Der Übergang des Fürstentums Ansbach an Bayern [Reprint 2019 ed.] 9783486740738, 9783486740721


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German Pages 188 [192] Year 1912

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Verzeichnis der Abkürzungen
Einleitung. Die preußische Herrschaft in Franken. (1792—1799)
I. Kapitel. Der Antagonismus Preußens und Bayerns bis zum Ausbruch des dritten Koalitionskrieges
II. Kapitel. Vom Ausbruch des dritten Koalitionskrieges bis zum Vertrage von Schönbrunn
III. Kapitel. Vom Vertrag zu Schönbrunn bis zum Vertrag von Paris
IV. Kapitel. Der Übergang Ansbachs an Bayern
Schluß. Die Befestigung der bayrischen Herrschaft in Ansbach und das Ende des fränkischen Kreises
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Der Übergang des Fürstentums Ansbach an Bayern [Reprint 2019 ed.]
 9783486740738, 9783486740721

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Historische Bibliothek Herausgegeben von der

Redaktion der Historischen Zeitschrift

32. B a n d :

Der Übergang des Fürstentums Ansbach an Bayern von

PEITZ TARRASCH

München und Berlin Druck und Verlag von R. Oldenbourg 1912

Der Übergang des Fürstentums Ansbach an Bayern von

FRITZ TARRASCH

München und Berlin Druck und Verlag von R. Oldenbourg 1912

Meinem hochverehrten Lehrer

Herrn K. Th. von Heigel in Dankbarkeit gewidmet.

Vorwort. Diese Arbeit bildet, obwohl formell und inhaltlich selbständig und geschlossen, eine Ergänzung zu dem Werke von Süßheim »Hardenberg und die preußische Politik in Ansbach-Bayreuth« (Berlin 1902), worin zum ersten Male auf Grund archivalischer Forschung die letzte Periode der Geschichte Frankens behandelt worden ist. Gerade das Ende dieser Periode, den Übergang Ansbachs an Bayern und das Ende des fränkischen Kreises, hat Süßheim sehr summarisch abgetan; auch hat er ausschließlich preußische Archivalien benützt, so daß seine Darstellung notwendigerweise eine einseitige Färbung erhalten hat. Diese Lücken sollen durch die vorliegende Arbeit ausgefüllt und zugleich eine der wichtigsten Episoden in der Entwicklungsgeschichte des modernen bayrischen Staates erschöpfend dargestellt werden. Die Anregung zu dieser Arbeit erhielt ich von meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Geheimrat Professor Dr. von Heigel. Wesentliche Förderung im einzelnen erfuhr ich ferner durch Herrn Professor Dr. Bitterauf in München, durch die Herren Assessoren am Berliner und Münchener Staatsarchiv, Dr. Lütgen und Stoll, durch Herrn Kreisarchivar Dr. Schrötter in Nürnberg und durch Herrn Dr. Heinrich Müller in Jena. Ihnen allen sowie den Herren Direktoren der Geheimen Staatsarchive in Berlin und München, die mir das vorhandene Material in liberalster Weise zur Verfügung gestellt haben, spreche ich hiermit meinen herzlichen Dank aus. München

im Juni 1912. Fritz Tarrasch.

Inhaltsverzeichnis. Einleitung: Die preußische Herrschaft in Franken (1792—1799) 1 I. Kapitel. Der Antagonismus Preußens und Bayerns bis zum Ausbruch des dritten Koalitionskrieges 7 II. Kapitel. Vom Ausbruch des dritten Koalitionskrieges bis zum Vertrag von Schönbrunn 33 III. Kapitel. Vom Schönbrunner Vertrag bis zum Vertrag von Paris 91 V. Kapitel. Der Übergang Ansbachs an Bayern 119 Schluß. Die Befestigung der bayrischen Herrschaft in Ansbach und das Ende des fränkischen Kreises 166

Verzeichnis der Abkürzungen. B. M. N. M. B. P. R. 44 C. I. K.

= = = = =

Geheimes preußisches Staatsarchiv zu Berlin. Geheimes bayrisches Staatsarchiv zu München. Königliches Kreisarchiv zu Nürnberg. Mission bavaroise à la cour de Prusse. Akten der Immediatkommission zur Übergabe des Fürstentums Ansbach.

Einleitung. Die preußische Herrschaft in Franken. (1792—1799) Seit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges hatte die bunte Kleinstaatenwelt des fränkischen Kreises in selten unterbrochener Stagnation dahingedämmert. Im Gegensatz zu allen übrigen Teilen Deutschlands wurde gerade Franken, dank seiner zentralen Lage, von den unaufhörlichen Kriegen des ausgehenden 17. und des 18. Jahrhunderts wenig in Mitleidenschaft gezogen. Und da auch im Kreise selbst die Machtverhältnisse unter den größeren Staaten, den Bistümern Würzburg, Bamberg und Eichstätt, den Fürstentümern Ansbach und Bayreuth, und den Reichsstädten Nürnberg und Rothenburg, ziemlich ausgeglichen waren, die kleineren Stände aber in der Anlehnung an den hier noch einflußreichen Kaiser Schutz vor Übergriffen der Mächtigeren fanden, so herrschte in diesen Gegenden eine Ruhe, deren nachteilige Folgen in politischer wie kultureller Hinsicht bewiesen, daß ein ununterbrochener Friede der Entwicklung der Völker keineswegs förderlich ist. Eine Atmosphäre der Kleinlichkeit lagerte über dem schönen Lande, ein engherziger, ungesund konservativer Geist beherrschte alle Verhältnisse und hemmte jeden Fortschritt.1) Angewidert durch diese Zustände, die er beim besten Willen nicht zu reformieren vermochte, und von dem Stein, Geschichte Frankens II, 377/78. T a r r a s c h , Übergang des Fürstentums Ansbach an Bayern.

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Wunsche beseelt, mit seiner geistvollen Freundin, Lady Craven, ein ungebundenes Reiseleben zu führen, trat der kinderlose Markgraf Karl Alexander von AnsbachBayreuth im Jahre 1791 sein Land an den König von Preußen ab, dem es nach der Dispositio Achillea beim Aussterben der fränkischen Linie der Hohenzollern zufallen mußte, und zog sich ins Privatleben zurück. Damit begann der letzte Abschnitt der fränkischen Geschichte, der, reich an interessanten Begebenheiten und wechselvollen Kombinationen, an Lebendigkeit und Inhalt die beiden vorhergehenden Jahrhunderte weit übertrifft. Für Preußen eröffnete die Erwerbung der Fürstentümer neue glänzende Aussichten, und der Mann, dem die Regierung von Ansbach-Bayreuth übertragen wurde, Karl August Baron von Hardenberg, der spätere Staatsminister, war durchaus befähigt und gewillt, diese Aussichten zu verwirklichen. Da er, unabhängig vom Ministerium, unmittelbar unter dem Könige stand und nur diesem Rechenschaft schuldig war, so regierte er in den Fürstentümern beinahe wie ein souveräner Herrscher. Das hatte den Vorteil, daß er an der Entwicklung des Landes, das unter seiner Herrschaft bald zu hoher Blüte gelangte, ein geradezu persönliches Interesse nahm; nachteilig aber war es, daß er die preußische Großmachtspolitik zugunsten seiner fränkischen Bestrebungen zu beeinflussen suchte und darüber andere, wichtigere Interessen Preußens zu vernachlässigen geneigt war. Der Eintritt der nordischen Großmacht in den fränkischen Kreis wirkte hier wie der Einbruch des Wolfes in eine Lämmerherde. Der Kreistag, der sich sonst nur alljährlich auf sechs Wochen zu versammeln pflegte, trat in Nürnberg zu einer Dauersession zusammen, die erst mit der Auflösung des Kreises im Jahre 1806 ihr Ende finden sollte. Den Anlaß zur Einberufung gaben der Übergang der Fürstentümer an Preußen, ein Ereignis, dessen Tragweite man schon damals zum mindesten

ahnte; ferner die französische Revolution und ihre Wirkung. Die französischen Ideen hatten in einigen fähigen Köpfen den Plan entstehen lassen, dem Kreise eine neue Verfassung zu geben und ihn zu einem einheitlichen Staatswesen, zu einer Republik zu gestalten. Die Seele dieser Bewegung, der auch der brandenburgische Gesandte Freiherr von Soden nicht ferne stand, war der Geheimrat Zwanziger, der als Beauftragter der kleineren Stände mit elf Stimmen über die Majorität am Kreise verfügte. Es war klar, daß die kleineren Stände den Eintritt Preußens als eine ungeheure Gefahr für ihr Dasein betrachten mußten. Aber auch die größeren Staaten bangten für ihre Selbständigkeit und schlössen sich daher dieser Bewegung an, deren utopistische Ideen sie weniger fürchteten als die drohende Machtentfaltung Preußens. 1 ) In der Tat trug sich Hardenberg mit keinem geringeren Gedanken als dem der Einigung Frankens unter preußischer Herrschaft, womit die preußische Hegemonie in Süddeutschland und die Zurückdrängung des Hauses Habsburg auf die Länder seiner Hausmacht verbunden war. Er nahm damit den alten Plan früherer Hohenzollern, des Albrecht Achilles und des Albrecht Alcibiades, wieder auf, freilich mit mehr Aussicht auf Erfolg, da ihm die preußische Großmacht als Rückhalt diente. Mit norddeutscher Tatkraft ging er unmittelbar nach seiner Einsetzung daran, diesen Gedanken auszuführen. 2 ) Vor allem suchte er in den Fürstentümern die Idee des geschlossenen Territorialstaates geltend zu machen. Die Entstehung der fränkischen Staaten durch Kauf und Schenkung, seltener durch Eroberung, hatte zur Folge gehabt, daß kein Staat ein geschlossenes Ganzes bildete, sondern durch Enklaven der Nachbarn und besonders durch die Güter der reichsunmittelbaren Ritter zerrissen *) Süßheim, Preußens Politik in Ansbach-Bayreuth, Berlin 1902, S. 190 ff. 2 ) Süßheim, S. 11 u. 416.

war. Dieser Zustand hemmte eine geregelte Verwaltung und war bei den geringfügigsten Veranlassungen eine Quelle unaufhörlicher Streitigkeiten. Hiegegen schritt Hardenberg mit der ganzen Rücksichtslosigkeit des von höheren Gesichtspunkten ausgehenden modernen Staatsmannes ein. Er vereinigte fast alle innerhalb der Fürstentümer liegenden Gebiete fremder oder eigener Landeshoheit mit den Markgrafschaften und brachte so, teilweise mit Anwendung von Gewalt, den Grundsatz des geschlossenen Territoriums zur Anerkennung.1) Nur die zu Nürnberg gehörige Enklave Lichtenau, die Deutschordens-Enklave Virnsberg und die ziemlich umfangreichen eichstättischen Enklaven blieben von dieser Maßregel unberührt, da sich in den Archiven nicht der geringste Rechtstitel für Ansbach nachweisen ließ. 2 ) Und nun konnte eine straffe, nach preußischem Muster gebildete Organisation geschaffen werden. Das Wehegeschrei der Geschädigten verhallte ungehört. Der Kaiser, im Kriege gegen Frankreich begriffen, mußte sich den preußischen Bundesgenossen warm halten, und der Kreistag vermochte wohl einen ohnmächtigen Protest gegen dieses rechtswidrige Verfahren zu formulieren, aber von einer Kreisexekution gegen den übermächtigen Landfriedensbrecher konnte natürlich keine Rede sein. Einige Jahre später (1796) holte Hardenberg zu einem neuen Schlage aus. Er hatte es jetzt auf die Reichsstadt Nürnberg abgesehen, deren umfangreiches Territorium die Fürstentümer in zwei völlig zusammenhangslose Teile trennte. Durch die Vereinigung Nürnbergs mit den Fürstentümern konnte eine imponierende Territorialeinheit geschaffen werden, die den fränkischen Kreis gegen Bayern wie gegen Österreich völlig absperrte und Preußens Hegemonie im Kreise sichern mußte. x

) Süßheim, S. 196 ff. ») B. Rep. 92. Hardenbergs Nachlaß E 1. Hänleins Flugschrift »Über Preußens Entschädigung im fränkischen Kreise« 1802.

Ferner war Nürnberg, obwohl gegen früher tief gesunken, noch immer der kommerzielle Mittelpunkt Frankens und der Knotenpunkt aller Hauptstraßen. Wer Nürnberg hatte, nahm eo ipso eine dominierende Stellung ein. Die Erwerbung der Stadt erschien demnach in jeder Hinsicht wünschenswert, ja notwendig für die Entwicklung der Fürstentümer. Kraft längst verjährter Ansprüche der ehemaligen Markgrafen auf die Gerichtsbarkeit in einigen Dörfern des Nürnberger Reichswaldes ließ Hardenberg fast das ganze Gebiet der Stadt bis an ihre Tore besetzen und unterwarf es der preußischen Landeshoheit. Die geängstete Bürgerschaft, bis an die Mauern von preußischen Bajonetten und Zollschranken umstarrt, dazu noch jüngst von den Franzosen gebrandschatzt, während die Fürstentümer der Wohltaten der Neutralität sich erfreut hatten, ergriff den einzigen Ausweg, der sich ihr zeigte, und bot freiwillig dem Könige ihre Unterwerfung an. Das eben hatte Hardenberg gewollt. Es war ein großer, entscheidender Moment in der Geschichte Frankens, der Höhepunkt in Hardenbergs Politik. Aber der große Moment fand ein kleines Geschlecht. So wenigstens mochte Hardenberg denken, als dem von ihm geschlossenen Unterwerfungsvertrage die Ratifikation vom Könige versagt wurde. Man schreckte in Berlin vor einer Tat zurück, deren Versuch bereits einen Sturm der Entrüstung im ganzen Reiche hervorgerufen hatte, nicht minder auch vor der enormen Schuldenlast der Reichsstadt (12 Millionen Gulden), und so mußte Nürnberg wider Willen die Unabhängigkeit in den jämmerlichsten Verhältnissen noch zehn Jahre länger tragen. Sein Gebiet freilich blieb preußisch; den Erfolg hatten Hardenbergs Bemühungen doch. Nur die drei Pflegämter in der fränkischen Schweiz, Gräfenberg, Hilpoltstein und Betzenstein, die gerade für die Verbindung zwischen Ansbach und Bayreuth nötig waren, mußte er, da seine Räte

durchaus keinen Rechtstitel darauf ausfindig machen konnten, den Nürnbergern überlassen; ebenso die im Osten gelegenen Ämter Lauf, Altdorf und Hersbruck, die in die bayrische Interessensphäre fielen. Doch gab Hardenberg seine Absichten auf Nürnberg noch keineswegs auf, sondern betonte bei jeder Gelegenheit stets aufs neue den Wert der Stadt für die fränkischen Provinzen. 1 ) Die Ablehnung des Vertrages war im Grunde nur eine persönliche Niederlage Hardenbergs gegen seine Feinde im Kabinettsministerium gewesen. Aber wie er richtig vorausgesehen hatte, wurde sie von den fränkischen Ständen als ein Zeichen preußischer Machtlosigkeit betrachtet und in diesem Sinne ausgenützt. Man sprengte das Gerücht aus, daß Preußen sich überhaupt aus Franken zurückziehen und die Fürstentümer gegen günstiger gelegene Gebiete vertauschen wolle. In der Tat wurde gerade damals dieser Gedanke in Berlin erwogen. Haugwitz, der leitende Minister, verfolgte Hardenbergs fränkische Pläne keineswegs mit besonderen Sympathien; er befürchtete nämlich, daß Preußen durch sein Übergreifen nach Süddeutschland mit Österreich in Konflikt geraten könne, da gerade in Franken die Autorität des Kaisers am wenigsten erschüttert war. Sein Amtsgenosse Alvensleben äußerte damals die Ansicht, im Interesse einer Verstärkung der preußischen Westgrenze komme ein Tausch des fränkischen Besitzes gegen norddeutsche Gebiete sehr in Betracht. Doch hatte er eben deshalb zur Einverleibung Nürnbergs geraten, weil dadurch der Wert der Fürstentümer bedeutend steige.2) Der Gedanke war übrigens nicht neu; bereits 1773 hatte Friedrich der Große, als von dem zu erwartenden Anfall der Markgrafschaften an Preußen die Rede war, die Süßheim, S. 199, 216, 265. ) Süßheim, S. 368.

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Möglichkeit eines solchen Tausches, etwa gegen die Lausitz oder Mecklenburg, erwogen.1) Aber erst jetzt, durch die große, ganz Europa in Aufregung versetzende Frage der Entschädigungen für die deutschen Fürsten, die ihre linksrheinischen Besitzungen an Frankreich verloren hatten, wurde dieses Tauschprojekt aktuell und spielte in den diplomatischen Kämpfen der nächsten Jahre eine erhebliche Rolle. Damit begann eine neue Phase der Hardenbergschen Politik in Franken.

I. Kapitel. Der Antagonismus Preußens und Bayerns bis zum Ausbruch des dritten Koalitionskrieges. (1799—1805) Hardenberg sah in den Entschädigungsverhandlungen ein neues Mittel, seine fränkischen Pläne zu verwirklichen. Anfangs war ihm auch das Glück bei diesen Bestrebungen hold. Es begannen damit jene trüben Jahre deutscher Geschichte, wo die Diplomatie der Fürsten in einem schmachvollen Länderschacher aufzugehen schien — einem Handel, der für die deutschen Vormächte noch schimpflicher war als für das Gewimmel der Duodezfürsten. Der oberflächliche Betrachter wendet sich mit Abscheu von diesem Bilde jämmerlichsten Verfalls hinweg, und doch ist es nicht ohne Reiz, das wechselvolle Spiel dieser Verhandlungen zu verfolgen; ist doch aus ihnen das auf modernen, gesunden Prinzipien begründete Staatensystem des Deutschen Reiches hervorgegangen. Schon in dem Berliner Vertrag (5. August 1796) waren Frankreich und Preußen über das Prinzip der Säkularisation der geistlichen Territorien einig geworden, sowie darüber, daß die Bistümer Bamberg und Würzburg an den Prinzen von Oranien, den früheren Regenten der *) Beer, Friedrich I I . und van Swieten, Leipzig 1874, S. 93.

Niederlande und Verwandten der Hohenzollern, und nach dem Tode dieses kinderlosen Fürsten an Preußen fallen sollten. Diese Bestimmung blieb aber vorläufig nur auf dem Papiere, bis der Rastatter Kongreß eröffnet wurde. Jetzt trat Hardenberg mit einem geradezu revolutionären Plane hervor: P r e u ß e n sollte Bamberg und Würzburg links des Maines, ferner das Bistum Eichstätt und sämtliche fränkischen Reichsstädte (Nürnberg, Weißenburg, Windsheim, Rothenburg und Schweinfurt), endlich die schwäbische Reichsstadt Schwäbisch-Hall als Entschädigung beanspruchen, also beinahe den ganzen fränkischen Kreis — ein unter den obwaltenden Umständen geradezu phantastisches Projekt. Es fand nicht die Billigung des Königs, der nach wie vor Würzburg und Bamberg für Oranien und für Preußen in Westfalen eine größere Abrundung wünschte. 1 ) Aber auch damit drang Preußen auf dem Kongresse nicht durch. Denn inzwischen war ihm ein nicht zu verachtender Gegner ertstanden, der sich ebenfalls in Franken festzusetzen gedachte: das Kurfürstentum Bayern. Als Besitzer der Oberpfalz und des Herzogtums Neuburg war der Kurfürst von Bayern Nachbar des fränkischen Kreises. Bereits unter Karl Theodor machten sich Bestrebungen geltend, das wittelsbachische Herrschaftsgebiet in Franken zu vergrößern. Noch vor Hardenbergs Auftreten, im Jahre 1791, fand ein Eingriff in Franken statt, der die territoriale Umwälzung der nächsten Jahre inaugurierte. Die oberpfälzische Landesdirektion zu Amberg, unter der Leitung des Geheimrats von Bettschart, ging Hardenberg mit dem Beispiel der »Revindikationen« — so nannte er seine Reunionen — voran. Sie unterwarf verschiedene Enklaven der Stadt Nürnberg in der Oberpfalz der kurfürstlichen Landeshoheit und besetzte einige Ämter (Velden, Hersbruck), die, eheSüßheim, S. 305/6.



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mals zur Oberpfalz gehörig, im Landshuter Erbfolgekrieg von den Nürnbergern erobert worden waren. 1 ) Diesem gewalttätigen Schritte waren zwar keine weiteren gefolgt; doch hatte die bayrische Regierung damit bereits ihre Absicht kund getan, in Franken Fuß zu fassen. In den nächsten Jahren hatte auch sie unter dem entschlossenen Vorgehen Hardenbergs zu leiden. Zwischen den hohenzollerschen Fürstentümern und den wittelsbachischen Landen hatten seit Jahrhunderten Vermischungen und infolgedessen endlose Grenzstreitigkeiten und Prozesse am Reichshofrat bestanden. Hardenberg jedoch dehnte sein Vorgehen rücksichtslos auch auf die wittelsbachischen Gebiete innerhalb der Fürstentümer aus. Darauf bot Bayern (1792) die Hand zu einem Vergleich. Hardenberg willigte ein, und die beiderseitigen Kreisgesandten, Freiherr von Soden und Freiherr von Gravenreuth, traten zu Beratungen in Nürnberg zusammen. Da aber Hardenberg seinen Gesandten instruiert hatte, nur in unwichtigen Dingen nachzugeben, in wichtigen jedoch kein Zugeständnis zu machen, so zerschlugen sich die Verhandlungen, bevor sie noch richtig begonnen hatten. Eine gewisse Gereiztheit blieb jedoch auf bayrischer Seite zurück und führte zu einer Lockerung der beiderseitigen Beziehungen.2) In Rastatt stellte Bayern seine Interessen völlig der französischen Republik anheim. Von Österreich hatte es nichts zu erhoffen; das hegte, wenn nicht auf die ganzen, so doch auf einen beträchtlichen Teil der altbayrischen Lande ernstliche Absichten und suchte die Wittelsbacher irgendwo am Rhein zu entschädigen. Preußen arbeitete dem wohl entgegen, da es sonst Österreichs Übermacht in Süddeutschland fürchten mußte; aber eine fränkische Entschädigung wollte es dem Kurhause nicht zugestehen. 2

Süßheim, S. 298. ) Süßheim, S. 295 u. 300.



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In Bayern aber erkannte man, daß eine Arrondierung des Hauptlandes die erste Vorbedingung für die künftige Sicherheit des bayrischen Staates und für eine zielbewußte äußere wie innere Politik sei. Demgegenüber wollte man gerne auf die zerstreuten Gebiete der rechtsrheinischen Pfalz und auf das entlegene Herzogtum Berg verzichten. Diese Arrondierung konnte man, außer in Schwaben, wo man jedoch mit den Interessen Württembergs nicht in Konflikt kommen wollte, nur in Franken finden, und hier waren es eben die beiden fruchtbaren Mainländer Bamberg und Würzburg, die die bayrische Begehrlichkeit reizten. In diesen Bestrebungen wurde Bayern von Frankreich unterstützt, das sich in Anlehnung an die Politik Ludwigs XIV. in einem starken Bayern ein Bollwerk gegen Osterreich schaffen wollte, und auf Wahrung seines Einflusses in Süddeutschland bedacht, die Befestigung der preußischen Macht in Franken mit Mißgunst betrachtete. Der französische Gesandte Roberjot schlug einen Entschädigungsplan vor, wonach Bayern außer den bayrischen und benachbarten schwäbischen Bistümern auch Bamberg und Würzburg erhalten und dafür Berg an Preußen abtreten sollte. Für den Prinzen von Oranien nahm Roberjot Ansbach und Bayreuth nebst dem Rest des Nürnberger Stadtgebietes als Herzogtum Franken in Aussicht. Dieser Plan blieb mit Änderungen, wie die jeweiligen Umstände sie erforderten, im großen und ganzen die Grundlage der Verhandlungen bis zum Reichsdeputationshauptschluß. Hardenberg suchte dem französischen Vorschlag entgegenzutreten, indem er für den Fall, daß Österreich auf Entschädigung in Deutschland verzichte, sich mit einer genauen Entschädigung für die ziemlich geringen Verluste Preußens auf dem linken Rheinufer begnügen wolle. !) Süßheim, S. 315.



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Gehe Österreich nicht darauf ein, dann verlangte er eine dem österreichischen Zuwachs ebenbürtige Vergrößerung in Westfalen und vor allem in Franken. Er sprach zwar nur von einer »Abrundung« in Franken, verstand aber darunter doch den größten Teil Bambergs und Würzburgs, einen Teil Eichstätts, Nürnberg, dessen Wert wegen seiner Schuldenlast fast gar nicht in die Wagschale falle, die übrigen fränkischen Reichsstädte und noch einige andere kleine Gebiete; ein Plan, der von dem früheren nicht sehr beträchtlich abwich und für Preußen nicht nur die Hegemonie, sondern die absolute Herrschaft über Franken forderte. 1 ) Nun aber erstand Bayern ein neuer Helfer in Rußland. 2 ) Zar Paul verfolgte ebenso wie Frankreich das Ziel, die deutschen Mittelstaaten zu kräftigen, um sie gegen die deutschen Vormächte ausspielen zu können, und sein Nachfolger Alexander I. setzte diese Politik fort. Beide forderten Bamberg und Würzburg für Bayern und suchten Preußen durch die Überlassung des Kurfürstentums Hannover zu gewinnen, dessen Herrscher der König von England war. Dieser Vorschlag wurde von Preußen nach einigem Zögern abgelehnt. Mehr als je bestand Hardenberg jetzt auf dem völligen Besitz der beiden Bistümer, der von ausschlaggebender Bedeutung für die Herrschaft in Franken war. Die Regierungen der Großmächte wetteiferten nun in Entschädigungsprojekten, von denen eines das andere negierte. Man scheute selbst vor den vagsten, allen menschlichen und historischen Gesetzen Hohn sprechenden Kombinationen nicht zurück, und je nach den wechselnden politischen Konstellationen fanden die preußischen Projekte, die beharrlich auf den Besitz Frankens abzielten, bei dem Schiedsrichter Europas, Napoleon, mehr oder minder intensive Unterstützung. Süßheim, S. 309. ) Süßheim, S. 323/24.

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Erst als die Anbahnung friedlicher Beziehungen zu England dem ersten Konsul freie Hand gab, schlug er dem preußischen Kabinette gegenüber einen entschiedenen Ton an. Bamberg und Würzburg wurden jetzt endgültig den Wittelsbachern zugesprochen, da die drei kontinentalen Großmächte darin einig waren, Preußen zu keiner beherrschenden Stellung in Süddeutschland gelangen zu lassen (1801 ). 1 ) Damit war es um Preußens Vormachtstellung in Franken geschehen. Die hohenzollerschen Fürstentümer, eingeklemmt zwischen der Hauptmasse der bayrischen Länder, sanken zu einem politisch wenig wertvollen, ja geradezu lästigen Außenwerk des preußischen Staates herab. Bayern freilich bedurfte dringend einer Verbindung zwischen den Stammlanden und den fränkischen Neuerwerbungen wenn es nicht, mit der rechtsrheinischen Pfalz und Berg, in vier völlig zusammenhanglose Gebiete zerfallen sollte. Baron von Montgelas, der seit dem Begierungsantritt des Kurfürsten Max Joseph (1799) die bayrische Politik leitete, war erfüllt von dem Gedanken eines großen geschlossenen bayrischen Staates und suchte ihn mit weitberechnender Einsicht und einer Großzügigkeit, die doch nie ins Phantastische ausartete, zu verwirklichen. Er hatte bereits bei den Bastatter Verhandlungen auf eine Entschädigung in Franken hingewirkt. Nachdem er dies erreicht, verfolgte er mit hartnäckiger Konsequenz das Ziel, die Fürstentümer Ansbach und Bayreuth unter Aufgabe der rheinischen Länder zu erwerben und so Hardenbergs Plan unter bayrischem Szepter auszuführen. Er trat damit in entschiedenen Gegensatz zu dem preußischen Minister, der seine Hoffnungen keineswegs aufgab und eine verlorene Position bis zum letzten Augenblick zu halten und zu verstärken bemüht war. Wohl unterhielt Montgelas noch lange Jahre >) Süßheim, S. 326.



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hindurch mit der preußischen Regierung freundschaftliche Beziehungen, da er ihrer Unterstützung in allen Fragen der großen Politik, namentlich gegen Österreich, bedurfte. Infolge dieser Freundschaft kleidete sich auch der Kampf um Franken in die verbindlichsten Formen; aber er war das herrschende Moment in der bayrischen Politik der nächsten Jahre und konnte nur damit endigen, daß einer der beiden Staaten aus Franken hinausgedrängt wurde. Und Bayern hatte infolge seiner geographischen Lage und der Abneigung Frankreichs und Österreichs gegen ein süddeutsches Neupreußen die besseren Aussichten, in diesem Kampfe zu siegen. Schon im April 1801 ließ Montgelas, von Frankreich unterstützt, in Berlin die Abtretung der Fürstentümer an Bayern gegen Berg und eine angemessene Entschädigung in Westfalen vorschlagen, fand aber wenig Entgegenkommen. 1 ) Trotz Bayerns Eintritt in den fränkischen Kreis war Hardenberg durchaus nicht gewillt, auf die dortige Stellung zu verzichten; in seinen Augen hatten die Fürstentümer, abgesehen davon, daß sie bei ihrem Reichtum eine wahre Goldgrube für die preußischen Finanzen bildeten, 2 ) eine politische Bedeutung, die ihnen unter den neuen Verhältnissen nicht mehr zukam. Nur so weit willfahrte er Montgelas' Wünschen, daß er den Tausch Ansbachs gegen Bamberg vorschlug.3) Aber damit hätte Bayern die ersehnte Verbindung mit Franken doch nicht erhalten und wäre des entlegenen Herzogtums Berg nicht ledig geworden, während die preußischen Besitzungen eine kompakte Masse gebildet und wie ein drohender Keil sich zwischen die Oberpfalz, Ansbach und Würzburg geschoben hätten. Da war denn doch der gegenwärtige Zustand bei weitem vorzuziehen. Hardenbergs Süßheim, S. 326. — M. M. B. P. 1801, II, Montg. an Posch, 6. April. 2 ) M. M. B. P. 1801, II, Ber. Poschs, 27. Juni. 3 ) M. M. B. P. 1801, II, Ber. Poschs, 3. Sept.



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Vorschlag ist bezeichnend für die staatsmännisch kühle Art, mit der er diese Probleme behandelte. Nicht auf die Erhaltung der Fürstentümer, sondern einzig auf die Erhaltung der Machtstellung in Franken kam es ihm an. Ganz anders der König. Er brachte Hardenbergs fränkischen Vergrößerungsplänen kein allzu großes Interesse entgegen, wenn er sich auch manchmal durch ihn hinreißen und beeinflussen ließ. Wie er den bayrischen Ansprüchen in Franken nicht entschieden entgegentrat, ja sich energisch für eine ausreichende Entschädigung Bayerns verwandte, weil ihn persönliche Freundschaft mit dem Kurfürsten verband, so ließ er sich auch hinsichtlich der Fürstentümer von persönlichen Gefühlen leiten. Es waren die Stammlande der Hohenzollern, die durch Vertrag und Erbgang an ihn gefallen waren; ihre Bewohner hingen mit Treue, ja Liebe an ihrem König, wovon er sich auf mehreren Reisen in diese entlegenen Länder überzeugen konnte. So hielt er mit Zähigkeit daran fest, daß er von diesen ältesten Untertanen seines Hauses keinen einzigen veräußern dürfe, 1 ) und durchkreuzte durch diese Gefühlspolitik manchen vorteilhaften Plan seines Ministers. Freilich verschloß sich auch der König den Vorteilen nicht, die der Besitz wenigstens des oberen, zu beiden Seiten der Regnitz gelegenen Teiles des Bistums Bamberg für die Fürstentümer versprach, indem sie dadurch die längst ersehnte Verbindung erhalten würden. Er schlug Bayern als Entgelt den Erwerb der Stadt Nürnberg vor, wofür er sich bei Napoleon verwenden wollte, obwohl Hardenberg gerade damals immer wieder betonte, wenn Nürnberg nicht frei bleibe, müsse es unbedingt preußisch werden. 2 ) Allerdings hegte Bayern nunmehr auch ernstliche Absichten auf Nürnberg, teils um der !) M. M. B. P. 1801, I, Ber. Brays, 31. Okt. 2 ) M. M. B. P. 1801, I, Ber. Brays, 10. Nov.



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Stadt selbst, teils um der Verbindung mit den Bistümern willen. 1 ) Aber eben diese Verbindung wollte Preußen auf keinen Fall zulassen, und einen so teuren Preis wie die Hälfte Bambergs wollte Bayern dafür nicht bezahlen. Übrigens war auch Napoleon nicht geneigt, die Unabhängigkeit der Reichsstadt preiszugeben. Dagegen unterstützte er Montgelas' Plan eines Tausches Bergs gegen Ansbach, drang aber damit bei der bekannten Gesinnung des Königs nicht durch und ließ ihn daher bald wieder fallen. 2 ) Montgelas jedoch wiederholte noch mehrmals den Versuch, mit diesem Projekt in Berlin durchzudringen. Preußens Stellung in Franken erschien ihm bedrohlich für Bayerns Selbständigkeit; auch konnte die enge Verbindung der beiden Staaten an Festigkeit nur gewinnen, wenn sich ihre Interessensphären nicht mehr berührten. 3 ) Dem Chevalier de Bray, der im September 1801 zum Gesandten in Berlin ernannt wurde, ward dieser Plan in einer ausführlichen Instruktion auf das dringendste ans Herz gelegt. 4 ) Bereits der verstorbene Kurfürst Karl Theodor habe sich mit diesem Projekt getragen, aber infolge seiner gespannten Beziehungen zum Berliner Hofe keine Schritte tun können, es zu verwirklichen. Auch Max Joseph habe sich, solange Preußen seine Entschädigung in Franken zu suchen schien, damit nicht befassen können. Jetzt aber, nachdem sich Bayern im Einverständnis mit Preußen in Franken festgesetzt habe, komme dieses Projekt den Interessen beider Staaten in gleichem Maße entgegen. Die Fürstentümer seien infolge ihrer isolierten Lage jedem Angriff schutzlos preisgegeben, da ihre Einkünfte nicht zur Unterhaltung einer imponierenM. M. B. P. 1801, II, Montg. an Posch, 6. April. ) Süßheim, S. 326 u. 328. 3 ) M. M. B. P. 1802, II, Montg. an Bray, 7. Febr. 4 ) M. M. B. P. 1802, II, Instruktion für Bray, 29. Aug. 1801. 2



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den Truppenmacht ausreichten. Außerdem sei der Verzicht auf sie für Preußen wünschenswert im Interesse seiner Beziehungen zu Österreich, das Preußens fränkische Stellung stets mit Mißtrauen betrachten und jeder Vergrößerung der Fürstentümer den hartnäckigsten Widerstand entgegensetzen werde. Eine Vergrößerung müsse jedoch Preußen wünschen, da es sonst keinen entscheidenden Einfluß auf die Geschicke Süddeutschlands erlangen werde. Da dies wegen Österreich unmöglich, so sei der fränkische Besitz weiterer Entwicklung nicht fähig und daher für Preußen wertlos. Anderseits biete das Herzogtum Berg die Möglichkeit, es jederzeit ohne ernstlichen Einspruch von irgendwelcher Seite mit Kleve, Münster und der Grafschaft Mark durch Unterwerfung der kleineren dazwischen liegenden Reichsstände zu einer großen geschlossenen Provinz in Westfalen zu vereinigen und dadurch ein starkes Bollwerk gegen Frankreich zu schaffen. Bray solle alle diese Gründe in geeigneten Augenblicken immer und immer wieder vorbringen, aber doch mit äußerster Vorsicht zu Werke gehen; die Verhandlungen über diesen Gegenstand seien eben deshalb so schwierig, weil der König und Hardenberg ihn nicht sachlich, sondern von persönlichen Gesichtspunkten ausgehend behandelten; Hardenberg trete für die Erhaltung der preußischen Staaten in Franken ein aus Gewohnheit, Vorurteil und persönlichem Interesse. Diese Begründung erscheint in der Form vielleicht übertrieben; inhaltlich jedoch ist sie nicht zu widerlegen und beweist, wie klar Montgelas die Verhältnisse und die Menschen durchschaute, mit denen er es zu tun hatte. Bray machte im Februar 1802 einen schüchternen Versuch, das Tauschprojekt der preußischen Regierung von neuem zu empfehlen. Er wurde jedoch so entschieden abgewiesen, daß er zu der Überzeugung gelangte, man werde in dieser Angelegenheit überhaupt niemals auf Entgegenkommen von preußischer Seite zu



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rechnen haben. 1 ) Doch schon im Juni zeigte sich Haugwitz geneigt, den Tauschplan zu erwägen; er vertröstete aber Bray auf spätere Zeiten, da er vorläufig den Widerstand seines Monarchen, der von Hardenberg beeinflußt war, nicht zu brechen vermochte. 2 ) All diese Schritte fanden statt, während die Verhandlungen über die Entschädigungen noch in vollem Gange waren. Uber die Grundzüge herrschte zwar unter den Kabinetten schon seit Ende 1801 ziemliche Übereinstimmung; aber erst die Verträge Preußens und Österreichs mit Frankreich im Jahre 1802 führten zu einer endgiltigen Lösung der Frage. Es blieb dabei, daß Preußen in Franken keine Vergrößerung erhielt; auch die im Ansbachischen enklavierten oder angrenzenden Reichsstädte Windsheim, Weißenburg, Dinkelsbühl (das eigentlich zum schwäbischen Kreis gehörte) und Rothenburg mit seinem umfangreichen, fruchtbaren Gebiete, sowie die Enklaven des Bistums Eichstätt fielen an Bayern, dessen Position in Franken damit eine nicht geringe Verstärkung erfuhr. 3 ) Der Wert der eichstättischen Enklaven wurde allerdings dadurch fast illusorisch, daß das Hauptland des Bistums nicht, wie man bisher immer angenommen hatte, dem Wittelsbacher, sondern dem Bruder des Kaisers, Großherzog Ferdinand von Toskana, überlassen wurde, so daß zwischen der Oberpfalz und dem Herzogtum Neuburg eine beträchtliche Lücke blieb. Noch in letzter Stunde hatte Österreich diese Forderung erhoben, und um das Friedenswerk nicht länger hinauszuzögern, hatten Preußen und Frankreich ihre Einwilligung erteilt. Bayern sollte dafür anderweitig entschädigt werden; wie? das lag im Schöße der Götter; man hatte x

) M. M. B. P. 1802, II, Bray an Montg., 4. Febr., Montg. an Bray, 7. Febr. 2 ) M. M. B. P. 1802, I, Ber. Brays, 12., 19., 29. Juni. s ) Süßheim, S. 335/36. T a r r a s c h , Übergang des Fürstentums Ansbach an Bayern.

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weder Lust noch Zeit mehr, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, alle Welt war des ewigen Hadems und Handelns müde und wollte endlich den Frieden. So stellte denn der Reichsdeputationshauptschluß vom 25. März 1803 die Frage der Entschädigung Bayerns teilweise der Zukunft anheim. Immerhin hatte Montgelas mit seiner rührigen Politik erreicht, was er erreichen konnte. In Würzburg und Bamberg hatte er ein großes, reiches Gebiet erworben, das Bayern an Stelle Preußens zur Vormacht in Franken erhob. Und der weitsehende, die Verhältnisse klar beurteilende Staatsmann war fest überzeugt, daß die Erwerbung Ansbachs und Bayreuths und damit die Arrondierung der getrennten Gebiete zu einem imponierenden Staatswesen zweiten Ranges nur noch eine Frage der Zeit sei. Freilich hatte er in Hardenberg einen Gegner gefunden, der ihm noch genug zu schaffen machte und Preußens süddeutsche Stellung mit hartnäckiger Energie aufrecht erhielt. Das bewiesen die Ausgleichsvephandlungen, die Bayerns Eintritt in Franken notwendig machte. Schon seit 1799 hatte Montgelas unaufhörlich bei dem Berliner Kabinette Schritte unternommen, um die lästigen Grenzstreitigkeiten aus der Welt zu schaffen, hatte aber nur ausweichende oder gar keine Antworten erhalten. Hardenberg wollte erst die endgiltige Lösung der Entschädigungsfrage abwarten, um dann die Verhältnisse im großen zu regeln. Kaum jedoch hatte er die Sicherheit, daß Bamberg und Würzburg bayrisch würden, als er Montgelas mit Verhandlungen geradezu überraschte. Die Bayern hatten eben von den Bistümern Besitz ergriffen und sich daher über die dortigen Verhältnisse noch nicht genau unterrichten können. Da erschien Hardenberg in Begleitung des ansbachischen Kriegsrats Lang, der in den fränkischen Dingen ausgezeichnet Be-



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scheid wußte, in München (September 1802) und eröffnete die Verhandlungen.1) Mit der Erwerbung der fränkischen Reichsstädte und der Eichstätter Enklaven drohte sich Bayern mitten im Ansbacher Gebiete festzusetzen; dies gedachte Hardenberg auf keinen Fall zuzulassen. Außerdem war durch die Säkularisation ein Streitpunkt entstanden, den die Reichsdeputation wie so manches andere mit Stillschweigen übergangen hatte. Die geistlichen Stifter besaßen in den verschiedensten weltlichen Territorien eine Unzahl von Gütern und Kapitalien, die durch die Säkularisation auf einmal herrenlos wurden. Die Frage war nun, was mit diesen bona vacantia geschehen solle. Die Landesherren, in deren Gebiet sie sich befanden, wollten sie nach dem droit d'épaves für sich in Anspruch nehmen, und Österreich ging ihnen darin mit gewaltsamem Beispiel voran. Nun hatten jedoch verschiedene Stifter einen beträchtlichen Teil ihrer Kapitalien in ausländischen Finanzunternehmungen oder Banken angelegt, und so bedeutete dieses Vorgehen eine schwere Schädigung der säkularisierten Lande. Dem übermächtigen Österreich gegenüber blieb Bayerns Protest völlig wirkungslos. Hardenberg aber durfte schon wegen der Freundschaft des Königs mit dem Kurfürsten diesen Weg nicht einschlagen. Außerdem konnte Bayern Repressalien ergreifen, indem es die ansbachischen Enklaven im Würzburgischen als Pfand besetzte und überhaupt auf keinen Landesvergleich einging, sondern den Hardenberg sehr lästigen status quo des Besitzstandes aufrechterhielt. Ein letzter Streitpunkt war der hinsichtlich des Direktoriums am Kreistage. Hierüber hatten stets zwischen den Markgrafen und den Bischöfen von Bamberg Differenzen bestanden, die Hardenberg im Jahre 1795 durch einen Vertrag beseitigt hatte; danach war Preußen Mitdirektor und durfte im Falle ») Süßheim, S. 339—350.

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der Sedisvakanz des Bistums die Kreisgeschäfte allein führen. Diesen Vertrag erklärte Hardenberg jetzt für erloschen, da mit dem Ende der bischöflichen Landesherrlichkeit das Moment wegfalle, das Bambergs Vorrang im Kreise begründet habe. Unter den weltlichen Fürsten nehme der Ansbacher die erste Stelle ein; ihm gebühre daher das Direktorium. Das widersprach jedoch dem § 32 des Reichsdeputationsschlusses, wonach den neuen Regenten die Entschädigungsländer mit ihren Rechten und Vorzügen und mit ihrem bisherigen Range zufallen sollten. Bayern war daher trotz Hardenbergs Hartnäckigkeit nicht zum Verzicht zu bewegen; so blieb diese Frage unentschieden, und man einigte sich für die Praxis auf eine gemeinsame Behandlung der Geschäfte. In den anderen Punkten war Montgelas nicht so glücklich. Hardenberg suchte die Verhältnisse noch einmal im großen zu regeln durch einen Tausch, der einen Teil Bambergs südlich des Mains und östlich der Regnitz nebst der Stadt Bamberg mit Bayreuth zu einem geschlossenen Ganzen vereinigt und dafür Bayern im südlichen Ansbach die Verbindung mit Würzburg verschafft hätte. Der Plan scheiterte jedoch wieder an der bekannten Abneigung des Königs, ihm mit Recht gehörende Untertanen wegzugeben. Eine Anregung des Königs, einen Teil Bambergs gegen Erlaß einer alten, nicht unbeträchtlichen Schuld abzutreten, die der letzte Herzog von Zweibrücken von dem König Friedrich Wilhelm II. aufgenommen hatte, wollte Montgelas nicht Folge leisten, da man mit Ordnung und Sparsamkeit auch die beträchtlichste Schuld schließlich tilgen könne, während man einmal verlorene Gebiete nicht mehr zurückgewinne.1) Und Land, das war es, was der entstehende bayrische Staat damals vor allem nötig hatte. So mußte man sich schließlich auf eine Grenzpurifikation, d. h. eine Berichtigung M. M. B. P. 1802, I, Montg. an Bray, 15. Aug.



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der Grenzen, und Austausch der beiderseitigen Enklaven beschränken. Daß er dem mächtigen Preußen gegenüber zu einigen Opfern bereit sein müsse, dessen war sich Montgelas wohl bewußt. Hardenberg stellte aber anfangs so exorbitante Bedingungen, daß die Verhandlungen sich mehr als einmal zu zerschlagen drohten. Als beatus possidens der revindizierten Gebiete wollte er diese überhaupt nicht in die Verhandlungen mit einbeziehen, weil er sie als feste Bestandteile der Fürstentümer betrachtete. Auf die fünf eichstättischen Ämter machte er frühere Ansprüche geltend, um ihren Wert als Tauschobjekt herabzudrücken, obwohl Montgelas mit Recht einwendete, die preußischen Ansprüche schienen doch nicht so wohl begründet zu sein, da Hardenberg sonst sicher bei seinen Revindikationen diese Ämter nicht unberücksichtigt gelassen hätte. Doch die Kunde, daß der Hauptteil des Bistums Eichstätt an den Großherzog von Toskana fallen solle, wodurch diese Enklaven für Bayern entwertet wurden, stimmte Montgelas in diesem Punkte nachgiebig. In der Frage, wie weit die Revindikationen Hardenbergs zu berücksichtigen seien, erlangte er wenigstens das Zugeständnis, daß Bayern für die nach 1796 von Preußen besetzten Orte eine Entschädigung erlangen sollte. Auch Rothenburg mit seinem umfangreichen Gebiete vermochte er den Wittelsbachern zu erhalten. In allem übrigen aber mußte der schwächere Staat nachgeben. So kam im November 1802 nach langwierigen Verhandlungen der Hauptlandesvergleich zustande. Bayern trat die Reichsstädte Weißenburg, Windsheim und Dinkelsbühl, die Eichstätter Enklaven sowie mehrere Bamberger Ämter, die weit in Bayreuther Gebiet hineinragten, an Preußen ab und entsagte feierlichst allen Ansprüchen an die von Preußen revindizierten Gebiete. Dafür erhielt es einige preußische Enklaven in der Oberpfalz und im Bamberger Gebiet. Eine gemeinsame Kommission sollte die beiderseitige Grenze feststellen und alle schwebenden Differenzen

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beseitigen. Zur Verbindung des bayrischen Franken mit der Oberpfalz sollte eine durch preußisches Gebiet führende Straße von Forchheini nach Hersbruck bayrischen Truppen jederzeit offen stehen. Ein Geheimartikel betraf die zukünftige Aufteilung des Nürnberger Gebietes: die Pflegämter Gräfenberg, Hilpoltstein und Betzenstein sollten preußisch werden, der Rest an Bayern fallen. In einem Separat vertrage trat Bayern alle geistlichen Güter in den Fürstentümern (die bona vacantia) an Preußen gegen Erlaß der Zweibrückener Schuld von 3523000 Gulden und Zahlung von weiteren 150000 Gulden ab. In einem zweiten Separat vertrag übertrug Hardenberg die Preußen zustehenden lehnsherrlichen Rechte auf die Güter der reichsunmittelbaren Freiherrn von Thüngen im Norden des Bistums Würzburg an Bayern und erhielt dafür das reiche Würzburger Amt Iphofen, zwischen dem Bayreuther Unterland und dem Ansbachischen gelegen. Ein dritter Separatvertrag teilte die zwischen Würzburg, Bamberg und Bayreuth liegenden Grafschaften Schwarzenberg, Castell und Limpurg für den Fall einer günstigen Gelegenheit zwischen beiden Staaten auf. Montgelas verhehlte sich nicht, daß diese Verträge keineswegs vorteilhaft für Bayern waren. »Ich tat, was ich konnte, nicht was ich wollte,« schrieb er an den Freiherrn von Hompesch, »aber zwischen den beiden Übeln, abzuschließen oder zu brechen, zog ich das erste als weniger gefährlich vor«.1) Wie ungünstig der ganze Tausch sei, das merkte man in seiner vollen Ausdehnung erst, als man sich über die abzutretenden Gebiete näher unterrichten konnte. Montgelas war wohl schon beim Abschluß der Verträge entschlossen, ihre Ratifikation und Ausführung nach Möglichkeit zu verzögern; konnte doch in jener ereignisreichen Zeit in kürzester Frist ein Umschwung der Ver1

) M. Pol. Arch. d. Min. d. Äuß. Nr. 121, Montg. an Hompesch, 3. Dez. 1802.



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hältnisse eintreten, der alle bisherigen Abmachungen aufhob. Erst im September 1803 erfolgte der Austausch der Ratifikationen, und nur langsam schritt man zur Übergabe der abzutretenden Distrikte. Vor allem konnte man sich nicht entschließen, Iphofen herauszugeben. Bayern war in diesem Punkte von Preußen in außerordentlichem Maße übervorteilt worden. Dieses Amt war sehr reich und infolge seiner Lage an der alten NürnbergFrankfurter Handelsstraße, inmitten der Gebiete von Limpurg und Castell, die in die bayrische Interessensphäre fielen, von besonderer Wichtigkeit. Die reichsunmittelbaren Thüngenschen Güter waren bedeutend weniger wert; außerdem war ihr Besitz für Bayern in Frage gestellt, da der Freiherr von Thüngen den Vertrag nicht anerkannte. Der Versuch, diese Güter wie überhaupt die Besitzungen der Reichsritterschaft in den fränkischen Provinzen nach Preußens Beispiel zu unterwerfen, beschwor beinahe einen Krieg mit Österreich herauf, das die letzten Stützen der untergehenden Kaisermacht unter seinen Schutz nahm. Solange ihm aber Preußen das versprochene Äquivalent nicht verschaffen konnte, glaubte sich Montgelas berechtigt, ihm Iphofen vorzuenthalten. 1 ) So wurden die Verträge, anstatt allen Differenzen ein Ende zu machen, eine unerschöpfliche Quelle neuer Streitigkeiten, die bei den beiderseitigen Beamten oft eine scharfe Form annahmen; besonders der Legationsrat Nagler,2) Harden») B. R. 44 C. Separatverträge 40. 2 ) Geboren 1770 in Ansbach als Sproß einer höheren fränkischen Beamtenfamilie, hatte er eine sorgfältige Ausbildung genossen und war 1792, eben als Hardenberg die Regierung der Fürstentümer übernommen hatte, in den Staatsdienst getreten; hier zog er bald die Aufmerksamkeit des Ministers auf sich. Hardenberg ernannte ihn schon 1795 zum Kriegs- und Domänenrat und nahm ihn, als er nach Berlin übersiedelte, mit sich in das fränkische Departement. Im Jahre 1802 wurde Nagler zum Geheimen Legationsrat ernannt. (Allg. deutsche Biogr. XXIII, 233 und Lang, Annalen d. Fürst. Ansbach, S. 35.)



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bergs rechte Hand in den fränkischen Angelegenheiten, tüchtig, schneidig, aber undiplomatisch hochfahrend und schroff, war empört über die bayrischen Schikanen und blieb für die Folgezeit stets von einer feindseligen Gesinnung gegen Bayern beherrscht. So geringfügig die einzelnen Streitigkeiten um Dörfer und kleine Parzellen an sich auch waren, so führten sie doch zu einer derartigen Spannung zwischen den beiderseitigen Behörden, daß schließlich der Weg ministerieller Verhandlung wieder beschritten werden mußte. Bray überreichte Hardenberg im April 1805 eine scharfe Note, worin er sämtliche Beschwerden seines Hofes darlegte. 1 ) Mit der Ausarbeitung einer Gegennote ward Nagler beauftragt, der sich über die bayrischen Anmaßungen sehr entrüstete und die Antwort sehr schroff und kategorisch abfaßte. 2 ) Hardenberg erklärte sich darin zu einzelnen Zugeständnissen bereit, widerlegte die Mehrzahl der bayrischen Forderungen als falsch oder übertrieben und bestand vor allem auf der sofortigen Übergabe der Ämter Iphofen, Markt Bibart und Oberscheinfeld. Erst dann sei er bereit, in Verhandlungen über ein neues fränkisches Abkommen einzutreten, das eine endgiltige Regelung aller Differenzen zum Ziele haben solle. Daraufhin gab Montgelas seinen Widerstand auf. Ende August 1805, wenige Wochen vor dem Ausbruch des dritten Koalitionskrieges, der die Verhältnisse Frankens von Grund aus veränderte, fand die Übergabe jener lang umstrittenen Distrikte statt. 3 ) — Trotz diesen Differenzen handelten jedoch in den Verhandlungen am Kreistag die beiden Vormächte im großen und ganzen im besten Einvernehmen und errangen manchen Erfolg, der ihre Stellung in Franken befestigte, B. R. 44 C. Separatverträge 40, Note Brays, 16. April 1805. ) B. R. 44 C._Separatverträge 40, Note Hardenbergs, 22. Mai

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1805.

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) B. R. 44 C. Separatverträge 95, Ber. Naglers, 3. Sept. 1805.



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Der fränkische Kreistag hatte seit 1796 viel von seiner Bedeutung eingebüßt. Der ideenreiche Geheimrat Zwanziger war gestorben; der preußische Gesandte von Soden hatte sein Amt niedergelegt, weil Hardenbergs Bestrebungen zu seinen Überzeugungen im Widerspruch standen. 1 ) Damit waren zwei Männer vom Schauplatz abgetreten, die tatkräftig die ehrwürdige Verfassung und die Unabhängigkeit des Kreises verfochten hatten. Sodens Nachfolger Pfeiffer wurde von Hardenberg 1796 abberufen, weil der Kreistag eine Waffenstillstandskonvention mit dem französischen General Ernous auch auf AnsbachBayreuth ausdehnen und über die Grenzen und Verbindlichkeiten der Fürstentümer eigenmächtig sehr nachteilige Bestimmungen treffen wollte, obgleich die Fürstentümer durch den Baseler Frieden neutral geworden und gegen alle Wechselfälle des Krieges sichergestellt worden waren. Hardenberg hielt es daher für geraten, bis zum Friedensschlüsse die Gemeinschaft mit dem Kreise aufzuheben, da sie nur zu unangenehmen Kollisionen mit Frankreich führen könne, und stellte wegen des unordentlichen und schleppenden Ganges des Kreisrechnungswesens auch die Zahlung der Kreisbeiträge ein. Mehrmalige dringende Bitten der Stände, Preußen möge in den Kreisverband zurückkehren, blieben erfolglos. Nach dem Frieden von Luneville jedoch befürwortete Hardenberg selbst den Wiedereintritt wegen der bevorstehenden Änderungen durch die Reichsdeputation und wegen der Kreiskasse, der bei weiterer Entziehung der preußischen Beiträge Bankrott drohte. 2 ) Auf seinen Vorschlag ernannte der König den Vizepräsidenten der Ansbacher Kammer, Karl Hänlein, zum Kreisdirektorialgesandten, einen Mann, der sich nicht durch hervorragende diplomatische Fähigkeiten x

) Allgem. deutsche Biographie X X X I V , 533. ) B. R. XI 94a Nr. 8 C., Hardenbergs Memoire an den König, 4. März 1801. 2



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auszeichnete, aber die preußischen Interessen mit Würde und Nachdruck zu verfechten wußte. 1 ) Auf bayrischer Seite erwog man nach der Besetzung von Würzburg und Bamberg die Frage, ob man nicht diese Gebiete aus dem fränkischen Kreisverband loslösen solle.2) Es widerstrebte dem Kurfürsten, sich in der inneren Verwaltung und militärischen Organisation dieser Länder den Beschlüssen des Kreistages unterzuordnen; auch wollte er sich der Zahlung der Kreissteuer (60 600 Gulden für das Jahr 1803) entziehen und möglichst schnell den Teil der Kreisschulden abzahlen, der an seinen Entschädigungsländern haftete (544 500 Gulden). Dieser Gedanke war jedoch verfrüht. Wurde er ausgeführt, so bedeutete das zweifellos die Sprengung des Kreises; man konnte dadurch mit dem Kaiser in Konflikt geraten, der nach dem Reichsdeputationsschluß entschiedener als je die Autorität der Kreisverfassung, vor allem in Franken, und damit seine eigene zu stärken suchte. Diesen Bestrebungen entgegenzutreten, bot gerade das Verbleiben im Kreise die beste Handhabe, zumal da Bayern dabei auf die tatkräftige Unterstützung Preußens rechnen konnte. Ferner empfahlen finanzielle Rücksichten, die Kreisverfassung zu erhalten. Der fränkische Kreis (auf 27 500 qkm eines größtenteils reich gesegneten Landes 1,5 Millionen Bewohner) hatte die verhältnismäßig geringe Schuldenlast von 1 452 000 Gulden; daran war Bayern als Gläubiger mit mehr als der Hälfte (796 000 Gulden) beteiligt und daher mehr als alle anderen Stände an einer geordneten Finanzverwaltung des Kreises interessiert. Als Kreisstand behielt es die Kontrolle der Finanzverwaltung, während sie durch die Auflösung ins Stocken geraten B. R. XI 94a Nr. 8 C., Kgl. Ernennungsdekret, 18. März 1801. *) B. R. XI 94a Nr. 8 E, Ber. Hänleins, 27. Febr. 1804: »Da mir die schon längst gehegte Tendenz des Münchener Staatsministeriums, den Kreisverband aufzulösen, aus dem Munde des Freiherrn von Montgelas selbst bekannt ist «



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wäre und Bayern Schwierigkeiten gehabt hätte, sich seine Gelder zu verschaffen. Aus diesen Gründen gab Montgelas seine Absichten vorläufig auf, ohne sie jedoch für immer aus den Augen zu verlieren.1) Die beiden bisherigen Kreisgesandten für Bamberg und Würzburg, Oberkamp und Hepp, wurden auf ihrem Posten belassen. Dagegen hob Bayern, dem Beispiel Preußens vom Jahre 1801 folgend, den bisherigen Kreismilitärverband auf; 2 ) es organisierte die Würzburger und Bamberger Kontingente nach bayrischem Muster und ließ sich hiefür aus der Kreiskasse einen jährlichen Zuschuß von 2296 Gulden bewilligen.3) Montgelas war entschlossen, wo immer möglich, in den fränkischen Gebieten die gleichen Rechte auszuüben und am Kreistag die nämliche Stellung zu beanspruchen wie Preußen. Dies glückte ihm nicht in allen Punkten. Seine Bestrebungen, in Würzburg und Bamberg durch Unterwerfung der Reichsritterschaft ein geschlossenes Territorium zu schaffen, scheiterten an dem energischen Widerstand des Kaisers, dem jetzt nicht mehr, wie zehn Jahre zuvor, durch Krieg die Hände gebunden waren. Die Klagen der Unterworfenen fanden bei ihm geneigtes Gehör. Ein Reichshofratskonklusum vom 23. Januar 1804 dekretierte mit aller Strenge, daß die bayrische Regierung ihre Maßregeln gegen die Reichsritterschaft zurückzunehmen habe, und der gleichzeitige Aufmarsch eines österreichischen Heeres von 60 000 Mann am Inn verlieh diesem Erlaß den gehörigen Nachdruck. Vergebens rief Montgelas die Intervention Preußens an, das im eigenen Interesse die Sanktionierung dieser Reunionspolitik wünM. K. schw. 558/23 unsigniertes Memoire »Beweggründe für den höchsten Kreisstand Kurpfalz - Bayern zur Beihalt- und Beizahlung zum fränkischen Kreis« 1803. Nach Stil und Tonart dürfte einer der bayrischen Kreisgesandten der Verfasser sein. 2 ) N. R. 172 Nr. 233, Montg. an Thürheim, 14. Febr. 1803. 3 ) N. R. 172 Nr. 234, Ber. Oberkamps, 11. Juni 1804.



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sehen mußte. Der Wiener Hof blieb unerbittlich, und nur dem tatkräftigen Eingreifen Napoleons hatte es Montgelas zu verdanken, daß im letzten Augenblick der Krieg vermieden wurde. Doch mußte er dem Beschlüsse des Reichshofrats unverzüglich Folge leisten (17. Februar 1804).: Von geringerer Bedeutung waren die Rangstreitigkeiten mit Preußen, die durch Bayerns Eintritt in den Kreis verursacht wurden. Der Kurfürst beanspruchte das Kondirektorium am Kreistage, das nach dem Vertrag von 1795 an Bamberg haftete, und als Landesherr von Würzburg das Recht, den Titel eines Herzogs von Franken zu führen, wie es die Würzburger Bischöfe seit undenklichen Zeiten getan hatten. Preußen bestritt diese Ansprüche, da diese Rechte Attribute der b i s c h ö f l i c h e n Landesherrlichkeit gewesen und mit deren Erlöschen hinfällig geworden seien. Bayrischerseits berief man sich auf den § 32 des Reichsdeputationshauptschlusses, wonach die neuen Besitzer die Entschädigungsländer mit allen Rechten und Prärogativen ihrer Vorgänger überkommen sollten. Hardenberg hatte in München vergeblich eine Einigung zu erzielen versucht, und man hatte sich vorläufig, bis die Frage vom Reichstag entschieden würde, für die Praxis auf eine gemeinsame Behandlung der Direktorialgeschäfte geeinigt.2) Ebenso durfte Hänlein in den gemeinsamen Direktorialkundgebungen auf bayrischer Seite den Titel »Herzog von Franken« passieren lassen, mußte aber gelegentlich immer wieder feierlich dagegen protestieren. Hardenberg konnte sich nicht entschließen, dem Kurfürsten diesen Titel zuzugestehen, weil er darin Prätensionen ausgedrückt sah, die mit seinen eigenen Absichten auf Franken kollidierten; 1 ) N. R. 172 Nr. 104 o, Reichstagskorrespondenz an den Kreis, Ber. vom 28. Jan., 19., 20., 22. Febr., 1. März 1804. 2 ) B. R. 44 C, Fränkisches Departement Nr. 384, Hard. an Hänlein, 28. Okt. 1804.



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auch die anspruchslosere Form »Herzog in Franken«, die Hänlein vorschlug, vermochte er nicht zu billigen.1) Gelegentlich der Prorogierung (Vertagung) der Kreisversammlung im Sommer 1804 nahm Hardenberg die Direktorialfrage wieder auf; 2 ) er wollte mit Bray darüber einen Separatvertrag abschließen. In Franken wollte er unbedingt die Direktorialwürde allein auf Preußen beschränkt wissen. Dagegen sollte Bayern zum Ersatz das ausschließliche Direktorium im westfälischen Kreise innehaben. Hier glaubte die preußische Regierung das Direktorium beanspruchen zu können, da ihre Besitzungen {Münster, Mark, Kleve) die des bisherigen Direktorialstandes, des Herzogs von Jülich und Berg, nach dem Verlust Jülichs an Größe bei weitem übertrafen. 3 ) Allein Montgelas blieb fest. Auch er hielt das Direktorium in Franken für wichtiger als das in Westfalen, das eine reine Formsache war. 4 ) Hänlein schlug in seiner Verzweiflung die Annullierung des Vertrages von 1795 vor; doch konnte sich der König zu diesem Schritte nicht entschließen.5) Bis in den Mai 1805 hinein verhandelte man in Berlin noch weiter über diese Frage; Hardenberg war bereit, Bayern das Kondirektorium jenem Vertrage gemäß zuzugestehen, verlangte aber das gleiche in Westfalen. Hierzu konnte sich jedoch Montgelas nicht verstehen, da Preußen dort durchaus keinen rechtlichen Anspruch auf die Direktorialwürde hatte. Die Verhandlungen 1 ) B. R. 44 C, Fränk. Depart. Nr. 383, Hard, an Hänlein, 9. Febr. 1804. 2 ) B. R. 44 C, Fränk. Depart. Nr. 384, Hard, an Hänlein, 12. Mai 1804. 3 ) B. R. 44 C, Fränk. Depart. Nr. 384, Hard, an den König, 28. Mai 1804. — B. R. XI Fränk. Kreis 9 A, Hard, an Hänlein, 28. Okt. 1804. 4 ) M. M. B. P. 1804, Montg. an Bray, 28. Okt. und 18. Nov. 6 ) B. R. 44 C, Fränk. Depart. Nr. 384, Hard, an Hänlein, 29. Okt. 1804.



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schliefen schließlich ein, als der dritte Koalitionskrieg seine Schatten vorauswarf, und die Direktorialfrage blieb bis zur Auflösung des Kreises ungelöst. 1 ) Entschiedener trat der Gegensatz der beiden fränkischen Vormächte in ihren Bestrebungen zutage, sich Nürnbergs oder wenigstens seines Gebietes zu bemächtigen. Die Zerrüttung der Verhältnisse in der Reichsstadt hatte ihren Tiefstand erreicht. Während der Magistrat mit kaiserlicher und französischer Unterstützung aufs ängstlichste seine oligarchische Herrschaft zu fristen bemüht war, erstrebte die Bevölkerung teils eine Änderung der Regierungsform, teils geradezu die Vereinigung der Stadt mit einem der großen Nachbarstaaten, um endlich aus ihrer wirtschaftlichen Isolierung gerettet zu werden. Der Magistrat suchte diese Strömung abzulenken, indem er in Berlin und in München Vergleichsverhandlungen einleitete, die der Stadt gegen Anerkennung der Revindikationen von 1791 und 1796 und gegen Abtretung anderer Distrikte ein günstig gelegenes Gebiet verschaffen sollten. Man verstieg sich sogar zu der kühnen Hoffnung, eventuell Fürth zu erhalten und den Wohlstand dieser aufstrebenden Nachbarstadt für Nürnbergs Finanzen ausnützen zu können. Die Verhandlungen wurden jedoch von preußischer wie von bayrischer Seite nur dilatorisch geführt, da die gänzliche Aufteilung des Nürnberger Gebietes beschlossene Sache war und nur durch die Eifersucht der beiden Staaten hinausgeschoben wurde. Hardenberg erwog in diesen Jahren mehrmals wieder den Gedanken, die Stadt durch günstige wirtschaftliche Bedingungen zur Unterwerfung zu veranlassen; er drang jedoch beim Könige damit nicht durch und nährte nur den Argwohn der bayrischen Regierung, der dank Brays unübertreff-

») B. R. 44 C, Frank. 16. Sept. 1805.

Depart.

Nr. 384,

Hänlein an

Hard.,



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lichem Spürsinn diese Bestrebungen nicht geheim geblieben waren. 1 ) In allen sonstigen Kreisangelegenheiten und vor allem, wo es sich darum handelte, den österreichischen Einfluß zu beschränken, gingen die beiden Vormächte einträchtig miteinander. Durch das Entschädigungswerk war das Bistum Eichstätt einem Habsburger zuerkannt und Gebiet und Würde des Deutschordensmeisters dem Erzherzog Karl übertragen worden. Damit hatte das Kaiserhaus in Franken Fuß gefaßt und suchte nun mit allen Mitteln die Stellung Preußens und Bayerns im Kreise zu schwächen. Es war nicht zum wenigsten die moralische Unterstützung des Kaisers, die den Nürnberger Magistrat in seinem stolzen Verhalten gegen die Vormächte bestärkte. Ja eine Zeitlang hieß es sogar, die Stadt wolle sich gänzlich dem Kaiser unterwerfen. 2 ) Anfang 1804 wurde der kaiserliche Reichstagsgesandte Baron von Hügel nach Nürnberg beordert, um die Verhandlungen der Kreisversammlung in österreichischem Sinne zu beeinflussen.3) Dies zu verhüten, ließen Preußen und Bayern sogleich nach seiner Ankunft die Kreisversammlung auf ein halbes Jahr prorogieren; als Grund Schrötter, Die letzten Tage der Reichsstadt Nürnberg, in den Mitt. d. Ver. für Geschichte der Stadt Nürnberg 1906. Darüber noch viel interessantes Detailmaterial in Berlin, R. 44 C, Fränk. Departement Nr. 97 usw. — Bayrischerseits befürchtete man, daß Nürnberg infolge seiner Verschuldung an Preußen fallen müsse. Die Nürnberger Wertpapiere waren auf 50, ja 40% ihres Wertes gesunken; im September 1804 wurden für 100 000 Gulden städtische Obligationen zum Verkauf ausgeboten; man sprach schon von einer Herabsetzung des Zinsfußes auf 2%. Der Direktor der Fürther Bank, Kracker, suchte diese verzweifelte Finanzlage der Stadt auszunützen, indem er bei jeder Gelegenheit Nürnberger Wertpapiere aufkaufte, um die Stadt dadurch wenigstens finanziell unter Preußens Herrschaft zu bringen. N. R. 172 Nr. 219, Oberkamp an die Landesdirektion von Würzburg, 1. Okt. 1804. 2) 3)

N. R . 172 Nr. 196, Ber. Oberkamps, 26. Jan. 1804. B. R. X I 94a Nr. 8 E, Ber. Hänleins, 22. Dez. 1803.



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gab man die Notwendigkeit an, zwecks eines gedeihlichen Fortgangs der Geschäfte sich über die Direktorialfrage zu verständigen. Hügel mußte unverrichteter Dinge nach Regensburg zurückkehren. 1 ) Nach seiner Wiedereröffnung beschäftigte sich der Kreistag mit der Frage, ob die Stimmen der mediatisierten Reichsstädte auf den neuen Besitzer übergegangen oder erloschen seien. Obwohl diese Frage für die Verteilung der Machtverhältnisse von großer Bedeutung war, hatte die Reichsdeputation sie doch so oberflächlich behandelt, daß sich darüber eine äußerst lebhafte Diskussion entspinnen konnte. Die Erörterung fand in zahlreichen Sitzungen, daneben in ebenso zahlreichen Flugschriften statt, deren Verfasser sich an Gelehrsamkeit und Spitzfindigkeit zu überbieten suchten. Preußen und Bayern wollten diese Stimmen ausüben; die kleineren Stände protestierten dagegen aufs energischste, da sie sonst für immer zur Minorität verdammt waren und die demokratische Kreisverfassung dadurch geradezu illusorisch wurde. In dieser Haltung wurden sie von Hügel, der zu den Verhandlungen wieder erschienen war, nachdrücklich bestärkt. Er erklärte, vor der endgültigen Neuformung der Reichsverfassung könne von einer Ausübung dieser Stimmen keine Rede sein. Die beiden Vormächte ließen sich jedoch dadurch nicht einschüchtern. Sie drohten, die Zahlung der Matrikularbeiträge einzustellen, wenn man ihnen die Ausübung der Stimmen nicht gewähre, und diese ultima ratio wirkte wenigstens so weit, daß Hügel sich damit einverstanden erklärte, die Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen (Mai 1805). Inzwischen waren die meisten der kleineren Stände durch ihren Gesandten Braun, den preußisch gesinnten Nachfolger Zwanzigers, für die Zulassung der Stimmen gewonnen B. R. XI 94a Nr. 8 E, Ber. Hänleins, 7. und 12. Mai, 1. Juni 1804.



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worden durch die Zusicherung, daß diese nach den gräflichen Stimmen folgen sollten, und so setzten die Vormächte gegen den ohnmächtigen Protest einer kleinen Minderheit ihren Willen tatsächlich durch, wenn sie auch von einem förmlichen Kreisbeschluß über diese Angelegenheit absahen.1) Die österreichische Regierung machte nun noch einen schwachen Versuch, diesen Machtzuwachs Bayerns und Preußens dadurch auszugleichen, daß sie neue Kreisstände schaffen wollte, die österreichische Interessen vertreten sollten. Die Fürsten Trautmannsdorf und Colloredo-Mansfeld kauften die fränkischen Dörfer Umpfenbach und Groningen, ließen sie sich vom Kaiser als Reichslehen übertragen und baten um Aufnahme in den Kreisverband. In Berlin und München durchschaute man jedoch den Zweck, der damit verfolgt wurde, und beschied diese Gesuche abschlägig, mit der Begründung, die Herrschaften seien zu klein, um zu den Kreislasten beisteuern zu können, und daher auch der Kreisstandschaft nicht fähig.2) So waren Österreichs letzte Versuche, in Franken die kaiserliche Autorität aufs neue zu befestigen, infolge der einmütigen Haltung Preußens und Bayerns gescheitert.

II. Kapitel. Vom Ausbruch des dritten Koalitionskrieges bis zum Vertrage von Schönbrunn. So bewegt die Geschichte Frankens in den Jahren 1799—1805 auch war, unverkennbar haftete doch allen Vorgängen, selbst dem so mühsam ins Werk gesetzten preußischbayrischen Landesvergleich, etwas Provisorisches an. Hardenberg und Montgelas waren fest überzeugt, daß 1 ) N. R. 232 Nr. 10, Kreisangelegenheiten, mit allen darüber erschienenen Druckschriften. — M. K. schw. 556/58. 2 ) M. K. schw. 558/56, Ber. Oberkamps, 19. Juni, Antwort Montg., 1. Juli 1805.

T a r r a s c h , Übergang des Fürstentums Ansbach an Bayern.

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eine endgiltige Entscheidung über die Geschicke Frankens noch bevorstehe; Montgelas' zögernde Politik seit 1803 läßt sich nur dadurch erklären. Beim Ausbruch des dritten Koalitionskrieges hielt er den Zeitpunkt für gekommen, die fränkische Frage wieder aufzunehmen. Mit kluger Berechnung hatte sich der weitsehende Minister, alle Bedenken seines zaudernden Herrn überwindend, an Napoleon angeschlossen. Er zweifelte nicht, daß der Krieg für Frankreich günstig ausgehen und Bayern die Erfüllung aller Wünsche bringen werde. Das Volk teilte seine Überzeugung; der Krieg war populär und wurde mit nationaler Begeisterung geführt. 1 ) Allerdings hoffte Montgelas, daß es Napoleon noch in letzter Stunde gelingen werde, Preußen zum Bundesgenossen zu gewinnen. In Würzburg, wohin der bayrische Hof vor der österreichischen Armee geflohen war, hatte der Minister eine eingehende Auseinandersetzung über die gegenwärtige Lage und seine politischen Ziele mit dem Chevalier de Bray, den er eigens zu diesem Zwecke zu sich berufen hatte. Das Resultat dieser Unterredung wurde in einer neuen Instruktion für Bray und in einem Memoire niedergelegt, das der Gesandte dem Minister Hardenberg überreichen sollte. Bray sollte alle Mittel anwenden, Preußen zum Anschluß an Frankreich zu bewegen. Der vereinten Macht der beiden Staaten werde die Koalition nicht gewachsen sein. Nach dem Friedensschluß müsse das Entschädigungswerk, das die Reichsdeputation nur unvollkommen und rein finanziell erledigt habe, als politische Operation vervollständigt werden unter dem Gesichtspunkt der Konzentration und Abrundung der beteiligten Staaten. Für Bayern sei vor allem die Vereinigung Ansbach-Bayreuths mit seinen übrigen Besitzungen wünschenswert. Die Fürstentümer seien wohl in finanzieller Hinsicht für Preußen von großem Werte, in jeder anderen aber, und ' ) Bitterauf, Geschichte des Rheinbunds I, 159 ff.

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besonders im Falle eines Krieges mit Österreich als ein vorgeschobenes und isoliertes Gebiet ein bedenklicher Besitz. Ähnlich lägen die Verhältnisse auf bayrischer Seite im Herzogtum Berg, dessen sich der Kurfürst gerne zu einem annehmbaren Preise entledigen wolle. Und nun schlug Montgelas folgenden Tausch vor: Preußen solle Hannover, die beiden Mecklenburg und SchwedischPommern erhalten; die Herzoge von Mecklenburg sollten mit Berg und den preußisch-westfälischen Landen links der Ems entschädigt werden; Bayern endlich sollte außer Ansbach-Bayreuth das Bistum Eichstätt, die Reichsstädte Nürnberg und Augsburg, das österreichische Schwaben und die Gebiete der unmittelbaren Reichsritterschaft in Besitz nehmen dürfen. Um diesen Plan in Berlin durchzusetzen, sollte Bray mit Versprechungen an einflußreiche Persönlichkeiten am preußischen Hofe nicht kargen; die Summe von 4—500 000 Gulden wollte Montgelas diesem Zwecke opfern, doch wollte er sie, durch frühere Erfahrungen gewitzigt, erst dann auszahlen, wenn Bayern in den Besitz wenigstens des größten Teiles der Fürstentümer gelangt sei.1) Es war die einfachste und natürlichste Lösung der fränkischen Frage, die Montgelas, auf sein Projekt vom Jahre 1801 zurückgreifend, hiermit vorschlug; auch Hardenberg stand ihr gerade in jenen Tagen nicht fern. Der Reichsdeputationsschluß hatte seinen Hoffnungen auf ein fränkisches Neupreußen ein Ziel gesetzt, und seitdem trat die Schwäche dieser Position immer klarer zutage. Jetzt war es Hannover, dessen Erwerbung Hardenberg lockte. Er verhandelte im August und September 1805 darüber mit Napoleons außerordentlichem Gesandten Duroc, der es als Preis franko-preußischer Allianz darbot. Bei all seiner persönlichen Vorliebe für ») M. M. B. P. 1805, Instruktion für Bray, 28. Sept. 1805. — Mémoire pour le ministère prussien, 28. Sept. 1805. 3*



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die Fürstentümer, deren Blüte großenteils sein Werk war, sah der preußische Staatsmann doch ein, daß der für Preußen unbedingt erstrebenswerte Besitz Hannovers mit der Aufgabe »entfernter Gebiete in Franken und Westfalen, die die Macht des Staates nur schwächten und kompromittierten«, 1 ) nicht zu teuer erkauft sei. Montgelas hatte also den Zeitpunkt, die fränkische Frage wieder aufzunehmen, glücklich gewählt; einer Annahme seiner Vorschläge standen in jenem Augenblicke keine prinzipiellen Hindernisse im Wege, wenn auch Hardenberg und noch mehr sein friedliebender Monarch einem Bündnis mit Napoleon ablehnend gegenüberstanden und unter möglichsten geringen Opfern in den Besitz Hannovers gelangen wollten. Allein durch einen unvorhergesehenen, an sich nicht sehr bedeutenden Vorfall, der sich jedoch im Zusammenhang mit den allgemeinen Verhältnissen als folgenschwer erwies,2) wurden die Verhandlungen schon im Keime erstickt. Die Kunde von Bernadottes Durchmarsch durch Ansbach machte es Bray, der eben erst nach Berlin zurückgekehrt war, unmöglich, Montgelas' Memoire an seine Adresse zu übergeben. Im Baseler .Frieden wären die fränkischen Fürstentümer in die Neutralitätslinie mit einbegriffen worden, die Preußen und die norddeutschen Staaten umfaßte. Doch schon während des folgenden Feldzuges der Franzosen in Süddeutschland hatte es sich gezeigt, daß die exponierte Lage dieser Provinzen die genaue Befolgung der Neutralität unmöglich machte, da alle wichtigen Heerstraßen durch ihr Gebiet führten. Man war daher in dem Vertrag von Berlin (5. August 1796) übereingekommen, in den Fürstentümern den Durchmarsch kriegführenl

) Ranke, Hardenbergs Denkwürdigkeiten II, 206. ) So beurteilte Hardenberg selbst das Ereignis in seiner ersten Denkschrift über den Vertrag von Schönbrunn, 30. Dez. 1805. Hardenbergs Denkwürdigkeiten V, 252: »qui, peu importante eu elle même, l'était infiniment par les conjunctions du moment.« a



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der Truppen unter der Bedingung zu gestatten, daß sie keinen Aufenthalt nähmen und alle Bedürfnisse bar bezahlten. Ebenso hatte man es ohne besondere Vereinbarung in den Feldzügen der zweiten Koalition gehalten. Nach dem Luneviller Frieden hatte Hardenberg der Ansbacher Kammer die strenge Weisung erteilt, Truppendurchzüge nur nach ausdrücklicher Genehmigung des Königs zu gestatten. 1 ) Von einer solchen Erlaubnis hatten die Bayern mehrmals, soweit es sich mit Hardenbergs Wünschen vertrug, Gebrauch machen dürfen, so vor allem, als sie im Herbst 1802 die Entschädigungsgebiete in Franken besetzten. Im Hauptlandesvertrag war ihnen die Straße von Eschenau nach Forchheim zu uneingeschränkter Benutzung überlassen worden, wodurch der frühere Zustand beseitigt sein sollte. Doch war auch das nur ein Notbehelf. Eben deshalb hatte Hardenberg vor Abschluß dieses Vertrages unaufhörlich darauf gedrungen, einen Tausch im großen vorzunehmen und den preußischen Besitz zu einer kompakten Einheit zu gestalten; er sah ein, daß die Fürstentümer bei ihrer gegenwärtigen Zerrissenheit »nur eine Quelle von unangenehmen Kollisionen und Verwicklungen abgeben und im Falle eines Krieges, selbst wenn Bayern nur neutral sei, beim ersten Kanonenschuß den kriegführenden Mächten zum Opfer fallen würden«.2) Dennoch war der Minister beim Ausbruch des Krieges fest entschlossen, die Neutralität, zu der sich sein König nach langem Schwanken entschieden hatte, auch in den Fürstentümern streng durchzuführen. Der bayrische Kurfürst ersuchte auf seiner Flucht nach Würzburg die Ansbacher Regierung, seinen Truppen, die auf dem Rückzüge nach Franken von den Öster1 ) B. R. XI 94a, Fränk. Kreis 25 C, Ber. Hard., München, 3. Sept. 1802. 2 ) B. R. 92, Hardenbergs Nachlaß E 1. Entwurf Hard. zu einem Memoire, April 1801.



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reichern abgeschnitten zu werden drohten, den Marsch durch das Fürstentum zu gestatten. 1 ) Die Kammer fragte in Berlin an. Inzwischen erschien der bayrische Major Jordan in Ansbach und wiederholte die Bitte in dringenderer Weise. Der Kammerpräsident Schuckmann protestierte gegen eine Verletzung des preußischen Gebietes, erklärte aber, der Gewalt sich nicht widersetzen zu können. 2 ) Darauf mußte der bayrische General Wrede auf Befehl seiner Regierung seinen Weg längs der Ansbacher Grenze nehmen, was ihn unnötige Märsche kostete. Erst am 24. September langte er mit seinem Korps (6300 Mann) in Würzburg an. 3 ) Am 1. Oktober traf Hardenbergs Antwort auf das bayrische Marschgesuch ein: 4 ) das preußische Neutralitätsprinzip lasse eine Genehmigung nicht zu; die Eschenauer Straße müsse auch für diesen Fall genügen.5) Gleichzeitig schärfte der Minister den Ansbacher Behörden die strengste Beobachtung der Neutralität ein; sie sollten zu diesem Zwecke Tafeln und Bekanntmachungen an der Grenze besorgen und Durchmärsche einzig und allein auf der Eschenauer Straße zulassen.6) Das war eine halbe Maßregel, die nicht geeignet sein konnte, auf die kriegführenden Mächte einen tiefergehenden Eindruck zu machen. Man durfte nicht annehmen, daß sich ein Napoleon, wenn es sich um die Durchführung strategischer Manöver handelte, durch Warnungstafeln von der Verfolgung seiner Pläne abhalten lassen werde. Dem preußischen Könige mochte das wohl von selbst 1

) B. R. XI 33 Fasz. 190, Ber. des preuß. Gesandten Schladen, der den bayrischen Hof begleitete, Ansbach, 13. Sept. 1805. 2 ) B. R. XI 33 Fasz. 190, Ber. Schladens, 19. Sept. 1805. 3 ) B. R. XI 33 Fasz. 190, Ber. Schladens, 24. Sept. 1805. 4 ) Alombert-Colin, La Campagne de 1805 en Allemagne, II, 703. Schreiben Bernadottes an Berthier, 3. Okt. P. S. 5 ) B. R. XI 33 Fasz. 190, Hardenberg an Schladen, 22. Sept. •) Ranke, Hard. Denkw. II, 224.



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einleuchten. Auf die Nachrichten von den Bewegungen der französischen Truppen in Mitteldeutschland ließ er am 3. Oktober Hardenberg durch den Kabinettsrat von Beyme die Weisung zugehen, er solle dafür sorgen, »daß die Neutralität der Fürstentümer wie im vorigen Kriege respektiert werde, da man eine weitergehende Neutralität für dieselben wohl schwerlich werde erhalten können«.1) Der König legte damit eine richtige Auffassung der Verhältnisse an den Tag; aber seine Unselbständigkeit hatte ihn gehindert, rechtzeitig einen Entschluß zu fassen, und in diesem Augenblick war es schon zu spät. Hardenberg ließ sich selbst durch diese Weisung des Königs nicht umstimmen. Er erstattete am nächsten Morgen seinem Monarchen Bericht über die Neutralität der fränkischen Provinzen. Der Oberkommandierende der österreichischen Armee, General Mack, hatte soeben die bündigste Versicherung erteilt, das preußische Gebiet aufs strengste zu respektieren. Er war dazu durch die Äußerung des bayrischen Hauptmanns von Gravenreuth veranlaßt worden, der für die ins Bambergische zurückweichenden bayrischen Truppen bei der Ansbacher Kammer die Erlaubnis zum Durchmarsch durch die Behauptung erwirkt hatte, die Österreicher seien durchaus nicht gewillt, mit den Fürstentümern anders als in den vorhergehenden Kriegen zu verfahren. General Mack hatte diese Behauptung schriftlich für eine unverschämte Lüge erklärt und dafür vom bayrischen Kurfürsten Satisfaktion gefordert und, wie er dem Präsidenten von Schuckmann mitgeteilt hatte, auch erhalten. Ebensowenig, fuhr Hardenberg fort, werde man französischerseits der Neutralität der Fürstentümer etwas in den Weg legen. Den französischen Truppen stehe die Eschenauer Verbindungsstraße offen, auf die er General Duroc bei den letzten Verhandlungen nachJ

) Ranke, Hard. Denkw. II, 255.

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drücklich aufmerksam gemacht habe. Demnach werde man den fränkischen Provinzen die Wohltat völliger, auch durch Truppenmärsche nicht getrübter Neutralität wenigstens so lange erhalten können, als nicht dringende künftige Umstände eine Einschränkung wie in den vorigen Kriegen notwendig machen würden. Im übrigen sei es der Würde des Königs nicht angemessen, von selbst ein derartiges Anerbieten zu machen. 1 ) Auch auf französischer Seite hatte man schon frühzeitig die Frage der Neutralität Ansbachs erörtert. Duroc hatte auf Veranlassung Hardenbergs in einem Schreiben vom 8. September auf die Eschenauer Straße aufmerksam gemacht, deren Benutzung eine Umgehung der Fürstentümer ermögliche.2) Allein diese Straße kam für den genialen Plan, den Napoleon für den Aufmarsch seiner Truppen entworfen hatte, nicht in Betracht, da ihre Benützung eine Verzögerung von zwei Tagen bedeutet hätte, die alles in Frage stellen konnte. General Clarke setzte in einem Schreiben an den Kaiser auseinander (16. September), 3 ) daß nach dem erfolglosen Verlauf der Allianzverhandlungen ein Neutralitätsvertrag mit Preußen geschlossen werden müsse, und daß er kein Hindernis sehe, die Neutralitätslinie in der Weise, wie sie in dem vorhergehenden Kriege gegolten habe, auch jetzt wieder in Kraft treten zu lassen. Der König selbst schrieb ein halbes Jahr später an Napoleon, es würde ihn nur ein einziges Wort gekostet haben, die Erlaubnis zum Durchzug zu erhalten.4) Nach dem Vorhergehenden ist in der Tat anzunehmen, daß direkte Verhandlungen über diese Frage zu einem für Napoleon befriedigenden !) B. R. 92, Hardenbergs Nachlaß E 6, Vol. II, Hard. an den König, 4. Okt. 1805. 2 ) Bailleu, Preußen und Frankreich II, Nr. 277. 3 ) Alombert-Colin, La Campagne de 1805 II, 264. 4 ) Ranke, Hard. Denkw. II, 451, Schreiben des Königs an Napoleon, 5. Febr. 1806.



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Ende geführt haben würden. Allein er konnte dieses Wort nicht sprechen. Es handelte sich hier um einen jener schwierigen Fälle, wo die strategischen und politischen Angelegenheiten unlöslich miteinander verquickt sind und nicht gleichmäßig berücksichtigt werden können. Hätte Napoleon wegen des Durchmarsches Verhandlungen in Berlin eröffnet, so hätten die Österreicher sofort davon Kunde bekommen, Mack hätte des Kaisers Plan rechtzeitig erkannt und wäre der drohenden Einkreisung entgangen. Eben der Umstand, daß Mack sich felsenfest auf die Schranken verließ, die das preußische Gebiet dem Marsche der französischen Truppen in den Weg stellen werde, trug dazu bei, Napoleons Plan in so exakter Weise gelingen zu lassen. Am 1. Oktober war das bayrische Korps Deroy (16 500 Mann) auf seinem Rückzüge vor den Österreichern auf der Eschenauer Straße in Bamberg eingetroffen. 1 ) Am 27. September war in Würzburg Bernadotte mit seinem und Marmonts Korps von Hannover her angelangt und hatte sich mit Wredes Bayern vereinigt. 2 ) Aui diesem Marsche hatte er das Kurfürstentum Hessen durchqueren müssen. Hiefür hatte Napoleon durch Duroc Preußens Genehmigung und Vermittlung beim Kurfürsten in Anspruch genommen, 3 ) da es sich hier um norddeutsches, auch in den früheren Kriegen nicht zu passierendes Gebiet handelte und in diesem Stadium des Aufmarsches noch keine strategischen Geheimnisse zu verraten waren. In Würzburg erhielt Bernadotte den aus Straßburg vom 27. September datierten Befehl,4) sich mit Marmont und der bayrischen Armee über AnsAlombert-Colin II, 16. ) B. R. X I 33 Fasz. 190, Ber. Schladens, 27. Sept. 3 ) Alombert-Colin II, 23. 4 ) Alombert-Colin II, 348. — Correspondence de Napoléon XI, 9274. 2



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bach nach Eichstätt zu begeben, während Davoüt rechts von ihm über Crailsheim und Dinkelsbühl nach Nördlingen marschieren sollte. 1 ) Darauf machte der bayrische Kurfürst den Kaiser und den Marschall darauf aufmerksam, daß Preußen auch in Ansbach die strikte Neutralität aufrecht zu erhalten gesonnen sei und ein Marsch durch dieses Land unangenehme Folgen nach sich ziehen könne. 2 ) Diese Mitteilung scheint den Kaiser stutzig gemacht zu haben, 3 ) vermochte ihn aber nicht zu einer Abänderung der Marschdispositionen zu bewegen, da ihn dies zu viel Zeit gekostet hätte; doch erteilte er den Befehl, den Durchzug möglichst zu beschleunigen und gegen die preußischen Behörden das denkbar liebenswürdigste Benehmen zur Schau zu tragen. 4 ) Napoleon handelte, wie er Talleyrand am 3. Oktober schrieb, als ob die Neutralitätslinie der früheren Jahre bestände. 5 ) Um den sicheren Sieg nicht M Corr. de Nap. XI, 9272. ) M. M. B. P. 1805, Kopie des Briefes des Kurfürsten an Napoleon, 1. Okt., Beilage zu Montgelas' Schreiben an Bray 3. Okt. 3 ) Schreiben Nap. an Otto, den französischen Gesandten am bayrischen Hofe, 3. Okt., Corr. de Nap. XI, 9319. 4 ) Corr. de Nap. XI, 9319 und 9322. 6 ) »comme si la dernière ligne de neutralité existait.« Fournier, Napoléon I., II, 358. Das beweist, daß Napoleon sich der Inkorrektheit seines Schrittes wohl bewußt war, und berichtigt die Ansicht Thiers' (Histoire du consulat et de l'Empire VI, 68) und Bignons (Histoire de France IV, 347), die auch bei Sorel (L'Europe et la révolution française VI, 472) noch angedeutet ist: daß nämlich Napoleon bona fide gehandelt habe in der Annahme, Durocs Verhandlungen mit Preußen würden zu einem günstigen Abschluß führen, oder der beabsichtigte Neutralitätsbruch der Russen, die am 18. September kategorisch den Durchzug durch Schlesien verlangt hatten, werde den König auf seine Seite geführt haben. Diese Annahme, durch die schon der scharfsinnige Metternich, damals österreichischer Gesandter in Berlin, sich den Vorfall zu erklären suchte (Aus Metternichs Papieren II, 67, Ber. v. 7. Okt. 1805), ist nicht ganz von der Hand zu weisen, war aber sicherlich nicht von ausschlaggebender Bedeutung für Napoleon. 2



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aus den Händen zu lassen,1) unterließ er die Anfrage beim preußischen Hofe und nahm das Risiko auf sich, ihn zu beleidigen und sich möglicherweise zum Feinde zu machen. Er maß der Angelegenheit kein allzu großes Gewicht bei und hoffte im Vertrauen auf die guten Beziehungen, in denen er bis dahin zu Preußen gestanden hatte, eine etwaige Empfindlichkeit des Berliner Hofes leicht beschwichtigen zu können. Darum beeilte er sich, möglichst gleichzeitig mit der Kunde seines Vorgehens in Berlin Erklärungen und Entschuldigungen an das preußische Ministerium und ein Schreiben an den König eintreffen zu lassen.2) Von einer absichtlichen Brüskierung Preußens, wie sie noch Bailleu annehmen zu müssen glaubt, kann jedenfalls keine Rede sein; dazu war Napoleon zu klug und Preußen eine zu starke Macht.3) Im übrigen 1 ) Schon am 27. September hatte Mack von Bernadottes und Marmonts Vorrücken gegen Würzburg Kunde erhalten, glaubte sich aber noch bis zum 6. Oktober sicher, da er einen Marsch durch das preußische Gebiet für gänzlich ausgeschlossen hielt. Und als er am 7. von dem Marsche Bernadottes benachrichtigt wurde, wollte er es anfangs nicht glauben und war dann, als zuverlässigere Meldungen einliefen, um so mehr entsetzt. »Durch dieses unglückliche Ereignis, welches niemand für möglich gehalten hätte, ist alles viel schlimmer geworden«, schrieb er resigniert nach Hause. Beer, Zehn Jahre österreichischer Politik, S. 145—148. 2 ) Schreiben Napoleons an den Kurfürsten, 2. Okt., an Duroc, 2. Okt., an Otto, 3. Okt., an Talleyrand, 3. Okt., an Otto, 4. Okt., an den König, 5. Okt. Corr. XI, 9314, 9316, 9319, 9326, 9334, 9342. Schreiben Talleyrands an Napoleon, 5. Okt., Bertrand, Lettres inédites de Tall., S. 141. 3 ) Bailleu, Preußen und Frankreich II, Einl. S. L X I . Noch weiter geht darin Santelmann in seiner Dissertation »Die Beziehungen zwischen Preußen und Bayern 1799—1805«, S. 122: »Sobald Napoleon von seinem Adjutanten Duroc, der ihn in Straßburg getroffen hatte [falsch! Duroc erhielt erst von Augsburg aus am 24. Oktober den Befehl, Berlin zu verlassen, Corr. XI, 9420], die Kunde erhielt, daß seine Bemühungen, Preußen auf Frankreichs Seite zu ziehen, ohne Erfolg geblieben waren, beschloß er, getreu seinem Grundsatze, »Entweder für mich oder gegen mich«, auch



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war unter den zahlreichen Entschuldigungen und Erklärungen, mit denen er seinen Schritt zu rechtfertigen suchte, die eine nicht unbegründet, daß man ihm rechtzeitig offizielle Mitteilung von der gegen die früheren Kriege beliebten Abweichung hätte machen müssen. Napoleons Vorgehen war durch die Umstände geboten, durch die Analogie der früheren Jahre berechtigt, aber allerdings in der Form nicht einwandfrei. 1 ) So trat ein, was eine wohlmeinende Politik vergeblich dem Lande zu ersparen gesucht hatte: Franken und insbesondere Ansbach wurde, wenn ihm auch die Schrecken des Krieges fernblieben, auf Jahre hinaus der Schauplatz unaufhörlicher Truppenzüge und nimmer endender Einquartierungen, die dem Wohlstand des Landes schwere Wunden schlugen. Am 3. Oktober erreichte die französische Armee bei Uffenheim die Ansbacher Grenze. Vergebens hatte Schuckmann noch am Tage zuvor Bernadotte von Hardenbergs Neutralitätserlaß in Kenntnis gesetzt; 2 ) vergebens der preußische Gesandte ihm die wahrscheinlich unglückseligen Folgen seines Beginnens vor Augen gestellt; 3 ) vergebens Schuckmann, Graf Tauentzien, der Kommandant der Ansbach-Bayreuther Truppen, und die Offiziere des Ansbacher Generalstabs an der Grenze ihm persönlich den Protest gegen die Neutralitätsversogleich mit Preußen abzurechnen. Da ein Grund zum Kriege nicht vorlag, s o s c h a f f t e i h n N a p o l e o n . Er befahl Bernadotte, zur Umzingelung der Österreicher das preußische Gebiet in Franken zu durchziehen, obwohl er von Duroc wußte, daß die preußische Neutralität auch auf Ansbach-Bayreuth ausgedehnt war.« Das ist Dichtung, aber nicht Wahrheit, nicht einmal Wahrscheinlichkeit. 1 ) Diese Auffassung, die den tatsächlichen Verhältnissen wohl am meisten entspricht, vertritt bereits Lefèbvre in seiner Histoire des cabinets de l'Europe pendant la révolution et l'Empire V, 145. 2 ) Alombert-Colin II, 703, Bernadotte an Berthier, 3. Okt. 3 ) B. R. XI 33 Fasz. 191, Ber. Schladens, 3. Okt.



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letzung wiederholt: 1 ) Bernadotte begegnete ihnen allen mit der denkbar größten Höflichkeit, blieb aber auf dem strikten Befehl seines Kaisers bestehen. Er sei ein eifriger Preuße, sagte er zu Schladen, 2 ) aus Prinzip und aus Dankbarkeit für die Liebenswürdigkeiten, die er während seines Kommandos in Hannover von Preußens König erfahren habe; er würde sofort sein Kommando niederlegen, wenn er glauben könnte, daß Napoleon Preußen beleidigen wolle. Kurz, er wußte mit liebenswürdiger Beredsamkeit den Gesandten, der überhaupt in jener Epoche eine keineswegs glänzende Rolle spielte, derart zu betören, daß dieser von der Überreichung eines schriftlichen Protestes Abstand nahm 1 ) und dem Marschall nur die Schonung der Bevölkerung ans Herz legte. 2 ) Diese Mahnung war gerade damals sehr überflüssig. Die französische Armee ist nie besser diszipliniert gewesen als im Kriege von 1805; 3 ) außerdem hatte Napoleon für den Marsch durch Ansbach das korrekteste Betragen vorgeschrieben und dem Marschall weitgehenden Kredit bei einem Frankfurter Handelshaus eröffnet, damit er in der Lage sei, alle Bedürfnisse sofort zu bezahlen. 4 ) In der Tat vollzog sich der Marsch der verbündeten französisch - bayrischen Armee in der denkbar größten Ordnung,5) und wo es den preußischen Unterbeamten, Alombert-Colin II, 703, Bernadotte an Berthier, 3. Okt. ) B. R. X I 33 Fasz. 191, Ber. Schladens, 3. Okt. s ) Bleibtreu, Die große Armee I, 25 ff. 4 ) B. R. X I 33 Fasz. 191, Ber. Schladens, 3. Okt. 6 ) Alombert-Colin II, 818, 823, 824, Berichte Bernadottes, Marmonts, Davoüts, 5. Okt. Erinnerungen des Kreisdirektors Lüttwitz in Christian Meyers Hohenzollerschen Forschungen II, 238 f. Weder die Erinnerungen Längs, Martius', Weltrichs und Puchtas, noch die Berichte Schladens, Schuckmanns und Hänleins (B. R. X I 94a Frank. Kreis 9 C u. D) berichten von irgendwelchen Ausschreitungen. Bemerkenswert, obwohl nicht näher beglaubigt, ist die Mitteilung des Marschalls Davoüt (Alombert-Colin II, 818): »Mehrere preußische Offiziere besuchten mein Hauptquartier; sie 2



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wie z. B. dem Kreisdirektor von Crailsheim, einfiel, den Truppen in der Verpflegung Hindernisse in den Weg zu legen, gelang es dem konzilianten Verhalten der französischen Befehlshaber stets, die Schwierigkeiten zu beseitigen und jeden Mißton zu vermeiden. 1 ) Die Truppen durften keine Quartiere beziehen, sondern mußten biwakieren; selbst der kleinliche Wunsch der Ansbacher Regierung, Bernadotte möge die Stadt Ansbach nicht betreten, sondern außen um sie herumziehen, fand anstandslose Gewährung. 2 ) In den nichtpreußischen Gebieten freilich ließ man nicht die gleiche Rücksicht walten; in Mergentheim, der Hauptstadt des Deutschen Ordens, wurde eine Kontribution von 500 000 Francs, in Virnsberg, einer Komturei des Ordens, von 15 000 Francs erhoben.3) General Wrede, der Führer der Bayern, um deren Finanzen es sehr schlecht bestellt war, konnte es sich, als er bei Fürth lagerte, nicht versagen, bei dem Nürnberger Magistrat eine Requisition von 100 000 Gulden zu erheben und, als die Stadt sich weigerte, die Summe durch 4000 Mann unter General Siebert einzutreiben. 4 ) In Spalt wollte ihm der preußische Beamte die Magazine nicht öffnen; es kam zu etwas erregten Verhandlungen, und schließlich willfahrte der Beamte dem Wunsche des Generals, ließ sich aber einen Schein ausstellen, daß Wrede unweigerlich darauf bestanden habe. Dieser Vorfall wurde in den Berichten nach Berlin zu einem groben erwarten mit großer Ungeduld das Ergebnis von Haugwitz' Wiener Reise und wünschen und hoffen, mit uns gemeinsame Sache zu machen.« 1 ) Alombert-Colin II, 818, Ber. Davoüts, 5. Okt. 2 ) Alombert-Colin II, 824, Ber. Bernadottes, 5. Okt. Lüttwitz, Biographie des Staatsministers von Schuckmann, Leipzig 1835, S. 20. 3 ) B. R. XI 33 Fasz. 191, Ber. Schladens, 17. Okt. 4 ) Schrötter, Die letzten Tage der Reichsstadt Nürnberg, Mitt. d. Ver. f. Gesch. d. Stadt Nürnberg, 1906, S. 74. N. R.172 Nr. 104a, Bericht Roths, 8. Okt.



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Exzeß der Bayern aufgebauscht und trug am meisten dazu bei, die Erbitterung gegen Bayern zu schüren. 1 ) Am Abend des 6. Oktober standen die drei Korps nach Eilmärschen — in Uffenheim hatte Bernadotte den Befehl Napoleons erhalten, die Durchquerung des preußischen Gebietes nach Möglichkeit zu beschleunigen2) — auf außerpreußischem Boden.3) Bernadotte war über Ansbach—Günzenhausen—Weißenburg in der Grafschaft Pappenheim angelangt und vereinigte sich dort mit den Bayern, die über Forchheim—Fürth—Schwabach herangekommen waren; rechts von ihm waren Märmont über Rothenburg—Wassertrüdingen, Davoüt über Crailsheim— Mönchsroth ins FürstentumÖttingen marschiert. 4 ) Wenige Tage später war der Ring um die österreichische Armee geschlossen, die Katastrophe von Ulm befreite Süddeutschland nach kaum sechswöchigem Feldzug von der österreichischen Invasion, und in unaufhaltsamem Fluge eilten Frankreichs sieggewohnte Adler auf die feindliche Hauptstadt Wien zu. Ein amüsantes Nachspiel der Ulmer Katastrophe spielte sich in Franken ab. Noch vor der Kapitulation hatte sich Erzherzog Ferdinand mit etwa 10 000 Mann von General Mack losgesagt und suchte sich, da er sich nach Bernadottes Vorgehen an die Achtung der preußischen Neutralität nicht mehr gebunden fühlte, durch Ansbach und Bayreuth nach Böhmen zurückzuziehen. In Günzenhausen wollte er eben mit dem Kreisdirektor von Lüttwitz zu Mittag speisen, als er von dem Anmarsch der Franzosen unter General Klein benachrichtigt wurde, den Napoleon ihn zu verfolgen gesandt hatte. Der ErzB. R. X I 33 Fasz. 194, Bericht Wredes an den Kurfürsten von Bayern über seinen Durchzug durch Ansbach, Iglau, 14. Dez. 1805. Er gibt sein Ehrenwort, daß es sich so verhalten habe. 2 ) B. R. X I 33 Fasz. 191, Bericht Schladens, 5. Okt. 3 ) Alombert-Colin II, 882. 4 ) Alombert-Colin II, 705.

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herzog bat Lüttwitz, die Altmühlbrücke zu zerstören. Dies mußte der Beamte der Neutralität wegen verweigern; zum Schutze der Brücke ließ er eine preußische Husarenschwadron unter Oberst von Schauroth aufmarschieren. Dagegen unterhandelte er mit Klein, um ihn zu bewegen, auf preußischem Gebiet nicht zu schlagen. Aber dieser wies ihn hitzig ab, da sich bei den Österreichern ein Teil des Rohanschen Korps befinde, das bereits kapituliert habe. Inzwischen hatte der Erzherzog hinter der breit ausgetretenen Altmühl eine vortreffliche Stellung eingenommen 'und sah dem Angriff des weit schwächeren Feindes (3000 Mann Kavallerie) mit Zuversicht entgegen. Die Folge war, daß die beiden Führer nach langem Parlamentieren auf der Brücke eine Konvention abschlössen: die Österreicher lieferten die Reste des Korps Rohan (4000 Mann) aus, durften aber auf preußischem Boden unbehelligt ihren Rückzug fortsetzen. Unterdessen war auch Marschall Murat angekommen. Er ließ sich das für den Erzherzog bestellte Essen trefflich munden, dann aber stürmte er den Österreichern nach. Bei Eschenau, auf ehemals nürnbergischem Boden, ereilte er sie und lieferte ihnen, da das Gebiet auf den Karten noch nicht als preußisches bezeichnet war, in Gegenwart des preußischen Regiments Tauentzien ein Treffen (20. Oktober), vermochte jedoch den Rückzug des Erzherzogs über Bayreuth nach Eger nicht zu vereiteln. General Klein aber wurde von Napoleon scharf getadelt, weil er sich auf Verhandlungen eingelassen hatte, anstatt die überraschten Österreicher einfach über den Haufen zu werfen.1) 1

) Weltrich, Erinnerung an die preußische Herrschaft in Bayreuth, S. 83. — Lüttwitz' Erinnerungen in Hohenzollersche Forschungen II, 241. — B. R. XI 33 Fasz. 191, Ber. Schladens, 20. Okt., Reskript Hardenbergs, 25. Okt., wo statt Eschenaus irrig Gräfenberg genannt ist.



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Der Rückzug des Erzherzogs auf preußisches Gebiet war eine Folge der BernadotteschenNeutralitätsverletzung; doch ist anzunehmen, daß der kühne Reiterführer auch ohne Präzedenzfall diesen Weg eingeschlagen hätte, da es der einzige war, der ihm zu seiner Rettung zu Gebote stand. Durch beide rein militärischen Ereignisse war eben aufs deutlichste die absolute Unhaltbarkeit strikter Neutralität in diesen exponierten Provinzen erwiesen worden. In Berlin rief die Nachricht von Bernadottes Neutralitätsbruch 1 ) eine ungeheure Erregung hervor 2 ), wie sie niemand und am wenigsten Napoleon vorausgesehen hatte. Sie war in diesem Grade sicherlich nicht berechtigt und läßt sich nur durch die Nervosität erklären, in die die Spannung der Lage und die Drohungen der Russen den preußischen Hof versetzt hatten. Man fühlte in Berlin, daß man durch die schwächliche Politik der letzten Jahre Preußens Ansehen derart gemindert habe, daß man eine geringschätzige Behandlung seitens der anderen Mächte nicht für ausgeschlossen halten durfte. Zwar des Königs ehrlicher Zorn über die »Beleidigung« legte sich schnell wieder bei nüchterner Beurteilung des Falles3) und unter dem Einflüsse des Kabinettsrates Lombard, der die Zwangslage, in der sich Napoleon befunden, klar erkannte 4 ) und von jeher den Anschluß an Frankreich befürwortet hatte. In der ersten Aufwallung wollte der König die Ausweisung des französischen und des bayrischen Ge1 ) Sie kam am Abend des 6. Oktober an. Ranke, Hard. Denkw. II, 262. 2 ) Bailleu, Preußen und Frankreich II, LXII und Nr. 291, Laforest an Talleyrand, 9. Okt. 3 ) Besonders charakteristisch für die Stimmung und den Wankelmut des Königs ist die in Heigels Deutscher Geschichte II, 571 mitgeteilte Stelle aus einem Schreiben des Königs an Schladen vom 11. Okt. 4 ) Lombard, Matériaux pour servir à l'histoire de Prusse pendant les années 1805—1807, S. 109—111.

T a r r a s c h , Übergang des Fürstentums Ansbach an Bayern.

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sandten verfügen; nur mit Mühe hielt Hardenberg seinen Monarchen von diesem übereilten-Schritte zurück. 1 ) Nach seiner Ansicht sollte der Vorfall zur Austragung der hannoverschen Angelegenheit gute Dienste leisten. Frankreich gegenüber betrachtete Hardenberg den Vorfall als rein politische Angelegenheit. Dagegen trug er von Anfang an einen tiefen persönlichen Groll gegen Bayern zur Schau. Als Regent der fränkischen Fürstentümer fühlte er sich durch den Vorfall persönlich betroffen; 2 ) daß aber Bayern mitgewirkt hatte, das seine Existenz mehr als einmal dem Schutze Preußens zu verdanken gehabt hatte, Bayern, mit dem er wegen der fränkischen Verhältnisse seit Jahren in gespannten Beziehungen stand und dessen Aspirationen auf den Besitz der Fürstentümer er kannte: das lenkte seinen Zorn in unbegründeter Einseitigkeit gegen diesen Staat, der sich willenlos Napoleons Befehl hatte fügen müssen. In dieser Stimmung bestärkten ihn die Berichte Naglers, der eben in jenen Tagen in Ansbach weilte und seine Darstellung durch seine bekannte Animosität gegen Bayern entstellte. 3 ) Der Minister verlangte sofort von den Ansbacher Behörden ausführliche Berichte über alle während des Durchzugs vorgefallenen Exzesse.4) Das führte natürlich dazu, daß geringfügige Unregelmäßigkeiten, wie sie bei einem Marsche größerer Truppenmassen stets unvermeidlich sind, zu einer Wichtigkeit aufgebauscht wurden, die Hardenbergs Erbitterung in hohem Grade steigerte.6) Während der König und seine Kabinettsräte den Anteil Bayerns an *) Bailleu, Preußen und Frankreich II, LXII. 2 ) Diese Annahme vertritt bereits Lefebvre, einer der objektivsten und feinsinnigsten französischen Historiker, in seiner »Histoire des cabinets de l'Europe« II, 161. 3 ) B. R. XI 33 Fasz. 191, Ber. Schladens, 3. Okt. — M. M. B. P. 1805, Ber. Brays, 15./18. Okt., Montg. an Bray, 11. Okt. 4 ) Lüttwitz' Erinnerungen, Hohenzollersche Forschungen II, 243. 6 ) Ranke, Hard. Denkw. II, 262.

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dem Vorfall in richtiger Erwägung der Umstände als quantité négligeable betrachteten und sich nur die gegen Napoleon zu ergreifenden Maßnahmen angelegen sein ließen,1) betonte Hardenberg, das »unerhörte« Vorgehen Bayerns verlange eine scharfe Zurückweisung, und fragte den König, ob er Bray und Montgelas gegenüber in starken Ausdrücken des Königs Entrüstung aussprechen oder den preußischen Gesandten aus München abberufen, den bayrischen aus Berlin ausweisen solle.2) Als er vom Könige keine Antwort erhielt, wiederholte er seine Frage am nächsten Tage mit der Begründung, die neuesten Meldungen aus Ansbach bewiesen ihm, daß sich Bayern der Verletzung des preußischen Gebiets nicht widersetzt, ja sie schon lange vorher geplant habe. 3 ) Er wollte keine milde Beurteilung der bayrischen Politik zulassen, obwohl ihm Bray bereits am 9. Oktober mehrere Dokumente, darunter vor allem den Brief des Kurfürsten an Napoleon, in Abschrift vorgelegt hatte, die das abmahnende, ja warnende Verhalten Bayerns in das klarste Licht stellten. 4 ) Aber Bray hatte dank seiner Gewandtheit und persönlichen Beliebtheit so treffliche Beziehungen am preußischen Hofe, daß Hardenberg mit seinen antibayrischen Anträgen keinen Anklang fand und der bayrische Gesandte sich unter den schwierigsten Verhältnissen zu behaupten, ja sogar über alle politischen Vorgänge wie kaum ein zweiter auf dem laufenden zu erhalten wußte. Und wenn Hardenberg persönlich mehrere Wochen lang jeden Verkehr mit Bray vermied,6) so fand dieser um so geneigteres Gehör bei Hardenbergs Nebenbuhler Haugwitz, der in jenen Tagen von Wien zurückkehrte und die 1

) Hard., 2 ) 3 ) 4 ) 5 )

Bailleu, Preußen und Frankreich II, Nr. 293, Lomb. an 12. Okt., u. Nr. 295, Lomb. an Hard., 14. Okt. Bailleu, Nr. 294, Hard. an den König, 13. Okt. Bailleu, Nr. 296, Hard. an den König, 14. Okt. M. M. B. P. 1805, Ber. Brays, 9. Okt. M. M. B. P. 1805, Ber. Brays, 19. u. 24. Okt. 4*

— 52 — Ereignisse in Franken mit einem durch keine Subjekt i v i t ä t getrübten Blicke beurteilte. 1 ) Die bayrischen Staatsmänner waren sich bald darüber klar, daß Hardenbergs Groll ein künstlicher sei und die Absicht verfolge, den Ansbacher Zwischenfall zu einer Besitzvergrößerung in Franken auf Bayerns Kosten auszuschlachten. 2 ) In den A k t e n findet sich kein Beweis für die Richtigkeit dieser A n n a h m e ; doch läßt sich Hardenbergs Gebaren schwer anders erklären. Die Entschuldigung Napoleons, die der in preußischen Diensten stehende Prinz E u g e n v o n Württemberg nach Berlin mitbrachte, 3 ) erwies sich, ebenso wie Talleyrands Depesche an Laforest v o m 5. Oktober, nicht als geeignet, die Empörung am Hofe zu beschwichtigen 4 ) und feind») M. M. B. P. 1805, Ber. Brays, 15./17. Okt. 2 ) M. M. B. P. 1805, Ber. Brays, 2. Nov. : »Le mécontentement de Hardenberg rélatif aux événements d'Ansbach semble toujours avoir besoin encore de q u e l q u e s a t i s f a c t i o n é c l a t a n t e . « Montgelas an Bray, 10. Nov.: »Je soupçonne que Hardenberg n'ait qu'une colère purement factice et cherche un prétexte pour s'approprier une partie de nos possessions en Franconie.« Ber. Brays, 30. Nov.: »Je suis convaincu . . . qu'on n'affecte qu'une colère factice pour nous arriver après avec des demandes en satisfaction et dédommagement.« Pol. Arch. Nr. 9 Mission extraordinaire au grand quartier général Impérial français, Ber. Gravenreuths, 30. Okt.: Napoleon rechnet mit der Möglichkeit eines Krieges gegen Preußen ; Bayern könne dabei neutral bleiben. »Cette idée généreuse de Napoléon serait certainement exécutable, si Hardenberg n'était pas à la tête des rélations extérieures; cet homme le plus mal intentionné contre la Bavière couve depuis longtemps le dessein de réunir toute la Franconie.« 8 ) Ranke, Hard. Denkw. II, 296. — Corr. de Napoléon XI, 9342. 4 ) Im Gegenteil schien eine »Kritik der Daten« den Kaiser noch stärker zu belasten. Hardenberg schreibt (Ranke, Hard. Denkw. II, 297): »Der Einmarsch in dem Ansbachischen geschah am 3., und am 4. verteidigt ihn der Kaiser schon von Stuttgart aus, am 5. der Minister in Straßburg. Man konnte selbst am ersten Orte kaum davon unterrichtet sein, daß die Sache geschehen und zu Beschwerden Anlaß gegeben hatte, in Straßburg gar nicht.

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selige Maßregeln zu verhindern, sondern trug vielmehr dem Prinzen Hardenbergs Tadel ein, daß er sich nicht geschämt habe, den Apologisten Napoleons zu machen. 1 ) Diese wurden also vorausgesehen und die Entschuldigungen bei dem Ministerium fertig gehalten.« Der Kaiser war aber bereits am 2. Oktober durch den Brief des Kurfürsten von der mutmaßlichen Verweigerung des Durchmarsches in Kenntnis gesetzt worden. Am Nachmittag des 3. wußte er bereits von den Vorfällen bei Uffenheim und zum mindesten von den Vorstellungen, die Schladen am Morgen des Tages dem Marschall gemacht und über die Bernadotte dem Hauptquartier sofort einen Bericht eingesandt hatte. Ein gut berittener Kurier konnte von Würzburg aus sehr wohl in etwa sieben Stunden (Entfernung Würzburg—Ludwigsburg auf der Heerstraße 150 km) nach Ludwigsburg gelangen. Sofort, um 4 Uhr nachmittags (Corr. XI, 9326), sandte Napoleon einen Kurier mit der Nachricht und dem Befehl, Duroc und Laforest davon zu unterrichten, an Talleyrand nach Straßburg ab. Dieser Kurier konnte bis zum Morgen des 5., von dem Talleyrands Note datiert ist, ganz bequem in Straßburg eintreffen (Entfernung Ludwigsburg—Pforzheim—Straßburg 150 km). Demnach erweist sich Hardenbergs hyperkritische Hypothese als falsch. l ) Der Prinz glaubte diesen schlechten Eindruck verwischen zu müssen und ließ daher am 17. Oktober dem Kabinettsrat Beyme durch Baron Moser mit einem unendlich schmeichelhaften Schreiben ein Memoire über die politische Lage Preußens überreichen. Darin schlug er höchst kriegerische Töne an und konstatierte, nachdem er die geplante russische und vollzogene französische Neutralitätsverletzung zweimal in scharfen Worten gegeißelt hatte, mit Emphase, daß Preußen jetzt unbedingt den Friedensrichter spielen und sich an dem rächen müsse, der seine Vorschläge nicht annehmen wolle. Beyme antwortete (21. Okt.) auf dieses Memoire, das eines gewissen komischen Beigeschmacks nicht entbehrt, in unverkennbar ironischer Weise, betonte aber, daß man sich sorgfältig hüten müsse, der Empfindung über die von Frankreich erlittene Kränkung nicht den Charakter der Erbitterung zu geben. Dadurch würde man aus der zu jener Rolle erforderlichen Unparteilichkeit heraustreten. Frankreich könne dafür noch besondere Genugtuung geben, und er, Beyme, hoffe, daß es geschehen werde. »Nur müssen ihm unsere Rüstungen nicht als feindliche, die sie in der Tat nicht sind, noch sein sollen, vorgestellt werden. Ganz Europa muß es wissen, daß wir uns nur zur Beschützung unserer eigenen Staaten und um an der Wiederherstellung eines auf allen



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In der Potsdamer Konferenz vom 9. Oktober wurde die Mobilisierung der Armee, die Öffnung Schlesiens für den Durchmarsch der Russen und die Besetzung Hannovers beschlossen. Die Avantgarde unter Generalleutnant von Blücher besetzte das Bayreuther Oberland und nahm, allmählich auf 60 000 Mann verstärkt, eine drohende Stellung ein.1) Aber all diese Maßregeln, so aggressiv sie auch erschienen, hatten nur den Zweck, die Neutralität des preußischen Staates zu sichern. Zu einem entscheidenden Schritte schwang sich der friedliebende König auch jetzt nicht auf. Die Wellen kriegerischer Erregung in den Hofkreisen ebbten bald wieder zurück, und bereits Mitte Oktober stand Hardenberg, der, durch des Königs momentane Aufwallung getäuscht, an eine Änderung des bisherigen Kurses geglaubt hatte, mit seiner Kriegslust dem König und seinen Vertrauten, Lombard, Beyme, Haugwitz, Feldmarschall Möllendorf und dem Herzog von Braunschweig, isoliert gegenüber. Am 19. Oktober versicherte Haugwitz dem General Duroc, der König wolle vor allem den Frieden mit Frankreich erhalten, und wenn Napoleon nur ein wenig Entgegenkommen zeige, werde eine Verständigung leicht zustande kommen. Und Möllendorf eröffnete dem Chevalier de Bray, er sei gewiß, wenn Napoleon einen neuen Brief an den König schreibe, worin er sein Bedauern über den Vorfall und den aufrichtigen Wunsch ausdrücke, das gute Einvernehmen mit Preußen zu erhalten, so werde dies den König vollständig zufrieden stellen. Duroc und Laforest wagten jedoch nicht, dem Kaiser diesen Vorschlag zu unterbreiten, und so ersuchte Bray seinen Kurfürsten, er möge Napoleon Seiten gerechten und dauerhaften Friedens mit Unparteilichkeit und Nachdruck zu arbeiten, rüsten.« B. R. 89, Nr. 9 B. b. Acta, politische Verhältnisse mit Frankreich betreffend, 1805/06. *) Die preußischen Kriegsvorbereitungen 1805. (Kriegsgeschichtliche Einzelschriften, herausg. vom Großen Generalstab, Heft 1, S. 8 u. 40.)



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zu einem solchen Schreiben veranlassen. Kurz, die Aussichten für eine friedliche Beilegung des Konfliktes schienen Mitte Oktober nicht ungünstig zu sein.1) Einige Tage später gelang es dem rührigen Gesandten, der in dieser schwierigen Lage ein von Montgelas und dem Kurfürsten rückhaltlos anerkanntes Geschick und Takt an den Tag legte,2) sich sogar bei Hardenberg Gehör zu verschaffen. Wider Brays Erwarten 1 ) hatte die Zusammenkunft (25. Oktober) einen herzlichen Charakter, wie denn dank Brays bestrickendem Wesen die persönlichen Beziehungen zwischen den beiden Staatsmännern trotz allen preußisch - bayrischen Friktionen stets die denkbar besten gewesen waren. Hardenberg begründete seine feindselige Haltung mit dem Unmut über das Benehmen des Generals Wrede, der bei dem Durchmarsch preußische Magazine gewaltsam erbrochen und Einwohner mißhandelt haben sollte. Bray entschuldigte den Vorfall, so gut er konnte, versprach Genugtuung und übergab dem Minister die Briefe, die der Kurfürst wegen des Durchmarsches an den König gerichtet hatte (und die Hardenberg erst jetzt entgegenzunehmen sich entschließen konnte!). Man sprach hierauf über die allgemeine Lage, über die Vermittlungsvorschläge, die Preußen im Einverständnis mit Rußland Napoleon unterbreiten wollte, und Hardenberg ersuchte Bray, ihm seine Ideen über diesen Punkt in einer Denkschrift auseinanderzusetzen. 3 ) Die beiden Staatsmänner schieden scheinbar in bestem Einvernehmen voneinander, die Spannung zwischen Preußen und Bayern schien beseitigt. Allein diese Audienz war ein Lichtblick in trüber Zeit, auf den sofort langdauerndes Dunkel folgte. Am gleichen Tage traf, von Hardenberg trotz des Königs Widerstreben gerufen, Zar Alexander zum Besuche in M. M. B. P. 1805, Ber. Brays, 15./19. Okt. ) M. M. B. P. 1805, Montg. an Bray, 14. Okt. 3 ) M. M. B. P. 1805, Ber. Brays, 24./25. Okt.

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Potsdam ein.1) Seiner bezaubernden Liebenswürdigkeit gelang, wozu weder Hardenberg noch die Erregung des Augenblicks den König vermocht hatten: Preußen gab seine ängstliche Zurückhaltung auf und trat in der Potsdamer Konvention (3. November) für den Fall auf die Seite der Koalition, daß seine Vermittlungsvorschläge von Napoleon abgewiesen würden.2) Das war, wie damals in Berlin üblich, wieder die Politik der halben Maßregeln, die schließlich, weil keine Partei befriedigend, zu einer Entfremdung Preußens mit beiden Lagern führen mußte. Immerhin schien der Potsdamer Vertrag eine Entscheidung mit sich bringen zu sollen, zumal da jetzt mit der Mobilisierung der gesamten preußischen Armee, die bisher nur lässig betrieben worden, Ernst gemacht wurde. Das eigentliche Ziel der preußischen Politik war auch jetzt der Besitz Hannovers, der in dem Vertrag als Preis der Vermittlung in Aussicht gestellt wurde; nebenbei nahm es sich ja recht gut aus, wenn der Staat Friedrichs des Großen die Rolle eines Schiedsrichters unter den Mächten übernahm und dem Kontinent den Frieden zurückgab. Glückte diese Anmaßung, dann stieg Preußens Prestige; für den entgegengesetzten Fall sorgte der König, daß die Sache gut ausgehe. Denn selbst in diesen ernsten Momenten ließ die Regierung die Einheitlichkeit des Vorgehens vermissen. Nur mit äußerstem Widerstreben hatte sich der König zu dem Vertrage von Potsdam herbeigelassen,3) und HaugRanke, Hard. Denkw. I, 531. ) Ranke, Hard. Denkw. I, 532/33. 3 ) Die übereinstimmenden Berichte hierüber bei Hardenberg (Denkwürdigkeiten II, 317) und Lombard (Matériaux 124) werden unwiderleglich illustriert durch folgendes Handschreiben des Königs an General Schulenburg vom 5. November (B. R. 92, Hard. Nachlaß E 6, Vol. II): »Gerne hätte ich in noch engere Grenzen mich eingeschlossen, aber schon die angenommenen konnten nur nach einem langen Kampfe mit der russischen Leidenschaft erzwungen werden, und selbst hier dient leider die traurige Überzeugung mir a



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witz, der einzige, dem er in jenen Monaten sein ganzes Vertrauen schenkte, hatte sich eifrigst bemüht, den tatsächlichen Anschluß Preußens an die Koalition möglichst zu verklausulieren. 1 ) Und wenn m a n infolge v o n Hardenbergs Drängen den Vertrag geschlossen hatte, so beeilte man sich, ihn durch möglichst zaudernde Ausführung illusorisch zu machen. Die Mobilisierung wurde aufs denkbar langsamste vollzogen, und da Preußens Vermittlung eine bewaffnete sein, der Unterhändler in Napoleons Hauptquartier also erst anlangen sollte, w e n n die Armee kriegsbereit an den Grenzen stehe, so verschob Haugwitz, der mit dieser Mission betraut wurde, seine Abreise unter den nichtigsten Vorwänden u m volle zehn Tage und ließ zum Trost, daß ein Opfer, von dem französischen Kaiser verlangt, zu dem nämlichen Ziele als die gespanntesten Forderungen geführt haben würde.« M. M. B. P. 1805, Ber. Brays, 11. u. 19. Nov. Auf diese Berichte Brays stützt sich die der Wahrheit entsprechende Stelle in Montgelas' Memoiren S. 113 über den Potsdamer Vertrag: »Es stand inzwischen bereits fest, daß alle diese äußerlichen Schaustellungen ebensowenig einen ernstlichen Erfolg haben sollten als so manche andere, welche Europa bereits oftmals vor Augen gehabt hatte. Der König von Preußen war im Grunde dem Krieg ebenso abgeneigt wie im Jahre 1799; er ließ die französischen Agenten durch General Knobeisdorff unter der Hand verständigen, daß alles in Güte beizulegen sei, ging auf verschiedene Anträge des Kaisers Alexander nicht weiter ein, und anstatt zur Unterzeichnung des Allianzvertrages zu schreiten und sofort tätig aufzutreten, veranlaßte er eine abermalige Sendung nach dem Hauptquartier Napoleons. . . . So zeigte sich denn die Macht der französischen Partei zwar nicht mehr genügend, die Vorbereitungen zum Kriege zu verhindern, aber doch hinreichend, deren Erfolg zu vereiteln. Einen noch bestimmteren Beweis ihres Einflusses gab die Wahl des Abgeordneten ins französische Hauptquartier, welche auf den Grafen Haugwitz fiel, der durch Baron Hardenberg aus dem Ministerium verdrängt worden und fest entschlossen war, sich dafür zu rächen, indem er alle Pläne seines Nachfolgers zum Scheitern brachte.« Die beiden letzten Behauptungen sind freilich trotz der tatsächlichen Gegnerschaft der beiden Staatsmänner sicherlich stark übertrieben.



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sich vierzehn Tage Zeit, bis er auf dem böhmischen Kriegsschauplatz anlangte. 1 ) Endlich wurde die eventuelle Wirkung des Potsdamer Vertrages und der Sendung des Grafen Haugwitz durch einen eigenmächtigen Schritt des preußischen Monarchen völlig abgeschwächt, ja geradezu vereitelt. Der König erteilte — wie kaum mehr zu bezweifeln ist — in der Abschiedsaudienz dem Grafen, wahrscheinlich mündlich, eine geheime Instruktion des Inhalts, Haugwitz solle der Kriegslage entsprechend handeln und, wenn irgend möglich, vor allem den Frieden zwischen Preußen und Frankreich erhalten. Die durch Lehmanns Scharnhorstbiographie (1886) angeregte Diskussion über die Frage dieser Geheiminstruktion stützte sich bisher auf so wenig Material, daß man auf logische und psychologische Erwägungen angewiesen war, die natürlich zu keinem Beweise ausreichen konnten, meines Erachtens jedoch mehr für als gegen die Annahme dieser Geheiminstruktion sprachen. Das Verhalten des Grafen Haugwitz vom Abschluß der Potsdamer Konvention bis zum Schönbrunner Vertrag und seiner Rückkehr nach Berlin, das kein Schriftsteller bisher ausreichend erklären konnte, wird durch diese Annahme mit einem Male klar, logisch und einleuchtend. Der Vorwurf schmachvoller Schwäche und Leichtfertigkeit, der sein Andenken bei der Nachwelt entstellt hat, wird damit von ihm genommen und fällt auf die Leitung der preußischen Politik, auf das Kabinett und den König, zurück. Ein Hauptargument der Gegner dieser Annahme 2 ) ist das: eine solche geheime Instruktion stimme zu wenig mit dem Charakter des Königs überein; darin liege eine Lossagung von dem geschlossenen Vertrage und ein Treu1

) Ranke, Hard. Denkw. I, 544. ) Kieseritzky, Die Sendung von Haugwitz nach Wien, Göttingen 1895, S. 21, und Hüffer, Die Kabinettsregierung in Preußen, Leipzig 1891, S. 177 Anm. 2



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bruch, dessen Friedrich Wilhelm nicht fähig gewesen sei. Dagegen ist einzuwenden: Der König war allerdings ein rechtlich denkender, vor allem aber ein schwacher, zaghafter Mensch, der nur schwer einen Entschluß fassen, noch schwerer ihn kraftvoll durchführen konnte. Er war gegen seinen Willen und gegen seine Neigung zum Abschluß der Potsdamer Konvention gedrängt worden, blieb aber dennoch von der Richtigkeit seiner friedlichen Neutralitätspolitik überzeugt und suchte daher, vom Banne der Persönlichkeit des Zaren Alexander befreit, sofort wieder in diese Bahn einzulenken. Seine »Treulosigkeit« ist daher menschlich begreiflich und nur für die überraschend und unglaublich, die in ihm durchaus einen moralisch unantastbaren Prinzipien- und Tugendhelden sehen wollen. Als ob der Mensch in allen Lagen immer derselbe sein könnte und allein Charakter und Grundsätze sein Handeln bestimmten! Der König hat übrigens nachher mehrmals, so durch seinen Rückversicherungsvertrag mit Rußland und höchstwahrscheinlich durch seine Instruktion an York vor der Konvention von Tauroggen bewiesen, daß er solch einer Handlungsweise wohl fähig war. Aber das Argument ist überhaupt falsch, da eine Tatsache, die erst bewiesen werden soll, nämlich die Vertragstreue des Königs, als Beweismittel verwendet wird. Daß von preußischer Seite nie Aufklärung gegeben wurde, ist selbstverständlich. Dem Grafen Haugwitz, als königstreuem Staatsdiener, mußte es eine heilige Pflicht sein, das Geheimnis seines Königs zu bewahren. Als er seine Mempiren veröffentlichte (1837), lebte dieser Monarch noch. In seiner Denkschrift über den Schönbrunner Vertrag (vom 26. Dezember, Hard. Denkw. V, 223 ff.) sagt Haugwitz, er stelle es dem König anheim, wenn ihm der Vertrag mißfalle, ihn zu desavouieren und den Interessen des Staates zu opfern. Sicher ist es ihm damit Ernst gewesen. Er war fest überzeugt, wenn nicht gegen



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den Staat, so doch gegen den Monarchen seine Pflicht vollständig erfüllt zu haben. Andererseits konnte Friedrich Wilhelm einen Mann nicht opfern, der um seinetwillen geradezu seine Ehre, wenigstens Hardenberg und Rußland gegenüber, aufs Spiel gesetzt hatte. Das erklärt die Stelle bei Hardenberg (Denkw. II, 387): »Den König zu einer entschiedenen Maßregel gegen den Grafen Haugwitz und zur Absendung eines anderen Abgesandten an den Kaiser Napoleon mit bestimmten Instruktionen zu bringen, war indessen eine Unmöglichkeit.« Das Material für die Annahme einer Geheiminstruktion bestand bisher aus folgenden Äußerungen Hardenbergs in seinen Denkwürdigkeiten: II, 343. »Auch ein Stück, welches er (Haugwitz) ohne Unterschrift aus der Feder des Geheimen Kabinettsrats Lombard mitnahm, kann man als eine Instruktion für ihn betrachten. Die g e h e i m e r e n kamen n i c h t z u m V o r s c h e i n , es sei, daß sie ihm Lombard oder Köckeritz oder gar der König selbst gab.« II, 343. »Er hatte sich freie Hand vorbehalten, was auch richtig war, v o r a u s g e s e t z t , d a ß d e r Traktat die v o r n e h m s t e Regel seiner Handlungsweise blieb.« II, 345. Eine Stelle in dem von Lombard für Haugwitz verfaßten Begleitschreiben für Napoleon vom 12. November, die nach Hardenbergs Ansicht Lombard absichtlich eingeschoben hat: »J'ai fait choix du comte de Haugwitz pour cet acte d'intime confiance, p a r c e q u e j e n'a i p a s d e p e n s é e s e c r è t e p o u r l u i « , die durch die Annahme einer mündlichen Geheiminstruktion erst wirklich bedeutungsvoll wird. II, 386. »Der König war äußerst unzufrieden mit dieser Wendung der Dinge, denn so gern er mit Frankreich in Frieden geblieben wäre und o b g l e i c h e r v i e l l e i c h t , u m d i e s e s zu e r r e i c h e n , s i c h der K a b a l e und dem G r a f e n von Haug-



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w i t z h e i m l i c h h i n g e g e b e n h a t t e , während er öffentlich fest bei dem angenommenen System bleiben zu wollen schien, so war er doch« usw. V, 235. In einer Anmerkung zu Haugwitz' Bericht über die Schönbrunner Verhandlungen: »Le roi n'avait rien prescrit au comte Haugwitz, a u m o i n s p a s p a r écrit.« V, 241. Zweite Anmerkung Hardenbergs zu diesem Bericht: »Je parierais que nous serions parvenus à faire un autre traité, si le roi conservant son armée sur pied et lui ayant fait prendre les positions nécessaires, avait éloigné le comte Haugwitz de sa présence pour avoir agi diamétralement contre ses ordres — d u m o i n s a p p a r e n t s — « usw. Ferner stützte sich diese These auf eine Stelle in Laforests Depesche an Talleyrand vom 5. Januar 1806 (Bailleu II, 430). Haugwitz habe ihm gesagt: »Fort de la confiance du roi et tenant de sa bouche même pour instruction privée, qu'il devait dans tous les cas assurer la paix entre la Prusse et la France, il avait signé à Vienne hardiment un traité« usw. Diese Mitteilung wiederholte Laforest in einem Schreiben an General Duroc vom 4. Februar 1806 (abgedruckt in Hardenbergs Denkwürdigkeiten II, 449): »Auriez-vous pensé que le surlendemain du jour où vous preniez congé, on arracherait la signature du roi à une convention avec la Russie ? — Mais le roi s'est conduit admirablement. M o n s i e u r d e H a u g witz est p a r t i avec son secret.« Hierzu treten nun als neues Material die Berichte des bayrischen Gesandten Bray aus dieser Zeit, die sämtlich die nämliche Auffassung vertreten. Der Chevalier de Bray war durchaus kein Phantast. Er verstand es ausgezeichnet, sich selbst über die geheimsten Vorgänge sichere Kunde zu verschaffen. Seine Berichte aus den Jahren 1802—1807 zeigen ihn glänzend orientiert, und wo er einmal auf Mutmaßungen angewiesen war, erwiesen



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sie sich dank seiner gründlichen Kenntnis der Verhältnisse und seines Divinationsvermögens fast ohne Ausnahme als richtig. Auch hütete er sich, Gerüchte oder Behauptungen, die ihm nicht sicher begründet erschienen, in bestimmter Form wiederzugeben. Aus seinen Berichten (M. M. B. P. 1805) seien nun folgende Stücke angeführt, die die Annahme einer Geheiminstruktion des Königs zu stützen geeignet sind. 1. Bericht vom 19. November über den Potsdamer Vertrag: Des personnes qui ne peuvent qu'être certainement instruits, assurent que les engagements contractés par la Prusse sont purement éventuels et tellement conçus, qu'il dépendra de l'habilité du négociateur et de sa bonne volonté de donner aux affaires telle ou telle direction. L'essentiel sera donc de capter les bonnes dispositions du comte de Haugwitz qui est parti pénétré des meilleures intentions e t q u i s a i t d ' a i l l e u r s q u'e n évitantlaguerreàlaPrusseilagiradans le s e n s de son s o u v e r a i n . 2. Bericht vom 30. November über einen Besuch, den die Prinzessin La Tour ihm machte: Elle a confirmé toutes mes nouvelles. L e r o i a é t é e n t r a î n é m a l g r é l u i . S'il peut éviter la guerre, il le fera. Il est lié, à la vérité, mais non pas d'une manière absolue et positive, et H a u g w i t z p a r a î t a v o i r l e s e c r e t d u r o i . . . . J'ai marqué dans le temps que H a u g witz irait lentement pour donner aux é v é n e m e n t s le t e m p s d ' a v a n c e r La princesse La Tour m'a avoué que quand elle avait vu envoyer Haugwitz, elle s'était doutée, « q u ' i l y a v a i t u n p e u d e p a i x l à d e d a n s » (ce sont leurs propres paroles). 3. Bericht vom 10./11. Dezember: Je le répète, H a u g w i t z et L o m b a r d o n t le s e c r e t du r o i . . . . Le roi reste calme au milieu de toutes ces agitations et désire ardemment la paix.

— 63 — 4. Montgelas schloß sich der Ansicht Brays vollkommen an. Das ist insofern wichtig, als Montgelas oft neben seinen Gesandten noch geheime Agenten zu unterhalten pflegte, durch die er sich über intime Details zu informieren wußte. Sollte dies hier nicht der Fall sein und Montgelas bloß nach Brays Berichten sich die Ansicht von einer Geheiminstruktion des Königs gebildet haben, so bleibt es immerhin bemerkenswert, daß ein so kritischer Kopf wie Montgelas sich dieser Ansicht anschloß. Er schreibt, nachdem er vom Schönbrunner Vertrag unterrichtet ist, an Bray 27. Dezember: Il n'est presque pas douteux que d'après les pouvoirs étendus dont il (Haugwitz) était muni et l e s i n s t r u c t i o n s p a r t i c u l i è r e s q u e le r o i l u i a v a i t d o n n é e s , le parti pacifique ne l'emporte. 5. Endlich aber — und dies dürfte das beweiskräftigste Stück sein — besitzen wir von Brays Hand eine Denkschrift über die Beziehungen zwischen Preußen und Frankreich vom Potsdamer Vertrag bis zum Ausbruch des Krieges im Herbst 1806. Bray pflegte öfter am Ende einer bedeutsamen Epoche in Form von Denkschriften eine knappe, nüchterne Darstellung der Epoche zu geben, in der er mit gründlicher Sachkenntnis und mit Geschick aus dem Wirrwarr der diplomatischen Verhandlungen, Kombinationen und Gerüchte den Kern des Tatsächlichen herausschälte. Er erweist sich in diesen Denkschriften als ein Bearbeiter der Zeitgeschichte, der nur selten durch die umfassenderen archivalischen Kenntnisse der Gegenwart berichtigt werden muß. Diese Denkschrift »Examen de la position respective de la France et de la Prusse depuis la fin de 1805, écrit à Berlin en septembre 1806« liegt seinem Bericht an Montgelas vom 4. Oktober 1806 bei. Sie enthält folgende Darstellung der Epoche des Potsdamer Vertrags: Alexandre vint lui - même s'efforcer d'attacher la Prusse à ses intérêts. L e r o i e t q u e l q u e s p e r -

— 64 — s o n n e s sages l u t t a i e n t c o n t r e c e t t e inc o n s é q u e n t e i m p u l s i o n ; cependant l'entraînement était tel que le 3 Novembre un traité conditionnel fut signé entre la Prusse et la Russie et qu'ainsi la Prusse se trouva de fait rangée sur la ligne des puissances coalitionnaires. A la vérité l e r o i e t l e p e t i t n o m b r e d e s e s c o n s e i l l e r s qui avaient combattu et modifié ces mesures, s ' o c c u p è r e n t s é r i e u s e m e n t d ' e n a t t e n u e r ou m ê m e d'en a n n u l i e r l'effet. Le comte de Haugwitz partit pour le quartier général de l'empereur Napoléon avec des pleinpouvoirs suffisants pour t r a i t e r s u i v a n t l e s o c c u r r e n c e s et a v e c le s e c r e t du roi. Bray hätte hier, ein Jahr nach jenen Ereignissen, sicherlich den Ausdruck »avec le secret du roi« nicht angewandt, wenn er seiner objektiven Wahrheit nicht sicher gewesen wäre. Und nachdem er seit April 1806 mit Haugwitz aufs freundschaftlichste verkehrt hatte, ist die Annahme sehr wahrscheinlich, daß er aus des Grafen eigenem Munde die Bestätigung dieser Tatsache erhalten hat. Es liegen demnach drei voneinander völlig unabhängige, inhaltlich übereinstimmende Quellen über die Tatsache vor, daß der König in dem Bestreben, sein Reich um jeden Preis vor dem Kriege zu bewahren, entgegen dem Potsdamer Vertrage seinem Gesandten eine mündliche Instruktion erteilt hat. Damit dürfte vielleicht diese Tatsache aus dem Bereich des Zweifels gehoben und die langjährige Kontroverse darüber abgeschlossen sein. — Waren also die Aussichten für die Zukunft mit Recht als friedliche zu bezeichnen, so hatte für den Augenblick doch die von Hardenberg geführte Kriegspartei den Sieg davongetragen und der Koalition zum mindesten die moralische Unterstützung Preußens verschafft. Seine vornehmste Stütze fand Hardenberg im Laufe der nächsten



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Wochen in der Königin Luise, die, hingerissen durch die glänzende Persönlichkeit des Russenherrschers und seine schönen Worte, ihre bisherige Zurückhaltung aufgab und offen die Kriegslust schürte. 1 ) Die Folgen hievon waren besonders für Bayern schmerzlich. Hardenberg kehrte, auch hierin von der Königin lebhaft unterstützt, seine feindselige Gesinnung gegen diesen ehemaligen Schutzstaat Preußens wieder aufs schroffste hervor und brach den Verkehr mit Bray vollständig ab. 2 ) Am bayrischen Hofe hatte man sich von dem ersten Schrecken über den drohenden Bruch mit Preußen bald wieder erholt. Montgelas ließ sich durch die Ereignisse nicht verblüffen; auch das Unerwartete wußte er seinen Ideen dienstbar zu machen, und so erblickte er in dem Ansbacher Zwischenfall, so unangenehm er ihm momentan gewesen, eine neue Möglichkeit, seinen fränkischen Arrondierungsplan zu verwirklichen. Er hatte die fränkische Frage eben auf diplomatischem Wege wieder aufzurollen beabsichtigt; 3 ) das war nun durch die Neutralitätsverletzung in gewaltsamer, aber wirkungsvollerer Weise geschehen und war seinen Plänen in letztem Grunde nur förderlich. Noch ehe er von den Beschlüssen der Potsdamer Konferenz unterrichtet war, sah er bereits voraus, daß Preußen irgend eine Sühne für den Ansbacher Vorfall fordern werde — wahrscheinlich den so lange erstrebten Besitz Hannovers. Er veranlaßte daher den französischen Gesandten Otto, bei Napoleon die Abtretung Hannovers an Preußen anzuregen.4) Daß Napoleon dieses Land nicht umsonst hergeben werde, war selbstverständlich. Man konnte dafür ein Arrangement in Franken erwarten, bei dem in irgend einer Weise Bayerns Interessen berücksichtigt werden mußten. M. M. B. P. 1805, Ber. Brays, 5. Dez. *) M. M. B. P. 1805, Ber. Brays, 2., 5., 9., 19. Nov. s ) Vgl. S. 28/29. *) M. M. B. P. 1805, Montgelas an Bray, 11. Okt. T a r r a s c h , Übergang des Fürstentums Ansbach an Bayern.

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Gleichzeitig betraute Montgelas den bisherigen Gesandten in Wien, Baron von Gravenreuth, mit einer außerordentlichen Mission an das kaiserliche Hauptquartier: er sollte während des Feldzuges die Interessen Bayerns beim Kaiser nachdrücklich geltend machen. 1 ) Im Allianzvertrag zwischen Frankreich und Bayern war ausbedungen worden, daß Bayern die Unterwerfung der Reichsritterschaft vollenden und eine Entschädigung für Eichstätt erhalten solle; hiefür erschienen die Reichsstädte Nürnberg und Augsburg geeignet. Diese Punkte sollte Gravenreuth vornehmlich im Auge behalten; bald jedoch fand er Gelegenheit, über seine Instruktion hinausgehend, Bayerns territoriale Interessen in weit ausgedehnterem Maße wahrzunehmen und Montgelas' Pläne ihrer Verwirklichung näher zu bringen. Napoleon hatte inzwischen in München Kunde von den Vorfällen in Berlin und dem Beschluß der Potsdamer Konferenz erhalten. Das Betragen des Berliner Hofes versetzte ihn in die größte Empörung und rief in ihm den Gedanken wach, mit Österreich auf der Stelle Frieden zu schließen und sich mit seiner gesamten Macht auf Preußen zu werfen; doch wollte er erst eine entschiedene Erklärung des Berliner Hofes abwarten. 2 ) In Wirklichkeit war seine Lage damals nicht glänzend. Die russische Armee hatte sich eben mit der österreichischen vereinigt; die Streitkräfte, die ihm momentan zur Verfügung standen, waren nicht darauf berechnet, mit einer dritten Macht den Kampf aufzunehmen, die ihn in der Flanke mit 180 000 Mann bedrohte. Daher hütete er sich, durch schroffes Vorgehen es völlig mit Preußen zu verderben. General Barbou, der die Okkupationsarmee in Hannover befehligte, erhielt die Weisung, wenn er von den preußi1

) M. Pol. Arch. Nr. 9: Mission extraordinaire au grand quartier général impérial français 1805, Instruktion für Gravenreuth, 12. Okt. ä ) M. Pol. Arch. Nr. 9, Ber. Grav., 25. Okt.



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sehen Truppen angegriffen werde, sich nur auf die Defensive zu beschränken. 1 ) Dem Gedanken, Hannover an Preußen auch jetzt, wo an eine Allianz nicht mehr zu denken war, zu überlassen, stand er nicht ablehnend gegenüber; aber freilich konnte dies nur durch einen Vertrag geschehen, der ihm gewisse Garantien bot. Und hier setzte Gravenreuth den Hebel an, um Montgelas' Wunsch einer Vereinigung ganz Frankens unter bayrischer Herrschaft zu verwirklichen. In einer Unterredung mit Napoleon bemerkte er, ein vortreffliches Mittel, alle Händel mit Preußen zu beseitigen, bestände darin, ihm Hannover als Depot zu überlassen und dafür die fränkischen Fürstentümer, ebenfalls als Depot, zu besetzen. Der Kaiser erwiderte trocken »C'est vrai«, ging aber nicht näher auf diesen Gedanken ein.2) Doch benützte Gravenreuth in Zukunft jede Gelegenheit, den Kaiser mit dieser Idee zu befreunden. Montgelas und Hardenberg betrachteten die augenblickliche Spannung als geeignet, den diplomatischen Kampf um die Vorherrschaft in Franken zum Austrage zu bringen. So sehr sich Montgelas auch bemühte, den Konflikt mit Preußen beizulegen und auch die Stimmung im französischen Hauptquartier zu besänftigen, 3 ) an eine Wiederherstellung der früheren intimen Beziehungen zwischen dem preußischen und bayrischen Hofe war nicht zu denken, nachdem Bayern sich so entschieden unter den Schutz der französischen Adler begeben hatte. Unter diesen Umständen war Preußens süddeutsche Stellung für Bayern eine Last, ja eine Gefahr, die um jeden Preis M. M. B. P. 1805, Montg. an Bray, 10. Nov. ) Bitterauf, Geschichte des Rheinbunds I, 206. 3 ) Er veranlaßte, Brays Anregung folgend (vgl. S. 46), den Kurfürsten, Napoleon die Absendung eines zweiten Entschuldigungsschreibens an den König zu empfehlen (23. Okt.). Doch ließ sich Napoleon nicht darauf ein. M. M. B. P. Montg. an Bray, 23. Okt., Beilage. 2

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beseitigt werden mußte. Sie hinderte nicht nur die Schöpfung eines geschlossenen großbayrischen Staates, sondern auch die Bewegungsfreiheit der bayrischen Politik. Eine fundamentale Neugestaltung der deutschen Verhältnisse würde, darüber bestand allgemein kein Zweifel, die Folge dieses Krieges im Falle des Sieges der französischen Waffen sein. Dabei sollte Bayern eine Machtfülle erlangen, die ihm als erstem der deutschen Mittelstaaten eine annähernd ebenbürtige Stellung neben den deutschen Großmächten gewährleistete. Hiezu war die Herstellung einer Landbrücke zwischen Altbayern und den fränkischen Besitzungen und womöglich die völlige Verdrängung Preußens aus Süddeutschland eine unerläßliche Vorbedingung, der zuliebe Montgelas, wie von jeher, gerne bereit war, das entlegene Herzogtum Berg zu opfern. Er setzte die Federn der Publizisten in Bewegung, um diesen Ideen Eingang zu verschaffen. Bereits wenige Wochen nach dem Ansbacher Zwischenfall erschienen zwei Flugschriften, deren Verfasser der höheren bayrischen Beamtenschaft angehörten. In der einen wurde gegen Abtretung des Herzogtums Berg an Preußen die Überlassung ansbachischen und bayreuthischen Gebietes verlangt, um eine vollkommene Verbindung mit den Fürstentümern Bamberg und Würzburg herzustellen. 1 ) Wesentlich ausgedehnter und schärfer präzisiert waren die Forderungen, die der Amberger Landesdirektionsrat Freiherr von Aretin erhob. 2 ) Er äußerte unverhüllt, Bayern müsse außer dem Innviertel und dem österreichischen Schwaben womöglich den völligen Besitz x

) Von den höchsten Interessen des Teutschen Reiches, mit besonderer Rücksicht auf den Einfluß, welchen Bayern gegenwärtig auf jene behauptet. Heilbronn 1806. Die Jahreszahl ist vordatiert. Abgedr. in Haeberlins Staatsarchiv, XIV. Band, 4. Heft, S. 443. *) Das Staatsinteresse Bayerns bei dem dritten Koalitionskriege. Im Oktober 1805. Abgedr. in Haeberlins Staatsarchiv, XV. Band, 1. Heft.



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beider Markgrafschaften erstreben; es müßten sich doch Mittel und Wege finden lassen, Preußen in Niedersachsen (womit er auf Hannover anspielte) oder sonstwo eine mehr als ausreichende Entschädigung für die beiden isolierten Fürstentümer zu verschaffen. Wenn es unmöglich sein sollte, beide Provinzen sich zu eigen zu machen, so müsse Bayern vorzüglich auf Erwerbung des Fürstentums Ansbach und des Bayreuther Unterlandes an der Aisch (also des reichsten Teiles) bedacht sein. Hierzu besitze es selbst in dem Herzogtum Berg, das seiner politischen Lage gar nicht angemessen sei, ein günstiges Tauschmittel. Dadurch und durch das Nürnberger Gebiet erhalte Bayern die unmittelbare Verbindung mit Franken, und das Bayreuther Oberland sei dann eher entbehrlich. Bayern würde damit aufhören, an zwei mächtige und gefährliche Nachbarn zu grenzen, und wenigstens von einer Seite ruhiger atmen können. 1 ) Außerdem mußte — darüber bestand schon seit dem Ausbruch des Krieges nur eine Meinung — Eichstätt an Bayern kommen, das ihm ja schon von der Reichsdeputation zugedacht worden war und auf dessen mehrmals versprochenes Äquivalent es bis dahin vergeblich hatte warten müssen. 2 ) Klipp und klar waren hier die Grundzüge von Montgelas' Politik aufgedeckt. Aber selbst in den eigenen Reihen stieß der Minister auf Widerspruch. Ein »bayerischer Patriot« fühlte sich bemüßigt, in einer Gegenschrift den kleinbayrischen Standpunkt zu verfechten. 3 ) Unmöglich könne er sich von der Wahrheit des Gerüchtes überzeugen, daß »unser Ministerium solche ausschweifenden Projekte« hege und daß es an der Erscheinung der Aretinschen Schrift selbst Haeb. Staatsarch., XV. Bd., S. 11/12. ) Haeb. Staatsarch., XV. Bd., S. 17. 3 ) Das Staatsinteresse von Bayern bei den dermaligen Friedensunterhandlungen. Von einem bayerischen Patrioten. Dez. 1805. Abgedr. in Haeb. Staatsarch., XV. Bd., 1. Heft. 2



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Anteil habe. »Wir können,« schrieb er mit starker Übertreibung, »keine europäische Machtpolitik treiben, dazu brauchten wir ein starkes Heer und drückende Steuern, würden außerdem doch die Vasallen Frankreichs bleiben.« Das war ja richtig vorausgesehen; aber unter den obwaltenden Umständen gab es für Bayern keinen anderen Weg, um seine absolute politische Abhängigkeit abzustreifen. Jener Patriot aber schlug, unbeirrt durch die Erfahrungen der letzten hundert Jahre, Freundschaft und Gebietstausch mit Österreich vor. Eichstätt und die schwäbischen Besitzungen solle Bayern nehmen, dagegen das rechte Innufer und die Stadt Passau an Österreich abtreten, »um alle Veranlassung künftiger Zwietracht und Eifersucht auf immer zu entfernen.« Und da er die Notwendigkeit einer Verbindung mit Franken doch nicht leugnen konnte, so ließ er sich herbei, den Tausch von Berg gegen einen »verhältnismäßigen Anteil« von Ansbach zu befürworten. 1 ) Die Schrift ist bemerkenswert als Symptom des Widerstandes, den Montgelas mit seinen großzügigen Plänen im eigenen Lager zu überwinden hatte und den die manchmal verzagte Haltung des schwankenden und leicht zu beeinflussenden Kurfürsten 2 ) nicht selten verstärkte. Anfang November hatte der Kurfürst auf wiederholte Einladung hin mit Napoleon eine Zusammenkunft in Linz. Es wurde beschlossen, daß Bayern die Unterwerfung der Reichsritterschaft und der Deutschordensenklaven schon jetzt in Angriff nehmen solle.3) Montgelas war zugegen und überzeugte sich von Napoleons Erbitterung gegen Preußen, die seinen Plänen günstig war. »Ich bin Korse,« sagte der Kaiser im Eifer des Gesprächs zu dem bayrischen Staatsmann, »und ich behalte mir Haeb. Staatsarch., XV. Bd., S. 27. ) B. R. XI 33 Fasz. 191, Ber. Schladens (Charakteristik des Kurfürsten), 23. Okt. 3 ) Bitterauf, Gesch. d. Rheinbundes I, 225. 2



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eine Vendetta (Rache) vor.«1) Noch unmittelbar vor der Schlacht von Austerlitz erwog Napoleon Gravenreuth gegenüber den Gedanken, Österreichs Friedensvorschläge anzunehmen, die ihm den Besitz Venetiens gebracht hätten, und sich mit Preußen auseinanderzusetzen. In diesem Falle könne er aber Bayern die Vergrößerung, die er ihm bei Beginn des Krieges in Aussicht gestellt, nicht verschaffen. Der Gesandte bemerkte hierauf, dann sei es unbedingt nötig, Franken mit Bayern zu vereinigen, insbesondere Eichstätt und Nürnberg. Zusammen mit der Unterwerfung der Reichsritterschaft, der kaiserlichen Post, des Deutschen Ordens und der Stadt Augsburg, die Napoleon auch im Falle des sofortigen Friedens mit Österreich durchzusetzen entschlossen war, seien das für einen dreimonatigen Krieg genug Erwerbungen. Der Kaiser zeigte sich diesem Vorschlag nicht abgeneigt; ceci pourra aussi s'arranger, erwiderte er; aber einen definitiven Bescheid vermochte er in diesen kritischen Tagen nicht zu geben.2) Mit der Unterwerfung der Reichsritterschaft und des Deutschen Ordens, soweit ihre Gebiete innerhalb der bayrischen Grenzen lagen, hatte Montgelas bereits den Anfang gemacht, ohne aber viel zu erreichen.3) Infolge des Mangels an Truppen, vor allem , an Kavallerie, vermochte er dem Unterwerfungsdekret keinen Nachdruck zu verleihen4). Ferner stieß er auf die geheime Gegnerschaft der preußischen Behörden in Franken. Diese bestärkten unter Verleugnung ihrer früher beobachteten Prinzipien die Ritterschaft in ihrem Widerstand, verhießen ihr den Schutz Preußens und waren überhaupt ») M. M. B. P. 1805, Montg. an Bray, 1. Dez. »II m'a dit qu'il était Corse et qu'il lui conservait une vendetta.« 2 ) M. Pol. Arch., Nr. 9, Ber. Gravenreuths, 27. Nov. 3 ) B. R. XI 94a Fränk. Kreis, Nr. 9 D, Bericht Schuckmanns 19. u. 27. Nov. 4 ) M. Pol. Arch., Nr. 9, Montg. an Grav., 2. Dez. u. 13. Dez.



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in eifriger Wühlarbeit bestrebt, die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der bayrischen Verwaltung nach Kräften zu schüren.1) Gleichzeitig suchte Preußen den Reichstag gegen die Übergriffe der drei süddeutschen Staaten in die Schranken zu rufen. Es fand bei Dalberg, dem Herold der alten Reichsherrlichkeit, lebhafte Unterstützung, 2 ) bis Napoleons Drohung, Dalberg werde Regensburg einbüßen, wenn er noch weiter als Anwalt der deutschen Rechte auftrete, ihn verstummen ließ und damit den Reichstag lahm legte.3) Immerhin sah sich Montgelas durch Preußens feindselige Haltung veranlaßt, die Maßnahmen gegen die Reichsritterschaft einzustellen. Die Aufstellung einer Armee von 60 000 Mann im Bayreuther Oberland schien keinen Zweifel darüber zu lassen, daß Preußen die Eroberung des bayrischen Franken beabsichtige. Aus dieser Befürchtung, von der mit dem Kurfürsten der ganze Münchener Hof erfaßt war, machte man dem preußischen Gesandten kein Hehl; sie war die Ursache, warum man ihn mit derselben Kälte behandelte, deren sich Bray in Berlin zu erfreuen hatte. 4 ) Man traf bereits Anstalten für einen eventuellen Krieg in Franken. Die Festungen Würzburg und Forchheim wurden instand gesetzt, ihre Besatzung erhöht, große Vorräte bei Weißenburg, in Kitzingen, Ochsenfurth und Forchheim aufgestapelt, neue Truppenaushebungen vorgenommen und im bayrischen Franken eine Zwangsanleihe ausgeschrieben, da eine reguläre Anleihe keinen Erfolg gehabt hatte. 5 ) Diese Maßnahmen, denen ähn*) M. M. B. P. 1805, Montg. an Bray, 10. Dez. ) M. Pol. Arch., Nr. 9, Montg. an Grav., 13. Dez. 3 ) M. Pol. Arch., Nr. 9, Ber. Grav., 14. Dez. *) B. R. XI 33 Fasz. 192, Ber. Schladens, 28. Nov. u. 6. Dez. 5 ) B. R. XI 94a Fränk. Kreis, Nr. 9 D, Ber. Schuckmanns, 29. Nov., 6. u. 23. Dez. — M. Pol. Arch., Nr. 9, Montg. an Grav., 12. Dez. a



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liehe von Seiten der preußischen Behörden vorangegangen waren, bestärkten natürlich die fränkische Bevölkerung in ihrer Kriegsangst. Daß in Franken eine Änderung des Besitzstandes eintreten werde, davon waren alle überzeugt, auch die, die nicht an das Schreckgespenst eines drohenden preußisch - bayrischen Krieges glaubten. Als Napoleon das Korps Augereau. zur Verstärkung des Neyschen Korps von Frankfurt nach Bayern beorderte, war man allgemein, Schladen nicht ausgenommen, der Ansicht, seine Bestimmung sei, Ansbach für den bayrischen Kurfürsten zu besetzen.1) So weit war man noch nicht; trotz allen Rüstungen blieb Montgelas der Zuversicht, daß sich Preußen mit Frankreich friedlich verständigen werde. Von dieser Verständigung sollte auch Bayern Nutzen ziehen. Eben in jenen Tagen verhandelte Talleyrand mit Gravenreuth über ein dauerndes Schutz- und Trutzbündnis zwischen Frankreich und Bayern. Montgelas ging darauf bedingungsweise ein. Die Integrität des pfalz - bayrischen Territoriums sollte aufrechterhalten werden. Ferner mußte Bayern die versprochene Entschädigung für Eichstätt, die Reichsstädte Augsburgund Nürnberg, erhalten. Preußen, das nach dem Geheimartikel des Hauptlandesvergleichs ebenfalls Ansprüche auf Nürnberger Gebiet hatte, sollte durch Hannover, wenn nötig noch Schwedisch-Pommern oder Mecklenburg, zum Verzicht bewogen werden. Endlich wollte Montgelas um jeden annehmbaren Preis, sei es nun für Berg oder sogar für Würzburg, das Fürstentum Ansbach erwerben.2) Am 2. Dezember errang Napoleon bei Austerlitz den entscheidenden Sieg über die verbündeten Armeen. Diese Tatsache, deren Kunde freilich erst nach acht Tagen in !) B. R. XI 33 Fasz. 192, Ber. Schladens, 28. Nov. — R. XI 94a Frank. Kreis 9 C, Bericht Hänleins, 16. Dez., Nr. 9 D, Ber. Schuckmanns, 29. Nov. 2 ) Bitterauf, Gesch. d. Rheinbunds I, 227.



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Berlin und München anlangte, schuf Ordnung in dem Chaos von wirren Gerüchten, Vermutungen, Hoffnungen und Befürchtungen, das seit Wochen Kabinette und Völker in drückender Beklemmung erhalten hatte. Der Friede mit Österreich stand unmittelbar in Aussicht. Man erwartete, daß unter dem Eindruck dieser Ereignisse auch Graf Haugwitz, der kurz vor der Schlacht bei Napoleon eingetroffen, von ihm aber nach Wien an Talleyrand verwiesen worden war, 1 ) sich zu einem friedlichen Arrangement werde bereitfinden lassen. Montgelas fürchtete zwar, daß Rußland alle Hebel in Bewegung setze, um Schweden, Dänemark, Preußen und ganz Norddeutschland zu einem nordischen Kriege gegen Napoleon hinzureißen. Doch hoffte er, der Sieg von Austerlitz werde im Verein mit Preußens natürlicher Friedensneigung hinreichen, es zu beschwichtigen.2) Napoleon scheint diese Befürchtung geteilt zu haben. Denn so sehr er Gravenreuth zum Abschluß des Allianzvertrags drängte, um damit auf Österreich bei den Friedensverhandlungen einen Druck auszuüben, so wollte er doch von Bayerns fränkischen Aspirationen nicht das mindeste hören, um Preußen nicht noch mehr zu reizen: eine herbe Enttäuschung in dem Moment, wo man sich dem Ziele nahe glaubte. 3 ) Doch der Gesandte hatte keine Wahl. Obwohl ohne Instruktion für einen so bedeutungsvollen Akt, da Napoleon ihm nicht Zeit ließ, bei Montgelas anzufragen, unterzeichnete er am 10. Dezember den Brünner Vertrag und nahm tapfer die schwere Verantwortung auf sich. Er handelte damit ganz im Sinne seines Meisters Montgelas, der ihm in seinen Memoiren das Lob spendet, er habe dem Lande einen bedeutenden Dienst geleistet.4) M. Pol. Arch., Nr. 9, Ber. Grav., 4. Dez. ) M. Pol. Arch., Nr. 9, Montg. an Grav., 10. u. 12. Dez. s ) Bitterauf, Rheinbund I, 236. 4 ) Bitterauf, Rheinbund I, 236. Montg. Memoiren, S. 119. 2



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Bayern wurde zum souveränen Königreich erhoben und um die österreichischen Besitzungen in Schwaben und Vorarlberg, die Grafschaften Hohenems, Tettnang, Argen, Königseck-Rothenfels und Isny, die Stadt Augsburg, die Fürstentümer Lindau, Passau und Eichstätt vergrößert. 1 ) Diese letzte Erwerbung, die man längst ersehnt, doch auch jetzt nicht erhofft hatte, verstärkte Bayerns Stellung in Franken; sie schuf die Verbindung zwischen Oberpfalz und Neuburg und schloß den Ring, mit dem Bayern die preußischen Fürstentümer umklammert hielt. Der Kurfürst freilich, der, vorher kleinmütig bis zur Verzagtheit, nach Austerlitz seine Erwartungen auf die Spitze getrieben hatte, war mit dem Erreichten unzufrieden. Allein Gravenreuth wies seine Beschwerde mit Entschiedenheit zurück: »Wenn man Euer Majestät im Juli gesagt hätte, daß Sie in acht Monaten alle Vorteile haben würden, die der Brünner Vertrag Ihnen sichert, würden Sie es nie geglaubt haben. Der Vertrag ist also vorteilhaft und mehr, als man erwarten konnte. «2) Ähnliche Verträge wurden gleichzeitig mit Württemberg und Baden abgeschlossen. So hatte sich Napoleon für die Friedensverhandlungen mit Österreich, mit deren Führung er Talleyrand betraute, eine feste, unerschütterliche Grundlage geschaffen. Er selbst begab sich nach Wien, um dort mit Preußen ins reine zu kommen. Graf Haugwitz hatte sich zu seiner Reise, nach der fast einstimmigen Überzeugung aller mit Absicht, sehr viel Zeit gelassen.3) Wenige Tage vor Austerlitz in Napoleons Hauptquartier angelangt, hatte er sich in seiner ersten Unterredung mit dem Kaiser auf allgemeine Redensarten über Preußens Vermittlungsabsichten beschränkt, ohne von dem Zweck seiner Sendung im Sinne Bitterauf, Rheinbund I, 236. ) M. Ministerialakten III, Österreich 10, 1805. 20. Dez. 3 ) Bitterauf, Rheinbund I, 237. 2

Ber. Grav.



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des Potsdamer Abkommens etwas verlauten zu lassen. Der Aufforderung Napoleons, da eine Schlacht bevorstehe, sich seiner Sicherheit halber nach Wien zu begeben, hatte er anstandslos Folge geleistet. Offenbar begegneten sich beide in dem Wunsche, erst die Ereignisse sprechen zu lassen, bevor sie an die Erledigung der schwebenden Fragen gingen. In Wien hatte der Graf von seiner franzosenfreundlichen Gesinnung kein Hehl gemacht; die Kunde von Austerlitz hatte er mit einem freudigen Aufatmen der Erleichterung begrüßt, kurz, seine ganze Haltung hatte nur friedliche Gesinnungen erkennen lassen, die er und, wenn nicht sein Hof, so doch sein Monarch für Frankreich hegten. 1 ) Daß man auch in Berlin nach Austerlitz die Friedensliebe immer energischer betonte, konnte Haugwitz nicht wissen. Offiziell hatte man freilich, insbesondere Rußland gegenüber, den Potsdamer Vertrag streng aufrecht erhalten. Der Kriegsrat, der unmittelbar nach Eintreffen der Nachricht berufen wurde (10. Dezember), beschloß den Vormarsch der preußischen Truppen nach Böhmen. 2 ) Doch Lombard, der auf des Königs Befehl an der Sitzung teilnahm, erklärte sich, der Zustimmung des Monarchen gewiß, ganz energisch gegen das System eines Krieges mit Frankreich; 3 ) und als ausführliche Nachrichten von der Katastrophe einliefen, verschob man die Ausführung des Beschlusses, bis von Haugwitz Kunde komme. Inzwischen sprach man zu Laforest und Bray nur von Preußens durchaus friedlichen Absichten. Lombard, der Mann des königlichen Vertrauens, ermächtigte den bayrischen Gesandten zu der Mitteilung an den Kurfürsten, der König sei bereit, sich fest und feierlich mit Frankreich zu verbinden, und besprach mit ihm die 1 ) Ranke, Hard. Denkw. V, 190. Bertrand, Lettres inédites de Talleyrand à Napoléon, S. 206, 208, 212. 2 ) Heigel, Deutsche Geschichte II, 596. ») M. M. B. P. 1805, Ber. Brays, 10./11. Dez.



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möglichen Bedingungen eines solchen Bündnisses. Auf jeden Fall wollte der König Hannover, und zwar nicht nur als Depot, behalten, dafür aber Napoleons Bestrebungen zur Vergrößerung der süddeutschen Staaten und besonders Bayerns nachdrücklich unterstützen. Bray war mit allem sehr einverstanden, bemerkte aber in seinem Berichte an Montgelas: »Wenn Preußen Hannover erhalten sollte, könnte dann Frankreich nicht für uns die Markgrafschaften verlangen ? «*) Freilich, eine Vergrößerung Bayerns auf preußische Kosten, wie überhaupt die Erstarkung der süddeutschen Kurstaaten, war dem Berliner Hofe keineswegs sympathisch, und Lombards Äußerung hierüber muß höchlichst überraschen, wenn man die frühere und spätere Haltung Preußens gegen diese Staaten betrachtet. Das war auch der einzige Punkt, über den sich Haugwitz zu Talleyrand sehr ärgerlich und mißbilligend geäußert hatte: »Das stört das deutsche System.«2) In der Tat, es war ein harter Schlag für Preußen, daß es seinen Einfluß auf diese Staaten völlig eingebüßt hatte; allein die Schwäche seiner Diplomatie war daran schuld. Unter diesen Umständen fand am 15. Dezember 1805 im Schlosse zu Schönbrunn bei Wien die folgenschwere Unterredung zwischen dem Sieger von Austerlitz und dem preußischen Unterhändler statt. 3 ) Napoleon liebte es, bei derartigen Verhandlungen den Beleidigten und Erzürnten zu spielen, um den Gegner einzuschüchtern M. M. B. P. 1805, Ber. Brays, 17./18. Dez. — Als der Minister diesen Bericht erhielt (27. Dez.), konnte er es sich nicht versagen, dem trefflichen Gesandten eine Freude zu machen, indem er ihm unter dem Siegel des größten Geheimnisses von dem Inhalt des Schönbrunner Vertrags Mitteilung machte. Montg. an Bray, 27. Dez. 2 ) Bertrand, S. 208. 3 ) Heigel, Deutsche Geschichte II, 597.



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und für seine Vorschläge geschmeidig zu machen. 1 ) Dieses System führte ihn auch hier zum Ziele. Aufs schärfste ließ er sich über die Zweideutigkeit der preußischen Politik, die Schwäche des Königs, das Frauenregiment am Hofe aus und entließ den Gesandten mit den drohenden Worten: »Der Krieg zwischen uns ist unvermeidlich.« In Wirklichkeit konnte Napoleon auch jetzt nichts ungelegener kommen als ein Krieg mit Preußen, dessen Armee kriegsbereit an den Grenzen stand, auf seine Verbindung mit Frankreich drückte und ihn zum Schlagen mit verkehrter Front genötigt hätte. Die Verhandlungen mit Österreich drohten sich mehr als einmal an den demütigenden Forderungen des Siegers zu zerschlagen und den Krieg wieder aufleben zu lassen. Das österreichische Heer war besiegt, aber nicht vernichtet, und hatte sich bei Holitsch wieder zu sammeln begonnen. An der Raab stand die fast völlig intakte Armee des Erzherzogs Karl, in Böhmen das Korps des Erzherzogs Ferdinand, das sich sofort mit den Preußen vereinigen konnte. In Ungarn war der Landsturm zu den Waffen berufen, diese reichsten Provinzen der Monarchie hatten noch wenig vom Kriege gelitten. 2 ) Kurz, ein Zusammengehen der deutschen Vormächte hätte auch jetzt noch und selbst dem Genie eines Napoleon gegenüber begründete Aussichten auf Erfolg gehabt. 3 ) Allein davon ganz abgesehen, vertrug sich die Bekämpfung Preußens nicht mit den Zielen der französischen Politik. Seit dem Bruche des Friedens von Amiens hatte Napoleon unaufhörlich um Preußens Bundesgenossenschaft geworben, um dadurch den KonVgl. sein Benehmen gegen Cobenzl zu Campoformio 1797, gegen den englischen Gesandten Withworth im März 1803. 2 ) Heigel, Deutsche Geschichte II, 606/7. 3 ) Der Ansicht war bereits damals Hardenberg. Denkw. V, 226, Anm.



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tinent in Schach zu halten und freie Hand zu dem Entscheidungskampf mit England zu bekommen. Nach Trafalgar hatte er dieses Bündnis noch nötiger, um sein antienglisches System auf dem Festland durchzuführen, nachdem er seiner maritimen Machtmittel beraubt worden war. 1 ) Bisher hatte er bei allen Annäherungsversuchen in Berlin kühle Ablehnung erfahren; jetzt endlich bot sich ihm eine Gelegenheit, Preußen in sein System zu zwingen. Am Nachmittag des 15. Dezember ließ der Imperator den Grafen Haugwitz zu einer neuen Unterredung laden. Er hatte soeben von Talleyrand die Nachricht erhalten, daß die österreichischen Gesandten als Entschädigung für den Erzherzog Ferdinand, dessen Kurfürstentum Salzburg an Österreich fallen sollte, das Kurfürstentum Hannover gefordert hatten. Da sich Österreich dadurch mit allen anderen Mächten verfeinden und zum engen Anschluß an Frankreich veranlaßt sehen mußte, glaubte Talleyrand trotz der Entfremdung Preußens, die als notwendige Folge vorauszusehen war, diese Lösung befürworten zu können.2) Napoleon hatte die Wahl, sein System auf den Bund mit Preußen, den er seit Jahren wünschte, oder mit Österreich, seit Jahrhunderten dem Rivalen Frankreichs, zu begründen. Allein ein Bündnis mit einem

*) Heymann, Frankreich und die großen Mächte im Jahre 1806. Abh. z. mittl. u. neueren Geschichte, Bd. 24, Berlin 1910. 2 ) Bertrand, S. 216. Der Brief trägt bei Bertrand nur das Datum »Dezember 1805«, ist aber ganz bestimmt vor dem Schönbrunner Vertrag geschrieben, da Talleyrand, wie seine Briefe vom 16. (S. 221) und 17. Dezember (S. 224) beweisen, von dem Vertrag sofort benachrichtigt wurde und infolgedessen in späterer Zeit nicht mehr in diesem Sinne an Napoleon hätte schreiben können. Der Brief ist demnach auf den 13., höchstens den Morgen des 14. Dezember zu datieren. Damit ist Hardenbergs Verdacht (Denkw. V, 232, Anm.), Haugwitz' Bericht sei eine romanhafte Erfindung, widerlegt.



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eben besiegten Gegner widerstrebte ihm; 1 ) er wollte seinem alten Plane treu bleiben, und da er wußte, welchen Wert Preußen auf den Besitz Hannovers legte, so benützte er Talleyrands Schreiben, um Haugwitz seinen Wünschen gefügig zu machen. »Heute früh,« mit diesen Worten empfing er den Gesandten, »hielt ich den Krieg mit Preußen für unvermeidlich; und jetzt werden Sie, wenn Sie wollen, wenn Sie mit mir den Vertrag unterzeichnen können, den ich Ihnen vorschlagen werde, erhalten, was Sie am Schlüsse der Rechnung ungeheuer interessieren muß; ich werde ein Pfand der Freundschaft des Königs besitzen und die Verbindung zwischen Frankreich und Preußen wird für immer hergestellt sein.«2) Darauf legte er dem Grafen Talleyrands Schreiben vor und diktierte dann seinem Adjutanten Duroc, der bei der Unterredung als stumme Person zugegen war, folgenden Vertrag in die Feder: Preußen schließt mit Frankreich ein Schutz- und Trutzbündnis und garantiert die Neuordnung der Ver*) Napoleon sagte zu Haugwitz — und seine Worte stimmen mit seiner späteren Politik derart überein, daß an ihrer Aufrichtigkeit nicht zu zweifeln ist: »Ich habe die Wahl zwischen dem Bündnis mit Österreich, Preußen oder Rußland. Das mit Österreich würde mich, wie Sie sich denken können, nichts kosten, indes widerstrebt es mir, mich mit einer Macht zu verbinden, die ich soeben niedergeschlagen habe. Um meine Verbündeten in Deutschland zu befriedigen, muß ich mehr als ein Stück von diesem schönen Reiche abnagen; schließlich bleibt es ja noch mächtig genug, aber nachdem ich es behandelt, wie ich es getan, nachdem ich es beraubt habe, wie Sie sehen, scheint es mir unpassend, mich mit ihm zu verbünden. Übrigens ist diese Allianz nicht nach dem Geschmack meiner Nation, und ihn ziehe ich mehr zu Rate, als man denkt. Rußland werde ich haben, nicht heute, aber in ein, zwei, drei Jahren; die Zeit löscht alle Erinnerungen, und das wäre vielleicht von allen Allianzen die, die mir am meisten zusagte.« Hard, Denkw. V 233, Haugwitz' Bericht über seine Sendung an Napoleon, 26. Dez. 1805. 2 ) Ranke, Hard. Denkw. V, 231/32. Ber. Haugwitz', 26. Dezember 1805.

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hältnisse, die Napoleon in Süddeutschland und Italien vornimmt. Es tritt das Herzogtum Kleve und die Grafschaften Neuenburg und Valengin in der Schweiz an Frankreich, das Fürstentum Ansbach an Bayern ab, das ihm jedoch zur Abrundung des Fürstentums Bayreuth einen Distrikt von 20 000 Einwohnern überläßt; dafür erhält es den Besitz des Kurfürstentums Hannover. 1 ) Haugwitz erzählt zwar in seinem Berichte über diese Unterredung, nachdem er von Talleyrands Schreiben Kenntnis genommen, habe die Diskussion begonnen; er läßt aber über den Inhalt und Gang dieser Diskussion, deren Kenntnis doch für den Berliner Hof von größter Wichtigkeit gewesen wäre, nicht das geringste verlauten. Die Art und Weise, wie der Vertrag selbst vereinbart wurde, bleibt in undurchdringliches Dunkel gehüllt, da eine andere Quelle über diese Unterredung nicht existiert; Duroc hat keine Memoiren hinterlassen. Es ist anzunehmen, daß gerade die Abtretung Ansbachs eine Erörterung hervorgerufen hat, da Haugwitz die Gefühle seines Herrn für dieses Land genau kannte. Besonders die merkwürdige Bestimmung, daß Bayreuth eine Abrundung von 20 000 (nicht 40 000, wie Montgelas, Memoiren S. 119, irrtümlich angibt) Einwohnern erhalten solle, scheint diese Vermutung zu bestätigen; denn diese Bestimmung dürfte schwerlich auf Napoleons Initiative zurückzuführen sein, von einer etwa vorhergegangenen Anregung Gravenreuths ganz zu schweigen. Daß Haugwitz, von jeher ein Gegner der fränkischen Politik Hardenbergs, in die Abtretung Ansbachs ohne Zögern einwilligte, ist begreiflich. Aber warum oder ob er nicht auch die Abtretung Bayreuths, das dadurch ziemlich wertlos für Preußen wurde, gegen eine weitere Vergrößerung in Norddeutschland, etwa die Hansastädte, dem Kaiser vorschlug, und vor allem, wie er auf die Klausel von den 20 000 Ein!) Ranke, Hard. Denkw. II, 390 ff. T a rr a s c h, Übergang des Fürstentums Ansbach an Bayern.

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wohnern kam, er, der doch mit den Verhältnissen in Franken durchaus nicht näher vertraut war, das sind Fragen, die wir nur mit einem non liquet beantworten können, ebenso wie die nach den Gründen, die den Grafen bewogen, den Inhalt dieser Diskussion seinem Könige zu verschweigen. Eine weitere Äußerung des Grafen bietet freilich die Handhabe zu einer anderen Vermutung. Er sagt: »Ich benützte die Zeit, die der Kaiser auf das Diktat .verwandte, um meine Gedanken über die Auslegung der Artikel zu sammeln, die der Kaiser sich begnügte zu Papier zu bringen, und behielt sie für die Arbeit des Berliner Kabinetts bei der Ratifikation dieses Vertrages vor. «*) Ganz abgesehen von dem Unstatthaften dieses zagen Benehmens, das sich vielleicht durch das dämonische, jeden Widerspruch ausschließende Benehmen des Kaisers erklären läßt — Haugwitz begründete es damit, daß er es für seine Pflicht gehalten habe, vor allem Zeit zu gewinnen — steht diese Äußerung in unvereinbarem Gegensatz zu dem kurz vorhergehenden »la discussion s'ouvrit«. Nun könnte man annehmen, dieser Satz »la discussion s'ouvrit« habe nur erzählungstechnische Bedeutung als Einleitung eines neuen Abschnitts, sei nur eine façon de parier, und Haugwitz habe also tatsächlich den Vertrag ohne jede Erörterung stillschweigend hingenommen. Aber dann bleibt immer noch jene Klausel über die 20 000 Einwohner ein Rätsel. Selten wurde ein Vertrag so spontan entworfen und abgeschlossen wie dieser; weder Talleyrand noch Gravenreuth, der wegen Ansbachs das lebhafteste Interesse daran haben mußte, wurden zugezogen oder wenigstens vorher über die Absichten Napoleons verständigt. Haugwitz' wortreicher Bericht bietet nicht das geringste Detail, kurz, der Vorgang im Schlosse zu Schönbrunn wird wohl stets ein undurchdringliches Geheimnis bleiben. Ranke, Hard. Denkw. V, 233.



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Dieser Vertrag war nicht sehr ehrenvoll für Preußen, da sein Monarch dadurch der Freiheit des Handelns für die Zukunft beraubt wurde ; daß er unvorteilhaft gewesen, läßt sich schwerlich behaupten. Der Besitz Hannovers, seit Jahren das ersehnte Ziel der preußischen Politik, trug zur Konsolidierung des Staates bei, während die Abtretung jener Außenwerke die Reibungsflächen mit den Nachbarn verminderte, die Verwaltung erleichterte; die Aufgabe der dominierenden Stellung in Süddeutschland — seit dem Reichsdeputationsschluß doch nur eine mühsam aufrecht erhaltene Fiktion — fiel jenen Vorteilen gegenüber nicht schwer in die Wagschale. Und vor allem: der Friede blieb gesichert, des Königs Wunsch ward erfüllt. Haugwitz handelte ganz im Sinne seines Königs, ganz der erhaltenen Instruktion gemäß, wenn er diesen Vertrag annahm; vor seinem Monarchen lud er damit keine Verantwortung auf sich. Selbständig gehandelt und schwere Verantwortung übernommen hätte er, wenn er die einzige Alternative ergriffen hätte, die ihm Napoleons diktatorischer Wille ließ: den Krieg; und ein wahrhaft bedeutender Staatsmann hätte sich nach scharfsinniger Erwägung der Verhältnisse vielleicht dazu entschließen können. Daß Haugwitz den Mut zu so selbständigem Entschlüsse, zumal unter dem Eindruck der Dämonie des Imperators, nicht fand, kann man nicht ihm persönlich zum Vorwurf machen. Er wählte, sich fest an seine Instruktion klammernd, das kleinere Übel, das ihm nicht so sehr als Übel erschien, und unterzeichnete den Vertrag. Am folgenden Tage ließ der Kaiser durch Duroc mit dem bayrischen Gesandten eine Zusatzkonvention zum Brünner Vertrag abschließen. Napoleon verpflichtete sich, die Abtretung des Fürstentums Ansbach »en toute propriété et souveraineté« von Seiten des Königs von Preußen an Bayern zu bewirken. Dieses trat dagegen das Herzogtum Berg an den deutschen Reichsfürsten ab, den Napoleon bezeichnen würde. Der Vertrag sollte 6*



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ebenso wie der preußisch-französische bis zum Augenblick der Ausführung geheim gehalten werden.1) Der Bericht eines österreichischen Agenten in München, den Fournier unter dem Titel »Aus Süddeutschlands Franzosenzeit« in seinen historischen Studien und Skizzen veröffentlicht hat, enthält zu diesen Schönbrunner Verträgen folgende Details: »Endlich wurde bei der Anwesenheit des Kaisers gegen die Abtrennung von Berg der Besitz von Ansbach ausgemacht, und es ist sonderbar, daß durch einen Fehler der Landkarte hier der König von Preußen das Bayreuther Unterland erhielt. Es war für Bayern kein rentables Geschäft, da Berg weit reichere Einkünfte abwarf und überdies das Bayreuther Unterland bei Preußen verblieb. Diese Konzession an Preußen war übrigens gar nicht freiwillig gemacht worden. Das Bayreuther Unterland war vom ansbachischen Hauptgebiet durch einen schmalen Streifen des nürnbergischen Territoriums getrennt. Der Kaiser zog nun auf der Landkarte die bayerische Grenze nur bis an diesen nürnbergischen Streifen und ließ das jenseits gelegene Territorium unbeachtet. Erst als der Kurier nach Berlin schon abgefertigt war, wurde der Irrtum aufgedeckt. Es war also nicht mehr möglich, die Regulierung rückgängig zu machen. Auf die vom Vertreter Bayerns erhobenen Vorstellungen erwiderte der Kaiser barsch: »Ceci pour une autre fois.« Diese Erzählung ist in verschiedenen Punkten falsch und scheint mir überhaupt unwahr zu sein. Der ganze Bericht jenes Agenten verrät durch seinen Ton die Absicht, Bayerns Erfolge zu verkleinern. Der Tausch Bergs gegen Ansbach, den Montgelas seit 1801 unaufhörlich anstrebte, kann nicht unrentabel gewesen sein. An Einwohnerzahl waren beide Gebiete fast gleich. Die EinM. Pol. Arch., Nr. 9, Text des Vertrages als Beilage zu Gravenreuths Bericht vom 17. Dez.

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künfte Ansbachs betrugen 892 000 Reichstaler, die Bergs nach Hardenbergs Schätzung 385 000 Reichstaler. Daß Hardenberg, der statistisch in der Regel vortrefflich bedient war, sich um mehr als 500 000 Reichstaler geirrt oder in seinen Berechnungen absichtlich um so viel zu niedrig gegriffen haben sollte, ist nicht anzunehmen. Außerdem mußte ihm für den Zweck, für den er jene Berechnungen anstellte, daran liegen, den Wert Bergs möglichst hoch zu veranschlagen. 1 ) Andrerseits war es allgemein bekannt, daß Ansbach eine der am besten verwalteten und einträglichsten Provinzen ganz Deutschlands war. Endlich muß man doch auch den Vorteil der Arrondierung des bayrischen Staates, des Zusammenhangs mit den fränkischen Provinzen, der dadurch erleichterten Verwaltung in Betracht ziehen. 2 ) Daß Montgelas auch den Besitz des Bayreuther Unterlandes gewünscht hatte, ist richtig; erst dadurch war die lückenlose Verbindung mit Bamberg hergestellt. Aber wenn es nicht anders ging, so war er mit dem Erwerb Ansbachs zufrieden.3) Daß eine fehlerhafte Landkarte vorgelegen haben sollte, erscheint nicht glaubwürdig. Napoleon pflegte stets gute Karten zu haben; auch ist anzunehmen, daß Gravenreuth wohl über eine gute Karte verfügt hat. Vor allem aber ist die Darstellung des Verfassers so unklar, daß man ihm Sachkenntnis über diesen Gegenstand absprechen muß. Er spricht von einem »ansbachischen Hauptgebiet«; nun aber war Ansbach, abgesehen von der ganz kleinen Enklave Iphofen im äußersten Nordwesten, die damals auf den Karten noch nicht eingezeichnet sein konnte, ein vollständig abgerundetes Territorium, wo von einem Haupt- und Nebengebiet keine Rede sein konnte. Die ganze Darstellung würde durchaus stimmen, wenn man Ranke, Hard. Denkw. II, 419 ff. ) Montgelas, Memoiren, S. 119. ») M. Pol. Arch., Nr. 9, Montg. an Grav., 2. Dez. 1805. 2



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statt »Ansbacher« »Bayreuther Hauptgebiet« einsetzt. Das Unterland war durch einen schmalen Nürnberger Streifen nicht von Ansbach, sondern vom Bayreuther Oberland getrennt; mit Ansbach hing es im Gegenteil in seiner ganzen Längsausdehnung ohne jede Unterbrechung aufs engste zusammen. Demnach müßte sich die ganze Erzählung überhaupt um das Fürstentum Bayreuth drehen; dem widerspricht aber der Autor selbst und die Bestimmung der Schönbrunner Verträge. Der Fehler auf der Karte, den er annimmt, die falsche Bezeichnung eines Landstreifens zwischen dem ansbachischen und Bayreuther Unterland ist so fernliegend, ja geradezu unsinnig und unmöglich, daß ich daran nicht glauben kann. Ich habe mehrere gewiß fehlerhafte Karten von Franken aus dieser Zeit gesehen, aber auf keiner auch nur eine Spur, eine Möglichkeit dieses Fehlers. Daß also der Kaiser das Unterland nicht in die Abtretungslinie einbezog, das beweist vielmehr, daß er über die Grenzverhältnisse eingehend (vielleicht durch Haugwitz ?) orientiert war, ja es läßt sogar vermuten, daß darüber erst diskutiert worden ist, da es Napoleon viel näher liegen mußte, das Unterland mit einzubeziehen. Ein Kurier nach Berlin ist überhaupt nicht abgefertigt worden, weil Haugwitz den Vertrag persönlich überbringen wollte.1) Und endlich ist der zitierte Ausspruch Napoleons durchaus unwahrscheinlich. Er wollte Frieden und Freundschaft mit Preußen, konnte damals schwerlich an eine neue Spannung mit diesem Staate denken, die Bayern auch den Besitz Bayreuths hätte erwirken können, und wenn doch, so hätte er diesen Gedanken wahrscheinlich für sich behalten. Von der ganzen Erzählung findet sich weder in Gravenreuths ausführlichen Berichten noch in Montgelas' Memoiren auch nur eine Spur. Es ist nicht zu ersehen, Ranke, Hard. Denkw. II, 385.

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warum beide, besonders Montgelas in seinen Denkwürdigkeiten, diese Szene und vor allem die Zukunftsverheißung am Schlüsse verschwiegen haben sollten. Außerdem erscheint die Erzählung als ein Gegenstück zu der anderen jenes Agenten, wonach Gravenreuth während der Brünner Verhandlungen einfach ein beliebiges Gebiet in Schwaben mit einer Linie auf der Karte umzog und es trotz den Ansprüchen Württembergs und den Einsprüchen Talleyrands von Napoleon für Bayern zugestanden erhielt. 1 ) E i n e derartige Erzählung kann man schließlich glauben, aber in doppelter Auflage und von sachlichen Fehlern strotzend, trägt sie den Stempel der Erfindung. Durch den Schönbrunner Vertrag, den Gravenreuth ebenfalls ohne besondere Instruktion hatte abschließen müssen, wurden die langjährigen Bestrebungen der bayrischen Politik von Erfolg gekrönt. War auch Preußen nicht ganz aus Franken verdrängt, so besaß Bayern nun doch die1 unumstrittene Vorherrschaft. Würzburg war mit den bayrischen Stammlanden verbunden, die unabhängigen Gebiete Pappenheim, Castell, Schwarzenberg und Limpurg völlig von bayrischem Territorium umklammert, ihre Unterwerfung nur noch eine Frage der Zeit. Bloß vom Erwerb Nürnbergs war noch immer nicht die Rede. Erhöht wurde der Wert des Tauschobjektes Ansbach dadurch, daß Bayern nun die Konzessionen zugute kamen, die es im Hauptlandesvergleich hatte bewilligen müssen.2) Freilich sah Montgelas bei der Ratifikation dieses Vertrages (20. Dezember) voraus, daß die Ausführung noch einen kleinen Kampf in Berlin kosten werde. Er kannte Hardenberg gut genug, um zu wissen, daß man preußischerseits versuchen werde, verschiedene der neuerworbenen Parzellen (vor allem Iphofen) zu Bayreuth zu ziehen und von der Abtretung auszuschließen; Fournier, Historische Studien und Skizzen, S. 253. ) M. Pol. Arch. 9, Ber. Gravenreuths, 17. Dez.

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ferner fürchtete er, daß die Rente des Markgrafen Anlaß zu Differenzen geben werde. Sie wurde von den Einkünften der Fürstentümer bestritten, und Bayern konnte dajier die Verpflichtung aufgeladen werden, den auf Ansbach entfallenden Teil der Pension zu übernehmen, obgleich Preußen in Hannover einen mehr als ausreichenden Ersatz für Ansbach erhalten hatte und von den Einkünften dieses Landes die Rente bestreiten konnte. 1 ) Gravenreuth beruhigte den Minister über diesen Punkt: Die Pension des Markgrafen sei eine Hohenzollersche Familiensache; sollte Preußen hierin Schwierigkeiten machen, so werde die Gegenforderung, der Berliner Hof möge den Unterhalt des Herzogs Wilhelm übernehmen, dem die Einkünfte Bergs als Apanage zugewiesen waren, genügen, um diese Differenz verschwinden zu lassen. Was den ersten Punkt anlange, so müsse man eben bei der Besitznahme schnell zu Werke gehen und sich nicht von Preußen einschüchtern lassen; Frankreichs Unterstützung sei gewiß. 2 ) Nun von Preußen nichts mehr zu befürchten war, wagte Montgelas entschieden in Franken vorzugehen. Am 23. Dezember wurde das Fürstentum Eichstätt besetzt, 3 ) gleichzeitig die Unterwerfung der Reichsritterschaft fortgesetzt, wofür Napoleon in einem Tagesbefehl vom 19. Dezember die französischen Truppen in Bayern zur Verfügung gestellt hatte. 4 ) Leider wurden die Vorteile des Schönbrunner Vertrages unmittelbar darauf durch die Preßburger Friedensverhandlungen teilweise illusorisch gemacht. Da Salzburg an Österreich fallen sollte, suchte man für den bisherigen Kurfürsten, den Bruder des Kaisers Franz, eine 1)

M. Pol. Arch. 9, Montg. an Gravenreuth, 22. Dez. M. Pol. Arch. 9, Ber. Grav., 26. Dez. 3 ) B. R . X I 94a, Fränk. Kreis 9 D, Ber. Schuckmanns, 24. Dez. 4 ) Heinrich Müller, Der letzte Kampf der Reichsritterschaft, Berlin 1910, S. 196/96. — Bitterauf, Rheinbund I, 239. 2)



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Entschädigung. Österreichischerseits hatte man zuerst an Hannover gedacht, 1 ) obwohl man mit dem rechtmäßigen Herrscher des Landes, dem englischen Könige, verbündet war. Damit abgewiesen, weil Napoleon sich mit Preußen nicht verfeinden wollte, schlug man die Erhebung Tirols zu einem Kurfürstentum für den Erzherzog vor. Auch hierauf ging Napoleon wegen der strategischen Bedeutung des Landes nicht ein; mehrmals in den letzten Kriegen hatte es sich gezeigt, wie wünschenswert eine gesicherte Verbindung durch Tirol für die in Süddeutschland und Italien kämpfenden Armeen sei. Diesen Vorteil wollte er sich für die Zukunft sichern, indem er Tirol an Bayern überließ und so die Verbindung der beiden von ihm abhängigen Königreiche Italien und Bayern, die er durch eine Vermählung des Vizekönigs Eugen mit Augusta, der Tochter des Königs Max, zu knüpfen gedachte, auch geographisch verstärkte. 2 ) Dafür sollte das Bistum Würzburg dem Erzherzog angewiesen werden. Dieser Vorschlag stieß bei Gravenreuth und am Münchener Hofe anfangs auf heftigen Widerstand. Würzburg war das reichste und entwicklungsfähigste der bayrischen Territorien, während die Einkünfte Tirols knapp zur Deckung der Verwaltungskosten ausreichten. Außerdem wurden durch Einsetzung eines Erzherzogs in Würzburg dem österreichischen Einfluß in Franken, der eben durch die Unterwerfung der Reichsritterschaft ausgeschaltet wurde, wieder Tür und Tor geöffnet, zumal da gerade in diesen Gegenden die Anhänglichkeit an die Habsburger stets groß gewesen und Franken eine Pflanzstätte österreichischer Offiziere gewesen war. Da man nicht annehmen durfte, daß der Erzherzog eine selbständige Politik treiben werde, so würde sich Bayern auf zwei Seiten von Osterreich bedroht und jedenfalls in seinen

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Bertrand, S. 216, 224 (noch am 16. Dez.). ) Montgelas, Denkwürdigkeiten, S. 120/21.



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fränkischen Machtbestrebungen, an deren Ende es noch keineswegs angelangt war, gehemmt sehen.1) Nach reiflicher Überlegung willigte jedoch Montgelas schließlich in den Tausch ein, als auch das reiche Welschtirol (Trient) mit einbezogen wurde. 2 ) Wohl suchte der ehrgeizige Murat den Baron von Gravenreuth zu größerer Hartnäckigkeit in seinen Forderungen aufzureizen, da er sich von einer Fortsetzung des Krieges persönliche Vorteile erhoffte. In der Tat hätte man, wie Napoleon in einem Schreiben an den König von Bayern selbst eingestand, durch Beharrlichkeit noch größere Zugeständnisse von Österreich erzwingen können. Indes war das bisher Erreichte genug, der Kaiser wünschte baldigsten Abschluß, da er vor der Ratifizierung des Schönbrunner Vertrags in Berlin seine Lage keineswegs unbedenklich fand und außerdem eine finanzielle Krisis in Paris seine dortige Anwesenheit erforderlich machte. Gravenreuth wirkte in diesem Sinne auf Murat ein, und so konnte am 27. Dezember der Friede zu Preßburg abgeschlossen werden.3) Bayern hat hierfür durch den Verzicht auf Würzburg ein großes Opfer gebracht; doch betrug der Gewinn des Krieges, abgesehen von der Erhebung zum souveränen Königreiche und der fast vollständigen Arrondierung des Staates, auch nach Montgelas' niedriger Schätzung immer noch 400 000 Einwohner und mindestens 3 Millionen Gulden Einkünfte. 4 ) x

) M. Pol. Arch. 9, Akte über den gegenseitigen Austauschwert Tirols und Würzburgs, von Thürheim und Stichner, 22. Dez. *) M. Pol. Arch. 9, Montgelas an Grav., 27. Dez. — Montgelas, Denkwürdigkeiten, S. 122/23. ®) Montgelas, Denkwürdigkeiten, S. 124. 4 ) M. Pol. Arch. 9, Ber. Grav., 19. Dez., Montgelas an Grav., 27. Dez. Die Behauptung jenes österreichischen Agenten Meyer (Fournier, Hist. Stud. u. Skizz., S. 276): »Wenn Montgelas den Augenblick des Friedens und der Heirat der Prinzessin Auguste besser benutzt hätte, hätte er üble Resultate für Österreich oder die Nachbarn Bayerns in Schwaben oder für Preußen in Rücksicht Bayreuths hervorgebracht,« findet weder in den Memoiren des



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Der Friede war geschlossen — keineswegs gesichert. Nicht nur daß der Preßburger Vertrag, infolge des Drängens Napoleons das Werk beschleunigter, ja überstürzter Verhandlungen, nicht alle Wünsche erfüllte und durch unpräzise Formulierung manchen Anlaß zu ernsten Differenzen geben konnte: noch verharrte Rußland in Kriegszustand, und vor allem war die durch Preußen bewirkte Spannung der Lage durch den Schönbrunner Vertrag wohl gemindert, doch nicht beseitigt worden. Der Verwirklichung dieses Abkommens konnten sich noch ungeahnte Schwierigkeiten entgegentürmen, wodurch die Neugestaltung der Dinge, wie sie durch den Preßburger Frieden bestimmt worden war, gerade für Bayern in mehr als einer Hinsicht in Frage gestellt oder doch unangenehm gehindert werden konnte. Vom Berliner Hofe hing in diesem Momente die Entscheidung über die nächste Zukunft ab, auf ihn waren jetzt die Blicke der bayrischen Staatsmänner in banger Erwartung gerichtet.

III. Kapitel. Vom Vertrag zu Schönbrunn bis zum Vertrag von Paris. Am 25. Dezember 1805 traf Haugwitz als sein eigener Kurier mit dem Schönbrunner Vertrage in Potsdam ein. Hier hatte man ihn mit größter Spannung erwartet, da er seit seinem Bericht vom 2. Dezember nichts mehr von sich hatte hören lassen. Am 19. hatte der König den Generalmajor von Phull mit neuen Vorschlägen zur Herstellung des Friedens an Napoleon abgesandt. Haugwitz hatte ihn unterwegs getroffen und, da seine Sendung Ministers noch in seiner Korrespondenz die geringste Bestätigung. Ebensowenig die andere (S. 268), »daß man von der endlichen Einwilligung in die Heirat die Rettung Würzburgs für Bayern erhofft habe«. Die Heiratsangelegenheit wurde durchaus gesondert von den übrigen Fragen behandelt.



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zwecklos geworden war, mit zurückgebracht. Aus Wien hatte der Graf nur eine kurze Ankündigung seiner Rückkehr geschickt; das Resultat seiner Unterhandlung sei zu wichtig, als daß er es der Feder oder irgend einem anderen Organ anzuvertrauen wage.1) Der Vertrag rief fast allgemein Erstaunen, Unwillen, ja Entrüstung hervor, da er das Staatsschiff in eine Richtung steuerte, die der im Potsdamer Vertrag eingeschlagenen geradezu entgegengesetzt war. Man hatte gehofft, die Entscheidung über die europäischen Angelegenheiten in Händen zu haben, und hatte sich nun doch dem gefügt, dem allein sie damals in Wirklichkeit zustand. Die bisher ängstlich gewahrte tatenlose Selbständigkeit der preußischen Politik war damit aufgegeben, allerdings um einen längst lockenden Preis, der jedoch mit unerwünschten Gegenleistungen verknüpft war. Auch der König war mit dem Vertrage keineswegs zufrieden, so sehr er die Wiederherstellung des guten Einvernehmens mit Frankreich begrüßte. Er konnte, wie ja seine ganze Politik von moralischen und sentimentalen Momenten allzusehr beherrscht wurde, die Abtretung Ansbachs und seiner treuen Bevölkerung mit seinen Gefühlen nicht vereinbaren. Und diese Zession war es auch, die unter allen Bestimmungen am meisten Hardenbergs Abneigung gegen den Vertrag hervorrief. Noch jetzt konnte er, der Zustimmung des Königs, wenn auch aus anderen Gründen, gewiß, es sich nicht versagen, seine persönliche fränkische Politik und seine Eifersucht auf Bayerns wachsende Größe mit den allgemeinen Interessen Preußens zu verflechten und dadurch deren Entwicklung störend zu beeinflussen. Einzig die Kabinettsräte Lombard und Beyme waren mit dem Vertrage rückhaltlos einverstanden, weswegen Hardenberg mehr aus gekränktem Ehrgeiz und Eifersucht denn aus sachlichen Gründen J

) Ranke, Hard. Denkw. II, 367, 386.



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in seinen Denkwürdigkeiten die ganze Schale seines Hohnes und Zornes über sie ausgießt. Um nun allen Angriffen auf sich und sein Werk von vornherein die Spitze abzubrechen, erklärte Haugwitz, man müsse den Vertrag nicht buchstäblich nehmen, sondern ihn modifizieren; diese Absicht habe er schon in Wien gefaßt. 1 ) Nach Hardenberg tat Haugwitz diese Äußerung bereits am 25. Dezember. Dann forderte ihn Hardenberg auf, einen Bericht über seine Sendung zu verfassen, und hier schob Haugwitz diese Äußerung an der Stelle ein, wo von Napoleons Diktat an Duroc die Rede ist. 2 ) Es ist also nicht unwahrscheinlich, daß Haugwitz erst während der Reise nach Berlin, ja vielleicht erst beim Anblick der erstaunten und bestürzten Mienen seiner Kollegen auf diesen Ausweg verfiel. Ein unheilvoller Gedanke, der es dem preußischen Kabinett ermöglichen sollte, seine Politik der Halbheit und Unentschlossenheit fortzusetzen, gerade dadurch aber die Krisis, die man eben überstanden glaubte, erneuerte und verstärkte. Allein daran dachte außer Hardenberg unter den Räten des Königs niemand, und selbst er wagte in der Schlußkonferenz vom 1. Januar 1806 angesichts der Einstimmigkeit der anderen seinen Widerspruch nicht aufrechtzuerhalten. So wurde denn am 3. Januar der Vertrag unter Weglassung der Worte »défensive et offensive « bei der Festsetzung der Allianz vom König ratifiziert, zugleich aber mit einem Mémoire explicatif versehen, wonach die Übernahme Hannovers, bis der Friede zwischen England und Frankreich die Abtretung dieses Landes bestätigen werde, nur eine provisorische sein und erst nach diesem Friedensschluß die preußischen Abtretungen vollzogen werden sollten.3) Nach langem Sträuben und erst, als Haugwitz ihm versicherte, nur mit vollkommener 1

) Ranke, Hard. Denkw. II, 386. ) Ranke, Hard. Denkw. V, 233. s ) Ranke, Hard. Denkw. II, 389 ff. 2



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Kenntnis der Absichten Napoleons bestehe der König auf diesen Änderungen, nahm der französische Gesandte Laforest die Ratifikation vorbehaltlich der Genehmigung seines Herrn entgegen.1) Damit war die Wirkung des Vertrags vorläufig aufgehoben, und man konnte über Mittel und Wege nachsinnen, den darin stipulierten Abtretungen preußischen Gebietes aus dem Wege zu gehen.2) Dahin ging vor allem Hardenbergs Streben. 3 ) Er konnte sich nicht in den Gedanken finden, Preußens Stellung in Franken aufzugeben, für die er sich 14 Jahre hindurch so energisch eingesetzt hatte. Noch waren die Dinge in der Schwebe; dank dem Optimismus des Grafen Haugwitz, der aufs neue mit Napoleon verhandeln sollte und des Erfolges seiner Sendung gewiß war, hoffte man auf Entgegenkommen von seiten des Kaisers. So glaubte Hardenberg nicht nur die Fürstentümer erhalten zu können, er arbeitete ans Phantastische streifende Projekte aus, die auf die Kombinationen des Jahres 1801 zurückgingen und in der Verdrängung Bayerns aus Franken gipfelten. Schon in seiner ersten Denkschrift über den Vertrag (vom 30. Dezember) sprach sich Hardenberg entrüstet gegen die Abtretung Ansbachs an Bayern aus, dessen Macht schon groß genug sei und dem man die unter Napoleons Ägide begangene Gebietsverletzung nicht verzeihen dürfe. Wenn der König im Besitze von Bayreuth bleibe, müsse er auch wenigstens den größten Teil Ansbachs behalten; nur der südliche Teil des Fürstentums könne abgetreten werden, von Ochsenfurt am Main südlich einer Linie, die die Altmühl entlang bis Günzenhausen, von da über Spalt, die Rednitz und Schwarzach entlang bis Altdorf führen solle. Dafür müsse aber Preußen in den Besitz Würzburgs und Bambergs, soweit sie rechts des Mains lägen, sowie der Stadt Nürnberg gelangen. 1

) Ranke, Hard. Denkw. II, 400, am 4. Januar. ) Ranke, Hard. Denkw. II, 417. 3 ) Ranke, Hard. Denkw. II, 416. 2



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Bayern könne man entschädigen, indem man das. Herzogtum Berg 1 ) durch das Fürstentum Münster, die Grafschaften Mark, Lingen und Tecklenburg und die kleinen Distrikte Elten und Werden vergrößere, oder indem man das Haus Württemberg nach Westfalen versetze und sein Land an Bayern überlasse.2) Zwei Tage später legte der Minister seinem Monarchen in dem Entwurf zu einem neuen Vertrage mit Frankreich ein gemäßigteres Projekt vor. 3 ) Danach sollte außer Ansbach auch das Bayreuther Unterland bayrisch werden, dafür aber der nördliche Teil Würzburgs und Bambergs nebst der Stadt Bamberg an Preußen fallen (Hardenbergs Lieblingsplan 1). Am ausführlichsten verbreitete er sich über diese Dinge in der Denkschrift vom 11. Januar, die dem Grafen Haugwitz als Instruktion mitgegeben wurde.4) Die Phrase von der Wiege der Hohenzollern, die aufzugeben der König sich nicht entschließen könne, war darin pathetisch hervorgehoben. Hardenberg nahm sein weitausgreifendes Projekt vom 30. wieder auf. Preußens Stellung in Franken sei jetzt von größerer Bedeutung als jemals. Franken sei die einzige Gegend Deutschlands, wo Preußen noch auf nutzbringende Vergrößerung hoffen dürfe, während ein westfälischer Pufferstaat zwischen Preußen und Frankreich den beiderseitigen Beziehungen dienlich sein werde. 5 ) 1 ) Der preußischen Regierung blieb der französisch - bayrische Vertrag von Schönbrunn, der die Abtretung Bergs stipulierte, noch monatelang ein Geheimnis. 2 ) Ranke, Hard. Denkw. V, 252/53. 3 ) Ranke, Hard. Denkw. V, 270, zweite Denkschrift Hardenbergs über den Schönbrunner Vertrag vom 1. Januar 1806. 4 ) Ranke, Hard. Denkw. II, 417,—430. 6 ) In diesem Gedanken traf Hardenberg mit Napoleon zusammen. Nur wollte der Kaiser diesen Pufferstaat, den er aus Kleve, Berg und einigen kleineren reichsständischen Territorien zu bilden gedachte, in seiner Gewalt haben und hatte daher seinen Schwager Murat zum Beherrscher dieses Staates ausersehen. Corr. de Nap. Schreiben an Talleyrand, 30. Jan. 1806, X I I , Nr. 9716.



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Es sollten also die Fürstentümer Osnabrück und Münster, die Grafschaften Mark, Lingen und Tecklenburg und die Abteien Essen, Elten und Werden, ein Gebiet von 11 100 Quadratkilometern, 460 000 Einwohnern und 2 125 000 Reichstalern an Einkünften, mit Berg (3000 Quadratkilometer, 300 000 Einwohner, 385 000 Reichstaler Einkünfte) zu einer großen nordbayrischen Provinz vereinigt werden. Dafür sollten Bamberg, Rothenburg, Schweinfurt und Nürnberg nebst einem Distrikt von der im Schönbrunner Vertrag bestimmten Größe an Preußen übergehen (4800 Quadratkilometer, 260 000 Einwohner, 980 000 Reichstaler Einkünfte, mit Ansbach zusammen 8800 Quadratkilometer, 530 000 Einwohner, 1 873 000 Reichstaler Einkünfte). Bayern werde dadurch bei der Ergiebigkeit der westfälischen Lande seinen darniederliegenden Finanzen aufhelfen, die mißlichen Differenzen in Franken würden mit einem Schlage aus der Welt geschafft, und Preußen erhalte eine große, reiche und vergrößerungsfähige Provinz und eine beherrschende Stellung in Süddeutschland. 1 ) Daß Bayern, zwischen Osterreich, Preußen und Frankreich eingekeilt, überhaupt zu politischer Ohnmacht verurteilt sein würde, das überging Hardenberg mit Stillschweigen. Und ebensowenig schien er daran zu denken, daß Napoleon schon im Hinblick auf Österreich ein lebhaftes Interesse an einem starken Bayern und an der Vertreibung Preußens aus Süddeutschland haben mußte. Wie immer in Hardenbergs Entwürfen, so trat auch hier die Großzügigkeit und der hinreißende Schwung seiner politischen Ideen zutage. Allein ihr Glanz war getrübt durch den Mangel an Objektivität, mit dem er die Lage *) Es ist interessant, daß gleichzeitig auch Talleyrand Napoleon gegenüber die Ansicht vertrat, man solle Preußen nicht aus Süddeutschland vertreiben, weil er sich dadurch eine Schwächung Preußens versprach. Heymann, Napoleon und die großen Mächte 1806, Anhang: Talleyrands Mémoire vom 4. Febr. 1806.



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der Dinge betrachtete. Während er preußische, nicht hohenzollersche Großmachtspläne entwarf, übersah er, daß auch in Bayern nicht mehr dynastisches Interesse, sondern die Idee des modernen Einheitsstaates die Politik beherrschte, daß Ausdehnung in der Nachbarschaft, nicht im fernen Norden ein Lebensinteresse dieses Staates geworden war, und daß dieses Interesse mit den Absichten der französischen Politik im Einklang stand. Ideen, die einst ausführbar erschienen waren und doch einer nüchterneren Lösung hatten weichen müssen, waren jetzt unter gänzlich veränderten Verhältnissen nur glänzende, aber dem Realen entrückte Phantasien. So kühn und eindringlich Hardenberg auch dieses Projekt vertrat — den Einwurf einer Trennung Preußens in zwei zusammenhanglose Stücke suchte er damit zu entkräften, daß die Bedingungen des Preßburger Friedens eine völlige Umgestaltung des Reiches zur Folge haben würden, durch die Preußen leicht in den. Besitz Sachsens und Thüringens gelangen und die Verbindung mit Franken herstellen werde — so rechnete er doch nicht unbedingt mit seiner Ausführbarkeit, sondern setzte noch zwei andere Möglichkeiten auseinander, wodurch Preußens fränkische Stellung gefestigt werden könne. Denn diese, nicht die Erhaltung Ansbachs lag ihm, sehr im Gegensatze zu seinem Könige, am Herzen. Sollte man die Abtretung Ansbachs nicht umgehen können, so möge man auch das Bayreuther Unterland gegen das Bamberger Oberland und die Stadt Bamberg an Bayern überlassen. Dieser Plan war wegen der beiderseitigen Arrondierung für beide Staaten gleich günstig. Eine Übervorteilung Bayerns lag jedoch darin, daß Hardenberg die im Ansbachischen liegenden ehemals geistlichen Güter und die Ämter Iphofen, Marktbibart und Oberscheinfeld als nicht zu Ansbach gehörig betrachtete und daher für Preußen besonders in Anschlag bringen wollte. T a r r a s c h , Ubergang des Fürstentums Ansbach an Bayern.

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Eine dritte Möglichkeit endlich sah Hardenberg darin, Ansbach und Bayreuth ohne weitere Vergrößerungen zu behalten und Bayern dafür mit einem der westfälischen Lande zu entschädigen. Auch in diesem Falle müsse man die Erhaltung Iphofens und der geistlichen Güter sowie die Erwerbung der nördlichen Nürnberger Pflegämter zur Verbindung der Fürstentümer im Auge behalten. In letzter Stunde trat eine neue Schwierigkeit diesen Projekten entgegen: der König wünschte die seit Jahrhunderten preußische Grafschaft Mark zu behalten; infolgedessen hätte man Bayern für Berg keine passende Abrundung geben können. Da verfiel Hardenberg in einem Nachtrag vom 13. Januar auf die merkwürdige Idee, Bayern als Entgelt Ostfriesland mit dem wichtigen Seehafen Emden anzubieten! Es war das letzte Aufflackern Hardenbergscher Machtbestrebungen in Franken; phantastisch und kühn, waren diese Projekte zu Bayerns Heil doch unausführbar. Zermalmend schritt Napoleons Wille über Preußens Wünsche hinweg: Die letzte Stunde der Hohenzollernherrschaft in Franken hatte geschlagen. Am 14. Januar reiste Graf Haugwitz mit dieser Denkschrift als Instruktion nach Paris ab. Trotz seiner Zuversicht, die Verhandlungen mit Napoleon zu einem guten Ende zu führen, war man in Berlin über den Ausgang doch etwas im Zweifel. Allein eine Depesche Talleyrands an Laforest beseitigte alle Bedenken. Der Kaiser, hieß es darin, werde den Grafen gerne in Paris empfangen und sei überzeugt, daß er sich mit ihm leicht über die gemeinsamen Angelegenheiten der beiden Staaten verständigen werde, um die Bande der Freundschaft, die zwischen ihnen existierten, zu befestigen. 1 ) Laforest zeigte das Schreiben dem preußischen Kabinette, das ausnahmslos darin eine stillschweigende Anerkennung der ModiRanke, Hard. Denkw. II, 435. Schreiben Talleyrands an Laforest vom 16. Jan. kam am 23. in Berlin an.



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fikationen des Vertrags erblickte. Überzeugt von der absoluten Harmonie beider Mächte, ordnete man aus finanziellen Rücksichten sofort die Demobilisierung der Armee an, 1 ) »eine Maßregel, bei der Übereilung und Ehrlichkeit, Zutrauen und Verblendung zusammenwirkten«. 2 ) Denn jetzt, nach dem Frieden mit Österreich, stand die gesamte französische Truppenmacht in Süddeutschland, von Frankfurt bis zum Inn in drohendem Halbkreis sich erstreckend. Das preußische Kabinett beraubte sich durch die Abrüstung der einzigen Möglichkeit, die Verhandlungen mit Napoleon auf gleicher Basis zu führen. Gleichzeitig aber (27. Januar) ging General Schulenburg nach Hannover, um die Besitznahme des Landes zu vollziehen.3) Die Verhandlungen über den Schönbrunner Vertrag fanden über die Köpfe der bayrischen Staatsmänner hinweg ganz im geheimen statt. Man wußte in München nur, daß Ansbach bayrisch werden sollte, und erfuhr von Bray, daß die Verstimmung, die monatelang den Berliner Hof gegen Bayern beherrscht und unter der er persönlich sehr gelitten hatte, seit Haugwitz' Rückkehr beseitigt sei.4) Bray freilich wußte sich eingehendere Kunde zu verschaffen. Er teilte seiner Regierung mit, daß das Berliner Kabinett einstimmig beschlossen habe, die Abtretung Ansbachs aufzuschieben,6) und riet daher, Würzburg nicht eher abzutreten, als bis man Ansbach habe, und so Österreich für die Einhaltung des Schönbrunner Vertrags zu interessieren.6) Diesen Rat konnte Montgelas nicht befolgen, da ein Zusatzvertrag zum Preßburger Ranke, Hard. Denkw. II, 436. ) Ranke, Hard. Denkw. I, 566. ») Ranke, Hard. Denkw. II, 437. M. Gesandtschaft Paris K. grün 52/8. Montgelas an Cetto, 11. Febr. 1806, Beilage, Erlaß König Friedrich Wilhelms vom 27. Jan. über die Besetzung Hannovers. 4 ) M. M. B. P. 1805, Ber. Brays, 5. Jan. б ) M. M. B. P. 1806, Ber. Brays, 5. Jan. «) M. M. B. P. 1806, Ber. Brays, 12. u. 26. Jan. а

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Frieden den 1. Februar als Termin der Übergabe bestimmt hatte. Indes hoffte er, daß die Festsetzung Österreichs in Franken das Berliner Kabinett zu entgegenkommender Haltung veranlassen werde, weil dadurch der politische Wert der Markgrafschaften für Preußen erst recht verringert wurde. 1 ) Im übrigen erwartete er eine befriedigende Lösung der Frage von Napoleon. Der Kaiser hatte noch während seines Münchener Aufenthalts (Januar 1806) die bedingte Ratifikation des Vertrages erhalten und dem bayrischen Staatsmann sofort erklärt, er werde die hannoversche Festung Hameln nur bei gleichzeitiger Auslieferung Ansbachs übergeben. 2 ) Hier, wie auch an dem württembergischen und badischen Hofe, die er auf der Rückreise nach Paris besuchte, offenbarte er eine gewisse Gereiztheit über das schwächliche und zweideutige Verhalten Preußens. 3 ) Diese Stimmung des Kaisers rief in München die Überzeugung hervor, bei den Pariser Verhandlungen werde auch Bayreuth an Bayern fallen und Preußen gezwungen werden, seine süddeutsche Stellung vollständig aufzugeben. Der bayrische Gesandte in Paris, Freiherr von Cetto, erhielt die Weisung, sich mit Haugwitz in gutes Einvernehmen zu setzen, die Details seiner Unterhandlungen genau zu verfolgen und sie im Sinne einer Abtretung des gesamten preußischen Franken zu beeinflussen. Unbedingt notwendig sei die Abtretung des Bayreuther Unterlandes, da der Zusammenhang mit Bamberg die Möglichkeit biete, eines Tages die kleinen fränkischen Reichsstände zu annektieren. Für den Fall l

) M. M. B. P. 1806, Montg. an Bray, 22. Jan. *) M. K. grün 52/8, Montg. an Cetto, 28. Jan. s ) B. Rep. 89, Nr. 9 Bb. Acta, die politischen Verhältnisse 1805/06 betreffend, Brief Eugens von Württemberg an Beyme, 20. Juni 1806. — Rep. 92, Hard. Nachl. E 8. Brief d. Herzogin von Weimar an ihren Gemahl, 10. Febr. 1806.



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aber, daß die französische Regierung auf ihrem Verlangen beharre, Bayern solle einen Teil Südtirols vom Gardasee bis Ala an Italien abtreten, müsse man auf der Übergabe ganz Bayreuths bestehen, die Napoleon versprochen habe. Preußen könne durch norddeutsche Gebiete (gemeint sind die Hansastädte, deren Besitz Preußen schon seit einiger Zeit erstrebte) entschädigt werden. 1 ) In den fast gleichzeitigen Denkschriften Hardenbergs und Montgelas', die als Grundlagen der Pariser Verhandlungen gedacht sind, stellt sich der unversöhnliche Gegensatz der preußischen und bayrischen Interessen in Franken in seiner schärfsten Ausprägung dar. Beide Staatsmänner gehen von derselben Erwägung aus, daß der Preßburger Friede eine völlige Umgestaltung des Reiches und eine Aufsaugung der kleineren Territorien durch die größeren zur Folge haben werde; ferner daß für Preußen wie für Bayern nur noch Franken die Möglichkeit zu erheblicher Ausdehnung darbiete. So gelangen sie beide gleichzeitig und völlig unabhängig voneinander zu dem Schlüsse, daß die Pariser Verhandlungen zu einem entscheidenden Versuche benutzt werden sollen, den Nebenbuhler aus dieser strittigen Machtsphäre zu verdrängen. Für beide ist der Schönbrunner Vertrag ein Ergebnis der Laune des Augenblicks, der Willkür Napoleons, etwas Halbes, das nun durch ihre Einwirkung zu einem Ganzen gestaltet werden soll. Die allgemein - politischen Bestimmungen des Vertrags sind für sie nur von sekundärem Interesse, dagegen die Ansbacher Frage der Angelpunkt der Verhandlungen. Nur haftet an Hardenbergs Plänen — und dieses Moment birgt eine gewisse Tragik — von vornherein etwas Illusorisches, da er von der Abtretung des Herzogtums Berg keine Ahnung hat und vor allem sich mit den Tendenzen *) M. K. grün 52/8, Memoire über die bayrischen Besitzungen in Franken, Beilage zu Montg. Depesche an Cetto vom 28. Jan. 1806.



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der Napoleonischen Politik in Widerspruch setzt; und von Napoleon allein hing die Entscheidung ab. Übrigens liegt die Vermutung nahe, daß Napoleon in dieser Frage neben dem politischen auch das persönliche Ziel verfolgte, sich seine Vendetta für Preußens feindseliges Verhalten zu verschaffen, indem er den Anlaß dazu, die preußische Herrschaft in Ansbach, beseitigte. Die überstürzte Art, mit der er, ohne vorher den bayrischen Gesandten zu Rate zu ziehen, den Vertrag zu Schönbrunn entwarf, spricht für diese Vermutung. Das Fürstentum Ansbach stand in jenen Tagen (Januar, Februar 1806) im Vordergrunde des öffentlichen Interesses in Süddeutschland. Die Preßburger Friedensbedingungen brachten wenige Überraschungen, da man sie großenteils vorausgesehen hatte, und erregten Interesse hauptsächlich wegen der Folgen, die sie für die Reichsverfassung nach sich ziehen würden. Dagegen blieben die preußisch-französischen Verhandlungen für die Bevölkerung bis zu den höchsten Beamten hinauf ein undurchdringliches Geheimnis; daß darin auch das Schicksal Ansbachs beschlossen sei, darüber bestand kein Zweifel; und da man durch mehrere Flugschriften über die Absichten der bayrischen Regierung auf die Provinz unterrichtet war, so tauchte schon Ende Dezember 1805 das Gerücht auf, Ansbach solle an Bayern fallen. 1 ) Es war von Nördlingen und Bopfingen aus durch bayrische Kommissare, denen möglicherweise Montgelas von Gravenreuths Schönbrunner Vertrag Mitteilung gemacht hatte, über die Grenzen des Fürstentums gedrungen und beunruhigte die Einwohnerschaft, die sich unter preußischem Szepter glücklich fühlte, in hohem Grade. Die Regierung der Fürstentümer erklärte dieses Gerücht für falsch, 2 ) allein es wiederholte sich in immer bestimmterer

2

B. R. X I , 94a, Frànk. Kreis 9 D, Ber. Schuckmann, 26. Dez. ) Journal de Francfort, 5. Jan. 1806.



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Form und erhielt Nahrung durch die Berichte, die aus München kamen. Man erfuhr, daß der König von Bayern mehreren Personen ganz bestimmt versichert hatte, er werde noch das Fürstentum Ansbach erhalten, und daß Graf Thürheim dem Ritterhauptmann Grafen von Egloffstein dasselbe gesagt hatte. 1 ) Dazu kam die drohende Stellung der französischen Armee, die bereit stand, jeden Moment sich auf die preußischen Provinzen zu stürzen; besondere Besorgnis erregten die Korps Bernadotte und Davoüt, die im Eichstättischen und Öttingischen konzentriert waren und deren Führer behaupteten, demnächst würden sie das Fürstentum besetzen. Dies und die Neumobilisierung der bayrischen Truppen, die Napoleon für den Fall angeordnet hatte, daß die Verhandlungen in Paris scheitern sollten, rief in ganz Süddeutschland aufs neue die Befürchtung eines preußisch-französischen Krieges hervor. 2 ) Die Abrüstung der preußischen Armee gab neuer Zuversicht Raum, aber auch den Gerüchten von einer Vertauschung Ansbachs neues Leben. Gleichzeitig erschien eine anonyme Broschüre, angeblich aus den Papieren eines aus Paris entflohenen Legationssekretärs zusammengestellt, die sich mit Ansbachs Zukunft befaßte. Danach sollten die Kabinette zwischen zwei Plänen schwanken. Nach dem einen sollten beide Fürstentümer zu einem unabhängigen Fürstentum Franken erhoben, nach dem andern gegen das Herzogtum Berg vertauscht werden; Bayern sollte dazu noch Nürnberg, Preußen Hannover und die Hansastädte, sowie für einige polnische Abtretungen das Fürstentum Fulda erhalten. 3 ) Vielleicht war es der in dieser Flugschrift skizzierte erste Plan, der nun auf einmal Angehörige des württembergischen Herrscherhauses veranlaßte, sich für die Zu») B. Rep. 92, Hard. Nachl. E 8, Ber. Hänleins, 13. Febr. 1806. 2 ) B. R. XI, 33, Fasz. 197, Ber. Schladens, 3. Febr. 1806. s ) Voß, Die Zeiten, Weimar 1806, V. Band.



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kunft der Fürstentümer zu interessieren. König Friedrich, der schon 1792/93 als Titularstatthalter in Bayreuth residiert hatte, ohne freilich, seinem eigenen Wunsche gemäß, an der Verwaltung tätigen Anteil zu nehmen, 1 ) fragte in Berlin an, ob man ihm nicht gegen wichtige politische Vorteile Ansbach überlassen wolle. Die preußischen Minister begriffen nicht, wie das kleine Württemberg der nordischen Großmacht von irgend welchem Nutzen sein könne, und faßten diese diplomatische Episode humoristisch auf. 2 ) Kurz darauf machte König Friedrichs Bruder, der dicke Prinz Eugen, der die Bedeutung seiner Persönlichkeit offenbar überschätzte, einen ähnlichen Versuch. Obgleich er in preußischen Diensten stand, überreichte er dem französischen Gesandten Laforest einen Brief an Napoleon, worin er ihn ersuchte, das Fürstentum Ansbach, auf das der König von Preußen wenig Wert lege, ihm als Apanage zu übergeben; dadurch würden die Schwierigkeiten, die sich wegen Ansbachs erhoben hätten, am einfachsten und zu allgemeiner Zufriedenheit beseitigt werden. 3 ) Dieser Versuch blieb natürlich so erfolglos wie der andere, aber beide zeigen, wie sehr die Vorstellung verbreitet war, daß Preußen nicht länger im Besitze des Ansbacher Landes bleiben werde. Unter dem Drucke dieser Vorstellungen und dieser Befürchtungen tat die Bevölkerung des Fürstentums einen ungewöhnlichen Schritt, der zwar nicht ihrem politischen Verständnis, aber ihrem staatsbürgerlichen Bewußtsein und ihrer Treue gegen den Monarchen alle Weltrich, Erinnerungen, S. 8 u. 22/23. Als Friedrich 1793 die Regierung Württembergs übernahm, folgt ihm in jener Sinekure eine Zeitlang sein Sohn Friedrich Ludwig. a ) M. M. B. P. 1806, Ber. Brays, 27. Jan. 3 ) Ranke, Hard. Denkw. II, 453. Die Bestätigung dieser Notiz findet sich in Hard. Nachl. (B. Rep. 92 E 8), Schreiben Hard. an Haugwitz, 6. Febr.



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Ehre machte. In einer schwülstigen und sentimentalen Bittschrift flehte die Einwohnerschaft der Stadt Ansbach den König Friedrich Wilhelm an, das Unglück einer Vertauschung von ihnen abzuwenden (21. Januar). Sie beteuerten ihm ihre Treue und erinnerten ihn mit starken Übertreibungen daran, daß Ansbach die Wiege seines Hauses, der älteste Besitz Hohenzollerns sei. Gesinnungen der Treue, Anhänglichkeit und Liebe ließen sich nicht wie ein Kleid wechseln. Sie seien stolz darauf, Untertanen eines so mächtigen Herrschers zu sein, unter dessen Herrschaft sie so glückliche Zeiten erlebt hätten, und hegten die Zuversicht, daß der König, wenn er den Willen habe, Ansbach zu behalten, auch in der Lage sei, diesen Willen durchzusetzen. Für den äußersten Notfall seien sie bereit, Gut und Blut für ihre Zugehörigkeit zu Preußen aufs Spiel zu setzen. 1 ) Die Anregung zu diesem Schritte ging augenscheinlich von einem Beamten der Ansbacher Regierung aus; darauf führt die mehrmalige Betonung der »Diener« neben den »Untertanen«.2) Möglicherweise war es derselbe Beamte, der diese Bittschrift später mit des Königs Antwort und mit geradezu revolutionären und unsinnigen Bemerkungen im Druck erscheinen ließ. 3 ) Andrerseits kann ich mich der Vermutung nicht erwehren, daß dieser Beamte, der die Bittschrift veranlaßt haben 1

) Die Bittschrift ist abgedruckt und erörtert in Voß, Die Zeiten, Weimar 1806, VI. Band. a ) Diese Vermutung stellte bereits Prof. Voß in seiner Erörterung der Bittschrift auf. ") Bittschrift der Einwohner des Markgrafthums Ansbach an Sr. Majestät, den König von Preußen, nebst Bemerkungen eines Anspachischen Beamten über diese Schrift. Petersburg 1806. Er spricht von »der unglaublichen Antwort« des Königs, von »Pflichtvergessenheit von einer Seite«, von einer »törichten und treulosen Politik, die die Monarchen durch jede Art von Schande und Erniedrigung hindurch zum unvermeidlichen Tode führt«. Der Schleier der Anonymität wird wohl niemals gelüftet werden.



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könnte, der Geheime Legationsrat Nagler gewesen sei. Ein geborener Ansbacher, liebte er sein Heimatland sehr und hing begeistert an Hardenberg und an der preußischen Herrschaft, der das Land so viel verdankte. Er befand sich seit Ende 1805 wieder in Franken, wo er Mitte Januar 1806 die Besitznahme der strittig gewesenen Ritterherrschaft Giech vollzogen hatte, und seitdem in Ansbach selbst. Hier erhielt er am 17. Januar von Hardenberg die Aufforderung, in Gemeinschaft mit Hänlein eine Denkschrift über die Umformung des Deutschen Reiches auszuarbeiten. In diesen »Ideen über die voraussichtlich unvermeidliche Umformung der deutschen Reichsverfassung«,1) die Nagler infolge einer Erkrankung Hänleins allein ausarbeitete und am 20. Januar vollendete, spricht er sich mehrmals aufs entschiedenste gegen die Abtretung Ansbachs aus. Er war also der einzige fränkische Beamte, den Hardenberg mit dem Inhalt des Schönbrunner Vertrags vertraut gemacht hatte. Nun klingt sein Stil gerade an jenen Stellen, wie überhaupt da, wo sein Gefühl mitspricht, in seinen sentimentalen Phrasen an den Stil der Bittschrift an.. Über Bayern, gegen das er von jeher eine an Haß grenzende Abneigung hegt, sagt er: »Bayern, noch nicht mit seinen neuen, schönen, fruchtbaren Reichen, von Sachsen bis Italien und in dem schönsten Teile von Schwaben, zufrieden, legt versteckt zu einem neuen Reiche im Herzen von Deutschland den Grund und strebt gerade nach denjenigen Gegenden, wo Vergrößerung durch Mediatisierung kleinerer Gebiete am leichtesten möglich und zugleich am einträglichsten ist. Zerrüttet in seinen Finanzen, betrachtet, ergreift und mordet es den Wohlstand eines schönen Landes nach dem andern mit lüsterner Begierde und durchdringender Schlauheit.« Über die andern süddeutschen Staaten, die ihm persönlich gleichgiltig sind, *) B. Rep. 92, Hard. Nachl. E 8



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äußert er sich zwar etwas sarkastisch, im ganzen aber doch rein sachlich und ohne bombastische Übertreibung. Nun über die Abtretung Ansbachs! »Eine Abtretung des Stammhauses kann ich mir nicht denken. Preußen würde mit den Besitzungen in Franken seinen wichtigsten Einfluß auf die deutschen Angelegenheiten, das fruchtbarste, kultivierteste Land, treue und wohlhabende Untertanen und zugleich die schönsten Gelegenheiten zu künftigen Erwerbungen aufgeben.« Darin zeigt sich die vollkommene Übereinstimmung, mit der Hardenberg und Nagler die fränkischen Angelegenheiten behandelten. Die hier aufgeführten Gesichtspunkte finden wir bereits in Hardenbergs Denkschrift vom 11. Januar, bei deren Abfassung Nagler schon längst von Berlin abwesend war. »Mächtige Nachbarn würden dadurch mächtiger, und der weit reichere und weit größere Süden von Deutschland erhielte gegen den Norden ein bedeutendes Übergewicht. Nicht zu gedenken, daß das Los so guter Menschen, die der bloße Gedanke an Trennung vom preußischen Staate sehr unglücklich macht und die so treu an ihrem König hängen, abscheulich und wirklich grausam sein würde.« An einer späteren Stelle: »Es ist mein fester Glaube, daß unser erhabener, edler Monarch von diesem treuen Lande eine Veräußerung entfernen wird, die unzählige traurige Folgen für dieses Land und selbst für .alle seine Umgebungen haben müßte.« Das schrieb Nagler am 20. Januar. Am 21. wurde die Bittschrift abgefaßt, die die gleichen Gedanken und Gefühle in ähnlichem Stile ausdrückt. Professor Voß ist der Ansicht, solche Bittschriften entstünden gewöhnlich aus der Idee und durch die Betriebsamkeit e i n z e l n e r und hätten keineswegs das Präjudiz der Allgemeinheit für sich. Die Eitelkeit dieses oder dieser einzelnen habe, wo nicht mehr, doch wenigstens ebensoviel Anteil daran als die darin ausgedrückten Liebe und Wünsche. Diese Charakterisierung eines Strebers würde auf Nagler passen.



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Es läßt sich sogar annehmen, daß Hardenberg selbst seinen Adlatus Nagler anstiftete, unter der Bevölkerung Stimmung gegen die Abtretung zu machen, um damit auf das Gefühl des Königs einzuwirken. Doch befinden wir uns hier auf dem Boden unbeweisbarer Hypothesen, denen freilich eine innere Wahrscheinlichkeit nicht abzusprechen ist. Dennoch läßt sich nicht bezweifeln, daß die Bittschrift die wahren Gesinnungen der Ansbacher Bevölkerung ausdrückte; waren doch schon einen Tag zuvor die Bürger von Mainbernheim auf den nämlichen Gedanken verfallen, und einige Zeit später folgte dem Beispiel der Ansbacher die Einwohnerschaft der Stadt und des Amtes Crailsheim nach.1) So unerwartet es den politisch Denkenden auch erscheinen mochte, 2 ) so hatte dieser Schritt der Ansbacher doch bis zu einem gewissen Grade Erfolg. Zwar in seiner Antwort (8. Februar) konnte der König seinen Untertanen keine beruhigende Versicherung erteilen; er mußte sich damit begnügen, ihnen in schlichten, warm empfundenen Worten für diesen Beweis ihrer Treue und Anhänglichkeit zu danken. Wohl aber ersuchte er den Kaiser Napoleon in einem Handschreiben (5. Februar), auf die Instruktion des Grafen Haugwitz sich beziehend, er möge ihn im Besitz 1)

B. R. 98, Nr. 126 A .

Bittschrift der Bewohner von

Main-

bernheim vom 20. Januar 1806 auf das Gerücht von der Abtretung Ansbachs hin.

Sie lief allerdings erst am 11. Februar,

geraume

Zeit nach der Ansbacher Bittschrift, in Berlin ein. Ferner: Alleruntertänigste Vorstellung und Bitte der 500 Bürger der Stadt und der 4000 Untertanen des Kammeramts Crailsheim um allergnädigste Beruhigung über die sich verbreitenden Gerüchte von Vertauschung der fränkischen Provinzen, d. d. 3. Febr. 1806. 2)

Prof. Voß

(Die Zeiten, 1806, V I .

Band):

dadurch das Verhängnis abwenden zu können?

»Glaubte

man

Das konnte bei

dem verständigen und nachdenkenden Teile der Bürger unmöglich der Fall sein. Die Abtretung wird aus Gründen beschlossen, gegen die diese Bittschriften nicht in Betracht kommen können.«



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Ansbachs, der Wiege seines Hauses, belassen und für Bayern eine Vergrößerung in Westfalen annehmen. 1 ) Bemerkenswert, weil ein Beweis dafür, daß man auch preußischerseits Napoleons Verhalten von persönlichen Momenten beeinflußt glaubte, ist in dem Schreiben folgende Stelle: »Gewiß, gerade Ansbach ist die Ursache eines peinlichen Moments zwischen Ihnen und mir gewesen, aber ich gebe Ihnen mein Wort, daß ich lange vor diesem Augenblick die Schwierigkeit gefühlt hatte, auf eine isolierte, entfernte Provinz dieselben Prinzipien wie für meine Monarchie anzuwenden. Ich konnte den kriegführenden Mächten nicht vorangehen, konnte sie nicht zu Bewegungen einladen, unter denen meine Untertanen hätten leiden müssen; aber es hätte Sie nur ein Wort gekostet und das Ansbacher Land wäre nach dem Beispiel der vorhergehenden Kriege und unter den gleichen Einschränkungen für einfache Durchmärsche geöffnet worden.«2) Zugleich wurde Graf Haugwitz von diesem Schreiben benachrichtigt und ihm die Angelegenheit dringend ans Herz gelegt.3) In den voneinander unabhängigen Versuchen des Berliner und des Münchener Hofes, die Pariser Verhandlungen zu beeinflussen, läßt sich eine gewisse Parallelität erkennen. Auf die Hardenbergsche Denkschrift vom 11. JaRanke, Hard. Denkw. II, 452. ) Am gleichen Tage (5. Febr.) erteilte der König dem bayrischen Gesandten Audienz, der ihm die Annahme der Königswürde durch den Kurfürsten anzeigte und ihm sein neues Beglaubigungsschreiben überreichte. Der König bezeugte ihm seine Genugtuung über die Neuordnung der Dinge nach so schrecklichen Ereignissen und sprach mit ihm eingehend und in ähnlicher Weise wie in dem Schreiben an Napoleon über den Ansbacher Vorfall. »Hätte man mich um den Durchmarsch durch Ansbach gebeten, ich hätte ihn ohne Schwierigkeit zugestanden — aber ich konnte ihn nicht anbieten.« M. M. B. P. 1806, Ber. Brays, 6. Febr. 3 ) Ranke, Hard. Denkw. II, 453. Hard. Brief an Haugwitz vom 6. Febr. in Hardenbergs Nachlaß B. Rep. 92 E 8. 2



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nuar folgt Montgelas' Erlaß an Cetto vom 28., auf das Schreiben des preußischen Königs vom 5. Februar teilt Montgelas demBaronCetto am 11., wo er von diesem Schreiben noch keine Kunde haben konnte, mit, seines Königs Wunsch sei endgültig der, die beiden Markgrafschaften nebst der Stadt Nürnberg und ihrem Gebiet zu erhalten. 1 ) So bestimmt ging man nun in München aufs Ganze, während Bray nur schüchtern zu der Forderung des Bayreuther Unterlandes zu raten wagte. Da Preußen Hannover bereits besetzt hatte und dennoch Ansbach behielt, so war Bayern benachteiligt und daher berechtigt, für die Wartezeit eine Entschädigung zu verlangen, wofür das Bayreuther Unterland am geeignetsten erschien.2) Während man beiderseits gespannt auf Nachrichten aus Paris wartete, war in Franken selbst der versteckte Kampf beider Regierungen wieder in vollem Gange. Bei der Unterwerfung der Reichsritterschaft kümmerte sich die bayrische Regierung nicht um das Protektorat, das Preußen über einige dieser Güter, vor allem die Herrschaft Giech in der Nähe von Bamberg, ausübte; ferner waren einige an das Fuldische und Schwarzenbergische Gebiet grenzende Herrschaften unterworfen worden, worüber sich die Fürsten von Fulda und Schwarzenberg am Berliner Hofe beschwerten. Die Giechschen Güter wurden bereits Mitte Januar an Nagler übergeben; 3 ) in den übrigen Streitpunkten gab Montgelas schließlich ebenfalls nach, 4 ) da Bray und Laforest ihm rieten, solange die Verhandlungen in Paris schwebten, Preußen nicht zu reizen,5) und da nach der Übergabe Würzburgs diese Herrschaften für BayM. K. grün 52/8, Montg. an Cetto, 11. Febr. *) M. M. B. P. 1806, Ber. Brays, 6. Febr. 3 ) B. Rep. 92, Hard. Nachl. B 8y 2 , Naglers Bericht, 20. Jan. 1806. *) B. R. XI, 33, Fasz. 197, Ber. Schladens, 13. Febr., Hardenberg an Schladen, 17. Febr. 5 ) M. M. B. P. 1806, Ber. Brays, 6. Febr.



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ern nicht mehr von hohem Werte waren. Doch wurde Giech bald wieder von den Bayern okkupiert, da sie eine Festsetzung der Preußen in der nächsten Umgebung von Bamberg zu bedrohlich fanden.1) Die Abtretung Würzburgs (1. Februar an den österreichischen Bevollmächtigten Baron von Hügel) vollzog sich für Bayern unter den günstigsten Bedingungen. Der Erzherzog sollte das Land in dem Zustande erhalten, in dem es sich bei der Säkularisation befunden hatte. Infolgedessen blieben Rothenburg, Schweinfurt, die Abtei Ebrach, die ehemaligen Reichsdörfer Gochsheim und Sennefeld, die ritterschaftlichen Gebiete und die Erwerbungen des Hauptlandesvergleichs in bayrischem Besitz; bloß mußte von diesen Erwerbungen dem Erzherzog ein Ersatz für die damals an Preußen übergegangenen Gebiete (Iphofen etc.) gegeben werden. Das reiche Festungsmaterial von Würzburg hatten die Bayern nach Bamberg und Forchheim retten dürfen.2) Immerhin war durch diese Abtretung momentan die bayrische Stellung in Franken sehr schwach geworden. Das einzige größere zusammenhängende Gebiet, das Fürstentum Bamberg, war auf drei Seiten von österreichisch-würzburgischem und preußischem Territorium umgeben und zum mindesten wirtschaftlich davon iabhängig. Der Gewinn Ansbachs war also für Bayern jetzt notwendiger als je, wenn es sich in Franken behaupten wollte. Dagegen aber suchte Nagler öffentlich und versteckt auf alle mögliche Weise zu wirken, wenn nicht im Einverständnis, so doch im Sinne Hardenbergs. Die Gerüchte von einer Abtretung Ansbachs wurden aufs energischste dementiert und den Untertanen verboten, davon zu spreM. M. B, P., Montg. an Bray, 25. Febr. u. 10. März. ) M. M. B. P. 1806, Montg. an Bray, 22. Jan. — B. R. XI 94 a Fränk. Kreis 9 D, Ber. Schuckmanns, 13. Jan. 2



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chen. 1 ) Die entgegengesetzten Behauptungen der bayrischen Beamten hätten nur den Zweck, den Widerstand der Reichsritterschaft zu brechen, die auf preußischen Schutz rechnete. 2 ) Naglers Agenten suchten selbst in München im Verein mit Schladen gegen die Abtretung zu wirken. 3 ) Die Fürstin von öttingen, die unter preußischem Einflüsse stand, wurde in ihrem Widerstand gegen die bayrischen Kommissare bestärkt, welche die dortigen Güter des Deutschen Ordens in Besitz zu nehmen hatten. 4 ) Um die Kosten der preußischen Mobilisierung zu decken, wurde in den Markgrafschaften eine Anleihe von zwei Millionen Talern ausgeschrieben und hiefür die Domänen hypothekarisch belastet. Diese Maßregel sollte natürlich im Publikum die Überzeugung von der Fortdauer der preußischen Herrschaft befestigen. Doch wurden im Laufe von vier Wochen nicht mehr als 100 000 Gulden gezeichnet, da infolge der Abtretungsgerüchte im Publikum keine Stimmung für diese Anleihe war.6) Montgelas' Ansicht, daß die preußische Regierung dabei den Zweck verfolge, das Land vor der Abtretung noch möglichst auszunützen und für Bayern zu entwerten, 6 ) findet in dem späteren Verhalten Preußens eine hinreichende Bestätigung. In berechtigtem Unmut brandmarkte er diese Handlungsweise als eine Verletzung des Schönbrunner Vertrags. Formell

M. M. B. P. 1806, Montg. an Bray, 30. Jan. ) B. Rep. 92, Hard. Nachl. B 8, Ber. Hänleins, 13. Febr. 3 ) B. R. XI 33 Fasz. 197, Ber. Schladens, 13. Febr. R. XI 94 a Fränk. Kreis 9 D, Ber. Schuckmanns, 27. Dez. 1805. 4 ) Weltrich, Erinnerungen, S. 87. — M. Acta des auswärtigen geheimen Ministerialdepartements, Landeshoheit Generalia Ansbach: Besetzung der Markgrafschaft Ansbach durch französische Truppen und die hierauf vertragsmäßig erfolgte königl. bayerische Zivilbesitzergreifung betr. 1806 Conv. I, Note Montg. an Otto, 5. Febr., Bericht Thürheims, 21. Febr. (Diese unsignierten Akten werden in Zukunft unter A. G. M. A. zitiert werden.) 6 ) M. M. B. P. 1806, Montg. an Bray, 9. Febr. 2



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war diese Auffassung wohl richtig; Preußen hatte durch die Ratifizierung in die Abtretung eingewilligt und durfte von diesem Augenblick an den Zustand des Landes, das gewissermaßen nur noch als Depot in seinem Besitze war, nicht mehr durch Maßregeln von einschneidender Bedeutung ändern. Allein durch die Bedingtheit der Ratifikation war die staatsrechtliche Lage sehr kompliziert geworden: der Vertrag bestand, war aber durch die Modifikation in seinen wichtigsten Artikeln momentan unwirksam geworden. Jedenfalls waren Hardenberg und fast noch mehr Nagler der festen Zuversicht, daß Ansbach unter preußischer Herrschaft bleiben werde, und suchten diese auf alle Weise zu befestigen. Nagler entwarf in seiner Denkschrift »Ideen über die Umformung der deutschen Reichsverfassung«, den Plan einer völligen Aufteilung Frankens. Bamberg, Rothenburg und die Reste der bayrischen Herrschaft im Würzburgischen sollten preußisch werden. An Bayern könne man allenfalls die ansbachischen Ämter Burgthann und Stauf abtreten, die weit in oberpfälzisches Gebiet hineinragten. Im übrigen sollte Bayern durch das Nürnberger Gebiet (Hersbruck und Altdorf), durch Regensburg, dessen Herr, der Erzkanzler, pensioniert werden sollte, durch Öttingen, Hohenzollern, die Taxisschen und die Schwarzenbergischen Besitzungen in Schwaben und die schwäbischen Landgrafschaften Kletgau, Illereichheim und Kellmünz entschädigt werden. Die pekuniäre Entschädigung der damit depossedierten Dynasten sollte Preußen zur Last fallen. Bayern werde sich auf diese Weise am zweckmäßigsten arrondieren oder diese Gebiete gegen günstig gelegene württembergische Distrikte austauschen können; Preußen behalte mit dem Kreisdirektorium die Herrschaft in Franken, dessen territoriale Mannigfaltigkeit Anlaß zu weiteren Vergrößerungen biete; Würzburg, durch preußisches Gebiet vollständig abgeschlossen, werde schwach und unschädlich bleiben. So T a r r a s c h , Übergang des Fürstentums Ansbach an Bayern.

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gehässig Nagler in dieser Denkschrift die bayrische Politik charakterisierte, so suchte er doch ihren auf Arrondierung ausgehenden Tendenzen nach Möglichkeit Rechnung zu tragen. Hardenberg folgte ihm hierin nicht; in seinem Memoire über die Neugestaltung Deutschlands, 1 ) dem Naglers Denkschrift zugrunde lag, beharrte er bei seinen Projekten vom 11. Januar. Ein besonders triftiges Argument gegen die Abtretung Ansbachs glaubte in letzter Stunde noch Hänlein entdeckt zu haben, der sich in der Politik mehr von Gefühlen und moralischen Prinzipien als vom nüchternen Verstände leiten ließ. Er holte die Abtretungsurkunde von 1792 wieder hervor, die auch vom damaligen Kronprinzen unterzeichnet worden war. Darin hieß es (§19): »Die Untertanen sollen vielmehr überzeugt sein, daß infolge dieser Vereinigung mit der Hauptlinie von irgendeiner Vertauschung keine Rede sein kann, was bisher der Gegenstand ihrer Furcht zu sein schien.« Der König, folgerte Hänlein, müsse das Versprechen halten, das er als Kronprinz gegeben, und Napoleon, der eben den König von Neapel wegen Wortbruchs aus der Liste der Könige gestrichen habe, müsse dieses Motiv respektieren und auf die Abtretung Ansbachs verzichten. 2 ) Montgelas blieben diese Bestrebungen der preußischen Regierung nicht unbekannt. Während Bray sich mit freudigem Eifer bemühte, zwischen den beiden Kabinetten wieder freundliche Beziehungen anzubahnen, bezeugte Montgelas gegen Hardenberg größeres Mißtrauen als je zuvor. Er glaubte nicht an Hardenbergs neuerwachte Freundschaft für Bayern, nachdem er im Oktober so jäh und brüsk seine wahren Gefühle offenbart hatte. Das Verhältnis der leitenden Staatsmänner spiegelte sich in dem 1

) Ranke, Hard. Denkw. V, 294 ff. vom 5. Febr. Es wurde mit des Königs Schreiben an Napoleon dem Grafen Haugwitz. übersandt. 2 ) B. Rep. 92, Hard. Nachl. E 8, Ber. Hänleins, 13. Febr.



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gegenseitigen Verhalten der fränkischen Beamten wieder, die mit gleicher Zähigkeit, aber weniger Takt die Machtbestrebungen ihres Staates geltend zu machen suchten. Häufige Zusammenstöße aus geringfügigen Anlässen waren an der Tagesordnung und erhöhten die Verwirrung und die Besorgnisse der Bevölkerung, 1 ) bis der Pariser Vertrag diesem haltlosen Zustand ein Ende machte. Am 1. Februar langte Graf Haugwitz in Paris an. Der Empfang, der ihm zuteil wurde, war kühl und riß ihn aus allen Himmeln seines siegesgewissen Optimismus. Erst am 3. konnte er Talleyrand sprechen, der durchaus keinen Eifer an den Tag legte, ihm eine Audienz beim Kaiser zu verschaffen. Zwei Tage später teilte ihm der Minister in einer von Napoleon selbst inspirierten Note mit, eine bedingte Ratifikation könne der Kaiser nicht annehmen, er sehe daher den Schönbrunner Vertrag als annulliert an, sei aber bereit, den veränderten Umständen entsprechend, zu einem neuen Abkommen die Hand zu bieten. Haugwitz befand sich wieder genau in der gleichen Situation wie zwei Monate zuvor, und die Dinge entwickelten sich auch in ähnlicher Weise. Am 6. gewährte der Kaiser dem Grafen endlich eine Audienz. Hier ließ er in noch schärferen Worten als damals seiner Entrüstung über die unentschiedene Politik des Berliner Hofes die Zügel schießen und schüchterte den Grafen vollends ein. Haugwitz erkannte sofort, daß von einer so einschneidenden Änderung, wie sie Hardenberg plante, in diesem Augenblick nicht die Rede sein könne. Er mußte froh sein, wenn die Bedingungen des Schönbrunner Vertrags keine allzu große Verschärfung erfuhren. 2 ) Napoleon war noch immer gewillt, seinem antibritischen System zuliebe sich mit Preußen zu verbinden; doch sollte es Hannover nicht mehr zu den gleichen BeM. M. B. P. 1806, Montg. an Bray, 30. Jan. u. 9. Febr., Ber. Brays, 11., 15. u. 18. Febr. 2 ) Ranke, Hard. Denkw. II, 463 ff.

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dingungen erhalten wie zuvor. Für den Fall, daß es sich widersetzen sollte, hatte er alle Maßregeln zu einem so^ fortigen Angriffskriege gegen Preußen getroffen. Deshalb war Berthier als Generalstabschef in München zurückgeblieben, deshalb waren 160 000 Mann in Süddeutschland, die Front nach Norden, postiert, deshalb die bayrische Armee wieder auf Kriegsfuß gesetzt worden. Daß man in Berlin die inhaltslosen Höflichkeitsphrasen der Talleyrandschen Depesche an Laforest für bare Münze nehmen und infolgedessen demobilisieren werde, hatte er nicht erwartet; das erleichterte ihm sein Spiel in ungeahnter Weise. 1 ) Er hatte beschlossen, als Gegengewicht gegen die Stärkung der preußischen Macht durch Hannover einen französischen Vasallenstaat zu bilden, dessen Kern das Herzogtum Berg bilden sollte. 2 ) Demzufolge verlangte er als Gegenleistung Preußens außer den früher stipulierten Abtretungen noch Bayreuth und einen beträchtlichen Teil der preußischen Besitzungen in Westfalen, um ihn mit Berg zu vereinigen. 3 ) Mit der Forderung Bayreuths und der gänzlichen Verdrängung Preußens aus Franken war selbst Talleyrand nicht einverstanden; der Besitz von süddeutschen Enklaven, so führte er in einer Denkschrift aus diesen Tagen aus, werde für Preußen stets eine Schwäche und, nachdem Würzburg an einen Habsburger gefallen, ein Anlaß zu Verwicklungen mit Österreich sein, ohne den Einfluß Frankreichs in Süddeutschland irgendwie schädigen zu können. 4 ) Trotzdem kostete es den Grafen Haugwitz heiße Anstrengungen, die Abtretung Bayreuths, der Grafschaft Mark und des Fürstentums Osnabrück zu vermeiden. Seine Bemühungen, die einfache Erneuerung des Schönbrunner Vertrags durchzusetzen, schlugen fehl. Am 12. Februar wurden die VerHeymann, Napoleon und die großen Mächte 1806, 1. Kap. ) Corr. de Nap. X I I , 9716, an Tall. 30. Jan. 3 ) Ranke, Hard. Denkw. II, 472. 4 ) Heymann, Nap. u. die großen Mäehte 1806, Anhang 1.

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handlungen von Duroc abgeschlossen, am 15. der Vertrag unterzeichnet. 1 ) Er enthielt die Bestimmungen des Schönbrunner Abkommens mit folgenden Verschärfungen : Der König nahm sofort als souveräner Herrscher von Hannover Besitz; von einer späteren Bestätigung dieses Besitzes durch einen Frieden mit England war nicht mehr die Rede. Die Arrondierung des Bayreuther Fürstentums durch einen Distrikt von 20 000 Seelen war trotz Haugwitz' lebhaftem Einspruch gestrichen worden. Die Abtretung Ansbachs und der übrigen preußischen Zessionen war auf den fünften Tag nach der Ratifikation festgesetzt worden, die innerhalb dreier Wochen stattfinden sollte. Endlich mußte Preußen seine sämtlichen Häfen an der Nordsee und den von Lübeck dem englischen Handel versperren und somit die Eventualität eines Krieges mit England auf sich nehmen. Daß dafür in dem Artikel über die Allianz die Worte »offensive et défensive« weggelassen wurden, war unter diesen Umständen ein wertloses Zugeständnis. 2 ) Der preußische Gesandte in Paris, Marquis Lucchesini, wurde beauftragt, das Dokument nach Potsdam zu überbringen. Unmittelbar vor seiner Abreise traf der Kurier mit dem Briefe des Königs vom 5. Februar in Paris ein.3) Zu spät! Doch ist nicht anzunehmen, daß der Brief irgend eine Änderung in Napoleons Entschlüssen herbeigeführt hätte. Der Würfel war gefallen, Ansbach für Preußen verloren. Haugwitz hatte diesmal seine Regierung über den Gang der Verhandlungen auf dem laufenden erhalten, 4 ) so daß der endgiltige Vertrag nicht mehr so überraschend wirken konnte wie der von Schönbrunn. Man ersah in 2

) 3 ) 4 ) 463 u.

Heymann, S. 21, Anm. Der Text des Vertrages in Ranke, Hard. Denkw. II, 489. Ranke, Hard. Denkw. II, 487. Ber. Haugw. vom 6. u. 8. Febr. in Ranke, Hard. Denkw. II, 471.



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Berlin aus seinen Berichten, daß man vor allem die sofortige Abtretung Ansbachs nicht werde umgehen können, und erblickte darin den Einfluß der bayrischen Diplomatie. Infolgedessen schlug die freundliche Stimmung für Bayern sofort wieder in ihr Gegenteil um, und Bray pries sich glücklich, daß er den kurzen Moment der Freundschaft so geschickt benützt hatte, um die Anerkennung der bayrischen Königswürde zu erwirken.1) Von nun an beherrschte tiefes Mißtrauen und Eifersucht auf den glücklichen Nebenbuhler preußischerseits die Beziehungen beider Staaten auf Jahre hinaus. Am 23. Februar traf Lucchesini in Potsdam ein, am 24. fand große Beratung statt, am 25. entschloß sich der König, den Vertrag zu ratifizieren. 2 ) Eine andere Entscheidung war nicht möglich, nachdem man sich in einem Augenblick blinder Vertrauensseligkeit und unpolitischer Sparsamkeit eines schlagfertigen Heeres beraubt hatte. Die Änderungen des Vertrags waren nicht derart, eine andere Stellungnahme als im Dezember zu rechtfertigen; wie der König selbst in einem Schreiben an Haugwitz bemerkte, waren die Vorteile fast die gleichen wie vorher, und die Nachteile — gemeint ist vor allem die Provozierung Englands durch die Schließung der Häfen — wären früher oder später auch infolge des Schönbrunner Abkommens eingetreten 3 ). Und entschloß sich Preußen, wie es Napoleon zweifelnd erhoffte 4 ), den Vertrag korrekt einzuhalten, so durfte man wohl eine solide Fundierung der preußisch-französischen Beziehungen erwarten. Freilich ließ sich nicht verkennen, daß das politische Prestige *) M. M. B. P. 1806, Ber. Brays, 22. Febr. a ) Ranke, Hard. Denkw. II, 487 u. 497. *) Ranke, Hard. Denkw. II, 497. Schreiben d. Königs an Haugw., 26. Febr. *) Corr. de Nap. XII, 9810, Napoleon an Berthier, 14. Febr.: »nous verrons, si les Prussiens seront plus fidèles à celui-ci qu'à celui de Vienne; il faut donc se tenir en mesure.«



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Preußens durch die Pariser Verhandlungen einen Stoß erlitten hatte. Allein hatte man beim Abschluß des Schönbrunner Vertrags Haugwitz Unentschlossenheit und Verkennung der militärischen Lage zum Vorwurf machen können, so konnte ihn doch jetzt kein Tadel treffen. Er hatte seinen Hof sofort auf das veränderte Benehmen der französischen Regierung aufmerksam gemacht und zu kriegerischen Maßnahmen geraten. 1 ) Und als er von der Abrüstung erfahren, hatte er dennoch standhaft und hartnäckig die Verhandlungen fortgesetzt und die maßlosen Forderungen Napoleons herabzuschrauben verstanden. Mag man die Fehler suchen, wo man will, die ganze Entwicklung der preußischen Politik seit dem Ansbacher Zwischenfall ist doch am besten von Ranke charakterisiert mit den Worten: »Ich weiß nicht, ob man mit Recht so viel von gemachten Fehlern, versäumten Gelegenheiten, eingetretenen Vernachlässigungen reden darf, wie es geschieht. Alles entwickelte sich über die Köpfe der Beteiligten hin mit einer Notwendigkeit, welche etwas Unvermeidliches wie ein Fatum an sich trägt«. 2 )

IV. Kapitel. Der Übergang Ansbachs an Bayern. Friedrich Wilhelm wünschte, Haugwitz möge den Tausch der Ratifikationen bis zum letzten Termin verzögern, um in aller Ruhe die Verhältnisse der abzutretenden Provinzen regeln zu können. Es müsse, besonders in Ansbach, zwischen Staats- und königlichem Privateigentum unterschieden werden; ferner seien dort die Besitzverhältnisse sehr verwickelt und teilweise ungeklärt, da die 1803 vereinbarte Grenzberichtigung mit Bayern noch immer nicht ganz vollzogen sei. E r stellte es dem Grafen x) 2)

Ranke, Hard. Denkw. II, 463, Ber. Haugwitz, 6. Febr. Ranke, Hard. Denkw. I, 539.



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anheim, über die näheren Modalitäten der Übergabe eine Konvention abzuschließen. Insgeheim hegte der König noch eine leise Hoffnung, Haugwitz werde in einem ruhigen Augenblick Napoleon bestimmen können, auf des Königs Schreiben vom 5. Februar einzugehen und Ansbach bei Preußen zu lassen. 1 ) In Paris begnügte man sich mit der Versicherung, daß der Vertrag vom König angenommen worden sei; der Tausch der Ratifikationen fand infolgedessen erst am 8. März statt. An eine Änderung des Vertrags war nicht mehr zu denken; aber auch der Aufschub der Abtretungen blieb ein frommer Wunsch. 2 ) Dagegen schloß Haugwitz am gleichen Tage mit Duroc eine Zusatzkonvention über die Art der Übergabe ab. Die Festungen sollten, Hameln an Preußen, Wesel an Frankreich, in ihrem gegenwärtigen Zustand übergeben werden; ungünstig für Preußen war die Bedingung, daß die Stände von Hannover den Sold der französischen Besatzung bis zum 1. April zahlen sollten. Die von Preußen abzutretenden Provinzen sollten den f r a n z ö s i s c h e n K o m m i s s a r e n in dem Z u s t a n d , in dem s i e s i c h b e f ä n d e n , a u s g e l i e f e r t w e r d e n . 3 ) Hardenberg nennt diese Konvention »ein höchst seichtes, unbestimmtes, nachteiliges Machwerk« und empört sich namentlich über den letzten Artikel, der die von ihm beliebte Scheidung zwischen Staats- und königlichem Privateigentum durchaus nicht berücksichtigte. 4 ) Allein, wenn auch Haugwitz diese subtile, in das Labyrinth deutscher Territorialpolitik führende Unterscheidung zur Sprache gebracht hätte, so wäre Napoleon doch nie darauf eingegangen. Er wollte den Pariser Vertrag möglichst bald und entschieden ausgeführt sehen, ') Ranke, Hard. an Haugw., 26. Febr. 2 ) Ranke, Hard. 3 ) Ranke, Hard. 4 ) Ranke, Hard.

Denkw. II, 497 ff.

Schreiben des Königs

Denkw. II, 513 ff., Ber. Haugwitz, 9. März. Denkw. II, 517. Denkw. II, 518.



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um endlich einen Beweis der preußischen Freundschaft zu haben. Und als ahnte er, daß Preußen bei der Abtretung Ansbachs Schwierigkeiten machen wolle, ging er gerade hier brüsk und den Buchstaben des Vertrages verletzend zu Werke. Noch vor der Unterzeichnung, am 14. Februar, hatte Napoleon Berthier den Auftrag erteilt, durch die Korps der Marschälle Bernadotte und Mortier das Fürstentum Ansbach besetzen zu lassen. In einer Proklamation sollte dieses Verfahren mit der bereits vollzogenen Besetzung Hannovers durch Preußen begründet werden. Bernadotte sollte die Kassen und Einkünfte des Landes für den Unterhalt seiner Truppen in Beschlag nehmen, im übrigen für musterhafte Disziplin sorgen und gegen die preußischen Behörden und Offiziere die denkbar größte Höflichkeit, wie überhaupt die größte Hochachtung vor Preußen und seinem Könige, an den Tag legen. Da die Zahl dieser Truppen für das kleine Land wohl zu hoch sein werde, dürfe der Marschall auch die benachbarten Territorien mit Einquartierung belegen, doch ohne Bayreuther Land zu berühren. Er solle nicht mit der bayrischen Regierung korrespondieren, sondern nur von Berthier oder direkt von Paris Weisungen entgegennehmen. Bayern solle mit der Übernahme des Landes gar nichts zu tun haben. 1 ) Gleichzeitig teilte der Kaiser dem König Max, der über die Verhandlungen der letzten Wochen völlig in Unkenntnis geblieben war, in aller Kürze die Vorgänge mit, die zu dem neuen Vertrage geführt hatten. 2 ) Dadurch ward Klarheit über das Schicksal Ansbachs geschaffen, nicht aber die Befürchtungen des Volks und der Regierung behoben. Die Eventualität eines Krieges schien in

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Corr. XII, 9810, Schreiben an Berthier, 14. Febr. ) Corr. X I I , 9811, Schreiben an König Max, 14. Febr.



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jenen Tagen näher zu sein als je. Zweifellos bot Napoleon für die Besitznahme des kleinen Landes eine so große Truppenmacht (40 000 Mann) auf, um im Falle der Ablehnung des Vertrags sofort über die reichen Hilfsquellen dieser Provinz verfügen und den Krieg im Feindesland eröffnen zu können. Daneben suchte er freilich mit dieser Maßregel Bayern teilweise zu entlasten, das durch die Ernährung der französischen Armee erschöpft war. Von der Zurückziehung der französischen Truppen aus Süddeutschland, die Preußen als wertvollste Folge des Vertrags erhoffte, konnte gerade damals nicht die Rede sein. Die Beziehungen zwischen Österreich und Frankreich waren infolge der Affäre von Cattaro wieder gespannte geworden; dazu kam der Unwille Napoleons über die Anwesenheit österreichischer Truppen in Würzburg, die den Erzherzog Ferdinand in sein neues Land geleitet hatten. Österreich sollte sich in die Verhältnisse Süddeutschlands nicht mehr einmischen, und daher mußte Berthier diese Truppen zum Abzug veranlassen. 1 ) Die Lage gab noch immer zu düsteren Befürchtungen Anlaß, bis Anfang März endlich die Nachricht von der preußischen Ratifikation in München alle Zweifel behob. 2 ) Inzwischen hatte Marschall Bernadotte am Sonntag, dem 23. Februar, an der Spitze von 42 000 Mann (außer seinem eigenen noch die Korps Mortier und Davoüt) die Grenze überschritten und war am 24., nachmittags 2 Uhr, in der Stadt Ansbach eingezogen.3) Ein Freund heiterer Ironie, hatte er, auf die Vorfälle des Oktober sich beziehend, den Kammerpräsidenten von Schuckmann vorher fragen lassen, ob es ihm nun erlaubt sei, die Stadt x

) Corr. XII, 9810, Schreiben an Berthier, 14. Febr. ) B. R. XI 33 Fasz. 197, Hard, an Schladen, 28. Febr. ») B. R. 44, C. I. K. I, Ber. Schuckmanns, 24. Febr. Die Zahl 42 000 »aus den sichersten Quellen« in Voß, Die Zeiten V, 121; sonst wird allgemein die Zahl 40 000 angegeben. 8



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zu betreten. 1 ) Eine Proklamation setzte die erschreckte Bevölkerung davon in Kenntnis, daß kraft eines zwischen Preußen und Frankreich geschlossenen Vertrags das Fürstentum Ansbach für die Krone Bayern in Besitz genommen werde. Auf viele abergläubisch veranlagte Gemüter machte es tiefen Eindruck, daß am gleichen Sonntage die Trauerfeier für den letzten Markgrafen stattfand, der am 5. Januar in England verschieden war; sie erblickten in diesem zufälligen Zusammentreffen eine göttliche Bestätigung der Loslösung Ansbachs vom Hause Hohenzollern.2) Bernadotte riß sogleich die tatsächliche Herrschaft an sich und nahm sämtliche öffentliche Kassen und Einkünfte in Beschlag. Doch mußte er auf Berthiers Befehl den Sequester auf die Fürther Bank wieder aufheben (3. März), da Montgelas von diesem Vorgehen den wirtschaftlichen Ruin des Landes befürchtete. 3 ) Im übrigen verfuhr Bernadotte mit möglichster Schonung. Aufs liebenswürdigste wußte er den Kommandeur der preußischen Truppen, der, wie alle Ansbacher Beamten, diesen Vorgängen durchaus überrascht und verlegen gegenüberstand, zum Rückzug auf Bayreuther Gebiet zu bewegen. Die Verteilung der Truppen über das kleine Land fand nach dem Plane der Kriegs- und Domänenkammer in der Weise statt, daß die Altmühl das Korps Bernadotte von den beiden andern trennte und die Last der Einquartierung alle Gegenden gleichmäßig traf. Mortier besetzte, um die Bevölkerung Ansbachs etwas zu entlasten, Rothenburg, das Deutschordensgebiet und mehrere Schwarzenbergsche und Limpurgsche Distrikte, während Bernadotte unter x

) Lüttwitz, Erinnerungen, Hohenzollersche Forschungen II, 243; Lüttwitz, Biographie des Staatsministers von Schuckmann, S. 20. 2 ) Lang, Annalen des Fürstentums Ansbach, S. 43. •) M. A. G. M. A., Bernadotte an Kracker, Direktor der Fürther Bank, 3. März. Berthier an König Max, 6. März.



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ausdrücklicher Anerkennung ihrer Unabhängigkeit die Vororte der Reichsstadt Nürnberg und ihre Pflegämter Lauf, Altdorf und Lichtenau, Anfang März auch die Stadt selbst besetzen ließ.1) Abgesehen von vereinzelten Ausschreitungen, die stets streng bestraft wurden, war die Mannszucht dieser Truppen eine ausgezeichnete. Ihr liebenswürdiges, heiteres Wesen erschloß ihnen die Herzen der Bevölkerung, Bälle und andere Festlichkeiten, die die französischen Offiziere veranstalteten, beförderten das gegenseitige Einvernehmen. Freilich litt man trotzdem sehr unter der schweren Last, die mit der Einquartierung dieser Masse von Menschen dem kleinen Lande aufgebürdet war. Mit hoffender Ungeduld sah man dem Erscheinen eines Kommissars entgegen, der die Übergabe vollziehen und diesem drückenden Provisorium ein Ende machen sollte. In Berlin rechnete man, sich an den Buchstaben des Vertrags haltend, nicht mit dieser Überstürzung der Ereignisse. Notgedrungen hatte man auf dem Papiere in die Abtretung Ansbachs eingewilligt, hoffte aber immer noch, die Übergabe verzögern und womöglich ganz umgehen zu können. Der Gedanke, daß nach jahrelangen diplomatischen Kämpfen die fränkischen Besitzungen dem Rivalen zufallen sollten, der mehr als einmal seine Existenz dem preußischen Staate zu verdanken gehabt hatte, widerstrebte Hardenberg aufs äußerste und rief in ihm den Entschluß hervor, Bayern den neuen Besitz nach Möglichkeit zu erschweren und zu verleiden. Fünfzehn Jahre hindurch hatte der Minister mit unermüdlicher Ausdauer für das Gedeihen dieses Landes gesorgt, als beinahe unumschränkter Herrscher auf allen Gebieten die Entwicklung aufs glücklichste gefördert, und nun sollte er das Werk seiner Tätigkeit, die blühendste Provinz Preußens, einer Regierung überlassen, deren organisatorischen und B. Rep. 92, Naglers Nachlaß Nr. 32, Generalbericht über die Übergabe Ansbachs.



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zivilisatorischen Fähigkeiten er durchaus mißtraute. 1 ) Es erscheint menschlich begreiflich, daß Hardenberg durch diese subjektiven Erwägungen seine Politik gegen Bayern beeinflussen ließ, ohne an die Folgen zu denken, die dieses Verhalten für Ansbach selbst und für die Beziehungen beider Staaten nach sich ziehen mußte. Bestärkt wurde er darin vom König selbst, der zum ersten Male die fränkischen Angelegenheiten in vollem Einverständnis mit ihm behandelte. Indem Friedrich Wilhelm die Tugenden des Privatmannes auch auf die Politik anzuwenden suchte, befand er sich oft im Gegensatz zu seinen wahren Interessen und versetzte seine Minister in die bizarre Notwendigkeit, sich über seine zu große Rechtlichkeit zu beklagen.2) Diese unpolitische Neigung führte ihn diesmal mit Hardenberg zusammen. »Ist es möglich,« sagte er schmerzbewegt zu Hardenberg, »daß mein Freund, mein Verbündeter, der König von Bayern, den ich stets geliebt, dem ich so viele Dienste erwiesen habe, mich meines Erbes und der Wiege meines Hauses berauben will!« Hardenberg erlaubte sich, diese Worte dem bayrischen Gesandten mitzuteilen. Bray erwiderte betroffen, Seine Majestät habe sich augenscheinlich durch eine übrigens ehrenhafte Empfindlichkeit zu solchen Worten hinreißen lassen. Von Beraubung könne keine Rede sein. Der König gebe Ansbach an Bayern, da triftige Erwägungen und große Vorteile ihn hierzu veranlaßten; bei derartigen Arrangements sei es in der Regel schwer, gewisse Neigungen nicht zu verletzen. Der König nehme ja auch dem König von England sein altes Erbe und die Wiege seines Hauses. Hier fiel Hardenberg ein: »Seine Majestät ist auch darüber betrübt, einen befreundeten Fürsten seiner Staaten berauben zu müssen; all diese Verschiebungen widerstreben seinem moralischen GeB. Rep. 92, Hard. Nachl. E 8, Hard. an Bernstorff, 5. März 1806. 2

) M. M. B. P. 1806, Ber. Brays, 5. März, wörtlich.



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fühl.« »Da aber,« entgegnete Bray, »Seine Majestät sich dazu entschlossen hat, darf er sich wenigstens nicht merken lassen, daß er es gegen seinen Willen getan hat. Die Moral der Individuen ist von der, die man von einer Macht erwarten darf, sehr verschieden. Übrigens«, schloß er lächelnd diese peinliche Unterredung, »Sie sprechen von der Wiege des Hauses Brandenburg. Sie müssen zugeben, daß es heute groß genug ist, um sie entbehren zu können.« Auch die Königin Luise, deren erste Einmischung in die Politik zu dieser Entwicklung der Dinge beigetragen hatte, konnte den Verlust Ansbachs nicht verschmerzen; sie vergoß bittere Tränen, als Hardenberg auf des Königs Geheiß sie zu beruhigen kam. Aus all dem zog Bray den Schluß, daß sich Bayern für die nächste Zeit vom Berliner Hofe keiner sehr freundlichen Behandlung zu versehen habe. 1 ) Das ward durch die Wahl des Kommissars bestätigt, der die Übergabe vollziehen sollte. Der Geheime Legationsrat Karl Ferdinand Friedrich Nagler, einer der fähigsten fränkischen Beamten, wurde am 26. Februar vom König mit dieser Aufgabe betraut. Er ging, fast mehr noch als Hardenberg selbst, in dem Gedanken eines preußischen Franken auf und arbeitete mit unermüdlichem Eifer an seiner Verwirklichung, so daß nicht selten der Meister den Untergebenen zügeln mußte. Er war des Ministers wertvollste Stütze in seiner fränkischen Politik, aber nicht geeignet für eine selbständige Mission, die auch diplomatische Fähigkeiten erforderte. Seine Energie äußerte sich in persönlicher Schroffheit, die ihn bei den Beamten der Fürstentümer in höchstem Grade mißliebig machte. 2 ) Der Ritter von Lang schildert ihn nicht mit Unrecht als x

) Bitterauf, Rheinbund I, 299. M. M. B. P., Ber. Brays, 5. März. 2 ) Lüttwitz, Biographie Schuckmanns, S. 21. Lüttwitz' Erinnerungen Hohenzoll. Forsch. II, 246. — Lang, Memoiren II, 51—54, 68/69.



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Streber und mittelmäßigen Kopf. Nagler war kein schöpferischer Geist; einen solchen konnte Hardenberg nicht neben sich brauchen. 1 ) Jagte dieser nicht selten phantastischen Idealen nach, so wußte Nagler mit scharfem Blick die gegebenen Verhältnisse für die Ausführung dieser Pläne zu beurteilen und fruchtbar zu machen. Seine Entwürfe zu Hardenbergs Denkschriften beweisen, daß er die Situation oft klarer und nüchterner beurteilte und ihre Möglichkeiten richtiger erfaßte als Hardenberg selbst. Während sich des Ministers schöpferische Phantasie an der Tatsache, daß Bayern sich zu einem großen einheitlichen Territorialstaate aufschwang, in fruchtlosem Kampfe die Schwingen zerbrach, rechnete Nagler von Anfang an mit dieser Tatsache als dem wichtigsten Faktor der fränkischen Politik. Er faßte zum mindesten schon seit den Verträgen von 1802 den preußisch - bayrischen Antagonismus als eine leidige Notwendigkeit auf, die einer gewaltsamen, einseitigen Lösung zustrebe, und er verhehlte sich nicht, daß Bayern in diesem Kampfe durch seine Lage, die Gunst der Umstände und den Elan seiner neuen Regierung zum Siege berufen schien; daß die preußische Position schwer zu halten, schwerlich zu aggressiver Politik auszunützen war. Vielleicht war dieser Widerspruch zwischen seiner Einsicht und seinem Gefühl, das für Preußens Größe und Hardenbergs Pläne erglühte, von Einfluß auf sein Verhalten gegen Bayern. Seine hartnäckige Energie, gesteigert in dem scharfen Klima Berlins, entwickelte sich aus dieser Verteidigungsstellung heraus zu einer Schroffheit und Härte, die schließlich von Haß nicht zu unterscheiden war. Im Gegensatz zu dem konzilianten Benehmen, das Hardenberg, abgesehen von dem Ansbacher Zwischenfall, in allen Differenzen beobachtete, trug Naglers Wesen stets zur Verschärfung der Gegensätze bei und erschwerte die Verhandlungen in störender Weise. 1

) Lang, Memoiren II, 51—54.



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Für die schwierige Mission, die ihm jetzt übertragen wurde, war er daher nicht die geeignete Persönlichkeit. Schuckmann wäre in erster Linie dazu berufen gewesen. Er verfügte über die gleiche Sachkenntnis wie Nagler und hatte als Vorsitzender der Grenzberichtigungskommission schon mehrere Jahre hindurch im Verkehr mit den bayrischen Kommissaren seine diplomatischen Fähigkeiten bewiesen, ohne dem Ansehen und der Würde Preußens etwas zu vergeben. Daher hatte er erwartet, mit dem Abtretungsgeschäft betraut zu werden, und empfand die Bevorzugung Naglers als eine kränkende Zurücksetzung. *) In München wurde aus den dargelegten Gründen die Ankündigung der Wahl Naglers nicht gerade mit angenehmen Empfindungen aufgenommen, um so weniger, als dabei die Erwartung ausgedrückt wurde, der König von Bayern werde bei den Verhandlungen alles mögliche tun, dem preußischen Monarchen sein Opfer zu erleichtern. Das bedeutete nichts anderes, als daß Bayern ohne Widerspruch in alle Beschränkungen und Vorbehalte Preußens einwilligen und sich tausend Schikanen gefallen lassen solle. Montgelas suchte diese Klippe zu umschiffen, indem er Verhandlungen mit Preußen überhaupt ablehnte; er hatte nach dem Brünner Vertrag das Land aus den Händen französischer Kommissare zu empfangen; was zwischen Frankreich und Preußen vorgegangen, war ihm fremd. Nur suchte er in Paris dahin zu wirken, daß das Übergabeprotokoll möglichst ausführlich und bestimmt abgefaßt werde, um für später alle preußisch-bayrischen Differenzen abzuschneiden.2) In diesem Sinne ersuchte er auch den französischen Gesanten Otto, Berthier zu beeinflussen. Insbesondere möge er darüber wachen, daß Preußen die Einkünfte Ansbachs nicht mit unberech1

) Lüttwitz, Biographie Schuckmanns, S. 21. ) M. K. grün 52/8. Montg. an Cetto, 6. März 1806.

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tigten Lasten beschwere; man habe es mit einer Macht zu tun, die gewohnt sei, in ihre Politik alle finanziellen Gesichtspunkte einzubeziehen. Die preußische Regierung rechnete ganz bestimmt darauf, die Regelung der Ansbacher Verhältnisse in direkten Verhandlungen mit Bayern selbst vornehmen zu können, 2 ) gegen das man leichtes Spiel zu haben glaubte. Daher erhielt Schuckmann unmittelbar nach der Ratifikation des Pariser Vertrags den Befehl, sofort alle Kassen, das Archiv und die wichtigsten Kostbarkeiten und Gemälde des Ansbacher Schlosses ohne Aufsehen ins Bayreuther Unterland zu schaffen, sowie die Fürther Bank nach Erlangen zu verlegen.3) Die Ausführung dieser Ordre war freilich durch Bernadottes Vorgehen schon vereitelt und somit der erste und gefährlichste Versuch, das Tauschobjekt für Bayern zu entwerten, vollkommen gescheitert. Den gleichen Geist atmete die Instruktion, die Nagler erst auf seiner Reise nach Ansbach zugestellt wurde. 4 ) Vor allem sollten die Erwerbungen des Hauptlandesvergleichs und der Separatverträge von der Abtretung ausgeschlossen bleiben, weil sie zum Bayreuther Unterland gehörten. Dies traf jedoch rechtlich nur für Windsheim, Herzogenaurach und Tragelhöchstädt zu. Die wertvollsten, unter den kleineren fränkischen Territorien zerstreut liegenden Distrikte Iphofen, Markt Bibart und Oberscheinfeld waren der Ansbacher Verwaltung unterstellt worden 6 ) und mußten als Zubehör dieses Fürstentums vertragsmäßig an Bayern zurückfallen. Hardenberg wußte, daß diese Ansprüche sehr zweifelhafter Natur waren; er !) M. K. grün 52/8. N o t e Montg. an Otto, 5. März. 2 ) B. R. 44 C I. K. I, Der König an Hardenberg, 26. Febr. Ernennungsordre für Nagler, 26. Febr. 8 ) B. R. 44 C I. K. 1, Hardenberg an Schuckmann, 27. Febr. *) B. R. 44 C I. K. 1, Instruktion für Nagler, 3. März. 6 ) B. R. 44 C, Separatverträge, 95, Ber. Naglers, 3. Sept. 1805. T a r r a s c h , Übergang des Fürstentums Ansbach an Bayern. 9



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überließ es daher Naglers Diensteifer, sie nach Möglichkeit durchzusetzen. Alles königliche Privateigentum sollte ins Bayreuthische verbracht, wo es in liegenden Gütern bestand, dem Könige erhalten werden. Diese Forderung war durchaus berechtigt, soweit sie die Kostbarkeiten und Gemälde des Ansbacher Schlosses, die schon längst für die Erlanger Universität bestimmte Schloßbibliothek und die vom König erkauften Rittergüter Eybburg, Cronheim und Emmezheim-Katzwang betraf. Allein der Begriff »königliches Privateigentum« sollte auf alle Kassen und Magazine, auf die Fürther Bank, die nach Bayreuth verlegt werden sollte, und besonders nachdrücklich auf die ehemaligen geistlichen Güter ausgedehnt werden, die der König durch den Erlaß der Zweibrückener Schuld erworben hatte. Auf diese Vorbehalte konnte sich Bayern unmöglich einlassen. Das wäre gleichbedeutend gewesen mit dem Verzicht auf den vierten Teil des Fürstentums und widersprach dem Wortlaut des Schönbrunner wie des Pariser Vertrages. Die Auslieferung der Kassen hätte den Wert der neuen Erwerbung stark gemindert und die Entfernung der Fürther Bank, des bedeutendsten fränkischen Finanzinstitutes, den wirtschaftlichen Aufschwung des Landes aufs schwerste gelähmt. So ziemlich alles, was der Provinz besonderen Wert verlieh und zu ihrer Blüte unerläßlich war, sollte dem neuen Besitzer vorenthalten werden. Die ganze Instruktion ist von einer geradezu krämerhaften Gesinnung und einer kleinlichen Gehässigkeit gegen den glücklichen Nebenbuhler diktiert, die mit der Würde der preußischen Monarchie durchaus nicht im Einklang stand. So z. B. sollten die in preußischen Regimentern dienenden Ansbacher nicht ausgeliefert werden, sondern unter preußischer Fahne, eventuell also, wie der Krieg von 1806 zeigt, gegen ihre Landsleute in engstem Sinne weiterdienen. Die beiden Fürstentümern gemeinsame Invalidenkasse sollte womöglich ganz zu Bayreuth gerech-



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net werden. Kapitalien, die zur Unterstützung von Gewerben, Fabrikanten und ähnlichen wirtschaftlichen Zwekken bewilligt worden, sollten lieber niedergeschlagen, d. h. vorläufig aufgegeben, als an Bayern überlassen werden. Auch die Vorräte des Zeughauses wurden als königliches Privateigentum angesprochen. Ziemlich selbstverständlich dagegen war die Sicherung des Vermögens der Universität Erlangen, soweit es im Ansbachischen angelegt war, besonders der 150 000Gulden-Stiftung der Markgräfin Christiane Charlotte, ferner die Einhaltung der mit Öttingen, Hohenlohe, Schwarzenberg und Pappenheim geschlossenen Verträge von Seiten Bayerns. Die Frage, ob Preußen das Direktorium des fränkischen Kreises behalten werde, tauchte in diesem Zusammenhange ebenfalls auf, war aber angesichts der Auflösung des Reiches durch den Preßburger Frieden und im Vergleich zu den übrigen preußischen Vorbehalten von untergeordneter Bedeutung. Es ist schwer, zu glauben — und der mehrmals auf den Potentialis gestimmte Ton dieser Instruktion spricht für diese Vermutung — daß Hardenberg im Ernst daran dachte, all diese teilweise maßlosen Ansprüche durchzusetzen. Offenbar hatte er sie in so großer Anzahl und so schroff formuliert, um der bayrischen Regierung die Notwendigkeit eingehender Sonderverhandlungen einleuchten zu lassen und dann unter dem Scheine entgegenkommender Nachgiebigkeit möglichst viel für Preußen retten zu können. Allerdings sah er sein Spiel empfindlich gestört, als die Nachricht von der unvermuteten Besetzung Ansbachs und von Bernadottes ersten Maßnahmen in BerLn eintraf. Sie wirkte anfangs verblüffend und aufreizend, allein der Vorfall erschien doch nach der Unterzeichnung des Vertrags diplomatischer Entrüstung nicht wert und war, da Preußen schon lange zuvor von Hannover Besitz ergriffen hatte, als rein formeller Verstoß nicht mit wirk9*

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samen Gründen zu beanstanden. 1 ) Im Publikum verbreitete man, der Vorfall sei die Folge früherer Vereinbarungen. Der bayrische Gesandte tadelte diesen unnötig brüsken Schritt Napoleons, erblickte aber darin den Vollzug jener Vendetta, von der der Kaiser zu Linz gesprochen hatte. 2 ) Hardenberg suchte nun Bray für den Gedanken einer bayrisch-preußischen Übergabekonvention zu gewinnen, und dieser befürwortete bei seiner Regierung den Antrag, da er, dem Zauber von Hardenbergs Persönlichkeit gegenüber unfrei, von ihm weitgehendes Entgegenkommen erhoffte. Montgelas aber, durch die Erfahrungen von 1802 gewitzigt, wußte, wessen sich gerade Bayern von Hardenberg zu versehen hatte, und ging allen Verhandlungen aus dem Wege. Daher ernannte er auch keinen Kommissar, um die Provinz von Nagler zu übernehmen; wohl aber beorderte er den Generalkommissar für Franken, Grafen Thürheim, nach Ansbach, damit er Naglers Schritte beaufsichtige und den Marschall Bernadotte in bayrischem Interesse über die verwickelten Verhältnisse aufkläre. 3 ) Am 28. Februar verließ Nagler Berlin. Erst unterwegs erfuhr er die Besetzung Ansbachs und erkannte, daß er dadurch im Handeln wesentlich beschränkt worden war. Einige Tage brachte er in Bayreuth zu. Hier hatten die Ereignisse im Nachbarlande das Publikum wie die Beamtenschaft sehr erregt und eine grenzenlose Niedergeschlagenheit und Verwirrung hervorgerufen. Allgemein befürchtete man, daß auch Bayreuth früher oder später an Bayern fallen werde, zumal selbst die Behörden sich nicht vorstellen konnten, wie Preußen den kleineren und wertloseren Teil seiner fränkischen Besitzungen sich erhalten wolle. Man sah weniger in der Abtretung an Bayern ein Unglück als in der Trennung der Fürstentümer, die !) M. M. B. P. 1806, Ber. Brays, 28. Febr. a ) M. M. B. P. 1806, Ber. Brays, 5. März. ») M. A. G. M. A., Montg. an Thürheim, 13. März.



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seit einem halben Jahrhundert durch gemeinsame Regierung und vor allem durch wirtschaftliche Bande zu einer Einheit verschmolzen waren. Es war nicht zu verkennen, daß für Bayreuth die Loslösung von dem wirtschaftlich viel stärkeren Ansbach sehr nachteilig sein mußte. 1 ) Selbst die strenge Zucht des preußischen Militärs hatte vor der Bestürzung über die letzten Vorgänge nicht standgehalten. Während ein Teil und besonders die Offiziere im Glauben, nun gehe es gegen die Franzosen, in freudiger Begeisterung schwammen, lichteten sich die Reihen der Regimenter durch massenhafte Desertionen der Ansbacher Landeskinder, die sich dem Könige von Preußen nur so lange verpflichtet fühlten, als er auch ihr Landesherr war. Nagler beschwichtigte die erregten Gemüter, so gut er vermochte. Den Gerüchten von der bevorstehenden Abtretung Bayreuths trat er mit aller Bestimmtheit entgegen, ohne jedoch verhindern zu können, daß sie in kurzen Zwischenräumen immer wieder auftauchten und die Bevölkerung bis zum Ausbruch des preußisch-französischen Krieges in banger Ungewißheit erhielten. Dem Grafen Tauentzien, der gegen die Deserteure mit aller Strenge vorgehen und bei Bernadotte ihre Auslieferung beantragen wollte, gab er den den Umständen angemessenen Rat, bis auf weiteres allen Ansbachern unbestimmten Urlaub zu erteilen; die Zusicherung eines Handgeldes, wenn sie als angeworbene Ausländer wieder eintreten wollten, sollte möglichst viele zur Rückkehr in den preußischen Dienst veranlassen. Damit ging Nagler zu weit. Da Bayern als souveräner Staat anerkannt war, durften unter seiner Bevölkerung, zu der die Ansbacher jetzt zu zählen waren, keine Werbungen für einen anderen Staat vorgenommen werden. Doch mochte er in der momentanen ') M. K. grün 52/8, Ber. Cettos (20. März), dem ein ehemaliger Bayreuther Beamter hierüber Aufklärung erteilte.



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Unklarheit der Verhältnisse einen Schein von Berechtigung zu dieser Handlungsweise finden. Im allgemeinen aber erkannte Nagler schon in Bayreuth unter dem unmittelbaren Eindruck der Ereignisse, daß der Traum eines preußischen Königreichs in Franken nunmehr endgültig zu begraben sei, und in bitterer Resignation konstatierte er, daß das »schadenfrohe« Bayern, wie er schon lange vermutet, die feste Absicht und die besten Aussichten habe, diesen Traum zu verwirklichen und aus dem ganzen fränkischen Kreise sich sein schönstes und fruchtbarstes Reich zu bilden. Indes hinderte ihn diese Erkenntnis nicht, alles aufzubieten, um die preußische Stellung zu halten und zu befestigen. Er verlangte die Verlegung neuer preußischer Truppen nach Bayreuth, um die Zuversicht der Bevölkerung zu beleben, und schlug Hardenberg die Besetzung der reußischen Lande vor, um durch diese Vergrößerung des Fürstentums den Zuwachs der bayrischen Macht auszugleichen — ein etwas verzweifelter Vorschlag, der keiner Antwort gewürdigt wurde. 1 ) Ferner erörterte Nagler mit Tauentzien militärische Maßnahmen, die zur Sicherung des Unterlandes und seiner Verbindung mit dem Oberland nötig werden könnten. Man beschloß, alle Ortschaften an der Straße von Eschenau nach Bayreuth mit Militär zu belegen, um nötigenfalls so schnell wie möglich die Nürnberger Pflegämter Gräfenberg, Hilpoltstein und Betzenstein besetzen zu können, die, ebenfalls an dieser Straße gelegen, als reichsstädtisches Gebiet vor einer französischen Einquartierung nicht sicher waren. Einer derartigen Absicht der Franzosen mußte Preußen jederzeit zuvorkommen, und Nagler hielt sich zu diesem Schritt um so mehr für berechtigt, als die Unabhängigkeit der Reichsstadt jeden Augenblick erlöschen konnte und für den Fall J

) B. R. 44 C I. K. 1, Ber. Naglers, 1. März.



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ihrer Mediatisierung im Hauptlandesvergleich diese Pflegämter Preußen zugesprochen worden waren. 1 ) König Friedrich Wilhelm ordnete zwar, als er den Inhalt dieser Besprechung- erfuhr, die sofortige Besetzung der Ämter an; den Marschall Bernadotte sollte Nagler mit der Versicherung beruhigen, daß die Besetzung nur wegen der Kommunikation der getrennten Landesteile und unbeschadet der Nürnberger Rechte vorgenommen werde.2) Allein Nagler verschob die Ausführung dieses Befehls namentlich im Hinblick auf die Gerüchte von einer Besetzung Bayreuths durch die Franzosen. Er fürchtete, ihnen durch Okkupierung der Ämter geradezu Veranlassung zu geben, ins Bayreuthische einzurücken, und hielt an dem Grundsatz fest, die Ämter frei zu lassen, solange es sich nicht darum handle, einer fremden Besetzung zuvorzukommen. 3 ) Endlich, vierzehn Tage nach dem Einmarsch der Franzosen, am 8. März spät abends, traf Nagler in Ansbach ein. Die Bevölkerung begrüßte sein Erscheinen mit Freude, weil sie nun die Aufhebung des drückenden Provisoriums erwartete, das alle Tätigkeit lähmend auf dem Lande lastete. Die Beamten dagegen empfingen ihn großenteils mit schlecht verhehltem Mißtrauen, da sie seine Fähigkeit kannten, die einfachsten Geschäfte kompliziert zu gestalten, und sein herrisch anmaßendes Auftreten fürchteten. Sie hatten sich bei der unvermuteten Okkupierung nicht gerade mustergültig benommen; an Unselbständigkeit und Reglementierung bis ins einzelnste von obenher gewöhnt, hatten sie in der ersten Überraschung und Verwirrung gänzlich versagt und von den Franzosen selbst das Einquartierungs- und Verpflegungsgeschäft lernen müssen.4) Indes hatten sie sich schnell in die B. R. 44 C I. K. 434, ) B. R. 44 C I. K. 434, 3 ) B. R. 44 C I. K. 434, 4 ) Längs Memoiren II, 2

Ber. Naglers, 5. März. Königliches Reskript, 13. März. Ber. Naglers, 14. April. 67.



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neue Lage hineingefunden, und nach wenigen Tagen arbeitete der Apparat der Verwaltung wieder tadellos wie zuvor. Marschall Bernadotte war unmittelbar -nach seinem Einzüge von einer Krankheit befallen worden, die ihn ans Bett fesselte. Dennoch behielt er die Leitung der Geschäfte in seiner Hand — Schuckmann blieb nur beratendes und ausführendes Organ — und widmete sich mit Eifer und großem Vergnügen der Regierung des Landes, wozu er, wie seine spätere Regierung in Schweden bewies, vortreffliche Anlagen hatte. Er lebte sich derart in seine Regentenrolle ein, daß er mit dem Gedanken spielte, durch die Gunst irgend welcher Umstände in den souveränen Besitz des Fürstentums zu gelangen.1) Aus diesem schönen Traume riß ihn die Ankunft des preußischen Kommissars in die nüchterne Wirklichkeit zurück, und es ist daher begreiflich, daß er darüber durchaus nicht erfreut war. In der Tat suchte Nagler sofort mit rascher Energie die Leitung der Geschäfte an sich zu reißen. Durch den Kriegsrat Jordan ließ er am 9. März den Marschall um Erleichterung der Einquartierungslast bitten. Bernadotte entgegnete ihm, nachdem er die benachbarten Territorien, in den ersten Märztagen sogar die Stadt Nürnberg mit Einquartierung belegt habe, könne er vorläufig nicht mehr tun. 2 ) Am folgenden Tage besuchte Nagler den Marschall, der noch immer krank lag. Bernadotte empfing ihn mit großer Höflichkeit, aber eisiger Kälte. Nagler trat mit Würde und Bestimmtheit auf, was auf den Marschall einen günstigen Eindruck machte, und wußte ihn in *) Längs Memoiren II, 11. Diese an sich zweifelhaft erscheinende Mitteilung wird durch Bernadottes späteres Verhalten beglaubigt. Überhaupt sind Längs Memoiren viel glaubwürdiger, als man bisher angenommen hat. 2 ) B. R. 44 C I. K. 1, Unterredung Jordans mit Bernadotte, 9. März.



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einer langen Unterredung für sich und seine Absichten einzunehmen. Dabei kam ihm zustatten, daß Bernadotte als Befehlshaber der französischen Okkupationsarmee in Hannover mehrmals zu preußischen Behörden in Beziehungen getreten war und ihrem Monarchen tiefe Verehrung zollte. Indem er diese Sympathie des Marschalls benützte und seinem Selbstbewußtsein schmeichelte, verstand es Nagler, ihm, der sich im einzelnen über die komplizierten kleinstaatlichen Verhältnisse kein Urteil bilden konnte, in allen Dingen die preußische Auffassung zu suggerieren. Die beiden Männer schieden voneinander in bestem Einvernehmen. 1 ) Am nächsten Tage bereits erhielt Bernadotte den Befehl Napoleons, die Übergabe des Landes unverzüglich vorzunehmen und die bayrischen Wappen anschlagen zu lassen (11. März).2) Jetzt half kein Zögern mehr; aber Nagler wußte das Übergabeprotokoll im Einverständnis mit dem Marschall derart zu verklausulieren, daß die Übergabe eine rein formelle und die Lage der Dinge dieselbe blieb. Die Kassenbestände vom Tage der Besetzung und die bis dahin fälligen Einkünfte, sowie, ohne jede. Spezifikation, alles königliche Privateigentum wurden darin ausdrücklich dem preußischen Monarchen zugestanden und die Erledigung aller übrigen Punkte einer Separatkonvention zwischen dem preußischen und einem zu erwartenden bayrischen Kommissar vorbehalten. 3 ) Das war völlig gegen die Absicht Napoleons, der mit diesem Akt die Ansbacher Angelegenheit erledigt glaubte und nach Erfüllung seiner Verbindlichkeit den bayrischen König um die Übergabe des Herzogtums Berg ersuchte. 4 ) Überdies hatte Napoleon ausdrücklich betont, x

) ) 3 ) 4 ) 2

B. R. Corr. B. R. Corr.

44 G I. K. 1, Ber. Naglers, 24. März. X I I , 9908, vom 2. März. 44 C I. K. 1, Protokoll vom 11. März. X I I , 9942, Nap. an König Max, 8. März.



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daß der König, um allen Differenzen mit Preußen aus dem Wege zu gehen, das Land ohne jeden Vorbehalt von Bernadotte übernehmen solle. In München rief daher das Protokoll begreifliche Entrüstung hervor. Man hatte die Ernennung Naglers sehr ungern gesehen, aber aus Gründen des Taktes darüber keine Vorstellungen erhoben. 1 ) Dafür hatte man in Berlin und dem preußischen Gesandten in München aufs bestimmteste versichert, daß man sich auf Sonderverhandlungen nicht einlassen könne.2) Und nun sah man sich doch in einer Lage, die man eben hatte vermeiden wollen. König Max bat Napoleon in einem Schreiben um endgiltige Regelung der Angelegenheit und Beseitigung der Klausel, die Bernadotte in das Protokoll hatte aufnehmen lassen. Montgelas selbst schien diese Verzögerung nicht sehr zu bedauern. Die Neuordnung der fränkischen Territorialverhältnisse war noch nicht abgeschlossen, und gerade der an sich unerquickliche Zwischenzustand, der durch die Lage in Ansbach geschaffen war, schien ihm geeignet, weitergehende Vergrößerungspläne in Paris zur Sprache zu bringen. Schon in einer Depesche vom 6. März hatte er Cetto nochmals beauftragt, mit Haugwitz' über die Abtretung Bayreuths oder wenigstens des Unterlandes zu verhandeln. Jetzt betonte er, daß auch das Nürnberger Gebiet bayrisch werden müsse.3) Die Aussichten für derartige Pläne waren nicht ungünstig. Cetto war schon seit 15. Februar wiederholt mit Tauschvorschlägen an Haugwitz herangetreten und war hierin von Napoleon und Talleyrand unterstützt worden. Allein Haugwitz blieb unerschütterlich und suchte im Gegenteil, freilich M. M. B. P. 1806, Montg. an Bray, 10. März. ) M. M. B. P. 1806, Montg. an Bray, 10. März, und B. R. XI Fasz. 197, Ber. Schladens, 9. März. 4 ) M. K. grün 52/8, Montg. an Cetto, 6. u. 17. März, König Max an Napoleon, 17. März. a



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ebenso vergeblich, Cetto zur Diskussion der Hardenbergschen Vorschläge zu verlocken. 1 ) Napoleon selbst war mit seiner eigenen Ordnung der fränkischen Verhältnisse unzufrieden. Zu dem bayrischen Kronprinzen, der in diesen Tagen in Paris weilte, äußerte er, daß die Arrondierung des bayrischen Gebietes durch Bayreuth und Nürnberg ihm sehr zweckmäßig erscheine. 2 ) Besonders aber bereute er den Fehler, Würzburg in die Hände eines Habsburgers gegeben und so den österreichischen Einfluß in Deutschland gefördert zu haben. 3 ) Solche Äußerungen blieben natürlich ohne tatsächliche Folgen, bestärkten aber doch die bayrischen Staatsmänner in ihren kühnen Hoffnungen und veranlaßten jene Gerüchte von bevorstehenden Veränderungen, die Franken beunruhigten. Offenbar betrachtete Napoleon im März den Pariser Vertrag und im Zusammenhang damit die Lage in Franken noch nicht als absolut feststehend. E r hatte freundschaftliche Beziehungen zum englischen Ministerium angebahnt und erwartete die Einleitung von Friedensverhandlungen, die eventuell zu einer Modifizierung oder Aufhebung des Pariser Vertrags führen konnten. Gerade im März aber blieb er infolge widriger Schiffahrtsverhältnisse ohne Nachricht aus England und mußte daher eine abwartende Haltung einnehmen. 4 ) In diesem Zusammenhange wird die dilatorische Art erklärlich, mit der Napoleon die Ansbacher Angelegenheit behandelte. E r drückte Bernadotte in einem Schreiben vom 20. März seine Unzufriedenheit mit der Übergabeakte aus. »Sie dürfen keinen diplomatischen Akt unterzeichnen, da Sie den Stand der Dinge nicht kennen. Sie sollen nichts unterzeichnen, weder mit Bayern noch M. K. grün ) M. K. grün 3 ) M. K. grün 3. März.) 4 ) Heymann, 2

52/8, Ber. Cettos, 15. Febr., 12. u. 20. März. 52/8, Ber. Cettos, 20. März. 52/8, Ber. Cettos, 1. März. (Nachtrag vom Napoleon und die großen Mächte 1806, S. 31.



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mit Preußen. Sie sollen sich darauf beschränken, Ansbach zu besetzen, Ihre Truppen gut zu verpflegen, die Einkünfte des Landes seit Ihrem Einzug und sogar Rückstände zu erheben, nichts für Preußen herauszulassen, bei jedem Vorfall zu erklären, daß Sie keinen Befehl hätten, und mich von allem zu unterrichten. Meine Absicht ist, daß die Übergabe ohne Vorbehalt erfolge. Es ist nicht recht, wenn ich Bayern mit einer Hand gebe, daß Preußen ihm mit der andern nimmt oder ihm so viel Lasten aufbürdet, daß es beinahe nichts hat«. 1 ) Gleichzeitig erhielt Berthier die Weisung, von Montgelas ein Verzeichnis alles dessen zu verlangen, was Bayern als Zubehör Ansbachs beanspruche. Er solle dies Verzeichnis an Bernadotte schicken, damit er sich danach richte und Bayern nicht von Preußen düpiert werde; nachdem sich das Schicksal des Landes geändert habe, existierten die alten Rechte nicht mehr. Im übrigen solle er mit Sympathiebezeugungen für Preußen verschwenderisch sein.2) Allein in beiden Briefen unterließ es Napoleon, wie es doch sonst seine Art war, bestimmte Verfügungen zu treffen, was eigentlich jetzt geschehen soll; kein Wort über Nagler, keines über das Protokoll, ob es giltig oder durch ein neues zu ersetzen sei. Bis das kaiserliche Schreiben eintreffen konnte (28. März), herrschte Nagler nahezu unumschränkt in Ansbach. Er betrachtete die Übergabe vom 11. März nur als eine militärische und wartete noch immer auf einen bayrischen Kommissar für die Zivilüberweisung. Daher protestierte er, allerdings erfolglos, gegen die Anheftung der bayrischen an Stelle der preußischen Wappen, die Bernadotte unmittelbar nach dem Übergabeakt vornehmen ließ. 3 ) Ansbach war damit formell ein BestandCorr. X I I , 9995. ) Corr. X I I , 9994. s ) B. E . 44 C I. K. 5, Ber. Naglers, 15. März. 2



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teil des bayrischen Staates geworden; trotzdem wurde die Verwaltung im Namen des preußischen Königs fortgeführt, und Nagler suchte nach Möglichkeit den Vorteil seines Monarchen wahrzunehmen. In diesem Bestreben fand er seine beste Stütze an Bernadotte. Der Marschall hatte in dem verflossenen Kriege die bayrischen Truppen kommandiert und war dafür von König Max, wie er glaubte, in unzureichender Weise belohnt worden.1) Zu dieser Enttäuschung trat der Unmut darüber, daß Montgelas bei allen Gelegenheiten ihn durch seinen Vorgesetzten Berthier korrigieren ließ, anstatt sich direkt an ihn zu wenden.2) Er wollte wenigstens zum Scheine eine selbständige politische Rolle spielen und zugleich die knickerige bayrische Regierung seine Macht fühlen lassen. Daher ging er mit großer Bereitwilligkeit auf Naglers Absichten ein und kam nur mit zögerndem Widerstreben den Weisungen nach, die ihm von Berthier oder vom Kaiser selbst zugingen. Er zog seine Truppen aus den Orten Iphofen, Markt Bibart und Oberscheinfeld zurück, die Nagler sofort dem Bayreuther Unterlande, speziell dem Kreise Neustadt an der Aisch, einverleiben ließ.3) Auch hob er die Besetzung der Nürnberger Vorstadt Wöhrd wieder auf, als Nagler diesen Ort, der bisher unter Ansbacher Verwaltung gestanden, für Bayreuth reklamierte. 4 ) Ferner ließ er sich herbei, die Revenuenkasse der ehemals geistlichen Güter und die Invalidenkasse vom Sequester zu befreien, 6 ) und zeigte sich schließlich, sogar bereit, über die Auslieferung der Ansbacher Deserteure mit Tauentzien einen M. A. M. G. A., Ber. Thürheims, 7. Mai. *) M. A. M. G. A., Ber. Thürheims, 2. Juli. s ) N. Rep. 232, Nr. 16, Nagler an die Bayreuther Kriegs- und Domänenkammer, 13. März. Die Einverleibung fand am 15. statt. 4 ) N. Rep. 232, Nr. 4, Ber. Hepps, 9. u. 18. März. — B. R. 44, C I. K. 1, Ber. Naglers, 29. April. 8 ) B. R. 44 C I. K., 277, Ber. Naglers, 28. März.



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Vertrag abzuschließen.1) Nagler war entzückt über den Helden, der »mit einem vorzüglich edlen und achtungswürdigen Charakter und mit hervorragenden staatsmännischen Talenten eine preußische Gesinnung verbinde «, und konnte nicht müde werden, ihn in seinen Berichten mit begeisterten Worten zu preisen.2) Der Vereinigung Bernadotte-Nagler war der Kammerpräsident von Schuckmann nicht gewachsen. Seit zehn Jahren Leiter der Verwaltung, in der er sich große Verdienste um das Gedeihen des Landes erworben hatte, stellt er die Interessen der Krone denen der Provinz hintan und kam dadurch sehr schnell mit Nagler in Konflikt, der unbefugterweise in sein Ressort eingriff und ihn an die Wand zu drücken suchte. Abgesehen davon, daß er Naglers Ernennung zum Kommissar als Kränkung empfand, konnte er nicht mit ihm zusammenarbeiten, da er seine Maßnahmen als schädlich für die Zukunft des Fürstentums betrachtete. Insbesondere mußte es für die spätere Verwaltung sehr nachteilig sein, daß Nagler alle Beamten, größtenteils Eingeborene und seit Jahren in die Ansbacher Verhältnisse eingearbeitet, in einer Weise, die der Würde des preußischen Staates keineswegs entsprach, durch lockende Versprechungen aller Art zu veranlassen suchte, auszuwandern, um in Preußen Anstellung zu finden, oder sich pensionieren zu lassen; die Pensionen sollten natürlich den bayrischen Finanzen zur Last fallen. 3 ) Zu einer Zeit, wo die tatsächliche Überweisung des Landes noch nicht stattgefunden hatte, mußte dieses Vorgehen störend auf den Gang der Verwaltung einwirken. Aus diesen Gründen legte Schuckmann schon bald nach Naglers Erscheinen sein Amt nieder und siedelte nach Bayreuth über, zur großen Freude x

) B. R. 44 G I. K., 419, Nagler an Tauentzien, 26. März. ) B. R. 44 C I. K. 1, Ber. Naglers, 24. März, 30. Mai usw. 3 ) Lüttwitz, Erinnerungen, Hohenz. Forsch. II, 246. Lang, Memoiren II, 68. B. R. 44 C I. K. 23, Ber. Naglers, 22. März. 2



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seines Gegners, der Hardenberg ersuchte, er möge ihn dort so beschäftigen, daß er sich nicht mehr in Ansbacher Angelegenheiten mischen könne.1) Übrigens fand Nagler mit seiner Aufforderung an die Beamten wenig Anklang. Die meisten und tüchtigsten, vor allem fast alle Einheimischen, zogen es vor, ihre Tätigkeit auch fernerhin dem Ansbacher Lande zu widmen. In diesem Entschlüsse wurden sie von dem Grafen Thürheim bestärkt, der seit 20. März in amtlichem Auftrag, wenn auch nicht in amtlicher Eigenschaft, in Ansbach weilte2) und unter der Hand auf ähnliche Weise wie Nagler die Beamtenschaft an das bayrische Interesse zu fesseln bemüht war. 8 ) Graf Thürheim verfügte in den fränkischen Angelegenheiten über eine ebenso ausgebreitete Sachkenntnis wie der preußische Kommissar. Ohne die Grenzen des Korrekten zu überschreiten, beobachtete er, ein unbequemer Aufpasser, alle Schritte Naglers und nötigte ihn dadurch, seinen Umgang mit Bernadotte einzuschränken. Doch wußte sich Nagler seinen Einfluß auf den Marschall durch die Vermittlung eines der zahlreichen französischen Emigranten zu erhalten, die in Ansbach als Pensionäre des preußischen Königs ihr Leben fristeten. Baron Gaston, wie Bernadotte ein Gascogner von Geburt, war Oberst des Regiments gewesen, bei dem der Marschall einst Korporal geworden war. • Der Baron hatte durch die verräterische Übergabe der Festung Longwy (1792) seinen Ruf befleckt und lebte seit elf Jahren mit Frau und Schwiegermutter auf dem Schlosse Triesdorf bei Ansbach, das ihm der König eingeräumt hatte. Bernadotte zog über all dies großmütig den Schleier der Vergessenheit; er feierte mit seinem alten Lehrer und Vor!) B. R. 44 C I. K. 1, Ber. Naglers, 13. März. a ) M. A. G. M. A., Ber. Thürheims, 21. März. 3 ) Lang, Memoiren II, 73/74, B. R. 44 C I. K. 1, Vol. II. Ber. Naglers, 28. März.



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gesetzten ein freudiges Wiedersehen und zog den unterhaltenden Gesellschafter trotz dem Widerstreben eines Teiles seiner Umgebung an seine Tafel. Gaston erlangte in kurzem ziemlichen Einfluß bei seinem dankbaren Schüler und ließ sich in der Hoffnung, durch preußische Vermittlung sein Triesdorfer Asyl behalten zu können, von Nagler gerne überreden, für Preußens Interessen zu wirken. 1 ) So blieb trotz Thürheims Gegenwart die beherrschende Stellung des preußischen Kommissars unerschüttert und unantastbar. Nur das eine vermochte er nicht zu verhindern, daß Bernadotte auf Berthiers strengen Befehl alle Orte der Reichsritterschaft, die an der ansbachischen Grenze und innerhalb der kleineren fränkischen Herrschaften gelegen waren, für die Krone Bayern in Besitz nehmen ließ,1) wenngleich manche dieser Orte, besonders die im Castellschen und Schwarzenbergischen liegenden, zur bayreuthischen Interessensphäre gehörten. Indes konnte Preußen hier kein formelles Recht geltend machen, während die bayrische Regierung zu diesem Vorgehen durch den Preßburger Frieden ermächtigt war und der Orte als eines Ersatzes für die direkte Verbindung zwischen Bamberg und Ansbach dringend bedurfte. Bernadotte führte diesen Auftrag mit Widerstreben aus. Im übrigen antwortete er auf Berthiers von Montgelas inspirierte Warnung, den Insinuationen des Kommissars kein Gehör zu schenken, mit einem Schreiben, worin er voll Entrüstung die bayrischen Ansprüche zurückwies, mit Entschiedenheit die preußischen Interessen verfocht und sich weigerte, die Vorstadt Wöhrd besetzen zu lassen. »Wenn ich den bayrischen Absichten gefolgt wäre, so hätte ich jetzt l ) Lang, Memoiren II, 76. M. A. G. M. A., Bernadotte an König Max, 24. März. B. R. 44 C I. K. 1, Ber. Naglers, 24. März. a ) M. A. G. M. A., Ber. Thürheims, 21. März, Bernadotte an Berthier, 24. März.



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schon die Stadt Bayreuth zu besetzen gehabt«, schrieb er, die Wahrheit nicht allzusehr übertreibend. 1 ) Thürheim wurde mutlos, als er sich von Bernadottes Voreingenommenheit für Preußen überzeugen mußte, 2 ) und riet seiner Regierung, sie möge sich, um der überhandnehmenden Verwirrung Einhalt zu tun, doch zu einem Sonderabkommen mit Nagler entschließen. 3 ) Er hatte den Kommissar einige Tage zuvor besucht (21. Märzj; der war sehr erstaunt gewesen, daß Thürheim keine Vollmacht zum Unterhandeln habe, und hatte so lange und so eindringlich über die strittigen Punkte gesprochen, daß sich der Graf schließlich ganz zermürbt von der Rechtmäßigkeit der preußischen Forderungen überzeugen ließ und ihre Erfüllung bei Montgelas zu befürworten wagte. 4 ) Allerdings hatte Nagler insofern Entgegenkommen bewiesen, als er die ehemals geistlichen Güter gegen Rückgabe der Kaufsumme an Bayern überlassen wollte. Einen der strittigsten Punkte aber, Iphofen usw., hatte er überhaupt nicht erwähnt. Offenbar hat sich Thürheim bei diesem ersten Zusammentreffen seinem Gegner nicht gewachsen gezeigt. Montgelas fand es nicht der Mühe wert, Thürheims Vorschlag einer Antwort zu würdigen; er verließ sich mit unbeirrbarem Gleichmut auf Napoleons Eingreifen, suchte aber zugleich in Berlin Naglers Stellung zu untergraben. x)

B. R. 44 C I. K. 1, Vol. II, Ber. Naglers, 24. März. R. X I 94a, Fränk. Kreis, Nr. 9 f. Protokoll über Naglers Verhandlungen mit Gaston, 24, März. 2 ) Bernadotte äußerte diese Voreingenommenheit auch gegen andere Personen ganz offen, so z. B. auf einem Ball, den er gab, gegen die Gräfin Pappenheim. B. Rep. 92, Hard. Nachl. E 8, Privatbrief Naglers an Hard., 15. März. a ) M. A. G. M. A., Ber. Thürheims, 24. März. B. R. 44 C I. K. 1. Ber. Naglers, 24. März. 4 ) M. A. G. M. A., Ber. Thürh., 21. März. B. R. 44 C. I. K. 1, Ber. Naglers, 24. März. T a r r a s c h , Ubergang des Fürstentums Ansbach an Bayern.

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Während Nagler triumphierend über seine Erfolge berichtete, hatte sich in Berlin das Blatt gewendet. Der Wortlaut der Zusatzkonvention vom 8. März, der Mitte März in Berlin eintraf, machte es dem Könige klar, daß er seine Ansprüche nicht werde durchsetzen können. 1 ) Gleichzeitig (18. März) erwies sich Bray nicht spröde gegen Hardenbergs Werben um eine Separatkonvention, die mit den ansbachischen alle übrigen fränkischen Differenzen schlichten sollte, erklärte jedoch, daß Naglers offensichtliche Animosität gegen Bayern Verhandlungen mit ihm äußerst erschwere und daß man ihn als den Urheber aller Streitigkeiten betrachte, die seit Jahren in Franken entstanden seien.2) Bray ließ diese Beschwerde seines Hofes durch Lombard auch an den König selbst gelangen.3) Dieser ward betroffen und ließ Hardenberg durch den Kabinettsrat Beyme fragen, ob es nicht geraten sei, Naglers Amt nachträglich Herrn von Schuckmann zu übertragen; man könne doch nicht darauf rechnen, alle Forderungen zu erzwingen, und Naglers Übereifer könne bei seiner Unbeliebtheit der Sache nur schaden.4) Hardenberg, wie immer empört über die Teilnahme der unverantwortlichen Kabinettsräte an den Geschäften, sonderlich, wo es sich um Eingriffe in sein eigenes, das fränkische Ressort handelte, erwiderte sehr schroff und trat mit aller Entschiedenheit für Nagler ein. Man möge ihm, der die Verhältnisse und die Menschen, um die es sich handle, genau kenne, doch richtiges Urteil zutrauen. Die Bayern würden jeden königlichen Kommissar, der einigermaßen seine Pflicht tue, der Animosität zeihen; er, Hardenberg, werde schon sorgfältig darauf achten, daß der Zweck erreicht werde, ohne den übrigen M. M. B. P. *) M. M. B. P. 10. März. 3 ) M. M. B. P. 4 ) B. Rep. 92,

1806, Ber. Brays, 19. März. 1806, Bray an Hard., 18. März, Montg. an Bray, 1806, Ber. Brays, 19. März. Hard. Nachl. E 8, Beyme an Hard., 25. März.



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Verhältnissen Preußens zu schaden.1) , So blieb Nagler im Amte. Allein in der Sache hatte Hardenberg auf die bayrische Note hin doch sofort entschieden eingelenkt. Hatte er noch vor acht Tagen Nagler jede mögliche Erweiterung des preußischen Gebietes zur Pflicht gemacht, 2 ) so empfahl er ihm jetzt Nachgiebigkeit, ja Entgegenkommen. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen sei es rätlich, gleichfalls Opfer zu bringen, nachdem man sie bisher stets von Bayern verlangt habe, und es sei besser, damit voranzugehen, anstatt sie sich erst abnötigen zu lassen. Es lasse sich nicht leugnen, gesteht er auf einmal ein, daß man bisher von Bayern immer mehr gefordert, als man ihm dagegen gewährt habe. Nagler möge allen Anlaß zu persönlichen Beschwerden über ihn beseitigen, ja sich so betragen, daß man bayrischerseits auf seine Mitwirkung besonderen Wert lege.3) Verstärkt ward der Inhalt dieser Ordre durch ein persönliches Schreiben des Königs, worin dem Kommissar eine möglichst schnelle Verständigung mit Bayern, selbst um den Preis von Opfern, dringend ans Herz gelegt wurde. 4 ) An dem Wunsche einer direkten Verhandlung mit Bayern selbst ward festgehalten; zu diesem Behufe hatte der König bereits am 17. März5) den Grafen Haugwitz beauftragt, in Paris bei den maßgebenden Stellen und bei dem bayrischen Gesandten in diesem Sinne zu wirken. Indes blieben des Grafen Schritte erfolglos. Die französische Regierung bedeutete ihm, daß Bernadotte zum Kommissar für die Übergabe ernannt sei. Haugwitz teilte B. Rep. 92, Hard. Nachl. E 8, Hard. an Beyme, 25. März. ) B. R. 44 C I. K. 1, Hard. an Nagler, 13. März. 3 ) B. R. 44 C I. K. 1, Hard. an Nagler, 20. März. 4 ) B. R. 44 C I. K. 1, Vol. II, Brief des Königs an Nagler, 26. März. б ) B. R. 44 C. I. K. 1, Vol. II, Schreiben des Königs an Haugwitz, 17. März. а

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dies Nagler mit, bestärkte ihn aber in seiner Haltung durch den Zusatz, daß ein Abkommen mit Bayern trotzdem sehr wünschenswert sei und dem Wortlaut der Konvention vom 8. März nicht widerspreche.1) All diese Schritte führten eine Klärung, aber keine Entscheidung herbei. Nagler und Bernadotte mußten, den Befehlen ihrer Souveräne gemäß, die sie gleichzeitig empfingen (27. März), ihre antibayrischen Maßnahmen einstellen; aber der gemeinsame Ärger 2 ) darüber kittete sie noch fester zusammen. Mit schmerzlichem Widerstreben ließ es Nagler zu, daß der Marschall, analog dem preußischen Verfahren in Hannover, die vor der Okkupation eingegangenen Bestände der Landeskassen (166 000 Gulden) und der geistlichen Güterkasse (114 500 Gulden) in Beschlag nahm. Dagegen gelang es ihm, die ganze Invalidenkasse (85 000 Gulden) nach Bayreuth zu retten. 3 ) Zu einer sofortigen Übergabe der Provinz ohne Vorbehalt konnte er sich jedoch nicht entschließen, obwohl ihm Bernadotte erklären mußte, daß jeder Vorbehalt und jede Sonderverhandlung mit Bayern nach Napoleons Willen und analog den Modalitäten der Übergabe Hannovers unzulässig sei. 4 ) Nagler fragte darüber erst bei seiner Regierung an; er war wütend über Montgelas' Hartnäckigkeit und fest entschlossen, bis zum äußersten an der Forderung einer Separatkonvention, wenigstens betreffs der ehemals geistlichen Güter, festzuhalten. 8 ) Und Bernadotte drängte mit der Übergabe durchaus nicht. Graf Thürheim begab sich nach München, um die strittigen Punkte mit Montgelas zu erörtern und sich die Ermächtigung zu Verhandlungen mit Nagler zu holen. 8 )

») 8) 4) 5) «)

B. B. B. B. B. B.

R. R. R. R. R. R.

44 44 44 44 44 44

C I. C I. C I. C I. C I. C I.

K. K. K. K. K. K.

1, 1, 1, 1, 1, 1,

Vol. Vol. Vol. Vol. Vol. Vol.

II, II, II, II, II, II,

Haugw. an Nagler, 27. März. Ber. Naglers, 28. März. Ber. Naglers, 31. März. Bern, an Nagler, 28. März. Ber, Naglers, 31. März. Ber. Naglers, 31. März.



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Er war selbst über den Starrsinn des Ministers in Verlegenheit1) und fühlte sich, infolge seiner inoffiziellen Stellung zur Untätigkeit verdammt, in Ansbach sehr unbehaglich. Allein er mußte unverrichteter Dinge zurückkehren. Montgelas war, wie er auch dem Baron Schladen eröffnete und in Berlin mitteilen ließ, gerne bereit, n a c h der Übergabe des Landes den preußischen Forderungen Gehör zu schenken und zwanglose Verhandlungen in der Form diplomatischen Notenaustausches einzugehen. Dabei wolle er, soweit möglich, Preußens Wünsche zu erfüllen suchen, außer wo es sich um Gebietsabtretungen handle. Mit Nagler freilich könne er sich in nichts einlassen, der sei zu verärgert und habe stets ein fabelhaftes Geschick bewiesen, immer neue strittige Punkte zu entdecken und vorhandene Schwierigkeiten zu vergrößern. 2 ) In der wichtigsten Frage, betreffs der geistlichen Güter, nahm Montgelas nach wie vor eine ablehnende Stellung ein. Ein Gebiet, das man einmal dem Lande einverleibt habe, müsse, ganz gleichgültig, durch welche Kasse sein Erwerb bestritten worden, mit dem Lande abgetreten werden, wenn man dieses in dem Zustande, worin es sich befinde, mit allem Zubehör und noch dazu gegen ein mehr als genügendes Äquivalent zedieren solle. Gegen diese Argumentation war nichts einzuwenden. Der Vorbehalt war, nachdem Haugwitz ihn beim Abschluß des Pariser Vertrags nicht gemacht oder nicht durchgesetzt hatte, hinfällig und gegenüber dem Erwerb Hannovers kleinlich. Allein Hardenberg behandelte die Ansbacher Verhältnisse als etwas Gesondertes, nicht im Rahmen des ganzen Vertrags, und infolge dieser falschen Perspektive konnte er nicht gemeinsamen Boden mit Montgelas finden. B. R. 44 C I . K. 1, Vol. II, Ber. Naglers, 28. März. ) M. M. B. P. 1806, Montg. an Bray, 20. März und 3. April. B. R. 44 C I. K. 1, Vol. II, Schladen an Nagler, 29. März. 2



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Indes König Friedrich Wilhelm verhehlte sich nicht, als er durch Nagler von Bernadottes neuesten Instruktionen erfahren hatte, daß längeres Zögern seine Beziehungen zu Napoleon trüben werde. Auch mochten die Eröffnungen, die Bray ihm machte, ihm für die Zukunft genügende Bürgschaft zu bieten scheinen. In einer Kabinettsordre vom 9. April ermächtigte er Nagler, die Übergabe der Provinz an Bernadotte zu vollziehen, der sich durch sein Benehmen in Ansbach neuen Anspruch auf seine Hochachtung und Dankbarkeit erworben habe. Auf die Erhaltung der Kassen, Magazine und vor dem 24. Februar fälligen Einkünfte verzichtete der König; dagegen blieb er auf der Reklamation der geistlichen Güter als seines Privateigentums bestehen. Alle übrigen Streitpunkte sollten durch spätere Verhandlungen erledigt werden, zu deren Führung auf preußischer Seite trotz der Abneigung der bayrischen Regierung wieder Nagler ausersehen war. 1 ) Bevor diese Ordre in Naglers Hände kam (15. April), hatte Bernadotte von Berthier und Otto die schroffe Mitteilung erhalten, daß Napoleon die Übergabe als vollzogen und Naglers fernere Anwesenheit als überflüssig und störend betrachte. 2 ) Peinlich berührt durch die Notwendigkeit, den ihm befreundeten Kommissar mit der brüsken Entschiedenheit, die der Kaiser hebte, des Landes zu verweisen, setzte ihn der Marschall durch den Kriegsrat Jordan in schonender Weise von dieser Wendung in Kenntnis. Nagler eilte am folgenden Tage zu ihm und erklärte sich zur sofortigen Übergabe bereit. Allein Bernadotte entgegnete ihm, gemäß einer früheren kaiserlichen Instruktion dürfe er mit ihm keine Konvention abschließen. Zu einer formlosen Übergabe aber konnte sich Nagler nicht verstehen, und so blieb, während sich *) Ranke, Hard. Denkw. V, 315—317. 2 ) Corr. XII, 10 035, Nap. an Berthier, 31. März. B. R. 44 C I. K. 1, Vol. II, Ber. Naglers, 17. April.

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-

Bernadotte neue Instruktionen erbat, vorläufig alles beim alten. Gleichzeitig hatte Bernadotte das Verzeichnis der Orte und Distrikte erhalten, auf die der Münchner Hof Anspruch erhob und die der Marschall daher vor der Übergabe besetzen sollte.1) Dieses Verzeichnis war gewissermaßen Montgelas' Antwort auf jene Punktation, die Nagler dem Grafen Thürheim vor dessen erfolgloser Münchner Reise zugestellt hatte. Es war mit so eingehender Sachkenntnis abgefaßt, daß Nagler mit Recht den Verdacht äußerte, einige Mitglieder der Ansbacher Kammer hätten der bayrischen Regierung das nötige Material geliefert; wie denn in der Tat einige der Beamten, so z. B. der Kriegs- und Domänenrat Lang, schon seit der Anheftung der bayrischen Wappen die Geschäfte im Sinne des neuen Landesherrn führten. 2 ) Montgelas verlangte Markt Bibart und Oberscheinfeld, weil sie 1802 für das ansbachische Segnitz, Iphofen, weil es für die ansbachischen Hoheitsrechte über die Thüngenschen Güter eingetauscht und weil diese Orte dem Ansbacher Kreise Uffenheim einverleibt worden waren. Nagler vermochte die Richtigkeit dieser Begründung nicht zu leugnen, beharrte aber aus finanziellen Gründen (die Einkünfte dieser drei Orte allein betrugen jährlich gegen 100 000 Gulden) auf seinem Standpunkte. 3 ) Mit gleichem Rechte forderte Montgelas die Besetzung Wöhrds, das seit 1797 unter Ansbacher Verwaltung stand; allein den Besitz dieser Vorstadt hielt Nagler für unbedingt notwendig, damit 1

) B. R. 44 C I. K. 1, Vol. II, Ber. Naglers, 18. April. ) Lang, Memoiren II, 74. Er bekennt, noch unter preußischer Verwaltung ein derartiges Verzeichnis für den Grafen Thürheim angefertigt zu haben, das, von diesem nach München geschickt, wohl die Grundlage für Montgelas' »Apperçu de la consistance politique des bailliages et districts appartenants à la principauté d'Ansbach« bildete. (B. R. 44 C I. K. 1, Vol. II.) Ranke, Hard: Denkw. II, 590. 3 ) B. R. 44 C I. K. 268, Ber. Naglers, 2. April. 2



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Preußen den Übergang der Stadt Nürnberg an Bayern verhindern könne.1) Ferner sollte Bernadotte das dem Deutschen Orden gehörige Amt Virnsberg besetzen. Das Hauptland des Ordens, Mergentheim mit Umgebung, war durch den Preßburger Frieden als Gebiet eines habsburgischen Prinzen, des Erzherzogs Anton, unabhängig geblieben und bildete eine Stütze des österreichischen Einflusses im fränkischen Kreise. Seine verstreuten Enklaven jedoch waren nach dem Grundsatz des geschlossenen Territoriums den süddeutschen Königen überantwortet worden. Virnsberg, gerade an der Grenze des Bayreuther Unterlandes und Ansbachs gelegen und seit Jahrhunderten von beiden Fürstentümern beansprucht, war von diesem Schicksal verschont geblieben, da Preußen keine bayrischen Enklaven in seinem Gebiete duldete, selbst aber das mißliebige Vorgehen der neuen Souveräne nachzuahmen schon aus Rücksicht auf Österreich in jenen Monaten Abstand nahm. Nachdem noch in der markgräflichen Zeit Bayreuth in einem Vertrag mit dem Orden auf seine Ansprüche verzichtet hatte, mußte dieser Distrikt mit Ansbach vereinigt werden. Endlich sollte Bernadotte auch die geistlichen Güter für Bayern in Besitz nehmen, da der König von Preußen sie nicht als Privatmann, sondern als Souverän durch einen Staatsvertrag erworben habe. Weit entfernt, diesen Weisungen unverzüglich nachzukommen, teilte Bernadotte sie dem Kommissar mit und beharrte trotz Ottos und Berthiers Befehl in seiner Untätigkeit. Darauf wiederholte Montgelas seine Forderung in einer zweiten Note,2) worin er Bernadottes bisheriges Verhalten einer scharfen Kritik unterzog und ihm sein freundschaftliches Benehmen gegen Nagler vorwarf. Dieser Ton war nicht geeignet, einen französischen Marschall

2

B. R. 44 C I. K. 265. ) B. R. 44 C II. K. 1, Vol. II, Ber. Naglers, 29. April.



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zu gewinnen, dessen Selbstgefühl ebenso ausgeprägt wie empfindlich war und der, wie alle seine Kameraden, in seiner Würde als Marschall des Grand Empire sich einem neugeschaffenen deutschen Könige mindestens ebenbürtig fühlte. Bernadotte schwelgte damals im Genüsse seiner nahezu souveränen Stellung und war nicht gewillt, sie ohne dringende Nötigung preiszugeben. Glänzende Paraden auf der Fürther Ebene, Theaterbesuche in Nürnberg, wobei der Magistrat ihm fürstliche Empfänge bereitete, 1 ) und prachtvolle Bälle und Festlichkeiten im Ansbacher Schlosse2) erhielten in ihm dieses Gefühl lebendig und machten es der Bevölkerung klar, wer der eigentliche Herr des Landes war. Kein Wunder, daß sich infolgedessen die Ansicht verbreitete, Bernadotte solle oder wolle Ansbach als bayrisches Lehen behalten. 3 ) Über die Bestimmung Ansbachs waren in den letzten sechs Monaten schon Tausende von Gerüchten im Umlauf gewesen, die teilweise (man erinnere sich an die Absichten des Prinzen Eugen und des Königs von Württemberg) nicht unbegründet gewesen waren. Dieses hier war es noch weniger; nicht nur, daß Bernadottes Auftreten und Verhalten dazu Anlaß gab, er kokettierte selbst mit diesem Gedanken4) und mochte ihn wohl durch seine Freunde in weiteren Kreisen haben anregen und verbreiten lassen. Eben damals ward Marschall Murat von Napoleon mit dem Herzogtum Berg belehnt. Diese Tatsache mußte Bernadotte bei seinem hochfliegenden Ehrgeiz' in derartigen Plänen bestärken. Auch mochte er diesen Ausweg als den geeignetsten betrachten, die preußisch - bayrischen Streitigkeiten niederzuschlagen und zugleich sich für die Fränk. Kreiskorrespondent 1806, Nr. 112 u. 230. M. A. M. G. A., Ber. Thürheims, 2. Mai. 2 ) Lang, Memoiren II, 70/71. B. R. 44 C I. K. 428, Ber. Naglers, 28. März. 3 ) M. M. B. P. 1806, Ber. Brays, 20. Mai. 4 ) Lang, Memoiren II, 77.



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vom bayrischen Könige vergeblich erwartete Belohnung zu entschädigen. Offenbar hielt er die Sache für direkte Verhandlungen noch nicht für reif, suchte aber einstweilen auf die oben geschilderte Art für seine Herrschaft Propaganda zu machen. Freilich mehr als Vermutungen kann man über diesen Punkt nicht äußern; aber sie haben, besonders wenn man des Marschalls Verhalten in späteren, ähnlichen Fällen in Betracht zieht, große Wahrscheinlichkeit für sich und werfen ein interessantes Streiflicht auf den merkwürdigen Zwischenzustand, der monatelang die Ansbacher Bevölkerung in peinlicher Beklemmung erhielt. Inzwischen hatte in Berlin Graf Haugwitz die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten übernommen (15. April), der bekanntlich den fränkischen Angelegenheiten nicht dieselbe Bedeutung beimaß wie Hardenberg 1 ) und vor allem bestrebt war, dem französischen Kaiser keinen neuen Anlaß zur Unzufriedenheit zu bieten. E r wollte daher, obgleich sich Hardenberg bei seinem Rücktritt das fränkische Departement mit Genehmigung des Königs ausdrücklich vorbehalten hatte, die Ansbacher Angelegenheit möglichst schnell mit Bayern ins Reine bringen. 2 ) Um sich nun nicht auch die Leitung dieser Geschäfte entgleiten zu lassen, entschloß sich Hardenberg, durch Nachgiebigkeit Bayern zu gewinnen. Der König war um so mehr damit einverstanden, den größten Teil seiner Ansprüche fahren zu lassen, als Graf Schulenburg, der Gouverneur von Hannover, erschreckt durch die Nachricht, die Franzosen wollten die preußischen Vorbehalte in Ansbach mit ähnlichen Forderungen in Hannover vergelten, aufs dringendste geraten hatte, von jenen Forderungen ganz abzustehen und den Kommissar abzuberufen, 1 ) B. Rep. 89, Nr. 9 Bb., Haugwitz an die westfälische Direktion, 24. Juni 1806: » Ansbach ist immer nur als eine abgerissene Parzelle, so angenehm das Land auch sonst sein mag, politisch und militärisch betrachtet, anzusehen.« 2 ) M. M. B. P. 1806, Ber. Brays, 19. April.



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um sonst unvermeidlichen Verdrießlichkeiten und Schikanen aus dem Wege zu gehen. 1 ) Am 30. April erging an Nagler der Befehl, die Zivilüberweisung ohne Säumen vorzunehmen, das Land zu verlassen und in Berlin mit dem bayrischen Gesandten über die strittigen Punkte zu verhandeln. 2 ) Die »erheblichen Gründe«, die diesen Schritt veranlaßten, bestanden vornehmlich in dem Wunsche des Königs, den Abzug der französischen Truppen aus Deutschland herbeizuführen, für deren Bleiben nach Erfüllung der Vertragsbedingungen kein triftiger Vorwand mehr existierte. Nicht zum wenigsten, um diesem latenten Kriegszustand ein Ende zu machen, hatte sich Friedrich Wilhelm zur Unterzeichnung des Pariser Vertrags entschlossen. 3 ) Freilich täuschte er sich in dieser Hoffnung; Napoleon konnte damals seine Truppen nicht nach Frankreich zurückberufen, nicht nur weil durch die Affäre von Cattaro seine Beziehungen zu Österreich wieder gespannter geworden waren, sondern vor allem, weil er infolge der Finanzkrisis von Ende 1805 seine Truppen auf französischem Boden nicht ernähren konnte. 4 ) Zögernd, Schritt vor Schritt zurückweichend, war die preußische Regierung jetzt endlich auf dem Standpunkt angelangt, wo Montgelas sie schon mehr als zwei Monate zuvor hatte haben wollen. Nichts stand jetzt einer schnellen Erledigung, auch ohne eine nochmalige Intervention Napoleons, entgegen als Bernadottes passive Resistenz. Aber sie erwies sich als unüberwindliches Hindernis. Als Nagler ihm den Auftrag seiner Regierung mitteilte, entgegnete der Marschall, indem er Napoleons frühere Schreiben einfach ignorierte, er müsse erst neue >) B. Rep. 89, Nr. 9 Bb., Schulenburg an Beyme, 18. April 1806. 2 ) B. R. 44 C I. K. 1, Vol. II, Hardenberg an Nagler, 30. April. 3 ) Ranke, Hard. Denkw. II, 499, Schreiben des Königs an Haugw., 26. Febr. 4 ) Heymann, N a p . und die großen Mächte 1806, S. 43.



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Instruktionen abwarten; 1 ) außerdem entdeckte er plötzlich Schwierigkeiten im Fortgang der Verwaltung, die Naglers Abreise verursachen werde — eine Sorge, die er ruhig dem neuen Besitzer anheimstellen konnte. 2 ) Kurz, er wollte die Übergabe nicht annehmen. Und endlich traf er noch immer keine Anstalten, die strittigen Parzellen zu okkupieren und die Grenzen des Fürstentums durch militärische Posten zu fixieren. Er korrespondierte zwar über diesen Auftrag mit Berthier, aber in einer Weise, daß dieser, kein Diplomat wie Bernadotte, verwirrt ward und, sich fast entschuldigend, konstatierte, die Instruktionen bezüglich des Ansbacher Landes seien äußerst vag. 3 ) Das genügte dem Marschall, die Erfüllung dieser Aufgabe zu verschieben, bis er einen detaillierten, die einzelnen Orte namentlich aufführenden Befehl erhalte, 4 ) gleich als hätte er selbst die Verantwortung für etwaige politische Folgen zu tragen gehabt. Berthiers Äußerungen waren übrigens ganz falsch. Denn wenn Napoleons Instruktion vag war im Sinne Preußens und in Anbetracht der zahlreichen verwickelten Transaktionen, die im Laufe der letzten zehn Jahre in Franken stattgefunden hatten, so war sie in ihrer schroffen und präzisen Form klar genug für einen französischen Marschall, der nur die Pflicht hatte, unbekümmert um alle Folgen die Befehle seines Herrn buchstäblich auszuführen. Außerdem stand Bernadottes angebliche Gewissenhaftigkeit in merkwürdigem Gegensatz zu der Skrupellosigkeit, mit der kurz zuvor Graf Tauentzien eine Vergrößerung des preußischen Besitzes in Franken vorgenommen hatte. Die Nürnberger hatten einen beurlaubten B. R. 44 ) B. R. 44 Nagler, 13. Mai. 8 ) M. A. M. 22. Mai. 4 ) M. A. M. 2

C I. K. 1, Vol. II, Ber. Naglers, 13. Mai. C I. K. 1, Vol. II, Ber. Naglers, 9. Mai, Bern, an G. A., Ber. Thürheims, 1. Mai, Bern, an Berthier, G. A., Bern, an Berthier, 22. Mai.



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preußischen Musketier, der früher aus ihren Diensten desertiert war, in Betzenstein gefangen genommen. Tauentzien ließ darauf die Nürnberger Pflegämter Betzenstein, Hilpoltstein und Gräfenberg von bayreuthischen Dragonern besetzen, dem Vorgeben nach, um die Herausgabe des Musketiers zu erzwingen. In Wirklichkeit war der Graf fest entschlossen, diese Ämter für ewig mit Bayreuth zu vereinen. 1 ) Die Rechtsfrage war ihm sehr gleichgiltig. Er ließ sich zwar auf Verhandlungen mit dem Magistrat der Reichsstadt ein, führte sie aber in so schroffer Weise, daß sie von den Nürnbergern bald abgebrochen werden mußten. Beschwerden der Stadt in Berlin und Paris blieben erfolglos, die Preußen behielten die Ämter im Besitz und hausten dort auf Kosten der Reichsstadt so luxuriös und zügellos, daß die Franzosen spöttisch fragten: »Waren sie denn auch bei der Schlacht von Austerlitz ? «2) Das gewalttätige Vorgehen des preußischen Generals, mehr noch die brüske Inszenierung, die seltsam mit dem konzilianten Verhalten der Franzosen in Ansbach kontrastierte, rief weit über die Grenzen Frankens hinaus eine Entrüstung hervor, die das Ansehen Preußens in Süddeutschland schwer erschütterte. 3 ) Selbst Nagler war aufs peinlichste überrascht; er fügte sich jedoch schnell in die neue Lage und bestärkte Tauentzien in seinem Vorsatz, die Ämter um keinen Preis mehr herauszugeben, in der Einsicht, daß ein Zurückweichen wohl die Erregung beschwichtigen, aber Preußens Prestige auch nicht mehr heben werde.4) Seine frühere Befürchtung, die Franzosen möchten diesen Vorfall zur Veranlassung nehmen, selbst in die Ämter einzurücken und Bayreuth mit einer ÜberB. R. 44 C I. K. 434, Tauentzien an Nagler, 16. April. ) N. R. 4, VII, Nr. 187 und R. 26, S. II, Nr. 288. Roth an Abel, 22. April. 3 ) N. R. 4, VII, Nr. 187, Ber. Roths an Abel, 25. April. 4 ) B. R. 44 C I. K. 434, Ber. Naglers, 16. April, Nagler an Tauentzien, 20. April. 2

— 158 — schwemmung zu bedrohen, erwies sich als grundlos. Bernadotte zog daraus nicht einmal die richtige Konsequenz, jetzt wenigstens den ganzen Bereich der Ansbacher Landeshoheit, wie ihn Bayern beanspruchte, zu sichern. Graf Thürheim, der seit Anfang Mai wieder in Ansbach weilte, erkannte nach einer stürmischen Unterredung mit dem Marschall, worin das Wort ingratitude fast in jedem Satze wiederkehrte, in Bernadottes Erbitterung über Bayerns Undank die Wurzel alles Übels und setzte hier den Hebel an, um die Angelegenheit wieder in Fluß zu bringen. Er trat mit Oberst Gaston in Verbindung und versprach ihm Erfüllung seiner Wünsche, wenn er seinen Einfluß auf den Marschall zu Bayerns Gunsten ausnutzen wolle. Gleichzeitig forderte er seinen Hof auf, dem 65 jährigen Oberst Gaston seine Bitte um lebenslänglichen Wohnsitz auf Schloß Triesdorf schleunigst zu bewilligen und Bernadotte die Summe von 12 000 Louisdors und, da er auf Dekorationen einen außerordentlichen Wert lege, das Brillantkreuz des Hubertusordens anzubieten — aber nicht eines oder das andere, fügte er in treffender Voraussicht hinzu. 1 ) Allein bei der schlechten Finanzlage Bayerns konnte sich die Regierung zu einem solchen Opfer für Objekte, die ihr vertragsmäßig ohne weiteres zufallen mußten, nicht entschließen. Zwar ermächtigte Montgelas im letzten Augenblick (20. Mai) den Grafen zu der Mitteilung an Gaston, wenn Bernadotte bei der Übergabe Iphofen, Markt Bibart und Windsheim mit einbegreife, werde er 100 000 Taler und Gaston die Erfüllung seiner Bitte erhalten. 2 ) Doch die Depesche langte zu spät in Ansbach an und der Marschall, der eben kurz zuvor (13. Mai) aus Berlin das Brillantkreuz des Schwarzen Adlerordens und für seinen Freund, General Tilly, den Roten Adlerorden erhalten 2

M. A. M. G. A., Ber. Thürheims, 5. u. 7 . Mai. ) M. A. M. G. A., Montg. an Thürheim, 20. Mai.



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hatte, 1 ) blieb bis zum letzten Augenblick den preußischen Interessen treu. Es war hohe Zeit, daß endlich die Besitzverhältnisse in Franken geregelt wurden, schon aus wirtschaftlichen und finanziellen Gründen. Die Unsicherheit der Lage, die unaufhörlichen Gerüchte über das mutmaßliche Schicksal Ansbachs und Bayreuths wirkten lähmend auf das Wirtschaftsleben; hatte sich doch sogar in Ansbach schließlich wieder die Hoffnung verbreitet, das Land werde doch unter preußischem Szepter verbleiben.2) Die Kassen waren infolge der ungeheuren Einquartierungslast völlig leer; die Kammer wollte mehrmals für die Bestreitung der dringendsten Bedürfnisse eine Anleihe ausschreiben, war aber dazu nicht imstande, weil die Anleihe für die neue Regierung aufgenommen werden mußte, diese aber noch nicht etabliert war und ihre Einwilligung daher nicht erteilen konnte. 3 ) Notgedrungen hatte sich Bernadotte zu Requisitionen verstehen müssen, nachdem ihm Mortier und Davoüt darin schon vorausgegangen waren. 4 ) Man berechnete, daß der Unterhalt x

) M. A. M. G. A., Ber. Thürheims, 13. Mai. In den preußischen Akten fand sich kein Beleg für diese Mitteilung, die jedoch bei Thürheims allgemeiner Glaubwürdigkeit nicht anzuzweifeln ist. Eine indirekte Bestätigung erfährt sie durch folgende Mitteilungen des Fränk. Kreiskorrespondenten, Jahrg. 1806 (Nr. 132, 11. Mai): »Heute passierte der königl. preußische Kapitän von Cramon mit wichtigen Depeschen hier (Nürnberg) durch nach Ansbach« und (Nr. 141, 20. Mai) »Bernadotte hat zum Andenken der persönlichen Freundschaft für den königl. preußischen Kapitän von Cramon ihm einen Säbel von beträchtlichem Wert, den er selbst getragen, zum Geschenk gemacht. Gestern ist er wieder zurück nach Berlin gereist.« Offenbar war Cramon der Überbringer der Orden. Wichtige Depeschen aus Berlin sind in diesen Tagen überhaupt nicht in Ansbach eingetroffen. B. R. 44 C I. K. 1, Vol. II, Ber. Naglers, 13. Mai. 3 ) M. A. M. G. A., Nagler an Thürheim, 18. Mai. B. R. 44 C I. K. 425. 4 ) B. R. 44 C I. K. 277 u. 389.



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der Truppen täglich einen Aufwand von 47 000 Gulden verursachte. Da eine Landesanleihe unmöglich war, mußten die Kämmereien der Städte und Gemeinden die Last tragen, und als ihr Barvorrat erschöpft war, Anleihen zu den ungünstigsten Bedingungen aufnehmen. 1 ) Montgelas hatte von Thürheim genaue Kenntnis über diese Zustände erhalten. Durch ein rasches Abkommen mit Nagler hätten sie sich bessern und teilweise wenigstens abstellen lassen; allein dazu konnte er sich nicht entschließen. Wohl aber hatte er durch Gravenreuth, der im April in einer außerordentlichen Mission nach Paris gesandt wurde, 2 ) durch Berthier und Otto dem Kaiser die schlimme Lage des Landes vorstellen und ihn um Beschleunigung der Übergabe ersuchen lassen. Napoleon hatte, durch den Ausbau des Grand Empire, die Friedensverhandlungen mit England und die Affäre von Cattaro vollauf beschäftigt, die Ansbacher Bagatelle, die in seinen Plänen keinen Raum mehr einnahm, gänzlich unbeachtet gelassen. Auf neue dringende Bitten Montgelas' fuhr er nun endlich mit schneidender Schärfe drein. Augenblicklich, so schrieb er an Berthier, müsse dieser Nagler das Land verlassen; Bernadotte habe seine Hände von der Politik zu lassen, Ansbach schleunigst an Bayern zu übergeben und darüber nach Paris Bericht zu erstatten. Am 22. Mai erhielt der Marschall von Berthier diesen Befehl übermittelt nebst der Weisung, als zu Ansbach gehörig Iphofen, Markt Bibart, Oberscheinfeld und Windsheim zu reklamieren. 3 ) Gleichzeitig erhielt Graf Thürheim eine Vollmacht, um als Kommissar das Land von Bernadotte für den König von Bayern zu übernehmen. 4 ) 1

) B. R. 34 C I. K. 389, Auszug aus der Nationalzeitung der Deutschen, 1. Mai 1806. 2 ) M. Pol. Arch. des Minist, d. Äußern, Nr. 11. 3 ) B. R. 44 C I. K. 1, Vol. III, Bern, an Nagler, 22. Mai. *) M. A. M. G. A., Vollmacht für Thürheim, 20. Mai.



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Jetzt gab es kein Widerstreben mehr, des Kaisers kategorischen Befehl mußte der Marschall befolgen. Allein noch jetzt verleugnete er seine preußischen Gesinnungen nicht. Er ging mit einer Lauheit zu Werke, die es Nagler ermöglichte, fast alle Reklamationen seines Hofes aufrecht zu erhalten und den neuen Besitzer in eine peinliche Situation zu versetzen. 1 ) Napoleons und Montgelas' Absicht, die Thürheim dem Marschall nochmals aufs dringendste ans Herz legen sollte,2) war die, daß bei der Übergabe ein detailliertes Protokoll über alle abzutretenden Orte abgefaßt werden sollte, das die Grenzen der bayrischen Landeshoheit unverrückbar festsetzte. Als jedoch Nagler erklärte, das laufe seinen Instruktionen zuwider (was übrigens aus dem Wortlaut seiner Instruktion vom 3. März, wie auch aus den Kabinettsbefehlen vom 9. und 30. April nicht hervorgeht), war es Bernadotte zufrieden. Gegen Thürheim begründete er dies laxe Verhalten damit, daß er in Nagler nach dieser Erklärung nicht weiter habe dringen können, weil Napoleon nur verlangt habe, man möge die Übergabe unter so vorteilhaften Bedingungen für Bayern bewerkstelligen, als es die Umstände gestatteten. 3 ) Bernadotte hat diese Worte offenbar absichtlich falsch ausgelegt; denn daß Napoleon den Nachdruck auf »vorteilhaft«, nicht auf die hindernden »Umstände« legte, mußte ihm nach dem Inhalt früherer kaiserlicher Schreiben vollkommen klar sein. Ferner hatte Berthier die Distrikte, um die es sich vor allem handelte, namentlich angeführt. Graf Thürheim freilich hatte davon keine Kenntnis und mußte sich bei Bernadottes Worten bescheiden. Wohl bat er darauf um Aufschub der Übergabe, bis er neue Instruktionen eingeholt habe. Allein Bernadotte wies ihn mit der Begründung ab, da !) B. R. 44 C I. K. 1, Vol. III, Ber. Naglers, 30. Mai. 2 ) M. A. M. G. A., Montg. an Thürheim, 20. Mai. 8 ) B. R. 44 C I. K. 1, Vol. III, Ber. Naglers, 26. Mai, Doernbergs, 28. Mai. T a r r a s c h , Übergang des Fürstentums Ansbach an Bayern. 11



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Nagler bereits die preußischen Beamten entlassen habe, so werde eine Verzögerung Unordnungen in der Verwaltung hervorrufen, für die er dann Thürheim die Verantwortung aufbürden müsse. 1 ) Durch eine summarische Note überwies Nagler am 24. Mai 1806 das Fürstentum Ansbach an Bernadotte. 2 ) Iphofen wurde darin überhaupt nicht erwähnt, Markt Bibart, Oberscheinfeld und Windsheim ausdrücklich von der Abtretung ausgenommen; auf die landesherrlichen Kassen, und Magazine hatte Nagler bereits am 16. Mai im Namen seines Monarchen verzichtet, 3 ) alles übrige königliche Privateigentum wurde der preußischen Krone vorbehalten. Den nämlichen Inhalt hatte ein Publikandum, das Nagler am gleichen Tage im ganzen Lande anschlagen ließ. 4 ) Darin entband er die Untertanen und die Beamten ihres Eides, erklärte jedoch ausdrücklich, daß die Beamten des königlichen Privateigentums bis auf weiteres noch dem preußischen Herrscher verpflichtet seien und ihr Diensteid in Kraft bleibe. Für die Verwaltung» der ehemals geistlichen Güter setzte er eine Spezialkommission ein, deren Mitglieder der bisherige Vizepräsident der Ansbacher Kammer, Doernberg, die Kriegs- und Domänenräte Ulmer und Grupen und der Direktor der Fürther Bank, Kracker, waren. 6 ) Diese Kommission blieb in Ansbach, ausgerüstet mit allen hoheitlichen Befugnissen, eine preußische Begörde nicht unter, sondern neben der neuen bayrischen Regierung. Diese konnte somit einen beträchtlichen Teil des Landes nur durch Verhandlungen oder durch Gewalt in ihren Besitz bekommen; das eine war !) M. A. M. G. A., Ber. Thürheims, 25. Mai. 2 ) B. R. 44 G I. K. 1, Vol. III, Überweisungsnote vom 24. Mai. 3 ) B. R. 44 C I. K. 6, Nagler an die Ansbacher Kriegs- und Domänenkammer, 24. Mai. 4 ) B. R. 44 C I. K. 6, Publikandum vom 24. Mai. ') M. A. M. G. A., Ber. Thürheims, 25. Mai.



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ein unsicheres, das andere ein gefährliches Mittel. Nagler hatte, dank seiner Freundschaft mit Bernadotte, einen Erfolg errungen, der über den Wortlaut seiner Instruktion hinausging und an den man in Berlin bei der letzten Zurückberufungsordre keineswegs gedacht hatte. Das war keine Übergabe mit Vorbehalten, sondern überhaupt nur eine teilweise Übergabe; anstatt der erhofften Klärung wurden neue Komplikationen geschaffen. Ähnliche Zwecke verfolgte Nagler in seiner Verfügung über den Öttinger Sicherungsdistrikt Auhausen. Dieser war durch einen Grenzberichtigungsvertrag von Ansbach an Öttingen abgetreten worden; seine Einkünfte sollten aber zur Bezahlung einer Öttingischen Schuld an die Fürther Bank verwendet werden, und solange sollte der Distrikt als Pfand und zur Ausübung sicherer Kontrolle unter preußischer Landeshoheit Stehen. Zur Fortsetzung der Kontrolle ernannte Nagler die Herren Kracker und Grupen zu Kommissaren; um aber der bayrischen Regierung die Möglichkeit zu rauben, sich selbst der Sache anzunehmen, ordnete er die Beseitigung der preußischen Adler in dem Sicherungsdistrikt an. 1 ) Weniger wichtig war es, daß die Fürther Bank als preußisches Institut weiterbestehen sollte, nachdem es doch nicht gelungen war, sie ins Bayreuthische zu verlegen.2) Nach einem sehr freundschaftlichen Abschied von Bernadotte begab sich Nagler, anstatt Hardenbergs Befehl zufolge nach Berlin zurückzukehren, nach Erlangen, um aus der Nähe die Wirkung seiner Verfügungen und die ersten Schritte der neuen Regierung zu beobachten. Geschickt und zäh hatte er die Interessen seines Herrn verfochten; er verließ die Arena als Sieger im Bewußtsein x ) B. R. 44 G I. K. 6, Nagler an die Fürstin von öttingenSpielberg, 26. Mai. 2 ) B. R. 44 C I. K. 6, Nagler an die Kriegs- und Domänenkammer von Ansbach, 24. Mai.

11*



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einer vortrefflichen Leistung. Aber er war nicht gesandt worden zu kämpfen, sondern Ordnung zu schaffen, das Los des Landes zu erleichtern, und diese höhere Aufgabe, von der er selbst in seinen Berichten so oft spricht, hatte er gröblich vernachlässigt. Er hatte einen Zustand, der dringende Abhilfe erheischte, auf Monate verlängert, die Verwirrung erhöht und überdies dazu beigetragen, daß die Beziehungen zwischen Preußen und Bayern sich verschlechtert hatten. Allerdings waren an diesem Verhalten auch Hardenberg und der König schuld, die den klaren Wortlaut des Pariser Vertrags in unzulässiger Weise interpretiert hatten. Allein, wenn Nagler ein einigermaßen selbständiger Kopf gewesen wäre, hätte er selbst einlenken oder seinen Hof dazu anregen müssen, nachdem er sich persönlich vom Stand der Dinge, von der Notwendigkeit einer baldigen Entscheidung und von der äußerst zweifelhaften Natur der preußischen Ansprüche überzeugt hatte. Wenn man es Haugwitz — ich weiß nicht, ob mit Recht — verübelt hat, daß er unter dem Zwang der Umstände eigenmächtig Verträge schloß, so war doch hier, wo es sich nicht um die Ehre der Monarchie, sondern um ein paar Marktflecken und ein paar Hunderttausend Taler handelte, eine derartige Selbständigkeit durchaus am Platze. Aber Nagler war eben ein durchaus subalterner Mensch; sonst hätte er sich nicht trotz seinen kommissarischen Befugnissen und angesichts der bedauernswerten Lage der Bevölkerung so sklavisch einzig und allein an den Buchstaben seiner Instruktion gehalten. Freilich, der Zufriedenheit seines Königs und Hardenbergs konnte er gewiß sein; das war aber auch das einzig Positive, was er erreicht hatte. Außer Bernadotte sahen ihn alle gern aus Ansbach scheiden, und selbst seine Freunde gestanden, daß er zu weit gegangen sei und die nachteiligsten Verwicklungen bereitet habe. 1 ) M. A. M. G A., Ber. Thürheims, 25. Mai.



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Graf Thürheim erhob gegen Naglers Maßregeln und Vorbehalte bei ihm und bei Bernadotte energischen Protest und wollte die Überweisung des Landes nicht annehmen, ließ sich aber schließlich durch den Hinweis auf die drohende Verwirrung doch dazu überreden. 1 ) Die Überweisung fand infolge einer leichten Erkrankung des Marschalls erst am 27. Mai vormittags 10 Uhr im Ansbacher Schlosse statt. Der Marschall lag noch zu Bett; er ließ einen Tisch heranrücken und stellte hier die Überweisungsurkunde aus. Darin verlautete nichts von einem Vorbehalt Preußens; da nun die bayrische Regierung sich nur an diese Urkunde, nicht aber an Naglers Publikandum zu halten hatte, so entnahm sie daraus die Berechtigung zu ihren späteren Maßnahmen bezüglich der geistlichen Güter. Andrerseits waren Iphofen usw. und diese Güter auch nicht erwähnt. 2 ) Bernadotte trieb also hier zweifellos ein doppeltes Spiel; offenbar wollte er es mit Preußen nicht verderben, seinen Instruktionen aber auch nicht geradezu entgegenhandeln. Vielleicht hatte ihn Thürheims Angebot, wenn er es auch anstandshalber dankend ablehnte, 3 ) zu diesem Entgegenkommen veranlaßt. Am .folgenden Tage wurde das königliche Besitzergreifungspatent, vordatiert auf den 20. Mai, angeschlagen, die Beamten vereidigt und die Verwaltung organisiert. 4 ) • Ansbach wurde vorläufig mit Bamberg unter der Leitung Thürheims zu dem Generalkommissariat Franken vereinigt. Im übrigen blieben Einteilung und Gang der Verwaltung ebenso wie bisher, da Montgelas *) B. R. 44 C. I. K. 1, Vol. III, Ber. Naglers, 26. Mai. M. A. M. G. A., Ber. Thürheims, 25. Mai. 2 ) B. R. 44 C I. K. 1, Vol. III, Doernberg an Nagler, 28. Mai. M. K. schw. 556/10, Korrespondenz Bernadottes mit Nagler und Thürheim wegen der Übergabe, und Kopie der beiden Überweisungsakten. ») M. A. M. G. A., Ber. Thürheims, 25. Mai. ') M. A. M. G. A., Ber. Thürheims, 28. Mai. — K. schw. 556/10.



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das preußische Yerwaltungssystem kennen lernen wollte, um zu sehen, ob es sich lohne, es eventuell in ganz Bayern einzuführen. 1 ) Post tot discrimina rerum hatte Montgelas das Ziel sechsjähriger, mit unermüdlicher Zähigkeit fortgesetzter Bestrebungen erreicht. Er war nicht aus eigener Kraft, aber durch kluge Ausnützung der politischen Verhältnisse Sieger geblieben in dem Kampfe um die Herrschaft in Franken. Denn das war damals schon klar: der Besitz Eichstätts, Ansbachs und Bambergs verbürgte die Dauerhaftigkeit der bayrischen Übermacht. Dieser Landkomplex, der sich fast ununterbrochen wie ein Keil zwischen die beiden größeren Stände Bayreuth und Würzburg drängte, war kein ephemeres Gebilde mehr. Abrundungen, Erweiterungen waren noch nötig und möglich, aber keine Abtretung. Gerade die lückenhafte Gestalt des fränkischen Besitzes wies der bayrischen Territorialpolitik ihre nächsten Ziele: die Erwerbung Nürnbergs und der kleinen Territorien im Steigerwald zur Verbindung Ansbachs mit Bamberg, dann aber die Erwerbung Bayreuths. Die Übernahme Ansbachs bedeutete einen großen Fortschritt in der Konsolidierung des bayrischen Staates.

Schluß. Die Befestigung der bayrischen Herrschaft in Ansbach und das Ende des fränkischen Kreises. Montgelas tadelte den Grafen Thürheim, weil er vor der Übergabe keine neuen Instruktionen eingeholt hatte, 2 ) M. A. M. G. A., Montg. an Thürheim, 20. Mai. Süßheim, der die Übergabe Ansbachs sehr summarisch behandelt, meint (S. 404): »Die Anhänglichkeit der Ansbacher Beamtenschaft an die alte Dynastie erlaubte nicht, die fränkische Provinz jetzt schon an das übrige Bayern enger anzugliedern.« Eine Vermutung, für die sich keine Bestätigung gefunden hat. 2 ) M. A. M. G. A., Montg. an Thürheim, 28. Mai.



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und forderte ihn auf, die bayrische Landeshoheit in dem neuen Gebiet energisch, wenn auch vorsichtig geltend zu machen. Der reiche Iphofener Distrikt müsse unbedingt bayrisch werden; in betreff der anderen Orte müsse man allerdings behutsam verfahren, da sie vielleicht doch aus geographischen Gründen mit größerem Rechte für Bayreuth beansprucht werden könnten. Ganz unmöglich aber konnte man auf bayrischem Gebiete eine preußische Verwaltungsbehörde dulden. 1 ) Gegen sie ging Thürheim zuerst vor. Ein Erlaß der Kriegs- und Domänenkammer vom 10. Juni forderte sie in übertrieben schroffer Form auf, ihre Arbeiten einzustellen und das Land zu verlassen; zu Verhandlungen über Reklamationen des preußischen Hofes sei die bayrische Regierung bereit und werde bis zu deren Erledigung die Einkünfte der geistlichen Güter gesondert berechnen und deponieren lassen.2) Mit diesem Vorschlage, der den preußischen Ansprüchen in keiner Weise zu nahe trat, konnte sich Nagler, der in Erlangen durch Doernberg auf dem laufenden erhalten wurde, zufrieden geben. Er sah ein, daß man den Besitz dieser Güter nicht behaupten könne, forderte aber Doernberg auf, nur der Gewalt zu weichen.3) Doernberg protestierte daher gegen Thürheims Aufforderung, schlug aber ein interimistisches Abkommen vor, wonach die Kommission im Amte bleiben, jedoch nach streng vereinbarten Grundsätzen die Güter verwalten solle.4) Darauf erklärte Thürheim am 18. Juni in einem Publikandum, daß die bayrische Regierung keinen Vorbehalt und keine Verpflichtung von Beamten auf königlich preußisches Eigentum anerkenne, und ließ

1

) ) s ) 4 ) 2

M. A. M. G. A., Montg. an Thürhelm, 2. Juni. N. S. XXIII, Rep. 11/1, R. 232, Nr. 119. B. R. 44 G I. K. 13, Nagler an Doernberg, 12. Juni. N. Rep. 232, Nr. 119, Doernberg an Thürheim, 14. Juni.



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die geistlichen Güter in Besitz nehmen. 1 ) Einige Monate später — offenbar hatte Thürheim infolge der wichtigen Ereignisse, die der Abschluß des Rheinbundes in Franken herbeiführte, diese untergeordnete Angelegenheit aus den Augen verloren — ließ er mit Gewalt die Akten der preußischen Kommission aus dem Hause des Kriegsrats Grupen hinwegnehmen.2) Durch die allgemein-politische Entwicklung, die den Ausbruch des preußisch-französischen Krieges unvermeidlich erscheinen ließ, glaubte sich die bayrische Regierung aller Bedenken enthoben und bot die Güter zum Verkaufe an. Damit war diese Streitfrage, allerdings sehr gewaltsam, zugunsten Bayerns entschieden; denn das Publikandum der preußischen Regierung, worin sie vor dem Ankaufe dieser Güter warnte, weil sie ihn nie als rechtsgültig anerkennen werde, blieb infolge des Krieges und der Niederlage Preußens wirkungslos.3) Weniger glücklich war Thürheim in seinen Bestrebungen, Iphofen, Markt Bibart und Oberscheinfeld in Bayerns Besitz zu bringen. Zwar hatten sich bereits am 23. Mai, also noch vor der Übergabe des Landes, französische Truppen in Iphofen einquartiert; ob auf Bernadettes oder Thürheims Geheiß, ist aus den Akten nicht ersichtlich. Aber bereits am 5. Juni räumten sie den Distrikt wieder auf Befehl Bernadottes, der sich auch nach der Übergabe gegen die bayrische Regierung sehr spröde verhielt. 4 ) Thürheim machte nun während der nächsten Monate mehrmals den Versuch, die Orte durch Zivilbeamte in Besitz nehmen zu lassen, scheiterte aber jedesmal an Bernadottes Gegnerschaft oder an der Wach1 ) B. R. 44 C I. K. 1, Vol. III, Publikandum in der Ansbacher Intelligenzzeitung, 18. Juni (datiert vom 12. Juni), Schreiben des Königs an Hard., 1. Juli. 2 ) N. Rep. 232, Nr. 119, Thürheims Auftrag an Justizrat Büttner, 20. August, und dessen Bericht, 22. August. 3 ) B. R. 44 C I. K. 13, Publikandum vom 18. September. 4 ) B. R. 44 C I. K. 268.



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samkeit des preußischen Generalmajors von Bila, der die Orte stets vor der Ankunft der Bayern von preußischem Militär besetzen ließ.1) Ende August erneuerte Thürheim auf Montgelas' Befehl seine Versuche. Der Kriegsrat Lutz vertrieb, von Militär unterstützt, die preußischen Beamten aus Iphofen und setzte eine bayrische Verwaltung ein. Kaum aber war er mit seiner Eskorte abgezogen, so kehrten die vertriebenen Beamten mit preußischem Militär zurück. Die bayrischen Staatsdiener wurden als Gefangene nach Erlangen transportiert und erst nach mehrtägiger Haft freigelassen.2) Von neuem ließ Thürheim Militär einrücken. Allein in Berlin hatte man so entrüstet gegen diesen Überfall protestiert, daß Montgelas jetzt den sofortigen Rückzug der Truppen anordnete und die fränkischen Angelegenheiten auf dem status quo zu lassen beschloß.3) Der öttingische Sicherungsdistrikt wurde bereits am 4. Juni für Bayern in Beschlag genommen. Hardenberg erwiderte darauf ziemlich spät (28. Juli) mit einem geharnischten Protest: die Besitznahme Auhausens sei eine Maßregel bayrischer Gewalttätigkeit, die er nie als rechtlich anerkennen werde. Nachdem jedoch durch die Rheinbundsakte das Fürstentum Öttingen an Bayern gefallen war, blieb ihm nichts anderes übrig, als unter Überweisung aller Verbindlichkeiten an den neuen Landesherrn auf diesen Distrikt zu verzichten (26. August). 4 ) Ähnlich verhielt es sich mit Wöhrd, dessen Besitz für Bayreuth nutzlos war, nachdem durch die Rheinbundsakte Nürnberg an Bayern überwiesen worden. B. R. 44 C I. K. 23 u. 276. ) B. R. 44 CI. K. 276. 3 ) M. M. B. P., Montg. an Bray, 1. u. 11. Sept., mit Kopien aller auf diese Vorfälle bezüglichen Aktenstücke. 4 ) B. R. 44 C I. K. 269. 2



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Mitte August zog die preußische Garnison dort ab und ward durch bayrische Truppen ersetzt. 1 ) Von allen Streitobjekten, die das Naglersche Publikandum übrig gelassen hatte, war das einzige, worüber zwischen den beiden Kabinetten Verhandlungen gepflogen wurden, die Fürther Bank. Sie endigten im September mit der Abtretung der Bank an Bayern. 2 ) Somit war Bayern endlich, vier Monate nach der Ubergabe, in den vollständigen Besitz des Landes und aller landeshoheitlichen Rechte gelangt. Abgesehen von Iphofen, das durch Bernadottes unglaubliches Verhalten, kaum gewonnen, wieder verloren ging, hatte die bayrische Regierung noch knapp vor dem Ausbruch des preußischfranzösischen Krieges alle ihre Forderungen durchgesetzt. Daß sie so entschieden und erfolgreich hatte vorgehen können, das verdankte sie allerdings der Tatsache, daß dieser Krieg als eine unvermeidliche Notwendigkeit seine Schatten vorauswarf, und der weniger überraschenden als folgenreichen Wandlung, die der Abschluß des Rheinbundes in Franken herbeiführte: Faktoren, die die preußische Regierung in Franken in eine immer aussichtslosere Defensivstellung drängten. Zögernd ging Montgelas im Juni auf Verhandlungen mit Preußen ein, die eine vollständige Regelung aller fränkischen Differenzen zum Zweck haben sollten. Allein unter mannigfachen Vorwänden, aus denen immer wieder sein tiefes Mißtrauen gegen Hardenberg und Nagler ersichtlich ist, verweigerte er dem bayrischen Gesandten eine offizielle Vollmacht. Infolgedessen mußte sich Bray auf unverbindliche Besprechungen mit Hardenberg und

B. R. 44 C I. K. 265. ) B. R. 44 C I. K. 284. Die Bank wurde später nach Nürnberg verlegt und blüht dort noch heute als Kgl. Bayrische Bank. a



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Haugwitz beschränken, die sich ergebnislos über den ganzen Sommer erstreckten. 1 ) Hardenberg machte schon bei Beginn der Verhandlungen zum letzten Mal den Vorschlag, durch den Tausch von Niederbayreuth gegen das nördliche Bamberg die beiderseitigen Gebiete zu arrondieren. 2 ) Und als durch die Rheinbundsakte Bayerns herrschende Stellung in Franken endgiltig gefestigt wurde, ward der Plan noch einmal erwogen.3) Allein Montgelas würdigte diese Anregung keines Wortes. Er war fest überzeugt, daß Bayreuth in Bälde, eventuell durch neue Verhandlungen zwischen Preußen und Frankreich oder wahrscheinlicher durch einen Krieg der beiden Mächte, in seinen Besitz kommen und damit alle Diskussionen über die fränkischen Verhältnisse überflüssig werden würden. Er rechnete mit diesem Krieg als einem ganz sicheren Faktor. Das geht aus der dilatorischen Art hervor, wie er die Verhandlungen mit Preußen führen ließ, und wird durch seine eigenen Worte in seinen Denkwürdigkeiten bestätigt. 4 ) Die Verhandlungen endigten im September damit, daß Bray dem Grafen Haugwitz unumwunden erklärte, man wisse bayrischerseits genau, daß Preußen, d. h. zum mindesten Hardenberg, die Ordnung der Dinge in Franken nur als provisorisch betrachte und nach dem Besitz bayrischer Provinzen strebe. Das sei, da der Krieg unmittelbar bevorstehe, ganz natürlich und seine Regierung hege die nämlichen Absichten bezüglich Bayreuths. 5 ) Einstweilen jedoch entschlossen sich beide Regierungen, 1 ) M. M. B. P. 1806, Ber. Brays, Juni bis September. Montg. an Bray, 10. Juni, 1?. August, 11. Sept. 2 ) M. Min.-Akten III, 11, Privatbrief Brays an Montg., 31. Mai. s ) M. M. B. P. 1806, Ber. Brays, 2. August. 4 j Montg. Denkw., S. 144 ff. ') M. M. B. P. 1806, Ber. Brays, 8. September, Montg. Denkw., S. 149.



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die Dinge in ihrem gegenwärtigen Zustand zu belassen. 1 ) Ganz offen ward so in letzter Stunde ausgesprochen, was sich in den fränkischen Angelegenheiten seit sechs Jahren offenbart hatte, ohne je von den Regierungen offiziell anerkannt zu werden: der Kampf um Franken konnte nur mit der gänzlichen Verdrängung einer der beiden Mächte enden. »Zwei Staaten, welche seit so vielen Jahren in scheinbar vertrauter Verbindung standen, betraten nun verschiedene Wege, um sich so bald nicht wieder zu finden. Bereits ertönte nach allen Richtungen das Getöse der Waffen, und die bayrische Nation entfaltete für diesen Kampf einen Eifer, der vielfach Staunen erregte. Man war eben ziemlich allgemein verletzt durch die Ansprüche auf religiöses und politisches Übergewicht, welche der Norden Deutschlands gegenüber dem Süden geltend zu machen liebte; das Vertrauen in die Aufrichtigkeit des Berliner Hofes war geschwunden und man erfreute sich der Aussicht, denselben gedemütigt und für sein fortwährendes Hin- und Herschwanken bestraft zu sehen«.2)

Kurze Zeit vor diesem Appell an die Waffen hatte der fränkische Kreis, der letzte Überrest des alten Reiches, ein stilles und schmerzloses Ende gefunden. Unmittelbar nach der Übergabe Ansbachs unternahm die bayrische Regierung die ersten Schritte, ihre Herrschaft in Franken noch weiter auszubreiten und zu befestigen. Ansbach, nunmehr das Hauptstück der fränkischen Besitzungen, sollte mit den altbayrischen Landen ein lückenloses Ganzes bilden. Daher wurde bereits Anfang Juni die Grafschaft Pappenheim in Besitz genomB. R. 44 C I. K. 276, Hard. an Bray, 29. Sept., Bray an Hard., 24. Sept. 2 ) Montg. Denkw., S. 149.



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men, 1 ) die, zwischen Eichstätt und Ansbach gelegen, die Verbindung unterbrach; trotz ihrer geographischen Zugehörigkeit war sie übrigens kein Bestandteil des fränkischen Kreises. Dennoch protestierte Preußen gegen diesen Schritt sehr energisch.2) Montgelas begründete sein Vorgehen mit überraschender Offenheit: in einer Zeit, wo jeder nehme, was er kriegen könne, ohne sich darum zu kümmern, auf wessen Kosten es geschehe, könne man keine Rücksichten nehmen, sonst komme einem der raublustige Nachbar (er spielte auf den König von Württemberg an) zuvor. Der preußische Protest war jedoch schon gegenstandslos geworden, da Bernadotte inzwischen die bayrischen Truppen aus Pappenheim vertrieben und durch französische ersetzt hatte, um die Grafschaft zu schützen, bis Napoleon über ihr Schicksal bestimmt habe. 3 ) Montgelas ließ es hiebei bewenden angesichts der Tatsache, daß in Paris bereits die Verhandlungen eröffnet waren, die zum Abschluß des Rheinbundes und zur Aufteilung Süddeutschlands führen sollten. Darüber freilich konnte kein Zweifel sein, daß Bernadotte nicht aus Gründen der hohen Politik, die ihn überhaupt nichts anging, sondern nur aus Animosität gegen Bayern die Unabhängigkeit eines deutschen Reichsstandes gerettet hatte. Der Marschall änderte nach der Übergabe Ansbachs seine Haltung gegen die bayrische Regierung nicht im geringsten. Anstatt, wie zuvor mit Nagler, so jetzt mit Thürheim zusammenzugehen und sich wenigstens eine scheinbare Autorität zu sichern, trat er gegen ihn so schroff wie möglich auf und trieb eine ganz unabhängige persönliche Politik, die schließlich die bayrischen Interessen in gefährlicher Weise bedrohte. Wenn der MarB. R. XI, 33, 197, Ber. Schladens, 4. Juni. *) M. M. B. P. 1806, Ber. Brays, 21. u. 24. Juni, B. R. XI, 33, 197, Hard. an Schladen, 16. Juni. 3 ) B. R. XI, 33, Fase. 197, Ber. Schladens, 26. Juni.

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schall, was nicht unwahrscheinlich ist, wirklich eine Zeitlang mit dem Gedanken getändelt hatte, Lehensfürst von Ansbach zu werden, so hatte er diese Aspirationen am Tage der Übergabe begraben müssen. Allein sein Ehrgeiz suchte und fand ein neues Feld. Offenbar stachelte ihn die Erhebung Murats zum Herzog von Berg zu solchen Versuchen an. Der letzte, kurze und fröhliche Krieg hatte den Ehrgeiz und das Selbstbewußtsein der französischen Helden gesteigert; das Schwert regierte und bot dem Mutigen Kronen dar. Und gerade in Mitteldeutschland waren die Verhältnisse so wenig geklärt, daß die kühnsten Projekte erlaubt schienen. Bernadotte suchte sich zum Herrn der Reichsstadt Nürnberg aufzuwerfen, die in ihrer Jahrzehnte währenden Agonie eigentlich nur infolge der Eifersucht der fränkischen Vormächte eine jämmerliche Existenz fristete. Mit dem Übergang Ansbachs an Bayern war die chronische Frage, wem die Stadt zur Beute fallen solle, wieder in ein akutes Stadium getreten. Montgelas ließ in Paris durch Cetto und Gravenreuth unaufhörlich auf eine Entscheidung zu Bayerns Gunsten dringen, während das Berliner Kabinett in der Einsicht, selbst an den Gewinn der Stadt nicht mehr denken zu können, ihrem Vertreter den ernstgemeinten Rat gab, sich unter Napoleons Schutz zu stellen. 1 ) Der Vorschlag war nicht übel, da Napoleon schon mehrfach sein Interesse für Nürnberg, namentlich aus kommerziellen Gründen, bekundet hatte. Allein je elender die Lage der Stadt wurde, um so hartnäckiger suchte der Magistrat das Phantom ihrer Unabhängigkeit zu erhalten. Hatte er doch sogar anläßlich des Einmarsches der Franzosen in Ansbach mit stolzen Worten die einst von Hardenberg revindizierten Gebiete rechts der Rednitz reklamiert und noch am 4. Juni gegen ihre Besitznahme durch Bayern protestiert. 1 ) Die be1 ) Schrötter, Die letzten Tage der Reichsstadt Nürnberg. Mitt. d. Ver. f. Gesch. d. Stadt Nürnberg, 17. Heft, 1906, S. 85.



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trübliche Lage der Stadt, die ja schon seit Anfang März, wenn auch »unbeschadet ihrer Unabhängigkeit«, von einigen tausend Mann französischer Truppen besetzt war, ließ es Bernadotte leicht erscheinen, sie seinen hochfliegenden Plänen gefügig zu machen. »Unvermutet erschien einmal Herr Berton, ein Adjutant des Marschalls, in Nürnberg mit der Anmeldung, daß er dem Rat einen wichtigen Vortrag zu machen habe. Am späten Abend noch versammelten sich die hochwohlgeborenen und wohlweisen Herren, welchen Herr Berton eine lange französische, den meisten unverständliche Rede vorlas, um sie von den unendlichen politischen und kommerziellen Vorteilen des Beschlusses zu überzeugen, die Stadt und ihr Gebiet freiwillig dem Kaiser Napoleon zu unterwerfen, mit der Bitte, ihnen in einem seiner großen Kriegsgefährten — es fehlte nur der Name Bernadotte — einen Lehensfürsten zu geben. Nachdem die Herren Senatoren aus ihren Allongeperücken die zierlichsten Danksagungen herausgeschüttelt und sich über solch einen hochwichtigen Gegenstand, soweit er in ihrer Kompetenz liege, fleißigst zu beraten versprochen, eilte ein Herr von Tucher nach Ansbach zu dem Grafen Thürheim, um ihm die neuen Pläne zu enthüllen, der denn auch unverzüglich seinen Hof davon in Kenntnis setzte.«1) Montgelas teilte den unerhörten Vorfall dem Marschall Berthier mit (der eben zum Fürsten von Neufchatel ernannt worden war). Dieser bestrafte den politischen Vorwitz des übereifrigen Adjutanten mit vier Wochen Arrest. Das schreckte den Marschall nicht ab, den Versuch, allerdings mit dem gleichen negativen Ergebnis, zu wiederholen. Ich zitiere hier Längs humorvollen Bericht. Die ganze Sache erscheint so romanhaft, daß man sie schwer glauben kann, obwohl Lang erzählt, Berton habe den J

) Lang, Memoiren II, 77/78.



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Arrest in seinem Hause abgehalten und ihm sogar oft seine Rede vor dem Magistrat zum Scherz wiederholt. Allein Längs Memoiren mögen übertrieben, ja unglaubwürdig sein, wo es sich um Schilderung von Personen handelt; sein Material an Tatsachen habe ich, soweit ich es nachprüfen konnte, also gerade in den fränkischen Dingen, als durchaus richtig und daher auch da, wo keine Kontrolle möglich, als glaubwürdig kennen gelernt. Eine Bestätigung der Langschen Erzählung entdeckte Schrötter 1 ) in einem Bericht Thürheims vom 21. Juni 1806. »Ich weiß zuverlässig, daß hier (in Nürnberg) nur die Adjutanten des Marschalls Bernadotte aufgetreten sind. Diese intriganten Menschen sahen beim ersten Eintritt, daß Nürnberg sich in einer Art von herrenlosem Zustand befindet und zwischen Preußen und Bayern in der Mitte steht. Um sich Geld und Verdienste zu erwerben, wollten sie die Stadt zuerst ihrem Chef verschaffen, dann sie zur französischen Bundesstadt umwandeln, endlich sie dem neuernannten Koadjutor des Erzkanzlers, Fesch, übergeben.« Einzelheiten fehlen bei Thürheim, so daß man Längs Erzählung immerhin für humoristische Ausschmückung halten könnte. Allein ein Reskript Montgelas' an Cetto vom 17. Juni, also vor Thürheims Bericht, enthält so viele Details über diesen Vorfall, daß ein Zweifel an Längs Darstellung völlig ausgeschlossen ist. 2 ) Mont1

) Schrötter, Die letzten Tage der Reichsstadt Nürnberg, S. 106, Anm. 2 ) M. K. grün 52/9: »II me revient de bonne part que la France a fait faire à Nuremberg différentes propositions. Dans une adresse dont un employé à l'armée a été porteur, on interpelle le magistrat et la bourgeoisie de se soumettre à l'Empire français, en employant des arguments très specieux et en leur peignant les avantages qui en résulteraient, tels qu'un rayon de dix lieues, indépendamment de son territoire actuel. Dans une seconde lettre on propose au magistrat d'offrir à l'Empereur la ville et le territoire comme fief relevant de la France, et dans une troisième on leur conseille de se soumettre à l'Empire français pour

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gelas hatte also neben Thürheim noch einen Korrespondenten in Franken, der ihm früher und ausführlicher über diese Angelegenheit berichtete. Es ist dies eine der interessantesten Episoden aus der letzten Zeit der fränkischen Geschichte, charakteristisch für die Lage der Stadt und für den Geist der Helden jener modernen Ilias. Daß Bernadotte, der sich geschickt und taktvoll hinter den Kulissen hielt, der spiritus rector, Berton nur ein Werkzeug in seiner Hand war, erscheint mir außer allem Zweifel. Natürlich schob er seinen Adjutanten vor, um sich im Falle des Mißlingens nicht zu kompromittieren. Dieser Versuch wirft zugleich ein helles Licht auf Bernadottes Verhalten während der Dauer seines Ansbacher Aufenthaltes. Er wollte nicht nur Befehlshaber der Okkupationsarmee sein, sondern diese Stellung und die Lage in Franken als echter gascognischer Abenteurer ausnützen, sich ein Fürstentum zu erwerben. So sehr übrigens der Rat von Nürnberg diese Vorschläge perhorreszierte und sein unabwendbares Schicksal um Tage hinauszuzögern bemüht war, so sympathisch stand ihnen der kaufmännische und gewerbliche Teil der Bevölkerung gegenüber. Jede Änderung konnte ihm nur vorteilhaft sein, da die absolute politische Ohnmacht der Stadt schon seit Jahren für Handel und Gewerbe die unheilvollsten Folgen hatte. Eben diese Haltung der Bürgerschaft rief bayrischerseits die Befürchtung wach, die Stadt könne sich, wenn sie nicht baldigst an Bayern überwiesen werde, in ihrer Verzweiflung noch in letzter Stunde Frankreich oder Preußen oder sonstwem in die Arme werfen. Das hätte in jedem Falle der bayrischen Herrschaft in Franken unangenehme Schranken gesetzt. So sehr die Stadt herabgakommen war, so schien doch erst ihr Besitz in der Hand eines Mächtigen die Herrschaft in être réunie à l'Etat futur de l'Electeur archicancelier et de prier même l'Empereur de permettre qu'elle se soumette au cardinal Fesch et qu'elle lui soit donnée en attendant comme apanage.« T a r r a s c h , Übergang des Fürstentums Ansbach an Bayera.

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Franken zu verbürgen, vor allem in wirtschaftlicher, dann auch in moralischer Hinsicht; sie war eben doch Frankens Hauptstadt. Daher erneuerte Montgelas seine dringenden Vorstellungen in Paris und erlangte bald darauf durch die Rheinbundsakte den Preis vieljährigen Strebens. Zugleich wurden damit die kleineren fränkischen Stände Schwarzenberg, Castell, Limpurg-Speckfeld und Teile des Fürstentums Hohenlohe (die Oberämter Schillingsfürst und Kirchberg), sowie die schwäbischen Stände, deren Gebiet das bayrische Hauptland von Franken schied, Öttingen und Pappenheim, der bayrischen Herrschaft überantwortet. Graf Thürheim hatte bereits Ende Juni die im Ansbachischen gelegenen Enklaven dieser Stände, Virnsberg und Ellingen, die dem deutschen Orden, und Lichtenau, das der Stadt Nürnberg gehörte, für Bayern in Besitz nehmen wollen. Sein Plan scheiterte jedoch an dem Widerstand Bernadottes, dessen Erbitterung sich infolge des Mißlingens seiner Herrscherpläne noch gesteigert hatte. Thürheim meinte, man müsse des Marschalls Widerstand unbedingt mit Geld brechen; seine beiden ersten Adjutanten hätten sich erboten, die Vermittlung zu übernehmen. Man werde dann, zumal wenn man mit dem Marschall über den Kopf Berthiers hinweg verhandle, schnell ans Ziel seiner Wünsche gelangen.1) Aber Montgelas hatte es nicht mehr nötig, sich solcher Mittel zu bedienen. Nachdem die Rheinbundsakte bekannt geworden, mußte Bernadotte notgedrungen die Besetzung jener Enklaven zulassen.2) Die Okkupation Nürnbergs und der übrigen Territorien erfolgte erst im September. 3 ) !) M. A. M. G. A., Ber. Thürheims, 2. Juli. ) N. Rep. 232, Nr. 90, Bern, an Thürheim, 25. Juli. Die Besetzung fand am 30. statt. 8 ) Winkopp, Rheinischer Bund 1806, S. 149/50: Bayerisches Besitzergreifungspatent für alle gemäß der Rheinbundsakte an Bayern fallenden Territorien vom 3. Sept. — Tragikomisch wirkt a



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Bevor die alte Reichsstadt ihre 600 jährige Unabhängigkeit einbüßte, ward in ihren Mauern der letzte Überrest der alten Reichsverfassung zu Grabe getragen. Am 1. August schloß der Regensburger Reichstag seine Sitzungen, am 6. legte Kaiser Franz die Krone des Reiches nieder. Damit mußte eo ipso auch die Existenz der Kreisverfassung enden. Dieses Ende vollzog sich in fast allen Kreisen, ohne Aufsehen zu erregen, da in ihnen der Kreistag seit längerer oder kürzerer Zeit seine Funktionen eingestellt hatte oder zufällig nicht tagte. Nur in Franken, wo die Kreisverfassung stets am meisten in Kraft gewesen und seit 1792 der immerwährende Kreistag versammelt war, mußte eine förmliche Auflösung stattfinden. Die Kreisverfassung bildete hier einen so wesentlichen Bestandteil des politischen Lebens, daß die Versammlung nicht daran dachte, aus den Ereignissen selbständig die Folgerung zu ziehen und auseinander zu gehen. Der Übergang des Fürstentums Ansbach, an dem es, wie der Graf von Rechtern-Limpurg, obwohl er sein Schicksal schon kennt, bis zum letzten Augenblick seine Würde als unmittelbarer Reichsstand aufrecht zu erhalten sucht. Am 29. August noch beschwert er sich bei Thürheim, weil die bayrische Kommission, die eben Markt Bibart zum soundsovielten Male besetzt hatte, die Vorsteher des nahe gelegenen limpurgischen Dorfes Neundorf zur Anerkennung der bayrischen Landeshoheit vorgeladen hat. Er beruft sich auf uralte Verträge mit Ansbach, wonach »dem Hause Limpurg alle seine Besitzungen durch eine eigene königlich preußische Ratifikationsurkunde auf ewige Zeiten garantiert sind. Seine königliche Majestät von Bayern ist mit dem Besitz von Ansbach wie in alle Rechte, also auch in alle Verbindlichkeiten eingetreten und wenngleich durch die Vorgänge unserer Tage ein anderes Verhältnis herbeigeführt werden zu wollen scheint, so ist es jedoch noch nicht eingetreten, folglich ist obige Vorladung daher nicht zu erklären, sondern ein Irrtum der Kommission«. In markigen Zügen setzte der greise, stolze Dynast seine Unterschrift unter dieses Schriftstück, das wohl, abgesehen von seiner Unterwerfungsnote, sein letzter Erlaß gewesen ist. Es wurde natürlich von Thürheim einfach ad acta gelegt N. Rep. 232, Nr. 117. 12*



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bisher, wenn auch strittiger Weise, das Kreisdirektorium gehaftet hatte, war für die Versammlung ein epochemachendes Ereignis, weil durch diese Verschiebung der Machtverhältnisse die Direktorialfrage wieder aktuell wurde. Der König von Preußen war gesonnen, trotz dem Verluste seinen Anspruch auf das Direktorium aufrecht zu erhalten. 1 ) Bayern dagegen, das diesen Anspruch nie anerkannt hatte, wollte als mächtigster Kreisstand das Direktorium für sich und akkreditierte seinen neuen Gesandten Tautphöus Anfang Juli mit den Direktorialbefugnissen am Kreistag. 2 ) Tautphöus, derselbe, der 1792 bei der Eröffnung dieser letzten fränkischen Kreisversammlung zugegen gewesen, fragte bereits am 3. August, also noch vor der Abdankung des Kaisers, bei Montgelas an, ob er die Versammlung nicht auflösen solle, bevor der erwartete preußische Gesandte eintreffe. 3 ) Montgelas erteilte ihm die Ermächtigung hiezu am 11. August. 4 ) Dennoch zögerte Tautphöus mit der Ausführung. Sie erschien ihm gar nicht so einfach wegen der verschiedenen Kategorien von Ständen, die den Kreis bildeten: Rheinbündler (Bayern), süddeutsche, die nicht Rheinbündler waren (Würzburg, Bayreuth), norddeutsche (Sachsen und Hessen für Henneberg und Fulda), und solche, die ihre Souveränität bereits verloren hatten: das waren alle übrigen Stände. 8 ) Schwieriger noch war die Frage, wer sollte die Auflösung vornehmen, solange das Direktorium zwischen Ansbach-Bamberg und Bayreuth strittig war? Immer konnte der andere Direktorialstand die Auflösung für ungiltig erklären und das deutsche Staatsrecht in ») 2 ) ») *) ')

B. R. 44 C I. K. 1, Vol. III, Hard. an Nagler, 26. Mai. B. R. XI, 33, Fase. 197, Hard. an Schladen, 28. Juli. M. K. schw. 589/85. M. K. schw. 388/16. M. K. schw. 589/85, Ber. Tautph., 14. August.



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seinen letzten Zügen um einen der interessantesten und unlösbarsten Streitfälle bereichern. Am 15. August machte Baron Hügel, kaiserlicher und zugleich würzburgischer Kreisgesandter, der Versammlung die Abdankung des Kaisers bekannt und erklärte seine Tätigkeit am Kreise für beendet. 1 ) Jetzt war keine Zeit mehr zu verlieren. Am folgenden Tage (16. August 1806) erklärte Tautphöus im Namen seiner königlichen Majestät von Bayern in höflichem, aber entschiedenem Tone, der für Bayerns neue Stellung charakteristisch war, die Kreisversammlung für aufgelöst und alle Kreisgeschäfte für beendet. Die Kasse (ihr Bestand betrug 3295 Gulden 51 Kreuzer) und das Archiv des Kreises nahm Bayern in Verwahrung; über gemeinsam zu regelnde Punkte, namentlich über die Tilgung der Kreisschulden (1 280 000 Gulden), werde es sich mit den einzelnen Ständen in Verbindung setzen. Mit einigen Dankesworten für das Vertrauen, das die Versammlung ihm während der Session dargebracht, schloß Tautphöus den Kreistag. 2 ) Aber was er befürchtet, traf ein. Die Gesandten der kleinen Stände, die trotz der Rheinbundsakte bis zum letzten Augenblick noch alle Prärogativen ihrer Unabhängigkeit auszuüben entschlossen waren, richteten gemeinsam mit Sachsen und Hessen an die preußische Regierung die Bitte, einen Gesandten nach Nürnberg zu schicken, damit sie unter seinem Vorsitz die Kreisversammlung wieder eröffnen könnten. 3 ) Darauf ließ sich jedoch die preußische Regierung klugerweise nicht ein, wenn sie auch gegen Bayerns einseitiges Vorgehen protestierte. 4 ) Dieser Protest verhallte wie viele andere im Sturme der Zeit, und so blieb jener Verzweiflungsakt der dem Untergang geweihten Stände die letzte WillensM. K. schw. ) M. K. schw. 8 ) M. K. schw. 4 ) M. M. B. P. 2

388/16, Ber. Tautph., 15. August. 388/16. 388/16, Ber. Tautph., 18. August. 1806, Ber. Brays, 2. September.

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äußerung, die das untergegangene Reich noch aus dem Grabe heraus ertönen ließ. So endete die Geschichte Frankens als eines politischen Organismus, damit zugleich der Antagonismus Preußens und Bayerns um die Herrschaft im fränkischen Kreise. Im Jahre 1810 ward Bayreuth, 1814 Würzburg und Aschaffenburg mit dem bayrischen Staate vereinigt. Nun war das große Werk, das Hardenberg wie Montgelas solange beschäftigt hatte, vollendet. Von da an datiert die glänzendste Epoche in der Geschichte Frankens und des bayrischen Staates. »Montgelas' Verdienst ist es, erkannt zu haben, welch unvergleichlichen Vorteil die Erwerbung der fränkischen und schwäbischen Gebiete mit ihrer blühenden Kultur und ihrer rührigen Bevölkerung für das zurückgebliebene Altbayern bedeuten würde. Erst durch die Verschmelzung der schwer beweglichen altbayerischen Bevölkerung mit den regeren, lebhafteren Volkselementen der Nachbargebiete war die Möglichkeit geboten, daß Bayern ein Staat wurde, in dem sich süddeutsches Volkstum ebenso konzentrierte wie das norddeutsche in Preußen.« 1 ) l

) Heigel, Neue geschichtliche Essays, München 1902, S. 75.