Der Bauernbesitz in der Provinz Posen im 19. Jahrhundert [Reprint 2022 ed.] 9783112675748, 9783112675731


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German Pages 156 [168] Year 1914

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Table of contents :
Vorwort
Inhalt
Einleitung
L Geschichtlicher Teil
Erstes Kapitel. Die Geschichte der Fosener Bauern bis 1815.
Zweites Kapitel. Die Landwirtschaft der Posener Bauern am Anfang des 19. Jahrhunderts
Drittes Kapitel. Die Bauernregulierung im Großherzogtum Posen
Viertes Kapitel. Die Wirkung der Regulierung auf die Entwicklung der bäuerlichen Landwirtschaft
Fünftes Kapitel. Der Rückgang des bäuerlichen Besitzes in den Jahren 1823—1880
II. Der heutige Zustand des bäuerlichen Besitzes in der Provinz Posen
Erstes Kapitel. Die Entwicklung der landwirtschaftlichen Besitzverhältnisse seit 1880
Zweites Kapitel. Die Vererbung des bäuerlichen Grundbesitzes in der Provinz Posen
Drittes Kapitel. Die Hebung des Bauernstandes durch die landwirtschaftlichen Vereine
Viertes Kapitel. Die landwirtschaftlichen Genossenschaften und der Zustand des landwirtschaftlichen Kreditwesens
Fünftes Kapitel. Die Technik der bäuerlichen Landwirtschaft in der Provinz Posen
Tabellenanhang
Literatur und Quellen
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Der Bauernbesitz in der Provinz Posen im 19. Jahrhundert [Reprint 2022 ed.]
 9783112675748, 9783112675731

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VERLAG VON VEIT & COMP. IN LEIPZIG

Volkswirtschaftliche und wirtschaftsgeschichtliche Abhandlungen herausgegeben von

Wilhelm Stieda o. ö. Professor der Nationalökonomie in Leipzig

Dritte Folge. Heft 1. Die Landwirtschaft unter dem Einflüsse von Bergbau und Industrie im Rheinischen Ruhrkohlengebiet. Von Dr. W. Avereck. 2 Jt 40 Heft 2. Das Aufkommen der Großindustrie in Leipzig. Dr. Karl Juckenburg. 5 Jl.

Von

Heft 3. Die Entwickelung der Gärtnerei. Mit besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse in Dresden. Von Dr. phil. Kurt Hofmann. 3 M 2 0 ^ . Heft 4. Die Statistik der Einkommensverteilung mit besonderer Rücksicht auf das Königreich Sachsen. Von Dr. phil. Nicolae Tabacovici. 2 M. Heft 5. Der Außenhandel Serbiens. rovic. 4 Jl.

Von Dr. Ivan Z. Nesto-

Heft 6. Die Deutsche MöbelplUsch- und Moquette-Industrie. Geschichtliche Entwicklung und gegenwärtige Lage. Von Dr. phil. Karl Germann. 2 Jt 40 Heft 7. Der Bauernbesitz in der Provinz Posen im 19. Jahrhundert. Von Dr. Th. v. Jackowski. 4 Jt 50 S-

Volkswirtschaftliche und wirtschaftsgeschichtliche Abhandlungen herausgegeben von

Wilhelm Stieda 0 . o. Professor der Nationalökonomie in Leipzig

III. Folge

Heft 7

Der Bauernbesitz in der Provinz Posen im 19. Jahrhundert Von

Dr. Th. v. Jackowski

Leipzig Verlag von V e i t s Comp. 1914

Druck von Metzger & Wittig in Leipzig.

DEM GEDÄCHTNIS MEINES JUGENDFREUNDES

JULIAN VON CHLAPOWSKI GEWIDMET.

Vorwort. Der Bauernbesitz bietet, gleichmäßig über das Land verteilt, und aus selbständigen Existenzen bestehend, eine große Sicherheit gegen wirtschaftliche und soziale Krisen. Die einheimische Produktion von Nahrungsmitteln einerseits, und der ständige Absatz für die Erzeugnisse der Industrie des betreffenden Landes andererseits, tragen dazu bei, das Heimatland von der Politik des Auslandes unabhängig zu machen. Außerdem bildet der besitzende Bauer die politisch unentbehrliche konservative Volksschicht, ein Gegengewicht gegen die Unzufriedenheit der besitzlosen Klassen; er stellt die Macht der physischen und moralischen Gesundheit gegenüber dem Großstadtleben dar. Ich habe stets Gelegenheit gehabt, über den Bauernstand der Provinz Posen vieles zu hören; so entschloß ich mich denn, die wirtschaftlichen Zustände innerhalb dieser Besitzklasse zu schildern. Die Entwicklung des Bauernbesitzes in der Provinz Posen hat eine sehr mannigfaltige Geschichte aufzuweisen. Das polnische Reich, die südpreußische Zeit, das Herzogtum Warschau, endlich die gegenwärtige preußische Herrschaft verliehen ihm verschiedene Formen. Es wurde eine Reihe von Gesetzen erlassen, die den Posener Kl,eingrundbesitz gesondert von dem anderer preußischer Provinzen betrafen. Die Regulierung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse wurde hier in besonderer Weise durchgeführt. Verschiedene andere Gesetzgebungen, die ausschließlich für den Posener Bauernbesitz geltend sind, wurden dadurch hervorgerufen, daß die Bevölkerung aus zwei Nationalitäten, der deutschen und der polnischen, besteht. Die innere Kolonisation ist seit einigen Jahrzehnten ein vielbesprochenes Problem; eine besonders wichtige Rolle spielt sie aber in der Provinz Posen, wo sie die Förderung des Deutschtums bezweckt. Die Tätigkeit der Ansiedlungs-Kommission ist allgemein bekannt; sie verursachte in der ländlichen Besitzverteilung eine ganz bedeutende Verschiebung zugunsten der bäuerlichen Besitzer. Auch die Entwicklung

VI

der Landwirtschaft vollzog sich hier unter anderen Bedingungen als bei dem Kleingrundbesitz der übrigen Provinzen und beginnt erst neuerdings eine ähnliche zu werden. Aus diesen Tatsachen geht hervor, daß der Bauernbesitz in der Provinz Posen als ein für sich abgeschlossenes Thema betrachtet werden kann. Bei der Vollendung dieser Abhandlung habe ich allseits Hilfe und Entgegenkommen gefunden. Vor allem ist es mir ein Bedürfnis, Herrn Geheimen Hofrat Prof. Dr. S t i e d a , der mich jederzeit mit Bat in liebenswürdiger Weise unterstützt hat, meinen ergebenen Dank auszusprechen. Es wäre an dieser Stelle unmöglich, die Namen aller aufzuzählen, die mir bei meiner Arbeit behilflich waren. Ich bin diesen Herren, die mir in entgegenkommendster Weise Auskunft erteilten und meine Abhandlung durch viele Angaben bereicherten, zu aufrichtigem Dank verpflichtet.

Inhalt Seite

Einleitung

1

I. G e s c h i c h t l i c h e r T e i l . Erstes Kapitel: D i e G e s c h i c h t e d e r P o s e n e r B a u e r n b i s 1815 . . . Zweites Kapitel: D i e L a n d w i r t s c h a f t d e r P o s e n e r B a u e r n am A n f a n g d e s 19. J a h r h u n d e r t s Drittes Kapitel: D i e B a u e r n r e g u l i e r u n g im G r o ß h e r z o g t u m P o s e n Viertes Kapitel: D i e W i r k u n g d e r R e g u l i e r u n g a u f d i e E n t w i c k l u n g der b ä u e r l i c h e n L a n d w i r t s c h a f t Fünftes Kapitel: D e r R ü c k g a n g d e s b ä u e r l i c h e n B e s i t z e s in d e n J a h r e n 1823—1880 II. D e r h e u t i g e Provinz Posen.

Zustand

des

bäuerlichen

Besitzes

in

Viertes Kapitel: D i e l a n d w i r t s c h a f t l i c h e n G e n o s s e n s c h a f t e n u n d der Zustand des l a n d w i r t s c h a f t l i c h e n K r e d i t w e s e n s . . . . Fünftes Kapitel: D i e T e c h n i k d e r b ä u e r l i c h e n L a n d w i r t s c h a f t in der Provinz Posen L i t e r a t u r und Quellen

16 25 37 40

der

Erstes Kapitel: D i e E n t w i c k l u n g d e r l a n d w i r t s c h a f t l i c h e n B e s i t z v e r h ä l t n i s s e s e i t 1880 Zweites Kapitel: D i e V e r e r b u n g d e s b ä u e r l i c h e n G r u n d b e s i t z e s in d e r P r o v i n z P o s e n Drittes Kapitel: D i e H e b u n g d e s B a u e r n s t a n d e s d u r c h d i e l a n d wirtschaftlichen Vereine

Tabellenanhang

5

47 59 60 69 81 92



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Einleitung. Lage, Geschichte, landwirtschaftlicher Charakter, Bodengestaltung, Klima und Verkehrsverhältnisse der Provinz Posen.

Die Provinz Posen erstreckt sich über die weite Ebene, die von dem pommerischen und dem mittelschlesischen Landrücken oder dem Trebnitzer Gebirge begrenzt wird. 1 Sie umfaßt im allgemeinen das zu Preußen gehörende Gebiet der Warthe und Netze oberhalb der Vereinigung dieser Flüsse. Im Nordosten reicht sie bis zur Weichsel, im Südwesten endet sie mit den Ausläufern des Obrabruches. Die Provinz „Großherzogtum Posen" ist die Wiege des ehemaligen polnischen Königreichs. Bei der Teilung dieses Landes zwischen Rußland, Preußen und Österreich kam Posen dem Reiche Friedrichs des Großen zu. Bei der ersten Teilung im Jahre 1772 erhielt Preußen den ,,Netzedistrikt" (die nördlich von der Netze gelegenen Teile der Provinz). 2 Die zweite Teilung im Jahre 1793 brachte Preußen neben großen Gebieten, die heute zu Russisch-Polen gehören, den übrigen Teil der gegenwärtigen Provinz Posen. Im Jahre 1807 wurden diese Gebiete, einige fünfzig Ortschaften des Netzedistrikts ausgenommen, dem von Napoleon geschaffenen Herzogtum Warschau einverleibt. Durch den Wiener Kongreß wurden sie wieder Preußen zuerkannt. Die Provinz Posen ist ein Agrarland. Die Mehrzahl der Bevölkerung lebt von der Landwirtschaft. Nach der Berufsstatistik von 1907 entfielen auf die Berufsklasse Landwirtschaft, Gärtnerei, Tierzucht, Forstwirtschaft und Fischerei in der Provinz Posen 54,06 °/0 der Bevölkerung; im gesamten Deutschen Reiche betrug die entsprechende Zahl 28,65%. Allerdings vermindert sich die Zahl der bei der Landwirtschaft Beschäftigten ebenso wie in anderen Landesteilen Deutschlands, so auch in der Provinz Posen andauernd: Es gehörten in Posen der Berufsklasse „Landwirtschaft usw." im Jahre 1882 64,67°/0, im Jahre 1895 sank die Zahl auf 59,38°/0 und im Jahre 1907 betrug sie, wie schon erwähnt, nur noch 54,06°/0. Allerdings ist noch zu bemerken, daß der Rück1 M e i t z e n , Der Boden und die landwirtschaftlichen Verhältnisse des preußischen Staates. Berlin 1868. Bd. I, S. 239. 2 In den Jahren 1773—75 besetzte Friedrich der Große noch weitere Gebiete, auch südlich der Netze, so daß schließlich die Grenze des Netzedistrikts nach Posen zu, zwischen den Städten Filehne, Radolin, Margonin, Exin, Znin, Gonsawa, Mogilno, Gembitz und Strelno verlief. ( M e y e r , Geschichte des Landes Posen. Posen 1881, S. 259ff.)

v. J a c k o w s k i , Der Bauernbesitz In Posen.

1

gang dieser Zahl in geringerem Maße zutage tritt, als in Preußen oder im gesamten Deutschen Reiche; denn während in Posen im Zeitlauf von 25 Jahren der Prozentsatz der in der Landwirtschaft tätigen Personen um 10,61°/0 gesunken ist, hat er sich in Preußen um 15,04°/o und in ganz Deutschland um 13,86°/0 vermindert. 1 2 Ein überaus großer Teil der Bevölkerung wohnt auf dem platten Lande. Trotzdem Posen eine sehr große Anzahl von kleinen Städten besitzt, wohnen auf dem Lande 72,5°/0 der Einwohnerzahl. Diese hohe Ziffer wird in Preußen nur von Ostpreußen übertroffen, wo 73,9% der Insassen auf dem Lande wohnen. Ebenfalls ist charakteristisch für die agrarische Natur dieses Gebietes, daß auf 1 qkm 68,6 Personen entfallen, wogegen dieselbe Durchschnittszahl für das Königreich Preußen 107 und für das Deutsche Reich 112,1 Personen beträgt. 3 Uber die Bodenverhältnisse der Provinz Posen, auch im Vergleich zu den Durchschnittszahlen des gesamten preußischen Staates, gibt Tabelle 2 einen Überblick.4 Aus dieser ist zu ersehen, daß der Boden der Provinz größtenteils aus einem Gemisch von Sand und Lehm besteht. Die Kreise Wirsitz, Kosten, Krotoschin und Schroda besitzen davon 70—80%, Mogilno 8 3 % und Pieschen sogar 9 9 % ihrer Fläche. Die Sandflächen treten hauptsächlich in Flußtälern und tieferen Lagen auf. Die Kreise Fraustadt, Adelnau, Schildberg, die Obraniederungen, das Bartschgebiet, die Kreise Bromberg, Kolmar i. P., Meseritz, Czarnikau und Wongrowitz besitzen 50—60% Sandboden. In verhältnismäßig geringem Umfange ist der Lehmboden vertreten. Nur in einigen Gegenden ist seine Ausdehnung größer, so in den Kreisen Hohensalza, Neutomischel, Gostyn und Adelnau. Die Moorböden finden sich in größerer Ausbreitung in dem breiten Flußtale der Netze und in den Bruchgebieten der verschiedenen Obrazuflüsse. So besitzt Kolmar i. P. 13%, Hohensalza, Schubin und Wirsitz über 12%, Czarnikau 10%, Kosten 25%, Bomst 23%, Fraustadt 1 5 % und Adelnau 1 2 % Moorboden. Der Kalk tritt in großen Lagern als Gyps bei Hohensalza und Wapno auf. Auch kommt er in Geschieben und als Wiesenkalk vor, und zwar, besonders häufig in den Kreisen Kosten und Meseritz.6 Im Regierungsbezirk Bromberg bildet das etwa 3—7 km breite Netzetal einen tiefen Einschnitt. In dem nördlich der Netze gelegenen Teile, zwischen Brahe und Lobsonka und bis zur Grenze des Kreises Wirsitz findet man milde, tiefe Weizen- und Gerstenböden auf mergeligem Untergrunde; jedoch ist der Boden stellenweise sehr fein, schwemmt zusammen und wird hart; mitunter ist er auch kalt und eisenschüssig. Die westlich davon gelegenen Kreise Kolmar i. P. und 1

H e d i n g e r , Der Getreidehandel in der Provinz Posen. Posen 1911, S. 5. Vgl. Tabelle 1. 3 W e g e n e r , Der wirtschaftliche Kampf der Deutschen und Polen um die Provinz Posen. Posen 1903, S. 15. 4 S. Anhang. 5 M e i t z e n 1. e. Bd. I. S. 239. 2

Czarnikau haben nur stellenweise gute Böden, sonst herrscht der Sand vor. In dem Gebiete südlich der Netze bis zur Grenze des Regierungsbezirks Bromberg befindet sich auf 7—15 km Entfernung von dem Flusse bündiger, oft aber auch leichter Sandboden mit erratischen Blöcken. Derselbe zieht sich über Bromberg hinaus längs der Weichsel bis gegen Thorn. Nach dem Bezirke Posen zu steigt der Boden und es treten Mergel und Lehm häufig auf. 1 Einen besonderen Charakter trägt der Boden im Kreise Hohensalza, der unter dem Namen kujawischer Boden 2 berühmt ist. Er besteht aus einer schwarzen oder schwarzbraunen Lage Humuserde, die 1—2 Fuß stark ist. Unter dieser liegt Lehm mit Mergeladern und darunter befindet sich eine Schicht Sand. Diese ist für den Brunnenbau, also mittelbar auch für die Kolonisation, von großer Bedeutung, da nur diejenigen Brunnen trinkbares Wasser liefern, die diese Schicht erreichen. Die Erträge des kujawischen Bodens sind vorzüglich.3 Das Terrain steigt allmählich nach Süden und erreicht den höchsten Punkt im Süden der Provinz, im Kreise Schildberg. Man kann den Begierungsbezirk Posen in mehrere Terrassen einteilen: die niedrigste Stufe liegt im Welna- und Warthegebiet. Die nächste nimmt die gesamte Mitte der Provinz ein, von Wreschen auf der Ostseite bis Storchnest, Bomst und Neutomischel auf der Westseite. Die obersten Stufen liegen zwischen Jarotschin und Beisen einerseits und Skalmierzyce und Adelnau andererseits. Besonders fruchtbar ist in der Posener Gegend ein schwarzer oder dunkelbrauner sandiger Lehm, der nicht unter 16—24 Zoll mißt und Mergel und Lehm als Unterlage hat. Seine Ertragsfähigkeit hängt allerdings von seiner Lage und von der Möglichkeit einer Entwässerung ab. Die Niederungsböden Posens, auch die Sandböden, sind zwar ziemlich arm an Ton, haben jedoch einen großen Kalkgehalt. Eine besondere Beachtung verdient der kalkhaltige Sandboden in der Nähe von Neutomischel, Grätz, Wollstein und Tirschtiegel, auf dem Hopfen angebaut wird. Dieser Boden, der als „gesunder Hopfenboden" bezeichnet wird, hat eine Krume von 6—8 Zoll bündigen Sandes und einen mit Eisenocker und Kalk gemischten Untergrund. Bei einer Tiefe von 60—100 cm tritt hier schon Wasser auf. Die Bruchböden besitzen eine torfige, an Humus und Humussäure reiche Krume; es fehlt ihnen das Skelett, und deshalb sind siefür eine wiederholte Sandauffuhr äußerst dankbar. 4 Das Klima der Provinz Posen ist für den Anbau der meisten europäischen Kulturpflanzen geeignet. In den nördlichen Teilen der Provinz, im Begierungsbezirk Bromberg, ist das Klima etwas rauher und die Yegetationszeit kürzer als im Regierungsbezirk Posen. Man 1

Meitzen 1. c. Bd. I. S. 240. K u j a w i e n , eine Wojewodschaft des ehemaligen Königreichs Polen; der Kreis Hohensalza bildet einen Teil derselben. 3 Meitzen 1. c. Bd. I. S. 241. 1 Meitzen 1. o. Bd. I. S. 242, 243. 2

1*

kann im allgemeinen sagen, daß dieser Unterschied zwei bis vier Wochen beträgt. Zwar sind etwa hierdurch verursachte Unterschiede in den Ernteerträgen kaum festzustellen; aber die Produktionskosten sind bei geringerer Yegetationsdauer entsprechend höher. Die jährliche Menge der Niederschläge ist in der Provinz Posen geringer als in allen anderen angrenzenden Landesteilen. Einen genauen Überblick über die klimatischen Verhältnisse der Provinz geben die Tabellen 3, 4 und 5. 1 Die Provinz Posen hat eine Flächenausdehnung von 29 000 qkm; sie erhält ihr Gepräge durch den landwirtschaftlichen Betrieb. Für die Entwicklung einer nicht landwirtschaftlichen Industrie fehlen die notwendigen Vorbedingungen, mannigfache Rohstoffe und billiges Brennmaterial. Nach den Erhebungen im Jahre 1893 waren 74,1 °/ 0 der Gesamtfläche landwirtschaftlich benutzt. Über die Arten der einzelnen Bodennutzungen und über ihren Umfang in den Jahren 1878—1900 gibt Tabelle 6 nähere Angaben. Man ersieht daraus, daß die Ausdehnung des Ackers in hohem Maße zunimmt, dagegen die Wiesen, Weiden und Forsten im allgemeinen zurückgehen. Die Haus- und Hofräume haben an Areal zugenommen, was auf die Parzellierung zurückzuführen sein mag. Eine nicht unbedeutende Bolle spielen in der Provinz Posen die Waldungen. Ihre Ausdehnung ist in den weniger fruchtbaren Kreisen besonders groß. So betragen die Forsten des Kreises Schwerin a. W. und Filehne, die einen ziemlich leichten Boden besitzen, fast die Hälfte des gesamten Areals. Dagegen besitzt der äußerst fruchtbare Kreis Mogilno nur 5 % Wald. 2 Die Provinz Posen hat zwei schiffbare Flüsse, die Netze und die Warthe. Die Netze verbindet durch einen Kanal die Weichsel mit der Oder und ist deswegen sehr verkehrsreich. Die Warthe dagegen hat für Schiffe nur unterhalb von Posen Bedeutung, da oberhalb der Stadt der Fluß oft versandet und schwer schiffbar zu erhalten ist. Was die Kunststraßen anbetrifft, so ist es mit ihnen zurzeit gut bestellt. Ihre Entwicklungsgeschichte im 19. Jahrhundert hängt eng mit dem Aufschwung des Haupterwerbszweiges, der Landwirtschaft, zusammen und soll deshalb hier näher erörtert werden. An Chausseen und gepflasterten Straßen war die Provinz Posen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sehr arm. Während im Jahre 1852 durchschnittlich im gesamten Königreich Preußen 1 km Chaussee auf 15,72 qkm Fläche und 922 Einwohner entfiel, kam im Großherzogtum Posen 1 km Chaussee auf 33,75 qkm und 1532 Einwohner. Diese Verhältnisse waren zu jener Zeit nur in Ost- und Westpreußen noch ungünstiger. 3 In der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts vermehrten sich die gepflasterten Straßen bedeutend. 4 Mit Eisenbahnen ist die Provinz Posen ebenfalls ziemlich gut versorgt. Sehr schnell nach dem Auftreten der Eisenbahnen in Preußen 1 8

S. Anhang. W e g e n e r I. c. S. 8.

2 4

Vgl. Tabelle 7. Vgl. Tabelle 8.

5



hat man sich bemüht, die Ostmarken des Reiches mit der Hauptstadt und dem Handelsmittelpunkte zu verbinden. Die Tabelle 9 gibt einen genauen Überblick über die Entwicklung der Eisenbahnen in der Provinz Posen. Außerdem besitzt die Provinz Posen 12 nebenbahnähnliche Kleinbahnen von verschiedenen Spurweiten, deren Gesamtlänge im Jahre 1908 786 km betrug. 1 Zwar ist die durchschnittliche Fahrgeschwindigkeit der Posener Eisenbahnen gering, es sei jedoch bemerkt, daß heutzutage die Anzahl der Kilometer der Eisenbahnen im Verhältnis zur Einwohnerzahl außerordentlich groß ist, — nach Westfalen und der Rheinprovinz die größte im Reiche. Was den Güterverkehr in unserer Provinz anbetrifft, so gibt Tabelle 10 den Güterverkehr der Station Posen an. Da nun Posen der Mittelpunkt des Handels dieser Provinz ist, so bietet diese Tabelle eine gewisse Übersicht über die Entwicklung des gesamten Güterverkehrs in der Provinz Posen.

L Geschichtlicher Teil. Erstes Kapitel.

Die Geschichte der Fosener Bauern bis 1815. Kolonisation. Die allmähliche Verschlechterang der bäuerlichen Verhältnisse. Die freiheitlichen und besitzrechtlichen Zustände der Bauern im 18. Jahrhundert. Polnische Beformen bezüglich der Bauern gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Die preußischen Reformen im Netzedistrikt und in Südpreußen. Die Lage der Bauern zur Zeit des Großherzogtums Warschau.

Seit frühester Zeit wurde in der Provinz Posen die Kolonisierung des unbewohnten Landes mit Einsassen und Fremden betrieben. Es wurden zur Urbarmachung und Besiedelung weiter, öder Flächen oft deutsche Kolonisten herangezogen, die manche Vorzüge den Eingesessenen gegenüber genossen. Diese neuen Ansiedelungen wurden nach deutschem oder nach holländischem Rechte angelegt, und es kam in späterer Zeit auch vor, daß in bereits bestehenden Kolonien deutsches Recht eingeführt wurde. 2 Mit der Zeit wird die Macht der Adligen immer größer. Der Gutsherr besetzt die Öden und erweitert dadurch seinen Besitz; sein Verhältnis zum Bauern wird allmählich das des Eigentümers zum Erbpächter. Der Adlige gibt das Land, das er sich in immer größerem Maße aneignet, gegen Abgaben, die in Geld oder Naturalien bestehen, ab. Mit der wachsenden Macht des Adels verschlechtert sich die Lage der Bauern. Die Dienstleistungen, die im 14. Jahr1

Dr. H e d i n g e r 1. c. S. 25. Graf S z o l d r s k i , Die landwirtschaftliche Entwickelung „Großherzogtum Posen" von 1772—1900. Posen 1903, S. 9ff. 2

der Provinz

hundert noch selten waren, werden mit der Zeit eine allgemein vorherrschende Einrichtung; auch die Natural- und Geldabgaben wachsen oft zu einer drückenden Last. Auf dem Reichstage in Koszyce im Jahre 1374 wurde dem Adel das Recht zuerkannt, alle Abgaben, die der Bauer an den Staat zu leisten hat, für sich einzuziehen. Durch die Verordnung des Königs Johann Albert wird der Bauer scholienpflichtig; es wird ihm das Recht entzogen, Land käuflich zu erwerben. Durch die Einführung der Patrimonialgerichtsbarkeit wird der Bauer vollständig der Willkür des Ritters preisgegeben. Ein Gesetz vom Jahre 1520 besagt, daß alle Bauern, ohne Unterschied ihrer sonstigen Privilegien und Freiheiten, verpflichtet sind, einen Tag wöchentlich für den Herrn zu arbeiten. Die Macht der Adligen wächst auch infolge des Aufblühens des Getreidehandels. Der freie und intelligente Ritter nutzt die günstigen Handelsverhältnisse im 14. und 15. Jahrhundert aus, wodurch er sich große Reichtümer erwirbt. Der Bauer kann an diesem Aufschwung nicht teilnehmen und bleibt arm. So kommt es, daß der Besitz des Adels, der im 14. Jahrhundert 1—2 Hufen 1 betrug, und den der Gutsherr selbst mit seinem Dienstpersonal bewirtschaftete, sich im 15. und 16. Jahrhundert bedeutend vergrößerte. P a w i f i s k i berichtet, daß noch am Anfang des 16. Jahrhunderts das bäuerliche Land größer war als der Adelsbesitz.2 Die Lustrationsbücher der großpolnischen Starosteien aus der Mitte des 16. Jahrhunderts berichten, daß das Verhältnis des Prädiums zum Bauernland 1:1 und 1:2, bei den Kirchengütern sogar 1 : 8 3 war. Dieses für die Bauern günstige Verhältnis änderte sich aber bedeutend. Einen Beweis dafür geben die Steuerlisten einer Reihe von Krön-, Kirchen- und Privatgütern, die in den Jahren 1586 und 1581 aufgestellt wurden. (Vgl. Tabelle 11.) Schon in dieser kurzen Zeit machte sich ein gewaltiger Rückgang des selbständigen bäuerlichen Besitzes bemerkbar. Die Zahl und Durchschnittsgröße der Bauernhöfe nimmt ab, dagegen vermehrt sich in großem Maße die Zahl der „hortulani" und „pauperi", d. i. der untertänigen Bauern, die gänzlich vom Gutsherrn abhängig sind. Die typische Form des Grundbesitzes ist das Dorf; es besteht aus zwei Teilen, dem Prädium, dem Besitz des Ritters und aus dem eigentlichen Dorfe, welches von Bauern bewohnt wird. 1 Der Begriff einer Hufe (Hube) ist durchaus kein einheitliches Flächenmaß. Es gab polnische, lithauische und kulmer Hufen. Aus dem Klassifikationsanschlag des Dorfes Sadki (Kr. Nakel) vom Jahre 1773 geht hervor, daß eine Hufe 30 Morgen umfaßte; in Radtowo (Kr. Hohensalza) wurde eine Hufe gleich 51 Morgen gerechnet. (Staatsarchiv zu Posen; Klassifikationsanschläge des Kammerdeputationsbezirks Bromberg.) Als Hufe wurde die Fläche bezeichnet, die z. B. zur Ernährung einer Familie ausreichte, oder die ein Mensch mit einem Gespann von 2 Ochsen bewirtschaften konnte. 2 P a w i n s k i , ¿rödia historyczne (Geschichtsquellen). Warschau 1883. Bd. XII. S. 70ff. 3 Encyklopedya roln. (Landwirtschaftliches Konversationslexikon). Warschau 1877. Bd IV. S. 564 ff.

7 Außerdem wohnen die Bauern in Hauländereien. Diese meist deutschen Gründungen sind Binzelhöfe, die mehr auseinanderliegen. Es herrschen jedoch die Dorfgemeinden vor und sind, wie in den meisten slawischen Landesteilen, geschlossene Dörfer. Es fehlte in den polnischen Dörfern irgend ein geordnetes Gemeindewesen; zwar gibt es in jeder Ortschaft einen Schulzen mit ein paar Gehilfen (Lawniks) und für mehrere, einem Güterkomplexe angehörige Dörfer, einen Woyt. Aber diese in der Regel vom Gutsherrn angesetzten Personen waren im Grunde genommen nichts als Lokalpolizeibeamte, Werkzeuge der Verwaltungsbehörden, und solche Würden galten nur als Last. Gemeindevermögen gab es nur selten; sogar der Schmied, Dorfwächter und Hirt wohnten meist in herrschaftlichen Gebäuden und mußten auch auf dem Gute arbeiten. Im 18. Jahrhundert stand in der heutigen Provinz Posen der gesamte bäuerliche Besitz zu dem herrschaftlichen in dem Verhältnis 1:4. In den übrigen Teilen Polens war dieses Verhältnis 3:4, und in Wölhynien und Podolien 4:5. 1 Daraus ist wohl einerseits auf die große Macht des Adels in Posen zu schließen, anderseits ist aber dieser verhältnismäßig geringe Bauernbesitz darauf zurückzuführen, daß der Boden in dem ältesten Kulturlande ertragreicher war, also dementsprechend die Hufe des Bauern kleiner bemessen wurde, als in den östlichen Teilen des Reiches. So geht aus Kaufverträgen hervor, daß z. B. um 1775 eine Flächeneinheit, die in der Nähe von Warschau durchschnittlich mit vier Gulden bezahlt wurde, in der Gegend von Rawitsch 2 vier Dukaten kostete. 3 Die verschiedenen Entwickelungsperioden des Bauernstandes ergaben im 18. Jahrhundert folgendes Bild seiner freiheitlichen und besitzrechtlichen Zustände : Es gab drei Arten von Bauern bezüglich ihrer p e r s ö n l i c h e n V e r h ä l t n i s s e und zwar freie, untertänige und leibeigene Bauern. 4 1. Die Zahl der p e r s ö n l i c h f r e i e n B a u e r n ist gering. Es sind dies die privilegierten „Scholtiseien" und „Wybranzen" der Krön- und seltener auch der privaten Güter. Auch die Hauländer oder Holländer, die meistens eingewanderte Deutsche waren, sind als persönlich frei anzusehen. 6 2. Die Domänenbauern, die nicht zu den privilegierten „Kmetones" gehörten, waren u n t e r t ä n i g . Auch die sogenannten „Okupnicy", 1

S. 100. 2

A. L i p i n s k a , Le Grand Duché de Posen de 1815—1830.

Paris 1911.

D. h. im südlichen Teile der heutigen Provinz Posen. Lipinska 1. c. S. 100. G r a v e n i t z , Der Bauer in Polen. Berlin 1818. S. 16ff. 6 Das von Kasimir dem Großen im Jahre 1347 erlassene Statut von Wislica unterscheidet in scharfer Weise die Rechte der eingesessenen und der eingewanderten Bauern. Ein auffallender Überrest der altdeutschen Einwanderung in Posen sind die noch heutzutage durch die eigenartige malerische Tracht der Frauen leicht erkennbaren Bamberger. Diese wurden im 18. Jahrhundert in den . bei Posen gelegenen und von der Pest verwüsteten Dörfern angesiedelt. Dr. Bär, Die Bamberger bei Posen. Posen 1882. S. öff. 3

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die ihr Land einst durch Kauf erworben hatten, gehörten zu dieser Kategorie. Ihre Leistungen waren fixiert und von keiner Willkür abhängig. Alle fünf Jahre wurden in sog. Lustrationen die Dienstleistungen aller untertänigen Bauern geprüft. Die Domänenbauern, die zu dieser Kategorie gehörten, standen sich insofern besser, als sie nur sehr geringe Abgaben und Dienste dem Starosten (Domänenpächter) zu leisten hatten und an einen ordentlichen Gerichtsstand bei den Referendariatsgerichten appellieren durften, was den anderen Bauern nicht zustand. Die Kinder dieser Kategorie mußten Zwangsgesindedienste leisten. 8. Die L e i b e i g e n e n waren an Zahl die bedeutendsten. Zu dieser Abart gehörten nur adlige Bauern, da diejenigen der Kronund Kirchengüter persönlich frei oder untertänig waren. Alle „iure polonico seu terrestri" angesessenen Bauern, die nicht den beiden oben angeführten Kategorieen angehörten, waren Leibeigene. Ihre Dienste und Abgaben entbehrten jeder Festsetzung, und allein der Gutsherr hatte über ihre Höhe zu bestimmen. Die Grundherren hatten die volle Gewalt über diese Bauern, da eine gerichtliche Instanz hier nicht bestand; der Herr hatte außer der niedern Gerichtsbarkeit sogar das Recht „vitae et necis". 1 Es stand zwar dem Bauern das Becht zu, sich loszukaufen, doch hatte der Gutsherr die Höhe des Lösegeldes zu bestimmen; kurz gesagt, der Bauer dieser Kategorie war im vollsten Sinne des Wortes leibeigen. Dies geht deutlich aus einem pohlischen Gesetzbuche hervor, in dem es u. a. heißt: „rustici autem, qui continua Servitute premuntur et fictione juris pro nullis habentur, ut antiquitus apud Romanos servi habebantur". 2 Die Herrschaft des Bauern über seine Stelle war verschiedener Art; entweder besaß der Bauer die Wirtschaft als voller Eigentümer, oder aber seine Rechte waren in größerem oder geringerem Maße beschränkt. Man kann die Stellenbesitzer in dieser Hinsicht in zwei große Gruppen einteilen, in die der Zins- und der Scharwerkshauern. Die Z i n s b a u e r n waren persönlich frei. Sie waren teils volle Eigentümer, teils Erbzinsleute und Emphyteuten. Die v o l l e n E i g e n t ü m e r hatten einen geringen Jahreszins an den Gutsherrn 1 Allerdings war dieses Recht durch keine Gesetzgebung dem Adligen zuerkannt. Im allgemeinen aber wird der Artikel IV der Akten der Warschauer Generalkonföderation von 1573 als ein solches Gesetz angesehen. In diesem heißt es, daß der Adlige ermächtigt sei, den ungehorsamen Untertanen nach s e i n e m E r m e s s e n zu bestrafen. Daß dieses Recht aber in Wirklichkeit ein Recht über Leben und Tod der Bauern war, beweist ein Bericht des zu jener Zeit lebenden Geschichtsschreibers K r o m e r , der folgendes schreibt: „Habent sane in eos domini vitae necisque potestatem." Andererseits aber besagt ein Gesetz vom Jahre 1581, daß der von einem Edelmann an seinem Untertanen verübte Mord mit einer Geldstrafe von 30 grzywny gebüßt werden soll. Dieses Wehrgeld wurde im Jahre 1631 auf 100 grzywny erhöht. In Lithauen waren die diesbezüglichen Vorschriften bedeutend schärfer. Vgl. K o r z o n , Wewnetrzne dzieje Polski (Die inneren Zustände in Polen), Krakau 1882. Bd. I. S. 354f. Man ersieht daraus, daß das „ius vitae et necis" im Widerspruch mit diesen Gesetzen stand. 2 Z a l a s z o w s k i , Ius regni Poloniae. 1702.

zu bezahlen. Sie hatten das volle Verfügungsrecht über ihre Stellen, nur mußte bei Besitzwechsel ein laudemium oder mortuarium an den Gutsherrn entrichtet weiden. Die E r b z i n s l e u t e waren ihren Besitzrechten nach den vollen Eigentümern fast gleich. Nur hatten sie außer dem Jahreszins geringe Dienste an das Gut zu leisten. Die Hauländer, Wybranzen und Scholtiseien waren Erbzinsleute, soweit sie keine Emphyteuten waren. Schließlich gehörten dieser Kategorie die Bauern an, die sich Eigentumsrechte käuflich erworben hatten. Die E m p h y t e u t e n erhielten ihre Stellen erblich auf eine bestimmte Reihe von Jahren (30—70) oder eine bestimmte Anzahl von Generationen. Im übrigen waren ihre Besitzrechte dieselben wie die der Erbzinsleute. Die S c h a r w e r k s b a u e r n hatten in der Regel Dienste, mitunter aber auch Geld- und Naturalabgaben an den Gutsherrn zu leisten. Sie waren entweder erbliche Bauern ohne Eigentum, Zeitpächter oder Erbpächter oder Besitzer auf unbestimmte Zeit, und schließlich Lassiten, welche stets Untertan oder leibeigen waren. Die E r b p ä c h t e r hatten ähnliche Rechte wie die Erbzinsleute; jedoch hatten sie mehr Dienste und Abgaben zu entrichten. Ihre Stellen Waren nicht frei verkäuflich. Der Besitzwechsel bedurfte der Genehmigung des Gutsherrn; diese mußte sogar bei der Erbfolge eingeholt werden, falls die Besitzer nicht persönlich frei waren. Die Z e i t p ä c h t e r oder Kontraktbauern entsprechen sozusagen den Emphyteuten der vorigen Abart. Jedoch gehören bei den Stellen der Zeitpächter Hof und Inventar meistens dem Ritter, woraus seine Unterstützungspflicht hervorgeht. Zu dieser Kategorie gehören alle Bauern der Krön- und Kirchengüter, sofern sie nicht besondere Privilegien besaßen. Schließlich gab es noch B a u e r n auf u n b e s t i m m t e Z e i t , die ganz ohne Kontrakt waren. Dies waren die leibeigenen Bauern, pie hatten weder Erbrechte noch sonst Besitzrechte. Bei dieser Einteilung der persönlichen Verhältnisse und der Besitzrechte der Bauern sei jedoch bemerkt, daß in vielen Fällen eine strenge Scheidung zwischen den einzelnen Kategorien nicht durchzuführen ist. Bei der Verworrenheit der polnischen Rechtsverhältnisse im 18. Jahrhundert, andrerseits aber auch bei dem in Polen vorherrschenden Gewohnheitsrechte kommen in vielen Fällen Zwischenstufen vor, die die Merkmale mehrerer Kategorien aufweisen. Der Größe ihrer Besitzungen nach kann man die Posener Bauern zur Zeit des Königreichs Polen in drei Klassen einteilen: In Großoder Ganzbauern, Halbbauern und Viertelbauern. Die G r o ß b a u e r n hatten einen Besitz von etwa 7 Hufen Acker, außer Wiesen und Hutungen. Die Lustrationstabellen bezeichneten mitunter diejenigen Bauern als Großbauern, deren Aussaat im Winterlande mindestens 12 Sack betrug. Bei den Vorberatungen des Gesetzes von 1823 wurde im Staatsrat sogar die Angabe gemacht, da£ die Größe der Ganzbauernstellen in der Provinz Posen sich durchschnittlich auf 33 Berl. Scheffel Aussaat in jedem Felde belaufe

10 Das Inventar betrug 4 Pferde, 4 Ochsen und 3—4 Kühe. Die Großbauern der adligen Güter erhielten das lebende und tote Inventar vom Gutsherrn. Die Pferde, zu denen ein Knecht (Fornal) gehalten wurde, verrichteten den Frohndienst. Der Großbauer brauchte an Arbeitskräften etwa 6 Gesindepersonen, welche sich aus der Zahl der dienstpflichtigen Bauernkinder ergänzten. Die Größe der Stellen der H a l b b a u e r n — und kleinen Gespannbauern — war zwei bis vier Hufen. Die Y i e r t e l b a u e r n besaßen 1-—IV2' die Gärtner und Büdner 3 / 4 Hufen. Außerdem gab es noch Bezeichnungen wie Hüfner, Halbhüfner, Meier, Halbmeier u. a., die jedoch nicht immer dasselbe bedeuteten. So gestalteten sich die Verhältnisse der Bauern im 17. und 18. Jahrhundert. Der Bauer war größtenteils willen- und rechtlos, sein Schicksal lag vollständig in der Hand des Adels. Erst im 18. Jahrhundert durchschauten einige verständig denkende Männer die Gefahren einer solchen Sozialpolitik. Der Exkönig und Kronprätendent Stanislaus Leszczyiiski wandte sich in seiner denkwürdigen Schrift „Gtos wolny" („Freie Stimme") an den Adel mit dem Ersuchen, die Lage der Bauern zu bessern. 1 Der erste Versuch in dieser Hinsicht ging vom E a t der Stadt Posen aus, der im Jahre 1773 in den ihm gehörenden Dörfern die Bauern als persönlich vollkommen frei erklärte und ihre Frohndienste in Geldabgaben umwandelte. 2 Ihm folgten in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts das Kloster zu Mogiia bei Krakau, der Kanzler Chreptowicz, die Fürsten Czartoryski, Oginski, Massalski, Poniatowski, die Herren Przebendowski, Tyzenhaus, Andreas Zamoyski, Stanislaus Potocki, Malchowski, Krasifiski. 3 Im Jahre 1768 kam ein Gesetz zustande, das dem Gutsherrn das Eecht über Leben und Tod seiner Untertanen entzog. Im Falle eines Verbrechens sollte der Bauer den Land-, Grod- oder Stadtgerichten überwiesen werden. Der Adlige sollte nun für einen an seinen Untertanen verübten Mord nicht mit einem Wehrgelde, sondern mit dem Tode bestraft werden.4 Auf Anordnung des Königs wurde vom Grafen A n d r e a s Zam o y s k i ein Gesetzentwurf betreffend die Besserung der bäuerlichen Verhältnisse ausgearbeitet und dem Reichstage im Jahre 1780 vorgelegt. Hiernach sollten die Bauern einem allgemeinen und gleichen Rechte unterworfen werden. Alle sollten in vollem Maße die freiheit1 Glos wolny wolno&6 ubezpieczajacy. (Freie Stimme zur Sicherung der Freiheit.) 1733. S. lOOff. 2 Maciejowski, Historya wloscian i stösunköw ich politycznych, spölecznych i ekonomicznych w Polsce. (Geschichte der Bauern, ihrer ökonomischen und politischen Verhältnisse in Posen. Warschau 1874. S. 199ff.) 3 Krzyztopor, O urzadzeniu stösunköw rolniczych w Polsce. (Über die landwirtschaftliehen Zustände in Polen.) Posen 1859. S. 334f. 1 Klebs, Die Landeskulturgesetzgebung, deren Ausführung und Erfolge im Großherzogtum Posen. Berlin 1860. S. 37ff.



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liehen Rechte genießen, nur diejenigen, die festgesetzte kontraktmäßige Verpflichtungen an den Gutsherrn hatten, waren von demselben abhängig. Der Gesetzentwurf endet mit den Worten: „Da unser Bauernstand in großer Bescheidenheit lebt, nicht die geringste Ahnung hat von Pflichten gegenüber Gott, den Mitmenschen und sich selbst, so daß fast jeder von ihnen ein schlechter Christ, sittenlos und ein wenig fleißiger Wirt ist, so verlangen es die Religion und das Gemeinwohl, daß die Leute dieses Standes nicht länger in dieser Einfalt beharren; wir schlagen deshalb vor, daß in jedem Kirchspiel bei der Kirche eine Pfarrschule errichtet werde". — Der Reichstag lehnte jedoch diesen Gesetzentwurf ab. 1 Während des sogenannten vierjährigen Reichstages (1788—1792) wurde die Reform der bäuerlichen Verhältnisse ebenfalls behandelt. Es entwickelte sich in dieser Hinsicht eine lebhafte Polemik. Hervorragende Männer traten mit lobenswerten Vorschlägen auf: S t a s z y c verlangte für die Bauern persönliche Freiheit und eigene Gerichtsbarkeit, Ko-Mataj und K a r p die Regelung der Dienstverhältnisse durch neue Kontrakte, — Inventaríen — , S t r o y n o w s k i u. a. sprachen für die Förderung der Volksbildung und Landeskultur. Die Konstitution vom 3. Mai 1791 entsprach in dieser Hinsicht nicht vollständig den Forderungen der großen Patrioten. Dennoch aber brachte sie folgende wichtige Reformen: Die Bauern sind Staatsbürger und stehen unter dem Schutze der Gesetze; die Schenkungen und günstigen freien Verträge, die den Bauern zu teil werden, dürfen nicht mehr rückgängig gemacht werden; es wird allen Bauern, die früher entlaufen oder ausgewandert sind und nach ihrer Heimat zurückkehren wollen, die persönliche Freiheit zugesichert. Die Vorbereitungen zu neuen Gesetzen, die zugunsten der Bauern erlassen werden sollten, wurden durch den Krieg mit Rußland und die Targowicaer Konföderation unterbrochen. Schließlich wurde im Jahre 1794 vom Generalissimus T h a d d ä u s K o s c i u s z k o ein Manifest erlassen, wodurch den Bauern die persönliche Freiheit, das Freizügigkeitsrecht, das Nießrecht des Grund und Bodens auf ewige Zeit gegen mäßige Dienste oder Geldzins, endlich eigene Gerichte und Schulen zuerkannt wurden. Die kurz darauf folgende dritte Teilung Polens verhinderte die Durchführung dieses Manifestes. Mit dem Ende des polnischen Reiches fällt das Los der Posener Bauern in die Hände der preußischen Regierung. Wie schon erwähnt, kam ein Teil der heutigen Provinz Posen bei der ersten Teilung Polens im Jahre 1772 an Preußen. Durch ein kurz darauf erlassenes Notifikationspatent wurde in diesem Bezirke das preußische Landrecht von 1721 an Stelle des geltenden „ius polonicum seu terrestre" und „ius teutonicum seu magdeburgense" eingeführt. Die Leibeigenschaft wurde 1773 aufgehoben. Die Behörden wurden angewiesen, Klassifikationsanschläge von jedem Dorfe aufzustellen, die ein genaues 1

K r z y z t o p o r 1. o. S. 333 ff.

12 Bild der bäuerlichen Verhältnisse ergeben sollten. Auch wurden Fragebögen, Informationsprotokolle an die Distriktskommissarien versandt, die ebenfalls die bäuerlichen Verhältnisse zu schildern hatten. An Stelle der Klassifikationsanschläge wurden nach der zweiten Teilung Polens sog. Historische oder Prästationstabellen aufgestellt; diese beschrieben auf das eingehendste die bäuerlichen Wirtschaften. Es wurde die zur Aussaat gelangende Menge der einzelnen Getreidearten festgestellt, ferner der Ertrag an Heu. Die Zahl der Haustiere, ja sogar der Bienenstöcke wurde auf das genaueste bestimmt, und die Abgaben und Dienste nach ihren einzelnen Abarten aufgezeichnet. (Vgl. Tabellen 12 und 13.) Nach diesen Maßnahmen wurden Normen festgesetzt, die bei der Auflösung der Dienstverhältnisse die Höhe des Lösegeldes bestimmen sollten. Ein Gesetz vom Jahre 1773 verordnete, daß alle gutsherrlichbäuerlichen Verhältnisse durch Kontrakte fixiert sein sollten, wodurch die Willkür des Gutsherrn stark eingeschränkt wurde. Von besonders großer Wichtigkeit für den bäuerlichen Besitz, der in der letzten Zeit der polnischen Oberhoheit stark im Rückgänge sich befand, war das Gesetz von 1789, das im Netzedistrikt den „Bauernschutz" einführte: Es wurde dem Grundherrn bei einer Strafe von 100 Dukaten verboten, Bauernhöfe einzuziehen; die zahlreichen wüst liegenden Höfe sollten durch Vermittelung des Gutsbesitzers wieder mit Bauern besetzt werden. 1 In der neu geschaffenen Provinz Südpreußen werden sofort nach der Besitzergreifung Bestimmungen über die bäuerlichen Verhältnisse erlassen: Die Leibeigenschaft und Patrimonialgerichtsbarkeit hört auf; ein allgemeiner gleicher Rechtsschutz wird eingeführt. Ein Edikt vom Jahre 1800 verbietet dem Grundherrn Gewaltdienste, sog. Tioki, abzuverlangen, zu denen die Bauern nicht verpflichtet sind; dies setzte einer sehr verbreiteten Willkür ein Ende. Es wurden noch einige Gesetze, die das Wohl der Bauern beabsichtigten, vorbereitet, vor allem für die Teile der Provinz, die erst seit 1793 zu Preußen gehörten; doch verhinderte die Besetzung Posens durch französische Truppen im Jahre 1806 ihre Ausführung. Die bäuerlichen Verhältnisse in dieser Zeit gestalteten sich folgendermaßen : Die vollen Eigentümer auf den Domänen erfreuen sich eines gewissen Wohlstandes, was daraus zu ersehen ist, daß bei Beratungen über die Besserung der bäuerlichen Zustände diese Klasse der Bauern nicht in Betracht gezogen wird. Die Leistungen der Domänenbauern waren schon unter polnischer Herrschaft in sog. Lustrationstabellen festgesetzt. Letztere wurden von der polnischen Regierung geprüft, welche die Dienste auf ein sehr geringes Maximum 1 Ein Zeitgenosse, B e h e i m - S c h w a r z b a c h , berichtet, daß allein in dem kleinen Netzedistrikt ungefähr 15 ganze Dörfer und Vorwerke, 43 Bauernstellen auf dem Lande und 457 in den kleinen Ackerstädten unbesetzt waren. ( B e h e i m - S c h w a r z b a c h , Der Netzedistrikt zur Zeit der ersten Teilung Polens. Zeitschrift der historischen Gesellschaft für die Provinz Posen. Bd. VII S. 197 ff.)

18 reduziert. Da nun den Domänenbauern das Ablösungsrecht zustand, so nutzten sie ihren Wohlstand zu diesem Zwecke aus und lösten ihr Untertänigkeitsverhältnis und ihre Dienste ab. Sie traten dann mit dem Gutsherrn in ein reines Dienstverhältnis. Im Jahre 1806 waren bäuerliche Dienste auf den Domänen sehr selten. Die Yerhältniszahl der Domänen*- zu den Privatbauern ist nicht genau festzustellen; es wird uns aber von T h o m a 1 berichtet, daß im Jahre 1818 im Regierungsbezirk Bromberg auf 8200 der vorhandenen Bauemwirte, 3600 ihre Grundstücke eigentümlich oder zu Erbpacht oder Erbzins besaßen, während 4600 zur Kategorie der Laß- und Pachtbauern oder Emphyteuteri gehörten. 2 Die Bauern auf den Rittergütern standen sich bedeutend schlechter als die Domänenbauern. Insbesondere hatten die adligen Zinsbauern außer dem Zins häufig noch Naturalabgaben und Dienste zu leisten und auch Gewaltdienste (Tioki) kamen vor. Am schlimmsten aber war es mit den Scharwerksbauern der adligen Güter bestellt. Ihre Leistungen wurden mitunter der Zahl nach festgesetzt dies verhinderte aber keineswegs eine Erweiterung derselben. In der Regel aber besaßen sie keine Kontrakte und waren Leibeigene ihres Herrn und Besitzers auf unbestimmte Zeit. Ihre Lage war deshalb auch besser oder schlimmer, je nachdem der Adlige seine Herrschaftsrechte härter oder milder handhabte. So gestalteten sich die Verhältnisse der Posener Bauern, als die Provinz durch den Tilsiter Frieden dem Großherzogtum Warschau einverleibt wurde. Die Verfassung dieses neugeschaffenen Landes vom 22. Juli 1807 hebt die Leibeigenschaft (esclavage) auf. 3 4 Eine Verordnung vom 21. Dezember d. J. besagt, daß nicht bloß die Leibeigenschaft im Sinne der Sklaverei, sondern auch die Untertänigkeit beseitigt sei. Zwangsgesindedienst, Gebundenheit an die Scholle (glebae adscriptio), Loskaufgelder und dgl. hörten jetzt auf und es gab nur noch freie Leute. 5 Wohl mußte aber der Bauer das dem Herrn gehörige Inventar zurückgeben, soweit er nicht nachweisen konnte, daß er es durch Unglück, Seuchen, Brand usw. verloren hatte. Der § 3 dieser Verordnung bestimmt, daß es jedem Ackerwirte, Landmann oder Tagelöhner, der an seinem jetzigen Aufenthaltsorte bleiben wolle, völlig freistehe, noch ein Jahr fortzuwohnen, wenn er dieselben Verpflichtungen erfülle, die ihm bis jetzt oblagen, und daß der Erbherr nicht ermächtigt sei, ihn zum Abzüge zu nötigen, oder irgendeine Art der bisher erfüllten Verpflichtungen zu erhöhen.6 1

A. Thoma, Uber die Verhältnisse der bäuerlichen Einsassen im Großherzogtum Posen. Berlin 1818. S. 87ff. 2 Grossmann, Die Vererbung des ländlichen Grundbesitzes in der Provinz Posen. Serings Annalen Bd. XIII S. 7ff. 3 K l e b s 1. c. S. 42. 4 Thoma 1. c. S. 100. 6 K n a p p , Die Bauernbefreiung und der Ursprung der Landarbeiter. Leipzig 1887, Bd. I. S. 2Üöff. 8 K r z y z t o p o r 1. c. S. 340ff.

14 Alle späteren Beziehungen zwischen Bauern und Herren sollten durch einen Kontrakt festgesetzt werden, der vor einer vom Gerichte approbierten Person abzuschließen war. Hierdurch wurde den Bauern ein Berater gegeben und auf den Gutsbesitzer der Druck ausgeübt, die Lasten herabzusetzen und die Bauern nicht auszunutzen. Wenn nun die Parteien nicht zu einem Übereinkommen gelangten, so konnte der Herr eben nach Ablauf der vorgeschriebenen Frist den Bauern exmittieren, was um so leichter durchzuführen war, als die Bauernstellen nicht wieder besetzt werden mußten und dem Gute oder den Nachbarstellen zugeteilt werden konnten. Der bisher bestehende Bauernschutz hört auf, und es entsteht dadurch die Gefahr einer Minderung des Bauernbesitzes. Jedoch hat sich bis 1815 das Bauernlegen, d. h. das Einziehen von bäuerlichen Stellen, nicht besonders bemerkbar gemacht. Daß die Summe der gegenseitigen Verpflichtungen sich so wenig geändert hat, ist auch wohl darin begründet, daß der Bauer teilweise sich gar nicht seiner neu erlangten Freiheit bewußt war. Die Behörde, die ihm das hätte klarlegen sollen, wurde durch den Gutsbesitzer repräsentiert, der meistens auch Gemeindevorsteher war; und in seinem Interesse lag es wohl, die Bauern zu behalten, da er ohne Frohndienste nicht zu wirtschaften verstand. 1 Im Netzedistrikt, wo sich die Bauern ihres Freizügigkeitsrechtes mehr bewußt waren, ist auch eine beträchtliche Minderung der bäuerlichen Lasten erfolgt. Einen Hinweis darauf gibt ein Antrag aus dem Kreise der Gutsbesitzer bei den Beratungen der Bromberger Gesetzeskommission im Jahre 1818, in dem es heißt, daß bei den zukünftigen Ablösungen die Dienste und Lasten der bäuerlichen Stellen nach dem status quo von 1806 beurteilt werden möchten, da diese seitdem fast sämtlich herabgesetzt worden sind. 2 Es wurde vom Staate das Projekt eingebracht, den Scharwerksbauern Eigentumsrechte zuzuerkennen. Die Interessen der Gutsherren und Bauern traten sich hierbei scharf entgegen. Es fürchteten viele, daß sie nicht genug entschädigt werden würden, daß der Staat durch diese Einmischung in die Eigentumsrechte sogar den Bauern, die nicht selbständig zu wirtschaften verstanden, Schaden bringen könnte. Ein drohender Mangel an Arbeitskräften und eine zwangsweise, kostspielige Umwälzung der Wirtschaftsweise riefen eine Panik hervor. Am 1. Mai 1808 wurde der Code Napoléon im Herzogtum Warschau eingeführt; da er aber nur allgemeine Vorschriften ohne Unterschied der einzelnen Stände enthält und den lokalen Verhältnissen nicht angepaßt war, so änderte er an den gutsherrlich bäuerlichen Verhältnissen wenig. Im Jahre 1813 wurde das Herzogtum durch russische Truppen 1

Guradze, Der Bauer in Posen. Halle a/Sa. 1898. S. 333. D ö n n i g e s , Die Landeskulturgesetzgebung Preußens. Berlin Bd. I. S. 317. 2

1842.

15 besetzt, die provisorische Regierung beabsichtigte zwar, verschiedene Reformen im Lande einzuführen, doch kamen diese bis 1815, wenigstens was die bäuerlichen Verhältnisse anbetrifft, kaum zur Geltung. Durch den Wiener Kongreß kam Posen unter dem Namen „Großherzogtum Posen" wieder an Preußen. In kultureller Hinsicht hatte die Warschauer Regierung trotz besten Willens gar nichts tun können. Die bäuerliche Bevölkerung befand sich auf einer äußerst niedrigen Bildungsstufe; es gab 1815 im Regierungsbezirk Posen 164 Dorf- und Stadtschulen, im Regierungsbezirk Bromberg war ihre Zahl etwas größer. 1 Auf den Gütern der großen Magnaten, die stets im Auslande oder in der Landeshauptstadt wohnten, war die Lage der Bauern, die der Willkür der Kommissarien ausgesetzt waren, am schlimmsten. Viel besser war es schon um die Bauern der kleinen adligen Güter bestellt, wo der Ritter selbst mit seinen Untertanen in Berührung kam und oft ein sozusagen patriarchalisches Verhältnis zwischen dem Dorf und dem Schlosse bestand. Jedenfalls aber waren die Abgaben und Dienste eine schwere, die Entwicklung des Bauernbesitzes hemmende Last. Wie schon erwähnt, waren diese Verpflichtungen bei den Domänen- und adligen Zinsbauern ziemlich gering. Die adligen Scharwerksbauern wurden mitunter sehr schwer belastet. Sie mußten —6 Tage in der Woche für den Herrn arbeiten, ein- oder mehrfach Spann- oder Handdienste leisten, je nach der Größe ihrer Stelle. Auch bediente man sich der Bauern bei dem Mangel an Verkehrsmitteln zur Beförderung von Waren; in den Prästationslisten findet man oft Fuhren eingetragen, die der Bauer ein oder mehrere Male im Jahre auszuführen hatte. Wie niedrig hierbei die Arbeitskräfte des Bauern und seiner Gespanne taxiert wurden, ersieht man aus einer Lustrationstabelle des Kirchenguts Stalun in der Herrschaft Betsche (Kr. Meseritz) vom Jahre 1798.2 Darin heißt es, daß der Schulze Burg unter anderem verpflichtet sei, zweimal jährlich im gutsherrlichen Dienste nach Bromberg zu fahren (eine Entfernung von etwa 180 km) und daß er das Recht habe, diese Pflicht mit einem Zins von 2 Gulden und 2 Groschen abzulösen. Es wurde also eine Reise von mehreren Tagen auf 1 Gulden 1 Groschen taxiert! Die Geldabgaben sind nur bei den besser situierten Bauern üblich, die ärmeren Bauern bekamen bares Geld nur selten zu Gesicht, und so zahlten sie ihre mitunter sehr hohen Abgaben in Naturalien. Eine Inventar-Tabelle zeigt folgende Verpflichtungen eines Scharwerksbauern: Es waren zu liefern außer einem das ganze Jahr hindurch zu stellenden doppelten Scharwerk mit Gespann und Hand: 4 Hühner, 1 Gans, 20 Eier, 2 Stück Garn, 2 Pfund Federn. Als Entgelt für seine Leistungen erhielt der Bauer folgende Güter, auf Grund von Dokumenten oder Gewohnheitsrechten, je nachdem er ein voller Eigentümer oder ein Scharwerksbauer war: 1 2

Klebs 1. c. S. 72ff. Archiv des Domkapitels zu Posen: Lustrationstabellen.

Jahrgang 1798.

16 1. Acker. Die Herrschaft des Bauern über denselben war verschiedener Art und hing mit den jeweiligen Rechten zusammen, die oben erläutert wurden. 2. Freie Weide auf Öden, Mooren, Brachen und im Walde, ferner auf Wiesen, ganz im Frühjahr, auch nach der Heuernte. 3. Freies Brennmaterial, freies Holz für Bauten, Hecken,, Geräte usw. 4. Die Scharwerksbauern erhielten beim Beziehen der Stelle ein lebendes und totes Inventar. 5. Ersatz von Steuern. 6. Aushilfe im Falle von Mißernten, Hagel, Feuer, Krieg usw. Es ist merkwürdig, daß die Bauern eines Dorfes nicht dieselben Pflichten und Rechte besaßen, sondern es herrschte in dieser Hinsicht eine große Mannigfaltigkeit. Dies ist wohl auch dem Gewohnheitsrechte zuzuschreiben, das in Polen sehr beliebt war und das zufällige Änderungen des ursprünglichen Vertrages zur Regel machte. In den Lustrations-Tabellen kommen die verschiedenartigsten Klassen der Bauern vor und nur selten findet man, daß eine Tabelle nur 2 oder 3 Bauernklassen aufzeichnet. Ein deutliches Beispiel dieser Mannigfaltigkeit der bäuerlichen Dienstverhältnisse innerhalb derselben Herrschaft bietet die Lustrations-Tabelle der Herrschaft Potajewo, in der elf verschiedene Bauernklassen unterschieden werden, und zwar: Zinsbauern, die teils Hauländer, teils sonstige Freibauern sind, weiter Gespannbauern, Ein-, Zwei- und Dreitägner, großkossätische Gespannbauern, großkossätische Halbbauern, Kleinkossäten, Büdner und Einlieger. Zweites Kapitel.

Die Landwirtschaft der Posener Bauern am Anfang des 19. Jahrhunderts. Dreifelderwirtschaft.

Haustiere.

Häuser.

Geräte.

Jährliche Einnahmen.

Bei der Besitzergreifung des Großherzogtums Posen durch die preußische Regierung im Jahre 1815 befand sich die Landwirtschaft dieser Provinz in einem sehr ungünstigen Zustande. Die vielen Kriege und Unruhen, deren Schauplatz dieses Gebiet gewesen, die ungeheueren Steuern, die Napoléon dem Herzogtum auferlegt hatte, dies alles bewirkte, daß bei der preußischen Besitzergreifung die Landwirtschaft und vor allem die bäuerliche, sich wenig erfreulich gestaltete. Der Boden, die einzige Einnahmequelle dieser Provinz, konnte den großen an ihn gestellten Anforderungen nicht entsprechen, und so machte sich hier und da große Armut peinlich bemerkbar. In dieser Zeit herrschte durchweg die Dreifelderwirtschaft: auf Wintergetreide folgte Sommerung, nach ihr Brache. Dieses System, das den Römern schon bekannt war und in Nordeuropa durch Karl den Großen eingeführt wurde, kam mit der Kultur des

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Westens nach Polen. Der Acker eines Dorfes wurde in drei gleiche Teile geteilt, und jeder Bauer hatte an diesen Feldern seine Anteile. Unglücklicherweise war die Besitzung eines Bauern nicht ein zusammenhängendes Grundstück, sondern es lagen Streifen und Beete verschiedener Bauern durcheinander gemischt. Dies erschwerte die Bewirtschaftung, erheblich und führte oft zu Zwistigkeiten; nur bei der Brache machte diese Zerstückelung keine Schwierigkeiten, da die Brache stets gemeinsame Weide war. Die fruchtbare Ackerkrume war 5—10cm tief. Die damaligen schwachen, unvollkommenen Geräte ließen ein tieferes Pflügen nicht zu. Der Boden war nicht entwässert; man teilte deshalb, um den Pflanzen einen trockenen Standort zu verschaffen, das Feld in hochaufgeworfene Beete, die 30 Buten 1 lang und 4 oder mehr Furchen breit waren. Zwischen den einzelnen Beeten waren Furchen vorhanden, die das Wasser aufnahmen. Außerdem wurden Wasserfurchen („przegony") gezogen, die das Wasser der kleinen Furchen nach den Gräben leiteten. Letztere waren besonders zahlreich und sie waren unentbehrlich, weil sie das Wasser der Felder in die Bäche und Flüsse leiteten. Aber es gab auch viele Gräben, deren Existenz dem Zwecke nicht entsprach, denn sie hatten kein genügendes Gefälle, waren oft verwachsen und verweht, und erfüllten nicht genügend ihre Aufgabe. Die vielen Gräben gaben den Feldern die mannigfachsten Formen, und die Bewirtschaftung wurde noch dadurch erschwert, daß unendlich viele Steine, die kaum jemals weggeschafft wurden, den Acker bedeckten. Vor allem hatten die bündigen Lehmböden unter Nässe zu leiden. Besser waren in dieser Hinsicht die in der Provinz häufigen gemischten Böden. Infolge der großen Feuchtigkeit des Bodens war die Vegetationsdauer der Kulturpflanzen etwas kürzer. So wurden die ersten Frühjahrsarbeiten erst Anfang oder Mitte April begonnen, je nach der Bündigkeit des Bodens, und die Saaten dauerten bis Mitte Mai. Das Wachstum der Wintersaat wurde ebenfalls durch die Feuchtigkeit des Bodens erheblich gehemmt. So kam es denn, daß man sich zu Anfang des vorigen Jahrhunderts mit einem Ernteertrag begnügte, der uns heute unwahrscheinlich gering erscheint. Aus allen Klassifikationsanschlägen des südpreußischen Regierungsdepartements ist zu ersehen, daß der Ernteertrag in den Bauernwirtschaften durchschnittlich 3—3x/2 Körner betrug. Nur auf sehr fruchtbaren Böden betrug die Ernte 4—41/2 Körner; der kujawische Boden brachte sogar 5—6 Körner, doch gehörte dies bei den Bauern zu den größten Seltenheiten. Fast durchweg bezeichnen die Klassifikationsanschläge die Ernteerträge der bäuerlichen Wirtschaften mit 3—31/2 Körnern. 2 1 1 Rute = ca. 3 3 / 4 m. Das Längenmaß von 30 Ruten ist unter den Posener Bauern zu einem festen Begriff geworden; noch heutzutage bedeutet „eine Furche Kartoffeln im Felde" stets eine Furche von 30 Ruten Länge. 2 Kgl. Staatsarchiv zu Posen. W. P. Z. Kammerdeputationsbezirk Bromberg. XII. Klassifikationswesen.

v. J a c k o w s k i , Der Bauerabesitz in Posen.

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Die Stroherträge auf dem nassen Boden waren verhältnismäßig groß. Die kleinen dürftigen Ähren enthielten wenig Körner und ihr Gewicht war gegenüber dem des Halmes gering. (Yergl. Tabelle 14.) Die Folge war, daß das Stroh einen wichtigen Faktor in der Landwirtschaft darstellte. (Yergl. Tabelle 15.) Was die Futtergewächse anbelangt, so wurden diese, wie schon erwähnt, am Anfang des vorigen Jahrhunderts bekannt. Sehr große Dienste in dieser Hinsicht hat sich der kgl. ökonomische Verein Südpreußens erworben. Aus den Jahresberichten dieses Vereins ersehen wir, daß er stets bemüht war, den Wohlstand der Bauern zu heben und sie dazu zu bewegen, die brachliegenden Felder mit Futtergewächsen zu besäen. Ein Vortrag des Landrats von Haza-Radlitz-Lewice, der im ökonomischen Verein am 1. März 1803 gehalten wurde, behandelte „Vorschläge betreffend die Verbesserung der Verhältnisse unserer Bauern durch Anbau von Futtergewächsen und ständiges Halten des Viehes im Stalle" 1 . Darin heißt es, daß in Gegenden, die arm an Wiesen sind, und wo deshalb die Brache als Weide dienen muß, sich die Zahl der Tiere nicht vergrößern läßt. Will nun der Bauer mehr Vieh halten, so soll er einen Teil der Brache mit Futterpflanzen, Klee und Wicken besäen. Dabei erwähnt der Referent, daß die Kartoffel viel von Bauern auf der Brache gebaut wird. — Diese Futterpflanzen sollen in Ställen, die mit Koppeln versehen sind, verfüttert werden. Dadurch wird ein fettes Vieh und viel Dünger gewonnen. Es wird dadurch die Kultur des Bodens gesteigert, und durch den Anbau von Futterpflanzen auf der Brache der Wirtschaftsbetrieb des Bauern intensiver und ertragreicher. Ein anderer Vortrag 2 empfiehlt ebenfalls den Anbau von Futtergewächsen. Man behauptet darin, daß der Anbau eines Hafer- und Wickegemenges am vorteilhaftesten ist. Auf Böden, die für Klee geeignet sind, soll man nicht reinen Klee, sondern ein Gemenge von Klee, Hafer und Wicke anbauen, wodurch ein gutes Sommerfutter für das Vieh erzielt wird. Für den Winter sind vor allem Kartoffeln, Kohl und Rüben zu empfehlen, weil sie nahrhaft sind und namentlich nach Brache gut gedeihen. Damit aber nachher in diesem Falle der Roggen gut gedeihe, müssen diese Hackfrüchte spätestens 14 Tage vor St. Michaelis (29. September) geerntet sein. Man ersieht also, daß man durch den Anbau von Hackfrüchten in der alten Dreifelderwirtschaft Änderungen vorzunehmen begann. Die neue Fruchtfolge ist: Winterung, Sommerung, Brache, davon die Hälfte gedüngt und die Hälfte mit kleeartigen Futterpflanzen oder Hackfrüchten bebaut. Auf diese Weise wurde jedes Feld alle sechs Jahre gedüngt. Diese Neuerungen entstanden dadurch, daß man danach trachtete, 1 R o c z n i k Krölewskiego Towarzystwa ekonomicznego Prus Poludniowyoh. (Jahresbericht des kgl. ökonomischen Vereins Südpreußens.) Posen 1806. S. 45ff. 2 R o c z n i k Kröl. Tow. ekon. 1. c. S. 73 ff.

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mehr Vieh zu halten. 1 Die Viehhaltung war in dieser Zeit im allgemeinen recht mangelhaft. Von einem Züchtungssystem war nicht die Rede, die Rittergüter hatten selten gutes Zuchtmaterial zur Ver= fügung, und was die Bauern anbetrifft, so hatten diese keine Ahnung vom Züchten und produzierten Tiere von elendem Aussehen. Das Rindvieh der Posener Landrasse war durchaus nicht großwüchsig. Daß das Gewicht des bäuerlichen Rindviehs nicht besonders hoch war, ist daraus zu ersehen, daß gegen Ende der dreißiger Jahre nach den Gewichtsangaben der schlachtsteuerpflichtigen Städte, das Durchschnittsgewicht eines Ochsen 418 Pfund und das einer Kuh 289 Pfund betrug. 2 Die Tiere hatten einen krummen Rücken, eine spitze Brust und lange Extremitäten. Ein langes struppiges Haar und ein äußerst elendes Aussehen deuteten auf den ständigen Aufenthalt im Freien und schlechte Ernährung. 3 Die Zugochsen, denen das Joch sehr früh aufgelegt wurde, blieben schwach und wenig ausgewachsen. Die Milchergiebigkeit der Kühe war äußerst gering, wie das aus der jährlichen Durchschnittseinnahme von einer Kuh in Tabelle 16 zu ersehen ist. Die Farbe des Rindviehs war rot- und braungefleckt; auch kam schwarzgeflecktes Vieh vor. Charakteristisch für die Posener Landrasse war ein weißer Streifen, der sich über den Rücken zog. Oft hatten die Tiere Flötzmäule, was wohl auf die in manchen Herrschaften eingeführten Gebirgsrassen zurückzuführen ist. Im allgemeinen aber muß man bemerken, daß die Tiere keine edlen Merkmale des Gebirgsviehs aufweisen konnten, eher war die Posener Rasse mit der schlesischen verwandt. Viel besser stand es mit den bäuerlichen Pferden. Zwar fielen oft die Gespanne der Bauern durch das schwächliche Aussehen der Pferde unangenehm auf, wie uns von verschiedenen Geschichtsschreibern jener Zeit berichtet wird. Nichtsdestoweniger steht fest, daß der polnische Bauer für das Pferd eine spezielle Liebhaberei an den Tag legte. Wenn also ein Gespann einen elenden Eindruck machte, so war dies wohl durch die allgemeine Armut dieses Bauern verursacht. Wo aber der Bauer sich eines gewissen Wohlstandes erfreute, und wo ihm andererseits ein gesundes Heu zur Verfügung stand, da waren die Pferde gut gezogen. 1 In welcher Weise det Weidebedarf der einzelnen Tiere geschätzt wurde, ergibt sich aus einer Aufstellung der Spezialtaxgrundsätze vom Jahre 1824. Der Weidebedarf einer Kuh wurde = 1 gesetzt, und auf diese Einheit wurden die anderen Faktoren zurückgeführt: bei einem Pferd = 1 1 / 2 Kuhweide „ ,, Fohlen über 1 Jahr = 1 ,. ,, ,, Ochsen = iy2 >> ,, ,, Stier oder Färse = z/3 „ „ „ Schaf = V10 1 ,, ,, Schwein = /10 „ Kreditordftung und Taxgrundsätze für den landwirtschaftlichen Kreditverein des Großherzogtums Posen. Posen 1830. S. 200 ff. 2 K l e b s 1. c. S. 27, 28. 3 B r o d n i c k i , Beiträge zur Entwickelung der Landwirtschaft in der Provinz Posen während der Jahre 1815—1890. Leipzig 1893. S. 14f.

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Die ursprüngliche Rasse der Posener Pferde hatte viel arabisches Blut in sich. Die Adligen legten auf Einmischung arabischen Blutes in ihre Gestüte großes Gewicht, und bei einer ausgesuchten Sorgfalt, die der polnische Adlige dem Pferde erwies, waren die Ergebnisse dieses Zuchtsystems recht erfreulich. Häufig und sehr beliebt waren Falben, Schimmel und Schecken, und man schrieb jeder dieser Farben spezielle große Vorzüge zu. Es gab Familien, die bloß Schecken oder bloß Schimmel in ihrem Marstall haben wollten. Die in dieser Richtung stark entwickelte Liebhaberei des Adels blieb nicht ohne Einfluß auf den Bauern, und so verursachte der Ehrgeiz, den die Bauern in dieser Hinsicht zeigten, daß ihre Pferde sich in verhältnismäßig gutem Zustande befanden. Ein allgemein verbreiteter Brauch der Posener Bauern jener Zeit, vor allem der ärmeren, war das Halten von sehr vielen Schweinen. Dies wurde wohl dadurch verursacht, daß dieses Tier äußerst wenig Sorgfalt beanspruchte. Die Schweine wanderten im Dorfe und auf den Feldern umher und suchten sich aus den Abfällen ihre Nahrung. Dieses Umherlaufen der Schweine scheint eine Plage gewesen zu sein, denn ein Aufsatz in dem Jahrbuch des kgl. ökonomischen Vereins Südpreußens 1 , betitelt „In welcher Weise könnte man am besten verhindern, daß die Schweine nicht überall herumlaufen?" besagt wörtlich folgendes: „ D a s g r ö ß t e H i n d e r n i s (!) zur Hebung der Landwirtschaft dieser Provinz ist das Herumtreiben und freie Herumlaufen des Viehs, vor allem der Schweine." Dies läßt zwar auf eine große Verbreitung dieses Mißbrauchs, wohl aber auch auf die Unbeholfenheit des Verfassers dieses Aufsatzes schließen. Struensee2, der in dieser Zeit die Provinz bereiste, schreibt Folgendes: „Die schnell sich vermehrenden Schweine bringen den Bauern weit mehr Nutzen als die anderen Haustiere, und darum wendet er alles an, sie groß zu ziehen und fett zu machen. Was in Schlesien und anderen Ländern der Bauer auf seine Kuh wendet, das tut der hiesige Bauer für seine Schweine." Die Urform der bäuerlichen Schweine war in Posen ungefähr dieselbe, die man noch heutzutage in den östlichen Teilen Polens bei den Bauern mitunter findet: Lange Extremitäten, ein sehr langer Rüssel, herunterhängende Ohren, ein schmaler Rumpf, dicke Haut, äußerst harte Borsten und schwarze Haarfarbe. Die Abbildungen der Schweine jener Zeit erscheinen uns wie Karikaturen. Im allgemeinen war das Schwein der Posener Landrasse kräftiger gebaut, als das preußische Schwein der Höhengegenden: teilweise war es mit den ungarischen und moldauischen verwandt. Für ein Mästen im heutigen Sinne des Wortes waren diese Schweine ihrer Gestalt nach wohl nicht geeignet, aber ihre große Widerstandsfähigkeit entsprach vollkommen ihrer Lebensweise. Oft flüchteten die Tiere nach dem Walde, vor allem nach Eichenwäldern, und so soll es vorge1 2

Rocznik Kröl. ekonomicznego towarzystwa I.e. S. 97. S t r u e n s e e , Blicke auf Südpreußen. Posen 1802. S. 91.

21 kommen sein, daß diese Bauernschweine, die manchmal ganz gefährlich aussahen, von Jägern — wahrscheinlich Sonntagsjägern — für Wildschweine gehalten wurden. Die Schafe bildeten zu jener Zeit neben dem Ackerbau die wichtigste Einnahmequelle der Landwirtschaft. Auf jedem Gute waren zahlreiche Herden von Schafen vorhanden. Der Grund dieser starken Schafhaltung lag in den hohen Wollpreisen und den weiten Brachenflächen, die auf diese Weise am besten ausgenutzt wurden. Da aber die Schafwirtschaft nur in großen Herden lohnend war, so hat sie bei den Bauern wenig Eingang gefunden. Nur sehr wohlhabende Wirte hielten viel Schafe. Das Posener Landschaf war von mäßiger Größe; seine Wolle war zweischiirig, grob und 2—3 Zoll lang und hatte einen äußerst geringen Fettgehalt. Das Posener Schaf war nackt an Kopf, Ohren und Beinen. 1 Außerdem hielt der Bauer eine beträchtliche Anzahl Geflügel. Die gesamte Viehhaltung eines Bauern, dessen Stelle eine Durchschnittsgröße von 60 Magd. Morgen hatte, war folgende: Ein Paar Pferde oder Ochsen, ebensoviel Kühe nebst 1 — 2 Stück Jungvieh, außerdem Schweine und Geflügel in unbestimmter Menge. Die Preise der H a u s t i e r e waren, auf Eoggen bezogen, folgende: 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

tüchtiges Arbeitspferd Zugochse gute Kuh Färse 2—4 Jahre alt Ochse 2—4 Jahre alt Zuchtschwein gutes Mutterschaf oder Hammel Zeitschaf oder Leithammel Brackschaf Gans Kapaun

. .

18—24 Scheffel Eoggen 10—13 ,, „ 7—9 4— 6 ,, ,, 62/3— 8 % „ 3 — 3 ^ ,, „ . 1 Scheffel 4 Metz. 2 ,, 1 „ ,, 8 „ „ 4 „ ,, . 2 ,, „

Außerdem: 1 Mandel Hühnereier 1 Pfund Butter

1 2

„ „

,, „

Ein genaues Abbild des Wohlstandes der Bauern geben ihre Gebäude. Der Bauer, der an ein Leben ohne jede Bequemlichkeit gewöhnt war und für die Hygiene seiner Haustiere wenig Sorge trug, B r o d n i c k i 1. c. S. 14. 1 Scheffel = 16 Metzen. Die Scheffel wogen bei den einzelnen Getreidearten verschieden: 1 Scheffel Weizen wog etwa 42 kg 1 „ Roggen „ „ 40 „ 1 „ Gerste ,, „ 36 ,, 1 ,, Hafer ,, ,, 25 „ 1 ,, Kartoffeln „ „ 47 „ (Kreditordnung und Taxgrundsätze, 1. c. S. 184.) 1

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hatte kein Bedürfnis und vor allem nicht die Mittel dazu, wohlausgebaute Wohn- und Wirtschaftsgebäude zu errichten. Der Wirtschaftshof bestand meist aus dem Wohnhaus, der Scheune und dem Stalle; diese beiden wurden oft unter einem Dache vereinigt. Das Wohnhaus war aus Lehm, Fachwerk oder Holz, meistens ohne Fundamente gebaut und mit Stroh, seltener mit Schindeln bedeckt. Es bestand zumeist aus dem Hausflur, 1—2 Stuben, einer Kammer und dem Bodenraum. Eine größere Anzahl von Stuben kommt nur bei sehr reichen Bauern vor und läßt darauf schließen, daß der Bauer Gesinde oder eine ganze Arbeiterfamilie (Komorniki) zur Bearbeitung seiner Wirtschaft brauchte. Die Scheune war auf Zochen gebaut, d. h. derart, daß das Dach auf schräg gestellten Säulen ruhte. Ihre Wände bestanden aus breiten Lehmpfeilern, deren Zwischenräume mit Birkenzweigen ausgeflochten wurden. In der Regel hatte die Scheune eine Tenne und zwei Bansen. 1 Der Stall, der oft an die Scheune angelehnt war, beherbergte in demselben Räume alle Haustierarten, die nur durch kleine Bretterwände von einander getrennt waren. Einen genauen Überblick über den Stand der bäuerlichen Gebäude am Anfang des 19. Jahrhunderts geben die Akten der Provinzialfeuersozietät 2 , da nach einem Gesetz vom 5. Januar 18B6 alle Gebäude bei ihr versichert sein mußten; — dieses Monopol wurde später durch das Reglement vom 9./IX. 1863 wieder beseitigt. Die alten Versicherungsakten der Feuersozietät enthalten die genauesten Beschreibungen der bäuerlichen Gebäude. Einerseits sind in den sog. Versicherungsrollen die Maßangaben der Gebäude aufgezählt, andererseits aber bietet eine Durchsicht der damaligen Kataster der Feuersozietät einen Überblick über den Zustand und die Art der Gebäude dieser Zeit. So fällt es bei dem Lesen der Kataster von bäuerlichen Wirtschaften auf, daß fast alle Gebäude der Klasse VI angehören, d. h. Fachwerks- oder hölzerne Umfassungswände und nicht massive Bedachung besitzen. Auch war der Taxwert der Gebäude ein äußerst niedriger; die meisten Häuser waren auf 25 Taler taxiert. Viele konnten sogar nicht versichert werden, da sie den von der Sozietät angesetzten Mindesttaxwert von 25 Talern nicht erreichten. Die schlimmsten 1

B r o d n i c k i I.e. S. 17 und S z o l d r s k i I.e. S. 36. Die Feuersozietät der Provinz Posen entstammt den bereits 1780 seitens der polnischen Kommission der guten Ordnung begonnenen und demnächst von der kgl. preuß. Kriegs- und Domänenkammer zu Posen fortgesetzten Vorarbeiten. Diese hatten die mit Gesetzeskraft erlassenen Reglements vom 21./IV. 1803 und vom 3./VI. 1804 zur Folge. Die neu gegründete Sozietät wurde durch zwei besondere, zu Posen und Warschau etablierte Hauptdirektionen geleitet, -welche dem südpreußischen Departement des Generaldirektoriums untergeordnet waren. An Stelle dieses Reglements wurde am 4. Juni 1808 von der großherzogl. Warschauischen Regierung ein neues erlassen, welches wiederum durch das am 1. Januar 1837 in Kraft getretene Reglement vom 5. Januar 1836 beseitigt wurde. (Nach Angaben der Provinzialfeuersozietät.) 2

28 Zustände in dieser Hinsicht waren wohl im Kreise Schildberg zu verzeichnen, wo auch die Yermögensverhältnisse der Bauern sich besonders ungünstig gestalteten. 1 Mit der Fruchtbarkeit des Bodens ändert sich allerdings auch der Zustand der bäuerlichen Gebäude. So ersieht man aus den oben erwähnten Akten, daß in den Kreisen Kosten, Lissa, Hohensalza, Wirsitz usw., wo der Boden besonders fruchtbar ist, auch die Gebäude der Bauern besser gebaut waren. Die Gebäude erreichten dort einen Taxwert von 600 Talern und mehr. Auch waren sie zum Teil massiv ausgebaut. Im allgemeinen aber gehörten massive Bauten in Bauernhöfen zu den Seltenheiten. Außer diesen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden der Bauern befand sich in fast jedem Dorfe eine von einem Juden gepachtete Schenke, die die Trunksucht und Zanklust der Bauern förderte, und ein gemeinschaftliches Brauhaus, — Mielcuch genannt. — Das Brauen war nämlich bei den Bauern, besonders in den westlichen Teilen der Provinz, stark verbreitet. Das Brauen geschah der Beihe nach, und jeder war berechtigt, eine seinen Besitzverhältnissen entsprechende Menge Bier zu brauen. Die Geräte der Bauern waren primitiver Art, die Hausgeräte ebenso wie das tote Inventar des Hofes. In der Stube befanden sich Bett, Tisch, Bänke und eine Lade oder Truhe. Die Beschaffenheit der Geräte im Hofe gestaltete sich folgendermaßen: Die Wagen wurden schmalspurig, leicht gebaut und ermangelten oft eines eisernen Beschlages. Der ganze Pflug, sogar das Streichbrett war hölzern, und nur das Schar wurde mit Eisen beschlagen. Das Streichbrett, das sehr steif war, konnte den Boden nicht genügend umwenden und ließ emporragende, aneinandergewachsene Erdballen zurück. Anstatt des gewöhnlichen Pfluges wurde sehr oft der Häufelpflug gebraucht, der ebenfalls wenig den Anforderungen eines rationellen Pflügens entsprach. Die Egge war allgemein bekannt; der Bahmen 1 So hat die Aufnahme des im Kreise Schildberg gelegenen Dorfes Biskupicc zaboryczne am 1. Januar 1837 folgendes Resultat ergeben: Alle Häuser gehörten der VI. Versicherungsklasse an. Von 187 bäuerlichen Gebäuden wurden: 5 Häuser auf 100 Taler taxiert 2 ,, t 75 ,, ,, 11 >> >> 50 ,, ,, 160 „ „ 25 „ 9 Häuser erreichten nicht den Taxwert von 25 Talern und konnten deshalb nicht versichert werden. — Ähnlich fiel die Aufnahme der Gemeinde Bukownica desselben Kreises aus: Alle Häuser gehörten der VI. Klasse an. Von 242 Gebäuden wurden: 11 Häuser auf 100 Taler taxiert 38 ,, ,, 75 ,, ,, 52 „ „ 50 „ 108 „ „ 25 „ 33 Häuser erreichten nicht den Taxwert von 25 Talern. (Akten der Provinzialfeuersozietät zu Posen: Versicherungsrollen des Kreises Schildberg.) t

24 und die Zinken bestanden aus Holz, doch kamen auch eiserne Zinken vor. 1 Bei der Ernte bediente man sich ebenso der Sensen, wie der Sicheln. Daß die Sensen den Bauern jener Zeit wohlbekannt waren, beweisen die Sensen träger der polnisch-russischen Kriege. Aber auch die Sicheln müssen noch sehr im Brauche gewesen sein, denn in den Jahrbüchern des oben erwähnten kgl. ökonomischen Vereins Südpreußens wird das Mähen mit Sensen als etwas besonders Gutes anempfohlen. Das Dreschen geschah mit Flegeln, die in derselben Form noch heutzutage in verschiedenen Gegenden gebraucht werden. Die ungefähren Preise der Wirtschaftsgeräte waren, auf Eoggen bezogen, folgende 2 : 1 beschlagener Wagen mit allem Zubehör . 15—18 Scheffel Boggen 1 nicht beschlagener Wagen mit allem Zubehör 6 1 /,— 9 » » 1 Pflug mit allem Zubehör l3/4— 2 ,, ,, 1 Häufelpflug mit allem Zubehör . . . . 2/3— 1 „ ,, 1 Paar Eggen mit allem Zubehör . . . . 7—10 Metzen „ 1 Geschirr für 2 Pferde, wenn es zu Hause von gedrehtem Leder verfertigt wurde . . Scheffel „ 1 Geschirr für 2 Pferde, wenn es auf dem Markt gekauft wurde 2 „ ,, Die Haltbarkeit der damaligen Geräte ist aus den Bestimmungen des Posener Kreditvereins vom Jahre 1825 zu ersehen, wonach für gute Dominial-Geräte folgende Konservationskosten jährlich berechnet wurden: 1

/ 3 des Werts eines beschlagenen Wagens. /1 „ ,, „ nicht beschlagenen Wagens. 1 /1 „ ,, der Eggen; hier sind wahrscheinlich Eggen mit Holzzinken gemeint. 1 j3 „ ,, des Pfluges und Häufelpfluges. 1 /3 „ „ des Geschirres. 1

Was nun die Wirtschaftsbilanz der Bauern jener Zeit anbelangt, so ist eine annähernde Vorstellung darüber durch ein Studium der Klassifikationsanschläge möglich. Wie nämlich aus Tabelle 12 und 13 zu ersehen ist, wurden von den Behörden die genauesten Berechnungen der Ein- und Ausgaben zusammengestellt. Die Tabelle 16 entstammt verschiedenen Klassifikationsanschläge und ergibt annähernd die Jahreseinnahme an Geld eines Bauern mit dem durchschnittlichen Besitz von ca. 60 Morgen. 1 Testament eines gewissen J a n i s e h aus Culm (Kr. Meseritz) a. d. Jahre 1786. In seinem Hofe befinden sich 1 Wagen, 1 Pflug, ein Paar Eggen mit eisernen Zinken usw. (Kgl. Staatsarohiv zu Posen, Dorf-Akten C.) 2 Kreditordnung und Taxgrundsätze 1. c. S. 185f.

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Die von den Bauern gebauten Getreidearten waren Roggen, Gerste, Hafer, Buchweizen, Erbsen, Hirse, Rübsen, Lein und Hanf. Aus der Tabelle geht hervor, daß der durchschnittliche Körnerertrag 3 Korn betrug; davon kam nur 1 Korn zum Verkauf, dann eins zur Saat und eins wurde in der Wirtschaft verbraucht. Die angeführten Getreidepreise stammen aus den Jahren 1775—1800 und sind in weitaus den meisten Klassifikationsanschlägen zugrunde gelegt worden. Rechnet man zu der aus dem Getreideertrag sich ergebenden Geldeinnahme den von der Viehzucht stammenden Ertrag, so erhält man als Jahreseinnahme einer Bauernstelle die Summe von ca. 25 Talern. Dazu kommen noch die Einnahmen für Heu, — ein zweispänniges Fuder Heu kostete ca. 20 Groschen, — Geflügel usw., die aber sehr unbestimmt waren und in eine Durchschnittsbilanz nicht eingetragen werden können. Dieses war die Geldeinnahme des Bauern, neben allem, was er während des Jahres an Produkten verzehrt und verbraucht hatte. Sein Wohlstand war aber ebenso von diesen Einnahmen, wie von seinen Prästationen abhängig. Die an den Gutsherrn zu leistenden Dienste und Abgaben waren ihrem Wert nach von diesen Einnahmen in Abzug zu bringen, und die Differenz ergab erst das richtige Bild des bäuerlichen Wohlstandes. Drittes Kapitel.

Die Bauernregulierung im Großherzogtum Posen. Die Landeskulturgesetze von 1815—1822. Das Gesetz vom 8. April 1823. Gesetz von 1851. Die Ausführung dieser Gesetze.

Das

Gleich nach der Besitzergreifung des Großherzogtums Posen im Jahre 1815 wurden von der preußischen Regierung Schritte getan, um die Lage der Bauern zu verbessern; dabei befolgte man auch den politischen Nebenzweck, das niedrige Volk für die Regierung, als Stütze gegen den Adel zu gewinnen. 1 Eine Kabinettsordre vom 3. Mai 1815 besagt, daß das gegenwärtige Verhältnis zwischen den Gutsbesitzern und den auf ihren Gütern befindlichen nichterblichen Bauern aufrechterhalten werden solle.2 Die Bauern sind als persönlich ganz freie Menschen und als Nutznießer der ihnen vom Gutsbesitzer überlassenen Grundstücke anzusehen. Sie haben eine Entschädigung, sei es in Geld oder Naturalien oder Diensten, zu entrichten und es soll sowohl dem Gutsherrn, als auch dem Bauern freistehen, dieses Verhältnis nach vorhergehender kontraktmäßiger, oder — in Ermangelung eines Kontraktes, — einjähriger Kündigung aufzuheben und voneinander zu trennen. Ein Erlaß vom 9. November 1816 gibt bekannt, daß die Art und Weise, wie das Edikt vom 14. September 1811 über die guts1 2

Szoldrski I.e. S. 45ff. K l e b s I.e. S. l l l f f .

26 herrlichen und bäuerlichen Verhältnisse und die Deklaration vom 29. Mai 1816 im Großherzogtum Posen mit Beachtung der Rechte aller Beteiligten anzuwenden sei, durch eine besondere Verordnung bestimmt werde. Da hierdurch die Eigentumsverleihung auch für die nicht erblichen Bauern in Aussicht gestellt wurde, so sahen sich viele Gutsherren veranlaßt, diesen Bauern zu kündigen. Dies rief eine große Verwirrung hervor; die ausgewiesenen Bauern verfaßten Bittschriften an den König und die Regierung. Die Folge davon war eine Verordnung vom 6. Mai 1819, die bestimmte, daß das Ausweisen der Bauern nicht mehr auf einseitige Kündigung des Herrn hin zulässig sei, daß es vielmehr nur nach den im preußischen Landrecht hierfür aufgestellten Grundsätzen zu geschehen habe. 1 Kurzum, der Bauernschutz wurde eingeführt bis zum Erlaß der geplanten Regulierungsgesetzgebung. Inzwischen waren schon Kommissionen der Regierungen und der Justizbehörden ernannt worden, welche die gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse untersuchten und die gegenseitigen Verpflichtungen nach einem festen Maß bestimmten. Es wurden klugerweise erfahrene Landeseingesessene als Ratgeber zugezogen, ein Bauer und ein Gutsbesitzer, u. a. „der polnische Thaer", Baron v. Chlapowski. Diese Kommissionen, deren es zwei gab, eine in Posen und eine in Bromberg, bereiteten Gesetzentwürfe und Vorschläge vor, begutachteten Anträge einzelner Gutsherren und sandten dann ihre Vorarbeiten den Ministerien des Innern, der Justiz und der Finanzen ein. Der Erfolg dieser Arbeit war das Gesetz vom 8. April 1823: „Wegen der Regulierung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse im Großherzogtum Posen, den mit Westpreußen wieder vereinigten Distrikten, dem Kulm- und Michelauschen Kreise und in dem Landgebiet der Stadt Thorn". Die Regierung vermeidet hier eine gewisse Einseitigkeit des altländischen Regulierungsgesetzes und erläßt ein Gesetz in neuer, den Zeit- und Ortsverhältnissen mehr entsprechender Form. Das Gesetz wünscht ausdrücklich, daß sowohl der Gutsherr wie der Bauer volle Entschädigung erhalten, und daß die gegenseitigen Verpflichtungen, nach gerechten Grundsätzen berechnet, stets die Grundlage der Entschädigung bilden sollen. Auf den ersten Blick scheint es sonderbar, daß in diesem Gesetz so wenig Berechnungsmaßregeln getroffen sind, daß dem Richter und den Parteien ein weites Gebiet zur Regelung der Entschädigung eingeräumt ist. 2 Aber nur in dieser Weise konnte bei der ungeheuren Verschiedenheit der Einzelfälle eine absolute Gerechtigkeit ermöglicht werden. In den verschiedenen Landesteilen sind die agrarischen 1

L i p i n s k a 1. c. S. 94ff. O uregulowaniu stôsunkôw wloscianskich w Wielkiem Ksiestwie Poznanskiem. (Über die Regelung der bäuerlichen Verhältnisse im Großherzogtum Posen.) Herausgegeben von T. N. B o b r o w i c z , Leipzig (Librarie étrangère) 1843. S. 19fi. 2

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Verhältnisse verschieden. So ist auch dieses Eegulierungsgesetz nicht eine Sammlung von unbeweglichen Vorschriften, sondern vielmehr eine Abhandlung über die Art und Weise, wie man dieses schwere Problem am besten lösen könnte. Es sind erfahrene Hinweise und Ratschläge, welche viele Einzelfälle voraussehen, für andere dagegen freien Raum lassen. Das Gesetz wendet sich an den guten Willen der Interessenten, erinnert an den edlen Zweck und empfiehlt stets eine freiwillige Einigung. Erst wenn eine solche nicht zustande kommen könnte, soll die Sache durch ein Komitee mit gerichtlicher K r a f t entschieden werden. Das Gesetz verordnet in Übereinstimmung mit dem Regulierungsgesetz vom 14. September 1811 und dessen Deklaration vom 29. Mai 1816, daß: „die bisher zu Eigentums- oder Erbpachtsrechten noch nicht verliehenen bäuerlichen Ackernahrungen ihren Besitzern zu Eigentumsrechten verliehen und die auf denselben haftenden Dienste und sonstigen Leistungen abgelöst werden sollen". 1 Im übrigen enthält das Gesetz mehrere Abweichungen von den Grundsätzen der älteren Regulierungsgesetze von 1811 und 1816 namentlich in folgenden Punkten: 1. Der Begriff einer regulierungsfähigen bäuerlichen Stelle ist insofern erweitert, als die Regulierungsfähigkeit nicht unbedingt von der erfolgten Eintragung der Stelle in das Steuerkataster abhängig gemacht worden ist. 2 Die Katastrierung konnte nämlich für den bei weitem größten Teil der Provinz nicht maßgebend sein, da es keine Steuerkataster für laßbäuerliche Nahrungen gab. 2. Die Entschädigung des Gutsherrn ist nicht, wie im Edikt vom 14. September 1811, auf ein Drittel bzw. die Hälfte der bäuerlichen Ländereien normiert, je nachdem die Bauern ihre Höfe zu nicht erblichen oder zu erblichen Rechten besitzen. Sie wird vielmehr bestimmt nach Maßgabe der bisherigen gutsherrlichen Nutzungen, unter Abzug der Gegenleistungen, ohne besonderes Entgelt für das Eigentum der Höfe. In Ermangelung einer besonderen Einigung beider Teile, kann die Entschädigung in Rente oder Inventarstücken oder in Land gefordert werden; letzteres jedoch nur insoweit, als die Bauernnahrung nach der Landeinziehung groß genug bleibt, um ein Zweigespann von Ochsen hinlänglich zu beschäftigen. Die an und für sich unzweckmäßige Normalentschädigung erschien nämlich in der Provinz Posen um so weniger passend, als die bäuerlichen Höfe im ganzen kleiner sind und stärker belastet waren, als in den älteren Provinzen. 3. Den Gutsherren ist es gestattet, sich bei der Auseinandersetzung eine größere Zahl von Dienstleistungen, und zwar, freiwillige Einigung vorausgesetzt, auf längere Zeit, bis zu 24 Jahren, vorzubehalten. 4. Den bäuerlichen Wirten sollen auf ihr Verlangen die bisherigen 1 2

K l e b s 1. c. S. 113ff. K l e b s 1. c. S. 114ff.

28 Konservationshilfen, namentlich an Wald weide und Feuerungsmaterial, nicht nur bis zur erfolgten Auseinandersetzung, sondern auch noch darüber hinaus während der nächsten 10 Jahre gegen Entschädigung durch Handdienste vorbehalten werden. Hierbei wurde auf die Vermögenslage und den Kulturzustand beider interessierten Teile Bücksicht genommen. Man muß beachten, daß die Regulierung nicht von amtswegen in einer bestimmten Frist, sondern nur auf Provokation erfolgte, es also daran gelegen war, den Parteien eine Einigung möglichst zu erleichtern. 5. Die Gutsherren sind verpflichtet, die nach der Kabinettsordre vom 6. Mai 1819 erledigten oder eingezogenen bäuerlichen Höfe wieder wohnungsfähig zu machen und sie mit besonderen Wirten zu besetzen. Diese Verpflichtung ergibt sich aus der Natur der Sache und hätte weiter zurück ausgedehnt werden sollen, nämlich auf die seit der Einführung des Allgemeinen Landrechts eingezogenen Höfe. Indessen hat das Gesetz diese Maßregel zugunsten des Gutsherrn in der angegebenen Weise eingeschränkt mit Rücksicht darauf, daß längere Zeit bestehende Verhältnisse nicht gestört werden sollten. 6. Mit der Eigentumsverleihung und Dienstaufhebung auf amtlichem Wege soll zugleich die vollständige Gemeinheitsteilung zwischen der Gutsherrschaft und den bäuerlichen Wirten verbunden und zwischen ihnen nach Möglichkeit vermittelt werden. Man hatte diese Vorsichtsmaßregel getroffen, da, wie schon erwähnt, die Grundstücke untereinander vermischt und zersplittert waren. Durch diese Maßregel wurde die von den Gutsbesitzern lang ersehnte Zusammenlegung ihrer Ländereien ermöglicht und zugleich den Bauern die Bewirtschaftung ihrer Höfe bedeutend erleichtert. Das Regulierungsgesetz bestimmt genau die Art der Bauernstellen, die ihm unterliegen, die das Recht haben, reguliert zu werden. Das Gesetz sorgt dafür, daß nicht zu kleine Wirtschaften gebildet werden, bei denen nachher der selbständige Besitzer seine Familie nicht ernähren und die Steuern nicht bezahlen könnte und infolgedessen dem Lande und dem Gutsherrn zur Last fiele. Die Festlegung einer Grenze in dieser Hinsicht ist schwer, denn sie hängt ab von der Ortschaft selbst, von der Art des Bodens, der Anzahl von Weiden usw. Das Gesetz besagt folgendes: Für bäuerliche Nahrungen sollen jene Stellen gelten, deren Hauptbestimmung es ist, ihren Inhaber als selbständigen Ackerwirt zu ernähren. Das Vorhandensein dieser Bestimmung ist dann anzunehmen, wenn entweder in der Stelle Spanndienste geleistet werden, oder wenn der Besitzer zur Bewirtschaftung derselben gewöhnlich bisher Zugvieh (Pferde oder Rinder) gehalten hat oder solches zu deren Bewirtschaftung dauernd erforderlich ist. Eins dieser drei Merkmale genügt, um die Stelle als regulierungsfähig zu erachten. Findet sich bei einer Stelle nicht wenigstens eins derselben vor, so ist sie nicht regulierungsfähig und gehört zu den Dienstfamilienstellen, die dem Gesetz nicht unterliegen. Die Gutsbesitzer erstrebten nun eine nochmalige Bestimmung

29 oder vielmehr eine Verengerung des Begriffes der Regulierbarkeit, und dies geschah durch die Deklaration vom 10. Juli 1836. Hierin wurden zunächst einige über den Begriff der Ackernahrung entstandene Zweifel beseitigt und die Begulierungsfähigkeit selbst' ständiger bäuerlicher Stellen näher bestimmt. Es wurde der Unterschied zwischen Bauernstellen und kleineren Dienstfamilienstellen erläutert, den verschiedenen von herrschaftlichen Beamten und Dienstboten anstatt des Lohnes benutzten Ackernahrungen, schließlich von solchen Betrieben, welche nicht nur dem Landbau, sondern auch gewerblichen Zwecken dienen. Diese Deklaration stellte eine Konzession an die Gutsherren dar, indem sie die Zahl der regulierungsfähigen Nahrungen verminderte. Die Größenbestimmung der in Betracht kommenden Stellen wurde nun distriktsweise nach den verschiedenen Bodenarten getroffen. Bei Weizenboden wurde das Areal in allen Teilen der Provinz gleich bemessen, dagegen wurde bei Boggenboden das Minimum einer Stelle in verschiedener Weise festgesetzt. Es betrug im fruchtbaren Kreise Hohensalza 45 Morgen, im Kreise Schildberg dagegen 65 Morgen. Aushilfsweise ist ein Landbesitz an Acker und Wiesen von 25 preuß. Morg. Gerstenbodens II. Klasse als Minimum festgelegt worden. Die für die einzelnen Gegenden bestimmten Minimalstellengrößen zeigt Tabelle 17. Das Gesetz von 1823 macht keinen Unterschied zwischen den Domänen- und Privatbauern, der ungerechterweise in den früheren Gesetzen unter Bevorzugung der ersteren stets berücksichtigt wurde. Die Art wie die Begulierung zustande kommen soll, und zwar die Angabe, woraus eine Wirtschaft bestehen, wieviel Acker, Wiesen und Weiden sie besitzen muß, der Modus, nach dem der Gutsherr für seine bisherigen Vorteile zu entschädigen ist, alles dies hängt ausschließlich von dem Willen der Interessenten ab. Die Begulierungskommission hat das Becht, erst dann zu vermitteln, wenn die Partien allein zu einer Einigung nicht gelangen können. Es werden die gegenseitigen Verpflichtungen berechnet; von den Bechten, die dem Gutsherrn zustehen, werden die Anrechte des Bauern abgezogen, und der Best bildet die Entschädigung des Gutsherrn. Diese kann erfolgen durch Abtreten eines Teiles des bäuerlichen Ackers oder durch Geld- oder Getreideabgaben und Beibehaltung der Frondienste auf eine bestimmte Zeit, wie schon oben erwähnt wurde. Der Gutsherr darf einer Wirtschaft als Entschädigung nicht mehr Acker, Wiesen und Weiden abnehmen, als die Hälfte ihres Areals, und dies auch nur in dem Falle, wenn durch diese Verminderung die Wirtschaft noch immer imstande ist, für ihre Bearbeitung ein Paar gute Ochsen genügend zu beschäftigen. 1 2 Das Gesetz erlaubt, die bäuerlichen Grundstücke an eine andere Stelle zu verlegen. Die Begulierungskommission soll es genehmigen, 1 2

K l e b a 1. c. S. 114ff. O uregulowaniu stösunköw wloscianskich I.e. S. 21 ff.

30 wenn sie überzeugt ist, daß dadurch der Gutsherr einen positiven wirtschaftlichen Vorteil hat, die Kultur des Landes sich steigert oder Entwässerungen leichter durchzuführen sind. Der Bauer aber soll dabei keinen Schaden erleiden. Der Boden soll genau geprüft werden; falls schlechterer für besseren den Ersatz bilden soll, ist das Areal entsprechend größer zu bemessen. Die Pflicht der Regulierungskommission ist es, zu sorgen, daß durch eventuellen Verlust von Wiesen und Weiden der Bauer nicht gezwungen werde, das System seiner Wirtschaft zu ändern. Falls infolge der Verlegung der Bauernstelle ein Umbau der Gebäude erforderlich wird, so muß dies auf Kosten des Gutsherrn geschehen. Der Bauer ist verpflichtet, während 12 Jahren nach Vollstreckung der Regulierung in seinem Hause so wie früher das Gesinde des Guts zu beherbergen; diese Pflicht besteht allerdings dann nicht, wenn der Bauer mit dem Gesinde in einer Stube wohnen müßte. Alle Steuern, welche auf den bäuerlichen Äckern und Gebäuden lasten, fallen mit dem Tage der Regulierung den Bauern zu. Was die Ablösungsordnung anbetrifft, so wurden die am 7. Juni 1821 für die älteren Provinzen erlassenen Bestimmungen auch in Posen eingeführt und durch das Gesetz vom 8. Februar 1846 erweitert. Dieses Gesetz behandelt die Ablösung von Diensten, Natural- und Geldleistungen bei solchen Grundstücken, welche eigentümlich zu Erbzins- oder Erbpachtrechten besessen werden. Alle solche Angaben können auch auf einseitigen Antrag des Berechtigten oder des Verpflichteten abgelöst werden, mit Ausnahme der auf Dienstfamilienstellen haftenden Handdienste, wo die beiderseitige Einwilligung erforderlich ist. Eine weitere Ausnahme bilden Abgaben öffentlichen Charakters, wie Gemeinde- oder Kirchensteuern, die sich für die Ablösung überhaupt nicht eignen. Die Ablösung geschieht derart, daß Hand- und Spanndienste, welche zusammen jährlich den Belauf von 50 Manns-Handtagen nicht übersteigen, nach den üblichen Arbeitspreisen in Geld angeschlagen und in Rente vergütet werden. 1 Diese ist jederzeit gegen Erlegung des 25 fachen Betrages ablösbar. Bei größeren Diensten dagegen wird nicht nach den einzelnen Arbeitstagen gerechnet, sondern nach den Kosten, denen der Berechtigte ausgesetzt ist, um diese Dienste zu ersetzen. Alle für Leistungen festgestellten Renten können auf Antrag des Verpflichteten jederzeit in Kapital abgelöst werden. Jedoch bestimmt das Gesetz vom 31. Januar 1845, daß eine Einschränkung oder Ausschließung dieser Befugnis durch einen Vertrag zulässig ist. Außerdem werden die im Landeskulturedikt vom 14. September 1811 erteilten Vorschriften wegen Ablösung fixierter Geldleistungen der Erbpächter auch auf leistungspflichtige Eigentümer oder Erbzinsleute unter Beibehaltung des Kapitalisierungssatzes von 4°/0 ausgedehnt. Auch für die in der Ablösungsordnung nicht ausdrücklich 1

Kleba I. c. S. 118.

81 als ablösbar bezeichneten gewerblichen, handwerksmäßigen und sonstigen auf dem Grundbesitz haftenden Leistungen wurde später durch das Gesetz vom 30. Juni 1841 wenigstens der Weg zu einer Ablösung durch gütliche Vereinbarung unter Vermittelung der Regulierungsbehörden eröffnet. Was nun den Wert der einzelnen Dienste anbetrifft, der doch bei den Entschädigungen berechnet werden mußte, so sind bestimmte Normalsätze durch sachverständige Landeseingesessene aufgestellt, durch die Generalkommission begutachtet und vom Ministerium bestätigt worden. (Vgl. Tabelle 18.) Hierbei wurde als Rechnungsfaktor Eoggen angenommen, weil dieser wegen der durchaus ländlichen Zustände dem Bauern ein näher liegendes Mittel für die Wertangabe war als das Geld. Wenn man nun Getreide auf Geld umrechnete, so wurden die Martinidurchschnittspreise der letzten 14 Jahre vor der Provokation auf Auseinandersetzung, mit Weglassung der beiden teuersten und billigsten, zugrunde gelegt. Unter Martinimarktpreisen werden diejenigen verstanden, welche im Durchschnitt in den zwei Wochen um Martini gelten. Die Ereignisse des Jahres 1848 zeigten, daß eine baldige Aufhebung der noch bestehenden Dienste und Lasten erwünscht sei. So brachten auch die Gesetze vom 9. Oktober 1848 und 19. November 1849 einige Bestimmungen über die Ablösung, die die frühere Ordnung erweiterten. Die Eeformgesetze von 1850 führten weitere Vorschriften mit sich. Man kann sie in drei Abschnitte zerlegen: Der erste handelt von denjenigen Berechtigungen, welche ohne Entschädigung aufgehoben werden sollen. Dazu gehören besonders solche Rechte, welche dem Berechtigten entweder gar keinen materiellen, oder nur einen von ganz zufälligen Umständen abhängigen, selten zu realisierenden Vorteil gewähren, wie z. B . Obereigentum, Vorkaufsrecht und 22 andere Vorrechte. Der zweite Abschnitt enthält die Bestimmungen über die Ablösung der Reallasten, die auf eigentümlich oder erbpacht- oder erbzinsweise besessenen Grundstücken haften. Der dritte Abschnitt handelt ausschließlich von der Regulierung und gilt nur in den Landesteilen, für die die Gesetze vom 14. September 1811 und 8. April 1828 erlassen wurden. 1 Es sind nunmehr alle mit lassitischen Rechten zur Kultur oder Nutzung ausgetanen oder mit Abgaben oder Diensten an die Herrschaft belasteten Stellen ohne Rücksicht auf Umfang und Beschaffenheit regulierungsfähig, sofern sie erblich oder zu einem derartigen Nutzungsrechte verliehen sind, daß im Falle der Erledigung die Wiederbesetzung erfolgen müßte. Diese Bestimmung hat jedoch für die Provinz Posen keine besondere Wichtigkeit, da hier dergleichen kleinere Stellen meistens bereits eingezogen waren oder nur als Dienstfamilienstellen existierten, welche von der Regulierung ausgeschlossen sind. 2 Durch das Gesetz vom 2. März 1850 wird die Verpflichtung des 1 2

Klebs 1. c. S. 137ff. Szoldrski 1. c. S. 51ff.

32 Gutsherrn zur Wiederbesetzung leerer Bauernstellen aufgehoben. Es findet eine Regulierung von Amts wegen nur bei denjenigen Stellen statt, auf deren Besitz und Eigentumsverleihung jemand einen berechtigten Anspruch erhebt. Dem Stellenbesitzer steht zwar nach dem Gesetz von 1823 das Eigentumsrecht erst nach der Ausführung der Regulierung zu, dennoch ist ihm ein vollständiges Erbrecht, wie bei wirklichen Eigentümern, schon am Tage der Verkündung des neuen Gesetzes verliehen worden. Bei erblicher Überlassung eines Grundstückes soll fortan nur die Übertragung des vollen Eigentums zulässig sein, allenfalls unter Auflegung ablösbarer fester Geldrenten oder von Kapitalien, die spätestens nach 30 Jahren kündbar sind. Auf Ablösung oder Regulierung anzutragen ist sowohl der Berechtigte als auch der Verpflichtete befugt. Die Provokation auf Ablösung seitens des Berechtigten muß sich stets auf die Ablösung aller Reallasten, die für ihn auf den Grundstücken derselben Gemeinde haften, erstrecken, und bei Provokation des Verpflichteten auf sämtliche, seinem Grundstücke obliegenden Reallasten. Dabei ist das Zurücknehmen einer eingebrachten Provokation nicht zulässig. Die Kosten der Regulierungen und Ablösungen, ausschließlich der Prozeßkosten, werden von dem Berechtigten und Verpflichteten zur Hälfte getragen. Um das Verfahren der Regulierung zu erleichtern, werden die landwirtschaftlichen Regulierungsabteilungen und Generalkommissionen ermächtigt, jeden Staats- und Gerneindebeamten, den sie dazu für geeignet halten, mit Auseinandersetzungsgeschäften zu beauftragen. An dieses Gesetz schließt sich unmittelbar das an demselben Tage erlassene Gesetz über die Errichtung von Rentenbanken 1 an. In jeder Provinz wird eine unter Leitung und Garantie des Staates stehende Rentenbank errichtet, welche die in feste Geldrenten verwandelten Reallasten an Stelle des Berechtigten übernimmt und diesen dafür in Höhe des Ablösungskapitals durch zinstragende, allmählich zu amortisierende Schuldverschreibungen (Rentenbriefe) abfindet. Da die Renten, die die Rentenbank von den Verpflichteten in der bisherigen Weise fortbezieht, zum 20fachen Betrage kapitalisiert sind, und die Rentenbriefe nur zu 4 % verzinst werden, so bleibt ein Überschuß von 1 % übrig. Dieser bildet den Fonds, aus welchem die allmähliche Amortisation der Rentenbriefe bewirkt wird. Die Amortisation erfolgt nach 41 1 j 12 Jahren, wenn die volle Rente an die Bank überwiesen wird, und nach 56 x / 12 Jahren, wenn der Verpflichtete jährlich nur 9 / 10 der Rente bezahlt, was nach den diesbezüglichen Bestimmungen zulässig ist. Auch steht ihm während dieser Zeit die gänzliche oder teilweise Tilgung der Rente durch Kapitalzahlung frei. Der Verpflichtete kann die Ablösung durch einmalige Zahlung des 18fachen Rentenbetrages an den Berechtigten direkt bewirken, jedoch nur dann, wenn derselbe sich damit einverstanden erklärt; 1

Klebs 1. o. S. 145ff.

88 im entgegengesetzten Falle erfolgt die Zahlung an die Staatskasse, welche sich mit der Rentenbank in Verbindung setzt und dem Be- " rechtigten den 20 fachen Betrag in Rentenbriefen auszahlt. Die der Rentenbank überwiesenen Renten werden monatlich eingezogen und haben das gesetzliche Vorzugsrecht, welches den Steuern zusteht. Die mit halbjährlich fälligen Zinskupons versehenen und „au porteur" lautenden Rentenbriefe sind seitens ihrer Inhaber nicht kündbar, wohl aber von Seiten der Bank, welche einen entsprechenden Teil halbjährlich auslosen läßt und die ausgelosten Briefe ihren Inhabern nach dem Nennwert bar bezahlt. Die Sicherstellung der Rechte dritter Personen bei der Abfindung ist, abgesehen von einigen Modifikationen, ähnlich wie bei sonstigen Kapitalabfindungen. Die Kosten der Errichtung und Verwaltung derRentenbanken trägt der Staat. Die Renten, die dem Domänenfiskus zustehen, unterliegen denselben Grundsätzen, jedoch mit dem Unterschiede, daß keine Rentenbriefe ausgefertigt werden, sondern die Renten nach Ablauf von ßß 1 /^ bzw. 41 x/i2 Jahren erlöschen. Zur Ausführung der Regulierungs- und Ablösungsgesetze war eine Generalkommission ernannt worden, bestehend aus einem Generalkommissar, eineih Oberkommissar, welcher ein der Landwirtschaft kundiger Sachverständiger sein sollte, und einem ebenfalls mit den agrarischen Verhältnissen vertrauten Justitiar. 1 Jedoch erwies sich infolge der wachsenden Zahl der Geschäfte bald eine Verstärkung der Kollegien als notwendig. Es wurden teils Gerichts-, teils Verwaltungsbeamten herangezogen, welche in Auseinandersetzungsangelegenheiten eine gewisse Erfahrung hatten. 2 Die Appellationsinstanz war das Revisionskollegium in Posen, dessen Vorsitzender ein Mitglied des Präsidiums des Oberlandesgerichtes war und dem zwei Oberlandesgerichtsräte und zwei der Landwirtschaft kundige Regierungsräte angehörten. 1844 wurde es, ebenso wie alle anderen Revisionskollegien, nach Berlin verlegt. 3 Um eine gütliche Einigung zu erleichtern, wurden besondere KreisVermittelungsbehörden ernannt, welche aus 2—5 eingesessenen Rittergutsbesitzern und Bauern bestanden. Diese Instanz hatte für ein möglichst einfaches Zustandekommen der Einigung zu sorgen; erst wenn dies nicht gelang, konnte die Generalkommission einschreiten. Indessen wurde den Kreis-Vermittelungsbehörden durch die Verordnung vom 30. Juni 1834 im allgemeinen eine veränderte Stellung gegeben; die Erfahrung hatte nämlich gezeigt, daß der Zweck eines schnellen und einfachen Verfahrens auf diesem Wege nicht erreicht sei, vielmehr dabei unnütz Zeit und Geld vergeudet wurde. Sie führten 1 2 3

0 uregulowaniu stösunköw wloscianskich, 1. c. S. 54ff. K l e b s 1. c. S. 177 ff. M e i t z e n 1. c. Bd. I. S. 400 ff.

v. J & o k o w s k l , Der Banembesltz In Posen.

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nun ihre Geschäfte unter der Leitung des Landrates und der Generalkommission. Die Ausführung der Regulierung, deren Folgen für die sozialen Verhältnisse und für die Landwirtschaft so ungemein wichtig waren, hatte mit den verschiedensten Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Ursache hiervon lag teils in der Gesetzgebung selbst, teils in äußeren Verhältnissen. Das Regulierungsgesetz vom 8. April 1823 begnügte sich nicht mit der summarischen Teilung des Landbesitzes zwischen dem Gutsherrn und dem Bauern zu 1 / 2 und 1 / 3 , sondern gründete die Auseinandersetzung auf den Wert der beiderseitigen Leistungen. So sehr diese Entschädigungsweise auch den Forderungen der Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit entspricht, so ist die Regulierung dadurch trotzdem erschwert worden. Es mußte nämlich in jedem einzelnen Falle eine genaue Ermittelung und Feststellung der gegenseitigen Rechte und Verpflichtungen erfolgen, was bei den durchaus ungeordneten Besitzund Rechtsverhältnissen und dem gänzlichen Mangel an schriftlichen Verträgen nichts Leichtes war. Die entgegengesetzten Interessen des Gutsherrn und des Bauern waren auf jedem Schritt ein Hindernis. Es kamen fortwährend Streitigkeiten vor über die Regulierungsfähigkeit überhaupt, über die Zahl, den Umfang und den Wert der Dienste, weiter über die Beschaffenheit der Naturalabgaben, die Unterhaltungspflicht der Gebäude, das Eigentum der Liventarien usw. Eine besonders reichhaltige Quelle von Prozessen im Regulierungsverfahren bot die Feststellung der subjektiven Regulierungsansprüche selbst. Nach dem Gesetze stand nämlich ein solcher Anspruch nur demjenigen zu, der einen regulierungsfähigen Hof bei V e r k ü n d u n g des G e s e t z e s r e c h t m ä ß i g besaß. Es scheint auf den ersten Blick, daß durch diese Bestimmung allen weiteren Schwierigkeiten vorgebeugt sei. Eine nähere Betrachtung ergibt indessen das Gegenteil: Schon die Bedingung, daß der Besitz kein bloß faktischer, sondern ein rechtmäßiger sei, d. h. sich auf einen Rechtstitel gründen sollte, versetzte die Besitzfrage aus dem Tatsächlichen in das Gebiet rechtlicher Fragen, über die sehr verschiedene Ansichten herrschen konnten. Es hatte bei der früheren schlechten Lage der Bauern, dem wiederholten Wechsel der Pächter und Verwalter eine häufige Änderung der Besitzer stattgefunden. Viele Bauern waren nicht vom Eigentümer, sondern von den Pächtern und Kommissarien eingesetzt worden und auch oft nur interimistisch; viele waren durch Abtretung der Hufe seitens der bisherigen bäuerlichen Besitzer, bald ohne Wissen des Gutsbesitzers, bald nur mit stillschweigender Genehmigung desselben, in den Besitz ihrer Höfe gelangt. Eine große Anzahl von Stellen war selbst nach 1819 von ihren Wirten verlassen und mit anderen Wirten besetzt oder auch unbesetzt geblieben. Die Aussicht auf Eigentumserwerbung und bessere Vermögenslage zog jene ursprünglichen Besitzer aus dem Verborgenen. Sie traten hervor mit mehr oder minder begründeten Ansprüchen, die

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erst auf dem Wege des Prozesses entschieden werden mußten. Die Zahl derartiger Prozesse belief sich bis 1839 auf 270.1 Ein anderer Umstand, der die Ausführung der Regulierung in der Provinz Posen erschwerte, liegt in der wegen des mehrfachen Regierungswechsels vorhandenen verschiedenartigen Gesetzgebung. Bs gab viele Fälle, wo zum Zwecke der Feststellung von Rechten, Beurteilung der verschiedenen Erwerbsarten, auf die Gesetze, Verfassungen und das Gewohnheitsrecht der altpolnischen, südpreußischen und Warschauer Regierungszeit zurückgegriffen werden mußte. Die Landeskulturgesetzgebung schnitt überhaupt so tief in die ursprünglichen Zustände ein, daß die Vermeidung eines Konfliktes zwischen dem Althergebrachten und dem Neueingeführten auch bei den weisesten und durchdachtesten Gesetzen nicht zu erhoffen war. Um Mißverständnisse zu beseitigen, sind zahlreiche Ministerialerlasse, Gesetzsammlungen und Kommentare erschienen, welche bis in die kleinsten Einzelheiten der ländlichen Verhältnisse eindrangen. Es soll sogar vorgekommen sein, daß die vielen Schwierigkeiten den Bauern solche Furcht einflößten, daß sie, obgleich ihnen doch eben die Regulierung nur zu Gute kommen konnte, in der Nacht heimlich das Dorf verließen, nur um nicht zur Übernahme der Wirtschaft gezwungen zu werden. Trotz aller dieser Schwierigkeiten waren die unmittelbaren Erfolge der Regulierungsgesetzgebung infolge der Zweckmäßigkeit des Gegenstandes selbst und der Tatkraft der Kommissionen ganz außerordentlich groß. 2 Folgende Zahlen beweisen dies deutlich: Es gab in Posen 1816 bzw. 1823 nach den Ermittelungen von K n a p p 3 48151 spannfähige Bauern überhaupt, von denen über 25000 (52°/0) Laß- und Pachtbauern waren, d . h . ungünstige Besitzrechte besaßen; die übrigen 48°/ 0 der spannfähigen Bauern waren teils volle Eigentümer, teils Erbzinsleute und Erbpächter, welche nicht regulierungsbedürftig waren und nur ihre Dienste und Leistungen abzulösen hatten. Die große Zahl von 4 8 % ist dadurch zu erklären, daß besonders im Netzedistrikt viele Bauern, insbesondere Domänenbauern, bereits vor 1806 Eigentumsrechte erworben hatten. Weiter wurden sämtliche Gemeinheiten, d. h. die gemeinsamen Nutzungen von Holz, Streu, Hutungen usw. durch die Landeskulturgesetzgebung geteilt und erledigt. Bis 1865 sind fast alle Regulierungen, Ablösungen und Gemeinheitsteilungen durchgeführt worden. Die Erfolge dieser Tätigkeit zeigt Tabelle 19. 1

K l e b a 1. c. S. 181. In einer Sitzung des Ausschusses für Industrie des wirtschaftlichen Vereins „Kasyno" in Gostyn im Jahre 1840 wurde hervorgehoben, daß die Regulierung in der Provinz Posen gegenüber Schlesien sehr schnell und ohne Hindernisse vor sich gehe. Man behauptete, daß in Posen das Verhältnis in den freiwilligen Regulierungsauseinandersetzungen zu den auf dem Prozeßwege erledigten 7:3, in Schlesien dagegen 1:2 war. (Przewodnik Rolniczo Przemyslowy. [Landwirtschaftlich gewerblicher Anzeiger.] Jahrgang 1840 S. 226—227.) 3 K n a p p , Die Bauernbefreiung. Leipzig 1887. Bd. I. S. 257ff. 2

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Diese Zahlen beziehen sich nur auf die von den Auseinandersetzungsbehörden geleiteten Geschäfte. Dazu kommen noch die der Domänen- und Porstverwaltungen. Die angeführten jährlichen Geldzahlungen sind nur die von den Rentenbanken übernommenen Renten. So sind also bis 1865 über 2 Millionen Spanndienst- und über 4 1 / 2 Millionen Handdiensttage aufgehoben worden. Nimmt man nun an, daß in normalen Verhältnissen der freie und selbständige Bauer auch nur ein Viertel mehr leisten könnte als bei einer Zwangsarbeit und der damit verbundenen Zeitvergeudung, so gewann die Summe der Arbeit in der Provinz Posen durch die Ablösungen jährlich x / 2 Million Spann- und über 1 Million Handdiensttage, was von unschätzbarem Werte ist. Die Ablösungen von Diensten wurden schnell vollendet, da allgemein eine Abneigung gegen Dienste in der Provinz herrschte. Dagegen viel langsamer ging es mit der Ablösung von Naturalabgaben und Geldrenten: Bis 1850 waren nur wenig Anträge dieser Art gemacht worden. Kaum aber war das Rentenbankgesetz erschienen, so strömten Provokationen auf dergleichen Ablösungen in solcher Menge zu, daß die Zahl der Anträge, die 1849 auf 38 gesunken war, in den beiden folgenden Jahren 1338 betrug. Seit 1850 werden die Ablösungen überhaupt häufiger: z. B. waren es 1849 nur 15000 Dienst- und Abgabepflichtige, welche abgelöst hatten, im Jahre 1865 stieg ihre Zahl auf 89000; es waren also seit 1849 rund 74000 Ablösungen erledigt worden. Die meisten Renten waren den Rentenbanken überwiesen worden; so wurden der Posener Rentenbank .während 5 Jahren aus 2351 verschiedenen Ortschaften 404015 Rthlr. Jahresrenten eingezahlt, was ein Kapital von beinahe 9 Millionen Rthlr. repräsentiert und etwa 3 / 4 der ganzen in Kapital abzulösenden Renten ausmachte. Die Regulierung wurde in fast 2500 Dörfern vorgenommen. Beinahe ein Fünftel der regulierten Stellen wurde abgebaut, d. h. die Gebäude und Äcker der Bauern wurden aus irgendwelchen Rücksichten an eine andere Stelle verlegt. Dabei wurde stets für die Bequemlichkeit gesorgt und der Abbau in die Nähe der Landstraße, Kirche, Schule usw. gelegt. Für die vorhandenen und die geplanten Schulen wurde bei dieser Gelegenheit ein Stück Acker vorbehalten; im ganzen betrug die Dotation der Schulen durch die Regulierung 6859 Morgen, durch die Gemeinheitsteilung 7000 Morgen. An neuen Betrieben sind infolge der Regulierungen: 30 herrschaftliche Vorwerke, 6272 abgebaute Bauernhöfe und 471 Dienstfamilienwohnungen, infolge der Gemeinheitsteilung 22 herrschaftliche Vorwerke, 2605 abgebaute Bauernhöfe und 471 Dienstfamilienwohnungen entstanden. 1 Über die Resultate der Regulierung hinsichtlich der Anzahl und Fläche der spannfähigen Nahrungen gibt Tabelle 19 a) und b) einen Überblick. Es geht aus ihr hervor, daß infolge der Regulierung die 1

K l e b s 1. o. S. 208.

87 Zahl und Fläche der spannfähigen bäuerlichen Nahrungen sich im Regierungsbezirke Bromberg bedeutend vermindert, dagegen im Regierungsbezirke Posen, allerdings in geringerem Maße, vermehrt hat. Die große Agrarreform hat die Trennung zwischen dem ländlichen Arbeiter und dem selbständigen Bauern verursacht. Ursprünglich war ein solcher Unterschied nicht vorhanden; es gab vor der Regulierung überhaupt nur wenige Tagelöhner, und diese hatten die Aussicht, daß ihnen bei günstiger Gelegenheit zum Lohn für gute Dienste eine erledigte Bauernstelle zufallen werde. 1 In den großen Gütern wurden im allgemeinen die Arbeiten durch die Frohnleistungen der erbuntertänigen Dörfer — vom Vollbauern an bis herunter auf den Büdner — bewirkt. Durch die Regulierung wurden nun die Inhaber der spannfähigen Nahrungen nach Ablösung der Dienste und Abgaben zu freien, selbständigen Grundbesitzern. Dagegen sind unzählige Eigentümer von kleinen Stellen, denen die Regulierungsfähigkeit nicht zuerkannt wurde, zu besitzlosen Tagelöhnern in dem benachbarten Gute geworden, indem ihre Besitzungen allmählich zum Gutslande geschlagen wurden. In dieser Weise vollzog sich die Scheidung zwischen dem landbesitzenden Bauern und dem besitzlosen Arbeiter. Diese befinden sich nun außerhalb des Gemeindelebens und unterliegen sowohl in wirtschaftlicher als auch in obrigkeitlicher Hinsicht dem Gutsherrn. Es wurde nämlich, was die Verwaltung anbetrifft, die Scheidung zwischen Landgemeinden und Gutsbezirken geschaffen. 2 Viertes Kapitel.

Die Wirkung der Regulierung auf die Entwicklung der bäuerlichen Landwirtschaft. Durch die Landeskulturgesetzgebung wurde der schroffe Spalt zwischen dem Großgrundbesitz und dem Bauernbesitz beseitigt. Die verschiedenen rechtlichen Zustände werden nun gleichgestellt. Der Unterschied zwischen dem Gutsland und dem modernen Bauernbesitz ist fast ausschließlich durch die Größe des Vermögens hervorgerufen. Eine bäuerliche Besitzung erhält ihr Gepräge dadurch, daß der Eigentümer selbst seine physische Arbeit zur Bewirtschaftung des Gutes verwendet, und dieser Charakter geht verloren, wenn der Besitzer durch Beaufsichtigung der Arbeiten und die Leitung der geschäftlichen und sonstigen Angelegenheiten hinreichend beschäftigt wird. Die Besitzgröße, bei der eine Wirtschaft ihren bäuerlichen Charakter verliert und als ein Gut anzusehen ist, ist sehr verschieden und hängt von der Beschaffenheit des Bodens, von der Intensität der Wirtschaftsweise u. a. ab. Sie schwankt zwischen 40 und 60 ha. 1 Sering, Die innere Kolonisation im östlichen Deutschland. Sohriften d. Ver. für Soz. Pol. Bd. LVI. Leipzig 1893. S. 9. 2 Sering 1. c. S. 10.

88 Der bäuerlichen Landwirtschaft wurde es durch die Regulierung möglich gemacht, sich die Errungenschaften der Neuzeit anzueignen. Durch die Regulierung wurde der Bauer der Verpflichtungen, die seine Wirtschaft beeinträchtigten, entbunden; er wurde ein freier und selbständiger Mann, empfänglich für alles Gute und Nützliche, was die Kultur mit sich bringt. Die Möglichkeit, sich aus Armut zu Wohlstand emporzuarbeiten, war ihm nun gegeben. Der Bauer ließ denn auch dieses günstige Moment nicht achtlos vorübergehen, sondern nützte es nach besten Kräften aus. Nachdem er sich also nach vielen Jahrhunderten des Abhängigseins an seine Selbständigkeit gewöhnt hatte, trachtete der Bauer danach, seine Wirtschaft zu reformieren. Er bessert seine Gebäude aus, umringt sein Gehöft mit Zäunen, schafft die Steine von den Feldern weg, zieht Gräben, kurzum er tut alles, was seiner Ansicht nach der Wirtschaft nützen könnte. Oft sind diese Reformen dadurch gefördert worden, daß die Höfe durch Abbau in eine günstige Lage verlegt wurden. 1 Wenn nun auch in den ersten Jahren nach der Regulierung die Bodenerträge nicht viel größer waren, so ist doch die Summe der verkauften Produkte infolge der Aufhebung der Frohndienste, also infolge der verminderten Gesindezahl, bedeutend größer geworden. Die Bodenkultur wird allmählich vollkommener; die Ackerbestellung geschieht im allgemeinen mit mehr Sorgfalt. Es werden immer mehr Futtergewächse angebaut, was nun, seit der Aufhebung der freien Weiden, umso wichtiger ist. Diese Fortschritte sind auch einigen Musterwirtschaften zu verdanken, die in den dreißiger Jahren alle Neuheiten der Landwirtschaft des Westens in die Provinz einführten. An erster Stelle ist hier der General Baron von Chlapowski zu nennen 2 , der seine fachmännischen landwirtschaftlichen Kennt1

Die zahlreichen Verlegungen der Bauernhöfe hatten ihre guten Folgen auch für die kleinen Städte, wo sich das Maurer- und Zimmergewerbe infolge der zahlreichen Abbauarbeiten stark entwickelte. 2 Chlapowski führte in den zwanziger und dreißiger Jahren auf seinen Gütern folgende Fruchtfolgen ein: I . R o t a t i o n : (Schwerer Boden, 10 Schläge ä 30—50 Mg.) 1. Wicken (Stalldung), 2. Roggen, 3. Hackfrüchte (Stalldung), 4. Gerste mit Kleeeinsaat, 5. Klee, 6. Kleeweide, 7. Hafer, 8. Brache, 9. Raps (Stalldung), 10. Weizen. II. R o t a t i o n : (Leichter Lehmboden, 7 Schläge ä 50 Mg.) 1. Roggen, 2. Kartoffeln (Stalldung), 3. Erbsen, 4. Roggen mit Weißkleeeinsaat, 5., 6., 7. Weide. III. R o t a t i o n : (Leichter Boden, 13 Schläge a 50 Mg.) 1. Roggen, 2. Erbsen (Stalldung), 3. Roggen, 4. Buchweizen mitWeißklee-Einsaat, 5., 6., 7. Weide, 8. Roggen 9. Kartoffeln (Stalldung), 10. Gerste mit Weißkleeeinsaat, 11., 12., 13. Weide. Mit welchen Schwierigkeiten zu jener Zeit die Einführung solcher Reformen zu kämpfen hatte, beweist z. B. die Tatsache, daß Chlapowski in Turew (Kreis Kosten) frischen Kleesamen durch seine Knechte aus Erfurt holen lassen mußte. Andererseits brachten die deutschen Einwanderer eine intensivere Bewirtschaftungsweise aus dem Westen mit. So war z. B. die Herrschaft Kobelniki (Kr. Strelno) des Freiherrn v. W i l a m o w i t z - M o e l l e n d o r f eine Musterwirtschaft. Um das Jahr 1843 bestand dort folgende Fruchtfolge: 1. Brache, 2. Raps, 3. Weizen, 4. Kartoffeln, 5. Erbsen (Stalldung), 6. Win-

-39 nisse, die er in England erworben hatte, nicht nur auf seinen eignen Gütern verwertete, sondern sie vielen Bohnen von Rittergutsbesitzern, die Volontäre bei ihm wurden, beibrachte. Aber Chlapowski gedachte auch der Bauern, indem er in einer Zeitschrift, betitelt „Szköika niedzielna" (Sonntagsschule), ihnen in leichtverständlicher Weise eine rationelle Landwirtschaft vor Augen führte. Welch' große Bedeutung die Einführung des Anbaues von Futtergewächsen bei den Bauern gehabt hat, beweist folgendes: In Neu-Krumzig (Kreis Bomst) hatte die unumschränkte Benutzung der herrschaftlichen Wälder infolge der Regulierung aufgehört und alles schien kopfüber zu gehen, da die Bauern keine Wiesen hatten. Land war hier für Spottpreise zu kaufen, und Zwangsverkäufe kamen massenhaft vor. Eine förmliche Umwälzung bewirkte aber die Einführung des Futterpflanzenbaues, der diesen Mißständen ein Ende machte. 1 Der Bauer beginnt auch nach dem Vorbilde des Großgrundbesitzes besser zu düngen. Mit dem Stalldünger wird umsichtiger verfahren; auch werden Teichschlamm, Erde aus Gräben, Gyps, Mergel und Asche zur Düngung verwendet. In der Nähe von Städten wird der Anbau von Handelsgewächsen bei den Bauern häufiger. Auch wird für die Produktion von Heu mehr Sorge getragen; die Wiesen werden nach Möglichkeit melioriert und zweischnittig gemacht. Die Ernteerträge beginnen zu steigen und den durchschnittlichen Erträgen der Rittergüter gleichzukommen. Man kann annähernd die Ernten der Bauernwirtschaften aus der Zeit nach der Regulierung an den Normal-Ertrags-Tabellen des Posener Kredit-Vereins ersehen, die für die Rittergüter um das Jahr 1830 aufgestellt wurden. Aus ihnen ist zu ersehen, daß im günstigsten Falle bei Tonboden der Ertrag an Weizen oder Gerste pro Morgen 7—9 Scheffel (ca. 280—360 kg 2 ), im ungünstigsten Falle dagegen, bei einer sehr schwachen Düngung, 4—6 Scheffel betrug. Bei sandigem Lehm- und lehmigem Sandboden soll die durchschnittliche Ernte, je nach der Düngung, 6—3 bzw. 5—2 Scheffel ausgemacht haben. Der bei Kalkboden verzeichnete Ertrag ist äußerst gering, er schwankte zwischen 3 und 1 Scheffel pro Morgen. Als Aussaatmenge bei diesen Normal-Erträgen wurde im großen und ganzen ein Scheffel angenommen. (Vergl. Tabelle 20.) Das Schwanken der Ernteerträge entspricht dem der Bareinnahmen des Bauern; diese hängen jedoch ebenfalls mit den vorherrschenden Getreidepreisen zusammen; bei dem durchaus ungeterung, 7., 8. Klee, 9. Winterung, 10. Brache, 11. Winterung (Stalldung), 12. Kartoffeln, 13. Sommerung. Die vom Staat eingerichteten Versuchs-Musterwirtschaften, ebenso wie die Ackerbauschule zu Kolno (Kr. Birnbaum) gingen leider wegen Mangels an Geldmitteln ein, dagegen hat der 1830 festgesetzte Prämienfonds von jährlich 600 Talern zur Vermehrung des Futtergewächsbaues und Einführung der Stallfütterung erheblich beigetragen. ( B r o d n i c k i , I.e. S. 48ff.) 1 Akten des landwirtschaftlichen Provinzialvereins für das Großherzogtum Posen. 1882. (Bericht des Vorstandes des Landw. Prov.-Ver. an den Landwirtschaftsminister Dr. L u c i u s über die bäuerlichen Wohlstandsverhältnisse). 2 Vgl. Anmerk. 2 S. 21.

40 regelten Getreidehandel jener Zeit war nämlich der Preis für das bäuerliche Getreide, sofern es überhaupt zum Verkauf gelangte, mehr vom Willen der kleinstädtischen Getreidehändler abhängig, der stets ein Jude war, als von der allgemeinen Notiz. Die Jahresdurchschnittspreise der landwirtschaftlichen Produkte in den Jahren 1816—1890 sind in Tabelle 21 zusammengestellt. Was die Viehhaltung betrifft, so sind hier günstige Umwandlungen zu verzeichnen. Vor allem wird die Zahl der Zugochsen infolge der Aufhebung der Spanndienste eingeschränkt. An ihrer Stelle hält der Bauer Nutzvieh und er sieht allmählich die daraus entstehenden Vorteile. Im allgemeinen widmet er seinen Haustieren mehr Sorgfalt und ihre Qualität wird mit der Zeit besser. Zur Verbesserung der Pferderassen wird vom Staate im Jahre 1832 ein Landgestüt errichtet und 1835 eine Körordnung erlassen. Über die Quantität der Tiere jener Zeit gibt Tabelle 22 einen Überblick, die sich zwar auf die gesamte Provinz bezieht, jedoch auch für die bäuerliche Viehhaltung in den einzelnen Zeitabschnitten einen gewissen Anhalt bietet. Auch auf den Zustand der Gebäude und Geräte soll die Regulierung nach den Berichten von Zeitgenossen einen günstigen Einfluß ausgeübt haben. Zwar sind die Lehm- und Fachwerkbauten mit Strohdächern noch allgemein üblich, aber es werden gewisse Verbesserungen vorgenommen. Der Schornstein wird aus Stein gemauert, die Stuben werden geräumiger gebaut und mit größeren Fenstern und ordentlichen Glasscheiben versehen. Die Ackergeräte werden vollkommener, zum Teil mit Eisen beschlagen, durch staatliche Verfügung werden breitspurige Wagen eingeführt. Kurzum der Wohlstand der Bauern wurde durch die Landeskulturgesetzgebung gehoben. Dies ist auch daraus zu ersehen, daß bis 1848 die Abfindung der Gutsherren seitens der Bauern in Roggen und Land, später schon meistens in Geld erfolgten. Auch sind die Bezahlungen der Renten im Großen und Ganzen pünktlich gewesen, mit Ausnahme der Jahre 1848—50, wo die inneren Unruhen auch hier nicht ohne Folgen geblieben sind.

Fünftes Kapitel.

Der Rückgang des bäuerlichen Besitzes in den Jahren 1823—1880.«

Das vierte Kapitel hat den segensreichen Einfluß geschildert, den die Verleihung von Freiheit und Eigentumsrechten auf den Bauern und seinen Besitz ausgeübt hat. Leider folgte diesen günstigen Erscheinungen bald eine Reihe von Mißständen, die den Rückgang des Rustikalbesitzes verursachten. Diese ungünstigen Zustände waren folgende: Schon bei der Regulierung selbst sind mitunter Fehler begangen worden; es wurden Gemeinden selbständig gemacht, die nicht groß genug waren, um die Lasten der Selbständigkeit zu tragen und deshalb der Verschuldung

41 anheimfielen. Auch der kulturelle Zustand der Bauern war nicht überall der erfreulichste. Wo die Bittergüter nicht mit gutem Beispiel vorangingen und mit Rat und Tat den Bauern beistanden, da hob sich die Landwirtschaft der Bauern wenig. Bei ihrer Schwerfälligkeit, die noch aus der Zeit der Leibeigenschaft herrührte, andrerseits bei ihrem großen Konservatismus und dem Mißtrauen gegenüber allem, was als neu erschien, eigneten sich die Bauern, wo sie eben kein gutes Beispiel als Ansporn hatten, die Fortschritte auf landwirtschaftlichem Gebiete nicht an. Dazu trugen auch in bedeutendem Maße der Leichtsinn und die Sorgfalt der Bauern bei; sehr verbreitet war die Trunksucht, die durch die Wochenmärkte und zahlreichen Feiertage gefördert wurde. Außerdem waren die verschiedensten Lasten hinzugekommen. Neben den Abfindungen und Benten waren die Staatssteuern, Kirchenund Schulbeiträge, Kreiskommunallasten, Beiträge zu ProvinzialInstitutionen usw. zu bezahlen. Besonders wurden die Kommunallasten hoch bemessen. Die Ursache dafür ist in dem Bau von Chausseen und Eisenbahnen zu suchen; die Provinz wurde hierbei vom Staate sehr wenig unterstützt, und so fielen die Kreise einer sehr großen Verschuldung anheim, was auf die Besteuerung der einzelnen Gemeinden entsprechend einwirkte. Wie ein Bericht des Posener Landwirtschaftlichen Provinzialvereins an den Minister Lucius vom Jahre 1892 besagt 1 , sind diese hohen Kommunalabgaben auch durch die großen Kosten der Armenpflege verursacht worden: Eine große Anzahl von Landbewohnern zog alljährlich im Frühjahr nach den Großstädten, Industriegebieten und Gegenden mit starkem Rübenbau, um höheren Arbeitslohn zu suchen. Viele von ihnen kehrten im Herbste zurück, ohne genügenden Geldvorrat für den Winter mit sich zu bringen. Die Pflicht der Unterstützung dieser Leute und ihrer Familien trägt der heimatliche Armenverband; für kleine unvermögende Armenverbände war diese Unterstützungspflicht mitunter geradezu ein Ruin. Alle diese Lasten mußten von einem Besitztum, dessen durchschnittliche^ Größe 55 Morgen betrug, herausgewirtschaftet werden. Etwaige Reformen, die die Bodenerträge steigern konnten, beanspruchten anfangs eine — mitunter sehr bedeutende — Kapitalanlage, die vom Bauern schwerlich beschafft werden konnte. So ist denn nicht zu verwundern, daß der wenig regsame Bauer, falls ihm nicht besondere Hilfe gewährt wurde, infolge der großen Lasten in Verschuldung geriet. Viel Übel ist auch durch die allgemein verbreitete Vererbungsweise auf Grund von Überlassungsverträgen verursacht worden. So kam es oft vor, daß der Vater im Alter von 50—55 Jahren, — also in einer Zeit, wo er noch rüstig und arbeitsfähig war, die Wirtschaft seinem Sohne überließ. Diese Trägheit hatte zur Folge, daß die Arbeitskraft der Eltern, die noch lange Zeit hätte ausgenutzt werden können, verloren ging, andrerseits aber das Ausgedinge infolge eines sehr langen Zusammenlebens zu einer drückenden Last wurde. Es kam vor, daß 1

Vgl. Anmerk. 1 S. 39.



42

das Ausgedinge 20—30 Jahre gezahlt wurde, und als die Eltern schließlich starben, da hatte der Sohn schon das Alter erreicht, in welchem er es ebenfalls für angemessen hielt, in den Ruhestand zu treten. So geschah es denn, daß das Altenteil eine ständig auf dem Gute lastende Pflicht wurde. 1 Andererseits wurden die Ausgedinge selbst oft sehr hoch bemessen, ohne Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit der Stelle. Da der Übernehmer stets als der Bevorzugte unter den Geschwistern galt, er selbst aber auch sehr oft erfreut war, nun der Besitzer zu werden, so geschah es, daß in die Verträge sehr große Abfindungen und Altenteile eingetragen wurden. In folgendem gibt ein Ausgedinge aus dem Kreise Bomst ein Beispiel dieses Übels: Auf einer Wirtschaft von 15 ha leichten BodenS, deren Kaufpreis 8500 M. beträgt, lastet eine Schuld von 600 M. Der vierzigjährige Vater überläßt den Hof seiner Tochter gegen folgendes Ausgedinge : 1. Eine Stube, Keller, Bodenraum, Viehstall, eine Kuh und zwei Schafe, bei freiem Sommer- und Winterfutter. 2. Ein Drittel des Obstes, Nutzung von drei Flächen Land ä x / 4 Morgen des besten vorhandenen Bodens. 3. Der Wirt (Schwiegersohn des Ausgedingers) muß das Land für diesen bestellen und den erforderlichen Dünger anfahren. 4. Freie Verpflegung während der Krankheit, einschließlich der Kosten des Arztes und Apothekers, sowie freies Begräbnis. 5. 4 Klafter zerkleinertes Kiefernholz I. und II. Klasse sowie 2000 Stück Torf als Brennmaterial. 6. 9 Scheffel Roggen, l 1 / 2 Scheffel Buchweizen, 2 Scheffel Hafer, 1 l /» Scheffel Hirse, und 1 Schock Stroh. 7. 9 Mark bares Geld. 8. Jährlich 4 freie Fuhren 2 Meilen weit. 9. Sollte der Ausgedinger wegziehen, so erhält er jährlich 30 M. als Entschädigung für die freie Wohnung und das vorgeschriebene Ausgedinge muß ihm 2 Meilen weit nachgefahren werden. 2 Dieses ist kein ungewöhnliches Ausgedinge; die Erscheinung, daß es die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft übersteigt, ist in den Jahren 1850—80 häufig. Die unmittelbare Folge davon ist ein Rückstand in der Zahlung des Altenteiles, was Unfrieden in das Haus bringt. Nach dem Zanke zwischen Eltern und Kindern kommt es zu Prozessen und schließlich zum Zusammenfall des Vermögens, wozu die Winkeladvokaten, die die kleinste Streitsache zu heller Flamme anzufachen verstehen, in hohem Maße beitragen. Besonders schlimm, ja geradezu entsetzlich gestaltet sich die Belastung, wenn zwei Ausgedinge gleichzeitig auf der Wirtschaft 1 v. N a t u s i u s , Die bäuerlichen Verhältnisse in der Provinz Posen. Schriften des Vereins für Sozialpolitik. Bd. X X I V . Leipzig 1883, S. 27ff. 2 Akten des landwirtschaftlichen Provinzialvereins i 1882. (Vgl.LAnm. 1 S. 39.)

48 haften, wie dies nicht selten dadurch herbeigeführt wird, daß das Besitztum in dritte Hände übergeht. Ein grelles Beispiel einer solchen Belastung gibt eine Wirtschaft in der Gemeinde W. im Kreise Pieschen r1 Die betreffende Wirtschaft hat eine Ausdehnung von 86 Morgen. Sie wurde zu einem ziemlich hohen Preise mit folgendem Ausgedinge verkauft: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11.

Freie Wohnung. 6 Viertel Roggen. 5 y 2 Viertel verschiedenen Sommergetreides. 2 Viertel gestampfter Hirse. Ein 15 Ruten langes Beet Land, mit Lein bearbeitet. 8 Beete zu Kartoffeln. 3 Klafter Holz mit freier Zufuhr. Die Nutzung eines Gartens. Eine K u h mit Futter und Weide. Ein gemästetes Schwein. Ein Taler zu Salz.

Der Käufer machte sich von der Wirtschaft los unter Auferlegung eines zweiten Ausgedinges für sich; — dies bestand a u s : 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

Freier Wohnung. 1 Scheffel Weizen. 10 Scheffel Roggen. 7 Scheffel verschiedenen Sommergetreides. 1 j 2 Scheffel gestampfter Hirse. 30 Scheffel Kartoffeln. 2 Beete Land. Einer Kuh mit Futter und Weide. Einem gemästeten Schwein. Freier Wäsche.

Der neue Besitzer war natürlich in kurzer Zeit bankerott und verlor dabei noch seine eigene, schon früher besessene Wirtschaft; das überlastete Grundstück wurde unter Reduzierung des unsinnigen Ausgedinges von dem benachbarten Großgrundbesitzer angekauft. Das Los dieser Wirtschaft wurde von zahlreichen anderen geteilt. Auch ein hoher Kaufpreis ist oft die Ursache des Verderbens für viele Bauern gewesen. Die Preise, die die Bauern für den Boden bezahlten, entsprachen zwar den allgemein üblichen Bodenpreisen, weniger aber dem landwirtschatlichen Kulturzustand. Die Anzahlungen waren zu niedrig, die Zahlungsbedingungen für die Restkaufgelder wurden dem Bauern, der in Geldangelegenheiten nicht die geringste Erfahrung hatte, in ungünstigster Weise vorgeschrieben. Verhängnisvoll in dieser Hinsicht war auch der Brauch, Stellen, die verkauft werden sollten, möglichst hoch zu beleihen; man hatte nämlich beobachtet, daß stark verschuldete Güter am leichtesten zu verkaufen 1

Natusius 1. o. S. 30.

44 wären. Ein Betriebskapital war nur selten in hinreichendem Maße vorhanden. Die Kreditverhältnisse waren äußerst ungünstig. Ein gesunder Bodenkredit bestand erst seit 1879 bzw. 1888, d. h. seit der Herabsetzung des Mindesttaxwertes bei Beleihungen der Posener Landschaft auf 6000 bzw. 4000 M. Dies trat also erst dann ein, als der bäuerliche Besitz schon große Verluste erfahren hatte. 1 Andere Grundkreditbanken, die kurz nach 1870 in großer Menge auftraten und ihre Aufmerksamkeit dem Bauernbesitz zuwandten, trugen meistens nur zu seinem Verderben bei. Die Bauern, die, wie gesagt, in Geldangelegenheiten vollkommen unerfahren waren, ließen sich zu großen Anleihen verleiten. Sie schöpften aus den zahlreichen Kreditquellen mit voller Hand, sogar über den augenblicklichen Bedarf hinaus und gingen dabei ungünstige Bedingungen ein. Ein Zinssatz von 7—7 1 / 2 °/O> unabsehbare Amortisationsfristen, dabei Bedingungen, welche die vorzeitige Ablösung des Darlehens fast unmöglich machten, dies alles waren Verpflichtungen, die den arglosen Bauern auferlegt wurden. Wie folgenschwer diese Mißstände waren, ergibt sich aus den Angaben des Landrats des als Durchschnittskreis geltenden Kreises Obornik, aus den Jahren 1875 und 1882. Danach waren fast 60°/ o aller Wirtschaften (von 7,5—150 ha Areal) verschuldet. Die durchschnittliche Belastung betrug pro ha im Jahre 1875 154 M. und stieg im Jahre 1882 auf 175 M. Die gesamte Belastung dieser Wirtschaften belief sich im Jahre 1875 auf 2714530 M., im Jahre 1882 auf 4265513 M., vergrößerte sich also in 7 Jahren um 30°/ 0 . Der Wert des gesamten bäuerlichen Besitzes des Kreises Obornik betrug im Jahre 1882, wenn man den Verkaufswert von 1 ha mit 500 M. annimmt, 15475500 M., mithin betrug die angegebene Belastung 2 9 , 5 % des Gesamtwertes und 138 M. pro ha der Gesamtfläche. Der Wert des verschuldeten bäuerlichen Besitzes belief sich auf 10188000 M., mithin betrug die Summe der Belastung 4 2 , 7 % dieses Wertes und 209 M. pro ha der verschuldeten Fläche. 2 Die Berichte der einzelnen Kreisvereine an den Provinzialverein aus den Jahren 1880—82 enthalten ebenfalls genaue Angaben über die Verschuldung des ländlichen Besitzes. Diesen Berichten zufolge betrug die Verschuldung im Kreise Wreschen 5 0 % des Wertes des bäuerlichen Besitzes, in Schrimm, Kosten, Fraustadt, Kroeben 6 6 % und im Kreise Bromberg bis 1 0 0 % des Wertes des bäuerlichen Besitzes. Im Kreise Schroda schätzte man die Verschuldung auf den 25 fachen Betrag des Grundsteuerreinertrages. Günstiger gestalteten sich die Verhältnisse in den Kreisen Bomst, Schildberg, Kolmar, Meseritz, Pieschen, Krotoschin, Wongrowitz, Birnbaum, Schwerin a. W., wo die Verschuldung nicht mehr als 3 0 % des Wertes des bäuerlichen Besitzes betrug. Zu beachten ist hierbei, daß der Zinsfuß der eingetragenen Hypotheken sehr hoch war. 1 2

Akten des landwirtschaftlichen Provinzialvereins 1882. (Vgl. Anm. 1 S. 39.) N a t u s i u s I.e. S. 13.

45 Noch verhängnisvoller waren die Zustände beim Personalkredit. Dieser ruhte fast ausschließlich in den Händen wucherischer Geldverleiher, zumeist Juden, die in allen Landstädten zu finden waren. Dem unsauberen Geschäftsgebaren leistete die Unbedachtsamkeit der Bauern großen Vorschub. Gewöhnlich wurden die Darlehen gegen Wechsel gegeben. Anfangs wurde ein mäßiger Zinsfuß ausgemacht, jedoch steigerten sich bald die Verpflichtungen mit den fortgesetzten Prolongationen derart, daß sie schließlich die Leistungsfähigkeit des Hofes überstiegen. Der Bauer wurde ein Sklave des Wucherers, der ihn in der schmählichsten Weise aussog und schließlich an den Bettelstab brachte. Folgender Fall gibt dafür ein trauriges Beispiel: Der Wirt N. in W. im Kreise Obornik erbte um das Jahr 1860 eine kleine Wirtschaft von 8 ha mit 300 M. Schuld und bekam mit seiner Frau 900 M. bares Geld. Nach 6 Jahren ist das bare Geld verwirtschaftet. Ihm fällt ein Pferd, er muß ein neues kaufen und braucht hierzu 75 Mark. Diese Summe leiht er auf einen Wechsel mit kurzer Verfallzeit von einem jüdischen Händler der benachbarten Kleinstadt. Die Schuld ist in kurzer Zeit, ohne daß N. dazu geborgt hat, auf 450 M. angewachsen. Dann übernimmt ein anderer Handelsmann diese Schuld und gibt dem N. noch weitere 36 M., läßt sich hierüber einen Wechsel über 45 M. und 9 M. Zinsen für den Monat ausstellen, und als die Schuld nach 3 Monaten auf 72 M. angewachsen war, wurden 15 M. monatlich an Zinsen zugeschrieben. Bald war diese ursprünglich 75 + 36 M. = 111 M. betragende Schuld auf 2100 M. angewachsen. N. mußte die Hälfte der Wirtschaft verkaufen, blieb aber in den Händen des zweiten Händlers und nach 2 Jahren folgte die zweite Hälfte nach. N. kam an den Bettelstab. 1 Diesen himmelschreienden Ausbeutungen machte das Wuchergesetz vom 24. Mai 1880 ein Ende. Die Folge der Kreditnot waren zahlreiche Zwangsversteigerungen. Die Bauernhöfe wurden dann von Großgrundbesitzern oder von gewerbsmäßigen Güterhändlern aufgekauft. Die Großgrundbesitzer, erwarben die Bauernstellen, um ihre eigenen Besitzungen abzurunden oder besondere Vorwerke zu bilden. Dabei waren die Bodenpreise bei dem Großgrundbesitze höher als bei den Baüernstellen, so daß ein Ankauf dieser seitens der Bittergutsbesitzer als eine durchaus vorteilhafte Kapitalanlage galt. Die Güterhändler dagegen kauften die Bauernhöfe auf, um sie zu parzellieren. Oft waren diese Händler die Wucherer selbst, die den Bauern ruinierten und daraufhin seinen Besitz parzellierten. So wurden die spannfähigen Nahrungen in Häusler -oder Dienstfamilienstellen zerlegt. Die Parzellierung der Stellen durch den Bauern selbst kam sehr selten vor. Die Folge aller dieser Mißstände war, daß die Zahl der spannfähigen Nahrungen in den Jahren 1823—1880, vor allem aber 1859—1880, sich stark verminderte. 1

N a t u s i u s I. o. S. 19.



46

Die Zahl der spannfähigen Nahrungen hat in der Zeit von 1823 bis 1880 in allen Kreisen der Provinz, mit Ausnahme der Kreise Bomst, Meseritz und Bromberg, abgenommen, und zwar: 1 Im Eeg.-Bez. Posen um 6485 Nahrungen und „ „ Bromberg „ 2331 „ im ganzen also um 8816 Nahrungen (8679) =18,34 (18%)2. In der Zeit von 1823—1859 tritt dieser Rückgang der bäuerlichen Nahrungen noch nicht so deutlich hervor; neun Kreise des Reg.-Bez. Posen haben in dieser Zeit sogar eine Zunahme zu verzeichnen, die zusammen 294 Nahrungen beträgt; im Reg.-Bez. Bromberg, wo nur der Kreis Wirsitz eine Zunahme zu verzeichnen hatte, nahm in der Zeit von 1823—1859 die Zahl der spannfähigen Wirtschaften um 714 ab. Die ganze Provinz verlor in dieser Zeit also 420 Höfe = l°/ 0 . Dagegen haben in der Zeit von 1859—1880 nur die Kreise Bomst, Bromberg und Schubin eine Zunahme aufzuweisen, es verlor: der Reg.-Bez. Posen 7679 spannfähige Stellen. „ Bromberg 1617 ,, „_ zusammen 8396 = 17,54% Der Verlust an Areal war verhältnismäßig kleiner, als der Verlust an Stellen: Die gesamte bäuerliche Fläche verminderte sich 1823—1859 1859—1880 1823—1880 im Reg.-Bez. Posen um 43360 Mg. 124225 Mg. 167585 Mg. „ „ Bromberg „ 14160 „ —19720 „ 3 — 5560 „ in der ganzen Provinz um 57520 Mg. 104505 Mg. 162025 Mg. im Verhältnis zum ursprünglichen Umfange im Reg.-Bez. Posen um 2,05% 6 % 8,5% Bromberg „ 1 % —1,5 % —0,5% in der ganzen Provinz „ 1,7 % 3 % 4,7%. Die Zahl der nicht spannfähigen Nahrungen hat 1859—1880 in allen Kreisen der Provinz, ausgenommen Meseritz, Bromberg, Schubin und Wirsitz, zugenommen und zwar im Reg.-Bez. Posen um 9915 „ „ „ Bromberg „ 941 in der ganzen Provinz um 10856 (10510) = 32(30)%. Das Areal der nicht spannfähigen Nahrungen hat sich in dieser Zeit in allen Kreisen der Provinz, Posen und Schubin ausgenommen, vergrößert, und zwar im Reg.-Bez. Posen um 189416 Mg. „ Bromberg „ 35591 „ zusammen 225007 Mg. (224001) = 75% . 1

Akten des Provinzialvereins 1882. Die in Klammern angeführten Zahlen sind den Angaben von Grossmann, Die Vererbung des bäuerlichen Besitzes in Posen (Serings Annalen 1898. S. 19) entnommen. 3 Bei dem Vorzeichen (—) hat die Gesamtzahl der Stellen zugenommen. 2

47 Die betrug

durchschnittliche

Größe

im Reg.-Bez. Posen „ „ Bremberg in der ganzen Provinz Die durchschnittliche hofes betrug

eines

spannfähigen

1828 62 Mg. 95 „ 71,6,,

Bauernhofes

1859 60 Mg. 99 „ 71 „

1880 70 Mg. 114 „ 83,6,,

Größe eines nicht spannfähigen Bauern-

im Eeg.-Bez. Posen „ „ Bromberg in der ganzen Provinz

1853 8,5 Mg. 9,2 „ 8,8 „

1880 12 Mg. 11,3 „ 11,75 „

1880 wurde festgestellt, daß in dem Zeiträume von 1823—1880 500 bäuerliche spannfähige Stellen mit einem Flächeninhalt von 29280 Morgen kommunalrechtlich und 2832 Wirtschaften mit 148953 Morgen tatsächlich mit selbständigen Guts bezirken vereinigt wurden. 1 Alle diese traurigen Erscheinungen riefen nach Abhilfe. Das Ministerium für Landwirtschaft, die einheimischen Behörden, weiter eine große Anzahl von Privatpersonen, vor allem Rittergutsbesitzer, auch vereinzelt Bauern, strebten danach, den Bauernbesitz vor dem Untergange zu bewahren. Die verschiedenen Arten der Abhilfe, die zu diesem Zweck geschaffen wurden, sollen in dem nächsten Abschnitt erörtert werden.

IL Der heutige Zustand des bäuerlichen Besitzes in der Provinz Posen. Erstes K a p i t e l .

Die Entwicklung der landwirtschaftlichen Besitzverhältnisse seit 1880. Die staatliche Kolonisation (die Gesetze von 1886—1900). Die private Parzellierung. Die Entwicklung der Bodenpreise.

Die gegenwärtige Besitzverteilung in der Provinz Posen erhielt ihre neue Form durch die seit Mitte der achtziger Jahre stark ins Leben getretene Parzellierung des Bodens. Sie ging sowohl vom Staat, als auch von privaten Unternehmungen aus. Die Entwicklung der staatlichen Parzellierung ist folgende: Der Rückgang des bäuerlichen Besitzes einerseits, die starke Auswanderung in den siebziger und achtziger Jahren andererseits riefen die Forderung nach Schaffung einer gesunden ländlichen Besitz1

Akten des landwirtschaftlichen Provinzialvereins 1. c.



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Verteilung in der Provinz Posen hervor. Die Zerschlagung des Latifundienbesitzes wurde allgemein verlangt; dem einen kam es dabei auf die Errichtung kleiner Arbeiterstellen zur Milderung der Arbeiternot an, die anderen wünschten einen kräftigen Bauernstand als eine soziale Mittelstandsschicht zu schaffen. Die Großgrundbesitzer selbst ersahen in der Parzellierung ihrer verschuldeten Latifundien ihre einzige Bettung. Auch sprachen dabei in den Provinzen Posen und Westpreußen nationalpolitische Gründe mit: man wollte den deutschen Bauernstand vermehren. Der Weg zu diesem Ziele wurde in der Wiederbelebung des Erbpachtverhältnisses erkannt. Es stand fest, daß in kapitalarmen Kreisen sehr wenig Kauflustige vorhanden waren, die von ihren eignen Mitteln das Gut und Inventar zu erwerben imstande wären, und so kam man auf den Gedanken, die Übereignung gegen Renten zum Gegenstand einer neuen Gesetzgebung zu machen. Diese Einrichtung, die oft als eine neue Rechtsform bezeichnet wird, ist in Wirklichkeit, auch nach den Absichten des Gesetzgebers, nichts anderes als eine Modernisierung der Erbpacht. Im ersten Kapitel haben wir die besitzrechtliche Stellung der Erbpächter sowie der Erbzinsleute erkannt. Es sei hier aber hervorgehoben, daß der Begriff der Erbpacht im Sinne der preußischen Gesetzgebung nicht mit der polnischen Erbpacht, sondern vielmehr mit den Besitzrechten der Zinsbauern gleichbedeutend ist. Bei der modernen Erbpacht fällt natürlich das frühere Abhängigkeits- und Hörigkeitsverhältnis fort. Durch das Gesetz vom 2. März 1850 wurde die Erbpacht in Preußen beseitigt 1 ; jedoch war diese Verfügung nicht lange maßgebend, denn schon in den Jahren 1860—80 wurde infolge der oben geschilderten ungünstigen agrarischen Zustände das Erbpachts- und Rentenproblem der Gegenstand lebhafter Polemik und zahlreicher Beratungen. Es wurde die Anschauung verbreitet, daß der Grund und Boden nur Ertrag-, nicht Kapitalwert habe und deshalb als ein Rentenfonds anzusehen und zu behandeln sei. Als Vorkämpfer dieser Ideen traten J u s t u s Moser und R o d b e r t u s - J a g e t z o w auf. Der Ausdruck „Rentengut" wird zum erstenmal amtlich gebraucht in der „Denkschrift betreffend Rentengüter", welche der preußische Landwirtschaftsminister durch Verfügung vom 2. November 1885 dem Landesökonomiekollegium vorlegte. Diese bezeichnet damit denjenigen Grundbesitz, der gegen Übernahme einer festen, eventuell auch unablösbaren Rente zu Eigentum übertragen wird. 2 Ehe aber eine solche Rentengutsgesetzgebung für ganz Preußen zustande kam, wurde ein Gesetz ins Leben gerufen, das zum Teil 1 K a l k s t e i n , Ustawy o wloÄciach rentowych. (Die Rentengutsgesetze.) Posen 1892. S. 8ff. 2 W a l d h e c k e r , Die preußischen Rentengutsgesetze nach Theorie und Praxis. Berlin 1894. S. 21 ff.

49 auch anderen nationalpolitischen Absichten entstammte. Im Jahre 1886 wurde das Kentengut von dem preußischen Landtag in ein Gesetz aufgenommen, das die Förderung deutscher Ansiedelungen in Posen und Westpreußen beabsichtigte. Es ist ein Fonds von 100 Millionen für die Ausführung dieser Kolonisierung bewilligt worden. Die Kolonisten erhalten das Land zum Selbstkostenpreise, meist in Form eines Rentengutes, gegen eine Rente von 3 % . Die Leitung ruht in den Händen der Ansiedlungskommission. Diese vollzieht die Parzellierung der angekauften Güter und ordnet die Hypotheken und Kommunalverhältnisse, auch sucht sie die Ansiedler nach den Vermögens- und sonstigen Verhältnissen aus. Die Ansiedlungskommission gewährt mitunter, um den Kolonisten anfangs das Fortkommen zu erleichtern, bis drei Freijahre und, wenn dies erforderlich ist, auch Ergänzungsdarlehen. Die Kommission hat dabei das Recht und die Möglichkeit, das Eigentum des Rentengutsnehmers in folgender Weise einzuschränken: 1. durch Unablösbarkeit der Rente, 2. durch die Bindung von Zerteilung und Abveräußerung an ihre Zustimmung, 3. durch Festsetzung eines Veräußerungsverbots, 4. durch Vorkaufsrecht. 1 Diese Abhängigkeit des Ansiedlers soll bezwecken, die deutschen Kolonien auch als deutsche zu erhalten. Nach diesem ersten Versuche, der durch die Ansiedlungskommission mit dem Rentengutsystem ausgeführt wurde — sie hatte 9 5 % aller Ansiedlungen in Form von Rentengütern veräußert •—, kam das Gesetz vom 27. Juni 1890 zustande, das das alte Erbpachtverhältnis für die ganze Monarchie einführte. 2 Während nach dem Ansiedlungsgesetze der Staat selbst das ganze Geldgeschäft übernimmt, kann nun jeder Grundbesitzer sein Gut zerteilen und darauf Bauern gegen eine Rente ansiedeln.3 Aber dieses Gesetz hatte wegen seines Mangels an Erleichterungen wenig Erfolg. So kam denn am 7. Juli 1891 ein neues zustande, das die Förderung der Errichtung von Rentengütern bezweckte — vor allem ein Verdienst des Finanzministers Miquel. 4 Hierbei wurde vor allem ins Auge gefaßt, daß zur Begründung von Rentengütern die vermittelnde Tätigkeit der Generalkommission den Gutsbesitzern zur Verfügung gestellt werde. Weiter wurde bestimmt, daß die Rentenbank Darlehne an Rentengutsbesitzer zur Errichtung von Gebäuden, Beschaffung des Inventars usw. gewähren und die Renten, auf welche die Rentenberechtigten Anspruch haben, unter gewissen Voraussetzungen ablösen soll. Die Rentengutsgesetzgebung hatte jedoch ihr Ende noch nicht erreicht: Am 8. Juni 1896 wurde das Gesetz betreffend das Anerbe1 Aal, Das preußische Rentengut, seine Vorgeschichte und seine Gestaltung in Gesetzgebung und Praxis. Stuttgart 1901. S. 55. 2 Waldhecker 1. c. S. 30ff. 3 1 Aal 1. c. S. 56. Desgl. S. 66.

v. J a c k o w s k l , Der Bauernbesitz in Posen.

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50 recht bei Eenten- und Ansiedlungsgütern erlassen. Hierdurch genießt der Anerbe bei der Erbteilung ganz außerordentliche Vorteile. Abgesehen davon, daß er mit dem Hofe eine sichere, selbständige Arbeitsgelegenheit erhält, wird ihm derselbe zu einem äußerst billigen Anrechnungswerte überlassen. Von diesem gelangen nur zwei Drittel zur allgemeinen Aufteilung, während ein Drittel ihm ausschließlich ungeteilt zukommt. Ferner braucht er die Miterben nicht durch Kapitalzahlung abzufinden, sondern dies kann durch ihrerseits unkündbare jährliche Eenten geschehen. Durch diese Maßnahme wurde die ohnehin schon ungünstige Lage der Miterben noch verschlechtert; denn anstatt ein Kapital zu erhalten, mit dem sie sich selbständig machen konnten, wurde ihnen eine Rente angewiesen, deren jährlicher Betrag viel zu gering war, um eine neue Existenz schaffen zu können. Diese Mängel glich der Staat zum Teil aus, indem er hier seinen Kredit zur Verfügung stellte. Bei Höfen, die eine absolute Sicherheit für die Zahlung der Rente boten, sollte die Rentenbank dieselbe übernehmen und die Miterben durch Kapital abfinden. Auch wurde der Anerbe, falls er das Anerbengut innerhalb von 20 Jahren nach dem Tode des Erblassers an einen Fremden veräußere, verpflichtet, den Betrag des Voraus nachträglich in die Erbsumme einzuwerfen; den Miterben wurde außerdem das Vorkaufsrecht eingeräumt. Das Rentengutswesen, das vom Staate schon so vielseitig unterstützt. war, hatte noch einen Mangel an sich, nämlich die schwierigen Kreditverhältnisse bei der Bildung des Rentengutes. Nach dem Gesetze vom 27. Juni 1890 mußte jedes Grundstück, das ein Rentengut werden sollte, frei von Hypotheken und Grundschulden sein. So mußten bei Rentengutsgründungen erst alle auf dem Stammgute lastenden Schulden getilgt werden, ehe es zu Rentengütern geteilt wurde. In der Regel war es die Absicht des Rentengutsausgebers, diese Freistellung mit den Rentenbriefen, die er für die Kaufrente von der Rentenbank erhielt, zu bewerkstelligen. Da aber diese Rentenbriefe erst nach Beseitigung aller Grundschulden erteilt wurden, so bedurfte der Rentengutsausgeber eines Zwischenkredits. So kam es denn, daß der Verkäufer seinen Anspruch auf die zu erhaltenden Rentenbriefe -sowie auf die baren Auszahlungen der Rentengutsnehmer an den Darleiher des Zwischenkredits zedierte. Andererseits bedurfte auch der Rentengutsnehmer eines Zwischenkredits, wenn er die nötigen Wohn- und Wirtschaftshäuser auf dem Rentengut errichten wollte; das Bardarlehn, welches ihm auf Grund des Gesetzes vom 7. Juli 1891 zustand, konnte ihm aber von der Rentenbank erst dann gewährt werden, wenn das Rentengut begründet und der Bau ausgeführt und versichert war, da sonst die nötige Sicherheit fehlte. Das beiderseitige Bedürfnis an Zwischenkredit führte oft zu Schwierigkeiten ui:d die hierbei entstehenden Unkosten wurden infolge des steigenden Reichsbankdiskonts, der Provisionen usw. nicht unerheblich.

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Diesen Mißständen steuerte der Staat durch das Gesetz vom 12. Juli 1900. Danach wurden 10 Millionen Mark aus dem Reservefonds der Rentenbanken bewilligt, zum Zwecke der Gewährung von Zwischenkredit bei Begründung von Eentengütern unter Yermittelung der Generalkommission. In chronologischer Ordnung ist zuerst die Tätigkeit der Ansiedlungskommission zu betrachten: Sie wurde, wie schon erwähnt, durch das Gesetz vom 26. April 1886 ins Leben gerufen, um den Bestand und die Entwicklung der deutschen Bevölkerung in den östlichen Provinzen sicher zu stellen. Es wurden 100 Millionen zur Verfügung gestellt und durch die Gesetze vom 20. April 1898 und vom 1. Juli 1902 noch weitere 100 bzw. 150 Millionen bewilligt. Der Wirkungskreis dieser neuen Institution erstreckt sich auf drei Gebiete: 1. die käufliche Erwerbung von Grundstücken, die sich zur Errichtung von landwirtschaftlichen Stellen von mittlerem und kleinem Umfange (Bauernhöfe, Arbeiterstellen) eignen; 2. die Verwendung geeigneter Grundstücke des vorhandenen fiskalischen Domänen1- und Porstbesitzes zur Errichtung solcher Stellen; 3. die Hergabe von Staatsmitteln zur ersten Einrichtung und zur Regelung der Gemeinde-, Kirchen- und Schulverhältnisse neuer Stellen und ganzer Landgemeinden. 1 Die zur Ausführung dieses Gesetzes eingesetzte Ansiedlungskommission besteht aus den Oberpräsidenten der beiden beteiligten Provinzen (Posen und Westpreußen), aus je einem Kommissar des Ministerpräsidenten und der Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten, des Innern, der Finanzen und der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten, sowie aus den vom König auf je drei Jahre ernannten sonstigen Mitgliedern. Die Ansiedlungskommission kaufte in den ersten zwanzig Jahren ihres Bestehens annähernd eine Million Magdeburger Morgen auf. Der weitaus größte Teil dieser Fläche entfällt auf angekaufte Landgüter, deren durchschnittliche Größe in den einzelnen Jahren zwischen 1300 bis 5300 Morgen schwankte. Kaum ein Zehntel der den neuen Ansiedlungen angehörenden Fläche war ursprünglich in bäuerlichen Händen. Der Gesamtkaufpreis in den einzelnen Jahren zeigt, wenn man die ersten zwanzig Jahre des Bestehens der Kommission ins Auge faßt, eine beträchtlich steigende Tendenz. Dies hängt einerseits mit den höheren Bodenpreisen, vor allem aber mit einem umfangreicheren Güterankauf zusammen. Denn während in den Jahren 1883—1897 die jährliche Summe der angekauften Grundstücke zwischen 12 und 20 Tausend Morgen schwankt, beginnen um das Jahr 1900 diese Ziffern zu steigen und erreichen 1903 und 1905 die Summe von 1 Zwanzig Jahre deutscher Kulturarbeit. Tätigkeit und Aufgaben neupreußischer Kolonisation in Posen und Westpreußen. Sammlung d. Drucks, d. Hauses d. Abg. 20. Legisl., III. Sess. 1907. Drucks. Nr. 501. S. 359ö. 4«

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110 bzw. 92 Tausend Morgen. So verwendete denn die Kommission während der ersten dreizehn Jahre ihres Bestehens für den Ankauf von Gütern jährlich 2,3—6,9 Millionen Mark. Im Jahre 1899 steigt dieser Betrag plötzlich auf 10,9 Millionen, im Jahre 1903 auf 29,5 und 1906 sogar auf 30,9 Millionen. 1 Die Besiedelungstätigkeit der Ansiedlungskommission hat sich in den einzelnen Kreisen in ungleichem Umfange bemerkbar gemacht. Einige nördliche Kreise sind äußerst stark besiedelt. Im Jahre 1905 betrug die Summe des von der Kommission angekauften Landes im Kreise Gnesen 2 9 , 2 % , im Kreise Znin 2 0 % und in Wreschen 1 8 % der gesamten Kreisfläche. Dagegen ist der Süden der Provinz im allgemeinen weniger stark besiedelt. Während sich in den Kreisen Gostyn und Kosten die Ausdehnung dieser Ansiedlungen auf etwa 4 % der Kreisfläche beläuft, ist sie im Kreise Grätz nur verschwindend klein. 2 Die angekauften Grundstücke werden derart aufgeteilt, daß geschlossene Dörfer oder einzeln gelegene Gehöfte gebildet werden. Die Ansiedlerstellen werden zu Eigentum gegen Rente, seltener in Zeitpacht auf 12 Jahre überlassen. Bei eigentümlichem Erwerb der Stellen wird der ganze Kaufpreis in Form einer Rente, die 50 Jahre lang vom Staate unkündbar ist, geleistet. Der Ansiedler behält also sein ganzes eingebrachtes Vermögen unverkürzt zur Errichtimg und Inbetriebsetzung der Stelle. Der Staat hält sich das Wiederkaufsrecht, auch im Falle einer Zwangsversteigerung und im Falle des Todes des Eigentümers vor. Der Wiederkaufspreis soll 7 5 % des von der Generalkommission abgeschätzten gemeinen Wertes betragen. Dem Ansiedler wird die Pflicht auferlegt, auf dem Gute zu wohnen, seine Gebäude und bewegliche Habe gegen Feuer, sein Getreide gegen Hagel zu versichern. Bei der Aufteilung werden folgende Größenklassen unterschieden: 0 — 1 und 1 — 2 ha — Arbeiterstellen, die in der Regel nur Kleinvieh aufweisen. 2— 3 „ 3 — 5 „ — Handwerker- und gewerbliche Stellen, die schon mindestens auf die Aufzucht von 1 Stück Großvieh angewiesen sind. 5—10 ,, — Halbbauernstellen (Einspänner, Kuhbauer). 10—15 „ 15—20 ,, — Spannfähige Vollbauernstellen. 20—25 „ 25—50 „ — Großbäuerliche Betriebe. 50—120 „ — Großbetriebe. Aus den Berichten der Ansiedlungskommission ist zu ersehen, daß den größten Teil der Zahl und Fläche der Ansiedlerstellen die spannfähigen Vollbauernstellen einnehmen. Sie betrugen im Jahre 1 2

Vgl. Tabelle 23. Vgl. T a l eile 24.

58 1906 3 0 , 9 — 3 4 , 7 % d e r Gesamtzahl und 28,82—40,63% der Gesamtfläche aller Ansiedlerstellen. Die nächstgrößte Zahl der Nahrungen besitzen die sogenannten Einspänner oder Kuhbauern, die 1906 mit 1 0 , 5 % an der Summe der errichteten Bauernhöfe beteiligt waren. Der Anteil der Arbeiter- und Hand werkers teilen betrug in demselben Jahre rund je 5 % , die Zahl der von der Ansiedlungskommission errichteten großbäuerlichen Betriebe nimmt allmählich ab. Sie machte in den Jahren 1906 und 1907 nur 3 % der Gesamtzahl aus. Die entsprechende Ziffer für Großbetriebe ist während der ganzen Dauer der ansiedelnden Tätigkeit dieser Kommission verschwindend klein gewesen.1 Die Finanzierung der Ansiedlungen geschieht, wie schon erwähnt, mittels des Rentenprinzips. Um einerseits den Staat schadlos zu halten, andererseits aber auch dem Ansiedler eine sichere Existenz zu verschaffen, wurde bestimmt, daß die Rente dem „Selbstkostenpreise", nicht dem Schätzungswerte entsprechen sollte. Die Verzinsung des Bodenpreises wurde auf 3 % festgesetzt. Jedoch mußte der Rentenfuß mitunter niedriger bemessen werden, wenn der Schätzungswert des Bodens bedeutend geringer war als sein Selbstkostenpreis. Man wollte in dieser Weise vermeiden, daß den Ansiedler die Nachteile von Überzahlungen träfen, die meistens nur politischen Erwägungen entstammten. In solchen Fällen wurde der Unterschied zwischen dem Kapitalwert der Rente und dem Selbstkostenpreise als Ausgabe der Kommission gebucht. Durch Herabsetzung des Normalrentenfußes wurde in solchen Fällen die Rente der einzelnen Stelle mehr oder weniger ihrer Wertschätzung angepaßt. 2 Gleichzeitig aber wurde das Ablösungskapital, dessen Höhe von dem Zinsfuß abhängig ist, entsprechend erhöht; ein Bauer, der seine 3prozentige Rente ablösen will, muß den 33,3fachen Betrag auszahlen, bei einer 2%prozentigen Rente ist der 37,5fache, bei einer 2^2fachen der 40fache Betrag zu zahlen. Das Ablösungskapital war denn von ganz zufälligen Momenten abhängig; es war niedrig, wenn das Grundstück billig gekauft war, und umgekehrt. Diesen Übelstand empfanden die Ansiedler allerdings wenig, denn sie zogen es vor, statt diese billigen Renten abzulösen, ihre Ersparnisse zur Sparkasse zu tragen, wo sie 3 1 / 2 — 4 % bekamen. Im Jahre 1905 hat die Finanzierung der Kommission eine Änderung erfahren. Der normale Rentenfuß von 3 % wird nun nicht mehr vom Selbstkostenpreise, sondern von dem Schätzungswert erhoben, der auf Grund sorgfältiger Einzelbonitierung und nach genauer Prüfung und Vergleichung mit ähnlichen Ansiedlungen als angemessen ermittelt wird. .Der Unterschied zwischen SchätzungsVgl. Tabelle 25. Es wurden bis Anfang des Jahres 1905 6 9 % der gesamten von der Kommission parzellierten Fläche zu 3prozentiger, 5 , 6 2 % z u 2 3 / 4 - , 1 8 , 8 % z u 27s-> 2 , 2 5 % zu 2 1 / 4 - , 6 % zu 2- und 0 , 3 6 % zu 1 3 / 4 prozentiger Rente angelegt. 1

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und Anrechnungswert wird als Gewinn und Verlust der Kommission gebucht. Der Ansiedler ist keinen Preisschwankungen ausgesetzt, und die von ihm zu zahlende Rente hängt gerechterweise nur von der Beschaffenheit seiner Stelle ab. Für die Kommission dagegen ist dieses neue System verlustreich. Im Jahre 1906 ergab sich bei einem Selbstkostenpreis von 72294250,29 M. ein Verlust von 3,89% = 2450721,29 M. Was die durchschnittlich für 1 Hektar von den Ansiedlern an die Kommission bezahlte Rente betrifft, so ist hier eine steigende Tendenz zu bemerken. Ein offensichtlicher Grund dieser Erscheinung liegt in den Bodenpreisen. Die Rente, die im Jahre 1886 durchschnittlich pro Hektar 15 M. betrug, stieg im Jahre 1897 auf 21,25 und 1905 auf 30,25 M. In bezug auf 1 M. Grundsteuerreinertrag belief sich diese Durchschnittszahl im Jahre 1886 auf 1,8, 1897 auf 2,3 und 1905 auf 3,1 M. 1 Die angesiedelten Bauern sind zum weitaus größten Teile nicht einheimische, sondern entstammen anderen Landesteilen. So lieferte in den ersten zwanzig Jahren der Tätigkeit der Kommission die Provinz Posen nur 13,9 % und Westpreußen nur 10,5% der gesamten Ansiedler. Den übrigen Teilen Preußens entstammten 4 1 , 2 % , den nichtpreußischen Bundesstaaten 1 4 % der angesiedelten Bauern. Der Rest, das ist 2 0 , 4 % , war aus dem Auslande eingewandert. 2 Die bis Ende 1906 in den Besitz ihrer Stellen eingesetzten Ansiedler haben zusammen ein Vermögen von etwa 58 1 / 4 Millionen Mark (in barem Gelde 43 1 /« Millionen Mark und in Werten 10 Millionen Mark) nachgewiesen. 3 Davon entfallen auf die Ansiedler aus Posen und Westpreußen 12 Millionen Mark oder 2 3 % , auf die aus den übrigen Teilen des Deutschen Reiches 28 1 / 4 Millionen = 5 3 % und aus dem Auslande 13 Millionen = 2 4 % . Im Durchschnitt bringt jede zu Eigentum angesetzte Ansiedlerfamilie 5350 M. mit sich. 4 Die Tätigkeit der zweiten staatlichen Parzellierungsbehörde, der Rentenbank, ist weniger umfangreich. In den Jahren 1891—93 wurde eine Statistik über die Zahl der gebildeten Rentengüter nicht nach Regierungsbezirken und Provinzen, sondern nach Generalkommissionen geführt, und diese sind mit der Einteilung nach Provinzen und Regierungsbezirken nicht identisch. Die Generalkommission zu Bromberg umfaßte z. B. die Provinzen Posen und Westpreußen. Nun ist bekannt, daß sie 1891—93 einschließlich im ganzen 345 Rentengüter gebildet hat, von denen etwa die Hälfte auf die Provinz Posen entfallen dürfte. Vom Jahre 1894 an wird eine Statistik nach Regierungsbezirken geführt. Hieraus ist zu ersehen, daß in den ersten Jahren nach 1894 die Rentengutsbildung eine ziemlich rege war. Es wurden jährlich 1300—6000 ha aufgeteilt und vorwiegend Vgl. Tabelle 26. Vgl. Tabelle 27. Hierbei sind die Bewohner der Arbeitermietshäuser nicht berücksichtigt, da sie meistens vermögenslos sind. 4 20 Jahre deutscher Kulturarbeit, 1. c. S. 3640ff. 1

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55 spannfähige Vollbauernstellen (von der Größe von 10—25 ha) gegründet. Mit dem Jahre 1899 hört die Rentengutsbildung auf. Der Grund hierfür ist in den nationalpolitischen Verhältnissen der Provinz zu suchen. In den ersten Jahren der Tätigkeit der Eentenbank wurden sowohl deutsche als auch polnische Bauern angesiedelt. Die polnischen Käufer bildeten sogar einen beträchtlichen Teil der Rentengutnehmer, da deutsche Bauern mehr von der Ansiedlungskommission angesiedelt wurden. Mit der Verschärfung der nationalen Unterschiede werden aber neuerdings die Rentengüter polnischen Ansiedlern nicht mehr übergeben; deutsche landbedürftige Bauern wenden sich aber immer mehr an die Ansiedlungskommission, und so kommt es, daß in den Jahren 1899—1906 fast keine Rentengüter von der Rentenbank gebildet wurden. Seit 1907 gründet sie fast ausschließlich Arbeiterstellen. 1 Die Rente ist zumeist eine 4prozentige und erlischt nach 60 y 2 Jahren. Außer diesen staatlichen Parzellierungsinstituten besteht noch eine große Reihe von privaten Gesellschaften, Genossenschaften und Spekulanten, welche an der Aufteilung des Bodens beteiligt sind. Obgleich ihre Tätigkeit nicht so gewaltige Erfolge aufzuweisen hat wie die der staatlichen Anstalten, vor allem der Ansiedlungskommission, so sind die Ergebnisse der Parzellierung der Landbank und der Bank Ziemski, der beiden größten privaten Ansiedlungsbanken, dennoch ziemlich bedeutend. Die Landbank in Berlin, deren Aktienkapital zurzeit 15 Millionen Mark beträgt, wurde 1895 gegründet; sie hat sich neben vielem anderen auch die Aufgabe gestellt, Rentengüter aus eigenen oder nicht eigenen Liegenschaften zu bilden und zu besiedeln. Sie hat bis 1905 in der Provinz Posen 44 große Güter mit einem Flächeninhalt von 28125 ha, und 36 kleine Güter mit einem Flächeninhalt von 2515 ha angekauft und zum größten Teil unter bäuerliche Ansiedler aufgeteilt. 2 Die polnische „Bank Ziemski" (Landbank) zu Posen wurde 1887 gegründet und verfügt gegenwärtig nach wiederholten Kapitalvermehrungen über ein Aktienkapital von 4 Millionen Mark. Sie hat bis 1905 etwa 25000 ha parzelliert, doch soll diese Zahl auch die bei der Parzellierung entstandenen Restgüter umfassen, die das Gepräge des Großbetriebes haben. 3 Eine Übersicht über die in den einzelnen Jahren von der „Bank Ziemski" aufgeteilten Flächen gibt Tabelle 29. 4 Dieser Bank sind die Parzellierungsgenossenschaften „Spöfka Ziemska" (Landgenossenschaft) zu Posen, gegründet 1890, und „Spöika Ziemska" zu Witkowo, gegründet 1898, angeschlossen. Vgl. Tabelle 28. A d a m c z e w s k i , Walka ekonomiczno-polityczna o ziemie w W. X . Pozn. (Der ökonomisch-politische Kampf um den Boden in Posen.) Zeitschrift „Ekonomista". Jahrg. VIII. Bd. I. S. 329. 3 B e r n h a r d , Das polnische Gemeinwesen im preußischen Staat. Leipzig 1907 und S z e m b e k , Les Associations économiques des paysans polonais. Paris-Bruxelles 1911. S. 287. 4 Siehe Anhang. 1

2

56 Daneben bestehen zwei große Parzellierungsgenossenschaften in Posen, die „Spölka rolniköw Parcelacyjna" (Parzellierungsgenossenschaft der Landwirte), gegründet 1894, und die „Bank Parcelacyjny" (Parzellierungsbank), gegründet 1897. In der Provinz sind außerdem folgende sogenannte bäuerliche Parzellierungsbanken, ebenfalls Genossenschaften, vorhanden: Bank Parcelacyjny in Priment (Kr. Bomst), gegr. 1901, „ „ „ Schrimm, „ 1903, ,, „ „ Kosten, ,, 1905, „ „ ,, Wreschen, „ 1905, „ „ „ Ostrowo, „ 1906. Die Tätigkeit dieser polnischen Parzellierungsbanken kann in festen Zahlen nicht angegeben werden, da die Banken meistens keine ausführlichen Jahresberichte veröffentlichen. Jedenfalls aber ist ihr Wirkungskreis gegenüber dem der großen Parzellierungs- und Ansiedlungsbanken verhältnismäßig klein. Ihre Tätigkeit wurde durch das Gesetz betreffend die Gründungen neuer Ansiedlungen vom 10. August 1904 bedeutend erschwert. Die Errichtung einer neuen Wohnstätte hängt, diesem Gesetz zufolge, von der staatlichen Genehmigung ab, und eine solche wird bei der Bildung von polnischen Ansiedlungen verweigert. So besteht denn heutzutage bloß eine polnische Parzellierung an Anlieger. Die staatliche und private Aufteilung des Bodens haben in der Provinz Posen in den letzten Jahren eine gewaltige Veränderung in der Besitzverteilung verursacht. Die landwirtschaftlichen Betriebszählungen von 1882, 1895 und 1907 veranschaulichen deutlich diese Tatsache: Die Anzahl der Großbetriebe hat in den Jahren 1882—1907 in der gesamten Provinz um mehr als ein Siebentel abgenommen. Diese Verminderung ist im Regierungsbezirk Bromberg etwas größer gewesen als im Regierungsbezirk Posen. Der eigentliche bäuerliche Besitz ist im steten Wachsen begriffen. Die Betriebszählung von 1882 unterscheidet bloß die Größenklassen 1—10 ha und 10—100 ha; vergleicht man bei derselben Einteilung der bäuerlichen Besitzung die Zahlen der drei Betriebszählungen, so ergibt sich ein ständiges allgemeines Wachsen der Ziffern: Im Regierungsbezirk Bromberg hat die Zahl der Betriebe von der Größe von 10—100 ha in 25 Jahren um etwa 5 0 % und im Bezirk Posen um etwa 16 °/0 zugenommen. Ihre Gesamtfläche hat sich sogar in noch höherem Maße erweitert. Den stärksten Aufschwung dieser Betriebsklasse haben die Jahre 1882—1895 aufzuweisen. Es fällt aber auf, daß nach den statistischen Aufnahmen von 1895 und 1907, die genauere Einteilungen enthalten, sich ein Rückgang der Betriebe von 50—100 ha bemerkbar macht. Diese Erscheinung ist günstig zu nennen, da diese kleinen Landgüter oder Vorwerke weder die Vorzüge des kapitalkräftigen Großbetriebes.

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noch die der geringen Produktionskosten des Kleinbetriebes in ausreichendem Maße genießen können. 1 Die Zahl der Kleinbauernstellen, die eine Größe von 1—10 ha besitzen, ist ebenfalls im Wachsen begriffen. Sie hat in beiden Regierungsbezirken in den Jahren 1882—1895 und 1895—1907 um fast je ein Sechstel zugenommen. Die Gesamtfläche dieser Betriebe nahm in derselben Zeit um mehr als die Hälfte zu. Die Erscheinung, daß die Betriebe, die eine Größe von 1—10 ha und 10—50 ha besitzen, sich ständig vermehren, ist eine äußerst günstige zu nennen. Bei einer solchen Größe seiner Wirtschaft hat der Bauer die beste Gelegenheit, seine Arbeit und die seiner Familie zu verwerten. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß bei den allerkleinsten Stellen, der Größenklasse von 1—10 ha, also bei einer Fläche von etwa 1—5 ha, je nach den Boden-' und anderen Verhältnissen der Besitzer mehr oder minder darauf angewiesen ist, auch außerhalb seiner Stelle zu arbeiten. Die Zahl der spannlosen Arbeiterstellen, die die Größe von 1 ha nicht erreichen, hat in den Jahren 1882—1895 um mehr als 80°/o zugenommen. Ebenso hat sich ihre Fläche bedeutend vergrößert. Nun ergibt sich aber aus der letzten Betriebszählung von 1907, daß diese spannlosen Nahrungen sich wieder im Rückgänge befinden. In den Jahren 1895—1907 hat sich ihre Zahl um ein Neuntel, ihre Gesamtfläche um etwa ein Achtel vermindert. Genaue Angaben über diese Veränderung in der Besitzverteilung während der letzten 25 Jahre gibt Tabelle 30, die nach den landwirtschaftlichen Betriebszählungen von 1882, 1895 und 1907 zusammengestellt ist. Mit der Entwicklung der ländlichen Besitzverteilung ist die Frage der Bodenpreise eng verbunden. Wir wollen in kurzen Zügen die Entwicklung der Bodenpreise bei dem bäuerlichen Besitz betrachten: Dank den Ermittelungen von S a r r a z i n 2 ist es möglich, die Boden preise bis in die vierziger Jahre zurück festzustellen. Er hat den Kleingrundbesitz in zwei Gruppen eingeteilt; die erste umfaßt Stellen mit weniger als 30 ha, die zweite diejenigen mit 30—50 ha Areal. 3 Bei der ersten Gruppe hat er 1709 Käufe, 1318 Erb Veräußerungen und 116 Zwangsversteigerungen betrachtet, bei der zweiten wurden an Käufen 478, an Erbfällen 517 und an Zwangsversteigerungen 47 Fälle ermittelt (vgl. Tabelle 31). Die Resultate einer so sorgfältigen Untersuchung können also einen ziemlich sicheren Anhalt für die Entwicklung der Bodenpreise geben. Es fällt auf, daß bis in die neunziger Jahre hin der Unterschied zwischen den Preisen, die für guten und für minderwertigen Boden bezahlt wurden, äußerst gering ist. Dies ist wohl darauf zurückzuführen, daß bei den Bauern der gute, schwere Boden, der noch nicht ent1 Die Nachteile dieser Besitzgröße sind in einem Bericht des Posener landwirtschaftlichen Provinzialvereins an den Landwirtschaftsminister im Jahre 1882 in ausführlicher Weise erläutert worden. (Vgl. S. 39.) 2 S a r r a z i n , Die Entwicklung der Preise des Grund und Bodens in Posen. Halle a. S. 1897. S. 23f. 3 Die dritte Gruppe kommt für unsere Ermittelung nicht in Betracht.

58 wässert war, sehr wenig beliebt war. Auch entsprach das schwache Inventar des Bauern der Bearbeitung des schweren Bodens nicht. Der Kaufpreis für bäuerlichen Besitz betrug in den Jahren 1840—50 nach S a r r a z i n im Durchschnitt 164—225 M. pro Hektar. Er stieg dann allmählich und erreichte um das Jahr 1870 die Höhe von etwa 500 M. Hierauf trat für kurze Zeit ein sehr starkes Steigen der Bodenpreise ein — wahrscheinlich ein Einfluß des damaligen wirtschaftlichen Aufschwungs — um gegen Ende der siebziger Jahre wieder nachzulassen. Das hängt mit den Erscheinungen zusammen, die in Kapitel 5 des ersten Teils erörtert wurden. Um die Mitte der achtziger Jahre begann in Posen ein reger Landgüterverkehr sich zu entwickeln. Wie oben erwähnt, entstand eine große Reihe von Parzellierungsbanken, von denen die Ansiedlungskommission den größten Ausschlag für die ungeheure Steigerung der Bodenpreise gegeben hat. Nicht allein der Umstand, daß der Wirkungskreis der Kommission sehr groß gewesen ist, daß also die Nachfrage nach Land gesteigert wurde, sondern auch politische Beweggründe spielten bei dem Steigen der Bodenpreise mit. Es entwickelte sich ein heftiger Kampf zwischen Deutschen und Polen, und so wurden die Preise in die Höhe geschraubt. Anfangs entsprachen diese der Ertragsfähigkeit des Bodens nicht; mit dem gewaltigen Aufschwung, den die Landwirtschaft der Provinz Posen in den letzten 15 Jahren erfahren hat, begannen jedoch allmählich die Erträge den hohen Preisen zu entsprechen. Man kann selbstredend hier nur von dem Landerwerb eines Privatmannes sprechen, denn die Beantwortung der Frage, ob die von der Ansiedlungskommission angesetzten Bauern die Zinsen des Kaufpreises herauswirtschaften, den die Kommission bezahlt, greift über den Rahmen unseres Themas hinaus. Nach einer Statistik, die im Jahre 1906 von der Ansiedlungskommission veröffentlicht wurde 1 , wurde im allgemeinen Grundstückverkehr für kleine Bauerngüter in den Jahren 1901—1903 1249 M. und in den Jahren 1904—1906 1359 M. durchschnittlich pro Hektar bezahlt. Die Ansiedlungskommission selbst zahlte in den Jahren 1904—1906 im Durchschnitt 1543 M. pro Hektar. Seit dieser Zeit sind die Preise wieder gestiegen. In den fruchtbaren Kreisen Kuj awiens und der Lissaer Gegend zahlt man für Bauerngüter schon 8000 M. pro Hektar. 2 Diese hohen Bodenpreise, die, wie bemerkt, immer mehr den Erträgen entsprechen, sind der beste Beweis dafür, daß die bäuerliche Landwirtschaft in Posen allmählich der in den westlichen Provinzen des Reiches gleichkommt. Vgl. Tabelle 32. Es sind sogar in neuester Zeit in Poäen für einige große Herrschaften, deren Umfang über 1000 ha beträgt, fast 3000 Mark pro Hektar gezahlt worden. 1

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59 Zweites

Kapitel.

Die Vererbung des bäuerlichen Grundbesitzes in der Provinz Posen. Die Vererbung des bäuerlichen Grundbesitzes in der Provinz Posen hängt mit seiner gesamten Entwickelung eng zusammen. Sie ist von großem Einfluß auf die Krisis gewesen, der der Bauernbesitz in den Jahren 1850—1880 anheimfiel. Der bäuerliche Besitz wird meistens durch Überlassungsverträge vererbt, weniger auf Grund des Intestaterbrechts und nur in seltenen Fällen kommt die Vererbung mittels eines Testamentes vor. 1 Dies ergibt sich auch aus den Angaben von 42 Amtsgerichten. 2 Die Untersuchungen erstrecken sich auf die Vererbungen der sämtlichen ländlichen Grundstücke und sind nach den jeweiligen Erhebungen auf einen Zeitraum von 2—15 Jahren ausgedehnt. Sie geben aber auch einen guten Anhalt für die Vererbung des bäuerlichen Besitzes, da dieser den weitaus größten Teil der ländlichen Besitzungen ausmacht. Aus Tabelle 38 ist zu ersehen, daß der Besitzübergang auf Grund von Überlassungsverträgen bei weitem die anderen Arten überragt. Die Zahl der Vererbungen durch Testament, — die 6°/ 0 der gesamten Erbverträge ausmacht — bezieht sich im großen und ganzen auf den Großgrundbesitz, bei dem dieses System am häufigsten vorkommt; für Bauernbesitz kommt diese Art der Vererbung in weit geringerem Maße vor. Die Tatsache, daß die Zahl der Fälle, in denen Intestaterbfolge vorkommt, sich verhältnismäßig hoch gestaltet, ist auf die in der Provinz übliche eheliche Gütergemeinschaft zurückzuführen. Der überlebende Ehegatte hat das Recht, das zu teilende gemeinschaftliche Grundstück gegen einen Preis zu übernehmen, den die übrigen Erben zu bestimmen haben. So kommt es denn, daß eine Veränderung des Eigentums durch Vererbung hier nicht eintritt. Es kommt mitunter auch vor, daß bei der Auseinandersetzung zugleich eine endgültige Regelung der Erbfolge stattfindet, indem zugleich ein Überlassungsvertrag abgeschlossen wird, und die Miterben auch wegen des künftigen Nachlasses des überlebenden Ehegatten abgefunden werden. Der Übernehmer wird gegenüber den Miterben bevorzugt; er ist meistens der überlebende Ehegatte selbst, und so gebührt ihm die Hälfte des gesamten Besitzes. Außerdem wird die Lage des Übernehmenden noch dadurch begünstigt, daß die Bemessung der Taxen bei solchen Auseinandersetzungen sehr niedrig ist — z. B . niedriger als bei Beleihungen. Die Realteilung im Erbgange ist in der Provinz Posen äußerst selten. Dies ist wohl auf den bei den Bauern stark ausgeprägten Familiensinn zurückzuführen, denn der Bauer scheut sich davor, sein väterliches Erbe zu zerstückeln. Im Regierungsbezirke Bromberg soll Realteilung gar nicht vorkommen; dagegen wird sie in den süd1 2

G r o s s m a n n , 1. c. S. 22ff. In der Provinz Posen befinden sich 54 Amtsgerichte.

60 liehen Teilen der Provinz, in den Kreisen Krotoschin, Ostrowo, Schildberg, Kempen, vor allen aber in Rawitsch häufiger angewandt. 1 Der größte Teil der Vererbungen geschieht durch Überlassungsverträge. In der Eegel werden diese zwischen den Eltern und einem Kinde geschlossen; eine feste Sukzessionsordnung besteht hierbei nicht. Oft wird der älteste Sohn zum Übernehmer gewählt, keineswegs aber in allen Fällen. Auch ist beobachtet worden, daß die Bauern einer Tochter den Hof überlassen, da sie glauben, von ihr besser gepflegt zu werden, als von der Frau eines Sohnes. Die Eltern wohnen, nachdem sie sozusagen in den Ruhestand getreten sind, zusammen mit dem Übernehmer. Im allgemeinen aber wird bei der Wahl des Übernehmers darauf geachtet, daß dieser die größte Gewähr für die gute Bewirtschaftung der Stelle und die Leistung des Altenteils bietet. Mit fremden Personen werden Überlassungsverträge nur in den allerseltensten Fällen geschlossen. Der Übernehmer bekommt das Gut samt dem lebenden und toten Inventar. Als Gegenleistung übernimmt er die eingetragenen und mitunter auch die Privatschulden des Überlassers; außerdem verpflichtet er sich, letzterem einen Altenteil — auch Ausgedinge genannt — zu gewähren und die Miterben abzufinden. Der Altenteil besteht im allgemeinen aus freier Wohnung, einer Getreide- und geringen Geldrente, freiem Unterhalt für eine Kuh, einem Gemüsegarten, freiem Arzt nebst Arznei in Krankheitsfällen und standesgemäßem Begräbnis. Bei ganz kleinen Wirtschaften besteht das Ausgedinge nur aus dem Recht zu freier Wohnung, Verpflegung und Begräbnis.2 Der Überlassungspreis wird durch die Abfindungen, Verpflichtungen und Schulden meistens gedeckt. Bleibt noch ein Rest übrig, so wird dieser den Eltern bezahlt oder zugunsten der Miterben hypothekarisch eingetragen. Einen besonderen Erbteil erhält der Übernehmer nicht; er gilt schon dadurch als abgefunden, daß er das Grundstück als Eigentum erhält. Das Altenteilswesen ist von großer Bedeutung für die Erhaltung des ungeteilten Familienbesitzes. Die Leistung des Ausgedinges wird nämlich bei einem nicht geteilten Erbe am sichersten gestellt; andererseits wird aber schon deshalb ein Kind oder ein naher Verwandter zum Übernehmer gewählt, weil das übliche Zusammenleben der Überlasser mit dem Übernehmer anders als im engen Familienkreise wohl nicht zu denken ist. Drittes Kapitel.

Die Hebung des Bauernstandes durch die landwirtschaftlichen Vereine. Die landwirtschaftlichen Vereine der Provinz Posen waren die ersten, die den Bauernstand und seine Lanwirtschaft zu heben begannen. Bevor irgendeine Gesetzgebung zum Schutze und zur Förderung des 1 2

G r o s s m a n n , 1. o. S. 48. Vgl. Tabelle 34.

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selbständig gewordenen Bauernbesitzes erlassen wurde, arbeiteten schon zahlreiche opferwillige Männer, zumeist Rittergutsbesitzer, daran, den Bauern von seinen Lasten zu befreien und ihm die segensreichen Errungenschaften der Neuzeit zugänglich zu machen. Das Mittel, durch welches die Aufklärung unter den Bauern verbreitet wurde, waren die landwirtschaftlichen Vereine, die somit von der größten Bedeutung für die Entwicklung des Bauernstandes geworden sind. Die Geschichte der landwirtschaftlichen Vereine der Provinz Posen beginnt mit dem Jahre 1802, in dem der königliche ökonomische Verein für Südpreußen gegründet wurde. Dieser Verein, dessen Tätigkeit uns auf das genaueste in seinen Jahresberichten beschrieben wird, bestand bis 1806; es gehörten ihm sowohl Deutsche als Polen an. In den später gegründeten Vereinen macht sich eine Scheidung zwischen den beiden Nationalitäten bemerkbar, und deshalb sind in der Geschichte der landwirtschaftlichen Vereine unserer Provinz zwei Hauptgruppen zu unterscheiden, die deutschen und die polnischen Vereine. Diese Vereine arbeiteten gesondert voneinander und ihre Wirkungskreise waren verschiedener Art. Diese Absonderung bewirkte, daß die deutschen Vereine nur die deutschen Bauern belehrten, während die polnischen Vereine nur für die polnischen Bauern von Bedeutung waren. Jedoch ergaben diese beiden voneinander getrennten Kulturarbeiten als Gesamtergebnis eine allgemeine Hebung des Posener Bauernstandes. Um die Hebung der deutschen Bauern haben die sogenannten landwirtschaftlichen Kreisvereine sich verdient gemacht. Diese waren ursprünglich in mehreren Gruppen vereinigt und erst durch die Gründung des landwirtschaftlichen Provinzialvereins für das Großherzogtum Posen im Jahre 1873 erhielten sie eine gemeinsame Zentralstelle. Im Süden der Provinz wurde 1855 der landwirtschaftliche Verein für den Kreis Kosten gegründet; ihm schloß sich 1864 der Kreis Kröben an, und nach der Teilung desselben im Jahre 1887 in mehrere Kreise erhielt der Verein den Namen „Landwirtschaftlicher Hauptverein der Kreise Kosten,Lissa, Eawitsch, Schmiegel, Fraustadt und Gostyn." 1 Anfangs versuchte man die Bauern zu den Kreis vereinen heranzuziehen, als dies aber nicht gelang, beschloß man in den einzelnen Landstädten Lokalvereine 2 zu gründen, die ihren Zweck erfüllten, da viele Bauern ihnen beitraten. Eine andere Gruppe von Vereinen bestand im Norden der Provinz 3 und vereinigte sich im Jahre 1852 zu dem landwirtschaftlichen Zentralvereine für den Netzedistrikt. Dieser zählte im Jahre 1867 16 Kreisbzw. Zweigvereine, die ihrerseits wieder Lokalvereine bildeten, und im Jahre 1877—1878 war diese Zahl auf 21 uud ihre Mitgliederzahl auf 1145 gestiegen. 1 P e t e r s , Der landwirtschaftliche Hauptverein der Kreise Kosten, Sehmiegel, Fraustadt, Lissa, Rawitsch und Gostyn. Posen 1905. S. 5ff. 2 Vgl. Tabelle 35. 3 Vgl. Tabelle 36.

62 Eine dritte Zentralstelle für die Förderung der Landwirtschaft war der im Jahre 1865 gegründete Landwirtschaftliche Hauptverein für den Regierungsbezirk Posen. Er bestand anfangs aus 7 Zweigvereinen1, mit der Zeit vergrößerte sich aber ihre Zahl, so daß im Jahre 1878 der Hauptverein insgesamt 677 Mitglieder zählte. Im Jahre 1873 traten die oben genannten drei Gruppen der landwirtschaftlichen Vereine, nämlich der Hauptverein der Kreise Kosten, Lissa, Eawitsch usw., der Zentralverein für den Netzedistrikt und der Hauptverein für den Regierungsbezirk Posen, samt ihren Kreis- und Lokalvereinen zu einem „Provinzialverein für das Großherzogtum Posen" zusammen, ohne in ihrer Selbständigkeit und dem Verfügungsrecht über ihr Vermögen beschränkt zu werden. Durch diese Vereinigung sollten die einzelnen Hauptvereine zu einem übereinstimmenden Wirken angeregt und instand gesetzt werden, die Erfolge ihrer Tätigkeit sich gegenseitig mitzuteilen und zu gemeinsamer Beratung zu bringen. 2 ' 3 Unter der Leitung einer tatkräftigen Direktion vermehrte sich rasch die Zahl der Lokal- und Zweigvereine und ihrer Mitglieder. So zählte im Jahre 1878 der Provinzialverein 2100, und 18 Jahre später 5622 Mitglieder.4 Allmählich erweiterten sich die Kompetenzen des Provinzialvereins, das Bestehen besonderer Zentral- bzw. Hauptvereine wurde immer überflüssiger und so gingen diese mit der Zeit ein. Das Statut des Provinzialvereins unterscheidet folgende Unterverbände: 1. Kreisvereine; 2. Lokalvereine, die den Kreisvereinen angeschlossen sind, und vorwiegend aus kleineren Grundbesitzern bestehen; 3. zweckverwandte Vereine, die bloß einen Zweig der Landwirtschaft zu fördern suchen. Der Provinzialverein bestand bis zum Jahre 1896 und wurde infolge der Errichtung einer Landwirtschaftskammer aufgelöst, die nun die Zentrale für das landwirtschaftliche Vereinswesen der Provinz bildete. Die wesentlichen Merkmale der Landwirtschaftskammer gegenüber dem Provinzialverein sind folgende: 1. Die Landwirtschaft besitzt durch ihre Kammer, ähnlich wie der Handel und das Gewerbe, eine öffentliche Institution zur Vertretung ihre Gesamtinteressen. 2. Alle Landwirte, welche eine selbständige Ackernahrung besitzen, sind zur Landwirtschaftskammer beitragspflichtig und haben aktives und passives Wahlrecht. 1

Vgl. Tabelle 37. Statuten des landw. Provinzialvereins f. d. Großherzogtum Posen. 3 Einer im Jahre 1861 an alle landwirtschaftlichen Vereine ergangenen Anregung zur Bildung eines gemeinsamen Zentralvereins leisteten die deutschen Vereine keine Folge. So umfaßte denn der damals gegründete landwirtschaftliche Zentralverein im Großherzogtum Posen nur die polnischen landwirtschaftlichen Vereine. 4 Vgl. Tabelle 38. 2

68 3. Die Wahlen zu der Kammer werden entweder durch den Kreistag oder durch ein besonderes Wahlverfahren vollzogen, das auf indirekter Wahl beruht. 4. Die Landwirtschaftskammer steht unter der Aufsicht des Landwirtschaftsministers. Der Landwirtschaftskammer sind ebenso wie dem früheren landwirtschaftlichen Provinzialverein die landwirtschaftlichen Kreis- und Lokalvereine angeschlossen.1 Die Entwicklung der polnischen landwirtschaftlichen Vereine, die anfangs nur aus Großgrundbesitzern bestanden, war folgende: Im Jahre 1838 wurde in Gostyn ein landwirtschaftlicher Verein unter dem Namen „Wydziat rolniczo-przemysfowy" (Ausschuß für Landwirtschaft und Gewerbe) gegründet; ein ähnlicher Verein entstand in Gnesen. Es gehörten bis zu 25°/0 Deutsche an, der Vorstand jedoch war polnisch. Beide Vereine bildeten wieder Zweigvereine, welche zusammen Generalversammlungen abhielten. Im Jahre 1846 lösten sie sich jedoch sämtlich auf. In der Zeit von 1848—1860 entstanden die landwirtschaftlichen Vereine Schroda-Wreschen, Gostyn-Kröben-Krotoschin-Schrimm-Fraustadt-Kosten, Posen-Samter, Adelnau, Schildberg-Pieschen. Im Norden der Provinz entstand zu gleicher Zeit in Hohensalza ein Verein unter dem Namen „Towarzystwo rolnicze po^czonych poinocnych powiatöw" (Landwirtschaftlicher Verein der vereinigten nördlichen Kreise).2 Im Jahre 1861 vereinigten sich alle obengenannten polnischen landwirtschaftlichen Vereine zu dem zur Zeit noch bestehenden landwirtschaftlichen Zentral verein, der den Namen „Centraine Towarzystwo Gospodarcze w Wielkiem Ksiestwie Poznanskiem" führt. Dieser zerfällt in verschiedene Filialvereine. Alljährlich wird in Posen eine Generalversammlung aller Mitglieder des Zentral Vereins, also auch aller Filialvereine abgehalten. Außerdem finden gemeinsame Beratungen der Vorsitzenden der Filialvereine und des Vorstandes des Zentralvereins statt. Die Entwicklung der Mitgliederzahl ist aus Tabelle 40 zu ersehen. Alle diese polnischen Vereine hatten aber anfangs für den Bauernstand wenig Bedeutung. Zwar kehren in ihren Sitzungen ebenso wie in den von ihnen herausgegebenen Zeitschriften „Przewodnik rolniczo przemyslowy" (Landwirtschaftlich-gewerblicher Anzeiger) und „Ziemianin" (Der Landmann) Bestrebungen zur Hebung des Bauernstandes 1 Außerdem sind der Landwirtschaftskammer zahlreiche „zweckverwandte 1 ' Vereine angeschlossen. (Vgl. Tabelle 39.) 2 R o c z n i k Centr. Tow. Gospodarczego w W. Ks. Poznanskiem. (Jahresbericht des landwirtschaftlichen Zentralvereins im Großherzogtum Posen.) 1861. S. 12ff. K s i g g a J u b i l e u s z o w a wydana w 50 ta rocznice zalozenia Centr. Tow. Gospodarczego w W. Ks. Poznanskiem. (Festscfirift, herausgegeben aus Anlaß des 50jährigen Bestehens des landwirtschaftlichen Zentralvereins im Großherzogtum Posen.) Posen 1911. S. 4 f f .

64 und seiner Landwirtschaft immer wieder. Einige bedeutende Männer, wie der schon erwähnte General von Chtapowski und der Staatsreferendar Joseph von Morawski aus Oporow machten sich hierbei besonders verdient. Aber große Erfolge waren nicht zu verzeichnen, bis im Jahre 1866 folgendes Ereignis den richtigen Weg zur Hebung des Bauernstandes wies: Im Städtchen Dölzig (Kreis Schrimm) wurde in diesem Jahre auf Anregung der Bauern Dionys Stasiak aus Ksieginki und Anton Banaszyk aus Studzianna vom Pfarrer Wisniewski der erste sogenannte Eustikalverein in der Provinz gegründet. 1 Dieser Verein, der den Namen „Koiko rolnicze wfosciaiiskie" führte, hatte außer einigen Großgrundbesitzern und Geistlichen, die dem Vorstande angehörten, nur Bauern der benachbarten Gemeinden als Mitglieder. Diese neue Einrichtung fand jedoch wenig Nachahmer. In den drei darauffolgenden Jahren wurden nur 9 solche Vereine gegründet, die allein dastanden, ohne eine gemeinsame Organisation zu bilden. Um dieser neuen segensreichen Institution den Weg zu bahnen, beschloß der landwirtschaftliche Zentralverein in einer Generalversammlung vom Jahre 1873, die Rustikalvereine unter die Leitung eines Mannes zu stellen, der mit ihnen stets in Verbindung stehen und darüber bei jeder Generalversammlung des Zentralvereins berichten sollte.2 Diesen schwierigen Posten übernahm der Rittergutsbesitzer Maximilian von Jackowski. Er widmete sein weiteres Leben der Hebung des Bauernstandes durch Gründung und Überwachung der Rustikalvereine, und blieb ihr Leiter („Patron") bis zum Jahre 1901. Im Jahre 1875 wurden die Vertreter der einzelnen Rustikalvereine zu einer Versammlung einberufen, an der 67 Delegierte teilnahmen, darunter 88 Bauernstellenbesitzer. Obgleich schon zu jener Zeit 45 Vereine bestanden, so ist doch diese Versammlung als die konstituierende anzusehen, denn damals erst wurde das Wesentliche der Bestimmungen über Bauernvereine beschlossen. Es wurde ein Programm angenommen, das bis auf den 1 B r o w n s f o r d , Przyczynek do rozwoju Kölek rolniczych. (Beitrag zur Entwickelung der Rustikalvereine.) Posen 1907. S. 6ff. Derselbe, Kozwöj Kölek rolniczych w obrebie Tow. roln. Poznarisko-Szamotulskiego. (Die Entwicklung der Rustikalvereine innerhalb des landwirtschaftlichen Vereins Posen-Samter.) Posen 1911. S. 4ff. Derselbe, Rozwöj Kölek rolniczych w Wielkopolsce. (Die Entwicklung der Rustikalvereine in Großpolen.) In Festschrift des landwirtschaftlichen Zentralvereins. Posen 1911. S 204 ff. 2 M. J a c k o w s k i , Sprawozdanie Patronatu z czynnosci Kölek rolniczych za rok 1897 i sprawozdanie z 25-Ietniej pracy. (Bericht des Patronats über die Tätigkeit der Bauern vereine im Jahre 1897 und in den 25 Jahren ihres Bestehens.) Posen 1898. S. l l f f . L a n g i e , O Kôlkach wloécianskich w polskich dzielnicach pod panowaniem pruskiem. (Über die Rustikalvereine in den unter preußischer Herrschaft sich befindenden polnischen Landesteilen.) Krakau 1883. S. 17ff. R o c z n i k i Wtosciafiskich Kölek rolniczych. (Jahrbücher der landwirtschaftlichen Bauernvereine.) Posen 1874—1911.

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heutigen Tag eingehalten wird, und dessen Einzelheiten an anderer Stelle erläutert werden. Die Gründungsweise der Rustikalvereine war von der der deutschen Lokalvereine verschieden. Während diese von den Kreis- und Hauptvereinen gegründet wurden, erwies sich bei jenen ein ähnliches System als schwerfällig und unpraktisch. Die anfänglichen Versuche, Rustikalvereine durch die polnischen Filialvereine zu gründen, ergaben keine günstigen Resultate. So erkannte denn Jackowski bald, daß die Agitation nur von einer Zentralstelle ausgehen darf und begann, selbst Vereine zu gründen. Der Erfolg dieser Arbeit war groß; die Anzahl der Rustikalvereine wuchs überraschend schnell und ist noch heute im Wachsen begriffen. Aus Tabelle 41 ist zu ersehen, daß die Zahl der Bauernvereine im Jahre 1873 7 und in dem darauffolgenden Jahre 45 betrug. Die Vereine vermehrten sich rasch und erreichten im Jahre 1884 die Zahl 141, im Jahre 1894 die Gesamtzahl 172. Im Jahre 1911 waren 373 Bauernvereine vorhanden. Die gesamte Mitgliederzahl des Verbandes der polnischen Bauernvereine betrug im Jahre 1877 3800, im Jahre 1895 7145 und 1907 14000 Mitglieder. Ebenso wie die Gründung der Rustikalvereine, ging auch ihre Leitung von Jackowski, dem „Patron" der Vereine, aus. Da mit wachsender Zahl der Vereine die Arbeit des Patrons immer umfangreicher wurde, stellte ihm die Generalversammlung des landwirtschaftlichen Zentralvereins im Jahre 1884 „Wize-Patrone" zur Seite, von denen jeder einen bestimmten Bezirk — „Wize-Patronat"— verwalten sollte. Im Jahre 1886 waren 12 solcher Wize-Patronate vorhanden, im Jahre 1911 gab es deren 35; sie sind heute fast mit den landrätlichen Kreisen identisch. Neuerdings ist dem Patron ein Beirat, der sogenannte Patronatsrat, zur Seite gestellt worden. Die Tätigkeit der landwirtschaftlichen Vereine und ihre Erfolge hinsichtlich der Belehrung der Bauern, muß ebenfalls in zwei Abschnitten geschildert werden, die die deutschen und polnischen Vereine getrennt betrachten. Was die deutschen Vereine anbetrifft, so war ihre ursprüngliche Form, die der Kreisvereine, für den Bauernstand von geringer Bedeutung. Versuche, die gemacht wurden, um die Bauern diesen Vereinen zu nähern, scheiterten vollkommen. Erst durch die Gründung von Lokalvereinen in den einzelnen Landstädten gelang es, die Bauern zum Eintritt in diese Vereine zu bewegen. Diese Bauern waren ausschließlich deutscher Nationalität. Die oben erwähnten Hauptvereine waren stets eifrig bestrebt, die Lokalvereine durch Geldmittel und auf sonstige Weise zu unterstützen. Aus den Statuten dieser Vereinsgruppen ist zu ersehen, daß sie eine Förderung des Bauernbesitzes in der verschiedenartigsten Weise angestrebt haben, insbesondere sollten öffentliche praktische Versuche mit erprobten Ackerwerkzeugen, Produkten, Sämereien usw. angestellt und Vieh- bzw. Produktenausstellungen bewirkt werden. So wurde im Jahre 1861 von dem landwirtschaftlichen Zentralv. J a c k o w s k i , Der Bauernbesitz in Posen.

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66 verein für den Netzedistrikt eine Ausstellung in Bromberg veranstaltet, an der 12 Lokalvereine regen Anteil nahmen. Es wurden 106 Pferde, 128 Rinder, 156 Schafe, 20 Schweine und zahlreiche landwirtschaftliche Geräte ausgestellt. Die Bauern erhielten die Prämien in Geld, für jede Abteilung der Ausstellung waren 40 Taler bestimmt. Auch der Hauptverein zu Lissa veranstaltete Ausstellungen und zwar in den Jahren 1860, 63, 69, 78 und 84, außerdem richtete er im Jahre 1872 einen Zucht- und Mastviehmarkt ein. Dieser Verein war ganz besonders für die Förderung des Kleinbesitzes tätig. Seine Fürsorge für die bäuerliche Viehzucht gibt sich darin zu erkennen, daß der Verein auf jeden Zuschuß aus öffentlichem Fonds für die alljährlich stattfindenden Prämiierungen von Pferden und Rindvieh zugunsten der Lokalvereine von vornherein verzichtete und letztere sogar wiederholt selbst unterstützte. Auch ist der Verein stets bestrebt gewesen, die staatlichen Unterstützungen für die Prämierung ganzer bäuerlicher Wirtschaften zu verwenden. Ferner haben vereinzelt Mitglieder dieser Vereine den Bauern die Erwerbung von besserem Saatgut durch Umtausch oder billigen Verkauf desselben bedeutend erleichtert. Mehr aber noch haben die Großgrundbesitzer sich dadurch um die Bauern verdient gemacht, daß sie durch Belehrungen und Vorträge in den Lokalvereinen und durch gerneinsame Besichtigung musterhaft bewirtschafteter Großbetriebe die bäuerliche Landwirtschaft hoben. Die Zahl der Mitglieder eines Lokalvereins, der, wie schon erwähnt, zum größten Teil Kleingrundbesitzer umfaßt, ist eine sehr verschiedene. So zählte z. B. im Jahre 1907 der Lokalverein Brake, (Kr. Meseritz) 336 und der Verein Jagdschütz (Kr. Bromberg) nur 18 Mitglieder. Der Zweck der Lokalvereine, d. i. die Förderung der Landwirtschaft in den Betrieben ihrer Mitglieder, soll auf folgende Weise erreicht werden. a) durch öffentliche Vorträge. b) „ gemeinsamen Bezug des Amtsblattes der Landwirtschaftskammer. c) „ Erteilung von Ratschlägen seitens der Vereinsleitung auf Anfragen einzelner Mitglieder. d) „ gemeinsame Beschaffung landwirtschaftlicher Sämereien, Düngemittel usw. e) „ Verbesserung und Veredelung der Viehstände. f) „ Veranstalten von Ausstellungen. g) „ Beschickung von Ausstellungen, die die Landwirtschaftskammer und die mit ihr in Verbindung stehenden Korporationen veranstalten. h) „ gemeinsamen Besuch von Ausstellungen, Saatmärkten, Versuchsgütern, Musterwirtschaften, Vortrags kursen, Viehschauen usw. i) „ Gründung einer landwirtschaftlichen Vereinsbibliothek. 1 1

Statuten der Posener Landwirtschaftskammer für die Provinz Posen.

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Die Versammlungen finden nach Bedarf statt und werden für jedes Halbjahr im Voraus bestimmt. Der Zweck dieser Lokalvereine wird im allgemeinen erreicht; auf die Erfolge ihrer Tätigkeit, d. h. den gegenwärtigen Zustand der bäuerlichen Landwirtschaft, wird an anderer Stelle näher eingegangen. Aus den Lokalvereinen sind in einzelnen Fällen Entwässerungsund Meliorationsgenossenschaften und Zuchtvereine hervorgegangen. Der gemeinsame Bezug von Düngemitteln ist in den meisten Vereinen üblich; leider fehlt hierüber eine genaue Statistik. Neben den landwirtschaftlichen Lokalvereinen wirken verschiedene zweckverwandte, an die Landwirtschaftskammer angeschlossene Vereine, denen die Bauern teilweise angehören. Sie befassen sich mit Gartenbau, Viehzucht, Fischerei, Milchwirtschaft, Hopfenbau usw. (Vergl. Tabelle 39.) Derselbe Zweck, den die deutschen Lokal vereine erreichen, wird von den polnischen Bauernvereinen angestrebt, wie in dem Programm vom Jahre 1875 vorgeschrieben ist. Dieses besagt, daß es der Zweck eines Vereins ist, die Mitglieder in den Versammlungen über alle Zweige der Landwirtschaft zu belehren; die Aneignung des vorgetragenen Stoffes soll möglichst leicht gemacht werden. Anfangs genügt es, wenn man die in den jeweiligen Jahreszeiten üblichen Arbeiten bespricht und die Mitglieder belehrt, wie diese am besten und billigsten ausgeführt werden. Ferner schreibt das Programm vor, wie Hof, Feld, lebendes und totes Inventar eines musterhaften Bauerngutes beschaffen sein soll, damit der Vorstand des Vereins einen gewissen Anhalt für die Ratschläge und Beurteilung der Wirtschaft der einzelnen Mitglieder habe. Dieser Abschnitt des Programms lautet folgendermaßen: I. Der H o f . a) Er soll so eingerichtet sein, daß jeder Gegenstand gegen Sonne und Regen geschützt sei. b) Die Behandlung des Düngers und seine Gewinnung. Das Entfernen von Schmutz zur Verhütung von Infektion usw> c) Die Behandlung des Korns auf dem Speicher, sein Reinigen zur Saat und zum Verkauf. II. Der A c k e r . a) Seine Bearbeitung. b) Die verschiedenen Düngerarten und ihre rationelle Anwendung. c) Die Arten des Getreides, der Futtergewächse, der Hackfrüchte und ihre rationelle Anwendung. III. Die H a u s t i e r e . a) Ihre verschiedenen Rassen. b) Ihre Ernährung im Sommer und Winter. c) Die Züchtungsverfahren.





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IV. Die H a u s w i r t s c h a f t . a) Die Einrichtung des Hauses. b) Die Milch. c) Das Geflügel. Y. V e r n a c h l ä s s i g t e a) Bienenzucht. b) Obst- und Gartenbau.

Wirtschaftszweige.

Weiter schreibt das Programm vor, daß es die Aufgabe der Vereine ist, die Mitglieder mit verbesserten, der Neuzeit entsprechenden und erprobten Werkzeugen bekannt zu machen. Auch in ökonomischer Hinsicht soll der Bauer belehrt werden; und zwar einerseits in einfachen Handelsgeschäften, wie Verkauf von Getreide nach holländischem Maß, andererseits in Kreditangelegenheiten, sowie Rechts- und Hypothekenfragen, soweit sie für den Kleingrundbesitzer in Betracht kommen. Es wird empfohlen, die Vereinsmitglieder auf die kleinen Einnahmequellen hinzuweisen, wie Gemüse- und Obstbau, Bienenzucht usw. Um ein praktisches Beispiel neuer Einrichtungen zu haben, sollen die Vereine gut bewirtschaftete Großbetriebe besichtigen. Auch sollen die Wirtschaften der einzelnen Mitglieder besucht 1 und Ausstellungen von landwirtschaftlichen Nutztieren, Produkten und Geräten veranstaltet werden. Der Bauer soll in dem Vereine nicht nur eine allgemeine Belehrung, sondern auch in den einzelnen Fällen Ratschläge in allen Angelegenheiten der Landwirtschaft, wie Fruchtwechsel, Feuer- und Hagelversicherung, Kredit usw. erhalten. Es wird empfohlen, im Vereinslokale einen Fragekasten für solche Fragen anzubringen, die sich für eine öffentliche Besprechung nicht eignen. In den Bereich der Tätigkeit des Vereins gehört auch die Vermittelung beim Einkauf von Geräten, Saatgut, künstlichen Düngemitteln, Kohle und allen für die Wirtschaft erforderlichen Artikeln. 2 Die territoriale Ausdehnung eines solchen Bauern Vereins ist meistens der eines Kirchspiels gleichbedeutend. 3 Die Zahl der Mitglieder eines Vereins ist sehr verschieden, sie schwankt zwischen 10 und 120. Die Vereine innerhalb eines Wize-Patronats 4 halten alljährlich 1 Im Jahre 1909 wurden etwa 500 Wirtschaften von Vereinsmitgliedern! besichtigt. 2 Statuten der polnischen Bauernvereine. 3 Daraus erklärt sich auch die Einrichtung, daß die Vereine Sonntags nach der Andacht ihre Sitzung halten; die Bauern, die in der Kirche versammelt sind* können dann am leichtesten zusammenkommen. Diese Form des Vereins stammt aus Westpreußen. Dort wurde von Julian Kraziewicz in Piaseczno ein landwirtschaftlicher Verein für Bauernhofsbesitzer gegründet. Anfangs gehörten diesem Vereine 180 Mitglieder an; mit der Zeit aber wuchs ihre Zahl bedeutend, so daß man diesen Verein in Zweigvereine nach den Kirchspielen teilte. (Langie, O K61kach 1. c. S. 28ff.) Die Rustikalvereine sind auch zum Teil den westfälischen Bauernvereinen nachgebildet, und zwar nach Angaben ihres Gründers, des Freiherrn von Schorlemer-Alst. 4 Vgl. S. 65.

69 zusammen eine Generalversammlung ab, bei der auch meistens der Patron zugegen ist. Hier werden weitergehende Fragen und gemeinsame Angelegenheiten erörtert. Dabei werden fast stets Vorträge, auch von Bauern gehalten. Außerdem findet in Posen alljährlich eine Versammlung von Vorsitzenden und Delegierten aller Vereine statt, und hier, vor einer tausendköpfigen Menschenmenge, hält neben gebildeten Landwirten auch stets ein Bauernsohn einen Vortrag. Als Amtsblatt der Bauern vereine besteht seit dem Jahre 1889 der „Poradnik Gospodarski" (Landwirtschaftlicher Ratgeber), der außer den Vereinsnachrichten landwirtschaftliche Fragen in leicht verständlicher Weise erörtert. Außerdem werden vom Patron an die einzelnen Vereine Flugschriften, Broschüren und Bücher verschickt, •die wichtige landwirtschaftliche, den Bauern naheliegende Fragen behandeln. In den ersten 25 Jahren des Bestehens der Rustikalvereine gelangten 168000 solcher Schriften zur Verteilung. Einen großen Erfolg haben diese Vereine auf dem Gebiete der Melioration erreicht. So sind bis 1907 ca. 75000 ha bäuerlichen Grundbesitzes durch ihre Mitwirkung drainiert worden. Ein wichtiger Teil des Wirkungskreises der polnischen Bauernvereine ist die Vermittelung beim Einkauf von Dünger- und Futtermitteln. Aus ihren Jahresberichten ist zu ersehen, daß die Menge der im Jahre 1876 durch Vermittelung der Vereine bezogenen Düngemittel 118,5 t betrug, also durchschnittlich auf jedes Mitglied 31 kg Düngemittel entfiel. Die Vermittelungstätigkeit steigerte sich aber dermaßen, daß die entsprechenden Zahlen im Jahre 1878 301,251 und 50,4 kg, im Jahre 1895 1528 t und 403 kg und im Jahre 1910 ca. 25000 t und ca. 1785 kg Düngemittel betrugen. Seit kurzer Zeit führt auch der Patronatsrat eine genaue Statistik über die bäuerliche Landwirtschaft. Ihre Resultate sind im Kapitel 5 verwertet worden. Es ist den landwirtschaftlichen Vereinen, sowohl den deutschen als auch den polnischen, gelungen, den Posener Bauern aus der dunklen Unwissenheit auf eine hohe Stufe der Kultur zu heben. Sie haben ihn von seinen Fehlern befreit, haben ihn denken und überlegen gelehrt. Auf sicheren Grundlagen wurden allmählich die Elemente der Landwirtschaft in einer möglichst vollkommenen und einfachen Form aufgebaut, bis die bäuerliche Wirtschaft zu einem kerngesunden Gebilde wurde. Wo dies eintrat, hatte der Verein sein Ziel erreicht. Viertes Kapitel.

Die landwirtschaftlichen Genossenschaften und der Zustand des landwirtschaftlichen Kreditwesens. Die landwirtschaftlichen Vereine haben den Bauernstand in moralischer Hinsicht gehoben und ihm die Grundlagen einer rationellen Landwirtschaft geschaffen. Wo ein Verein sich in dieser Hinsicht betätigt hat, da war dieses Werk deutlich an den bäuerlichen Wirt-

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Schäften der betreffenden Gegend zu erkennen. Aber eine große Lücke machte sich noch stets bemerkbar: Es fehlte an Einrichtungen, um den Bauern in finanzieller Hinsicht zu unterstützen. Die Mißstände hinsichtlich der Kreditverhältnisse sind schon erwähnt worden. In ähnlicher Weise wurde der Bauer dadurch ausgenützt, daß er für seine Produkte schlechte Preise erzielte, dagegen die Rohstoffe und landwirtschaftlichen Artikel äußerst teuer bezahlen mußte. Diesen Mängeln wurde durch die Gründung von allerlei Genossenschaften gesteuert, welche dem Bauern die Verwertung seiner Produkte und den Einkauf von Rohstoffen erleichtem, ihn mit billigem Kredit versehen, vor Wucher schützen und ihm seine Grundstücke entwässern helfen. Die Geschichte der landwirtschaftlichen Genossenschaften in der Provinz Posen ist kurz. In den siebziger Jahren waren sie noch sehr wenig zahlreich. Im großen ganzen beschränkten sich die genossenschaftlichen Vereinigungen auf das gelegentliche Zusammentreten der landwirtschaftlichen Vereine zum gemeinsamen Bezug von Düngemitteln, Sämereien u. a.; auch gab es vereinzelt Entwässerungs- und Meliorationsgenossenschaften. Erst in den achtziger und besonders in den neunziger Jahren vermehrte sich ihre Zahl bedeutend infolge des immer intensiveren landwirtschaftlichen Betriebes. Das Gesetz vom 1. Mai 1889 betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften schuf einer Entwickelung in dieser Hinsicht sichere Grundlagen. Vordem bestand nur die Form der unbeschränkten Haftpflicht, was bei landwirtschaftlichen Genossenschaften, in denen die verschiedensten Kapitalkräfte zusammentreten, wegen des ungleich verteilten Risikos wenig vorteilhaft ist. 1 § 2 dieses Gesetzes unterscheidet nun aber drei Arten von Genossenschaften, diejenigen mit beschränkter und unbeschränkter Haftpflicht und mit unbeschränkter Nachschußpflicht. 2 Die in der Provinz Posen bestehenden Genossenschaften wurden teils nach dem R a i f f e i s e n s c h e n , teils nach dem S c h u l t z e - D e litzschschen Muster gegründet. S c h u l t z e hat einen besonderen Einfluß in der Provinz Posen dadurch gehabt, daß er sich längere Zeit in der Provinz aufhielt. 3 Die Verfassungen der beiden Genossenschaften unterscheiden sich in folgenden Punkten: die R a i f f e i s e n s c h e n Vereine haben einen engbegrenzten Wirkungskreis, während er bei den S c h u l t z e - D e litzschschen unbegrenzt ist. Jene verteilen grundsätzlich keinen Gewinn, was bei diesen aber der Fall ist. R a i f f e i s e n vertrat die Ansicht, daß man von den Hilfsbedürftigen nicht hohe Geschäftsanteile verlangen dürfe, und so sind die Anteile bei seinen Genossenschaften sehr 1 D z i e m b o w s k i , Institucye wspoldzielcze i wpiyw ich na rozwöj ekonomiczny rolnictwa. (Die gemeinnützigen Institutionen und ihre Wirkung auf die Entwickelung der Landwirtschaft. Festschrift des landwirtschaftlichen Zentralvereins.) Posen 1911. S. 152. 2 Gesetz, betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vom 1. Mai 1889. ; 3 S c h u l t z e war in den Jahren 1850—52 Amtsrichter in Wreschen.

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niedrig (von 3—10 Mark an). Dagegen wollte S c h u l t z e - D e l i t z s c h durch hohe Geschäftsanteile der Genossenschaft die notwendige Grundlage eines gesunden Geschäftsbetriebes geben. Beide Ansichten haben ihre Berechtigung; es ist aber zu bemerken, daß bei den Baiffeisenvereinen trotz der geringen Anteile ein Fehlen an erforderlichen Mitteln auch nicht nachzuweisen ist. Sie geben längeren Kredit auf allmähliche Bückzahlung gegen einmalige Ausstellung eines Schuldscheines, während die Schultzeschen Yorschußkassen kurzfristigen Kredit gewähren, meist auf drei Monate gegen Wechsel, die nach der genannten Zeit eingelöst oder wieder erneut werden müssen. Die Erfahrung hat gezeigt, daß für ländliche Verhältnisse die B a i f f e i s e n s c h e n , für städtische Kreise die Schultzeschen Genossenschaften am geeignetsten sind. 1 Bei der Betrachtung der Geschichte des Genossenschaftswesens der Provinz Posen müssen wir, ebenso wie bei den landwirtschaftlichen Vereinen, zwei große Gruppen unterscheiden, die deutschen und die polnischen Genossenschaften. Die Entwickelung der deutschen Genossenschaften ist mannigfaltiger als die der polnischen, weil bei jenen die Gründung von mehreren Verbänden ausging, während diese mit geringen Ausnahmen zu dem „Zwi^zek Spcrtek Zarobkowych" vereinigt sind. Die ersten deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaften wurden in Posen in den achtziger Jahren gegründet. Ein Grund hierfür lag nach Ansicht des Verbandsdirektors der landwirtschaftlichen Genossenschaften, Ökonomierats H ü n e r a s k y , in folgenden Tatsachen: Die verstärkte Viehhaltung nötigte die Landwirte, eine angemessene Verwertung der Produkte anzustreben; die Erfindung der Milchschleuder drängte zu Vereinigungen der Milchproduzenten und zur Schaffung von Molkereigenossenschaften.2 3 Andererseits entstanden in großer Zahl Entwässerungs- und Drainagegenossenschaften, deren Verfassung jedoch von der der übrigen verschieden ist und deshalb an anderer Stelle geschildert werden muß. Die ersichtlichen Vorteile dieser Vereinigungen bahnten den Weg zur Gründung von weiteren Genossenschaften, die ihre Tätigkeit auch auf andere landwirtschaftliche Erwerbszweige ausdehnten. So nahm eine Anzahl der in den achtziger Jahren entstandenen GenossenschaftsMolkereien denn auch den gemeinschaftlichen Bezug landwirtschaftlicher Bedarfsartikel in ihren Betrieb auf. Im Jahre 1890 gab es 35 Molkerei-Genossenschaften. Da ihnen durch das Gesetz vom 1. Mai 1889 ein Bevisionszwang auferlegt wurde, so beschloß man, einen Molkerei-Revisionsverband zu gründen, der 1893 dem allgemeinen Verbände landwirtschaftlicher Genossenschaften für Deutsch1

L u b e r g , Betriebslehre. 4. Auflage. Berlin 1911. S. 157ff. H e d i n g e r 1. c. S. 64ff. 3 Eine Schrift von D l u g o b o r s k i , Gospodarstwa wlöscianskie w okolicy Poznania (Die Bauernwirtschaften in der Nähe von Posen. Posen 1874), behauptet, daß die Gründung von Molkereigenossenschaften einer der wichtigsten Faktoren zur Hebung der Bauernwirtschaften sei. 2

72 land zu Offenbach beitrat. Im Jahre 1895 hatte sich schon in Posen eine landwirtschaftliche Ein- und Yerkaufsgenossenschaft gebildet, die sich später zu der jetzt bestehenden landwirtschaftlichen Zentral-Einund Yerkaufsgenossenschaft erweiterte und sich ebenfalls dem allgemeinen Verbände anschloß. Im Februar des Jahres 1895 beschloß der Molkerei-Revisionsverband, seine Tätigkeit unter der Firma „Verband der landwirtschaftlichen Genossenschaften für die Provinz Posen" auch auf andere Arten von Genossenschaften zu erweitern. Neben diesen gewann der Neuwieder Verband (Raiffeisen) immer mehr an Bedeutung. Seine Rolle in der Provinz Posen beginnt damit, daß er im Jahre 1896 in diesem Landesteile 28 Kreditgenossenschaften gründete. Auch andere Verbände bildeten sich in den neunziger Jahren. Im Jahre 1898 bestanden in der Provinz Posen: Der Verband der landwirtschaftlichen Genossenschaften für die Provinz Posen mit 274 Genossenschaften. Der Verband der landwirtschaftlichen Genossenschaften des Bauernbundes zu Wollstein mit 18 Genossenschaften. Der Verband der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften der Provinzen Posen und Westpreußen mit 75 Genossenschaften. Der Verband des Bundes der Landwirte mit 18 Genossenschaften. Der Verband der Neuwieder Organisation (Raiffeisen) mit 94 Genossenschaften. Der Darlehnsverband zu Pieschen mit 10 Genossenschaften. Der Gesamtbestand der landwirtschaftlichen Genossenschaften betrug in diesem Jahre: 399 Kredit-, 8 Rohstoff-, 1 Absatz-, 1 Ziegelei-, 3 Müllerei-, 19 Pferdezucht-, 48 Molkerei-, 2 Brennerei-, 2 Stärkefabrik-, 1 Kornhaus-, 1 Rindviehzucht- und 2 Ziegenzuchtgenossenschaften, 3 Zentralkassen und 1 Zentral-Ein- und Verkaufsgenossenschaft. Die Kreditgenossenschaften machen in allen Verbänden den größten Teil aus. Aus Tabelle 42 ist zu ersehen, daß der Verband der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, die Verbände S c h u l t z e D e l i t z s c h und R a i f f e i s e n , der Handwerker-Zentral-Genossenschafts- und Pieschener Verband fast ausschließlich Kreditgenossenschaften umfaßt. Nur der Verband der landwirtschaftlichen Genossenschaften und der Bund der Landwirte schließen auch Bezugs-, Molkerei- und sonstige Genossenschaften in sich. Man kann sagen, daß fast alle Arten der landwirtschaftlichen Gewerbe in diesen Genossenschaften vertreten sind. Es gibt nämlich Dampfmühlen, Stärke- und Kartoffeltrocknungs-Fabriken, Brennereien, Ziegeleien, Ein- und Verkaufsgenossenschaften, Pferdezucht-, Rasseviehzucht-, Ziegen- und Geflügelzuchtgenossenschaften, Heu- und Mastvieh-Verwertungsver bände, Eisen Verkaufs-Genossenschaften und andere mehr. Die Vorstände dieser Genossenschaften bestehen aus bäuerlichen Wirten, Gutsbesitzern, Kaufleuten und Schullehrern; letztere sind besonders zahlreich vertreten.

73 Die Entwicklung des Verbandes der landwirtschaftlichen Genossenschaften für die Provinz Posen, der, wie oben erwähnt, im Jahre 1895 aus dem Molkerei-Eevisions-Yerband seinen Ursprung genommen hatte, war folgende: Am Schlüsse des ersten Jahres seines Bestehens umfaßte dieser Verband schon 2 Zentral-, 24 Molkerei-, 3 Absatz- und 98 Kreditgenossenschaften. 1 Diese Zahlen stiegen alljährlich, und am 1. Januar 1902 zählte der Verband 286 Kredit-, 43 Molkerei-, 17 Bezugs- und Absatz- und 67 verschiedene Genossenschaften nebst 2 Zentralgenossenschaften. Für alle inneren Verwaltungsangelegenheiten ist der Verband allein maßgebend, während die Provinzial-Genossenschaftskasse die Geldausgleichstelle, also die Zentralkasse des Verbandes ist. Außer der Kreditgewährung hat diese Zentralkasse als Nebenbetrieb auch die Vermittelung von landwirtschaftlichen Bedarfsartikeln für die angeschlossenen Genossenschaften übernommen. 2 Eine andere wichtige Zentralgenossenschaft ist die „Landwirtschaftliche Zentral-Ein- und Verkaufsgenossenschaft e. G. m. b. H. zu Posen". Sie ist der Verkehrsmittelpunkt aller Ein- und Verkaufsvereine ebenso wie der Kreditgenossenschaften, die Waren beziehen. Am 1. Januar 1909 zählte sie 157 Mitglieder mit 253 Anteilen zu 3000 M. Sie setzte im Jahre 1908 an Waren um: 123626,17 Ztr. Getreide, 733741,88 Ztr. Düngemittel und Kalk, 76675,80 Ztr. Futtermittel und 1253515,00 Ztr. Kohlen. 3 Die dem Verband der landwirtschaftlichen Genossenschaften für die Provinz Posen angeschlossenen Ein- und Verkaufsgenossenschaften haben im Jahre 1908 an verkauften landwirtschaftlichen Erzeugnissen ihrer Mitglieder einen Gesamtbetrag von 1151618 M. erzielt. Dagegen betriigen die von ihnen bezogenen Waren zusammen den Wert von 5197190 M.4 Daraus ist zu ersehen, daß die Hauptaufgabe der Bezugs- und Absatzgenossenschaften in dem Ankauf von Dünge- und Futtermitteln, Sämereien, Kohlen usw. besteht, also in einem Geschäft, das weniger Risiko mit sich bringt als der Getreidehandel. Dieses risikofreie Kommissionsgeschäft betreiben beim Ankauf von Waren nicht nur die Bezugs- und Absatzgenossenschaften, sondern auch die meisten anderen zum Verband gehörenden Erwerbsgenossenschaften. So verkauften in demselben Jahre die Kreditgenossenschaften durch Vermittlung der landwirtschaftlichen Ein- und Verkaufsgenossenschaften Kohle, Düngemittel usw. im Gesamtwerte von 1311982 M.5 Neben diesem Verbände hat für den bäuerlichen Besitz, vor allem für seine Erzeugnisse, von den deutschen Vereinigungen der ländlichen Genossenschaften die sogenannte Neuwieder Baiffeisen1

Vgl. Tabelle 43. H e d i n g e r 1. c. S. 65. 3 Jahresbericht der landwirtschaftlichen Zentral-Ein- und Verkaufs-Genossenschaft e. G. m. b. H. zu Posen. 1909. 4 Jahrbuch des „Verbandes der landwirtschaftlichen Genossenschaften für die Provinz Posen". 1909. s H e d i n g e r 1. c. S. 71. 2



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Organisation die größte Bedeutung. Zwischen diesem Verbände und dem vorher erwähnten herrschte bis zum Jahre 1902 ein harter Konkurrenzkampf, der dadurch noch verschärft wurde, daß die Königliche Ansiedlungskommission den Neuwieder Verband bevorzugte. 1 Es wurde aber in diesem Jahre eine Einigung herbeigeführt und seitdem arbeiten die beiden großen Verbände friedlich nebeneinander. 2 Die Geldausgleichsstelle des Raiffeisen-Verbandes ist die im Jahre 1900 gegründete Landesgenossenschaftsbank; seine Zentralstelle für den Bezug von Waren ist das im darauffolgenden Jahre errichtete „Deutsche Lagerhaus". Die unter dieser Firma bestehende Genossenschaft zählte im Jahre 1907 zu ihren Mitgliedern neben 118 Einzelmitgliedern wiederum 111 Genossenschaften. Mit Hilfe der durch die Gesetze vom 8. Juni 1896 und 8. Juni 1897 bewilligten 5000000 M. wurde in Luisenhain an der Warthe ein mächtiges Kornhaus errichtet. Die Genossenschaft „Deutsches Lagerhaus" setzte im Jahre 1907/08 um: 1005918 Ztr. Getreide im Werte von 9897430 M., an Düngemitteln 1201728 Ztr. im Werte von 4011753 M. Der Raiffeisen-Verband zählte am 1. Juni 1908: 2 178 12 23 2 1 26 2 1 5 1 9 1 9

Zentral-Genossenschaften, Kredit-Genossenschaften, Bezugs- und Absatz-Genossenschaften, Molkerei-Genossenschaften, Müllerei-Genossenschaften, Lagerhaus-Genossenschaft, Brennerei-Genossenschaften, Viehverkaufs-Genossenschaften, Ziegelei-Genossenschaft, Bau-Genossenschaften, Dampf pflüg-Genossenschaft, Dampfdrescherei-Genossenschaften, Pferdezucht-Genossenschaft, sonstige Genossenschaften

zusammen 272 Genossenschaften. Die Eaiffeisen-Ein- und Verkaufsvereine wurden im allgemeinen später gegründet als die Bezugs- und Absatzgenossenschaften des erst genannten Verbandes. Allerdings haben sich jene eine größere Mitgliederzahl erworben und eine höhere Summe der Aktiva erreicht. Dagegen ist der ältere Verband besser gestellt durch die Höhe des eigenen Vermögens und Reingewinns, sowie den Wert der Waren1 Vgl. III. Jahrbuch des Verbandes der landwirtschaftlichen Genossenschaften. Posen 1903. * H e d i n g e r 1. c. S. 73.

75 bezüge. 1 Daraus kann man folgern, daß der Raiffeisen-Verband mehr Gewicht auf den Getreidehandel selbst legt und es ihm vor allem darauf ankommt, stets hohe Preise beim Ankauf der landwirtschaftlichen Produkte zu bezahlen, auch wenn der Jahresgewinn unter Umständen niedriger ist. Die beiden soeben beschriebenen deutschen Verbände landwirtschaftlicher Genossenschaften sind von allergrößter Wichtigkeit für den Waren- und besonders für den Getreidehandel der Bauern. Die anderen deutschen Verbände haben vorwiegend große Bedeutung für die Kreditverhältnisse; so umfaßte die Provinzialgenossenschaftskasse E. G. m. b. H. zu Posen im Jahre 1899 203 Kredit-, 10 landwirtschaftliche Bezugs- und Absatzgenossenschaften, 11 Molkereiund 25 sonstige Genossenschaften. Die Ergebnisse der Tätigkeit dieser Kreditgenossenschaften sollen an anderer Stelle erörtert werderi. Nach den statistischen Angaben von Professor Dr. P e t e r s i l i e gab es im Jahre 1900 im Regierungsbezirke Posen 377 Genossenschaften mit 58306 Mitgliedern und im Regierungsbezirke Bromberg 266 Genossenschaften mit 26139 Mitgliedern.2 Diese Zahlen umfassen ebenfalls die polnischen Genossenschaften, die nicht zu den oben genannten Verbänden gehören, und deren Entwickelung, wie bereits erwähnt, von derjenigen der deutschen verschieden ist. Die polnischen landwirtschaftlichen Genossenschaften wurden anfangs ausschließlich nach dem S c h u l t z e - D e l i t z s c h s c h e n Muster gegründet, da sie den städtischen Genossenschaften nachgebildet wurden. Als aber mit der Zeit die Vorzüge des R a i f f e i s e n s c h e n Systems in der Provinz Posen immer mehr bekannt wurden, da entstand ein heftiger Meinungsaustausch zwischen den Anhängern der beiden Systeme. An der Spitze der Anhänger R a i f f e i s e n s stand M a x i m i l i a n von J a c k o w s k i , der Vorsitzende der Bauernvereine. Seine äußerst zahlreiche Partei setzte es durch, daß im Jahre 1885 beschlossen wurde, den Begründer und Leiter der polnischen Genossenschaften, den Probst S z a m a r z e w s k i nach Westfalen Zu schicken, damit er dort die Praxis der Raiffeisenvereine studiere.® Die Gegenpartei, vor allem Dr. R z e p n i k o w s k i an der Spitze der westpreußischen Polenbanken, machte gegen R a i f f e i s e n alle mög1

die die das der der

Es betrug im Jahre 1908: bei den Ein- und Verkaufsbei den Bezugs- u. Absatzgenossenschaften d. Verb. d. landw. Gen. f. vereinen des Raiffeisen-Verdie Provinz Posen bandes Mitgliederzahl 2013 2912 Summe der Aktiva 2918271 3803113 eigene Vermögen 374880 324389 Reingewinn 109008 67628 Wert der Warenbezüge 5197190 3735324 Zusammengestellt nach H e d i n g e r , 1. c. S. 76- 77 und Tabelle VII und VIII. 2 S z o l d r s k i I.e. S. 173. 3 B e r n h a r d 1. c. S. 237—238.

76 liehen Bedenken geltend. Diesen Streit, der die Verfassung der Genossenschaften umzuwälzen drohte, glich W a w r z y n i a k aus, der damalige Vize-Patron des Verbandes, indem er im Jahre 1886 in dem Verbandstage folgende Resolution durchsetzte: „Unsere Genossenschaften können und sollen die R a i f f eisenschen ersetzen. Von der Begründung von Raiffeisengenossenschaften da, wo die V e r h ä l t n i s s e d a n a c h s i n d , will die Delegiertenversammlung nicht abraten und erklärt sich sogar bereit, sich ihrer anzunehmen." Dieser Beschluß war für den Vorsitzenden äußerst bequem; je nach Lage der Verhältnisse nutzte er bei der Gründung von Genossenschaften sowohl die Vorzüge R a i f f e i s e n s als auch S c h u l t z e s aus. Die Folge davon war, daß das System der polnischen Genossenschaften die Vorzüge beider Verfassungen besitzt. 1 Im Jahre 1871 wurde der „Zwiazek Spolek Zarobkowych" (Verband der Erwerbsgenossenschaften) gegründet; er umfaßte 19 Genossenschaften, von denen 14 in der Provinz Posen und 5 in Westpreußen und anderen Landesteilen ihren Sitz hatten. Außerhalb dieses Verbandes gab es damals noch 13 andere Genossenschaften. Im Jahre 1878 waren 43 Genossenschaften vorhanden, ihre Mitgliederzahl betrug 7660, die Anteile 623486 M., der Reservefonds 74 296 M., und die Depositen 2600869 M. In den darauf folgenden Jahren vermehrte sich andauernd die Zahl der Genossenschaften, sie wurden fast alle dem „Zwiazek Spolek Zarobkowych" untergeordnet. Dieser Verband wird von dem sogenannten „Patronat" geleitet, der aus dem Patron, dem Vize-Patron und 4 anderen Mitgliedern besteht. Er war von seiner Gründung an danach bestrebt, eine Zentralbank für seine Genossenschaften zu schaffen. Eine solche kam im Jahre 1878 zustande, indem die „Bank Wioscianski" (Bauernbank) gegründet wurde, deren Aktionäre die Genossenschaften sein sollten. Da aber die Zahl der von ihnen aufgenommenen Aktien sehr gering war, so mußte sich die Bank nach anderen Aktionären umsehen, und auch mit anderen Personen Geschäfte machen. Mit der wachsenden Zahl der Genossenschaften machte sich aber auch das Bedürfnis einer eigenen Zentralbank immer mehr bemerkbar. So wurde denn im Jahre 1885 die „Bank Zwi^zku Spolek Zarobkowych", eine Aktienbank, gegründet 2 , deren Aktien bis zu 75 °/o den Erwerbsgenossenschaften, die meistens den Namen „Bank Ludowy" (Volksbank) führen, angehören. Die Bank hat stets mit den Genossenschaften engen Kontakt. Der Bankdirektor ist zugleich Mitglied des Patronats des Verbandes. Bei der Gründung dieser Genossenschaften haben sich zwei bedeutende Männer, der Probst S z a m a r z e w s k i und Prälat W a w r z y n i a k große Verdienste erworben. Der erste war der Vorkämpfer der 1 2

B e r n h a r d 1. o. S. 238—239. Vgl. Tabelle 44.

77 Yolksbanken, dem zweiten verdankt die Mehrzahl der Genossenschaften ihre Entstehung und der gesamte Verband seine großen Erfolge. Im Jahre 1891, als W a w r z y n i a k die Leitung des Verbandes übernahm, zählte dieser 76 Genossenschaften mit 27671 Mitgliedern, die gesamten Anteile betrugen 2925062,85 M., der Reservefonds 1300878,97 M., die Depositen 12661911,51 M., die Bilanzen betrugen zusammengenommen 18942661 M.; im Jahre 1909, 8 Jahre später dagegen, gehörten zu dem Verbände 248 Genossenschaften mit 116849 Mitgliedern. Die Summe der Anteile betrug 21909881,68 M., der Reservefonds 10892145,10 M., die Depositen 177833297,25 M., die gesamten Bilanzen 234140096,02 M. 1 Der Zwi^zek Spotek Zarobkowych umfaßt folgende Genossenschaften : I. Landwirtschaftliche Einkaufs- und Absatz-Genossenschaften „Rolnik"; ihre Zahl betrug im Jahre 1909 49. I I . P&rzellierungs-Genossenschaften, „Spötka parcelacyjna"; ihre Zahl betrug im Jahre 1909 15. I I I . Kaufmännische Genossenschaften „Kupiec"; ihre Zahl betrug im Jahre 1909 4. IV. Diverse Genossenschaften, ihre Zahl betrug im Jahre 1909 6. V. Darlehns-Genossenschaften; ihre Zahl betrug im Jahre 1909 180; zusammen 248 Genossenschaften. Eine Statistik aus dem Jahre 1909 zeigt, daß über 58 °/o der Mitglieder des Verbandes „Zwiqzek Spöiek" Landwirte sind, und zwar: 1468 Großgrundbesitzer, 58663 Bauernstellenbesitzer und Büdner und 2270 Pächter. 2 16 °/ 0 der Darlehnskassen haben ihren Sitz in Dörfern. Diese Ziffern zeigen am deutlichsten an, welche große Bedeutung die Genossenschaften für den Bauernstand haben. Für ihn kommen besonders die Darlehensgenossenschaften, die meistens „Bank Ludowy" (Volksbank) heißen, und die Einkaufs- und Absatzgenossenschaften, die „Rolnik", in Betracht, die für sein alltägliches Leben äußerst wichtig sind. So betrug im Jahre 1909 die Mitgliederzahl der „Rolnik" über 5000 Genossen, die zum weitaus größten Teil Bauern waren. Die Rolnik besaßen in diesem Jahre 373608,49 M. Anteile und 80512 M. Reservefonds, der Warenumsatz betrug 81292 t Getreide, 17240,75 t Futtermittel, 55045 t Chilesalpeter, 42072,3 t Kohle usw. Außerhalb des „Zwi^zek Spöiek" stehen noch 23 andere polnische Genossenschaften. Mit dem Genossenschaftswesen der Provinz Posen ist die Frage des ländlichen Kredits eng verbunden. Vor allem sind die genossenschaftlichen Kreditanstalten für die Bauern von Bedeutung, da der unerfahrene Mann hier viel mehr Sicherheit hat, sein Geschäft richtig abzuschließen, als bei einem Privatunternehmen. Die landwirtschaftlichen Vereine trachten danach, den Bauern die Vorzüge der Ge1 2

D z i e m b o w s k i 1. c. S. 151. D z i e m b o w s k i I.e. S. 156—159.

78 nossenschaften und der gemeinnützigen Anstalten klar zu legen. Auch haben die Mißstände, denen die Bauern in den achtziger Jahren anheim fielen 1 , manchen Kleingrundbesitzer zur Vorsicht bei finanziellen Handhabungen bewogen. Sowohl hinsichtlich des Boden-, wie auch des Personalkredits kann man mit Recht behaupten, daß die Bauern sich heutzutage in einer ziemlich günstigen Lage befinden. Es ist stets und vor allem in den letzten Zeiten ein Bestreben der landwirtschaftlichen Vereine gewesen, die Hypotheken der bäuerlichen Wirtschaften zu regeln. Es stellte sich nämlich oft heraus, daß ein Bauer, der sonst auch ziemlich vorsichtig war, in dieser Hinsicht großen Leichtsinn und große Nachlässigkeit zeigte. Anstatt größerer lasteten auf dem Hofe eine Unmenge kleiner Eintragungen, und längst ausgeglichene Hypotheken warteten noch immer auf eine Löschung im Grundbuch. Als die bedeutendste Bodenkreditanstalt ist die „Posener Landschaft" zu nennen. Sie wurde als „Neuer Kreditverein für die Provinz Posen" im Jahre 1857 gegründet 2 , hatte anfangs für den Bauernbesitz aber keine Bedeutung, da ihr Mindesttaxwert 15000 M. betrug, also die Bauernstellen nicht mehr umfaßte. Erst durch den dritten Nachtrag vom 8. April 1879 zum Statut dieses Kreditvereins wurde der Mindesttaxwert auf 6000 M. herabgesetzt. Die auf Grund dieses Nachtrags bewilligten Darlehen sollten nicht wie bei Darlehen größerer Besitzungen in halbjährigen, sondern in vierteljährigen Raten verzinst werden, die in den letzten acht Tagen der Monate März, Juni, September und Dezember fällig waren. Auch sollten sie dann schon kündbar sein, wenn die Zinsen ohne Stundung, länger als drei Monate rückständig blieben. ..Zum Schutze der geschäftsunerfahrenen Kleingrundbesitzer gegen Übervorteilungen wurde bestimmt, daß die Direktion befugt sei, bei Gütern im Taxwerte von 6000-—15000 M. ausschließlich, die für dieselben ausgefertigten Pfandbriefe, mit Einwilligung der Besitzer, für deren Rechnung zu verwerten und ihnen den Barertrag nach Abzug der Kosten auszuhändigen. Die segensreiche Wirkung dieses Nachtrages wurde sofort erVgl. Kapitel 5 des I. Teils. Als Vorläufer der Posener Landschaft ist der durch die Allerhöchste Kabinettsorder vom 15. Dezember 1821 ins Leben gerufene „Landschaftliche Kreditverein im Großherzogtum Posen" anzusehen. Er war aber ohne Bedeutung für den Bauernbesitz, da ihm nur adlige Güter mit einem Taxwert von mindestens : 15000 Talern angehören konnten. 1857 wurde nach langem Vorbereiten ein Institut mit erweitertem Wirkungskreis gegründet, der „Neue Kreditverein für die Provinz Posen", der im Jahre 1887 den Namen „Posener Landschaft" erhielt. Vgl. Kreditordnung für den landschaftlichen Kreditverein im Großherzogtum Posen. Posen 1830. Festschrift zur Feier des 50jährigen Bestehens der Posener Landschaft. Posen 1907. Jahresberichte der Posener Landschaft. 1890—96. N a t h u s i u s , Die bäuerlichen Verhältnisse, 1. c. S. 15. 1

2

79 sichtlich: zahlreiche Beitrittsanmeldungen strömten von Seiten der Kleingrundbesitzer zu. (Vgl. Tabelle 45.) Aber auch dieser Nachtrag war nur für einen Teil der Bauern von Bedeutung, da nur ein Teil der Bauernstellen den Wert von 6000 M. erreichte. Es wurde das Bedürfnis immer dringender, auch kleineren Stellen das landwirtschaftliche Darlehen zugänglich zu machen. So wurde denn im Jahre 1884 durch den 4. Nachtrag zum Statut vom 13. Mai 1857 die bisher mit 6000 M. abschließende Beleihungsgrenze auf 4000 M. herabgesetzt. Um den Darlehen eine größere Sicherheit zu bieten, wurde bestimmt, daß die Besitzer von Grundstücken mit einem Taxwerte von weniger als 15000 M. in der Wahl der Feuer- und Hagelversicherungsgesellschaft an die von der Landschaftsdirektion vorgeschlagenen Gesellschaften gebunden sei. Diese Bestimmung erwies sich in der Praxis als undurchführbar und wurde im Jahre 1884 wieder beseitigt. Die neuen Satzungen vom 4. August 1896 bestimmen als Mindesttaxwert den Betrag von 3000 M. In dieser Wertgrenze sind nach den in der Provinz Posen vorliegenden Verhältnissen alle Grunstücke enthalten, die als selbständige Ackernahrungen anzusehen sind. Die Bauernstellen, wie überhaupt alle Güter, deren Taxwert weniger als 3000 M. ausmacht, können nur bis zur Hälfte ihres Taxwerts beliehen werden. Um verhältnismäßig großen Unkosten bei der örtlichen Abschätzung der kleinen Wirtschaften vorzubeugen, wurde der 60fache Grundsteuerreinertrag als Taxwert zugrunde gelegt. Die Verzinsung ist äußerst günstig, sie beträgt 31/2—4°/0. Mit dem steigenden Kulturzustande erkennt der Bauer die großen Vorteile der landwirtschaftlichen Darlehen, so daß die steigende Zahl der von der „Landschaft" beliehenen Bauerngüter keineswegs auf die steigende Verschuldung des Bauernbesitzes, sondern vielmehr auf ein größeres Verständnis der Bauern für Geschäftsangelegenheiten schließen läßt. Die Gesamtsumme der von der „Landschaft" und einigen Bodenkreditbanken erteilten Darlehen betrug im Jahre 1902 32,7°/0 der gesamten Verschuldung des Bodenbesitzes in der Provinz Posen. Diese Zahl wird nur durch die Beleihung in Ostpreußen übertroffen, wo sie 33,5°/0 der Verschuldung ausmacht. Im Königreich Preußen beträgt diese Durchschnittszahl 21,4°/0.1 Von einer näheren Beschreibung der übrigen Bodenkreditbanken, die den Posener Bauern Darlehen gewähren, ist wegen des Mangels an genauen Angaben und wegen ihrer verhältnismäßig geringen Bedeutung für die Verschuldung des Bauernbesitzes abzusehen. 2 1

Szembek 1. c. S. 36. Jahresbericht der Landwirtschaftskammer für die Provinz Posen 1906. von A l t r o c k , Die ländliche Verschuldung in der Provinz Posen. Posen 1906. 2 Es sei hierbei einer Institution Erwähnung getan, die in neuester Zeit gegründet wurde und viel Aufsehen macht. Es ist die seit 1904 bestehende, mit der Ansiedlungs-Kommission zusammenwirkende deutsche Mittelstandskasse in Posen.

80 Über die Höhe der ländlichen Verschuldung gibt Tabelle 46, die von A l t r o c k im Jahre 1906 aufgestellt worden ist, genaue Angaben. Daraus ist zu ersehen, daß im allgemeinen die kleinen Bauernstellen, mit einem gesamten Grundsteuerreinertrage von 60—90 M., die also eine Größe von etwa 6—10 ha haben, wenig belastet sind. Mit dem wachsenden Umfang des Gutes steigt die Verschuldung; jedoch kann man behaupten, daß die Verschuldung der bäuerlichen Wirtschaften, gegenüber derjenigen bei Großbetrieben, äußerst günstig ist. Als Beispiel sei nur angeführt, daß bei den größten Bauerngütern, deren Grundsteuerreinertrag 150—300 M. beträgt, die Anzahl der über 75% verschuldeten Güter 6°/0 ausmacht, wogegen sich die entsprechende Zahl bei der Größenklasse von 1500—3000 M. Grundsteuerreinertrag auf 41,1% beläuft. Der Personalkredit des Bauern ruhte in den achtziger Jahren ausschließlich in den Händen der kleinstädtischen Händler. Die ungünstigen Zustände, die dadurch entstanden, sind in Kapitel 5 (I) geschildert worden. Abhilfe wurde durch die Gründung der Kreisund Stadtsparkassen und der Vereinskassen (Genossenschaften) geschaffen ; die Vorzüge dieser Kassen für den Personalkredit gegenüber dem früheren Monopol der kleinen Geschäftsleute sind allgemein bekannt. Dr. S e i d e l 1 sucht ein annäherndes Bild des Personalkredits des Posener Kleingrundbesitzers dadurch zu geben, daß er die Summe aller von diesbezüglichen Kassen gewährten Darlehen mit der Anzahl der Kleingrundbesitzer selbst vergleicht. Hierbei sind als Kleingrundbesitz alle Stellen bis rund 37 ha bezeichnet. Die Tabelle 47 gibt die Ali zahl der an Kleingrundbesitzer gewährten Darlehen an. Es ergibt sich daraus, daß die Zahl der Darlehensnehmer im Begierungsbezirke Posen 20032, im Begierungsbezirke Bromberg 8451 betrug. Mithin haben gegen Ende der neunziger Jahre in der Provinz Posen von 87459 Kleingrundbesitzern nur 28489 von dem günstigen Personalkredit, den diese Kassen gewähren, Gebrauch gemacht. Diese ungünstige Sachlage wird jedoch von Jahr zu Jahr mehr ausgeglichen; der Bauer erkennt allmählich die großen Vorteile, die ihm von diesen Kreditkassen zuteil werden und macht sich dieselben zunutze. Es würde hier zu weit führen, auf die Tätigkeit der einzelnen Anstalten einzugehen, die den Bauern Personalkredit gewähren. Die Sie bezweckt die Befestigung des Deutschtums in den Bauernstellen. Die Mittelstandskasse, bei der der Staat, die Provinzialgenossenschafts- sowie die Posener Landesgenossenschafts-Kasse mit je 400000 Mark und die Landbank in Berlin mit 300000 Mark beteiligt sind, übernimmt die Privat-Hypotheken der Bauernstellen und ersetzt sie durch unkündbare Tilgungsdarlehen. Die Verpflichtung des Gutsbesitzers, sein Land nicht an einen Polen zu verkaufen, ist die Voraussetzung dieser Schuldenregulierung, (v. A l t r o c k 1. c.) 1 S e i d e l , Der Personalkredit des ländlichen Kleingrundbesitzes in der Provinz Posen. (Sehr. d. Ver. f. Soz. Pol. Bd. LIV.)

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diesbezüglichen Angaben über Privatbanken sind nur spärlich handen. Die genossenschaftlichen Kreditkassen aber arbeiten einheitlichen Programmen, die, wie schon erwähnt, entweder Schultzeschen oder dem R a i f f e i s e n s c h e n Muster nachgebildet

vornach dem sind.

Fünftes Kapitel.

Die Technik der bäuerlichen Landwirtschaft in der Provinz Posen. Der Bauernbesitz der Provinz Posen, dem das 19. Jahrhundert die Grundlagen zu einem gesunden Dasein gebracht hat, befindet sich zurzeit in einer durchaus günstigen Lage. Obgleich seine äußeren und inneren Verhältnisse von denen des Bauernbesitzes der übrigen deutschen Landesteile verschieden waren, haben doch die vielen einschlägigen Gesetze, die sozialen und ökonomischen Einrichtungen, sowie die individuelle Leistungsfähigkeit des Posener Bauern selbst bewirkt, daß der Unterschied zwischen den vorbildlichen westlichen Bauernbesitzungen und dem Posener Rustikalbesitz immer mehr ausgeglichen wird. Gekennzeichnet wird der hohe Kulturzustand des heutigen Posener Bauern durch die Technik des Betriebes der Landwirtschaft; sie entspricht im großen und ganzen vollkommen den in dieser Hinsicht geltenden Anforderungen der Neuzeit. Um ein genaues Bild der bäuerlichen Landwirtschaft zu geben, muß man ihre einzelnen Zweige gesondert betrachten. Die Kreditverhältnisse 1 , die Meliorierung des Bodens, die Nutzviehhaltung, alles dies sind weite Gebiete, die ihrer Entwickelung nach verschieden sind, zusammen jedoch ein genaues Bild des Zustandes der heutigen bäuerlichen Landwirtschaft in Posen ergeben. Die Fruchtbarkeit des Bodens hängt unmittelbar mit seinen FeuchtigkeitsVerhältnissen zusammen. Die Erträge der bäuerlichen Grundstücke hoben sich zugleich mit der Regelung der Feuchtigkeit des Bodens. Die primitive Form der Entwässerung des Ackers ist in Kapitel 2 (I) geschildert worden. Für eine rationelle Melioration, wie Drainierung, Ent- und Bewässerung durch Grabensysteme usw. hatte der alleinstehende Bauer weder Mittel noch Verständnis. So blieb denn der Boden wenig fruchtbar, bis man erkannte, daß eine gemeinschaftliche Meliorierung, die von vielen' Besitzern zugleich ausgeführt würde, das einzige Mittel sei, um die Kultur des Bauernlandes in dieser Hinsicht zu heben. Die Geschichte solcher Meliorationsverbände reicht in die Zeit der polnischen Regierung zurück, wie es beispielsweise bei dem Obrabruch der Fall ist 2 , dem größten und ältesten aller Meliorationsverbände in ganz Deutschland. 1

Sie sind bereits in dem vorigen Kapitel erörtert worden. Angaben des Kanal-Inspektors der Obra-Meliorations-Sozietät. — Statuten und Berichte der Obra-Meliorations-Sozietät. Der Obrabruch, der einen Flächeninhalt von 29355 ha besitzt, erstreckt 2

v. J a c k o w s k i , Der Bauernbesitz in Posen.

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Durch die großen Meliorationsverbände wurden sowohl die Grundstücke der Rittergüter, als auch die bäuerlichen Ländereien entwässert. Der Staat gewährte Darlehen, die durch sich amortisierende Renten getilgt werden und denen die Vorrechte der öffentlichen Abgaben zustehen. Der bäuerliche Besitz, der an der Obra-MeliorationsSocietät beteiligt ist, beträgt rund 7500 ha. Für die Bauern jener Gegend war denn die Melioration ihrer Grundstücke, die früher zum Teil gar nicht betreten werden konnten und bis zu dreiviertel aus Wiesen bestehen, geradezu eine Lebensfrage. Außer der Obra-Meliorations-Societät bestehen verschiedene andere, allerdings an Ausdehnung bedeutend geringere Verbände, die die Brüche der Flüsse entwässern. Sie sind in Tabelle 48 angeführt und mit den Buchstaben E (Entwässerung) und B (Bewässerung) gekennzeichnet. Was die Drainierung des bäuerlichen Bodens anbetrifft, so ist zu bemerken, daß eine solche erst mit dem Erlaß des Wassergenossenschaftsgesetzes vom 1. April 187B beginnt. Dieses Gesetz, das durch den Erlaß vom 1. August 1883 erweitert wurde, unterscheidet freie und öffentliche Wassergenossenschaften. Für die Landwirtschaft haben nur diese letzteren eine Bedeutung. Bei der Gründung einer öffentlichen Wassergenossenschaft muß nachgewiesen werden, daß ein gemeinsames Interesse vorliegt. Es sind zur Gründung mindestens zwei Genossen erforderlich, die bei der geplanten Meliorierung interessiert sind; die Genossen können sowohl physische als auch juristische Personen sein. Falls der Besitzer eines Grundstückes, sich über die Kreise Posen, Kosten, Schmiegel, Wollstein, Bamst und Gostyn. Die Vorgeschichte des Obra-Meliorationsverbandes reicht in die Zeit der polnischen Regierung zurück; die Entwässerung begann damit, daß einige Mühlen an der Obra zur Trockenlegung des umliegenden Landes beseitigt wurden. Bis 1806 waren 6 Kanäle mit einer Gesamtlänge von 160 km hergestellt. Die Kosten betrugen 128000 Taler; ein Drittel dieses B3trages wurde von der Staatskasse und zwei Drittel von den Interessenten bezahlt. Durch die Unruhen von 1806—15 kam die Melioration ins Stocken, und so kam es, daß bis 1833 nur noch weitere 45 km Kanäle gegraben wurden. Da aber diese Kanäle ohne einen einheitlichen Plan gezogen waren, und deshalb sich Übelstände herausstellten, so wurden auf Antrieb des schon erwähnten Barons v o n C h l a p o w s k i alle Interessenten des Obrabruches durch die Regierung zu einer Sozietät vereinigt und deren Verfassung durch ein Statut laut allerhöchster Kabinettsordre vom 16. August 1842 bestimmt. Diese Sozietät hatte bis 1863 die Melioration des Bruches nachdem Projekt H e n n i g S z c z e p a n o w s k i ausgeführt. Die Gesamtlänge der Kanäle betrug 261,7 km, die Gesamtkosten 688035 Taler. Die Kosten wurden durch Staatsdarlehn gedeckt; ztfm Teil gaben auch reiche Grundbesitzer, z. B . Graf R a c z y ü s k i , darlehnsweise beträchtliche Summen zu diesem Zwecke her. In einigen Entwässerungsverbänden werden, nachdem die Entwässerung vollzogen ist, Folgeleistungen ausgeführt: E s werden die Wiesen mit kleinen Bewässerungsgräben versehen und die Wasserverhältnisse bis auf das genaueste geregelt. Diese Meliorationen haben stets nur bei Großgrundbesitzern Eingang gefunden, aber in neuester Zeit ist es gelungen, in dem Kania-Meliorationsverbande 6 Gemeinden oberhalb der Stadt Gostyn zu solchen Folgeleistungen zu bewegen. Hierbei tragen die Biuern 6 0 % und der Staat 4 0 % der Kosten. Diese Einrichtung steht bis jetzt einzig in ihrer Art da. (Nach persönlichen Angaben des Kanal-Inspektors der Obra-MeliorationsSozietät zu Posen.)

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das mitten in dem Gebiet der geplanten Melioration liegt, sich Weigert, der Genossenschaft beizutreten, kann er dazu gezwungen werden: 1. Wenn das Unternehmen die Hebung der Landeskultur bezweckt. 2. Wenn der erwähnte Zweck durch den Nichtbeitritt eines Anliegers unmöglich gemacht wird. 3. Wenn der größte Teil der in Frage kommenden Fläche ohne Rücksicht auf die Anzahl der Besitzer die Melioration verlangt. Die Gründung einer Genossenschaft kann auf Antrag der Grundbesitzer oder der Regierung erfolgen. Ein diesbezüglicher Antrag wird dem Regierungspräsidenten eingesandt, wobei ihm beigelegt sein müssen: 1. Die erforderlichen Pläne. 2. Der Kostenanschlag. 3. Die Beschreibung des Bodens, der melioriert werden soll. 4. Ein Nachweis des Vorhandenseins des für die Vorarbeiten erforderlichen Geldes. Falls der Antragsteller nicht in der Lage oder nicht gewillt ist, diese Angaben dem Antrag beizulegen, ernennt der Regierungspräsident zu diesem Zwecke einen Kommissar, meistens den Landrat des betreffenden Kreises. 1 # Besteht die zu gründende Genossenschaft aus Bauern, so werden die Vorarbeiten nicht von den Antragstellern, sondern auf Fürsprache des Landrats von der Regierung darlehnsweise bestritten. Die Kosten der Vorarbeiten, die durch ein Reskript des Landwirtschaftsministers vom 25. Februar 1895 stark eingeschränkt sind, betragen pro ha durchschnittlich 1 M. Falls die Melioration ohne Widerspruch und ohne besondere Schwierigkeiten durchgeführt werden kann, arbeitet die Regierung die Statuten für die neue Genossenschaft aus und schickt sie dem Landwirtschaftsminister zur Bestätigung ein. Ist jedoch das zwangsweise Hinzuziehen einiger Besitzer erforderlich, so müssen die Statuten vom Könige bestätigt werden. Allerdings trachtet die Regierung darnach, einen erzwungenen Beitritt möglichst zu vermeiden. Sind die Statuten einmal bestätigt, so beginnt man sofort mit der Meliorierung. Es wird aus der Zahl der Mitglieder ein Vorstand gewählt, der aus dem Vorsitzenden und 2, 4 oder 6 Beisitzern besteht. Die Wahl des Vorsitzenden muß durch die entsprechende Aufsichtsbehörde bestätigt werden. Der Vorstand arbeitet den Kostenanschlag aus, schließt mit einer entsprechenden Firma einen Vertrag ab und beschafft das erforderliche Darlehen, das durch eine Rente getilgt wird. Der Staat tritt hierbei als Bürge auf, so daß die betreffende Kreditanstalt volle Sicherheit für die dargeliehenen Kapitalien hat, der Zinsfuß ist dementsprechend niedrig. Andererseits ist der Staat bei seiner Vermitt1 M o t t y , 0 spölkach wodnych. (Über die Wassergenossenschaften.) Jahrbücher des Cetr. Tow. Gosp. w W. X. Pozn. Bd. I. S. 30ff.

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84 lung ebenfalls dadurch gedeckt, daß die Jahresbeiträge der Genossen die Vorrechte staatlicher Abgaben genießen, also unbedingt bezahlt werden müssen. Der Staat will die Sicherheit haben, daß das für die Melioration gewährte Darlehen der Landwirtschaft wirklichen Vorteil bringen wird. So werden denn, bevor die Genossenschaft zur Drainierung oder Entwässerung schreitet, die ausführlichen Pläne dem Landrat zur Begutachtung zugesandt, der sie dann dem königlichen Meliorationsbauamte zur Revision einschickt. Das Meliorationsbauamt prüft ebenfalls die ausgeführten Meliorationsarbeiten, und erst auf seine Begutachtung hin wird ein Darlehen durch staatliche Vermittlung gewährt. Alle Genossenschaften, die die Regulierung der Feuchtigkeit des Bodens bezwecken, unterstehen demnach dieser Behörde. Es bestehen in der Provinz Posen drei solcher Meliorationsbauämter, in Posen, in Bromberg und in Czarnikau. Die Lagerbücher dieser Ämter enthalten die Angaben über jede Genossenschaft; leider ist aber aus ihnen nicht genau zu ersehen, wieviel bäuerliches Land den Verbänden angehört. Es sei jedoch bemerkt, daß an den Drainagegenossenschaften zumeist Bauern beteiligt sind, da die Großgrundbesitzer auf eigene Hand ihr Land drainieren, während den Bauern eine Entwässerung ihres Bodens meistenteils nur auf genossenschaftlichem Wege möglich ist. So kommen denn Genossenschaften mit ausschließlichem Großgrundbesitz fast gar nicht vor. Die weitaus meisten umfassen sowohl Groß- als auch Kleingrundbesitz. So entfallen auf 264 dem Meliorationsbauamt zu Posen unterstellten Drainagegenossenschaften 156 auf rein bäuerliche Grundstücke, während 107 Genossenschaften sowohl Groß- als auch Kleingrundbesitz umfassen. Die Tabelle 48 gibt die in der Provinz Posen den Meliorationsbauämtern unterstellten Genossenschaften und Verbände an. Wenn man berücksichtigt, daß die den Meliorationsbauämtern unterstellten 397 Genossenschaften zusammen ein Areal von 241563 ha repräsentieren, so kann man mit Recht behaupten, daß die Entwässerungsverhältnisse des Posener Bauernbesitzes sich günstig gestalten. Die Viehhaltung in den bäuerlichen Betrieben gestaltet sich folgendermaßen: Die Zahl der P f e r d e in den spannlosen Wirtschaften ist gering; erst eine Stelle, deren Flächeninhalt ca. 5—10 ha beträgt, hat durchschnittlich 1 Pferd pro Wirtschaft. Ein Bauernhof von 10 bis 20 ha besitzt etwa 2—3 Pferde, eine Stelle von 20—50 ha etwa 5 Pferde, bei- der Größenklasse von 50—100 ha Areal rechnet man auf jedes Gut 9 Pferde. 1 Die Bauern halten zumeist Stuten, und die Fohlen werden dann im Alter von 3—4 Monaten öfters an Großgrundbesitzer verkauft. Die Preise, die für solche Fohlen bezahlt werden, betragen je nach 1

Vgl. Tabelle 49.

85 deren Eigenschaften 80—240 M. Das Pferd wird daher nicht nur als Arbeits-, sondern vornehmlich als Nutztier angesehen. Von größter Wichtigkeit für die Beschaffenheit der bäuerlichen Pferde ist die Frage der Deckhengste. Die Bauern selbst besitzen keine Hengste; sie benutzen diejenigen der benachbarten Bittergüter und der Stationen der königlichen Gestüte; besonders haben sich diese hervorragende Verdienste erworben. Im Jahre 1880 wurde das Gestüt zu Zirke mit Trakehnerhengsten ausgestattet; 1885 wurde in Gnesen ein anderes Gestüt mit 29 Stationen und 142 Beschälern gegründet. Ebenso hat die Körordnung einen äußerst günstigen Einfluß auf das bäuerliche Pferdematerial ausgeübt. Bei der Körung von Privathengsten werden als warmblütige Pferde Vollblut und Halbblut (Oldenburg, Hannover, Holstein, Brandenburg und Ostpreußen), als Kaltblüter die Ardenner, Clydesdaler und Belgier bezeichnet. Der Bedarf an kaltblütigen Pferden ist besonders in den Rübenbau treibenden Gegenden groß, jedoch meistens nur bei Großgrundbesitzern. Die Bauern halten fast ausschließlich warmblütige Pferde. Eine geregelte R i n d v i e h h a l t u n g beginnt bei Betrieben kleineren Umfanges als bei der Pferdehaltung. Jeder Besitzer, dessen Stelle 1—8ha beträgt, hält 1 Stück Rind; auf das Halten von Bullen jedoch läßt sich der Kleinbauer nicht ein. Die Ochsen sind als Zugtiere bei den Posener Bauern wenig beliebt. Bei der Größenklasse von 4—5 ha entfallen auf jede Wirtschaft 2 Kühe, bei 10—20 ha Fläche 4 Kühe, bei 20—50 ha 6—7 Kühe und bei 50—100 ha 12 Kühe. Mit der Größenklasse von 5—10 ha beginnt eine stärkere Rindviehhaltung überhaupt. 1 Auch läßt sich hier vielfach das Mästen von Rindern feststellen; die in immer größerer Anzahl ins Leben tretenden Viehabsatzgenossenschaften sind hierfür von größter Bedeutung. Für die Verbesserung des bäuerlichen Rindviehes ist die 1891 erlassene Bullenkörordnung von größter Bedeutung. Im Jahre 1892 erfolgte eine Neuordnung der Verwendung der vom Staate zur Förderung der Rindviehzucht gewährten Mittel. Die Provinz Posen wurde in zwei Teile geteilt, in den Höhenbezirk für Züchtung von schlesischem Rotvieh, von Simmentalern, Vogtländern und Bayreuthern, und den Niederungsbezirk für Holländer, Ostfriesen und Oldenburger. Im Jahre 1893 betrug die Zahl der angekauften Bullen 251, die Summe der gewährten Prämien 44000 M. Die Tabelle 50 zeigt die in den Jahren 1892—1900 in der Provinz Posen gegründeten Bullenstationen. Die Erfolge der Posener Rindviehzucht traten in der Wanderausstellung der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft, die in Posen 1900 stattgefunden hat, deutlich zutage. Auch das bäuerliche Vieh hatte hier einen Erfolg aufzuweisen und wurde durch Preise ausgezeichnet. Die S c h w e i n e z u c h t , die für den Bauern eine ertragreiche Einnahmequelle bietet, ist besonders stark entwickelt. Bei einem Parzellengute von weniger als 2 ha beträgt die Zahl der Schweine 1

Vgl. Tabelle 49.

86 durchschnittlich 2 Stück. Bei einer Größe von 4—5 ha besitzt jede Wirtschaft 4 Schweine, bei 10—20 ha 8—9 Schweine, bei 2 0 — 5 0 ha 13 Schweine und bei 50—100 ha rund 20 Schweine. 1 Die Schweinezucht begann in den 70er Jahren sich zu heben, als Yorkshires zur Reinzucht und zur Kreuzung mit der Landrasse in Posen eingeführt wurden. In neuester Zeit sind Eberstationen errichtet worden, die von der Landwirtschaftskammer unterstützt werden. Mit der bei den Bauern sehr ausgedehnten Schweinehaltung ist stets eine große Gefahr, das Auftreten der Schweineseuchen, verbunden. Glücklicherweise haben die Bauern schon heutzutage die segensreiche Wirkung der Impfung zum größten Teile erkannt, so daß Schadenfälle in dieser Hinsicht seltener werden. Die S c h a f e haben für den Bauernbesitz der Provinz Posen wenig Bedeutung. Mit dem Sinken der Wollpreise in den achtziger Jahren verminderte sich die Zahl der Schafe überhaupt, besonders aber der Wollschafe, bedeutend. Die Schafhaltung bei den Bauern hat heute nur im Regierungsbezirke Bromberg eine gewisse Bedeutung, wo die Großbauern durchschnittlich 5-^—15 Schafe besitzen. 2 Die Z i e g e n sind von großer Bedeutung für den Parzellenbesitz, der nicht imstande ist, zur Befriedigung des Milchbedarfs eine K u h zu halten. Für die übrigen bäuerlichen Stellen hat die Haltung von Ziegen wenig Bedeutung. F e d e r v i e h halten die Bauern in beträchtlicher Menge. Die spannlosen Besitzer halten 5—16 Hühner, bis 8 Gänse und bis 4 E n t e n , die Vollbauern 25-—45 Hühner, 14—17 Gänse und 4 — 1 8 E n t e n . In den großbäuerlichen Betrieben sind die entsprechenden Zahlen: 60 Hühner, 14—17 Gänse und 8—30 Enten. E s fällt auf, daß die Haltung von Enten im Regierungsbezirk Posen wenig umfangreich, dagegen im Regierungsbezirk Bromberg bedeutend stärker ist. Der gegenwärtige Zustand der b ä u e r l i c h e n G e b ä u d e in der Provinz Posen deutet auf einen hohen Grad der Kultur dieser Volksschicht hin. Selbstverständlich hängt die Ausstattung der Häuser unmittelbar mit der Vermögenslage ihrer Besitzer zusammen. So trifft man auch heute noch in armen sandigen Gegenden bäuerliche Gebäude, die sich in beklagenswertem Zustande befinden, jedoch werden diese von J a h r zu J a h r eine größere Seltenheit. I m großen und ganzen besteht ein Bauernhof aus Wohnhaus, Scheune und Stall, deren Größe sich nach dem Umfange der Besitzung richtet. Lehmbauten werden immer seltener; dagegen ist die Strohbedachung noch ziemlich verbreitet. 3 Die Scheunen sind sehr oft aus Holz gebaut und mit Pappdach versehen. Seit den letzten 25 Jahren hat die massive Bauart bei den Bauten im großen Umfange Eingang gefunden. Dies hängt einerseits mit dem günstigeren Vermögens- und Kulturzustande der Bauern, andererseits Vgl. Tabelle 49. Vgl. Tabelle 49. 3 Dies trifft nur zu für Wirtschaftsgebäude, da Wohnhäuser unter weicher Bedachung nicht mehr gebaut werden dürfen, also allmählich verschwinden. 1 2

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aber auch mit der Parzellierung des Bodens und der Neuschaffung zahlreicher Bauernstellen zusammen. Die neugegründeten Ansiedlungen werden meistens mit massiven Gebäuden versehen, wofür die Parzellierungsbanken, wie z. B. die Ansiedlungskommission, angelegentlich Sorge tragen. Auch sind die meisten bäuerlichen Gebäude gegen Feuer versichert; dieser große Fortschritt ist dadurch erleichtert worden, daß die Beiträge bei massiven Bauten bedeutend niedriger sind, als bei den alten Lehm- und Fachwerkbauten. Die Zahl der von Bauern benutzten M a s c h i n e n ist ziemlich bedeutend. Diejenigen Bauern, die nicht die Mittel zur Beschaffung der erforderlichen Maschinen besitzen, leihen dieselben von den reicheren Nachbarn oder von besonderen Unternehmern. (Siehe Tabelle 51.) Vielfach werden Drill- und andere Maschinen von mehreren Bauern auf gemeinschaftliche Kosten erworben. Bei dem kleinbäuerlichen'Besitz finden die mit Göpel betriebenen Dreschmaschinen und Hand-Milchzentrifugen ausgedehnte Anwendung. Die Mittel- und Großbauern besitzen außerdem Drillmaschinen, Schrotmühlen, Mäh- und Kartoffelerntemaschinen. 1 Diese haben einen besonders hohen Wert, da ihre Handhabung und das Auflesen der durch sie ausgegrabenen Kartoffeln in einer kleinen Wirtschaft, wo also das Tempo des Ausgrabens im allgemeinen langsamer ist, viel besser durchzuführen ist, als in Großbetrieben. Außerdem besitzt jede Wirtschaft eine Häckselmaschine. Was die A c k e r g e r ä t e , also Pflüge, Eggen und Walzen anbetrifft, so ist hervorzuheben, daß sie denen auf den Rittergütern immer mehr an Qualität gleichkommen. Der Bauer hat die Erfolge einer sorgfältigen Bodenbearbeitung erkannt, und scheut sich nicht, auch beträchtliche Geldsummen zur Beschaffung tadelloser Ackergeräte anzulegen. Die Tatsache, daß der Bauer die Vorzüge der Maschinen und Geräte erkannte, hat einen großen Einfluß auf die Entwickelung der diesbezüglichen Industrie ausgeübt. Es gibt in der Provinz Posen eine große Anzahl von kleinen Fabriken landwirtschaftlicher Maschinen, die ihre Erzeugnisse zum weitaus größten Teile an Bauern liefern. Mit der Hebung des Bauernstandes veränderte sich die Bodennutzung. Die Fortschritte auf dem Gebiete der Landwirtschaft in den Großbetrieben und das steigende Vertrauen des Bauern zum Rittergutsbesitzer haben zur Folge, daß die Wirtschaftsweise in den Bauernstellen sich immer mehr der gutsherrlichen Art nähert. Der extensive Getreidebau weicht einer intensiven rationellen Ackerwirtschaft. Dies kommt um so mehr zur Geltung, je größer die Wirtschaft ist. Es sei bemerkt, daß erst bei einer Größe von ca. 15 ha an von einem selbständigen Besitz die Rede sein kann. Bei kleineren Wirtschaften ist im allgemeinen der Bauer auch auf Gelderwerb außerhalb seines Betriebes angewiesen. Dies geschieht entweder dadurch, daß er seine Kinder auf dem benachbarten Gute arbeiten 1

Vgl. Tabelle 51.

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läßt oder selbst Arbeit sucht. Übersteigt nun die Besitzung 60 ha, so ist nicht nur die Arbeit der ganzen Familie in Anspruch genommen, sondern es wird auch der Bauer auf das Mieten von Gesinde angewiesen. Die Parzellenbetriebe, bei denen eigentlich von einem feldmäßigen Anbau nicht die Rede sein kann, bauen meist Kartoffeln, ebenso wie die Dominialarbeiter in ihren Gärten hauptsächlich Hackfrüchte, aber keine Halmfrüchte anbauen. Bei den spannfähigen Nahrungen ist der R o g g e n die Hauptfrucht; die Tabelle 52 zeigt, daß der weitaus größte Teil des bäuerlichen Ackerlandes mit Roggen bestellt wird. Was die Sorte des Roggens anbelangt, so steht fest, daß der Unterschied zwischen Dominial- und bäuerlicher Ware immer mehr ausgeglichen wird. Zwar kommt die nicht veredelte Landsorte noch häufig vor, deren Wert noch dadurch beeinträchtigt wird, daß viele Bauern das Reinigen des Getreides nachlässig betreiben; jedoch steht es fest, daß seit dem Inslebentreten der landwirtschaftlichen Vereine die Bauern die Bedeutung eines fehlerfreien Saatgutes erkannt haben. Das gemeinsame Beziehen von frischem Saatgut ist heutzutage allgemein verbreitet. Von den neuen Sorten werden hauptsächlich Petkuser und Champagner Roggen angebaut. Der Petkuser gedeiht vorwiegend auf besseren, der Champagner Roggen auf leichten Böden. Die Folgen eines rationellen Roggenbaues, der in den letzten Jahren Eingang gefunden hat, machen sich am besten dadurch bemerkbar, daß während im Jahre 1889 der durchschnittliche Ernteertrag an Roggen pro ha im Regierungsbezirk Posen 710 und im Regierungsbezirk Bromberg 750 kg betrug, derselbe im Jahre 1904 auf 1650 bzw. 1660 kg gesteigert ist. 1 Der W e i z e n , Winter- sowohl wie Sommerweizen, wird in den Bauerngütern in geringem Umfange gebaut, was mit den gegenüber dem Roggen bedeutend größeren Ansprüchen des Weizens zusammenhängt. G e r s t e und H a f e r werden als Sommergetreide angebaut. Aus Tabelle 52 ist zu ersehen, daß besonders im Regierungsbezirke Posen die mit Hafer bestellte Fläche fast doppelt so groß ist als die Gerstenfläche. Obgleich auch bei beiden Getreidearten der Bauer das Saatgut mit größerer Sorgfalt anzuwenden beginnt, so läßt die Pflege der Pflanzen noch viel zu wünschen übrig. Das Jäten der jungen Pflanzen hat bei den Bauern noch wenig Eingang gefunden, daher ist in dieser Hinsicht noch ein großer Fortschritt möglich. Der Anbau von G e m e n g g e t r e i d e ist wenig verbreitet, und er tritt auch mit der wachsenden Intensität der Wirtschaftsweise wohl immer mehr zurück. Der Z u c k e r r ü b e n b a u nimmt allmählich zu, vor allem in den Kreisen Hohensalza, StreLno und Mogilno, wo der Boden und die günstigen Absatzverhältnisse diese wichtige Einnahmequelle begünstigen. Im allgemeinen aber ist der Zuckerrübenbau beim Bauern noch wenig verbreitet. 1

Zwanzig Jahre deutscher Kulturarbeit, 1. c.

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Der K a r t o f f e l b a u dagegen hat große Bedeutung. Für ihn war die Entwässerung des Bodens eine Vorbedingung; die heutigen Feuchtigkeitsverhältnisse des Bodens, die durchaus günstig zu nennen sind, haben zur Folge, daß der Ernteertrag der Kartoffel pro ha, der im Jahre 1889 im Regierungsbezirk Posen 5030 kg und im Regierungsbezirk Bromberg 4930 kg betrug, im Jahre 1905 16560 und 17070 kg war. Der Bauer verkauft wenig Kartoffeln, er verfüttert sie meistens, besonders an Schweine. In neuester Zeit treten die genossenschaftlichen Kartoffeltrocknungs-Fabriken in der Provinz Posen immer mehr auf. Die Bauern, die daran beteiligt sind, liefern ihre Kartoffeln an die Fabrik und entnehmen dafür die Kartoffelflocken, die im Sommer ein äußerst wertvolles Futtermittel bilden. Die Futterpflanzen, wie Mohrrüben, Runkelrüben usw. werden in verhältnismäßig großem Umfange angebaut. Die Ursache hierfür liegt in einer starken Viehhaltung. Eine Feldfrucht, die in den letzten Jahren vollkommen verdrängt wurde, ist der Lein; bei dem hauswirtschaftlichen System der bäuerlichen Lebensweise war er ein sehr wichtiges Produkt; jedoch verlor er mit der Zeit an Bedeutung. Man kann behaupten, daß der Lein, dem der beste Boden geboten wurde, seit 25 Jahren in Posen nicht mehr angebaut wird. Die Frage, in welchem Mengeverhältnis zueinander diese Feldfrüchte angebaut werden, d. h. welches die bei den Bauern vorherrschende Fruchtfolge ist, läßt sich äußerst schwer beantworten. Nach der Ansicht von Männern, die in den landwirtschaftlichen Bauernvereinen tätig sind, die also einen allgemeinen Überblick über die Zustände der bäuerlichen Landwirtschaft besitzen, sind die Fruchtfolgen in den Kleinbetrieben von denen in den großen Gütern gänzlich verschieden. Der Bauer ist nicht gern bereit, ein einheitliches System in seiner Wirtschaft einzuführen. Im allgemeinen wird man aber wohl sagen können, daß eine Sechsfelderwirtschaft üblich ist, in der 1 / 3 für Winter-, 1 / 3 für Sommergetreide, und für Hackfrüchte und Klee je 1 / 3 des Ackers bestimmt ist. Der Aiibau von G r ü n d ü n g u n g s p f l a n z e n hat bei den Posener Bauern in hohem Maße Eingang gefunden. Im allgemeinen wird in Roggen vor der Hackfrucht Seradella gesät; diese wird dann allerdings meistens erst abgeweidet, bevor sie untergepflügt wird. Es sei noch erwähnt, daß in den Kreisen Neutomischel, Bomst und Meseritz die Bauern und zum Teil auch die Großgrundbesitzer H o p f e n anbauen. 1 Die Tabelle 53, die leider sehr unvollständig 1 Als Begründer des Hopfenbaues in der Provinz Posen sind die zur Zeit der Hussitenkriege in dem südwestlich von Neutomischel gelegenen Cisker Haulande angesiedelten Böhmen anzusehen. Sie brauchten den Hopfen zur Herstellung eines von der Heimat her gewohnten Haustrunkes. Von dem Cisker Hauland aus verbreitete sich der Hopfenbau in den oben erwähnten Kreisen. Anfänglich wurde er nur von Hauländern für den eigenen Bedarf und für die Lieferung an den Gutsherrn gebaut. Mit der Zeit aber wurde die Produktion des Hopfens umfangreicher. Er wurde durch Zwischenhändler aus der Neutomischler Gegend nach Posen und

90 ist — eine vollständigere war nicht zu ermitteln — zeigt die Eri:te erträge und Preise des Hopfens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Es fällt auf, daß die Hopfenpreise in den einzelnen Jahren sehr verschieden sind, was wohl auf die wenig geregelten Handelsverhältnisse in dieser Hinsicht zurückzuführen ist. An der brandenburgischen Grenze werden von den Bauern hie und da Korbweiden gebaut, jedoch ist dieser Produktionszweig bis jetzt noch wenig umfangreich. Es sei hier noch hervorgehoben, daß die D ü n g u n g d e s B o d e n s in den bäuerlichen Wirtschaften in rationeller Weise vor sich geht. Der S t a l l d ü n g e r ist meistens in verhältnismäßig großer Menge vorhanden, und was die k ü n s t l i c h e n D ü n g e m i t t e l anbelangt, so ist es ein Verdienst der landwirtschaftlichen Vereine, daß die Bauern sie in zweckentsprechender Weise anwenden. Zum Schluß der Betrachtung der bäuerlichen Landwirtschaft sei noch folgende Frage erörtert: Erzeugt der Bauer das Getreide nur für seinen eigenen Bedarf oder ist er in der Lage, dasselbe auf den Markt zu bringen? Dazu ist zu bemerken, daß der Bauernbesitz, in der Provinz Posen ein sehr wichtiger Faktor bei dem Getreidehandel ist. Bäuerliches Getreide, vor allem Roggen, ist, wenn auch nicht die allerbeste, dennoch eine auf dem Markte stets vorkommende Ware. Eine Enquete, die in dieser Hinsicht vom Dr. S z u i d r z y i i s k i Bolechowo in den verschieden beschaffenen Kreisen Posen-Ost, Wongrowitz, Ostrowo und Czarnikau sehr genau durchgeführt wurde, ergab folgendes Resultat: Jeder Bauer, der einen Besitz von 5—18 ha innehat, verkauft durchschnittlich 6B6 kg Getreide pro ha. Diese Zahl hängt selbstverständlich von der Beschaffenheit des Bodens, von der Intensivität der Wirtschaftsweise u. ä. ab und schwankt zwischen 400—1200 kg pro ha. Nach der Meinung anderer beträgt die Menge des von einer spannfähigen Bauernstelle verkauften Getreides 600—800 kg pro ha. 1 So fallen die Interessen des Groß- und Kleingrundbesitzes immer mehr zusammen. Der Getreide- und Vieherzeuger, — ganz gleich,, ob groß oder klein —, hängt von denselben äußeren Bedingungen wie Marktpreisen, Handelsverträgen usw. ab. Auch die inneren Grundden benachbarten Landesteilen abgesetzt und erfreute sich im allgemeinen einer großen Beliebtheit. Es wird behauptet, daß der Anbau des Hopfens auch dadurch eine Verbesserung und Erweiterung erfahren habe, daß die Neutomischler Bauern während der napoleonischen Kriege in anderen Hopfengegenden die guten Anbaumethoden kennen gelernt haben. Jedoch war bis 1837 der Posener Hopfenbau sehr wenig umfangreich; die jährliche Produktion soll nicht mehr als 500 Ztr. betragen haben. Erst das Eingreifen des Kommissionsrats J o s e p h J a k o b F l a t a u , der seit 1837 in Neutomischel wohnte und die große Zukunft des dortigen Hopfenbaues erkannte, brachte den Anbau dieser Pflanze auf neue Bahnen. Auch hat sich der Ökonomierat Prof. Dr. P e t e r s in dieser Hinsicht große Verdienste erworben. Dr. H a m p k e , Festschrift der Handelskammer zu Posen. Posen 1901. 1 Dr. T. J a c k o w s k i , O waznosci cei i traktatöw handlowych dla rolnictwa. (Über die Bedeutung der Zölle und Handelsverträge für die Landwirtschaft.) Posen 1911. S. 6 ff.

91

lagen der landwirtschaftlichen Produktion sind dieselben: Der Bauer wurde freiheitlich und besitzrechtlich dem Rittergutsbesitzer gleichgestellt, es wurde ihm die Möglichkeit gegeben, sich die Errungenschaften der Neuzeit in vollem Maße zunutze zu machen. Die Rolle, die bei dem „Erwachen des Bauern" der Großgrundbesitzer gespielt hat, hatte zur Folge, daß das Mißtrauen zwischen Dorf und Gut, das seit jeher eine soziale Krankheit gewesen, mit der Zeit vollständig verschwunden ist. Der adlige und der bäuerliche Grundbesitz der Provinz Posen arbeiten nun gemeinsam an der Hebung und Sicherstellung ihrer Landwirtschaft, und die hervorragende Bedeutung, die in agrarischer Hinsicht diesem Landesteile heute zukommt, ist der sicherste Merkstein dieses segensreichen Zusammenwirkens.

92



Der Staat

„ Posen . .

Reg.-Bez. Bromberg

Provinz Posen . . .

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20

21

U4'3713 10331434 1 mehr 599 )42 247, — 95 11 139 128! — 171 304! 131 — 61 278 217: — 77 200; 123 — 109 334 225 — 216 335' 119 206 491 285 72 — . 84 156 154 116 — 38 21 276 255 — 91 235 144; — 120 134: 14 — 242; 2541 12 52 — I40j 192 17 LH! 94| — 100 214 114! — 986 4778 — 208

!

8,51 7089 6,37 5045 4,54 16449 9,00 2900 9,15 5017 8,39 1819 8,25 4079 2415 4,16 3,00 3441

— — — — — —

24

4,37 4,05 6,84 2,12 3,49 1,47 3,49 1,56 2,50

I « J3 cä N i 25

26

27

ja y Ii 2 3. 5 8 „ 19 19 99 >y 4 „ 4. 6 15 6 „ 91 yy 99 1 „ 3. bei neunjähriger Düngung. in 1. Tracht 5 Scheffel — Metzen 4 Scheffel 6 „ — 4 3. 3 „ 8 „ >} 9f 91 99 5. 5 3 14 „ 2 „ yy 99 — 2. 5 4 „ 6 „ 11 yy 99 99 — ,, 4. 5 12 5 „ yy 19 yy 6. 4 12 4 2 „ 91 99 99





Creditordnung und Taxgrundsätze 1. c. S. 198 ff. Es sei hier berücksichtigt, daß, wie auf S. 21 hervorgehoben wurde, der Scheffel kein einheitliches Gewichtsmaß bedeutet, daß also bei dieser Tabelle die Erträge des Hafers z. B. dadurch recht groß erscheinen, daß ihre Scheffel sehr wenig wogen und deshalb ihre Zahl pro Morgen größer ist. 2



Ill



4. bei zwölfjähriger Düngung. Maximum, Roggen in 1. Traoht 5 Soheffel — Metzen 4 Scheffel Roggen 4 3 , 99 3. ,, 99 Roggen 3 2 , 5 99 ,, 7' * Roggen 3 2 , 99 99 99 Gerste » 2. „ 5 4 , " 99 4 Hafer 5 12 „ 5 Hafer 4 4 , 12 » 6. „ Hafer 4 4 3 , >> 8. ,, Aussaat bei Hafer 1 Scheffel 6 Metzen, sonst wie

Minimum. 8 14 10 6 —

2 12 bei Kl. I.

m . Sandiger Lehmboden (25—36 % abschlämmbare Teile). 1. bei dreijähriger Düngung. Roggen und Gerste 6 Scheffel — Metzen j 5 Scheffel 4 Metzen p. Magd. Mg. 2. bei sechsjähriger Düngung. in 1. Tracht 5 Soheffel — Metzen 4 Scheffel 6 Roggen Roggen 4 3 „ 8 „ >* „ 3. „ „ 2. „ 5 6 „ Gerste 4 „ »j „ 5 12 „ Hafer »» ,, 4. 5 „ 3. bei neunjähriger Düngung. Roggen in 1. Traoht 4 Scheffel 8 Metzen 3 Scheffel 15 ' „ Roggen 3. 10 „ 3 „ 3 „ „ 3 >> 15 „ Roggen 2 „ n 9 „ „ 5. » 2 4 15 „ Gerste 8 „ 3 „ fi .. 2. 4 „ Hafer 3 „ »j 5 9 „ „ 4. 4 12 „ Hafer 4 „ 3 „ „ 6. >t 4. bei zwölfjähriger Düngung. Roggen in 1. Tracht 4 Scheffel 8 Metzen 3 Soheffel 15 99 3 Roggen 10 „ 3 , 99 » 3. 15 „ 2 2 , 9 Roggen 99 „ 5. 2 2 , 9 Roggen 11 „ „ 7. 15 Gerste 8 „ 3 , 99 „ 2. 4 9 Hafer 3 „ 99 >* ^ >* » 4. 4 12 Hafer 4 „ 3 , 99 „ 6. 6 14 „ Hafer 3 , 99 „ 8. Aussaat: Roggen 1 Scheffel ,, 2 Metzen Gerste 1 Hafer bei sechsjähriger Düngung 1 Scheffel 4 Metzen Hafer bei neun- und zwölfjähriger Düngung 1 Scheffel 2 Metzen.



Roggen Roggen Roggen Hafer Hafer Roggen Roggen Roggen Hafer Hafer Hafer

IV. Lehmiger Sandboden. 1. bei dreijähriger Düngung. 5 Scheffel — Metzen | 4 Scheffel 6 Metzen p. Magd. Mg. und Hafer 2. bei sechsjähriger Düngung. in 1. Traoht 4 Scheffel 8 Metzen 3 Scheffel 15 u 3. M 3 „ 10 „ 3 „ 3 >> 2. ,, 5 „ — „ 4 „ 6 Tt 4 „ — „ 3 „ 8 >> 4 » 3. bei neunjähriger Düngung. in 1. Tracht 4 Scheffel •— Metzen 3 Scheffel 8 3 2 13 „ 3. 3 99 99 99 99 2 2 5. 10 5 „ 99 99 99 99 • — 4 2. 3 8 „ 99 99 99 2 3 4. 13 „ 3 „ 99 99 99 9» 2 2 6. 10 „ 99 99 99 ß „

,,

,>

112 4. bei zwölfjähriger Düngung. Maximum, Minimum Roggen in 1. Tracht 4 Scheffel — Metzen 3 Soheffel 8 Metzen p Magd. Mg. Roggen 3 13 3. 3 2 , Boggen 2 , 5. 2 5 10 „ 99 Roggen 2 , 1 7. , 2 6 Hafer 2. 4 8 3 , ~ > > Hafer 4. 3 13 3 2 , Hafer 2 5 6. 10 „ 2 , Hafer 1 2 8. 6 2 , Aussaat bei dreijähriger Düngung: 1 Scheffel — Metzen Roggen 1 4 „ Hafer Aussaat bei sechsjähriger Düngung: Roggen 1 Scheffel — Metzen Hafer in 2. Tracht 1 „ 4 Hafer in 4. Tracht 1 „ 2 Aussaat bei neun- und zwölfjähriger Düngung: Roggen in 1. Tracht 1 Scheffel — Metzen Roggen ,, 3. 1 ,, — ,, Roggen ,, 5. ,, — ,, 12 „ Roggen „ 7. ,, — ,, 12 ,, H^fer „ 2. 1 4 Hafer in 4., 6., 8. 1 2 V. Dreijähriger Roggenboden. Roggen 2 Scheffel 8 Metzen 2 Scheffel 3 Metzen p. Mg. Aussaat 10—12 Metzen. VI. Kalkboden. 1. bei dreijähriger Düngung. Roggen 3 Scheffel —• Metzen ' 2 Scheffel 10 Metzen p. Magd. Mg. Hafer 5 „ — „ !4 6 2. bei sechsjähriger Düngung. Roggen in 1. Tracht 2 Scheffel 10 Metzen 2 Scheffel 5 Roggen 1 2 2 14 „ 3. 99 99 99 Hafer „ 2. 4 3 15 8 99 J> 99 Hafer 4 3 8 — „ 4. 99 >> 99 3. bei neunjähriger Düngung. Roggen in 1. Tracht 2 Scheffel 8 Metzen 2 Scheffel 3 Roggen 2 1 12 » 3. ,, >> 99 „ 5„ Roggen 1 1 10 „ 7 99 Hafer 3 4 8 99 2. ,, 99 >> »» „ 4. „ Hafer 2 3 13 4 „ 9» Roggen 2 2 5 10 „ >> .. 6». J> 4. bei zwölfjähriger Düngung. Roggen in 1. Tracht 2 Scheffel 8 Metzen 2 Scheffel 3 Roggen 2 1 12 „ 3. — >» Roggen 1 1 „ 5. 7 10 „ Roggen „ 7. 1 1 8 „ 5 Hafer 3 8 4 , „ 2. Hafer 2 4 " 13 3 „ 4. Hafer „ 6. 2 2 5 10 „ Hafer 6 „ 2 1 2 , >> 8. Aussaat: Bei drei- und sechsjähriger Düngung Roggen — Scheffel 14 Metzen Hafer 1 4 Bei neun- und zwölfjähriger Düngung Roggen — „ 14 ,, Hafer 2 2 (Bei diesen Berechnungen ist eine Dreifelderwirtschaft vorausgesetzt.)

118

T a b e l l e 21. Die Jahresdurchschnittspreise

der wichtigsten

landwirtschaftlichen

Produkte in der Provinz und Stadt Posen in den Jahren 1816—90 1 (per 100 k g in Mark). Roggen

Weizen

Prov | Stadt Prov. Posen 1816 1817 1818 1819 1820

Í 188 231 187 144 124

177 228 185 142 89

1821 1822 1823 1824 1825 1826 1827 1828 1829 1830

130 129 124 86 77 86 105 121 143 133

116 117 121 88 84 86 101 117 146 132

1831 1832 1833 1834 1835 1836 1837 1838 1839 1840

186 130 105 104 111 95 106 142 161 156

187 145 107 99 103 90 105 149 156 157

150 167 127 124 140 198 250 137 145 133

143 160 122 117 128 187 234 129 146 130

1841 1842 1843 1844 1845 1846 1847 1848 1849 1850

i

j

Hafer

Stadt Prov. | Stadt Prov.

Posen 118 148 124 101 76

Gerste

Posen

109 I 87 147 ¡ 105 132 104 107 88 70 70

|

j Kartoffeln

1 Stadt Prov. ¡ Stadt

Posen

j

Posen

121 ! 104 105 113 111 95 99 111 120 94 84 67 80 Ì 69 63

30,5 36 35 26 23

23 í 19 22 22,5 34 i 36 18 17 14 15 21 23 25 26 23 30 19 22,5 24 27

61 77 91 45 45 64 86 87 81 84

57 68 85 41 39 57 80 80 66 71

43 57 77 36 39 54 76 75 59 69

60 76 89 46 44 63 84 84 73 81

50 68 86 43 43 61 76 79 74 75

133 105 71 73 81 58 68 98 91 94

139 107 76 75 83 59 70 97 81 89

106 94 58 62 77 59 59 77 79 82

100 87 49 51 66 52 54 69 64 69

117 100 70 77 85 64 67 90 84 101

114 90 64 66 74 59 61 88 76 93

33 26 16 21 30 23 22,5 24 20 24

93 97 101 80 108 165 210 93 73 82

91 98 102 82 102 154 197 78 71 81

78 80 90 70 95 145 182 84 62 69

66 73 87 66 88 134 181 84 67 74

89 90 95 72 103 140 156 83 69 78

96 85 93 69 98 134 158 78 64 74

23 26 31 21

70 87 ! 96 45 41 64 93 94 79 87

! ! ; j :

49 31 35 26 21

41,5 27 18 20 28 23 23 23 20 25

25 26 35 21 27 i 28 38,5 ! 36 56 56 29 31 20 ¡ 22 28 23

8



114

F o r t s e t z u n g von T a b e l l e 21. Weizen

Roggen

Prov. Stadt Prov. Stadt Posen Posen

Gerste

Hafer

Kartoffeln

Prov. Stadt Prov. Stadt Prov. Stadt Posen Posen Posen

1851 1852 1853 1854 1855 1856 1857 1858 1859 1860

143 163 190 243 284 277 194 180 175 188

137 155 190 231 263 236 178 166 147 190

112 149 156 196 223 207 114 115 123 139

113 143 157 186 205 198 115 110 120 136

97 127 137 168 181 175 116 114 119 127

95 127 146 155 158 162 121 118 124 136

111 129 142 166 173 175 120 135 129 115

103 131 145 155 159 165 118 125 179 110

30,5 41 36,5 55 68 60,5 31 32 32 34

33 41 36 53 66 63 32 33 32 31

1861 1862 1863 1864 1865 1866 1867 1868 1869 1870

197 195 169 143 149 184 243 237 185 191

194 188 163 137 145 166 233 228 174 181

136 135 119 96 113 133 189 184 148 140

132 136 117 95 114 132 187 181 146 136

121 111 104 95 99 119 159 164 144 128

120 112 104 95 98 124 167 172 149 131

109 110 112 106 110 120 159 166 147 128

102 109 107 100 105 116 159 162 139 119

35 28 29 31 27 28 43 39 31 34

33 29 27,5 27 24,5 24 41 38 28 34

1871 1872 1873 1874 1875 1876 1877 1878 1879 1880

217 234 254 230 186 197 218 190 186 212

207 228 246 226 178 188 211 182 184 210

154 162 182 186 156 162 160 125 133 184

150 162 179 181 154 157 158 124 132 184

137 138 160 184 148 146 149 135 128 152

140 143 162 190 142 142 146 137 128 150

138 134 152 188 170 168 145 123 124 151

134 139 155 187 167 164 147 128 132 160

42 42 45 55 43 32,5 37 33,5 40 45

41 43,5 42,5 50,5 37 29 41 33 40 40

1881 1882 1883 1884 1885 1886 1887 1888 1889 1890

213 199 178 174 155 150 157 166 176 187

210 194 165 169 155 150 156 165 177 183

191 146 138 138 129 122 112 121 147 164

189 145 136 136 129 123 113 120 147 161

153 136 130 137 128 118 106 112 136 154

151 135 125 136 126 117 106 112 133 147

152 132 126 140 134 123 99 114 142 151

159 141 132 139 139 128 105 118 144 149

44 35 49 42 33 27 31,5 40 36 38,5

40 35 42 33 29 22 29 38 34 35,5

1816—20 1821—30 1831—40 1841—50 1851—60 1861—70 1871—80 1881—90

175 113 131 157 204 189 212 175

164 111 130 149 189 182 206 172

114 75 87 110 154 139 160 141

113 72 87 106 149 138 158 140

91 64 75 96 136 125 148 131

92 58 66 92 134 127 148 129

100 70 86 97 140 127 194 131

100 66 79 94 139 122 151 135

30 22 24 30 32 32,5 41,5 38

32 24 25 30,5 42 30,5 40 34

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37

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699

672

626

649

750

1 Zusammengestellt naoh S z o l d r s k i 1. o. S. 165 und den Jahresberichten des polnischen landwirtschaftlichen Zentralvereins 1899—1910.

133 T a b e l l e 41.1 Die Anzahl der polnischen Bauernvereine in den Jahren 1874—1911. Jahr

1873 1874 1875 1876 1877 1878 1879 1880 1881 1882

Anzahl der Vereine Jahr

45

58

74

105

120

130

128

131

136

1883 1884 1885 1886 1887 1888 1889 1890 1891 1892

Anzahl der Vereine Jahr

141

141

147

150 ! 154 154

153

159

159

157

1893 1894 1895 1896 1897 1898 1899 1900 1901 1902

Anzahl der Vereine Jahr

7

165

172

185

192

197

201

204

216

231

243

1903 1904 1905 1906 1907 1908 1909 1910 1911

Anzahl der Vereine jj 264 j 277 | 288 | 302 ] 318 j 335 | 351 | 356 | 373

T a b e l l e 42. .

sonstige

Summa

Molkerei-

Bezug-

Verbände bezw. Zentralen

Kredit-

Die Genossenschaftsverbände im Jahre 1899.2

24

274

7

83 37 106 34 17 9

Genossenschaften Verband der landw. Gen. f. d. Prov. Posen 204 Verband der Erwerbs- u. Wirtschaftsgen. f. d. Prov. Posen 75 37 Verband Schultze-Delitzsch 97 Neuwieder Verband (Raiffeisen) 1 Bund der Landwirte 17 Handwerker Central-Genossenschaft . . . 9 Pieschener Verband Zentral-Revisionsverband landw. Genossen1 schaften zu Berlin | Summe der Genossenschaftsverbände . . . 441 keinem Verbände angeschlossen 1 11

10

| 452

Summe der Genossenschaften

36

1 5 2

4 1

30

18

41 15

61 13

561 39

18

56

74

600

1

1 Zusammengestellt nach den Jahresberichten der „Kolka wlosciaöskie". 1874 bis 1911. 2 Bericht der Landwirtschaftskammer 1899. S. 15.

134 T a b e l l e 48. Die Entwicklang des Verbandes der landwirtschaftlichen Genossenschaften für die Provinz Posen.1 I'ii Laufe des Jahres

Verschiedene

Kredit-

Absatz-

Molkerei-

Jahr

Zentral-

Dem Verbände gehören an

Zugang

Abgang

Es bestanden mithin

Genossenschaften 1894 1895 1896 1897 1898 1899 1900



2 2 2 2

19 24 29 32

3 3 6 9 10

35 36 41



98 148 203 204 204 246

— —

12 25 24

108 55

— —

74 34

12 2









19 127 182 243 274 274 334

1

Zusammengestellt nach den Berichten der Landwirtschaftskammer und denen des Verbandes der landwirtschaftlichen Genossenschaften der Provinz Posen (vgl. S z o l d r s k i 1. c. S. 170).

T a b e l l e 44. Die Entwicklung der Bank Zwiazku Spölek Zarobkowych zn Posen.1

1886

40000 500000 500000 1000000

1891 1896 1901 1906

3000000 6000000

1911 1

557

Mark

Dividende ¿5

S

^ Verwaltung g. kosten

Effekten

o B o CO

262674

5

3392849

6 6 6

39910 12269 1687 1005789 237219 20649 314080 31248 4085695 1707276 47429 6227717 3088115 509181 522643 24427350 21429417 3839186 1731739 113982 1500232 36251582 34623949 8778256 2462676 245306 50080 154175 262712

92607 1918066 3358186 5650021

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Wechsel und Anleihen

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Fremde Kapitalien

Mark

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S g.

Anlagekapital

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Jahr

EQ

Jahresberichte der Bank Zwiazku Sp61ek Zarobkowych 1886—1911.

6 6

135

T a b e l l e 45. Die von der neuen Posener Landschaft bepfandbrieften Bauerngüter.1

Zahl

Fläche

Beleihungssumme

ha 1879 1880 1881 1882 1883 1884 1885 1886 1887 1888 1889 1890 1891 1892 1893 1894 1895 1896 1

29 348 666 990 1221 1482 1758 1995 2262 2453 2679 2794 2950 3072 3195 3294 3266 3461

801 8337 15685 23014 28449 34269 39604 44704 50626 54433 59433 62911 65017 67669 70367 72277 72339 75369

S a r r a z i n 1. c. S. 64.

156500 1624300 3113000 4608600 5696400 6933100 8132300 9156700 10401700 11245500 12185900 12921100 13339100 13886600 14445700 14769200 14753500 15477700

Auf Güter unter 15000 Mark Taxwert kommen von der Gesamt-

zahl

Fläche

Jahr

Beleihung pro ha

Die mit einem Taxwert unter 15000 Mark beliehenen kleinen Güter

Mark

7o

0/10

195,2 194,8 198,5 200,2 200,2

1,6 16,1 24,4 31,8 35,0 38,4 41,5 43,7

0,09 0,9 1,6 2,3 2,8 3,3 3,8 4,2 4,8

202,3 205,3 204,8 205,4 206,5 205,0 205,3 205,1 205,2

46,3 46,8 48,5 48,8 50,8 51,2

4,9 5,4

205,2 204,3

52,0 52,3

5,8 6,0 6,2 6,4 6,6

203,9 205,3

52,3 53,0

6,7 6,9

ja M 0/

/0

0,07 0,7 1,8 1,8 2,2 2,7 3,0 3,3 3,8 3,9 4,3 4,6 4,8 5,0 5,2 5,3 5,3 5,6

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