Der Brief des Jakobus, ausgelegt in Neunzehn Predigten: Als Zugabe Neun Predigten über das erste Capitel des Evangeliums Johannis [Reprint 2020 ed.] 9783111687001, 9783111299709


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German Pages 336 Year 1835

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Der Brief des Jakobus, ausgelegt in Neunzehn Predigten: Als Zugabe Neun Predigten über das erste Capitel des Evangeliums Johannis [Reprint 2020 ed.]
 9783111687001, 9783111299709

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Der Brief des Jakobus/ ausgelegt in

Predigten

Neunzehn

von

Bernhard Jacobi, Oberpfarrer und Schulinspektor in Peter-Hagen bei Minden,

Als Zugabe

Neun

Predigten über

vaS erste Capitel des Evangeliums Johannis,

Dem Königl. Preuß. Wirklichen Geheimen Ober - Regierungs«Rathe,

Direktor im Ministerium der Geistlichen, Unterrichts, und Me,

dizinal-Angelegenheiten, Ritter hoher Orden,

Herrn Dr. Nicolovius/ in

Berlin,

meinem innig verehrten Schwiegervater,

gewidmet.

Mein theurer Vater!

Wenn ich mir erlaube, dieses Buch Dir zu

widmen und es unter dem Schutze Deines Namens in die Welt ausgehen zu lassen, so geschieht es in frommer Erinnerung des hei­ ligen Bandes, das mein Leben an das Deine, für immer geknüpft hat, und der Gemein­ schaft, deren wir beide in dem Himmel pfle­ gen, von welchem diese Predigten Zeugniß geben; nicht minder im tiefen Gefühle alles dessen, was ich Dir für meine Ausbildung verdanke, der vielfältigen Anregung und Förderung, die mir in dem reichsten und schön­ sten Abschnitte meines Lebens durch Deinen Umgang in Gespräch und Briefwechsel ge­ worden ist. Als Dein seliger Schwiegervater, Jo­ hann Georg Schlosser, Dir sein Gast­ mahl zueignete, forderte er Dich auf, wie Du

einer von denen sein werdest, welche die nächste Generation besser machen würden, als die da­ malige, so den Nachkommen die guten und reinen Menschen des damaligen Geschlechts, vor allen Deinen ersten Freund, Hamann, zu nennen, damit die besseren Nachkommen ihre Väter nicht ganz verachteten. Gönne es nun, nach mehr als vierzig Jahren, Dei­ nem Schwiegersöhne, Dir öffentlich dafür zu danken (und mir ist, als spräche ich diesen Dank itt der Seele nicht weniger, denen das Glück ward, Dir nahe zu treten), daß Du Schlosser'- edlen Auftrag an ihm erfüllt hast. Vielleicht daß auch diese Predigten mit so vielem anderen, was jetzt ans Licht tritt, zu den Zeichen einer wenigstens beginnenden besseren Zeit gezählt werden dürfen, des Ta­ ges des Herrn, den jene besten und rein-

sten aus dem früheren Geschlechte mehr oder weniger deutlich im Geiste schauten und sich desselben freuten. Habe Du Dank, daß Du durch die Liebe und Bewunderung unserer Vater, die Du in mir genährt und gepflegt, mich vor dem undankbaren Verkennen dessen, was wir ihnen schuldig sind, bewahrt und

mich zu der Mäßigung und Besonnenheit ge­

bildet hast, die ihnen mehr eigen war, als sie es den meisten unter den heutigen ist. Möch­ ten wir, die jetzt lebenden, in dem vielen,

worüber wir gesetzt sind, so treu erfunden werden, wie sie über dem wenigen gewesen sind, das man ihnen gelassen hatte!

Mein Vater! Es ist nicht Gottes Wille gewesen, daß auf andere Weise etwas erhal­ ten würde von der Verbindung, zu welcher

die Namen Schlosser's und seines Freun-

des Jaeobi lange nach dem Hinscheiden bei­ der Männer in ihren Enkeln gelangt waren.

Gehe denn in diesem Büchlein, von dem ich wünsche, daß es ihrer und Deiner nicht unwerth sei, mein Name mit dem Deinigen auf den Theil der Nachweit, für den es vielleicht

erhalten bleibt; und fei es ein Denkmal der

Liebe, die unter uns und den Unsern so lange Zeit bestanden, und ein Opfer — dem An­

denken unserer Verklarten dargebracht! Pttershagen am achten Mai 1835.

Dein Sohn

Bernhard Jacobi.

Vorrede. Äzet Brief des Jakobus, den ich hier ausgelegt in einxc Reihe von homiletischen Vortragen dem christ­ lichen Publikum übergebe, hat sich t« kur; vergangener Zeit der besonderen Vorliebe aller derer zu erfreuen ge­ habt, die, angezogen von seiner überwiegenden Rück­ sicht auf das Praktische und von der darin vorgetra­ genen und empfohlenen „reinen Moral", in demselben das Denkmal einer über den dogmatischen Stand­ punkt anderer Apostel sich erhebenden, den einzig ver­ nünftigen Anforderungen der jetzigen Zeit zustredenden Lebensweisheit bewundern zu dürfen glaubten. Vielleicht meinte man durch solche Vorliebe wieder gut Machen zu müssen, was Luther in den sehr ungünsti­ gen Urtheilen, die ") er über diesen Brief hin und weder fallt, gesündigt zu haben schien. Was aber dem R^ormator der Kirche zur Entschuldigung gereicht bei den kecken Worten über eine Schrift, die er freilich nicht'Apostolischen Ursprungs hielt, das gereicht diesen Bewmdercrn derselben zur Anklage. Luthers ganze Seele lebte in der Jahrhunderte lang vergessenen und

*) Lüth. Dorr, auf d. Gp. St. Jakob, und Jud. Walch, Th. XIV. 148. Vorrede auf d. Neue Testament. S. 105.

unterdrückten Lehre von der Rechtfertigung des Menschen durch den Glauben an Jesum Chri­ stum. Daß er diese Lehre aufs Neue ins Licht stellte und auf die Lehrstühle in Hörsälen und Kirchen brachte, das ist der Kern der Reformation. Das Trachten der Neologie unserer Tage ging aber darauf aus, diese Lehre, obwohl sie das Eigenthümliche des Christen­ thums in sich schließt, zu antiquiren, da sie angeblich auf naturwidrigen, d. h. weder Vernunft» noch erfahrungsgemäßen Voraussetzungen beruhe, und die im Evangelium manifestirte göttliche Thorheit aufzu­ lösen und umzugestalten in die Weisheit der Welt, die von je her die nämliche gewesen sei und eben da­ rin eine höhere Bürgschaft der Wahrheit besitze, als jede andere. Solch einer Ansicht mußte der Brief des Jakobus, oberflächlich betrachtet und ausgelegt, sich eben so sehr empfehlen, als er auf den ersten Anschein dem­ jenigen, was Luther als Grnndlehre der Schrift gegeglaubt und erkannt hatte, zu widersprechen schien;— auf den ersten Anschein; denn ich kann Luthers Aeußerungen über den Brief nur für ein rasch und einseitig hingesprochenes Wort halten, das nicht auf tieferem Studium, liebevoller Hingebung und andauern­ der Beschäftigung mit demselben beruhte, wie es auch nicht zu der Besonnenheit und Ehrfurcht stimmt, mit der er sonst von den heiligen Schriften redet. ES scheint der fortschreitenden Erkenntniß unserer Zeit in Glauben und Wissenschaft, vielleicht auch erst ein« späteren, glaubensfesteren und glaubensfrischeren Zeit aufbehaltcn zu sein, die beiden Extreme einseitiger Ge­ ringschätzung und einseitiger Ueberschähung des Briefes nicht sowohl zu vermitteln, als zu übcrwirven und den eigenthümlichen Werth einer so bedeutenden apostolischen Schrift (denn dafür wird sie jetzt zemlich allgemein anerkannt in ihrem Verhältnisse zu den

') Von de Wette, Gebser, Neander, Schneckenburger, Theie, dem Der-

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übrigen Schriftstellern des Renen Testaments ans Licht zu stellen. Anfänge dazu find vorhanden in den Schriften der unten genannten Gottesgelehrten; doch ist die richtige Bahn kaum gebrochen, wie sich schon ans der theilweise sehr bedeutenden Divergenz der An­ sichten, die gleichzeitig auf Geltung Anspruch .machen, ergiebt, von denen in neuester Zeit diejenige sich am meisten zu empfehlen scheint, nach welcher der Brief Jakobi eines der frühesten schriftstellerischen Erzeugnisse des Neuen Bundes sein und ungefähr gleichzeitig mit den ersten Paulinischen Briefen geschrieben sein soll. Ist uns dieser Ansicht gemäß in demselben ein Denk­ mal erhalten, in welchem zu erkennen ist, wie das Christenthum sich in denjenigen gestaltete, die sich am wenigsten vom Alten Bunde loszureißen vermochten und die neue Oekonomie vorherrschend als eine leben­ dige Fortsetzung und Ausbildung der alten betrachteten, so möchte man den kanonischen Repräsentanten dieser Richtung, unsern Jakobus, in seinem Verhältnisse zu demjenigen Apostel, der das Christenthunl am entschie­ densten vom Judenthnme losriß und es als ein ganz neues Lebensprincip geltend machte, zu Paulus, wohl mit unseren drei ersten Evangelisten, überhaupt mit der ältesten Evangelien-Tradition, in ihrem Ver­ hältnisse zu dem Johannes vergleichen. Denn dieser steht mit Paulus in sofern auf gleicher Linie, als auch ihm die Erscheinung Christi etwas zwar Geweissagtes und Vorbereitetes, doch aber absolut Neues ist, eine die Schöpfung erst vollendende Selbstoffenbarung Gottes für die ganze Welt. So wenig die anderen Evangelisten sich zu dieser Anschauung erhebet,, so fern liegen dem Jakobus die umfassenden, tiefsinnigen Spe­ kulationen des Paulus über das Wesen des Gesetzes und sein Verhältniß zur Gnade und Erlösung. 2Üo-

’l®'8 *m Nov. und Dec. Heft der Evangelische» Kkr-

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bei nur zu bevorworten wäre, daß die der Zeit nach frühere Darstellung der evangelischen Geschichte und Lehre bei Matthaus und Jakobus nicht auch die ur­ sprünglichere dem Wesen nach ist, sondern die der Zeit nach spätere bereits — aber freilich nur dem Auge eines Johannes, eines Paulus erkennbar — in der Person und in den Aussprüchen des Erlösers ge­ geben war. Zuvörderst habe ich niich nun über die Art und Weise zu erklären, wie ich diesen Brief der Ge­ meinde auszulegen getrachtet. Ich gehe davon aus, daß Auslegung eines Neutestamentlichen Bu­ ches für die Gemeinde nicht nur in Form und Darstellung und nicht nur, sofern sie zugleich Anwen­ dung und Ermahnung in sich schließt, sondern in den tieferen Principien eine ganz andere sein müsse als die wissenschaftliche Auslegung auf dem Kathe­ der, oder in dem gelehrten Commentar. Während es Aufgabe des Excgetcn ist, den biblischen Schriftsteller einnial in seiner vollen Uebereinstimmung mit sich selbst darzustrllen, den inneren Zusammenhang seiner Schrift nachzuwcisen, sodann aber auch den relativen Gegen­ satz, in welchem er sich zu anderen biblischen Schrift­ stellern befindet, hervorzuheben, damit auf diesem dop­ pelten Wege die bestimmte schriftstellerische Individua­ lität eines Lucas, eines Petrus, eines Jakobus heraus­ trete: so hat die homiletische Auslegung an diesem Verfahren und dessen für die theologische Wissenschaft so bedeutenden Resultaten gar keine Interesse. Denn bei der Aneignung des Heils in Christo, auf welche es in der Gemeinde allein ankömmt, treten die Per­ sönlichkeiten der ersten Verkündiger dieses Heils fast ganz in den Hintergrund zurück; es ist der Eine Weg, der betreten, die Eine Wahrheit, die erkannt und ge­ glaubt, das Eine Leben, das ausgenommen sein will. Wollte inan dem christlichen Volke, vor dem wir auf der Kanzel stehen, einen Paulinischen, einen Zohanne.-

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schen Lehrbegriff predigen, gesetzt auch, es geschähe aufs faßlichste und einfältigste, die Erbauung würde wahr­ lich nicht gefördert. Die Kritik, welche die rechte Hand der gelehrten Exegese ist, hat auf der Kanzel gar kei­ nen Spielraum, es sei denn, daß z. B. in historischen Angaben kleine Schwierigkeiten auf diesem Wege zu beseitigen wären. Die heilige Schrift, das Neue Testament insonderheit, ist für den Laien Ein Ganzes, Ein Codex göttlicher Offenbarung, dessen einzelne Theile sich gegenseitig beleuchten und ergänzen, ohne für sich in ihrer Eigenthümlichkeit und relativen Differenz ir­ gend eine Bedeutung zu haben. Es entsteht vielmehr aus dieser ihrer eigenthümlichen Beschaffenheit und Stellung gegen einander dem Prediger die Aufgabe, für denjenigen Theil seiner Gemeinde, welcher mit vergleichendem Auge die heilige Schrift liefet und fähig und geneigt ist, jene Differenzen aufzufassen, die Uebereinstimmung nachzuweisen, die sich für das gläu­ bige Auge in allen Theilen der heiligen Schrift findet, die vorkommenden Widersprüche zwischen den verschie­ denen Berichten oder Aussprüchen der heiligen Schriftsteller zu lösen und auf diesem Wege zur Befestigung des Ansehns der göttlichen Urkunden in der Gemeinde beizutragen. — Vorzüglich von dieser Seite wünscht die hier gegebene Auslegung des Briefes Jakobi ange­ sehen und beurtheilt zu sein. Es ergeben sich aus der Nothwendigkeit dieses Verfahrens manche allerdings nur scheinbare, aber freilich auch sehr scheinbare — Widersprüche zwischen der gelehrten und der praktischen Auslegung des Textes. Die Abweichungen von den Er­ gebnissen der wissenschaftlichen Forschung rechtfertigen sich aber nach meiner Meiinrng von diesem Stand­ punkte aus aufs völligste. Mag es dein Kenner des apostolischen Zeitalters aus dem ganzen Eindrücke die­ ses Sendschreibens und aus der Vergleichung desselben mit den übrigen Nachrichten von der Person des Ja­ kobus und seinem Verhältnisse zu der christlichen Ge-

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melnschaft hinlänglich gewiß sein, daß derselbe in Christo weniger den Mittler zwischen Gott und der Welt, den Tilger der Gesammtsünde aller Menschen, den Schöpfer eines neuen gemeinsamen Lebens und den Stifter eines geistigen Gottesreiches gesehen, als den Propheten mächtig von Thaten und Worten, den Wiederhersteller der Theokratie im reinsten Glanze, den Herrn einer vielleicht doch auch irdischen Herrlichkeit; und daß eben deshalb die Person des Erlösers in sei­ nen Belehrungen und Ermahnungen eine weit weni­ ger wesentliche Rolle spielt, als bei Paulus und Jo­ hannes, und Er daher auch nur ein Paar Mal vorüber­ gehend im Briese genannt wird: auf der Kanzel kann nur gezeigt werden, wie auch dieser heilige Schrift­ steller ein Apostel Jesu Christi gewesen, abhängig von Christo und hinweisend auf Christum in allen Be­ ziehungen; — und ein Prediger, der beständig darauf gerichtet ist, Christum seiner Gemeinde zu predigen als das tv xai näv des Evangeliums, und jeder seiner Pre­ digten Apostel-Gesch. 4. V. 12. als den sich von selbst verstehenden Text unterlegt, wird auf der Kanzel den Brief des Jakobus nur im Lichte der ganzen übrigen Neutestamentlichen Lehre ansehen und behandeln und den evangelischen Glaubensin­ halt desselben darlegen, indem er nachweiset, wie auch in diesen vorzugsweise moralischen Auseinandersetzun­ gen alles auf dem Grunde des Glaubens der Offen­ barung Gottes in Christo beruhe. — Mag es als Resultat einer besonnenen Exegese feststehen, daß Jako­ bus da, wo er von dem Verhältnisse der Werke zum Glauben redet, keinesweges gegen die Paulinische Lehre polemisirt, ja sie nicht einmal berücksichtigt, oder im Auge hat, weder verbessernd, noch bestätigens, noch ergänzend: fut den Prediger ist der scheinbare Wi­ derspruch vorhanden und die Gefahr des Mißverftandes der einander entgegenstehenden Schrift-Aussprüche;

er muß also zeigen, wie auch ganz abgesehen von den

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beiden apostolischen Auktoritäten die Sache selbst sich verhalte und von dem Standpunkte der Einen christlicken Wahrheit ans geordnet und beurtheilt werden müsse. Und da werden freilich einzelne Ausdrücke des Textes in der homiletischen Behandlung zuweilen sich einen etwas anderen Sinn müssen gefallen lassen, als den sie ursprünglich gehabt, oder wenigstens eine wei­ tere Ausdehnung und Anwendung ihres Sinnes, als die ursprüngliche. Ich weiß wohl, welchem Mißverstände und Mißbrauche solch ein Wort ausgesetzt ist; aber ich behaupte, das Gewissen des Homileten ist nicht zwar ein wei­ teres, aber ein anderes, als das des gelehrten Schrift­ auslegers, und es kann auf der Kanzel die Auslegung einer Stelle richtig und zulässig sein, welche die Exe­ gese mit Recht verwirft. Weil der Exeget den Schrift­ steller, der Homilet die ganze Schrift im Auge hat; jener die gelehrte Erforschung des ursprünglichen Sinnes des einzelnen Schriftstellers, der einzelnen Schriftstelle beabsichtigt, dieser bei jeder Stelle leben­ dige praktische Darstellung der gestimmten Schriftlehre, oder einzelner Punkte in ihrem Zusammenhänge mit dem Gesammtinhalte der Schrift: so kann eine Aus­ legung homiletische Wahrheit haben, die nicht im engsten Sinne exegetisch wahr genannt werden darf; d. h. es kann auf der Kanzel aus einer Schrift­ stelle eine Lehre entwickelt werden, die ihre exegetische Begründung nicht gerade in dieser Stelle, sondern an­ derswo innerhalb der heiligen Schrift hat. Fern sei es von mir, hier der Willkühr, der Herrschaft des Ein­ falls, dem Unwesen der mystischen Vieldeutigkeit das Wort reden zu wollen. Ich behaupte nur, daß der Standpunkt des Predigers ein höherer, ein freierer ist, als der des Exegeten. Er schwebt mit seiner Rede frei schassend über den Elementen der gesammten Offenbarun;, wie der Geist Gottes bei der Schöpfung über den Wassern. Sowie er dem Worte Gottes in

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der heiligen Schrift mit völliger Unterwerfung eigenen Wissens und Meinens dient, so dient hinwiederum ihm die heilige Schrift in mannigfaltigen Weisen zu dem verschiedenartigsten Gebrauche, und es ist ihm darin mit Recht von je her eine sehr große Freiheit ge­ stattet worden. Die Knechtschaft des Buchstabens, d. h. nur buchstäblicher Anführung, Anwendung und Auslegung, würde ihn todten; der über dem Ganzen der Bibel frei waltende Geist macht die Predigt le­ bendig. Es versteht sich, daß ich hier nicht von dog­ matischer Freiheit rede; in dieser Beziehung halte ich den Prediger aufs strengste gebunden an den Ka­ non der Schrift; ich meine jene großartige Freiheit im Gebrauche der Schrift, in der Behandlung ein­ zelner ihrer Theile, in der Benutzung einzelner ihrer Aussprüche und Worte, die ein in der Hauptsache, im einfältigen Bekenntnisse zu Christo wohlgegründetes gutes christliches Gewissen sich erlauben darf; eine Freiheit, die Niemand reichlicher sich genommen hat, als zwei der größesten und christlichsten deutschen Män­ ner, Martin Luther und Johann Georg Hamann. Ich bin also weit davon entfernt, vorliegende Er­ klärung des Briefes Jakobi, auch wenn man alles im engeren Sinne nur Anwendende ausscheiden wollte, als eine eigentliche Auslegung geben zu wollen; und viele der von mir beigebrachten Erklärungen, auch da, wo sie der Gemeinde gegenüber als Text-Er­ klärungen gelten wollen, machen durchaus keinen Anspruch darauf, nur den ursprünglichen Sinn des Apostels, gleichsam den bestimmten Localsinn dieser ein­ zelnen Schriftstelle auszudrücken. Wenn nun durch dieses offene Bekenntniß die vorliegende Arbeit für den Theologen von Fach, insbesondere für den Cregeten, viel von dem Interesse verliert, das sie ihm sonst etwa erregen könnte, so sei es mir erlaubt, eben so freimü­ thig zu gestehen, daß meine Bearbeitung des Briefes dennoch, wie ich glaube, manches Beachtenswerthe für

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die gelehrte eigentliche Auslegung enthält. Es ist näm­ lich nach meiner durch anhaltende Beschäftigung mit dem Briefe gewonnenen Ueberzeugung sehr viel mehr Einheit und Zusammenhang in demselben (ich würde sagen, mehr Plan, wenn Briefe, die nicht Ab­ handlungen sein wollen, nach einem Plane angelegt wä­ ren), als gewöhnlich, und namentlich auch noch von de Wette und Schneckenburger, angenommen wird. Wenn nun für Einsicht in die Anordnung des Gan­ zen und in die Verknüpfung der Theile, für Beurthei­ lung und Verständniß einzelner Aussprüche in ihrem Zusammenhangs unter einander und mir den sehr leicht erkennbaren Grundgedanken des Briefes, für Gewin­ nung des Totaleindruckes apostolischer — und gerade dieser apostolischen — Weisheit durch diese Predigten etwas geleistet ist, so soll es mich herzlich freuen, den künftigen gelehrten Auslegern des Briefes in die Hände gearbeitet und an meinem bescheidenen Theile vielleicht auch die exegetische Wissenschaft gefördert zu haben. Ich freue mich zu sehen, daß ich in manchem einzelnen Punkte mit Neander's Auslegungen*)**)zusammcngetroffen bin, und zwar ganz unabhängig von ihm, da mir bei der Ausarbeitung meiner Predigten das unten ge­ nannte vortreffliche Buch noch nicht zur Hand war. Wenn nun gleich unter sämmtlichen neunzehn Pre­ digten über den Brief Jakobi nicht eine einzige wird gefunden werden, die eine im gewöhnlichen Sinne mo­ ralische könnte genannt werden, sondern überall er­ scheinen die sittlichen Vorschriften in ihrem organischen Zusammenhänge nicht sowohl mit der Glaubenslehre, als mit dem Glaubens leb c n "*), und cs sind sehr we­ sentliche dogmatische Punkte fast in jeder Predigt be*) Zn seiner Geschichte der Pflanzung und Leitung der christlichen Kirche durch die Apostel, Bd. II. S. 656 ff. **) ES wäre überhaupt zu wünschen, daß eine Zeit käme, wo keine ei­ gentlich moralischen und eigentlich dogmatischen Predigten mehr gehört und gelesen würden.

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sprechen und beleuchtet: so war es mir dennoch Be­ dürfniß, zugleich mit Liesen immer vorzugsweise auf die christliche Praxis gerichteten Predigten eine Reihe an­ derer erscheinen zu lasten, in welchen ausdrücklicher auch das christliche Dogma von dem Standpunkte meiner Auffassung ins Licht gestellt wäre; weniger um nicht dem Verdachte ausgesetzt zu sein, als sei ich ein Mo­ ra lprediger, denn diesen Verdacht widerlegt jede (Seite der Jakobus-Predigten, — als um über einige Hauptpunkte der christlichen Lehre mich gleichzeitig so ausführlich zu erklären, daß die mehr gelegentlichen dog­ matischen Auseinandersetzungen, zu denen mir der Brief Jakobi Veranlassung gab, von da ihr volles Licht empfingen. Mein eifrigstes Wünschen und Trachten ist, als ein Prediger des lauteren Wortes, des Evange­ liums erfunden zu werden; bei meiner entschiedenen Abneigung gegen das leider noch auf so vielen Kanzeln herrschende neologische Unwesen und den unchristlichen Rationalismus würde ich sagen: als ein evangeli­ scher Prediger, wenn nicht zum Evangelischen von vie­ len jetzt noch Manches gerechnet würde, was menschliche Zuthat zum Evangelium ist. Damit nun ein Urtheil sich bilden könne über die Weise meiner evangelischen Verkündigung, gebe ich anhangsweise nenn Predigten über das erste Capitel des Evangeliums Jo­ hannis, die auch insofern zu einer Ergänzung der Jakobus-Predigten sich eignen, als sie tut nämlichen Kirchenjahre von mir gehalten sind, von Advent bis zum Anfänge der Pastionszcir. Wenn nun der Text hier zuerst fast rein dogmatisch ist, dann aber (vom lOtcn Verse an) fast rein historisch, so gab er mir (Gelegenheit ;n einer Reihe vorzugsweise dogmatisch­ historischer Predigten, in denen meine ans das Evan­ gelium gegründete Ansicht von dem, was die Mitte des Christemhums ist, von der Person und Erschei­ nung des Erlösers, klar genug, denke ich, sich kund giebt. Weiche ich nun im Prolog freilich sehr bedeu-

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tend ab von der als hergebracht anzusehenden orthodo­ xen Auslegung der Johanneischen Logos-Lehre, so wird doch kein Urteilsfähiger verkennen, daß diese Johan­ nes-Predigten ein Zeugniß von Christo sind, her­ vorgegangen aus wahrem, lebendigem Glauben an seine „ewige Kraft und Gottheit." — Für die gelehrte Auslegung ist hier übrigens wenig geleistet, es sei denn in der Deutung mancher einzelnen oft übersehenen Züge und für das noch immer nicht ganz aufgeklärte Ver­ hältniß zwischen Christus und dem Täufer einerseits und anderseits zwischen der wunderbaren Begebenheit bei der Taufe Christi und seinem öffentlichen Auftreten. Man fehe diese neun Predigten als neuen Versuch ei­ ner wissenschaftlich wohl zu rechtfertigenden, aber ge­ meinverständlichen Auslegung des schönen TextCapitels an. So viel über das Verhältniß dieser Predigtsamurlung zu Dogmatik und Exegese. Ihr höchster Ruhm sei Schriftmäßigkeit. Diese auch solchen Lesern zum Bewußtsein zu bringe», welche mit der heiligen Schrift weniger vertraut sind, und solchen, die, wenn auch fchriftkundig, gerade die hier gegebene Auffassung des christlichen Glaubens und Lebens etwa nicht für schriftmäßig wollen gelten lassen, habe ich die freilich selten zum eigentlichen Belag angeführten, sondern ungesucht als ursprünglicher und natürlicher Ausdruck meiner christlichen Ueberzeugung mir zugeströmten Bibelstellcn zum großen Theile theils durch den Druck für das Auge ausgezeichnet, theils unter 'dem Texte nach Vers und Capitel angeführt; letzteres auch, um den Leser zum Nachschlagen zu veranlassen und ihn durch die Predigten in die Bibel hineinzuführen. Bei der großen Unbekanntschaft mit der Bibel in der Mehrzahl christlicher Gemeinden ist dies von Wichtigkeit; und daß man durch Nachweisung der angeführten Vibelstellen den Leser zum Nachschlagen und Nachlesen derselben

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veranlassen kann, ist einer von den wenigen Vorzügen, den gedruckte Predigten vor gesprochenen haben. Ehe ich mich nun über die Form dieser Predigten erkläre, noch ein Wort über den Gebrauch, der von der Lutherischen Bibelübersetzung gemacht ist. Ich pflege mich auf der Kanzel ganz streng an die kirch­ liche, in den Händen der Gemeinde befindliche liebersetzung zu halten und erlaube mir eine Verbesserung derselben an dieser Statte nicht; nicht aus Engherzig­ keit und Buchftäbelci, sondern weil bei sehr vielen Laien bei dem schwindenden Vertrauen zu der Uebersetzung auch das Vertraue» zu der heiligen Schrift selbst würde gefährdet werde». Andere würden bei dergleichen Verbesserungen an dem daraus entstehenden Scheine der Amuaaßnug etwas zu überwinden haben. Da cs mir nickt überall auf eine ganz genaue Darle­ gung des ursprünglichsten Sinnes der Bibelstellen an­ kam, bin ich auch an solchen Orten, wo die kirchliche llebersetzung offenbar falsch ist und Verlegenheit für mich herbeiführte, z. B. Jak. 1. V. 3. 4., Jak. 4. V. 5, 6., Joh. 1. V. 9. diesem Grundsätze treu geblieben. Was nun abgesehen von dem Inhalte dieser Pre­ digten und ihrem Verhältnisse zur Schriftwahrheit und Schriftauslegung ihre Form betrifft, so habe ich mich auch da gegen Bedenken mancherlei Art zu rechtferti­ gen. Es sind hier nämlich größere Ganze der heiligen Schrift, ein ganzer Brief, ein ganzes sehr langes und reiches Capitel, in einer fortlaufenden Reihefolge von Kanzel-Vorträgen behandelt. Diese Weise zu predigen hat allerdings ihre großen Schwierigkeiten. Wenn in einer Gemeinde, die aus den Bewohnern einer Land­ stadt und mehrerer eingepfarrter Bauerschaften besteht, immer nur verhältnißmäßig sehr wenige Hörer sind, die den ganzen Zusammenhang auch nur einer einzelnen Predigt aufzufaffen vermögen, sondern die große Menge bleibt bei einzelnen Aussprüchen stehen und freut sich am meisten der vorkommenden ihr geläufigen Bibelstcl-

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len: so mögen noch wenigere gefunden werden, die eine ganze Reihenfolge von Predigten zu übersehen im Stande sind und in der Auslegung eines größeren biblischen Ganzen Freude und Förderung finden; ja auch bei den mehr an zusammenhängendes Denken gewöhnten und schriftkundigeren Gemeindegliedern ist bei diesem Verfahren eine gewisse Ermüdung zn befürchten. Wie ich nun demungeachtet jede Predigt ohne Rücksicht auf Anzahl oder Beschaffenheit der Hörer als ein in allen Theilen wohl zusammenhängendes, licht- und lebenvolles Ganze zu geben bemüht bin, so ist auch in jeder grö­ ßeren oder kleineren durch die kirchliche Zeit oder sonst irgendwie bestimmten Folge meiner Predigten immer ein gewisser Zusammenhang; niemals freilich ein syste­ matischer; sondern entweder zusammengehörige, oder gleichartige, oder gegenseitig sich beleuchtende und er-, gänzende Texte folgen auf einander. So wird die Ge­ meinde gewöhnt, allmahlig auch größere Abschnitte der heiligen Schrift im Zusammenhänge auslcgcn zu hören. Ich durfte auf eine solche Gewöhnung nm so mehr rechnen, als meine Kirche von der Gemeinde überhaupt sehr zahlreich und von den meisten sehr regelmäßig be­ sucht wird, auch dieser Besuch im fortwährenden Zu­ nehmen ist. Regelmäßigen Zuhörern aber, sei es auch meist ungebildeten Standes, darf der Prediger nach mehrjähriger Amtsführung schon einiges zumuthen, zumal wenn er doch vorzüglich auch die aus der von ihm unterrichteten Jugend allmählig fich bildende nach­ wachsende Gemeinde berücksichtigen will. Für diejeni­ gen aber, die seltener erscheinen, und für alle, die an zusammenhängendes Nachdenken und Anffaffen nicht gewöhnt werden können, suche ich dadurch zu sorgen, daß niemals eine Predigt ausschließlich, oder auch mir vorherrschend als eine Fortsetzung der vorigen er­ scheint. Jede bildet vielmehr zugleich ein Ganzes für sich, das auch außer dem größeren Zusammenhänge, worin es gegeben wird, nach dem Maaße seines Glau-

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bens und seiner Erkenntniß von jedem Gemeindegliede verstanden werden kann. — Jener Ermüdung aber, die auch für geübtere Erbauung suchende Hörer aus der län­ geren Beschäftigung mit Einem biblischen Buche und dem unfreiwilligen längeren Verweilen in Einem Ge­ dankenkreise entsteht, wird ein geschickter Prediger durch Gedankenfülle und Lebendigkeit vorzubeugen wissen. Eine andere Schwierigkeit bei dem Durchpredigen größerer biblischer Abschnitte, insonderheit ganzer Bücher der heiligen Schrift, entsteht aus den Anforderungen, welche die kirchlichen Zeiten machen. Denn ohne bestimmte Berücksichtigung dieser Anforderungen durch Advent und Passionszeit hindurch so zu predigen und nur etwa an den Festen selbst andere Texte zu wählen, — solch ein Predigen, und sei es auch noch so christlich und schriftmäßig, würde mir Verrath an der Kirche scheinen. Während indessen die Adventszeit und das Weihnachtsfest sich für die Behandlung des Johannei­ schen Prologs ganz vorzüglich eigneten, boten die Epi­ phanias-Sonntage und die nächstfolgenden Raum zur Vollendung des Capitels; und daß die letzte dieser Jo­ hannes-Predigten noch am ersten Sonntage in der Fa­ sten gehalten werden mußte, hatte einen ganz zufälligen Grund. Für die Auslegung des Jakobus-Briefcs aber bestimmte ich die zweite, festlose Hälfte des Kirchenjah­ res. Die Feier der in d,Lesen Zeitraum fallenden nicht streng kirchlichen Feste, des Erndtefeftes, des Todtenfestes, auch des Geburtstages des Königs, konnte auf eine angemessene Weise und so, daß weder dem Feste Eintrag, noch dem Texte Gewalt geschah, mit den ge­ rade treffenden Abschnitten des Briefes in Einklang ge­ bracht werden. Sofern nun an eine Predigt die Forderung gestellt wird, daß in ihr eine nach gehörigem Eingänge im Hauptsatze angekündigte christliche Wahrheit durch mehrere Haupt- und Unter-Abtheilungen abge­ handelt werde, sind meine Vorträge über den Brief

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Jakobi Predigten freilich nicht zu nennen. Keine einzige derselben stellt ein besonderes Thema auf, keine einzige bringt eine logisch-formale Eintheilung des Stoffes. Und nicht etwa ist eine solche Eintheilung etwa nur versteckt und künstlich überkleidet, wie dies wohl hin und wieder für eine besondere homiletische Virtuo­ sität ist ausgcgeben worden, sondern Thema und Theile sind hier wirklich nicht vorhanden. Wie diese Vortrage nichts anderes sein wollen, als Textauslegung, Auseinandcrlegung des vorliegenden Bibclwortes für die Gemeinde, so suchen sie auch in der Form sich überall der apostolischen Ansprache selbst so viel wie möglich anzuschließen. Die Ordnung und Klarheit aber, der licht- und lebenvolle Zusammenhang, der mir in dem Texte selbst erschienen ist, findet sich, denke ich, in gewiffem Maaße auch in diesen Predigten. Niemand wird die Sicherheit, den beständigen Fortschritt des Gedan­ kens, den gegliederten Organismus in ihnen verkennen. Alles reiht sich mit derselben Nothwendigkeit an einan­ der, wie im Texte; die erkennbaren Gesetze, die den Apostel also schreiben hießen, waren die Regel auch sür meine Auslegung. Wenn dies nun ohne Zweifel die am meisten biblische Weise zu predigen ist, also auch wohl die lebendigste und fruchtbarste, so darf beklagt werden, daß sie von den ausgezeichneteren und namhaf­ teren Predigern unter uns noch so wenig geübt wird, also alich nur wenige Musterbilder in dieser Predigt­ weise vorhanden sind. Herder hat sie zuerst durch Lehre und Beispiel wieder empfohlen *). Aber theils *)

Vgl. Herder's Briefe über das Studium der Theologie, den 40ften Brief und die folgenden, besonders S. 171 ff. (der Taschen­ ausgabe), auch S. 222 ff., wo die schöne Aeußerung: „Natürliche „Ordnung und eine fortgehende Analyse des Wortes Gottes ist die beste „Disposition der Predigt." — Andere Stellen in den leider lange nicht genug mehr gekannten und bewunderten Provinzialblättern. — Unter Herder's Christlichen Reden und Homilien vgl. die in Darmstadt 1775 gehaltene Predigt über Luc. 5, V. 1 — 11., die in Weimar 1778 gehaltene über den Jüngllng zu Nainz mehrere unter den in Bückeburg 1773 und 1774 über das Leben Jesu gehaltenen Homilien.

XXIV

geistlose Nachahmung, Mißverstand und Mißbrauch, theils Anhänglichkeit an das Herkömmliche und Schulmaßige brachte sie bald in Mißkredit. Auf viele soge­ nannte Homilien aus der Zeit, in welcher Herder's Einfluß auf die theologische Bildung und Literatur am größeften war, mag das Urtheil Schleiermacher's in den 1804 erschienenen „Zwei unvorgreiflichen Gutachten" passen: daß Homilien größtentheils wenig anderes seien, als kleine an einander gereihete Predigten von der al­ ten (synthetischen) Form. Nachher hat auf eine sehr eigenthümliche Weise Menken mit völliger Verschmä­ hung des Althergebrachten die Homilie gestaltet. Er würde darin weniger isolirt stehen geblieben sein, seine ausgezeichnete homiletische Gabe mehr Anerkennung ge­ funden und mehr Nacheiferung auf dieser Bahn ge­ weckt haben *), wenn sein ganzes Wesen dem Publi­

kum gegenüber hingebender und vertrauender gewesen, und seine ganze Behandlung und Auslegung der Schrift im größeren Maaße die Elemente des Besseren in der Zeit an sich zu ziehen vermocht hatte. Am ctgenthümlichsten hat auch in dieser Form der Predigt Schleier­ macher sich bewegt, was freilich erst dann allgemeiner bekannt und anerkannt sein wird, wenn demnächst seine Frühpredigten im Druck erscheinen werden, da die bisher gedruckten Schleiermacher'schcn Predigten fast alle die — wenn auch ebenfalls sehr eigenthümlich modifizirte •— synthetische Form haben. Ich sehe mich nämlich genöthigt, in dieser Beziehung Herrn Schwei­ zer bestimmt zu widersprechen, der es in seiner sehr lehrreichen Schrift: Schleiermacher's Wirksamkeit als Prediger (Halle 1834) in Abrede stellt, daß die Schleiermacher'schcn Frühpredigtcn Homilien gewesen seien. Sie waren es, so oft ich 'zu verschiedenen Zei­ ten innerhalb eines fast zehnjährigen Zeitraumes Gele­ genheit hatte ihn zu hören. Diejenigen seiner Zuhörer, •) Dgl. jedoch die den Menken'schen völlig nachgebildetcn „Predigten von Metnertzhagen. Bremen, 1834."

XXV

welche ihn in diesen Früh^edigten den Brief an die Philipper, oder das Evangelium Johannis haben aus­ legen hören, werden sich gewiß erinnern, daß er da durchaus nicht mir „vorzüglich den Zusammenhang der einzelnen Theile des behandelten Ncutestamentlichen Bu­ ches unter einander ins Licht stellte" (Schweizer a. a. O.