Bund der Kommunisten 1836–1852 [Reprint 2021 ed.]
 9783112541401, 9783112541395

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BERICHTIGUNGSZETTEL

S. S. S. S.

189, 191, 253, 257,

4. Z . v . o.: Anm. 3: 4. Z. v. o.: Anm. 11, 2. Z.

S. S. S. S. S. S.

277, 281, 284, 287, 297, 298,

4. Z. v. o.: 2. Z. v. u.: Anm. 85, 4. Z. v. o. 14. Z. v. u.: 3. Z. v. o.: 12. Z. v. o.:

ISBN 3-05-000 549-1 2185/9 H u n d t , Bund der K o m m u n i s t e n

Proletariatet statt Prolctaria Moses Heß statt Mose Heß . . . für den Zeitraum . . . statt . . . dem Zeitraum . . . muß heißen: Erscheinung von 3, vielleicht 2 Monatsheften, der Weltbrand intervenirt" . . . intervenirt statt interveniert . . . revolutionäre Folgen statt revolutionären Folgen gezwungen statt ezwungen aufweist statt aufweißt corpus delicti statt coupus delcti Verfälschungen statt Verfälschung

Akademie der Wissenschaften der DDR Zentralinshtut für Geschichte

Shjdienbibliolhek DDRGeschichtswissenschaft

Forschungswege Bilanz Aufgaben

Herausgeberkollegium: Heinz Heitzer, Manfred Kossok, Wolfgang Küttler, Annelies Laschitza, Karl-Heinz Noack (Sekretär), Walter Schmidt, Gustav Seeber (Leitung)

Band 9 Bund der Kommunisten 1836-1852

Bund der Kommunisten 1836-1852

Bund der Kommunisten 1836-1852 herausgegeben von Martin Hundt"

/IkademieXlerlag Berlin 1988

ISBN 3-05-000549-1 ISSN 0232-9468 Erschienen im Akademie-Verlag Berlin, D D R - 1086 Berlin, Leipziger Str. 3 - 4 © Akademie-Verlag Berlin 1988 Lizenznummer: 202 • 100/34/88 Printed in the German Democratic Republic Gesamtherstellung: IV/2/14 VEB Druckerei „Gottfried Wilhelm Leibniz", 4450 Gräfenhainichen • 6663 Reihenentwurf: Anke Baltzer LSV: 0264 Bestellnummer: 754 818 8 (2185/9) 01800

Inhalt

Abkürzungsverzeichnis

7

Martin Hundt Einleitung Die Historiographie in der D D R zur Geschichte des Bundes der Kommunisten. Bericht und Ausblick

9

Ernst Engelberg Einiges über den historisch-politischen Charakter des Bundes der Gerechten

52

Gerhard Winkler Über die historische Stellung des „Bundes der Kommunisten" in der deutschen Arbeiterbewegung

65

Karl Obermann Die Verlegung der Zentralbehörde des Bundes nach Köln

76

Walter Schmidt Der Bund der Kommunisten und die Versuche einer Zentralisierung der deutschen Arbeitervereine im April und Mai 1848

87

Werner Kowalski Endgültiger Zerfall des Bundes der Geächteten und Gründung des Bundes der Gerechten

126

Herwig Förder Die Nürnberger Gemeinde des Bundes der Kommunisten und die Verbreitung des „Manifestes der Kommunistischen Partei" im Frühjahr 1851 . .

138

Walter Schmidt/Rolf Dlubek Die Herausbildung der marxistischen Partei der deutschen Arbeiterklasse .

162

2

Hundt, Bund der Kommunisten

^

Martin Hundt D i e Programmdiskussion im Bund der Kommunisten

181

Karl Obermann Zu den Propaganda- und Flugblattaktionen des Bundes der Kommunisten in Deutschland 1850/51

191

Gerhard,

Becker

Stephan Born als Korrespondent der „Neuen Rheinischen Zeitung" Waltraud

. . . .

. . .

248

Förder

Zu einigen Fragen der Reorganisation des Bundes der Kommunisten nach der Revolution von 1848/49 Martin Hundt Zur Entwicklung der Parteiauffassungen von Marx und Engels in der Zeit des Bundes der Kommunisten Autorenverzeichnis

6

228

Wernicke

August Hätzel reorganisiert den Bund der Kommunisten in Berlin Herwig

209

Seidel-Höppner

Der erste Versuch eines Programms des Bundes der Gerechten Kurt

. . .

252

23 81 91

Abkürzungsverzeichnis

BdK BzG GSR HStA IISG IML

JfG JfW Mdl MEGA1 MEGA2 MEW NRhZ NRhZ. Revue StA WZ ZfG ZPA ZStAM ZStAP

Bund der Kommunisten. Dokumente und Materialien, hrsg. vom I M L Berlin und I M L Moskau Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung, Berlin Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe Hauptstaatsarchiv Internationales Institut für Sozialgeschichte, Amsterdam Institut für Marxismus-Leninismus beim Z K der S E D , Berlin - Institut für Marxismus-Leninismus beim Z K der K P d S U , Moskau Jahrbuch für Geschichte, Berlin Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte, Berlin Ministerium des Innern Marx-Engels-Gesamtausgabe, Berlin 1927 ff. Marx-Engels-Gesamtausgabe, Berlin 1975 ff. Marx, Karl/Engels, Friedrich, Werke, Berlin 1956 ff. Neue Rheinische Zeitung, Köln 1848/49 Neue Rheinische Zeitung. Politisch-ökonomische Revue, Hamburg 1850 Staatsarchiv Wissenschaftliche Zeitschrift Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Berlin Zentrales Parteiarchiv Zentrales Staatsarchiv, Merseburg Zentrales Staatsarchiv, Potsdam

D i e Werke Lenins werden nach der 40bändigen Ausgabe des Dietz Verlages, Berlin 1956 ff., zitiert.

7

MARTIN HUNDT

Einleitung Die Historiographie in der DDR zur Geschichte des Bundes der Kommunisten. Bericht und Ausblick

Von der Gründung des Bundes der Kommunisten, zu dessen Geschichte die des Bundes der Gerechten gehört, trennen uns 150 Jahre. Allein dies wäre ein Grund, den Stand der Forschung über den Bund zu bilanzieren. D a s Interesse an seiner Geschichte ist jedoch weit umfassender zu sehen. D a die Partei der Kommunisten der Geschichte, und nicht zuletzt ihrer eigenen, stets große Aufmerksamkeit widmete, da sie in allen Wandlungen und Kämpfen niemals das Bewußtsein ihres Ursprungs im Bund der Kommunisten verlor, da in dieser frühesten Erscheinungsform ihrer Entwicklung K a r l Marx und Friedrich Engels eine hervorragende Rolle spielten und da schließlich auch die Angriffe und Verfälschungsversuche unserer ideologischen Gegner seit eh und je den Parteibildungsprozeß des Proletariats mit Vorliebe als Angriffsobjekt wählten, war in den vergangenen Jahrzehnten und ist auch heute dafür gesorgt, daß Erforschung und Darstellung der Bundesgeschichte kräftig angeregt wurden. Untersuchungen über den Bund der Kommunisten sind Teil der Geschichte der deutschen und der internationalen Arbeiterbewegung, speziell für die Zeit der Herausbildung und des frühesten Wirkens einer revolutionären proletarischen Partei von der Mitte der dreißiger bis Anfang der fünfziger Jahre des 19. Jh. Sie sind Teil der Geschichte der Arbeiterbewegung auch insofern, als die gesamte Tätigkeit des Bundes nicht isoliert, sondern nur im ständigen Wechselverhältnis mit der elementaren Arbeiterbewegung bzw. den anderen Arbeiterparteien seiner Zeit verstanden werden kann. Schließlich erklärte der Bund in seinem Programm, die Kommunisten seien „keine besondere Partei gegenüber den anderen Arbeiterparteien" und verträten „keine von den Interessen des ganzen Proletariats getrennten Interessen". 1 D i e Geschichte des Bundes der Kommunisten umschließt das historisch erste Beispiel der Verschmelzung von Arbeiterbewegung und wissenschaftlichem Kommunismus. Aus diesem Grunde sind Bundesgeschichte und Geschichte von Genesis und erster Bewährung des Marxismus untrennbar miteinander verbunden. 1 Marx, Karl/Engels, S. 474.

Friedrich,

Manifest der Kommunistischen Partei, in: M E W , Bd. 4,

9

Philosophiegeschichte, Marx-Engels-Forschung und Erforschung der Geschichte des Bundes der Kommunisten sind über weite Strecken aufeinander angewiesen. Verbindungen gegenseitiger Abhängigkeit und Anregung bestehen objektiv wenn auch noch nicht immer genügend beachtet und genutzt - darüber hinaus zur Sozialgeschichte und speziell zum Problem der Konstituierung der Arbeiterklasse, zur Pressegeschichte, zur deutschen und englischen Literaturgeschichte (Weerth, Freiligrath, Dronke, Jones und andere) sowie zu weiteren Forschungsgebieten und Wissenschaftszweigen bis hin zur Geschichte der Medizin (Daniels, D'Ester, Jacobi, Kugelmann und andere). Insofern trägt die Historiographie des Bundes der Kommunisten auch interdisziplinären Charakter. A l s Spezialgebiet der Geschichte der Arbeiterbewegung findet sie wichtige und v i e l f ä l t i g e Ausgangs- und Bezugspunkte in der Lokal- und Regionalgeschichtsschreibung, erobert sie sich einen immer festeren und wissenschaftlich gesicherten Platz im Gesamtbild der Geschichte der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung sowie in unserer Nationalgeschichte. Soweit solche und ähnliche Forschungen die Geschichte des Bundes berühren, wurden sie hier wenigstens andeutungsweise erfaßt. Allerdings konnten nicht sämtliche Arbeiten, z. B. die zur allgemeinen Bedeutung und zur A k t u a l i t ä t des „Kommunistischen Manifests", berücksichtigt werden, da dies allein eine spezielle Darstellung erforderte und auch den Rahmen unseres Themas übersteigt. Die Publikationen zur unmittelbaren Tätigkeit des Bundes in allen ihren Formen und Aspekten sind jedoch in der vorliegenden Einleitung mit einer Vollständigkeit angegeben, d a ß sich eine eigene Bibliographie dazu erübrigt. Vom Gegenstand des Bandes her waren jene Veröffentlichungen zur Bundesgeschichte auszuklammern, die es vor 1945 bzw. danach außerhalb der D D R gegeben hat, was angesichts eines traditionsreichen und auch internationalen Forschungsprozesses eine Reihe von Problemen in sich birgt. Eine dieser hier nicht im einzelnen verfolgten Linien führte von M a r x ' und Engels' ersten Schritten einer Bundesgeschichtsschreibung über Franz Mehring und die K P D zu den Anfängen der Forschung in der D D R , eine andere - ebenfalls von M a r x und Engels ausgehend - über W . I. Lenins Weiterentwicklung des Marxismus zur sowjetischen Marx-Engels-Forschung und Bundeshistoriographie. Obwohl zur Herausbildung und Entwicklung des Leninismus - weiter unten wird dies kurz gezeigt - ein selbständiger Forschungsbeitrag über den Bund der Kommunisten gehörte, betraf diese Linie nicht nur Beiträge unmittelbar zur Bundesgeschichte, sondern auch die Leninsche A r t der Parteigeschichtsbetrachtung überhaupt. Lenins Klarstellung der prinzipiellen Bedeutung des Bundes der Kommunisten - das bedeutet die Betrachtung und Erschließung des literarischen Erbes von Marx, Engels und vielen ihrer Kampfgefährten aus der Zeit des Bundes. 2 2 Siehe Hundt, Martin, Zur Rolle der Sowjetwissenschaft und der deutsch-sowjetischen Zusammenarbeit bei der Erforschung der Geschichte des Bundes der Kommunisten, in:

10

Die Erforschung des Bundes der Kommunisten durch die DDR-Geschichtswissenschaft besteht zu einem Gutteil in der immer besseren und effektiveren Zusammenführung dieser beiden Linien. Erste Ansätze dazu gab es bereits in der Weimarer Republik. So hat Hermann Duncker mehrfach auf damalige sowjetische Forschungsbeiträge hingewiesen, haben deutsche Kommunisten an einigen Bänden der ersten M E G A mitgearbeitet, doch das Jahr 1945 war auch auf diesem Gebiet die entscheidende Zäsur. Die wahre Flut von Marx/Engels-Editionen sofort nach der Befreiung vom Faschismus, und zwar in hervorragenden Textfassungen und mit wissenschaftlich exakten Erläuterungen, wäre ohne den vorangegangenen Beitrag der Sowjetunion völlig undenkbar gewesen. An einigen Punkten der nun folgenden Übersicht wird der Einfluß sowjetischer Forschungen zum Bund konzentriert dargestellt. Von großer Bedeutung erwies sich in der DDR bereits in ihren Anfängen das Anknüpfen an die Erfahrungen und Ergebnisse der Arbeiten Franz Mehrings. Auch wenn man mit der Herausgabe seiner „Gesammelten Schriften" erst 1960 begann, war seine Wirkung auf die Parteigeschichtsschreibung seit 1945 stets präsent, wobei die Rezeption durchaus kritisch erfolgte. Mehrings „Geschichte der deutschen Sozialdemokratie" und seine Marx-Biographie gaben der Geschichte des Bundes der Kommunisten und dem damit verbundenen Wirken von Marx und Engels breiten Raum. Mehring hatte vor dem ersten Weltkrieg im SPD-Archiv Briefe und Dokumente benutzt, die z. T. erst später veröffentlicht wurden, so daß seine Darstellungen lange Zeit hindurch in einigen Punkten zusätzlich Quellencharakter besaßen. Schließlich hatte sich die Bundeshistoriographie der D D R stets mit Beiträgen zu befassen, die seit etwa Anfang der sechziger Jahre in einer Reihe kapitalistischer Länder publiziert wurden. Das betraf sowohl die Rezeption einzelner Forschungsergebnisse als auch die notwendige Zurückweisung von Verfälschungen oft genug sogar beides zugleich. Einige wichtige Dokumentenfunde - vor allem durch Bert Andréas und Jacques Grandjonc - sowie Forschungsbeiträge stammten aus Frankreich, der Schweiz, den Niederlanden, Belgien, Italien, Schweden, Dänemark und Großbritannien. 3 Durch Geschichte und Quellenlage, vor allem aber angeregt durch die KonBeiträge zur Geschichte der Marx-Engels-Forschung und -Edition in der Sowjetunion und der D D R , Berlin 1 9 7 8 , S. 1 0 5 f f . 3 Ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit seien genannt: Andréas,

Bert,

Communiste de M a r x et Engels. Histoire et Bibliographie 1 8 4 8 - 1 9 1 8 ,

L e Manifeste Milano

1963; derselbe, Gründungsdokumente des Bundes der Kommunisten (Juni bis September 1 8 4 7 ) , Hamburg 1 9 6 9 ; derselbe, Marx' Verhaftung und Ausweisung aus Brüssel Februar/März 1 8 4 8 , Trier 1 9 7 8 . - Blumenberg, Werner, Zur Geschichte des Bundes der Kommunisten. D i e Aussagen des Peter Gerhard Röser, in : International R e v i e w of Social History, vol. IX, Assen/Amsterdam, 1 9 6 4 , part. 1. - Bravo, Gian Mario, Wilhelm Weitling. D i e „Republik der Arbeiter" und die Polemik gegen M a r x ( 1 8 5 0 - 1 8 5 5 ) , Vaduz 1 9 7 9 . - Breuilly, ]ohnj Sachse, Wieland, Joachim Friedrich Martens ( 1 8 0 6 - 1 8 7 7 ) und die Deutsche Arbeiter-

Ii

frontation mit der DDR-Geschichtsschreibung, nahm die Beschäftigung mit verschiedenen Aspekten der Geschichte des Bundes der Kommunisten in der B R D immer mehr zu. Dabei kam es nach einem im ganzen jedoch gescheiterten konzentrierten Angriff auf die gesamte marxistische Konzeption der Geschichte der Arbeiterbewegung, nach einer Ableugnung des Parteicharakters bzw. jeglicher historischer Wirksamkeit des Bundes 4 sehr bald zu einer vorwiegend sachlichen Beschäftigung mit zumeist lokalen oder regionalen Seiten der Bundesgeschichte. 5 bewegung, Göttingen 1984. - Gamby, Erik, Pär Götrek - och 1800-talets svenska arbetarrörelse, Stockholm 1978; derselbe, Skandinavien og handvaerker-kommunismen, in: Marx i Danmark. Historisfce Bidrag, Kabenhavn 1983, S. 15-64. Grandjonc, Jacques, Marx et les communistes allemandes ä Paris. Vorwärts, 1844, Contribution ä l'etude de la naissance du marxisme, Paris 1974 (deutsch: „Vorwärts!" 1844. Marx und die deutschen Kommunisten in Paris. Beitrag zur Entstehung des Marxismus, [West-]Berin/ Bonn/Bad Godesberg 1974). - Kuypers, Julien, Karl Marx' belgischer Freundeskreis (1845 bis 1848). Einige Notizen aus belgischen Archiven, in: International Review of Social History, vol. VII, Assen 1962, part. 3; derselbe, Wilhelm Wolff und der Deutsche Arbeiterverein (1847/48) in Brüssel, in: Archiv für Sozialgeschichte, Bd. 3, Hannover 1963. - Lahme, Hans-Norbert, Niels Lorents Petersen - hans liv i arbejderbebaegelsen, in: Historie (Arhus), 1984, 3, s. 422-452; derselbe, Niels Lorents Petersen. Eine Skizze seines Lebens in der Arbeiterbewegung, in: International Review of Social History, vol. XXIX, Assen 1984, part. 2, p. 173-214. Werner, 4 Mit dem direkten Bezug auf den Bund der Kommunisten sind zu nennen: Conze, Der Beginn der deutschen Arbeiterbewegung, in: Geschichte und Gegenwartsbewußtsein, Göttingen 1963. - Baiser, Frolinde, Sozial-Demokratie 1848/49-1863. Die erste deutsche Arbeiterorganisation „Allgemeine Arbeiterverbrüderung" nach der Revolution. Textbd., Quellen, Stuttgart 1962. - Schieder, Wolfgang, Anfänge der deutschen Arbeiterbewegung. Die Auslandsvereine im Jahrzehnt nach der Julirevolution von 1830, Stuttgart 1963; derselbe, Der Bund der Kommunisten im Sommer 1850. Drei Dokumente aus dem Marx-Engels-Nachlaß, in: International Review of Social History, vol. XIII, Assen 1968, part. 1. 5 Dowe, Dieter, Aktion und Organisation. Arbeiterbewegung, sozialistische und kommunistische Bewegung in der preußischen Rheinprovinz 1820-1852, Hannover 1970. Eckert, Georg, Aus der Korrespondenz des Kommunistenbundes (Fraktion Willich/ Schapper), in: Archiv für Sozialgeschichte, Bd. 5, Hannover 1965, S. 273-318. - Franz, Eckart G., Die hessischen Arbeitervereine im Rahmen der politischen Arbeiterbewegung der Jahre 1848-1850, in: Archiv für hessische Geschichte u. Altertumskunde, NF, 33, 1975, S. 167-262. - Felger, Hans, Zur demokratischen und sozialen Bewegung in Norddeutschland im Anschluß an die Revolution von 1848, in: Archiv für Sozialgeschichte, Bd. 8, Hannover 1968, S. 161-228. - Frühproletarische Literatur. Die Flugschriften der deutschen Handwerkergesellenvereine in Paris 1832-1839, hrsg. v. Hans Joachim Ruckhäberle, Kronberg/Ts. 1977; Bildung und Organisation in den deutschen Handwerksgesellenund Arbeitervereinen in der Schweiz• Texte und Dokumente zur Kultur der deutschen Handwerker und Arbeiter 1834-1845, hrsg. v. Hans Joachim Ruckhäberle, Tübingen 1983. - Statuten des „Communistischen Arbeiter-Bildungs-Vereins" London 1840-1914, hrsg. v. Jacques Grandjonc/Karl-Ludwig König/Marie-Ange Roy-Jacquemart, Trier 1979. - Struck, Wolf-Heino, Die Anfänge der Arbeiterbewegung in Wiesbaden 12

Dies schloß jedoch hier und da ein erneutes Überwiegen der Polemik nicht aus. Versuche zur Herausarbeitung antimarxistischer Gesamtkonzeptionen zur Bundesgeschichte endeten in wissenschaftlich untauglichen Kompilationen. 6 D i e vorliegende Skizze über den Weg, den die Erforschung der Geschichte des Bundes der Kommunisten in den vergangenen rd. vier Jahrzehnten in der D D R zurücklegte, kann zwar auf einige Forschungsberichte zurückgreifen, 7 doch w u r d e bisher noch keine spezielle Bibliographie ausschließlich zur Bundesgeschichte vorgelegt. Forschungen zur Geschichte des Bundes der Kommunisten sind Bestandteil der allgemeinen Entwicklung der Geschichtswissenschaft in der D D R bzw. zwischen 1 9 4 5 und 1 9 4 9 in der Sowjetischen Besatzungszone. Auch f ü r sie galten im wesentlichen die Kriterien und Zäsuren, die seit Ende der siebziger Jahre 1848 bis 1851, in: Geschichtl. Landeskunde. Veröffentlichungen d. Inst. f. Geschichtl. Landeskunde an d. Univ. Mainz, Bd. 5, T. 2, Wiesbaden 1969. - Zeitgenossen von Marx und. Engels. Ausgewählte Briefe aus den Jahren 1844 bis 1852, hrsg. u. annot. v. Kurt Koszyk u. Karl Obermann, Assen/Amsterdam 1975. 6 Beispiele sind: Scbraepler, Ernst, Handwerkerbünde und Arbeitervereine 1830-1853. Die politische Tätigkeit deutscher Soaialisten von Wilhelm Weitling bis Karl Marx, (West-)Berlin/New York 1972. - Brandenburg, Alexander, Theoriebildungsprozesse in der deutschen Arbeiterbewegung 1835-1850, Hannover 1977. - Zu solchen Aktivitäten in der BRD sind auch zahlreiche der dort erschienenen Schriften des israelischen Historikers Shlomo Na'aman zu zählen. 7 Scbuppan, Peter, Literatur zur Periode des Vormärz (1815-1848), in: Historische Forschungen in der DDR. Analysen und Berichte. Zum XI. Internationalen Historikerkongreß in Stockholm August 1960, S. 201-211 ( = ZfG, 8, 1960, Sbd.). - Bleiber, Helmut, Literatur zur Geschichte der Revolution von 1848/49, ebenda, S. 212-228. - Förder, HerwigjScbmidt, Walter, Forschungen zur Frühgeschichte der Arbeiterbewegung in Deutschland, ebenda, S. 245-271. - Bartel, HorstjGemkow, Heinrieb ¡W inkler, Gerhard, Bericht über die Marx-Engels-Forschung in der DDR auf dem Gebiet der Geschichtswissenschaft, in: Beiträge zur Marx-Engels-Forschung in der DDR, S. 13-26 ( = BzG, 4, 1962, Sh.). Förder, Herwig, Einleitende Bemerkungen. Zur Erforschung der Frühgeschichte der deutschen Arbeiterbewegung, in: Aus der Frühgeschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Berlin 1964, S. 7 - 2 9 . - Dlubek, Rolf/Taubert, Inge, Ergebnisse der Marx-Engels-Forschung und -Edition, in: Historische Forschungen in der DDR 1960-1970. Analysen und Berichte. Zum XIII. Internationalen Historikerkongreß in Moskau 1970, S. 57-94 ( = ZfG, 18, 1970, Sbd.). - Scheel, Heinriehl Adameck, Horst/Merkel, Renate/Scbuppan, Peter, Forschungen zur deutschen Geschichte 1789-1848, ebenda, S. 380-407. Bleiber, Helmut ¡Schmidt, Walter, Forschungen zur Geschichte der Revolution von 1848/49, ebenda, S. 408-427. - Dlubek, Rolf/Weber, R o l f , Forschungen zur deutschen Geschichte 1849 bis 1871, ebenda, S. 428-454. - Müller, Harald, Forschungen zur deutschen Geschichte 1789-1848, in: Historische Forschungen in der DDR 1970-1980. Analysen und Berichte. Zum XV. Internationalen Historikerkongreß in Bukarest 1980, S. 122-142 ( = ZfG, 28, 1980, Sbd.). - Hoff mann, Jürgen/Schmidt, Walter, Forschungen zur Geschichte der Revolution von 1848/49, ebenda, S. 143-168. - Weber, R o l f , Forschungen zur deutschen Geschichte 1849-1871, ebenda, S. 169-185. 13

durch Berthold, Schleier, Schmidt, Haun, Heinz, Helas und andere erarbeitet wurden. 8 Diese Übereinstimmung im Grundsätzlichen schließt aber nicht aus, d a ß auch Besonderheiten auftraten, auf die - soweit sie Bedeutung besitzen - im folgenden hingewiesen wird.

Die Periode der Grundlegung Eine dieser Besonderheiten, die sich schon 1945 zeigte, bestand darin, daß die Erforschung der Geschichte des Bundes der Kommunisten nicht mit bürgerlicher, akademischer Tradition zu rechnen hatte, weil es diese nicht gab. Selbst solche Gelehrten wie Gustav Mayer, Veit Valentin, Joseph Hansen und Hans Stein, die nicht zum akademischen und Universitätsbereich gehört hatten, blieben nach dem Kriege verschollen, ohne Schüler oder Nachfolger zu hinterlassen. In ihren Veröffentlichungen hatten sie dem Bund im übrigen entweder äußerst skeptisch gegenübergestanden (Valentin) oder diesen doch nur im Zusammenhang mit anderen Forschungsrichtungen tangiert. Sozialgeschichtliche Ansätze und ein Interesse für die Arbeiterbewegung traten in der bürgerlichen Geschichtswissenschaft erst Ende der fünfziger Jahre wieder in nennenswerter Weise in Erscheinung. So sehr Schmidt also mit dem Blick auf das Ganze recht hat, wenn er feststellt, „daß für die ganze zweite Hälfte der vierziger Jahre von einer weitgehenden Dominanz der bürgerlichen Geschichtswissenschaft gesprochen werden muß"," trifft dies doch unser Spezialgebiet nicht, weil es überhaupt nicht im Gesichtskreis jener Historiker lag. Einzige Ausnahme bildete vielleicht die von K. Griewank angeregte Jenenser Dissertation Siegfried Schmidts „Die Entwicklung der politischen Opposition im Königreich Sachsen zwischen 1830 und 1848" (1953), die eine Dresdner Zweigstelle der „Gesellschaft der Menschenrechte" zutage förderte. Die vorhandene Lücke wurde vielmehr sofort ausgefüllt von Kommunisten, die aus Zuchthäusern oder aus der Emigration kamen und deren Arbeiten (meist Textausgaben, Presseartikel oder Vorträge) zunächst außerhalb des bisherigen Rahmens der Geschichtswissenschaft standen. Von 1947 an hielten aber auch 8 Schmidt, Walter, Forschungen zur Geschichte der marxistisch-leninistischen Geschichtswissenschaft in der DDR, in: BzG, 21, 1979, 3, S. 342 ff. - Hauptetappen und Probleme der Geschichte der Geschichtswissenschaft der DDR. Kolloquium des ZI für Geschichte an der Akademie der Wissenschaften der DDR und des Instituts für Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung an der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED am 25./2Ö. Mai 1981, Gesellschaftswiss. Informationen, A d W der DDR, G W 17, Berlin 1982. - Berthold, Werner, Zur Entwicklung der marxistisch-leninistischen Geschichtswissenschaft zu einer voll entfalteten wissenschaftlichen Spezialdisziplin, in: BzG, 26, 1984, 1, S. 13 ff. - Schmidt, Walter, Zur Geschichte der DDR-Geschichtswissenschaft vom Ende des zweiten Weltkriegs bis zur Gegenwart, ebenda, 27, 1985, 5, S. 6 1 4 - 6 3 3 . 9 Ebenda, S. 616. 14

die ersten Kommunisten über die damaligen Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultäten (Gewifa) Einzug an den Universitäten und Hochschulen. Namen wie Hermann Duncker, Kurt Hager, Herwig Förder, Ernst Engelberg, Karl Obermann, Karl Bittel und Bruno Kaiser sind mit der ersten Wiederbeschäftigung mit der Geschichte des Bundes der Kommunisten verbunden, mit dem Anknüpfen an die Traditionen von Marx, Engels und Mehring und mit einem von vornherein schöpferischen Verhältnis zur sowjetischen Forschung. Nach der Befreiung vom Faschismus entstand gleichzeitig ein weitreichendes Bedürfnis nach dem „Kommunistischen Manifest", was dann auch zu einer Reihe textlich noch unzulänglicher lokaler Drucke - z. B. in Würzen - führte. Niemand jedoch dachte damals daran, wie dieses Dokument ursprünglich entstanden war. Der außerordentlich breite Rückgriff auf ein zu jener Zeit auch schon fast einhundert Jahre altes Dokument hatte absolut nichts Nostalgisches an sich, sondern war gänzlich von aktuellen Tagesaufgaben diktiert. Die konsequente Zuendeführung der bürgerlich-demokratischen Revolution, die Bodenreform und andere Maßnahmen schienen in dieser Schrift quasi vorweggenommen, vor allem aber in einen größeren historischen Zusammenhang gestellt und zugleich theoretisch erklärt. In dem schon 1945 einsetzenden Streben nach Vereinigung von K P D und SPD stellte das „Manifest" einen einenden Faktor, ein Symbol gemeinsamen Ursprungs und gemeinsamer Grundüberzeugungen der beiden Arbeiterparteien dar. In ihm war über das Wesen einer revolutionären Partei der Arbeiterklasse, über Strategie und Taktik Grundlegendes, Verläßliches ausgesagt. Der Bund der Kommunisten und das „Kommunistische Manifest" hatten am Ursprung der revolutionären Arbeiterbewegung gestanden - Ursprungsfragen aber führen zum Wesen, zum Charakter einer Bewegung. Wenn sich relativ viele bewährte Kommunisten so früh der Geschichte des Bundes der Kommunisten zuwandten, dann geschah dies aus objektiven, inhaltlichen Zwängen. Es war ein wichtiger Beitrag zur beginnenden geistig-kulturellen Erneuerung innerhalb der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung. Anfang 1946 erschien im KPD-Verlag „Neuer Weg" die erste zentrale Ausgabe des „Manifests" nach der Zerschlagung des Faschismus. Sie besaß nicht nur eine hohe Auflage, einen zuverlässigen Text und ebensolche Erläuterungen, sondern enthielt als Beilagen auch Engels' Aufsatz „Zur Geschichte des Bundes der Kommunisten" sowie die Statuten des Bundes vom Dezember 1847. Damit war außerordentlich früh und deutlicher als in vielen darauffolgenden Ausgaben der historische Ursprung dieser Geburtsurkunde des wissenschaftlichen Kommunismus verdeutlicht. Mit dieser damals weitverbreiteten Ausgabe war man dem Hinweis von Engels wenigstens in Ansätzen gefolgt, jeder Ausgabe des „Manifests" solle eine Geschichte seiner Entstehung beigegeben werden, da sonst ganze Abschnitte unverständlich bleiben müßten. 10 1 0 Siehe M E W , Bd. 36, S. 380.

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Für die Geschichte der Erforschung der Bundesgeschichte in der D D R ist es mehr als ein nur biographisch interessanter Umstand, daß der Verlagslektor dieser Ausgabe niemand anders als Herwig Förder war. Von sowjetischen Soldaten aus der faschistischen Todeszelle befreit, arbeitete er als einer der Aktivisten der ersten Stunde kurzfristig auch im Parteiverlag, um danach ein Geschichtsstudium aufzunehmen. 11 Der wirkungsvollste und bis heute in lebendiger Erinnerung gebliebene Propagandist des „Manifests" war nach seiner Rückkehr aus der Emigration 1947 der greise Hermann Duncker - Mitkämpfer Franz Mehrings, Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts, „Wanderredner" der Partei seit 1906 und Mitbegründer der K P D - , der nun in seinen Lektionen und Artikeln zu Themen wie „Lebendig wie am ersten Tag" und „Ist das Kommunistische Manifest veraltet?" all sein Wissen über die Entstehungsgeschichte dieses Dokuments einbrachte und ganze Vorträge nur diesem Thema allein widmete („Aus der Geschichte der Geburtsurkunde des wissenschaftlichen Sozialismus"). 12 Noch 1946 erschienen im KPD-Verlag Engels' „Deutscher Bauernkrieg" und Marx' „Lohnarbeit und Kapital" als zwei der damals aktuellsten Schriften der Begründer des Marxismus aus einer Zeit, in der sie an der Spitze des Bundes der Kommunisten gestanden hatten. 1947 wurde zum erstenmal nach der Befreiung wieder eine Ausgabe mit Erinnerungen an Marx vorgelegt, 13 die, die Geschichte des Bundes der Kommunisten betreffend, aus Wilhelm Liebknechts Erinnerung die Szenen über seine Aufnahme in den Bund in London vom Sommer 1850, Leßners „Erinnerungen eines Arbeiters an Karl Marx" sowie Engels' Artikel „Marx und die Neue Rheinische Zeitung 1848-1849" enthielt. Einen ersten Höhepunkt bildete der 100. Jahrestag des „Manifests" und der bürgerlich-demokratischen Revolution von 1848/49. In vielfältiger Weise durchdrangen die Lehren jener historischen Ereignisse das gesamte Jahr 1948. In den Geschichtskursen der Parteischulen der SED spielten Schlußfolgerungen aus der Niederlage der Achtundvierziger Revolution eine große Rolle, wobei erstmals innerhalb der breiteren Parteischulung auch historisches Faktenwissen über den Bund der Kommunisten als den Ursprung der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung vermittelt wurde. Herausragend war hierbei der Artikel „Marx und Engels und die Revolution von 1848" in der „Einheit", verfaßt von Kurt Hager. 1 4 1 1 Siehe Hundt,

Martin,

In memoriam Herwig Förder. Biographische Bemerkungen anläßlich

seines letzten A r t i k e l s , i n : Beiträge zur Marx-Engels-Forschung, H. 4, Berlin 1 9 7 8 , S. 1 4 . 1 2 Einige dieser V o r t r ä g e sind in kleinen Sammlungen w i e d e r v e r ö f f e n t l i c h t w o r d e n , so i n : D i e A r b e i t (Berlin), 1 9 7 3 , 2, S. 6 - 1 2 . -

Duncker,

Hermann,

D a s „Manifest der K o m -

munistischen Partei" - das wissenschaftliche Programm der internationalen A r b e i t e r b e w e gung. Z w e i Vorlesungen, hrsg. v. d. Parteihochschule „ K a r l Marx", Berlin 1 3 Karl Marx.

Eine Sammlung

von Erinnerungen

und Aufsätzen,

1974.

Berlin 1 9 4 7 .

1 4 Einheit (Berlin), 3, 1 9 4 8 , 3, S. 2 0 3 - 2 1 3 . - Hager schrieb damals noch unter dem Namen Felix A l b i n .

16

Dieser Artikel bildete auch den Kern der historisch breit angelegten Einleitung jenes Bandes der „Bücherei des Marxismus-Leninismus", der 1949 mit dem Titel „Karl Marx/Friedrich Engels: Die Revolution von 1848. Auswahl aus der ,Neuen Rheinischen Zeitung'" erschien. Zehn Jahre vor ihrer Veröffentlichung in den M E W waren so die wichtigsten der in der „Neuen Rheinischen Zeitung" veröffentlichten Artikel von Marx und Engels wieder greifbar. Der Band enthielt zugleich Engels' Aufsatz „Marx und die Neue Rheinische Zeitung 1848-1849". Hagers Einleitung vermittelte die Schlußfolgerung, daß jenes berühmteste Organ des Revolutionsjahres eine unmittelbare Gründung des Bundes der Kommunisten war. Angeregt durch das Jubiläumsjahr 1948 und nach Überwindung der ersten Nachkriegsschwierigkeiten, erschienen nun in rascher Folge alle grundlegenden Werke von Marx und Engels, wobei der Dietz Verlag sehr bald die führende Position einnahm. Zum Höhepunkt der Marx-Engels-Edition in den Jahren 1949 bis 1953 gehörten selbstverständlich auch Werke und Schriften sowie Briefe von Marx und Engels, die diese - über das „Manifest" hinaus - als Mitglieder und Führer des Bundes der Kommunisten geschrieben hatten. 1949 erschien so „Revolution und Konterrevolution in Deutschland", hauptsächlich aber wurden die ersten beiden der vier Bände des Briefwechsels zwischen M a r x und Engels publiziert; die Bände 3 und 4 folgten 1950. Damit war eine der ganz entscheidenden Quellen zur Erforschung der Bundesgeschichte wieder allgemein zugänglich. Gerade diese, aber auch andere editorische Leistungen jener Jahre waren nur möglich durch entsprechende Vorarbeiten der sowjetischen Marx-Engels-Edition und -Forschung - oft als einfache Nachdrucke von Ausgaben, die deutschsprachig in Moskau erschienen waren. Diese Situation bestand bis in die fünfziger J a h r e hinein. 15 Zwischen 1951 und 1953 kam es in rascher Folge zu weiteren Einzelausgaben, 16 darunter des „Herrn Vogt", jenes Werkes mit der kleinen, aber 1 5 Die sehr verbreitete Ausgabe „Karl M a r x und Friedrich Engels. Ausgewählte Schriften in zwei Bänden" erschien zunächst 1 9 5 0 in Moskau im Verlag f ü r fremdsprachige Literatur, in deutscher Sprache und für die D D R bestimmt, ehe diese Ausgabe ab

1951

(Bd. 1) bzw. 1 9 5 2 (Bd. 2) vom Dietz Verlag herausgegeben wurde. A n Schriften aus der Zeit des Bundes der Kommunisten enthielt sie das „Manifest", einen Teil der Artikelserie „Die Bourgeoisie und die Konterrevolution",

„Lohnarbeit und Kapital", die

sprache, „Die Klassenkämpfe in Frankreich", den „18. Brumaire des Louis

Märzan-

Bonaparte"

sowie Engels' Arbeiten „Marx und die Neue Rheinische Zeitung" und „Zur Geschichte des Bundes der Kommunisten". 1 6 1 9 5 1 Marx' „Klassenkämpfe in Frankreich 1 8 4 8 bis 1 8 5 1 " , 1 9 5 2 „Das Elend der Philosophie" und die „Enthüllungen über den Kommunistenprozeß zu Köln", 1 9 5 3

„Die

heilige Familie" und „Die deutsche Ideologie". - Eine interessante, später nicht weitergeführte Lösung bot die „Kleine Bücherei des Marxismus-Leninismus" mit der Broschüre „Zur Geschichte des Bundes der Kommunisten"

(Berlin 1 9 6 3 ; 2., verb. A u f l . Berlin

1 9 6 4 ) , die neben Engels' Artikeln „Zur Geschichte des Bundes der Kommunisten" und „Marx und die .Neue Rheinische Zeitung' 1 8 4 8 - 1 8 4 9 " Marx' kurze Skizze der Bundesgeschichte aus „Herr Vogt" und zwei relevante Auszüge aus den „Enthüllungen

über

den Kölner Kommunistenprozeß" sowie die Bundesstatuten von 1 8 4 7 enthielt.

17

außerordentlich wichtigen ersten Skizze der Geschichte des Bundes der K o m m u nisten, in der sich M a r x auch unmißverständlich dazu geäußert hatte, d a ß die Geschichte des 1 8 3 6 gegründeten Bundes der Gerechten zur Bundesgeschichte gehöre. D a m i t lagen - mit Ausnahme von Engels' „Grundsätzen des Kommunismus"

-

alle entscheidenden Marxschen und Engelsschen W e r k e aus der Zeit des Bundes und über den Bund in neuen Ausgaben vor. Sie konnten damit die Grundlage für selbständige Forschungen bilden. Von Wilhelm

W o l f f , auch im Bund der

engste Kampfgefährte von M a r x und Engels, wurden - wiederum an Mehring anknüpfend -

1950 und 1952 kleine Ausgaben seiner wichtigsten Artikel her-

ausgebracht, unter denen die von Reiche erstmals wieder Engels' biographische Skizze über W o l f f von 1876 enthielt. 1 7 Überhaupt gelang es, das historische Umfeld, in dem der Bund der K o m m u nisten gewirkt hatte, durch Publikationen unterschiedlichen Charakters

schnell

weiter zu erhellen. So war im Lesebuch über die „Achtundvierziger" 1 8 das wunderbar freche und gutinformierte Gedicht über den ersten Berliner Kommunistenprozeß von 1847 (gegen Mentel und Hätzel) zu lesen. Schon bald danach folgte der I. B a n d der großen Steinitz-Ausgabe, 1 9 die die historisch-kritische Basis auch zu all jenen Liedern abgab, die von den Bundesmitgliedern viel gesungen worden waren, in einigen Fällen wohl sogar aus ihrer F e d e r stammten. U m 1950 begannen erstmals kommunistische Historiker, deren Forschungen mit der Geschichte des Bundes der Kommunisten verbunden sind, auch als Hochschullehrer zu wirken:

E r n s t Engelberg in Leipzig und K a r l

Obermann

in

Potsdam. D i e s e Tatsache, ihre ersten Publikationen und der Beginn von Archivforschungen speziell zu Fragen der Bundesgeschichte bildeten den Abschluß der ersten Periode, in der die Grundlegung der marxistisch-leninistischen Geschichtswissenschaft auch für das G e b i e t der Bundesgeschichte erfolgte. 17 Der Kasematten-Wolf f. Schriften von Wilhelm Wolff und sein Lebensbild von Friedrich Engels, hrsg. v. Erwin Reiche, Weimar 1950. - Wolff, Wilhelm, Der Aufruhr der Weber in Schlesien (Juni 1844) und andere Schriften. Mit einer Einltg. v. Karl Bittel, Berlin 1952. - Wolffs „Schlesische Milliarde" mit der Einleitung von Engels von 1886 erschien als selbständige Ausgabe 1954 im Dietz Verlag. 18 Die Achtundvierziger. Ein Lesebuch für unsere Zeit, hrsg. v. Bruno Kaiser, Weimar 1952. - Es enthält auch Gedichte von Ernst Dronke, Ferdinand Freiligrath, Georg Weerth und Germain Maurer. - Schon 1945 war in Basel Bruno Kaisers Sammlung „Das Wort der Verfolgten. Anthologie eines Jahrhunderts" erschienen (2. Aufl. Berlin 1948), die Gedichte und Prosatexte von Weitling, Marx, Engels, Bernays, Freiligrath, Dronke, Weerth, Schapper, W. Wolff und Weydemeyer enthielt. - In allen diesen Ausgaben sind jedoch keinerlei Hinweise auf den Bund der Kommunisten. 19 Steinitz, Wolfgang, Volklieder demokratischen Bd. 1, Berlin 1 9 5 4 ; Bd. 2, Berlin 1962.

18

Charakters

aus

sechs

Jahrhunderten^

Die Durcbbrucbspbase

der fünfziger

Jabre

Zeitlich und inhaltlich verbunden mit dem Beginn des Aufbaus der Grundlagen des Sozialismus in der D D R erfolgte der Eintritt in die Durchbruchsphase zu einer neuen, nun auch institutionalisierten Geschichtswissenschaft. Entscheidende Anstöße dafür gingen von der 7. Tagung des Zentralkomitees der SED im Oktober 1951 aus. Karl Obermann, der seine Forschungen bereits 1943 in der Emigration aufgenommen und in New York eine biographische Skizze über Joseph Weydemeyer veröffentlicht hatte, 20 begann sein für die Geschichte des Bundes der Kommunisten außerordentlich fruchtbares Wirken in der D D R mit der Herausgabe einer ersten Monographie, 2 1 in der er einige Aspekte des Vormärz sowie speziell die Tätigkeit der entstehenden Arbeiterklasse in der Revolution von 1848 anhand eines breiten Materials darlegte. In besonderen Abschnitten wurden das Wirken des Bundes der Gerechten, die „Neue Rheinische Zeitung" und Marx' Bemühungen um die Bildung einer nationalen Arbeiterpartei vom Frühjahr 1849 behandelt. Einen der ersten Forschungsbeiträge - er eröffnet die Dokumentation des vorliegenden Bandes - legte Engelberg 1951/52 vor. Mit politisch und wissenschaftsstrategisch fördernder Frontstellung vertrat er polemisch den methodischen Grundsatz, daß die Geschichte der Arbeiterbewegung nicht von oben herab und nicht von außen geschrieben werden kann. Engelberg leitete aus dem Klassencharakter, aus dem nichtsektiererischen Wesen des Bundes der Gerechten die Kontinuität zum Bund der Kommunisten her. Die Bedeutung des Bundes war damals selbst Spezialisten für die Revolution von 1848 noch keineswegs voll bewußt. So erwähnte ihn Schilfert in seiner außerordentlich materialreichen Arbeit über das Wahlrecht kaum, tat die doch unzweifelhaft zum Thema gehörenden 17 „Forderungen . . . " vom M ä r z 1848 mit wenigen Worten ab und bezeichnete linke Demokraten wie Rittinghausen und Schneider II als Bundesmitglieder. 2 2 Von vorwiegend rechtshistorischen Positionen aus untersuchte in jenen Jahren Heinrich Löwenthal in einer Reihe kleiner Artikel, die auch einige verengte Gesichtspunkte offenbarten, die Berliner Prozesse gegen Mitglieder des Bundes von 1847 und 1850, den Presseprozeß gegen M a r x in Köln vom Februar 1849 sowie den Kölner Kommunistenprozeß von 1852. 23 2 0 Obermann,

Karl,

Joseph Weydemeyer, Pioneer of American Socialism, N e w Y o r k

21 Derselbe,

Die deutschen Arbeiter in der Revolution von 1 8 4 8 , Berlin 1 9 5 0 .

2 2 Schilfert,

Gerhard,

1947.

Sieg und Niederlage des demokratischen Wahlrechts in der deutschen

Revolution 1848/49, Berlin 1 9 5 2 , S. 77 f. 23 Löwenthal,

Heinrieb,

D e r Kommunistenprozeß zu K ö l n im Jahre 1 8 5 2 , i n : Neue Justiz,

6, 1 9 5 2 , 3 ; derselbe,

Berliner Prozesse um den Kommunistenbund 1 8 4 7 und 1 8 5 0 , in :

Staat und Recht, 2, 1 9 5 3 , 5 ; derselbe,

D e r Prozeß gegen K a r l M a r x vom 8. 2. 1 8 4 9 , i n :

Neue Justiz, 7, 1 9 5 3 , 24.

19

D e r K ö l n e r Prozeß, wichtige Zäsur in der deutschen und internationalen A r beiterbewegung, jährte sich zu jener Zeit zum 100. Male. Diesem Ereignis war auch Hagers Artikel „ D e r K ö l n e r Kommunistenprozeß 1 8 5 2 " gewidmet. 2 4 Angelegt als kurzer A b r i ß der Bundesgeschichte (der allerdings den Bund der Gerechten v o r 1 8 4 6 ausklammerte), nutzte Hager alle bis dahin

wiedererschienenen

W e r k e von M a r x und Engels und alle greifbaren Forschungsresultate. E r sprach klar von der K ö l n e r Zentralbehörde des Bundes sowie ihrer engen Zusammenarbeit mit M a r x und Engels in den Jahren 1 8 5 0 bis 1851. D e n endgültigen E i n t r i t t in die Durchbruchsphase der fünfziger J a h r e brachte das K a r l - M a r x - J a h r 1953. E i n Beschluß des Zentralkomitees der S E D über die Herausgabe

der M E W

leitete eine neue E t a p p e der Edition

Marxscher und

Engelsscher W e r k e ein. D e r erste B a n d erschien 1956, die für die

Bundesge-

schichte wichtigen B ä n d e 4 bis 8 folgten in den Jahren 1 9 5 9 und 1 9 6 0 . : s Obermann legte 1 9 5 3 eine verbesserte und erweiterte Auflage seines Buches „ D i e deutschen Arbeiter in der Revolution von 1 8 4 8 " vor und gab noch im selben J a h r erstmals wieder E r n s t Dronkes Buch „Berlin" aus dem J a h r e 1 8 4 6 allerdings stark gekürzt -

-

heraus. Im Nachwort befand sich eine biographische

Skizze jenes bedeutenden Bundesmitgliedes. E i n Sonderheft der neu gegründeten „Zeitschrift für Geschichtswissenschaft" ( Z f G ) enthielt den Artikel „ D e r K a m p f der ,Neuen Rheinischen Zeitung' für die Schaffung einer selbständigen Organisation der deutschen Arbeiterklasse (Frühjahr 1 8 4 9 ) " von Dietrich Schmidt, 2 6 womit zum erstenmal die Staatsexamensarbeit eines Studenten

einen Forschungsbeitrag zur Bundesgeschichte

Allerdings stützte sich Dietrich Schmidt völlig auf den bekannten

leistete.

Standpunkt

Mehrings, M a r x und Engels hätten sich erst im Frühjahr 1849 „für eine spezifische Arbeiterorganisation entschieden". 2 7 Schmidts Arbeit wurde im selben Institut, dem Institut für Publizistik und Zeitungswissenschaft (heute Sektion Journalistik) der K a r l - M a r x - U n i v e r s i t ä t Leipzig, entgegengehalten, d a ß aufgrund der ganzen Geschichte des Bundes der Kommunisten und seiner Revolutionstaktik die „Neue Rheinische Zeitung" nichts anderes als das faktische Organ des Bundes und damit von der ersten N u m m e r an konsequenter Vertreter der revolutionären

24 Einheit, 7, 1952, 10, S. 974-982. 25 Siehe Förder, Herwig, Von der Proklamation zum Triumph des Kommunismus. Zum 4. Band der Werke von Karl Marx und Friedrich Engels, ebenda, 14, 1959, 11, S. 1559 bis 1574. 26 Karl Marx '1818-1883, S. 198-241 ( = ZfG, 1, 1953, Sh.). - Ein weiterer Abdruck in WZ der Universität Leipzig, 1952/53, 3, S. 41-62. - Unter dem Titel „Die .Neue Rheinische Zeitung' im Kampf für eine selbständige Organisation der deutschen Arbeiterklasse" erschien diese Arbeit auch als Heft 8 der „Schriftenreihe für journalistische Schulung", hrsg. v. Verband der deutschen Presse, Berlin (1953). 27 Aus dem literarischen Nachlaß von Karl Marx, Friedrich Engels und Ferdinand Lassalle, Bd. 3, Stuttgart 1902, S. 82.

20

Arbeiterbewegung sein konnte. 28 D i e endgültige wissenschaftliche Überwindung der falschen Ansichten in der Organisationsfrage brachte aber erst Walter Schmidts Artikel von 1961, der auch im vorliegenden Band enthalten ist. Von Bedeutung für die Erarbeitung eines selbständigen und zugleich für längere Zeit tragfähigen Standpunkts „Uber die historische Stellung des Bundes der Kommunisten in der deutschen Arbeiterbewegung" war 1954 ein konzeptioneller Artikel Gerhard Winklers - ebenfalls im vorliegenden Band abgedruckt. Mit historischen Argumenten wurde der Charakter des Bundes als erster Partei der internationalen revolutionären Arbeiterbewegung erörtert. Einbezogen in die Überlegungen waren hier neueste sowjetische Forschungsergebnisse. Neben einer Neuauflage der „Garantien der Harmonie und Freiheit", deren Einleitung eine sehr ausgewogene Skizze von Leben und Wirken Wilhelm Weitlings bot, 29 gab es 1955 endlich auch eine Neuauflage von Engels' „Grundsätzen des Kommunismus". : l 0 Dieser Band der „Kleinen Bücherei des Marxismus-Leninismus" stellte faktisch eine Wiederausgabe des 1928 erschienenen Bandes 11 der von der K P D herausgegebenen „Elementarbücher 'des Kommunismus" dar. In seinem Vorwort ordnete Duncker, wiederum der Herausgeber, Engels' „Katechismus" deutlich in die Entstehungsgeschichte des „Manifests" ein, die 1846 mit dem Bestreben der Leitung des Bundes der Gerechten nach einem wissenschaftlich begründeten Programm eingesetzt hatte. Zusätzlich wurde dies durch den Wiederabdruck von Karl Schappers Leitartikel im Probeblatt der „Kommunistischen Zeitschrift" vom Herbst 1847 unterstrichen. Der andere Beitrag des Anhangs führte jedoch in die Irre. Trotz einiger Vorbehalte gegen die Forschungsergebnisse Grimbergs' 1 übernahm Duncker von ihm einen „Entwurf eines kommunistischen Glaubensbekenntnisses der Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten", der tatsächlich niemals existiert hat. Einigen fragmentarischen Quellen folgend, war es der wissenschaftlich unzulässige Versuch einer Rekonstruktion des Programmentwurfs, wie er im Juni 1847 vom I. Kongreß des Bundes der Kommunisten erarbeitet und der innerparteilichen Diskussion unterbreitet worden war. Ganz falsch also Dunckers Angabe: „ D e r Entwurf wurde von der Zentralbehörde aus den entsprechenden Teilen der Bundesadressen von 1846 und 1847 zusammengestellt."'' 2 Darauf wies Förder ganz kurz bereits in seinem Buch von 1960 hin. Nachdem Ende 1968 der „Entwurf 28 Siehe Hundt, Martin, Die wirtschaftliche und soziale Berichterstattung der „Neuen Rheinischen Zeitung", Staatsexamensarbeit Leipzig 1954. 29 Weitling, Wilhelm, Garantien der Harmonie und Freiheit. Mit einer Einltg. u. Anm. neu hrsg. v. Bernhard Kaufhold, Berlin 1955. 30 Engels, Friedrich, Grundsätze des Kommunismus. Anhang: Aus der Entstehungszeit des „Kommunistischen Manifestes". Vorwort u. Anm. v. Dr. Hermann Duncker, Berlin 1955. 31 Grünberg, Carl, Die Londoner Kommunistische Zeitschrift und andere Urkunden aus den Jahren 1847/48, in: Archiv f. d. Gesch. d. Sozialismus u. d. Arbeiterbewegung, hrsg. v. Carl Grünberg, Bd. 9, Leipzig 1921. 32 Engels, Grundsätze des Kommunismus, S. 44. 3

Hundt, Bund der Kommunisten

21

des kommunistischen Glaubensbekenntnisses" wiederaufgefunden worden war, konnte der Sachverhalt eingehend klargestellt werden. 33 Für die weitere Forschung in der D D R war es wichtig, daß etwa seit Mitte der fünfziger Jahre keinerlei Verzögerung in der Rezeption der zeitgenössischen sowjetischen Spezialforschung (Kandel, Selesnjow, Radus-Senkowitsch, Bobkow, Michailow) eintrat und daß aus dieser produktiven Aneignung mit Beginn der sechziger Jahre im Rahmen einiger Übersetzungen 34 die Zusammenarbeit an gemeinsamen Projekten vorbereitet werden konnte. Allen weit voraus auch auf diesem Gebiet war wiederum Förder, der bereits 1953 in einer gründlichen Rezension des Hauptwerkes von Kandel 3 3 den mit diesem Buch verbundenen bedeutenden Fortschritt herausarbeitete. E r wies jedoch auch durchaus kritisch auf die Notwendigkeit hin, den Beginn der industriellen Revolution und die daraus abgeleiteten Probleme der bevorstehenden bürgerlich-demokratischen Revolution in Deutschland, auf die der Bund Ende 1847 sein Hauptaugenmerk gerichtet hatte, in einer Bundesgeschichte in breitem Maße zu berücksichtigen. D i e sich in jener Zeit anbahnende schöpferische und gleichberechtigte Zusammenarbeit beruhte in hohem Maße auf theoretischen Vorleistungen W . I. Lenins, der in zahlreichen Schriften auf die Bedeutung des Kampfes von Marx und Engels um die Gründung und Festigung der ersten revolutionären Partei des Proletariats aufmerksam gemacht hatte. 36 In der Polemik bezog er sich oft auf Erfahrungen, die Marx und Engels bei der Leitung des Bundes der Kommunisten gewonnen hatten. Lenin war es auch, der schon 1913 vom Bund als einer „zwar kleinen, aber wahrhaft proletarischen Partei" gesprochen hatte. 37 In seinem 33 Siehe Förder,

Herwig ¡Hundt,

des Kommunismus".

Zur Geschichte von Engels' Arbeit „Grundsätze

Martin,

Der „Entwurf

des kommunistischen

Glaubensbekenntnisses"

von

Juni 1847, in: BzG, 12, 1970, 1, S. 6 0 - 8 5 . 34 Siehe Kandel,

J. P., Entstellung des Kampfes von Marx und Engels für eine proletarische

Partei durch Rechtssozialisten, 1958, 12, S. 1 4 4 2 - 1 4 5 6 . Werk, Berlin 1958. -

in: Sowjetwissenschaft.

Stepanova,

E.

A.,

Gesellschaftswiss. Beiträge,

11,

Friedrich Engels. Sein Leben und sein

Die Beiträge von R. P. Konjuscbaja

und M. 1. Michailow

im

Sammelband „Aus der Geschichte des Kampfes von Marx und Engels für die proletarische Partei. Eine Sammlung von Arbeiten", Berlin 1961. -

Von großer Bedeutung für die

Bundesgeschichtsschreibung war vor allem der von Kandel initiierte, 1961 in Moskau erschienene Sammelband mit biographischen Skizzen von Joseph Moll, Karl

Schapper,

Friedrich Leßner, Wilhelm Wolff, Roland Daniels, Joseph Weydemeyer, Georg Weerth, Ferdinand

Freiligrath,

Ernst

Dronke,

Konrad Schramm,

George Julian Harney und

Ernest Jones (deutsch: Marx und Engels und die ersten proletarischen Berlin 1965). - Kandel,

Revolutionäre,

]. P., Eine schlechte Verteidigung einer schlechten Sache. Zum

Artikel von B. Nikolajewski: Wer verdreht die Geschichte?, in: BzG, 5, 1963, 2, S. 290 bis 303. 35 Förder,

Herwig,

(Rez. zu:) J. P. Kandel': Marks i Engel's - organizatory sojuza kom-

munistov, Moskva 1953, in: ZfG, 1, 1953, 4, S. 6 7 8 - 6 8 3 . 36 Siehe Kandel',

E. P., Rol' V. I. Lenina v razrabotke istorii marksizma, in: Leninskije idei

shivut i pobeshdajut, Moskva 1961, S. 2 4 6 - 2 8 8 . 37 Lenin, W. /., August Bebel, in: Werke, Bd. 19, S. 287.

22

Aufsatz „Karl Marx" wies er dann auch darauf hin, daß das berühmte „Kommunistische Manifest" das Programm des Bundes der Kommunisten gewesen ist. 38 Die Verdeutlichung der historischen Rolle des Bundes bildete seit der Jahrhundertwende einen Teil des ideologischen Kampfes der Bolschewiki gegen Revisionismus und Reformismus. Wenn Eduard Bernstein bei seinem Versuch einer Revision des Marxismus seinen Angriff u. a. auf die Märzansprache von 1850 konzentrierte, dann war das sowohl eine historische als auch aktuell-politische Problemstellung. Den in diesem Bundesdokument erstmals ausführlicher behandelten Gedanken der aktiven und selbständigen Rolle des Proletariats beim Vorantreiben einer bürgerlich-demokratischen Revolution, den Lenin unter den neuen Bedingungen des Imperialismus zur Lehre von der Hegemome des Proletariats in der bürgerlich-demokratischen Revolution weiterentwickelte, hatte Bernstein als „Blanquismus" interpretiert, als den deutlichsten Ausdruck einer angeblich „jakobinischen Phase" in der Entwicklung des Marxismus. Lenin hat sich mit der Märzansprache und den zur selben Zeit verfaßten „Klassenkämpfen in Frankreich" besonders um das Jahr 1905 herum sehr intensiv beschäftigt. ^ Auch in den zwischen der Februar- und der Oktoberrevolution 1917 liegenden Monaten studierte er außerordentlich aufmerksam Dokumente von Marx und Engels aus der Zeit ihres Wirkens im Bund der Kommunisten. Sein Werk „Staat und Revolution" spricht auf vielen Seiten davon, und das Kapitel II lautet „ D i e Erfahrungen der Jahre 1848-1851". Niemand hat so beharrlich und gründlich, so wahrhaft marxistisch und polemisch mit den in Marx' und Engels' Werken formulierten politischen Erfahrungen des Bundes der Kommunisten gearbeitet wie Lenin. Diese revolutionäre und wissenschaftliche Haltung, die aus ihrer tiefen Verankerung in der Geschichte keinerlei Anfälligkeit für Revisionismus und Kautskyanischen Verrat kannte und zugleich gegen kommunistische „Kinderkrankheiten" sehr widerstandsfähig war, brachte Lenin später in die Gründung der III. Internationale ein. In ihrem „Manifest an das Proletariat der ganzen Welt" vom März 1919 hieß es: „Wir Kommunisten, die Vertreter des revolutionären Proletariats verschiedener Länder Europas, Amerikas und Asiens . . . fühlen und betrachten uns als Nachfolger und Vollbringer der Sache, deren Programm vor 72 Jahren verkündet wurde." 4 0 Lenins Einschätzung des Bundes der Kommunisten als Bestandteil der Grundeinstellung zur Partei neuen Typs wurde bis Anfang der sechziger Jahre Allgemeingut der Historiker der D D R . In den fünfziger Jahren wurde breiter geforscht, wurden erste internationale Kontakte geknüpft und wuchs eine erste junge Historikergeneration heran, aus

38 Siehe ebenda, Bd. 21, S. 36. 39 Lenin, W. L, Über die provisorische revolutionäre Regierung, ebenda, B d . 8, S. 465. Siehe auch derselbe,

-

Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen Revolu-

tion, ebenda, Bd. 9, S. 113. 40 Der I. und II. Kongreß 3*

der Kommunistischen

Internationale,

Berlin 1959, S. 82.

23

der einige seit Beginn der sechziger Jahre Arbeiten zur Bundesgeschichte vorlegen sollten, so Walter Schmidt, Waltraud Seidel-Höppner, Werner Kowalski, Gerhard Becker, Helmut Bleiber, Karl-Heinz Leidigkeit und Rolf Dlubek. Als erste selbständige Publikation in der D D R ausschließlich zur Bundesgeschichte ist Obermanns Buch „Zur Geschichte des Bundes der Kommunisten 1849 bis 1852" 4 1 zu werten. Obgleich darin die Tätigkeit des leitenden Kreises Köln und dann von September 1850 an der Zentralbehörde Köln hinter dem umfangreichen Material etwas zu stark zurücktritt, das Obermann über Weydemeyers Wirken in Frankfurt (Main) beizubringen weiß, war diese Arbeit auch insofern von größter Bedeutung, als hier zum ersten Male ausführlich die Geschichte des Bundes nach der Niederschlagung der Revolution behandelt wurde. Selbst angesichts der Tatsache, daß Bittel in selbem Jahre im Vorwort einer Dokumentenpublikation über den Kölner Kommunistenprozeß'12 ebenfalls eine materialreiche Übersicht der bis dahin erforschten Wirksamkeit der Kölner Zentralbehörde vorlegte sowie - auch dies 1955 - den vollständigen Text der „Neuen Rheinischen Zeitung. Politisch-ökonomische Revue" von 1850 herausgab, 43 blieb die Tätigkeit des Bundes nach der Revolution noch lange Zeit hindurch eine wenig erforschte und gewürdigte Etappe seiner Geschichte. Mit einigen konzeptionellen Mängeln behaftet war die erste größere Darstellung des Weges, der vom Deutschen Volksverein über das Junge Deutschland und den Bund der Geächteten bis zur Gründung des Bundes der Gerechten führte/'4 Die widerspruchsvolle innere Entwicklung der demokratischen Bewegung, deren Trennung in Liberale und Demokraten und die dann sehr schnell einsetzende zweite Trennung, die Verselbständigung der Arbeiter innerhalb der revolutionär-demokratischen Bewegung, wurden nicht klar genug aus dem reichen Quellenmaterial herausgehoben, das staatliche Archive boten. Erst" das sechs Jahre später zum selben Themenkreis vorgelegte Buch Kowalskis gab schließlich für längere Zeit eine gültige Darstellung der Vor- und Gründungsgeschichte des Bundes der Gerechten. Das Jahr 1956 brachte die erste Veröffentlichung Förders 45 , mit der er schon die Thematik seines Buches von 1960 anschlug. Neben Untersuchungen zur Herausbildung der Philosophie und der politischen Ökonomie des Marxismus 41 Berlin 1955. - Der vorl. Bd. enthält einen Auszug daraus. 42 Der Kommunistenprozeß

zu Köln

1852

im Spiegel

der zeitgenössischen

Presse, hrsg. u.

eingel. v. Karl Bittel, Berlin 1 9 5 5 ; das Vorwort S. 5 - 4 5 . 43 Neue

Rheinische

Zeitung.

Politisch-ökonomische

Revue,

redigirt von Karl Marx. Eingel.

v. Karl Bittel, Berlin 1955. 44 Obermann,

Karl, Zur Frühgeschichte der deutschen Arbeiterbewegung ( 1 8 3 3 - 1 8 3 6 ) , in:

Beiträge zum neuen Geschichtsbild. Zum 60. Geburtstag von Alfred Meusel, Berlin 1956, S. 2 0 1 - 2 3 5 . 4 5 Förder,

Herwig,

Die politischen und taktischen Richtlinien von Marx und Engels für

den allgemeinen demokratischen Kampf der Kölner Kommunisten im Jahre 1846, in: ZfG, 4, 1956, 2, S. 2 9 1 - 3 0 6 .

24

traten nun solche über das Entstehen und die Entwicklung einer revolutionären Politik, einer wissenschaftlich begründeten Strategie und Taktik der Arbeiterbewegung. Diesen Weg haben später Schmidt, Winkler, Strey und andere weiterbeschritten. Forschungsbeiträge wie die von Obermann und Förder standen Mitte der fünfziger Jahre noch sehr vereinzelt. In jener Zeit wurden aber weitere Quellen erschlossen und publiziert, die mit der Geschichte des Bundes der Kommunisten in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang stehen. So enthielt eine Publikation von Gesandtschaftsberichten''' 6 auch den Hinweis auf die Erstausgabe der 17 Forderungen vom März 1948 in Paris. Bruno Kaisers fünfbändige Ausgabe der „Sämtlichen Werke" Georg Weerths (1957) erschloß in vorbildlicher Weise das Schaffen des bedeutendsten Dichters und Schriftstellers unter den Bundesmitgliedern. Der Briefband dieser Ausgabe enthält zugleich einige wichtige Angaben zur Bundesgeschichte. Zur selben Zeit wurde erstmals eine nicht sehr umfangreiche Dokumentenpublikation über den Bund vorgelegt/' 7 die aber auf entsprechenden Forschungen basierte. So war die Einleitung verhältnismäßig breit angelegt: Sie vermittelte eine kurze, exakte Geschichte des Bundes vom Bund der Gerechten über die Kommunistischen Korrespondenzkomitees bis zur Herausbildung des Bundes der Kommunisten Ende 1847. An Dokumenten enthielt diese Ausgabe die Statuten von 1838 bis 1847, drei Quellen über das Wirken des Brüsseler Korrespondenzkomitees und die Ansprachen der Volkshalle des Bundes der Gerechten vom November 1846 und 1847. Ein weitgefächertes Bild der Klassen und des Klassenkampfes in Deutschland in der Mitte des 19. Jh. vermittelte eine umfangreiche Studie Herrnstadts 4 8 , die eigentlich die historische Grundlage einer Gesamtdarstellung des Kölner Kommunistenprozesses von 1852 sein sollte. Die Tätigkeit der Kamarilla im Hintergrund der gesamten preußischen Politik, die innere Vorgeschichte des Kölner Prozesses seitens der staatlichen Behörden entstand aus einer Fülle archivalischer Quellen. Herrnstadt, ein alter Kommunist, hatte sich erst nach Abschluß einer leitenden politischen Tätigkeit 1954 der geschichtswissenschaftlichen Forschung zugewandt. Sein Tod im Jahre 1966 verhinderte jedoch die Ausführung seines umfassenden Plans. Zweifellos offenbart eine wirklich komplexe Geschichte des Kölner Kommunistenprozesses eine Fülle von Problemen nicht nur der Bundes-, sondern auch der Nationalgeschichte. Mit der brutalen Unterdrückung der ersten kommunistischen Partei war die eigentliche Inaugurierung der „Ära Manteuffel" in der preußischen Geschichte ursächlich verbunden, hier zeigten sich erstmals 4 6 Französische

und sächsische

Gesandtschaftsberichte

aus Dresden

und Paris

1848

bis

1849,

hrsg. v. Hellmut Kretzschmar u. Horst Schlechte, Berlin 1 9 5 6 . 4 7 Dokumente

zur

Geschichte

des

Bundes

der

Kommunisten,

eingel. v . G e r h a r d

Winkler,

Berlin 1 9 5 7 . 4 8 Herrastadt,

Rudolf,

Die

erste Verschwörung gegen das internationale

Proletariat.

Zur

Geschichte des K ö l n e r Kommunistenprozesses v o n 1 8 5 2 , Berlin 1 9 5 8 .

25

Elemente eines spezifisch preußischen Bonapartismus. Künftiger Forschung bietet sich hier noch ein weites Feld. 1958 meldeten sich erstmals zwei Vertreter der erwähnten ersten Studentengeneration mit wissenschaftlichen Publikationen zu Wort, die auf ihren entsprechenden Dissertationen beruhten. So untersuchte Kowalski die von Wilhelm Weitling in der Schweiz herausgegebenen Zeitschriften, den „Hülferuf der deutschen Jugend" und die „Junge Generation", Bleiber die Tätigkeit Wilhelm Wolfis in Schlesien während der ersten Revolutionsmonate von 1848, in denen er als Emissär der Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten wirkte. 4 9 Zu den Leistungen der fünfziger Jahre gehören auch zwei Artikel Obermanns über den Vormärz, 5 0 die als Ergänzung zu seinem Buch von 1950 bzw. 1953 zu werten sind. In diesen Beiträgen trat nun die Rolle von Marx und Engels an der Spitze des Bundes schon klarer als einige Jahre zuvor zutage. Deutlich zeigten sich die Ergebnisse der gründlichen wissenschaftlichen Debatten, die seit 1952 über die Konzeption zum mehrbändigen „Lehrbuch der deutschen G e schichte" geführt wurden. D i e fünfziger Jahre brachten auch in der Historiographie zur Bundesgeschichte den Durchbruch zur selbständigen Forschung. Um das Jahr 1960 lief diese Konstituierungsphase unverkennbar aus. Auf dem hier untersuchten Spezialgebiet kam es ebenfalls und vielleicht sogar in besonders markanter Weise zu jenem Qualitätsumschlag, den W . Schmidt für die gesamte DDR-Geschichtswissenschaft konstatieren konnte. 5 1 Kontinuierlich erschienen zwischen 1960 und 1964 - meist aus Dissertationen hervorgegangen - wissenschaftlich gehaltvolle, konzeptionell weiterführende Arbeiten zur Geschichte des Bundes der Kommunisten. In breiterem Umfang wurde auch das Gebiet der Biographik erschlossen. D i e bis zu jener Zeit vorherrschende Einzelarbeit wurde ergänzt durch die Gründung von Arbeitskreisen, auf deren Wirken die Herausgabe eines Sonderheftes und eines Sammelbandes zurückzuführen ist. D i e Bundesthematik erhielt darin größeren Raum. Schließlich entsprach dem Trend zu marxistischen Überblicks- und Gesamtdarstellungen auch das erstmals prononciert genannte Ziel einer Gesamtgeschichte des Bundes der Kommunisten. 4 9 Kowalski,

Werner,

Die Schweizer Weitling-Zeitschriften und die Weitling-Forschung, in:

ZfG, 6, 1958, 4, S. 8 2 4 - 8 4 1 . - Bleib er, Helmut,

Wilhelm Wolfis Aufenthalt in Breslau

im Frühjahr 1848, ebenda, 6, 1958, 6, S. 1 3 1 0 - 1 3 2 6 . 50 Obermann,

Karl,

Die Volksbewegungen in Deutschland von 1 8 4 4 - 1 8 4 6 , ebenda, 5, 1957,

3, S. 5 0 3 - 5 2 5 ; derselbe,

Über den Anteil von Marx und Engels an der politischen Bewe-

gung zur Vorbereitung der Revolution von 1848, ebenda, 7, 1959, 5, S. 1 0 2 8 - 1 0 6 4 . 51 Siehe Schmidt,

26

Zur Geschichte der DDR-Geschichtswissenschaft, S. 623.

Die Konsolidierungsphase der sechziger Jahre So, wie sich der Sozialismus in der D D R auf seinen eigenen Grundlagen zu entwickeln begann, bildeten die sechziger Jahre eine selbständige Etappe der Konsolidierung der Forschungen zur Geschichte des Bundes. Die Fortschritte, die seit Ende der fünfziger Jahre erzielt worden waren und sich Anfang der sechziger Jahre in ersten größeren Monographien oder Sammelbänden niederschlugen, bildeten nicht nur das Ergebnis ernster Anstrengungen, eigener Quellenforschungen, waren nicht nur Ausdruck der insgesamt verbesserten Möglichkeiten für die Forschung und der Unterstützung durch die Führung der SED, der sehr gezielten Heranführung junger Wissenschaftler und anderer Faktoren. Sie fußten auch und bei weitem nicht zuletzt auf der endgültigen Durchsetzung des Leninismus, auf dem schöpferischen Verständnis der Leninschen Fragestellung in der Parteigeschichtsschreibung, unterstützt von der zu jener Zeit erscheinenden 4. Ausgabe der Werke Lenins. Die Überwindung der Folgen des Personenkults spielte auch in der Erforschung der Parteigeschichte eine positive Rolle. Ein zusätzlich förderndes Moment ganz anderer Art war die in jenen Jahren wiedererwachende Sozialgeschichte in der BRD, die mit ersten Arbeiten hervortrat. Da sich die Autoren zunächst vorwiegend der frühen Geschichte der Arbeiterbewegung zuwandten (Conze, Groh, Baiser, Schieder), mußten sie sich auch mit der historischen Stellung des Bundes der Kommunisten auseinandersetzen. Übergreifender Gesichtspunkt dieser „liberalen" Richtung w a r es, die Notwendigkeit einer proletarisch-revolutionären Entwicklung (Klassenbewußtsein, Partei) zu leugnen und die Auflösung der schroffen frühindustriellen Klassengegensätze in demokratischer Harmonie zu verkünden. In einer solchen Konzeption konnte der Bund der Kommunisten nichts anderes als ein häßlicher Störfaktor sein. Baiser leugnete daher nahezu jeglichen Einfluß des Bundes auf die Arbeiterverbrüderung, Schieder brachte in die Entstehungszeit des Bundes der Gerechten religiöse, klassenversöhnlerische und sonstige Motive als die beherrschenden ein. Derartige falsche Konzeptionen waren aber mit reichen Archivmaterialien verbunden, was die sofort beginnende Auseinandersetzung (H. Förder, W . Seidel-Höppner, W . Schmidt, R. Weber) mit den entsprechenden Werken nur noch notwendiger, schwieriger, aber auch nutzbringender machte. Wiederum gewissermaßen als Vorreiter eröffnete Herwig Förder die Reihe wichtiger Veröffentlichungen aus der ersten Hälfte der sechziger J a h r e mit seiner 1960 erschienenen Monographie „Marx und Engels am Vorabend der Revolution. Die Ausarbeitung der politischen Richtlinien für die deutschen Kommunisten (1846-1848)" - ein Buch, das bis heute als Standardwerk anzusehen ist. Im Rahmen eines Gesamtbildes von der Entwicklung der Auffassungen über die politischen Aufgaben der Kommunisten beim Vorantreiben einer bürgerlichdemokratischen Revolution untersuchte Förder gründlicher als je zuvor die Auseinandersetzungen des Brüsseler Kommunistischen Korrespondenzkomitees mit

27

Weitling und Kriege, Marx' und Engels' polemische Publizistik als Mitglieder des sich zum Bund der Kommunisten umwandelnden Bundes der Gerechten gegen Proudhon und den „wahren" Sozialismus. Diese Arbeit war damit zugleich ein bedeutender Beitrag zur Erforschung der marxistischen Revolutionstheorie. D e r Beginn der dritten Phase zeichnete sich auch durch eine überdurchschnittlich rasche Entwicklung der Historiographie der Arbeiterbewegung gegenüber den anderen Gebieten der Geschichtswissenschaft aus. E i n e der Voraussetzungen dafür bildete die Herausgabe der Zeitschrift „Beiträge zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung" ( B z G ) seit 1959 (ab 1 9 6 9 : „Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung"). Dies war zugleich ein erstes Ergebnis des 2. Plenums des Zentralkomitees der S E D vom September 1958, in dem der Beschluß gefaßt worden war, eine Kommission zur Ausarbeitung von Thesen zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung zu gründen. Durch die Initiative Walter Ulbrichts war hiermit jene Entwicklung eingeleitet worden, die dann 1963 zum „Grundriß der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung" und 1966 zur „Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung in acht Bänden" führte. Eingebettet in dieses G e samtvorhaben, wurde auch die Erforschung der Geschichte des Bundes der Kommunisten in breitem Umfang gefordert und gefördert. In den neuen B z G veröffentlichte Dlubek einen Beitrag, 5 2 in dem er - gestützt auf Quellenmaterial aus Schweizer Archiven - nachweisen konnte, daß Engels während seines Aufenthaltes in der Schweiz im Winter 1848/49 nicht nur aktiv in der dortigen Arbeiterbewegung gewirkt und an deren Kongressen teilgenommen hatte, sondern daß sich diese Tätigkeit nahtlos einfügte in die von Marx, Engels und anderen Bundesmitgliedern während der Revolution ständig verfochtene Selbständigkeit der Arbeiterbewegung, ihre Emanzipation von der bürgerlichen Politik. Dieser Grundzug kommunistischer Politik zeichnete sich allmählich immer deutlicher ab. Wesentliches dazu leistete der im vorliegenden Band wiederabgedruckte Artikel W . Schmidts „Der Bund der Kommunisten und die Versuche einer Zentralisierung der deutschen Arbeitervereine im April und Mai 1848". Ein zu gleicher Zeit veröffentlichter Beitrag Obermanns zu einer ähnlich gelagerten Thematik ergab darüber hinaus weiteres Material. 5 3 1961 eröffnete W . Schmidt auch die Reihe seiner Untersuchungen zu Teilaspekten der Politik der „Neuen Rheinischen Zeitung". Während er sich zunächst der polnischen Problematik widmete, 54 wandte er sich später auch der Bericht-

52 Dlubek,

Rolf, Zur politischen Tätigkeit von Friedrich Engels in der Schweiz 1 8 4 8 - A n -

fang 1849, in: BzG, 2, 1960, 4, S. 7 4 2 - 7 8 6 . 53 Obermann,

Karl, Über die Bedeutung der Tätigkeit von Marx und Engels im Frühjahr

und Sommer 1848, in: ZfG, 9, 1961, 1, S. 2 1 - 4 7 . 54 Schmidt,

Walter,

Der Kampf der „Neuen Rheinischen Zeitung" um ein festes Kampf-

bündnis zwischen der polnischen und der deutschen Demokratie, in: Jahrb. f. Geschichte der UdSSR u. der volksdemokratischen Länder, Bd. 5, Berlin 1961, S. 1 1 1 - 1 7 8 .

28

erstattung der Zeitung über die Klassenkämpfe in Frankreich und über die Chartistenbewegung in ausführlicher Form zu.33 Ungeachtet dieser und weiterer, zu einem großen Teil von Schmidt initiierter Untersuchungen bietet die Analyse aller Aspekte in der Politik des besten Revolutionsorgans auch heute noch ein weites Feld der Forschung. Obermann setzte seine Untersuchungen zur Geschichte des Bundes nach der Revolution zwar kontinuierlich fort,JÜ trat aber mit seinem Beitrag für das mehrbändige „Lehrbuch der deutschen Geschichte" ' 7 vor allem als der maßgebliche Autor für den Vormärz und die Revolution von 1848/49 hervor. Als Spezialist für die Geschichte des Bundes der Kommunisten war er bestrebt, nicht nur die Rolle der Arbeiterklasse im allgemeinen in das Bild der Nationalgeschichte einzubringen, sondern auch die Entwicklung vom Bund der Geächteten über den Bund der Gerechten bis zum Bund der Kommunisten auf dem neuesten Forschungsstand und mit hinreichender Ausführlichkeit darzustellen. Dies traf ebenso für die etwa zur gleichen Zeit erscheinende chronologische Fortsetzung, den von Ernst Engelberg verfaßten Band „Deutschland von 1849-1871" zu, der deswegen auch den selbständigen Abschnitt „Der Bund der Kommunisten 1850/51. Die historischen und politischen Analysen von Marx und Engels" enthält. Dje Bände dieser Reihe repräsentierten mehr als zwei Jahrzehnte den marxistischen Forschungsstand in unserer Nationalgeschichte. 58 Eine Gesamtdarstellung ganz anderer Art legte Cornu vor. Seine außerordentlich weit angelegte Untersuchung zu Leben und Werk von Marx und Engels 59 berührt zwar deren Kontakte zur Arbeiterbewegung und die gleichzeitige Geschichte des Bundes der Gerechten nur an wenigen Punkten, entrollt aber ein großartiges Panorama der geistigen Kämpfe jener Zeit, die in vielfältiger Weise auf die innere Geschichte des Bundes einwirkten. 5 5 Derselbe,

D i e K l a s s e n k ä m p f e in F r a n k r e i c h 1 8 4 8 / 4 9 in d e r „ N e u e n Rheinischen Zeitung" -

ein B e i t r a g zum Ringen d e r K o m m u n i s t e n um die E m a n z i p a t i o n d e r deutschen bewegung, i n : B z G , 1 0 , 1 9 6 8 , 2, S. 2 6 3 - 2 9 7 ; derselbe,

Arbeiter-

D i e englische C h a r t i s t e n b e w e g u n g

in d e r „Neuen Rheinischen Zeitung", i n : J f G , B d . 7 , 1 9 7 2 , S. 3 3 1 - 3 7 0 . 5 6 Obermann,

Karl,

Z u r Geschichte der deutschen A r b e i t e r b e w e g u n g nach d e r

Revolution

v o n 1 8 4 8 / 4 9 zu Beginn der f ü n f z i g e r J a h r e , i n : B z G , 3 , 1 9 6 1 , 4, S. 8 4 2 - 8 6 9 ; Im K a m p f gegen den A n t i k o m m u n i s m u s und 1 9 6 3 , 3, S. 5 7 Derselbe,

die H e t z e

derselbe,

gegen K a r l M a r x , e b e n d a ,

5,

500-512. L e h r b u c h der deutschen Geschichte

(Beiträge). D e u t s c h l a n d v o n

1815-1849,

Berlin 1 9 6 1 . - S p ä t e r e , ergänzte A u f l a g e n u. d. T i t e l : D e u t s c h l a n d v o n 1 8 1 5 - 1 8 4 9 d e r G r ü n d u n g des Deutschen B u n d e s bis zur bürgerlich-demokratischen

(Von

Revolution).

-

D i e 4 . , Überarb. A u f l . erschien 1 9 7 6 . 5 8 Seit 1 9 8 4 liegt v o r : „ D e u t s c h e Geschichte in zwölf B ä n d e n , B d . 4 : D i e bürgerliche U m wälzung von rühren,

1 7 8 9 bis 1 8 7 1 " . -

waren

Waltraud

Autoren

der A b s c h n i t t e , d i e d i e Bundesgeschichte

Seidel-Höppner,

Helmut

Bleiber,

Gerhard

Becker,

be-

Walter

Schmidt und S i e g f r i e d Schmidt. 5 9 Cornu,

Auguste,

K a r l M a r x u n d F r i e d r i c h Engels. L e b e n und W e r k , B d . 2 :

1844-1845,

B e r l i n 1 9 6 2 ; B d . 3 : 1 8 4 5 - 1 8 4 6 , Berlin 1 9 6 8 .

29

D i e erste selbständige in der D D R erschienene wissenschaftliche Biographie eines Bundesmitgliedes war die Wilhelm Weitlings aus der Feder von Waltraud Seidel-Höppner. 6 0 Anstoß zu diesem Thema und K r a f t zur Vollendung der Arbeit schöpfte die Autorin aus einer Bemerkung Wilhelm Piecks, der bereits 1950 auf dem III. Parteitag der S E D gegen die Unterschätzung der revolutionären Traditionen des deutschen Volkes aufgetreten war und dabei u. a. auch den Namen Weitling genannt hatte. 6 1 Waltraud Seidel-Höppner hat seither eine stattliche Reihe weiterer Beiträge zur Weitling-Forschung vorgelegt, obwohl sie im Ergebnis dieser Arbeit 24 Jahre später die Notwendigkeit empfand, sich in gewisser Weise mit folgendem Satz von ihrem Erstlingswerk zu distanzieren: „Wo sich ideengeschichtliche Analyse darauf beschränkt, Weitlings Werk und Wirken vornehmlich oder ausschließlich unter dem Aspekt seiner Vorleistung für marxistische Theorie und Bewegung zu untersuchen, gerät seine Impulswirkung im Vormärzproletariat und im politischen und ideologischen Gesamtspektrum vor und während der Revolution leicht in den Schatten." 6 2 Ebenfalls von einer intensiven Weitling-Beschäftigung ausgehend, gestützt auf einen umfangreichen staatlichen Aktenbestand und beraten von dem Moskauer Historiker Bobkov, legte Kowalski die Vor- und Entstehungsgeschichte des Bundes der Gerechten mit großer Gültigkeit dar. 6 3 D e r vorliegende Band «enthält einen Auszug aus diesem Buch, das aus der 1959 verteidigten Dissertation des Verfassers hervorgegangen war. Bedauerlicherweise mußte sich Kowalski in der darauffolgenden Zeit anderen Themen widmen. E r legte jedoch später, noch auf der Grundlage früherer Forschungen, zwei gewichtige Dokumentenbände über die Zeitschriften der frühen Arbeiterbewegung sowie mit den Hauptberichten der Frankfurter Bundeszentralbehörde vor. 6 4 Markanter Punkt innerhalb des Aufschwungs der frühen sechziger Jahre war das Ende 1962 erschienene Sonderheft der B z G „Beiträge zur Marx-EngelsForschung in der D D R " , in dem Winkler, W . Schmidt, Obermann, Becker und Förder Beiträge zur Bundesgeschichte vorlegten, während Dlubek bereits zu

60 Seidel-Höppner,

Waltraud,

Wilhelm Weitling - der erste deutsche Theoretiker und Agi-

tator des Kommunismus, Berlin 1961. 61 Siehe Protokoll der Verhandlungen Deutschlands,

des III. Parteitages

der Sozialistischen

Einheitspartei

Berlin 1951, Bd. 1, S. 104.

62 Seidel-Höppner,

WaltraudjRokit)anski,

Jakob,

Weitling in der Revolution 1 8 4 8 / 4 9 . Un-

bekannte Dokumente, in: JfG, Bd. 32, 1985, S. 70. 63 Kowalski,

Werner,

Vorgeschichte und Entstehung des Bundes der Gerechten. Mit einem

Quellenanhang, Berlin 1962. 64 Vom

kleinbürgerlichen

zeit der deutschen Berlin

30

1967;

Vom

Demokratismus

Arbeiterbewegung kleinbürgerlichen

berichte

der Bundeszentralbehörde

deutsche

revolutionäre

Bewegung,

zum Kommunismus. (1834-1847),

Demokratismus in Frankfurt

Zeitschriften

aus der

Früh-

bearb. u. eingel. v. Werner Kowalski, zum Kommunismus.

am Main von 1838

Die

bis 1842

Hauptüber

bearb. u. eingel. v. Werner Kowalski, Berlin 1978.

die

Beginn desselben Jahres ein weiteres Ergebnis seiner Archivforschungen in der Schweiz unterbreitet hatte/' 5 In einem von Gerhard Winkler verfaßten ersten Teil eines Literaturberichts über die Marx-Engels-Forschung in der D D R auf dem Gebiet der Geschichtswissenschaft standen Arbeiten zur Bundesgeschichte im Mittelpunkt. Darüber hinaus wurde, allerdings ohne weitere Argumentation, erstmals die Einteilung der Bundesgeschichte in die drei Perioden vor, während und nach der Revolution von 1848/49 vorgenommen. Schmidts Beitrag „Zur Biographie Wilhelm W o l f i s " ging in seiner Substanz in den bald darauf erscheinenden ersten Band seiner großen Wolff-Biographie 6 6 ein. Zusammen mit dem wesentlich später folgenden 2. Band wurde damit die wohl umfassendste Darstellung des Lebens eines der führenden Bundesmitglieder vorgelegt, wie sie noch für viele weitere notwendig erscheint. W i e Schmidt mit der Wolff-Biographie, hatte auch Gerhard Becker 1961 mit einer Geschichte des Kölner Arbeitervereins promoviert und publizierte nun im BzG-Sonderheft einen ersten A b s c h n i t t , z w e i Jahre darauf einen weiteren Aspekt 1 ' 3 daraus. Seine Monographie zu diesem Thema*® stellt eine erschöpfende Behandlung der Geschichte dieses für die Bundespolitik in der Revolution außerordentlich wichtigen Vereins dar. Obermanns Beitrag zum Sonderheft trug den Titel „Zur Geschichte des Kommunistischen Korrespondenzkomitees im Jahre 1846, insbesondere im Rheinland und in Westfalen". In breiter Form reflektierte er Ergebnisse eines Studienaufenthaltes im Zentralen Parteiarchiv der KPdSU in Moskau. Aber auch seinem alten Thema, der Erforschung der Rolle von Marx und Engels in der Revolution, war ein Beitrag Obermanns in jenem Jahre gewidmet.' 0 6 5 Dlubek,

Rolf,

E i n u n b e k a n n t e s D o k u m e n t ü b e r den K a m p f des B u n d e s d e r K o m m u n i s t e n

f ü r die selbständige O r g a n i s a t i o n des P r o l e t a r i a t s nach d e r R e v o l u t i o n v o n 1 8 4 8 / 4 9 , i n : B z G , 4, 1 9 6 2 , 1 , S. 8 7 - 1 0 1 . 6 6 Schmidt,

Walter,

Schmidt

legte

W i l h e l m W o l f f . Sein W e g zum K o m m u n i s t e n 1 8 0 9 - 1 8 4 6 , B e r l i n 1 9 6 3 . in den

folgenden Jahren

in m e h r e r e n

Artikeln

weitere

Abschnitte

W o l f i s B i o g r a p h i e v o r , jedoch erschien d e r a b s c h l i e ß e n d e 2. B a n d erst 1 9 7 9 W o l f f . K a m p f g e f ä h r t e und F r e u n d v o n M a r x und Engels. 6 7 Becker,

Gerhard,

der Vorbereitung

-

aus

(Wilhelm

1846-1864).

D i e R o l l e v o n M a r x und Engels und des K ö l n e r A r b e i t e r v e r e i n s

bei

e i n e r r e v o l u t i o n ä r e n M a s s e n p a r t e i des deutschen P r o l e t a r i a t s im F r ü h -

j a h r 1 8 4 9 , i n : B e i t r ä g e zur M a r x - E n g e l s - F o r s c h u n g in d e r D D R , S. 1 4 4 - 1 6 4

(=

BzG,

4, 1 9 6 2 , Sh.). 6 8 Derselbe,

D i e propagandistische

1848-1849,

Tätigkeit

der Kommunisten

im K ö l n e r

Arbeiterverein

i n : A u s d e r Frühgeschichte d e r deutschen A r b e i t e r b e w e g u n g , B e r l i n

1964,

5. 2 0 1 - 2 3 3 . 6 9 Derselbe,

Karl

Marx

und

Friedrich

Engels

in K ö l n

1848-1849.

Zur

Geschichte

des

D i e R o l l e v o n M a r x und Engels und d e s K ö l n e r A r b e i t e r v e r e i n s

bei

K ö l n e r A r b e i t e r v e r e i n s , Berlin 1 9 6 3 . 7 0 Obermann,

Karl,

der V o r b e r e i t u n g einer r e v o l u t i o n ä r e n M a s s e n p a r t e i des deutschen P r o l e t a r i a t s im F r ü h j a h r 1 8 4 9 , i n : B z G , 4, 1 9 6 2 , 5, S. 1 4 4 - 1 6 4 .

31

In engster Verbindung zur Bundesgeschichte stand im BzG-Sonderheft Förders Artikel „Die Nürnberger Gemeinde des Bundes der Kommunisten und die Verbreitung des ,Manifests der Kommunistischen Partei' im Frühjahr 1851", der im vorliegenden Band ebenfalls wiederabgedruckt ist. Zum ersten M a l wurde hier in dieser Gründlichkeit der methodisch wichtige W e g beschritten, die Geschichte einer Bundesgemeinde zu rekonstruieren - ein Beispiel, dem später auch andere folgten - , und die These von einem Nachdruck des „Manifests" in Deutschland Anfang 1851 aufgestellt. Darüber hinaus formulierte Förder hier auch seine Auffassung, daß die Geschichte des Bundes nach der Revolution keinesfalls nur unter dem Aspekt der Niederlage und der Parteispaltung gesehen werden darf, sondern daß die Jahre 1850 und 1851 ganz im Gegenteil das Bild einer außerordentlich breiten propagandistischen und organisatorischen Bundestätigkeit bieten. Für die geplante Darstellung der Gesamtgeschichte der deutschen Arbeiterbewegung war die Klärung der Kontinuitätsproblematik zwischen dem Bund der Kommunisten und der erst Anfang der sechziger Jahre wiedereinsetzenden Bewegung von Bedeutung. Eine erste Untersuchung hierzu legte Leidigkeit vor, 7 1 der sich auch später noch mehrfach diesem Thema zuwandte. 7 2 Die prägnante Zusammenfassung der hier diskutierten Hauptgesichtspunkte wurde anläßlich des 100. Jahrestages der I. Internationale formuliert. 7 3 Im Jahre 1963, als mit dem Erscheinen des „Grundrisses der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung" der Prozeß der Zusammenfassung aller bis dahin gewonnenen Erkenntnisse konzentriert seinen Anfang nahm, erschienen zur Geschichte des Bundes der Kommunisten nicht nur die bereits erwähnten Bücher von Becker und Schmidt, sondern auch ein Artikel über einige wiederaufgefundene Dokumente des Bundes der Gerechten 74 sowie ein Beitrag Obermanns zur Geschichte der Turnbewegung am Vorabend der Revolution, 75 an der auch Bundesmitglieder führend beteiligt gewesen waren. Dieses für die Verbindungen des Bundes zu den Massen nicht unwichtige Gebiet war damit zwar berührt 71 Leidigkeit,

Karl-Heinz,

Zur Tradition des Bundes der Kommunisten nach dem

Kölner

Kommunistenprozeß, ebenda, 4, 1 9 6 2 , 4 , S. 8 5 8 - 8 7 1 . 7 2 Siehe derselbe,

D a s kontinuierliche Ringen v o n M a r x und Engels um die Partei

A r b e i t e r k l a s s e ( 1 8 5 2 - 1 8 6 0 ) , ebenda, 1 9 , 1 9 7 7 , 6, S. 9 6 6 - 9 7 9 ; derselbe,

Marx,

der

Engels

und die Partei der Arbeiterklasse ( 1 8 5 2 - 1 8 6 0 ) , i n : A r b e i t s b l ä t t e r zur M a r x - E n g e l s - F o r schung (Halle), 1 9 7 8 , 4, S. 3 9 - 8 0 . 7 3 Schmidt,

Walter,

nationale,

in:

Zum Verhältnis zwischen dem Bund der Kommunisten und der I. InterMarx,

Engels

und

die

erste

Internationale,

S.

184-192

(=

BzG,

6,

1 9 6 4 , Sh.). 7 4 Ziese,

Gerhard,

Neue D o k u m e n t e zur Vorgeschichte des Bundes der Kommunisten,

in:

B z G , 5, 1 9 6 3 , 5/6, S. 9 4 7 - 9 6 4 . 7 5 Obermann,

Karl,

D i e politische R o l l e der Turnvereine in der demokratischen Bewegung

am V o r a b e n d d e r R e v o l u t i o n v o n 1 8 4 8 , in: Theorie und Praxis der K ö r p e r k u l t u r , 9, S. 7 9 5 - 8 0 5 .

32

1963,

worden, bei weitem aber nicht ausgeschöpft. In einem weiteren Artikel deutete Obermann eine gewisse Kontinuität von der „Rheinischen Zeitung" (1842/43) zu den Kölner Gemeinden des Bundes vor der Revolution an. 7(i Innerhalb des Aufschwungs der Bundeshistoriographie zu Beginn der sechziger Jahre ragte der Sammelband „Aus der Frühgeschichte der deutschen Arbeiterbewegung" von 1964 hervor, der ganz stark die Handschrift Herwig Förders trägt. Seine „Einleitenden Bemerkungen - Zur Erforschung der Frühgeschichte der deutschen Arbeiterbewegung" waren nicht nur ein Literaturbericht wie andere auch, sondern sie enthielten ein durchdachtes, langfristiges Programm zur weiteren Erforschung der Bundesgeschichte, dessen Grundrichtungen bis heute Gültigkeit besitzen. Förder schlug vor, die Geschichte von Bundesgemeinden sowie die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte zentraler Bundesdokumente zu bearbeiten, weitere Biographien zu schreiben, in Teilmonographien die Strategie und Taktik des Bundes in allen seinen Phasen weiter aufzuhellen und sich damit der als dringend empfundenen großen Aufgabe einer Gesamtgeschichte des Bundes zu nähern: „Schon seit geraumer Zeit ist es immer mehr als ein spürbarer Mangel empfunden worden, daß mit der fortschreitenden Erschließung des historischen Stoffes die Darstellung umfassender Zusammenhänge nicht recht Schritt gehalten hat. Der weit überwiegende Teil der Arbeiten zur Frühgeschichte der Arbeiterbewegung trägt einen sehr speziellen Charakter. Selbst größere Monographien reichen selten über ein Geschehen von ein bis zwei Jahren hinaus. Dagegen fehlt es noch sehr an Arbeiten, in denen wenigstens größere Abschnitte oder Teilgebiete in umfassender Weise behandelt werden, ganz zu schweigen von einer Gesamtdarstellung etwa der Geschichte des Bundes der Kommunisten . . ." 77 Der Sammelband enthält bereits zwei eindrucksvolle Beispiele der Verwirklichung des formulierten Aufgabenkatalogs: eine Arbeit über die Leipziger Gemeinde (im Zusammenhang mit der Geschichte der Juniansprache von 1850) 7 8 und eine Biographie Karl D'Esters. 7 9 Das von Förder umrissene Aufgabengebiet umfaßte auch Probleme der Konstituierung der Arbeiterklasse, und der Sammelband wies zwei Beiträge auf, die diese Thematik berührten. 80 Dem schloß sich bald darauf ein weiterer Artikel 76 Derselbe,

Zur politischen Wirksamkeit der „Rheinischen Zeitung" 1842/43. Zum 1 2 0 j ä h -

rigen Jubiläum, in: BzG, 5, 1 9 6 3 , 1, S. 8 5 - 9 3 . 77 Aus der Frühgeschichte

der deutschen Arbeiterbewegung, Berlin 1 9 6 4 , S. 1 1 f. HerwigfZiese, Gerhard, Zur Geschichte der ¡.Ansprache der Zentralbehörde an den Bund vom Juni 1 8 5 0 " und zur Tätigkeit der Mitglieder des Bundes der Kommunisten in Leipzig ( 1 8 5 0 / 5 1 ) , ebenda, S. 2 3 4 - 2 7 7 .

78 Förder,

79 Obermann,

Karl,

K a r l D'Ester, Arzt und Revolutionär. Seine Tätigkeit in den Jahren

1 8 4 2 bis 1 8 4 9 , ebenda, S. 1 0 2 - 2 0 0 . 8 0 Wolfgramm,

EberhardjPuchta,

Gerhard/Beyer,

Peter,

Die

sozialökonomischen

Kämpfe Schmidt, Walter, Einige Dokumente zum schiesischen Weberaufstand v o m Juni 1 8 4 4 , ebenda, S. 3 0 - 6 4 . der Eisenbahnarbeiter in Sachsen 1 8 4 4 - 1 8 4 8 , ebenda, S. 6 5 - 1 0 1 .

-

33

W . Schmidts an, 8 1 doch waren damals die Möglichkeiten noch nicht ausreichend gegeben, dieses Grenzgebiet von Sozial- und Bundesgeschichte mit der nötigen Konsequenz weiterzuverfolgen. E r s t ein Jahrzehnt später - Hartmut Zwahr von neuem Ansatzpunkt her - gingen wieder spürbare Impulse auch für die Bundesgeschichte aus. Keine Gesamtgeschichte von Bundesgemeinden, jedoch Beiträge dazu wurden kurz darauf für die Gemeinden in Berlin, Brüssel und London vorgelegt. 82 D i e Polentz-Biographie von Klaus Baudis 8 3 informiert nicht nur über einen aufrechten Demokraten, der sich den Positionen des Bundes weitgehend genähert hatte und vielleicht auch Mitglied der Schweriner Gemeinde wurde, sondern ist in gewissem Sinne auch eine Geschichte des Schweriner Arbeitervereins, in dem diese Gemeinde gewirkt hat. D a s überragende Ereignis des Jahres 1966 war das Erscheinen der „Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung in acht Bänden", in deren erstem Band die Bundesgeschichte einen breiten Raum einnimmt. D i e Einbeziehung aller bis dahin erzielten Forschungsergebnisse war allein schon dadurch gewährleistet, daß Förder, Schmidt und Dlubek als Autoren die Zeit von den Anfängen der Arbeiterbewegung bis zum E n d e der sechziger Jahre des 19. Jh. behandelten. D e r große wissenschaftliche Wert einer derartigen Gesamtdarstellung steht außer Zweifel. D i e Zusammenfassung und theoretische Verarbeitung vorliegender Forschungsergebnisse im Rahmen einer übergreifenden Konzeption hat aber auch den Vorteil, von der hierdurch erreichten höheren Warte aus die noch vorhandenen Lücken klarer sichtbar zu machen und damit objektiv neue Aufgaben zu stellen. Diesem Anliegen war u. a. der Artikel „Die Herausbildung der marxistischen Partei der deutschen Arbeiterklasse" von Schmidt und Dlubek gewidmet - im vorliegenden Band wiederabgedruckt - , der seine konzeptionelle Bedeutung behielt. Hier wurde deutlich, daß der Bund der Kommunisten Bestandteil eines umfassenderen Prozesses der Emanzipation der Arbeiterbewegung war und daher u. a. auch stets in Einheit mit der elementaren Arbeiterbewegung gesehen und gewertet werden muß. D e r Artikel enthielt zugleich den Hinweis, daß die These Förders von der Bedeutung der Kölner Zentralbehörde noch nicht weiter verfolgt worden war. Zwei

andere Lücken konnten jedoch in den darauffolgenden Jahren weit-

81 Derselbe,

Zu einigen Fragen der sozialen Struktur und der politischen Ideologie in der

Zeit des Vormärz und der Revolution von 1 8 4 8 / 4 9 , in: BzG, 7, 1965, 4, S. 6 4 5 - 6 6 0 . 82 Ziese,

Gerhard,

Über die Anfänge der Arbeiterbewegung in Berlin, in: Geschichte der

örtlichen Arbeiterbewegung, S. 1 4 0 - 1 5 6

(=

BzG, 7, 1965, Sh.). -

Schlechte,

Horst,

Karl Marx und sein Wirkungskreis in Brüssel. Dokumente aus belgischen Archiven, in: BzG, 8, 1966, 1, S. 1 0 1 - 1 1 6 . - Becker,

Gerhard,

Der „Neue Arbeiter-Verein in London"

1852. Ein Beitrag zur Geschichte des Bundes der Kommunisten, in: ZfG, 14, 1, S. 7 4 - 9 7 . 83 Baudis, Klaus, Julius Polentz. Dichter und Publizist, Rostock 1965.

34

1966,

gehend geschlossen werden. Zum einen betraf dies die stärkere Betonung des Strebens im Bund der Gerechten nach einem wissenschaftlich fundierten Programm, der selbständig erzielten Ergebnisse auf diesem Wege 8 4 und der Programmdiskussion von 1847, zum anderen die Einschätzung der Arbeiterverbrüderung, die trotz beachtlicher Fortschritte noch immer einige Verengungen enthielt. Um auf beiden Gebieten entscheidend voranzukommen, bedurfte es einer weiteren Akkumulation von Forschungsergebnissen sowie auch neuer Dokumentenfunde. Obermann wandte sich erneut dem Anteil des Bundes an der Vorbereitung der Revolution zu, 85 Becker dem zweiten Demokratenkongreß vom Oktober 1848 86 und Wernicke der Rolle des Bundes in der Berliner Arbeiterbewegung. 8 7 Auf der Basis der Forschungen eines Vierteljahrhunderts konnte Obermann schließlich eine Weydemeyer-Biographie 88 von außerordentlichem Materialreichtum vorlegen, die diesem bedeutenden Bundesmitglied gerecht wurde und dadurch den Blick auf den Ausbau der Bundesorganisation in Deutschland in den Jahren 1850 und 1851 sowie auf den Beginn der Propagierung des Marxismus in den U S A weitete. D a s Jahr 1968 brachte mit dem Abschluß der Marx/Engels-Werkausgabe (MEW) in 40 Bänden zugleich erste Anzeichen für den Übergang zu einer höheren, auf die M E G A 2 hinzielenden Edition. Beteiligt daran war auch die Erforschung der Bundesgeschichte. D e r von Manfred Häckel herausgegebene Briefwechsel Freiligraths mit Marx und Engels 8 9 verwirklichte bereits weitgehend die dann für die neue M E G A typische textkritische Akribie und Erläuterungsdichte, versäumte es aber auch nicht, Freiligraths Tätigkeit im Bund der K o m munisten gebührend zu würdigen, was den vorangegangenen zahlreichen Freiligrath-Ausgaben gefehlt hatte. Einer textkritischen Bearbeitung unterlagen ebenfalls die 17 Forderungen vom März 1848. 9 0 Zugleich wurde die Entstehungsund Wirkungsgeschichte dieses wichtigen Bundesdokuments eingehend untersucht und damit eine der von Förder gewiesenen Forschungsrichtungen weiter84 Sie fehlen z. B. ganz in: Berthold,

LotharjNeef,

Helmut,

D e r K a m p f von K a r l

und Friedrich Engels um die revolutionäre Partei der deutschen Arbeiterklasse.

Marx Mit

einem Dokumentenanhang, Berlin 1966. 85 Obermann,

Karl,

Zum Anteil des deutschen Proletariats und des Bundes der Kommuni-

sten an der Vorbereitung der Revolution von 1848, in: Z f G , 16, 1968, 8, S. 1 0 2 3 - 1 0 3 3 . 86 Becker,

Gerhard,

D i e „soziale F r a g e " auf dem zweiten demokratischen Kongreß 1848,

ebenda, 15, 1967, 2, S. 2 6 0 - 2 8 0 . 87 Wernicke,

Kurt,

Kommunisten und politische Aktivisten in der Berliner Arbeiterbewe-

gung vor, während und nach der Revolution von 1 8 4 8 / 4 9 , in: B z G , 10, 1968, 2, S. 298 bis 344. 88 Obermann, 89 Freiligraths

Karl,

Joseph Weydemeyer. Ein Lebensbild, 1 8 1 8 - 1 8 6 6 , Berlin 1968.

Briefwechsel

mit

Marx

und

Engels,

bearb. u. eingel. v. M a n f r e d Häckel,

B d . 1 - 2 , Berlin 1 9 6 8 ; 2. Aufl. Berlin 1976. 90 Hundt,

Martin,

D i e 17 „Forderungen der Kommunistischen Partei in Deutschland" vom

März 1848. Mit einem textkritischen Anhang, in: B z G , 10, 1968, 2, S. 2 0 3 - 2 3 6 .

35

beschritten. Das galt auch für einen Beitrag über das von der Kölner Zentralbehörde herausgegebene Flugblatt „Deutsche Männer und preußische Untertanen!" 91 sowie für erste Hinweise auf eventuelle Bundesgemeinden in Glauchau, Meerane 92 und möglicherweise auch in Freiberg. 93 Der Fortschritt, den die Konsolidierungsphase der sechziger Jahre für die Bundesgeschichtsschreibung erbrachte, ist unübersehbar.

Von BdK 1 bis BdK 3 Bisherige Forschungen zur Geschichte der Geschichtswissenschaft der D D R ermittelten für den Beginn der siebziger Jahre den Eintritt in eine vierte, bis zur Gegenwart reichende Etappe, die durch die dynamische Entfaltung einer voll ausgebildeten, der entwickelten sozialistischen Gesellschaft gemäßen Geschichtswissenschaft charakterisiert ist. Sie hat ihre Forschungsfelder erweitert und stößt zu einer neuen Qualität theoretischer Durchdringung vor. In allgemeinen Zügen entspricht diesem Bild auch die Bundeshistoriographie, obgleich die Zäsur weniger ausgeprägt, die theoretische Durchdringung auf wichtigen Teilgebieten noch nicht weit genug vorangekommen ist. Seit Beginn der siebziger Jahre zeigt sich eine starke Aufsplitterung der Forschungsgebiete und damit eine große, allerdings nur noch schwer zu überblikkende Vielfalt von Veröffentlichungen in den unterschiedlichsten Zeitschriften, Sammelbänden und anderen Publikationen. Spezielle Sammelbände, Sonderhefte und dergleichen mit starker Konzentration auf die Bundesgeschichte sind seitdem noch nicht wieder erschienen, abgesehen vom Marx-Engels-Jahrbuch, Band 3, aus dem Jahre 1980. Die Forschungen zur Geschichte des Bundes der Kommunisten verbanden sich in dieser vierten Etappe noch stärker mit der Marx-Engels-Forschung und -Edition, die mit dem Übergang zur M E G A 2 einen qualitativen Aufschwung erfuhr. Bereits der MEGA-Probeband von 1972 enthielt die textkritische Bearbeitung des „Entwurfs des Kommunistischen Glaubensbekenntnisses". Das „Marx-Engels-Jahrbuch" erscheint seit 1978. Eine gewichtige Klammer für die Zeit von 1970 bis 1985 bildet die Herausgabe der dreibändigen Dokumentenpublikation „Der Bund der Kommunisten" 94 , obwohl ursprünglich ein wesentlich schnellerer Abschluß vorgesehen war. 91 Rüdiger,

Ruth,

Zur Tätigkeit des Bundes der Kommunisten Ende 1850, ebenda, 10,

1968, 1, S. 67-77. 92 Weber, Rolf, Gemeinden des Bundes der Kommunisten in Glauchau und Meerane, in: Sächsische Heimatblätter, 14, 1968, 5, S. 201-205. 93 Derselbe, Der Freiberger Arbeiterverein und das geheime Wirken eines sozialistischen Kerns (1848/1850), in: Beiträge zur Archivwissenschaft und Geschichtsforschung, Weimar 1977. 94 Der Bund der Kommunisten. Dokumente und Materialien, hrsg. v. Institut für Marxismus-

36

Auf dem Aufschwung von 1960 bis 1964 aufbauend, war eine umfassende Dokumentation der Bundesgeschichte in Angriff genommen worden. Während die erste größere Dokumentensammlung für dieses Gebiet in der Sowjetunion soeben erschien, 95 kam es auf Anregung J . P. Kandels bereits zu ersten Arbeitskontakten zwischen den Instituten für Marxismus-Leninismus in Moskau und Berlin, wurden Charakter der geplanten Ausgabe, Kapiteleinteilung und weiteres mehr festgelegt. D e r Fortgang der Arbeiten ergab, daß drei Bände nötig sind. M i t der Arbeit an dieser Ausgabe setzte für das Gebiet der Geschichte des Bundes der Kommunisten eine neue Etappe der deutsch-sowjetischen Zusammenarbeit ein. D i e Manuskripte für Band 1 waren 1967 fertiggestellt, der Band selbst sollte 1969 erscheinen, als E n d e 1968 überraschend die Dokumente des I. Kongresses des Bundes der Kommunisten im Martens-Nachlaß in Hamburg aufgefunden wurden. Ihre Einarbeitung erforderte mancherlei Änderungen und Umstellungen, so daß B d K 1 erst 1970 erscheinen konnte. D e r Band - wie auch die beiden folgenden - faßte nicht nur alle bisher weit verstreuten bzw. überhaupt noch nicht veröffentlichten Bundesdokumente zusammen und bot sie in zuverlässigen Textfassungen, sondern wertete mit einem umfangreichen wissenschaftlichen Apparat auch den erreichten Forschungsstand aus bzw. führte ihn in einigen Fällen selbst weiter. M i t dieser Ausgabe erhielten alle folgenden Dokumentenfunde einen festen Bezugsrahmen. In die Ausgabe noch aufgenommen oder berücksichtigt werden konnten solche neuen Funde wie ein Brief Heinrich Bauers an den Stuttgarter Arbeiterverein mit Angaben über Joseph Molls Emissärreise von Anfang 1849, 9 6 Prospekt und Statut der „Neuen Rheinischen Zeitung" vom Frühjahr 1848 9 7 sowie die vom Kreis K ö l n des Bundes Anfang 1850 hergestellte und verbreitete deutsche Fassung von Tedescos „Katechismus des Proletariers". 9 8 Einige der vom Bund herausgegebenen Flugblätter, die z. T . bis dahin nicht wiederveröffentlicht worden waren, enthielt zudem Obermanns Flugblattsammlung. 99 Leninismus beim Z K d e r S E D / I n s t i t u t für Marxismus-Leninismus beim Z K der Red.

Herwig

Förder/Martin

Hundt/Jefim

Kandel/Sofia

Lewiowa,

Bd.

Berlin 1 9 7 0 ; B d . 2 : 1 8 4 9 - 1 8 5 1 , Berlin 1 9 8 2 ; B d . 3 : 1 8 5 1 - 1 8 5 2 , Berlin 9 5 Sojuz

kommunistov

- predsestvenik

1 lnternacionala.

1:

KPdSU,

1836-1849,

1984.

Sbornik d o k u m e n t o v , M o s k v a 1 9 6 4 .

— E i n e erweiterte, jedoch nur die Z e i t bis zum E n d e der R e v o l u t i o n umfassende auf

BdK,

Bd. 1

fußende

Ausgabe

ist:

Sojuz

kommunistov

1836-1849.

Sbornik

und

doku-

mentov, Moskva 1 9 7 7 . 9 6 Berg,

Hermann

v.,

Ein

unbekanntes

kommunistisches

Dokument

vom

Jahre

1849

aus

L o n d o n , in: B z G , 1 1 , 1 9 6 9 , 3 , S. 4 5 1 - 4 6 0 . 97

Obermann,

Karl/Becker,

Gerhard,

Z u r Genesis der „ N e u e n Rheinischen Z e i t u n g " -

Der

Prospekt und das Statut, ebenda, 1 2 , 1 9 7 0 , 4 , S. 5 7 6 - 5 9 2 . 9 8 Berg,

Hermann

v., D i e deutsche Fassung des „Katechismus des P r o l e t a r i e r s " v o n T e d e s c o ,

i n : Z f G , 1 8 , 1 9 7 0 , 1, S. 7 6 - 8 7 . 9 9 Obermann,

Karl,

Flugblätter

der

Revolution.

Eine

Flugblattsammlung

zur

Geschichte

d e r Revolution v o n 1 8 4 8 / 4 9 in Deutschland, Berlin 1 9 7 0 .

4

Hundt, Bund det Kommunisten

37

In einer ausführlichen Rezension 100 unterstrich Walter Schmidt die wissenschaftliche Bedeutung von B d K 1: „ D i e Gesamtheit der im Umfang recht unterschiedlichen Dokumente ergibt ein in vielen Punkten neues oder zumindest schärfer gezeichnetes Bild von der Bundesgeschichte und korrigiert einige bisher vorherrschende Auffassungen." D i e Ausgabe sei nicht nur geeignet, die innere Entwicklung des Bundes, „sondern auch und vor allem seinen politischen Einfluß und sein Wirken in der breiten, elementaren Arbeiterbewegung und darüber hinaus in der demokratischen Bewegung aufzuhellen. Was in dieser Beziehung an Neuem geboten wird, ist oft überraschend." „Eines der wichtigsten wissenschaftlichen Ergebnisse ist zweifellos die hier vorgelegte Periodisierung der Bundesgeschichte, die in mancher Beziehung neue Akzente setzt." Nicht allein für die Sammlung und Erschließung von Dokumenten, sondern auch für den weiteren Forschungsprozeß ergab die Arbeit an der dreibändigen Publikation wichtige Fortschritte. D a s zeigte sich besonders deutlich am Beitrag Förders über die Reorganisierung des Bundes in den Jahren 1849/50, der die Grundlage für die Gestaltung von K a p . V in B d K 2 darstellte. 1 0 1 D a s theoretisch bedeutsame und immer wieder im Mittelpunkt bürgerlicher Verfälschungsversuche stehende Problem der Verschmelzung von Arbeiterbewegung und Marxismus konnte durch eine eingehende Bearbeitung der programmatischen Entwicklung im Bund einer Klärung nähergebracht werden. Diese 1968 aufgeworfene Problematik 1 0 2 fand in einem der behandelten Punkte sehr schnell Bestätigung und führte zu einem weiteren Diskussionsanstoß durch das Auffinden der Dokumente des I. Bundeskongresses, darunter des „Entwurfs eines Kommunistischen Glaubensbekenntnisses". D i e theoretische Einordnung dieses wichtigen Dokuments erfolgte in einem von Förder und Hundt gemeinsam verfaßten Beitrag. 1 0 3 Durch die neuen Erkenntnisse über den konkreten Ablauf der Programmdiskussion von 1847 rückten aber auch die theoretische Entwicklung im Bund der Gerechten vor der Kontaktaufnahme mit Marx und Engels sowie der längerfristige und keineswegs glatte Prozeß des Zusammenrückens zwischen 1844 und 1847 stärker ins Blickfeld der Historiker. Von ihren Weitling-Forschungen ausgehend, untersuchte Waltraud Seidel-Höppner die programmatisch 100 In: B z G , 12, 1970, 6, S. 1 0 1 1 - 1 0 1 8 . 101 Förder, Herwig, Zu einigen Fragen der Reorganisation des Bundes der Kommunisten nach der Revolution 1848/49, in: Beiträge zur Marx-Engels-Forschung, H. 4, Berlin 1978, S. 2 3 - 6 8 (i. vorlieg. Bd. wiederabgedr.). 102 Hundt, Martin, D i e Programmdiskussion im Bund der Kommunisten, in: Z f G , 16, 1968, 6, S. 7 3 9 - 7 4 5 . - Im vorl. Bd. wiederabgedruckt. 103 Förder, Herwig/Hundt, Martin, Zur Geschichte von Engels' Arbeit „Grundsätze des Kommunismus". Der „Entwurf des kommunistischen Glaubensbekenntnisses" vom Juni 1847, in: B z G , 12, 1970, 1, S. 6 0 - 8 5 ; wiederabgedr. u. d. Titel: „Zur Vorgeschichte des Kommunistischen Manifests. Der Entwurf des .Kommunistischen Glaubensbekenntnisses' vom Juni 1847", in: J f G , Bd. 7, 1972, S. 2 4 3 - 2 7 5 .

38

wichtige Dialektik von propagandistischer Aufklärung und revolutionärer Akti'on10'* und rekonstruierte später auch den ersten Schritt im Ringen um programmatische Klarheit im entstehenden Bund der Gerechten. 105 Anhand eines neuentdeckten Katechismus-Fragments wies Hundt darauf hin, daß die ideologische Entwicklung im Pariser Zentrum des Bundes zwischen 1839 und 1846 nicht vernachlässigt werden darf, und dies schon deshalb nicht, weil sie Hinweise auf eine erste intensive Kontaktaufnahme zwischen dem Bund der Gerechten und dem entstehenden Marxismus im Jahre 1844 vermittelt, 106 die mit den Ergebnissen einer erneuten eingehenden Untersuchung des „Vorwärts!" 1 0 7 völlig übereinstimmten. Der erreichte Wissensstand über die Programmentwicklung von 1836 bis zum „Manifest" wurde in einer Broschüre 108 zusammengefaßt, die angesichts des großen Interesses an der Problematik der Verschmelzung von Arbeiterbewegung und Marxismus weite Verbreitung fand. Eine Rezension hierzu bemerkte: „Indem der Autor den ,Dialog, das bewußte Aneinanderwachsen der sich gegenseitig fordernden Partner, Arbeiterbewegung und Marxismus' als eigentlich bewegendes Moment bei der Entstehung des ersten kommunistischen Parteiprogramms durchgehend sichtbar werden läßt, tritt dieses nicht bloß als theoretisches Dokument entgegen, sondern als echtes Produkt der ersten marxistischen Parteibildung und mithin als ein Werk, das direkt aus dem Ringen der revolutionären Arbeiterbewegung um ihre volle organisatorische, politische und ideologische Selbständigkeit herauswuchs und an dessen Ausarbeitung die entstehende Arbeiterbewegung selbst ihren nicht unbeträchtlichen Anteil hatte. D a m i t aber begegnet der Autor wirkungsvoll allen bürgerlichen Bemühungen, den Marxismus als etwas außerhalb der Arbeiterbewegung Entstandenes und ihr Fremdes und Aufgezwungenes hinzustellen." 109 In gewissem Sinne gehört zur programmatischen Entwicklung des Bundes, als ihr chronologisch letzter Punkt, auch die Taktikdiskussion von 1856, über die 1969 eine Arbeit vorgelegt wurde. 1 1 0 104 Seidel-Höppner,

Waltraud,

Aufklärung und revolutionäre Aktion — ein Grundproblem

im Arbeiterkommunismus und bei Marx, ebenda, B d . 5, 1971, S. 7 - 6 9 . 105 Dieselbe,

D e r erste Versuch eines Programms des Bundes der Gerechten, in: Z f G , 22,

1974, 2, S. 1 7 4 - 1 8 9 . - Im vorl. B d . wiederabgedruckt. 106 Hundt,

Martin,

Programmatische

Bemühungen

im

Bund

der

Gerechten.

Zu

Marx'

Einfluß auf ein neuentdecktes Katechismus-Fragment von 1 8 4 4 / 1 8 4 5 . Hermann E w e r beck: Kommunistischer Katechismus (Fragment), in: Marx-Engels-Jahrbuch, B d . 2, Berlin 1979, S. 3 1 1 - 3 3 8 . 107 Schmidt, Walter, 108 Hundt,

Martin, Berlin 1985.

Einleitung zum Reprint des „ V o r w ä r t s ! " , Leipzig 1975. Wie das „ M a n i f e s t " entstand, Berlin 1 9 7 3 ; 2., Überarb. u. erw. A u f l .

109 I n : B z G , 15, 1973, 6, S. 1057. 110 Hundt,

Martin,

Zur Kontinuität der deutschen Arbeiterbewegung vom Bund der K o m -

munisten zur Eisenacher Partei. D i e Taktikdiskussion von 1856, ebenda, 11, 1969, 4, S. 6 0 3 - 6 1 9 . 4*

39

Einen ausbaufähigen Ansatz zur Wirkungsgeschichte der „Neuen Rheinischen Zeitung" bot eine Arbeit von Peters über Erfurt. 111 Für Leipzig wies Weber derartige Einflüsse nach. Seine Monographie über die Revolution in Sachsen 112 enthielt aber darüber hinaus eine ganze Reihe von Bezugspunkten zur Tätigkeit des Bundes der Kommunisten, wobei jedoch die Person Emil Wellers vielleicht etwas zu sehr im Vordergrund stand. Von allgemeiner Bedeutung für die Geschichte des Bundes, für die Formen seines Wirkens während der Revolution war aber die Darstellung solcher Organisationen in Leipzig wie des Republikanischen Zeitungsklubs, des Demokratischen Vereins und des Sozialistischen Klubs. Prägend auf die Umgestaltung des Bundes der Gerechten zum Bund der Kommunisten wirkten sich die Parteiauffassungen von Marx und Engels aus, die gerade durch ihre Tätigkeit im Bund entscheidende Impulse und selbst ihre grundlegende Form erhielten. Diese auch für die Bundesgeschichte entscheidende Dialektik wurde erstmals monographisch in einer Studie von Bartel und W. Schmidt dargestellt, 113 wobei allerdings der selbständige Beitrag der Arbeiterbewegung noch zu kurz kam. Seit 1970 gibt es einen deutlichen Fortschritt in der Biographik der Bundesmitglieder. Ein biographisches Lexikon der deutschen Arbeiterbewegung 114 enthielt Kurzbiographien von fast 40 Bundesmitgliedern, ein Sammelband 115 biographische Studien über Marx, Engels, Wilhelm Wolff, Freiligrath, Kugelmann, Schapper, Weller und Polentz mit z. T. ausführlichem neuem Quellenmaterial. Über Ewerbeck, Wilhelm Liebknecht und Heinrich Bauer wurden ebenfalls Kurzbiographien vorgelegt. 116 Im Verlaufe eines kontinuierlichen Ausbaus der Bundeshistoriographie kam man Anfang der siebziger Jahre zu neuen Erkenntnissen hinsichtlich propagandistischer Wirksamkeit des Bundes in Deutschland nach der Revolution von 1 1 1 Peters,

Herbert,

K a r l Marx, die Neue Rheinische Zeitung und Erfurt in der Revo-

lution von 1848/49, in: Beiträge zur Geschichte Thüringens, Bd. 2, Erfurt 1 9 7 0 , S. 1 3 2 bis 1 4 7 . 1 1 2 Weber,

Rolf,

Die Revolution in Sachsen 1848/49. Entwicklungen und Analyse ihrer

Triebkräfte, Berlin 1 9 7 0 . 1 1 3 Bartel,

HorstlSchmidt,

Walter,

Zur

Entwicklung

der

Auffassungen von

Engels über die proletarische Partei, in: Marxismus und deutsche

Marx

und

Arbeiterbewegung.

Studien zur sozialistischen Bewegung im letzten Drittel des 1 9 . Jh., Berlin 1 9 7 0 , S. 7 bis 1 0 1 . 1 1 4 Geschichte 1 1 5 Männer

der

deutschen

der Revolution

Arbeiterbewegung. von

1848,

Biographisches

Lexikon,

Berlin

1970.

hrsg. v. Arbeitskreis Vorgeschichte und Geschichte

der Revolution von 1848/49, Berlin 1 9 7 0 . 116

Zmarzly,

Manfred,

Einer der Führer des „Bundes der Gerechten". Hermann Ewerbeck,

in: BzG, 1 2 , 1 9 7 0 , 4, S. 6 4 1 - 6 4 5 . - Adamy,

Kurt,

Ein Soldat der Revolution. Wilhelm

Liebknecht, ebenda, 1 3 , 1 9 7 1 , 5, S. 8 1 2 - 8 2 2 . - Hundt,

Martin,

Einer der ersten prole-

tarischen Revolutionäre. Heinrich Bauer, ebenda, 14, 1 9 7 2 , 4, S. 6 3 8 - 6 5 0 .

40

1 8 4 8 / 4 9 , 1 1 7 w u r d e die H a l t u n g des B u n d e s zu den verschiedenen d e r Revolutionszeit Auf

den

von

untersucht 1 1 8 und d i e W e i t l i n g - F o r s c h u n g

Förder

gewiesenen

Untersuchungsrichtungen

Parlamenten

-weitergeführt. 1 1 9

gingen

W i n k l e r mit ihrem B u c h über die kommunistische P o l i t i k in d e r

Strey

und

Revolution120

und H u n d t mit einer ersten G e s c h i c h t e der Stuttgarter B u n d e s g e m e i n d e 1 2 1 w e i t e r . D e r 125. Jahrestag

des „Manifests" und d e r R e v o l u t i o n v o n 1 8 4 8

erbrachte

für die E r f o r s c h u n g d e r Bundesgeschichte eine reiche E r n t e . N e b e n der e r w ä h n ten Entstehungsgeschichte des „Manifests" w u r d e n auch die W i r k u n g s g e s c h i c h t e dieses D o k u m e n t s in d e r deutschen A r b e i t e r b e w e g u n g 1 2 2

und seine B e d e u t u n g

für die Durchsetzung des demokratischen Zentralismus im B u n d d e r nisten untersucht. 1 2 3 A u ß e r d e m

ging

man

der Ü b e r l i e f e r u n g

Kommu-

einzelner

Exem-

p l a r e n a c h . 1 2 4 I m M a i 1 9 7 3 w a r die X X I . T a g u n g d e r K o m m i s s i o n d e r H i s t o r i ker d e r D D R und d e r U d S S R d e m J a h r e s t a g beider E r e i g n i s s e g e w i d m e t .

Der

P r o t o k o l l b a n d dieser T a g u n g 1 2 0 enthält u. a. B e i t r ä g e über die R o l l e des „ M a n i fests" in d e r deutschen A r b e i t e r b e w e g u n g 1 2 6 und über die A r b e i t des B u n d e s in D e u t s c h l a n d mit diesem P r o g r a m m d o k u m e n t nach d e r R e v o l u t i o n . 1 2 7 Z u m J a h -

117 Berg, Hermann v., Die „Deutsche Volkshalle" von 1851. Zur theoretisch-ideologischen Wirksamkeit des Bundes der Kommunisten in Norddeutschland nach der Niederschlagung der Revolution von 1848/49, in: ZfG, 19, 1971, 3, S. 3 5 2 - 3 6 8 . Obermann, Karl, Zu den Propaganda- und Flugblattaktionen des Bundes der Kommunisten in Deutschland 1850/51, in: BzG, 13, 1971, 5, S. 7 8 5 - 7 9 8 . Im vorl. Bd. wiederabgedruckt. 118 Seeber, Gustav, Die Kommunisten und der Parlamentarismus 1847 bis 1852, in: W Z der Univ. Jena, 1972, 2. 119 Seidel-Höppner, Waltraud, Weitlings Vorstellungen von der kommunistischen Zukunft der Menschheit, in: J f G , Bd. 7, 1972, S. 5 3 - 9 6 . 120 Strey, JoachimjWinkler, Gerhard, Marx und Engels 1848/49. Die Politik und Taktik der „Neuen Rheinischen Zeitung" während der bürgerlich-demokratischen Revolution in Deutschland, Berlin 1972. 121 Hundt, Martin, Zur Frühgeschichte der revolutionären Arbeiterbewegung in Stuttgart, in: J f G , Bd. 7, 1972, S. 2 7 7 - 3 3 0 . 122 Dlubek, Rolf/Nagl, Editha/Werchan, Inge, Ein unversiegbarer Kraftquell der Arbeiterklasse. Zur Wirkungsgeschichte des Kommunistischen Manifests in der deutschen Arbeiterbewegung, in: BzG, 15, 1973, 2, S. 1 9 7 - 2 2 8 . 123 Schmidt, Walter, „Manifest der Kommunistischen Partei" und Statuten des Bundes der Kommunisten. Zur Grundlegung des demokratischen Zentralismus als Prinzip revolutionärer Parteiorganisation, ebenda, 15, 1973, 3, S. 4 0 3 - 4 1 5 . 124 Groß, Rainer, Dokumente aus der Geschichte des Bundes der Kommunisten. Bemerkungen zur Überlieferung im Staatsarchiv Dresden, in: Archivmitteilungen, 23, 1973, 2. 125 125 Jahre Kommunistisches Manifest und bürgerlich-demokratische Referate und Diskussionsbeiträge, Berlin 1975.

Revolution

1848/49.

126 Dlubek, Rolf, Das Kommunistische Manifest in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, ebenda, S. 2 3 - 4 1 . 127 Hundt, Martin, Das Kommunistische Manifest und die Tätigkeit des Bundes der Kommunisten nach der Revolution von 1848/49, ebenda, S. 1 3 1 - 1 3 8 . 41

restag erschien auch eine Gesamtgeschichte der Revolution. 1 2 8 Militärische Aspekte der Revolutionskämpfe mit einzelnen Bezügen auf die Tätigkeit von Bundesmitgliedern deckten Helmert und Obermann auf. 1 2 9 Nachdem Berg 1 3 0 , W e b e r 1 3 1 , W . Schmidt und Wernicke in verschiedenen A r beiten auf die Notwendigkeit einer neuen, souveränen Darstellung der A r b e i terverbrüderung innerhalb des Gesamtprozesses der Emanzipation der Arbeiterklasse aufmerksam gemacht hatten, stellte der im vorliegenden Band wiederabgedruckte Artikel Gerhard Beckers „Stephan Born als Korrespondent der ,Neuen Rheinischen Zeitung' " 1 3 2 einen sichtbaren Durchbruch dar. Durch einen Reprint der „Verbrüderung" 1 3 3 sowie eine ausgewogene Untersuchung der historischen Rolle dieses Blattes 1 3 4 konnte er noch ausgebaut werden. Horst Schlechte beendete 1 9 7 9 in vorbildlicher Weise die Erschließung der Dokumente der Arbeiterverbrüderung. 1 3 i > D i e Tatsache des ganz entscheidenden Einflusses, den Mitglieder des Bundes der Kommunisten in der Entwicklung der Arbeiterverbrüderung zu jeder Zeit ausübten, w a r bewiesen worden. 1 3 6 Mitte der siebziger Jahre wurden einige neue Dokumente über das W i r k e n des Bundesmitglieds K a r l M a r x in der Revolution erschlossen 137 und Fortschritte 128 Illustrierte Geschichte der deutschen Revolution 1848/49. Autorenkollektiv: Walter Schmidt (Leiter), Gerhard Becker, Helmut Bleiber, Rolf Dlubek, Siegfried Schmidt, Rolf Weber, Berlin 1973. 129 Helmert, Heinz, Die Kommunisten und die Volksbewaffnung in der Revolution von 1848/49, in: 125 Jahre Kommunistisches Manifest, S. 147-154; derselbe, Bewaffnete Kämpfe und militärische Fragen der revolutionären Arbeiterbewegung bis zur Gründung des „Bundes der Kommunisten", in: Evolution und Revolution in der Weltgeschichte, Bd. 2, Berlin 1976, S. 697—715. - Obermann, Karl, Zur Zusammensetzung einiger Freischaren in der Revolution von 1848/49, in: JfW, 1973, 4, S. 125-145. 130 Berg, Hermann v., Entstehung und Tätigkeit der Norddeutschen Arbeitervereinigung als Regionalorganisation der Deutschen Arbeiterverbrüderung nach der Niederschlagung der Revolution von 1848/49, phil. Diss. Berlin 1970. 131 Weber, Die Revolution in Sachsen. 132 In: ZfG, 21, 1973, 5, S. 548-585. 133 Die Verbrüderung. Correspondenzblatt aller deutschen Arbeiter, Leipzig 1848-1850, Einltg. v. Rolf Weber, Leipzig 1975. 134 Weber, R o l f , „Die Verbrüderung" - ihre Rolle in der elementaren Arbeiterbewegung, in: Evolution und Revolution in der Weltgeschichte, Bd. 2, Berlin 1976, S. 435-456. 135 Die Allgemeine Deutsche Arbeiterverbrüderung 1848-1850. Dokumente des Zentralkomitees für die deutschen Arbeiter in Leipzig, bearb. u. eingel. v. Horst Schlechte, Weimar 1979. 136 Schlechte überzeichnete diesen Einfluß sogar an einigen wenigen Punkten. Siehe die Rez. von Schmidt, Walter, in: ZfG, 28, 1980, 6, S. 578-580, und von Hundt, Martin, in: BzG, 22, 1980, 3, S. 459-461. Dort wurden auch weitere Forschungsaufgaben formuliert. 137 Becker, Gerhard, Neue Dokumente von Karl Marx aus dem Jahre 1848. Die beschlagnahmten Papiere des Emissärs Karl Bruhn, in: ZfG, 22, 1974, 4, S. 423-442; derselbe, Die gerichtliche Untersuchung gegen Karl Marx und die „Neue Rheinische Zeitung" im Herbst 1848. Dokumente über die Anklage wegen Verleumdung von Abgeordneten der deutschen Nationalversammlung, ebenda, 23, 1975, 9, S. 1041-1057. 42

in der Erforschung der Biographien solcher Bundesmitglieder wie Louis Kugelmann, Friedrich Leßner und Wilhelm Liebknecht erzielt. Sie alle spielten noch bis zum E n d e des 19. Jh. eine Rolle in der revolutionären Arbeiterbewegung. 1 3 8 Die Kugelmann-Biographie enthielt Hinweise auf die Bundesgemeinden in Bonn und Göttingen sowie auf die Tätigkeit solcher Bundesmitglieder wie Johannes Miquel, Abraham Jacobi und Heinrich Meier. Mit dem noch zu wenig erforschten internationalen Vergleich der

Organisa-

tionsformen der frühen revolutionären Arbeiterbewegung begannen Becker und W . Schmidt für die Zeit der Revolution, 1 3 9 während Waltraud Seidel-Höppner „Kommunistische Strömungen am Vorabend der Februarrevolution" 1 4 0 und Winkler das Entstehen kommunistischer Vergleich

Organisationsprinzipien

untersuchten. 141 Ungeachtet

sehr viel zu

im internationalen

dessen bleibt auf diesem

Gebiet

tun. E i n e Anregung hierfür lieferte erst jüngst wieder

noch

Walter

Schmidt. 1 4 2 Angesichts der fließenden Grenzen zwischen dem Bund der Geächteten und dem Bund der Gerechten besonders in den lokalen Gruppen in Deutschland w a r die Erforschung des ehemaligen Stützpunktes in Schleiz durch einen dort tätigen Lehrer von größtem Interesse. 1 4 3 Seit 1976 veröffentlicht Zwahr Forschungsergebnisse über den vielgestaltigen Konstituierungsprozeß der deutschen Arbeiterklasse, 14/! die von großer theoreti138 Hundt, Martin, Louis Kugelmann. Eine Biographie des Arztes und Freundes von Karl Marx und Friedrich Engels, Berlin 1974. - Tetzlaff, Karl-UlrichFriedrich Leßner. Ein Kampfgefährte von Karl Marx und Friedrich Engels. Aus Anlaß seines 150. Geburtstages, Weimar 1975. - Leßner, Friedrich, Ich brachte das „Kommunistische Manifest" zum Drucker, Berlin 1975. - Wilhelm Liebknecht. Erinnerungen eines Soldaten der Revolution, Zusammengest. u. eingel. v. Heinrich Gemkow, Berlin 1976. 139 Becker, Gerhard, Die Arbeiter in der französischen und der deutschen Revolution. Gemeinsamkeiten und Unterschiede, in: WZ der Univ. Rostock, 1974, 8. - Schmidt, Walter, Linke und äußerste Linke in der deutschen bürgerlich-demokratischen Revolution von 1848/49. Zum Verhältnis von kleinbürgerlicher Demokratie, elementarer Arbeiterbewegung und kommunistischer Vorhut, in: Rolle und Formen der Volksbewegung im bürgerlichen Revolutionszyklus, Berlin 1976, S. 169-175. 140 Ebenda, S. 134-168. 141 Winkler, Gerhard, Zur Entstehung kommunistischer Organisationsprinzipien und Parteinormen, in: Marx-Engels-Jahrbuch, Bd. 4, Berlin 1981, S. 77-112. 142 Einige Anregungen zum weiteren Nachdenken gab Schmidt, Walter, Nationales und Internationales im Bund der Kommunisten, in: ZfG, 34, 1986, 2, S. 223-238. 143 Wächter, Günter, Auf den Spuren einer Geheimorganisation. Zur Vorgeschichte des Schleizer Stützpunktes des „Bundes der Geächteten", Schleiz 1976 ( = Beiträge zur Geschichte der örtlichen Arbeiterbewegung des Kreises Schleiz, 4); derselbe, Auf den Spuren einer Geheimorganisation, T. 2: Das Wirken des Schleizer Stützpunktes des „Bundes der Geächteten", Schleiz 1980 ( = ebenda, 9). 144 Zwahr, Bartmut, Zur Strukturanalyse der sich konstituierenden deutschen Arbeiterklasse, in: BzG, 18, 1976, 4, S. 605-628; derselbe, Bourgeoisie und Proletariat am Beginn der

43

scher und praktischer Bedeutung für die Geschichte des Bundes der Kommunisten sind. Auf die allgemeine Bedeutung derartiger Forschungen wies auch Engelberg auf dem VI. Historikerkongreß der D D R nochmals eindringlich hin. 1 ® Zwahrs Buch über das Leipziger Proletariat 140 war Beispiel und Vorbild für ähnliche Untersuchungen, denen die Bundesgeschichtsforschung für alle Städte, in denen Gemeinden bestanden haben, mit großem Interesse entgegensieht. Ein erster Versuch, solche Forschungen auf die engere Historiographie des Bundes anzuwenden, liegt bereits vor. 147 Die Zusammenarbeit mit sowjetischen Spezialisten spielte seit Beginn der siebziger Jahre eine bedeutende Rolle bei der Arbeit an BdK 2 und BdK 3, der M E G A 2 sowie beim Marx-Engels-Jahrbuch - ausnahmslos Gemeinschaftsausgaben der Institute für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der KPdSU in Moskau und beim Zentralkomitee der SED in Berlin. Besondere Verdienste hierbei erwarb sich die 1981 verstorbene Sofia Leviova, aus deren Buch „Marks v germanskoj revoljucii 1848-1849 godov" 148 das wichtige Kapitel „Die Redaktionsarbeit der ,Neuen Rheinischen Zeitung' " auch in deutscher Übersetzung erschien. 149 Von Wichtigkeit für weitere Forschungen in der D D R zur Geschichte des Bundes der Kommunisten waren auch Arbeiten solcher Mitarbeiter des I M L Moskau wie Lev Golman, Tamara Artemjeva, Valeria Kunina und Velta Pospelova. Ergebnisse langjähriger Forschungen über Friedrich Leßner legte auch Irma Sinelnikova in einer Biographie nieder, deren deutsche Übersetzung 150 eine erweiterte Fassung der russischen Ausgabe ist. In den letzten Jahren traten mit Beiträgen zur Bundesgeschichte Jakov Rokitjanski, Galina Golowina

bürgerlichen Umwälzung in Sachsen. D i e Septemberereignisse von 1 8 3 0 und die A n fänge der deutschen Arbeiterbewegung, in: Z f G , 25, 1 9 7 7 , 6, S. 6 5 6 - 6 7 5 ;

derselbe,

Zur Konstituierung des Proletariats als Klasse. Strukturuntersuchung über das Leipziger Proletariat während der industriellen Revolution, Berlin 1 9 7 8 . -

Die

Konstituierung

der deutschen Arbeiterklasse von den dreißiger bis zu den siebziger Jahren des 1 9 . Jh., hrsg. v. Hartmut Zwahr, Berlin schaft, 1). - Zwahr,

Hartmut,

1981

(=

Studienbibliothek

DDR-Geschichtswissen-

Die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands im stadial-

regionalen Vergleich ( 1 8 7 5 ) . Resümee, in: Wiss. Beiträge der Karl-Marx-Univ. Leipzig, R. Gesellschaftswiss. D e r Konstituierungsprozeß der sozialistischen Arbeiterbewegung in Deutschland und Österreich, Leipzig 1 9 8 4 . 1 4 5 Engelberg,

Ernst,

Zur Forschung über Entstehung, Struktur und Entwicklung des Prole-

tariats, i n : B z G , 20, 1 9 7 8 , 3, S. 3 6 2 - 3 6 8 . 1 4 6 Zwahr, Zur Konstituierung des Proletariats als Klasse. 1 4 7 Hundt,

Martin,

Instinktive und bewußte Antizipation. Zur Rolle des Industrieproletariats

im Bund der Kommunisten, in: BzG, 27, 1 9 8 5 , 6, S. 7 7 4 - 7 7 8 . 1 4 8 Moskau 1 9 7 0 . - Rez. in ebenda, 13, 1 9 7 1 , 6, S. 1 0 2 9 f. 1 4 9 In: J f G , Bd. 8, 1 9 7 3 , S. 4 9 - 9 0 . 1 5 0 Sinelnikowa,

Irma,

Friedrich Leßner. Eine Biographie des Kommunisten und Freundes

von K a r l Marx und Friedrich Engels. Aus dem Russ. übers, v. Irina Hundt, Berlin 1980.

44

und Galina Boldenkova hervor. Einige dieser Arbeiten liegen nur in deutscher Sprache vor, 1 5 1 was die vertiefte Zusammenarbeit zusätzlich unterstreicht. Deutlichster Ausdruck dieser wachsenden Kooperation ist zweifellos die Herausgabe der M E G A 2 . W i e die kontinuierliche Edition der Werke von Marx und Engels nach 1945 den Beginn einer Forschung über den Bund der Kommunisten in der D D R ermöglichte und wie später die 40 „blauen B ä n d e " der M E W den Aufschwung der sechziger Jahre mittrugen, so eröffnete auch die 1975 begonnene neue historisch-kritische Ausgabe der W e r k e von Marx und Engels neue große Perspektiven für die Erforschung der Bundesgeschichte. In nicht wenigen Fällen bleiben - darin über frühere Editionen prinzipiell hinausgehend - die Textdarbietung und Kommentierung der Schriften von Marx und Engels (sowie der ihrer Kampfgefährten, sofern Marx und Engels an ihnen nachweisbar mitarbeiteten) aufgrund der anspruchsvollen Editionsprinzipien der M E G A 2 nur denkbar, wenn zugleich neue Ergebnisse zur Entstehungs- und Wirkungsgeschichte erarbeitet werden. Für das Gebiet des Bundes der Kommunisten zeigte sich dies mit aller Deutlichkeit beim Erscheinen des Bandes I/10, 152 der wesentlich weitergehende E r kenntnisse über die Märzansprache von 1850 (darunter nicht zuletzt über Bauers Emissärreise zu deren Verbeitung) und den Blanqui-Toast, über die „Neue Rheinische Zeitung. Politisch-ökonomische Revue" sowie über die Mitarbeit von Marx, Engels und anderen Bundesmitgliedern an der chartistischen Presse enthält. Ähnliches gilt für die Bände 1/2, 1/3, I / l l 1 5 3 und 1/12, die neues Material über Marx* und Engels' Mitarbeit am „Vorwärts!", an verschiedenen Chartistenblättern, an der von Weydemeyer in New Y o r k herausgegebenen „Revolution" sowie anderen deutsch-amerikanischen Blättern bringen. 154 Dadurch ent151 Siehe u. a.: Lewiowa,

Sofia, Der Bund der Kommunisten - eine Etappe des Kampfes

von Marx und Engels für die proletarische Partei, in: Berlin 1980, S. 4 7 - 8 4 . -

Golowina,

1 8 4 5 / 1 8 4 6 , ebenda, S. 2 6 0 - 2 7 4 . -

Galina,

Marx-EngelsrJ ahrbuch, Bd. 3,

Das Projekt der Vierteljahrsschrift von

Rokitjanski,

Jakow,

Der Kampf der Leitung des

Bundes der Kommunisten gegen die Schaffung einer deutschen Legion in Paris, in: BzG, 17, 1975, 3, S. 4 6 8 - 4 8 8 ; derselbe,

Engels' Notizen in Georg Adlers Buch „Die

Geschichte der ersten Sozialpolitischen Arbeiterbewegung in Deutschland", in: MarxEngels-Jahrbuch, Bd. 2, Berlin 1979, S. 3 3 9 - 3 6 8 ; derselbe,

Zum Rundschreiben des

II. Kongresses des Bundes der Kommunisten, in: BzG, 24, 1982, 3, S. 3 7 7 - 3 8 6 ; selbe,

der-

Neue Materialien über das Wirken Wilhelm Weitlings und Karl Schappers in

London 1846, in: ZfG, 31, 1983, 9, S. 7 2 0 - 7 2 9 . 152 M E G A 2 , 1 / 1 0 : Werke, Artikel, Entwürfe. Juli 1849 bis Juni 1851, Berlin 1977. 153 Im Zusammenhang mit der Erarbeitung dieses Bandes entstand die Dissertation von Donner,

Ingrid,

Karl Marx und der Kölner Kommunistenprozeß 1852, Berlin 1980.

Siehe auch dieselbe,

-

Der Anteil von Karl Marx und Friedrich Engels an der Verteidigung

im Kölner Kommunistenprozeß 1852, in: Marx-Engels-Jahrbuch, Bd. 4,

Berlin

1981,

S. 3 0 6 - 3 4 4 . 154 Dieselbe,

Unbekannte Beiträge von Marx und Engels in der „New-Yorker Staats-Zei-

tung" im Jahre 1850, in: BzG, 23, 1981, 3, S. 3 7 4 - 3 8 6 .

45

stand das Bild einer außerordentlich kollektiven journalistischen Arbeitsweise als einer der wesentlichen Formen der Bundestätigkeit, in die Marx und Engels auf mannigfache Weise Bundesmitglieder wie Eccarius, Jones, Weydemeyer, Cluß, Pieper und andere einbezogen. Aus der damit verbundenen Forschungsarbeit gingen auch einige selbständige Publikationen hervor, die die erwähnte journalistische Tätigkeit erst in vollem Umfang in die Bundesgemeinde einzuordnen halfen.155 Von größter Bedeutung für die Erforschung der Bundesgeschichte ist auch die vollständige Wiedergabe aller an Marx und Engels gerichteten Briefe in der III. Abteilung der MEGA 2 , da Bundesmitglieder zu ihren aktivsten Korrespondenzpartnern gehörten. Inzwischen liegen fast alle Bände aus der Zeit des Bundes vor. 156 Die Arbeit an ihnen ging ebenfalls mit neuen Nachforschungen einher. 13 ' Wichtig ist vor allem die erstmalige Veröffentlichung der über einhundert überlieferten Briefe an die Redaktion der „Neuen Rheinischen Zeitung". Auch andere Arbeiten über dieses wichtigste Blatt, das aus der Tätigkeit des Bundes hervorging, bereiten die Edition von Marx' und Engels' Artikeln aus der „Neuen Rheinischen Zeitung" in den künftigen MEGA 2 -Bänden 1/7 bis 1/9 vor. 158 Ergebnisse weitergehender Forschungen über die Strategie und Taktik des 155 Hundt, Martin, Zur Geschichte der „Neuen Rheinischen Zeitung. Politisch-ökonomische Revue", in: Marx-Engels-Jahrbuch, Bd. 1, Berlin 1978, S. 259-288. - Neue Rheinische Zeitung. Politisch-ökonomische Revue (1850), hrsg. v. Karl Marx u. Friedrich Engels. Mit einer Einl. u. einem Verz. von Druck- und Sachfehlern v. Martin Hundt, Leipzig 1982. - Bochinski, Hans-Jürgen, Marx' Mitarbeit an der chartistischen Zeitung „The People's Paper" im Jahre 1853, in: Marx-Engels-Jahrbuch, Bd. 3, Berlin 1980, S. 165-195. - Hundt, Irina, Zum Projekt der „Neuen Zeitschrift" von 1851, in: Beiträge zur Marx-Engels-Forschung, H. 7, Berlin 1980, S. 95-102. - Emmrich, Ute, Marx und Engels und die New Yorker „Reform" von 1853, in: Marx-Engels-Jahrbuch, Bd. 5, Berlin 1982, S. 257-293. - Hundt, Martin, Die New Yorker „Revolution" von 1852, ebenda, Bd. 7, Berlin 1984, S. 226-253. - Neunübel, Ingolf, Marx' und Engels' Einfluß auf Ecnest Jones' Chartistenblätter „Notes to the People" und „The People's Paper" (1851/1852), ebenda, Bd. 8, Berlin 1985, S. 153-187. 156 Die MEGA 2 -Bände III/l bis III'4 erfassen die Zeit bis Dezember 1851. 157 Hundt, Martin, Drei unbekannte Marx-Briefe aus den Jahren 1851 bis 1852, in: BzG, 20, 1978, 3, S. 369-373. 158 Nagl, Editha, Die „Neue Rheinische Zeitung" über die Tätigkeit des österreichischen Reichstags von Juli bis September 1848, in: ZfG, 28, 1980, 12, S. 1 1 4 8 - 1 1 6 0 ; dieselbe, Die Revolution 1848/49 in Österreich im Spiegel der „Neuen Rheinischen Zeitung", phil. Diss. Berlin 1982. - Peters, Herbert, Die Wirkung der „Neuen Rheinischen Zeitung" auf die demokratische Presse der preußischen Provinz Sachsen 1848/49, in: MarxEngels-Jahrbuch, Bd. 7, Berlin 1984, S. 106-140. - Z. Zt. wird an Dissertationen über die „Neue Rheinische Zeitung" und Ungarn, die Problematik Schleswig-Holsteins in der Zeitung sowie über ihren Einfluß auf verschiedene demokratische Blätter in Deutschland gearbeitet.

46

Bundes wurden in Artikeln über dessen Bündnispolitik gegenüber den Bauern, 1 5 9 über die Bildungspolitik, 1 6 0 die Gesundheitspolitik, 1 6 1 v o r allem aber in einem posthum veröffentlichten, im vorliegenden Band wiederabgedruckten Beitrag Förders über die Reorganisierung des Bundes in den Jahren 1849/50 dargelegt. Eng mit der Politik und Ideologie des Bundes der Kommunisten verbunden sind einige Fragen, die Engelberg unter geschichtsmethodologischen Aspekten behandelte, so vor allem das Verhältnis von kapitalistischer Entwicklung, bürgerlichen Freiheiten und sozialistischem Ziel. 1 6 2 In den letzten Jahren gab es - mit Ausnahme Berlins 1 6 3 - keinen durchgreifenden Fortschritt bei der Erforschung einzelner Bundesgemeinden. Weitaus positiver gestaltet sich die Situation dagegen bei den Biographien. Das MarxEngels-Jahrbuch, Band 3, enthielt gleich drei; 1 6 4 in einer Dissertation w u r d e die Wirksamkeit Ernst Dronkes bis zum Ende der Revolution erforscht, 1 6 5 und von großem biographischem W e r t w a r auch die Veröffentlichung von Jacobis „Memoiren aus preußischen Gefängnissen". 1 6 6 W . Schmidt ließ seiner großen W i l helm-Wolff-Biographie eine Darstellung von Leben und W e r k Ferdinand W o l f i s

159 Schmidt, Walter, Kommunisten, Arbeiterklasse und Bauern in der Revolution von 1848/49, in: Der deutsche Bauernkrieg 1524/25, Berlin 1977, S. 349-360. 160 Schenk, Johannes, Bildungspolitische Positionen und Aktivitäten des Bundes der Kommunisten (1836-1852), in: Jahrbuch für Erziehungs- und Schulgeschichte, Bd. 23, Berlin 1983, S. 62-77. 161 Karbe, Karl-Heinz, Der Gesundheitspflegeverein der Arbeiterverbrüderung - nur eine „Krankenkasse"?, in: BzG, 26, 1984, 2, S. 220-228. 162 Engelberg, Ernst, Theorie und Praxis des Formationswechsels (1846 bis 1852), in: Formationstheorie und Geschichte. Studien zur historischen Untersuchung von Gesellschaftsformationen im Werk von Marx, Engels und Lenin, hrsg. v. Ernst Engelberg u. Wolfgang Küttler, Berlin 1978, S. 91-153. 163 Wernicke, Kurt, Geschichte der revolutionären Berliner Arbeiterbewegung 1830-1849, hrsg. v. d. Bezirksleitung Berlin der SED, Berlin 1978 ( = Sonderreihe Geschichte der revolutionären Berliner Arbeiterbewegung von den Anfängen bis zur Gegenwart). Der vorl. Bd. enthält aus dieser Arbeit einen kleinen Auszug zu der in der Forschung nach wie vor umstrittenen Frage der Moll-Mission. 164 Pospelowa, Welta, Adolf Cluß - ein Mitglied des Bundes der Kommunisten und Kampfgefährte von Marx und Engels, in: Marx-Engels-Jahrbuch, Bd. 3, Berlin 1980, S. 85-120. - Hundt, Martin, Carl Reese - ein Mitglied des Bundes der Kommunisten, ebenda, S. 121-141. - Kiehnbaum, Erhard, Peter Imandt - Freund und Kampfgefährte von Marx und Engels, ebenda, S. 142-163. 165 Hundt, Irina, Ernst Dronke - ein Freund und Kampfgefährte von Marx und Engels. Seine biographische Entwicklung bis zur Niederlage der Revolution von 1848/49, phil. Diss. Berlin 1982; dieselbe, Dronke contra Proudhon, in: Marx-Engels-Jahrbuch, Bd. 9, Berlin 1986, S. 327-349. 166 T e t z l a f f , Karl-Ulrich, Erinnerungen von Abraham Jacobi - Angeklagter im Kölner Kommunistenprozeß 1852, in: Marx-Engels-Jahrbuch, Bd. 5, Berlin 1982, S. 359 bis 382. 47

folgen. 167 Erschienen sind ferner Skizzen über Germain Metternich 163 und Friedrich Wilhelm Kollbeck 169 sowie eine mit spürbarer Anteilnahme geschriebene Biographie August Bernigaus, 170 der dem Bund zumindest sehr nahe gestanden hat und zusammen mit dem Bundesmitglied Jansen aus Köln in Rastatt erschossen worden ist. Im Druck befindet sich des weiteren ein zweiter Band „Männer der Revolution von 1848", und gearbeitet wird an Biographien und Teilbiographien von Georg Eccarius, Ludwig Stechan, Emil Weiler und anderen. Eine anregende Darstellung des Zusammenhangs von Teilnahme am praktischen politischen Kampf der revolutionären Arbeiterbewegung - darunter des Bundes der Kommunisten - und dem Aufwerfen bestimmter theoretischer Fragen bietet eine Monographie über die Entwicklung der marxistischen Auffassungen von der sozialistischen und kommunistischen Gesellschaft. 171 Erste Fortschritte durch ähnliche, wenn auch nicht so umfassende Querschnittsuntersuchungen gab es zur Entwicklung der Revolutionstheorie von Marx und Engels sowie ihres Kernstücks, der Parteiauffassungen. 172 Nach längerer Unterbrechung wurde die Problematik des Klassencharakters des Bundes der Geächteten sowie der Rolle Theodor Schusters durch Meiser wieder aufgeworfen 173 und zugleich in einem Arbeitskreis des VII. Historikerkongresses der D D R debattiert. Diese Diskussion ist keineswegs abgeschlossen. Sie steht auch im Zusammenhang mit einer gründlichen Erforschung der Pariser Bundesgemeinden in den vierziger Jahren. 174 Ernsthafter Erörterungen wert ist, 167 Schmidt,

Walter,

Redakteur und

Korrespondent

der

„Neuen

Ferdinand W o l f f , in: BzG, 25, 1983, 2, S. 2 6 2 - 2 7 2 ; derselbe,

Rheinischen

Zeitung".

Ferdinand W o l f f . Zur

Biographie eines kommunistischen Journalisten an der Seite von Marx und Engels 1848/49, Berlin 1983 ( =

Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften der D D R ,

Gesell-

schaftswiss., 3 G). 168 Hundt,

Martin,

Ein Hambacher im Bund der

Kommunisten, in: BzG, 24, 1982,

6,

S. 8 8 9 - 8 9 3 . 169 Kranke,

Kurt,

Zur Wirksamkeit eines Mitglieds der Dresdner Gemeinde

des Bundes

der Kommunisten, in: Sächsische Heimatblätter, 29, 1983, 5. 170 Barthel,

Rolf,

August Bernigau aus Mühlhausen - Soldat der badisch-pfälzischen Revo-

lutionsarmee von 1849, Mühlhausen 1983. 171 Dlubek,

RolffMerkel,

Renate,

Marx und Engels über die sozialistische und kommuni-

stische Gesellschaft. D i e Entwicklung der marxistischen Lehre von der kommunistischen Umgestaltung, Berlin 1981. 172 Hundt,

Martin,

Zur Entwicklung des Parteibegriffs bei Marx und Engels in der Zeit

des Bundes der Kommunisten, in: BzG, 23, 1981, 4, S. 5 1 2 - 5 2 7

(i. vorlieg. Bd. wieder-

abgedr.). 173 Meiser,

Wolf gang,

Die

theoretisch-programmatische

Entwicklung

in

den

politischen

Organisationen des deutschen Frühproletariats in Paris nach der Julirevolution 1830 bis zum Schlesischen Weberaufstand 1844. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Arbeiterkommunismus, phil. Diss. Leipzig 1 9 8 2 ; derselbe,

Frühproletarische Programmatik

im Bund der Geächteten, in: BzG, 26, 1984, 2, S. 1 5 8 - 1 6 9 . 174 Derselbe,

Zur Marx-Rezeption im Bund der Gerechten in Paris 1844/45, in: Beiträge

zur Marx-Engels-Forschung, H. 16, Berlin 1984, S. 4 0 - 4 5 .

48

so der Vorschlag von Waltraud Seidel-Höppner und J a k o v Rokitjanski, 1 7 5 auch die Rolle Weitlings in der Revolution und sein Verhältnis zum Bund der Kommunisten in jener Zeit. Nachteilig für den gesamten Forschungsprozeß und vor allem für dessen inhaltliche Koordinierung war es zweifellos, daß zwischen der Publikation von B d K 1 und B d K 2 bzw. B d K 3 mehr als zwölf Jahre lagen. Bis zum Redaktionsschluß Mitte 1980 (Registererarbeitung 1983) traten jedoch am Charakter der Ausgabe und im wesentlichen auch an der Auswahl der Dokumente keine Veränderungen gegenüber den Festlegungen aus der zweiten Hälfte der sechziger Jahre ein. Bemerkenswert ist lediglich die weitere Verstärkung der wissenschaftlichen Kommentierung. Die genannten drei Bände enthalten insgesamt 825 Dokumente auf etwa 2 500 Druckseiten sowie auf rd. 800 Seiten einen wissenschaftlichen Apparat, darunter etwa 140 biographische Annotationen oder Kurzbiographien von Bundesmitgliedern sowie zahlreiche Anmerkungen mit weiterem Quellenmaterial zur Geschichte des Bundes. Trotz der Fülle des gebotenen Materials betonen die Herausgeber jedoch, daß eine weitere Suche nach Dokumenten des Bundes der Kommunisten mit der vorliegenden Ausgabe nicht als abgeschlossen betrachtet werden darf. D e r wissenschaftliche Apparat der Bände B d K 1 bis B d K 3 umfaßt nahezu alles bisher bekannte Material über die Geschichte einzelner Gemeinden bzw. verweist auf weiterführende Veröffentlichungen. In einer Rezension zu B d K 2 wurde betont, auch dieser Band sei „weit mehr als eine bloße Quellenpublikation. E r ist auch ein gewichtiger Schritt zu einer geschlossenen Gesamtgeschichte des Bundes der Kommunisten, denn hiermit liegt auch ein klares wissenschaftliches Konzept für die notwendige Zusammenschau der Bundesgeschichte vor." 1 7 6

Gedanken

einem Arbeitsprogramm

Wenn auch notwendig gedrängt und skizzenhaft, erlaubt eine Bilanz über vier Jahrzehnte der Forschung doch einige Gedanken zu noch verbleibenden Lücken und damit zu künftigen Aufgaben. Methodisch ist dabei an Förders Gedanken von 1964 anzuknüpfen. Im Vordergrund muß die weitere theoretische Vertiefung im Verständnis des spezifischen Parteicharakters des Bundes der Kommunisten stehen. D i e in ihm - in den verschiedenen Phasen seiner Geschichte allerdings unterschiedlich verwirklichte Einheit bzw. Aktionseinheit von elementarer Klassenbewegung und bewußter, marxistischer Vorhut, die deutlichere Differenzierung im Wirken als „geheime Propagandagesellschaft" und dem Streben nach „großer Aktions1 7 5 Seidel-Höppner,

WaltraudlRokitjanski,

Jakob,

Weitling

in

der

Revolution

1848/49.

Unbekannte Dokumente, in: J f G , Bd. 3 2 , 1 9 8 5 , S. 6 5 - 1 7 0 . 1 7 6 I n : B z G , 25, 1 9 8 3 , 5, S. 7 5 9 .

49

partei", 1 7 7 Umfang und Charakter der fortwirkenden Traditionen des Bundes sowie andere Untersuchungsrichtungen sind dazu geeignet und erforderlich. Nur so können auch aus dem Wirken des Bundes verstärkt Lehren für die Gegenwart gezogen werden. Derartige Querschnittsforschungen sollten weit gründlicher als bisher an Erkenntnisse anknüpfen, wie sie in den von Markov, Kossok, Schilfert und W. Schmidt im Ergebnis internationaler vergleichender Revolutionsforschung herausgegebenen „Studien zur Revolutionsgeschichte", in den von Engelberg, Küttler und anderen herausgegebenen Sammelbänden zu geschichtsmethodologischen Problemen, in den Forschungen über Klassenkonstituierungsprozesse in der industriellen Revolution, aber auch in Untersuchungen über den vormarxistischen Sozialismus (sowjetische Forschungen, Arbeiten von Waltraud Seidel-Höppner, Kolloquien zur Wissenschaftsgeschichte an der Universität Bremen 1 7 8 ) vorliegen. Geschlossene Darstellungen der Geschichte einzelner Gemeinden scheinen besonders notwendig für solche langjährige Zentren der Bundestätigkeit in Deutschland wie Hamburg, Mainz und Frankfurt (Main), auch wenn sich von der Quellenlage, vor allem aber der inhaltlichen Kompliziertheit des Stoffes her größere Schwierigkeiten auftun. Völlig ungeklärt ist nach wie vor die Geschichte des Bundes in Breslau und in weiteren schlesischen Gemeinden. E s fehlen zudem noch Gesamtdarstellungen der Bundesentwicklung in Paris, Lyon und in London (hier einschließlich des Kommunistischen Arbeiterbildungsvereins). Größere Biographien fehlen vor allem noch über K a r l Pfänder, Georg Lochner, Friedrich Martens, Heinrich Martius, Georg Weber, Roland Daniels, Paul Stumpf, Peter Röser, Heinrich Bürgers, Peter Nothjung und Konrad Schramm. E s reift die Möglichkeit heran, alle vorhandenen Biographien, Kurzbiographien, archivalischen Hinweise und sonstigen Quellen lexikalisch zu erfassen und auf diese Weise u. a. auch das Polizeihandbuch von Wermuth/Stieber von 1854 endlich überflüssig zu machen. D i e Suche nach und die Erschließung von Quellen muß fortgesetzt werden. Ein großes Ereignis auf diesem Forschungsgebiet ist die Edition der StrählBriefe von 1835. Nötig wäre eine - evtl. mehrbändige - vollständige Dokumentation des Kölner Kommunistenprozesses. D i e Sammlung der direkt vom Bund ausgehenden Dokumente wird fortgesetzt und zu gegebener Zeit als Supplementband zu B d K 1 bis 3 erscheinen. D i e fortschreitende Herausgabe der M E G A 2 wird für die Bundesgeschichtsschreibung weiterhin von großer Bedeutung sein. Mit den Bänden 1/4 bis 1/9 wird zwischen 1992 und etwa 2000 die historisch-kritische Edition all der Werke, Artikel und Briefe von Marx und Engels abgeschlossen, die sie in der Zeit ihrer Mitgliedschaft im Bund der Kommunisten geschrieben haben. Wie bisher wird 177 M E W , B d . 14, S. 4 3 8 ; M E W , Bd. 21, S. 18. 178 D i e von M a n f r e d Hahn und Hans-Jörg Sandkühler initiierten Kolloquien sind in den „Studien zur Dialektik" (Köln) publiziert. - Siehe auch die Rez. zu zwei Arbeiten von Hahn, in: Z f G , 32, 1984, 4, S. 357 ff.

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damit auch ein Teil der publizistischen Aktivität und der Korrespondenz anderer Bundesmitglieder sowie die Geschichte einer ganzen Reihe von Zeitungen und Zeitschriften erfaßt werden, die für die Bundesgeschichte Bedeutung besaßen (Deutsche-Brüsseler-Zeitung, Northern Star, Neue Rheinische Zeitung u. v. a. m.). Nicht übersehen werden sollte die Relevanz vieler Marx-Exzerpte für strategische und taktische Entscheidungen in der Politik des Bundes. 179 Nach wie vor bleibt es eine große Aufgabe, die Werke weiterer Bundesmitglieder zu erschließen. Einen beispielhaften Schritt von der Biographie zur Edition ging dabei W. Schmidt mit seiner bisher umfangreichsten Textausgabe der Artikel Wilhelm Wolfis. 180 Verschiedene Ausgaben mit Werken und Erinnerungen von Weitling, Leßner, Liebknecht, Jacobi, Dronke und anderen liegen vor, doch kann der gegenwärtige Zustand, der keine langfristige Konzeption erkennen läßt, keineswegs befriedigen. Notwendig erscheinen für einen längeren Perspektivzeitraum wirkliche Werkausgaben, die auch überlieferte Briefe einschließen, und dies vor allem von Wilhelm Weitling, Karl Schapper, Wilhelm Wolff, Georg Eccarius, Joseph Weydemeyer, Roland Daniels, Ernest Jones sowie anderen. Das wären schmale Bändchen oder auch mehrbändige Ausgaben. Hierbei könnte es zweifellos von Vorteil sein, dies innerhalb einer ausbaufähigen Reihe mit weitgehend einheitlichen Editionsprinzipien in Angriff zu nehmen. Für den weiteren Fortgang der Forschungen zur Tätigkeit des Bundes wären Teilmonographien und ähnlich gelagerte Studien nötig, die bisher vorliegende Ergebnisse zusammenfassen, weiterführen und mit dem Blick auf eine Gesamtgeschichte des Bundes darstellen würden. Hauptsächlich im Rahmen der Dokumentenpublikation BdK 1 - 3 wird ein reichhaltiges Quellenmaterial geboten, das noch in keiner Darstellung verarbeitet worden ist. Mit den eingangs zitierten Worten Herwig Förders aus dem Jahre 1964 vor Augen, wird jedoch vor allem der erste Versuch einer Gesamtdarstellung der Geschichte des Bundes der Kommunisten immer dringlicher. Berlin, Mai 1986 179 Das betrifft Exzerpte aus Manchester und Brüssel von 1845 bis 1847 (MEGA 3 -Bände IV/3-IV/6) und die Londoner Exzerpte von Ende 1849 bis 1853 (Bde IV/7 bis IV/10), aber z. B. auch ausführliche Exzerpte aus der „Neuen Rheinischen Zeitung", die Marx 1860 im Zusammenhang mit seinem Kampf gegen Karl Vogt anlegte (MEGA 2 , IV/17). Die Bände IV/6 bis IV/8 liegen bereits vor, die anderen erscheinen bis 1995. 180 Wilhelm Wolff. Aus Schlesien, Preußen und dem Reich. Ausgewählte Schriften, hrsg. u. eingel. v. Walter Schmidt, Berlin 1985. - Siehe auch Schmidt, Walter, Die Kommunisten und der preußische Vereinigte Landtag 1847, in: Marx-Engels-Jahrbuch, Bd. 3, Berlin 1980, S. 318-364.

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ERNST

ENGELBERG

Einiges über den historisch-politischen Charakter des Bundes der Gerechten*

Hatte denn der Bund der Gerechten wirklich einen solch engen Sektencharakter, wie das heute immer noch so oft hingeschrieben und -gesprochen wird? Von der Beantwortung dieser Frage hängt es ab, ob wir ein gut Stück des Kampfes des deutschen Volkes gegen materielle Not und politische Unterdrückung, ob wir ein gut Stück deutschen Beitrages zum proletarischen Weltkampf und zur proletarischen Weltkultur gebührend beachten wollen oder nicht. Was ist denn überhaupt eine politische Sekte, die sich an das Proletariat wendet? Karl Marx kennzeichnete sie folgendermaßen: „Die Sekte sieht ihre Daseinsberechtigung und ihren point d'honneur nicht in dem, was sie mit der Klassenbewegung gemein hat, sondern in dem besondren Schibboleth, das sie von ihr unterscheidet."1 Mit anderen Worten: Die Sekte will der elementaren Klassenbewegung fest angeschlossene, vom Sektenhaupt ausgeklügelte Doktrinen aufzwängen. Sie versteht nicht, in steter Wechselwirkung zwischen Tßeorie und Praxis, die Klassenbewegung des Proletariats zu führen; sie zerreißt den Zusammenhang zwischen Theorie und Praxis. Von vornherein scharf von der Volksbewegung geschieden, isoliert sich die Sekte immer stärker und zersetzt sich dann: Entweder sie gibt ihre geliebten „Sektenstichworte" auf und verwandelt sich in eine wirklich politische Partei, die die Interessen der proletarischen Klasse ausdrückt - Anläufe dazu waren bei den Lassalleanern vorhanden oder sie geht ganz und gar zugrunde. Doch sind die politischen Sekten keine historischen Zufallsprodukte; sie sind sogar in bestimmten Phasen der historischen Entwicklung notwendig und fortschrittlich. Auch darauf wies Marx hin: „Die Entwicklung des sozialistischen Sektenwesens und die der wirklichen Arbeiterbewegung Stefan stets im umgekehrten Verhältnis. Solange die Sekten berechtigt sind (historisch), ist die Arbeiterklasse noch unreif zu einer selbständigen geschichtlichen Bewegung. Sobald sie zu dieser Reife gelangt, sind alle Sekten wesentlich reaktionär." 2 Was nun den Wahrheitsgehalt der im ganzen gesehen reaktionär gewordenen * Aus: WZ der Universität Leipzig, 1, 1951/52, 5, S. 61-66. 1 Karl Marx an Johann Baptist v. Schweitzer, 13. 10. 1868, in: MEW, Bd. 32, S. 569. 2 Derselbe an Friedrich Bolte, 23. 11. 1871, ebenda, Bd. 33, S. 328.

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Sektendoktrin betrifft, so kann er „als bereicherndes Element in die allgemeine Bewegung"3 eingehen. Es wird auch oft die Meinung vertreten, daß im Anfangsstadium der Arbeiterbewegung jedes Landes diejenige politische Arbeiterorganisation, deren Programm nicht auf dem Boden des wissenschaftlichen Sozialismus steht, eine Sekte sei. Eine solche Meinung entspricht jedenfalls nicht der Auffassung von Marx und Engels. So schrieb Engels an Sorge im November 1886, auf die damalige amerikanische Arbeiterbewegung hinweisend, folgendes : „Der erste große Schritt, worauf es in jedem neu in die Bewegung eintretenden Land ankommt, ist immer die Konstituierung der Arbeiter als selbständige politische Partei, einerlei wie, solange es nur eine distinkte Arbeiterpartei ist . . . Die Massen müssen Zeit und Gelegenheit haben, sich zu entwickeln, und die Gelegenheit haben sie erst, sobald sie eine eigne Bewegung haben - einerlei in welcher Form, sobald es nur ihre eigne Bewegung ist - , in dar sie durch ihre eignen Fehler weitergetrieben werden, durch Schaden klug werden. Die Bewegung steht in Amerika da, wo sie bei uns vor 48 stand, die wirklich intelligenten Leute dort werden zunächst die Rolle zu spielen haben, wie der Kommunistenbund vor 48 unter den Arbeitervereinen."4 Einen Monat später meinte Engels, ebenfalls auf die amerikanische Arbeiterbewegung hinweisend: „Ein oder zwei Millionen Arbeiterstimmen im nächsten November für eine bona fide Arbeiterpartei sind augenblicklich unendlich viel mehr wert als hunderttausend Stimmen für eine doktrinär einwandfreie Plattform." 5 Der faktische Ausgangspunkt der Arbeiterbewegung müsse als solcher akzeptiert und sie müsse schrittweise auf die theoretische Höhe dadurch gebracht werden, daß die fortgeschrittenen Arbeiter aufzeigen, „wie jeder begangene Fehler, jede erlittene Schlappe eine notwendige Folge falscher theoretischer Ansichten im ursprünglichen Programm war". 6 Wir können jetzt, an die eingangs gestellte Frage anknüpfend, konkrete Fragen stellen: War der Bund der Gerechten vielleicht eine jener Sekten, die historisch notwendig waren, weil die Arbeiterklasse zu einer selbständigen historischen Bewegung noch nicht reif war? Drückte er also nicht eine selbständige Klassenbewegung aus? Brachte der Bund der Gerechten bestenfalls nur einige bereichernde Elemente in den Bund der Kommunisten? Oder war der Bund der Kommunisten die natürliche Fortsetzung des Bundes der Gerechten? Um diese Fragen beantworten zu können, wollen wir uns die entscheidenden Etappen in der Geschichte des Bundes der Gerechten vor Augen führen. Bekanntlich ging dieser Bund aus dem bürgerlich-demokratischen Bund der Geächteten hervor, aber nicht - wie vielfach angenommen wird - sozusagen von heute auf morgen und mit einem festumrissenen Programm vor sich. Es waren vornehmlich 3 Derselbe an Johann Baptist v. Schweitzer, 13. 10. 1868, ebenda, Bd. 32, S. 570. 4 Friedrich Engels an Friedrich Adolph Sorge, 29. 11. 1886, ebenda, Bd. 36, S. 579. 5 Derselbe an Florence Kelley-Wischnewetzky, 28. 12. 1886, ebenda, Bd. 36, S. 590. 6 Ebenda, S. 589. 5

Hundt, Bund der Kommunisten

53

die proletarischen Elemente unter den deutschen Handwerkern in Paris, die mit der Führung des Bundes der Geächteten nicht mehr zufrieden waren. Denn dieser war aufgebaut auf dem undemokratischen Prinzip des Gehorsams der Mitglieder gegenüber den meist noch unbekannten Führern. Die Unzufriedenheit zeigte sich in einem instinktiv richtigen Mißtrauen gegenüber jenen bürgerlichen Intellektuellen, die in der Organisation schalteten und walteten, wie sie wollten. Gegen diese Methoden vollzog sich eine „Revolution von unten" - wie sich A. W. Fehling ausgedrückt hat7 eine Revolution, die sich zunächst in einem ständig zunehmenden Abfall unterer Organisationseinheiten von dem Bunde der Geächteten ausdrückte. Erst allmählich sammelten sich die abgefallenen Mitglieder, die sich ja in dem Geheimbund meistens nicht gekannt hatten, und konstituierten durch Abfassung und Annahme neuer, demokratischerer Organisationsstatuten den Bund der Gerechten. A. W. Fehling ist der Meinung, daß die neuen Organisationsstatuten erst Anfang 1838 angenommen worden sind. Selbstverständlich war es nicht bloß die Unzufriedenheit über den unbedingten Gehorsam gegenüber den leitenden Instanzen des Geheimbundes der Geächteten, die zur Herausbildung eines neuen Bundes geführt hat. Ich möchte darauf hinweisen, daß der Beginn und das Umsichgreifen der Abspaltung 1836 bis 1837 zusammenfällt mit dem Beginn und der Verschärfung der Wirtschaftskrise, die die proletarisierten Handwerksgesellen radikalisieren mußte. Zweifellos haben auch Einflüsse, die von sozialistischen Sekten und Organisationen, deren es in Frankreich nicht wenige gab, gewirkt. Auch wurde eine Adresse, die aus englischen Arbeiterkreisen kam und die an die internationale Solidarität der Arbeiter appellierte, im Jahre 1836 in Paris unter den deutschen Handwerksgesellen verbreitet.8 Die englische Arbeiterbewegung beeinflußte also den Bund der Gerechten schon in seinen Anfängen. Interessant ist auch, daß sich die kommunistische Ideologie im Bund der Gerechten erst allmählich herausgebildet hat.9 Eine erst größere propagandistische Kundgebung des Bundes der Gerechten war Wilhelm Weitlings Erstlingsschrift: „Die Menschheit, wie sie ist und wie sie sein sollte". 10 Sie erschien im Jahre 1838, fast zur selben Zeit, da die Organisationsstatuten angenommen worden 7 Fehling, August Wilhelm, Karl Schapper und die Anfänge der Arbeiterbewegung bis zur Revolution von 1848, Diss. Rostock 1922 (Ms). Diese Dissertation beruht auf ausgedehnten Archivstudien und hat einiges Licht auf die Umstände der Gründung des Bundes der Gerechten geworfen (s. bes. S. 45). — Die Auffassung Fehlings wird durch den erst 1932 veröffentlichten Bericht August Beckers bekräftigt. Vgl. Barmkol, Ernst, Geschichte des religiösen und atheistischen Frühsozialismus. Erstausgabe des von August Becker 1847 verfaßten und von Georg Kuhlmann eingelieferten Geheimberichtes an Metternich und von Vinets Rapport, Kiel 1932, S. 43 ff. 8 Ebenda,

S. 47.

9 Barnikol, S. 45. 10 Weitling, Wilhelm, Die Menschheit, wie sie ist und wie sie sein sollte, München 1895 ( = Sammlung gesellschaftswiss. Aufsätze, hrsg. v. Eduard Fuchs, 9).

54

sind. Im Auftrage seiner Kameraden im Pariser Bund der Gerechten geschrieben und mit deren materieller und moralischer Unterstützung herausgebracht, war diese Schrift gleichsam aus einem Arbeiterkollektiv herausgewachsen. Halten wir also fest: Der Bund der Gerechten ist nicht die Gründung irgendeines Sektenstifters, sondern bildete sich allmählich aus einer anfangs noch sehr primitiven und ideologisch unbestimmten Oppositionsstimmung der proletarisierten und durch die Wirtschaftskrise radikalisierten Handwerksgesellen heraus. In der Art, wie sich der Bund der Gerechten formiert hat, bildet sich keine Sekte. Er ist das Resultat einer Bewegung, die - so wenig umfangreich sie sein mochte - der erste Ausdruck des politischen Selbständigwerdens der proletarischen Handwerkerelemente war. Nicht dem Fehlen, sondern dem Heranreifen einer selbständigen geschichtlichen Bewegung der Arbeiterklasse verdankte der Bund der Gerechten seine Existenz. Ein Jahr nach der endgültigen Konstituierung des Bundes der Gerechten beteiligte er sich - und zwar am 12. Mai 1839 in Paris - an dem Aufstandsversuch der von Auguste Blanqui geführten Gesellschaft der ]ahreszeiten. Aus diesser Tatsache wird sehr oft der Schluß gezogen, daß der Bund der Gerechten eben doch nur eine sektenhafte Verschwörergesellschaft gewesen sei. Das ist jedoch ein voreiliger Schluß, denn erstens kann man aus einem einmaligen, wenn auch schweren Fehler nicht Schlüsse ziehen auf den Gesamtcharakter einer Organisation, zweitens kann man Auguste Blanqui nicht einfach als Sektenhäuptling und Verschwörer abtun. Die Führer des Bundes der Gerechten waren wahrhaftig in keiner schlechten Gesellschaft, wenn sie mit Auguste Blanqui zusammenarbeiteten. Darüber muß in diesem Zusammenhang einiges gesagt werden: Auguste Blanqui knüpfte an die revolutionären Traditionen Babeufs an, die besonders Buonarotti in seinem Buche: „Babeuf und die Verschwörung für die Gleichheit" 11 vermittelt hat. Jedoch nach den Erfahrungen der Lyoner Weberaufstände in den Jahren 1831 und 1834 sprach Blanqui nicht mehr im alten babouvistischen Sinne von dem „Krieg der Reichen gegen die Armen", sondern von der Unversöhnlichkeit des Klassengegensatzes zwischen denjenigen, die die Arbeitsmittel besitzen, und denjenigen, die sie nicht besitzen. Des weiteren betonte Blanqui immer wieder, daß das Proletariat einen politischen Kampf führen, die politische Macht als unumgängliche Voraussetzung für den Aufbau des Sozialismus ergreifen müsse12 - womit er sich später vor allem von den „unpolitischen" Proudhonisten abgrenzte. Von Louis Blanc, einem der Väter des reformistischen kleinbürgerlichen Sozialismus, unterschied er sich vor allem in seiner revolutionären Konzeption vom Staate und von der Diktatur des Proletariats. In dieser zentralen Frage kam 11 Deutsche Ausgabe übers, u. eingel. v. Anna u. Wilhelm Bios, Stuttgart 1909. 12 Caraudy, Roger, Les sources françaises du socialisme scientifique, Paris 1949, S. 234 f. 5*

55

B l a n q u i der A u f f a s s u n g von M a r x und E n g e l s zweifellos a m nächsten. R o g e r G a r a u d y spricht in diesem Z u s a m m e n h a n g sogar von dem sehr reichen B e i t r a g Blanquis zum wissenschaftlichen Sozialismus. 1 3 D i e s e politischen Prinzipien, zusammen mit der praktisch-politischen Weitsicht und Aufopferungsfähigkeit, d i e Auguste B l a n q u i im J a h r e 1848 an den T a g legte, berechtigten M a r x im J a h r e 1861 dazu, Auguste B l a n q u i als „den K o p f und d a s H e r z der proletarischen Partei in Frankreich" bewundernd zu charakterisieren. 1 4 G e w i ß stand Blanqui nicht auf der H ö h e des wissenschaftlichen Sozialismus. So vermochte er keifte A n a l y s e der Ausbeutung des Proletariats zu geben. 1 5 Sein philosophischer Materialismus ging über den Materialismus des 18. J h . k a u m hinaus. D e r hervorstechendste Fehler seiner Organisation w a r die Tendenz, sich von den Massen sektiererisch abzukapseln. Blanqui persönlich hat jedoch aus d e m Fehlschlag von 1839 sehr viel gelernt und im J a h r e 1848 die Massen vor einem unüberlegten Losschlagen und v o r den Provokationen der Provisorischen Regierung gewarnt. D a s Schwierigste in der revolutionären Strategie und T a k t i k , nämlich d i e Massen stets im richtigen Zeitpunkt in den K a m p f zu führen, gelang ihm und seiner Organisation jedoch nicht. H i e r fehlte bei B l a n q u i sowohl die praktische E r f a h r u n g - er verbrachte insgesamt 35 J a h r e seines Lebens im G e f ä n g n i s - als auch die theoretische Verarbeitung der positiven und negativen Erfahrungen des revolutionären K l a s s e n k a m p f e s . E n g e l s wies auf die fehlerhaften Grundtendenzen des Blanquismus in dieser wichtigen F r a g e der revolutionären Strategie und T a k t i k hin. 1 0 Falsch ist es jedoch und gar nicht im Sinne von M a r x und E n g e l s , wenn wir die von E n g e l s kritisierten Fehler als die entscheidenden M e r k m a l e des Blanquismus herausstellen. D a s wird aber heute immer noch getan, womit man sich von Friedrich E n g e l s entfernt und direkten Weges zu E d u a r d Bernstein begibt. Dieser hat die Engelssche Kritik maßlos vergröbert und aus „ B l a n q u i s t " beinahe ein Schimpfwort und aus „ B l a n q u i s m u s " ein Synonym für politisches Abenteurertum gemacht. Gegenüber dieser kleinbürgerlichen Giftmischerei geht es u m die Wiederherstellung der historischen Wahrheit und um d i e Ehrenrettung eines der verehrungswürdigsten revolutionären Heroen des 19. J h . „ K o p f und H e r z der proletarischen Partei in Frankreich" - diese gewichtigen Worte M a r x e n s müssen in Zukunft d a s Leitmotiv alles dessen sein, was wir über Auguste B l a n q u i sagen und schreiben. E s spricht also für den deutschen Bund der Gerechten und für seinen revolutionären proletarischen Instinkt, d a ß er K o n t a k t nicht mit einer d e r zahlreichen 1 3 E b e n d a , S. 2 5 8 . 14 K a r l M a r x an L o u i s W a t t e a u , 10. 11. 1 8 6 1 , in: M E W , B d . 30, S. 6 1 7 . 1 5 Garaudy, 16 Engels,

S. 2 5 4 .

Friedrich,

B d . 2 2 , S. 197.

56

Einleitung zum „ B ü r g e r k r i e g in F r a n k r e i c h " von K a r l M a r x , i n : M E W ,

sozialistischen Sekten, sondern mit der Blanquischen Gesellschaft der Jahreszeiten aufgenommen hatte. Nach dem Fehlschlagen des Aufstandsversuchs vom 12. Mai 1839 gingen Karl Schapper und Heinrich Bauer, nach längerer Haft aus Frankreich ausgewiesen, nach London. Wenn die beiden in den folgenden Jahren sehr stark beeindruckt waren von den sozial-reformerischen, aller revolutionären Gewalt abholden Systemen eines Robert Owen und eines Cabet,17 so heißt dies nicht, daß sie aus Revolutionären nun Reformisten geworden seien. Der sogenannte Reformismus eines Schapper und Bauer in den vierziger Jahren war nur der unbeholfene Ausdruck ihrer Gegnerschaft gegen den Putschismus, die instinktiv richtige, aber theoretisch unsichere Selbstkritik ihrer Fehler vom Mai 1839. Es ist nicht richtig, wenn Fehling die Sympathien der beiden für Cabet und Owen aus einer Art pessimistischer Stimmung erklärt. 18 Die beiden waren niemals Pessimisten, sondern ausgesprochene Optimisten, die sich jedoch bemühten, aus Fehlern und Fehlschlägen Lehren zu ziehen. „Es war immer etwas Urrevolutionäres in ihm", schrieb Engels über Karl Schapper.19 Die beiden deutschen Revolutionäre gingen in London mit frischem Mute an die Arbeit und gründeten am 7. Februar 1840 den öffentlichen Deutschen Arbeiter-Bildungsverein. Mit dieser Gründung gaben die Führer des Bundes der Gerechten erst recht alles auf, was an die alte Verschwörertaktik erinnerte. Sie hielten sicherlich noch den geheim organisierten Bund der Gerechten aufrecht, aber wirkten gleichzeitig in einer öffentlichen Arbeiterorganisation. Diese Art Verbindung von geheimer und öffentlicher, illegaler und legaler Tätigkeit machte dann in der Folgezeit Schule (besonders auch in der Schweiz) und wurde vom Bund der Kommunisten übernommen und weitergeführt. Stets waren Schapper, Bauer und auch Joseph Moll in kameradschaftlichem Kontakt mit den sozialrevolutionären Vertretern des Chartismus; mehr noch, sie arbeiteten auch aufs engste zusammen mit der im Jahre 1845 gegründeten internationalen Gesellschaft der Fraternal Democrats. Wichtig ist auch, daß der Londoner Arbeiterbildungsverein - sicherlich veranlaßt von Schapper und anderen Führern des Bundes der Gerechten - im September 1844 eine Adresse an die niedergeworfenen schlesischen Weber gerichtet hat. Es blieb dabei nicht bei einer bloßen Solidaritätsbekundung, sondern es wurde von den deutschen Arbeitern in London ein Geldbetrag den Opfern der reaktionären Unterdrückung überwiesen. Wir ersehen schon aus diesen wenigen Grundtatsachen, daß der Bund der

1 7 Fehling,

S. 5 7 f . ; f e r n e r Mahling,

Friedrich,

der ersten deutschen A r b e i t e r b e w e g u n g ,

Das religiöse und antireligiöse M o m e n t in

in: Festgabe v o n Fachgenossen und

Freunden

A . v o n Harnack zum 7 0 . Geburtstag dargebracht, Tübingen 1 9 2 1 , S. 1 9 9 ; Brugger,

Otto,

Geschichte der deutschen H a n d w e r k e r v e r e i n e in der Schweiz 1 8 3 6 bis 1 8 4 3 . D i e W i r k samkeit Weitlings ( 1 8 4 1 - 1 8 4 3 ) , Diss. Bern 1 9 3 2 , S. 1 3 7 f., 1 5 4 . 1 8 Fehling,

S. 5 7 .

1 9 Friedrich Engels an K a r l M a r x , 2 9 . 4. 1 8 7 0 , i n : M E W , Bd. 3 2 , S. 4 8 9 .

57

Gerechten weder sektenhaft abgeschlossen noch doktrinär festgefahren war. Über die weitere ideologische Entwicklung des Bundes der Gerechten werden wir einiges erfahren, wenn wir die Diskussionen des Jahres 1845 in der Londoner Organisation behandeln. Wilhelm Weitling war in den Maitagen des Jahres 1839 nicht in die Aufstandsaffäre verwickelt. So konnte er in Paris noch einige Zeit bleiben. Im Jahre 1841 siedelte er jedoch im Auftrage des Bundes der Gerechten nach der Schweiz über. Dort gab es schon viele Arbeitervereine, die aber fast alle unter dem ideologischen Einfluß des bürgerlich-demokratischen Geheimbundes Das junge Deutschland standen.20 Es war also kein unbeackertes Feld, das Weitling in der Schweiz betrat. Gerade darum hatte er es aber nicht leicht, denn er hatte es mit erfahrenen und teilweise populären Gegnern zu tun, die dort das Feld beherrschten. Um so bemerkenswerter war es, daß es ihm in relativ kurzer Zeit gelang, eine große Zahl der dortigen Arbeitervereine, vor allem in der welschen Schweiz, im kommunistischen Sinne zu beeinflussen und auf seine Seite herüberzuziehen. Auch hier bewährte sich das Organisationsprinzip der Verbindung von legaler und illegaler Arbeit. Diese Schweizer Jahre der Wirksamkeit Weitlings (1841 bis 1843) bildeten eine große Zeit, die ihn zu einer geschichtlich bemerkenswerten Gestalt machte. Während seines Schweizer Aufenthaltes kam Weitlings Hauptwerk „Die Garantien der Harmonie und Freiheit" heraus, und zwar im Dezember 1842. Es war ein großer Erfolg, den dieser genial veranlagte Handwerksgeselle davontrug. Es ist nicht unsere Aufgabe, hier das System Weitlings zu erläutern. Nur soviel sei gesagt: In der Reihe der sozialistischen Utopien bildet das Werk Weitlings einen neuen Markstein. Emporgetragen von der selbständigen Bewegung der proletarisierten Elemente der deutschen Handwerker in Paris und beeinflußt von den Blanquisten,21 vertraute Weitling jetzt nicht mehr in erster 2 0 Barnikol,

S. 4 7 f f . ; Brugger,

T. 2, 1. u. 2. K a p . ; in bezug auf den Charakter der deut-

schen bürgerlichen Emigration

siehe ferner Wiltberger,

Otto,

Die deutschen

Flüchtlinge in Straßburg von 1 8 3 0 bis 1 8 4 9 , Berlin/Leipzig 1 9 1 0 . -

politischen

Manchen

Einblick

in die politische Atmosphäre unter den deutschen Handwerkern und Flüchtlingen in der Schweiz gewährt das sonst frech und arrogant geschriebene Buch von Marr,

Wilhelm,

Das junge Deutschland in der Schweiz. Ein Beitrag zur Geschichte der geheimen Verbindungen unserer Tage, Leipzig 1 8 4 6 , 3 6 4 S. 21 Franz Mehring untersuchte 1 9 0 8 in seiner Jubiläumsausgabe der „Garantien monie

und

Freiheit"

die ideologischen

Beziehungen

zwischen

Weitling

der

einerseits

Harund

Owen, Fourier und Proudhon andererseits (S. 2 6 6 u. 2 6 7 ) , übersah jedoch, daß Weitling in solchen Grundkonzeptionen wie die von der historischen Rolle des Proletariats und dem Charakter des Staates ein Kind des Blanquismus ist. So stark war der moralische Terror, den E . Bernstein mit seinem antiblanquistischen Horror verbreitete, daß es sogar einem Franz Mehring nicht in den Sinn kommen durfte, die Frage nach dem direkten oder indirekten

Einfluß

Blanquis auf Weitling

zu stellen. Selbst heutige

marxistisch-

leninistisch geschulte Autoren sind bisweilen, sobald der N a m e Blanqui auftaucht, von

58

Linie22

den großen Männern und den Mächtigen dieser W e l t bei der Verwirk-

lichung seines Systems, sondern der Arbeiterklasse. E r schöpfte unmittelbar aus dem Erleben der proletarisierten Handwerksgesellen, deren kühner Wortführer er2,1 wurde. Darin lag seine Stärke, aber zugleich auch seine Schwäche. Seine kritischen Betrachtungen, seine Zukunftsträume, seine A r t des Schreibens 24 und Sprechens - alles war zu sehr und zu unmittelbar verhaftet mit dieser W e l t des Handwerksgesellentums. E s waren allerdings die aufgeschlossensten, weltgewandtesten, unternehmungslustigsten

Handwerksgesellen,

mit denen

er es hier

im

Ausland zu tun hatte. Dennoch war Weitlings Erfahrungskreis zu eng, er kannte noch nicht aus unmittelbarem Erleben die Massenkämpfe des / ^ ¿ ^ P r o l e t a r i a t s , und bei aller geistigen Beweglichkeit konnte er sich als Handwerksgeselle das Wissen seiner Zeit nur ungenügend aneignen und sein theoretisches Denkvermögen nicht systematisch schulen. Aus diesen Gründen konnte er nicht der Begründer des wissenschaftlichen

Sozialismus werden. Weitling machte nun aus

der N o t eine Tugend und trieb, besonders

in seiner Niedergangszeit,

einen

wahrhaften Kultus des Gefühls. Weitling hatte sicherlich die Neigung,

als Sektenstifter,

als Messias aufzu-

treten, aber doch war er wieder gezwungen, immer wieder hervorzuheben, daß er mit seinem System noch nicht der Weisheit letzten Schluß gegeben habe. Diese Handwerksgesellen waren viel zu welterfahren, viel zu diskutierlustig, dem Gefühl des Gottseibeiuns nicht ganz frei. - Siehe dagegen Engels, Friedrich, Zur Geschichte des Bundes der Kommunisten, in: M E W , Bd. 21, S. 2 0 7 ; vgl. ferner Mielcke, Karl, Deutscher Frühsozialismus. Gesellschaft und Geschichte in den Schriften von Weitling und Heß, Stuttgart/Berlin 1931, S. 182. 22 Siehe Mehringsche Ausgabe von 1 9 0 8 : „Der Umsturz des Bestehenden könnte wohl auch durch einen Monarchen vor sich gehen. Freilich ist dieses eine zweifelhafte, aber keineswegs unmögliche Sache." (S. 247). Vgl. ferner S. 226, 258. 23 „Der Fortschritt ist ein Gesetz der Natur, sein Stillstand ist die allmähliche Auflösung der Gesellschaft. Diese zu verhindern, jenen zu befördern, ist unser aller Sache und nicht die einer privilegierten Kaste. - Darum habe auch ich mich an dieses Werk gemacht; meine zahlreichen Kameraden sprachen mir Mut dazu ein. Du, sagten sie, teilst unsere Meinungen, kennst unser Verlangen und unsere Wünsche, wir geben dir die Gelegenheit, also auf, mache dich rüstig an die Arbeit, solange du noch dazu die Kraft in dir fühlst. Das war der Aufmunterung genug! Was brauchte es da mehr. Sie arbeiteten für mich, ich arbeitete für sie; hätte ich es nicht getan, hundert andere hätten sich statt meiner dafür gefunden; aber ich hatte die Gelegenheit, mithin war es meine Pflicht, sie zu benutzen. - Vorliegendes Werk ist also nicht mein Werk, sondern unser Werk; denn ohne den Beistand der anderen hätte ich nichts zustande gebracht. - Die gesammelten materiellen und geistigen Kräfte meiner Brüder habe ich in diesem Werke vereinigt. Diese Zusammenstellung wird in der Folge noch bedeutend verbessert werden; denn vollkommen ist nichts unter der Sonne." (Mehringsche Ausgabe von 1908, S. 7 f.). 24 Siehe diesbezüglich die Arbeit von Buddensieg, Wilhelm, Weitlings Sprache als Spiegel seiner Weltanschauung, Diss. Heidelberg 1923 (Ms) - siehe u. a. S. 77 f., 86 ff., 89 f., 100 f., 117 ff., 112 f., 125.

59

als daß sie alles gläubig hingenommen hätten. Selbst in der Schweiz, wo er in den dortigen Arbeitervereinen als Organisator, Agitator und Theoretiker eine große Autorität genoß - selbst dort war sie nicht unbestritten. August Becker und Simon Schmidt, Leute von beachtenswerter geistiger Beweglichkeit, wenn auch von höchst problematischem Charakter, waren innerhalb des Bundes ernst zu nehmende Gegenspieler von Weitling. Diese waren (zum Unterschied von Karl Schapper und Heinrich Bauer) echte Vertreter des sozialreformerischen, klassenversöhnlich-kleinbürgerlichen und religiös-schwärmerischen Sozialismus.25 Was das Religiös-Schwärmerische betrifft, so ist meiner Ansicht nach nicht von der Hand zu weisen, daß Weitling von August Becker und Simon Schmidt bewußt oder unbewußt angeregt wurde zur Abfassung der Schrift: „Das Evangelium eines armen Sünders".26 In seiner Zeitschrift „Die junge Generation" wollte Weitling gern unumschränkter Herr sein, und er unterdrückte gern alles, was nicht in seinem Sinne war. Aber auch das gelang ihm nicht; so mußte er Berichte und Beiträge von Karl Schapper aufnehmen, in denen offen owenistische und cabetistische Gedankengänge verfolgt wurden. 27 Wir sehen also, daß im Bund der Gerechten alles andere als einheitliche und unverbrüchliche Sektenstichworte galten. Weitlings Verhaftung im Jahre 1843 bildete einen Bruch in seinem Leben. Während seiner Haft verspann er sich erst recht an eine egozentrische Messiasrolle, und als er dann nach seiner Entlassung und Ausweisung schließlich nach London kam, da brachte er nicht mehr die geistige und moralische Kraft auf, sich weiterzuentwickeln. Die Londoner Führer des Bundes der Gerechten, die sich im engsten Kontakt mit der englischen Arbeiterbewegung befanden, waren politisch weitergewachsen. Weitling wurde mit Respekt und der gebührenden Ehrung empfangen, aber seine grundsätzlichen Ansichten über die revolutionäre Taktik und die Begründung des Kommunismus konnte er dem dortigen Bund der Gerechten nicht mehr aufdrängen. In der Geschichte des Londoner Arbeiterbildungsvereins ist das Jahr 1845 gekennzeichnet durch eine sachlich scharfe Auseinandersetzung mit Weitling. Über drei Themenkreise wurde damals diskutiert, einmal über das, was wir heute Putschismus nennen, dann über die Rolle der utopistischen Systeme und schließlich über die Bedeutung der Wissenschaft für die Befreiung des Proletariats. Eine oberflächliche Lektüre der Protokolle von jenen Diskussionsabenden 2 5 Barnikol,

S. 4 0 f., 5 8 f. - Siehe f e r n e r Becker,

August,

W a s ist ein K o m m u n i s t ?

Kleine

Broschüre, die e t w a 1 8 4 4 in Lausanne erschien. P r e i s : 1 Batzen. Dieses Heftchen w u r d e auch im Bruno,

L o n d o n e r Arbeiterbildungsverein vertrieben. Siehe Grünberg, Ü b e r den kommunistischen Arbeiterbildungsverein

Carl/Hildebrand,

in London, i n : A r c h i v

Gesch. d. Sozialismus u. d. Arbeiterbewegung, Bd. 1 1 , Leipzig 1 9 2 5 , S. 4 5 8 . schlechte Charakteristik von August Becker und Simon Schmidt bei Marr, 2 6 Weitling,

Wilhelm,

f. d. Keine

S. 82 f f .

D a s Evangelium eines armen Sünders, München 1 8 9 6 ( =

Sammlung

gesellschaftswiss. A u f s ä t z e , hrsg. v. E d u a r d Fuchs, 1 0 ) . 2 7 Brugger,

60

S. 3 7 f f . ; ]oho,

Wolf gang,

W i l h e l m W e i t l i n g , Diss. Heidelberg 1 9 3 2 , S. 6 8 f f .

des Jahres 1845,28 die ja keine exakte Wiedergabe dessen, was wirklich gesagt worden ist, bilden, könnte leicht den Eindruck vermitteln, als ob Weitling der ungebrochene Revolutionär gewesen sei, während Schapper und Bauer und Moll auf einen opportunistischen Standpunkt gekommen wären. In Wirklichkeit wandten sie sich gegen Putsche und traten dafür ein, daß das Volk zuerst einmal aufgeklärt werde und sich sammle. Sie waren gegen alles Abenteurertum, gegen alles rein Gefühlsmäßige; sie wußten auch, daß auf dem Wege zur proletarischen Revolution keine historische Etappe übersprungen werden kann und daß es gilt, jetzt zuerst einmal die bürgerliche Revolution vorzubereiten und zum Siege zu führen, bevor an eine proletarische Revolution gedacht werden kann. Selbst aus den nicht immer klar gefaßten Protokollen der Diskussionsabende geht hervor, daß Schapper und seine Freunde die Bourgeoisie in ihrem Kampf gegen den Absolutismus und die Feudalaristokratie unterstützen wollten. Nachdem Weitling in dem Londoner Bund der Gerechten schon weitgehend isoliert war, befürwortete dieser in seiner Adresse vom November 1846 eine Annäherung des Proletariats an die radikale bürgerliche Partei.29 Gewiß ist in dieser Adresse das Verhältnis des Proletariats zur bürgerlichen Revolution nicht exakt formuliert, aber sie war das Gegenteil dessen, was man Sektierertum nennen muß. Und diese Frage des Bündnisses von Proletariat und nichtproletarischen Schichten wurde von dem Moment an von dem Bund der Gerechten auf die Tagesordnung gesetzt, da sie besonders aktuell wurde. Also auch hier keineswegs doktrinäre Prinzipienreiterei! In der Diskussion mit Weitling wurde immer wieder das Sektenwesen, die „Systemkrämerei", angegriffen. Ja, Schapper erkannte die Gefahr alles Doktrinären, auch den Zusammenhang zwischen Doktrinärem und Sekte, ziemlich klar so, wenn er folgendes erklärte: „Der Kommunist hängt an keinen Personen; ja, wenn wir Sekten wären . . . ; nur durch Kampf der Meinung wird der Kommunismus feste Wurzel fassen."'10 Damit in Verbindung stand auch die Ablehnung alles Gefühlsmäßigen und die Forderung nach wissenschaftlicher Begründung des Kommunismus. Während der Diskussion erklärte Heinrich Bauer: „Man soll nichts auf Gefühl gründen; nur das durch den Geist gegründete ist stark",;H oder Pfänder sagte: „Das Gefühl handelt nach seiner Beschaffenheit augenblicklich, nur die Vernunft prüft das zu Beginnende. Daher werden auch nur solche Staaten fortbestehen, welche auf Vernunft gegründet sind."32 Schapper verwies während dieser Diskussion mehrere Male auf die Hilfe, die 2 8 Nettlau,

Max,

Londoner deutsche kommunistische Diskussionen, 1 8 4 5 . Nach dem Pro-

tokollbuch des C. A . B. V., in: Archiv f. d. Gesch. d. Sozialismus u. d. Arbeiterbewegung, Bd. 10, Leipzig 1 9 2 2 , S. 3 6 3 - 3 9 1 . 2 9 Drahn,

Ernst,

Zur Vorgeschichte des Kommunistischen

Manifestes und der

Arbeiter-

internationale; ferner Dokumente, in: Neue Zeit, 37, 1 9 1 9 , 2, S. 1 3 2 . 3 0 Nettlau,

S. 3 6 7 (Hervorhebung von mir - E. E.).

3 1 Ebenda. 3 2 Ebenda.

61

die Arbeiter in Fragen der Theorie von Seiten der Literaten und Gelehrten erhielten.33 Sicherlich hatte Schapper dabei auch Marx und Engels im Auge; wir wissen ja 1., daß die beiden während ihres sechswöchigen Aufenthaltes in England im Sommer 1845, also mitten in der Diskussion mit Weitling, die Leiter des Londoner Bundes der Gerechten aufgesucht haben,34 2., daß das Erscheinen von Friedrich Engels' „Lage der arbeitenden Klassen in England" im Sommer 1845 ebenfalls auf die Mitglieder des Bundes der Gerechten Einfluß ausgeübt hat. 53 Der Boden für eine Annäherung von Marx und Engels und den Führern des Bundes der Gerechten in London wurde also schon im Jahre 1845 bereitet, und eine wichtige Vorbedingung für die Verschmelzung von revolutionärer Arbeiterbewegung und wissenschaftlichem Sozialismus war die Isolierung Weitlings, der sich nicht mehr weiterentwickelte und dessen Anschauungen unter den neuen Bedingungen des Klassenkampfes sich nicht mehr als fruchtbar erwiesen. Diese neuen Bedingungen des Klassenkampfes waren: die größere revolutionäre Bedeutung des Fabrik- und Manufakturproletariats seit dem schlesischen Weberaufstand im Januar 1844 36 und nicht zuletzt das Herannahen der bürgerlichen Revolution, deren Bedeutung für das Proletariat Weitling gar nicht begriff.37 Schließlich zeigten sich die führenden Kräfte im Bund der Gerechten durchaus aufgeschlossen für die Anschauungen des wissenschaftlichen Sozialismus, der eben erst von Marx und Engels ausgearbeitet worden war. Man kann also feststellen, daß der Bund der Gerechten, besonders in London, im großen und ganzen Schritt hielt mit der Entwicklung des Proletariats und des Kampfes der verschiedenen Klassen wie auch mit der Entwicklung des Sozialismus. Daß im Bund der Gerechten eine Zeitlang der Weitlingsche Kommunismus vorherrschte, war ei;ne Notwendigkeit und eine 1844 von Marx und in den achtziger Jahren von Engels gefeierte großartige politische Manifestation des deutschen Handwerkerproletariats. Wer kann da von Sektierertum sprechen? Natürlich bestand von etwa 1845 an, als der wissenschaftliche Sozialismus fertige Gestalt annahm und als der Weitlingsche Kommunismus, wie gesagt, den 33 Ebenda, S. 3 / 5 , 379 f., bes. S. 384 f. 34 Marx,

Chronik seines Lebens in Einzeldaten, Moskau 1934, S. 2 9 ;

Karl,

Grünberg,

Carl, Die Londoner Kommunistische Zeitschrift und andere Urkunden aus den Jahren 1 8 4 7 - 1 8 4 8 , in: Archiv f. d. Gesch. d. Sozialismus u. d. Arbeiterbewegung, Bd. 9, Leipzig 1921, S. 260. 35 In Fehling,

S. 62, ist überzeugend auf den Diskussionsbeitrag eines Mitglieds des

der Gerechten

Bundes

hingewiesen worden ; dieses erklärte Schapper in der Sitzung des Londoner

Arbeiter-Bildungsvereins am 5 . 8 . 1 8 4 5 : „Lassen wir uns ein Beispiel an den Gelehrten nehmen und richten wir unser Augenmerk auf die Fabrikstädte" (siehe Nettlau, 36 Adresse und Geldsammlung des Kommunistischen Siehe Telegraph, 1844, Nr. 165, und 1845, Nr. 33, 37 Weitling,

Wilhelm,

Garantien

Stuttgart 1908, S. 235, 2 4 5 - 2 5 1 .

62

der Harmonie

Londoner

S. 380).

Arbeiter-Bildungsvereins.

Beilage,

und Freiheit,

hrsg. v. Franz

Mehring,

neuen Bedingungen des Klassenkampfes nicht mehr entsprach, die Gefahr, daß der Bund der Gerechten zu einer Sekte erstarrte oder vielmehr sich in verschiedene Sekten aufspaltete. Natürlich hatte die Sekte der wahren Sozialisten1,8 dann und wann ideologischen Einfluß auf Gemeinden des Bundes der Gerechten. Das war aber nicht charakteristisch für den ganzen Bund der Gerechten. Seine Kraft und Elastizität zeigten sich darin, daß er imstande war, einen Mann wie Wilhelm Weitling unbarmherzig als Sektierer zu isolieren. Marx und Engels gründeten 1846 in Brüssel das Kommunistische Korrespondenz-Komitee, wodurch sie auf den Bund der Gerechten einen weit intensiveren und systematischeren Einfluß nehmen konnten. Diese Einflußnahme war nur deshalb realistisch, weil der Bund der Gerechten eben von Anfang an Ausdruck des Selbständigwerdens der proletarischen Handwerkerelemente war, weil er die revolutionäre Vorhut des deutschen Proletariats der dreißiger und vierziger Jahre des vorigen Jahrhunderts darstellte. Eine Sekte mit ihrer doktrinären Erstarrung, ihrer Abkapselung von der Klassenbewegung, mit ihrem „besonderen Schibboleth, das sie von ihr unterscheidet" - eine solche Sekte beeinflussen zu wollen wäre illusionär gewesen. Wenn eine Zusammenarbeit zwischen Marx und Engels und den Männern des Bundes der Gerechten vor 1845 und 1846 nicht möglich war, so war daran nicht allein das Primitive und Ungefüge des Arbeiter- und Handwerkerkommunismus schuld, sondern auch die noch ungenügende Herausbildung des wissenschaftlichen Sozialismus. „Denn ich trug (so erzählte Engels 40 ) ihrem bornierten Gleichheitskommunismus damals noch ein gut Stück ebenso bornierten philosophischen Hochmuts entgegen." Erst nach der erwähnten Gründung des Korrespondenzkomitees in Brüssel wurden die Beziehungen zwischen den Brüsselern um Marx einerseits und den Londonern um Schapper, Moll und Bauer andererseits immer reger und trotz aller gelegentlichen Reibungen immer enger.41 Es kam schließlich zu den beiden Kongressen im Jahre 1847 und damit zur Umgestaltung des Bundes der Gerechten, zur Umbenennung in Bund der Kommunisten, was alles seine Krönung im Manifest der Kommunistischen Partei fand. Damit wurde 1. der proletarischen Organisation ein einheitliches, auf den Ergebnissen der Wissenschaft basierendes, verbindliches Programm gegeben, 2. eine einheitlichere und straffere Organisation geschaffen, unter endgültiger Abstrei3 8 Friedrich Engels mit den wahren

spricht in „Revolution

und Konterrevolution"

von einer Sekte,

Sozialisten

nur im

Zusammenhang

in: M E W , Bd. 8, S. 21 f.

3 9 Ebenda, Bd. 2 7 , S. 6 0 , 6 5 . 4 0 Engels,

Zur Geschichte des Bundes der Kommunisten, ebenda, Bd. 2 1 , S. 2 0 8 .

41 Gerade diese unleugbare Tatsache versuchte der Franziskanerpater Bopp, umfangreichen

Buche:

„Die

Entwicklung

des

deutschen

H.,

in seinem

Handwerksgesellentums

im

19. Jahrhundert", Paderborn 1 9 3 2 , mit großem demagogischem Bemühen in ihr Gegenteil zu verkehren; vgl. S. 1 4 8 ff.

63

fung aller jener konspirativen Formen und Traditionen, die die Verbindung mit den Massen erschwerten und den Putschismus erleichterten. Es vollzog sich ein historisch bedeutsamer Vorgang: die Verschmelzung von revolutionärer Arbeiterbewegung und wissenschaftlichem Sozialismus. Mit dem Kommunistischen Manifest wurde ein Dokument von weltgeschichtlicher Bedeutung geschaffen, das bis zum heutigen Tage nichts an Lebendigkeit und richtungweisender Kraft eingebüßt hat. Uns Deutsche kann es mit Stolz erfüllen, daß es zwei Angehörige unseres Volkes waren, die das Kommunistische Manifest ausgearbeitet haben, und daß der Bund der Kommunisten die organische und gesetzmäßige Fortsetzung des Bundes der Gerechten war. Dies letztere wird uns auch klar, wenn wir aufmerksam den bekannten Aufsatz von Engels: „Zur Geschichte des Bundes der Kommunisten" lesen. Am bündigsten hat Marx den untrennbaren Zusammenhang zwischen dem Bund der Kommunisten und dem Bund der Gerechten ausgedrückt, wenn er schrieb: „Der Bund der Kommunisten wurde 1836 zu Paris gestiftet, ursprünglich unter anderem Namen.'"i2 42 MEW, Bd. 14, S. 438.

64

GERHARD

WINKLER

Über die historische Stellung des „Bundes der Kommunisten" in der deutschen Arbeiterbewegung*

Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands ist die rechtmäßige Erbin der revolutionären Traditionen der deutschen Arbeiterbewegung. Sie verkörpert in sich die reichen Erfahrungen des revolutionären Kampfes, die die Besten der deutschen Arbeiterklasse in der mehr als hundertjährigen Geschichte der Partei gesammelt haben. Diese Kampferfahrungen des deutschen Proletariats, vor allem auch die der internationalen Arbeiterbewegung, gehören mit zu dem bedeutenden Schatz, den sie sich erworben und erschlossen hat. Schon vor mehr als hundert Jahren kämpften deutsche Kommunisten unter der Führung von Marx und Engels für eine sozialistische Gesellschaftsordnung, frei von Ausbeutung und Unterdrückung. Im Rechenschaftsbericht des ZK der SED an den IV. Parteitag sagte Walter Ulbricht: „Die Geschichte unserer Partei beginnt mit Karl Marx und Friedrich Engels, die den wissenschaftlichen Sozialismus begründet und mit dem ,Manifest der Kommunistischen Partei' die Geburtsurkunde des wissenschaftlichen Sozialismus geschaffen haben." 1 Diese wichtige Feststellung lenkt unser Augenmerk darauf, die revolutionäre Vergangenheit der deutschen Arbeiterbewegung weit mehr als bisher zu beachten, denn die reichen Erfahrungen ihrer revolutionären Kämpfe lehren uns, die Feinde der Arbeiterklasse und des deutschen Volkes zu schlagen. Die revolutionären Kämpfe des deutschen Proletariats in der Vergangenheit sind unser großes Vorbild und spornen uns an, noch kühner und zielbewußter zu handeln. Die bedeutungsvolle Einschätzung des IV. Parteitages zur revolutionären Tradition der SED: „Die Geschichte unserer Partei beginnt mit Karl Marx und Friedrich Engels" fordert die fortschrittlichen Historiker auf, ernsthaft den politischen Kampf von Marx und Engels zur Schaffung einer revolutionären Partei der deutschen Arbeiterklasse zu erforschen. Sie lenkt uns zum Beispiel auf eine wichtige Frage der Geschichte der Partei der Arbeiterklasse hin: Welches ist die historische Stellung des „Bundes der Kommunisten" in der deutschen * A u s : Z f G , 2, 1 9 5 4 , 4, S. 5 3 8 - 5 5 0 (unwesentl. gekürzt). 1 Ulbricht,

Walter,

IV. Parteitag der S E D v o m 30. 3. bis 6. 4. 1 9 5 4 . D i e

gegenwärtige

Lage und der K a m p f um das neue Deutschland. Rechenschaftsbericht und S c h l u ß w o r t , Berlin 1 9 5 4 , S. 1 7 9 .

65

Arbeiterbewegung? Der historischen Forschung auf diesem Gebiet sind damit Inhalt und Richtung gegeben. . . . Für die Erforschung und Darstellung der Geschichte des „Bundes der Kommunisten" ist die von Friedrich Engels 1885 zum ersten Male veröffentlichte Arbeit „Zur Geschichte des Bundes der Kommunisten" richtungweisend. In diesem Beitrag ist die Geschichte der ersten Periode der deutschen kommunistischen Arbeiterbewegung in den Hauptzügen zusammengefaßt. Hervorragend sind der Charakter und die Form dieser ersten deutschen proletarischen Partei, welche die erste internationale Arbeiterpartei überhaupt war, herausgearbeitet. Diese gedankenreiche Skizze führt uns das Bild der ersten deutschen proletarischen Revolutionäre und Kommunisten lebendig vor Augen. Wir müssen es nur zutiefst bedauern, daß es dem Mitbegründer des wissenschaftlichen Sozialismus nicht mehr vergönnt war, sein Vorhaben auszuführen, das von Marx und ihm „gesammelte reichhaltige Material zur Geschichte jener ruhmreichen Jugendzeit der internationalen Arbeiterbewegung einmal zu verarbeiten".- Als Handbuch der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung erfreut sich das vierbändige Werk „Geschichte der deutschen Sozialdemokratie" von Franz Mehring größter Nachfrage. Wenn man bedenkt, daß diese 1897 veröffentlichte Arbeit des marxistischen Historikers und späteren Mitbegründers der K P D bis zum heutigen T a g die einzige umfassende und gründliche Darstellung der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung geblieben ist, dann erkennt man die große wissenschaftliche Leistung Mehrings. D a s Werk ist jedoch nicht frei von politischen Irrtümern und Fehlern. Besonders unterschätzt Mehring die politische Bedeutung der revolutionären marxistischen Partei sowie den Prozeß ihrer Herausbildung. Zugunsten Lassalles und des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins unterschätzt er vor allem die Rolle von Marx und Engels im Kampf für die deutsche proletarische Partei. E r findet theoretisch kein richtiges Verständnis für den „Bund der Kommunisten" und die revolutionären marxistischen Traditionen in der deutschen Arbeiterbewegung. D a er Lassalles Verdienst, Anfang der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts die wiedererwachende deutsche Arbeiterbewegung auf den Weg des politischen Kampfes gelenkt zu haben, als den Beginn der deutschen Sozialdemokratie bezeichnet, unterschätzt er den politischen Kampf von Marx und Engels um die Partei und die historische Bedeutung des „Bundes der Kommunisten" in der deutschen Arbeiterbewegung. Diese falsche Auffassung hat nicht wenig dazu beigetragen, den „Lassallekult" in der deutschen Arbeiterbewegung zu nähren. Diese ideologische Konzeption ist von der jüngeren marxistischen Forschung bereits überholt und daher als veraltet zu betrachten. In letzter Zeit wird das Buch des marxistischen Historikers K a r l Obermann „Die deutschen Arbeiter in der Revolution von 1848", zweite Auflage, mit Vorzug benutzt. D a s zweite Kapitel beschäftigt sich speziell mit den Anfängen der selbständigen deutschen Arbeiterbewegung bis zum Erscheinen 2 Marx,

66

KarljEngels,

Friedrich,

Manifest der Kommunistischen Partei, Berlin 1953, S. 54.

des „Kommunistischen Manifests". Bei der Frage, was der „Bund der Kommunisten" für die deutsche Arbeiterbewegung politisch bedeutet, geht Obermann ein bedeutendes Stück über Mehring hinaus. Richtig erkennt er, daß grundsätzlich vom politischen Kampf von Marx und Engels auszugehen ist; ebenso deutlich unterstreicht er, daß sich schon sehr früh und noch vor 1848 die ersten Keime einer kommunistischen Partei herausbildeten. Diesen richtigen Ausgangspunkt verläßt Obermann jedoch bald wieder. E r untersucht nicht, daß mit der Umwandlung des „Bundes der Gerechten" in den „Bund der Kommunisten" auf dem Kommunistenkongreß im Juni 1847 der wissenschaftliche Sozialismus mit dem fortgeschrittensten Teil der deutschen Arbeiterbewegung im wesentlichen vereinigt ist. D e r wichtige Hinweis von Stalin, daß die Vereinigung des wissenschaftlichen Sozialismus mit der Arbeiterbewegung die Partei ist, 3 ist völlig außer acht gelassen. Deshalb wurde der „Bund der Kommunisten" von Obermann auch ausschließlich als eine internationale Organisation der Arbeiterklasse herausgearbeitet. E s kommt aber darauf an, besonders in einer Monographie, die sich mit der deutschen Arbeiterbewegung 1848/49 beschäftigt, die Bedeutung des „Bundes der Kommunisten" für die deutsche Arbeiterbewegung zu untersuchen und darzustellen. Ebenfalls im vergangenen Jahre ist in Moskau die Monographie des sowjetischen Historikers E . P. Kandel „Marx und Engels - die Organisatoren des Bundes der Kommunisten" in russischer Sprache erschienen. Diese Arbeit verdient ein besonders großes Interesse, da sie sich auf ein reiches Quellen- und Archivmaterial stützt. E s ist dem Autor gelungen, viele wichtige ideologische Fragen aus der Geschichte der Anfänge der Arbeiterbewegung sowie des K a m p fes von Marx und Engels für eine revolutionäre proletarische Partei zu klären. Somit hilft diese Arbeit, eine Lücke in der geschichtlichen Darstellung der internationalen und deutschen Arbeiterbewegung zu schließen. Kandel stellt richtig fest, daß es unter den historischen Bedingungen gegen E n d e der ersten Hälfte des 19. Jh. nicht möglich war, in allen Ländern Europas kommunistische Arbeiterparteien zu schaffen. Marx und Engels stellten sich daher die Aufgabe, eine internationale kommunistische Partei zu organisieren, aber bei objektiven Voraussetzungen die Kommunisten eines jeden Landes organisatorisch zusammenzuschließen. Dieser Grundgedanke zieht sich durch die ganze Arbeit hindurch. Dabei sind die besonderen deutschen Probleme zu wenig beachtet worden. D e r starke Anteil der deutschen Kommunisten im „Bund der Kommunisten" ist unzureichend politisch-theoretisch ausgewertet. D e r bekannte Satz aus dem „Kommunistischen Manifest": „Auf Deutschland richten die Kommunisten ihre Hauptaufmerksamkeit, weil Deutschland am Vorabend einer bürgerlichen Revolution steht und weil es diese Umwälzung unter fortgeschritteneren Bedingungen der europäischen Zivilisation überhaupt und mit einem viel weiter entwickelten Proletariat vollbringt als England im siebenzehnten und Frankreich im acht3 Stalin, }. W., Werke, Bd. 1, Berlin 1951, S. 81.

67

zehnten Jahrhundert, die deutsche bürgerliche Revolution also nur das unmittelbare Vorspiel einer proletarischen Revolution sein kann" 4 durchdringt die Arbeit nicht. Ebensowenig ist die wichtige Tatsache, die A. I. Mikojan auf dem IV. Parteitag hervorhob, daß „die Entstehung des Marxismus sich vorwiegend auf dem Boden der deutschen Arbeiterbewegung vollzog", 5 genügend beachtet worden. Kandel ist zu wenig in das Wesen des Engels-Zitats „ D i e heutige internationale Arbeiterbewegung ist der Sache nach eine direkte Fortsetzung der damaligen deutschen, welche die erste internationale Arbeiterbewegung überhaupt war" eingedrungen. 6 Offensichtlich orientierte sich der Autor hauptsächlich auf den Internationalismus des „Bundes der Kommunisten". In der Einleitung zu seiner Monographie bezeichnet Kandel den „Bund der Kommunisten" noch als Vorbild und an anderer Stelle als Keim einer proletarischen Partei, doch zum Schluß behauptet er überraschend, daß er sich in keine wahrhaft proletarische Partei umwandeln konnte. 7 Kandels Arbeit, die bis tief in Einzelheiten der Entstehungsgeschichte des „Bundes der Kommunisten" eindringt, bietet ein reiches Quellenmaterial, um die Frage zu beantworten, welche Stellung der „Bund der Kommunisten" in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung einnimmt, doch auseinandergesetzt hat er sich mit diesem wichtigen Problem noch nicht. Gewiß kann es nicht das Hauptanliegen der sowjetischen Historiker sein, die Bedeutung des „Bundes der Kommunisten" für die deutsche Arbeiterbewegung herauszuarbeiten. Ihr besonderes Interesse gilt vielmehr seinen Beziehungen zur internationalen Arbeiterbewegung und speziell zu russischen Revolutionären. Doch für die deutschen marxistischen Historiker auf dem Gebiet der Arbeiterbewegung und Parteigeschichte läßt sich allgemein feststellen, daß sie die Bedeutung des „Bundes der Kommunisten" für die deutsche Arbeiterbewegung bisher viel zu wenig beachtet haben und ihn politisch unterschätzen. Zwei weitere Gedanken zur Geschichte des „Bundes der Kommunisten" verdienen ebenfalls, sorgfältig beachtet zu werden. Während in einigen Arbeiten sowjetischer und deutscher marxistischer Historiker die Auffassung vertreten wurde, der „Bund der Kommunisten" sei erst der Keim einer proletarischen Partei gewesen 8 - ohne daß diese Auffassung näher begründet wird - , wurde in anderen Arbeiten, vor allem in Gedenkartikeln zum Karl-Marx-Jahr, der „Bund der Kommunisten" als die erste proletarische Partei auf dem Boden des wissenschaftlichen Sozialismus bezeichnet. 9

4 Marx/Engels, 5 Mikojan,

6 Marx/Engels, 7 Kandel', 8 Große

Manifest der Kommunistischen Partei, S. 49.

A. /., Begrüßungsansprache an den IV. Parteitag der S E D , Berlin 1953, S. 10. Manifest der Kommunistischen Partei, S. 53.

E. .P, Marks i Engel's - organizatory sojuza kommunistov, M o s k v a 1953, S. 265. Sowjet-Enzyklopädie.

Deutschland, Berlin 1953, S. 1 0 5 ; Diebl,

Ernst,

Notiz zum

Brief von Marx, Engels u. a. an G . A . Köttgen, in: Einheit, 8, 1953, 7. 9 Oelßner,

Fred,

K a r l Marx - der deutschen Nation größter Sohn, in: Wissen und T a t ,

1953, 2 / 3 ; Matern,

68

Hermann,

D e r K a m p f von M a r x und Engels um eine revolutionäre

Selbstverständlich begründen diese Beiträge, da sie Gedenkartikel sind, diese wichtige Einschätzung nicht im einzelnen. Doch der marxistischen Forschung wird dadurch eine klare theoretische Linie und ein wichtiger methodologischer Hinweis gegeben. Die Frage nach der historischen Stellung des „Bundes der Kommunisten" in der deutschen Arbeiterbewegung darf nicht unter dem Gesichtspunkt einer Arbeiterorganisation schlechthin, sondern muß auf der Grundlage der Theorie der proletarischen, revolutionären, marxistischen Partei gelöst und beantwortet werden. Die Partei entstand gesetzmäßig unter bestimmten historischen Bedingungen des proletarischen Klassenkampfes. D a sich die gesellschaftlichen Widersprüche des Kapitalismus mehr und mehr vertiefen, entwickelt und verschärft sich auch der Klassenkampf. Unter diesen sich ständig verändernden Kampfbedingungen entwickelt und festigt sich die Partei. Das Endziel des Kampfes revolutionärer Arbeiterparteien ist immer das gleiche: die Ausbeuterordnung zu stürzen und die klassenlose Gesellschaft zu errichten; doch die Strategie und Taktik der Partei sowie die organisatorischen Formen des Kampfes entwickeln und verändern sich im Verlauf der verschiedenen Etappen und Perioden der proletarischen Bewegung. Deshalb ist auch die Partei in einer bestimmten Form nicht ein für allemal gegeben, sondern dem Prozeß der geschichtlichen Entwicklung unterworfen. Es ist also notwendig, den Begriff der Partei historisch aufzufassen und ihn dialektisch zu behandeln. Lenin verallgemeinerte die Erfahrungen des Kampfes der Arbeiterklasse und lehrt uns: „Die Partei ist die höchste Form des klassenmäßigen Zusammenschlusses des Proletariats." 10 Diese wichtige theoretische Schlußfolgerung trifft das Wesen der Parteien der Arbeiterklasse aller Länder. Sie erfaßt, was allen Parteien trotz äußerer Unterschiede gemeinsam ist. Sie orientiert uns, im täglichen Kampf unter jeweils neuen Umständen die höchste Form des klassenmäßigen Zusammenschlusses zu schaffen. Diese höchste Form ist ebenfalls nicht ein für allemal gegeben, sondern verändert sich mit der Entwicklung des proletarischen Klassenkampfes. So war zum Beispiel der „Bund der Kommunisten" die höchste Form des klassenmäßigen Zusammenschlusses des Proletariats am Vorabend der bürgerlich-demokratischen Revolution in Deutschland 1848/49. Genauso hatte sich die deutsche Sozialdemokratische Partei unter den Bedingungen des vormonopolistischen, des Kapitalismus der freien Konkurrenz zu dieser höchsten Form entwickelt. Die Bolschewiki schufen in der Periode des Imperialismus und der proletarischen Revolution mit der ruhmreichen KPdSU diese höchste Form des klassenmäßigen Zusammenschlusses des Proletariats, die das Vorbild der revolutionären Arbeiterparteien

Arbeiterpartei in Deutschland, in: Neues Deutschland, 5 . 5 . 1 9 5 3 ; Hager, Kurt, Der Kölner Kommunistenprozeß 1852, in: Einheit, 7, 1952, 10; Jucb, Fritz, Karl Marx Der Schöpfer des wissenschaftlichen Sozialismus und Führer des internationalen Proletariats, in: Neue Welt, 1953, 6. 10 Lenin, W. /., Ausgewählte Werke, Bd. 10, S. 84. 6

Hundt, Bund der Kommunisten

69

aller L ä n d e r wurde. D i e Geschichte bestätigt diese Lehren. D i e Genossen des „Bundes der Kommunisten" waren 1848 in Deutschland der revolutionäre K e r n an der Spitze des entschieden demokratischen Flügels, um die Volksbewegung voranzutreiben. D i e Partei um August B e b e l siegte über das Sozialistengesetz und den Todfeind der Arbeiterklasse, Bismarck. Unter der Führung der Partei Lenins und Stalins eroberten die Arbeiter und Bauern Rußlands die politische Macht. Auf den Trümmern der Ausbeuterordnung entstand die mächtige sozialistische Sowjetunion, die heute der lichten Zukunft des Kommunismus

entge-

genschreitet. Warum, so ist zu fragen, konnten die Besten der Arbeiterklasse vom „Vormärz" bis zum heutigen T a g e diese großartigen E r f o l g e erringen? N u r deshalb, weil sie von der revolutionären Theorie des Marxismus geführt wurden und weil ihre Organisationen auf der Grundlage des wissenschaftlichen

Sozia-

lismus geschaffen worden waren. E s widerspricht der marxistischen Methode, wollte man den „Bund der K o m munisten", wie es bei Mehring geschehen, mit der proletarischen

Massenpartei

der damaligen Sozialdemokratie vergleichen, ihn zahlenmäßig zu schwach befinden und daher mehr oder minder abtun. Genauso ungerechtfertigt war es von K a n d e l , das Kriterium der Partei neuen Typus auf

den „Bund der K o m m u -

nisten" anzuwenden und dann zu folgern, er konnte sich in keine wahrhaft proletarische Partei umwandeln. In gleicher Richtung, doch mit anderem E r g e b nis muß die übereinstimmende Auffassung in der G r o ß e n Sowjet-Enzyklopädie und dem Artikel von D i e h l überlegt worden sein. In beiden F ä l l e n wurde dabei die politische Bedeutung des Kommunistischen Korrespondenzkomitees in Brüssel im K a m p f um die Partei unterschätzt. D e s h a l b überzeugt es auch nicht, den „Bund der Kommunisten" als eine K e i m f o r m der proletarischen Partei zu bezeichnen. D a s Kommunistische Korrespondenzkomitee mit M a r x und Engels an der Spitze wurde im Februar 1846 gegründet. M i t seiner H i l f e beabsichtigten Marx

und Engels,

„das europäische und zunächst das deutsche

Proletariat" 1 1

für die neuen revolutionären Ideen zu gewinnen und fest um das B a n n e r der proletarischen Weltanschauung zusammenzuschließen. E s war der K a m p f um

die

Vereinigung des wissenschaftlichen Sozialismus mit der Arbeiterbewegung. F ü r die erste Periode der deutschen Arbeiterbewegung schloß dieser Entwicklungsprozeß mit der Gründung des von M a r x und Engels geschaffenen „Bundes der Kommunisten" im wesentlichen

ab. D e r fortgeschrittenste T e i l der damaligen

deutschen Arbeiterbewegung hatte sich auf der Grundlage des wissenschaftlichen Sozialismus fest zusammengeschlossen. E s ist also berechtigt, das Kommunistische Korrespondenzkomitee als den K e i m und die später gebildeten Korrespondenzbüros in Deutschland, in Paris und London als die Keimzellen der proletarischen Partei zu bezeichnen. D e r „Bund der Kommunisten" war etwas Neues in der Geschichte des proletarischen Klassenkampfes. Bereits im Juni 1847 fand der entscheidende K o n g r e ß 11 Marx/Engels,

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Manifest der Kommunistischen Partei, S. 62.

der Bundesmitglieder statt, der seinem Inhalt nach zum Gründungskongreß der proletarischen Partei wurde. Auf ihm wurde die Lehre von Marx und Engels im Prinzip gebilligt und die völlige Umwandlung des „Bundes der Gerechten" vollzogen. Die Delegierten, die in London zusammenkamen, standen deshalb vor entscheidenden Fragen und diskutierten hauptsächlich über ein neues Bundesstatut. Sie kamen überein, den kleinbürgerlichen Namen „Bund der Gerechten" fallenzulassen und sich fortan „Bund der Kommunisten" zu nennen. Damit grenzte sich die neugeschaffene Organisation von all den bestehenden bürgerlichsozialen Reformvereinen als revolutionär und proletarisch ab. Doch der proletarische Klassencharakter der revolutionären Partei wurde eindeutig dann in der Präambel zum neuen Bundesstatut formuliert. Hatte noch das alte Statut gefordert, das schimpflich unterdrückte Deutschland sowie die versklavte Menschheit zu befreien, ferner die Grundsätze der Menschen- und Bürgerrechte zu verwirklichen, so schuf das vorgelegte neue Statut hier einen grundsätzlichen W a n del. Es brach vollständig mit dem kleinbürgerlichen Radikalismus und legte offen und klar das revolutionäre Ziel der proletarischen Bewegung dar. Es heißt dort: „Der Zweck des Bundes ist der Sturz der Bourgeoisie, die Herrschaft des Proletariats, die Aufhebung der alten, auf Klassengegensätzen beruhenden bürgerlichen Gesellschaft und die Gründung einer neuen Gesellschaft ohne Klassen und ohne Privateigentum." 1 2 Ebenso verschwand der kleinbürgerlich-kosmopolitische Wahlspruch des Londoner Deutschen Arbeiterbildungsvereins: „Alle Menschen sind Brüder!"; an seine Stelle trat die kämpferische und proletarische Parole, die bald zum Kampfruf der internationalen Arbeiterbewegung wurde: „Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!" Das war der Klasseninhalt der Kommunistischen Partei. Dementsprechend mußte auch die alte konspirative Hülle des „Bundes der Gerechten", die den Bedingungen der jetzt völlig überwundenen Verschwörertaktik entsprach, gesprengt werden. Als Organisationsform der revolutionären proletarischen Partei wurde das Prinzip des demokratischen Zentralismus herausgearbeitet. Das war eine wichtige Entdeckung zu den Fragen der organisatorischen Grundlage der Kommunistischen Partei, die die revolutionäre proletarische Theorie um eine entscheidende Erkenntnis bereicherte. Der „Bund der Kommunisten" wurde auf der Grundlage des neuen Statuts der Partei demokratisch-zentralistisch aufgebaut. Die Zellen der Organisation waren die Bundesgemeinden. Der leitende Kreis wurde auf der Länderebene organisiert und dadurch besonders begünstigt, seine politischen Aufgaben nach Art besonderer örtlicher Umstände zu lösen. Das aber war sehr wichtig, denn die politischen Verhältnisse der Länder, in denen die Organisation wirkte, waren sehr verschieden. Als höchstes Organ der Kommunistischen Partei wurde der Kongreß geschaffen. Er ging aus allgemeinen Delegiertenwahlen hervor und war deshalb der Ausdruck des demokratischen Zentralismus. Der Kongreß beschloß über Programm und Statut und bestimmte die Generallinie der politischen Arbeit. Damit wurde das demokratische Mitbestimmungsrecht der Mitglieder ver12 Ebenda, S. 79.



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wirklicht. Die neugeschaffene Zentralbehörde des „Bundes der Kommunisten" war zwischen den jährlich stattfindenden Kongressen das höchste Organ der Organisation. Sie vollzog die Beschlüsse, die auf dem Kongreß gefaßt wurden, leitete die Kreise an und bereitete die Jahreskongresse vor. Die Zentralbehörde war ein wichtiges Instrument der Partei. In ihrer Hand vereinigte sie hohe politische Verantwortung und weitreichende Vollmacht. Sie entschied über die politischen Probleme, die in den Gemeinden diskutiert wurden, arbeitete die Beschlußvorlagen für die Kongresse aus und war befugt, in dringenden Fällen außerordentliche Kongresse einzuberufen. Ihre straffe und zentrale Organisation gestattete es, in der politischen Arbeit schnell und beweglich zu sein. Damit war der Organisation eine große Kraft verliehen. Soweit der „Bund der Kommunisten" noch geheim war, geschah dies nur aus Rücksicht auf die politischen Verhältnisse, so vor allem in Deutschland, wo es keine Vereinigungsfreiheit gab. Auf dem ersten Kongreß der Kommunisten wurde das neue Statut noch nicht beschlossen, es sollte erst in den Gemeinden diskutiert und dann auf dem zweiten Kongreß Anfang Dezember des gleichen Jahres angenommen werden. Doch einmütig stimmten die Delegierten dem Antrag zu, die Anhänger des utopischen Kommunismus aus der Partei auszuschließen. Ebenso einstimmig wurde übereingekommen, eine kommunistische Zeitschrift mit der Parole „Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!" als monatliches Organ herauszugeben. Auf dem ersten Kommunistenkongreß vom Juni 1847 wurde der „Bund der Gerechten" auf der Grundlage der proletarischen Ideologie sowie der Prinzipien der proletarischen Partei vollständig umgestaltet. Ziel und Statut des „Bundes der Kommunisten" entsprachen den Grundsätzen der von Marx und Engels begründeten revolutionären Theorie. Der wissenschaftliche Sozialismus war mit dem damals revolutionärsten Teil der Arbeiterbewegung vereinigt, und eine revolutionäre Arbeiterpartei war geschaffen. Von Ende November bis Anfang Dezember 1847 tagte ebenfalls in London der zweite Kongreß der Kommunisten. Die Delegierten, die aus England, Frankreich, Belgien und Deutschland in die englische Hauptstadt gekommen waren, diskutierten noch einmal gründlich über Statut und Programm. Marx und Engels nahmen das Wort, und in einer längeren Debatte vertraten sie die von ihnen begründete revolutionäre Theorie. Noch vorhandene Zweifel oder Bedenken wurden beseitigt und die Kongreßteilnehmer überzeugt, daß nur der wissenschaftliche Sozialismus eine richtige Antwort auf die Fragen nach der Richtung und dem Ziel des proletarischen Klassenkampfes geben konnte. Der Kongreß beschloß einstimmig, die neuen theoretischen Grundsätze und das bereits im Juni vorgelegte Statut anzunehmen. Am 8. Dezember 1847 wurde dieses wichtige Dokument im Namen des „Bundes der Kommunisten" von Friedrich Engels und Karl Schapper unterzeichnet. Die Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus und der revolutionären Partei wurden beauftragt, das Programm der Kommunisten auszuarbeiten. Die überwiegende Zahl der Parteimitglieder waren deutsche Handwerker-

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gesellen und Arbeiter, die entweder ins Ausland gewandert waren oder, von den deutschen Behörden verfolgt, außerhalb Deutschlands leben mußten. E s waren vor allem deutsche Kommunisten, die sich eng um das Banner der von Marx und Engels geschaffenen revolutionären Theorie zusammengeschlossen hatten. Sie waren der aktive Teil der Organisation und ihr führender Kern. D i e revolutionären Ideen und Gedanken wurden von den Mitgliedern in deutscher Sprache durchdacht und diskutiert, alle wichtigen Korrespondenzen und Beschlüsse in deutscher Sprache verfaßt. Alle führenden Genossen der Kommunistischen Partei waren Deutsche. Auf Deutschland richteten die Kommunisten ihre Hauptaufmerksamkeit, weil es sich am Vorabend der bürgerlichen Revolution befand. Doch auf der Tagesordnung der Geschichte stand für die deutsche Arbeiterklasse noch nicht die Aufgabe, die politische Macht zu erobern. D e r „Bund der Kommunisten" konnte deshalb noch nicht unmittelbar die proletarische Revolution vorbereiten. Seine Hauptaufgabe bestand darin, die proletarischen und revolutionären Ideen zu propagieren und die Volksbewegung, sobald sie ausbrach, voranzutreiben. In der deutschsprachigen „Deutschen-Brüsseler-Zeitung" entwickelten Marx und Engels deshalb besonders die Aufgaben der K o m munisten in der bevorstehenden bürgerlichen Revolution in Deutschland. D i e erste und einzige Nummer der „Kommunistischen Zeitschrift" erschien in deutscher Sprache. In direktem Zusammenhang mit den politischen Aufgaben behandelte sie die deutschen Probleme vom Standpunkt der Kommunisten aus. E s ist berechtigt, daraus zu schlußfolgern: Der „Bund der Kommunisten" war die erste marxistische Partei der Arbeiterklasse Deutschlands. Aber der „Bund der Kommunisten" war mehr als eine deutsche Partei der Arbeiterklasse auf dem Boden des wissenschaftlichen Sozialismus. Nicht nur deutsche Handwerkergesellen und Arbeiter, sondern auch Kommunisten anderer Nationen - Schweizer, Skandinavier, Holländer, Ungarn, Tschechen, Südslawen, Russen, Elsässer und Engländer - waren Mitglieder der Partei. Ihre Zahl war nicht so hoch wie die der Deutschen, sie spielten in der Organisation auch keine so bedeutende Rolle wie diese. Doch die politische Arbeit der Partei beschränkte sich keineswegs auf Deutschland allein. Waren die deutschen K o m munisten und ebenfalls die Kommunisten der anderen Länder entschiedene Patrioten, so waren sie zugleich aufrechte proletarische Internationalisten. Sie hoben in den verschiedenen nationalen Kämpfen der Arbeiterklasse die gemeinsamen, von der Nationalität unabhängigen Interessen des gesamten Proletariats hervor und vertraten stets die Aufgaben der Gesamtbewegung. D e r Kampfruf der Kommunisten „Proletarier aller Länder, vereinigt E u c h ! " richtete sich nicht nur an die Arbeiterklasse Deutschlands, sondern an die Proletarier aller Länder. E r forderte die Arbeiter auf, sich über Ländergrenzen hinweg zum Sturz der kapitalistischen Ausbeuter zu vereinigen. E s ist notwendig, daraus eine zweite Schlußfolgerung zu ziehen: D e r „Bund der Kommunisten" war die erste internationale Partei der Arbeiterklasse auf der Grundlage der marxistischen Weltanschauung.

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Zusammenfassend ergibt sich folgendes Bild. Der Klassenkampf des Proletariats in den fortgeschrittensten Ländern hatte in den vierziger Jahren des 19. Jh. eine Entwicklungsstufe erreicht, die es notwendig machte, seinen Inhalt und seine Formen theoretisch zu begründen, um dem kämpfenden Proletariat Richtung und Ziel zu geben. Die neue proletarische Theorie, der Sozialismus, mußte mit der Arbeiterbewegung vereinigt und die proletarische Kampfpartei geschaffen werden. Da sich in jenen Jahren das Zentrum der revolutionären Bewegung nach Deutschland verschob, wurde es zum Geburtsland des wissenschaftlichen Sozialismus. Die genialen Schöpfer dieser revolutionären Theorie waren Marx und Engels. Die Entstehung des wissenschaftlichen Sozialismus vollzog sich vorwiegend auf dem Boden der deutschen Arbeiterbewegung. Deshalb ist auch der „Bund der Kommunisten" als Ergebnis der Vereinigung des wissenschaftlichen Sozialismus mit dem damals fortgeschrittensten Teil der Arbeiterbewegung die erste deutsche revolutionäre marxistische Partei und gleichzeitig die erste internationale Organisation der Arbeiterklasse auf dem Boden des wissenschaftlichen Sozialismus. Das war ein Wendepunkt in der Geschichte des proletarischen Klassenkampfes in Deutschland und in den anderen Ländern. Während die Arbeiterklasse bisher noch ohne Führung, unsicher tastend ihren Weg suchte und im Kampfe viele Niederlagen erlitt, war mit der Partei, mit dem „Bund der Kommunisten", eine Kraft entstanden, die das Proletariat zum Siege führen konnte. Die Kommunisten waren mit einer revolutionären Theorie ausgerüstet, die sie befähigte, den Verlauf der geschichtlichen Entwicklung zu erkennen und die Aufgaben und Formen des proletarischen Klassenkampfes wissenschaftlich zu begründen. Damit war der proletarischen Bewegung ihre unüberwindliche Stärke gegeben. Die Kommunisten hatten jetzt ihre Partei, die, vom revolutionären Willen gelenkt, berufen war, die Arbeiterklasse im Kampfe zu führen. Widersprechen diese Ausführungen dem bekannten Zitat von Stalin, in dem es heißt: „Die Rolle der Gewerkschaften ist in Deutschland eine andere als in Rußland. In Rußland sind die Gewerkschaften nach der Partei entstanden und waren im Grunde genommen Hilfsorgane der Partei. Anders war es in Deutschland und in Europa überhaupt. Dort ist die Partei aus den Gewerkschaften hervorgegangen . . ."? 1 3 Zunächst folgende Tatsachen. Die ersten bescheidenen Ansätze zur Gewerkschaftsbewegung in Deutschland beginnen mit dem Jahre 1848. Nach dem Verrat der Bourgeoisie in der bürgerlichen Revolution von 1848/49 und der Niederlage der Volksbewegung verschärften sich der Terror und die politische Reaktion in Deutschland. Zum anderen begann erst nach 1849 der schnelle und tiefgreifende kapitalistische Umwandlungsprozeß. Die wirtschaftliche Krise war vorüber, und die revolutionäre Situation ebbte schnell ab. Die Arbeiterorganisationen und vor allem der „Bund der Kommunisten" wurden brutal verfolgt und in die Illegalität getrieben oder seine Mitglieder 1 3 Stalin, ]. W., W e r k e , Bd. 7, Berlin 1 9 5 2 , S. 3 9 .

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zur Emigration gezwungen. Mit dem Kölner Kommunistenprozeß 1852 und der Trennung der revolutionären Mehrheit des „Bundes der Kommunisten" unter Führung von Marx und Engels von allen kleinbürgerlichen Mitläufern endete die erste Periode des revolutionären Kampfes der deutschen Arbeiterbewegung. Der anhaltende wirtschaftliche Fortschritt und die politischen Verfolgungen bewirkten jedoch, daß die ersten großartigen Erfolge der deutschen Arbeiterbewegung und des „Bundes der Kommunisten" in Deutschland teilweise wieder verlorengingen. Das proletarische revolutionäre Bewußtsein wurde zum Teil wieder verschüttet. Erst mit dem neuen revolutionären Aufschwung Anfang der sechziger Jahre entwickelte sich aus der Gewerkschaftsbewegung heraus um August Bebel und Wilhelm Liebknecht jener proletarisch revolutionäre Kern, der mit der Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei 1869 in Eisenach den Grundstein für eine marxistische Massenpartei legte. Marx und Engels, die an der Spitze der 1864 gegründeten I. Internationale standen, unterstützten mit aller Kraft die politischen und organisatorischen Bestrebungen der deutschen proletarischen Revolutionäre. Die deutsche Sozialdemokratische Partei ist aus der Gewerkschaftsbewegung hervorgegangen; ihre ideologische Grundlage wurde mehr und mehr der wissenschaftliche Sozialismus. Ihre Bedeutung besteht vor allem darin, daß sie sich sofort als proletarische Massenpartei entwickeln konnte. Dies konnte aber nur geschehen, weil durch den Kampf von Marx und Engels und die revolutionären Traditionen des zahlenmäßig noch schwachen „Bundes der Kommunisten" der Boden bereitet war. Es ist anzunehmen, daß Stalin in seinem Brief von 1925 gerade diesen Umstand vor Augen hatte.

KARL

OBERMANN

Die Verlegung der Zentralbehörde des Bundes nach Köln *

Im Sommer 1850, während Karl Marx und Friedrich Engels in London durch gründliche wissenschaftliche Untersuchungen die Frage der Beziehungen zwischen der ökonomischen und politischen Entwicklung klärten und damit zu einer neuen Beurteilung der Lage und der Aufgaben der Arbeiterklasse gelangten, machten die sich radikal gebärdenden demokratischen Kleinbürger und kleinbürgerlichen Revolutionäre wie Kinkel, Willich und andere lärmende Revolutionsankündigungen. Engels schrieb 1869 in einem Aufsatz über M a r x : „In London fand sich damals die ganze fine fleur 1 der kontinentalen Flüchtlingsschaft aller Nationen zusammen. E s wurden Revolutionskomitees aller Art gebildet, Kombinationen, provisorische Regierungen in partibus infidelium 2 , es gab Streitigkeiten und Zänkereien aller Art, und die dabei beteiligt gewesenen Herren blicken jetzt sicher auf diese Periode als auf die mißlungenste ihres Lebens zurück." 3 D i e kleinbürgerlichen Revolutionäre zeigten kein Verständnis für Untersuchungen über die Ursachen der Niederlage der Revolution von 1848/49. Sie stellten Revolutionsprogramme auf, in denen sie vor allem dem Kleinbürgertum Versprechungen machten. Der Dichter Gottfried Kinkel hatte den Plan einer Revolutionsanleihe aufgebracht, die den großspurigen Namen „Deutsche Nationalanleihe" führte. Über den gezeichneten Geldbetrag wurde eine Urkunde ausgestellt, in der die mit Hilfe der Anleihe zu schaffende deutsche Republik die RückZahlungsverpflichtung übernahm. Willich beteiligte sich an der Werbung für diese Revolutionsanleihe. D i e ganze 1848er Emigration in England und Amerika wurde von Kinkel, Willich und anderen geradezu in einen Revolutionsanleihe-Rummel gestürzt. Auf dieser Revolutionsspielerei von Willich und seinen Anhängern konnte keine aktionsfähige, selbständige Arbeiterpartei aufgebaut werden. D i e Revolutionsspielerei war eine Gefahr für den Bund, und so kam es am 15. September * A u s z u g a u s : Obermann,

Karl,

Zur Geschichte des Bundes der Kommunisten 1 8 4 9 bis

1 8 5 2 , Berlin 1955, S. 3 6 - 5 2 . 1 Schöne Blüte. 2 Außerhalb des L a n d e s ; nur dem Schein nach bestehend. 3 Engels,

Friedrich,

K a r l M a r x , i n : M a r x / E n g e l s / L e n i n / S t a l i n , Zur deutschen

B d . 2, Berlin 1954, S. 8 5 7 .

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Geschichte,

1850 zur Trennung von der Fraktion Willich - Schapper. Lenin schrieb dazu: „Als die Epoche der Revolutionen von 1848/49 zu Ende war, trat Marx gegen jede Revolutionsspielerei auf (Schapper und Willich und der Kampf gegen sie) und verlangte, daß man in der neuen Epoche zu arbeiten verstehe, die scheinbar .friedlich' neue Revolutionen vorbereite."4 Die Begründung, die Marx auf der Sitzung der Londoner Zentralbehörde des Bundes für die Trennung von der Fraktion Willich - Schapper gab, enthält gleichzeitig die Linie für die weitere Arbeit des Bundes der Kommunisten: „An die Stelle der kritischen Anschauung setzt die Minorität eine dogmatische, an die Stelle der materialistischen eine idealistische. Statt der wirklichen Verhältnisse wird ihr der bloße Wille zum Triebrad der Revolution. Während wir den Arbeitern sagen: Ihr habt fünfzehn, zwanzig, fünfzig Jahre Bürgerkriege und Völkerkämpfe durchzumachen, nicht nur um die Verhältnisse zu ändern, sondern um euch selbst zu ändern und zur politischen Herrschaft zu befähigen, sagt ihr im Gegenteil: ,Wir müssen gleich zur Herrschaft kommen, oder wir können uns schlafen legen.' Während wir speziell die deutschen Arbeiter auf die unentwickelte Gestalt des deutschen Proletariats hinweisen, schmeichelt ihr aufs plumpste dem Nationalgefühl und dem Standesvorurteil der deutschen Handwerker, was allerdings populärer ist. Wie von den Demokraten das Wort Volk zu einem heiligen Wesen gemacht wird, so von euch das Wort Proletariat. Wie die Demokraten schiebt ihr der revolutionären Entwicklung die Phrase der Revolution unter."5 Die Fraktion Willich - Schapper geriet nun völlig ins Fahrwasser der kleinbürgerlichen bzw. Vulgär-Demokraten, und ihre Tätigkeit beschränkte sich ebenso wie die Tätigkeit der kleinbürgerlichen Demokraten auf möglichst laute Verkündigung der angeblich bevorstehenden Revolution. In der Sitzung der Londoner Zentralbehörde vom 15. September 1850 war ferner mit sechs gegen vier Stimmen beschlossen worden, „1. den Sitz der Zentralbehörde von London nach Köln zu verlegen und durch den Kreis Köln eine neue Zentralbehörde bilden zu lassen; 2. die Statuten des Bundes für aufgehoben zu erklären und die neue Zentralbehörde mit der Abfassung neuer zu beauftragen."6 Diese Beschlüsse wurden der Leitung der Kölner Bundesgemeinde in der zweiten Hälfte des Monats September 1850 durch den Kommis Wilhelm Haupt übermittelt. Haupt kam aus London und reiste zurück nach Hamburg, seine Heimatstadt. (Haupt wurde nach seiner Verhaftung im Mai 1851 zum Verräter.) 4 5 6

Lenin, W. /., Karl M a r x , in: Derselbe, Karl Marx - Friedrich Engels, Berlin 1 9 5 3 , S. 4 4 . Marx, Karl, Enthüllungen über den Kommunistenprozeß zu Köln, Berlin 1 9 5 2 , S. 3 9 . Radus-Senkovic, W., Aus der Geschichte des Bundes der Kommunisten, Sept. 1 8 5 0 - A u g . 1851

(russ.), in: Voprosy istorii, 1 9 4 8 , 1 1 ; ZStAM, Anklageschrift, Rep. 7 7 , Tit.

505,

Nr. 16, Acta betr. der im Jahre 1 8 5 1 in Cöln entdeckten communistischen und revolutionären Umtriebe, vol. 2.

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Es zeugt von der engen Zusammenarbeit der Leitung des Kölner Kreises des Bundes mit der Leitung des Frankfurter Kreises, daß Heinrich Bürgers, 1848/49 Redaktionsmitglied der „Neuen Rheinischen Zeitung", schon am Tage nach der Ankunft Haupts an Joseph Weydemeyer in Frankfurt schrieb, um ihn über die Vorgänge und Beschlüsse zu unterrichten. 7 Nachdem Weydemeyer diese Mitteilung erhalten hatte (außer der Nachricht aus Köln war er auch von London direkt unterrichtet worden), schrieb er am 13. Oktober 1850 an Marx: „So fatal übrigens die Spaltung des Bundes ist, so wird sie doch die Tragweite nicht haben, welche Engels davon zu befürchten schien: die Verlegung der Bundeszentralbehörde ist der beste Beschluß, den ihr fassen konntet, hier hat er überall den ungeteiltesten Beifall gefunden. Ohne Zweifel hat Schapper seinen Einfluß etwas überschätzt . . ," 8 Es war natürlich leichter, den Arbeitern und Handwerksgesellen zu schmeicheln, ihnen mit hochtrabenden Worten zu verkünden, daß sie nicht mehr lange auf die Revolution zu warten brauchten, als mit ihnen ernsthaft zu diskutieren und sie mit der wissenschaftlichen Lehre von Karl Marx bekannt zu machen. J. W. Stalin sagt: „Man braucht gar nicht davon zu reden, daß die bürgerliche Ideologie, d. h. das trade-unionistische Bewußtsein, wenn es sich um die Verbreitung der Ideen handelt, sich viel leichter verbreitet und die spontane Arbeiterbewegung viel breiter erfaßt als die sozialistische Ideologie, die lediglich ihre ersten Schritte tut." 9 Uber die Erfahrungen, die Weydemeyer in dieser Hinsicht bei der Organisierung der Arbeiter machen mußte, berichtete er in demselben Brief: „Wie soll man auch auf die Massen der Arbeiter einwirken, da man sie hier ja nicht einmal in die Vereine hineinbringen kann, wenigstens nicht in die Vereine, wo es sich um eine ernste Diskussion handelt. Was hat es mir nicht für Mühe gekostet, in unserem kleinen, aber durchaus entschiedenen Verein überhaupt eine ernste Diskussion zustande zu bringen . . ."10 Es gibt aber auch Anzeichen dafür, daß Ende 1850 und Anfang 1851 bei 7 S t A Potsdam, Rep. 30, Berlin C, Tit. 94, Lit. R, Nr. 2 0 8 b, Acta des Polizai-Präsidii zu Berlin, betr. Verhandlungen

in Folge Anerbieten

des Cigarrenmachers Röser

Regierung Entdeckungen über Communistenverbindungen zu machen, 1 8 4 8 - 1 8 5 3 . -

der Der

Zigarrenmacher Peter Gerhardt Röser hat nach seiner Verurteilung im K ö l n e r Kommunistenprozeß, und zwar bei Vernehmungen im Dezember 1 8 5 3 und Januar 1 8 5 4 , über solche Einzelheiten Aussagen gemacht, die jedoch damals keinen Schaden mehr anrichten konnten. In der Voruntersuchung hat Röser auch über den Bund der Kommunisten Angaben gemacht, sich jedoch geweigert, Namen zu nennen. Gerade Röser wurde als Arbeiter in der Haft sehr stark zugesetzt. E r ist aber kein Polizeiagent geworden. Vgl. ebenda, Nr. 2 0 8 , Acta betr. den Cigarrenarbeiter Röser in Köln 1 8 5 1 - 1 8 5 7 . 8 Unveröffentlichte Briefe, Marx-Engels-Lenin-Stalin-Institut, Marx,

13.10.1850,

9 Stalin, J. W.,

in: M E G A 2 III/3, S. 6 5 5 - 6 5 9 ;

Kurze Darlegung der Meinungsverschiedenheiten,

Bd. 1, Berlin 1 9 5 3 , S. 83 f. 1 0 Joseph Weydemeyer an Karl Marx, 1 3 . 1 0 . 1 8 5 0 .

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Moskau

[ = Weydemeyer an

B d K 2, S. 2 9 4 - 2 9 7 ] , in: Derselbe,

Werke,

den besten Vertretern der Arbeiterklasse eine Enttäuschung über die Revolutionäre in Worten, die kleinbürgerlichen Demokraten, einsetzte. Bei namhaften Führern der Arbeiterklasse zeigte sich die Einsicht in die Notwendigkeit, im Sinne der Ansprache der Zentralbehörde vom März 1850 auf die Selbständigkeit der Arbeitervereine hinzuwirken. Sehr deutlich kommt diese Einsicht in einem Brief von Johann Philipp Becker, dem revolutionären Kämpfer der Jahre 1830 bis 1848/49 und späteren Organisator der deutschen Sektion der I. Internationale, zum Ausdruck, den er von Genf am 6. Februar 1851 nach Paris sandte. Darin heißt es: „Ich habe zwar mein möglichstes getan, nach unten gewirkt, meine Verbindungen mit den Arbeitervereinen in Deutschland wieder erneuert und weiteres. Und dies halte ich für das Wesentlichste bei aller Organisation. D i e Verbindungen der Demokraten par excellence schweben gewöhnlich in der Luft und können ohne Grund und Boden keine Wurzel schlagen. Was kann man denn wollen ohne die Arbeiter. D e r Kampf ist nur für sie, daher nur durch sie!" 1 1 Auf dieses „Wesentlichste" konzentrierte sich die Arbeit des Bundes der K o m munisten. D i e Kölner Gemeinde des Bundes machte sich daran, die letzten Beschlüsse der Londoner Zentralbehörde in London bzw. die Anweisungen von Marx und Engels zu verwirklichen. Dabei fand sie die volle Unterstützung Weydemeyers in Frankfurt. Nachdem die „Neue Deutsche Zeitung" verboten worden war, widmete er sich noch stärker als vorher der Arbeit des Bundes. E s ist als sehr bedeutsam zu werten, daß der langjährige bewährte Freund von Marx und Engels, Joseph Weydemeyer, des öfteren nach Köln reiste, um die Tätigkeit des Bundes mit der neuen Zentralbehörde zu besprechen. Seine erste Reise nach Köln erfolgte gleich nach dem Verbot der „Neuen Deutschen Zeitung" im Dezember 1850, wie aus dem bisher unveröffentlichten Brief Weydemeyers an Marx vom 28. Dezember 1850 hervorgeht. 11 ' Zunächst wandte sich die neue Zentralbehörde in einer Ansprache vom 1. Dezember 1850 an alle Bundesgemeinden. Diese Ansprache informierte die Bundesgemeinden in erster Linie über die Trennung von der Fraktion W i l l i c h Schapper und sprach sich gegen das Treiben dieser Fraktion aus. D i e Ansprache wandte sich energisch gegen den Standpunkt der Fraktion, die „alle theoretische Arbeit für abgetan" erklärte. In der Ansprache wird eindeutig dargetan, daß sich damit diese Fraktion unbedingt als unfähig erweise, die Arbeiterklasse zum Sieg zu führen, und daß ein solcher Standpunkt schließlich zum Verrat an der Arbeiterklasse führen müsse. So heißt es darin: „Daher ist es denn auch ganz natürlich, daß dieselben Leute, welche scheinbar so exklusiv die Interessen des ,reinen Proletariats' vertreten, in ihrer neuesten Proklamation, die sie unter 11 StA Potsdam, Rep. 3 0 , Berlin C, Lit. W , Nr. 1 8 8 , Acta des Polizei-Präsidii zu Berlin, betr. Berliner Wochenberichte, vol. 2, 1 8 5 2 . Dazu wird bemerkt, daß dieser Brief bei Hörfei in Paris beschlagnahmt wurde. 12 Joseph Weydemeyer an Karl M a r x , 2 8 . 1 2 . 1 8 5 0 ,

in: M E G A 2 ,

I I I / 3 , S. 7 1 3 f . ;

BdK,

Bd. 2, S. 3 5 5 f. In dem Brief heißt es: „Von einer kleinen Reise nach Köln zurückgekehrt."

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dem Titel eines demokratisch-so2ialistischen Komitees in Gemeinschaft mit Franzosen, Polen und Ungarn in die Welt geschickt haben, lediglich auf die Phrase Revolution lospauken und sich als die Vorkämpfer der kleinbürgerlichen sozialdemokratischen Republik hinstellen. Hiermit ist denn das Proletariat auch für die Zeit der Bewegung auf seinen alten unpolitischen Standpunkt zurückgeworfen: Es wird von neuem für die Interessen einer anderen Klasse in den Kampf gerufen, um hinterher um die Früchte seines Sieges betrogen zu werden." Die neue Kölner Zentralbehörde des Bundes ging also in ihrer Arbeit von der Einsicht aus, wie sie Lenin später formulierte, daß es „ohne revolutionäre Theorie auch keine revolutionäre Bewegung geben kann". Sie bezeichnete die von Marx und Engels verfaßte „Ansprache der Zentralbehörde an den Bund vom März 1850" als die Grundlage für die weitere Arbeit des Bundes. Es heißt darüber: „Die Politik, welche wir zu verfolgen haben, ist, wir wiederholen es, vorgezeichnet; sie ist in der ersten Ansprache der Londoner Zentralbehörde von diesem Jahre enthalten. Diese letztere ist es daher, die wir . . . der Diskussion in allen Kreisen und Gemeinden empfehlen." Es wird besonders auf die Stelle hingewiesen, die „das Verhältnis der proletarischen Partei zu der bürgerlichen Demokratie" erklärt. Anschließend wird gefordert, „überall, wo noch Arbeitervereine bestehen, in denselben den Inhalt der Abschnitte der Ansprache, welche die Stellung des Proletariats behandeln, zur Diskussion zu bringen". Nach einer Schilderung der Lage des Bundes kommt die Ansprache zu der Schlußfolgerung, „daß bisher die Interessen des Bundes mit viel zu wenig Energie verfolgt worden sind, daß die allgemeine Depression, welche bis vor kurzem in Deutschland geherrscht hat, auch für die Ausbreitung und Befestigung des Bundes von den nachteiligsten Folgen gewesen ist, daß namentlich die Propaganda auf unverzeihliche Weise vernachlässigt worden ist". Eine Garantie für den Erfolg der weiteren Arbeit des Bundes sieht die Ansprache darin, daß „wir einen festen Organismus und ein festes Parteiprogramm haben, die uns verbinden, Dinge, die der kleinbürgerlichen Demokratenpartei fehlen". Die Ansprache berichtet ferner über die Entsendung von vier Emissären zur Klärung der Lage und zur Herstellung besserer organisatorischer Beziehungen zwischen der Zentralbehörde und den Bundesgemeinden. Der erste Emissär war Weydemeyer. Das geht aus dem bisher unveröffentlichten Briefwechsel und aus den späteren Aussagen Rösers hervor. Weydemeyer reiste nach Süddeutschland, vor allem nach Nürnberg und Bamberg. Er gründete neue Gemeinden, die dem Kreis Frankfurt unterstellt wurden. Die Ansprache vom 1. Dezember 1850 sagt darüber: „Überhaupt spricht alles dafür, daß der Bund in Süddeutschland noch sehr wenig festen Halt gefunden hat, und wir haben daher sämtliche dort nominell bestehende Gemeinden bis auf weiteres zum Kreise Frankfurt geschlagen und ihm die spezielle Untersuchung und Feststellung der süddeutschen Verhältnisse aufgegeben."13 13 Z S t A M , Anklageschrift, Rep. 77, Tit. 5 0 5 , N r . 16, vol. 2. D i e Ansprache vom 1. 12. 1 8 5 0 ist in der ersten Anklageschrift gegen die Kölner Angeklagten, S. 6 - 9 , enthalten. In die

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Der zweite Emissär bereiste laut Ansprache den Kreis Leipzig und hielt sich auch kurz in Berlin auf. Es war das der Chemiker Otto, der sich jedoch als ungeeignet erwies. Daher unternahm Nothjung ebenfalls eine Reise als Emissär nach Berlin und Leipzig, wo er am 19. Mai 1851 verhaftet wurde. Die Berliner Tätigkeit Nothjungs für den Bund der Kommunisten ist den beiden Briefen zu entnehmen, die Nothjung bei seiner Verhaftung bei sich führte. Es handelt sich erstens um einen Brief von Heinrich Bürgers, dem Mitglied der Kölner Zentralbehörde, vom 27. Dezember 1850 an Nothjung, in dem er seine Freude über die Berliner Reise zum Ausdruck bringt und auf die Bedeutung der Berliner Arbeiter für den Bund hinweist. Bürgers schrieb darin: „Es freut uns sehr, daß es Dir gelungen ist, Dich in Berlin einzuschmuggeln; daß Du fleißig sein wirst, davon sind wir überzeugt; denn wir kennen unsere Pappenheimer . . . Als die besten Arbeiter in Berlin werden die Maschinenbauer bezeichnet, die Du ebenfalls aufzusuchen hast . . ."14 In dem zweiten bei Nothjung gefundenen Brief wird er von dem Kölner Bundesmitglied Becker vor den polizeilichen Verfolgungen gewarnt: „Du wirst schon wissen, daß Hinckeldey (der Berliner Polizeipräsident - K. O.) Dich als einen politisch Kompromittierten auf seiner schwarzen Liste hat . . . Sowie Du Dich im geringsten bemerklich machst, gehst Du in die Luft. Also vorsichtig, vermeide die Parteikneipen der sogenannten Demokraten, deren Umgang Du sehr gut entbehren kannst, und tue, was Du tust, durch Vermittlung anderer. Es ist Pflicht gegen die Partei, sich selbst nicht zu exponieren . . ,"13 Die im ersten Brief erwähnten Berliner Maschinenbauer waren als klassenbewußte Arbeiter bekannt. Sie hatten daher mancherlei Schikanen von der preußischen Polizei zu erdulden. Der bekannte Schriftsteller Karl August Varnhagen von Ense notierte in seinem Tagebuch am 9. März 1851 folgenden bemerkenswerten und für die damalige Zeit typischen Vorfall: Die Maschinenbauer hatten am 8. März 1851 in einem Lokal vor dem Schönhauser Tor einen Ball mit zahlreichen Gästen veranstaltet. „Mitten im Tanzen wurden die Teilnehmer gestört durch den Hauptmann Patzke, der mit einer Schar Konstabier eindrang, die Weiber in ein besonderes Zimmer wies, die Männer sämtlich verhaftete und mitten in der Nacht auf das Polizeiamt schleppte, wo sie namentlich aufgeschrieben und morgens zwischen drei und vier Uhr entlassen wurden, über hundertachtzig Personen!" 16 Anklageschrift sind sämtliche Ansprachen

des Bundes aufgenommen worden.

Da

der

Text der in der Anklageschrift veröffentlichten Ansprachen v o m M ä r z 1 8 5 0 und Juni 1 8 5 0 mit dem Text der von Friedrich Engels 1 8 8 5 besorgten Ausgaben der beiden A n sprachen übereinstimmt, muß angenommen werden, daß auch die Ansprache v o m 1. 1 2 . 1 8 5 0 in der Anklageschrift richtig wiedergegeben worden ist. D e r Text stimmt auch mit dem bei Radus-Senkovic 1 4 WermuthjStieber,

Die

wiedergegebenen Inhalt der Ansprache vom 1. 1 2 . 1 8 5 0 überein. Communisten-Verschwörungen

des

1 9 . Jh., T. 1, Berlin

1853,

S. 1 0 3 - 1 3 3 ; siehe auch Z S t A M , Anklageschrift, S. 4 3 . 1 5 Ebenda. 1 6 Varnhagen

von Ense, Karl

August,

Tagebücher, Bd. 8, Zürich 1 8 6 5 , S. 93. Varnhagen

81

Als Aufgabe eines dritten Emissärs nennt die Ansprache, „die Rheinprovinz zu bereisen, wo, der Kreis Frankfurt eingerechnet, bis jetzt allein eine feste Organisation und rege propagandistische Tätigkeit besteht". Der Kreis Köln und der Kreis Frankfurt, die zusammen insgesamt elf Gemeinden umfaßten, werden in der Ansprache den Bundesmitgliedern „als Vorbild und Muster" genannt. 17 Der Name desjenigen, der laut Ansprache als dritter Emissär diese Aufgabe übernahm, steht nicht fest. Es kann aber keinen Zweifel darüber geben, daß Joseph Weydemeyer in enger Zusammenarbeit mit dem Kölner Kreis das größte Verdienst beim Aufbau des Bundes im Rheinland zukommt. Nicht nur, daß Weydemeyer des öfteren nach Köln reiste; Röser berichtet, daß er im Dezember 1850 auch vier T a g e bei Weydemeyer war, um das Ergebnis seiner Reise zu den verschiedenen Bundesgemeinden zu erfahren. 1 8 In der Ansprache ist noch von einem vierten Emissär die Rede, der „Nordund Nordostdeutschland bis nach Schlesien" bereisen sollte. D i e Ansprache konnte über diese Reise noch nichts berichten. Nach der späteren Aussage Rösers hatte Nothjung den Auftrag, Westfalen und Norddeutschland zu bereisen.1''1 Die Gemeinde Köln des Bundes hatte entsprechend dem in London am 15. September 1850 gefaßten Beschluß auch neue Statuten entworfen, die der Ansprache vom 1. Dezember 1850 beigefügt wurden. Über den Zweck des Bundes wird in Artikel 1 dieser Statuten festgestellt: „Der Zweck des kommunistischen Bundes ist, durch alle Mittel der Propaganda und des politischen Kampfes die Zertrümmerung der alten Gesellschaft, die geistige, politische und ökonomische Befreiung des Proletariats, die kommunistische Revolution durchzuführen. Der Bund vertritt in den verschiedenen Entwicklungsstufen, welche der Kampf des Proletariats zu durchlaufen hat, stets das Interesse der Gesamtbewegung, wie er stets alle revolutionären Kräfte des Proletariats in sich zu vereinigen und zu organisieren sucht; er ist geheim und unauflöslich, solange die proletarische Revolution ihr Endziel nicht erreicht hat." 20 Dazu ist zu bemerken, daß die breiten Formulierungen nicht gerade von einer Klarheit und Sicherheit der Verfasser sprechen. In den ersten Statuten des stellt sich in dieser Tagebuchaufzeichnung vom 4. 7. 1 8 5 1 in der Klassenauseinandersetzung eindeutig auf die Seite des arbeitenden Volkes. Er schreibt: „Ich w a r v o r dem J a h r 1 8 4 8 wohl ein Volksfreund und Freiheitsfreund, aber kein eigentlicher D e m o k r a t ; ich wäre zufrieden gewesen, alles politische und bürgerliche Heil von

oben kommen zu

sehen, es nur von daher zu erwarten, zu begehren. A b e r das Jahr 1 8 4 8 hat alles geändert, das V o l k hat sich edel und groß, die Fürsten und oberen Klassen haben sich niedrig, feig und verräterisch erwiesen. Seitdem ist keine Hoffnung mehr, daß aus der Rohheit und Schlechtigkeit Bildung erwachsen könne. Seitdem ist gewütet worden, mit brutaler Gewalt, mit schimpflicher Arglist, seitdem besteht Krieg, der ausgefochten werden muß." 1 7 Z S t A M , Anklageschrift, S. 7 f. 1 8 S t A Potsdam, Rep. 3 0 , Berlin C, Tit. 94, Lit. R, Nr. 2 0 8 . 1 9 Siehe ebenda. 2 0 Z S t A M , Anklageschrift, S. 9.

82

Bundes der Kommunisten vom 8. D e z e m b e r 1847, an deren Abfassung M a r x und

Friedrich

Engels beteiligt waren,

kommt der Zweck des

Karl

Bundes

kurz und eindeutig zum Ausdruck. Auch an einigen Formulierungen der sprache ist zu erkennen, d a ß in der neuen

K ö l n e r Zentralbehörde ein

AnMann

wie Bürgers saß, der sich gern mit schönen bzw., wie sich Engels ausdrückte, tiefsinnigen Worten wichtig tat. M i t den ersten Maßnahmen der neuen K ö l n e r Zentralbehörde waren und Engels im allgemeinen zufrieden. A m 19. D e z e m b e r 1 8 5 0

Marx

schrieb J e n n y

M a r x an E n g e l s : „ D i e K ö l n e r Bannbulle gegen Willich und Konsorten (d. h. die Ansprache der neuen Zentralbehörde über die Trennung des Bundes von Willich -

K . O . ) ist gestern eingerückt, nebst neuen Statuten,

Rundschreiben

etc. D i e K ö l n e r waren diesmal ausnahmsweise energisch und tätig und

traten

ganz entschieden gegen die gemeine B a n d e auf." 2 1 D i e neue Zentralbehörde bestand, soweit sich feststellen läßt, zunächst aus drei

Mitgliedern der K ö l n e r Gemeinde des

Bundes:

dem Arzt D r .

Roland

Daniels, einem intimen Freund von M a r x und Engels, der 1855 an der in der H a f t erworbenen Tuberkulose starb; dem Zigarrenarbeiter Peter G e r h a r d t R ö ser und dem Redaktionsmitglied der „Neuen Rheinischen Zeitung" von 1 8 4 8 / 4 9 , Heinrich Bürgers, der später Mitglied der liberalen Fortschrittspartei und M i t glied des Reichstags wurde. 2 2 Franz Mehring sagt von dem A r z t R o l a n d Daniels, daß er wahrscheinlich „der eigentlich leitende K o p f der K ö l n e r Zentralbehörde" war, während er über Heinrich Bürgers bemerkt, d a ß ihn „Marx und E n g e l s nie ohne leisen Spott erwähnen". 2 3 Zu wenig Beachtung gefunden hat bisher der Zigarrenarbeiter Röser. E r w a r seit 1 8 4 9 Präsident des K ö l n e r

Arbeiterbildungsvereins und

Präsident der Deutschen Zigarrenarbeiterassoziation, Deutschland organisierten Gewerkschaften.

stellvertretender

eine der ersten über ganz

Röser hat wesentlich dazu

beige-

tragen, den E i n f l u ß des Bundes der Kommunisten in der Arbeiterklasse zu verstärken. D a h e r wurde er auch im späteren sogenannten Hochverratsprozeß als einer der gefährlichsten behandelt und zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt. Röser war seit Anfang 1 8 5 0 Mitglied des Bundes der Kommunisten. Später, am 1. August 1851, erklärte er bei seiner Vernehmung v o r dem Untersuchungsrichter in K ö l n : „Ich leugne nicht, den Arbeiterbildungsverein benutzt zu haben, um in demselben den kommunistischen Ideen Eingang zu verschaffen, überhaupt durch Vorträge die Prinzipien weiter zu verbreiten." 2 4 Auch seine Tätigkeit als stellvertretender Präsident der Deutschen Zigarrenarbeiterassoziation verband er mit seiner Tätigkeit als Mitglied

der Zentral-

behörde des Bundes. Im April 1851, also kurz vor seiner Verhaftung, besuchte Röser die Zigarrenarbeitervereine in der Rheinprovinz. D i e Reise w a r äußerst 21 22 23 24

Marx, Karl/Engels, Friedrich, Briefwechsel, Bd. 1, Berlin 1949, S. 151. Siehe Radus-Senkovic. Marx, Enthüllungen, S. 162 f. StA Potsdam, Rep. 30, Berlin C, Tit. 94, Lit. R, Nr. 208.

83-

wichtig, da E n d e März zahlreiche Mitglieder des Hanauer Vereins verhaftet worden waren und vor Gericht gestellt werden sollten. E s galt, den Familien zu helfen und die Vereine neu aufzubauen. 2 5 In einem Bericht, den die Kölner Gerichtsbehörde nach Beendigung des Kölner Kommunistenprozesses dem preußischen Justizminister sowie dem preußischen Innenminister über die Angeklagten übermittelte, heißt es: „Soweit ich durch die Verhandlungen Gelegenheit hatte, die Verurteilten kennenzulernen, so halte ich für den bösartigsten von allen den Röser . . . er hat seit dem Jahre 1848 bis zu seiner Verhaftung seine Tätigkeit fast ausschließlich den Bestrebungen des Bundes gewidmet und hat dabei Ausdauer und Energie gezeigt; er ist übrigens ein Mensch von sehr geringer Bildung, es fehlt ihm aber gleichwohl nicht an Gewandtheit, sich bei den Arbeitern Achtung und großen Einfluß zu verschaffen." Über Bürgers heißt es in diesem Bericht anschließend: „Bürgers ist ein Mann von ziemlicher Bildung . . . er scheint sehr von sich und insbesondere von seiner Rednergabe eingenommen und schlägt seine Fähigkeiten überaus hoch an; er hat vielleicht darauf gerechnet, bei der geträumten Umgestaltung aller staatlichen Verhältnisse in Deutschland eine sehr hervorragende Stellung einnehmen zu können." 26 Zur Kölner Zentralbehörde des Bundes kam wahrscheinlich 1851 noch Dr. Hermann Becker hinzu, der spätere nationalliberale Oberbürgermeister von Köln und Mitglied des preußischen Herrenhauses; zumindest hatte er enge Beziehungen zur Kölner Zentralbehörde. Nach Rösers Aussage hat keine Einstimmigkeit für die Aufnahme Beckers in den Bund der Kommunisten bestanden. 27 Marx schrieb über Becker am 7. Dezember 1852 an Weydemeyer: „ . . . seiner theoretischen Bildung nach ist er sehr schwach, in kleiner Ambition aber etwas stark . . ." 2 8 Sein Auftreten im Hochverratsprozeß entsprach nicht der Haltung eines Kommunisten. In einem Schreiben des „Großherzoglichen Hessischen Ministeriums an die Großherzogliche Regierungs-Commission zu Mainz" vom 31. März 1851 wird Becker unter denjenigen Kleinbürgern genannt, die „als Hauptstützen der im Werke begriffenen Reorganisation der demokratischen Sektionen" bezeichnet werden können. 29 Becker gab seit dem Verbot der „Neuen Rheinischen Zeitung" in Köln die 25 Ebenda, Röser an Ferdinand Lassalle, 31. 3. 1851. Röser und Lassalle standen zwar in Verbindung, jedoch hegte R. gegen Lassalle Mißtrauen und hielt ihn daher vom Bund der Kommunisten fern. Zu dem Mißtrauen gegenüber Lassalle siehe auch Franz Mehring, in: Marx, Enthüllungen, S. 165. 26 StA Potsdam, Rep. 30, Berlin C, Tit. 94, Lit. R, Nr. 208. 27 Siehe ebenda. 28 Marx, Enthüllungen, S. 145 f. 29 StA Potsdam, Rep. 30, Berlin C, Tit. 94, Lit. B, Nr. 321. Acta des Polizei-Präsidii zu Berlin, betr. den früheren Herausgeber der „Westdeutschen Zeitung", Herrn Dr. Hermann Heinrich Becker, 1851.

84

„Westdeutsche Zeitung" heraus, die er als die Nachfolgerin der „Neuen Rheinischen Zeitung" hinzustellen suchte. E r bot den Abonnenten der „Neuen Rheinischen Zeitung" an, ihnen „als Ersatz für den eingezahlten Quartalsbeitrag die ,Westdeutsche Zeitung' bis zum 1. Juli gratis" zu liefern. 30 D i e „Westdeutsche Zeitung" war aber ein Nachrichtenblatt der kleinbürgerlichen Demokratie und konnte sich nicht mit der „Neuen Rheinischen Zeitung" vergleichen. A m 2. Juni 1849 veröffentlichte Weydemeyer in der „Neuen Deutschen Zeitung" eine von Marx verfaßte Erklärung, daß die Redakteure der eben verbotenen „Neuen Rheinischen Zeitung" jede Gemeinsamkeit mit dem zu Köln unter dem Namen „Westdeutsche Zeitung" erscheinenden Blättchen von sich weisen. 3 1 Becker gab jedoch die Versuche nicht auf, seinem Blättchen einen Namen zu machen. N a mentlich bemühte er sich, Bundesmitglieder in die Redaktion zu ziehen. Im März 1850 hatte Heinrich Bürgers Marx gebeten, ihm „Parteidirektiven für die politische Führung der .Westdeutschen Zeitung' zu geben", in deren Redaktion er einzutreten beabsichtige. Marx riet ihm jedoch ab. 3 2 Lassalle, der bereits damals nach einer Gelegenheit suchte, in der politischen Bewegung eine Rolle zu spielen, hatte Bürgers schon einige Artikel zugesandt. Bürgers sandte sie am 11. April 1850 mit dem Bemerken zurück, daß „die bisher unveränderte Haltung des Blattes" ihm den Eintritt in die Redaktion nicht ermögliche, und fügte hinzu: „Wenn ich, was nicht unmöglich ist, gleichwohl aus Parteirücksichten mich entschließe, in der Zeitung zu schreiben, so geschieht das als Freigänger, unabhängig von der Redaktion, aber auch ohne allen Einfluß auf dieselbe." 3 3 Späteren Aussagen des Zigarrenarbeiters Röser zufolge ist aber Bürgers nach der Verlegung der Zentralbehörde des Bundes nach Köln anscheinend doch in die Redaktion der „Westdeutschen Zeitung" eingetreten. 34 Beckers Pläne, sich durch die „Westdeutsche Zeitung" eine führende Rolle zu sichern, charakterisieren ihn ebenso wie der Bericht der Kölner Gerichtsbehörde an den preußischen Justizminister, in dem festgestellt wird, „daß er den Bund nur als Mittel für seine persönlichen Zwecke benutzen wollte". 3 5 Weydemeyer entfaltete, wie bereits mehrfach erwähnt, als erster Bundesemissär zu Anfang des Jahres 1851 eine rege Tätigkeit als Organisator des Bundes. Außerdem war er Vorsitzender des Kreises Frankfurt, neben Köln des besten und stärksten Kreises des Bundes, zu dem alle süddeutschen Gemeinden bis Nürnberg gehörten. Infolgedessen war Weydemeyer viel auf Reisen. Sein ständiger Wohnsitz blieb jedoch trotz der Ausweisung Frankfurt. Nach Köln kam 3 0 Westdeutsche Zeitung ( K ö l n ) , N r . 2, 2 6 . 5. 1 8 4 9 ; N r . 3, 27. 5. 1 8 4 9 . 31 D i e N e u e Zeit, 2 5 , 1 9 0 6 / 0 7 , 2, S. 18. 3 2 K a r l M a r x , Chronik seines L e b e n s in E i n z e l d a t e n , M o s k a u 1 9 3 4 , S. 86. 3 3 Ferdinand.

Lassalle.

Nachgelassene

Briefe

und Schriften,

hrsg. v . G u s t a v M a y e r , B d . 2,

Stuttgart/Berlin 1 9 2 3 ; S. 3 2 . 3 4 S i e h e S t A P o t s d a m , R e p . 3 0 , Berlin C, Tit. 9 4 , L i t . R , N r . 2 0 8 b. 35 Ebenda, Nr. 208. 7

Hundt, Bund det Kommunisten

85

Weydemeyer des öfteren. Bei seiner späteren Vernehmung in der Strafanstalt von Stettin am 12. Februar 1854 erklärte der Zigarrenarbeiter Röser: „Im Februar oder März 1851 kam Weydemeyer, der aus Frankfurt a. M. ausgewiesen, manches Mal nach Köln." 36 Bei den Kölner Besprechungen Weydemeyers mit den Mitgliedern der Zentralbehörde stand neben den organisatorischen Bundesangelegenheiten die Gründung einer neuen Zeitschrift im Vordergrund. Die Unterredungen darüber wurden im Lokal der „Westdeutschen Zeitung" hauptsächlich mit Becker und Bürgers geführt. Die Zeitschrift sollte den einfachen Namen „Neue Zeitschrift" erhalten. Am 5. April 1851 teilte Becker diesen Plan Marx mit und bat ihn um Beiträge. Am 9. April 1851 versprach dieser seine Mitarbeit. :i7 Marx und Engels setzten große Hoffnungen auf das Projekt. Am 9. Mai 1851 schrieb Engels an Marx: „Wir werden doch bald wieder ein Organ haben, soweit wir's brauchen, und wo wir alle Angriffe zurückweisen können, ohne daß es scheint, als ginge dies von uns aus. Das ist ein Vorzug der beabsichtigten Kölner Monatsschrift vor unsrer Revue. Wir schieben das alles dem bonhomme' 8 Bürgers in die Schuh, etwas muß er doch für seinen Tiefsinn haben." 39 Mitte Mai 1851 traf der Dichter Freiligrath in London ein. Marx schrieb am 21. Mai 1851 an Engels: „Er hat ganz gute Nachrichten aus Deutschland mitgebracht. Die Kölner sind sehr tätig. Ihre Agenten reisen seit September. Sie haben in Berlin zwei ganz gute Repräsentanten . . ."40 Der Zeitschriftenplan stand kurz vor seiner Verwirklichung. Anfang Mai 1851 reiste Bürgers von der Kölner Zentralbehörde nach Westfalen und von dort über Hannover nach Berlin. In Hannover sollte er an einem Kongreß der Demokraten teilnehmen, zu dem Becker eine Einladung besorgt hatte. Im übrigen hatte jedoch diese Reise den Zweck, die Bundesgemeinden aufzusuchen sowie Subskriptionen und literarische Beiträge für die geplante Zeitschrift zu sammeln. Auf dieser Reise wurde Bürgers Mitte Mai in Dresden verhaftet/' 1 Den Verhaftungen Bürgers' und Nothjungs in Sachsen folgten die Verhaftungen Beckers, Daniels', Rösers und anderer in Köln. 36 37 38 39 40 41

86

Ebenda, Nr. 208 b. Marx, Chronik seines Lebens, S. 105. Biedermann. Marx/Engels, Briefwechsel, Bd. 1, S. 240. Ebenda, S. 246. StA Potsdam, Rep. 30, Berlin C, Tit. 94, Lit. R, Nr. 208 b.

WALTER

SCHMIDT

Der Bund der Kommunisten und die Versuche einer Zentralisierung der deutschen Arbeitervereine im April und Mai 1848*

Zweifellos gehört die Erforschung und Darstellung der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung während der Revolution 1848/49 heute mit zu den dringendsten Aufgaben der Geschichtswissenschaft in der D D R , hat sich doch gezeigt, daß gerade dieser unbestreitbar wichtigste Abschnitt der Frühzeit der deutschen Arbeiterbewegung noch am wenigsten bearbeitet ist. 1 Das unverkennbare Zurückbleiben auf diesem Gebiet wiegt um so schwerer, als es sich hier um eine Periode handelt, die von zentraler Bedeutung für die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung des ganzen vorigen Jahrhunderts ist. 2 Es ist ja nicht allein der Umstand, d a ß in dieser Zeit die deutsche Arbeiterklasse zum ersten M a l e als politische Klassenkraft in den Kampf um Demokratie und Fortschritt eingriff und sich eine, die lokalen Grenzen überschreitende Massenbewegung des Proletariats entfaltete, der eine weit intensivere Beschäftigung mit diesem Problemkreis erforderlich macht. Mehr noch fällt ins Gewicht, daß in dieser Periode der Marxismus und vornehmlich die marxistische Politik ihre erste historische Bewährungsprobe bestanden und daß diese selbständige proletarische Politik, wie sie von Marx und Engels in den Spalten der „Neuen Rheinischen Zeitung" vertreten wurde, am unmittelbarsten gerade in Deutschland angewendet wurde. Immerhin war die Revolutionszeit von 1848/49 auch die einzige Periode im jahrzehntelangen Kampf von Marx und Engels um die proletarische Partei, in der sie beide persönlich in Deutschland wirkten und mit Hilfe eines politischen Organs - der „Neuen Rheinischen Zeitung" - einen direkten und außerordentlich nachhaltigen Einfluß auf die Massen des Proletariats ausübten. Zum erstenmal wurden nun die Grundsätze marxistischer Politik und die Ideen des wissenschaftlichen Sozialismus überhaupt gewissermaßen massenwirksam. Es ist darum kein Zufall, daß in diese Zeit auch der erste

* A u s : Z f G , 9, 1 9 6 1 , 3, S. 5 7 7 - 6 1 4 . 1 Förder, Herwig/Schmidt, Walter, Forschungen zur Frühgeschichte der Arbeiterbewegung in Deutschland, in: Z f G , 8, 1 9 6 0 , Sh.: Historische Forschungen in der D D R . Analysen und Berichte, S. 2 5 8 f f . 2 Vgl. Lenin, W. /., Gegen den Boykott, in: Sämtliche Werke, Bd. 1 2 , Wien/Berlin 1 9 3 3 , S. 34.

7

87

Höhepunkt im Kampf von Marx und Engels um die Schaffung einer selbständigen politischen Massenpartei des deutschen Proletariats fällt. Jedoch gerade diese Seite des Wirkens von Marx und Engels während der Revolution von 1848 ist bis heute keineswegs ausreichend erforscht. Es braucht nicht besonders betont zu werden, daß wir von der bürgerlichen Historiographie für diese Frage keine Antwort erwarten können. Es liegt vielmehr in der Natur der Sache, daß die Historiker der Bourgeoisie diesem Fragenkomplex mehr oder weniger gänzlich aus dem Wege gingen und gehen. Selbst jene Historiker der liberalen Schule, die sich etwas näher mit der Tätigkeit von Marx und Engels während der Revolution befaßten, kamen in unserem speziellen Punkt zu absolut falschen Urteilen, indem sie behaupteten, Marx und Engels hätten sich während der Revolution überhaupt nicht um die Arbeiterbewegung gekümmert/' W i r sehen davon ab, an dieser Stelle näher auf die Historiker rechtssozialdemokratischer Prägung einzugehen. Denn was deren Grundkonzeption bezüglich der Entwicklung der proletarischen Bewegung in der Revolution von 1848 anbetrifft, so berufen sie sich gänzlich auf die bürgerliche Geschichtsschreibung. Und für diese waren nun einmal nicht Marx und Engels die zentralen Persönlichkeiten in der deutschen Arbeiterbewegung der Revolutionszeit, sondern Stephan Born mit seiner im ganzen ökonomistischen und im Rahmen bürgerlicher Arbeiterpolitik verbleibenden Grundtendenz/' Born wurde deshalb auch zum Lieblingskind der sozialdemokratischen Geschichtsschreibung während der Frühperiode der deutschen Arbeiterbewegung, 5 während die Bedeutung von Marx und Engels für die Entwicklung der Arbeiterpartei in dieser Zeit entweder verkleinert oder ganz geleugnet wird. Im prinzipiellen Gegensatz zu dieser falschen und den historischen Tatsachen 3 So schreibt selbst Mayer, der von allen bürgerlichen deutschen Historikern noch am meisten für die Erforschung der deutschen Arbeiterbewegung getan hat, in seiner EngelsBiographie: „An der noch so rückständigen deutschen Arbeiterbewegung, von der ein entscheidender Impuls damals nicht zu erwarten war, nahmen sie persönlich während der Revolution

keinen tätigen Anteil, sie bezeugten

0Mayer, Gustav,

ihr nicht einmal stärkeres

Interesse"

Friedrich Engels, Berlin 1 9 2 0 , S. 3 2 0 ) . Ähnliche Gedanken finden sich

auch in der kleinen Studie: Derselbe,

Das Jahr 1 8 4 8 und die deutsche Arbeiterbewegung,

i n : Aus der W e l t des Sozialismus, Berlin 1 9 2 7 , S. 21—27, in der er Born zur zentralen Figur der Arbeiterbewegung von 1 8 4 8 macht, überdies aber noch zu der grundfalschen These gelangt, daß Marx und Engels nach ihrer Rückkehr nach Deutschland nichts versuchten, eine proletarische Bewegung ins Leben zu rufen. 4 D a ß sich das bis heute noch nicht geändert hat, zeigten an Hand der letzten in Westdeutschland erschienenen sozialdemokratischen Arbeiten Bartel,

Horst/Webling,

Wilhelm,

Ein „neuer" Versuch, die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung zu verfälschen, in: BzG, 1, 1 9 5 9 , 1, S. 1 9 9 f f . 5 Genannt werden müssen hier v o r allem die Arbeiten von \Quarck, verbrüderung.

Erinnerungen

an die Klassenkämpfe der ersten

Frankfurt a. M. 1 9 0 0 ; derselbe,

D i e ArbeiterRevolution,

Die erste deutsche Arbeiterbewegung. Geschichte der

Arbeiterverbrüderung. 1848/49, Leipzig 1 9 2 4 .

88

Max,

deutschen

direkt widersprechenden Auffassung steht das Geschichtsbild, das die marxistische Geschichtschreibung bis heute schon erarbeitet hat. Keine Geringeren als Marx und Engels selbst haben auch zur Beantwortung dieser Frage die entscheidenden Hinweise gegeben. Des öfteren hat vornehmlich Engels nachdrücklich darauf aufmerksam gemacht, welche eminent wichtige Rolle die marxistischen Kräfte um die „Neue Rheinische Zeitung" - und nicht zuletzt dieses B l a t t selbst - bei der politischen Emanzipation der proletarischen Bewegung in Deutschland gespielt haben.® Von großer Bedeutung sind gleichermaßen die Ausführungen Lenins zur Politik des proletarisch-marxistischen Flügels um die „Neue Rheinische Zeitung" während der Achtundvierziger Revolution. Besonders in seinen Schriften in der Periode der russischen Revolution von 1 9 0 5 - 0 7 arbeitete er die Kernprobleme der marxistischen Strategie und Taktik während der Revolution von 1848/49 in ihrer vollen theoretischen und politischen Bedeutung heraus und entwickelte sie weiter, wobei es ihm gleichzeitig darauf ankam, die großen historischen Unterschiede in den Kampfbedingungen des Proletariats zwischen 1848 und 1905 klarzustellen. 7 E s bleibt Mehrings unbestrittenes Verdienst, ausgehend von der in Arbeiten von Marx und Engels bereits gegebenen Richtung, ein im wesentlichen richtiges Bild der Rolle und Stellung der marxistischen Vorhut während der Achtundvierziger Revolution entworfen zu haben. Ungeachtet aller sonstigen, zum Teil erheblichen Mängel erscheinen bei Mehring jederzeit Marx und Engels als die zentralen Gestalten der Arbeiterbewegung in der Achtundvierziger Revolution. 8 Gleichwohl darf aber nicht übersehen werden, daß Mehring den direkten und in gewissem Maße auch indirekten Anteil, den Marx und Engels an der E n t wicklung der Arbeiterbewegung während der Revolutionsmonate genommen haben, doch zu gering bemessen hat und dabei gleichzeitig auch von der prinzipiellen Einschätzung der Rolle Borns und der „Arbeiterverbrüderung" abwich, 6 Vgl.

Engels,

Friedrieb,

S. 1 1 7 ; derselbe,

Die

deutsche

Reichsverfassungskampagne,

in:

MEW,

Bd. 7,

Karl Marx, in: Marx/Engels/Lenin/Stalin, Zur deutschen Geschichte,

Bd. 2 / 2 , Berlin 1954, S. 8 5 4 ; derselbe, 11, 1956, 1, S. 38 f.; derselbe,

Brief an Solinger Arbeiter, 8. 2. 1870, in: Einheit,

Karl Marx, in: Marx/Engels, Ausgewählte Schriften in

2 Bdn., Berlin 1953, S. 147. 7 Vgl. v. a. Lenin,

W. /., Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen

Revolution, in: Werke, Bd. 9, insbes. S. 121 ff.; derselbe, Duma, ebenda, Bd. 12, S. 382 ff.; derselbe,

Franz Mehring über die zweite

Karl Marx, in: Lenin, Marx - Engels - Marxis-

mus, Berlin 1957, insbes. S. 42 f.; dann aber auch derselbe,

Was tun?, in: Werke, Bd. 5,

insbes.

parteiloser

S. 4 3 5 - 4 5 5 ;

derselbe,

Sozialistische

Partei

und

Revolutionismus,

ebenda, Bd. 10, S. 6 1 - 6 9 , insbes. S. 67 ff.; W. I. Lenin an Inessa Armand, 25. 11. 1916, in: Einheit, 4, 1949, 4, S. 359. 8 Sowohl in der „Geschichte der deutschen Sozialdemokratie" als auch in seiner MarxBiographie widmete Mehring dem Wirken der „Neuen Rheinischen Zeitung" jeweils ganze Kapitel, während er Borns „Arbeiterverbriiderung" ihrer damaligen Bedeutung entsprechend wesentlich knapper und kürzer behandelte.

89

wie sie Engels völlig zu Recht gegeben hatte. 9 So setzt Mehring fälschlicherweise den Beginn der Bemühungen von Marx und Engels um die Konstituierung einer selbständigen proletarischen Partei im Grunde erst auf das Frühjahr 1849 fest. Dabei läßt er sowohl die Bestrebungen der Kommunisten zu Beginn der Revolution - noch vor der Gründung der „Neuen Rheinisohen Zeitung" - um einen Zusammenschluß der Arbeiterorganisationen in Deutschland als auch vor allem jene außerordentlich positive Funktion außer acht, die die „Neue Rheinische Zeitung" bei der politischen und ideologischen Erziehung der sich formierenden deutschen Arbeiterbewegung ausübte. Bei Mehring erscheint es sogar so, als hätten Marx und Engels im Frühjahr 1849 ihre im Juni 1848 eingeschlagene Politik des organisatorischen Anschlusses an die kleinbürgerliche Demokratie korrigiert und Born hätte die Bedürfnisse der Arbeiterbewegung von Beginn der Revolution an besser erkannt. Daß davon nicht die Rede sein kann, zeigt sich sofort, wenn man genauer die objektiven und subjektiven Bedingungen des Klassenkampfes im allgemeinen und die Bedingungen innerhalb der Arbeiterbewegung im besonderen sowohl im Juni 1848 als auch im Frühjahr 1849 untersucht; und diese waren bekanntlich von sehr verschiedener Art. Leider hatte sich in der marxistischen Geschichtsschreibung lange Zeit die Mehringsche Konzeption eingebürgert, wonach Marx und Engels die Konstituierung einer selbständigen proletarischen Partei erst zu Beginn des Jahres 1849 für notwendig hielten. Erst die sowjetische Marx-Engels-Forschung überwand diese Schwäche Mehrings und begann die Zeit vor dem Frühjahr 1849 unter dem Gesichtspunkt des unmittelbaren Eingreifens von Marx und Engels in die Entwicklung der Arbeiterbewegung genauer zu untersuchen. Dabei versuchte sie auch jenen Beitrag zu bestimmen, den die „Neue Rheinische Zeitung' 7 zur politischen Bewußtseinsbildung des deutschen Proletariats geleistet hat. 10 Außerordentlich fruchtbringend für die weitere Forschung waren in dieser Beziehung vor allem die Aspekte, die Kandel' und Leviova hinsichtlich der Bestimmung des Charakters und der Rolle der „Neuen Rheinischen Zeitung" gaben. 1 1 9 V g l . Aus Lassalle,

dem

literarischen

Nachlaß

von

Karl

Marx,

Friedrich

Engels

und

Ferdinand

hrsg. v. Franz Mehring, Bd. 3, Stuttgart 1 9 1 3 , S. 8 0 f f . ; ferner Mehring,

Franz,

K a r l M a r x . Geschichte seines Lebens, Berlin 1 9 6 0 , S. 1 9 1 f. 1 0 Hier w ä r e n v o r allem zu nennen: Konjusaja, v

Revolucii

1848-1849

R. P., Dejatel'nost' K . M a r k s a i F. Engel'sa

gg. i ee znacenie dlja stroitel'stva proletarskoj

partii, i n :

Iz

istorii bor'by M a r k s a i Engel'sa za proletarskuju partiju. Sbornik statej, hrsg. v. I. S. G a l 1 9 5 5 , S. 2 3 - 1 2 0 ; Michajlov,

kin, M o s k v a

M /., Sojuz kommunistov v nacale revoljucii

1 8 4 8 g., i n : Ucenye zapiski po n o v o j i novejsej istorii, Bd. 2, M o s k v a 1 9 5 6 , S. Stepanova,

E.

A.,

M a r k s i Engel's v p e r v y e mesjacy revoljucii

1848-1849

91-133;

godov,

in:

K stoletiju revoljucii 1 8 4 8 goda, M o s k v a 1 9 4 8 , S. 9 - 3 0 . 1 1 Kandel',

E.

P.,

Iskazenie istorii bor'by M a r k s a i Engel'sa za proletarskuju

partiju

v

rabotach nekotorych pravych socialistov, in: V o p r o s y istorii, 1 9 5 8 , 5 ; deutsch in: S o w j e t wissenschaft, Gesellschaftswissenschaft!. Beiträge, 1 9 5 8 , 1 2 , S. 1 4 4 2 - 1 4 5 6 ; Leviova,

S. Z.,

Iz istorii bor'by M a r k s a i Engel'sa za sozdanie i ukreplenie „Neue Rheinische Zeitung" kak organ revoljucionnogo proletariata, i n : Iz istorii f o r m i r o v a n i i i razvitija marksizma,

90

Sieht man einmal ab von der Periode seit Erscheinen der „Neuen Rheinischen Zeitung", die ebenfalls noch nicht als ausreichend durchforscht angesehen werden kann, so bleiben jene rund zwei Monate von der Rückkehr Marx' und Engels' nach Deutschland bis zu dem Zeitpunkt, als die erste Nummer der „Neuen Rheinischen Zeitung" erschien. Es ist einleuchtend, daß eine gründliche Erforschung der Stellung von Marx und Engels gegenüber der zu politischem Leben erwachenden deutschen Arbeiterbewegung in diesen acht Wochen nicht nur von beiläufigem Interesse sein kann. Denn es erhebt sich natürlich vom ersten Augenblick an die Frage, ob Marx und Engels, als sie von Paris nach Deutschland zurückkehrten, Bemühungen zur Organisierung des Proletariats als selbständige politische Kraft unternahmen oder unverzüglich auf einen direkten Anschluß an die kleinbürgerliche Demokratie orientierten. Von der Beantwortung dieser Frage hängt naturgemäß viel ab für die prinzipielle Einschätzung der Grundlinie von Marx und Engels im Kampf um die proletarische Partei in Deutschland während der Revolution. Dann wird sich erweisen, ob die Kommunisten wirklich erst im Frühjahr 1849 auf eine „spezifische Arbeiterorganisation" - wie Mehring sich ausdrückte - hingearbeitet haben. Bislang hat man gerade diese, wenn auch nur kurze, so doch höchst wichtige Phase auch in der marxistischen Historiographie meist nur mit einigen Strichen abgetan. 1 2 Erst in letzter Zeit ist die sowjetische Historikerin Leviova etwas ausführlicher darauf eingegangen. 13 W a r vorher lediglich ein Dokument bekannt, das auf eine recht interessante Bestrebung der Kommunisten nach Zusammenschluß der deutschen Arbeiterorganisationen aufmerksam machte - nämlich der Aufruf des Mainzer Arbeiterbildungsvereins vom 5. April 1848 - , so gestatten uns eine Reihe bisher nicht ausgewerteter Briefe von Mitkämpfern von M a r x und Engels sowie weitere Dokumente des Mainzer und anderer Arbeitervereine, den ganzen Fragenkomplex etwas weiter zu erhellen und ein ungefähres Bild von den Bemühungen der Kommunisten um die Organisierung der deutschen Arbeiterklasse in den ersten Wochen nach den Märzrevolutionen nachzuzeichnen. Als Marx und Engels in den ersten Apriltagen 1848, wahrscheinlich begleitet von Ernst Dronke, nach Deutschland zurückkehrten und ihre erste Station in Moskva 1959, S. 2 3 4 - 2 8 1 , bes. S. 2 4 9 - 2 5 5 . Bemerkenswert ist ferner eine Rezension der gleichen Autorin, Marksizm i pervaja istoriceskaja proverka, in: Kommunist, 1957, 6 ; deutsch in: Sowjetwissenschaft, Gesellschaftswissenschaft!. Beiträge, 1957, 9, S. 1056 bis 1060. 12 So noch Obermann,

Karl,

Die deutschen Arbeiter in der Revolution von 1848, Berlin

1953, S. 253 f.; aber auch Michajlov, S. 109 f.; derselbe,

Sojuz kommunistov v nacale revoljucii 1848 g.,

Sojuz kommunistov -

pervaja mezdunarodnaja organizacija proleta-

riata, Moskva 1960, S. 62 ff., begnügt sich mit einer Wiedergabe des Mainzer Aufrufs, 5. 4. 1848. 13 Leviova,

Iz istorii bor'by, S. 2 3 9 - 2 4 3 . Sie spricht erstmalig auch aus, daß es sich hierbei

um den Versuch handelte,

eine selbständige Arbeiterorganisation

im gesamtdeutschen

Maßstab zu schaffen (ebenda, S. 240).

91

Mainz machten, 14 geschah dies nicht überstürzt. Im Gegenteil, dieser Heimkehr war eine längere und recht gründliche Vorbereitungsarbeit in Paris vorausgegangen. Hier, in der Metropole Frankreichs, von wo aus der Funke der Revolution auf ganz Europa übergesprungen war und wo letztlich auch das Herz der europäischen Revolution schlug, hatte sich die Zentrale der soeben gegründeten, noch jungen und kleinen marxistischen Partei, des Bundes der Kommunisten, zunächst niedergelassen; indes von vornherein in der Absicht, so rasch als möglich und sobald es die Bedingungen gestatten würden, in jenes Land überzusiedeln, das Marx und Engels damals mit vollem Recht als das Zentrum der revolutionären Bewegung in Europa betrachteten. 13 Diesen Pariser Aufenthalt, der vom 4. bis ungefähr 31. März währte, kann man als die erste Etappe des Kampfes von Marx und Engels um die proletarische Partei während der Revolution bezeichnen. Sie besitzt insofern auch eine eminent große Bedeutung für die folgenden Monate der Tätigkeit in Deutschland - vor allem für die ersten Wochen unmittelbar nach der Rückkehr - , als sich aus den politischen Stellungnahmen dieser an sich recht kurzen Periode wichtige Schlüsse auf die politische Linie Marx' und Engels' gerade in den Monaten April und Mai 1848 ziehen lassen. Überblickt man die Tätigkeit der Kommunisten in Paris in diesen drei Wochen, so fällt eins vor allem auf: die starken Bestrebungen der führenden marxistischen Kräfte, die politische Selbständigkeit des proletarischen Flügels innerhalb der demokratischen Kampffront auf allen Gebieten - sowohl politisch als in gewissem Sinne auch organisatorisch - zu sichern. Dem diente einmal die scharfe Abgrenzung gegenüber der kleinbürgerlichdemokratischen „Legionsmanie" von Bornstedts und Herweghs, die um so mehr notwendig geworden war, als in diesem Falle eine den Gesamtinteressen der Demokratie zuwiderlaufende und geradezu schädliche Taktik eingeschlagen wurde. 1 " Vor allem stand aber unter diesem Aspekt die außerordentlich wichtige und für die ganze Periode der Achtundvierziger Revolution gültige Konkre14 Vgl. Karl Marx, Chronik seines Lebens in Einzeldaten, Moskau 1934, S. 49. Ob Wolff, wie hier angegeben, ebenfalls gemeinsam mit Marx und Engels in Mainz ankam, ist anzuzweifeln. Legt man seinen Reisebericht zugrunde, den er im Brief an Wallau und andere vom 18. 4. 1848 gegeben hat, so muß er früher in Mainz gewesen und schon am 6. 4. wieder abgereist sein. Auch in Köln war er offenbar eher als Marx und Engels. 15 Am 18. 3. 1848 schrieb Engels aus Brüssel an Marx, der sich bereits in Paris aufhielt, daß es in Deutschland gut vorwärtsgehe. „Wir werden hoffentlich nicht lange in Paris zu bleiben haben" (Marx, Karl/Engels, Friedrich, Briefwechsel, Bd. 1, Berlin 1949, S. 1 1 6 [im folgenden: Marx/Engels, BW]). 16 Zu den Bemühungen der führenden Kommunisten in Paris um die klare Abgrenzung des proletarischen Flügels gegenüber den kleinbürgerlichen Revolutionsspielereien vgl. Jenny Marx an Joseph Weydemeyer, 1 7 . 3 . 1 8 4 8 , in: Marx/Engels, Werke, Bd. XXV, Moskva 1934, S. 40 (russ.); Triersche Zeitung, 2 9 . 3 . 1 8 4 8 , Beil. Korrespondenz aus Paris, 24. 3.; Adalbert Bornstedt u. a. an Karl Marx, 1. 4. 1 8 4 8 ; Karl Marx an Adalbert Bornstedt, 1 . 4 . 1 8 4 8 , in: Marx/Engels, Werke, Bd. XXV, Moskva 1934, S. 44 (russ.).

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tisierung der allgemeinen politischen Grundsätze des Kommunistischen Manifests für die Situation in Deutschland, die in den berühmten 17 „Forderungen der Kommunistischen Partei in Deutschland" ihre Gestalt fand. 1 7 Die Ausarbeitung der in diesem Dokument enthaltenen selbständigen proletarischen Linie für die demokratische Revolution in Deutschland war das wichtigste Ergebnis der Pariser Vorbereitungsarbeiten. Dieses Dokument bildete die eigentliche Grundlage der gesamten Politik des proletarischen Flügels während der deutschen Achtundvierziger Bewegung, auch wenn es selbst nicht zu jeder Zeit im Mittelpunkt der Propaganda und Agitation stand. In ihrer Grundlinie waren die 17 Forderungen vor allem darauf gerichtet, eine breite, die verschiedensten Klassen und Schichten des werktätigen Volkes umfassende Volksbewegung zum Sturz des Feudalismus in Deutschland in die Wege zu leiten. In gewissem Sinne fand diese Politik der Marxisten, die darauf gerichtet war, die Selbständigkeit des proletarischen Flügels zu wahren, auch auf organisatorischem Gebiet ihren Ausdruck. Es war kein Zufall und keine bloße Routineangelegenheit, wenn Marx noch in der gleichen Sitzung, in der sich am 8. März in Paris die Zentralbehörde neu konstituierte, darauf drängte, schnellstens einen unter Leitung des Bundes der Kommunisten stehenden legalen Arbeiterverein zu bilden und sogar selbst die Ausarbeitung der Statuten für diesen übernahm. 18 Die Eile, mit der die Gründung des Vereins betrieben wurde - schon am 9. März konnte das Statut von der Zentralbehörde beschlossen werden 1 " - , deutet darauf hin, d a ß es hier um mehr ging. Einmal mußte verhindert werden, daß die zahlreichen in Paris lebenden deutschen Arbeiter in die Fänge der kleinbürgerlichen „Revolutionsspieler" gerieten und für deren „deutsche Legion" mißbraucht wurden. Statt dessen sollten die proletarischen Elemente der deutschen Emigration in Paris von den Bundesmitgliedern auf eine wirklich fruchtbare politische Arbeit in Deutschland vorbereitet werden. Hierbei hatten die Kommunisten auch einigen Erfolg. Wenn Anfang April 1848 etwa dreihundert bis vierhundert deutsche Arbeiter, vertraut gemacht mit den Ideen des Manifests und gleichzeitig ausgerüstet mit den 17 Forderungen, an die verschiedenen Brennpunkte der politischen Bewegung nach Deutschland reisten, 20 so waren das sicher keineswegs nur Bundesmitglieder. In der Mehrzahl werden dies vielmehr gerade Mitglieder des Pariser Arbeitervereins gewesen sein, die in diesem durch die Kommunisten in ihre politischen Aufgaben in Deutschland eingeführt worden waren. 2 1 17 Vgl. M E W , Bd. 5, S. 3 f. 1 8 Vgl. Sitzungsprotokoll der Pariser Gemeinde des Bundes der Kommunisten, 8. 3. 1 8 4 8 , ebenda, Bd. 4, S. 608. 19 Vgl. Sitzungsprotokoll des Kreises Paris des Bundes der Kommunisten, 9. 3. 1 8 4 8 , ebenda, S. 609. 2 0 Vgl. Engels, Friedrich, Zur Geschichte des Bundes der Kommunisten, in: Marx/Engels/ Lenin/Stalin, Zur deutschen Geschichte, Bd. 2/1, Berlin 1 9 5 4 , S. 2 0 1 . 21 Ein Bild der Angst, die die herrschenden Kreise in Deutschland angesichts der Rück.

93

Zum anderen hatte die Bildung des Pariser Deutschen Arbeitervereins grundsätzliche Bedeutung, da sich in ihm die bewußten proletarischen K r ä f t e um Marx und Engels einen beachtlichen organisatorisch-politischen Rückhalt für die Durchführung ihrer künftigen politischen Pläne schufen. D i e Orientierung auf möglichst raschen Zusammenschluß der proletarischen Elemente zu selbständigen Organisationen mit politischem Charakter blieb nicht nur auf die Zeit des Aufenthalts von Marx und Engels in Paris beschränkt, sondern war genereller Natur und wurde zu einem Grundelement marxistischer Politik während der ganzen Revolution. W o immer das unter den jeweiligen politischen und örtlichen Bedingungen möglich war, haben die Kommunisten und an erster Stelle Marx und Engels selbst alles darangesetzt, die Arbeiterklasse während der Revolution in Deutschland politisch zu organisieren. Inwieweit das in den verschiedenen Phasen, die die Bewegung von 1848 durchlief, effektiv gelungen ist, ist hierbei eine ganz andere Frage. Entscheidend ist die grundsätzliche Orientierung, und die war bereits in der Pariser Zeit deutlich vorgezeichnet. D a ß dies keine bloße Vermutung ist, zeigt vor allem eine genaue Analyse des politischen Wirkens der Bundesmitglieder in den ersten Wochen nach ihrer Rückkehr nach Deutschland. D i e Briefe der verschiedensten Emissäre sowie anderer Mitglieder des Bundes der Kommunisten an die Zentralbehörde bieten einige wichtige Anhaltspunkte für die Aufgaben, die die Führung des Bundes den nach Deutschland abreisenden Kommunisten gestellt haben mag. Offenkundig ging es dabei um drei Aufgaben: 1. den Bund der Kommunisten als zentralgeleitete Organisation in Deutschland zu formieren; 2. um die einzelnen örtlichen Bundesgemeinden herum öffentliche Arbeitervereine zu gründen und in diesen im Sinne der 17 Forderungen und des Kommunistischen Manifests zu wirken, um sie von bürgerlichen und kleinbürgerlichen Einflüssen loszureißen und zu politischer Selbständigkeit zu führen; 3. Anstrengungen zu unternehmen, die lokale Begrenztheit der Arbeiterbewegung, in der sie sich in ihren Anfängen nach den Märzsiegen notwendigerweise befand, zu überwinden und zu einer Vereinigung im nationalen Rahmen zu gelangen. Bereits am Vorabend der Achtundvierziger Revolution herrschte bei Marx und Engels prinzipielle Klarheit über die Notwendigkeit einer selbständigen proletarischen Partei. Diese fundamentale Erkenntnis, die sie aus den bisherigen Erfahrungen des Kampfes der internationalen Arbeiterklasse gewonnen hatten, hatte in den Ausführungen über die Rolle der Kommunisten im „Kommunistischen Manifest" auch ihren Niederschlag gefunden. Und in Gestalt des Bundes der Kommunisten war auch bereits eine kleine marxistische Vorhut entstanden, die Marx und Engels nun zwar keineswegs schon als die ihnen vorkehr von Hunderten deutscher Arbeiter erfaßt hatte, vermittelt Obermann,

Karl,

Über

die Bedeutung der Tätigkeit von Friedrich Engels im Frühjahr und Sommer 1848, in: Z f G , 9, 1961, 1, S. 28 ff.

94

schwebende proletarische Partei betrachteten, in der sie aber ganz unzweifelhaft den Kern einer zu schaffenden politischen Massenpartei des Proletariats und den wichtigsten Hebel zur Bildung einer solchen Partei sahen. 22 In dieser noch jungen und im ganzen auch noch recht ungefestigten Organisation, die überdies gezwungen war, illegal zu arbeiten, war immerhin eine Reihe bewußter, mit den Ideen und Zielen des wissenschaftlichen Sozialismus vertrauter proletarischer Kader zusammengeschlossen. W a s konnte näherliegen, als diese bewußten Kräfte innerhalb der sich nunmehr auch in Deutschland recht breit entwickelnden spontanen Arbeiterbewegung einzusetzen und sie dort gewissermaßen als politischen Sauerteig wirken zu lassen, um die proletarische Bewegung Schritt um Schritt und, gestützt auf die praktischen Erfahrungen, die die Arbeiterklasse im Verlaufe der Revolution machen würde, zu voller organisatorischer, politischer und ideologischer Selbständigkeit zu führen? D a der Bund seine ihm zugedachte Funktion als Hebel zur Schaffung einer Massenpartei nur dann voll erfüllen konnte, wenn er sich über ganz Deutschland ausbreitete, seine Organisation und die bislang nur sehr losen Verbindungen mit der Zentrale festigte, war es verständlich, daß den Kommunisten aufgetragen worden war, sich zuerst einmal um den Bund zu kümmern. Das erschien um so dringlicher, als der Bund in Deutschland nur wenige, weit verstreut liegende und im Grunde auch isolierte Stützpunkte besaß. Galt es also erst einmal, die schon bestehenden Gemeinden des Bundes zu festigen und die abgerissenen Verbindungen untereinander und vor allem zur Zentrale wiederherzustellen, so mußte andererseits versucht werden, das Netz von Bundesmitgliedern im ganzen zu erweitern, also neue Gemeinden zu gründen. 2 ' 1 Überblickt man die uns überlieferte Korrespondenz der Bundesmitglieder aus 2 2 In dieser Richtung e r l ä u t e r t e n M a r x und Engels die R o l l e u n d F u n k t i o n d e s B u n d e s in ihrem A r t i k e l ü b e r den K ö l n e r K o m m u n i s t e n p r o z e ß f ü r die „ N e w Y o r k D a i l y T r i b ü n e " . E s h e i ß t d o r t : „. . . so gab es doch auch a n d e r e , f ü r einen u m f a s s e n d e r e n , h ö h e r e n Z w e c k geschaffene Gesellschaften, die wußten,

d a ß der S t u r z e i n e r b e s t e h e n d e n R e g i e r u n g n u r

eine E p i s o d e in d e m g r o ß e n b e v o r s t e h e n d e n

sich zusammenzuschließen scheidenden

Kampf

und die Partei,

vorzubereiten

..."

Kampf

deren (in:

ist, und

Kern

sieb die

sie bildeten,

Aufgabe

für

den

Marx/Engels/Lenin/Stalin,

stellten,

letzten,

Zur

ent-

deutschen

Geschichte, B d . 2/1, S. 4 6 2 f., H e r v o r h e b u n g v o n m i r - W . Sch.). 23 Wie

sehr M a r x d i e E m i s s ä r e und a n d e r e B u n d e s m i t g l i e d e r

anhielt, in d i e s e r

Richtung

zu w i r k e n , bestätigt eine R e i h e v o n A n t w o r t b r i e f e n an M a r x b z w . d i e

Zentralbehörde

in K ö l n . Unterstrichen

als e r

wird

dies auch durch die Tatsache, d a ß

Marx,

M a i bei Engels in B a r m e n w e i l t e , diesen v e r a n l a ß t e , eine B u n d e s g e m e i n d e zu

Anfang konsti-

tuieren (siehe M a r x , C h r o n i k seines Lebens in E i n z e l d a t e n , S . 5 1 ) . D a ß e r sich in K ö l n persönlich

bemühte, das politische L e b e n

der dortigen

Gemeinde

zu b e l e b e n u n d

die

Disziplin im B u n d zu festigen, machte die b e d e u t s a m e A u s e i n a n d e r s e t z u n g d e u t l i c h , d i e am 1 1 . 5. mit G o t t s c h a l k w e g e n dessen sektiererischer S t e l l u n g zu den wurde

(vgl.

Sitzungsprotokoll

der

Kölner

Gemeinde

des

Bundes

der

Wahlen

geführt

Kommunisten,

1 1 . 5. 1 8 4 8 , i n : M E W , B d . 5, S. 4 8 4 ) ; l e i d e r sind M a r x ' eigene B r i e f e an d i e B u n d e s m i t g l i e d e r nicht e r h a l t e n geblieben.

95

den Monaten A p r i l und Mai einmal im ganzen,2/1 so sticht klar hervor, d a ß sich mit wenigen Ausnahmen 2 3 auch alle nach Deutschland entsandten Bundesmitglieder große Mühe gaben, den Bund in Deutschland auf die Beine zu bringen. Es ist nicht zu verkennen, d a ß f ü r die bewußten Kommunisten das Schicksal des Bundes keine untergeordnete Frage w a r , sondern ihnen allen sehr am Herzen lag, nicht zuletzt M a r x und Engels selbst, die - wie aus den weiteren A n t w o r t b r i e f e n zu ersehen ist - immer wieder dringend Informationen über den Zustand der Bundesorganisation am jeweiligen O r t verlangten. 2 6 W i e bei Schickel aus Mainz 2 7 oder bei W o l f f aus Breslau, 2 8 so nehmen auch bei allen übrigen Mitgliedern, die sich an die Zentralbehörde wandten, die Bundesangelegenheiten einen erstrangigen Platz ein; es ist kein Brief darunter, der nicht darauf einging. Selbst Born in Berlin, der offenkundig von A n f a n g an anderen

24 In Frage kommen hier folgende Briefe: J. Schickel aus Mainz an K. Marx, 14. 4. 1848, in: IML Moskau, ZPA, F. 1, op. 5, Nr. 171; F. A. Bergmann aus Regensburg an die Zentralbehörde, 2 1 . 4 . 1 8 4 8 , ebenda, F. 20, Nr. 126; S. Wolff aus Breslau an Wallau u. a., 1 8 . 4 . 1 8 4 8 , ebenda, Nr. 125; z. T. abgedr. bei Mehring, Franz, Einleitung zum vierten Abdruck von Marx, Enthüllungen über den Kommunistenprozeß zu Köln, in: Marx, Karl, Enthüllungen über den Kommunistenprozeß zu Köln, Berlin 1952, S. 158; Die Mainzer Bundesgemeinde an die Zentralbehörde, 2 3 . 4 . 1848, in: IML Moskau, ZPA, F. 20, Nr. 127; Engels aus Elberfeld an K.Marx, 2 5 . 4 . 1 8 4 8 , in: Marx/Engels, BW, Bd. 1, S. 120 f.; C. Schapper aus Wiesbaden an die Zentralbehörde, 2 6 . 4 . 1 8 4 8 , in: IML Moskau, ZPA, F. 20, Nr. 128; E. Drenke aus Frankfurt an K. Marx, 29. 4. 1848, ebenda, Nr. 17; H. Ewerbeck aus Paris an die Zentralbehörde, 5 . 5 . 1 8 4 8 . in: Mehring, Einleitung zum vierten Abdruck, S. 158 ff.; F.Engels aus Elberfeld an K.Marx, 9 . 5 . 1848, in: Marx/Engels, BW, Bd. 1, S. 121 f.; St. Born aus Berlin an K. Marx, 1 1 . 5 . 1848, in: Vorwärts, 1 5 . 3 . 1 9 2 6 , zum größten Teil auch bei Mehring, Einleitung zum vierten Abdruck, S. 160 f.; W. Wolff aus Breslau an K. Marx, 1 2 . 5 . 1 8 4 8 , lediglich in kurzem Auszug bei Mehring, Franz» Märzrevolution und Kommunistenbund, in: Die Neue Zeit, 20, 1901/02, Bd. 1, S. 739, ebenfalls in: Derselbe, Einleitung zu Gesammelte Schriften von Wilhelm Wolff, Berlin 1909, S. 12 f.; E. Drenke aus Frankfurt a. M. an K. Marx, 15. 5. 1848, in: IML Moskau, ZPA, F. 20, Nr. 18; E. Dronke aus Frankfurt a. M. an K. Marx, 17. 5. 1848, ebenda, Nr. 19. An dieser Stelle möchte ich dem Archiv des Instituts für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU in Moskau danken, das mir in uneigennütziger Weise die Einsicht in die noch unveröffentlichten Briefe gestattete. Bei weiterem Zitieren der hier erwähnten Briefe wird im folgenden die Quellenangabe der Einfachheit halber weggelassen. 25 Eine solche Ausnahme war charakteristischerweise von Anfang an Stefan Born in Berlin. 26 So in Drenkes Briefen vom 2 9 . 4 . und 5. 5. 1848. Am deutlichsten findet sich die Forderung, die Marx wahrscheinlich in allen seinen Briefen an die Bundesmitglieder gestellt hat, in einem Schreiben Ewerbecks vom 30. 4. 1848, wo es heißt, „daß M(arx) im Namen der Zentralb[ehörde] Nachrichten über die P(ariser) G(emeinde) wünscht". 27 J. Schickel an Marx, 14.4. 1848: „Mit der Organisation des B(undes) geht es langsam, denn man muß vorsichtig sein . . . " 28 W. Wolff an Wallau u. a., 18. 4. 1848.

96

Interessen nachging u n d sich u m d e n B u n d f a k t i s c h ü b e r h a u p t n i c h t b e m ü h t e , 2 9 ist -

w a h r s c h e i n l i c h durch M a r x ' direkte Frage g e z w u n g e n - auf d i e s e

Frage

kurz eingegangen. ; ! 0 Außerordentlich

a u f s c h l u ß r e i c h ist unter d i e s e m G e s i c h t s p u n k t

vornehmlich

W i l h e l m W o l f i s B r i e f , d e r sich nicht darauf beschränkt, nur ü b e r B r e s l a u

-

seinen E i n s a t z o r t - zu berichten, sondern der a u c h N a c h r i c h t ü b e r d e n Z u s t a n d d e s B u n d e s an e i n i g e n a n d e r e n O r t e n gibt. W o l f f , d e r z w e i f e l l o s d e n A u f t r a g hatte, sich in mehreren S t ä d t e n über d i e L a g e in d e r A r b e i t e r b e w e g u n g z u inform i e r e n , ' 1 g a b überall dort, w o Ü b e r r e s t e einer B u n d e s o r g a n i s a t i o n

existierten,

d i e A n w e i s u n g , d i e D i n g e - w i e er über K ö l n schreibt - „energischer a n z u g r e i fen". H a t t e er in K ö l n G o t t s c h a l k hierzu v e r p f l i c h t e t , so v e r s u c h t e er in B e r l i n , w o er sich mehrere T a g e a u f h i e l t , persönlich d i e G e m e i n d e m i t H ä t z e i s

Hilfe

z u konstituieren, w a s i h m i n d e s i n f o l g e d e r g r o ß e n Z a h l v o n V o l k s v e r s a m m l u n g e n nicht gelang.' 1 2 W a s mußte,

„von

B r e s l a u selbst betraf, so w a r z w a r , w i e W o l f f

Organisation

L e u t e unter d e n Arbeitern",

nichts

vorhanden",

indes

gab es „viel

feststellen brauchbare

d i e bearbeitet u n d h e r a n g e z o g e n w e r d e n

würden,

29 Einigen Aufschluß über die Position, die Born in Berlin einzunehmen gedachte, gibt sein Brief an Moses Heß, 21. 4. 1848 (siehe Moses Heß. Briefwechsel, hrsg. v. Edmund Silberner, S'Gravenhage 1959, S. 192 f.). 30 St. Born an Marx, 11.5. 1848. 31 Es ist als sicher anzunehmen, daß Wolff hierbei nicht nur im Auftrage der alten Pariser Zentralbehörde, sondern auch nach Absprache mit den Mainzer Kommunisten handelte, die den Aufruf vom 5. 4. herausgegeben hatten. Denn wer anders als Wolff sollte gemeint sein, wenn die Mainzer in ihrem ersten und leider auch als einzigem erhalten gebliebenen Bericht an die Zentralbehörde vom 2 3 . 4 . 1 8 4 8 mitteilen: „Außer W . ist noch ein weiterer Emissär von uns (Menkel) nach Norddeutschland." D a ß Mainz eine Zeitlang - nämlich von der Abreise der ersten Kommunisten aus Paris bis zur Neukonstituierung der Zentralbehörde in Köln, nachdem Marx sich fest in Köln niedergelassen hatte - provisorischer Mittelpunkt der deutschen Bundesgemeinden und zentraler Anlaufpunkt für sämtliche Bundeskorrespondenz war, geht aus den vorliegenden Materialien klar hervor. Nicht nur Wolfis Brief war nach Mainz adressiert, selbst Ewerbeck aus Paris sandte seinen ersten Bericht in diese für Westdeutschland zentral gelegene Stadt, so daß angenommen werden darf, daß Mainz' bereits vor der Abreise in Paris als zeitweiliges Zentrum festgelegt worden war. Vgl. H. Ewerbeck an die Zentralbehörde, 30. 4. 1848, wo es heißt, daß der Pariser Kreis einen ausführlichen, nach Mainz adressierten Bericht abgeschickt hätte, darauf aber kein Bescheid erfolgt sei. Auf die besonders günstige Lage von Mainz unweit der französischen Grenze hat Leviova, Iz istorii bor'by, S. 240, aufmerksam gemacht. 32 Im wesentlichen, wenngleich nicht originalgetreu zu finden bei Mehring, Einleitung zum vierten Abdruck, S. 158. Es ist auffallend, daß Mehring die auf Mainz bezügliche Stelle einfach weggelassen hat. Im Original heißt es: „Hätzel hat mir indes fest versprochen, gleich nach Mainz zu schreiben, die Verbindung wieder herzustellen und die Sache planmäßiger zu betreiben." D e r Passus „gleich nach Mainz zu schreiben" fehlt bei der Mehringschen Wiedergabe. 97

was allerdings - wie er einschränkend hinzufügte - mehr Zeit erfordere, als er gegenwärtig habe. 3 3 Schon die Briefe der unmittelbar von Paris aus entsandten oder in Deutschland ansässigen Bundesmitglieder zeigen also, wie ernst es der Zentralbehörde mit der Organisierung des Bundes in den ersten Wochen war. Das tritt noch klarer zutage, wenn man mit in Betracht zieht, daß noch Mitte April von Köln aus Schapper und möglicherweise auch Dronke als Emissäre in das südwestdeutsche Gebiet entsandt wurden, und zwar mit dem deutlich erkennbaren Auftrag, neben anderen Aufgaben - wozu die Bildung von Arbeitervereinen, aber auch das Unterbringen von Aktien für die nun schon beschlossene Gründung der „Neuen Rheinischen Zeitung" gehörte - weiterhin die Gründung von neuen Bundesgemeinden zu betreiben bzw. die politische Arbeit der schon bestehenden zu beleben. y i Selbst Engels berichtete noch drei Wochen später, am 9. Mai 1848, aus Barmen, wo er sich in erster Linie aufhielt, um Mittel für die Zeitung aufzutreiben, daß nun auch der Anfang zu einer Bundesgemeinde gemacht sei.'55 Diese intensiven Bemühungen der Bundesmitglieder hatten an manchen Stellen einen gewissen Erfolg. Dies zeigt sich u. a. gerade am Beispiel der Mainzer Gemeinde, deren Aktivität vor allem unter Schappers Einfluß größer wurde, 36 was nicht unwichtig war, da Mainz als Zentrum für eine Vereinigung sämtlicher deutscher Arbeitervereine vorgesehen war. Während es Schapper noch in Wiesbaden gelang, eine weitere Gemeinde zu bilden, 37 vermochte Dronke in Koblenz einen festen Stützpunkt des Bundes zu schaffen und konnte über Hanau und Kassel zumindest von günstigen Voraussetzungen zur Konstituierung einer Bundesgemeinde berichten. 38 Mögen auch noch an anderen Orten - so etwa in Breslau unter Wolff 3 9 oder in Regensburg, wo Bergmann als Bundesmitglied 3 3 W . Wolff an Wallau u. a „ 18. 4. 1 8 4 8 . 3 4 Vgl. Marx, Chronik seines Lebens in Einzeldaten, S. 50, und den hier angegebenen Brief C. Schappers an die Zentralbehörde, 2 6 . 4. 1 8 4 8 , ferner Dronkes Schreiben, 2 9 . 4., 5. 5. und 17. 5. 1 8 4 8 . 3 5 F . Engels an Karl M a r x , 9. 5. 1 8 4 8 . 3 6 Vgl. die Mainzer Bundesgemeinde an die Zentralbehörde, 2 3 . 4 . 1 8 4 8 , und C. Schapper an die Zentralbehörde,

26. 4 . 1 8 4 8 .

Nach diesen Berichten zu urteilen, hatte sich

Mainzer Bundesgemeinde v o r Schappers Ankunft nicht einmal richtig konstituiert,

die oder

sie war nach der Weiterreise von Wolff, M a r x und Engels und der Übersiedlung Wallaus nach Wiesbaden wieder auseinandergefallen. Schapper organisierte „in seiner Eigenschaft als

bevollmächtigter

Mainzer heißt Kommunisten

Emissär

der Zentralbehörde

Köln"

-

wie

es im Schreiben

der

am 2 0 . 4. die Gemeinde Mainz, die von nun an auch das Wirken der

im Arbeiterverein

vorbesprach.

Offenbar scheint

jedoch

auch dann

die

Mainzer Gemeinde ihre Aufgaben nicht vollständig erfüllt zu haben, denn Dronke hielt sie E n d e April noch für so schwach, daß er die Koblenzer Gemeinde nach Köln statt nach Mainz verwies (siehe E . Dronke an K. Marx, 2 9 . 4. 1 8 4 8 ) . 3 7 Vgl. C. Schapper an die Zentralbehörde, 2 6 . 4. 1 8 4 8 . 3 8 E . Dronke an K . Marx, 2 9 . 4. 1 8 4 8 , und an die Zentralbehörde, 5. 5. 1 8 4 8 . 3 9 O b sich in Breslau formell noch eine Gemeinde konstituierte, war nicht

98

festzustellen.

w i r k t e 4 0 - k l e i n e r e G r u p p e n e n t s t a n d e n sein, so w a r e n d a s d o c h nur d i e a l l e r ersten l o k a l e n Z e n t r e n der k o m m u n i s t i s c h e n B e w e g u n g . In der

überwiegenden

M e h r z a h l d e r d e u t s c h e n S t ä d t e k a m es nicht zur B i l d u n g v o n l o k a l e n

Gemein-

d e n d e s B u n d e s d e r K o m m u n i s t e n . S e l b s t dort, w o d i e s g e l u n g e n w a r , g i n g d e r Z u s a m m e n h a l t der G e m e i n d e n u n t e r e i n a n d e r sehr schnell v e r l o r e n . In allen B r i e fen, s o g a r in d e n e n d e r klarsten u n d z i e l b e w u ß t e s t e n F u n k t i o n ä r e d e s B u n d e s , taucht i m m e r w i e d e r d i e K l a g e a u f , d a ß m a n nicht w i s s e , w o zuerst a n p a c k e n . 4 1 D a g a b es V o l k s v e r s a m m l u n g e n , an d e n e n sie t e i l n a h m e n ;

es k o n s t i t u i e r t e sich

ein A r b e i t e r v e r e i n , in d e m d i e K o m m u n i s t e n u m d i e l e i t e n d e n P o s i t i o n e n ringen m u ß t e n , und schließlich s e t z t e d i e W a h l b e w e g u n g ein, an der d i e K o m m u n i s t e n auf k e i n e n F a l l t e i l n a h m s l o s v o r ü b e r g e h e n durften u n d d i e v i e l e K r ä f t e absorbierte. 4 2 D i e A n t w o r t b r i e f e der K o m m u n i s t e n

an d i e Z e n t r a l b e h ö r d e

aus

den

A p r i l - u n d M a i t a g e n v o n 1 8 4 8 illustrieren in recht e i n d r i n g l i c h e r W e i s e jenen k n a p p e n , v e r a l l g e m e i n e r n d e n Satz v o n E n g e l s : „ D i e paar h u n d e r t v e r e i n z e l t e n Bundesmitglieder

v e r s c h w a n d e n in der u n g e h e u r e n , p l ö t z l i c h in d i e

Bewegung

Der erste Wolff-Brief vom 1 8 . 4 . 1848 deutet lediglich Wolfis Absicht an, in dieser Richtung zu wirken. Der zweite, vom 12. 5. 1848 datierte Brief an Marx, den Mehring leider nur sehr bruchstückhaft wiedergab, ist offenbar verlorengegangen. Möglicherweise bietet dieser Brief, der wahrscheinlich eine Antwort Wolffs auf ein Schreiben von Marx darstellt, einige weitere Anhaltspunkte für Wolffs Wirken in der Arbeiterbewegung. D a ß Wolff in Breslau keineswegs allein gestanden hat, ist aus der Auseinandersetzung um die Kandidatur Arnold Ruges von Anfang Mai 1848 zu erkennen (vgl. dazu Bleiberr Helmut, Wilhelm Wolffs Aufenthalt in Breslau im Frühjahr 1848, in: Z f G , 6, 1958, 6, S. 1314 f.). 40 Vgl. F. A. Bergmann an die Zentralbehörde, 2 1 . 4 . 1 8 4 8 ; er erwähnt darin: „. . . auch wird es möglich werden, uns als Gemeinde zu konstituieren, wenn wir auch zuerst bloß 3 sind." Bergmann, der durch die in der Schweiz wohnenden Bundesmitglieder Gebert irnd Schellingen „namens des K(reises) la chaux de fonds" mit den 17 Forderungen vertraut gemacht worden war, bat um weitere Anweisungen und um weiteres Propagandamaterial, wobei er im Hinblick auf die Forderungen zu bedenken gab, daß „manches zu schroff erscheinen" würde. 41 Gerade Wolff war es, der über die Lage, in der sich damals die meisten aktiven Bundesmitglieder befunden haben, das klarste Bild zeichnete, wenn er schreibt: „Wäre ich nicht auf allen Seiten wie ein Hund gehetzt, d. h., wären wir nicht in Verhältnissen, wo man sich wenigstens zwanzigfach zerteilen möchte, um an mehreren Orten zugleich zu wirken, so würde ich Euch die hiesigen Verhältnisse . . . näher schildern . . ." (W. Wolff an Wallau u. a„ 18. 4. 1848). 42 Nicht nur in Breslau, wo Wolff sich aktiv in die Wahlbewegung einschaltete und sich dabei vornehmlich auf die Aufklärungsarbeit unter den Arbeitern konzentrierte, sondern auch an anderen Orten beschäftigten die Wahlen die verschiedenen Bundesmitglieder. So schreibt Bergmann, daß er angestrengt gegen die bei den Wahlen ausgestreuten Lügen, die französische Republik sei gefallen, agitieren müsse (F. A. Bergmann an die Zentralbehörde, 2 1 . 4 . 1 8 4 8 ) . Und Dronke bemerkt zur Koblenzer Gemeinde: „Die Leute sind im Augenblick hier durch die Wahlen sehr in Anspruch genommen" (Dronke an die Zentralbehörde, 5. 5. 1848). 99

geschleuderten Masse.'"' 3 Hinzu kam noch, daß die Bindungen zur Zentralbehörde sich keineswegs festigten, sondern noch lockerer wurden. Überdies waren die Aufgaben, die von den Kommunisten in verschiedensten Gegenden des politisch zerrissenen Deutschlands zu erfüllen waren, derart unterschiedlich, daß eine einheitliche und zugleich konkrete politische Anleitung - selbst wenn sie über eine Bundesorganisation organisatorisch gesichert gewesen wäre - schlechterdings unmöglich war. 4 '' Kurzum, es erwies sich sehr bald - spätestens im Verlaufe des Mai - , daß die erste Aufgabe nicht zu lösen war. Der geschulten Kader des Bundes, die nach Deutschland kamen, waren noch zu wenige, um unter den in Deutschland herrschenden Verhältnissen, bei der außerordentlichen Zurückgebliebenheit und politischen Unreife der deutschen Arbeiterbewegung die Organisation des Bundes innerhalb Deutschlands binnen kürzester Zeit aus dem Boden stampfen und stabilisieren zu können. Gelang es aber nicht, den Bund zusammenzuhalten und allein oder in erster Linie mit seiner Hilfe entscheidenden Einfluß auf die sich entfaltende deutsche Arbeiterbewegung zu erlangen, so mußten die führenden Kommunisten nach anderen Mitteln und Wegen suchen, um ihr Hauptziel hinsichtlich der Arbeiterbewegung, ihre völlige politische Emanzipation, zu erreichen. War die erste Aufgabe im Grunde nicht zu lösen, so gestalteten sich die Dinge im zweiten Punkt - Bildung von Arbeitervereinen - doch wesentlich günstiger. D a s hing zweifelsohne in erster Linie damit zusammen, daß hier noch die besten objektiven Voraussetzungen gegeben waren, denn tatsächlich war der Drang der Arbeiterklasse nach eigenen Organisationen allerorts sehr stark. Überall schössen unmittelbar nach der siegreichen Märzrevolution, nachdem die wichtigsten demokratischen Rechte und Freiheiten, wie Assoziationsrecht und Pressefreiheit, erkämpft waren, Arbeitervereine wie Pilze nach einem warmen Sommerregen aus dem Boden/' 5 Gewiß gelang es an den weitaus meisten Orten kleinbürgerlichdemokratischen Elementen, dieses Streben der deutschen Arbeiter nach organisatorischem Zusammenschluß in kleinbürgerliche Bahnen zu lenken und den bestimmenden Einfluß auf die sich bildenden Arbeitervereine zu erlangen. Gleichwohl sollte nicht übersehen werden, daß oft gerade Mitglieder des Bundes der Kommunisten Initiatoren bei der Gründung von lokalen Arbeiterorganisationen wurden. Für Köln, wo neben Gottschalk noch weitere Bundesmitglie4 3 Engels,

Friedrich,

Marx

und d i e

„Neue

Rheinische

Zeitung",

in:

Marx/Engels/Lenin/

Stalin, Z u r deutschen G e s c h i c h t e , B d . 2 / 1 , B e r l i n 1 9 5 4 , S. 2 1 7 . 44 Dieses

Moment

hat E n g e l s ausdrücklich

b e t o n t , a l s er d a r a u f

zu

sprechen

sich d e r S c h w e r p u n k t ihrer A r b e i t mehr auf d i e Z e i t u n g v e r l a g e r n m u ß t e (vgl.

kam,

daß

derselbe,

Zur Geschichte des Bundes der Kommunisten, S. 201 f.). 4 5 E i n e n w e n n auch noch b e i w e i t e m nicht v o l l s t ä n d i g e n Ü b e r b l i c k ü b e r d i e G r ü n d u n g v o n A r b e i t e r v e r e i n e n v o n M i t t e M ä r z bis M a i 1 8 4 8 bietet Obermann, in d e r R e v o l u t i o n v o n 1 8 4 8 .

100

D i e deutschen A r b e i t e r

der wirkten, für Hamm, wo Weydemeyer tätig war, für Wiesbaden, wohin Schapper Ende April 1848 als Emissär kam, und in gewissem Sinne natürlich auch für Berlin, die Wirkungsstätte Stefan Borns, läßt sich dies ziemlich genau nachweisen. 46 D a ß auch die Anweisung der Zentralbehörde in diesem Sinne formuliert war, zeigt schon der Aufruf der Mainzer Kommunisten vom 5. April 184847 und wird dann überzeugend verdeutlicht durch den schon erwähnten Bericht Wolfis an die Zentralbehörde vom 18. April. Wolff schreibt, daß er bei seiner unermüdlichen Agitation unter den Arbeitern diese - wie ihm das in Koblenz auch gelang - überzeugte, „daß die Gründung eines Arbeitervereins und die Besprechung in Volksversammlungen im allgemeinen unerläßlich sei". Und als einen Tag nach Wolffs Ankunft in Breslau dort ein Arbeiterverein ins Leben gerufen wurde, meldete er sich natürlich zum Beitritt. Hier zeigt sich ein weiteres, gewiß noch wichtigeres Moment. Es ging nicht nur darum, überhaupt neue Arbeitervereine zu gründen, wesentlich bedeutungsvoller war die Möglichkeit, in ihnen unmittelbar wirken und, wenn irgend möglich, auf ihre Entwicklung ausschlaggebenden Einfluß nehmen zu können. D a ß die meisten der damals in Deutschland politisch fähigen Kommunisten diese Notwendigkeit durchaus begriffen hatten, war nicht zuletzt das Verdienst von Marx und Engels, bei denen sie in der Vormärzzeit in Brüssel sowie in Paris in die Schule gegangen waren. Es verwundert darum überhaupt nicht, in welcher Ausführlichkeit in den verschiedenen Briefen immer wieder auf die Entwicklung der jeweiligen Arbeitervereine eingegangen wird. Die Kommunisten verstanden in mehreren dieser Vereine Positionen zu erringen, auch wenn sie diese nicht immer und überall - wie das später im Kölner Arbeiterverein geradezu vollkommen gelang - allmählich festigen und schrittweise soweit ausbauen konnten, daß ihre Politik voll und ganz die Linie des Vereins bestimmte. Es ist verständlich, daß der Einfluß der Bundesmitglieder dort am stärksten war, wo sich wenigstens zeitweilig erneut Gemeinden konstituiert hatten, so in Wiesbaden, aber auch in Koblenz, in Hanau und Kassel. 48 Die besten Informationen haben wir indes über Mainz 49 wo die Kommunisten die Führung des Arbeiterbildungsvereins erlangt und den Vorstand faktisch in der Hand hatten, „so daß der Verein als ganz in unserm Sinne geleitet betrachtet werden muß". 50 Interessant ist der Mainzer Arbeiterverein aber noch in anderer Hinsicht. 46 Vgl. ebenda, S. 255 ff.; ferner C. Schapper an die Zentralbehörde, 26. 4. 1848. 47 Im Aufruf heißt es: „Drum, Brüder, überall in Städten und Dörfern Arbeitervereine gebildet . . ( M E W , Bd. 5, S. 483). 48 C. Schapper an die Zentralbehörde, 2 6 . 4 . 1 8 4 8 : Er habe einen Arbeiterverein in Wiesbaden gegründet, „der bereits an hundert Mitglieder zählt"; Dronke berichtet am 29. 4. 1848 über den Koblenzer Arbeiterverein. 49 Sowohl Schapper als auch Dronke berichten über Mainz; die Hauptquelle aber ist der Brief der Mainzer Bundesgemeinde an die Zentralbehörde, 23. 4. 1848. 50 Mainzer Bundesgemeinde an die Zentralbehörde, 23. 4. 1848. 8

Hundt, Bund der Kommunisten

101

Hier läßt sich zeigen, welche durchaus kluge Taktik die Bundesmitglieder einschlugen, um die politisch noch gänzlich unerfahrenen Proletarier zielbewußt an ihre politischen Aufgaben heranzuführen und ihnen ihre Rolle im Kampf um die Demokratie bewußt zu machen. In dem Bericht vom 23. April schreiben Schmitz und Lange, hinter deren Namen sich offenbar die beiden bekannten Bundesmitglieder Stumpf und Cluß verbergen, im Auftrage der Gemeinde, daß man vorerst im Verein Übungen im Schreiben, Rechnen, Zeichnen, in der Stilistik und in der freien Rede aufgenommen habe, alles Dinge, die den Verein noch in nichts von einem der üblichen bourgeoisen Arbeiterbildungsvereine unterschieden. 51 Aber die kommunistischen Vorstandsmitglieder waren keineswegs gesonnen, dabei stehenzubleiben. Sie betrachteten vielmehr diese Art des Vereinslebens als ein Durchgangsstadium; sie hatten diese Unterrichtsgegenstände in erster Linie aufgenommen, um - wie sie sich ausdrückten - „die große Masse anzuziehen und dieselbe durch Bildung für politische und soziale Fragen zugänglich . . . zu machen", was ihnen bis jetzt bereits gelungen wäre. 5 2 E s ist hier nicht möglich, die Rolle der Bundesmitglieder in den verschiedenen Arbeitervereinen eingehender zu untersuchen, doch läßt sich aus ihrem Wirken in den Wochen des April und Mai schlußfolgern, daß die Kommunisten eine sehr positive und fruchtbare Arbeit bei der Entwicklung des Klassenbewußtseins leisteten, eine Arbeit, die auch in den folgenden Monaten nicht unterbrochen wurde. Wenn die Ideen des wissenschaftlichen Sozialismus im Verlaufe der Revolution in bestimmten Gebieten, vor allem im Rheinland, unter den Arbeitern Fuß faßten und das Klassenbewußtsein relativ rasch wuchs, so ist das nicht zuletzt das Ergebnis der politischen Aktivität einiger weniger, größtenteils heute noch unbekannter Kommunisten gewesen. War es das erklärte Ziel des Bundes, in der sich breit entfaltenden Massenbewegung des deutschen Proletariats, selbst wenn diese anfangs noch in kleinbürgerlichen Illusionen verhaftet blieb, festen Fuß zu fassen, so hatte die Zentralbehörde noch weitergehende Pläne, die, so scheint es uns, von prinzipiellem Interesse sind, weil sich dabei ganz deutlich zeigt, daß Marx und Engels nicht erst im Frühjahr 1849 den Plan zur Bildung einer selbständigen politischen Arbeiterorganisation faßten, sondern daß diesen Bemühungen schon ein Jahr zuvor unter anderen Bedingungen ein ähnlicher Versuch vorausgegangen war. Wenn in den meisten Briefen von Bundesmitgliedern aus den Monaten April 51 Das mag auch der Grund für J. Schickel gewesen sein, in seinem Brief an Marx sich sehr abfällig über diesen Verein zu äußern: „Der Arbeiter-Bourgeois-Verein zählt 300 Mitglieder, und Wallau ist Präsident, doch kommt mir dieser ganze Witz wie eine ABC-Schule vor, die Arbeiter lernen lesen, schreiben und rechnen . . ." 52 Immerhin waren sie schon in der Lage, folgende, in der Sitzung der Bundesgemeinde vom 2 3 . 4 . vorberatene Frage im Arbeiterverein behandeln zu lassen: „Warum sind unsere Besitzenden gegen Republik; der Mittelstand und die Besitzlosen aber für dieselbe?" (Vgl. Mainzer Bundesgeschichte an die Zentralbehörde, 2 3 . 4 . 1 8 4 8 ) .

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und Mai 1848 immer wieder auf Mainz Bezug genommen wird, wenn alle aus Frankreich kommenden führenden Kommunisten sich kurze Zeit in Mainz aufhielten, wenn sowohl Dronke als auch Schapper später noch mehrmals Mainz besuchten, dort Station machten und der dortigen Bundesgemeinde w i e dem Arbeiterverein auffallend großes Interesse entgegenbrachten, wenn schließlich W o l f i s Brief vom 18. April sowie eine Reihe weiterer, leider nicht erhalten gebliebener Briefe von deutschen Arbeitervereinen nach Mainz adressiert sind, so hing dies mit der besonderen Rolle zusammen, die die Zentralbehörde dem Mainzer Arbeiterverein im Rahmen der dritten von uns genannten Aufgabe zugedacht hatte. Diese Aufgabe hatte - wie sich an Hand einer Reihe von Dokumenten und Briefen nachweisen läßt - zum Ziel, die in den Wochen nach der Märzrevolution entstandenen und noch entstehenden Arbeitervereine im nationalen Rahmen zusammenzuschließen, selbst wenn das vorerst nur in einer sehr lockeren Form geschehen konnte. Eingeleitet wurde dieser zweifellos großartige Versuch der Kommunisten, binnen kürzester Zeit die lokale Zersplitterung der Arbeiterbewegung in Deutschland zu überwinden und eine ihrem Wesen nach politische Arbeiterorganisation für ganz Deutschland zu schaffen, durch den Aufruf des Mainzer Arbeitervereins vom 5. April 1848. Der Aufruf war von zwei Bundesmitgliedern, Cluß und Wallau, unterzeichnet. 53 Das deutet schon darauf hin, daß nicht nur der Mainzer Arbeiterverein, sondern auch die Zentralbehörde des Bundes dahinter stand. Diese Annahme wird dadurch bekräftigt, daß W a l l a u selbst Mitglied der Zentralbehörde in Paris gewesen war, 5 4 und jeder Zweifel wird geradezu ausgeschlossen, wenn man in Betracht zieht, d a ß sich M a r x und Engels am 8. April in Mainz aufhielten und mit den dortigen Bundesmitgliedern die weiteren Schritte zur Zentralisierung der Arbeitervereine berieten. 55 Untersucht man den Inhalt des Mainzer Aufrufs, so fallen zunächst einmal die erheblichen Unterschiede gegenüber den kurz zuvor erschienenen „Forderungen der Kommunistischen Partei in Deutschland" ins Auge. Zweifellos ist der Aufruf viel weniger bestimmt und vermittelt auch bei weitem nicht jene prinzipielle Klarheit in den Fragen der Weiterentwicklung der deutschen Revolution. Doch 53 Der genaue Wortlaut in: MEW, Bd. 5, S. 483. 54 Vgl. K. Marx an F. Engels, schätzungsweise 1 2 . 3 . 1 8 4 8 : „Zentralbehörde ist hier konstituiert worden . . . Man hat mich zum Präsidenten und Schapper zum Sekretär ernannt. Mitglieder sind: Wallau, Lupus, Moll, Bauer und Engels" (Marx/Engels, BW, Bd. 1, S. 115). Wallau, ein Buchdrucker, der mit Marx seit Brüssel gut bekannt und befreundet war, ist offenbar als einer der ersten nach Deutschland gereist. Zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der „Forderungen" scheint er schon nicht mehr in Paris gewesen zu sein, denn dieses Dokument trägt die Namen sämtlicher Mitglieder der Zentralbehörde, lediglich sein Name fehlt. Möglicherweise hatte er die Aufgabe, mit anderen so etwas wie einen Vortrupp zu bilden. 55 Vgl. Karl Marx und Friedrich Engels. Daten aus ihrem Leben und ihrer Tätigkeit, in: MEW, Bd. 5, S. 566. 8»

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darf dabei zweierlei nicht übersehen werden. Einmal hatte sich sehr bald gezeigt, daß eine Reihe der 17 Forderungen zu weitgesteckt war und in der Arbeiterbewegung noch keine Resonanz fand, so daß Marx und Engels zwangsläufig die offene Propagierung der Forderungen zeitweilig zurückstellten. 56 Dann aber verfolgte der Aufruf auch ein ganz anderes Ziel als die Forderungen. Ging es dort in erster Linie um die Bildung einer gesamtdemokratischen K a m p f front, an deren Verwirklichung Marx und Engels seit ihrer Rückkehr nach Deutschland mit aller Energie arbeiteten, so war das Anliegen des Mainzer Aufrufes die Konstituierung einer über ganz Deutschland reichenden politischen Arbeiterorganisation. Dieser bestimmte Zweck muß ebenso berücksichtigt werden wie das damalige Entwicklungsniveau der deutschen Arbeiterbewegung, um zu einer richtigen Wertung des Aufrufs zu kommen. Gewiß war das Schreiben vor allem deshalb ganz bewußt so weit gefaßt und allgemein gehalten, weil es galt, erst einmal sämtliche vorhandenen Arbeitervereine, ganz gleich, wie ihr politisches Niveau im Moment noch war, anzusprechen und zu erfassen. D a s Entscheidende aber sind zwei ausgesprochen positive und fruchtbare Grundgedanken, die den Aufruf durchziehen und die beide eine marxistische Beeinflussung mehr oder weniger bestätigen: erstens jene fundamentale Erkenntnis, daß die Arbeiter selber aktiv in das politische Geschehen eingreifen, daß sie selber Hand anlegen müssen bei der Gestaltung ihrer eigenen Zukunft, wenn sie nicht weiterhin unterdrückt werden wollen. „Wollen wir nicht abermals die Meistbetrogenen sein, nicht ferner auf eine lange Reihe von Jahren hinaus durch eine kleine Zahl ausgebeutet, verachtet und niedergetreten werden", heißt es in dem Aufruf, in gewisser, wenigstens inhaltlicher Anlehnung an den Schlußabsatz der 17 Forderungen, „so dürfen wir keinen Augenblick verlieren, keine Minute in Untätigkeit verstreichen lassen." 5 7 Finden wir hier, wenn auch noch etwas unklar formuliert, die Aufforderung an die Arbeiter zum aktiven Handeln, so geht der Aufruf noch einen Schritt weiter und rückt als zweites das Problem der Organisierung des Proletariats in den Vordergrund, das zum eigentlichen Kern des ganzen Dokuments wird. „Vereinzelt, wie bisher, sind wir schwach, obgleich wir Millionen zählen. Vereinigt und organisiert werden wir dagegen eine unwiderstehliche Macht bilden." 5 8 Wenn man weiß, welche große Rolle dieser Organisationsgedanke in den Schriften der führenden Kommunisten, und darunter besonders in den Artikeln Wilhelm Wolfis im Jahre 1847, gespielt hat, fällt eine gewisse Ähnlichkeit mit den Formulierungen, wie sie des öfteren von Wolff gebraucht wurden, sofort ins Auge. 5 9 Was hier allgemein ausgesprochen wird, ist die klare, unmißverständ56 57 58 59

Vgl. Leviova, Iz istorii bor'by, S. 242 f. MEW, Bd. 5, S. 483. Ebenda. Vgl. hierzu u. a. den zweifellos von Wilhelm Wolff verfaßten Artikel „Der preußische Landtag und das Proletariat in Preußen wie überhaupt in Deutschland" in der „Kommunistischen Zeitschrift" vom September 1847, in: Marx/Engels/Lenin/Stalin, Zur deut-

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liehe Aufforderung an das Proletariat, sich zu organisieren, Vereinigungen zu bilden und selbständige Organisationen zu schaffen, weil die Arbeiter nur auf diese Weise zu einer wirklichen Macht werden können. Und das ist bekanntlich eine Grundforderung, die die marxistischen Kräfte von Beginn an stellten. Aus diesen allgemeingültigen Grundsätzen werden in dem Aufruf die konkreten Maßnahmen abgeleitet, die sich in zweierlei Richtung bewegen. Zum ersten werden die Arbeiter in allen Städten und Dörfern aufgefordert, Arbeitervereine zu bilden. Unterstreicht diese Stelle noch einmal sehr nachdrücklich, daß die Zentralbehörde außerordentlich großen Wert auf die Gründung unabhängiger proletarischer Organisationen legte, so ist von noch größerem Interesse, welche Aufgaben die Verfasser des Aufrufs den entstehenden Arbeitervereinen unverbindlich empfehlen. E s heißt dort, daß in diesen Vereinen „unsere Verhältnisse erörtert, Maßregeln zur Abänderung unserer jetzigen L a g e vorgeschlagen, Vertreter aus der Arbeiterklasse ins deutsche Parlament namhaft gemacht, erwählt und alle übrigen Schritte getan werden, die zur Wahrung unserer Interessen nötig" sind. In der Tat, gerade hier zeigt sich, daß die Aufgaben ausgesprochen unverbindlich und allgemein formuliert waren. Aber wir gehen gewiß nicht fehl, wenn wir annehmen, daß auch das nicht prinzipiellen Unklarheiten bei den Autoren des Dokuments zugeschrieben werden kann. Forderungen wie die hier genannten beherrschten damals die Vorstellungswelt der Masse der politisch bewußten deutschen Arbeiter. Wollte man das Ohr der Arbeiterklasse gewinnen, so war es in keinem Falle falsch, diese Forderungen erst einmal in ganz allgemeiner Form aufzugreifen - ohne prinzipielle Konzessionen zu machen - , denn als Anknüpfungspunkte konnten sie durchaus akzeptiert werden. Entscheidend war nur, was man daraus machte, wie die gestellten Fragen beantwortet, in welcher Richtung die Bewegung entwickelt werden sollte. Gewiß kann man dem entgegenhalten, daß gerade dies im Aufruf offenblieb. Allerdings darf dabei auch nicht vergessen werden, daß die einzige konkrete Forderung, die in den Aufruf aufgenommen wurde - nämlich um die Entsendung von Arbeitervertretern ins Parlament zu kämpfen - , zumindest andeutungsweise erkennen läßt, daß die Arbeiterklasse nicht auf die ausschließliche Behandlung der sog. sozialen Frage, sondern auf den politischen Kampf orientiert werden sollte. Was die „Maßregeln zur Abänderung unserer jetzigen L a g e " betraf, so haben die Kommunisten im Kölner Arbeiterverein später überzeugend demonstriert, was man aus einem solchen Thema machen konnte und wie gut es möglich war, durch die richtige politische Erörterung dieser Frage die Arbeiter für den demokratischen Kampf zu aktivieren. Man darf daher mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen, daß die marxistischen Kräfte, von denen dieser Aufruf aussehen G e s c h i c h t e , B d . 2 / 1 , S . 1 4 8 - 1 5 9 . W i e intensiv sich W o l f f mit d e r f r a g e b e f a ß t e , b e w e i s t a b e r auch eine R e i h e v o n A r t i k e l n a u s d e r

Organisations-

„Deutschen-Brüsseler-

Z e i t u n g " , d i e nach Stil, A u s d r u c k und v o r a l l e m d e m Inhalt nach ihm z u g e s c h r i e b e n w e r den müssen.

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ging, eben das im Großen vorhatten, was sie später im Rahmen eines lokalen Arbeitervereins, des Kölner, mit vollem Erfolg ausführten. Aber erst wenn man das zweite Ziel im Auge behält, das durch den Aufruf verfolgt wurde, ist die Unbestimmtheit bei der Formulierung der Aufgaben ganz zu begreifen. E s ging den führenden Bundesmitgliedern keineswegs nur darum, recht zahlreiche lokale Arbeitervereine zu schaffen. Das konnte lediglich der notwendige erste Schritt sein. Sollte die Arbeiterklasse, wie erklärt worden war, zu einer „unwiderstehlichen Macht" werden, dann durfte dabei nicht stehengeblieben werden, dann mußte man vielmehr alles daransetzen, die lokale Isoliertheit zu überwinden und zu einer ganz Deutschland umfassenden Vereinigung zu kommen. So heißt es denn auch in dem Mainzer Aufruf unmittelbar nach der Bezeichnung der Aufgaben: „Sämtliche Arbeitervereine Deutschlands müssen ferner so schnell als möglich miteinander in Verbindung treten und darin bleiben." Zu diesem Zwecke sollten alle Vereine mit Mainz als vorläufigem Zentrum Verbindung aufnehmen, damit sie sich „über einen gemeinsamen Plan verständigen und sobald als möglich auf einer Zusammenkunft von Abgeordneten aller Vereine den Sitz des Zentralkomitees etc. definitiv bestimmen können". Was in diesen Worten zum Ausdruck kommt, ist nicht mehr und nicht weniger als der zielbewußte Plan, im Verlaufe einiger Wochen mit Hilfe eines offiziellen Arbeiterkongresses, auf dem die Vertreter aller Vereine anwesend sein sollten, zur Bildung einer gesamtdeutschen Arbeiterorganisation zu kommen. Zweifellos gingen die führenden BundesmLtglieder dabei von der Überlegung aus, daß die deutsche Arbeiterklasse als selbständige politische K r a f t in der Revolution erst dann voll zur Wirkung kommen würde, wenn es gelänge, die Arbeitervereine zu zentralisieren. D i e Konstituierung einer wenn auch erst einmal noch sehr lockeren Arbeiterpartei in Deutschland zu Beginn der Revolution wäre von unschätzbarem Wert für die Sache der Demokratie gewesen. E i n e selbständige Organisation der Arbeiter, die vom Standpunkt ihrer spezifischen Interessen aus unabdingbar war, lag gleichzeitig auch im ureigensten Interesse der allgemein-demokratischen Bewegung. W i r gingen deshalb gänzlich fehl, wenn wir annähmen, daß der Kampf der Kommunisten um eine selbständige Arbeiterorganisation in den ersten Monaten der Revolution etwa einer Ablehnung des Bündnisses mit dem demokratischen Kleinbürgertum gleichgekommen wäre. Das ganze Gegenteil ist der Fall. D i e allgemein-demokratische Kampffront hätte damit einen entscheidenden Rückhalt bekommen. Das Bündnis der Arbeiterklasse mit dem demokratischen Kleinbürgertum aber konnte dann in Gestalt eines politischen Kartells zwischen zwei selbständig organisierten Klassenkräften abgeschlossen werden. Das wäre unzweifelhaft eine höhere Form des politischen Bündnisses zwischen Arbeiterklasse und demokratischem Kleinbürgertum gewesen als der spätere organisatorische Anschluß des proletarischen Flügels an die demokratische Partei, der erst notwendig wurde, weil eine selbständige nationale Arbeiterorganisation mit politischen Zielen vorerst noch nicht zustande kam.

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Daß bei den begonnenen Bemühungen um einen nationalen Zusammenschluß der deutschen Arbeitervereine das politische Niveau nicht mit allzu hohen Maßstäben gemessen werden durfte, war selbstverständlich. Der Mainzer Aufruf selbst war ein beredter Ausdruck dafür, wie bewußt die Kommunisten gleich in den ersten Tagen den außerordentlich niedrigen Reifegrad der deutschen Arbeiterbewegung in Rechnung stellten. Wenn hier noch vieles unausgesprochen blieb, ja, wenn selbst die Richtung, in der diese gesamtdeutsche Arbeiterorganisation entwickelt werden sollte, nur andeutungsweise zu erkennen war, so mögen die Initiatoren dieses Mainzer Zentralisierungsversuches von der durchaus richtigen Erkenntnis ausgegangen sein, daß es zuerst einmal darauf ankam, die sich organisatorisch auf lokaler Ebene formierenden proletarischen Elemente überhaupt in größerem Rahmen zusammenzufassen, und daß dabei nicht von vornherein bestimmte zurückgebliebene Teile der Arbeiterklasse zurückgestoßen werden durften. Denn gelang dieser Versuch, so war die deutsche Arbeiterbewegung auf eine Stufe gehoben, die zumindest in organisatorischer Hinsicht etwa der englischen entsprach, die ja schon seit Beginn der vierziger Jahre eine gewisse nationale Zentralisation in Gestalt der Chartistenpartei erreicht hatte. Daß Marx und Engels in dieser Zeit besonders das Beispiel der Chartisten vor Augen schwebte, kann als sehr wahrscheinlich angenommen werden, war die englische Chartistenbewegung damals doch die einzige wirklich proletarische Massenbewegung, die nationale Dimensionen angenommen hatte. 60 Die Hauptfrage war aber ganz gewiß, welchen Charakter die vorgesehene Arbeiterorganisation annehmen sollte. Zwar fehlen auch hier genauere Angaben; doch ist aus den wenigen Andeutungen im Aufruf, 61 vor allem aber aus der von den Kommunisten im allgemeinen verfolgten politischen Linie unschwer zu erkennen, daß die Initiatoren dieser Zentralisierung nur auf eine politische Organisation abzielten. Daß dies keine vage Vermutung ist, bestätigt in überzeugender Weise die gesamte Tätigkeit der nach den Weisungen der Zentralbehörde handelnden Bundesmitglieder in dieser Periode. Ihr Wirken in den Arbeitervereinen war immer von dem Bemühen geleitet, die Arbeiter wegzu6 0 Wenn Marx und Engels im Kommunistischen Manifest ausführten, daß die Kommunisten „praktisch der entschiedenste immer weitertreibende Teil der Arbeiterparteien aller Länder" wären, dann setzten sie damit den Bund der Kommunisten ins Verhältnis zu solchen „bereits konstituierten Arbeiterparteien", wie sie die Chartisten darstellten, und wiesen den Bundesmitgliedern die unter den damaligen Bedingungen konkrete Aufgabe zu, in diesen „Arbeiterparteien" vorwärtstreibend zu wirken. Daß es das Ziel der Kommunisten sein mußte, sich auch innerhalb Deutschlands ein ähnlich gestaltetes breites Wirkungsfeld zu schaffen, kann nicht von der Hand gewiesen werden. Der Mainzer Versuch diente offenbar der Schaffung einer solchen, breitere Schichten des Proletariats umfassenden Organisation (vgl. hierzu Förder, Herwig, Marx und Engels am Vorabend der Revolution, Berlin 1960, S. 290 f.). 6 1 Auch Leviova, Iz istorii bor'by, S. 240, betont stark den politischen Gehalt der Forderung nach Einflußnahme auf das Parlament.

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ziehen von jener einseitigen Beschäftigung mit wirtschaftlichen Fragen und von kleinbürgerlicher sozialer Quacksalberei. Die Arbeiter in die politische Bewegung einzubeziehen und ihnen dabei gleichzeitig ihre Rolle im demokratischen Kampf während der Revolution bewußt zu machen stand bei den Bundesmitgliedern im Mittelpunkt.62 Es wäre müßig, darüber zu streiten, wieweit die Organisation in ihre Ziele bestimmte ökonomische Forderungen hätte aufnehmen müssen. Gewiß wäre da manches mit Rücksicht auf die Zurückgebliebenheit der Masse der Arbeiter einfach nicht zu umgehen gewesen. Entscheidend aber war die Frage der Grundorientierung, die die Organisation nach den Plänen der Kommunisten erhalten sollte. Diese aber war unzweifelhaft von den politischen Aufgaben der Arbeiterklasse bestimmt. Das Ziel von Marx und Engels und der übrigen zielbewußten Kommunisten war weder im Frühjahr 1848 noch ein Jahr später die Konstituierung irgendeiner zentralen Arbeiterorganisation, sondern die Gründung einer Vereinigung proletarischer Kräfte, die von Anfang an zumindest die Voraussetzung bot, sie zu einer politischen Massenpartei des Proletariats zu entwickeln. Überschaut man das in der bisherigen Literatur dazu Gesagte, so könnte man zu der Auffassung gelangen, daß außer der Herausgabe des Aufrufs nichts weiter geschehen sei. Doch ist dem keineswegs so. Es ist an Hand einiger Briefe von Bundesmitgliedern und anderer Materialien möglich, einige Stationen dieses Zentralisierungsversuchs zumindest annähernd nachzuzeichnen. Zunächst einmal wurde der Aufruf im Verlaufe der ersten Aprilhälfte von mehreren - meist west- und süddeutschen - Zeitungen abgedruckt. Er wurde als Flugblatt an Arbeitervereine in verschiedene Teile Deutschlands versandt; und schließlich waren es die Bundesmitglieder selbst, die, soweit sie über Mainz kamen, den Aufruf bei ihren Reisen zu den neuen Wirkungsstätten mitnahmen und so in einige weitere Städte brachten.63 Einer der namhaftesten Ver62 Die Antwortbriefe der Kommunisten an die Zentralbehörde legen hierfür ein klares Zeugnis ab. So schreibt W o l f f : „Ich habe dafür den Abend dazu verwandt, mit kleinen Bürgern und Arbeitern in verschiedenen Kneipen die Tagesfragen zu besprechen, namentlich überzeugte ich sie, daß die Gründung eines Arbeitervereins und die Besprechung

in VOlksversammlungen

im allgemeinen

unerläßlich

sei"

(Hervorhebung von mir —

W . Sch.). Bergmann aus Regensbuerg will genaue Anweisungen, „in welchem Sinne . . . man Propaganda machen muß", und sein eigener Bericht über das bisher Geleistete beweist, daß er durchweg in politischer Richtung wirksam war. Nicht anders verhielt es sich mit den Mainzer Kommunisten, deren erklärtes Ziel es war, die Arbeiter „für politische und soziale Fragen zugänglich zu machen". 63 Daß den Mainzer Initiatoren in erster Linie an einer solchen Verbreitung ihrer Ziele lag, weil sie sich dadurch einen größeren Erfolg erhofften, zeigt sich an ihren mehrfachen Bitten an die Zentralbehörde, ihnen Emissäre hierfür zur Verfügung zu stellen. So berichten sie am 23. 4., daß es sich den bereits eingelaufenen Anmeldungen zufolge als „höchst nötig" erweisen würde, sobald als möglich nach Süddeutschland einen Emissär zu schicken. „So gut, als dies nur irgend durch ein Schreiben geschehen kann, ist unserer-

108

breiter des Mainzer Dokuments war zweifellos Wilhelm Wolff, der - nach seinem Reisebericht zu urteilen - bereits vor Marx und Engels in Mainz gewesen sein muß und sich einen T a g nach der Abfassung des Aufrufs, also am 6. April, wieder auf den Weg machte.67' D a Wolff sich in Mainz einige T a g e aufgehalten hat - wahrscheinlich vom 3. bis 6. April ist anzunehmen, daß er an der Ausarbeitung des Mainzer Aufrufs beteiligt war; auch einige inhaltliche Formulierungen deuten hier auf seine Feder hin. 65 Überall, wo Wolff auf seiner Reise nach Breslau Station machte, verteilte er den Aufruf und forderte die jeweiligen Führer der Arbeitervereine auf, sich unverzüglich an den Mainzer Verein zu wenden. 66 Selbst auf dem Dampfer, den er bei der Fahrt rheinabwärts von Koblenz nach Köln benutzte, ließ er es sich nicht nehmen, „Exemplare des Aufrufs" mehrfach zu verteilen, und zwar „nach vorheriger Auseinandersetzung und Besprechung", wie er dann auch in der Eisenbahn „vielfach propagiert, sodaß" - nach seinen eigenen Worten „mir das Maul wenig stillgestanden". Wenn man weiß, wie bescheiden Wolff seine eigenen Leistungen stets hintenanzustellen pflegte, wird man ermessen können, welch intensive Aufklärungsarbeit er tatsächlich geleistet haben mag. Durch ihn kamen offenbar auch die ersten Exemplare des Aufrufs nach Köln, wo Wolff etwa am 7. April eingetroffen sein müßte. Nach dem Besuch einer Volksversammlung zusammen mit Anneke hatte er hier eine gründliche Aussprache mit Gottschalk, dem er dabei auch den Aufruf des Mainzer Arbeitervereins übergab. Gottschalk muß daraufhin versprochen haben, im Kölner Arbeiterverein, für dessen Gründung die Vorbereitungsarbeiten gerade im Gange seits

dafür gesorgt worden, daß

die Vereine die gehörige Richtung bekommen;

aber

persönliches Auftreten und Bekanntschaften mit helleren K ö p f e n würde sehr viel nützen." Vgl. auch E . Dronke an die Zentralbehörde, 5. 5. 1848. 64 D i e Reiseroute W o l f i s läßt sich hiernach wie folgt bestimmen: Bis 6. 4. in Mainz, der Zeitpunkt seiner Ankunft muß noch erforscht werden, aber wahrscheinlich kommt der 3. oder 4. 4. hierfür in F r a g e ; am 6. 4. Reise bis K o b l e n z ; am 7. 4. Weiterreise nach K ö l n ; am 8. 4. Eisenbahnfahrt nach Hannover und von dort am gleichen T a g Weiterfahrt nach Berlin; in Berlin hielt er sich 3 T a g e auf, also vom 1 0 . - 1 2 . 4. einschließlich; am 13. 4. Fahrt nach Breslau. Seit dem 13. 4. arbeitete er in Breslau. 65 Als Verfasser kämen demnach neben Adolph Cluß in erster Linie Wilhelm Wolff und K a r l Wallau in F r a g e ; beide waren Mitglieder der Pariser Zentralbehörde. D a ß auch Wallau mit zu den befähigsten Kommunisten gezählt wurde und die

Zentralbehörde

auf seine Anwesenheit in Mainz größtes Gewicht legte, bezeugen mehrere Hinweise in den Briefen von Dronke und Schapper. Welch großen Wert die Zentralbehörde darauf legte, daß Wallau, der offenbar aus Berufsgründen (er bekam in Mainz als Buchdrucker keine Arbeit) nach Wiesbaden gegangen war, wieder nach Mainz zurückkehrte, zeigen die Anstrengungen, die Dronke unternahm, um Wallau in seiner Heimatstadt einen Arbeitsplatz zu verschaffen (vgl. E . Dronke an die Zentralbehörde, 5. 5. 1848, ferner Mainzer Bundesgemeinde an die Zentralbehörde, 2 3 . 4 . 1 8 4 8 ;

C. Schapper an die Zentral-

behörde, 26. 4. 1848). 66 Zum folgenden vgl. Wolff an Wallau u. a „ 18. 4. 1848.

109

waren, den Anschluß zu bewirken. Zweifellos mögen die Impulse, die durch diesen Aufruf von Mainz ausgingen, auch auf die rasche Konstituierung des Kölner Arbeitervereins einen bestimmten Einfluß ausgeübt haben. Wolfis nächste Station nach Köln war Hannover, wo ein Arbeiterverein bereits existierte, der in der Mehrzahl zwar noch „aus Bourgeois-Elementen" bestand, jedoch mit einer bereits „stark vorwärts drängenden proletarischen Minorität". Wolff übergab auch hier die Mainzer Aufforderung und nahm den Hannoveranern das Versprechen ab, den Mainzer Aufruf zu befolgen und sich mit dem Mainzer Arbeiterbildungsverein in Verbindung zu setzen. In Berlin, wo Wolff etwa drei Tage zu verweilen für nötig befand, standen zwar die Bundesangelegenheiten mehr im Vordergrund seiner Bemühungen, aber auch hier gab er eine klare Orientierung auf Mainz. E r verhandelte sowohl mit Stefan Born als auch mit dem Schuhmacher Hätzel, wobei auffällt, daß er sich mehr an den letzteren hielt, Borns Treiben indes vom ersten Moment an mit einigem Mißtrauen begegnete. Zwar gelang es ihm selbst nicht mehr, die Bundesorganisation wieder zu formieren, doch versprach ihm Hätzel fest, „gleich nach Mainz zu schreiben, die Verbindung wieder herzustellen und die Sache planmäßiger zu betreiben". Schließlich langte Wolff am 13. April in Breslau an, dem Ziel seiner Reise, wo schon einen T a g darauf ein Arbeiterverein gebildet wurde. Wolff trat, wie schon erwähnt, dem Verein sofort bei und ließ auch hier nicht die Gelegenheit vorübergehen, die Arbeiter mit den Mainzer Plänen bekanntzumachen. „Heut' ist wieder Versammlung", schrieb er in seinem Bericht vom 18. April, „worin ich mehreres und auch den Mainzer Aufruf zur Sprache bringen werde." Leider läßt sich heute nicht mehr genau ermitteln, inwieweit das mit E r f o l g geschehen ist. Aber selbst wenn es Wolff nicht gelang, im Breslauer Arbeiterverein, der zu Beginn politisch noch gänzlich unter dem Einfluß des kleinbürgerlich sozialreformerischen Deutschkatholiken Nees von Esenbeck und anderer kleinbürgerlicher Demokraten stand, 67 die Verbindung mit Mainz zu bewirken, so steht doch ganz außer Zweifel, daß der Ruf nach Zentralisierung der Arbeiterorganisationen bis nach Breslau gedrungen ist. 68 Hier erhebt sich nun die Frage, welches Echo der Aufruf nicht nur in Breslau, sondern generell fand. E s bleibt zu untersuchen, ob der Ruf nach Zusammenschluß der Arbeiter damals ungehört verhallte oder ob er schon einem echten Bedürfnis der Arbeiterbewegung entsprach und auf Verständnis stieß. Für ganz Nord- und Ostdeutschland wird man - zumindest nach den bis jetzt aufgefundenen Quellen - die Frage im wesentlichen negativ beantworten müssen. Weder aus Hannover, Berlin und Breslau, wohin der Aufruf dank Wolfis Agitation 67 Einige Anhaltspunkte über den Zustand der Arbeiterbewegung und das politische Niveau des gegründeten Arbeitervereins in Breslau gibt Bleiber, Wilhelm Wolfis Aufenthalt, S. 1315 f. 68 In den uns zur Verfügung stehenden Zeitungsberichten über die Versammlungen des Breslauer Arbeitervereins finden wir leider keinen Hinweis über ein Auftreten Wolffs in der angegebenen Richtung.

110

definitiv gekommen war, noch aus weiteren Städten des ostelbischen Preußens oder auch Sachsens läßt sich eine Korrespondenz mit Mainz nachweisen. Offenbar war der Wunsch dieser Arbeitervereine, zusammenzukommen und gemeinsam die Aufgaben zu beraten, zu einem so frühen Zeitpunkt noch nicht so stark, daß sie schon entschiedene Schritte zu einer Übereinkunft unternommen hätten. Anders lagen die Dinge allerdings in West- und Südwestdeutschland, vornehmlich im Rhein-Main-Gebiet, also mehr oder weniger in der weiteren Umgebung von Mainz selbst. Aufschluß hierüber gibt der recht ausführliche Bericht der Mainzer Bundesgemeinde vom 23. April, von einem Zeitpunkt also, als gerade knapp drei Wochen seit der Veröffentlichung des Aufrufs verstrichen waren. Zunächst einmal verdient aus diesem Brief, der sich zu einem großen Teil gerade mit den Zentralisierungsplänen befaßt,® hervorgehoben zu werden, daß die Mainzer Kommunisten hier klar und deutlich in ihrer Eigenschaft als „provisorisches Zentralkomitee der deutschen Arbeitervereine" an die Zentralbehörde über die bisher geleistete Arbeit gewissermaßen Rechenschaft geben. Danach kann überhaupt kein Zweifel mehr bestehen, daß die Mainzer im Auftrage der Zentralbehörde handelten, die damals nachweislich von niemand anderem als Marx geleitet wurde. Man kann sogar annehmen, daß diese Bezeichnung auf Ratschlag von Marx und Engels und der Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten zustande kam, denn am 19. April war Carl Schapper als Emissär der Zentralbehörde von Köln nach Süddeutschland entsandt worden. 70 Sein Weg führte ihn zuerst nach Mainz, wo er am 20. April eine Sitzung der Bundesgemeinde einberief und als bevollmächtigter Emissär die Direktiven der Leitung, also von Marx und Engels, überbrachte. 71 Nach dieser Versammlung aber nennt sich der Mainzer Arbeiterbildungsverein „provis. Zentralkomitee der Arbeitervereine Deutschlands". D i e Bezeichnung „Zentralkomitee der deutschen Arbeiter", die die Mainzer Kommunisten nicht nur in einem internen Bundesbericht verwandten, sondern auch unter ein am gleichen Tage abgeschicktes offizielles Schreiben des Arbeiterbildungsvereins an den Kölner Arbeiterverein setzten, hatte auch ihre Berechtigung. War im Aufruf vom 5. April in dieser Richtung noch nichts Direktes gesagt worden, so konnte dies jetzt geschehen, weil sich bereits mehrere Arbeitervereine, so aus Trodtnau bei Freiburg im Breisgau, aus Pforzheim, Heidelberg, Mannheim, Darmstadt, Offenbach, Hanau, Frankfurt a. M., Oderheim und Bruchsal mit Zuschriften an sie gewandt hatten. Einige davon müssen sich darin auch direkt nach der Einberufung des Arbeiterkongresses erkundigt haben. 69 Mainzer Bundesgemeinde

an d i e Z e n t r a l b e h ö r d e ,

23.4.1848;

mehr a l s d i e H ä l f t e

des

B r i e f e s ist d i e s e m P r o b l e m g e w i d m e t . 70 V g l . M a r x , Chronik seines L e b e n s in E i n z e l d a t e n , S . 5 0 . 71 S i e h e

sowohl

Mainzer

Bundesgemeinde

an

die

Zentralbehörde,

2 3 . 4. 1 8 4 8 ,

als

auch

C. S c h a p p e r an d i e Z e n t r a l b e h ö r d e , 2 6 . 4. 1 8 4 8 . A n d e r s a l s durch S c h a p p e r s d i r e k t e Intervention ist auch d i e b e s t e c h e n d e A u s f ü h r l i c h k e i t , mit d e r d i e Z e n t r a l i s i e r u n g s f r a g e n

im

M a i n z e r Bericht b e h a n d e l t w u r d e n , nicht zu verstehen.

111

Denn die Mainzer beschworen die Kölner Zentralbehörde, ihnen hierüber rasch die Meinung der Zentrale zukommen zu lassen, da sie dem schon gebildeten Arbeiterverein ein baldiges Zusammentreffen der Versammlung bereits versprochen hätten; schließlich seien „sogar deshalb schon Anfragen an uns gelangt", heißt es zum Schluß. Der Frage, ob es jetzt schon günstig sei, die Zusammenkunft der „Arbeitervereins-Abgeordneten" stattfinden zu lassen, widmen die Verfasser des Berichts aus Mainz dann aber selbst schon einige bemerkenswerte Ausführungen, die den Zwiespalt zum Ausdruck bringen, in dem die Initiatoren der Zentralisierung steckten. Einerseits, so schreiben sie, wäre ein möglichst baldiges Zusammentreten des Arbeiterkongresses sehr zu wünschen, „um den Herren im Parlament die K ö p f e etwas warm zu machen". Hieraus ist zu erkennen, daß die Mainzer mit der Einberufung der Arbeiterversammlung neben der Zentralisierung der Vereine noch einen weiteren unmittelbar politischen Zweck verfolgten. D i e an dieser Stelle und an anderen gemachten Andeutungen lassen den Schluß zu, daß die Kommunisten mit der Konzentrierung der proletarischen Elemente auf einen Arbeiterkongreß auch einen positiven politischen Druck auf die zu bildende Nationalversammlung in Frankfurt auszuüben gedachten. E s bedarf keiner ausführlicheren Begründung, daß eine solche massive Einflußnahme der proletarischen Kräfte auf die Arbeit des deutschen Parlaments, wie sie die Konstituierung einer politischen Arbeiterorganisation im nationalen Rahmen zweifellos bewirkt hätte, völlig der politischen Auffassung von Marx und Engels entsprach. Ging es ihnen doch gerade darum, die deutsche Nationalversammlung zu einem echten „revolutionären Provisorium" zu machen, damit sie ihre Aufgaben bei der unbedingt notwendigen revolutionären Umgestaltung in Deutschland erfülle. 7 2 Was lag näher, als auch und vornehmlich die K r a f t der Arbeiterbewegung einzusetzen, um die Arbeit dieser ihrer Herkunft nach revolutionären Institution in progressiver Richtung vorwärtszudrängen. 7 3 Schließlich darf man hierbei eine andere, schon erwähnte Seite nicht aus dem Auge verlieren. D i e Hoffnungen, die die Arbeiter in der überwiegenden Mehrheit im Hinblick auf die Verbesserung ihrer sozialen Lage an das Parlament knüpften, waren damals außerordentlich stark; sie waren allerdings selten mehr als simple parlamentarische Illusionen, denen von kleinbürgerlicher Seite Vorschub geleistet wurde. D a ß die Kommunisten daran nicht vorbeigehen konnten, liegt auf der Hand. Aber war es nicht möglich, hieran 72 E s war kein Zufall, daß Marx und Engels den ersten Leitartikel ihrer N R h Z dem Frankfurter Parlament widmeten und hier ihre Auffassung zu dessen historischen entwickelten

(siehe D i e Frankfurter Versammlung, i n : N R h Z ,

1.6.1848,

Aufgaben in:

MEW,

B d . 5, S. 1 4 - 1 7 ) . 73 Ausführlich und mehrfach betonten Marx und Engels „das Recht der

demokratischen

Volksmassen, durch ihre Anwesenheit auf die Haltung konstituierender Versammlungen moralisch einzuwirken" ( D i e Freiheit der Beratungen in Berlin, in: N R h Z , ebenda, S. 4 0 6 ) .

112

17.9.1848,

anzuknüpfen, den positiven Kern und brauchbaren Ansatzpunkt herauszugreifen, der darin bestand, daß die Arbeiter Einfluß nehmen wollten auf die Gestaltung der künftigen Verhältnisse Deutschlands, und den Kampf der Arbeiter in die richtige politische Richtung zu lenken? W i e stark der elementare Druck der Arbeiter in dieser Beziehung war, verdeutlicht nicht allein eine Bemerkung in dem hier behandelten Brief aus Mainz. 74 Auch Dronke muß sich in einem seiner Briefe an die Zentralbehörde mit dieser komplizierten Frage auseinandersetzen. Die Arbeiterklubs, so schreibt er am 5. Mai nach Köln, seien sehr ungeduldig. Vor allem fingen die Arbeiter immer wieder mit Petitionen an das Parlament an. Indem er Marx um schleunige Instruktionen für sein weiteres Verhalten bittet, gibt er gleichzeitig zu überlegen, ob man nicht „eine Petition in Art der Chartisten in allen Städten zur Unterzeichnung für das soziale Parlament" auslegen sollte, denn die 17 „Forderungen" würden nicht so Berücksichtigung finden w i e etwa eine „Arbeiterpetition von sechs bis acht Punkten, mit ausführendem Memoire".' 0 Wenn die Mainzer den positiven Wert, den ein nationales Arbeiterparlament auf die Nationalversammlung haben konnte, auch richtig einschätzten, so übersahen sie doch nicht, daß dieser Kongreß, der ja eine gesamtdeutsche politische Arbeiterorganisation zum Ergebnis haben sollte, ein Schlag ins Wasser zu werden drohte, „wenn zu wenige Vereine dabei beteiligt sind". 76 W a s sie am meisten beunruhigte, waren nicht so sehr die relativ wenigen Anmeldungen, die bislang eingetroffen waren, sondern weit mehr die Tatsache, daß „ganze Vaterländer fehlen". Mit vollem Recht hatten sie ernsthafte Bedenken dagegen, den Kongreß einzuberufen, solange noch die Arbeitervereine aus solchen deutschen Staaten wie Württemberg, Sachsen, Bayern, Hannover und vor allem aus Preußen gänzlich abseits standen. Ging es ihnen auch nicht darum, von hier massenhaft Zustimmungserklärungen zu erhalten, so verlangten sie doch, d a ß in diesen Gebieten wenigstens einzelne Vereine als Stützpunkte vorhanden wären, von denen aus dann weiter gearbeitet werden könnte. „Solange noch ganze Vaterländer fehlen", schlußfolgerten sie aus alledem, „ist aber die Lücke doch zu groß." Damit hatten sie eigentlich schon selbst die Antwort auf ihre anfängliche Frage an die Kölner Zentrale gegeben. Zweifellos waren sie für einen Aufschub des Kongresses, bis wenigstens ein Minimum an Voraussetzungen für eine erfolg7 4 Mainzer Bundesgemeinde an die Zentralbehörde,

23.4.1848:

Offenbach, Hanau

und

Frankfurt, heißt es dort, hätten die Absicht, von sich aus 1 0 0 0 0 Arbeiter „zusammen(zu)trommeln und aus eigener Machtvollkommenheit einen Abgeordneten nach Frankfurt (zu) schicken". Diese Vereine hätten auch gegen den Ausschluß der Arbeiter Verwahrung beim Fünfziger-Ausschuß eingelegt, wovon die Mainzer ein Exemplar mit nach

Köln

sandten. Der Ausschuß aber hätte die Beantwortung der Frage den einzelnen Regierungen überlassen. - Hiernach zu urteilen, sollte der Arbeiterkongreß auch dazu dienen, selbst einige Arbeitervertreter ins Parlament zu wählen. 7 5 E. Dronke an die Zentralbehörde, 5. 5. 1 8 4 8 . 7 6 Mainzer Bundesgemeinde an die Zentralbehörde, 23. 4. 1 8 4 8 .

113

reiche Durchführung gegeben war. E s ist kaum anzunehmen, d a ß die Antwort aus K ö l n - die wir leider nicht besitzen - eine andere Entscheidung enthielt. E s zeigte sich also schon in der letzten Aprildekade, d a ß die Chancen für ein Gelingen

der Zentralisierung

außerordentlich

gering waren. W e n n

einerseits

aus dem größten T e i l e Deutschlands gar keine Antwort auf den Ruf nach E i n i gung der zersplitterten Arbeiterbewegung

erfolgte und auch aus dem

fortge-

schritteneren Westen nur ein T e i l der Arbeitervereine darauf reagierte, so darf man selbst bei diesen letzten den D r a n g nach selbständigem

Zusammenschluß

nicht überschätzen. G e w i ß war in Südwestdeutschland, und darum handelte es sich hier in erster Linie, das entstehende Proletariat politisch regsamer als in den östlichen Provinzen Preußens. Aber sieht man einmal von der Metropole der Rheinprovinz ab, so waren es auf keinen F a l l die ökonomisch fortgeschrittensten Gegenden, aus denen ein positives E c h o auf die Mainzer Aufforderung kam. D i e Städte, die wir oben aufgezählt haben, waren danach samt und sonders solche, in denen es kaum ein

industrielles Proletariat und nur ganz geringe

Anfänge der modernen Klassengegensätze gab; statt

dessen dominierten

hier

kleinbürgerliche Verhältnisse, und die Mitgliedschaft der Arbeitervereine bestand dementsprechend fast ausschließlich aus Handwerkern. 7 7 Trotz des bisher geringen Erfolges warfen die Leiter des Mainzer

Arbeiter-

bildungsvereins die F l i n t e nicht ins Korn. W a s sie vorerst einmal wollten, war lediglich eine Verschiebung des Kongresses auf einen etwas späteren Zeitpunkt; von einem Abbruch der Bemühungen war weder in dem B r i e f der Bundesgemeinde aus Mainz noch in anderen Verlautbarungen die Rede. I m Gegenteil, in einem öffentlichen B r i e f , den der Mainzer Arbeiterbildungsverein am gleichen 23. April, an dem auch der B r i e f an die Zentralbehörde abgeschickt wurde, an den K ö l n e r Arbeiterverein schrieb, 7 8 sprachen sich die Verfasser hoffnungsvoll über den E r f o l g ihrer Bemühungen aus; sie erwarteten weitere

zustimmende

Antworten vor allem aus entfernter liegenden Städten. D i e s e r B r i e f ist von Interesse für die Erhellung der Stellung, die der K ö l n e r Arbeiterverein

innerhalb der Zentralisierungsbestrebungen

1 8 4 8 einnahm. 7 9 Nachdem

im April

die K ö l n e r schon durch W o l f f mit dem

und

Mai

Mainzer

Plan bekannt gemacht worden waren, müssen die Mainzer Kommunisten bald darauf in weiteren Zuschriften an den K ö l n e r Arbeiterverein darauf gedrängt haben, doch auf

ihren Vorschlag einzugehen. Zum

Zeitung des Arbeitervereins davon, daß der Aufruf

einen nämlich spricht die „in vielen

Exemplaren"

77 Vgl. Engels, Die deutsche Reichsverfassungskampagne, S. 137 f. 78 Brief des Mainzer Arbeiterbildungsvereins an den Kölner Arbeiterverein,

23.4.1848,

in: Zeitung des Arbeitervereins (im folgenden: ZAV), Nr. 2, 3. 5. 1848, Extrabeilage. 79 Die Ausführungen über die Haltung des Kölner Arbeitervereins zu dem Mainzer Zentralisierungsversuch stützen sich auf entsprechende Untersuchungen in der Dissertation von Becker, Gerhard, Der Kampf um die Durchsetzung des Marxismus im Kölner Arbeiterverein, phil. Diss. Berlin 1961.

114

nach Köln gelangte; 80 zum anderen aber traf am 20. April von Cluß eine Mahnung ein, „ob wir (d. h. die Kölner - Wi Sch.) seinen Aufruf erhalten hätten". 81 Zu diesem Zeitpunkt war das Mainzer Dokument allerdings schon beantwortet. Bereits auf seiner ersten Sitzung am 14. April hatte das Komitee des Kölner Arbeitervereins hierzu Stellung genommen und seine Meinung in einer Adresse zusammengefaßt.8- Damit hatte Gottsohalk sein Versprechen, das er Wolff etwa eine Woche vorher gegeben hatte, formal zwar eingelöst, beschränkte sich aber darauf, ganz allgemein von Einigkeit und brüderlicher Verbindung zu sprechen. Der Vorschlag, Mainz zum vorläufigen Mittelpunkt für sämtliche Arbeitervereine Deutschlands zu bestimmen, wurde jedoch völlig umgangen. Die Mainzer Kommunisten reagierten auf die Kölner Grußadresse vom 14. April dennoch sehr schnell und verhältnismäßig positiv mit dem schon erwähnten Schreiben vom 23. April. 8 ' Sie legten jetzt vor allem großen Wert darauf, die Notwendigkeit für ein gemeinsames Handeln der Arbeiter näher und ausführlicher zu begründen. Aber gerade darum ist dieser Brief für uns von höchstem Interesse, bringt er doch einige weitere Aufschlüsse über die Ziele und den Charakter einer zentralisierten Organisation der deutschen Arbeiter, wie sie von ihren Initiatoren angestrebt wurde. Waren diese Ziele im Aufruf vom 5. April nur sehr allgemein dargelegt worden, so wird nun die Notwendigkeit einer Zentralisierung der deutschen Arbeitervereine näher erläutert. So hieß es in dem von den Kommunisten Cluß und Stumpf unterzeichneten Schreiben: „Die Rolle der deutschen Arbeiter in der Weltgeschichte hat begonnen. Von Tag zu Tag sehen wir, wie allerorten in schärfer ausgeprägten Umrissen die Klassenbildung der Arbeiter, die Klassenbildung des Proletariats reißende Fortschritte macht. Es gibt dies uns die tröstliche Gewißheit, daß die Arbeiter ihrer selbst sich bewußt sind. Wir haben uns nicht aus den Klauen der Despotie und der Geburtsaristokratie gerissen, um in den Händen der Geldaristokratie zu verkümmern. Tragen wir dazu bei, was in unseren Kräften steht, um diese bei manchen noch dunkle Ahnung in ein strahlendes Licht zu stellen. Wir werden den Arbeitern ihr Elend und ihre Bestimmung zu einem besseren Dasein ins Bewußtsein rufen, damit der Drang nach menschlichen Zuständen, der Drang, aus dieser Sklaverei herauszukommen, in der wir uns befinden, in allen rege wird." Auch diese Sätze sind natürlich nicht frei von reichlich verschwommenen Formulierungen. Aber das ist noch nicht einmal der größte Mangel dieses Schreibens; was überhaupt nicht befriedigen kann, ja wo man sogar einen gewissen Rückschritt gegenüber dem Aufruf vom 5. April konstatieren muß, 80 ZAV, 23. 4. 1848. 81 Ebenda. 82 Adresse des Kölner Arbeitervereins an den Mainzer Arbeiterbildungsverein, 14. 4. 1848. 83 ZAV, Nr. 2, 3. 5. 1848, Extrabeilage.

115

ist die Tatsache, daß die Stellung und die konkreten politischen Aufgaben der Arbeiter in der gegenwärtigen Revolution, in der es ja erst einmal um die Erkämpfung der Demokratie und um ihre Sicherung gegen die Anschläge der mit der Großbourgeoisie verbündeten feudalen Konterrevolution ging, überhaupt nicht erwähnt werden. Nur insofern kann man eine ganz allgemein gehaltene Orientierung auf die politischen Aufgaben des Proletariats feststellen, als Cluß und Stumpf das Interesse der Arbeiter an der Sicherung der bereits erkämpften demokratischen Errungenschaften und ihren weiteren Ausbau stark betonen. Es müsse unverzüglich dafür Sorge getragen werden, schreiben sie weiter, „den Arbeitern die Früchte ihrer Eroberungen auch zu sichern, damit das so unmenschlich verspritzte Blut (in den Märzrevolutionen) nicht zur Vergrößerung des Vermögens der Menschenhändler mit dem Schweiß der Arbeiter diene, sondern die Keime lege zur selbständigen Stellung der Arbeiter, dem Arbeiter seinen gebührenden Platz in der menschlichen Gesellschaft anweise". Aber auch das ist viel zu unbestimmt, ja eher dazu angetan, die unmittelbaren demokratischen Aufgaben, die das Proletariat erst einmal zu lösen hatte, mit den sozialistischen Zielen zu vermischen. Und doch zeichnet sich dieses Schreiben dadurch aus, daß es sich nicht auf rein ökonomische Ziele beschränkt, sondern den Emanzipationskampf des Proletariats hervorhebt, der schließlich und endlich nur ein politischer Kampf sein konnte. In dieser Beziehung unterschied sich die Proklamation auch in dieser Form noch grundlegend von allem, was später Born in der Arbeiterverbrüderung an Programmatischem durchsetzte.84 Damit im Zusammenhang aber steht gleichzeitig eine recht klare Orientierung auf die Bildung des Klassenbewußtseins und im gewissen Sinne auch der Klassenorganisation der Arbeiter. Die Verfasser gehen von der Tatsache aus, daß das Proletariat sich in Deutschland als Klasse formiere und die Rolle der Arbeiterklasse in der Weltgeschichte begonnen habe. Und sie leiten daraus die unabdingbare Pflicht aller bewußten proletarischen Kräfte ab, alles zu tun, die Entwicklung des Klassenbewußtseins der Arbeiter zu beschleunigen, um - wie sie sich ausdrückten - „diese bei manchen noch dunkle Ahnung in ein strahlendes Licht zu stellen". Und wenn es in Fortführung dieses Gedankens dann hieß, daß den Arbeitern ihr Elend und ihre Bestimmung zu einem besseren Dasein ins Bewußtsein gerufen werden muß, damit ihr Drang, aus der Sklaverei herauszukommen, in allen rege wird, so drängt sich die Vermutung auf, daß den Verfassern dieses Briefes dabei gerade jener Satz des Kommunistischen Manifests als Vorlage gedient haben mag, wo es heißt: „(die Kommunistische Partei) unterläßt aber keinen Augenblick, bei den Arbeitern ein möglichst klares Bewußtsein über den feindlichen Gegensatz von Bourgeoisie und Proletariat herauszuarbeiten, damit die deutschen Arbeiter sogleich die gesellschaftlichen und politischen Bedingungen, welche die Bour84 Zur Einschätzung der „Arbeiterverbrüderung" und der Bornschen Politik in der Arbeiterbewegung vgl. Obermann, Die deutschen Arbeiter in der Revolution von 1848, S. 245 ff.

116

geoisie mit ihrer Herrschaft herbeiführen muß, als eben so viele W a f f e n gegen die

Bourgeoisie

kehren

können,

damit,

nach

dem

Klassen in Deutschland, sofort der K a m p f gegen

Sturz

die

der

reaktionären

Bourgeoisie selbst be-

ginnt". 8 5 G e w i ß war das G a n z e außerordentlich verschwommen, aber man spürt trotz

alledem deutlich

den Versuch, einen Grundgedanken

des

Kommunisti-

schen Manifests - und zwar den für ihre politische Zielstellung entscheidenden, nämlich die Arbeitervereine zu zentralisieren

-

den deutschen Arbeitern

zu

erläutern. Hatte sich der Mainzer Arbeiterbildungsverein in den beiden Briefen vom 23. April gerade erst „provisorisches Zentralkomitee der Arbeitervereine Deutschlands" genannt, so behielt er diese Bezeichnung dann doch nicht lange bei. Aus dem Aufschub, den Stumpf und Cluß in ihrem B r i e f an die Zentralbehörde im Hinblick auf die Einberufung eines gesamtdeutschen

Arbeiterkon-

gresses vorgeschlagen hatten, wurde schließlich und endlich doch ein Abbruch der Bemühungen.

L e i d e r fehlen uns für die kommenden

W o c h e n , in

denen

von Mainz aus gewiß noch weitere Anstrengungen unternommen wurden, beinahe jegliche Quellenunterlagen. Doch ist aus dem bis jetzt sehr wenigen Material zu ersehen, d a ß sich etwa seit Anfang M a i auch andere K r ä f t e in die Zentralisierungsangelegenheit einzuschalten begannen. Allmählich in den lokalen Arbeitervereinen

waren die kleinbürgerlichen

E l e m e n t e , die

ja

in der Regel bereits die Führung an sich ge-

rissen hatten, auch darüber hinaus mobil geworden und kümmerten sich ebenfalls um eine Zusammenfassung der Arbeitervereine. E s liegt auf

der

Hand,

d a ß ihr Ziel darin bestand, die Arbeiterbewegung auf diese A r t und W e i s e fest in die Hand zu bekommen und ihren eigenen E i n f l u ß auf die Arbeiterklasse zu verstärken. W i e aus zwei D r o n k e - B r i e f e n von Mitte M a i 1848 zu ersehen ist, nahmen die Bestrebungen zuerst ihren Ausgang von Frankfurt und waren getragen von dem kleinbürgerlichen Demokraten und späteren Mitglied des Zentralausschusses der demokratischen Partei, Julius

Fröbel,

und dem aus Schlesien

kommenden Eduard Pelz, der neben Esselen an der Spitze des Frankfurter A r beitervereins stand. 8 6 Zunächst einmal bemühte sich Fröbel, von D r o n k e bereits für die A r b e i t im Bund der Kommunisten gewonnene Frankfurter Arbeiter wieder abspenstig zu machen und auf seine Seite herüberzuziehen, was ihm in einem F a l l in F r a n k furt auch gelang. D a n n wurde die Absicht von Fröbel und Pelz bekannt, in 85 M E W , Bd. 4, S. 492 f. 86 Der Frankfurter Arbeiterverein war erst kurz zuvor, am 14. 5., gegründet worden. Vgl. hierzu Obermann, Die deutschen Arbeiter in der Revolution von 1848, S. 256 ff., ferner Quarck, Max, Die erste Frankfurter Arbeiterzeitung, in: Archiv f. d. Gesch. d. Sozialismus u. d. Arbeiterbewegung, Bd. 11, Leipzig 1925, S. 122 ff. Obermanns Annahme, daß Pelz Mitglied des Bundes geworden sei (S. 256 f.), ist angesichts der Haltung, die Dronke zu dessen Zentralisierungsabsichten einnahm, schon sehr in Zweifel zu ziehen. Und die Bedenken werden noch größer, wenn man jene scharfen Auseinandersetzungen in Betracht zieht, die Wolff mit Pelz in den Jahren 1 8 4 4 / 4 5 in Schlesien hatte.

9

Hundt, Bund der Kommunisten

117

Frankfurt eine eigene Zeitung, „Der Demokrat", auf Aktien zu gründen, was Dronke, der in dieser Zeit Aktionäre für die „Neue Rheinische Zeitung" warb, sofort auf den Plan rief. 87 Schließlich bemühten sich Fröbel und Pelz, die Arbeitervereine zumindest der Umgebung unter ihrer Oberherrschaft zusammenzufassen. Mit dieser Absicht gingen sie, wie Dronke mitteilt, am 17. Mai in eine Arbeiterversammlung nach Mainz, also gerade an jenen Ort, von wo aus die kommunistischen Zentralisierungsbestrebungen ausgingen. „Pelz will dorthin", berichtet Dronke, „um die Leute aufzufordern, sich einer Frankfurter Pelz-Fröbelschen Zentralbehörde anzuschließen." Für Dronke gab es kein Zögern; er wollte den Kleinbürgern nicht das Feld überlassen, fuhr darum ebenfalls nach Mainz, um durch Teilnahme an der für diesen Tag festgelegten Diskussion über „.Bourgeoisie und Proletariat' den Antrag von Pelz hinauszuschieben oder im andern Fall ihn direkt anzugreifen". Wahrscheinlich gelang es ihm, die Pelzsche Attacke abzuwehren, denn es kam kein Anschluß der Arbeitervereine des Rhein-Main-Gebietes an Frankfurt zustande. Ist schon von großem Interesse, daß Dronke noch Mitte Mai allen kleinbürgerlichen Zentralisierungsversuchen entschiedenen Widerstand entgegensetzte, so verdient die Schlußfolgerung, die Dronke aus diesem Vorfall zieht, in noch höherem Maße unsere Aufmerksamkeit. „Ich halte es . . . für unumgänglich nötig", schreibt Dronke am 17. Mai nach Köln, „daß ihr durch einen Beschluß der Zentralbehörde, sämtliche Gemeinden des Bundes anweist, auf die Arbeitervereine hinzuwirken, daß sie (die Arbeiter) sich nicht mit Frankfurt, sondern lieber mit den Mainzern (Wallau, Cluß) in Verbindung setzen." Hier zeigt sich noch einmal ganz klar, daß auch Mitte Mai noch nicht alle Hoffnungen auf ein Gelingen des Zentralisierungsversuches aufgegeben waren. Zum anderen wird in diesem Brief auch deutlich, welch enger Zusammenhang zwischen der Organisation des Bundes der Kommunisten innerhalb Deutschlands und der versuchten Zentralisierung der Arbeitervereine unter kommunistischer Führung bestand. Wenn es nicht gelang, den Bund in Deutschland lebens-, und mehr noch, aktionsfähig zu machen, war es bei der außerordentlichen politisch-ideologischen und organisatorischen Zurückgebliebenheit der sich gerade formierenden deutschen Arbeiterbewegung schlechterdings unmöglich, sofort zu einer Zusammenfassung der Bewegung des Proletariats im nationalen Rahmen zu kommen. Weder für das eine noch für das andere waren damals schon die objektiven Voraussetzungen gegeben. Die rasche Organisation des Bundes, die bei einer weiter fortgeschrittenen Arbeiterbewegung gewiß noch zu schaffen gewesen wäre, überstieg bei der damaligen Lage in Deutschland einfach die Kräfte der vorhandenen kommunistischen Kader. Damit aber fehlte ein wichtiger Faktor bei der Zusammenfassung und Leitung der gesamten proletarischen Bewegung, was sich notgedrungen auf den Versuch einer Zentralisierung auswirken mußte. 87 Hierzu und zum Folgenden vgl. E . Dronke an K. Marx, 17. 5. 1848.

118

Die sich entfaltende spontane Arbeiterbewegung zu Beginn der Revolution war ihrerseits noch zu schwach und unentwickelt, vor allem aber politisch noch zu wenig erfahren, um schon von der lokalen Organisierung der Bewegung zu einer regionalen oder gar nationalen Zentralisierung mit eindeutig politischer Zielsetzung überzugehen. Das war der Hauptgrund, daß schon gegen Mitte Mai, also noch vor der Einberufung des Demokratenkongresses, der vom Bund der Kommunisten inspirierte Versuch, eine politische Organisation der deutschen Arbeiter im nationalen Rahmen zu bilden, als vorderhand undurchführbar aufgegeben werden mußte. So verwundert es auch nicht, wenn der Anspruch des Mainzer Arbeiterbildungsvereins, als Zentralkomitee der deutschen Arbeitervereine zu fungieren, nur kurze Zeit aufrechterhalten werden konnte. In einem Appell des Mainzer Arbeiterbildungsvereins „An die deutschen Arbeiter" vom 17. Mai 1848, in dem er zur Bildung von Unterstützungskassen für wandernde Handwerker aufforderte, fehlte bereits die Bezeichnung „provisorisches Zentralkomitee, der Arbeitervereine Deutschlands"; auch wird darin kein Wort mehr über eine Zentralisierung der deutschen Arbeitervereine erwähnt. Lediglich die Forderung, alle Kraft auf die Gründung von Arbeitervereinen an allen Orten Deutschlands zu konzentrieren, bleibt hier weiterhin bestehen. 88 Es wäre jedoch falsch anzunehmen, daß der Gedanke einer Zusammenfassung der Arbeitervereine Deutschlands damals nur von dem marxistischen Vortrupp vertreten worden wäre. D a ß diese Idee auch unter einer Reihe der fortgeschrittensten Arbeiterorganisationen Fuß gefaßt hatte, beweist nicht nur der Widerhall auf den Mainzer Aufruf. Gerade zu dem Zeitpunkt, als Mainz seine Bemühungen bereits aufgegeben hatte, kam von anderer Seite nochmals ein Impuls, der Beachtung verdient. Es handelte sich um ein Schreiben des Hanauer Arbeitervereins an den Kölner Arbeiterverein vom 17. Mai. 8 9 Die Hanauer Arbeiter unterbreiteten darin den Kölnern den Vorschlag, ihren Arbeiterverein zum Sprecher der gesamten deutschen Arbeiter zu machen. Dabei zeigen sich auch einige neue Momente. Abgesehen davon, d a ß der Hanauer Arbeiterverein seinen Antrag, Köln zum Mittelpunkt zu machen, damit begründete, daß in der Rheinprovinz größere politische Freiheit herrsche, leitete er auch die Notwendigkeit einer Zusammenfassung der proletarischen Elemente aus den unmittelbaren politischen Aufgaben im Kampf um die Fortführung der demokratischen Revolution gegen die vorrückende Konterrevolution ab. Der Kölner Arbeiterverein beschäftigte sich mit dieser Frage, lehnte aber den Hanauer Vorschlag ab. Aufschlußreich ist hierbei vor allem die Begründung. Das Antwortschreiben der Kölner wendet sich gegen die Bezeichnung „deutscher Arbeiterverein", die der Hanauer Brief dem Kölner Verein gegeben hatte, und legt diesem die Gründe für die Ablehnung d a r : „Erst wenn sich durch alle 88 Vgl. Z A V , 18. 6. 1 8 4 8 . 89 Ebenda, 28. 5. 1 8 4 8 . 9*

119

oder die Mehrzahl der deutschen L a n d e Arbeitervereine gebildet haben werden, erst dann wollen wir es gern übernehmen, einen Kongreß von Abgeordneten aller derselben zu veranlassen. Ihm wird dann die Konstitution eines deutschen Arbeitervereins zustehen." 9 0 Ein Vergleich mit dem Mainzer Bericht vom 23. April an die Zentralbehörde läßt bestimmte Parallelen in der Argumentation erkennen. Hier ist allerdings klar als Erkenntnis ausgesprochen, was die Mainzer einen Monat früher noch als Vorschlag oder Überlegung geäußert hatten. In der Zwischenzeit hatte sich gezeigt, daß die bloße Ernennung eines Arbeitervereins zum Zentrum der Arbeiterbewegung noch keine Zentralisierung brachte. D i e Kölner Antwort deutete gleichzeitig aber auch an, d a ß ' erst noch mehr Arbeitervereine entstehen und sich festigen müßten, bis man erneut eine Zusammenfassung der Bewegung ins A u g e fassen konnte. D i e s e Adresse wurde zwar von Gottschalk, dem damaligen Vorsitzenden des Kölner Arbeitervereins, verfaßt, gegen dessen allgemeine politische Konzeption die Kommunisten um M a r x zu jener Zeit einen scharfen K a m p f führten. Trotzdem ist anzunehmen, daß in diesem Dokument, d a s zu einer speziellen Frage der Entwicklung der Arbeiterbewegung Stellung nahm, auch die Meinung der Kölner Kommunisten ihren Niederschlag fand, zumal wenn diese im Arbeiterverein selbst bereits vertreten waren und hier ihren Einfluß geltend machten. Spätestens Mitte Mai hatte sich bei den führenden Funktionären des Bundes der Kommunisten zweifellos die Erkenntnis durchgesetzt, daß die Bedingungen für eine Zentralisierung der Arbeiterbewegung noch nicht reif waren. E b e n s o wie alle Bemühungen, den Bund der Kommunisten als zentralgeleitete politische Kampforganisation für Deutschland funktionsfähig zu machen, erfolglos geblieben waren, war auch der Versuch einer raschen Zusammenfassung der Arbeitervereine gescheitert. E s war vorerst nicht gelungen, die deutsche Arbeiterklasse als selbständige politische K r a f t im nationalen Rahmen zu organisieren. D i e Voraussetzungen d a f ü r waren noch nicht gegeben, die K r ä f t e des Bundes hatten dazu nicht ausgereicht. Trotz dieses zeitweiligen Mißerfolgs kommt diesem Versuch eine große Bedeutung zu. E r zeigt nämlich, daß M a r x und Engels keineswegs erst im Frühjahr 1849 ihr Augenmerk auf die politische Organisierung der Arbeiterklasse lenkten. D i e Mainzer Periode beweist vielmehr recht eindringlich, daß es den K o m m u nisten vom ersten T a g e der Revolution an um die Zusammenfassung und Erziehung des Proletariats und um dessen Zusammenschluß in einer selbständigen politischen Organisation ging. Sieht man einmal ab von den Vorbereitungsarbeiten zur „Neuen Rheinischen Zeitung", die an alle führenden Kommunisten, vornehmlich aber an M a r x und Engels selbst, große Anforderungen stellten, so war es gerade der Versuch, das deutsche Proletariat unverzüglich als selbstän-

90 Ebenda. 120

dige politische K r a f t zu organisieren, der in den ersten Wochen nach der Rückkehr nach Deutschland im Mittelpunkt ihrer revolutionären Tätigkeit stand. Marx und Engels schreckten nicht vor den großen Schwierigkeiten zurück, die einer solchen Aufgabe damals im Wege standen. Sie unternahmen erst einmal den Versuch, ihre Pläne hinsichtlich der Organisierung der Arbeiterklasse in die Tat umzusetzen, was uns zeigt, wie ernst sie bereits zu Beginn der Revolution diese Frage nahmen. D a s entsprach auch voll und ganz ihrer Auffassung von der Notwendigkeit einer selbständigen politischen Partei der Arbeiterklasse. 9 1 E s kann kein Zweifel bestehen, daß für Marx und Engels schon zu Beginn der Revolution klar war, daß die Arbeiterklasse ihre Aufgabe als konsequenteste, vorwärtstreibende K r a f t in der demokratischen Revolution um so besser erfüllen würde, wenn sie eine eigene politische Organisation besaß. Erst als der Mainzer Versuch fehlschlug und sich damit endgültig - d. h., durch die Praxis bestätigt - zeigte, daß diese Aufgabe sich infolge der unausgereiften objektiven und subjektiven Bedingungen nicht im ersten Ansturm lösen ließ, beschritten sie einen anderen Weg. E s bleibt eines der größten Verdienste von Marx und Engels, daß sie unter den überaus komplizierten und schwierigen Verhältnissen im Frühsommer 1848, als infolge des vorläufigen Fehlens einer selbständigen Arbeiterorganisation das notwendige Bündnis des Proletariats mit der kleinbürgerlichen Demokratie zum Kampf um die Weiterführung der Revolution noch nicht in Form eines politischen Kartells zweier gleichberechtigter organisierter K r ä f t e geschlossen werden konnte, doch einen Weg fanden, der es den Kommunisten in Deutschland möglich machte, sowohl ihre Verpflichtung als Organisatoren einer breiten demokratischen Einheitsfront gegen den Feudalismus zu erfüllen als auch ihre spezifische Aufgabe zu lösen, nämlich die Arbeiterbewegung vom Einfluß der Bourgeoisie zu emanzipieren. 92 In dieser Situation demonstrierten Marx und Engels den überaus schöpferischen Charakter und die große Elastizität, die der marxistischen Politik zu eigen sind und die die Kommunisten befähigt, jederzeit Herr der Lage zu bleiben. Sie entschlossen sich zu einem direkten organisatorischen Anschluß an die demo91 Diese Erkenntnis war nicht erst und nicht allein ein Ergebnis der Erfahrungen,

die

M a r x und Engels während der Revolution machten. D a s bezeugt Engels selbst in dem berühmten Brief an Trier vom 18. 12. 1889, wo er d a s Jahr 1847 - also das Gründungsjahr des Bundes der Kommunisten - als den Zeitpunkt angibt, seit dem bei ihm wie die Notwendigkeit einer selbständigen proletarischen Partei klar war ( M a r x / Engels, Ausgewählte Briefe, Berlin 1953, S. 496). Gleichwohl darf nicht übersehen werden, daß erst die reichen Erfahrungen während der Revolution die Parteifrage in ihrer ganzen Tragweite und in ihrer vollen Bedeutung für d a s Proletariat sichtbar machten, so daß sie von Marx und Engels in der Märzansprache von 1850 für alle Zeiten zur Lebensfrage für den Befreiungskampf der Arbeiterklasse deklariert werden konnte. Marx

92 Vgl. Leniit,

W. /., Sozialistische Partei und parteiloser

Revolutionismus,

in:

Werke,

B d . 10, S. 6 9 ; Lenin betont hier nachdrücklich diese „doppelte A u f g a b e der Arbeiterpartei in der bürgerlichen Revolution".

121

kratische Bewegung, in der zwar die kleinbürgerlichen Kräfte die Oberhand hatten, in der aber auch die proletarische Bewegung, soweit sie politischen Charakter trug, aufgegangen war. Sie empfahlen ihren Kampfgefährten die gleiche Taktik. „Das deutsche Proletariat", schrieb Engels hierüber, „erschien so zunächst auf der politischen Bühne als äußerste demokratische Partei." 93 In diesem Zusammenhang muß auch ein weiterer, Ende Mai 1848 gegebener Anstoß zur Zusammenfassung der bestehenden deutschen Arbeitervereine betrachtet werden, der letztlich, wenn auch in anderer Weise, zu einem Erfolg kam. Es handelt sich hierbei um die vom Marburger Arbeiterverein am 30. Mai 1848 herausgegebene „Einladung an sämtliche Arbeitervereine Deutschlands zu einer gemeinsamen Beratung vom 14.-16. Juni in Frankfurt a. M.", M mit der eine neue Phase in der Entwicklung der deutschen Arbeiterbewegung eingeleitet wurde. Von diesem Zeitpunkt an ist der Entwicklungsweg einer Vielzahl von Arbeitervereinen, nämlich der politischen Arbeitervereine, die vornehmlich in West- und Süddeutschland zu finden waren, unmittelbar mit der Organisation der demokratischen Partei in Deutschland verknüpft. Diese Einladung steht selbst im engsten Zusammenhang mit den Bestrebungen, die gesamte, von kleinbürgerlichen wie von proletarischen Kräften getragene demokratische Bewegung Deutschlands straffer zu organisieren und zu zentralisieren. 95 Es ist nicht bekannt, ob auf die Formulierung der Marburger Einladung an die Arbeitervereine von marxistischer Seite her Einfluß genommen wurde. Höchstwahrscheinlich war das nicht der Fall, wenngleich die Tatsache, daß Dronke später als Delegierter gerade des Marburger Arbeitervereins auf dem I. Demokratischen Kongreß zu Frankfurt auftrat, weitere Nachforschungen durchaus nicht wertlos erscheinen läßt. 90 Immerhin nahm dieser Aufruf die politischen Aufgaben zum Ausgangspunkt und gab nicht - wie das bei Born der Fall war - ausschließlich oder vornehmlich eine ökonomische Zielstellung an. Im Unterschied zu allen bisher behandelten Dokumenten, mit denen die Zentralisierung der Arbeiterbewegung eingeleitet werden sollte, wurden hier sogar die konkreten politischen Aufgaben der deutschen Arbeiterklasse in der bürgerlich-demokratischen Revolution genannt, nämlich „mit den die Verwirklichung der sozialen demokratischen Republik erstre9 3 Engels,

M a r x und d i e „ N e u e Rheinische Zeitung", S. 2 1 7 .

9 4 Im W o r t l a u t zu f i n d e n i n : N R h Z , 7 . 6 . 1 8 4 8 , Beil., S. 1. Unterschrieben ruf

von

Bayrhofer

als V o r s i t z e n d e m

und

Ludolph

ist dieser A u f -

als S t e l l v e r t r e t e n d e m

Vorsitzenden

d e s A r b e i t e r v e r e i n s . B a y r h o f e r w a r auch P r ä s i d e n t des M a r b u r g e r d e m o k r a t i s c h e n

Ver-

eins und schickte in d i e s e r Funktion am gleichen T a g e eine z w e i t e E i n l a d u n g auch an sämtliche d e m o k r a t i s c h e n V e r e i n e . Sie b e f i n d e t sich e b e n f a l l s in d e r N R h Z v o m 7. 6. 9 5 Bereits am 1 9 . 5. w a r v o n M a r b u r g in einem Rundschreiben die I n i t i a t i v e zur

Organi-

sierung d e r d e m o k r a t i s c h e n B e w e g u n g ausgegangen, w o r a u f auch m e h r e r e A r b e i t e r v e r e i n e geantwortet

hatten.

v o n 1 8 4 8 , S. 2 7 5 f. 9 6 V g l . e b e n d a , S. 2 7 7 .

122

Vgl.

dazu

Obermann,

Die

deutschen

Arbeiter

in d e r

Revolution

benden demokratischen Vereinen zu gegenseitiger Kräftigung und Unterstützung in engste Verbrüderung" zu treten. 97 Dagegen war, wie die Dinge in der Arbeiterbewegung noch lagen, vorerst nichts einzuwenden, zumal da die Arbeiter auf diese Weise in den allgemein-demokratischen Kampf einbezogen wurden, wo sie ihre eigenen Erfahrungen machen konnten und erst einmal machen mußten. Aber auch das Ziel einer wenigstens in organisatorischer Beziehung unabhängigen politischen Arbeiterbewegung war - wenn man den Aufruf selbst zur Grundlage nimmt - noch nicht gänzlich fallengelassen; noch hieß es an erster Stelle - bevor auf die Zusammenarbeit mit den übrigen demokratischen Vereinen eingegangen wurde - , daß die Zusammenkunft von Abgeordneten der Arbeitervereine wünschenswert wäre, „damit einerseits durch eine allgemeine Verständigung und Einigung die einzelnen Arbeitervereine aus der bisherigen Vereinzelung und Zersplitterung sich zu einem planmäßigen Zusammenwirken und wohlgegliederten Ganzen organisieren". 98 Macht das einerseits deutlich, wie stark trotz aller Unreife der Arbeiterbewegung der Gedanke, eine spezielle Arbeitervereinigung im gesamtdeutschen Rahmen zustande zu bringen, bereits gewesen sein muß, so darf doch andererseits nicht vergessen werden, daß diese Aktion nicht mehr als selbständiges Unternehmen lief, sondern eingebettet war in die Bestrebungen und Bemühungen um die Organisierung einer gesamtdemokratischen Partei in Deutschland. Tatsächlich kam es in Frankfurt nicht erst zur Konstituierung einer selbständigen Arbeitervereinigung; es fand nicht einmal eine gesonderte Zusammenkunft der Arbeitervereinsdeputierten statt, sondern diese nahmen sofort am Demokratenkongreß teil, übten hier aber einen vorwärtsdrängenden Einfluß auf den Gang und die Ergebnisse des Kongresses aus. Damit aber war der unmittelbare organisatorische Anschluß der Arbeitervereine an die demokratische Bewegung vollzogen. Und da sich die Mehrheit der bestehenden politischen Arbeitervereine in den darauffolgenden Wochen und Monaten der in Frankfurt beschlossenen demokratischen Organisation anschloß, kann man ohne Übertreibung den Demokratenkongreß als einen Wendepunkt für die politische Bewegung der Arbeiter in der Revolution bezeichnen. Kamen die politischen Arbeitervereine damit nicht nur auf lokaler Ebene, sondern auch im zentralen Maßstab - soweit man diesen Begriff bei der sehr lockeren und losen demokratischen Organisation überhaupt gebrauchen darf - unter die Leitung der kleinbürgerlichen Demokratie, so darf man diese Tatsache nicht bloß negativ bewerten. Denn schließlich entsprach dieser organisatorische Schritt mehr oder weniger dem damaligen politischen und ideologischen Entwicklungsstand selbst der fortgeschrittensten politischen Arbeitervereine Deutschlands. Und dann hatte diese Art der Zentralisation - bei all ihren negativen Zügen - doch den ungeheuren Vorzug, daß sie von politischen Zielen und Aufgaben bestimmt war, 97 NRhZ, 7. 6.1848, Beil., S. 1. 98 Ebenda.

123

auch wenn hierbei das Kleinbürgertum im allgemeinen noch die Richtung angab. Wenn Marx und Engels sich selbst der demokratischen Bewegung unmittelbar angeschlossen hatten und in ihr wirkten, so nicht zuletzt deshalb, weil sie hier den einzig möglichen Ansatzpunkt finden konnten, die Arbeiterbewegung aus der kleinbürgerlichen Bevormundung zu politischer Selbständigkeit herauszuführen." Dazu bedurften sie aber bestimmter fester Positionen, die ihnen eine politisch-ideologische Einflußnahme auf die Arbeiterbewegung gestatteten. Unter diesem Aspekt muß auch die Gründung der „Neuen Rheinischen Zeitung" betrachtet werden. Sie gründeten dieses Blatt bekanntlich als „Organ der Demokratie", aber einer Demokratie, wie Engels später nachdrücklich feststellte, „die überall den spezifisch proletarischen Charakter im einzelnen hervorhob, den sie noch nicht ein für allemal aufs Banner schreiben konnte". 100 Die „Neue Rheinische Zeitung" wurde jetzt zu ihrem wichtigsten Instrument, zu ihrer Hauptwaffe sowohl im Kampf um Demokratie als im Zusammenhang damit auch um die Emanzipation der Arbeiterbewegung. Die spezifische Stellung, die die „Neue Rheinische Zeitung" innerhalb der demokratischen Bewegung einnahm, war dadurch gekennzeichnet, d a ß die Kommunisten, deren politisches Blatt sie ja war, innerhalb der demokratischen Partei wirkten, als eine zwar politisch-ideologisch selbständige Strömung, aber doch als ein Flügel derselben und ohne sich schon auf eine breite und organisierte proletarische Massenbewegung stützen zu können. Aber sie gewannen in dieser Position einerseits - wie Engels sich später ausdrückte - „das Ohr der Arbeiterklasse", 101 um deren politischen Erziehungsprozeß bewußt leiten zu können, und erhielten andererseits die Möglichkeit, sämtliche revolutionäre Kräfte auf die von ihnen vertretene revolutionär-demokratische Linie vorwärtszudrängen, das heißt, einen unmittelbaren Einfluß auf die gesamte demokratische Bewegung in Deutschland auszuüben. 99 Ebendiese Linie entwickelte Engels in seinem Artikel „Marx und die Neue Rheinische Zeitung", S. 217, als er schrieb: „Wollten wir das nicht, wollten wir nicht die Bewegung an ihrem vorgefundenen, fortgeschrittensten, tatsächlich proletarischen Ende aufnehmen und weiter vorantreiben, so blieb uns nichts, als Kommunismus in einem kleinen Winkelblättchen dozieren und statt einer großen Aktionspartei eine kleine Sekte stiften." Tritt diese Linie hier schon klar zutage, so noch mehr in einigen Briefen, die Engels ebenfalls Mitte der achtziger Jahre an amerikanische Sozialisten schrieb: F. Engels an F. A. Sorge, 2 9 . 1 1 . 1 8 8 6 , in: Marx/Engels, Ausgewählte Briefe, S. 496 f f . ; F.Engels an KelleyWischnewetzky, 27. 1. 1887, ebenda, S. 478 f. 100 Engels, Marx und die „Neue Rheinische Zeitung", S. 217. 101 Am klarsten hat Engels diese taktische Linie in einem Brief an Kelley-Wischnewetzky vom 27. 1. 1887 ausgesprochen und hierbei vor allem die Seite der Arbeiterbewegung betont: „Als wir im Frühjahr 1848 nach Deutschland zurückkehrten, haben wir uns der demokratischen Partei angeschlossen, als dem einzig möglichen Mittel, das Ohr der Arbeiterklasse zu gewinnen; wir waren der am weitesten fortgeschrittene Flügel jener Partei, aber doch ein Flügel derselben" ( M a r x j E n g e l s , Ausgewählte Briefe, S. 478).

124

W a r den organisatorisch-politischen Bemühungen der Kommunisten in der ersten Periode ihres Wirkens im revolutionierten Deutschland von 1848 der letzte Erfolg - die Konstituierung einer selbständigen politischen Arbeiterorganisation - vorerst auch noch versagt geblieben, so trugen sie insgesamt gesehen dennoch reiche Früchte. Zweifellos gehört es zu ihrem Verdienst, mit dem Aufruf vom 5. April 1848 den Gedanken von der Notwendigkeit einer selbständigen Arbeiterorganisation in die deutsche Arbeiterklasse getragen zu haben. Immerhin waren sie 1848 die ersten, von denen der Ruf nach Vereinigung der Arbeiter ganz Deutschlands ausging. Dann muß aber auch ihre Rolle bei der Gründung von Arbeitervereinen genannt werden. Und wie sie hierbei einen großen Beitrag zur Organisierung der Arbeiterklasse auf lokaler Ebene leisteten, so begannen sie gleichzeitig einen politisch-erzieherischen Einfluß im Sinne des K o m munistischen Manifests und später der „Neuen Rheinischen Zeitung" auf die Arbeiter auszuüben. Damit halfen sie wesentlich mit, die Arbeiterklasse schrittweise von der politischen Gängelung durch das Kleinbürgertum loszureißen. Schließlich waren auch die Verbindungen, die die Mitkämpfer von Marx und Engels in dieser ersten Periode nach den verschiedensten Richtungen hin knüpften, sowohl für die spätere Verbreitung der „Neuen Rheinischen Zeitung" als auch für die im Frühjahr 1849 erneut aufgenommenen Bemühungen um eine gesamtdeutsche Arbeiterorganisation von beträchtlicher Bedeutung. V o r allem aber hatte sich der proletarische Flügel mit der „Neuen Rheinischen Zeitung", deren Gründung in der gleichen Zeit vorbereitet worden war, jene „eigene unterschiedene Stellung und sogar Organisation" geschaffen, durch die eine erfolgreiche Fortführung des Kampfes um die Lostrennung der Arbeiterbewegung von der kleinbürgerlichen Bevormundung gewährleistet wurde.

125

WERNER

KOWALSKI

Endgültiger Zerfall des Bundes der Geächteten und Gründung des Bundes der Gerechten *

Die Gründung einer proletarischen Partei stand in Deutschland historisch noch nicht auf der Tagesordnung. Die deutschen Arbeiter benötigten Mitte der dreißiger Jahre des 19. Jh. eine eigene politische Organisation, damit sie ihre Interessen unabhängig von bürgerlichen Einflüssen diskutieren, herausarbeiten und propagieren konnten. Der Bund der Geächteten mit seinem konspirativen, sektiererischen und kleinbürgerlichen Charakter entsprach in keiner Beziehung den Anforderungen, die an eine Arbeiterorganisation zu stellen waren. Die kleinbürgerlichen Demokraten verstanden als vulgäre Revolutionaristen nicht, daß zu der Zeit, als in Deutschland jede „öffentliche Bewegung" ausstarb und alle subjektiven Voraussetzungen für eine bewaffnete Volkserhebung fehlten, „auch das Wort eine Tat ist", wie Lenin in der Auseinandersetzung mit Struve schreibt, um dann verallgemeinernd fortzufahren: „dieser Grundsatz ist unbestreitbar in seiner Anwendung auf die Geschichte überhatipt oder auf jene Epochen der Geschichte, wenn es keine offene politische Aktion der Massen gibt, die ja durch keinerlei Putsch ersetzt oder künstlich hervorgerufen werden kann." 1 Während der Existenz des Bundes der Geächteten gab es in Deutschland keine offene „Aktion der Massen", und deshalb mußte jeder Ruf zu den Waffen und jede Vorbereitung auf das unmittelbare Losschlagen beim Putschismus enden. Erst nach dem Putschismus, den konspirativen Zwecken untergeordnet, rangierte im Bund der Geächteten die Propaganda, welche nach Ben Statuten die Zelte und Lager, also die Handwerksgesellen, zu tragen hatten. Nach der objektiven Lage mußte aber die Propaganda im Vordergrund stehen, und zwar eine proletarische Propaganda, denn es gehört nicht zu den Aufgaben eines revolutionären Arbeiters, bürgerliche oder kleinbürgerliche Ideologien, wie sie im politischen Programm und den verschiedenen Schriften des Bundes vorgetragen wurden, unter das Volk zu bringen oder für eine bürgerliche Revolution zu agitieren und zu konspirieren. Die Arbeiter interessierte die bürgerliche Revolution nur vom Standpunkt ihrer Emanzipation. Darum mußte ihnen, damit * Auszug aus: Kowalski,

Werner,

Vorgeschichte und Entstehung des Bundes der K o m m u -

nisten, Berlin 1 9 6 2 , S. 1 4 4 - 1 5 6 . 1 Lenin,

W. /., Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen Revolution, i n :

W e r k e , Bd. 9, S. 5 8 f.

126

sie nicht in einen Verbrüderungsschwindel verfielen, klar werden bzw. klargemacht werden, daß sie und die Bourgeoisie sich unversöhnlich feindlich gegenüberstanden und die absolute Monarchie und die feudalen Verhältnisse aus unterschiedlichen Gründen und mit verschiedener Zielsetzung bekämpfen, d a ß für sie die bürgerliche Revolution nicht Endzweck war, sondern nur ein Teil des proletarischen Emanzipationskampfes, den die Arbeiter führen mußten, weil jeder Sieg der Bourgeoisie über die Reaktion nach einer Seite hin zugleich ein Sieg der Arbeiter ist, zum endlichen Sturz der kapitalistischen Herrschaft beiträgt, den Zeitpunkt näher heranrückt, wo die Arbeiter über die Bourgeoisie siegen werden. 2 Doch die organisatorische Einheit mit dem Kleinbürgertum im Bund der Geächteten hinderte die proletarisierten Handwerksgesellen nicht nur daran, diese unterschiedlichen Klasseninteressen hervorzukehren und wahrzunehmen, vielmehr wurden sie darüber hinaus für die Durchsetzung ihnen fremder oder feindlicher Interessen eingespannt. Unter diesen Umständen war die Gründung einer selbständigen Organisation eine dringende Notwendigkeit geworden. Mit dem Bund der Gerechten schufen die proletarisierten Handwerksgesellen ein Jahrzehnt vor Gründung einer proletarischen Partei die erste politische Organisation der deutschen Arbeiter und gaben damit den Auftakt für den Beginn der ersten Periode der selbständigen deutschen Arbeiterbewegung. Friedrich Engels hat in einem authentischen Bericht über die erste Periode der selbständigen deutschen Arbeiterbewegung auch die Vorgeschichte des Bundes der Kommunisten, d. h. die Geschichte des Bundes der Gerechten, gewürdigt. Er verwies darin auf die klassenmäßige Differenzierung bei der Spaltung des Bundes der Geächteten und die von vornherein überwiegend proletarische Grundlage des neu entstandenen Bundes: „Aus dem im Jahr 1834 in Paris von deutschen Flüchtlingen gestifteten demokratisch-republikanischen Geheimbund der ,Geächteten' sonderten sich 1836 die extremsten, meist proletarischen Elemente aus und bildeten den neuen geheimen Bund der Gerechten. Der Mutterbund, worin nur die schlafmützigsten Elemente ä la Jacobus Venedey zurückblieben, schlief bald ganz ein . . ," 3 Auch Moses Heß sah den Gegensatz zwischen der proletarisch-fegalitaristischen und der bürgerlich-demokratischen Richtung und projizierte die Entstehung des Bundes der Gerechten auf den historischen Hintergrund, als der „große Scheidungsprozeß zwischen Bourgeoisie und Peuple, Kapitalisten und Proleta2 Siehe Engels, Friedrich, Die preußische Militärfrage und die deutsche Arbeiterpartei, Hamburg 1 8 6 5 , in: M E W , Bd. 16, S. 3 7 - 7 8 . 3 Derselbe, Zur Geschichte des Bundes der Kommunisten, ebenda, Bd. 8, S. 5 7 7 f. Nach verschiedenen historischen Legenden, die sich um die Entstehung des Bundes der Gerechten bildeten, wurde die Spaltung im Bund der Geächteten durch persönliche Zwistigkeiten hervorgerufen. Diese Legenden sind entweder, wie sich schon im Falle Theodor Schusters zeigte, substanzlos oder verwechseln die Personen mit den Klassenkräften, die sie vertraten.

127

riern, Wucherern und Arbeitern ein fait accompli war". Zu diesem Zeitpunkt lösten sich die deutschen Verbindungen in „ihre Elemente" auf, und es „bildete sich nun in Paris ein geheimer Verein, aus dessen Mitte später Weitling hervorging"/' Als letzter Beleg, daß die Spaltung des Bundes der Geächteten durch den klassenmäßigen und ideologischen Gegensatz zwischen den proletarisierten Handwerksgesellen und den kleinbürgerlichen Demokraten hervorgerufen wurde, eine Stelle aus den autobiographischen Erinnerungen Jakob Venedeys. Dieser einst führende Mann im Bund der Geächteten schrieb im Jahre 1848, „daß er sich bemüht habe, das Eindringen des Kommunismus, den die Schüler Buonarrotis den deutschen Arbeitern zu predigen versuchten, in die deutschen Vereine zu verhindern und ihnen den Charakter der rein politischen Propaganda zu erhalten. Während seiner ersten Verbannung nach Le Havre (vom Mai bis Oktober 1835 - W . K.) hatten aber die Anhänger der kommunistischen Lehren solchen Einfluß in dem Bunde gewonnen, daß gegen sie nichts mehr auszurichten war und ein förmlicher Bruch zwischen den Gütergemeinschaftlern und ihren Gegnern den Verein sprengte." 5 Die entscheidende Auseinandersetzung zwischen den proletarisierten Handwerksgesellen und den kleinbürgerlichen Demokraten, die schließlich die Spaltung des Bundes der Geächteten herbeiführte, entzündete sich an organisatorischen Fragen, und zwar protestierten die Bundesmitglieder gegen den diktatorischen Führungsanspruch des kleinbürgerlich-demokratischen „Brennpunktes", der sich für seine Handlungen nur „vor seinem Gewissen" und dereinst vor einem schimärischen „Gericht des versammelten Volkes" verantwortlich glaubte. 11 Das waren keine „geringfügigen Meinungsverschiedenheiten", wie es z. B. Wiltberger und andere bürgerliche Historiker hinstellen, 7 sondern es drehte sich darum, wer in Zukunft den Geheimbund beherrschen und seinen Charakter bestimmen sollte. Die Auseinandersetzung in dieser Frage begann sehr früh, eigentlich mit der Gründung des Bundes der Geächteten. Die zeitlich ersten Nachrichten über Spaltungstendenzen im Bund stammen von dem Mechaniker Fautz, der schon 1834 zur Verbindung kam. W i r sollten, gibt Fautz an, in den Versammlungen über die Menschen- und Bürgerrechte sprechen. „Allein in unserem Zelt gab es 4 Heß, Moses, So2ialistische Aufsätze 1 8 4 1 - 1 8 4 7 , hrsg. v. Theodor Zlocisti, Berlin 1 9 2 1 , S. 122 f. 5 Zit. nach Venedey, Hermatm, Jacob Venedey. Darstellung seines Lebens und seiner politischen Entwicklung bis zur Auflösung der ersten deutschen Nationalversammlung 1849, Stockbach 1930, S. 76. 6 Vgl. Ilse, Leopold Friedrich, Geschichte der politischen Untersuchungen, welche durch die neben der Bundesversammlung errichteten Commissionen, der Central-UntersuchungsCommission zu Mainz und der Bundes-Central-Behörde zu Frankfurt in den Jahren 1 8 1 9 - 1 8 2 7 und 1 8 3 3 - 1 8 4 2 geführt sind, Frankfurt a. M. 1860, S. 569. 7 Vgl. Wiltberger, Otto, Die deutschen politischen Flüchtlinge in Straßburg 1 8 3 0 - 1 8 4 9 , Berlin/Leipzig 1910, S. 96.

128

gleich anfangs Streit, weil man von uns unbedingten Gehorsam verlangte und weil die höchste Behörde für unwählbar erklärt war. Wir haben uns dagegen sehr aufgelehnt, da wir keinen unbedingten Gehorsam leisten wollten und dieses für widersinnig erklärten, indem es ja sonst der höchsten Behörde einfallen könnte, uns zu allem zu gebrauchen. Wir sind öfters in unseren Vorstand gedrungen, daß er hier Abhilfe schaffen soll, allein von der höheren Behörde wurde durchaus unbedingter Gehorsam verlangt." 8 Die große Streitfrage, welche die Spaltung im Bund der Geächteten veranlaßte, berichtet auch der Schriftsetzer Stetter aus Stuttgart, 9 war der unbedingte Gehorsam, denn der Brennpunkt hätte die Mitglieder zu solch einer Sache, wie es der Savoyerzug gewesen, bestimmen können. Viele faßten den Beschluß, sich nur soweit dem Gehorsam zu unterwerfen, wie es sich mit ihrer Überzeugung vereinbaren ließ. Darauf kündigten sich eines Tages Schuster, Venedey und Gummen als Deputation des Brennpunktes in der Zeltversammlung des Stetter an und ermahnten die Mitglieder zur Tätigkeit, zur Eintracht und zum unbedingten Gehorsam. E s fanden wohl noch einige Zeltversammlungen statt, doch der Bruch in der Verbindung war unvermeidlich geworden. Dramatisch verlief die im Juli 1837 erfolgte Spaltung im Zelt des Mechanikers Robert Alexander Werner aus Leipzig. Auch hier tauchte eine Deputation des Brennpunktes auf, die sich aus dem Tischlergesellen Jakob Röcker aus Adelhofen bei Karlsruhe, dem Ausschneider Mathias und einem Schriftsetzer mit dem nicht zu dechiffrierenden Decknamen Cato zusammensetzte. 10 Aber diese Bundeskommission, die aus nicht zu klärenden Umständen aus Vertretern der proletarisierten Handwerksgesellen bestand, sprach gegen die „Tyrannei des Brennpunktes". Der Schriftsetzer Goldschmidt, wahrscheinlich selbst ein Mitglied des Brennpunktes und enger Vertrauter Theodor Schusters, bestritt ihre Zuständigkeit und entfernte sich nach einer heftigen Auseinandersetzung mit zwei Mitgliedern, wobei er auch die Zeltkasse mitnahm, während die Zurückbleibenden den Entschluß zur Trennung vom Brennpunkt faßten. Ähnliche Berichte geben der Buchbinder Johann Karl Georg Hartmann aus Hannover, der Tischlergeselle Karl Friedrich Konrad Hoffmann aus Hamburg, der Schuhmacher Theodor Lienhard aus Bayreuth, der Spengler Konrad Mack aus dem gleichen Ort und der Schuhmacher Schäfer aus Frankfurt. 1 1 Sie fügen 8 Z S t A M , R e p . 7 7 , T i t . 5 0 9 , N r . 4 7 , v o l . 2 , fol. 2 1 8 . 9 V g l . e b e n d a , v o l . 3, f o l . 1 5 f. 10 Vgl.

F o l g e n d e Ilse,

f ü r d i e s und d a s

S. 4 8 7 ; B a y e r i s c h e s H S t A ,

M Inn 4 5 5 2 6 , v o l . 4,

Immediatb'ericht d e s M i n i s t e r i a l r a t s v o n d e r B e c k e , 8 . 4 . 1 8 4 1 ; Z S t A M , R e p . 7 7 , T i t . 5 0 9 , N r . 4 7 , v o l . 2, fol. 1 7 3 f. 11 Vgl.

Schauß,

G.

A.,

Geschichtliche

Übersicht

der

geheimen

politischen

Verbindungen

in D e u t s c h l a n d v o n 1 8 0 7 bis 1 8 4 2 , mit E i n s c h l u ß d e r G e s e l l s c h a f t e n „ D a s j u n g e D e u t s c h l a n d " in d e r S c h w e i z und „ D e r d e u t s c h e B u n d d e r G e ä c h t e t e n " in P a r i s , M ü n c h e n

1847,

§ 6 ( H a n d s c h r i f t in d e r U B M ü n c h e n ) ; Z S t A M , R e p . 7 7 , T i t . 5 0 9 , N r . 4 7 , v o l . 1, f o l . 3 3 7 ; e b e n d a , v o l . 2, f o l . 1 4 7 , 2 3 1 f . ; e b e n d a , v o l . 3, fol. 2 2 9 , 2 3 6 f.

129

noch ergänzend hinzu, daß auch die Lager neben den Zelten gegen die vom Brennpunkt verlangte unbedingte Gehorsamspflicht opponierten. Mehrere Lager sollen förmlich die Revision der Statuten beantragt haben, aber der Brennpunkt bestand auf dem unbedingten Gehorsam, versuchte den durch die Entwicklung überholten politischen Status in den deutschen Verbindungen aufrechtzuerhalten und erklärte, „daß, wer sich diesem Befehl nicht fügen wolle, lieber austreten solle". 1 2 Nach den Aussagen des Schuhmachers Schäfer - eines wichtigen Verbindungsmannes zwischen den Frankfurter und Pariser Bundesabteilungen - sei bei der Spaltung auch endlich die personelle Zusammensetzung des geheimnisvollen Brennpunktes herausgekommen. D a nämlich „sämtliche seitherigen Mitglieder des Bundes der Geächteten" den Bund der Gerechten bildeten 1 3 und nur Schuster, die beiden Brüder Goldschmidt und der wieder nach Frankreich entwichene Muschani beim alten Bund zurückblieben, müssen sie im Brennpunkt gewesen sein. Dazu kämen noch der aus Paris verwiesene Venedey und die mit zum Bund der Gerechten übergetretenen Pappers und Gummen. Auch aus dem Umstände wurde der Brennpunkt nach Schäfers Berichten entdeckt, „daß derselbe früher ein Siegel führte, eine Hand vorstellend, dessen sich Pappers bei seinem Abfalle bemächtigte und dadurch Glaubwürdigkeit als gewesenes Mitglied des Brennpunktes verschaffte. Dieser nun sagte, wer die Mitglieder des Brennpunktes gewesen seien." 14 Aus all dem geht hervor, daß die proletarisierten Handwerksgesellen durch eine Revision der Statuten den unbedingten Führungsanspruch der kleinbürgerlichen Demokraten beseitigen wollten. Der Brennpunkt verharrte jedoch, um nicht die leitenden Positionen im Bund aus den Händen geben zu müssen, bei der unbedingten Gehorsamspflicht. D a s gab den Anlaß zur Spaltung. Weil das Schottensystem den Handwerksgesellen keine Querverständigungen und allgemeinen Verabredungen erlaubte, war die Spaltung ein lang andauernder und in verschiedenen Zelten und Lagern unabhängig einsetzender Prozeß, mehr ein Zerfall des Bundes, der etwa 1835 begann, 1837 den Höhepunkt erreichte und sich „in einem ständig zunehmenden Abfall unterer Organisationseinheiten von dem Bunde der Geächteten ausdrückte". 1 5 Erst allmählich sammelten und orga12 Scbauß, 13 D i e

§ 6.

abgefallenen

Mitglieder

v i e l f a c h nur d a v o n

müssen

weitaus

in der M e h r z a h l

gewesen

sein.

Es

g e s p r o c h e n , d a ß d i e o b e r s t e B e h ö r d e a b g e s p a l t e n b z w . der

punkt a u s g e s t o ß e n w u r d e ; vgl. d i e A n g a b e Weitlings nach Schlüter,

wird Brenn-

Die

Hermann,

An-

f ä n g e d e r deutschen A r b e i t e r b e w e g u n g in A m e r i k a , S t u t t g a r t 1 9 0 7 , S. 6 8 , 1 0 8 ; weiterhin Z S t A M , R e p . 77, T i t . 5 0 9 , N r . 4 7 , v o l . 2, fol. 2 3 2 . N a c h Rüge,

Arnold,

Zwei

Jahre

in Paris, B d . 1, L e i p z i g 1 8 4 6 , S . 3 3 8 , fielen wegen des „ u n b e d i n g t e n G e h o r s a m s "

von

5 0 0 ü b e r 4 0 0 v o m B u n d d e r G e ä c h t e t e n a b und g r ü n d e t e n den B u n d d e r G e r e c h t e n . 14 Z S t A M , R e p . 77, T i t . 509,, N r . 4 7 , v o l . 3, fol. 2 4 0 . 15 Engelberg,

Ernst,

E i n i g e s über den historisch-politischen

Charakter des Bundes der G e -

rechten, i n : W Z d e r U n i v . L e i p z i g , G S R , 1 9 5 1 / 5 2 , 5, S. 6 2 ; siehe auch Fehling,

130

August

nisierten sich die abgefallenen Mitglieder im Bund der Gerechten. Die Herausgabe neuer Statuten im Jahre 1838 kann dann als Zeitpunkt der endgültigen Formierung des Bundes der Gerechten betrachtet werden. 16 Schon in der Frühphase der proletarischen Bewegung zeigte sich der Umstand, daß einst progressive, populäre Führer nicht mit der Entwicklung der proletarischen Bewegung Schritt hielten, auf der erreichten Stufe stehenblieben und nicht weiter mitgingen, dadurch ihre frühere Autorität verloren, politisch sanken, so daß ihr Platz von anderen Persönlichkeiten eingenommen wurde. In den Jahren 1836 bis 1838 standen nicht mehr die bekannten Personen aus der Zeit des Deutschen Volksvereins an der Spitze der proletarisierten Handwerksgesellen, denn sie hatten sich nicht wesentlich ideologisch weiterentwickelt und sich persönlich zu sehr mit den Repräsentanten der kleinbürgerlichen Demokratie liiert. E s tauchten völlig neue Namen auf, deren Träger im Bund der Geächteten vorwiegend in den Oppositionsgremien, den Zelten und Lagern, zu finden waren. Der Schneider Theophil Endemann aus Norddeutschland und der Ausschneider Meyer aus Frankfurt a. Main sollen besonders heftig auf die Trennung vom Bund der Geächteten gedrängt haben. Meyer gilt als Hauptverfasser der Statuten und der Schneider Weißenbach als Namensgeber des Bundes der Gerechten. Sie alle standen mit Wilhelm Weitling, dem hervorragenden kommunistischen Theoretiker, Heinrich Ahrends aus Riga, einem talentierten kommunistischen Agitator, German Maurer, dem Tischlergesellen Hoffmann, K a r l Schapper, der in Paris als Schriftsetzer arbeitete, und zu denen der Uhrmacher Moll und der Schuhmacher Bauer stießen, in der neuen Verbindung, die Anfang der vierziger Jahre in der Schweiz und in England einen so glanzvollen Aufschwung nahm, an führender Stelle. Zeitweise sind noch einige bürgerliche „Oppositionsleute" mit einst klangvollen Namen mitgelaufen. Sie verschwanden entweder in der tiefen Krise des bürgerlichen Demokratismus 1840 bis 1842, oder sie wurden, wenn sie sich nicht ihrer von der Entwicklung überholten Losungen entledigten, von der Bewegung ausgestoßen. Nicht jeder beendete seine revolutionäre Laufbahn wie Daniel Ludwig Pistor, den die Schneidergesellen wegen seiner Doppelzüngigkeit verprügelten und aus dem Vereinslokal warfen. D i e meisten Mitläufer zogen sich stillschweigend zurück. D i e Rheinkrise 1840 und die Thronbesteigung Friedrich Wilhelms IV. beschleunigten ihre Aussöhnung mit dem politischen Status quo in Deutschland. Mit Georg Fein bekämpfte aber auch mancher, der in den dreißiger Jahren an der Spitze von Handwerkervereinen gestanden hatte, nun jede selbständige Regung der deutschen Arbeiter. Theodor Schuster verlor jeglichen politischen Halt. Jakob Venedey schrieb mit dem „John Hampden und die Wilhelm,

Karl

Schapper und die Anfänge der Arbeiterbewegung

bis zur

Revolution

von 1848. Von der Burschenschaft zum Kommunismus. Ein Beitrag zur Geschichte des Handwerker-Kommunismus, phil. Diss. Rostock 1922 ( M S ) , S. 45. 16 Siehe Kandel',

E.

P.,

Marks i Engel's -

organizatory sojuza kommunistov. Iz istorii

bor'by za sozdanie revoljucionnoj partii proletariata, M o s k v a 1953, S. 45.

131

Lehre vom gesetzlichen Widerstande" seine Bußschrift an die preußische Regierung. Der einst unter den deutschen Handwerkern beliebte Liederdichter Harro Harring sagte Anfang 1841 zu Mazzini: „Erleben wir (die Republikaner) eine Krisis in Europa, so werden wir mehr gegen die Kommunisten als gegen die Royalisten zu kämpfen haben." 17 Die politische Konfusion dieser einstigen Revolutionärsten, die nach 1848 manchmal im Chor der Bismarckbarden und Preußenverehrer wiederzufinden waren, ging bis zu der schmählichen Selbstbezichtigung, daß sie in ihrer Jugendtorheit Wind gesät hätten, der ihnen nun im Alter als Sturm ins Gesicht blase. Durch zurückwandernde Handwerksgesellen drangen Gerüchte über die Spaltung des Bundes der Geächteten nach Deutschland, wo sich seit 1836 hauptsächlich in Frankfurt a. Main und Mainz Zelte konstituiert hatten. Sie wurden von Handwerkern gegründet, die auch in der weiteren Entwicklung eindeutig die Zelte und die höheren Bundesabteilungen beherrschten, so daß in Deutschland erst gar nicht der krasse Gegensatz zwischen den kleinbürgerlichen Demokraten und den Handwerkerelementen aufkommen konnte. Außerdem fehlte hier die unmittelbare Wechselbeziehung mit der revolutionären Pariser Atmosphäre. Die Handwerker in Deutschland verstanden nicht im vollen Umfang die Vorgänge, die sich in Paris abspielten, und versuchten, durch Briefe an Schuster im Bund der Geächteten und Weißenbach im Bund der Gerechten zwischen beiden Parteien zu vermitteln. Im Frühjahr 1838 schickten die Frankfurter den Schuhmacher Schäfer nach Paris, der sich an Ort und Stelle über den Stand der Verbindung orientierte. In Paris begann ein Kampf um die deutschen Filialen des Bundes der Geächteten. Endemann, Meyer, Weißenbach u. a. verhandelten mit Schäfer über deren Anschluß an den Bund der Gerechten, was Schäfer nicht allein entscheiden wollte. 18 Schuster, dem Schäfer einen Brief aus Frankfurt zu überreichen hatte, warnte vor einem Ubertritt zum Bund der Gerechten, da „dieses Treiben doch nicht lange dauern könne", verleumdete die Gerechten, bagatellisierte die Spaltung, täuschte eine gar nicht mehr vorhandene Ausdehnung des Bundes der Geächteten vor und überreichte ihm schließlich als Vertreter des Brennpunktes ein Sendschreiben an die Filialen in Deutschland. 1 7 Harring,

Harro,

Historisches Fragment über die Entstehung der Arbeiter-Vereine und ihren

V e r f a l l in communistische Speculationen, London 1 8 5 2 , S. 8. 1 8 Vgl. für dies und das Folgende Z S t A M , Rep. 77, Tit. 5 0 9 , Nr. 47, vol. 3, fol. 2 3 8 - 2 4 5 . Schäfer berichtet, daß ihm die Gerechten während seiner Reise nach Paris „gewaltig" zusetzten, damit sich die Frankfurter Verbindung ihnen anschlösse. Die Gerechten hätten ihre Verbindung damit herausgestrichen, daß sie volkstümlicher

sei und die

Oberen

bekannt wären. Einmal erschien Endemann unerwartet bei Schäfer und führte ihn in die Wohnung des Ausschneiders Meyer, w o sich noch Weißenbach und ein Unbekannter (Weitling?)

eingefunden hatten. „Man wiederholte mir nun wieder die schon früher

gemachten Anträge", sagte Schäfer, „daß ich eine Vereinigung der hiesigen Verbindung mit den Gerechten zu W e g e bringen möge, doch suchte ich wieder auszuweichen."

132

In dieser einzigen schriftlich vorliegenden Stellungnahme des Brennpunktes zum Zerfall des Bundes der Geächteten werden die Tatsachen völlig verdreht und die wahren Ursachen für die Entstehung des Bundes der Gerechten einfach verschwiegen, um die Geächteten in Deutschland zu beruhigen und beim Bund zu halten. Verleumdungen und kleinbürgerliches Gejammer sind der Inhalt des Schreibens. 19 Tatsächlich griff aber, begünstigt durch die besonderen Entwicklungsbedingungen und die weitgehende Unabhängigkeit der deutschen Filialen gegenüber Paris, der Zerfall des Bundes der Geächteten kaum auf Deutschland über. Im Verlauf der Auseinandersetzung mit den proletarisierten Handwerksgesellen zeigten sich die kleinbürgerlichen Demokraten nicht nur als Gegner einer selbständigen deutschen Arbeiterbewegung, sondern sie verrieten sogar ihre republikanische Überzeugung und erwogen ernsthaft in dem Sendschreiben, Deutschland mit einer monarchischen Spitze zu einigen. Der Holsteiner Ökonom Karl Bruhn, ein ehemaliger preußischer Artillerieunteroffizier und einer der eifrigsten Geächteten in Deutschland, hat diesen fragwürdigen und Verwirrung stiftenden Passus den Bundesmitgliedern bei der Verlesung und späteren Vervielfältigung des Sendschreibens unterschlagen. 20 Der Zerfall des Bundes der Geächteten und die Entstehung des Bundes der Gerechten sind ein Ausdruck der organisatorischen und ideologischen Selbständigkeitsbestrebungen der fortgeschrittensten deutschen Arbeiter und des Heranreifens einer selbständigen deutschen Arbeiterbewegung. Natürlich trug diese junge Bewegung unverkennbar die frischen Merkmale der überwundenen orga19 Nachstehend der wichtigste Abschnitt aus dem Sendschreiben des Brennpunktes an die Mitglieder des Bundes der Geächteten in Deutschland. Eine Abschrift des ganzen Sendschreibens, die bei der Verhaftung Conrad Neubers gefunden wurde, liegt im ZStAM, Rep. 77, Tit. 509, Nr. 47, vol. 2, fol. 1 0 9 - 1 1 2 ; auszugsweise abgedr. bei Ilse, S. 488. „Was den geäußerten Wunsch einer Wiedervereinigung mit einigen unserer ehemaligen Mitbrüder betrifft, so antworten wir darauf wie folgt: D e r B. P., seinen beschworenen Pflichten gemäß, stets bemüht, die Eintracht im Bunde zu erhalten und die K r a f t der Gesetze zu fördern, hat sich von niemandem, der dem Gesetz treu geblieben, getrennt. Leider haben sich hier und da Veruntreuungen und Abtrünnigkeiten gezeigt, so wie solches selten zu vermeiden bei einer Verbindung, deren bedeutend große Ausdehnung eine aller Orten stattfindende unmittelbare Einwirkung der obersten Behörde nicht erlaubt; diese Veruntreuungen und Abtrünnigkeiten haben den Gesetzen gemäß zu Ausstoßungen geführt, die ihrerseits die Ausführung von Racheplänen gegen die mit blutenden Herzen zu einer traurigen Pflichterfüllung schreitende Behörde zur Folge hatte, Rachepläne, die in Ausstreuung verleumderischer Gerüchte und Säung von Mißtrauen bestehend, einige der schwächer urteilenden, wenngleich zum Teil sittlich achtbaren Mitglieder veranlaßte, den B. P. um Zurückgabe des geleisteten Eintrittseides zu ersuchen, welchem Ansuchen zu willfahren der B. P. sich zur Gewissenspflicht machte. Es ist daher ersichtlich, daß unter den Umständen von dem B. P. aus kein Versuch gemacht werden kann, um die Verirrten zur besseren Erkenntnis zurückzuführen." 20 Vgl. Ilse, S. 514; ZStAM, Rep. 77, Tit. 509, Nr. 47, vol. 3, fol. 231 f., 245. 30

Hundt, Bund der Kommunisten

133

nisatorischen Einheit mit der bürgerlichen Opposition und ging tastend, aus den eigenen Fehlern lernend, die ersten selbständigen Schritte. D i e proletarisierten Handwerksgesellen empfanden die Notwendigkeit der Trennung von den kleinbürgerlichen Demokraten, aber weil eine proletarische Ideologie zur sicheren Orientierung beim Aufbau einer Arbeiterorganisation fehlte, hatte der Bund der Gerechten viele überflüssige und hinderliche kleinbürgerliche Formen und Gedanken vom Bund der Geächteten übernommen. Der Bund der Gerechten blieb, wie die gleichzeitigen Pariser Geheimgesellschaften, „halb Propagandaverein, halb Verschwörung, wobei jedoch Paris immer als Mittelpunkt der revolutionären Aktion galt, obgleich die Vorbereitung gelegentlicher Putsche in Deutschland keineswegs ausgeschlossen w a r " . J l In der Bundesdevise stand die christliche und bürgerlich-kosmopolitische Formel „Alle Menschen sind Brüder", und nicht weniger unproletarisch klang die trotzige Selbstbezeichnung „Gerechte". Statuten und eine Programmschrift, welche die überholte des Bundes der Geächteten ersetzte und den vieldiskutierten Plan einer kommunistischen Gütergemeinschaft zusammenfassend und populär darlegte, lagen beim Abfall vom Bund der Geächteten nicht vor. A m dringendsten waren neue Statuten. In der Eile übernahm man einfach die Zeltstatuten der alten Verbindung, nur wurden in die wörtlichen Abschriften die notwendigen Korrekturen hineingeflickt. 2 2 Der Bund der Gerechten besaß keine zweifachen Statuten und auch nicht jene Stufenleiter, deren in geheimnisvolles Dunkel gehüllte Spitze diktatorisch die Bundesangelegenheiten leitete, sondern die Statuten waren für alle gleich und erklärten lückenlos den organisatorischen Aufbau. 2 3 Allerdings zeigte sich noch die Tradition des Bundes der Geächteten in der Einteilung des Bundes, die analog zu den Zelten, den Lagern und dem Brennpunkt nach Gemeinden, Gauen und der Volkshalle vorgenommen wurde. Zuunterst standen die Gemeinden mit wenigstens fünf und höchstens zehn Mitgliedern und darüber der Gau, der fünf bis zehn Gemeinden umfaßte. D i e Vorsteher sämtlicher Gemeinden des Gaues bildeten den Gauvorstand. Die Volkshalle war die Zentralbehörde des Bundes. Sie wurde durch die Gaustände des Ortes, wo sie ihren Sitz hatte, gewählt und kontrolliert. 1838 existierten in Paris erst zwei Gaue, die je zwei 21 Engels,

Zur Geschichte des Bundes der Kommunisten, S. 578.

22 Schäfer, der sich in der fraglichen Zeit in Paris aufhielt, berichtet dazu etwas a b f ä l l i g : „Ich war öfters mit den Leuten vom Bund der Gerechten zusammen. Sie hatten auch Statuten, aber nicht sehr von denen des Bundes der Geächteten abweichend. D a sie keine L e u t e besaßen, die selbständig etwas abzufassen vermochten, so modelten sie jene nach ihrer Ansicht um. Bei ihnen gab es keinen unbedingten Gehorsam und keinen Brennpunkt, sondern die Vorsteher der unteren Abteilungen bildeten eine Volkshalle" (vgl. Z S t A M , Rep. 77, Tit. 509, N r . 47, vol. 3, fol. 141). 23 E i n Abdruck der Statuten des Bundes der Gerechten bzw. des Bundes der Gerechtigkeit in: Dokumente

zur Geschichte

des Bundes der Kommunisten,

eingel. v. Gerhard Winkler,

in: Beiträge zur Geschichte und Theorie der Arbeiterbewegung, 1957, 15, S. 5 7 - 6 3 .

134

Mitglieder für die Volkshalle wählten. D a s fehlende fünfte Mitglied wurde kooptiert. Nach dem Tischlergesellen Hoffmann befanden sich in dieser Volkshalle außer ihm der Schriftsetzer Gummen, der Ausschneider Meyer, Schriftsteller Biermann aus Rheinpreußen und der Schneidergeselle Weitling. 24 Vom Bund der Gerechten wurden einige neue und für die Arbeiterbewegung richtungweisende Organisationsprinzipien erprobt, auf die das organisierte Proletariat in den späteren Jahren sowohl im illegalen als auch legalen Kampf zurückgreifen konnte. Die Statuten des Bundes der Gerechten enthielten durch die angestrebte Verbindung einer zentralisierten Leitung mit der innerorganisatorischen Demokratie wesentliche Elemente des demokratischen Zentralismus, des Organisationsprinzips der revolutionären Arbeiterbewegung. 2 ^ D i e entscheidende Hinwendung zu den Prinzipien der innerorganisatorischen Demokratie brachte die Bestimmung, daß alle Bundesbehörden jährlich neu gewählt werden mußten. Außerdem konnten die Wähler den von ihnen Gewählten zu jeder Zeit zurückberufen, wenn er ihr Vertrauen nicht rechtfertigte. D i e Mitglieder besaßen weiterhin das Recht, Gesetzesvorschläge einzubringen und in den ersten 14 Tagen eines jeden Vierteljahres etwa notwendig gewordene Abänderungen der Statuten zu beantragen. Die eingelaufenen Vorschläge wurden von der Volkshalle den Gauständen mitgeteilt, welche sie mit einer Stellungnahme den Gemeinden zur Prüfung und Abstimmung vorlegten. D i e Gemeinden informierten dann die Gaustände und diese wieder die Volkshalle über die Abstimmungsergebnisse. D i e Mehrzahl der Gemeinden entschied für den Gau und die Mehrzahl der Gaue für den Bund. Bei Stimmengleichheit der Gemeinden gab derGau und bei Stimmengleichheit der Gaustände die Volkshalle den Ausschlag. Der Bund legte bereits verschiedene Maßnahmen fest, um die Einheit und Reinheit der Verbindung zu wahren. Wenn ein Mitglied das Geheimnis der Verbindung verletzte, fortgesetzt einen unmoralischen Lebenswandel führte, an24 Vgl. Z S t A M , Rep. 77, Tit. 509, N r . 47, vol. 3, fol. 3 f. 2 5 Vgl. dazu Winklet,

Gerhard,

Einleitung zu „Dokumente zur Geschichte des Bundes der

Kommunisten", in: Beiträge zur Geschichte und Theorie der Arbeiterbewegung,

1957,

15, S. 6 ff., worin erstmalig die Bedeutung des Bundes der Gerechten hinsichtlich seiner organisatorischen Struktur für den A u f b a u der späteren Arbeiterparteien

herausgestellt

wird. Nur in einem Punkt halte ich seine sonst ausgezeichnete Würdigung der Statuten des Bundes der Gerechten nicht für stichhaltig, nämlich wenn er schreibt, daß der Bund der Gerechten „den demokratischen Zentralismus als neue Organisationsgrundlage entwickelt" hat (ebenda, S. 6 ) ; denn es fehlen noch einige Merkmale dieses proletarischen Organisationsprinzips, etwa

die Rechenschaftslegung

der gewählten Leitungen und

die

unbedingte Verbindlichkeit der Bundesbeschlüsse. Man kann daher beim Bund der G e rechten nur von „Elementen" des demokratischen Zentralismus sprechen. E r s t vom Bund der Kommunisten wurde, was Winkler selbst in einem früheren A u f s a t z richtig hervorhob, „das

Prinzip

des

demokratischen

Zentralismus

herausgearbeitet"

{Winkler,

Gerhard,

Über die historische Stellung des Bundes der Kommunisten in der deutschen Arbeiterbewegung, in: Z f G , 2, 1954, 4, S. 546).

10»

135

haltend Saumseligkeit in Erfüllung der Verbindungspflichten zeigte, hartnäckig die Grundsätze der Verbindung bekämpfte oder den Verbindungszweck leugnete, wurde es auf Beschluß einer Zweidrittelmehrheit der Gemeinde nach B e stätigung des Beschlusses durch den betreffenden Gaustand aus der Verbindung ausgestoßen. Das Prinzip des Zentralismus kam sowohl im organisatorischen Aufbau der Verbindung als auch in den statutenmäßig festgelegten Aufgaben der gewählten Leitungen zum Ausdruck. D i e Volkshalle als das höchste Organ hatte z. B . „die Gesetze des Bundes in der ganzen Ausdehnung desselben zu vollstrecken oder vollstrecken zu lassen; über dessen Gedeihen und Sicherheit zu wachen; jede sich darbietende Gelegenheit zu benützen, die Verbindung nicht nur über ganz Deutschland, sondern über alle Länder, wo sich Deutsche befinden, auszudehnen; und endlich, jedes geeignete Mittel anzuwenden, den Bund seinem erhabenen Ziel näherzuführen". 26 Nach den großen Auseinandersetzungen im Bund der Geächteten hatte man jenen Artikel sehr vorsichtig formuliert, der die Mitglieder verpflichtete, den „Bundesgesetzen Gehorsam zu leisten". Um niemanden zu zwingen, besagt der Artikel 11 der Statuten des Bundes der Gerechten, „gegen seine Überzeugung und sein Gewissen zu handeln, so kann von dieser Verpflichtung E r l a ß erteilt werden, wenn die zu diesem Behufe angegebenen Gründe nach reiflicher Prüfung von der Gemeinde, dem Gaustande und der Volkshalle als genügend anerkannt worden sind". 27 Somit wurde aus Reminiszens an die richtige Gehorsamsverweigerung im kleinbürgerlichen Bund der Geächteten die Nichtbefolgung der Bundesbeschlüsse statutenmäßig erlaubt, wodurch die Bundesdisziplin gelockert wurde und anarchistische Wirrköpfe und arbeiterfeindliche Elemente die Kampfkraft des Bundes lähmen konnten. D i e Statuten des Bundes der Kommunisten schufen auch in diesem Punkt für die Arbeiterorganisationen Klarheit und verlangten als Bedingung der Mitgliedschaft die „Unterwerfung unter die Beschlüsse des Bundes", d. h. nach dem Charakter des Bundes der Kommunisten die Unterordnung der Minderheit unter die Mehrheit. Schon die wenigen Stellen, die bei der Übernahme der Zeltstatuten des Bundes der Geächteten geändert wurden, gaben der neuen, von Arbeitern gegründeten Verbindung eine Form, die den Bund der Gerechten über alle bis dahin gebildeten Arbeiterorganisationen stellte. D e r Bund der Gerechten bildete die höchste Organisationsform des Proletariats in der Periode der vormarxistischen Arbeiterbewegung. E r ist gerade in organisatorischer Hinsicht, besonders durch die Entwicklung einiger wichtiger Elemente des demokratischen Zentralismus, der gesetzmäßige Vorläufer des Bundes der Kommunisten. E s bedurfte nur der „Reorganisation" und nicht der Zerschlagung des Bundes der Gerechten, um die erste deutsche Arbeiterpartei zu schaffen. Marx selbst hat den organischen 26 Dokumente

zur Geschichte des Bundes der Kommunisten,

27 Ebenda, S. 59.

136

S. 62.

Zusammenhang, der entwicklungsmäßig den Bund der Gerechten und den Bund der Kommunisten verknüpfte, mit den Worten umrissen: „Der .Bund der Kommunisten' wurde 1836 zu Paris gestiftet, ursprünglich unter anderem Namen." 2 8 Der Bund der Gerechten und nicht der noch einige Jahre daneben bestehende Bund der Geächteten wurde zum Anziehungspunkt für die deutschen Arbeiter. Nach anfänglichen Schwierigkeiten war er in Paris stärker verbreitet als der Bund der Geächteten in seinen besten Zeiten. Der blanquistische Maiaufstand, bei dem auch Mitglieder des Bundes der Gerechten mitmarschierten und in die gemeinsame Niederlage verwickelt wurden, brachte vorübergehend die Entwicklung des Bundes zum Stocken. Nach der Wiederherstellung des Bundes 1840/41 nahm er eine bedeutende Ausbreitung, nicht so sehr und allein in Paris, wo die französische Polizei die Verbindung nie völlig zu unterdrücken vermochte, sondern namentlich in England, dem nunmehrigen Zentrum des Bundes, in der Schweiz, dem Wirkungsfeld Weitlings, und teilweise in Belgien. In Deutschland drang der Bund bis nach Magdeburg und selbst bis in die preußische Hauptstadt vor. Erst Ende 1846 entdeckte die Polizei dort in Bildungs- und Unterhaltungsvereinen eine Spur des Bundes, doch mußte sie die Nachforschungen ohne Ergebnis abbrechen. Der Bund der Gerechten regte sich in den verschiedensten Formen. Er arbeitete in strenger Illegalität wie in öffentlichen Arbeitervereinen und, wenn die Gesetze nichts anderes zuließen, in Gesang-, Turn-, Lese- und Bildungsvereinen. E r schlug Kontakte zu den französischen, polnischen und später englischen Revolutionären und vereinte in der Londoner Zeit in sich Deutsche, Schweizer, Skandinavier, Ungarn und Slawen, wodurch er sich aus einem deutschen allmählich in einen internationalen Bund verwandelte. Diese ganze Breite und Vielfalt der Aspekte und Entwicklungslinien, der nationalen und internationalen Zusammensetzung müssen erst noch erforscht und dargelegt werden. 28 Marx, Karl, Herr Vogt, in: MEW, Bd. 14, S. 438.

137

HERWIG

FÖRDER

Die Nürnberger Gemeinde des Bundes der Kommunisten und die Verbreitung des „Manifest der Kommunistischen Partei" im Frühjahr 1851*

Das Wirken des Bundes der Kommunisten, der Ende 1849 unter der Führung von Marx und Engels reorganisiert wurde, stand in den Jahren 1850/51 unter dem Zeichen der Niederlage der Revolution. Die besten Kräfte der Arbeiterbewegung waren eingekerkert oder hatten das Vaterland verlassen müssen und wurden selbst im Exil von einem Land in das andere vertrieben. Die Zahl der Männer, die sich in jener Zeit standhaft um das Banner des Kommunismus geschart hatten, war noch so klein, daß ihre Organisation, der Bund der Kommunisten, ungeachtet des Mutes und der Opferbereitschaft seiner Mitglieder schließlich doch der sich immer weiter steigernden Hetzjagd zum Opfer fiel, die von den erschreckten reaktionären Gewalten Deutschlands veranstaltet wurde. Gleichwohl wäre es verfehlt, diesen Abschnitt der Bundesgeschichte nur unter diesem Aspekt der Niederlage zu sehen. Ja, der Historiker der Arbeiterbewegung fühlt sich mit Recht veranlaßt, besondere Aufmerksamkeit jenen Entwicklungslinien zuzuwenden, die auch in der Zeit der finsteren Reaktion deutlich in die Zukunft wiesen. Dies gilt in besonderem M a ß e von den angestrengten organisatorischen Bestrebungen von Marx und Engels, die unablässig danach trachteten, eine revolutionäre, in den breiten Massen der Arbeiterklasse verankerte Partei zu schaffen. Die Möglichkeiten, diese Bemühungen zu verwirklichen, waren im Frühjahr 1849 schon in greifbare Nähe gerückt, als die Niederlage der Revolution die ursprünglich ins Auge gefaßten Vorhaben, vor allem die Einberufung eines allgemeinen Kongresses aller deutschen Arbeitervereine, von der Tagesordnung absetzte. Nicht von der Tagesordnung abgesetzt war jedoch der Kampf um die Schaffung einer selbständigen revolutionären Massenpartei des Proletariats. Gerade die Revolution hatte die von Marx und Engels im „Manifest der Kommunistischen Partei" verkündete Einsicht bestätigt, daß die Arbeiterklasse einer solchen Partei bedurfte, um ihre welthistorischen Aufgaben zu erfüllen. Und ungeachtet der Niederlage der Revolution konnte der nun wieder im geheimen organisierte Bund seine Arbeit auf einer im Vergleich zu den Verhältnissen vor der Revolution bedeutend höheren Stufe wiederaufnehmen. Dank der Rolle, die die * A u s : B z G , 4, 1 9 6 2 , Sh.: Beiträge zur Marx-Engels-Forschung in der D D R , S. 1 6 5 - 1 8 8 .

138

Kommunisten und ihnen allen voran M a r x und Engels in der Revolution gespielt hatten, gelang es dem von M a r x und Engels reorganisierten B u n d nun, wie Engels später ausdrücklich hervorhob, „in den Arbeiter-, Bauern- und T u r n vereinen in weit größerem M a ß als vor 1848 die dominierende R o l l e zu spielen . . Sucht man jedoch eine konkrete Vorstellung davon zu gewinnen, wo und in welchem M a ß e es den Kommunisten

gelang, sich in Deutschland

wieder

in

Gemeinden und Kreisen zu organisieren und so eine illegale Organisation aufzubauen, und wie sie von hier aus in den zahlreichen, anfangs noch legal bestehenden Arbeitervereinen wirkten, so läßt ein B l i c k in die jüngere, für diesen Zeitraum an sich recht reichhaltige Literatur erkennen, d a ß

hier in unserem

Wissen gleichwohl noch erhebliche Lücken bestehen, die es zu schließen gilt. D i e beiden Arbeiten von Bittel und Herrnstadt haben ihr eigentliches T h e m a in jenem berühmt-berüchtigten Kommunistenprozeß von 1852, 2 den M a r x schon in seiner klassischen Studie dargestellt hat. D e m Beispiel von M a r x

folgend,

der sich damals naturgemäß über die tatsächliche Tätigkeit des Bundes

nur

sehr zurückhaltend äußern konnte, haben auch Bittel und Herrnstadt das Schwergewicht darauf gelegt, die polizistischen Niederträchtigkeiten des preußischen Staates bloßzulegen. Selbst die von Bittel veröffentlichten

Prozeßberichte,

in

denen die Tätigkeit des Bundes in Deutschland recht ausführlich zur Sprache kommt, sind für den wirklichen Sachverhalt eine nur mit Vorsicht zu benutzende Quelle. Z w a r haben die Angeklagten in ihren Ausführungen einen erheblichen T e i l des von Stieber fabrizierten Lügengewebes zerrissen, aber sie waren mit Recht nach K r ä f t e n

bemüht, den Umfang der Bundesorganisation im dunkeln

zu lassen. In der Arbeit von Obermann über die Bundesgeschichte nach der Revolution 3 nimmt die Tätigkeit des Bundes in Deutschland selbst bereits einen erheblichen Platz ein. D e r Autor ist vor allem dem obenerwähnten

Hinweis von

Engels

gefolgt und hat die R o l l e untersucht, die der B u n d der Kommunisten

in den

Arbeitervereinen gespielt hat. E i n e n ersten Uberblick über diese Arbeitervereine selbst gibt T o d t in einer bereits vor geraumer Zeit erschienenen Studie, in der aber die Tätigkeit der Bundesmitglieder innerhalb dieser V e r e i n e keine B e r ü c k sichtigung findet. 4 Unlängst

hat der sowjetische

Historiker Michailov eine umfangreiche,

auf

langjährigen Studien beruhende Arbeit über den B u n d der Kommunisten ver1 Engels, Friedrich, Zur Geschichte des Bundes der Kommunisten, in: MEW, Bd. 8, S. 590. 2 Bittel, Karl, Der Kommunistenprozeß zu Köln im Spiegel der zeitgenössischen Presse, Berlin 1955; Herrnstadt, Rudolf, Die erste Verschwörung gegen das internationale Proletariat, Berlin 1958. 3 Obermann, Karl, Zur Geschichte des Bundes der Kommunisten 1849-1852, Berlin 1955. 4 Todt, Elisabeth, Die gewerkschaftliche Betätigung in Deutschland von 1850 bis 1859, Berlin 1950.

139

öffentlicht, 5 deren Schwerpunkt die Bundesgeschichte nach der Revolution bildet. E r vermag schon ein recht umfassendes Bild zu geben, wobei ihm vor allem auch die reichen Bestände an Briefen von und an Marx und Engels zustatten gekommen sind, über die das Moskauer Institut für Marxismus-Leninismus beim Z K der K P d S U verfügt. Aber das Wirken des Bundes in Deutschland selbst wird hier nur recht knapp behandelt, und der Tätigkeit der Bundesmitglieder in den Arbeitervereinen wird wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Hierbei spielt zweifellos der Umstand eine Rolle, daß dem Autor nicht eine genügend breite Quellengrundlage zu dieser Frage zur Verfügung stand. D a s Wirken des Bundes der Kommunisten in Deutschland läßt sich in umfassender Weise nur darstellen, wenn man auch den Spuren nachgeht, die die örtliche Arbeiterbewegung hinterlassen hat. Sind es meist auch nur einzelne Mosaiksteine, die sich bei Nachforschungen auf diesem Gebiet gewinnen lassen, so sind sie doch von Wert für die Herstellung eines lebendigen Gesamtbildes von der Geschichte des Bundes der Kommunisten, und sie können zusammengesetzt selbst zu neuen Einsichten allgemeiner Art beitragen. Wie am Beispiel Nürnbergs im folgenden gezeigt werden kann, bieten gerade für die Reaktionszeit, in der die revolutionäre Arbeiterbewegung im Verborgenen wirken mußte, die Archive der D D R ein reichhaltiges Material auch für die Untersuchung der örtlichen Arbeiterbewegung. Dieses Material muß natürlich kritisch ausgewertet und mit anderen, allerdings sehr spärlich fließenden Quellen verglichen werden, aber es bietet dann doch aufschlußreiche Ergebnisse, die in ihrer Bedeutung über den örtlichen Rahmen erheblich hinausreichen. D i e bürgerliche Literatur, die von uns zur Geschichte der Nürnberger Arbeiterbewegung herangezogen wurde, ist ein mehr als unzuverlässiger Ratgeber, obwohl die Autoren zum Teil in ausgiebiger Weise archivalische Quellen für ihre Arbeit herangezogen hatten. Entweder stehen sie der demokratischen Bewegung überhaupt feindlich gegenüber, 6 oder sie gehen in der Arbeiterbewegung nur den ökonomistischen, rein gewerkschaftlichen Tendenzen nach, so daß für solche Organisation wie den Bund der Kommunisten wenig Platz bleibt. 7 5 Micbailov,

M. 1., S o j u z K o m m u n i s t o v - p e r v a j a m e z d u n a r o d n a j a o r g a n i z a c i j a p r o l e t a r i a t a ,

Moskva 1960. -

V g l . hierzu auch d i e kritische R e z e n s i o n v o n Leviova,

S. Z.,

k n i g a p o istorii S o j u z a K o m m u n i s t o v , i n : V o p r o s y istorii K P S S , 1 9 6 1 , 4 , S . 6 D a s ist z. B . d e r F a l l in d e r w e s t d e u t s c h e n A r b e i t v o n Zimmermann,

Ludwig,

Novaja

188-193. Die Ein-

heits- und F r e i h e i t s b e w e g u n g und d i e R e v o l u t i o n v o n 1 8 4 8 in F r a n k e n , W ü r z b u r g 1 9 5 1 . 7 Koeppen,

Werner,

D i e A n f ä n g e d e r A r b e i t e r - und G e s e l l e n b e w e g u n g in F r a n k e n

(1830

bis 1 8 5 2 ) . E i n e S t u d i e z u r G e s c h i c h t e d e s politischen S o z i a l i s m u s , E r l a n g e n 1 9 3 5 . -

Der

U n t e r t i t e l v e r s p r i c h t , w a s d i e A r b e i t nicht hält, d i e j e d o c h v o n der archivalischen Q u e l l e n g r u n d l a g e her -

es h a n d e l t sich um b a y r i s c h e A k t e n -

eine R e i h e nicht unwichtiger

D a t e n zur V e r f ü g u n g stellt. D i e politisch-ideologische P o s i t i o n d e s A u t o r s ist nicht nur allgemein

durch seine bürgerlichen

A u f f a s s u n g e n , sondern

b e s o n d e r s auch d a d u r c h

ge-

kennzeichnet, d a ß er an einigen Stellen faschistisch-antisemitischen T e n d e n z e n einen w i d e r lichen T r i b u t zollt. V g l . e b e n d a , bes. S. 8 0 f.

140

Daß aber der Bund der Kommunisten nicht nur in Nürnberg über einen starken Stützpunkt verfügte, sondern daß seine Mitglieder auch in dem dortigen sehr bedeutenden Arbeiterverein eine maßgebende Rolle spielten, lassen nur einige archivalische Quellen, und zwar Quellen, die im wesentlichen auch jenen bürgerlichen Autoren zur Verfügung standen, mit überzeugender Deutlichkeit erkennen, auch wenn manch interessantes, ja nicht einmal unwesentliches Detail im Dunkel vergangener konspirativer Tätigkeit verbleibt. Vor allem ist es die Persönlichkeit des Glasergesellen Gustav Faaßen, der uns schon ausgangs der Revolution als hervorragender und politisch außerordentlich klarer Funktionär des Nürnberger Arbeitervereins und dann bald als sehr aktives Mitglied des Bundes der Kommunisten entgegentritt. Neben ihm ist der zeitweilige Vorsitzende des Arbeitervereins, der Schneidergeselle August Schulze, zu nennen, der sogar vorübergehend den Nürnberger Kreis des Bundes der Kommunisten leitete.8 Im Frühjahr 1850 gelang es der sächsischen Regierung, einen erheblichen Teil der Briefe zu beschlagnahmen, die von den verschiedensten Arbeitervereinen in Deutschland in den Jahren 1849/50 an das Zentralkomitee der sogenannten Arbeiterverbrüderung gerichtet worden waren. Darunter befinden sich auch einige Briefe des Nürnberger Arbeitervereins, die sowohl Aufschluß über die Tätigkeit dieses Vereins als auch über die politische Einstellung seiner führenden Mitglieder vermitteln. Ein Brief - oder richtiger sogar: ein Bericht - , den Faaßen als zweiter Schriftführer am 22. Juni 1849 an das Leipziger Zentralkomitee richtete,9 führt uns noch einmal zum Ausgang der Revolution, zur Reichsverfassungskampagne, zurück. Zwar war Bayern an diesen bewaffneten Kämpfen nicht unmittelbar beteiligt gewesen, aber gerade der Brief von Faaßen zeigt, wie auch in Nürnberg die Arbeiter bereit waren, ihre Schuldigkeit zu tun und im Kampf für die nationalen Interessen des deutschen Volkes in der ersten Reihe zu fechten. Zunächst entschuldigt sich Faaßen, daß die schon vor einigen Wochen beabsichtigte Berichterstattung infolge der Maikämpfe in Sachsen aufgeschoben worden sei. D a sie jedoch aus der letzten Nummer der „Verbrüderung" ersehen hätten, daß das Leipziger Zentralkomitee fortbestehe, wollten sie jetzt das Versäumte nachholen. Entsprechend den Beschlüssen, die der bayrische Kongreß der Arbeitervereine auf seiner Tagung von Anfang April 1849 in Nürnberg gefaßt hatte, übersandten die Nürnberger nun auch den für sie festgesetzten Monatsbeitrag von 3 Gulden 30 Kreuzern für die Monate Mai und Juni, wobei sie den Wunsch aussprachen, daß das Geld für das in Haft befindliche Mitglied des Leipziger Komitees, Schwenniger, verwendet werden möge. Nach einem 8 E s konnte nicht überprüft werden, ob diese beiden Männer bereits vor der Revolution Bundesmitglieder waren. 9 S t A Dresden, M d l , N r . 11 062 a, L a g e 60, fol. 12/13v. - Dieser Brief ist - mit einigen Kürzungen und geringfügigen redaktionellen Änderungen - unter der Überschrift „Fortschritte der Organisation der Arbeiter" abgedr. i n : Verbrüderung, 2 6 . 6 . 1 8 4 9 , S. 309 f.

141

Hinweis auf die Beschränktheit ihrer finanziellen Möglichkeiten - „indem wir . . . selbst alle nur arme Proletarier sind" - betonen die Nürnberger ausdrücklich: „Wir bringen jedoch alle Opfer bereitwillig, getröstet durch die Hoffnung, daß wir doch endlich, wenn auch nach hartem Kampfe, zu dem uns vorgesteckten Ziele gelangen werden." Aus dem Bericht geht ferner hervor, daß der Nürnberger Arbeiterverein, der vor dem Aprilkongreß „kaum 60 Mitglieder" gezählt hatte, inzwischen auf mehr als 300 Mitglieder 1 0 angewachsen war. Besonders interessant ist, daß die Nürnberger „vor einigen Wochen", d. h. etwa E n d e Mai, an alle Arbeiter Frankens einen Aufruf hatten ergehen lassen, in dem zur Gründung nicht nur von Arbeiter-, sondern auch von Bauernvereinen aufgefordert wurde. Mitglieder des Nürnberger Vereins hatten darüber hinaus verschiedene Städte selbst aufgesucht und dort die „Gründung von Zweigvereinen bewirkt", so in Fürth, Schwabach und einigen anderen Orten, während sie bei einer Reihe weiterer Orte die Gründung von Filialvereinen vorbereitet hatten. Insgesamt, so berichtete Faaßen, betrug die Zahl der Mitglieder in Mittelfranken „zur Zeit zirka 600"; von den Zweigvereinen könnte allerdings, so fuhr er fort, vorläufig noch nicht auf Beiträge für die Bezirkskasse gerechnet werden. Von den im Bericht von Faaßen genannten Filialvereinen treten uns einige in der folgenden Zeit nicht wieder entgegen, so daß man in Frage stellen muß, ob es sich in jedem Falle um stabile Gebilde gehandelt hat. Aber die Zweigvereine von Fürth und Schwabach 11 , zwei industriellen Zentren neben Nürnberg, spielen auch in den späteren Dokumenten immer wieder eine Rolle, so daß man hier von einer recht festen Organisation sprechen kann. Am interessantesten sind aber in dem Bericht von Faaßen die Mitteilungen über die Bemühungen des Nürnberger Arbeitervereins, in die K ä m p f e der Reichsverfassungskampagne einzugreifen. Hier tritt uns, auch vor allem in der kritischen Einschätzung der verräterischen Bourgeoisie, die politische Position . des Glasergesellen Faaßen schon recht deutlich entgegen. In seinem Brief berichtet er: „Ein Teil unserer Mitglieder wollte sich zu einem bewaffneten Corps organisieren; es wurde dies jedoch von Seiten der Behörden verboten. D i e Bewaffnung geht nun mittels Sensen vor sich. - Ein großer Teil der hiesigen Arbeiter wäre entschieden, den Kampf aufzunehmen, allein die Mehrzahl der hiesigen Bürger besteht aus Bourgeoisie und Spießbürgern und Philistern, die den Mantel nach dem Wind hängen und die Arbeiter ebenso verraten, wie jene zu Dresden. Die Bourgeois sind und bleiben sich überall gleich, und so lange die Zahl unse1 0 In einem s p ä t e r e n B r i e f v o m 2 3 . 9. 1 8 4 9 spricht F a a ß e n s o g a r v o n 4 0 0 M i t g l i e d e r n . V g l . A n m . 13. 11 S c h w a b a c h w a r z w a r nur ein kleiner O r t v o n e t w a 7 0 0 0 E i n w o h n e r n , südlich v o n N ü r n b e r g g e l e g e n , a b e r er v e r f ü g t e ü b e r eine beachtliche Industrie

(Eisenwarenmanufaktur),

und d i e A r b e i t e r stellten einen r e l a t i v hohen A n t e i l d e r B e v ö l k e r u n g . V g l . S. 12, 14.

142

Koeppen,

rer deutschen Philister noch so groß ist, bleibt, wenn nicht außerordentliche Ereignisse eintreten, vorderhand den Freiheitsmännern wenig Hoffnung zum Sieg; denn unter solchen Umständen ist es unmöglich zu siegen, und die endliche Erlösung Deutschlands vom Fürstenjoche scheint sich auf geraume Zeit wieder hinauszuschieben. Wir wollen jedoch nicht verzagen, sondern mutig ausharren und lieber das Leben opfern als die Freiheit." 1 2 Für die Kämpfe, die der Nürnberger Arbeiterverein in den nun folgenden Monaten auszufechten hatte, liegt ein weiterer Bericht aus der Feder von Faaßen vor. E s ist ein Brief, den er am 23. September 1849 als „provisorischer Schriftführer" des inzwischen neu begründeten Arbeitervereins wieder an das Leipziger Komitee sandte. 13 Hinsichtlich des Inhalts des Briefes muß berücksichtigt werden, daß an seinem Schlüsse um Veröffentlichung der in ihm enthaltenen Mitteilungen gebeten wird. 1/1 Deutlich ist das Bestreben des Autors erkennbar, seine Darlegungen so abzufassen, daß sie bei einer Veröffentlichung den Behörden keinen Anlaß zum Einschreiten geben konnten. In diesem zweiten Bericht geht Faaßen noch einmal auf das Wirken des Nürnberger Arbeitervereins zur Zeit der Reichsverfassungskampagne ein. D a dieser Brief nicht nur einige weitere nicht uninteressante Details enthält, sondern auch ein helles Licht auf den Patriotismus der Nürnberger Arbeiter wirft und die Gesichtspunkte erkennen läßt, unter denen Faaßen diese revolutionären K ä m p f e betrachtete, so sei er in den wichtigsten Abschnitten hier wörtlich angeführt: „In jener kritischen Zeit, in der selbst von der deutschen Nationalversamm1 2 D e r hier zitierte P a s s u s fehlt a u s leicht verständlichen G r ü n d e n in d e m Abdruck

in

der

Verbrüderung.

Als

aber

die

sächsische

Regierung

am

obenerwähnten 4. 7. 1 8 5 0

die

A r b e i t e r v e r e i n e v e r b o t , d a v e r ö f f e n t l i c h t e sie zur B e g r ü n d u n g einiges a u s d e m M a t e r i a l , d a s ihr b e i f r ü h e r e n B e s c h l a g n a h m e a k t i o n e n in die H ä n d e g e f a l l e n w a r . D a r u n t e r b e f a n d sich — w i e d e r a u s leicht v e r s t ä n d l i c h e n G r ü n d e n F a a ß e n . V g l . d a z u Mitteilung

bestehenden

Arbeitervereine

Außerordentl. Beilage. -

der Gründe, veranlaßt

welche

haben,

dieser Passus aus dem Bericht

die verfügte

Auflösung

der in

von

Sachsen

in: Leipziger Zeitung, 1 1 . 7 . 1 8 5 0 ,

Erste

Z u d e n v o n F a a ß e n so scharf v e r u r t e i l t e n „ S p i e ß b ü r g e r n

P h i l i s t e r n " , d i e mit ihrem W a n k e l m u t

die Revolution

erster L i n i e jener K a r l V o g t , d e r durch seine v e r l e u m d e r i s c h e n A n g r i f f e a u f M a r x E n g e l s und den von ihnen g e f ü h r t e n

und

verraten hatten, gehörte mit

in und

B u n d der K o m m u n i s t e n noch eine t r a u r i g e

„Be-

r ü h m t h e i t " e r l a n g e n sollte. V o g t s A u f t r e t e n auf d e r N ü r n b e r g e r V o l k s v e r s a m m l u n g

vom

1 3 . 5. 1 8 4 9 , d a s sich durch p s e u d o r e v o l u t i o n ä r e s P h r a s e n t u m a u s z e i c h n e t e u n d zur N i e d e r lage der Volksbewegung

in F r a n k e n

beitrug, w u r d e bereits

t r e f f e n d charakterisiert, indem er d a r a u f hinwies,

daß „der

Wilhelm

Wolff

Z e n t r a l m ä r z h e l d Karl

1850 von

Vogt

in N ü r n b e r g zu seiner und d e r ihn f e t i e r e n d e n H e u l e r B e f r i e d i g u n g d i e f r ä n k i s c h e R e v o lution abwiegelte".

- Wolff,

Wilhelm,

Nachträgliches

„aus d e m Reich", in: N e u e Rheini-

sche Z e i t u n g . P o l i t i s c h - ö k o n o m i s c h e R e v u e . N e u d r . b e s o r g t v. K a r l B i t t e l , B e r l i n S. 2 2 1 . - V g l . hierzu Marx,

Karl,

1955,

H e r r V o g t , i n : M E W , B d . 1 4 , S. 4 6 8 .

1 3 S t A D r e s d e n , M d l , N r . 1 1 0 2 6 a , L a g e 6 0 , f o l . 9 f. 14 D i e V e r ö f f e n t l i c h u n g e r f o l g t e dann auch f a s t v o l l s t ä n d i g unter d e m T i t e l

„Reorganisa-

tion d e s N ü r n b e r g e r A r b e i t e r v e r e i n s " , i n : V e r b r ü d e r u n g , 5. 10. 1 8 4 9 , S. 4 2 3 f f .

143

lung (die damals von den Regierungen noch anerkannt wurde) die Aufforderung erging, daß sich jeder Deutsche bewaffnen solle, in jener Zeit war der Drang, sich zu bewaffnen, auch bei den hiesigen Arbeitern mächtig, um zum Schutze der gefährdeten persönlichen Sicherheit und auch um nötigenfalls für die Freiheit und Einheit Deutschlands einzustehen, um das Vaterland gegen äußere Feinde verteidigen zu können. Die Mitglieder des Vereins, die noch bei keinem der bestehenden Freikorps beteiligt waren, wollten anfangs eine selbständige Kompanie bilden und sich der Stadt- oder Bürgerwehr anschließen." Aber schon zeigten sich Widerstände und Schwierigkeiten. „Feuergewehre" wurden nicht mehr „verabreicht", d. h., die Bourgeoisie suchte in feiger Angst eine wirksame Bewaffnung der Arbeiter zu verhindern, die, wie Faaßen weiter berichtete, nicht imstande waren, sich Gewehre aus eigenen Mitteln zu beschaffen. Daraufhin entschloß man sich, eine besondere Kompanie mit Sensen auszurüsten. Dieser Versuch, mit den möglichen Mitteln das Beste zu leisten, wurde von den Behörden sofort unterbunden. Nach außen hin leistete der Verein dem Verbot Folge und „erklärte in öffentlichen Blättern, daß von nun an die Bewaffnung nicht mehr Sache des Vereins sei, sondern daß es jedem einzelnen überlassen bleibe, sich zu bewaffnen". 10 In Wirklichkeit aber hatten sich die Vereinsmitglieder unterderhand verständigt, „sich Sensen als Hauswaffen anzuschaffen", wozu man übrigens eine namhafte Summe durch Sammlung aufgebracht hatte. Kaum hatte jedoch die preußische Konterrevolution die revolutionäre Bewegung in der Pfalz und in Baden niedergeworfen, als auch schon die reaktionären Behörden in Nürnberg die Zeit zum Einschreiten gekommen glaubten. Nun konnte sich selbst eine solche halblegale bewaffnete Organisation, wie sie die Nürnberger Arbeiter sich geschaffen hatten, nicht mehr halten. In der Nacht vom 26. auf den 27. Juni 1849 erfolgte, wie Faaßen weiter berichtete, eine plötzliche Verhaftungs- und Haussuchungsaktion.16 Sieben führende Mitglieder des Arbeitervereins, darunter die beiden „Vorstände" Köchert und Stöttner, der Schriftführer Dittkorn und der Kassierer Fischer, wurden verhaftet. Sie befanden sich bei Abfassung des Berichts noch immer im Gefängnis. Ferner wurden sämtliche Papiere des Vereins, so auch die Protokolle, beschlagnahmt. Vor allem aber hatten die bayrischen Behörden einen willkommenen Anlaß gefunden, am 13. August 1849 die Auflösung des Nürnberger Arbeitervereins zu verfügen. Man erklärte, die Protokolle hätten gezeigt, daß

15 Im Hinblick auf eine Veröffentlichung des Briefes fügte Faaßen hinzu: „Eine Organisation fand jedoch nicht statt." 16 Als Ursache dieser Aktion gibt Faaßen ausdrücklich die Bewaffnung mit Sensen an.

-

Koeppen weiß auf Grund bayrischer Regierungsakten außerdem zu berichten, daß infolge von Verrat die Nürnberger Polizei in den Besitz der Liste kam, die die Namen jener Arbeitervereinsmitglieder enthielt - insgesamt 9 0 ! - , an die Sensenwaffen verteilt worden waren. Vgl. Koeppen,

144

S. 77 f.

der Arbeiterverein „staatsgefährliche Tendenzen gehegt" habe. D i e Nürnberger Arbeiter gaben ihren Kampf jedoch nicht auf. M i t Genugtuung konnte Faaßen in seinem Bericht fortfahren: „Das Bedürfnis der Vereinigung, um eine Verbesserung der Verhältnisse der arbeitenden Klasse zu erzielen, gab sich jedoch bald wieder kund. In einer am 3. September abgehaltenen Arbeiterversammlung wurde die Gründung eines neuen Vereins unter dem Namen: ,Bildungs- und Unterstützungsverein für Arbeiter' bewerkstelligt. D i e Mitgliederzahl ist bereits auf mehr als 100 gestiegen . . . E s wird freilich von mancher Seite etwas scheel auf die in neuerer Zeit allenthalben sehr rührigen Arbeiter gesehen, da man nur zu gut weiß, daß durch eine vollständige Organisation aller Arbeiter Deutschlands, durch die dadurch sich immer mehr entwickelnden geistigen K r ä f t e derselben, sich eine ungeheure Macht herangebildet, die mit der Zeit ein großes Gewicht in die Waagschale des Volkes legen kann." 1 7 Bei dieser Neugründung als „Bildungs- und Unterstützungsverein" erhebt sich natürlich die Frage, ob die schon so klare politische Orientierung, wie sie uns ausgangs der Revolution entgegengetreten war, mit dem Sieg der Reaktion und den immer stärker einsetzenden Unterdrückungsmaßnahmen nun nicht wieder verlorenging und ob die noch vorhandenen Organisationsbestrebungen der Arbeiter sich jetzt vorwiegend oder gar ausschließlich auf die Verfechtung der unmittelbarsten materiellen Interessen zurückzuziehen begannen. 18 Nun ist kein Zweifel, daß solche Tendenzen vorhanden waren und besonders unter politischideologisch noch rückständigen Arbeitern Boden finden konnten. Schon der Bericht Faaßens hatte eine merkwürdige Konsequenz, die in ihrer Bedeutung leider nicht ganz aufgehellt werden konnte. D i e Veröffentlichung des Berichtes in der „Verbrüderung" 19 veranlaßte nämlich den Vorstand des Nürnberger Vereins, in dem mit einem Male weder Faaßen noch Schulze wohl der wirkliche Urheber dieser Neugründung - vertreten waren, in einem Schreiben an das Leipziger Zentralkomitee vom 22. Oktober 1849 Einspruch zu erheben. 20 E r räumte zwar ein, daß der Bericht von Faaßen „der Wahrheit getreu" gewesen sei, aber er betonte, daß der Bericht keineswegs vom Vorstand 17 Auch dieser Passus wurde

in der

obenerwähnten Verbotsbegründung

der Sächsischen

Regierung wieder wörtlich angeführt. 18 Diese Auffassung wird in ganz extremer Weise von Koeppen vertreten, indem er sagt: „Da die politischen Bestrebungen zu keinem Ziele geführt hatten, wurde der Handwerker und Arbeiter ganz von selbst wieder auf das Gebiet der sozialen Forderungen zurückgedrängt. Diesem Umstände ist es zu danken, daß in den Jahren 1849 und 1850, als die politische Bewegung unter dem Drucke der erstarkenden Reaktion mehr und mehr rückläufig wurde, die soziale noch einmal in

der .Arbeiterverbrüderung'

einen

gewissen Höhepunkt erreichen konnte" (Koeppen, S. 75 f.). 19 Vgl. Anm. 14. 20 StA Dresden, Mdl, Nr. 11 0 2 6 a , Lage 60, fol. 6 f. - Als „Vorstand" unterzeichneten: I. Schmidt (Vorsitzender), J. Preiß (Schriftführer), I. Schick (Kassierer).

145

ausgegangen sei und daß er „keineswegs mit der Überschrift" einverstanden sein könne. Dieser Teil des Briefes läßt an sich durchaus noch die Interpretation zu, daß der Bericht von Faaßen den bayrischen Behörden Anlaß gegeben hatte, den Arbeiterverein aufs neue unter Druck zu setzen, so daß die Nürnberger es für zweckmäßig hielten, die politisch zu sehr belasteten Personen aus dem Vorstand verschwinden zu lassen und gleichzeitig wenigstens formell gegen den Bericht von Faaßen Einspruch zu erheben. Bei diesem Bericht konnte natürlich die Überschrift „Reorganisation des Nürnberger Arbeitervereins", die übrigens ja gar nicht von Faaßen, sondern von der Redaktion der „Verbrüderung" stammte» am ehesten geeignet sein, bei den Polizeibehörden Anstoß zu erregen, da hier eine ausgesprochene Mißachtung der angeordneten Auflösung zum Ausdruck kam. In seinem Schreiben, das er vielleicht gegebenenfalls den Behörden vorweisen wollte, hob der Vorstand dann auch hervor, daß der „neue Verein" durch mehrere Arbeiter „neu gegründet" worden sei. Aber offenkundig handelte es sich keineswegs bloß um die mehr formale Frage „Reorganisation" oder „Neugründung", eine Frage, die der Polizei gegenüber allerdings von erheblicher Bedeutung sein konnte, sondern es muß im Arbeiterverein auch grundsätzliche Auseinandersetzungen gegeben haben. In dem „Einspruch" des Vorstandes wird nämlich erklärt, die Arbeiter, von denen die Neugründung ausgegangen sei, hätten die Meinung gehegt, „daß Bildung es ist, was den Arbeitern hauptsächlich not tut, um die wirklichen Übel dieses Standes zu erkennen und zur Beseitigung derselben die rechten Mittel zu wählen". Außerdem, so wurde hinzugefügt, habe der neue Verein „die Unterstützung der Reisenden in seine Prinzipien verbunden". Mag auch bei diesen Äußerungen vielleicht das Bemühen, den Verein nach außen hin in einem möglichst harmlosen Lichte erscheinen zu lassen, eine gewisse Rolle gespielt haben, so zeugen sie im Grunde doch von einer recht starken Tendenz, aus dem Arbeiterverein einen bloßen Bildungs- und Unterstützungsverein, wie sein offizieller Titel ja auch lautete, zu machen. In dem Bericht Faaßens gibt es nun zu der Unterstützungsfrage einige interessante Bemerkungen. Er teilt mit, „einflußreiche Privatpersonen" hätten schon mehrfach den Versuch gemacht, die Unterstützungskasse in die Hände zu bekommen oder den Stadtbehörden zu übertragen, um dadurch der Vereinigung der Arbeiter entgegenzuwirken. Dem Einwand, d a ß es doch gar nicht so ungünstig sei, wenn die Behörden die Unterstützung übernähmen, hält Faaßen nun aber entgegen, daß gerade die Unterstützung ein Köder sei, „der die meisten Arbeiter zu den Vereinen locken wird". Die Unterstützung, die in Notfällen oder vor allem auch auf den Wanderungen der Gesellen eintrat, war also in den Augen von Faßen keineswegs Selbstzweck. W i e stark die unpolitischen Tendenzen und Kräfte im Nürnberger Arbeiterverein waren, läßt sich im einzelnen nicht feststellen, aber man kann sagen, daß sie nicht die Oberhand gewannen. D i e folgenden Ereignisse lassen deutlich erkennen, wie nach der Reorganisation des Bundes der Kommunisten die Bun146

desmitglieder in Nürnberg zielstrebig am Werke waren, die letzten legalen Möglichkeiten für ihre politische Aufklärungs- und Organisationsarbeit auszunutzen. Zwar hat Faaßen, soweit sich sehen läßt, nun weniger in offiziellen Funktionen des Arbeitervereins gewirkt, obwohl er zumindest zeitweise Ausschußmitglied war. Dafür war er aber um so energischer im Hintergrund tätig, während Schulze uns nun gleich wieder bei der Erfüllung eines wichtigen offiziellen Auftrages entgegentritt. Als zu Beginn des Jahres 1850, vom 20. bis 26. Februar, in Leipzig eine Generalversammlung der Arbeitervereine stattfand, 2 1 wie sie Faaßen übrigens bereits in seinem Briefe vom September vorgeschlagen hatte, d a wurden der Nürnberger Arbeiterverein und auch die Zweigvereine Fürth und Schwabach, mit denen besonders enge Verbindung bestand, durch August Schulze vertreten, der überdies inzwischen Vorsitzender des Nürnberger Vereins geworden war. 2 2 D e r Nürnberger Verein trat zugleich als Bezirksverein für Mittelfranken auf, was deutlich seine führende Stellung erkennen läßt. Schulze konnte über die Umorganisation des Arbeitervereins und seine weitere Entwicklung folgendes berichten: „Der jetzt in Nürnberg bestehende Bildungs- und Unterstützungsverein ward von dem Berichterstatter gegründet, nachdem der frühere Arbeiterverein wegen seiner politischen Tendenz aufgelöst war. Obgleich der Verein anfangs mit ungemeinen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, so wuchs die Zahl der Mitglieder dennoch täglich. Infolge eines Aufrufes traten mehrere Gewerbe bei, so daß er jetzt 500 Mitglieder zählt. Der Unterricht ist unentgeltlich, die ziemlich bedeutende Bibliothek aus eigenen Mitteln angeschafft. D i e äußere Tätigkeit des Vereins erstreckte sich auf die Gründung von Zweigvereinen, Fürth, Schwabach, Gmünd, sowie auf Errichtung von Wander- und Unterstützungskassen . . ," 2 3 Diese Darlegungen lassen den Nürnberger Verein noch als recht „unpolitisch" erscheinen, wobei man jedoch in Rechnung stellen sollte, daß das Protokoll über die Versammlung der Arbeitervereine in Leipzig mit Rücksicht auf etwaige polizistische Leser sicherlich vorsichtig abgefaßt war. Ein zutreffenderes Bild 21 D i e s e Versammlung war von der sogenannten Arbeiterverbrüderung, zu deren Führung Born jetzt schon nicht mehr gehörte, einberufen worden und diente vor allem der organisatorischen Festigung dieser Zusammenfassung von Arbeitervereinen. D e r

Charakter

der Arbeiterverbrüderung, der jedenfalls nicht ohne weiteres identisch ist mit dem Charakter der einzelnen Arbeitervereine, kann im vorliegenden Zusammenhang nicht untersucht werden. Vgl. auch Engelberg,

Ernst,

Deutschland von 1849 bis 1871. Lehrbuch

der deutschen Geschichte (Beiträge), 7, Berlin 1959, S. 12 f. 2 2 S t A Dresden, M d l , N r . 11 026 a, L a g e 1, fol. 27 ff., M a n d a t e . Außerdem unterrichtete Faaßen die Leipziger in einem besonderen Schreiben vom 1 1 . 2 . 1 8 5 0 , daß Schulze als Vorsitzender des Vereins Nürnberg selbst vertreten werde (ebenda, L a g e 60, fol. 2-2v). 23 E b e n d a , M d l , N r . 1 7 a , Regierungsrat E b e r h a r d t : Bemerkungen zu dem Inhalt mehrerer zu Würzen, Leipzig und Freiburg in Beschlag genommener Papiere der dortigen Arbeitervereine, 13. 5. 1850, eigenhändige Aufzeichnung (Auszüge aus dem Verhandlungsprotokoll der Generalversammlung).

147

gibt wohl eine Korrespondenz aus Bayern, die am 26. Februar 1850 in der von Hermann Becker herausgegebenen „Westdeutschen Zeitung" erschien und dann die Ehre hatte, noch im Kölner Kommunistenprozeß als Belastungsmaterial vom Staatsanwalt vorgebracht zu werden. E s heißt dort: „Überall im ganzen Lande, selbst bis in das kleinste Städtchen, tauchen Arbeitervereine auf. D i e Haltung derselben ist nicht kleinstädtisch servil, sondern durchaus revolutionär. Überall stehen die bewährtesten Vorkämpfer der Demokratie an der Spitze. Dabei besteht zwischen den einzelnen eine fest geordnete und gegliederte Organisation." 2 4 Wer waren nun diese „bewährtesten Vorkämpfer der Demokratie", die an der Spitze der Arbeitervereine standen? Vielleicht Führer der kleinbürgerlichen Demokratie? In Nürnberg jedenfalls nicht; dort waren es Mitglieder des Bundes der Kommunisten, die die wichtigsten Positionen in ihren Händen hatten. Als Ende März 1850 das Mitglied der Zentralbehörde, Heinrich Bauer, der übrigens aus Franken stammte, sich als Emissär auf seine so erfolgreiche Reise durch Deutschland begab, um den Bund zu reorganisieren, d a suchte er auch Nürnberg auf. 2;> D i e hier erzielten Resultate, über die im einzelnen leider keine Zeugnisse vorliegen, müssen recht günstig gewesen sein. E s verdient die Tatsache Beachtung, daß Engels im April 1850 in einem Brief an Weydemeyer darauf hinwies, daß die „Neue Rheinische Zeitung" während der Revolution in Franken und so besonders auch in Nürnberg eine gute Verbreitung gefunden hatte und daß daher zu erwarten sei, daß man hier bei Geldsammlungen für die politischen Flüchtlinge in London Erfolg haben werde. 2 6 Jedenfalls könnte Bauer in Nürnberg nicht nur verschiedene Bundesgemeinden organisieren, sondern sogar Nürnberg selbst zum leitenden Kreis von Bayern ernennen. 27 Vorsteher des Nürnberger Kreises wurde wohl schon damals der uns bereits bekannte August Schulze, der als Vorsitzender des Nürnberger Arbeitervereins über außerordentlich günstige Möglichkeiten verfügte, um für den Bund der Kommunisten zu wirken. Dabei konnten ihm auch jene Verbindungen des Arbeitervereins zustatten kommen, die weit über Nürnberg und die nächstgelegenen Städte hinausreichten. Wenn auch Schulze später die Hoffnungen, die der Bund in ihn setzte, nicht erfüllte, so verdient doch festgehalten zu werden, daß auch hier der Bund zunächst innerhalb des Arbeitervereins eine bedeutende Stellung erlangen konnte. Diese Stellung war sogar so fest, daß sie, wie sich bald herausstellen sollte, keineswegs von der Person Schutzes abhängig war. Auf jeden Fall

24 Zit. nach Bittel,

S. 2 5 7 f. V o n d e r großen A k t i v i t ä t g e r a d e d e s N ü r n b e r g e r

Arbeiter-

vereins im J a h r e 1 8 5 0 zeugt überdies auch die illegale V e r b r e i t u n g eines lithographierten A u f r u f s . V g l . hierzu Obermann, 2 5 Michailov,

S. 83 f.

S. 173.

2 6 Friedrich E n g e l s an J o s e p h W e y d e m e y e r , 2 5 . 4 . 1 8 5 0 , i n : M E W , B d . 2 7 , S. 5 3 0 . 27 Marx,

Karl/Engels,

Friedrich,

1 8 5 0 , e b e n d a , B d . 7, S . 3 1 0 .

148

A n s p r a c h e der Z e n t r a l b e h ö r d e an den B u n d v o m

Juni

konnte die Zentralbehörde in ihrer von Marx und Engels verfaßten Ansprache vom Juni 1850 berichten: „Die sächsischen, fränkischen, hessischen und nassauischen Arbeiter- und Tagelöhnervereine stehen . . . größtenteils unter Leitung des Bundes." 28 Die nächsten Daten über das Wirken der Nürnberger Kommunisten finden wir erst nach der Spaltung des Bundes, die Mitte September 1850 von der Willich-Schapper-Gruppe hervorgerufen worden war. D i e nach Köln verlegte Zentralbehörde ergriff sofort einige Maßnahmen, um die Reihen des Bundes in Deutschland zu festigen und dabei ein Übergreifen der parteifeindlichen Fraktionstätigkeit nach Deutschland zu verhindern. Zu diesem Zwecke wurde eine Reihe von Emissären in die verschiedenen Gebiete Deutschlands entsandt. 29 Hinsichtlich Frankens und insbesondere Nürnbergs konnte sich die Zentralbehörde dabei vor allem auf den Kreis Frankfurt stützen, dessen Vorsteher Joseph Weydemeyer war und dem ein so hervorragender und bewährter Funktionär wie der in Mainz tätige Friedrich Lessner zur Verfügung stand. Im Auftrage der „Frankfurter Genossen . . . , den Bund in Nürnberg zu reorganisieren", verließ Lessner, der sich im August längere Zeit in Köln, am Sitz der neuen Zentralbehörde, aufgehalten hatte, am 11. Oktober 1850 Mainz und traf am 16. Oktober in Nürnberg ein. 30 Dort fand offenkundig eine Beratung der Leiter einer Reihe von Arbeitervereinen statt, an der auch Lessner teilnahm. :tl Lessner selbst berichtet in seinen Erinnerungen von seiner Nürnberger Tätigkeit nur ganz lakonisch, daß ihm die Reorganisation des Bundes gelungen 28 Ebenda (Hervorhebung von mir - H. F.). 29 Vgl. Ansprache der Zentralbehörde an den Bund vom 1. 12. 1850, in: Wermuth/Stieber, Die Communisten-Verschwörungen des 19. Jh., T. 1, Berlin 1853, S. 287. 30 Lessner, Friedrich, Vor 1848 und nachher. Erinnerungen eines alten Kommunisten, in: Deutsche Worte, 18, Wien 1898, 2, S. 149. Die genauen Daten stellte die Polizei aus Lessners Wanderbuch fest. Vgl. Bittet, S. 91. 31 Im Kommunistenprozeß sagte der Mainzer Schneidermeister Weber, bei dem Lessner arbeitete, als Zeuge aus. Lessner habe sich bei der Rückkunft wegen der Überschreitung des erbetenen Urlaubs damit entschuldigt, „er sei in Nürnberg gewesen, wo eine Art Konzilium stattgefunden habe, indem daselbst die Präsidenten der verschiedenen Arbeitervereine zusammengekommen seien". Die demgegenüber von den Mitgesellen Lessners vorgebrachte Version ist dagegen völlig unwahrscheinlich und diente ganz offenkundig nur dem Zweck, Lessner zu entlasten. Vgl. Bittet, S. 133. Eine gewisse Bestätigung des Sachverhalts, wie er von Weber dargestellt wurde, ergäbe sich aus den späteren RöserAussagen von 1853/54, die allerdings eine Quelle von recht zweifelhafter Natur darstellen. Jedoch scheint es wohl im wesentlichen mit den Tatsachen übereinzustimmen, wenn Röser aussagt: „Weydemeyer habe erfahren, daß er" - d. h. Lessner - „zum Kongreß der Arbeiterverbrüderung nach Nürnberg gehen solle. Hieraus habe derselbe Veranlassung genommen, ihm den Auftrag zu geben, bei dieser Gelegenheit die Arbeiterverbrüderung zu überwachen und womöglich zu entschiedenerem Handeln vorwärtszudrängeo." - StA Potsdam, Rep. 30, Berlin C, Tit. 94, Lit. R, Nr. 208 b (Nr. 12 520), Verhörprotokoll, Aussagen r o n Röser, 14. 2 . 1 8 5 4 .

11

Hundt, Bund der Kommunisten

149

sei. 32 Einige Einblicke

in diese Missionsreise Leßners gibt auch ein

späterer

Brief von Hermann Becker. 3 3 Lange Zeit war

man ohne weiteres der Meinung, daß Leßner damit auch

ebenjener Emissär gewesen sei, von dessen Wirken in Nürnberg die DezemberAnsprache der Zentralbehörde berichtet. Demgegenüber haben aber Obermann und neuerdings wieder die sowjetische Historikerin Pospelowa die Meinung vertreten, dieser Emissär sei nicht Lessner, sondern Weydemeyer gewesen, der also noch nach Leßner Nürnberg selbst aufgesucht hätte. 3 4 Diese Autoren

stützen

sich dabei einzig auf die späten Röser-Aussagen, die aber gerade in dieser Frage recht unsicher sind, 35 so daß uns ein endgültiges Urteil noch nicht möglich scheint. W i e dem auch sei, auf jeden Fall war das Bild, das sich dem Bundesemissär in Nürnberg im Herbst 1 8 5 0 bot, wenig erfreulich. Verbindungen mit den Gemeinden, die zum Kreis Nürnberg gehörten, waren abgerissen. V o r allem aber zeigte sich, daß Schulze den Aufgaben eines Bundesmitgliedes, geschweige denn eines leitenden Funktionärs, doch nicht gewachsen war,

so daß er

aus dem

Bunde ausgeschlossen werden mußte. 3 6 D e r Emissär gründete nun aus den zuverlässigsten Kommunisten eine neue Gemeinde von sechs Mitgliedern. Dieses insgesamt so ungünstige Ergebnis bewog dann die Zentralbehörde, die noch in Süddeutschland bestehenden Gemeinden bis auf weiteres dem Kreise Frankfurt anzuschließen. 37 So ungünstig dies Bild auch ist, das die Zentralbehörde in ihrer Dezember32 Leßner, S. 149. 33 Dieser Brief (an Kattner, 1855) ist uns in langen Auszügen überliefert durch Hackenberg, Karl E., Der rote Becker. Ein deutsches Lebensbild aus dem neunzehnten Jahrhundert, Leipzig o. J. (1899). - Die hier in Frage kommende Stelle lautet: „Im September 1850 wurde die kommunistische Zentralbehörde in Köln gebildet. Um Anerkennung bei den Gemeinden zu finden, sandte sie, da Willichs Partei konkurrierte, sofort einen Emissär aus, der aber nur bis Mainz ging und von hier aus einen dortigen Handwerker zu demselben Zwecke nach Franken schickte. Der letztere wurde ermittelt, der erstere nicht." Ebenda, S. 124. 34 Obermann, S. 42 f. Ihm folgt auch Michailov, S. 273. - Pospelova, V., Iosif Vejdemejer, in: Marks i Engel's i pervye proletarski revoljucionery, Moskva 1961, S. 266. 35 In der Aussage vom 14. 2. 1854 räumt Röser ein, daß seine Aussagen über Leßner bei den vorangegangenen Verhören nicht wahrheitsgemäß waren, da er ein neues Verfahren gegen Lessner befürchtet habe. Es wäre also möglich, daß er Weydemeyer, der bereits Deutschland verlassen hatte, zugunsten Leßners, der sich noch in Festungshaft befand, belastet hat, und zwar noch in seiner Aussage vom 14. 2., in der er allerdings erklärte, er wolle nun seine Zurückhaltung hinsichtlich Leßners fallenlassen. 36 Der Dezember-Ansprache der Zentralbehörde zufolge schritt man vor allem deswegen zum Ausschluß von Schulze, weil dieser es nicht für notwendig gehalten hatte, an einer wichtigen Beratung der Nürnberger Kreisbehörde teilzunehmen und statt dessen zu einer Versammlung der sogenannten Freien Gemeinde gegangen war. Ansprache der Zentralbehörde an den Bund vom 1. 12. 1850, in: Wermuth/Stieber. 37 Ebenda, S. 287. 150

Ansprache von dem Zustande des Bundes - und nicht nur in Nürnberg - entwarf, so kann man doch nicht der Schlußfolgerung von Michailov zustimmen, der der Meinung ist, daß der Bund im Schweriner, Breslauer und Nürnberger Kreis aufgehört habe zu bestehen. D e r Reorganisation der Nürnberger Gemeinde mißt er deswegen keine Bedeutung bei, weil ein von dieser Gemeinde zu erstattender Bericht bei Abfassung der Ansprache vom 1. Dezember noch nicht bei der Zentralbehörde in Köln eingetroffen war. 3 8 Soweit einige, allerdings recht fragmentarische Überlieferungen aus den staatlichen Akten erkennen lassen, scheint vielmehr mit E n d e des Jahres 1850 oder zu Beginn des Jahres 1851 noch einmal ein neuer Aufschwung in der Arbeit des Bundes stattgefunden zu haben, was sich am Beispiel Nürnbergs jedenfalls recht deutlich nachweisen läßt. Als nach der Verhaftung Nothjungs im Mai 1851 die Polizei allen Spuren nachging, die vom Bund der Kommunisten ausgingen oder zu ihm hinführten, deckte sie auch einige Verbindungen zwischen Leipzig und Nürnberg auf, wobei es sich offenkundig nicht nur um Verbindungen zwischen den betreffenden Arbeitervereinen, sondern auch um Verbindungen zwischen den Bundesmitgliedern, die in diesen Arbeitervereinen wirkten, handelte. Bei der Zufälligkeit der Umstände, die das verschiedenartigste Material, das heute dem Historiker zur Verfügung steht, vor nun über hundert Jahren in die Hände der Polizei geraten ließ, ist es allerdings mitunter geradezu unmöglich zu entscheiden, wer von den uns entgegentretenden Funktionären der Arbeitervereine wirklich dem Bund der Kommunisten angehörte, wer nur in loser Verbindung zu ihm stand und wer schließlich als Verfechter kleinbürgerlicher Auffassungen einem Fortschritt der Arbeiterbewegung direkt entgegenwirkte. D a s öffentliche Auftreten und erst recht die Aussagen vor der Polizei geben kein sicheres Kriterium, da hier naturgemäß das Bestreben vorherrschte, das eigene Wirken möglichst harmlos erscheinen zu lassen. Selbst bei internen Briefen bedienten sich die Schreiber häufig einer tarnenden Ausdrucksweise. Zunächst zeugen die Dokumente auf jeden Fall von einer noch recht starken Aktivität in den Arbeitervereinen, die zunächst - vor allem angesichts der immer drückender werdenden Reaktionswelle - unbedingt positiv einzuschätzen ist, so kritisch man auch den hier mitwirkenden ökonomistischen Tendenzen gegenüberstehen muß. So berichtet der Buchdrucker Gangloff, der die Leitung der verbotenen Arbeiterverbrüderung fortzuführen suchte, in einem Brief vom November 1850, daß er in Nürnberg gewesen sei und dort gefunden habe, daß „Bayern vielleicht jetzt schon ebenso gut steht wie Thüringen und die Anhaltischen Länder". 3 9 Noch am 11. Mai 1851 schrieb er, daß die Korrespondenzver3 8 Michailov,

S. 2 7 3 .

3 9 StA Potsdam, Rep. 3 0 , Berlin C, Tit. 9 4 , Lit. G, N r . 1 8 6 ( N r . 1 0 0 8 1 ) , Gangloff an Kollbeck, 2 5 . 11. 1 8 5 0 , Abschrift. -

In diesem Aktenband finden sich auch sonst noch

Angaben über den Verkehr zwischen Gangloff und Funktionären des Nürnberger Arbeitervereins, die ihrerseits auch zu Aussprachen nach Leipzig kamen. Schulze stammte übrigens selbst aus Leipzig. Ii'

151

bindung mit Nürnberg andauere. 40 Nun war Gangloff selbst alles andere als ein politisch-ideologisch klarer Kopf/ 11 aber auch er stand in recht enger Verbindung zum Bund der Kommunisten, war vielleicht sogar zeitweise Mitglied/' 2 D i e hauptsächliche Verbindung zwischen Leipzig und Nürnberg wurde jedoch einerseits von Faaßen und andererseits von Herzog aufrechterhalten. Herzog war, soweit sich sehen läßt, ein klarerer Kopf als Gangloff; er betätigte sich allerdings - zumindest nach außen - weniger auf politischem als auf gewerkschaftlichem Gebiet. E r spielte eine führende Rolle im Verband der Zigarrenarbeiter. Im Februar 1850 war er zum Vorsitzenden des Leipziger Bezirkskomitees und damit zum Mitglied des zentralen Verwaltungsausschusses der Arbeiterverbrüderung gewählt worden/*3 Schließlich war Herzog auch dadurch hervorgetreten, daß er E n d e 1849 eine sogenannte Vereins-Cigarrenfabrik, ein genossenschaftliches Unternehmen, gegründet hatte, und insoweit gehörte er zu jenen Vertretern der frühen Arbeiterbewegung, die glaubten, mit rein ökonomischen Kooperationsmaßnahmen die kapitalistische Ausbeutung überwinden zu können. Aber gerade bei Herzog darf man nicht übersehen, daß er durch seine Funktion im Zigarrenarbeiterverband von vornherein zu Röser, seit Herbst 1850 Mitglied der Zentralbehörde des Bundes der Kommunisten, in nahen Beziehungen stand, denn Röser spielte in der „Zigarren-Arbeiter-Assoziation" eine hervorragende Rolle/1'1 Soweit sich den Akten der Untersuchungsbehörden entnehmen läßt, waren der Polizei im Mai 1851 neun Briefe, die zwischen Leipzig und Nürnberg gewechselt worden waren, in die Hände gefallen, darunter sieben Briefe von Faaßen an Herzog. 45 Diese Briefe behandelten vor allem Arbeitervereinsangelegenheiten und hatten einen halbkonspirativen Charakter. 46 Es ist z. B . auffällig, daß Faaßen 4 0 Ebenda, Gangloff an Schwenniger, 11. 5. 1 8 5 1 , Abschrift. 41 Vgl. das Urteil von Mehring über den von Gangloff herausgegebenen Prometheus, als Nachfolgeorgan

der Verbrüderung

nur kurze Zeit

trotz seiner schwächlichen und unklaren Haltung Franz,

sein Leben

fristen konnte

bald unterdrückt wurde.

-

der und

Mehring,

Geschichte der deutschen Sozialdemokratie, Bd. 1, Berlin 1 9 6 0 , S. 5 4 0 f.

4 2 Vgl. die Briefauszüge bei Bittel, 4 3 Erkenntnis

des Königlichen

S. 8 2 .

sächsischen

Appellationsgerichts

zu Leipzig

in der wider den

dasigen Schriftsetzer Karl August Gangloff und Genossen . . . geführten

Kriminalunter-

suchung, Dresden 1 8 5 3 , S. 3 6 (StA Potsdam). 4 4 Im August 1 8 5 0 hatte Röser auf der Generalversammlung der Zigarrenarbeiter in Hamburg, an der auch Herzog teilgenommen hatte, präsidiert. 4 5 Erkenntnis

des Königlichen

sächsischen

Appellationsgerichts,

Vgl. Bittel,

S. 1 3 0 .

S. 3 8 . - E s handelte sich fer-

ner um einen Brief von August Schulze an Herzog und einen Brief von Herzog an Schulze. 4 6 Daher bleibt für den Historiker manche Andeutung unauflösbar. Auch die Tatsache, daß zur Ostermesse 1 8 5 1 der Nürnberger Feilenhauer Burckhardt

im Auftrage von F a a ß e n

die beachtliche Summe von 3 5 Talern in Leipzig an Herzog zahlte, muß in ihrer Bedeutung wohl unaufgeklärt bleiben. E s scheint sich doch um eine bloße Ausrede gehandelt zu haben, wenn die Verhafteten erklärten, es habe sich nur um eine Bezahlung

für

gelieferte Zigarren gehandelt. StA Potsdam, Rep. 3 0 , Berlin C, Tit. 9 4 , Lit. G, N r . 1 8 6 (Nr. 1 0 0 8 1 ) , „nachrichtliche" Mitteilung, Leipzig 14. 7. 1 8 5 1 , Abschrift.

152

zweimal darum bat, die Adresse von Schulze, der mehr am Rande der illegalen Verbindung stand, zu benutzen. D a ß es sich hier nun aber nicht bloß um Verbindungen zwischen den Arbeitervereinen handelte, sondern daß hier der Bund der Kommunisten innerhalb der Arbeitervereine zielstrebig fortwirkte und dabei vor allem die Ideen des Marxismus zu verbreiten suchte, das zeigen einige weitere der beschlagnahmten Dokumente. Bei der Verhaftung des Schneidergesellen Nothjung, der sich im Auftrage der Zentralbehörde des Bundes als Emissär nach Leipzig begeben hatte, fiel der Polizei auch die Adresse des Vorstehers des Nürnberger Arbeitervereins, d. h. die Adresse von August Schulze, in die Hände. 4 7 D i e nun in Bewegung gesetzten bayrischen Polizeibehörden führten sofort bei Schulze eine Haussuchung durch. Diese brachte das überraschende Ergebnis, daß Schulze auch nach seinem Ausschluß wenigstens immer noch bei der Verbreitung von Schriften des Bundes der Kommunisten mitwirkte. Man fand nämlich bei ihm ein Paket mit 17 Schriften, das die Aufschrift trug „Schulze für die Schneider". 4 8 Neben einigen Flugschriften allgemein-demokratischen Charakters - so auch Mazzinis - befanden sich darunter neun Exemplare des „Manifestes der Kommunistischen Partei" und vier Exemplare des sogenannten Blanqui-Trinkspruchs. Die Polizei konnte feststellen, daß dieses Material bei Schulze von Faaßen abgegeben worden war. Bei der nun folgenden Haussuchung bei Faaßen, der ebenso wie Schulze verhaftet wurde, fielen der Polizei zwei weitere Pakete in die Hände, von denen das eine die Aufschrift „Erlangen", das andere die Aufschrift „Fürth" trug. In beiden Fällen handelte es sich wieder um eine Kollektion von Druckschriften ähnlich der, wie sie bei Schulze beschlagnahmt worden war. Und in beiden Fällen befanden sich sechs Exemplare des „Manifestes der Kommunistischen Partei" darunter, während allerdings der Blanqui-Trinkspruch fehlte/' 9 Wie die Weitergabe des Paketes an Schulze beweist, hatte Faaßen bereits mit der Verteilung des Materials begonnen, und so kann man mit Sicherheit annehmen, daß er auch sonst schon Pakete weitervermittelt hatte, sei es nach anderen Orten, sei es in Nürnberg selbst. Besonders in Nürnberg werden schon weitere Pakete untergebracht worden sein, denn das Paket bei Schulze war ja nur allein für die Schneider bestimmt und enthielt auch fast nur halb soviel Druckschriften wie das für Erlangen bestimmte Paket. Man darf ohne weiteres davon ausgehen, 47 E b e n d a , R e p . 3 0 , Berlin C, T i t . 94, L i t . N , N r . 61,

B d . 1 ( N r . 11 9 5 0 ) , V e r z e i c h n i s

der

unter den N o t h j u n g s c h e n P a p i e r e n a u f g e f u n d e n e n A d r e s s e n . 48 Nach Aktuar

d e r in A n m . 4 6 a n g e f ü h r t e n „nachrichtlichen" der

mengestellt

Leipziger Untersuchungsbehörden worden.

Die

folgenden

Quellenhinweise angegeben

werden

Angaben -

auf

Mitteilung. D i e s e war von

auf G r u n d von N ü r n b e r g e r A k t e n im T e x t

beruhen

dieser M i t t e i l u n g , auf

-

soweit die dann

nicht nicht

einem zusamandere mehr

besonders verwiesen wird. 4 9 E i n e G e s a m t a u f s t e l l u n g ergibt f o l g e n d e s B i l d :

153

daß beim wirklichen Verteilerschlüssel auf Nürnberg ein erheblich größerer Anteil entfiel als auf Erlangen; wenn auf dieses doch recht stille Städtchen allein 31 Exemplare entfielen, so werden es bei Nürnberg vielleicht doppelt oder dreimal soviel gewesen sein. Diese Tatbestände - selbst in dem fragmentarischen Zustande, wie sie in Nürnberg von der Polizei aufgedeckt worden waren - lassen es zur Gewißheit werden, daß es sich bei Faaßen um ein sehr aktives Mitglied des Bundes der Kommunisten gehandelt hat; vielleicht ist er sogar der Leiter der Nürnberger Gemeinde gewesen, der nach der Reorganisation an die Stelle von Schulze getreten war. Und wenn man erwägt, in welcher Weise Nürnberg hier als Zentrum für die Verbreitung von Propagandamaterial des Bundes der Kommunisten diente, dann drängt sich sogar der Schluß auf, daß die Nürnberger Gemeinde - oder sogar Gemeinden - wieder die Funktion eines Kreises ausübte. Auch das Verhalten von Faaßen vor der Polizei läßt erkennen, daß es sich hier um einen erprobten Revolutionär handelte. Auf alle Fragen nach der Herkunft des Materials gab er völlig irreführende Antworten; es gelang der Polizei nicht, die hier aufgefundene Spur weiterzuverfolgen. Eine Analyse der in Nürnberg beschlagnahmten Schriften erlaubt einige Rückschlüsse auf den politisch-ideologischen Inhalt der Propagandatätigkeit der Nürnberger Kommunisten. Von den insgesamt 59 beschlagnahmten Broschüren hatten 35, d. h. etwas über die Hälfte, allgemein-demokratischen Charakter. Dazu gehören auch die sechs Exemplare einer Verteidigungsrede, die das Bundesmitglied Hermann Becker im Oktober 1850 gehalten hatte, als er wegen eines Aufsatzes in der von ihm herausgegebenen „Westdeutschen Zeitung" angeklagt worden war. 50 Auffallen muß nun aber, daß in so erheblichem Maße auch Mazzinische Schriften noch zu einer Zeit verbreitet wurden, als Marx und Engels sich Manifest der Kommunistischen Partei Blanqui-Trinkspruch Hermann Becker: Monarchie oder Republik in Deutschland Thomas Paine: Rechte des Menschen. Im Auszuge Hassenpflug als Minister einer der besten und ehrenhaftesten, oder Sachsen und Hessen Ledru-Rollin: Der 13. Juni Adresse des römischen Volkes an Papst Pius IX. Mazzini: Republik und Königtum in Italien

Schulze Erlangen Fürth Zusammen 21 6 6 9 4 4 -

6

-

1

-

1

7

-

6 2

1 2

12

3

7 1 1 17

17

31

11

59

-

-

1

-

-

50 Becker, Hermann, Monarchie oder Republik in Deutschland. Anklageakt und Verteidigungsrede von Dr. Hermann Becker vor dem Geschworenengerächte zu Köln am 25. Oktober 1850, 8. Aufl., Köln 1851. - In dieser Rede griff Becker in scharfer Weise den reaktionären preußischen Staat, aber auch das feige Verhalten der liberalen Bourgeoisie an. Bemerkenswert ist die Stelle, wo er von jenen „Lokomotiven der Geschichte, wie Marx die Revolution nennt", spricht (ebenda, S. 24).

154

schon zu einer scharfen Kritik der politisch-ideologischen Position Mazzinis veranlaßt sahen. Zunächst sei bemerkt, daß es sich bei der in Nürnberg verbreiteten Schrift nicht um einen neueren Aufruf rein politischen Charakters handelte, sondern um eine mehr historisch-politische Darstellung der italienischen Erhebung. 51 Zur Einschätzung Mazzinis überhaupt wird man ausgehen müssen von seinem Wirken in Italien und seiner Bedeutung für den italienischen Befreiungskampf, wobei die positiven Momente ohne weiteres vorherrschen. Eine große Bedeutung kommt in dieser Beziehung vor allem der Tatsache zu, daß in Italien damals noch kaum ein modernes Proletariat existierte und daß daher die nationale und demokratische Bewegung noch ausschließlich in den Händen bürgerlicher oder kleinbürgerlicher Kräfte liegen mußte. Unter diesen nahm der Revolutionär Mazzini einen hervorragenden Platz ein. Mazzini spielte nun aber auch in der internationalen demokratischen Bewegung eine nicht unerhebliche Rolle, und gerade 1850 wirkte er in London als einer der hauptsächlichsten Organisatoren des sogenannten Zentralkomitees der Europäischen Demokratie. Gegenüber diesem Zentralkomitee jedoch verhielten sich Marx und Engels wie gegenüber allen Versuchen der kleinbürgerlichen Demokraten, sich die proletarische Bewegung unterzuordnen, schroff ablehnend, und sie dehnten in dieser Frage ihre Ablehnung auch ohne weiteres auf Mazzini aus. 52 Auch wenn die in Nürnberg verbreiteten Mazzini-Schriften mit dem Wirken Mazzinis in jenem „Zentralkomitee" in keinerlei Zusammenhang standen, konnte diese Verbreitung durch Mitglieder des Bundes der Kommunisten in den Reihen der Arbeiter doch Unklarheiten hervorrufen. Denn die notwendige, in der Märzansprache der Zentralbehörde so unzweideutig ausgesprochene Direktive von Marx und Engels war darauf gerichtet, daß sich die entstehende Arbeiterpartei klar und entschieden von der kleinbürgerlich-demokratischen Bewegung trennte, wirklich selbständig wurde. Die Verbreitung solcher kleinbürgerlich-demokratischer Schriften durch Bun51 Mazzini, Joseph (Giuseppe), Republik und Königtum in Italiea, Köln 1851. In diesem Zusammenhang sei gleich die in Nürnberg ebenfalls vertriebene anonyme Schrift Adresse des römischen Volkes an Papst Pius IX., Köln 1851, mitgenannt. In einer Vorbemerkung wird erklärt, daß Mazzini als ihr Verfasser gelte, eine Überprüfung war im vorliegenden Zusammenhang nicht möglich. 52 So übten Karl Marx und Friedrich Engels bereits Anfang November 1850 in der „Neuen Rheinischen Zeitung. Politisch-ökonomische Revue" eine entscheidende Kritik an den gesamteuropäischen Organisationsversuchen Mazzinis, wobei sie seine Bedeutung für Italien anerkannten. - MEW, Bd. 7, S. 459 ff., insbes. S. 463: „Wenn das Symbolum Mazzinis: Gott und das Volk, Dio e Popolo, in Italien einen Sinn haben mag, wo man Gott dem Papst und das Volk den Fürsten gegenüberstellt, so ist es doch etwas stark, wenn man dies Plagiat von Johannes Ronge . . . als das Wort hinstellt, das das Rätsel des Jahrhunderts lösen soll." Zu Mazzini vgl. vor allem auch das Vorwort des italienischen marxistischen Historikers Ernesto Ragionieri zu Marx, Karl/Engels, Friedrich, Sul Risorgimento italiano, o. O. 1959, S. 24 f.

155

desmitglieder

wird man in erster L i n i e auf das K o n t o von H e r m a n n

setzen müssen, d e r sie und a n d e r e ähnliche Publikationen in K ö l n

Becker

herausgab.53

B e c k e r w a r sich dabei durchaus nicht im unklaren über den G e g e n s a t z zwischen M a r x und Mazzini, den er in seiner Verteidigungsrede im

Kommunistenprozeß

als „ G e g n e r d e r K o m m u n i s t e n " bezeichnete. 5 4 A b e r ganz offenkundig unterschied B e c k e r nicht klar zwischen seinen Interessen als d e m o k r a t i s c h e r V e r l e g e r , unter den d a m a l i g e n Bedingungen

sein

der

V e r l a g s p r o g r a m m freilich nicht i m m e r

ganz nach Belieben gestalten konnte, und

seinen Pflichten als

und w a r vielmehr bestrebt, den B u n d in den V e r t r i e b auch

Bundesmitglied

derjenigen

seiner

Schriften einzuspannen, die d e r politischen L i n i e des B u n d e s w i d e r s p r a c h e n . 5 5 Unter

solchen U m s t ä n d e n

kann

N ü r n b e r g von den K o m m u n i s t e n

die

etwas bunte Z u s a m m e n s e t z u n g

vertriebenen

M a t e r i a l s , das ja

zum

des

in

größten

53 In den Anzeigen zu dem hier benutzten Exemplar der Beckerschen Schrift „Monarchie oder Republik" finden sich folgende Schriften angegeben: Mazzint, Republik und Königtum. - Ledru-Rollin, Der 13. Juni (auch diese Schrift war in Nürnberg verbreitet worden). - Villegardelle, Versöhnung der Interessen in der Assoziation, mit Anwendung auf die Bedürfnisse des Gemeindelebens. - Adresse des römischen Volkes an Papst Pius IX. - Victor Hugo über Preßfreiheit. - Gottfried Kinkels Rede, gehalten vor den Geschworenen zu Köln am Rhein am 2. Mai 1850 (über diese Rede vgl. Anm. 50). In diesem eklektischen Verlagsprogramm fallen jedoch zwei Titel besonders heraus, die doch zu einem günstigeren Urteil Anlaß geben: Zwei politische Prozesse (gegen Karl Marx, Friedrich Engels, Schneider II, Schapper usw.). Verhandelt vor der Februar-Assise 1849 zu Köln. 1. der erste Preßprozeß der „Neuen Rheinischen Zeitung", 2. Prozeß des Kreisausschusses der rheinischen Demokraten. NRhZ, Nr. 301. Die letzte, rotgedruckte Nummer. 54 Bittel, S. 224. 55 So forderte Becker am 23. 12. 1850 in einem Brief Nothjung auf, er solle mit anderen Bundesmitgliedern in den Berliner Buchhandlungen sich nach den Beckerschen Schriften erkundigen, um durch eine solche künstliche Nachfrage die Buchhändler zum Vertrieb dieser Schriften zu bewegen. Wie sehr Becker bereit war, die Interessen des Bundes hintenanzusetzen, zeigt die Tatsache, daß er ausdrücklich darum bat, Nothjung solle auch „mit vielem Interesse nach der sehr berühmten Rede von Kinkel (von der ich noch ganze Ballen habe)" fragen. Wermuthl Stieber, T . 1, S. 105 f. Nun handelte es sich dabei zwar nicht um jene Kinkelsche Verteidigungsrede, die Marx und Engels im April-Heft der NRhZ. Revue einer vernichtenden Kritik unterzogen hatten {Marx, Karl/Engels, Friedrich, Gottfried Kinkel, in: MEW, Bd. 7, S. 299 ff.), sondern um eine erst im Mai 1850 in Köln gehaltene Rede in einem zweiten Gerichtsverfahren (vgl. oben, Anm. 5 3 ) ; gleichwohl aber widersprach die Verbreitung einer solchen Schrift direkt der politischen Linie des Bundes der Kommunisten. Dieses Verhalten von Becker wurde von Freiligrath in einem Briefe kritisiert, den er am 6. 5. 1850 an Marx sandte und in dem er über den zweiten Prozeß Kinkels berichtete. Dessen Los, so erklärte er, verdiene wohl Teilnahme, aber „keinen Kultus, wie EhrenStrodtmann ihn zu etablieren versucht und vom roten Becker redlich dabei unterstützt wird". - Abgedr. bei Mehring, Franz, Freiligrath und Marx in ihrem Briefwechsel, in: Derselbe, Gesammelte Schriften, Bd. 10, Berlin 1961, S. 546. 156

Teil - vielleicht vollständig - aus Köln geliefert wurde, nicht weiter verwundern. Engelberg charakterisiert die Verhältnisse, wie sie im Jahre 1850 in den deutschen Bundesgemeinden herrschten, treffend mit den Worten : „Der Einfluß des Bundes der Kommunisten vollzog sich unter den schwierigen Verhältnissen der Illegalität, der eigenen Unsicherheit vieler Mitglieder des Bundes, des bald einsetzenden Fraktionskampfes, des wirren Durcheinanders radikaler Flugschriften der verschiedenen Gruppen, vielfach nicht direkt und vor allem nicht ohne verfälschende Einwirkung klassenfremder Elemente." 56 D a ß aber unter den Nürnberger Kommunisten schon ein recht hoher Grad an Klarheit in wichtigen politischen Grundfragen erreicht war, zeigt die Verbreitung des sogenannten Blanqui-Toastes, 57 in dem das verhängnisvolle Wirken solcher Führer der kleinbürgerlich-demokratischen Bewegung wie Louis Blanc, Ledru-Rollin und anderer, die auch unter den Arbeitern noch Ansehen genossen, angeprangert wurde. Besondere Bedeutung kam diesem Toast dadurch zu, daß die Jahresfeier, die in London am 24. Februar 1851 von Flüchtlingen zur Erinnerung an die Februarrevolution veranstaltet worden war und die die Veranlassung zur Übersendung des Blanqui-Toastes gebildet hatte, von der WillichSchapper-Gruppe gemeinsam mit solchen von Blanqui angegriffenen Führern der kleinbürgerlichen Demokratie wie Louis Blanc organisiert worden war. 58 Marx und Engels veranlaßten die Übersetzung des Blanqui-Toastes und seine Verbreitung in England und Deutschland in 30 000 Exemplaren. 59 Dabei versahen sie den Text von Blanqui mit einer kurzen Vorrede, in der sie lobend hervorhoben, daß es der Willich-Schapper-Gruppe trotz aller Bemühungen nicht gelungen war, aus Deutschland für jene Jahresfeier eine Zuschrift zu erhalten. Vor allem aber kritisierten sie Willich und Schapper in so scharfen Worten, 60 daß die Verbreitung des Blanqui-Toastes einer eindeutigen Stellungnahme gegen 56 Engelberg, 57 Trinkspruch,

Ernst, Deutschland von 1849 bis 1871, S. 15 f. gesandt durch den Bürger L. A . Blanqui an die Kommission der Flücht-

linge in London für die Jahresfeier des 24. Februar 1851. Veröffentlicht durch die Freunde der Gleichheit, Bern 1851. 58 Vgl. Michailov,

S. 2 0 6 - 2 1 0 . -

Engels-Briefwechsel: Marx,

Besonders aufschlußreich ist in diesem Falle der Marx-

Karl/Engels,

Friedrich,

S. 174 f., insbes. S. 182 ff. - Vgl. ferner dieselben, M E W , Bd. 8, S. 301 ff. ; dieselben,

Briefwechsel, Bd.

1, Berlin

1949,

D i e großen Männer des Exils, in:

Der Ritter vom edelmütigen Bewußtsein,

ebenda,

Bd. 9, S. 515 f. 59 Friedrich Engels an Ernst Dronke, 9. 7. 1851, ebenda, Bd. 27, S. 561. 60 Marx,

Karl/Engels,

Friedrich,

Vorbemerkung

(zur deutschen Übersetzung des Toastes

von Blanqui), ebenda, Bd. 7, S. 568. E s heißt dort einleitend: „Einige elende Betrüger des Volkes, das sogenannte Zentralkomitee der europäischen Sozialdemokraten, in Wahrheit ein Komitee des europäischen

Zentralmobs,

unter Vorstand

der Herrn

Willich,

Schapper usw., feierten in London den Jahrestag der Februarrevolution." D a ß Schapper nur vorübergehend an einer solchen parteifeindlichen Tätigkeit Anteil hatte und sich sonst als aufrechter Revolutionär und treuer Anhänger von Marx und Engels vielfach bewährte, kann im vorliegenden Zusammenhang nur am Rande vermerkt werden.

157

die parteifeindliche Willich-Schapper-Gruppe und gegen ihre kleinbürgerlichpseudorevolutionäre Position gleichkam. E s spricht für die Geschlossenheit des Bundes der Kommunisten in Deutschland, daß seine Mitglieder den Toast mit dem Vorspruch von Marx allerwärts verbreiteten, wofür hier nur zwei Beispiele angeführt werden sollen. So hat Nothjung dieses Pamphlet in Berlin weitergegeben und es unter anderem auch in der Werkstätte, in der er arbeitete, seinen Kollegen vorgelesen. 6 1 Lessner verbreitete den Trinkspruch, den er - seiner Aussage vor der Polizei zufolge aus Köln erhalten hatte, von Mainz aus weiter, 62 und es ist gut möglich, daß dieses Material von hier aus nach Nürnberg kam. Auf jeden Fall haben die Nürnberger Kommunisten und ganz besonders ihr Führer Faaßen mit der Verbreitung des Blanqui-Toastes ein weiteres Beispiel dafür gegeben, daß der Bund in Deutschland fest zu Marx und Engels stand. Welch große Anstrengungen der Bund der Kommunisten in Deutschland und so auch in Nürnberg darauf verwandte, die Ideen von Marx und Engels den deutschen Arbeitern nahezubringen, davon zeugt vor allem aber der hohe Anteil, den das Kommunistische Manifest unter den in Nürnberg beschlagnahmten Schriften einnahm; er betrug mit 21 Exemplaren über ein Drittel. 6 3 Dieser Verbreitung des „Manifestes der Kommunistischen Partei" im Frühjahr 1851 seien noch einige Bemerkungen gewidmet, denn es scheint doch, daß diese politischideologische Aufklärungstätigkeit des Bundes der Kommunisten auch sonst noch nicht die gebührende Beachtung gefunden hat. Was zunächst den Zeitpunkt der Verbreitung des Manifestes in Nürnberg anlangt, so ist insofern eine recht genaue Datierung möglich, als diese Exemplare mit dem Blanqui-Toast zusammen verpackt waren. Der Blanqui-Toast kann wiederum nicht vor Mitte März 1851 verbreitet worden sein; wahrscheinlich ist

6 1 V g l . Bittet,

S. 1 1 4 .

6 2 I M L Berlin, Z P A , Anklageschrift gegen R ö s e r , Bürgers, N o t h j u n g (und a n d e r e ) , S. 37 (Fotokopie). E s scheint überhaupt, d a ß d e r B l a n q u i - T o a s t in D e u t s c h l a n d ungeachtet seines vermerks

„Bern

1851",

der

übrigens

fingiert

sein

könnte,

von

Köln

aus

Druck-

verbreitet

w u r d e . W i e aus einem Schreiben von Wilhelm Pieper und M a r x an E n g e l s v o m 2 2 . 3. 1851

(Marx/Engels,

Briefwechsel,

B d . 1,

S. 2 1 3 )

hervorgeht,

erhielten

sogar

Marx

und E n g e l s d i e deutschsprachigen E x e m p l a r e a u s K ö l n . D i e B e m e r k u n g , d a ß d i e K ö l n e r den

Blanqui-Toast

„elender W e i s e aus M a r x '

wieder

in B ü r g e r s '

Deutsch"

übersetzt

hätten, läßt s o g a r d a r a u f schließen, d a ß auch V e r l a g und D r u c k l e g u n g von K ö l n aus

-

wahrscheinlich durch Bürgers und B e c k e r - besorgt sind. 63 D i e s e außerordentlich starke Verbreitung des Kommunistischen M a n i f e s t e s war auch d e m eingangs erwähnten bürgerlichen Historiker Werner K o e p p e n aus den bayrischen A k t e n bekannt. Bezeichnenderweise tat er dies mit dem

einzigen lakonischen

Satz a b :

„Bei

Schulze und d e m A r b e i t e r G u s t a v F a a ß e n in N ü r n b e r g f a n d man eine M e n g e sozialistischer Schriften, darunter auch mehrere E x e m p l a r e des d a m a l s in D e u t s c h l a n d noch ziemlich seltenen .Kommunistischen M a n i f e s t e s ' . " ( K o e p p e n , S. 8 6 ) .

158

dies erst Ende März/Anfang April geschehen. 04 Mit den Haussuchungen in Nürnberg vom 26. Mai ist ein Anhalt für den spätesten Termin gegeben. Schon die große Zahl der verbreiteten Exemplare gibt A n l a ß zu der Vermutung, daß in den Monaten unmittelbar vor der Verhaftung Nothjungs eine großangelegte Verbreitung des Kommunistischen Manifestes im Gange war. Hierfür gibt es noch einige weitere nicht unwichtige Hinweise. So wurde im Kommunistenprozeß berichtet, daß in einem Vorort von Köln bei den Eisenbahnarbeitern Broich und Granrath Exemplare des Kommunistischen Manifestes - daneben auch wieder des Blanqui-Trinkspruches - gefunden worden waren. 6 5 Bürgers räumte bei seiner Verhaftung ein, daß er etwa anderthalb Dutzend Exemplare des Manifestes bei sich gehabt habe, als er sich Anfang Mai 1851 auf eine ausgedehnte Reise durch Norddeutschland begab. 66 Das Hamburger Bundesmitglied Martens gab seinerseits zu, von Bürgers etwa acht bis neun Exemplare erhalten zu haben. 67 Wahrscheinlich sind diese Ziffern gegenüber den vernehmenden Beamten zu niedrig gehalten worden. Vor allem die anderthalb Dutzend von Bürgers bleiben wohl weit unter der wirklichen Ziffer, denn er hatte, als er von Köln aufbrach, ein umfangreiches Reiseprogramm vor sich, das ihn nicht nur in Hamburg, sondern auch in Hannover, Berlin und Breslau Station machen ließ. Auch sonst scheinen - vor allem im März 1851 - größere Sendungen des Manifestes verbreitet worden zu sein.158 Schließlich geht auch aus einem Brief von Marx a n W e y d e m e y e r vom Herbst 1851 hervor, d a ß er einige Zeit vorher an einen gewissen Koch in New York 20 Exemplare des Manifestes - dazu ein Exemplar einer Ende 1850 erschienenen englischen Übersetzung - übersandt hatte. 6 9 Es erheben sich nun gewichtige Zweifel, ob diese zahlreichen Exemplare des Manifestes noch aus den 1848er Auflagen stammen können. 70 Es wäre natürlich möglich, daß sich in London noch Restbestände befanden, die nun nach Deutschland geliefert wurden, was aber sehr wenig wahrscheinlich ist. Man muß sogar annehmen, d a ß das Manifest bereits 1850 zu einer ausgesprochenen Seltenheit geworden war und daher ein lebhaftes Bedürfnis nach einem Neudruck bestand. 6 4 Vgl. die in Anm. 6 2 angegebene Briefstelle, aus der hervorgeht, daß M a r x seine Exemplare am 2 1 . oder 22. 3. 1 8 5 1 erhielt. 6 5 Vgl. Bittel, S. 1 1 1 . 6 6 IML Berlin, Z P A , Anklageschrift, S. 40.

67 Ebenda, S. 30.

6 8 W i e ich einer freundlichen Mitteilung von Herrn Andréas (Schweiz), dem ich hier meinen Dank aussprechen möchte, entnehmen kann, geht aus Akten des Stadtarchivs Wiesbaden und des Landeshauptarchivs Wolfenbüttel hervor, daß am 23. 3. 1 8 5 1

wie ein Spitzel berichtet

-

der „Leseverein" in Frankfurt a. M. eine Sendung des Manifestes er-

halten hat, worauf an demselben Tage noch in einer Sitzung des Vereins aus dem Manifest vorgelesen wurde, und daß in Braunschweig ein Bundesmitglied in einem Briefe vom 22. 3. 1 8 5 1 den Empfang von 5 0 Exemplaren des Manifestes bestätigt hat. 6 9 K a r l M a r x an Joseph Weydemeyer, 1 6 . 10. 1 8 5 1 , in: M E W , Bd. 27, S. 5 8 1 . 7 0 Den Anmerkungen der M E G A , Bd. 6, S. 6 8 3 f., zufolge wurden 1 8 4 8 zwei A u f l a g e n gedruckt. D i e dort zunächst als dritte A u f l a g e von 1 8 4 8 angegebene sogenannte Hirschfeld-Ausgabe wird dann doch auf die Zeit nach 1 8 5 6 datiert.

159

Aus der Arbeit von Michailov wissen wir, daß Röser E n d e September und Anfang November 1850 zweimal in Briefen an Marx den Wunsch äußerte, er möge seine Einwilligung für eine Neuausgabe des Manifestes geben. 7 1 Michailov meint nun, die Antwort von Marx sei uns nicht bekannt. Allein schon die Tatsache, daß Becker April 1851 eine erste Sammlung der Schriften von Marx, wozu er vorher dessen Einwilligung eingeholt hatte, herausgeben konnte, 7 2 legt die Vermutung nahe, daß Marx auch einem Sonderdruck des Manifestes zugestimmt hat. D a ß Marx nun aber tatsächlich seine Zustimmung gegeben hat, geht aus einem Brief hervor, den er am 13. Dezember an Becker gerichtet hatte und der während des Kommunistenprozesses durch eine Haussuchung bei Bermbach in die Hände der Polizei gefallen war. 7 3 Leider liegt nicht der wörtliche T e x t des Briefes vor, sondern nur eine kurze Wiedergabe des Inhalts durch den unglaubwürdigsten aller Zeugen, nämlich durch Stieber. D a aber der Brief während der Gerichtsverhandlung vorgelegt wurde und Becker an dem Tatbestand dieses Briefes keinen Zweifel äußerte oder gegen die Wiedergabe des Inhalts durch Stieber nicht Einspruch erhob, so besteht in diesem Falle kein Anlaß zum Zweifel an der Erklärung Stiebers, in dem Brief sei Becker beauftragt worden, „die sämtlichen Marxschen Schriften herauszugeben, insbesondere auch das Kommunistische Manifest drucken zu lassen". Sucht man zusammenfassend und verallgemeinernd einige wesentliche Linien aus dem Netzwerk dieser so lokalgeschichtlichen Untersuchung herauszuheben, so wird es erlaubt sein, hier und da den lokalen Rahmen Nürnbergs ein wenig zu überschreiten, auch wenn dadurch einige etwas hypothetische Züge in dies verallgemeinernde Endergebnis hineinkommen. Folgende Gesichtspunkte sind es, die uns der Aufmerksamkeit besonders wert zu sein scheinen: In Nürnberg - und wohl auch ebenso in den umliegenden Orten Fürth und Schwabach - , dem industriellen Zentrum Frankens, sind nach der Niederlage der Revolution Gemeinden des Bundes der Kommunisten tätig gewesen, die unter den schweren Bedingungen der Reaktionszeit, die viele der besten K r ä f t e ins Ausland vertrieb und die in Deutschland verbliebenen Mitglieder in die Illegalität zwang, das Banner des Kommunismus hochhielten. Als sich durch die fraktionelle Tätigkeit der Willich-Schapper-Gruppe weitere Schwierigkeiten ergaben und auch die nun notwendige Verlegung der Zentralbehörde nach Köln neue organisatorische Probleme aufwarf, kam es zwar zu einem Absinken der politischen Tätigkeit, was seinen Niederschlag in dem Bild fand, das die D e zember-Ansprache der Kölner Zentralbehörde vom Zustand des Bundes entwarf. Aber bald festigten sich die Reihen wieder, und wenigstens in Nürnberg zeichnete sich im Frühjahr 1851 noch einmal ein deutlicher Aufschwung vor allem auf propagandistischem Gebiet ab. Allerdings war der Bund in Nürnberg wie in Deutschland überhaupt noch nicht stark genug, noch nicht genügend in den 71 Michailov,

S. 264. - Die Berichtigung einer Ungenauigkeit in der Datierung der Briefe

findet sich in der Rezension von Leviova,

S. 192.

72 Vgl. M E W , Bd. 7, Anhang und Register, S. 649.

160

73 Sittel,

S. 122, vgl. auch S. 133.

Massen verankert, um eine solche Verfolgungswelle, wie sie nach der Verhaftung von Nothjung einsetzte, zu überstehen. Aber hier wie auch sonst wird es noch notwendig sein zu überprüfen, ob und in welchem G r a d e auch jetzt noch einzelne Bundesmitglieder fortwirkten. Entsprechend den Direktiven der von Marx und Engels verfaßten März- und Juni-Ansprache der Zentralbehörde wirkten auch die Nürnberger Kommunisten dahin, „neben den offiziellen Demokraten eine selbständige geheime und öffentliche Organisation der Arbeiterpartei herzustellen und jede Gemeinde zum Mittelpunkt und Kern von Arbeitervereinen zu machen". 7/I Sie verbanden die illegale Arbeit im Bund mit der legalen oder halblegalen Arbeit in den Arbeitervereinen, in denen sie wichtige Funktionen innehatten. In diesen Arbeitervereinen gab es starke ökonomistische Tendenzen, die sogar durch die Niederlage der Revolution bei den politisch-ideologisch unklaren Mitgliedern sicherlich einen neuen Auftrieb erhielten. Auf der anderen Seite jedoch war das revolutionäre Bewußtsein der Arbeiter durch die Erfahrungen der Revolution gewachsen und damit auch das Verständnis für die Notwendigkeit des selbständigen politischen Kampfes. D a auch die revolutionären K r ä f t e in den Arbeitervereinen zur Absicherung gegenüber Verfolgungs- und Unterdrückungsmaßnahmen häufig die ökonomische Zielsetzung nach außen hin in den Vordergrund rückten, läßt sich nur schwer erkennen, welchen Reifegrad das politische Bewußtsein der Arbeiter in den Arbeitervereinen - und so auch im Nürnberger Arbeiterverein - hatte und wie infolgedessen solche Organisationen einzuschätzen sind. Naturgemäß wird unter solchen Bedingungen das äußere Bild, das sich dem Historiker zunächst darbietet, im ganzen viel negativer sein, als es die wirkliche Sachlage rechtfertigt. D i e genauere Untersuchung erst zeigte am Beispiel des Nürnberger Bildungs- und Unterstützungsvereins, welch Maß an proletarisch-revolutionärer Tätigkeit innerhalb einer doch recht „harmlos" erscheinenden Organisation damals geleistet wurde. In der Nürnberger Gemeinde des Bundes der Kommunisten wurde bis zum Mai 1851 eine bedeutende politisch-ideologische Aufklärungsarbeit vollbracht, um die Ideen des Marxismus zu propagieren. Mit der Verbreitung des BlanquiToastes erwiesen sich die Nürnberger Kommunisten als zuverlässige und treue Mitglieder des Bundes der Kommunisten. Ganz besondere Bedeutung kommt aber der Tatsache zu, daß die Nürnberger Bundesmitglieder der Verbreitung des „Manifestes der Kommunistischen Partei" einen so erstrangigen Platz einräumten und damit in hervorragender Weise an der Verbindung von wissenschaftlichem Sozialismus und Arbeiterbewegung fortwirkten. Schließlich und vor allem ist die Schlußfolgerung kaum von der Hand zu weisen, daß im Frühjahr 1851 das „Manifest der Kommunistischen Partei" noch einmal gedruckt wurde. Auf jeden Fall zeigt das Nürnberger Beispiel, daß jetzt noch einmal eine großangelegte Verbreitung dieses ersten, von Marx und Engels verfaßten Programms der internationalen Arbeiterbewegung im Gange war. 74 Marx'Engels,

Ansprache der Zentralbehörde an den Bund vom März 1850, S. 248 f.

161

WALTER

SCHMIDT/ROLF

DLUBEK

Die Herausbildung der marxistischen Partei der deutschen Arbeiterklasse*

Der folgende Artikel stellt sich zur Aufgabe, ausgehend von der im ersten Band der „Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung" erfolgten Gesamtdarstellung der Entwicklung der deutschen Arbeiterbewegung in der ersten Hauptperiode, eine Reihe prinzipieller konzeptioneller Fragen aufzuwerfen und zu erörtern, die für die weitere Erforschung wie für die Propagierung der jetzt vorliegenden Erkenntnisse von Belang sind. Wir konzentrieren uns dabei auf die Probleme, die sich speziell aus dem komplizierten Prozeß der Herausbildung einer selbständigen revolutionären Partei der Arbeiterklasse ergeben.

1. Der Inhalt der Arbeiterbewegung

in der ersten

Hauptperiode

Größte Bedeutung für die richtige Darstellung des gesamten Zeitabschnitts besaß die klare Bestimmung des Wesens und der Stellung der ersten Hauptperiode im Gesamtverlauf der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Diese Frage zu beantworten, verlangte in erster Linie, in der komplizierten und widerspruchsvollen Entwicklung der aufkommenden Arbeiterbewegung den entscheidenden und bestimmenden Grundzug herauszuarbeiten, aus den vielseitigen und vielschichtigen, oft widerstreitenden Bestrebungen der Arbeiterklasse in der Frühzeit ihrer Bewegung jenen durchgehenden Prozeß in den Mittelpunkt der Darstellung zu rücken, der den eigentlichen Sinn der geschichtlichen Bewegung ausmachte und als eine objektive Gesetzmäßigkeit in Erscheinung trat. Die marxistische Geschichtsschreibung von Marx und Engels bis in unsere Tage ging in methodologischer Hinsicht gerade von dieser Problemstellung aus. Die Untersuchung des Verlaufs der Arbeiterbewegung in den ersten Jahrzehnten ihrer Existenz führte zu der grundlegenden Erkenntnis, daß diese Gesetzmäßigkeit in dem zunächst elementaren, aber immer stärker bewußt werdenden Streben der entstehenden Arbeiterklasse nach Selbständigkeit bestand, * Auszug aus: Schmidt, Walter¡Dlubek, R o l f , Die Herausbildung der marxistischen Partei der deutschen Arbeiterklasse. Konzeptionelle Fragen der ersten Hauptperiode der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, in: ZfG, 14, 1966, 8, S. 1 2 8 2 - 1 3 3 3 .

162

nach Selbständigkeit auf organisatorischem wie auf politischem und ideologischem Gebiet. Als bestimmend für die erste Hauptperiode der Geschichte der Arbeiterbewegung erwies sich letzten Endes nicht diese oder jene rückwärts» gewandte Tendenz wie etwa zünftlerische Bestrebungen, nicht diese oder jene unreife Vorstellung kleinbürgerlicher Prägung wie etwa der Glaube, im Rahmen der bürgerlichen Ordnung und mit Hilfe des bürgerlichen Staates und der herrschenden Ausbeuterklassen die Befreiung von Ausbeutung und Unterdrückung zu vollziehen; bestimmend war vielmehr der sich mit elementarer Gewalt durchsetzende Drang der Arbeiter, sich organisatorisch, politisch und ideologisch von der Bourgeoisie zu trennen, unter deren Einfluß die aufkommende Arbeiterbewegung zunächst stand. „Der Inhalt der ersten Hauptperiode ist die politische, ideologische und organisatorische Trennung der besten Teile der Arbeiterklasse von der Bourgeoisie."1 Die Emanzipation der Arbeiterklasse von der Bourgeoisie war gewissermaßen der notwendige erste Schritt auf dem Weg der Arbeiterklasse zur Macht und zur Bewältigung ihrer geschichtlichen Aufgaben. Diese bereits von Marx, Engels und Lenin formulierte Erkenntnis wurde zu einem entscheidenden methodologischen Ausgangspunkt der gesamten marxistischen Geschichtsforschung über die Anfänge und die erste Etappe der modernen Arbeiterbewegung. Sie erwies sich als überaus fruchtbar für die Untersuchung und wissenschaftliche Einordnung einzelner geschichtlicher Entwicklungsprozesse oder Ereignisse. Indem die marxistische Geschichtswissenschaft sich der Aufgabe unterzog, die gesetzmäßige Tendenz der Emanzipation des Proletariats zu einer selbständigen Klassenkraft herauszuarbeiten, alle Bemühungen und Versuche zur Lostrennung der Arbeiterklasse von der Bourgeoisie und zur Bildung eigener Klassenorganisationen, so unterschiedlich diese hinsichtlich ihres Reifegrades und Ergebnisses auch sein mochten, exakt zu erfassen und zu analysieren, und dabei die verschiedenen Schritte auf diesem Wege genau zu umreißen, vermochte sie ein wissenschaftlich einwandfreies Bild von der Entwicklung der Arbeiterbewegung in dieser Zeit zu zeichnen. Dieses Bild schließt von vornherein sämtliche echten Emanzipationsbestrebungen ein, ob diese direkt von der elementaren Arbeiterbewegung ausgingen oder von zielbewußt handelnden proletarischen Revolutionären getragen waren, in deren Wirken die objektive geschichtliche Tendenz der Lostrennung der Arbeiterklasse ihre klarste Verkörperung fand. Es ist ein bemerkenswert wichtiger Zug der nun erschienenen „Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung", daß - ausgehend von dieser Konzeption nicht nur die ganze Breite in der Entwicklung der proletarischen Bewegung einzufangen versucht wurde, sondern auch eine Reihe schärfer profilierter Einschätzungen über die zahlreichen elementaren proletarischen Emanzipationsversuche gegeben wurde, die deren Fortschritte wie deren Grenzen ausgewogener 1 Ulbricht,

Walter,

Referat zum „Grundriß der Geschichte der deutschen Arbeiterbewe-

gung", in: Z f G , 10, 1 9 6 2 , 6, S. 1 2 7 6 .

163

und präziser abstecken. Solche proletarischen Organisationen wie der Bund der Gerechten, die Arbeiterverbrüderung während der Revolution von 1848/49, die ersten nationalen Gewerkschaftsverbände in der gleichen Zeit wie in den sechziger Jahren und nicht zuletzt der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein, die allesamt ihrer Herkunft nach Ergebnisse elementaren Emanzipationsdrangs fortgeschrittener Arbeiter waren, sind ungeachtet ihrer Mängel und Unvollkommenheiten klar als einzelne, wenn meist auch noch unzulängliche, so doch wichtige Glieder in einer Kette von proletarischen Selbständigkeitsbemühungen gefaßt, die auf das große Ziel, die Parteibildung des Proletariats, hinstrebten und selbst Bedeutendes zur Erreichung dieses Ziels beitrugen, indem sie den Boden dafür bereiten halfen. Um das Wesen der ersten Hauptperiode richtig zu erfassen, muß ein zweiter Aspekt beachtet werden. Vollständige Selbständigkeit des Proletariats als politischer Klassenkraft erforderte den Zusammenschluß revolutionärer Arbeitermassen in einer politischen Kampforganisation auf der Grundlage einer eigenen proletarischen Ideologie, des wissenschaftlichen Kommunismus. Ais wesentlichen Bestandteil beinhaltet die marxistische Konzeption über die erste Etappe der Entwicklung der Arbeiterbewegung daher den Gedanken von der notwendigen Verbindung der elementar nach Selbständigkeit strebenden Arbeiterbewegung mit dem wissenschaftlichen Kommunismus. Völlige Lösung der Arbeiterklasse von der Bourgeoisie war faktisch gleichbedeutend mit der Ausbreitung und Durchsetzung des Marxismus in der entstehenden, mehr und mehr Massencharakter annehmenden Arbeiterbewegung, mit einer Entwicklung, die in die Bildung einer selbständigen politischen Partei des Proletariats auf revolutionärer marxistischer Grundlage einmündete. Aufnahme des Marxismus und Parteibildung bestimmten in der ersten Hauptperiode der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung ihren eigentlichen Inhalt. Die Herausbildung des Marxismus in der Mitte der vierziger Jahre des 19. Jh. stellt deshalb das entscheidende Ereignis in der Entwicklung der Arbeiterbewegung während dieser Hauptperiode dar und nimmt in der Darstellung einen dieser Bedeutung entsprechend großen Raum ein. Das Ringen um die Emanzipation des Proletariats von der Bourgeoisie trat damit erst endgültig aus dem Stadium genialer Versuche heraus. Mit dem Marxismus entstand die wichtigste Voraussetzung, die Arbeiterklasse auf den Weg der Erfüllung ihrer historischen Mission zu führen. Die Ausarbeitung des wissenschaftlichen Kommunismus muß daher mit an erster Stelle zu den Faktoren gezählt werden, die den Beginn der modernen Arbeiterbewegung charakterisieren. Die marxistische Konzeption der Entwicklung der Arbeiterbewegung wird noch durch einen dritten Aspekt bestimmt. Sie schließt von vornherein den Gedanken aus, daß die Verselbständigung der Arbeiterklasse in einem einmaligen Akt, auf einen Schlag erfolgen konnte. Sie kann im Gegenteil nur als ein historischer Prozeß begriffen werden, der Jahrzehnte dauerte und sich etappenweise über verschiedene Stufen hinzog. Die einzelnen Entwicklungsstufen in diesem einheitlichen Prozeß heben sich dabei vor allem durch zweierlei ab: zum einen durch 164

die unterschiedliche Breite der elementaren Bewegung der Arbeiter, die nach organisatorischer und politischer Selbständigkeit strebten, von marxistischen Auffassungen beeinflußt wurden, zu ihnen vorstießen und sich schließlich organisatorisch zusammenschlössen; zum anderen durch den Grad der Aneignung marxistischer Grundsätze.

2. Die Anfänge der deutseben Arbeiterbewegung und die historische Stellung des hundes der Kommunisten Als Beginn der modernen Arbeiterbewegung muß eine ganze Entwicklungsphase gefaßt werden, in der die Selbständigkeitsbestrebungen der Arbeiter in unterschiedlichen Formen und in verschiedenartigen Bereichen erstmals als eine nicht bloß sporadisch auftauchende, sondern ständig wirkende gesetzmäßige geschichtliche Tendenz hervorbrechen und sich in Erscheinungen politischer, ideologischer und organisatorischer Natur niederschlagen. Die Ursprünge der Arbeiterbewegung liegen gerade da, wo der Emanzipationsdrang der entstehenden Arbeiterklasse, zunächst getragen von einer winzigen Minderheit von Arbeiterrevolutionären oder auf die Seite der Arbeiterklasse übergehenden revolutionären Intellektuellen, zum ersten Mal feste Gestalt annimmt: Das geschah in den dreißiger und vierziger Jahren des 19. Jh. Dieser Standpunkt ist in dieser Prägnanz erstmals in der „Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung" formuliert. Es wird dargelegt, daß die Anfänge der deutschen Arbeiterbewegung mehrere Entwicklungsprozesse im Zeitraum von der Mitte der dreißiger bis zum Ende der vierziger Jahre des 19. Jh. umschließen. Das sind: die ersten revolutionären Massenaktionen der Arbeiterklasse gegen Bourgeoisie und reaktionären Ausbeuterstaat (Lyoner Weberaufstände 1831 und 1834, Streikaktionen der englischen Arbeiterklasse zu Ende der dreißiger und Anfang der vierziger Jahre, Schlesischer Weberaufstand 1844); die Formierung erster politischer Arbeiterorganisationen (Gesellschaft der Jahreszeiten, Chartisten, Bund der Gerechten) und die in Gestalt des utopischen Arbeiterkommunismus faßbaren, ersten echten, wenn auch noch im Utopismus steckenbleibenden ideologischen Emanzipationsversuche des Proletariats; die Entstehung des Marxismus als der wichtigsten Voraussetzung für die erfolgreiche Konstituierung des Proletariats als selbständige revolutionäre Kraft in der Gesellschaft sowie die erste, zwar noch begrenzte Vereinigung von wissenschaftlichem Kommunismus und elementarer Arbeiterbewegung im Bund der Kommunisten, der ersten deutschen und ersten internationalen revolutionär-proletarischen Partei. Der ganze Zeitraum seit den nach 1830 mit Macht hervorbrechenden elementaren Lostrennungsbestrebungen der Arbeiter vom Einfluß der Bourgeoisie bis zum Erscheinen des „Manifests der Kommunistischen Partei", des ersten marxistischen Programms einer revolutionären proletarischen Partei, Anfang 1848 muß als der eigentliche Beginn der modernen Arbeiterbewegung in Deutschland wie im internationalen Maßstab verstanden werden. 12

Hundt. Bund der Kommunisten

165

Auf dem Hintergrund dieser Zusammenhänge war es möglich, den Platz des Bundes der Kommunisten in der Entwicklung der deutschen Arbeiterbewegung exakt zu bestimmen. Die Konstituierung des Bundes der Kommunisten im Verlauf des Jahres 1847, unmittelbar am Vorabend der bürgerlich-demokratischen Revolution von 1848/49, setzte den Schlußpunkt für die erste, gewissermaßen elementare Phase des Emanzipationsstrebens der deutschen Arbeiterklasse; sie hob den Prozeß der „Parteibildung des Proletariats"2 endgültig auf eine neue, höhere Stufe, auf die Stufe des bewußten Ringens um die Verschmelzung von Marxismus und elementarer Arbeiterbewegung, die sich mit der Herausbildung des Marxismus Mitte der vierziger Jahre bereits abzuzeichnen begann. Mit dem Bund der Kommunisten entstand die erste Ausgangsbasis für die Lösung der historischen Aufgabe jener Zeit: Formierung der Arbeiterklasse zu einer selbständigen revolutionären Kraft in der Gesellschaft. Daran ändert die Tatsache nichts, daß die Bundesorganisation selbst klein und ihr Masseneinfluß noch relativ gering war.3 Ausschlaggebend für die historische Wertung des Bundes der Kommunisten ist der Fakt, daß mit ihm zum ersten Mal eine Arbeiterorganisation einen vollkommenen Bruch mit bürgerlicher Ideologie, Politik und Organisation vollzog. Der Bund war die erste proletarische Vereinigung, die ein eigenes wissenschaftliches Programm, das „Manifest der Kommunistischen Partei", besaß; in seinem Statut waren die revolutionär-proletarischen Organisationsprinzipien formuliert; er befolgte eine einheitliche, auf dem Marxismus basierende selbständige proletarische Politik und Taktik. Der Bund war keine lokal begrenzte Vereinigung, sondern eine zentral geleitete Organisation, die ihre Ziele im Rahmen der Nationalstaaten und durch gleichzeitige Koordination der Aktionen der einzelnen nationalen Abteilungen des Proletariats verfolgte. Gerade dies - neben der internationalen Zusammensetzung der Mitgliedschaft verlieh dem Bund, über seine Rolle als erste revolutionäre deutsche Arbeiterpartei hinausgehend, den Charakter der ersten internationalen revolutionären Arbeiterorganisation und machte ihn zum einzigen wirklichen Vorläufer der I. Internationale. Im Bund der Kommunisten trat der Marxismus weltgeschichtlich zum ersten Mal als eine, wenn auch vorerst kleine, nur nach Hunderten von Mitgliedern zählende organisierte Kraft in Erscheinung. Aus all dem ergibt sich die Kennzeichnung des Bundes der Kommunisten als erste revolutionäre proletarische Partei auf der Grundlage des wissenschaftlichen Kommunismus, die in der „Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung" erstmals so umfassend begründet 2 Den Begriff prägte Marx, Karl, Enthüllungen über den Kommunistenprozeß zu Köln, in: MEW, Bd. 8, S. 458. 3 Diesen Aspekt hob Lenin hervor, als er schrieb: „Gerade damit die Masse einer bestimmten Klasse lernen kann, die eigenen Interessen, die eigene Lage zu begreifen, ihre eigene Politik zu betreiben, gerade dazu ist die Organisation der fortgeschrittensten Elemente der Klasse unbedingt und um jeden Preis notwendig, auch wenn diese Elemente am Anfang einen ganz geringen Teil der ^Klasse ausmachen sollten." {Lenin, W. L, Wie S. Sassulitsch das Liquidatorentum erledigt, in: Werke, Bd. 19, S. 400).

166

wurde. D e r Bund stellte die in seiner Zeit höchste Form proletarischer Klassenorganisation im internationalen Rahmen wie in Deutschland dar. Der im Bund der Kommunisten erfolgte parteimäßige Zusammenschluß fortgeschrittener Arbeiterrevolutionäre und revolutionärer, auf die Seite der Arbeiterklasse übergegangener Intellektueller auf der Grundlage des Marxismus darf jedoch nicht losgelöst von den objektiven ökonomischen, sozialen und politischen Gegebenheiten betrachtet werden, unter denen er erfolgte. D e r Grad der Formierung des Proletariats als Klasse, der Entwicklungsstand der gerade erst aufkommenden Arbeiterbewegung wie auch die herrschenden politischen Zustände prägten wesentlich Form, Wirkungsweise und Ausstrahlungspotenzen der ersten Parteiorganisation des revolutionären Proletariats. D i e unmißverständliche Charakterisierung des Bundes als Partei verlangt auch, ihn aus den Bedingungen seiner Zeit heraus zu begreifen, will man nicht in eine abstrakte Betrachtungsweise abgleiten oder in unzulässiger unhistorischer Weise moderne Vorstellungen in die Vergangenheit übertragen. D e r Bund kann und darf nicht einfach mit späteren revolutionären proletarischen Parteien gleichgesetzt, es müssen seine objektiv bedingten Grenzen beachtet werden: seine zahlenmäßige Schwäche und spezifische soziale Struktur (die Mitgliedschaft bestand vornehmlich aus politisch bewußten proletarischen Handwerksgesellen, Industriearbeiter fehlten fast ganz); seine nur lockere Verbindung zur breiten Massenbewegung des Proletariats, die selbst erst im Entstehen war und sich - abgesehen von England - zunächst nicht als Bewegung der modernen Industriearbeiter entfaltete. D i e historische Bedeutung des Bundes der Kommunisten erschöpft sich aber nicht darin, daß er zum Vorbild und Prototyp späterer marxistischer Parteien wurde und in ihm Kader wuchsen, die in den folgenden Jahrzehnten wesentlich zur raschen Ausbreitung des Marxismus in der proletarischen Massenbewegung beitrugen. Sein Platz in der Geschichte der Arbeiterbewegung wird nicht zuletzt dadurch bestimmt, daß er in der kurzen Zeit seines Bestehens den Prozeß der Emanzipation größerer Teile des Proletariats von der bürgerlichen Beeinflussung vorantrieb. Während und nach der Revolution von 1848/49 leisteten die Bundesmitglieder Bedeutendes bei der Verbreitung revolutionärer Auffassungen in der Massenbewegung. Marx und Engels betrachteten es als eigentliche Aufgabe des Bundes und seiner Mitglieder, innerhalb der elementar sich organisierenden proletarischen Bewegung zu wirken, um so die Formierung größerer, in nationalen Grenzen agierender revolutionärer Massenparteien des Proletariats vorzubereiten. In diesem Sinne faßten sie als Inhalt seines Wirkens die Arbeit „an der Organisation der Arbeiterpartei". 4 So erklärt sich, daß das Wechselverhältnis von bewußter Vorhut und elementarer Arbeiterbewegung ein methodologisches Kernproblem der marxistischen Geschichtsdarstellung und -forschung seit Bildung des Bundes der Kommunisten ist. 4 Vgl. Aufruf

zur Unterstützung

der in Köln

verurteilten

Vertreter

des Proletariats

und

ihrer Familien, in: M E W , Bd. 8, S. 603.

12»

167

3. Der Aufschwung der elementaren Arbeiterbewegung und der Kampf des