Der Bund der Kommunisten: Dokumente und Materialien Band 1 1836-1849


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Der Bund der Kommunisten: Dokumente und Materialien Band 1 1836-1849

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Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU

DER BUND DER KOMMUNISTEN DOKUMENTE UND MATERIALIEN

(£/ Dietz Verlag Berlin 1983

Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED

Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU

DER BUND DER KOMMUNISTEN DOKUMENTE UND MATERIALIEN BAND 1 • 1836-1849

Dietz Verlag Berlin 1983

Redaktion: Herwig Förder, Martin Hundt, Jefim Kandel, Sofia Lewiöwa

Mit 63 Abbildungen

2. Auflage 1983 © Dietz Verlag Berlin 1970 Lizenznummer 1 LSV 0016 Lektor: Almut Rieck Einband und Schutzumschlag: Peter Schulz Printed in the German Democratic Republic Satz: Offizin Andersen Nexö, Graphischer Großbetrieb Leipzig III/18/28 Druck und Bindearbeit: Grafische Werke Zwickau HI/29/1 Fotomechanischer Nachdruck Best.-Nr.: 735 6995 DDR 28-M

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EINLEITUNG

Die Geschichte des Bundes der Kommunisten ist die Geschichte der ersten revolutionären Partei der Arbeiterklasse, die sich vor über hundertzwanzig Jahren an die Spitze des Befreiungskampfes des eben erwachenden Proletariats stellte. Das Programm des Bundes der Kommunisten, das „Manifest der Kommunistischen Partei“, zeugt da­ von, daß der wissenschaftliche Kommunismus zum ersten Male zur Richtschnur des proletarischen Klassenkampfes geworden war. „Mit dieser Partei und ihrem weltberühmten Programm war der Grundstein gelegt für die ganze weitere Geschichte der revolutionären Arbeiter­ bewegung. Mit dem Bund der Kommunisten begann der Siegeszug der kommunistischen Bewegung über den Erdball.“1 Die Geschichte des Bundes der Kommunisten ist unlösbar mit den Namen von Karl Marx und Friedrich Engels verbunden. Im Bund der Kommunisten begannen die Begründer der revolutionären Welt­ anschauung des Proletariats ihren Weg als Führer der internationalen Arbeiterbewegung. Karl Marx und Friedrich Engels erwiesen sich nicht nur als geniale Denker, die die welthistorische Mission der Arbeiter­ klasse erkannten und ihr die für den erfolgreichen Kampf unerläßlichen theoretischen Waffen lieferten, sondern zugleich als hervorragende Organisatoren der proletarischen Partei, als Führer dieser Partei im praktischen politischen Kampf. Der Bund der Kommunisten war Anfang und Grundlegung zugleich. In ihm schloß sich eine noch kleine Schar von unerschrockenen und selbstlosen Kämpfern zur ersten revolutionären Partei des Proletariats zusammen. Heute bilden die kommunistischen und Arbeiterparteien ein nach vielen Millionen zählendes Heer revolutionärer Kämpfer, die 1 Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung in acht Bänden, Bd.l, Berlin 1966, S.66.

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der Arbeiterklasse und allen anderen Werktätigen in der ganzen Welt im Kampf gegen Imperialismus und Krieg, auf dem Wege zum Sozialis­ mus und Kommunismus voranschreiten. Die moderne revolutionäre Arbeiterbewegung sieht in ihrer Geschichte nicht nur das Bild ihrer Vergangenheit, sondern sie benutzt sie auch als Arsenal, dem sie Waffen für ihren gegenwärtigen Kampf entnimmt. In der marxistischen Geschichtsschreibung hat die Erforschung der Geschichte des Bundes der Kommunisten eine bedeutende und weit zurückreichende Tradition. Nachdem Karl Marx bereits 1860 in „Herr Vogt“ eine kurze Skizze der Bundesgeschichte gegeben hatte, lieferte Friedrich Engels 1885 mit seiner Arbeit „Zur Geschichte des Bundes der Kommunisten“ die erste geschlossene Darstellung. Einen bedeutenden Beitrag leistete er auch mit seiner Arbeit „Marx und die ,Neue Rheini­ sche Zeitung* 1848-1849“ sowie in einer ganzen Reihe weiterer Artikel, Einleitungen usw. Die Absicht von Friedrich Engels war es, eine aus­ führliche Geschichte. der „ruhmvollen Jugendzeit der internationalen Arbeiterbewegung“1 zu schreiben. Bleibendes Verdienst um die Darstellung der Anfänge der deutschen Arbeiterbewegung und der Rolle von Marx und Engels als Führer der revolutionären Arbeiterklasse erwarb sich Franz Mehring mit seiner großen „Geschichte der deutschen Sozialdemokratie“ (1897/1898), seiner Marxbiographie (1918) und einer Anzahl weiterer Arbeiten mit wich­ tigen Quelleneditionen. Mit ihnen trat er zugleich entschieden gegen die Entstellungen der bürgerlichen Historiographie auf. Mehrings Arbeiten waren allerdings in einzelnen Fällen nicht frei von Fehlern und ent­ hielten auch infolge der nicht immer ausreichenden Quellengrundlage Lücken bei der Darstellung der Geschichte des Bundes der Kommunisten und verschiedener Etappen des ideologischen und politischen Kampfes von Marx und Engels um die Schaffung der proletarischen Klassen­ partei . Die marxistische Geschichtsforschung hat seitdem die Literatur über den Bund der Kommunisten bedeutend bereichert und dabei ein um­ fangreiches Material zusammengetragen. Vor allem in der Sowjet­ union, wo nach der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution auf Geheiß W. I. Lenins das literarische Erbe von Karl Marx und Friedrich Engels gesammelt wurde, erschienen vielfältige Untersuchungen zur Geschichte des Bundes der Kommunisten. Die sowjetischen Historiker, die besonders eingehend die Rolle von Marx und Engels als Organi­ satoren und Führer der revolutionären Arbeiterbewegung erforschten, vertieften durch ihre Arbeiten, die Einsicht in die allgemeinen Entwick1 Siehe vorl. Bd., S.63.

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lungslinien der Bundesgeschichte und erweiterten dabei gleichzeitig in bedeutendem Umfang die Kenntnis des historischen Details. Nach der Befreiung vom Faschismus und der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik konnte auch auf deutschem Boden die Er­ forschung der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung in breiterem Maße in Angriff genommen werden. Eine verallgemeinernde Zusammen­ fassung und Erweiterung der Ergebnisse der marxistischen Historio­ graphie brachte die „Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung in acht Bänden“ (1966), in der die Bedeutung des Bundes der Kommunisten als Beginn der internationalen und der deutschen revolutionären Arbei­ terbewegung herausgearbeitet ist. Auch die bürgerliche Geschichtsschreibung hat der Geschichte des Bundes der Kommunisten beträchtliche Aufmerksamkeit gewidmet. Sie hat gewisse Leistungen bei der Sammlung von Materialien vollbracht und im einzelnen eine Reihe interessanter Tatsachen zutage gefördert, jedoch hat sie - von Ausnahmen abgesehen - wenig dazu beigetragen, ein wahres Bild von der Geschichte des Bundes der Kommunisten, die so viele fruchtbare Lehren für die Arbeiterbewegung der Gegenwart enthält, zu gewinnen. Im Gegenteil, die meisten bürgerlichen Historiker suchen das Wesen der Arbeiterbewegung auch durch eine Entstellung ihres Ursprungs zu verfälschen. Vor allem geht ihr Bestreben dahin, die große historische Bedeutung des Bundes der Kommunisten und das Wirken von Karl Marx und Friedrich Engels als Führer dieser Organi­ sation zu leugnen. Ihr Hauptaugenmerk richten die bürgerlichen Histo­ riker auf die der frühen Arbeiterbewegung noch anhaftenden Schwächen und vor allem auf kleinbürgerliche Strömungen und Tendenzen in der Arbeiterbewegung. Dabei suchen sie solchen Politikern und Ideologen, die eine unklare und schwankende Haltung einnahmen oder direkt gegen Marx und Engels auftraten (wie Heß, Proudhon, Born), eine zen­ trale Stellung zuzuschreiben und als die eigentlichen Repräsentanten der Arbeiterbewegung hinzustellen. Solche Entstellungen fanden sich bereits in der revisionistischen Geschichtsschreibung nach der Jahr­ hundertwende. In den letzten Jahren hat die bürgerliche und, ihr folgend, auch die' rechtssozialdemokratische Geschichtsschreibung einen weiteren Schritt nach rechts getan, der durch neue reaktionäre Tendenzen in der Schil­ derung der frühen Geschichte der Arbeiterbewegung gekennzeichnet ist. In ihren Darstellungen des Bundes der Gerechten und des Bundes der Kommunisten trennen die reaktionären Historiker vor allem die ele­ mentare Arbeiterbewegung, die als die eigentliche Arbeiterbewegung hingestellt wird, von der Geschichte des Sozialismus und des wissen­ schaftlichen Kommunismus. Unter diesem Gesichtspunkt wird vor 7

allem die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung während der Revolution von 1848/1849 entstellt. Imperialistische Historiker suchen Stephan Born als den Vorläufer einer Politik darzustellen, die die Arbei­ terbewegung in die staatsmonopolistische Gesellschaft integrieren will. In immer neuen Varianten stellen sie die Behauptung auf, Marx habe der Partei keine große Bedeutung beigemessen und sich gegenüber Organisationsfragen mehr oder weniger gleichgültig oder gar ablehnend verhalten.

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Im Ergebnis der viele Jahrzehnte währenden Forschungsarbeit hat die Geschichtswissenschaft eine große Anzahl von Quellen zur Geschichte des Bundes der Kommunisten zutage gefördert, und viele von ihnen sind, wenn auch sehr verstreut, veröffentlicht worden. Ein beträchtlicher Teil des Quellenmaterials, vorwiegend Handschriften, in den meisten Fällen aber auch die zeitgenössische Publizistik, blieb den Forschern allerdings nur schwer zugänglich; vor allem fehlte eine Zusammenfas­ sung der Quellen zur Geschichte des Bundes der Kommunisten. Eine erste Veröffentlichung dieser Art war der 1964 vom Institut für Marxis­ mus-Leninismus beim Zentralkomitee der KPdSU in Moskau heraus­ gegebene Dokumentenband „Coros KOMMynncTOB - npejjmecTBenHiiK I HuTepnaunoHajia“. Durch ihn wurde die vorliegende, bedeutend breiter angelegte Quellenveröffentlichung angeregt, die das Ergebnis der gemein­ samen Arbeit der Institute für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU in Moskau und beim ZK der SED in Berlin ist. Diese Sammlung von Dokumenten belegt und veranschaulicht die Entwicklung des Bundes der Kommunisten auf der Grundlage primärer Quellen. Sie will dazu beitragen, ein richtiges, von den Tatsachen aus­ gehendes Bild der Geschichte des Bundes der Kommunisten zu erhalten und unsere Kenntnisse von dieser ersten revolutionären Partei der Arbeiterklasse zu erweitern und zu vertiefen. Sie will der Wissenschaft Unterlagen für die weitere Forschung zur Verfügung stellen und einem größeren Kreis von historisch Interessierten helfen, sich die für die Gegenwart lehrreichen Erfahrungen aus den Anfängen der Arbeiter­ bewegung anzueignen. Schließlich dient sie zugleich der Widerlegung der Entstellungen, die sich in dem größten Teil der bürgerlichen Historio­ graphie - vor allem Westdeutschlands - finden, in der die revolutionären Traditionen der Arbeiterbewegung keinen Platz haben. Die veröffentlichten Quellen dokumentieren die gesamte Geschichte des Bundes der Kommunisten von 1836 bis 1852 und zeigen darüber hinaus das Fortwirken von Bundesmitgliedern in den nachfolgenden Jahren. Die Geschichte des Bundes der Kommunisten schließt in ihrer umfassenden Bedeutung die Geschichte des Bundes der Gerechten 8

(1836-1847) ein, der, ebenso wie das von Marx und Engels geschaffene Netz der Kommunistischen Korrespondenzkomitees, der Gründung der revolutionären Partei im Jahre 1847 voranging und sie vorbe­ reitete. Die wichtigsten Entwicklungsabschnitte, die sich in der Geschichte des Bundes der Kommunisten abzeichnen, liegen der Anordnung des Materials und seiner Aufteilung in Kapitel zugrunde.

I Der erste größere Entwicklungsabschnitt in der Geschichte des Bundes der Kommunisten reicht von der Gründung des Bundes der Gerechten bis zum Beginn der Tätigkeit von Karl Marx und Friedrich Engels in der Arbeiterbewegung, umfaßt also die Zeit von 1836 bis 1844. Diese Periode war dadurch gekennzeichnet, daß sich fortgeschrittene deutsche Handwerksgesellen in Paris von der kleinbürgerlich-demo­ kratischen Organisation des Bundes der Geächteten trennten und damit die erste historische Form einer selbständigen politischen Organisation deutscher Arbeiter schufen. Der Bund entstand in einer Zeit, als sich in den fortgeschrittensten Ländern Europas der Kapitalismus auf der Grundlage der industriellen Revolution immer breiter zu entfalten begann und damit auch die mo­ derne Arbeiterklasse die historische Bühne betrat. In den dreißiger und vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts kam es zu den ersten Massenbewe­ gungen des sich formierenden Proletariats, die in den großen Streiks der englischen Arbeiter, den Erhebungen von Lyon und im schlesischen Weberaufstand ihre Höhepunkte erreichten. Hand in Hand damit gingen die ersten Versuche, eigene Organisationen zu bilden und eine den eigenen Bedürfnissen entsprechende Theorie zu finden. Es war ein gesetzmäßiger Prozeß, daß als Ausdruck des proletarischen Klassen­ kampfes in diesen Ländern sozialistische und kommunistische Theorien entstanden. In den ersten elementaren Klassenbewegungen der Arbeiter spielten die Versuche, durch Streiks und ähnliche Kampfmittel ihre Lebenslage zu verbessern, bereits eine große Rolle. Das Auftreten sozia­ listischer und kommunistischer Theorien war jedoch ein Zeichen dafür, wie die fortgeschrittenen Arbeiter zu begreifen begannen, daß die Aufgabe ihrer Klasse nicht in dieser oder jener Reform der bürgerlichen Gesell­ schaft bestand, sondern darin, eine neue, von Ausbeutern freie sozia­ listische Gesellschaft zu gründen. In England entstand mit den Chartisten die erste revolutionäre Massenorganisation der Arbeiterklasse, und gleichzeitig fand der utopische Sozialismus Robert Owens Verbreitung. In Frankreich faßten

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die Ideen des utopischen Sozialismus und Kommunismus besonders in den geheimen Arbeiterorganisationen Fuß, wobei zunächst vor allem der Babouvismus eine bedeutende Rolle spielte. Deutsche Hand­ werksgesellen wurden im Ausland angeregt, sich in geheimen Ver• bindungen zusammenzuschließen, die sich auch nach Deutschland ausbreiteten. In den meisten Fällen spielte in diesen Bewegungen und Organisa­ tionen noch nicht der Industriearbeiter, sondern der Handwerksgeselle und der Manufakturarbeiter die Hauptrolle; nur in England gab es bereits ein bedeutendes Industrieproletariat. In Frankreich und noch mehr in Deutschland wurde der weitaus größte Teil der entstehenden Arbeiterklasse von Manufakturarbeitem, Handwerksgesellen und Tage­ löhnern gestellt. Diese soziale Struktur wirkte sich auch auf die ersten proletarischen Organisationsversuche aus. Es war noch nicht die Zeit der sozialistischen Massenparteien, wie sie vor allem im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern für die Arbeiterbewegung charakteristisch wurden. Dennoch bildete bereits die Entstehung des Industrieproletariats, des Kerns der revolu­ tionären Arbeiterklasse, die historische Grundlage für die ersten Orga­ nisationsbestrebungen, denn nun erhielten die anderen proletarischen und halbproletarischen Schichten einen festen Mittelpunkt. Sie be­ gannen, sich ihrer Bedeutung und Kraft bewußt zu werden und die historische Mission der Klasse, der sie angehörten, zu ahnen. So konn­ ten auch fortgeschrittene deutsche Handwerksgesellen, die den größten Teil der Mitglieder des Bundes der Kommunisten stellten, eine so hervor­ ragende Rolle an der Spitze der Arbeiterbewegung jener Zeit spielen. Die vielfältigen und immer dringender nach einer revolutionären Lösung verlangenden gesellschaftlichen Widersprüche in Deutschland bildeten einen günstigen Boden für eine große politische Aktivität aller unterdrückten und ausgebeuteten Klassen und Schichten und waren von tiefgreifendem Einfluß auf die Entwicklung der deutschen Arbeiter­ bewegung im 19. Jahrhundert, die, beginnend mit dem Bund der Kom­ munisten, sich am raschesten und umfassendsten den Marxismus an­ eignete. Für die besondere Rolle der Handwerksgesellen in der ersten Etappe dieser Entwicklung war es darüber hinaus von Bedeutung, daß sie auf ihren Wanderungen, die sie - sei es aus alten beruflichen Tradi­ tionen, sei es auf der Suche nach besseren Arbeitsbedingungen - unter­ nahmen, oder auch auf der Flucht vor politischen Verfolgungen in die Zentren der sozialistischen und Arbeiterbewegung in den fortgeschritte­ neren Ländern gelangten, wo sie Gelegenheit hatten, die neuesten Ideen aufzunehmen. Die Wanderungen der Handwerksgesellen begünstigten vor allem auch den Aufbau einer Organisation, die nicht an lokale oder

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provinzielle und schließlich auch nicht mehr an nationale Grenzen und Schranken gebunden war. Der Bund der Geächteten, in dem sich die fortgeschrittenen deutschen Handwerksgesellen erstmalig politisch betätigten, war eine 1834 in Paris gegründete Geheimorganisation, die sich von dort nach Deutsch­ land ausbreitete. Der Bund stand unter der Führung kleinbürgerlicher Demokraten, jedoch stellten die deutschen Handwerksgesellen bereits die Mehrheit der Mitglieder und waren am aktivsten tätig. Wie aus einer großen Zahl von Dokumenten hervorgeht, die teilweise hier zum ersten Male veröffentlicht werden, vollzog sich während der Jahre 1836 bis 1838 in einem organisatorischen, politischen und ideologischen Ver­ selbständigungsprozeß die Lostrennung der proletarischen Kräfte, die sich ihrer eigenen Interessen bewußt zu werden und kommunistische Theorien zu entwickeln begannen. Am stärksten und sichtbarsten strebten die Arbeiter nach organisato­ rischer Selbständigkeit. Die Bundesmitglieder suchten, wie ein großer Teil der abgedruckten Aussagen erkennen läßt, vor allem die extrem verschwörerisch-sektiererischen Organisationsformen des Bundes der Geächteten, wie sie in den im Anhang von Band 1 abgedruckten Statuten festgelegt und für die meisten der kleinbürgerlichen Geheimorganisa­ tionen jener Zeit charakteristisch waren, abzuschütteln und demokra­ tischere, dem Wesen der Arbeiterbewegung gemäßere Organisations­ prinzipien durchzusetzen. Hinter den in einer Reihe von Dokumenten hervortretenden Aus­ einandersetzungen über Organisationsfragen verbargen sich grund­ legende ideologische Gegensätze, denn die kleinbürgerliche Führung des Bundes der Geächteten suchte die diktatorischen Vollmachten, die ihr die Statuten gewährten, zur Durchsetzung ihrer Konzeptionen aus­ zunutzen. Daher ging es bei diesen Auseinandersetzungen nicht nur um Organisationsfragen, wie in der bürgerlichen Historiographie häufig be­ hauptet wird, sondern um den Gegensatz zwischen kleinbürgerlich­ demokratischer und utopisch-kommunistischer Ideologie, die sofort nach der Gründung des Bundes der Gerechten als seine theoretische Grundlage hervortrat. Am Beginn des ideologischen Trennungsprozesses innerhalb des Bundes der Geächteten stand die Auseinandersetzung mit den kleinbürgerlich-demokratischen Anschauungen Jakob Venedeys. Bald jedoch lehnten sich die proletarischen Handwerksgesellen auch gegen die kleinbürgerlich-sozialistischen Theorien Theodor Schusters auf, die im Bund der Geächteten vorübergehend einen bedeutenden Ein­ fluß gewinnen konnten und in denen der Aufstieg zum selbständigen kleinen Gewerbetreibenden als Ideal hingestellt wurde. Die ideologischen Auseinandersetzungen endeten im Jahre 1838 mit 11

der Aufstellung eines utopisch-kommunistischen Programms, für das neben Wilhelm Weitling auch Karl Schapper einen Entwurf zur Dis­ kussion stellte. Die Gründung des Bundes der Gerechten war mit der Annahme eines Statuts und der Veröffentlichung der von Weitling verfaßten program­ matischen Schrift „Die Menschheit, wie sie ist und wie sie sein sollte“ im Jahre 1838 abgeschlossen. Die neue Organisation wies noch viele Merk­ male auf, die ihre Herkunft erkennen ließen, jedoch war sie gegenüber dem kleinbürgerlich-demokratischen Bund der Geächteten im wesent­ lichen bereits eine proletarisch-kommunistische Organisation. Die Trennung des Bundes der Gerechten vom Bund der Geächteten vollzog sich zuerst im Zentrum der Organisation, in Paris, und erstreckte sich, wie aus verschiedenen der abgedruckten Aussagen hervorgeht, über einen längeren Zeitraum; in Deutschland setzte sie sich teilweise sogar noch bis zum Jahre 1840 fort. Die weitere Entwicklung des Bundes der Gerechten, der auf Grund der politischen Bedingungen im geheimen wirken mußte, war mit einer schrittweisen Zurückdrängung von Sekten-Tendenzen verbunden, die zunächst besonders mit der engen Verbindung zu den Geheimgesell­ schaften Blanquis gegeben waren. Diese sektenhaften Züge, die sich nicht nur im Organisationsaufbau, sondern auch in der utopischen Programmatik äußerten, waren eine für das frühe Stadium der Arbei­ terbewegung, überhaupt charakteristische Erscheinung und hingen eng mit dem ungenügenden Entwicklungsstand der proletarischen Klassen­ bewegung zusammen. „Die erste Phase in dem Kampf des Proletariats gegen die Bourgeoisie ist“, wie Marx und Engels hervorhoben, „durch die Sektenbewegung bezeichnet. Diese ist berechtigt zu einer Zeit, in der das Proletariat sich noch nicht hinreichend entwickelt hat, um als Klasse zu handeln... Die Sekten, im Anfänge Hebel der Bewegung, werden ein Hindernis, sowie diese sie überholt“.1 Die verschwörerisch-putschistischen Pläne, durch den Aufstand einer kleinen Minderheit im Handstreich die politische Macht zu erobern, verloren im Bund der Gerechten nach der Niederlage des Pariser Auf­ standes vom Mai 1839 schnell an Bedeutung. Wenn Karl Marx von den proletarischen Geheimgesellschaften der vierziger Jahre in Frank­ reich sagte, daß sie „nicht die unmittelbare Insurrektion, sondern die Organisation und Entwicklung des Proletariats zum Zweck hatten“2, so gilt dies im wesentlichen auch für den Bund der Gerechten. 1 Karl Marx/Friedrich Engels: Die angeblichen Spaltungen in der Internationale. Vertrauliches Zir­ kular des Generalrats der Internationalen Arbeiterassoziation. In: MEW, Bd. 18, S.32-34. - 2 Karl Marx/ Friedrich Engels: [Rezensionen aus der „Neuen Rheinischen Zeitung. Politisch-ökonomische Revue“. Viertes Heft, April 1850], In: MEW, Bd.7, S.275.

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Der utopische Kommunismus, der während des ersten Entwicklungs­ abschnittes des Bundes der Gerechten dessen ideologische Grundlage bildete, war ein erster Versuch, eine den besonderen Klasseninteressen des Proletariats entsprechende Theorie zu schaffen, und hatte zunächst eine große Bedeutung für die Emanzipation der Arbeiter von der bürger­ lichen und kleinbürgerlichen Bewegung. In der Form des utopischen Kommunismus begannen die Arbeiter sich zum ersten Male ihrer be­ sonderen Interessen bewußt zu werden. Jedoch war dieser Kommunis­ mus mit seiner utopischen Begrenztheit kein adäquater Ausdruck der revolutionären Arbeiterbewegung. „Dem unreifen Stand der kapitalisti­ schen Produktion, der unreifen Klassenlage, entsprachen“, wie Fried­ rich Engels feststellte, „unreife Theorien.“1 Der Utopismus dieser Theorien äußerte sich nicht nur in der wohl genialen, aber doch phantastischen Ausmalung der zukünftigen kommu­ nistischen Gesellschaft, sondern auch in der Unfähigkeit, den Weg zur Beseitigung der kapitalistischen Ausbeuterordnung zu zeigen, so daß der utopische Kommunismus nicht zur Richtschnur der praktischen Politik werden konnte. Der utopische Kommunismus war im Bund der Gerechten mit ver­ schiedenen Strömungen vertreten. Nachdem die babouvistischen An­ schauungen nach 1839 erheblich an Einfluß verloren hatten, herrschten im Bund der Gerechten für längere Zeit auf der einen Seite Wilhelm Weitlings kommunistische Theorien und andererseits der sogenannte friedliche Kommunismus Cabets, daneben auch Konzeptionen von Robert Owen vor. Wilhelm Weitling nimmt vor allem mit seinem Haupt­ werk „Garantien der Harmonie und Freiheit“ einen hervorragenden Platz als selbständiger Theoretiker des utopischen Kommunismus ein. Seine Lehre zeichnete sich unter anderem dadurch aus, daß sie der revolutionären Aktion der Massen einen bedeutenden Platz einräumte und damit vor allem auch über blanquistische Vorstellungen hinaus­ ging. Jedoch faßte Weitling die Massenbewegung nur als ein rein spon­ tanes Geschehen auf und gründete darauf eine Revolutionskonzeption, die starke anarchistische und auch putschistische Züge trug. Der Weitlingsche Kommunismus fand vor allem bei den Mitgliedern des Bundes in der Schweiz und zum Teil auch in Deutschland weite Verbreitung. Die in der Geschichtsschreibung häufig anzutreffende Dar­ stellung, wonach Weitlings Anschauungen bis in die Mitte der vierziger Jahre im Bunde insgesamt vorherrschend gewesen seien, bedürfen je­ doch einer Korrektur. Wie die hier abgedruckten Quellen beweisen, so unter anderem die Briefe Ewerbecks und Mäurers aus den Jahren 1 Friedrich Engels: Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft. In: MEW, Bd. 19, S. 193/194.

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1842/J843 und das Protokoll derSociete d6mocratique vom Mai 1843, ..erlangte der utopische Kommunismus Cabets bald einen maßgebenden Einfluß auf die Zentren des Bundes in Paris und London. Darin zeigte sich die Erkenntnis von der Notwendigkeit der aufklärenden kommunistischen Propaganda in breiten Schichten der Arbeiter­ klasse. Wie die hier veröffentlichten Quellen deutlich erkennen lassen, nahm, die Entwicklung des Bundes der Gerechten seit 1840 einen bedeutenden Aufschwung. Vor allem gelang es ihm, dadurch einen größeren Wir­ kungskreis zu erlangen, daß er dort, wo es die politischen Verhältnisse erlaubten, öffentliche Arbeitervereine zu Propaganda- und Bildungs­ zwecken ins Leben rief oder auch in bereits bestehenden tätig war. Die Leitung des Bundes lag weiterhin bei der Volkshalle in Paris, in der jetzt Hermann Ewerbeck eine führende Stellung einnahm. Wie ein etwa An­ fang 1843 entstandenes Fragment beweist, beschäftigte sich die Leitung des Bundes um diese Zeit mit der Aufstellung neuer Statuten, wobei sie diese den veränderten Bedingungen und Aufgaben anzupassen suchte. Neue Aufschlüsse über den Umfang und die Tätigkeit der Bundes­ organisation in Paris gewähren vor allem auch die hier zum ersten Male abgedruckten Aussagen Mentels. Besonders große Erfolge erzielte der Bund der Gerechten in der Schweiz, wo Wilhelm Weitling etwa zwei Jahre lang eine rege Propagan­ da betrieb. Es gelang ihm, eine deutschsprachige kommunistische Zeit­ schrift herauszugeben, die von September 1841 bis Mai 1843 erscheinen konnte. Eine große Zahl von Briefen aus der Zeit von Ende 1842 bis Mitte 1843 spricht von den bedeutenden Ergebnissen dieser propagan­ distischen Tätigkeit, aber bereits auch vom immer deutlicheren Hervor­ treten der rückständigen Seiten in den Anschauungen Weitlings, die von der Volkshalle, aber auch von anderen Bundesmitgliedern immer ent­ schiedener zurückgewiesen wurden. Ein schwerer Schlag wurde der Tätig­ keit des Bundes der Gerechten in der Schweiz durch die Verhaftung Weitlings im Juni 1843 versetzt. Der nachfolgende Niedergang der kommunistischen Propagandatätigkeit in der Schweiz war jedoch nicht allein den Unterdrückungsmaßnahmen der Behörden zuzuschreiben, sie war vielmehr in erster Linie durch die wenig entwickelten gesellschaft­ lichen Verhältnisse in diesem Lande bedingt. Eine besondere Rolle begann nach 1840 die Londoner Organisation des Bundes der Gerechten zu spielen, die unter der Führung von Karl Schapper, Joseph Moll und Heinrich Bauer stand und die sich bis zur Mitte der vierziger Jahre zum faktischen Zentrum des Bundes der Gerechten entwickelte. In London hatten die Bundesmitglieder Anfang 1840 einen Arbeiterbildungsverein gegründet, der unter dem Namen

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Kommunistischer Arbeiterbildungsverein bekannt geworden ist. Diefortgeschritteneren sozialen und politischen Verhältnisse in England bil­ deten günstige Bedingungen für die weitere politisch-ideologische und organisatorische Entwicklung des Bundes, der hier auch seine inter­ nationalen Verbindungen stärker auszubauen begann. Die weitverzweigte Tätigkeit des Bundes der Gerechten in Deutsch­ land, für die es eine Reihe von einzelnen Hinweisen gibt, erfolgte ent­ sprechend den drückenden politischen Bedingungen völlig im geheimen. Dies trägt gerade für die erste Zeit seiner Existenz mit dazu bei, daß die örtlichen Bundesorganisationen nur ausnahmsweise in den überlieferten Quellen deutlicher in Erscheinung treten. So gibt ein Dokument Hin­ weise auf die Gründung einer Gemeinde in Hamburg Ende 1839/Anfang 1840. Ihre Tätigkeit wird durch weitere Quellen aus dem Jahre 1844 belegt. Im ganzen konnte sich der Bund der Gerechten in seiner ersten Ent­ wicklungsphase trotz einzelner Rückschläge beträchtlich ausbreiten und auch seine Organisation festigen. Gegen Ende des Jahres 1844 waren im Bund nach wie vor die Ideen des utopischen Kommunismus vor­ herrschend, jedoch hatte sich keine der verschiedenen Richtungen durch­ setzen können. Sie wurden vielmehr in zunehmendem Maße kritisch betrachtet, und zumindest einzelne ihrer Seiten begannen bereits auf Ablehnung zu stoßen. II

Mit der Begründung des wissenschaftlichen Kommunismus schufen Marx und Engels die theoretische Grundlage für die Schaffung einer revolutionären proletarischen Partei, für die Ausarbeitung einer Strate­ gie und Taktik der Arbeiterbewegung, die auf den objektiven Gesetz­ mäßigkeiten der gesellschaftlichen Entwicklung und des proletarischen Klassenkampfes beruhte. Der elementare Klassenkampf hatte bereits eine Stufe erreicht, der das bisherige theoretische Rüstzeug nicht mehr entsprach. Die Verschmelzung des Marxismus mit einer kleinen Vorhut der Arbeiterklasse ist das bedeutendste Ergebnis der frühen proleta­ rischen Klassenbewegung, das sie über ihre Frühformen hinausführte und unmittelbar mit der fortgeschrittenen Arbeiterbewegung der Gegen­ wart verbindet. „Der deutsche Sozialismus“, so schrieb Friedrich Engels, „datiert von lange vor 1848. Er wies anfangs zwei unabhängige Strö­ mungen auf. Einerseits eine reine Arbeiterbewegung, Abzweigung des französischen Arbeiterkommunismus; aus ihr ging, als eine ihrer Ent­ wicklungsstufen, der utopische Kommunismus Weitlings hervor. Dann eine theoretische Bewegung, entsprungen aus dem Zerfall der Hegel15

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sehen Philosophie; diese Richtung wird gleich von vornherein beherrscht durch den Namen Marx. Das ,Kommunistische Manifest' vom Januar 1848 bezeichnet die Verschmelzung beider Strömungen, eine Ver­ schmelzung, vollendet, und besiegelt im Glutofen der Revolution, wo sie alle, Arbeiter wie Ex-Philosophen, ihren Mann redlich gestanden haben.“1 Die zunächst erst losen, bald aber sehr eng werdenden Beziehungen zu Karl Marx und Friedrich Engels und der damit beginnende Einfluß des Gedankengutes des wissenschaftlichen Kommunismus waren ent­ scheidend für die weitere Entwicklung des Bundes der Gerechten. Mit ihrem Übergang vom revolutionären Demokratismus zum Kommunis­ mus in den Jahren 1843/1844 hatten Karl Marx und Friedrich Engels sogleich Verbindungen zu maßgebenden Vertretern der sozialistischen und Arbeiterbewegung jener Zeit aufgenommen, darunter auch Führern des Bundes der Gerechten wie Heinrich Bauer, Hermann Ewerbeck, Joseph Moll, Karl Schapper und Wilhelm Weitling. So lassen die in der vorliegenden Quellensammlung veröffentlichten Dokumente erkennen, wie unmittelbar mit der Herausbildung des Marxismus auch schon seine Verbindung mit der im Bund der Gerechten organisierten proletarischen Vorhut einsetzte und sich ungeachtet der anfänglichen Meinungsverschiedenheiten, Widersprüche und Miß­ verständnisse unaufhaltsam festigte und vertiefte. Gerade diese Gesetzmäßigkeit der Verschmelzung von wissenschaft­ lichem Kommunismus und Arbeiterbewegung wollen die bürgerlichen Historiker leugnen, indem sie eine „reine“ Arbeiterbewegung konstru­ ieren und behaupten, der Marxismus sei für diese Bewegung eine Art Fremdkörper. Die verschiedensten Erscheinungsformen der elemen­ taren Arbeiterbewegung werden nicht als Keim- und Vorformen der be­ wußten revolutionären Arbeiterbewegung aufgefaßt, sondern es werden gerade die rückständigen Seiten der frühen Arbeiterbewegung - ihr An­ knüpfen an religiöse Vorstellungen, ihre Versuche, innerhalb der be­ stehenden Ordnung einen Ausweg zu finden - als ihr eigentliches Wesen ausgegeben. Damit konstruieren die bürgerlichen Historiker historische Vorbilder für ein politisches Konzept, das die Einordnung der Arbeiter­ bewegung in das System des staatsmonopolistischen Kapitalismus an­ strebt. In Wirklichkeit beweist gerade die Geschichte des Bundes der Kommunisten die Richtigkeit der von der späteren Arbeiterbewegung immer wieder bestätigten Erkenntnis des Marxismus-Leninismus, daß eine vollständige Emanzipation der Arbeiterbewegung von der bürger­ lichen Politik und Ideologie nur möglich ist, wenn ihre Vorhut sich auf 1 Friedrich Engels: Der Sozialismus in Deutschland. In: MEW, Bd.22, S.248.

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der Grundlage einer eigenen proletarischen Weltanschauung, auf der Grundlage des wissenschaftlichen Kommunismus organisiert. Wie die umfangreichen Protokolle der im Jahre 1845 im Londoner Kommunistischen Arbeiterbildungsverein geführten Diskussionen zei­ gen, lehnten die Bundesmitglieder in dieser Zeit immer entschiedener die Theorien Weitlings ab. Gleichzeitig führte das Suchen nach einer philosophischen Begründung des Kommunismus zu einer Hinwendung zur materialistischen Philosophie Ludwig Feuerbachs und zu der sozialistischen Bewegung, die sich in Deutschland unter Angehörigen der fortschrittlichen Intelligenz herausgebildet hatte. Bereits Anfang der vierziger Jahre war unter dem Einfluß der Hegel­ sehen Philosophie und vor allem des Feuerbachschen Materialismus eine utopisch-sozialistische Strömung entstanden, wobei zunächst Moses Heß eine führende Rolle spielte. Gegen Ende 1842/Anfang 1843 kam es, wie einige Briefe aus dieser Zeit erkennen lassen, zur ersten, spora­ dischen Berührung zwischen dieser Strömung und dem Bund der Ge­ rechten. In den Jahren 1844/1845 arbeiteten Karl Marx und Friedrich Engels noch mit den Anhängern des philosophisch-utopischen Sozialis­ mus zusammen. Es hatte jedoch schon ein ideologisch-politischer Scheidungsprozeß begonnen, der in dem Maße fortschritt, wie der wissenschaftliche Kommunismus weiter ausgearbeitet wurde, während die philosophisch-utopische Richtung mit der Entwicklung der prole­ tarischen Klassenbewegung zerfiel und zum sogenannten wahren Sozialismus entartete, einer kleinbürgerlichen Richtung, die dem revolutionären Klassenkampf des Proletariats ablehnend gegenüber­ stand. Die in den Zentren des Bundes der Gerechten in London und Paris hervortretende Hinwendung zu philosophischen Fragen hatte ein zwie­ spältiges Resultat. Sie trug zwar auf der einen Seite dazu bei, daß der Weitlingsche Gleichheitskommunismus und auch andere utopistische Auffassungen überwunden wurden, erweckte das Verständnis für eine wissenschaftliche Begründung des Kommunismus und erleichterte damit den Zugang zu den Anschauungen von Marx und Engels, sie begünstigte aber auf der anderen Seite auch das Eindringen „wahrsozialistischer“ Anschauungen in den Bund der Gerechten. Karl Marx und Friedrich Engels, die sich im Laufe des Jahres 1845 über die Notwendigkeit, ihre kommunistische Weltanschauung der Arbeiterbewegung zu vermitteln, immer klarer geworden waren, legten bis zum Frühjahr 1846 die Ergebnisse ihrer neuen revolutionären Theorie in der „Deutschen Ideologie“ nieder. In diesem bedeutenden Werk, mit dem sie die bereits in der „Heiligen Familie“ und in der „Lage der arbei­ tenden Klasse in England“ veröffentlichten neuen Erkenntnisse weiter2 Bund

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führten, gaben Marx und Engels erstmals eine geschlossene Darstellung der materialistischen Geschichtsäuffassung. Die in den vorliegenden Bänden veröffentlichten Auszüge aus den Werken von Marx und Engels lassen erkennen, wie die Begründer des wissenschaftlichen Kommunismus sich seit 1844 immer mehr den Fra- * gen der Arbeiterbewegung und der Schaffung einer proletarischen Partei zuwandten. Von Anbeginn setzten sie sich mit Erscheinungen des Gleichheitskommunismus und des Sektierertums auseinander und hoben die Bedeutung der wirklichen Klassenbewegung hervor. Bereits in seinem Werk „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“ stellte Friedrich Engels fest, daß Arbeiterbewegung und sozialistische Be­ wegung noch getrennt waren, und hob die Notwendigkeit ihrer Ver­ schmelzung hervor.1 Mit der Begründung des wissenschaftlichen Kommunismus hatten Karl Marx und Friedrich Engels die theoretische Voraussetzung und Grundlage für eine umfassende organisatorische und ideologische Tätigkeit gewonnen. Anfang 1846 gründeten sie in Brüssel ein Kommu­ nistisches Korrespondenzkomitee und regten von diesem politisch­ organisatorischen Zentrum aus die Gründung von Komitees in allen Orten an, in denen sozialistische oder kommunistische Gruppen tätig waren. Mit den Korrespondenzkomitees schufen Marx und Engels eine organisatorische Form, mit der sie die Bildung einer internationalen kommunistischen Partei vorbereiteten. Ein weitverzweigtes Netz sollte den organisatorischen Rahmen für die Diskussion brennender Fragen der Arbeiterbewegung bilden. Der größte Teil der im zweiten Kapitel enthaltenen Dokumente, so vor allem eine Reihe von Briefen, spiegelt diese Tätigkeit der Kommunistischen Korrespondenzkomitees wider. Diese Quellen zeigen den Beginn der Tätigkeit von Marx und Engels als Organisatoren der proletarischen Partei. Einen besonderen Platz in der Entwicklung internationaler Beziehun­ gen nahm die Gründung der Fraternal Democrats ein, die im Herbst 1845 unter direkter Vermittlung von Marx und Engels erfolgte und mit der eine enge Zusammenarbeit von Vertretern der demokratischen, sozialistischen und kommunistischen Bewegung verschiedener Länder eingeleitet wurde. In einem Bericht über die Gründungsversammlung vom 22. September 1845 legte Friedrich Engels zum ersten Male die Prinzipien des proletarischen Internationalismus dar. Eine Reihe der wiedergegebenen Quellen zeigt die engen Beziehungen zwischen der Londoner Organisation des Bundes der Gerechten und den Chartisten, die auch in der Organisation der Fraternal Democrats vertreten waren. Bei der Herstellung dieser Verbindungen spielte Julian Harney, ein 1 Siehe Dokument 65.

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Vertreter des linken Chartismus, eine hervorragende Rolle. Er war zu- • gleich Mitglied des Bundes der Gerechten und unterhielt enge Beziehun­ gen zu Marx und Engels und dem von ihnen geleiteten Korrespondenz­ komitee. Die immer engere Zusammenarbeit der Führer des Bundes der Gerechten mit den Repräsentanten des linken Flügels der Chartisten­ bewegung trug wesentlich dazu bei, im Bund die sektiererischen Tenden­ zen zurückzudrängen und den Zusammenhang mit der proletarischen Klassenbewegung zu stärken. Marx und Engels wandten sich mit ihren organisatorischen Plänen vor allem an die Führer des Bundes der Gerechten in London und Paris, an die Repräsentanten der sozialistischen und Arbeiterbewegung in Frankreich und England und an einzelne sozialistische Gruppen in Deutschland. Das Echo war unterschiedlich. Während Proudhon, der mit der Ausarbeitung kleinbürgerlicher Reformpläne beschäftigt war, direkt ablehnte, entwickelte sich mit den Sozialisten in Deutschland, so vor allem im Rheinland, in Westfalen, Schlesien und in Kiel, eine stän­ dige Verbindung. Die Antworten lassen aber gleichzeitig erkennen, daß die meisten Korrespondenzpartner in Deutschland die Bedeutung des organisatorischen Zusammenschlusses nicht erkannten. Nur mit der Gruppe der Kölner Kommunisten um Heinrich Bürgers und Roland Daniels sowie mit Joseph Weydemeyer in Westfalen entwickelten sich festere Kontakte. Demgegenüber zeigten sich sowohl die Londoner Führer des Bun­ des als auch Harney bereit, tatkräftig an der Verwirklichung des Organisationsplanes des Brüsseler Kommunistischen Korrespondenz­ komitees mitzuwirken. Dadurch erlangten die bis dahin nur spora­ dischen Verbindungen von Marx und Engels zum Bund der Gerechten einen systematischen und organisierten Charakter. Die Festigung der Beziehungen zur Londoner Organisation des Bundes der Gerechten, die sich in einer Reihe von Briefen deutlich widerspiegelt, war für die Vor­ bereitung einer proletarischen Partei vor allem deswegen besonders be­ deutsam, weil im Herbst 1846 die Leitung des Bundes von Paris nach London verlegt wurde. In den durch die Korrespondenzkomitees erfaßten Kreisen der sozialistischen und kommunistischen Bewegung begann ein tiefgreifen­ der ideologischer und politischer Klärungsprozeß, in dessen Verlauf der Bund der Gerechten, vorab die Zentren in London und Paris, das Ge­ dankengut des wissenschaftlichen Kommunismus aufzunehmen begann. Der erste Schritt bestand in einer Kritik der utopisch-kommu­ nistischen Anschauungen Weitlings, deren Sektencharakter immer stärker hervortrat. Es war dies die erste politische Auseinandersetzung von Marx und Engels mit dem linken Sektierertum, das sich schon hier 19

als ernstes Hemmnis für die Herausbildung einer proletarischen Klassenpartei erwies. Das Ergebnis der Diskussionen im Brüsseler Kommunistischen Korrespondenzkomitee vom März 1846, in denen, wie die vorliegenden Dokumente zeigen, die Weitlingschen Konzeptionen zum ersten Male eine wissenschaftlich begründete Widerlegung fanden, trug stark zur Annäherung an die Bundesmitglieder in London bei, da auch dort Weitling bereits auf zunehmenden Widerstand gestoßen war. Eine entscheidende Rolle im Kampf für eine proletarische Partei spielte die Auseinandersetzung mit den „W'ahren“ Sozialisten. Wie aus den verschiedensten Dokumenten hervorgeht, rückte der Kampf gegen den Einfluß dieser kleinbürgerlich-verschwommenen, politisch objek­ tiv reaktionären Strömung, die in den Jahren 1845/1846 in Deutschland unter der sozialistisch beeinflußten Intelligenz einen erheblichen Anhang gefunden hatte, aber auch in die Reihen des Bundes der Gerechten eingedrungen war, schnell in den Mittelpunkt der politisch-ideolo­ gischen Tätigkeit von Marx und Engels und ihrer Anhänger. Die Aus­ einandersetzung war vor allem deswegen zwingend notwendig gewor­ den, weil die „wahren“ Sozialisten die objektiven und unversöhnlichen Klassengegensätze zu vertuschen suchten und die parteiliche Ausein­ andersetzung im ideologischen Kampf, dem gerade bei der Herausbil­ dung einer proletarischen Partei besondere Bedeutung zukam, scheu­ ten. Außerdem lehnten die „wahren“ Sozialisten unter der Verwendung scheinrevolutionärer Phrasen die Beteiligung am Kampf für bürgerlich­ demokratische Rechte und Freiheiten ab und vertraten damit eine angesichts der in Deutschland bevorstehenden bürgerlichen Revolution besonders gefährliche sektiererische Konzeption. Die Auseinandersetzung mit dem „wahren“ Sozialismus wurde unter anderem dadurch erschwert, daß dessen Vertreter klare Kampffronten zu vermeiden und unvereinbare Standpunkte zu vereinen suchten; vor allem der theoretische Begründer des „wahren“ Sozialismus, Moses Heß, vermied eine eindeutige Stellungnahme. Die aktivsten und zugleich flachsten Propagandisten des „wahren“ Sozialismus waren Hermann Kriege, der als Mitglied des Bundes der Gerechten in New York eine Zeitung herausgab, und Karl Grün, der in Paris wirkte. Während in der Londoner Bundesorganisation der „wahre“ Sozialis­ mus nur einen oberflächlichen Einfluß gewinnen konnte, gelang es Grün in Paris eine Zeitlang, erhebliche Verwirrung zu stiften. Eine große Rolle spielte dabei seine Verbindung zu Proudhon, dessen kleinbürger­ liche Reformpläne er in den Kreisen des Bundes zu propagieren suchte. In lithographierten Rundschreiben, wie dem Zirkular gegen Kriege vom 11. Mai 1846, deckten Marx und Engels den kleinbürgerlichen, unproletarischen Charakter des „wahren“ Sozialismus auf und halfen so 20

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dem Bund der Gerechten entscheidend bei seiner politisch-ideologischen Entwicklung. Von besonderer Bedeutung war das Eingreifen von Friedrich Engels in Paris, wohin er sich im August 1846 im Auftrage des Brüsseler Kommunistischen Korrespondenzkomitees begeben hatte. In Engels’ Berichten aus Paris spiegeln sich die Auseinandersetzungen mit den Anhängern Proudhons und Grüns wider, die mit der Annahme einer revolutionären kommunistischen Prinzipienerklärung abgeschlossen wurden. In diesen Auseinandersetzungen widerlegten Karl Marx und Friedrich Engels die kleinbürgerlichen Reformpläne, die auf der Illusion beruh­ ten, die Ausbeutung der Arbeiterklasse könne innerhalb der kapitalisti­ schen Gesellschaftsordnung beseitigt werden. Immer wieder hat die revo­ lutionäre Arbeiterbewegung seit der Entstehung des Bundes der Kommu­ nisten einen unversöhnlichen Kampf gegen alle bürgerlichen und klein­ bürgerlichen Theorien führen müssen, die an die Stelle des revolutio­ nären Klassenkampfes die Klassenversöhnung und die opportunistische Anpassung an die kapitalistische Ausbeuterordnung setzen wollten. In­ dem Marx und Engels den revolutionären Charakter der kommunisti­ schen Bewegung herausarbeiteten und vor allem die Notwendigkeit des revolutionären Sturzes des Kapitalismus betonten, trugen sie wesentlich zur Schaffung einer revolutionären Partei der Arbeiterklasse bei. Besonders bereitwillig griffen Mitglieder des Bundes der Gerechten den Vorschlag von Marx und Engels auf, einen internationalen Kongreß vorzubereiten. Wie die Briefe der Londoner Kommunisten jedoch er­ kennen lassen, traten bei der Verwirklichung dieses Vorhabens einige Meinungsverschiedenheiten auf, die mit der Einschätzung des „wahren“ Sozialismus zusammenhingen. Während Marx und Engels davon aus­ gingen, daß dem Zusammentritt des Kongresses die Klärung politischideologischer Grundfragen vorhergehen müsse, um nicht nur eine organisatorische, sondern auch ideologisch fundierte Einheit zu er­ reichen, glaubten die Londoner Kommunisten eine Zeitlang, durch die formale Vereinigung aller Gruppen und Richtungen das Ziel am leich­ testen erreichen zu können. Das entscheidende Ergebnis des Wirkens des Kommunistischen Korre­ spondenzkomitees in Brüssel bestand darin, daß die Mitglieder des Bundes der Gerechten sich in den verschiedenen Diskussionen und Auseinandersetzungen des Jahres 1846 den Anschauungen von Marx und Engels näherten, so daß als nächster organisatorischer Schritt der Eintritt von Karl Marx und Friedrich Engels in den Bund der Gerech­ ten erfolgen konnte. Geduldig und wiederholt zeigten Marx und Engels, daß noch vorhandene Unklarheiten und falsche Auffassungen nicht durch das Vertuschen der Widersprüche, sondern nur durch prinzipielle 21

Kritik überwunden werden können. Das Ringen um ideologische Ein­ heit - auch das zeigt erstmalig die Geschichte des Bundes der Kommu­ nisten - ist ein unerläßliches Lebensprinzip der proletarischen Partei. Der Bimd der Kommunisten entstand und erstarkte im Prozeß der Auseinandersetzung mit jeglichen bürgerlichen und kleinbürgerlichen Auffassungen, mit allen Formen des Opportunismus. Seine Geschichte beweist, daß die organisatorische Geschlossenheit und ständige Kampf­ bereitschaft der revolutionären proletarischen Partei nur auf der Grund­ lage einer einheitlichen Ideologie möglich ist. Die Fortschritte des Bundes der Gerechten gingen einher mit einer bedeutenden Verstärkung seines internationalen Charakters. Es ge­ schah dies allein schon dadurch, daß immer mehr Angehörige auch anderer Nationen Mitglieder des Bundes der Gerechten wurden, vor allem aber auch dadurch, daß Verbindungen mit sozialistischen Organi­ sationen anderer Länder angeknüpft und gefestigt wurden. Im Verlauf des seit der Gründung des Kommunistischen Korre­ spondenzkomitees vergangenen Jahres hatte sich so im Bund der Ge­ rechten eine bedeutende Entwicklung vollzogen, die zu einer immer stärkeren Preisgabe der bisherigen utopischen Anschauungen geführt hatte. Vor allem unter den Führern des Bundes war die Einsicht ge­ wachsen, daß seine weitere Entwicklung nur mit Hilfe von Karl Marx und Friedrich Engels und der von ihnen entwickelten revolutionären, wissenschaftlich begründeten Weltanschauung möglich war.

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Ein entscheidender Schritt, der die Gründung des Bundes der Kom­ munisten unmittelbar einleitete, wurde Anfang 1847 getan, als die Leitung des Bundes Joseph Moll mit besonderen Vollmachten zu Karl Marx in Brüssel und Friedrich Engels in Paris entsandte; beide traten in den Bund der Gerechten ein, dessen grundlegende Umgestaltung nun begonnen wurde. Mit dem Eintritt von Karl Marx und Friedrich Engels in den Bund konnte das schon seit längerer Zeit geplante Vorhaben verwirklicht werden, einen kommunistischen Kongreß durchzuführen, dessen Aufgabe vor allem darin bestand, dem Bund ein neues Statut und ein Programm zu geben. Die Gründung des Bundes der Kommunisten erfolgte auf den beiden Kongressen vom Juni und November/Dezember 1847. Sie fand ihren sichtbaren Ausdruck in der Annahme eines Statuts und eines die Prin­ zipien der kommunistischen Bewegung vor aller Welt verkündenden Programms, dem „Manifest der Kommunistischen Partei“, das im Februar 1848 erschien. 22

In der Ansprache der Leitung des Bundes der Gerechten vom Februar 1847 spiegeln sich die ersten Maßnahmen wider, die nach dem Eintritt von Marx und Engels zur Vorbereitung des Kongresses getroffen wur­ den. Die führenden Bundesmitglieder in London erkannten nun auch, wie die Februaransprache beweist, daß es unerläßlich war, sich mit dem „wahren“ Sozialismus auseinanderzusetzen. Eine Reihe bedeutender, erst neuerdings zutage geförderter Quellen bieten wesentliche Aufschlüsse über den ersten Kongreß des Bundes der Kommunisten. Diese neuen Dokumente geben ein umfassendes, durch weitere hier vorgelegte Materialien noch ergänztes Bild von der Vor­ bereitung und Durchführung dieses Kongresses sowie von den sich daran anschließenden Diskussionen und Beratungen im Bund, die dem zweiten Kongreß vorangingen und ihn vorbereiteten. Von besonderer Bedeutung unter diesen Quellen sind die zum Abschluß des ersten Kongresses am 9. Juni 1847 beschlossenen Entwürfe sowohl eines Sta­ tuts als auch eines Programms („Kommunistisches Glaubensbekennt­ nis“), ferner das Rundschreiben der Kongreßleitung über die Vorberei­ tung und den Verlauf des Kongresses. Diese aufschlußreichen Dokumente, vor allem der von Friedrich Engels selbst niedergeschriebene Programmentwurf, lassen deutlich erkennen, wie stark die Ideen des wissenschaftlichen Kommunismus, die auf dem Kongreß von Friedrich Engels und dem als Sekretär fun­ gierenden Wilhelm Wolff vertreten wurden, bereits bei den Delegierten Eingang und Zustimmung gefunden hatten. Sie zeigen auch, wie mit diesem politisch-ideologischen Klärungsprozeß die immer schärfere Zurückweisung sowohl des Weitlingianismus als auch des „wahren“ Sozialismus einherging. Das sektiererische und jede Organisations­ disziplin verletzende Verhalten einer Pariser Gruppe von Weitlingianern veranlaßte den Kongreß, diese Gruppe aus dem Bunde aus­ zuschließen. Die Umgestaltung des Bundes, die auf dem ersten Kongreß vom Juni 1847 begonnen wurde, trat vor allem darin offen hervor, daß die Organisation sich den Namen „Bund der Kommunisten“ gab. An die Stelle der alten, verschwommenen Bundeslosung „Alle Menschen sind Brüder“ trat die von Marx und Engels vorgeschlagene revolutionäre „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“ Die Materialien des ersten Bundeskongresses zeigen gleichzeitig deutlich, wie die Delegierten sich sehr wohl der Tatsache bewußt waren, daß dieser Kongreß im wesentlichen erst einen vorbereitenden Charakter trug, daß noch nicht alle grundlegenden Fragen endgültig geklärt waren und es zur Vollendung des großen Vorhabens noch eines zweiten, sorg­ fältig vorzubereitenden Kongresses bedurfte. Schon auf dem ersten ' 23

Kongreß wurde daher der zweite Kongreß des Bundes der Kommunisten auf den 29. November 1847 anberaumt. Wie aus einer Vielzahl von Dokumenten hervorgeht, setzte nach dem ersten Bundeskongreß eine umfangreiche und vielfältige Belebung der Tätigkeit des Bundes der Kommunisten ein. Sie hing in starkem Maße mit der Diskussion der Entwürfe von Statut und Programm zusammen, die nicht nur durch die Zentralbehörde an die Kreise und Gemeinden versandt, sondern auch durch mehrere Emissäre verbreitet wurden. Trotz erheblicher Schwierigkeiten, Hindernisse und Widerstände gelang den Bundesmitgliedern im Sommer und Herbst 1847 in beharrlicher Arbeit der immer weitere Ausbau der Organisation, die jetzt über Kreise und Gemeinden in Altona, Amsterdam, Berlin, Bern, Brüssel, La Chaux-de-Fonds, Genf, Hamburg, Kiel, Köln, Königsberg, Lau­ sanne, Leipzig, Le Locle, London, Lüttich, Lyon, Magdeburg, Mainz, Mannheim, Marseille, München, New York, Paris, Stockholm, Stuttgart und noch anderen Städten verfügte. Immer besser verstanden es die Gemeinden, in meist von ihnen selbst gegründeten Arbeitervereinen und ähnlichen Organisationen zu wirken. Daher vermochte der Bund der Kommunisten einen im Vergleich zu seiner Mitgliederzahl sehr bedeutenden Einfluß auszuüben. Aus der Tatsache, daß der Bund nur einige hundert, vielleicht ein halbes Tau­ send Mitglieder zählte, suchen bürgerliche Historiker den Schluß zu ziehen, daß der Bund der Kommunisten einfluß- und bedeutungslos geblieben sei. Jedoch gehörte gerade zu den im Bund der Kommunisten zum ersten Male erprobten Prinzipien einer revolutionären Arbeiter­ partei die Verbundenheit der revolutionären Vorhut mit den Massen. Obwohl der Bund der Kommunisten im geheimen wirken mußte, ver­ stand er es doch, unter den Massen zu arbeiten, indem er in den Organi­ sationen der demokratischen und Arbeiterbewegung aktiv auftrat und in ihnen oft eine führende Rolle spielte. Besonders stark war der Ein­ fluß des Bundes der Kommunisten in solchen Organisationen wie dem Kommunistischen Arbeiterbildungsverein in London, dem Brüsseler Arbeiterverein, dep Fraternal Democrats und der Demokratischen Ge­ sellschaft in Brüssel. Aber auch an Orten wie Amsterdam, Genf, Ham­ burg und Stockholm bildeten die Bundesmitglieder einen festen Kern in den Arbeiterbildungsvereinen, und nach Ausbruch der Revolution ver­ mehrte sich die Zahl der demokratischen und Arbeitervereine, in denen sie wirksam auftraten, besonders in Deutschland um ein Vielfaches. Um das Ohr der Massen zu erreichen, verstärkten die Bundesmit­ glieder auch die publizistische Tätigkeit. Karl Marx, Friedrich Engels und Wilhelm Wolff gelang es in Brüssel, entscheidenden Einfluß auf die „Deutsche-Brüsseler-Zeitung“ zu gewinnen, die im Herbst 1847 fak24

tisch zu einem Organ des Bundes der Kommunisten wurde. In London gab die Zentralbehörde das Probeblatt der „Kommunistischen Zeit­ schrift“ heraus, das Grundfragen der kommunistischen Bewegung er­ örterte. Den Bundesmitgliedem standen darüber hinaus in vielen Fällen auch Blätter der Chartisten und französischer Sozialisten, ferner die in Deutschland erscheinende Zeitschrift „Das Westphälische Dampfboot“ für Veröffentlichungen zur Verfügung. Die gesamte Aktivierung der Bundestätigkeit vollzog sich vor dem Hintergrund der schnell heranreifenden europäischen Revolution. Das stellte den Bund der Kommunisten vor die Notwendigkeit, seine Strategie und Taktik konkret auszuarbeiten und die Aufgaben der Arbeiterklasse in der bevorstehenden Revolution zu erläutern. Diesen Fragen wandten Marx und Engels eine besondere Aufmerksamkeit zu. Vor allem die in Deutschland auf der Tagesordnung stehende Revo­ lution, deren Herannahen sich immer unmißverständlicher ankündigte, veranlaßte Marx und Engels, sich besonders eingehend mit der Stellung der Arbeiterklasse und ihrer Partei in der bürgerlich-demokratischen Revolution zu befassen. Friedrich Engels wies bereits anläßlich der Einberufung des preußischen Vereinigten Landtags, die Anfang Februar 1847 erfolgt war, darauf hin, daß nun alle Parteien gezwungen seien, „sich über die Interessen, die sie repräsentieren, über die Taktik, die sie befolgen müssen, aufzuklären, sich zu sondern und praktisch zu werden“, und er fügte hinzu: „Die jüngste dieser Parteien, die kommu­ nistische kann sich dieser Notwendigkeit nicht entziehen.“1 Solche Auf­ sätze von Marx und Engels wie „Der Kommunismus des »Rheinischen Beobachters' “, „Die Kommunisten und Karl Heinzen“, „Die morali­ sierende Kritik und die kritisierende Moral“, die in der „DeutschenBrüsseler-Zeitung“ veröffentlicht wurden und aus denen hier einige Auszüge abgedruckt werden, dienten der Klärung wichtiger politischer Fragen der Arbeiterbewegung, der Ausarbeitung einer wissenschaftlich begründeten Strategie und Taktik. Eine besondere Aufmerksamkeit widmeten Marx und Engels dem engen dialektischen Zusammenhang zwischen Teilaufgaben und End­ ziel, zwischen dem Kampf um Demokratie und um Sozialismus, wobei sie sich mit verschiedenen falschen Konzeptionen auseinandersetzten. So wurde aus der Tatsache, daß durch diese Revolution die Bourgeoisie zur Macht kommen mußte, mitunter die Schlußfolgerung gezogen, die Arbeiter hätten überhaupt kein Interesse an einer bürgerlichen Revo­ lution. Die Ablehnung der bürgerlichen Revolution wurde vor allem von den „wahren“ Sozialisten propagiert, die in scheinrevolutionärer Weise behaupteten, daß man sofort zur „sozialistischen“ Revolution 1 Siehe Dokument 141.

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übergehen müsse. Demgegenüber gingen Marx und Engels vom ob­ jektiven Charakter der Revolution und von der grundlegenden Aufgabe aus, den Feudalabsolutismus zu stürzen; sie zeigten die große Bedeu­ tung der Erkämpfung demokratischer Rechte und Freiheiten für die Arbeiterklasse. Mit aller Entschiedenheit wiesen sie auf die Notwen­ digkeit hin, sich am demokratischen Kampf zu beteiligen, wobei sie jedoch zugleich die über die bürgerliche Revolution hinausgehenden Ziele der Arbeiter herausarbeiteten. Wie aus einer ganzen Reihe der abgedruckten Dokumente hervor­ geht, gab es im Herbst 1847 eine umfassende Auseinandersetzung mit den putschistischen Anschauungen des kleinbürgerlichen Demo­ kraten Karl Heinzen, der, ohne die objektiven Bedingungen zu be­ rücksichtigen, zur sofortigen Erhebung aufrief. Gleichzeitig betonten Marx und Engels gerade in dieser Polemik, daß die Kommunisten und Demokraten eng Zusammenarbeiten und sich ungeachtet ihrer unter­ schiedlichen Standpunkte im Kampf gegen die feudale Reaktion zu­ sammenschließen mußten. Wenn in diesen Diskussionen die Stellung und die Aufgaben der Arbeiterklasse in der demokratischen Revolution erörtert und geklärt wurden, so war das ein wichtiger Beitrag zur Programmdiskussion, die bei der Vorbereitung des zweiten Kongresses des Bundes der Kommu­ nisten im Mittelpunkt stand. Programmdiskussionen hatten den Bund seit seinem Entstehen be­ gleitet. Schon während der Trennung vom Bund der Geächteten hatte man sich in Paris mit der Abfassung eines Katechismus beschäftigt, in dem die kommunistischen Grundsätze in kurz gefaßten Fragen und Antworten dargelegt werden sollten. Auch bei den Londoner Diskus­ sionen im Jahre 1845 standen programmatische Fragen im Vordergrund. Als die Leitung des Bundes der Gerechten im Herbst 1846 nach Lon­ don verlegt worden war, hatten sich die Bemühungen verstärkt, in gründlichen Diskussionen, an denen sich der ganze Bund beteiligen sollte, ein Programm zu erarbeiten. Doch in allen diesen Diskussionen war offenbar geworden, daß die Arbeiter, denen der Zugang zu den Wissenschaften verschlossen war, es nicht vermochten, aus eigenen Kräften ein den Bedürfnissen einer revolutionären Arbeiterpartei ent­ sprechendes, wissenschaftlich begründetes kommunistisches Programm aufzustellen. Der auf dem ersten Kongreß des Bundes der Kommunisten an­ genommene „Entwurf des Kommunistischen Glaubensbekenntnisses“ bildete die Grundlage für eine die ganze Bundesorganisation erfassende Programmdiskussion. Zu den Quellen über diese Diskussion gehören die Beiträge im Probeblatt der „Kommunistischen Zeitschrift“, Per

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Görtreks auf dem Programmentwurf beruhende Broschüre „Über das Proletariat und seine Befreiung durch den wahren Kommunismus“, die neu aufgefundene Ansprache der Zentralbehörde vom 14. September, das Schreiben der Zentralbehörde an den Brüsseler Kreis vom 18. Okto­ ber, Engels’ Briefe vom Oktober und November 1847 und schließlich und vor allem die „Grundsätze des Kommunismus“ von Friedrich Engels. Nach einer so gründlichen Vorbereitung trat, wie vorgesehen, am 29. November 1847 der zweite Kongreß des Bundes der Kommunisten zusammen; er tagte wahrscheinlich bis zum 8.Dezember. Auf diesem Kongreß, von dem leider nur eine begrenzte Anzahl von Dokumenten unmittelbar Zeugnis ablegt, wurde die Gründung des Bundes der Kommunisten erfolgreich abgeschlossen. Auf dem zweiten Bundeskongreß erfolgte die endgültige Annahme des Statuts. Ein Vergleich der nun angenommenen Fassung mit dem Statutenentwurf des ersten Kongresses zeigt, daß noch einmal eine gründliche Umarbeitung erfolgt war. Dies kam vor allem auch in der nun eindeutigen Fassung der im ersten Artikel formulierten kommu­ nistischen Zielsetzung zum Ausdruck. Aus dem Statut waren jetzt alle sektiererisch-verschwörerischen Züge verbannt. Mit der Annahme des Statuts des Bundes der Kommunisten auf dem zweiten Bundeskongreß waren erstmals in der Geschichte der internatio­ nalen Arbeiterbewegung die Prinzipien des demokratischen Zentralis­ mus zum Gesetz des Handelns der Partei erklärt. Dieses grundlegende Dokument des Bundes enthielt klare Festlegungen über den straffen Organisationsaufbau, der das einheitliche Handeln der Partei sicherte, und über die Wahl der Parteiorgane von unten nach oben. Dabei wurde berücksichtigt, daß die Organisation des Bundes unter den damaligen Bedingungen notwendigerweise eine geheime sein mußte. Besonders wichtig waren die Bestimmungen über den Kongreß „als gesetzgebende Gewalt des ganzen Bundes“1. Im Mittelpunkt der Kongreßberatungen stand die Erörterung des Programms. Bereits vor Beginn des Kongresses waren sich Karl Marx und Friedrich Engels darüber klar geworden, daß die bisherige Form eines „Glaubensbekenntnisses“ zu einem wissenschaftlich begründeten kommunistischen Programm nicht paßte. Nach mehrtägiger gründlicher Diskussion stimmten die Delegierten den Vorschlägen von Karl Marx zu, der eingehend und umfassend die Prinzipien des wissenschaftlichen Kommunismus darlegte, die von nun an die programmatische Grundlage des Bundes der Kommunisten bildeten. Der Kongreß beauftragte Karl Marx und Friedrich Engels, als öffentliches Programm ein kommunisti­ sches Manifest auszuarbeiten. 1 Siebe Dokument 183.

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Die historische Bedeutung der Gründung des Bundes der Kommu­ nisten bestand darin, daß erstmalig eine kleine Vorhut der Arbeiter­ klasse sich organisatorisch, politisch und ideologisch vom bürgerlichen und kleinbürgerlichen Einfluß löste, die Weltanschauung des wissen­ schaftlichen Kommunismus aufnahm und damit eine klassenbewußte revolutionäre Arbeiterpartei geschaffen wurde. Die Gründung des Bundes der Kommunisten war Ausdruck der in der Geschichte der Arbeiterbewegung immer wieder bestätigten Tatsache, daß nur der wissenschaftliche Kommunismus den grundlegenden Bedürfnissen der Arbeiterklasse entsprach und allein die unerläßliche theoretische Grund­ lage für die Verwirklichung ihrer welthistorischen Mission bildete. Be­ reits in den Anfängen der Arbeiterbewegung erwies sich das zunächst elementare und tastende, allmählich aber immer bewußter, bestimmter und klarer werdende Streben der Arbeiter nach organisatorischer, politischer und ideologischer Selbständigkeit als die grundlegende ob­ jektive Gesetzmäßigkeit inmitten der Vielfalt der Erscheinungen, Be­ strebungen und Versuche. Im Mittelpunkt dieses Emanzipationsprozesses stand die Herausbildung einer selbständigen Partei der Arbeiterklasse. „Gerade damit die Masse einer bestimmten Klasse lernen kann“, so betonte W.I. Lenin, „die eigenen Interessen, die eigene Lage zu be­ greifen, ihre eigene Politik zu betreiben, gerade dazu ist die Organi­ sation der fortgeschrittensten Elemente der Klasse unbedingt und um jeden Preis notwendig, auch wenn diese Elemente am Anfang einen ganz geringen Teil der Klasse ausmachen sollten.“ Dazu gehört auf der anderen Seite, wie Lenin hervorhob, daß die Partei in ständiger leben­ diger Verbindung mit der Masse der Arbeiterklasse deren richtig er­ kannte Interessen formuliert. „So und nur so erzieht und schult der Vor­ trupp die Masse, indem er ihre Interessen zum Ausdruck bringt, sie lehrt, sich zu organisieren, und die ganze Tätigkeit der Masse auf den Weg bewußter Klassenpolitik lenkt.“1 Mit dem Bund der Kommunisten besaß die Arbeiterklasse zum ersten Male eine bewußte und organisierte Vorhut, die sich auf ein wissen­ schaftlich begründetes Programm stützte und deren Organisation auf einem marxistischen Statut beruhte, das heißt eine revolutionäre prole­ tarische Partei. Der Bund der Kommunisten war eine internationale und eine deutsche Organisation in einem. Er war aus einer Organisation deutscher Ar­ beiter hervorgegangen und hatte sich zu einer internationalen revo­ lutionären Vorhut der Arbeiterklasse entwickelt. Neben den deutschen Arbeitern hatten sich ihm auch Vertreter der revolutionären Arbeiter anderer Länder angeschlossen, und immer mehr waren die intematio1 W.I.Lenin: Wie W.Sassulitsch das Liquidatorentum erledigt. In: Werke, Bd.19, S.400.

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nalen Verbindungen des Bundes ausgebaut worden. Der Bund der Kommunisten war der Vorläufer der I. Internationale. Zugleich war der Bund die erste deutsche Arbeiterpartei; nach wie vor stellten deutsche Arbeiter den größten Teil der Mitgliedschaft. Die heranreifende Revo­ lution rückte Deutschland in den Mittelpunkt der Tätigkeit der Bundes­ mitglieder. Wie aus einer ganzen Reihe der veröffentlichten Quellen hervorgeht, verstärkte der Bund der Kommunisten, seinem internationalen Charak­ ter entsprechend, seinen Einfluß vor allem auch in solchen internatio­ nalen demokratischen Organisationen wie den Fraternal Democrats und der Brüsseler Demokratischen Gesellschaft. Einige dieser meist zum ersten Male wieder veröffentlichten Quellen weisen auf ein wich­ tiges Vorhaben hin, das die Brüsseler Demokratische Gesellschaft und die Fraternal Democrats gemeinsam in Angriff nahmen und das bisher in der Geschichtswissenschaft nur wenig Aufmerksamkeit gefunden hat. Es handelt sich um die Vorbereitung eines großen internationalen demokratischen Kongresses, der für das Jahr 1848 geplant war. Immer enger arbeitete dabei der Bund der Kommunisten mit den Chartisten zusammen. Diese gemeinsameTätigkeit vollzog sich vorallemim Rahmen der Organisation der Fraternal Democrats. Immer mehr verstärkte sich der proletarische Einfluß in dieser Organisation, in der sich revolutio­ näre Demokraten und proletarische Revolutionäre zum gemeinsamen Kampf zusammengeschlossen hatten. Die Verbrüderung der sich gegen ihre Unterdrücker erhebenden Völker, die Solidarität mit dem demo­ kratischen und nationalen Befreiungskampf der Polen, Schweizer, Italiener und immer stärker auch schon der proletarische Internationa­ lismus standen im Mittelpunkt der Tätigkeit der Fraternal Democrats und der Demokratischen Gesellschaft. Der proletarische Internationalismus des Bundes der Kommunisten kam am deutlichsten in seinem Programm zum Ausdruck. Das „Mani­ fest der Kommunistischen Partei“ schließt mit dem Schlachtruf, dem die internationale Arbeiterklasse bis auf unsere Tage folgt: „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“ Der proletarische Internationalismus gehört seit dem Bund der Kom­ munisten zu den unabdingbaren Grundsätzen der revolutionären Arbei­ terparteien. Ebenso wie ihr konsequentes Auftreten gegen nationalisti­ sche Tendenzen jeder Art eine wesentliche Quelle ihrer Erfolge war, zeigte sich auf der anderen Seite, daß jede Abweichung vom Prinzip des proletarischen Internationalismus von der Arbeiterklasse teuer bezahlt werden mußte. Das im Auftrage des zweiten Bundeskongresses von Karl Marx und Friedrich Engels verfaßte „Manifest der Kommunistischen Partei“ ver29

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ließ unmittelbar vor Ausbruch der Februarrevolution die Presse. Das Kommunistische Manifest war die erste geschlossene Darstellung der von Marx und Engels begründeten kommunistischen Weltanschauung. Als revolutionäres Kampfprogramm gab es dem Bund der Kommu­ nisten das unerläßliche ideologische und politische Rüstzeug für die bevorstehenden revolutionären Kämpfe. Im Kommunistischen Mani­ fest begründeten Marx und Engels Wesen und Aufgabe der prole­ tarischen Partei als der Vorhut der Arbeiterklasse. Sie entwickelten zu­ gleich die Grundzüge der Strategie und Taktik dieser Partei für die Führung der Massen im proletarischen Klassenkampf. Das Kommu­ nistische Manifest legte Zeugnis davon ab, daß sich im Bund der Kommunisten der wissenschaftliche Kommunismus mit einer kleinen Vorhut der Arbeiterbewegung zum ersten Male verschmolzen hatte. „So entstand“, schrieb W.I. Lenin, „das im Jahre 1848 veröffentlichte berühmte .Manifest der Kommunistischen Partei* von Marx und Engels. Dieses kleine Büchlein wiegt ganze Bände auf. Sein Geist beseelt und bewegt bis heute das gesamte organisierte und kämpfende Proletariat der zivilisierten Welt.“1 Die Gründung des Bundes der Kommunisten auf den beiden Kon­ gressen im Jahre 1847 und die damit beginnende unmittelbare oder mittelbare Führung des Bundes durch Karl Marx und Friedrich Engels bezeichnet den Beginn der zweiten großen Periode in der Geschichte des Bundes der Kommunisten. IV

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Die Revolution der Jahre 1848/49 war eine europäische Revo­ lution, in der an der Spitze der Volksmassen auch die Arbeiterklasse zum ersten Male mit eigenen Forderungen- in den revolutionären Kämpfen auftrat. Die Revolution bildet auch in der Geschichte des Bundes der Kommunisten einen besonderen, selbständigen Abschnitt. Vom Ausbruch der Februarrevolution in Frankreich bis zum Ausklang der letzten Erhebung im Juli 1849 in Süddeutschland vollzog sich die Tätigkeit des Bundes erstmals innerhalb revolutionärer Massen­ bewegungen. Wie aus dem Beschluß vom 3. März 1848 hervorgeht, wurde nach Ausbruch der Revolution in Frankreich der Sitz der Zentralbehörde nach Paris verlegt. Karl Marx übernahm die unmittelbare Leitung des Bundes und bildete eine neue Zentralbehörde, der neben ihm Heinrich Bauer, Friedrich Engels, Joseph Moll, Karl Schapper, Karl Wallau und Wilhelm Wolff angehörten. 1 W.I.Lenin: Friedrich Engels. In: Werke, Bd.2, S. 10.

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Die Mitglieder des Bundes der Kommunisten beteiligten sich überall an den revolutionären Auseinandersetzungen. In Belgien kämpften sie in der demokratischen Bewegung für den Sturz der Monarchie und wurden schwer von den Unterdrückungsmaßnahmen der belgischen Regierung betroffen. Victor Tedesco und andere Bundesmitglieder wurden verhaftet und später zu hohen Strafen verurteilt. In England arbeiteten die Bundesmitglieder eng mit den Chartisten zusammen und nahmen an der großen Demonstration vom 10. April 1848 teil. Eine erfolgreiche Arbeit wurde unter Leitung der Zentralbehörde im März 1848 von den Mitgliedern des Bundes in Paris geleistet, die als erstes einen deutschen Arbeiterverein ins Leben riefen. Mit aller Ent­ schiedenheit trat der Bund dem Plan entgegen, die Revolution durch Freischaren von außen nach Deutschland hineinzutragen. Bereits in Paris trafen Marx und Engels auch Vorbereitungen für die Herausgabe einer großen politischen Tageszeitung in Deutschland. Nach Ausbruch der Märzrevolution verlegte der Bund der Kom­ munisten das Schwergewicht seiner Tätigkeit nach Deutschland, wohin mit der Zentralbehörde auch die Mehrzahl der im Ausland lebenden Mitglieder zurückkehrte. Das entsprach der im „Manifest der Kom­ munistischen Partei“ dargelegten Linie, das Hauptaugenmerk auf die Revolution in Deutschland zu richten, weil dort die bürgerliche Revo­ lution unter wesentlich fortgeschritteneren Bedingungen als im 17. beziehungsweise 18. Jahrhundert in England und Frankreich stattfand und mit dem ersten Auftreten des Proletariats in einer bürgerlich-demo­ kratischen Revolution neue Perspektiven bot. Die von der Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten unter­ zeichneten „Forderungen der Kommunistischen Partei in Deutschland“, die von Marx und Engels verfaßt waren, dienten den nach Deutschland zurückkehrenden Bundesmitgliedern als Richtlinie für ihre politische Tätigkeit in der breiten, elementaren Massenbewegung. Sie waren das einzige wirklich nationale Programm, das eine konsequente Durch­ führung der bürgerlich-demokratischen Revolution, die Herstellung einer einigen, unteilbaren Republik in Deutschland zum Ziele hatte. Sie brachten nicht nur die Interessen der Arbeiterklasse zum Ausdruck, sondern zeigten darüber hinaus den Bauern und Kleinbürgern den Weg zur Befreiung von feudaler Unterdrückung und zu umfangreicheren politischen und sozialen Rechten. Die Verwirklichung dieses Aktions­ programms des Bundes der Kommunisten hätte zugleich günstige Be­ dingungen für die weitere Entfaltung der proletarischen Klassen­ bewegung geschaffen. In der Revolution von 1848/49 in Deutschland bewies der Bund der Kommunisten, daß nur auf der Grundlage des proletarischen In-

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ternationalismus eine konsequente Vertretung der nationalen Inter­ essen der einzelnen Völker möglich ist. Der Bund der Kommunisten ver­ trat in den Kämpfen der Revolution von 1848/49 als einzige Partei konsequent die Interessen der deutschen Nation und trat zugleich mit aller Entschiedenheit gegen die Unterdrückung anderer Völker durch die reaktionären deutschen Mächte auf. Um den Platz zu bestimmen, der der revolutionären Bewegung in Deutschland zukam, gingen Marx und Engels vom gesamteuropäischen Charakter der Revolution aus. War die konsequente Beseitigung der alten feudalabsolutistischen Ordnung in Deutschland und Österreich mit ihrer nationalen Zersplitterung und ihrer Unterdrückung anderer Nationen von größter Bedeutung für die Durchsetzung der kapitalisti­ schen Gesellschaftsordnung in ganz Europa, so war andererseits der erfolgreiche Fortgang der bürgerlich-demokratischen Revolution in Deutschland in hohem Maße abhängig von der Entwicklung in Eng­ land und Frankreich, vor allem vom Schicksal der französischen Revo­ lution, das heißt von den Erfolgen der Arbeiterklasse in diesen Ländern. Wie in der Französischen Revolution von 1789 bis 1794 ständig die radikalere Fraktion die ihr vorangehende vor sich herschob, so könnte jetzt - meinten Marx und Engels - die revolutionäre Bewegung in einem großen europäischen Kreislauf sich entwickeln und die Bedin­ gungen für die Entfaltung des proletarischen Klassenkampfes ständig verbessern. Mit ihren Erwartungen einer baldigen proletarischen Revo­ lution überschätzten Marx und Engels damals allerdings die Reife der kapitalistischen Produktionsbedingungen. Die Kommunisten sahen ihre Aufgabe darin, an den revolutionären Kämpfen für den vollständigen Sieg der bürgerlich-demokratischen Revolution in Deutschland teilzunehmen und in diesen Kämpfen die Arbeiter, die in großen Massen in Bewegung geraten waren, zu organi­ sieren, sie über ihre Klasseninteressen und politischen Aufgaben auf­ zuklären und auf diese Weise die Schaffung einer revolutionären prole­ tarischen Massenpartei vorzubereiten. Überall standen die Mitglieder des Bundes der Kommunisten in der vordersten Reihe im Kampf für Demokratie und gesellschaftlichen Fortschritt und zeigten den ele­ mentar zu politischer Aktivität drängenden Arbeitern den Weg. In den großen revolutionären Auseinandersetzungen traten die Arbeiter zu­ meist am entschlossensten und konsequentesten auf. Zunächst handelte es sich jedoch um Bewegungen unter bürgerlicher oder kleinbürger­ licher Führung, in denen die Arbeiter aber ihre ersten politischen Er­ fahrungen sammelten und dabei gleichzeitig zu erkennen begannen, daß sie einer eigenen politischen Organisation bedurften. Der Bund der Kommunisten sah sich vor schwierige Probleme ge-

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stellt. Im Kommunistischen Manifest war es als seine Aufgabe bezeich­ net worden, innerhalb schon bestehender großer Arbeiterorganisationen als vorwärtstreibender Kern zu wirken. Solche Arbeiterorganisationen existierten jedoch in Deutschland noch nicht; hier begannen die Arbei­ ter erst, sich in lokalen Arbeitervereinen verschiedener Art und Be­ deutung zusammenzufinden. Dabei trat ihr elementares Streben nach Selbständigkeit am deutlichsten in den Kämpfen für ihre sozialen Interessen zutage, wobei sie sofort in unmittelbaren Gegensatz zu der sie ausbeutenden Bourgeoisie gerieten. Der Bund der Kommunisten orientierte sich auf die breiten Mas­ senbewegungen und wandte sich entschieden gegen alle Erscheinungen einer sektiererischen Abkapselung oder eines scheinrevolutionären Abenteurertums; vor allem trat er mit allem Nachdruck für die Be­ teiligung an den politischen Kämpfen ein und wandte sich gegen Ten­ denzen, die Aktionen der Arbeiter auf das ökonomische Gebiet zu be­ schränken. Wie aus einer großen Zahl von Briefen hervorgeht, die Mitglieder des Bundes der Kommunisten im April und Mai 1848 an die Zentral­ behörde schickten, suchte der Bund den in Bewegung geratenen Massen der Arbeiter sofort Ziel und Richtung zu geben. In Köln hatten es Bundesmitglieder schon Anfang März verstanden, sich an die Spitze der Volksbewegung zu stellen, und in einem Flugblatt ihre Forderungen formuliert. An zahlreichen Orten waren die Mitglieder des Bundes, von denen viele eben erst aus dem Ausland in die Heimat zurückgekehrt waren, führend bei der Organisierung von Arbeitervereinen tätig. Vor allem unternahm der Bund der Kommunisten Anfang April 1848 von Mainz aus den Versuch, die entstehenden Arbeitervereine im nationalen Rahmen zusammenzuschließen. In fast alle Gegenden Deutschlands wurden Emissäre entsandt, um die Kräfte des Bundes zusammenzufassen, neu zu organisieren und auf die politischen Hauptaufgaben zu orientieren. Wie jedoch die aus den verschiedensten Gebieten bei der Zentral­ behörde einlaufenden Berichte erkennen ließen, war der zahlenmäßig kleine Bund der Kommunisten gegenüber der zwar breiten, aber noch sehr unklaren, zersplitterten, in den einzelnen Ländern und Provinzen sehr unterschiedlich entwickelten Bewegung der Arbeiter ein zu schwacher Hebel, um diese im nationalen Rahmen zu einer selbständig auftretenden politischen Kraft zusammenzuschließen. Darüber hinaus verlor die Bundesorganisation, deren Mitglieder über das ganze Land verstreut waren, ihren inneren organisatorischen Zusammenhalt, was zum Teil auch der Tatsache zuzuschrpiben war, daß an verschiedenen Orten lokale Sonderbestrebungen hervortraten. Es ging vor allem immer mehr die Verbindung der örtlichen Organisationen mit der 3 Bund

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Zentralbehörde in Köln verloren. Der Versuch, sofort eine nationale politische Massenorganisation der Arbeiterklasse zu schaffen, mußte zunächst aufgegeben werden. Unter diesen Bedingungen entschlossen sich Karl Marx und Fried­ rich Engels zum Anschluß an die demokratische Partei, in der auch die meisten der politisch aktiven Arbeiter tätig waren. Diese Entscheidung führte offenbar zu zeitweiligen Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Bundes. Soweit die hierzu vorliegenden, allerdings sehr spärlichen Quellen erkennen lassen, fanden etwa im Mai/Juni 1848 in Köln unter führenden Mitgliedern des Bundes der Kommunisten Diskussionen statt, in denen sich Joseph Moll und Karl Schapper wahrscheinlich dafür einsetzten, den Bund der Kommunisten auch unter den neuen Bedingungen, die ein öffentliches Auftreten erlaubten, als Geheim­ organisation in dem bisherigen engen Rahmen fortzuführen. Diese unterschiedlichen Meinungen waren jedoch, wie die überlieferten Quel­ len, vor allem die Dokumente des Kölner Arbeitervereins, klar zeigen, kein Hindernis für ein sehr enges gemeinsames Handeln der führenden Bundesmitglieder auf der Grundlage der von Marx und Engels in der „Neuen Rheinischen Zeitung“ vertretenen politischen Linie. Bürgerliche Historiker behaupten, man müsse aus dem Anschluß der Kommunisten an die demokratische Partei den Schluß ziehen, Marx und Engels hätten kein Interesse an der Organisierung einer prole­ tarischen Partei gehabt. In ihrem Bestreben, die große historisch^ Be­ deutung des Bundes der Kommunisten und das Wirken von Karl M arx und Friedrich Engels als Führer dieser Organisation zu leugnen oder zu entstellen, versteigen sie sich sogar zu der Behauptung, Marx hätte im Sommer 1848 den Bund der Kommunisten aufgelöst. Dabei suchen sie -einzelne Angaben aus späteren Verhörprotokollen, die sie völlig unkritisch verwenden, auszunutzen, obwohl Quellen, wie zum Bei­ spiel zwei Briefe Ewerbecks vom November 1848, bezeugen, daß von einer Auflösung des Bundes'der Kommunisten nicht die Rede sein kann. In Wirklichkeit sahen Marx und Engels seit der Begründung des wissenschaftlichen Kommunismus die Schaffung einer selbständigen revolutionären Partei der Arbeiterklasse als grundlegende Voraus­ setzung für den erfolgreichen proletarischen Klassenkampf an und handelten stets nach dieser Erkenntnis. Der Kampf der Kommunisten innerhalb der demokratischen Partei stand keineswegs im Gegensatz zu dieser Aufgabe, sondern war vielmehr, solange die Arbeiter über keine eigene Massenorganisation verfügten, das geeignete Mittel, sie an ihre politischen Aufgaben heranzuführen und dadurch die Schaffung einer Massenpartei vorzubereiten. Mit der Gründung der „Neuen Rheinischen Zeitung“, die am 1. Juni

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1848 zu erscheinen begann, schufen sich die Kommunisten unter Führung von Karl Marx und Friedrich Engels eine wirksame politische Waffe. Der Herausgabe einer großen Tageszeitung kam angesichts der Tat­ sache, daß es noch nicht möglich war, mit Hilfe einer in der Massen­ bewegung der Arbeiter verankerten Organisation aufklärend und füh­ rend auf die revolutionäre Bewegung einzuwirken, eine besondere Be­ deutung zu. Mit der „Neuen Rheinischen Zeitung“ verfügten die Kommunisten nicht nur über die Möglichkeit, ihre Politik vor einer großen Öffentlichkeit darzulegen, sondern es entstand zugleich ein Zentrum, das faktisch die Aufgaben einer politischen Leitung des Bundes der Kommunisten übernahm. In Köln fanden sich um die „Neue Rheinische Zeitung“ die meisten Mitglieder der Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten und andere aktive Bundesmitglieder zusammen. Von den Mitgliedern der Zentralbehörde gehörten Karl Marx, Friedrich Engels und Wilhelm Wolff dem Redaktionskomitee an, das außerdem Heinrich Bürgers, Ernst Dronke, Georg. Weerth, Ferdinand Wolff und später auch Ferdi­ nand Freiligrath zu seinen Mitgliedern zählte. In engster Verbindung mit Marx und Engels standen in Köln auch Karl Schapper, der an der „Neuen Rheinischen Zeitung“ als Korrektor arbeitete, und Joseph Moll, der vor allem im Arbeiterverein tätig war. Die unter Leitung von Karl Marx herausgegebene Zeitung kämpfte als „Organ der Demokratie“ auf dem äußersten linken Flügel der demokratischen Bewegung, wobei sie von Anfang an den proletarischen Standpunkt, besonders an den entscheidenden Wendepunkten, zur Geltung brachte. Dies geschah am unmißverständlichsten bald nach der Gründung der „Neuen Rheinischen Zeitung“ in ihrer Stellungnahme zur Pariser Juni-Insurrektion, in der sie für das kämpfende Proletariat offen Partei ergriff. Die Juni-Insurrektion in Paris, die erste große revolutionäre Klassen­ schlacht der Arbeiterklasse gegen die Bourgeoisie, war das bedeutendste Ereignis in der europäischen Revolution von 1848. Die blutige Nieder­ werfung der heldenhaften Junikämpfer durch die konterrevolutionäre Bourgeoisie hatte tiefgreifende Auswirkungen auf die Stellung der Klassen, vor allem auch auf die Haltung der Bourgeoisie in Deutsch­ land. Immer wieder betonten Marx und Engels, daß die weitere Ent­ wicklung der Revolution weitgehend von neuen revolutionären Er­ hebungen vor allem der Arbeiterklasse in Frankreich abhängig war. Die Erfolge der Mitglieder des Bundes der Kommunisten während der Revolution waren um so größer, je bewußter und konsequenter sie entsprechend der von Karl Marx und Friedrich Engels ausgearbeiteten Strategie und Taktik in der demokratischen und Arbeiterbewegung

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tätig waren. Dies zeigte sich am deutlichsten in Köln. Mitglieder des Bundes spielten eine maßgebende Rolle in der Kölner DemokratischenGesellschaft und im rheinischen demokratischen Kreisausschuß, der an der Spitze der demokratischen Partei des Rheinlandes stand, führ­ ten während der Septemberereignisse die revolutionäre Volksbewegung an und standen auch in der Steuerverweigerungskampagne im November/Dezember 1848 in der vordersten Reihe der Kämpfer gegen den konterrevolutionären preußischen Staatsstreich. . Eine so bedeutende Rolle konnten die Kommunisten in Köln vor allem deswegen spielen, weil sie sich auf den Arbeiterverein stützten, der sich unter ihrer Führung - wie eine große Anzahl von Dokumenten, vor allem Protokollen, erkennen läßt - zu einer selbständigen politischen Organisation entwickelte, in der die fortgeschrittensten Arbeiter Kölns immer bewußter die Politik der Kommunisten zu verwirklichen ver­ standen. Dabei wurde auch die linkssektiererische Konzeption über­ wunden, die der erste Vereinspräsident, Andreas Gottschalk, mit sei­ nen Anhängern im Arbeiterverein durchzusetzen suchte und die vor allem gegen einen gemeinsamen Kampf aller demokratischen Kräfte gerichtet war. So kam es bereits in der Sitzung des Kreises Köln des Bundes der Kommunisten vom 11. Mai 1848 zu einer scharfen Aus­ einandersetzung mit Gottschalk, der aus dem Bunde ausgetreten war. Unter der Leitung führender Bundesmitglieder wurden seit etwa Juli 1848 in regelmäßigen Diskussionen Hauptfragen einer proletari­ schen Klassenpolitik in der demokratischen Revolution erörtert, wobei die „Forderungen der Kommunistischen Partei in Deutschland“ und Artikel der „Neuen Rheinischen Zeitung“ als Grundlage dienten. Große Beachtung schenkten die Kommunisten im Kölner Arbeiter­ verein der politischen Arbeit unter der ländlichen Bevölkerung. Die Mitglieder des Arbeitervereins gingen, wie einige Quellen vom Herbst 1848 zeigen, wiederholt in die umliegenden Dörfer, um die Bauern über ihre Interessen aufzuklären. Auch damit folgten sie der in den „Forderungen der Kommunistischen Partei in Deutschland“ ent­ wickelten Konzeption, die darauf gerichtet war, die Bauern als Bünd­ nispartner der Arbeiterklasse zu gewinnen. Dieser Frage widmete die „Neue Rheinische Zeitung“ große Aufmerksamkeit. Vor allem Wilhelm Wolff schrieb eine große Zahl von Beiträgen zur Bauernfrage und for­ mulierte in der „Schlesischen Milliarde“ ein revolutionäres, antifeu­ dales Bauemprogramm. Auch nach der Revolution war der Bund der Kommunisten in Bauern- und Tagelöhnervereinen tätig. So wurde bereits vom Bund der Kommunisten die Politik des Klassenbündnisses zwischen Proletariat und Bauernschaft eingeleitet, die von W.I. Lenin in umfassender Weise ausgearbeitet wurde. 36

Das erfolgreiche Wirken der Mitglieder des Bundes der Kommu­ nisten im Kölner Arbeiterverein und auch in der rheinischen demo­ kratischen Bewegung hat sich in den überlieferten Quellen recht genau widergespiegelt. Dagegen hat ihre Tätigkeit in anderen Gebieten Deutschlands, und zwar auch dort, wo es zweifellos aktive Gruppen gab, wie in Hamburg, Berlin, München und anderen Städten, nur aus­ nahmsweise einen deutlicheren Niederschlag in den Quellen gefunden, so daß sie sehr häufig in ein anonymes Dunkel zurücktritt. Daß der Ein­ fluß der Bundesmitglieder aber recht erheblich war, trat auf dem zweiten Demokratenkongreß Ende Oktober 1848 in Berlin zutage, auf dem sich ein linker Flügel um eine Gruppe von Bundesmitgliedem zusammen­ schloß. Der Delegierte des Kölner Arbeitervereins, Friedrich Beust, trat als Sprecher der Kommission für die soziale Frage mit einem Programm auf, das fast völlig auf den „Forderungen der Kommunistischen Partei in Deutschland“ beruhte. Die Tätigkeit der Mitglieder des Bundes der Kommunisten in einer Vielzahl von Arbeitervereinen wirkte sich auch auf die Entwicklung der Arbeiterverbrüderung aus. Wie die hier veröffentlichten Quellen zur Arbeiterbewegung in Berlin zum ersten Male deutlich erkennen lassen, waren bei diesem sich allmählich immer mehr ausdehnenden organi­ satorischen Zusammenschluß von Arbeitervereinen, der im August 1848 in Berlin zustande kam, von Anfang an eine ganze Reihe von Mitgliedern des Bundes der Kommunisten maßgebend beteiligt. In der Gründung der Arbeiterverbrüderung kam unmißverständlich das ele­ mentare Streben breiter Massen nach einer selbständigen Organisation ihrer Klasse, nach einer eigenen Vertretung ihrer Interessen zum Aus­ druck. Es war ein großes Verdienst der Bundesmitglieder, wenn sie diese Selbständigkeitsbestrebungen wachriefen, ermunterten, sie auf­ griffen und sich an ihre Spitze stellten. Gleichzeitig war jedoch für die Arbeiterverbrüderung wie für viele der Arbeitervereine charakteristisch, daß die Selbständigkeitsbestre­ bungen vorwiegend auf das Gebiet der ökonomischen Interessen be­ schränkt waren, wohingegen die gerade in der Revolution im Vorder­ grund stehenden politischen Aufgaben vernachlässigt wurden. Einer der maßgebenden Organisatoren und Führer der Arbeiter­ verbrüderung war Stephan Born, dessen Rolle in der Arbeiterbewegung sehr zwiespältig war. Auf der einen Seite hatte er sich vor der Revo­ lution zu einem aktiven Mitglied des Bundes der Kommunisten ent­ wickelt und vor allem im Verkehr mit Friedrich Engels sich mit dem Gedankengut des wissenschaftlichen Kommunismus vertraut gemacht; auch eine Reihe seiner während der Revolution verfaßten Artikel lassen noch solche Einflüsse erkennen. Auf der anderen Seite jedoch zeigte er 37

sich nach Ausbruch der Revolution seinen Aufgaben als Mitglied des ' Bundes der Kommunisten nicht gewachsen und ging in seiner prakti­ schen politischen Tätigkeit nicht von dem in den „Forderungen der Kommunistischen Partei in Deutschland“ niedergelegten politischen Programm aus. Anstatt den Schwächen entgegenzuwirken, die der ele­ mentaren Arbeiterbewegung notwendigerweise anhafteten, paßte er sich an rückständige Auffassungen an und verfolgte eine vorwiegend klassenversöhnlerische Politik, die den Illusionen Nahrung gab, daß eine grundlegende Änderung der Lage der Arbeiter innerhalb der be­ stehenden Verhältnisse erreicht werden könne. Trotz der falschen Poli­ tik Boms vollzog sich aber auf Grund der Erfahrungen, die die Arbeiter während der Revolution sammelten, in der Verbrüderung ein Ent­ wicklungsprozeß, der auch Born wieder näher an die revolutionäre Arbeiterbewegung heranführte. Die Septemberkämpfe, in denen die Auseinandersetzung zwischen Revolution und Konterrevolution einen Höhepunkt erreicht hatte, endeten mit einer Niederlage der revolutionären Bewegung und führten damit zu einer Verschiebung des Kräfteverhältnisses zugunsten der Konterrevolution, die ihre Stellung erheblich zu festigen vermochte. Sie war jedoch nicht imstande, ihre Absichten im vollen Umfange zu ver­ wirklichen, und mußte zunächst noch viele der bürgerlichen Rechte und Freiheiten, die das Volk im März erkämpft hatte, bestehen lassen. Das Fortbestehen der „Neuen Rheinischen Zeitung“, die nach Auf­ hebung des Belagerungszustandes in Köln wieder erscheinen konnte, und auch das Fortwirken des Kölner Arbeitervereins zeigten, daß die Kommunisten es ausgezeichnet verstanden, den für ein öffentliches Auftreten noch vorhandenen Spielraum auszunutzen. Das während der Revolution immer wieder hervortretende Streben nach einer Verstärkung des politisch-organisatorischen Zusammenhalts der Arbeiterbewegung kam auch in dem im Herbst 1848 von London aus unternommenen Versuch zum Ausdruck, den Bund der Kommu­ nisten zu reorganisieren. Die Septemberereignisse in Köln und der sich anschließende Belagerungszustand hatten dazu geführt, daß fast alle Redaktionsmitglieder der „Neuen Rheinischen Zeitung“ und ebenso die in Köln tätigen Mitglieder der Zentralbehörde ins Ausland fliehen mußten oder sich in Haft befanden. Karl Marx gelang es, obwohl er eine Zeitlang fast allein stand und mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, die „Neue Rheinische Zeitung“ fortzuführen; er über­ nahm außerdem gleichzeitig die Leitung des Kölner Arbeitervereins. Joseph Moll, der nach England fliehen mußte, bildete dort gemeinsam mit Heinrich Bauer und Georg Eccarius eine neue Zentralbehörde, in deren Auftrag er bald nach Deutschland zurückkehrte, um für die 38

Wiederherstellung der organisatorischen Verbindungen des Bundes zu wirken. Bei diesem Vorhaben, das von der berechtigten Absicht aus­ ging, für den Zusammenschluß der Kommunisten zu wirken, waren jedoch gewisse sektiererische Tendenzen wirksam. Der Versuch, die Arbeiterpartei in die Form einer engen Geheimorganisation zu zwän­ gen, der besonders auch in den neu entworfenen Statuten sichtbar wurde, war angesichts der noch bestehenden demokratischen Frei­ heiten, die ein öffentliches Auftreten möglich und notwendig machten, unzeitgemäß und geeignet, von der Arbeit unter den Massen abzulenken. Joseph Moll unternahm im Auftrage der Zentralbehörde als Emissär des Bundes ausgedehnte Reisen, die ihn, wie aus neu aufgefundenen Dokumenten hervorgeht, nach Hamburg, Köln, Berlin, Leipzig, Mün­ chen, Ulm, Stuttgart, Brüssel und anderen Städten führten. Er konnte in verschiedenen Gebieten eine Neubelebung der Tätigkeit der Bundes­ mitglieder erreichen, die in erster Linie in den Arbeitervereinen und bei deren Zusammenschluß mitwirkten, aber das eigentliche Anliegen der Londoner, die Wiederherstellung der unter einer zentralen Leitung operierenden geheimen Organisation, blieb ohne Erfolg. Nachdem die Konterrevolution im Laufe des Jahres 1848 eine Reihe von Siegen errungen hatte, trat im Dezember 1848 die Revolution in Deutschland in eine letzte Phase, die mit den bewaffneten Kämpfen vom Mai bis Juli 1849 ihren Abschluß fand. Nachdem die Bourgeoisie die Revolution verraten hatte, versuchte die kleinbürgerliche Demo­ kratie, die Führung der Volksmassen zu übernehmen und die Revo­ lution weiterzuführen. Jedoch hatte sich bis Ende 1848 immer deut­ licher gezeigt, daß das Kleinbürgertum dieser Aufgabe objektiv nicht gewachsen war. In den Arbeitermassen wuchs im Feuer der Revo­ lution rasch das Verständnis für die Bedeutung des politischen Kampfes, und mit der Entwicklung und Verschärfung der Klassengegensätze und Parteischeidungen entwickelte sich auch in der elementaren Arbeiter­ bewegung das Streben nach einer selbständigen, von der kleinbürgerlich­ demokratischen Bewegung unabhängigen politischen Organisation. Gegen Ende des Jahres 1848 zog Karl Marx in der „Neuen Rheini­ schen Zeitung“ das Fazit aus dem bisherigen Verlauf der Revolution und kam zu der Schlußfolgerung, daß bei einem neuen Aufschwung die Volksmassen, die Arbeiter, Bauern und der revolutionäre Teil des Kleinbürgertums, nun schon den Kampf für eine revolutionär-demo­ kratische Staatsmacht führen mußten, daß aber die Möglichkeit für einen solchen neuen Aufschwung entscheidend abhing von neuen revo­ lutionären, vor allem von der Arbeiterklasse erfochtenen Siegen in Frankreich. Diese Perspektive stellte auch erhöhte Anforderungen an die Organisiertheit der deutschen Arbeiterbewegung. 39

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Daß in der breiten Massenbewegung der Arbeiter sich Ansatzpunkte für die Herausbildung einer proletarischen Massenpartei entwickelt hatten, zeigten verschiedene Bezirkskongresse der Arbeiterverbrüde­ rung. Eine besondere Bedeutung kam dem Heidelberger Kongreß der südwestdeutschen Arbeitervereine Ende Januar 1849 zu, an dem neben anderen Mitgliedern des Bundes der Kommunisten auch Joseph Weydemeyer teilnahm. Der Kongreß stellte die Einberufung eines ge­ samtdeutschen Arbeiterkongresses auf die Tagesordnung. Im Frühjahr 1849 war eine Reihe von Voraussetzungen heran gereift, die es den Kommunisten erlaubten, ihr Vorhaben, eine revolutionäre Massenpartei der Arbeiterklasse zu organisieren, wiederaufzunehmen. Karl Marx trat zusammen mit anderen Mitgliedern des Bundes der Kommunisten, darunter den Vertretern des Kölner Arbeitervereins, aus dem rheinischen demokratischen Kreisausschuß aus. Damit trennten sie sich organisatorisch von der demokratischen Partei, ohne jedoch mit diesem Schritt die politische Zusammenarbeit aufzugeben. Wie aus einer Reihe von Dokumenten vom April 1849, vor allem aus den Beschlüssen des Kölner Arbeitervereins, hervorgeht, bereiteten die Kommunisten gleichzeitig einen Kongreß der rheinisch-westfälischen Arbeitervereine vor. Sie schalteten sich so an der Spitze der fort­ geschrittensten Arbeitervereine des Rheinlandes und Westfalens, die der Arbeiterverbrüderung bisher nicht angehört hatten, in die Organi­ sierung des Arbeiterkongresses in Leipzig ein, auf dem im Juni 1849 ein allgemeiner deutscher Arbeiterbund gegründet werden sollte. Große Bedeutung maßen Marx und Engels nicht nur der organi­ satorischen, sondern vor allem auch der politisch-ideologischen Vor­ bereitung des Leipziger Kongresses bei. Noch vor der Einleitung der organisatorischen Maßnahmen begann Karl Marx in der „Neuen Rheinischen Zeitung“ seine Artikelserie „Lohnarbeit und Kapital“ zu veröffentlichen, die sowohl im Kölner Arbeiterverein diskutiert als auch an andere Arbeitervereine zur Diskussion geschickt wurde. Die letzten großen bewaffneten Kämpfe, die im Mai 1849 zwischen Revolution und Konterrevolution entbrannten, brachen die Entwick­ lung zu einer gesamtnationalen Arbeiterpartei ab. Die Arbeiter und unter ihnen an erster Stelle die Kommunisten kämpften gemeinsam mit allen demokratischen Kräften auch diesmal wieder in der vordersten Reihe gegen die bewaffneten Kräfte der vorrückenden Konterrevo­ lution. Da in diesen Kämpfen die Arbeiter noch nicht als politisch organisierte Kraft auftreten konnten und daher dem Kleinbürgertum die führende Rolle zufiel, übernahmen die Mitglieder des Bundes der Kommunisten keine politisch verantwortlichen Stellungen. Doch stan­ den sie auf den Barrikaden von Elberfeld und hatten einen hervorragen40

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den Anteil an den bewaffneten Kämpfen in Dresden und in Südwestdeutschland. Eine bedeutende Freischar, die von dem Bundesmitglied August Willich angeführt wurde und sich in mehreren Gefechten in der Pfalz und in Baden militärisch bewährte, bestand fast ausschließlich aus Arbeitern, unter ihnen viele Mitglieder des Bundes der Kommu­ nisten. In den Reihen dieser Freischar kämpfte auch Friedrich Engels als Adjutant. Zu den Bundesmitgliedern, die ihren Einsatz mit dem Leben bezahlten, gehörte das Mitglied der Zentralbehörde Joseph Moll. Auch in Paris, wohin Karl Marx geeilt war, um mit französischen Sozialisten Verbindung aufzunehmen, erlitt die Volksbewegung mit dem Scheitern der Demonstration vom 13. Juni 1849 eine Niederlage. Damit mußten die letzten Hoffnungen auf eine neue Wende der euro­ päischen Revolution von 1848/49 aufgegeben werden. Zu Recht und mit Stolz konnte die Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten in einem Fazit, das sie nach der Niederlage der Revo­ lution zog, feststellen, daß sich der Bund in doppelter Weise dadurch bewährt hatte, daß einmal die Mitglieder überall aktiv an den Be­ wegungen teilgenommen und in der Presse und in den bewaffneten Kämpfen in der vordersten Reihe gefochten hatten, ferner aber auch dadurch, daß die im „Manifest der Kommunistischen Partei“ und in anderen Dokumenten dargelegte politische Konzeption sich als die einzig richtige erwiesen hatte.1 V

Nach der Niederlage der Revolution von 1848/49 begann in Europa eine lang andauernde Reaktionsperiode. Zunächst jedoch war die demokratische Bewegung noch nicht völlig zum Erliegen gebracht, und die Revolutionäre rechneten auf einen bald beginnenden neuen Ausbruch revolutionärer Kämpfe, wobei sich die Hoffnungen vor allem auf Frankreich richteten. Noch gab es für die Betätigung verschiedener Organisationen einen gewissen Spielraum, der aber immer mehr in dem Maße eingeschränkt wurde, wie es der Reaktion gelang, ihre Stellung zu festigen und auszubauen. Für den Bund der Kommunisten ergaben sich nach der Revolution zwei Hauptaufgaben: den Bund zu reorganisieren und aus den Erfah­ rungen der Revolution und ihrer Niederlage die notwendigen Schluß­ folgerungen zu ziehen. Die Reorganisation des Bundes der Kommunisten war um so drin­ gender, als er nicht nur während der Revolution in seinem inneren, organisatorischen Zusammenhang geschwächt, sondern auch von der 1 Vgl. Karl Marx/Fricdrich Engels: Ansprache der Zentralbehörde an den Bund vom März 1850. In: MEW, Bd.7, S.244.

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Niederlage der Revolution mit am stärksten betroffen worden war. Viele seiner Mitglieder waren gefallen oder eingekerkert oder konnten sich den Verfolgungen nur dadurch entziehen, daß sie Deutschland ver­ ließen. In London konstituierte sich eine neue Zentralbehörde, die nach Marx’ Eintreffen in London Ende August 1849 unter dessen Leitung stand und die Reorganisierung des Bundes sofort in Angriff nahm. Ihr gehörten außerdem Heinrich Bauer, Georg Eccarius, Albert Lehmann, Karl Pfänder und Konrad Schramm an, nach ihrer Ankunft in London auch Friedrich Engels, August Willich und ab Juli 1850 Karl Schapper, der bis dahin in Deutschland im Gefängnis gesessen hatte. Erst gegen Ende 1849 gelang es der Zentralbehörde, die wichtigsten der abgerisse­ nen Verbindungen wiederherzustellen. Mit dem Wiederaufbau der Organisation ging eine wichtige theo­ retische Arbeit einher. Die europäische Revolution von 1848/49 hatte mit ihren gewaltigen Klassenbewegungen, in denen die Arbeiterklasse zum ersten Male in den geschichtlichen Entwicklungsgang selbständig und direkt eingegriffen hatte, einen großen Schatz an historischen Erfahrungen geliefert. Eine entscheidende Aufgabe bestand darin, an Hand dieser Erfahrungen die in der Revolution befolgte Politik zu überprüfen und die notwendigen Lehren und Schlußfolgerungen für die Kämpfe der Zukunft zu ziehen. Nur auf der Grundlage dieser Lehren und Schlußfolgerungen konnte sich die weitere Tätigkeit des Bundes der Kommunisten vollziehen. Dieser theoretischen Arbeit unterzogen sich Karl Marx und Friedrich Engels in den Ansprachen der Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten vom März und Juni 1850 sowie einer gan­ zen Reihe grundlegender Schriften über den Verlauf der Revolution. Einen großen Teil der Arbeiten, in denen sie das Revolutions­ geschehen analysierten, veröffentlichten Marx und Engels, in einer in Hamburg erscheinenden Monatsschrift, mit der sie die „Neue Rhei­ nische Zeitung“ fortsetzten. Diese „Politisch-ökonomische Revue“, wie sie im Untertitel hieß, war das theoretische Organ des Bundes der Kom­ munisten, dessen Mitglieder große Anstrengungen für seine Verbrei­ tung unternahmen. Nicht nur in den umfangreicheren Arbeiten, son­ dern auch mit einer Anzahl von kleineren Beiträgen gaben Marx und Engels der Tätigkeit des Bundes die politisch-ideologische Grundlage und viele wichtige Hinweise für seine praktische Politik. So warnten sie in einer Rezension zu Büchern von Adolphe Chenu und Lucien de la Hodde nachdrücklich vor den Gefahren einer sektiererisch-verschwörerischen Geheimbundspolitik. Fragen des Staates, des Klassenkampfes des Proletariats und der Rolle der proletarischen Partei nahmen einen zentralen Platz in den verallgemeinernden Schlußfolgerungen ein, die Karl Marx und Fried-

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rieh Engels in Werken wie „Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850“, „Die deutsche Reichsverfassungskampagne“, „Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte“ und „Revolution und Konterrevolution in Deutschland“ aus den Erfahrungen der Revolution zogen und mit denen sie die marxistische Revolutionstheorie weiterentwickelten. Sie deckten den Klassencharakter des bürgerlichen Staates, vor allem auch der bürgerlichen Republik auf, wobei sie sich entschieden gegen die kleinbürgerliche Illusion wandten, daß die Ausbeutung des Proletariats innerhalb einer bürgerlichen Republik beseitigt werden könne. Der Sturz der Bourgeoisie und ihrer Klassendiktatur, die Errichtung der Diktatur des Proletariats waren, wie Karl Marx und Friedrich Engels es hier zum ersten Male ausdrücklich formulierten, eine unerläßliche Voraussetzung auf dem Wege zu einer klassenlosen, von Ausbeutung und Unterdrückung freien sozialistischen Gesellschaftsordnung. Für die weitere Tätigkeit des Bundes der Kommunisten waren jene Schlußfolgerungen, die Marx und Engels aus den Erfahrungen der Revolution hinsichtlich der Rolle und Aufgabe der proletarischen Partei zogen, von besonders großer Bedeutung. In der revolutionären Bewegung von 1848/49 hatte es sich gezeigt, daß die Arbeiter in ihrer Masse noch unter dem Einfluß kleinbürgerlicher Anschauungen und Illusionen gestanden hatten. Eine Reihe von Umständen begünstigte eine Verwischung der prinzipiellen Unterschiede zwischen der klein­ bürgerlichen und der proletarischen Bewegung, so unter anderem die Tatsache, daß die Arbeiter noch ohne eigene Massenpartei an der all­ gemeindemokratischen Bewegung teilgenommen hatten; ferner trug zu den Unklarheiten auch bei, daß viele kleinbürgerliche Demokraten als „soziale“ Demokraten auftraten und die Forderung der „sozialen“ oder „roten“ Republik in ihr Programm aufnahmen. In der Ansprache der Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten vom März 1850, mit der sie sich zürn erstenmal nach der Revolution wieder an die Mitgliedschaft wandte, betonten Marx und Engels mit Entschiedenheit, daß es unbedingt notwendig sei, die proletarische von der bürgerlichen und kleinbürgerlichen Bewegung abzugrenzen und die Selbständigkeit der Arbeiterklasse unter der Führung einer eigenen revolutionären Partei zu sichern. Diese klare Scheidung sei unerläßlich, wenn die Arbeiterklasse der ihr zufallenden Rolle in den bevorstehen­ den weiteren Kämpfen für Demokratie und Fortschritt gerecht werden wolle. In der ganzen Geschichte des Bundes der Kommunisten zeigt sich die dialektische Einheit, daß die Kommunisten auf der einen Seite im Kampf um bürgerliche Rechte und Freiheiten eng mit den kleinbürgerlichen Demokraten zusammen kämpften, auf der anderen Seite unablässig entschiedenen Nachdruck auf die organisatorische 43

Trennung der Arbeiterbewegung von der kleinbürgerlichen Bewegung legten. In der Märzansprache legten Marx und Engels, die zu Beginn des Jahres 1850 noch auf eine baldige neue revolutionäre Erhebung hofften, die Aufgaben der proletarischen Partei im Kampf für den vollständigen Sieg der bürgerlich-demokratischen Revolution dar. Dabei entwickelten sie, ausgehend von den im Kommunistischen Manifest dargelegten Gedanken, die Perspektive des Hinüberwachsens der bürgerlich-demo­ kratischen in die sozialistische Revolution. In Deutschland machte die Reorganisierung des Bundes der Kom­ munisten, nicht zuletzt dank der von Heinrich Bauer im Frühjahr 1850 unternommenen Emissärreise, schnelle Fortschritte, so daß die Zentral­ behörde bereits in ihrer Ansprache vom Juni 1850 von einem weitver­ zweigten und schon wieder recht festgefügten Organisationsnetz be­ richten konnte. Die Hinweise der Juniansprache über die Ausbreitung des Bundes in Deutschland werden in Band 2 durch einige erstmalig veröffentlichte Quellen ergänzt. Vor allem zeigen die Dokumente, wie es die Mitglieder des Bundes der Kommunisten verstanden, ent­ sprechend den in den Ansprachen der Zentralbehörde gegebenen Richtlinien auch die geringsten Möglichkeiten für eine politische Tätig­ keit auszunutzen, die es noch innerhalb der sehr engen Schranken gab, wie sie durch eine drückende reaktionäre Gesetzgebung und eine noch drückendere Polizeipraxis gesetzt waren. So gelang es dem Bund der Kommunisten unter äußerst schwierigen Bedingungen, seine während der Revolution in der breiteren Arbeiterbewegung gewonnenen Posi­ tionen nicht nur wiederherzustellen, sondern in vielen Fällen zu festigen und weiter auszubauen. Besonders in den noch in großer Zahl bestehenden Arbeitervereinen bzw. Arbeiterbildungsvereinen, denen eine politische Betätigung aller­ dings untersagt war, und ebenso aüf die gesamtnationale gewerkschaft­ liche Organisation der Zigarrenarbeiter konnten die Kommunisten einen bedeutenden Einfluß gewinnen. Dabei verstärkte sich auch der Einfluß des Bundes der Kommunisten auf die Arbeiterverbrüderung, von der einige führende Mitglieder dem Bunde angehörten oder un­ mittelbar mit Bundesmitgliedem zusammenarbeiteten. Auf dem von der Arbeiterverbrüderung organisierten Kongreß von Arbeitervereinen, der im Februar 1850 in Leipzig stattfand, waren mehrere Bundesmit­ glieder vertreten. Darüber hinaus erstreckte sich das Wirkungsfeld der Kommunisten auf solche demokratische Organisationen, in denen Arbeiter organisiert waren, was auch bei den demokratischen Turn­ vereinen der Fall war. Auch bei der Gründung von Tagelöhner- und Bauernvereinen wirkten Mitglieder des Bundes der Kommunisten mit. 44

Die in der Ansprache der Zentralbehörde des Bundes der Kommu­ nisten vom März 1850 ausgesprochene Warnung vor den Bestrebungen der kleinbürgerlichen Demokraten, die proletarischen Kräfte in eine allgemeine Oppositionspartei einzubeziehen und damit unter ihren Einfluß zu bringen, wurde nicht von allen Bundesmitgliedem sogleich verstanden. Manche von ihnen glaubten, in Anbetracht der gemein­ samen unmittelbaren Kampfziele auf eine selbständige proletarische Organisation verzichten zu können. So war in der Schweiz unter den dort lebenden deutschen Flüchtlingen eine kleinbürgerlich-demokratische Organisation, die „Europäische Zentralisation“ entstanden, an der sich neben revolutionären Demokraten zunächst auch Mitglieder des Bun­ des der Kommunisten beteiligten. Die hier auftretende Tendenz zur Verschmelzung der Organisation des Bundes mit einer kleinbürgerlich­ demokratischen Organisation, das heißt der Preisgabe einer selbstän­ digen Partei der Arbeiterklasse, hatte auch in der Bundesorganisation in Südwestdeutschland einen gewissen Einfluß gewinnen können. Erst nach der Entsendung eines besonderen Emissärs, Emst Dronke, durch die Zentralbehörde, konnte auch in diesen Teilen des Bundes Klarheit über die Notwendigkeit einer prinzipiellen Scheidung von allen klein­ bürgerlichen Organisationen erreicht werden. Gleichzeitig mit seiner Reorganisierung in Deutschland knüpfte der Bund der Kommunisten seine alten internationalen Verbindungen wie­ der an und stellte neue her. Besonders wichtig waren, wie schon vor der Revolution, die Beziehungen zur chartistischen Bewegung, die inzwischen allerdings erheblich an Bedeutung verloren hatte. Gegen eine kleinbürgerlich-reformistische Strömung, die sich immer stärker geltend machte, führte ein linker, proletarisch-revolutionärer Flügel, der von Marx und Engels unterstützt wurde, einen entschiedenen Kampf. Im November 1850 wurde in dem von Julian Harney heraus­ gegebenen „Red Republican“ zum ersten Male in englischer Sprache das „Manifest der Kommunistischen Partei“ veröffentlicht. Besonders eng wurden die Beziehungen zu Ernest Jones, der im Juni 1850 nach zweijähriger Haft aus dem Gefängnis entlassen wurde und von Mai 1851 an die Zeitschrift „Notes to the People“ herausgab. Im Frühjahr 1850 schlossen Vertreter der Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten mit Harney als Vertreter der Chartisten sowie Adam und Vidil als Ver­ treter der französischen blanquistischen Kommunisten ein Abkommen über die Gründung einer internationalen kommunistischen Vereini­ gung, der „Weltgesellschaft der revolutionären Kommunisten“. Im Laufe des Jahres 1850 begannen sich die Zeichen zu mehren, die auf ein Abebben der revolutionären Bewegung hinwiesen. Vor allem der wirtschaftliche Aufschwung, der bereits 1848 eingesetzt hatte, ließ 45

I die Aussichten auf einen neuen Ausbruch einer Revolution immer gerin­ ger werden. Gleichzeitig konnten die reaktionären Regierungen ihre poli­ tische Stellung festigen, wobei sie ihre Unterdrückungsmaßnahmen immer mehr verschärften. Auf Grund einer nüchternen wissenschaftlichen Ana­ lyse der ökonomischen Entwicklung kamen Karl Marx und Friedrich Engels zu dem Ergebnis, daß die objektiven Voraussetzungen für den baldigen Ausbruch einer neuen Revolution fehlten. Daher war es er­ forderlich, eine neue taktische Linie auszuarbeiten. Dieser Erkenntnis ver­ schloß sich jedoch eine Gruppierung, die sich innerhalb des Bundes der Kommunisten unter der Führung von August Willich und Karl Schapper seit Sommer 1850 herausbildete. Willich, der sich während der Re­ volution in den bewaffneten Kämpfen ausgezeichnet hatte, war ein theoretisch sehr unklarer Kopf und kleinbürgerlichen Anschauungen leicht zugänglich; Schapper, der schon führend an der Gründung des Bundes beteiligt gewesen war, hatte während der Revolution eng ver­ bunden mit Marx und Engels in Köln im politischen Kampf gestan­ den; er sah bald die von ihm gemachten Fehler ein und schloß sich bereits Mitte der fünfziger Jahre wieder an Marx und Engels an. Die Gruppierung um Willich und Schapper, die bald zur Fraktions­ tätigkeit und schließlich zur direkten Spaltung überging, verfolgte eine pseudorevolutionäre und sektiererische Politik. Ihre Konzeption lehnte sich eng an Anschauungen jener kleinbürgerlichen Gruppierungen an, die sich nach der Niederlage der Revolution im Ausland zusammen­ gefunden hatten und in Erwartung einer baldigen neuen Revolution in Frankreich und Deutschland abenteuerliche Revolutionspläne schmie­ deten, in denen der Krieg als Hebel der Revolution einen zentralen Platz einnähm; vor allem Willich neigte zu einer außerordentlichen Überschät­ zung militärischer Mittel und Maßnahmen. Die Fraktion vertrat aber nicht nur die Auffassung, daß die Revolution unmittelbar bevorstehe, sondern war darüber hinaus auch der Meinung, daß in ihr die Arbeiter sofort an die Macht kämen. Für die Verfechter dieser sektiererischputschistischen Konzeption war in erster Linie bezeichnend, daß sie die objektiven Bedingungen ignorierten und in subjektivistischer Weise glaubten, der bloße Wille reiche zum Sieg einer Revolution aus. Der­ artige Auffassungen gewannen vor allem bei jenen Bundesmitgliedern an Boden, die als Flüchtlinge im Ausland lebten und auf eine schnelle Rückkehr in die Heimat hofften. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen standen grundlegende Fragen des proletarischen Klassenkampfes, besonders Fragen des Charakters neuer revolutionärer Erhebungen, der vom gesellschaft­ lichen Entwicklungsstand bedingt war. Wie das Protokoll der ent­ scheidenden Sitzung der Zentralbehörde vom 15. September 1850

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erkennen läßt, vertrat Schapper als Sprecher der Fraktion mit beson­ derem Nachdruck die Auffassung, daß die Arbeiter in einer bald ausbrechenden Revolution sofort die Macht zu ergreifen hätten. Dem­ gegenüber wies Karl Marx nach, daß erst in einer mehrere Jahrzehnte dauernden Entwicklung nicht nur die objektiven, sondern auch die subjektiven Bedingungen für die Machtergreifung durch das Prole­ tariat heranreifen müßten. Trotz der Schärfe, die die Auseinandersetzung angenommen hatte, suchten Marx und Engels die organisatorische Einheit des Bundes zu wahren. Sie gingen davon aus, daß auch jene Bundesmitglieder, die zeit­ weise unter den Einfluß der Fraktion geraten waren, durch die histo­ rische Entwicklung von der Richtigkeit einer wissenschaftlichen Auf­ fassungsweise überzeugt werden würden. Jedoch weigerte sich die Fraktion, die am 15. September von der Mehrheit der Zentralbehörde gefaßten Beschlüsse, die die Verlegung des Sitzes der Zentralbehörde nach Köln vorsahen, anzuerkennen. Sie begann vielmehr einen Sonder­ bund zu organisieren und spaltete damit den Bund der Kommunisten. Der Kampf gegen Sektierertum und scheinrevolutionäres Abenteurer­ tum hatte den Bund schon seit seinem Entstehen begleitet. Seine Ge­ schichte zeigt, wie schrittweise der Blanquismus, falsche Ansichten Weitlings von der sozialistischen Revolution und die mit putschistischen Auffassungen verbundenen verschwörerischen Organisationsformen überwunden wurden. Die Auseinandersetzung der Mehrheit der Zentral­ behörde mit der Fraktion Willich/Schapper bewies die Gefährlichkeit des scheinrevolutionären Abenteurertums, das dadurch gekennzeichnet war, daß das revolutionäre Handeln durch die pseudoradikale Phrase er­ setzt wurde. Die Schädlichkeit dieser der Arbeiterklasse fremden und in ihrem Wesen kleinbürgerlichen Strömung bestand darin, daß sie die Ein­ heit der kommunistischen Bewegung gefährdete und nur allzu leicht vom Klassenfeind zu provokatorischen Zwecken ausgenutzt werden konnte. Entsprechend den in der Sitzung vom 15. September 1850 gefaßten Beschlüssen, ging die Leitung des Bundes der Kommunisten an eine in Köln neu gebildete Zentralbehörde über.

VI Mit den Beschlüssen vom 15. September 1850 begann ein neuer Ab­ schnitt in der Geschichte des Bundes der Kommunisten, der die Zeit von der Verlegung der Zentralbehörde nach Deutschland bis zur Ver­ haftung ihrer Mitglieder im Mai/Juni 1851 umfaßt. In dieser Zeit ge­ hörten Marx und Engels nicht mehr unmittelbar der Leitung des Bundes an, aber sie standen in enger Verbindung mit ihr und halfen 47

ständig durch Hinweise und Ratschläge. Diese neue Zentralbehörde wurde, entsprechend den in London gefaßten Beschlüssen, in Köln ge­ bildet, weil sich dort die bedeutendste Organisation des Bundes in Deutschland befand. Zu den Kölner Kommunisten, die Mitglieder der Zentralbehörde waren oder ihr nahestanden, gehörten Heinrich Bür­ gers, Roland Daniels, Ferdinand Freiligrath, Carl Otto, Peter Röser und - nach der Aufnahme in den Bund gegen Ende des Jahres 1850auch Hermann Becker. Die neue Zentralbehörde entwickelte sofort eine energische Tätigkeit und ergriff eine Reihe von Maßnahmen, um den Machenschaften des Sonderbundes entgegenzuwirken und die Reihen des Bundes in Deutschland zu stärken. Sie schloß die Willich/Schapper-Gruppe, nach­ dem diese zur Organisierung eines Sonderbundes übergegangen war, aus dem Bund der Kommunisten aus und entsandte Carl Otto, Friedrich Leßner, Peter Nothjung und Joseph Weydemeyer als Emissäre zu den Kreisen und Gemeinden in Deutschland, um sie von der neuen Lage zu unterrichten und abgerissene Verbindungen wiederherzustellen. In der Ansprache vom Dezember 1850 gab die Zentralbehörde einen Bericht über diese Maßnahmen und über die Lage des Bundes in Deutschland. Der Festigung der Bundesorganisation diente vor allem auch die Abfassung neuer Statuten durch die Zentralbehörde. Diese Maßnahme war unter anderem deswegen notwendig geworden, weil im Bund neben denen vom Dezember 1847 auch noch die teilweise politisch falschen Statuten vom Herbst 1848 benutzt wurden. Die von der Kölner Zentral­ behörde ausgearbeiteten Statuten vom Dezember 1850 entsprachen den neuen Arbeitsbedingungen des Bundes, der Kommunisten, und Karl Marx gab ihnen im Namen des Kreises London seine Zustimmung. Nachdem im wesentlichen die Schwierigkeiten überwunden waren, die durch die spalterische Tätigkeit des Sonderbundes und auch durch die Verlegung der Zentralbehörde nach Deutschland hervorgerufen worden waren, belebte sich die Arbeit des Bundes in Deutschland sichtlich. Eine bedeutende Aktivität legten die Bundesmitglieder beim illegalen Druck von Broschüren und Flugblättern und ihrer Verbreitung in ganz Deutsch­ land an den Tag. Alte Verbindungen wurden wiederhergestellt und neue angeknüpft, wobei auch einige Vertreter der fortschrittlichen Intelligenz wie Adolf Bermbach, Abraham Jacobi, Johannes Miquel und einige andere neu für den Bund gewonnen werden konnten. Vor allem verstärkte der Bund seine Bemühungen, in den noch be­ stehenden Arbeitervereinen und ähnlichen Organisationen, zum Bei­ spiel den Turnvereinen, zu wirken. Jedoch waren hierbei immer größere Schwierigkeiten zu überwinden, da sich der Polizeidruck ständig ver­ stärkte. Bereits im Sommer 1850 war in Sachsen die Arbeitender brüde48

rung verboten worden, und ähnliche Verbote, durch die die Arbeiter­ vereine unterdrückt oder in ihrer Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt wurden, mehrten sich in ganz Deutschland. Durch solche und andere Maßnahmen wurde das Betätigungsfeld für den Bund der Kommunisten immer mehr eingeengt. Nachdem die von Marx und Engels herausgegebene „Neue Rheinische Zeitung. Politisch-ökonomische Revue“ gegen Ende 1850 ihr Erscheinen hatte einstellen müssen, wurden im Frühjahr 1851 von Heinrich Bürgers, Hermann Becker, Roland Daniels und Joseph Weydemeyer Vorberei­ tungen getroffen, um eine neue Zeitschrift in Deutschland herauszugeben. Gleichzeitig wurde zum ersten Male eine Ausgabe ausgewählter Schrif­ ten von Karl Marx in Angriff genommen, von der im April 1851 eine erste Lieferung erschien. Im ersten Halbjahr 1851 bestand eine enge Zusammenarbeit zwischen der Zentralbehörde und der von Ludwig Stechan in Hannover herausgegebenen „Deutschen Arbeiterhalle“. Vergeblich suchte der Sonderbund auch in Deutschland Fuß zu fassen; sein zu diesem Zweck entsandter Emissär mußte unverrichteter­ dinge nach London zurückkehren. Nur in Ausnahmefällen, wie zum Beispiel in Braunschweig, schlossen sich einzelne Gemeinden oder Bundesmitglieder dem Sonderbund an oder nahmen zeitweise eine schwankende Haltung ein. Demgegenüber konnte der Sonderbund mit seiner spalterischen Tätigkeit in den Gemeinden außerhalb Deutsch­ lands rückständig-sektiererische Auffassungen und Vorurteile, die durch kleinbürgerliche Einflüsse genährt waren, und auch Stimmungen der revolutionären Ungeduld für sich ausnutzen und der Sache des Bundes der Kommunisten erheblichen Schaden zufügen. So vermochte er, die Mehrheit der in London vor allem als Flüchtlinge lebenden Bundesmitglieder und damit auch die Mehrheit des Kommunistischen Arbeiterbildungsvereins auf seine Seite zu ziehen. In der Schweiz schloß sich die Kreisbehörde erst nach einigem Schwanken dem Sonder­ bund an. In die Organisation des Sonderbundes in Frankreich waren sogar Polizeiagenten bis in leitende Funktionen eingedrungen und konn­ ten die putschistische Phraseologie für ihre Zwecke ausnutzen. Das laute, scheinrevolutionäre Auftreten des Sonderbundes trug erheblich dazu bei, die Aufmerksamkeit der Polizei wachzurufen und damit auch die Tätigkeit des Bundes der Kommunisten zu gefährden. Die immer schärfer werdenden Unterdrückungsmaßnahmen der Regie­ rungen trafen schließlich den Bund der Kommunisten selbst. Die Ver­ haftung Peter Nothjungs in Leipzig im Mai 1851 löste eine Verhaftungs­ und Haussuchungswelle aus, der eine große Zahl von Mitgliedern des Bundes in ganz Deutschland, darunter fast die ganze Zentralbehörde zum Opfer fiel. 4 Bund 49

VII Mit den Verhaftungen des Jahres 1851 begann der letzte Abschnitt in der Geschichte des Bundes der Kommunisten. Er fiel in eine Zeit, in der die Reaktion so gut wie jede oppositionelle Bewegung zum Erliegen zu bringen und damit für eine Reihe von Jahren ihre Herrschaft zu stabilisieren vermochte. Hoffnungen, die von vielen Revolutionären immer noch an eine erneute Erhebung vor allem in Frankreich geknüpft worden waren, erwiesen sich endgültig als vergeblich, als Louis Bona­ parte im Dezember 1851 durch einen Staatsstreich in Frankreich eine Diktatur errichtete, die selbst bürgerliche Oppositionsbewegungen niederhielt. In Deutschland ging die feudale Reaktion dazu über, die letzten Reste der fortschrittlichen Bewegung zu unterdrücken, wobei sie sich der rücksichtslosesten Gewalt und skrupelloser Polizeimethoden bediente. Ihren Hauptschlag richtete die Reaktion gegen die revolutio­ näre Vorhut der Arbeiterklasse. Unter den schwierigsten Bedingungen suchten die Mitglieder des Bundes der Kommunisten, soweit sie nicht unmittelbar von den Ver­ haftungen betroffen waren, den Polizeimaßnahmen entgegenzuwirken und besonders die Verhafteten und ihre Familien zu unterstützen. Sie waren darüber hinaus bemüht, die Arbeit des Bundes fortzusetzen. Ob­ wohl in Deutschland seine Tätigkeit nach den Verhaftungen vom Mai und Juni 1851 fast völlig lahmgelegt war, blieb - wie aus einer ganzen Anzahl von Briefen hervorgeht - eine Reihe von Bundesmitgliedern weiter tätig. So führte in Köln Adolf Bermbach einige Aufgaben der Zentralbehörde provisorisch weiter, fiel jedoch schließlich auch der Verhaftungswelle zum Opfer. In Frankfurt a. M. suchte zunächst noch Joseph Weydemeyer die Arbeit des Bundes fortzusetzen, mußte sich aber im Juli 1851 der drohenden Verhaftung entziehen. Weydemeyer ging nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika, wo er gemeinsam mit Adolf Cluß tätig war. Die Arbeit des Bundes der Kommunisten wurde in den USA in kleinem Rahmen noch einige Jahre fortgesetzt. Karl Marx und Friedrich Engels unternahmen gemeinsam mit ande­ ren Mitgliedern des Bundes der Kommunisten in London alles in ihren Kräften Stehende, um die Kölner Verhafteten mit Argumenten und Unterlagen für ihre Verteidigung zu versehen und die Machenschaften der Polizei zu enthüllen. Da die preußische Regierung bald erkennen mußte, daß das be­ schlagnahmte Material nicht ausreichte, um die Verurteilung der Ver­ hafteten durchzusetzen, griff sie zu Fälschungen, die ihr von der vor kriminellen Delikten nicht zurückscheuenden Geheimpolizei und deren Spitzeln und Provokateuren geliefert wurden. Schließlich wurde nach

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wiederholten Verschiebungen im Oktober 1852 der Kölner Kommu­ nistenprozeß inszeniert, bei dem neben Dokumenten des Sonderbundes meist von Polizeiagenten gefälschte Materialien als „Beweise“ dienen mußten. Nach fünfwöchiger Dauer endete der Prozeß schließlich mit der Verurteilung der meisten Angeklagten zu hohen Festungsstrafen. Der Kölner Kommunistenprozeß war der erste große Versuch der Reaktion, die Arbeiterbewegung dadurch zu entwaffnen, daß man sie ihrer organisierten Vorhut beraubt. Die dabei angewandten Methoden wurden charakteristisch für viele Prozesse, die die Reaktion in den fol­ genden Jahrzehnten immer wieder gegen aufrechte Sozialisten und gegen ihre Partei anstrengte, um die Arbeiterbewegung in ihrem Vor­ marsch aufzuhalten. Karl Marx deckte in seinem Werk „Enthüllungen über den Kommunisten-Prozeß zu Köln“, das er sofort nach Beendigung des Prozesses verfaßte, dessen politische Hintergründe auf. Er entlarvte die von der preußischen Regierung benutzten Polizeimethoden in ihrer ganzen Niederträchtigkeit. Unmittelbar nach dem Kölner Kommunistenprozeß zog Karl Marx die Schlußfolgerungen aus der für den Bund der Kommunisten ent­ standenen Lage. Die zahlenmäßig stärkste Organisation des Bundes, die deutsche, war zerschlagen und konnte unter den obwaltenden Verhält­ nissen auch nicht wiederhergestellt werden. Außerhalb Deutschlands mit Ausnahme der USA - gab es einen erheblichen Einfluß des Sonder­ bundes, der jedoch 1853 seine Tätigkeit einstellte. Auf Antrag von Marx beschloß die Londoner Organisation des Bundes der Kommunisten ihre Auflösung und erklärte die Fortdauer des Bundes auch auf dem Kontinent für nicht mehr zeitgemäß. In diesem Beschluß vom 17. No­ vember 1852 kam die Erkenntnis zum Ausdruck, daß die Organisa­ tionsformen des Bundes nicht mehr den objektiven Erfordernissen ent­ sprachen, die aus der Entwicklung der Arbeiterklasse entsprangen. Als die Arbeiterbewegung zu Beginn der sechziger Jahre wieder auflebte, bildeten sich neue Organisationsformen heraus.

VIII Im letzten Teil der zweibändigen Quellenveröffentlichung finden Dokumente Platz, in denen sich das Fortwirken einzelner Bundesmit­ glieder widerspiegelt und die die lebendigen Traditionen des Bundes der Kommunisten in der späteren Entwicklung der Partei der Arbeiter­ klasse im 19. Jahrhundert erkennen lassen. In den auf den Kölner Kommunistenprozeß folgenden Jahren, die durch eine fast ungehemmte Herrschaft der Reaktion in den meisten Ländern Europas gekennzeichnet war, gab es noch einige Versuche, die Bundes-

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Organisation in kleinstem Rahmen fortzuführen oder wieder neu zu be­ leben. An verschiedenen Orten waren größere oder kleinere Gruppen von Bundesmitgliedern tätig. In England scharten Karl Marx und Friedrich Engels eine Gruppe von Bundesmitgliedern um sich, mit denen sie sich über die weitere Perspektive der Arbeiterbewegung berieten. Zu dieser Gruppe gehörten Johann Georg Eccarius, Ferdinand Freiligrath, Friedrich Leßner, Wil­ helm Liebknecht, Karl Pfänder, Konrad Schramm, Wilhelm Wolff und andere. An Marx und Engels wandten sich bis Ende der fünfziger Jahre wiederholt auch ehemalige Mitglieder des Bundes, die in Deutschland und den USA tätig waren, mit politischen Fragen. Sehr rege wirkten einzelne Bundesmitglieder in den Vereinigten Staa­ ten von Amerika, wo in New York und Philadelphia kleine Bundes­ gemeinden bestanden. Hier waren vor allem Joseph Weydemeyer, Adolf Cluß und Abraham Jacobi organisatorisch und propagandistisch tätig. Weydemeyer besorgte 1852 den Druck von Marx’ Werk „Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte“, und Cluß gab im folgenden Jahre in Boston die „Enthüllungen über den Kommunisten-Prozeß zu Köln“ heraus. Mitglieder des Bundes der Kommunisten legten den Grundstein für die Verbreitung des Marxismus in den USA und leiste­ ten damit einen wichtigen Beitrag für die Entstehung einer revolutio­ nären Arbeiterbewegung in Amerika. In Deutschland war das Fortwirken von Bundesmitgliedern unter den Bedingungen der rücksichtslosen Polizeiwillkür, der Verbote und Unter­ drückung jeder fortschrittlichen Bewegung außerordentlich erschwert. Jedoch gab es, wie eine Reihe von Dokumenten erkennen läßt, immer noch einzelne Versuche, wenigstens in lokalem Bereich den organisa­ torischen Zusammenhalt aufrechtzuerhalten. Kleine kommunistische Gruppen und einzelne Bundesmitglieder wirkten in Düsseldorf, Elber­ feld, Göttingen, Köln, Iserlohn, Solingen und wahrscheinlich auch in weiteren Städten. Diese Tätigkeit vollzog sich allerdings so sehr im Verborgenen und unter Beachtung der größten Vorsichtsmaßnahmen, daß nur selten ein deutlicheres Zeichen in den überlieferten Dokumenten sichtbar wird. In Köln, Solingen und Umgebung, wo auch für die Verurteilten des Kommunistenprozesses noch Gelder gesammelt wur­ den, sah sich die Polizei zu wiederholten Malen zu Haussuchungen und Verhaftungen veranlaßt. In Solingen scheint der fortwährende Zu­ sammenhalt am stärksten gewesen zu sein. Die veröffentlichten Quellen widerlegen auch eindeutig die Behaup­ tung bürgerlicher Historiker, der Bund der Kommunisten hätte keine Spuren hinterlassen und sei ohne jeden Einfluß auf die spätere Arbeiter­ bewegung geblieben; diese habe, besonders was Deutschland betrifft,

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nur an die elementare Bewegung in den Arbeitervereinen angeknüpft oder gar erst mit Lassalles Agitation begonnen. Selbst durch die Jahre der finstersten Reaktion, in denen jedes fortschrittliche politische Leben fast überall in Europa, vor allem aber in Deutschland, völlig ausgestor­ ben zu sein schien, gab es viele standhafte proletarische Revolutionäre aus den Reihen des Bundes der Kommunisten, die den Kampf für die große Sache der Arbeiterklasse unerschrocken fortsetzten. Deutlich lassen sich die Verbindungslinien verfolgen, die von den früheren Zentren des Bundes der Kommunisten und den noch fort­ wirkenden kommunistischen Gruppen bis zu der mit Beginn der sech­ ziger Jahre sich neu belebenden Arbeiterbewegung führten. In der Inter­ nationalen Arbeiterassoziation, im Allgemeinen Deutschen Arbeiter­ verein und in der in Eisenach gegründeten Sozialdemokratischen Arbei­ terpartei Deutschlands standen viele ehemalige Mitglieder des Bundes der Kommunisten wieder an der ersten Stelle. Der Bund der Kommunisten erwies sich als eine Kaderschmiede, aus der viele Vorkämpfer der Arbeiterbewegung hervorgingen. Die I. Internationale, deren Mitbegründer und Seele Karl Marx war, über­ nahm vom Bund der Kommunisten den internationalen Schlachtruf der Arbeiterklasse „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“ Gemeinsam mit Karl Marx und Friedrich Engels fochten in der internationalen und deutschen Arbeiterbewegung solche Mitglieder des Bundes der Kommu­ nisten wie Johann Georg Eccarius, Carl Wilhelm Klein, Karl Klings, Louis Kugelmann, Friedrich Leßner, Wilhelm Liebknecht, Georg Lochner, Karl Pfänder, Karl Schapper, PaulStumpf, August Vogt und Joseph Weydemeyer. Über die Lebenszeit von Marx und Engels hinaus wurde die Tradition des Bundes der Kommunisten zum Beispiel durch Fried­ rich Leßner verkörpert, der bereits die Gründungskongresse von 1847 miterlebt hatte, später als aktiver Funktionär der I. Internationale wirkte, als Veteran in den neunziger Jahren auf sozialdemokratischen Parteitagen an die Tätigkeit des Bundes erinnerte und noch 1905 be­ geistert die erste russische Revolution begrüßte. Mit der I. Internationale, die das vom Bund der Kommunisten be­ gonnene Werk fortsetzte, fand das Gedankengut des Marxismus schon in einer breiteren Arbeiterbewegung Eingang: sie wies den Weg zur Herausbildung von proletarischen Massenparteien in den einzelnen Ländern. Immer mehr machten sich diese Parteien, die ständig von Marx und Engels beraten und unterstützt wurden, die Erkenntnisse des wissenschaftlichen Kommunismus zu eigen, benutzten sie als Grundlage ihres Kampfes und konnten dabei auch wieder an die Traditionen des Bundes der Kommunisten anknüpfen. So wußte August Bebel, der Führer der revolutionären deutschen Sozialdemokratie, in Wilhelm

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Liebknecht, dem früheren Mitglied des Bundes der Kommunisten, „das zu finden, was er“, wie Lenin schrieb, „brauchte: die lebendige Ver­ bindung mit dem großartigen Auftreten von Marx im Jahre 1848, mit der damals gegründeten, zwar kleinen, aber wahrhaft proletarischen Partei, den lebendigen Vertreter marxistischer Anschauungen und marxistischer Tradition“1.

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Friedrich Engels selbst faßte die Erfahrungen des proletarischen Klassenkampfes eines halben Jahrhunderts in den Worten zusammen: „Damit am Tag der Entscheidung das Proletariat stark genug ist zu siegen, ist es nötig - und das haben M[arx] und ich seit 1847 vertreten daß es eine besondre Partei bildet, getrennt von allen andern und ihnen entgegengesetzt, eine selbstbewußte Klassenpartei.“2 Dieser Leitsatz bildete auch den Ausgangspunkt für die Weiter­ entwicklung der marxistischen Lehre von der Partei, als neue Bedingun­ gen herangereift und neue Aufgaben zu erfüllen waren. Als um die Jahrhundertwende der Kapitalismus der freien Konkurrenz in den Imperialismus überging, erwuchs der Arbeiterklasse objektiv die Auf­ gabe, sich unmittelbar auf den Kampf um die Macht vorzubereiten. In schöpferischer Weise entwickelte W.I. Lenin, entsprechend den neuen Bedingungen, die Lehre von der Partei weiter; dabei studierte und ver­ allgemeinerte er „aufmerksam die praktische Arbeit, die Marx und Engels beim Aufbau der proletarischen Partei im Bund der Kommu­ nisten wie auch in der Ersten und der II. Internationale sowie bei der Führung der Arbeiterparteien der verschiedenen Länder geleistet hat­ ten“3. W.I.Lenin schuf mit der bolschewistischen Partei eine Partei neuen Typus, die fähig war, die Arbeiterklasse im Kampf um die Macht zum Siege zu führen, und die zum Vorbild der internationalen revolutio­ nären Arbeiterbewegung geworden ist. Vor einem halben Jahrhundert stürzten die russischen Arbeiter und Bauern, geführt von der vqr_W. I. Lenin geschmiedeten Partei der Bolschewiki, in der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution die alte Ausbeuterordnung und errichteten die Diktatur des Proletariats, mit der die unerläßliche Voraussetzung für den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaftsordnung geschaffen wurde. Dies war der größte Triumph der revolutionären Arbeiterbewegung auf dem kampferfüllten Wege, der mit dem Bund der Kommunisten zum ersten Male beschritten wurde. Die Völker des ersten Arbeiter-und-Bauern-Staates haben die Richtig­ keit des wissenschaftlichen Kommunismus, dessen Geburtsurkunde vor 1 W.LLenin: August Bebel. In: Werke, Bd.19, S.287.-2 Engels an G.Trier, 18.Dezember 1889.

In: MEW, Bd.37, S.326.-3 Hctophh KoMMyancTHMecKOft napTHnCoBeTCKOroCoioaaBinecTH TOMax, Bd. 1, Moskau 1964, S. 369. - Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion in sechs Bänden, Bd. 1, Moskau [1968], S. 442.

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hundertzwanzig Jahren ein neues Zeitalter ankündigte, mit der Tat be­ wiesen. Unter der Führung der Kommunistischen Partei der Sowjet­ union bauen sie heute den Kommunismus auf. Seit dem Roten Oktober ist dem welthistorischen Beispiel der Sowjetunion eine ganze Reihe von Ländern gefolgt. Unter ihnen be­ findet sich auch die Deutsche Demokratische Republik, in der die Spal­ tung der Arbeiterklasse durch die Gründung der Sozialistischen Ein­ heitspartei Deutschlands überwunden wurde. Das war die entscheidende Voraussetzung dafür, daß in einem Teil Deutschlands der Imperialismus mit den Wurzeln ausgerottet werden konnte. Mit der Schaffung des entwickelten gesellschaftlichen Systems des Sozialismus verwirklichen die Werktätigen der DDR das Vermächtnis von Karl Marx und Fried­ rich Engels, den größten Söhnen des deutschen Volkes. In den seit der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution vergangenen fünf Jahrzehnten erwies es sich, daß in den Ländern, wo die Arbeiter­ klasse an der Macht ist, die führende Rolle der marxistisch-leninisti­ schen Partei auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens, bei der Lösung aller Fragen des sozialistischen und kommunistischen Aufbaus sich noch unvergleichlich erhöht. Unter der Führung der kommunistischen und Arbeiterparteien hat sich ein mächtiges sozialistisches Weltlager gebildet, das gemeinsam mit allen gegen den Imperialismus und für sozialistische Umgestaltungen kämpfenden Kräften immer mehr den Gang der Geschichte bestimmt. Erst waren es nur einige wenige hundert, vielleicht ein halbes Tausend von Kommunisten, die sich in einer Revolutionären Partei der Arbeiter­ klasse zusammenschlossen. Verfolgungen, Terror und blutige Unter­ drückung vermochten nicht zu verhindern, daß es bald Tausende und Zehntausende und schließlich viele Millionen wurden, die als organi­ sierte Kraft das zu verwirklichen entschlossen sind, was im „Manifest der Kommunistischen Partei“ zuerst als Ziel der Arbeiterklasse vor aller Welt verkündet wurde. So ist durch die ganze Geschichte der revolutionären Arbeiter­ bewegung die Erkenntnis immer mehr erhärtet worden, daß die Arbei­ terklasse einer fest gefügten revolutionären Partei bedarf, um ihrer welt­ geschichtlichen Mission gerecht zu werden. Eine der reichen Quellen, aus denen die marxistisch-leninistischen Parteien in ihrem gegenwärtigen Kampf schöpfen, sind die Erfahrungen des über einhundertzwanzig­ jährigen Klassenkampfes der internationalen Arbeiterbewegung. Die ersten dieser Erfahrungen lieferte die Geschichte des Bundes der Kom­ munisten, der diese Quellenveröffentlichung gewidmet ist. Die Redaktion

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ZUR AUSWAHL UND EDITION DER QUELLEN

Die Zusammenstellung der Dokumente war von dem Bestreben ge­ leitet, die gesamte Geschichte des Bundes der Kommunisten in mög­ lichst umfassender Weise darzustellen, seine Tätigkeit von der Zentral­ behörde bis zu den Gemeinden und in ihren vielfältigsten Formen zu erfassen. Ein besonderes Anliegen bestand darin, nicht nur die innere Entwicklung des Bundes der Kommunisten selbst, sondern auch sein öffentliches Auftreten und die Tätigkeit seiner Mitglieder innerhalb der breiteren Arbeiter- und demokratischen Bewegung zu dokumentieren. Einen zentralen Platz unter den veröffentlichten Quellen nehmen die Programme, Statuten und Rundschreiben der Zentralbehörde, da­ neben auch die Briefe führender Bundesmitglieder ein. Ein erheblicher Teil dieser Quellengruppe stammt aus der Feder von Karl Marx und Friedrich Engels und ist Zeugnis ihrer hervorragenden Tätigkeit als Organisatoren und Führer des Bundes der Kommunisten. Darüber hinaus wurden solche Auszüge aus den Werken und Briefen von Marx und Engels gebracht, die in einer besonders engen Beziehung zu Fragen der Arbeiterbewegung stehen und den untrennbaren Zusammenhang zwischen der theoretischen Arbeit und der praktischen Tätigkeit von Marx und Engels als Führer der Arbeiterbewegung sichtbar machen. Bei der Dokumentierung der Tätigkeit des Bundes der Kommunisten in der Arbeiterbewegung und darüber hinaus in der demokratischen Bewegung wurde der Tatsache Rechnung getragen, daß der Bund eine geheime Organisation war und daß infolgedessen das öffentliche Auf­ treten seiner Mitglieder in der Regel nur im Rahmen anderer Arbeiter­ organisationen, auch demokratischer Vereine usw., in denen sie einen mehr oder weniger starken Einfluß ausübten, erkennbar wird. Wo der

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Einfluß des Bundes der Kommunisten in anderen Organisationen in so unzweideutiger Weise hervortrat, wie etwa beim Kommunistischen Arbeiterbildungsverein in London, beim Kölner Arbeiterverein oder auch bei den Fraternal Democrats, sind die Dokumente dieser Organi­ sationen zugleich Zeugnisse der Tätigkeit des Bundes der Kommunisten. Jedoch gab es auch nicht wenige Fälle, in denen es sich aus den über­ lieferten Quellen nur sehr schwer oder gar nicht herauslesen läßt, in welchem Grade und Umfang Bundesmitglieder, die als solche oft nicht erkennbar sind, in den öffentlichen Organisationen mitgewirkt haben. Daher hat sich nicht immer in wünschenswertem Maße das Wirken des Bundes in den Massenbewegungen durch eindeutige Quellen nachweisen lassen; dies gilt besonders auch für die Teilnahme der Bundesmitglieder an den bewaffneten Kämpfen in der Revolution. Es wurden in der Regel nur solche Dokumente aufgenommen, die aus der Tätigkeit des Bundes der Kommunisten und seiner Mitglieder selbst hervorgegangen sind, oder die, wie die Erinnerungen von Bundes­ mitgliedern, in einem inneren Verhältnis zur Bundesgeschichte stehen. Dagegen wurden nur ausnahmsweise auch Quellen herangezogen, die aus der Unterdrückungstätigkeit des damaligen Staatsapparates und seiner Organe erwachsen sind. Dies geschah in den Fällen, in denen für bedeutende Vorgänge die eigentlichen Bundesdokumente entweder ganz fehlen oder doch durch Material anderer Herkunft in wesentlichen Punkten ergänzt werden konnten. Eine besondere Rolle spielen dabei die Aussagen Verhafteter, deren Quellenwert außerordentlich unter­ schiedlich ist, die aber bei exakter Analyse doch einige nicht unbedeu­ tende Aufschlüsse zu geben vermögen. Dokumente dieser Art werden, ebenso wie die Erinnerungen, in der vorliegenden Publikation in einem kleineren Schriftgrad gebracht. Unter den veröffentlichten Dokumenten nehmen die handschrift­ lichen Quellen sowohl ihrem Umfang als auch ihrem Gehalt nach einen bedeutenden Platz ein. In erster Linie handelt es sich um Briefe, darun­ ter eine große Anzahl von Briefen an Marx und Engels, die sich - im Original oder in Fotokopie - im Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU in Moskau befinden und von denen dem Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED Fotokopien zur Verfügung gestellt wurden. Weitere briefliche und auch andere schriftliche Quellen, die aus der Tätigkeit des Bundes der Kommunisten hervorgegangen sind, konnten in den staatlichen Archiven der Deutschen Demokrati­ schen Republik aufgefunden werden. Auch die Suche in einigen west­ deutschen und schweizerischen Archiven und Bibliotheken führte zu einer Anzahl bedeutsamer Quellen. Darüber hinaus enthielten die staat­ lichen Archive umfangreiche Materialien, die auf Grund der Verfol-

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gungsmaßnahmen der Regierungen entstanden sind und von denen vor allem einige Verhörprotokolle benutzt werden konnten. Ein Teil dieses handschriftlichen Quellenmaterials wurde zwar be­ reits in der vergangenen Zeit entweder vollständig oder wenigstens aus­ zugsweise veröffentlicht, jedoch handelte es sich dabei in der Regel um recht verstreute oder mitunter auch - wie zum Beispiel beim sogenannten Bluntschli-Bericht von 1843 - um schon sehr weit zurückliegende Publi­ kationen, die für die Forschung häufig nur unter recht erheblichen Schwierigkeiten zugänglich sind. Über diesen Bereich der bereits publizierten Quellen hinaus konnten in der vorliegenden Dokumentensammlung in beträchtlichem Umfang bisher unveröffentlichte Quellen abgedruckt werden. Durch diese neuen Materialien wird das Bild von der Entwicklung des Bundes der Kom­ munisten in einzelnen Strichen ergänzt und erweitert; mitunter werden ihm sogar neue Züge hinzugefügt. Einen besonderen Platz unter diesen neuen Quellen nehmen neben vielen der an Marx und Engels gerichte­ ten Briefe die erst neuerdings aufgefundenen Dokumente des ersten Kongresses des Bundes der Kommunisten ein. Außer den schriftlichen Quellen wurde auch eine große Anzahl ge­ druckter Materialien in die vorliegende Sammlung aufgenommen. Es handelt sich einmal um Druckschriften, Flugblätter und ähnliche, meist sehr selten gewordene Quellen; zum anderen erbrachte die Durch­ sicht von Zeitungen und Zeitschriften, die häufig nur sehr schwer zu­ gänglich, oft genug überhaupt nur sehr lückenhaft überliefert sind, wert­ volles Material an Aufrufen, Erklärungen, Berichten und Aufsätzen. Diese publizistischen Quellen werden in den weitaus meisten Fällen hier zum ersten Male wieder veröffentlicht. Durch diese Zusammenfassung der verschiedenartigsten Quellen war es möglich, erstmalig ein umfassendes, auf Dokumenten beruhendes Bild von der Geschichte des Bundes der Kommunisten zu geben. Die an sich sehr günstige Quellenlage schließt nicht aus, daß es in einzelnen Fällen erhebliche Lücken gibt, wie überhaupt die Überliefe­ rung der Quellen in ihrer Dichte durchaus nicht in einem direkt pro­ portionalen Verhältnis zur Bedeutung der einzelnen Ereignisse steht. Dennoch ergibt sich im ganzen aus den zur Verfügung stehenden Quellen ein recht geschlossenes und zugleich sehr breites Bild von der Geschichte des Bundes der Kommunisten. Der Umfang der vorliegenden Quellen­ veröffentlichung bot äußerst günstige Bedingungen für eine großzügige und breit angelegte Auswahl der Dokumente aus der Fülle des zur Ver­ fügung stehenden Materials und erlaubte die Aufnahme einer Vielzahl der verschiedenartigsten Quellen. Allerdings konnte und sollte keine absolute Vollständigkeit erzielt werden. Es mußten vor allem dort, wo

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die Quellen in besonderer Dichte zur Verfügung standen, wie dies z. B. ■bei dem beschlagnahmten Weitling-Briefwechsel von 1842/1843 oder bei den Protokollen des Kölner Arbeitervereins von 1848/1849 der Fall war, strengere Maßstäbe bei der Auswahl angelegt werden. Auch ließen sich Kürzungen bei Abschnitten von geringerer Bedeutung, bei Wieder­ holungen und Weitläufigkeiten nicht vermeiden. Besonders in Briefen konnten Stellen gestrichen werden, die in keinem oder nur sehr ent­ ferntem Zusammenhang zur Geschichte des Bundes der Kommunisten standen oder rein privater Natur waren. In jedem Falle wurde vermieden, durch Kürzungen den eigentlichen politischen und mitunter recht wider­ sprüchlichen Gehalt des betreffenden Dokuments zu verändern. Die Dokumente sind chronologisch geordnet und, entsprechend den wichtigsten Entwicklungsabschnitten der Bundesgeschichte, in Kapiteln zusammengefaßt. Jedem Kapitel sind kurze einführende Bemerkungen vorangestellt, die eine knappe thematische Übersicht geben. Für die Einordnung der Dokumente war in der Regel das Datum der Abfassung - so vor allem bei Briefen - beziehungsweise der Veröffent­ lichung maßgebend. Aufsätze, Artikel und Korrespondenzen, die nicht so sehr als Zeugnis einer politischen Stellungnahme, sondern in erster Linie wegen der Schilderung eines Ereignisses Aufnahme fanden, wurden jedoch unter dem Datum dieses Ereignisses eingeordnet; ähnliches gilt von den Aussagen Verhafteter. Lag zwischen der Niederschrift des Manuskripts und der Veröffentlichung ein längerer Zeitraum, so wurde auch das Datum der Abfassung mit für die Einordnung herangezogen, wenn angenommen werden mußte, daß die in dem Manuskript dar­ gelegten Gedanken bereits vor der Veröffentlichung eine mündliche Verbreitung gefunden hatten. Als Vorlagen wurden, von ganz geringfügigen Ausnahmen ab­ gesehen, primäre Quellen benutzt. Zum Vergleich wurden auch bereits vorhandene Quellenveröffentlichungen herangezogen. Eine besondere Liste gibt darüber Auskunft und weist damit zugleich die Erstveröffent­ lichungen nach. Zur Orientierung des Lesers enthält eine weitere Liste die Aufstellung aller Dokumente, die bereits in der sowjetischen Ver­ öffentlichung „CoioBKOMMyHncTOB—npegmecTBeHHiiK I HnTepnaunoHaJia“ (Moskau 1964) vollständig oder auszugsweise veröffentlicht wurden. Die Dokumente werden in der Sprache des Originals veröffentlicht; bei Texten, die nicht in deutscher Sprache verfaßt wurden, schließt sich dem Original die deutsche Übersetzung an. Die als Vorlage die­ nende Quelle ist im Fuß eines jeden Dokumentes angegeben, wobei der Vermerk „Handschrift“ auf eine Handschrift oder auf eine Fotokopie von dieser Handschrift hinweist. Wird eine Handschrift zum ersten Male veröffentlicht, so wird dies im Fuß vermerkt; gleiches gilt für eine erste 59

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Veröffentlichung in der Sprache des Originals. Bei gedruckten Quellen wurde auf einen besonderen Vermerk verzichtet, wenn, was sehr häu­ fig der Fall ist, zum erstenmal ein Nachdruck erfolgte. Bei Dokumen­ ten aus der Feder von Karl Marx und Friedrich Engels ist im Fuß außerdem der Abdruck in der vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED besorgten Ausgabe der „Werke“ von Marx und Engels vermerkt. Werden nur sehr kurze Auszüge aus einer heute kaum mehr zugänglichen Druckschrift gebracht, so wird im Fuß gegebenen­ falls auch auf einen neuerenNachdruck verwiesen. Jede Auslassung im Quellentext ist durch drei in eckige Klammern gesetzte Punkte gekennzeichnet. Außerdem enthält der Fuß am Schluß des Dokuments den Vermerk „Gekürzt“; wurden aus längeren Werken oder Aufsätzen nur verhältnismäßig sehr kurze Abschnitte aufgenom­ men, so ist darauf im Fuß durch den Vermerk „Auszug“ verwiesen. Die Rechtschreibung und Zeichensetzung sind, soweit vertretbar, mo- • dernisiert. Jedoch wurden Lautstand und Silbenzahl der Vorlage unverän­ dert übernommen (z.B. „Hülfe“, „Kontrerevolution“, „besondre“). Abkürzungen wurden, soweit sie auch heute allgemein üblich sind, belassen, sonst aber stillschweigend ausgeschrieben, wenn die Auflösung völlig eindeutig möglich war. Dies gilt auch für abgekürzte Zeitungs­ titel; waren diese unvollständig, so wurden sie in eckigen Klammern ergänzt. Die Titel von Schriften und Zeitungen sind durchweg in An­ führungsstriche gesetzt, auch wenn diese in der Vorlage fehlten. Ab­ gekürzte Personen- und Ortsnamen wurden stets, andere abgekürzte Wörter nur, wenn die Auflösung nicht mit völliger Eindeutigkeit mög­ lich war, in eckigen Klammern ergänzt. Ganz offensichtliche Druckund Schreibfehler wurden stillschweigend korrigiert, sonst aber durch eckige Klammern oder in Fußnoten kenntlich gemacht. Alle Einfügun­ gen in eckigen Klammern stammen von der Redaktion. Kurze Erläuterungen und Ergänzungen zum Text der Dokumente finden sich in den Fußnoten. Darlegungen zur Quellenlage und zur Klärung inhaltlicher Zusammenhänge werden in den Anmerkungen ge­ geben, die darüber hinaus ergänzende Auszüge aus weiteren Quellen enthalten. Auf die Anmerkungen wird im Text durch hochgestellte Ziffern in eckigen Klammern hingewiesen. Der wissenschaftliche Apparat der Anmerkungen und Fußnoten wird durch Register ergänzt, die im zweiten Band veröffentlicht wer­ den.

Der vorliegende 1. Band wurde von einem Kollektiv von Mitarbeitern des Instituts für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED in Berlin und des Instituts für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU in 60

Moskau bearbeitet. Außer den Mitgliedern der Redaktion waren eine Reihe weiterer Mitarbeiter der beiden Institute an der Zusammen­ stellung der Quellen und ihrer Bearbeitung beteiligt: auf deutscher Seite arbeiteten vor allem R. Rüdiger und M. Zmarzly, auf sowjetischer Seite N. Beloussowa, K.Konnowa und M. Kotschetkowa sowie bei vor­ bereitenden Arbeiten L. Lewanewskaja und I.Sinelnikowa mit. Bei der Übersetzung und Bearbeitung der fremdsprachigen Texte wurde die Redaktion von J. Koch, B. Retzlaff-Kresse, R. Rudich, R. Stolz, G. Szillat und E. Voigt unterstützt. Unser Dank gilt auch den Mitarbei­ tern der Zentralen Parteiarchive in Moskau und Berlin, die an der Auf­ bereitung der Quellen beteiligt waren. Die Arbeit am vorliegenden Band wurde von einer Reihe von Wissen­ schaftlern der DDR auf die verschiedenste Art, vor allem durch Hin­ weise auf Dokumente und ihre Bereitstellung, unterstützt und geför­ dert, so von F.Beck, G. Becker, H. von Berg, R.Dlubek, M. Häckel, A. Hausmann, B. Kaiser, W. Kowalski, W.Mönke, K. Obermann, H. Schlechte, K. Wernicke und anderen, denen an dieser Stelle der Dank ausgesprochen sei. Gedankt sei auch den staatlichen Archiven der DDR, vor allem dem Deutschen Zentralarchiv, Historische Abteilung II, Merseburg, den Staatsarchiven in Dresden, Leipzig, Magdeburg, Potsdam und Schwe­ rin, die bei der Suche nach Dokumenten und Materialien behilflich waren. Für die freundliche Überlassung von Mikrofilmen gilt der Dank außerdem den Staatsarchiven Hamburg und Koblenz, dem Nieder­ sächsischen Staatsarchiv Wolfenbüttel, dem Eidgenössischen Bundes­ archiv Bern, dem Staatsarchiv Zürich sowie der Staats- und Universi­ tätsbibliothek Hamburg und der Universitätsbibliothek Basel.

Die Redaktion

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FRIEDRICH ENGELS: ZUR GESCHICHTE DES „BUNDES DER KOMMUNISTEN“1

I 'S

Mit der Verurteilung der Kölner Kommunisten 1852 fällt derVorhang über die erste Periode der deutschen selbständigen Arbeiterbewegung. Diese Periode ist heute fast vergessen. Und doch währte sie von 1836 bis 1852, und die Bewegung spielte, bei der Verbreitung der deutschen Arbeiter im Ausland, in fast allen Kulturländern. Und damit nicht ge­ nug. Die heutige internationale Arbeiterbewegung ist der Sache nach eine direkte Fortsetzung der damaligen deutschen, welche die erste internationale Arbeiterbewegung überhaupt war und aus der viele der Leute hervorgingen, die in der Internationalen Arbeiterassoziation die leitende Rolle übernahmen. Und die theoretischen Grundsätze, die der Bund der Kommunisten im „Kommunistischen Manifest“ von 1847 auf die Fahne schrieb, bilden heute das stärkste internationale Bindemittel der gesamten proletarischen Bewegung Europas wie Amerikas. Bis jetzt gibt es für die zusammenhängende Geschichte jener Be­ wegung nur eine Hauptquelle. Es ist das sogenannte Schwarze Buch: „Die Communisten-Verschwörungen des 19. Jahrhunderts“. Von Wer­ muth und Stieber. Berlin. 2 Theile, 1853 und 54. Dies von zwei der elendesten Polizeilumpen unsres Jahrhunderts zusammengelogne, von absichtlichen Fälschungen strotzende Machwerk dient noch heute allen nichtkommunistischen Schriften über jene Zeit als letzte Quelle. Was ich hier geben kann, ist nur eine Skizze, und auch diese nur, so­ weit der Bund selbst in Betracht kommt; nur das zum Verständnis der „Enthüllungen“ absolut Notwendige. Es wird mir hoffentlich noch vergönnt sein, das von Marx und mir gesammelte reichhaltige Material



1 Die Arbeit war als Einführung zur dritten deutschen Ausgabe von Marx’Schrift „Enthüllungen über den Kommunisten-ProzeB zu Köln“ (MEW, Bd.8, S.405-470) bestimmt, die Ende 1885 in HottingenZürich erschien. „Der Sozialdemokrat“ (Zürich) brachte von demselben Satz einen Vorabdruck.

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zur Geschichte jener ruhmvollen Jugendzeit der internationalen Arbei­ terbewegung einmal zu verarbeiten.

Aus dem im Jahr 1834 in Paris von deutschen Flüchtlingen gestif­ teten demokratisch-republikanischen Geheimbund der „Geächteten“ sonderten sich 1836 die extremsten, meist proletarischen Elemente aus und bildeten den neuen geheimen „Bund der Gerechten“. Der Mutter­ bund, worin nur die schlafmützigsten Elemente ä la Jacobus Venedey zurückgeblieben, schlief bald ganz ein: Als die Polizei 1840 einige Sek­ tionen in Deutschland aufschnüffelte, war er kaum noch ein Schatten. Der neue Bund dagegen entwickelte sich verhältnismäßig rasch. Ur­ sprünglich war er ein deutscher Ableger des an babouvistische Erinne­ rungen anknüpfenden französischen Arbeiterkommunismus, der sich um dieselbe Zeit in Paris ausbildete; die Gütergemeinschaft wurde ge­ fordert als notwendige Folgerung der „Gleichheit“. Die Zwecke waren die der gleichzeitigen Pariser geheimen Gesellschaften: halb Propagan­ daverein, halb Verschwörung, wobei jedoch Paris immer als Mittel­ punkt der revolutionären Aktion galt, obgleich die Vorbereitung ge­ legentlicher Putsche in Deutschland keineswegs ausgeschlossen war. Da aber Paris das entscheidende Schlachtfeld blieb, war der Bund damals tatsächlich nicht viel mehr als der deutsche Zweig der französischen geheimen Gesellschaften, namentlich der von Blanqui und Barbes ge­ leiteten Societe des saisons, mit der enger Zusammenhang bestand. Die Franzosen schlugen los am 12. Mai 1839; die Sektionen des Bundes marschierten mit und wurden so in die gemeinsame Niederlage ver­ wickelt. Von den Deutschen waren namentlich Karl Schapper und Heinrich Bauer ergriffen worden; die Regierung Louis-Philippes begnügte sich damit, sie nach längerer Haft auszuweisen. Beide gingen nach London.1 Schapper aus Weilburg in Nassau, als Student der Forstwissenschaft in Gießen 1832 Mitglied der von Georg Büchner gestifteten Verschwörung, machte am 3. April 1833 den Sturm auf die Frankfurter Konstabler­ wache mit, entkam ins Ausland und beteiligte sich im Februar 1834 an Mazzinis Zug nach Savoyen. Ein Hüne von Gestalt, resolut und ener­ gisch, stets bereit, bürgerliche Existenz und Leben in die Schanze zu schlagen, war er das Musterbild des Revolutionärs von Profession, wie er in den dreißiger Jahren eine Rolle spielte. Bei einer gewissen Schwer­ fälligkeit des Denkens war er keineswegs besserer theoretischer Einsicht unzugänglich, wie schon seine Entwicklung vom „Demagogen“ zum 1 Schapper, am 12. Mai 1839 verhaftet, wurde im November entlassen und nach England ausgewiesen, während Bauer erst Ende 1841 wegen Verbreitung von Weitlings „Hülferuf der deutschen Jugend“ aus Frankreich ausgewiesen wurde.

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Kommunisten beweist, und hielt dann um so starrer am einmal Er­ kannten. Ebendeshalb ging seine revolutionäre Leidenschaft zuweilen mit seinem Verstände durch; aber er hat stets seinen Fehler nachher eingesehn und offen bekannt. Er war ein ganzer Mann, und was er zur Begründung der deutschen Arbeiterbewegung getan, bleibt unvergeßlich. Heinrich Bauer aus Franken war Schuhmacher; ein lebhaftes, auf­ gewecktes, witziges Männchen, in dessen kleinem Körper aber ebenfalls viel Schlauheit und Entschlossenheit steckte. In London angekommen, wo Schapper, der in Paris Schriftsetzer gewesen, nun als Sprachlehrer seinen Unterhalt suchte, knüpften beide die abgerissenen Bundesfäden wieder zusammen und machten nun London zum Zentrum des Bundes. Zu ihnen gesellte sich hier, wenn nicht schon früher in Paris, Joseph Moll, Uhrmacher aus Köln, ein mittelgroßer Herkules - er und Schapper haben, wie oft! eine Saaltüre gegen Hunderte andringender Gegner siegreich behauptet -, ein Mann, der seinen beiden Genossen an Energie und Entschlossenheit mindestens gleichkam, sie aber geistig beide übertraf. Nicht nur, daß er geborner Diplomat war, wie die Erfolge seiner zahlreichen Missionsreisen be­ wiesen; er war auch theoretischer Einsicht leichter zugänglich. Ich lernte sie alle drei 1843 in London kennen; es waren die ersten revo­ lutionären Proletarier, die ich sah; und soweit auch im einzelnen da­ mals unsre Ansichten auseinandergingen - denn ich trug ihrem bor­ nierten Gleichheitskommunismus1 damals noch ein gut Stück ebenso bornierten philosophischen Hochmuts entgegen -, so werde ich doch nie den imponierenden Eindruck vergessen, den diese drei wirklichen Män­ ner auf mich machten, der ich damals eben erst ein Mann werden wollte. In London, wie in geringerm Maße in der Schweiz, kam ihnen die Vereins- und Versammlungsfreiheit zugut. Schon am 7. Februar 1840 wurde der öffentliche Deutsche Arbeiterbildungsverein gestiftet, der heute noch besteht. Dieser Verein diente dem Bund als Werbebezirk neuer Mitglieder, und da, wie immer, die Kommunisten die tätigsten und intelligentesten Vereinsmitglieder waren, verstand es sich von selbst, daß seine Leitung ganz in den Händen des Bundes lag. Der Bund hatte bald mehrere Gemeinden oder, wie sie damals noch hießen, „Hütten“ in London. Dieselbe auf der Hand liegende Taktik wurde in der Schweiz und anderswo befolgt. Wo man Arbeitervereine gründen konnte, wur­ den sie in derselben Weise benutzt. Wo die Gesetze dies verboten, ging man in Gesangvereine, Turnvereine u. dgl. Die Verbindung wurde großenteils durch die fortwährend ab- und zureisenden Mitglieder auf1 Fußnote von Engels: Unter Gleichheitskommunismus verstehe ich, wie gesagt, lediglich den Kom­ munismus, der sich ausschließlich oder vorwiegend auf die Gleichheitsfordcrung stützt.

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rechterhalten, die auch, wo erforderlich, als Emissäre fungierten. In beiden Hinsichten wurde der Bund lebhaft unterstützt durch die Weis­ heit der Regierungen, die jeden mißliebigen Arbeiter — und das war in neun Fällen aus zehn ein Bundesmitglied - durch Ausweisung in einen Emissär verwandelten. Die Ausbreitung des wiederhergestellten Bundes war eine bedeutende. Namentlich in der Schweiz hatten Weitling, August Becker (ein höchst bedeutender Kopf, der aber an innerer Haltlosigkeit zugrunde ging wie so viele Deutsche) und andre eine starke, mehr oder weniger auf Weit­ lings kommunistisches System vereidigte Organisation geschaffen. Es ist hier nicht der Ort, den Weitlingschen Kommunismus zu kritisieren. Aber für seine Bedeutung als erste selbständige theoretische Regung des deutschen Proletariats unterschreibe ich noch heute Marx’ Worte im Pariser „Vorwärts!“ von 1844: „Wo hätte die (deutsche) Bourgeoisie ihre Philosophen und Schriftgelehrten eingerechnet - ein ähnliches Werk wie Weitlings .Garantien der Harmonie und Freiheit“ in bezug auf die Emanzipation der Bourgeoisie - die politische Emanzipation - aufzu­ weisen? Vergleicht man die nüchterne, kleinlaute Mittelmäßigkeit der deutschen politischen Literatur mit diesem maßlosen und brillanten Debüt der deutschen Arbeiter; vergleicht man diese riesenhaften Kinderschuhe des Proletariats mit der Zwerghaftigkeit der ausgetretenen politischen Schuhe der Bourgeoisie, so muß man dem Aschenbrödel eine Athletengestalt prophezeien.“1 Diese Athletengestalt steht heute vor uns, obwohl noch lange nicht ausgewachsen. Auch in Deutschland bestanden zahlreiche Sektionen, der Natur der Sachenachvon vergänglicherer Natur; aber die entstehenden wogen die eingehenden mehr als auf. Die Polizei entdeckte erst nach sieben Jahren, Ende 1846, in Berlin (Mentel) und Magdeburg (Beck) eine Spur des Bundes, ohne imstande zu sein, sie weiter zu verfolgen. In Paris hatte der noch 1840 dort befindliche Weitling ebenfalls die zersprengten Elemente wieder gesammelt, ehe er in die Schweiz ging. Die Kemtruppe des Bundes waren die Schneider. Deutsche Schneider waren überall, in der Schweiz, in London, in Paris. In letzterer Stadt war das Deutsche so sehr herrschende Sprache des Geschäftszweigs, daß ich 1846 dort einen norwegischen, direkt zur See von Drontheim nach Frankreich gefahmen Schneider kannte, der während 18 Monaten fast kein Wort Französisch, aber vortrefflich Deutsch gelernt hatte. Von den Pariser Gemeinden bestanden 1847 zwei vorwiegend aus Schneidern, eine aus Möbelschreinern. Seit der Schwerpunkt von Paris nach London verlegt, trat ein neues Moment in den Vordergrund: Der Bund wurde aus einem deutschen 1 Siehe Dokument 51. Die Hervorhebungen stimmen nicht mit denen der Marxschen Vorlage überein. 5 Bund

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.f!

allmählich ein internationaler. Im Arbeiterverein fanden sich außer Deutschen und Schweizern auch Mitglieder aller jener Nationalitäten ein, denen die deutsche Sprache vorwiegend als Verständigungsmittel mit Ausländem diente, also namentlich Skandinavier, Holländer, Ungarn, Tschechen, Südslawen, auch Russen und Elsässer. 1847 war unter andern auch ein englischer Gardegrenadier in Uniform regel­ mäßiger Stammgast. Der Verein nannte sich bald: Kommunistischer Arbeiterbildungsverein, und auf den Mitgliedskarten stand der Satz: „Alle Menschen sind Brüder“ in wenigstens zwanzig Sprachen, wenn auch hie und da nicht ohne Sprachfehler. Wie der öffentliche Verein, so nahm auch der geheime Bund bald einen mehr internationalen Charakter an; zunächst noch in einem beschränkten Sinn, praktisch durch die verschiedene Nationalität der Mitglieder, theoretisch durch die Einsicht, daß jede Revolution, um siegreich zu sein, europäisch sein müsse. Weiter ging man noch nicht; aber die Grundlage war gegeben. Mit den französischen Revolutionären hielt man durch die Londoner Flüchtlinge, die Kampfgenossen vom 12. Mai 1839, enge Verbindung. Desgleichen mit den radikaleren Polen. Die offizielle polnische Emi­ gration, wie auch Mazzini, waren selbstverständlich mehr Gegner als Bundesgenossen. Die englischen Chartisten wurden wegen des spezi­ fisch englischen Charakters ihrer Bewegung als unrevolutionär beiseite gelassen. Mit ihnen kamen die Londoner Leiter des Bundes erst später durch mich in Verbindung. Auch sonst hatte sich der Charakter des Bundes mit den Ereignissen geändert. Obwohl man noch immer - und damals mit vollem Recht auf Paris als die revolutionäre Mutterstadt blickte, war man doch aus der Abhängigkeit von den Pariser Verschwörern herausgekommen. Die Ausbreitung des Bundes hob sein Selbstbewußtsein. Man fühlte, daß man in der deutschen Arbeiterklasse mehr und mehr Wurzel faßte und daß diese deutschen Arbeiter geschichtlich berufen seien, den Arbeitern des europäischen Nordens und Ostens die Fahne voranzutragen. Man hatte in Weitling einen kommunistischen Theoretiker, den man seinen damaligen französischen Konkurrenten kühn an die Seite setzen durfte. Endlich war man durch die Erfahrung vom 12. Mai belehrt worden, daß es mit den Putschversuchen vorderhand nichts mehr sei. Und wenn man auch fortfuhr, jedes Ereignis sich als Anzeichen des hereinbrechenden Sturms auszulegen, wenn man die alten, halb konspiratorischen Statu­ ten im ganzen aufrechthielt, so war das mehr die Schuld des alten revo­ lutionären Trotzes, der schon anfing, mit der sich aufdringenden bessern Einsicht in Kollision zu kommen. Dagegen hatte die gesellschaftliche Doktrin des Bundes, so unbe­ stimmt sie war, einen sehr großen, aber in den Verhältnissen selbst 66

in

begründeten Fehler. Die Mitglieder, soweit sie überhaupt Arbeiter, waren fast ausschließlich eigentliche Handwerker. Der Mann, der sie ausbeutete, war selbst in den großen Weltstädten meist nur ein kleiner Meister. Die Ausbeutung selbst der Schneiderei auf großem Fuß, der jetzt sogenannten Konfektion, durch Verwandlung des Schneiderhand­ werks in Hausindustrie für Rechnung eines großen Kapitalisten, war damals sogar in London erst im Aufkeimen. Einerseits war der Aus­ beuter dieser Handwerker ein kleiner Meister, andrerseits hofften sie alle, schließlich selbst kleine Meister zu werden. Und dabei klebten dem damaligen deutschen Handwerker noch eine Masse vererbter Zunft­ vorstellungen an. 'Es gereicht ihnen zur höchsten Ehre, daß sie, die selbst noch nicht einmal vollgültige Proletarier waren, sondern nur ein im Übergang ins moderne Proletariat begriffener Anhang des Klein­ bürgertums, der noch nicht in direktem Gegensatz gegen die Bour­ geoisie, d.h. das große Kapital, stand - daß diese Handwerker im­ stande waren, ihre künftige Entwicklung instinktiv zu antizipieren und, wenn auch noch nicht mit vollem Bewußtsein, sich als Partei des Prole­ tariats zu konstituieren. Aber es war auch unvermeidlich, daß ihre alten Handwerkervorurteile ihnen jeden Augenblick ein Bein stellten, sobald es darauf ankam, die bestehende Gesellschaft im einzelnen zu kritisieren, d.h., ökonomische Tatsachen zu untersuchen. Und ich glaube nicht, daß im ganzen Bund damals ein einziger Mann war, der je ein Buch über Ökonomie gelesen hatte. Das verschlug aber wenig; die „Gleichheit“, die „Brüderlichkeit“ und die „Gerechtigkeit“ halfen einstweilen über jeden theoretischen Berg. Inzwischen hatte sich neben dem Kommunismus des Bundes und Weitlings ein zweiter, wesentlich verschiedner herausgebildet. Ich war in Manchester mit der Nase darauf gestoßen worden, daß die ökonomi­ schen Tatsachen, die in der bisherigen Geschichtsschreibung gar keine oder nur eine verachtete Rolle spielen, wenigstens in der modernen Welt eine entscheidende geschichtliche Macht sind; daß sie die Grundlage bilden für die Entstehung der heutigen Klassengegensätze; daß diese Klassengegensätze in den Ländern, wo sie vermöge der großen Industrie sich voll entwickelt haben, also namentlich in England, wieder die Grundlage der politischen Parteibildung, der Parteikämpfe und damit der gesamten politischen Geschichte sind. Marx war nicht nur zu dersel­ ben Ansicht gekommen, sondern hatte sie auch schon in den „DeutschFranzösischen Jahrbüchern“ (1844) dahin verallgemeinert, daß über­ haupt nicht der Staat die bürgerliche Gesellschaft, sondern die bürger­ liche Gesellschaft den Staat bedingt und regelt, daß also die Politik und ihre Geschichte aus den ökonomischen Verhältnissen und ihrer Entwicklung zu erklären ist, nicht umgekehrt. Als ich Marx im Sommer 67

1844 in Paris besuchte, stellte sich unsere vollständige Übereinstimmung auf allen theoretischen Gebieten heraus, und von da an datiert unsre gemeinsame Arbeit. Als wir im Frühjahr 1845 in Brüssel wieder zu­ sammenkamen, hatte Marx aus den obigen Grundlagen schon seine materialistische Geschichtstheorie in den Hauptzügen fertig heraus­ entwickelt, und wir setzten uns nun daran, die neugewonnene An­ schauungsweise nach den verschiedensten Richtungen hin im einzelnen auszuarbeiten. Diese die Geschichtswissenschaft umwälzende Entdeckung, die, wie man sieht, wesentlich das Werk von Marx ist und an der ich mir nur einen sehr geringen Anteil zuschreiben kann, war aber von unmittel­ barer Wichtigkeit für die gleichzeitige Arbeiterbewegung. Kommu­ nismus bei Franzosen und Deutschen, Chartismus bei den Engländern erschien nun nicht mehr als etwas Zufälliges, das ebensogut auch hätte nicht dasein können. Diese Bewegungen stellten sich nun dar als eine Bewegung der modernen unterdrückten Klasse, des Proletariats, als mehr oder minder entwickelte Formen ihres geschichtlich notwendigen Kampfs gegen die herrschende Klasse, die Bourgeoisie; als Formen des Klassenkampfs, aber unterschieden von allen früheren Klassenkämpfen durch dies eine: daß die heutige unterdrückte Klasse, das Proletariat, seine Emanzipation nicht durchführen kann, ohne gleichzeitig die ganze Gesellschaft von der Scheidung in Klassen und damit von den Klassen­ kämpfen zu emanzipieren. Und Kommunismus hieß nun nicht mehr: Ausheckung, vermittelst der Phantasie, eines möglichst vollkommenen Gesellschaftsideals, sondern: Einsicht in die Natur, die Bedingungen und die daraus sich ergebenden allgemeinen Ziele des vom Proletariat geführten Kampfs. Wir waren nun keineswegs der Absicht, die neuen wissenschaftlichen Resultate in dicken Büchern ausschließlich der „gelehrten“ Welt zuzu­ flüstern. Im Gegenteil. Wir saßen beide schon tief in der politischen Be­ wegung, hatten unter der gebildeten Welt, namentlich Westdeutschlands, einen gewissen Anhang und reichliche Fühlung mit dem organisierten Proletariat. Wir waren verpflichtet, unsre Ansicht wissenschaftlich zu begründen; ebenso wichtig aber war es auch für uns, das europäische und zunächst das deutsche Proletariat für unsere Überzeugung zu ge­ winnen. Sobald wir erst mit uns selbst im reinen, ging’s an die Arbeit. In Brüssel stifteten wir einen deutschen Arbeiterverein und bemächtigten uns der „Deutschen-Brüsseler-Zeitung“, in der wir bis zur Februar­ revolution ein Organ hatten. Mit dem revolutionären Teil der englischen Chartisten verkehrten wir durch Julian Harney, den Redakteur des Zentralorgans der Bewegung, „The Northern Star“, dessen Mitarbeiter ich war. Ebenso standen wir in einer Art Kartell mit den Brüsseler

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Demokraten (Marx war Vizepräsident der Demokratischen Gesell­ schaft) und den französischen Sozialdemokraten von der „Reforme“, der ich Nachrichten über die englische und deutsche Bewegung lieferte. Kurz, unsre Verbindungen mit den radikalen und proletarischen Organi­ sationen und Preßorganen waren ganz nach Wunsch. Mit dem Bund der Gerechten standen wir folgendermaßen. Die Existenz des Bundes war uns natürlich bekannt; 1843 hatte mir Schapper den Eintritt angetragen, den ich damals selbstredend ablehnte. Wir blieben aber nicht nur mit den Londonern in fortwährender Korre­ spondenz, sondern in noch engerm Verkehr mit Dr.Ewerbeck, dem jetzigen Leiter der Pariser Gemeinden. Ohne uns um die innern Bundes­ angelegenheiten zu kümmern, erfuhren wir doch von jedem wichtigen Vorgang. Andrerseits wirkten wir mündlich, brieflich und durch die Presse auf die theoretischen Ansichten der bedeutendsten Bundesmit­ glieder ein. Hierzu dienten auch verschiedne lithographierte Zirkulare, die wir bei besondern Gelegenheiten, wo es sich um Interna der sich bildenden kommunistischen Partei handelte, an unsre Freunde und Korrespondenten in die Welt sandten. Bei diesen kam der Bund zuweilen selbst ins Spiel. So war ein junger westfälischer Studiosus, Hermann Kriege, der nach Amerika ging, dort als Bundesemissär aufgetreten, hatte sich mit dem verrückten Harro Harring assoziiert, um vermittelst des Bundes Südamerika aus den Angeln zu heben, und hatte ein Blatt gegründet, worin er einen auf „Liebe“ beruhenden, von Liebe über­ fließenden, überschwenglichen Kommunismus der Liebesduselei im Namen des Bundes predigte. Hiergegen fuhren wir los in einem Zirku­ lar, das seine Wirkung nicht verfehlte. Kriege verschwand von der Bundesbühne. Später kam Weitling nach Brüssel. Aber er war nicht mehr der naive junge Schneidergeselle, der, über seine eigene Begabung erstaunt, sich klar darüber zu werden sucht, wie denn eine kommunistische Gesell­ schaft wohl aussehen möge. Er war der wegen seiner Überlegenheit von Neidern verfolgte große Mann, der überall Rivalen, heimliche Feinde, Fallstricke witterte; der von Land zu Land gehetzte Prophet, der ein Rezept zur Verwirklichung des Himmels auf Erden fertig in der Tasche trug und sich einbildete, jeder gehe darauf aus, es ihm zu stehlen. Er hatte sich in London schon mit den Leuten des Bundes überworfen, und auch in Brüssel, wo besonders Marx und seine Frau ihm mit fast übermenschlicher Geduld entgegenkamen, konnte er mit niemand aus­ kommen. So ging er bald darauf nach Amerika, um es dort mit dem Prophetentum zu versuchen. Alle diese Umstände trugen bei zu der stillen Umwälzung, die sich im Bund und namentlich unter den Londoner Leitern vollzog. Die 69

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Unzulänglichkeit der bisherigen Auffassung des Kommunismus, sowohl des französischen einfachen Gleichheitskommunismus wie des Weitlingschen, wurde ihnen mehr und mehr klar. Die von Weitling ein­ geleitete Zurückführung des Kommunismus auf das Urchristentum so geniale Einzelheiten sich in seinem „Evangelium des armen Sünders“ finden - hatte in der Schweiz dahin geführt, die Bewegung großenteils in die Hände zuerst von Narren wie Albrecht und dann von ausbeuten­ den Schwindelpropheten wie Kuhlmann zu liefern. Der von einigen Belletristen vertriebne „wahre Sozialismus“, eine Übersetzung franzö­ sischer sozialistischer Wendungen in verdorbenes Hegeldeutsch und sentimentale Liebesduselei (siehe den Abschnitt über den deutschen oder „wahren“ Sozialismus im „Kommunistischen Manifest“), den Kriege und die Lektüre der betreffenden Schriften in den Bund ein­ geführt, mußte schon seiner speichelfließenden Kraftlosigkeit wegen den alten Revolutionären des Bundes zum Ekel werden. Gegenüber der Unhaltbarkeit der bisherigen theoretischen Vorstellungen, gegenüber den daraus sich herleitenden praktischen Abirrungen sah man in Lon­ don mehr und mehr ein, daß Marx und ich mit unsrer neuen Theorie recht hatten. Diese Einsicht wurde unzweifelhaft dadurch befördert, daß sich unter den Londoner Führern jetzt zwei Männer befanden, die den Genannten an Befähigung zu theoretischer Erkenntnis bedeutend über­ legen waren: der Miniaturmaler Karl Pfänder aus Heilbronn und der Schneider Georg Eccarius aus Thüringen.1 Genug, im Frühjahr 1847 erschien Moll in Brüssel bei Marx und gleich darauf in Paris bei mir, um uns im Namen seiner Genossen mehrmals zum Eintritt in den Bund aufzufordern. Sie seien von der allgemeinen Richtigkeit unserer Auffassungsweise ebensosehr überzeugt wie von der Notwendigkeit, den Bund von den alten konspiratorischen Tradi­ tionen und Formen zu befreien. Wollten wir eintreten, so sollte uns Ge­ legenheit gegeben werden, auf einem Bundeskongreß unsren kritischen Kommunismus in einem Manifest zu entwickeln, das sodann als Mani­ fest des Bundes veröffentlicht würde; und ebenso würden wir das unsrige beitragen können, daß die veraltete Organisation des Bundes durch eine neue zeit- und zweckgemäße ersetzt werde. Daß eine Organisation innerhalb der deutschen Arbeiterklasse schon der Propaganda wegen notwendig sei und daß diese Organisation, so­ weit sie nicht bloß lokaler Natur, selbst außerhalb Deutschlands nur eine geheime sein könne, darüber waren wir nicht im Zweifel. Nun be1 Fußnote von Engels: Pfänder ist vor ungefähr acht Jahren in London gestorben. Er war ein eigen­ tümlich feindenkender Kopf, witzig, ironisch, dialektisch. Eccarius war bekanntlich später langjähriger Generalsekretär der Internationalen Arbeiterassoziation, in deren Generalrat unter andern folgende alte Bundesmitglieder saßen: Eccarius, Pfänder, Leßner, Lochner, Marx, ich. Eccarius hat sich später aus­ schließlich der englischen Gewerkschaftsbewegung zugewandt.

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stand aber grade im Bund bereits eine solche Organisation. Das, was wir bisher an diesem Bund auszusetzen gehabt, wurde jetzt von den Ver­ tretern des Bundes selbst als fehlerhaft preisgegeben; wir selbst wurden aufgefordert, zur Reorganisation mitzuarbeiten. Konnten wir nein sagen? Sicher nicht. Wir traten also in den Bund; Marx bildete in Brüs­ sel aus unsern näheren Freunden eine Bundesgemeinde, während ich die drei Pariser Gemeinden besuchte. Im Sommer 1847 fand der erste Bundeskongreß in London statt, wo W. Wolff die Brüsseler und ich die Pariser Gemeinden vertrat. Hier wurde zunächst die Reorganisation des Bundes durchgeführt. Was noch von den alten mystischen Namen aus der Konspirationszeit übrig, wurde jetzt auch abgeschafft; der Bund organisierte sich in Gemeinden, Kreise, leitende Kreise, Zentralbehörde und Kongreß und nannte sich von nun an: „Bund der Kommunisten“. „Der Zweck des Bundes ist der Sturz der Bourgeoisie, die Herrschaft des Proletariats, die Aufhebung der alten, auf Klassengegensätzen beruhenden bürgerlichen Gesell­ schaft und die Gründung einer neuen Gesellschaft ohne Klassen und ohne Privateigentum“ - so lautet der erste Artikel1. Die Organisation selbst war durchaus demokratisch, mit gewählten und stets absetzbaren Behörden und hiedurch allein allen Konspirationsgelüsten, die Dikta­ tur erfordern, ein Riegel vorgeschoben und der Bund - für gewöhnliche Friedenszeiten wenigstens - in eine reine Propagandagesellschaft ver­ wandelt. Diese neuen Statuten - so demokratisch wurde jetzt verfahren wurden den Gemeinden zur Diskussion vorgelegt, dann auf dem zwei­ ten Kongreß nochmals durchberaten und von ihm definitiv am 8. De­ zember 1847 angenommen. Sie stehn abgedruckt bei Wermuth und Stieber, I, S. 239, Anl.X2. Der zweite Kongreß fand statt Ende November und Anfang Dezem­ ber desselben Jahres. Hier war auch Marx anwesend und vertrat in längerer Debatte - der Kongreß dauerte mindestens 10 Tage - die neue Theorie. Aller Widerspruch und Zweifel wurde endlich erledigt, die neuen Grundsätze einstimmig angenommen und Marx und ich beauf­ tragt, das Manifest auszuarbeiten. Dies geschah unmittelbar nachher. Wenige Wochen vor der Februarrevolution wurde es nach London zum Druck geschickt. Seitdem hat es die Reise um die Welt gemacht, ist in fast alle Sprachen übersetzt worden und dient noch heute in den ver­ schiedensten Ländern als Leitfaden der proletarischen Bewegung. An die Stelle des alten Bundesmottos: „Alle Menschen sind Brüder“, trat der neue Schlachtruf: „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“, der 1 Diese Formulierung des Zweckes des Bundes der Kommunisten im 1. Artikel findet sich noch nicht im Statutenentwurf, der vom ersten Kongreß angenommen wurde (Dokument 146), sondern erst in den auf dem zweiten Kongreß beschlossenen Statuten (Dokument 183). - 2 In der Vorlage: VIII

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den internationalen Charakter des Kampfes offen proklamierte. Sieb­ zehn Jahre später durchhallte dieser Schlachtruf die Welt als Feld­ geschrei der Internationalen Arbeiterassoziation, und heute hat ihn das streitbare Proletariat aller Länder auf seine Fahne geschrieben. Die Februarrevolution brach aus. Sofort übertrug die bisherige Lon­ doner Zentralbehörde ihre Befugnisse an den leitenden Kreis Brüssel. Aber dieser Beschluß traf ein zu einer Zeit, wo in Brüssel schon ein tatsächlicher Belagerungszustand herrschte und namentlich die Deut­ schen sich nirgends mehr versammeln konnten. Wir waren eben alle auf dem Sprung nach Paris, und so beschloß die neue Zentralbehörde, sich ebenfalls aufzulösen, ihre sämtlichen Vollmachten an Marx zu übertragen und ihn zu bevollmächtigen, in Paris sofort eine neue Zentralbehörde zu konstituieren. Kaum waren die fünf Leute, die diesen Beschluß (3. März 1848) gefaßt, auseinandergegangen, als die Polizei in Marx’ Wohnung drang, ihn verhaftete und am nächsten Tage nach Frankreich abzureisen zwang, wohin er grade gehn wollte. In Paris fanden wir uns bald alle wieder zusammen. Dort wurde auch das folgende, von den Mitgliedern der neuen Zentralbehörde unter­ zeichnete Dokument verfaßt, das in ganz Deutschland verbreitet wurde und woraus auch heute mancher noch etwas lernen kann:

„Forderungen der kommunistischen Partei in Deutschland1

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1. Ganz Deutschland wird zu einer einigen, unteilbaren Republik erklärt. 3. Die Volksvertreter werden besoldet, damit auch der Arbeiter im Parlament des deutschen Volkes sitzen könne. 4. Allgemeine Volksbewaffnung. 7. Die fürstlichen und andern feudalen Landgüter, alle Bergwerke, Gruben usw. werden in Staatseigentum umgewandelt. Auf diesen Landgütern wird der Ackerbau im großen und mit den modernsten Hülfsmitteln der Wissenschaft zum Vorteile der Gesamtheit betrieben. 8. Die Hypotheken auf den Bauerngütern werden für Staatseigentum erklärt. Die Interessen für jene Hypotheken werden von den Bauern an den Staat gezahlt. 9. In den Gegenden, wo das Pachtwesen entwickelt ist, wird die Grundrente oder der Pachtschilling als Steuer an den Staat bezahlt. 11. Alle Transportmittel: Eisenbahnen, Kanäle, Dampfschiffe, Wege, Posten etc. nimmt der Staat in seine Hand. Sie werden in Staats­ eigentum umgewandelt und der unbemittelten Klasse zur [unent­ geltlichen] Verfügung gestellt. 14. Beschränkung des Erbrechts. 1 Vollständiger Text siehe Dokument 224.

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15. Einführung von starken Progressivsteuern und Abschaffung der Konsumtionssteuern. 16. Errichtung von NationalWerkstätten. Der Staat garantiert allen Arbeitern ihre Existenz und versorgt die zur Arbeit Unfähigen. 17. Allgemeine, unentgeltliche Volkserziehung. Es liegt im Interesse des deutschen Proletariats, des kleinen Bürger­ und Bauernstandes, mit aller Energie an der Durchsetzung obiger Maß­ regeln zu arbeiten. Denn nur durch Verwirklichung derselben können die Millionen, die bisher in Deutschland von einer kleinen Zahl aus­ gebeutet wurden und die man weiter in Unterdrückung zu erhalten suchen wird, zu ihrem Rechte und zu derjenigen Macht gelangen, die ihnen, als den Hervorbringern alles Reichtums, gebührt. Das Komitee: Karl Marx Karl Schapper H. Bauer F. Engels J. Moll W. Wolff“ In Paris herrschte damals die Manie der revolutionären Legionen. Spanier, Italiener/ Belgier, Holländer, Polen, Deutsche taten sich in Haufen zusammen, um ihre respektiven Vaterländer zu befreien. Die deutsche Legion wurde geführt von Herwegh, Bornstedt, Börnstein. Da sofort nach der Revolution alle ausländischen Arbeiter nicht nur beschäftigungslos, sondern auch noch vom Publikum drangsaliert wurden, fanden diese Legionen starken Zulauf. Die neue Regierung sah in ihnen ein Mittel, die fremden Arbeiter loszuwerden, und bewilligte ihnen l’dtape du Soldat, d.h. Marschquartiere und die Marschzulage von 50 Centimen per Tag bis an die Grenze, wo dann der stets zu Tränen gerührte Minister des Auswärtigen, der Schönredner Lamartine, schon Gelegenheit fand, sie an ihre respektiven Regierungen zu verraten. Wir widersetzten uns dieser Revolutionsspielerei aufs entschiedenste. Mitten in die damalige Gärung Deutschlands eine Invasion hinein­ tragen, die die Revolution zwangsmäßig von außen importieren sollte, das hieß der Revolution in Deutschland selbst ein Bein stellen, die Re­ gierungen stärken und die Legionäre selbst - dafür bürgte Lamartine den deutschen Truppen wehrlos in die Hände liefern. Als dann in Wien und Berlin die Revolution siegte, wurde die Legion erst recht zwecklos; aber man hatte einmal angefangen, und so wurde weiter­ gespielt. Wir stifteten einen deutschen kommunistischen Klub, worin wir den Arbeitern rieten, der Legion femzubleiben, dagegen einzeln nach der Heimat zurückzukehren und dort für die Bewegung zu wirken. Unser alter Freund Flocon, der in der provisorischen Regierung saß, erwirkte für die von uns fortgeschickten Arbeiter dieselben Reisebegünstigungen, die den Legionären zugesagt waren. So beförderten wir drei- bis vier-

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hundert Arbeiter nach Deutschland zurück, darunter die große Mehr­ zahl der Bundesglieder. Wie leicht vorherzusehn, erwies sich der Bund, gegenüber der jetzt losgebrochnen Bewegung der Volksmassen, als ein viel zu schwacher Hebel. Drei Viertel der Bundesglieder, die früher im Ausland wohnten, hatten durch Rückkehr in die Heimat ihren Wohnsitz gewechselt; ihre bisherigen Gemeinden waren damit großenteils aufgelöst, alle Fühlung mit dem Bund ging für sie verloren. Ein Teil der Ehrgeizigeren unter ihnen suchte sie auch nicht wieder zu gewinnen, sondern fing, jeder in seiner Lokalität, eine kleine Separatbewegung auf eigne Rechnung an. Und endlich lagen die Verhältnisse in jedem einzelnen Kleinstaat, jeder Provinz, jeder Stadt wieder so verschieden, daß der Bund außerstande gewesen wäre, mehr als ganz allgemeine Direktiven zu geben; diese waren aber viel besser durch die Presse zu verbreiten. Kurz, mit dem Augenblick, wo die Ursachen aufhörten, die den geheimen Bund not­ wendig gemacht hatten, hörte auch der geheime Bund auf, als solcher etwas zu bedeuten. Das aber konnte am wenigsten die Leute überraschen, die soeben erst demselben geheimen Bund den letzten Schatten konspiratorischen Charakters abgestreift. Daß aber der Bund eine vorzügliche Schule der revolutionären Tätig­ keit gewesen, bewies sich jetzt. Am Rhein, wo die „Neue Rheinische Zeitung“ einen festen Mittelpunkt bot, in Nassau, Rheinhessen etc. standen überall Bundesglieder an der Spitze der extrem-demokratischen Bewegung. Desgleichen in Hamburg. In Süddeutschland stand das Vorherrschen der kleinbürgerlichen Demokratie im Weg. In Breslau war Wilhelm Wolff bis in den Sommer 1848 hinein mit großem Erfolg tätig; er erhielt auch ein schlesisches Mandat als Stellvertreter zum Frankfurter Parlament. Endlich in Berlin stiftete der Schriftsetzer Stephan Born, der in Brüssel und Paris als tätiges Bundesmitglied ge­ wirkt hatte, eine „Arbeiterverbrüderung“, die eine ziemliche Verbrei­ tung erhielt und bis 1850 bestand. Born, ein sehr talentvoller junger Mann, der es aber mit seiner Verwandlung in eine politische Größe etwas zu eilig hatte, „verbrüderte“ sich mit den verschiedenartigsten Krethi und Plethi, um nur einen Haufen zusammenzubekommen, und war keineswegs der Mann, der Einheit in die widerstrebenden Ten­ denzen, Licht in das Chaos bringen konnte. In den amtlichen Veröffent­ lichungen des Vereins laufen daher auch die im „Kommunistischen Manifest“ vertretenen Ansichten kunterbunt durcheinander mit Zunft­ erinnerungen und Zunftwünschen, Abfällen von Louis Blanc und Proudhon, Schutzzöllnerei usw., kurz, man wollte allen alles sein. Speziell wurden Streiks, Gewerksgenossenschaften, Produktivgenossen­ schaften ins Werk gesetzt und vergessen, daß es sich vor allem darum

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handelte, durch politische Siege sich erst das Gebiet zu erobern, worauf allein solche Dinge auf die Dauer durchführbar waren. Als dann die Siege der Reaktion den Leitern der Verbrüderung die Notwendig­ keit fühlbar machten, direkt in den Revolutionskampf einzutreten, wurden sie von der verworrenen Masse, die sie um sich gruppiert, selbstredend im Stich gelassen. Born beteiligte sich am Dresdner MaiAufstand 1849 und entkam glücklich. Die „Arbeiterverbrüderung“ aber hatte sich, gegenüber der großen politischen Bewegung des Proletariats, als ein reiner Sonderbund bewährt, der großenteils nur auf dem Papier bestand und eine so untergeordnete Rolle spielte, daß die Reaktion ihn erst 1850 und seine fortbestehenden Ableger erst mehrere Jahre nachher zu unterdrücken für nötig fand. Born, der eigentlich Buttermilch heißt, wurde keine politische Größe, son­ dern ein kleiner Schweizer Professor, der nicht mehr den Marx ins Zünftlerische, sondern den sanften Renan in sein eignes süßliches Deutsch übersetzt. Mit dem 13. Juni 1849 in Paris, mit der Niederlage der deutschen Mai-Aufstände und der Niederwerfung der ungarischen Revolution durch die Russen war eine große Periode der 1848er Revolution abgeschlossen. Aber der Sieg der Reaktion war soweit noch keineswegs endgültig. Eine Neuorganisation der zersprengten revolutionären Kräfte war geboten und damit auch die des Bundes. Die Verhältnisse verboten wieder, wie vor 1848, jede öffentliche Organisation des Proletariats; man mußte also sich von neuem geheim organisieren. Im Herbst 1849 fanden sich die meisten Mitglieder der frühem Zentralbehörden und Kongresse wieder in London zusammen. Es fehlte nur noch Schapper, der in Wiesbaden saß, aber nach seiner Frei­ sprechung im Frühjahr 1850 ebenfalls kam, und Moll, der, nachdem er eine Reihe der gefährlichsten Missions- und Agitationsreisen erledigt zuletzt warb er mitten unter der preußischen Armee in der Rhein­ provinz Fahrkanoniere für die pfälzische Artillerie -, in die Besan^oner Arbeiterkompanie des Willichschen Korps eintrat und im Gefecht an der Murg, vorwärts der Rotenfelser Brücke, durch einen Schuß in den Kopf getötet wurde. Dagegen trat nun Willich ein. Willich war einer der seit 1845 im westlichen Deutschland so häufigen Gemütskommunisten, also schon deshalb in instinktivem, geheimem Gegensatz gegen unsre kritische Richtung. Er war aber mehr, er war vollständiger Prophet, von seiner persönlichen Mission als prädestinierter Befreier des deutschen Proletariats überzeugt und als solcher direkter Prätendent auf die po­ litische nicht minder als auf die militärische Diktatur. Dem früher von Weitling gepredigten urchristlichen Kommunismus trat somit eine Art von 'kommunistischem Islam zur Seite. Doch blieb die Propaganda 75

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dieser neuen Religion zunächst auf die von Willich befehligte Flüchtlingskaseme beschränkt. Der Bund wurde also neu organisiert, die im Anhang (IX, Nr. 1) ab­ gedruckte Ansprache vom März 1850 erlassen und Heinrich Bauer als Emissär nach Deutschland geschickt. Die von Marx und mir redigierte Ansprache ist noch heute von Interesse, weil die kleinbürgerliche Demo­ kratie auch jetzt noch diejenige Partei ist, welche bei der nächsten euro­ päischen Erschütterung, die nun bald fällig wird (die Verfallzeit der europäischen Revolutionen, 1815, 1830, 1848-1852, 1870, währt in unserm Jahrhundert 15 bis 18 Jahre), in Deutschland unbedingt zu­ nächst ans Ruder kommen muß, als Retterin der Gesellschaft vor den kommunistischen Arbeitern. Manches von dem dort Gesagten paßt also noch heute. Die Missionsreise Heinrich Bauers war von vollständigem Erfolg gekrönt. Der kleine fidele Schuhmacher- war ein geborner Diplo­ mat. Er brachte die teils lässig gewordnen, teils auf eigne Rechnung operierenden ehemaligen Bundesglieder wieder in die aktive Organi­ sation, namentlich auch die jetzigen Führer der „Arbeiterverbrüde­ rung“. Der Bund fing an, in den Arbeiter-, Bauern- und Turnvereinen in weit größerem Maß als vor 1848 die dominierende Rolle zu spielen, so daß schon die nächste vierteljährliche Ansprache an die Gemeinden vom Juni 1850 konstatieren konnte, der im Interesse der kleinbürger­ lichen Demokratie Deutschland bereisende Studiosus Schurz aus Bonn (der spätere amerikanische Exminister) „habe alle brauchbaren Kräfte schon in den Händen des Bundes gefunden“ (s. Anhang IX, Nr. 2). Der Bund war unbedingt die einzige revolutionäre Organisation, die in Deutschland eine Bedeutung hatte. Wozu diese Organisation aber dienen sollte, das hing sehr wesentlich davon ab, ob die Aussichten auf einen erneuten Aufschwung der Revo­ lution sich verwirklichten. Und dies wurde im Lauf des Jahres 1850 immer unwahrscheinlicher, ja unmöglicher. Die industrielle Krisis von 1847, die die Revolution von 1848 vorbereitet hatte, war überwunden; eine neue, bisher unerhörte Periode der industriellen Prosperität war angebrochen; wer Augen hatte zu sehn, und sie gebrauchte, für den mußte es klar sein, daß der Revolutionssturm von 1848 sich allmählich erschöpfte. „Bei dieser allgemeinen Prosperität, worin die Produktivkräfte der bürgerlichen Gesellschaft sich so üppig entwickeln, wie dies innerhalb der bürgerlichen Verhältnisse überhaupt möglich ist, kann von einer wirklichen Revolution keine Rede sein. Eine solche Revolution ist nur in den Perioden möglich, wo diese beiden Faktoren, die modernen Produktivkräfte und die bürgerlichen Produktionsformen, miteinander in Widerspruch geraten. Die verschiedenen Zänkereien, in denen sich 76

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jetzt die Repräsentanten der einzelnen Fraktionen der kontinentalen Ordnungspartei ergehn und gegenseitig kompromittieren, weit entfernt, zu neuen Revolutionen Anlaß zu geben, sind im Gegenteil nur möglich, weil die Grundlage der Verhältnisse momentan so sicher und, was die Reaktion nicht weiß, so bürgerlich ist. An ihr werden alle die bürgerliche Entwicklung aufhaltenden Reaktionsversuche ebenso sicher abprallen wie alle sittliche Entrüstung und alle begeisterten Proklamationen der Demokraten.“ So schrieb Marx und ich in der „Revue von Mai bis Oktober 1850“ in der „Neuen Rheinischen Zeitung. Politisch-öko­ nomische Revue“, V. und VI. Heft, Hamburg 1850, S. 153. Diese kühle Auffassung der Lage war aber für viele Leute eine Ketzerei zu einer Zeit, wo Ledru-Rollin, Louis Blanc, Mazzini, Kossuth, und von kleineren deutschen Lichtern Rüge, Kinkel, Goegg und wie sie alle heißen, sich in London haufenweis zu provisorischen Zukunfts­ regierungen, nicht nur für ihre respektiven Vaterländer, sondern auch für ganz Europa zusammentaten und wo es nur noch darauf ankam, das nötige Geld als Revolutionsanleihe in Amerika aufzunehmen, um die europäische Revolution benebst den damit selbstverständlichen verschiednen Republiken im Nu zu verwirklichen. Daß ein Mann wie Willich hier hineinfiel und daß auch Schapper aus altem Revolutions­ drang sich betören ließ, daß die Mehrzahl der Londoner Arbeiter, großenteils selbst Flüchtlinge, ihnen in das Lager der bürgerlich-demo­ kratischen Revolutionsmacher folgte, wen kann es wundern? Genug, die von uns verteidigte Zurückhaltung war nicht nach dem Sinn dieser Leute; es sollte in die Revolutionsmacherei eingetreten werden; wir weigerten uns aufs entschiedenste. Die Spaltung erfolgte; das Weitere ist in den „Enthüllungen“ zu lesen. Dann kam die Verhaftung zuerst Nothjungs, dann Haupts in Hamburg, der zum Verräter wurde, indem er die Namen der Kölner Zentralbehörde angab und im Prozeß als Hauptzeuge dienen sollte; aber seine Verwandten wollten diese Schande nicht erleben und beförderten ihn nach Rio de Janeiro, wo er sich später als Kaufmann etablierte und in Anerkennung seiner Verdienste erst preußischer und dann deutscher Generalkonsul wurde. Er ist jetzt wieder in Europa.1 Zum besseren Verständnis des Folgenden gebe ich die Liste der Kölner Angeklagten: 1. P. G. Röser, Zigarrenarbeiter; 2. Heinrich Bürgers, später verstorbener fortschrittlicher Landtagsabgeordneter; 3. Peter Nothjung, Schneider, vor wenigen Jahren als Photograph in 1 Fußnote von Engels: Schapper starb Ende der sechziger Jahre in London. Willich machte den ame­ rikanischen Bürgerkrieg mit Auszeichnung mit; er erhielt in der Schlacht bei Murfreesboro (Tennessee) als Brigadegeneral einen Schuß durch die Brust, wurde aber geheilt und starb vor etwa zehn Jahren in Amerika. - Von andern oben erwähnten Personen will ich noch bemerken, daß Heinrich Bauer in Australien verschollen ist, Weitling und Ewerbcck in Amerika gestorben sind.

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Breslau gestorben; 4. W.J. Reiff; 5. Dr. Hermann Becker, jetzt Ober­ bürgermeister von Köln und Mitglied des Herrenhauses; 6. Dr. Roland Daniels, Arzt, wenige Jahre nach dem Prozeß an der im Gefängnis er­ worbenen Schwindsucht gestorben; 7. Karl Otto, Chemiker; 8. Dr. Abraham Jacobi, jetzt Arzt in New York; 9. Dr. J. J. Klein, jetzt Arzt und Stadtverordneter in Köln; 10. Ferdinand Freiligrath, der aber damals schon in London war; 11. J.L.Ehrhard, Kommis; 12. Friedrich Leßner, Schneider, jetzt in London. Von diesen wurden, nachdem die öffentlichen Verhandlungen vor den Geschwornen vom 4. Oktober bis 12.November 1852 gedauert, wegen versuchten Hochverrats verurteilt: Röser, Bürgers und Nothjung zu 6, Reiff, Otto, Becker zu 5, Leßner zu 3 Jahren Festungshaft, Daniels, Klein, Jacobi und Ehrhard wurden freigesprochen. Mit dem Kölner Prozeß schließt diese erste Periode der deutschen kommunistischen Arbeiterbewegung. Unmittelbar nach der Verurtei­ lung lösten wir unsern Bund auf; wenige Monate nachher ging auch der Willich-Schappersche Sonderbund ein zur ewigen Ruhe.

Zwischen damals und jetzt liegt ein Menschenalter. Damals war Deutschland ein Land des Handwerks und der auf Handarbeit be­ ruhenden Hausindustrie; jetzt ist es ein noch in fortwährender indu­ strieller Umwälzung begriffnes großes Industrieland. Damals mußte man die Arbeiter einzeln zusammensuchen, die Verständnis hatten für ihre Lage als Arbeiter und ihren geschichtlich-ökonomischen Gegen­ satz gegen das Kapital, weil dieser Gegensatz selbst erst im Entstehen begriffen war. Heute muß man das gesamte deutsche Proletariat unter Ausnahmsgesetze stellen, um nur den Prozeß seiner Entwicklung zum vollen Bewußtsein seiner Lage als unterdrückte Klasse um ein geringes zu verlangsamen. Damals mußten sich die wenigen Leute, die zur Er­ kenntnis der geschichtlichen Rolle des Proletariats durchgedrungen, im geheimen zusammentun, in kleinen Gemeinden von drei bis zwanzig Mann verstohlen sich versammeln. Heute braucht das deutsche Prole­ tariat keine offizielle Organisation mehr, weder öffentliche noch ge­ heime ; der einfache, sich von selbst verstehende Zusammenhang gleich­ gesinnter Klassengenossen reicht hin, um ohne alle Statuten, Behörden, Beschlüsse und sonstige greifbare Formen das gesamte Deutsche Reich zu erschüttern. Bismarck ist Schiedsrichter in Europa, draußen jenseits der Grenze; aber drinnen wächst täglich drohender jene Athletengestalt des deutschen Proletariats empor, die Marx schon 1844 vorhersah, der Riese, dem das auf den Philister bemessene enge Reichsgebäude schon zu knapp wird und dessen gewaltige Statur und breite Schultern dem Augenblick entgegenwachsen, wo sein bloßes Aufstehn vom Sitz den 78

ganzen Reichsverfassungsbau in Trümmer sprengt. Und mehr noch. Die internationale Bewegung des europäischen und amerikanischen Proletariats ist jetzt so erstarkt, daß nicht nur ihre erste enge Form der geheime Bund -, sondern selbst ihre zweite, unendlich umfassendere Form - die öffentliche Internationale Arbeiterassoziation - eine Fessel für sie geworden und daß das einfache, auf der Einsicht in die Dieselbig­ keit der Klassenlage beruhende Gefühl der Solidarität hinreicht, unter den Arbeitern aller Länder und Zungen eine und dieselbe große Partei des Proletariats zu schaffen und zusammenzuhalten. Die Lehren, die der Bund von 1847 bis 1852 vertrat und die damals als die Hirngespinste extremer Tollköpfe, als Geheimlehre einiger zersprengten Sektierer vom weisen Philisterium mit Achselzucken behandelt werden durften, sie haben jetzt zahllose Anhänger in allen zivilisierten Ländern der Welt, unter den Verdammten der sibirischen Bergwerke wie unter den Goldgräbern Kaliforniens; und der Begründer dieser Lehre, der best­ gehaßte, bestverleumdete Mann seiner Zeit, Karl Marx, war, als er starb, der stets gesuchte und stets willige Ratgeber des Proletariats beider Welten.

London, 8. Oktober 1885. Friedrich Engels Der Sozialdemokrat (Zürich), Nr. 46, 47 und 48 vom 12., 19. und 26. November 1885. Karl Marx: Enthüllungen über den Kommunisten-Prozeß zu Köln, Hottingen-Zürich 1885, S. 3-17. (MEW, Bd.21, S.206-224.)

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KAPITEL I Die Entstehung des Bundes der Gerechten

und seine Entwicklung in den Jahren 1836 bis 1844

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Die erste größere Gruppe von Dokumenten in diesem Kapitel, an dessen An­ fang ein Auszug aus Marx’ Schrift „Herr Vogt“ gestellt ist, enthält Zeugnisse zur Entstehung des Bundes der Gerechten, wie die Statuten von 1838 und die Aussagen von verhafteten Bundesmitgliedern. Zur Ergänzung sind im Anhang zu diesem Band einige Dokumente des Bundes der Geächteten, darunter dessen Statuten, abgedruckt. Die politisch-ideologischen Auseinandersetzungen im Entstehungsprozeß des Bundes der Gerechten und die Ausarbeitung eines Programms widerspiegeln sich vor allem in den Erinnerungen Weitlings und Ewerbecks und sind durch Schappers Entwurf über Gütergemeinschaft und Auszüge aus Weitlings Programmschrift „Die Menschheit, wie sie ist und wie sie sein sollte“ dokumentiert. Für die Teilnahme des Bundes am Aufstand vom Mai 1839, die einen be­ deutenden Einschnitt in seiner Entwicklung darstellte und zur Abkehr von der blanquistischen Taktik führte, liegen nur spärliche unmittelbare Quellen vor, da die Vorbereitung des Aufstandes in größter Geheimhaltung erfolgte, die auch nach seinem Scheitern gewahrt blieb. - Von einer Hinwendung zur Arbeit unter den Massen zeugt die Beteiligung der Bundesmitglieder an Solidaritäts­ aktionen zugunsten der streikenden Pariser Schneidergesellen im Juli 1840. In den Jahren 1840 bis 1844 war die Tätigkeit des Bundes der Gerechten, wie eine zweite größere Dokumentengruppe belegt, durch eine beachtliche Akti­ vität, die mit einer Verbreitung des utopischen Arbeiterkommunismus ver­ bunden war, gekennzeichnet. Eine große Zahl der aufgenommenen Dokumente veranschaulicht vor allem die propagandistische Tätigkeit Weitlings in der Schweiz, wo er eine kommunistische Zeitschrift herausgab und in seinem Hauptwerk, den „Garantien der Harmonie und Freiheit“, von dem hier einige Auszüge abgedruckt werden, sein utopisch-kommunistisches System ausführ­ lich darlegte. Die Materialien lassen sowohl die innere Entwicklung des Bundes als auch seinen bedeutenden Einfluß auf die deutschen Arbeitervereine in der Schweiz erkennen. Neben den Beiträgen in Weitlings Zeitschriften standen als Quelle für diese Entwicklung außerordentlich reiches Material an Briefen und 83

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Aufzeichnungen August Beckers, Hermann Ewerbecks, Lorenz Petersens, Andreas Scherzers, Simon Schmidts, Wilhelm Weitlings und anderer von Ende 1841 bis Mai 1843 zur Verfügung, die bei Weitling und anderen beschlagnahmt wurden. Bei der reichhaltigen Auswahl, die getroffen werden mußte, konnte ein umfassendes Bild von den verschiedensten Seiten der Bundestätigkeit gegeben werden. Besondere Berücksichtigung fanden dabei die Briefe der Volkshalle in Paris. Einige dieser Quellen, so vor allem die Briefe Mäurers und Ewerbecks, lassen den wachsenden Einfluß des utopischen Kommunismus Cabets erkennen. Die Dokumente zeigen vor allem mit Beginn des Jahres 1843 ein immer deut­ licheres Hervortreten der rückständigen Seiten in den Anschauungen Weit­ lings, die immer entschiedener von der Volkshalle, aber auch von anderen Bundesmitgliedern zurückgewiesen wurden, so daß bereits um diese Zeit ein Rückgang des Einflusses Weitlings sichtbar wird. - Einige Briefe von Ende 1842 und Anfang 1843 enthalten Hinweise darauf, daß man im Kreise des Bundes der Gerechten beobachtete, wie in Deutschland Vertreter der fortschrittlichen Intelligenz aus der Hegelschen Philosophie demokratische und sozialistische Schlußfolgerungen zu ziehen suchten, woraus erste Kontakte entstanden. Außer der Korrespondenz mit Weitling liegen für die Tätigkeit der Pariser Organisation nur wenige Unterlagen vor, so die Aussage Mentels über den inneren Organisationsaufbau. Die Entwicklung der Bundesorganisation in London, wo sich bereits in dieser Zeit unter der Führung von Schapper, Bauer, Moll und anderen ein bedeutender Schwerpunkt des Bundes heraus­ zubildenbegann, spiegelt sich zum Teil in den Berichten für die von Weitling herausgegebenen Zeitschriften wider. Sie lassen Verbindungen zu Owen und seinen Anhängern erkennen und ebenso den Einfluß, den diese sozialistisch­ utopische Richtung auf die dortigen Bundesmitglieder ausübte. Diese Doku­ mente enthalten auch einige indirekte Hinweise auf die Entstehung des Konv munistischen Arbeiterbildungsvereins. Protokollauszüge aus gemeinsamen Sitzungen mit der Sociöte Democratique Franqaise zeigen, daß der cabetistische Kommunismus auch unter den Londoner Bundesmitgliedern einen bedeutenden Einfluß gewann. Über die Ausbreitung des Bundes der Gerechten in Deutschland gibt es für diese Zeit zwar eine Reihe wertvoller Hinweise, jedoch nur ausnahmsweise aus­ sagekräftige Dokumente, was zu einem erheblichen Teil der Tatsache geschul­ det ist, daß sich in Deutschland die Tätigkeit des Bundes völlig im Verborgenen vollziehen mußte und auch im wesentlichen von polizeilichen Entdeckungen verschont blieb. Nur für Hamburg läßt sich auf Grund verschiedener Aus­ sagen von Verhafteten ein ungefähres Bild von der Tätigkeit des Bundes der Gerechten zu Anfang der vierziger Jahre gewinnen. Davon zeugen des weiteren einige Dokumente aus dem Jahre 1844, die vorwiegend im Zusammenhang mit der Durchreise Weitlings auf seiner Reise nach London entstanden sind.

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Karl Marx über den Bund (Aus: „Herr Vogt“, 1860)

der

Gerechten

1836-1846^’ [...] Der „Bund der Kommunisten“ wurde 1836 zu Paris gestiftet, ur­ sprünglich unter anderm Namen.c2;i Die Organisation, wie sie sich all­ mählich ausbildete, war diese: Eine gewisse Anzahl Mitglieder bildeten eine „Gemeinde“, verschiedene Gemeinden in derselben Stadt einen „Kreis“, eine größere oder geringere Anzahl Kreise gruppierte sich um einen „leitenden Kreis'*; an der Spitze des Ganzen stand die „Zentral­ behörde“, die auf einem Kongreß von Deputierten sämtlicher Kreise gewählt, jedoch berechtigt war, sich selbst zu ergänzen und in dringen­ den Fällen provisorisch ihre Nachfolgerin zu ernennen. Die Zentral­ behörde saß erst zu Paris, von 1840 bis Anfang 1848 zu London.C3] Die Vorsteher der Gemeinden und Kreise, wie die Zentralbehörde selbst, wurden alle durch Wahl ernannt. Diese demokratische Ver­ fassung, durchaus zweckwidrig für konspirierende geheime Gesell­ schaften, war wenigstens nicht unvereinbar mit der Aufgabe einer Propagandagesellschaft. Die Tätigkeit des „Bundes“ bestand zunächst in der Stiftung öffentlicher deutscher Arbeiterbildungsvereine, und die meisten Vereine dieser Art, die noch in der Schweiz, England, Belgien und den Vereinigten Staaten existieren, wurden entweder direkt vom „Bunde“ gegründet oder von ehemaligen Mitgliedern desselben ins Leben gerufen. Die Konstitution dieser Arbeitervereine ist daher über­ all dieselbe. Ein Tag in der Woche wurde zur Diskussion bestimmt, ein andrer für gesellschaftliche Unterhaltung (Gesang, Deklamation etc.). Überall wurden Vereinsbibliotheken gestiftet und, wo es immer tubar, Klassen errichtet für den Unterricht der Arbeiter in elementarischen Kenntnissen. Der hinter den öffentlichen Arbeitervereinen stehende und sie lenkende „Bund“ fand in ihnen sowohl den nächsten Spielraum für öffentliche Propaganda, wie er andrerseits sich aus ihren brauch­ barsten Mitgliedern ergänzte und erweiterte. Bei dem Wanderleben der 85

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1

deutschen Handwerker bedurfte die Zentralbehörde nur in seltnen Fällen der Entsendung besondrer Emissäre. Was nun die Geheimlehre des „Bundes“ selbst betrifft, so durchlief sie sämtliche Wandlungen des französischen und englischen Sozialismus und Kommunismus, wie ihrer deutschen Spielarten (Weitlings Phan­ tasien z.B.). Seit 1839, wie schon aus dem Bluntschli-Bericht1 erhellt, spielte die religiöse Frage neben der sozialen die bedeutendste Rolle. Die verschiedenen Phasen, die die deutsche Philosophie von 1839 bis 1846 durchlief, wurden im Schoße dieser Arbeitergesellschaften mit der eifrigsten Parteinahme verfolgt. Die geheime Form der Gesellschaft verdankt Paris ihren Ursprung. Der Hauptzweck des Bundes - Propa­ ganda unter den Arbeitern in Deutschland - gebot die spätere Bei­ behaltung dieser Form. [...] Karl Marx: Herr Vogt, London 1860, S. 34/35. (MEW, Bd.14, S.438/439.)

Auszug.

2 Wilhelm Weitling über die Entstehung des Bundes der

Gerechten (Aus der Vorrede zur 3. Auflage

von:

„Garantien der Harmonie

und

Freiheit“, 1849)

1836-1839

[...] Freiheit, Gleichheit war das Feldgeschrei der ersten französischen Republik. Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit war auch nach 1830 das Feld­ geschrei der wenigen Republikaner unter den Deutschen in Paris. Aber welche Freiheit? welche Gleichheit? und wie sie bestimmen? Welches wird der Teil jedes einzelnen sein, und wie ist er abzumessen? Darüber verlief sich die höchste Idee bis in die Progressivsteuern. Eine ausgezeichnete Zeitschrift, die „Geächte­ ten“, bis zum Jahre 1835 in Paris auf Kosten von ca. 200 deutschen Arbeitern monatlich erschienen, gibt eine Übersicht der radikalsten politischen Richtung im damaligen deutschen republikanischen Element. Es produzierten ihre Ge­ danken darin unter andern Venedey, Mäurer und Dr. Schuster, dessen Artikel: „Gedanken eines Republikaners“ am weitesten geht und am bestimmtesten das Ziel der Bewegung angibt. Diese republikanischen Gedanken waren Dr. Schu­ sters letzte politische Gedanken141. Wir nahmen an, daß er sich seitdem vom 1 der 1843 von Bluntschli im Auftrage des ZüricherStaatsrates verfaßte Bericht „Die Kommunisten in der Schweiz nach den bei Weitling vorgefundenen Papieren“, Zürich 1843

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politischen Schauplatze zurückgezogen. Es ist möglich, daß auch er im cngern Kreise der Gleichgesinnten seinen Ölberg und sein Golgatha fand.1 [...] Nachdem die deutsche republikanische Partei in Paris vom Jahre 1837 an aus ihrer Mitte durch mündliche und autographische Propaganda für das Prinzip der Gütergemeinschaft bearbeitet und teilweise dafür gewonnen wor­ den war, wurde an eine Kommission derselben von mehreren Seiten das Ver­ langen gestellt, man möge etwas drucken lassen, das die Möglichkeit der Güter­ gemeinschaft beweise. [...] Aus obigem Verlangen der Freunde und Gegner des Prinzips der Gemein­ schaft ging eine von der Kommission geprüfte und darin von Weissenbach und Hoffmann warm unterstützte kleine Broschüre hervor: „DieMenschheit, wie sie ist und [wie sie] sein sollte“. Sie erschien zu Ende des Jahres 1838 in Paris und wurde in 2000 Exemplaren verbreitet. Für die Druckkosten brachte die damals sehr kleine Zahl Gleichgesinnter manche rührende Opfer. Einige liehen dazu ihr Zim­ mer, andere arbeiteten nachts als Setzer, Drucker oder Buchbinder, noch andere gaben Geld, ja sogar in Ermangelung des Geldes ihre Uhren ins Leihhaus. Für die Verbreitung des kommunistischen Prinzips wirkten nach dieser Zeit in Paris unter den bekannten Deutschen Mäurer und besonders Ahrens. Dieser deutsche Russe macht es sich seit Jahren zur Aufgabe, durch sein Talent und seinen Eifer für die Sache, in bescheidener Anspruchlosigkeit seiner eigenen Verdienste nur das Wirken anderer zu unterstützen, solcher, welche er dazu für fähig und für würdig hält. Solche Charaktere sin4 leider selten, ohne sie kommt aber auch keine durchgreifende Bewegung zustande. Von Paris aus nahm der Flug der deutschen kommunistischen Bewegung durch die Wanderungen der Arbeiter schon 1839 seine Richtung nach Deutsch­ land. Bei einer im Jahre 1840 in Frankfurt a.M. entdeckten politischen Ver­ schwörung2 wurden kommunistische Tendenzen mit der hervorragenden repu­ blikanischen Tendenz vermischt gefunden, wenigstens schloß man dies aus dem Umstande, daß bei mehreren der Angeklagten die erwähnte kommu­ nistische Broschüre gefunden wurde. [...] Wilhelm Weitling: Garantien der Harmonie und Freiheit, Hamburg 1849, Vorrede zur 3. Auf!., S. X-XIII. (Neu herausgegeben von Bernhard Kaufhold, Berlin 1955, S.290-293.).

Auszug.

3

Hermann Ewerbeck über die Entstehung des Bundes Gerechten (Aus: „L’Allemagne et les Allemands“, 1851)

der

1836-1840

[...] A Paris, la propagande democratique avait puissamment travaille depuis les premieres annees de 1830; la police du rdactionnaire Louis-Philippe ne 1 Diese Anspielung ist nicht ganz klar. Sic steht wahrscheinlich mit der Tatsache im Zusammenhang, daß Schuster in den vierziger Jahren für die österreichische und andere Regierungen als Geheimagent tätig war. - 2 Vgl. Dokument 9.

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i

reussit pas ä ddtruire la racine de la democratie dtrangere, reprdsentee ä Paris par les efforts combinds de Louis Boerne, de Jacques Venedey (de Cologne) et du docteur Schuster [sl, allids avec les Chefs franqais, italiens et polonais. Au milieu de tracasseries indicibles, il se forma ä Paris la socidtd secrete allemande des Proscrits; mais bientöt eile se divisa en deux: la partie socialiste s’en sdpara sous le titre de la socidtd allemande des Justes, tandis que l’autre partie restait encore attachde aux principes bornds d’un patriotisme allemand purement politique et antisocialiste. La socidtd allemande des Justes fut fondde entre autres par le docteur German Maeurer (nd en Prusse rhdnane), Henri Ahrens (nd ä Riga en Russie) et par quelques autres Allemands, soit littdrateurs, soit ouvriers. La socidtd des Justes se composa presque exclusivement d’ouvriers allemands, suisses, et plus tard aussi de quelques ouvriers flamands, hongrois et scandinaves; chaque membre devait possdder la langue allemande. Des dcrits populaites furent redigds dans cette langue par le docteur German Maeu­ rer et autres, la moralitd la plus rigoureuse fut soutenue par les Statuts et plus encore par l’esprit fraternel qui les animait tous. Une correspondance allemande trds-reguliere fut dtablie entre les frdres allemands dissdminds en France, en Suisse, en Angleterre, en Hollande, etc. Les principes socialistes de la socidtd des Justes dtaient des le commencement ceux du citoyen CabetJ63 [...] Hermann Ewerbeck: L’Allemagne et les Allemands, Paris 1851, S. 588/589.

Auszug.

[...] In Paris war die demokratische Propaganda seit Anfang der dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts mächtig am Werke gewesen; der Polizei des reak­ tionären Louis-Philippe war es nicht gelungen, die Wurzeln der ausländischen Demokratie auszurotten, die in Paris durch die vereinten Anstrengungen von Ludwig Börne, Jakob Venedey (aus Köln) und Doktor SchusterC53, die mit den französischen, italienischen und polnischen Führern in Verbindung standen, vertreten wurde. Unter unsagbaren Schwierigkeiten bildete sich in Paris der deutsche geheime Bund der Geächteten; aber bald zerfiel er in zwei Teile: der sozialistische Teil sagte sich unter dem Namen Deutscher Bund der Gerechten los, wogegen der andere Teil noch weiterhin auf den beschränkten Prinzipien eines rein politischen und antisozialistischen deutschen Patriotismus bestand. Der deutsche Bund der Gerechten wurde u.a. von Doktor German Mäurer (in Rheinpreußen geboren), Heinrich Ahrens (zu Riga in Rußland geboren) und einigen anderen Deutschen, teils Literaten, teils Arbeitern, gegründet. Der Bund der Gerechten setzte sich fast ausschließlich aus deutschen und Schweizer Arbei­ tern zusammen, später kamen auch einige flämische, ungarische und skandi­ navische Arbeiter hinzu. Jedes Mitglied mußte die deutsche Sprache beherr­ schen. Volksschriften wurden in dieser Sprache von Dr. German Mäurer und anderen verfaßt. Ein strengstes sittliches Verhalten wurde durch die Statuten und mehr noch durch den brüderlichen Geist, der alle beherrschte, aufrecht­ erhalten. Eine sehr regelmäßige deutsche Korrespondenz wurde mit den deut­ schen Brüdern geführt, die in Frankreich, in der Schweiz, in England, Holland usw. verstreut waren. Die sozialistischen Prinzipien des Bundes der Gerechten waren von Anfang an die des Bürgers Cabet.163 [...] 88

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4

Zur Entstehung des Bundes der Gerechten Aus den Aussagen von Mitgliedern des Bundes der Gerechten und des Bundes der Geächteten17' 1836-1838

a) August Fautz aus Aichern1

[...] Wir sollten in den Versammlungen uns über die Menschen- und Bürger­ rechte aussprechen. Allein in unserm Zelt gab es gleich anfangs2 Streit, weil man von uns unbedingten Gehorsam verlangte und weil die höchste Behörde für unwählbar erklärt war. Wir haben uns dagegen sehr aufgelehnt, da wir keinen unbedingten Gehorsam leisten wollten und dieses für widersinnig er­ klärten, indem es ja sonst der höchsten Behörde einfallen könnte, uns zu allem zu gebrauchen. Wir sind öfters in unsern Vorstand gedrungen, daß er hier Abhülfe schaffen soll, allein von der höhere Behörde wurde durchaus unbe­ dingter Gehorsam verlangt. [...] Zusammenstellung der Untersuchungs-Resultate in Betreff der revolutionären Verbindungen der Geächteten, . der Gerechten und der Deutschen sowie des denselben vorangegangenen Volksvereins ... (Vervielfältigte Denkschrift, Frankfurt a.M. 1841J, S. 18. (DZA3 Merseburg, Rep.77, Tit.509, Nr.47, Bd.2.)

Auszug. Erstmalig veröffentlicht.

b) Wilhelm Heinrich Joseph Enke aus Frankfurt a. M.4 [...] Nachdem ich schon längere Zeit hier war, vor etwa dritthalb bis drei Jahren, besuchte mich dieser Mack5 dahier und erzählte mir, daß eine Tren­ nung im Bunde der Geächteten stattgefunden habe, zu welcher hauptsächlich der schon von mir erwähnte Gummen beigetragen habe, welcher sich persön­ lich mit Dr. Schuster entzweit hatte. Der Grund der Trennung ist mir nicht be­ kannt geworden. Diejenigen, welche von dem Bunde der Geächteten abgefallen waren, bildeten darauf, wie mir Mack sagte, den Bund der Gerechten, und Mack trat demselben auch bei. Als mehr tätig als andre an dem Bunde der 1 Verhör vom 6. Januar 1841. Der Mechaniker Fautz trat im Herbst 1832 in Paris dem Deutschen Volks­ verein bei, wurde anschließend Mitglied des Bundes der Geächteten und dann des Bundes der Gerechten. Er wurde 1840 in Ettenheim in Baden verhaftet. - 2 Gemeint ist nach der Gründung des Bundes der Ge­ ächteten, also etwa Ende 1834/Anfang 1835. - 3 Siche das Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen am Schluß des Bandes. - 4 Verhör vom 12.Dezember 1840. Schneidermeister Enke wurde im Herbst 1834 in Paris Mitglied des Bundes der Geächteten und bald darauf auch Zeltführer. Im November 1835 kehrte er nach Frankfurt a.M. zurück, wo er eine Organisation des Bundes der Geächteten gründete, die sich auch auf umliegende Orte ausbreitetc und bis 1839 unter seiner Leitung stand. - 5 Enke hatte vorher angegeben, daß der Spengler Mack aus Bayreuth ihn aus Paris kommend in Frankfurt a.M. aufgesucht hatte.

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Gerechten, und daß sie sich ausgezeichnet hätten, nannte mir Mack einen ge­ wissen Mäurer, ich glaube, er hat studiert, ich weiß jedoch durchaus nichts Näheres über denselben anzugeben. Außer diesem wurde mir auch noch Gummen als besonders beteiligt am Bunde von Mack genannt. [...] DZA Merseburg, Rep.77, Tit.509, Nr. 47, Bd.2 (Abschrift).

Auszug. Erstmalig veröffentlicht.

c) Carl Hartmann aus Hannover1 [...] Ehe er von Paris weggegangen, etwa 8Tage vorher, sei ihm von dem obenerwähnten Mitgiiede des ihm vorgesetzten Dikasteriums2, Gummen3, eröffnet, daß sich, und zwar teilweise auf sein Anstiften, zwei Hauptparteien im Bunde gebildet haben, so daß er sich wohl teilen werde. Nämlich, wie Gum­ men ihm gesagt, haben er und manche andere sich den nach den Statuten den Mitgliedern auferlegten „unbedingten Gehorsam“ nicht wollen gefallen lassen, sondern haben hierin eine Änderung verlangt. In denselben Tagen sei auch ein Schriftsetzer Goldschmidt aus Hildesheim, und zwar von 2 Brüdern der Ältere, zu ihm gekommen, habe sich ihm als Mit­ glied des vorgesetzten Dikasteriums oder Feldlagers zu erkennen gegeben und ihm eröffnet, daß Gummen keine Befehle mehr zu erteilen habe. [...] DZA Merseburg, Rep.77, Tit.509, Nr.47, Bd. 1 (Abschrift).

Auszug. Erstmalig veröffentlicht.

d) Christian Friedrich Wilhelm Stetter aus Stuttgart4 [...] Stetter führt ebenfalls an, daß die Streitfrage wegen des den Oberen der Verbindung zu leistenden unbedingten Gehorsams die Veranlassung zur Spal­ tung des Bundes der Geächteten in Paris gewesen, indem viele den Beschluß gefaßt hätten, daß sie sich nur soweit zum Gehorsam verbunden hielten, als es mit ihrer Überzeugung vereinbar sei, und denselben durch die Vorsteher der Berge zur Kenntnis der obersten Behörde gebracht hätten. Darauf seifen] eines Tages der Dr. Schuster, Venedey und Gummen in die Zeltversammlung

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1!

1 Verhör vom 1.Oktober 1840. Der Buchbinder Hartmann wurde im Spätherbst 1834 in Paris Mit­ glied des Bundes der Geächteten. Vom September 1836 bis zu seiner Abreise von Paris, Ende März 1837, war er Präsident eines Lagers. Er wurde 1840 in seinem Heimatort Hannover verhaftet. — 2 „Dikasterium“ war die ursprüngliche Bezeichnung für „Kreislager“, auch „Feldlager". - 3 Im Verhör vom 11. Oktober 1840 erklärte Hartmann: „Solange er Präsident des Lagers gewesen und als solcher aus den Dikasterien Befehle erhalten, habe er als die Deputierten des ihm vorgesetzten Dikasteriums zuerst den Mechanikus Conrad Neuber von hier, und nach dessen Abgänge etwas nach Michaeli 1836 [das heißt Ende September] den Schriftsetzer Gummen aus der Nähe von Köln kcnnenlernen.“ (DZA Merseburg, Rep.77, Tit. 509, Nr. 47, Bd. 1.) - 4 Der Schriftsetzer Stetter war in Paris Mitglied des Bundes der Geächteten, dann des Bundes der Gerechten. Er wurde Ende 1840 oder Anfang 1841 in Stuttgart verhaftet. Von Stetter liegt kein Verhör­ protokoll vor. Als Unterlage diente hier wie auch in einigen anderen Fällen die Wiedergabe des Protokollinhalts in Berichten des preußischen Bundestagsgesandten in Frankfurt an den Justizminister, der seinerseits Abschriften an den Innenminister weiterleitete. Die Aussagen Stetters sind im Bericht vom 6. April 1841 wiedergegeben.

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des Stetter eingetreten, hätten sich als Deputation des Brennpunkts angekündigt und die Mitglieder des Zeltes zur Tätigkeit und zur Eintracht sowie zum un­ bedingten Gehorsam ermahnt; hiernach hätten zwar noch einige Versamm­ lungen des Zeltes stattgefunden, indes sei doch der Bruch in der Verbindung unvermeidlich gewesen. Mit Rücksicht auf die in den Statuten enthaltene An­ forderung des unbedingten Gehorsams sei der Artikel der Statuten über die Bewaffnung auch ein Stein des Anstoßes gewesen, indem die oberste Behörde die Mitglieder der Verbindung wohl habe zu einer Sache bestimmen können, wie der Savoyer Zug1 gewesen. [...]. DZA Merseburg, Rcp.77, Tit.509, Nr. 47, Bd.3 (Abschrift).

Auszug. Erstmalig veröffentlicht.

e) Johann Robert Alexander Werner aus Leipzig2

[... Der Eintritt in den Bund der Geächteten] erfolgte auf Veranlassung des Tischlergesellen Jacob Röcker am 20. Juni 1837, daher in seinem Tagebuch die Bemerkung: „Heute, 20. Juni 1837, dienstag abend, 9 Uhr, ging mir eine neue Sonne auf“ - die er früher anders zu deuten sich bemüht hatte. Nach Ablei­ stung des Eides nahm man ihm die Binde von den Augen, mit den Worten: „so erkenne den Kreis Deiner Brüder“ - und nun sah er anwesend den Schrift­ setzer Goldschmidt (sen.), den Tischlergesellen Brandes aus Hannover, in dessen Zimmer die Aufnahme erfolgte, den Röcker, den Tischler Streit von Hamburg, der in Paris etabliert sein soll, und einen Buchbinder Becker. Neben dem Zeltführer Goldschmidt stand Brandes als Sekretär und Becker als Kas­ sierer. [...] In der zweiten Zeltversammlung, welcher Werner etwa 14 Tage nach seiner Aufnahme beiwohnte und welche ebenfalls im Zimmer des Brandes statthatte, trat plötzlich gegen den Willen Goldschmidts eine Bundeskom­ mission von 3 Mitgliedern ein, in welcher sich ein Mitglied des Brennpunktes, nämlich ein Schriftsetzer mit einem Namen Cato und ein Lagermitglied, näm­ lich Decoupeur3 Mathias, befanden; zwischen diesen und dem Goldschmidt entspann sich ein heftiger Streit, indem jene den Umsturz des Brennpunkts in Antrag brachten, und solcher endigte damit, daß sich Goldschmidt entfernte und nur Becker ihm folgte, aber auch zugleich die Zeltkasse mit entführte. Hierauf sprach einer aus der Kommission sowie Brandes über die Anmaßung und Tyrannei des Brennpunkts, dessen Absicht es sei, die Deutschen zu einer Revolution für eine französische Republik zu mißbrauchen, über die unge­ bührliche Anforderung des unbedingten Gehorsams und darüber, daß der Brennpunkt der Ansicht sei, daß das Oberhaupt des künftig zu errichtenden deutschen Staates nur aus einer Person bestehen solle, einem Diktator oder Kaiser4, während man doch verlange, daß das Oberhaupt aus mehreren Per­ sonen bestehen müsse; und dies Zelt entschied sich für den Abfall vom Brenn1 An dem von Mazzini geführten erfolglosen Versuch vom Januar/Februar 1834, von der Schweiz aus in Savoyen einzufallen und einen Aufstand in Norditalien zu entfesseln, hatten sich auch deutsche Flüchtlinge beteiligt. - 2 Nach einem Bericht des preußischen Bundestagsgesandten vom 26. März 1841. Der Mechaniker Werner wurde im Sommer 1837 in Paris Mitglied des Bundes der Geächteten und im Frühjahr 1838 Mitglied des Bundes der Gerechten.-3 Zuschneider von Furnieren -4 Ähnliche Bemer­ kungen über die Forderung nach einem Kaiser finden sich auch in einer Reihe anderer Aussagen.

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punkte, welchen dann auch mehrere andere Zelte ausführten. Während des Sommers 1837 und bis zum November kam keine neue Verbindung zustande1; jetzt begab sich Werner wegen einer Verletzung am Auge in ein Spital, und als er dasselbe im Frühjahr 1838 verließ, erfuhr er, daß sich der Bund der Ge­ rechten gebildet habe.2 [...] DZA Merseburg Rcp.77, Tit.509, Nr.47, Bd.2 (Abschrift).

Auszug. Erstmalig veröffentlicht.

f) Carl Friedrich Hoffmann aus Hamburg3 [...] Es seien vornehmlich (wie schon angegeben) Gummen und Meyer ge­ wesen., die im Frühjahr 1838, nachdem sie mit Schuster sich überworfen, eine Trennung im Bunde der Geächteten hervorgebracht. Dadurch, daß sie die . Statuten der Berge“, des zweiten Grades, in welchen es ausgesprochen ge­ wesen, daß den Anordnungen der Bundesoberen unbedingter Gehorsam zu leisten sei183, zur allgemeinen Kenntnis gebracht, sei es ihnen leicht gelungen, sich viele Anhänger zu verschaffen, und nun sei von ihnen der Bund der Ge­ rechten gestiftet worfden, nachdem man]5 von den Häuptern [des Bundes der]5 Geächteten vier, nämlich den Dr. Schuster, den [älteren]5 Goldschmidt, den Lithographen Muschani und den mehrgenannten Schneider Becker in Verruf erklärt habe. [...] St.A. Hamburg, C 1840, Nr.567, Bd.4.

Auszug. Erstmalig veröffentlichts

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1.

Statuten

des

Bundes der Gerechten191

1838

Statuten des deutschen Bundes der Gerechtigkeit6 Diese unter den Papieren des Ministers von Stein gefundenen Sta­ tuten werden ihrer Vortrefflichkeit wegen zur zweckdienlichen Nach­ ahmung dem Publikum übergeben. Druckerei der deutschen Republik. München im Juli 1838.7 1 In einer anderen Vernehmung erklärte Werner, „die Spaltung des Bundes der Geächteten habe sich im Monat Juli 1837 gebildet*4. Nach dem Bericht des preußischen Bundestagsgesandten vom 27. April 1841 (DZA Merseburg, Rep.77, Tit.509, Nr.47, Bd.3). — 2 Über Werners Eintritt in den Bund der Gerechten und seine weitere Tätigkeit in dieser Organisation vgl. Dokument 9c. - 3 Verhör vom 15. März 1841. Der Schreiner Hoffmann, der bereits 1834 in der Schweiz dem Jungen Deutschland beigetreten war, kam am 12. Oktober 1834 nach Paris, wo er dem Bund der Geächteten und dann dem Bund der Gerechten ange­ hörte, in dem er eine führende Rolle spielte; vgl. Dokument 9a. Er verließ am 14.Oktober 1839 Paris und gründete in Hamburg, wo er 1840 verhaftet wurde, eine Gemeinde des Bundes der Gerechten; vgl. Doku­ ment 11.-4 Vgl. Anhang, Dokument a. - 5 Papier beschädigt. - 6 im ersten Druck: Statuten des Bundes der Gerechten-7 Diese, offenkundig der Tarnung dienende, Vorbemerkung fehlte wahrscheinlich im ersten Druck. Vorbemerkungen ähnlicher Art finden sich auch in anderen Dokumenten jener Zeit, so in den Bergstatuten des Bundes der Geächteten; vgl. Anhang, Dokument a.

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Vorbericht

Die Aufnahme neuer Mitglieder geschieht jedesmal durch eine von . der Gemeinde zu ernennende Kommission von zwei Mitgliedern. Der aufzunehmende Kandidat wird erst, nachdem die Gemeinde über seine Aufnahme beschlossen, gegen Ableistung eines auf Ver­ schwiegenheit gerichteten ehrenwörtlichen Gelöbnisses von dem Be­ stehen und dem Zwecke des Bundes in Kenntnis gesetzt; willigt er in den ihm solchergestalt gemachten Vorschlag ein, so wird er an dem zur Aufnahme festgesetzten Tage in das Sitzungslokal der Kommission eingeführt, dort mit den Statuten und Grundsätzen des Bundes bekannt gemacht und, wenn er einwilligt, beeidigt. - Fordert er Bedenkzeit, so wird er mit der Androhung entlassen, daß ihn die Rache des Bundes unfehlbar erreichen werde, insofern er die angelobte Verschwiegenheit breche. Die Namen: Bund der Gerechtigkeit, Gemeinde, Gau, Volkshalle usw., sowie die Zeichen der Verbindung werden dem Kandidaten erst nach Ableistung des nachstehenden Aufnahme-Gelöbnisses mitgeteilt. Gelöbnis

Ich gelobe bei meiner Ehre Verschwiegenheit über das Bestehen des Bundes und treuen aufopfernden Eifer für seinen erhabenen Zweck; mich treffe Ehrlosigkeit und -1, wenn ich wortbrüchig werde. Abschnitt I

Begriff, Zweck und Einteilung des Bundes2 Art. 1. Der deutsche Bund der Gerechtigkeit3 besteht aus Deutschen; d.h. aus Männern, die der deutschen Sprache und Sitte angehören. Art. 2. Der deutsche Bund der Gerechtigkeit3 ist eine wesentlich ge­ heime Verbindung. Art. 3. Der Zweck des Bundes ist die Befreiung Deutschlands von dem Joche schimpflicher Unterdrückung, Mitwirkung zur Entsklavung der Menschheit und Verwirklichung der in den Menschen- und Bürger­ rechten enthaltenen Grundsätze. Art. 4. Der Bund teilt sich in Gemeinden und Gauen. Art. 5. An der Spitze der Verbindung steht als leitende Behörde die Volkshalle. 1 so in der Vorlage; zu ergänzen: der Tod -2 in der Vorlage nur: B. - 3 in der Vorlage nur: G.

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Abschnitt II Von den Bundesmitgliedern

I

I

Art. 6. Bundesmitglied ist jeder in die Verbindung Aufgenommene, sofern derselbe nicht durch ein rechtskräftiges Strafurteil ausgestoßen ist. Art. 7. Gesetzliche Erfordernisse zur Aufnahme neuer Mitglieder sind: a) Untadelhafter Lebenswandel, Charakterfestigkeit, Mut, Ver­ schwiegenheit, Bereitwilligkeit zu allen notwendigen Opfern; und unablässige, aber vorsichtige Tätigkeit für die Erreichung des Bundeszweckes; b) Anerkennung der Grundsätze der Verbindung; c) Bekannte Existenzmittel; d) Die ehrenwörtliche Versicherung, keiner andern politischen Verbindung anzugehören, und das Versprechen, sich keiner andern anschließen zu wollen ; e) Einstimmige Zulassung in die abstimmende Gemeinde; f) Leistung des vorgeschriebenen Eides; Art.8. Ausstoßung findet statt: a) Bei Verletzung des Geheimnisses der Verbindung. b) Bei fortgesetztem unsittlichem Lebenswandel. c} Bei anhaltender Saumseligkeit in Erfüllung der Verbindungs­ pflichten ; d) Bei hartnäckiger Bekämpfung der Grundsätze der Verbindung oder bei Verleugnung des Verbindungszweckes; und endlich: e) In allen Fällen, wo das Interesse der Volkssache eine solche notwendig macht. Art. 9. Die Ausstoßung kann Ehrlosigkeit nach sich ziehen für den, welchen sie trifft, und schließt anderweitige Strafen nicht aus. Art. 10. Die Strafe der Ausstoßung kann nur verhängt werden, wenn das desfallsige Urteil mit einer Stimmenmehrheit von zwei Dritteilen der Gemeinde, welcher der Angeklagte angehört, gefällt und von dem betreffenden Gaustande bestätigt worden ist. Art. 11. Jedes Mitglied ist verpflichtet, den Bundesgesetzen Gehorsam zu leisten; um aber niemanden zu zwingen, gegen seine Überzeugung und sein Gewissen zu handeln, so kann von dieser Verpflichtung Erlaß erteilt werden, wenn die zu diesem Behufe angegebenen Gründe nach reiflicher Prüfung von der Gemeinde, dem Gaustande und der Volks­ halle als genügend anerkannt worden sind. Art. 12. Unter allen Bundesbrüdem herrscht die vollständigste Gleich­ heit und Brüderlichkeit. Beistand in Gefahr und Not, Unterstützung in 94

jeder Lebenslage, Sorge für die hinterbliebenen Angehörigen seiner Bundesbrüder usw. sind Schuldigkeiten, die jedem Mitgliede gleich­ stehen mit seinen Pflichten für Vaterland und Menschheit. Art. 13. Sämtliche Mitglieder führen Kriegsnamen, die sie sich bei ihrem Eintritte in die Verbindung selbst wählen.

Abschnitt III

Von den Gemeinden

Art. 14. Eine Gemeinde besteht aus wenigstens 5 und höchstens 10 Bürgern. Der Vermehrung über diese Zahl hinaus wird durch Tei­ lung vorgebeugt. Art. 15. Den Gemeinden liegt ganz besonders ob, durch Aufnahme tauglicher Mitglieder die Stärke des Bundes zu vermehren; demselben durch ihr sittliches Betragen einen wirksamen Einfluß auf die Gemüter der Masse zu sichern; ferner durch Wort und Tat den Geist ihrer Mit­ glieder aufzuklären und deren moralische Kraft zu erhöhen: den Haß des Volkes wider die Zwingherrschaft zu nähren und anzufeuern; solche Schriften und Lehren, welche die Vorbereitung und Beschleunigung einer bessern Gestaltung des Schicksals Deutschlands und der Mensch­ heit zum Zwecke haben, nach Kräften zu befördern und zu verbreiten; das Betragen der Männer zu beobachten, die im Rufe des Radikalismus stehen; dahin zu wirken, daß die öffentliche Meinung sich mehr an ge­ rechte Grundsätze anschließe als an Personen und Namen; die Heuch­ ler zu entlarven, die unter dem Scheine der Volksfreundschaft, statt Tugend und Weisheit, nur Knechtschaft und Elend säen, und endlich: stets bereit zu sein zur Verteidigung der Unschuld und des Rechts sowie zur Verfolgung und Ausrottung des Verbrechens. Art. 16. Jede Gemeinde hat einen Vorsteher und einen Beistand, die von ihr gewählt und für ihre Amtsführung verantwortlich sind. Ersterer führt den Vorsitz in den Versammlungen, bestimmt die Tagesordnung, leitet die Reihenfolge der Redenden, wiederholt im Auszuge die Be­ ratungen, ordnet die Abstimmung, eröffnet und schließt die Sitzungen und vertritt die Gemeinde in allen Fällen, wo kein besonderer Vertreter von dieser ernannt ist. Der Beistand verfaßt die nötigen schriftlichen Arbeiten, führt und verliest das Protokoll der Sitzungen, verwaltet die Kasse und sammelt die freiwilligen Beiträge ein. Außerdem ist er be­ auftragt, über die Pflichterfüllung des Vorstehers zu wachen, auch ihn nötigenfalls zu vertreten. Er wird zu diesem Behufe mit einem Mitgliede des Gaustandes bekannt gemacht.

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Art. 17. Jede Gemeinde hat eine Kasse, in welche die freiwilligen Bei­ träge der Mitglieder fließen. Eine jede Gemeinde hat nur das Recht allein, über den Betrag ihrer Kasse zu verfügen. Die Behörden können bloß eine Beisteuer für einen angegebenen Zweck beantragen. Bei Tei­ lung einer Gemeinde wird der vorhandene Kassebestand ebenfalls geteilt. Art. 18. Die Gemeinden sind und bleiben sich gegenseitig unbekannt. Art. 19. Jede Gemeinde führt einen unterscheidenden Namen, den sie sich selbst wählt. Abschnitt IV Von den Gauen

Art.20. Ein Gau umfaßt wenigstens 5 und höchstens 10 Gemeinden. Art. 21. Die Vorsteher sämtlicher Gemeinden des Gaues bilden den Gaustand. Art.22. Es ist Pflicht der Gaustände: die Bundesgesetze im ganzen Gau zu vollstrecken; über die Sicherheit der ihrer Leitung anvertrauten Gemeinden zu wachen; die Angelegenheiten und Beschlüsse derselben zu ordnen; ihnen die Mittel zu zweckmäßiger Beschäftigung in ihren Versammlungen an die Hand zu geben sowie überhaupt alles zu tun, was geeignet ist, deren Fortschreiten und Gedeihen zu fördern und den großen Augenblick der Befreiung herbeizuführen. Art. 23. Den Gauständen des Ortes, wo die Volkshalle ihren Sitz hat, liegt noch außerdem ob, letztere durch eine von ihnen zu ernennende Kommission zu kontrollieren. Sie sind dem Bunde für die Handlungen der Volkshalle wie für ihre eigne Amtsführung verantwortlich. Abschnitt V Von der Volkshalle

Art. 24. Sie ist die Zentralbehörde des Bundes. Sie besteht aus wenig­ stens 5 Mitgliedern. Diese Zahl wird nach Verhältnis der Ausdehnung der Verbindung erhöht. Art. 25. Sie wird von den Gauständen des Ortes, wo sie ihren Sitz hat, gewählt. Art. 26. Jeder Gau wählt, wenn deren nur 2 sind, zwei Mitglieder und wenn deren 3 oder mehr sind nur ein Mitglied - zur Volkshalle. Art. 27. Die zu derselben gewählten Mitglieder haben das Recht, sich noch 1 oder 2 Mitglieder aus der Verbindung nach eigner Wahl zu­ zugesellen. 96

Art. 28. Jedes Mitglied der Volkshalle ist nur seinen Wählern be­ kannt. Art. 29. Als Vermittlung zwischen der Volkshalle und den auswärti­ gen Bundesgliedern ist eine aus drei Personen bestehende und für immer gewählte Kommission eingesetzt, deren Geschäft es ist, die Briefe, Auf­ träge usw., die von auswärtigen Mitgliedern an den Bund eingehen, an die Volkshalle, und deren Antwort an die betreffenden Stellen zurück­ zubesorgen. Diese Kommission hat ihren festen Sitz nahe dem Aufent­ haltsorte der Volkshalle und ist nur zwei Mitgliedern derselben bekannt. Art. 30. Die Volkshalle ist verpflichtet, die Gesetze des Bundes in der ganzen Ausdehnung desselben zu vollstrecken oder vollstrecken zu lassen; über dessen Gedeihen und Sicherheit zu wachen; jede sich dar­ bietende Gelegenheit zu benützen, die Verbindung-nicht nur über ganz Deutschland, sondern über alle Länder, wo sich Deutsche befinden, auszudehnen; und endlich jedes geeignete Mittel anzuwenden, den Bund seinem erhabenen.Ziele näherzuführen. Art. 31. Die Volkshalle ist den Gauständen mit ihrem Leben und ihrer Ehre für die Erfüllung ihrer ernsten Pflichten- verantwortlich.

Abschnitt VI

Von der Gesetzgebung Art. 32. Jedes Bundesmitglied hat das Recht, Gesetzesvorschläge zu machen. Art. 33. Jeder Gesetzesvorschlag wird von der Volkshalle den Gau­ ständen mitgeteilt, welche ihn, mit ihrem Gutachten begleitet, den Ge­ meinden vorlegen. Diese prüfen ihn und stimmen darüber ab. Das Er­ gebnis der Abstimmung wird von ihnen an die Gaustände und von diesen an die Volkshalle zurückberichtet. Die Mehrzahl der Gemeinden entscheidet für den Gau, und die Mehrzahl der Gaue für den Bund. Bei Stimmengleichheit der Gemeinden entscheidet der Gau und bei Stimmengleichheit der Gaustände die Volkshalle. Art. 34. In Fällen, wo Zeit und Umstände es durchaus unmöglich machen, die im vorhergehenden Artikel festgesetzten Bestimmungen bei der Gesetzgebung zu befolgen, steht der Volkshalle das Recht zu, gesetzliche Verordnungen nach ihrer Überzeugung und unter ihrer Verantwortlichkeit zu erlassen. Art. 35. Vorschläge, die Veränderungen in den Statuten bezwecken, können nur in den ersten 14 Tagen jedes Vierteljahres gemacht wer­ den. 7

Bund

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I Abschnitt VII Allgemeine Bestimmungen Art. 36. Alle Behörden der Verbindung sind nur auf ein Jahr gewählt, und die Erneuerung der Wahlen geschieht jedes Jahr im Monat Mai. Außerdem haben die Wähler das Recht, ihren Gewählten zu jeder Zeit zu­ rückzuberufen, wenn er dem in ihn gesetzten Vertrauen nicht entspricht. Art. 37. Die Verbindung hat Erkennungszeichen, welche von der Volkshalle erlassen werden. DZA Merseburg, Rep.77, Tit.509, Nr.47, Bd.2 (Abschrift).

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Entwurf eines Aufsatzes von Karl Schapper über die Gütergemeinschaft1101 1838 Gütergemeinschaft1

Immer näher rückt der große Zeitpunkt heran, wo die beiden Prin­ zipien, die sich heute so schroff gegeneinanderüberstehen, nämlich das aristokratische und demokratische, gegeneinanderüber auf den Kampf­ platz treten werden. Ein Kampf wird entstehen auf Tod und Leben, und er wird sich nur endigen mit der gänzlichen Vernichtung der einen Partei. Frei. und glücklich wird entweder dann die Menschheit werden, dastehen mit freudigem Gefühl ihrer Menschenwürde, und alle Men­ schen werden sich als Brüder und Kinder eines Vaters erkennen und lieben; oder - furchtbarer Gedanke - es wird nur Herren und Sklaven geben, und die Knute wird den letzten Seufzer desjenigen zum Schwei­ gen bringen, der dann noch zu denken wagt, daß er auch Rechte haben 1 Die Fußnoten sind ebenso wie die Ergänzungen, die hier in eckigen Klammem stehen, vom Erst­ abdruck bei W. Schiedet übernommen, der zu der Textvorlage bemerkt: „Es sind zwei Fassungen von Schappers Manuskript erhalten. Wir bezeichnen sie mit Fassung A und Fassung B. Der Vergleich von A mit B ergibt, daß B eine verbesserte und erweiterte Reinschrift von A darstellt. (In B finden sich ganz im Gegensatz zu A nur noch an wenigen Stellen Streichungen und nachträgliche Einschübe. Außerdem ent­ hält B mehrere Wortauslassungen, bei denen es sich ganz offensichtlich um Abschreibefehler handelt.) Im folgenden wird der Text von B (AN P, CC 739, dossier 182, sous-dossier 22, scellö 2, piiee 25) unge­ kürzt veröffentlicht. An Stellen, wo der Text von A (AN P, CC 739, dossier 182, sous-dossier 23, piiee 6, und Fortsetzung sous-dossier 22, scel!6 1, piiee 5) jedoch erheblich von B abweicht, werden die ent­ sprechenden Passagen als Anmerkungen mit veröffentlicht. Konjekturen, die den Wortlaut des Textes be­ treffen, werden kenntlich gemacht; die Interpunktion wird ohne weiteres verbessert.“

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könne. Es ist nun unsere heiligste Pflicht1, uns, die wir uns Glieder des Bundes der Gerechtigkeit nennen, vorzubereiten zum großen Auf­ erstehungstage der Völker, damit er uns nicht überrasche, und damit wir wissen, wie wir anders und besser aufbauen, was wir zusammen­ reißen. Möge man nicht glauben, daß wir den Fehler machen sollen, in den so viele unserer Patrioten verfallen sind, die sich mit den Einrichtungen einer künftigen Republik beschäftigen, ohne etwas für die Hervorrufung einer Revolution zu tun -, nein, ich glaube fest, wir ziehen den Kampf allen Plänen vor, und unser Ort wird sein mit der Waffe dem Feinde gegenüber.2 Aber es ist auch unumgänglich, notwendig, daß wir in unseren Grundsätzen klar und fest werden, daß wir wissen, was wir wollen, damit nicht nach beendigtem Kampfe, wenn unser Blut für die Freiheit und Vaterland geflossen ist, Wölfe in Schafspelzen aus ihren Winkeln hervorkriechen, wo sie sich verborgen hielten, während die Sturmglocken ertönten, und mit heuchlerischen und gleisnerischen Worten das Volk um sein teuer erkauftes Recht betrügen, damit wir nicht aus dem Despotendienst in den der Geld- und Geistesaristokraten übergehen, die ebenso schlimm sind als erstere. Denn der reiche Egoist schätzt nur den Menschen nach seinem Vermögen, gebraucht und schindet die arbeitenden Klassen in seinem Dienst, bis sie vor der Zeit altem und ihre Kräfte verschwinden, schickt sie dann weg und läßt sie fühllos vor Hunger und vor Kummer umkommen, wenn nur sein Geld­ beutel nicht darunter leidet.3 Die Geistesaristokraten möchten zwar den Druck, der über ihnen ist und sie in ihren Wissenschaften hindert, auf­ heben, denken aber nicht an das Volk und glauben mit ihrem von Bücherweisheit überfüllten Gehirne besser zu sein als andere Menschen und dazu gemacht, an der Stelle der Despoten der Menschheit Gesetze zu geben und sie zu beherrschen. Sie wünschen nicht, daß das Volk sich ganz ausbilde, sie wollen nicht auch arbeiten, sondern bloß das Volk es lassen, damit sie allein die Klügeren bleiben und das Volk desto besser am Gängelband führen können.4 Die Geldaristokraten finden wir über­ all, und wir Arbeiter sehen sie täglich in unseren reichen Meistern und 1 „Pflicht“ in B ausgelassen. -2 A: „Möge man nicht glauben, daß ich auch den Fehler an mir habe, in den so viele unserer Patrioten verfallen sind, die sich mit Staatsverfassungen, Kriminal-, Zivil- und Erb­ schaftsrechten für die künftige Republik beschäftigen, ohne nur etwas für die Hervorrufung einer Revolu­ tion zu tun. Nein, ich ziehe den Kampf allen Plänen vor, und meine Art ist und wird es sein, das Gewehr • in der Hand auf dem Kampfplatze.“ - 3 A: „Denn der reiche Egoist gebraucht und schindet die Menschheit, bis ihre Kräfte verschwunden sind, dann schickt er sie weg und sieht sie fühllos auf der Straße verhungern und erfrieren, wenn nur sein Geldbeutel nicht leidet, während unter der Despotie doch der Herr noch seine Sklaven ernähren muß.“ - 4 A: „Die Geistesaristokraten sind fast ebenso schlimm als die ersteren; denn diese mit ihrer großen Bücherweisheit dünken sich besser als die andern Menschen und gönnen dem Volk nicht, daß es sich auch ausbilde, damit sie allein mit mächtigem Wissen dastehen können und dem Volke glauben machen, als hätten sic den Stein der Weisen im Besitz, und die das Volk nur dann für brauchbar halten, wenn es ihnen neuen StoiT für Geschichte und sonstige Wissenschaften gibt.“

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Fabrikherren, und die Geistesaristokraten haben wir zur Genüge kennengelemt, als sie schrien und schrieben in Deutschland, da man glaubte, der Kampf werde losbrechen, um sich einen Namen zu machen, die aber schnell schwiegen und sich als gehorsame Diener bezeugten, sobald nur einige drohende bundestagliche Ordonnanzen erschienen.1 Glaube man daher ja nicht, daß wir allein mit den Fürsten zu kämp­ fen hätten; nein, noch ein viel härterer Kampf wird uns mit oben­ genannten Geld- und Geistesaristokraten werden, um so gefährlicher, da diese Menschen uns nicht mit den Waffen in der Hand entgegen­ treten, sondern durch Bestechung und List uns unsere blutig erkaufte Freiheit und unser Recht zu entreißen suchen werden. Daher müssen wir uns auf den Kampf mit diesen Menschen gefaßt machen, unsere Grundsätze, wonach wir überzeugt sind, das Glück der Menschheit zu befördern, feststellen - und dann an dem großen Werke aufbauen, ohne weder rechts noch links abzuweichen und ohne uns durch das Geschrei und die Lockungen dieser Menschen stören zu lassen. Ich will nun meine Grundsätze, wonach ich glaube, daß das Glück der Menschheit am leichtesten und sichersten zustande kommen wird, auseinandersetzen, die ich für wahr erkannt habe und die ich im großen Kampfe bis zu meinem letzten Atemzuge verteidigen werde.2 Meine feste und innige Überzeugung nämlich ist, daß nur dann die Menschheit wirklich frei und glücklich wird, wenn alle Menschen, nach Völkern, in einem Staatsverbande leben, wo alle völlig gleiche Rechte an den Gütern der Erde und deren Genuß besitzen und wo alle gleich­ mäßig auf irgendeine Weise an deren Hervorbringung oder Erhaltung zum gemeinschaftlichen Wohle aller arbeiten, wenn also Gütergemein­ schaft besteht.3 Dadurch nur kann die Selbstsucht, die ärgste Feindin der Freiheit, vernichtet werden, alle Menschen werden sich als Glieder einer großen Familie betrachten und gegenseitig ihr Wohlsein zu be­ fördern suchen. Gütergemeinschaft ist die erste und notwendigste Bedingung einer freien demokratischen Republik, und ohne diese ist sie weder denkbar 1 A: „Das Beispiel der Geldaristokraten haben wir bei den republikanischen Amerikanern mit ihren Sklaven, und die Geistesaristokratensehen wir bei unsem Gelehrten in Deutschland.“ - 2 A: „Ich will nun versuchen, meine Grundsätze kurz zu entwickeln, wonach ich glaube, daß das Glück der Menschheit am leichtesten und sichersten zustande gebracht wird; und wird einer überzeugt von deren Wahrheit, so würde ich mein Streben für belohnt halten...** — 3 A: „Meine feste und innige Überzeugung ist, daß nur dann die Menschheit wirklich frei und glücklich werden kann, wenn wir mit unserer jetzigen Bildung in den Naturzustand wieder eintreten, das heißt, wenn wir alle völlig gleiche Rechte an den Gütern der Erde und deren Genuß besitzen, wenn alle Menschen an deren Hervorbringung auf irgendeine Weise arbeiteten zum gemeinschaftlichen Nutzen aller Menschen, wenn einer für alle und alle für einen stehen, wenn der­ jenige, dem die Natur mehr Gaben gegeben hat, diese anwendet für das Wohl seiner Brüder, die ja auch arbeiten und die auch Dinge produzieren, die zum Leben notwendig sind, wenn wir also Gütergemein­ schaft besitzen.“

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noch möglich.1 Wollte man persönliches Vermögen beibehalten, so würden schon durch die jetzige so sehr ungleiche Verteilung der Güter die Armen ganz und gar von den Reichen abhängig bleiben, und dann, da die Gesetze diesen in einer aristokratischen Republik mehr Freiheit gestatten als jetzt, und sie dieselbige vermöge ihres Reichtums fast nur allein durch Handel und Gewerbe sich zu Nutze machen können und immer mehr gewinnen, so wird das Volk zuletzt bloß als Arbeiter leben und der Sklave seiner reichen Herren werden müssen. Wollte man auch durch progressive Steuer oder anderes Erbschafts­ gesetz dem allzugroßen Vermögen vorbeugen, so werden doch die Selbstsüchtigen durch List und Betrug sich immer ein viel bedeutenderes Vermögen erwerben können, weit besser zu leben und weniger Arbeit zu verrichten haben und über kurz oder lang aus ihrer Mitte einen Des­ poten erzeugen, der die Menschheit auf den Punktzurückbringen würde, an dem sie heute steht. Um das Übel auszurotten, muß man es an der Wurzel vertilgen und nicht abschneiden, denn sonst wächst es schnell wieder empor. Alle müssen gleichmäßig arbeiten, alle aber auch gleiche Rechte zum Genuß der erzeugten Güter haben; denn arbeite und betreibe einer ein Geschäft, -das zum Leben notwendige Güter hervorbringt oder erhält, so ist er für das allgemeine Wohl notwendig. Das menschliche Leben ist wie ein Uhrwerk, fehlt auch nur das kleinste Rädchen, so steht es still. Ebenso würde das kleinste Geschäft unbetrieben gelassen, so würden wir notleiden, und es könnte kein wirkliches Wohlsein statt­ finden. Da nun alle hervorbringenden und erhaltenden Geschäfte dem menschlichen Leben gleich notwendig und unentbehrlich sind, so sollen auch alle, die solche Geschäfte betreiben, gleiche Rechte am Genuß haben. Man müßte ja unsinnig sein, wenn man behaupten wolle, weil ich dieses oder jenes tue, will ich mich besser kleiden, besser leben und mehr haben als ihr anderen. Aber arbeiten müssen alle, denn „arbeite und genieße'1 sei unser Wahlspruch, Müßiggänger wollen wir nicht. Der Feind der Menschheit erfand das persönliche Vermögen und aus Metallen Geld, und die Selbstsucht und der Neid spornten die Menschen an, und einer wollte mehr haben und, genießen wie der andere, der Stärkere unterdrückte die Schwächeren, raubte ihm das Seinige2, zwang und beredete sie, ihm wieder andere unterdrücken zu helfen. Und die, welche viele unterdrückt hatten, nannten sich Könige, und mit ihnen verschwand Recht, Freiheit und Gleichheit von der Erde, 1 A: „Wenn wir eine wahre und freie Republik gründen wollen, so ist Gütergemeinschaft die erste und wichtigste Bedingung, denn ohne diese ist keine Gleichheit und wirkliche Freiheit weder denkbar noch möglich.“ - 2 so in der Vorlage

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und der Genius der Menschheit verhüllte weinend sein Angesicht. Von dieser Zeit an mordete der Bruder den Bruder, ein Volk verdrängte und bekriegte das andere, nur um mehr zu besitzen, mehr zu genießen und weniger zu arbeiten auf Unkosten seiner Mitmenschen.1 Und die Könige stellten das Interesse eines jeden dem des anderen feindlich gegenüber, denn, so sagten sie, sie bekämpfen sich gegenseitig und bleiben uns zur Beute. Es gelang ihnen der teuflische Plan nur zu gut; aber die Prüfungs­ stunde geht vorüber2, die Morgenröte der Freiheit bricht heran, die Menschen werden sich wieder als Brüder erkennen und lieben und die Tyrannen wieder in das Nichts zurückkehren. Nur mutig vorwärts ihr Männer, die ihr für Freiheit glüht, unsere gute Sache gelingt, denn täglich treten neue Kämpfer unter die Fahnen, bereit, den Kampf für das Recht zu bestehen. Und wer könnte noch zweifeln an der Möglichkeit der Erringung der Gütergemeinschaft, die mit dem Entstehen der Fürsten zugrunde ging, wenn er sieht, wie die Zahl ihrer Anhänger in den letzten Jahren gewachsen ist. Wie alles wahrhaft Gute findet sie schnell bei dem Volke Eingang, und gewiß ist ihre Entstehung nicht so entfernt, wie viele glauben und ihre Feinde wünschen, denn in England fängt man wirklich schon an, ihre Grund­ sätze zu verwirklichen, wo Vereine bestehen, die in ganz kurzer Zeit in einen Verband treten werden mit völliger Gütergemeinschaft, und wo Männer mit unter sind, die fast ihr ganzes Leben sich mit ihren Grundsätzen beschäftigten und bedeutende Opfer für deren Einführung brachten.3 Diese Vereine zeichnen sich durch Fleiß, Ordnung, Nächstenliebe und Mäßigkeit aus und sind gleichsam die Schule für die Güter­ gemeinschaft. Von Seiten der Volksfeinde werden diesen Vereinen alle nur möglichen Hindernisse in den Weg gelegt, und niemand, der in einem solchen sich befindet, erhält bei ihnen weder Fürsprache noch nicht einmal Zutritt, und doch machen sie die größten Fortschritte, besonders unter den arbeitenden Klassen. Die Feinde der Gütergemeinschaft sehen sehr wohl ein, daß, ist ein-

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1 A: „Der Menschenfeind erfand das Vermögen und aus Metallen Geld, und der Bruder wollte mehr haben wie die anderen Brüder, der Stärkere unterdrückte den Schwächeren, raubte ihm sein Teil, und er mußte ihm wieder helfen, andere unterdrücken und berauben. Und die sehr viele unterdrückt hatten, nannten sich Könige, und mit ihnen verschwand das Recht, Freiheit und Gleichheit von der Erde, und der Genius der Menschheit verhüllte weinend sein Angesicht. Von dieser Zeit an mordete der Sohn den Vater, der Bruder die Brüder, ein Volk das andere, nur um mehr Geld, um mehr Land zu besitzen, um weniger arbeiten zu müssen und desto mehr andere für sich arbeiten zu lassen.“ - 2 A: „Aber nur ge­ trost, ihr Männer des Fortschrittes...“ - 3 A: „In England fängt man schon an, sie zu verwirklichen, und Vereine bestehen, die in kurzer Zeit ins Leben treten werden, mit völliger Gütergemeinschaft, geleitet von Männern, die sich ihr ganzes Leben mit ihr beschäftigt und die selbst ihr nicht unbedeutendes Ver­ mögen hinzugegeben haben.“

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mal der Anfang gemacht und die Menschen sehen ihre so großen Vor­ teile vor Augen, bald alle sich dafür erklären werden und dann ihre . Herrschaft vernichtet ist. Jeder wird gewiß vorziehen, in einem Ver­ bände zu leben, wo alle ai beiten, aber weniger als jetzt und mehr ge­ nießen, als für die Vergrößerung des Vermögens reicher Müßiggänger zu arbeiten und dabei kaum das Leben zu fristen. Wäre Gütergemein­ schaft nicht möglich, so würden ihre Feinde nicht so gegen sie wirken, sondern den Bemühungen der Männer, die dahin arbeiten, ruhig zu­ sehen und [sie] verspotten. Nur gegen einen mächtigen Feind sucht man ein Mittel auf, ihn zu bekämpfen, einen unmächtigen verspottet man. Warum verbot die französische Regierung den Verein der Schneider, die in einem Verband mit Gütergemeinschaft leben wollten? Weil sie fürchteten, alle möchten bald den Vorteil eines solchen Verbandes ein­ sehen und dann ihre Macht aus sein. Warum stellte man Preise für die Widerlegung des St.-Simonismus in Deutschland auf und verfolgte seine Anhänger? Weil man darin Güter­ gemeinschaft predigte und die Regierungen fürchteten, daß die Deut­ schen deren Nutzen einsehen und dann nicht mehr für die Schwelgerei der Fürsten und ihrer Hofleute, sondern für ihr eigenes Wohlsein arbeiten würden. Aber verbietet nur immer ihr Unterdrücker, das Gute und die Wahr­ heit wird siegen und Gütergemeinschaft mit einer demokratischen Republik erstehen, da es zum Vorteil des bei weitem größten Teils der Menschen ist, die daher den Nutzen um so leichter einsehen werden1. Es ist nur durchaus falsch, wenn man behauptet, Gütergemeinschaft sei gut, aber vorderhand nicht möglich, da die Völker noch nicht reif dazu seien. Die Menschen und Völker sind immer reif, um ihren Vorteil einzusehen, wenn man sich nur Mühe geben will, ihnen denselben klar­ zumachen. Daß die Menschen reif sind, sieht man an den großen Fort­ schritten, die diese Ideen in Deutschland, England und Frankreich be­ sonders unter den arbeitenden Klassen gemacht haben, Ideen, an die man vor 6 Jahren kaum dachte.2 Nur die Reichen und besoldeten Klassen verlieren, indem sie bei einem solchen Zustande ebenfalls arbeiten müßten, um zu genießen; 1 in der Vorlage: wird - 2 A: „Es ist daher der Grundsatz durchaus falsch, wenn man behauptet, Gütergemeinschaft sei gut, aber vorderhand nicht möglich, die Menschheit sei noch nicht reif. Ja wahr­ lich, von selbst wird sie nie reif und Gütergemeinschaft nie kommen, sondern bloß durch eifriges Werben und Aufklärung der Menschheit; denn ohije Arbeit kein Lohn, ohne Mühe kein Genuß. Und die Mensch­ heit ist jetzt schon hinlänglich reif, um mit den Grundsätzen der Gütergemeinschaft hervorzutreten; denn jeder Mensch, auch der schlechteste Mensch, wird, sobald er diese Grundsätze kennt, in deren Bestehen seinen Vorteil sehen und ihr anhängen; und wir sehen das größte Beispiel an den Fortschritten, die sic in Deutschland, Frankreich, England unter den arbeitenden Klassen machte.“

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deswegen wirken sie aus allen Kräften dagegen und haben den Vorteil für sich, daß sie vermöge ihres Reichtums und ihrer Stellen einen großen Einfluß ausüben. Aber ebendeshalb, weil der Gütergemeinschaft so große Hindernisse in den Weg gelegt werden, ist es auch unsere größte Pflicht, die wir ihr Gutes einsehen, mit um so größerem Eifer an deren Zustandebringung zu arbeiten und uns durch nichts von unserem Streben abbringen zu lassen. Wollen wir nicht dafür arbeiten, so werden wir ihre Früchte nicht ernten. Ich will z. B. annehmen, es seien zwei Orte durch einen großen Berg getrennt, der, wenn er durchgraben würde, beide in Verbindung brächte und ihren Wohlstand beförderte - alle halten es für gut, aber der großen Arbeit halber für unmöglich. Einige aber lassen sich davon nicht ab­ schrecken, fangen mutig die Arbeit an, suchen andere noch an sich zu ziehen und überzeugen durch die Fortschritte ihrer Bemühungen end­ lich die Menge von der Möglichkeit, die ihnen dann beisteht und leicht das große Werk vollenden hilft, wodurch das Glück aller befördert wird. Die Orte sind die Menschen, getrennt durch den ungeheuren Berg der Selbstsucht und der Laster; viele sehen ein, daß, wenn er durch­ graben würde, die Menschheit glücklich wäre, schrecken aber zurück vor der Größe der Arbeit. Wir aber, Brüder des Bundes, die wir schon mit entschlossenem Mute unser Streben der Freiheit geweiht haben, müs­ sen anfangen und fortfahren, eifrig in dieser Sache zu wirken, wodurch nur allein wirkliche Freiheit und Gleichheit zustande gebracht wird.1 Fragen wir, wer dafür und dagegen stimmen wird, sobald in einer Revolution Gütergemeinschaft öffentlich vorkommt und zu deren Aus­ führung geschritten werden soll, so wird jeder überzeugt sein, daß dafür stimmen alle, die gewinnen bei deren Einführung, wenn sie davon überzeugt worden sind, mithin die ackerbauenden und gewerbetreiben­ den Klassen, die etwa neun Zehntel der Bevölkerung ausmachen.2 Dagegen stimmen alle Verlierenden, mit Ausnahme weniger, die ihr persönliches Interesse dem der ganzen Menschheit aufzuopfern Edelmut genug besitzen, dagegen stimmen also die Fürsten mit ihren Hof­ schranzen, die Beamtenklassen, Rentiers und reichen Fabrikbesitzer, die ein Zehntel der Bevölkerung ausmachen.3 Unsere Leute, bei denen wir wirken müssen, sind die Gewinnenden, d.h. bei dem Volke, dem noch fehlerfreisten, stärksten und mit dem 1 A: „Ihr nun Mitglieder des Bundes, die ihr schon mit entschlossenem Mute euer Streben der guten Sache geweiht habt, sollt anfangen und fortfahren zu arbeiten andern großen Werk, immer neue Mitarbeiter zu gewinnen suchen, und ihr könnt dann, je eifriger ihr arbeitet um so eher, selbst, Ja ihr selbst, noch die Früchte eurer Arbeit genießen.“ - 2 A: „Die Gewinnenden sind aber der Stand der Landleute, die Hand­ werker und der Mittelstand der Bürger in den Städten - mithin die bei weitem größte Anzahl des Volkes.“ 3 A: „Die Verlierenden sind die Fürsten und ihre Höfe, die reich besoldeten Zivil- und Militärbeamten, die Rentiers und die großen Fabrikherren, mithin die schwächste Anzahl der Bevölkerung.“

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gesündesten Verstände begabten Teile der Menschheit. Sehen diese den Vorteil der Gütergemeinschaft ein, und es wird gewiß leicht werden, wenn die Patrioten mit Eifer arbeiten, so wird sie leicht und ohne Wider­ stand eingeführt werden und der letzte Zehntteil auswandern oder mit­ arbeiten müssen, um nicht zu verhungern, wenn er nämlich so glücklich gewesen ist, in der Revolution der Rache des Volkes zu entgehen. Mit den Verlierenden haben wir nichts zu schaffen, diese kalten Selbstsüchtigen zu überzeugen und dafür zu stimmen, wäre keinem Gotte möglich, d.h. in Frieden und mit Worten; und unser erster Republikaner und hohes Vorbild derer, die durch Gütergemeinschaft das Glück der Menschheit befördern wollen - Christus sagt schon1, als einst ein Reicher, der ein Anhänger von ihm war, sagte: „Herr, ich habe alle deine Gebote befolgt, was muß ich noch tun, um dir ganz anzugehören“ und [auf] die Erwiderung: „Verkaufe dein Gut, gebe den Erlös den Armen und folge mir nach“ sich traurig umwandte und davon­ schlich-, Christus sagte da, ihm nachdeutend, zu seinen Jüngern, seht, da geht er hin, alles konnte er tun, aber von seinem Mammon trennen, war ihm zu schwer; wahrlich, ehe wird ein Kamel durch ein Nadelöhr gehen als ein Reicher ins Himmelreich, d.h., ehe wird das Unmögliche möglich werden, als daß ein Reicher freiwillig seinem Reichtum ent­ sagt und zu unserem Bruderreich tritt. Liest man die Bibel mit Aufmerksamkeit, so findet man, daß Christus nichts anderes wollte als ein großes Bruderreich gründen, und deswegen in dem Volke seine Anhänger suchte, da die Reichen und Gelehrten natürlich nicht dafür waren.2 Dieses beweist sein Gleichnis von der Hochzeit des reichen Mannes. Dieser lud seine Freunde ein, und darun­ ter versteht er solche, die das Gute seiner Grundsätze einsahen und verstanden, diese kamen aber nicht, sondern gingen anderen Geschäf­ ten nach3, zogen in ihrer Selbstsucht ihr Interesse dem der Menschheit vor. Da sandten seine Diener unter das Volk, und alle Tische wurden voll von Gästen mit hochzeitlichen Kleidern, mit Leuten von reinem Sinn und entschlossenem Mute für die gute Sache, der aber mit un­ hochzeitlichem Kleid, der die Sache mit unlauterem Sinn zu seinem persönlichen Vorteil benutzen wollte, wurde herausgeworfen. Aus Christi Lehren können wir am meisten für unsere Grundsätze schöpfen und am besten mit auf das Volk wirken, das ihn mit Recht für seinen Heiland hält, aber durch die Ränke der Pfaffen in einem anderen Sinn, als er es wollte. Er sah es wohl ein, daß man alle mög1 A: „... und unser erster Republikaner und eifriger Verteidiger der Gütergemeinschaft Christus...** 2 A: „Christus hatte ganz unsere Grundsätze und sah wohl auch ein, daß nur bei dem Volke zu werben sei; drum sagte er seinen Anhängern: gehet hin in alle Welt und prediget allen Völkern, und sein Aufent­ halt war immer bei dem Volk.“ - 3 A: „Seine Freunde, die er zur Hochzeit, das heißt zur Befreiung der Menschheit einlud, kamen nicht, sondern hatten andere Geschäfte.“

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liehen Schliche verwenden würde, um seine herrliche Lehre, die zu gut war, um vernichtet zu werden, zu verdrehen; darum warnte er auch seine Anhänger vor den Wölfen in Schafspelzen, die nach ihm kommen und seine Lehre zu verfälschen suchen würden. Wir nun, die wir uns durch seine Grundsätze, die auch die unsrigen sind, zu seinen Jüngern bekennen, wollen dann hingehen in alle Welt und zu allen Völkern und das Bruderreich predigen und mit der Kraft unseres Armes errichten helfen, zu dem er durch seine Lehren den Grund gelegt hat.1 Ist eine große geistige Vorbildung für die Einführung der Güter­ gemeinschaft notwendig? Wo Treue, Redlichkeit und Bruderliebe herrschte, wäre nicht einmal eine große geistige Vorbildung notwendig; schlichter und redlicher Sinn ist das einzige Notwendige für die Einrichtung dieses Systems, und die Bildung würde sich dann stufenweise weit schneller entwickeln und weniger den Verwerfnissen unterworfen sein als jetzt. Da aber leider die menschliche Gesellschaft jetzt tief gesunken ist, so ist eine gewisse geistige Vorbildung, eine moralische Kraft notwendig, nicht um sie auf­ zurichten, sondern um sie festzuhalten. Alle haben wir jetzt mehr oder weniger von den verderbten Sitten des jetzigen sozialen Lebens angenommen und sind nicht mehr fähig, irgendeinen Gütergemeinschaftsverband zu errichten, sondern wirmüssen dazu erst unsere Nachkommen anführen mit Wort und Bei­ spiel, und dazu gehört allerdings Bildung und moralische Kraft, die ihre Leidenschaften und Mängel dem allgemeinen Wohl unterordnen muß. Doch wird gerade die Dauer der Revolution die Bildung und mo­ ralische Kraft außerordentlich heben, und dann nach Beendigung und noch in derselben, die Männer, die ihre Entstehung befördert haben, hinlänglich genug Bildung und moralische Kraft besitzen, um dieselbe fest zu gründen, um ihrem Nutzen für das Volk der Menschheit dar­ zutun. Ist es für die Freunde derselben gut, beim Beginnen einer Revolution gleich für dieselbe aufzutreten? 5!

[Fragment der Disposition des Aufsatzes]2 5. Ist eine große geistige Vorbildung für die Einführung der Güter­ gemeinschaft notwendig? 6. Ist es für die Freunde derselben gut getan, beim Beginnen einer Revolution gleich dafür aufzutreten? 1 A: „Doch getrost, das Licht bricht durch, und das Bruderreich, zu dem er den Grund gelegt hat, wird erstehen.“ - 2 Die folgenden Fragen stehen auf einem besonderen Zettel und stellen offenkundig den Plan für die nicht erfolgte weitere Ausarbeitung des Aufsatzes dar.

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7. Sollen wir, wenn im Anfänge das Glück unseren Waffen günstig ist, dieselbe überall mit Gewalt einführen? 8. Unter welchen Staatsbürgern muß sie zuerst eingeführt werden, wenn ihr der Sieg [für]1 die Zukunft gesichert werden soll? 9. Welche Klassen von Arbeitern sind die unentbehrlichsten? 10. Welche sind entbehrlich? 11. Welche sind unnütz oder schädlich? 12. Kann es bei der Gütergemeinschaft Privateigentum geben? 13. Werden Künste und Wissenschaften dadurch gedeihen oder in Ver­ fall geraten? 14. Welche Bürger können bei der Verteilung der Arbeit und des Lebens­ genusses begünstigt werden? 15. Welche Glieder können auf einigeZeit von den Wohltaten der Güter­ gemeinschaft ausgeschlossen werden? 16. Welche Lasten werden alsdann aus der Gesellschaft verschwinden? 17. Welche Art der Verteilung der gemeinschaftlichen Arbeit ist der persönlichen Freiheit am geeignetsten? 18. Auf welche Art wird man die gleiche Verteilung der Nahrungsmittel und überhaupt aller Bedürfnisse bewerkstelligen? 19. Werden alle Leute, die nicht mehr arbeiten können, vom Staat er­ halten? 20. Haben der geschickte und der ungeschickte Arbeiter gleichen Genuß? 21. Welcher Lohn gebührt dem Fleißigen und Geschickten? Wolfgang Schiedcr: Anfänge der deutschen Arbeiterbewegung, Stuttgart 1963, S. 319-327.

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Wilhelm Weitling über Abfassung und Druck von „Die Menschheit, wie sie ist und wie sie sein sollte“

1838 [...] Im Jahre 1838 wurde mir in Paris von der Zentralbehörde unserer Ver­ bindung, der ich seit kurzem mit angehörte, der Auftrag: die Möglichkeit der Gütergemeinschaft durch eine Schrift zu veranschaulichen, weil die Mit­ glieder eine solche Schrift verlangten. Ich hatte einen Mitbewerber, aber die Mitglieder der Zentralbehörde entschieden sich einstimmig für meine Schrift: „Die Menschheit, wie sie ist und [wie sie] sein sollte.“ Sie wurde in 2000 Ex. 1 Ergänzt von anderer Hand.

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g edruckt, natürlich wurde mir für das Manuskript nichts bezahlt. Ich verfaßte diese Schrift zu einer Zeit, in welcher ich jeden Abend bis 10 und 11 Uhr und jeden Sonntag bis 12 Uhr nachmittags als Schneidergeselle arbeiten mußte. [...] [Wilhelm Weitling:] Übersicht der Erfolge einer zwölfjährigen Propaganda mit Bezug auf die Geldpunkte. In: Republik der Arbeiter (New York) 1851, Nr. 14, S.108.

Auszug.

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Aus „Die Menschheit,

wie sie ist

UND WIE SIE SEIN SOLLTE“ VON WILHELM WEITLING1113

1838 Die Namen Republik und Konstitution, So schön sie sind, genügen nicht allein, Das arme Volk hat nichts im Magen, Nichts auf dem Leib und muß sich immer plagen; Drum muß die nächste Revolution, Soll sie verbessern, eine soziale sein.

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[...] Ihr arbeitet früh und spät, ein gesegnetes Jahr folgt dem andern, alle Magazine sind vollgespeichert mit den Gütern, die ihr dem Boden abgewonnen habt; und doch entbehren die meisten von euch der für Nahrung, Wohnung und Kleidung notwendigsten Gegenstände, doch wird gerade denen von den Gütern der Erde am kärgsten zugeteilt, welche sie derselben mühsam im Schweiße ihres Angesichts abgewin­ nen müssen. [...] Ihr beklagt euch so oft, daß die Zeiten schlecht sind, untersuchet aber selten, warum sie es sind, und wenn ihr darüber Untersuchungen an­ stellt, so kommt ihr selten auf den rechten Grund. Der Fabrikarbeiter beklagt sich über die Maschinen, der Handwerker über Zunftgesetze, Gewerbsfreiheit, zu geringen Aufwand der Vornehmen, der Landmann über gute und schlechte Jahre und alle über Teurung der Lebens­ bedürfnisse, und wenige treffen den Nagel auf den Kopf. Die Ursache dieser immerwährenden schlechten Zeiten ist aber nur ‘ die ungleiche Verteilung und Genießung der Güter sowie die ungleich verteilte Arbeit zur Hervorbringung derselben, und das Mittel, diese gräßliche Unordnung zu erhalten, ist das Geld. [...] Wenn ihr Glauben und Vertrauen in eure gerechte Sache habt, so habt ihr sie schon halb gewonnen; denn mit eurem Glauben könnt ihr 108

Berge versetzen. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben. Doch nicht der blinde Glaube führt zum Ziele, sondern der aus Überzeugung entstandene. Nun gibt es eine auf die Lehre Christi und der Natur gegründete Überzeugung, nach welcher ohne die Verwirklichung folgender Grund­ sätze kein wahres Glück für die Menschheit möglich ist: 1. Das Gesetz der Natur und christlichen Liebe ist die Basis aller für die Gesellschaft zu machenden Gesetze. 2. Allgemeine Vereinigung der ganzen Menschheit in einem großen Familienbunde und Wegräumung aller engherzigen Begriffe von Nationalität und Sektenwesen. 3. Allen gleiche Verteilung der Arbeit und gleichen Genuß der Lebens­ güter. 4. Gleiche Erziehung sowie gleiche Rechte und Pflichten beider Ge­ schlechter nach den Naturgesetzen. 5. Abschaffung alles Erbrechtes und Besitztums des einzelnen. 6. Hervorgehung der leitenden Behörden aus den allgemeinen Wah­ len. Verantwortlichkeit und Absetzbarkeit derselben. 7. Kein Vorrecht derselben bei der gleichen Verteilung der Lebensgüter und Gleichstellung ihrer Amtspflicht mit der Arbeitszeit der übrigen. 8. Jeder besitzt außerhalb des Rechts anderer die größtmöglichste Freiheit seiner Handlungen und Reden. 9. Allen Freiheit und Mittel der Ausübung und Vervollkommnung ihrer geistigen und physischen Anlagen. 10. Der Verbrecher kann nur an seinem Rechte der Freiheit und Gleich­ heit gestraft werden, an seinem Leben nie und an seiner Ehre nur durch Ausstoßung und Verbannung aus der Gesellschaft auf Lebenszeit. Diese Grundsätze lassen sich in wenig Worte zusammenfassen; sie heißen: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Ohne diese Grundsätze und deren Verwirklichung ist kein wahres Heil für die Menschheit zu erwarten. Die Übel, die seit Jahrtausenden derselben so viele Tränen ausgepreßt haben, werden nicht verschwinden, solange deren Verwirklichung den Anstrengungen der Völker noch nicht gelungen ist. Die Massen der dürftig von ihrer Hände Arbeit Lebenden sind wohl unsem Fahnen gewiß, schon wegen der materiellen Vorteile, die wir ihnen bieten können, sowie aus Haß gegen die Reichen und Mächtigen, deren Übermut und Verschwendung ihnen ein Dorn im Auge sind. Aber es bedarf auch Apostel der neuen Lehre, welche die Massen über den wahren Zustand der Gütergemeinschaft aufklären, damit sie in denselben zur lebendigen Überzeugung werde, die allen Anlockungen und. Versuchungen kräftig standhält, und sich durch kein unerwartetes

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Mißgeschick der guten Sache in ihrem Glauben wankend machen lassen. Es bedarf der vorherigen Aufklärung, damit nach dem Umsturz der alten Verfassungen das Volk sich geschwind in der neuen Ordnung der Gesellschaft zurechtfinden kann und nicht in Anarchie versinke oder einigen andern Tyrannen in die Hände falle. [...] [Wilhelm Weitling:] Die Menschheit, wie sie ist und wie sie sein sollte, [Paris] 1839, S. 2, 6, 11/12,26-28. (Wiederabdruck in Werner Kowalski: Vorgeschichte und Entstehung des Bundes der Gerechten, Berlin 1962, S.210, 212,214, 221/222.)

Auszug.

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Zur Entwicklung des Bundes der Gerechten Ende der dreissiger Jahre - Aus den Aussagen von Mitgliedern des Bundes der Gerechten und des Bundes der Geächteten1121 1838-1840 a) Carl Friedrich Hoffmann aus Hamburg1

[...] Der wesentlicheUnterschied der neuen Statuten von den alten habe darin bestanden, daß die Wahlen zu den oberen Graden durch die niederen beschafft2 worden, die zum Gau nämlich von den Gemeinden, die zur Volkshalle von den Gauen; er, Hoffmann, sei ebenfalls bis in die Volkshalle gestiegen, was jedoch nur für bestimmt vorgeschriebene Perioden gegolten habe, nach deren Ablauf (für ihn im Mai 1839) man wieder einfaches Gemeindemitglied gewesen.3 In Zweck und Absicht haben die Statuten von denen der Geächteten sich wenig oder gar nicht unterschieden. [...] Die Volkshalle bestand, als ich Mitglied derselben war, aus dem schon genannten Schriftsetzer Gummen, dem Decoupeur4 Meyer aus Frankfurta.M., einem Literaten namens Biermann aus Rheinpreußen und einem Schneider Weitling, dessen Heimat mir unbekannt ist, ich glaube, er [war aus]5 Bayern. [...] Eigentlich waren, ihrer Bestimmung nach, die Mitglieder [der]5 Volkshalle Diener der Gaue und Gemeinden und gingen aus ihnen hervor. Die Gemeinden wählten je einen aus ihrer Mitte für den Gau; aus den Gauen sollte ebenso die Volkshalle hervorgehen; da ihrer aber nur zwei waren, so wählte jeder der1 Verhör vom 15.März und 16. April 1841. Zu Hoffmann vgl. auch Dokumente 4f und 11.-2 so in der Vorlage; wohljür: eingeführt - 3 Auch in der Aussage Enkes vom 12.Dezember 1840 heißt es: „Zu be­ merken ist noch, daß im Bunde der Gerechten die Vorsteher der verschiedenen Grade halbjährig oder jährig wechseln und den Mitgliedern der Verbindungen die Wahl ihres Vorstehers zustand.“ (DZA Merseburg, Rep.77, Tit.509, Nr.47, Bd.2.)-4 Zuschneider von Furnieren - 5 Papier beschädigt.

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selben zwei Mitglieder für die Volkshalle, und diese vier wieder nur den Fünften. Der Gemeinden waren zehn bis elf von verschiedener Mannszahl, zwischen vier bis zehn. Listen oder Register wurden bei der Volkshalle hierüber nicht ge­ führt [...J1, daß in jedem Gau [aus einer]1 jeden Gemeinde ein Mitglied sich befand, welches seinerseits die Gemeindemitglieder kannte. Bestimmten] Ver­ sammlungsort hatte die Volkshalle nicht, gewöhnlich diente dann das Haus irgendeines marchand [de vin]2. Gegenstand der Verhandlungen war zu meiner Zeit besonders die Revision und Umarbeitung eines Katechismus, welchen Biermann aus dem Französi­ schen übersetzt hatte3; außerdem die Leitung der Unterstützung Hilfsbedürf­ tiger, wozu die Anträge von den Gemeinden ausgingen, welche ihre eigenen Kassen führten, und aus diesen, sobald der Antrag eines einzelnen durch Ver­ mittlung der Volkshalle von den übrigen genehmigt worden war, beisteuerten. Der erwähnte Katechismus war teils moralischen, teils politischen In­ haltes, die Tendenz war im wesentlichen dieselbe [wie die]1 der Verbindung im allgemeinen, doch kann ich darüber nichts Bestimmtes sagen [...]*. Meines Wissens existierte bei uns nur ein Exemplar dieses Katechismus in unserer Volks[halle, und zwar]1 in französisch [er Sprache]1. Biermann übersetzte die einzelnen Fragen und legte sie zur Beratung vor. Die erste war, soviel mir noch erinnerlich: „Was ist der Mensch?“, andere, die mir noch einfallen, lauteten z. B. „Was ist Freiheit? Antw.: Im weitesten Sinne ist Freiheit, daß der Mensch tun und lassen kann, was er will.“ - „Fr.: Wodurch kann und muß diese Frei­ heit beschränkt werden? Antw.: Durch das Gesetz der Pflicht und durch die Rechte anderer“; wobei auf das Sprichwort hingewiesen wurde: was Du nicht willst, daß Dir geschieht, das tue auch keinem andern nicht. „Fr.: Was ist Volksherrschaft? Antw.: [Wo der Wille]1 des Volkes Gesetz ist.“ Unbedingt würde eine solche Volksherrschaft indes nicht gutgeheißen, s[ondern es]1 sollten allerlei Be[schränk]ungen eintreten. Hierin waren indessen die Meinungen sehr geteilt, indem einige nur [...]l, andere dagegen konstitutionell monarchische Staatsverfassungen haben wollten; ich selbst bin über Fragen dieser Art nicht mit mir ins reine gekommen. Hauptzweck jener Arbeiten und Beratungen war, eine neue Konstitution für den Bund der Gerechten anzufertigen; als aber kaum zum vierten Teil jenes Katechismus fortgearbeitet war, ließ man die Sache liegen. [...]

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St.A. Hamburg, C 1840, Nr. 567, Bd.4 und 5.

Auszug. Erstmalig veröffentlicht.

b) Johann Robert Alexander Werner4 [...Werner]5 trat nun im Mai oder Juni 1838 ohne weitere Förmlichkeiten in die Gemeinde eines gewissen Rübsamen, eines Bäckers, der in einer Fayence1 Papier beschädigt. - 2 Weinhändler, Gastwirt - 3 Bruchstücke eines Katechismus von der Hand Biermanns wurden 1839 bei Karl Schapper beschlagnahmt. (Vgl. Wolfgang Schiedcr: Anfänge der deut­ schen Arbeiterbewegung, Stuttgart 1963, S.55.)-4 Fortsetzung des in Dokument 4e abgedruckten Berichts des preußischen Bundestagsabgeordneten vom 26. März 1841 über die Aussagen Werners - 5 Nach seinem Eintritt in den Bund der Geächteten in Paris hatte Werner vom November 1837 bis zum Frühjahr 1838 im Krankenhaus gelegen und nach seiner Entlassung erfahren, daß der Bund der Gerechten gegründet wor­ den war.

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fabrik arbeitete, und traf in dieser Gemeinde 5 Mitglieder, worunter ein Tischler Kaufmann von Hamburg. Diese Gemeinde hatte den Kriegsnamen „Morgenröte“. - Wegen Entlegen­ heit seiner Wohnung von dem Versammlungsort dieser Gemeinde trat Werner im Herbst 1838 aus und in eine andere Gemeinde, deren Vorsteher ein Schneider­ gesell Weitling aus der Rheingegend war und in welcher sich die Schuhmacher Heeger und Jacobi von Hamburg befanden, ferner ein Schuhmachergeselle George Baake und ein Lackierer aus Wien sowie ein Schneidergeselle, deren Namen ihm nicht erinnerlich. In den Gemeindeversammlungen fanden nicht allein politische Erörterungen und Vorlesungen, sondern insbesondere auch Debatten und Beratungen über verschiedene die Verfassung der Verbindung betreffende Fragen statt, so z.B. darüber, daß alljährlich im Monat Mai die Wahl der Beamten statthaben solle, darüber, daß jedem Mitgliede freistehen solle, Gesetzvorschläge zu machen, und daß niemand gezwungen werden solle, gegen seine Überzeugung etwas zu tun; endlich auch über die Ausarbeitung des Büchelchen „Die Menschheit, wie sie ist und wie sie sein sollte“, welches nach einer Schrift von Fourier abgefaßt ward und die Grundsätze enthält, zu welcher die Verbindung sich bekannte. [...] [Im Frühjahr 1839 begab sich Werner nach London, von wo er im Mai 1839 nach Paris zurückkehrte.] Hier fand er in dem Bund der Gerechten manches verändert; man hatte jetzt die Statuten des Bundes auf einem halben Bogen in schmalem Oktavformat gedruckt, und zwar mit der Aufschrift „in den Papieren des Ministers von Stein gefunden“ und der Bemerkung „gedruckt in der Druckerei der deutschen Republik zu München“ - mithin genau so, wie das in Arolsen bei dem Schreinergesellen Kahlhöfer in Beschlag genommene Exemplar, welches übrigens dem p. p. Werner noch nicht vorgelegt worden war. Man hatte ein neues Erkennungszeichen angenommen und pflog sodann weitere Beratungen über die Schrift „Die Menschheit, wie sie ist und wie sie sein sollte“, so daß diese zu Ende des Jahres 1839 im Druck erscheinen konnte. Ebenso war die Frage Gegenstand der Beratungen, ob die Volkshalle er­ mächtigt sein solle, im Notfälle die Verbindung aufzuheben. Jetzt war der Schuhmacher Heeger Führer einer Gemeinde, weil der Schneider Weitling und der Schuhmacher Jacobi inzwischen Paris verlassen hatten.1 [...] Als nach einiger Zeit der Schneider Weitling nach Paris zurückkehrte, teilte sich die Gemeinde, so daß nun eine unter Weitlings, die andere unter Heegers Führung bestand. Man hielt alle 14 Tage Versammlungen, und es wurden in denselben Vorträge über Anordnungen der Gaue gehalten. Nach Weihnachten 1839 wurde man im Bund der Gerechten uneinig darüber, ob man sich mit dem Bunde der Geächteten wieder vereinigen solle, und im Anfang des Jahres 1840 war man auch über die Frage im Zwiespalt, ob die Aufklärung von unten oder von oben ausgehen solle.C13] Im März 1840 verließ der Schuhmacher Heeger Paris, um in seine Heimat Homburg v.d.Höhe zurückzukehren, und nun ward Werner Gemeindeführer. [...] DZA Merseburg, Rep.77, Tit.509, Nr.47, Bd.2.

Auszug. Erstmalig veröffentlicht.

1 Weitling war etwa von April bis November 1839 von Paris abwesend.

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c) Carl Ludwig Schäfer aus Frankfurt a.M.1

[...] Zu jener Zeit besorgten Enke und Bruhn die Angelegenheiten der Ver­ bindung dahier.2 Ersterer sagte nun öfters, daß Zwistigkeiten in der Verbin­ dung zu Paris ausgebrochen seien, daß sich die Verbindungen getrennt und den Brennpunkt ausgestoßen hätten und daß man überhaupt jetzt wenig mehr von Paris aus höre und daß es deshalb gut sei, wenn sich jemand von hier hin­ begebe, um Erkundigungen über den Stand der Sachen einzuziehen. Er selbst hatte anfangs die Absicht, deshalb noch einmal nach Paris zu gehen, nachher3 aber übernahm ich es. [...] Enke gab mir einen kurzen Brief an Rauch mit, dessen Inhalt ich nicht kannte, da derselbe verschlossen war. Aus den Gesprächen des Rauch übrigens entnahm ich, daß der Brief eine Auf­ forderung enthalten haben muß, mich von dem gegenwärtigen Stande der Ver­ bindung in Kenntnis zu setzen und darüber zu belehren. Rauch tat dies auch, sagte mir aber durchaus nichts weiter, als was ich schon bei meiner ersten An­ wesenheit in Paris, teils auch in der Zwischenzeit dahier erfahren hatte. [...] Er sagte mir zugleich, daß er selbst früher dem Bunde der Geächteten angehört habe, sich aber von demselben zurückgezogen und einer französischen Ver­ bindung angeschlossen hätte. Rauch war sozusagen Franzose, er war französi­ scher Bürger und Garant der Zeitschrift „Der Geächtete“ [gewesen]. Außer diesem Briefe an Rauch hatte mir Enke einen andern gleichfalls versiegelten Brief an den Dr. Schuster mitgegeben. Diesen suchte ich nun gleichfalls nach meiner Ankunft in Paris auf. [...] Während meines damaligen Aufenthalts in Paris wurde ich mit Endemann bekannt und traf auch wieder mit Überle, Lienhardt und meinen früheren Bekannten zusammen. Auch Weißenbach lernte ich kennen. Diese erkundigten sich bei mir nach Enke, fragten, ob dieser dahier die Verbindung begründet habe, was ich bejahte, und erzählten mir dann die Geschichte der Auflösung des Bundes der Geächteten und von der Bildung des Bundes der Gerechten. Sie sagten dabei, daß man auf die Art end­ lich erfahren habe, wer denn der seither so geheimnisvoll verborgene Brenn­ punkt gewesen sei, da nämlich sämtliche seitherigen Mitglieder des Bundes der Geächteten nun den Bund der Gerechten gebildet hätten; so sei bei den Geächteten niemand zurückgeblieben als Schuster und die beiden Gold­ schmidt und ich glaube noch ein gewisser Muschani, und diese müßten dann der Brennpunkt gewesen sein. Auch aus dem Umstande wurde der Brennpunkt bekannt, wie ich von meinen Bekannten erfuhr, daß derselbe früher ein Siegel führte, eine Hand vorstellend, dessen sich Pappers bei seinem Abfalle be­ mächtigte und dadurch [sich] Glaubwürdigkeit als gewesenes Mitglied des Brennpunktes verschaffte. Dieser nun sagte, wer die Mitglieder des Brenn­ punktes gewesen seien. Die schon vorhin erwähnten Endemann, Überle, Lienhardt etc. teilten mir nun mit, daß sie den Gerechten angehörten, und forderten mich auf*, zu be•

1 Verhör vom 12. und 14. Juni 1841. Schäfer kam im Spätherbst 1836 nach Paris, wo er Mitglied des Bundes der Geächteten wurde. Nach seiner Rückkehr nach Frankfurt etwa Oktober/November 1837 war er dort maßgebend an der Organisation des Bundes der Geächteten beteiligt. — 2 Es handelt sich um die Tätigkeit des Bundes der Geächteten im Frankfurter Bereich während der Jahre 1837/1838. - 3 das heißt im Sommer 1838 - 4 in der Vorlage: auch 8 Bund

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wirken, daß die hiesige Verbindung sich an sie anschlösse. Ich erklärte ihnen hierauf, daß ich hierüber nichts Bestimmtes sagen oder verfügen könne und daß ich es der hiesigen Verbindung mitteilen wolle. Ich war öfters mit diesen Leuten zusammen, habe aber keinen regelmäßigen Verbindungsversammlun­ gen mitangewohnt. [...] Einst1 erschien ganz unerwartet Endemann bei mir in meiner Wohnung und sagte, es sei ein Frankfurter angekommen, der mich zu sprechen wünsche, ich möge ihn, den Endemann, es war an einem Nachmittag gegen Abend, doch sogleich begleiten. Ich folgte ihm in eine Faubourg oder in die Nähe einer Faubourg in der Nähe des Boulevard, wo er mich in die Wohnung eines Decoupeurs führte. [...] Wenn ich nicht irre, hieß derselbe Meyer. Außer uns dreien war noch Weißenbach und noch ein Unbekannter2 anwesend. Man wiederholte mir nur wieder die schon früher gemachten Anträge, daß ich eine Vereinigung der hiesigen Verbindung mit den Gerechten zuwege bringen möge, doch suchte ich wieder auszuweichen und ließ mich auf nichts Bestimmtes ein. [...] DZA Merseburg, Rep.77, Tit.509, Nr.47, Bd.3.

Auszug. Erstmalig veröffentlicht.

d) Carl Friedrich Hoffmann aus Hamburg3

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Im Sommer 1838 kam der Schuhmacher Schäfer [nach Paris...], um zu ver­ suchen, [eine Vereinigung zwischen [dem Bunjde der Geächteten [und dem] der Gerechtigkeit [zustande] zu bringen [.. .]4, um zuerst zu einer Versamm­ lung einzuladen, welche in der Wohnung des [...] Schäfer, rue Transnonain5, statthatte und zu welcher außer [dem] Dr. Schuster die beiden Brüder Gold­ schmidt und einige andere, die ich nicht kenne, wir waren im ganzen acht Personen, sich einfanden. Vom B[und] der Gerechtigkeit war ich allein zu­ gegen, aber nicht von Seiten desselben oder der Volkshalle dazu deputiert, sondern nur persönlich, vom Goldschmidt, eingeladen. Da ich nämlich ganz besonders die Spaltung mit veranlaßt hatte, durch meinen Widerstand gegen den Paragraphen, welcher unbedingten Gehorsam gegen die Befehle [der] Oberen [verlangte, ... und davon] nicht abgehen wollte, [und] ebenso fruchtlos blieb eine zweite Zusammenkunft, die in meiner Wohnung, rue Menilmontant veranstaltet wurde. In dieser waren vom B[und] der Gerechtigkeit noch Bier­ mann und ein Schneider Weißenbach aus Darmstadt oder Homburg. Der da­ malige Aufenthalt des Schäfer in Paris mag drei Wochen gedauert haben, ich habe ihn aber nur drei Mal gesehen, bei Schuster, bei mir und in seiner eigenen Wohnung. Der Besuch, den ich ihm in letzterer abstattete, geschah im Auf1 Schäfer halte vorher von einem zweiten Besuch bei Schuster berichtet und anschließend geschildort, daß die Mitglieder des Bundes der Gerechten, insbesondere Endemann, ihn für den Bund der Ge­ rechten zu gewinnen suchten, wobei sie vor allem darauf verwiesen, daß dieser „volkstümlicher“ sei und daß man „doch die Oberen kenne“. -2 wahrscheinlich Hoffmann - 3 Verhör vom 24. April 1841. Die starke Zerstörung desPapiers, auf die hier nicht in jedem einzelnen Falle verwiesen wird, machte es not­ wendig, über das übliche Maß hinaus in eckige Klammern gesetzte Einschiebungen zu verwenden, aber auch größere Auslassungen stehenzulassen. Leider sind von den Zerstörungen gerade jene Teile der Aus­ sage betroffen, in denen Hoffmann wahrscheinlich einige Bemerkungen über den Inhalt der Pariser Diskus­ sionen machte. - 4 größere Lücke - 5 hierzu am Rande die Korrektur nach Verlesung des Protokolls: Die Versammlung war beim Dr. Schuster (...)

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trage des Bundes der Gerechtigkeit, [um zu versuchen, ob wir nicht' doch] eine Vereinigung [mit den] Frankfurtern zustande] bringen könnten [...]* [Ob­ wohl eine Einigung] unmöglich war, [kam man] uns so weit entgegen, daß man bestimmt versicherte, es solle jener Grundsatz nie zugunsten französischer oder anderer als deutscher Zwecke in Anwendung gebracht werden. [...] Sl.A. Hamburg, C 1840, Nr.567, Bd.5.

Auszug. Erstmalig veröffentlicht.

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Zur Beteiligung

des

Bundes der Gerechten am Aufstand

DER SOCltiTI- DES SAISONS IN PARISc14]

12. Mai 1839 a) Aus einem Bericht Wilhelm Weitlings aus dem Jahre 1849[151 [...] Mehr noch als alle bisherige mündliche und schriftliche Propaganda wirkte für das Prinzip des Kommunismus der Schlag, den der edle Barbes am 12.Mai 1839 in Paris ausführte. [...] Dreihundert Opfer kämpften ihren Todesmut hinter ein halbes Dutzend Barrikaden aus. Das Volk hatte sie verlassen. Abends 9 Uhr wurde die letzte Barrikade erstürmt. Barbes sank eben verwundet an derselben nieder. Ein einziger stand ihm noch verwundet zur Seite, ein deutscher Schuhmacher mit fliegenden blonden Haaren. Merkt euch den Namen dieses wackern Deutschen: Austen aus Danzig!tl6] Sein Urteil lautete auf lebenslängliche Gefangenschaft. Vor einigen Jahren meldete man,er sei imGefängnisse wahnsinnig geworden.!...] Wilhelm Weitling: Garantien der Harmonie und Freiheit, Hamburg 1849, Vorrede zur 3.Aufl., S. XIII, XV. (Neu herausgegeben von Bernhard Kaufhold, Berlin 1955, S.293/294.)

Auszug.

b) Aus einer Verteidigungsrede Karl Schappers aus dem Jahre 185OC17J [...] Am 12.Mai 1839 bauten etwa 1000 junge Männer die berühmten Pariser Barrikaden. Die Pariser Barrikaden sind welthistorisch, und um diese zu sehen, setzt man sich gern einem kleinen Kugelregen aus. Des Abends gegen 10 Uhr wurde ich von Soldaten eines Linienregimentes, die durch den Kampf aufgeregt waren, ergriffen. In der Hitze und dem aufgeregten Zustande wollten sie mich eben erschießen, als ein Offizier hinzukam und befahl, mich in eine Kirche einzusperren, wo ich mit vielen hundert anderen die Nacht verbrachte. 1 größere Lücke

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Den andern Morgen brachte man mich auf die Conciergerie. Ich wurde dort auf Befehl des Kanzlers Pasquier 7 Monate verhaftet und endlich durch eine Kommission desPairshofs freigelassen und außer Verfolgung gesetzt1, jedoch durch ein Ministerialreskript als eine Person bezeichnet, welche die Ruhe und Sicherheit Frankreichs gefährde. Ich wurde aus Frankreich verwiesen. [...] Verhandlung der Anklage gegen den Corrector und Sprachlehrer Carl Schapper... vor den Assisen zu Wiesbaden am 8. bis 15. Februar 1850, Wiesbaden 1850, S. 316.

Auszug.

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Zur Gründung der Gemeinde des Bundes der Gerechten in Hamburg. Aus einer Aussage von Carl Friedrich Hoffmann1181 Ende 1839 - Anfang 1840

[...] Es sei wahr, daß er sich vom Bunde der Geächteten losgesagt, aber wahr auch, daß er sich dem Bunde der Gerechten angeschlossen und daß eine Gemeinde desselben, wenn auch nicht ganz förmlich, sich einige Monate nach seiner Rückkehr von Paris hier gebildet habe. Zu dieser haben, außer ihm, Grübel, Ahrens, König und Stahl sich bekannt; weitere Mitglieder habe sie nicht enthalten. Den Stahl habe er, Hoffmann, vor etwa einem Jahre in der damaligen Wohnung.des Grübels aufgenommen, was ohne weitere Form ge­ schehen, als daß nach Verlesung der Statuten dem Aufgenommenen ein Hand­ schlag auf deren Festhaltung abgenommen ward. [...]

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St.A. Hamburg, C 1840, Nr.567, Bd.3.

Auszug. Erstmalig veröffentlicht.

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Aussage von Friedrich Mentel2 über den Bund der Gerechten in Paris 1840 bis Frühjahr 1845

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[...] Von den Mitgliedern des Bundes in Paris kann ich wohl folgende nam­ haft machen. 1. Der Schneider Wilhelm Weitling, dieser hat mich im Jahre 1840 von der 1 Schapper wurde am I4.November 1839 aus der Haft entlassen. -2 Aussage vom ll.Februar 1847. Zu den Aussagen Mentels, der von 1840 bis zum Frühjahr 1845 in Paris dem Bund der Gerechten, seit 1843 der Volkshalle angehörte, siehe Anm.78. Die beiden anderen Teile der Aussagen Mentels: Doku­ mente 65 und 75.

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Existenz des Bundes in Kenntnis gesetzt und in denselben aufgenommen und vereidigt. Weitlings Tätigkeit für den Bund ist bekannt. Sie bestand im wesent­ lichen in der Herausgabe der Schriften im Interesse des Bundes, ganz besonders aber in der Anwerbung von Mitgliedern. Er besuchte zu dem Zweck nament­ lich die Gasthäuser1 an2 den Barrieren3, wo deutsche Arbeiter verkehrten, suchte deren Bekanntschaft zu machen und sie für seine Ansichten zu ge­ winnen; er ist Mitglied der Halle gewesen, wie ich wenigstens nicht bezweifle, und hat auch Verbindung nach der Schweiz und nach London durch Korre­ spondenzen mit gleichgesinnten Personen. Im März 1841 reiste er nach der Schweiz in der erklärten Absicht, sich dort vorzugsweise mit Schriftstellerei zu beschäftigen und die Jungdeutschen, die sich dort aufhielten, womöglich in Kommunisten umzuwandeln; dort schrieb er seine Monatsschrift, ferner die Garantien des Evangeliums des armen Sünders4. Im Jahre 1845 traf ich ihn in London wieder, und ich habe sowohl über dieses Zusammentreffen als auch über sein Zerwürfnis mit dem Bunde in Paris mich schon früher ausgelassen.5 2. Der Sprachlehrer Mäurer war, soviel ich gehört - und zwar aus seinem Munde -, einer der Stifter des Bundes der Gerechten, nachdem er schon vor­ her Mitglied des Bundes der Geächteten gewesen war. Er trennte sich mit dem Schneider Weißenbach - jetzt in New York - und dem Schneider Rieck, welcher noch in Paris sein mag, [von] dem letztgedachten Bunde, weil sie mit der Pflicht unbedingten Gehorsams gegen die Obern sich nicht einverstanden er­ klären wollten. Dies soll nach seiner Angabe schon im Jahre 1832 oder 1834 geschehen sein. Mäurer war zu der Zeit, als ich in Paris war, Mitglied der Halle, in® welche ich im Jahre 1843 trat. Er korrespondierte zu dieser Zeit mit Weitling, auch nach Lyon, wo ein Zweigbund bestehen soll, auch nach London. Auch er hat Mitglieder aufgenommen, und zwar in seine Gemeinde. Übrigens bemerke ich hierbei, daß man bei solchen Aufnahmen nicht besonders streng verfuhr und daß namentlich keine besondere Vorbereitung der Aufnahme voranging. Man sagte den Kandidaten, was Kommunismus ist, ferner, daß dessen Verbreitung der Zweck des Bundes sei, und wenn sie sich dann zur Auf­ nahme bereiterklärten, so geschah solche ohne weiteres, und zwar ohne daß noch ein Eid gefordert wurde. Dieser wurde bald nach Ewerbecks Eintritt im Sommer 1841 abgeschafft, und es genügte die Gelobung brüderlicher Ge­ sinnungen; die übrigen Mitglieder [wurden] mittels Handschlages [aufgenom­ men], nachdem die „Pflichten“7 vorgehalten worden waren. Mäurer hat im Inter­ esse des Bundes mehrere Schriften herausgegeben, namentlich: Die practischen Lehrjahre, Politische Briefe aus Berlin, Briefe aus der Einsamkeit, Verschmähte Blätter und Blüthen, Volksdrama, Gedichte und Gedanken und ein Buch für Leute, die Dankbarn. Er war zuletzt Vorsteher der Halle. Noch im Jahre 1841 hieß es, daß der Bund der Geächteten existiere, später aber hat man nichts mehr davon gehört, und mutmaßlich hat er sich auf­ gelöst.

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1 in der Vorlage: Bethäuser - 2 in der Vorlage: in - 3 das heißt außerhalb der Schlagbäume und damit der Zollgrenze von Paris, wo die Lebensmittel billiger waren-4 Entstellt aus „Die Garantien der Harmonie und Freiheit“ und „Das Evangelium des armen Sünders“.- 5 Dieser Teil der Aussagen ist nicht überliefert. - 6 in der Vorlage: ich - 7 Siehe Dokument 30.

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3. Der Dr. Ewerbeck kam im Jahre 1840 nach Paris, daß derselbe aus Königsberg gebürtig und hier Kompagnie-Chirurgus gewesen ist, habe ich bereits in der Verhandlung vom 26ten v. Mts.1 angeführt. Es wurde unter den Bundesmitgliedern bald bekannt, daß Ewerbeck auf außerordentlichem Wege als Mitglied aufgenommen und sogleich in den Gau oder die Halle aufgenom­ men worden war, und erregte dies anfangs Unzufriedenheit. Ich bin mit ihm zusammen Mitglied der Halle gewesen. Ewerbeck reiste bald nach seiner Auf­ nahme, wie mir erzählt worden, im Interesse des Bundes nach der Schweiz, um mit Weitling persönlich zusammenzukommen; er kam jedoch bald zurück und war nun ganz besonders für den Bund tätig. 1842 reiste er nach London, doch habe ich über seine dortige Tätigkeit für den Bund nichts Näheres gehört. Er war übrigens nur wenige Monate abwesend. Er hat namentlich, zum Teil aus eigenen Mitteln, Weitling und den von diesem in Genf gestifteten Kom­ munistenverein unterstützt, auch besorgte er vorzugsweise die Korrespondenz mit entfernten Bundesmitgliedern. In der letzten Zeit diente ihm hierbei der Drechsler Heidecker als Sekretär. Ewerbeck hat auch dem Bunde insofern eine andere Richtung gegeben, als .er vorzugsweise den Atheismus predigte und darauf hinwies, daß der Kommunismus nicht in der Gegenwart, sondern nächst2 der fernsten Zukunft verwirklicht werden könne. Schriften hat Ewer­ beck nicht herausgegeben, und hat er nur, soviel ich hörte, Artikel für Zeit­ schriften geschrieben. Wie ich schon früher bemerkte3, habe ich von ihm mehrere Briefe hier4 erhalten. Ewerbeck suchte auch namentlich die Bekannt­ schaft derjenigen Literaten, welche nach Paris kamen, zu machen und sie für seine Ideen zu gewinnen; zu diesen gehörten namentlich Mitarbeiter an dem Journal „Vorwärts!“, doch sind diese nicht Mitglieder des Bundes.5 Namentlich weiß ich nicht, ob Karl Grün und Heinzen und Heine mit dem Bunde in Be­ rührung stehen. 4. Der Drechsler Heidecker, aus Bayern gebürtig, war auch Mitglied der Halle und mir insofern als Bundesmitglied bekannt. Er sorgte namentlich für die Anwerbung der Tischlergesellen in Gemeinschaft mit dem Tischler Schnell in den Werkstätten in der Faubourg St. Antoine und war namentlich, wie an­ gegeben, Sekretär von Ewerbeck. Nach meiner Abreise wurde er Rechnungs­ führer in der Halle, welche Stelle ich in den letzten 6 Monaten meiner An­ wesenheit bekleidet hatte. Er war es, der mir die Landtags-Abschiede6 zu­ schickte, wie ich bereits früher näher angegeben habe. 5. Der Schneider Enders war mit mir gleichzeitig Mitglied der Halle. Er hatte sich, wie [ich] gehört habe, 1843 mit den sogenannten Phrenologisten7 von dem Bunde getrennt, trat demselben jedoch schon in dem nächsten Jahre wieder bei und wurde hiernächst in den Gau und dann in die Halle gewählt. 1-Dieser Teil der Aussagen ist nicht überliefert. -2 so in der Vorlage, wahrscheinlich für: erst in.— 3 Vgl. Dokument 75. - 4 d.h. in Berlin - 5 Mentel meinte hier offenkundig vor allem Karl Marx, aber auch Heinrich Bürgers, Roland Daniels, Moses Heß und Georg Weber, die sich in den Jahren 1843/1844 in Paris aufhiclten. - 6 [Karl Grün:] Die preußischen Landtags-Abschiede. Ein Wort zur Zeit. Birwinken 1846. - 7 Anhänger der „Schädellehre“, einer Schule, die eine von der Schädelform ausgehende Psycho­ logie aufzubauen suchte. Diese Richtung nahm in den dreißiger und vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts den Charakter einer Modeströmung an, wobei sich auch zahlreiche phrenologische Gesellschaften bil­ deten.

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Über seine Tätigkeit für den Bund vermag ich nur anzuführen, daß er vorzugs­ weise in der Faubourg St. Antoine bei den Tischlern verkehrte und bei diesen im Interesse des Bundes zu wirken suchte. 6. Der Tischler Schnell aus London war, wie ich gehört habe, Mitglied eines Gaues mit Ewerbeck zusammen. Auch er war in der Faubourg St. Antoine in derselben Weise wie Enders tätig. Von Mitgliedfern] des Gaues, dem ich angehörte, kann ich äußer Mäurer 7. nur den Schneider Beck in Magdeburg nennen, der dem Singeverein der Handwerker in der Faubourg St. Antoine angehörte, doch waren nicht alle Mitglieder dieses Vereins auch Bundesmitglieder; 8. den Tischler Blech in Thorn, welcher ebenfalls dem genannten Sängerchor angehörte; 9. den Tischler Blechert, gegenwärtig in London; 10. den Tischler Hubert, welcher noch in Paris sein wird; 11. den Schneider Speisecker aus Schaffhausen, 12. den Tischler Täbel, jetzt in London. ' Über die Tätigkeit aller dieser Mitglieder für den Bund vermag ich etwas Näheres nicht anzugeben, als daß sie die Sitzungen besuchten und entweder Vorsteher oder Rechnungsführer einer Gemeinde gewesen sein müssen, da sie Mitglied des Gaues waren. Der Gau, dem ich angehörte, teilte sich kurz vor meiner Abreise, weil ein Teil der Mitglieder zu entfernt in der Faubourg St.Antoine wohnten, und es . traten zu dem Gau, welchem ich vorstand, nunmehr noch: 13. Der Schneider Rieck, welcher sich jetzt auf dem Lande bei Paris auf­ halten soll; 14. der Schneider Pechtel aus Kassel, 15. der Schneider Balkenhohl aus Mainz und 16. der Schneider Haase ebendaher. Diese befanden sich bei meiner Abreise noch in Paris. Auch in betreff dieser Mitglieder vermag ich etwas Näheres nicht anzugeben, als was ich oben hin­ sichtlich der andern Gau-Mitglieder angeführt habe. [...] Von Mitgliedern, welche mit mir einer Gemeinde angehörten (des Pariser Bundes), nenne ich folgende: 17. Den Schneider Haußmann, 18. den Schneider Zündel. Beide waren zugegen bei meiner Aufnahme in den Bund, ich glaube als Zeugen, und ich kann nicht sagen, ob sie schon früher dem Bunde angehörten oder mit mir erst aufgenommen worden. Der letztere wurde später Kassierer der Ge­ meinde und trat 1843 aus dem Bunde aus. Welches die Heimat der beiden ist, weiß ich nicht. Beide mögen noch in Paris sein. 19. Den Schneider Homann, welcher schon 1842 Paris verließ und nach der Schweiz ging, später aber auf seiner Reise nach London noch ein paar Tage in Paris zubrachte. Seitdem habe ich ihn nicht gesprochen. Er lebt gegenwärtig, wie ich schon mehrfach angegeben, in Königsberg. 20. Den Schneider Müller, welcher später hier Unteroffizier des GardeSchützenbataillons gewesen ist. Wie ich in der Verhandlung vom 3O.Dezem-

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ber1 angegeben, hatte ich denselben sowie den Schneider Rößler infolge einer Mitteilung des Schneiders Osten hier in Berlin aufgesucht, und Müller führte mich später nach dem Weinhause, in welchem ich von Weitling als Bundes­ mitglied vereidigt wurde. Über seine Tätigkeit vermag ich nichts anzugeben. Er besuchte nur, wie die übrigen, die Versammlungen der Gemeinde, ging auch schon im Juni 1841 nach Berlin. Wie ich schon angegeben, riet er mir bei dem Besuch, den ich ihm hier machte, ab, mich mit kommunistischen Ideen ferner [nicht mehr] zu befassen. 21 . Den Schneider Rößler aus Schlesien, Bruder des Schneidermeisters Rößler hier in der Scharrenstraße und mit Müller näher befreundet. Er wurde später als ich in den Bund aufgenommen. Er ging 1841 nach London, und bei seiner Rückkehr nach Paris im Jahre 1843 bekümmerte er sich um den Bund nicht weiter und soll jetzt in [Le] Havre etabliert sein. 22. Den Schneider Müller, jetzt in Blankenese, welcher nach mir aufgenom­ men wurde und im Jahre 1841 mit Rößler Paris verließ. 23. Den Schneider Meyer aus Lippe-Detmold, welcher 1843, als die Un­ einigkeiten im Bunde entstanden, aus demselben ausschied. 24. Den Schneider Weber, jetzt in Hamburg, welcher schon zu der Zeit, als ich in die Gemeinde aufgenommen wurde, [Mitglied war,] indem die Weitlingsche Gemeinde geteilt und ihm die eine Abteilung zugewiesen wurde. Er blieb bis 1842 in Paris, nachdem ich etwas früher zu der Gemeinde Gleichenstein versetzt worden war. Weshalb die Gemeinde so hieß, weiß ich nicht. 25. Den Schneider Huppel aus Gotha, welcher noch in Paris sein mag; 26. den Schneider Willardt aus Lippe-Detmold, der ebenfalls noch in Paris sein mag. Von Mitgliedern der Gemeinde Gleichenstein kann ich noch folgende Mitglieder bezeichnen: 27. Den Schneider Seyffert, der zur Zeit meines Eintritts Vorsteher war und 1842 nach Gera, seiner Heimat, ging. Ich bemerke hierbei, daß Willardt gleichzeitig mit mir in diese Gemeinde versetzt und Kassierer derselben wurde. 28. Den Schneider Geier aus Hamburg, 29. den Schneider Haasenheimer aus Stuttgart, wohin derselbe zurückgekehrt ist. Er wurde nach Seyfferts Abgang Vorsteher. Als er 1843 die Gemeinde­ versammlungen nicht mehr besuchte, wurde ich zum Vorsteher gewählt, und es wurden seitdem folgende Personen von andern Gemeinden zu meiner Ge­ meinde versetzt: 30. Der Schneider Gericke, welcher zum Kassierer gewählt wurde. Er war aus Hannover. 31. Der Schneider Schapper aus dem Hannöverschen, den ich später in London wiedertraf.2 Dagegen wurden als neue Mitglieder später von mir aufgenommen: 32. Der Schneider Mätzner aus Germersheim, 33. der Schneider Berchenreiter aus Buchhausen3 bei Augsburg, 1 Auch dieser Teil der Aussage ist nicht überliefert. - 2 Es handelt sich hier nicht um Karl Schapper, sondern um ein anderes Bundesmitglied desselben Namens. - 3 nicht nachweisbar; vielleicht irrtümlich für Buchdorf, ca. 45 km nördlich von Augsburg

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34. der Schneider Wagner aus Mainz, 35. der Schneider Wagner aus Darmstadt, 36. der Schneider Schulz aus Ruppin, welcher hier1 ebenfalls Bundesmit­ glied war. Daß alle diese Personen dem Bunde angehört haben, ist mir dadurch bekannt geworden, daß dieselben mit mir gleichzeitig einer Gemeinde resp. demselben Gau angehört haben, in deren Versammlungen ich sie gesehen habe. Von ihrer Tätigkeit für den Bund vermag ich dagegen nichts weiter anzugeben. Von Bundesmitgliedern, welche nicht derselben Gemeinde oder demselben Gau, resp. der Halle in Paris angehört haben, sind mir noch folgende bekannt geworden: 37. Der Schneider Hegge aus Burgdorff, von dem ich schon oben gesprochen habe. Ich habe mit ihm in Paris zusammen gewohnt, und weiß ich aus seinen Meinungen, daß er Bundesmitgli.ed gewesen ist; 38. der Schneider Loberg aus Gotha, welcher 1843 nach seiner Heimat reiste; 40.2 der Tischler Haack ebendaher und mutmaßlich noch in Paris; 41. der Tischler Rees aus Bayern, 42. der Uhrmacher Möllinger, ebendaher, welche beide im Jahre 1843 Mitglieder der Halle waren, aber damals wegen Uneinigkeiten im Bunde diesen verließen; 43. der Schneider Alter aus Darmstadt, 44. der Schneider Adam Werner, ebendaher, welcher mit mir eine Zeitlang demselben Gau angehörte, welcher 1844 nach Lyon ging und nach den an Meier geschriebenen Briefen einem Kommunistenbunde, welcher dort von der Schweiz aus gestiftet sein soll, beigetreten ist. Über diesen Bund vermag ich nichts weiter mitzuteilen, als daß derselbe etwa aus 24 Mitgliedern bestan­ den haben soll und aus der Schweiz Bücher bezogen hat. 45. Der Schneider Staatz aus Braunschweig, welcher auch Mitglied desselben Gaues wie Mäurer und ich gewesen ist; 46. der Schneider Blauhut aus Wien, 47. der Schneider Reininger3, 48. der Schneider Müller hier aus der Lindenstraße, welcher hier mit ver­ haftet ist, den ich erst 1843 in Paris kennenlernte; 49. der Schneider Koller aus dem Schwäbischen, welcher, wie ich nachträg­ lich bemerke, mit mir derselben Gemeinde angehört hatte und nach meiner Abreise nach [Le] Havre zu Rößler reiste, jetzt aber in Lyon sein soll; 50. der Schuhmacher Gericke, Unter den Linden wohnhaft; 51. der Tischler Martens, jetzt in Hamburg, 52. der Tischler Hieher4, ebendaselbst. Diesen letztem habe ich persönlich in Paris gekannt, den erstem aber nicht. Ich habe beide später5 in Hamburg gesprochen. 53. Der Schuhmacher Schmidt von hier, welcher bei meiner Abreise noch in Paris war; 54. der Schneider Gänsert aus Breslau, 1 in Berlin - 2 In der Vorlage fehlt Nummer 39. - 3 in der Vorlage: Reiniger - 4 so in der Vorlage, viel­ leicht verschriebenfür: Hiescr-5 etwa im Herbst 1845; vgl. Dokument 75

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55. der Schneider Österreich von hier, mutmaßlich noch in Paris, 56. der Schneider Vorgang von hier, welcher jetzt sich in der Behrenstraße hierselbst etabliert haben soll; 57. der Schuhmacher Schulz aus Kiel, 58. der Drechsler Buchow von dahier1, 59. der Schneider Stein, ebendaselbst, welche drei ich in Kiel gesprochen habe. Von Buchow selbst erfuhr ich, daß er Bundesmitglied war. Von den andern beiden habe ich dies nur gehört, aber ich weiß nicht mehr von wem. 60. Der SchneiderBatz aus dem Schwäbischen hat mir erzählt, daß er Bundes­ mitglied sei, desgleichen 61. der Schneider Bernhardt, welcher hier bei Sello am Petri-Platz gelernt hat und noch in Paris sein mag. Ebenso 62. der Schneider Mundt in Darmstadt, welcher jetzt in Amerika sein soll. 63. Der Schneider Kalkhoff, welcher in Koblenz gearbeitet hat und aus der dortigen Gegend sein wird, und 64. der Schneider Schmuckhoff aus Elberfeld sind in der letzten Zeit von mir in den Bund aufgenommen worden, und werden beide noch in Paris sein. 65. Der Tischler Adolph Junge aus Köln soll nach der Mitteilung von Blech Mitglied des Bundes sein.2 66. Der Schneider Messerle aus Bern in der Schweiz hat mir selbst gesagt, daß er dem Bunde angehörte; 67. der Schuhmacher Constanz, welcher auch aus Konstanz gebürtig, war noch in Paris, als ich fortging, und hat mir ebenfalls erzählt, daß er dem Bunde angehört; 68. der Schneider Meier aus Köln, 69. der Schneider Koch, jetzt in St. Petersburg. Der letztere3 ist noch von mir aufgenommen. Der letztere3 hat mir erzählt, daß er dem Bunde angehört; desgleichen hörte ich dies von 70. dem Schneider Pensky aus Königsberg, der noch in Paris sein mag. Ebenso 71. von dem Schneider Kramer aus Gotha, dessen gegenwärtiger Aufent­ halt mir unbekannt ist; 72. der Schneider Decker aus Darmstadt hat mir ebenfalls erzählt, daß er Mitglied des Bundes sei. Er war noch in Paris, als ich fortging. Dies sind sämtliche Mitglieder des Pariser Bundes, auf deren Namen ich mich gegenwärtig besinne. Was ihre Tätigkeit für den Bund betrifft, so kann ich auch in betreff der letztgenannten von Nr. 37 an, mit Ausnahme derjenigen, welche meiner Gemeinde angehörten, nichts Spezielles angeben, als daß die­ selben, wie ich durch die Unterhaltung mit ihnen erfuhr, für kommunistische Ideen schwärmten. [...] Endlich bemerke ich noch auf Befragen, daß der Schneider Gab zwar auch Mitglied des Pariser Bundes gewesen, aber 1843 ausgeschieden ist, da er sich


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Phrasen, als z.B.: „Wie lächerlich Gütergemeinschaft und das all­ gemeine Weltbürgertum ist, werdet ihr schon alle wissen.“ Wie fein gegeben! Man wirft sich auf die Persönlichkeiten, um den Kampf gegen das Prinzip zu vermeiden; so sucht man wenigstens den Ver­ teidigern1 dieses Prinzips zu schaden. Hier beredet man das Volk, die Sozialisten glaubten an keinen Gott, verwürfen die Heirat usw., alles Beschuldigungen, deren Unwahrheit jeder deutlich ein­ sieht, sobald er nur einmal den Versammlungen in der Sozial halle beiwohnte. [...] Die Gütergemeinschaft in Titherly oder wie sie jetzt heißt, NeuHarmonie, bringt die glänzendsten Resultate hervor, sie wird verwaltet durch einen Ausschuß von sieben Mitgliedern, gewählt von der Gesamt­ heit; allearbeiten,alle haben an dem Hervorgebrachten gleichen Genuß.Mehrere unserer Freunde, welche während des Sommers dort gewesen sind, können die Einrichtung nicht genug loben; sie sagen, daß selbst die ärgsten Feinde der sozialen Gleichheit bekehrt werden müßten, wenn sie die Brüderlichkeit unter den Bewohnern sehen, ihre Unter­ haltungen mit anhören und an ihren Arbeiten und Vergnügungen teil­ nehmen würden. [...] Die Fortschritte des sozialen Systems sind wirklich großartig hier, und wenn nur die Engländer nicht so passiv wären, wenn sie nur kühner auftreten würden, so dürfte sich viel erwarten lassen. Selbst in Deutschland haben sich die Grundsätze des Sozialismus, wie wir durch Zeitungen und Privatnachrichten erfahren haben, weit ver­ breitet. - Neulich stand in der „Leipziger Zeitung“, daß in Breslau sich eine kommunistische Gesellschaft gebildet, welche ganz dieselben Grundsätze habe wie die englischen und französischen Kommunisten. - Die Mitglieder gaben zwar vor, sich zu christlichen Zwecken zu ver­ sammeln, nahmen dessenungeachtet aber Juden in ihre Gesellschaft auf. - Wird es endlich bald helle! Fängt man endlich an zu begreifen, was der Erlöser der Menschheit wollte! Ja, es ist eine neue Epoche in der Völkergeschichte eingetreten. - Ab­ schaffung des übermäßigen Reichtums, Aufhebung der grenzenlosen Armut ist das Feldgeschrei, und ohnmächtig, lächerlich, ja gefahrvoll sind die Bemühungen derer, welche den Zeitgeist aufhalten wollen, welche sich stets an die Vergangenheit anklammern, hingegen nicht die Gegenwart und was ihr not tut, betrachten. Mit unserm Eßverein wird es nun Ernst; bis jetzt traten uns viele Schwierigkeiten entgegen, besonders daß die Leute sehr weit auseinander wohnen und die Schuhmacher alle zu Hause essen; jedoch haben wir 1 In der Vorlage: die Verteidiger

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nun Statuten entworfen und zahlen wöchentliche Beiträge, um im Anfänge März die Sache einzurichten. Gruß und Handschlag von allen Freunden. In deren Namen unterzeichnet die Kommission: K. Schapper, Jos. Moll. Die junge Generation (Vivis), 12. Lieferung, Dezember 1842, S. 203-207. (Wiederabdruck in Werner Kowalski: Vom kleinbürgerlichen Demokratismus zum Kommunismus, Berlin 1967, S. 301-304.)

Gekürzt.

26 Aus Wilhelm Weitlings „Garantien der Harmonie und Freiheit*^313

Ende 1842

[...] Das Glück besteht in der Zufriedenheit und die Zufriedenheit in der Freiheit. Freiheit aber ohne Gemeinschaft ist teilweise wohl für einzelne, nicht aber für alle denkbar. Wenn von heute an alle Armen auf dem Erdboden ein Leben führen könnten wie die Grafen und die Grafen eines wie die Kaiser und so jeder Stand ein hundertmal besseres als früher, so wäre darum doch der Mensch nicht zufrieden; denn er wäre nicht frei in einer solchen Orga­ nisation der Ungleichheit. [...] Die Einführung jeder wichtigen Reform kann nur durch eine Revo­ lution bewerkstelligt werden: denn jede Ersetzung des Alten durch das Neue ist eine Revolution. Ob nun die Verwirklichung neuer Ideen durch das Volk betrieben wird oder durch einen Fürsten, ob sie allein durch die physische Gewalt erkämpft wird oder durch die geistige oder durch alle beide, immer ist dies eine Revolution. Revolutionen wird es immer haben, aber sie werden nicht immer blu­ tig sein. Auch unser Prinzip wird sich durch eine Revolution verwirklichen. Diese wird aber in ihren Folgen um so fürchterlicher sein, je länger der jetzige Zustand der Unordnung noch dauert: weil dieser das schreiende Mißverhältnis zwischen den Bedürfnissen und der Bevölkerung immer mehr vermehrt und dadurch eine milde, friedliche, progressive Über­ gangsperiode immer unmöglicher macht. [...] Einige Philister-Politiker meinen, man müsse vorher einen Zustand 149

der Ungleichheit erringen, den sie Republik nennen, man müsse eine politische Revolution machen, d.h. die Personen in der Regierung wechseln, zum Vorteil der Gelehrten- und Geldaristokratie die Fürsten und den Adel stürzen. Hierauf entgegne ich: Wenn wir einmal Opfer bringen müssen, so ist es am ratsamsten, sie für das zu bringen, was uns und der Gesellschaft das Notwendigste ist. Wir, das Volk, müssen ja ohnehin immer das Bad ausgießen; wozu denn also einigen andern in die Hände arbeiten? Wenn diese einmal haben, was sie wollen, dann weisen sie uns über dem Raube ebenso die Zähne wie die heutigen Raub­ tiere. Trennen wir das Interesse keiner Partei von dem Interesse aller; wer aber dies nicht will, wer das, was er will, nicht für alle will, der soll auch nicht von uns unterstützt werden. Jetzt sind auch die Geldmänner und Gelehrten mit der bestehenden Ordnung unzufrieden; hüten wir uns darum, sie zufriedenzustellen, solange wir Ursache haben, unzufrie­ den zu sein. Je größer und je einflußreicher die Zahl der Unzufriedenen ist, um so sicherer ist der Erfolg einer aus solchem Zustande hervor­ gehenden Bewegung. Eine politische Revolution ist für uns Deutsche viel schwieriger zu machen als eine soziale, weil wir die Vorurteile der Religionsverschieden­ heiten und die noch immer wirksame Antipathie der deutschen Völker unter sich nur durch großartige, die Welt in Erstaunen setzende Be­ gebenheiten und ganz besonders durch materielle Vorteile, welche man den zahlreichsten und ärmsten Klassen augenblicklich gewährt, verwischen können. Jede Revolution, die dies bewerkstelligt, ist eine soziale Revo­ lution. Die von den Politikern bezweckte deutsche Einheit ist durch eine Sozialrevolution am möglichsten. [...] Wilhelm Weitling: Garantien der Harmonie und Freiheit, Vivis 1842, S.5, 230/231, 252/253. (Neu herausgegeben von Bernhard Kaufhold, Berlin 1955, S. 12, 248, 272/273.)*

Auszug.

27 Brief von Hermann Ewerbeck in Paris an Simon Schmidt in Lausanne 5. Dezember 1842 T., „r . , Paris 1842, 5.Dezember Lieber B [rüder] ’ Du bist immer fleißig hinterm Pfluge, mit Wort nicht bloß, auch mit Tat; daß Du auch Geldopfer bringst, wissen wir längst' die ganze 1 Diese neue Ausgabe enthält auch die Varianten und Ergänzungen der von Weitling veranstalteten 3.Aufl. von 1849.

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Vfolkshalle] erkennt es mit Achtung an. Suche nur ja (darum bitten wir Dich aufs neue, im Namen der guten Sache), es mag sein, wie’s sei, mit Weitling gut Freund zu bleiben, denn Ihr beide gehört, durch das Ge­ schick Deutschlands und der Welt zusammengeführt, zueinander; ver­ liert nicht die Geduld einer mit dem andern. Ihr seid sehr verschieden, aber doch könntet Ihr harmonieren. [...] Weitl[ing] schrieb auch von einem seltsamen Propheten Albrecht, und daß er bei Euch anfrage, ob er mit selbigem in nähere Verhältnisse sich einlassen dürfe; hoffentlich ratet Ihr ihm, so wie wir, aufs ernstlichste ab, denn die allerunschuldigste Berührung mit einem, der das alte Testfament] zur Grundlage macht, Vielweiberei lehrt und dgL, ist für uns wie ein Todesurteil in der öffentlichen]1 Meinung. Was liegt daran, ob solch [ein]1 Narr (der nebstbei der bravste und geistreichste Mensch sein mag) Gütergemeinschaft2 predigt? Genug, er ist moralisch geist­ krank und muß in der „Jungen Generation“ noch schärfer bekämpft werden als Wirth3; so wie die Weibergemeinschaftier, die Humanitaires, von Mr. Cabet bekämpft werden. Sonst üben wir Verrat an Gott und Mensch, nämlich an der- Wahrheit. Wir bitten Euch, richtet Eure Waffen mündlich, schriftlich, rastlos dagegen, sonst sind wir verloren, moralisch wenigstens. Rosenberg (Schuhmacher) hat vierunddreißig französische Franken von uns, fünfzehn von Martens als Reisegeld erhalten, um ehesten dies Geld in der Schweiz vom Meister sich vorschießen zu lassen und ab­ zuzahlen (an Euch) gelobt. Ihr müßt ihn fleißig anspornen dazu. Gruß und Handschlag Ist B[rüder] Bartels ganz für uns verloren? Er schien brav. Handschrift St. A. Zürich, Weitling-Papiere, P 239.1.

Gekürzt. Erstmalig veröffentlicht

28 Brief von German Mäurer in Paris an Wilhelm Weitling in Vevey 11. Dezember 1842 Paris, den 11. Dezember 1842 Mein lieber Freund! Nach langer Unterbrechung, teils durch Krankheit, teils durch Be­ schäftigung verursacht, übersende ich Dir einmal wieder eine Anzahl 1 Papier beschädigt.-2 in der Vorlage: G.G.-3 Im Aprilheft 1842 der „Jungen Generation“ (S.56-61) erschien der Artikel „Kritik einiger Stellen aus Wirth’s politisch-rcformatorischer Richtung der Deutschen“; vgl. auch Dokument 16.

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kleiner sozialer Gedichte für die „Neue Generation“1. [...] Ich habe die ganze Sammlung Deiner Generationsblätter bis zur Oktobernummer dieser Tage in die Hände bekommen. Dein wackeres Kämpfen für die gute Sache hat mir wahrhaftes Vergnügen gemacht, doch mit einem Artikel - Deinem Kapazitäts- oder Fähigkeitssystem2 - kann ich nicht harmonieren. Indessen tut das nichts, begegnen wir uns ja doch in allen übrigen Aussprüchen und Meinungen. Wenn man ohne Dünkel die Wahrheit sucht, muß man sich früher oder später auf gleichem Gebiete finden, mag man von Nord oder Süd ausgehen. [...] Die V[olks]h[al]le wundert sich, daß Du ihr auf ihren letzten Brief noch keinen Bescheid geschrieben und ersucht Dich, dies doch sobald als möglich zu tun. [...] Gehabe Dich recht wohl und sei versichert der Liebe Deines treuen Freundes Mäurer Handschrift St.A. Zürich, Weitling-Papiere, P 239.1.

Gekürzt. Erstmalig veröffentlicht.

29 Brief von August Becker in Lausanne an Wilhelm Weitling in Vevey

etwa Mitte Dezember 1842 Lieber Weitling! Warum schreibst Du nicht, warum läßt Homann nichts von sich hören? Die Bücher sind bis auf 7 Stück verkauft; Hesse wird das Geld senden; wir werden die andern Exemplare auch noch absetzen. [...] Die Schreiber der „Deutschen Jahrbücher“ sind famose Leute. Sie sind für Abschaffung des Geldes, obgleich sie reich sind. An ihnen hats sichs bewährt, daß die Wahrheit doch noch mächtiger ist als der Mammon. Ehre ihnen - aber kein Geld! Sie sind auf dem Wege des philosophischen Denkens dahin gekommen, was die andern die Not praktisch gelehrt hat - oder doch lehren sollte. [,..]t32J • Handschrift St.A. Zürich, Weitling-Papiere, P 239.1.

Gekürzt. Erstmalig veröffentlicht.

I Irrtümlich für „Junge Generation“, die gelegentlich Gedichte von Mäurer abdruckte. - 2 [Wilhelm Weitling:] Die Regicrungsform unsers Prinzips. In: Die junge Generation, 6.Lieferung, Juni 1842, S. 86-96.

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30 Statuten des Bundes

der

Gerechten (Fragment/3 33

etwa Januar 1843 Die Pflichten

1) Die Verbrüderung der Gerechten besteht aus Deutschen oder Deutschredenden. 2) Bezweckt Erlösung1 der Menschheit und Begründung gleicher Rechte und gleicher Pflichten für alle und jeden. 3) Diese Verbrüderung ist geheim. 4) Sämtliche Brüder wachen mit größter Strenge über die gegenseitige Sittlichkeit. 5) Wer sich irgendeiner entehrenden Handlung bewußt ist, ziehe sich beizeiten zurück, wofern er sich nicht aus diesem edeln Vereine schmählich entfernt sehen will. 6) Jeder ist gehalten, die Zahl der Mitglieder durch neu aufzuneh­ mende vermehren zu helfen. 7) Erfordernisse zur Aufnahme sind: Untadelhafter Wandel, Charakterstärke, Mut, Eifer, Ausdauer und die zu jedem nötigen Opfer sich darbietende Bereitwilligkeit. 8) Unter allen Brüdern herrscht Gleichheit; und in jeglicher Gefahr ist Beistand und Sorge für die Hinterbliebenen eine Pflicht, welche mit den Pflichten gegen Vaterland und Menschheit gleich steht. 9) Unter allen Brüdern herrscht Offenheit; wer etwas gegen Personen oder Sachen im Vereine vorzutragen hat, der ist verpflichtet, es öffentlich, nämlich, in der Sitzung, zu tun. Ohrenbläser werden entfernt. 10) Jeder von einzelnen vorgebrachte Vorschlag im Vereinsinteresse wird in solcher Art verhandelt, daß seine Durchsprechung nur einen Teil der Sitzungen einnimmt, damit gleichzeitig die Prinzips-Er­ örterung fortgehen könne. 11) In den Vereinssachen herrscht völlige Verschwiegenheit. Wer da­ gegen fehlt, tritt schon hiemit aus. II)2 Pünktlichkeit im Besuche der Sitzungen ist unerläßlich. Und wer ohne triftige Entschuldigungen dreimal ausbleibt, der tritt somit aus. 1 Ein Vergleich anderer bei Bluntschli abgedruckter Quellen mit den Originalen zeigt, daß die Hervor­ hebungen im Text in der Regel von Bluntschli willkürlich beim Abdruck hinzugefiigt wurden. Auch bei den „Pflichten“ scheinen die Hervorhebungen von Bluntschli zu stammen. - 2 so in der Vorlage

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kleiner sozialer Gedichte für die „Neue Generation“1. [...] Ich habe die ganze Sammlung Deiner Generationsblätter bis zur Oktobernummer dieser Tage in die Hände bekommen. Dein wackeres Kämpfen für die gute Sache hat mir wahrhaftes Vergnügen gemacht, doch mit einem Artikel - Deinem Kapazitäts- oder Fähigkeitssystem2 - kann ich nicht harmonieren. Indessen tut das nichts, begegnen wir uns ja doch in allen übrigen Aussprüchen und Meinungen. Wenn man ohne Dünkel die Wahrheit sucht, muß man sich früher oder später auf gleichem Gebiete finden, mag man von Nord oder Süd ausgehen. [...] Die V[olks]h[al]le wundert sich, daß Du ihr auf ihren letzten Brief noch keinen Bescheid geschrieben und ersucht Dich, dies doch sobald als möglich zu tun. [...] Gehabe Dich recht wohl und sei versichert der Liebe Deines treuen Freundes Mäurer Handschrift St.A. Zürich, Weitling-Papiere, P 239.1.

Gekürzt. Erstmalig veröffentlicht.

29

Brief von August Becker in Lausanne an Wilhelm Weitling in Vevey

etwa Mitte Dezember 1842

Lieber Weitling! Warum schreibst Du nicht, warum läßt Homann nichts von sich höre'n? Die Bücher sind bis auf 7 Stück verkauft; Hesse wird das Geld senden; wir werden die andern Exemplare auch noch absetzen. [...] Die Schreiber der „Deutschen Jahrbücher“ sind famose Leute. Sie sind für Abschaffung des Geldes, obgleich sie reich sind. An ihnen hats sichs bewährt, daß die Wahrheit doch noch mächtiger ist als der Mammon. Ehre ihnen - aber kein Geld! Sie sind auf dem Wege des philosophischen Denkens dahin gekommen, was die andern die Not praktisch gelehrt hat - oder doch lehren sollte. [...]E32J Handschrift St.A. Zürich, Weitling-Papiere, P 239.1.

Gekürzt. Erstmalig veröffentlicht.

1 Irrtümlich für „Junge Generation“, die gelegentlich Gedichte von Mäurer abdruckte. - 2 [Wilhelm Weitling:] Die Regierungsform unsers Prinzips. In: Die junge Generation, 6. Lieferung, Juni 1842, S. 86-96.

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30

Statuten

des

Bundes der Gerechten (Fragment/333

etwa Januar 1843

Die Pflichten 1) Die Verbrüderung der Gerechten besteht aus Deutschen oder Deutschredenden. 2) Bezweckt Erlösung1 der Menschheit und Begründung gleicher Rechte und gleicher Pflichten für alle und jeden. 3) Diese Verbrüderung ist geheim. 4) Sämtliche Brüder wachen mit größter Strenge über die gegenseitige Sittlichkeit. 5) Wer sich irgendeiner entehrenden Handlung bewußt ist, ziehe sich beizeiten zurück, wofern er sich nicht aus diesem edeln Vereine schmählich entfernt sehen will. 6) Jeder ist gehalten, die Zahl der Mitglieder durch neu aufzuneh­ mende vermehren zu helfen. 7) Erfordernisse zur Aufnahme sind: Untadelhafter Wandel, Charakterstärke, Mut, Eifer, Ausdauer und die zu jedem nötigen Opfer sich darbietende Bereitwilligkeit. 8) Unter allen Brüdern herrscht Gleichheit; und in jeglicher Gefahr ist Beistand und Sorge für die Hinterbliebenen eine Pflicht, welche mit den Pflichten gegen Vaterland und Menschheit gleich steht. 9) Unter allen Brüdern herrscht Offenheit; wer etwas gegen Personen oder Sachen im Vereine vorzutragen hat, der ist verpflichtet, es öffentlich, nämlich, in der Sitzung, zu tun. Ohrenbläser werden entfernt. 10) Jeder von einzelnen vorgebrachte Vorschlag im Vereinsinteresse wird in solcher Art verhandelt, daß seine Durchsprechung nur einen • Teil der Sitzungen einnimmt, damit gleichzeitig die Prinzips-Er­ örterung fortgehen könne. 11) In den Vereinssachen herrscht völlige Verschwiegenheit. Wer da­ gegen fehlt, tritt schon hiemit aus. 11)2 Pünktlichkeit im Besuche der Sitzungen ist unerläßlich. Und wer ohne triftige Entschuldigungen dreimal ausbleibt, der tritt somit aus. 1. Ein Vergleich anderer bei Bluntschli abgedruckter Quellen mit den Originalen zeigt, daß die Hervor­ hebungen im Text in der Regel von Bluntschli willkürlich beim Abdruck hinzugefügt wurden. Auch bei den „Pflichten“ scheinen die Hervorhebungen von Bluntschli zu stammen. - 2 so in der Vorlage

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12) Pünktlichkeit in der Entrichtung der Monatssteuer und der Kranken­ steuer ist unerläßlich; es sei denn, daß triftige Gründe abhalten. Von diesen Pflichten ist in jeder Gem[ein]d [e] eine Abschrift niedergelegt. [Johann Caspar Bluntschli:] Die Kommunisten in der Schweiz nach den bei Weitling vorgefundenen Papieren, Zürich 1843, S. 51/52.

31 Brief von Sebastian Seiler in Morat Simon Schmidt in Lausanne 2. Januar 1843 . . , . Morat, 2. Janvier 43 Prosit Neujahr! Laut Ihren Zeilen vom 27. v. Mts. ist mein Feuilleton: „Die Schwei­ zerpresse. Auch eine Neujahrsbetrachtung“ in der „Rheinischen [Zeitung}“ noch nicht erschienen. Ich sandte es bereits den 19. Dezember von hier ab und muß mich daher wundern. Allein es ist wahrscheinlich zu radi­ kal; auch hat die Polizei den Redaktor, Dr. Rutenberg, aus Köln wieder zurück nach Berlin genötigt und die Verleger Renard und Komp, ge­ zwungen, eine andere Tendenz einzuschlagenJ343 Der Teufel soll die Regierung holen! [...] Binnen acht Tagen bin ich mit zwei Büchlein fertig; das erste: „Das Eigenthum in Gefahr! Oder was haben Deutschland und die Schweiz vom Communismus und Vernunftglauben zu fürchten?“ - bringt eine histo­ rische Übersicht des Kommunismus von Adam bis Grauff und Döleke, bei der ich die „Junge Generation“ viel benützt und Charakteristiken der vier Hauptevangelisten: Constant, Cabet, Proudhon und Weitling in derber Sprache geliefert. Dieses Büchlein, bei dem ich ein rein kompilatorisches Verdienst nur als Verfasser anspreche, wird dem Weitling[schen] Buch viel nützen. Ich teile auch die bible de la libertd1 darin mit, die allein hinreicht, in Deutschland Mordjo! zu schreien; daß eben ist’s, was wir brauchen! Deutschland muß in Alarm gesetzt werden. Töricht, sich bloß auf die Vereine beschränken zu wollen. Diese wirken auch und sind ebenfalls notwendig. Allein Hauptsache ist, die ganze Literatur vom Kommunismus zu infizieren, und dazu sind Weitling, Gutzkow, Herwegh, Becker, Schirges, Schmidt und Seiler schöne Anfänge. [...] Um nun zunächst etwaige Reklamationen bei der „Rheinischen JZeitung]“ zu machen und meine Kritiken darnach zu berechnen, bitte

an

1 Bibel der Freiheit

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ich Sie, im Inhaltsverzeichnis derselben nachzuschauen: welche Artikel unter der Rubrik Schweiz, von Bern und Genf, unter dem Zeichen Z seit dem Ende Oktober - meiner Abreise - darin enthalten? Verpflichten würden Sie mich, wenn Sie mir alle diese Nummern unter Kreuzkuvert auf ein paar Stunden schickten - binnen 24 Stunden sollen Sie sie nebst Stein und Laponneraye pünktlich zurück haben. Es müßte aber unver­ züglich geschehen! - Das Porto kostet nur 1 Batzen. - Auch bewußte Nummer der „[Schweizerischen] National-Zeitung“ legen Sie bei. Ich bitte, baldigst einliegendes Mahnbriefchen in den Briefkasten zu werfen!1 Handschrift St.A. Zürich, Weitling-Papiere, P 239.1.

Gekürzt. Erstmalig veröffentlicht.2

32 Brief von August Becker in Lausanne Wilhelm Weitling in Vevey

an

etwa Mitte Januar 18433

[...] Was den Prophet Albrecht betrifft, so bin ich doch diesmal der Meinung Schmidts. Zum Kolporteur magst Du ihn gebrauchen; darfst Dich aber sonst mit ihm nicht einlassen. Du mußt seine närrischen Schriften nicht gelesen [haben], so würdest Du gewiß anders von ihm denken. Der Mann ist verrückt geworden von der Lektüre der Bibel. Er leitet uns alle von den 12 Stämmen Israel ab, und eine Wiederher­ stellung der Herrlichkeit Salomonis scheint der Traum seiner alten Tage zu sein. Ich weiß wohl, daß er nebenher auch noch allerhand soziale Veränderungen will, wozu er die Vorbilder gefunden hat, z. B. die Vielweiberei Abrahams und Salomos, der bekanntlich einen Harem von 700 Damen hatte. Kurz, laß Dich nicht zu weit mit ihm ein. Du weißt, daß den ernstesten Dingen nichts gefährlicher ist als das Lächer­ liche - und dieser Prophet könnte uns und unsere Sache lächerlich machen. Laß also die Hand von ihm!1353 [...] Meine Kritiken Deines Werks haben alle ein schlimmes Schicksal. Ich habe der „Leipziger [Zeitung]“, der „Rheinischen [Zeitung]“ und den „Hallischen Jahrbüchern“ geschrieben4, die erste und letzte Zeit1 Dieser Satz steht auf der ersten Briefseite am Rande.-2 Einige Auszüge aus diesem Briefe ver­ öffentlichte Bluntschli in: Die Kommunisten in der Schweiz..., Zürich 1843, S.76/77. - 3 Zur Datierung: In Preußen wurde Ende Dezember 1842 der Vertrieb der „Leipziger Zeitung“ verboten, Anfang Januar 1843 traf ein gleiches Verbot die „Deutschen Jahrbücher“; von beiden Maßnahmen wird im vorliegenden Briefe berichtet. -4 Vgl. Beckers Brief von Dezember 1842 (Dokument 29); richtig: Deutsche Jahr­ bücher.

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schrift sind jetzt verboten; ob die „Leipziger“ etwas aufgenommen hat, weiß ich nicht, da ich sie nicht lese. Den Artikel für die „Hallischen Jahrbücher“ hatte ich vorher nach Zürich an Fröbel geschickt, mit der Bitte, von dort aus zugleich ein Exemplar der „Garantien“ an Otto Wigand zu senden. Vielleicht ist es zu spät gekommen. [...] Handschrift St.A. Zürich, Weitling-Papiere, P 239.1.

Gekürzt.

33 Brief von Hermann Ewerbeck in Paris an Wilhelm Weitling in Vevey 31. Januar 1843

Paris, 31. Januar 43 Lieber B[rüder]! Wir sind froh, daß die Sache so weit vorgedrungen; Dein Triumph­ zug in der Umgegend erregte aller Freude, und wir bezeigen Dir hiermit unsern Beifall und unsern Dank für Deine Mühen; wir wollen übrigens durchaus einige Exemplare des Buchs1 par poste des lettres2 von Dir uns schicken lassen, auch die „Junge Generation“ auf selbige Weise. Sonderbar, daß weder Du noch wir früher daran gedacht! Du mußt jemonatlich ein Stück des Journals ohne Brief, bloß unter Kreuzband, mit Aufschrift Impression3, Adresse: Monsieur Genillier, professeur des mathematiques, Place Ecole de Medecine, Nro. 1 (eins) au 3eme, ohne sonst das Mindeste schriftlich beizufügen, auf die Briefpost geben. Durch diesen Weg ist die Sache nicht auffallend. [...] Der Doktor Stein aus Mecklenburg kam schon im Frühling her­ gereist und befragte Cabet genau über das Prinzip, welches er studieren und zu Hause beschreiben wolle, sagte er. Cabet demonstrierte erfreut diesem jungen Juristen alles, verschaffte ihm Bücher; der war aber zu­ gleich mit Venedey vertraut, welcher ihn zu Mäurer schickte, der sich (vielleicht zum Glück) durch den Portier verleugnen ließ. Der Stein soll noch hier sein. Sein Werk ist aber schon in Leipzig (Wigand) erschienen, und die lobhudelnde, durch zwei Augsburger Zeitungsnummern sich durchziehende Kritik dieses infamen Buchs haben wir in Ermanglung desselben gelesen.1363 [...] Das Buch macht Lärm in Deutschland; das Deinige ist die beste Antwort, aber es muß sofort hinüber. Eine Wider­ legung seiner Schrift ist noch nicht an der Zeit. Nur nicht ängstlich; Geduld, Mut; wir sind eines Kopfes höher als all dieses Gelichter. 1 Weitlings „Garantien der Harmonie und Freiheit“ - 2 durch Briefpost - 3 Drucksache

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Die „Deutschen Jahrbücher“, in Sachsen von Doktor philos. Rüge geschrieben, zuerst rein literarisch, dann philosophisch[-]politisch[-J religiös, mit der Fackel der geläuterten hegelianischen neuern (nicht der ältern schlechten) Philosophie, das Pfaffen-, Adels-, Königstum in Brand steckend - Kommunismus predigend - sind verboten. Am Neu­ jahrstag riefen sie zur Deutschen Republik auf.1 - Diese seit 4-5 Jahren bestehende Monatsschrift hat ungeheure Aufklärung unter dem Stande der deutschen Gelehrten und Beamten verbreitet; sie gestanden selbst, sie wären noch nicht so volkstümlich als nötig, aber es müßte der Ge­ lehrtenstand auch aufgeklärt werden, und diese Höllenarbeit bei Gott! haben sie treulich geführt; Rüge (früher Demagog) ist alsbald zum Lohn in Dresden als Stadtrat von der Gemeinde erkoren worden. Ich habe ihm früher schon geschrieben. Du mußt alle solche Dinge im Journal kurz, energisch den Lesern abmalen. Die „Rheinische Zeitung“ wird verboten werden, heißt es.3373 Die Freimaurerei ist nicht zu gebrauchen; ich bin selbst darin; Homann wird Dir dasselbe sagen. Sein edles Wirken erweckt aller Jubel. Möge er bald schreiben, Möllinger, 30, Rue St.Honore, aber Du mußt sofort uns seine Adresse geben. [...] Handschrift St.A, Zürich, Weitling-Papiere, P 239.1.

Gekürzt.

34

Brief von Hermann Ewerbeck in Paris an Wilhelm Weitling in Vevey etwa Februar 1843

' Männer2 wie Heß sind direkt wirksam in ihrer Sphäre; indirekt auch • drüber hinaus. Nur gehe man nicht auf Abwege, auf Pedanterie. Aber schließe mit ihm ein nahes Band; das wird Euch beiden heilsam sein.t383~ Warum schreibst Du nicht? Deine Reisen in den Kantonen hindern Dich wahrscheinlich nicht, uns und den Londonern zu schreiben. Letztre wissen sich Dein Schweigen nicht zu erklären und wollen Nach­ richt wegen der an Schmidt nach Lausanne aus London abgeschickten fünfundsiebzig Franken (Beisteuer für Deine Kleidung und sonstige Einrichtung)139’. Daß Schmidt ausgetreten, hat er uns kürzlich auf unser Fragen erzählt, nebst manchen andern Dingen, woraus sich er1 Ruges Aufsatz „Selbstkritik des Liberalismus“ erschien in den „Deutschen Jahrbüchern“ vom 2. Ja­ nuar 1843.-2 Der Anfang des Briefes fehlt offensichtlich.

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gibt, daß er immer ein eifriger K[ommunist] ist und bleibt.1 Wir wollen wissen, ob unsre 75 Franken an Dich gelangt sind (Adresse, wie Du sie gegeben).1403 [...] Schickt Leute nicht immer nach Paris, sondern nach Lyon und Brüs­ sel. Das sind zwei Hauptstriche. Wiederholen laßt uns: Schreibt fleißig die ,,J[unge] Generation“, aber laßt das Bücherschreiben, das Schreiben großer Werke noch fort2. Nun Gott befohlen, Gruß und Handschlag Antworte bald. Handschrift St.A. Zürich, Weitling-Papiere, P 239.1.

Gekürzt.

35

Brief von Hermann Ewerbeck in Paris an Wilhelm Weitling in Vevey1413 19. Februar 1843 Paris, 1843, 19.Febr. Lieber B[rüder]! Es ist sonderbar, daß Du wieder uns Deine Adresse zu schicken ver­ gessen hast. Und doch brauchen wir diese. Du hast uns einen Brief geschrieben, der uns mit dem ungeheuersten Erstaunen erfüllt und - mit Schmerz. Du bist in einem kolossalen Irr­ tum. Dein Vorschlag ist ebenso unrichtig, als der humanitärische von der Weib[er]gem[ein]sch[a]ft, mit selbiger schon jetzt den lustigen An­ fang zu machen. Zwar ist die Verschmelzung des individuellen Besitzes in den allgemeinen Besitz unser Prinzip, aber diesem Prinzipe müssen die Mittel entsprechen, die wir erkiesen, es zu realisieren. Frage: Ist das vorgeschlagene Mittel genügend? Die „20000 mutige pfiffige Kerle“ sind bekanntlich sehr verschieden unter sich. Manche aus Not und Verzweiflung, manche aus Verführung und Angewöhnung. Du weißt selbst - sie demoralisiert. Wenn diese ihr Wesen treiben: glaubst Du, daß die noch nicht zu ihrer Zahl gehörigen sich freuen? Daß sie ihnen nachahmen wollen? Nein. Man wird mithin folgendes sehen: ein Teil Notleidender stiehlt, ein andrer stiehlt nicht. Gerade wie heute, gerade wie früher auch schon. Abscheu aber gegen 1 Zwischen Weitling, dessen Mißtrauen sich auch gegen Kampfgefährten zu richten begann und teilweise krankhaften Charakter annahm, und Simon Schmidt kam es Anfang 1843 erneut zu starken Spannungen (vgl. auch Anm. 28), die schließlich mit einem völligen Bruch endeten. -2 Vgl. Dokument 39.

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das Prinzip wird bei den übrigen in so hohem Maße entstehen, daß die Verwirklichung in ihrem Gange gehemmt w'erden wird. Nicht etwa un­ möglich gemacht, denn nie kann das Heilige unmöglich werden, und heilig ist das Prinzip. Aber aufgehalten, verzögert. Wie ungefähr (um ein schwächeres Beispiel anzuführen) die Münsterer Gern [ein]sch[a]ft der Wiedertäufer] durch nichts andres schmählich scheiterte als durch die unselige Idee der Weib[er-]Gem[ein]sch[a]ft. - Das lehrt die Ge­ schichte der Vergangenheit, und das wird die der Zukunft lehren, daß durch falsche Mittel der richtige Zweck nicht erreicht wird, der Zugang zu ihm sich verringert und erst nach langer harter Arbeit des Geistes, wenn die richtigen Mittel gefunden sind, sich wieder öffnet. Das geratene Mittel genügt nicht! - Sodann schadet es geradezu; die Reaktion dagegen wäre die enormste, die es je gegeben; und die Hab­ sucht und Raubsucht würden endlos in den Gemütern fortwuchern. Diese beiden Leidenschaften sind (wie sämtliche übrige) gewissen Seelentrieben entsprechend; nämlich dem Triebe des Ich, die äußern Dinge, geistige wie materielle, die noch nicht in seinem Ich sind, deren selbiges jedoch nötig hat, an sich heranzuziehen. Man kann dies den praktischen oder aktiven oder tätigen Lebens­ trieb des Ich heißen; die Anziehung. - Im notwendigen Gegensätze zum Abwehrungstriebe, wodurch das Ich sich schirmt und verteidigt. - Nun kommt es aber darauf an, diesen Anziehungstrieb der Seele zu veredeln, das ist so zu richten, daß er zum Wohle aller und jedes einzelnen ge­ reicht. Und wenn man die Begier des Raubens und Stehlens anfacht, ist in dieser Begier etwa eine Veredelung des Anziehungstriebes? Ist diese Begier unzertrennbar von Heuchelei, Tücke, Lug, Trug, Neid? Das sind verunreinigende Gefährten; weg damit. Wenn die 20000 (runde Zahl Deines Briefs) in dieser Leidenschaft handeln: wer, was steht dafür ein, daß sie nicht auf die Dauer fest­ wurzeln? Und dann wäre wieder die gute Sache gehemmt. Wenn die K[ommuniste]n, sich unter die 20000 mischend, mit handeln: wer unter­ scheidet sie von den 20000? Wenn einer der letztem vor Gericht kommt, dann wird er ganz genau die Sprache der K[ommuniste]n nach­ äffen und, wenn er gescheit ist, noch eindringlicher plappern als ein ehrlicher, aber maulfauler Kfommunist], Und wenn das erbauliche Leben vieler1 der 20000 ans Licht kommt, ihre Schlemmerei, Leicht­ sinn, Faulenzen: welch informierendes Licht wird das auf uns, redlich für das Wohl der Brüder tätigen, K[ommunisten] werfen! Denn jeder einzige, und der infamste von den 20000, wird sich mit lachendem Munde K[ommunist] nennen und uns bestehlen und totschlagen und wird kein Auskommen sein mit den Barbaren. Man kann sich der un1 Nachträglich geändert aus: der Mehrzahl

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edeln Leidenschaften der unedeln Menschen bedienen, sie zu veredeln, das geben wir Dir zu; aber wir beschwören Dich, samt und sonders, Dir klarzumachen, in welchem Falle solche Aufhetzung der noch un­ edeln Gemütstriebe erlaubt ist. Offenbar lediglich dann, wenn ein genügsames Gegengewicht gegen diese Triebe vorhanden. Worin liegt das hier? In unsrer Weisheit etwa? Meinst Du, die raubgierigen 20000 würden sich von unsern edeln Leh­ ren veredeln lassen? Aber deren Kinder sagst Du. So? Wie, wenn durch das Beispiel die Seuche der niedrig schmutzigen Begierden auch unsere Kinder ansteckte? Unsre Kinder, welche von Jugend auf sehen und hören, daß wir jene Räuber und Diebe anfeuern. - Nur keine Ver­ wilderung! Im Volke“? Das meinst Du gewiß nicht, der Du ohnehin nicht viel auf die Volksweisheit zählst. In der Furcht, in der Hinsicht, im Interesse der Besitzer selber? Wenige, sehr wenige würden sich hiedurch bewegen lassen; die Mehr­ heit der Reichern verbände sich desto unauflöslicher, sie zöge die minder Reichen ins Interesse und verbrüderte sich mit diesen noch fester gegen das stehlende Proletariat. Beim Stehlen bliebe es nicht; Blut würde fließen. Denn es gibt Diebe, die zornig sind, während andre freilich Blut scheuen. Wir sind überzeugt, daß Du, lieber B[ruder] irrst, denn irren ist menschlich; je glühender das Herz, desto kälter soll aber der Verstand sein. Das Mittel ist also auch schädlich, weil es unmoralisch ist und kein Gegengift bei sich hat. Weshalb (dies beherzige!) ist der Jesuitismus mit Recht so verab­ scheut? Weil er 1. einem schlechten Ziele zustrebt, dem römischen Papstjoche, und zu diesem Ziele alle möglichen Mittel erlaubt. 2. Weil er in diesen seinen Mitteln gar keine Gewähr für das Sittliche hat; er ruft die bösesten Leidenschaften zu Hülfe, aber er bändigt sie nachher bloß mit der Zuchtrute des jesuitischen Gehorsams, ohne sie zu ver­ edeln. Unser Ziel ist heilig. Aber hüten wir uns, Nro.2 zum Ähnlichkeits­ produkte zwischen uns und Jesuiten zu machen. Und das ist wahrlich der Fall, wenn wir Dein Mittel annähmen. Wir mißkennen nicht das Großartige, aber wir wünschen, Du mögest nicht bloß dem Großartigen nachjagen, sondern auch dem Zweck­ gemäßen; dem Mittel, wodurch der Zweck erreicht wird, auf die kür­ zeste, sicherste Weise. Du wirst in unsrer Zurechtweisung hoffentlich nichts ersehn, was Dich kränken sollte. Aber wir beschwören Dich, ebensowenig den Diebstahl als die Weib[er-]G[emein]sch[a]ft zu pre160

»Vilhelm Weitling im Jahre 1849

' wie sie ist, und wie sie sein sollte.

Titelblatt der von Weitling verfaßten ersten Programmschrift des Bundes der Gerechten

1833

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Brief von Andreas Scherzer an Wilhelm Weitling vom 15. November 1841 (erste Seite)

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gebruar 1842.

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L .:..., Brief von Hermann Ewerbeck an Wilhelm Weitling vom 26. Oktober 1842 (erste Seite)

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Brief Wilhelm Weitlings an ein unbekanntes Mitglied des Bundes der Gerechten vom 9. Oktober 1842 (erste Seite)



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1842.

Titelblatt der Erstausgabe von Wilhelm Weitlings Hauptwerk

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Brief eines Mitgliedes der Volkshalle des Bundes der Gerechten an Wilhelm Weitling vom 21. Februar 1843 (Ausschnitt von der ersten und letzten Seite)

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Brief von Lorenz Petersen an Wilhelm Weitling von Anfang April 1843 (erste Seite)



digen, weder mündlich noch schriftlich. Cabet ist kein Narr und kein Heuchler, und ebenfalls will er von solchen Dingen nichts wissen. Nun aber, wie muß gewirkt werden? Jedenfalls vermöge derselben Mittel wie bisher, aber energischer müssen wir uns an das Gewissen, an die Ehre der Leute wenden, ihnen die neue Religion zu Gemüte führen, die den Kern unsres K[ommunismus] bildet; ohne dies sind wir in unserm Erfolge gerade so mangelhaft als diejenigen, welche aberwitzig von keiner Verbesserung der Materialität hören wollen. - Mit Verlangen erwarten wir Deine Antwort. Gruß und Handschlag

Warum hast Du in Dein Sozialbuch1 so viele unnütze französische, lateinische Wörter eingeflickt, wofür Du wahrhaftig ebenso gute deutsche Dir machen konntest? Die Klage darüber ist groß; auch über Deinen Stil im letzten Journal, was wir per Adresse Genillier bekamen. Schreibe doch ja wieder so gutes reines Deutsch, wie im Anfang des „Hülferufs“. Handschrift St. A. Zürich, Weitling-Papiere, P 239.1.

Erstmalig vollständig veröffentlicht.

36

Brief eines Mitgliedes der Volkshalle des Bundes der Gerechten in Paris an Wilhelm Weitling in Vevey2 21. Februar 1843 Paris le 21.Febr. 1843 Lieber Bruder! Noch nie hat uns ein Brief von Dir durch seinen so irrigen Inhalt in eine so ängstliche Gefahr gesetzt als dieser, obgleich wir schon früher , mehrere Stellen in der „Jungen Generation“ bemerkten, die darauf hin­ deuteten, aber unbemerkt darüber weggingen, weil wir es nur für eine augenblickliche Nachahmung der Proudhonischen Ideen hielten und uns nie einfallen ließen, daß diese gefährliche Meinung so Wurzel bei Dir schlagen könnte, um zur verkehrtesten Überspanntheit auszuarten. 1 Weitlings „Garantien der Harmonie und Freiheit“ - 2 Dieser Brief, dessen Schreiber nicht identifi­ ziert werden konnte, enthält eine Nachschrift von Ewerbeck. Aus dem Inhalt geht hervor, daß es sich um ein Mitglied der Volkshalle handeln muß. Der Brief enthält in Rechtschreibung und auch im Satz­ bau einige charakteristische Eigenheiten und Abweichungen, die auf einen Handwerksgesellen als Schrei­ ber hinweisen. 11

Bund

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Ah! Du sagtest: Schapper habe Dich nicht verstanden; nein, Du hast ihn nicht verstanden. Er tat, was überall zu tun ist. Er überlegte nicht allein die guten Folgen (hier kann aber durchaus von keinen guten die Rede sein), sondern auch die schlimmen und fand, was ein jeder kalte Denker und Freund der Moral finden muß, nämlich, daß das Stehlen zurückschaudemd für jeden wohlwollenden Menschen ist und es des­ wegen nur von Halunken als ein Handwerk betrieben werden kann. Wenn auch nach Deiner Meinung die Sitte, „das Stehlen zu verachten“, keine Natursitte ist, so ist sie doch für die heutige Welt eine angenom­ mene Universalsitte; wehe dem, der eine solche direkt angreifen wird! Wir können deswegen auch nicht auf den Ursprung zurückgehen, um zu beurteilen, ob’s Recht oder Vorurteil ist, weil die Verhältnisse zu der Zeit, wo es entstand, durchaus nicht mehr dieselben sind wie heutzutag, sondern alles sich geändert hat und mit Recht das Stehlen eine der garstigsten und gefährlichsten Unsitten geworden ist, und wenn es noch nicht wäre, so würde heute die Gerechtigkeit es dazu stempeln müssen. Unsere Aufgabe ist also zu beweisen, daß gerade diese Hand­ lungen, welche für gerecht und gut gelten, die größten Waffen zum Diebstahl und Betrug sind und folglich ungerecht und gefährlich für die Gesellschaft sind, ja selbst die Quelle alles Unglücks, welches die Menschheit heimsucht, und nicht die1, welche den Auswurf der Mensch­ heit [aus]machen und bei denen alles Gefühl zum Wahren und Rechten tot ist, zu ehrlichen Leuten erheben. Denn sobald ich die Handlungen einer Person für gerecht halte, muß auch die Person selbst Achtung da­ durch verdienen. Die Handlungen einer Person achten und die Person verachten, ist also Unsinn. Denke Dich nun einmal an die Spitze, als Abenier oder Schinder­ bannes, einer Bande von 90000 Halunken und fange an, im Geiste die Schweiz zu verheeren, denke Dich dann weiter, während Du einen Augenblick auf dem Schauplatze des Schreckens, der Rache, der Zügel­ losigkeit, des Mordes und des Raubes verweilt hast, und sehe alles drunter und drüber, kurz in der größten Anarchie, jetzt, wo nun der Augenblick da ist, zu handeln, stehe auf und fordere von Deinen Hel­ fershelfern, ihren Raub auf den Altar der Vernunft und Gerechtigkeit zu legen, um das System der Gemeinschaft beginnen zu können. Oh, wie wird man Dich auslachen, Dich totschlagen2 und es sich wohl­ schmecken lassen. Du würdest Dich dann genötigt sehen, Dir unter den Opfern eine neue Bande zu gründen, um gegen die alte das Schanden­ system von neuem zu beginnen und immer so fort. Die bösen Leiden­ schaften würden so schrecklich Wurzeln fassen, daß alles Wahre, 1 Gemeint Ist: und unsere Aufgabe ist nicht die, diejenigen -2 „Dich totschlagen“ nachträglich am Fuße der Seite hinzugefügt.

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Schöne und Gute aus der Gesellschaft gestoßen würde, und alles Gegen­ wirken wäre dann zu spät und fruchtlos. Halten wir deswegen hier ein und gehen nicht weiter, denn das Chaos wird zu abscheulich und ab­ schreckend, um sich wieder herauszufinden. O Freund! In welchen Irrtum bist du geraten, willst mit den Furien der Hölle das Himmelreich gründen, gehe und schäme Dich solch eines Gedankens. Die Wissenschaft ist ein roher Klotz ohne Moral, nur diese gibt ihr Geschmeidigkeit und Glanz; dieses scheinst Du aber noch nicht begriffen zu haben, denn sonst wären ähnliche Gedanken gleich von Dir, wie der Satan selbst, zurückgestoßen worden. Jetzt wollen wir uns auch eine Rotte tüchtiger Kerle denken, die bloß deswegen sich zum Stehlen bewegen ließen, um die Gesellschaft in Un­ ordnung zu bringen, weil man sie glauben machte, daß aus dieser Un­ ordnung die idealischste Ordnung hervorgehen werde. Daß nun ein gerechtigkeitsliebender Mann nur durch die mutigste Selbstüberwin­ dung zu solchen Mitteln greifen kann, wirst du hoffentlich nicht be­ streiten wollen. Also Männer, die eine solche Selbstüberwindung be­ sitzen, sind zu weit sichern und weit bessern Mitteln fähig als zum Stehlen. Darum weg damit, wasche dein Gehirn davon rein, denn es ist Unrat, und rufe: Führe mich nicht in Versuchung, sondern erlöse mich von dem Übel! Amen. Das erste Exemplar Deines Werkes haben wir erhalten gegen 14 Sous Porto, die zwei folgenden Sendungen kamen ebenfalls an, doch denke Dir, welches Mittel man anwendete, um auf diesem Weg den Eingang zu verhindern - man verlangte für jede Sendung 23 Francs de part1!! Natürlicherweise man wies sie zurück. Den Adressen wegen, welche Du verlangst, wollen wir sehen, so viel als möglich zusammenzubekommen, jedoch um den Leuten ihr Zu­ trauen zu gewinnen, weil viele glauben könnten, ihre Freunde oder Ver­ wandten dadurch in Unannehmlichkeiten zu versetzen, schicke uns einige Exemplare des Inhalts, um es ihnen vorlesen zu können. Unsere Kritik Deines Werkes wirst Du später erhalten, vor der Hand bedauern wir sehr, so viele Druckfehler darin wahrzunehmen und [daß diese] durch die Nachlässigkeit des Setzers so weit betrieben wur­ den, daß man sie selbst auf vielen Stellen für grammatikalische Fehler halten möchte. Suche dieses ja in der „[Jungen] Generation“ so viel als möglich zu verhindern. Seit einiger Zeit ist uns besonders auffallend, so sonderbare Phrasen gegen Schmidt in Deinen Briefen wahrzunehmen; es scheint grade, als wenn Du etwas gegen ihn hättest, ohne mit der Sprache heraus zu wollen; wir wünschen, hierüber, wenn es etwas Ähnliches sein sollte, 1 Anteil 11*

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genauere Nachrichten zu bekommen, denn hat Schmidt etwas begangen, welches gegen seine Pflicht war, so ist es Deine Pflicht, uns hierüber zu benachrichtigen, um ihn deswegen zur Rede zu stellen. Sollten es bloß Persönlichkeiten sein, so hoffen wir nicht, daß sie auf eine solche Art betrieben werden, daß das Prinzip darunter leidet.1 In Erwartung baldiger Nachricht Dein Bruder M[. ..]2

Was die Statuten] anbelangt, so haben wir solche, wie Du sie wünschst, schon längst gemacht und [werden] Dir nächstens eine Ab­ schrift davon überschicken. Hier ist eine Abschrift der Pflichten3; von der Organisation erhältst Du nächstens eine. - Von letztem ist eine in jedem Gau und von den Pflichten eine in jeder G[emein]de niedergelegt; die gedruckten Statuten liegen in der Asche des Kaminfeuers. - Es war unumgänglich nötig für uns Pariser.4 Du wirst natürlich nicht mehr Deine Bücher senden, 23 Franken ist zu teuer. Handschrift St.A. Zürich, Weitling-Papiere, P 239.1.

Erstmalig vollständig veröffentlicht.

37 Brief von Lorenz Petersen in Lausanne an Wilhelm Weitling in Langenthal bei Bern etwa Anfang April 1 843c42:i

Lieber Bruder! Du willst Dich zurückziehen, nicht die Redaktion fortsetzen, nicht kämpfen wie früher, das kannst Du nicht, das wirst Du nicht wollen. Deine Brüder haben ein Recht dazu, es von Dir zu fordern; ist nicht die Mehrzahl überzeugt von Deinem Streben und Wirken, daß es ohne Eigennutz geschieht? Ja gewiß, wenn es auch nicht in Lausanne wärest.5 Die Stimmung hier hat sich schon seit Deiner Fortreise viel geändert, auch Mittwoch waren wir mehrere zusammen; wir werden treu zu1 Vgl. Anm. 28.-2 nur angedeuteter Namenszug-3 Dokument 30-4 dieser letzte Absatz und der folgende Satz in der Handschrift Ewerbecks-5 So in der Vorlage; der Satzzusammenhang ist nicht ganz eindeutig.

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sammenhalten und eifrig fortwirken, davon seid überzeugt; ein Kern wird immer da sein, wenn auch die Schale verlorengeht. Denke nicht mehr darüber nach, ob Neid oder Bosheit, Übereilung oder Mißver­ ständnis das Geschehene emporgerufen hat, zu ändern ist es nicht mehr. Sondern forsche nach, wie Du in Deiner jetzigen Stellung und zukünfti­ gen Verhältnisse der Menschheit nützlich sein kannst. Dieses ist eine heilige Pflicht, eine Pflicht, deren Erfüllung zugleich Belohnung ist. Oder willst Du eine andere Belohnung etwa erwarten von dieser er­ bärmlichen Zeit, vielleicht Anerkennung Deiner Verdienste? Du wirst vergebens warten. Wo hätte die Geschichte ein derartiges Beispiel auf­ zuweisen? Die Zufriedenheit mit sich selbst, das Bewußtsein, seine Pflicht getan zu haben, und die Überzeugung, nach seinen Kräften ge­ wirkt zu haben für das Wohl seiner Mitmenschen, mehr wird Dir an dem Endziel Deines Lebens vielleicht nicht übrigbleiben, höchstens noch ein paar treue Freunde. Aber noch gibt es Millionen elender Ge­ schöpfe, die um Hilfe schreien ohne Hoffnung, ohne Trost, welche ihre Stimme in die Ohren der gefühllosen Menge [rufen], auch Du hörst sie noch, darum mußt Du fortwirken, Du kannst nicht anders, nicht wahr? Und Du wirst es wollen mit neuem Mut, mit neuem Eifer, und treue Freunde werden Dir zur Seite stehen, wenn auch wenige an der Zahl. Du hast den Mut dazu, Du hast den Drang in Dir gefühlt. Dir ist die Gabe gegeben, vor vielen Tausenden Deines Standes öffentlich zu sagen, was die andern denken und nicht klar und deutlich aussprechen können. Deine Freunde haben Dir die Gelegenheit dazu gegeben, sie werden es auch ferner tun; drum wieder mutig ans Werk, sollte es Dir auch draußen mißlingen, komm nur wieder nach Lausanne, manches Herz schlägt Dir entgegen. Du wirst für uns arbeiten und wir für Dich, wir werden mit Dir teilen, mit Freuden werde ich Dich aufnehmen, wenn keiner es nicht täte, aber es werden es noch mehrere tun: nein, ich werde Dich nie verlassen, nie! Verhängnisvolle Zukunft. [!] Nein, wenn ich Dich ver­ ließe, da verließe ich die gute Sache, und das kann ich nicht, wenn ich [nicht] gleichgültig würde; die verschiedenen Verhältnisse im Leben, die Umstände, die Zeit verändert vieles. Drum gib ein Beispiel Deinen Brüdern, daß nichts vermag zu erschüttern, auch der1 härteste Schlag nicht, und an Deinem Beispiel, an Deiner Ausdauer wird2 unser Mut befestigt, noch hast Du Kraft in Dir; Du hast ja erst angefangen, öffent­ lich aufzutreten, und welche unerwarteten Früchte hat es schon ge­ tragen; wieviel kannst Du noch tun, wieviel bleibt noch zu tun übrig. Die Zeit ist kostbar, das Leben ist kurz, und vieles ist noch zu wirken und 1 in der Vorlage: auf den - 2 in der Vortage: werden wird

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zu sagen; wäre ich so immer durchdrungen von der Sache, [um so] wie Du so ganz dafür leben zu können; doch diese schönen Augenblicke gibt es wenige, da genieß sie immer1-. Freund, bleibe stets glücklich und erkenne es als ein Glück, daß Du wirken kannst für Deine notleidenden Brüder. Leb wohl L. Petersen Handschrift St. A. Zürich, Weitling-Papiere, P 239.1.

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Brief von August Becker in Genf an Wilhelm Weitling in Zürich 6. Mai 18432 Lieber Weitling! Über die Hauptsache zuerst! Ich lache über nichts, was von Dir kommt - aber Dein ganzer Plan gefällt mir nicht.1433 Ich habe eine unüberwindliche Abneigung vor solch geheimen Geschichten. Ja wirf mich nur mit dem „Schwab" ins Feuer, aber höre mich erst. Denn ich habe noch andere Gründe als meine Abneigung, die im Grund kein Grund ist. Also Du meinst, wir3 könnten übers Jahr, so um die Zeit, wo der Kuckuck singt, ein4 400000 Mann1443 sein und dann aufstehen und wandeln - ohne daß es jemand merkt. Kind, das Du bist. Ohne daß es jemand merkt!!? Solche Konventikel sind ja [eine] wahre Pflanzschule für Verräter. Das Halbdunkel der Atmosphäre, in der man sich bewegt, das Schauderhaftrevolutionäre, das Ungeheuerliche der Unter­ nehmung, das Gewagte derselben, da man ja persönlich den Hals dabei verlieren kann - die Unsicherheit des Erfolgs der ganzen Geschichte das alles reizt die bösen Gelüste des moralischen Geblüts, das brütet Verräter aus - und von dem Nichtsmerken wird bald die Rede nicht mehr sein. Laß nur die nächste Tagsatzung zusammenkommen, und wir wollen sehen, ob sie nichts gemerkt haben. Man spricht von einem eidgenössischen Gesetzesvorschlag, den Luzern gegen den Kommunis­ mus einbringen wolle. Auch die Wände unsers Genfer großen Rats sind schon von dem Wunsch eines bonne loi contre les soci£t£s secretes5 1 In der Vorlage: genießt sich immer-2 Datum des Poststempels - 3 Vor „wir“ stehen, allerdings nicht eindeutig zu entziffern, Anführungsstriche, jedoch ist kein Zitatende vermerkt. - 4 so in der Vor­ lage; vielleicht für „an“ - 5 guten Gesetzes gegen die Geheimgesellschaften

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widergehallt. Du wirst sehen, daß unsere Sache bald ein öffentliches Geheimnis werden wird, daß sie uns hetzen und schwarz anstreichen werden, ohne uns zu erlauben, den Ruß abzuwaschen und ihn ihnen ins Gesicht zu werfen. Das ist zu fürchten, zumal bei den wenigen Umstän­ den, die Du bei der Aufnahme in eine solche Assoziation gemacht haben willst. Fast jedes Kalb sagt Dir „Ja“ - und kommt ein andrer, so sagt er Nein - und kommt der Teufel und klingelt ihm etwas vor - so geht er mit ihm und verkauft seinen Meister. Hat mich doch mein zärtlicher sentimentaler Freund Clemm1 bloß deshalb verraten. Und dann diese 40000! Wenn Du sie nur alle hübsch auf einen Platz beisammen hättest. Aber wo werden sie 1844 stecken? Der eine hier, der andere da; 100 in Basel und 50 in Genf. Was wird das helfen, wenn sie sich auch alle wie ein Mann erheben. Eine einzige Kartätschenladung wird imstande sein, Dein ganzes Kartenhaus zusammenzuschießen. Beim Frankfurter Krawall zählten wir auf 60000 bewaffnete Männer. Aber wo waren [sie], als es zum Klappen kam? Geh mir los, wir sind nicht imstande, die Welt mit dem rohen Eisen in der Hand zu erobern. Wir müssen sie erst moralisch tot machen und dann zu Grabe tragen. Wenn dann die Kandidatin des Todes in einer letzten Fieberaufregung mit dem Messer auf uns losstürzt - dann sagen wir ihr: „Halt, Kind! Weißt Du nicht, daß Kinder mit Messern nicht spielen dürfen? Der das Schwert nimmt, soll durchs Schwert umkommen“ - und wir schlagen ihr den Kopf ab. [...] Handschrift St.A. Zürich, Weitling-Papiere, P 239.1.

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Gekürzt.

39 Brief von Sommer in Lausanne an Wilhelm Weitling in Zürich 7. Mai 1843

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Lausanne le 7 mai 43 Lieber Bruder, Was lang währt, wird gut, und so auch mein Brief, nur weiß ich nicht, wo ich so eigentlich anfangen soll. Also zuerst auf Deinen Brief vom 12. April antworten, wo wir bis jetzt noch nicht nach .Paris schreiben, sondern erst heute und das Bewußte aus Deinem [Brief] heraus­ schneiden und mitschicken. [...] 1 Gustav Clcmm, August Becker und andere beteiligten sich an der Vorbereitung und Verbreitung des „Hessischen Landboten“. Als Clemm am 21. April 1835 verhaftet wurde, machte er verräterische Aus­ sagen.

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Auszüge aus Briefen. Locle, den 13. April. Vollmer hat Geld für Dich mitgenommen, um das Porto zu sparen, hat Dich wahrscheinlich in Langenthal nicht ge­ troffen; er ist nach Baden bei Zürich, um einen Verein zu gründen. Genf. 20. April. Herwegh1 war in Genf; er aß in Gemeinschaft in unserm Verein mit seiner lieben Frau, wo sie bis um 12 Uhr nebst auch welschen Kommunisten beisammen waren. Privatkorrespondenten aus Paris melden, daß sie für gut halten, wenn Du das Bücherschreiben unterließest.1451 Das klingt famos. Sonst haben die Genfer noch kein Geld schicken können. La Chaux-de-Fonds. Verschiedene Ermahnungen wegen Vorsichtig­ keit. Geld. Haben von Reisenden? erfahren, daß Du in Z[ürich] bist. Die haben über 20 Lieferungen] der „[Jungen] Generation]“, von jeder etliche 7-8, nach Frankreich gebracht. Chambery in Savoyen. 1 Gfemeinde von] 5 M[itg]l[iedern] gegründet von dem großen Schäfer, der bei uns war. Er hat viele Schriften über die Grenze gebracht, welche er und Mitreisende in die Stiefel usw. [steckten]. Dein Buch soll viel Aufsehen dort machen. Hoffnung groß, den B[und] zu mehren. In acht nehmen wegen Verrätern unter den Deutschen! Es habe sich vor 4 Wochen ein Singverein [gebildet], wo nicht von Politik gesprochen werden darf, dennoch biete sich ein großes Feld. Baden in der Schweiz. Schreibt Hagström. Verlangt Bücher, die wir ihm schicken, nämlich „Garantien]“, große Aussicht zu verkaufen. Er geht nach Bruck2, wo er Arbeit hat. Adresse C. Hagström bei Siegrist, Schuhmacher in Bruck2. Gegenwärtig ist er also in Baden bei H[a]g[ström]. Liestal. V[on]2 Albrecht habe ich Gebrauch von 3 solchen Zetteln gemacht, die Albrecht an Deine Adresse hierher schickte. Einer ist im Verein angepappt, 1 hat Becker nach Genf mitgenommen, 1 hat Erkinger, 1 schicke ich Dir nebst Brief. Becker und Seiler lachten recht. London. Dieser Brief hat unsere Aufmerksamkeit auf sich gezogen, deshalb schicke uns das, was Du nach London schreibst, erst, damit auch wir Deine Meinung über den Diebstahl, Spiritualismus] und Mat[erialis]mus hören. Fein ist ja auch in Zürich; ob er nach dem Brief von London sich geändert hat?

Gib uns Auskunft, wo Januar-Num[mern]3 noch zu haben sind. Was unser[n] Verein anbelangt, sind wir Meister. Der Käbler hat nach einem Vorfall mit einem Bürgfer] aufgesagt. Schmidt hätte gern 1 in der Vorlage: „Herweg“ oder „Herwag“ - 2 nicht eindeutig zu entziffern - 3 der „Jungen Gene­ ration“

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gesehen, daß Käbler wieder oder ein Metzger und Kellner, der jetzt auch Mitglied] im Verfein] ist, Verwaltfer] geworden wäre. Noch meh­ rere hatten sich gemeldet. Wir machten im B[und] aus, den Rosenberg zu wählen, uöd setzten [es] durch, jedoch mit Mühe, und so können wir auch bei Michods1 Schuld vielleicht durchsetzen. Schmidt hält sich von nun an neutral in den Vereinsangelegenheiten. Im Bund geht es ebenfalls sehr gut, den Präsidenten im Verein, Jörs, nehme ich diese Woche auf. Von Becker in Genf im Namen des Vereins kam ein Brief um Hülfe, ihrem Verein aufzuhelfen; wir wissen aber noch nicht, woran wir sind, was wir tun sollen, da sie bisher mehr Karten spielten; jetzt aber noch einen Brief Petersens, der schreibt: es hätten sich 12 Kernkommunisten, d.h. aus dem B[und], zusammen dahin organisiert, alles zu beleben, den B[und] als auch den Verein. Wir werden sehen. Becker aus Genf und Seiler waren am Montag hier und hielten Vor­ träge. Seiler wurde von einem Schneiderschützen, dem er Pech gab, ausgebeutelt. Bartels soll nach Beckers und Petersens Aussage sehr eifrig wieder sein; die Ursache der Schläfrigkeit war, daß der B[und] in Händen einzelner war, und dies ist ein Beweis, daß es über kurz oder lang auch hier so gegangen wäre. Petersen hat uns 56 Stück „Eicheln“ geschickt, wo wir Dir das Geld von dem Verkauften schicken. Schreibe uns auch, wie Du mit Rosenberg stehst in Hinsicht der Pariser Anweisung, damit wir uns später keine Vorwürfe zu machen haben. Treibe an den Mainummern recht. Wie steht’s denn auch mit dem Rundschreiben? Ich bekomme einen geheim ausgestellten Paß und Geld, um nach London zu meiner dort verheirateten Schwester reisen zu können, wo ich für immer versorgt bin vor den Unannehmlichkeiten, die dem Flüchtling warten. Ich werde über Paris, wahrscheinlich schon in 2 Monaten, reisen. Sorge dafür, daß ich im Auftrag des Bfundes] Bücher und Schriften kann mitnehmen, die ich vielleicht nicht vorher erst be­ zahlen kann. So wie ich alle Aufträge besorgen werde und dann in London in den B[und] treten werde. Ich freue mich ungemein auf diese Reise, die doppeltes Interesse für mich hat und besonders das erste, viele Kommunisten kennenzulemen und gegenseitig zu ermuntern. Schreibe uns bald. Gruß und Handschlag an alle Brüder von uns allen. Sommer NS. Ich habe den Brief einrichten wollen, um ihn den Reichen vorzu­ halten, deshalb von Schmidt und Michod2, was nicht der Fall ist. Gebe 1 In der Vorlage: Mischods - 2 In der Vorlage: Mischod

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uns einen Rat, wie wir einen Brief einrichten, den Du dann einem Reichen vorhältst. Handschrift St.A. Zürich, Weitling-Papiere, P 239.1.

Gekürzt. Erstmalig veröffentlicht.

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II. B.AnHeiiKOB: SaMliaTentHoenecnrnJilTie. - 1838—1848 rr. Mai. JiHTepaTypHhixt aocnoMiinaHlft. In: BlcTnnin. Esponu, 1880, H.4, S.497-499.

Auszug.

[...] Gleich bei der ersten Begegnung lud mich Marx zu einer Besprechung ein, die bei ihm am Abend des nächsten Tages mit dem Schneider Weitling stattfinden sollte, der in Deutschland eine ziemlich große Partei von Arbeitern hinter sich hatte. Diese Besprechung war angesetzt worden, um nach Mög­ lichkeit unter den Führern der Arbeiterbewegung einen gemeinsamen Aktions­ plan zu vereinbaren. Ich zögerte nicht, der Einladung Folge zu leisten. Der Schneider und Agitator Weitling war ein hübscher, blonder junger Mann in einem stutzerhaft geschnittenen Röckchen, mit kokett gestutztem Bärtchen und glich eher einem commis voyageur als dem finsteren, erbitterten Arbeiter, den ich in ihm anzutreffen glaubte. Nachdem wir uns flüchtig miteinander bekannt gemacht hatten, was übrigens von Seiten Weitlings mit einer gewissen betonten Zuvorkommenheit geschah, setzten wir uns an ein kleines grünes Tischchen, an dessen einem schmalen Ende Marx Platz nahm, einen Bleistift ergriff und seinen Löwenkopf über einen Bogen Papier neigte, während sein ständiger Begleiter und Gefährte in der Propaganda, der hochgewachsene, aufrechte, englisch vornehme und ernsthafte Engels die Sitzung mit einer Rede eröffnete. Er sprach über die Notwendigkeit, unter Männern, die sich der Sache der Umgestaltung der Arbeit widmeten, die gegenseitigen Ansichten darzulegen und eine gemeinsame Lehre festzulegen, die allen Anhängern, die entweder nicht die Zeit oder die Möglichkeit hätten, sich mit theoretischen Fragen zu befassen, als Banner dienen könne. Engels hatte seine Rede noch nicht beendet, als Marx den Kopf hob und sich direkt an Weitling mit der Frage wandte: „Sagen Sie uns doch, Weitling, der Sie mit Ihren kommunisti­ schen Predigten in Deutschland so viel Lärm gemacht und der Sie so viele Arbeiter gewonnen haben, die dadurch Arbeit und Brot verloren, mit welchen Gründen rechtfertigen Sie Ihre revolutionäre und soziale Tätigkeit, und worauf denken Sie dieselbe in Zukunft zu gründen?“ Ich erinnere mich sehr genau an

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Brief von George Julian Harney an Friedrich Engels vom 30. März 1846 (erste Seite)

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Schreiben des Londoner Kommunistischen Korrespondenzkomitees an Karl Marx vom 6. Juni 1846 (letzte Seite)

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, in mit Euch über diesen Mann jetzt einverstanden. Weiteres will ich Dir später mitteilen. Leb wohl; ich schreibe dies, um Mißverständnissen vorzubeugen. Fritz grüßt Dich und Deine Frau. Dein E. Handschrift IMLM/ZPA, F.20, op. 1, Nr. 9.

Erstmalig in der Sprache des Originals veröffentlicht.

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Brief von Karl Schapper in London an ein Mitglied des Bundes der Gerechten in Leipzig11091 28. August 1846 [...] Wir stehen mit vielen braven Leuten in Verbindung, finde[n] aber, daß in allen Ländern noch keine rechte Einheit, kein Zusammenhang herrscht - diesem muß abgeholfen werden [...]* Wir beabsichtigen daher, im Anfänge nächsten Jahres hier in London einen großen kom­ munistischen Kongreß zu halten5, an welchem Männer aus allen Län­ dern Europas und aus Amerika Anteil nehmen werden. Auf diesem • Kongreß müssen unsere Grundsätze mit Ruhe und Kraft diskutiert und eine Vereinigung der Kommunisten und Sozialisten aller Länder 1 Dokument 118-2 Vgl. Anm.99 und 106. - 3 Karl Grün: Meine Ausweisung aus Baden, meine gewaltsame Ausführung aus Rhcinbaiern und meine Rechtfertigung vor dem deutschen Volke, Zürich/ Winterthur 1843. - 4 Auslassung in der Vorlage - 5 Dies ist die erste bestimmtere Äußerung über den von der Leitung des Bundes ins Auge gefaßten Termin für die Einberufung eines allgemeinen kommunistischen Kongresses (vgl. auch Dokumente 109, 125 und 134). 26 Bund

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zustande gebracht werden. Wir ersuchen Dich daher, unsere Brüder in Deutschland, mit denen Du in Verbindung stehst, darauf vorzubereiten, und hoffen, daß Du und einige Deiner Freunde an diesem Kongresse Anteil nehmen wollt, [...J1 Noch eine freudige Nachricht können wir Dir melden. Die Jungen Deutschen in der Schweiz haben sich mit den K[ommunisten] vereinigt1110J. Überall geht es vorw[ärts], überall zeigen die Proletarier ihre Kraft, jetzt eine allgemeine Vereinigung, eine Organisation, eine Einheit der Propaganda, und weder Gott noch Teufel können verhindern, daß wir ein Ziel erlangen. [...] St.A. Dresden, Kreishauptmannschaft Leipzig, Nr. 2398 (Abschrift).

Auszug.2

125

Brief von Karl Schapper in London an das Kommunistische Korrespondenzkomitee

in

Brüssel

Anfang September 18463

In

Lieben Freunde Wir bitten Euch, einliegenden Brief so schnell als möglich an Weit­ ling zu besorgen; er kommt von Kriege und hat Eile. Wir wissen nicht, wo W[eitling] sich gegenwärtig aufhält, sonst würden wir denselben direkt an ihn geschickt haben. Das hiesige Korrespondenzkomitee ist sehr erstaunt über Euer langes Stillschweigen; Ihr habt doch Euren Plan am Ende nicht wieder auf­ gegeben? Ich bin beauftragt, Euch zu bitten, uns sobald als möglich Nachricht zu geben.4 - Unsere Propaganda macht überall großartige Fortschritte; das einzige, was uns fehlt, ist eine Organisation. Wenn wir einig und organisiert sind, so kann uns kein Teufel widerstehen. Hier in London herrscht jetzt ein reges Leben; die deutschen Pfaffen unter Anführung des Pietisten Bunsen sind endlich ins Feld gerückt. Sie haben schon zwei sogenannte evangelische Jünglingsvereine ge­ gründet, um so viele Schafe als möglich vom Verderben zu erretten. Letzten Donnerstag hielten die Heiligen einen Meeting in Hannover 1 Auslassung in der Vorlage — 2 Nur dieser Teil des Briefes ist in der Abschrift erhalten. — 3 Ein Hinweis auf die Datierung ergibt sich aus einem Briefe des preußischen Gesandten v. Bunsen vom 8.Sep­ tember 1846 (Frances Bunsen: Christian Carl Josias Freiherr von Bunsen, Zweiter Bd., Leipzig 1869, S. 344/345), aus dem hervorgeht, daß die im vorliegenden Briefe erwähnte Gründung der „Evangelischen Gesellschaft für Ausländer“ in London am 3.September 1846 stattfand. - 4 Vgl. hierzu auch Doku­ ment 136.

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Rooms, um eine großartige „Evangelische Gesellschaft für Ausländer“ zu gründen. - Bunsen sagte, es seien in London 30 bis 40000 Deutsche, welche teilweise im größten Elend seien und daher religiösen Trostes bedürften, teilweise den größten Versuchungen ausgesetzt seien, gegen die man sie zu schützen suchen müsse. „Schlimmer als alles dieses, fuhr er fort, ist aber die systematische Verbreitung der sozialen Ideen unter den Arbeitern. - Ja, die Arbeiter fangen nicht allein an, diesen Ideen ihr Ohr zu leihen, sondern suchen auch dieselben und den praktischen Atheismus aufs eifrigste in allen Ländern zu verbreiten. Wenn wir noch länger ruhig zusehen, so wird in Europa eine soziale Revolution aus­ brechen, wie man noch keine gesehen hat. - Das einzige Rettungsmittel liegt in der Vereinigung aller guten Christen, um sich diesem gottlosen Streben entgegenzustemmen und die sozialen Klubs durch christliche Gesellschaften zu verdrängen.“ Dieses sagte der preußische Gesandte Bunsen in einem öffentlichen Meeting. Was denkt Ihr davon? Die Kerls bekommen Angst. Unter unsern Gesellschaften herrscht ein großer Enthusiasmus; wir haben eine lithographische Presse angeschafft, um Aufrufe und Prokla­ mationen an die hiesigen Deutschen zu erlassen und sie aufzufordern, sich nicht länger von den Pfaffen anschmieren und ihren Verstand unter­ drücken zu lassen, sondern zu uns zu kommen, sich eine rein mensch­ liche Bildung zu erwerben und mit für die körperliche und geistige Be­ freiung der Menschheit zu arbeiten. - Die Kerls kommen endlich ans Tageslicht, sie haben Furcht vor einer sozialen Revolution; und dieser sozialen Revolution vorzubeugen, suchen sie etwa den Zustand der Proletarier zu verbessern? - Nein - sie gründen christliche Jünglings­ vereine, um dem hungernden Arbeiter Demut, Geduld und Entsagung einzupauken. - Hole doch der Teufel dieses Gesindel, wir wollen ihnen zeigen, daß wir keine geduldigen Schafe mehr sind. Könnt Ihr nicht das Treiben dieses Pietisten-Gesandten in den deutschen Zeitungen aufdecken? - Vielleicht versuchen die Kerls in Deutschland ähnliches Zeug wie hier, und da wäre es gut, die Leute zu warnen und ihnen den Wolf unter dem Schafspelz zu zeigen. Schreibt bald. Euer Freund Karl Schapper Handschrift IMLM/ZPA, F.20, Nr.91.

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Erstmalig vollständig veröffentlicht.

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Korrespondenz von Karl Schapper für den „Prometheus“11111 September 1846

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London, im September. - Das Streben nach einer sozialen Umgestal­ tung der Dinge greift mit Macht um sich. Die Chartisten erheben sich wieder und bereiten sich auf den Kampf vor, welcher die Auferstehung der Menschheit erfüllen wird. Diese arme Menschheit ist lang genug der Affe der Priester und Machthaber gewesen: Die Fürsten hatten ihn fein abgerichtet, daß er von selbst das Seinige untertänigst in ihren Säckel steckte, die Priester hatten ihm einen übersinnlichen Popanz zum Wächter bestellt, der sie in ihren Diebskniffen und Pfiffen schützen und bewahren sollte. Doch die Fürsten wie die Priester tragen nicht allein die Schuld unseres Elends, sie benutzen nur die gegebenen Verhältnisse, welche den einen zum Feind des andern machen. Wir haben außer ihnen mehrere tausend andere zu ernähren, denen das Geld die unumschränkte Macht verleiht, und diese sind wahrlich nicht weniger schlimm als die gekrönten Häupter. - Die deutschen Kuttenträger ziehen jetzt heimlich ins freie Albion herüber und predigen das Evangelium der alten Nieder­ trächtigkeit. Tholuck und Czerski haben ihre Lunge angestrengt, um die hiesigen Deutschen in eine Hürde zu treiben unter des Preußen­ königs hoher Protektion. Bunsen ist der treue Gesandte, der die evan­ gelischen Schafe weidet, der mit dem königlichen Golde die Hähne singen macht. Die alte christliche Finsternis soll wieder heraufbeschwo­ ren, der selbstbewußte Mensch soll wieder gläubig werden; denn der Glaube macht selig. Die Reichen spüren diese Seligkeit täglich: Sie glauben an die Kraft des Geldes. Wir armen Arbeiter aber, was bietet das Evangelium uns besseres als schöne Worte! Die Unwissenheit einer früheren Zeit soll die Bedürfnisse einer späteren Zeit begreifen, von der sie keine Ahnung hatte. Der Himmel, der die leichtgläubige Menge 1800 Jahre lang betrog, soll auch das 19.Jahrhundert einlullen! Ver­ gebens singt ihr uns die alten Wiegenlieder vor, Du, Tholuck von Halle, und Du, Bunsen, christlich-preußischer Diener des evangelischen Kö­ nigs. Eure Bibelgesellschaften und evangelischen Traktätchen, eure Machtansprüche und Geldsäcke werden dem Christentum nicht wieder auf die Beine helfen. Es ist alt und gebrechlich geworden, gönnt ihm seine Ruhe! Unser Bildungsverein nimmt die meisten deutschen und skandi­ navischen Arbeiter in sich auf. Die Chartisten unter dem Redakteur des „Nordsterns“, Julian Harney, stehen uns jetzt näher als früher; im 404

Grunde haben sie denselben Zweck. Wir haben jetzt zwei Gesellschaften in London, eine in Westend und eine in Ostend, und je mehr man uns entgegenwirkt, desto kräftiger treten wir auf. Die verheirateten Mit­ glieder lassen ihre Kinder nicht mehr zum Pfaffen bringen - wir sind keine Christen mehr, sondern Menschen, daher werden unsere Kinder anstatt in die Kirche in den Verein gebracht, wo sie einen Namen er­ halten und nicht in den Bund der Christenheit, sondern in den Bund der Menschheit aufgenommen werden. In Deutschland wollten sie schon vor einigen Jahren die Kirchenformen abstreifen, aber bei der Ängstlichkeit der Deutschen ist es unterblieben. Müßt ihr denn jedes­ mal erst eure Regierungen fragen? Wenn euere Herren etwas nicht an­ geht, so geht sie zuerst euer Glaube nichts an. Wir verantworten unsre Seligkeit selbst, da uns doch schon die „irdische“ genug verkümmert wird. Wir halten es für unsere Pflicht, öffentlich zu zeigen, daß wir keine Christen mehr sind, daß wir etwas Besseres haben als den veralteten Glauben, und so werden auch wahrscheinlich bald diejenigen, welche sich verheiraten wollen, nicht mehr zum Pfaffen gehen, um sich trauen zu lassen, sondern im Verein erklären, daß sie sich treu bleiben, daß sie alles tun wollen, um sich das Leben angenehm, um sich glücklich zu machen. - Unter den Kommunisten Europas herrscht noch wenig Einheit. Die Konstitutionellen, die Republikaner, obgleich an Zahl weit schwächer als wir, sind stark, bilden eine kräftige Partei, weil sie vereint sind, weil sie eine Organisation haben; warum sollen wir uns nicht in diesem Fall an ihnen ein Beispiel nehmen? Unsere Sache ist die der Menschheit, sie ist zu heilig, daß wir nicht unsere ganze Kraft aufbieten, um dieselbe triumphieren zu machen. Wir beabsichtigen daher im An­ fänge nächsten Jahres hier in London einen großen kommunistischen Kongreß zu halten, an welchem Männer aus fast allen Ländern Europas und Amerikas Anteil nehmen werden. Auf diesem Kongreß müssen alle unsere Grundsätze mit Ruhe und Kraft diskutiert und eine Ver­ einigung der Kommunisten und Sozialisten aller Länder zustande ge­ bracht werden. Der Gang unserer künftigen Handlungsweise muß sich ordnen. Der Geist des Jahrhunderts braust mächtig einher, und wir wissen nicht, wie bald er sich Bahn brechen wird: Wir müssen daher gefaßt sein. Prometheus. Organ zur sozialen Reform (Herisau), I/H. H., 1846, S. 68-70.

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127 Adresse des Kommunistischen Arbeiterbildungsvereins London zur schleswig-holsteinischen Frage“ 123 13. September 1846

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Adresse des Bildungsvereins in London an die deutschen Proletarier

„Alle Menschen sind Brüder!“ Ihr Brüder, es wurde uns vor kurzem ^in Schreiben zur Unterzeich­ nung vorgelegt, das der „Deutsche Leseverein“ in London an die Be­ wohner Schleswigs und Holsteins gerichtet hatte. Dieses Schreiben trug den Namen: „Offener Brief der Deutschen in London an ihre Landsleute in Schleswig und Holstein“ und hatte den Zweck, letzteren die schuldige Anerkennung und Bewunderung für die Festigkeit auszudrücken, mit welcher sie ihre Anhänglichkeit an den deutschen Namen betätigten. Ihr wißt, daß dieses Schreiben nicht das erste ist, das an dieselben ge­ richtet wurde, ganz Deutschland vom Gestade der Ost- und Nordsee bis an den Fuß der Alpen, von Polens geknechtetem Boden bis an den freien deutschen Rhein hat, wie von einem Begeisterungstaumel erfaßt, auf ähnliche Weise das Streben der Deutschen Schleswigs und Holsteins geehrt. Und wie der hiesige Leseverein im Namen der Deutschen in London überhaupt, so sprachen die Deutschen im Mutterlande im Namen des gesamten deutschen Volks, vielfach, wie jener, nicht an die Stände, sondern an alle deutschen Bewohner Schleswigs und Holsteins sich wendend. Natürlich setzten sie voraus oder taten, als setzten sie voraus, daß das Volk mit den Landständen völlig identisch, daß die letzteren wirklich die Vertreter, die Diener des Volks seien, wie sie sein sollten, und stets und nur für sein Wohl besorgt. Ihr Brüder, wir haben mit Schmerz die Bewegung Schleswigs und Holsteins in ihrer Entstehung und Entwickelung verfolgt, wir sehen sie jetzt auf einen solchen Höhepunkt getrieben, daß auch wir ein Wort reden wollen, aber nicht im Interesse eines Fürstenstammes oder eines Volkes, sondern im Interesse aller Völker, im Dienste der Menschheit. Die Völker wurden stets getäuscht und um ihr Erbteil betrogen, weil sie zu sorglos waren und nicht zusammenstanden. Auch Euch, Ihr deutschen Brüder, will man wieder täuschen, wie man schon so oft getan; bewaffnen will man Euch, um mit Eurem Blute Vorteile zu er­ kaufen, die Ihr nicht teilen sollt, und noch glaubt man mit Erfolg die­ selben Mittel anwenden zu können, die vor dreißig Jahren zum Ziele

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führten. „Vaterland, Ehre, Gerechtigkeit“ ist wieder das große Losungs­ wort geworden, mit dem man heute Euch ködern möchte, wie einst Eure Vorfahren, wie zweimal Eure Nachbarn, die tapfern Kämpfer für Freiheit und Gleichheit, wie Englands unglückliche Proletarier! Vaterland! Und was ist das für ein Vaterland, für dessen Namen die einen kämpfen, dessen Hülfe die andern verheißen? Es ist das deutsche Vaterland, das vor mehr als dreißig Fürsten bebende, vom Bunde dieser dreißig gebundene und doch die Hülfe desselben anflehende Deutsch­ land, dessen Einigkeit so oft schon das Gelächter der Welt erregt hat. Und wäre es ein einiges, großes, freies Land, das gepriesene Deutsch­ land, was ginge es uns an, Ihr Brüder? Seit wann hat der Proletarier ein Vaterland? Der wohlbeleibte Herr vom Geldsacke mag immerhin die Verdienste seines Vaterlandes um seine Wohlbeleibtheit rühmen und preisen - es hat ihn genährt, gekleidet, erzogen, seinen Geldbeutel ge­ füllt - wir wissen nicht, daß uns das Vaterland genährt, gekleidet, er­ zogen - gestäupt hat es uns, eingesperrt, über die Grenze gejagt oder, wenn wir fein artig waren, uns mit Weib und Kind die bitterste Not leiden lassen - und dieses Vaterland sollen wir lieben, ihm unser Blut weihen, es nur anerkennen? Wahrlich, und hätten unsere guten Libe­ ralen alle ihre Herren vom Throne gestoßen und sich selbst hinauf­ gesetzt, die Leiden unserer Brüder in England und Frankreich, diesen gepriesenen Sitzen der Freiheit, zeigen uns genugsam, daß auch dann uns keine Rosen blühen würden. Die Völker wurden stets getäuscht und um ihr Erbteil betrogen. Darum seid wach und schließet Euch fest aneinander! Und was ist das für ein läppisches Geheul um Gerechtigkeit und Ehre? Was gibt es für ein Recht, das nicht aus dem Busen des Menschen sich herleitete und also allen Menschen gemeinsam wäre? Und nun gar Ehre! Jawohl, Ihr guten Deutschen, in Euren Adressen finden wir zwar hin und wieder bei dem Gedanken, daß ein Volk wider seinen Willen vererbt werden könne, schüchtern auf unveräußerliche Menschenrechte hingedeutet; wo aber irgendeine Gefahr droht, daß Konsequenzen aus Eurem Gerede gezogen werden könnten, die Euch nicht lieb wären: da laßt Ihr schleunigst wieder das historische Recht anrücken. Verstummen würdet Ihr auch jetzt in Eurem Geschrei gegen die Dänen, wenn Ihr nicht glaubtet, im Besitze eines vermoderten Pergaments zu sein, das Euch das Recht gibt, einem deutschen Fürsten zu dienen, statt einem fremden. Oder warum, Ihr deutschen Adreßhelden, warum öffnetet Ihr den Mund nicht bei dem Anblick des Drucks, der Italiens edles Volk hat entarten lassen, der Polen in vergeblichen Kämpfen dahinsterben läßt? Es sind keine Deutsche, nicht wahr? Wohl, aber die Unterdrücker sind Deutsche, und Eure Ehre als Deutsche und Eure eingeborene 407

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Gerechtigkeitsliebe müßten Euch treiben, hier einzuschreiten wie dort. Und was tatet Ihr, als Hannovers König historische Rechte mit Füßen trat, als der Preußenkönig das königliche Wort seines in Gott ruhenden Herrn Vaters zu lösen sich weigerte? Ihr seht, Brüder, nur Worte sind es, was sie vorbringen, einzelne vielleicht mit aufrichtiger Herzenswärme, die Mehrheit wohl wissend, was sie sagt, und im stillen die Prozente berechnend, welche die Ver­ mehrung des Handels, vielleicht gar die „deutsche Flotte“ einst ihnen abwerfen wird. Darum seid wach und schließet Euch fest aneinander! Lasset Euch nicht blenden durch das glänzende Aushängeschild, prangend mit den Worten: Ehre, Gerechtigkeit, Vaterland! Lasset Euch nicht vor­ schwatzen, daß Euer Nationalstolz gekränkt sei: Wer als Deutscher heute Nationalstolz besitzt, muß wahrlich ein Narr sein und, insofern Nationalstolz überhaupt eine Narrheit ist, ein Narr in zweiter Potenz. Nationalstolz ist aber eine Narrheit, denn stolz kann ich höchstens auf persönliche Vorzüge sein - er ist aber nicht bloß närrisch und lächerlich, sondern verderblich; denn, wie alle Vorurteile führt auch er zum Fana­ tismus, und unendliches Elend hat er schon über die Menschheit ge­ bracht. Bevor ich einer Nation angehöre, bin ich Mensch, ich werde als Mensch geboren und nicht als Deutscher; als Mensch gehöre ich der menschlichen Gesellschaft an und nicht dem deutschen Bunde, der uns nur zu gern sieht, wenn Ihr über Euren Rechten als Nation Eure Rechte als Menschen vergeßt; als Mensch habe ich ein menschliches Interesse und kein anderes, und wo irgendein anderes mit diesem in Kollision gerät, da opfere ich es dem menschlichen. Ist das nicht klar und ver­ ständlich und wahr? Und Euch, Ihr Brüder, will man lehren, daß nur die Deutschen Eure Brüder sind, man will Euch aufreizen gegen Men­ schen, wie Ihr seid, man will Eure Leidenschaften waffnen gegen sie und Euch gegen sie senden, daß Ihr Euch badet in ihrem Blute - und warum? Um des lieben deutschen Vaterlandes Freiheit noch andere ge­ nießen zu lassen. Ihr Brüder, das könnt Ihr nicht wollen, Ihr könnt Euch nicht für eine Idee begeistern, die weder Euere äußere Lage zu heben noch Eurem inneren Drange Befriedigung zu gewähren vermag. Sklaven bliebet Ihr nach wie vor, und verleugnet hättet Ihr die Eurem Herzen entfließende Wahrheit: „Alle Menschen sind Brüder, und Liebe ihr Band.“ Seht, wir im fremden Lande, die wir diese Worte an Euch richten, wir nennen uns nicht Deutsche oder Dänen, obgleich Deutsche und Dänen und fast alle übrigen Nationen Europas unter uns repräsen­ tiert sind. Wir sind Menschen und streben, indem wir alle Vorurteile, die Nationen von Nationen trennen und miteinander verfeinden, nieder­ reißen, dem Ideale der Menschheit näher und näher zu kommen. So 408

werdet auch Ihr tun; nicht einstimmend in das lächerliche Geschrei Eurer sogenannten Vertreter, die mehr als Eure Fürsten Eure Unter­ drücker sind und länger es sein werden; wenn Ihr nicht wach seid, werdet Ihr die Grenzen, die Euch von Euren Nachbarn trennen, niederreißen in Liebe und nicht fester aufführen in Haß als je zuvor, und werdet Ihr den Dänen die Hand reichen, wie wir es hier getan, und gemeinschaftlich gegen Eure wirklichen Feinde Euch rüsten. Die Völker, Ihr Brüder, wurden stets getäuscht und um Ihr Erbteil betrogen, weil sie zu sorglos waren und nicht zusammenhielten. Darum, wenn Ihr aufrichtig Euer eigenes wie der Menschheit Wohl wollt, seid wach und schließet Euch fest aneinander! Adresse des Bildungs-Vereins in London an die deutschen Proletarier, London 1846. (Flugschrift)

128 Brief von Friedrich Engels in Paris an das Kommunistische Korrespondenzkomttee in Brüssel

16. September 1846

Komitee No. 2 Liebe Freunde, Eure Nachrichten über Belgien, London und Breslau waren mir sehr interessant. Ich habe an Ew[erbeck] und B[ernay]s davon mitgeteilt, was sie interessierte. Haltet mich zugleich etwas au fait über den Sukzeß unsres Unternehmens und die plus ou moins1 eifrige Teilnahme der verschiedenen Lokalitäten, damit ich mich hier den Arbeitern gegen­ über, soweit es politisch, auslassen kann. Was machen die Kölner? Von hier aus ist allerlei: 1. Mit den hiesigen Arbeitern bin ich mehrere Male zusammen ge­ wesen, d.h. mit den Hauptleuten der Schreiner aus dem Faubourg St.Antoine. Die Leute sind eigentümlich organisiert. Außer ihrer durch eine große Dissension mit den Weitlingschen Schneidern - sehr in Konfusion geratenen Vereinsgeschichte kommen diese Kerls, d.h. ca. 12-20 von ihnen, jede Woche einmal zusammen, wo sie bisher dis­ kutierten; da ihnen aber der Stoff ausging, wie das gar nicht anders möglich, so war E[werbeck] genötigt, ihnen Vorträge über deutsche Ge1 mehr oder weniger

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schichte - ab ovo - und eine höchst verworrene Nationalökonomie vermenschentümlichte „Deutsch-Französische Jahrbücher“ - zu halten. Dazwischen kam ich. Zweimal hab’ ich, um mich mit ihnen in Konnex zu setzen, die deutschen Verhältnisse seit der französischen Revolution, von den ökonomischen Verhältnissen ausgehend, auseinandergesetzt. Was sie nun in diesen Wochenversammlungen loskriegen, wird sonntags in den Barriereversammlungen1, wo Krethi und Plethi hinkommt, Weib und Kind, durchgepaukt. Hier wird - abstraction faite de toute espece de politique2 - so etwas „soziale Fragen“ diskutiert. Das Ding ist gut, um neue Leute hinzuzuziehen, denn es ist ganz öffentlich, vor 14Tagen war die Polizei da, wollte Veto einlegen, ließ sich aber beruhigen und hat nichts weiter getan. Oft sind über 200 Leute zusammen. Wie diese Geschichte jetzt ist, kann sie unmöglich bleiben. Es ist eine gewisse Schläfrigkeit unter den Kerls eingerissen, die aus ihrer Langeweile über sich selbst hervorgeht. Was sie nämlich dem Schneiderkommunismus3 entgegensetzen, ist weiter nichts als Grünsche menschentümliche Phrasen und vergrünter Proudhon, den ihnen teils Herr Grün höchstselbst, teils ein alter aufgeblasener Schreinermeister und Knecht Grüns, Papa Eisermann, teils aber auch Arnicus4 Ejwerbeck] mit Mühe und Not eingebleut hat. Das ist ihnen natürlich bald alle ge­ worden, eine ewige Repetition trat ein, und um sie vor dem Einschlafen (buchstäblich, dies riß furchtbar in den Sitzungen ein) zu bewahren, quält sie Ejwerbeck] mit spitzfindigen Disquisitionen über den „wahren Wert“ (den ich teilweise auf dem Gewissen habe) und ennuyiert sie mit den germanischen Urwäldern, Hermann dem Cherusker und den scheußlichsten altdeutschen Etymologien nach - Adelung, die alle falsch sind. Übrigens ist nicht E[werbeck] der eigentliche Chef dieser Leute, son­ dern J[unge], der in Brüssel war; der Kerl sieht sehr gut ein, was ge­ ändert werden muß, und könnte sehr viel tun, denn er hat sie all in der Tasche und zehnmal mehr Verstand wie die ganze Clique, aber er ist zu wackelhaft und macht immer neue Projekte. Daß ich ihn seit beinah 3 Wochen nicht gesehen - er kam nie und ist nirgends zu finden -, ist die Ursache, daß noch so wenig ausgerichtet ist. Ohne ihn sind die meisten schlapp und schwankend. Man muß aber mit den Kerls Ge­ duld haben; zuerst muß der Grün ausgetrieben werden, der wirklich direkt und indirekt einen schauderhaft erschlaffenden Einfluß aus­ geübt hat, und dann, wenn man ihnen diese Phrasen aus dem Kopf ge­ bracht, hoff’ ich, mit den Kerls zu etwas zu kommen, denn sie haben 1 Versammlungen vor den Zollschranken, das heißt vor den Toren der Stadt - 2 wobei von jeder Art Politik abgesehen wird - 3 Gemeint ist der utopische Gleichheitskommunismus Weitlings, der besonders unter den deutschen Schneidergescllen verbreitet war. - 4 Freund

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alle einen großen Drang nach ökonomischer Belehrung, Da ich E[werbeck], der bei bekannter, jetzt im höchsten Grade blühender Konfusion den besten Willen von der Welt hat, ganz in der Tasche habe, und J[unge] auch vollständig auf meiner Seite ist, so wird sich das bald machen. Wegen der Korrespondenz habe ich mit sechsen beraten, der Plan fand, besonders bei J[unge], sehr großen Anklang und wird von hier aus ausgeführt werden. Solange aber nicht durch Zerstörung des persönlichen Einflusses des Gr[ün] und Ausrottung seiner Phrasen wieder Energie unter die Leute gebracht ist, solange ist bei großen materiellen Hindernissen (besonders Engagement fast aller Abende) nichts zu machen. Ich hab’ ihnen offeriert, dem Grün in ihrer Gegen­ wart seine persönlichen Schuftereien ins Gesicht zu sagen, und B[ernay]s will auch kommen - E[werbeck] hat auch ein Hühnchen mit ihm zu pflücken. Dies wird geschehen, sobald sie ihre eignen Sachen mit G[rün] abgemacht, d.h. Garantie für das zum Druck der G[rün]schen Landtagsscheiße1 vorgeschossene Geld bekommen haben. Da der J[unge] aber nicht kam und die übrigen sich +2 wie Kinder benahmen gegenüber dem G[rün], so ist auch das noch nicht in Ordnung, obwohl bei einiger Energie das Ding in 5 Minuten abgemacht wäre. Das Pech ist, die meisten dieser Kerls sind Schwaben.3 2. Jetzt etwas Ergötzliches. Proudhon hat in dem neuen, noch unge­ druckten Buch, was Grün verdolmetscht, einen großen Plan, Geld aus nichts zu machen und allen Arbeitern das Himmelreich nahezurücken. Niemand wußte, was das war. G[rün] hielt sehr hinter dem Berge, re­ nommierte aber sehr mit seinem Stein der Weisen. Allgemeine Span­ nung. Endlich vorige Woche war Papa Eisermann bei den Schreinern, ich auch, und allmählich rückt der alte Zierbengel höchst naiv-geheim­ nisvoll heraus. Herr Gfrün] hat ihm den ganzen Plan vertraut. Jetzt hört die Größe dieses Welterlösungsplans: ni plus ni moins4 als die in Eng­ land längst dagewesenen und zehnmal bankrottierten labour-bazars oder labour-markets, Assoziationen aller Handwerker aller Zweige, großes Depot, alle von den Associös eingelieferten Arbeiten genau nach den Kosten des Rohprodukts plus der Arbeit taxiert und in andern Asso­ ziationsprodukten bezahlt, die ebenso taxiert werden. Was mehr ge­ liefert, als in der Assoziation verbraucht wird, soll auf dem Weltmarkt verkauft werden, der Ertrag den Produzenten ausbezahlt. Auf diese Weise, spekuliert der pfiffige Proudhon, umgeht er und seine Mitassociös den Profit des Zwischenhändlers. Daß er dabei auch den Profit auf sein Assoziationskapital umgeht, daß dies Kapital und dieser Profit genau so groß sein müssen wie das Kapital und der Profit der umgangnen 1 Vgl. Anm. 105. - 2 mehr oder weniger - 3 Zu den Verhältnissen des Bundes in Paris vgl. Doku­ ment 148. - 4 nichts mehr und nichts weniger

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Zwischenhändler, daß er also mit der Rechten wegwirft, was die Linke bekommt, daran hat der feine Kopf nicht gedacht. Daß seine Arbeiter nie das nötige Kapital aufbringen können, weil sie sich sonst ebensogut separat etablieren könnten, daß die etwaige aus der Assoziation her­ vorgehende Kostenersparnis durch das enorme Risiko mehr als auf­ gewogen wird, daß die ganze Geschichte darauf hinausläuft, den Profit aus der jetzigen Welt herauszueskamotieren und alle Produzenten des Profits stehenzulassen, daß sie eine wahre Straubingeridylle ist, die von vornherein alle große Industrie, Bauhandwerke, Ackerbau usw. aus­ schließt, daß sie nur die Verluste der Bourgeois zu tragen haben, ohne ihre Gewinne zu teilen, alles das und hundert andre auf platter Hand liegende Einwände vergißt er über dem Glück seiner plausiblen Illusion. Die Geschichte ist zum Totschießen. Familienvater Grün glaubt natür­ lich an die neue Erlösung und sieht sich schon im Geist an der Spitze einer Assoziation von 20000 Ouvriers (man will gleich groß anfangen), wobei natürlich seine ganze Familie kostenfrei gespeist, gekleidet und logiert wird. Der Proudhfon] aber blamiert sich und alle französischen Sozialisten und Kommunisten auf ewig, wenn er damit herausrückt, vor den Bourgeoisökonomen. Daher jene Tränen, jenes Polemisieren gegen die Revolution, weil er ein friedliches Heilmittel in petto hatte.1 Der Prjoudhon] ist grade wie der John Watts. Dieser setzt seinen Beruf drin, trotz seines disrespektablen Atheismus und Sozialismus bei den Bourgeois respektabel zu werden; Prjoudhon] bietet alles auf, um trotz seiner Polemik gegen die Ökonomen ein großer, anerkannter Ökonom zu werden. So sind die Sektierer. Dabei noch so eine alte Geschichte! [...] 4. Vater Heß. Nachdem ich dessen auf selbigen fluchende und schimp­ fende Gattin hier glücklich der Vergessenheit, d.i. dem äußersten Ende des Faubourg St. Antoine, wo da ist Heulen und Zähneklappen (Grün und Gsell), überliefert habe, erhalte ich vor einiger Zeit vermittels eines gewissen Reinhardt ein ferneres Wiederanknüpfungsschreiben des Kommunistenpapas. Das Ding ist zum Totlachen. Natürlich als ob nichts vorgefallen wäre, ganz in dulci jubilo2, und dabei ganz der alte Heß. Nachdem er konstatiert hat, daß er mit „der Partei“ wieder einiger­ maßen ausgesöhnt (das Judde-Gränzchen scheint falliert zu haben) „auch wieder Lust am Arbeiten hat“ (welches Ereignis mit Glocken ein­ geläutet werden sollte), folgende historische Notiz (de dato 19 August): „Hier in Köln wär’s vor einigen Wochen auf ein Haar zu einer blutigen Erneute gekommen3, es waren schon sehr viele bewaffnet“ (wozu Moses gewiß nicht gehörte). „Das Ding kam nicht zum Ausbruch, weil die Soldaten sich nicht zeigten“ (enormer Triumph des Kölner Schöppchesphilisters) pp. pp. ... 1 Vgl. Anm.86.-2 seligem Jubel - 3 Vgl. Dokument 117.

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Dann von den Bürgerversammlungen, wo „wir“, id est „die Partei“ und Herr Moses, qua Kommunisten „so vollständig siegten, daß wir“ usw. „Wir haben zuerst die Geldaristokraten ... und dann die kleinen Bourgeois mit Glanz“ (da sie keine Talente unter sich haben) „aus dem Felde geschlagen. Wir hätten (!) in den Versammlungen zuletzt alles durchsetzen können“ (z. B. den Moses zum Oberbürgermeister machen); „ein Programm, worauf die Versammlung ihre Kandidaten verpflichtete, ging durch, welches“' (hört, hört) „von den englischen und französischen Kommunisten nicht radikaler hätte abgefaßt“ (und von niemandem unsinniger als von Moses aufgefaßt) „werden können (!!!) ... Sehe“ (sic) „Dich zuweilen nach meiner [Frau]1 um“ (es wird beiderseits ge­ wünscht, daß ich die weibliche Seite für meine Rechnung und Gefahr übernehmen möchte, j’en ai les preuves2) ... „und teile dem Ew[erbeck] zur Herzensstärkung dieses mit.“ Gesegn’ Euch Gott diese „Herzensstärkung“, dies Manna aus der Wüste. Ich ignoriere das Vieh natürlich komplett - jetzt hat er auch an E[werbeck] geschrieben (und zwar bloß, um seiner weiblichen Seite einen Brief auf dessen Kosten zukommen zu lassen) und droht, in zwei Monaten herzukommen. [...] Handschrift IMLM/ZPA, F. 1» op.l, Nr. 201. (MEW, Bd.27, S. 40-45.)

Gekürzt.

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Brief von Friedrich Engels Karl Marx in Brüssel

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Paris

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18. September 1846 [...] Die Londoner Adresse3 hab’ ich gestern abend hier bei den Ar­ beitern bereits gedruckt gelesen. Schund. Adressieren sich an das „Volk“, d.h. die vorausgesetzten Proletarier in Schleswig-Holstein, wo nichts wie plattdeutsche Bauerlümmel und zünftige Straubinger herum­ strolchen. Haben von den Engländern gerade den Unsinn, die totale Ignorierung aller wirklich vorliegenden Verhältnisse, Unfähigkeit, eine historische Entwicklung aufzufassen, gelernt. Statt die Frage zu beant­ worten, wollen sie, daß das in ihrem Sinn gar nicht dort existierende „Volk“ sie ignorieren, sich friedlich, passiv verhalten soll; sie denken 1 Papier beschädigt. - 2 ich habe dafür die Beweise - 3 Dokument 127

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nicht dran, daß die Bourgeois doch tun, was sie wollen. Mit Abzug der ziemlich überflüssigen und gar nicht mit ihren Schlußresultaten im Zusammenhang stehenden Schimpfereien auf die Bourgeois (die eben­ sogut durch free-trade-Phrasen ersetzt werden könnten) könnte die free-trade press1 von London, die Schleswig-Holstein nicht im Zoll­ verein sehen will, das Ding erlassen haben. Daß der Julius im preußischen Solde steht und für Rother schreibt1113], stand schon in deutschen Zeitungen angedeutet. Bourgeois2, der ja so entzückt von seinen edlen Werken war, wie D’E[ster] erzählte, wird sich freuen, wenn er das hört. - Apropos Schleswig-Holstein; der Kutscher3 hat vorgestern in 3 Zeilen dem E[werbec]k geschrieben, man möge sich mit Briefen jetzt in acht nehmen, die Dänen erbrächen alles. Er meint, es könne doch wohl zu den Waffen kommen. [...] Dem Proudhon hab’ ich im Geschäftsbrief4 wirklich himmel­ schreiendes Unrecht getan. Da in diesem letzteren Brief kein Platz ist, so muß ich’s hier redressieren. Ich habe nämlich geglaubt, er habe einen kleinen Unsinn, einen Unsinn innerhalb der Grenzen des Sinns gemacht. Gestern kam die Sache nochmals und ausführlich zur Diskussion, und da erfuhr ich, daß dieser neue Unsinn wirklich ein ganz unbegrenzter Unsinn ist. Stelle Dir vor: Proletarier sollen kleine Aktien sparen. Davon wird (unter 10-20000 Arbeitern fängt man natürlich gar nicht an) zuerst ein oder mehrere Ateliers in einem oder mehreren Hand­ werken errichtet, ein Teil der Aktionäre dort beschäftigt und die Pro­ dukte 1. zum Preis des Rohmaterials plus der Arbeit an die Aktionäre (die so keinen Profit zu zahlen haben) und 2. der etwaige Überschuß zum laufenden Preise im Weltmarkt verkauft. Sowie sich das Kapital der Gesellschaft durch Neuhinzutretende oder durch neue Ersparnisse der alten Aktionäre vermehrt, wird es zur Anlage neuer Ateliers und Fabriken verwandt und so fort und so fort, bis - alle Proletarier be­ schäftigt, alle im Lande befindlichen Produktivkräfte aufgekauft und dadurch die in den Händen der Bourgeois befindlichen Kapitalien die Macht verloren haben, Arbeit zu kommandieren und Profit zu bringen! So hebt man danntias Kapital auf, indem man „eine Instanz findet, wo das Kapital, d.h. das Zinswesen“ (Vergrünung des einigermaßen näher ans Tageslicht gerückten droit d’aubaine5 von ehedem) „sozusagen verschwindet“. Du wirst in diesem von Papa Eisermann zahllose Male wiederholten, also von Grün auswendig gelernten Satze die ursprüng­ lichen Proudhonschen Floskeln noch deutlich durchschimmern sehen. Die Leute haben nichts mehr und nichts weniger im Sinn, als einstweilen 1 Freihandelspresse - 2 Heinrich Bürgers - 3 Georg Weber - 4 Dokument 128-5 Recht des Staates auf erbloses Gut; eine im Mittelalter verbreitete Sitte, wonach der König das Eigentum Verstorbener erhielt, wenn keine Erben vorhanden waren

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ganz Frankreich, später vielleicht auch die übrige Welt, vermöge prole­ tarischer Ersparnisse und unter Verzichtung auf den Profit und die Zinsen ihres Kapitals aufzukaufen. Ist so ein famoser Plan je erdacht worden, und ist es nicht ein viel kürzerer Weg, wenn man einmal einen tour de force1 machen will, lieber gleich aus dem Silberschein des Mon­ des Fünffrankentaler zu prägen. Und die dummen Jungens von Ar­ beitern hier, die Deutschen mein’ ich, glauben an den Dreck; sie, die nicht sechs Sous in der Tasche behalten können, um am Abend ihrer Zusammenkünfte zu einem marchand de vin2 zu gehen, wollen mit ihren Ersparnissen toute la belle France3 aufkaufen. Rothschild und Konsorten sind wahre Stümper neben diesen kolossalen Akkapareurs4. Es ist um die Schwerenot zu kriegen. Der Grün hat die Kerls so versaut, daß die unsinnigste Phrase für sie mehr Sinn hat als die einfachste, zum ökonomischen Argument vernutzte Tatsache. Daß man gegen solchen barbarischen Unsinn noch pauken muß, ist doch niederträchtig. Aber man muß Geduld haben, und ich lass’ die Kerls nicht laufen, bis ich den Grün aus dem Felde geschlagen und ihnen die verduselten Schädel geöffnet hab’. Der einzige klare Kerl, der auch den ganzen Unsinn ein­ sieht, ist unser J[unge], der in Brüssel war. Der E[werbec]k hat den Kerls auch den Kopf voll des tollsten Zeugs gesetzt. Der Kerl ist Dir jetzt in einer Konfusion zum Schwanzausreißen, er grenzt von Zeit zu Zeit an Wahnsinn und kann, was er gestern mit seinen eignen Augen gesehen, Dir heute nicht wiedererzählen. Geschweige, was er gehört. Wie sehr der Kerl aber unter der Fuchtel des Grün gestanden, davon nur dies: als der Trierer Walthr5 vorigen Winter über die Zensur nach allen Seiten hin jammerte, stellte Grün ihn als einen Märtyrer der Zen­ sur dar, der den edelsten und tapfersten Kampf führe usw., und exploitierte E[werbec]k und die Arbeiter dazu, daß sie eine höchst pomphafte Adresse an diesen Esel von Walthr aufsetzten und unterzeichneten und ihm Dank sagten für seinen Heldenmut im Kampfe für die Freiheit des Wortes!!!! Der Ejwerbeck] schämt sich wie ein Mops und ärgert sich wütend über sich selbst; aber der Unsinn ist geschehen, und jetzt hat man ihm und den Arbeitern die paar Worte wieder auszupauken, die er sich selbst mit saurem Schweiß in den Kopf hineingestiert und den Ar­ beitern dann mit ebenso saurem Schweiß eingebleut hat. Denn er ver­ steht nichts, bis er’s nicht auswendig gelernt hat, und dann versteht er’s meist noch falsch. Wenn er nicht den enormen guten Willen hätte und dabei sonst so ein liebenswürdiger Kerl wäre, was er jetzt mehr als je ist, so wäre gar nicht mit ihm fertig zu werden. Es soll mich wundern, wie es mir mit ihm gerät; zuweilen macht er ganz nette Bemerkungen, 1 ein Kraftstück - 2 Gastwirt - 3 das ganze schöne Frankreich - 4 Spekulanten - 5 Walthr war Herausgeber der „Tricr’schen Zeitung“, die unter dem Einfluß Grüns stand.

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gleich drauf aber wieder den größten Unsinn - so seine jetzt in Gott ruhenden deutschen Geschichtsvorträge, bei denen man sich wegen der in jedem Wort befindlichen Schnitzer und Tollheiten kaum das Lachen verbeißen konnte. Aber, wie gesagt, enormer Eifer und Eingehen auf alles, mit merkwürdiger Bereitwilligkeit, und ein unverwüstlicher guter Humor und Selbstironie. Ich mag den Kerl, trotz seines Unsinns, besser leiden als je. [...] Handschrift IMLM/ZPA, F. 1, op. 1, Nr.202. (MEW, Bd.27, S.48-51.)

Gekürzt.

130 Bericht über die 1. Jahresfeier Fraternal Democrats in London

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21. September 1846

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The Fraternal Democrats celebrated their First Annual Festival, on Monday last, September 21st, that day being the anniversary of the proclamation of the French Republic of 1792. The festival, in the shape of a public supper, came off at the White Conduit House, Islington. Democrats from all the European States were present, fully realising the motto of the society - “All Men are Brethren”. The chair was taken by Dr. Berrier-Fontaine, supported by Feargus O’Connor, J. A.Michelot, Julian Harney, Carl Schapper, Colonel Oborski, Professor Sievers, and Samuel Kydd. The vice-chair was occupied by Thomas Clark, sup­ ported by Philip M’Grath and Henry Bauer. [...] Julian Harney then rose and read the following “Address”:

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The Fraternal Democrats to the Democrats of all Nations.

“All Men are brethren” Fellow Men, Assembled at our first annual festival, on the anniversary of a day memorable in the annals of European progress, we think this a fitting occasion to briefly explain the origin, principles, and aims of our society. [..*.]1 1 Der anschließende Teil der Adresse enthält vor allem eine Prinzipienerklärung, die mit geringfügigen Abweichungen wörtlich in die Präambel der Statuten vom Dezember 1847 übernommen wurde; siehe Anm. 161.

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Our one aim is the triumph of the principles above enunciated. In pursuit of that object we seek mutual enlightenment, and labour to propagate the principle of general and fraternal co-operation. Once for all we explicitely state, that we repudiate all idea of forming any “party”, in addition to the parties already existing in England. We desire not to rival, but to aid all men who are honestly combined to work out the emancipation of the people; and with this object in view, we shall gladly hail the adhesion of all convinced of the justice of our principles, and the purity of our motives. Whether few or many, we shall continue to act in accordance with the duties we believe we owe to our fellow-men, leaving them to judge of us by our actions. In the course of the past twelve months, our labours have been rewarded by the approving voices of distinguished patriots, both in England and on the Continent; and our “Addresses” to the people of the United States1, have been published in the working men’s papers of that Republic, and warmly responded to. In conjunction with the great Chartist party we have defended the cause of unhappy Poland2, and trust our efforts have been not altogether fruitless. Some of our members have returned to the homes of their birth on the Continent, or are at this time travelling in different parts of Europe. These, our brothers, will propagate our principles in the several countries they may visit, and will inform our fellow-men of other lands, that in this Capital of the British Isles is banded together a body of men, who, renouncing the crimes and delusions of the miserable past, and yet unhappy present, desire and work for that happier future which shall witness the triumph of justice, the emancipation of the millions, and the fraternity of nations. Signed by the Secretaires: G. Julian Harney, native of Great Britain; Karl Schapper, native of Germany; J. A. Michelot, native of France; Peter Holm, native of Scandinavia; native of Switzerland; J.Schabelitz, Louis Oborski, native of Poland; N. Nemeth, native of Hungary; September, 21st, 1846. [...] Karl Schapper said - Sisters and Brothers, the friternity of nations is a toast to which I can respond from the bottom of my heart, for I am convinced that when the oppressed of civilized Europe unite and demand, as with one voice, their rights, demand justice, they will 1 Siehe Dokument 105.-2 Vgl. Dokument 79. 27 Bund

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get them; aye, they will get them without having recourse to physical force, for when the people enlightened, United and strong demand, no tyrant on earth will dare refuse. (Great applause.) The object of our Society is to extinguish national hatred, to remove national prejudices, and to propagate the great principle that all men belong to one family, that all men are brethren, and, although we are but few in number, yet we have hope, we have courage, for our principles are true and just, and with truth and justice on our side we shall ultimately conquer. Yes, we shall conquer, for when such men as Mr. Feargus O’Connor, Mr. M’GrathandMr.Clarkwereamongstus,andsanctioned by theirpresence the exertions and principles of this society, we can say that the future belongs to us. Mr. O’Connor and the Chartist Executive will soon be members of Parliament, and I hope the day is not far distant when they will be the advisers of the crown, and then hail to the oppressed, woe to the tyrants. (Cheers.) “May the glorious principles of the French Revolution have a speedy resurrection throughout the world.” Yes, I wish, I hope it, but fifty-seven years have elapsed since this great revolution began, and now we will not be satisfied with what our forefathers demanded, we want more. We want not only to be freed from the oppression of priests and nobles, we also want to be freed from the oppression of Messrs. Rothschild and Co. - (Cheers) - in short, from Messrs. Moneymonger and Co. (Cheers.) There was a time when mother church was all-powerful, when she swayed the world, and then she scourged the people, but she fed them. The nobles and the people united and overthrew her power; but after the victory the nob­ les took her place, and began beating the people with larger sticks, and gave them less food; the nobles were overthrown in their turn, and now we find the moneymongers governing the civilized world, beating the people with iron rods, and absolutely starving them. The people have fought for the church, the nobility, and the moneymongers, but they have been illtreated by them all, and the worst by the moneymongers, they now begin to fight for themselves, they are struggling for the land, and they will get it. (Great cheering.) The worth of a man will and shall not be longer in his money-bag; we will no more say he is worth a thousand or a million of pounds; no, we will judge him according to his intrinsic worth; we will say he is worthy, as an honest man, or he is not worth anything at all. Sisters and brothers, let us unite, and right and justice will triumph, mankind will be free and happy, and the earth will become a paradise. Onward, and we shall conquer. (Great applause.) Julian Harney said: [...] The German diet has resolved to persecute the German Communists, and have declared Communism to be high treason. The principles of the German Communists are the principles 418

proclaimed in our “Address” this evening, we therefore must sympathise with our persecuted brethren. (Cheers.) As the German Govern­ ments have declared war against the people, the people must deciare war against them. (Applause.) While we sympathise with the Germans, let us give them a few words of advice. Somefoolinthe “Augsburg Gazette”, bellowing for German nationality, has said Germany will proclaim war to the knife against Denmark; let us, however, advise our German friends to let Denmark alone, and proclaim war to the knife against their own abominable governments, at the same time, fraternally inviting the Danes to follow their example. (Great applause.) The society of Fraternal Democrats is yet but in its infancy. It is yet but the acorn, but will become the giant oak. It is yet but the “little cloud no bigger than a man’s hand”, but that cloud will ultimately overshadow the thrones of the earth, and its thunderbolts strike prostrate the oppressors and ravagers of mankind. (Great cheering.) The celebrated “Marseillois Hymn” was then sung by Joseph Moll, the whole Company enthusiastically joining in the chorus. [...] Mr. H. Bauer also addressed the meeting in the German language. The following is the substance of the speech: Brethren, Our festival of to-day has a twofold purpose: we not only celebrate the memory of the proclamation of the French Republic - we are assembled here also to celebrate the anniversary of the foundation of the Society of Frater­ nal Democrats. It was the French Republic which proclaimed the uni­ versal fraternity of man; but the circumstances of the times prevented France from always practising this principle. We proclaim the same principle; and, behold, our society also practises it. If, as yet, we are not many, nevertheless, a great principle does not require numbers to force its acknowledgement. It requires to be true - nothing more. (Cheers.) But the principle alone is insufficient, unless it be also put into practice - unless it become fact. Great were the difficulties which our society had to overcome before it assumed its present position; but we persevered; and now, with pride, moving our eyes around, we can say: “Look! behold here a fact - the brotherhood of nations realised!” (Applause.) Representatives of all the nations of Europe are United here in brotherly affection and harmony; and, believe it, if we continue to improve ourselves and our society, and to render closer and closer the bonds of our fraternity, we shall set an example to the nations, which, in time, will find its imitation; and if added to the fact the practical example of our association - we spare no exertion, and miss no opportunity, to proclaim our principles before the world, if we do this, then, brothers, have no doubt but that, as we are all United here as individuals from all countries of Europe, so the nations of the world will 27«

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one, and at no very distant, day, be banded together in the bonds of universal fraternity, forgetting their feuds and wars, all united for one purpose - to realise, through universal brotherhood, the universal happiness of mankind. (Great applause.) Mr. Pfaender also spoke in German; his speech was loudly cheered. [...] The Northern Star (London), Nr.463 vom 26.September 1846.

ii-

Gekürzt.1

Die Brüderlichen Demokraten begingen ihre erste Jahresfeier am vergangenen Montag, dem 21. September, da dieser Tag der Jahrestag der Proklamierung der Französischen Republik von 1792 ist. Die Feier, in Form eines öffentlichen Essens, fand statt im White Conduit House, Islington. Demokraten aus allen europäischen Staaten waren anwesend und verwirklichten damit das Motto der Gesellschaft „Alle Menschen sind Brüder“. Dr. Berrier-Fontaine übernahm den Vorsitz, vorgeschlagen von Feargus O’Connor, J. A. Michelot, Julian Harney, Karl Schapper, Oberst Oborski, Professor Sievers und Samuel Kydd. Stellvertretender Vorsitzender war Thomas Clark, vorgeschlagen von Philipp M’Grath und Heinrich Bauer. [...] Julian Harney erhob sich dann und verlas die folgende „Adresse“:

Die Brüderlichen Demokraten an die Demokraten aller Nationen

„Alle Menschen sind Brüder“

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Mitbrüder, Versammelt zu unserer ersten Jahresfeier, am Jahrestag eines Ereig­ nisses, das in die Annalen des europäischen Fortschritts eingegangen ist, erachten wir dies als eine passende Gelegenheit, um in Kürze den Ur­ sprung, die Prinzipien und Ziele unserer Gesellschaft zu erläutern. [.. .]2 Unser einziges Ziel ist der Triumph der oben verkündeten Prinzipien. Bei der Verfolgung dieses Zieles streben wir nach gegenseitiger Auf­ klärung und bemühen uns, das Prinzip der allgemeinen und brüder­ lichen Zusammenarbeit zu propagieren. Ein für allemal stellen wir aus­ drücklich fest, daß wir jede Idee, irgendeine „Partei“ zu bilden, ver­ werfen, eine zusätzliche Partei zu den schon in England existierenden. Wir wollen nicht mit jemandem rivalisieren, sondern alle Menschen unterstützen, die sich aufrichtig zusammengeschlossen haben, die Be­ freiung des Volkes zu vollenden; und mit diesem Ziel vor Augen werden wir freudig den Anschluß aller begrüßen, die von der Rechtlichkeit unserer Prinzipien und der Lauterkeit unserer Motive überzeugt sind. 1 Außer den hier angeführten Rednern sprachen T. Clark, J. A. Michelot, F.O*Connor, M’Grath, Strauß (aus Deutschland), Oberst Oborski, Prof. Sievers und S.Kydd. - 2 Siehe Fußnote 1, S.416.

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Ob viele oder wenige, wir werden auch weiterhin entsprechend den Pflichten handeln, von denen wir glauben, daß wir sie unseren Mit­ brüdern schuldig sind, denen wir es überlassen, uns nach unseren Taten zu beurteilen. Im Verlaufe der letzten zwölf Monate wurden unsere Bemühungen belohnt durch die zustimmenden Äußerungen von hervorragenden Patrioten, sowohl in England als auch auf dem Kontinent; unsere „Adressen“ an die Bevölkerung der Vereinigten Staaten1 wurden in den Arbeiterblättern dieser Republik veröffentlicht und fanden ein herz­ liches Echo. In Zusammenarbeit mit der großen Chartistenpartei haben wir die Sache des unglücklichen Polen2 verteidigt und glauben, daß unsere Bemühungen nicht völlig erfolglos waren. Einige unserer Mit­ glieder sind in ihre Heimatländer auf dem Kontinent zurückgekehrt oder sind in diesem Augenblick in verschiedenen Teilen Europas auf Reisen. Diese, unsere Brüder, werden unsere Prinzipien in den ver­ schiedenen Ländern, die sie besuchen werden, verbreiten und unsere Mitbrüder in anderen Ländern davon unterrichten, daß in dieser Haupt­ stadt der britischen Inseln eine Organisation von Männern zusammen­ geschlossen ist, die, indem sie die Verbrechen und den Betrug der elen­ den Vergangenheit und der noch unglückseligen Gegenwart verurteilen, jene glücklichere Zukunft ersehnen und für sie arbeiten, die Zeuge sein wird vom Sieg der Gerechtigkeit, der Befreiung der Millionen und der Brüderlichkeit der Nationen. Unterzeichnet von den Sekretären: G. Julian Harney aus Großbritannien; aus Deutschland; Karl Schapper aus Frankreich; J.A. Michelot aus Skandinavien; Peter Holm aus der Schweiz; J.Schabelitz aus Polen; Louis Oborski N. Nemeth aus Ungarn; 21. September 1846.

[...] Karl Schapper sagte: Schwestern und Brüder, die Brüderlichkeit der Nationen ist ein Trinkspruch, dem ich aus vollem Herzen zustim­ men kann, denn ich bin überzeugt, daß die Unterdrückten des zivili­ sierten Europas, wenn sie sich vereinigen und wie mit einer Stimme ihre Rechte fordern, Gerechtigkeit fordern, diese erhalten werden; ja, sie werden sie erhalten, ohne zur Gewalt greifen zu müssen, denn wenn das aufgeklärte, vereinte und starke Volk fordert, wird kein Tyrann auf Erden eine Ablehnung wagen. (Großer Beifall.) Das Ziel unserer Ge1 Siehe Dokument 105. - 2 Vgl. Dokument 79.

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Seilschaft ist es, den nationalen Haß auszumerzen, nationale Vorurteile zu beseitigen und das große Prinzip zu verbreiten, daß alle Menschen zu einer Familie gehören, daß alle Menschen Brüder sind, und, obwohl wir nur wenige an Zahl sind, haben wir doch Hoffnung, haben wir Mut, denn unsere Grundsätze sind wahr und gerecht, und mit Wahr­ heit und Gerechtigkeit auf unserer Seite werden wir schließlich siegen. Ja, wir werden siegen, denn wenn solche Männer wie Herr Feargus O’Connor, Herr M’Grath und Herr Clark unter uns waren und durch ihre Anwesenheit die Bemühungen und Grundsätze dieser Gesellschaft guthießen, können wir sagen, daß die Zukunft uns gehört. Herr O’Connor und die Exekutive der Chartisten werden bald Parlaments­ mitglieder sein, und ich hoffe, daß der Tag nicht sehr fern ist, an dem sie Ratgeber der Krone sein werden, und dann Heil den Unterdrückten, wehe den Tyrannen. (Beifall.) „Mögen die glorreichen Prinzipien der Französischen Revolution eine baldige Auferstehung in der ganzen Welt haben.“ Ja, ich wünsche, ich hoffe es, aber siebenundfünfzig Jahre sind vergangen, seitdem diese große Revolution begann, und jetzt wer­ den wir nicht zufrieden sein mit dem, was unsere Vorväter forderten, wir wollen mehr. Wir wollen nicht nur befreit sein von der Unter­ drückung durch Priester und Adlige, wir wollen auch befreit sein von der Unterdrückung der Herren Rothschild und Co. - (Beifall) - kurz gesagt, von den Herren Geldsäcke und Co. (Beifall.) Es gab eine Zeit, als Mutter Kirche allmächtig war, als sie die Welt beherrschte; sie züchtigte die Menschen, aber sie ernährte sie. Die Adligen und das Volk vereinigten sich und stürzten ihre Macht; aber nach dem Sieg nahmen die Adligen ihren Platz ein und begannen, das Volk mit größeren Stöcken zu schlagen, und sie gaben ihm weniger Nahrung; die Adligen wurden ihrerseits gestürzt, und jetzt sehen wir, wie die Geldsäcke die zivilisierte Welt regieren, das Volk mit Eisenstäben schlagen und es völlig aushungern. Das Volk hat für die Kirche ge­ kämpft, für die Adligen und für die Geldsäcke, aber es wurde von ihnen allen mißhandelt, und am meisten von den Geldsäcken; jetzt beginnt es, für sich selbst zu kämpfen, es kämpft um das Land, und es wird es erhalten. (Großer Beifall.) Der Wert eines Menschen wird und soll nicht länger mehr durch seinen Geldbeutel bestimmt werden. Wir wollen nicht mehr sagen, er ist tausend oder er ist eine Million Pfund wert; nein, wir wollen ihn beurteilen entsprechend seinem inneren Wert; wir werden sagen, er ist etwas wert, weil er ein ehrlicher Mensch ist, oder er ist überhaupt nichts wert. Schwestern und Brüder, vereinigen wir uns, und Recht und Gerechtigkeit werden triumphieren, die Mensch­ heit wird frei und glücklich sein, und die Erde wird ein Paradies werden. Vorwärts, und wir werden siegen. (Großer Beifall.) 422

Julian Harney sagte: [...] Der deutsche Bundestag hat beschlossen, die deutschen Kommunisten zu verfolgen, und hat Kommunismus zum Hochverrat erklärt. Die Grundsätze der deutschen Kommunisten sind die Prinzipien, die in unserer „Adresse“ heute abend verkündet wurden, und deshalb müssen wir mit unseren verfolgten Brüdern sympathi­ sieren. (Beifall.) Da die deutschen Regierungen den Krieg gegen das Volk erklärt haben, muß das Volk Krieg gegen sie erklären. (Beifall.) Indem wir mit den Deutschen sympathisieren, wollen wir ihnen auch einige Ratschläge geben. Irgendein Narr, der sich in der Augsburger „[Allgemeinen] Zeitung“ für die deutsche Nationalität ereifert, hat ge­ sagt, daß Deutschland gegen Dänemark den Krieg bis aufs Messer er­ klären wird; laßt uns dagegen unseren deutschen Freunden den Rat geben, Dänemark in Ruhe zu lassen und Krieg bis aufs Messer gegen ihre eigenen abscheulichen Regierungen zu erklären, aber gleichzeitig die Dänen brüderlich aufzufordern, ihrem Beispiel zu folgen. (Großer Beifall.) Die Gesellschaft der Brüderlichen Demokraten befindet sich noch in ihren Kinderschuhen. Sie ist erst eine Eichel, aber sie wird eine riesige Eiche werden. Sie ist erst eine „kleine Wolke, nicht größer als die Hand eines Menschen“, aber diese Wolke wird schließlich die Throne der Erde mit Schatten überziehen und mit ihren Donnerschlägen die Unterdrücker und Verwüster der Menschheit niederstrecken. (Großer Beifall.) Die berühmte „Marseillaise“ wurde dann von Joseph Moll gesungen, und die ganze Versammlung stimmte begeistert im Chor ein. [...] Herr H. Bauer sprach ebenfalls in deutscher Sprache zu den Versam­ melten. Folgendes ist im wesentlichen der Inhalt der Rede: Brüder, unsere heutige Feier hat einen zweifachen Zweck: Wir feiern nicht nur das Gedenken an die Proklamierung der Französischen Republik - wir sind hier auch zusammengekommen, um den Jahrestag der Gründung der Gesellschaft der Brüderlichen Demokraten zu feiern. Es war die Französische Republik, die die weltumfassende Brüderlichkeit der Men­ schen verkündete; aber die damaligen Verhältnisse hinderten Frank­ reich daran, diesen Grundsatz immer zu befolgen. Wir verkünden den gleichen Grundsatz; und seht, unsere Gesellschaft befolgt ihn auch. Wenn wir auch noch nicht viele sind, so erfordert jedoch ein erhabener Grundsatz keineswegs Scharen, um Anerkennung zu erzwingen. Er er­ fordert, wahr zu sein - nichts weiter. (Beifall.) Aber der Grundsatz allein genügt nicht, er muß auch verwirklicht werden - muß eine Tatsache werden. Die Schwierigkeiten, die unsere Gesellschaft überwinden mußte, bevor sie ihre gegenwärtige Stellung erreichte, waren groß; aber wir waren hartnäckig; und jetzt können wir, während unsere Blicke umher­ schweifen, mit Stolz sagen: „Seht! Erblickt hier eine Tatsache - die 423

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Brüderlichkeit der Nationen ist Wirklichkeit geworden!“ (Beifall.) Ver­ treter aller Nationen Europas sind hier vereint in brüderlicher Zunei­ gung und Harmonie; und, glaubt mir, wenn wir fortfahren, uns selbst und unsere Gesellschaft zu verbessern und die Bande unserer Bruder­ schaft enger und enger zu gestalten, werden wir den Nationen ein Bei­ spiel geben, das schließlich seine Nachahmung finden wird. Und wenn wir diesem Tatbestand das praktische Beispiel unserer Gesellschaft hin­ zufügen - keine Anstrengungen scheuen, keine Gelegenheit versäumen, um unsere Grundsätze vor der Welt zu verkünden, wenn wir dies tun, dann, Brüder, zweifelt nicht daran, daß, so wie wir hier alle vereint sind als einzelne aus allen Ländern Europas, die Nationen der Welt eines nicht sehr weit entfernten Tages ihren Streit und ihren Krieg ver­ gessen und mit den Banden der allgemeinen Brüderschaft zusammen­ geschlossen sein werden, alle vereint für das eine Ziel - durch allge­ meine Brüderlichkeit das allgemeine Glück der Menschheit zu verwirk­ lichen. (Großer Beifall.) Herr Pfänder sprach ebenfalls deutsch; seine Rede fand großen Bei­ fall. [...]

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Brief von Friedrich Engels an Karl Marx in Brüssel

in

Paris

18. Oktober 1846 ’ [...] Die Geschichten im „Volks-Tribunen“1 hab’ ich gesehen vor ungefähr 3 Wochen. Mir ist so was lächerlich Dummes noch nicht vor­ gekommen. Die Infamie des Bruder Weitling erreicht ihre Spitze in diesem Brief an Kriege. Was übrigens das Detail angeht, so ist es mir nicht mehr erinnerlich genug, um darüber etwas sagen zu können. Ich bin aber ebenfalls der Meinung, daß man sowohl auf Krieges wie der Straubinger Proklamation repliziert, sie mit der Nase draufstößt, wie sie leugnen, gesagt zu haben, was wir ihnen vorwerfen, während sie zu­ gleich dieselben geleugneten Dummheiten wieder in ihrer Antwort pro­ klamieren; und daß namentlich der Kriege mit seinem hochmoralischen 1 Im New-Yorker „Volks-Tribun“, in den Nrn. 26, 27 und 29 vom 27. Juni, 4. und 18. Juli 1846, wurden der Auszug des Briefes von Weitling an Kriege vom 16. Mai 1846 (vgl. Anm.87) und eine Reihe von Erklärungen Krieges und seiner Anhänger veröffentlicht (Bescheidene Erwiderung, An unsere Freunde, Adresse der deutschen Sozialreformer), die Angriffe gegen Marx, Engels und andere Mitglieder des Brüsseler Kommunistischen Korrespondenzkomitees wegen ihres „Zirkulars gegen Kriege4' vom Mai 1846 enthielten.

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Pathos und seiner Entrüstung über unsren Spott gehörig was aufs Dach kriegt. Da die Nummetn eben jetzt unter den hiesigen Straubingern zirkulieren, so kann ich sie mir nicht verschaffen, ohne 4-5 Tage war­ ten zu müssen. Die hiesigen Straubinger bellen fürchterlich gegen mich. Namentlich 3-4 „gebildete“ Arbeiter, die E[werbec]k und Grün in die Geheimnisse des wahren Menschentums eingeweiht. Aber ich bin vermöge einiger Geduld und etwas Terrorismus durchgedrungen, die große Menge geht mit mir. Der Grün hat sich vom Kommunismus losgesagt, und diese „Gebildeten“ hatten große Lust, mitzugehen. Da hab’ ich grade durch­ gehauen, den alten Eisermann so eingeschüchtert, daß er nicht mehr kommt, und den Kommunismus oder Nicht-Kommunismus kontra­ diktorisch diskutieren lassen. Heut abend wird abgestimmt, ob die Ver­ sammlung kommunistisch ist oder, wie die Gebildeten sagen, „für das Wohl der Menschheit“. Die Majorität ist mir sicher. Ich hab’ erklärt, wenn sie nicht Kommunisten wären, könnten sie mir gestohlen werden, da käm’ ich nicht mehr. Heut abend werden die Schüler Grüns definitiv gestürzt, und dann werd’ ich ganz aus dem Rohen anzufangen haben. Von den Forderungen, die diese jebildeten Straubinger an mich mach­ ten, hast Du gar keine Vorstellung. „Milde“, „Sanftmut“, „warme Brüderlichkeit“. Ich hab’ sie aber gehörig gerüffelt, jeden Abend bracht’ ich ihre ganze Opposition von 5, 6, 7 Kerls (denn im Anfang hatt’ ich die ganze Boutique gegen mich) zum Schweigen. Nächstens mehr über diese ganze Historie, die allerlei Lichter auf Herrn Grün wirft. Proudhon soll in 14 Tagen herkommen. Das wird schön werden. [...] Handschrift IMLM/ZPA, F.l, op.l, Nr.203. (MEW, Bd.27, S. 58/59.)

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Gekürzt.

132

Brief

Friedrich Engels in Paris Kommunistische Korrespondenzkomitee

von

an das

in

Brüssel

23. Oktober 1846

Komiteebrief No. 3 Über die hiesigen Straubingergeschichten ist wenig zu sagen.- Die Hauptsache ist, daß die verschiedenen Streitpunkte, die ich bisher mit den Jungens auszufechten hatte, jetzt entschieden sind: der Haupt­ anhänger und Schüler Grüns, Papa Eisermann, ist herausgeschmissen,

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die übrigen sind in ihrem Einfluß auf die Masse vollständig gestürzt, und ich habe einen Beschluß einstimmig gegen sie durchgesetzt. Der kurze Verlauf ist der: Über den Proudh[on]schen Assoziationsplan wurde 3 Abende disku­ tiert. Anfangs hatte ich beinah die ganze Clique, zuletzt nur noch Eisfermann] und die übrigen 3 Grünianer gegen mich. Die Hauptsache dabei war, die Notwendigkeit der gewaltsamen Revolution nachzu­ weisen1 und überhaupt den Grünschen wahren Sozialismus, der in der Proudhonschen Panacee neue Lebenskräfte gefunden, als antiprole­ tarisch, kleinbürgerlich, straubingerisch zurückzuweisen2. Zuletzt würd’ ich wütend über die ewige Wiederholung derselben Argumente von. Seiten meiner Gegner und attackierte die Straubinger geradezu, was bei den Grünianern große Entrüstung erregte, wodurch ich aber dem edlen Eiserm[ann] einen offnen Angriff auf den Kommunismus entlockte. Darauf deckelte ich ihn so rücksichtslos, daß er gar nicht wiederkam. Jetzt knüpfte ich an die mir vom Eis[ermann] gegebne Handhabe die Attacke gegen den Kommunismus - an, um so mehr, als Grün in einem fort intrigierte, auf den Ateliers3 herumlief, sonntags die Leute zu sich zitierte pp. und den Sonntag nach der obigen Sitzung selbst die grenzenlose Dummheit beging, vor 8 bis 10 Straubingern den Kommu­ nismus zu attackieren. Ich erklärte also, ehe ich mich auf weitere Dis­ kussionen einließe, müsse abgestimmt werden, ob wir hier qua4 Kom­ munisten zusammenkämen oder nicht. Im ersten Falle müsse Sorge getragen werden, daß Angriffe auf den Kommunismus, wie die von Eis[ermann], nicht mehr vorkämen, im andern Fall, wenn sie bloß be­ liebige Individuen seien, die hier über dies und jenes beliebige disku­ tierten, könnten sie mir gestohlen werden, und würde ich nicht wieder­ kommen. Dies erregte großes Entsetzen bei den Grünianern, sie seien hier „für das Wohl der Menschheit“ zusammen, um sich aufzuklären, Männer des Fortschritts und nicht einseitig, Systemfänger pp., und solche Biedermänner könne man doch unmöglich „beliebige Menschen“ nennen. Übrigens müßten sie erst wissen, was Kommunismus eigent­ lich sei (diese Hunde, die sich seit Jahren Kommunisten genannt haben und bloß durch die Furcht vor Grün und Eiserm[ann] abspenstig wurden, nachdem diese sich unter dem Vorwande des Kommunismus bei ihnen eingeschlichen hatten!). Ich ließ mich natürlich nicht durch ihre liebevolle Bitte fangen, ihnen, den Unwissenden, in 2 bis 3 Worten zu sagen, was Kommunismus sei. Ich gab ihnen eine höchst simple Definition, die gerade so weit [ging]5 wie die vorliegenden streitigen Punkte, die die Friedlichkeit, die Zartheit und Rücksicht gegen die 1 In der Vorlage: zurückzuweisen - 2 in der Vorlage: nachzuweisen - 3 Werkstätten — 4 als 5 Papier beschädigt.

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Bourgeois resp. das Straubingertum und endlich die Proudhonsche Aktiengesellschaft nebst beibehaltenem individuellem Besitz und was sich daran knüpft durch Behauptung der Gütergemeinschaft ausschloß, und im übrigen nichts enthielt, was Anlaß zu Abschweifungen und zur Umgehung der vorgeschlagenen Abstimmung geben könnte. Ich defi­ nierte also die Absichten der Kommunisten dahin: 1. die Interessen der Proletarier im Gegensatz zu denen der Bourgeois durchzusetzen; 2. dies durch Aufhebung des Privateigentums und Ersetzung desselben durch die Gütergemeinschaft zu tun; 3. kein andres Mittel zur Durch­ führung dieser Absichten anzuerkennen als die gewaltsame, demo­ kratische Revolution. - Hierüber zwei Abende diskutiert. Am zweiten ging der beste der 3 Grünianer, die Stimmung der Majorität merkend, vollständig zu mir über. Die andern beiden widersprachen sich fort­ während einer dem andern, ohne es zu merken. Mehrere Kerls, die noch nie gesprochen, taten auf einmal das Maul auf und erklärten sich ganz entschieden für mich. Bisher hatte dies nur Junge getan. Einige dieser homines novi1 sprachen, obwohl zitternd vor Todesangst steckenzubleiben, ganz nett und scheinen überhaupt ganz gesunden Verstand zu haben. Kurz, als es zur Abstimmung kam, wurde die Ver­ sammlung für eine kommunistische im Sinne der obigen Definition er­ klärt von 13 Stimmen gegen die beiden der zwei treu gebliebenen Grünianer, von denen einer auch nachträglich erklärt hat, daß er die größte Begierde habe, sich zu bekehren. Hiermit ist endlich einmal tabula rasa gemacht, und man kann jetzt anfangen, etwas aus den Kerls zu machen, soweit dies geht. Grün, der sich aus seiner Geldgeschichte leicht herausreißen konnte, weil die Hauptgläubiger ebenselbige Grünianer waren, seine Hauptanhänger, ist jetzt bei der Majorität und einem Teil seiner Anhänger selbst sehr herunter und trotz aller Intrigen und Experimente (z.B. in der Mütze auf die Barriereversammlungen gehen pp.) mit seiner Proudhonschen Sozietät glänzend durchgefallen. Wär’ ich nicht dagewesen, so hätte unser Freund E[werbec]k [sich] allerdings tete baissde2 dahinein gegeben. Was der Grün für ein schönes Strategem hatte! An der Intelligenz seiner Kerls verzweifelnd, repetiert er ihnen seine Geschichten so oft vor, bis sie sie auswendig können. Nach jeder Sitzung - es war natürlich nichts leichter, als so eine Opposition zum Schweigen zu bringen - lief die ganze geschlagne Bande zu Grün, erzählten, was ich gesagt hatte natürlich alles entstellt -, und ließen sich wieder wappnen. Wenn sie dann das Maul auftaten und zwei Worte gesagt, so wußte man jedesmal den ganzen Satz vorher. Natürlich nahm ich mich bei dieser Zwischen­ trägerei sehr in acht, den Kerls irgend etwas Allgemeines zu sagen, was 1 neuen Leute - 2 blindlings

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Herrn Grün zu neuen Ausschmückungen seines wahren Sozialismus dienen könnte; dennoch aber hat der Hund neulich in der „Kölner [Zeitung]“ mit diversen Entstellungen bei Gelegenheit der Genfer Revo­ lution1 Sachen exploitiert, die ich den Straubingern sagte, während er ihnen hier das Gegenteil einpaukte. Er treibt jetzt Nationalökonomie, der Brave. Das Buch von Proudhon2 werdet Ihr angezeigt gesehen haben. Ich werde es dieser Tage bekommen; es kostet 15 fr., man kann es nicht kaufen, das ist zu teuer. Das obige Publikum, vor dem die Geschichte aufgeführt worden, besteht aus ca. 20 Schreinern, die sonst nur auf der Barriere noch mit allerlei Volks sich versammeln, außer einem Sängerklub keine eigent­ lich geschlossene Verbindung haben, sonst aber teilweise Rudera des Bundes der Gerechtigkeit sind. Könnte man sich öffentlich versammeln, so würden wir bald über 100 Kerls aus den Schreinern allein haben. Von den Schneidern kenn’ ich nur einige, die auch in die Schreinerversamm­ lung kommen. Von Schmieden und Gerbern ist in ganz Paris nichts zu erfahren. Kein Mensch weiß was von ihnen. Kriege hat dieser Tage seinen Bericht als Mann der Gerechtigkeit an die „Halle“ (Zentralverwaltung) abgestattet. Natürlich hab’ ich das Sendschreiben gelesen; da dies aber Eidesverletzung war, worauf Todesstrafe, Dolch, Strang und Gift stehen, so müßt Ihr das nirgends hinschreiben. Der Brief beweist, gerade wie seine Replik auf unsern Angriff3, daß dieser Angriff ihm sehr genützt hat und er sich jetzt doch mehr um die Dinge dieser Welt kümmert. Er gab eine lange Erzählung ihrer Schwierigkeiten. Der erste Abschnitt dieser amerikanischen Strau­ bingergeschichte enthielt ihr Pech - offenbar stand Kriege an der Spitze und betrieb die Geldgeschichten vom Standpunkt des weltumfassenden Herzens aus, der ,,[Volks-]Tribun“ wurde verschenkt, nicht ver­ kauft. Liebesgaben bildeten den Fonds, kurz, man wollte Kapitel III-VI der Apostelgeschichte wieder aufführen, Ananias und Sapphira fehlten auch nicht, und zum Schluß fand man sich voller Schulden. Die zweite Periode, wo Kriege zum bloßen „Registrator“ wird und andre Kerls an die Verwaltung der Geldgeschäfte getreten zu sein scheinen, die des Aufkommens. Statt an die volle Brust der Menschen zu appellieren, wurde jetzt an ihre tanzlustigen Beine und überhaupt +* unkommu­ nistischen Seiten appelliert, und man fand zu seinem Erstaunen, daß durch Bälle, Landpartien pp. das nötige Geld vollständig aufzubringen 1 Aufstand in Genf, der im Oktober 1846 begonnen und Vertreter der Bourgeoisie an die Macht gebracht hatte. Der Genfer Aufstand trug zum Zusammenschluß der fortschrittlichen schweizerischen Kantone gegen den reaktionären katholischen Sonderbund bei. - 2 P.-J. Proudhon: Systime des contradictions iconomiques, ou Philosophie de la mis&re, T. 1-2, Paris 1846. - 3 Zirkular gegen Kriege, Dokument 88-4 mehr oder weniger

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sei und daß auch die Schlechtigkeit der Menschen für den Kommunis­ mus exploitiert werden könne. Jetzt seien sie vollständig pekuniär auf dem Strumpf. Unter den „Hindernissen“, die sie zu überwinden hatten, zählt der tapfre Tecklenburger1 auch die allseitigen Verleumdungen und Verdächtigungen auf, die sie, u.a. „zuletzt noch von den .kom­ munistischen“ Philosophen in Brüssel“, zu erdulden hätten. Im übrigen schwatzt er einiges triviale Zeug gegen die Kolonien, empfiehlt ihnen (d.h. seinen entschiedensten Feinden) den „Bruder Weitling“, hält sich aber im ganzen ziemlich irdisch, wenn auch etwas gesalbt, und nur von Zeit zu Zeit so etwas Gestöhn von Brüderlichkeit usw. [...] Nachdem ich bis hieher geschrieben, ging ich noch zu den Straubin­ gern, wo sich folgendes herausstellte: Der Grün, zu ohnmächtig, mir irgendwie Schaden anzutun, läßt mich jetzt auf der Barriere denunzie­ ren. Der Eis[ermann] attackiert in der öffentlichen und von Mouchards besuchten Barriereversammlung den Kommunismus, wo ihm natürlich keiner antworten kann, ohne sich der Gefahr des Geschaßtwerdens auszusetzen; der Junge hat ihm sehr wütend geantwortet, ist aber von uns gestern verwarnt. Darauf hat der Eis[ermann] den J[unge] für das Sprachrohr eines Dritten erklärt (der natürlich ich bin), und der plötz­ lich wie eine Bombe unter die Leute gefahren sei, und er wisse wohl, wie da die Leute zu den Barrierediskussionen eingepaukt würden pp. Kurz, er schwatzte da Dinge aus, die einer vollständigen Denunziation bei der Polizei gleichkommen; denn der Wirt, wobei die Geschichte sich zutrug, sagte noch vor 4 Wochen: il y a toujours des mouchards parmi vous2, und der Polizeikommissär war zu jener Zeit auch einmal da. Den J[unge] griff er geradezu als „Revolutionär“ an. Herr Grün war während der ganzen Zeit gegenwärtig und paukte dem E[isermann] ein, was er zu sagen habe. Diese Gemeinheit übersteigt doch alles. Der Grün ist mir, wie ich die Sachen kenne, vollständig verantwortlich für alles, was der Eisjermann] sagt. Dagegen ist nun platterdings nichts zu machen. Der Schafskopf Eis[ermann] kann auf der Barriere nicht attackiert werden, weil man da die Wochenversammlung nochmals denunzieren würde, der Grün ist zu feige, in eignem Namen selbst etwas zu tun. Das einzige, was man tun kann, ist, auf der Barriere die Leute erklären zu lassen, über Kommunismus diskutierten sie nicht, weil das die ganze Versammlung bei der Polizei gefährden könne. Schreibt endlich einmal. Euer Paris, 23. Oktober 1846 E. Handschrift IMLM/ZPA, F. 1, op.l, Nr.204. (MEW, Bd.27, S.60-64.)

Gekürzt.

1 Hermann Kriege - 2 unter euch sind immer Spitzel

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133 Brief von Friedrich Engels in Paris an Karl Marx in Brüssel um den 23. Oktober 1846

Lieber M.l Die Geschichte gegen Kriege]1 erhalten. Ist ganz gut. K[riege] wird nun zwar, da Du allein unterzeichnet, den absprechenden Ton des ersten Dokuments2 auf meine Privatrechnung schreiben und gegen dies zweite zu Kreuz kriechen, aber das ist mir Wurst. Er kann mich in seiner Privatmalice den amerikanischen Straubingern so schwarz wie möglich schildern, wenn ihm das Pläsier macht. Aus dem Komiteebrief3 wirst Du sehen, wie ich hier bei den Strau­ bingern durchgedrungen. Ich hab’ sie, hol mich der Teufel, nicht ge­ schont, ich hab’ ihre ärgsten Vorurteile, sie selbst als gar keine Proletarier attackiert. Aber der Grün arbeitete mir auch zu schön in die Hände. [...] Mit den Straubingern hier denk’ ich durchzukommen. Die Kerle sind freilich gräßlich unwissend und durch ihre Lebenslage gar nicht präpa­ riert, Konkurrenz unter ihnen gibt es gar nicht, der Lohn pißt sich immer auf einem und demselben Niveau fort, der Kampf mit dem Meister dreht sich gar nicht um Lohn, sondern um den „Gesellenhoch­ mut“ usw. Bei den Schneidern wirken jetzt die fertigen Kleiderläden revolutionierend. Wenn’s nur nicht so ein faules Handwerk wär’. Der Grün hat scheußlich geschadet. Er hat bei den Kerls alles Be­ stimmte in bloße Duselei, Menschheitsstreben pp. verwandelt. Unter dem Scheine, den Weitlingschen und sonstigen Systemkommunismus anzugreifen, hat er ihnen den Kopf voll unbestimmter Belletristen- und Kleinbürgerphrasen gesetzt und alles andre für Systemreiterei aus­ gegeben. Selbst die Schreiner, die nie Weitlingianer gewesen - oder doch nur einzelne -, haben eine abergläubische Gespensterfurcht vor dem „Löffelkommunismus“ und schließen sich - wenigstens vor dem durch­ gesetzten Beschluß - lieber der größten Duselei, friedlichen Beglückungs­ plänen usw. an, als diesem „Löffelkommunismus“. Es herrscht eine grenzenlose Konfusion hier vor. An Harney hab’ ich dieser Tage einen leisen Angriff gegen die Fried­ lichkeit der Fraternal Democrats geschickt, ihm übrigens geschrieben, daß er mit Euch in Korrespondenz bleiben soll. Dein E Handschrift IMLM/ZPA, F. 1, op. 1, Nr. 205. (MEW, Bd.27, S.65/66.)

Gekürzt.

1 Das zweite Zirkular gegen Kriege ist nicht erhalten. - 2 Dokument 88 - 3 Dokument 132

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134 Ansprache

der

Volkshalle

des

Bundes

der

Gerechten

Bund”143 November 1846

an den

November 1846 Brüder! Beauftragt, die oberste Leitung unserer Angelegenheiten zu über­ nehmen, halten wir es für unsere Pflicht, Euch folgendes Schreiben zu­ kommen zu lassen, und wir ersuchen Euch, demselben eine ernste Auf­ merksamkeit und gehörige Achtung zu schenken. 1) Wenn wir den heutigen Zustand Europas und insbesondere Deutschlands ins Auge fassen, so können wir nicht in Abrede stellen, daß überall die sozialen und kommunistischen Ideen die erfreulichsten Fortschritte machen und daß keine Partei irgend Anklang finden kann, wenn sie nicht mehr oder minder auf eine Umgestaltung der heutigen Gesellschaft dringt. - Die großartige Bewegung unserer Zeit stets mehr anzufeuern, sie, so viel als in unseren Kräften steht, zu leiten, soll und muß unsre Aufgabe sein; denn nur dadurch können wir in den Stand gesetzt werden, eine kräftige Partei zu bilden und unsre Feinde mit Er­ folg zu bekämpfen. - Leider ist das bis jetzt nicht der Fall gewesen einig in dem Streben, die heutige Ordnung oder besser Unordnung der Dinge zu bekämpfen, sind wir uneinig in der Art und Weise, wie wir dieselben bekämpfen sollen. - Anfangs glaubte man, durch Aufstellung kommunistischer und sozialer Systeme wirken zu müssen, aber bald sah man ein, daß man einen falschen Weg eingeschlagen, und glück­ licherweise ist man jetzt so ziemlich von dieser Systemkrämerei zurück­ gekommen; dessen ungeachtet ist noch keine Einigkeit da, unser Ver­ hältnis zur religiösen Partei sowie zu der radikalen Bourgeoisie ist noch nicht klar erkannt, ein einfaches kommunistisches Glaubensbekennt­ nis, das allen zur Richtschnur dienen könnte, noch nicht aufgestellt, und so ist es denn gekommen, daß in den verschiedenen Lokalitäten anstatt kräftig zusammenzuwirken wir oft einander entgegenwirkten diesem Übelstande soll und muß abgeholfen werden; da dies aber un­ möglich durch Briefe geschehen kann, so berufen wir auf den ersten Mai 1847 einen Kongreß. Jeder [Gau]1 hat einen Abgeordneten zu senden, ferner diejenigen Lokalitäten, wo nur eine Gemeinde besteht, sollen sich mit einer andern Lokalität, wo auch nur eine Gemeinde besteht, vereinen und mit ihr zusammen einen Abgeordneten wählen, oder, wenn dies nicht geschehen kann, wo möglich einen Abgeordneten 1 in der Vorlage: ...

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aus ihrer Mitte schicken. Wir machen Euch aufmerksam, nur solche Abgeordnete zu wählen, welche die Richtung ihrer Lokalität genau kennen und imstande sind, dieselbe durch die Rede zu vertreten; wäh­ rend der Dauer des Kongresses wird für Kost und Wohnung dieser Abgeordneten gesorgt werden. - Dieser Kongreß kann der Vorläufer zu einem allgemeinen kommunistischen Kongreß für das Jahr 1848 sein, zu welchem dann die Anhänger der neuen Lehre aus allen Welt­ gegenden, und zwar öffentlich, eingeladen werden.11153 - Wir hoffen, wir werden bis dahin eine solche Einigkeit und Kraft erlangen, daß wir imstande sein werden, der ganzen Sache eine gute Richtung zu geben. 2) Ihr werdet schon erfahren haben, daß nicht nur in Deutschland, sondern auch in Belgien etc. die radikale Partei sich öffentlich von dem alten seichten Liberalismus trennt und eine eigene Fahne aufpflanzt. Die kleine Bourgeoisie, welche täglich mehr durch die wachsende hohe Geldaristokratie verdrängt wird und die ihren Ruin mit Riesenschritten herankommen sieht, bildet hauptsächlich diese Partei, und sie sind einer Sozialreform nicht allein nicht abgeneigt1, sondern erkennen auch die Notwendigkeit derselben öffentlich an. Eine Annäherung des Prole­ tariats an diese Partei ist unserer Meinung nach jetzt wünschenswert und notwendig. Wir glauben daher, daß wir überall suchen sollen, mit den Radikalen in Verbindung zu treten, ohne jedoch von unsern Grund­ sätzen etwas nachzulassen; daß wir uns bestreben sollen, ihnen zu zeigen, daß der Tag nicht mehr fern ist, wo sie ebenfalls in die Reihen der Proletarier zurückgestoßen werden, und daß sie ihrem Ruin nur durch eine Sozialreform vorbeugen können. - Sind wir imstande, eine Vereinigung der radikalen Bourgeoisie mit dem Proletariate zustande zu bringen, so wird bald eine neue Periode beginnen, die so großartig sein wird, wie nur die Geschichte aufzuweisen hat. - Darum, Brüder, Hand ans Werk! 3) Die Hoffnungen, welche sich manche Kommunisten von den Deutsch-Katholiken und Lichtfreunden11163 machten, scheinen sich nicht zu verwirklichen. - Wir hielten nie etwas darauf - ein altes, morsches Gebäude ausbessern zu wollen ist vergebliche Mühe. - Sucht daher diejenigen, welche bisher ihr Streben dahin richteten, wieder auf die rechte Bahn zurückzuführen. Sehen wir nicht zu viel auf das Alte, glauben wir ja nicht, daß die den Geist und das menschliche Herz ein­ schränkenden Formen der alten Welt mit in die neue hinübergenommen werden können, das geht nicht. 4) Machen wir Euch auf das Treiben der Fourieristen aufmerksam und fordern Euch auf, überall, wo diese seichten Menschen sich zeigen, ihnen kräftig entgegenzutreten. - Sie sind an und für sich nicht 1 Fußnote in der Vorlage: In Deutschland und Frankreich ist es noch nicht so weit.

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gefährlich,' aber sie haben Geld, schicken überall Emissäre hin und be­ mühen sich, hauptsächlich den Kommunismus zu entstellen; deshalb dürfen wir sie nicht länger ignorieren, sondern müssen sie öffentlich angreifen. Ihr lächerliches Streben, sich als die wahren Christen hinzu­ stellen, ihre militärischen Einrichtungen und Unzahl Gesetze, ihre Kapitalsassoziation, die Arbeit anziehend zu machen, bieten genug Stoff dar, sie zu bekämpfen. In ihrer albernen Fourier- und Selbstver­ ehrung erkennen sie nicht, daß ihre Regulation aller Lebensverhäkniss.e der Menschen dieselben gänzlich der Freiheit beraubt und zu Treib­ hauspflanzen macht, aus denen nichts Gutes kommen kann; sie er­ kennen nicht, daß das ganze Streben der jetzigen Zeit dahin geht, sich von den unzähligen Gesetzes- und Regulationsfesseln loszumachen, in denen wir wie Fliegen in einem Spinnengewebe herumzappeln, und wollen uns noch stärker in Fesseln schlagen. Die Armen sprechen von Mitteln, die Arbeit anziehend zu machen, und scheinen nicht zu wissen, daß in einer auf die Naturgesetze gegründeten Gesellschaft die Arbeit, welche die Betätigung des Lebens, des Individuums ist, wahrlich keiner anziehenden Mittel bedarf, daß die Arbeit selbst das Anziehendste ist, was es geben kann. 5) Richten wir Euere besondere Aufmerksamkeit auf das Treiben der christlich-germanisch-preußischen Partei. Die Anhänger dieser Partei der protestantischen Jesuiten sind die Finsterlinge der Gegenwart; nicht imstande, das junge, kräftige Streben mit ihren geist- und herz­ losen Lehren zu bekämpfen, aber entschlossen, um jeden Preis die Völ­ ker in der Sklaverei zu erhalten, rufen sie überall Polizei! Polizei! Und wenn sie das nicht können, suchen sie durch Entstellung der sozialen Grundsätze oder durch Verdächtigung der Personen, die diese Lehre verbreiten, ihren Zweck zu erreichen. Diesen Geschöpfen muß die Maske, die sie vornehmen, abgerissen werden, damit die Leute sie in ihrer wahren Gestalt sehen und vor ihnen zurückschaudern. Ihr ganzes Streben geht jetzt dahin, sich unter den Proletariern Anhang zu ver­ schaffen, Uneinigkeit unter uns hervorzurufen und im Fall einer Um­ wälzung eine Volksarmee zu errichten, die wie die Vendeer im Jahre 1792 im Namen Gottes und des Erlösers den Ideen der Gerechtigkeit den Krieg erklärt. Diesem muß vorgebeugt werden, damit nicht Ströme Bluts fließen müssen. Glaubt nicht, daß wir die Sache von einer leichten Seite nehmen dürfen, denn diese Leute werden von den Regierungen und Pfaffen mit Geld und Polizei unterstützt, sie haben schon christ­ liche Handwerkervereine in Berlin, Hamburg, Stuttgart, Basel, Paris, London etc. gestiftet, welche miteinander in Verbindung stehen, sie schicken Arbeiter als Emissäre aus und hängen sogar, wenn es not tut, den Kommunismus als eine Maske vor, um Anhänger zu gewinnen; 28 Bund

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wir müssen daher in allen Zeitungen, wo wir nur können, diese Leute entmasken, und zwar so schnell als möglich. In London ist man recht hinter ihr Treiben gekommen; denn, aufgeschreckt durch die kommu­ nistischen Fortschritte, haben die Pfaffen im Verein mit dem dortigen preußischen Gesandten, dem frommen Ritter Bunsen, schon zwei christliche Handwerkervereine gebildet, die zwar keine 20 Arbeiter zählen, die aber durch die Unterstützungen, welche sie von allen Seiten bekommen, einen gewissen Einfluß erhalten. Sie sehen nämlich ein, daß ihre Grundsätze niemanden anziehen können, deswegen verspre­ chen sie, zwar noch nebenbei, jenseits den Himmel, aber besonders hier materielle Vorteile. Der Bunsen hat, wie verlautet, schon eine bedeutende Summe gegeben, ebenfalls die dortigen Pfaffen und deutschen Bankiers; die Prinzessin von Preußen, welche neulich dort war, hat 25 Pfund Sterling (600 fr.) gegeben und versprochen, jedes Jahr dasselbe zu schicken, und endlich hat seine Majestät v. Preußen - ja, der fromme Friedrich Wilhelm - einen jährlichen Beitrag von 60 Thlr. versprochen. Sie schaffen sich ebenfalls eine christlich-germanische Bibliothek an und haben bereits für 150 Thlr. Bücher bei ihrem Buchhändler, dem from­ men Bunsen, bestellt, der es übernommen hat, ihnen dieselben auf das billigste zu besorgen. Sie haben ferner nach Paris, Hamburg, Berlin, Basel geschrieben und ihren dortigen Emissären den Auftrag gegeben, bei den Arbeitern daselbst, welche nach London reisen wollen, den dortigen Bildungsverein zu verdächtigen, ihnen die Vorteile vorzu­ stellen, welche sich im christlichen Verein finden würden, und dieselben an solche Leute zu adressieren, welche sie gleich bei ihrer Ankunft an die Pfaffen weisen können -, sie wollen sogar nächstes Frühjahr Leute an dem Landungsplatz der Dampfschiffe aufstellen, um die ankommen­ den Arbeiter gleich in Empfang zu nehmen und sie nach ihrem Verein zu bringen. Wir fordern daher Euch auf, nicht allein in Euren Lokali­ täten diesem Treiben der Finsterlinge auf das kräftigste entgegenzu­ treten, sondern auch überall die nach London reisenden Arbeiter vor dem Treiben der protestantischen Jesuiten zu warnen. Die Hauptagen­ ten der preußischen Gesandtschaft dort sind: ein gewisser Ehrenbaum, der sich Doktor schimpfen läßt und welcher im dortigen deutschen Leseverein, der aus 60 Mitgliedern besteht, unsere Grundsätze zu ent­ stellen sucht - ferner die deutschen protestantischen Pfaffen, deren Werkzeug ein gewisser Kandidat Winzer ist und die den christlichen Handwerkerverein leiten, und endlich ein gewisser deutscher Flüchtling namens Hubboter, der, wenn auch nicht direkt, von Bunsen abhängt, doch nicht weniger niederträchtig ist als die andern - ein christlicher Germane im wahren Sinne des Worts. Ihr seht Brüder, wir haben Kampf nach allen Seiten; darum auf, wer Ihr auch immer sein mögt, erhebt 434

Euch! Gerechtigkeit und Wahrheit sei Euer Feldgeschrei, treten wir kühn den Feinden der Menschheit entgegen, und seid überzeugt, je schwerer der Kampf, desto herrlicher der Sieg. 6) Verlangen wir von Euch, daß Ihr alle zwei Monate einen genauen Bericht über die Fortschritte und Begebenheiten abstattet. Vier Wochen nach Eingang der Berichte wird alsdann an alle Lokalitäten ein Bericht über die Fortschritte des Ganzen und über alle wichtigen Begebenheiten abgeschickt und Stellen aus den erhaltenen Briefen, welche von Wich­ tigkeit sind, wörtlich zugeschrieben werden. Wir hoffen, daß Ihr streng diesem unsern Verlangen nachkommen werdet, wir werden unsre Pflicht tun, soweit es in unsern Kräften steht, wir verlangen aber auch von Euch, daß Ihr dasselbe tut. Sollte irgend etwas Wichtiges in irgendeiner Lokalität vorfallen, so verlangen wir auf der Stelle Bericht darüber, damit wir in Stand gesetzt werden, augen­ blickliche Maßregeln zu ergreifen. 7) Ersuchen wir Euch, von jetzt an alle Spaltungen, wenn solche unter Euch bestehen sollten, zu beseitigen, fest zusammenzuhalten im Kampfe gegen unsre Feinde und immer im Auge zu behalten, daß Einheit stark macht. Meinungsverschiedenheiten werden auf dem Kongreß ausgeglichen werden, bis dahin laßt uns warten. Jeder von Euch Brüdern, welchem unsre heilige Sache wirklich am Herzen liegt, wird gewiß einsehen, daß es jetzt keine Zeit ist, Persönlichkeiten geltend zu machen, sondern dieselben im Gegenteil der Vergessenheit anheim zu geben; darum seid wach, schließt Euch fest aneinander, und sollte es noch Leute unter Euch geben, welche die Personen höher stellen als den Sieg unsrer Grundsätze, so entfernt sie so schnell als möglich. 8) Bitten wir Euch, sogleich nach Empfang unseres Schreibens uns einen ausführlichen Bericht über den Zustand der Dinge in Eurer Lokalität abzustatten, damit wir in Stand gesetzt werden, eine allgemeine und einfache Organisation zustande zu bringen. 9) Ersuchen wir Euch, soweit es in Euren Kräften steht, das Journal in der Schweiz1 zu unterstützen, indem wir der Meinung sind, es dem kommenden Kongreß zu überlassen, wo und auf welche Weise das all­ gemeine Organ zu errichten sei. 10) Da es höchst notwendig ist, daß alle genau unsre jetzigen Ver­ hältnisse kennenlernen, so ersuchen wir Euch, folgende drei Fragen in allen Gemeinden diskutieren zu lassen: Frage 1. Welches ist die Stellung des Proletariats der hohen und niedern Bourgeoisie gegenüber? Ist eine Annäherung an die niedere oder I Wahrscheinlich der „Prometheus“; vgl. Anm.III.

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radikale Bourgeoisie von unserer Seite ratsam, und wenn, auf welche Weise ist dieselbe am leichtesten und sichersten zu bewirken? Frage 2. Welches ist die Stellung des Proletariers den verschiedenen religiösen Parteien gegenüber? Ist eine Annäherung an die eine oder die andre Partei möglich und ratsam und wenn, auf welche Weise ist dieselbe am leichtesten und sichersten zu bewirken? Frage 3. Welches ist unsere Stellung in Beziehung auf die sozialen und kommunistischen Parteien? Ist es wünschenswert und möglich, eine allgemeine Vereinigung aller Sozialisten zustande zu bringen, und wenn, auf welche Weise kann diese Vereinigung am schnellsten und sichersten herbeigeführt werden? Wir bitten Euch, diese drei Fragen zuerst reiflich in den respektiven [Gauen]1 zu überlegen, damit alle Vorsteher imstande sind, in ihren Gemeinden die Diskussionen über dieselben gehörig einzuleiten. Wir gehen mit Fleiß in keine weitere Auseinandersetzung dieser Fragen ein, weil wir erst die Gesinnungen der Mitglieder zu erfahren wünschen, ehe wir eine bestimmte Richtung einschlagen; welches jedoch unsre An­ sichten unter den jetzigen Umständen sind, könnt ihr aus den Artikeln?, 3 und 4 ersehen. Sobald diese Fragen besprochen worden sind, bitten wir Euch, uns unverzüglich von den Ansichten und Wünschen der Mitglieder in Kenntnis zu setzen. Indem wir zuversichtlich hoffen, daß Ihr mit Mut und Eifer uns in unserm Wirken unterstützen werdet, grüßen wir Euch alle brüderlich. Demokratisches Taschenbuch für 1848, Leipzig 1847, S. 282-290.

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Schreiben des Kommunistischen Korrespondenzkomitees in London an das Kommunistische Korrespondenzkomitee in Brüssel2 11. November 1846 London, den 11. November An das Kommunistische Korrespondenz-Büro in Brüssel Liebe Freunde! Vielerlei Arbeiten und mancher Kampf verhinderten uns bis jetzt, Euch unsern Bericht abzustatten; wir wollen nun das Versäumte nach­ holen. 1 in der Vorlage: ... - 2 Verfaßt von Karl Schappcr.

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Euer Brief vom 13. Oktober1 hat unsere größte Aufmerksamkeit und Freude erregt. Die Fortschritte, welche unser Prinzip in Deutschland macht, sind höchst ermunternd - und diese Aufmunterungen sind not­ wendig, um uns im Kampf gegen die Intrigen der preußischen Gesandt­ schaft und der hiesigen Pfaffen zu stählen. In London wird es jetzt ernst - der König von Preußen, der fromme Ritter Bunsen, die deutschen Pfaffen, die Bankiers etc. etc. haben eine Ligue gegründet, um einige hundert arme Proletarier zu bekämpfen, und, sich noch nicht stark genug fühlend, diesen Kampf zu bestehen, rufen sie auch auf den Kanzeln den alten Herrgott zu Hülfe und flehen zu ihm, daß er die jugendlichen deutschen Herzen in London vor dem Gift des Atheismus und Kommunismus bewahren, daß er ihnen seine starke Hand leihen möge, um unserem Treiben ein Ende zu machen und doch haben sie bis jetzt noch nichts ausrichten können, im Gegen­ teil, sie haben öl ins Feuer gegossen. - Von einer unbekannten Gesell­ schaft sind wir zu einem hohen Punkt gekommen. - Alle wollen jetzt die gräßlichen Kommunisten kennenlernen und sich mit eigenen Augen überzeugen, ob wir wirklich schon Hörner und Gaulsfüße haben, ob uns nicht schon ein kleines Teufelsschweifchen am Hintern wächst; und so kommt es denn, daß an unseren Sitzungsabenden unser Saal so gedrängt voll ist, daß wir keinen PJatz mehr haben und daß unser Wirt jetzt schon genötigt ist, das Vereinslokal größer machen zu lassen. Daß wir in unseren Diskussionen kein Blatt vor den Mund nehmen, könnt Ihr wohl denken; wir fordern sie auf, unsere Grundsätze öffent­ lich zu widerlegen, wenn sie können; aber ungeachtet wir schon mehrere Hauptmucker in unseren Sitzungen hatten, so haben sie es doch noch nicht weiter als bis zum Augenverdrehen und zum christlichen Stoß­ seufzer bringen können. - Wie oft mögen die frommen Herren schon nach einigen hundert preußischen Gendarmen geseufzt haben, die würden freilich wirksamer sein als die Hülfe Gottes - in dem gräßlichen England ist ja die Polizei so blind, Chartisten und Kommunisten und alle möglichen „isten“ treiben ihr Wesen dicht vor der polizeilichen Nase, und die bekümmert sich nicht darum, sondern läuft bloß den Spitzbuben nach - ist das nicht ein rechter Jammer!! Da diese Menschen sehen, daß ihre Grundsätze keinen Hund aus dem Ofen locken können, so suchen sie die Leute durch materielle Vorteile anzuziehen. Sie besitzen schon bedeutende Geldmittel, und da leider in der heutigen Gesellschaft das Geld auf dem Thron sitzt und alles ver­ mag, so müssen wir fest Zusammenhalten, um den Kampf mit ihnen bestehen zu können. - Der Bunsen hat schon gehörig Geld hergegeben, die Prinzeß von Preußen, welche neulich hier war, hat 25 Pfund ge1 Dieser Brief ist nicht erhalten.

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steuert, und Se. Majestät Friedrich Wilhelm der Vierte haben 60 Taler geschickt und versprochen, jedes Jahr dieselbe Summe zu geben. - Sie haben nebenbei von den frommen deutschen Familien in London schon Geldmittel erhalten und sind von deutschen Muckern mit 50 Pfund unterstützt worden. - Ihr seht, daß dieser sogenannte christlich-deutsche Jünglingsverein schon hinlängliche Mittel besitzt, um uns entgegen­ wirken zu können; doch hat er es bis jetzt noch nicht weiter als bis zu 40 Mitgliedern gebracht, von denen etwa 15 bis 20 dem Arbeiterstande angehören, die übrigen sind Pfaffen, Gelehrte und Kaufleute, die selten die Sitzungen besuchen und nur im Hintergründe agieren. Es besteht hier ferner ein deutscher Leseverein, welcher die Bourgeoi­ sie repräsentiert. In diesem Verein sind etwa 60 Mitglieder, und ihr Zweck ist deutsche Bildung!!! und Gesinnung? zu verbreiten und zu erhalten; die meisten Mitglieder sind republikanisch gesinnt. - In diesem Verein ist eine Kreatur des preußischen Gesandten, genannt Dr. Ehrenbaum, welches jedoch sein rechter Name nicht sein soll, der, wie es scheint, zur Aufgabe hat, unsere Grundsätze zu entstellen, wel­ ches ihm freilich nicht zum besten gelingt. - Viele Mitglieder dieses Vereins sind dem Sozialismus und Kommunismus nicht abgeneigt, und wir suchen, soviel in unseren Kräften steht, auf dieselben einzuwirken. In dem christlichen Jünglingsverein ist es ein gewisser Kandidat Winzer, welcher daselbst die Hauptrolle spielt, d.h. der von dem gehei­ men Komitee zum Hüter der Schafe ernannt ist; ferner ein deutscher Flüchtling namens Hubboter, welcher, wenn auch nicht unmittelbar von den preußischen Gesandten abhängig, doch ebenso niederträchtig ist wie die anderen. - Es ist übrigens gut, daß dieser Mensch unter ihnen ist, denn da er manchmal Anfälle von konstitutionellen und repu­ blikanischen Ideen hat, so trauen ihm die anderen nicht ganz und wer­ den dadurch in ihrer Aktion gehemmt. Ihr Komitee versammelt sich gewöhnlich bei dem deutschen Pfarrer Steinkopf, wo sie dann aus­ machen, wie man verfahren soll; wer zu diesem Komitee zugezogen wird, dürfen die übrigen Mitglieder nicht wissen, ebensowenig als die Beschlüsse desselben. Sie stehen mit christlichen Arbeitervereinen, welche sich in Berlin, Hamburg, Stuttgart, Basel und Paris gebildet haben, in Korrespondenz und haben die Mitglieder derselben ersucht, überall die Arbeiter, die nach London reisen wollen, vor den abscheulichen Kommunisten da­ selbst zu warnen und denselben die Adresse ihres Vereins zu geben. Sie beabsichtigen ferner, Emissäre an dem Landungsplatz der Dampf­ schiffe aufzustellen, welche die Arbeiter bei ihrer Ankunft in Empfang nehmen und nach solchen Orten bringen sollen, wo sie vor unseren Teufelsklauen sicher sind. - Dieses hat uns bewogen, nach allen den 438

Gegenden, mit welchen wir in Korrespondenz stehen, hinzuschreiben und unsere Freunde zu ersuchen, den nach London reisenden Arbeitern unsere Adresse zu geben. - Wir ersuchen Euch ebenfalls, nach allen Gegenden Deutschlands, mit denen Ihr in Verbindung steht, hinzu­ schreiben und bekanntzumachen, daß unser Verein sich 191 Drury Lane, three doors from1 Holborn befindet und daß die ankommenden Arbeiter in diesem Lokale Kost und Logis, und zwar zu den billigsten Preisen, haben können. Im Anfänge erlaubten die christlichen Brüder jedem Fremden, ihren Verein zu besuchen, ohne eingeführt zu werden. - Als wir dieses hörten, ging einer von uns hin, ließ sich mit den Burschen in Diskussion ein und trieb sie fast zur Verzweiflung. - Vierzehn Tage darauf schickten wir zwei andere, welche gut in der Bibel bewandert sind, und diese verdon­ nerten sie so, daß sie nichts mehr zu sagen wußten und zu schimpfen anfingen. - Mit Ruhe und Ernst zur Ordnung gewiesen und nicht im­ stande zu antworten, fingen sie an, die Augen zu verdrehen, sich die Haare auszuraufen und Gott im Himmel zu schreien, bis endlich Hubboter ausrief: Gott im Himmel, die Kommunisten sind entweder schon Narren oder werden es in der kürzesten Zeit. - Hierauf wurde ihm ge­ antwortet: Wir wollen lieber mit den Kommunisten im Narrenhaus leben als mit Ihnen im Himmel. - Der Schrecken in ihrem Lager war nun grenzenlos; sie fürchteten natürlich, daß wir immerfort neue Per­ sonen schicken, welche in dem von dem König von Preußen bezahlten Lokale den Kommunismus predigen würden und denen es am Ende doch gelingen könnte, die noch nicht ganz verdummten unter den Ar­ beitern von ihnen abwendig zu machen. - Sie hielten eine geheime Komi­ teesitzung, und in dieser sollen sie den Beschluß gefaßt haben, daß Fremde künftighin eingeführt werden müssen und zweitens, daß den Mitgliedern unseres Vereins der Zutritt unter keiner Bedingung mehr gestattet werde. - Probatum est.2 Der Jünglingsverein hat beschlossen, für 150 Taler Bücher anzu­ schaffen, und Bunsen hat es übernommen, dieselben auf dem wohl­ feilsten Wege kommen zu lassen. Welche Sorgfalt für sein Kind!!! Nun zu unserem Verein. - Unser Saal ist jetzt vergrößert, und es haben 400 Personen in demselben bequem Platz. - Einige unserer Mit­ glieder, welche Maler sind, haben denselben geschmackvoll dekoriert und sich dadurch ein wirkliches Verdienst um unsere Gesellschaft er­ worben. - Obgleich jetzt die schlechte Zeit ist, wo wenige Arbeiter hier sind, so zählen wir doch noch nahe an 300 Mitglieder. - Unsere Sitzungen werden regelmäßig gehalten, die Religion der Zukunft sowie von den Mitgliedern aufgestellte Fragen eifrig diskutiert3, und alle 14 Tage 1 drei Häuser von - 2 Es ist bewiesen. - 3 Vgl. Anm.70 und 71.

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wird ein wissenschaftlicher Vortrag gehalten. - Letzten Sonntag hielt uns der Dichter Ernest Jones, welcher Mitglied unseres Vereins ist, einen Vortrag in deutscher Sprache über den Zustand des englischen Proletariats, welcher den Beifall aller Mitglieder im höchsten Grad erhielt, und Sonntag, den 30. November, wird uns Harney einen Vortrag über die Entstehung und Fortschritte des englischen Chartismus in der englischen Sprache halten. Vierzehn Tage später wird Dr. Berrier-Fontaine einen Vortrag über den Zustand des französischen Proletariats in französischer Sprache halten. Es ist eine wahre Freude zu sehen, mit welchem Eifer unsere Mit­ glieder an den Diskussionen Anteil nehmen; und viele, welche noch nicht an das öffentliche Reden gewöhnt sind, bringen ihre Gedanken zu Papier und lesen dieselben in der Sitzung vor. - Wir haben schon mehrere ausgezeichnete Aufsätze gehört, welche wir an den „VolksTribun“ zum Einrücken abschicken werden. - Es ist gewiß viel, wenn Arbeiter, welche jeden Tag zehn bis zwölf Stunden arbeiten müssen, welche regelmäßig die Sitzungen besuchen, welche Unterricht in der eng­ lischen Sprache, im Zeichnen etc. nehmen, sich noch jeden Abend einige Stunden vom Schlaf abzwacken, um ihre Gedanken zu Papier zu bringen. Viele Mitglieder machen Gedichte, von welchen die meisten, wenn auch nicht metrisch richtig, doch dem Inhalt nach ausgezeichnet sind. Wir legen Euch hier ein Gedicht von Anders bei, welcher Europa, Asien und Afrika zu Fuß durchwandert und die abenteuerlichsten Schicksale erlebt hat und der jetzt mit wahrem Enthusiasmus an unseren Grundsätzen hängt. - Er ist Schriftsetzer. Seit Juli sind hundertundzwanzig Mitglieder unseres Vereins von hier abgereist, welche jetzt in allen Teilen Europas unsere Grundsätze ver­ breiten. Unser Verein im Ostende, welcher ganz wie der unsrige eingerichtet ist, zählt jetzt schon über 120 Mitglieder und wird, wenn er so fort zu­ nimmt, bald bedeutender als der im Westende werden. - Es gehen im­ mer von unserer Abteilung Leute hinunter, um dort Vorträge zu halten und an den Diskussionen daselbst Anteil zu nehmen. - Die Abteilung im Ostende und der christliche Jünglingsverein wurden beide im Monat Juli gegründet. Von Amerika schreibt man uns, daß Weitling hinüberkommen und von Neujahr an die Redaktion des „Volks-Tribunen“ übernehmen werde. - Ist er schon abgereist?1 Man ersucht uns, mit demselben wieder ein freundliches Verhältnis anzuknüpfen, was unter den bestehenden Umständen jedoch unmöglich ist. - Wir sind überzeugt, daß Weitling, l Vor seiner Abreise aus Europa besuchte Weitling Ende Dezember 1846 kurze Zeit Paris; als er An­ fang 1847 in New York eintraf, war der „Volks-Tribun“ bereits eingegangen.

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ehe er drei Monate in Amerika ist, sich schon mit allen verfeindet haben wird: - ein rechtlicher Mann kann sich nicht zum blinden Ge­ horsam verpflichten - und nur diejenigen, welche das tun, können mit Wfeitling] in freundschaftlichem Verhältnisse leben. Wie es in Paris und der Schweiz steht, wird Euch Engels schon be­ richtet haben. - Von Deutschland, besonders Hamburg und Berlin, erhalten wir die erfreulichsten Nachrichten. - In allen Werkstellen wird auf das eifrigste über den Kommunismus diskutiert. Wir halten es für unsere Pflicht, Euch auf das Treiben der Fourieristen aufmerksam zu machen. - Diese Leute treiben sich jetzt überall herum und suchen ihre fade Lehre zu verbreiten. - Considerant war neulich in Lausanne und Genf, wo er Vorlesungen gehalten, ein gewisser Hennequin treibt sich in Frankreich herum, und auch hier haben sie vor 14Tagen unter den Engländern einen Fourier-Verein gegründet. - Ihre Lehre ist so hirnverrückt, ihr Streben, sich als die einzig wahren Christen hin­ zustellen, so lächerlich, ihre Prätension, eine soziale Wissenschaft ge­ gründet zu haben, so abgeschmackt, daß man sie ignorieren könnte, wenn sie nicht bei allen ihren Vorlesungen damit begännen, den1 ... Handschrift IMLM/ZPA, F.20, Nr. 96.

Erstmalig in der Sprache des Originals veröffentlicht.

136 Brief von Friedrich Engels in Paris an Karl Marx in Brüssel

Ende Dezember 18462

Lieber Marx, Mein neulicher kurzer Brief an Gigot3 hatte folgende Gründe. Bei der Untersuchung über die Unruhen im Faubourg St. Antoine im Oktober1^171 wurden auch eine Masse verhafteter Deutscher inquiriert, der ganze zweite Schub bestand aus Straubingern. Einige dieser jetzt über die Grenze spedierten Schafsköpfe müssen großen Unsinn über den E[werbec]k und über mich ausgesagt haben; in fact4, es war bei der Lumpigkeit der Straubinger gar nicht anders zu erwarten, als daß sie Heidenangst bekamen und verrieten, was sie wußten und mehr. Dazu kam, daß die Straubinger meiner Bekanntschaft, so geheimnisvoll sie mit ihren eignen Lumpereien sind, über meine Zusammenkünfte mit 1 Der Schluß des Briefes fehlt. - 2 Die Datierung ergibt sich unter anderem daraus, daß Weitlings Aufenthalt in Paris Ende Dezember 1846 erwähnt wird. - 3 nicht erhalten - 4 in der Tat

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ihnen schändlich Lärm geschlagen hatten. So sind diese Jungens. An der Barriere war vom edlen Eiserm[ann], wie ich Euch wohl schon schrieb, ein kompletter avis aux mouchards1 gegen mich losgelassen worden. J[un]g[e] beging auch einige grobe Unklugheiten, der Kerl hat etwas die Großmannsucht, er will auf Kosten der französischen Regie­ rung nach Calais und London spediert werden. Genug, Monsieur Delessert schickte mir und E[werbeck], dem längst verdächtigen und unter einem bloß suspendierten Ausweisungsbefehl stehenden, Mou­ chards über Mouchards auf den Hals, denen es gelang, uns bis an den marchand de vins2 zu verfolgen, wo wir zuweilen mit den Faubourger Bären zusammenkamen. Damit war bewiesen, daß wir die Chefs einer gefährlichen Clique seien, und bald darauf erfuhr ich, daß Monsieur Delessert bei Monsieur Tanneguy Duchätel um einen Ausweisungs­ befehl gegen mich und E[werbeck] eingekommen sei und daß in dieser Sache ein famoser Aktenstoß auf der Präfektur liege, dicht neben dem Lokal, wo die medizinische Untersuchung der Huren stattfindet. Na­ türlich hatte ich keine Lust, mich wegen Straubingers schassen zu las­ sen. Ich hatte dgl. Geschichten schon kommen sehen, als ich merkte, mit welcher Nonchalance die Straubinger in der ganzen Welt herum­ posaunten und überall diskutierten, wer recht habe, Grün oder ich. Ich war den Dreck leid, zu bessern waren die Jungens doch nicht, nicht einmal geradeheraus kamen sie in der Diskussion, gerade wie die Londoner, und meinen Hauptzweck, den Triumph über Grün, hatte ich erreicht/1181 Die Gelegenheit war sehr schön, die Straubinger mit Ehren loszuwerden, so ärgerlich die Geschichte sonst auch war. Ich ließ ihnen also erklären, jetzt könne ich nicht mehr bei ihnen schul­ meistern, im übrigen sollten sie sich in acht nehmen. E[werbeck] ent­ schloß sich gleich zu einer Reise und scheint auch gleich abgegangen zu sein, wenigstens hab’ ich ihn nicht mehr gesehen. Wohin er ist, weiß ich auch nicht. Nach dem Kleinen (B(ernaysJ) hatte sich die Polizei auch umgesehen, aber der war wegen allerlei Abenteuer (es ist merk­ würdig, was der für tolle Affären hat, sowie er den Fuß in die zivilisierte Welt setzt) wieder in sein altes Lokal abgezogen. [...] Daß ich unter diesen Umständen den W. W[eitling] hier ganz laufen lassen mußte, siehst Du ein. Ich habe keinen von den Leuten gesehen und weiß gar nicht, ob er hier gewesen oder noch hier ist. Es ist auch ganz gleich. Die Weitlingianer kenne ich gar nicht, und bei denen, die ich kenne, würde er schön ankommen; sie haben eben wegen der ewigen Keilereien mit seinen Schneiderfreunden eine furchtbare Malice auf ihn. Die Geschichte mit den Londonern3 ist ärgerlich eben wegen Harney und weil sie von allen Straubingern die einzigen waren, mit denen man 1 Hinweis an die Spitzel - 2 Weinhändler, Gastwirt - 3 Vgl. Anm. 115.

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geradeheraus, ohne arriere-pens^e1, einen Anknüpfungsversuch machen konnte. Wollen die Kerls aber nicht, eh bien2, mögen sie laufen! Man ist ohnehin nie sicher, daß sie nicht wieder so miserable Adressen wie an Herrn Ronge3 oder die Schleswig-Holsteiner4 erlassen. Dazu die ewige Eifersucht gegen uns als „Gelehrte“. Übrigens haben wir zwei Methoden, uns ihrer, wenn sie rebellen, zu entledigen: entweder offen zu brechen oder bloß die Korrespondenz einschlafen zu lassen. Ich wäre für letzteres, wenn ihr letzter Brief eine Antwort zuläßt, die, ohne ihnen zu derb vor den Kopf zu stoßen, lau genug ist, um ihnen die Lust zum schnellen Antworten zu nehmen. Dann lange mit der Antwort gewartetund bei ihrer Korrespondenz-Schlafmützigkeit ist mit 2-3 Briefen alles ‘ im Herrn entschlafen. Nämlich, wie und wozu sollen wir die Kerls verhöhnen? Ein Organ haben wir nicht, und wenn wir’s hätten, so sind sie keine Schriftsteller, sondern erlassen bloß von Zeit zu Zeit Proclame, die kein Mensch zu sehen bekommt und wonach kein Hahn kräht. Ver­ höhnen wir die Straubinger überhaupt, so können wir ihre schönen Dokumente mitnehmen; ist die Korrespondenz einmal eingeschlafen, so geht das ganz gut; der Bruch kommt allmählich und macht keinen Eklat. Wir machen in der Zwischenzeit mit Harney das Nötige ruhig ab, sorgen dafür, daß sie uns den letzten Brief schuldig bleiben (was sie schon tun, wenn man sie einmal 6-10 Wochen auf Antwort hat warten lassen), und lassen sie nachher schreien. Ein direkter Bruch mit den Kerls bringt uns keinen Gewinn und keine gloire ein. Theoretische Differenzen sind mit den Kerls kaum möglich, da sie keine Theorie haben und, sauf5 ihre stillen etwaigen Bedenken, von uns belehrt sein wollen: formulieren können sie ihre Bedenken auch nicht, daher ist keine Diskussion mit ihnen möglich, außer etwa mündlich. Bei einem offnen Bruch würden sie diesen allgemeinen lernbegierigen kommu­ nistischen Dusel gegen uns geltend machen: wir haben von den ge­ lehrten Herren gerne lernen wollen, wenn sie was Ordentliches hatten usw. Praktische Parteidifferenzen würden sich - da ihrer im Komitee wenige, unser auch nur wenige sind, bald auf bloße Persönlichkeiten und Krakeelereien reduzieren oder so aussehen. Gegen Literaten können wir als Partei auftreten, gegen Straubinger nicht. Schließlich sind die Leute immer ein paar 100 Mann stark, durch H[arney] bei den Eng­ ländern akkreditiert, durch den „Rheinischen Beobachter“6 pp. in Deutschland als wütende und keineswegs ohnmächtige kommunistische Gesellschaft ausposaunt; dazu immer noch die erträglichsten der Straubinger und gewiß das beste, was sich, solange in Deutschland keine Veränderung, aus Straubingern machen läßt. Wir haben eben aus 1 Hintergedanken - 2 nun - 3 Vgl. Anm.68. - 4 Dokument 127 - 5 ausgenommen - 6 Vgl. Doku­ ment 158.

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dieser Geschichte gelernt, daß mit den Straubingern, solange nicht in Deutschland eine ordentliche Bewegung existiert, nichts anzufangen ist, selbst mit den besten nicht. Es ist immer besser, sie nun ruhig laufen zu lassen, sie nur in Masse, en bloc anzugreifen, als einen Streit hervorzu­ rufen, bei dem wir uns nur schmutzige Stiefel holen können. Uns gegen­ über erklären sich diese Jungens für „das Volk“, „die Proletarier“, und wir können nur an ein kommunistisches Proletariat appellieren, das sich in Deutschland erst bilden soll. Dazu kommt nächstens die preußische Konstitution, und vielleicht wären die Kerls dann zu Unter­ schriften pp. zu brauchen. - Übrigens werd’ ich wahrscheinlich mit meiner Weisheit zu spät kommen und Ihr schon einen Beschluß in dieser Sache gefaßt und ausgeführt haben. Ich hätte übrigens eher ge-' schrieben, aber ich wartete erst den Verlauf der Polizeigeschichte ab. [...] Ein Bericht1 ist seit lange angefangen und folgt dieser Tage. [...] Handschrift IMLM/ZPA, F. 1, op. 1, Nr.208. (MEW, Bd.27, S. 68-72.)

Gekürzt.

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Brief von Joseph Weydemeyer an Karl Marx in Brüssel 8. Januar 1847

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Schildesche, den 8/1.47 Lieber Marx! Es ist mir abermals ein Brief von Weitling in die Hände gefallen, der dieses Mal zwar nicht offen durch eine Buchhandlung, sondern pri­ vatim an Kriege geschickt ist, der von diesem aber wohl nicht weiter als Privatsache behandelt, sondern würdig befunden ist, nach Europa ge­ schickt zu werden. Bei der allgemeinen Kenntnis der Dinge und Weit­ lings Charakter weiß ich ihn zwar wohl zu beurteilen; bestimmten Tat­ sachen läßt sich aber schlecht entgegentreten, wenn man nicht selbst mit den Einzelheiten bekannt ist. Ich teile Dir den Brief mit, in der Er­ wartung, daß Du mich auch hier, wie über den vorigen, aufklären wirst. Zugleich wirst Du daraus ersehen können, welcher Art wahrscheinlich die Angriffe sein werden, die von Amerika wohl nächstens, da Weitling dort ja Krieges Anhang jetzt auch mit seiner eigenen Person verstärkt hat, losgelassen werden, gegen Dich besonders, oder gegen unsere ganze Partei. Es würde mir jedoch lieb sein, wenn Du von dem Briefe selbst 1 an das Kommunistische Korrespondenzkomitee in Brüssel; der Bericht blieb nicht erhalten.

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keinen weiteren Gebrauch machtest, wenigstens nicht für die Presse. W[eitling] scheint sich einzubilden, wir hätten hier nichts anderes zu tun, als ihn zu bekämpfen, während in der Tat bis auf einige Osnabrücker Handwerker fast niemand an ihn denkt. Auch der V„olks-Tribun“ existiert, soviel ich weiß, nur dort, doch ist er mir nach der Kritik1 nicht mehr zu Gesicht gekommen. [...]2 Bitte, gib einliegendes Blättchen an Wolff. Grüß Gigot. Wo steckt Edgar3? Lebe wohl Dein J.W. Handschrift IMLM/ZPA, F.20, Nr. 10.

Gekürzt. Erstmalig veröffentlicht.

1 Dokument 88 — 2 Es folgt die Abschrift des Briefes Weitlings an Kriege vom 16. Mai 1846; vgl. Anm.87. - 3 Edgar von Westphalen

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KAPITEL III Die Gründung des Bundes der Kommunisten und die Ausarbeitung seines Programms,

des „Manifests der Kommunistischen Partei“ (Januar 1847 bis Februar 1848)

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Art. 22. Als vollziehende Gewalt des Bundes ist die Zentralbehörde dem Kongreß Rechenschaft über ihre Amtsführung schuldig und hat darum in demselben Sitz, aber keine entscheidende Stimme.

Abschnitt VI Allgemeine Bestimmungen Art. 23. Wer unmännlich oder dem Prinzip des Bundes zuwider han­ delt, wird je nach den Umständen aus dem Bunde entweder ent­ fernt oder ausgestoßen. Die Ausstoßung schließt die Wieder­ aufnahme aus. Art. 24. Über solche Mitglieder, welche Verbrechen begehen, richtet die Kreisbehörde und sorgt für die Vollstreckung des Urteils. Art. 25. Jede Gemeinde hat aufs strengste über die Entfernten und Aus­ gestoßenen.zuwachen; ferner die verdächtigen Subjekte ihrer Gegend genau zu beobachten und alles, was von deren Seite zum Nachteile des Bundes geschehen sollte, sogleich der Kreis­ behörde anzuzeigen, welche alsdann die nötigen Maßregeln zur Sicherung des Bundes zu ergreifen hat. Art. 26. Die Gemeinden und Kreisbehörden sowie die Zentralbehörde sollen sich wenigstens alle vierzehn Tage einmal versammeln. Art. 27. Die Gemeinden bezahlen wöchentliche oder monatliche Bei­ träge, deren Höhe von den respektiven Kreisbehörden bestimmt wird. - Diese Beiträge werden verwendet zur Verbreitung der Grundsätze der Gütergemeinschaft und für Briefporto. Art. 28. Die Kreisbehörden haben alle sechs Monate ihren Gemeinden Rechnung über die Ausgaben und Einnahmen abzulegen. Art. 29. Die Mitglieder der Kreisbehörden und der Zentralbehörde sind auf ein Jahr gewählt und müssen dann entweder aufs neue in ihrem Amte bestätigt oder durch andere ersetzt werden. Art. 30. Die Wahlen finden im Monat September statt. Die Wähler können übrigens zu jeder Zeit ihre Beamten abberufen, wenn sie mit deren Amtsführung nicht zufrieden sein sollten. Art. 31. Die Kreisbehörden haben dafür zu sorgen, daß in ihren Ge­ meinden Stoff für nützliche und notwendige Diskussionen vor­ handen ist. Die Zentralbehörde hingegen soll es sich zur Pflicht machen, an alle Kreisbehörden solche Fragen abzuschicken, welche zu diskutieren für unser Prinzip von Wichtigkeit ist. Art. 32. Jede Kreisbehörde und in deren Ermangelung die Gemeinde, ja selbst jedes Bundesmitglied, solange es allein steht, muß mit der Zentralbehörde oder einer Kreisbehörde in regelmäßiger Korrespondenz bleiben. 468

Art. 33. Jedes Bundesmitglied, welches seinen Wohnort verändern will, hat zuerst seinen Vorsteher davon in Kenntnis zu setzen. Art. 34. Jeder Kreisbehörde bleibt es überlassen, solche Maßregeln zu treffen, welche sie für die Sicherheit des Kreises und für das kräftige Wirken desselben für rätlich hält. Diese Maßregeln dürfen jedoch den allgemeinen Statuten nicht widersprechen. Art. 35. Alle Vorschläge über Abänderungen in den Statuten müssen an die Zentralbehörde eingesandt und von ihr dem Kongreß zur Entscheidung vorgelegt werden.

Abschnitt VII Aufnahme

Art. 36. Nach Verlesung der Statuten werden dem Aufzunehmenden von den beiden in Art. 9 gedachten Bundesmitgliedern folgen­ de fünf Fragen vorgelegt. Beantwortet er sie mit „Ja“, so wird ihm sein Männerwort abgefordert und er zum Bundesmitglied erklärt. Diese fünf Fragen sind: a) Bist Du von der Wahrheit der Grundsätze der Gütergemein­ schaft überzeugt? b) Hältst Du einen kräftigen Bund für nötig, um diese Grund­ sätze baldmöglichst zu verwirklichen, und willst Du in einen solchen eintreten? c) Versprichst Du, stets mit Wort und Tat für die Verbreitung und praktische Ausführung der Grundsätze der Güter­ gemeinschaft zu wirken? d) Versprichst Du Verschwiegenheit über das Bestehen und alle Angelegenheiten des Bundes? e) Versprichst Du, den Beschlüssen des Bundes Folge zu leisten? So gib uns hierauf Dein Männerwort zum Unterpfand! Im Namen und Auftrag des Kongresses

Heide1 Sekretär

Der Präsident Carl Schill2

London, den 9. Juni 1847 Vervielfältigte Handschrift IMLB/ZPA, NL 1163. 1 Bundesname von Wilhelm Wolff - 2 Bundesname von Karl Schapper - 3 Original in: Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, Nachlaß Martens.

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147

Entwurf eines Kommunistischen Glaubensbekenntnisses, ANGENOMMEN VOM ERSTEN KONGRESS

Bundes der Kommunisten“231 9. Juni 1847

des

Entwurf des Kommunistischen Glaubensbekenntnisses

Frage 1. Bist Du Kommunist? Antwort. - Ja. Frage1 2. Was ist der Zweck der Kommunisten? Antwort2. - Die Gesellschaft so einzurichten, daß jedes Mitglied derselben seine sämtlichen Anlagen und Kräfte in. vollständiger Freiheit und ohne dadurch die Grundbedingungen dieser Gesellschaft anzu­ tasten, entwickeln und betätigen kann. Frage 3. Wie wollt Ihr diesen Zweck erreichen? Antwort. - Durch die Aufhebung des Privateigentums, an dessen Stelle die Gütergemeinschaft tritt.

Frage 4. Worauf begründet Ihr Eure Gütergemeinschaft? Antwort. - Erstens auf die durch die Entwicklung der Industrie, des Ackerbaus, des Handels und der Kolonisation erzeugte Masse von Produktionskräften und Lebensmitteln und die in der Maschinerie, den chemischen und andern Hülfsmitteln liegende Möglichkeit ihrer Ver­ mehrung ins Unendliche. Zweitens darauf, daß im Bewußtsein oder Gefühl eines jedenMenschen gewisse Sätze als unumstößliche Grundsätze existieren, Sätze, welche als Resultat der ganzen geschichtlichen Entwicklung keines Beweises be­ dürfen. Frage 5. Welches sind solche Sätze? Antwort. - Z.B. Jeder Mensch strebt danach, glücklich zu sein. Das Glück des einzelnen ist untrennbar von dem Glücke aller, usw. Frage 6. Auf welche Weise wollt Ihr Eure Gütergemeinschaft vorbereiten? 1 In der Vorlage wird hier und Im folgenden das Wort „Frage“ nicht wiederholt, sondern ist durch einen längeren Strich ersetzt. - 2 In der Vorlage wird hier und im folgenden das Wort „Antwort“ nicht wiederholt, sondern ist durch einen Strich ersetzt, der bei den Antworten 2, 3 und 22 weggelassen ist.

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Antwort. - Durch Aufklärung und Vereinigung des Proletariats. Frage 7. Was ist das Proletariat? Antwort. - Das Proletariat ist diejenige Klasse der Gesellschaft, welche ausschließlich von ihrer Arbeit und nicht vom Profit irgendeines Kapitals lebt; diejenige Klasse, deren Wohl und Wehe, deren Leben und Tod daher von dem Wechsel der guten und schlechten Geschäftszeiten, mit einem Wort von den Schwankungen der Konkurrenz abhängt.

Frage 8. Es hat also nicht immer Proletarier gegeben? Antwort. - Nein. Arme und Arbeiterklassen hat es immer gegeben; auch waren die Arbeitenden fast immer die Armen. Proletarier aber hat es nicht immer gegeben, ebensowenig wie die Konkurrenz immer frei war. Frage 9. Wie ist das Proletariat entstanden? Antwort. - Das Proletariat ist hervorgegangen aus der Einführung der Maschinen, welche seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts erfun­ den wurden und von denen die hauptsächlichsten sind: die Dampf­ maschine, die Spinnmaschine und der mechanische Webstuhl. Diese Maschinen, welche sehr teuer waren und also nur von reichen Leuten angeschafft werden konnten, verdrängten die damaligen Arbeiter, in­ dem man mittelst der Maschinen die Waren wohlfeiler und schneller liefern konnte, als dies den bisherigen Arbeitern auf ihren unvollkommnen Spinnrädern und Webstühlen möglich war. Die Maschinen lieferten dadurch die Industrie gänzlich in die Hände der großen Kapi­ talisten und machten das wenige Eigentum der Arbeiter, das haupt­ sächlich in ihren Werkzeugen, Webstühlen pp. bestand, völlig wertlos, so daß der Kapitalist alles, der Arbeiter nichts übrig behielt. Damit war das Fabriksystem eingeführt. Als die Kapitalisten einsahen, wie vorteil­ haft ihnen dies war, suchten sie es auf immer mehr Arbeitszweige aus­ zudehnen. Sie teilten die Arbeit mehr und mehr unter die Arbeiter, so daß die letzteren, die früher jeder ein ganzes Stück Arbeit gemacht, jetzt jeder nur einen Teil dieses Stücks machten. Die so vereinfachte Arbeit lieferte die Erzeugnisse schneller und daher wohlfeiler, und erst jetzt fand man fast in jedem Arbeitszweige, daß auch hier Maschinen ange­ wandt werden könnten. Sowie nun ein Arbeitszweig fabrikmäßig betrie­ ben wurde, geriet er, gerade wie die Spinnerei und Weberei, in die Hände der großen Kapitalisten, und den Arbeitern wurde der letzte Rest von Selbständigkeit entzogen. Allmählich sind wir dahin gekommen, daß fast alle Arbeitszweige fa­ brikmäßig betrieben werden.Dadurch ist der bisherigeMittelstand, beson­ ders die kleinen Handwerksmeister, mehr und mehr ruiniert, die frühere Lage der Arbeiter gänzlich verändert, und zwei neue, allmählich alle übri­ gen Klassen verschlingende Klassen [sind] geschaffen worden. Nämlich: 471

I. Die Klasse der großen Kapitalisten, welche in allen fortgeschritte­ nen Ländern fast ausschließlich im Besitz der Lebensmittel und der­ jenigen Mittel (Maschinen, Fabriken, Werkstätten pp.) sind, womit diese Lebensmittel erzeugt werden. Dies ist die Klasse der Bourgeois oder die Bourgeoisie. II. Die Klasse der gänzlich Besitzlosen, welche darauf angewiesen sind, der ersten Klasse, den Bourgeois, ihre Arbeit zu verkaufen, um nur dafür die Lebensmittel von ihnen zu erhalten. Da bei diesem Arbeits­ handel die Parteien nicht gleichgestellt, sondern die Bourgeois im Vorteil sind, so müssen die Besitzlosen sich den von den Bourgeois gestellten schlechten Bedingungen fügen. Diese von den Bourgeois abhängige Klasse heißt die Klasse der Proletarier oder das Proletariat.

Frage 10. Wodurch unterscheidet sich der Proletarier von dem Sklaven? Antwort. - Der Sklave ist ein für alle Mal verkauft. Der Proletarier muß sich selbst täglich und stündlich verkaufen. Der Sklave ist Eigen­ tum eines Herrn und hat eben deshalb eine gesicherte Existenz, so elend sie sein mag. Der Proletarier ist sozusagen Sklave der ganzen Bourgeoisfc/asse, nicht eines Herrn, und hat daher keine gesicherte Existenz, indem ihm niemand seine Arbeit abkauft, wenn er sie nicht nötig hat. Der Sklave gilt für eine Sache, nicht für ein Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft. Der Proletarier ist als eine Person, als ein Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft anerkannt. Der Sklave kann also eine bessere Existenz haben als der Proletarier, aber dieser steht auf einer höheren Entwicklungsstufe. Der Sklave befreit sich dadurch, daß er Proletarier wird und von allen Eigentumsverhältnissen nur das Verhältnis der Sklaverei abschafft. Der Proletarier kann sich nur dadurch befreien, daß er das Eigentum überhaupt abschafft.

Frage 11. Wodurch unterscheidet sich der Proletarier von dem Leibeignen? Antwort. - Der Leibeigene hat die Benutzung eines Stückes Boden, also eines Produktionsinstruments, gegen Abgabe eines größeren oder geringeren Teils des Ertrags. Der Proletarier arbeitet mit Produktions­ instrumenten, die das Eigentum eines andern sind, der ihm für seine Arbeit einen durch die Konkurrenz bestimmten Anteil der Produkte abtritt. Der Anteil des Arbeiters wird bestimmt durch seine eigne Arbeit, also durch ihn selbst beim Leibeigenen. Beim Proletarier wird er be­ stimmt durch die Konkurrenz, also zunächst durch den Bourgeois. Der Leibeigne hat eine gesicherte Existenz, der Proletarier hat sie nicht. Der Leibeigene befreit sich, indem er seinen Feudalherrn ver­ jagt und selbst Eigentümer wird, also in die Konkurrenz tritt und sich einstweilen der besitzenden Klasse, der privilegierten Klasse anschließt. 472

Der Proletarier befreit sich, indem er das Eigentum, die Konkurrenz und alle Klassenunterschiede aufhebt. Frage 12. Wodurch unterscheidet sich der Proletarier vom Handwerker! Antwort. - Der im Unterschiede vom Proletarier sogenannte Hand­ werker, wie er noch im vorigen Jahrhundert fast überall und jetzt noch hie und da existiert, ist höchstens eine Zeitlang Proletarier. Sein Zweck ist, selbst Kapital zu erwerben und damit andre Arbeiter zu exploitieren. Diesen Zweck kann er oft erreichen, wo die Zünfte noch existie­ ren oder wo die Gewerbefreiheit noch zu keiner fabrikmäßigen Betrei­ bung der Handwerke, zu keiner heftigen Konkurrenz geführt hat1. So­ bald aber das Fabrikwesen in die Handwerke eingeführt worden und die Konkurrenz in voller Blüte steht, fällt diese Aussicht weg, und der Handwerker wird mehr und mehr Proletarier. Der Handwerker befreit sich also, indem er entweder Bourgeois wird oder überhaupt in den Mittelstand übergeht, oder indem er durch die Konkurrenz zum Prole­ tarier wird (wie dies jetzt meistens geschehen) und sich nun der Bewe­ gung des Proletariats, d.h. der mehr oder minder bewußten kommu­ nistischen Bewegung anschließt. Frage 13. Ihr glaubt also nicht, daß die Gütergemeinschaft zu jeder Zeit möglich war? Antwort. - Nein. Der Kommunismus ist erst entstanden, seitdem es die Maschinen und andern Erfindungen möglich machten, allen Mit­ gliedern der Gesellschaft eine allseitige Ausbildung, eine glückliche Existenz in Aussicht zu stellen. Der Kommunismus ist die Lehre von einer Befreiung, die nicht den Sklaven, den Leibeignen oder den Hand­ werkern möglich war, sondern erst den Proletariern, und daher gehört er notwendig dem neunzehnten Jahrhundert an und war zu keiner früheren Zeit möglich. Frage 14. Kommen wir auf die sechste Frage zurück. Wenn Ihr die Gemeinschaft durch Aufklärung und Vereinigung des Proletariats vor­ bereiten wollt, so verwerft Ihr also die Revolution? Antwort. - Wir sind nicht nur von der Nutzlosigkeit, sondern sogar von der Schädlichkeit aller Verschwörungen überzeugt. Wir wissen eben­ falls, daß Revolutionen nicht absichtlich und willkürlich gemacht werden, sondern daß sie überall und zu jeder Zeit die notwendige Folge von Um­ ständen sind, welche von dem Willen und der Leitung einzelner Parteien wie ganzer Klassen ganz und gar nicht abhängen. Wir sehen aber auch, daß die Entwicklung des Proletariats in fast allen Ländern der Welt von den besitzenden Klassen gewaltsam unterdrückt und daß hierdurch auf eine Revolution von den Gegnern der Kommunisten gewaltsam hinge1 in der Vorlage: haben

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’l arbeitet wird. Sollte hierdurch das unterdrückte Proletariat zuletzt in eine Revolution hineingejagt werden, so werden wir dann ebensogut mit der Tat, wie jetzt mit dem Wort, die Sache des Proletariats verteidigen. Frage 15. Wollt Ihr an die Stelle der jetzigen Gesellschaftsordnung mit einem Schlage die Gütergemeinschaft einführen? Antwort. - Wir denken nicht daran. Die Entwicklung der Massen läßt sich nicht dekretieren. Sie wird bedingt durch die Entwicklung der Verhältnisse, in denen diese Massen leben, und geht daher allmählich vor sich.

Frage 16. Auf welche Weise glaubt Ihr, daß der Übergang aus dem jetzigen Zustande in die Gütergemeinschaft zu bewerkstelligen sei? Antwort. - Die erste Grundbedingung zur Einführung der Güter­ gemeinschaft ist die politische Befreiung des Proletariats durch eine demokratische Staatsverfassung. Frage 17. Welches wird Eure erste Maßregel sein, sobald Ihr die Demokratie1 durchgesetzt habt? Antwort. - Die Sicherung der Existenz des Proletariats.

Frage 18. Wie wollt Ihr dies durchführen? Antwort. - I. Durch eine solche Beschränkung des Privateigentums, welche seine allmähliche Verwandlung in gesellschaftliches Eigentum vorbereitet, z.B. durch Progressivsteuern, Beschränkung des Erbrechts zugunsten des Staats usw. II. Durch Beschäftigung der Arbeiter in Nationalwerkstätten und -fabriken sowie auf den Nationalgütern. III. Durch Erziehung sämtlicher Kinder auf Staatskosten. Frage 19. Wie werdet Ihr es in der Übergangsperiode mit dieser Er­ ziehung einrichten? Antwort. - Sämtliche Kinder werden von dem Zeitpunkt an, wo sie der ersten mütterlichen Pflege entbehren können, in Staatsanstalten er­ zogen und unterrichtet. Frage 20. Wird mit der Einführung der Gütergemeinschaft nicht zu­ gleich die Weibergemeinschaft proklamiert? Antwort. - Keineswegs. Wir werden uns in das Privatverhältnis zwischen Mann und Frau und überhaupt in die Familie nur insoweit einmischen, als durch die Beibehaltung $er bestehenden Einrichtung die neue Gesellschaftsordnung gestört würde. Im übrigen wissen wir sehr gut, daß das Familienverhältnis im Laufe der Geschichte nach den Eigentumsverhältnissen und Entwicklungsperioden Modifikationen 1 verbessert aus: Existenz des Proletariats

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erlitten hat und daß daher auch die Aufhebung des Privateigentums den bedeutendsten Einfluß darauf haben wird.

Frage 21. Werden im Kommunismus die Nationalitäten fortbestehen? Antwort. - Die Nationalitäten der nach dem Prinzip der Gemeinschaft sich verbindenden Völker werden durch diese Vereinigung ebensosehr genötigt sein, sich zu vermischen und dadurch sich aufzuheben, wie die verschiedenen Stände- und Klassenunterschiede durch die Aufhe­ bung ihrer Grundlage, des Privateigentums, wegfallen. Frage 22. Verwerfen die Kommunisten die bestehenden Religionen? Antwort. - Alle bisherigen Religionen waren der Ausdruck geschicht­ licher Entwicklungsstufen einzelner Völker oder Völkermassen. Der Kommunismus ist aber diejenige geschichtliche Entwicklungsstufe, die alle bestehenden Religionen überflüssig macht und aufhebt. Der Sekretär Heide1

Im Namen und Auftrag des Kongresses Der Präsident Carl Schill2

London, den 9. Juni 1847 Vervielfältigte Handschrift IMLB/ZPA, NL 1163.

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Rundschreiben DES ERSTEN KONGRESSES DES BUNDES DER KOMMUNISTEN

Bund11241 9. Juni 1847

an den

Der Kongreß an den Bund* Lieben Brüder! Der erste Bundeskongreß, der vorigen Februar durch die Zentral­ behörde (Halle) zusammenberufen und am 2. Juni d.J. hier in London eröffnet wurde, hat seine Beratungen beendigt. Seine Sitzungen konn­ ten, der ganzen Stellung unseres Bfundes] gemäß, nicht öffentlich sein. Es ist aber an uns, den Mitgliedern des Kongresses, für Euch diese 1 Bundesname von Wilhelm Wolff - 2 Bundesname von Karl Schappcr - 3 Original in: Staats-und Universitätsbibliothek Hamburg, Nachlaß Martens. - 4 in der Vorlage in derselben Handschrift hinzuge­ fügt: in Hamburg

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Öffentlichkeit nachträglich wenigstens insofern eintreten zu lassen, daß .wir Euch einen Überblick unserer Verhandlungen vorlegen. Wir müssen dies um so mehr, als die bisherige Zentralbehörde vor uns ihre Rechenschaft abzulegen hatte und wir Euch daher zu erklären haben, wie der Kongreß mit dieser Rechnungsablage zufrieden war. Wir müs­ sen dies ferner, weil wir den neuen Statuten einen Artikel zugefügt, der alle gesetzgebenden Beschlüsse des Kongresses der Abstimmung der einzelnen Gemeinden unterwirft1; wir sind Euch deshalb wenigstens für diesen Teil unserer Beschlüsse aus doppelter Ursache die Angabe der Gründe schuldig. Nach Prüfung der Vollmachten hatte zuerst die bisherige Halle dem Kongreß Rechenschaft über ihre Verwaltung abzulegen und über den Stand des B[undes] Bericht zu erstatten. Die Deputierten erklärten sich mit der Art und Weise völlig zufrieden, in welcher die Halle die Inter­ essen des Bundes wahrgenommen und den Anfang zu seiner Reorgani­ sation gemacht. Damit war dieser Punkt erledigt. Aus dem Bericht der Zentralbehörde und aus den dem Kongreß vorgelegten Originalbriefen entnehmen wir folgende kurze Übersicht. In London ist unser B[und] am stärksten. Die Assoziations- und Rede­ freiheit erleichtert die Propaganda ungemein und gibt den zahlreichen tüchtigen Mitgliedern Gelegenheit, ihren Charakter und ihre Talente zum Besten des B[undes] und der Sache geltend zu machen. Zu diesem Zweck benutzt der B[und] die „Deutsche Bildungsgesellschaft für Arbei­ ter“ nebst deren Zweiggesellschaft in Whitechapel. Die B[undes]-Glieder sind ferner beteiligt: in den „fraternal democrats“, den französi­ schen kommfunistischen] Diskussionsvereinen etc. Die ehemalige Pariser H[alle] sah selbst ein, wieviel mehr als sie selbst der Londoner B[und] imstande sei, die Zentralleitung der B[undes]angelegenheiten zu übernehmen. Die Sicherheit allerDokumente und der Mitglieder der Zentralbehörde selbst ist nirgends so groß als hier. Der Kongreß hatte während seiner Verhandlungen Gelegen­ heit genug zu sehen, daß die Londoner Gemeinden eine hinreichende Anzahl tüchtiger Leute haben, denen man die oberste vollziehende Gewalt des B[undes] anvertrauen könne. Er beschloß deshalb, daß die Zentralbehörde in London bleibe. In Paris war der B[und] während der letzten Jahre sehr verfallen.11251 Die Gaustands- und Halle-Mitglieder beschäftigten sich seit geraumer Zeit nur mit Formstreitigkeiten und angeblichen Statutenverletzungen, anstatt die Angelegenheiten des ganzen Bfundes] oder ihrer Gaue wahrzunehmen. In den Gemeinden wurden ähnliche zeitraubende, über. flüssige und Spaltungen hervorrufende Kleinlichkeiten verhandelt. 1 Siche Dokument 146, Artikel 21.

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Wenn es hoch kam, diskutierte man über die alten Fragen, welche seit Weitlings „Garantien [der Harmonie und Freiheit]“ immer wieder und bis zum Überdruß durchgesprochen waren. Im Pariser Bunde selbst zeigte sich nicht der geringste Fortschritt, nicht die geringste Teilnahme an der Entwicklung des Prinzips, an der Bewegung des Proletariats, wie sie an andern Lokalitäten des B[undes], wie sie außer dem B[unde] vor sich ging. Die Folge davon war, daß alle diejenigen, die mit dem nicht zufrieden waren, was ihnen im B[unde] geboten wurde, sich außer­ halb des B[undes] nach weiterer Aufklärung umsahen. Dies Bedürfnis nach Aufklärung benutzte ein literarischer Industrieritter und Arbeiter­ exploiteur, der deutsche Literat Karl Grün. Dies Subjekt hatte sich dem Kommunismus angeschlossen, als er merkte, daß mit kommunistischen Schriften Geld zu verdienen. Er sah nach einiger Zeit, daß es gefährlich, sich fernerhin für einen Komm[unisten] zu erklären, und fand nun zu seinem Rücktritt Gelegenheit in dem neuen, auch von ihm verdeutsch­ ten Buche Proudhons über die Widersprüche in der Nationalökonomie.1 Die in diesem, sonst sehr unbedeutenden Buche aufgestellten national­ ökonomischen Behauptungen machte der pp. Grün zur Grundlage von Vorlesungen, die er in Paris vor B[undes]mitgliedern hielt. Diese Vor­ lesungen wurden von zweierlei Leuten besucht: 1. von solchen, denen der Kommunismus überhaupt schon leid geworden, 2. von solchen, die bei dem pp. Grün vielleicht Belehrung über eine Menge Fragen und Zweifel zu finden hofften, welche ihnen in den Gemeindesitzungen nie gelöst worden waren. Die letzteren waren ziemlich zahlreich und be­ standen aus den brauchbarsten und entwicklungsfähigsten Mitgliedern der Pariser Gemeinden. Es gelang dem pp. Grün eine Zeitlang, auch mehrere dieser letzteren durch seine Redensarten und seine vorgebliche ungeheure Wissenschaft zu blenden. Dadurch spaltete sich der B[und]. Auf der einen Seite stand die Partei, die die Halle und den Gau aus­ schließlich beherrscht hatte, die Partei der Weitlingianer; - auf der andern Seite standen diejenigen, welche noch der Meinung waren, man könne auch von Grün etwas lernen. Bald aber sahen diese, wie Grün sich entschieden feindselig gegen die Kfommunisten] aussprach und wie seine ganze Lehre durchaus nicht imstande sei, den Kommunismus zu er­ setzen. Es wurden heftige Diskussionen gehalten, in denen sich zeigte, daß fast alle B[undes]mitglieder dem Kommunismus treu blieben und nur zwei bis drei den pp. Grün und sein Proudhonsches System ver­ teidigten. Zugleich stellte es sich heraus, daß derselbe Grün nach seiner Gewohnheit die Arbeiter betrogen, indem er 30 Franken, den Betrag einer Kollekte für die polnischen Insurgenten, zu seinen Privatzwecken 1 P.-I.Proudhon: Systeme des contradictions öconomiques, ou Philosophie de la misire, T. 1-2, Paris 1846.

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verwandt und ihnen überhaupt mehrere hundert Franken zum Druck einer elenden Broschüre über die preußischen Landtagsabschiede1 ab­ geschwatzt hatte. Genug, die Mehrzahl der bisherigen Zuhörer des Grün blieb weg und bildete eine neue Partei, der es hauptsächlich darauf ankam, das komm[unistische] Prinzip in allen seinen Folgerungen und in seinem Zusammenhänge mit den gesellschaftlichen Verhältnissen weiterzuentwickeln. Über dieser Spaltung zerfiel aber die Organisation des Bjundes]. Die Zentralbehörde sandte im Laufe des Winters einen Emissär, der die Organisation wieder möglichst herstellte. Aber die Streitigkeiten tauchten bald wieder auf; die drei verschiedenen Parteien und Prinzipien waren unversöhnlich. Es gelang der Fortschrittspartei, mit Hilfe der Weitlingianer, die 3 bis 4 starren Grünianer aus dem Bfunde] zu entfernen, die sich gradezu gegen den Korn mfunismus] er­ klärt hatten. Aber nun gerieten bei der Wahl eines Abgeordneten für den Kongreß die beiden Parteien in der Gaustandssitzung aneinander. Der Zwiespalt wurde unheilbar, und um wenigstens zu einer Wahl zu kommen, wurde in den 3 Gemeinden, in welchen die Fortschritts­ partei am stärksten vertreten war, beschlossen, sich von den beiden Ge­ meinden, auf denen die Hauptstärke der Weitlingianer beruhte, zu trennen und für sich in Generalsitzung einen Kongreßdeputierten zu wählen. Dies geschah.11263 Hiermit wurden die Weitlingianer provi­ sorisch aus dem B[unde] entfernt und die Zahl der B[undes]mitglieder um 1/3 vermindert. Der Kongreß erklärte sich nach Untersuchung der vorgebrachten Rechtfertigung beider Parteien mit der Handlungsweise der 3 Gemeinden einverstanden, weil die Weitlingsche Partei überall den B[und] in seiner Entwickelung aufgehalten, worüber man auch in London und der Schweiz Erfahrungen gemacht habe. Er beschloß einstimmig die Entfernung der Pariser Weitlingianer aus dem B[unde] und die Zu­ lassung des Deputierten der Pariser Majorität2 zum Kongreß. So ist allerdings die Zahl der B[undes]-Glieder in Paris sehr ver­ mindert. Aber dafür sind auch die hemmenden Elemente beseitigt und durch den Kampf die Gemüter zu erneuter Tätigkeit belebt. Ein neuer Geist, eine ganz neue Energie gibt sich kund. Die Verfolgungen der Polizei scheinen ziemlich vorüber und waren überhaupt nicht gegen die Partei gerichtet, welche jetzt gesiegt hat und von der nur ein Mit­ glied ausgewiesen wurde,«sondern trafen fast nur die Grünsche Partei ein Beweis, daß der ganzen Verfolgung Mitteilungen der preußischen Regierung zugrunde lagen, wie sich sogleich zeigen wird. Und wenn die Regierung die öffentlichen Versammlungen an der3 Barridre aufgelöst hat, so trifft auch dies hauptsächlich die Grünianer, die dort das große 1 (Karl Grün:] Die preußischen Landtags-Abschiede. Ein Wort zur Zeit, Birwinken 1846; vgl. auch Dokument 120.-2 Friedrich Engel, - 3 In der Vo,late: den

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Wort führten und gegen den Kommfunismus] eiferten, weil ihnen hier die Kommunisten natürlich nicht frei antworten konnten. Somit steht jetzt in Paris der Bfund] weit besser als zur Zeit, wo er die Halle abtrat. Wir sind weniger zahlreich, aber wir sind einig und haben tüchtige Leute dort. In Lyon zählt der B[und] konstituierte Mitglieder, welche sich an der Sache nach Kräften zu beteiligen scheinen. In Marseille sind wir ebenfalls konstituiert. Über die dortigen Mit­ glieder wird uns folgendes geschrieben: „Die Lage des Marseiller Bfundes] ist nicht die beste. Eine Aufmunterung durch Briefe würde wenig helfen; wir werden suchen, daß diesen Herbst einige von uns hinreisen und den Bfund] aufs neue organisieren.“ Es ist dem Bfunde] gelungen, auch in Belgien festen Fuß zu fassen. In Brüssel existiert eine tüchtige Gemeinde, deren Mitglieder Deutsche und Belgier sind und welche in Lüttich bereits unter den wallonischen Fabrikarbeitern eine zweite Gemeinde gestiftet haben.1 Die Aussichten für den Bfund] in diesem Lande sind ganz erfreulich, und wir hoffen, daß Belgien auf dem nächsten Kongreß schon durch mehrere Depu­ tierte vertreten sein wird. In Deutschland hatten wir mehrere Gemeinden in Berlin, welche in diesem Frühjahr plötzlich von der Polizei gesprengt wurden.2 Die Mitglieder] des Bfundes] werden aus den Zeitungen ersehen haben, wie eine von Bundesgliedern dirigierte Arbeiterversammlung von der Polizei aufgehoben, eine Untersuchung angestellt und infolge derselben mehrere leitende Mitglieder verhaftet worden. Unter den Verhafteten befand sich ein gewisser Friedrich Mentel, Schneider, aus Potsdam gebürtig, cfa], 27 Jfahre] alt, mittlerer, untersetzter Statur etc. Dieser Mensch, der früher in London und Paris war, an letzterm Orte zur Grünschen Partei gehörte und sich als ein gefühlsseliger Liebesduseler bewährt, übrigens auf seinen Reisen die Verhältnisse des Bfundes] ziemlich genau kennengelernt hatte, war nicht imstande, diese kleine Anfechtung auszuhalten. Es zeigte sich auch diesmal, daß die Schwach­ sinnigkeit und Unklarheit solcher Gefühlsmenschen nur in der Religion ihre schließliche Befriedigung finden kann. Der pp. Mentel ließ sich binnen wenigen Tagen von einem Pfaffen vollständig bekehren und machte während seiner Haft zweimal die Posse des Abendmahls mit. Ein Berliner Mitglied schreibt uns folgendes: „... er erzählte vor Ge­ richt3 von den Gemeinden in Paris, London, Hamburg und Kiel (die er alle selbst besucht hatte) und gab die Adressen an, unter denen Herrn. Kriege seinen ,Volks-Tribun* nach Berlin schickte. Er sagte es einem andern grade ins Gesicht: Habe ich Dir nicht diese Bücher verkauft? 1 Vgl. Dokument 166. -2 Vgl. Anm.78. - 3 Gemeint ist: vordem Untersuchungsrichter, da Mentel während des Prozesses vor Gericht seine belastenden Aussagen wieder zurücknahm.

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Haben wir uns nicht dort und dort versammelt? Bist du nicht ein Mit­ glied des B[undes] d[er] Gerechtigkeit]? Und als auf alles ,Nein‘ ge­ antwortet wurde, sprach Mentel: Wie kannst du dies vor Gott dem All­ mächtigen und Allwissendenverantworten? Und solche anderen Dumm­ heiten mehr.“ Glücklicherweise war die Niederträchtigkeit des pp. Men­ tel nicht imstande, die übrigen Angeklagten irrezumachen, und so blieb der Regierung nichts anderes übrig, als die Verhafteten vorläufig frei­ sprechen zu lassen. Die Denunziationen des pp. Mentel stehen offenbar mit den Verfolgungen gegen die deutschen Kommfunisten] in Paris im genausten Zusammenhänge. Wir können uns nur Glück wünschen, daß der Grünianer Mentel die Grünianer selbst für die eigentlichen Leiter des Bundes ansah und denunzierte. Dadurch blieben die wirklichen K[ommunisten] im allgemeinen vor den Verfolgungen geschützt. Na­ türlich wurde durch diese Vorgänge der ganze Berliner Kreis desorgani­ siert. Wir haben indes bei der uns bekannten Tüchtigkeit der dortigen Mitglieder die Hoffnung, daß die Reorganisation des Bfundes] bald zustande gebracht werden wird. Hamburg ist ebenfalls konstituiert. Die dortigen Mitglieder] haben sich aber durch diese Verfolgungen in Berlin einigermaßen einschüchtern lassen. Die Verbindungen sind jedoch keinen Augenblick unterbrochen worden. Der Bjund] ist ferner konstituiert in Altona, Bremen, Mainz, Mün­ chen, Leipzig, Königsberg, Thorn, Kiel, Magdeburg, Stuttgart, Mann­ heim und Baden-Baden. In Skandinavien ist er es bereits, ebenfalls in Stockholm.1 Die Lage des Bjundes] in der Schweiz ist nicht so erfreulich, als wir es hätten wünschen mögen. Die Partei der Weitlingianer war hier von Anfang an die vorherrschende. Der Mangel an Entwickelung in den Ge­ meinden der Schweiz zeigte sich namentlich darin, daß sie einerseits nicht imstande waren, den alten Kampf mit den Jungdeutschen zu Ende zu führen, andererseits noch religiös gegen die Jungdeutschen auftraten und sich durch ganz klägliche Industrieritter, z. B. den feierlichen Georg Kuhlmann aus Holstein, aufs schnödeste ausbeuten ließen. Infolge von Polizeimaßregeln war der B[und] in der Schweiz so desorganisiert, daß der Kongreß beschloß, außerordentliche Maßregeln zu seiner neuen Konstituierung zu ergreifen. .Der Erfolg und die Art dieser Maßregeln kann den Gemeinden, wie sich von selbst versteht, erst später bekannt­ gemacht werden.11271 In betreff Amerikas müssen erst nähere Nachrichten von dem durch die Zentralbehörde dahin abgeschickten Emissär abgewartet werden, 1 Vgl. auch Dokument 165.

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ehe über die schließliche Gestaltung der dortigen Verhältnisse des B[undes] bestimmter Bericht erstattet werden kann.1 Aus diesem Bericht wie aus den vorgelegten B[un]d[es]briefen selbst geht zweierlei hervor: erstens, daß der B[und], als die Londoner Halle die Leitung übernahm, allerdings in einer schwierigen Lage war, daß die bisherige Zentralbehörde keineswegs die Pflichten wahrgenommen hatte, die ihr oblagen; daß sie die Zusammenhaltung des Ganzen völlig vernachlässigt hatte und daß neben dieser Desorganisation des B[un]d[es] noch in den einzelnen Gemeinden selbst allmählich widerstreiten­ de Elemente aufgekeimt waren. Die Londoner Zentralbehörde hat unter diesen, die Existenz des B[un]d[es] bedrohenden Umständen so­ fort die nötigen Maßregeln getroffen: Emissäre ausgeschickt, einzelne dem Bestehen des Ganzen gefährliche Mitglieder entfernt, die Verbin­ dungen wiederhergestellt, den allgemeinen Kongreß berufen und die dort zu diskutierenden Fragen vorbereitet. Zu gleicher Zeit hat sie Schritte getan, um andere Elemente der kommunistischen Bewegung, die bisher dem B[un]d fremd waren, in den B[un]d zu ziehen - Schritte, die von dem besten Erfolg waren. Der Kongreß hatte nach der Erledigung dieser Fragen die Durchsicht der Statuten vorzunehmen. Das in allen seinen Artikeln einstimmig angenommene Resultat dieser Beratungen liegt den Gemeinden in den neuen Statuten2 vor, auf deren schließliche Annahme der Kongreß anträgt. Um die gemachten Abänderungen zu begründen, bemerken wir folgendes: Die Veränderung des Namens B[und] d[er] Gerechtigkeit] in B[und] d[er] Kommunisten wurde angenommen, weil erstens der alte Name durch die infamen Verrätereien des pp. Mentel den Regierungen be­ kannt und schon dadurch eine Abänderung ratsam wurde. Zweitens und hauptsächlich, weil der alte Name bei einer besondern Gelegenheit mit Rücksicht auf besondere Vorfälle angenommen wurde3, die mit dem jetzigen Zweck des B[un]d[es] nicht das Geringste mehr zu tun haben. Dieser Name ist also nicht mehr zeitgemäß und drückt am aller­ wenigsten das aus, was wir wollen. Wie viele wollen nicht Gerechtigkeit, d.h. das, was sie Gerechtigkeit nennen, ohne daß sie darum Kommu­ nisten zu sein brauchen. Wir aber zeichnen uns nicht dadurch aus, daß wir Gerechtigkeit überhaupt wollen, was jeder von sich behaupten kann, sondern dadurch, daß wir die bestehende Gesellschaftsordnung und das Privateigentum angreifen, dadurch, daß wir die Gütergemein­ schaft wollen, dadurch, daß wir Kommunisten sind. Daher gibt es für 1 Handschrift von mehreren Schreibern, mehrmals wechselnd, darunter W. Wolff, K.Schapper, wahr­ scheinlich J. Moll und H. Bauer — 2 Dokument 146 - 3 Gemeint sind wahrscheinlich die Umstände bei der Gründung des Bundes der Gerechten durch seine Trennung vom Bund der Geächteten in Paris in den Jahren 1836 bis 1838. 31 Bund

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unsern B[un]d nur einen passenden Namen, den Namen, der das sagt, was wir wirklich sind, und diesen Namen haben wir gewählt. - In dem­ selben Sinne haben wir die uns von den politischen Verbindungen her überkommnen Namen Gau und Halle,.Namen, deren Deutschtümlichkeit einen störenden Eindruck machte bei dem Charakter unsers antinationalen, allen Völkern offenstehenden B[un]ds, diese Namen haben wir ersetzt durch solche Worte, die das wirklich bedeuten, was sie bedeuten sollen. Die Einführung solcher einfachen, deutlichen Namen dient noch mehr dazu, unserm propagandistischen B[un]d den verschwörungsmäßigen Charakter zu nehmen, den die Feinde uns so gern aufheften möchten. Die Notwendigkeit, den jetzt zum erstenmal berufenen Kongreß zu wiederholen, ihn regelmäßig zu wiederholen und ihm die gesamte ge­ setzgebende Gewalt des B[un]d[es] zu übertragen, unter Vorbehalt der Bestätigung durch die Gemeinden, wurde einstimmig anerkannt, ohne daß es hierüber zur Diskussion kam. - Wir hoffen, in den hierüber fest­ gesetzten Bestimmungen die Punkte getroffen zu haben, auf die es an­ kam und wodurch die wirksame Tätigkeit des Kongresses im Intresse des Ganzen gesichert ist. Die Weglassung der Überschriften, welche, soweit sie gesetzliche Bestimmungen enthielten durch bestimmte Statutenartikel, insofern sie allgemein kommunistische Grundsätze enthielten durch das kommu­ nistische Glaubensbekenntnis ersetzt werden, gibt den Statuten eine einfachere und gleichförmigere Gestalt und führte zugleich eine genauere Bestimmung der Stellung jeder einzelnen Behörde herbei.1 Nach Erledigung der Statuten kamen die verschiedenen von der Zentralbehörde vorbereiteten oder von den einzelnen Deputierten vorgelegten Vorschläge zur Diskussion. Zuerst wurde beraten über den Vorschlag eines Abgeordneten, nach sechs Monaten einen neuen Kongreß zu berufen. Der Kongreß fühlte selbst, daß er als erster Kongreß, der in einer Zeit berufen und zusammengetreten, wo die Organisation des B[un]d[es] erschlafft war, sich vor allen Dingen als organisierend-konstituierende Versamm­ lung anzuseheri habe. Er fühlte, daß, um die wichtigen vorliegenden Fragen gründlich zu erledigen, ein neuer Kongreß nötig sei; da zugleich die neuen Statuten den nächsten Kongreß auf den Monat August setz­ ten, also fast nur zwei Monate Zwischenraum gewesen wären, da man auch bis August 1848 den zweiten Kongreß nicht aufschieben konnte, so wurde beschlossen, diesen zweiten Kongreß auf Montag, den 29. No1 Diese Bemerkungen über das bis zum ersten Kongreß gültige Statut beziehen sich offenbar weder auf die Statuten von 1838 (Dokument 5) noch die von 1843 (Dokument 30), sondern auf eine nicht über­ lieferte Fassung.

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vember dieses Jahres hier in London einzuberufen. - Wir haben uns ebensowenig durch die schlechte Jahreszeit wie durch die erneuten Kosten abhalten lassen. - Der B[un]d hat eine Krisis überstanden und darf für das eine Mal eine außergewöhnliche Anstrengung nicht scheuen. Die neue B[un]d[e]sverfassung enthält die nötigen Bestimmungen über die Wahl der Deputierten, und so hoffen wir, daß der zweite Kongreß von zahlreichen Kreisen beschickt werden wird. Der Vorschlag desselben Abgeordneten wegen Auswerfung eines be­ stimmten fonds für Emissäre fand desgleichen allgemeinen Anklang. Man fand, daß unserm B[un]d zweierlei Emissäre zu Gebote stehen. Erstens solche, die auf Kosten des B[un]d[es] mit speziellem Auftrage in bestimmte Lokalitäten abgeschickt werden, um entweder den B[un]d in Gegenden zu konstituieren, wo er noch nicht existiert, oder ihn da wieder zu organisieren, wo er verfallen ist. Diese Emissäre müssen not­ wendig unter der direkten Kontrolle der Zentralbehörde stehen. Zweitens Arbeiter, die in ihre Heimat zurückkehren oder sonstige Reisen zu machen haben. Solche Arbeiter, oft sehr taugliche Männer, können mit dem größten Vorteil für den B[un]d zum Besuchen mancher Gemeinde benutzt werden, die nicht weit von ihrer Reiseroute abliegt, wenn man ihnen die dadurch verursachten Extrakosten von B[un]d[e]s wegen erstattet. Solche gelegentlichen Emissäre können natürlich nur unter der direkten Kontrolle der Kreisbehörde stehen und nur in besondern Fällen unter die der Zentralbehörde gestellt werden. - Daher beschloß der Kongreß: die Zentralbehörde zu beauftragen, von jeder Kreisbehörde einen bestimmten Geldbeitrag alle drei Monate einzufodern und aus diesen Beiträgen einen fonds zur Aussendung von Emissären der ersten Art zu bilden. Ferner, die Kreisbehörde [n] zu beauftragen, die abreisenden tüchtigen Mitglieder in angegebener Weise mehr, als bisher geschehen, zu gelegentlichen Emissären zu be­ nutzen und ihnen aus ihrem eigenen fonds die Extrareisekosten voraus­ zubezahlen. - In außerordentlichen Fällen können die Kreisbehörden den fonds der Zentralbehörde um Beisteuer zu diesem Zweck angehen; darüber, ob dieser Geldfoderung Folge geleistet werden soll, entscheidet natürlich die Zentralbehörde. Jeder Emissär ist verantwortlich der Behörde, die ihm fonds geliefert hat, und berichtet an sie. Ihr werdet alle sehen, wie nötig es ist, die Propaganda durch Emissäre zu organisieren und einer zentralisierten Leitung zu unterwerfen. - Wir hoffen, daß unsere nach reiflicher Überlegung gefaßten Beschlüsse Euern Beifall haben und von gutem Erfolg für die Sache begleitet sein mögen. Die nächste Frage war die wegen des B[un]d[es]organs; wie nötig ein solches sei, wurde ohne Diskussion anerkannt. Daß das Blatt nur in London erscheinen, daß es nicht öfter als wöchentlich und nicht 31*

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seltner als monatlich erscheinen müsse, wurde ebenfalls ohne weiteres eingesehen. - Titel, Motto und Format wurden festgesetzt und werden Euch durch die im Juli erscheinende Probenummer1 bekanntgemacht werden. Für die Redaktion besteht eine Kommission, bis das Journal öffentlich wird, sodann ein Redakteur, der ebenfalls schon ernannt ist2 und welcher die Leitung unter Mitwirkung der Kommission über­ nehmen wird. - Insoweit beraten, kam der Kongreß auf den Kosten­ punkt. Zuerst ist zur Vervollständigung der Druckerei noch manches, besonders eine eiserne Presse, nötig, für welche die Zentralbehörde beauftragt wurde, einen Beitrag von den Kreisen einzufodern. Dann aber wurden die Kosten berechnet. - Es stellte sich heraus, daß3 bei 2 Pence = 4 Sous = 2 Sgr. = 6 Krz. für jede Wochennummer von einem Bogen eine Anzahl von Abonnenten zur Deckung der Kosten nötig sein würde, auf welche für den Augenblick noch nicht mit Bestimmtheit zu rechnen ist. - Ein monatliches Blatt ohne Redakteur würde mit weni­ ger Abonnenten bestehen können, aber die Anfoderungen des B[un]d[e]s nicht erfüllen. - Ob wir aber die für eine Wochenschrift nötige Anzahl von Abonnenten aufzubringen imstande seien, war, wie gesagt, zu ungewiß, als daß wir daraufhin die nötigen Engagements hätten ein­ gehen können. - Wir beschlossen daher wie folgt: Einstweilen wird also eine Probenummer im Juli gratis erscheinen. Dann werden die einzelnen Gemeinden durch ihre Kreise einzuschicken haben, wie viele Mitglieder sie zählen, denn der Kongreß hat beschlossen, daß, wenigstens solange das Journal monatlich ist, jedes Mitglied für ein Exemplar bezahlt, jede Gemeinde aber nur eins erhält4, und der Rest gratis verteilt wird. Die B[un]d[e]smitglieder müssen sich ferner danach erkundigen, wie viele Exemplare in ihrer Gegend sicher abzusetzen sind, müssen Abon­ nenten sammeln und ebenfalls hierüber berichten. - Dann wird der Kongreß im November auf die von der Zentralbehörde vorgelegten Notizen hin das Weitere beschließen und womöglich das Journal vor dem neuen Jahre ins Werk setzen. - Einstweilen wird die Londoner Druckerei zum Druck von Flugschriften verwandt werden. Endlich die Frage über das kommunistische Glaubensbekenntnis. Der Kongreß sah ein, daß die öffentliche Proklamierung der Grund­ sätze des B[un]d[e]s ein Schritt von der höchsten Wichtigkeit sei; daß ein Glaubensbekenntnis, das nach wenigen Jahren und vielleicht Monaten schon nicht mehr zeitgemäß, nicht mehr im Sinne der Majo­ rität sei, ebenso schädlich wirken müßte, wie ein brauchbares Glaubens­ bekenntnis nützlich; daß dieser Schritt also ganz besonders vorsichtig 1 Die Probenummer der „Kommunistischen Zeitschrift“ (Dokument 156) erschien erst Anfang September 1847. - 2 Wilhelm Wolff; vgl. Anm.133. - 3 In der Vorlage: daß das - 4 d.h. nur ein Frei­ exemplar

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zu behandeln sei und nicht übereilt werden dürfe. Grade hier, wie beim B[un]d[e]sorgan, kam es dem Kongreß zum Bewußtsein, daß er nicht definitiv, daß er nur konstituierend aufzutreten, daß er dem wieder­ erwachenden Leben im B[un]d durch Diskussion über den Plan eines Glaubensbekenntnisses] neue Nahrung geben müßte. Daher beschloß der Kongreß, diesen Plan zu entwerfen und ihn den Gemeinden zur Diskussion, zur Abfassung und Einsendung von Abänderungsvorschlä­ gen und Zusätzen an die Zentralbehörde vorzulegen. Der Plan liegt bei. - Wir empfehlen ihn der ernsten und reiflichen Erwägung der Ge­ meinden. - Wir haben versucht, einerseits uns fernzuhalten von aller Systemmacherei und allem Kasernenkommunismus, andrerseits der faden und läppischen Liebesduselei der weinerlichen Rührungs­ kommunisten aus dem Wege zu gehen; wir haben dagegen gesucht, durch eine fortwährende Berücksichtigung der gesellschaftlichen Ver­ hältnisse, die allein den Kommunismus erzeugt haben, stets einen sichern Boden unter unsern Füßen zu behalten. Wir hoffen, daß die Zentral­ behörde recht zahlreiche Zusätze und Abänderungsvorschläge von Euch erhalten wird, und fodern Euch nochmals zu besonders eifriger Diskussion grade dieses Gegenstandes auf. Das, lieben Brüder, ist der Überblick, das [sind] die Resultate unserer Verhandlungen. Gern hätten wir die uns vorgelegten Punkte definitiv erledigt, das Bundesorgan gegründet, die kommunistischen Grundsätze in einem Glaubensbekenntnis proklamiert. Aber im Interesse des B[undes], im Interesse der kommfuni&tischen] Bewegung mußten wir hier uns selbst Schranken setzen, mußten von neuem an die Majorität appellieren, und erst dem zweiten Kongreß es überlassen, das durch­ zuführen, was wir vorbereitet haben. Es ist nun an Euch, lieben Brüder, zu bewähren, daß Euch die Sache des B[undes], die Sache des Kommunismus am Herzen liegt. Der B[und] ist aus einer Periode des Verfalls siegreich hervorgegangen. Die Lauheit und Schlaffheit ist überwunden, die im B[und] selbst aufgestandenen feindlichen Elemente sind beseitigt worden. Neue Elemente sind zugetreten. Die Zukunft des B[undes] ist gesichert. Aber, lieben Brüder, noch ist unsre Lage nicht so, daß wir einen Augenblick erschlaf­ fen dürften in unsern Anstrengungen, noch sind nicht alle Wunden ver­ narbt, nicht alle Lücken wieder ausgefüllt, noch macht sich manche schmerzliche Folge des Kampfes fühlbar, den wir durchgemacht. Dar­ um fordert das Interesse des B[undes], darum fordert die komm[unistische] Sache noch eine kurze Zeit der angestrengtesten Tätigkeit von Euch; darum dürft Ihr während einiger Monate noch keinen Augenblick ermüden in Eurer Arbeit. Außerordentliche Umstände verlangen außer­ ordentliche Tatkraft. Eine Krisis, wie unser B[und] sie durchgemacht, 485

eine Krisis, in der wir zuerst die Erschlaffung zu bekämpfen hatten, wie sie durch den bleiernen Druck der deutschen und sonstigen Polizei­ hindernisse, wie sie noch mehr dadurch verursacht wurde, daß die Hoff­ nung auf eine baldige Verbesserung der sozialen Verhältnisse sich immer weiter von ihrer Erfüllung zu entfernen schien, eine Krisis, in der wir ferner nicht nur die Verfolgungen unserer Gegner, der von der Bour­ geoisie beherrschten oder mit ihr gegen uns verbündeten Regierungen zu bekämpfen hatten, sondern Feinde in unserer eigenen Mitte fanden und diese mit alleiniger Rücksichtnahme auf die gefährdete Stellung des B[undes], auf die drohende Desorganisation der ganzen kommunistfischen] Partei deutscher Zunge ohne alles Ansehen der Person bekämpfen und unschädlich machen mußten: eine solche Krisis, Ihr Brüder, verwindet man nicht über Nacht. Und selbst wenn die Existenz des Bjundes], wenn die Stärke der Organisation wieder sichergestellt ist, so gehören doch noch Monate unablässiger Arbeit dazu, ehe man sagen kann: Wir haben unsre Pflicht als Kommunisten, unsere Pflicht als B[undes]glieder getan. Ihr Brüder! In der festen Überzeugung, daß Ihr die Wichtigkeit der Umstände ebenso empfinden werdet wie wir; in der festen Überzeugung, daß Ihr aber auch diesen schwierigen Umständen vollständig gewachsen sein werdet, appellieren wir jetzt vertrauensvoll an Euch, an Eure Be­ geisterung für die Sache der Gemeinschaft! Wir wissen, daß die infame Gewinnsucht der Bourgeoisie Euch fast keinen Augenblick Zeit läßt zur Arbeit für die Sache; wir wissen, daß sie Euch bis aufs äußerste den elenden Lohn herabdrückt, den sie Euch noch für Eure harte Arbeit gibt; wir wissen, daß grade jetzt Hungersnot und schlechte Geschäfts­ zeit besonders schwer auf Euch lasten; wir wissen, daß sie Euch ver­ folgt, einsperrt, Eure Gesundheit ruiniert, Euer Leben in Gefahr bringt, sobald Ihr dennoch Zeit und Geld findet, um im Interesse der Gemein­ schaft zu wirken; wir wissen das alles, und trotz alledem haben wir keinen Augenblick angestanden, Euch neue Geldopfer abzufordern, Euch zu verdoppelter Tätigkeit aufzurufen. Denn wir würden, selbst errötend und beschämt, uns von der ganzen Bewegung zurückziehen müssen, wüßten wir nicht, daß die Männer, die uns gewählt haben, um über das Wohl des Ganzen zu beschließen, unsere Beschlüsse auch kräftig und ungesäumt insWerk setzen werden; wüßten wir nicht, daß keiner in unsern B[und] gehört, dem nicht das Interesse der kommunisti­ schen Partei, dem nicht der Sturz der Bourgeoisie und der Sieg der Ge­ meinschaft sein eigenstes, sein teuerstes Interesse wäre; wüßten wir nicht, daß die Leute, die Entschlossenheit genug hatten, sich zu einem B[und] zu organisieren, der sie großen Gefahren aussetzt, auch entschlossen und fest genug sind,-um diesen Gefahren zu trotzen und diesen B[und] 486

groß und mächtig über ganz Europa zu machen; wüßten wir endlich nicht, daß solche Leute um so mutiger, um so tätiger, um so begeisterter werden, je größere Hindernisse sich ihnen entgegenstellen. Ihr Brüder! Wir vertreten eine große, eine herrliche Sache. Wir proklamieren die größte Umwälzung, die je in der Welt proklamiert worden -, eine Umwälzung, die an Gründlichkeit, an Folgenreichtum ihresgleichen nicht hat in der Weltgeschichte. Wir wissen nicht, wie weit es uns vergönnt sein wird, an den Früchten dieser Umwälzung teil­ zunehmen. Aber das wissen wir, daß diese Umwälzung mit Macht her­ anzieht; das sehen wir, daß überall, in Frankreich wie in Deutschland, in England wie in Amerika die grollenden Massen des Proletariats sich in Bewegung setzen und mit einer, oft noch verworrenen, aber immer lauter und deutlicher werdenden Stimme ihre Befreiung aus den Fesseln der Geldherrschaft, aus den Fesseln der Bourgeoisie fordern. Das sehen wir, daß die Klasse der Bourgeois immer reicher wird, daß die Mittel­ stände mehr und mehr zugrunde gehen und daß so die geschichtliche Entwickelung selbst auf eine große Revolution hindrängt, welche durch die Not des Volks und den Übermut der Reichen eines Tages zum Ausbruch kommen wird. Diesen Tag, Ihr Brüder, hoffen wir alle noch zu erleben, und wenn wir auch nicht letztes Frühjahr, wie in dem HalleSchreiben1 als möglich vorausgesetzt wurde, Gelegenheit fanden, zu den Waffen zu greifen, so laßt Euch das nicht irremachen! Der Tag kommt, und an dem Tage, an dem die Massen des Volks mit ihren ge­ schlossenen Kolonnen die Söldlinge der Kapitalisten auseinander­ sprengen werden: - an dem Tage wird es sich zeigen, was unser B[und] war und wie er gearbeitet hat! Und wenn wir auch nicht alle Früchte des großen Kampfes erleben sollten, wenn auch Hunderte von uns unter den Kartätschen der Bourgeoisie dahinsinken, so haben wir alle, selbst die Gefallenen, doch den Kampf erlebt, und dieser Kampf, dieser Sieg allein ist ein Leben der angestrengtesten Arbeit wert. Und somit lebet wohl! Im Namen des Kongresses Der Präsident Heide2 Carl Schill3 Sekretär London, den 9. Juni 1847 Vervielfältigte Handschrift IMLB/ZPA, NL 116* 1 Dokument 139-2 Bundesname von Wilhelm WolfT- 3 Bundesname von Karl Schapper-4 Ori­ ginal in: Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, Nachlaß Martens.

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Schreiben Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten in London an die Gemeinde in Hamburg1 24. Juni 1847 London, den 24. Juni 1847 Die Zentralbehörde an den Bund in Hamburg Lieben Brüder, Euren Brief vom 18.v. M. nebst der Einlage von Berlin haben wir richtig erhalten und uns gefreut, Euch noch stets bereit zu finden, mit Wort und Tat für unser Recht zu wirken. Wir übersenden Euch hiermit das Schreiben des Kongresses an den Bund2, nebst den neuen Statuten und dem Entwurf zum kommunisti­ schen Glaubensbekenntnis3 und ersuchen Euch, sobald als nur irgend möglich uns über nachstehende sechs Punkte Antwort zu erteilen, damit wir schon jetzt die nötigen Vorarbeiten zum zweiten Kongreß beginnen können: 1. Ob Ihr mit den Arbeiten des Kongresses zufrieden und mit den von demselben gefaßten Beschlüssen einverstanden seid4; 2. Ob Ihr die neuen Statuten annehmt oder verwerft; 3. Ob und welche Geldmittel Ihr uns für die im Kongreßschreiben angegebenen Zwecke viertel- oder halbjährlich zustellen könnt; 4. Ob Ihr schon einen Kreis bildet, oder mit welcher Lokalität Ihr am leichtesten und besten einen solchen bilden könnt. - Siehe Art. 14 der Statuten; 5. Ob und wieviele Exemplare des im August zu erscheinenden Bundesorgans5 etwa in Eurer Gegend abgesetzt werden können; 6. Ob und auf welche Weise die sozialen und kommunistischen Ideen in Eurer Gegend unter dem Volk verbreitet werden und welchen Anklang sie bei demselben finden. Wir ersuchen Euch ferner, den Entwurf zum kommunistischen Glaubensbekenntnis in Eurer Mitte einer ernsten Diskussion zu unter­ werfen und uns alle Zusätze oder Abänderungen, welche Ihr für rätlich haltet, sobald als möglich zuzusenden, damit wir dieselben ordnen und dem nächsten Kongreß zur Beratung vorlegen können, welcher alsdann das Glaubensbekenntnis definitiv abfassen wird. Es würde ebenfalls gut sein, wenn Ihr Euch jetzt schon beraten würdet, ob Ihr allein oder gemeinschaftlich mit einer andern Lokalität

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1 Handschrift vermutlich von Joseph Moll - 2 Dokument 148 - 3 Dokumente 146 und 147-4 Zu den von der Hamburger Organisation vorgebrachten Einwänden vgl. Dokument 160. - 5 Dokument 156

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einen Deputierten zum nächsten Kongreß senden könnt, und uns hierüber Nachricht erteiltet. Wir hoffen, Ihr werdet alles tun, was in Euren Kräften steht, um den Bund in Altona, Magdeburg, Berlin etc. aufrechtzuerhalten und zu organisieren, und ersuchen Euch deshalb, den an genannten Orten sich befindenden Mitgliedern, wenn irgend möglich, die Statuten, den Entwurf zum Glaubensbekenntnis sowie das Kongreßschreiben zukommen zu lassen. Zuletzt müssen wir noch bemerken, daß, da jetzt nur der Kongreß das Recht hat, Abänderungen in den Statuten zu treffen, Ihr einfach er­ klären müßt, ob Ihr dieselben annehmt oder verwerft; solltet Ihr jedoch Abänderungen oder Zusätze für nötig halten, so bitten wir Euch, uns Eure Vorschläge hierüber zuzusenden, wir werden dann dieselben dem nächsten Kongreß vorlegen, welcher darüber zu beraten und zu entscheiden hat. Und nun, Brüder, lebt wohl. - Mit der Hoffnung, bald gute Nachrich­ ten von Euch zu erhalten, grüßen wir Euch alle herzlich.

Der Schreiber Joseph Moll

Im Namen und Auftrag der Zentralbehörde Der Präsident Karl Schapper

Da W. Marr sich in Hamburg befindet und Ihr denselben also wahr­ scheinlich persönlich kennen werdet, so fragen wir Euch, ob es nicht möglich und gut wäre, denselben für unsere Sache zu gewinnen? Adresse Mrs. Roß 44 Chester Street Kennington Road London Handschrift IMLB/ZPA, NL 1161.

1 Original in: Staats" und Universitätsbibliothek Hamburg, Nachlaß Martens.

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Karl Marx über die Entwicklung des proletarischen Klassenkampfes (aus „Misere de la Philosophie“)1 Anfang Juli 1847 [...] De meine que les economistes sont les reprdsentants scientifiques de la classe bourgeoise, de meme les socialistes et les communistes sont les thöoriciens de la classe prolötaire. Tant que le Proletariat n’est pas encore assez ddveloppö pour se constituer en classe, que par consöquent la lutte meme du Proletariat avec la bourgeoisie n’a pas encore un caractfere politique, et que les forces productives ne se sont pas encore assez developpees dans le sein de la bourgeoisie elle-meme, pour laisser entrevoir les conditions materielles necessaires ä l’affranchissement du Proletariat et ä la Formation d’une soci6te nouvelle, ces theoriciens ne sont que des utopistes qui, pour obvier aux besoins des classes opprim6es, improvisent des systemes et courent apres une Science reg6n6ratrice. Mais ä mesure que l’histoire marche et qu’avec eile la lutte du Proletariat se dessine plus nettement, ils n’ont plus besoin de chercher de la Science dans leur esprit, ils n’ont qu’ä se rendre compte de ce qui se passe devant leurs yeux et de s’en faire l’organe. Tant qu’ils cherchent la Science et ne font que des systemes, qu’ils sont au debut de la lutte, ils ne voient dans la misere que la misere, sans y voir le cötd revolutionnaire, subversif, qui renversera la societe ancienne. Des ce moment, la Science produite par le mouvement historique, et s’y associant en pleine connaissance de cause, a cessö d’etre doctrinaire, eile est devenue rövolutionnaire. [...] En Angleterre on ne s’en est pas tenu ä des coalitions partielles, qui n’avaient pas d’autre but qu’une greve passagdre, et qui disparaissaient avec eile. On a forme des coalitions permanentes, des trades-unions, qui servent de rempart aux ouvriers dans leurs lüttes avec les entrepreneurs. Et ä l’heure qu’il est, toutes ces trades-unions locales trouvent un point d’union dans la National Association oj United Trades, dont le comitd central est ä Londres, et qui compte d6jä 80000 membres. La Formation de ces greves, coalitions, trades-unions marcha simultanSment avec les lüttes politiques des ouvriers, qui constituent maintenant un grand parti politique, sou§ le nom de Chartistes. 1 In seinem Werk, das zwischen Dezember 1846 und April 1847 entstand und Anfang Juli 1847 er­ schien, setzte sich Karl Marx mit P.-J. Proudhons „Systeme des contradictions iconomiqucs ou Philo­ sophie de la misire“ auseinander.

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C’est sous la forme des coalitions qu’ont toujours lieu les premiers essais des travailleurs pour s'associer entre eux. La grande Industrie agglomere dans un seul endroit une foule de gens inconnus les uns aux autres. La concurrence les divise d’intdrets. Mais le maintien du salaire, cet intdret commun qu’ils ont contre leur maitre, les rdunit dans une meme pensde de rdsistance - coalition. Ainsi la coalition a toujours un double but, celui de faire cesser entre eux la concurrence, pour pouvoir faire une concurrence generale au capitaliste. Si le premier but de rdsistance n’a dtd que le maintien des salaires, ä mesure que les capitalistes ä leur tour se rdunissent dans une pensde de rdpression, les coalitions, d’abord isolees, se forment en groupes, et en face du Capital toujours rduni,- le maintien de l’association devient plus ndcessaire pour eux que celui du salaire. Cela est tellement vrai, que les dconomistes anglais sont tout dtonnds de voir les ouvriers sacrifier une bonne partie du salaire en faveur des associations qui, aux yeux de ces dconomistes, ne sont dtablies qu’en faveur du salai­ re. Dans cette lutte - vdritable guerre civile - se rdunissent et se ddveloppent tous les dldments necessaires ä'une bataille ä venir. Une fois arrivde ä ce point lä, l’association prend un caractdre politique. Les conditions dconomiques avait d’abord transforme la mässe du pays en travailleurs. La domination du capital a erde ä cette mässe une Situation commune, des intdrets communs. Ainsi cette mässe est ddjä une classe vis-ä-vis du capital, mais pas encore pour elle-meme. Dans la lutte, dont nous n’avons Signale que quelques phases, cette mässe rdunit, eile se constitue en classe pour elle-meme. Les intdrets qu’elle ddfend deviennent des intdrets de classe. Mais la lutte de classe ä classe est une lutte politique. [...] Une classe opprimde est la condition vitale de toute socidtd fondee sur l’antagonisme des classes. L’affranchissement de la classe opprimde implique donc ndcessairement la crdation d’une socidtd nouvelle. Pour que la classe opprimde puisse s’affranchir; il faut que les pouvoirs productifs ddjä acquis et les rapports sociaux existants ne puissent plus exister les une ä cote des autres. De tous les Instruments de production, le plus grand pouvoir productif c’est la classe rdvolutionnaire ellememe. L’organisation des dldments rdvolutionnaires comme classe suppose l’existence de toutes les forces productives qui pouvaient s’engendrer dans le sein de la socidtd ancienne. Est-ce ä dire qu’apres la chute de l’ancienne socidtd il y aura une nouvelle domination de classe, se rdsumant dans un nouveau pouvoir politique? Non. La condition d’affranchissement de la classe laborieuse c’est l’abolition de toute classe, de meme que la condition d’affranchissement du

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tiers etat, de l’ordre bourgeois fut l’abolition de tous les ötats et de tous les ordres. La classe laborieuse substituera, dans le cours de son developpement, ä l’ancienne societ£ civile une association qui exclu-a les classes et leur antagonisme, et il n’y aura plus de pouvoir politique proprement dit, puisque le pouvoir politique est pröcisement le resum6 officiel de l’antagonisme dans la societe civile. En attendant, l’antagonisme entre le Proletariat et la bourgeoisie est une lutte de classe ä classe, lutte qui, portee ä sa plus haute expression, est une revolution totale. D’ailleurs, faut-il s’ötonner qu’une soci6t6, fondee sur Vopposition des classes, aboutisse ä la contradiction brutale, ä un choc de corps ä corps comme dernier denouement? Ne dites pas que le mouvement social exclut le mouvement politique. II n’y a jamais de mouvement politique qui ne soit social en meine temps. Ce n’est que dans un ordre de choses, oü il n’y aura plus de classes et d’antagonisme de classes, que les evolutions sociales cesseront d’etre des revolutions politiques. Jusque-lä, ä la veille de chaque remaniement gdneral de la socidtS, le dernier mot de la Science sociale sera toujours: «Le combat ou la mort; la lutte sanguinaire ou le neant. C’est ainsi que la question est invinciblement posee.»1 George Sand. Karl Marx: Misire de la Philosophie. Rdponse ä la Philosophie de la misire de M.Proudhon, Parisund Brüssel 1847, S. 118/119, 174-178.

Auszug.

[...] Wie die Ökonomen die wissenschaftlichen Vertreter der Bour­ geoisklasse sind, so sind die Sozialisten und Kommunisten die Theoretiker der Klasse des Proletariats. Solange das Proletariat noch nicht genügend entwickelt ist, um sich als Klasse zu konstituieren, und daher der Kampf des Proletariats mit der Bourgeoisie noch keinen politischen Charakter trägt; solange die Produktivkräfte noch im Schoße der Bourgeoisie selbst nicht genügend entwickelt sind, um die materiellen Bedingungen durchscheinen zu lassen, die notwendig sind zur Befreiung des Prole­ tariats und zur Bildung einer neuen Gesellschaft - solange sind diese Theoretiker nur Utopisten, die, um den Bedürfnissen der unterdrückten Klassen abzuhelfen, Systeme ausdenken und nach einer regenerierenden Wissenschaft suchen. Aber in dem Maße, wie die Geschichte vor1 Aus der Einleitung zu dem historischen Roman von George Sand: Jean Ziska, Brüssel 1843.

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schreitet und mit ihr der Kampf des Proletariats sich deutlicher ab­ zeichnet, haben sie nicht mehr nötig, die Wissenschaft in ihrem Kopfe zu suchen; sie haben nur sich Rechenschaft abzulegen von dem, was sich vor ihren Augen abspielt, und sich zum Organ desselben zu machen. Solange sie die Wissenschaft suchen und nur Systeme machen, solange sie im Beginn des Kampfes sind, sehen sie im Elend nur das Elend, ohne die revolutionäre umstürzende Seite darin zu erblicken, welche die alte Gesellschaft über den Haufen werfen wird. Von diesem Augenblick an wird die Wissenschaft bewußtes Erzeugnis der historischen Bewegung, und sie hat aufgehört, doktrinär zu sein, sie ist revolutionär geworden.[...] In England hat man sich nicht auf partielle Koalitionen beschränkt, die keinen anderen Zweck hatten als einen augenblicklichen Strike und mit demselben wieder verschwanden. Man hat dauernde Koali­ tionen geschaffen, trades unions, die den Arbeitern in ihren Kämpfen mit den Unternehmern als Schutzwehr dienen. Und gegenwärtig finden alle diese lokalen trades unions einen Sammelpunkt in der National Association of United Trades, deren Zentralkomitee in London sitzt und die bereits 80000 Mitglieder zählt. Diese Strikes, Koalitionen und trades unions traten ins Leben gleichzeitig mit den politischen Kämpfen der Arbeiter, die gegenwärtig unter dem Namen der Chartisten eine große politische Partei bilden. Die ersten Versuche der Arbeiter, sich untereinander zu assoziieren, nehmen stets die Form von Koalitionen an. Die Großindustrie bringt eine Menge einander unbekannter Leute an einem Ort zusammen. Die Konkurrenz spaltet sie in ihren Inter­ essen; aber die Aufrechterhaltung des Lohnes, dieses gemeinsame Interesse gegenüber ihrem Meister, vereinigt sie in einem gemeinsamen Gedanken des Widerstandes - Koalition. So hat die Koalition stets einen doppelten Zweck, den, die Konkurrenz der Arbeiter unter sich auf­ zuheben, um dem Kapitalisten eine allgemeine Konkurrenz machen zu können. Wenn der erste Zweck des Widerstandes nur die Aufrecht­ erhaltung der Löhne war, so formieren sich die anfangs isolierten Koalitionen in dem Maß, wie die Kapitalisten ihrerseits sich behufs der Repression vereinigen zu Gruppen, und gegenüber dem stets ver­ einigten Kapital wird die Aufrechterhaltung der Assoziationen not­ wendiger für sie als die des Lohnes. Das ist so wahr, daß die englischen Ökonomen ganz erstaunt sind zu sehen, wie die Arbeiter einen großen Teil ihres Lohnes zugunsten von Assoziationen opfern, die in den Augen der Ökonomen nur zugunsten des Lohnes errichtet wurden. In diesem Kampfe - ein veritabler Bürgerkrieg - vereinigen und entwickeln sich alle Elemente für eine kommende Schlacht. Einmal auf diesem Punkte angelangt, nimmt die Koalition einen politischen Charakter an. 493

Die ökonomischen Verhältnisse haben zuerst die Masse der Be­ völkerung in Arbeiter verwandelt. Die Herrschaft des Kapitals hat für diese Masse eine gemeinsame Situation, gemeinsame Interessen ge­ schaffen. So ist diese Masse bereits eine Klasse gegenüber dem Kapital, aber noch nicht für sich selbst. In dem Kampf, den wir nur in einigen Phasen gekennzeichnet haben, findet sich diese Masse zusammen, kon­ stituiert sie sich als Klasse für sich selbst. Die Interessen, welche sie ver­ teidigt, werden Klasseninteressen. Aber der Kampf von Klasse gegen Klasse ist ein politischer Kampf. [...] Eine unterdrückte Klasse ist die Lebensbedingungjeder auf denKlassengegensatz begründeten Gesellschaft. Die Befreiung der unterdrückten Klasse schließt also notwendigerweise die Schaffung einer neuen Gesell­ schaft ein. Soll die unterdrückte Klasse sich befreien können, so muß eine Stufe erreicht sein, auf der die bereits erworbenen Produktivkräfte und die geltenden gesellschaftlichen Einrichtungen nicht mehr nebeneinander bestehen können. Von allen Produktionsinstrumenten ist die größte Pro­ duktivkraft die revolutionäre Klasse selbst. Die Organisation der revolu­ tionären Elemente als Klasse setzt die fertige Existenz aller Produktiv­ kräfte voraus, die sich überhaupt im Schoß der alten Gesellschaft ent­ falten konnten. Heißt dies, daß es nach dem Sturz der alten Gesellschaft eine neue Klassenherrschaft geben wird, die in einer neuen politischen Gewalt gipfelt? Nein. Die Bedingung der Befreiung der arbeitenden Klasse ist die Abschaf­ fung jeder Klasse, wie die Bedingung der Befreiung des dritten Standes, der bürgerlichen Ordnung, die Abschaffung aller Stände war. Die arbeitende Klasse wird im Laufe der Entwicklung an die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft eine Assoziation setzen, welche die Klassen und ihren Gegensatz ausschließt, und es wird keine eigentliche politische Gewalt mehr geben, weil gerade die politische Gewalt der offizielle Aus­ druck des Klassengegensatzes innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft ist. Inzwischen ist der Gegensatz zwischen Proletariat und Bourgeoisie ein Kampf von Klasse gegen Klasse, ein Kampf, der, auf seinen höch­ sten Ausdruck gebracht, eine totale Revolution bedeutet. Braucht man sich übrigens zu wundern, daß eine auf den Klassengegensatz be­ gründete Gesellschaft auf den brutalen Widerspruch hinausläuft, auf den Zusammenstoß Mann gegen Mann als letzte Lösung? Man sage nicht, daß die gesellschaftliche Bewegung die politische ausschließt. Es gibt keine politische Bewegung, die nicht gleichzeitig auch eine gesellschaftliche wäre. Nur bei einer Ordnung der Dinge, wo es keine Klassen und keinen Klassengegensatz gibt, werden die gesellschaftlichen Evolutionen auf494

hören, politische Revolutionen zu sein. Bis dahin wird am Vorabend jeder allgemeinen Neugestaltung der Gesellschaft das letzte Wort der sozialen Wissenschaft stets lauten: „Kampf oder Tod; blutiger Krieg oder das Nichts. So ist die Frage unerbittlich gestellt.“1 George Sand (MEW, Bd.4, S. 143, 180-182.)

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Brief von Joseph Weydemeyer an Karl Marx in Brüssel 7. Juli 1847

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Hamm

Hamm, den 7/7.47 Lieber Marx! Da ich augenblicklich Lünings Stelle vertrete, der mit seiner jungen Frau eine Reise nach der Schweiz macht, so beantworte ich vorläufig Deinen Brief. Ich werde denselben aber sogleich Lüning nachsenden, damit die gewünschte Erklärung baldmöglichst erfolgen kann; ich glaube wenigstens nicht, daß L[üning] anstehen wird, sie zu geben.11283 [•••] Was die Veröffentlichung der Kritik des „Volks-Tribun“2 anlangt, auf die Du nochmals zurückkamst, so hatte ich dieselbe L[üning] schon übergeben, als Du mir Deinen Wunsch mitteiltest, die Veröffentlichung zu unterlassen. Gleichzeitig erschien sie im „Volks-Tribun“, und Lfüning] hielt Deine Bedenken nun nicht mehr für gerechtfertigt.11293 In Anbetracht des Nutzens, den sie gestiftet, freue ich mich aber auch noch darüber, daß er diesen Bedenken nicht nachgegeben. - Daß die Ansichten, welche ich in meinen Aufsätzen ausgesprochen, ursprüng­ lich durch Dich angeregt, ja durch Dich ganz allein hervorgerufen, habe ich stets und überall anerkannt und würde es auch öffentlich ausgespro­ chen haben, wenn sich dazu eine Gelegenheit geboten hätte. Ohne meinen Aufenthalt in Brüssel würde ich aus dem Studium der National­ ökonomen wahrscheinlich nicht halb so viel Nutzen gezogen haben wie nach demselben, ja ich würde mich vielleicht gar nicht einmal daran­ gemacht haben; für Deine Mitteilungen bin ich Dir noch immer dankbar. Bitte, sag W[olff], er möge seine Korrespondenzen3 für die Folge, wenigstens für Juli und August, an mich in Hamm adressieren, da ich 1 Siehe Fußnote 1, S.492. - 2 Dokument 88-3 für das „Westphälischc Dampfboot“; vgl. auch Dokument 157.

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hier bei der Köln-Mindener Eisenbahn als Geometer beschäftigt bin. Wegen seines Honorars habe ich an den Buchhändler geschrieben. Dein Buch gegen Proudhon möge er doch direkt nach der Schweiz schicken. Lebe wohl Dein J. Weydemeyer Gekürzt. Erstmalig veröffentlicht.

Handschrift IMLM/ZPA, F.l, op.5, Nr. 139.

152 Aus den Erinnerungen Stephan Borns über seine

Emissärreise

in die

Schweiz11303

Ende Juli-Mitte Oktober 1847

[...] Im Oktober desselben Jahres erhielt ich vom Zentralkomitee in London den Auftrag, die „Gemeinden“ in Lyon und der Schweiz zu besuchen und sie durch einige Vorträge in die neue Phase der sozialen Entwicklung einzuführen und auf die kommenden Ereignisse vorzubereiten. Am Himmel kündigten dunkle Wolken den Sturm des heraufziehenden Sonderbundskrieges an. [...] In einem Hofe des Börsenviertels zu Paris drückte ich Engels zum Abschied die Hand [...] Ich war in Lyon angekündigt, ein freundlicher Empfang war mir dort wie überall gesichert, wo ich meine Mission zu erfüllen hatte. In wenigen Tagen konnte ich meine Reise nach Genf fortsetzen. [...] Ich wollte nun nicht etwa ein maschinenhaft arbeitender Reiseprediger sein, ich suchte und fand Beschäftigung. Damit auf mich selbst gestellt, blieb ich mehrere Wochen in Genf. [...] An den schönen Herbstabenden machte ich, mit meinen neuen Freunden spazierengehend, sie mit meiner neuen Weisheit bekannt, es war dies ein peripatetischer1 Unterricht wie ein anderer. An Sonntagen bestiegen wir den Saleve, ich war glücklicher als je vorher, und so zog ich erst nach vier Wochen frohen Mutes in die Neuchäteler Berge nach La Chaux-de-Fonds, in das große, damals schon nahe an 20000 Seelen zählende Uhrenmacherdorf. Der Kanton Neuchätel war damals noch durch Personalunion mit dem preußi­ schen Königshause verbunden und besaß infolgedessen noch manche Insti­ tution, die an diese Union erinnerte. In keinem Teile der Schweiz wurde das Verhalten der Fremden, namentlich der deutschen Arbeiter, die nach dem Bei­ spiel der französischen sich in sozialistischen Vereinen zusammenfanden, mit einem polizeilich so wachsamen Auge verfolgt wie dort. Das führte zu heim­ lichen, nächtlichen Zusammenkünften in den Schlüften des Jura. [...] Meine nächste Station war Bern. [...] 1 im Umherwandeln vor sich gehender

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Der Pariser Erstdruck der 17 „Forderungen der Kommunistischen Partei in Deutschland“

gewandt. Wir entsandten eine Abordnung nach Gent, um eine öffent­ liche Versammlung einzuberufen, mit dem Ziel, eine Zweiggesellschaft zu gründen. Die Versammlung war außerordentlich stark besucht und empfing unsere aus Angehörigen verschiedener Nationen bestehende Abordnung mit einer Begeisterung, die kaum zu beschreiben ist. Die Gründung einer demokratischen Gesellschaft wurde sofort beschlossen, und die Namen der Mitglieder wurden in einer Liste erfaßt. Danach haben wir aus Gent die Nachricht erhalten, daß sich die Gesellschaft endgültig konstituiert und daß sie eine zweite Versammlung durch­ geführt hat, die die erste an Zahl der Beteiligten und an Begeisterung übertraf. Mehr als dreitausend Bürger waren anwesend, und wir freuen uns, sagen zu können, daß es größtenteils Arbeiter waren. Wir halten den in Gent gewonnenen Boden für einen der wichtigsten Fortschritte unserer Sache in diesem Lande. Gent ist die bedeutendste Industriestadt Belgiens, hat über hunderttausend Einwohner und ist in großem Maße der Anziehungspunkt für die ganze arbeitende Bevölke­ rung Flanderns. Die Stellung, die Gent einnimmt, ist entscheidend für die gesamte Arbeiterbewegung des Landes. Deshalb dürfen wir den . Anschluß der Fabrikarbeiter dieses belgischen Manchester an die sich wiederbelebende rein demokratische Bewegung als Vorzeichen ansehen für den Anschluß der Gesamtheit der belgischen Proletarier. Wir hoffen, in unserm nächsten Brief über weitere Fortschritte in andern Städten des Landes berichten zu können und so nach und nach zur Wiederherstellung einer starken, geeinten und organisierten demo­ kratischen Partei in Belgien zu gelangen. Wir teilen vollkommen die Ansicht, die ihr in eurer jüngsten Adresse an die Arbeiterklasse von Großbritannien und Irland1 zur Frage der „Nationalen Verteidigung“ vertreten habt. Wir hoffen, daß diese Adresse weitgehend dazu beitragen wird, das englische Volk darüber aufzu­ klären, wer seine wirklichen Feinde sind. Wir haben ebenfalls mit großer Freude die Schritte verfolgt, die von der Mehrheit der englischen Chartisten unternommen wurden, um endlich ein enges Bündnis zwischen den Völkern Irlands und Groß­ britanniens zu erreichen. Wir haben erkannt, daß gegenwärtig die Gelegenheit günstiger ist als je zuvor, jenes Vorurteil zu überwinden, das das irische Volk veranlaßt hat, seinen Haß nicht nur gegen die Unter­ drücker beider Länder zu richten, sondern auch gegen die unterdrückten Klassen in England. Wir hoffen, die Führung beider, der englischen und der irischen Volksbewegung, sehr bald in den Händen Feargus O’Connors vereinigt zu sehen, und wir halten dieses sich anbahnende Bündnis der unterdrückten Klassen beider Länder unter dem Banner 1 Vgl. Dokument 193. 43 Bund

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der Demokratie für einen sehr wichtigen Fortschritt unserer Sache überhaupt. Wir schließen mit der Übermittlung unserer brüderlichen Grüße. Das Komitee der Demokratischen Gesellschaft L.Jottrand, Vorsitzender K.Marx, Vizepräsident A.Picard, A[d]v[oka]t, Sekretär Brüssel, den 13.Februar 1848 (MEW, Bd.4, S. 601-603.)

202

Das „Manifest

der

Kommunistischen Partei“[169J

Karl Marx und Friedrich Engels Ende Februar 1848

von

Manifest der Kommunistischen Partei1

Ein Gespenst geht um in Europa - das Gespenst des Kommunismus. Alle Mächte des alten Europa haben sich zu einer heiligen Hetzjagd gegen dies Gespenst verbündet, der Papst und der Zar, Metternich und Guizot, französische Radikale und deutsche Polizisten. Wo ist die Oppositionspartei, die nicht von ihren regierenden Gegnern als kommun istisch verschrien worden wäre, wo die Oppositionspartei, die den fortgeschrittenen2 Oppositionsleuten sowohl wie ihren reak­ tionären Gegnern den brandmarkenden Vorwurf des Kommunismus nicht zurückgeschleudert hätte? Zweierlei geht aus dieser Tatsache hervor. Der Kommunismus wird bereits von allen europäischen Mächten als eine Macht anerkannt. Es ist hohe Zeit, daß die Kommunisten ihre Anschauungsweise, ihre Zwecke, ihre Tendenzen vor der ganzen Welt offen darlegen und den Märchen vom Gespenst des Kommunismus ein Manifest der Partei selbst entgegenstellen. Zu diesem Zweck haben sich Kommunisten der verschiedensten Nationalität in London versammelt und das folgende Manifest ent­ worfen, das in englischer, französischer, deutscher, italienischer, flämi­ scher und dänischer Sprache veröffentlicht wird. 1 Au! dem Außentilel mit der Ergänzung: Veröffentlicht im Februar 1848. -2 erste Auflage von 18!S(A) und spätere Auflagen: fortgeschritteneren

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Bourgeois und Proletarier Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen. Freier und Sklave, Patrizier und Plebejer, Baron und Leibeigner, Zunftbürger und Gesell, kurz, Unterdrücker und Unterdrückte standen in stetem Gegensatz zueinander, führten einen ununterbrochenen, bald versteckten, bald offenen Kampf, einen Kampf, der jedesmal mit einer revolutionären Umgestaltung der ganzen Gesellschaft endete oder mit dem gemeinsamen Untergang der kämpfenden Klassen. In den früheren Epochen der Geschichte finden wir fast überall eine vollständige Gliederung der Gesellschaft in verschiedene Stände, eine mannigfaltige Abstufung der gesellschaftlichen Stellungen. Im alten Rom haben wir Patrizier, Ritter, Plebejer, Sklaven; im Mittelalter Feudalherren, Vasallen, Zunftbürger, Gesellen, Leibeigene, und noch dazu in fast jeder dieser Klassen wieder besondere Abstufungen. Die aus dem Untergange der feudalen Gesellschaft hervorgegangene moderne bürgerliche Gesellschaft hat die Klassengegensätze nicht auf­ gehoben. Sie hat nur neue Klassen, neue Bedingungen der Unterdrükkung, neue Gestaltungen des Kampfes an die Stelle der alten gesetzt. Unsere Epoche, die Epoche der Bourgeoisie, zeichnet sich jedoch da­ durch aus, daß sie die Klassengegensätze vereinfacht hat. Die ganze Gesellschaft spaltet sich mehr und mehr in zwei große feindliche Lager, in zwei große, einander direkt gegenüberstehende Klassen: Bourgeoisie und Proletariat. Aus den Leibeigenen des Mittelalters gingen die Pfahlbürger der ersten Städte hervor; aus dieser Pfahlbürgerschaft entwickelten sich die ersten Elemente der Bourgeoisie. Die Entdeckung Amerikas, die Umschiffung Afrikas schufen der auf­ kommenden Bourgeoisie ein neues Terrain. Der ostindische und chine­ sische Markt, die Kolonisierung von Amerika, der Austausch mit den Kolonien, die Vermehrung der Tauschmittel und der Waren überhaupt gaben dem Handel, der Schiffahrt, der Industrie einen nie gekannten Aufschwung und damit dem revolutionären Element in der zerfallenden feudalen Gesellschaft eine rasche Entwicklung. . Die bisherige feudale oder zünftige Betriebsweise der Industrie reichte nicht mehr aus für den mit den neuen Märkten anwachsenden Bedarf. Die Manufaktur trat an ihre Stelle. Die Zunftmeister wurden verdrängt durch den industriellen Mittelstand; die Teilung der Arbeit zwischen den verschiedenen Korporationen verschwand vor der Teilung der Arbeit in der einzelnen Werkstatt selbst. 43*

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Aber immer wuchsen die Märkte, immer stieg der Bedarf. Auch die Manufaktur reichte nicht mehr aus. Da revolutionierte1 der Dampf und die Maschinerie die industrielle Produktion. An die Stelle der Manufak­ tur trat die moderne große Industrie, an die Stelle des industriellen Mittelstandes traten die industriellen Millionäre, die Chefs ganzer industrieller Armeen, die modernen-Bourgeois. Die große Industrie hat den Weltmarkt hergestellt, den die Ent­ deckung Amerikas vorbereitete. Der Weltmarkt hat dem Handel, der Schiffahrt, den Landkommunikationen eine unermeßliche Entwicklung gegeben. Diese hat wieder auf die Ausdehnung der Industrie zurück­ gewirkt, und in demselben Maße, worin Industrie, Handel, Schiffahrt, Eisenbahnen sich ausdehnten, in demselben Maße entwickelte sich die Bourgeoisie, vermehrte sie ihre Kapitalien, drängte sie alle vom Mittelalter her überlieferten Klassen in den Hintergrund. Wir sehen also, wie die moderne Bourgeoisie selbst das Produkt eines langen Entwicklungsganges, einer Reihe von Umwälzungen in der Produktions- und Verkehrsweise ist. Jede dieser Entwicklungsstufen der Bourgeoisie war begleitet von einem entsprechenden politischen Fortschritt. Unterdrückter Stand unter der Herrschaft der Feudalherren, bewaffnete und sich selbst ver­ waltende Assoziationen in der Kommune, hier unabhängige städtische Republik, dort dritter steuerpflichtiger Stand der Monarchie, dann zur Zeit der Manufaktur Gegengewicht gegen den Adel in der ständischen oder in der absoluten Monarchie und Hauptgrundlage der großen Monarchien überhaupt, erkämpfte sie sich endlich seit der Herstellung der großen Industrie und des Weltmarktes im modernen Repräsentativ­ staat die ausschließliche politische Herrschaft. Die moderne Staats­ gewalt ist nur ein Ausschuß, der die gemeinschaftlichen Geschäfte der ganzen Bourgeoisklasse verwaltet. Die Bourgeoisie hat in der Geschichte eine höchst revolutionäre Rolle gespielt. Die Bourgeoisie, wo sie zur Herrschaft gekommen, hat alle feudalen, patriarchalischen, idyllischen Verhältnisse zerstört. Sie hat die bunt­ scheckigen Feudalbande, die den Menschen an seinen natürlichen Vorgesetzten knüpften, unbarmherzig zerrissen und kein anderes Band zwischen Mensch und Mensch übriggelassen, als das nackte Interesse, als die gefühllose „bare Zahlung“. Sie hat die heiligen Schauer der frommen Schwärmerei, der ritterlichen Begeisterung, der spießbürger­ lichen Wehmut in dem eiskalten Wasser egoistischer Berechnung er­ tränkt. Sie hat die persönliche Würde in den Tauschwert aufgelöst und an die Stelle der zahllosen verbrieften und wohlerworbenen Freiheiten die 1 A: revolutionierten

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eine gewissenlose Handelsfreiheit gesetzt. Sie hat, mit einem Wort, an die Stelle der mit religiösen und politischen Illusionen verhüllten Aus­ beutung die offene, unverschämte, direkte, dürre Ausbeutung gesetzt. Die Bourgeoisie hat alle bisher ehrwürdigen und mit frommer Scheu betrachteten Tätigkeiten ihres Heiligenscheins entkleidet. Sie hat den Arzt, den Juristen, den Pfaffen, den Poeten, den Mann der Wissenschaft in ihre bezahlten Lohnarbeiter verwandelt. Die Bourgeoisie hat dem Familienverhältnis seinen rührend-senti­ mentalen Schleier abgerissen und es auf ein reines Geldverhältnis zurück­ geführt. Die Bourgeoisie hat enthüllt, wie die brutale Kraftäußerung, die die Reaktion so sehr am Mittelalter bewundert, in der trägsten Bärenhäute­ rei ihre passende Ergänzung fand. Erst sie hat bewiesen, was die Tätig­ keit der Menschen zustande bringen kann. Sie hat ganz andere Wunder­ werke vollbracht als ägyptische Pyramiden, römische Wasserleitungen und gotische Kathedralen, sie hat ganz andere Züge ausgeführt als Völkerwanderungen und Kreuzzüge. Die Bourgeoisie kann nicht existieren, ohne die Produktionsinstru­ mente, also die Produktionsverhältnisse, also sämtliche gesellschaftlichen Verhältnisse fortwährend zu revolutionieren. Unveränderte Beibehal­ tung der alten Produktionsweise war dagegen die erste Existenz­ bedingung aller früheren industriellen Klassen. Die fortwährende Um­ wälzung der Produktion, die ununterbrochene Erschütterung aller gesell­ schaftlichen Zustände, die ewige Unsicherheit und Bewegung zeichnet die Bourgeoisepoche vor allen früheren aus. Alle festen eingerosteten Verhältnisse mit ihrem Gefolge von altehrwürdigen Vorstellungen und Anschauungen werden aufgelöst, alle neugebildeten veralten, ehe sie verknöchern können. Alles Ständische und Stehende verdampft, alles Heilige wird entweiht, und die Menschen sind endlich gezwungen, ihre Lebensstellung, ihre gegenseitigen Beziehungen mit nüchternen Augen anzusehen. Das Bedürfnis nach einem stets ausgedehnteren Absatz für ihre Pro­ dukte jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel. Überall muß sie sich einnisten, überall anbauen, überall Verbindungen herstellen. Die Bourgeoisie hat durch die Exploitation des Weltmarkts die Pro­ duktion und Konsumtion aller Länder kosmopolitisch gestaltet. Sie hat zum großen Bedauern der Reaktionäre den nationalen Boden der Industrie unter den Füßen weggezogen. Die uralten nationalen Indu­ strien sind vernichtet worden und werden noch täglich vernichtet. Sie werden verdrängt durch neue Industrien, deren Einführung eine Lebens­ frage für alle zivilisierten Nationen wird, durch Industrien, die nicht mehr einheimische Rohstoffe, sondern den entlegensten Zonen an-

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gehörige Rohstoffe verarbeiten und deren Fabrikate nicht nur im Lande selbst, sondern in allen Weltteilen zugleich verbraucht werden. An die Stelle der alten, durch Landeserzeugnisse befriedigten Bedürfnisse treten neue, welche die Produkte der entferntesten Länder und Klimate zu ihrer Befriedigung erheischen. An die Stelle der alten lokalen und nationalen Selbstgenügsamkeit und Abgeschlossenheit tritt ein allseitiger Verkehr, eine allseitige Abhängigkeit der Nationen voneinander. Und wie in der materiellen, so auch in der geistigen Produktion. Die geistigen Erzeugnisse der einzelnen Nationen werden Gemeingut. Die nationale Einseitigkeit und Beschränktheit wird mehr und mehr unmög­ lich, und aus den vielen nationalen und lokalen Literaturen bildet sich eine Weltliteratur. Die Bourgeoisie reißt durch die rasche Verbesserung aller Produktions­ instrumente, durch die unendlich erleichterten Kommunikationen alle, auch die barbarischsten Nationen in die Zivilisation. Die wohlfeilen Preise ihrer Waren sind die schwere Artillerie, mit der sie alle chinesi­ schen Mauern in den Grund schießt, mit der sie den hartnäckigsten Fremdenhaß der Barbaren zur Kapitulation zwingt. Sie zwingt alle Nationen, die Produktionsweise der Bourgeoisie sich anzueignen, wenn sie nicht zugrunde gehen wollen; sie zwingt sie, die sogenannte Zivili­ sation bei sich selbst einzuführen, d.h. Bourgeois zu werden. Mit einem Wort, sie schafft sich eine Welt nach ihrem eigenen Bilde. Die Bourgeoisie hat das Land der Herrschaft der Stadt unterworfen. Sie hat enorme Städte geschaffen, sie hat die Zahl der städtischen Be­ völkerung gegenüber der ländlichen in hohem Grade vermehrt und so einen bedeutenden Teil der Bevölkerung dem Idiotismus des Landlebens entrissen. Wie sie das Land von der Stadt, hat sie die barbarischen und halbbarbarischen Länder von den zivilisierten, die Bauernvölker von den Bourgeoisvölkern, den Orient vom Okzident abhängig gemacht. Die Bourgeoisie hebt mehr und mehr die Zersplitterung der Produk­ tionsmittel, des Besitzes und der Bevölkerung auf. Sie hat die Bevölke­ rung agglomeriert, die Produktionsmittel zentralisiert und das Eigentum in wenigen Händen konzentriert. Die notwendige Folge hiervon war die politische Zentralisation. Unabhängige, fast nur verbündete Provinzen mit verschiedenen Interessen, Gesetzen, Regierungen und Zöllen wurden zusammengedrängt in eine Nation, eine Regierung, ein Gesetz, ein nationales Klasseninteresse, eine Douanenlinie. Die Bourgeoisie hat in ihrer kaum hundertjährigen Klassenherrschaft massenhaftere und kolossalere Produktionskräfte geschaffen als alle vergangenen Generationen zusammen. Unterjochung der Naturkräfte, Maschinerie, Anwendung der Chemie auf Industrie und Ackerbau, Dampfschiffahrt, Eisenbahnen, elektrische Telegraphen, Urbar-

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machung ganzer Weltteile, Schiffbarmachung der Flüsse, ganze aus dem Boden hervorgestampfte Bevölkerungen - welch früheres Jahrhundert ahnte, daß solche Produktionskräfte im Schoß der gesellschaftlichen Arbeit schlummerten. Wir haben aber gesehen: Die Produktions- und Verkehrsmittel, auf deren Grundlage sich die Bourgeoisie heranbildete, wurden in der feu­ dalen Gesellschaft erzeugt. Auf einer gewissen Stufe der Entwicklung dieser Produktions- und Verkehrsmittel entsprachen die Verhältnisse, worin die feudale Gesellschaft produzierte und austauschte, die feudale Organisation der Agrikultur und Manufaktur, mit einem Wort die feudalen Eigentumsverhältnisse den schon entwickelten Produktivkräf­ ten nicht mehr. Sie hemmten die Produktion, statt sie zu fördern. Sie verwandelten sich in ebenso viele Fesseln. Sie mußten gesprengt werden, sie wurden gesprengt. An ihre Stelle trat die freie Konkurrenz mit der ihr angemessenen gesellschaftlichen und politischen Konstitution, mit der ökonomischen und politischen Herrschaft der Bourgeoisklasse. Unter unsren Augen geht eine ähnliche Bewegung vor. Die bürger­ lichen Produktions- und Verkehrsverhältnisse, die bürgerlichen Eigen­ tumsverhältnisse, die moderne bürgerliche Gesellschaft, die so gewal­ tige Produktions- und Verkehrsmittel hervorgezaubert hat, gleicht dem Hexenmeister, der die unterirdischen Gewalten nicht mehr zu beherr­ schen vermag, die er heraufbeschwor. Seit Dezennien ist die Geschichte der Industrie und des Handels nur noch die Geschichte der Empörung der modernen Produktivkräfte gegen die modernen Produktions­ verhältnisse, gegen die Eigentumsverhältnisse, welche die Lebensbedin­ gungen der Bourgeoisie und ihrer Herrschaft sind. Es genügt, die Han­ delskrisen zu nennen, welche in ihrer periodischen Wiederkehr immer drohender die Existenz der ganzen bürgerlichen Gesellschaft in Frage stellen. In den Handelskrisen wird ein großer Teil nicht nur der erzeugten Produkte, sondern sogar der bereits geschaffenen Produktivkräfte regelmäßig vernichtet. In den Krisen bricht eine gesellschaftliche Epi­ demie aus, welche allen früheren Epochen als ein Widersinn erschienen wäre - die Epidemie der Überproduktion. Die Gesellschaft findet sich plötzlich in einen Zustand momentaner Barbarei zurückversetzt; eine Hungersnot, ein allgemeiner Vernichtungskrieg1 scheinen ihr alle Lebensmittel abgeschnitten zu haben; die Industrie, der Handel scheinen vernichtet, und warum? Weil sie zuviel Zivilisation, zuviel Lebensmittel, zuviel Industrie, zuviel Handel besitzt. Die Produktiv­ kräfte, die ihr zur Verfügung stehen, dienen nicht mehr zur Beförderung der bürgerlichen Zivilisation und der bürgerlichen Eigentumsverhält1 A: Verwüstungskrieg

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nisse; im Gegenteil, sie sind zu gewaltig für diese Verhältnisse ge­ worden, sie werden von ihnen gehemmt; und sobald sie dies Hemmnis überwinden, bringen sie die ganze bürgerliche Gesellschaft in Unord­ nung, gefährden sie die Existenz des bürgerlichen Eigentums. Die bürger­ lichen Verhältnisse sind zu eng geworden, um den von ihnen erzeugten Reichtum zu fassen. - Wodurch überwindet die Bourgeoisie die Krisen? Einerseits durch die erzwungene Vernichtung einer Masse von Pro­ duktivkräften; anderseits durch die Eroberung neuer Märkte und die gründlichere Ausbeutung der alten Märkte. Wodurch also? Dadurch, daß sie allseitigere und gewaltigere Krisen vorbereitet und die Mittel, den Krisen vorzubeugen, vermindert. Die Waffen, womit die Bourgeoisie den Feudalismus zu Boden ge­ schlagen hat, richten sich jetzt gegen die Bourgeoisie selbst. Aber die Bourgeoisie hat nicht nur die Waffen geschmiedet, die ihr den Tod bringen; sie hat auch die Männer gezeugt, die diese Waffen führen werden - die modernen Arbeiter, die Proletarier. In demselben Maße, worin sich die Bourgeoisie, d.h. das Kapital, entwickelt, in demselben Maße entwickelt sich das Proletariat, die Klasse der modernen Arbeiter, die nur so lange leben, als sie Arbeit finden, und die nur so lange Arbeit finden, als ihre Arbeit das Kapital vermehrt. Diese Arbeiter, die sich stückweis verkaufen müssen, sind eine Ware wie jeder andere Handelsartikel und daher gleichmäßig allen Wechselfällen der Konkurrenz, allen Schwankungen des Marktes ausgesetzt. Die Arbeit der Proletarier hat durch die Ausdehnung der Maschinerie und die Teilung der Arbeit allen selbständigen Charakter und damit allen Reiz für den Arbeiter verloren. Er wird ein bloßes Zubehör der Maschine, von dem nur der einfachste, eintönigste, am leichtesten erlernbare Handgriff verlangt wird. Die Kosten, die der Arbeiter verursacht, be­ schränken sich daher fast nur auf die Lebensmittel, die er zu seinem Unterhalt und zur Fortpflanzung seiner Race bedarf. Der Preis einer Ware, also auch die Arbeit, ist aber gleich ihren Produktionskosten. In demselben Maße, in dem die Widerwärtigkeit der Arbeit wächst, nimmt daher der Lohn ab. Noch mehr, in demselben Maße, wie Maschinerie und Teilung der Arbeit zunehmen, in demselben Maße nimmt auch die Masse der Arbeit zu, sei es durch Vermehrung der Arbeitsstunden, sei es durch Vermehrung der in einer gegebenen Zeit geforderten Arbeit, beschleunigten Lauf der Maschinen usw. Die moderne Industrie hat die kleine Werkstube des patriarchalischen Meisters in die große Fabrik des industriellen Kapitalisten verwandelt. Arbeitermassen, in der Fabrik zusammengedrängt, werden soldatisch organisiert. Sie werden als gemeine Industriesoldaten unter die Aufsicht 680

einer vollständigen Hierarchie von Unteroffizieren und Offizieren ge­ stellt. Sie sind nicht nur Knechte der Bourgeoisklasse, des Bourgeois­ staates, sie sind täglich und stündlich geknechtet von der Maschine, von dem Aufseher, und vor allem von dem einzelnen fabrizierenden Bour­ geois selbst. Diese Despotie ist um so kleinlicher, gehässiger, erbittern­ der, je offener sie den Erwerb als ihren letzten Zweck proklamiert. Je weniger die Handarbeit Geschicklichkeit und Kraftäußerung er­ heischt, d.h., je mehr die moderne Industrie sich entwickelt, desto mehr wird die Arbeit der Männer durch die der Weiber verdrängt1. Ge­ schlechts- und Altersunterschiede haben keine gesellschaftliche Gel­ tung mehr für die Arbeiterklasse. Es gibt nur noch Arbeitsinstrumente, die je nach Alter und Geschlecht verschiedene Kosten machen. Ist die Ausbeutung des Arbeiters durch den Fabrikanten so weit be­ endigt, daß er seinen Arbeitslohn bar ausgezahlt erhält, so fallen die andern Teile der Bourgeoisie über ihn her, der Hausbesitzer, der Krä­ mer, der Pfandverleiher usw. Die bisherigen kleinen Mittelstände, die kleinen Industriellen, Kauf­ leute und Rentiers, die Handwerker und Bauern, alle diese Klassen fallen ins Proletariat hinab, teils dadurch, daß ihr kleines Kapital für den Betrieb der großen Industrie nicht ausreicht und der Konkurrenz mit den größeren Kapitalisten erliegt, teils dadurch, daß ihre Geschick­ lichkeit von neuen Produktionsweisen entwertet wird. So rekrutiert sich das Proletariat aus allen Klassen der Bevölkerung. Das Proletariat macht verschiedene Entwicklungsstufen durch. Sein Kampf gegen die Bourgeoisie beginnt mit seiner Existenz. Im Anfang kämpfen die einzelnen Arbeiter, dann die Arbeiter einer Fabrik, dann die Arbeiter eines Arbeitszweiges an einem Ort gegen den einzelnen Bourgeois, der sie direkt ausbeutet. Sie richten ihre Angriffe nicht nur gegen die bürgerlichen Produktionsverhältnisse, sie richten sie gegen die Produktionsinstrumente selbst; sie vernichten die fremden konkurrierenden Waren, sie zerschlagen die Maschinen, sie stecken die Fabriken in Brand, sie suchen sich die untergegangene Stellung des mit­ telalterlichen Arbeiters wiederzuerringen. Auf dieser Stufe bilden die Arbeiter eine über das ganze Land zer­ streute und durch die Konkurrenz zersplitterte Masse. Massenhaftes2 Zusammenhalten der Arbeiter ist noch nicht die Folge ihrer eigenen Vereinigung, sondern die Folge der Vereinigung der Bourgeoisie, die zur Erreichung ihrer eigenen politischen Zwecke das ganze Proletariat in Bewegung setzen muß und es einstweilen noch kann. Auf dieser Stufe bekämpfen die Proletarier also nicht ihre Feinde, sondern die Feinde ihrer Feinde, die Reste der absoluten Monarchie, die Grundeigentümer, 1 A: Weiber und Kinder verdrängt - 2 A: Massenhafteres

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die nichtindustriellen Bourgeois, die Kleinbürger. Die ganze geschicht­ liche Bewegung ist so in den Händen der Bourgeoisie konzentriert; jeder Sieg, der so errungen wird, ist ein Sieg der Bourgeoisie. Aber mit der Entwicklung der Industrie vermehrt sich nicht nur das Proletariat; es wird in größeren Massen zusammengedrängt, seine Kraft wächst, und es fühlt sie mehr. Die Interessen, die Lebenslagen innerhalb des Proletariats gleichen sich immer mehr aus, indem die Maschinerie mehr und mehr die Unterschiede der Arbeit verwischt und den Lohn fast überall auf ein gleich niedriges Niveau herabdrückt. Die wachsende Konkurrenz der Bourgeois unter sich und die daraus hervorgehenden Handelskrisen machen den Lohn der Arbeiter immer schwankender; die immer rascher sich entwickelnde, unaufhörliche Ver­ besserung der Maschinerie macht ihre ganze Lebensstellung immer unsicherer; immer mehr nehmen die Kollisionen zwischen dem einzelnen Arbeiter und dem einzelnen Bourgeois den Charakter von Kollisionen zweier Klassen an. Die Arbeiter beginnen damit, Koali­ tionen gegen die Bourgeois zu bilden; sie treten zusammen zur Be­ hauptung ihres Arbeitslohns. Sie stiften selbst dauernde Assoziationen, um sich für die gelegentlichen Empörungen zu verproviantieren. Stellen­ weis bricht der Kampf in Erneuten aus. Von Zeit zu Zeit siegen die Arbeiter, aber nur vorübergehend. Das eigentliche-Resultat ihrer Kämpfe ist nicht der unmittelbare Erfolg, sondern die immer weiter um sich greifende Vereinigung der Arbeiter. Sie wird befördert durch die wachsenden Kommunikationsmittel, die von der großen Industrie erzeugt werden und die Arbeiter der ver­ schiedenen Lokalitäten miteinander in Verbindung setzen. Es bedarf aber bloß der Verbindung, um die vielen Lokalkämpfe von überall gleichem Charakter zu einem nationalen, zu einem Klassenkampfe zu zentralisieren. Jeder Klassenkampf aber ist ein politischer Kampf. Und die Vereinigung, zu der die Bürger des Mittelalters mit ihren Vizinalwegen Jahrhunderte bedurften, bringen die modernen Proletarier mit den Eisenbahnen in wenigen Jahren zustande. Diese Organisation der Proletarier zur Klasse, und damit zur poli­ tischen Partei, wird jeden Augenblick wieder gesprengt durch die Konkurrenz unter den Arbeitern selbst. Aber sie ersteht immer wieder,, stärker, fester, mächtiger. Sie erzwingt die Anerkennung einzelner Interessen der Arbeiter in Gesetzesform, indem sie die Spaltungen der Bourgeoisie unter sich benutzt. So die Zehnstundenbill in England. Die Kollisionen der alten Gesellschaft überhaupt fördern mannigfach den Entwicklungsgang des Proletariats. Die Bourgeoisie befindet sich in fortwährendem Kampfe: anfangs gegen die Aristokratie; später gegen Teile der Bourgeoisie selbst, deren Interessen mit dem Fortschritt der

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Industrie in Widerspruch geraten; stets gegen die Bourgeoisie aller aus­ wärtigen Länder. In allen diesen Kämpfen sieht sie sich genötigt, an das Proletariat zu appellieren, seine Hülfe in Anspruch zu nehmen und es so in die politische Bewegung hineinzureißen. Sie selbst führt also dem Proletariat ihre eigenen Bildungselemente, d.h. Waffen gegen sich selbst, zu. Es werden ferner, wie wir sahen, durch den Fortschritt der Industrie ganze Bestandteile der herrschenden Klasse ins Proletariat hinab­ geworfen oder wenigstens in ihren Lebensbedingungen bedroht. Auch sie führen dem Proletariat eine Masse Bildungselemente zu. In Zeiten endlich, wo der Klassenkampf sich der Entscheidung nähert, nimmt der Auflösungsprozeß innerhalb der herrschenden Klasse, inner­ halb der ganzen alten Gesellschaft, einen so heftigen, so grellen Charak­ ter an, daß ein kleiner Teil der herrschenden Klasse sich von ihr lossagt und sich der revolutionären Klasse anschließt, der Klasse, welche die Zukunft in ihren Händen trägt. Wie daher früher ein Teil des Adels zur Bourgeoisie überging, so geht jetzt ein Teil der Bourgeoisie zum Pro­ letariat über, und namentlich ein Teil der Bourgeoisideologen, welche zum theoretischen Verständnis der ganzen geschichtlichen Bewegung sich hinaufgearbeitet haben. Von allen Klassen, welche heutzutage der Bourgeoisie gegenüber­ stehen, ist nur das Proletariat eine wirklich revolutionäre Klasse. Die übrigen Klassen verkommen und gehen unter mit der großen Industrie, das Proletariat ist ihr eigenstes Produkt. Die Mittelstände, der kleine Industrielle, der kleine Kaufmann, der Handwerker, der Bauer, sie alle bekämpfen die Bourgeoisie, um ihre Existenz als Mittelstände vor dem Untergang zu sichern. Sie sind also nicht revolutionär, sondern konservativ. Noch mehr, sie sind reaktionär, denn sie suchen das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Sind sie revolutionär, so sind sie es im Hinblick auf den ihnen bevorstehenden Übergang ins Proletariat, so verteidigen sie nicht ihre gegenwärtigen, sondern ihre zukünftigen Interessen, so verlassen sie ihren eigenen Stand­ punkt, um sich auf den des Proletariats zu stellen. Das Lumpenproletariat, diese passive Verfaulung der untersten Schichten der alten Gesellschaft, wird durch eine proletarische Revo­ lution stellenweise in die Bewegung hineingeschleudert, seiner ganzen Lebenslage nach wird es bereitwilliger sein, sich zu reaktionären Um­ trieben erkaufen zu lassen. Die Lebensbedingungen der alten Gesellschaft sind schon vernichtet in den Lebensbedingungen des Proletariats. Der Proletarier ist eigen­ tumslos; sein Verhältnis zu Weib und Kindern hat nichts mehr gemein mit dem bürgerlichen Familienverhältnis; die moderne industrielle

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Arbeit, die moderne Unterjochung unter das Kapital, dieselbe in Eng­ land wie in Frankreich, in Amerika wie in Deutschland, hat ihm allen nationalen Charakter abgestreift. Die Gesetze, die Moral, die Reli­ gion sind für ihn ebenso viele bürgerliche Vorurteile, hinter denen sich ebenso viele bürgerliche Interessen verstecken. Alle früheren Klassen, die sich die Herrschaft eroberten, suchten ihre schon erworbene Lebensstellung zu sichern, indem sie die ganze Gesell­ schaft den Bedingungen ihres Erwerbs unterwarfen. Die Proletarier können sich die gesellschaftlichen Produktivkräfte nur erobern, indem sie ihre eigene bisherige Aneignungsweise und damit die ganze bisherige Aneignungsweise abschaffen. Die Proletarier haben nichts von dem Ihrigen zu sichern, sie haben alle bisherige Privatsicherheit und Privat­ versicherungen zu zerstören. Alle bisherigen Bewegungen waren Bewegungen von Minoritäten oder im Interesse von Minoritäten. Die proletarische Bewegung ist die selbständige Bewegung der ungeheuren Mehrzahl im Interesse der ungeheuren Mehrzahl. Das Proletariat, die unterste Schicht der jetzigen Gesellschaft, kann sich nicht erheben; nicht aufrichten, ohne daß der ganze Überbau der Schichten, die die offizielle Gesellschaft bilden, in die Luft gesprengt wird. Obgleich nicht dem Inhalt, ist der Form nach der Kampf des Pro­ letariats gegen die Bourgeoisie zunächst ein nationaler. Das Proletariat eines jeden Landes muß natürlich zuerst mit seiner eigenen Bourgeoisie fertig werden. Indem wir die allgemeinsten Phasen der Entwicklung des Proletariats zeichneten, verfolgten wir den mehr oder minder versteckten Bürger­ krieg innerhalb der bestehenden Gesellschaft bis zu dem Punkt, wo er in eine offene Revolution ausbricht und durch den gewaltsamen Sturz der Bourgeoisie das Proletariat seine Herrschaft begründet. Alle bisherige Gesellschaft beruhte, wie wir gesehen haben, auf dem Gegensatz unterdrückender und unterdrückter Klassen. Um aber eine Klasse unterdrücken zu können, müssen ihr Bedingungen gesichert sein, innerhalb derer sie wenigstens ihre knechtische Existenz fristen kann. Der Leibeigene hat sich zum Mitglied der Kommune in der Leib­ eigenschaft herangearbeitet wie der Kleinbürger zum Bourgeois unter dem Joch des feudalistischen Absolutismus. Der moderne Arbeiter da­ gegen, statt sich mit dem Fortschritt der Industrie zu heben, sinkt immer tiefer unter die Bedingungen seiner eignen Klasse herab. Der Arbeiter wird zum Pauper, und der Pauperismus entwickelt sich noch rascher als Bevölkerung und Reichtum. Es tritt hiermit offen hervor, daß die Bourgeoisie unfähig ist, noch länger die herrschende Klasse der Gesell­ schaft zu bleiben und die Lebensbedingungen ihrer Klasse der Gesell684

schäft als regelndes Gesetz aufzuzwingen. Sie ist unfähig zu herrschen, weil sie unfähig ist, ihrem Sklaven die Existenz selbst innerhalb seiner Sklaverei zu sichern, weil sie gezwungen ist, ihn in eine Lage herab­ sinken zu lassen, wo sie ihn ernähren muß, statt von ihm ernährt zu werden. Die Gesellschaft kann nicht mehr unter ihr leben," d.h., ihr Leben ist nicht mehr verträglich mit der Gesellschaft. Die wesentlichste Bedingung für die Existenz und für die Herrschaft der Bourgeoisklasse ist die Anhäufung des Reichtums in den Händen von Privaten, die Bildung und Vermehrung des Kapitals; die1 Bedingung des Kapitals ist die Lohnarbeit. Die Lohnarbeit beruht ausschließlich auf der Konkurrenz der Arbeiter unter sich. Der Fortschritt der Indu­ strie, dessen willenloser und widerstandsloser Träger die Bourgeoisie ist, setzt an die Stelle der Isolierung der Arbeiter durch die Konkurrenz ihre revolutionäre Vereinigung durch die Assoziation. Mit der Entwick­ lung der großen Industrie wird also unter den Füßen der Bourgeoisie die Grundlage selbst weggezogen, worauf sie produziert und die Pro­ dukte sich aneignet. Sie produziert vor allem ihre eigenen Totengräber. Ihr Untergang und der Sieg des Proletariats sind gleich unvermeidlich.

i

II

Proletarier und Kommunisten

In welchem Verhältnis stehen die Kommunisten zu den Proletariern überhaupt? Die Kommunisten sind keine besondere Partei gegenüber den andern Arbeiterparteien. Sie haben keine von den Interessen des ganzen Proletariats getrennten Interessen. Sie stellen keine besondern Prinzipien auf, wonach sie die proletari­ sche Bewegung modeln wollen. Die Kommunisten unterscheiden sich von den übrigen proletarischen Parteien nur dadurch, daß einerseits sie in den verschiedenen nationalen Kämpfen der Proletarier die gemeinsamen, von der Nationalität unab­ hängigen Interessen des gesamten Proletariats hervorheben und zur Geltung bringen, andrerseits dadurch, daß sie in den verschiedenen Ent­ wicklungsstufen, welche der Kampf zwischen Proletariat und Bourgeoi­ sie durchläuft, stets das Interesse der Gesamtbewegung vertreten. Die Kommunisten sind also praktisch der entschiedenste, immer weiter­ treibende Teil der Arbeiterparteien aller Länder; sie haben theoretisch vor der übrigen Masse des Proletariats die Einsicht in die Bedingungen, 1 A: Kapitals. Die

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den Gang und die allgemeinen Resultate der proletarischen Bewegung voraus. Der nächste Zweck der Kommunisten ist derselbe wie der aller übri­ gen proletarischen Parteien: Bildung des Proletariats zur Klasse, Sturz der Bourgeoisieherrschaft, Eroberung der politischen Macht durch das Proletariat. Die theoretischen Sätze der Kommunisten beruhen keineswegs auf Ideen, auf Prinzipien, die von diesem oder jenem Weltverbesserer er­ funden oder entdeckt sind. Sie sind nur allgemeine Ausdrücke tatsächlicher Verhältnisse eines existierenden Klassenkampfes, einer unter unsern Augen vor sich gehen­ den geschichtlichen Bewegung. Die Abschaffung bisheriger Eigentums­ verhältnisse ist nichts den Kommunismus eigentümlich Bezeichnendes. Alle Eigentumsverhältnisse waren einem beständigen geschichtlichen Wechsel, einer beständigen geschichtlichen Veränderung unterworfen. Die französische Revolution z.B. schaffte das Feudaleigentum zu­ gunsten des bürgerlichen ab. Was den Kommunismus auszeichnet, ist nicht die Abschaffung des Eigentums überhaupt, sondern die Abschaffung des bürgerlichen Eigentums. Aber das moderne bürgerliche Privateigentum ist der letzte und voll­ endetste Ausdruck der Erzeugung und Aneignung der Produkte, die auf Klassengegensätzen, die auf der Ausbeutung der einen durch die andern beruht. In diesem Sinn können die Kommunisten ihre Theorie in dem einen Ausdruck: Aufhebung des Privateigentums, zusammenfassen. Man hat uns Kommunisten vorgeworfen, wir wollten das persönlich erworbene, selbsterarbeitete Eigentum abschaffen; das Eigentum, wel­ ches die Grundlage aller persönlichen Freiheit, Tätigkeit und Selbstän­ digkeit bilde. Erarbeitetes, erworbenes, selbstverdientes Eigentum! Sprecht ihr von dem kleinbürgerlichen, kleinbäuerlichen Eigentum, welches dem bür­ gerlichen Eigentum vorherging? Wir brauchen es nicht abzuschaffen, die Entwicklung der Industrie hat es abgeschafft und schafft es täglich ab. Oder sprecht ihr vom modernen bürgerlichen Privateigentum? Schafft aber die Lohnarbeit, die Arbeit des Proletariers ihm Eigen­ tum? Keineswegs. Sie schafft das Kapital, d.h. das Eigentum, welches die Lohnarbeit ausbeutet, welches sich nur unter der Bedingung ver­ mehren kann, daß es neue Lohnarbeit erzeugt, um sie von neuem auszubcuten. Das Eigentum in seiner heutigen Gestalt bewegt sich in dem Gegensatz von Kapital und Lohnarbeit. Betrachten wir die beiden Seiten dieses Gegensatzes. Kapitalist sein heißt nicht nur eine rein 686

persönliche, sondern eine gesellschaftliche Stellung in der Produktion einnehmen. Das Kapital ist ein gemeinschaftliches Produkt und kann nur durch eine gemeinsame Tätigkeit vieler Mitglieder, ja in letzter Instanz nur durch die gemeinsame Tätigkeit aller Mitglieder der Gesellschaft in Bewegung gesetzt werden. Das Kapital ist also keine persönliche, es ist eine gesellschaftliche Macht. Wenn also das Kapital in gemeinschaftliches, allen Mitgliedern der Gesellschaft angehöriges Eigentum verwandelt wird, so verwandelt sich nicht persönliches Eigentum in gesellschaftliches. Nur der gesellschaft­ liche Charakter des Eigentums verwandelt sich. Es verliert seinen Klas­ sencharakter. Kommen wir zur Lohnarbeit. Der Durchschnittspreis der Lohnarbeit ist das Minimum des Arbeits­ lohnes, d.h. die Summe der Lebensmittel, die notwendig sind, um den Arbeiter als Arbeiter am Leben zu erhalten. Was also der Lohnarbeiter durch seine Tätigkeit sich aneignet, reicht bloß dazu hin, um sein nack­ tes Leben wieder zu erzeugen. Wir wollen diese persönliche Aneignung der Arbeitsprodukte zur Wiedererzeugung des unmittelbaren Lebens keineswegs abschaffen, eine Aneignung, die keinen Reinertrag übrig­ läßt, der Macht über fremde Arbeit geben könnte. Wir wollen nur den elenden Charakter dieser Aneignung aufheben, worin der Arbeiter nur lebt, um das Kapital zu vermehren, nur soweit lebt, wie es das Interesse der herrschenden Klasse erheischt. In der bürgerlichen Gesellschaft ist die lebendige Arbeit nur ein Mittel, die aufgehäufte Arbeit zu vermehren. In der kommunistischen Gesellschaft ist die aufgehäufte Arbeit nur ein Mittel, um den Lebens­ prozeß der Arbeiter zu erweitern, zu bereichern, zu befördern. In der bürgerlichen Gesellschaft herrscht also die Vergangenheit über die Gegenwart, in der kommunistischen die Gegenwart über die Ver­ gangenheit. In der bürgerlichen Gesellschaft ist das Kapital selbständig und persönlich, während das tätige Individuum unselbständig und unper­ sönlich ist. Und die Aufhebung dieses Verhältnisses nennt die Bourgeoisie Auf­ hebung der Persönlichkeit und Freiheit! Und mit Recht. Es handelt sich allerdings um die Aufhebung der Bourgeois-Persönlichkeit,-Selbständig­ keit und -Freiheit. Unter Freiheit versteht man innerhalb der jetzigen bürgerlichen Pro­ duktionsverhältnisse den freien Handel, den freien Kauf und Verkauf. Fällt aber der Schacher, so fällt auch der freie Schacher. Die Redens­ arten vom freien Schacher, wie alle übrigen Freiheitsbravaden unserer 687

II

Bourgeoisie1, haben überhaupt nur einen Sinn gegenüber dem gebunde­ nen Schacher, gegenüber dem geknechteten Bürger des Mittelalters, nicht aber gegenüber der kommunistischen Aufhebung des Schachers, der bürgerlichen Produktionsverhältnisse und der Bourgeoisie selbst. Ihr entsetzt euch darüber, daß wir das Privateigentum aufheben wol­ len. Aber in eurer bestehenden Gesellschaft ist das Privateigentum für neun Zehntel ihrer Mitglieder aufgehoben; es existiert gerade dadurch, daß es für 9 Zehntel nicht existiert. Ihr werft uns also vor, daß wir ein Eigentum aufheben wollen, welches die Eigentumslosigkeit der ungeheu­ ren Mehrzahl der Gesellschaft als notwendige Bedingung voraussetzt. Ihr werft uns mit einem Wort vor, daß wir euer Eigentum aufheben wollen. Allerdings, das wollen wir. Von dem Augenblick an, wo die Arbeit nicht mehr in Kapital, Geld, Grundrente, kurz, in eine monopolisierbare gesellschaftliche Macht verwandelt werden kann, d.h. von dem Augenblick, wo das persönliche Eigentum nicht mehr in bürgerliches umschlagen kann, von dem Augen­ blick an erklärt ihr, die Person sei aufgehoben. Ihr gesteht also, daß ihr unter der Person niemanden anders versteht als den Bourgeois, den bürgerlichen Eigentümer. Und diese Person soll allerdings aufgehoben werden. Der Kommunismus nimmt keinem die Macht, sich gesellschaftliche Produkte anzueignen, er nimmt nur die Macht, sich durch diese An­ eignung fremde Arbeit zu unterjochen. Man hat eingewendet, mit der Aufhebung des Privateigentums werde alle Tätigkeit aufhören und eine allgemeine Faulheit einreißen. Hiernach müßte die bürgerliche Gesellschaft längst an der Trägheit zugrunde gegangen sein; denn die in ihr arbeiten, erwerben nicht, und die in ihr erwerben, arbeiten nicht. Das ganze Bedenken läuft auf die Tautologie hinaus, daß es keine Lohnarbeit mehr gibt, sobald es kein Kapital mehr gibt. Alle Einwürfe, die gegen die kommunistische Aneignungs- und Pro­ duktionsweise der materiellen Produkte gerichtet werden, sind ebenso auf die Aneignung und Produktion der geistigen Produkte ausgedehnt worden. Wie für den Bourgeois das Aufhören des Klasseneigentums das Aufhören der Produktion selbst ist, so ist für ihn das Aufhören der Klassenbildung identisch mit dem Aufhören der Bildung überhaupt. Die Bildung, deren Verlust er bedauert, ist für die enorme Mehrzahl die Heranbildung zur Maschine. Aber streitet nicht mit uns, indem ihr an euren bürgerlichen Vorstel­ lungen von Freiheit, Bildung, Recht usw. die Abschaffung des bürger­ lichen Eigentums meßt. Eure Ideen selbst sind Erzeugnisse der bürger1 A: Bourgeois

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liehen Produktions- und Eigentumsverhältnisse, wie euer Recht nur der zum Gesetz erhobene Wille eurer Klasse ist, ein Wille, dessen Inhalt gegeben ist in den materiellen Lebensbedingungen eurer Klasse. Die interessierte Vorstellung, worin ihr eure Produktions- und Eigen­ tumsverhältnisse aus geschichtlichen, in dem Lauf der Produktion vor­ übergehenden Verhältnissen in ewige Natur- und Vernunftgesetze ver­ wandelt, teilt ihr mit allen untergegangenen herrschenden Klassen. Was ihr für das antike Eigentum begreift, was ihr für das feudale Eigentum begreift, dürft ihr nicht mehr begreifen für das bürgerliche Eigentum. Aufhebung der Familie! Selbst die Radikalsten ereifern sich über diese schändliche Absicht der Kommunisten. Worauf beruht die gegenwärtige, die bürgerliche Familie? Auf dem Kapital, auf dem Privaterwerb. Vollständig entwickelt existiert sie nur für die Bourgeoisie; aber sie findet ihre Ergänzung in der erzwungenen Familienlosigkeit der Proletarier und der öffentlichen Prostitution. Die Familie des Bourgeois fällt natürlich weg mit dem Wegfällen die­ ser ihrer Ergänzung, und beide verschwinden mit dem Verschwinden des Kapitals. Werft ihr uns vor, daß wir die Ausbeutung der Kinder durch ihre Eltern aufheben wollen? Wir gestehen dieses1 Verbrechen ein. Aber, sagt ihr, wir heben die trautesten Verhältnisse auf, indem wir an die Stelle der häuslichen Erziehung die gesellschaftliche setzen. Und ist nicht auch eure Erziehung durch die Gesellschaft bestimmt? Durch die gesellschaftlichen Verhältnisse, innerhalb derer ihr erzieht, durch die direktere oder indirektere Einmischung der Gesellschaft, ver­ mittelst der Schule usw.? Die Kommunisten erfinden nicht die Einwirkung der Gesellschaft auf die Erziehung; sie verändern nur ihren Charakter, sie entreißen die Erziehung dem Einfluß der2 herrschenden Klasse. Die bürgerlichen Redensarten über Familie und Erziehung, über das traute Verhältnis von Eltern und Kindern werden um so ekelhafter, je mehr infolge der großen Industrie alle Familienbande für die Proleta­ rier zerrissen und die Kinder in einfache Handelsartikel und Arbeits­ instrumente verwandelt werden. Aber ihr Kommunisten wollt die Weibergemeinschaft einführen, schreit uns die ganze Bourgeoisie im Chor entgegen. Der Bourgeois sieht in seiner Frau ein bloßes Produktionsinstrument. Er hört, daß die Produktionsinstrumente gemeinschaftlich ausgebeutet werden sollen, und kann sich natürlich nichtfs] anders denken, als daß das Los der Gemeinschaftlichkeit die Weiber gleichfalls treffen wird. Er ahnt nicht, daß es sich eben darum handelt, die Stellung der Wei­ ber als bloßer Produktionsinstrumente aufzuheben. 1 A: dies - 2 A: einer 44

Bund

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Übrigens ist nichts lächerlicher als das hochmoralische Entsetzen unsrer Bourgeois über die angebliche offizielle Weibergemeinschaft der Kommunisten. Die Kommunisten brauchen die Weibergemeinschaft nicht einzuführen, sie hat fast immer existiert. Unsre Bourgeois, nicht zufrieden damit, daß ihnen die Weiber und Töchter ihrer Proletarier zur Verfügung stehen, von der offiziellen Prostitution gar nicht zu sprechen, finden ein Haupt vergnügen darin, ihre Ehefrauen wechselseitig zu verführen. Die bürgerliche Ehe ist in Wirklichkeit die Gemeinschaft der Ehe­ frauen. Man könnte höchstens den Kommunisten vorwerfen, daß sie an der Stelle einer heuchlerisch versteckten eine offizielle, offenherzige Weibergemeinschaft einführen wollten1. Es versteht sich übrigens von selbst, daß mit Aufhebung der jetzigen Produktionsverhältnisse auch die aus ihnen hervorgehende Weibergemeinschaft, d.h. die offizielle und nichtoffizielle Prostitution, verschwindet. Den Kommunisten ist ferner vorgeworfen worden, sie wollten das Vaterland, die Nationalität abschaffen. Die Arbeiter haben kein Vaterland. Man kann ihnen nicht nehmen, was sie nicht haben. Indem das Proletariat zunächst sich die politische Herrschaft erobern, sich zur nationalen Klasse erheben, sich selbst als Nation konstituieren muß, ist es selbst noch national, wenn auch keines­ wegs im Sinne der Bourgeoisie. Die nationalen Absonderungen und Gegensätze der Völker ver­ schwinden mehr und mehr schon mit der Entwicklung der Bourgeoisie, mit der Handelsfreiheit, dem Weltmarkt, der Gleichförmigkeit der industriellen Produktion und der ihr entsprechenden Lebensverhältnisse. Die Herrschaft des Proletariats wird sie noch mehr verschwinden machen. Vereinigte Aktion, wenigstens der zivilisierten Länder, ist2 eine der ersten Bedingungen seiner Befreiung. In dem Maße, wie die Exploitation des einen Individuums durch das andere aufgehoben wird, wird die Exploitation einer Nation durch die andere aufgehoben. Mit dem Gegensatz der Klassen im Innern der Nation3 fällt die feind­ liche Stellung der Nationen gegeneinander. Die Anklagen gegen den Kommunismus, die von religiösen, philo­ sophischen und ideologischen Gesichtspunkten überhaupt erhoben wer­ den, verdienen keine ausführlichere Erörterung. Bedarf es tiefer Einsicht, um zu begreifen, daß mit den Lebensverhält­ nissen der Menschen, mit ihren gesellschaftlichen Beziehungen, mit ihrem gesellschaftlichen Dasein auch ihre Vorstellungen, Anschauungen und Begriffe, mit einem Worte auch ihr Bewußtsein sich ändert? 1 A: wollen - 2 A: Aktion wenigstens der zivilisierten Länder ist - 3 A; Nationen

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Was beweist die Geschichte der Ideen anders, als daß die geistige Produktion sich mit der materiellen umgestaltet? Die1 herrschenden Ideen einer Zeit waren stets nur die Ideen der herrschenden Klasse. Man spricht von Ideen, welche eine ganze Gesellschaft revolutionie­ ren; man spricht damit nur die Tatsache aus, daß sich innerhalb der alten Gesellschaft die Elemente einer neuen gebildet haben, daß mit der Auflösung der alten Lebensverhältnisse die Auflösung der alten Ideen gleichen Schritt hält. Als die alte Welt im Untergehen begriffen war, wurden die alten Religionen von der christlichen Religion besiegt. Als die christlichen Ideen im 18. Jahrhundert den Aufklärungsideen unterlagen, rang die feudale Gesellschaft ihren Todeskampf mit der damals revolutionären Bourgeoisie. Die Ideen der Gewissens- und Religionsfreiheit sprachen nur die Herrschaft der freien Konkurrenz auf dem Gebiete des Gewissens aus. Aber, wird man sagen, religiöse, moralische, philosophische, poli­ tische, rechtliche Ideen usw. modifizierten sich allerdings im Lauf der geschichtlichen Entwicklung. Die Religion, die Moral, die Philosophie, die Politik, das Recht erhielten sich stets in diesem Wechsel. Es gibt zudem ewige Wahrheiten, wie2 Freiheit, Gerechtigkeit usw., die allen gesellschaftlichen Zuständen gemeinsam sind. Der Kommu­ nismus aber schafft die ewigen Wahrheiten ab, er schafft die Religion ab, die Moral, statt sie neu zu gestalten, er widerspricht also allen bis­ herigen geschichtlichen Entwickelungen. Worauf reduziert sich diese Anklage? Die Geschichte der ganzen bis­ herigen Gesellschaft bewegte sich in Klassengegensätzen, die in den ver­ schiedenen Epochen verschieden gestaltet waren. Welche Form sie aber auch immer angenommen, die Ausbeutung des einen Teils der Gesellschaft durch den andern ist eine allen vergangenen Jahrhunderten gemeinsame Tatsache. Kein Wunder daher, daß das gesellschaftliche Bewußtsein aller Jahrhunderte, aller Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit zum Trotz, in gewissen gemeinsamen Formen sich bewegt, Formen, Bewußtseinsformen, die nur mit dem gänzlichen Ver­ schwinden des Klassengegensatzes sich vollständig auflösen. Die kommunistische Revolution ist das radikalste Brechen mit den über­ lieferten Eigentumsverhältnissen; kein Wunder, daß in ihrem Entwick­ lungsgänge am radikalsten mit den überlieferten Ideen gebrochen wird. Doch lassen wir die Einwürfe der Bourgeoisie gegen den Kommunis­ mus. Wir sahen schon oben, daß der erste Schritt in der Arbeiterrevolution die Erhebung des Proletariats zur herrschenden Klasse, die Erkämpfung der Demokratie ist. 1 A: umgestaltet. Die - 2 A: Wahrheiten wie 44*

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1

Das Proletariat wird seine politische Herrschaft dazu benutzen, der Bourgeoisie nach und nach alles Kapital zu entreißen, alle Produktions­ instrumente in den Händen des Staats, d.h. des als herrschende Klasse organisierten Proletariats, zu zentralisieren und die Masse der Produk­ tionskräfte möglichst rasch zu vermehren. Es kann dies natürlich zunächst nur geschehen vermittelst despo­ tischer Eingriffe in das Eigentumsrecht und in die bürgerlichen Pro­ duktionsverhältnisse, durch Maßregeln also, die ökonomisch unzu­ reichend und unhaltbar erscheinen, die aber im Lauf der Bewegung über sich selbst hinaustreiben und als Mittel zur Umwälzung der ganzen Produktionsweise unvermeidlich sind. Diese Maßregeln werden natürlich je nach den verschiedenen Ländern verschieden sein. Für die fortgeschrittensten Länder werden jedoch die folgenden ziem­ lich allgemein in Anwendung kommen können: 1. Expropriation des Grundeigentums und Verwendung der Grund­ rente zu Staatsausgaben. 2. Starke Progressivsteuer. 3. Abschaffung des Erbrechts. 4. Konfiskation des Eigentums aller Emigranten und Rebellen. 5. Zentralisation des Kredits in den Händen des Staats durch eine Nationalbank mit Staatskapital und ausschließlichem Monopol. 6. Zentralisation alles Transportwesens in den Händen des Staats. 7. Vermehrung der Nationalfabriken, Produktionsinstrumente, Ur­ barmachung und Verbesserung der Ländereien nach einem gemeinschaft­ lichen Plan. 8. Gleicher Arbeitszwang für alle, Errichtung industrieller Armeen, besonders für den Ackerbau. 9. Vereinigung des Betriebs von Ackerbau und Industrie, Hinwirken auf die allmähliche Beseitigung des Gegensatzes von Stadt und Land. 10. öffentliche und unentgeltliche Erziehung aller Kinder, Beseiti­ gung der Fabrikarbeit der Kinder in ihrer heutigen Form. Vereinigung der Erziehung mit der materiellen Produktion usw. usw. Sind im Laufe der Entwicklung die Klassenunterschiede verschwun­ den und ist alle Produktion in den Händen der assoziierten Individuen konzentriert, so verliert die öffentliche Gewalt den politischenCharakter. Die politische Gewalt im eigentlichen Sinn ist die organisierte Gewalt einer Klasse zur Unterdrückung einer andern. Wenn das Proletariat im Kampfe gegen die Bourgeoisie sich notwendig zur Klasse vereint, durch eine Revolution sich zur herrschenden Klasse macht und als herrschende Klasse gewaltsam die alten Produktionsverhältnisse aufhebt, so hebt es mit diesen Produktionsverhältnissen die Existerizbedingungen des

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Klassengegensatzes, der1 Klassen überhaupt, und damit seine eigene Herrschaft als Klasse auf. An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt eine Assoziation, worin die freie Entwick­ lung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist.

III Sozialistische und kommunistische Literatur

1. Der reaktionäre Sozialismus d) Der feudale Sozialismus

Die französische und englische Aristokratie war ihrer geschichtlichen Stellung nach dazu berufen, Pamphlete gegen die moderne bürgerliche Gesellschaft zu schreiben. In der französischen Julirevolution von 1830, in der englischen Reformbewegung war sie noch einmal dem verhaßten Emporkömmling erlegen. Von einem ernsten politischen Kampfe konnte nicht mehr die Rede sein. Nur der literarische Kampf blieb ihr übrig. Aber auch auf dem Gebiete der Literatur waren die alten Redensarten der Restaurationszeit unmöglich geworden. Um Sympathie zu erregen, mußte die Aristokratie scheinbar ihre Interessen aus den Augen ver­ lieren und nur im2 Interesse der exploitierten Arbeiterklasse ihren An­ klageakt gegen die Bourgeoisie formulieren. Sie bereitete so3 die Genugtuung vor, Schmählieder auf ihren neuen Herrscher singen und mehr oder minder unheilschwangere Prophezeiungen ihm ins Ohr raunen zu dürfen. Auf diese Art entstand der feudalistische Sozialismus, halb Klagelied, halb Pasquill, halb Rückhall der Vergangenheit, halb Dräuen der Zu­ kunft, mitunter die Bourgeoisie ins Herz treffend durch bittres, geist­ reich zerreißendes Urteil, stets komisch wirkend durch gänzliche Unfähigkeit, den Gang der modernen Geschichte zu begreifen. Den proletarischen Bettlersack schwenkten sie als Fahne in der Hand, um das Volk hinter sich her zu versammeln. Sooft es ihnen aber folgte, erblickte es auf ihrem Hintern die alten feudalen Wappen und verlief sich mit lautem und unehrerbietigem Gelächter. Ein Teil der französischen Legitimisten und das Junge England gaben dies Schauspiel zum besten. Wenn die Feudalen beweisen, daß ihre Weise der Ausbeutung anders gestaltet war als die bürgerliche Ausbeutung, so vergessen sie nur, daß sie unter gänzlich verschiedenen und jetzt überlebten Umständen und 1 A: Klassengegensatzes der — 2 A' nur noch im ~ 3 A: bereitete sich so

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Bedingungen ausbeuteten. Wenn sie nachweisen, daß unter ihrer Herr­ schaft nicht das moderne Proletariat existiert hat, so vergessen sie nur, daß eben die moderne Bourgeoisie ein notwendiger Sprößling ihrer Gesellschaftsordnung war. Übrigens verheimlichen sie den reaktionären Charakter ihrer Kritik so wenig, daß ihre Hauptanklage gegen die Bourgeoisie eben darin be­ steht, unter ihrem Regime entwickle sich eine Klasse, welche die ganze alte Gesellschaftsordnung in die Luft sprengen werde. Sie werfen der Bourgeoisie mehr noch vor, daß sie ein revolutionäres Proletariat, als daß sie überhaupt ein Proletariat erzeugt. In der politischen Praxis nehmen sie daher an allen Gewaltmaß­ regeln gegen die Arbeiterklasse teil, und im gewöhnlichen Leben be­ quemen sie sich, allen ihren aufgeblähten Redensarten zum Trotz1 die goldenen Äpfel aufzulesen und Treue, Liebe, Ehre mit dem Schacher in Schafswolle, Runkelrüben und Schnaps zu vertauschen. Wie der Pfaffe immer Hand in Hand ging mit dem Feudalen, so der pfäffische Sozialismus mit dem feudalistischen. Nichts leichter, als dem christlichen Asketismus einen sozialistischen Anstrich zu geben. Hat das Christentum nicht auch gegen das Privat­ eigentum, gegen die Ehe, gegen den Staat geeifert? Hat es nicht die Wohltätigkeit und den Bettel, das Zölibat und die Fleischesertötung, das Zellenleben und die Kirche an ihrer Stelle gepredigt? Der heutige2 Sozialismus ist nur das Weihwasser, womit der Pfaffe den Ärger des Aristokraten einsegnet.

b) Kleinbürgerlicher Sozialismus Die feudale Aristokratie ist nicht die einzige Klasse, welche durch die Bourgeoisie gestürzt wurde, deren Lebensbedingungen in der modernen bürgerlichen Gesellschaft verkümmerten und abstarben. Das mittel­ alterliche Pfahlbürgertum und der kleine Bauernstand waren die Vor­ läufer der modernen Bourgeoisie. In den weniger industriell und kom­ merziell entwickelten Ländern vegetiert diese Klasse noch fort neben der aufkommenden Bourgeoisie. In den Ländern, wo sich die moderne Zivilisation entwickelt hat, hat sich eine neue Kleinbürgerschaft gebildet, die zwischen dem Proletariat und der Bourgeoisie schwebt und als ergänzender Teil der bürgerlichen Gesellschaft stets von neuem sich bildet, deren Mitglieder aber bestän­ dig durch die Konkurrenz ins Proletariat hinabgeschleudert werden, ja 1 A: Trotz, die — 2 A: heilige - worauf Irrtümlich In „heutige“ korrigiert; was la späteren Auflagen verbessert in: christliche- richtig Jedoch wahrscheinlich: heilige - so auch Im Teilabdruck des Manifeste. In: Neue Rheinische Zeitung. Politisch-ökonomische Revue. 5.16. Heft. Nachdruck hrsg. von Karl Blttel, Berlin 1965, S.287.

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selbst mit der Entwicklung der großen Industrie einen Zeitpunkt heran­ nahen sehen, wo sie als selbständiger Teil der modernen Gesellschaft gänzlich verschwinden und im Handel, in der Manufaktur, in der Agri­ kultur durch Arbeitsaufseher und Domestiken ersetzt werden. In Ländern wie in Frankreich, wo die Bauernklasse weit mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausmacht, war es natürlich, daß Schriftsteller, die für das Proletariat gegen die Bourgeoisie auftraten, an ihre Kritik des Bourgeoisregimes den kleinbürgerlichen und kleinbäuerlichen Maßstab anlegten und die Partei der Arbeiter vom Standpunkt des Kleinbürgertums ergriffen. Es bildete sich so der kleinbürgerliche Sozialismus. Sismondi ist das Haupt dieser Literatur nicht nur für Frankreich, sondern auch für England. Dieser Sozialismus zergliederte höchst scharfsinnig die Widersprüche in den modernen Produktionsverhältnissen. Er enthüllte die gleisneri­ schen Beschönigungen der Ökonomen. Er wies unwiderleglich die zer­ störenden Wirkungen der Maschinerie und der Teilung der Arbeit nach, die Konzentration der Kapitalien und des Grundbesitzes, die Überproduktion, die Krisen, den notwendigen Untergang der kleinen Bürger und Bauern, das Elend des Proletariats, die Anarchie in der Produktion, die schreienden Mißverhältnisse in der Verteilung des Reichtums, den industriellen Vernichtungskrieg der Nationen unter­ einander, die Auflösung der alten Sitten, der alten Familienverhält­ nisse, der alten Nationalitäten. x Seinem positiven Gehalte nach will jedoch dieser Sozialismus ent­ weder die alten Produktions- und Verkehrsmittel wiederherstellen und mit ihnen die alten Eigentumsverhältnisse und die alte Gesellschaft, oder er will die modernen Produktions- und Verkehrsmittel in den Rahmen der alten Eigentumsverhältnisse, die von ihnen gesprengt wurden, gesprengt werden mußten, gewaltsam wieder einsperren. In beiden Fällen ist er reaktionär und utopistisch zugleich. Zunftwesen in der Manufaktur und patriarchalische Wirtschaft auf dem Lande, das sind seine letzten Worte. In ihrer weitern Entwicklung hat sich diese Richtung in einen feigen Katzenjammer verlaufen. c) Der deutsche oder der wahre Sozialismus



Die sozialistische und kommunistische Literatur Frankreichs, die unter dem Druck einer herrschenden Bourgeoisie entstand und der literarische Ausdruck des Kampfes gegen diese Herrschaft ist, wurde nach Deutschland eingeführt zu einer Zeit, wo die Bourgeoisie soeben ihren Kampf gegen den feudalen Absolutismus begann. 695

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Deutsche Philosophen, Halbphilosophen und Schöngeister bemäch­ tigten sich gierig dieser Literatur und vergaßen nur, daß bei der Ein­ wanderung jener Schriften aus Frankreich die französischen Lebens­ verhältnisse nicht gleichzeitig nach Deutschland eingewandert waren. Den deutschen Verhältnissen gegenüber verlor die französische Litera­ tur alle unmittelbar praktische Bedeutung und nahm ein rein literarisches Aussehen an. Als müßige Spekulation über die wahre Gesellschaft, über die Verwirklichung des menschlichen Wesens mußte sie erscheinen. So hatten für die deutschen Philosophen des 18. Jahrhunderts die Forderun­ gen der ersten französischen Revolution nur den Sinn, Forderungen der „praktischen Vernunft“ im allgemeinen zu sein, und die Willensäuße­ rungen1 der revolutionären französischen Bourgeoisie bedeuteten in ihren Augen die Gesetze des reinen Willens, des Willens, wie er sein muß, des wahrhaft menschlichen Willens. Die ausschließliche Arbeit der deutschen Literaten bestand darin, die neuen französischen Ideen mit ihrem alten philosophischen Gewissen in Einklang zu setzen oder vielmehr von ihrem philosophischen Stand­ punkt aus die französischen Ideen sich anzueignen. Diese Aneignung geschah in derselben Weise, wodurch man sich überhaupt eine fremde Sprache aneignet, durch die Übersetzung. Es ist bekannt, wie die Mönche Manuskripte, worauf die klassischen Werke der alten Heidenzeit verzeichnet waren, mit abgeschmackten katholischen Heiligengeschichten überschrieben. Die deutschen Litera­ ten gingen umgekehrt mit der profanen französischen Literatur um. Sie schrieben ihren philosophischen Unsinn hinter das französische Ori­ ginal. Z. B. hinter die französische Kritik der Geldverhältnisse schrieben sie „Entäußerung des menschlichen Wesens“, hinter die französische Kritik des Bourgeoisstaates schrieben sie „Aufhebung der Herrschaft des abstrakt Allgemeinen“ usw. Diese Unterschiebung ihrer philosophischen Redensarten unter die französischen Entwicklungen tauften sie „Philosophie der Tat“, „wahrer Sozialismus“, „deutsche Wissenschaft des Sozialismus“, „philosophische Begründung des Sozialismus“ usw. Die französische sozialistisch-kommunistische Literatur wurde so förmlich entmannt. Und da sie in der Hand des Deutschen aufhörte, den Kampf einer Klasse gegen die andere auszudrücken, so war der Deutsche sich bewußt, die „französische Einseitigkeit“ überwunden, statt wahrer Bedürfnisse das Bedürfnis der Wahrheit und statt der Interessen des Proletariers die Interessen des menschlichen Wesens, des Menschen überhaupt vertreten zu haben, des Menschen, der keiner Klasse, der 1 A: Willensäußerung

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überhaupt nicht der Wirklichkeit, der nur dem Dunsthimmel der philo­ sophischen Phantasie angehört. Dieser deutsche Sozialismus, der seine unbeholfenen Schulübungen so ernst und feierlich nahm und so marktschreierisch ausposaunte, ver­ lor indes nach und nach seine pedantische Unschuld. Der Kampf der deutschen, namentlich der preußischen Bourgeoisie gegen die Feudalen und das absolute Königtum, mit einem Wort, die liberale Bewegung wurde ernsthafter. Dem wahren Sozialismus war so erwünschte Gelegenheit geboten, der politischen Bewegung die sozialistischen Forderungen gegenüber­ zustellen, die überlieferten Anatheme gegen den Liberalismus, gegen den Repräsentativstaat, gegen die bürgerliche Konkurrenz, bürgerliche Preßfreiheit, bürgerliches Recht, bürgerliche Freiheit und Gleichheit zu schleudern und der Volksmasse vorzupredigen, wie sie bei dieser bürgerlichen Bewegung nichts zu gewinnen, vielmehr alles zu verlieren habe. Der deutsche Sozialismus vergaß rechtzeitig, daß die französische Kritik, deren geistloses Echo er war, die moderne bürgerliche Gesell­ schaft mit den entsprechenden materiellen Lebensbedingungen und der angemessenen politischen Konstitution voraussetzt, lauter Voraus­ setzungen, um deren Erkämpfung es sich erst in Deutschland handelte. Er diente den deutschen absoluten Regierungen mit ihrem Gefolge von Pfaffen, Schulmeistern, Krautjunkern und Bürokraten als er­ wünschte Vogelscheuche gegen die drohend aufstrebende Bourgeoisie. Er bildete die süßliche Ergänzung zu den bittern Peitschenhieben und Flintenkugeln, womit dieselben Regierungen die deutschen Arbeiter­ aufstände bearbeiteten. Ward der wahre Sozialismus dergestalt eine Waffe in der Hand der Regierungen gegen die deutsche Bourgeoisie, so vertrat er auch unmit­ telbar ein reaktionäres Interesse, das Interesse der deutschen Pfahl­ bürgerschaft. In Deutschland bildet das vom sechzehnten Jahrhundert her überlieferte und seit der Zeit in verschiedener Form hier immer neu wieder auftauchende Kleinbürgertum die eigentliche gesellschaftliche Grundlage der bestehenden Zustände. Seine Erhaltung ist die Erhaltung der bestehenden deutschen Zu­ stände. Von der industriellen und politischen Herrschaft der Bour­ geoisie fürchtet es den sichern Untergang, einerseits infolge der Kon­ zentration des Kapitals, anderseits durch das Aufkommen eines revo­ lutionären Proletariats. Der wahre Sozialismus schien ihm beide Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Er verbreitete sich wie eine Epidemie. Das Gewand, gewirkt aus spekulativem Spinnweb, überstickt mit schöngeistigen Redeblumen, durchtränkt von liebesschwülem Gemüts-

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tau, dies überschwengliche Gewand, worin die deutschen Sozialisten ihre paar knöchernen „ewigen Wahrheiten“ einhüllten, vermehrte nur den Absatz ihrer Ware bei diesem Publikum. Seinerseits erkannte der deutsche Sozialismus immer mehr seinen Beruf, der hochtrabende Vertreter dieser Pfahlbürgerschaft zu sein. Er proklamierte die deutsche Nation als die normale Nation und den deutschen Spießbürger als den Normalmenschen. Er gab jeder Nieder­ tracht desselben einen verborgenen, höheren, sozialistischen1 Sinn, worin sie ihr Gegenteil bedeutete. Er zog die letzte Konsequenz, indem er direkt gegen die „rohdestruktive“ Richtung des Kommunismus auf­ trat und seine unparteiische Erhabenheit über alle Klassenkämpfe ver­ kündete. Mit sehr wenigen Ausnahmen gehört alles, was in Deutsch­ land von angeblich sozialistischen und kommunistischen Schriften zir­ kuliert, in den Bereich dieser schmutzigen, entnervenden Literatur. 2. Der konservative oder Bourgeoissozialismus

Ein Teil der Bourgeoisie wünscht den sozialen Mißständen abzu­ helfen, um den Bestand der bürgerlichen Gesellschaft zu sichern. Es gehören hierher: Ökonomisten, Philanthropen, Humanitäre, Ver­ besserer der Lage der arbeitenden Klassen, Wohltätigkeitsorganisierer, Abschaffer der Tierquälerei, Mäßigkeitsvereinsstifter, Winkelreformer der buntscheckigsten Art. Und auch zu ganzen Systemen ist dieser Bourgeoissozialismus ausgearbeitet worden. Als Beispiel führen wir Proudhons „Philosophie de la misere“ an. Die sozialistischen Bourgeois wollen die Lebensbedingungen der modernen Gesellschaft ohne die notwendig daraus hervorgehenden Kämpfe und Gefahren. Sie wollen die bestehende Gesellschaft mit Ab­ zug der sie revolutionierenden und sie auflösenden Elemente. Sie wollen die Bourgeoisie ohne das Proletariat. Die Bourgeoisie stellt sich die Welt, worin sie herrscht, natürlich als die beste Welt vor. Der Bour­ geoissozialismus arbeitet diese tröstliche Vorstellung zu einem halben oder ganzen System aus. Wenn er das Proletariat auffordert, seine Systeme zu verwirklichen, um in das neue Jerusalem einzugehen, so verlangt er im Grunde nur, daß es in der jetzigen Gesellschaft stehen­ bleibe, aber seine gehässigen Vorstellungen von derselben abstreife. Eine zweite, weniger systematische und mehr praktische Form d[ies]es Sozialismus suchte der Arbeiterklasse jede revolutionäre Be­ wegung zu verleiden durch den Nachweis, wie nicht diese oder jene politische Veränderung, sondern nur eine Veränderung der materiellen Lebensverhältnisse, der ökonomischen Verhältnisse ihr von Nutzen sein 1 A: verborgenen höheren sozialistischen

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könne. Unter Veränderung der materiellen Lebensverhältnisse versteht dieser Sozialismus aber keineswegs Abschaffung der bürgerlichen Produktionsverhältnisse, die nur auf revolutionärem Wege möglich ist, sondern administrative Verbesserungen, die auf dem Boden dieser Produktionsverhältnisse vor sich gehen, also an dem Verhältnis von Kapital und Lohnarbeit nichts ändern, sondern im besten Fall der Bourgeoisie die Kosten ihrer Herrschaft vermindern und ihren Staats­ haushalt vereinfachen. Seinen entsprechenden Ausdruck erreicht der Bourgeoissozialismus erst da, wo er zur bloßen rednerischen Figur wird. Freier Handel! im Interesse der arbeitenden Klasse; Schutzzölle! im Interesse der arbeitenden Klasse; Zellengefängnisse! im Interesse der arbeitenden Klasse, das ist das letzte, das einzige1 ernstgemeinte Wort des Bourgeoissozialismus. Ihr Sozialismus besteht eben in der Behauptung, daß die Bourgeois Bourgeois sind - im Interesse der arbeitenden Klasse.

3. Der kritisch-utopistische Sozialismus und Kommunismus Wir reden hier nicht von der Literatur, die in allen großen modernen Revolutionen die Forderungen des Proletariats aussprach. (Schriften Babeufs usw.) Die ersten Versuche des Proletariats, in einer Zeit allgemeiner Auf­ regung, in der Periode des Umsturzes der feudalen Gesellschaft direkt sein eigenes Klasseninteresse durchzusetzen, scheiterten notwendig an der unentwickelten Gestalt des Proletariats selbst wie an dem Mangel der materiellen Bedingungen seiner Befreiung, die eben erst das Produkt der bürgerlichen Epoche sind. Die revolutionäre Literatur, welche diese ersten Bewegungen des Proletariats begleitete, ist dem Inhalt nach notwendig reaktionär. Sie lehrt einen allgemeinen Asketismus und eine rohe Gleichmacherei. Die eigentlich sozialistischen und kommunistischen Systeme, die Systeme St. Simons, Fouriers, Owens usw. tauchen auf in der ersten, unent­ wickelten Periode des Kampfs zwischen Proletariat und Bourgeoisie, die wir oben dargestellt haben. (S[iehe] Bourgeoisie und Proletariat.) Die Erfinder dieser Systeme sehen zwar den Gegensatz der Klassen wie die Wirksamkeit der auflösenden Elemente in der herrschenden Gesell­ schaft selbst. Aber sie erblicken auf der Seite des Proletariats keine ge­ schichtliche Selbsttätigkeit, keineihmeigentümliche politische Bewegung. Da die Entwicklung des Klassengegensatzes gleichen Schritt hält mit 1 A: einzig

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der Entwicklung der Industrie, finden sie ebensowenig die materiellen Bedingungen zur Befreiung des Proletariats vor und suchen nach einer sozialen Wissenschaft, nach sozialen Gesetzen, um diese Bedingungen zu schaffen. An die Stelle der gesellschaftlichen Tätigkeit muß ihre persönlich erfinderische Tätigkeit treten, an die Stelle der geschichtlichen Bedin­ gungen der Befreiung phantastische, an die Stelle der allmählich vor sich gehenden Organisation des Proletariats zur Klasse eine eigens aus­ geheckte Organisation der Gesellschaft. Die kommende Weltgeschichte löst sich für sie auf in die Propaganda und die praktische Ausführung ihrer Gesellschaftspläne. Sie sind sich zwar bewußt, in ihren Plänen hauptsächlich das Interesse der arbeitenden Klasse als der leidendsten Klasse zu vertreten. Nur unter diesem Gesichtspunkt der leidendsten Klasse existiert das Proletariat für sie. Die unentwickelte Form des Klassenkampfes wie ihre eigene Lebens­ lage bringen es aber mit sich, daß sie weit über jenen Klassengegensatz erhaben zu sein glauben. Sie wollen die Lebenslage aller Gesellschafts­ glieder, auch der bestgestellten, verbessern. Sie appellieren daher fort­ während an die ganze Gesellschaft ohne Unterschied, ja vorzugsweise an die herrschende Klasse. Man braucht ihr System ja nur zu verstehen, um es als den bestmöglichen Plan der bestmöglichen Gesellschaft an­ zuerkennen. Sie verwerfen daher alle politische, namentlich alle revolutionäre Aktion, sie wollen ihr Ziel auf friedlichem Wege erreichen und ver­ suchen, durch kleine, natürlich fehlschlagende Experimente, durch die Macht des Beispiels dem neuen gesellschaftlichen Evangelium Bahn zu brechen. Diese phantastische Schilderung der zukünftigen Gesellschaft ent­ spricht in einer Zeit, wo das Proletariat noch höchst unentwickelt ist, also selbst noch phantastisch seine eigene Stellung auffaßt, seinem ersten ahnungsvollen Drängen nach einer allgemeinen Umgestaltung der Gesellschaft. Die sozialistischen und kommunistischen Schriften bestehen aber auch aus kritischen Elementen. Sie greifen alle Grundlagen der bestehen­ den Gesellschaft an. Sie haben daher höchst wertvolles Material zur Aufklärung der Arbeiter geliefert. Ihre positiven Sätze über die zu­ künftige Gesellschaft, z.B. Aufhebung des Gegensatzes von Stadt und Land, der Familie, des Privaterwerbs, der Lohnarbeit, die Verkündung der gesellschaftlichen Harmonie, die Verwandlung des Staats in eine bloße Verwaltung der Produktion - alle diese ihre Sätze drücken bloß das Wegfällen des Klassengegensatzes aus, der eben erst sich zu ent700

wickeln beginnt, den sie nur noch in seiner ersten gestaltlosen Unbe­ stimmtheit kennen. Diese Sätze selbst haben daher noch einen rein utopistischen Sinn. Die Bedeutung des kritischen utopistischen Sozialismus und Kommu­ nismus steht im umgekehrten Verhältnis zur geschichtlichen Entwick­ lung. In demselben Maße, worin der Klassenkampf sich entwickelt und gestaltet, verliert diese phantastische Erhebung über denselben, diese phantastische Bekämpfung desselben allen1 praktischen Wert, alle theoretische Berechtigung. Waren daher die Urheber dieser Systeme auch in vieler Beziehung revolutionär, so bilden ihre Schüler jedesmal reaktionäre Sekten. Sie halten die alten Anschauungen der Meister fest gegenüber der geschichtlichen Fortentwicklung des Proletariats. Sie suchen daher konsequent den Klassenkampf wieder abzustumpfen und die Gegensätze zu vermitteln. Sie träumen noch immer die versuchsweise Verwirklichung ihrer gesellschaftlichen Utopien, Stiftung einzelner Phalanstere, Gründung von Home-Kolonien, Errichtung eines kleinen Ikariens - Duodezausgabe des neuen Jerusalems -, und zum Aufbau aller dieser spanischen Schlösser müssen sie an die Philanthropie der bürger­ lichen Herzen und Geldsäcke appellieren. Allmählich fallen sie in die Kategorie der oben geschilderten reaktionären oder konservativen Sozialisten und unterscheiden sich nur mehr von ihnen durch mehr systematische Pedanterie, durch den fanatischen Aberglauben an die Wunderwirkungen ihrer sozialen Wissenschaft. Sie treten daher mit Erbitterung aller politischen Bewegung der Arbei­ ter entgegen, die nur aus blindem Unglauben an das neue Evangelium hervorgehen konnte. Die Owenisten in England, die Fourieristen in Frankreich reagieren dort gegen die Chartisten, hier gegen die Reformisten.

IV Stellung der Kommunisten zu den verschiedenen oppositionellen Parteien Nach Abschnitt 2 versteht sich das Verhältnis der Kommunisten zu den bereits konstituierten Arbeiterparteien von selbst, also ihr Ver­ hältnis zu den Chartisten in England und den agrarischen Reformern in Nordamerika. Sie kämpfen für die Erreichung der unmittelbar vorliegenden Zwecke und Interessen der Arbeiterklasse, aber sie vertreten in der gegenwärti­ gen Bewegung zugleich die Zukunft der Bewegung. In Frankreich 1 A: desselben, allen

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schließen sich die Kommunisten an die sozialistisch-demokratische Partei an gegen die konservative und radikale Bourgeoisie, ohne darum das Recht aufzugeben, sich kritisch zu den aus der revolutionären Überlieferung herrührenden Phrasen und Illusionen zu verhalten. In der Schweiz unterstützen sie die Radikalen, ohne zu verkennen, daß diese Partei aus widersprechenden Elementen besteht, teils aus demokratischen Sozialisten im französischen Sinn, teils aus radikalen Bourgeois. Unter den Polen unterstützen die Kommunisten die Partei, welche eine agrarische Revolution zur Bedingung der nationalen Befreiung macht, dieselbe Partei, welche die Krakauer Insurrektion von 1846 ins Leben rief. In Deutschland kämpft die Kommunistische Partei, sobald die Bour­ geoisie revolutionär auftritt, gemeinsam mit der Bourgeoisie gegen die ab­ solute Monarchie, das feudale Grundeigentum und die Kleinbürgerei. Sie unterläßt aber keinen Augenblick, bei den Arbeitern ein möglichst klares Bewußtsein über den feindlichen Gegensatz von Bourgeoisie und Proletariat herauszuarbeiten, damit die deutschen Arbeiter sogleich die gesellschaftlichen und politischen Bedingungen, welche die Bour­ geoisie mit ihrer Herrschaft herbeiführen muß, als ebenso viele Waf­ fen gegen die Bourgeoisie kehren können, damit, nach dem Sturz der reaktionären Klassen in Deutschland, sofort der Kampf gegen die Bourgeoisie selbst beginnt. Auf Deutschland richten die Kommunisten ihre Hauptaufmerksam­ keit, weil Deutschland am Vorabend einer bürgerlichen Revolution steht und weil es diese Umwälzung unter fortgeschrittneren Bedingungen der europäischen Zivilisation überhaupt und mit einem viel weiter ent­ wickelten Proletariat vollbringt als England im siebenzehnten und Frank­ reich im achtzehnten Jahrhundert, die deutsche bürgerliche Revolution also nur das unmittelbare Vorspiel einer proletarischen Revolution sein kann. ' Mit einem Wort, die Kommunisten unterstützen überall jede revo­ lutionäre Bewegung gegen die bestehenden gesellschaftlichen und poli­ tischen Zustände. In allen diesen Bewegungen heben sie die Eigentumsfrage, welche mehr oder minder entwickelte Form sie auch angenommen haben möge, als die Grundfrage der Bewegung hervor. Die Kommunisten arbeiten endlich überall an der Verbindung und Verständigung der demokratischen Parteien aller Länder. Die Kommunisten verschmähen es, ihre Ansichten und Absichten zu verheimlichen. Sie erklären es offen, daß ihre Zwecke nur erreicht wer­ den können durch den gewaltsamen Umsturz aller bisherigen Gesell702

Schaftsordnung. Mögen die herrschenden Klassen vor einer kommunisti­ schen Revolution zittern. Die Proletarier haben nichts in ihr zu verlieren als ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen. Proletarier aller Länder, vereinigt euchl Manifest der Kommunistischen Partei, London 1848. (MEW, Bd.4, S.461-493.)

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KAPITEL IV

Der Bund der Kommunisten in der Revolution und sein Wirken in der Arbeiter- und demokratischen Bewegung (Februar 1848 bis Juli 1849) f

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Eines der ersten Dokumente, in denen sich die Maßnahmen widerspiegeln, die der Bund nach Ausbruch der Februarrevolution in Frankreich ergriff, ist der Beschluß vom 3. März 1848 über die Verlegung des Sitzes der Zentralbehörde nach Paris, die dort unter der Leitung von Karl Marx neu gebildet wurde. Vor dem Bund standen vor allem Aufgaben wie die Ausarbeitung der politischen Richtlinien für die Tätigkeit der Bundesmitglieder in Deutschland, die Organi­ sierung der Rückkehr der deutschen Bundesmitglieder in ihre Heimat und auch die Beschaffung finanzieller Mittel. Die auf die Lösung dieser Aufgaben gerichtete-Tätigkeit spiegelt sich wider in den Protokollen der Pariser.Organisation vom 8. und 9.März 1848, dem Schreiben der Londoner Zentralbehörde vom 8.März 1848 und den Briefen von Marx und Engels vom 12., 16. und 18.März. Einen erheblichen Platz in den Dokumenten aus dieser Zeit nimmt der Kampf gegen das abenteuerliche Freischarenvorhaben Bornstedts und Herweghs ein (siehe die Erklärung der Zentralbehörde gegen die Deutsche Demokratische Ge­ sellschaft von Ende März 1848). Kurz vor der Rückkehr der Zentralbehörde und der meisten im Ausland lebenden Bundesmitglieder nach Deutschland wur­ den die „Forderungen der Kommunistischen Partei in Deutschland“ veröffent­ licht, die hier erstmalig nach dem Pariser Erstdruck wiedergegeben werden. In dem Mainzer Aufruf vom 5. April und in einer großen Anzahl von Briefen führender Bundesmitglieder, die von der Zentralbehörde nach den verschieden­ sten Orten entsandt worden waren, so vor allem in den Berichten von Friedrich Engels, Wilhelm Wolff, Adolph Cluß, Ernst Dronke, Karl Schapper und Johann Schickei vom April/Mai 1848, spiegeln sich die großen Bemühungen wider, innerhalb der elementaren Arbeiterbewegung organisierend zu wirken, vor allem die entstehenden Arbeitervereine zusammenzuschließen und zugleich die Bundesorganisation zu festigen. Diese Dokumente lassen auch die großen und ■ verschiedenartigen Hindernisse erkennen, auf die diese Vorhaben stießen. Ein Teil der Dokumente aus den ersten Revolutionsmonaten steht im Zu­ sammenhang mit den Vorbereitungen zur Gründung einer großen Tageszeitung, mit denen Marx und Engels bereits in Paris begonnen hatten, wie unter ande­ rem aus den Briefen hervorgeht, die Daniels etwa am 19. März und Weerth am 45*

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25. März 1848 an Marx richteten und in denen wichtige Fragen der in Deutsch­ land beginnenden Revolution behandelt wurden. In seiner hier abgedruckten Arbeit „Marx und die .Neue Rheinische Zeitung1 1848-1849“ legte Friedrich Engels die Gründe dar, die die Kommunisten veranlaßten, sich zunächst dem linken Flügel der Demokratie anzuschließen. Aus der seitdem l.Juni 1848 erscheinenden „Neuen Rheinischen Zeitung“, die zum ideologischen und politischen Zentrum des Bundes der Kommunisten wurde, sind außer einer größeren Zahl von Berichten eine Reihe von Aufsätzen aufgenommen, in denen die Arbeiterbewegung unmittelbar betreffende Fragen behandelt werden, so vor allem die Stellung zur Juniinsurrektion. Eine große Zahl von Dokumenten aus den verschiedensten Etappen der Revolution zeigt das Wirken der Bundesmitglieder in der demokratischen Be­ wegung. Ihr starker Einfluß in der Demokratischen Gesellschaft und dann im Rheinischen Kreisausschuß in Köln spiegelt sich in solchen Quellen wider wie in dem Auszug aus dem Protokoll des rheinischen Demokratenkongresses vom 13./14. August und den Aufrufen vom 14. und 18.November 1848. Die bedeu­ tende Rolle, die die Mitglieder des Bundes der Kommunisten auf dem 2. Demo­ kratenkongreß Ende Oktober 1848 in Berlin zu spielen vermochten, geht aus dem Bericht der sozialen Kommission hervor, den der Delegierte des Kölner Arbeitervereins am 30.Oktober auf dem Kongreß erstattete. Das aktive und führende Auftreten der Mitglieder des Bundes der Kommunisten in den breiten Massenbewegungen tritt vor allem in solchen Dokumenten hervor, die im Zu­ sammenhang mit dem Volkswiderstand im Rheinland während der September­ krise (siehe vor allem die Berichte über die Volksversammlungen vom 13. und 17. September 1848) und während der Steuerverweigerungskampagne im November/Dezember entstanden sind. Eine umfangreiche Gruppe von Dokumenten widerspiegelt die Tätigkeit der Bundesmitglieder in den örtlichen Arbeiterorganisationen, so in Berlin, Bingen, Hamburg, Mainz, München, Wiesbaden und anderen Städten. Eine besondere Rolle spielte dabei der Kölner Arbeiterverein, durch dessen Zeitung eine große Zahl von Protokollen, Aufrufen und anderer Materialien überliefert ist, von denen eine größere Auswahl abgedruckt wird und die deutlich den wachsenden Einfluß der Bundesmitglieder auf den Kölner Arbeiterverein und auf seine poli­ tische und ideologische Entwicklung erkennen lassen. Wie das Protokoll der Komiteesitzungvom 16. Oktober 1848 zeigt, übernahm Karl Marxzeitweiseselbst die Leitung des Vereins. Einige Dokumente des Kölner Arbeitervereins spiegeln die Auseinandersetzungen mit der schädlichen, sektiererischen Taktik Gott­ schalks undseiner Anhänger wider; sie begannen, wie das Protokoll des Kreises Köln des Bundes der Kommunisten vom 15. Mai 1848 erkennen läßt, schon sehr früh und zogen sich bis zum Anfang des Jahres 1849 hin (siehe vor allem auch den Beschluß des 1. Filialvereins des Kölner Arbeitervereins vom 22. April 1849)Eine Reihe von Dokumenten dieses Kapitels zeigt die Tätigkeit von Friedrich Engels und anderer Bundesmitglieder in der Schweiz im Winter 1848/1849, ihren Anteil am Arbeiterkongreß in Bern (siehe vor allem das Mandat des Lausanner Arbeitervereins für Engels vom 8.Dezember, die Briefe von Gebert, Schlotterbeck und Lissignolo vom 21. und 29. Dezember 1848 und vom 23. Januar 1849).

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Daß die Mitglieder des Bundes der Kommunisten auch auf die Arbeiter­ verbrüderung einen gewissen Einfluß ausüben konnten, geht aus einer Reihe von Dokumenten aus verschiedenen Entwicklungsphasen der Revolution hervor. Das gilt yor allem für die Dokumente, in denen sich, beginnend mit einem Be­ richt über die Gründung eines Arbeiterklubs in Berlin am 30. März 1848, die organisatorischen Bestrebungen der Berliner Arbeiter widerspiegeln und damit auch die von hier ausgehende Entwicklung, die zur Gründung der Arbeiter­ verbrüderung im August 1848 führte. Auch solche Dokumente wie die Ein­ ladung vom 26. Juni 1848 zum Arbeiterkongreß und die Adresse des deutschen Arbeitervereins in Brüssel vom 17. August 1848 zeigen den starken Anstoß, der von den Bundesmitgliedern ausging, gleichzeitig aber auch die politisch-ideolo­ gischen Schwächen, die vor allem bei Born zutage traten. Weydemeyers Brief an Marx vom 23. Januar 1849 und der Bericht der „Neuen Rheinischen Zeitung“ über den Heidelberger Kongreß der Arbeitervereine, auch einige mit der Mission Molls zusammenhängende Dokumente zeigen den Beginn einer erneuten Be­ lebung des Einflusses des Bundes der Kommunisten auf die Arbeiterverbrüde­ rung. Von den Versuchen der im Herbst 1848 sich in London neu konstituierenden Zentralbehörde, den Bund der Kommunisten als geheime Organisation zu re­ organisieren, zeugen die Statuten von Ende November/Anfang Dezember 1848. Neue Hinweise auf die Reise des Londoner Emissärs Joseph Moll durch Deutschland enthalten solche Dokumente wie der Brief von Bruhn vom 2. Dezember 1848 und von Spengler vom 12. März 1849, die Schreiben des Zen­ tralausschusses der Württembergischen Arbeitervereine vom 11. März und des Kommunistischen Arbeiterbildungsvereins in London von Ende April/Anfang Mai 1849. Ein Ergebnis der Tätigkeit Molls in Deutschland war die Wieder­ belebung der Bundestätigkeit in Berlin, die in zwei Dokumenten von Ende März 1849 ihren Niederschlag gefunden hat. Eine Gruppe von Dokumenten vom Frühjahr 1849 steht im Zusammenhang mit der Vorbereitung für die Schaffung einer proletarischen Massenpartei in Deutschland, für die die Voraussetzungen heranzureifen begannen. Von den ideo­ logischen und organisatorischen Maßnahmen, zu denen auch die Diskussion über Marx’ Arbeit „Lohnarbeit und Kapital“ gehörte, zeugen vor allem die Beschlüsse der Komiteesitzung und der Generalversammlung des Kölner Arbeitervereins vom 11., 16. und 17.Aprill849 und die Mitteilung über die Sitzung des Kreis­ ausschusses der rheinischen demokratischen Vereine vom 14. April 1849. Die Teilnahme der Mitglieder des Bundes der Kommunisten an den revolu­ tionären Erhebungen vom Mai/Juni 1849 findet seinen Niederschlag in den Auszügen aus Engels’ „Reichsverfassungskampagne“, in den Briefen von Dietz und Grübel vom 8. Juni und 2. Juli 1849 sowie im Brief von Engels an Jenny Marx vom 25. Juli 1849. Am Schluß des Kapitels ist aus den späteren Aussagen Rösers der Teil wiedergegeben, der die Ereignisse während der Revolution betrifft. Er enthält unter anderem Hinweise auf Diskussionen, die es im Kreise führender Bundesmitglieder in Köln im Sommer 1848 zu Fragen der Taktik gab, und gibt einen Bericht über Beratungen, die aus Anlaß der Reise Molls Ende 1848 oder Anfang 1849 in Köln stattfanden. 709 ■i

203 Aus dem Artikel von Friedrich Engels „Revolution in Paris“

27. Februar 1848 [...] Soeben kommt die Nachricht, daß das Volk gesiegt und die Republik proklamiert hat. Wir gestehen, daß wir diesen glänzenden Erfolg des Pariser Proletariats nicht gehofft haben. Drei Mitglieder der provisorischen Regierung gehören der entschiede­ nen demokratischen Partei an, deren Organ die „Reforme“ ist. Der vierte ist ein Arbeiter1 - zum erstenmal in irgendeinem Lande der Welt. Die übrigen sind Lamartine, Dupont de l’Eure und zwei Leute vom „National“. Das französische Proletariat hat sich durch diese glorreiche Revo­ lution wieder an die Spitze der europäischen Bewegung gestellt. Ehre den Pariser Arbeitern! Sie haben der Welt einen Stoß gegeben, den alle Länder nach der Reihe fühlen werden; denn der Sieg der Republik in Frankreich ist der Sieg der Demokratie in ganz Europa. Unsere Zeit, die Zeit der Demokratie bricht an. Die Flammen der Tuilerien und des Palais Royal sind die Morgenröte des Proletariats. Die Bourgeoisherrschaft wird jetzt überall zusammenkrachen oder zu­ sammengeworfen werden. Deutschland wird hoffentlich folgen. Jetzt oder nie wird es sich aus seiner Erniedrigung emporraffen. Wenn die Deutschen einige Energie, einigen Stolz, einigen Mut besitzen, so können wir in vier Wochen auch rufen: „Es lebe die deutsche Republik!" [Friedrich Engels:] Revolution in Paris. In: Deutsche-Brüsseler-Zeitung, Nr. 17 vom 27. Februar 1848. (MEW, Bd.4, S.53O.)

Auszug

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1 Albert (Pseudonym für Alexandre Martin)

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204

Friedrich Engels über die revolutionären Ereignisse in Brüssel und die Verhaftung von Wilhelm Wolff" 701 (aus „Wilhelm Wolff“, 1876) 27. Februar 1848 [...] Die Februarrevolution brach los und fand sofortigen Widerhall in Brüssel. Scharen von Menschen versammelten sich jeden Abend auf dem Großen Markt vor dem Rathause, das von der Bürgerwehr und Gensdarmerie besetzt war; die vielen Bier- und Schnapswirtschaften um den Markt waren gedrängt voll. Man schrie „Viva la Röpubliquel“, man sang die Marseillaise, man drängte, schob und wurde geschoben. Die Regierung hielt sich scheinbar mäuschenstill, berief aber in den Provinzen die Reserven und Beurlaubten zur Armee ein. Sie ließ dem angesehensten belgischen Republikaner, Herrn Jottrand, unterderhand mitteilen, der König sei bereit, abzudanken, falls das Volk es wünsche, und er könne das vom König selber hören, sobald er wolle. Jottrand ließ sich in der Tat von Leopold erklären, er selbst sei in seinem Herzen Republikaner und werde nie im Wege stehen, falls Belgien sich als Republik zu konstituieren wünsche; er wünsche nur, daß alles ordent­ lich und ohne Blutvergießen abgehe, und hoffe übrigens auf eine an­ ständige Pension. Die Nachricht wurde unterderhand rasch verbreitet und wiegelte so weit ab, daß kein Erhebungsversuch gemacht wurde. Aber kaum waren die Reserven beisammen und die Mehrzahl der Trup­ pen um Brüssel konzentriert - drei bis vier Tage genügten in dem kleinen Ländchen -, so war von der Abdankung keine Rede mehr, die Gens­ darmerie schritt plötzlich abends mit flacher Klinge gegen die Menschen­ haufen auf dem Markte ein, und man verhaftete rechts und links. Unter den ersten der so Gemißhandelten und Verhafteten war auch Wolff, der ruhig seines Weges nach Hause ging. Ins Rathaus geschleppt, wurde er von den wütenden und angetrunkenen Bürgergardisten noch nachträg­ lich gemißhandelt und nach mehrtägiger Haft über die Grenze nach Frankreich spediert.1 (...) Friedrich Engels: Wilhelm Wolff. In: Die Neue Welt (Leipzig), Nr.28 vom 8-JuIi 1876. (MEW. Bd. 19, S.59/60.)

Auszug.

1 Vgl. auch die Aufzeichnungen von Karl Marx über die Mißhandlungen Wilhelm Wolffs. In: MEW, Bd.4, S.611/612. - Wolff wurde am 5.Mürz 1848 nach Frankreich ausgewiesen; vgl. Dokument 210.

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205

Schreiben der Gemeinde in Amsterdam an die Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten in London11713 2. März 1848 Amsterdam, den 2./3.48 Gemeinde Amsterdam] an die Ztenlttraljbfehörde]1 Da unser Bruder Zalle von uns zu Euch hinüberkommt, so tut es uns leid, daß wir noch nicht einigermaßen angeben2 können, wieviel wir aus unserfer] Gemeindekasse für die Z[en]t[ral]b[ehörde] einigermaßen beitragen können, jedoch wird es Euch erklärlich sein, wenn wir sagen, daß [eine] kleine Hälfte eben auch das geknechtete Proletariat präsen­ tiert, so gut wie DohP. Darum jauchzen wir den Franzosen zu und wünschen ihnen Glück mit der jetzt provisorischen Regierung, daß so dieselbe in dem mäßigen oder in dem väterlichen Ton fortfährt, daß das Beispiel bald von andern Ländern verstanden wird. (Man sagt uns hier, daß Louis-Philippe tot nach England gekommen sei.) Was soll Cabet jetzt wohl tun, nach Ikarien ziehen wohl schwerlich, da er es in Frank­ reich gründen kann. Br[ü]d[er], da uns B[ruder] Dohl die 12 Gulden erst nicht geschickt hat, so mußten wir aus der Gemeinde sorgen, daß Bfruder] Zalle das vorgeschoßne Geld erhielt; so hat auf diese Weise unser[e] Gemeinde das Geld zweimal bezahlt. Daher ersuchen wir Euch, ja nicht zu ver­ gessen, was wir in vorhergehendem Briefe Euch bemerkten ... und so­ viel als möglich binnen 4-6 Wochen bezahlen. Dann könnt Ihr das Geld für die „Kommunistische Zeitschrift“4 dort behalten, und wir halten es hie inne, und wir erhalten, so wie bei Euch, die Portokosten; gelingt dieses, so haben wir später noch eine solche Übereinkunft zu schließen. Da Dohl sehr nachlässig ist und phlegmatisch, er hatte versprochen, innerhalb 14 Tagen das Geld zu schicken, auf diese Weise müssen bei uns die noch neuen Mitglieder das Zutrauen verlieren, wenn jemand von den Vorstehern sich solches zuschulden kommen läßt - saumselig im höchsten Grad; wenn dieses nicht wäre, hätten wir ihm eher durch die Finger gesehn. - Und daß er, wenn Diskussion war, sich aufs Bett legte und von andern Mitgliedern geholt werden mußte oder gar nicht 1 Entzifferung nicht eindeutig; möglicherweise auch zu lesen: Z[entral]b[ehörde] L[ondonJ — 2 Inder Vorlage: angegeben - 3 in der Vorlage: Dohle - 4 Wahrscheinlich handelt es sich hier nicht um die „Kommunistische Zeitschrift*' (Dokument 156), die bereits im September 1847 erschien, sondern um das „Manifest der Kommunistischen Partei"; vgl. Anm. 171.

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kam, das schreiben wir ihm vielleicht schärfer an, als wie Ihr es uns glauben werdet, denn wohl wissend, daß er das tüchtigste Mitglied war! Die Zeitschriften sind noch nicht angekommen Ü[ber]bringer war B[undes]mitglied, und [Ihr] könnt darauf rechnen, daß er ein mora­ lisches Betragen hat! Fr.1 Hübler Hanke Handschrift IMLM/ZPA, F.20, op. 1, Nr. 117.

Erstmalig veröffentlicht.

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Beschluss in

Brüssel

der

Zentralbehörde des Bundes

über ihre

Verlegung

nach

der

Kommunisten

Paris11 7 21

3. März 1848

Beschluß der Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten Proletarier aller Länder, vereinigt euch! Die Zentralbehörde d[es] B[undes] d[er] K[ommunisten], sitzend in Brüssel, ■ nach Einsicht des Beschlusses der bisherigen Londoner Zentral­ behörde, wonach diese den Sitz der Zentralbehörde nach Brüssel ver­ legt und sich selbst als Zentralbehörde auflöst, durch welchen Beschluß also die Kreisbehörde des leitenden Kreises Brüssel zur Zentralbehörde konstituiert ist, in Erwägung: daß unter den jetzigen Umständen alle Vereinigung der Bundesmit­ glieder und namentlich der Deutschen in Brüssel unmöglich ist; daß die leitenden Bundesmitglieder daselbst entweder schon arretiert resp. expulsiert sind oder stündlich Expulsion aus Belgien erwarten; daß Paris in diesem Augenblick das Zentrum der ganzen revolutio­ nären Bewegung ist; daß die gegenwärtigen Umstände eine durchaus energische Leitung des Bundes erheischen, zu welcher eine momentane diskretionäre Ge­ walt unbedingt nötig ist; beschließt: Art. 1. Die Zentralbehörde ist nach Paris verlegt. 1 nicht eindeutig zu entziffern; vielleicht auch: Br[udcr]

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Art. 2. Die Brüsseler Zentralbehörde überträgt dem Bundesmitgliede Karl Marx diskretionäre Vollmacht zur momentanen Zentraldirektion aller Bundesangelegenheiten und unter Verantwortlichkeit gegen die neu zu konstituierende Zentralbehörde und den nächsten Kongreß. Art. 3. Sie beauftragt Marx, in Paris, sobald es die Umstände ge­ statten, die passendsten Bundesmitglieder zu einer neuen Zentralbehörde nach seiner Auswahl zu konstituieren und dazu selbst Bundesmit­ glieder, die nicht in Paris wohnen, dorthin zu berufen. Art. 4. Die Brüsseler Zentralbehörde löst sich auf.

Beschlossen Brüssel, den 3. März 1848 Die Zentralbehörde gez. Engels F. Fischer Gigot H. Steingens K.Marx . Wermuth/Sticbcr: Die Communisten-Verschwörungen des neunzehnten Jahrhunderts, Erster Theil, Berlin 1853, S.65/66. (MEW, Bd.4, S.607.)

207 „Forderung des Volks“ Flugblatt der Kölner Kommunisten“733

3. März 1848 Forderung des Volks 1. Gesetzgebung und Verwaltung durch das Volk. Allgemeines Wahl­ recht und allgemeine Wählbarkeit in Gemeinde und Staat. 2. Unbedingte Freiheit der Rede und Presse. 3. Aufhebung des stehenden Heeres und Einführung einer allgemeinen Volksbewaffnung mit vom Volke gewählten Führern. 4. Freies Vereinigungsrecht. 5. Schutz der Arbeit und Sicherstellung der menschlichen Lebens­ bedürfnisse für alle. 6. Vollständige Erziehung aller Kinder auf öffentliche Kosten. Flugblatt IMLB/ZPA, St.6/1.

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208 Bericht über eine deutsche demokratische Massenversammlung in Paris 6. März 1848

Paris, 7. März (Korr.) Gestern abend hatte die Versammlung der deutschen Demokraten in Paris im Saale Valentino statt. Noch niemals war Deutschland in Frankreich auf eine imposantere Weise repräsen­ tiert. [...] Das erstemal ist der Versuch über Erwarten gelungen, denn in so großen Zeiten ist es eine schwere Aufgabe, nicht würdig und groß zu sein! Über 4000 Deutsche waren zugegen, Deputationen aus Lon­ don, von Chartisten und Deutschen der dortigen Gesellschaften, unter denen ich vor allem ihre Freunde Schapper, Ern[e]st Jones, M'Grath, Harney, Moll und Bauer erwähne. Aus Brüssel waren Weerth, Bornstedt, Wallau anwesend sowie Marx1 in Begleitung einiger anderer Flücht­ linge, welche die belgische Königspolizei mit Protest nach Paris zurück­ schickte, woher sie dieselben vor ohngefähr drei Jahren vom Schwieger­ vater Ludwig Philipp erhalten hatte. Außerdem Franzosen, Italiener, Russen und Ungarn, alle begierig zu erfahren, wie sich der Deutsche im Zustande seiner Großjährigkeit benehmen werde. Er hat sich tapfer gehalten, das Zeugnis mußten ihm alle geben. - Die Sitzung wurde mit einem deutschen Männerchor eröffnet. Hierauf begann der Präsident Georg Herwegh die Diskussion. Er hob in kräftigen Worten hervor, daß man deutsche Demokraten zusammenberufen habe und daß eine Adresse in anderem als rein demokratischem Sinne eine Unmöglichkeit sei, daß also auch jede sich entspinnende Diskussion innerhalb der - demokratischen Sphäre sich zu bewegen habe. [...]2 Herr Schapper aus London unterstützt zuerst die verlesene Adresse und macht darauf aufmerksam, wie bereits die Belgier, Engländer, Amerikaner, Polen etc. teils durch Adressen, teils durch Deputierte bei dem neulichen Zug nach der Julisäule ihre Sympathie für die franzö­ sische Revolution zu erkennen gegeben hätten und wie die Deutschen in dieser Bewegung nicht Zurückbleiben dürften. Er und einige seiner Freunde seien eben von London eingetroffen, wo sich der höchste Enthusiasmus gezeigt habe und alles der neuen Republik entgegenI Im Bericht der „Berliner Zeitungs-Halle“, Nr. 62 vom 12. März 1848, heißt es hierzu: „Auch Dr. Marx aus Brüssel, kraft eines Ausweisungsdekretes der belgischen Regierung mit Weib und Kind vertrieben, stellte sich ein und wurde vom Präsidenten auf einen Ehrenplatz im Komitee geführt.“ — 2 Anschließend begründete Herwegh eine von ihm vorgeschlagene Adresse „An das französische Volk“, die im Bericht vollinhaltlich abgedruckt wurde und mit den Worten endete: „Es lebe die Freiheit, die Gleichheit, die Bruderliebe! Es lebe die Demokratie! Es lebe die europäische Republik!“

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jauchze. Die Ideen der letzten Revolution seien die aller Völker. Durch ihren sozialen Charakter eröffne sie jenen großen Umwälzungen den Weg, die nun bevorständen. Alle Meinungen, alle Vorschläge, seien sie kommunistischer, sozialistischer oder sonst einer Art, könnten sich dann versuchen. Allen würde Gelegenheit gegeben, das Gute ihrer Systeme an den Mann zu bringen. Man solle es indes nicht bei dieser einen Demonstration lassen, sondern einen dauernden Verein unter den Deutschen stiften, damit man zur rechten Zeit, die Waffen in der Hand, ins Vaterland hinüberziehe, um sich für dessen Freiheit zu schlagen.1 Der Redner macht darauf aufmerksam, wie die jetzige Revolution vom Volke aus nur für das Volk, das Proletariat gemacht sei; er erinnerte an die Not der Arbeiter in Schlesien und andern Orten Deutschlands und meinte, dies sei der beste Beweis, daß es dringend nötig sei, endlich auch in Massen für das deutsche Proletariat aufzustchen. Der deutsche Name sei verachtet; überall seien es Deutsche gewesen, welche die Nachbarvölker unterdrückt hätten, so die Lombarden, Polen, und auch an der freien Schweiz habe man sich vergreifen wollen. - Vieles hätten die Deutschen gutzumachen! Dies solle geschehen, und er fordere alle auf, sich einig bei dieser ersten Demonstration zu zeigen und dann so­ fort energisch das Weitere zu beginnen. Der Redner schloß mit dem tausendstimmig wiederholten Rufe: „Es lebe die deutsche Republik!“ Nach ihm (Schapper) ergriff Herr Wallau das Wort. Er wendete sich, als Präsident der Arbeitergesellschaft in Brüssel, an die hiesigen Arbei­ ter. Unsere Adresse, sagt er, ist ein Protest gegen die Vergangenheit Deutschlands; an ihr wollen wir keinen Teil haben, wir wollen sie ver­ gessen und sie durch unsere künftigen Taten auch andere Völker ver­ gessen machen.[,..][174] Nachdem von beiden Seiten vielfach über die Adressen debattiert war, obwohl es keinen Augenblick zweifelhaft sein konnte, welche die mei­ sten Stimmen für sich haben werde, schritt man zur Abstimmung durch Scheidung der Parteien auf die rechte und linke Seite des Saales. Eine wahre Völkerwanderung nach der linken Seite - mit fünf Sechsteil der Stimmen wurde die demokratische Adresse angenommen. Durch die Teilung war allerdings die Einigkeit gestört, es galt sie wieder herstellen, um dem Teutoburger Waldmenschen2 auch die letzte Freude nicht zu lassen, die Einigkeit ganz zerstört zu haben. Hr. Jones, ein englischer Chartist, ein Stolz seiner Nation, die Freude unserer Ver­ sammlung, hat dies Verdienst. Er sprach von beständigem Jubel unter­ brochen. (Leider müssen wir des beschränkten Raumes wegen diese Rede auf nächste Nummer zurücklegen.1175-1) Die Einigkeit war her1 Die hier von Schapper noch vertretene Auffassung über einen bewaffneten Zug nach Deutschland wurde bald von den Kommunisten mit Entschiedenheit abgelehnt. - 2 Jakob Vencdey

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gestellt. Man sang mit gleicher Begeisterung die Marseillaise und das herrliche deutsche Lied: „Hinaus in die Ferne!“ Ein Italiener ließ durch den Präsidenten erklären, daß die deutschen Fürsten den Glauben zu erhalten suchen, als haßten die Italiener die Deutschen - infame Ver­ leumdung ! Wie jeder mit Recht seine Unterdrücker haßt, so haßt auch Italien seine östreichischen Dränger - aber jeder Italiener ist des deut­ schen Volkes Freund. Eine ähnliche Adhäsion sprach ein Ungar aus. Viele Redner erhoben sich noch und sprachen fortan in einem und demselben Sinn. Leider können wir nicht alle trefflichen Worte anführen. Eine Anrede des Hrn. Börnstein an die Versammlung, welche mit ungeteiltem Applaus auf­ genommen wurde, müssen wir ebenfalls auf nächste Nummer versparenJ1761 Zum Schluß brachten wir unserm Präsidenten, der mit dem ganzen Mut und Geschicke, das die Überzeugung gibt, die Sache der Demo­ kratie verficht, ein dreifach schallendes Hoch aus. Es wurde beschlossen, die Adresse morgen der provisorischen Regie­ rung in feierlichem Zuge zu überbringen und einen demokratischen Klub zu bilden, und jedermann - mit wenigen Ausnahmen - ging hoch­ erfreut über das Resultat der ersten deutschen Demokratenversamm­ lung in Paris nach Hause. Hoch lebe die Freiheit, die Gleichheit, die Bruderliebe! Hoch lebe die europäische Republik! Deutsche Londoner Zeitung, Nr. 154 vom 10. März 1848.

Gekürzt.

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Schreiben des Kreises London an die Zentralbehörde Bundes der Kommunisten in Paris

des

8. März 1848 Der Ausschuß des Krfeises] Lfondon] an die Zentralbehörde!

Brüder! Euer kräftiger kurzer Brief ist uns diesen Abend zugekommen. Un­ sere Versammlung antwortet Euch folgendes: Eure Ankunft in Paris war nötig und wird gewiß von großem Nutzen sein.

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Die Nachrichten von Deutschland sind allerdings günstig, jedoch die Blätter sich sehr widersprechend. Am Sonntag1 hatten wir Gen[eral]vers[ammlung], Die halbwarmen Mitglieder] des B[undes] fehlten, wie z. B. Hackmaster pp. Bei den übrigen zeigte sich ein guter Geist. Alle Anwesenden beteiligten sich mehr oder weniger an der Diskussion und versprachen, fest zusammen­ zuhalten. Auf alles wurde aufmerksam gemacht. Nachher gings in die Gesellschaft. Heilberg verteidigte und erneuerte zuerst sein früher Ge­ sagtes; hierauf wurde er von ungefähr acht verschiedenen Sprechern total und systematisch geschlagen, steckte die Hörner ein und machte ein freundlich Katzengesicht. Gestern bei der Frage: „Wie haben sich die Kommunisten in gegen­ wärtiger Bewegung zu verhalten“, glaubte Heilbferg], daß die Muskete oder den Sabel2 in die Hand zu nehmen, der Kommunisten unwürdig sei; aber die Feder, eine spitzige Waffe, könne allein Großartiges durch­ führen. - Der eifrige Mann wurde ausgelacht und wird in nächster Ge­ legenheit bedauert werden. Heilbjerg] hat die Ansicht, daß, wenn selbst in Deutschland die Sache losginge und die meisten GesellschaftsM[itglieder] London verlassen würden, so müßte doch dieselbe not­ wendig aufrecht erhalten werden. Unglücklicherweise (?) sind viele Nicht-B[undes]m[itglieder] und sogar einige B[undes]m[itglieder] bei­ nahe derselben Meinung. Entweder, im Falle - muß die Sache über­ wacht oder die Statuten pp. gewaltig umgestoßen werden. Überhaupt der B[und] kann ausführen, was die Zeit gebietet, und die Langmut ist durchaus verbannt. Die angekommenen Briefe folgen hiemit. Die 50 Franken werden wir morgen einziehen, indem das Geld hier und notwendig ist.3 - Der Empfang wird später angezeigt. Die Bewegung in England: Die Chartisten standen hier etwas still. In Glasgow haben sich die­ selben bis jetzt gut gehalten. Das Meeting in Trafalgar Square wurde durch die Polizei untersagt; der middle-class advocat Cochrane erschien nicht, das Lumpenprole­ tariat aber rotierte* sich dort, prügelte die Polizei (welche aber selbst tätlich anfing), schmiß Fenster und Laternen zusammen, stürmte in Westminster einige Bäckerläden, trieb dieses Spiel gestern wieder und setzte es heute fort. Die beiden großen out of door meetings5 der Chartisten wurden groß­ artig besucht und gingen ruhig vorüber. Gruß und Handschlag auf Weiteres 1 5. März 1848-2 alte, beziehungsweise umgangssprachliche Form von: Säbel-3 so in der Vorlage4 so in der Vorlage, wahrscheinlich für: rottete sich zusammen - 5 Versammlungen unter freiem Himmel

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London, den 8. März 1848

Im Auftrage des Ausschusses Charles Moll1 C. Pfänder Fraenkel T.Pätz Dietze Burghard Lehmann Rosenthal

N.B. Der österreichische Gesandte hat durch einen Buchhändler das Manifest bei B[urghard] abholen (kaufen) lassen. . Zur Nachschrift: Wenn Ihr wieder schreibt, so wird es gut sein, einen Brief an die Kreis­ behörde direkt zu schreiben, denn dadurch wird oft das Vertrauen und die Einigkeit bestärkt. Mich[eJlot hat an unsere Gesellschaft durch seine Frau einen Brief und zwei Bücher (seine Romane) als Beitrag geschickt, mit dem Be­ merken, eine Adresse an die Klubs zu erlassen. Der Brief scheint alt, ist an Euch adressiert gewesen. Bücher wurden angenommen. Die Adresse bis auf weitere Nachrichten von Euch fallengelassen. Den Amsterdamer Brief2 schicken wir Euch gleichfalls zu, solltet Ihr deswegen Beschlüsse an uns erlassen, so werden wir dieselben aus­ führen. Wie immer. D[ie] Obfigen]3 Handschrift IMLM/ZPA, F.20, Nr. 118.

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Erstmalig vollständig veröffentlicht.

210 Brief von Friedrich Engels in Brüssel an Karl Marx in Paris

8.-9. März 1848 Lieber Marx, Ich hoffe, morgen einen Brief von Dir zu haben. [...] Lupus ist vorigen Sonntag4 11 Uhr morgens auf die Eisenbahn ge­ bracht und nach Valenciennes besorgt, von wo aus er geschrieben und 1 Karl Moll war auch Schreiber des Briefes. — 2 Dokument 205; vgl. auch Dokument 215 - 3 Die stark verschnörkelte Unterschrift ist nicht eindeutig zu entziffern. - 4 5. März 1848

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wo er noch sein wird. Er war vor keinem Tribunal. Man hat ihn nicht einmal zu Hause vorgeführt, um seine Sachen zu nehmen!1 Mir hat man nichts getan. Nach Redensarten, die die Kerls haben fallenlassen, scheuen sie sich, mich auszuweisen, weil sie mir damals einen Paß gegeben haben, was man gegen sie geltend machen könnte. Die Geschichte in Köln ist unangenehm. Die 3 besten Leute sitzen.2 Ich hab’ einen aktiven Teilnehmer3 an der Geschichte gesprochen. Sie wollten losschlagen, aber statt sich mit Waffen zu versehen, die leicht zu haben waren, gingen sie vors Rathaus, unbewaffnet, und ließen sich zernieren. Es wird behauptet, daß der größte Teil der Truppen für sie war. Die Sache war unvernünftig dumm angefangen; wenn die Berichte des Kerls richtig sind, so hätten sie ruhig losschlagen können und wären in 2 Stunden fertig gewesen. Aber schrecklich dumm war alles an­ gelegt. Unsre alten Freunde in Köln4 scheinen sich sehr zurückgehalten zu haben, obwohl sie mit beschlossen hatten loszubrechen. Der kleine D’E[ster], D[aniels], B[ürgers] waren einen Augenblick da, gingen aber gleich wieder fort, obwohl der kleine Dr. im Stadtrat gerade nötig war.3 Die Nachrichten aus Deutschland sind sonst famos. In Nassau eine vollendete Revolution, in München die Studenten, Maler und Arbeiter in voller Insurrektion, in Kassel die Revolution vor der Tür, in Berlin grenzenlose Angst und Zaudern, in ganz Westdeutschland Preßfreiheit und Nationalgarde proklamiert; vorderhand ist das genug. Wenn doch der F[riedrich] W[ilhelm] IV. sich starrköpfig hielt! Dann ist alles gewonnen, und wir haben in ein paar Monaten die deutsche Revolution. Wenn er nur an seinen feudalen Formen hielte. Aber der Teufel weiß, was dies launige und verrückte Individuum tun wird. In Köln ist die ganze kleine Bourgeoisie für Anschluß an die fran­ zösische Republik; die 1797er Erinnerungen herrschen augenblicklich vor.[177] Tedesco sitzt noch immer.6 Ich weiß nicht, wann er vor Gericht kommen wird. Wegen Deiner Geschichte ist ein fulminanter Artikel7 an den „Northern Star“ abgegangen. Sonntag abend in der Sitzung der demokratischen Gesellschaft merk­ würdige Ruhe. [...] Dein Adieu. Engels 1 Vgl. Dokument 204. - 2 Andreas Gottschalk, August Willich und Friedrich Anneke; vgl. Anm. 173. 3 wahrscheinlich Peter Nothjung; vgl. Dokument 223 - 4 Wahrscheinlich sind vor allem Karl D’Ester, Roland Daniels und Heinrich Bürgers gemeint. - 5 Über die Beteiligung Karl D’Esters war Friedrich Engels falsch informiert worden; vgl. Anm. 173. - 6 Vgl. Anm. 170 und 184.-7 Friedrich Engels: [Brief an den Redakteur des „Northern Star“]. In: MEW. Bd.4, S.531-535.

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13, rue Neuve Chaussee de Louvain, 9. März Der Polizeikommissar-Adjoint, der zu Dir kam, soll schon abgesetzt sein. Die Geschichte hat hier bei den Kleinbürgern große Entrüstung gesetzt. Handschrift IMLM/ZPA, F. 1, op. 1, Nr. 249. (MEW, Bd.27, S. 115-117.)

Gekürzt.

211 Protokoll der Sitzung des Kreises Paris Bundes der Kommunisten1 8. März 1848

des

Protokoll der Gemeindesitzung2 vom 8. März 1848

Präsidenten: K.Schapper Gewählt zum

Sekretär: K. Marx

Schapper: schlägt vor, uns zu konstituieren als Kreis Paris, nicht mehr als einzelne Gemeinde. Unterstützt von Marx und von andern. Angenommen. Aufgenommen: Hermann. Diskussion über die Wiederaufnahme der entfernten3 Gemeinde­ mitglieder. Born stattet Bericht ab über die Versammlung im Cafd l’Europe; ebenso Sterbitzki. Mit großer Mehrzahl beschlossen, nicht in dieses Cafö zu gehn, wo Decker und Venedey eine Versammlung halten. Engler, Buchfink und Vogler (Weitlingianer) aufgenommen ein­ stimmig. Einstimmig beschlossen: Die 3 obengenannten Bundesmitglieder beauftragt, die Mitglieder der Weitlingischen Gemeinde, die sie für passend halten, aufzunehmen. Schilling einstimmig aufgenommen. Für den öffentlichen Arbeiterverein wird angenommen4 als: 1 Das Protokoll wurde bis auf die Unterschrift von Schapper von Karl Marx geschrieben. - 2 Die Sitzung begann als die einer Gemeinde, konstituierte sich aber sofort als Kreissitzung; vgl. auch Doku­ ment 212.-3 durchgestrichen: ausgestoßenen. - Es handelte sich um 1847 ausgeschlossene Anhänger Weitlings (vgl. Dokument 148), die jetzt teilweise wieder aufgenommen wurden. - 4 durchgestrichen: vorgeschlagcn 46 Bund

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Präsident: H. Bauer. Vizepräsident: Hermann. 2 Sekretäre: Born und Vogel. Kassierer: Moll. 3 Ordnungsführer: Buchfink, Schapper, Horne. Angenommen, daß der Präsident anreden soll: Freunde, jeder andre, wie er will. Marx [hat] einen Statutenentwurf vorzulegen für den Arbeiterverein. „Klub der deutschen Arbeiter“ soll der öffentliche Verein heißen.11781 Wilhelm Höger aufgenommen als Bundesmitglied (vorgeschlagen von Schapper, unterstützt von H. Bauer). Das Lokal des öffentlichen Vereins soll im Mittelpunkt der Stadt sein. Einige Mitglieder werden damit beauftragt, ein passendes Lokal zu suchen. Die Bundessitzung soll stattfinden: Nr.6, St.Louis1 St. Honord. Sterbitzki schlägt Hermann vor, der aufgenommen wird. K. Marx K. Schapper Sekretär Präsident Handschrift IMLM/ZPA, F. 1, op. 1, Nr. 248. (MEW, Bd.4, S.6O8.)

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Protokoll der Sitzung des Kreises Paris des Bundes der Kommunisten2

9. März 1848 Sitzung vom 9. März, 9 Uhr abends. Marx legt seinen Statutenentwurf3 vor, der diskutiert wird. Artikel 1 angenommen; gegen 2 Stimmen Minorität. Art.2 einstimmig angenommen; ebenso Art.3, Art.4, Art.5 und Art. 6. Der Statutenentwurf ist also unverändert angenommen. Die Statuten des Bundes der Kommunisten werden vom Sekretär verlesen. Die neu aufzunehmenden Mitglieder erklären nach Anhörung der Statuten, in den Bund der Kommunisten einzutreten. Marx schlägt vor, daß alle Bundesmitglieder ihre Namen und Adres­ sen abgeben sollen. Es wird hierüber diskutiert und schließlich beschlos1 nicht eindeutig zu entziffern - 2 Das Protokoll ist von Karl Marx geschrieben und zwar auf der Rückseite des Protokolls der Kreissitzung vom 8. März (Dokument 211). - 3 für den Klub der deutschen Arbeiter; vgl. Dokument 211.

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sen, daß jedes Bundesmitglied den Namen, unter dem es hier bekannt ist1, und seine Adresse angebe. Schapper schlägt vor, dem Präsidenten und Sekretär noch 5 Personen hinzuzufügen, um die Kreisbehörde von Paris zu bilden. Aus jeder der 4 Gemeinden soll einer gewählt werden. Wahl bis zur nächsten Sitzung2 aufzuschieben. Schapper stattet Bericht ab über die Zentralbehörde. Nach Schappers Vorschlag angenommen, daß jeder, der spricht, aufsteht und den Hut abnimmt. Die Zentralbehörde wird nach dem Vorschlag von Marx in der näch­ sten Sitzung einen Bericht über die Lage des Bundes im allgemeinen abstatten. Born, der abgesandt worden ist, um Bericht über die Versammlung in der manege abzustatten, kommt nach 3/4 Stunden zurück und schil­ dert den jämmerlichen Zustand dieses Vereins.3 Die nächste Sitzung wird stattfinden nächsten Sonnabend um 8 Uhr, Caf6 Beige, Rue Grenelle St. Honor£. Die Mitglieder geben beim Schluß der Sitzung ihre Namen nebst Adresse an den Sekretär ab. Marx schlägt vor, daß alle Bundesmitglieder ein rotes Band tragen. Einstimmig angenommen.4 Nach Schappers Vorschlag wird angenommen, daß einer ein blut­ rotes Band für alle kaufen soll. B.Sax wird hiermit beauftragt. Handschrift IMLM/ZPA, F. 1, op. 1, Nr. 248. (MEW, Bd.4, S.609.)

213 „Forderungen des Volkes“ Flugblatt der Kölner Gemeinde des Bundes der Kommunisten11193

etwa 10. März 1848 Forderungen des Volkes Der Staat ist um des Volkes wegen, nicht das Volk des Staates wegen da. Die Regierung, die Behörden sind die Diener des Volkes; der höchste Zweck ihres Strebens muß die Wohlfahrt des Volkes sein. Er1 Viele Mitglieder des Bundes trugen damals noch Decknamen. — 2 durchgestrichen: Bundesabend — 3 Deutsche Demokratische Gesellschaft; vgl. Dokument 216. -4 Es folgen die durchgestrichenen Worte: Nach der Diskussion hierüber wird beschlossen

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füllen sie solchen nicht, steht dem Volke das unzweifelhafte Recht zu, dieselben zu entfernen und bessere an ihre Stelle zu setzen. Das deutsche Volk hat sich lange damit begnügt, vergeblich um das zu petitionieren, was es zu fordern ein Recht hat. Doch auch ihm ist die Geduld gerissen. Durch den glorreichen Vorgang Frankreichs auf­ gemuntert, wagt auch das deutsche Volk endlich, seinen Fürsten, von denen es so oft schon um seine Freiheit betrogen ist, männlich gegen­ überzutreten. Mit ihren Bajonetten versuchen zwar, wie in Köln, die gekrönten Häupter, den Willen des Volkes zu beugen, seinen Mund zum Schweigen zu bringen; doch wird ihr Bemühen hoffentlich nicht überall gleich gut gelingen. Wie sollten denn die Söhne des Volkes gegen ihr eigenes Fleisch und Blut wüten? Männer des Volkes, laßt euch nicht schrecken von ihrem macht­ losen Beginnen! Ihr, denen es euch wahrhaft ernst ist um das Wohl des ganzen Volkes, versagt weder eure moralische noch physische Unter­ stützung jenen Forderungen, welche die Bürger Kölns an die „un­ geschwächte Krone“ Preußens zu richten beabsichtigen. Sie wollen: 1) „Gesetzgebung und Verwaltung durch das Volk“, da ein freies Volk, das sich nicht mehr im Interesse einzelner ausbeuten lassen will, auch solcher Gesetze bedarf, welche nur sein Interesse im Auge haben, nur Solcher Verwaltungsbeamten, denen das Wohl des Volkes das höchste Ziel ist; sie verlangen: „Allgemeines Wahlrecht und allgemeine Wählbarkeit in Gemeinde und Staat“, weil nur, wenn jedes einzelne erwachsene Mitglied des Volkes zu wählen hat und gewählt werden kann, an eine wahrhafte Vertretung des Volkes zu denken ist. Sie wollen: 2) „Unbedingte Freiheit der Rede und Presse“, als die besten Stützen einer allgemeinen Volksvertretung, die unentbehrlichen Mittel einer allgemeinen Volksbildung. Sie wollen: 3) „Aufhebung des stehenden Heeres und Einführung einer all­ gemeinen Volksbewaffnung mit vom Volke gewählten Führern“, weil letzteres zur Verteidigung des Landes vollkommen ausreicht, ohne überflüssige Arbeitskräfte in Anspruch zu nehmen, ersteres aber nur ein Werkzeug des Despotismus und der Unterdrückung bildet, dessen Unterhaltung als eine schwere Last auf alle Bürger fällt. Sie wollen: 4) „Freies Vereinigungsrecht“, denn nur in unfreien Ländern kann die Vereinigung ihrer Bürger gefährlich werden.

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Sie wollen: 5) „Schutz der Arbeit und Sicherstellung der menschlichen Bedürf­ nisse für alle“; denn es ist ein himmelschreiendes Unrecht, daß viele im fürchterlichsten Elende darben, während andere im Über­ fluß schwelgen. Nur die schlechte Verteilung der Arbeit und ihre Ausbeutung im Interesse einzelner verhindert es, daß genug her­ vorgebracht wird, um die Bedürfnisse aller einzelnen zu befriedigen. Es ist daher Sache des Staates, die Produktion dem Interesse der einzelnen zu entreißen und sie im Interesse aller zu leiten. Jeder Mensch hat ein Recht auf Arbeit sowie auf einen seinen Bedürfnissen angemessenen Lohn. Sie wollen: 6) „Vollständige Erziehung aller Kinder auf öffentliche Kosten“; d.h., es soll einem jeden die Möglichkeit zu seiner vollständigen Ausbildung gegeben werden, ohne ihn deshalb einem neuen Zwange zu unterwerfen, ihn einem allgemeinen Schema unterzuordnen oder ihn gar gewaltsam dem Schoße seiner Familie zu entreißen. Das Recht des Menschen auf eine der Entwickelung der Gesellschaft ent­ sprechende Erziehung ist unbedingt das erste, was von einem jeden Mitgliede derselben anerkannt werden muß. Flugblatt St.A. Koblenz, Abt.403, Nr. 2550.

214 Brief von Karl Marx in Paris Friedrich Engels in Brüssel um den 12. März 1848 an

Paris 10, rue neuve Menilmontant (Boulevard Beaumarchais)

Lieber Engels! [...] Auf der „Röforme“ sprach man freundlich von Dir. Flocon ist krank, ich hab’ ihn noch nicht gesehn. Das von Seiler ausgebreitete Gerücht ist unter den Deutschen allgemein zirkulierend. Allard ist bis jetzt noch nicht von der Revolution beiseite geschoben. Ich rate Dir herzukommen. Zentralbehörde ist hier konstituiert worden, da Jones, Harney, Schapper, Bauer, Moll sich hier befinden. Man hat mich zum Präsi-

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denten und Schapper zum Sekretär ernannt. Mitglieder sind: Wallau, Lupus1, Moll, Bauer und Engels. Jones ist gestern nach England abgereist; Harney ist krank. Salut. . Dem Handschrift K.M. IMLM/ZPA, F. 1, op. 1, Nr. 251. (MEW, Bd.27, S.118.)

Gekürzt.

215 Schreiben des Kreises London an die Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten in Paris2

15. März 1848

London, den 15. März 1848 Der Ausschuß des Kreises Lfondon] an die Z[entral]b[e]h[örde] ' B.rüder. Eure Briefe sind uns gestern morgen zugekommen. Der eingeschlfossene] Brief an Schabelitz wurde gestern nachmittag abgegeben mit der Bedeutung, eine augenblickliche Antwort zu haben. Schfabelitz] ging hin zum H[erzog] (Peter soll er heißen)11801 und brachte uns die Antwort in die Gesellschaft, daß Peter krank und im Bette liege, er könne keinen Besuch empfangen und wir sollten ihm den Brief entweder per Post oder durch Schab[e]l[itz] zukommen lassen. Auf dieses haben wir dem Schfabelitz] gesagt, daß unser Auftrag laute, den Brief direkt an Peter abzugeben. Hierauf wurde Schfabelitz] noch­ mals aufgefordert, die Sache dem Peter vorzustellen und uns bis heute abend eine direkte Antwort zukommen zu lassen; denn kann der Peter uns nicht selbst sehen, so müssen wir zuerst Euch hören, ob Ihr Euren Brief durch Schfabelitz] übergeben lassen wollt oder nicht. Die Sache scheint mir etwas sonderbar, ich glaube beinahe, Peter hat einen großen Plan im kleinen Gehirn, beinahe kommt es mir vor, als wollte Peter dasjenige jetzt selbst erreichen, was Ihr ihm damals durch uns erreichbar gezeigt habt. Meinen Schluß leite ich aus folgenden Grün­ den her. Schfabelitz], als ich ihm den Brief gestern brachte, sagte mir, daß der Peter ein kurioser Kerl sei; er glaube, es sei durchaus nötig, daß er noch einige tausend Franzosen engagiere, welche nach Deutschland gehen und die Repfublik] dort helfen erobern sollen. Wahrscheinlich glaubt Peter, er könne allein eine teutsche Repfublik] etablieren und vielleicht gar ein Miniatur-Napoleönchen werden. Die Antwort des Peter wird weiter unten folgen. Wir glaubten, Euch obiges mitteilen zu 1 Wilhelm Wolff - 2 Karl Pfänder war der Schreiber, wahrscheinlich auch der Verfasser des Doku­ ments.

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müssen, indem es leicht möglich wäre, daß der Kerl dumme und ver­ messene Kartenhäuser in seinem Hirnkasten aufbaut. 2) Was die Sendung der Manifeste und B[undes-]Stat[uten] anbelangt, so werden dieselben morgen abgehen, im spätesten Falle (?) übermorgen. Das Paket wird teuer werden, jedoch ist die Post der sicherste Weg. Wir werden diesen Brief extra abschicken, indem wir glauben, daß es besser ist. N[achschrift]: Die Post wird zu teuer kommen - wahrscheinlich geht es per Kommission.1 3) Euren Rat hinsichtlich] Amsterdams2 werden wir befolgen und wird deswegen schon morgen ein Brief und kurz danach die Manifeste abgehen. Eure Mühe in Pjaris] scheint belohnt zu werden, denn wie wir sehen, kommen unsere Sachen dort wieder auf den Strumpf. Die Deutschen in Paris geben uns den reinsten Beweis, wie weit es mit einer schlechten Verwaltung kommen kann und kommen muß und wie viele Mühe es kostet, den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Seid überzeugt Brüder, daß die Leute hier ruhig und mit mutiger Freude auf die weiteren Begebenheiten warten. Die meisten möchten lieber heute dreinschlagen wie morgen, und dennoch machen sie immer aufmerksam, Sorge zu tragen und die Sache durch Übereilung nicht zu vernichten. Verlangen, ein mächtiges Verlangen lebt in dem Proletariat, und ein Glück, ein Beweis der Bildung, daß dieses Verlangen durch Vernunft und Berechnung geleitet wird. Die Unruhen in England waren bis jetzt unbedeutend und weniger politisch durch Parteien begründet. Die Chartisten gehen einen siche­ ren Weg, ihre Meetings bleiben ruhig und führen zu einer solchen Größe und Anzahl, welche grade durch das ruhige Zuströmen der Massen die englische Regierung mehr in Verlegenheit setzt als einzelne Ausbrüche, welche leicht gedämpft werden können. Sollten aber bis 3. April oder 10. die Wünsche des Volkes nicht erhört werden, so glaube ich beinahe, es ist der Regierung] unmöglich, diesem ungeheuren Volkshaufen zu widerstehen.11811 Das Geschwür kommt auch hier zum Aufbrechen. Weiter: Schabelitz hat soeben geschrieben, daß er den Peter dazu bewogen habe, einen zu empfangen. Er wollte durchaus die Sache durch die dritte Hand gehen lassen. Jetzt will er einen empfangen, aber durchaus keine zwei, und zwar morgen nacht gegen 10 Uhr. Als die Person hat Schab[e]l[itz] den Pfänder bezeichnet. Nachdem wir darüber gesprochen], nachdem C. Moll sich erst aussprach, daß 1 Dieser Absatz ist nachträglich eingefügt. - 2 Vgl. auch Dokument 209.

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2 oder keiner gehen müßte, nachdem ferner Pfänder und mehrere darauf aufmerksam machten, wie nötig es wäre, daß zwei gingen, indem im Verneinungsfalle dem einen alles zur Last gelegt werde, wurden wir im Interesse unserer Sache zum Schlüsse bewogen, daß Pf[änder] allein morgen nacht hingehen soll. Besser einer wie keiner.1 Das Resultat soll sogleich geschrieben werden11821, einstweilen er­ haltet Ihr diese Zeilen und den inliegenden Brief, welcher an Bauer adressiert war. Noch zu bemerken: Ihr hättet durchaus eine größere Summe von dem Peter, im ersten Sturme, nehmen sollen, es könnte sein, daß, nach­ dem der Kerl sich etwas vom Schrecken erholt hat, er nicht mehr an­ beißen wird. Jedoch wir wollen sehen, wie es ausfällt. An dem Tage, als unser Wirt in Drury L[ane] um seine license nach­ suchte, wurde dieselbe ihm für den Augenblick verweigert, indem sich einige Nachbarn beklagten, daß die Ausländer einen fürchterlichen Lärm machen pp. Wahrscheinlich war dieses eine Ausrede; man will sehen, was im Wirtshause dort in unserem Saale vorgeht. Man hat diese Ausrede gewählt, um einen Grund zu haben, in die2 gegenwärtigen Sit­ zungen einen Polizeidiener oder Sergeant in Privatkleidung zu schicken, welcher sich überzeugen soll, wie ruhig und ordnungsgemäß sich die Gesellschaft verhalte - der aber auf jeden Fall bloß aus politischen Gründen dort anwesend ist; denn die englische Regierung fängt an, Geister zu sehen. - (Man muß die Zusammenkünfte der Ausländer mit Engländern beobachten.) Wir müssen schließen, die Zeit drängt. Gruß, Eure Brüder K. Pfänder Buch Fraenkel Charles Moll Burghard T. Pätz Dietze Rosenthal NB. Im Falle, daß wir Gelder erhielten, auf welche Art, durch welches Haus pp. sollen wir’s Euch zuschicken? Handschrift IMLM/ZPA, F.20, Nr. 119.

1 Dieser Satz ist nachträglich eingefügt. - 2 in der Vorlage: den

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Erstmalig vollständig veröffentlicht.

216 Brief von Karl Marx in Paris an Friedrich Engels in Brüssel 16. März 1848

16. März 1848 Lieber Engels! Ich habe in diesen Tagen keinen Augenblick Zeit, um ausführlicher zu schreiben. Ich beschränke mich auf das Nötige. Flocon ist sehr gut gegen Dich gesinnt. Die hiesigen Straubinger widmen Dir alle mehr oder minder Wut. (Prügelei mit Sch.1 usw.) [...] Hier wird die Bourgeoisie wieder gräßlich frech und reaktionär, mais eile verra2. Bornstedt und Herwegh benehmen sich als Lumpen. Sie haben hier einen schwarz-rot-goldenen Verein contre nous3 gestiftet.tl83) Erstrer wird heut aus dem Bund ausgestoßen. Dein M.

[...] Setz G[igot] ab, wenn er nicht Tätigkeit entwickelt. Der Kerl sollte in diesem Moment energischer sein. Grüß Maynz herzlich von mir, ebenso Jottrand. Letzteren „Debat social“ habe ich empfangen. Auch einen Gruß an Vogler. Maynz und Jottrand werde ich ausführlich schreiben. Leb wohl. Handschrift IMLM/ZPA, F. 1, op. 1, Nr.252. (MEW, Bd.27, S. 119/120.)

Gekürzt.

217 Brief von Jenny Marx in Paris an Joseph Weydemeyer in Hamm 17. März 1848 Paris am Donnerstag4 Hotel Manchester, rue Grammont No. 1 Lieber Herr Weydemeyer! Mein Mann, der wieder so im Gedräng der Arbeit und Lauferei hier in der Riesenstadt ist, läßt Sie durch mich bitten, doch im „Westphälischen Dampfboot“ anzuzeigen, daß sich, wie Herr Lüning5 das Nähere 1 wahrscheinlich: Scherzcr, ein Anhänger Weitlings - 2 aber sie wird schon sehen - 3 gegen uns 4 Wahrscheinlich verschrieben für „Freitag“, da am Freitag, dem 17. März, die große Arbeiterdemonstra­ tion statlfand, von der im Brief die Rede ist. - 5 Otto Lüning hatte sich vorübergehend in Paris auf­ gehalten und befand sich Mitte März in Brüssel, vgl. Dokument 218.

729

ja weiß, hier mehrere deutsche Gesellschaften gebildet haben; daß aber der Deutsche Arbeiterklub1, an dessen Spitze die Deutschen aus Lon­ don, Schapper, Bauer, Moll, und die Deutschen aus Brüssel, Marx, Wolff, Engels, Wallau, Born, stehn, daß diese (die auch in direkter Verbindung mit den Chartisten in England vermittelst Harney und Jones stehn) nichts gemein haben mit der Deutschen demokratischen Assoziation2 unter dem Vorstand von Börnstein, Bornstedt, Herwegh, Volk, Decker etc., eine Gesellschaft, die die schwarz-rot-goldne Fahne aufsteckt (worin ihr jetzt der Bundestag schon zuvorgekommen ist) und vom Vater Blücher spricht und von preußischen abgedankten Offizieren sektionenweis einexerziert wird. Es ist durchaus vor Frankreich und vor Deutschland nötig, sich entschieden von dieser Gesellschaft zu unterscheiden, da sie die Deutschen blamieren wird. Sollte das „Dampf­ boot“ zu spät kommen, so machen Sie aus obigen Data einen kleinen Artikel für beliebige deutsche Zeitungen, die Ihnen ja jetzt im Süden schon eher zu Gebote stehn. Suchen Sie es soviel als möglich in deutsche Blätter zu bringen. Ich schriebe Ihnen noch gern viel aus dem interessanten hiesigen Treiben, das von Minute zu Minute bewegter wird (heute abend ziehen 400000 Arbeiter vors hötel de ville3), die Attroupements4 mehren sich wieder, allein ich bin mit Haus und Hof und den 3 Würmchen so über­ beschäftigt, daß ich nur noch Zeit habe, Ihnen und Ihrer lieben Frau ein paar herzliche Grüße aus der Ferne zuzurufen. Salut et fraternitö.5 Ihre Citoyenne und Vagabonde6 Jenny Marx Handschrift IMLM/ZPA, F. 1, op. 1, Nr. 250. (MEW, Bd.27, S. 604.)

218

Brief von Friedrich Engels an Karl Marx in Paris 18. März 1848

in

Brüssel

[...] Tedesco ist frei und gleich nach Lüttich fort1-1841, ohne einen Menschen zu sehen. Esselens war einige Tage hier, aber er hatte ihn nicht gesehen. Hier herrscht eine Finanz-, Börsen-, Industrie- und Handelskrisis ohnegleichen. Der Commerce jammert arbeitslos auf dem Caf6 Suisse herum, die Herren Kauwerz, Lauffs und Konsorten schleichen umher 1 Vgl. Dokument 211.-2 Vgl. Anm. 183. - 3 Rathaus - 4 Massenaufläufe - 5 Gruß und Brüderlichkeit - 6 Bürgerin und Vagabundin

730

wie bepißte Pudel, die Arbeiter haben Rassemblements1 gemacht und petitioniert, große Brotnot allgemein. Bares Geld nirgends zu haben, und dabei ein emprunt forc62 von 60 Millionen! Sie kriegen hier dieRepublik durch die Börse aufgedrängt. Lüning findet bei seiner Rückkehr hieher die Nachricht vor, daß in Preußen auf ihn gefahndet wird; er wird seine Frau herkommen lassen und nach Paris kommen. Der Dronke war vor seiner Flucht durch Willich und Konsorten in den Bund aufgenommen worden.11851 Ich hab’ ihn hier einem neuen Examen unterworfen, ihm unsre Ansichten vo'rgetragen, und da er sich einverstanden erklärte, ihn bestätigt. Man hätte nichts andres tun kön­ nen, selbst wenn mehr oder weniger Bedenken dagewesen wären. Indes ist der Kerl sehr bescheiden, sehr jung und scheint sehr zugänglich, so daß ich glaube, daß er mit einiger Aufsicht und einigem Studium gut werden wird. Er revozierte mir gegenüber alle seine früheren Schriften.3 Er wohnt leider bei Moses4, der ihn einstweilen also bearbeiten wird, aber das hat bekanntlich nichts zu sagen. Bei Lüning, an den er sich schrecklich angekittet hatte, bedurfte es zweier Worte, um ihn aus dem Sattel zu heben. Moses ist übrigens freundschaftlicher denn je - den Kerl begreif’ einer! [...] Si c’est possible5, so reise ich Montag6 ab. Aber die Geldwirtschaft kommt mir immer in die Quere. Von England hör’ ich durchaus nichts, weder durch Briefe noch „[Nort­ hern] Stars“. In Deutschland geht die Sache wahrhaftig sehr schön, überall Erneuten, und die Preußen geben nicht nach. Tant mieux.7 Wir werden hoffentlich nicht lange in Paris zu bleiben haben. Daß ihr den Bornst[edt] hinauswerft, ist sehr gut. Der Kerl hat sich so unzuverlässig bewiesen, daß man ihn wirklich beseitigen muß aus dem Bund. Er und Weerth sind jetzt all[...]8, und Weerth läuft als wütender Republikaner]8 hier herum. Der Lamartine wird jeden T[ag lied]erlicher8. Dieser Mensch wendet sich ja in allen seinen Reden nur an die Bourgeois und sucht sie zu be­ ruhigen. Auch die Wahlproklamation der Provisorischen Regierung ist fa ganz an die Bourgeois gerichtet, um sie zu rassurieren9. Kein Wunder, daß die Kerls dabei frech werden. F.E. Adios, au revoir10. 1 Kundgebungen - 2 eine Zwangeanleihe - 3 Es handelt sich um Dronkes Werke „Berlin“, „Polizei­ geschichten“ und „Aus dem Volke“, die im Jahre 1846 erschienen und nicht frei von „wahrsozialistischen “ Zügen waren. - 4 Moses Heß - 5 Wenn es möglich ist - 6 20. März - 7 Um so besser. - 8 Papier be­ schädigt. - 9 beruhigen - 10 Lebe wohl, auf Wiedersehen

731

I

i

Alle Briefe hieher unter der angegebnen Adresse; Bl[oß] wird sie en mon absence1 an Gi[got] geben. Samstag. Handschrift IMLM/ZPA, F.l, op.l, Nr.253. (MEW, Bd.27, S. 121-123.)

Gekürzt.

219 Brief von Roland Daniels in Köln an Karl Marx in Paris

etwa 19. März 1848 Lieber Marx! Gestern, nach Empfang Deines Briefes2, las ich das Gerücht aus Paris, daß Fould bankerottieren wolle. Ich halte es daher für unsicher, einen Wechsel auf ihn zu kaufen, und überhaupt für das Sicherste, Dir das Papier in Geld umzusetzen, wobei Du freilich verlieren wirst. Seit einem halben Jahr bin ich ohne direkte Nachricht von Dir ge­ wesen. Laß mich endlich einmal etwas von Dir hören. Willst Du Dich nicht naturalisieren und für die Nationalversammlung wählen lassen? Durch Frl. Schöler höre ich, daß Du vorhast, eine Zeitung zu grün­ den.11861 In Paris oder Deutschland? H. Venedey sucht Dich in der „Kölnischen [Zeitung]“ immer als Adju­ tant von Bornstedt darzustellen und spricht mit Bedauern von Deiner Verblendung. Gib dem boshaften Kerl doch mal ’ne Ohrfeige. Du bist gewiß sehr gespannt auf Details aus Berlin. Wir hier ebenfalls. Denn wir sind bis jetzt noch in völliger Ungewißheit. Eine telegraphische Depesche, die der Reg[ierungs-]Präs[ident] veröffentlichte und wonach die Ruhe hergestellt sei3, ist durch Korrespondenzen widerlegt worden. Dumont* veröffentlicht nichts, und das Wenige, was er gern veröffent­ lichen möchte, passiert erst die Zensur. Privatkorrespondenzen erhalten nur die Bankier[s] und Kaufleute, und Camphausen erklärte vorgestern im Stadtrat, seine Korrespondenz nicht mitteilen zu können, weil sie zu große Aufregung in dem Volke erregen würde. Der einzige Privatbrief, den ich kenne, von einem Dr. med. Borchardt, spricht von Greuelszenen 1 in meiner Abwesenheit - 2 Dieser Brief von Marx blieb nicht erhalten. - 3 Gemeint sind die Unruhen seit dem 13. März 1848 in Berlin. - 4 der Herausgeber der „Kölnischen Zeitung"

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von Seiten des Militärs, die alle Begriffe übersteigen. Man trieb die Volksversammlung, die im Krollschen Lokal zum Zweck einer Petition statt hatte, auseinander und das Volk durchs Brandenburger Tor unter die Linden nach dem Schloßplatze. Alle Nebenstraßen waren besetzt, und als das Volk bis zum Schloßplatze vorgedrungen, wurde es von vorn durch Kavallerie empfangen und zusammengehauen. Der König soll vom Balkon den Befehl zum Einhauen gegeben haben. Nach andern Gerüchten sollen 2 Regimenter übergegangen sein. Daß mit Kartätschen unters Volk geschossen worden, ist durch Reisende bestätigt, die bei ihrer Abfahrt den Kanonendonner 1/2 Stunde lang gehört haben. Das Gerücht spricht von Tausenden, die geblieben seien. Die „Allgemeine Preußische [Zeitung]“ spricht nur von „Beschädigungen einzelner“. Soviel ist gewiß, daß am 18? mittags 5 Uhr noch Gewehrsalven in den Straßen gehört wurden, wie der Korrespondent von Dumont aussagt, der aber sehr wenig unterrichtet ist, oder, wie mir gestern ein Mit­ redakteur sagte, in der Stellung sei, nicht alles sagen zu dürfen. Kurz, hier ist alles in Aufregung und Spannung. Die ganze Bevölkerung wäre geneigt, etwas zu tun, aber die Ungewißheit hält sie zurück. Die Leute, die die Nachrichten aus Berlin in Händen haben, wagen nicht, sie zu veröffentlichen. Die Bourgeois haben sich zu einer Adresse an den König entschlossen, weil sie glauben, durch Bewilligung der aufgestellten Forderungen würde der Kredit wiederkehren, sie würden selbst morgen am Tage die Republik ausrufen, wenn sie sicher wär’n, daß dann der geliebte Schacher und Kram wieder ins alte Geleise käme. Aber bei einer Revolution könnte das Eigentum Schaden leiden. Deshalb war hier gestern eine Versammlung, worin über bewaffnete Bürgergarde dis­ kutiert wurde. Man sandte eine Deputation an den Reg[ierungs-]Präsidenten, dieser fragte, wen sie bewaffnen wollten, alle oder bloß die Besitzenden? Die Deputation antwortete alle, weil der Reg[ierungs-] Präsident] ihnen sagte, im letztem Falle sähe dieses aus, als ob sie gegen die Besitzlosen sich bewaffneten. Diese Antwort brachte dann natürlich eine abschlägige Antwort hervor. Die hiesige Bevölkerung ist in einem solchen Zustande, daß, wenn der Stadtrat die Republik proklamiert, alles beistimmen würde. Aber dafür ist keine Gefahr. Dauert auf der andern Seite die Geldkrise fort, so können die Arbeiter nicht mehr beschäftigt werden, und der Hunger treibt zur Revolution. Schon während mehrer[er] Stadtratssitzungen versammelten sich Gruppen von einigen hundert Arbeitern vor dem Rathause und ver­ langten Arbeit. Viele sind beschäftigt worden. Aber wenn die hiesigen Fabriken nicht mehr arbeiten können, so ist der Stadtrat nicht imstande, allen Arbeit zu geben. Die Deputation unsres Stadtrats wird morgen 1 in der Vorlage: 17.

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hier zurückerwartet. Leicht könnte deren Rückkehr mit abschlägigem Bescheid einige Bourgeois veranlassen, in blinder Wut gegen ihr eigen Fleisch und Blut, d.h. gegen ihren Geldsack zu wühlen. Die Blusen­ männer sind gleich bereit, „wenn nur die Herren wollen“. - Gestern abend mußte hier die Schneidemühle von Boisserde militärisch besetzt werden, weil alle Arbeiter „einstimmig“, wie mir ein Kommis von B[oisseree] versicherte, beschlossen hätten, die Mühle in Brand zu stecken. - Mit den ersten Nachrichten aus Berlin ist hier alles in untäti­ ger Erwartung und Spannung. Man wirft in andern Städten den Kölnern vor, sie seien untätig und feige, aber der eigentliche Grund ist der, daß in Köln die meiste bewußte Bourgeoisie existiert, die einsieht, daß sich in der Revolution andre, ihr verhaßte Elemente geltend machen könnten. Es bleibt ihnen daher nichts übrig, als ruhig abzuwarten, ob ihnen nicht andre Städte die Kastanien aus dem Feuer holen. - Adieu Dein1

Grüße Deine Frau herzlich von mir. Nach den Fasttagen werde ich heiraten, Deine Frau kennt meine Braut. Ich werde dann eine Reise nach Paris machen, wenn mich nichts andres abhält. Dann hoffe ich, Dich auch dort zu sehen, aber vorher etwas von Dir zu hören. Dein1 Handschrift IMLM/ZPA, F. 1, op.5, Nr. 165.

Erstmalig veröffentlicht.

220 Schreiben des Kreises London an die Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten in Paris 22. März 1848 London, den 22. März 48 Der Aussch[uß] des Kr[eises] London an die Z[en]tr[al]b[e]h[örde]. Euer Schreiben vom 19. d.M.2 kam uns gestern zu Händen. Schabe­ litz wurde mittags gesprochen, er hatte den Brief dem Peter3 zugeschickt und holte abends eine Antwort, welche folgende ist: Peter will kein Geld mehr geben, andre sollen geben - wenn die provisorische Regierung keine Werbung erlaubt, so will er warten, bis bessere Gelegenheit da ist pp. PPDer eigentliche Grund ist folgender: Der Peter wurde im ersten Augenblick von Euch überrascht und hätte, wie jeder Ochs, welcher erschreckt wird, alles gegeben, was verlangt wurde. Er hat jetzt durch­ aus die Idee, der alleinige Gott der deutschen Repjublik] zu werden: 1 Es folgt ein nur angedeutetcr Namenszug. - 2 Dieses Schreiben blieb nicht erhalten. - 3 Karli**» ehern. Herzog von Braunschweig; vgl. Dokument 215.

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nichts für andre zu tun, welche ihm diesen Platz nicht untertänigst voraus einräumen. Störrisch wie ein geschlagener Ochs, will er jetzt keinen Schritt weitergehen, er will durchaus keine Audienz geben, und ich glaube, er fürchtet sich vor uns. Als wir gestern nacht Schabelitz sprachen, gab derselbe uns den Rat, nochmals per Post an ihn zu schreiben. Dieses geschah diesen Morgen, wir wollen sehen, welches Resultat wir erhalten bis diesen Abend. Dieses wird also weiter unten folgen. Nun weiter was Neues, zwar Lokalsache, aber doch bedeutend, indem es gewiß in der Folge von Bedeutung sein wird. Montag1 abend waren die Frat[ernal] Democrats beisammen. Eine Adresse an das französische Volk und die provisorische Regierung wurde erlassen. Harney und E. Jones sprachen sehr gut, sie wollen die Charti­ sten auf den 10. April völlig organisieren pp.2 - Alles legal und konsti­ tutionell, mit besonderem Nachdruck der Polizei vorgehalten, welche privat anwesend war. [...] Bis jetzt haben wir keine Antwort von Peter - werden auch keine günstige erhalten. Unsere Meinung in dieser Hinsicht ist, daß, im Falle noch etwas herauskommen kann, dieses nur dadurch bezweckt werden könnte, daß Brfuder] Schjapper] und M[oll]3, welche zuerst mit Peter sprachen, jetzt herüberjkämen] und zu ihm gehen würden.4 Wir geben Euch hiemit unsere Meinung und sind überzeugt, daß Ihr nach Um­ ständen und Euren Einsichten im Interesse unserer Sache solche Maß­ regeln treffen werdet, welche hinsichtlich unserer Sache und Ehre die besten sind. Sobald noch eine Antwort von Peter kommen sollte, wird dieselbe abgeschickt. Wir schließen und erwarten Eure ferneren Mitteilungen. Mit Gruß und Hfandschlag] Charles Moll: eine Antwort auf der Stelle, persönlich, die Sache verlangt es. A. Lehmann Rosenthal Dietze Burghard Fraenkel Pfänder T.Pätz Am Samstage5 sind 1000 Manifeste abgegangen. Handschrift IMLM/ZPA, F.20, Nr. 121.

Gekürzt. Erstmalig in der Sprache des Originals veröffentlicht.

I 20. März - 2 Vgl. Dokument 234. - 3 Joseph Moll - 4 Zum Ergebnis vgl. Dokument 225. - 5 18. März

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221

Schreiben des leitenden Kreises Brüssel an die Zentral­ Bundes der Kommunisten in Paris .22. März 1848 Brüssel, 22. März 1848 pour M. Marx, Tres pressd1 Der leitende Kreis Br[üssel] an die Z[entral]b[ehörde] des B[undes] In unsrer gestrigen Vereins-Sitzung wurde nach langem Beraten ihr Beschluß gefaßt, in Erwägung der jetzigen Vorgänge in Deutschland, die zum Teil schon einen republikanischen Charakter angenommen hätten oder doch nächstens annehmen könnten und mithin die tätige Be­ teiligung der hier lebenden deutschen Kommunisten erheischten, die Zentralbehörde aufzufordern, umgehend hieher zu berichten, was in dieser Beziehung in Paris vorgefallen und welche Verhaltungsbefehle Ihr am geeignetsten für Brüssel haltet2. Ich beschwöre Euch, schreibt umgehend-, zum 25., Sonnabend, kommen wir wieder zusammen; schenkt reinen Wein [ein] über die Deutsche demokratische bewaffnungs­ lustige Schar3 (die den hiesigen Leuten im Kopfe spukt) und rettet die hiesige provisorische Verwaltung durch Eure influence personnelle4. T.5 war dabei. .. , Felipe6 behörde des

Handschrift IMLM/ZPA, F.20, Nr. 16.

Erstmalig in der Sprache des Originals veröffentlicht.

222

Brief von Georg Weerth in Köln Karl Marx in Paris 25. März 18487 an

Köln, 25. März 1848 Lieber Marx! Seit einigen Tagen bin ich in Köln. Alles ist bewaffnet, man traut den Berliner Versprechungen nicht -, man wird nur mit allgemeiner Wahl, unbedingter Preßfreiheit und Assoziationsrecht zufrieden sein. - Der alte Landtag ist in den Augen des Volkes tot, und alle frühem Mitglieder, 1 für Herrn Marx, Eilt sehr - 2 in der Vorlage: hält - 3 Vgl. Anm. 183. - 4 Euren persönlichen Einfluß - 5 vielleicht: Tedesco - 6 Philipp Gigot. Es folgt noch eine kurze, fast unleserliche Notiz. 7 Der Brief enthält eine kurze Nachschrift vom 26. oder 27. März aus Brüssel.

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die sich sehen lassen und nicht total demokratisch sind, werden von den Tribünen gejagt; - heute gehen 5 Abgeordnete von hier nach Berlin, um alles dies dem Könige zu erklären. Nur mit einem neuen, aus allgemeiner Wahl hervorgegangenen Landtag ist man einverstanden. Dasselbe gilt von der Frankfurter Reichsversammlung, man sendet von hier einige Leute dahin, um den Abgeordneten auf die Finger zu passen. Obgleich alles, was man hier durchsetzt, ziemlich demokratisch ist, so schaudert man doch bei dem Worte Republik, und eine Invasion Deutscher von Paris aus würde hier schlecht empfangen werden. Nach Koblenz und dem Oberrhein zu soll die Stimmung dagegen mehr für die Republik sein. Der Kommunismus ist das Hauptschreckwort. Ein offen auftretender Kommunist würde gesteinigt werden. Daniels, Bürgers, D’Ester spre­ chen von einer neuen Zeitung1. Die Fonds, welche man zu erhalten glaubt, scheinen mir aber noch zweifelhaft. Statt in Paris zu sitzen, wäre es gewiß gut, wenn Du hierher kämst usw. Denn jedenfalls ist jetzt viel zu machen. Die Polizei ist sehr kaduk, und die Amnestie scheint bis jetzt wirklich zu existieren. Mit herzlichen Grüßen Dein W.

Tedesco ist wieder hier in Brüssel. Maynz war mit uns in Köln. Bür­ gers wird von den Kölnern wahrscheinlich nach Frankfurt a. M. ge­ schickt.2 [...]■ Handschrift IMLM/ZPA, F. 1, op.5, Nr. 167.

Gekürzt.

223

Brief von Andreas Gottschalk an Moses Hess in Brüssel 26. März 1848

in

Köln

Lieber Freund! Ich rate Dir von jeder Teilnahme an dem Herweghschen Invasions­ unternehmen ab, weil ich Dich den Anstrengungen eines Feldzuges nicht gewachsen glaube; ich rate überhaupt von dem Unternehmen ab, weil der Name „Republik“ durchaus unpopulär ist, auch das Proletariat wenigstens hier nicht stark genug ist, für sich allein agieren zu können. 1 Vgl. Anm. 186. - 2 Am sogenannten Vorparlament, das vom 31. März bis 3. April 1848 in Frank­ furt a.M. tagte, nahm als Kölner Vertreter außer Heinrich Bürgers auch Karl D’Ester teil.

47 Bund

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i

Mit dem, was bereits erreicht worden ist, ein Königtum mit chartistischer Grundlage (mehr also als in England), können und müssen wir vorläufig zufrieden sein und dahin streben, in den bald stattfindenden gesetzgebenden Versammlungen zu erscheinen, wo die alleinige Macht überwiegender Intelligenz, getragen von den sozialen Krisen, die Ver­ wirklichung unserer Prinzipien eher ermöglichen wird als die Spitze des Schwertes. Ich bemühe mich, in dieser Weise mein bißchen Märtyrer­ tum so auszubeuten, daß ich als Kandidat auftreten kann; und, siege ich auch nicht, so gelingt es vielleicht Adv[okat] Schneider oder Bürgers. D’Ester ist faul und verkommen durch seine gerühmte Pfiffigkeit; alle Parteien weisen ihn ab. Gewiß wäre es gut, wenn Marx nach Trier, Engels nach Barmen zurückkehren wollten, daß sie dort als Kandidaten aufzutreten suchten. Es scheint, daß die konstitutionelle Monarchie, wie sie sich jetzt in Deutschland gestaltet, eher eine Vereinigung aller deutschen Stämme zu einem Ganzen herbeiführen wird als ein jetzt vorzunehmender Ver­ such der Republikanisierung. Du hast keinen Begriff von der Furcht unserer Bourgeois vor dem Namen der Republik; er ist ihnen identisch mit Raub, Mord, Einfall der Russen, und Eure Legion würde als eine Bande von Mordbrennern so verketzert werden, daß Euch nur wenige Proletarier als Verstärkung zufielen. [...] Willich und Anneke bleiben auf meinen Rat hier; wenn die Armee auf die Konstitution vereidet worden ist, wird man sie, um sie der abso­ luten Monarchie für immer zu entfremden und der Bourgeoisie sicher zu machen, mit den früher ausgestoßenen oppositionellen Elementen wieder versehen; - ich bin fest überzeugt, man wird unsern Freunden sehr günstige Eröffnungen machen, und sie treten alsdann auf den Boden zurück, dem sie noch immer durch Neigung usw. angehören und auf dem sie am meisten wirken können, indem sie für die Zukunft vor­ arbeiten. Beide gehören nicht zu uns1; ebenso Nothjung. Dieser wurde während meiner Gefangenschaft von Sandkuhl abgeordnet; ich würde es nie getan haben, da ich den Menschen als zanksüchtig, eigennützig usw. kenne und auf dem Sprunge war, ihn hier in Verruf zu erklären. Es sollte mir leid sein, wenn er hierher zurückkehrte. Sei klug, veran­ lasse ihn, nach Paris statt nach Köln zu gehen; ich halte ihn jeder Schlechtigkeit2 für fähig, er hat nie etwas geleistet. Ich lasse unsern Klub, da das Wort „unsere Partei“3 zum wahren Popanz geworden, von nun an als Arbeiter- und Debattierverein öffentlich erstehen*, und zwar unter offiziell anderer Leitung als der meinigen. Mein Einfluß unter der 1 gestrichen: gehören nicht zum Bunde. - Gottschalk nahm am ursprünglichen Text seines Briefes nachträglich einige berichtigende beziehungsweise abmildernde Änderungen vor. - 2 gestrichen: Ver­ räterei - 3 gestrichen: Kommunismus - 4 Vgl. Anm. 194.

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Arbeiterklasse hier ist sehr groß und ein wahrer Schrecken für die Bourgeoisie, seitdem sie mich mit solcher Masse auf dem Rathause gesehen. [...] Nothjung wird Dir wohl eine Beschreibung jenes Abends1 gegeben haben; deswegen habe ich mich hier nicht darauf eingelassen. Handschrift IMLM/ZPA, F. 173, op.l, Nr.III/2634.

Gekürzt.

224

Forderungen der Kommunistischen Partei etwa 27. März 1848C187J

in

Deutschland

Forderungen der kommunistischen2 Partei in Deutschland Motto3: „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“

1. Ganz Deutschland wird zu einer einigen, unteilbaren Republik er­ klärt: 2. Jeder Deutsche, der 21 Jahre alt, ist Wähler und wählbar, voraus­ gesetzt, daß er keine Kriminalstrafe erlitten hat. 3. Die Volksvertreter werden besoldet, damit auch der Arbeiter im Parlament des deutschen Volkes sitzen könne. 4. Allgemeine Volksbewaffnung. Die Armeen sind in Zukunft zugleich Arbeiterarmeen, so daß das Heer nicht bloß, wie früher, verzehrt, son­ dern noch mehr produziert, als seine Unterhaltungskosten betragen. Dies ist außerdem ein Mittel zur Organisation der Arbeit. 5. Die Gerechtigkeitspflege ist unentgeltlich. 6. Alle Feudallasten, alle Abgaben, Fronden, Zehnten etc.4, die bis­ her auf dem Landvolke5 lasteten, werden ohne irgendeine Entschädigung abgeschafft. 7. Die fürstlichen und andern feudalen Landgüter, alle Bergwerke, Gruben usw. werden in Staatseigentum umgewandelt. Auf diesen Land­ gütern wird der Ackerbau im großen und mit den modernsten Hilfs­ mitteln der Wissenschaft zum Vorteil der Gesamtheit betrieben. 8. Die Hypotheken auf den Bauerngütern werden für Staatseigentum erklärt. Die Interessen6 für jene Hypotheken werden von den Bauern an den Staat gezahlt. 1 Vgl. Anm.173. - 2 B, C, D: Kommunistischen - 3 C, D: „Motto“ fehlt - 4 B: usw. -SB, D: Landvolk - 6 Zinsen 47*

739

9. In den Gegenden, wo das Pachtwesen entwickelt ist, wird die Grund­ rente oder der Pachtschilling als Steuer an den Staat gezahlt. Alle diese unter 6, 7, 8 und 9 angegebenen Maßregeln werden gefaßt, um öffentliche und andere Lasten der Bauern und kleinen Pächter zu vermindern, ohne die zur Bestreitung der Staatskosten nötigen Mittel zu schmälern und ohne die Produktion selbst zu gefährden. Der eigentliche Grundeigentümer, der weder Bauer noch Pächter ist, hat an der Produktion gar keinen Anteil. Seine Konsumtion ist daher ein bloßer Mißbrauch. 10. An die Stelle aller Privatbanken tritt eine Staatsbank, deren Papier gesetzlichen Kurs hat. Diese Maßregel macht es möglich, das Kreditwesen im Interesse des ganzen Volkes1 zu regeln, und untergräbt damit die Herrschaft der großen Geldmänner. Indem sie nach und nach Papiergeld an die Stelle von Gold und Silber setzt, verwohlfeilert sie das unentbehrliche Instrument des bürgerlichen Verkehrs, das allgemeine Tauschmittel, und erlaubt, das Gold und Silber nach außen hin wirken zu lassen. Diese Maßregel ist schließlich notwendig, um die Interessen der konservativen Bourgeois an die Regierung2 festzuschmieden3. 11. Alle Transportmittel: Eisenbahnen, Kanäle, Dampfschiffe, Wege, Posten etc. nimmt der Staat in seine Hand. Sie werden in Staatseigen­ tum umgewandelt und der unbemittelten Klasse zur unentgeltlichen Ver­ fügung gestellt. 12. In der Besoldung sämtlicher Staatsbeamten findet kein anderer Unterschied statt als der, daß diejenigen mit* Familie, also mit mehr Bedürfnissen, auch ein höheres Gehalt beziehen als die übrigen. 13. Völlige Trennung der Kirche vom Staat5. Die Geistlichen aller Konfessionen werden lediglich von ihrer freiwilligen Gemeinde be­ soldet. 14. Beschränkung des Erbrechts. 15. Einführung von starken Progressivsteuern6 und Abschaffung der Konsumtionssteuern. 16. Errichtung von Nationalwerkstätten. Der Staat garantiert allen Arbeitern ihre Existenz und versorgt die zur Arbeit Unfähigen. 17. Allgemeine, unentgeltliche Volkserziehung. Es liegt im Interesse des deutschen Proletariats, des kleinen Bürger­ und Bauernstandes, mit aller Energie an der Durchsetzung obiger Maß­ regeln zu arbeiten. Denn nur durch Verwirklichung derselben können die Millionen, die bisher in Deutschland von einer kleinen Zahl aus­ gebeutet wurden und die man weiter in der Unterdrückung zu erhalten 1 B: Volks - 2 B, C, D: Revolution - 3 C, D: zu knüpfen - 4 D: „mit“ nicht hervorgehoben 5 C, D: Staate - 6 D: Progressivsteuer

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suchen wird, zu ihrem Recht und zu derjenigen Macht gelangen, die ihnen, als den Hervorbringern alles Reichtums, gebührt. Das Komitee: Karl Marx. Karl Schapper. H.Bauer. F. Engels. J.Moll. W1. Wolff. Flugblatt IMLB/ZPA, DF I/l.2 (MEW, Bd.5, S. 3-5.)

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Brief von Karl Schapper in London Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten in Paris 28. März 1848 an die

London, dienstag morgen Der Emfissär] an die Zentralbehörde. Brüder, Nichts! Nichts! Nichts! Mit dem feigen störrigen Hund ist nichts mehr anzufangen, er läßt niemand vor sich und hat bereits sein Geld und seine Kostbarkeiten geflüchtet.3 Ich kam am Sonntag um halb zwölf des Nachts in London an, da ich erst um zwölf Uhr des Mittags von Boulogne Weggehen konnte und auch in Folkstone mit meinem dummen Sack so lange an der Douane auf­ gehalten wurde, bis der Train4 zum Teufel war und ich bis halb sieben zu warten hatte. Als ich ankam, schickte ich sogleich zum Carl M[ollJ. - Derselbe war in der Gesellschaft und kam erst um ein Uhr zu mir, und zwar völlig begeistert, indem in der Gesellschaft einstimmig beschlossen worden war, Geld durch Subskriptionen aufzutreiben, mit armes et bagages5 nach Paris zu ziehen und von da mit uns weiter nach Deutschland. Ich war leider genötigt, kaltes Wasser über seinen Enthusiasmus zu gießen, welches ihm freilich anfangs nicht mundete, doch gab er sich endlich zufrieden. Ich bestellte hierauf den Schabelitz, Pfänder, Lehmann etc. etc. Die Leute fanden sich gestern morgen bei mir ein, und da das große Zimmer meiner früheren Wohnung noch leer stand, so mieteten wir es für eine Woche, um es zu den Sitzungen des permanenten Komitees zu benutzen. - Schfabelitz] wurde gestern, da er doch schon um unsere 1 C: M - 2 Original in: Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, St.K. Frankreich, K. 337. - 3 Vgl. Dokumente 215 und 220. - 4 Zug - 5 Waffen und Gepäck

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Sache wußte, feierlich in den B[un]d aufgenommen, um ihn dadurch um so fester an uns zu knüpfen. Er erhielt hierauf den Auftrag, zu dem Lumpenhund zu gehen und mir Zutritt zu ihm zu verschaffen. - Er wurde gehörig instruiert, zog ab, und nach langem Harren kam er end­ lich um sechs Uhr mit der traurigen Nachricht, „daß auch gar nichts mehr zu machen sei“. Der feige Schurke Peter erklärte, daß, wenn er Geld gäbe, so wolle er auch, daß man ihm gehorche; - er müsse dann das Oberhaupt sein: wir hingegen wollten bloß sein Geld, ihn sähe man für eine 0 an. - Wenn er etwas machen wolle, so werde er es mit Engländern und Franzosen versuchen. Dieses seien Leute, die noch auf das Kommando gehorchten denen wolle er auch erlauben, auf ihre Faust zu sengen und zu brennen. Anarchie hervorzurufen sei sein einziger Zweck, dazu taugten wir Kommunisten nichts etc. etc. Ihr seht also, mit diesem gemeinen Subjekt ist nichts weiter an­ zufangen, denn um keinen Preis würde ich mich, um Geld zu erhalten, einem solchen elenden Subjekt unterwerfen oder gar mich zu Bitten oder sonstigen Erniedrigungen hergeben. - Dem Schapper Audienz ge­ ben, sagte er, werde ich unter keiner Bedingung tun, der will mich ja lebendig braten Und würde mich am Ende gar in meinem eigenen Hause attackieren. - Als man die Briefe verlangte, erklärte er: - die sind mein Eigentum, die gebe ich nicht heraus. - Hierauf drohte ihm Schjabelitz], unserer Verabredung gemäß. - Hierauf erwiderte der Schuft: „Nach Deutschland zu gehen, werde ich mich hüten, also dort können mir diese Leute nichts machen. Ich weiß ferner, daß sie mit den englischen Charti­ sten in Verbindung stehen und daß sie mir, im Falle in England Ereig­ nisse vorfallen, auf den Hals rücken können - auch dafür habe ich ge­ sorgt. - Meine Diamanten und sonstige Kostbarkeiten sind in Sicher­ heit. Sie mögen daher meinen Palast immerhin stürmen, viel werden sie nicht erhalten und mich am allerwenigsten.“ Ihr seht nun, wir haben es mit einem schuftigen Fuchs zu tun, der in seinem Bau festsitzt und uns am Ende noch gar verhöhnt. - Alles, was wir jetzt tun können, ist, uns die Sache hinter das Ohr zu schreiben, damit die Kanaille bei der ersten Gelegenheit gezwiebelt wird. Hier sind die Leute nicht mehr zu halten - ich habe daher eingewilligt, daß Subskriptionslisten, aber nur bei Deutschen, herumgetragen werden, um den ohne Arbeit und ohne Mittel sich befindenden Deutschen es möglich zu machen, in ihre Heimat zurückzukehren. - Heute um sie­ ben Uhr ist Ausschuß, morgen Generalversammlung, übermorgen in Dean Street öffentliche Versammlung. - Ich werde mein möglichstes tun, um unsere Sachen zu befördern, ohne uns zu kompromittieren. Auf Donnerstag hat die Lesegesellschaft einen Meeting der Deutschen

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angekündigt, um - eine Adresse an die Deutschen zu entwerfen. - Der Schuft Heilberg hat die Adresse schon entworfen und spielt bei diesem schlechten Witz die Hauptrolle. Ich habe einige Pfund von dem Geld unserer Weiber genommen und sie an Rothschild geschickt, damit Bauer und Moll die Miete bezahlen können und wenigstens einer nach London kommen kann, wo er höchst notwendig ist. - Harney habe ich nur einen Augenblick sprechen kön­ nen - heute abend kommt er wieder -, übrigens scheint wenig Hoffnung vorhanden zu sein. Wie ich fortkomme - weiß bis jetzt der Teufel - doch gehe ich auf jeden Fall, und wenn ich selbst mein Bett verkaufen muß. - Schreibt mir mit umgehender Post, dann wird mich der Brief noch treffen.

Gruß und Handschlag Euer Bruder Karl Schapper

Mit Pfänder ist es nicht so schlimm, als wir fürchteten. Handschrift IMLM/ZPA, F.20, Nr. 122.

Erstmalig vollständig veröffentlicht.

226

Brief von Friedrich Anneke in Köln an Fritz Hammacher in Essen 28. März 1848 Köln, 28.3.48 Mein lieber zaghafter Friede! [...] Von der Untersuchung gegen uns weiß ich Dir wenig zu sagen. Einmal bin ich nur vernommen worden, die andern meines Wissens nicht öfter. Eine Masse Zeugen hat man verhört und uns dieselben prä­ sentiert zur Rekognoszierung. Was die gesagt haben, weiß ich nicht. Viel wird’s nicht gewesen sein. Die Ratskammer hat in Anbetracht der Zeit­ verhältnisse es für geraten gehalten, den Prozeß fallenzulassen und uns in Freiheit zu setzen.1 Die ganze Einsteckung war eine rein politische Maßregel. Jetzt, Friede, tuts vor allem not, daß überall das Leben wach­ gehalten werde, daß das ganze Land sich für die konstituierende Ver­ sammlung, hervorgegangen aus allgemeiner Wahl, ausspricht. Haben wir die und die nötigen Lebensbedingungen dazu, Post-, Sprech-, Versammlungs-, Vereinigungsfreiheit und Volksbewaffnung, so erreichen wir alles, 1 Vgl. Anm. 173.

743

was nottut. Möchte sich nur alles den Beschlüssen Kölns anschließen! Berlin scheint leider ganz den Kopf verloren oder noch gar keinen ge­ habt zu haben. Sollte es nicht anders gehen, die demokratische Staats­ grundlage festzustellen - nun, so machen wir einen allgemeinen Frei­ scharenzug nach Berlin! Die Formen für das Gesamtdeutschland festzustellen, hat immer noch Zeit. Es ist besser, der Volksbundestag kommt etwas später zusammen als zu früh, damit die freie Presse und Rede die Fürsten und Popanze vorher noch mehr untergraben kann. Zu einem demokratischen Blatt sind hier noch schlechte Aussichten.1 Sie bessern sich aber, sobald das alte2 Preßgesetz erst gestürzt ist. Hof­ fentlich wird es keine 8 Tage mehr bestehen. [...] Willich reist auf Aufforderung heut’ abend nach Heidelberg, um dort Bürgerartillerie zu organisieren. [...] Handschrift Deutsches Zentralarchiv Potsdam, Nachlaß Kammacher.

Gekürzt. Erstmalig veröffentlicht.

227 Bericht über in Berlin11883

die

Gründung

des

Arbeiterklubs

30. März 1848

{Arbeiter-Klub im Cafe d’Artistes). Gestern abend fand hier eine Ver­ sammlung von etwa 150 Arbeitern statt, welche die Konstituierung eines Klubs bezweckte. Der zum provisorischen Präsidenten gewählte Herr Lüchow3 er­ öffnete die Versammlung, indem er äuseinandersetzte, daß es fürs erste gleichgültig sei, wer eigentlich die Revolution gemacht habe, daß es aber vor allen Dingen darauf ankomme, das Errungene mit vereinigten ■Kräften festzuhalten, und dies Festhalten sei vielleicht schwieriger als das Erringen. Er wolle daher nicht die Gegensätze feststellen, in denen sich die Versammelten, als Arbeiter, allen anderen Ständen und Par­ teien gegenüber befänden; es käme vor allem darauf an, gemeinsam Front zu machen gegen die Reaktion. Da man nun außerdem niemals einen zweiten Schritt machen könne, ohne den ersten getan zu haben, schlage er vor, die großen Fragen, welche die Arbeiter als solche, d.h. 1 Vgl. Anm. 186. - 2 in der Vorlage: neue -3 In der Vorlage: Lichow

744

als einen besonderen Stand beträfen, vorläufig beiseite zu lassen und den Klub auf die Basis demokratischer Tendenzen zu stellen. Herr Hätzel1 sprach im gleichen Sinne; er wies daraufhin, wie man sich sehr gut an die bereits bestehenden politischen Klubs anlehnen könne, namentlich an den im Hotel de Russie; dort würden die Fragen wahrscheinlich mit größerer Intelligenz und Sachkenntnis behandelt werden als bei ihnen; nun habe aber die Erfahrung leider gelehrt, daß die Intelligenz immer noch schlagfertiger Massen bedürfe, um sich voll­ ständig zur Geltung zu bringen; sie seien gerne bereit, Blut und Leben aufs neue einzusetzen für die Sache der Freiheit, es sei aber vor allem wünschenswert, daß auch ein jeder Kämpfer ganz genau wisse, wofür er sich schlage. Es müsse daher vor allen Dingen eine gründliche poli­ tische Bildung der Arbeiterklasse erstrebt werden. Er sei nun aber der Meinung, daß dieses Ziel nicht durch große Versammlungen erreicht werden könne; er stimme für das Kettensystem, in dem sie von früher her bereits einige Übung hätten. Nach dieser Rede schien die Prinzipien frage erledigt, und die Debatte drehte sich noch einfach um das Formelle. Die Herren Müller, Michae­ lis, John, Schramm, Engelhardt sprachen sämtlich für das Kettensystem, und nachdem die Herren Weichardt, Gehrke und Referent für große Versammlungen gesprochen hatten, nahm Herr Hätzel nochmals das Wort; er führt aus, daß die Menge nicht politisch sei. Der Mangel der politischen Bildung und Meinung beraube unsere Volksversammlungen für den Augenblick noch gänzlich ihres Wertes. Er wies auf die am Sonntage2 stattgefundene Volksversammlung vor dem Schönhauser Tore hin und machte darauf aufmerksam, daß es sich auch dort durch Herrn Dr. Woeniger dokumentiert habe, welch’ große Gefahr bei einer politisch ungebildeten Masse in einer geschickten Fragestellung liege; dieser Gefahr könne aber nur dadurch begegnet werden, daß man sich in kleineren Klubs an parlamentarische Form und an logische Gliede­ rung der Fragen gewöhne. In betreff der gelegentlich nötigen prakti­ schen Wirksamkeit müsse er ferner dem Kettensysteme ebenfalls den Vorzug geben; sofern dasselbe nur einigermaßen gut organisiert sei, könne innerhalb 24 Stunden ein gemeinsamer Beschluß und dem­ gemäßes einmütiges Handeln mit Leichtigkeit erreicht werden. Hiemit war der Sieg für das Kettensystem entschieden, und es wurde auf den Antrag des Präsidenten beschlossen, die anwesende Versammlung zu einer Art von provisorischem Zentral-Klub zu konstituieren; die einzelnen Mitglieder wurden aufgefordert, kleinere Klubs zu bilden und dann in später anzuberaumenden Zentral-Versammlungen sich durch ihre Sprecher oder Präsidenten vertreten zu lassen. 1 In der Vorlage: Hetzel - 2 26. März 1848

745

Vorläufig wurde eine neue, unbeschränkte Versammlung auf Sonn­ abendabend1 festgesetzt. Bemerkenswert bleibt, daß während des ganzen Abends die Debatte selten und unbedeutend von der gerade vorliegenden Frage abwich, und als ein Redner sich verführen ließ, die Frage vom Arbeitslöhne zu berühren, erklärten die Herren Hätzel und Purzler sogleich, daß die Forderung einer bestimmten Lohnerhöhung im gegenwärtigen Augen­ blicke eine ungerechte Forderung sei; es heiße dies nichts anderes, als ihre Meister und schließlich sich selbst ruinieren. H. Maron Berliner Zeitungs-Halle, Nr.77 vom 31.März 1848.

228

Brief eines Mitgliedes des Bundes der Kommunisten Baden an die Zentralbehörde in Paris"893 Ende März 1848

in

An die Zfentraljbfehörde] des B[undes] Liebe Bfrüder]. Gleich nach Empfang Eures Briefes sind hier bedeutende Verhaftun­ gen vorgefallen, worunter aufch] ich und Bla.2 und mehrere andre von uns sich befanden (das Bewußte fiel aber den Hunden nicht in die Hände, man konnte es noch im Sturm retten). Wir saßen 3 Wochen im Arrest und wurden auf Verwendung Itzsteins und Heckers freigelassen, doch wäre das Bemühen dieser Männer vergeblich gewesen, wenn ihnen nicht der ganze Teil der arbeitenden Bevölkerung zu Seit’ gestanden hätte, die drohten, den Arrest, wenn wir in 24 Stunden nicht frei sind, zu zertrümmern. Auf dieses hin wurden wir in Freiheit gesetzt, und da das bis jetzt noch bestehende Regiment sich auch nicht auf das Militär verlassen konnte, so wollten sie uns als Hochverräter begnadigen. Ich hätte noch viel zu schreiben, aber keine Zeit. Ich fordere Euch aber auf, nach Deutschland zu kommen. Wir grüßen Euch alle, die Eurigen. Es lebe die deutsche Republik. Handschrift IMLM/ZPA, F.20, Nr. 123.

Erstmalig in der Sprache des Originals veröffentlicht.

1 1. April 1848 - 2 nicht eindeutig zu entziffern; vielleicht Blau

746

229

Erklärung der Zentralbehörde des Bundes

der

Kommunisten

GEGEN DIE DEUTSCHE DEMOKRATISCHE GESELLSCHAFT IN PARIS11903

Ende März 1848

Le comitd soussignd croit devoir d^clarer aux diverses ramifications de VAlliance des ouvriers allemands dans les differents pays de l’Europe, qu’il n’a d’aucune Sorte participd aux ddmarches, affiches, et proclamations faites pour demander aux citoyens fran?ais des habillements, de l’argent et des armes1. A Paris le Club des ouvriers allemands est le seul qui entretient des relations avec 1’Alliance, et il n’a rien de commun avec la societe qui se dit Societe des democrates allemands ä Paris, ayant pour chefs MM. Herwegh et de Bornstedt.

Le ComitS central de l’Alliance des ouvriers allemands: (Signd.) K.Marx. K.Schapper. H. Bauer. F. Engels. J.Moll. W. Wolff. Handschrift IMLM/ZPA, F.l, op. 1, Nr.6003.

Erstmalig in der Sprache des Originals veröffentlicht.

Das unterzeichnete Komitee sieht sich veranlaßt, allen Verzweigungen des Bundes der deutschen Arbeiter in den verschiedenen Ländern Euro­ pas zu erklären, daß es sich in keiner Weise an den Maßnahmen, An­ kündigungen und Proklamationen beteiligt hat, die darauf gerichtet waren, von französischen Bürgern Kleidung, Geld und Waffen zu er­ bitten.1 In Paris ist der Klub deutscher Arbeiter der einzige, der zum Bund Beziehungen unterhält, und er hat nichts mit der Gesellschaft ge­ mein, die sich Deutsche demokratische Gesellschaft in Paris nennt und deren Führer die Herren Herwegh und von Bornstedt sind.

Das Zentralkomitee des Bundes der deutschen Arbeiter: (gezeichnet) K. Marx. K. Schapper. H. Bauer. F. Engels. J. Moll. W. Wolff. (MEW, Bd.5, S.6/7.)

1 Es handelt sich um die Herweghsche Legion; vgl. Anm. 183.

747

230

Brief von Karl Marx und Friedrich Engels in Paris an Etienne Cabet in Paris

Ende März 1848

Citoyen Cabet, Nous vous prions de vouloir bien inserer la declaration ci-jointe1 dans le numöro prochain du «Populaire». 11 s’agit de ne pas faire retomber sur le parti communiste la responsabilite d’une entreprise et d’une maniere d’agir qui, dejä, ont reveille dans une partie de la nation allemande les vieux prejuges nationaux et reactionnaires contre le peuple franQais. L’alliance des ouvriers allemands, association des diver­ ses societes d’ouvriers dans tous les pays de l’Europe, et dont MM.Harney et Jones, chefs des chartistes Anglais, font partie, est entiörement composee de communistes et se döclare ouvertement communiste; la soi-disant Societe democratique Allemande de Paris est essentiellement anticommuniste, en tant qu’elle döclare ne pas reconnaitre l’antagonisme et la lutte entre la classe prolötaire et la classe bourgeoise. II s’agit donc ici d’une demarche, d’une declaration ä faire dans l’interet du parti communiste, et c’est, ce qui nous fait compter sur votre complaisance. (Cette note n’est que confidentielle.) Salut et Fraternite Fred[eri]c Engels Charles Marx Handschrift IMLM/ZPA, F. 1, op. 1, Nr. 6003.

Erstmalig in der Sprache des Originals veröffentlicht.

Bürger Cabet, Wir bitten Sie, so freundlich zu sein, die beigefügte Erklärung1 in der nächsten Nummer des „Populaire“ abzudrucken. Es handelt sich dar­ um, auf die kommunistische Partei keinerlei Verantwortung für ein Unternehmen und eine Handlungsweise fallen zu lassen, die in einem Teil des deutschen Volkes bereits die alten nationalen und reaktionären Vorurteile gegen das französische Volk wiedererweckt haben. Der Bund der deutschen Arbeiter, eine Vereinigung verschiedener Arbeitervereine in allen Ländern Europas, der auch die Herren Harney und Jones, die Führer der englischen Chartisten angehören, setzt sich nur aus Kom1 Dokument 229

748

munisten zusammen und bekennt sich offen als kommunistisch; die sogenannte Deutsche Demokratische Gesellschaft in Paris ist in ihrem Wesen antikommunistisch, insofern sie erklärt, daß sie den Antagonis­ mus und den Kampf zwischen der proletarischen und der bürgerlichen Klasse nicht anerkennt. Es geht also hierbei um eine Maßnahme, um eine Erklärung im Interesse der kommunistischen Partei, weshalb wir auch mit Ihrer Gefälligkeit rechnen. (Dieses Schreiben ist nur vertrau­ lich.) Gruß und Brüderlichkeit Friedrich Engels Karl Marx (MEW, Bd.5, S.6.)

1



231

Bericht über die Rückkehr von Mitgliedern des Bundes Kommunisten aus Paris nach Deutschland11911

der

31. März 1848 [...] Auch die kommunistischen Deutschen1 verlassen heute Paris. Sie ziehen jedoch nicht wie die deutschen Demokraten in geschlossenen Rei­ hen, sondern jeder auf seine Faust, vereinzelt und nach verschiedenen Punkten. - Als Manifest schicken sie folgende Erklärung voraus:2 [...] Berliner Zeitungs-Halle, Nr. 82 vom 6. April 1848, Extra-Beilage.

Auszug.

1 Der Korrespondent hatte vorher kritisch über die Herweghsche Legion in Paris (vgl. Anm. 183) be­ richtet. - 2 Es folgte der Abdruck der „Forderungen der Kommunistischen Partei in Deutschland“ (Dokument 224).

749

232

Belege

der

Zentralbehörde

des

Bundes der Kommunisten

ÜBER EINGENOMMENE UND AUSGEGEBENE GELDER1

2. April 1848

Bund der Kommunisten Proletarier] a[ller] Lfänder,] vereinigt] e[uch!] Die Zentralbehörde bescheinigt, von ihrem Mitglied] Karl Marx die Summe von fünfundzwanzig Franken erhalten zu haben, (f.c.)2 Paris, den 2. April 1848 Für die Zentralbehörde K. Marx Engels Henry Bauer « Joseph Moll Handschrift IMLM/ZPA, F.l, op. I, Nr. 259.

Erstmalig veröffentlicht.

Bund der Kommunisten P[roletarier] a[ller] L[änder,] vereinigt] e[uch!] Die Zentralbehörde hat von ihrem Mitglfied] Marx einen Vorschuß von vierundsiebzig Franken zwanzig Centimen erhalten, was hierdurch bestätigt wird. Paris, den 2. April 1848 Für die Zentralbehörde Engels Bauer J. Moll Handschrift IMLM/ZPA, F.l, op.l, Nr.260.

Erstmalig veröffentlicht.

Bund der Kommunisten P[roletarier] a[ller] L[änder,] v[ereinigt] e[uch!] Das B[undes]m[it]gl[ied] Friedrich Crüger bescheinigt, von der Zentralbehörde die Summe von fünfundzwanzig Franken als Vorschuß 1 Der Text der ersten drei Quittungen ist von Friedrich Engels, der der vierten von Joseph Moll geschrie­ ben. - 2 fidei commissum » zu treuen Händen

750

erhalten zu haben, und verpflichtet sich, dieselbe sobald wie möglich an die Bundesbehörde zurückzuzahlen. Paris, den 2. April 1848 Friedrich Crüger Handschrift IMLM/ZPA, F.l, op.l, Nr.261.

Erstmalig veröffentlicht.

Paris, April 2/48 Unterzeichnete bescheinigen hiermit, die für sie bestimmten zwei­ hundert Franken von der Zentralbehörde zu Emissionszwecken erhalten zu haben. Joseph Moll Henry Bauer Handschrift IMLM/ZPA, F. 1, op. 1, Nr. 259.

Erstmalig veröffentlicht.

233 Aufruf des Arbeiterbildungsvereins Arbeiter Deutschlands11923

in

Mainz

an alle

5. April 1848

An alle Arbeiter Deutschlands!

Brüder und Arbeiter! Wollen wir nicht abermals die Meistbetrogenen sein, nicht ferner auf eine lange Reihe von Jahren hinaus durch eine kleine Zahl ausgebeutet, verachtet und niedergetreten werden, so dürfen wir keinen Augenblick verlieren, keine Minute in Untätigkeit verstreichen lassen. Vereinzelt, wie bisher, sind wir schwach, obgleich wir Millionen zäh­ len. Vereiniget und organisiert werden wir dagegen eine unwiderstehliche Macht bilden. Drum, Brüder, überall in Städten und Dörfern Arbeiter­ vereine gebildet, in denen unsere Verhältnisse erörtert, Maßregeln zur Abänderung unserer jetzigen Lage vorgeschlagen, Vertreter aus der Arbeiterklasse ins deutsche Parlament namhaft gemacht, erwählt und alle übrigen Schritte getan werden, die zur Wahrung unserer Interessen nötig sind. Sämtliche Arbeitervereine Deutschlands müssen ferner so schnell als möglich miteinander in Verbindung treten und darin bleiben. Wir schlagen Euch vor, Mainz vorläufig zum Mittelpunkte für sämt­ liche Arbeitervereine zu wählen und mit dem unterzeichneten Vorstande 751

i n Korrespondenz zu treten, damit wir uns über einen gemeinsamen Plan verständigen und sobald als möglich auf einer Zusammenkunft von Abgeordneten aller Vereine den Sitz des Zentralkomitees etc. definitiv bestimmen können. Wir erwarten die Briefe unfrankiert, wie wir unsererseits an die Vereine unfrankiert schreiben werden. Mainz, am 5. April 1848. Der Bildungsverein für Arbeiter in Mainz. Im Namen des Vorstandes: Der Sprecher I Der Schreiber Wallau Cluß Adresse: An das Sekretariat des Bildungsvereins für Arbeiter in Mainz zu Händen des Herrn Adolph Cluß. Mainz, Franziskanergasse Nr. 156 */2. Mainzer Zeitung, Nr. 102 vom 11. April 1848. (MEW, Bd.5, S.483.)

234

Friedrich Lessner über die Beteiligung von Mitgliedern des Bundes der Kommunisten AN DER CHARTISTEN-DeMONSTRATION in London (aus „Vor 1848 und nachher“, 1898) 10. April 1848 [...] Anfangs April bildete sich in London ein Chartisten-Konvent, der die bisher alljährlich dem Parlamente zugesandte Petition zur Einführung der von den Arbeitern geforderten politischen Freiheiten energischer als früher ins Werk zu setzen hatte. Am 10. April sollte die Petition überreicht werden, aber nicht mehr, wie dies vorher geschah, durch einige Beauftragte, sondern durch die Arbeitermassen selber. Man wollte dem Parlamente zum Bewußtsein bringen, daß das Proletariat entschlossen sei, seine Forderungen nötigenfalls mit Gewalt durchzusetzen. Am Morgen des lO.April bot London einen eigenartigen Anblick. Alle Fabriken und Läden waren geschlossen. Die Londoner Bourgeois standen mit Waffen ausgerüstet, um die „Ordnung“ aufrechtzuerhalten .Unter diesen Bürgern befand sich auch Napoleon der Kleine, der spätere Bürger von Wilhelmshöhe.1 1 Louis Bonaparte, der 1870 als französischer Kaiser (Napoleon III.) in preußische Gefangenschaft ge­ riet und Schloß Wilhelmshöhe bei Kassel als Wohnsitz angewiesen erhielt.

752

Die Mitglieder des Kommunistenbundes hatten beschlossen, an der Demon­ stration teilzunehmen. Wir rüsteten unsmit allerhand Waffen aus. Ich kann mich noch lebhaft des komischen Eindruckes erinnern, den Georg Eccarius auf mich machte, als er mir eine blank geschliffene große Zuschneider-Schere zeigte, mit der er sich gegen die Angriffe der Konstabler zu verteidigen gedachte. Die Arbeiter versammelten sich auf dem Kennington Common, um von dort aus den Zug zum Parlament anzutreten. Aber plötzlich hörten wir, daß Feargus O’Connor, der Führer dieser Demonstration, von einem Massenzuge abriet, da die Regierung bereit wäre, uns mit Waffengewalt entgegenzutreten. Viele folg­ ten dem Rate O’Connors, andere drangen vorwärts, wodurch es zu blutigen Kämpfen zwischen Chartisten und Polizei kam. Da durch die Abwiegelung O’Connors die Einigkeit unter den Demonstranten geschwunden war, konnte auf einen Erfolg nicht mehr gerechnet werden. Im Einzelkampfe konnten die Arbeiter nicht siegen. Das wurde uns bald klar. Bitter enttäuscht verließen wir den Demonstrationsplatz, den wir eine Stunde vorher so erwartungsvoll be­ treten hatten. [...] Friedrich Lcßner: Vor 1848 und nachher. In: Deutsche Worte (Wien), 1898, H.3, S. 110/111.

h Auszug.

235

Brief an

von

Heinrich Zulauff in Elberfeld

Moses Hess in Köln

10. April 1848

Elberfeld, den 10. April 1848 Lieber Heß! Bevor ich in der Zeitungsgeschichte losgehe, bitte ich mir zu beant­ worten, ob es wahr ist, daß Bürgers das Unternehmen der Gründung einer „Rheinischen Zeitung“ schon früher vorbereitet gehabt und schon nächstens damit hervortreten wird?cl93] In diesem Falle, denke ich mir, ist es mißlich um Euer Projekt; denn Dein Beistand Anneke, so gut er sein mag,'hat zu wenig literarischen Ruf bis jetzt sich erworben, als daß, namentlich nach den neuerlichen dasigen Vorfällen1, die Nennung seines Namens, als Redakteur unter der Ankündigung, ziehen könnte. Du nimmst mir’s nicht übel, das riecht etwas stark nach Egoismus. Die Haupt­ sache ist mir die, zuverlässig zu wissen, welcher Mitarbeiter ihr gewiß seid. Marx wird, wie ich höre, ein Blatt in Mainz herausgeben. Schade um diese Zersplitterung! Einigkeit würde aller Parteien Bestes fördern. 1, Die Demonstration vom 3.März 1848; vgl. Anm. 173. 48

Bund

753

!

Schreibe mir schnell; hoffentlich kannst Du mir in der gewünschten Beziehung gute Aufschlüsse geben; in diesem Falle tue ich, was in meinen Kräften steht. Dein H. Zulauff Moses Heß: Briefwechsel, hrsg. von Edmund Silberner, ’S-Gravenhage 1959, S.184.

236 Brief von Johann Schickel in Mainz an Karl Marx in Köln 14. April 1848 Mainz, den 14. April 1848 Lieber Marx! Als ich heute von Mannheim kam, wo ich etliche Tage bei meinem Bruder auf Besuch war, fand ich zu Haus einliegenden Brief Deiner Frau vor, welchen ich mich hiermit sogleich beeile, Dir zu schicken. Von hier aus kann ich Dir wenig Erfreuliches melden. Die Mainzer, so wie überhaupt alle diese süddeutschen schwarz-rot-goldenen Esel, sind gemeine, feige, jedoch großmäulige Schweinehunde! Unter welchem Chor ich mich furchtbar ennuyiere und beständig mit ihnen zu kämpfen habe. Wenn hier einer als Kommunist aufträte, so würde er gewiß zu Tode gesteinigt, obschon diese Rinder auch nicht den verworrensten Begriff von dem, was Kommunismus ist, haben. Da ich mich nun aber schlecht darauf verstehe, mit meinen Ansichten und Überzeugungen im Hintergrund zu halten oder mir gar von diesen Kerls ihren Unsinn auf­ schwatzen zu lassen, so bin ich gerade hier nicht sehr beliebt. Der Arbeiter-Bourgeois-Verein zählt 300 Mitglieder, und Wallau ist Präsi­ dent, doch kommt mir dieser ganze Witz wie eine ABC-Schule vor, die Arbeiter lernen lesen, schreiben und rechnen, und Kalisch gibt wöchent­ lich eine Stunde, um diese Ochsen auch sprechen zu lernen! Es ist zum Tollwerden! Mit der Organisation des Bjundes] geht es langsam, denn man muß vorsichtig sein; Stumpf ist sehr tätig und ich auch, aber die verdammten Mainzer Mädche? Wenn ich noch lange hier bleibe, fang ich wieder an zu versimpeln. Ich wünsche nichts sehnlicher, als wieder bei Euch zu sein, um Dir zu folgen, wie einst die Jünger ihrem Kamel von Christus! O erlöse mich bald aus dieser elenden Clique von liberalen Bourgeois und republikanischen Rindviehern, ich werde sonst von diesem Volke angesteckt.

754

Grüße herzlich Bruder Engels und Dronke pp., lebe wohl und vergiß nicht Deinen Dir stets ergebenen Joh. Schickei Augustinergasse Die nächste Woche schicke ich Engels den Rest seines Guthabens; schreibe mir nur! Handschrift IMLM/ZPA, F. 1, op.5, Nr. 171.

Erstmalig vollständig veröffentlicht.

237

Adresse des Kölner Arbeitervereins11943 Arbeiterbildungsverein in Mainz

an den

!i

14. April 1848

An den Mainzer Arbeiter-Verein Brüder! Durch den glorreichen Barrikadenkampf am 18. und 19. März hat das Berliner Volk bewiesen, daß es seine politische Mündigkeit erlangt habe und daß es für Preußen ebenso wie für ganz Deutschland an der Zeit sei, alle die Versprechungen, welche mit den Anstrengungen und dem Blute von Hunderttausenden auf den Schlachtfeldern von Leipzig und Water­ loo besiegelt worden, nicht allein auf dem Papiere, sondern auch in der Wirklichkeit bestehen zu lassen. Nach 34jähriger Knechtung seiner Freiheitskraft hat sich dieselbe wie ein brausender Waldstrom Bahn ge­ brochen ; das Volk hat sich erhoben von dem Drucke, der auf ihm lastete, und in dem blutigen Kampfe um den Hort der Freiheit einen Adel und einen Mut entwickelt, der nur zu deutlich bewies, wie schmählich es verkannt, wie viel ihm bis jetzt vorenthalten worden. - Es waren nicht die stolzen Aristokraten, nicht die hochmütigen Beamten und gold­ gierigen Bourgeois, die auf den Barrikaden Geschichte machten, es. waren Leute aus dem Volke, Arbeiter, diese so lange niedergetretenen Menschen, die mit ihrem Blute den jungen Baum der Freiheit düngten. Durch sie ist eine neue Zeit in Deutschland angebrochen, eine schöne Morgenröte erglänzt, und der helle sonnige Tag der freien, unumschränk­ ten Geistesbewegung wird ihm folgen. So haben auch wir, beachtend was der Zeitgeist fordert, nach dem Beispiele der Schwesterstadt Mainz uns zu einem Arbeitervereine konstituiert, der es sich zur Aufgabe 48»

755

macht, in stetem Hinblick auf die politischen Ereignisse die sozialen Fragen zu lösen. Wir wollen Garantien haben für die Rechte und die Interessen der Arbeiter, damit jeder frei lebe, sich wohl befinde und sei­ ner Freiheit sich freue; damit wir etwas werden, die wir durch Anzahl und Nützlichkeit alles sind. Im Streben nach diesem Ziele reichen wir euch brüderlich die Hand; die Einigkeit gibt Stärke, und stark müssen wir sein, damit wir die Ergebnisse und erkämpften Rechte der deutschen Revolution gegen jeden neu auftauchenden Despotismus verteidigen können. Wir wollen alles für das Volk, alles durch das Volk, und unsere Losungsei: Freiheit, Verbrüderung, Arbeit! Der Arbeiterverein zu Köln. Zeitung des Arbeiter-Vereines zu Köln, Nr. 1 vom 23. April 1848.

238

Brief von Hermann Ewerbeck an Moses Hess in Köln 16. April 1848

in

Paris

Sonntag, den 16. April Mein lieber Heß! Ich antworte umgehends. Ich muß Dir vor allem sagen, ich verstehe mich nur dann zu Deinem Vorschläge, wenn Du mir versicherst, daß nicht wieder neue Spaltungen zu den schon überreichlich in der Partei vorhandenen dadurch hinzukommen. Du mußt ja das Unternehmen des Marx1 nicht beeinträchtigen. Wenn dies nicht beeinträchtigt wird, so verstehe ich mich zu regelmäßigen Korrespondenzen in Dein Aachener Blatt2; meide aber den Titel „Rheinische Zeitung“, welcher nur zu Mißdeutung Anlaß böte. Mein Gott, an Titeln ist kein Mangel! [...] Wolff3 von Köln ist noch hier und wird, vermute ich, für das Journal des Marx korrespondieren; also gewiß nicht für Deines. Leb wohl; auch ich hätte Dir allerlei zu sagen und sage lieber nichts; ich glaube, aus meinen Korrespondenzen wirst Du manches abnehmen, was mich eines brieflichen Eingehens auf die weltschwangeren Dinge überhebt. Adio. Moses HeQ: Briefwechsel, hrsg. von Edmund Silberner, ’S-Gravenhage 1959, S. 186/187.

Gekürzt.

1 Gemeint ist die Gründung der „Neuen Rheinischen Zeitung“. Ewerbeck wurde später einer der ständigen Pariser Korrespondenten der „Neuen Rheinischen Zeitung“.-2 HeO versuchte zeitweise, sein ursprünglich für Köln geplantes Vorhaben, vgl. Anm. 186, in Elberfeld oder in Aachen durchzuführen.3 Ferdinand Wolff

756

239

Brief von Louis Heilberg Moses Hess in Köln 17. April 1848

in

London

an

London, 17. April 1848 153 Drury Lane. Ich bitte Sie, diesen Brief zu bewahren, er ist mir wegen meiner Stellung zur kommunistischen Partei, innerhalb deren manche Ände­ rung vielleicht nahe bevorsteht, sehr wichtig. Mein lieber Heß! Ihr Wertes vom 9./11. d. M. ist mir am Abend des 14. von meinem lieben Freund Freiligrath richtig zugestellt worden. Die Wichtigkeit Ihres mich herzlich freuenden Antrages und die Notwendigkeit einer, der zu übernehmenden Verantwortlichkeit entsprechenden reiflichen Überlegung haben mich meine Antwort bis heute zu verschieben ver­ anlaßt. Aus denselben Ursachen kann auch meine Antwort nicht ein kategorisches Ja oder Nein sein, sondern muß ich an die Übernahme der mir angebotenen, ebenso ehrenden als wichtigen Stellung einige Be­ dingungen oder wenigstens Voraussetzungen knüpfen, die ich Ihnen im folgenden kurz und bündig darlegen will. Ich irre mich gewiß nicht, wenn ich voraussetze, daß Sie nicht die „Rheinische Zeitung“ wieder ins Leben rufen wollen, die 1843 unter Arnims1 Gewaltmaßregeln gestorben; ich habe viel zuviel Vertrauen in Ihre richtige Erkenntnis der Zeitverhältnisse und der Weltlage, als daß ich nicht denken müßte, Sie seien gleich mir von der Ansicht durch­ drungen, daß zwischen 1843 und dem jetzigen Moment nicht bloß 5 Jahre, sondern eine Weltrevolution liegt und daß es sich heutzutage um ganz andere Dinge handelt als 1843. Sie selbst haben in Ihren treff­ lichen Aufsätzen in der „Deutschen-Brüsseler[-Zeitung]‘‘ „Die Revo­ lution des Proletariats“2 es zu klar nachgewiesen, daß jetzt ein ganz neues Element in die Weltgeschichte eingetreten, als daß ich hierüber Ihnen eines weiteren meine Ansichten, die ganz die jener Aufsätze sind, zu entwickeln brauchte. Nichts berechtigt mich zu der Annahme, daß Sie nicht in Ihrem neuen Blatte die in jenen Artikeln enthaltenen Ideen und Ansichten weiter und bis zu ihren letzten Konsequenzen, d.h. der kommunistischen Gesellschaftseinrichtung entwickeln und verfechten wollen. Nichts berechtigt mich zu der Annahme, Sie seien nicht jetzt, was Sie in Brüssel waren und was auch ich entschieden war und bin, Kommunist. Wenn Sie trotzdem in Ihrem Aufruf in der „Kölnischen 1 Von Arnim-Boitzcnburg war damals preußischer Innenminister. — 2 Heilberg meint Heß’ Artikel­ folge „Die Folgen einer Revolution des Proletariats“; siche Dokument 168.

757

Zeitung“1 sagen: Sie wollten in Ihrem neuen Blatte „die soziale Frage ... keinesweges vom Standpunkte gewisser Theorien, Ideen, Prinzipien und Systeme, sondern lediglich vom praktischen Gesichtspunkte der gegebenen tatsächlichen Verhältnisse aus [gründlich]2 erörtern“; wenn Sie hiemit gewissermaßen die kommunistische Parteifahne nicht zu der Ihres Blattes zu machen scheinen - so glaube ich darum doch nicht an Ihren Abfall von den kommunistischen Prinzipien. Ich sehe hierin nur eine Taktik, um vielleicht für den Augenblick eine allerdings sehr schwierige und auch leicht gefährliche Polemik über gewisse Fragen zu vermeiden, deren endliche Lösung doch erst in einer sehr weiten Ferne liegt. Nun bin ich zwar persönlich der Ansicht, daß die kommunistische Partei als solche - gegenüber den bloß politischen Republikanern - mit ihrem vollen Banner und Namen auftreten muß und daß Scheinnamen wie demokratisch-soziale Partei - um so weniger etwas wert sind, als dieser Schleier bei dem ersten Sturm der Parteikämpfe zerreißen und dann doch die Partei als kommunistische dastehen wird und außer der unnützen Mühe der Verschleierung noch die Schande der Verheim­ lichung ihres wahren Banners haben wird. Aber, da es sich am Ende doch um die Sache handelt und der Name dabei von sekundärem Belang ist, so erkläre ich mich hiemit bereit, die Mitredaktion Ihres Blattes zu über­ nehmen, wenn sowohl Sie als F. Anneke mir schriftlich erklären, daß Ihr Blatt es sich zur Aufgabe machen wird, die in dem beiliegenden Druck­ blatte aufgestellten 17 Punkte* (mit geringen, durch Zeit und Umstände veranlaßten und das Prinzip nicht betreffende Modifikationen) zu ver­ fechten und zu entwickeln, es dabei der erst an Ort und Stelle zu gewinnen­ den Einsicht in den Leserkreis des Blattes überlassend, ob oder nicht diese Forderungen mit dem Namen kommunistisch bezeichnet werden sollen. Diese 17 Forderungen sind, wie Sie sich leicht überzeugen werden, durchaus prak/wcZi-revolutionär, demokratisch-kommunistischer Natur und bieten für die nächsten 10-15 Jahre einen überaus reichen Stoff für journalistische und volksrednerische Tätigkeit; sie sind ein ziemlich vollständiges Programm einer selbständigen Politik, und zwar der Poli­ tik, die allein kräftig, weitsehend und umfassend genug ist, um Deutsch­ land zu einem kräftigen, blühenden Zustande hinzuleiten und dabei für eine Generation nach uns den Übergang zur kommunistischen Gesell­ schaftseinrichtung anzubahnen. Diese Forderungen sind zugleich das Programm, für das allein ich tätig sein kann, und da Sie meine Mitwir­ kung nicht allein für die Auszüge aus englischen Journalen, sondern für die allgemeine Mitredaktion, also auch für Artikel über deutsche An­ gelegenheiten wünschen, so kann ich nicht umhin, die Annahme dieses 1 Vgl. Anm. 186. - 2 Bei Heilberg ausgelassen. - 3 Dokument 224

758

Programms zur conditio sine qua non1 zu machen. Sobald Sie und Fr. Anneke - ich bitte um Ihrer beider Unterschriften, da die größte Tendenz-Einigkeit nötig ist, wenn die Redaktion eines Journals nicht der Schauplatz täglicher Kämpfe sein soll-, sobald also Sie und Fr*. A[nneke] mir schriftlich umgehend die Erklärung geben wollen, daß die 17 Forde­ rungen (deren meiste jetzt schon in Frankreich in Erfüllung gehen wer­ den und denen auch die tüchtigsten Denker unter der englischen Be­ wegungspartei sich anschließen) auch Ihr Programm sind und daß mir vollkommene Freiheit wird, in diesem Sinne meine Artikel zu schreiben, so können Sie auf meinen Beitritt zählen und sind ermächtigt, in meinem Namen Kontrakt mit dem Buchhändler zu schließen; werden auch dann umgehend einen Beitrag für die Probenummer von mir erhalten - si non, non.2 [...] Was Ihr Zerwürfnis mit Marx, Engels etc. betrifft, so ist dies wohl nur ein persönliches, kein prinzipielles, wie auch ich persönlich mit beiden nicht zum besten stehe, aber doch prinzipiell fast ganz, und nur mit Ausnahme einiger bloß formeller Nebenpunkte, mit ihnen ein­ verstanden bin. [...] Salut und fraternite Hlg. Handschrift IMLM/ZPA, F. 173, op. I, Nr.2643.

Gekürzt.

240 Brief von Wilhelm Wolff in Breslau an Karl Wallau und andere in Mainz für die Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten1 1953 18. April 1848 An Wallau etc., etc. Wo ist Marx, Engels, Dronke etc.? Wo sie auch sind, gebt mir ihre Adressen.

Breslau, 18. April Seit dem 13. d. Mts. bin ich hier. Von Mainz fuhr ich, wie Ihr wißt, bis Koblenz und übernachtete dort. Mit der von Stumpf an den Bild­ hauer übergebenen Adresse schien mir sehr wenig zu machen. Ich habe dafür den Abend dazu verwandt, mit kleinen Bürgern und Arbeitern in verschiedenen Kneipen die Tagesfragen zu besprechen, namentlich überzeugte ich sie, daß die Gründung eines Arbeitervereins und die Be­ sprechung in Volksversammlungen im allgemeinen unerläßlich sei. 1 unerläßlichen Bedingung - 2 wenn nicht- dann nicht

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Den andernMorgen ging’s nachKöln. AbendsöUhr angelangt, suchte ich Gottschalk auf und traf bei ihm Crüger, der Geld zur Weiterreise zusammenstoppelte. Nachdem ich noch Anneke besucht und einer Volksversammlung über Holstein-Schleswig meerumschlungen bei­ gewohnt, hatte ich nur noch zu schlafen und den andern Morgen weiter­ zureisen. Über Köln folgendes: Der B[und] vegetiert, wie es mir aus G[ottschalk]s Äußerungen her­ vorging, in großer Zusammenhanglosigkeit fort. Gottschalk versprach, die Sache etwas energischer anzugreifen. Den Aufruf des Mainzer Arbeitervereins1 gab ich ihm, und G[ottschalk] wird im Kölner Arbeiterverein den Anschluß bewirken. Exemplare des Aufrufs habe ich auf dem Dampfschiffe mehrfach verteilt, nach vorheriger Auseinander­ setzung und Besprechung. Einen ganz tüchtigen Arbeiter, Loewenich, lernte ich kennen, dem, da er in Köln sich nach Arbeit umsehen wollte, ich Gottsch[alk]s Adresse gab. Heß, Anneke, Gottschalk etc. haben den Prospektus zu einer Zeitung erlassen2 und sind mit Aufbringung der Aktien beschäftigt!! Heß hat wieder einmal schlau operiert. Nebenbei bemerke ich, daß der Frank­ furter Fischer (mit uns in Brüssel) sich in Barmen befindet. Ich habe für ihn einen Aufruf der Mainzer dem Gottschfalk] zur Übersendung dagelassen. Von Köln nach Hannover; in letzterer Stadt übernachtet und an ein Mitglied des dortigen Arbeitervereins, der aber noch der Mehrheit nach aus Bourgeoisie-Elementen mit einer stark vorwärts drängenden prole­ tarischen Minorität besteht, den fraglichen Aufruf übergeben. Man ver­ sprach den Anschluß an Mainz zu beantragen und hinzuschreiben. Auf der Eisenbahn vielfach propagandiert, so daß mir das Maul wenig stillgestanden. Berlin. In Berlin blieb ich ca. 3 Tage, eine viel zu kurze Zeit, um durchgreifen zu können. Born, bereits in den Anfängen zu einem Ber­ liner provisorischen citoyen Albert3 begriffen und Präsident des Arbei­ tervereins4 im Maasschen Lokale (Sebastianstraße), war der erste, den ich aufsuchte; der zweite war Hätzel. Letzterer gestand mir, daß der B[und] in Berlin allerdings nur ganz lose dasteht. Die lange Isolierung hat die Desorganisation herbeigeführt. Von London haben sie seit den ersten Kongreßschreiben5 nichts mehr erhalten. Es sind, sagte er, etwa noch 20 Leute, die allerdings immer enge Zusammenhalten, aber eigent1 Dokument 233 - 2 Vgl. Anm. 186. - 3 Anspielung auf den Pariser Arbeiterführer Martin Albert (Alexandre Martin), der nach der Februarrevolution Mitglied der provisorischen Regierung geworden war. - 4 Vgl. Dokument 227. - 5 Das Schreiben des ersten Kongresses des Bundes der Kommunisten siehe Dokument 148; das Schreiben des zweiten Kongresses, vgl. Anm. 159, ist nicht bekannt. Ein Rund­ schreiben der Londoner Zentralbehörde von Anfang 18.48 ist erwähnt im Brief Geberts an Engels vom 21. Dezember 1848 (Dokument 327).

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lieh ohne alle Form. Ich wünschte, alle Leute versammelt zu sehen und mit ihnen ins reine zu kommen. Das war aber bei der Unzahl von Volksversammlungen, Zusammentritt von Arbeiter-Deputationen etc. unmöglich. Hätzel hat mir indes fest versprochen, gleich nach Mainz zu schreiben, die Verbindung wieder herzustellen und die Sache plan­ mäßiger zu betreiben. Er ist Mitredakteur einer Arbeiter-Zeitung1. Zeitungen, Wochen- und Tageblätter schießen auf wie die Pilze, und wenn man sie liest, so wird einem lediglich die große Unklarheit der Redakteure und Mitarbeiter klar. Hätzeis Adresse ist: Schuhmacher Hätzel, Ziegelstraße Nr. 25, im Hofe parterre, und Borns: Unter den Linden 28, im Hinterhause. Am 13. mittags war ich nun in Breslau. Von Berlin hatte ich die Adresse an einen aus dem B[und] mitgenommen, den ich bald aufsuchte. Von Organisation nichts vorhanden; es sind aber viel brauchbare Leute unter den Arbeitern. Sie werden bearbeitet und herangezogen werden. Nur erfordert das mehr Zeit, als ich gegenwärtig habe. Denn die Wahl­ geschichten etc. nehmen mich nach allen Seiten hin in Anspruch, ab­ gesehen davon, daß ich eine Menge Besuche machen muß, um mich hier wieder zu orientieren und, was man sagt, um nicht „anzustoßen“. Am 14. wurde hier ein Arbeiterverein konstituiert. Ich meldete mich natürlich sofort zum Beitritt. Heut’ ist wieder Versammlung, worin ich mehreres und auch den Mainzer Aufruf zur Sprache bringen werde. Sodann bin ich alsbald Mitglied des seit ca. 14 Tagen bestehenden demokratischen Klubs geworden, in welchem die Majorität kommu­ nistisch oder, mehrere Exemplare genau betrachtet, sozialistisch, die Minderheit teils ehemalige Konstitutionelle, die jetzt eine mehr demo­ kratische Färbung angenommen haben, teils frühere Republikaner sind. Viel Chaotisches, Wüstes. Daneben besteht ein konstitutioneller Klub unter Gräffs Leitung, der, während der demokratische ca. 180 Mit­ glieder hat, an 1400 zählt und sehr tätig ist, hier, wie in der Provinz, wo er überall Filialvereine gründet. Bei den Wahlen kann er auf die meisten Stimmen der Bourgeoisie für seine Kandidaten rechnen. Der „demo­ kratische“ Klub tut seinerseits, was er kann; er hat ebenfalls schon einige Zweigvereine in der Provinz. Besonders wirksam aber wird und muß ein von unserm Klub ausgehender, in 30000 Ex. gedruckter Aufruf an alle Wähler in Stadt und Land sein; von dem Aufruf lassen wir jetzt 15000 Ex. im Wasserpolnischen abdrucken zur Verteilung unter das Volk auf der rechten Oderseite. 1 Deutsche Arbeiter-Zeitung (Berlin); siehe auch Dokument 254.

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Wäre ich nicht auf allen Seiten wie ein Hund gehetzt, d.h., wären wir nicht in Verhältnissen, wo man sich wenigstens zwanzigfach zer­ teilen möchte, um an mehreren Orten zugleich zu wirken, so würde ich Euch die hiesigen Verhältnisse, die Stellung der Parteien etc. näher schildern. Allein ich muß zum Schluß eilen, um in mehreren Wahl­ bezirken Vorversammlungen der Arbeiter behufs der Wahlen der Wahl­ männer zustande zu bringen und Tag und Stunde zu regulieren. Daher nur ganz kurz ein paar Worte: Wie in Berlin, so auch hier entschiedene, ja oft wütende Feindschaft und Erbitterung zwischen Bourgeoisie und Proletariern. Daß die erstere jetzt das Heft in Händen hat, brauche ich kaum zu bemerken; doch hat sie es eben noch nicht so fest, daß es ihr nicht bei dem ersten besten unvorhergesehenen Ereignis entfallen könnte. Was ihr zugute kommt, ist Mangel an Organisation bei der andern Partei. Die demokratische Partei ist sozusagen erst nach der Februar­ revolution geboren worden; vorher war man ja vergnügt mit Konsti­ tution. Es hat nur daran gefehlt, daß die wenigen Demokraten den Moment benutzten und überall ein Provisorium einsetzten, so hatten wir jetzt die Republik. Dies gilt, wie ich ganz genau weiß, von Berlin wie von Breslau. Leider hatten die Demokraten an den betreffenden Orten selbst verteufelt wenig Namen, die im Volke bekannt waren und die sie hätten an die Spitze stellen können. Jetzt hat aber die Bourgeoisie einen großen Teil des Sieges schon für sich konfisziert, und andererseits ist hier in Schlesien - wie freilich in andern Provinzen auch - die Reaktion der Grundaristokratie und der Bürokratie nebst Anhängseln furchtbar tätig. Auf dem Lande werden die Bauern von den Landräten, gnädigen Herren etc. fanatisiert gegen die Städter, gegen die Republikaner unter letzteren; man barbiert sie über den Löffel, daß es ärger nicht sein kann. Wegen der Wahlen wird kein Mittel unbenutzt gelassen. Hätten wir direkte Wahlen, so könnte man alle diese Machinationen in einem Tage und in einer Versammlung der Wähler zuschanden machen. Denn die Bauern sind sehr leicht von dem zu überzeugen, was ihr Interesse ist. Jetzt aber werden wir eine ganz abscheuliche teils reaktionäre, teils moderiert-konstitutionelle Majorität bei den schlesischen Wahlen herausbekommen. Bloß der obengedachte Wahlaufruf läßt mich hoffen, daß doch noch so manche Wahl anders aus­ fallen wird, als jetzt unter den Herren Landräten etc. abgekartet worden. Vorgestern fingen hier kleine Unruhen an, indem einige 100 Prole­ tarier mehreren Koryphäen der Bourgeoisie, nämlich dem Siebig und Milde, beides Mitglieder des verblichenen Vereinigten Landtags, ferner dem Gräff (Stadtverordneten-Vorsteher, dicker Geldsack und ein1 Bei den Wahlen zur Frankfurter Nationalversammlung Anfang Mai 1848 wurde Wilhelm Wolff selbst in einem schlesischen Landkreis als stellvertretender Abgeordneter gewählt.

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gefleischter Bourgeois), dem Stadtrat und Bäckermeister Ludwig, dem Wachler (monarchisch-reaktionär) und einigen andern ähnlichen Subjekten fürchterliche Katzenmusiken brachten. Nun sind hier die Bürger, ca. 9000 Mann, allein bewaffnet. Die proletarische Partei hat für sich nur das „Freikorps“, etwa 200 Mann stark, teils mit Piken, teils mit Musketen oder Büchsen bewaffnet. Die Führer dieses, HerweghBornstedt etc., haben mit ihrem Freischarenplane der reaktionären und konstitutionellen Partei überall und so auch in bezug auf Schlesien vor­ trefflich in die Hände gearbeitet. Viele herzliche Grüße von Eurem Heide Handschrift IMLM/ZPA, F.20, Nr. 125.

Erstmalig vollständig veröffentlicht.

241 Brief von F. A. Bergmann in Regensburg Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten 21.April 1848’ Regensburg im April 48 An die Zentralbehörde2 Lieben Brüder! Es wird mir nun endlich wieder möglich, an Euch zu schreiben; ich habe seit langer Zeit nichts mehr erfahren, als was mir Gebert in Locle mitteilte. Vor einigen Tagen schickte er mir die Adresse, unter welcher ich gegenwärtigen Brief an Euch sende. Ich hätte gleich geschrieben, aber weil es mit der Arbeit so langsam geht, so war ich im Zweifel, ob ich noch auf eine Antwort warten konnte oder nicht. Ich habe nun wie­ der ein Stück angefangen, wo ich etwa 14 Tage zu tun habe und folglich auf eine Antwort warten kann, wenn sie nicht zu lange ausbleibt. Ich sah in zwei Briefen (de dato 19. und 31. März), die ich namens des K[reises] La Chaux-de-Fonds von Gebert und Schellinger erhielt, daß nun die Zeit da ist zu zeigen, daß wir nicht bloß schöne Worte haben für unsre Grundsätze, sondern daß wir imstande sind, mit der Waffe in der Hand auch zu handeln.[196J Ich erhielt auch eine Abschrift von den „Forderungen der kommunistischen Partei in Deutschland“3, nach welcher Art ich am besten Propaganda machen kann, nur würde man-

an die

1 Datum des Poststempels - 2 Die AuOenadresse lautet: „Herrn F.Philipp Neubeck, SchullehrerKandidat, bei Herrn Metzgermeister Neubcck, Rentengasse (heil. Geist) in Mainz.*1 Der Brief wurde am 23. April an die Zentralbehörde nach Köln gesandt; vgl. Dokument 243. - 3 Dokument 224

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ches zu schroff erscheinen, wenn ich es nicht mit andern Worten aus­ drückte, was denn am Ende ebendasselbe ist. Es ist nur eine mißliche Lage für mich, hier zu sein, zumal in einer Zeit, wo unsere Kräfte möglichst konzentriert sein sollen und müssen, um mit Erfolg für unsere Sache zu kämpfen; andererseits wäre es freilich auch gut, wenn hie und da einer auch an solchen Orten wäre, wo unsere Prinzipien eine Neuheit sind in der sogenannten unteren Volksklasse und wo man sie von oben herunter mit Absicht verdreht. Ich stelle mich daher im Interesse aller Euch zum Verfügen und werde dahin gehen, wo Ihr denkt, daß ich am wirksamsten sein kann. Ich kann hier nichts Genaueres erfahren, denn ich krieg’ nur zwei ganz schlechte Zeitungen zu lesen, die eine im Sinne konservativer Bourgeoisie, die andere von der Beamten-Aristokratie ausgehend, verdächtigen allen und jeden Fort­ schritt auf die frechste und unverschämteste Weise. So heißt es zum Beispiel in einer derselben, die republikanische Partei wäre im badischen Oberlande nun zu Ende gekommen, Hecker hätte sich mit etwa 80 Mann Gesindel verloren, daß man nicht wüßte, wo er hingekommen wäre, und Struve wäre auch mit etwa 300 Mann aus Donaueschingen geflohen und hätten sich zerstreut; bei allem dem zeigt sich aber eine ungemeine Furcht in den sogenannten höhern Ständen, auch wird die französi­ sche Republik so gehässig und so niederträchtig dargestellt, wie es nur Leuten von „höheren Ständen“ möglich ist. Alle möglichen Gerüchte werden verbreitet, um dem Volke weiszumachen: die Franzosen wären ein „Erbfeind“ an ihm, die Räubergelüste könnten nur dadurch be­ seitigt werden, wenn Frankreich wieder einen König erhalte. So wurde vor 3 Wochen gesagt, daß 40-60 Tausend Mann französisches Raub­ gesindel ins Badische und Württembergische eingefallen wären, sie würden überall sengen, morden und brennen, wo sie hinkämen; gestern und vorgestern (in dem Augenblicke, wo die Wahlen beginnen ins Parlament und wahrscheinlich auch deswegen) wurde dann auch wirk­ lich die Lüge ausgestreut: die Republik in Frankreich wäre zu Ende, sie hätten wieder einen König. Es verfehlte aber den Zweck ganz, indem es niemand glaubte. Wenn ich nun die Ursache auseinandersetze, warum sie (die Bourgeoisie) zu solchen Mitteln die Zuflucht nehmen, so finde ich guten Beifall, indem es den Leuten sehr verständlich wird, aber Ihr könnt wohl denken, daß eine Stimme nicht viel mehr ausgibt als ein Tropfen Wasser im Meer; daher käme es mir sehr erwünscht, wenn Ihr mir Schriften zum Verbreiten schicken könnt, es würde dies von größerem Erfolge sein; auch wird es möglich werden, uns als Gemeinde zu konstituieren, wenn wir auch zuerst bloß 3 sind. Wenn Ihr daher denkt, daß ich noch länger hierbleiben soll, so schickt mir Statuten1 usw. 1 Dokument 183

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Schreibt mir auch, wie es mit dem Freischarenzug aussieht, denn es ist sehr notwendig, damit man weiß, in welchem Sinn als man Propaganda machen muß. Denn wenn nicht wir die Oberhand erhalten oder daß die Umwälzung nicht in unserem Sinn vonstatten geht, so ist es immer bes­ ser, man sucht das Volk wie bisher wissenschaftlich zu belehren, als daß man sie aufmuntert, mit in den Kampf zu folgen. Wir hätten dann wieder das alte Lied, das Volk würde dann wieder als Mittel benutzt, wo es der Zweck sein soll. Übrigens kann ich Euch versichern, daß wir immer einen bedeutenden Teil des Volks für uns haben werden; auch wie ich aus München höre, so ist die republikanische Partei die herr­ schende des Tages. Ich will für diesmal meinen Brief schließen, indem ich mehr zu erfahren hoffe, als ich Euch mitteilen kann. Gruß und Handschlag F. A. Bergmann (Gerbach1) Meine Adresse ist: F.A.Bergmann abzugeben auf der Schreiner-Herberge in Regensburg. NB. Ich bitte um recht baldige Antwort. Schreibt auch, wo Heß und Stephan2 ist. Handschrift IMLM/ZPA, F. 20, Nr. 126.

1Erstmalig vollständig veröffentlicht.

242 Schreiben der Gemeinde in Mainz an die Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten in Köln3

23. April 1848 Proletarier aller Länder, vereinigt euch! Die Gemeinde Mainz an die Zentralbehörde Es wird Euch wahrscheinlich spät erscheinen, daß wir erst heute uns mit Euch in Verbindung setzen. Dieses Versäumnis mag teilweise unsere eigene Schuld sein, teilweise wurde sie jedoch auch durch äußere Um­ stände in dieser so bewegten Zeit veranlaßt. Wir werden übrigens um so mehr uns zu Energie und unermüdlichem Eifer verpflichtet fühlen. - Wir schicken das Protokoll einer in den letzten Tagen gehaltenen Sitzung voraus. 1 Gerbach war wahrscheinlich der Bundesname Bergmanns - 2 Stephan Born - 3 Dieses Schreiben wurde nicht mit der Post befördert. Die Auflcnadrcsse lautete: „Fräulein Louise Moll, Köln, große Budengasse Nr. 1.“

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II

Sitzung vom 20. April 1848 Anwesende Besucher des Pariser Arbeitervereins: Moriz Sachs und Josef Schütz. Karl Schapper von London eröffnet die Sitzung1 mit der Aufnahme von Streitmann als Bundesmitglied in seiner Eigenschaft als bevoll­ mächtigter Emissär der Zentralbehörde Köln. Das alte Bundesmitglied Rheinfels schließt sich dem Bunde von neuem an und verspricht, in der nächsten Sitzung noch drei frühere Bundesmitglieder einzuführen. Die Gemeinde erklärt sich für konstituiert. - Schmitze wird von der Ge­ meinde als Vorstand, Lange als Beistand gewählt. - Es wird als monat­ licher Beitrag ein Minimum von zwölf Kreuzern festgesetzt. - Die ’ Adressen werden folgendermaßen festgestellt: An die Zentralbehörde pp. Nach Paris pp. Nach London pp. Man beschließt auf den Rat Schappers und Rheinfels’, bis auf weite­ res die Bundesnamen noch beizubehalten. Gemeindemitglieder sind: Schmitze, Nepomuk, Lange, Rheinfels, Streitmann, Senser.2 Die nächste Sitzung wird auf Sonntag, den 23. April, nachmittags P/z Uhr, festgesetzt. Diese Sitzung (d. 23. April) wurde soeben gehalten und noch 3 weitere Mitglieder aufgenommen; auch stehen noch mehrere Mitglieder in Aussicht. Ferner brachten wir eine Frage zur Sprache, welche nächsten Mittwoch im Arbeiterverein diskutiert wird. Sie lautet: Warum sind unsere Besitzenden gegen Republik; der Mittelstand und die Besitzlosen aber für dieselbe? Wir einigten uns über die Beantwortung in diesem Sinne. Der hiesige Arbeiterverein zählt eben ca. 400 Mitglieder, ist aber noch immer stark im Wachsen begriffen. Im Vorstand sind wir durch drei Bundes[mit]glieder vertreten, und wird die Majorität immer mit uns stimmen, so daß der Verein als ganz in unserm Sinne geleitet betrachtet werden muß. Die Korrespondenz haben wir in unsern Händen, da der Beistand des Bundes mit dem Schreiber des Arbeitervereins eine Person3 ist. Wir haben unter die Unterrichtsgegenstände Schreiben, Rechnen, Zeichnen, Stilistik und Übungen in der freien Rede aufgenommen, um die große Masse anzuziehen und dieselben durch Bildung für politische und soziale Fragen zugänglich und empfänglich zu machen. Dies ist uns bis jetzt gut gelungen, da alle mit großer Liebe an uns hängen. Mittwochs ist Versammlungstag mit Vorträgen und Diskussionen über eingelaufene Fragen. Ich schreibe Euch dies, damit sich einer von Euch, der gerade die Reise macht, vielleicht nach diesem Tage richten kann. 1 Vgl. Dokument 248. - 2 Als Mitglieder gehörten der Mainzer Gemeinde Ende April 1848 Gott­ fried und Paul Stumpf, Adolph Cluß, Germain Metternich, Philipp Neubeck und Johann Schickei an. Wer von ihnen welchen Bundesnamen führte, ist nicht in allen Fallen bekannt, Schmitzc ist jedenfalls Paul Stumpf, Lange ist Adolph. - 3 Adolph Cluß

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Was unsre Vermittlung in betreff unserer Eigenschaft als provisori­ sches Zentralkomitee der deutschen Arbeitervereine betrifft1, so können wir Euch anzeigen, daß wir bis jetzt verhältnismäßig noch sehr wenige Anmeldungen erhalten haben. Wir haben Nachrichten von Konstitu­ ierung von Arbeitervereinen aus Todtnau bei Freiburg im Breisgau, Pforzheim, Heidelberg, Mannheim, Darmstadt, Offenbach, Hanau, Frankfurt a. M., Odernheim (Rheinbayern), Bruchsal (Baden). Aus Bonn hat uns vor einiger Zeit ein Handwerker um Rat geschrieben, den wir dann auch erteilten, bis jetzt aber noch keine weitere Nachricht. In Koblenz ist, wie Dronke sagt, auch ein Arbeiterverein gebildet, wir haben von ihm auch keine weitere Nachricht. Aus den eingelaufenen Berichten ergibt sich, daß es höchst nötig wäre, sobald mehr Anzeigen da sind und es sich also lohnt, einen Emissär nach Süddeutschland zu schicken. So gut, als dies nur irgend durch Schreiben geschehen kann, ist unsererseits dafür gesorgt worden, daß die Vereine die gehörige Richtung bekommen; aber persönliches Auftreten und Bekanntschaften mit den helleren Köpfen würde sehr viel nützen. - Außer Wfolff] ist noch ein weiterer Emissär von uns (Menkel2) nach Norddeutschland; derselbe reist mit dem alten Jahn, läßt sich aber von diesem nicht an­ stecken, ist zu schnell abgereist und konnte deshalb nicht vorher in den B[und] aufgenommen werden; wenn er zurückkommt, tritt er jedenfalls bei; seine Reise nützt uns aber fürs erste dennoch viel, wenn er nur zur Gründung von Vereinen gehörig beiträgt. Schickt uns doch baldmöglichst Nachricht, wie wir uns verhalten sollen mit der Zusammenberufung der Arbeitervereins-Abgeordneten. Es hat Chancen für sich, wenn wir hiezu unverzüglich schreiten wür­ den, um den Herren im Parlament die Köpfe etwas warm zu machen; aber wenn zu wenige Vereine dabei beteiligt sind, so schadet die De­ monstration am Ende mehr, als sie nützt. Von dieser Seite betrachtet, wäre es also wohl besser abzuwarten, bis sich nur einzelne Vereine aus Württemberg, Bayern, Sachsen, Hannover, Preußen pp. angemeldet haben, die wenigstens in ihrem Bezirke hernach wieder wirken könn­ ten; solange noch ganze Vaterländer fehlen, ist aber die Lücke doch zu groß. Wenn Ihr also noch für Aufschub der Versammlung seid, so werdet Ihr fernerhin wieder benachrichtigt werden, woher wir Nachrich­ ten erhielten, um uns Eure Meinung über die Wahl des Ortes zur Ver­ sammlung mitzuteilen. Wir versprachen den schon gebildeten Vereinen, die Versammlung baldmöglichst zusammenzuberufen, und sind sogar deshalb schon Anfragen an uns gelangt. - Offenbach, Hanau und Frank1 Vgl. Dokument 233. - 2 In der Vorlage: Mönkel.- M.Menkel reiste als Emii5.tr desMainzer Arbeiter­ vereins auch nach Leipzig, wo er am 13. Mai 1848 im Arbeiterverein eine Rede hielt; vgl. „Leipziger Arbeiter-Zeitung*' vom 3.1uni 1848.

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furt wollen ohne weiteres womöglich 10000 Arbeiter zusammentrom­ meln und aus eigener Machtvollkommenheit einen Abgeordneten nach Frankfurt schicken. Diese Vereine haben gegen den Ausschluß der Arbeiter eine Verwahrung bei dem Fünfzigerausschuß1 niedergelegt; ein Exemplar hievon folgt bei; der Ausschuß fand sich aber veranlaßt, hierin nichts zu tun, d.h., es den einzelnen Regierungen zu überlassen. Der hiesige Turnverein zählt zur Zeit etwa 750 Mitglieder; in dem­ selben ist die Bourgeoisie noch am Ruder, doch wird sich dort wohl auch bald das zahlreich vertretene proletarische Element rühren. Im Augen­ blick noch verhält sich ungefähr Turnverein zu Arbeiterverein wie die radikale Bourgeoisie zum Proletariat. Doch wenn die Leute nur einmal etwas Höheres eingeimpft bekommen, so wird sich’s schon machen. Brudergruß und Handschlag!

Mainz, den 23.Apr. 1848

Im Namen der Gemeinde Der Vorstand Der Beistand Schmitze Lange

NS. Soeben erhalten wir inliegenden Brief aus Breslau2, welchen wir Euch hiemit mitteilen. Die Manifeste3 und Statuten4 sowie alles übrige werdet Ihr besorgen, da wir von ersteren wenige, von letzteren nur ein paar Exemplare hier haben. W[alla]u ist von den Wiesbadener Buchdruckern als Abgeordneter zu einer Versammlung nach Heidelberg geschickt; dieselben wollen eine Assoziation, ungefähr wie die englischen Buchdrucker, begrün­ den.11973 W[allau] ist seit ungefähr 14 Tagen in Wiesbaden in Arbeit, auch bereits dort Präsident eines Buchdruckervereins (Typografia); wir hoffen jedoch, ihn wieder nach Mainz zu bekommen; im Augenblick konnte er hier keine Arbeit finden. Wenn er nur etwas mehr bekannt in Mainz wäre, so wäre er vor ein paar Tagen in das Bürgerkomitee ge­ wählt worden, er hatte sehr viele Stimmen. - Schapper ist noch in Wiesbaden, ich glaube, daß er dort etwas fertigbringt. Die Obigen.

Adresse: Herrn Johann Schickei, Mainz, Augustinerstraße. Den Strich unter Johann nicht zu vergessen. - Wir möchten nicht die Adresse des Beistandes äls Korrespondenten, weil dieser doch die Luchsaugen der noch etwas unklaren Polizei als Schreiber des Arbeiter­ vereins auf sich gezogen hat. Handschrift IMLM/ZPA, F.20, Nr. 127.

Erstmalig vollständig veröffentlicht.

1 des Frankfurter Vorparlaments - 2 Dokument 240 - 3 Dokument 202 - 4 Dokument 183

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Mitteilung von Adolph Cluss in Mainz an die Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten in Köln

etwa 23. April 1848 Beiblatt1 Soeben kömmt uns inliegender Brief aus Regensburg2 zu; wir konn­ ten von außen nicht sehen, daß derselbe an Euch gehört. Deshalb ist selbiger erbrochen, da öfters unter der nämlichen Aufschrift Briefe in Arbeitervereinsangelegenheiten eintreffen. Mehrere Adressen von Arbeitervereinen folgen auch noch, vielleicht sind unter ihnen Bundesmitglieder:

Jakob Rothweiler, Schuhmacher in Mannheim; Oberlehrer Lebzeiser in Heidelberg; E. Miller, Goldarbeiter in Pforzheim; Rudolf Anspach in Offenbach; auch C.Fr.Steuerwald. Johann Schäfer, Arbeiter bei Peter Thiery, Strumpfwirker-Bruchsal. F. Ph.Kranz, Schreinergeselle in Darmstadt; Fr. Kamm jr.3, Bürstenmacher in Bonn; Adam Scheuer im alten Schloß zu Odernheim (Rheinpfalz); Carl Meyer per Adresse Mad. Ramser, rue du Cendrier No. 39, Geneve; Edmund Baer bei J. M. Thoma, Papierfabrik in Todtnau bei Freiburg im Breisgau. Lange Handschrift IMLM/ZPA, F.20, Nr. 22.

Erstmalig in der Sprache des Originals veröffentlicht.

1 Es handelt sich um ein sehr eilig beschriebenes einzelnes Blatt ohne Anschrift, das, wie die Bezeich­ nung „Beiblatt" erkennen läßt, wahrscheinlich dem Schreiben der Mainzer Gemeinde an die Zentral­ behörde vom 23. April (Dokument 242) bcigelcgt war. - 2 Dokument 241 - 3 in der Vorlage nicht ein­ deutig zu entziffern

49 Bund

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244 Schreiben des Mainzer Arbeiterbildungsvereins ALS PROVISORISCHES ZENTRALKOMITEE

Arbeitervereine Deutschlands an den Kölner Arbeiterverein

der

23. April 1848 An

den Arbeiterverein zu Köln Brüder! Ein Ruf bricht sich Bahn durch die seither unzusammenhängenden, Millionen zählenden Reihen von Arbeitern Deutschlands. „In Wien, Berlin, Breslau und noch mehreren andern Orten Deutschlands ist Arbeiterblut zur Aussaat für eine bessere Zeit vergossen worden.“ Aber zu gleicher Zeit hat bereits ein großer Teil der Arbeiter die Über­ zeugung erlangt, daß unverzüglich dafür Sorge getragen werden müsse, den Arbeitern die Früchte ihrer Eroberungen auch zu sichern, damit das so unmenschlich verspritzte Blut nicht zur Vergrößerung des Vermögens der Menschenhändler mit dem Schweiß der Arbeiter diene, sondern die Keime lege zur selbständigen Stellung der Arbeiter, dem Arbeiter seinen gebührenden Platz in der menschlichen Gesellschaft anweise. Dieser Gedanke war es, der auch uns durchdrungen hat, als wir kurze Zeit nach dem Bestehen des hiesigen Vereins den Beschluß faßten, energisch Hand zu legen an die Vereinigung der Arbeiter Deutschlands, und mit Freude sahen wir, daß die Bemühungen nicht erfolglos waren, sondern einen Widerhall fanden in der Brust manches echten Volksmannes. Bereits haben wir Zuschriften erhalten aus vielen Städten, z. B. Freiburg im Breisgau, Pforzheim, Bruchsal, Heidelberg, Mannheim, Darmstadt, Offenbach, Hanau, Frankfurt, Genf etc. Aus den entfernter liegenden Gegenden werden, hoffen wir, auch die Nachrichten nicht ausbleiben. Kurz, wir können mit Zuversicht behaupten: die Rolle der deutschen Arbeiter in der Weltgeschichte hat begonnen. Von Tag zu Tag sehen wir, wie allerorten in schärfer ausgeprägten Umrissen die Klassenbildung der Arbeiter, die Klassenbildung des Proletariats reißende Fortschritte macht. Es gibt dies uns die tröstliche Gewißheit, daß die Arbeiter ihrer selbst sich bewußt sind. Wir haben uns nicht aus den Klauen der Des­ potie und der Geburtsaristokratie gerissen, um in den Händen der Geldaristokratie zu verkümmern. Tragen wir dazu bei, was in unsern Kräften steht, um diese bei man­ chen noch dunkle Ahnung in ein strahlendes Licht zu stellen. Wir wer770

den den Arbeitern ihr Elend und ihre Bestimmung zu einem bessern Dasein ins Bewußtsein rufen, damit der Drang nach menschlichen Zu­ ständen, der Drang, aus dieser Sklaverei herauszukommen, in der wir uns befinden, in allen rege wird. Wenn dies geschehen, werden unsere Widersacher nicht mehr den Mut besitzen, uns Millionen von der Ver­ tretung im deutschen Parlament auszuschließen, wie dies in den letzten Tagen geschehen; wir werden unsere Männer dorthin schicken und jederzeit bereit sein, ihren Worten Nachdruck zu verschaffen. Ihr habt uns in Eueren beiden Zuschriften1 aus der Seele gesprochen, auch wir verfolgten bisher den gleichen Zweck und suchten denselben auch im allgemeinen durch dieselben Mittel zu erreichen. Euere Losung:

„Freiheit, Verbrüderung, Arbeit!“

sei fortan auch die unserige. Unter einem Panier kämpfend, wird und muß Erfolg unsere Bemühungen krönen. Wenn wir hierbei etwas zur Verbreitung Euerer Arbeiterzeitung tun können, werden wir dies sehr gerne besorgen. Auch wir haben bereits angefangen, die Auszüge der Protokolle unserer wöchentlichen Ver­ sammlungen in der „Mainzer Zeitung“ zu veröffentlichen. Außerdem steht uns noch das in diesen Tagen herausgekommene, von Kalisch redigierte Sonntagsblatt „Der Demokrat“ zu Gebot. Die Redakteurs dieser beiden Blätter2 sind sehr tätige Mitglieder unseres Vereins. Wir hoffen, in lebendiger Verbindung mit Euch zu bleiben, sind im Geiste in Euerer Mitte und senden Euch Brudergruß und Hand­ schlag. Mainz, den 23. April 1848

Der Bildungsverem für Arbeiter als provisorisches Zentralkomitee der Arbeitervereine Deutschlands Für den Vorstand: Der Sprecher II Der Schreiber G. Stumpf Adolf Cluß Zeitung des Arbeiter-Vereines zu Köln, Nr. 2 vom 30. April 1848.

1 Es lag nur die Zuschrift vom 14. April 1848 vor: Dokument 237. - 2 Die „Mainzer Zeitung“ wurde von Karl Bölschc und Ludwig Bamberger redigiert. 49*

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Schreiben des Deutschen Arbeitervereins an Moses Hess in Köln

in

Brüssel

24. April 1848 Wertgeschätzter Herr Heß! , Brüssel, den 24. April 1848 Im Auftrage des endlich wieder hier ins Leben getretenen „Deutschen Arbeiter-Vereins“ bin ich so frei, bei Ihnen anzufragen, wann die von Ihnen redigierte „Rheinische Zeitung“1 erscheinen wird, indem wir ge­ sonnen sind, sofort ein Abonnement darauf zu nehmen. Der Verein ist außerordentlich zusammengeschmolzen und besteht noch aus zirka 30 Mitgliedern; wenn auch der Verlust unseres früheren Komitees uns jetzt unersetzlich ist, so ist der Eifer für die rein demo­ kratische Sache gestiegen, und die früheren Belehrungen haben gute Wurzeln gefaßt und entwickeln sich jetzt. Hoffentlich werden wir durch die Herausgabe Ihrer Z[ei]t[un]g einen sicheren Anhaltspunkt finden, besonders in den jetzigen schwankenden Verhältnissen. Der Verein läßt Ihnen durch mich seinen wärmsten Dank für das Geschenk der „Rhei­ nischen Zeitung“ sagen und wünscht, daß Ihnen jetzt Gelegenheit ge­ geben werde, an Ort und Stelle so zu wirken, wie Sie früher im Auslande sich des allgemeinen Wohls und besonders der arbeitenden Klasse an­ nahmen. Zugleich bin ich so frei, Ihnen meine Dienste als Korrespondent, wenn Sie eines bedürften, anzubieten. Indem wir Ihnen eine baldige Realisierung Ihres Projekts wünschen, sehen wir unverzüglich einer Antwort entgegen. Im Auftrage des Vereins Schlotmann, Sekrfetär] rue de la Samaritaine 4. Handschrift IMLM/ZPA, F.20, op. 1, Nr. 103.

1 Vgl. Anm. 186.

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Brief von Karl Marx in Köln an Friedrich Engels in Barmen vor dem 25. April 1848 Köln Apostelnstraße Nr. 7

Lieber Engels! Es ist hier schon ziemlich viel gezeichnet, und wir werden wohl bald anfangen können.1 Jetzt ist es aber nötig, daß Du Deinem Alten gegen­ über Forderungen stellst und überhaupt definitiv erklärst, was in Bar­ men und Elberfeld zu machen ist. An Hecker in Elberfeld hat man von hier einen Prospekt (von Bürgers geschrieben)2 etc. hingeschickt. Hast Du keine Adresse für Dronke? Dem muß sofort geschrieben werden. Antworte umgehend. Ich würde einmal da herüberkommen, sähe es nicht zu ängstlich bei Euch aus. Dein M. Handschrift IMLM/ZPA, F. 1, op. 1, Nr. 263. (MEW, Bd.27, S. 124.)

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Brief von Friedrich Engels an Karl Marx in Köln

in

Barmen

25. April 1848 Lieber Marx, Den Prospekt erhalte ich soeben nebst Deinem Brief. Auf Aktien von hier ist verdammt wenig zu rechnen. Der Blank, an den ich schon früher deswegen geschrieben und der noch der beste von allen ist, ist in praxi ein Bourgeois geworden; die andern noch mehr, seit sie etabliert sind und mit den Arbeitern in Kollisionen gekommen. Die Leute scheuen sich alle wie die Pest vor der Diskussion der gesellschaftlichen Fragen; das nennen sie Aufwiegelei. Ich habe die schönsten Redensarten verschwen1 mit der Herausgabe der „Neuen Rheinischen Zeitung"-2 Dieser Prospekt der „Neuen Rheinischeu Zeitung“, datiert „Köln im April 1848", wurde abgedruckt in: Wcstphälisches Dampf boot (Paderborn) . Nr. 12 vom 17. Mai 1848.

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det, alle mögliche Diplomatie aufgeboten, aber immer schwankende Antworten. Ich mache jetzt noch einen letzten Versuch, scheitert der, so ist alles am Ende. In 2-3 Tagen hast Du positive Nachricht, wie er ausgefallen. Die Sache ist au fond1 die, daß auch diese radikalen Bour­ geois hier in uns ihre zukünftigen Hauptfeinde sehen und daß sie uns keine Waffen in die Hand geben wollen, die wir sehr bald gegen sie selbst kehren würden. Aus meinem Alten ist vollends nichts herauszubeißen. Für den ist schon die „Kölner Zeitung“ ein Ausbund von Wühlerei, und statt lOOOTalern schickte er uns lieber 1000 Kartätschkugeln auf den Hals. Die avanciertesten hiesigen Bourgeois finden ihre Partei zu ihrer ziemlichen Zufriedenheit durch die „Kölnische] Zeitung“ vertreten. Que veux-tu qu’on fasse, alors?2 Moses’3 Agent, Schnacke, war vorige Woche hier, scheint auch gegen uns verleumdet zu haben. Von Dronke hab’ ich keine andre Adresse als etwa die: Kaufmann Adolf Dominicus in Koblenz (sein Onkel). Sein Alter existiert in Fulda, ich glaub’ als Gymnasialdirektor. Das Nest ist klein: Dr.E.D[ronke] junior in Fulda würde ihn wohl treffen, wenn er da ist. Es ist aber ab­ geschmackt, daß er nicht wenigstens schreibt, wo er ist. Von Ewerb [eck] hatte ich einen Brief, er fragt, ob wir einen angeblich wichtigen nach Mainz unter bekannter Adresse abgeschickten Brief von ihm erhalten?4 Hast Du ihn nicht, so schreib deswegen nach Mainz (Schullehrerkandidat Phil[ipp] Neubeck, Rentengasse (Heiliger Geist> Mainz). Ewferbeck] läßt in Paris das „Manifest“ ins Italienische und Spa­ nische übersetzen und will zu diesem Behuf 60 fr. eingesandt haben, die er sich zu zahlen verpflichtet. Das ist wieder so eine seiner Geschichten. Die Übersetzungen werden schön sein. Ich bin an der englischen Übersetzung, die mehr Schwierigkeiten macht, als ich glaubte. Über die Hälfte ist indes fertig, und bald wird das Ganze fertig sein. Wenn ein einziges Exemplar unsrer 17 Punkte5 hier verbreitet würde, so wär’ hier alles verloren für uns. Die Stimmung bei den Bourgeois ist wirklich niederträchtig. Die Arbeiter fangen an, sich etwas zu regen, noch sehr roh, aber massenhaft. Sie haben sofort Koalitionen gemacht. Das aber ist uns gerade im Wege. Der Elberfelder politische Klub erläßt Adressen an die Italiener, spricht sich für direkte Wahlen aus, aber weist jede Debatte sozialer Fragen entschieden ab, obwohl unter 4 Augen die 1 im Grunde - 2 Was soll man also tun? - 3 Moses HcQ - 4 Es handelt sich wahrscheinlich um einen Bericht der Kreisbehörde Paris; vgl. Dokument 250. - 5 Dokument 224

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Herren gestehen, diese Fragen kämen jetzt an die Tagesordnung, und dabei bemerken, wir dürften darin der Zeit nicht vorgreifen! Adios. Laß bald Näheres hören. Ist der Brief nach Paris abgegangen, und hat er Resultate gehabt? Dein 25.4.48 E. Handschrift IMLM/ZPA, F. 1, op. 1, Nr. 264. (MEW, Bd.27, S. 125/126.)

248

Brief von Karl Schapper in Wiesbaden Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten in Köln 26. April 1848 Wiesbaden, den 26. April 1848 Proletarier aller Länder, vereinigt euch! An die Z[en]tr[a]lb[e]h[ör]d[e] des Bfundes] der K[ommunisten] Brüder, In Mainz angekommen, fand ich, daß Wallau nach Wiesbaden ge­ reist war und dort in Arbeit stand. - Ich erkundigte mich nach dem Zu­ stand des Bfundes] und war höchst erstaunt zu hören, daß, obgleich viele Mitglieder da waren, man noch keine G[emeinde] organisiert hatte. Ich kam mit den Leuten zusammen, fand fünf der Alten, die gut sind, auf, ließ sie holen, ließ wählen etc. - kurz organisierte die Gfemeinde].1 Ich setzte mich ferner mit M[ettern]ich in Verbindung - er ist bei­ getreten. In Mainz besteht ein Arbeiterverein, der in einem blühenden Zu­ stande ist und über 700 Mitglieder zählt; doch hatte ich keine Gelegen­ heit, einer Sitzung desselben beizuwohnen. - In Mainz ist ein guter Bo­ den, wo schöne Fortschritte gemacht werden können. Am Karfreitag2 ging ich mit dem Schreiber des Arbeitervereins3, einem ausgezeichneten jungen Manne und Bruder, nach Wiesbaden. Hier angekommen fand ich, daß Wallau zwar mit den Buchdruckern zusammengekommen und von denselben zum Deputierten des Buch­ drucker-Kongresses in Heidelberg4 ernannt worden war, sonst aber nichts getan hatte. - Ich fing an zu rekognoszieren und fand bald, daß die republikanische Partei hier gänzlich ihr Terrain verloren hatte, weil an die

1 Vgl. Dokument 242 - 2 21.April-3 Adolph ClnB-4 Vgl.Anm.197.

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1 !!

sich viele dumme Schreihälse darunter befinden und die andern, ob­ gleich brave und tüchtige Leute, doch höchst unpraktisch waren. Ich habe nun nach Kräften gewirkt, mit den Leuten einen Arbeiter­ verein gegründet, der bereits an hundert Mitglieder zählt, und eine Ge­ meinde] zustande gebracht. - Es ist schade, daß meine Verhältnisse es nicht erlauben, noch acht Tage länger hier zu bleiben, doch hoffe ich auch, daß es ohne mich vorwärtsgeht - der Grund ist gelegt. Heute reise ich ab und werde sehen, was ich weiter tun kann. Gruß und Handschlag Euer Schill Handschrift IMLM/ZPA, F.20, Nr. 128.

Erstmalig in der Sprache des Originals veröffentlicht.

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Brief von Ernst Dronke in Frankfurt a. M. an Karl Marx in Köln 29. April 1849 Frankfurt, 29/IV. Lieber Marx! Ich habe absichtlich so lange geschwiegen, weil ich immer hoffte, Dir bessere Nachrichten geben zu können. Allein mit den Aktien1 ist es nichts, oder doch so gut wie nichts. Die Hunde halten ihr Geld jetzt in den Klauen, als ob sie wüßten, daß nächstens alles Zinszahlen aufhörte; die wenigen, die ich noch halb und halb geneigt fand, verlangten aber zuerst ein - Programm, Du weißt, was ein Bankier darunter versteht, kein Zeitungsprogramm, sondern ein finanzielles. Was tun? Alles, was ich fest erreichte, war Abonnement, und auch das kam immer so kläg­ lich heraus, als [ob] sie einem bloß einen Dienst damit erweisen wollten. Hier in Frankfurt kann ich doch noch einige Leute zur Aktienzeichnung bekommen, wenn Ihr mir nur eine Art Prospektus oder Ankündigung schicken wolltet, worauf ein Bankier unterzeichnet ist. - Moses2 war hier, und wie es mir schien, als Intrigant; ich habe ihn selbst nicht ge­ sehen, werde aber wohl noch erfahren, was er bei Löwenthal und dem alten Oppenheim hier gemacht hat. In Koblenz habe ich einen, wenn auch noch schwachen, B[un]d zu­ stande gebracht. Ich hatte die Leute nach Mainz gewiesen; da ich aber die Mainzer in einer großartigen Nachlässigkeit und vollständigen Anarchie versunken gefunden habe, werde ich auf meiner Rückkehr 1 für die „Neue Rheinische Zeitung“ - 2 Moses Heß

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nach Koblenz die Koblenzer, die sehr unter Aufsicht gehalten werden müssen, nach Köln verweisen. In Frankfurt habe ich zwei Leute bereit gefunden, und sie beauftragt, sich aus dem Handwerkerverein, in welchem tüchtige Kräfte sind, zu rekrutieren. Diese mußte ich aber unter die Mainzer stellen, und das ist traurig; ich werde aber, wenn die Zei­ tung nicht bald ins Leben tritt, selbst wieder hierhergehen und der Sache hier Bestand zu geben suchen. In Mainz waren die Kerle alle gegen Metternich eingenommen, warum, wußten sie selbst nicht; dagegen bin ich bei Bamberger gewesen (der vielleicht doch statt Zitz ins Parla­ ment gewählt wird) und glaube, daß er aufgenommen werden kann; was für das Bestehen des B[un]d[e]s in Mainz von großer Wichtigkeit wäre. In Hanau bin ich nicht gewesen - wegen großer Konflikte mit meinem Alten, der mich auch in die schändlichste Geldklemme versetzt hat. Morgen gehe ich nach Koblenz, um meine Indigenatsgeschichte1 weiter zu betreiben; cs wäre mir sehr lieb, wenn Du mir dorthin Nachricht über den Stand der - gerade jetzt so nötigen - Zeitung geben wolltest. Meine Adresse habe ich Dir ja bei Gottschalk zurückgelassen: „Kaufmann A.Dominicus.“ [...] Der Arbeiterklub in Koblenz zählt ganz treffliche Arbeiter unter seinen Mitgliedern, deren Zahl sich auf 150-200 beläuft und sehr im Wachsen ist. Der Verein wird leicht zu leiten sein, wenn die, die ihn leiten, gehörig kontrolliert werden. Ich kann mich in diesem Brief nicht so darüber auslassen, da Gottschalks Adresse, unter welcher ich Dir schreiben soll, wohl nicht so ganz sicher auf der Post ist. Das Nähere bald mündlich. Mit bestem Gruß an Dich und Deine Frau Dein Alräunchen NB. Weiß Engels, daß Otto Wigand eine zweite Auflage seines Buchs2 versendet hat? - Stephan3 scheint mir in Berlin eine etwas zwei­ felhafte Rolle zu spielen?! Über alles das mehr, wenn ich Nachricht von Dir erhalten habe. Handschrift IMLM/ZPA, F.20, Nr. 17.

Gekürzt. Erstmalig in der Sprache des Originals veröffentlicht.

1 Versuch zur Wiedererlangung der preußischen Staatsbürgerschaft - 2 Es handelte sich tatsächlich um den Rest der ersten Auflage von Engels' „Lage der arbeitenden Klasse in England“ von 1845, die Wigand 1848 mit einem neuen Titelblatt versah und als „Zweite Ausgabe“ hcrausgab. - 3 Stephan Bora

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Schreiben des Kreises Paris an die Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten in Köln

30. April 1848 1848. Paris, 30. April Der Kr[eis] hieselbst ist heute beisammen gewesen, und wir teilen sofort das Ergebnis der Besprechung mit. Nachdem derselbe aus einem Privatschreiben vernommen, daß M[arx] im Namen der Zentralbehörde] Nachrichten über die Pfariser] G[emeinde] wünscht, konnte sich dieselbe nicht enthalten, einerseits ihr Befremden kundzugeben, daß auf einen ausführlichen von ihr nach Mainz adressierten Bericht noch kein Bescheid erfolgt sei1, und ander­ seits, daß man sie in völliger Unkunde gelassen habe über den Stand unsres Bfundes] in Deutschland. In diesem Berichte hatten wir [uns] über den freudigen Fortgang der hiesigen] Gemeinden] ausgesprochen, und die Z[entral]b[ehörde] er­ sucht, uns in steter Kommunikation mit ihr zu erhalten - um so mehr, da der K[reis] Paris durch seine eigentümliche Stellung den französi­ schen Elementen gegenüber eine gewisse Bedeutung gewinnen könne. Diese Vermutung ist jetzt zur Gewißheit geworden, und wir haben es dem Bfruder] F. Wolff lediglich zu verdanken, daß die deutschen Komm[unisten] hier Anerkennung finden. B[ruder] Wolff hat mit großem Eifer und mit vieler Sachkenntnis in persönlichen Berührungen sowohl als in manchem französischen] Klub die wirkliche Arbeiterbewegung auseinandergesetzt, im bestimmten Gegensätze zu sonstigen idealen und utopistischen Systemen, die tagsüber in der Straße und abends in den zahlreichen Klubs ausgesonnen und erörtert werden; der Journale nicht zu gedenken, welche die stereotype question des travailleurs2 von be­ schränktem Standpunkte aus behandeln. Wenn daher auch die hiesige Kr[eis]beh[örde] gern gehört hat, daß ein kommunistisches Organ in Köln entsteht, so muß sie doch bedauern, wenn infolgedessen die hiesige Gemeinde] der Tätigkeit unsresB[ruders] F. Wolff beraubt werden müßte.3 Es ist gewiß, daß diesem wackren Mitgliede, wenn es auch seit Wochen mit vielfacher Misere zu kämpfen hat, dennoch bald hieselbst eine gebührende Position zuteil werden wird. Augenblicklich steckt derselbe in schlechten Kleidern und in Schulden, und es tut not, daß diesem Übel von Köln aus sofort abgeholfen werde. [...] 1 Vgl. auch Dokument 247. - 2 Arbeiterfrage- 3 Ferdinand Wolff begab sich Ende Juni oder Anfang Juli 1848 nach Köln, wo er als Redakteur der „Neuen Rheinischen Zeitung“ tätig war.

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Was Br[uder] Ew[erbeck] besonders betrifft, so wird er sich angelegen sein lassen, über alle Pariser Vorgänge mit Nächstem ausführlich zu berichten; er wird die verschiednen Journale kritisch beleuchten, die Tendenzen hervorheben. Ein Fünffrankentaler ist kaum hinreichend, um die Liste zu fassen, wenn auch der Taler in seine kleinsten Dezimal­ einheiten (die neuen Centimen) zerlegt würde und der Preis jedes Jour­ nals unter diesem Nullpunkte herabsänke. Ewerbeck, Präsident], NS. Der sich wöchentlich verstärkende Kfreis] Paris hat heute den förmlichen Wunsch ausgedrückt, das Bfruder] F. Wolff hierbleibe, da seine Wirksamkeit den Grünianern und Weitlingianern usw. gegenüber eine schlechterdings hieselbst notwendige ist. Bfruder] Ewferbeck] läßt das Manifest soeben ins Spanische und Italienische übersetzen, muß aber zu diesem Behufe sechzig Franken haben, die [er] hiermit von der Z[en]t[ral]b[e]h[örde] verlangt.[...] Ich unterzeichne dieses allein, im ausdrücklichen Auftrage, da keine Zeit verlorengehen darf. Ewerbeck, Präsident]. Handschrift IMLM/ZPA, F.20, Nr. 129.

Gekürzt. Erstmalig in der Sprache des Originals veröffentlicht.

251 Brief von Ernst Dronke in Koblenz an des Bundes der Kommunisten in Köln

die

Zentralbehörde

5, Mai 1848 An die Zentralbehörde des Bundes Liebe Brüder! Eurem Auftrage gemäß gebe ich Euch von dem Erfolg meiner Reise nach Koblenz und Kurhessen Nachricht. 1. In Koblenz habe ich eine Gemeinde konstituiert und bis jetzt vier Mitglieder aufgenommen: Wendelin Nix (eine außerordentlich revo­ lutionäre Figur), einen Kaufmann namens Feuerbach und zwei Arbeiter. Den Präsidenten des Handwerkervereins, Stadtrat Gabriel Drimborn,

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habe ich, obwohl er dazu bereit ist, nicht aufgenommen, weil mir sein Ehrgeiz nicht behagt, indes werde ich noch zusehen, was zu machen ist, da dieser Drimborn großen Einfluß hier übt. - Die Leute sind im Augen­ blick hier durch die Wahlen sehr in Anspruch genommen; ich werde indessen in diesen Tagen einen Brief der Gemeinde an Euch veranlassen. 2. In Frankfurt (wo man fast gesteinigt wird, wenn man sich als Kommunisten bekennt) habe ich zwei sehr tüchtige Leute bereits ge­ wonnen und andere noch auf dem Zuge. Ich werde speziell darüber Auskunft geben, wenn ich die Gemeinde dort konstituiert habe. 3. In Kurhessen habe ich nicht handeln können, weil ich in Frankfurt ohne Geld festsaß; doch habe ich mit Bestimmtheit erfahren, daß in Hanau und in Kassel (wenn hier nicht schon eine Gemeinde ist?) der Bund konstituiert werden kann. Ich überlasse Euch, ob Ihr einen Emis­ sär dahin absenden wolltet, dem Ihr folgende Adressen mitgeben mögt: Hanau, Schärt[t]ner und Flüger; Kassel, Dr. Kellner. 4. In Mainz habe ich im Bunde den Beginn zu völliger Anarchie ge­ funden; Wallau war in Wiesbaden, Neubeck spielte im Cafe Domino, während Versammlung anberaumt war; Metternich, der allerdings viel zu tun hat, scheint die Sache mit großer Gleichgültigkeit anzusehen. Bloß Schickei und Stumpf sind tätig. - Ich habe nun vor allem darauf gewirkt, daß Wallau von Wiesbaden weg und nach Mainz kommt; ich habe mit dem Redakteur der „Mainzer Zeitung“1 selbst gesprochen und die übrigen zu demselben Schritt beauftragt, daß Wallau in einer Main­ zer Druckerei angestellt werde. Ich glaube, es wäre gut, wenn Ihr selbst noch darum hinschriebet. - Die Mainzer haben mich beauftragt, Euch um Aussendung eines Emissärs nach dem Oberlande, Baden, zu er­ suchen, da dort sehr viel zu wirken sei und sie selbst keine Leute dazu hätten. 5. Die verschiedenen Arbeiterklubs sind sehr ungeduldig. Wäre es nicht an der Zeit, eine Petition in Art der Chartisten in allen Städten zur Unterzeichnung für das soziale2 Parlament auszulegen? Die „Forde­ rungen“3 würden nicht so berücksichtigt werden, wohl aber eine Arbei­ terpetition von sechs bis acht Punkten, mit ausführendem Memoire. Gebt mir Instruktion, was ich sagen soll, wenn die Arbeiter wieder von der Petition anfangen. Gruß und Bruderhand! Franz Mehring: Einleitung [zu: Karl Marx: Enthüllungen über den Kommunistenprozeß zu Köln], Berlin 1914, S. 16/17.

1 Ludwig Bamberger-2 Inder Vorlage: sog[enannte], wahrscheinlich Entziflerungsfehler für: soz[iale]~ 3 Dokument 224

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252 Brief an

von

Friedrich Engels

in

Barmen

Karl Marx in Köln

9. Mai 1848

Lieber Marx, Hierbei: 1. Die Liste der bis jetzt gezeichneten Aktien, 14 an der Zahl. 2. Eine Vollmacht1 für Dich. 3. Eine für D’Ester (der Bfohnstedt] ist ein Bekannter von ihm). 4. Eine für Bürgers. Es ließ sich nicht vermeiden, daß Bohnstedt und Hecker ihre Voll­ macht an persönlich Bekannte gaben. Hühnerbein wird, für sich und 2 hiesige, selbst dort erscheinen. Die Liste ist noch nicht geschlossen. Den Laverriere und Blank habe ich trotz xmaligem Besuche nicht getroffen. Zulauff hat den ersteren übernommen. Zwei andre, bei denen ich nichts ausrichtete, wird Hecker bearbeiten. Heute geht Zuljauff] nach Ronsdorf, wo er gute Aussichten hat. Die beiden Sorten Leute, die am meisten Schwierigkeiten machen, sind erstens die jungen rö'publicains en gants jaunes2, die für ihr Ver­ mögen fürchten und Kommunismus wittern, und zweitens die Lokal­ größen, die uns für Konkurrenten halten. Weder Nohl noch Bracht waren zu bewegen. Von den Juristen ist Bohnstedt der einzige, mit dem was zu machen. Überhaupt haben wir vergebliche Gänge genug ge­ habt. Morgen geh’ ich auf 2 Tage nach Engelskirchen. Laßt mich sogleich die Resultate der Aktionärversammlung wissen. - Zu einer Bundes­ gemeinde ist ebenfalls der Anfang gemacht. Dein Engels 9. Mai 48 Handschrift IMLM/ZPA, F.I, op.l, Nr.266. (MEW, Bd.27, S. 127.)

1 Tür die Versammlung der Aktionäre der „Neuen Rheinischen Zeitung“ -2 Republikaner in Glac6* Handschuhen

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253 Protokoll einer Sitzung des Kreises Köln des Bundes der Kommunisten1 11.Mai 1848 Sitzung Mai 11/48 Präsident2 Marx; fragt Gottschalk, welches seine Meinung oder sein3 Beschluß sei in Hinsicht des B[un]d[es]: welche Stellung er, Gottschalk, jetzt dem B[un]d gegenüber jetzt einzunehmen gedächte.4 Gottschalk erklärt, seinen gegebenen Austritt zu wiederholen, da durch die Umwälzungen5 in den jetzigen Verhältnissen [er] auch eine Um­ gestaltung der B[un]d[es-]Statuten verlangte und unter den bisherigen Statuten seine persönliche Freiheit gefährdet sei, erklärt aber, daß er in allen Fällen, wo der B[un]d seine Wirksamkeit wünschen sollte, er unter der gegebenen Bedingung seine Wirksamkeit vollständigst gewähren würde. H. Bürgers, Präsident6 Jos. Moll, Sekretär Handschrift IMLM/ZPA, F.20, Nr. 130. (MEW, Bd.5, S.484.)

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Brief von Stephan Born in Berlin an Karl Marx in Köln 11.Mai 1848 Berlin, den 11. Mai 48 Lieber Marx! Du hast vielleicht aus irgendeiner Zeitung erfahren, daß ich hier mit der Polizei wegen einer von ihr beabsichtigten Ausweisung zu kämpfen hatte.11981 Dies ist die Ursache, daß ich nicht dazu gekommen, Dir so­ gleich zu antworten. Ich beeile mich, Dir Deine drei Forderungen zu beantworten. 1) Existieren hier 4 Zeitungen. Die „Vossische [Zeitung]“ und die „Spenersche [Zeitung]“ kennst Du; sie sind immer noch dieselben. Die 1 Handschrift von Joseph Moll - 2 Präsident der Zentralbehörde — 3 In der Vorlage: seinen-4 Zur Rolle Gottschalks vgl. Anm. 194.-5 Es folgen die durchgestrichenen Worte: mehreres in den Statuten ver­ langte - 6 Präsident der Kreisbehörde

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„[Berliner] Zeitungs-Halle“ versuchte es gleich nach der Revolution, mit dem Radikalismus hervorzutreten, hat deshalb viel Abonnenten verloren und wird sich wahrscheinlich nicht lange halten können. Eine neue Zeitung, von Rutenberg redigiert, die „National-Zeitung“, wird sich wohl auch schwerlich halten können. Sie kokettiert mit allen Parteien und ist ein sehr mattes Bourgeoisblatt mit philanthropischem Beirat. Alle vier Zeitungen stehen meinen Artikeln offen. An Zeitschriften gibt es hier: 1) die „Volksstimme“ für Arbeiter, sehr fade, wird bald sterben. 2) Die „[Deutsche] Arbeiter-Zeitung“ (mit einem Redaktionskomitee aus dem Handwerkerverein)1, eine Trompete, in die jeder hineinblasen kann, weshalb ich aus der Redaktion scheide. Steht auch noch nicht auf sicheren Beinen. 3) Der „Volksfreund“ von Schlöffel2, gewöhnlich derb, hin und wieder pathetisch grobianisch, in ökonomischen Fragen unwis­ send, sozialistisch-kommunistisch, aufregend und deshalb von Proleta­ riern gelesen. Der Redakteur ist jetzt in Haft und scheint einiges Geld zu haben. - Es gibt noch einige Blätter, die aber gar nicht der Rede wert sind. Vom 1. Juni ab erscheint unter meiner Redaktion dreimal wöchent­ lich eine Arbeiterzeitschrift: „Das Volk“. Ich habe hier eine sehr aus­ gebreitete Bekanntschaft und rechne deshalb auf einen guten Erfolg. 2) Die Parteien fangen allmählich an, sich klar zu werden; sie sondern sich immer mehr, und bald wird jeder wissen, wem er angehört. Der konstitutionelle Klub (Bankiers, Geheimräte, Professoren, Juden, Kurs­ zettel, Gesetzlichkeit, Skandale, Klatsch, Berliner Geistreichtum, das ist sein Inhalt) wird immer lederner, besonders seit den Wahlen, in denen er vollständig durchgefallen. Der politische Klub (Jung, Landtags­ abgeordneter Meyer, Schlöffel, Saß, Studenten, Marats und Robespierres, der Stein des Anstoßes für alle Philister) scheint jetzt mit der radikalen Partei an Bedeutung zu gewinnen. Der Sozialismus ist in allen Ständen (mit Ausnahme der Berliner Weißbierbürjer) in voller Blüte. Die Philan­ thropie macht Entdeckungen, wie man den Leuten das Geld abnehmen kann, um es an die Armen zu verteilen usw. Das Proletariat ist durch und durch revolutionär. Ich halte hier dasselbe, wo es nur möglich ist, von unnützen Krawallen ab, organisiere aber überall die zerstreuten Kräfte zu einer starken Macht. Ich stehe hier so ziemlich an der Spitze' der Arbeiterbewegung. Die Bourgeois haben Vertrauen zu meinem Ver­ mittlungstalent, sie sehen nicht, daß ich die Arbeiter verbinde und nur dahin wirke, daß kein blinder Lärm geschlagen werde, sie haben gegen meine Ausweisung Partei genommen. Ich bin hier Vorsitzender eines 1. Dem Redaktionskomitee der zweimal wöchentlich erscheinenden „Deutschen Arbeiter-Zeitung. Organ Tür Arbeiter und Arbeitgeber“ gehörten auch Bisky, Hätzcl und Schwarz sowie bis Nr. 13 vom 20. Mai 1848 Born an; Lüchow lieferte einige Beiträge. Den Mitgliedern des Bundes der Kommunisten gelang es jedoch nicht, die Linie des Blattes zu bestimmen. - 2 Der von sozialistischen Anschauungen beeinflußte Student Gustav Adolf Schlöffel verfolgte eine revolutionär-demokratische Politik.

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quasi Arbeiterparlaments von Abgeordneten aus sehr vielen Gewerken und Fabriken.11993 Der Handelsminister1 hat sich jetzt mit uns in Ver­ bindung gesetzt.2 Der Mann weiß gar nicht, was er tun soll. Er tappt herum wie ein Blinder. - Im allgemeinen haben die Radikalen in den letzten Tagen Fortschritte gemacht, und die Leute erschrecken nicht mehr vor dem Worte Republik. 3) Über den B[un]d als solchen, wie er hier besteht, kann ich jetzt nichts berichten. Es hat noch niemand Zeit gehabt, ihn in der früheren Weise fest zu organisieren. Er ist aufgelöst, überall und nirgends. Für den Augenblick schadet dies nichts, denn es tut ein jeder seine Pflicht; sobald erst mehr Ruhe und mehr Zeit gewonnen ist, wird auch dafür gesorgt werden. Dein Anerbieten, für Deine Zeitung zu korrespondieren, nehme ich mit Dank an. Ich wünschte nur, Deinen Plan recht bald realisiert zu sehen. Grüße mir Deine Frau sowie Gottschalk und Engels, und Euren leidigen Abgeordneten, den Erzbischof3, schickt nur zu mir, ich will ihn hier versorgen. Dein getreuer Stephan Unter den Linden 28. Handschrift IMLM/ZPA, F.l, op.5, Nr. 173.

Erstmalig vollständig veröffentlicht.

255 Brief von Ernst Dronke in Frankfurt a.M. an Karl Marx in Köln 15. Mai 1848

Frankfurt, 15. Mai Liebes „Jupiterhaupt!“ Soeben finde ich einen Brief vom April von Dir vor, der nach Fulda, Koblenz und hierher gegangen ist; ferner Deinen letzten vom 8,d., der bloß in Koblenz einigen Aufenthalt gehabt zu haben scheint. Wegen der Aktien kann ich Dir nichts Neues mitteilen, als: Ich bin vorläufig bei den Philistern abgefahren, glaube aber mit Bestimmtheit, ca. 25 Aktien doch unterbringen zu können, wenn Ihr mir irgendeinen 1 Freiherr vonPatow - 2 Born und Bisky nahmen mit Mitgliedern des Berliner Magistrats an einer Sitzung im Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten teil, in der über Notstandsarbeiten beraten wurde. - 3 Gemeint ist D’Ester, der im Kreis Mayen zum Abgeordneten der preußischen kon­ stituierenden Versammlung gewählt worden war, die am 22.Mai 1848 in Berlin zusammentrat.

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gedruckten Plan, mit dem Namen eines Bankiers unterzeichnet, zu­ schickt. Das müßte aber bald geschehen! In Koblenz habe ich den dortigen Präsidenten des Handwerkervereins, Stadtrat F. Gabriel Drimborn, in den B[un]d aufgenommen und Auftrag gegeben, Euch baldigst zu schreiben. Die Leute sind indes mit ihren Pfaffengeschichten sehr in Anspruch genommen. Bei den Wahlen haben die Pfaffen gesiegt, gegen einen Kandidaten, der freilich auch nichts wert ist. Dein Freund Reichensperger1 ist gleichfalls gewählt. [...] Ich habe nach Frankfurt zurück gemußt, weil ich dringend Geld brauche und einem Buchhändler eine Broschüre über die „Herbergen der preußischen Gerechtigkeit“ schreiben soll. Unter der Adresse: „im Württemberger Hof“, wo ich zu Mittag esse, wird mich Dein näch­ ster Brief treffen. Nach Hanau kann ich vielleicht einmal auf einen Tag gehen, um eine Gemeinde zu gründen zu suchen. Von den Frankfurter Mitgliedern ist in meiner Abwesenheit eines durch Herrn Julius Fröbel abtrünnig gemacht worden, und ich laufe schon seit gestern durch die ganze Stadt, um 2 Pariser Arbeiter aufzusuchen, die hier sein sollen und zur Konstituierung des B[un]d[e]s hier aushelfen müssen. Was macht Engels? Von einem Kaufmann, der furchtbar über ihn raisonnierte, hörte ich auf dem Dampfboot, daß er vor einiger Zeit in Barmen gewesen wäre. Ist Wolff2 in Köln? Für Abonnements an der Zeitung werden sich an der Mosel und in und um Koblenz sowie in Kurhessen mehrere Leute sehr tätig verwen­ den, deren Adressen ich Dir schicken will, sobald die Sache so weit ist. [...] Gekürzt.

Handschrift IMLM/ZPA, F.20, op.l, Nr. 18.

Erstmalig in der Sprache des Originals veröffentlicht.

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Brief von Ernst Dronke in Frankfurt a.M. an Karl Marx in Köln 17. Mai 1848 Frankfurt, 17. Mai Lieber Marx! Wenn Du bei Empfang dieses meinen vorgestrigen Brief noch nicht beantwortet hast, so schreibe mir doch gleich! Ich kann Dich vor Ab­ gang der Eisenbahn nur in aller Eile benachrichtigen: 1. „Freund“ hier ironisch gemeint. Es handelt sich um einen der Brüder August und Peter Reichens­ perger, die beide als Vertreter des antipreußischen katholischen Klcrikalismus in die preußische konstitu­ ierende Versammlung in Berlin gewählt wurden. - 2 Es ist nicht zu entscheiden, ob hier Ferdinand oder Wilhelm Wolff gemeint ist.

50 Bund

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1. Fröbel und der eselhafte Eduard Pelz wollen hier eine Zeitung („Die Demokratie“) auf Aktien gründen; wenn Du mir nicht bald einen gedruckten Plan zu der „Neuen Rheinischen Zeitung“ einzuschicken vermagst, werden diese Hunde mir hier die wenigen Quellen zur Aktien­ zeichnung entreißen. (Bei Koblenz kann ich höchstens 10-15 erschwin­ gen.) 2. Bedenke, wie vorteilhaft es wäre, wenn die Zeitung einen Monat vor einem neuen Quartal erschiene 1 Die ersten Abonnements sind immer unbedeutend, desto geringer wird also der Verlust sein, wenn schon nach 4 Wochen das Abonnement erweitert wird. 3. Heute abend ist Arbeiterversammlung in Mainz; Pelz (!) will dorthin, um die Leute aufzufordern, sich einer Frankfurter Pelz-Fröbelschen Zentralbehörde1 anzuschließen! Ich habe mich sofort zurecht gemacht, um ebenfalls heute nach Mainz zu fahren und durch Beteili­ gung an der für heute aufgestellten Debatte „Bourgeoisie und Proletariat“ den Antrag von Pelz hinauszuschieben oder im andern Fall ihn direkt anzugreifen. Ich halte es aber für unumgänglich nötig, daß ihr durch einen Beschluß der Zentralbehörde sämtliche Gemeinden des B[un]d[e]s anweist, auf die Arbeitervereine hinzuwirken, daß sie (die Arbeiter) sich nicht mit Frankfurt, sondern lieber mit den Mainzern (Wallau, Cluß) in Verbindung setzen. 4. Wallau ist in Mainz angestellt, an der dortigen------ „Rheinischen Zeitung“! Zabern, der Verleger der „Mainzer Zeitung“, wollte nichts von ihm wissen, und es ist vorläufig auch einerlei, auf welcher Druckerei er arbeitet, aber - in Mainz - „Rheinische Zeitung“ 1 Schreibe mir doch baldmöglichst! Was macht Engels? Was Deine Frau? Dein Alräunchen. Handschrift IMLM/ZPA, F.20, Nr. 19.

Erstmalig vollständig veröffentlicht.

1 Die kleinbürgerlichen Demokraten Esselen, Fröbel, Löwenstein und Pelz, die damals eine führende Rolle im Frankfurter Arbeiterverein spielten, wollten diesen zum Organisationszentrum der deutschen Arbeitervereine machen.

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Schreiben des Kölner Arbeitervereins an den Arbeiterverein in Hanau

etwa 20. Mai 1848 An den Hanauer Arbeiter-Verein

Freunde und Brüder! Wir haben das Schreiben, womit Ihr unter dem 17. d. uns beehrt habt, erhalten.12003 Wir danken Euch für dasselbe und die Gesinnung, die Ihr uns bekundet. Wir müssen es aber ablehnen, uns bis heute noch den deutschen Arbeiterverein zu nennen, wie die Adresse Eures Briefes lautet. Erst wenn sich durch alle oder die Mehrzahl der deutschen Lande Arbeitervereine gebildet haben werden, erst dann wollen wir es gern übernehmen, einen Kongreß von Abgeordneten aller derselben zu veranlassen. Ihm wird dann die Konstitution eines deutschen Arbeiter­ vereines zustehen. - Indes beehren wir uns, Euch die gewünschten Nummern unserer Zeitung zu übersenden, bitten Euch um Zusendung Eures Blattes auf buchhändlerischem Wege und wünschen sehnlichst, in lebhaftem Verkehr aufrichtiger Brüderlichkeit mit Euch zu verbleiben. Der Sieg der Freiheit, der Brüderlichkeit und der Arbeit kann nicht mehr ferne sein. Vorsitzender, Sekretäre und Komitee des Arbeitervereins1 Zeitung des Arbeiter-Vereines zu Köln, Nr.6 vom 28.Mai 1848.

258 Brief von Hermann Ewerbeck in Paris an Karl Marx in Köln

21.Mai 1848 [...] Ich schrieb Dir eine Skizze der hiesigen Verhältnisse; findest Du sie gut, so bekommst Du so oft wie Du willst eine. Schreibe mir auch über die deutschen Verhältnisse, damit ich damit zu Flocon und zu „La Röforme“ gehen kann und nicht die Zeitungs1 In der Vortage folgt die Zelle: (Folgen die Unterschriften). 50«

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lumpenhunde sich dort einnisten. - Bernays war bei Lamartine, und dieser schickte ihn als Bevollmächtigten zum französischen Geschäfts­ führer in Baden; womit das kleine Männlein jetzt schrecklich herum­ prahlen soll. Mir scheint, unsere Partei ist schon auf schlaue Weise von jenen in Schatten gestellt worden; was mir um so unangenehmer, als Du mich ausdrücklich als Stellvertreter hierließest. - Daß Dein Journal zustande kommt, freut unsre Arbeiter sehr; ihre Zahl wächst, ihr Eifer auch; wir diskutieren das Manifest1, Wolff2 ist sehr tätig und ist beliebt. Lebe wohl Ewerbeck (Grüße Deine liebe Frau) Handschrift IMLM/ZPA, F. 1, op.5, Nr. 174.

Gekürzt. Erstmalig in der Sprache des Originals veröffentlicht.

259 Leitartikel von Stephan Born[2O1]

25. Mai 1848 Was wir wollen Woher wir dazu gekommen, unser Blatt „Das Volk“ zu nennen, das wollen wir zuerst erklären, und in dieser Erklärung gedenken wir zu­ gleich die Tendenz anzugeben, in welcher wir dasselbe redigieren wer­ den. Sprechen wir vom Volke, so rechnet sich nur zu oft alle Welt dazu, und doch soll diese Zeitschrift hauptsächlich nur eine bestimmte Klasse im Staate vertreten, die arbeitende Klasse. Wir wählten den Titel „Das Volk“ unter der Voraussetzung, daß, solange noch Klassen­ unterschiede existieren, man unter diesem Namen immer diejenige Klasse der Gesellschaft meinen wird, die die unterdrückte ist, die in Lohn und Brot steht, deren Existenz selbst so lange noch eine ungewisse ist, als ihr Arbeit und Lohn geboten wird, diejenige Klasse, die nur für den kommenden Tag lebt und die keine Zukunft hat als das Elend oder den verzweifelten Widerstand. Wir haben es so oft erfahren, daß man denjenigen, welche für die Interessen des Volkes schreiben, zum Vorwurfe macht, sie nur setzten 1 Dokument 202 - 2 Ferdinand Wolff

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diese Klassenunterschiede, sie allein sähen nur Gegensätze zwischen Besitzenden und Besitzlosen, zwischen Kapitalisten und Arbeitern, die in einem freien Lande, wo allen eine gleiche Berechtigung an der Aus­ übung der Staatsgewalt zugesichert sei, in der Tat nicht existieren. Der Verfassungsentwurf, den unsere Minister uns in diesen Tagen vorgelegt, belehrt uns eines andern; wir sehen, daß es in unserem Staate noch eine Nobelgarde durch das Unterscheidungszeichen des größeren Besitzes geben soll, und selbst, wenn dies nicht der Fäll wäre, wenn unsere Volks­ vertreter das Einkammersystem ohne Zensus durchsetzen, die Gegen­ sätze, die die geschichtliche Entwickelung aller Völker, die wir nicht gemacht, sie wären damit nicht aufgehoben. Unsere Gegner meinen, daß ebenso wie der Adel sich im Bürgertume auflöste, als dieses ihm seine Privilegien, seine besonderen Vorrechte entrungen, sich auch das Bürgertum in demselben Moment im Volke auflösen müsse, als dieses sich die Teilnahme an der Regierung erwor­ ben, als der Besitz die Berechtigung, im Staate noch ausschließlich ver­ treten zu sein, verloren und daß dann alle Mitglieder des Staates im „Volk“ begriffen seien. Welch kurzsichtige Auffassung der Geschichte! Sehen wir denn nicht, daß mit der Zeit, wo das Volk die politische Freiheit errungen, sein gesellschaftlicher Gegensatz zur Klasse der Kapitalisten nur um so klarer hervortritt, daß es sich nun auch mit aller seiner Tatkraft auf den Er­ werb der sozialen Freiheit wirft! So wie eine Klasse in der Gesellschaft zur Herrschaft gelangte, so wurde auch ihre Existenz, ihre Art und Weise zu leben, zu produzieren, eine andere. Mit jeder gewaltigen Revolution, die uns die Geschichte aufzuweisen hat, sehen wir auch einen Wechsel in allen Lebensverhält­ nissen der zivilisierten Völker eintreten. Mit dem Sturze der Adels­ herrschaft errang sich das Bürgertum nicht allein die politischen Rechte, seine ganze Produktionsweise wurde eine andere, und in sein roman­ tisches Grab zog der Adel das Zunftwesen und allmählich noch die letzten Reste mittelalterlicher Barbarei. Mit dem Bürgertume tritt die Herrschaft des Kapitals durch die freie Konkurrenz auf. Und mit der politischen Befreiung des Volkes, leugnen wir es nicht, gehen wir wieder einer Umgestaltung aller Lebensverhältnisse entgegen. Das Volk, das ein Recht hat, seine Stimme mit zu erheben im Staatsrate, teilzunehmen an der Gesetzgebung, das wird nicht ferner bei seinen Mitbürgern in Lohn und Brot stehen wollen, das wird nicht ferner ruhig hungern wollen und ein Almosen von mitleidiger Hand annehmen, es wird sich notwendig eine neue, gesicherte Existenz schaffen. Und von diesem Augenblicke an, vergessen wir es nicht, macht es keine Empörung mehr, es macht Revolution!

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Wir glauben, daß in Deutschland, wo überall mehr oder minder das Bürgertum noch nicht zur vollen, freien Entfaltung gekommen, dies jetzt in Zeiten revolutionärer Bewegung um so schneller geschehen wird, daß es unserem Frankfurter Parlamente gelingen wird, die mittel­ alterlichen Gewerbeverhältnisse, wo sie, wie in den Hansestädten, Han­ nover, Braunschweig, Mecklenburg und zum Teil in Sachsen noch be­ stehen, aufzuheben und nach jeder Seite hin eine Einheit in unseren verschiedenartigen vaterländischen Institutionen hervorzurufen, daß es ihm gelingen wird, die letzten Reste der Adelsherrschaft aufzuheben. Bis dies aber erreicht, soll unsere Zeitschrift wacker dafür mitkämpfen. Wir haben deshalb in unserem Deutschland eine sehr vielseitige Auf­ gabe. Das Bürgertum einerseits zu unterstützen im Kampfe gegen die Aristokratie, gegen das Mittelalter, gegen die Mächte von Gottes Gnaden; dem kleinen Gewerbetreibenden wie dem Arbeiter beizuste­ hen gegen die Macht des Kapitals und der freien Konkurrenz und immer voranzuschreiten, wo es gilt, dem Volke ein irgend noch vor­ enthaltenes politisches Recht zu erkämpfen, damit es die Mittel erhalte, sich die soziale Freiheit, die unabhängige Existenz um so schneller zu erringen. Unsere Zeitschrift hat deshalb die Aufgabe, der Demokratie, der Volksherrschaft im weitesten Sinne des Wortes vorzuarbeiten; wir werden uns dabei fernhalten von der hohlen Deklamation wutschnau­ bender Schwärmer, die ewig nach dem Strang der Guillotine fassen, weil sie selber keinen Kopf zu verlieren haben, sowie von allem tränen­ feuchten und liebesschmachtenden Sozialismus. Zur Erkenntnis der bestehenden Arbeiterverhältnisse in ihrem Zusammenhänge mit den Verhältnissen einzelner Gesellschaftsklassen sowie des ganzen Staates das unsere beizutragen und durch die Beleuchtung der Gegenwart zur freien Fortentwicklung des Volkes mitzuwirken, das soll unser Bemühen sein, und wir hoffen hierbei auf die Unterstützung des Publikums. Das Volk. Organ des Central-Komites für Arbeiter (Berlin), Probe-Nummer vom 25. Mai 1848, S.1-2.

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Schreiben des Kommunistischen Arbeiterbildungsvereins in London an den Kölner Arbeiterverein etwa Ende Mai 1848 An die Mitglieder des Arbeitervereins in Köln

Proletarier aller Länder, vereinigt euch!

Brüder! Nachrichten zufolge, die wir aus Köln erhalten haben, hat euch die Stimme des Zeitgeistes nicht umsonst zugerufen; ihr habt den Mahnun­ gen der Zeit Gehör gegeben, und die Liebe zur Freiheit, der Drang, das alte Joch abzuschütteln, haben eure Herzen zur Tatkraft entzündet. Durch die Gründung eures Vereins seid ihr handelnd in die große Be­ wegung eingetreten, und es unterliegt keinem Zweifel, daß euer Streben mit dem besten Erfolg gekrönt wird. Unsere Feinde, die Männer des Geldsacks und ihre Verbündeten, haben sich schon lange direkt oder indirekt vereinigt, um sich leichter gegen diejenige Klasse der menschlichen Gesellschaft zu verteidigen, die Tag für Tag ausgebeutet wird; sie haben sich gegen die verschworen, auf deren Schultern die ganze Last der Staaten liegt, gegen die, die alles produzieren und von deren Schweiß und Blut die Reichen ihre Paläste bauen und in Luxus und Schwelgerei leben. Es ist demnach hohe Zeit, daß auch wir, die Arbeitenden, uns vereinigen, um gegen unsere Feinde zu gehen und das Joch der schändlichsten Sklaverei abzuschütteln; die Vormundschaft, die seit geraumer Zeit über uns regiert hat, muß auf­ hören, wir können und dürfen unsere eigenen Angelegenheiten nicht mehr vertrauungsvoll in andere Hände legen, wir müssen selbständig werden und unsere Sache selbst ordnen; das Interesse der arbeitenden Klassen muß zum Staatsinteresse erhoben werden, und um dieses tun zu können, muß das Proletariat die herrschende Partei im Staate werden und den alten gesellschaftlichen Zustand umstürzen; dieses Ziel kann aber auf keine andere Weise erreicht werden als dadurch, daß sich die Arbeiter aller Länder vereinigen und den gemeinsamen Feind bekämpfen, es ist deshalb nicht genug, daß wir uns in einzelnen Städten vereinigen und getrennt von allen übrigen Lokalitäten auf unser Ziel losgehen; die Vereine, welche an verschiedenen Orten bestehen, müssen in regel­ mäßige Korrespondenz miteinander treten, damit überall nach einem gemeinsamen Plane gewirkt werden kann. Wir machen euch daher den Vorschlag, von jetzt an durch monatliche Korrespondenz mit euch in 791

i

i Verbindung zu treten, um gegenseitig Bericht über die wichtigsten An­ gelegenheiten abzustatten. Gruß und Handschlag von euren Brüdern in London.

Im Auftrag der Bildungs-Gesellschaft für Arbeiter in London J.G. Eccarius1, Schreiber. Zeitung des Arbeiter-Vereines zu Köln, Nr. 7 vom 4.Juni 1848.

261 Friedrich Engels : „Marx und 1848-49“ (1884)

die

,Neue Rheinische Zeitung*

l.Juni 1848 - 19.Mai 1849

Beim Ausbruch der Februarrevolution bestand die deutsche „Kom­ munistische Partei“, wie wir sie nannten, nur aus einem kleinen Stamm, • dem als geheime Propagandagesellschaft organisierten „Bund der Kommunisten“. Geheim war der Bund nur, weil es damals in Deutsch­ land kein Vereins- und Versammlungsrecht gab. Außer den Arbeiter­ vereinen im Ausland, wo er sich rekrutierte, hatte er ungefähr dreißig Gemeinden oder Sektionen im Lande selbst, dazu einzelne Mitglieder an vielen Orten. Aber diese unbedeutende Streitkraft hatte einen Führer, dem sich alle willig unterordneten, einen Führer ersten Ranges in Marx, und dank ihm ein prinzipielles und ein taktisches Programm, das noch heute in voller Geltung steht: das Kommunistische Manifest. Hier kommt in erster Reihe der taktische Teil des Programms in Be­ tracht. Dieser lautete im allgemeinen: „Die Kommunisten sind keine besondere Partei gegenüber den andern Arbeiterparteien. Sie haben keine von den Interessen des ganzen Prole­ tariats getrennten Interessen. Sie stellen keine besondern Prinzipien auf, wonach sie die proletarische Bewegung modeln wollen. Die Kom­ munisten unterscheiden sich von den übrigen proletarischen Parteien nur dadurch, daß einerseits sie in den verschiedenen nationalen Kämp­ fen der Proletarier die gemeinsamen, von der Nationalität unabhängigen Interessen des gesamten Proletariats hervorheben und zur Geltung brin­ gen, andrerseits dadurch, daß sie in den verschiedenen Entwicklungs1 in der Vorlage: Euarius

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stufen, welche der Kampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie durch­ läuft, stets das Interesse der Gesamtbewegung vertreten. - Die Kommu­ nisten sind also praktisch der entschiedenste, immer weitertreibende Teil der Arbeiterparteien aller Länder, sie haben theoretisch vor der übrigen Masse des Proletariats die Einsicht in die Bedingungen, den Gang und die allgemeinen Resultate der proletarischen Bewegung vor­ aus.“ Und für die deutsche Partei im besonderen: „In Deutschland kämpft die Kommunistische Partei, sobald die Bourgeoisie revolutionär auftritt, gemeinsam mit der Bourgeoisie gegen die absolute Monarchie, das feudale Grundeigentum und die Klein­ bürgerei. Sie unterläßt aber keinen Augenblick, bei den Arbeitern ein möglichst klares Bewußtsein über den feindlichen Gegensatz zwischen Bourgeoisie und Proletariat herauszuarbeiten, damit die deutschen Arbeiter sogleich die gesellschaftlichen und politischen Bedingungen, welche die Bourgeoisie mit ihrer Herrschaft herbeiführen muß, als ebenso viele Waffen gegen die Bourgeoisie kehren können; damit, nach dem Sturz der reaktionären Klassen in Deutschland, sofort der Kampf gegen die Bourgeoisie selbst beginnt. Auf Deutschland richten die Kommunisten ihre Hauptaufmerksamkeit, weil Deutschland am Vor­ abend einer bürgerlichen Revolution steht“ usw. („Manifest“ IV). Nie hat sich ein taktisches Programm so bewährt wie dieses. Auf­ gestellt am Vorabend einer Revolution, hielt es die Probe dieser Revolution aus; wo seit jener Zeit eine Arbeiterpartei von ihm abwich, strafte sich jede Abweichung; und heute, nach beinahe vierzig Jahren, bildet es die Richtschnur aller entschiedenen und selbstbewußten Arbeiterparteien Europas von Madrid bis Petersburg. Die Februarereignisse in Paris überstürzten die bevorstehende deutsche Revolution und modifizierten damit ihren Charakter. Die deutsche Bourgeoisie, statt aus eigener Kraft zu siegen, siegte im Schlepptau einer französischen Arbeiterrevolution. Noch ehe sie ihre alten Gegner, das absolute Königtum, den feudalen Grundbesitz, die Bürokratie, das feige Spießbürgertum, endgiltig niedergeworfen, mußte sie schon Front machen gegen einen neuen Feind, das Proletariat. Hier aber zeigten sich sofort die Wirkungen der hinter Frankreich und England weit zurück­ gebliebenen ökonomischen Zustände und der damit ebensosehr zurück­ gebliebenen Klassenlage Deutschlands. Die deutsche Bourgeoisie, die eben erst ihre große Industrie zu begründen anfing, hatte weder die Kraft noch den Mut noch die zwin­ gende Nötigung, sich die unbedingte Herrschaft im Staat zu erkämpfen; das Proletariat, in gleichem Verhältnis unentwickelt, herangewachsen in vollständiger geistiger Knechtung, unorganisiert und noch nicht

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II

einmal fähig zu selbständiger Organisation, besaß nur das dumpfe Gefühl seines tiefen Interessengegensatzes gegen die Bourgeoisie. So, obgleich der Sache nach ihr drohender Gegner, blieb es anderseits ihr politisches Anhängsel. Geschreckt nicht durch das, was das deutsche Proletariat war, sondern durch das, was es zu werden drohte und was das französische schon war, sah die Bourgeoisie nur Rettung in jedem, auch dem feigsten Kompromiß mit Monarchie und Adel; unbekannt noch mit seiner eigenen geschichtlichen Rolle, mußte das Proletariat in seiner großen Masse zunächst die des vorantreibenden, äußersten linken Flügels der Bourgeoisie übernehmen. Die deutschen Arbeiter hatten vor allen Dingen diejenigen Rechte zu erkämpfen, die ihnen zu ihrer selbständi­ gen Organisation als Klassenpartei unumgänglich waren: Freiheit der Presse, der Vereinigung und Versammlung - Rechte, die die Bourgeoisie im Interesse ihrer eigenen Herrschaft hätte erkämpfen müssen, die sie selbst aber in ihrer Angst den Arbeitern jetzt streitig machte. Die paar hundert vereinzelten Bundesmitglieder verschwanden in der ungeheuren, plötzlich in die Bewegung geschleuderten Masse. Das deutsche Proleta­ riat erschien so zunächst auf der politischen Bühne als äußerste demo­ kratische Partei. Damit war uns, als wir in Deutschland eine große Zeitung begründe­ ten, die Fahne von selbst gegeben. Es konnte nur die der Demokratie sein, aber die einer Demokratie, die überall den spezifisch proletarischen Charakter im einzelnen hervorhob, den sie noch nicht ein für allemal aufs Banner schreiben konnte. Wollten wir das nicht, wollten wir nicht die Bewegung an ihrem vorgefundenen, fortgeschrittensten, tatsächlich proletarischen Ende aufnehmen und weiter vorantreiben, so blieb uns nichts, als Kommunismus in einem kleinen Winkelblättchen dozieren und statt einer großen Aktionspartei eine kleine Sekte stiften. Zu Pre­ digern in der Wüste aber waren wir verdorben; dazu hatten wir die Utopisten zu gut studiert. Dazu hatten wir unser Programm nicht ent­ worfen. Als wir nach Köln kamen, waren dort von demokratischer, teilweise kommunistischer Seite Vorbereitungen zu einem großen Blatt getrof­ fen.1 Man wollte dies echt lokal-kölnisch machen und uns nach Berlin verbannen. Aber in 24 Stunden hatten wir, namentlich durch Marx, das Terrain erobert, das Blatt ward unser, auf die Gegenkonzession, daß wir Heinrich Bürgers in die Redaktion nahmen. Dieser schrieb einen Artikel (in Nr. 2) und nie mehr einen zweiten.2 1 Vgl. Anmerkung 204. - 2 In der „Neuen Rheinischen Zeitung“, Nr.2 vom 2.Juni 1848, wurde der Artikel „Die demokratische Partei“ (MEW.Bd.5, S.22-24) veröffentlicht, der aus Bürgers’Feder stammte, jedoch von Marx stark überarbeitet war. Später lieferte Bürgers gelegentlich noch Korrespon­ denzen und nur ausnahmsweise Artikel. (Vgl. Engels an Marx, 7./8.Januar 1849. In: MEW, Bd.27. S. 133/134.)

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Wir mußten eben nach Köln gehen und nicht nach Berlin. Erstens war Köln das Zentrum der Rheinprovinz, die die französische Revolution durchgemacht, sich im Code Napoleon1 moderne Rechtsanschauungen bewahrt, die weitaus bedeutendste große Industrie entwickelt hatte und in jeder Beziehung damals der fortgeschrittenste Teil Deutschlands war. Das damalige Berlin kannten wir nur zu gut aus eigener Anschauung, mit seiner kaum entstehenden Bourgeoisie, seinem maulfrechen, aber tat­ feigen, kriechenden Kleinbürgertum, seinen noch total unentwickelten Arbeitern, seinen massenhaften Bürokraten, Adels- und Hofgesindel, seinem ganzen Charakter als bloße „Residenz“. Entscheidend aber waren: In Berlin herrschte das elende preußische Landrecht, und poli­ tische Prozesse kamen vor die Berufsrichter; am Rhein bestand der Code Napoleon, der keine Preßprozesse kennt, weil er die Zensur vor­ aussetzt, und wenn man keine politischen Vergehen, sondern nur Verbrechen beging, kam man vor die Geschwornen; in Berlin ward nach der Revolution der junge Schlöffel wegen einer Kleinigkeit zu einem Jahre verurteilt2, am Rhein hatten wir unbedingte Preßfreiheit und wir haben sie ausgenutzt bis auf den letzten Tropfen. So fingen wir am l.Juni 1848 an, mit einem sehr beschränkten Aktienkapital, von dem nur wenig eingezahlt war, und die Aktionäre selbst mehr als unsicher. Gleich nach der ersten Nummer verließ uns die Hälfte, und am Ende des Monats hatten wir gar keine mehr. Die Verfassung der Redaktion war die einfache Diktatur von Marx. Ein großes Tageblatt, das zur bestimmten Stunde fertig sein muß, kann bei keiner anderen Verfassung eine folgerechte Haltung bewahren. Hier aber war noch dazu Marx’ Diktatur selbstverständlich, unbestrit­ ten, von uns allen gern anerkannt. Es war in erster Linie sein klarer Blick und seine sichere Haltung, die das Blatt zur berühmtesten deut­ schen Zeitung der Revolutionsjahre gemacht haben. Das politische Programm der „Neuen Rheinischen Zeitung“ bestand aus zwei Hauptpunkten: Einige, unteilbare, demokratische deutsche Republik und Krieg mit Rußland, der Wiederherstellung Polens einschloß. Die kleinbürgerliche Demokratie teilte sich damals in zwei Frak­ tionen: die norddeutsche, die sich einen demokratischen preußischen Kaiser gefallen, und die süddeutsche, damals fast ganz spezifisch badi­ sche, die Deutschland in eine föderative Republik nach Schweizer 1 im weiteren Sinne nicht nur das 1804 eingeführte Zivilgesetzbuch» sondern die gesamte bürger­ liche Gesetzgebung, die in Frankreich unter Napoleon I. eingeführt wurde und die in der Rheinprovinz auch nach deren Anschluß an Preußen (1815) in Kraft blieb -2 Der demokratische Student Gustav Adolf Schlöffel wurde im April 1848 zu 6 Monaten Festungshaft verurteilt, weil er in der Nr. 5 des von ihm herausgegebenen „Volksfreunds“ vom 19. April zwei Artikel veröffentlichte, die für die Verteidigung der demokratischen Rechte der Werktätigen cintraten.

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Muster verwandeln wollte. Beide mußten wir bekämpfen. Das Interesse des Proletariats verbot ebensosehr die Verpreußung Deutschlands wie die Verewigung der Kleinstaaterei. Es gebot die endliche Vereinigung Deutschlands zu einer Nation, die allein den von allen überkommenen kleinlichen Hindernissen gereinigten Kampfplatz herstellen konnte, auf dem Proletariat und Bourgeoisie ihre Kräfte messen sollten. Aber es verbot ebensosehr die Herstellung einer preußischen Spitze; der preußische Staat mit seiner ganzen Einrichtung, seiner Tradition und seiner Dynastie war gerade der einzige ernsthafte innere Gegner, den die Revolution in Deutschland niederzuwerfen hatte; und obendrein konnte Preußen Deutschland nur einigen durch Deutschlands Zerreißung, durch den Ausschluß Deutsch-Österreichs. Auflösung des preußischen, Zerfall des österreichischen Staates, wirkliche Einigung Deutschlands als Republik - ein anderes revolutionäres, nächstes Programm konnten wir nicht haben. Und dies war durchzusetzen durch Krieg gegen Rußland und nur durch ihn. Auf diesen letzteren Punkt komme ich noch zurück. Im übrigen war der Ton des Blattes keineswegs feierlich, ernst oder begeistert. Wir hatten lauter verächtliche Gegner und behandelten sie ausnahmslos mit der äußersten Verachtung. Das konspirierende Königtum, die Kamarilla, der Adel, die „Kreuz-Zeitung“1, die gesamte „Reaktion“, über die der Philister sich sittlich entrüstete - wir behandel­ ten sie nur mit Hohn und Spott. Aber nicht minder auch die durch die Revolution aufgekommenen neuen Götzen: die Märzminister, die Frankfurter und Berliner Versammlung, Rechte wie Linke darin. Gleich die erste Nummer begann mit einem Artikel, der die Nichtigkeit des Frankfurter Parlamentes, die Zwecklosigkeit seiner langatmigen Reden, die Überflüssigkeit seiner feigen Beschlüsse verspottete.2 Er kostete uns die Hälfte der Aktionäre. Das Frankfurter Parlament war nicht einmal ein Debattierklub; hier wurde fast gar nicht debattiert, sondern meist nur fertig mitgebrachte akademische Abhandlungen abgeleiert und Beschlüsse gefaßt, die den deutschen Philister begeistern sollten, um die sich aber sonst kein Mensch kümmerte. Die Berliner Versammlung hatte schon mehr Bedeutung, sie stand einer wirklichen Macht gegenüber, sie debattierte und beschloß auf platter Erde, nicht im Frankfurter Wölkenkuckucksheim. Sie wurde daher auch ausführlicher behandelt. Aber auch die dortigen Götzen der Linken, Schulze-Delitzsch, Berends, Elsner, Stein usw., wurden ebenso scharf mitgenommen wie die Frankfurter, ihre Unentschiedenheit, Zag1 „Neue Preußische Zeitung“; diese Zeitung war das Organ der konterrevolutionären Hofkamarilla. Sie erschien seit Juni 1848 in Berlin und wurde als „Kreuzzeitung“ bekannt, weil sie im Titel ein Eisernes Kreuz trug. - 2 Siche Dokument 263.

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haftigkeit und Rechnungsträgerei schonungslos aufgedeckt und ihnen nachgewiesen, wie sie Schritt vor Schritt sich in den Verrat an der Revolution hineinkompromisselten. Das erregte natürlich Schauder beim demokratischen Kleinbürger, der sich diese Götzen erst eben zum eigenen Gebrauch fabriziert hatte. Uns war dieser Schauder ein Zeichen, daß wir ins Schwarze getroffen hatten. Ebenso traten wir auch der vom Kleinbürgertum eifrig verbreiteten Täuschung entgegen, als ob die Revolution mit den Märztagen ab­ geschlossen sei und man jetzt nur noch die Früchte einzuheimsen habe. Für uns konnten Februar und März nur dann die Bedeutung einer wirklichen Revolution haben, wenn sie nicht Abschluß, sondern im Gegenteil Ausgangspunkte einer langen revolutionären Bewegung wur­ den, in der, wie in der großen französischen Umwälzung, das Volk sich durch seine eigenen Kämpfe weiterentwickelte, die Parteien sich schärfer und schärfer schieden, bis sie mit den großen Klassen, Bourgeoisie, Kleinbürgertum, Proletariat, ganz zusammenfielen, und in der die ein­ zelnen Positionen vom Proletariat nach und nach in einer Reihe von Schlachttagen erobert wurden. Daher traten wir auch dem demokrati­ schen Kleinbürgertum überall entgegen, wo es seinen Klassengegensatz gegen das Proletariat vertuschen wollte mit der beliebten Phrase: Wir wollen ja alle dasselbe, alle Differenzen beruhen auf bloßen Miß­ verständnissen. Je weniger aber wir dem Kleinbürgertum erlaubten, unsere proletarische Demokratie mißzuverstehen, desto zahmer und gefügiger wurde es uns gegenüber. Je schärfer und entschiedener man ihm gegenübertritt, desto williger duckt es sich, desto mehr Konzes­ sionen macht es der Arbeiterpartei. Das haben wir gesehen. Endlich deckten wir den parlamentarischen Kretinismus (wie Marx es nannte) der verschiedenen sogenannten Nationalversammlungen auf. Diese Herren hatten sich alle Machtmittel entschlüpfen lassen, sie zum Teil freiwillig wieder den Regierungen überliefert. Neben neu­ gestärkten, reaktionären Regierungen standen in Berlin wie in Frank­ furt machtlose Versammlungen, die trotzdem sich einbildeten, ihre ohnmächtigen Beschlüsse würden die Welt aus den Angeln heben. Bis auf die äußerste Linke herrschte diese kretinhafte Selbsttäuschung. Wir riefen ihnen zu: ihr parlamentarischer Sieg werde zusammenfallen mit ihrer wirklichen Niederlage. Und so geschah’s in Berlin wie in Frankfurt. Als die „Linke“ die Majorität erhielt, jagte die Regierung die ganze Versammlung aus­ einander; sie konnte es, weil die Versammlung ihren eigenen Kredit beim Volk verscherzt hatte. Als ich später Bougearts Buch über Marat1 las, fand ich, daß wir in 1 Alfred Bougeart: Marat, l’Ami du pcuple. T. 1-2, Paris 1865.

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n 1 mehr als einer Beziehung nur das große Vorbild des echten (nicht des von den Royalisten gefälschten) „Ami du peuple“ unbewußt nach­ geahmt hatten und daß der ganze Wutschrei und die ganze Geschichts­ fälschung, kraft deren man fast ein Jahrhundert hindurch nur einen gänzlich entstellten Marat gekannt, nur diese Ursache haben: daß Marat den Augenblicksgötzen Lafayette, Bailly und anderen unbarmherzig den Schleier abzog und sie als schon fertige Verräter an der Revolution enthüllte; und daß er, wie wir, die Revolution nicht für abgeschlossen, sondern in Permanenz erklärt wissen wollte. Wir sprachen es offen aus, daß die Richtung, die wir vertraten, erst dann in den Kampf um die Erreichung unserer wirklichen Parteiziele eintreten könne, wenn die äußerste der in Deutschland bestehenden offiziellen Parteien am Ruder sei: dann würden wir, ihr gegenüber, die Opposition bilden. Die Ereignisse sorgten aber dafür, daß neben den Spott über die deutschen Gegner auch die flammende Leidenschaft trat. Die In­ surrektion der Pariser Arbeiter im Juni 1848 fand uns auf dem Platze. Vom ersten Schuß an traten wir unbedingt ein für die Insurgenten. Nach ihrer Niederlage feierte Marx die Besiegten in einem seiner ge­ waltigsten Artikel.1 Da verließ uns der letzte Rest der Aktionäre. Aber wir hatten die Genugtuung, das einzige Blatt in Deutschland und fast in Europa zu sein, das die Fahne des zertretenen Proletariats hochgehalten hatte im Augenblicke, wo die Bourgeois und Spießbürger aller Länder die Be­ siegten erdrückten mit dem Wüste ihrer Verleumdungen. Die auswärtige Politik war einfach: Eintreten für jedes revolutionäre Volk, Aufruf zum allgemeinen Krieg des revolutionären Europas gegen den großen Rückhalt der europäischen Reaktion - Rußland. Vom 24. Februar an war es uns klar, daß die Revolution nur einen wirklich furchtbaren Feind habe, Rußland, und daß dieser Feind um so mehr gezwungen sei, in den Kampf einzutreten, je mehr die Bewegung europäische Dimensionen annahm. Die Ereignisse von Wien, Mailand, Berlin mußten den russischen Angriff verzögern, aber sein endliches Kommen wurde um so gewisser, je näher die Revolution Rußland auf den Leib rückte. Gelang es aber, Deutschland zum Krieg gegen Rußland zu bringen, so war es aus mit Habsburg und Hohenzollern, und die Revolution siegte auf der ganzen Linie. Diese Politik geht durch jede Nummer der Zeitung bis zum Moment des wirklichen Einrückens der Russen in Ungarn, das unsere Voraus­ sicht vollauf bestätigte und die Niederlage der Revolution entschied. 1 Dokument 271

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Als im Frühjahr 1849 der Entscheidungskampf heranrückte, wurde die Sprache des Blattes mit jeder Nummer heftiger und leidenschaftlicher. Den schlesischen Bauern rief Wilhelm Wolff in der „Schlesischen Milliar­ de“1 (acht Artikel) ins Gedächtnis, wie sie bei der Ablösung der Feudal­ lasten von den Gutsherren mit Hilfe der Regierung um Geld und Grund­ besitz geprellt worden, und forderte eine Milliarde Taler Entschädi­ gung. Gleichzeitig erschien im April Marx' Abhandlung über Lohnarbeit und Kapital2 in einer Reihe von Leitartikeln als deutlicher Hinweis auf das soziale Ziel unserer Politik. Jede Nummer, jedes Extrablatt zeigte hin auf die sich vorbereitende große Schlacht, auf die Zuspitzung der Gegensätze in Frankreich, Italien, Deutschland und Ungarn. Nament­ lich die Extrablätter vom April und Mai waren ebensoviel Aufrufe an das Volk, sich bereit zu halten zum Losschlagen. „Draußen im Reich“ wunderte man sich, daß wir das alles so ungeniert in einer preußischen Festung ersten Ranges, gegenüber einer Garnison von 8000 Mann und angesichts der Hauptwache betrieben; aber von wegen der acht Bajonettgewehre und 250 scharfen Patronen im Redak­ tionszimmer und der roten Jakobinermützen der Setzer galt unser Haus bei den Offizieren ebenfalls für eine Festung, die nicht durch blo­ ßen Handstreich zu nehmen sei. Endlich am 18. Mai 1849 kam der Schlag. Der Aufstand in Dresden und Elberfeld war unterdrückt, der in Iserlohn umzingelt, die Rheinprovinz und Westfalen starrten von Bajonetten, die nach vollendeter Vergewaltigung der preußischen Rhein­ lande gegen die Pfalz und Baden zu marschieren bestimmt waren. Da endlich wagte die Regierung, uns auf den Leib zu rücken. Die eine Hälfte der Redakteure war unter gerichtlicher Verfolgung, die andere als Nichtpreußen ausweisbar. Dagegen war nichts zu machen, solange ein ganzes Armeekorps hinter der Regierung stand. Wir mußten unsere Festung übergeben, aber wir zogen ab mit Waffen und Bagage, mit klingendem Spiel und mit der fliegenden Fahne der letzten, roten, Num­ mer, in der wir die Kölner Arbeiter vor hoffnungslosen Putschen warnten und ihnen zuriefen: „Die Redakteure der .Neuen Rheinischen Zeitung' danken Euch beim Abschiede für die ihnen bewiesene Teilnahme. Ihr letztes Wort wird immer und überall sein: Emanzipation der arbeitenden Klasse!“3 So endete die „Neue Rheinische Zeitung“, kurz ehe ihr erster Jahr­ gang vollendet. Mit fast gar keinen Geldmitteln angefangen - die weni­ gen ihr zugesicherten entgingen ihr, wie gesagt, bald brachte sie es 1 Siche Dokument 353. — 2 Siche Dokument 356. - 3 Dokument 370

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mehr als einer Beziehung nur das große Vorbild des echten (nicht des von den Royalisten gefälschten) „Ami du peuple“ unbewußt nach­ geahmt hatten und daß der ganze Wutschrei und die ganze Geschichts­ fälschung, kraft deren man fast ein Jahrhundert hindurch nur einen gänzlich entstellten Marat gekannt, nur diese Ursache haben: daß Marat den Augenblicksgötzen Lafayette, Bailly und anderen unbarmherzig den Schleier abzog und sie als schon fertige Verräter an der Revolution enthüllte; und daß er, wie wir, die Revolution nicht für abgeschlossen, sondern in Permanenz erklärt wissen wollte. Wir sprachen es offen aus, daß die Richtung, die wir vertraten, erst dann in den Kampf um die Erreichung unserer wirklichen Parteiziele eintreten könne, wenn die äußerste der in Deutschland bestehenden offiziellen Parteien am Ruder sei: dann würden wir, ihr gegenüber, die Opposition bilden. Die Ereignisse sorgten aber dafür, daß neben den Spott über die deutschen Gegner auch die flammende Leidenschaft trat. Die In­ surrektion der Pariser Arbeiter im Juni 1848 fand uns auf dem Platze. Vom ersten Schuß an traten wir unbedingt ein für die Insurgenten. Nach ihrer Niederlage feierte Marx die Besiegten in einem seiner ge­ waltigsten Artikel.1 Da verließ uns der letzte Rest der Aktionäre. Aber wir hatten die Genugtuung, das einzige Blatt in Deutschland und fast in Europa zu sein, das die Fahne des zertretenen Proletariats hochgehalten hatte im Augenblicke, wo die Bourgeois und Spießbürger aller Länder die Be­ siegten erdrückten mit dem Wüste ihrer Verleumdungen. Die auswärtige Politik war einfach: Eintreten für jedes revolutionäre Volk, Aufruf zum allgemeinen Krieg des revolutionären Europas gegen den großen Rückhalt der europäischen Reaktion - Rußland. Vom 24. Februar an war es uns klar, daß die Revolution nur einen wirklich furchtbaren Feind habe, Rußland, und daß dieser Feind um so mehr gezwungen sei, in den Kampf einzutreten, je mehr die Bewegung europäische Dimensionen annahm. Die Ereignisse von Wien, Mailand, Berlin mußten den russischen Angriff verzögern, aber sein endliches Kommen wurde um so gewisser, je näher die Revolution Rußland auf den Leib rückte. Gelang es aber, Deutschland zum Krieg gegen Rußland zu bringen, so war es aus mit Habsburg und Hohenzollern, und die Revolution siegte auf der ganzen Linie. Diese Politik geht durch jede Nummer der Zeitung bis zum Moment des wirklichen Einrückens der Russen in Ungarn, das unsere Voraus­ sicht vollauf bestätigte und die Niederlage der Revolution entschied. 1 Dokument 271

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Als im Frühjahr 1849 der Entscheidungskampf heranrückte, wurde die Sprache des Blattes mit jeder Nummer heftiger und leidenschaftlicher. Den schlesischen Bauern rief Wilhelm Wolff in der „Schlesischen Milliar­ de“1 (acht Artikel) ins Gedächtnis, wie sie bei der Ablösung der Feudal­ lasten von den Gutsherren mit Hilfe der Regierung um Geld und Grund­ besitz geprellt worden, und forderte eine Milliarde Taler Entschädi­ gung. Gleichzeitig erschien im April Marx' Abhandlung über Lohnarbeit und Kapital2 in einer Reihe von Leitartikeln als deutlicher Hinweis auf das soziale Ziel unserer Politik. Jede Nummer, jedes Extrablatt zeigte hin auf die sich vorbereitende große Schlacht, auf die Zuspitzung der Gegensätze in Frankreich, Italien, Deutschland und Ungarn. Nament­ lich die Extrablätter vom April und Mai waren ebensoviel Aufrufe an das Volk, sich bereit zu halten zum Losschlagen. „Draußen im Reich“ wunderte man sich, daß wir das alles so ungeniert in einer preußischen Festung ersten Ranges, gegenüber einer Garnison von 8000 Mann und angesichts der Hauptwache betrieben; aber von wegen der acht Bajonettgewehre und 250 scharfen Patronen im Redak­ tionszimmer und der roten Jakobinermützen der Setzer galt unser Haus bei den Offizieren ebenfalls für eine Festung, die nicht durch blo­ ßen Handstreich zu nehmen sei. Endlich am 18. Mai 1849 kam der Schlag. Der Aufstand in Dresden und Elberfeld war unterdrückt, der in Iserlohn umzingelt, die Rheinprovinz und Westfalen starrten von Bajonetten, die nach vollendeter Vergewaltigung der preußischen Rhein­ lande gegen die Pfalz und Baden zu marschieren bestimmt waren. Da endlich wagte die Regierung, uns auf den Leib zu rücken. Die eine Hälfte der Redakteure war unter gerichtlicher Verfolgung, die andere als Nichtpreußen ausweisbar. Dagegen war nichts zu machen, solange ein ganzes Armeekorps hinter der Regierung stand. Wir mußten unsere Festung übergeben, aber wir zogen ab mit Waffen und Bagage, mit klingendem Spiel und mit der fliegenden Fahne der letzten, roten, Num­ mer, in der wir die Kölner Arbeiter vor hoffnungslosen Putschen warnten und ihnen zuriefen: „Die Redakteure der .Neuen Rheinischen Zeitung* danken Euch beim Abschiede für die ihnen bewiesene Teilnahme. Ihr letztes Wort wird immer und überall sein: Emanzipation der arbeitenden Klasse!“* So endete die „Neue Rheinische Zeitung“, kurz ehe ihr erster Jahr­ gang vollendet. Mit fast gar keinen Geldmitteln angefangen - die weni­ gen ihr zugesicherten entgingen ihr, wie gesagt, bald brachte sie es 1 Siche Dokument 353. - 2 Siche Dokument 356. — 3 Dokument 370

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schon im September auf eine Auflage von fast 5000. Der Belagerungs­ zustand von Köln suspendierte sie; Mitte Oktober mußte sie wieder von vorne anfangen. Aber im Mai 1849 bei ihrer Unterdrückung stand sie schon wieder auf 6000 Abonnenten, während die „Kölnische“ da­ mals, nach ihrem eigenen Eingeständnis, nicht über 9000 besaß. Keine deutsche Zeitung, weder vorher noch nachher, hat je die Macht und den Einfluß besessen, hat es verstanden, so die proletarischen Massen zu elektrisieren wie die „Neue Rheinische“. Und das verdankte sie vor allem Marx. Als der Schlag gefallen war, zerstreute sich die Redaktion. Marx ging nach Paris, wo die Entscheidung sich vorbereitete, die am 13. Juni 1849 fiel1; Wilhelm Wolff nahm jetzt seinen Sitz im Frankfurter Parla­ ment ein - jetzt, wo die Versammlung zu wählen hatte zwischen Zer­ sprengung von oben oder Anschluß an die Revolution; und ich ging nach der Pfalz und wurde Adjutant im Willichschen Freikorps. Fr. Engels Der Sozialdemokrat (Zürich), Nr. 11 vom 13.Mfirz 1884. (MEW, Bd.21, S. 16-24.)

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Erklärung des Redaktionskomitees der „Neuen Rheinischen Zeitung“12021 l.Juni 1848

Das Erscheinen der „Neuen Rheinischen Zeitung“ war ursprünglich auf den ersten Juli festgesetzt. Die Arrangements mit den Korresponden­ ten etc. waren auf diesen Termin getroffen. Da jedoch bei dem erneuten frechen Auftreten der Reaktion deutsche Septembergesetze2 in naher Aussicht stehen, so haben wir jeden freien Tag benutzen wollen und erscheinen schon mit dem ersten Juni. Unsre Leser werden es uns also nachsehen müssen, wenn wir in den ersten Tagen an Nachrichten und mannigfaltigen Korrespondenzen noch nicht das reichhaltige Material liefern, wozu unsere ausgedehnten Verbindun1 An diesem Tage wurde eine von kleinbürgerlichen Demokraten organisierte Demonstration in Paris von Truppen auscinandergcjagt. Zur Bedeutung dieses Ereignisses vgl. Karl Marx: Der 13.Juni. In: MEW, Bd.6, S.527/528; ferner Karl Marx: Die Klassenkämpfc in Frankreich 1848-1850, Ab­ schnitte II und III. In: MEW, Bd.7, S. 35-94. - 2 Im September 1835 erließ die französische Regierung Gesetze zur Knebelung der oppositionellen Presse.

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u albehörde des Bundes der Kommunisten vom 2. April 1848

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Quittung von Joseph Moll und Heinrich Bauer vom 2. April 1848

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