 ff.; M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 222; C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 135 ff.; J. Dietlein, Die Eigentumsfreiheit und das Erbrecht, in: K. Stern (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 113 S. 2250 f.; D. Blasberg, Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Grundeigentums zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, S. 125. 614 Die strengeren Anforderungen veranschaulicht das Bundesverfassungsgericht indem es ausführt, dass „[e]ine Regelung, die für die Zukunft allen verfassungsrechtlichen Erfordernissen des Art. 14 Abs. 1 GG entspricht, [. . .] unter dem Gesichtspunkt desselben Grundrechts verfassungswidrig sein [kann], soweit sie in Rechtspositionen eingreift, die in der Vergangenheit entstanden sind“, BVerfGE 58, 81 (121). 615 Hierzu s. u. S. 312 ff.

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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satz des Vertrauensschutzes erfordert, dass „[d]ie Gründe des öffentlichen Interesses, die für einen solchen Eingriff sprechen, [. . .] so schwerwiegend s[ind], dass sie Vorrang haben vor dem Vertrauen des Bürgers auf den Fortbestand seines Rechts, das durch den Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG innewohnenden Bestandsschutz gesichert wird“.616 Zur Bestimmung des Gewichts der benannten Gründe des öffentlichen Interesses ist hier insbesondere an die Ausprägung des sozialen Bezugs der Eigentumsgegenstände anzuknüpfen.617 Jedoch stellt der Vertrauensschutz auch in Abwesenheit derartiger, sämtliche Eigentümerinteressen überwiegender Gründe des öffentlichen Interesses keine absolute Grenze des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers dar. Vielmehr kann der Gesetzgeber bei einem fehlenden vollständigen Überwiegen der öffentlichen Belange auch auf „schonende Übergänge und Ausgleichsleistungen für Härtefälle“ 618 zurückgreifen,619 um eine letztlich unverhältnismäßige Beschränkung der Eigentümerinteressen zu verhindern.620 (c) Abwägungsdirektive zugunsten der Allgemeinheit Neben den aufgezeigten Eigentümerinteressen müssen weiterhin im Hinblick auf die Vorgabe aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG die Allgemeinwohlinteressen im Rahmen der Abwägung berücksichtigt werden. Für die Verwirklichung der anzustrebenden Allgemeinwohldienlichkeit des Eigentumsgebrauchs setzt das Bundesverfassungsgericht voraus, dass der jeweils betroffene Eigentumsgegenstand einen sozialen Bezug aufweist.621 Im Rahmen der inhaltlichen Betrachtung des sozialen Bezugs konnte aufgezeigt werden, dass dieser eine Verbindung von Eigentumsgegenständen zur Allgemeinheit beschreibt, die dadurch entsteht, dass insbesondere die Eigenschaften der Eigentumsgegenstände für die Freiheitsausübung von Grundrechtsträgern notwendig oder gefährdend sind, diese zur Erreichung gesamtgesellschaftlicher Ziele benötigt werden oder schon mit dem Entstehen durch staatliche Förderung an die Allgemeinheit gebunden wurden.622 616 BVerfGE 143, 246 (342 Rn. 269) mit Verweis auf BVerfGE 42, 263 (294 f.); 58, 300 (351); 83, 201 (212 f.) und die Wertung des Art. 14 Abs. 3 GG, dass die Rechteentziehung einer Enteignung gleichkommen kann. 617 Vgl. B.-O. Bryde, in: I. von Münch/P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 6. Aufl. 2012, Art. 14 Rn. 62 und C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 137. 618 H. Kube, Eigentum an Naturgütern, S. 52; M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 222. 619 Vgl. BVerfGE 101, 239 (273). 620 Hierzu s. u. S. 325 ff. 621 BVerfGE 37, 132 (140); vgl. auch M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 169; einschränkend G. Schwerdtfeger, Die dogmatische Struktur der Eigentumsgarantie, S. 20: „Mit welchem Gewicht soziale Belange im Einzelfall zu Buche schlagen, hängt insbesondere davon ab, ob und in welchem Ausmaß das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und einer sozialen Funktion steht.“ 622 S. o. S. 106.

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

Unter dem Begriff der „gleitenden Sozialbindung“ 623 wird dann erläutert, dass dem Auftrag aus Art. 14 Abs. 2 GG im Rahmen der Abwägung umso höheres Gewicht zukommt, „je mehr das betreffende Eigentumsobjekt eine soziale Funktion hat“.624 Gleiches gilt für das Vorliegen des sozialen Bezugs.625 Insoweit ergibt sich das konkret für die Abwägungsdirektive zugunsten der Allgemeinheit streitende Gewicht ebenfalls erst in Ansehung des einschlägigen Eigentumsgegenstandes. Maßgeblich ist hier vorwiegend das Ausmaß des sozialen Bezugs. Soweit die Inhalts- und Schrankenbestimmung Gefährdungen von Allgemeinwohlinteressen entgegenwirkt, ist insbesondere der Grad der Gefährdung für die Bestimmung des Ausmaßes des sozialen Bezugs zu berücksichtigen.626 (4) Die Angemessenheit als Gewährleistung der Berücksichtigung der Eigentümerbelange Die vorgenommene Auflistung verdeutlicht, dass bei der Abwägung zwischen Privatnützigkeit und Sozialbindung im Kontext der Normierung von Inhalts- und Schrankenbestimmungen in Ansehung des jeweiligen Sachbereichs unterschiedlichste Belange berücksichtigt,627 gewertet und gegeneinander abgewogen werden müssen.628 Insbesondere die Gewährleistung der Privatnützigkeit des Eigentums aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG zur Freiheitsverwirklichung des Eigentümers muss hier Beachtung finden. Insoweit spielt bei der Eigentumsgarantie im Rahmen der Angemessenheit der Aspekt eine Rolle, „welche Grundrechte in welchem Ausmaß durch eine Maßnahme betroffen sind“.629 Das Erfordernis der Angemessenheit zeichnet daher den aus Eigentümersicht maßgeblichen Regelungsgehalt des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG nach, wonach der Ausgleich zwischen Privatnützigkeit und Sozialbindung nicht offensichtlich fehlsam zu Lasten der Eigentümerinteressen erfolgen darf. Mithin ist an dieser Stelle die Legislative nicht nur als Garant der Freiheit der Eigentümer, sondern auch als eine diese Freiheit beschränkende Instanz anzu623

A. Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 169 f. M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, S. 201. 625 Vgl. die begriffliche Auseinandersetzung zu „Bezug“ und „Funktion“ S. 51 ff. 626 Vgl. M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 221. 627 O. Lepsius, Die Chancen und Grenzen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, in: M. Jestaedt/ders. (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 1 (22) verlangt etwa einen „Nachweis einer rationalen Erhebung der einschlägigen Belange als Voraussetzung für ihre angemessene und zumutbare Gewichtung“. 628 Vgl. zum Prozess A. Tischbirek, Die Verhältnismäßigkeitsprüfung, S. 191 und K. Stern, in: ders. (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/2, 1994, § 84 IV 5 S. 819 ff. 629 J. Buchheim, Angemessenheit als prozedurales Kriterium?, in: M. Jestaedt/O. Lepsius (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 77 (89). 624

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sehen.630 Zum Schutz der Durchsetzung und Gewährleistung der betroffenen Belange innerhalb des Abwägungsprozesses ist es daher erforderlich, dass – soweit dies der Vorgang der Abwägung zulässt631 – eine gerichtliche Kontrolle der Beachtung der Angemessenheits-Vorgabe erfolgen kann.632 Der aus der bundesverfassungsgerichtlichen Kontrolle resultierende Schutz für die Interessen der Grundrechtsträger könnte hingegen unterlaufen werden, wenn die Kontrolle innerhalb dieses Bereichs aufgrund der Annahme eines erweiterten Gestaltungsspielraums ohne normative Legitimation eingeschränkt werden würde. So wurde bereits festgestellt, dass die Annahme eines über die Verfassungsinterpretation hinausreichenden Gestaltungsspielraums nicht mit der Verfassungsbindung von Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht aus Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG vereinbar ist.633 Soweit hingegen eine normative Grundlage für die Erweiterung des Gestaltungsspielraums besteht, bedarf es mangels eines insoweit einschlägigen Regelungsgehalts in diesem Ausmaß auch keiner Absicherung des Grundrechtsschut630 Siehe hierzu schon S. 170 ff.; differenzierend bezüglich Freiheitsbeschränkung und Freiheitsförderung M. Mayer, Untermaß, Übermaß und Wesensgehaltgarantie, S. 107; O. Lepsius, Die Chancen und Grenzen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, in: M. Jestaedt/ders. (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 1 (39) plädiert indes für die Wirksamkeit der politischen Kontrolle; vgl. S. Seedorf, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Gesetzgebung, in: M. Jestaedt/O. Lepsius (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 129 (131); vgl. auch N. Petersen, Verhältnismäßigkeit als Rationalitätskontrolle, S. 72 zu den vom politischen Prozess ausgehenden Repräsentationsrisiken; M. Wrase, Zwischen Norm und sozialer Wirklichkeit, S. 384; relativierend A. von Arnauld, Die Freiheitsrechte und ihre Schranken, S. 27 f. 631 Vgl. D. Bruch, Umweltpflichtigkeit der grundrechtlichen Schutzbereiche, S. 99; auch F. Ekardt/F. Valentin, Das neue Energierecht, S. 146 sprechen sich dafür aus, „dass die Angemessenheit von Eingriffen trotz aller anzuerkennenden demokratischen Spielräume nicht völlig beliebig bleibt.“; W. Heun, Funktionell-rechtliche Schranken der Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 10 folgert aus der Notwendigkeit der Abwägung eine Erweiterung der „verfassungsgerichtlichen Entscheidungsspielräume“; S. Seedorf, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Gesetzgebung, in: M. Jestaedt/O. Lepsius (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 129 (150). 632 Vgl. T. Maunz, in: ders./G. Dürig u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: 1971, Art. 94 Rn. 3 wonach das Bundesverfassungsgericht „als der oberste Hüter der Verfassung [. . .] dafür Sorge trägt, daß die staatlichen Funktionsträger die verfassungsmäßig geschützten Grundrechte beachten“; C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 585; zur Eigenschaft als Hüter der Verfassung auch G. Morgenthaler, in: V. Epping/ C. Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Onlinekommentar, 50. Ed. Stand 15.2.2022, Art. 93 Rn. 3; N. Petersen, Verhältnismäßigkeit als Rationalitätskontrolle, S. 111; vgl. auch G. F. Schuppert, Funktionell-rechtliche Grenzen der Verfassungsinterpretation, S. 21, der im Abwehrbereich der Grundrechte eine „intensive Nachprüfung gesetzgeberischen Handelns“ als angemessen benennt; O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft im öffentlichen Recht, S. 376 bemängelt indes, dass der Verfassungsgerichtsbarkeit auf einer abstrakten Ebene zum Schutz des Eigentumsschutzes „keine hinreichend konkreten juristischen Prüfungsmaßstäbe“ bereitgestellt würden; kritisch auch C. Möllers, Gewaltengliederung, S. 140. 633 S. o. S. 160 f.

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zes durch verfassungsgerichtliche Kontrolle. Anders gewendet ist kein grundrechtlicher Schutz und damit auch keine verfassungsgerichtliche Kontrolle der Beachtung dieses Schutzes notwendig, wenn dieser vom Grundrecht selbst nicht vorgesehen ist. Damit der Gestaltungsspielraum trotz grundsätzlicher Beschränkung durch verfassungsrechtliche Grenzen erweitert werden kann, müssen daher Anhaltspunkte für eine geringere Schutzwirkung der Eigentumsgarantie im jeweiligen Einzelfall bestehen. Mithin hat das Bundesverfassungsgericht selbst ausgeführt, dass ihm der „Schutz der Grundrechte gegenüber dem Gesetzgeber übertragen“ sei.634 Daraus resultiere, dass „[w]enn sich aus der Auslegung eines Grundrechts Grenzen für den Gesetzgeber ergeben“, auch die Möglichkeit einer Kontrolle der Einhaltung dieser Grenzen durch das Bundesverfassungsgericht bestehen müsse.635 Für die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Vorliegen des sozialen Bezugs resultierende Erweiterung des Gestaltungsspielraums636 gilt es daher im weiteren Verlauf der Untersuchung einen normativen Anknüpfungspunkt zu ermitteln. dd) Fazit zur Beschränkungswirkung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Bereits zu Beginn der vorangegangenen Ausführungen zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wurde festgestellt, dass diese Vorgabe an den Gesetzgeber die aus der Sicht des Bundesverfassungsgerichts maßgebliche aus der Eigentumsgarantie resultierende Einschränkung des zunächst umfassenden gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums darstellt.637 So konstatiert auch allgemein B. Schlink, dass das Bundesverfassungsgericht den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz „zum wichtigsten Element seiner Kontrolle von Gesetzgebung [. . .] gemacht“ habe.638 Diese Feststellung hat sich durch die Betrachtung der einzelnen Elemente des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bestätigt. Zwar weisen die Anforderungen, dass die Inhalts- und Schrankenbestimmungen nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG einem legitimen Zweck dienen sowie geeignet und erforderlich sein müssen, aufgrund des ausgeprägten Tatsachenbezugs keine intensive Regelungs- und Kontrolldichte

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BVerfGE 7, 377 (410). BVerfGE 7, 377 (410); hierzu J. R. Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 361. 636 S. o. S. 109. 637 S. o. S. 185 ff. 638 B. Schlink, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, in: P. Badura/H. Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht. Bd. II, 2001, S. 445; ähnlich L. Michael, Das Verhältnismäßigkeitsprinzip als Schlüssel(bund)konzept, in: M. Jestaedt/O. Lepsius (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 42 (51); A. Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 223. 635

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auf.639 Jedoch ergibt sich durch die Vorgabe der Angemessenheit die Pflicht des Gesetzgebers, die Interessen der Eigentümer zu erkennen, zu gewichten und letztlich nicht außer Verhältnis zu den entgegenstehenden Allgemeinwohlinteressen auszugestalten. Bei bereits bestehenden Eigentumsrechten sind im Rahmen der Abwägung insbesondere auch Erwägungen des Vertrauensschutzes zu berücksichtigen. Durch die Vorgabe der Angemessenheit wird der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers durch den Ausschluss der Handlungsmöglichkeit begrenzt, eine offensichtlich fehlsame Abwägung vorzunehmen und daraus resultierend ein offensichtlich fehlsames Abwägungsergebnis zu erzielen. Da das zulässige Abwägungsergebnis maßgeblich durch den Schutzgehalt der Eigentumsgarantie einschließlich der Ausprägung der aufgezeigten Strukturmerkmale bestimmt wird, wirkt sich dieser damit beschränkend auf den Gestaltungsspielraum aus. (1) Struktur der Angemessenheitsprüfung als Bestätigung des Gestaltungsspielraums Es gilt jedoch zu berücksichtigen, dass bedingt durch die Struktur der Angemessenheitsprüfung das Vorliegen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums nicht nur beschränkt, sondern auch bestätigt wird. Diese Bestätigung des Gestaltungsspielraums ergibt sich dadurch, dass aus einer Abwägung unterschiedliche, aber jeweils verfassungsrechtlich zulässige Abwägungsergebnisse resultieren können und lediglich die Grenzen, ab denen ein offensichtliches Missverhältnis zwischen den abzuwägenden Belangen bestehen würde, nicht überschritten werden dürfen. Dementsprechend ist bei der Abwägungskontrolle durch das Bundesverfassungsgericht der Rückgriff auf den Evidenz- bzw. Vertretbarkeitsmaßstab und gerade nicht auf den strengsten inhaltlichen Kontrollmaßstab schon in der Struktur der Abwägung angelegt.640 Mithin ist zu berücksichtigen, dass die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf gesetzgeberisches Handeln das Bundesverfassungsgericht „in eine Rivalität zur demokratischen Gesetzgebung“ bringt.641 Angesichts dieses Eingriffs in politische Entscheidungsfindungen und Kompromisse642 in Gestalt der Überprüfung der gesetzgeberischen Wertung von Allgemeinwohlbelangen ist die geringe Regelungs- und Kontrolldichte der Ab-

639 Vgl. O. Lepsius, Verfassungsrechtlicher Rahmen der Regulierung, in: M. Fehling/ M. Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, § 4 S. 191: „Die Verfassungsmäßigkeit einer Regelung hängt daher zu einem erheblichen Teil nicht von reinen Rechtsfragen ab, sondern vom empirischen Nachweis wirtschaftlicher und sozialer Tatsachen, die eine Regelung motivieren sowie Zweck und Mittel legitimieren.“ 640 S. o. S. 196. 641 O. Lepsius, Die Chancen und Grenzen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, in: M. Jestaedt/ders. (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 1 (10). 642 S. hierzu auch unten S. 262.

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wägung in besonderer Weise zu berücksichtigen.643 Gleichwohl muss weiterhin die Verfassungsbindung des Gesetzgebers Beachtung finden, sodass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit „im Spannungsverhältnis zwischen der Bindung des Gesetzgebers an die Grundrechte einerseits und dem Gestaltungsspielraum des demokratisch legitimierten Parlaments andererseits“ wirkt.644 (2) Differenzierung bei der Kontrolldichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Darüber hinaus offenbart sich bei der Kontrolldichte des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit als verfassungsrechtliche Grenze des Gestaltungsspielraums folgende Differenzierung zwischen Kontrollprogramm und Kontrollmaßstab: Einerseits stellen die Anforderungen des legitimen Zwecks, der Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit die aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit resultierenden und für das Bundesverfassungsgericht maßgeblichen Kontrollvorgaben dar. Andererseits ergibt sich aus dem jeweils einschlägigen Kontrollmaßstab, mit welcher Intensität die Einhaltung des Kontrollprogramms überprüft werden kann. Mit anderen Worten gibt der jeweilige Kontrollmaßstab Auskunft darüber, mit welcher Wirkkraft die verfassungsrechtlichen Grenzen dem gesetzgeberischen Handeln im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung entgegengehalten werden können. Denkbare Abstufungen innerhalb des Kontrollmaßstabes wurden im Rahmen der allgemeinen Ausführungen zum Gestaltungsspielraum anhand der Maßstäbe der Evidenz-, Vertretbarkeits- und Inhaltskontrolle exemplarisch erläutert.645 Diese Abstufung bietet auch eine Orientierung für eine Erweiterung des Gestaltungsspielraums, bei der nicht auf eine bestimmte Kontrollstufe eingegangen wird. An die unterschiedliche und durch die Kontrollabstufungen verdeutlichte Prüfungsintensität bzw. Steuerungswirkung des Kontrollmaßstabes646 knüpft die Flexibilisierung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit an, die das Bundesverfassungsgericht aus dem jeweils vom Eigentumsgegenstand betroffenen Sachbereich herleitet. Insoweit ist das für die Prüfungsintensität des Bundesverfassungsgerichts maßgebliche Ausmaß des Gestaltungsspielraums insbesondere im Rahmen der Angemessenheit entscheidend dafür, ob „die vom Gesetzgeber getroffene Zu-

643 Vgl. O. Lepsius, Verfassungsrechtlicher Rahmen der Regulierung, in: M. Fehling/ M. Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, § 4 S. 192 und 194. 644 S. Seedorf, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Gesetzgebung, in: M. Jestaedt/O. Lepsius (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 129 (132). 645 S. o. S. 151 ff. 646 Vgl. C. Gusy, JöR 1984, S. 105 (110), der den Gestaltungsfreiraum als „Korrektiv zu einzelnen Prüfungsmaßstäben, insbesondere dem allgemeinen Gleichheitssatz und dem Übermaßverbot“ einordnet.

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ordnung der [sich gegenüberstehenden] Interessen hinzunehmen“ ist.647 So steigen mit Erweiterung des Gestaltungsspielraums die Anforderungen an das Vorliegen der offensichtlich fehlsamen Abwägungen. Es kann von einer „Anhebung der Schwelle zur Rechtsfolgenauslösung“ 648 gesprochen werden, die sich freilich aus der Regelungsdichte der betroffenen Verfassungsnorm ergeben muss. Unterhalb dieser Schwelle findet indes keine verfassungsgerichtliche Kontrolle statt. Bei einem stärker beschränkten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum sind insoweit die Anforderungen an ein verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbares Missverhältnis zwischen den Interessen der Eigentümer und der Allgemeinheit hingegen geringer ausgeprägt. (3) Flexibilisierung des Kontrollmaßstabes durch Auslegung des Bundesverfassungsgerichts Die Flexibilität der Begrenzungswirkung des Regelungsgehalts des Art. 14 GG für den Gesetzgeber und damit auch der Effektivität des grundrechtlichen Schutzes649 spiegelt sich in unterschiedlichen Entscheidungen wider, in denen das Bundesverfassungsgericht den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Kontext der Eigentumsgarantie thematisiert. So stellte der erste Senat bereits im achten Entscheidungsband fest, dass bei der erforderlichen Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit „die in Art. 14 Abs. 2 GG statuierte Sozialbindung des Eigentums dem Gesetzgeber einen verhältnismäßig weiten Beurteilungsspielraum“ gebe.650 Weiterhin folgert das Bundesverfassungsgericht nach dem Hinweis auf die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes,651 dass bei Vorliegen des sozialen Bezugs „[i]nsgesamt“ ein „relativ weit[er]“ „Gestaltungsbereich des Gesetzgebers“ bestehe.652 Dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht isoliert vom Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers zu betrachten ist, zeigt sich auch in der bereits zum Inhalt des sozialen Bezugs thematisierten Denkmalschutzentscheidung. In dieser Entschei647 H. Dederer, in: W. Kahl/C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 118. Akt. Dez. 2017, Art. 14 Rn. 850. 648 A. Steinbach, AöR 140 (2015), S. 367 (404). 649 Vgl. O. Lepsius, Verfassungsrechtlicher Rahmen der Regulierung, in: M. Fehling/ M. Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, § 4 S. 191; C. Starck, Maximen der Verfassungsauslegung, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 271 Rn. 55. 650 BVerfGE 8, 71 (80). 651 „Diesen Grundsätzen entspricht es, wenn Eigentumsbindungen stets verhältnismäßig sein müssen“, BVerfGE 50, 290 (341). 652 BVerfGE 50, 290 (341); ähnlich geht das Bundesverfassungsgericht in der Kleingartenentscheidung vor, da es zunächst eine Rechtfertigung des Regelungssystems unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit fordert, um dann auf die an das Ausmaß des sozialen Bezugs gekoppelte Weite des Gestaltungsbereichs einzugehen, BVerfGE 52, 1 (32 f.).

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

dung geht das Bundesverfassungsgericht auf die Regelungsbefugnis des Gesetzgebers ebenfalls erst ein, nachdem es die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes betont hat.653 Ausdrücklich bestätigt das Bundesverfassungsgericht die flexible Ausgestaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in der Atomausstiegsentscheidung, indem es ausführt, dass auch bei verfassungsrechtlich vorausgesetzter Verhältnismäßigkeit der Inhalts- und Schrankenbestimmungen „[d]ie Grenzen der Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers [. . .] indessen nicht für alle Sachbereiche gleich“ seien.654 Letztlich stützt auch die Entscheidung zum Beschäftigungsförderungsgesetz655 die aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts mögliche Flexibilisierung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. So führt das Bundesverfassungsgericht aus, dass Eingriffe in rentenrechtliche Anwartschaften u. a. verhältnismäßig sein müssten und sich „[d]abei“ die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers je nach Vorliegen des personalen Bezugs verenge.656 Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kann daher als maßgebliche Grenze für den eigentumsausgestaltenden Gesetzgeber angesehen werden, die jedoch – bedingt durch die aus der jeweiligen Regelungsdichte folgenden Weite des Gestaltungsspielraums – in unterschiedlich starker Form zu beachten ist.657 Dementsprechend wird der Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers auch als „Synonym für die geringere Bindung an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“ angesehen.658 Inwieweit der jeweilige Sachbereich des betroffenen Eigentumsgegenstandes und insbesondere dessen sozialer Bezug die unterschiedliche Weite des Gestaltungsspielraums bei der Eigentumsgarantie begründet und ob hierfür eine normative Grundlage besteht, gilt es im Folgenden zu untersuchen.659 c) Kontrollvorgaben außerhalb von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG Losgelöst von den eigentumsspezifischen Beschränkungen des Gestaltungsspielraums muss der Gesetzgeber gemäß Art. 20 Abs. 3 GG die weiteren Vorgaben des Grundgesetzes bei der Beschränkung von Grundrechten beachten.660 653

BVerfGE 100, 226 (241). BVerfGE 143, 246 (341 Rn. 268). 655 BVerfGE 117, 272. 656 BVerfGE 117, 272 (294); zum personalen Bezug s. u. S. 229 ff. 657 Mit steigender Prüfungsintensität bestehen insbesondere geringe Anforderungen an das Vorliegen eines fehlerhaften Abwägungsergebnisses. 658 O. Lepsius, Die Chancen und Grenzen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, in: M. Jestaedt/ders. (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 1 (7 f.). 659 Vgl. auch M. Kaufmann, Staatswissenschaft und Staatspraxis 1997, S. 161 (165): „Wird rechtliche Unbestimmbarkeit zugelassen, dann muß sie, etwa als Freiheit zur politischen Entscheidung, gleichwohl rechtlich qualifizierbar sein.“ 660 Vgl. E. Grabitz, AöR 98 (1973), S. 568 (598) mit Verweis auf BVerfGE 21, 150 (155); 25, 112 (117); 26, 215 (222); G. Schwerdtfeger, Die dogmatische Struktur der Eigentumsgarantie, S. 20. 654

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Hierzu zählen das Verbot des Einzelfallgesetzes gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG661 und insbesondere die Gleichheitsgrundsätze aus Art. 3 Abs. 1 GG. Weiterhin ist die Wesensgehaltsgarantie gemäß Art. 19 Abs. 2 GG als „allgemeine Eingriffsschranke“ zu wahren.662 Das Bestehen eines grundsätzlich weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers bei der Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG wird durch diese allgemeinen Vorgaben jedoch nicht in Frage gestellt. 4. Zwischenfazit zur Herleitung des Gestaltungsspielraums bei der Eigentumsgarantie Die bislang erzielten Schlussfolgerungen zum zunächst bestätigten und insbesondere durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingeschränkten663 Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers sind ohne Ansehung eines konkreten Eigentumsgegenstandes auf abstrakter Ebene getroffen worden.664 Sie bilden mithin den Ausgangspunkt bei der Bestimmung des finalen Ausmaßes des aufgrund der Stellung des Gesetzgebers im Verfassungsgefüge zunächst umfassend bestehenden gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums. Ebenso sind diese Schlussfolgerungen Ausgangspunkt für die verfassungsgerichtliche Kontrolle bei der Ausgestaltung der Eigentumsgarantie. Anknüpfend an diesen Ausgangspunkt muss berücksichtigt werden, dass in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Eigentumsgarantie der jeweils betroffene Sachbereich über die abstrakten normativen Grundlagen hinaus das Ausmaß des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums – wie soeben anhand der Flexibilisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aufgezeigt665 – konkretisieren kann. Für die Bestimmung des endgültigen Ausmaßes der Befugnisse des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der Eigentumsgarantie muss daher auch der Sachbereich des in Rede stehenden, von der Inhalts- und Schrankenbestimmung betroffenen Eigentumsrechts bzw. -gegenstandes berücksichtigt werden.666 Diese mögliche Erweiterung des Gestaltungsspielraums aufgrund des jeweiligen Sachbereichs einschließlich des Vorliegens des sozialen Bezugs entfaltet eine abschwächende Wirkung zulasten der hergeleiteten Beschränkungen, namentlich 661 H.-J. Papier/F. Shirvani, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 83 April 2018, Art. 14 Rn. 449. 662 H.-J. Papier/F. Shirvani, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 83 April 2018, Art. 14 Rn. 426; W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 150. 663 BVerfGE 70, 191 (201 f.); 104, 1 (10 f.). 664 Im Rahmen der bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidungen geht dies dadurch hervor, dass das Bundesverfassungsgericht seiner konkreten Prüfung zunächst allgemeine Ausführungen voranstellt, vgl. oben S. 122. 665 S. o. S. 213 f. 666 Hierzu schon oben S. 144 f.

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und damit auch dem Grundrechtsschutz der Eigentümer.667 Schließlich kann die Erweiterung des Gestaltungsspielraums nur auf gleichzeitig geringer ausgeprägte verfassungsrechtliche Grenzen zurückzuführen sein, die durch den jeweiligen Sachbereich gekennzeichnet werden. Insoweit ermöglicht es der jeweilige Sachbereich einschließlich des konkreten Eigentumsgegenstandes verfassungsrechtliche Wertungen bei der Herleitung des Gestaltungsspielraums miteinzubeziehen, für die auf abstrakter Ebene noch keine Anhaltspunkte bestehen. Darüber hinaus kann der betroffene Sachbereich auch Hinweis dafür sein, dass aus funktionell-rechtlichen Gründen wie der besonderen Kompetenz des Gesetzgebers zur Auflösung von Konfliktlagen668 eine situative Beschränkung von Regelungs- und Kontrolldichte vorliegt. Mithin führt der Vorbehalt der Erweiterung des Gestaltungsspielraums aufgrund des Sachbereichs des betroffenen Eigentumsgegenstandes dazu, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zwar als Grenze des Gestaltungsspielraums angesehen werden kann,669 diese Grenze jedoch flexibel und nicht feststehend ist. Daher wird im Folgenden zu untersuchen sein, welche normativen Anknüpfungspunkte diese Flexibilisierung der Verhältnismäßigkeitsprüfung und insbesondere die Vergrößerung des Gestaltungsspielraums durch das Vorliegen des sozialen Bezugs legitimieren können. Denn eine Erweiterung des Gestaltungsspielraums kann nur auf eine Absenkung der Regelungsdichte der Eigentumsgarantie vor dem Hintergrund des einschlägigen Sachbereichs zurückzuführen sein. Für diese noch zu untersuchende Absenkung der Regelungsdichte kommen insbesondere auch funktionell-rechtliche Erwägungen in Betracht, die dem Demokratieund dem Rechtsstaatsprinzip entstammen. Darüber hinaus ist in dem durch Begriffe wie den sozialen Bezug systematisierten Anknüpfen an den jeweiligen Sachbereich weiterhin die Möglichkeit zu erblicken, die Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu konkretisieren. Insbesondere wenn die Abwesenheit von verfassungsrechtlichen Bezugspunkten für die bundesverfassungsgerichtliche Kontrolle der Wertungen des Gesetzgebers beklagt wird,670 erscheint eine Auslegung des Schutzumfangs der Eigentumsgarantie in Ansehung typisierter Eigenschaften von Eigentumsobjekten geboten.671 Eine derartige Auslegung entspricht auch der Forderung, beim 667

Vgl. s. o. S. 208 und s. u. S. 268 ff. S. u. S. 260 ff. 669 BVerfGE 70, 191 (201 f.); 104, 1 (10 f.). 670 B. Schlink, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, in: P. Badura/H. Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht. Bd. II, 2001, S. 445 (454, 462); W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 157. 671 Vgl. W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 163; zur Systematisierung der Wertungen des Gesetzgebers s. u. S. 271 f. 668

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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Grundsatz der Verhältnismäßigkeit „auf der Sachverhaltsebene Konfliktlagen zu typisieren“ und „Bereiche zu identifizieren, in denen sich der Kontrollumfang und die Kontrollkriterien unterscheiden“.672 Insoweit stellen Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG und Art. 14 Abs. 2 GG die verfassungsunmittelbaren Bezugspunkte für die bundesverfassungsgerichtliche Kontrolle der Wertungen des Gesetzgebers bei der Inhalts- und Schrankenbestimmung dar. Soweit innerhalb der Eigentumsgarantie in Ansehung der Umstände des konkreten Sachbereichs673 Wertabstufungen aufgezeigt werden können, fällt die fehlende „allgemein[e] Wertrangordnung“ 674 bezogen auf die Rationalität bzw. Vorhersagbarkeit und auch Kontrollierbarkeit der Abwägungsentscheidung weniger schwer ins Gewicht. 5. Konkretisierung des Gestaltungsspielraums aufgrund des betroffenen Sachbereichs Neben der Betrachtung der abstrakten normativen Vorgaben spielt bei der Ermittlung des Gestaltungsspielraums in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch der vom jeweiligen Eigentumsgegenstand betroffene Sachbereich eine entscheidende Rolle.675 Insoweit füllt der betroffene Sachbereich die Vorgaben des bei staatlichem Handeln vorausgesetzten Grundsatzes der willkürfreien Sachgerechtigkeit mit Leben.676 Zu dem für den Umfang des Gestaltungs672 O. Lepsius, Die Chancen und Grenzen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, in: M. Jestaedt/ders. (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 1 (40); hierzu auch K. Stern, in: ders. (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/2, 1994, § 84 IV 7 S. 837. 673 K. Stern, in: ders. (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/2, 1994, § 84 IV 7 S. 835; die Bedeutung des Einzelfalls für die Beurteilung der Angemessenheit hebt auch S. Seedorf, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Gesetzgebung, in: M. Jestaedt/O. Lepsius (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 129 (147) hervor. 674 M. Sachs, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, 9. Aufl. 2021, Art. 20 Rn. 156. 675 Hierzu schon S. 144 f.; BVerfG NJW 1983, S. 2433 (2434): „Für das Ausmaß seiner Gestaltungsfreiheit sind Eigenart und Funktion des Eigentumsobjekts von maßgebliche Bedeutung.“; exemplarisch auch BVerfGE 50, 290 (340); 70, 191 (202); vgl. zu weiteren Fallgruppen, aus denen das Bundesverfassungsgericht einen Gestaltungsspielraum im Kontext der Eigentumsgarantie herleitet A. Bräunig, Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur deutschen Wiedervereinigung, S. 56 ff.; die Bedeutung des Sachbereichs unterstreicht M. Gellermann, Grundrechte im einfachgesetzlichen Gewande, S. 312; die Relevanz des Sachbereichs in Gestalt des konkreten Eigentumsobjektes für die Realisierung der sozialen Gebundenheit verdeutlicht A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 186; „[g]enauere Maßstäbe und Kriterien“ für die Bewertung der Verfassungsmäßigkeit lassen sich auch bei Art. 3 GG erst in Ansehung des konkreten Sach- und Regelungsbereichs festlegen, BVerfGE 113, 167 (215) mit Verweis auf BVerfGE 75, 108 (157); 93, 319 (348 f.); 110, 412 (432); vgl. auch R. Wahl, VVDStRL 51, S. 291 (292) zur unterschiedlich starken Ausgestaltungsbefugnis des Gesetzgebers; vgl. weiterhin schon H. P. Ipsen, VVDStRL 10, S. 74 (95). 676 P. Badura, Eigentum im Verfassungsrecht der Gegenwart, in: Ständige Deputation des deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des neunundvierzigsten deutschen

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

spielraums maßgeblichen Sachbereich des Eigentumsgegenstandes sind insbesondere auch die Umstände zu zählen, aus denen sich der soziale Bezug der jeweils von den Inhalts- und Schrankenbestimmungen betroffenen Eigentumsgegenstände ergibt.677 So wurde bereits zu Beginn der Untersuchung differenziert zwischen der rechtlichen Vorgabe des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG und den tatsächlichen, den sozialen Bezug begründenden Umständen, die eine Umsetzung des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG ermöglichen und legitimieren.678 Die Einbeziehung des Sachbereichs für die Bestimmung des zulässigen Kontrollmaßstabs des Bundesverfassungsgerichts führt dazu, dass der soeben auf Grundlage der abstrakten normativen Vorgaben ermittelte Gestaltungsspielraum in „maßgebender“ 679 Weise konkretisiert wird.680 Während etwa der personale Bezug681 des jeweiligen Eigentumsgegenstandes den Gestaltungsspielraum verengt682 und damit dem Gesetzgeber weniger starke Einschränkungsmöglichkeiten zukommen, wird der Gestaltungsspielraum durch das Vorliegen des sozialen Bezugs erweitert.683 Durch die Wahl dieser genannten Anknüpfungspunkte ist die „Differenziertheit der Öffentlichkeitsgehalte nach ihrer Intensität [. . .] wesentliche Bewertungsgrundlage bei der gesetzgeberischen Entscheidung über Interessenkollisionen“.684 Bei Zugrundelegung des Verständnisses, dass der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum nur jenseits von verfassungsrechtlichen Regelungsvorgaben besteht,685 muss der jeweils betroffene Sachbereich bei der Eigentumsgarantie zu unterschiedlich ausgeprägten Regelungsvorgaben führen. Hierbei gilt es jedoch zu berücksichtigen, dass auch wenn insbesondere die Abwägung der betroffenen Rechtsgüter nicht abstrakt erfolgt, sondern sich an den Umständen des Einzelfalls orientiert,686 die Einbeziehung des betroffenen Juristentages, 1972, T 18 f.; F. Ossenbühl, DVBl. 1995, S. 904 (908) spricht von einer „Flucht in die Sache“; zur Sachgerechtigkeit auch R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 384. 677 Zu diesen Umständen s. o. S. 102 ff. 678 S. o. S. 40 f. 679 K. Nüßgens/K. Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, S. 64 Rn. 133. 680 Vgl. auch A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 102 f., der von einem „sachbezogen variablen“ Gestaltungsspielraum spricht. 681 S. u. S. 229 ff. 682 Hierzu sogleich S. 233 f.; kritisch E. Benda, Industrielle Herrschaft und sozialer Staat, S. 312 f. 683 Siehe nur BVerfGE 143, 246 (324 Rn. 218), hier aber bezogen auf „die Befugnis des Gesetzgebers zur Inhalts- und Schrankenbestimmung“; J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 434 f.; allgemein kritisch bezogen auf Differenzierungen des Gestaltungsspielraums E. Hofmann, Abwägung im Recht, S. 485. 684 W. Farke, Öffentliche Bedeutung privater Wirtschaftsunternehmen und Sozialpflichtigkeit des Eigentums, S. 36. 685 S. o. S. 148 ff. 686 N. Petersen, Verhältnismäßigkeit als Rationalitätskontrolle, S. 72.

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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Sachbereichs nicht zwingend eine Justierung des Gestaltungsspielraums einschließlich des gerichtlichen Kontrollmaßstabs auslösen muss. Denn grundsätzlich wirken sich einmal geschaffene rechtliche Vorgaben auf die tatsächlichen Umstände aus und nicht umgekehrt.687 So sorgt die Anknüpfung an den jeweiligen Sachbereich in erster Linie dafür, dass die im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes abzuwägenden Belange überhaupt in ihrer konkreten Gestalt betrachtet und entsprechend gewichtet werden können. Hierdurch ermöglicht sich dem Gesetzgeber dann die Abwägungsentscheidung. Grundsätzlich bleiben jedoch die Regelungs- und Kontrolldichte der normativen Vorgaben unberührt von dem Lebenssachverhalt, auf den sie angewendet werden. So verändert sich durch die Anwendung einer Norm auf einen Sachverhalt prinzipiell nicht deren normative Struktur, vorliegend u. a. das Verbot einer offensichtlich fehlsamen Abwägung. Daher muss die Wandlungsfähigkeit eines Regelungsgehalts angesichts des betroffenen Sachbereichs wiederum im Regelungsgehalt selbst angelegt sein. Indes verkörpern und offenbaren die jeweils betroffenen Sachbereiche einschließlich der abzuwägenden Rechtsgüter rechtliche Wertungen, die sich – auch ohne eine feststehende, abstrakte Wertrangordnung innerhalb des Grundgesetzes – auf die Regelungsdichte der Eigentumsgarantie und damit die Kontrolldichte des Bundesverfassungsgerichts auswirken können. Insoweit kann sich die Regelungsdichte „je nach Zuschnitt und Eigenart des Normbereichs unterschiedlich auf die (Auswahl-)Möglichkeiten des Handelnden auswirken“.688 Ebenso kann der jeweilige Sach- bzw. Normbereich in besonderer Weise Anlass für eine funktionell-rechtliche Betrachtung von Art. 14 GG bieten und sich deshalb auf den Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie auswirken.689 Im Rahmen der Herleitung des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers bei der Eigentumsgarantie befindet sich die Untersuchung nun an folgender Stelle: Nachdem zunächst ein umfassender Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers aufgrund dessen Stellung im Verfassungsgefüge zugrunde gelegt wurde,690 konnte dieser Gestaltungsspielraum anhand der Vorgaben und der Steuerungswirkung des Art. 14 GG gegenüber dem Gesetzgeber konkretisiert werden. So bestätigt und aktualisiert die Eigentumsgarantie unter anderem aufgrund des Regelungsauftrags in Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG und der Legitimationswirkung des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG zunächst den umfassenden gesetzgeberischen Gestaltungsspiel687 Zur Gefahr, die Grenze zwischen Rechtssetzer und Rechtsanwender aufzuweichen A. von Arnauld, Die Freiheitsrechte und ihre Schranken, S. 88. 688 M. Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 255; der Normbereich ist hier im Sinne von F. Müller, Juristische Methodik, 7. Aufl. 1997, S. 79 als „Grundstruktur des Sachbereichs der Rechtsnorm“ anzusehen; vgl. auch C. Starck, Maximen der Verfassungsauslegung, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 271 Rn. 29. 689 Hierzu s. u. S. 260 ff. 690 S. o. S. 140 ff.

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

raum.691 Beschränkt wird dieser Gestaltungsspielraum dann insbesondere durch die Vorgaben der Institutsgarantie und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.692 Anzumerken ist hierbei indes, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keine stets umfassende gerichtliche Kontrolle des gesetzgeberischen Handelns ermöglicht, sondern reziprok zu einer Erweiterung des Gestaltungsspielraums in seiner Kontrolldichte abgeschwächt wird.693 So sind bei einem erweiterten Gestaltungsspielraum bspw. strengere Anforderungen an das Vorliegen von offensichtlich fehlsamen Abwägungsentscheidungen zu stellen, sodass der Prüfungsmaßstab des Bundesverfassungsgerichts insoweit begrenzt ist. Folglich liegt im Vergleich zum auf abstrakter Ebene ermittelten Gestaltungsspielraum eine geringere Wirkkraft der Verhältnismäßigkeitsvorgaben und damit auch eine geringe Prüfungsintensität vor. Diese aufgezeigte Flexibilisierung der verfassungsrechtlichen Grenzen wird in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wiederum auf den jeweils betroffenen Sachbereich zurückgeführt.694 Für diese Rückkoppelung des Kontrollmaßstabs an den Sachbereich und damit die Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Grenzen des eigentumsausgestaltenden Gesetzgebers werden im Folgenden möglich normative Anknüpfungspunkte (S. 222 ff.) aufgezeigt. a) Erforderliche Rückführbarkeit auf die Regelungsdichte Im Rahmen der Ausführungen zur Herleitung des Gestaltungsspielraums wurde festgestellt, dass bei der Bestimmung der verfassungsrechtlichen Grenzen des Gestaltungsspielraums an die Regelungsdichte der betroffenen Verfassungsnormen anzuknüpfen ist.695 Da sich weiterhin die für das Bundesverfassungsgericht maßgebliche Kontrolldichte akzessorisch zur Regelungsdichte der den Gesetzgeber beschränkenden Verfassungsvorschriften verhält,696 muss sich die vom Bundesverfassungsgericht erkannte Flexibilisierung des Gestaltungsspielraums aufgrund des jeweiligen Sachbereichs aus der Regelungsdichte der Eigentumsgarantie ergeben.697 Bei der Bestimmung dieser Regelungsdichte ist im Rahmen der Verfassungsinterpretation nicht nur auf materiell-rechtliche, sondern auch auf funktionell-rechtliche Gesichtspunkte zurückzugreifen.698 Insoweit können diese 691

S. o. S. 170 ff. S. o. S. 183 ff. 693 Vgl. hierzu O. Lepsius, Die Chancen und Grenzen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, in: M. Jestaedt/ders. (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit, 2015, S. 1 (11). 694 Hierzu s. o. S. 144 ff. und insbesondere zur Flexibilisierung S. 213 f. 695 S. o. S. 140 ff. 696 S. o. S. 130. 697 Vgl. M. Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 179 f.; an die Regelungsdichte knüpft auch F. Ossenbühl, VVDStRL 51, S. 285 (287) an, indem er die Schutzabstufung bei der Eigentumsgarantie anhand einer Differenzierung der Kontrollmaßstäbe vollziehen will. 698 Hierzu S. 147; M. Wrase, Zwischen Norm und sozialer Wirklichkeit, S. 395. 692

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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funktionell-rechtlichen Aspekte dazu führen, dass der Gesetzgeber in nur geringem Maße verfassungsrechtlichen Pflichten unterliegt, weil die Ausgestaltung der Eigentumsrechte seiner Organstruktur unter den Verfassungsorganen am ehesten entspricht. Angesichts der möglichen Bezugnahme auf funktionell-rechtliche Erwägungen ist eine Abgrenzung zu dem bereits angesprochenen699 und vorliegend nicht vertretenen Ansatz geboten, der bei verfassungsrechtlichen Vorgaben zwischen Handlungs- und Kontrollnormen differenziert. Nach diesem Ansatz enthält eine (Verfassungs-)Norm einerseits einen an den Gesetzgeber gerichteten Rechtsbefehl (Handlungsnorm) und wendet sich andererseits an das Bundesverfassungsgericht, um diese Vorgabe in nur eingeschränkter Form zu kontrollieren (Kontrollnorm). Eine derartige Aufspaltung ist indes bereits nicht erforderlich, wenn sich funktionell-rechtliche Erwägungen auf den Rechtsbefehl der Norm insgesamt und damit auch auf die „Handlungsnorm“ auswirken. So wurde bei Betrachtung des Regelungsgehalts der Angemessenheit aufgezeigt, dass die Anforderung einer gerechten Abwägung an den Gesetzgeber im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG als Vorgabe zu verstehen ist, die Eigentumsausgestaltung nicht in offensichtlich fehlsamer Weise vorzunehmen.700 Kontrollfähig ist dann insoweit, dass erstens überhaupt eine Abwägung stattgefunden hat und zweitens, dass diese Abwägung nicht offensichtlich fehlsam durchgeführt und entschieden wurde. Die notwendige Konzentration auf diese beiden genannten Aspekte ist auf die Abwesenheit weitergehender Vorgaben an die Abwägung in der Verfassung zurückzuführen, die dementsprechend auch nicht vom Bundesverfassungsgericht kontrolliert werden können. Gleichwohl bestehen dann aber auch keine über den verfassungsrechtlichen Regelungsgehalt hinausgehenden Vorgaben, die eine weitergehende aber nicht justiziable Bindung des Gesetzgebers begründen können.701 Bedingt durch die Ablehnung der Aufspaltung von Vorschriften in Handlungs- und Kontrollvorgaben ist nach vorliegendem Verständnis auch nicht denkbar, dass der Gesetzgeber einer Bindung aus Art. 1 Abs. 3 GG und Art. 20 Abs. 3 GG unterliegt, diese vom Bundesverfassungsgericht aber nicht kontrolliert werden kann. Soweit die verfassungsrechtlichen Grenzen keine weitergehende Beschränkung des zunächst umfassend bestehenden Gestaltungsspielraums702 begründen, ist schlicht keine bundesverfassungsgerichtliche Kontrolle zulässig. Daher korrespondiert die Herabsenkung der Kontrolldichte durch das Bundesverfassungsgericht notwendigerweise auch mit der Annahme einer Verringerung der verfassungsrechtlichen Bindung des Gesetzgebers. 699 700 701 702

S. o. S. 131 f. S. o. S. 192 ff. Siehe jedoch oben zur Appellfunktion S. 131. S. o. S. 140 ff.

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

b) Untersuchung möglicher Begründungsansätze für die Erweiterung des Gestaltungsspielraums Unter Berücksichtigung der erforderlichen Rückführbarkeit auf die Regelungsdichte der Eigentumsgarantie werden im Folgenden mögliche Begründungsansätze im Hinblick darauf untersucht, ob sie insbesondere die Erweiterung des Gestaltungsspielraums gegenüber den Beschränkungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und der weiteren verfassungsrechtlichen Grenzen im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG rechtfertigen können. Denn auch wenn sich der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers grundsätzlich aus dessen Stellung im Verfassungsgefüge herleiten lässt,703 bedarf es eines normativen Anknüpfungspunktes dafür, um die zur Herleitung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums ebenfalls bedeutsamen verfassungsrechtlichen Grenzen bei der Konkretisierung des Gestaltungsspielraums abschwächen zu können. Andernfalls würde die Freistellung des Gesetzgebers von einer strengeren Wirkkraft der Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und damit auch einer strengeren gerichtlichen Kontrolle losgelöst von den verfassungsrechtlichen Vorgaben erfolgen. Mithin stellt das Bundesverfassungsgericht selbst fest, dass die Justierung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums zu einer „gewissen Stufung des Schutzes“ der Eigentumsrechte führt.704 Eine derartige Schutzabstufung würde aber ohne eine normative Grundlage die Gewährleistung der Eigentumsgarantie aushöhlen. Dementsprechend ist die Erweiterung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums im weiteren Verlauf der Untersuchung anhand einer Betrachtung des normativen Schutzgehalts der Eigentumsgarantie zu begründen. Hierbei ist insbesondere auch auf die Begründungsansätze einzugehen, die das Bundesverfassungsgericht zur Rechtfertigung der Einschätzungsprärogative u. a. im Mitbestimmungsurteil genutzt hat.705 Vordergründig ist hier die Wechselwirkung zwischen der „Bedeutung der auf dem Spiele stehenden Rechtsgüter“ und dem Ausmaß des Gestaltungsspielraums zu nennen.706 Als betroffene Rechtsgüter sind dann im Rahmen von Inhalts- und Schrankenbestimmungen maßgeblich die jeweiligen Eigentümerinteressen und die gegenüberstehenden Interessen der Allgemeinheit von Relevanz. Entsprechend der soeben aufgezeigten Prämisse, dass ein bestimmter Sachbereich die Wertigkeit der betroffenen Rechtsgüter verkörpern kann, müssen dem Eigentumsrecht bzw. den Interessen der Allgemeinheit dann Anhaltspunkte für die sich auf die Regelungsdichte auswirkende Wertigkeit entnommen werden können. Zwar gilt es zu beachten, dass der angesprochene Begründungsansatz originär zur Herleitung der auf tatsächliche Fragen gerichteten Einschätzungsprärogative 703 704 705 706

Vgl. nur K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 1042. BVerfGE 53, 257 (292). S. o. S. 157 f. BVerfGE 50, 290 (332 f.).

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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genutzt wird, die vom auf normative Aspekte bezogenen Gestaltungsspielraum abgegrenzt wurde.707 Dennoch besteht eine Vergleichbarkeit dahingehend, dass ein Bereich identifiziert wird, in dem der Gesetzgeber in seinem Handeln von verfassungsrechtlichen Grenzen und dementsprechend auch verfassungsgerichtlicher Kontrolle freigestellt ist. Zudem verwendet das Bundesverfassungsgericht die Kontrollabstufung Evidenz-, Vertretbarkeits- und Inhaltskontrolle ebenfalls bei der Ermittlung der Prüfungsintensität im Hinblick auf die Überprüfbarkeit der Einhaltung normativer Grenzen.708 Somit werden im Folgenden auch die Kriterien der Bedeutung bzw. Wertigkeit der von der Inhalts- und Schrankenbestimmung betroffenen Rechtsgüter sowie die aus der Inhalts- und Schrankenbestimmung resultierende Eingriffsintensität709 berücksichtigt, um die normative Herleitung des erweiterten Gestaltungsspielraums bei Vorliegen des sozialen Bezugs zu begründen. Namentlich wird Bezug genommen auf Art. 14 Abs. 2 S. 1 GG (S. 224 ff.), einen möglichen Einfluss des sozialen Bezugs auf die Wertigkeit der Eigentümerinteressen (S. 228 ff.) sowie Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG (S. 254 ff.). Vor Betrachtung dieser Begründungsansätze wird zudem die Notwendigkeit unterstrichen, bei der Auslegung des Art. 14 GG auch den jeweiligen Sachbereich zu berücksichtigen (S. 223 f.). aa) Erforderliche Bezugnahme auf den Sachbereich bei der Auslegung des Art. 14 GG Zunächst kommt folgende Erwägung in Betracht, um die Anpassung des Gestaltungsspielraums aufgrund des Sachbereichs mit dem vorherigen auf abstrakter Ebene erfolgten Anknüpfen an die Regelungsdichte der Eigentumsgarantie in Einklang zu bringen: Aufgrund der schwach ausgeprägten Regelungs- und Kontrollvorgaben bei der Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des Handelns nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG ermöglicht und erfordert die Interpretation des Art. 14 GG die Einbeziehung von außerhalb der Norm liegender Faktoren.710 Diese Notwendigkeit der Einbeziehung externer Faktoren besteht umso mehr, weil der Privatnützigkeit nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG und der Sozialbindung gemäß Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG ein grundsätzlich gleiches Gewicht zugesprochen wird,711 das sich erst in Ansehung eines spezifischen Sachbereichs bzw. der „sozialen Wirklichkeit“ 712 konkretisiert. Das für die Bewertung der sich gegenüberstehenden 707

S. o. S. 165 ff. S. o. S. 151. 709 K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 1043 und 1049 f.; C. Gusy, Parlamentarischer Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht, S. 176; G. F. Schuppert, DVBl. 1988, S. 1191 (1193 f.); M. Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 248 mit Verweis auf BVerfGE 45, 187 (238); relativierend aber ders., Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 255 f. 710 Vgl. hierzu schon S. 144 f. 711 J. R. Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 368. 712 M. Wrase, Zwischen Norm und sozialer Wirklichkeit, S. 484. 708

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

Abwägungsbelange maßgebliche Gewicht zeigt sich damit erst in der Ausprägung bzw. Umsetzungsbedürftigkeit seiner Widerspiegelung im jeweiligen Sachbereich. Soweit schon bezogen auf die Verfassung insgesamt die Abwesenheit einer abstrakten Wertrangordnung beklagt wurde,713 gilt dies auch auf abstrakter Ebene für die Pole aus Art. 14 Abs. 1. S. 1 GG und Art. 14 Abs. 2 GG. Aus der aus dieser Gemengelage resultierenden Offenheit der Eigentumsgarantie gegenüber der Einbeziehung des maßgeblichen Sachbereichs folgt jedoch nicht zwangsläufig das Erfordernis, auf das Vorliegen der Ausprägung eines bestimmten Sachbereichs – wie es etwa beim sozialen Bezug der Fall ist – mit der Abschwächung verfassungsrechtlicher Grenzen durch die Erweiterung des Gestaltungsspielraums zu reagieren. Vielmehr sind „[f]ür die Analyse der Wirklichkeit zum Zweck der Normanwendung [. . .] immer normative Gesichtspunkte von Bedeutung“.714 Aus der Interpretation des Art. 14 GG selbst muss sich daher ergeben, dass bei Vorliegen des sozialen Bezugs die verfassungsrechtlichen Begrenzungen des Gestaltungsspielraums insbesondere in Gestalt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur noch in abgeschwächter Form zugunsten des Eigentümers wirken. Dieses Vorgehen entspricht der oben erfolgten allgemeinen Herleitung des Gestaltungsspielraums insoweit, als dass die Auswirkungen des jeweiligen Sachbereichs auf das konkrete Ausmaß der verfassungsrechtlichen Grenzen des Gestaltungsspielraums nachvollzogen werden.715 Schließlich sind diese Grenzen ausschlaggebend für die letztlich konkrete Reichweite des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums. bb) Keine unmittelbare Wirkung des Art. 14 Abs. 2 S. 1 GG Für eine Herabsenkung von Regelungsgehalt und Regelungsdichte des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und eine entsprechend stärkere Ausprägung des Gestaltungsspielraums könnte angeführt werden, dass das Vorliegen des sozialen Bezugs verfassungsunmittelbar716 die Pflichtigkeit des Eigentümers aus Art. 14 Abs. 2 S. 1 GG verkörpert. Bei Zugrundelegung der Annahme, dass das Vorliegen des sozialen Bezugs eine verfassungsunmittelbare Pflicht des Eigentümers auslöst, würden die Eigentümerbefugnisse bereits aufgrund von Art. 14 Abs. 2 S. 1 und 2 GG in dem Ausmaß beschränkt sein, in dem auch eine Verbindung des 713 Im Kontext der Eigentumsgarantie R. Körner, Denkmalschutz und Eigentumsschutz, S. 134. 714 C. Starck, Maximen der Verfassungsauslegung, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. XII, 3. Aufl. 2014, § 271 Rn. 29. 715 Zur Relevanz des Sachbereichs für den Gestaltungsspielraum in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schon S. 144 f. 716 Hierzu eingehend im Bereich der Gefahrenabwehr A. Erler, Maßnahmen der Gefahrenabwehr und verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie, S. 77 ff.

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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Eigentumsgebrauchs zur Gesellschaft vorliegt717 bzw. der Eigentümer sein Eigentum nicht nur „treuhänderisch im Dienste der Gesellschaft“ 718 gebraucht. Diese Maßgabe würde dazu führen, dass aus der Eigentumsgarantie für den Handlungsbereich, aus dem der Eigentumsgegenstand in die Gesellschaft hineinragt, keine verfassungsrechtlichen Grenzen entstehen könnten, die den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum beschränken. Die Eigenschaft der Eigentumsgarantie als Abwehrgrundrecht würde für den Bereich, in dem der soziale Bezug besteht, keine Geltung entfalten.719 Entsprechend könnte als Erläuterung der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts720 bei der Interpretation der Eigentumsgarantie aber von einem mit dem Ausmaß des sozialen Bezugs steigenden Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gesprochen werden. Indes wurde bereits bei der Ermittlung des Inhalts des sozialen Bezugs aufgezeigt, dass die Pflichtigkeit der Eigentümer einschließlich der sicherzustellenden Allgemeinwohldienlichkeit gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG der Verwirklichung durch den Gesetzgeber bedarf.721 Die weitreichenden722, ebenfalls bei Betrachtung des Inhalts des sozialen Bezugs aufgezeigten Entstehungsgründe für das Vorliegen des sozialen Bezugs unterstreichen die Notwendigkeit einer Eigentumsbeschränkung durch den Gesetzgeber selbst. Andernfalls würde allein das gesellschaftliche Interesse am Zugriff auf fremde Eigentumsgegenstände ipso iure zu einer Eigentumsbeschränkung führen, ohne dass hierbei die gegenüberstehenden und von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG gewährleisteten Eigentümerinteressen berücksichtigt werden würden. Diese fehlende Berücksichtigung würde umso schwerer wiegen, weil der soziale Bezug auch in Fällen entsteht, in denen der Eigentümer sein Eigentum entsprechend eines gesellschaftlichen Interesses gegenüber dem gesellschaftlichen Raum öffnet und sich der soziale Bezug damit nicht nur auf gemeinschaftsschädliches und damit eindeutiger zu regulierendes

717

Siehe hierzu den dargelegten Inhalt des sozialen Bezugs S. 102 ff. P. Badura, Eigentum im Verfassungsrecht der Gegenwart, in: Ständige Deputation des deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des neunundvierzigsten deutschen Juristentages, 1972, T 27. 719 Hierzu C.-L. Lee, Eigentumsgarantie und Bestandsschutz im Immissionsschutzrecht, S. 35 Fn. 84; vgl. W. Leisner, Situationsgebundenheit des Eigentums – eine überholte Rechtssituation?, S. 8; so vertreten für das Persönlichkeitsrecht von U. Di Fabio, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 39 Juli 2001, Art. 2 Abs. 1 Rn. 160; vgl. D. Bruch, Umweltpflichtigkeit der grundrechtlichen Schutzbereiche, S. 245. 720 S. o. S. 109. 721 S. o. S. 37 ff. 722 Vgl. J. Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 68 und W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 145, der den sozialen Bezug als „undifferenzierten Begriff“ einordnet; C.-L. Lee, Eigentumsgarantie und Bestandsschutz im Immissionsschutzrecht, S. 34; s. o. S. 102. 718

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

Eigentum beschränkt.723 Zudem erfordert die Tatsache, dass der soziale Bezug in unterschiedlich starker Form ausgeprägt sein kann und nicht bloß zwischen dem Vorliegen und Nichtvorliegen differenziert werden muss, eine für Eigentümer und Nichteigentümer erkennbare gesetzliche Festlegung der Eigentümerschranken. Schließlich besteht auch keine festgelegte „Skala an Gemeinwohlpräferenzen“ 724, anhand derer Eigentümer und Nichteigentümer das dem Eigentumsobjekt entstammende Machtverhältnis erkennen könnten.725 Es wurde weiterhin bereits ausgeführt, dass die Vorgaben aus Art. 14 Abs. 2 S. 1 und S. 2 GG zu unbestimmt sind, um aus ihnen in Kombination mit den den sozialen Bezug begründenden Eigentumseigenschaften erkennbare Eigentumsbeschränkungen ablesen zu können.726 Hinzu kommt, dass Art. 14 Abs. 2 S. 1 und 2 GG auch nicht entnommen werden kann, in welcher Gestalt der Verpflichtung des Eigentümers gegenüber dem Allgemeinwohl Rechnung zu tragen ist. Bei Begrenzungen der Eigentumsgarantie ist insbesondere zu bestimmen, wie stark der Rechtskreis des Eigentümers beschränkt und inwieweit Dritten ein Zugriffsrecht auf das fremde Eigentum eingeräumt wird. Diese Beschränkungen sind jedoch vom Gesetzgeber festzulegen und nicht der Auslegung des einzelnen Grundrechtsinterpreten überlassen. Aus den gleichen Gründen sind Inhalts- und Schrankenbestimmungen „als hoheitliche Konkretisierungen der Sozialbindung“ auch als Eingriffe in Eigentumsbestandsrechte und nicht als eine Aktualisierung einer „dem Eigentumsobjekt kraft Verfassung immanente[n] Last“ anzusehen.727 Mithin kann die Erweiterung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums bei Vorliegen des sozialen Bezugs nicht auf eine bereits bestehende Pflicht des Eigentümers aus Art. 14 Abs. 2 S. 1 GG, die zu einer Verringerung der Abwehreigenschaft und damit auch der Regelungsdichte der Eigentumsgarantie führt, gestützt werden.728 Vielmehr ist die Pflichtenbestimmung durch den Gesetzgeber konstitutiv, sodass „konkrete soziale Pflichtigkeiten des Eigentums nicht unmittelbar von Verfassungs wegen bestehen“.729 Mithin wird das Schutzgut Eigentum auch nicht negativ durch Art. 14 Abs. 2 GG definiert.730

723

Siehe hierzu auch S. 276 f. J. Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 68. 725 Zu einer möglichen Abstufung aber unten S. 272 ff. 726 So auch J. Dietlein, Die Eigentumsfreiheit und das Erbrecht, in: K. Stern (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 113 S. 2226 f.; A. Erler, Maßnahmen der Gefahrenabwehr und verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie, S. 80; C.-L. Lee, Eigentumsgarantie und Bestandsschutz im Immissionsschutzrecht, S. 34. 727 M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, S. 234 f.; in diese Richtung aber noch BVerfGE 20, 351 (361). 728 Vgl. auch A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 109. 729 C.-L. Lee, Eigentumsgarantie und Bestandsschutz im Immissionsschutzrecht, S. 36. 724

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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Dadurch, dass Art. 14 Abs. 2 S. 1 GG das Vorliegen eines Eingriffs im Rahmen einer Inhalts- und Schrankenbestimmung unberührt lässt,731 bewirkt die Sozialbindung des Eigentums insoweit auch nicht, dass Eingriffe gegenüber Eigentum mit sozialem Bezug nur abgeschwächt wirken. Denn ohne eine verfassungsunmittelbare Schwächung der Eigentümerinteressen kann durch Inhaltsund Schrankenbestimmungen eine Beschränkungswirkung erheblichen Ausmaßes vorliegen. Exemplarisch hierfür ist die Atomausstiegsentscheidung, in der das Bundesverfassungsgericht trotz Annahme einer nur geringen Schutzwürdigkeit der betroffenen Eigentumsrechte von einer enormen Beschränkung der Nutzungsmöglichkeit der Kernkraftwerke ausgeht.732 Würde das Bestehen eines sozialen Bezugs durch Art. 14 Abs. 2 S. 1 GG hingegen die Intensität von Eingriffen abschwächen, könnte zur Begründung des erweiterten Gestaltungsspielraums an das Kriterium der Eingriffsintensität733 angeknüpft werden. Dieses Kriterium nutzt das Bundesverfassungsgericht ebenfalls zur Bestimmung des jeweils einschlägigen Kontrollmaßstabes.734 Im Rahmen dieser Bestimmung soll mit steigender Eingriffsintensität die Kontrolldichte ansteigen und in gleichem Maße der Gestaltungsspielraum beschränkt werden. Dogmatisch verortet innerhalb der Regelungsdichte der Freiheitsgrundrechte wird das Anknüpfen an die Eingriffsintensität durch „das Verbot der Rechtsschutzverweigerung“.735 Insbesondere bei intensiven Eingriffen muss dem Eigentümer die Garantie des Art. 19 Abs. 4 GG offen stehen. Weiterhin kann angeführt werden, dass mit zunehmender Eingriffsintensität strengere Anforderungen an die Eingriffsrechtfertigung gestellt werden und es daher zu einer Verdichtung des grundrechtlichen Kontrollmaßstabes kommt.736 Insoweit hätte die Verminderung der Eingriffsintensität durch die Sozialbindung aus Art. 14 Abs. 2 GG bei Vorliegen des sozialen Bezugs die Erweiterung des Gestaltungsspielraums in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts rechtfertigen können. Angesichts der fehlenden unmittelbaren Wirkung des Art. 14 Abs. 2 S. 1 und 2 GG besteht 730 R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 294; vgl. auch W. Farke, Öffentliche Bedeutung privater Wirtschaftsunternehmen und Sozialpflichtigkeit des Eigentums, S. 46: „[. . .] daß die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG sich nicht unter dem Gesichtspunkt der Sozialwertigkeit der Eigentumsobjekte auf bestimmte Eigentumsarten beschränkt.“ 731 Zur Leugnung eines Eingriffs bei Zustandsstörern jedoch A. Erler, Maßnahmen der Gefahrenabwehr und verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie, S. 83 ff. 732 BVerfGE 143, 246 (349 f. Rn. 294). 733 Hierzu schon S. 157 f.; vgl. auch A. Steinbach, AöR 140 (2015), S. 367 (408); C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 592. 734 S. o. S. 158. 735 M. Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 248. 736 M. Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 253; vgl. R. Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, S. 202; vgl. auch J. Dietlein, Die Eigentumsfreiheit und das Erbrecht, in: K. Stern (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/ 1, 2006, § 113 S. 2249 bezogen auf die „Belastungsintensität“.

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

jedoch keine derartige Verbindung von Eingriffsintensität, gesetzgeberischem Gestaltungsspielraum und dem sozialen Bezug. cc) Sozialer Bezug als Absenkung der Wertigkeit der Eigentümerinteressen? Nachdem die Erweiterung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums nicht auf eine unmittelbare Wirkung des Art. 14 Abs. 2 S. 1 GG gestützt werden konnte, soll nunmehr die jeweilige Wertigkeit der Eigentumsgarantie auf eine Wechselwirkung mit der Regelungs- und Kontrolldichte des Art. 14 GG hin untersucht werden. Durch diesen Ansatz wird dem bereits aufgezeigten Vorgehen des Bundesverfassungsgerichts entsprochen, wonach im Anschluss an das Mitbestimmungsurteil für eine anteilige Freistellung des Gesetzgebers von gerichtlicher Kontrolle auch auf die Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter zurückzugreifen ist.737 Daher ist im Folgenden zunächst die Bedeutung der Eigentumsgarantie als maßgebliches von einer Inhalts- und Schrankenbestimmung betroffenes Rechtsgut für die Inhaber der Eigentumsrechte zu berücksichtigen. Insoweit steht die Eigenschaft der Eigentumsgarantie als Freiheitsgrundrecht in Rede. Die Verbindung zum Regelungsgehalt und zur Regelungsdichte des Art. 14 GG wird hierbei dadurch hergestellt, dass die Herleitung der Bedeutung des Eigentums für die Rechteinhaber aus der Interpretation des Schutzzwecks der Eigentumsgarantie738 erfolgt.739 Dieses Anknüpfen an den Schutzzweck bzw. Telos einer Verfassungsvorschrift wurde bereits bei allgemeiner Betrachtung des Gestaltungsspielraums als Methode zur Ermittlung der Bestimmtheit des normativen Rechtsbefehls aufgezeigt.740 Insoweit ist der Rechtsbefehl eines Freiheitsgrundrechts umso stärker auf die Zurückhaltung des Gesetzgebers im Hinblick auf die Berührung der Freiheitsinteressen gerichtet, je intensiver der Schutzzweck der Norm die Freiheit des Grundrechtsträgers postuliert. Dementsprechend folgert auch O. Lepsius, dass „[d]ie effektive Kontrolldichte [. . .] von der Funktion des Grundrechts für den konkreten Freiheitsschutz des Einzelnen“ ab-

737 Siehe nur BVerfGE 50, 290 (333) und s. o. zur Zulässigkeit des Rückgriffs auf diese Kriterien S. 222; C. Simons, Grundrechte und Gestaltungsspielraum, S. 132 f. 738 Hierzu M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 152; zur Berücksichtigung des Zwecks der Regelungen auch K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 1042; zum Zusammenhang zwischen Bedeutung des Grundrechts und individuellem Freiheitsschutz O. Lepsius, Die maßstabsetzende Gewalt, in: M. Jestaedt/ders./C. Möllers/C. Schönberger, Das entgrenzte Gericht, 2011, S. 159 (219). 739 Zur Herleitung der Regelungsdichte s. o. S. 129; zur teleologischen Argumentation bei Art. 14 GG J. Meyer-Abich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 21 ff.; vgl. auch P. Badura, Eigentum im Verfassungsrecht der Gegenwart, in: Ständige Deputation des deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des neunundvierzigsten deutschen Juristentages, 1972, T 11 f.: vgl. O. Lepsius, WiVerw 2011, S. 206 (214). 740 S. o. S. 129.

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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hänge.741 Die Funktion bzw. der Schutzzweck des einschlägigen Grundrechts prägen insoweit dessen Regelungsdichte, sodass sie angesichts der bereits beschriebenen Akzessorietät742 gleichzeitig maßgeblich für die Kontrolldichte des Bundesverfassungsgerichts sind. Der Verbindung des durch den Gesetzgeber zu beachtenden Regelungsgehalts mit der Wertigkeit bzw. der Bedeutung der Eigentumsgarantie entspricht auch der Vorgabe an den Gesetzgeber, dass im Rahmen der Abwägung „der besondere Wertgehalt“ des jeweils betroffenen Grundrechts zu berücksichtigen ist.743 Für die Ermittlung des konkreten Wertgehalts eines Grundrechts ist dann jedoch erforderlich, die Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu betrachten, die die Wirkung und das Umfeld eines Eigentumsrechts prägen.744 Insoweit erklärt sich auch, warum die Konkretisierung des aus der Regelungsdichte folgenden Gestaltungsspielraums nur unter Einbeziehung des Sachbereichs745 erfolgen kann: Das konkrete Ausmaß der Regelungsdichte ist auf abstrakter Ebene nicht feststellbar. (1) Schutzzweck der Eigentumsgarantie als Kennzeichnung der Wertigkeit Zur Ermittlung der Bedeutung der Eigentumsgarantie für den Eigentümer wird daher nunmehr der Schutzzweck des Art. 14 GG betrachtet. Maßgeblicher Zweck der Eigentumsgarantie für den Eigentümer ist, dass der Eigentumsgebrauch zu dessen Freiheitsverwirklichung beiträgt. Schon die Arbeiten bedeutender Rechtsphilosophen als „geistesgeschichtliche Ideen der Aufklärungsphilosophie“ 746 sahen das Eigentum in einem engen Zusammenhang mit der Freiheitsverwirklichung des Einzelnen. So stellte die Freiheit für J. Locke u. a. die Quelle all desjenigen Eigentums dar, das über das Eigentum an der eigenen Person hinausgeht.747 Gleichzeitig beinhalte das Recht auf Selbsterhaltung auch das Recht, an Dingen Eigentum zu erwerben, die für den Einzelnen notwendig oder nützlich sind.748 Weiterhin wies G. W. F. Hegel darauf hin, dass das Eigentum eine äußere 741 Vgl. O. Lepsius, Verfassungsrechtlicher Rahmen der Regulierung, in: M. Fehling/ M. Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, § 4 S. 192. 742 S. o. S. 130. 743 A. v. Brünneck, Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, S. 398 mit Verweis auf BVerfGE 7, 198 (208). 744 Vgl. J. Riecken, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, S. 468. 745 Hierzu auch A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 108 f. 746 H.-J. Papier/F. Shirvani, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 83 April 2018, Art. 14 Rn. 1; hierzu R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 81; vgl. P. Badura, Eigentum, in: E. Benda/W. Maihofer/H.-J. Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1994, § 10 Rn. 6. 747 Vgl. J. Locke, Two Treaties, Book II, Chapter V § 26; J. Braun, Einführung in die Rechtsphilosophie, 2. Aufl. 2011, § 17 S. 203. 748 Vgl. J. Locke, Two Treaties, Book II, Chapter V § 27; R. Zippelius, Rechtsphilosophie, 6. Aufl. 2011, § 35 S. 192.

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

Sphäre der Freiheit einer Person verkörpere.749 Hieraus resultiert dann, dass in der engen Verbindung zwischen Eigentum und Freiheit „der eigentlich tragende, innere Grund der Eigentumsgarantie“ gesehen wird.750 Anknüpfend an diese Ideen751 stellt das Bundesverfassungsgericht fest, dass die Eigentumsgarantie dem Einzelnen „einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich [. . .] sichern und ihm dadurch eine eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens [. . .] ermöglichen“ solle.752 Darüber hinaus kennzeichnet das Bundesverfassungsgericht das Eigentum als „ein elementares Grundrecht, das in einem inneren Zusammenhang mit der Garantie der persönlichen Freiheit steht“.753 Insoweit erblickt das Bundesverfassungsgericht den Schutzzweck der Eigentumsgarantie in der Freiheitsverwirklichung der Eigentümer durch Einsatz und Gebrauch der vom Eigentum umfassten Rechte und Objekte. Hierbei soll das Eigentum auch nicht lediglich Instrument anderer grundrechtlicher Freiheiten sein, sondern stellt einen bezüglich ausgewiesener Vermögensgegenstände bestehenden eigenen Freiheitsbereich dar.754 Die Wertigkeit bzw. Bedeutung eines Eigentumsrechts für den Grundrechtsträger kann somit durch die Betrachtung ermittelt werden, inwieweit der vom konkreten Eigentumsrecht erfasste Eigentumsgegenstand zur Freiheitsverwirklichung des Einzelnen beiträgt.755 Diese Verknüpfung der Wertigkeit für den Grundrechtsträger mit der Ausprägung der Freiheit entspricht auch der Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts im Apothe749 G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 41; R. Zippelius, Rechtsphilosophie, 6. Aufl. 2011, § 35 S. 193; C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 107. 750 J. Meyer-Abich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 58; vgl. C. KreuterKirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 102 f. 751 L. Raiser, Das Eigentum als Menschenrecht, in: W. Grunsky/R. Stürner u. a. (Hrsg.), Festschrift für Fritz Baur, S. 105 (111). 752 BVerfGE 24, 367 (389); 50, 290 (339); 68, 193 (222); 83, 201 (208); 102, 1 (15); vgl. H.-J. Papier/F. Shirvani, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 83 April 2018, Art. 14 Rn. 106; vgl. auch BGHZ 6, 270 (276); ebenso ist das Verständnis in der Literatur vorherrschend, vgl. nur F. Ossenbühl, VVDStRL 51, S. 285 (286); hierzu auch O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft im öffentlichen Recht, S. 65 f., ders., Verfassungsrechtlicher Rahmen der Regulierung, in: M. Fehling/M. Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, § 4 S. 181 und ders., WiVerw 2011, S. 206 (212); R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 84; C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 101 f.; ebenfalls kritisch W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 113. 753 BVerfGE 24, 367 (389); 50, 290 (340); 53, 257 (290); H.-J. Papier/F. Shirvani, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 83 April 2018, Art. 14 Rn. 107; eingehend zum Freiheitsbegriff R. Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, S. 109 ff. 754 R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 85. 755 J.-R. Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 367; allgemein zur Bestimmung der Wertigkeit C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 316.

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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kenurteil, wonach „nach der Gesamtauffassung des Grundgesetzes die freie menschliche Persönlichkeit der oberste Wert ist“.756 Auch bei der Ermittlung der Wertigkeit des Eigentums muss zwischen schon bestehenden Eigentumsrechten und noch zu schaffenden Eigentumspositionen im Rahmen der Inhalts- und Schrankenbestimmung differenziert werden.757 Bei bereits bestehenden Eigentumspositionen ist die konkrete freiheitsermöglichende Funktion des mit Nutzungsbefugnissen verliehenen Eigentumsgegenstandes zu berücksichtigen. So steigt die Wertigkeit von Eigentumsrechten entsprechend ihres Beitrags zur Freiheitsverwirklichung, sinkt aber auch im Falle nur geringer Freiheitsrelevanz für den Eigentümer. Die jeweilige Freiheitsrelevanz von Eigentumsrechten und den zugehörigen Eigentumsgegenständen kennzeichnet das Bundesverfassungsgericht mit dem sogleich zu betrachtenden Begriff des personalen Bezugs.758 Bei ausschließlich zukünftig wirkenden Inhalts- und Schrankenbestimmungen ist hingegen eine Orientierung anhand der potenziellen Freiheitsrelevanz des der Eigentumsausgestaltung zugrundeliegenden Sachbereichs vorzunehmen.759 (a) Starke Ausprägung des personalen Bezugs Eine besonders starke Ausprägung des soeben angesprochenen personalen Bezugs und damit der Wertigkeit des betroffenen Eigentumsrechts liegt vor, wenn die Inhaberschaft des Eigentums auf eigener Leistung beruht.760 Diese Privilegierung des Ergebnisses der eigenen Leistung gegenüber einem „unverdienten“ Vermögen761 kann ebenfalls auf J. Locke zurückgeführt werden.762 Dadurch dass 756

BVerfGE 7, 377 (405), (Hervorhebung durch den Verf.). Hierzu schon s. o. S. 202 ff. 758 BVerfGE 53, 257 (291 f.); 58, 81 (112); 112, 93 (109 f.); O. Depenheuer/J. Froese, in: H. von Mangoldt/F. Klein/C. Starck u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 7. Aufl. 2018, Art. 14 Rn. 12 ff.; zum personalen Bezug auch H. Dederer, in: W. Kahl/C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 118. Akt. Dez. 2017, Art. 14 Rn. 861 und J.-R. Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 365 ff.; H. Rittstieg, in: R. Wassermann (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (AK-GG), Bd. I, 2. Aufl. 1989, Art. 14/15 Rn. 74; C. KreuterKirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 104. 759 S. o. S. 205. 760 BVerfGE 1, 264 (277 f.); 14, 288 (293 f.); 30, 292 (334); M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 154; H. Dederer, in: W. Kahl/C. Waldhoff/ C. Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 118. Akt. Dez. 2017, Art. 14 Rn. 859 ff.; J. Meyer-Abich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 25 ff.; kritisch R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 359 ff.; C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 123. 761 P. Badura, Eigentum, in: E. Benda/W. Maihofer/H.-J. Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1994, § 10 Rn. 28. 762 J. Locke, Two Treaties, Book II, Chapter V § 26; R. Zippelius, Rechtsphilosophie, 6. Aufl. 2011, § 35 S. 192; J. Meyer-Abich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 28 ff. 757

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

jedem Menschen das Eigentum an seiner Person zukomme, „soll auch die Betätigung der eigenen Person als Ausdruck der persönlichen Freiheit weiteres Eigentum schaffen“.763 Eine Ausprägung des personalen Bezugs wird weiterhin darin gesehen, dass das Eigentum dem Grundrechtsträger „als Mittel des Personseins“ dient.764 In diesem Zusammenhang wird von der Eigentumsgarantie dann „nicht nur die Persönlichkeitsentfaltung des Eigentümers geschützt, sondern auch das Ergebnis dieser Freiheitsausübung“.765 Zudem wird für das Vorliegen der freiheitssichernden Funktion vorausgesetzt, dass das Eigentum „als Grundlage privater Initiative und im eigenverantwortlichen privaten Interesse von Nutzen ist“.766 Eine derartige Grundlage privater Initiative liegt jedenfalls dann vor, wenn das Eigentum als wirtschaftliche Existenzgrundlage fungiert.767 Weiterhin kann der Freiheitsraum für die eigenverantwortliche Betätigung am ehesten durch das persönliche Sacheigentum gewährleistet werden.768 Über diese besonderen Ausprägungen des personalen Bezugs hinaus kann bei der Bestimmung der Freiheitsrelevanz des Eigentums zwischen der durch die Nutzung des Eigentums verkörperten Ertragsfunktion, der aufgrund der Möglichkeit der Veräußerung gewährleisteten Sicherungsfunktion sowie der zumindest potenziell Unabhängigkeit gegenüber der Arbeitgeberseite ermöglichenden Funktion des Eigentums differenziert werden.769 Weiterhin ist vor dem Hintergrund der Beziehung zwischen Eigentumsgarantie und Freiheitsverwirklichung die Entfaltungsfunktion des Eigentums770 zu berücksichtigen, deren Ausprägung ebenfalls den jeweils bestehenden Grad des personalen Bezugs beeinflusst. Die wohl stärkste Ausprägung des personalen Bezugs hat das Bundesverfassungsgericht bezogen auf Ausgleichsansprüche von Grundrechtsträgern aner763 J. Dietlein, Die Eigentumsfreiheit und das Erbrecht, in: K. Stern (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 113 S. 2143. 764 P. Häberle, Vielfalt der Property Rights, in: M. Neumann (Hrsg.), Ansprüche, Eigentums- und Verfügungsrechte, 1984, S. 63 (90); vgl. BVerfGE 24, 367 (400) mit Verweis auf die personenhafte Bezogenheit. 765 C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 104; B.-O. Bryde, in: I. von Münch/P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 6. Aufl. 2012, Art. 14 Rn. 3. 766 M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 153. 767 Vgl. M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 170 ff.; R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 88 f. 768 H. Rittstieg, in: R. Wassermann (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (AK-GG), Bd. I, 2. Aufl. 1989, Art. 14/15 Rn. 75. 769 M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 174 ff.; H.-J. Papier/F. Shirvani, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 83 April 2018, Art. 14 Rn. 4 ff.; zur Sicherungsfunktion O. Issing, „Kleineres Eigentum“ – Grundlage unserer Wirtschaftsordnung, in: ders./W. Leisner, „Kleineres Eigentum“, 1976, S. 7 (11); zur Unabhängigkeit durch Eigentum auch O. Lepsius, WiVerw 2011, S. 206 (212 f.). 770 M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 190 ff.

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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kannt, die während des zweiten Weltkriegs Zwangsarbeit verrichten mussten.771 Als weitere Eigentumsrechte mit besonders ausgeprägtem personalen Bezug sind „Vergütungs- und Versorgungsansprüche für Arbeitsleistungen, private Konsumgüter im weitesten Sinne, selbst bewohnte Grundstücke sowie der persönlichen Verwendung dienende Ersparnisse“ zu nennen.772 (b) Relation zu Regelungs- und Kontrolldichte der Eigentumsgarantie Korrespondierend zu der Ausprägung der freiheitssichernden Funktion der Eigentumsrechte ergibt sich und steigt auch „der durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG bewirkte Verfassungsschutz“.773 Diese Entstehung und Erhöhung des verfassungsrechtlichen Schutzes und damit die Beschränkung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums774 geht darauf zurück, dass die abwehrrechtliche Eigenschaft der Eigentumsgarantie775 aus der Wertigkeit der konkret betroffenen Rechtsposition für den Eigentümer resultiert und sich bei besonderer Wertigkeit erhöht. Die Bedeutung des Eigentumsrechts für den Eigentümer entfaltet dann eine für den Gesetzgeber beachtliche Steuerungswirkung. Auch wenn die Eigentumsrechte gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber bedürfen und ein vollständiges Fernbleiben des Gesetzgebers aus der Sphäre des Eigentümers gar nicht denkbar ist,776 beinhaltet die Eigentumsgarantie dennoch eine schon angesprochene abwehrrechtliche Dimension.777 Bei bereits bestehenden Eigentumsrechten spiegelt sich diese in der Bestandsgarantie wider: Der „Bestand der durch die Rechtsordnung anerkannten Vermögensrechte“ 778 wird gegenüber der öffentlichen Gewalt vor unverhältnis771 BVerfGE 112, 93 (110): „Ein stärkerer personaler Bezug der Eigentumsposition als der des Ausgleichsanspruchs von Menschen, die buchstäblich um ihr Leben arbeiten mussten, ist kaum vorstellbar.“ 772 A. v. Brünneck, Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, S. 399; zu selbstbewohnten Grundstücken auch eingehend H. Rittstieg, Eigentum als Verfassungsproblem, S. 325 ff. 773 H.-J. Papier/F. Shirvani, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 83 April 2018, Art. 14 Rn. 425; allgemein zur Auswirkung der Freiheitsausprägung auf den Maßstab der Verhältnismäßigkeitsprüfung D. Riedel, Eigentum, Enteignung und das Wohl der Allgemeinheit, S. 30; O. Lepsius, WiVerw 2011, S. 206 (212). 774 Vgl. M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 212; in diese Richtung auch O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft im öffentlichen Recht, S. 64 der die Grenzen des Gestaltungsspielraums „durch den Freiheitsschutz der Sachherrschaftsgarantie bestimmt“ sieht; U. Mager, Einrichtungsgarantien, S. 188. 775 C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 122. 776 S. o. S. 173 ff. 777 S. o. S. 168 f. 778 BVerfGE 72, 175 (195); J. Dietlein, Die Eigentumsfreiheit und das Erbrecht, in: K. Stern (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 113 S. 2137; C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 122; D. Blasberg,

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

mäßigen Eingriffen bewahrt.779 Gleichzeitig können bestehende Eigentumsrechte bei entsprechender Rechtfertigung auch umgestaltet bzw. vollständig aufgehoben werden. Allein der Bestand eines Eigentumsrechts garantiert nicht dessen zukünftige Unantastbarkeit gegenüber dem Staat. Die maßgebliche Schutzwirkung, die von bestehenden Eigentumsrechten für ihre Eigentümer ausgeht, ist vielmehr die Garantie einer verhältnismäßigen Eigentumsausgestaltung, bei der auch Vertrauensschutzaspekte780 vom Gesetzgeber zu berücksichtigen sind. Bei neu zu schaffenden Eigentumsrechten dürfen die durch die Institutsgarantie gewährleisteten Eigentümerinteressen 781 entsprechend ihrer Ausprägung ebenfalls nicht unverhältnismäßig beschränkt werden.782 Insoweit folgert J. Dietlein, dass die Auswirkungen der Institutsgarantie „in der Realität einer ausgestalteten Eigentumsordnung weitgehend in der klassisch-abwehrrechtlichen Rechtsstellungsgarantie“ aufgehen.783 Daraus resultierend besteht der Inhalt des aus der Eigenschaft als Abwehrgrundrecht folgenden bedingten Unterlassungsgebots an den Gesetzgeber darin, keinen offensichtlich fehlsamen Ausgleich zwischen Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG und Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG zu Lasten der Eigentümerinteressen im Rahmen des Gestaltungsauftrags aus Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG vorzunehmen. Dass der Gesetzgeber im Rahmen der Eigentumsausgestaltung unabhängig von bereits bestehenden Eigentumsrechten auch die Eigentümerinteressen zu berücksichtigen hat, ergibt sich neben Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG784 auch aus dem bereits eingehend betrachteten Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG, wonach der Eigentumsgebrauch zugleich dem Allgemeinwohl zu dienen bestimmt ist.785

Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Grundeigentums zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, S. 96. 779 D. Riedel, Eigentum, Enteignung und das Wohl der Allgemeinheit, S. 69 f.; vgl. A. von Arnauld, Die Freiheitsrechte und ihre Schranken, S. 136. 780 Siehe hierzu S. 312 ff. 781 Hierzu s. o. S. 184 f. 782 Wie schon oben M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, S. 214 f.; J. Dietlein, Die Eigentumsfreiheit und das Erbrecht, in: K. Stern (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 113 S. 2176; zur Differenzierung zwischen Ausgestaltungs- und Rechtsstellungsgarantie D. Riedel, Eigentum, Enteignung und das Wohl der Allgemeinheit, S. 67 f.; vgl. den in BVerfGE 42, 263 (295) unabhängig von der Bestandsgarantie thematisierten „grundsätzlichen Freiheitsanspruch des Bürgers“. 783 J. Dietlein, Die Eigentumsfreiheit und das Erbrecht, in: K. Stern (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 113 S. 2176. 784 Vgl. C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 116 f.; insoweit sieht D. Riedel, Eigentum, Enteignung und das Wohl der Allgemeinheit, S. 32 den Grund für die Rechtsfertigungspflicht indes in der Leistungspflicht der Bereitstellung einer optimalen Eigentumsordnung; ähnlich J. Sieckmann, in: K. Friauf/W. Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, 44. Erg.-Lfg. XI/14, Art. 14 Rn. 22. 785 S. o. S. 180.

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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Entsprechend eines steigenden Ausmaßes der anhand der Freiheitsrelevanz ermittelten Wertigkeit des betroffenen bereits bestehenden oder noch zu schaffenden Eigentumsrechts verdichtet sich der Regelungsgehalt des Art. 14 GG und führt damit auch zu einer erhöhten gerichtlichen Kontrolldichte.786 Denn mit erhöhter Wertigkeit des betroffenen Eigentumsrechts steigen zudem die Rechtfertigungsanforderungen an den Gesetzgeber, sodass das soeben betrachtete, auf unverhältnismäßige Eigentumsausgestaltung gerichtete Unterlassungsgebot in stärkerer Form Geltung entfaltet. Gleichzeitig resultiert aus der erhöhten Regelungs- und Kontrolldichte dann eine Beschränkung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums.787 Ähnlich argumentiert M. Wrase, der den Grad „des materialen Schutzbedürfnis[ses]“ mit dem Ausmaß „der Prüfungsintensität im Rahmen der verfassungsgerichtlichen Kontrolle“ verbindet.788 Innerhalb dieser Betrachtung ist die Regelungsdichte der Eigentumsgarantie durch teleologische Auslegung respektive funktionelle Betrachtung zu ermitteln.789 Die Annahme der erhöhten Schutzwürdigkeit bei ausgeprägtem personalen Bezug entspricht auch der Maßgabe, dass „je intensiver eine Regelung oder Maßnahme den personalen Kern der Grundrechte ergreift, desto mehr“ bundesverfassungsgerichtlicher Schutz erforderlich und das Bundesverfassungsgericht zur Nachprüfung verpflichtet ist.790 Mithin kann festgestellt werden, dass zwischen der im konkreten Sachbereich bestehenden Freiheitsrelevanz des von einer Inhalts- und Schrankenbestimmung betroffenen Eigentumsrechts und der Regelungsdichte des Art. 14 GG eine Wechselwirkung besteht. 786 Allgemein zu diesem Mechanismus W. Heun, Funktionell-rechtliche Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit, S. 40. 787 A. Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 218: „Die Bestandsgarantie als ein anderes dogmatisches Prinzip bewirkt eine Einschränkung dieses Gestaltungsspielraums.“; im Ergebnis auch J. Riecken, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, S. 472: „Im übrigen führen Spielräume nicht zu einer übermäßigen Freiheitsbeschränkung, weil die konkrete Bedeutung der betroffenen Grundrechte das wichtigste Kriterium für ihren Umfang ist.“ (Hervorhebung durch den Verf.); A. v. Brünneck, Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, S. 387: „Dem Gesetzgeber [. . .] müssen zwar unter heutigen Verhältnissen weitreichende Spielräume zur Ausgestaltung der Eigentumsgarantie eingeräumt werden. Ihnen sind aber dort neue Schranken zu setzen, wo sie das Eigentum als Element der individuellen Freiheitssicherung antasten könnten.“ 788 M. Wrase, Zwischen Norm und sozialer Wirklichkeit, S. 394. 789 Vgl. auch P. Badura, Eigentum im Verfassungsrecht der Gegenwart, in: Ständige Deputation des deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des neunundvierzigsten deutschen Juristentages, 1972, T 26; auch M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 150 erkennt in dem „Sinn und Zweck der Eigentumsgarantie“ die „Leitlinie bei der Abwägung zwischen Eigentümer- und Allgemeinwohlinteressen“; vgl. K. Schlaich/S. Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 12. Aufl. 2021, Rn. 530; siehe schon S. 129. 790 K. Hesse, Funktionelle Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Recht als Prozess und Gefüge. Festschrift für Hans Huber zum 80. Geburtstag, 1981, S. 261 (266); C. Simons, Grundrechte und Gestaltungsspielraum, S. 310; J. Riecken, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, S. 441.

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

(c) Eigentumsschutz trotz Verringerung des personalen Bezugs Gleichzeitig muss berücksichtigt werden, dass der verfassungsrechtliche Schutz bei Eigentumsrechten mit nur gering ausgeprägtem personalen Bezug in Relation zu besonders freiheitsrelevantem Eigentum abzusenken ist.791 Mit geringerer Bedeutung für den Eigentümer verliert auch das aus der Abwehreigenschaft der Eigentumsgarantie resultierende bedingte Unterlassungsgebot an Bestimmtheit für den Gesetzgeber. Folglich sinkt auch die Regelungsdichte des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG ab, die den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers beschränkt. Diese mögliche Absenkung des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes entfaltet ihre Relevanz auch vor dem Hintergrund eines diskutierten Funktionswandels792 des Eigentums. So wird zum Kriterium der Existenzsicherung des Eigentums als besonderen Ausdruck des personalen Bezugs ausgeführt, dass nicht mehr das Eigentum „persönliche Existenz und Freiheit“ garantiere, sondern diese Garantie nunmehr stattdessen durch „die eigene Arbeitskraft und ihre sozialstaatlich geschaffenen Surrogate“ erfolge.793 Weiterhin führt P. Badura aus, dass der Eigentümer produktiven Kapitals794 und der Eigentümer von Grund und Boden,795 der sein Grundstück nicht selbst nutzt, sondern als Ware behandelt, nicht mit dem Argument gehört werden könne, dass er derartiges Eigentum als Substrat personhafter Freiheit der Daseinsgestaltung benötige.796 Indes ist zu berücksichtigen, dass bei Eigentum an Unternehmen wie Landwirtschafts- oder Handwerksbetrieben dem Eigentum weiterhin eine existenzsichernde Funktion zukommen kann797 und darüber hinaus Eigentumsrechte auch ohne die existenzsichernde Funktion einen Freiheitsbereich im vermögensrechtlichen Bereich gewährleisten können.798 Das mögliche existenzsichernde Element des Eigentums ist nicht konstitutiv für den verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz.799 791

Kritisch R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 98. J. Meyer-Abich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 69 ff.; vgl. C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 102; H.-J. Papier/F. Shirvani, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 83 April 2018, Art. 14 Rn. 10; P. Badura, Eigentum, in: E. Benda/W. Maihofer/H.-J. Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1994, § 10 Rn. 3. 793 J. Meyer-Abich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 72. 794 Siehe hierzu schon S. 86 ff. 795 Ebenfalls eingehend S. 56 ff. 796 P. Badura, Eigentum im Verfassungsrecht der Gegenwart, in: Ständige Deputation des deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des neunundvierzigsten deutschen Juristentages, 1972, T 23; ähnlich H. Rittstieg, Eigentum als Verfassungsproblem, S. 315 f. und A. v. Brünneck, Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, S. 400. 797 A. v. Brünneck, Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, S. 399. 798 Vgl. J. Meyer-Abich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 76. 799 W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 114; vgl. 792

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

237

Schließlich liegt „Freiheit im vermögensrechtlichen Bereich“ auch etwa dann vor, wenn der Eigentumsgegenstand schlicht in seiner Ertragsfunktion oder nicht etwa selbst genutzt wird, sondern die unmittelbare Eigentumsnutzung durch vom Eigentümer angewiesene Dritte erfolgt.800 Insbesondere bei vermietetem Wohneigentum bleibt der Eigentumsschutz erhalten, weil dieses etwa weiterhin als Altersvorsorge eine gewichtige Sicherungsfunktion für die Freiheitsverwirklichung einnehmen kann.801 Bei der Betrachtung des vermögensrechtlichen Bereichs sind zudem die „Bedingungen der heutigen arbeitsteiligen Industriegesellschaft“ zu berücksichtigen,802 bei denen der Einsatz eines Eigentumsobjektes gerade nicht ausschließlich die eigene Nutzung voraussetzen kann. Vielmehr ist „die Eigentumsgewährleistung als modernes Wirtschaftsgrundrecht [zu] entfalten, das dem Wandel der Zeit gerecht wird“.803 So liegt der Eigentumsgebrauch auch ohne unmittelbare Nutzung weiterhin im vom Bundesverfassungsgericht vorausgesetzten „eigenverantwortliche[n] private[n] Interesse“ 804 des Eigentümers. Weiterhin kann für die Freiheitsverwirklichung im vermögensrechtlichen Bereich insbesondere die Veräußerung eines Grundstücks805 und die Inhaberschaft eines Unternehmens einschließlich des erforderlichen Kontakts mit Dritten entsprechend der soeben angesprochenen Ertrags- und Sicherungsfunktion von herausgehobener Bedeutung sein. Dementsprechend kennzeichnet das Bundesverfassungsgericht die Veräußerungsbefugnis als „elementare[n] Bestandteil der Handlungsfreiheit im Bereich der Eigentumsordnung“.806 Zudem lässt sich bei Betrachtung der Genese der Eigentumsgarantie ergänzen, dass im parlamentarischen Rat eine Beschränkung des Eigentumsschutzes auf die „persönliche Lebenshaltung oder der eigenen Arbeit dienendes Eigentum“ gerade abgelehnt wurde.807

BVerfGE 143, 246 (323 f. Rn. 216); ebenfalls gegen eine Beschränkung auf daseinssichernde Vermögensrechte R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 89 ff. 800 R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 98; dagegen H. Rittstieg, in: R. Wassermann (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (AK-GG), Bd. I, 2. Aufl. 1989, Art. 14/15 Rn. 102. 801 Vgl. nur § 92a EStG. 802 R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 98. 803 D. Riedel, Eigentum, Enteignung und das Wohl der Allgemeinheit, S. 45; vor diesem Hintergrund für einen „spezifisch individualistischen Eigentumsbegriff“ eintretend O. Lepsius, WiVerw 2011, S. 206 (212). 804 BVerfGE 143, 246 (323 f. Rn. 216). 805 Zum daraus resultierenden Vermögenswert H. Rittstieg, Eigentum als Verfassungsproblem, S. 327. 806 BVerfGE 26, 215 (222). 807 K.-B. v. Doemming/R. Füsslein/W. Matz, JöR 1951, S. 1 (145 f.); R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 95; relativierend J. Meyer-Abich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 86; C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 37 f.

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

Abschließend ist festzustellen, dass eine Verringerung des personalen Bezugs nicht dazu führt, dass der Schutz durch die Eigentumsgarantie insgesamt ausgeschlossen ist.808 Maßgeblich für den Eigentumsschutz bleibt die Zuordnung eines „eigentumskräftigen vermögenswerten subjektiven Rechts“ entsprechend der oben genannten Strukturmerkmale an den Eigentümer.809 Mithin muss eine vermögenswerte Rechtsposition vorliegen, „die der persönlichen Lebensführung oder der wirtschaftlichen Betätigung als Grundlage dient“.810 Daher kann ein Eigentumsrecht auch dann einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich realisieren, wenn hierbei nicht die Existenzsicherung oder die Daseinsgestaltung des Eigentümers in Rede steht. Gleichwohl besteht in dieser Konstellation angesichts des geringer ausgeprägten personalen Bezugs auch ein verminderter verfassungsrechtlicher Schutz.811 Die vom personalen Bezug abhängige verfassungsrechtliche Wertigkeit ist auch bei juristischen Personen, die sich nach Art. 19 Abs. 3 GG auf die Eigentumsgarantie berufen können, zu berücksichtigen. So ergibt sich der personale Bezug einer juristischen Person durch die hinter ihr stehenden natürlichen Personen, sodass ihre Grundrechtsrechtsfähigkeit insoweit nicht originär, sondern derivativ einzuordnen ist.812 Der personale Bezug ist hierbei umso stärker, je enger die Verbindung der juristischen Personen mit den sie bildenden natürlichen Personen ist und je weniger das Eigentum der juristischen Person gegenüber den natürlichen Personen abgeschirmt ist.813 Insbesondere durch die Untergliederung und Verselbstständigung von juristischen Personen in Konzernen rückt der personale Bezug bei der Eigentumsnutzung jedoch in den Hintergrund.814 Gleichwohl wird das Ausmaß des personalen Bezugs bei juristischen Personen als maßgeblich für die Eingriffsintensität staatlicher Maßnahmen angesehen.815 808

Vgl. C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 318. R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 353; vgl. C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 261. 810 P. Badura, AöR 98 (1973), S. 153 (164). 811 Vgl. J. Meyer-Abich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 78 mit einer Differenzierung zwischen persönlichkeitsfernem und persönlichkeitsnahem Eigentum; A. v. Brünneck, Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, S. 390. 812 Vgl. C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 283. 813 C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 307; vgl. O. Lepsius, Verfassungsrechtlicher Rahmen der Regulierung, in: M. Fehling/M. Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, § 4 S. 187; hierzu auch P. Badura, Eigentum, in: E. Benda/ W. Maihofer/H.-J. Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1994, § 10 Rn. 34. 814 Vgl. C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 283; O. Lepsius, Verfassungsrechtlicher Rahmen der Regulierung, in: M. Fehling/M. Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, § 4 S. 187 f.; O. Lepsius, Die maßstabsetzende Gewalt, in: M. Jestaedt/ders./C. Möllers/C. Schönberger, Das entgrenzte Gericht, 2011, S. 159 (217). 815 C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 284. 809

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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(2) Keine zwangsläufige Verbindung zwischen sozialem Bezug und Wertigkeit des Eigentumsrechts Nachdem aufgezeigt werden konnte, inwieweit sich die Ausprägung des personalen Bezugs als Verkörperung der verfassungsrechtlichen Wertigkeit der Eigentumsrechte beschränkend auf den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum auswirkt, sollen nunmehr wiederum die Auswirkungen des sozialen Bezugs auf den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers betrachtet werden. Die vom Vorliegen des sozialen Bezugs abhängige Erweiterung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts könnte dann auf die Regelungsdichte der Eigentumsgarantie zurückzuführen sein, wenn die sozialen Bezüge eines Eigentumsrechts gleichzeitig dessen geringere Wertigkeit für den Eigentümer verkörpern. Denn eine geringe Wertigkeit für den Eigentümer würde dazu führen, dass aufgrund von schwächeren Rechtfertigungsanforderungen auch das aus Art. 14 GG folgende bedingte Unterlassungsgebot in geringerem Ausmaß eine Steuerungswirkung gegenüber dem Gesetzgeber entfaltet. Insoweit würde dem sozialen Bezug als Kennzeichnung des sozialbindungsfähigen Bereichs dann eine Art diskriminierende Wirkung gegenüber einzelnen Eigentumskategorien zukommen.816 Diese Annahme hätte die Konsequenz, dass bei stark ausgeprägtem sozialen Bezug bestimmte Nutzungs- und Verwertungsmöglichkeiten bereits aus dem Schutzbereich der Eigentumsfreiheit ausgeblendet werden könnten.817 Denn wenn der soziale Bezug dafür sorgt, dass der personale Bezug eines Eigentumsgegenstandes in dem Umfang des sozialen Bezugs ausgeschlossen wird, wäre eine vollständige Beseitigung der Freiheitsrelevanz des Eigentumsgebrauchs für den Eigentümer in diesem Freiheitsbereich denkbar. Bei Annahme einer Verminderung des personalen Bezugs durch den sozialen Bezug des Eigentums würden sich der personale Bezug und der soziale Bezug auf zwei jeweils miteinander verknüpften Skalen818 gegenüberstehen: Mit der fortschreitenden Ausprägung des sozialen Bezugs auf der einen Skala müsste gleichzeitig die Ausprägung des personalen Bezugs auf der anderen Skala zurückweichen.819 816 Ablehnend P. Badura, Eigentum im Verfassungsrecht der Gegenwart, in: Ständige Deputation des deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des neunundvierzigsten deutschen Juristentages, 1972, T 13; hierzu auch J. R. Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 368; vgl. W. Farke, Öffentliche Bedeutung privater Wirtschaftsunternehmen und Sozialpflichtigkeit des Eigentums, S. 46; vgl. A. Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 234; O. Depenheuer/J. Froese, in: H. von Mangoldt/F. Klein/C. Starck u. a. (Hrsg.), Grundgesetz, 7. Aufl. 2018, Art. 14 Rn. 282. 817 Vgl. J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 448; bejahend beim allgemeinen Persönlichkeitsrecht U. Di Fabio, in: G. Dürig/R. Herzog/ R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 39 Juli 2001, Art. 2 Abs. 1 Rn. 160. 818 Vgl. allgemein W. Frotscher, VVDStRL 51, S. 313 (315). 819 Gegen diese Überlegung wohl K. H. Friauf, VVDStRL 51, S. 333 (334 f.), da eine Spirale in Gang gesetzt würde, „an deren Ende der Eigentumsschutz in manchen Fällen praktisch gegen Null tendieren müßte“.

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

(a) Ansätze für eine mögliche Wechselwirkung von personalem und sozialem Bezug Eine Wechselwirkung zwischen personalem und sozialem Bezug kann nicht auf die schon bei Darstellung des Inhalts des sozialen Bezugs vorgenommene Differenzierung zwischen der Sphäre des Eigentümers und der Sphäre der Allgemeinheit gestützt werden. Soweit der Einzelne „um seiner Freiheit und Würde willen einer rechtlich streng gesicherten Sphäre des Eigentums“ 820 bedarf, könnte zwar angenommen werden, dass die schützende Wirkkraft dieser Sphäre durch eine Öffnung gegenüber der Gesellschaft und die Auswirkungen des Eigentumsgebrauchs auf die Gesellschaft abgemildert wird. Insoweit wäre der Schutz durch Art. 14 GG auf das Handeln innerhalb der eigenen Sphäre beschränkt.821 Eine Reduzierung der Freiheitsrelevanz allein aufgrund von durch den sozialen Bezug verkörperten Auswirkungen des Eigentumsgebrauchs auf die Gesellschaft würde jedoch verkennen, dass die Eigentumsnutzung zur Freiheitsverwirklichung gerade auf den Kontakt mit Dritten oder auf die Nutzung von Umweltgütern822 angewiesen ist.823 Der einzelne Grundrechtsträger und damit auch der Eigentümer ist als zoon politikon anzusehen,824 der im Rahmen seiner Freiheitsverwirklichung ebenso wie die Auswirkungen seines Handelns nicht ausschließlich innerhalb der nur ihn betreffenden Grenzen seines Eigentums verbleiben kann.825 Eine je nach Ausmaß des sozialen Bezugs erfolgende Beschränkung der Freiheitsrelevanz für den Eigentümer würde insoweit für die Eigentumsgarantie wesentlichen Handlungsformen wie der Verfügungsbefugnis826 von vornherein den 820

BGHZ 6, 270 (276) = NJW 1952, S. 972. Vgl. bezogen auf das Persönlichkeitsrecht U. Di Fabio, in: G. Dürig/R. Herzog/ R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 39 Juli 2001, Art. 2 Abs. 1 Rn. 160. 822 Bezogen auf die Freiheitsausübung allgemein D. Couzinet, Die Zulässigkeit von Immissionen im anlagenbezogenen Immissionsschutzrecht, S. 63. 823 Vgl. W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 179: „Wer in seiner Freiheitsbetätigung Interessensphären anderer berührt“ (Hervorhebung durch den Verf.); J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 434; vgl. auch F. Ekardt, Theorie der Nachhaltigkeit, 3. Aufl. 2021, S. 263: „Im tradierten klassisch-liberalen Freiheitsverständnis enthalten ist aber bereits, dass Freiheit nicht ausschließlich meint, sozusagen unbehelligt in den eigenen vier Wänden zu sitzen, sondern dass auch das Aktivwerden des Bürgers und das Sicheinbringen in staatliche Entscheidungsprozesse zentrale Bedeutung erlangen kann.“ 824 Vgl. auch BVerfGE 65, 1 (44). 825 Vgl. A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 186; mit vergleichbarer Argumentation bezogen auf Art. 2 Abs. 1 GG M. Desoi/A. Knierim, DÖV 2011, S. 398 (400); D. Blasberg, Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Grundeigentums zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, S. 121 dazu, dass sich in diesem Fall jedoch schwerer ein Rechtfertigungsgrund finden werde. 826 Vgl. C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 128; zur hohen Eingriffsintensität bei Veräußerungsverboten BVerfGE 26, 215 (222); 50, 290 (340); 52, 1 (31). 821

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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verfassungsrechtlichen Schutz absprechen. Gleichzeitig würde eine „eigenverantwortliche, autonome und mit privatnütziger Zielsetzung“ erfolgende Mitwirkung des Eigentümers am „Aufbau und an der Gestaltung der Wirtschaftsordnung“ 827 beeinträchtigt werden. Weiterhin besteht auch keine Vergleichbarkeit zu der mit steigendem sozialen Bezug abgeschwächten Schutzwirkung beim allgemeinen Persönlichkeitsrecht.828 Während das Persönlichkeitsrecht im Öffentlichkeitsbereich nur noch ansatzweise betroffen werden kann,829 entfaltet die Eigentumsgarantie etwa durch die Ertragsfunktion830 eine Bedeutung, die mit Auswirkungen auf die Gesellschaft einhergeht. Letztlich setzt auch die ebenfalls von der Eigentumsgarantie geforderte Allgemeinwohldienlichkeit des Eigentumsgebrauchs regelmäßig den Kontakt mit Dritten voraus. Allein aufgrund der Tatsache, dass mit dem Gebrauch eines Eigentumsgegenstandes Auswirkungen auf die Gesellschaft einhergehen, ist dieser nicht schon weniger schutzwürdig. Bei der Betrachtung der Freiheitsrelevanz von Eigentumsgegenständen für den Eigentümer selbst ist daher in Anlehnung an J. Locke von einem grundsätzlich freien Zustand des Eigentümers auszugehen,831 dessen Freiheitsverwirklichung bei erstmaliger Betrachtung nicht durch die Interessen Dritter bzw. gesellschaftliche Auswirkungen berührt wird.832 So geht auch M. Jaschinski davon aus, dass nahezu jede Inhalts- und Schrankenbestimmung „ein Minus zur umfassenden Nutzungs-, Ausschluß- und Verfügungsbefugnis“ darstelle und insoweit die „individuelle vermögensrechtliche Entfaltungsfreiheit“ beeinträchtigt werde.833 Diesem Verständnis entspricht weiterhin die im Zusammenhang mit der weiten

827

BVerfGE 50, 290 (344). Hierzu U. Di Fabio, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 39 Juli 2001, Art. 2 Abs. 1 Rn. 160; R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 327 ff. 829 U. Di Fabio, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 39 Juli 2001, Art. 2 Abs. 1 Rn. 160. 830 S. o. S. 232. 831 Vgl. J. Locke, Two Treaties, Book II, Chapter II § 4; A. von Arnauld, Die Freiheitsrechte und ihre Schranken, S. 21; M. Meister, Das System des Freiheitsschutzes im Grundgesetz, S. 54. 832 Ähnlich D. Couzinet, Die Zulässigkeit von Immissionen im anlagenbezogenen Immissionsschutzrecht, S. 75, der sich konkret auf die Immissionsbefugnis der Eigentümer bezieht; vgl. D. Riedel, Eigentum, Enteignung und das Wohl der Allgemeinheit, S. 30; allgemein gegen Sozialverträglichkeitsvorbehalte auch H. Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Vorb. Rn. 120; für eine Beschränkung der Freiheit aufgrund von Gemeinschaftsbezügen hingegen U. Volkmann, Freiheit und Gemeinschaft, in: D. Merten/H.-J. Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. II, 2006, § 32 Rn. 40; dagegen wohl auch F. Ekardt, NuR 2012, S. 813 (816). 833 M. Jaschinski, Zum Fortbestand des Anspruchs aus enteignendem Eingriff, S. 145; vgl. F. Henschel, NJW 1989, S. 937 (938). 828

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

Auslegung des Art. 2 Abs. 1 GG834 stehende „Festschreibung des [zunächst] umfassenden Schutzes der menschlichen Freiheit im Grundgesetz“.835 Wenn prinzipiell jedes menschliche Verhalten prima facie in den Schutzbereich eines Freiheitsrechts fallen kann und sich dann erst den verfassungsrechtlichen Schranken stellen muss, kann auch nicht der für die Wertigkeit des Eigentumsrechts entscheidende Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich von vornherein Beschränkungen unterliegen.836 In diese Richtung geht dann auch das Bundesverfassungsgericht, wenn es ausführt, dass „die grundrechtliche Eigentumsverbürgung [. . .] Elemente der allgemeinen Handlungsfreiheit“,837 die zunächst umfassend gewährleistet wird, enthält. Das Grundgesetz ist mithin „entscheidend von dem Verfassungsprinzip der Freiheit geprägt“.838 Dadurch, dass Art. 14 Abs. 2 S. 1 GG auch nicht unmittelbar gegenüber dem Eigentümer Geltung entfaltet,839 besteht darüber hinaus keine immanente Beschränkung der im Rahmen der Eigentumsausgestaltung zu berücksichtigenden Freiheitssphäre des Eigentümers.840 An dieser Stelle bedarf es der Erinnerung, dass der aus der Eigentumsgarantie resultierende rechtliche Freiheitsbereich angesichts der Normprägung des Art. 14 GG der Hervorbringung durch den Gesetzgeber bedarf und insoweit dem Staat nicht verfassungsunmittelbar vorgeht.841 Dementsprechend wird vorliegend nicht der konkrete Schutzbereich der Eigentumsgarantie bestimmt, sondern der mögliche aus dem Eigentumsgebrauch für den Eigentümer erwachsende Freiheitsgewinn betrachtet.842 Insoweit steht die reale Freiheit „als ein Handeln-Können, als tatsächliche Chance autonom determinierter Verwirklichung von Handlungsalter-

834

M. Meister, Das System des Freiheitsschutzes im Grundgesetz, S. 181 ff. A. von Arnauld, Die Freiheitsrechte und ihre Schranken, S. 88; vgl. auch D. Blasberg, Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Grundeigentums zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, S. 62; C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 551. 836 Vgl. D. Riedel, Eigentum, Enteignung und das Wohl der Allgemeinheit, S. 30, der die Ausgestaltungsgarantie in der Nähe der umfassend geschützten individuellen Freiheit anderer Grundrechte sieht. 837 BVerfGE 79, 292 (304). 838 U. Becker, Das ,Menschenbild des Grundgesetzes‘ in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 95; ebenso K. Arnold, Die grundrechtliche Schutzbereichsbegrenzung, S. 58. 839 S. o. S. 224 f. 840 Allgemein gegen eine aus dem Menschenbild des Grundgesetzes folgende normative Pflichtenstellung des Einzelnen U. Becker, Das ,Menschenbild des Grundgesetzes‘ in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 99. 841 Hierzu D. Blasberg, Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Grundeigentums zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, S. 64. 842 Vgl. M. Jaschinski, Der Fortbestand des Anspruchs aus enteignendem Eingriff, S. 145 Fn. 250, der auf das freie Eigentümerbelieben „als Beurteilungsbasis für die eine Wirkungsweise des Eigentumsschutzes“ zurückgreift. 835

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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nativen“ 843 und nicht die durch das Erlaubtsein geprägte rechtliche Freiheit im Vordergrund. Durch die Betrachtung des potenziellen844 Freiheitszugewinns wird die Wertigkeit der Eigentümerinteressen ermittelt, um sie in einen angemessenen Ausgleich mit dem nach Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG zu berücksichtigenden Allgemeinwohl zu bringen.845 Es geht mithin nicht um die Festlegung des finalen Rechtskreises des Eigentümers,846 sondern um die Wahl der Perspektive für die Betrachtung des durch den Eigentumsgebrauch verwirklichbaren Freiheitsbereichs. Insoweit werden die Interessen der Allgemeinheit im Sinne des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG als gegenüberstehender Allgemeinwohlbelang bei der Eigentumsausgestaltung berücksichtigt und müssen die Eigentümerinteressen nicht schon vor der Abwägung selbst schwächen. Angesichts dieser noch ausstehenden Abwägung mit den Allgemeinwohlbelangen führt die Unabhängigkeit der Eigentümerinteressen von den Auswirkungen des Eigentumsgebrauchs auf die Allgemeinheit auch nicht zu einer Abkehr von der bundesverfassungsgerichtlichen Maßgabe, dass den Individualinteressen kein „unbedingte[r] Vorrang vor den Interessen der Gemeinschaft“ 847 zukommen soll. Gegen eine zwangsläufige Schwächung des personalen Bezugs durch den sozialen Bezug spricht auch, dass gerade im Kontakt mit Dritten der Schutz des Eigentums erforderlich ist. Insoweit stellt O. Lepsius zutreffend fest, dass je stärker der soziale Bezug aufgrund von gesellschaftlichen Auswirkungen ausgeprägt ist, für den Eigentümer „desto größer auch das Bedürfnis individuellen Freiheitsschutzes“ ist.848 Zwar steigt mit ausgeprägtem sozialen Bezug gleichzeitig auch „die Notwendigkeit gesetzlicher Normprägung, um die Konflikte zwischen individuellem und sozialem Sachbezug zu bewältigen“.849 Hierbei sind dann personaler und sozialer Bezug jedoch nebeneinander zu berücksichtigen850 und nicht das Ausmaß des personalen Bezugs, das nach Abzug des sozialen Bezugs übrig geblieben ist. Eine Betrachtung der Sphären des Eigentümers und der Allgemeinheit vermag daher eine Wechselwirkung zwischen personalem und sozialem Bezug nicht zu begründen. 843 W. Krebs, Rechtliche und reale Freiheit, in: D. Merten/H.-J. Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. II, 2006, § 31 Rn. 1. 844 Siehe auch C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 551. 845 Vgl. M. Cornils, Die Ausgestaltung der Grundrechte, S. 284; zur umfassenden Nutzungsbefugnis als Handlungsdirektive und nicht als verfassungsunmittelbare Festlegung D. Couzinet, Die Zulässigkeit von Immissionen im anlagenbezogenen Immissionsschutzrecht, S. 76. 846 Vgl. R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 343: „Für die Position des Individuums entscheidend ist das definitiv Geschützte.“ 847 BVerfGE 102, 1 (15). 848 O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft im öffentlichen Recht, S. 69; vgl. A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 104, der ebenfalls den Schutz des Eigentümerfreiraums vor Dritten anmahnt. 849 O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft im öffentlichen Recht, S. 69. 850 Hierzu sogleich S. 254 ff.

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

In diese Richtung lassen sich jedoch die Ausführungen von O. Depenheuer verstehen, der davon ausgeht, dass „[j]e mehr das Eigentumsobjekt [. . .] in sozialen Bezügen und sozialen Funktionen steht, der personale Gehalt entsprechend zurücktritt“.851 Auch Formulierungen des Bundesverfassungsgerichts stehen einem derartigen Verständnis offen gegenüber. So stellt das Bundesverfassungsgericht die Auswirkungen von Freiheitsrelevanz und sozialem Bezug regelmäßig gegenüber. Exemplarisch können die Ausführungen in der Altlastenentscheidung angeführt werden, wonach „[s]oweit das Eigentum die persönliche Freiheit des Einzelnen im vermögensrechtlichen Bereich sichert, [. . .] es einen besonders ausgeprägten Schutz [genießt]. Demgegenüber ist die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers umso größer, je stärker der soziale Bezug des Eigentumsobjekts ist.“852 Diese Gegenüberstellung von personalem und sozialem Bezug könnte im Sinne einer Exklusivität der diese Kriterien begründenden Eigentumseigenschaften aufgefasst werden. Exemplarisch für ein derartiges Verständnis kann angeführt werden, dass das vermietete Wohneigentum bezogen auf die Wohnnutzung nicht mehr zur eigenen Freiheitsverwirklichung des Eigentümers in Betracht kommt.853 Die besondere Funktion der Wohnung „als Mittelpunkt der persönlichen Existenz“ wird ersetzt durch das „Interesse an der freien wirtschaftlichen Verfügbarkeit“.854 Hierdurch gehen die Entstehung bzw. Verstärkung des sozialen Bezugs855 sowie der für die Zeit der Mietdauer teilweise Ausschluss der freiheitsverwirklichenden Funktion des Wohneigentums für den Eigentümer mit der Vermietung auf den selben Willensakt zurück.856 Mithin geht ein Teil des personalen Bezugs des Eigentums temporär auf den Mieter über.857 (b) Trennung der Freiheitsrelevanz für den Eigentümer und der Eigentums-Außenwirkung Im Ergebnis ist jedoch nicht von einer zwangsläufigen Verringerung des personalen Bezugs einschließlich der Regelungsdichte von Art. 14 GG allein aufgrund des Vorliegens des sozialen Bezugs auszugehen. Dies wird anhand der Be-

851 O. Depenheuer, Entwicklungslinien des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes in Deutschland 1949–2001, in: T. von Danwitz/ders./C. Engel, Bericht zur Lage des Eigentums, 2002, S. 109 (143); ähnlich O. Lepsius, Verfassungsrechtlicher Rahmen der Regulierung, in: M. Fehling/M. Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, § 4 S. 179 f. 852 BVerfGE 102, 1 (17) (Hervorhebung durch den Verf.). 853 Hierzu R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 93. 854 J. R. Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 366. 855 Hierzu s. o. S. 76. 856 Hierzu auch F. Becker, in: K. Stern/ders. (Hrsg.), Grundrechte-Kommentar, 3. Aufl. 2019, Art. 14 Rn. 189. 857 C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 265.

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trachtung des Unternehmenseigentums, des Grundeigentums, der sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche und des geistigen Eigentums dargelegt. (aa) Unternehmenseigentum So folgt aus der Tatsache, dass Unternehmenseigentum „ein Machtgebilde mit wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Wirkungen“ 858 und dementsprechend ausgeprägtem sozialen Bezug darstellt, nicht zwingend eine Aussage über die Bedeutung des Eigentumsrechts für die Freiheitsverwirklichung des Eigentümers selbst.859 Vielmehr ist die regelmäßige Möglichkeit, aufgrund der Inhaberschaft von Unternehmenseigentum „über die Daseinsgrundlagen der Arbeitenden“ 860 zu disponieren, als eine gesellschaftliche Auswirkung des Eigentumsgebrauchs einzuordnen. Unberührt von den Auswirkungen außerhalb der Eigentümersphäre bleibt jedoch die Freiheitsrelevanz für den Eigentümer, die bei der ausschließlichen Betrachtung der Eigentumsgarantie als Abwehrgrundrecht für den Grundrechtsträger im Mittelpunkt steht.861 Auch eine Einschränkung der freiheitsvermittelnden Wirkung des Eigentums aufgrund der Weisungsbefugnisse gegenüber den vom Unternehmenseigentum abhängigen862 Arbeitnehmern863 sieht der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG864 nicht vor. So kann eine derartige Freiheitsbeschränkung nicht auf die Argumentation gestützt werden, die Ausübung der „Macht über Dritte“ könne aufgrund des Menschenwürdebezugs der durch Art. 14 GG gewährleisteten Freiheit nicht von dieser geschützt sein.865 Vielmehr zeigt die Existenz von Art. 9 Abs. 3 S. 1 GG, dass die Beschäftigung von Arbeitnehmern durch Inhaber von Unternehmen eine im Grundgesetz vorgesehene Beziehung und kein zwangsläufig im Widerspruch zur Freiheitsausübung stehendes Machtverhältnis darstellt. Konkretisiert wird dieses Verhältnis auch durch die die 858 P. Badura, Eigentum im Verfassungsrecht der Gegenwart, in: Ständige Deputation des deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des neunundvierzigsten deutschen Juristentages, 1972, T 23. 859 C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 286: „Nicht etwa größere wirtschaftliche Macht, sondern ein geringerer personaler Bezug der juristischen Person führt zu einem weniger intensiven grundrechtlichen Schutz.“ 860 P. Badura, Eigentum im Verfassungsrecht der Gegenwart, in: Ständige Deputation des deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des neunundvierzigsten deutschen Juristentages, 1972, T 23. 861 Hierzu schon S. 240 ff. 862 S. o. S. 89. 863 Vgl. R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 94; H. Rittstieg, Eigentum als Verfassungsproblem, S. 328 zur aus vermietetem Eigentum erwachsenden Macht. 864 S. o. S. 175 f. 865 Vgl. H. Rittstieg, Eigentum als Verfassungsproblem, S. 363; J. Meyer-Abich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 86; C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 328.

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

Weisungs- und Gestaltungsmöglichkeiten des Arbeitgebers beschränkenden einfachrechtlichen Vorschriften aus dem individuellen und kollektiven Arbeitsrecht.866 Weiterhin beruht der Abschluss eines Arbeitsvertrags einschließlich der Anerkennung des Weisungsrechts des Arbeitgebers auf einer freiwilligen Entscheidung des jeweiligen Arbeitnehmers.867 Hieraus folgt zugleich, dass das Weisungsrecht eine eigene Legitimationsgrundlage hat, vom Eigentum selbst zu trennen ist und letzteres daher auch nicht zur „Verfügung [. . .] über Menschen“ berechtigt.868 Ebenso spricht die Feststellung, dass entsprechend der wachsenden Größe und Beschäftigtenzahl eines Unternehmens die Sorge um die materielle Existenz der Arbeitnehmer gegenüber der Existenzsicherung des Eigentümers in den Vordergrund trete,869 nicht für eine Wechselwirkung von personalem und sozialem Bezug. Zwar muss die Freiheitsrelevanz von Unternehmenseigentum bei der Eigentumsausgestaltung auch im Verhältnis zur bereits dargestellten870 Abhängigkeit vieler Arbeitnehmer auf die ebenfalls freiheitsermöglichende Funktion ihres Arbeitsplatzes gesehen werden. Die erforderliche Berücksichtigung der Freiheitsinteressen der Arbeitnehmer führt jedoch nicht dazu, dass die Freiheitsverwirklichung des Eigentümers eines Unternehmens verdrängt würde.871 Vielmehr handelt es sich um eine Ergänzung der im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigenden Interessen.872 Die Eigenständigkeit der Freiheitsrelevanz des Unternehmenseigentums gegenüber den Auswirkungen auf die Gemeinschaft zeigt sich auch in der Differenzierung des Bundesverfassungsgerichts im Mitbestimmungsurteil zwischen

866 R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 102; J. Meyer-Abich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 89 betont die damit einhergehende demokratische Legitimation der Begrenzung der unternehmerischen Weisungsmacht; relativierend H. Rittstieg, Eigentum als Verfassungsproblem, S. 344 f. 867 R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 103; kritisch J. Meyer-Abich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 86 f. 868 Vgl. R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 103. 869 M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 188. 870 S. o. S. 89. 871 In diesem Sinne auch nicht A. v. Brünneck, Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, S. 400. 872 Vgl. R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 106 mit Verweis auf BVerfGE 50, 290 (349); vgl. J. Meyer-Abich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 90; R. Breuer, Die Bodennutzung im Konflikt zwischen Städtebau und Eigentumsgarantie, S. 18 spricht sich dagegen aus „bestimmte Objekte oder Gruppen von Objekten wegen ihrer sozialen Bedeutung a limine aus dem Schutzbereich des Art. 14 GG auszuklammern.“; auch H. Rittstieg, in: R. Wassermann (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (AK-GG), Bd. I, 2. Aufl. 1989, Art. 14/15 Rn. 102 betont, dass der Beschäftigung der Arbeitnehmer keine unmittelbare Wirkung auf die Grundrechtssphäre der Anteilseigner zukomme und vielmehr als Rechtfertigungsbelang Relevanz entfalte.

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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Unternehmenseigentümern873 und Anteilseigentümern. So stelle das Anteilseigentum „typischerweise mehr Kapitalanlage als Grundlage unternehmerischer Betätigung, die sie mit ihrer Person verbinden“, dar.874 Weiterhin bestehe der den personalen Bezug abschwächende Unterschied zwischen Unternehmens- und Anteilseigentum darin, dass letzteres nicht unmittelbar genutzt und zudem nicht die volle Verantwortung für das Unternehmen getragen werde.875 Vielmehr erfolgt die Nutzung des Unternehmens, an dem das Anteilseigentum besteht, durch Leitungsorgane.876 Mithin wird von einem „Auseinanderfallen von Eigentum und Verfügungsmacht“ gesprochen.877 Die gesellschaftlichen Auswirkungen eines Unternehmens auf Arbeitnehmer und ggf. bei Innehaben einer Versorgungsfunktion auf die Gesellschaft insgesamt bleiben jedoch grundsätzlich unberührt von dessen Eigentumsstruktur bzw. dessen interner Aufteilung.878 Insoweit liegt für Anteilseigentümer gegenüber dem Eigentümer eines gesamten Unternehmens zwar ein geringerer personaler Bezug vor. Dieser ist jedoch nicht zurückzuführen auf das gleichzeitig bestehende Ausmaß des sozialen Bezugs, sondern die geringer ausgeprägte aktive Rolle bei der Eigentumsnutzung und damit der Freiheitsverwirklichung. (bb) Grundeigentum Ebenfalls verdeutlichen lässt sich die nicht zwangsläufig vorliegende Wechselwirkung zwischen der Bedeutung des Eigentums für die Freiheitsverwirklichung und der Ausprägung des sozialen Bezugs auch an der landwirtschaftlichen, aber gleichzeitig potenziell umweltschädigenden Nutzung eines Grundstücks. Die selbstständige Bewirtschaftung des eigenen Grund und Bodens kann die Grundlage der wirtschaftlichen Existenz879 des Eigentümers bilden, sodass insoweit dem Grundeigentum ein stark ausgeprägter personaler Bezug zukommt. Wegen der potenziellen Gefahren für die Gesundheit von Menschen und Tieren sowie 873

Hierzu C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 319. BVerfGE 50, 290 (348); gleichwohl kommt bei der Vermögensanlage in Wertpapieren die Sicherungsfunktion des Eigentums zum Tragen M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 190; C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 316. 875 BVerfGE 50, 290 (348); zum personalen Bezug von Anteilseignern auch J. MeyerAbich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 98; kritisch zur Abschwächung J. Dietlein, Die Eigentumsfreiheit und das Erbrecht, in: K. Stern (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2011, § 113 S. 2194. 876 Vgl. C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 317. 877 J. Meyer-Abich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 98; C. KreuterKirchhof, NVwZ 2019, S. 1791 (1794). 878 Vgl. R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 99 f. 879 Vgl. M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 170, 178 ff. und 215; vgl. H. Rittstieg, Eigentum als Verfassungsproblem, S. 334 f.; A. v. Brünneck, Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, S. 399. 874

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

den Naturhaushalt durch die unsachgemäße Anwendung von u. a. Düngemitteln (vgl. § 1 Nr. 3 DüngeG) besteht auch ein intensiver sozialer Bezug.880 Abgesehen von den Folgen möglicher präventiver und repressiver behördlicher Maßnahmen aufgrund des umweltschädigenden landwirtschaftlichen Handelns bleibt die Eigenschaft des Grundstücks als wirtschaftliche Existenzgrundlage für den Eigentümer unberührt.881 Weiterhin wird das Eigentum anders als bei einer Vermietung bzw. Verpachtung auch nicht aus der Hand gegeben. Die freiheitsverwirklichende Funktion für den Eigentümer bleibt damit trotz des Vorliegens des sozialen Bezugs erhalten. Dies entspricht auch der Maßgabe, dass umweltschädigendes Handeln grundsätzlich nicht aus den Schutzbereichen von Freiheitsgrundrechten ausgeschlossen wird.882 Mithin ist die Eigentumsgarantie insgesamt nicht in dem Sinne zu interpretieren, dass die aus der Norm folgende Freiheitssphäre begrenzt ist und bei einer Mitwirkung von Dritten zu Lasten des Eigentumsschutzes auf diese übergeht. Auch jenseits der landwirtschaftlichen Nutzung eines Grundstücks zeigt die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Grundeigentum, dass personaler und sozialer Bezug unabhängig voneinander bestehen können. So spricht das Bundesverfassungsgericht dem Grundeigentum aufgrund dessen Unvermehrbarkeit und der Unentbehrlichkeit allgemein einen stark ausgeprägten sozialen Bezug zu.883 Gleichzeitig erkennt das Bundesverfassungsgericht jedoch an, dass ein „Grundstück den wesentlichen Teil des Vermögens des Pflichtigen bilde[n] und die Grundlage seiner privaten Lebensführung einschließlich seiner Familie darstell[en]“ kann.884 Aus dieser festgestellten Ausprägung des Vorliegens des personalen Bezugs885 resultiert „die Aufgabe der Eigentumsgarantie, dem Träger des Grundrechts einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich zu sichern und ihm damit eine eigenverantwortliche Gestaltung des Lebens zu ermög880 Siehe nur D. Ehlers, VVDStRL 51, S. 211 (226); O. Lepsius, Verfassungsrechtlicher Rahmen der Regulierung, in: M. Fehling/M. Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, § 4 S. 179 mit Verweis auf umweltrelevante gewerbliche Anlagen. 881 Vgl. auch H. Rittstieg, in: R. Wassermann, Kommentar zum Grundgesetz (AKGG), 2. Aufl. 1989, Art. 14/15 Rn. 74, der aus einem Eingriff in die personale Entfaltung Dritter eine größere Bedeutung der Interessen dieser Dritten für die Gesetzesgestaltung, aber nicht für die Freiheitsverwirklichung des Eigentümers folgert; dagegen P. Badura, Eigentum, in: E. Benda/W. Maihofer/H.-J. Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1994, § 10 Rn. 38. 882 D. Blasberg, Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Grundeigentums zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, S. 90 ff.; C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 551; D. Couzinet, Die Zulässigkeit von Immissionen im anlagenbezogenen Immissionsschutzrecht, S. 62 f. 883 S. o. S. 56 ff. 884 BVerfGE 102, 1 (21); O. Issing, „Kleineres Eigentum“ – Grundlage unserer Wirtschaftsordnung, in: ders./W. Leisner, „Kleineres Eigentum“, 1976, S. 7 (12 f.); vgl. D. Couzinet, Die Zulässigkeit von Immissionen im anlagenbezogenen Immissionsschutzrecht, S. 276 f. 885 Siehe auch C. Kreuter-Kirchhof, NVwZ 2019, S. 1791 (1794).

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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lichen“.886 Mithin schließt der soziale Bezug des Grundstückseigentums nicht aus, dass dieses aufgrund seiner freiheitssichernden Funktion auch einen ausgeprägten personalen Bezug begründet. (cc) Sozialversicherungsrechtliche Ansprüche Dieses Ergebnis lässt sich auch bei der Betrachtung der sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche aufrechterhalten. Trotz des schon dargelegten887 „ausgeprägten sozialen Bezug[s]“ 888 und dem daraus resultierenden grundsätzlich weiten Gestaltungsspielraum nimmt das Bundesverfassungsgericht eine Verengung des Gestaltungsspielraums angesichts des Ausmaßes des durch die eigene Leistung geprägten personalen Bezugs an.889 Insoweit wirkt der personale Bezug eigenständig auf den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers und wird gerade nicht durch den sozialen Bezug überlagert. Weiterhin wird gefordert, dass personaler und sozialer Bezug der sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche in einen „ausgewogenen Ausgleich“ gebracht werden sollen.890 Ein derartiger Ausgleich ist indes insbesondere in Fällen erforderlich, in denen sich (Rechts-)Positionen gegenüberstehen und nicht die eine Position durch das Vorliegen der anderen Position bereits aufgehoben wird. (dd) Geistiges Eigentum Die nicht zwingend vorliegende Wechselwirkung von personalem und sozialem Bezug lässt sich letztlich auch anhand des geistigen Eigentums verdeutlichen. So entsteht der soziale Bezug bei den Urheberrechten schon mit deren Veröffentlichung.891 Diese Veröffentlichung ist aber gleichzeitig Ausdruck und Voraussetzung des Einsatzes des geschützten Werkes zur Freiheitsverwirklichung, insbesondere im Hinblick auf die Ertragsfunktion892 des Eigentums.893 Dementsprechend sollen „die Verwertungsrechte dem Berechtigten einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich gewährleisten und damit die eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens ermöglichen“.894 Zwar ergibt sich der personale 886

BVerfGE 102, 1 (21). S. o. S. 92 f. 888 BVerfGE 53, 257 (292). 889 BVerfGE 53, 257 (293). 890 C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 188 f. 891 S. o. S. 63 f. 892 S. o. S. 232. 893 F. Stang, Das urheberrechtliche Werk nach Ablauf der Schutzfrist, S. 83; vgl. auch C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 210: „Wirkungen erzielen kann ein Urheber nur, wenn er sein Werk zugänglich macht.“ 894 C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 204 mit Verweis auf BVerfGE 24, 367 (389); 31, 229 (239); 42, 263 (293); 50, 290 (339); 51, 193 (218); 134, 242 (290 f.). 887

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

Bezug des geistigen Eigentums auch maßgeblich aus „der schöpferischen Leistung des Urhebers“.895 Soweit sich personaler und sozialer Bezug bei Urheberrechten mit der Veröffentlichung jedoch durch dieselbe Handlung offenbaren, kann nicht von einer Verdrängung der Freiheitsrelevanz des Eigentumsrechts durch den sozialen Bezug die Rede sein. Vielmehr treten „[d]ie Teilhabeinteressen der Allgemeinheit [. . .] neben die Belange des Urhebers“.896 (ee) Zwischenergebnis zur Trennung von Freiheitsrelevanz und Außenwirkung des Eigentums Anhand der Betrachtung von Unternehmenseigentum, Grundeigentum, der sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche und dem geistigen Eigentum konnte dargelegt werden, dass das Vorliegen des sozialen Bezugs nicht zwangsläufig zu einer Verminderung der Freiheitsrelevanz des Eigentumsgegenstandes für den Eigentümer führt. Auch wenn – wie bei der schon angesprochenen Vermietung von Wohnraum – die Entstehung des sozialen Bezugs und die Verminderung des personalen Bezugs zeitlich zusammenfallen können,897 geht dies nicht auf eine abschwächende Wirkung des sozialen Bezugs zurück. Vielmehr resultiert die anteilige und temporäre Verminderung des personalen Bezugs aus dem Verzicht auf die Wohneigenschaft als Teil des Freiheitsverwirklichungspotenzials des Eigentums. Dieses Verständnis kann auch auf Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG gestützt werden, wonach die Allgemeinwohldienlichkeit nur zugleich neben der Privatnützigkeit durch den Gesetzgeber zu verwirklichen ist.898 Soweit Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG grundsätzlich ein Nebeneinander von privatnützigen und allgemeinwohldienlichen Funktionen der nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG auszugestaltenden Eigentumsrechte vorsieht,899 muss ein derartiges Nebeneinander auch für den personalen und sozialen Bezug als für die Inhalts- und Schrankenbestimmung zu berücksichtigende Wertungen gelten. Mithin würde es auch dem grundsätzlich gleichen Stellenwert von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG und Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG900 widersprechen, wenn der soziale Bezug als Grundlage der anzustrebenden Allgemeinwohl-

895

C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 203. C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 211 (Hervorhebung durch den Verf.). 897 S. o. S. 244. 898 Hierzu schon S. 180; zur engen Verbindung von personalem Gehalt und Sozialpflichtigkeit des Eigentums auch C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 544. 899 H. Jochum/W. Durner, JuS 2005, S. 320 (321): „Unbeschadet der grundsätzlichen Privatnützigkeit des Eigentums stellt die Verfassung damit dessen besondere soziale Bedeutung in den Vordergrund.“ (Hervorhebung durch den Verf.). 900 M. Cornils, Die Ausgestaltung der Grundrechte, S. 294; s. u. S. 257. 896

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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dienlichkeit den die Eigentümerinteressen verkörpernden personalen Bezug absenken könnte. Gegen die Annahme einer Schwächung des personalen Bezugs gerichtet sind auch die Äußerungen von H. Rittstieg, wonach „personale und soziale Funktionen in demselben Eigentumsrecht zusammentreffen“ und auch die freiheitssichernde Funktion beim Eigentum mit sozialem Bezug nicht abgesprochen werden könne.901 In eine ähnliche Richtung gehen die Ausführungen von C. KreuterKirchhof, die zunächst eigenständig die Schwächung des verfassungsrechtlichen Schutzes von entmaterialisiertem Eigentum in Form von Geldeigentum, Forderungen, subjektiv-öffentlichen Rechten und geistigem Eigentum aufgrund des geringen personalen Bezugs betont.902 Im unmittelbaren Anschluss an die Feststellung des personalen Bezugs hält sie es dann für untersuchungswürdig, „inwieweit entmaterialisierte Eigentumsformen in einen besonderen sozialen Bezug drängen und deshalb die Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers erweitern“.903 Insoweit kann nach ihrer Ansicht die geringe Ausprägung des personalen Bezugs nicht auf dem Vorliegen des sozialen Bezugs beruhen, der vielmehr neben der Entmaterialisierung bzw. der geringen Ausprägung des personalen Bezugs zu berücksichtigen ist. Entsprechend steht der personale Bezug nicht unter dem Vorbehalt einer Einschränkung durch den sozialen Bezug, der die regelmäßige Annahme einer Erweiterung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums durch den sozialen Bezug rechtfertigen könnte. Die im Rahmen der funktionalen Betrachtung der Eigentumsgarantie erkannten schützenswerten Aspekte werden vom Vorliegen des sozialen Bezugs daher nicht überlagert, sondern treten neben die den sozialen Bezug begründenden Eigenschaften.904 Grundsätzlich kann daher von einer

901 H. Rittstieg, in: R. Wassermann (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (AK-GG), Bd. I, 2. Aufl. 1989, Art. 14/15 Rn. 169. 902 C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 142. 903 C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 142. 904 F. Shirvani, Sozialbindung des Eigentums, in: M. Ludwigs (Hrsg.), Regulierender Staat und konfliktschlichtendes Recht. Festschrift für Matthias Schmidt-Preuß zum 70. Geburtstag, 2018, S. 303 (311); vgl. R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 106; auch O. Lepsius, Verfassungsrechtlicher Rahmen der Regulierung, in: M. Fehling/ M. Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, § 4 S. 179 stützt das Schwinden des freiheitlichen Schutzzwecks und das Steigen des soziale Bezugs auf unterschiedliche Faktoren; R. Wendt, AöR 104 (1979), S. 414 (442) mit Verweis auf BVerfG EuGRZ 1979, S. 121 (136); vgl. J. Dietlein, Die Eigentumsfreiheit und das Erbrecht, in: K. Stern (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 113 S. 2194; O. Issing, „Kleineres Eigentum“ – Grundlage unserer Wirtschaftsordnung, in: ders./W. Leisner, „Kleineres Eigentum“, 1976, S. 7 (23) hält die Trennung zwischen individueller und sozialer Funktion indes für „in gewisser Weise willkürlich“; vgl. auch M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 215, der die Kollision von Eigentumsart und Gemeinwohlinteressen für die Gemeinwohlfunktion und nicht die Freiheitsfunktion des Eigentums als entscheidend erachtet.

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

Dichotomie zwischen personalem und sozialem Bezug des Eigentums gesprochen werden.905 Hierdurch wird unterstrichen, dass der soziale Bezug die Eigentümerinteressen nicht schon vor der vom Gesetzgeber durchzuführenden Abwägung beschränken kann. Eine derartige Beschränkung wäre jedoch die Folge, wenn der Gesetzgeber allein aufgrund des sozialen Bezugs ohne gleichzeitige Berücksichtigung des personalen Bezugs durch die Erweiterung des Gestaltungsspielraums stärker von verfassungsgerichtlicher Kontrolle freigestellt werden würde. Mittels eines derartigen Verständnisses der Auswirkungen des Vorliegens des sozialen Bezugs auf den Regelungsgehalt der Eigentumsgarantie würde auch eine Vorentscheidung über das Abwägungsergebnis getroffen werden,906 die im Widerspruch zur festgestellten Bedeutung des Angemessenheits-Erfordernisses für den Eigentumsgehalt907 stünde. Letztlich zeigen die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Mitbestimmungsurteil und in der Atomausstiegsentscheidung zwar, dass neben einem besonders starken sozialen Bezug auch nur ein weniger stark ausgeprägter personaler Bezug vorliegen kann.908 Diese geringe Ausprägung des personalen Bezugs geht dann jedoch eigenständig auf die mit geringerer Intensität bestehenden freiheitsrelevanten Eigenschaften der Eigentumsobjekte und nicht (ausschließlich) auf den sozialen Bezug zurück. Dementsprechend geht das Bundesverfassungsgericht in der Atomausstiegsentscheidung erst auf die „Schutzwürdigkeit des Eigentums in seiner Bedeutung als individuelles Freiheitsrecht“ ein, um dann die Ausprägung des sozialen Bezugs einschließlich der Auswirkungen auf den Gestaltungsspielraum zu beleuchten.909 Auch im Nichtannahmebeschluss zur sog. Mietpreisbremse nimmt das Bundesverfassungsgericht eine klare Differenzierung zwischen Freiheitsrelevanz und Sozialbezug vor.910

905 Bezogen auf Privatnützigkeit und Sozialbindung A. Wieckhorst, Grundrechtsschutz durch Legislativverfahren, S. 279. 906 Vgl. S.-P. Hwang, Verfassungsgerichtlicher Jurisdiktionsstaat?, S. 178; P. Badura, Eigentum, in: E. Benda/W. Maihofer/H.-J. Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1994, § 10 Rn. 28 spricht insoweit von der Rechtfertigung eines Eingriffs, „indem die Schutzwürdigkeit der erfaßten Rechtsposition verneint wird“. 907 S. o. S. 208 f. 908 BVerfGE 50, 290 (347 f.); 143, 246 (351 Rn. 297). 909 BVerfGE 143, 246 (351 Rn. 297): „Dieses Eigentum dient nach seiner Eigenart und Funktion nur in geringem Maße der persönlichen Freiheit des Einzelnen. Es handelt sich vielmehr um unternehmerisches Eigentum mit einem besonders ausgeprägten sozialen Bezug.“ 910 Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 18. Juli 2019 – 1 BvL 1/18 –, Rn. 70 f.: „Soweit das Eigentum die persönliche Freiheit des Einzelnen im vermögensrechtlichen Bereich sichert, genießt es einen besonders ausgeprägten Schutz [. . .] Die Befugnis des Gesetzgebers zur Inhalts- und Schrankenbestimmung geht auf der anderen Seite umso weiter, je mehr das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und in einer sozialen Funktion steht.“

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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(3) Zwischenergebnis: Keine Absenkung der Wertigkeit der Eigentümerinteressen durch den sozialen Bezug Bei der Ermittlung des Schutzzwecks der Eigentumsgarantie zur Bestimmung der Regelungs- und Kontrolldichte des Art. 14 GG konnten folgende Feststellungen getroffen werden: Die mit dem Begriff des personalen Bezugs umschriebene Wertigkeit der betroffenen Eigentumsposition verkörpert die Funktion der Eigentumsgarantie als Abwehrgrundrecht. Soweit ein Gegenstand bzw. ein Recht dem Grundrechtsträger einen Freiheitsbereich im vermögensrechtlichen Raum gewährleistet oder gewährleisten kann, unterfallen staatliche Beschränkungen dieses Freiheitsbereichs einer Rechtfertigungspflicht. Diese Rechtfertigungspflicht ist auf das bedingte Unterlassungsgebot einer unverhältnismäßigen Eigentumsausgestaltung zurückzuführen. Entsprechend der Strenge der Rechtfertigungspflicht des Gesetzgebers ergibt und erhöht bzw. verringert sich je nach Ausmaß des personalen Bezugs auch die Regelungsdichte der Eigentumsgarantie. Diese Regelungsdichte als Konkretisierung des Regelungsgehalts der Eigentumsgarantie beinhaltet bei Freiheitsgrundrechten das soeben angesprochene bedingte Unterlassungsgebot, staatliche Eingriffe nur mit entsprechender Rechtfertigung vornehmen zu können. Entsprechend sind auch die Äußerungen von E. SchmidtAßmann einzuordnen, nach dem die „höchste Dichte“ der Eigentumsgarantie dann vorliegt, wenn „es um überschaubare Gefahrensituationen und klare, singuläre Abwehrpositionen geht“.911 Jenseits des Regelungsgehalts bzw. der Steuerungswirkung des Art. 14 GG für den Gesetzgeber besteht dann dessen Gestaltungsspielraum. Dem jeweiligen Ausmaß von Regelungsdichte und gleichzeitig dem gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum muss das Bundesverfassungsgericht anschließend – entsprechend der aufgezeigten Akzessorietät von Regelungs- und Kontrolldichte912 – durch eine Anpassung der Kontrollintensität respektive der Strenge der Verhältnismäßigkeitsprüfung Rechnung tragen.913 Im nächsten Schritt konnte dann festgestellt werden, dass die Wertigkeit des jeweiligen Eigentumsrechts einschließlich der Regelungsdichte zwar unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann, jedoch nicht allein aufgrund des Vorliegens des sozialen Bezugs abzusenken ist. Dies folgt daraus, dass die potenzielle Freiheitsrelevanz des Eigentumsgebrauchs zunächst nur aus Sicht des Eigentümers zu betrachten ist. Deswegen kann eine Erweiterung des Gestaltungsspielraums auch nicht ausschließlich auf das Vorliegen des sozialen Bezugs gestützt werden. Vielmehr ist ebenso der personale Bezug für die Weite des gesetzgeberischen Gestal911 E. Schmidt-Aßmann, VVDStRL 51, S. 294 (295); siehe auch P. Badura, Eigentum, in: E. Benda/W. Maihofer/H.-J. Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1994, § 10 Rn. 28 und BVerfGE 39, 1 (71 f.). 912 S. o. S. 130. 913 Vgl. hierzu M. Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, S. 118.

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

tungsspielraums zu berücksichtigen. Soweit das Vorliegen des sozialen Bezugs hingegen die Wertigkeit eines Eigentumsrechts für den Eigentümer verringern könnte, würde eine unmittelbare Auswirkung auf die für die Regelungsdichte maßgebliche Wertigkeit vorliegen. Damit bestünde der gesuchte dogmatische Anknüpfungspunkt für die rechtlichen Auswirkungen des sozialen Bezugs. Angesichts der dargelegten fehlenden zwangsläufigen Wechselwirkung zwischen der Freiheitsrelevanz des Eigentumsgegenstandes für den Eigentümer und dem sozialen Bezug kommt eine derartige unmittelbare Auswirkung jedoch nicht in Betracht. dd) Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG als Rechtfertigung der Erweiterung des Gestaltungsspielraums Bei der Ermittlung von Bedeutung und Wertigkeit des Eigentumsrechts zur Bestimmung von dessen Regelungsdichte war bislang die Perspektive des Eigentümers als Grundrechtsträger maßgeblich. Aus dieser Eigentümerperspektive betrachtet erscheint Art. 14 GG ausschließlich als Abwehrgrundrecht gegen den Staat.914 Jedoch muss berücksichtigt werden, dass die Eigentumsgarantie mit der Vorgabe des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG einen zusätzlichen Schutzzweck enthält.915 Durch die Anordnung der ebenfalls vorgesehenen Allgemeinwohldienlichkeit des Eigentumsgebrauchs erstreckt sich der Schutz der Eigentumsgarantie auch auf die Interessen der Allgemeinheit. Hierdurch wird gleichzeitig der Kreis derjenigen Grundrechtsträger erweitert, die von der freiheitsverwirklichenden Wirkung des Eigentums begünstigt werden sollen: Nicht nur die Eigentümer selbst, sondern die Allgemeinheit insgesamt soll vom Eigentumsgebrauch profitieren.916 Das Bundesverfassungsgericht trägt der Erweiterung des Schutzzwecks über die Interessen des Eigentümers hinaus dadurch Rechnung, dass es bei der Berücksichtigung des Schutzzwecks zwischen den Auswirkungen des personalen und des sozialen Bezugs auf den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum differenziert.917 Während der personale Bezug für die Wertigkeit der Eigentümerinteressen maßgeblich ist, hängt die Erfüllbarkeit des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG davon ab, inwieweit der von der Inhalts- und Schrankenbestimmung betroffene Sachbereich durch das Vorliegen eines sozialen Bezugs geprägt ist.918 Letzteres ergibt sich daraus, dass das Bundesverfassungsgericht das Bestehen des sozialen Bezugs so-

914

Hierzu s. o. S. 168 f. und S. 233 f. E. Schmidt-Aßmann/F. Schoch, Bergwerkseigentum und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren, S. 37; vgl. zur Bestimmung des Schutzzwecks bei der Eigentumsgarantie M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 196. 916 Vgl. F. Stang, Das urheberrechtliche Werk nach Ablauf der Schutzfrist, S. 82. 917 Siehe nur BVerfGE 50, 290 (340); vgl. auch M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 152, der insoweit von zwei unterschiedlichen Eigentumsfunktionen spricht. 918 Vgl. A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 104. 915

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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gar als Voraussetzung für die Verwirklichung der Allgemeinwohldienlichkeit aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG anführt.919 Indes bewirkt das Hinzutreten eines zusätzlichen Schutzzwecks bei der Eigentumsgarantie auf den ersten Blick nicht eine Abschwächung der für das Ausmaß des Gestaltungsspielraums maßgeblichen Regelungsdichte. Vielmehr erhält der Gesetzgeber für die Ausgestaltung der Eigentumsordnung eine zusätzliche Handlungsdirektive, die grundsätzlich für eine Konturierung der Steuerungswirkung und damit sogar eine Erhöhung der Regelungsdichte der Eigentumsgarantie sorgen könnte. Gleichwohl kann im Folgenden die gegensätzliche, die Regelungsdichte des Art. 14 GG herabsenkende Wirkung des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG aufgezeigt werden (S. 256 ff.) (1) Der jeweilige Sachbereich allein als untauglicher Anknüpfungspunkt Bei Betrachtung des Regelungsgehalts der Eigentumsgarantie ist festzuhalten, dass allein der besonderen Erfüllbarkeit der Vorgabe der Allgemeinwohldienlichkeit des Eigentumsgebrauchs aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG keine Aussage über das Ausmaß des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums entnommen werden kann. Isoliert betrachtet stellt die besondere Erfüllbarkeit des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG aufgrund des Vorliegens eines ausgeprägten sozialen Bezugs vielmehr einen gewichtigen Abwägungsbelang dar, der auch intensive Eingriffe in die Eigentümerinteressen zu rechtfertigen vermag. Hierdurch ist der Abwägungsbelang Gegenstand des sich aus dem anwendbaren Kontrollmaßstab ergebenden Gestaltungsspielraums, aber nicht dessen Legitimation. Insoweit wurde schon dargelegt, dass grundsätzlich eine Vorgabe auf den zugrundeliegenden Sachverhalt einwirkt und nicht der Sachverhalt auf die Normstruktur.920 Mithin bieten die den sozialen Bezug auslösenden Tatsachen „keinerlei materielle Maßstäbe für die Bewertung dieses sozialen Bezugs“.921 Die Ermittlung der den sozialen Bezug auslösenden Eigenschaften ist vielmehr eine „Feststellung situativer Besonderheiten“ 922, aus der noch keine Aussage über den konkreten gesetzgeberischen Freiraum bei der Abwägung von Eigentümerinteressen und Sozialbindung hergeleitet werden kann. Zwar sinkt bei Vorliegen eines für hochwertig anerkannten Abwägungsbelanges die Wahrscheinlichkeit, dass der Gesetzgeber die Grenzen seines Gestaltungsspielraums überschreitet und zu einem offensichtlich fehlsamen Abwägungsergebnis923 gelangt. Indes beruht „die Dignität parlamentarischer Gesetze [. . .] nicht auf einer vermuteten Rechtmäßigkeit“ 924 aufgrund einer geringeren 919 920 921 922 923 924

S. o. S. 70 f. Siehe hierzu schon oben S. 224. J. Meyer-Abich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 162. J. Meyer-Abich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 162. Hierzu s. o. S. 192 ff. C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 228.

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

Auswahl von gegenüberstehenden Abwägungsbelangen, die zu einer offensichtlich fehlsamen Abwägung führen könnten. So kann sich das Bundesverfassungsgericht auch bei rechtlicher Unsicherheit nicht auf Wahrscheinlichkeiten berufen, sondern muss die Unsicherheit zum Zwecke eines effektiven Grundrechtsschutzes mit einer verbindlichen Entscheidung ausräumen.925 Die zusätzliche, auf den Gestaltungsspielraum bezogene Einflussnahme eines Sachbereichs, aus dem die besondere Erfüllbarkeit der Allgemeinwohldienlichkeit des Eigentumsgebrauchs resultiert, bedarf daher der normativen Anknüpfung an Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG. Dies entspricht auch der bei allgemeiner Betrachtung des Gestaltungsspielraums festgestellten Maßgabe, dass die für die Regelungs- und Kontrolldichte gezogenen Schlüsse stets eines normativen Anknüpfungspunktes bedürfen.926 (2) Verringerung der Regelungsdichte durch Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG stellt in Kombination mit dem jeweils vorliegenden sozialen Bezug des Eigentums eine taugliche normative Grundlage für die Herabsenkung der Regelungsdichte und damit die Erweiterung des Gestaltungsspielraums dar. Der soziale Bezug des Eigentums liegt insbesondere vor, soweit die unbeschränkte Freiheitsverwirklichung des Eigentümers der ebenfalls sicherzustellenden Allgemeinwohldienlichkeit des Eigentumsgebrauchs entgegenläuft.927 In einer derartigen Konstellation kann das aus der Eigenschaft als Abwehrgrundrecht folgende bedingte Unterlassungsgebot aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG928 nicht mehr die allein maßgebliche Vorgabe für den Gesetzgeber sein. Vielmehr muss der Gesetzgeber ebenfalls der Vorgabe aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG entsprechen, sodass der Rechtsbefehl der Eigentumsgarantie nicht nur auf die Schaffung eines Freiheitsraums im vermögensrechtlichen Bereich für den Eigentümer, sondern auch auf die Verwirklichung der Allgemeinwohldienlichkeit des Eigentumsgebrauchs gerichtet ist. Daraus folgt, dass der Gesetzgeber „die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und der durch den Eigentumsgebrauch Betroffenen in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis bringen“ muss.929 925 J. Riecken, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, S. 465; vgl. auch A. Burghart, Die Pflicht zum guten Gesetz, S. 153. 926 Siehe nur oben S. 164 f.; vgl. auch A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 104: „Eigentümer- oder Allgemeinwohlinteressen sind also in Abhängigkeit von ihrer Tragweite im jeweiligen Einzelfall normativ zur Geltung zu bringen.“ (Hervorhebung durch den Verf.). 927 S. o. nur S. 100. 928 Zur Abwehrfunktion des Art. 14 GG E. Schmidt-Aßmann/F. Schoch, Bergwerkseigentum und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren, S. 39 und s. o. S. 168 f. und S. 233 f. 929 O. Lepsius, Verfassungsrechtlicher Rahmen der Regulierung, in: M. Fehling/ M. Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, § 4 S. 178 f.; zum daraus resultierenden besonderen Gepräge des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes H. Jochum/W. Durner, JuS 2005, S. 320 (321); P. Badura, Eigentum, in: E. Benda/W. Maihofer/H.-J. Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1994, § 10 Rn. 58.

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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Den beiden Abwägungsbelangen kommt hierbei auf abstrakter Ebene gleichrangiges Gewicht zu.930 Maßgeblich für die Bewertung des vorgenommenen verfassungsrechtlichen Ausgleichs sind daher die vom betroffenen Sachbereich abhängigen Ausprägungen von Privatnützigkeit und Sozialbindung im jeweiligen Einzelfall.931 Mithin kann die Eigentumsgarantie nicht ausschließlich als Freiheitsgrundrecht bzw. in ihrer abwehrrechtlichen Dimension angesehen werden, sondern rückt in die Nähe eines „umfassenden Gestaltungsauftrags an den Gesetzgeber“.932 Hieraus resultiert eine Absenkung der Regelungsdichte. Die Annahme einer Absenkung der Regelungsdichte wird gestützt durch die folgenden Erwägungen: (a) Erweiterung des Regelungsgehalts und gleichzeitige Absenkung der Regelungsdichte Die auf die Verwirklichung der Allgemeinwohldienlichkeit gerichtete Handlungsdirektive aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG erweitert den Regelungsgehalt der Eigentumsgarantie, da dem Gesetzgeber neben der Wahrung der Eigentümerinteressen eine zusätzliche Leitlinie für die Eigentumsausgestaltung erteilt wird. Insoweit offenbart erst die Berücksichtigung des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG den vollständigen Regelungsgehalt der Eigentumsgarantie. Der Gesetzgeber muss mithin das aus den Eigentümerinteressen folgende bedingte Unterlassungsgebot eines unverhältnismäßigen Eingriffs mit der Vorgabe der Allgemeinwohldienlichkeit des Eigentumsgebrauchs aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG in Einklang bringen. Aus dieser Erweiterung des Regelungsgehalts folgt dann keine Erhöhung, sondern vielmehr eine Absenkung der Regelungsdichte der Eigentumsgarantie. Zwar wurde bereits dargelegt, dass durch das Vorliegen des sozialen Bezugs die abwehrrechtliche Ausprägung der Eigentumsgarantie bzw. die Eigentümerinteressen vor der Abwägung selbst nicht abgeschwächt werden, da für den Bestand dieser Ausprägung allein die Freiheitsrelevanz für den Eigentümer maßgeblich ist. Vielmehr erweitert der soziale Bezug als Kennzeichnung für die Erfüllbarkeit des Schutzzwecks nach Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG933 den Regelungsgehalt der Eigentumsgarantie. Diese Erweiterung bewirkt dann jedoch, dass der Gesetzgeber nicht nur der für den Eigentümer freiheitsverwirklichenden Funktion, sondern auch der Funktion, die auf die Verwirklichung des Allgemeinwohls gerichtet ist, entsprechen muss. Obgleich das Vorliegen des sozialen Bezugs damit nicht die Wertigkeit des konkreten Eigentumsrechts abschwächt, ist für die Ermittlung 930 J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 441; M. Cornils, Die Ausgestaltung der Grundrechte, S. 294; vgl. C. Bumke, Der Grundrechtsvorbehalt, S. 188 f.; J. R. Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 368. 931 A. Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 276. 932 J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 441 und 444. 933 Siehe auch P. Häberle, Die Wesensgehaltgarantie des Artikel 19 Abs. 2 Grundgesetz, 3. Aufl. 1983, S. 183.

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

der Regelungsdichte des Art. 14 GG insgesamt die Bedeutung des Eigentumsrechts für den Eigentümer in Relation zur Ausprägung der Allgemeinwohlinteressen zu setzen.934 Die Abwehreigenschaft einschließlich des auf die unverhältnismäßige Eigentumsausgestaltung gerichteten Unterlassungsgebots des Art. 14 GG ist mithin nicht die einzige für den Gesetzgeber relevante Maßgabe. Vielmehr muss der Gesetzgeber auch der von Art. 14 Abs. 2 S. 1 GG vorgesehenen Verpflichtung des Eigentümers zugunsten der Allgemeinwohldienlichkeit des Eigentumsgebrauchs bei der Eigentumsausgestaltung Rechnung tragen.935 Je stärker dann die durch den sozialen Bezug gekennzeichneten Allgemeinwohlinteressen vorliegen, desto weniger darf sich der Gesetzgeber im Rahmen der Ausgestaltung nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG auf eine Sicherstellung der für den Eigentümer freiheitsverwirklichenden Funktion des Eigentums konzentrieren.936 Stattdessen muss er ebenfalls die Allgemeinwohldienlichkeit des Eigentumsgebrauchs gewährleisten, der entsprechend des Ausmaßes des sozialen Bezugs ein eigener Geltungsanspruch zukommt.937 Vor diesem Hintergrund teils im Gegensatz zueinander stehender Vorgaben aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG und Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG innerhalb eines Grundrechts verliert der Rechtsbefehl des Art. 14 GG für den Gesetzgeber an Bestimmtheit, sodass die Regelungsdichte und die Kontrolldichte der Eigentumsgarantie insgesamt absinken.938 Die vermeintliche Erhöhung der Steuerungswirkung des Art. 14 GG für den Gesetzgeber aufgrund einer neben das bedingte Unterlassungsgebot tretenden Handlungsdirektive939 wirkt sich damit gegenteilig in Gestalt einer Abschwächung aus. Diese abschwächende Wirkung auf die Regelungsdichte wird zusätzlich dadurch verstärkt, dass die Bezugnahme auf das Allgemeinwohl in Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG eine weitgehende Freistellung des Gesetzgebers hinsichtlich der Wahl seines Rechtfertigungsgrundes bewirkt.940 Gemäß des bei allgemeiner Betrachtung des Gestaltungsspielraums vorausgesetzten Verständnisses941 kennzeichnet die entsprechend des Ausmaßes des 934 Vgl. O. Lepsius, Die maßstabsetzende Gewalt, in: M. Jestaedt/ders./C. Möllers/ C. Schönberger, Das entgrenzte Gericht, 2011, S. 159 (217 f.): „Im Ergebnis unterliegt das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum einem graduellen Maßstab, dessen Schutzniveau aber nicht ohne Berücksichtigung der sozialen Funktion des Eigentums festgestellt werden kann.“ 935 Vgl. H. Rittstieg, in: R. Wassermann, Kommentar zum Grundgesetz (AK-GG), 2. Aufl. 1989, Art. 14/15 Rn. 74. 936 Vgl. M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 215. 937 A. Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 276. 938 Zum Zusammenhang zwischen Regelungsdichte und Bestimmtheit des Rechtsbefehls s. o. S. 128 ff. 939 C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 234; vgl. J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 442 f. 940 S. o. nur S. 177 ff. 941 S. o. S. 149 ff.

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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sozialen Bezugs abgesenkte Regelungsdichte in diesem Ausmaß geringer ausgeprägte verfassungsrechtliche Grenzen. Aus diesen abgeschwächten verfassungsrechtlichen Grenzen resultiert dann der letztlich auf den sozialen Bezug zurückzuführende erweiterte Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Diese Wechselwirkung zwischen der Sozialbindungsvorgabe und der Eigenschaft der Eigentumsgarantie als Abwehrrecht entspricht der Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, dass die Vorgaben aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 und Art. 14 Abs. 2 GG zusammen mit dem Regelungsauftrag aus Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG „in einem unlösbaren Zusammenhang“ stehen.942 Gleichzeitig erleichtert der erweiterte Gestaltungsspielraum aufgrund geringerer verfassungsrechtlicher Grenzen die Verwirklichung der Allgemeinwohldienlichkeit des Eigentumsgebrauchs. Insoweit kann dem Gestaltungsspielraum die Wirkung einer „Schrankensetzungskompetenz“ zugesprochen werden.943 Der Gestaltungsspielraum wirkt in Ansehung der unterschiedlichen Schutzzwecke des Art. 14 GG dann zwar für die Eigentümerinteressen freiheitsbeschränkend,944 aber für die Allgemeinheit freiheitsbegründend.945 (b) Zwischenergebnis zur durch Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG verringerten Regelungsdichte Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG stellt in Verbindung mit einem das Vorliegen des sozialen Bezugs begründenden Sachbereich den normativen Anknüpfungspunkt für die Herabsenkung von Regelungs- und Kontrolldichte und damit die Erweiterung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums dar. Die Norm ermöglicht insoweit, dass die zunächst umfassend zu berücksichtigenden Eigentümerinteressen durch die vom Gesetzgeber anzustrebende Allgemeinwohldienlichkeit des Eigentums in ihrem Geltungsanspruch relativiert werden.946 Denn je stärker die Ausprägung des für die Vorgabe aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG maßgeblichen sozialen Bezugs ist, desto weniger kann sich der Gesetzgeber im Rahmen der Eigentumsausgestaltung auf die Erhaltung der Abwehrfunktion der Eigentümerinteressen beschränken. Diese Relativierungswirkung kann auch von besonderer Intensität sein, da durch die Bezugnahme auf das Allgemeinwohl faktisch keine Beschränkung auf 942

BVerfGE 50, 290 (340). M. Raabe, Grundrechte und Erkenntnis, S. 158 f. 944 J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 448; M. Herdegen, Garantie von Eigentum und Erbrecht, in: P. Badura/H. Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht. Bd. II, 2001, S. 273 (283). 945 Vgl. C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 234; zur Wirkung des Art. 14 GG in mehrere Richtungen auch M. Jaschinski, Der Fortbestand des Anspruchs aus enteignendem Eingriff, S. 144. 946 Ähnlich A. Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 275 f.: „Die Sozialbindung verdichtet somit den Geltungsanspruch der dem Eigentumsschutz entgegenstehenden Güter zu einer besonderen Schwäche des Eigentumsschutzes gegenüber den Belangen der Allgemeinheit.“ 943

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

Abwägungsbelange erfolgt,947 deren Vorliegen zur Abschwächung der Regelungsdichte des Art. 14 GG in Betracht kommt. Insoweit kommt der Sozialbindungsklausel aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG in Kombination mit dem Vorliegen des sozialen Bezugs als funktionalistischer Untermaßstab948 durch die Absenkung des abwehrrechtlichen Schutzniveaus bei der verfassungsrechtlichen Bewertung von Inhalts- und Schrankenbestimmungen auch eine eigenständige Funktion zu.949 Der vorliegende Ansatz, aus dem weitreichenden Handlungsauftrag gemäß Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG eine Herabsenkung der Regelungsdichte des Art. 14 GG herzuleiten, ordnet mithin die Art. 14 Abs. 2 GG vielfach zugewiesene Rolle bei der Erweiterung des Gestaltungsspielraums950 dogmatisch ein. (3) „Zugleich“ sicherzustellende Allgemeinwohldienlichkeit als Kollisions-Kennzeichnung Bei Betrachtung der Auswirkungen des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG auf die Regelungsdichte der Eigentumsgarantie ist soeben schon angeklungen, dass mit steigendem sozialen Bezug die Interessenkollisionen zu Tage treten, die durch den Gesetzgeber aufgelöst werden müssen.951 Die Notwendigkeit der Auflösung von Interessenkollisionen folgt daraus, dass der soziale Bezug das Hineinwirken des Eigentumsgebrauchs in die Gesellschaft und insbesondere die Relevanz für die Freiheitsverwirklichung Dritter952 kennzeichnet. Aus diesen Auswirkungen des Eigentumsgebrauchs für die Allgemeinheit entsteht regelmäßig das gesellschaftliche Interesse, ebenfalls Zugriff auf das Eigentum zu erhalten oder dass der Eigentumsgebrauch wegen seiner schädigenden Folgen unterbleibt. Diese gesellschaftlichen Interessen stehen dann der Ausschlussfunktion und der Ertragsfunktion des Eigentums für den Eigentümer gegenüber. So verkörpert einerseits die 947

Siehe hierzu schon S. 177 ff. O. Lepsius, Die maßstabsetzende Gewalt, in: M. Jestaedt/ders./C. Möllers/ C. Schönberger, Das entgrenzte Gericht, 2011, S. 159 (217); vgl. W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 179 mit der Einordnung des sozialen Bezugs als „Subformel“. 949 Hiergegen O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft im öffentlichen Recht, S. 124 und P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 107; vgl. D. Couzinet, Die Zulässigkeit von Immissionen im anlagenbezogenen Immissionsschutzrecht, S. 200. 950 M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 155; R. Wahl, NVwZ 1984, S. 401 (406); O. Lepsius, Die maßstabsetzende Gewalt, in: M. Jestaedt/ ders./C. Möllers/C. Schönberger, Das entgrenzte Gericht, 2011, S. 159 (217); P. Badura, Eigentum, in: E. Benda/W. Maihofer/H.-J. Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1994, § 10 Rn. 4. 951 Vgl. auch O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, S. 69. 952 Siehe J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 448: „[. . .] sozialer Bezug als Tangierung der Freiheitssphäre der Nichteigentümer“. 948

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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Ausschlussfunktion953 das Bedürfnis des Eigentümers, nicht jeden Zugriff von Seiten Dritter dulden zu müssen. Andererseits entspringt der Ertragsfunktion des Eigentums das Interesse des Eigentümers, das Eigentum trotz bspw. umweltschädlicher Auswirkungen auf die Gesellschaft nutzen zu können. Die typischerweise gleichzeitig bestehende Relevanz des Eigentumsgebrauchs für den Eigentümer und die Allgemeinheit und die daraus resultierende Interessenkollision lässt sich auch an Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG ablesen, der die neben der Privatnützigkeit des Eigentums „zugleich“ erforderliche Allgemeinwohldienlichkeit des Eigentumsgebrauchs anordnet. Die aus dieser Anordnung resultierenden und von der Verfassung nicht vorentschiedenen954 Interessenkollisionen sind dann bei funktionell-rechtlicher Betrachtung besonderer Ausdruck für das Erfordernis eines gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums bei der Eigentumsausgestaltung. Denn die dem Gesetzgeber in Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG ausdrücklich zugewiesene Ausgestaltung der Eigentumsrechte einschließlich der Auflösung von Kollisionslagen entspricht der Maßgabe, dass gesellschaftliche Spannungen am ehesten vom unmittelbar demokratisch legitimierten Gesetzgeber aufgelöst werden können und müssen.955 Die Auflösung dieser Konflikte durch den Gesetzgeber wird auch als freiheitsfreundlicher gegenüber der originären Zuständigkeit eines Gerichtes angesehen, da Parlamente durch Abwahl kontrolliert werden können.956 Abgesehen von der Einhaltung der aufgezeigten verfassungsrechtlichen Grenzen957 gibt Art. 14 GG dem Gesetzgeber hierbei kein Ergebnis für die Auflösung 953 H.-J. Papier/F. Shirvani, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 83 April 2018, Art. 14 Rn. 6; vgl. J. Meyer-Abich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 89 ff. 954 Vgl. R. Alexy, VVDStRL 61, S. 7 (22): „Hier entscheidet die Verfassung die Kollision nicht. Was aber die Verfassung nicht entscheidet, ist durch sie freigestellt.“ 955 M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlich geschützten Eigentums, S. 93; vgl. M. Mayer, Untermaß, Übermaß und Wesensgehaltgarantie, S. 117; N. Petersen, Verhältnismäßigkeit als Rationalitätskontrolle, S. 100; C. Möllers, Gewaltengliederung, S. 140; K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 1042 f.; vgl. A. v. Brünneck, Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, S. 392; vgl. O. Lepsius, Verfassungsrechtlicher Rahmen der Regulierung, in: M. Fehling/M. Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, § 4 S. 194; C.-L. Lee, Eigentumsgarantie und Bestandsschutz im Immissionsschutzrecht, S. 35; G. Schwerdtfeger, Die dogmatische Struktur der Eigentumsgarantie, S. 16; vgl. U. Haltern, Verfassungsgerichtsbarkeit, Demokratie, Mißtrauen, S. 221; M. Jaschinski, Der Fortbestand des Anspruchs aus enteignendem Eingriff, S. 149; C. Rau, Selbst entwickelte Grenzen in der Rechtsprechung des United States Supreme Court und des Bundesverfassungsgerichts, S. 234; F. Ekardt, NuR 2012, S. 813 (816); BVerfGE 57, 295 (321) im Kontext der Rundfunkfreiheit; eingehend H. Bethge, Grundrechtskollisionen, in: D. Merten/H.-J. Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. III, 2009, § 72 Rn. 61 ff.; vgl. schon oben im Rahmen der abstrakten Betrachtung des Gestaltungsspielraums S. 146. 956 F. Ekardt/F. Valentin, Das neue Energierecht, S. 148; hierzu schon S. 182 f. 957 F. Shirvani, DÖV 2014, S. 171 (178); vgl. auch W. Leisner, „Kleineres Eigentum“ – Grundlage der Staatsordnung, in: O. Issing/ders., „Kleineres Eigentum“, 1976, S. 51 (64), der die Mehrheit zum „Herr über die Eigentumsordnung“ ausweist.

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

des Konfliktes zwischen Eigentümerinteressen und Allgemeinwohldienlichkeit des Eigentumsgebrauchs vor.958 Aus dieser primären Zuständigkeit des Gesetzgebers für die Konfliktauflösung durch die verfassungsrechtlich nur anteilig vorgezeichnete Abwägung ergibt sich dann je nach gleichzeitigem Vorliegen von personalem und sozialem Bezug zwangsläufig ein Gestaltungsspielraum.959 Das Bestehen dieses Gestaltungsspielraums wird auch dadurch unterstrichen, dass der anzustrebende Ausgleich kollidierender Rechtsgüter einen Kompromiss als „genuin politisches“ Handeln erfordert.960 Dem entsprechen die Ausführungen von A. Grochtmann, der das Ausfüllen des Gestaltungsspielraums aus Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG als Vorgang von „dem Wesen parlamentarischer Arbeit entsprechend politisch-dezisionistischer Natur“ einordnet.961 Insoweit gebietet Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG aus funktionell-rechtlicher Sicht „institutionell begründete Kontrolleinbußen bei materiell-rechtlichen Maßstäben“.962 Weiterhin beeinflusst auch das Demokratieprinzip963 die Regelungsdichte der Eigentumsgarantie.964

958 G. Morgenthaler, Freiheit durch Gesetz, S. 7 zum im Grundgesetz nicht vorgezeichneten Ergebnis der Abwägung; zum Konflikt auch W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 148; vgl. H. Jochum/W. Durner, JuS 2005, S. 320 (322); ähnlich auch D. Riedel, Eigentum, Enteignung und das Wohl der Allgemeinheit, S. 31. 959 Vgl. G. Britz, Jura 2015, S. 319 (321); K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 1053; vgl. E. Schmidt-Aßmann/F. Schoch, Bergwerkseigentum und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren, S. 38; M. Mayer, Untermaß, Übermaß und Wesensgehaltgarantie, S. 161; P. Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, 2. Aufl. 1999, S. 130; G. F. Schuppert, Funktionell-rechtliche Grenzen der Verfassungsinterpretation, S. 57; M. Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 53 und 255 Fn. 196; vgl. R. Wahl, VVDStRL 51, S. 291 (293); H. D. Jarass, AöR 110 (1985), S. 363 (384). 960 O. Lepsius, Die maßstabsetzende Gewalt, in: M. Jestaedt/ders./C. Möllers/ C. Schönberger, Das entgrenzte Gericht, 2011, S. 159 (235); vgl. R. Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, S. 329 und H. Rittstieg, in: R. Wassermann (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (AK-GG), Bd. I, 2. Aufl. 1989, Art. 14/15 Rn. 152; F. Ekardt/F. Valentin, Das neue Energierecht, S. 148; gleichwohl ist der „Bereich des Politischen [. . .] dem Recht nicht entgegengesetzt oder entzogen, sondern rechtlich geordnet und richterlicher Kontrolle zugänglich“; M. Kaufmann, Staatswissenschaft und Staatspraxis 1997, S. 161 (165). 961 A. Grochtmann, Die Normgeprägtheit des Art. 14 GG, S. 102 f.; siehe auch J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 440 f.; vgl. C. Hillgruber, JZ 2011, S. 861 (862). 962 O. Lepsius, Verfassungsrechtlicher Rahmen der Regulierung, in: M. Fehling/ M. Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, § 4 S. 194. 963 Zur Absenkung der grundrechtlichen Anforderungen durch das Demokratieprinzip J. Riecken, Verfassungsgerichtsbarkeit in der Demokratie, S. 458. 964 Zur Auswirkung des Demokratieprinzips auch C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 228; vgl. M. Cornils, Die Ausgestaltung der Grundrechte, S. 281.

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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Für eine nur gering wirkende Beschränkung des ursprünglich umfassend bestehenden Gestaltungsspielraums im Rahmen der Eigentumsausgestaltung ist darüber hinaus von Relevanz, dass der Gesetzgeber eine Grundrechtsharmonisierungskompetenz besitzt.965 Der Ausgleich zwischen konkurrierenden Grundrechten findet bei der Eigentumsausgestaltung Anwendung, wenn sich der Eigentumsgebrauch auf Lebensbereiche auswirkt, die für Dritte grundrechtlich geschützt sind.966 So erfasst der Gestaltungsauftrag in Art. 14 Abs.1 S. 2 GG durch die Bezugnahme auf das Allgemeinwohl auch mehrdimensionale Freiheitsprobleme,967 deren Auflösung dem Gesetzgeber obliegt.968 Der Begriff der Mehrdimensionalität ist hier insoweit zu verstehen, dass die anzustrebende Allgemeinwohldienlichkeit des Eigentums durch Freiheitsgrundrechte Dritter verkörpert wird. Insoweit stellen von der Eigentumsausübung betroffene Grundrechte Dritter einen für die Eigentumsausgestaltung maßgeblichen Belang dar,969 ohne dass von ihnen eine unmittelbare Drittwirkung ausgehen müsste.970 Weiterhin kann der Gesetzgeber durch die Eigentumsbeschränkung einer aus der objektivrechtlichen Dimension der Grundrechte erwachsenden Schutzpflicht entsprechen.971 Letztlich erkennt auch das Bundesverfassungsgericht im Nichtannahmebeschluss zur „Mietpreisbremse“ ausdrücklich den aus der grundrechtlichen Kollisionslage folgenden weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum an.972 Vor diesem Hintergrund lässt sich auch die bereits aufgezeigte,973 vom jeweiligen Sachbereich abhängige Flexibilisierung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit als verfassungsrechtliche Grenze des Gestaltungsspielraums einordnen. 965

K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 902. Hierzu R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 375; vgl. D. Couzinet, Die Zulässigkeit von Immissionen im anlagenbezogenen Immissionsschutzrecht, S. 200. 967 G. F. Schuppert, Funktionell-rechtliche Grenzen der Verfassungsinterpretation, S. 46 ff.; J. Dietlein, Die Eigentumsfreiheit und das Erbrecht, in: K. Stern (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 113 S. 2248. 968 J. Dietlein, Die Eigentumsfreiheit und das Erbrecht, in: K. Stern (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 113 S. 2248; C. Rau, Selbst entwickelte Grenzen in der Rechtsprechung des United States Supreme Court und des Bundesverfassungsgerichts, S. 234. 969 Insgesamt bezogen auf kollidierende Verfassungsgüter J. Dietlein, Die Eigentumsfreiheit und das Erbrecht, in: K. Stern (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 113 S. 2229. 970 Vgl. F. Shirvani, DÖV 2014, S. 171 (178); hierzu auch R. Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte, S. 199; hierzu schon oben S. 103. 971 Hierzu auch S. 62 f. 972 BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 18. Juli 2019 – 1 BvL 1/18 –, Rn. 74: „Bei der Abwägung der betroffenen Belange, insbesondere des Eigentums als Sicherung der Freiheit des Einzelnen im persönlichen Bereich einerseits und des Eigentums in seinem sozialen Bezug sowie seiner sozialen Funktion andererseits, verfügt der Gesetzgeber, angesichts des Umstands, dass sich grundrechtlich geschützte Positionen gegenüberstehen, über einen weiten Gestaltungsspielraum.“ 973 S. o. S. 213 f. 966

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

So kommt die bereits strukturell bedingte geringe Ausprägung des Regelungsgehalts der Angemessenheitsvorgabe in besonderer Weise zum Tragen, wenn eine stark ausgeprägte Interessenkollision vorliegt. Das jeweilige Ausmaß der Interessenkollision kann sich jedoch erst in Ansehung des betroffenen Sachbereichs ergeben. (4) Zwischenergebnis: Rechtfertigung der Erweiterung des Gestaltungsspielraums durch Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG Die Erweiterung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums aufgrund des Vorliegens des sozialen Bezugs ist damit auf die Verringerung der Regelungsdichte der Eigentumsgarantie durch Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG zurückzuführen. So führt Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG in Verbindung mit dem Vorliegen des sozialen Bezugs dazu, dass die Abwehrfunktion der Eigentumsgarantie nicht allein maßgeblich für den Regelungsgehalt ist und damit in Relation zum Wohl der Allgemeinheit aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG betrachtet werden muss. Weiterhin kennzeichnet der soziale Bezug Interessenkollisionen, deren Auflösung das Grundgesetz dem Gesetzgeber übertragen hat. Die Relativierung des Geltungsanspruchs der Abwehrfunktion aufgrund des Hinzutretens der Handlungsdirektive aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG sowie die Notwendigkeit der gesetzgeberischen Konfliktauflösung steigen mit dem Ausmaß des sozialen Bezugs. Dementsprechend verringert sich auch die Regelungsdichte des Art. 14 GG, sodass dem Gestaltungsspielraum mit steigendem sozialen Bezug geringer ausgeprägte verfassungsrechtliche Grenzen gegenüberstehen. Insoweit konnte daher die normative Begründung für die Erweiterung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums aufgrund des Vorliegens des sozialen Bezugs aufgezeigt werden. Diese Erweiterung kann nur in Ansehung des jeweils betroffenen Sachbereichs erfolgen, da erst dieser Auskunft über das konkret bestehende Ausmaß des sozialen Bezugs gibt. c) Herleitung der Regelungsdichte bei einem konkreten Eigentumsrecht Für die Ermittlung der Regelungsdichte bei der Ausgestaltung eines konkreten schon bestehenden oder neu auszugestaltenden Eigentumsrechts zur Bestimmung des einschlägigen bundesverfassungsgerichtlichen Kontrollmaßstabes ist daher folgendes Vorgehen angezeigt: Im ersten Schritt ist der personale Bezug des von einer Inhalts- und Schrankenbestimmung betroffenen Eigentumsrechts zu bestimmen, um Auskunft über das Ausmaß der abwehrrechtlichen Funktion der Eigentumsgarantie zu erhalten. Bei der Bestimmung des personalen Bezugs ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit der dem auszugestaltenden Eigentumsrecht zugrundeliegende Eigentumsgegenstand einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich verschaffen und damit die Privatnützigkeit des Eigentums verwirklichen kann. Entsprechend der auf diese Art ermittelten Ausprägung des personalen Bezugs kommt der Ei-

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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gentumsgarantie dann der Regelungsgehalt eines bedingten, auf hoheitliche Beschränkungen gerichteten Unterlassungsgebotes zu. Im zweiten Schritt ist dann das Ausmaß des sozialen Bezugs zu bestimmen, dessen Vorliegen allein sich grundsätzlich nicht vermindernd auf die Wertigkeit der Eigentümerinteressen auswirkt. In Verbindung mit Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG senkt der soziale Bezug jedoch den abwehrrechtlichen Regelungsgehalt der Eigentumsgarantie ab. Diese Absenkung resultiert daraus, dass die Eigentumsgarantie aus der Sicht des Gesetzgebers im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG neben dem bedingten Unterlassungsgebot auch den weitgehenden Handlungsauftrag gemäß Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG enthält. Zwei nebeneinanderstehende, in ihrer Zielrichtung nicht gleichförmige bzw. sogar kollidierende Normvorgaben enthalten indes keinen spezifischen Normbefehl und vermindern damit die Regelungsdichte der Eigentumsgarantie. Für die Ermittlung des endgültigen Ausmaßes der Regelungsdichte und damit des Gestaltungsspielraums müssen dann personaler und sozialer Bezug in ihrer jeweiligen Ausprägung betrachtet und gegenübergestellt werden.974 Soweit die Ausprägung der beiden Faktoren in zumindest ähnlicher Weise vorliegt, bleibt es beim auf abstrakter Ebene festgestellten weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum. Mithin besteht die grundsätzlich gleichrangig ausgeprägte Wertigkeit975 zwischen Eigentümerinteressen und Allgemeinwohlbelangen fort. Handlungsmaßstab und Kontrollmaßstab des Gesetzgebers werden in diesem Fall nicht weitergehend durch die Umstände des jeweiligen Sachbereichs konkretisiert. Sofern jedoch der personale Bezug gering und der soziale Bezug stark ausgeprägt ist bzw. die umgekehrte Konstellation vorliegt, erweitert oder beschränkt sich der konkrete Gestaltungsspielraum gegenüber dem auf abstrakter Ebene ermittelten Gestaltungsspielraum. Durch dieses Vorgehen wird das Ausmaß des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums durch „dem Abwägungsprozess vorgelagerte Strukturbedingungen“ bzw. „funktionalistische Untermaßstäbe“ 976 bestimmt.977 Insoweit trägt die Justierung der Reichweite des Gestaltungsspielraums dem vor dem Hintergrund des jeweiligen Sachbereichs festgestellten Verhältnis zwischen Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG und Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG Rechnung.

974 Vgl. O. Lepsius, Verfassungsrechtlicher Rahmen der Regulierung, in: M. Fehling/ M. Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, § 4 S. 179; für eine differenzierte Betrachtung auch W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 149; H. Rittstieg, in: R. Wassermann (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (AK-GG), Bd. I, 2. Aufl. 1989, Art. 14/15 Rn. 169. 975 M. Cornils, Die Ausgestaltung der Grundrechte, S. 294; J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 441. 976 O. Lepsius, Die maßstabsetzende Gewalt, in: M. Jestaedt/ders./C. Möllers/ C. Schönberger, Das entgrenzte Gericht, 2011, S. 159 (217). 977 R. Körner, Denkmalschutz und Eigentumsschutz, S. 136.

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

Mithin ist zu beachten, dass die für das Ausmaß des Gestaltungsspielraums entscheidende Regelungsdichte nur durch eine Zusammenschau von personalem und sozialem Bezug ermittelt werden kann.978 Als dieser Maßgabe Rechnung tragend ist das bereits aufgezeigte Vorgehen des Bundesverfassungsgerichts in der Atomausstiegsentscheidung anzusehen.979 Dort spricht das Bundesverfassungsgericht zunächst den nur niedrig ausgeprägten personalen Bezug an und stellt dann das Vorliegen des stark ausgeprägten Sozialbezugs fest, um letztlich „bei der Ausgestaltung des Atomrechts einen besonders weiten Gestaltungsspielraum“ des Gesetzgebers anzuerkennen.980 Eine lediglich auf eine der beiden Kennzeichnungen des normativen Gehalts bei der Eigentumsgarantie gestützte Justierung des Gestaltungsspielraums hätte hingegen zur Folge, dass der nicht berücksichtigte Abwägungsbelang im Rahmen der Abwägung nicht entsprechend seiner Wertigkeit zur Geltung gebracht werden würde. Diese Gefahr bestünde insbesondere, wenn allein angesichts eines weitreichenden sozialen Bezugs ein nahezu umfassender Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers angenommen würde, sodass die Eigentümerinteressen unabhängig von ihrer Ausprägung in der Abwägung kaum berücksichtigt werden müssten. Insoweit würde die Angemessenheit ihre aufgezeigte Funktion981 als Vorgabe zur Berücksichtigung des eigentumsrechtlichen Schutzes verlieren. Werden hingegen mit personalem und sozialem Bezug beide im Rahmen der Ausgestaltung nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG maßgeblichen Eigentumscharakteristika berücksichtigt, erfolgt eine „Konkretisierung und Graduierung“ der für die Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit insgesamt entscheidenden Güter und Interessen.982 Aufgrund der hierdurch möglichen Konkretisierung und Graduierung der Abwägungsgüter kommt der Eigenart des von der Inhalts- und Schrankenbestimmung betroffenen Eigentumsrechts eine verfassungsrechtliche Dimension zu.983 Weiterhin gilt es festzuhalten, dass auch wenn die Betrachtung von personalem und sozialem Bezug eine bedeutende Rolle für die Feststellung der aus Art. 14 GG erwachsenden verfassungsrechtlichen Grenzen des Gesetzgebers spielt, hierdurch die Abwägung jedoch nicht vorweggenommen oder ersetzt wird. Insbesondere verdeutlicht die Atomausstiegsentscheidung, dass auch bei geringem personalen und ausgeprägtem sozialen Bezug aufgrund von Vertrauensschutz-

978 Vgl. R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 387: „Weil [der soziale Bezug] vielmehr stets im Verhältnis zur korrespondierenden Interessenlage des Eigentümers gesehen werden muß.“ 979 S. o. S. 252. 980 BVerfGE 146, 246 (351 Rn. 297). 981 S. o. S. 208. 982 R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 351. 983 Vgl. R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 357 f.

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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erwägungen zugunsten des Eigentümers die vom Gesetzgeber vorgesehene Eingriffsintensität verfassungswidrig sein kann.984 6. Fazit zur Herleitung des Gestaltungsspielraums bei der Eigentumsgarantie Das konkrete Ausmaß des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums im Rahmen der Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG ist zum einen auf die abstrakten Vorgaben der Eigentumsgarantie zurückzuführen. So wird der zunächst umfassende gesetzgeberische Gestaltungsspielraum insbesondere durch Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG im Kontext der Eigentumsgarantie bestätigt und dann maßgeblich durch die Vorgaben des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit beschränkt. Der den Gestaltungsspielraum beschränkende Regelungsgehalt des Art. 14 GG beinhaltet dann, dass eine Eigentumsausgestaltung nur in verhältnismäßiger Form erfolgen darf. Zum anderen treten für die Bestimmung des Ausmaßes des Gestaltungsspielraums die durch den jeweiligen Sachbereich geprägten Eigenschaften des jeweiligen Eigentumsgegenstandes hinzu. Diese offenbaren den personalen und den sozialen Bezug des betroffenen Eigentums und damit inwieweit der Regelungsgehalt des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG konkret gegenüber dem gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum Geltung entfaltet. Hierbei verkörpert der personale Bezug das Gewicht der abwehrrechtlichen Eigenschaft der Eigentumsgarantie und damit die Regelungsdichte des Unterlassungsgebotes einer unverhältnismäßigen Eigentumsausgestaltung. Diese Regelungsdichte sinkt jedoch wiederum zugunsten der Weite des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums in dem Ausmaß, in dem der Gesetzgeber aufgrund des Vorliegens des sozialen Bezugs auch der Vorgabe aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG Rechnung tragen muss. Diese Senkung ist darauf zurückzuführen, dass die Kombination gegenläufiger Handlungsdirektiven innerhalb eines Gestaltungsauftrags keinen eindeutigen Rechtsbefehl darstellt, sondern vielmehr einen Interessensausgleich erfordert. Die Betrachtung des jeweiligen Sachbereichs zeigt dann letztlich auf, mit welcher Intensität der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum beschränkt und gleichzeitig zugunsten der Eigentümerinteressen wirkt. Hervorzuheben ist, dass der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum insbesondere im Hinblick auf die Wechselwirkung mit dem sozialen Bezug des Eigentums im Rahmen der vorangegangenen Herleitung normativ verankert werden konnte. Diese auch auf funktionell-rechtliche Erwägungen gestützte normative Verankerung ist erforderlich, um die mit der Erweiterung des Gestaltungsspielraums einhergehende geringere verfassungsrechtliche Bindung des Gesetzgebers zu begründen. Andernfalls würde dem Gesetzgeber eine Handlungsmöglichkeit 984

Siehe nur BVerfGE 143, 246 (380 Rn. 364).

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

aufgezeigt werden, die seiner Verfassungsbindung aus Art. 1 Abs. 3 GG und Art. 20 Abs. 3 GG widerspricht.

II. Auswirkungen der Erweiterung des Gestaltungsspielraums auf den Eigentumsschutz Eine Erweiterung des Gestaltungsspielraums über die abstrakt festgestellten Grenzen des Gesetzgebers985 hinaus offenbart eine Schwächung des aus Art. 14 GG folgenden Schutzes986 aufgrund einer geringen Ausprägung des abwehrrechtlichen Regelungsgehalts. Exemplarisch kann hier erneut die Atomausstiegsentscheidung angeführt werden, wonach der „Eigentumsschutz in Bezug auf die Nutzung der Atomanlagen [. . .] über den ohnehin bestehenden starken Sozialbezug des Eigentums an den Kernenergieanlagen hinaus [. . .] gegenüber staatlichen Einflussnahmen weiter eingeschränkt“ ist.987 Entsprechend kann bei besonders starker Ausprägung des sozialen Bezugs988 der Substanzschutz des Eigentums ausnahmsweise überwunden werden, indem intensiv wirkende Eingriffe nicht durch Übergangsregelungen, sondern auch durch finanzielle Entschädigungen abgemildert werden können.989 Die abschwächende Auswirkung der Erweiterung des Gestaltungsspielraums auf den Grundrechtsschutz offenbart sich insbesondere in der Justierung des Prüfungsmaßstabs des Bundesverfassungsgerichts (S. 269 ff.) und ermöglicht eine Systematisierung von gesetzgeberischen Wertungen (S. 271 f.) sowie von unterschiedlichen Eigentumsarten (S. 272 ff.). Weiterhin erfordert die abschwächende Wirkung, dass bei den vorzunehmenden Eigentumsbeschränkungen eine Kohärenz zwischen den verfolgten Allgemeinwohlbelangen und dem jeweils in Rede stehenden sozialen Bezug vorliegt (S. 275 f.). Eine da985

S. o. S. 215 ff. Vgl. O. Lepsius, Verfassungsrechtlicher Rahmen der Regulierung, in: M. Fehling/ M. Ruffert (Hrsg.), Regulierungsrecht, 2010, § 4 S. 179; siehe auch C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 296 und 347; M. Raabe, Grundrechte und Erkenntnis, S. 15; S.-P. Hwang, KritV 2009, S. 31 (33); vgl. A. Bräunig, Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur deutschen Wiedervereinigung, S. 167; J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 448 f.; kritisch O. Depenheuer/J. Froese, in: H. von Mangoldt/F. Klein/C. Starck u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 7. Aufl. 2018, Art. 14 Rn. 282; vgl. C. Sellmann, NVwZ 2003, S. 1417 (1419); BVerfGE 53, 257 (292); H. Dederer, in: W. Kahl/C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 118. Akt. Dez. 2017, Art. 14 Rn. 852; H.-J. Papier/F. Shirvani, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 83 April 2018, Art. 14 Rn. 425. 987 BVerfGE 143, 246 (351 f. Rn. 299), (Hervorhebung durch den Verf.). 988 Mit strengen Vorgaben P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 113. 989 Hierzu P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 105 f., der darin eine Ausnahme von dem grundsätzlich erforderlichen Sonderopfer auf Seiten des entschädigten Eigentümers erkennt; zur ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung s. o. S. 110 f. 986

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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rüber hinausgehende Korrektur der Schutzabschwächung ist hingegen nicht erforderlich (S. 276 ff.). 1. Festlegung des Prüfungsmaßstabes Die den Schutz der Eigentumsgarantie abschwächende Wirkung des Vorliegens des erweiterten Gestaltungsspielraums spiegelt sich insbesondere in der Justierung des Prüfungsmaßstabes des Bundesverfassungsgerichts wider.990 So führt die Erweiterung des Gestaltungsspielraums nicht dazu, dass die bundesverfassungsgerichtliche Prüfung der Verfassungsmäßigkeit einer Inhalts- und Schrankenbestimmung angesichts fehlender verfassungsrechtlicher Grenzen vollständig unterbleibt.991 Entsprechend führt das Bundesverfassungsgericht aus, dass die Erweiterung des Gestaltungsspielraums „aber nichts am grundsätzlich eröffneten Eigentumsschutz“ ändere.992 Vielmehr legt der Verweis auf das aufgrund des personalen und des sozialen Bezugs bestehende Ausmaß von Regelungsdichte und Gestaltungsspielraum das Schutzniveau bzw. die Schutzwürdigkeit993 für die von der Eigentumsgarantie erfassten Eigentümerinteressen fest.994 Es wurde bereits aufgezeigt, dass sich mit wachsender Weite des Gestaltungsspielraums insbesondere die Wirkkraft des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und damit die Prüfungsintensität des Bundesverfassungsgerichts verringert.995 Mithin darf das Bundesverfassungsgericht nur geringe Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des gesetzgeberischen Handelns stellen. Folglich sind bei Vorliegen eines u. a. durch den sozialen Bezug erweiterten Gestaltungsspielraums intensivere Beschränkungen der Eigentümerinteressen möglich. Die Abwägungsentscheidung zwischen der Privatnützigkeit aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG und der Sozialbindung durch den Gesetzgeber kann insoweit stärker zugunsten der Allgemeinwohlinteressen erfolgen, ohne dass ein 990 Vgl. F. Ossenbühl, Bundesverfassungsgericht und Gesetzgebung, in: P. Badura/ H. Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht. Bd. I, 2001, S. 33 (52); C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 592; vgl. auch P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 107. 991 Vgl. F. Shirvani, Sozialbindung des Eigentums, in: M. Ludwigs (Hrsg.), Regulierender Staat und konfliktschlichtendes Recht. Festschrift für Matthias Schmidt-Preuß zum 70. Geburtstag, 2018, S. 303 (313); vgl. F. Saecker/J. Jaecks, BB 2001, S. 997 (1001); P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 65; dafür hingegen J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 447 f. 992 BVerfGE 143, 246 (331 Rn. 239). 993 Vgl. nur BVerfGE 143, 246 (350 f. Rn. 295 ff.). 994 Zur Auswirkung der Gestaltungsfreiheit auf das Schutzniveau A. Bräunig, Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur deutschen Wiedervereinigung, S. 135. 995 S. o. S. 159 f.; J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 448 f.; zur Flexibilisierung der Verhältnismäßigkeitsanforderungen auch J. Dietlein, Die Eigentumsfreiheit und das Erbrecht, in: K. Stern (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2006, § 113 S. 2249.

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

die Verfassungswidrigkeit auslösendes, offensichtlich fehlsames Abwägungsergebnis vorläge. Diese – entsprechend der obigen Herleitung996 an der Regelungsdichte des Art. 14 GG orientierte – Festlegung des Prüfungsmaßstabs zeigt sich im folgenden Vorgehen des Bundesverfassungsgerichts: Regelmäßig stellt es nach Benennung der allgemeinen Auswirkungen von personalem und sozialem Bezug auf den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum die jeweilige Freiheitsrelevanz und soziale Verflochtenheit des konkret betroffenen Eigentumsgegenstandes fest.997 Entsprechend dieser Ausprägungen offenbart sich dann der zulässige, aus Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG resultierende Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Im Rahmen dieses Vorgehens nimmt das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich Bezug auf die Wechselwirkung zwischen der jeweiligen Ausprägung von personalem und sozialem Bezug auf der einen Seite sowie dem gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum auf der anderen Seite.998 Exemplarisch bestimmt das Bundesverfassungsgericht im Mitbestimmungsurteil den zur Disposition des Gesetzgebers stehenden Bereich des Anteilseigentums nach eingehender Betrachtung von dessen personalem und sozialem Bezug.999 Die Verknüpfung der abstrakten Ausführungen zur Weite des Gestaltungsspielraums sowie dem daraus resultierenden Prüfungsmaßstab mit dem jeweiligen Sachbereich spiegelt sich ebenfalls in der Ausführung wider, wonach „[d]ie Grenzen der [. . .] umrissenen Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers nicht für alle Sachbereiche gleich“ seien.1000 Weiterhin leitet das Bundesverfassungsgericht aus dem Vorliegen des sozialen Bezugs im Rahmen des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers bei geistigem Eigentum die konkrete Möglichkeit der Einschränkung des Ausschließlichkeitsrechts der Urheber her.1001 Darüber hinaus konkretisiert das Bundesverfassungsgericht auch bei der Betrachtung von Rentenpositionen den aufgrund des sozialen Bezugs erweiterten Gestaltungsspielraum durch die dem Gesetzgeber of996

S. o. S. 168 ff. BVerfGE 42, 263 (294); 50, 290 (341 f.); 52, 1 (32); 64, 87 (101 f.); 100, 226 (241 f.); 101, 54 (74 ff.); 102, 1 (17); 112, 93 (109 f.); zu einem ähnlichen Vorgehen des Bundesverfassungsgerichts in der Entscheidung BVerfGE 1, 14 K. Meßerschmidt, Gesetzgebungsermessen, S. 716 f.; vgl. A. Bräunig, Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur deutschen Wiedervereinigung, S. 48; kritisch zu diesem Vorgehen O. Lepsius, Der Staat (52) 2013, S. 157 (180); A. Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 170 sieht in derartigen Fällen keine besondere Bedeutung des sozialen Bezugs für die jeweilige Entscheidung. 998 Vgl. auch BVerfGE 58, 81 (111). 999 BVerfGE 50, 290 (347 f.): „Die dargestellten Beschränkungen fallen in den Bereich, den das Grundgesetz in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 der Gestaltung durch den Gesetzgeber öffnet [. . .]. Denn der personale Bezug der durch das Mitbestimmungsgesetz betroffenen Anteilsrechte ist in ihrer allein wesentlichen mitgliedschaftsrechtlichen Bedeutung regelmäßig weniger ausgeprägt, während ihnen ein weittragender sozialer Bezug und eine bedeutende soziale Funktion eignet.“ 1000 BVerfGE 112, 93 (110). 1001 BVerfGE 49, 382 (394 f.). 997

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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fenstehende Verkürzungen der Rentenpositionen im Rahmen der Abwägung.1002 Exemplarisch ist letztlich das Vorgehen des Bundesverfassungsgerichts in der wiederum aufzugreifenden Atomausstiegsentscheidung. Nach Rezipieren der ständigen Rechtsprechung zu den allgemeinen Anforderungen an die Eigentumsausgestaltung1003 folgert das Bundesverfassungsgericht angesichts der geringen Schutzwürdigkeit des Eigentums an den Atomkraftanlagen einen „besonders weiten Gestaltungsspielraum“.1004 Entsprechend ist aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts die für den Gestaltungsspielraum maßgebliche Schutzwürdigkeit entscheidend für die Verfassungsmäßigkeit der Eingriffsintensität der betrachteten Inhalts- und Schrankenbestimmung.1005 Andererseits begnügt sich das Bundesverfassungsgericht teils auch mit der Bestätigung der auf abstrakter Ebene geltenden Grundsätze in Ansehung des betroffenen Sachbereichs.1006 In diesen Konstellationen kann das Bundesverfassungsgericht nach Darstellung der abstrakt geltenden Anforderungen folgern, dass „[n]ach diesen Grundsätzen“ 1007 bzw. „[n]ach diesen Maßstäben“ 1008 die Grenzen des Gestaltungsspielraums gewahrt oder überschritten wurden. Der Festlegung der Kontrollkompetenz kommt mithin eine entscheidende Bedeutung für die Bewertung der Verfassungsmäßigkeit und damit dem Ausgang gerichtlicher Verfahren zu.1009 2. Systematisierung der gesetzgeberischen Wertungen Durch die das Schutzniveau der Eigentumsgarantie mit personalem und sozialem Bezug verknüpfende Interpretation des Art. 14 GG ermöglicht das Bundesverfassungsgericht insbesondere die gerichtliche Kontrolle der gesetzgeberischen Wertungen bei der Eigentumsausgestaltung. Zwar ist es grundsätzlich Aufgabe des Gesetzgebers, „soziale und situative tatsächliche Vorgegebenheiten zu berücksichtigen, unterschiedliche Realfaktoren zu gewichten und die jeweiligen Gemeinwohlbindungen verbindlich zu formulieren“.1010 Anknüpfend an die Be1002

BVerfGE 116, 96 (128 f.). BVerfGE 143, 246 (341 f. Rn. 268). 1004 BVerfGE 143, 246 (351 Rn. 297). 1005 BVerfGE 143, 246 (349 Rn. 292). 1006 BVerfGE 42, 263 (295): „Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe [. . .]“; BVerfGE 50, 290 (341 f.); 102, 1 (17): „Nach den dargelegten Maßstäben [. . .]“; BVerfGE 64, 87 (101): „Solchen Anforderungen genügt [. . .]“; BVerfGE 100, 226 (241): „Nach diesen Grundsätzen [. . .]“; BVerfGE 101, 54 (76): „Nach diesen Maßstäben [. . .]“; vgl. auch A. Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 170, 277. 1007 BVerfGE 100, 226 (241). 1008 BVerfGE 101, 54 (76). 1009 Vgl. C. Bickenbach, Die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, S. 460. 1010 O. Depenheuer/J. Froese, in: H. von Mangoldt/F. Klein/C. Starck u. a. (Hrsg.), Grundgesetz, 7. Aufl. 2018, Art. 14 Rn. 290; so auch W. Leisner, Eigentum, in: J. Isen1003

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

deutung des betroffenen Eigentumsgegenstandes für die Freiheitsverwirklichung des Eigentümers sowie die Allgemeinwohlinteressen schafft das Bundesverfassungsgericht jedoch eine eigene Werthierarchie innerhalb der Eigentumsgarantie: Was auf der Ebene der Grundrechte insgesamt für nicht möglich erachtet wird,1011 gelingt bezogen auf die im jeweiligen Einzelfall1012 bestehenden Ausprägungen der Freiheitsrelevanz und des Allgemeinheitsbezugs des Eigentums. Mithin kann das Bundesverfassungsgericht die Bewertung der Interessen des Eigentümers und der Allgemeinheit mit den Ausprägungen des personalen und sozialen Bezugs abgleichen und im Hinblick auf ein offensichtlich fehlsames Abwägungsergebnis überprüfen.1013 So führt auch W. Farke aus, dass die Betrachtung der öffentlichen Bedeutung – synonym zum sozialen Bezug – es ermögliche, bei der verfassungsrechtlichen Überprüfung „Maßstäbe zu finden für eine sachgerechte, zumutbare und die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit einhaltende gesetzliche Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums“.1014 Gleichwohl ist hierbei zu berücksichtigen, dass die Ausprägung der jeweiligen Interessen lediglich umschrieben und nicht als eindeutige, feststellbare Größe benannt werden kann.1015 Insoweit zeigt sich wiederum der gegenüber rechtlicher Normierung und gerichtlicher Kontrolle nicht offenstehende Charakter des Abwägungsprozesses. Dennoch eröffnet die Verknüpfung von personalem und sozialem Bezug mit der Weite des Gestaltungsspielraums die Möglichkeit einer systematisierten Einordnung der Wertungen des Gesetzgebers. 3. Übertragung der Schutzabstufung auf Eigentumsarten Die soeben aufgezeigte Werthierarchie innerhalb der Eigentumsgarantie ermöglicht dann weiterhin eine auf unterschiedliche Eigentumsarten1016 bezogene Schutzabstufung im Angesicht der gesetzgeberischen Inhalts- und Schrankenbestimmungen.1017 Grundlage für diese Typisierung müssen sowohl die Auspräsee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 147. 1011 S. o. nur S. 198. 1012 Vgl. C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 581. 1013 Zur Überprüfung der gesetzgeberischen Wertungen H. Dederer, in: W. Kahl/ C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 118. Akt. Dez. 2017, Art. 14 Rn. 853 ff.; zur Gewichtung der Allgemeinwohlinteressen H.-J. Papier/ F. Shirvani, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 83 April 2018, Art. 14 Rn. 426. 1014 W. Farke, Öffentliche Bedeutung privater Wirtschaftsunternehmen und Sozialpflichtigkeit des Eigentums, S. 52. 1015 Insoweit kritisch B. Pieroth, Rückwirkung und Übergangsrecht, S. 347. 1016 Vgl. J. Meyer-Abich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 159; A. v. Brünneck, Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, S. 389. 1017 Siehe P. Badura, Eigentum im Verfassungsrecht der Gegenwart, in: Ständige Deputation des deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des neunundvierzigsten

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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gung des personalen als auch des sozialen Bezugs sein, um Rückschlüsse auf Regelungsdichte und Gestaltungsspielraum zu erhalten.1018 Zu einer derartigen Differenzierung1019 nach Eigentumsarten finden sich verschiedene Ansätze in der Literatur: F. Ossenbühl differenziert etwa zwischen persönlichem Eigentum, geistigem Eigentum, Wirtschaftseigentum, kleinem und großem Eigentum sowie Bodeneigentum und Betriebseigentum.1020 Die aufgeführten Kategorien entsprechen mit Ausnahme des kleinen und großen Eigentums den in der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung besonders hervorgehobenen Eigentumsgegenständen,1021 die bei der Betrachtung des sozialen Bezugs einschließlich der Intensität von dessen Ausprägung dargestellt wurden.1022 Das besagte kleine Eigentum wird von W. Leisner als das „lohn- und versicherungsergänzende Eigentum breiterer Schichten der Bevölkerung, ausgehend etwa von der Größenordnung des heute weitgestreuten Haus- und Wohnungseigentums“ angesehen.1023 Insoweit verbindet das kleinere Eigentum mehrere der genannten Eigentumsarten, für dessen Schutzwürdigkeit ist jedoch weiterhin der personale Bezug maßgeblich.1024 Weiterhin wird durch die Bildung unterschiedlich stark geschützter, von Art. 14 GG erfasster Eigentumsarten auch eine Abwendung von „einem absoluten Eigentumsverständnis und einem ungeteilten Eigentumsbegriff in der Tradition des Liberalismus“ vollzogen.1025 Jenseits von spezifischen Eigentumskategorien differenziert O. Lepsius bei der Bewertung des Eigentumsschutzes weiter-

deutschen Juristentages, 1972, T 11; dagegen E. Benda, Industrielle Herrschaft und sozialer Staat, S. 343. 1018 Vgl. M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 214. 1019 Hierzu auch P. Häberle, Vielfalt der Property Rights, in: M. Neumann (Hrsg.), Ansprüche, Eigentums- und Verfügungsrechte, 1984, S. 63 (89 ff.). 1020 F. Ossenbühl, VVDStRL 51, S. 285 (288); ähnlich P. Badura, VVDStRL 51, S. 289 und P. Badura, Eigentum im Verfassungsrecht der Gegenwart, in: Ständige Deputation des deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des neunundvierzigsten deutschen Juristentages, 1972, T 12; ähnlich auch A. v. Brünneck, Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, S. 399 f.; kritisch G. Roellecke, VVDStRL 51, S. 300 (301); H. Rill, VVDStRL 51, S. 307; U. Hösch, Freiheit und Eigentum, S. 204 und R. Wendt, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 9. Aufl. 2021, Art. 14 Rn. 89. 1021 P. Badura, VVDStRL 51, S. 289 stellt eine ausdrückliche Verbindung zum sozialen Bezug her; vgl. auch W. Frotscher, VVDStRL 51, S. 313 (314 f.). 1022 S. o. S. 55 ff. 1023 W. Leisner, „Kleineres Eigentum“ – Grundlage der Staatsordnung, in: O. Issing/ ders., „Kleineres Eigentum“, 1976, S. 51 (58). 1024 Vgl. W. Leisner, „Kleineres Eigentum“ – Grundlage der Staatsordnung, in: O. Issing/ders., „Kleineres Eigentum“, 1976, S. 51 (62 ff.). 1025 O. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft im öffentlichen Recht, S. 69; vgl. ders., Die maßstabsetzende Gewalt, in: M. Jestaedt/ders./C. Möllers/C. Schönberger, Das entgrenzte Gericht, 2011, S. 159 (218); P. Badura, Eigentum im Verfassungsrecht der Gegenwart, in: Ständige Deputation des deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des neunundvierzigsten deutschen Juristentages, 1972, T 12.

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

hin danach, ob der Eigentümer des betroffenen Rechtsguts eine natürliche oder eine juristische Person ist.1026 Auch dem Grundgesetz ist eine Differenzierung zwischen verschiedenen Eigentumsarten nicht fremd.1027 In Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG wird zwar schlicht von der Gewährleistung des Eigentums gesprochen, Art. 15 S. 1 GG1028 hebt indes die Eigentumsobjekte Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel durch die bei ihnen ermöglichte Vergesellschaftung besonders hervor. Angesichts der hohen Eingriffsintensität der von der Verfassung vorgesehenen Vergesellschaftung wird der Eigentumsschutz für diese Eigentumsobjekte relativiert.1029 Gleichzeitig knüpft das Grundgesetz aber in geringerem Ausmaß an die Differenzierung zwischen unterschiedlichen Eigentumsgegenständen an als die Weimarer Reichsverfassung. So wurden in Art. 150 Abs. 1 WRV Denkmäler, in Art. 155 WRV Boden und Bodenschätze, in Art. 156 Abs. 1 WRV wirtschaftliche Unternehmungen und letztlich in Art. 158 Abs. 1 WRV das geistige Eigentum ausdrücklich neben der allgemeinen Eigentumsgewährleistung in Art. 153 Abs. 1 S. 1 GG hervorgehoben. Gleichwohl ist auch bei einer an der typischen1030 Ausprägung von personalem und sozialem Bezug orientierten Einteilung zu bedenken, dass diese im Hinblick auf das konkrete Schutzniveau kein Ergebnis aus schlichter Deduktion ermöglicht.1031 Vielmehr ist für die Ermittlung des Ausmaßes des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums stets das letztlich nur im Einzelfall erkennbare relative Gewicht der Abwägungsgüter zueinander zu berücksichtigen.1032 Insbesondere sind bei der Bewertung der Eigentumsgegenstände im Hinblick auf die personale und soziale Funktion auch gesellschaftliche Wandlungen in den Blick zu nehmen.1033 Daher ist auch keine strikte Rangfolge der genannten Eigentumsarten zulässig. Vielmehr muss bei der Betrachtung der Eigentumsarten eine Beschränkung auf Tendenzen erfolgen. Als eine derartige Tendenz ist etwa der 1026 O. Lepsius, Die maßstabsetzende Gewalt, in: M. Jestaedt/ders./C. Möllers/ C. Schönberger, Das entgrenzte Gericht, 2011, S. 159 (217). 1027 Dagegen unter Verweis auf Landesverfassungen U. Hösch, Eigentum und Freiheit, S. 204. 1028 Hierzu schon S. 29 f. 1029 M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 54; W. Leisner, Sozialbindung des Eigentums, S. 65. 1030 Vgl. M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 213 f. 1031 Vgl. R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 372; vgl. auch den Verweis auf den sozialen Bezug als Subformel zur Orientierung W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/ P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 179. 1032 R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 372; M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 213; gegen eine starre Skalierung H. Dederer, in: W. Kahl/C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 118. Akt. Dez. 2017, Art. 14 Rn. 854. 1033 BVerfGE 52, 1 (35 f.).

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

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grundsätzlich stärker ausgeprägte soziale Bezug von Grund und Boden gegenüber beweglichen Eigentumsgegenständen1034 zu nennen. 4. Erforderliche Kohärenz von sozialem Bezug und verfolgtem Allgemeinwohlinteresse Auch wenn die Justierung des Gestaltungsspielraums aufgrund des Vorliegens von personalem und sozialem Bezug grundsätzlich auf die Regelungsdichte der Eigentumsgarantie rückführbar ist, kann die schutzabschwächende Wirkung des sozialen Bezugs nicht uneingeschränkt gelten. So darf bei Betrachtung der in Rede stehenden Inhalts- und Schrankenbestimmung der soziale Bezug eines Eigentumsgegenstandes nur insoweit zu einer Absenkung des Eigentumsschutzes führen, wie er auch für die Verwirklichung der Allgemeinwohldienlichkeit des Eigentumsgebrauchs nach Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG von Relevanz ist. Mithin genügt es nicht, dass der betroffene Eigentumsgegenstand überhaupt in einem sozialen Bezug steht. Vielmehr ist erforderlich, dass gerade die den sozialen Bezug auslösenden Eigenschaften zur Umsetzung der angestrebten Allgemeinwohlbelange maßgeblich sind.1035 Verdeutlichen lässt sich diese Überlegung anhand der Atomausstiegsentscheidung, in der der soziale Bezug kumulativ aufgrund der Eigenschaften der Atomkraftanlagen als Energieversorger, Hochrisikiotechnologie mit ungeklärter Entsorgungsproblematik und Gegenstand umfangreicher staatlicher Investitionen begründet wurde.1036 Die mit der 13. Atomnovelle1037 angestrebte Beendigung der Nutzung der Kernenergie zum frühestmöglichen Zeitpunkt1038 kollidiert jedoch mit der Eigenschaft der Atomkraftanlagen als Energieversorger.1039 So führt eine Beendigung der Kernenergienutzung auch zur Beendigung der Eigentumseigenschaft als Energieversorger. Mithin trägt diese, einen Verfassungsrang verkörpernde1040 Eigenschaft vor dem Hintergrund der Zielrichtung der in der 13. Atomno1034

M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 216. W. Farke, Öffentliche Bedeutung privater Wirtschaftsunternehmen und Sozialpflichtigkeit des Eigentums, S. 33; vgl. J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 449; differenzierend hingegen zwischen sozialem Bezug und angestrebtem Allgemeinwohlbelang C. Sellmann, Nutzungsbeschränkungen zugunsten der Umwelt und eigentumsrechtlich gebotener Ausgleich, S. 187. 1036 S. o. S. 97 ff.; zu weiteren Differenzierungen zwischen sozialem Bezug und öffentlichem Interesse J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 448 Fn. 1720. 1037 BGBl. I 2011, S. 1704. 1038 BT-Drucksache 17/6246, S. 1. 1039 Zu kollidierenden sozialen Bezügen eines Eigentumsgegenstandes auch C. Sellmann, Nutzungsbeschränkungen zugunsten der Umwelt und eigentumsrechtlich gebotener Ausgleich, S. 214 f. 1040 Zum verfassungsrechtlichen Rang der Versorgungssicherheit S. Altenschmidt, NVwZ 2015, S. 559. 1035

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

velle enthaltenen Inhalts- und Schrankenbestimmung nicht zu einer Absenkung der Regelungsdichte der Eigentumsgarantie bei. Darüber hinaus resultiert aus der Energieversorgereigenschaft der Atomkraftanlagen keine Verstärkung des Auftrags des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG bezogen auf den Schutz der Allgemeinheit vor dem Einsatz einer Hochrisikotechnologie. Somit kann die Energieversorgung durch die Atomkraftanlagen insoweit nicht ursächlich für die Absenkung des Rechtsbefehls der Eigentumsgarantie sein.1041 Weiterhin ist die Stromerzeugung durch die Atomkraftanlagen gerade der beabsichtigte Zweck des Eigentumsgebrauchs, sodass die Energieversorger-Eigenschaft grundsätzlich nicht im Konflikt zu den Interessen der Allgemeinheit steht. Mithin löst der soziale Bezug insoweit auch keinen den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum verstärkenden Interessenkonflikt aus. Vielmehr führen die gegenläufigen öffentlichen Interessen zu einer Relativierung des jeweiligen Gewichts.1042 Insoweit kann auch von einer „Gemeinwohlambivalenz“ gesprochen werden.1043 Letztlich sollte der Verlust der Energieversorgung durch die Atomkraftanlagen in der 13. Atomnovelle auch nicht kompensiert werden,1044 sodass auch insoweit keine Kohärenz von verfolgtem Allgemeinwohlbelang und dem sozialen Bezug der Atomkraftanlagen bestand. Die den sozialen Bezug begründenden Eigentumseigenschaften können damit in ihrer Wirkung auf den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum nicht kombiniert werden, ohne dass ihr Verhältnis untereinander Berücksichtigung findet. Vielmehr ist insgesamt eine Auswirkung der den sozialen Bezug auslösenden Eigenschaften auf das konkret verfolgte Allgemeinwohlziel zu fordern. Denn nur in diesem Fall wird die Geltung des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG für den Gesetzgeber verstärkt, sodass die Bestimmtheit des Rechtsbefehls aus Art. 14 GG absinkt.1045 5. Verantwortung des Eigentümers für das Entstehen des sozialen Bezugs Die aufgezeigte abschwächende Wirkung des sozialen Bezugs auf den Eigentümerschutz durch die Erweiterung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums 1041

Zur Absenkung des Rechtsbefehls s. o. S. 259. R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 377; C. Sellmann, Nutzungsbeschränkungen zugunsten der Umwelt und eigentumsrechtlich gebotener Ausgleich, S. 250; M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 221; vgl. P. Häberle, Vielfalt der Property Rights, in: M. Neumann (Hrsg.), Ansprüche, Eigentumsund Verfügungsrechte, 1984, S. 63 (90). 1043 M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 221; ähnlich M. Schmidt-Preuß, NJW 2000, S. 1524 (1526 f.). 1044 Vgl. BVerfGE 143, 246 (348 Rn. 288); kritisch C. Degenhart, DVBl. 2013, S. 207 (214); differenzierend angesichts der erlangten Planungssicherheit D. Bruch/ H. Greve, DÖV 2011, S. 794 (798); ebenso F. Ekardt, NuR 2012, S. 813 (815). 1045 Hierzu wiederum s. o. S. 259. 1042

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

277

bedarf indes keiner weiteren Einschränkung, wenn das Entstehen des sozialen Bezugs gerade dem Eigentumsgebrauch entspricht. Dies gilt zunächst für die Konstellationen, in denen der Eigentumsgebrauch – etwa durch umweltschädigende Folgen – negative Auswirkungen auf das Allgemeinwohl im Sinne des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG hat und reguliert werden muss. Insoweit schafft der Eigentümer eine Situation, in der der Gesetzgeber der Vorgabe der Allgemeinwohldienlichkeit des Eigentumsgebrauchs aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG entsprechen muss. Schließlich könnte andernfalls die Umwelt in unbeschränktem Ausmaß geschädigt werden können. Entsprechend muss sich der Eigentümer zurechnen lassen, dass seine Eigentümerinteressen beschränkt werden.1046 Mithin muss der Eigentümer, soweit die Nutzung seines Eigentums ein „Kollisionspotential“ beinhaltet, mit einer Neubewertung des Verhältnisses von Art. 14 Abs. 1 S. 1 und Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG und damit weitergehenden Restriktionen rechnen.1047 Folglich ist die Zurechenbarkeit des den sozialen Bezug auslösenden Eigentumsgebrauchs insbesondere im Kontext des Vertrauensschutzes der Eigentümer zu berücksichtigen. Darüber hinaus stellt der Eigentümer den richtigen Adressaten einer den Eigentumsgebrauch regulierenden Inhalts- und Schrankenbestimmung dar, wenn ihm das Entstehen des sozialen Bezugs zugerechnet werden kann. Aber auch wenn der Eigentumsgebrauch grundsätzlich schon dem Allgemeinwohl entspricht und insoweit in dieser Funktion gesetzlich sichergestellt werden soll, ist keine weitergehende Privilegierung der Eigentümerinteressen wegen der positiven Auswirkungen seines Eigentumsgebrauchs erforderlich. Maßgeblich für die nicht offenkundig fehlsame Eigentumsausgestaltung bleibt allein die Freiheitsrelevanz des Eigentumsgebrauchs für den Eigentümer selbst.1048 Relevanz entfaltet das beabsichtige Entstehen des sozialen Bezugs aufgrund von für das Allgemeinwohl positiven Eigenschaften insbesondere bei der Vermietung von Wohneigentum. Wie bereits dargestellt, geht das Entstehen des sozialen Bezugs hier zurück auf die Schaffung und Inhaberschaft von Eigentumsobjekten, die das gesellschaftliche Bedürfnis nach Wohnraum stillen können.1049 Verstärkt wird das Ausmaß des sozialen Bezugs dann durch den Abschluss eines Mietvertrags und damit die Ermöglichung der Freiheitsverwirklichung von Dritten innerhalb des für sie fremden Wohneigentums. Durch die Schaffung und Vermietung des Wohneigentums mache der Eigentümer „sein Eigentum in Wahrneh1046 Ausdrücklich auch BVerfGE 143, 246 (339 Rn. 261); vgl. F. Ekardt, NuR 2012, S. 813 (818). 1047 M. Schröder, Die Verwaltung 46 (2013), S. 183 (219). 1048 S. o. S. 253 f.; vgl. C. Sellmann, Nutzungsbeschränkungen zugunsten der Umwelt und eigentumsrechtlich gebotener Ausgleich, S. 248: „Die eigene Betroffenheit des Eigentümers ist unabhängig von der Gemeinwohlrelevanz seiner Tätigkeit.“ 1049 S. o. insbesondere S. 78.

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2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

mung seiner ethischen Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit nach Art. 14 Abs. 2 der Öffentlichkeit zugänglich“.1050 Vor diesem Hintergrund der wahrgenommenen ethischen Verantwortung kritisieren O. Depenheuer/J. Froese dann, dass ein geringer verfassungsrechtlicher Schutz verglichen mit den Eigentümern bestehe, die sich hinter ihrem Eigentum verschanzen.1051 So wäre „[d]er Eigentümer, der sein Geld nur dem persönlichen Wohlergehen widmet, [. . .] besser geschützt als derjenige, der unter Risiko investiert, Arbeitsplätze schafft, Wohnraum anbietet [und] Güter produziert“.1052 Weiterhin könne Art. 14 Abs. 2 GG nicht einerseits einen „verantwortlichen Eigentumsgebrauch“ anmahnen und andererseits „die Wahrnehmung dieser Verantwortung durch eine apriorische Schwäche des sozial genutzten Eigentums ,diskriminieren‘“.1053 Indes steht bei der Vermietung von Wohneigentum für den Eigentümer regelmäßig die Ertragsfunktion des Eigentums im Vordergrund. Dass Dritte mit dem Eigentum in Kontakt geraten und sich hierdurch der soziale Bezug des Eigentums verstärkt, steht gerade im Interesse des Eigentümers. Insoweit profitiert der Eigentümer ebenso wie bei dem Gebrauch von Unternehmenseigentum von der gesellschaftlichen Verflochtenheit und muss dann aber auch vor dem Hintergrund der Vorgabe aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG Beschränkungen des Eigentumsgebrauchs hinnehmen. Auch wenn für die Freiheitsrelevanz des Eigentums allein die Perspektive des Eigentümers betrachtet wurde, kann dieser nicht erwarten, die ihm durch den Eigentumsgegenstand vermittelte potenzielle Freiheit letztlich auch unbeschränkt ausüben zu dürfen. Dies gilt gerade, wenn der Eigentumsgebrauch den Kontakt mit Dritten voraussetzt, deren Freiheitsinteressen das Allgemeinwohl im Sinne des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG prägen. Dadurch, dass die Errichtung und die Ver-

1050 O. Depenheuer/J. Froese, in: H. von Mangoldt/F. Klein/C. Starck u. a. (Hrsg.), Grundgesetz, 7. Aufl. 2018, Art. 14 Rn. 282; vgl. R. Wendt, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, 8. Aufl. 2018, Art. 14 Rn. 111. 1051 O. Depenheuer/J. Froese, in: H. von Mangoldt/F. Klein/C. Starck u. a. (Hrsg.), Grundgesetz, 7. Aufl. 2018, Art. 14 Rn. 282; vgl. aber B.-O. Bryde, in: I. von Münch/ P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 6. Aufl. 2012, Art. 14 Rn. 70 mit dem Verweis auf eine gesteigerte Sozialpflichtigkeit der Innehabung gegenüber dem Gebrauch des Eigentums. 1052 O. Depenheuer/J. Froese, in: H. von Mangoldt/F. Klein/C. Starck u. a. (Hrsg.), Grundgesetz, 7. Aufl. 2018, Art. 14 Rn. 282; vgl. M. Herdegen, Garantie von Eigentum und Erbrecht, in: P. Badura/H. Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht. Bd. II, 2001, S. 273 (284); vgl. F. Becker, in: K. Stern/ders., Grundrechte-Kommentar, 3. Aufl. 2019, Art. 14 Rn. 188; für eine Besserstellung des Eigentümers, der sich der freiwilligen sozialen Selbstbindung unterwirft, H. Dederer, in: W. Kahl/ C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 118. Akt. Dez. 2017, Art. 14 Rn. 885; weiterhin für eine Schonung von Unternehmen M. Elicker, NJW 2005, S. 2052 f. 1053 O. Depenheuer/J. Froese, in: H. von Mangoldt/F. Klein/C. Starck u. a. (Hrsg.), Grundgesetz, 7. Aufl. 2018, Art. 14 Rn. 282.

D. Gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum bei der Eigentumsgarantie

279

mietung von Wohneigentum nicht nur aus ethischer Verantwortung, sondern insbesondere im Hinblick auf die Ertragsfunktion des Eigentums erfolgen, bedarf die die Abwehreigenschaft der Eigentumsgarantie relativierende Wirkung des sozialen Bezugs keiner Einschränkung. Mithin kann nicht einerseits Art. 14 Abs. 2 GG eine unmittelbare Wirkung für den Eigentümer abgesprochen werden,1054 um dann ein unabhängig von gesetzlichen Vorgaben erfolgendes Eigentümerverhalten aufgrund der gegenüber Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG wahrgenommenen Verantwortung rechtlich zu honorieren. Soweit der Eigentümer daher seine Eigentumsnutzung auf die Entstehung von sozialem Bezug ausrichtet, kann er durch den Kontakt mit Dritten profitieren, muss aber auch Eigentumsbeschränkungen aufgrund der Relevanz des Eigentums für die Freiheitssphären dieser Dritten hinnehmen. Insbesondere kann der Eigentümer nur in begrenztem Ausmaß darauf vertrauen, dass angesichts der gesellschaftlichen Verwobenheit seines Eigentums keine weitergehenden Eigentumsbeschränkungen erfolgen. 6. Fazit: Flexibilisierung der Wirkkraft des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Abschließend kann festgestellt werden, dass die Erweiterung des Gestaltungsspielraums aufgrund des Vorliegens des sozialen Bezugs zu einer Justierung des Prüfungsmaßstabs bei Betrachtung der Inhalts- und Schrankenbestimmung und damit zu einer Verringerung der Wirkkraft des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zugunsten der Eigentümerinteressen führt.1055 Insoweit ist der soziale Bezug durch die Auswirkung auf den Gestaltungsspielraum als funktionalistischer Untermaßstab zur Bestimmung des Eigentumsschutzes anzusehen.1056 Die hieraus resultierende Flexibilisierung der Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes wird auch dadurch ermöglicht, dass bei der Betrachtung der Ausprägung von personalem und sozialem Bezug als Abwägungsprinzipien1057 die gesetzgeberische Bewertung von Eigentümer- und Allgemeinheitsinteressen antizipiert

1054

S. o. S. 37 ff. und S. 224 ff. F. Becker, in: K. Stern/ders. (Hrsg.), Grundrechte-Kommentar, 3. Aufl. 2019, Art. 14 Rn. 182 ff.; A. Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 172; C. Sellmann, NVwZ 2003, S. 1417 (1419); vgl. J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 448 f.; vgl. J. Dietlein, Die Eigentumsfreiheit und das Erbrecht, in: K. Stern (Hrsg.), Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/1, 2011, § 113 S. 2229; indes treten O. Depenheuer/J. Froese, in: H. von Mangoldt/F. Klein/C. Starck u. a. (Hrsg.), Grundgesetz, 7. Aufl. 2018, Art. 14 Rn. 282 für eine Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in voller Strenge ein; C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 388. 1056 O. Lepsius, Die maßstabsetzende Gewalt, in: M. Jestaedt/ders./C. Möllers/ C. Schönberger, Das entgrenzte Gericht, 2011, S. 217; vgl. W. Leisner, Eigentum, in: J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 173 Rn. 148. 1057 J.-R. Sieckmann, Modelle des Eigentumsschutzes, S. 365. 1055

280

2. Kap.: Rechtliche Auswirkungen des sozialen Bezugs

werden kann. Diese Bewertung der sich gegenüberstehenden Interessen stellt den ersten Schritt der aus dem Angemessenheitserfordernis folgenden Vorgaben an den Gesetzgeber dar und eröffnet einen Korridor von möglichen, nicht offensichtlich fehlsamen Abwägungsergebnissen. Diese bedingt durch die jeweilige Ausprägung von personalem und sozialem Bezug für das Bundesverfassungsgericht erkennbaren zulässigen Abwägungsergebnisse als Rangvergleich kollidierender Rechtsgüter1058 können dann mit der Abwägungsentscheidung des Gesetzgebers abgeglichen werden. Gleichzeitig spiegeln die zulässigen Abwägungsergebnisse den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers wider. Folglich ergibt sich nach der Bewertung der sich im Rahmen der Eigentumsausgestaltung gegenüberstehenden Interessen die Weite des Gestaltungsspielraums bei der Eigentumsausgestaltung.1059 Angesichts dieser Bedeutung der Feststellung der Weite des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit1060 ist jedoch auch erforderlich, dass der zu einer Schwächung des Eigentumsschutzes angeführte soziale Bezug mit dem durch die Inhalts- und Schrankenbestimmung angestrebten Allgemeinwohlbelang kohärent ist. So ist eine Relativierung der Wirkkraft der Eigentümerinteressen gegenüber dem Gesetzgeber nur zulässig, wenn diese auch tatsächlich den zu verwirklichenden Allgemeinwohlbelangen entgegenstehen.

1058

C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 573. Vgl. M. Thormann, Abstufungen in der Sozialbindung des Eigentums, S. 214. 1060 A. Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 172 sieht in der Bestimmung des anwendbaren Prüfungsmaßstabs auch „in vielen Fällen“ eine Bestimmung über „den Ausgang der Entscheidung.“; relativierend C. Rau, Selbst entwickelte Grenzen in der Rechtsprechung des United States Supreme Court und des Bundesverfassungsgerichts, S. 251. 1059

3. Kapitel

Auswirkungen des sozialen Bezugs bei Eigentum an Kohlekraftwerken Nachdem der Inhalt des sozialen Bezugs definiert und seine rechtlichen Auswirkungen auf den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum und damit den Eigentumsschutz ermittelt wurden, sollen die insoweit erlangten Erkenntnisse exemplarisch auf die Bewertung von klimaschädigendem Eigentum in Gestalt von Kohlekraftwerken übertragen werden. Anlässlich des vom Bundestag am 3.7. 2020 verabschiedeten Gesetzes zur Reduzierung und zur Beendigung der Kohleverstromung und zur Änderung weiterer Gesetze1 („Kohleausstiegsgesetz“) einschließlich der darin enthaltenen Eigentumsbeschränkungen wird der soziale Bezug des Eigentums an den Kohlekraftwerken aufgezeigt (S. 288 ff.) und dessen Wirkung auf den Eigentumsschutz dargestellt (S. 300 ff.).

A. Anwendbarkeit der Eigentumsgarantie bei Kohlekraftwerken I. Schutzwirkung des Art. 14 GG bei Eigentum an Kohlekraftwerken Eine gesetzliche Anordnung zur Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung ist als ordnungsrechtliche Maßnahme an der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG zu messen. Maßgeblicher Schutzgegenstand ist hierbei das zivilrechtliche Sacheigentum an den Anlagen, die zur Kohleverstromung eingesetzt werden.2 Namentlich zu nennen sind die Werksgrundstücke, auf denen sich die Kohlekraftwerke befinden.3 Dieses Sacheigentum umfasst auch das durch staatliche Maßnahmen zur Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung beeinträchtigte Nutzungsrecht,4 soweit bei der Nutzung insbesondere die Vorgaben des BImSchG und des TEHG eingehalten werden.5 Insbesondere bein1 BR-Drucksache 392/20; zum dem Beschluss zugrundeliegenden Gesetzesentwurf auch J. Martin, ER 2020, S. 100 ff. 2 C. Ziehm, ZNER 2017, S. 7; O. Däuper/S. Michaels, EnWZ 2017, S. 211 (214); P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 91 f. 3 Vgl. BVerfGE 143, 246 (327 Rn. 228). 4 Vgl. BVerfGE 143, 246 (327 Rn. 228). 5 Hierzu BVerfGE 143, 246 (327 Rn. 229): „Unterliegt das Eigentum bereits zum Zeitpunkt seiner Begründung einem öffentlich-rechtlichen Nutzungsregime, ist der ver-

282 3. Kap.: Auswirkungen des sozialen Bezugs bei Eigentum an Kohlekraftwerken

haltet dieses Nutzungsrecht auch die Befugnis zur Emission von Treibhausgasen im Zusammenhang mit der Kohleverstromung.6 Neben dem Sacheigentum sind dann weder die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für den Betrieb der Kohlekraftwerke7 noch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb8 als von Art. 14 GG geschützte Eigentumsrechte anzusehen. Gleichwohl ist das Anlageneigentum innerhalb des betrieblichen Gesamtzusammenhangs zu betrachten, dessen Beeinträchtigung bei der Bestimmung der Eingriffsintensität zu berücksichtigen ist.9

II. Im Kohleausstiegsgesetz vorgesehene Eigentumsbeschränkungen Im Anschluss an die überblicksartige Darstellung des für die Kohlekraftwerke relevanten Regelungsgegenstandes des Kohleausstiegsgesetzes (S. 282 f.) werden die im Gesetz für Steinkohle- (S. 283 ff.) und Braunkohlekraftwerke (S. 286) enthaltenen eigentumsrelevanten Maßnahmen aufgezeigt und anschließend als Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG eingeordnet (S. 286 f.). 1. Regelungsgehalt des Kohleausstiegsgesetzes Anknüpfend an die energiepolitischen Empfehlungen der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ (sog. Kohlekommission) vom 31.1. 2019 soll das Kohleausstiegsgesetz durch eine schrittweise Reduzierung der Treibhausgasemissionen von Kohlekraftwerken einen maßgeblichen Beitrag zur

fassungsrechtliche Schutz der Eigentumsnutzung gegenüber späteren Eingriffen und Ausgestaltungen im Grundsatz auf das danach Erlaubte begrenzt“; zur Ausformung des Eigentumsschutzes durch das Immissionsschutzrecht P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 92 f. 6 D. Bruch, Umweltpflichtigkeit der grundrechtlichen Schutzbereiche, S. 212. 7 C. Ziehm, ZNER 2017, S. 7; D. Couzinet, Die Zulässigkeit von Immissionen im anlagenbezogenen Immissionsschutzrecht, S. 446; O. Däuper/S. Michaels, EnWZ 2017, S. 211 (214); eingehend C. Kreuter-Kirchhof, Rechtliches Gutachten zur Positionierung des Wirtschafts- und Energieministeriums NRW im Hinblick auf die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, S. 46 f.; anderer Ansicht hingegen M. Rebentisch, Kritisches zum propagierten Kohleausstieg aus rechtlicher Sicht, in: P. Rosin/A. Uhle, Recht und Energie. Liber amicorum für Ulrich Büdenbender zum 70. Geburtstag, 2018, S. 273 (282). 8 Vgl. BVerfGE 143, 246 (331 f. Rn. 240); D. Couzinet, Die Zulässigkeit von Immissionen im anlagenbezogenen Immissionsschutzrecht, S. 447 f.; gegen eine eigenständige Bedeutung C. Kreuter-Kirchhof, Rechtliches Gutachten zur Positionierung des Wirtschafts- und Energieministeriums NRW im Hinblick auf die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, S. 45; differenzierend P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 94. 9 K. Jankowski, Bestandsschutz für Industrieanlagen, S. 46; D. Couzinet, Die Zulässigkeit von Immissionen im anlagenbezogenen Immissionsschutzrecht, S. 449.

A. Anwendbarkeit der Eigentumsgarantie bei Kohlekraftwerken

283

bis zum Jahr 2050 angestrebten Treibhausgasneutralität der Bundesrepublik Deutschland leisten.10 Die primär für die Zielerreichung durch Emissionsreduzierung maßgeblichen Vorschriften sind in Art. 1 des Kohleausstiegsgesetzes enthalten, dessen Regelungsgegenstand das Kohleverstromungsbeendigungsgesetz11 („KVBG“) ist.12 Sowohl im Hinblick auf die Reduktionsziele als auch bezogen auf die Maßnahmen zur Erreichung dieser Reduktionsziele differenziert das KVBG zwischen Steinkohle- und Braunkohlekraftwerken. So statuiert § 2 Abs. 2 KVBG, dass die elektrische Nettonennleistung von Anlagen zur Erzeugung elektrischer Energie durch den Einsatz von Kohle in Deutschland13 im Kalenderjahr 2022 auf 15 Gigawatt Steinkohle und 15 Gigawatt Braunkohle (Nr. 1), im Kalenderjahr 2030 auf 8 Gigawatt Steinkohle und 9 Gigawatt Braunkohle (Nr. 2) und spätestens bis zum Ablauf des Kalenderjahres 2038 auf 0 Gigawatt Steinkohle und 0 Gigawatt Braunkohle reduziert werden soll (Nr. 3). Zur Erreichung dieser Reduktionsziele sieht § 5 Abs. 1 KVBG für die Steinkohlekraftwerke als Maßnahmen einerseits die Ausschreibung nach den §§ 10 ff. KVBG und andererseits die gesetzliche Reduzierung nach den §§ 27 ff. KVBG vor. Die für die Braunkohlekraftwerke vorgegebenen Reduktionsziele sollen hingegen dadurch erreicht werden, dass § 40 Abs. 1 KVBG in Verbindung mit Anlage 2 bereits gesetzlich bestimmte Stilllegungszeitpunkte für die einzelnen Braunkohlekraftwerke vorsieht. Diese schon gesetzlich bestehende Verpflichtung zur Stilllegung der Braunkohlekraftwerke wurde gemäß § 49 S. 1 KVBG zusätzlich im Rahmen eines öffentlichrechtlichen Vertrags geregelt.14 2. Steinkohlekraftwerke Als die maßgebliche Beschränkung für das Eigentum an Steinkohlekraftwerken im Kohleverstromungsbeendigungsgesetz ist die in den §§ 27 ff. KVBG vorgesehene gesetzliche Reduzierung der Steinkohleverstromung anzusehen (S. 285 f.). Hiernach kann die Bundesnetzagentur nach § 35 Abs. 1 i.V. m. § 33 Abs. 2 KVBG Anlagenbetreibern gegenüber anordnen, dass ihre Steinkohleanlagen von der gesetzlichen Reduzierung betroffen sind und dass für sie das in § 51 Abs. 1 KVBG festgelegte Verbot der Kohleverfeuerung Wirkung entfalten wird. Die Anordnung der gesetzlichen Reduzierung erfolgt gemäß § 27 Abs. 1 KVBG jeweils 31 Monate vor dem jeweiligen Zieldatum und hierbei erstmals für das Zieldatum 2027, 10

BT-Drucksache 19/17342, S. 2. Kohleverstromungsbeendigungsgesetz vom 8. August 2020 (BGBl. I S. 1818), das zuletzt durch Artikel 13 des Gesetzes vom 16. Juli 2021 (BGBl. I S. 3026) geändert worden ist. 12 Zu den weiteren Regelungszielen Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit siehe J. Martin, ER 2020, S. 104 ff. 13 § 1 Abs. 1 S. 1 KVBG. 14 S. Altenschmidt, NuR 2021, S. 531 (532). 11

284 3. Kap.: Auswirkungen des sozialen Bezugs bei Eigentum an Kohlekraftwerken

das auf den 1. April 2027 fällt.15 Indes kann die Anordnung der Reduzierung der Steinkohleverstromung gemäß § 27 Abs. 2 KVBG auch schon früher erfolgen, soweit ab der Ausschreibung nach den §§ 10 ff. KVBG (S. 284 f.) für das Zieldatum 2024 die Gebotsmengen der Kraftwerksbetreiber das Ausschreibungsvolumen nicht überschreiten. a) Ausschreibungsverfahren nach den §§ 10 ff. KVBG Mit dem Ausschreibungsverfahren nach den §§ 10 ff. KVBG soll den Betreibern der Steinkohlekraftwerke ermöglicht werden, im Gegenzug für eine durch Zuschlag gewährte Kompensation das Verbot der Kohleverfeuerung nach § 51 Abs. 1 KVBG freiwillig herbeizuführen. Hierbei können die entsprechend der Voraussetzungen des § 12 KVBG teilnahmeberechtigten Anlagenbetreiber ein Gebot für ihre Anlage abgeben, das nach § 14 Abs. 1 Nrn. 5, 6 und 10 KVBG insbesondere deren Nettonennleistung in Megawatt (Gebotsmenge), einen Preis (Gebotswert) sowie die historischen Kohlendioxidemissionen der Steinkohleanlage in den letzten drei abgeschlossenen Kalenderjahren vor dem Gebotstermin enthalten muss. Auf Grundlage dieser Angaben errechnet die Bundesnetzagentur für die jeweiligen in den Jahren 2020 bis 2026 vorzunehmenden Ausschreibungen (vgl. § 10 Abs. 2 KVBG) gemäß § 18 Abs. 3 KVBG eine Kennziffer der Gebote. Hierbei wird der jeweilige Gebotswert, der gemäß § 19 KVBG je nach Nettonennleistung einen bestimmten, sich mit fortschreitender Ausschreibung verringernden Höchstpreis nicht überschreiten darf, durch die jährlichen CO2Emissionen der betroffenen Anlage geteilt. Anknüpfend an diese Division kann die Bundesnetzagentur die abgegebenen Gebote je nach errechnetem Wert mit einer Kennziffer versehen und gemäß § 18 Abs. 7 KVBG in aufsteigender Reihenfolge sortieren. Gleichwohl ist die Kennziffer aus Gründen der Versorgungssicherheit nach den § 18 Abs. 4 und 5 KVBG gegebenenfalls zu modifizieren. Beginnend mit dem niedrigsten Gebot erteilt die Bundesnetzagentur dann nach § 18 Abs. 8 S. 1 KVBG Zuschläge für die jeweils angebotenen Kohlekraftwerke, bis das nach § 6 Abs. 1 KVBG ermittelte Ausschreibungsvolumen im Sinne des § 3 Nr. 5 KVBG an einzusparenden Megawatt Nettonennleistung überschritten ist. Der Zuschlag nach § 21 Abs. 1 KVBG führt schließlich zu einem Verbot der Kohleverfeuerung entsprechend § 51 Abs. 1 S. 1 KVBG. Aufgrund der Teilung des Gebotswertes durch die jährlichen CO2-Emissionen stellt das vorgesehene Verfahren sicher, dass sich ein verhältnismäßig hoher CO2-Ausstoß der betroffenen Anlage regelmäßig auch in einer niedrigen Kennziffer niederschlägt und die Wahrscheinlichkeit eines Zuschlags gegenüber weniger CO2-intensiven Anlagen erhöht wird. Das durch den Zuschlag herbeigeführte Kohleverfeuerungsverbot soll daher zur Förderung der Klimaschutzwirksamkeit namentlich an dem Aus-

15

Vgl. § 4 Abs. 1 KVBG.

A. Anwendbarkeit der Eigentumsgarantie bei Kohlekraftwerken

285

schreibungsverfahren teilnehmende Steinkohlekraftwerke betreffen, die in hohem Ausmaß für CO2-Emissionen verantwortlich sind. b) Gesetzliche Reduzierung der Steinkohleverstromung Soweit das nach § 6 Abs. 1 KVBG ermittelte Ausschreibungsvolumen ab dem Zieldatum 2024 nicht durch Gebote überschritten, sondern im Sinne des § 20 Abs. 1 KVBG unterzeichnet wird, ist die Bundesnetzagentur nicht erst für das Zieldatum 2027 zur Anordnung der gesetzlichen Reduzierung der Steinkohleverstromung verpflichtet. Vielmehr sind die Reduzierungsanordnungen in diesem Fall gemäß § 27 Abs. 2 KVBG schon ab dem Zieldatum 2024 vorgesehen. Für die einzelnen Reduzierungsanordnungen ist wie bei den Ausschreibungsverfahren nach §§ 10 ff. KVBG über § 28 Abs. 1 S. 1 KVBG eine nach § 6 Abs. 1 KVBG ermittelte Reduktionsmenge an einzusparenden Megawatt Nettonennleistung als Zielvorgabe maßgeblich. Im Zuge der Auswahl der von der Reduzierungsanordnung erfassten Kraftwerke kommt es gemäß § 33 Abs. 2 KVBG entscheidend auf das jeweilige Alter der Steinkohleanlagen an. Diese vorgegebene Orientierung am jeweiligen Alter ist dem Umstand geschuldet, dass der Betriebsbeginn „als Indikator für die Emissionsintensität der Steinkohleanlage und den Amortisationsgrad“ angesehen wird.16 Insoweit können die Klimaschutzwirksamkeit der Reduktionsanordnung17 sowie das Vertrauen der Anlageneigentümer in die Amortisierung von Investitionen18 berücksichtigt werden.19 Entsprechend der genannten Anknüpfung an das Alter der Steinkohlekraftwerke legt § 29 Abs. 4 S. 2 KVBG fest, dass die Bundesnetzagentur eine Reihung der Steinkohleanlagen „nach dem Datum der Inbetriebnahme beginnend mit der ältesten“ vornimmt. Modifiziert werden kann diese Reihung jedoch gemäß § 31 Abs. 1 KVBG durch ausreichend nachgewiesene Investitionen in die Steinkohleanlagen, die im Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2010 und dem 31. Dezember 2019 nach den Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs in der Bilanz des Anlagenbetreibers als Anlagevermögen aktiviert worden sind. Durch die Bezugnahme auf die Aktivierung in der Bilanz sollen „regelmäßige Revisionen und Instandhaltungsmaßnahmen“ keine Berücksichtigung als Investitionen finden.20 Auch im Rahmen der gesetzlichen Reduzierung der Steinkohleverstromung sind nach § 34 KVBG und gemäß § 37 KVBG im Zuge der Anordnung Auswirkungen auf die Versorgungs- und Netzsicherheit zu berücksichtigen und bei Festlegung der Abschaltungsreihenfolge auszugleichen. Unabhängig von der Größe der Steinkohleanlage kann zudem das 30 Monate nach der Reduzierungs16 17 18 19 20

BT-Drucksache 19/17342, S. 129. S. u. S. 320 ff. S. u. S. 312 ff. BT-Drucksache 19/17342, S. 87. BT-Drucksache 19/17342, S. 131.

286 3. Kap.: Auswirkungen des sozialen Bezugs bei Eigentum an Kohlekraftwerken

anordnung Wirkung entfaltende Kohleverfeuerungsverbot (§ 51 Abs. 2 Nr. 2 KVBG) bei Vorliegen eines Härtefalls gemäß § 39 KVBG verlängert werden. Eine Entschädigungszahlung im Gegenzug für die Reduzierungsanordnung sehen die §§ 27 ff. KVBG indes nicht vor. 3. Braunkohlekraftwerke Für Braunkohlekraftwerke enthält der bereits angesprochene § 40 Abs. 1 KVBG zusammen mit der Entschädigungsregelung des § 44 KVBG die maßgebliche eigentumsrelevante Regelung. Gemäß § 40 Abs. 1 KVBG haben die Anlagenbetreiber ihre Braunkohleanlagen zu den jeweiligen in Anlage 2 festgelegten Terminen (bspw. 31.12.2022 für den Kraftwerksblock „Neurath D“) endgültig stillzulegen und je nach Vorbehalt in Anlage 2 in die Sicherheitsbereitschaft zu überführen. Die Pflicht zur Stilllegung der Braunkohlekraftwerke und das gemäß § 51 Abs. 1 S. 2 KVBG auch für Braunkohleanlagen wirkende Kohleverfeuerungsverbot folgt damit unmittelbar aus dem Gesetz, eines weiteren Umsetzungsaktes bedarf es nicht. Insbesondere bedurfte es zur Entstehung der Stilllegungsverpflichtung nicht des Abschlusses des öffentlichen-rechtlichen Vertrags vom 10.2.2021 mit den Anlagenbetreibern nach § 49 KVBG.21 Denn der Wortlaut des § 49 KVBG legt ausdrücklich fest, dass der Abschluss des Vertrags einerseits im Ermessen des BMWi steht („kann“) und andererseits „die aus den §§ 40 bis 47 folgenden Rechte und Pflichten zusätzlich vertraglich geregelt werden“ können. Der Hauptzweck des § 49 KVBG besteht mithin darin, eine Ermächtigungsgrundlage für die ebenfalls erfassten Regelungsbereiche „Planungs- und Genehmigungsverfahren“ im Kontext des Kohleausstiegs, bergrechtliche Verantwortung der Tagebaubetreiber, Sozialverträglichkeit, Verwendung der in § 44 KVBG vorgesehenen Entschädigung, rechtliche Reaktion auf Änderung der Verhältnisse und einen Rechtsbehelfsverzicht der Anlagenbetreiber zu schaffen. Anders noch als im Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 24.2.202022 soll die Stilllegung der Braunkohlekraftwerke daher nicht mehr primär durch eine einvernehmliche Lösung (vgl. § 42 KVBG-E) und erst sekundär – im Falle des Scheiterns des Vertragsschlusses – durch ein ordnungsrechtliches Vorgehen in Gestalt einer Rechtsverordnung (vgl. § 43 KVBG-E) erfolgen. 4. Einordnung als Inhalts- und Schrankenbestimmung Die aufgezeigten Reduzierungsanordnungen, zu denen die Bundesnetzagentur gemäß § 35 Abs. 1 KVBG ermächtigt wird, stellen als Verwaltungsakte nach 21 Vgl. https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/M-O/oeffentlich-rechtlichervertrag-zur-reduzierung-und-beendigung-der-braunkohleverstromung-entwurf.pdf?__blo b=publicationFile&v (zuletzt abgerufen am 15.7.2022). 22 BT-Drucksache 19/17342.

A. Anwendbarkeit der Eigentumsgarantie bei Kohlekraftwerken

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§ 35 S. 1 VwVfG keine abstrakt-generell wirkende Eigentumsausgestaltung dar.23 Gleichwohl präformieren die Vorgaben der §§ 27 ff. KVBG durch Festlegung von Daten, dem Verfahren und der Zielvorgabe die Entscheidungen der Bundesnetzagentur über die Reduzierungsanordnungen in fast vollständiger Weise. Insoweit wird die rechtliche Stellung der Eigentümer der Steinkohleanlagen schon maßgeblich durch die Normierung der Ermächtigung zur Stilllegungsanordnung abstrakt-generell beeinträchtigt. Die Einführung der §§ 27 ff. KVBG beinhaltet mithin eine das Eigentum an den Steinkohlekraftwerken betreffende Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Weiterhin ist festzuhalten, dass § 40 Abs. 1 KVBG abstrakt-generell die Rechtsstellung der Eigentümer der Braunkohleanlagen im Hinblick auf die zukünftige Nutzung ausgestaltet und damit ebenfalls eine Inhalts- und Schrankenbestimmung gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG darstellt. Für die Einordnung als Inhalts- und Schrankenbestimmungen ist es unbeachtlich, dass das durch die Stilllegungsanordnung bzw. die Anordnung des § 40 Abs. 1 KVBG ausgelöste Kohleverfeuerungsverbot des § 51 Abs. 1 KVBG die Anlagenbetreiber und nicht die Eigentümer der Kohlekraftwerke adressiert.24 Denn auch ohne unmittelbarer Adressat des Kohleverfeuerungsverbots zu sein, ist für den Eigentümer maßgeblich, dass sein Eigentum – auch durch Dritte in der Funktion als Anlagenbetreiber – nicht mehr entsprechend seiner vorgesehenen Bestimmung genutzt werden kann. Eine Enteignung besteht insbesondere nicht, weil der Gesetzgeber im Rahmen der Reduzierungsanordnungen nach § 35 Abs. 1 KVBG und der Verpflichtung aus § 40 Abs. 1 KVBG das Eigentum an den Kohlekraftwerken nicht auf sich selbst übertragen möchte und daher kein Güterbeschaffungsvorgang25 vorliegt.26 Bei Betrachtung der aufgezeigten Inhalts- und Schrankenbestimmungen kann auch nicht nur von auferlegten „Pflichten bei der Ausübung einer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit“ 27 gesprochen werden, die sich lediglich auf die Berufsausübung gemäß Art. 12 Abs. 1 GG und nicht auf die Eigentümerstellung beziehen. Vielmehr erfasst der Ausstieg aus der Kohleverstromung nach dem KVBG auch die Eigentümerstellung selbst, da die vorgesehenen Beeinträchtigungen die einzige bestimmungsgemäße Nutzung des Eigentumsgegenstandes betreffen.28 23

Vgl. H. D. Jarass, NJW 2000, S. 2481. Hierzu BT-Drucksache 19/17342, S. 142. 25 Zur Notwendigkeit dieses Merkmals im Rahmen der Enteignung s. o. S. 114. 26 O. Däuper/S. Michaels, EnWZ 2017, S. 211 (215); C. Kreuter-Kirchhof, Rechtliches Gutachten zur Positionierung des Wirtschafts- und Energieministeriums NRW im Hinblick auf die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, S. 51; T. Schomerus/G. Franßen, Klimaschutz und die rechtliche Zulässigkeit der Stilllegung von Braun- und Steinkohlekraftwerken, S. 125 f. 27 BVerfGE 81, 70 (96). 28 Vgl. M. Schröder, NVwZ 2013, S. 105 (108); hierzu auch D. Bruch, Umweltpflichtigkeit der grundrechtlichen Schutzbereiche, S. 237. 24

288 3. Kap.: Auswirkungen des sozialen Bezugs bei Eigentum an Kohlekraftwerken

B. Weite des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums Nachdem festgestellt werden konnte, dass der Gesetzgeber durch die ordnungsrechtliche Veranlassung eines vorzeitigen Kohleausstiegs nach den §§ 27 ff. und § 40 Abs. 1 KVBG in Form der Inhalts- und Schrankenbestimmung gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG handelt, ist nunmehr die Weite seines hierfür bestehenden Gestaltungsspielraums aufzuzeigen. Die konkrete Weite des Gestaltungsspielraums (S. 298 ff.) ergibt sich durch die Betrachtung der Eigenschaften des jeweils zu regulierenden Eigentumsgegenstandes. Der Ausprägung des sozialen Bezugs (S. 288 ff.) kommt hierbei maßgebliche Bedeutung zu. Daneben muss aber auch der personale Bezug des Eigentums an den Kohlekraftwerken miteinbezogen werden (S. 297 f.). Andernfalls würden die Eigentümerinteressen bei Festlegung der Einschränkbarkeit der Eigentumsgarantie keine Berücksichtigung finden.29

I. Sozialer Bezug des Eigentums an den Kohlekraftwerken Entsprechend der zuvor formulierten30 Definition des sozialen Bezugs ist für dessen Vorliegen erforderlich, dass eine Verbindung von Eigentumsgegenständen zur Allgemeinheit im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG vorliegt. Diese entsteht dadurch, dass die betroffenen Eigenschaften der Eigentumsgegenstände für die Freiheitsausübung von Grundrechtsträgern notwendig oder gefährdend sind, die Eigenschaften sich auf die Erreichung gesamtgesellschaftlicher Ziele auswirken oder das Eigentum schon mit dem Entstehen durch staatliche Förderung an die Allgemeinheit gebunden wird. Das Eigentum an den Kohlekraftwerken wirkt sich insbesondere gefährdend auf die Freiheitssphären Dritter aus, die maßgeblich durch das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und die Eigentumsgarantie gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützt werden. Diese Gefährdung resultiert schwerpunktmäßig aus der sogleich aufzuzeigenden Klimaschädlichkeit der Kohleverstromung. 1. Klimaschädlichkeit der Kohleverstromung In den deutschen Braunkohlerevieren werden je nach Standort 103 bis 113 t CO2 pro erzeugtem Terajoule Energie durch die Verbrennung von Kohle als fossilem Brennstoff emittiert.31 Diese erhebliche Emission von CO2 trägt zu einer Verdichtung der Treibhausgase innerhalb der Atmosphäre bei, da die Absorption der Treibhausgase vom Natursystem durch die Vegetation und die Ozeane nur in begrenztem Maße möglich ist.32 Hieraus resultiert ein globaler Temperaturanstieg 29 30 31 32

Hierzu s. o. S. 264 f. S. o. S. 106. D. Drohsin u. a., Daten und Fakten zu Braun- und Steinkohle, 2017, S. 31. G. Winter, ZUR 2019, S. 259.

B. Weite des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums

289

einschließlich der Vergrößerung des Risikos von Wetterextremen aufgrund von Veränderungen des „thermo-hanile[n] System[s] der Ozeane und d[er] atmosphärischen Windzirkulation“.33 Hinzu tritt auch ein Anstieg des Meeresspiegels.34 Der Wirkzusammenhang zwischen der erhöhten Konzentration von Treibhausgasen und der Erderwärmung besteht darin, dass die durch Sonneneinstrahlung erwärmte Erdoberfläche „Thermoenergie in Form von Infrarotstrahlung“ abstrahlt.35 Diese Abstrahlung wird von den Treibhausgasen innerhalb der Erdatmosphäre reflektiert und verbleibt innerhalb der Erdatmosphäre. Folglich kommt es zu einer globalen Erwärmung, die durch die steigende Konzentration der Treibhausgase verstärkt wird.36 Insoweit kommt der IPCC zu dem Schluss, dass menschliches Verhalten bereits eine globale Erwärmung von 1,0 ëC gegenüber dem vorindustriellen Niveau verursacht hat.37 Weiterhin ist von einer wahrscheinlichen globalen Erwärmung von 1,5 ëC bis zum Jahr 2052 auszugehen, wenn die Erderwärmung in gleichbleibender Geschwindigkeit fortschreitet.38 a) Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG Bei einer globalen Erwärmung von 1,5 ëC werden „[k]limabedingte Risiken für Gesundheit, Lebensgrundlagen, Ernährungssicherheit und Wasserversorgung, menschliche Sicherheit und Wirtschaftswachstum“ zunehmen.39 Als spezifische Risiken des Klimawandels für die durch Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG geschützten Rechtsgüter zu nennen sind u. a. hitzebedingte Mortalität,40 die Verbreitung von durch Wasser übertragbare Krankheiten wie Cholera aufgrund von erhöhten Niederschlägen41 sowie lebensbedrohliche Auswirkungen von vermehrt auftretenden Überschwemmungen,42 Wirbelstürmen sowie Wald- und Flächenbränden.43 Gerade die gesundheitsschädlichen Folgen von Hitzebelastungen zeigen sich insbesondere für ältere Menschen und Kinder als vulnerable Bevölkerungsgruppen 33 G. Winter, ZUR 2019, S. 259; vgl. R. Ismer, Klimaschutz als Rechtsproblem, S. 27. 34 M. Reese, ZUR 2015, S. 16 (17); G. Winter, ZUR 2019, S. 259. 35 R. Ismer, Klimaschutz als Rechtsproblem, S. 28. 36 R. Ismer, Klimaschutz als Rechtsproblem, S. 28. 37 IPCC, 1,5 ëC Globale Erwärmung, 2018, S. 8. 38 IPCC, 1,5 ëC Globale Erwärmung, 2018, S. 8. 39 IPCC, 1,5 ëC Globale Erwärmung, 2018, S. 13. 40 M. Reese, ZUR 2015, S. 16 (17); N. Watts u. a., The 2018 report of the Lancet Countdown on health and climate change: shaping the health of nations for centuries to come, S. 2479 (2484 f.). 41 N. Watts u. a., The 2018 report of the Lancet Countdown on health and climate change: shaping the health of nations for centuries to come, S. 2479. 42 M. Reese, ZUR 2015, S. 16 (17). 43 IPCC, Klimaänderung 2014. Folgen, Anpassung, Verwundbarkeit, 2013/2014, WGII, S. 6.

290 3. Kap.: Auswirkungen des sozialen Bezugs bei Eigentum an Kohlekraftwerken

schon gegenwärtig im mitteleuropäischen Kontext.44 Die globale Erderwärmung kann sich weiterhin auf die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Trinkwasser auswirken.45 Die genannten Risiken bedrohen die auf Leben und körperliche Unversehrtheit im Sinne des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG gerichtete unbeschränkte Freiheitsausübung.46 Angesichts der Mitursächlichkeit der aus der Kohleverstromung resultierenden Treibhausgase für die globale Erderwärmung fördert der Gebrauch des Eigentums an den Kohlekraftwerken die Bedrohung dieser grundrechtlich geschützten Freiheit. Zwar ist in Anbetracht der notwendigen Zwischenschritte von der Treibhausgasemission bis zur Realisierung eines durch den Klimawandel verursachten Schadensszenarios lediglich von einer mittelbaren Auswirkung des Eigentumsgebrauchs auf die Freiheit Dritter zu sprechen. Hinzu tritt, dass das emittierte CO2 regelmäßig erst nach 10 Jahren seine aufgezeigte Wirkung in der Atmosphäre entfaltet und eine Kausalkette zwischen konkret emittiertem CO2 und einem einzelnen Schadensereignis nicht darstellbar ist.47 Anders als bei der Erhebung von Individualklagen muss die kausale Betroffenheit in eigenen Rechten durch den Klimawandel48 aufgrund spezifischer CO2-Emissionen des Schädigers für die Begründung des sozialen Bezugs des Eigentums jedoch nicht dargelegt werden. Hierbei genügt es, dass die Grundrechtsträger als Verkörperung der Allgemeinheit und ihrer Interessen insgesamt durch die globale Erderwärmung einem höheren Schädigungsrisiko ausgesetzt sind. Insoweit gehen Hinweise auf die fehlende Zurechenbarkeit von Treibhausgasemissionen49 bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung des Eigentums an Kohlekraftwerken ins Leere. Soweit die von Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG erfasste Allgemeinheit als die Gemeinschaft der Herrschaftsunterworfenen50 angesehen wird, ergibt sich der soziale Be44 M. Reese, ZUR 2015, S. 16 (17); N. Watts u. a., The 2018 report of the Lancet Countdown on health and climate change: shaping the health of nations for centuries to come, S. 2479 (2485). 45 R. Gnüchtel, ZAR 2016, S. 172 (174); C. Fischer, Grundlagen und Grundstrukturen eines Klimawandelanpassungsrechts, S. 5; zu einer erfolgreichen Klage in Pakistan wegen der Bedrohung der nationalen Wasser-, Lebensmittel und Energieversorgung J. Saurer, ZUR 2018, S. 679 (680); N. Watts u. a., The 2018 report of the Lancet Countdown on health and climate change: shaping the health of nations for centuries to come, S. 2480. 46 Hierzu auch P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 57 f. 47 Vgl. zur „Länge und Komplexität des Kausalprozesses zwischen Emission und Schadenswirkung“ G. Winter, ZUR 2019, S. 259 (268). 48 J. Saurer, ZUR 2018, S. 679 (680). 49 M. Rebentisch, Kritisches zum propagierten Kohleausstieg aus rechtlicher Sicht, in: P. Rosin/A. Uhle, Recht und Energie. Liber amicorum für Ulrich Büdenbender zum 70. Geburtstag, 2018, S. 273 (288). 50 S. o. S. 27.

B. Weite des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums

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zug des Eigentums an den Kohlekraftwerken insbesondere durch die Freiheitsbedrohung der inländischen Grundrechtsträger. Dadurch, dass sich jedoch jede natürliche Person auf den Schutz des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG berufen kann,51 ist auch die Einbeziehung der Auswirkung auf die Freiheitsverwirklichung außerhalb des Hoheitsgebiets der Bundesrepublik Deutschland für die Bewertung des sozialen Bezugs denkbar. So wird dem den Grundrechten immanenten Begriff der Freiheit eine globale Dimension zugesprochen.52 Indes würde auch bei einer Beschränkung der für den sozialen Bezug relevanten Auswirkungen auf inländische Grundrechtsträger eine hohe Anzahl von Betroffenen bestehen, die in ihrer Freiheit durch die Klimarisiken bedroht werden. Der Einwirkungsbereich der Kohlekraftwerke geht damit im Hinblick auf die Klimaschädlichkeit weit über die in § 5 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 BImSchG angesprochene Reichweite hinaus und erstreckt sich jedenfalls auf das gesamte Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland. Angesichts des weiten mittelbaren Einwirkungsbereichs der Kohlekraftwerke und der hohen Anzahl möglicher Betroffener von den mitverursachten Auswirkungen des Klimawandels liegt damit ein stark ausgeprägter sozialer Bezug vor. b) Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG Der Gebrauch der Kohlekraftwerke wirkt sich mittelbar auch auf die Freiheitssphäre der Grundrechtsträger aus, deren Eigentum an bebauten Grundstücken durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützt wird. Dieses Eigentum steht in seiner Integrität einer erheblichen Gefährdung durch vermehrt drohende Naturkatastrophen infolge des Klimawandels gegenüber.53 Von den Folgen des anthropogenen Klimawandels betroffen sind weiterhin insbesondere schon heute Eigentümer von landwirtschaftlichen Flächen.54 Diese werden durch extreme Wetterereignisse wie Hitze, anhaltende Dürre und Starkregenfälle beeinträchtigt, die in Ernteeinbußen resultieren. Je nach Standort des Eigentums bestehen auch Gefahren durch Überschwemmungen, insbesondere aufgrund des Meeresspiegelanstiegs oder wiederum Starkregenereignisse. Einer besonderen Gefährdung sind daher auch die deutschen Küstenzonen und Inseln ausgesetzt.55 Es ist davon auszugehen, dass die bereits jetzt stattfindenden Beeinträchtigungen zukünftig entspre51 H. Lang, in: V. Epping/C. Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Onlinekommentar, 50. Ed. Stand 15.2.2022, Art. 2 Rn. 64; vgl. auch BVerfGE 154, 152 (215). 52 F. Ekardt, NVwZ 2013, S. 1105 (1107); ders., NuR 2012, S. 813 (817); vgl. auch den Hinweis von G. Winter, ZUR 2019, S. 259 (261) auf die geografisch und personell neutrale Formulierung des Art. 2 GrCH, der mit Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG verglichen werden kann; F. Will, NVwZ 2016, S. 1599. 53 F. Ekardt/F. Valentin, Das neue Energierecht, S. 150. 54 T. Winkler, Klimaschutzrecht, S. 107. 55 T. Groß, ZUR 2009, S. 364 f.; siehe hierzu auch das Urteil zur unter anderem von Bewohnern der Nordseeinsel Pellworm erhobenen Feststellungsklage: VG Berlin, Urteil vom 31. 10. 2019, 10 K 412.18 = ZUR 2020, S. 216.

292 3. Kap.: Auswirkungen des sozialen Bezugs bei Eigentum an Kohlekraftwerken

chend des Ausmaßes der klimabedingten Erderwärmung zunehmen werden.56 Wiederum sind die Treibhausgasemissionen der Kohlekraftwerke für die klimawandelbedingten Gefahren für das Eigentum von Grundrechtsträgern mitursächlich. Folglich besteht auch insoweit ein sozialer Bezug. c) Gefährdung der Zielvorgabe aus Art. 20a GG Der durch die Klimaschädlichkeit des Eigentums an den Kohlekraftwerken begründete soziale Bezug lässt sich weiterhin darauf stützen, dass die Nutzung der Kohlekraftwerke die von Art. 20a GG57 geschützten natürlichen Lebensgrundlagen gefährdet. Der Begriff der natürlichen Lebensgrundlagen ist weit zu verstehen und umfasst „alle natürlichen – also nicht vom Menschen geschaffenen – Grundlagen des menschlichen, tierischen und pflanzlichen Lebens, also Luft, Wasser, Boden einschließlich der Bodenschätze, sowie lebende Organismen (Pflanzen, Tiere und Mikroorganismen)“.58 Der anthropogene Klimawandel stellt u. a. durch die bereits angesprochene Erderwärmung, den Meeresspiegelanstieg, die Versauerung der Ozeane und die Erhöhung der Wahrscheinlichkeit von Naturkatastrophen die Existenz der natürlichen Lebensgrundlagen in Frage.59 So werden sich die „[a]llgemeine Erwärmung von Luft, Wasser und Boden, [und die] Veränderungen im Niederschlagsregime, im Wasserhaushalt und bei der Nährstoffverfügbarkeit in Wasser und Boden [. . .] unmittelbar auf Arten und Lebensräume auswirken“.60 Weiterhin sind das unmittelbar durch die Treibhausgasemissionen betroffene Klima bzw. die Atmosphäre selbst zu den natürlichen Lebensgrundlagen des Art. 20a GG zu zählen.61 Folgerichtig hat das Bundesverfassungsgericht statuiert, dass klimaschützende Maßnahmen der Staatszielbestimmung des Art. 20a GG entsprechen,62 insbesondere bezogen auf das Nachweltprinzip.63 BezugnehVgl. IPCC, 1,5 ëC Globale Erwärmung, 2018, S. 11. Zu Art. 20a GG als Schutznorm gegen den Klimawandel P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 36 ff. 58 S. Huster/J. Rux, in: V. Epping/C. Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Onlinekommentar, 50. Ed. Stand 15.2.2022, Art. 20a Rn. 12. 59 Vgl. zum bedrohten Bestand von Inselstaaten wie den Malediven oder Mikronesien T. Groß, ZUR 2009, S. 364 (365). 60 M. Reese, ZUR 2015, S. 16 (17). 61 T. Groß, ZUR 2009, S. 364 (366); R. Scholz, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 40 Juni 2002, Art. 20a Rn. 36; O. Däuper/S. Michaels, EnWZ 2017, S. 211 (215); T. Attendorn, NVwZ 2012, S. 1569 (1570); K. F. Gärditz, Atomausstieg ins Grundgesetz?, S. 65; vgl. S. Schlacke, Diskussionsbeitrag, in: M. Burgi (Hrsg.), 15. Deutsches Atomrechtssymposium, 2019, S. 118. 62 BVerfGE 118, 79 (110). 63 T. Schomerus, Kohleausstieg nach dem Muster des Atomgesetzes?, in: M. Burgi (Hrsg.), 15. Deutsches Atomrechtssymposium, 2019, S. 49 (60); BVerfG, Beschluss vom 24.3.2021 – 1 BvR 2656/18, 1 BvR 78/20, 1 BvR 96/20, 1 BvR 288/20, Rn. 193. 56 57

B. Weite des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums

293

mend auf die formulierte Definition des sozialen Bezugs64 stellt die Bewahrung der Schutzgüter des Art. 20a GG dann ein gesamtgesellschaftliches Ziel dar, das durch die Treibhausgasemissionen beeinträchtigt wird. Entsprechend wird das Wohl der Allgemeinheit aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG „durch die Verpflichtung des Staates auf die natürlichen Lebensgrundlagen verbindlich konkretisiert“ 65 und bei Vorliegen von Auswirkungen auf die natürlichen Lebensgrundlagen verstärkt.66 d) Zwischenergebnis Insgesamt besteht beim Eigentum an den Kohlekraftwerken aufgrund der Klimaschädlichkeit ein stark ausgeprägter sozialer Bezug.67 Unterstrichen wird dieses Ergebnis dadurch, dass bezogen auf die Risiken des anthropogen verursachten Klimawandels auch eine staatliche Schutzpflicht aus den bereits angesprochenen Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 S.1 GG hergeleitet wird.68 Mithin sind die Treibhausgasemissionen der Kohlekraftwerke mitursächlich für ein Gefahrenniveau der Freiheitssphären Dritter, das sich pflichtenaktivierend auf die Legislative auswirkt.69 Hiervon zu trennen und vorliegend nicht weiter zu vertiefen ist die Frage, ob die bisherigen klimaschützenden Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland eine Verletzung dieser Schutzpflicht begründen.70 Bezogen auf die Ausprägung des sozialen Bezugs kann zwischen den verschiedenen Kohlekraftwerken im Hinblick auf ihren spezifischen CO2-Ausstoß differenziert werden. Daher ist auch typischerweise von einem stärker ausgeprägten sozialen Bezug von Braunkohle- gegenüber Steinkohlekraftwerken auszugehen,71 64

S. o. S. 106. D. Blasberg, Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Grundeigentums zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, S. 119. 66 Vgl. BVerfGE 102, 1 (18); weitergehend C. Sellmann, Nutzungsbeschränkungen zugunsten der Umwelt und eigentumsrechtlich gebotener Ausgleich, S. 193. 67 Vgl. C. Franzius, NVwZ 2018, S. 1585 (1586); C. Kreuter-Kirchhof, Rechtliches Gutachten zur Positionierung des Wirtschafts- und Energieministeriums NRW im Hinblick auf die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, S. 66; T. Schomerus/G. Franßen, Klimaschutz und die rechtliche Zulässigkeit der Stilllegung von Braun- und Steinkohlekraftwerken, S. 170. 68 C. Fischer, Grundlagen und Grundstrukturen eines Klimawandelanpassungsrechts, S. 57; T. Voland, NVwZ 2019, S. 114 (117); vgl. J. Saurer, ZUR 2018, S. 679 (684) und ders., NVwZ 2017, S. 1574 (1578); R. Ismer, Klimaschutz als Rechtsproblem, S. 47; K. Stern, DÖV 2010, S. 241 (245); kritisch (noch) W. Frenz, DVBl. 2013, S. 688 (689); hierzu auch P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 42 ff. 69 Vgl. J. Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, S. 111 und C. Fischer, Grundlagen und Grundstrukturen eines Klimawandelanpassungsrechts, S. 63. 70 Hierzu nur VG Berlin, Urteil vom 31. 10. 2019, 10 K 412.18 Rn. 68 ff.; ablehnend T. Voland, NVwZ 2019, S. 114 ff.; BVerfGE 157, 30. 71 Vgl. T. Schomerus/G. Franßen, Klimaschutz und die rechtliche Zulässigkeit der Stilllegung von Braun- und Steinkohlekraftwerken, S. 336 ff. 65

294 3. Kap.: Auswirkungen des sozialen Bezugs bei Eigentum an Kohlekraftwerken

da Braunkohle bei der Verbrennung mehr CO2 freisetzt. Der Annahme des sozialen Bezugs durch den Ausstoß von Treibhausgasemissionen steht auch nicht entgegen, „dass heutzutage weite Bereiche der privaten – und insbesondere der privatwirtschaftlichen – Nutzung von verfassungsrechtlich geschützten Eigentumsgegenständen mit der Emission von Treibhausgasen“ einhergehen und „der Gesetzgeber hierdurch einen ,Freibrief‘ zur Beschränkung der entsprechenden Eigentumspositionen“ 72 erhielte. Denn durch den Begriff des sozialen Bezugs werden schlicht Eigenschaften der Eigentumsgegenstände gekennzeichnet, die entsprechend der Vorgabe aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG eine Regulierung des Eigentumsgebrauchs erfordern. Soweit dann zu konstatieren ist, dass eine Vielzahl wirtschaftlicher Aktivitäten durch regelmäßig klimaschädigendes Handeln geprägt ist, erfordert Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG eine klimaschützende Reaktion auf diese Umstände. Der Klimaschutz vermittelt insoweit keinen „Freibrief“, sondern einen beachtenswerten Rechtfertigungsgrund für eigentumsbeschränkende Maßnahmen. 2. Zusätzliche Umweltschädlichkeit der Kohlekraftwerke Schon unabhängig von den Treibhausgasemissionen wird das Vorliegen einer starken Ausprägung des sozialen Bezugs bei immissionsschutzrechtlichen Anlagen wie den Kohlekraftwerken bejaht.73 Die starke Ausprägung resultiert daraus, dass sich die Emissionen der unter das Immissionsschutzrecht fallenden Anlagen im Sinne des § 3 Abs. 5 BImSchG auf das Umweltmedium Luft auswirken, auf das die Grundrechtsträger zur Verwirklichung der Freiheit aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG existenziell angewiesen sind.74 Bei Kohlekraftwerken zeigen sich derartige Emissionen dadurch, dass bei der Verbrennung von Kohle zum Zwecke der Verstromung auch ein erheblicher Ausstoß von Quecksilber und Feinstaub erfolgt.75 Folglich ergibt sich der soziale Bezug zusätzlich aus der über die Klimaschädlichkeit hinausgehenden weiteren Umwelt- bzw. Gesundheitsschädlichkeit der Kohlekraftwerke.

72 W. Spieth/N. Hellermann, Energiewende – Kohle zwischen Recht und Politik, in: T. Hebeler u. a. (Hrsg.), Die Zukunft der Energiewende. 32. Trierer Kolloquium zum Umwelt- und Technikrecht vom 28. bis 29. September 2017, 2018, S. 83 (91). 73 D. Couzinet, Die Zulässigkeit von Immissionen im anlagenbezogenen Immissionsschutzrecht, S. 201; K.-P. Dolde, NVwZ 1986, S. 873 (875); W. Farke, Öffentliche Bedeutung privater Wirtschaftsunternehmen und Sozialpflichtigkeit des Eigentums, S. 52; C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 389. 74 D. Couzinet, Die Zulässigkeit von Immissionen im anlagenbezogenen Immissionsschutzrecht, S. 201. 75 C. Ziehm, ZNER 2017, S. 7 (8); vgl. T. Schomerus/G. Franßen, Klimaschutz und die rechtliche Zulässigkeit der Stilllegung von Braun- und Steinkohlekraftwerken, S. 163; P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 30.

B. Weite des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums

295

3. Notwendige Einordnung als Hochrisikotechnologie?76 Die starke Ausprägung des sozialen Bezugs einschließlich der Erweiterung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums hängt zudem nicht davon ab, dass wie in dem der Atomausstiegsentscheidung zugrundeliegendem Sachverhalt eine Hochrisikotechnologie in Rede steht.77 Zwar ist anzuerkennen, dass bei Kohlekraftwerken aufgrund eines einzelnen Unfalls keine singulären Schadensszenarien drohen, die mit den Folgen eines Kernreaktorunfalls zu vergleichen sind.78 Den Unterschied zwischen den jeweiligen Schadensrisiken, die bei einem Störfall auftreten, verdeutlichen auch die Genehmigungsvoraussetzungen von Kohle- und Kernkraftwerken. Während bis zum Inkrafttreten des § 53 Abs. 2 S. 1 KVBG noch ein Anspruch auf die Genehmigung für den Betrieb eines Kohlekraftwerkes nach § 6 BImSchG bestand, stellt die atomrechtliche Genehmigung demgegenüber nach § 7 AtG ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt dar.79 Mithin stand die Erteilung einer atomrechtlichen Genehmigung bis zum Erlass des Verbots zukünftiger Genehmigungen gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 AtG angesichts des großen Gefahrenpotenzials im behördlichen Ermessen. Jedoch drohen durch die ungehinderte Emission von Treibhausgasen nicht unmittelbar,80 aber mittelbar erhebliche Schadensszenarien.81 Darüber hinaus sind

76 Eingehend hierzu P. Zimmermann, Juristische Perspektiven nach dem Atomausstiegsurteil des Bundesverfassungsgerichts – Diskussionsbericht, in: M. Burgi (Hrsg.), 15. Deutsches Atomrechtssymposium, 2019, S. 115 ff.; P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 109 ff. 77 Insoweit gegen eine Vergleichbarkeit O. Däuper/S. Michaels, EnWZ 2017, S. 211 (214); ebenso M. Rebentisch, Kritisches zum propagierten Kohleausstieg aus rechtlicher Sicht, in: P. Rosin/A. Uhle, Recht und Energie. Liber amicorum für Ulrich Büdenbender zum 70. Geburtstag, 2018, S. 273 (287) und W. Spieth/N. Hellermann, Energiewende – Kohle zwischen Recht und Politik, in: T. Hebeler u. a. (Hrsg.), Die Zukunft der Energiewende. 32. Trierer Kolloquium zum Umwelt- und Technikrecht vom 28. bis 29. September 2017, 2018, S. 83 (84, 90); vgl. P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 111. 78 Hierzu O. Reidt/U. Karpenstein u. a., Rechtliche Begutachtung einer vorzeitigen Stilllegung von Braunkohlekraftwerken aus Gründen des Klimaschutzes, S. 71, 79; T. Schomerus, Kohleausstieg nach dem Muster des Atomgesetzes?, in: M. Burgi (Hrsg.), 15. Deutsches Atomrechtssymposium, 2019, S. 49 (52). 79 O. Reidt/U. Karpenstein u. a., Rechtliche Begutachtung einer vorzeitigen Stilllegung von Braunkohlekraftwerken aus Gründen des Klimaschutzes, S. 79 f.; differenzierend hinsichtlich der Schutzwirkungen der Genehmigungen auch W. Spieth/N. Hellermann, Energiewende – Kohle zwischen Recht und Politik, in: T. Hebeler u. a. (Hrsg.), Die Zukunft der Energiewende. 32. Trierer Kolloquium zum Umwelt- und Technikrecht vom 28. bis 29. September 2017, 2018, S. 83 (87); eingehend zu § 7 Abs. 2 AtG BVerfGE 49, 89 (145 ff.). 80 W. Spieth/N. Hellermann, Energiewende – Kohle zwischen Recht und Politik, in: T. Hebeler u. a. (Hrsg.), Die Zukunft der Energiewende. 32. Trierer Kolloquium zum Umwelt- und Technikrecht vom 28. bis 29. September 2017, 2018, S. 83 (90).

296 3. Kap.: Auswirkungen des sozialen Bezugs bei Eigentum an Kohlekraftwerken

die durch den Klimawandel entstehenden Folgen auf den gerade bezweckten Kraftwerksbetrieb einschließlich der Emissionen von Treibhausgasen zurückzuführen und nicht auf ein Schadensszenario, gegen das nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG entsprechend des strengen Standards von Wissenschaft und Technik vorgesorgt werden muss. Die anteilige Verursachung der Verdichtung der Treibhausgase innerhalb der Atmosphäre und die daraus resultierende globale Erderwärmung einschließlich des Anstiegs des Meeresspiegels sowie die Vermehrung von Extremwetterlagen ist mithin die zwangsläufige Folge des bestimmungsgemäßen Betriebs der Kohlekraftwerke. Auch wenn daher die singulären Schadensszenarien bei Störfällen von Atomkraftwerken gravierender anzusehen sind als bei Kohlekraftwerken, besteht bei letzteren eine sich mit Gewissheit realisierende Schädlichkeit. Zudem ist anzumerken, dass für das Vorliegen des sozialen Bezugs nicht die spezifische Eigenschaft der Hochrisikotechnologie gegeben sein muss, sondern allgemein Auswirkungen des Eigentumsgebrauchs auf die Gesellschaft – u. a. durch das Einwirken auf die Freiheitssphären Dritter – für die Erweiterung des Gestaltungsspielraums ausreichend sind.82 Selbst wenn der soziale Bezug des Eigentums an Atomkraftwerken stärker ausgeprägt sein sollte als bei Kohlekraftwerken, sind angesichts der aufgezeigten Klimaschädlichkeit dennoch erhebliche Auswirkungen auf die gesellschaftliche Sphäre durch den Eigentumsgebrauch zu konstatieren. 4. Kohlekraftwerke als Energieversorger Grundsätzlich ergibt sich der soziale Bezug des Eigentums an den Kohlekraftwerken auch dadurch, dass diese derzeit noch zur Energieversorgung der Bevölkerung beitragen.83 Vor diesem Hintergrund lässt sich weiterhin die Wechselwirkung zwischen dem Eigentum an den Kohlekraftwerken und der Gesellschaft verdeutlichen: „Die Gesellschaft bedarf des Stroms, den das Kraftwerk produziert, der Kraftwerksinhaber bedarf der Gesellschaft, die den Strom kauft und konsumiert.“ 84

81 Vgl. O. Däuper/S. Michaels, EnWZ 2017, S. 211 (215); T. Schomerus, Kohleausstieg nach dem Muster des Atomgesetzes?, in: M. Burgi (Hrsg.), 15. Deutsches Atomrechtssymposium, 2019, S. 49 (52). 82 Vgl. T. Schomerus/G. Franßen, Klimaschutz und die rechtliche Zulässigkeit der Stilllegung von Braun- und Steinkohlekraftwerken, S. 168; differenzierend im Hinblick auf die Möglichkeit, finanzielle Ausgleichsregelungen vorzusehen P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 108. 83 O. Däuper/S. Michaels, EnWZ 2017, S. 211 (214); C. Kreuter-Kirchhof, Rechtliches Gutachten zur Positionierung des Wirtschafts- und Energieministeriums NRW im Hinblick auf die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, S. 66. 84 C. Kreuter-Kirchhof, Rechtliches Gutachten zur Positionierung des Wirtschaftsund Energieministeriums NRW im Hinblick auf die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, S. 66; hierzu schon S. 100 f.

B. Weite des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums

297

II. Ausprägung des personalen Bezugs Jenseits der festgestellten starken Ausprägung des sozialen Bezugs des Eigentums an den Kohlekraftwerken muss weiterhin der personale Bezug für die Bestimmung des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers Beachtung finden.85 Bezogen auf den personalen Bezug stellt D. Couzinet fest, dass „insbesondere Industrieanlagen, nicht der ,Sicherung der persönlichen Freiheit‘ des Eigentümers dienen, während andererseits zu berücksichtigen ist, daß Anlageneigentum in der Regel erwerbswirtschaftlichen Zielen dient“.86 Dem ist insoweit zu widersprechen, als dass auch die aus dem Eigentum folgende Ertragsfunktion zur Verwirklichung der persönlichen Freiheit des Eigentümers beiträgt.87 Zur Minderung des personalen Bezugs führt vielmehr, dass die Betreiber und Eigentümer typischerweise juristische Personen darstellen und sich die Eigentumsbeschränkungen damit unmittelbar auf Wirtschaftsunternehmen beziehen.88 Auch wenn anders als bei der Erzeugung von Atomenergie nicht nur vier große Energiekonzerne bestehen, stammen auch vermeintlich kleinere Betreiber von Kohlekraftwerken jedenfalls aus dem Stadtwerkebereich89 und sind daher gesellschaftsrechtlich organisiert und keine natürlichen Personen. Auf kommunaler Ebene ist hierbei zu berücksichtigen, dass sich öffentlich beherrschte Unternehmen nicht auf Art. 14 GG berufen können:90 Art. 14 GG schützt das Eigentum Privater und nicht das Privateigentum.91 Gleichwohl auch bei juristischen Personen die Ertragsfunktion des Eigentums zu berücksichtigen ist, ist die Wertigkeit des Eigentums an den Kohlekraftwerken nur gering ausgeprägt, sodass auch die Abwehrfunktion der Eigentumsgarantie lediglich in eingeschränktem Ausmaß zugunsten der Eigentümer wirkt.92 Erhöht werden kann die Intensität der abwehrrechtlichen Dimension der Eigentumsgarantie jedoch durch Vertrauensschutzerwägungen zugunsten der Eigentümer der Kohlekraftwerke.93

85

S. o. S. 264 f. D. Couzinet, Die Zulässigkeit von Immissionen im anlagenbezogenen Immissionsschutzrecht, S. 201. 87 Hierzu s. o. S. 232. 88 Vgl. T. Schomerus/G. Franßen, Klimaschutz und die rechtliche Zulässigkeit der Stilllegung von Braun- und Steinkohlekraftwerken, S. 170. 89 O. Däuper/S. Michaels, EnWZ 2017, S. 211 (212). 90 Hierzu auch C. Kreuter-Kirchhof, Rechtliches Gutachten zur Positionierung des Wirtschafts- und Energieministeriums NRW im Hinblick auf die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, S. 44. 91 BVerfGE 61, 82 (108 f.). 92 Vgl. auch P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 108 f. 93 Hierzu s. u. S. 312 ff. 86

298 3. Kap.: Auswirkungen des sozialen Bezugs bei Eigentum an Kohlekraftwerken

III. Auswirkungen auf den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers Angesichts der starken Ausprägung des sozialen Bezugs und der nur geringen Intensität des personalen Bezugs liegt beim Eigentum an Kohlekraftwerken ein „besonders weite[r] Gestaltungsspielraum, auch gegenüber bestehenden Eigentumspositionen“ vor.94 Diese Feststellung steht im Einklang mit der im Rahmen der Untersuchung erfolgten normativen Einordung der Auswirkungen des sozialen Bezugs auf den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum. So führt das Vorliegen des sozialen Bezugs dazu, dass der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsauftrags nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG mit den Eigentümerinteressen und den Allgemeinwohlbelangen divergierenden Zielvorgaben Rechnung tragen muss. Mithin relativiert sich bei Kohlekraftwerken das Gewicht der Eigentümerinteressen angesichts der starken Ausprägung des sozialen Bezugs.95 Hierdurch ist die abwehrrechtliche Dimension des Eigentums an den Kohlekraftwerken in geringerem Ausmaß zu berücksichtigen als die sicherzustellende Allgemeinwohldienlichkeit des Eigentums. Weiterhin sinkt der Regelungsgehalt der Eigentumsgarantie, da der stark ausgeprägte soziale Bezug eine vom Gesetzgeber aufzulösende Interessenkollision zwischen Eigentümerinteressen und Klimaschutz kennzeichnet, für die die Verfassung keine konkreten Vorgaben enthält.96 Vielmehr sind bei der Eigentumsausgestaltung – insbesondere wenn ein gesellschaftlicher Konsens erzielt werden soll – auch politische und dadurch in geringerem Ausmaß justiziable Erwägungen anzustellen.97 Folglich ist die Wirkkraft der bei der Eigentumsausgestaltung zugunsten der Eigentümerinteressen zu beachtenden Grenzen beim Eigentum an Kohlekraftwerken abgeschwächt. Namentlich die Geltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegenüber dem gesetzgeberischen Handeln ist aufgrund der starken Ausprägung des sozialen Bezugs und dem gering ausgeprägten personalen Bezug vermindert. Dementsprechend entfalten die Vorgaben des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch bei bundesverfassungsgerichtlicher Überprüfung in nur eingeschränktem Umfang Geltung. Die Prüfungsintensität ist insoweit eingeschränkt. Vor diesem Hintergrund zeigt sich wiederum die Akzessorietät von Regelungsund Kontrolldichte der Eigentumsgarantie.98

94 C. Ziehm, ZNER 2017, S. 7 (8); ähnlich O. Däuper/S. Michaels, EnWZ 2017, S. 211 (214); Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Stilllegung von Kohlekraftwerken, S. 7; allgemein zum Gestaltungsspielraum im Rahmen des Kohleausstiegs P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 67. 95 Vgl. O. Däuper/S. Michaels, EnWZ 2017, S. 211 (216). 96 Hierzu s. o. S. 260 ff. 97 Vgl. C. Ziehm, ZNER 2017, S. 7 (8); hierzu auch S. 262. 98 S. o. S. 128 ff.

B. Weite des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums

299

1. Erforderliche Kohärenz zwischen sozialem Bezug und dem Allgemeinwohl Indes ist eine Einschränkung der Erweiterung des Gestaltungsspielraums durch das Vorliegen des sozialen Bezugs erforderlich, wenn ein Teil der den sozialen Bezug auslösenden Eigenschaften beeinträchtigt wird, obwohl diese insoweit gerade dem Allgemeinwohl entsprechen.99 Da mit einem gesetzlich angeordneten Kohleausstieg die für die Allgemeinheit positive Versorgereigenschaft der Kohlekraftwerke aufgehoben wird, kann diese nicht den Gestaltungsspielraum im Rahmen des Zugriffs auf die Eigentumsgegenstände erhöhen.100 Schließlich würde bei isolierter Betrachtung der Versorgereigenschaft der Kohlekraftwerke und ohne gleichwertige Kompensation innerhalb des KVBG sogar entgegen dem Allgemeinwohl gehandelt werden.101 2. Auswahl der Energieträger Die Weite des Gestaltungsspielraums wird im Rahmen des mit dem KVBG angeordneten Ausstiegs aus der Kohleverstromung dadurch bestätigt, dass das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber eine freie Entscheidung bei der Auswahl der zur Sicherstellung der Energieversorgung genutzten Energieträger gewährt.102 Dieser Gestaltungsspielraum folgt jedoch nicht aus dem Regelungsgehalt der Eigentumsgarantie und hat daher keine Auswirkungen auf den Eigentumsschutz. Vielmehr beschränkt sich der Gestaltungsspielraum insoweit auf die Auswahlentscheidung zwischen unterschiedlichen Energieträgern. Entsprechend kann einem gesetzlich veranlassten Kohleausstieg nicht etwa entgegengehalten werden, dass die Energieversorgung mit durch Kohleverbrennung erzeugtem Strom im Grundgesetz vorgesehen ist. Vielmehr kann auch eine einstmalig erfolgte Entscheidung zugunsten der Kohleverstromung grundsätzlich revidiert werden.103 Zur Rechtfertigung von Eingriffen kommt die Auswahlmöglichkeit des Gesetzgebers zwischen unterschiedlichen Energieträgern allein jedoch nicht in Betracht.104

99

Hierzu s. o. S. 275. Vgl. O. Reidt/U. Karpenstein u. a., Rechtliche Begutachtung einer vorzeitigen Stilllegung von Braunkohlekraftwerken aus Gründen des Klimaschutzes, S. 80. 101 S. Klinski, ER 2019, S. 104 (106) sieht die Verstromung von Braunkohle hingegen schon jetzt nicht mehr im Gemeininteresse; den Blick lenkend auf „langfristige Energieversorgungssicherheit in Form von Kohleimportunabhängigkeit“ P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 101. 102 BVerfGE 134, 242 (338); vgl. D. Uwer/L. Andersen, REE 2021, S. 61. 103 T. Schomerus/G. Franßen, Klimaschutz und die rechtliche Zulässigkeit der Stilllegung von Braun- und Steinkohlekraftwerken, S. 170. 104 Vgl. C. Degenhart, DVBl. 2013, S. 207 (208 f.). 100

300 3. Kap.: Auswirkungen des sozialen Bezugs bei Eigentum an Kohlekraftwerken

3. Beschränkung des Gestaltungsspielraums durch staatliche Schutzpflichten? Letztlich ist auch zu berücksichtigen, dass die angesprochenen staatlichen Schutzpflichten105 angesichts der aus den Treibhausgasemissionen resultierenden Gefahren den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers wiederum beschränken können. Soweit eine Pflicht zum staatlichen Handeln besteht, entfällt jedenfalls die Möglichkeit von einer gesetzlichen Regelung abzusehen, da andernfalls gegen das Untermaßverbot106 verstoßen werden würde. Insoweit resultiert aus den klimaschädlichen Eigenschaften des Eigentums an den Kohlekraftwerken einerseits eine Erweiterung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums und andererseits eine Beschränkung desselbigen. Gleichwohl wirken die Schutzpflichten nicht zulasten der aus dem erweiterten Gestaltungsspielraum resultierenden Beschränkungsmöglichkeit des Eigentums an den Kohlekraftwerken. Dies folgt daraus, dass mit der gesetzlichen Anordnung eines vorzeitigen Ausstiegs aus der Kohleverstromung durch die §§ 27 ff. und § 40 Abs. 1 KVBG gerade dem Inhalt der staatlichen Schutzpflicht entsprochen wird, die auf die Verminderung der durch den Klimawandel entstehenden Gefahren und Risiken gerichtet ist.

C. Auswirkungen des Gestaltungsspielraums auf die Verhältnismäßigkeitsprüfung Soeben wurde festgestellt, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bedingt durch den aufgrund des sozialen Bezugs erweiterten Gestaltungsspielraum zugunsten der Eigentümerinteressen bei Kohlekraftwerken eine geringere Wirkungskraft bzw. Steuerungswirkung entfaltet. Im Folgenden wird nunmehr aufgezeigt, wie sich der erweiterte Gestaltungsspielraum innerhalb der einzelnen Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als maßgebliche verfassungsrechtliche Begrenzung innerhalb der Eigentumsausgestaltung auswirkt. Mithin sind die Vorgaben des legitimen Zwecks (S. 300 ff.), der Eignung (S. 302 ff.), der Erforderlichkeit (S. 305 ff.) und der Angemessenheit (S. 307 ff.) zu untersuchen. Hierbei entfaltet die Erweiterung des Gestaltungsspielraums maßgeblich bezogen auf die Voraussetzung der Angemessenheit Geltung.107

I. Legitimer Zweck Klimaschützende Eigentumsbeschränkungen entsprechend §§ 27 ff. und § 40 Abs. 1 KVBG sind auf einen legitimen Zweck gerichtet. Dies ergibt sich schon 105

S. o. S. 293. Eingehend C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 451 ff.; T. Voland, NVwZ 2018, S. 114 (117). 107 Hierzu schon S. 191 ff. 106

C. Gestaltungsspielraum bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung

301

dadurch, dass dem Klimaschutz in Art. 191 Abs. 1, 4. Spiegelstrich AEUV, Art. 37 EU-Grundrechtecharta und Art. 20a GG europäischer und nationaler Verfassungsrang eingeräumt wird.108 Zudem hat sich die Bundesrepublik Deutschland völkerrechtlich zur Erreichung von Klimaschutzzielen verpflichtet. Hervorzuheben ist hier das Pariser Übereinkommen, mit dessen Ratifizierung sich die Bundesregierung verpflichtet hat, gemäß Art. 4 Abs. 2 alle 5 Jahre nationale Klimaschutzbeiträge zu formulieren und diese anhand von nationalen Maßnahmen zu verwirklichen.109 Angesichts der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes sind klimaschützende, auf die Verminderung von Treibhausgasemissionen gerichtete Eigentumsbeschränkungen damit auch aufgrund der völkerrechtlichen Verpflichtungen als einem legitimen Zweck dienende Maßnahmen anzusehen.110 Daneben tritt der Schutz der auch für das Vorliegen des sozialen Bezugs entscheidenden Grundrechte der Bevölkerung aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG111 und Art. 14 GG. Letztlich werden Klimaschutzmaßnahmen auch vor dem Hintergrund „intragenerationelle[r] und intergenerationelle[r] Gerechtigkeit“ für geboten erachtet.112 Soweit der Gesetzgeber daher aus Gründen des Klimaschutzes Eigentumsbeschränkungen vornimmt, wahrt er die grundgesetzlichen Grenzen seiner Zwecksetzungskompetenz.113 Die Erweiterung des Gestaltungsspielraums durch den sozialen Bezug wirkt sich bei der Bewertung des Vorliegens eines legitimen Zwecks nicht entscheidend aus. Dies folgt daraus, dass der anzustrebende legitime Zweck bei der Eigentumsausgestaltung mit Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG und damit dem ohnehin nur ansatzweise eingrenzbaren Wohl der Allgemeinheit114 verknüpft ist. Mithin steht dem Gesetzgeber auch ohne eine aufgrund des Vorliegens des sozialen Bezugs erfolgende Erweiterung bereits „ein weite[r] Spielraum [. . .] bei der Auswahl von ihm verfolgter Gemeinwohlziele“ 115 zu. Angesichts der aufgezeigten überragen108 E.-K. Lee, Umweltrechtlicher Instrumentenmix und kumulative Grundrechtseinwirkungen, S. 197; K. F. Gärditz, JuS 2008, S. 324 ff.; T. Groß, ZUR 2009, S. 364 (366); W. Kahl, ZUR 2010, S. 395 (399). 109 Siehe Art. 4 Abs. 2 des Pariser Übereinkommens; zum Pariser Übereinkommen auch P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 31 f. 110 O. Däuper/S. Michaels, EnWZ 2017, S. 211 (215); T. Schomerus/G. Franßen, Klimaschutz und die rechtliche Zulässigkeit der Stilllegung von Braun- und Steinkohlekraftwerken, S. 138 f. 111 O. Däuper/S. Michaels, EnWZ 2017, S. 211 (215); dagegen O. Reidt/U. Karpenstein u. a., Rechtliche Begutachtung einer vorzeitigen Stilllegung von Braunkohlekraftwerken aus Gründen des Klimaschutzes, S. 71. 112 C. Kreuter-Kirchhof, Rechtliches Gutachten zur Positionierung des Wirtschaftsund Energieministeriums NRW im Hinblick auf die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, S. 58. 113 Vgl. T. Schomerus/G. Franßen, Klimaschutz und die rechtliche Zulässigkeit der Stilllegung von Braun- und Steinkohlekraftwerken, S. 138. 114 S. o. S. 177; vgl. auch M. Schmidt-Preuß, NJW 2000, S. 1524 (1527). 115 BVerfGE 143, 246 (347 Rn. 283).

302 3. Kap.: Auswirkungen des sozialen Bezugs bei Eigentum an Kohlekraftwerken

den Ziele von europäischem und nationalem Verfassungsrang, die hinter dem gesetzlich angeordneten Ausstieg aus der Kohleverstromung stehen, bedurfte der Gesetzgeber bei der Zweckauswahl für die Eigentumsbeschränkungen des KVBG auch keiner (weiteren) Freistellung von verfassungsrechtlichen Grenzen.

II. Eignung 1. Überprüfung der Eignung Die innerhalb des KVBG enthaltenen Eigentumsbeschränkungen sind für das angestrebte Ziel des Klimaschutzes förderlich und entsprechen damit dem Erfordernis der Eignung. Soweit hierbei Unsicherheiten tatsächlicher Natur bestehen, hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative im Hinblick auf vorzunehmende Prognosen zuzugestehen.116 Die vom Klimaschutz erfasste Atmosphäre ist ein globales öffentliches Gut (global common good),117 da niemand von der Einwirkung auf diese – vorliegend in Gestalt des uneingeschränkten Emittierens von Treibhausgasen – ausgeschlossen werden kann und grundsätzlich der zeitgleiche Zugriff verschiedener Akteure auf das Klima möglich ist. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwieweit nationale Maßnahmen überhaupt zur Förderung des Klimaschutzes in Betracht kommen, wenn dessen globale Wirksamkeit auch von dem Verhalten anderer Staaten abhängig ist. So kann die Problematik des Klimawandels von keinem Staat alleine gelöst werden und erfordert transnationale Problemlösungsstrategien.118 Die fehlende Kompetenz zur eigenständigen Sicherung von Atmosphäre und Klima hindert jedoch nicht die Eignung eigener Beiträge zur Problemlösung des Klimawandels.119 Insoweit sind die auf die Verringerung von Treibhausgasemissionen gerichteten Eigentumsbeschränkungen bezogen auf ihre Wirksamkeit für sich bzw. gerichtet auf die Verantwortung im eigenen Hoheitsgebiet120 zu be116

Vgl. hierzu oben S. 189. J. Saurer, NVwZ 2017, S. 1574 mit der Einordnung des Schutzes des Weltklimas als „globale Gemeinschaftsaufgabe“; siehe auch C. Kreuter-Kirchhof, Rechtliches Gutachten zur Positionierung des Wirtschafts- und Energieministeriums NRW im Hinblick auf die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, S. 66. 118 J. Saurer, NVwZ 2017, S. 1574; kritisch H.-W. Rengeling, DVBl. 2000, S. 1725 (1728 f.); vgl. T. Schomerus, Kohleausstieg nach dem Muster des Atomgesetzes?, in: M. Burgi (Hrsg.), 15. Deutsches Atomrechtssymposium, 2019, S. 49 (61); P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 15. 119 F. Longo, Neue örtliche Energieversorgung als kommunale Aufgabe, S. 221; A.-C. Gläß, Rechtsfragen des kommunalen Anschluss- und Benutzungszwangs in Zeiten von Klimawandel und Energiewende, S. 371; C. Ziehm, ZNER 2017, S. 7 (9); M. Winkler, Klimaschutzrecht, S. 87 f. 120 Vgl. Gerechtshof Den Haag, Urteil vom 9.10.2018, 200.178.245/01 (English translation), https://uitspraken.rechtspraak.nl/inziendocument?id=ECLI:NL:GHDHA: 117

C. Gestaltungsspielraum bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung

303

trachten.121 Schließlich ist gerade für ein globales Ziel auch lokales Handeln erforderlich.122 Weiterhin weist F. Ekardt auf die Möglichkeit hin, „eine anspruchsvolle europäische Klimapolitik durch die Kombination mit Border Adjustments sukzessive global zu verbreiten“.123 Insoweit räumt K. F. Gärditz dem Gesetzgeber die Möglichkeit ein, zur Legitimation eines Kohleausstiegs „auch transnationale Kooperationserwartungen im Rahmen einer globalen Bewältigungsstrategie“ anzuführen.124 Zweifel an der Eignung klimaschützender Eigentumsbeschränkungen bestehen insbesondere dann nicht, wenn das zu fördernde Ziel den „Umbau des Energieversorgungssystems“ bzw. „die Verringerung des CO2-Ausstoßes“ 125 im nationalen Kontext126 darstellt und die Verhinderung bzw. Verlangsamung des globalen Klimawandels somit lediglich im Hintergrund steht.127 Hierdurch entfällt nicht das legitimierende Element der eigentumsbeschränkenden Maßnahmen,128 da die Verhinderung des globalen Klimawandels gerade von nationalen Maßnahmen abhängt. Insoweit trägt die Bundesrepublik Deutschland ihrer aus Art. 2 Abs. 2 des Pariser Übereinkommens129 folgenden Verantwortung Rechnung, der sie sich auch nicht durch den Hinweis auf die Treibhausgasemissionen anderer Staaten entziehen kann.130 Zu bedenken gilt es weiterhin, dass bei einem Ausstieg aus der Kohleverstromung die bislang von den Kraftwerken genutzten Emissionshandelszertifikate

2018:2610 (zuletzt abgerufen am 15.7.2022), Rn. 62: „However, this does not release the State from its obligation to take measures in its territory, within its capabilities, which in concert with the efforts of other states provide protection from the hazards of dangerous climate change . . .“; vgl. BVerfGE 143, 246 (348 Rn. 287); C. Ziehm, ZNER 2017, S. 7 (9); T. Schomerus/G. Franßen, Klimaschutz und die rechtliche Zulässigkeit der Stilllegung von Braun- und Steinkohlekraftwerken, S. 140; M. Schmidt-Preuß, NJW 2000, S. 1524 (1527) bezogen auf den Atomausstieg; D. Bruch/H. Greve, DÖV 2011, S. 794 (798). 121 Vgl. H.-W. Rengeling, DVBl. 2000, S. 1725 (1728). 122 VG Berlin ZUR 2009, S. 556 (557); R. Verheyen, ZUR 2010, S. 403 (411). 123 F. Ekardt, Jahrbuch für Recht und Ethik 19 (2011), S. 107 (136 f.); ähnlich M. Rodi, EnWZ 2017, S. 195 (196). 124 K. F. Gärditz, ZUR 2018, S. 663 (670). 125 O. Däuper/S. Michaels, EnWZ 2017, S. 211 (215); vgl. T. Schomerus/G. Franßen, Klimaschutz und die rechtliche Zulässigkeit der Stilllegung von Braun- und Steinkohlekraftwerken, S. 139. 126 M. Rodi, EnWZ 2017, S. 195 (196). 127 S. Klinski, ER 2019, S. 104 (106). 128 So aber O. Reidt/U. Karpenstein u. a., Rechtliche Begutachtung einer vorzeitigen Stilllegung von Braunkohlekraftwerken aus Gründen des Klimaschutzes, S. 72. 129 „Dieses Übereinkommen wird als Ausdruck der Gerechtigkeit und des Grundsatzes der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und jeweiligen Fähigkeiten angesichts der unterschiedlichen nationalen Gegebenheiten durchgeführt.“ 130 VG Berlin, Urteil vom 31. 10. 2019, 10 K 412.18, Rn. 74; klarstellend nunmehr BVerfG NVwZ 2021, S. 951 (959 Rn. 149).

304 3. Kap.: Auswirkungen des sozialen Bezugs bei Eigentum an Kohlekraftwerken

nunmehr in anderen europäischen Mitgliedstaaten genutzt werden könnten.131 Die Einsparung von Treibhausgasemissionen hängt damit nicht nur von Beschränkungen des Eigentums an den Kohlekraftwerken, sondern auch von einer Einwirkung auf den europäischen Emissionshandel ab.132 Andernfalls wäre ein „Wasserbetteffekt“ zu befürchten, der die Eignung eines Ausstiegs aus der Kohleverstromung im Hinblick auf den angestrebten Klimaschutz in Frage stellen würde.133 Zur Verhinderung dieses sog. Wasserbetteffektes können die Mitgliedstaaten jedoch seit dem Jahr 2021 nach Art. 12 Abs. 4 der Emissionshandelsrichtlinie134 im Fall der Stilllegung von Stromerzeugungskapazitäten Emissionshandelszertifikate löschen lassen.135 Dieser Ermächtigung hat der Gesetzgeber mit Einführung des Art. 2 des Kohleausstiegsgesetzes in Verbindung mit § 8 Abs. 1 S. 2 TEHG Rechnung getragen. Die in Art. 12 Abs. 4 der Emissionshandelsrichtlinie vorgesehene Stilllegungsmöglichkeit offenbart zudem, dass den Mitgliedstaaten die Möglichkeit offensteht, auch bei vom Anwendungsbereich der Emissionshandelsrichtlinie erfassten klimaschädigendem Eigentum eigene regulierende Maßnahmen vorzunehmen.136 Soweit befürchtet wird, dass die Stromerzeugungskapazitäten, die anstelle der Kohlekraftwerke treten, in gleichem Ausmaß bzw. sogar noch mehr Treibhausgase emittieren werden,137 liegt die Annahme einer gleichwohl bestehenden Klimawirksamkeit des Ausstiegs aus der Kohleverstromung innerhalb der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers.

131 Vgl. M. Rodi, EnWZ 2017, S. 195 (196) zu einem möglichen Überschuss von CO2-Zertifikaten. 132 F. Ekardt/F. Valentin, Das neue Energierecht, S. 138. 133 C. Kreuter-Kirchhof, ZUR 2019, S. 396 (399); C. Franzius, NVwZ 2018, S. 1585 (1587); S. Klinski, EnWZ 2017, S. 203 (204); eingehend T. Schomerus/G. Franßen, Klimaschutz und die rechtliche Zulässigkeit der Stilllegung von Braun- und Steinkohlekraftwerken, S. 139 f.; L. Andersen, NVwZ 2019, S. 1018 (1019); zur Gefahr sinkender Zertifikatepreise M. Rodi, EnWZ 2017, S. 195 (200); kritisch zur Existenz des Wasserbetteffektes jedoch S. Wagner, ZUR 2019, S. 522 (527); weitergehend P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 24 f. 134 RL 2003/87/EG zwecks Unterstützung kosteneffizienter Emissionsreduktionen und zur Förderung von Investitionen mit geringem CO2-Ausstoß geändert durch die RL 2018/410/EU. 135 C. Franzius, NVwZ 2018, S. 1585 (1587); C. Kreuter-Kirchhof, ZUR 2019, S. 396 (399); O. Däuper, EnWZ 2019, S. 153 (154); dagegen O. Reidt/U. Karpenstein u. a., Rechtliche Begutachtung einer vorzeitigen Stilllegung von Braunkohlekraftwerken aus Gründen des Klimaschutzes, S. 73; T. Schomerus/G. Franßen, Klimaschutz und die rechtliche Zulässigkeit der Stilllegung von Braun- und Steinkohlekraftwerken, S. 142. 136 C. Franzius, NVwZ 2018, S. 1585 (1587); kritisch noch W. Spieth, NVwZ 2015, S. 1173 ff.; S. Klinski, ER 2019, S. 104 (110); hierzu auch P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 22. 137 O. Reidt/U. Karpenstein u. a., Rechtliche Begutachtung einer vorzeitigen Stilllegung von Braunkohlekraftwerken aus Gründen des Klimaschutzes, S. 73.

C. Gestaltungsspielraum bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung

305

2. Auswirkungen des erweiterten Gestaltungsspielraums Es wurde bereits aufgezeigt, dass es bei der Vorgabe der Eignung der staatlichen Maßnahme zur Förderung des angestrebten Zwecks maßgeblich auf die tatsächlichen Umstände und damit in geringerem Ausmaß auf rechtliche Wertungen ankommt.138 Die Bedeutung der Einschätzung tatsächlicher Wirkzusammenhänge offenbart sich auch angesichts der vorgebrachten, aber letztlich verworfenen Zweifel an der Eignung eines zum Zwecke des globalen Klimaschutzes erfolgenden Ausstiegs aus der Kohleverstromung. Im Rahmen der Bewertung dieser tatsächlichen Umstände genießt der Gesetzgeber bei unklarer Sachlage und daher erforderlichen Prognoseentscheidungen ebenfalls einen Freiraum in Form der Einschätzungsprärogative. Diese Einschätzungsprärogative ist jedoch abzugrenzen von der geringeren Wirkkraft materiell-rechtlicher Vorgaben, die aufgrund des Vorliegens des sozialen Bezugs in einer Erweiterung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums resultiert.139 Mithin kommt dem Vorliegen des sozialen Bezugs einschließlich der Erweiterung des Gestaltungsspielraums auch bei der Vorgabe der Eignung keine entscheidende Bedeutung zu.

III. Erforderlichkeit Gegenüber einem gesetzlich veranlassten Kohleausstieg nach den §§ 27 ff. und § 40 Abs. 1 KVBG kommen bezogen auf den Klimaschutz auch keine milderen, aber gleich effektiven Mittel in Betracht. Dies folgt insbesondere daraus, dass bei Kohlekraftwerken verglichen mit etwa Gaskraftwerken der größte CO2-Einsparungseffekt erzielt werden kann.140 Der für die Eigentümer der Kohlekraftwerke milder wirkenden Einbeziehung auch anderer Kraftwerkstypen in die Stilllegungsanordnung bei gleichzeitiger Gewährung einer längeren Laufzeit für die Kohlekraftwerke würde eine geringere Klimaschutzwirksamkeit zukommen. Auch die Speicherung von freigesetztem Kohlenstoffdioxid kommt als gleich wirksame Alternative zum Kohleausstieg (derzeit) nicht in Betracht,141 da sich die CCSTechnologie entsprechend § 1 S. 2 KSpG nach Ansicht des Gesetzgebers noch im Erprobungsstadium befindet. Insoweit ist dem Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative einzuräumen. Ebenfalls erreicht das alleinige Festhalten am europäischen Zertifikatehandel nicht die Klimawirksamkeit des gesetzlich angeordneten Kohleausstiegs, obwohl

138

S. o. S. 188 ff. S. o. S. 167. 140 T. Schomerus/G. Franßen, Klimaschutz und die rechtliche Zulässigkeit der Stilllegung von Braun- und Steinkohlekraftwerken, S. 146 f. 141 Dagegen M. Rebentisch, Kritisches zum propagierten Kohleausstieg aus rechtlicher Sicht, in: P. Rosin/A. Uhle, Recht und Energie. Liber amicorum für Ulrich Büdenbender zum 70. Geburtstag, 2018, S. 273 (288). 139

306 3. Kap.: Auswirkungen des sozialen Bezugs bei Eigentum an Kohlekraftwerken

zwischen den Jahren 2017 bis 2019 aufgrund einer Reduzierung der sich im Umlauf befindenden Zertifikate142 eine Preissteigerung von ca. 10,– auf 25,– Euro je emittierte Tonne CO2 beobachtet werden konnte.143 Zwar hat diese Preissteigerung in Kombination mit einer erhöhten Erzeugung von erneuerbaren Energien sowie einem geringeren Stromverbrauch im Jahr 2019 zu einem verminderten Einsatz von Braun- und Steinkohlekraftwerken geführt.144 Gleichwohl können die Kohlekraftwerke weiterhin genutzt werden und tragen daher gegenüber anderen Energieträgern in erhöhtem Ausmaß zur Treibhausgasemission bei. Insbesondere ist bis zum Jahr 2030 kein Anstieg des Preises für Emissionszertifikate zu erwarten, der die Verstromung von Braunkohle gänzlich unrentabel werden ließe.145 Insoweit kommt auch die Bundesregierung zu dem Schluss, dass der Emissionshandel zwar die Erreichung der europäischen Klimaziele, aber nicht die auf nationaler Ebene angestrebte Verringerung der Treibhausgasemissionen um 55 % gegenüber dem Jahr 1990 bis 2030 gewährleisten kann.146 Für andere ökonomische Instrumente – wie etwa die Einführung eines CO2Preises – gilt, dass die Auswirkung auf den tatsächlichen Ausstoß von Treibhausgasen in geringerem Maße als bei ordnungsrechtlichen Instrumenten bestimmt werden kann.147 Eine gleich zuverlässige wie effektive Alternative im Vergleich zu ordnungsrechtlichen Maßnahmen stellen sie daher nicht dar. Letztlich würden auch verschärfte Energieeffizienzanforderungen an Kohlekraftwerke als milderes Mittel gegenüber einem Verbot der zukünftigen Kohleverstromung nicht die Erheblichkeit der Treibhausgasemissionen verhindern können und damit in der Wirksamkeit hinter einem gesetzlich veranlassten Kohleverfeuerungsverbot zurückbleiben.148 Damit ist ein gesetzlich veranlasster vorzeitiger Ausstieg aus der Kohleverstromung in Form der Reduzierungsanordnung nach den §§ 27 ff. 142

C. Kreuter-Kirchhof, ZUR 2019, S. 396 (399). Zum Preisverlauf bis 2017 auch D. Drohsin u. a., Daten und Fakten zu Braunund Steinkohle, 2017, S. 24. 144 Agora Energiewende, Die Energiewende im Stromsektor: Stand der Dinge 2019, S. 5. 145 T. Schomerus/G. Franßen, Klimaschutz und die rechtliche Zulässigkeit der Stilllegung von Braun- und Steinkohlekraftwerken, S. 151; T. Schomerus, Kohleausstieg nach dem Muster des Atomgesetzes?, in: M. Burgi (Hrsg.), 15. Deutsches Atomrechtssymposium, 2019, S. 49 (55); vgl. P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 23. 146 BT-Drucksache 19/17342, S. 5. 147 T. Schomerus/G. Franßen, Klimaschutz und die rechtliche Zulässigkeit der Stilllegung von Braun- und Steinkohlekraftwerken, S. 237 f.; T. Schomerus, Kohleausstieg nach dem Muster des Atomgesetzes?, in: M. Burgi (Hrsg.), 15. Deutsches Atomrechtssymposium, 2019, S. 49 (51); die Begründung des Entwurfs zum Kohleausstiegsgesetz verweist zudem auf höhere Kosten für Energiewirtschaft und Industrie, BT-Drucksache 19/17342, S. 4 f.; vgl. P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 83 f. 148 Vgl. T. Schomerus/G. Franßen, Klimaschutz und die rechtliche Zulässigkeit der Stilllegung von Braun- und Steinkohlekraftwerken, S. 154. 143

C. Gestaltungsspielraum bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung

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KVBG für Steinkohleanlagen und der Anordnung nach § 40 Abs. 1 KVBG für Braunkohleanlagen als erforderlich anzusehen.149 Auch das Ausschreibungsverfahren gemäß der §§ 10 ff. KVBG mildert die Belastungswirkung des Kohleausstiegs gegenüber den Eigentümern der Kohleanlagen ab, kommt aber ebenfalls nicht als gleich wirksame vollständige Alternative zu ordnungsrechtlichen Maßnahmen in Betracht. So ist die Möglichkeit der freiwilligen Versteigerung der Berechtigung des Fortbetriebs der Steinkohleanlagen auch vor dem Hintergrund der ab dem Zieldatum 2024 möglichen entschädigungslosen Reduzierungsanordnung nach § 35 Abs. 1 KVBG zu sehen: Ohne den durch die §§ 27 ff. KVBG angedrohten entschädigungslosen Verlust der Nutzungsbefugnis würden die §§ 10 ff. KVBG eine geringere Steuerungswirkung entfalten, als wenn nach Beendigung der Ausschreibungsverfahren der Betrieb der Steinkohleanlagen weiterhin möglich wäre. Selbst angesichts eines in Aussicht gestellten entschädigungslosen Verlustes der Nutzungsbefugnis über § 35 Abs. 1 i.V. m. § 51 Abs. 1 S. 1 2. Var. KVBG hält es der Gesetzgeber darüber hinaus für möglich, dass das Ausschreibungsvolumen nicht vollständig durch Gebote der Anlagenbetreiber überschritten wird. Dies ergibt sich unmittelbar aus § 20 KVBG, der das Verfahren bei Unterzeichnung der Ausschreibung regelt. Das Ausschreibungsverfahren gemäß der §§ 10 ff. KVBG ist vor dem Hintergrund der Klimaschutzwirksamkeit daher nur als Ergänzung eines gesetzlich veranlassten, ordnungsrechtlichen Kohleausstiegs anzusehen. Da die Vorgabe der Erforderlichkeit ebenfalls maßgeblich durch die tatsächlichen Umstände des jeweiligen Sachbereichs geprägt ist, ist vorliegend auf die Ausführungen zur Auswirkung des aufgrund des sozialen Bezugs erweiterten Gestaltungsspielraums im Rahmen der Eignung zu verweisen.150 Mit anderen Worten hat der soziale Bezug vorliegend für die Vorgabe der Erforderlichkeit nur geringe Bedeutung.

IV. Angemessenheit Der gesetzlich angeordnete Ausstieg aus der Kohleverstromung nach den Vorgaben des KVBG dürfte als Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG die Eigentümerinteressen (S. 308 ff.) mit den Belangen der Allgemeinheit im Sinne des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG (S. 320 ff.) nicht offensichtlich fehlsam151 ausgleichen. Mithin ist zu betrachten, bis zu welchem Ausmaß der Eigentumsbeschränkung durch den Gesetzgeber eine noch zulässige Relation zwischen Eigentümerinteressen und Allgemeinwohlbelangen hergestellt wird.152 149

Vgl. O. Däuper/S. Michaels, EnWZ 2017, S. 211 (215 f.). S. o. S. 305. 151 Hierzu s. o. S. 192 ff. 152 C. Sellmann, Nutzungsbeschränkungen zugunsten der Umwelt und eigentumsrechtlich gebotener Ausgleich, S. 108. 150

308 3. Kap.: Auswirkungen des sozialen Bezugs bei Eigentum an Kohlekraftwerken

Angesichts des stark ausgeprägten sozialen Bezugs und des weniger stark vorliegenden personalen Bezugs kann schon zu Beginn der Überprüfung der Angemessenheit der §§ 27 ff. und § 40 Abs. 1 KVBG festgestellt werden, dass die Wirkkraft des Angemessenheitserfordernisses zugunsten der Eigentümerinteressen eingeschränkt ist. In gleichem Ausmaß besteht ein größerer, auf die Einschränkung von Eigentümerinteressen gerichteter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Mithin muss der Eigentümer auch eine Eigentumsausgestaltung hinnehmen, bei der seine Interessen nicht in gleicher Weise wie die Allgemeinwohlbelange zur Geltung kommen. Insoweit justieren die Ausprägungen des personalen und des sozialen Bezugs das Verhältnis der grundsätzlich auf gleicher Ebene stehenden153 Privatnützigkeit des Eigentums aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG sowie der Sozialbindung aus Art. 14 Abs. 2 GG. Folglich entfaltet die aufgrund des Vorliegens des sozialen Bezugs erfolgte Erweiterung des Gestaltungsspielraums maßgebliche Bedeutung beim Erfordernis der Angemessenheit. 1. Eigentümerinteressen: Wirtschaftliche Nutzung der Kohlekraftwerke Die Freiheitsrelevanz des Eigentums an den Kohlekraftwerken besteht für die Betreiber der Kraftwerke weniger darin, einen Rückzugsort des Einzelnen gegenüber dem Staat zu schaffen. Stattdessen kommt dem Eigentum an den Kohlekraftwerken in Gestalt der Ertragsfunktion eine erhebliche Bedeutung für die Schaffung eines Freiheitsraums im vermögensrechtlichen Bereich zu. Die Eigentümerinteressen im Kontext von Kohlekraftwerken spiegeln sich daher maßgeblich in dem Bedürfnis wider, das Eigentum im Rahmen der derzeit nach dem BImSchG und dem TEHG bestehenden Grenzen solange nutzen zu können, wie es innerhalb der Lebensdauer der Kraftwerke wirtschaftlich rentabel ist. Der Geltungsanspruch dieses zunächst umfassend zu berücksichtigenden Freiheitsinteresses verkörpert den einen von zwei Polen innerhalb des Angemessenheitserfordernisses, die nicht offensichtlich fehlsam zueinander ins Verhältnis gesetzt werden dürfen. a) Eingriffsintensität Die Eingriffsintensität stellt das maßgebliche Kriterium dar, um zu bestimmen, inwieweit dieser Geltungsanspruch der Eigentümerinteressen und der auf eine unverhältnismäßige Eigentumsausgestaltung gerichtete Unterlassungsanspruch durch die Abwägung gewahrt wurden. Denn Ziel der Ausgestaltung des gesetzlich angeordneten Kohleausstiegs ist in maßgeblicher Weise die Beschränkung der bereits bestehenden Eigentümerpositionen an den Kohlekraftwerken (vgl. § 2 Abs. 1 KVBG). Der durch den Gesetzgeber bei der Umsetzung des KVBG vorgenommene Ausgleich spiegelt sich dann in der Intensität wider, mit der die Eigen153

S. o. S. 257.

C. Gestaltungsspielraum bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung

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tümerinteressen einschließlich des berechtigten Vertrauens auf den Fortbestand der Rechtsordnung zurückstehen müssen. Durch die Auslösung der Rechtsfolge des Kohleverfeuerungsverbots aus § 51 Abs. 1 KVBG über § 35 Abs. 1 KVBG und § 40 Abs. 1 KVBG kann das Eigentum an den Kohlekraftwerken zukünftig ab dem jeweils vorgesehenen Stilllegungszeitpunkt nicht mehr genutzt werden. Die Eigentümerstellung an den Kraftwerken bleibt zwar unberührt,154 sodass bspw. noch eine Veräußerung des Kraftwerks in das Ausland möglich wäre.155 Angesichts der fehlenden Nutzbarkeit werden die aufgezeigten Eigentümerinteressen jedoch nahezu in Gänze beeinträchtigt.156 Schließlich setzt das Strukturmerkmal der Privatnützigkeit, das für eine Schutzposition im Sinne des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG konstituierend ist, voraus, dass der Eigentumsgegenstand im eigenen Interesse genutzt werden kann.157 Diese Nutzbarkeit im eigenen Interesse umfasst bei Kraftwerken auch die Befugnis, „über Reihenfolge, Schwerpunkt und Dauer des Kraftwerkbetriebs zu entscheiden“.158 Auch die weiterhin zulässige Möglichkeit der Verfeuerung „andere[r] energetischer Brennstoffe wie bspw. Biomasse“ 159 in Steinkohleanlagen dürfte lediglich eine nur ansatzweise vergleichbare Alternative zur Nutzung der Kraftwerke zur Kohleverstromung darstellen. Weiterhin erfolgt die Beendigung der Kohleverstromung zwar „in möglichst kleinen Schritten“ 160, indem nicht die Nutzung aller Kohlekraftwerke auf einmal untersagt wird. Gleichwohl wirkt sich dies nicht darauf aus, dass ein einmal bspw. von der Reduzierungsanordnung gemäß § 35 Abs. 1 KVBG betroffenes Kraftwerk ab Geltung des Kohleverfeuerungsverbots überhaupt nicht mehr zur Kohleverstromung genutzt werden darf. Daher liegt durch den gesetzlichen Ausschluss der zukünftigen Nutzbarkeit grundsätzlich eine hohe Eingriffsintensität vor, vorausgesetzt das jeweilige Kraftwerk könnte bei hypothetisch fortwirkender Nutzungsbefugnis noch wirtschaftlich genutzt werden.161 Die Differenz zwischen der potenziell möglichen und der durch die Kohlekraftwerke nach Eintritt des Kohleverfeuerungsverbots tatsächlich möglichen Freiheitsverwirklichung ist dann erheblich. Zu berücksichtigen ist

154 C. Kreuter-Kirchhof, Rechtliches Gutachten zur Positionierung des Wirtschaftsund Energieministeriums NRW im Hinblick auf die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, S. 63. 155 Vgl. C. Engel, Planungssicherheit für Unternehmen durch Verwaltungsakt, S. 111. 156 O. Reidt/U. Karpenstein u. a., Rechtliche Begutachtung einer vorzeitigen Stilllegung von Braunkohlekraftwerken aus Gründen des Klimaschutzes, S. 66 erkennen insoweit „eine ,leere Hülle‘ ohne vermögenswerten Inhalt.“ 157 S. o. S. 176. 158 BVerfGE 143, 246 (387 f. Rn. 384). 159 BT-Drucksache 19/17342, S. 140 noch zum inhaltsgleichen § 46 KVBG-E. 160 BT-Drucksache 19/17342, S. 104. 161 Vgl. T. Schomerus/G. Franßen, Klimaschutz und die rechtliche Zulässigkeit der Stilllegung von Braun- und Steinkohlekraftwerken, S. 159.

310 3. Kap.: Auswirkungen des sozialen Bezugs bei Eigentum an Kohlekraftwerken

zudem, dass bei Braunkohlekraftwerken regelmäßig auch das Eigentum an einem zugehörigen Tagebau entwertet wird162 und damit die Eingriffswirkung nicht nur in qualitativer, sondern bezogen auf das Ausmaß der Betroffenheit der Rechtsgüter auch in quantitativer Hinsicht sehr stark ausgeprägt ist. Die Eingriffswirkung wird weiterhin dadurch verstärkt, dass mit einem gesetzlich angeordneten Ausstieg aus der Kohleverstromung regelmäßig frustrierte Aufwendungen in die Anlagen einhergehen.163 Allein die einem vollständigen Entzug von bestehenden Eigentumspositionen gleichkommende Beschränkungswirkung kann jedoch nicht das Vorliegen einer offensichtlich fehlsamen und damit verfassungswidrigen Eigentumsausgestaltung begründen.164 Entsprechend hat das Bundesverfassungsgericht in der Atomausstiegsentscheidung ausgeführt, dass im Rahmen einer Inhalts- und Schrankenbestimmung „[s]elbst die völlige Beseitigung bisher bestehender, durch die Eigentumsgarantie geschützter Rechtspositionen [. . .] zulässig sein“ 165 kann. Mithin setzt ein verfassungsmäßiges Abwägungsergebnis im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG nicht zwingend voraus, dass nach erfolgtem Ausgleich noch beide Abwägungspole zur Geltung kommen. Zur Rechtfertigung der vollständigen Beseitigung des Geltungsanspruchs der Eigentümerinteressen müssen die ihnen gegenüberstehenden Allgemeinwohlbelange dann jedoch in besonderem Maße ausgeprägt sein.166 Bei Vorliegen einer derartig starken Ausprägung der gegenüberstehenden Allgemeinwohlbelange erfordert die vollständige Beseitigung bereits bestehender Eigentumspositionen auch nicht zwingend Übergangs- oder Ersatzregelungen, in denen der Geltungsanspruch der Eigentümerinteressen fortwirken würde.167 Das „bloße Bedürfnis nach Rechtseinheit im Zuge einer Neuregelung“ 168 vermag jedoch nicht die Ausweitung eines zulässigen Ausschlusses künftiger Eigentumsrechte in Gestalt des gesetzlichen Verbots von Neugenehmigungen von Kohlekraftwerken (§ 53 Abs. 2 KVBG) auch auf bestehende Kohlekraftwerke zu rechtfertigen. Der Erstreckung der eigentumsbeschränkenden Wirkungen auf bereits bestehende Eigentumsrechte gemäß den §§ 27 ff. und § 40 162 C. Kreuter-Kirchhof, Rechtliches Gutachten zur Positionierung des Wirtschaftsund Energieministeriums NRW im Hinblick auf die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, S. 48, 67 f.; weitergehend W. Spieth/N. Hellermann, Energiewende – Kohle zwischen Recht und Politik, in: T. Hebeler u. a. (Hrsg.), Die Zukunft der Energiewende. 32. Trierer Kolloquium zum Umwelt- und Technikrecht vom 28. bis 29. September 2017, 2018, S. 83 (87 f.). 163 T. Schomerus/G. Franßen, Klimaschutz und die rechtliche Zulässigkeit der Stilllegung von Braun- und Steinkohlekraftwerken, S. 134. 164 Anders in Bezug auf Stilllegungen von Kraftwerken noch J. Heister/P. Michaelis, Umweltpolitik mit handelbaren Emissionsrechten, S. 43. 165 BVerfGE 143, 246 (342 Rn. 269). 166 Vgl. BVerfGE 143, 246 (342 Rn. 269). 167 Vgl. BVerfGE 83, 203 (213). 168 BVerfGE 83, 203 (213).

C. Gestaltungsspielraum bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung

311

Abs. 1 KVBG muss daher eine bedeutsame eigenständige Relevanz zukommen. Maßgeblich ist hierfür die sogleich zu betrachtende Klimaschutzwirksamkeit der innerhalb des KVBG vorgesehenen Eigentumsbeschränkungen.169 Trotz der die Eigentümerinteressen grundsätzlich umfassend betreffenden Eingriffswirkung eines schrittweise nach den Vorgaben des KVBG umgesetzten Kohleausstiegs kann im Hinblick auf die Eingriffsintensität zwischen den einzelnen Kraftwerken differenziert werden. Hierfür ist die bereits realisierte Nutzung innerhalb der Lebensdauer der Kraftwerke zu betrachten. Je älter ein Kraftwerk ist,170 desto länger konnte es bereits der Ertragsfunktion des Eigentums entsprechen. Gleichzeitig verringert sich mit der fortschreitenden Lebensdauer auch der Zeitraum zwischen Einführung der zukünftig wirkenden gesetzlich veranlassten Beendigung der Kohleverstromung und der ohne Kohleausstieg noch denkbaren Nutzbarkeit bis zur Erreichung des Lebensendes des Kraftwerks. Dies gilt insbesondere im Angesicht einer weiteren Verschärfung des schon angesprochenen europäischen Emissionszertifikatehandels, der die Rentabilität der Kohleverstromung fortschreitend beschränken wird.171 Mit kürzerer zukünftig wirtschaftlich sinnvoller Nutzung der Kohlekraftwerke vermindert sich dann die Eingriffsintensität eines gesetzlich verordneten Kohleausstiegs.172 Ein beachtenswerter Zeitpunkt bei der Berücksichtigung der erwerbswirtschaftlichen Bedeutung des Eigentums für den Eigentümer und der hieraus ableitbaren Eingriffsintensität ist die Amortisierung vorgenommener Investitionen173 in das jeweilige Kraftwerk.174 Unter einer Amortisierung wird vorliegend die Erwirtschaftung des Investitionsbetrages durch Einnahmeüberschüsse175 verstanden. Die Amortisierung liegt bei Kohlekraftwerken typischerweise nach einer 169

S. u. S. 320 ff. Ebenfalls anknüpfend an das Alter der Kraftwerke C. Kreuter-Kirchhof, Rechtliches Gutachten zur Positionierung des Wirtschafts- und Energieministeriums NRW im Hinblick auf die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, S. 63. 171 I. Zenke/C. Telschow, IR 2018, S. 150 (152). 172 Vgl. M. Rodi, EnWZ 2017, S. 195 (198): „Mit einem entsprechenden ,Altern‘ von Genehmigungen und Bestandskraftwerken würden sich auch pro futuro mögliche Ausgleichs- und Entschädigungsansprüche reduzieren, sollte sich der Gesetzgeber einmal für Eingriffe in Bestandsanlagen entscheiden.“ 173 Weiterführend zum Begriff der Investitionen U. Di Fabio, Beschleunigter Kernenergieausstieg und Eigentumsgarantie, in: ders./W. Durner/G. Wagner, Kernenergieausstieg 2011, 2013, S. 9 (86 ff.); BT-Drucksache 19/17342, S. 87. 174 Vgl. D. Couzinet, Die Zulässigkeit von Immissionen im anlagenbezogenen Immissionsschutzrecht, S. 201; T. Schomerus/G. Franßen, Klimaschutz und die rechtliche Zulässigkeit der Stilllegung von Braun- und Steinkohlekraftwerken, S. 157; vgl. C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 388; siehe auch C. Engel, Planungssicherheit für Unternehmen durch Verwaltungsakt, S. 110. 175 O. Däuper/S. Michaels u. a., Ein Kohleausstieg nach dem Vorbild des Atomausstiegs?, S. 23; vgl. U. Di Fabio, Beschleunigter Kernenergieausstieg und Eigentumsgarantie, in: ders./W. Durner/G. Wagner, Kernenergieausstieg 2011, 2013, S. 9 (91 ff.). 170

312 3. Kap.: Auswirkungen des sozialen Bezugs bei Eigentum an Kohlekraftwerken

Laufzeit zwischen 20 und 30 Jahren vor.176 Mithin wird die Eingriffsintensität des gesetzlich angeordneten Kohleausstiegs im Rahmen des KVBG insbesondere durch die Wahl des Ausstiegszeitpunktes gesteuert.177 § 31 Abs. 1 KVBG trägt diesem Aspekt dadurch Rechnung, dass seit dem Jahr 2010 in der Bilanz von Steinkohlekraftwerken aktivierte Investitionen im Zuge der Abschaltungsreihenfolge nach § 29 Abs. 4 KVBG zu berücksichtigen sind. Auch Anlage 2, die die Stilllegungszeitpunkte für die gemäß § 40 Abs. 1 KVBG stillzulegenden Braunkohlekraftwerke enthält, nimmt eine Orientierung an der – für die Amortisierung indiziellen178 – Laufzeit vor. Dieses Vorgehen zeigt sich etwa darin, dass die bis zum Jahr 1976 in Betrieb genommenen Kraftwerksblöcke des Kraftwerks Neurath (A–E) bis spätestens zum 31.12.2022 stillzulegen sind, während die erst im Jahr 2012 in Betrieb genommenen Kraftwerksblöcke F und G zum 31.12.2038 stillgelegt werden müssen. Die Intensität der Beeinträchtigung ist mithin der maßgebliche Anknüpfungspunkt bei Betrachtung der nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG gewährleisteten Eigentümerinteressen, da auf einen Wert der noch verbleibenden Nutzung bei Geltung eines zukünftigen Verbots der Kohleverstromung nicht zurückgegriffen werden kann. Angesichts der aufgezeigten stark ausgeprägten Eingriffsintensität ist daher eine ebenfalls hohe Klimaschutzwirksamkeit des im Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes vorgesehenen Kohleausstiegs erforderlich, um keine offensichtlich fehlsame Abwägung zu begründen. b) Vertrauensschutz Die betrachteten Eigentümerinteressen, deren vollständiger Entzug bei entsprechend stark ausgeprägten gegenüberstehenden Allgemeinwohlbelangen kein offensichtlich fehlsames Abwägungsergebnis auslöst, können sich jedoch weiterhin durch Vertrauensschutzerwägungen verstärken. Soweit ein Eigentümer berechtigterweise auf die Fortgeltung der durch sein Eigentum vermittelten Freiheitssphäre vertrauen konnte und sich dieses Vertrauen auch in vorgenommenen Investitionen konkretisiert hat,179 wird der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers begrenzt. Eine übergangs- bzw. ersatzlose Eigentumsausgestaltung, in der sich das berechtigte Vertrauen des Eigentümers nicht wiederfindet, kommt einer offensichtlich

176 T. Schomerus/G. Franßen, Klimaschutz und die rechtliche Zulässigkeit der Stilllegung von Braun- und Steinkohlekraftwerken, S. 157 f. 177 Vgl. C. Kreuter-Kirchhof, Rechtliches Gutachten zur Positionierung des Wirtschafts- und Energieministeriums NRW im Hinblick auf die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, S. 71. 178 BT-Drucksache 19/17342, S. 87. 179 Vgl. O. Depenheuer/J. Froese, in: H. von Mangoldt/F. Klein/C. Starck u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 7. Aufl. 2018, Art. 14 Rn. 233.

C. Gestaltungsspielraum bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung

313

fehlsamen Abwägung im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG nahe.180 Mithin wirken bestehende Eigentumsrechte und das Vertrauen in diese Eigentumsrechte einer Fortentwicklung des Rechts nicht kategorisch entgegen,181 erschweren jedoch eine vollständige Eigentumsentziehung. Daher ist vorliegend zu prüfen, inwieweit die durch die Regelungen des KVBG betroffenen Eigentümer der Kohlekraftwerke berechtigterweise auf eine auch zukünftig zulässige Kohleverstromung innerhalb der bestehenden Grenzen des BImSchG und des TEHG vertrauen durften. aa) Herleitung des Vertrauensschutzgrundsatzes Der rechtsstaatliche Grundsatz des Vertrauensschutzes hat innerhalb der Eigentumsgarantie eine eigenständige Gestalt.182 Gestützt werden kann der Vertrauensschutzgedanke insbesondere auf die besondere Legitimationskraft, die der eigenen Leistung im Rahmen der Eigentumsgarantie zukommt.183 Dies gilt insbesondere, wenn auf Grundlage berechtigten Vertrauens Investitionen in das Eigentum erfolgt sind und dieses damit durch eigene Leistung erweitert wurde. Müsste der Eigentümer jederzeit mit einer Eigentumsentziehung und damit einer Entwertung der geleisteten Arbeit bzw. des eingesetzten Kapitals184 rechnen, würde Art. 14 GG seiner Funktion beraubt, einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich zu sichern.185 bb) Vertrauenstatbestand Das Vertrauen der Eigentümer muss sich aufgrund von konkreten Rechtspositionen verfestigen können. Denn Art. 14 Abs. 1 GG schützt „grundsätzlich nicht gegen Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen wirtschaftlichen Handelns und deren Auswirkungen auf die Marktchancen“.186 Gleiches gilt für „die bloße Erwartung in den Fortbestand einer günstigen Rechtslage“.187 Es muss mit180 Zur Abwägung des enttäuschten Vertrauens mit den Allgemeinwohlbelangen K.-P. Dolde, NVwZ 1986, S. 873 (876); vgl. BVerfGE 143, 246 (342 Rn. 269); O. Depenheuer/J. Froese, in: H. von Mangoldt/F. Klein/C. Starck u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 7. Aufl. 2018, Art. 14 Rn. 232. 181 C. Kreuter-Kirchhof, Personales Eigentum im Wandel, S. 135; M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, S. 255. 182 Hierzu M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, S. 251; M. Schröder, NVwZ 2013, S. 105 (106); H. D. Jarass, Die Anwendung neuen Umweltrechts auf bestehende Anlagen, S. 85. 183 H. Dederer, in: W. Kahl/C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 118. Akt. Dez. 2017, Art. 14 Rn. 873. 184 K.-P. Dolde, NVwZ 1986, S. 873 (876). 185 Vgl. M. Appel, Entstehungsschwäche und Bestandsstärke des verfassungsrechtlichen Eigentums, S. 254 f. 186 BVerfGE 143, 246 (383 f. Rn. 372); weitergehend K.-A. Schwarz, Vertrauensschutz als Verfassungsprinzip, S. 172 f. 187 M. Schröder, NVwZ 2013, S. 105 (106).

314 3. Kap.: Auswirkungen des sozialen Bezugs bei Eigentum an Kohlekraftwerken

hin ein Anknüpfungspunkt bestehen, um berechtigterweise auf die „Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der unter der Geltung des Grundgesetzes geschaffenen Rechtsordnung und der auf ihrer Grundlage erworbenen Rechte“ vertrauen zu können.188 Hierfür sind die Umstände des Einzelfalls entscheidend,189 aus denen sich ergeben muss, dass „der Gesetzgeber eine Regelung für eine bestimmte Zeit nicht ändern wird“.190 (1) Keine bereits bestehende Übergangsregelung Anders als vor dem Hintergrund der 13. Atomnovelle können sich die Eigentümer der Kohlekraftwerke nicht auf einen Vertrauenstatbestand berufen, der sich aus schon bestehenden Übergangsregelungen191 aufgrund eines bereits gesetzlich angeordneten Ausstiegs aus der Kohleverstromung ergeben würde.192 Insbesondere § 13g EnWG ist lediglich als kurzfristige Maßnahme zur Verminderung von Treibhausgasemissionen durch die Verstromung von Braunkohle anzusehen, die nicht abschließend eine Aussage über einen Ausstieg aus der Kohleverstromung trifft.193 Das Fehlen einer derartigen Übergangsregelung bedeutet dann aber gleichzeitig, dass die Kohleverstromung – innerhalb der durch das BImSchG und das TEHG aufgestellten Grenzen – bislang als legale Tätigkeit angesehen werden konnte, deren Fortbestand grundsätzlich als Grundlage berechtigten Vertrauens in Betracht kommt.194 (2) Immissionsschutzrechtliche Genehmigung Als Vertrauenstatbestand kommt für die Eigentümer der Kohlekraftwerke die unbefristete195 immissionsschutzrechtliche Genehmigung nach § 4 BImSchG in Betracht.196 Sie enthält die staatliche Erlaubnis für den zeitlich nicht begrenzten 188

BVerfGE 143, 246 (383 f. Rn. 372). BVerfGE 143, 246 (383 f. Rn. 372). 190 M. Schröder, NVwZ 2013, S. 105 (106). 191 Hierzu BVerfGE 143, 246 (369 Rn. 336). 192 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Stilllegung von Kohlekraftwerken, S. 8; T. Schomerus/G. Franßen, Klimaschutz und die rechtliche Zulässigkeit der Stilllegung von Braun- und Steinkohlekraftwerken, S. 199 f. 193 T. Schomerus/G. Franßen, Klimaschutz und die rechtliche Zulässigkeit der Stilllegung von Braun- und Steinkohlekraftwerken, S. 200; hierzu auch T. Schomerus, Kohleausstieg nach dem Muster des Atomgesetzes?, in: M. Burgi (Hrsg.), 15. Deutsches Atomrechtssymposium, 2019, S. 49 (54); weitergehend jedoch BT-Drucksache 19/17342, S. 87. 194 Vgl. W. Spieth/N. Hellermann, Energiewende – Kohle zwischen Recht und Politik, in: T. Hebeler u. a. (Hrsg.), Die Zukunft der Energiewende. 32. Trierer Kolloquium zum Umwelt- und Technikrecht vom 28. bis 29. September 2017, 2018, S. 83 (87); anders zum Ausstieg aus der Atomenergie BVerfGE 143, 246 (327 f. Rn. 230). 195 O. Däuper/S. Michaels, EnWZ 2017, S. 211 (213). 196 M. Rodi, EnWZ 2017, S. 195 (200); O. Reidt/U. Karpenstein u. a., Rechtliche Begutachtung einer vorzeitigen Stilllegung von Braunkohlekraftwerken aus Gründen des 189

C. Gestaltungsspielraum bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung

315

Betrieb der Kohlekraftwerke. Mithin folgen aus der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung die konkreten Nutzungsrechte der Kraftwerksinhaber,197 auf deren Fortbestand bei Beachtung der bestehenden Vorgaben des BImSchG grundsätzlich vertraut werden darf. Hierbei ist gleichwohl zu berücksichtigen, dass die immissionsschutzrechtliche Genehmigung Teil eines Regelungsbereichs ist, der etwa in § 17 BImSchG198 durch die Möglichkeit der nachträglichen Anordnung Einschränkungsmöglichkeiten des Anlageneigentums vorsieht. Vertrauensschutz kann daher nur bezüglich nachträglicher Änderungen bestehen, die nicht bereits im dynamischen Grundpflichtensystem der §§ 5 und 21 BImSchG angelegt sind.199 Innerhalb dieses Rahmens muss der Gesetzgeber dann bei der Eigentumsausgestaltung Investitionen berücksichtigen, die im Vertrauen auf den Bestand der unbefristet erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung getätigt wurden.200 Indes stellt sich die Frage, ob die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen auch Vertrauen gegenüber Eigentumsbeschränkungen begründen können, die auf die Vermeidung von Treibhausgasemissionen gerichtet sind. Hierzu wird vorgebracht, dass eine Vertrauensschutzwirkung nur bezogen auf die Rechtsbereiche bestehen kann, die dem Immissionsschutzrecht selbst zuzuordnen sind.201 Auf ausbleibende Änderungen in anderen Rechtsbereichen wie dem Energie- oder Klimaschutzrecht könne hingegen nicht vertraut werden.202 Für das Erfordernis einer separaten Betrachtung der nach dem BImSchG genehmigten Tätigkeiten einerseits und der Erlaubnis zur Emission von Treibhausgasen andererseits spricht maßgeblich, dass für den Betrieb eines Kohlekraftwerks nach § 4 Abs. 1 TEHG in Verbindung mit Anlage 1 Teil 2 Nr. 3 zusätzlich eine Genehmigung zur Emission der Treibhausgase erforderlich ist. Dass diese Genehmigung als unabhängig von der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung anzusehen ist, zeigt sich in § 4 Abs. 4 S. 1 TEHG. Hiernach beinhalten vor dem 1. Januar 2013 immissionsschutzrechtlich genehmigte AnlaKlimaschutzes, S. 82; dagegen P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 120. 197 C. Kreuter-Kirchhof, Rechtliches Gutachten zur Positionierung des Wirtschaftsund Energieministeriums NRW im Hinblick auf die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, S. 64. 198 Hierzu C. Ziehm, ZNER 2017, S. 7 (8); vgl. auch T. Schomerus/G. Franßen, Klimaschutz und die rechtliche Zulässigkeit der Stilllegung von Braun- und Steinkohlekraftwerken, S. 174. 199 D. Couzinet, Die Zulässigkeit von Immissionen im anlagenbezogenen Immissionsschutzrecht, S. 451; M. Schröder, Die Verwaltung 46 (2013), S. 183 (212). 200 Vgl. BVerfGE 143, 246 (343 Rn. 270, 383 f. Rn. 372). 201 S. Klinski, ER 2019, S. 104 (107); vgl. M. Rebentisch, Kritisches zum propagierten Kohleausstieg aus rechtlicher Sicht, in: P. Rosin/A. Uhle, Recht und Energie. Liber amicorum für Ulrich Büdenbender zum 70. Geburtstag, 2018, S. 273 (280). 202 S. Klinski, ER 2019, S. 104 (107).

316 3. Kap.: Auswirkungen des sozialen Bezugs bei Eigentum an Kohlekraftwerken

gen auch die Genehmigung zur Emission der Treibhausgase nach § 4 Abs. 1 TEHG. Einer derartigen Anordnung hätte es nicht bedurft, wenn die Befugnis zur Emission von Treibhausgasen bei der Eigentumsnutzung grundsätzlich durch die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vermittelt werden würde. § 5 Abs. 2 S. 1 BImSchG beinhaltet zudem nicht die Aussage, dass für immissionsschutzrechtlich genehmigte Anlagen – außer im Falle durch Treibhausgasemissionen verursachter schädlicher Umwelteinwirkungen im Einwirkungsbereich der Anlage – grundsätzlich keine Nutzungsbeschränkungen für die Emission von Treibhausgasen erfolgen können. Insbesondere bezieht sich § 5 Abs. 2 S. 1 BImSchG auch nicht auf den Leistungsbetrieb der Kohlekraftwerke insgesamt.203 Vielmehr wird klargestellt, dass die Regulierung der Treibhausgasemissionen maßgeblich durch den europäischen Emissionszertifikatehandel erfolgen soll. So hat auch das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass „der Gesetzgeber bei regelnden Eingriffen in die Emissionsbefugnis ohnehin nicht an die Vorgaben des Bundesimmissionsschutzgesetzes für den Widerruf immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen gebunden ist“.204 Nach Einführung des europäischen Emissionszertifikatehandels einschließlich des § 4 Abs. 1 TEHG konnten die Genehmigungen nach dem BImSchG für Kohlekraftwerke damit kein Vertrauen darauf begründen, dass der Betrieb der Kraftwerke nicht durch Vorschriften beschränkt wird, die auf die Verminderung von Treibhausgasen gerichtet sind.205 Ebenso kann berechtigtes Vertrauen auf die zukünftige Befugnis zur Emission von Treibhausgasen auch nicht auf Braunkohlepläne und Rahmenbetriebsplanzulassungen206 gestützt werden. (3) Genehmigung aus § 4 Abs. 1 TEHG Indes kommt eine bereits erteilte Genehmigung für die Emission von Treibhausgasen bei dem Betrieb von Kohlekraftwerken nach § 4 Abs. 1 TEHG in Verbindung mit Anlage 1 Teil 2 Nr. 3 in Betracht, um Vertrauen gegenüber emissionsbeschränkenden Maßnahmen zu begründen. Gleiches gilt gemäß § 4 Abs. 4 S. 1 TEHG für immissionsschutzrechtliche Genehmigungen, die vor dem 1. Januar 2013 erteilt wurden.

203 T. Schomerus/G. Franßen, Klimaschutz und die rechtliche Zulässigkeit der Stilllegung von Braun- und Steinkohlekraftwerken, S. 176. 204 BVerwGE 124, 47 (63). 205 Vgl. C. Franzius, NVwZ 2018, S. 1585 (1589); siehe auch T. Schomerus/G. Franßen, Klimaschutz und die rechtliche Zulässigkeit der Stilllegung von Braun- und Steinkohlekraftwerken, S. 172 f. 206 Hierzu O. Reidt/U. Karpenstein u. a., Rechtliche Begutachtung einer vorzeitigen Stilllegung von Braunkohlekraftwerken aus Gründen des Klimaschutzes, S. 82 ff. und T. Schomerus/G. Franßen, Klimaschutz und die rechtliche Zulässigkeit der Stilllegung von Braun- und Steinkohlekraftwerken, S. 265 ff.; eingehend P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 121 ff.

C. Gestaltungsspielraum bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung

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Durch den europäischen Emissionshandel wurde kein Enddatum für den Betrieb von Kohlekraftwerken festgelegt.207 Gleichwohl bezweckt der Emissionszertifikatehandel langfristig eine Verminderung der Treibhausgasemissionen durch eine Erhöhung des Preises der Emissionszertifikate.208 Diese langfristig angestrebte Verteuerung der für die Befugnis zur Treibhausgasemission maßgeblichen Berechtigungen (vgl. § 7 Abs. 1 TEHG) beinhaltet indes gleichzeitig die Aussage, dass innerhalb der jeweiligen Handelsperioden die Befugnis zur Treibhausgasemission bestehen bleibt.209 Mithin konnten die Inhaber der Kohlekraftwerke bislang darauf vertrauen, dass es ihnen entsprechend ihrer Genehmigung nach § 4 Abs. 1 TEHG erlaubt bleibt, „in dem Umfang Treibhausgase zu emittieren, in dem sie Emissionsberechtigungen abgeben“.210 Dies gilt insbesondere soweit die zukünftigen Handelsperioden bereits festgelegt sind, wie es bei der vierten Handelsperiode von 2021 bis 2030 der Fall ist.211 Auch wenn in Erwägungsgrund 23 der Emissionshandelsrichtlinie auf die Verminderung von Treibhausgasen gerichtete ordnungsrechtliche Maßnahmen der Mitgliedstaaten angesprochen werden,212 konnten die Eigentümer der Kohlekraftwerke grundsätzlich auf den Bestand der bestehenden, die Emissionsbefugnis beinhaltenden Rechtslage vertrauen.213 (4) Beschränkung des Vertrauens Indes sind für den Umfang des im Einzelfall zu ermittelnden berechtigten Vertrauens auf den Bestand des Eigentums auch die verstärkten gesellschaftlichen Diskussionen über einen möglichen Kohleausstieg einzubeziehen. Als spätester Zeitpunkt, ab dem mit einem Kohleausstieg gerechnet werden musste und damit

207 C. Kreuter-Kirchhof, Rechtliches Gutachten zur Positionierung des Wirtschaftsund Energieministeriums NRW im Hinblick auf die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, S. 64. 208 C. Kreuter-Kirchhof, Rechtliches Gutachten zur Positionierung des Wirtschaftsund Energieministeriums NRW im Hinblick auf die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, S. 64. 209 Vgl. C. Kreuter-Kirchhof, Rechtliches Gutachten zur Positionierung des Wirtschafts- und Energieministeriums NRW im Hinblick auf die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, S. 65. 210 C. Kreuter-Kirchhof, Rechtliches Gutachten zur Positionierung des Wirtschaftsund Energieministeriums NRW im Hinblick auf die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, S. 69. 211 Vgl. C. Kreuter-Kirchhof, Rechtliches Gutachten zur Positionierung des Wirtschafts- und Energieministeriums NRW im Hinblick auf die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, S. 81; dagegen P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 124. 212 S. Klinski, ER 2019, S. 104 (109). 213 Vgl. T. Schomerus/G. Franßen, Klimaschutz und die rechtliche Zulässigkeit der Stilllegung von Braun- und Steinkohlekraftwerken, S. 201 mit Bezugnahme auf allgemeines Vertrauen.

318 3. Kap.: Auswirkungen des sozialen Bezugs bei Eigentum an Kohlekraftwerken

kein berechtigtes Vertrauen mehr vorliegen konnte, ist das Einbringen eines entsprechenden Gesetzes in den Bundestag anzusehen.214 Aber auch schon vor der parlamentarischen Einleitung des gesetzlich angeordneten Ausstiegs aus der Kohleverstromung durch das KVBG am 24.2.2020215 konnten sich Handlungen insbesondere der Bundesregierung vertrauensvermindernd auswirken. So hat das BMU im Klimaschutzplan 2050 eine schrittweise Verringerung der Kohleverstromung in Aussicht gestellt, auch wenn gleichzeitig die moderneren Kohlekraftwerke als „Übergangstechnologie“ bezeichnet wurden.216 Weiterhin ist bestehendes berechtigtes Vertrauen durch Einberufung der sog. Kohlekommission abgeschwächt worden, denn spätestens mit diesem Handeln hat sich der politische Wille für einen frühzeitigen Ausstieg aus der Kohleverstromung offenbart. Zudem hat die Bundesregierung schon im Jahr 2010 anspruchsvolle Treibhausgasreduktionsziele formuliert,217 die bei einer Fortführung des damaligen Energiemixes nicht hätten erreicht werden können. Soweit die Investitionen in den Weiterbetrieb der Kohlekraftwerke zu diesem Zeitpunkt noch nicht getroffen worden waren,218 hat sich damit spätestens seit dem Jahr 2010 das berechtigte Vertrauen auf die auch zukünftige Ausnutzung der Emissionsbefugnis von Kohlekraftwerken verringert.219 Überdies mussten auch die schon vor dem Jahr 2010 formulierten staatlichen – wenn auch unverbindlichen – Klimaschutzziele bereits als Absichtserklärung für eine zukünftig treibhausgasneutrale und damit zwingend ohne Kohlestrom erfolgende Energieversorgung verstanden werden.220 Damit ist der Kohlekraftwerksbetrieb aufgrund der klimaschädlichen Treibhausgasemissionen als entwicklungsoffener Sachbereich anzusehen, bei dem das Vertrauen auf den weiteren Betrieb jedenfalls nicht über den Zeitpunkt der Amortisierung hinaus reichen kann.221 Dies folgt auch daraus, dass der klima-

214 O. Reidt/U. Karpenstein u. a., Rechtliche Begutachtung einer vorzeitigen Stilllegung von Braunkohlekraftwerken aus Gründen des Klimaschutzes, S. 84. 215 BT-Drucksache 19/17342. 216 BMU, Klimaschutzplan 2050, S. 35; kritisch F. Ekardt/F. Valentin, Das neue Energierecht, S. 137; T. Schomerus, Kohleausstieg nach dem Muster des Atomgesetzes?, in: M. Burgi (Hrsg.), 15. Deutsches Atomrechtssymposium, 2019, S. 49 (50). 217 BMWi, Energiekonzept für eine umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung, S. 5; BT-Drucksache 19/17342, S. 87. 218 Vgl. O. Reidt/U. Karpenstein u. a., Rechtliche Begutachtung einer vorzeitigen Stilllegung von Braunkohlekraftwerken aus Gründen des Klimaschutzes, S. 88. 219 T. Schomerus/G. Franßen, Klimaschutz und die rechtliche Zulässigkeit der Stilllegung von Braun- und Steinkohlekraftwerken, S. 21 f. und 201 ff.; vgl. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Stilllegung von Kohlekraftwerken, S. 8. 220 Hierzu B. Kreße, N&R 2021, S. 66 (72). 221 Vgl. C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 389; eine Garantie der Erfüllung aller Investitionserwartungen besteht ohnehin nicht, BVerfGE 143, 246 (383 Rn. 372).

C. Gestaltungsspielraum bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung

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schädliche Gebrauch der Kohlekraftwerke den Eigentümern zugerechnet werden kann222 und diese angesichts des ausgelösten sozialen Bezugs auch eine intensivere Regulierung ihres Handelns in Betracht ziehen mussten.223 cc) Wirkkraft des Vertrauensschutzes Eine Garantie für die im Zusammenhang mit einer Investition stehenden wirtschaftlichen Erwartungen folgt aus der Eigentumsgarantie nicht.224 Schließlich würde eine vom inhalts- und schrankenbestimmenden Gesetzgeber zu gewährleistende Garantie der mit der Investition einhergehenden wirtschaftlichen Erwartungen einen absoluten225 Geltungsanspruch der Eigentümerinteressen darstellen. Ein derartiger, abwägungsfester Belang würde hingegen nicht dem abwägenden und ausgleichenden Prozess der Eigentumsausgestaltung zwischen Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG und Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG entsprechen. Vielmehr verstärkt berechtigtes Vertrauen der Eigentümer, das sich in Gestalt von Investitionen realisiert hat,226 die Wirkkraft der Eigentümerinteressen innerhalb der Abwägung.227 Gleichwohl können die Eigentümerinteressen in dieser Abwägung durch Allgemeinwohlbelange überwogen werden. Hierbei relativiert sich – ebenso wie die Eigentümerinteressen insgesamt – das Gewicht des Vertrauensschutzes bei entsprechender Ausprägung des sozialen Bezugs durch die Vorgabe der Sozialbindung des Eigentums aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG.228 So darf der Gesetzgeber im Rahmen der Eigentumsausgestaltung nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG nicht nur der durch den Vertrauensschutz verstärkten Abwehreigenschaft der Eigentumsgarantie Rechnung tragen, sondern muss auch die Interessen der Allgemeinheit berücksichtigen. Mit entsprechender Ausprägung des sozialen Bezugs als Kennzeichnung dieser Interessen der Allgemeinheit relativiert sich dann der Geltungsanspruch des Vertrauensschutzes.

222

Hierzu s. o. S. 276 ff. Zur Beschränkung des Vertrauensschutzes durch die Sozialbindung M. Schröder, NVwZ 2013, S. 105 (110); vgl. C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 389; konkret zum Kohleausstieg B. Kreße, N&R 2021, S. 66 (72). 224 BVerfGE 143, 246 (383 Rn. 372); C. Ziehm, ZNER 2017, S. 7 (9); C. Franzius, NVwZ 2018, S. 1585 (1586). 225 Hiergegen auch H. Dederer, in: W. Kahl/C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 118. Akt. Dez. 2017, Art. 14 Rn. 867. 226 Vgl. O. Depenheuer/J. Froese, in: H. von Mangoldt/F. Klein/C. Starck u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 7. Aufl. 2018, Art. 14 Rn. 233; C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 390; M. Schröder, NVwZ 2013, S. 105 (106). 227 Vgl. H. Dederer, in: W. Kahl/C. Waldhoff/C. Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 118. Akt. Dez. 2017, Art. 14 Rn. 864; vgl. C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, S. 390. 228 K. F. Gärditz, ZUR 2018, S. 663 (670). 223

320 3. Kap.: Auswirkungen des sozialen Bezugs bei Eigentum an Kohlekraftwerken

Letztlich wäre es auch vor dem Hintergrund des Demokratieprinzips unzulässig, „Vertrauensschutz unbegrenzt bzw. überdosiert zu gewährleisten“,229 da hierdurch demokratische Entscheidungen für die Zukunft ausgeschlossen würden.230 2. Gegenüberstehender Allgemeinwohlbelang: Klimaschutz Neben der hohen Eingriffsintensität der Eigentumsbeschränkungen sowie dem schützenswerten Vertrauen der Eigentümer sind gleichzeitig im Rahmen der Abwägung die Allgemeinwohlbelange und deren Gewicht zu berücksichtigen. Der nach den §§ 27 ff. KVBG (Steinkohle) und § 40 Abs. 1 KVBG (Braunkohle) gesetzlich vorgesehene Kohleausstieg ist primär auf die Verringerung von Treibhausgasemissionen gerichtet und erfolgt damit aus Gründen des Klimaschutzes. Bei der Bestimmung des Gewichts, das dem angestrebten Klimaschutz im Rahmen der Abwägung zukommt, ist zwischen der verfassungsrechtlichen Verankerung der betroffenen Allgemeinwohlbelange und ihrer möglichen Realisierung durch die im Kohleverstromungsbeendigungsgesetz enthaltenen Maßnahmen zu differenzieren. Wie bereits zur Begründung des sozialen Bezugs der Kohlekraftwerke und des legitimen Zwecks der eigentumsbeschränkenden Maßnahmen dargelegt, lassen sich die vorliegend maßgeblichen Allgemeinwohlbelange auf Art. 20a GG, Art. 191 AEUV sowie die Wahrung der von Art. 2 Abs. 2 S. 1 und Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützten Rechtsgüter stützen. Insoweit wird bedeutenden Verfassungswerten und -aufträgen entsprochen, wenn ein Ausstieg aus der Kohleverstromung gesetzlich veranlasst wird. Weiterhin entscheidend für das innerhalb der Abwägung zu berücksichtigende Gewicht der Belange anhand ihrer möglichen Realisierung ist dann, dass die deutschen Kohlekraftwerke im Jahr 2019 158 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen haben.231 Soweit weltweit ca. 37 Milliarden Tonnen CO2 emittiert werden,232 liegt der Anteil der von den Kohlekraftwerken innerhalb des deutschen Hoheitsgebiets verursachten Treibhausgase am weltweiten CO2-Ausstoß bei ca. 0,42 %. Gleichzeitig stellen die aus Kohlekraftwerken resultierenden Emissionen ca. 19 % der gesamten, aus der Bundesrepublik Deutschland emittierten 811 Millionen Tonnen CO2 dar. Auch wenn diese Emissionen bei einem schrittweise erfolgenden Ausstieg aus der Kohleverstromung bis zum Jahr 2038233 – etwa aufgrund eines Austausches durch nicht vollständig klimaneutrale erneuerbare Energien – 229 230 231

K. F. Gärditz, ZUR 2018, S. 663 (670). So auch BVerfG ZUR 2020, S. 683 (686 f.). Agora Energiewende, Die Energiewende im Stromsektor: Stand der Dinge 2019,

S. 27. 232 233

P. Friedlingstein u. a., Earth System Science Data, 11, 2019, S. 1783 ff. § 2 Abs. 2 Nr. 3 KVBG.

C. Gestaltungsspielraum bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung

321

nicht ersatzlos234 wegfallen werden, bieten die Kohlekraftwerke einen entscheidenden Ansatzpunkt, um auf nationaler Ebene klimaschützende Maßnahmen zu ergreifen.235 Weiterhin ist auch das aufgezeigte Einsparungspotenzial von ca. 0,42 % nicht als derart geringen Anteil an der weltweiten Emission von Kohlenstoffdioxid anzusehen, dass die Wirksamkeit der klimaschützenden Maßnahmen in Frage gestellt werden müsste.236 Im Hinblick auf die Klimaschutzwirksamkeit ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass mit dem europäischen Emissionshandel bereits ein Instrument zur Verminderung der Treibhausgase für die Kohlekraftwerke besteht. Daher können für die Klimaschutzwirksamkeit des gesetzlich verordneten Kohleausstiegs nur diejenigen Treibhausgaseinsparungen berücksichtigt werden, die über die prognostizierte zukünftige Wirksamkeit des Zertifikatehandels hinausgehen. Insoweit verringert sich die Durchsetzungsstärke des Abwägungsbelanges des Klimaschutzes.237 Letztlich verdeutlicht sich das Gewicht des Klimaschutzes auch durch den Wahrscheinlichkeitsgrad, mit dem die von Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG und Art. 20a GG geschützten Rechtsgüter Gefahren und Risiken ausgesetzt sind und sein werden. So entspricht ein gesetzlich angeordneter Kohleausstieg jedenfalls dem umweltrechtlichen Vorsorgeprinzip,238 wonach „Umweltgefahren und Umweltschäden so weit wie möglich vermieden werden“ 239 müssen und dies auch schon unterhalb der Gefahrenschwelle.240 Der Einordnung des Klimaschutzes als dem umweltrechtlichen Vorsorgeprinzip entsprechend lässt sich jedoch keine Aussage über eine vermeintlich geringe Wahrscheinlichkeit der Gefährdung der genannten Schutzgüter entnehmen. Zwar kann angesichts der mittelbaren Auswirkungen der Treibhausgasemissionen etwa auf die Erwärmung der 234 Zum Ersatz im Gasbereich T. Schomerus/G. Franßen, Klimaschutz und die rechtliche Zulässigkeit der Stilllegung von Braun- und Steinkohlekraftwerken, S. 147. 235 T. Schomerus/G. Franßen, Klimaschutz und die rechtliche Zulässigkeit der Stilllegung von Braun- und Steinkohlekraftwerken, S. 120. 236 Vgl. aber O. Reidt/U. Karpenstein u.a., Rechtliche Begutachtung einer vorzeitigen Stilllegung von Braunkohlekraftwerken aus Gründen des Klimaschutzes, S. 77: „[. . .] würde sich die von vorzeitigen Stilllegungen ausgehende Reduktionswirkung daher im kaum noch messbaren Bereich bewegen.“ 237 W. Spieth/N. Hellermann, Energiewende – Kohle zwischen Recht und Politik, in: T. Hebeler u. a. (Hrsg.), Die Zukunft der Energiewende. 32. Trierer Kolloquium zum Umwelt- und Technikrecht vom 28. bis 29. September 2017, 2018, S. 83 (91). 238 F. Ekardt, Theorie der Nachhaltigkeit, 3. Aufl. 2021, S. 408; G. Winter, ZUR 2019, S. 259 (263); T. Groß, ZUR 2009, S. 364 (367); vgl. C. Calliess, ZUR 2019, S. 385 (386). 239 S. Schlacke, Umweltrecht, 7. Aufl. 2019, § 3 Rn. 3; vgl. zum Vorsorgeprinzip auch A. Voßkuhle, NVwZ 2013, S. 1 (7); hierzu auch P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 41. 240 Vgl. U. Ramsauer, Allgemeines Umweltverwaltungsrecht, in: H.-J. Koch, Umweltrecht, 4. Aufl. 2014, § 3 Rn. 31.

322 3. Kap.: Auswirkungen des sozialen Bezugs bei Eigentum an Kohlekraftwerken

Ozeane und die Förderung von Extremwetterlagen nicht von Gefahrenabwehr im klassischen Sinne gesprochen werden, wenn gegenwärtig erfolgende Treibhausgasemissionen beschränkt werden.241 Insbesondere entfaltet Kohlenstoffdioxid seine maximale, auf die Erderwärmung gerichtete Wirkung erst mit zeitlichem Abstand,242 sodass bei aktuellen Treibhausgasemissionen der Kohlekraftwerke kein Sachverhalt vorliegt, der bei ungehindertem Ablauf mit hinreichender Wahrscheinlichkeit unmittelbar zu einer Schädigung schützenswerter Rechtsgüter führt. Jedoch verdeutlichen u. a. die Prognosen des IPCC, dass bei fortlaufenden ungehinderten Treibhausgasemissionen in jetzigem Ausmaß eine hohe Wahrscheinlichkeit der Intensivierung und Realisierung der aus dem Klimawandel drohenden Gefahren für Menschen und Umwelt besteht.243 Insoweit beinhaltet ein staatliches Vorgehen gegen einen bedeutenden Anteil der innerhalb der Bundesrepublik Deutschland erfolgenden Treibhausgasemissionen auch Elemente der Gefahrenabwehr im weiteren Sinne.244 Mithin eröffnet ein gesetzlich angeordneter Ausstieg aus der Kohleverstromung die Möglichkeit, einen insbesondere aus nationaler Perspektive substantiellen Beitrag zum durch Art. 20a GG sowie Art. 191 AEUV geforderten und für den Schutz der Rechtsgüter der Art. 2 Abs. 2 S. 1 und Art. 14 GG erforderlichen Klimaschutz zu leisten. Folglich steht den Eigentümerinteressen ein hochwertiger Allgemeinwohlbelang gegenüber. Dieser mit den Eigentümerinteressen abzuwägende Allgemeinwohlbelang in Gestalt des Klimaschutzes könnte jedoch dadurch relativiert werden, dass ein gesetzlich angeordneter Kohleausstieg zulasten der Versorgungssicherheit wirkt. Wie bereits aufgezeigt wurde, ist die Gewährleistung der Versorgungssicherheit von überragender Bedeutung für die Grundrechtsträger, sodass ihr Verfassungsrang zukommt.245 Ebenso wie der soziale Bezug zwar sowohl durch die Klimaschädlichkeit als auch durch die Versorgereigenschaft des Eigentums an den 241 Vgl. U. Ramsauer, Allgemeines Umweltverwaltungsrecht, in: H.-J. Koch, Umweltrecht, 4. Aufl. 2014, § 3 Rn. 29. 242 J. Saurer, ZUR 2018, S. 679 (681). 243 IPCC, 1,5 ëC Globale Erwärmung, S. 11 ff.; T. Schomerus, Kohleausstieg nach dem Muster des Atomgesetzes?, in: M. Burgi (Hrsg.), 15. Deutsches Atomrechtssymposium, 2019, S. 49 (52). 244 Hierzu S. Schlacke, Diskussionsbeitrag, in: M. Burgi (Hrsg.), 15. Deutsches Atomrechtssymposium, 2019, S. 118 (119); vgl. T. Winkler, Klimaschutzrecht, S. 85; in diese Richtung auch F. Ekardt, NuR 2012, S. 813 (816); ders., ZUR 2015, S. 579 (587); kritisch M. Rebentisch, Kritisches zum propagierten Kohleausstieg aus rechtlicher Sicht, in: P. Rosin/A. Uhle, Recht und Energie. Liber amicorum für Ulrich Büdenbender zum 70. Geburtstag, 2018, S. 273 (280); vgl. C. Fischer, Grundlagen und Grundstrukturen eines Klimawandelanpassungsrechts, S. 74 f. 245 S. Altenschmidt, NVwZ 2015, S. 559 (561); C. Degenhart, DVBl. 2013, S. 207 (209); T. Schomerus/G. Franßen, Klimaschutz und die rechtliche Zulässigkeit der Stilllegung von Braun- und Steinkohlekraftwerken, S. 164; P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 52 ff.

C. Gestaltungsspielraum bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung

323

Kohlekraftwerken ausgelöst wird, können nicht beide Eigenschaften gleichzeitig eine Erweiterung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums zulasten der Eigentümer legitimieren. Vielmehr kann sich der Geltungsanspruch des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG angesichts von kollidierenden Gemeinwohlinteressen relativieren.246 Zur Erhaltung der hohen Wirkkraft des mit dem Kohleausstieg bezweckten Klimaschutzes gegenüber den Eigentümerinteressen muss der Gesetzgeber daher sicherstellen, dass trotz Stilllegung der Kohlekraftwerke die Versorgungssicherheit innerhalb der Bundesrepublik Deutschland nicht gefährdet wird. Darüber hinaus sind zusammen mit einer Befristung der Kohleverstromung auch die „wirtschafts- und sozialpolitischen Auswirkungen“ 247 eines Kohleausstiegs abzufedern, um nicht die hohe Wertigkeit der durch die Klimawirksamkeit gestützten Allgemeinwohlbelange abzuschwächen. Entsprechend ermöglichen die im Kohleverstromungsbeendigungsgesetz vorgesehenen Eingriffsmaßnahmen auch zur Wahrung der Versorgungssicherheit eine Reduzierung der Kohleverstromung „in möglichst kleinen Schritten“.248 Darüber hinaus sieht § 34 Abs. 3 S. 1 i.V. m. § 35 Abs. 2 S. 1 KVBG die Möglichkeit vor, dass die jeweiligen Reduzierungsanordnungen bei Steinkohlekraftwerken „aus Gründen der Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungsystems“ ausgesetzt werden können. Die Verfahrensvorgaben des § 37 KVBG tragen ferner zur Gewährleistung der Netzsicherheit bei. Auch die Regelung zur Beendigung der Braunkohleverstromung in § 40 Abs. 1 KVBG i.V. m. Anlage 2 sieht für ausgewählte Kraftwerke eine Überführung in die zeitlich gestreckte Stilllegung vor.249 Insoweit stehen die klimaschützenden Eigentumsbeschränkungen des KVBG unter einem Versorgungssicherheits-Vorbehalt. Obgleich hierdurch – bedingt durch ggf. längere Laufzeiten der Kohlekraftwerke – wiederum die Klimawirksamkeit der Eigentumsbeschränkungen abgeschwächt werden kann, relativiert die auch auf die Erhaltung der Versorgungssicherheit gerichtete Konzeption des KVBG damit nicht die grundsätzliche Wirkkraft der vorliegenden Allgemeinwohlbelange. 3. Zulässiges Abwägungsergebnis: Amortisationsbedingte Ausgleichsregelungen Nachdem das durch einen gesetzlichen Kohleausstieg resultierende Ausmaß der Beeinträchtigung der Eigentümerinteressen sowie die Realisierungsmöglich246

S. o. S. 275. T. Schomerus/G. Franßen, Klimaschutz und die rechtliche Zulässigkeit der Stilllegung von Braun- und Steinkohlekraftwerken, S. 210; T. Schomerus, Kohleausstieg nach dem Muster des Atomgesetzes?, in: M. Burgi (Hrsg.), 15. Deutsches Atomrechtssymposium, 2019, S. 49 (53). 248 BT-Drucksache 19/17342, S. 104. 249 Vgl. auch die temporäre Einschränkung der endgültigen Stilllegungen nach § 50a Abs. 4 S. 1 EnWG. 247

324 3. Kap.: Auswirkungen des sozialen Bezugs bei Eigentum an Kohlekraftwerken

keit des Klimaschutzes durch den Kohleausstieg gegenübergestellt wurden, kann nunmehr die Bandbreite der für den Gesetzgeber zulässigen Abwägungsergebnisse aufgezeigt werden. In diesem Zusammenhang ist nochmals zu erwähnen, dass die aufgezeigte starke Ausprägung des sozialen Bezugs sowie die geringe Ausprägung des personalen Bezugs diese Bandbreite zulässiger Abwägungsergebnisse gegenüber den auf abstrakter Ebene gleichrangigen Eigentümerinteressen und Allgemeinwohlbelangen vergrößert. So ist dem Gesetzgeber gegenüber der auf abstrakter Ebene bestehenden Gleichrangigkeit zwischen Eigentümerinteressen und Allgemeinwohlbelangen eine intensivere Regulierung der Eigentumsrechte gestattet. Trotz dieser Erweiterung des Gestaltungsspielraums muss im Folgenden jedoch insbesondere betrachtet werden, ob die aufgezeigte erhebliche Eingriffsintensität der gesetzlichen Beendigung der Kohleverstromung eine Ausgleichsregelung zugunsten der Eigentümerinteressen erfordert. Die stark ausgeprägte Eingriffsintensität von § 35 KVBG und § 40 Abs. 1 KVBG führt nicht zwingend zu einem offensichtlich fehlsamen Abwägungsergebnis. Der aufgrund des ausgeprägten sozialen Bezugs erweiterte Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers beinhaltet grundsätzlich die Möglichkeit, auch in weitreichendem Umfang in die Eigentümerinteressen einzugreifen. Mithin sind Eigentümer bei der Umgestaltung von Rechtslagen nicht vor jeder Belastung zu verschonen,250 auch die „völlige Beseitigung bisher bestehender, durch die Eigentumsgarantie geschützter Rechtspositionen“ 251 ist denkbar. Voraussetzung für eine nicht offensichtlich fehlsame Abwägung ist dann, dass das Ausmaß der Verwirklichung der gegenüberstehenden Allgemeinwohlbelange die Beeinträchtigung der Eigentümerinteressen aufzuwiegen vermag. Der intensiven Wirkung der Aufhebung der zukünftigen Nutzung des Eigentums an den Kohlekraftwerken steht der aufgezeigte gewichtige Allgemeinwohlbelang des Klimaschutzes gegenüber. Anhand der durch den gesetzlich angeordneten Kohleausstieg voraussichtlich eingesparten Treibhausgasmengen wird der Allgemeinwohlbelang des Klimaschutzes auch in erheblichem Ausmaß realisiert. Dem steht auch nicht entgegen, dass angesichts der sicherzustellenden Versorgungssicherheit und mangels ausreichender klimaneutraler Alternativen die durch einen Kohleausstieg eingesparten Treibhausgase nicht vollumfängliche Klimawirksamkeit entfalten werden. a) Entwertung der bestehenden Ertragsfunktion des Eigentums für die Zukunft Bezogen auf die Eigentümerinteressen, die sich in der zukünftigen Ertragsfunktion des Eigentums an den Kohlekraftwerken konkretisieren, liegt daher 250 251

BVerfGE 143, 246 (383 f. Rn. 372). BVerfGE 143, 246 (342 Rn. 269); s. o. S. 310.

C. Gestaltungsspielraum bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung

325

trotz hoher Eingriffsintensität der §§ 27 ff. KVBG und des – nunmehr durch öffentlich-rechtlichen Vertrag vom 10.2.2021 einvernehmlich gegen Entschädigungszahlung nachgezeichneten 252 – § 40 Abs. 1 KVBG keine offensichtlich fehlsame Abwägung vor.253 Die den Eigentümerinteressen gegenüberstehenden Allgemeinwohlbelange werden durch die Einsparung einer erheblichen Menge von Treibhausgasen so stark verwirklicht, dass auch die Aufhebung der Ertragsfunktion und damit ein hohes Maß der Nichterfüllung254 der Eigentümerinteressen innerhalb des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers liegt. Entsprechend des geringen Schutzniveaus der Eigentümerinteressen, das durch den nur anteilig ausgeprägten personalen und den stark ausgeprägten sozialen Bezug aufgezeigt wurde, müssen diese im Rahmen des Ausgleichs nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG hinter den Allgemeinwohlbelangen zurückstehen. Dies gilt selbst dann, wenn dem Gesetzgeber im Rahmen des Zugriffs auf das bestehende Eigentum an den Atomkraftwerken durch die 13. Atomrechtsnovelle angesichts der Sonderstellung dieses Rechtsgebiets255 ein größerer Gestaltungsspielraum zustand. So eröffnet der festgestellte intensive soziale Bezug des Eigentums an den Kohlekraftwerken ebenfalls weitreichende Zugriffsmöglichkeiten auf das Bestandseigentum, die die zukünftige Entwertung der Ertragsfunktion der Kohlekraftwerke legitimieren.256 b) Vertrauen auf die Amortisierung von Investitionen Soweit bei dem vom vorzeitigen Kohleausstieg betroffenen Eigentum an den Kohlekraftwerken jedoch noch berechtigtes Vertrauen in die Amortisierung getätigter Investitionen aussteht, muss der Gesetzgeber eine Ausgleichsregelung257 vorsehen, um kein offensichtlich fehlsames Abwägungsergebnis zu erzielen. Zwar konnte aufgezeigt werden, dass das Vertrauen in den Fortbestand der Berechtigung zur Kohleverstromung einschließlich der Emission erheblicher Mengen von Treibhausgasen eingeschränkt ist.258 Diese Einschränkung folgt auch daraus, dass der durch die Treibhausgasemissionen ausgelöste soziale Bezug den

252

BT-Drucksache 19/25494, S. 1 ff. Vgl. T. Schomerus, Kohleausstieg nach dem Muster des Atomgesetzes?, in: M. Burgi (Hrsg.), 15. Deutsches Atomrechtssymposium, 2019, S. 49 (63). 254 Vgl. hierzu R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 146. 255 BVerfGE 143, 246 (351 Rn. 298). 256 Vgl. T. Schomerus, Kohleausstieg nach dem Muster des Atomgesetzes?, in: M. Burgi (Hrsg.), 15. Deutsches Atomrechtssymposium, 2019, S. 49 (63); dagegen U. Karpenstein, Das Atomausstiegsurteil des Bundesverfassungsgerichts als Blaupause für weitere Verbotsgesetze?, in: M. Burgi (Hrsg.), 15. Deutsches Atomrechtssymposium, 2019, S. 73 (87). 257 Hierzu BVerfGE 143, 246 (338 Rn. 259). 258 S. o. S. 317 ff. und T. Schomerus, Kohleausstieg nach dem Muster des Atomgesetzes?, in: M. Burgi (Hrsg.), 15. Deutsches Atomrechtssymposium, 2019, S. 49 (65); vgl. M. Fehling/P. Overkamp, ZJS 2017, S. 486 (494). 253

326 3. Kap.: Auswirkungen des sozialen Bezugs bei Eigentum an Kohlekraftwerken

Eigentümern im Rahmen einer wertenden Betrachtung zugerechnet werden kann,259 da die Treibhausgasemissionen zwangsläufige Folge der beabsichtigten Kohleverstromung sind. Folglich mussten die Eigentümer der Kohlekraftwerke eine Neubewertung der durch ihren Eigentumsgebrauch ausgelösten Interessenkollision260 jedenfalls für möglich erachten. Dies gilt insbesondere für Regulierungsmaßnahmen wie das KVBG, die lediglich zukünftig das umweltschädigende Handeln ausschließen und nicht entsprechend des umweltrechtlichen Verursacherprinzips261 die Eigentümer der Kohlekraftwerke für die Beseitigung von Klimaschäden heranziehen. Jedoch muss auch eingeschränktes bzw. in geringerem Maße schutzwürdiges Vertrauen der Eigentümer im Rahmen der Eigentumsausgestaltung nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG berücksichtigt werden.262 So verstärkt die Enttäuschung des berechtigten Vertrauens in die Amortisierung von Investitionen in die Kohlekraftwerke – entsprechend des jeweiligen Amortisationsdefizits – dann nochmals die Eingriffsintensität eines gesetzlich angeordneten Kohleausstiegs. Insbesondere offenbart sich hier eine rückwirkende Dimension des Ausstiegs aus der Kohleverstromung,263 da die schutzwürdigen Investitionsentscheidungen in der Vergangenheit liegen. Diese bereits erfolgten und noch nicht amortisierten Investitionen stellen keine abgeschlossenen Sachverhalte dar, sodass entsprechend der Grundsätze zur unechten Rückwirkung auch insoweit eine zulässige Beeinträchtigung der Eigentümerinteressen nicht ausgeschlossen ist.264 Eine gesetzliche Anordnung des sofortigen Ausstiegs aus der Kohleverstromung ohne Ausgleichsregelung hätte dann das berechtigte Vertrauen der Inhaber der Kraftwerke in die Amortisierung noch ausstehender Investitionen missachtet.265 Denn von einer anzustrebenden angemessenen Berücksichtigung des Vertrauens der Eigentümer266 kann nicht gesprochen werden, wenn ein nicht unbeachtlicher Teil der noch nicht amortisierten Investitionen entwertet wird. Diese Überlegung wird auch darauf gestützt, dass die Investitionen als Eigenleistung erfolgen und daher trotz des Bestehens des sozialen Bezugs der Kohlekraftwerke als besonders schutzwürdig anzusehen sind.267

259

Vgl. BVerfGE 143, 246 (339 Rn. 261). S. o. S. 276 f. 261 S. Schlacke, Umweltrecht, 7. Aufl. 2019, § 3 Rn. 11 ff. 262 Vgl. BVerfGE 143, 246 (386 Rn. 379). 263 Vgl. P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 117. 264 Siehe nur H.-J. Papier/F. Shirvani, in: G. Dürig/R. Herzog/R. Scholz u. a. (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, Stand: Lfg. 83 April 2018, Art. 14 Rn. 442; M. Schröder, NVwZ 2013, S. 105 (106). 265 Kritisch S. Klinski, ER 2019, S. 104 (106). 266 BVerfGE 143, 246 (343 Rn. 270). 267 Vgl. BVerfGE 143, 246 (372 Rn. 345). 260

C. Gestaltungsspielraum bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung

327

Soweit sich bei Eigentum an Kohlekraftwerken im berechtigten Vertrauen getroffene Investitionen noch nicht amortisiert haben,268 muss die gesetzliche Anordnung des Ausstiegs aus der Kohleverstromung daher auch Ausgleichsregelungen enthalten.269 Hierdurch wird die Verfassungsmäßigkeit der grundsätzlich dem Gesetzgeber offenstehenden Beendigung der Kohleverstromung auch im Hinblick auf die Auswirkungen auf den Vertrauensschutz der Eigentümer abgesichert.270 Die Amortisation bietet im Hinblick auf die Gewährleistung des Vertrauensschutzes durch eine Ausgleichsregelung einen tauglichen Orientierungspunkt, da sie einen Ausgleich zwischen der vollständigen Entwertung der noch nicht amortisierten Investitionen und einer Entschädigung in Höhe des durch die Investitionen möglichen Gewinns,271 synonym zum Ertragswert der Anlagen,272 darstellt.273 Insoweit wird auch der Maßgabe Rechnung getragen, dass keine „Garantie der Erfüllung aller Investitionserwartungen“ besteht.274 Dass im Rahmen der Atomausstiegsentscheidung bei der Frage einer möglichen Ausgleichsregelung der Eigentümer auch Gewinnerwartungen berücksichtigt wurden,275 geht mithin nicht auf ein grundsätzlich bestehendes, aus Art. 14 GG folgendes Erfordernis zurück. Vielmehr sind diese Gewinnerwartungen als Teil des im Jahr 2002 geschaffenen Vertrauenstatbestandes der zugewiesenen Reststrommengen anzusehen, die als Kompensation für den Ausstieg aus der Kernenergie besonders schutzwürdig waren.276 Daher sind im Rahmen der verfassungsrechtlichen Betrachtung des gesetzlich veranlassten Ausstiegs aus der Kohleverstromung die Gewinnerwartungen der Eigentümer nicht zwingend als Orientierungspunkt heranzuziehen. Darüber hinaus setzt sich der weite Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers auch bei der Entscheidung über den Umfang einer Ausgleichsregelung fort.277 268 Für eine Ausgleichspflicht auch bei bereits amortisierten Kraftwerken aufgrund von Strom- und Energielieferverpflichtungen T. Schomerus, Kohleausstieg nach dem Muster des Atomgesetzes?, in: M. Burgi (Hrsg.), 15. Deutsches Atomrechtssymposium, 2019, S. 49 (67). 269 Vgl. H. D. Jarass, in: ders./B. Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 16. Aufl. 2020, Art. 14 Rn. 53. 270 Vgl. BVerfGE 143, 246 (338 Rn. 259). 271 Für eine Notwendigkeit der Gewinnerzielung O. Reidt/U. Karpenstein u. a., Rechtliche Begutachtung einer vorzeitigen Stilllegung von Braunkohlekraftwerken aus Gründen des Klimaschutzes, S. 88 und M. Schmidt-Preuß, NJW 2000, S. 1524 (1527). 272 U. Di Fabio, Beschleunigter Kernenergieausstieg und Eigentumsgarantie, in: ders./W. Durner/G. Wagner, Kernenergieausstieg 2011, 2013, S. 9 (49 ff.). 273 Vgl. H. Schulze- Fielitz, Die Verwaltung 20 (1987), S. 307 (332); kritisch C. Degenhart, DVBl. 2013, S. 207 (213); ebenso U. Di Fabio, Beschleunigter Kernenergieausstieg und Eigentumsgarantie, in: ders./W. Durner/G. Wagner, Kernenergieausstieg 2011, 2013, S. 9 (52 f.). 274 BVerfGE 143, 246 (383 f. Rn. 372). 275 BVerfGE 143, 246 (358 Rn. 312). 276 Vgl. BVerfGE 143, 246 (371 f. Rn. 344). 277 Vgl. BVerfGE 143, 246 (387 Rn. 382).

328 3. Kap.: Auswirkungen des sozialen Bezugs bei Eigentum an Kohlekraftwerken

Mithin wahrt eine Ausgleichsregelung, die im Wesentlichen278 eine Amortisierung der im berechtigten Vertrauen getätigten Investitionen sicherstellt, die verfassungsrechtlichen Grenzen, die der Grundsatz des Vertrauensschutzes dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers setzt.279 Eine diesen Maßgaben entsprechende Ausgleichsvorschrift kann dann den befristeten Fortbetrieb derjenigen Kohlekraftwerke legitimieren, deren im berechtigten Vertrauen getroffenen Investitionen sich noch nicht amortisiert haben.280 Darüber hinaus kommt anstatt der Bestimmung von Übergangsfristen auch eine Entschädigung der Eigentümer für den frühzeitigen Ausstieg aus der Kohleverstromung in Betracht. Grundsätzlich sind Entschädigungszahlungen gegenüber zeitlichen Übergangsbestimmungen oder Ausnahmevorschriften wegen des Vorrangs des Bestandsschutzes vor dem Wertschutz281 zwar subsidiär.282 Indes könnte vorliegend eine zu weitreichende, aber gleichwohl gebotene Anwendung von Übergangsvorschriften wiederum die Klimaschutzwirksamkeit des gesetzlich angeordneten Kohleausstiegs unterlaufen.283 Schließlich werden die weitgehenden Beschränkungen der Eigentümerinteressen durch die hohe Bedeutung des Klimaschutzes gerechtfertigt, die dann nicht beliebig für Übergangszeiträume ausgesetzt werden können. In einer derartigen Konstellation kann die Zulässigkeit einer jedenfalls teilweisen Entschädigungszahlung nicht kategorisch ausgeschlossen werden.284 So folgert auch das Bundesverfassungsgericht in der Denkmalschutzentscheidung, dass ein finanzieller Ausgleich in Betracht kommt, wenn ein Ausgleich durch Übergangsregelungen nicht möglich ist.285 Eine derartige Konstellation dürfte auch vorliegen, wenn zu weitreichende Übergangsregelungen den primären Regelungszweck der Inhalts- und Schrankenbestimmung kon-

278 Vgl. BVerfGE 143, 246 (382 Rn. 368); vgl. P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 129. 279 Vgl. C. Ziehm, ZNER 2017, S. 7 (10). 280 Vgl. C. Ziehm, ZNER 2017, S. 7 (10); C. Franzius, NVwZ 2018, S. 1585 (1586); zum Amortisierungsdefizit T. Schomerus/G. Franßen, Klimaschutz und die rechtliche Zulässigkeit der Stilllegung von Braun- und Steinkohlekraftwerken, S. 206; eintretend für lediglich kurze Übergangsfristen S. Klinski, ER 2019, S. 104 (108 f.). 281 BVerfGE 143, 246 (324 Rn. 217); M. Schröder, Die Verwaltung 46 (2013), S. 183 (195). 282 BVerfGE 143, 246 (338 f. Rn. 260); eingehend P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 102 ff. 283 Hierzu T. Schomerus/G. Franßen, Klimaschutz und die rechtliche Zulässigkeit der Stilllegung von Braun- und Steinkohlekraftwerken, S. 276; vgl. D. Bruch/H. Greve, DÖV 2011, S. 794 (799). 284 M. Schröder, NVwZ 2013, S. 105 (110); ders., Die Verwaltung 46 (2013), S. 183 (217) bezogen auf eine Verschiebung hin vom Bestandsschutz zum Rentabilitätsschutz; vgl. auch BVerfGE 143, 246 (387 Rn. 382); kritisch P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 105. 285 BVerfGE 100, 226 (245).

C. Gestaltungsspielraum bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung

329

terkarieren würden. Überdies zeigt sich hier wiederum die Auswirkung des sozialen Bezugs auf den Eigentumsschutz: Entsprechend seiner vorliegend starken Ausprägung relativiert sich auch der Substanzschutz des Eigentums, sodass die Verfassungsmäßigkeit der intensiven Eigentumsbeschränkungen durch die Gewährung eines finanziellen Ausgleichs sichergestellt werden kann.286 aa) Ausgleichsregelungen im KVBG: Steinkohle Vor dem Hintergrund einer möglichen Ausgleichspflicht für die noch nicht amortisierten Investitionen in die Kohlekraftwerke beinhaltet das KVBG ausreichende Ausgleichsregelungen. So ist bezogen auf die Steinkohleanlagen zu konstatieren, dass die Möglichkeit der Reduzierungsanordnungen erst ab dem Zieldatum 2024 besteht und bei der Festlegung der Reduzierungsreihenfolge nach § 29 Abs. 4 i.V. m. § 31 KVBG maßgeblich an die Inbetriebnahme der Anlagen sowie an zwischen 2010 und 2019 in der Bilanz aktivierte Investitionen anzuknüpfen ist. Insoweit wird mit Umsetzung des KVBG für alle noch im Betrieb befindlichen Steinkohlekraftwerke eine Nutzungsgarantie bis zum Zieldatum 2024 ausgesprochen. Dies folgt insbesondere daraus, dass die Teilnahme an den vor dem Zieldatum 2024 stattfindenden Ausschreibungsverfahren nach den §§ 10 ff. KVBG freiwillig erfolgt. Mithin wird für das Eigentum an den Steinkohleanlagen durch den Aufschub einer sofortigen Beendigung der Kohleverstromung ab Erlasszeitpunkt des Gesetzes bereits eine Ausgleichsregelung getroffen. Erweitert wird der Ausgleichsmechanismus dann dadurch, dass Kohlekraftwerke mit noch nicht amortisierten Investitionen entsprechend ihres Amortisierungsgrades gemäß § 31 Abs. 4 i.V. m. § 29 Abs. 4 S. 3 KVBG gegenüber bereits amortisierten Kraftwerken erst zu einem späteren Zeitpunkt von einer Reduktionsanordnung betroffen sein können. Dass die noch nicht amortisierten Investitionen zu einer späteren Reduzierungsanordnung führen, gilt freilich nur bei Zugrundelegung der Prämisse, dass nicht bei allen Steinkohleanlagen noch Investitionen in der Bilanz vorhanden sind und § 31 Abs. 4 i.V. m. § 29 Abs. 4 S. 3 KVBG nicht durch eine vermeintliche Begünstigung aller Steinkohleanlagen leer läuft. Denn die nach den §§ 27 ff. KVBG vorgesehene, stetige gesetzliche Reduzierung der Steinkohleverstromung soll durch die Berücksichtigung der Investitionen nicht insgesamt unterbrochen, sondern lediglich in der Reihenfolge modifiziert werden. Mit anderen Worten spielen bei der Ermittlung der Reduktionsmenge nach § 6 KVBG gegebenenfalls noch nicht amortisierte Investitionen keine Rolle. Würde der Zeitpunkt der Inbetriebnahme bei allen Steinkohlekraftwerken nach § 31 Abs. 4 KVBG in gleicher Weise modifiziert werden, würde die noch ausstehende Amortisierung nicht zu späteren Reduzierungsanordnungen führen. 286

Vgl. P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 107 f.

330 3. Kap.: Auswirkungen des sozialen Bezugs bei Eigentum an Kohlekraftwerken

Gleichwohl schafft der im KVBG vorgesehene Aufschub der Reduzierungsanordnungen bis mindestens zum Zieldatum 2024 die Grundlage dafür, dass bereits vollständig amortisierte Kraftwerke primär für die Reduzierungsanordnung in Betracht kommen. Diese können dann entsprechend § 33 Abs. 2 i.V. m. § 35 Abs. 1 KVBG vor Kohlekraftwerken, bei denen die Amortisierung von Investitionen noch aussteht, der Reduzierungsanordnung unterfallen. Für darüberhinausgehende Härtefälle ist zudem die Anwendung des § 39 Abs. 1 KVBG vorgesehen, wonach die Nutzungsbefugnis für Kohlekraftwerke, die von einer Reduzierungsanordnung betroffen sind, verlängert werden kann. Auch angesichts des spätestens ab dem Jahr 2010 nur noch eingeschränkt zugunsten der Eigentümer der Kohlekraftwerke wirkenden Vertrauens beinhaltet das KVBG damit ausreichende Ausgleichsregelungen zugunsten der Eigentümer an den Steinkohleanlagen. Dass im Rahmen der §§ 27 ff. KVBG keine Entschädigungszahlungen vorgesehen sind, führt daher nicht zu einer offensichtlich fehlsamen Berücksichtigung der durch die Vertrauensschutzerwägungen verstärkten Eigentümerinteressen innerhalb der Abwägung. bb) Ausgleichsregelung im KVBG: Braunkohle Bezogen auf das Eigentum an den Braunkohlekraftwerken sieht das Kohleverstromungsbeendigungsgesetz zwei maßgebliche Ausgleichsmechanismen vor. Zum einen enthält Anlage 2 des KVBG eine bis zum Jahr 2038 gestaffelte Abschaltungsreihenfolge, deren Stilllegungszeitpunkte bei den jeweiligen Kraftwerken nach Ansicht des Gesetzgebers zu „keinen atypischen Fällen oder Härtefällen“ führen sollen.287 Soweit im berechtigten Vertrauen auf den Fortbetrieb der Braunkohlekraftwerke getroffene Investitionen dennoch nicht innerhalb der in Anlage 2 jeweils vorgesehenen Restlaufzeit amortisiert werden können, mildert die zum anderen in § 44 Abs. 1 KVBG vorgesehene Entschädigung die Eingriffswirkung ab. Durch die Gewährung der Entschädigungszahlung sollen wirtschaftliche Nachteile aufgrund des vorzeitigen Braunkohleausstiegs im Hinblick auf Bergbauverpflichtungen, notwendige Umstellungen, Personalrestrukturierungen und Stromvermarktung abgegolten werden.288 Insbesondere die Erträge aus der Stromvermarktung würden bei nicht vorzeitiger Beendigung der Braunkohleverstromung auch zur Amortisierung möglicher noch ausstehender Investitionen beitragen. Insoweit ist die gemäß § 44 Abs. 1 KVBG vorgesehene Entschädigungszahlung289 auch als Ausgleich für möglicherweise enttäuschte, schützenswerte 287

BT-Drucksache 19/17342, S. 138. Vgl. § 43 Abs. 2 Nr. 3 KVBG-E; zur engen Verbindung von Braunkohleförderung und -verbrennung P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 131. 289 Zur Beschränkung durch das Beihilfenrecht P. Overkamp, Ökonomische Instrumente und Ordnungsrecht, S. 297 ff. 288

C. Gestaltungsspielraum bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung

331

Amortisierungserwartungen anzusehen. Damit sieht das Kohleverstromungsbeendigungsgesetz auch für Braunkohlekraftwerke ausreichende Ausgleichsregelungen zugunsten des berechtigten Vertrauens der Eigentümer in die Amortisierung ihrer Investitionen in das Kraftwerkseigentum vor. Insbesondere ermöglicht die durch den stark ausgeprägten sozialen Bezug in Verbindung mit Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG relativierte Abwehreigenschaft der Eigentumsgarantie auch, den vorrangig zu wahrenden Substanzschutz teils durch eine Entschädigungszahlung auszugleichen.290 Die verfassungsgemäße Ausgestaltung des Braunkohlekraftwerkeigentums wurde schließlich gemäß § 49 KVBG im Wesentlichen durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag nachgezeichnet. 4. Fazit zu den Auswirkungen des sozialen Bezugs im Rahmen der Angemessenheit Letztlich kann festgestellt werden, dass der u. a. aufgrund des Vorliegens des sozialen Bezugs erweiterte gesetzgeberische Gestaltungsspielraum die gegenwärtige und zukünftige, in erheblichem Ausmaß wirkende Beschränkung des Nutzungsinteresses der Eigentümer von Kohlekraftwerken beinhaltet. Insoweit kennzeichnet die starke Ausprägung des sozialen Bezugs in Kombination mit dem gering ausgeprägten personalen Bezug die geringe Schutzwürdigkeit291 des Eigentums an den Kohlekraftwerken. Diese verringerte Schutzwürdigkeit folgt insbesondere daraus, dass der Gesetzgeber bei starker Ausprägung des sozialen Bezugs der Direktive des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG größeres Gewicht als dem Schutz der Eigentümerinteressen aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG beimessen muss. Insbesondere wirkt sich die verringerte Schutzwürdigkeit auch auf den Substanzschutz des Eigentums aus. Gleichwohl hat sich verdeutlicht, dass auch ein intensiv ausgeprägter sozialer Bezug nicht eine sofortige Beschränkung der Nutzungsrechte ohne ausreichende Berücksichtigung des Vertrauens der Eigentümer legitimieren könnte. Mithin bewirkt das Vorliegen des sozialen Bezugs keine vollständige Aufhebung des eigentumsrechtlichen Schutzes.292

290 291 292

S. o. S. 329. Hierzu BVerfGE 143, 246 (350 ff. Rn. 295 ff.). BVerfGE 143, 246 (325 Rn. 219 und 351 Rn. 298).

4. Kapitel

Zusammenfassung In der vorliegenden Untersuchung wurden der Inhalt des sozialen Bezugs von Eigentumsgegenständen (S. 23 ff.) sowie seine rechtlichen Auswirkungen (S. 109 ff.) aufgezeigt. Die hierzu erlangten Ergebnisse konnten sodann im Rahmen der verfassungsrechtlichen Betrachtung des gesetzlich angeordneten Ausstiegs aus der Kohleverstromung veranschaulicht werden (S. 281 ff.). Anhand der begrifflichen Betrachtung des sozialen Bezugs wurde festgestellt, dass dieser Auswirkungen von Eigentumsgegenständen auf die Allgemeinheit kennzeichnet (S. 54). Der soziale Bezug bezieht sich auf tatsächliche Eigenschaften des Eigentums und ist abzugrenzen von dessen Sozialbindung bzw. Sozialpflichtigkeit. Diese Begriffe verkörpern die rechtliche Vorgabe der Allgemeinwohldienlichkeit des Eigentumsgebrauchs aus Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG. Der Sozialpflichtigkeit und Sozialbindung des Eigentums kann damit entsprochen werden, indem die den sozialen Bezug auslösenden Eigenschaften identifiziert und reguliert werden. Welche Eigentumseigenschaften zum Vorliegen des sozialen Bezugs führen, wurde anhand einer Analyse der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aufgezeigt (S. 55 ff.). Als Ergebnis dieser Analyse konnte festgestellt werden, dass der soziale Bezug eine Verbindung von Eigentumsgegenständen zur Allgemeinheit im Sinne des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG beschreibt, die dadurch entsteht, dass insbesondere die Eigenschaften der Eigentumsgegenstände für die Freiheitsausübung von anderen Grundrechtsträgern notwendig oder gefährdend sind, die Eigenschaften sich auf die Erreichung gesamtgesellschaftlicher Ziele auswirken oder schon mit dem Entstehen durch staatliche Förderung an die Allgemeinheit gebunden wurden. Im Anschluss an diese inhaltliche Betrachtung wurden die Auswirkungen auf den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers untersucht, die das Bundesverfassungsgericht aus dem Vorliegen des sozialen Bezugs folgert. Hierbei konnte einleitend die Inhalts- und Schrankenbestimmung gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG als die für die Auswirkungen des sozialen Bezugs maßgebliche Handlungsform des Gesetzgebers benannt werden (S. 109 ff.). Damit einher ging die Beobachtung, dass der Bezugnahme des Bundesverfassungsgerichts auf den sozialen Bezug des Eigentums eine rechtliche und vor allem auch faktische Bindungswirkung für zukünftiges Handeln des Gesetzgebers zukommen kann (S. 116 ff.).

4. Kap.: Zusammenfassung

333

Daraufhin wurde der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers betrachtet (S. 124 ff.): Dieser kennzeichnet den Bereich, in dem der Gesetzgeber keinen verfassungsrechtlichen Vorgaben unterliegt. Er folgt aus der Stellung des Gesetzgebers im Verfassungsgefüge und besteht zunächst umfassend. Grenzen findet der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers jedoch in den Verfassungsvorgaben. Namentlich ist als derartige Grenze das aus den Grundrechten folgende bedingte Unterlassungsgebot eines unverhältnismäßigen Eingriffs in diese Grundrechte zu nennen. Das Vorliegen und die Wirkkraft derartiger Grenzen hängt vom Regelungsgehalt der jeweils betroffenen Verfassungsnorm ab. Dieser Regelungsgehalt ist gleichzeitig maßgeblich dafür, mit welcher Intensität das Bundesverfassungsgericht die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Grenzen überprüfen kann. Diese Intensität wird vorliegend als Kontrolldichte bezeichnet. Mithin ist die Weite des jeweiligen Gestaltungsspielraums Ausdruck dafür, wie stark bspw. ein Grundrechtsträger durch eine Grundrechtsnorm geschützt wird. Das Bundesverfassungsgericht trägt diesem unterschiedlichen materiellen Schutzniveau durch die Kontrollabstufungen Evidenz-, Vertretbarkeitskontrolle und strenge inhaltliche Kontrolle Rechnung. Nach Darstellung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums konnte dann überprüft werden, inwieweit dieser bei der Eigentumsgarantie vorliegt und durch den sozialen Bezug des Eigentums modifiziert wird (S. 168 ff.). Insbesondere der Gestaltungsauftrag aus Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG und das Allgemeinwohldienlichkeitserfordernis gemäß Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG bestätigen hierbei das Vorliegen des Gestaltungsspielraums bei der Eigentumsgarantie (S. 170 ff.). Als verfassungsrechtliche Grenzen muss der Gesetzgeber bei der Eigentumsausgestaltung hingegen die Institutsgarantie und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit berücksichtigen (S. 183 ff.). So handelt der Gesetzgeber nur dann verhältnismäßig, wenn er die Eigentümerinteressen innerhalb der Abwägung nicht offensichtlich fehlsam zugunsten der Allgemeinheit zurückstellt. Indes stellt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit keine starre Grenze dar, sondern richtet sich nach dem Sachbereich, der von den Auswirkungen des jeweiligen Eigentumsgegenstandes betroffen ist. In diesem Kontext wurde unterstrichen, dass die Orientierung am jeweiligen Sachbereich einschließlich des sozialen Bezugs auf normative Erwägungen rückführbar sein muss. Andernfalls würde nicht der Maßgabe entsprochen werden, dass die Regelungsdichte der Verfassungsnormen die verfassungsrechtlichen Grenzen des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers und damit dessen Umfang bestimmt. Folglich wurde festgehalten, dass eine Erweiterung des Gestaltungsspielraums, die auf Sachbereichserwägungen wie den sozialen Bezug des Eigentums gestützt wird, zugleich dem Regelungsgehalt des Art. 14 GG entsprechen muss (S. 220 ff.). Im Rahmen der weiteren Untersuchung des Regelungsgehalts des Art. 14 GG (S. 224 ff.) wurde festgestellt, dass dieser keine verfassungsunmittelbare Wirkung

334

4. Kap.: Zusammenfassung

des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG vorsieht, die allein aufgrund des Vorliegens des sozialen Bezugs die Eigentümerbefugnisse beschränkt und damit eine Erweiterung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums rechtfertigen könnte. Darüber hinaus führt das Vorliegen des sozialen Bezugs auch nicht zwangsläufig zu einer Verringerung der Wertigkeit der Eigentümerinteressen, die die Wirkkraft der Eigentumsgarantie als Abwehrgrundrecht bestimmen. Vielmehr können der die Eigentümerinteressen verkörpernde personale Bezug und der soziale Bezug auch nebeneinander bestehen. Gleichwohl führen diese nebeneinander bestehenden Eigentümer- und Allgemeinwohlinteressen dazu, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Eigentumsausgestaltung gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG teils entgegenlaufenden Interessen Rechnung tragen muss. In diesem Fall beinhaltet Art. 14 GG kein eindeutiges Unterlassungsgebot, ist aber auch nicht ausschließlich auf die Förderung des Allgemeinwohls gerichtet. Durch Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG (S. 254 ff.) sinkt dann die Regelungsdichte der Eigentumsgarantie, da dem Gesetzgeber kein eindeutiges Verhalten vorgegeben wird. Aus dieser abgesenkten Regelungsdichte resultiert ein erweiterter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, der auch auf den sozialen Bezug zurückzuführen ist. Die durch das gleichzeitige Vorliegen von personalem und sozialem Bezug ausgelösten Interessenkollisionen sind zudem Ausdruck für eine vornehmlich durch den Gesetzgeber vorzunehmende Auflösung dieser Kollisionslagen. Der Gesetzgeber steht als das Verfassungsorgan mit der größten demokratischen Legitimation einer derartigen Kollisionsauflösung am sachnächsten. Insoweit stützen auch funktionell-rechtliche Erwägungen die Erweiterung des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers. Nach der normativen Verankerung der Verbindung zwischen sozialem Bezug des Eigentums und dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers konnten die hieraus entstehenden Folgen für die Eigentumsgarantie benannt werden (S. 268 ff.). So wirkt sich die auf den sozialen Bezug zurückzuführende Erweiterung des Gestaltungsspielraums insbesondere auf die Wirkkraft und Steuerungswirkung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit aus, den der Gesetzgeber bei der Eigentumsausgestaltung beachten muss. Gleichzeitig ist der Prüfungsmaßstab betroffen, mit dem das Bundesverfassungsgericht eigentumsbeschränkende Maßnahmen auf ihre Verfassungsmäßigkeit kontrolliert. Weiterhin können die Bewertungen der Eigentumsgegenstände durch den Gesetzgeber antizipiert und eine Schutzabstufung innerhalb unterschiedlicher Eigentumsarten vorgenommen werden. Vor dem Hintergrund dieser Auswirkungen muss jedoch eine Kohärenz zwischen dem angestrebten Allgemeinwohlbelang und dem sozialen Bezug bestehen. Der Gesetzgeber kann sich nicht auf eine Erweiterung des Gestaltungsspielraums stützen, wenn eine Eigentumsbeschränkung zulasten eines Allgemeinwohlbelangs wirkt, das den sozialen Bezug und damit auch die Gestaltungsspielraumerweiterung mit ausgelöst hat. Abschließend konnte im Rahmen der verfassungsrechtlichen Überprüfung der Eigentumsbeschränkungen des KVBG der Inhalt und die Wirkweise des sozialen

4. Kap.: Zusammenfassung

335

Bezugs veranschaulicht werden. Den vom Schutz der Eigentumsgarantie umfassten Kohlekraftwerken kommt ein intensiver sozialer Bezug zu, da ihr erheblicher CO2-Ausstoß mittelbar die Freiheitssphären Dritter und die natürlichen Lebensgrundlagen des Art. 20a GG gefährdet (S. 288 ff.). Diese intensive Ausprägung des sozialen Bezugs besteht auch unabhängig davon, dass durch die Kohlekraftwerke anders als bei Atomkraftwerken kein singuläres Schadensereignis von erheblichem Ausmaß droht, sondern schon der bestimmungsgemäße Gebrauch klimaschädlich und damit freiheitsgefährdend ist. Der soziale Bezug der Kohlekraftwerke trägt weiterhin dazu bei, dass in Gestalt zukünftig wirkender Nutzungsverbote intensive Eigentumsbeschränkungen den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes entsprechen. Hierbei entfaltet der soziale Bezug maßgeblich im Zuge der Vorgabe der Angemessenheit Relevanz. Gleichwohl führt der soziale Bezug der Kohlekraftwerke nicht zu einem vollständigen Verlust des Eigentumsschutzes. Vielmehr muss der Gesetzgeber weiterhin mögliches schutzwürdiges Vertrauen der Eigentümer auf den Fortbetrieb der Kohlekraftwerke berücksichtigen. Dieser Vorgabe hat der Gesetzgeber mit den Regelungen des KVBG entsprochen.

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Sachverzeichnis Abwägung 110, 165, 167, 182, 184, 185, 190, 191, 193, 196, 197, 198, 208, 211, 221, 224, 246, 252, 255, 257, 260, 266, 270, 272, 280, 308, 310, 312, 313, 320, 323, 324, 325, 330, 333 – Allgemeinwohlinteressen 207 – Angemessenheit 192 – Eigentümerinteressen 243, 266, 312, 319 – Eigentumsgarantie 196 – Eigentumsgegenstand 202 – Eigentumsschutz 203 – Einzelfallumstände 218 – Gewichtung 200, 205 – Justiziabilität 198, 199, 209 – Kontrollmaßstab 193 – Praktische Konkordanz 194 – Privatnützigkeit 202, 205 – Sozialbindung 255 – Sozialer Bezug 105, 252, 271 – Strukturmerkmale 204 – Verfügungsbefugnis 202 – Vertrauensschutz 206, 211 – Wertigkeit 229 Abwehrgrundrecht 77, 90, 142, 143, 169, 183, 254 – Eigentumsgarantie 245, 334 – Unterlassungsgebot 234, 256 Allgemeinheit 42, 51, 58, 59, 66, 72, 75, 77, 84, 87, 88, 106, 180, 185, 194, 207, 278, 290 – Abwägung 207 – Eigentumsgegenstand 26, 33, 49, 59, 62, 84, 288, 332 – Freiheitsschutz 259 – Gefährdung 98 – Gemeinschaft 43

– Grundrechtsträger 60, 74, 290 – Individualisierung 102 – Interessen 35, 68, 74, 213, 222, 243, 250, 254, 272 – Schutz 276 – Sozial 49, 54 – Sozialbindung 31 – Sozialer Bezug 32, 57, 83, 98 – Sozialstaatsprinzip 48 – Sphäre 240 Allgemeinwohl 26, 28, 29, 30, 38, 39, 42, 43, 48, 49, 50, 51, 54, 59, 61, 65, 71, 73, 89, 90, 91, 92, 100, 104, 107, 111, 115, 177, 178, 179, 181, 187, 206, 243, 257, 258, 263, 264, 277, 278, 299, 334 – Bestimmtheit 181 – Definition 28 – Eigentumsgebrauch 234 – Grundrechtsträger 73 – Individualisierung 73 – Sozialer Bezug 27 – Verwirklichung 179 Allgemeinwohldienlichkeit 27, 32, 44, 48, 53, 54, 55, 71, 79, 89, 90, 170, 172, 177, 178, 187, 207, 225, 250, 254, 255, 256, 257, 258, 259, 260, 263, 275, 298, 332 – Eigentumsgebrauch 241 Altlastenentscheidung 200, 244 Amortisierung 285, 311, 318, 325, 326, 328, 329, 330 Angemessenheit 156, 167, 191, 192, 193, 208, 209, 211, 212, 266, 280, 300, 307, 308, 335 – Eigentümerbelange 208 – Inhalts- und Schrankenbestimmung 193 – Prüfprogramm 198

360

Sachverzeichnis

– Regelungsgehalt 190, 191, 195, 200, 221 – Sozialer Bezug 331 Apothekenurteil 231 Atomausstiegsentscheidung 19, 24, 53, 56, 59, 97, 99, 112, 114, 126, 214, 227, 252, 266, 268, 271, 275, 295, 310, 327 Ausgleichsregelungen 204, 323, 327, 329, 330, 331 – Amortisierung 327 Ausschreibung 283, 284, 285, 307, 329 Bestandsgarantie 169, 202, 205, 233 Braunkohle 283, 306, 314, 320, 330 Bundesnetzagentur 283, 284, 285, 286 Bundesverfassungsgericht 30, 36, 37, 38, 59, 60, 63, 67, 70, 74, 99, 100, 109, 110, 111, 112, 114, 116, 121, 139, 144, 145, 147, 160, 175, 178, 179, 196, 200, 201, 202, 203, 204, 205, 207, 210, 212, 213, 221, 223, 225, 227, 237, 242, 244, 271, 292, 302, 310, 332, 333 – Abwägung 192, 211 – Angemessenheit 195 – Angewiesenheit 72, 75, 76, 80, 81, 87, 102 – Appellentscheidungen 164 – Auslegung 116, 123 – Bindungswirkung 22, 116, 117, 332 – Eigentumsgarantie 19, 25, 56, 215 – Evidenzkontrolle 152, 153, 154, 157, 160, 195, 211, 212, 223, 333 – Faktische Bindungswirkung 121, 123, 124 – Gesetzgeber 138, 149, 190 – Gestaltungsspielraum 124, 135, 141, 150, 163, 217, 222 – Grundrechtsschutz 210 – Institutsgarantie 185 – Integration 122 – Kontrolldichte 134, 152, 153, 186, 219, 220, 229 – Kontrollfunktion 117, 155

– Kontrollintensität 127, 128, 196, 212, 269 – Kontrollkompetenz 134, 147 – Kontrollmaßstab 139, 149, 151, 156, 157, 159, 178, 212, 227, 268, 269, 334 – Kontrollstufen 151, 159, 166 – Kontrollvorgabe 130, 132, 142, 149 – Menschenbild 43 – Mitbestimmungsurteil 86, 103 – Nichtigerklärung 163 – Orientierung 123 – Privatnützigkeit 201 – Sozialbindung 32, 51, 90, 93 – Soziale Funktion 52 – Sozialer Bezug 19, 23, 27, 29, 32, 41, 50, 54, 55, 56, 57, 64, 77, 81, 82, 83, 84, 88, 91, 99, 107, 144 – Sozialpflichtigkeit 35 – Unvereinbarkeitserklärung 163 – Verfassungsbindung 155, 161, 209 – Verfassungsgefüge 116, 118, 122, 139 – Verfassungshüter 116, 123, 165, 179, 235 – Verfassungsinterpretation 112, 116, 118, 124 – Vertretbarkeitskontrolle 155 – Wertrangordnung 198 Demokratieprinzip 127, 138, 139, 140, 146, 183, 216 – Regelungsdichte 262 Denkmalschutzentscheidung 93, 213, 328 Drittwirkung 39 Eigenbedarf 82 Eigentum – Ausschlussfunktion 260, 261 – Ertragsfunktion 83, 102, 232, 237, 241, 249, 260, 261, 278, 279, 297, 308, 311, 324, 325 – Funktionswandel 236 – Sicherungsfunktion 232, 237 – Unabhängigkeitsfunktion 232

Sachverzeichnis Eigentümerinteressen 20, 35, 79, 87, 108, 110, 174, 177, 188, 194, 205, 207, 208, 222, 234, 252, 255, 257, 259, 262, 277, 279, 288, 298, 300, 307, 308, 309, 311, 312, 319, 322, 324, 326, 330, 331, 333 – Abwägung 203, 207, 225, 234 – Angemessenheit 192 – Beeinträchtigung 189, 206, 323, 328 – Beseitigung 310, 324 – Betroffenheit 192 – Eingriffsintensität 312 – Geltungsanspruch 308, 319 – Gewicht 180 – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 267 – Personaler Bezug 251 – Schranken 184 – Schwächung 227 – Sozialer Bezug 223 – Strukturmerkmale 205 – Wertigkeit 228, 243, 253, 254, 265, 334 Eigentümersphäre 240 Eigentumsarten 268, 272, 273, 274 – Hierarchie 274 – Schutz 334 Eigentumsausgestaltung 42, 61, 62, 71, 87, 98, 112, 177, 178, 185, 186, 192, 193, 194, 196, 221, 234, 242, 243, 246, 253, 257, 258, 259, 261, 263, 267, 271, 277, 287, 298, 300, 301, 308, 310, 312, 315, 319, 326, 333, 334 – Angemessenheit 191, 206 – Auftrag 40 – Grenze 175 – Interessenabwägung 234 – Mindestgröße 184 – Sachbereich 231 – Sozialer Bezug 41, 115 – Totalentzug 204 – Unterlassungsgebot 235 Eigentumsbegriff 175, 203 – Strukturmerkmale 176, 202

361

– Ungeteilter 273 – Verfassungsrechtlicher 173, 175, 176, 177, 200, 203, 245 Eigentumsbeschränkungen 20, 21, 22, 35, 36, 58, 111, 124, 185, 297, 302, 311, 315, 320, 323, 329, 334 – Ausmaß 180 – Klimaschutz 300, 302 – Kohärenz 268 – Kohleausstiegsgesetz 282 Eigentumsentziehung 113, 114, 115, 181, 313 Eigentumsgarantie 19, 20, 22, 24, 25, 26, 34, 39, 40, 43, 44, 45, 48, 52, 57, 62, 63, 64, 70, 76, 83, 85, 87, 91, 103, 105, 113, 141, 171, 173, 180, 184, 186, 192, 194, 199, 201, 208, 210, 213, 233, 238, 240, 241, 248, 253, 257, 262, 267, 269, 288, 310, 319, 324, 335 – Abwägungsdirektiven 200, 204 – Abwehrgrundrecht 168, 181, 183, 225, 226, 233, 236, 245, 253, 264, 265, 267, 279, 297, 331, 334 – Angemessenheit 190 – Angewiesenheit 74 – Ausgestaltung 36, 112, 145, 215 – Ausgestaltungsbedürfnis 173 – Auslegung 223, 224 – Baufreiheit 60 – Beschränkung 226 – Besitz 85 – Bestandsgarantie 169, 202 – Demokratieprinzip 183 – Eigenleistung 176, 203, 326 – Entschädigung 111 – Existenzsicherung 176, 203, 236, 238, 246 – Freiheitsgrundrechte 38, 228 – Freiheitsraum 201 – Freiheitsverwirklichung 230, 232 – Funktion 313 – Genehmigung 282 – Genese 237

362

Sachverzeichnis

– Gestaltungsspielraum 159, 168, 183, 214, 215, 219, 225, 267, 333 – Immanente Beschränkung 242 – Institutsgarantie 169 – Interpretation 30, 32, 73, 109, 225 – Kernbereich 204 – Kohlekraftwerke 281, 291 – Kontrolldichte 168, 298 – Kontrollmaßstab 124 – Legitimer Zweck 187 – Normprägung 171, 173, 200, 242 – Persönlichkeitsentfaltung 232 – Regelungsauftrag 219 – Regelungsdichte 144, 168, 177, 216, 218, 220, 222, 223, 235, 239, 255, 258, 260, 264, 275, 276, 298 – Regelungsgehalt 235, 256, 257, 266 – Sachbereich 62, 108, 200, 208, 215, 216, 217, 218, 219, 220, 224 – Schutzbereich 173, 174, 175, 176, 185 – Schutzgehalt 204, 211, 216, 222, 238, 271 – Schutzwirkung 180, 210 – Schutzzweck 228, 229, 248, 251, 254, 255 – Sozialstaatsprinzip 45 – Steuerungswirkung 219 – Substanzerhalt 203 – Unterlassungsgebot 265 – Verfügungsbefugnis 30, 65, 67, 89, 201, 202, 204, 240, 241 – Vermögensrechtlicher Bereich 230 – Vertrauensschutz 313, 319 – Werthierarchie 198, 272 – Wertigkeit 159, 228, 229 Eigentumsgebrauch 26, 27, 28, 34, 38, 56, 67, 83, 89, 99, 100, 105, 172, 176, 177, 194, 207, 237, 238, 240, 247, 256, 263, 275, 276, 294, 296, 316, 326, 332 – Allgemeinheit 180, 225, 260 – Allgemeinwohldienlichkeit 32, 41, 44, 53, 54, 70, 170, 179, 187, 234, 241, 254, 255, 256, 257, 258, 259, 261, 262, 277

– Allgemeinwohlschädlichkeit 277 – Aufhebung 181 – Auswirkung 55, 86, 90, 92, 100, 105, 108, 240, 243, 245 – Drittbezug 278 – Freiheitsgewinn 242 – Freiheitsrelevanz 239, 253 – Freiheitsverwirklichung 229, 243 – Klimawandel 290 – Privatinteresse 237 – Profiteur 180, 254 – Schranken 34 Eigentumsgegenstand 20, 24, 25, 28, 29, 32, 41, 53, 78, 99, 103, 106, 107, 114, 167, 177, 180, 198, 202, 207, 208, 212, 215, 216, 218, 225, 237, 239, 241, 250, 274, 278, 294, 309, 332, 333 – Allgemeinheit 27, 29, 30, 48, 50, 62, 75, 96 – Anlageneigentum 97, 282, 297 – Anteilseigentum 56, 86, 88, 89, 90, 247, 270 – Atomkraftanlagen 19, 53, 98, 99, 100, 101, 102, 104, 166, 271, 275, 276, 296, 325, 335 – Auswirkung 29, 30, 50, 52, 55, 88, 90, 93, 99, 102, 104, 106, 107, 332 – Denkmäler 56, 93, 95, 96, 98 – Eigenart 23, 24, 57, 59, 96, 266 – Eigenschaft 23, 24, 25, 27, 32, 41, 49, 51, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 59, 61, 62, 65, 70, 74, 75, 79, 81, 92, 93, 94, 95, 96, 98, 99, 100, 102, 104, 105, 106, 107, 115, 166, 207, 216, 267, 275, 288, 299, 300, 332 – Freiheitsfunktion 231, 232, 233, 236 – Freiheitsrelevanz 78, 87, 241 – Freiheitsverwirklichung 230 – Funktion 23, 24, 25, 51, 52, 53, 54, 57, 82, 236, 244, 274 – Gestaltungsspielraum 214 – Grund und Boden 29, 56, 57, 58, 59, 60, 61, 62, 68, 72, 79, 80, 81, 85, 185, 236, 247, 248, 250, 274, 275

Sachverzeichnis – – – – –

Kleingarten 79, 80, 81, 194 Kohlekraftwerke 288, 290, 300, 327 Landwirtschaft 236 Privatnützigkeit 205 Rezipient 25, 26, 27, 30, 32, 42, 43, 49, 50, 54, 55, 73, 107 – Sachbereich 217, 218 – Soziale Sphäre 92, 97, 106 – Sozialversicherungsrechtliche Ansprüche 56, 92, 93, 245, 249, 250 – Sozialwohnung 83 – Strukturmerkmale 203 – Unternehmenseigentum 86, 87, 89, 90, 91, 102, 245, 246, 250, 278 – Vermögenswert 176, 203 – Wohnraum 70, 72, 73, 74, 76, 78, 81, 82, 84, 86, 101, 102, 106, 166, 250, 277, 278 Eigentumsrecht 19, 22, 56, 202 – bestehendes 169, 202, 205, 206, 211, 226, 231, 233, 234, 310 – Eigene Leistung 231 – Freiheitsrelevanz 231, 235 – Personaler Bezug 236 – Schutzwirkung 234 – Wertigkeit 230, 231, 235, 254 – zukünftiges 169, 202, 205, 234, 310 Eigentumsschutz 20, 175, 177, 204, 236, 238, 268 – Eigene Leistung 84, 97 – Gestaltungsspielraum 22 – Relativierung 274 – Sozialer Bezug 281, 329 Eignung siehe Geeignetheit Eingriff 103, 108, 112, 141, 143, 153, 166, 188, 192, 205, 211, 257, 310, 311, 330 – Enteignung 113 – Inhalts- und Schrankenbestimmung 227 – Rechtfertigungspflicht 142 – Vertrauensschutz 207 Eingriffsintensität 36, 110, 158, 182, 190, 194, 197, 199, 204, 238, 267, 271,

363

274, 282, 308, 309, 310, 311, 312, 320, 324, 325, 326 – Gestaltungsspielraum 223, 227 Einschätzungsprärogative 167, 189, 222, 302, 304, 305 – Gestaltungsspielraum 222 Elfes-Entscheidung 150 Emissionshandelsrichtlinie 304, 317 Emissionsintensität 285 Emissionszertifikatehandel 303, 311, 316 Energiemix 101, 318 Energieversorgung 100, 101, 102, 275, 276, 296, 299, 318 Enteignung 35, 36, 73, 110, 112, 113, 115, 170, 181, 182, 287 – Eingriffsintensität 182 – Regelungsdichte 181 Entschädigung 36, 63, 111, 114, 182, 286, 325, 327, 328, 330, 331 Entscheidung zum Grundstücksverkehrsgesetz 56, 59 Entscheidung zum Niedersächsischen Deichgesetz 61 Erforderlichkeit 188, 189, 190, 212, 300, 305, 307 Evidenzkontrolle 151, 153, 154, 155, 156, 160 Freiheitsausübung 207, 245, 288, 290, 332 Freiheitsgrundrechte 81, 87, 99, 103, 106, 107, 152, 156, 159, 176, 227, 228, 253, 263 – Umweltgefahren 248 Freiheitsrelevanz 185, 232, 240, 241, 244, 245, 246, 250, 257, 270, 272, 277, 278, 308 – Eigentumsgebrauch 239 – Eigentumsrecht 235 – Sozialer Bezug 244, 250, 252 Freiheitssicherung 87, 103 Freiheitsverwirklichung 28, 54, 60, 61, 62, 65, 68, 81, 83, 86, 90, 91, 98, 99, 100, 101, 103, 106, 108, 202, 208, 237,

364

Sachverzeichnis

241, 244, 245, 246, 247, 249, 256, 260, 277, 291 – Drittkontakt 240 – Eigentumsgarantie 232 – Eigentumsgebrauch 229 – Eigentumsrecht 231 – Regelungsdichte 146 – Wohneigentum 237 Freizügigkeit 60 Gebot der Rücksichtnahme 71, 72 Geeignetheit 166, 188, 189, 190, 300, 302, 303, 304, 305, 307 – Justiziabilität 189, 190 Geistiges Eigentum 56, 63, 66, 67, 68, 76, 245, 249, 250, 251, 270, 273, 274 – Freistellung 147, 149, 253 – Sozialer Bezug 64 – Urheberrechte 63, 65, 68, 69, 95, 98, 249, 250 Gemeineigentum 58 Gemeinwohlambivalenz 276 Gemeinwohlkonkretisierung 90 Genehmigung 295, 314, 315, 316, 317, 356 Gesellschaftsbezogenheit 44, 54, 66, 67, 73, 88, 100 Gesetzesvorbehalt 104 – Eigentumsgarantie 187 Gesetzgeber – Abwägung 211 – Begründungspflicht 142 – Bundesverfassungsgericht 119 – Eigentumsausgestaltung 178, 215 – Eigentumsgarantie 175 – Freiraum 164 – Freistellung 143, 158, 228, 258 – Kompetenzvorsprung 155 – Konfliktauflösung 262 – Unterlassungspflicht 186 – Verfassungsbindung 142, 149, 150, 151, 153, 165, 199, 209, 212, 267 – Wertungen 216

Gesetzgeberisches Ermessen 125 Gesetzliche Reduzierung 283, 329 Gestaltungsfreiheit 125, 140, 150 – Sozialer Bezug 244 Gestaltungsspielraum 19, 22, 47, 53, 115, 147, 191, 267, 276, 312 – Abwägung 196 – Angemessenheit 190, 197, 211 – Argumentationsfigur 160 – Ausgleichsregelung 327 – Ausprägung 124, 182, 212, 255, 267, 274 – Auswirkung 147, 150, 151, 164, 305 – Begriff 125, 127 – Beschränkung 128, 137, 180, 183, 187, 188, 210, 213, 214, 221, 227, 233, 236, 239, 249, 263, 300 – Bestätigung 181, 182, 299 – Demokratieprinzip 139, 140, 142, 146 – Eigentumsgarantie 168, 170, 171, 172, 173, 225 – Eigentumsgegenstand 288 – Eigentumsschutz 269 – Eingriffsintensität 223, 227 – Einschätzungsprärogative 167, 223 – Erweiterung 20, 21, 105, 108, 109, 116, 144, 162, 168, 209, 210, 212, 213, 215, 216, 220, 222, 224, 226, 227, 239, 251, 252, 253, 254, 256, 259, 260, 264, 267, 269, 276, 279, 295, 296, 299, 300, 301, 305, 308, 323, 324, 334 – Evidenzkontrolle 155 – Flexibilisierung 165, 213, 220 – Freistellung 222 – funktionell-rechtlich 128, 131, 138, 139, 140, 146, 147, 169, 170, 216, 219, 221, 267, 334 – Geltung 138, 139, 141 – Gesetzgebungsfunktion 137 – Gewaltenteilung 139, 140 – Grenze 126, 127, 140, 143, 151, 157, 168, 172, 197, 263, 271 – Grundrechte 141 – Grundrechtseingriffe 143

Sachverzeichnis – Grundrechtsschutz 183 – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 185, 189, 199, 212, 215, 220, 267, 300 – Herleitung 22, 124, 125, 128, 135, 136, 140, 143, 145, 149, 153, 159, 161, 168, 169, 183, 216, 217, 219, 220, 222, 224, 267 – Inhalts- und Schrankenbestimmung 181 – Inhaltskontrolle 156 – Institutsgarantie 185, 220 – Interessenkollisionen 261, 262, 263, 276 – Kohlekraftwerke 298 – Kontrolldichte 160 – Kontrollintensität 149, 212 – Kontrollkompetenz 147 – Offene Normen 133 – Offene Verfassung 145 – Parlamentarischer Rat 127 – Personaler Bezug 214, 218, 254, 297 – Politik 127, 298 – Rechtsgüter 222 – Regelungsauftrag 170 – Regelungsdichte 128, 131, 132, 137, 141, 153, 168, 170, 235, 255, 265, 266, 333 – Reichweite 144 – Sachbereich 144, 145, 146, 147, 148, 160, 188, 215, 216, 217, 218, 219, 223, 224, 229, 256, 264, 267 – Sozialer Bezug 21, 109, 118, 124, 126, 135, 166, 239, 249, 252, 259, 264, 279, 281, 298, 300, 307, 324, 331, 332, 333 – Telos 228 – Unvereinbarkeitserklärung 163 – Verfassungsbindung 165 – Verfassungsgefüge 128, 170, 181, 222 – Vertrauensschutz 207 – Vertretbarkeitskontrolle 156 – Weite 147, 148, 152, 157, 159, 190, 214, 215, 270, 288 – Wirtschaftspolitik 145 Gewaltenteilung 117, 146, 147

365

Grundgesetz – Genese 46, 59 – Justiziabilität 140 – Menschenbild 26, 33, 42, 43, 87, 91 – Rahmenordnung 134, 138 Grundrechte 101 – Allgemeine Handlungsfreiheit 150 – Allgemeines Persönlichkeitsrecht 77, 82 – Auslegung 144 – Berufsfreiheit 90, 91, 145 – Funktion 228 – Gestaltungsspielraum 143 – Gleichheitsgrundsatz 215 – Hierarchie 68, 80 – Justiziabilität 210 – Leben und körperliche Unversehrtheit 80, 101, 157, 288, 290 – Meinungsfreiheit 60 – Regelungsgehalt 143 – Schutzpflicht 63, 99, 101, 154, 300 – Unterlassungsgebot 143 – Versammlungsfreiheit 60 – Wertigkeit 229 Grundrechtsschutz 142, 210, 256 – Demokratieprinzip 183 Grundrechtsträger 60, 61, 68, 72, 77, 86, 90, 99, 101, 103, 105, 106, 201, 207, 209, 230, 232, 248, 291, 292, 294 – zoon politikon 240 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 135, 141, 143, 165, 167, 175, 184, 185, 201, 210, 212, 214, 269, 272, 298, 300, 333, 335 – Abschwächung 216, 224 – Angemessenheit 191 – Bundesverfassungsgericht 211 – Eigentumsgarantie 186 – Flexibilisierung 22, 212, 213, 214, 215, 216, 263, 279 – Geeignetheit 166, 188 – Gestaltungsspielraum 126, 185, 199, 210, 212, 213, 214, 215, 216, 222, 269

366

Sachverzeichnis

– Grundrechtsschutz 216 – Herleitung 186 – Interessenkollision 217 – Justiziabilität 196, 206 – Konkretisierung 216, 266 – Kontrolldichte 212, 220 – Legitimer Zweck 188 – Rechtsstaatsprinzip 191 – Regelungsdichte 199, 224 – Regelungsgehalt 194 – Sachbereich 219, 267, 333 – Schutzwirkung 188, 197 – Sozialbindung 213 – Steuerungswirkung 300, 334 – Substanzerhalt 203 – Unterlassungspflicht 186, 199 – Wirkkraft 279 Grundstücksverkehrsgesetz 56, 57, 59, 79, 179 Güterbeschaffungsvorgang 113, 114, 181 Halbteilungsgrundsatz 180 Handlungsnorm 131, 221 Hochrisikotechnologie 19, 98, 100, 102, 104, 275, 276, 295, 296 Hoheitsgebiet 27, 58, 100, 291, 302, 320 Inhalts- und Schrankenbestimmung 22, 35, 36, 39, 41, 45, 52, 53, 79, 84, 105, 107, 108, 109, 110, 111, 112, 113, 115, 116, 118, 124, 170, 178, 181, 182, 183, 186, 187, 188, 189, 190, 201, 208, 210, 214, 217, 218, 222, 226, 227, 228, 231, 235, 241, 250, 266, 267, 269, 271, 275, 277, 279, 286, 287, 307, 310, 328, 332 – Angemessenheit 192, 193 – Ausgestaltung 190 – Ausgleichspflichtige 110 – Befugnis 124, 126 – Eingriff 112, 169, 206, 227 – Eingriffsintensität 200, 223 – Entschädigungslosigkeit 37, 111 – Gestaltungsspielraum 215

– Privatnützigkeit 205 – Sachbereich 215 – Sozialer Bezug 114 – Zukünftige 231 Inhaltskontrolle 152, 156, 157, 160, 212, 223 Institutsgarantie 169, 184, 185, 205, 234, 333 – Abwägung 205, 206 – Gestaltungsspielraum 185 – Mindestgröße 184 Interessenkollisionen 104, 261, 264, 298, 326, 334 – Sozialer Bezug 260 IPCC 289, 322 judicial self restraint 161 Judikative 38 Kernenergie 97, 100, 275, 327 Kirchenmusik 67 Kleingartenentscheidung 79 Klimaschädlichkeit 288, 291, 292, 293, 296, 322, 335 Klimaschutz 20, 294, 298, 301, 302, 304, 305, 320, 322 – Wirksamkeit 284, 285, 305, 307, 311, 312, 321, 328 Klimawandel 290, 292, 296, 300, 322 Kohleausstieg 22, 112, 286, 288, 299, 303, 305, 307, 308, 311, 312, 317, 320, 321, 323, 324, 325, 326, 328 Kohleausstiegsgesetz 281, 282 – Eigentumsbeschränkungen 282 Kohlekommission 282, 318 Kohlekraftwerke 19, 281, 282, 287, 288, 292, 293, 294, 295, 296, 297, 298, 300, 304, 305, 308, 309, 310, 311, 316, 317, 318, 320, 323, 324, 325, 330, 331 – Braunkohlekraftwerke 282, 283, 286, 306, 310, 312, 330 – Eigentumsgarantie 281 – Sozialer Bezug 335

Sachverzeichnis – Steinkohlekraftwerke 283, 284, 285, 287, 293, 306, 312, 323, 329 Kohlenstoffdioxid 284, 285, 288, 290, 294, 303, 305, 306, 320, 335 – Kausalkette 290 Kohleverfeuerungsverbot 283, 284, 286, 287, 306 Kohleverstromung 287, 288, 290, 299, 300, 305, 306, 309, 312, 313, 314, 320, 325, 326, 327, 329, 332 – Ausstieg 19, 20, 302, 303, 307, 311, 318, 324, 326, 328 – Befristung 323 – Klimaschädlichkeit 288 – Reduzierung 323 Kontrolldichte 130, 135, 149, 158, 163, 164, 172, 177, 179, 183, 185, 186, 189, 196, 210, 212, 219, 228, 233, 253, 256, 298, 333 – Abgestufte 152 – Absenkung 181 – Abwägung 211 – Akzessorietät 149, 196 – Angemessenheit 195 – Anpassung 152 – Bestimmtheit 258 – Bindung des Gesetzgebers 221 – Bundesverfassungsgericht 220 – Demokratieprinzip 183 – Eingriffsintensität 227 – Enteignung 181, 182 – Gestaltungsspielraum 136 – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 199, 212, 220 – Herabsenkung 259 – Inhalts- und Schrankenbestimmung 188 – Interessenkollision 216 – Offene Normen 134 – Reduktion 161 – Wertigkeit 228, 235 Kontrollintensität 160, 253 – Reduktion 160 Kontrollnorm 131, 221

367

KVBG 283, 284, 285, 286, 287, 288, 295, 299, 300, 302, 305, 307, 308, 309, 310, 311, 312, 313, 318, 320, 323, 324, 325, 326, 329, 330, 334 Legislative 116, 208, 293 – Ermessen 137 – Verfassungsverstöße 142 Legitimation 128 – Demokratische 40, 134, 138, 146, 147, 182, 183, 261, 334 – Gestaltungsspielraum 128 – Normative 142, 165, 209 Legitimer Zweck 166, 187, 188, 212, 300, 301, 320 Lüth-Urteil 191 Mehrdimensionale Freiheitsprobleme 263 Menschenwürde 28, 81, 101 Mietpreisbremse 19, 75, 84, 85, 126, 252, 263 Mitbestimmungsurteil 86, 91, 103, 140, 151, 153, 157, 166, 222, 228, 246, 252, 270 Nassauskiesungsentscheidung 36, 43, 114, 185 Nichteigentümer 33, 71, 73, 74, 77, 78, 80, 81, 87, 88, 96, 101, 103, 105, 226 – Angewiesenheit 80, 81 – Freiheitsverwirklichung 82 Normprägung 173, 200, 242, 243 Normwiederholungsverbot 120 Öffentliches Interesse 96, 106, 107, 207, 276 Parlamentsvorbehalt 40 Personaler Bezug 82, 202, 204, 231, 232, 233, 238, 239, 243, 253, 265, 272, 273, 288, 297, 298, 308, 334 – Abwehrgrundrecht 267 – Ausgleichsansprüche 232

368

Sachverzeichnis

– Ausprägung 231, 232, 235, 238, 248, 249, 264, 297, 324, 331 – Bestimmung 264 – Eigenleistung 249, 250 – Eigentümerinteressen 251 – Eigentumsschutz 251 – Existenzsicherung 236 – Gestaltungsspielraum 214, 218, 249, 253 – Juristische Person 238 – Schutzniveau 236 – Sozialer Bezug 239, 243, 251 – Übergang 244 – Verringerung 236, 238, 239, 244, 247, 250, 251, 252 – Wechselwirkung 249 – Wertigkeit 238, 239, 254 Persönlichkeitssphäre 23, 24 Pflichtexemplarentscheidung 69 Privateigentum 184, 191, 200, 201 – Funktion 201 – Sozialbindung 205 Privatnützigkeit 35, 65, 67, 104, 110, 167, 176, 181, 192, 193, 200, 201, 202, 205, 208, 250, 257, 261, 264, 269, 309 – Abwägung 205 – Gewichtung 223 Produktionsmittel 29, 88, 91, 274 Rechtsstaatsprinzip 39, 133, 186, 191, 216 Reduktionsziele 283 Regelungsauftrag 112, 168, 170, 171, 182, 259 Regelungsdichte 128, 132, 135, 138, 140, 144, 147, 148, 149, 163, 164, 172, 177, 179, 183, 185, 186, 189, 196, 210, 213, 219, 220, 228, 233, 235, 253, 256, 257, 259, 260, 273, 298, 333, 334 – Absenkung 181, 216, 224, 226, 256, 257, 259, 260, 265 – Abwägung 211 – Akzessorietät 130, 149, 196, 229 – Angemessenheit 195, 196, 199

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Bestimmtheit 129, 258 Demokratieprinzip 183, 262 Eigentumsausgestaltung 223 Eigentumsgarantie 177, 219, 222, 223, 235, 258, 260 – Eigentumsrecht 254 – Eingriffsintensität 227 – Enteignung 181, 182 – Erhöhung 180, 189 – Ermittlung 129, 135, 264 – Evidenzkontrolle 154, 155 – Freiheitsverwirklichung 145 – Funktionell-rechtliche 146 – Gestaltungsspielraum 135, 158, 214, 220, 239, 255, 264, 265, 266, 275, 333 – Grundrechte 141, 143, 145 – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 133 – Inhalts- und Schrankenbestimmung 188 – Interessenkollision 216 – Kontrolldichte 130, 153 – Kontrollmaßstab 157 – Offene Normen 133 – Offene Verfassung 134 – Sachbereich 219 – Sozialer Bezug 244, 259, 269 – Unterlassungsgebot 236 – Verbote 132 – Wertigkeit 222, 228, 229 Regulierung 294 Sachgerechtigkeit 217 Schulbuchprivileg 63 Schutzbereich 28, 87, 103, 141, 173, 185, 242 – Angewiesenheit 173 – Beschränkung 239 – Eigentumsgarantie 185, 203, 242 Situationsgebundenheit 94 Sozial-Begriff 20, 25, 26, 30, 31, 32, 43, 44, 45, 46, 48, 49, 50, 54, 73 Sozialbindung 20, 26, 27, 30, 32, 33, 34, 35, 36, 39, 40, 41, 42, 44, 45, 50, 75,

Sachverzeichnis 93, 107, 110, 111, 167, 181, 192, 193, 205, 208, 226, 227, 257, 269, 319, 332 – Eingriffsintensität 227 – Gewichtung 223 – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 213 – Herleitung 33 – Inhalt 34 – Sozialer Bezug 65, 71 – Wirkung 37, 40 Soziale Bedeutung 25, 51, 57, 59, 61, 62, 63, 65, 66, 67, 69, 80, 85 Soziale Funktion 25, 51, 71, 76, 79, 92, 208 Sozialer Bezug 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 29, 30, 32, 34, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 49, 50, 51, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 59, 62, 63, 65, 73, 77, 78, 88, 92, 93, 97, 98, 99, 100, 103, 170, 207, 224, 227, 239, 240, 243, 253, 257, 258, 259, 265, 266, 268, 272, 301, 305, 308, 326, 334, 335 – Abwägung 105 – Allgemeinheit 30, 43, 61, 67, 79 – Allgemeinwohlbelange 28, 103, 105, 107 – Angemessenheit 331 – Angewiesenheit 67, 70, 71, 72, 73, 74, 75, 76, 77, 78, 79, 80, 81, 82, 83, 86, 87, 89, 91, 92, 94, 95, 98, 101, 102 – Arbeitnehmer 88 – Ausprägung 63, 69, 76, 77, 84, 90, 92, 95, 96, 99, 100, 105, 107, 108, 124, 207, 208, 226, 239, 244, 247, 258, 259, 264, 265, 268, 277, 288, 293, 294, 295, 298, 308, 319, 324, 331, 335 – Auswirkung 21, 34, 84, 105, 109, 116, 123, 124, 153, 162, 240, 252, 254, 275, 276, 279, 281, 329, 332 – Begrenzung 107 – Begriff 49, 70, 104, 107, 116, 332 – Bezugs-Begriff 50 – Definition 32, 55, 59, 102, 106, 107 – Denkmäler 94, 96 – Eigene Leistung 84

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Eigentümerinteressen 223 Eigentumseigenschaften 25, 54, 218 Eigentumsgarantie 198 Eigentumsschutz 331 Eingrenzung 105 Eingriffsintensität 227 Entmaterialisiertes Eigentum 251 Entstehen 67, 78, 106, 250, 255, 277 Freiheitsbeschränkung 240 Freiheitsrelevanz 244, 250, 252 Freiheitsverwirklichung 245, 248 Gentrifizierung 85 Gestaltungsspielraum 118, 124, 126, 153, 166, 167, 210, 214, 215, 216, 218, 223, 225, 226, 239, 249, 253, 264, 266, 269, 270, 279, 298, 301, 305, 307, 324, 331 Grundeigentum 248 Grundrechtliche Wertungen 85, 87, 89, 90, 91, 95, 99, 102, 103, 104 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 224, 298 Herleitung 29, 55, 81, 82, 83, 84, 85, 86, 90, 91, 93, 98, 100, 101, 102, 215, 225 Hoheitsgebiet 291 Inhalt 20, 21, 23, 24, 25, 26, 32, 55, 56, 70, 93, 99, 107, 108, 109, 115, 207, 213, 225, 240, 281, 332 Inhalts- und Schrankenbestimmung 115, 116 Interessenkollisionen 104, 260, 264 Klimaschädlichkeit 294 Kohärenz 275, 299 Kohlekraftwerke 288, 291, 292, 293, 320, 335 Kohlenstoffdioxid 290 Natürliche Lebensgrundlagen 293 Öffentliches Interesse 107 Personaler Bezug 239, 243, 248, 249, 250, 251, 252 Rechtliche Folge 112, 115, 123, 124, 168, 332

370

Sachverzeichnis

– Regelungsdichte 135, 144, 244, 256, 267, 269 – Sachbereich 62, 216 – Schutzwirkung 241 – Situationsgebundenheit 94 – Sozialbindung 65, 71, 255, 260 – Soziale Funktion 52 – Sozialpflichtigkeit 224 – Sozialstaatsprinzip 48 – Staatliche Förderung 83, 92, 97, 98, 106, 207, 288, 332 – Staatszielbestimmungen 99 – Umweltgefahren 248 – Vertrauensschutz 319 – Wandel 81 – Wechselwirkung 243, 246 – Wertigkeit 239, 254, 257, 334 – Zurechnung 66, 76, 91, 96, 102, 277, 319, 325 Sozialpflichtigkeit 26, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 40, 41, 42, 44, 45, 49, 50, 107, 178, 191, 226, 332 – Allgemeinheit 31 – Bestimmtheit 226 – Herleitung 31, 33 – Inhalt 34 – Wirkung 37, 40 Sozialstaatsprinzip 26, 44, 45, 46, 47, 48, 92, 93 Staatszielbestimmungen 45 – Denkmalschutz 96 – Natürliche Lebensgrundlagen 99 Steinkohle 282, 283, 320, 329 Strukturmerkmale 177, 202, 204, 205, 211, 238 – Eigenleistung 203 – Existenzsicherung 203 – Privatnützigkeit 203, 204 – Vermögenswert 203 Substanzschutz 268, 329, 331 TEHG 281, 304, 308, 313, 314, 315, 316, 317

Treibhausgase 282, 288, 289, 290, 292, 293, 294, 295, 296, 300, 301, 302, 303, 304, 306, 314, 315, 316, 317, 318, 320, 321, 322, 324, 325, 326 Übergangsregelungen 111, 114, 204, 207, 268, 310, 314, 328 Unternehmenseigentum 56, 88, 245, 246 Verfassungsbindung 123 – Flexibilisierung 160, 162 Verfassungsgefüge 164, 182, 215 – Gesetzgeber 183 Verfassungsgut, Wertigkeit 158 Verfassungsinterpretation 26, 116, 117, 131, 144, 146, 147, 148, 150, 160, 164, 176, 183, 209, 220 – funktionell-rechtliche 220 Verfassungskonforme Auslegung 163, 164 Verfassungsorgantreue 121 Verfassungsrecht, kollidierendes 103 Verfassungsverstöße 154 Verfügungsgewalt 88, 237 Vergesellschaftung 25, 29, 30, 274 Vermögensrechtlicher Bereich – Eigentumsgarantie 230 – Ertragsfunktion 237 – Freiheitsraum 83, 87, 201, 204, 206, 236, 237, 238, 244, 248, 249, 256, 264, 308, 313 – Wertigkeit 242 Versorgungssicherheit 101, 284, 322, 323, 324 Vertrauensschutz 91, 206, 207, 211, 267, 277, 297, 309, 312, 313, 314, 315, 317, 319, 326, 327, 330, 331 – Demokratieprinzip 320 – Gestaltungsspielraum 328 – Herleitung 313 – Investitionen 313 – Rückwirkung 326 – Sozialer Bezug 319

Sachverzeichnis Vertretbarkeitskontrolle 151, 152, 155, 157, 160, 196, 211, 212, 223, 333 – Gestaltungsspielraum 156 – Prozeduralisierung 156 – Verfahrensfragen 155 Verursacherprinzip 326 Viehseuchengesetz 30, 35, 37 Vorsorgeprinzip 321

371

– Eigentümerinteressen 243, 253, 265 – Eigentumsgarantie 233 – Freiheitsraum 242 – Personaler Bezug 238, 239 – Sozialer Bezug 239, 257 Wertrangordnung 198, 200 – Eigentumsgarantie 272 – Verfassunsgüter 198, 217, 219, 224

Wasserbetteffekt 304 Weimarer Reichsverfassung 35, 36, 96, 274 Wertigkeit 90, 158, 159, 203, 222, 223, 228, 231, 239, 253, 265, 266, 297 – Allgemeinwohlbelange 323

Wesensgehaltsgarantie 215 Wohneigentum 19, 56, 70, 74, 75, 76, 78, 84, 85, 86, 237, 244, 277, 278, 279 Zumutbarkeit 192