Der Admonter Abrogans: Edition und Untersuchungen des Glossarfragments der Stiftsbibliothek Admont (Fragm. D1) 9783110710786, 9783110709711

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German Pages 212 [214] Year 2021

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Table of contents :
Dank
Vorwort
Inhalt
Abbildungsverzeichnis
Einleitung
Fundbericht zu den ‚Abrogans‘-Fragmenten in Admont
Die Fragmentesammlung der Stiftsbibliothek Admont und einige Überlegungen zur Herkunft der Admonter ‚Abrogans‘-Fragmente
Der ‚Admonter Abrogans‘: Provenienz und Datierung der Handschrift
Der ‚Admonter Abrogans‘: Edition
Untersuchungen zur Systematik der Alphabetisierung in Ad, zu den möglichen Quellen und zur Stellung in der Überlieferung des ‚Abrogans‘
Der ‚Admonter Abrogans‘: Gedanken zur sprachlichen Einordnung
Ahd. pazuuepanti ist und ahd. khregenti im ‚Admonter Abrogans‘
‚Admonter Abrogans‘: Kurzbeschreibung von Admont, Stiftsbibl., Fragm. D 1
Bildanhang
Literaturverzeichnis
Register
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Der Admonter Abrogans: Edition und Untersuchungen des Glossarfragments der Stiftsbibliothek Admont (Fragm. D1)
 9783110710786, 9783110709711

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Wolfgang Haubrichs, Stephan Müller Der Admonter Abrogans

Lingua Historica Germanica

Studien und Quellen zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur Herausgegeben von Stephan Müller, Claudia Wich-Reif und Arne Ziegler

Band 24

Gesellschaft für germanistische Sprachgeschichte e.V.

Wolfgang Haubrichs, Stephan Müller

Der Admonter Abrogans Edition und Untersuchungen des Glossarfragments der Stiftsbibliothek Admont (Fragm. D1) Mit Beiträgen von Brigitte Bulitta, Martin Haltrich, Sarah Hutterer, Edith Kapeller, Daniela Mairhofer, Karin Schamberger

ISBN 978-3-11-070971-1 e-ISBN (PDF) 978-3-11-071078-6 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-071085-4 ISSN 2363-7951 Library of Congress Control Number: 2020948496 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Michael Berger, Wien Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

| Für Jacob

| Zum Vorschein kam tatsächlich ein Buch, ein Buch, bei dessen Anblick Ernst eine Gänsehaut bekam. Der dunkelbraune lederne Einband, von dem die Ecken leicht geknickt waren, der Rücken, durch den ein feiner Riss von oben bis zur Mitte verlief, der Geruch, der von ihm ausging, als werde ein längst vergessenes Kellergewölbe geöffnet, machten ihm sofort klar, dass vor ihm nicht einfach ein altes Buch lag, sondern ein Bote aus einer anderen Zeit. Weder auf dem Umschlag noch auf dem Buchrücken stand ein Titel geschrieben, auch das ein Zeichen für die Anfänge der Buchkultur. Behutsam schlug er die erste Seite auf. Das Vorsatzblatt war leer, es war, wie das ganze Werk, aus Pergament. Eine Handschrift also. Als er das Blatt umdrehte, musste er einen Moment den Atem anhalten. Eine große A-Majuskel eröffnete die Seite mit dem Wort »Abrogans«, und in einer zweiten Spalte stand »dheomodi«. Unter dem ersten Wort stand »humilis«, daneben in einer zweiten Spalte »samftmoati«. Ernst wusste sofort, worum es sich handelte. Franz Hohler: ‚Das Päckchen‘, S. 20f.

Vorwort Am 17. Oktober 1963 beendete die Restauratorin Eleonore Klee die Arbeit an vier Büchern der Stiftsbibliothek Admont. Die dabei „aufgelösten Makulaturen“, so schreibt sie in ihrem Bericht, „brachten, glaube ich, nicht viel Gescheites“. Ein Irrtum! Recht hatte sie vielmehr mit ihrer vagen Hoffnung: „aber man kann ja nie wissen, ob sich nicht doch noch irgend ein Schatz zwischen den Blättern verbirgt“ (vgl. S. 23 in diesem Band). Zu dieser Makulatur gehört nämlich auch jenes Fragment des ‚Abrogans‘, also der ‚Schatz‘, der Gegenstand des vorliegenden Buches ist. Immerhin dokumentierte die sorgfältige Restauratorin auch fotografisch den Zustand des historischen Einbandes. Dieses Foto (vgl. Abb. 1, S. 24 in diesem Band) ist eine erste Spur dessen, was wir den ‚Admonter Abrogans‘ (Ad) nennen wollen. Nachdem das Fragment abgenommen wurde, lag es in Admont dort, wo es hingehörte, nämlich in den Fragmentenmappen der Bibliothek, bis Martin Haltrich im November 2012 im Zuge von Digitalisierungsarbeiten darauf aufmerksam wurde. Im Anschluss wurde der Fund mehreren Wissenschaftlern bekannt, bis wir endgültig die Initiative ergriffen und im Rahmen eines Arbeitsgesprächs in Admont den Fund mit Kolleginnen und Kollegen zum Thema machten. Ein zweites Arbeitsgespräch folgte in Wien und so war die Arbeit an dem Fragment von Anfang an begleitet von hilfreichen Ratschlägen einer Reihe von Expertinnen und Experten, auch wenn bei weitem nicht die Expertise aller Fachleute eingeholt werden konnte. Die Existenz des Fragments, das nun in der Admonter Stiftsbibliothek unter der Signatur Fragm. D 1 aufbewahrt wird, hat die Forschung inzwischen wahrgenommen (vgl. Ernst/Nievergelt/Schiegg 2019: 284, Anm. 23; Nievergelt 2019: 331, Anm. 1, 335, 339) und es ist in den einschlägigen wissenschaftlichen Internetressourcen dokumentiert.1 Darüber hinaus war es in einer Ausstellung in Admont sehr gut aufbereitet und dokumentiert zu sehen (vgl. Müller 2018). Was wir nun vorlegen, ist eine Aufarbeitung des Fundes im Rahmen einer schmalen Monographie, in der neben Edition und Untersuchungen auch Beiträge von Martin Haltrich zur Fundgeschichte, von Karin Schamberger zur möglichen Herkunft des Fragments, von Daniela Mairhofer zur paläographischen Einordung sowie eine knappe, kataloghafte, auf Autopsie beruhende Beschreibung des Fragments von Sarah Hutterer und Edith Kapeller eingegangen sind. Die Analyse zweier Glossierungen durch Brigitte Bulitta (Ad Nr. 7 Paz uuepanti ist und Nr. 14 Khregenti) ging aus ihren Beiträgen im Rahmen des zweiten Arbeitsgespräches hervor. Sie sind so substantiell, dass sie nicht ohne weiteres in die Edition und die Untersuchungen integriert werden sollten. Sie wurden deshalb als eigener Beitrag mit aufgenommen. || 1 Im Handschriftencensus (http://www.handschriftencensus.de/25863) und in der Datenbank der althochdeutschen und altsächsischen Glossenhandschriften (https://glossen.germ-ling.uni-bamberg.de/bstk/8g). https://doi.org/10.1515/9783110710786-202

x | Vorwort

Der ‚Admonter Abrogans‘: Diese Bezeichnung war in den Arbeitsgesprächen nicht ganz unumstritten, da das Admonter Fragment ja in Reihenfolge und Bestand der Glossen von den bekannten Zeugen des ‚Abrogans‘ abweicht. In der alphabetischen Sortierung erinnert es an die Tradition der ‚Samanunga worto‘, die als sekundäres Zeugnis des ‚Abrogans‘ firmiert. Für die Bezeichnung als ‚Abrogans‘ entschieden wir uns letztlich, da das Admonter Fragment im Vergleich mit der ‚Samanunga worto‘ eine viel höhere Deckungsgleichheit mit den Glossen der bekannten ‚Abrogans‘-Handschriften aufweist und dabei auch, wie die ‚Samanunga‘ – was schon ein Ergebnis dieses Bandes vorwegnimmt – auf eine Vorstufe der uns bekannten Handschriften des ‚Abrogans‘ zurückverweist. Der ‚Admonter Abrogans‘ steht in manchen Fällen dem zu vermutenden Archetyp näher als die bislang bekannte Überlieferung und beinhaltet auch, so ein weiteres Ergebnis, das wir vorwegnehmen wollen, wohl Glossen des Archetyps, die in allen bekannten Zeugen des lateinisch-deutschen ‚Abrogans-Glossars‘ nicht mehr vorhanden sind. Deshalb betrachten wir das Fragment als primären Teil der Überlieferung des ‚Abrogans‘, auch wenn in ihm am ursprünglichen Bestand des Glossars produktiv weitergearbeitet wurde. Dies zu zeigen und neben der Edition der Glossen den literar- wie sprachhistorischen Ort des Fragments zu erschließen, ist die Aufgabe, der sich die vorliegende Monographie stellt. Vieles in diesem Band ist Produkt von Kooperation und Hilfe. Unverzichtbare Beiträge kamen dabei im Rahmen der Arbeitsgespräche von Peter Erhart, Elvira Glaser, Martin Haltrich, Ernst Hellgardt, Norbert Kössinger, Daniela Mairhofer, Francesco Lo Monaco, Claudia Wich-Reif, Bernhard Zeller und – wofür wir besonders großen Dank schulden – von Elke Krotz, die die Edition mit vielen Beobachtungen und auch Korrekturen bereicherte. Michael Berger sind wir sehr verbunden für seine gründliche redaktionelle Mitarbeit und den Satz des Bandes. Dankbar sind wir auch für die sehr gute Zusammenarbeit mit dem Stift und der Stiftsbibliothek Admont, die uns mit großer Gastfreundschaft aufgenommen haben und uns bei der Erforschung des Fragments unterstützten. Besonderer Dank gilt hier der Bibliothekarin des Stifts, Karin Schamberger, und dem Stiftsbibliothekar und Stiftsarchivar MMag. P. Maximilian Schiefermüller O.S.B. Einen letzten Dank wollen wir an den Verlag de Gruyter richten, der die Entstehung dieses Bandes aktiv begleitete, namentlich Laura Burlon und Sorina Moosdorf. Robert Forke hat bei de Gruyter das Projekt von Jacob Klingner übernommen, der das Erscheinen des Bandes nicht mehr erleben konnte. Ihm möchten wir dieses Buch widmen – als einen kleinen Gruß aus einer anderen Zeit. Saarbrücken und Wien im Spätsommer 2020 Wolfgang Haubrichs und Stephan Müller

Inhalt Wolfgang Haubrichs, Stephan Müller  Einleitung | 1 Martin Haltrich  Fundbericht zu den ‚Abrogans‘-Fragmenten in Admont | 9 Karin Schamberger  Die Fragmentesammlung der Stiftsbibliothek Admont und einige Überlegungen zur Herkunft der Admonter ‚Abrogans‘-Fragmente | 21 Daniela Mairhofer  Der ‚Admonter Abrogans‘: Provenienz und Datierung der Handschrift | 27 Wolfgang Haubrichs, Stephan Müller  Der ‚Admonter Abrogans‘: Edition | 61 Stephan Müller  Untersuchungen zur Systematik der Alphabetisierung in Ad, zu den möglichen Quellen und zur Stellung in der Überlieferung des ‚Abrogans‘ | 87 Wolfgang Haubrichs  Der ‚Admonter Abrogans‘: Gedanken zur sprachlichen Einordnung | 105 Brigitte Bulitta  Ahd. pazuuepanti ist und ahd. khregenti im ‚Admonter Abrogans‘ | 143 Sarah Hutterer, Edith Kapeller  ‚Admonter Abrogans‘: Kurzbeschreibung von Admont, Stiftsbibl., Fragm. D 1 | 159 Bildanhang | 161 Literaturverzeichnis | 167 Register | 183

Abbildungsverzeichnis Abb. 1: ‚Abrogans‘-Fragment als Einband vor der Restaurierung | 24 Abb. 2: Wolfcoz-Psalter, Ps 117 (St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. Sang. 20; p. 263, Detail) (https://www.e-codices.ch/de/list/one/csg/0020) | 31 Abb. 3: ‚Abrogans‘ K (St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. Sang. 911; p. 4, Detail) (https://www.e-codices.ch/de/list/one/csg/0911) | 51 Abb. 4: ‚Abrogans‘ Pa (Paris, BnF, lat. 7640; fol. 131rb, Detail) (https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b9077678f/f134.item) | 52 Abb. 5: ‚Abrogans‘ Ra (Karlsruhe, BLB, Aug. perg. 111; fol. 88va, Detail) (https://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:31-18963) | 52 Abb. 6: Psalter von Montpellier (Montpellier, Bibliothèque interuniversitaire, Section Médecine, H 409; fol. 330v, Detail) (https://ged.biu-montpellier.fr/florabium/jsp/ nodoc.jsp?NODOC=2015_DOC_MONT_MBUM_27) | 54 Abb. 7: Codex Millenarius Maior, Lukasevangelium (Kremsmünster, Stiftsbibl., CC Cim 1; fol. 174v, Detail) (https://manuscripta.at/?ID=8509) | 55 Abb. 8: ‚Admonter Abrogans‘ (Admont, Stiftsbibl. Fragm. D1, 1r), Nr. 7 Paz uuepanti ist | 143 Abb. 9: ‚Abavus-maior-Glossar‘ (Paris, BnF, lat. 7640, fol. 23vb,7f.) (https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b9077678f/f25.item) | 145 Abb. 10: ‚Abrogans-Glossar‘ Pa (Paris, BnF, lat. 7640, fol. 127va,22) (https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b9077678f/f131.item) | 145 Abb. 11: ‚Abrogans-Glossar‘ K (St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. Sang. 911, p. 61,9) (https://www.e-codices.ch/de/list/one/csg/0911) | 146 Abb. 12: ‚Abrogans-Glossar‘ Ra (Karlsruhe, BLB, Aug. perg. 111, fol. 79rb,15) (https://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:31-18963) | 147 Abb. 13: ‚Abrogans-Glossar‘ Ad (Admont, Stiftsbibl., Fragm. D1, 1r), Nr. 14 Khregenti (UV-Aufnahme) | 149 Abb. 14a: ‚Admonter Abrogans‘ (Admont, Stiftsbibl., Fragm. D1), recto oben | 161 Abb. 14b: ‚Admonter Abrogans‘ (Admont, Stiftsbibl., Fragm. D1), recto oben (UV-Aufnahme) | 161 Abb. 15a: ‚Admonter Abrogans‘ (Admont, Stiftsbibl., Fragm. D1), recto unten | 162 Abb. 15b: ‚Admonter Abrogans‘ (Admont, Stiftsbibl., Fragm. D1), recto unten (UV-Aufnahme) | 162 Abb. 16a: Admonter Abrogans‘ (Admont, Stiftsbibl., Fragm. D1), verso oben | 163 Abb. 16b: ‚Admonter Abrogans‘ (Admont, Stiftsbibl., Fragm. D1), verso oben (UV-Aufnahme) | 163 Abb. 17a: ‚Admonter Abrogans‘ (Admont, Stiftsbibl., Fragm. D1), verso unten | 164 Abb. 17b: ‚Admonter Abrogans‘ (Admont, Stiftsbibl., Fragm. D1), verso unten (UV-Aufnahme) | 164 Abb. 18: ‚Admonter Abrogans‘ (Admont, Stiftsbibl., Fragm. D1), recto unten (UV-Aufnahme), Nr. 12 Vparhaltan | 165 Abb. 19: ‚Admonter Abrogans‘ (Admont, Stiftsbibl., Fragm. D1), verso oben (UV-Aufnahme), Nr. 49 Culicusgenus : Premachunni und Nr. 50 Dapibus : Mazzimos | 165 Abb. 20: ‚Admonter Abrogans‘ (Admont, Stiftsbibl., Fragm. D1), recto unten (UV-Aufnahme), Nr. 71 Deuellemur und Nr. 72 Deterremur | 165

Wolfgang Haubrichs, Stephan Müller

Einleitung 1 Die Tradition der Glossen und Glossare Im 8. Jahrhundert kam es zu einer folgenreichen Begegnung: Die deutsche Volkssprache traf auf die lateinische Schreibpraxis der benediktinischen Mönche. Wohl im Kontext der angelsächsischen Mission (vgl. Haubrichs 21995: 185–195) wurde die Kulturtechnik, ein Lemma mittels eines Interpretaments zu übersetzen oder zu erläutern, zum Teil des gelehrten Alltags im Kloster. Schon im 8. Jahrhundert entstehen so Glossen und Glossare, deren Tradition das ganze Mittelalter nicht abreißen wird. Dabei hat das Phänomen viele Gesichter, die jüngst in einem Handbuch zur althochdeutschen und altsächsischen Glossographie vorbildlich dokumentiert wurden (Bergmann/Stricker 2009). Die Palette umfasst Einzelwörter, die oft nur sehr sporadisch zwischen den Zeilen glossiert werden, aber sich bis hin zu einer Art interlinearen Übersetzung verdichten können. Das lässt sich allerdings nicht als Prozess der Komplexisierung beschreiben (vgl. März 1996), denn schon im 8. Jahrhundert finden sich sporadische Einzelglossen (vgl. z. B. Glaser 1996), aber auch die Übersetzung eines Satzes (in der St. Galler Vadianischen Sammlung Ms. 70a, StSG IV, 304; vgl. Voetz 1997) oder eine systematische Interlinearversion, wie die ‚St. Pauler Lukasglossen‘ (vgl. Voetz 1985), nebeneinander. In den Glossen können die Interpretamente den Lemmata in verschiedener Weise räumlich zugeordnet werden: Sie stehen zwischen den Zeilen (Interlinearglossen), am Rand (Marginalglossen) oder sind in den Verlauf des Textes integriert, sodass auf der Zeile Lemma und Interpretament hintereinanderstehen (Kontextglossen). Auch das Funktionsspektrum dieser Eintragungen ist ein weites Feld. Sicher werden auch – was ja der naheliegendste Fall zu sein scheint – schwierige Vokabeln in der Volkssprache erklärt, aber oft ist der Wortschatz so trivial, dass man kaum von einer Übersetzungshilfe ausgehen kann, eher von der Vermittlung elementaren Wissens in der monastischen Schule. Erläutert werden auch grammatikalische Formen, das zeigen etwa die häufigen abgekürzten Glossen, die dem lateinischen Lemma etwa nur eine althochdeutsche Endung beigeben. Aber auch sachliche und stilistische Eigenschaften werden erklärt, wenn beispielsweise uneigentlicher Wortgebrauch mit dem Wort für das konkret Gemeinte glossiert wird. Letzteres ist besonders intrikat, da in diesen Fällen dann Lemma und Interpretament unabhängig vom glossierten Kontext gar nicht dasselbe meinen müssen, was bei der Aufnahme der Glossierung in ein Wörterbuch Probleme macht. Kurz: Das Schreiben in der Volkssprache auf Pergament, auf dem bereits Lateinisches geschrieben ist, stellt im Frühmittelalter schnell eine alltägliche Schreibpraxis jenseits der Textproduktion dar und ist ein wichtiges Medium zur Ausbildung eines Bewusstseins von den besonderen Eigenschaften der Volkssprachen, die ansonsten vor allem im Medium der Mündlichkeit ihre Basis https://doi.org/10.1515/9783110710786-001

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haben. Neben der Einzelwortüberlieferung entstehen dabei ab dem 8. Jahrhundert auch (mehr oder weniger) eigenständige althochdeutsche und altsächsische Texte, die anfangs oft nur kurze Übersetzungstexte sind, aber auch mündliche Traditionen in die Schriftlichkeit überführen und sich zu so großen und großartigen Formen entfalten, wie sie die althochdeutsche und altsächsische Bibelepik mit Otfrids von Weißenburg ‚Evangelienbuch‘ und dem ‚Heliand‘ bietet. Die Grundsatzentscheidungen, die in dieser frühen Zeit für den Umgang mit der deutschen Sprache gemacht wurden, sind im Grunde bis heute gültig. Man benutzt und modifiziert das lateinische Alphabet (also nicht die heimischen Runen) als das dominierende kulturelle Medium, so wie man sich auch in der Metrik an lateinischen Formen orientieren wird (und den Stabreim zumindest auf dem Kontinent zu einer Randerscheinung der Metrik werden lässt). Glossen sind aber nicht nur Einzelfälle, sie bilden eine Art eigenen Textsortenkatalog aus und reihen sich damit in die Traditionen gelehrter systematischer Textund Spracharbeit ein, die den Schritt von der (Spät-)Antike hinein ins Mittelalter gemacht haben. Man löst die Glossen dabei von dem ‚einen‘ glossierten Text, indem man sie in Glossare zusammenfasst, die uns wiederum in verschiedensten Formen begegnen: Als Wortpaarlisten können die Glossare nach Gegenstandsbereichen geordnet sein (Sachglossare), sie können dem Verlauf ihres Vorkommens in einem Text folgen (Textglossare), aber sie können eben auch alphabetisch geordnet sein. Diese alphabetischen Glossare sind gleichermaßen der Höhepunkt der Systematisierung, denn in ihnen herrscht das abstrakte, aus Schrift und Sprache selbst systematisch abgeleitete Prinzip des Alphabets, das die Loslösung von Dingen wie einem Sachbereich oder einem Referenztext als Ordnungsprinzip ermöglicht. Eine solche Abstraktionsleistung ist nicht leicht zu haben und (nicht nur schreibtechnisch) voraussetzungsreich, was erklärt, dass spätantike alphabetische lateinischlateinische Glossare ganz unabhängig von ihrem tatsächlichen Funktionswert im Mittelalter bewahrt und weiterverbreitet wurden, und das erklärt vielleicht auch, warum das erste alphabetische Glossar, in dem sich deutsche Interpretamente finden, die Bearbeitung eines lateinisch-lateinischen Glossars ist.

2 Der ‚Abrogans‘ – deutsch Die St. Galler Handschrift des ‚Abrogans‘ (St. Gallen, Cod. Sang. 911) gilt als das älteste Buch in deutscher Sprache. Das ist richtig und auch wieder nicht. Richtig ist, dass die Handschrift mit ihrer Entstehungszeit um 790 sehr früh anzusetzen ist. Und richtig ist auch, dass die deutsche Sprache ein konstituierendes Moment für so gut wie alle Teile der Handschrift ist. Nur die Abhandlung über die Kirchendogmen, der ‚Liber ecclesiasticorum dogmatum‘ des Gennadius von Marseille ist rein lateinisch. Daneben finden sich Übertragungen des ‚Vaterunser‘ und des ‚Glaubensbekennt-

Einleitung | 3

nisses‘ (‚St. Galler Paternoster und Credo‘) und eben das lateinisch-althochdeutsche ‚Abrogans-Glossar‘, bei dem die beiden liturgischen Texte sogar orthographische Anleihen machen. Einschränkend muss man also sagen, dass das ‚älteste Buch in deutscher Sprache‘ ein lateinisch-deutsches ist – und dass das ‚älteste Buch‘ die Abschrift (mindestens) eines ihm vorausgehenden Buches war, denn das ‚AbrogansGlossar‘ ist die (nicht immer gelungene) Abschrift einer oder mehrerer Vorlagen. Wie der Traditionsweg des ‚Abrogans‘ genau aussieht, ist nicht leicht zu sagen. Georg Baesecke (1930) sah in dem aus dem Vinschgau, der Val Venosta stammenden Bischof Arbeo von Freising (764/65–783) die Instanz, die eine norditalienische lateinisch-lateinische Glossartradition in eine lateinisch-althochdeutsche überführen ließ, aber diese These muss als überholt gelten. Die neuere Forschung, für die besonders der Name Jochen Splett mit zahlreichen Untersuchungen steht, ist hier vorsichtiger, und spricht von einem oberdeutschen Skriptorium um die Mitte des 8. Jahrhunderts und geht von einem insularen, also angelsächsischen Einfluss aus und damit nicht mehr von einem Bezug zu Norditalien (Splett 2013a: 5). Vielleicht sollte man mit der Datierung des Archetyps noch vorsichtiger sein und nur von der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts sprechen. Die lateinisch-lateinische Vorlage des althochdeutschen ‚Abrogans‘ ist nur in einem (auch noch stark beschädigten) Fragment in Karlsruhe erhalten (BLB, Aug. perg. 248, fol. 40r–59r) und stellt eine Kompilation aus verschiedenen spätantiken und frühmittelalterlichen Glossaren dar. Die St. Galler Handschrift trägt in der Forschung die Sigle K, da man das Glossar früher durch eine ‚Erfindung‘ des St. Galler Chronisten Jodokus Metzler für das Werk eines Mönchs namens Kero hielt. Sicher ist, dass der ‚St. Galler Abrogans‘ sprachlich in zwei verschiedene Teile zerfällt (herkömmlich seit Rudolf Kögel Ka und Kb genannt), die entweder zwei im Abschreibprozess wechselnden Vorlagen oder einer bereits so strukturierten Vorlage ihre Existenz verdanken (Sonderegger 1977: 113– 122). Neben dem Sang. 911 gibt es noch zwei weitere Handschriften: Mit der Sigle Pa, eine Pariser Handschrift aus der Bibliothèque Nationale (lat. 7640), die jedoch mit dem Buchstaben I abbricht. Sie wurde Anfang des 9. Jahrhunderts wohl im Umkreis des Bischofs Baturich in Regensburg geschrieben. Die Handschrift aus der Landesbibliothek in Karlsruhe (BLB, Aug. perg. 111), die nach ihrer Herkunft von der Reichenau die Sigle Ra trägt, aber dort nicht geschrieben wurde, stammt ebenfalls aus dem Anfang des 9. Jahrhunderts. Nur in Pa ist der ‚Abrogans‘ interlinear glossiert, so wie das auch im Archetyp der Fall gewesen sein wird. In K und Ra sind die Interpretamente dagegen in Form von Kontextglossen eingereiht. Was den Umfang des ‚Abrogans‘-Wortschatzes angeht, lässt man am besten den Experten, Jochen Splett, selbst sprechen: Ausschließlich der Namen und der nicht-ahd. Glossen überliefern die Handschriften 3.682 ahd. Wörter in 14.699 Belegen; davon in Pa, K und Ra jeweils 2.406, 3.227 bzw. 2.170 Wörter in

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4.469, 6.995 bzw. 3.235 Belegen. Gegen 700 Wörter sind nur im ahd. ‚Abrogans‘ überliefert. (Splett 2013a: 7)

Die Funktion des ‚Abrogans‘ wird gerne als „sekundäres Bibelglossar“ (Splett 2013a: 6) beschrieben. Dabei kann man von der (in depraviertem Latein gehaltenen) Selbstbeschreibung in den Handschriften ausgehen, die wohl schon im Archetyp stand: INCIPIUNT CLOSAS EX NOUO ET UETERIS TESTAMENTI („Es beginnen die Glossen aus dem Neuen und Alten Testament“). Das aber ist eben nicht die ganze Wahrheit, denn schon das erste Wort abrogans findet sich nicht in der Bibel. Doch kann die Titulierung auf ein Glossar verweisen, das zur Erläuterung der Bibel gedacht war; aus solchen Glossaren ist der ‚Abrogans‘ dann kompiliert worden und kann insofern in der Tat als „sekundäres Bibelglossar“ bezeichnet werden. Angesichts zahlreicher, teils wirklich hanebüchener Fehler und auch schon durch die Tatsache, dass durch die Glossierung der lateinisch-lateinischen Wortliste nur jedes zweite Lemma im Alphabet auffindbar ist, bleibt die praktische Funktion des nicht alphabetisierten und doch immerhin in dieser Struktur in mehreren Exemplaren verbreiteten lateinisch-althochdeutschen ‚Abrogans‘ unklar. Er ist vielleicht als Versuch einer gelehrt-repräsentativen Aufbereitung des ‚Wortschatzes‘ zu verstehen, also als ein ‚Thesaurus‘ im wortwörtlichen Sinne. Denn immerhin führt der lateinisch-althochdeutsche ‚Abrogans‘ den eigenen, volkssprachigen Wortschatz in einer Form vor Augen, die herzustellen sehr aufwändig war und in dieser Form noch nicht existierte. Wörter um der Wörter willen niederzuschreiben ist etwas Anderes und vielleicht sogar etwas stärker Elaboriertes als der Versuch, mündliche Sprache zu verschriftlichen oder einen Text in der Volkssprache zu verfassen. Diese Praxis der ‚Thesaurierung‘ steht für Sprachreflexion, und zwar über eine Sprache, die – wie Otfrid von Weißenburg sagt – noch nicht mit régulu bithuúngan (‚Evangelienbuch‘ I, 1,35) ist, und die alphabetische Ordnung – wenn auch der lateinischen Lemmata – ist vielleicht der erste geplante Kontakt der deutschen Sprache mit einer metasprachlichen Regel.

3 Der ‚Abrogans‘ – alphabetisch Das Admonter Fragment D1 steht in einer Tradition der Weiterarbeit am ‚Abrogans‘. Solange man das lateinisch-lateinische Glossar althochdeutsch glossierte, war das Produkt nämlich immer nur halb-alphabetisch. Das erste Wort abrogans steht im Alphabet, das zweite Wort, das ursprünglich abrogans glossierte, nämlich humilis, steht nicht im Alphabet und man würde es vergeblich unter H suchen. Schon um 790 hat man wahrscheinlich in Regensburg auch diese nicht alphabetisierten Wörter ins Alphabet eingereiht und damit die ursprünglichen Wortpaare des ‚Abrogans‘ getrennt und so natürlich auch die eigentliche Funktion des lateinisch-lateinischen Glossars getilgt. Aus der Glossierung eines Synonymwörterbuchs wurden ‚echte‘

Einleitung | 5

lateinisch-althochdeutsche alphabetische Glossare, die man unter dem Titel ‚Samanunga worto‘ zusammenfasst (Splett 2013b: 428–430) und die in der Edition von Steinmeyer und Sievers neben die Edition des ‚Abrogans‘ eingereiht sind. In dieser Editionsform verliert die ‚Samanunga‘ ihr eigenes Profil und wird sozusagen wieder an die Form des Archetyps angenähert. Außerdem zeigt die Edition, dass in der ‚Samanunga‘ bei weitem nicht alle Glossen des ‚Abrogans‘ berücksichtigt wurden und der Glossenbestand der einzelnen Handschriften der ‚Samanunga‘ stark variiert. Die ‚Sammlung der Wörter‘ wirkt eher wie ein Derivat des ‚Abrogans‘. Sieht man dieses Derivat aber als Fortsetzung der oben beschriebenen Arbeit des Alphabetisierens, dann könnte man fast von einer ‚Vollendung‘ des ‚Abrogans‘ sprechen; von einem Versuch, das sperrige Glossar wirklich benutzbar zu machen. So gesehen ist die Alphabetisierung des ‚Abrogans‘ ein weiterer Schritt weg von einer lateinisch-lateinischen Tradition hin zu einer lateinisch-althochdeutschen, ein weiterer Schritt also hin zur Volkssprache. Dies umso mehr, als die ‚Samanunga‘ ja nicht alleine dasteht. Die ‚Samanunga worto‘, die immerhin in vier Handschriften überliefert ist, hat Spuren in drei weiteren Zeugen hinterlassen, die Baesecke noch zur ‚Samanunga‘ zählte, die aber nach Splett nicht „im engeren Sinne“ zur ‚Samanunga‘ gehören (Splett 2013b: 428). Dazu kommt noch: Ein weiterer Textzeuge einer alphabetisierten Tradition liegt heute in der Prager Nationalbibliothek (Cod. XXIII.E.54). Sie stammt aus dem frühen 9. Jahrhundert und lag früher in der Fürstlichen Lobkowitzschen Bibliothek (Cod. 434), weshalb die Handschrift in der Forschung auch die ‚Lobkowitzschen Fragmente‘ genannt wird. Wolfgang Haubrichs hat sie in seiner Untersuchung zur Sprache des ‚Admonter Abrogans‘ in diesem Band wiederholt konsultiert. Doch diese alemannischen Glossen, die wohl im frühen 9. Jahrhundert eingetragen wurden, spielten in der Forschung schon deshalb keine große Rolle, da es sich um ein im 13. Jahrhundert reskribiertes Palimpsest handelt, das die Schrift des 9. Jahrhundert nur sehr punktuell erkennbar hinterließ. Unter dem Wenigen, das man lesen kann, findet sich auch eine alphabetisierte Form des ‚Abrogans‘ (StSG IV, 603f., die vor Resten von Textglossaren zur ‚Benediktinerregel‘ und einem weiteren, unbekannten Text steht. Blickt man nun zusätzlich auf den ‚Admonter Abrogans‘, dann scheint die Hoffnung gerechtfertigt, auch im Prager Fall ein Glossar zu erwarten, das näher am ‚Abrogans‘ steht, als das die ‚Samanunga‘ tut. Dies umso mehr, als der ‚Admonter Abrogans‘ nicht nur viel mehr Wortschatz als die ‚Samanunga‘ berücksichtigt, sondern auch – so ein Ergebnis der in diesem Band vorliegenden Untersuchungen von Stephan Müller (vgl. S. 97–99 in diesem Band) – bislang nicht bekannten Wortschatz des Archetyps enthält. Eine geplante Untersuchung des Prager Palimpsests mit Hilfe aktueller Rekonstruktionstechnik, die das Wiener CIMA (Centre of Image and Material Analysis in Cultural Heritage) zur Verfügung stellt, soll hier weitere Klarheit bringen. Alphabetisierung bedeutet Arbeit, und zwar gleichsam philologische. Und philologische Arbeit bedeutet Entscheidung und oft auch falsche Entscheidung. Der

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‚Admonter Abrogans‘ hat Fehler des Archetyps mitgenommen, die sich auch in K und Pa finden, wie Brigitte Bulitta etwa an Ad Nr. 7 Paz uuepanti ist aufweist (vgl. S. 148 in diesem Band). Aber schon die Systematik der Alphabetisierung selbst zeigt, dass dabei zweifelhafte Entscheidungen getroffen werden können. Ein Beispiel: Das Lemma Nr. 56 lautet Dememoria, also ‚vom/aus dem Gedächtnis‘, und man muss sich fragen, wer ein solches Lemma unter dem Buchstaben D suchen würde? In der Vorlage stand wohl abolere : de memoria exclude(re). Das ist die Erläuterung eines übertragenen Sinnes von aboleo (‚vernichten, zerstören‘) im Sinne von ‚aus dem Gedächtnis ausschließen‘. Aus dieser Erläuterung entstanden dann wohl zwei weitere Lemmata, nämlich excludere und eben unser de memoria, das für sich genommen kein recht sinnvoller Glossareintrag ist, aber mit Fonagihugti in Ad passend übersetzt ist. Die Arbeit an der Alphabetisierung kam also nicht immer zu sinnvollen Ergebnissen, was aber auch zeigt, dass wir es nicht mit einer rein mechanischen Sortierungsleistung zu tun haben, sondern mit systematischer, auf die Praxis gerichteter Sprachreflexion. Doch wie dem auch sei, das Spektrum der frühen alphabetisierten Formen des ‚Abrogans‘ hat sich in jedem Fall durch den Fund des ‚Admonter Abrogans‘ verändert, und zwar durch eine Form, die diese Bearbeitungen näher an den Kern der ‚Abrogans‘-Überlieferung heranrückt und wie die ‚Samanunga‘ auf den Archetyp zurückverweist. Dieser kann zwar nicht selbst voll alphabetisiert gewesen sein, aber von ihm ausgehend wurde alphabetische Ordnung hergestellt. Wäre das Admonter Fragment nicht Fragment und wäre das Prager Palimpsest kein Palimpsest, die Gesamtsicht auf den ‚Abrogans‘ würde sich verändern. Die Alphabetisierung gehörte stärker zum Kern der Überlieferung, würde nicht als radikal gekürzte Fassung gelten und würde weniger als sekundär angesehen, sondern als gleichwertige, ja vielleicht sogar als elaboriertere Alternative zu den nicht vollständig alphabetisierten Fassungen K, Pa und Ra.

4 Der ‚Abrogans‘ – in Admont In vielerlei Hinsicht muss die Entstehung des Admonter Fragments im Dunklen bleiben. Die hier vorliegenden Untersuchungen ergeben aber doch ein Bild, das seine literatur- und sprachgeschichtliche Einordnung viel besser konturiert, als das die ersten Einschätzungen des Fundes tun konnten. Die paläographische Untersuchung von Daniela Mairhofer bildet dabei ein solides Fundament: Sie zeigt, dass wir es mit einer alemannischen Minuskel zu tun haben, die bereits eine frühkarolingische Färbung erkennen lässt. Lokal ist damit – ohne weitere Informationen – das Fragment nur einem nicht näher spezifizierbaren süddeutschen Skriptorium zuzuordnen, da die ‚alemannische Minuskel‘ ja nicht nur im alemannischen Sprachraum verwendet wurde, sondern auch in Klöstern im bai-

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rischen Sprachraum, wie Freising oder Mondsee. Immerhin kann man aber feststellen, dass der Schreibort von Ad nicht mit jenen von Pa, Ra oder K, aber auch sonst mit keinem der paläographisch näher bekannten bairischen und alemannischen Schreiborte der Zeit wie z. B. Mondsee, Freising, St. Gallen, Reichenau und Murbach identisch ist. Die Datierung führt uns ins frühe 9. Jahrhundert, in jedem Fall ins erste Drittel des Jahrhunderts und wegen der vorkarolingischen Züge tendenziell näher an 800 heran. Auch bei der Datierung ergibt sich in Relation zu den anderen Handschriften des ‚Abrogans‘ eine Aussage, nämlich knapp nach K und kurz vor Pa. Für die Einordung in die Tradition des ‚Abrogans‘ ist auch von Interesse, dass – nach Ausweis eines Abschreibfehlers – die Vorlage wohl ebenfalls in einer alemannischen Minuskel geschrieben war. Nicht nur durch diesen Abschreibfehler, sondern durch viele weitere Indizien ist der kopiale Charakter des Fragments gesichert. Das ist nicht erstaunlich, denn der Archetyp kann das alphabetisierte Admonter Fragment nicht sein, aber natürlich führt das dazu, dass der Sprachstand des Fragments immer auch der Sprachstand der Vorlage sein kann. Die Untersuchung der Sprache durch Wolfgang Haubrichs widerspricht dabei keineswegs der paläographischen Analyse und den Hinweisen auf eine Vorlage in alemannischer Minuskel. Formen, die teils auf eine Zeit vor 800 hinweisen, zeigen, dass wir damit rechnen müssen, dass sie aus der Vorlage stammen, dass andererseits aber auch vieles aktualisiert ist, und dies oft sehr systematisch. Überhaupt ist der Sprachstand zwar konservativ, aber auch regelmäßig aktualisiert, was wiederum einen sehr reflektierten Sprachgebrauch belegt. Eine genaue Einordung in den oberdeutschen Raum ließ das Material nicht zu, aber eine spannende Spur legen die Untersuchungen von Wolfgang Haubrichs doch offen, der im Vergleich mit Verbrüderungsbüchern zeigen kann, dass es im Konsonantismus (mit seinen im Bereich der Velare nördlichen Zügen) eine Nähe zu Zeugnissen aus Klöstern der Ortenau gibt, also aus dem Grenzbereich zwischen fränkischen und alemannischen Einflüssen. Das ist ein neuer Fingerzeig für die Suche nach dem Archetyp, die ja nicht abgeschlossen ist, wie uns der Neufund in Admont zeigt. Dass Ad Rückschlüsse auf den Archetyp zulässt, zeigt auch – wie von Stephan Müller (vgl. S. 98f. in diesem Band) nachgewiesen – der Umstand, dass die zusätzlichen Glossen, die Ad nicht mit Pa, Ra oder K teilt, auf die lateinisch-lateinische Überlieferung des ‚Abrogans‘ verweisen, man also nicht annehmen muss, dass sie aus zusätzlichen Quellen stammen. Sie dürften vielmehr auf den Archetyp zurückgehen, da Ad sich nicht nur mit einer, sondern immer wieder mit allen Handschriften des ‚Abrogans‘ berührt, wenngleich eine deutliche Nähe gerade von Ad und K festzuhalten ist, wie einige echte Bindefehler belegen. Im Ganzen gesehen wurde mit dem ‚Admonter Abrogans‘ ein neuer und wichtiger Baustein in der Geschichte des althochdeutschen ‚Abrogans-Glossars‘ gefunden und damit auch ein bedeutsames Element für die Frühgeschichte deutschsprachiger Schriftlichkeit. Zwar bietet das Fragment keinen neuen Wortschatz, aber immerhin einige Erstbelege.

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Das Fragment zeigt deutlich, dass wir nicht eine einfache Form des Abschreibens vor uns haben, sondern dass man im Skriptorium der Vorlage von Ad qualitätvoll im ‚Wortfeld‘ weiterarbeitete, wie sich das alleine schon in der konsequenten Alphabetisierung der lateinischen Lemmata ausdrückt. Dies alles geschah schon früh – d. h. neben und fast zeitgleich zu K, Pa und Ra – und in einer Balance zwischen systematischer Aktualisierung und der Bewahrung von Formen, die auf den Archetyp zurückverweisen. Das Admonter Fragment ist also Spur des Archetypus und eines erwachenden bewussten Umgangs mit der Volkssprache auf Pergament zugleich.

Martin Haltrich

Fundbericht zu den ‚Abrogans‘-Fragmenten in Admont Mit einigen Überlegungen zu ihrer historischen Einbettung sowie aktuellen Strategien der Erforschung klösterlicher Quellen im digitalen Zeitalter

Die Auffindung eines bisher unbekannten mittelalterlichen Textträgers ist zwar erfreulich, aber keineswegs außergewöhnlich. Diese sogenannten Zufallsfunde kommen regelmäßig im Rahmen von Erschließungs- bzw. Katalogisierungsvorhaben, Forschungsprojekten oder Restaurierungsarbeiten zum Vorschein und finden Eingang in die entsprechenden Verzeichnisse, oft folgt ein Beitrag in einschlägigen Fachpublikationen (vgl. etwa Krotz/Kaska 2016). Meistens ist es nur eine Frage der Zeit, bis Dinge auftauchen, die entweder verschollen waren, bisher nicht beachtet wurden, nicht erkannt worden sind oder falsch zugeordnet waren.1 Gründe dafür gibt es viele, in den seltensten Fällen handelt es sich um Nachlässigkeit, meistens haben sich die Forschungsfragen und -instrumente weiterentwickelt und Quellenbestände, die aufgrund ihrer Mengenmäßigkeit bisher etwa aus Kostengründen nicht im Fokus lagen, sind durch technische Entwicklungen wie z. B. der Digitalfotografie bewältigbar geworden. Vor allem im Bereich von mittelalterlichen Schriftstücken ist es durch die schnelle Verfügbarkeit von digital durchsuchbaren Editionen wesentlich leichter geworden, Texte mit wenig Zeitaufwand zu identifizieren, die im analogen Zeitalter wegen des hohen Rechercheaufwandes und der Kosten für Fotoabzüge sicherlich liegen geblieben wären.2 Vor diesem Hintergrund ist auch der Fund der beiden frühmittelalterlichen Fragmente des ‚Abrogans deutsch‘ in der Stiftsbibliothek Admont zu sehen. Als Mitarbeiter der Kommission für Schrift- und Buchwesen des Mittelalters an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien und associate researcher des an der Universität Wien angesiedelten und vom FWF geförderten Spezial-

|| 1 Ein Beispiel dafür ist etwa die im 19. Jh. durch einen Zahlendreher (XI. statt IX. Jh.) falsch datierte Handschrift R 139 im Wiener HHStA, nun der älteste Kodex des Österreichischen Staatsarchivs (vgl. Haltrich/Pollheimer 2008). 2 Das betrifft v. a. den Bereich der lateinischen Fragmente, die zu tausenden noch unbearbeitet in den Bibliotheken und Archiven liegen. Allein in der Handschriftensammlung der Stiftsbibliothek Klosterneuburg befinden sich etwa 1500 Fragmente, ebenso viele wahrscheinlich auch in Admont. https://doi.org/10.1515/9783110710786-002

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forschungsbereichs ‚VISCOM‘3 reiste der Autor im November 2012 mit einem Digitalisierungsgerät ins steirische Benediktinerstift Admont. Die Voraussetzungen für diese Reise waren vielschichtig. Einerseits war die technische Ausrüstung der ÖAW zu der Zeit bereits länger im Einsatz und vielfältig angewendet, wodurch die konservatorischen Bedenken seitens der Stiftsbibliothek ausgeräumt werden konnten. Die Skepsis gegenüber Digitalisierungsprojekten in Klöstern war damals durchaus gegeben und erst nachdem einige Initiativen vor allem im Rahmen der Webprojekte an der ÖAW erfolgreich durchgeführt worden waren, erhöhte sich die Bereitschaft, konkrete Handschriften digitalisieren zu lassen.4 Andererseits gab es durch die Digitalisierungsprojekte und Webdatenbanken der ÖAW die nötige Infrastruktur und Finanzierung für diese Arbeiten in Drittmittelprojekten. Einer dieser Aufträge bestand denn auch in der Digitalisierung von zehn Fragmenten aus Admont für das Web-Projekt ‚Hebräische Fragmente in Österreich‘.5 Zum Zweiten sollten die beiden Admonter Codices 24 und 25 als Teil des ‚Magnum Legendarium Austriacum‘ (MLA) im Rahmen des VISCOM-Teilprojekts ‚Hagiography and Monastic Networks‘ digitalisiert werden.6 Das für die Erkennung des Fundes wichtigste Vorhaben war aber eine Idee zur Entwicklung eines Web-Projekts zu den karolingischen Handschriften und Fragmenten in österreichischen Bibliotheken, in dem alle von Bernhard Bischoff in seinen Studien zu den Schreibschulen erwähnten Schriftstücke digitalisiert und im Internet zugänglich gemacht werden sollten (vgl. Haltrich u. a. 2010; Spilling 2015). Die Beschäftigung mit den karolingischen Skriptorien und die Planungen für das Projekt haben sicherlich den Blick des Digitalisierenden bzw. Autors auf die Ausprägungen der karolingischen Minuskel geschärft und die Motivation, neben den Hebraica auch die restlichen Fragmente durchzusehen, gestärkt. Immerhin befinden sich die der Forschung bisher bekannten karolingischen Fragmente des Stiftes Admont (vgl. unten, S. 18) neben den Hebraica in der gleichen von Jacob Wichner am Ende des 19. Jahrhunderts angelegten Schachtel der Signaturengruppe B || 3 Informationen zum vom FWF geförderten SFB 42 ‚VISCOM – Visions of Community: Comparative Approaches to Ethnicity, Region and Empire in Christianity, Islam and Buddhism (400–1600 CE)‘, Sprecher: Walter Pohl, 2011–2019, im Rahmen des Projekts ‚Social and Cultural Communities across Medieval Monastic, Urban, and Courtly Cultures in Medieval Central Europe‘ (Projektleitung: Christina Lutter); online unter https://viscom.ac.at/projects/late-medieval-central-europe/researchfocus/hagiography-monastic-networks (Stand: 30.4.2020). 4 Besonders hervorzuheben sind hier die Stifte Admont, Göttweig, Heiligenkreuz, Klosterneuburg, Lambach, Neustift/Brixen, St. Peter in Salzburg und Zwettl. An dieser Stelle sei dem ehemaligen Bibliothekar des Stiftes Admont Johann Tomaschek sehr herzlich für die kollegiale Unterstützung und Zusammenarbeit während der Digitalisierung des ‚Abrogans‘-Fragments gedankt. 5 Abrufbar unter http://hebraica.at. 6 Mittlerweile ist das Webprojekt zum MLA abgeschlossen und alle Handschriften des Corpus stehen unter http://mla.oeaw.ac.at zur Verfügung. Die wissenschaftliche Auswertung findet sich in Ó Riain 2015 und 2020.

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(vgl. den Beitrag von Karin Schamberger, S. 21–26 in diesem Band). Und eben in dieser Archivkiste lag nach dem letzten verzeichneten Fragment B 38 ein unbeschriebener Umschlag, in dem sich jene beiden Blätter befanden, die auf den ersten Blick als karolingisch zu erkennen waren. Beim schnellen Hinsehen waren ‚unlateinische‘ Begriffe zu erkennen, die sich sogleich als althochdeutsche Wörter entpuppten. Die tatsächliche Identifizierung als Teil der ‚Abrogans‘-Überlieferung erfolgte schließlich durch die Kollegen am Institut für Mittelalterforschung der ÖAW, die nach einer groben Einstufung die Digitalisate an die internationale Frühmittelalterforschung weitergaben.7 Die weitere Bearbeitung der Fragmente geriet – vor allem bedingt durch berufliche Veränderungen – etwas ins Stocken und es ist Stephan Müller zu verdanken, dass er im Herbst 2015 die Initiative zur tiefergreifenden Erforschung der Texte übernahm und am Institut für Germanistik der Universität Wien die in diesem Band vertretene Gruppe organisierte. Er unterstütze auch die Idee einer breiteren medialen Präsentation, die schließlich einige Aufmerksamkeit erregte.8 Es besteht der Eindruck, dass seitens der Geisteswissenschaften vor allem im deutschsprachigen Raum einiger Widerstand gegen die mediale Aufbereitung von Neuentdeckungen oder Forschungsergebnissen in aktuellen Tagesmedien vorhanden ist. Sicherlich stellt Wissenschaftskommunikation stets eine Gratwanderung dar. Ergebnisse von Fachdiskussionen, die wohlbehütet im akademischen Kontext zirkulieren und nach außen getragen werden, müssen dabei verkürzt werden – oft hat man keinen Einfluss auf die Gestaltung der Texte durch RedakteurInnen. In den seltensten Fällen können alle Fragen geklärt werden, es kann zu Falschmeldungen kommen, die schlimmstenfalls akademische Karrieren zerstören könnten. Gerade die Datierung des ‚Abrogans‘ um das Jahr 800 ist von manchen in Frage gestellt worden, weshalb einige Exponenten monierten, dass der Fund alles andere als eine Sensation sei.9 Andererseits scheint es für die mediale Berichterstattung sehr schwierig, sich von dem schon seit Jahrzehnten überholten Bild des Mittelalters als rückständige Zeit voller Brutalität und Finsternis zu lösen (vgl. etwa Raedts 2016; Rohr 2011). Welche Entdeckungen sind also berichtenswert? Die Spannung besteht

|| 7 Für den fachlichen Austausch bedanke ich mich sehr herzlich bei meinen ehemaligen Kollegen Richard Corradini, Max Diesenberger und Bernhard Zeller vom Institut für Mittelalterforschung an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und vor allem bei Wolfgang Haubrichs für die Bereitschaft, sich mit den Fragmenten auseinanderzusetzen. 8 Z. B. im ‚Spiegel‘ (http://www.spiegel.de/spiegel/kloster-admont-1200-jahre-altes-dokument-indeutscher-sprache-entdeckt-a-1147396.html#ref=rss) oder im ‚Standard‘ (https://derstandard.at/ 2000057504008/Womoeglich-aelteste-deutsche-Schriftstuecke-im-Stift-Admont-entdeckt). Eine Liste der Online-Artikel findet sich auf http://altgermanistik.blogspot.co.at/2017/05/a-newabrogans-fragment.html (Stand: 30.4.2020). 9 So etwa Karl-Heinz Göttert in der ‚Welt‘ (https://www.welt.de/kultur/article164539142/Dasaelteste-deutsche-Buch-hat-zwei-neue-Seiten.html; Stand: 30.4.2020).

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demnach in der Art und Weise, wie der Fund medial verarbeitet wird, d.h. ihn einerseits einfach zu erklären, ohne Substanz zu verlieren, andererseits die Dinge so darzustellen, dass sie auch eine interessierte Öffentlichkeit ansprechen, die nicht alltäglich mit mittelalterlichen Quellen zu tun hat. Es soll zum einen die Neugier erweckt werden, wozu vor allem seitens der Redaktionen oft für die Wissenschaft zu ‚seichte‘ Begriffe gebraucht werden, andererseits sollten sich geisteswissenschaftlich Forschende vermehrt mit der Praxis der wissenschaftlichen Kommunikation auseinandersetzen und ihre Ängste, ‚sich zu verkaufen‘, reflektieren und ablegen. Wie aber sind die neuen Fragmente für die frühmittelalterliche althochdeutsche Überlieferung zu bewerten? Wie auch immer man zu den zahlreichen Berichten in Presse und Medien stehen mag, wir finden zumindest im heutigen Österreich nur sehr wenige althochdeutsche Zeugnisse aus dem 9. Jahrhundert.10 So gut wie immer sind dabei die Umstände ihrer Entstehung und Überlieferung schwer erfassbar. Für die Admonter Fragmente könnte ein Blick auf das zeitlich und örtlich mögliche Umfeld der Entstehung sowie auf die spezifisch-lokalen Gegebenheiten im hochmittelalterlichen Admont und deren (früh-)neuzeitliche Transformation helfen, etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Die hier vorliegenden paläographischen und sprachlichen Untersuchungen erlauben es anzunehmen, dass die vorliegenden Fragmente wohl in einem frühmittelalterlichen Kloster zwischen Bodensee, Donau und Voralpenland entstanden sind.11 Große Teile dieser Region wurden politisch von der Mitte des 6. Jahrhunderts bis zum Sturz Herzog Tassilos III. im Jahr 788 von den Agilolfingern beherrscht. Während dieser Zeit wurde die bayerische Kirche durch den Missionar und päpstlichen Legaten Bonifatius in der bayerischen Kirchenordnung von 739 in vier Diözesen eingeteilt, deren Grenzen anfänglich noch nicht ganz fixiert waren (vgl. Wolfram 2003: 76–93). Ein wesentlicher Faktor in der Phase der Konsolidierung des Bayerischen Herzogtums, das sich unter Tassilo III. von Lech, Donau und Traun bis zum Zusammenfluss von Etsch und Eisack erstreckte (vgl. Wolfram 2003: 288–290), und des Aufbaus von weltlichen Herrschaftsstrukturen sowie religiösem Leben in der Zeit der Missionierung waren die Klöster mit ihren geistlichen Gemeinschaften. Das alte Herzogsgeschlecht der Agilolfinger beteiligte sich auch durch die Gründung des in der Diözese Freising gelegenen Klosters Tegernsee (um 760; vgl. Wild 2014) und der Passauer Klöster Niederaltaich (731 oder 741; vgl. Kaufmann 2014), Mondsee (748; vgl. Heilingsetzer 2001), Kremsmünster (777; vgl. Pitschmann 2001) und Mattsee (vor 783; vgl. Hermann 2001) sowie Innichen (769; vgl. Kühebacher 2001) in der Diözese Säben am Aufbau der kirchlichen Infrastruktur bzw. Landschaft (vgl. Felten 2012; Wolfram 2003: 190–198). Hier wurden Grundlagen geschaffen, die später unter

|| 10 Das ergab eine Recherche auf www.handschriftencensus.de im Oktober 2017. 11 Zum alemannischen Schriftraum vgl. Scarpatetti 2006; Maag 2014; Erhart/Zeller 2013.

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den Karolingern in den sogenannten Reichsklöstern weiter ausgebaut werden konnten. Diese Stiftungen waren nicht nur religiöse Institutionen, sondern ein wichtiges Herrschaftsinstrument Karls des Großen und später seines Sohnes Ludwigs des Frommen. Die Mitglieder der klösterlichen Konvente bekleideten Ämter am karolingischen Hof, der sich zu einem geistigen Zentrum von Bildung und Wissenschaft entwickelte (vgl. Irblich 1993: 286–295; McKitterick 2014; Oberschelp 2014). Die Propagierung von Wissen und die Hebung des Bildungsstandes im Reich gehen auf die Reichsklöster als Träger von Schulen und Stätten der Schreibkunst zurück, deren kulturelle Bedeutung in Karls ‚Epistola de litteris colendis‘ von 784/785 deutlich wird (vgl. Schieffer 2002).12 In der Entstehungszeit der neu gefundenen ‚Abrogans‘-Fragmente, also um 800, ist der Benediktiner Arn einer der zentralen Akteure in Bayern. Als Abt des fränkischen Klosters Saint-Amand steht er dem Hof Karls des Großen sehr nahe und wird von Karl selbst nach Bayern geschickt. Im Jahr 785 wird er mit der Diözese Salzburg betraut, die unter seiner Leitung zum bayerischen Kirchenzentrum ausgebaut wird. Als erster Erzbischof Salzburgs (seit 798) verfestigt er die noch fließenden Grenzen der Salzburger Diözese und bringt nach der Vertreibung Tassilos III. die alten agilolfingischen Klöster unter seine Kontrolle. Die reich dotierten Institutionen werden dem König unterstellt, der sie als Pfründe vergeben und ihnen Leistungen abverlangen kann. Über die Stellung aller Klöster im Frankenreich gibt die in den Jahren 818/819 abgehaltene Synode von Aachen Auskunft. Gemäß eines dort erlassenen Kapitulars Ludwigs des Frommen werden die Leistungen der mittlerweile in die fränkische Herrschaft eingegliederten Reichsklöster – ganz im Sinne der Reformen des kaiserlichen Beraters Benedikt von Aniane – in drei Gruppen eingeteilt. Die erste hat größere Jahresgeschenke (dona) und Kriegsdienste zu leisten, die zweite nur dona und die dritte ist lediglich zum Gebetsdienst für das Wohl des Kaisers und seiner Söhne bzw. Familie sowie die Dauerhaftigkeit des Reiches verpflichtet. Von den oben genannten Klöstern werden Tegernsee und Mondsee in der ersten Gruppe sowie Kremsmünster, Mattsee und Benediktbeuern in der zweiten genannt (vgl. Boshof 1998: 112, 121).13 Die ersten nachweisbaren Skriptorien entstehen auch in den reich dotierten agilolfingischen Gründungen, obwohl die vom ersten Salzburger Bischof Rupert gegründete und direkt neben dem Domkapitel liegende Benediktinerabtei St. Peter (696) das bei weitem älteste bayerische Kloster ist. Die rund um Salzburg liegenden Klöster sind zwar in geographischer Nähe zum Bischofssitz, allerdings

|| 12 Zur ‚Karoli epistola de litteris colendis‘ (ediert in Stengel 1956: 246–254, Nr. 166 sowie in Boretius 1883: 78f.) vgl. Haubrichs 21995: 170–226; McKitterick 1995. 13 Die ‚Notitia de servitio monasteriorum‘ sind ediert in: Boretius 1883: 349–352, Nr. 171. Nicht eindeutig geklärt ist die Rolle der Domklöster, im Fall von St. Peter in Salzburg vgl. Wolfram 2003: 78, 192; Haubrichs 21995: 160–256.

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waren diese personell über Tegernsee eher mit den westlicheren Klöstern im Bodenseeraum, auf der Reichenau und in St. Gallen verbunden. Das kann anhand der Namensaufzeichnungen in den überlieferten Verbrüderungsbüchern von St. Peter und Mondsee gezeigt werden (vgl. Heilingsetzer 2001: 875f.).14 Die Skriptorien in Mondsee und Salzburg entwickeln sich während der Agilolfinger relativ unabhängig voneinander, was vor allem an den Einflüssen der Romanen in der in Mondsee verwendeten alemannischen Minuskel sichtbar wird (vgl. Bischoff 21960; Bischoff 2 1980; CLA; Maag 2014: 127–136; Schubert 2013; Wolfram 2003: 132). In den 780er Jahren werden schließlich in Mondsee Prachthandschriften angefertigt, die dem höchsten kalligraphischen Niveau entsprechen, wie etwa der für Herzog Tassilo III. angefertigte Psalter von Montpellier (Montpellier, Bibliothèque interuniversitaire, Section Médecine, H 409 [CLA VI, 795]; vgl. Bischoff 21980: 29, Nr. 795; Heilingsetzer 2001: 876f.; Neumüller 1949; Wolfram 2003: 191), und der für die Tochtergründung Kremsmünster angefertigte Codex Millenarius maior (Kremsmünster, Stiftsbibl., CC Cim. 1), der sich heute noch in situ befindet.15 Erst durch die Ernennung Arns zum Abt von St. Peter, dann zum Bischof und schließlich zum Erzbischof von Salzburg und den Sturz Tassilos III. im Jahr 788 verschwinden die Unterschiede der Skriptorien und deren Schreibstile werden der karolingischen Minuskel angeglichen. Arn organisiert einen Transfer von Schreibern und Texten aus dem Rheinland, vor allem aber auch aus seiner an der heute belgisch-französischen Grenze gelegenen Abtei Saint-Amand, wodurch eine besonders reiche Schriftüberlieferung im Südosten entsteht. Bis zu seinem Tod im Jahr 821 soll mit 150 Codices in Salzburg die größte Bibliothek Bayerns aufgebaut worden sein – soweit die paläographischen Forschungen vor allem von Bernhard Bischoff und Elias A. Lowe aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts (vgl. Bischoff 1965b/1981: 24; Hermann/Hahnl 2002: 363–370; Maag 2014: 127–135).16 Neben Salzburg spielt Mondsee aber nicht nur für die Schriftentwicklung, sondern auch für die althochdeutsche Überlieferung eine nicht zu unterschätzende Rolle. Während Salzburg ein Zentrum der lateinischen Bibelexegese gewesen war,

|| 14 Aufschlüsse über die personellen Beziehungen nach Westen gibt der teilweise in Abschrift des 12. Jh. vorliegende Mondseer Traditionskodex (Hs. B 70 des HHStA, ediert in Rath/Reiter 1989) sowie jene von Reichenau und St. Peter in Salzburg (zuletzt behandelt von Haubrichs 2015 sowie Geuenich 1988 und 2015). 15 Volldigitalisat und aktuelle Literatur zum Codex Millenarius maior (CC Cim. 1) unter https://manuscripta.at/?ID=8509 (Stand: 30.4.2020). 16 Wie hoch das Potential der weiteren Auseinandersetzung mit der karolingischen Schriftkultur im Salzburger Raum wäre, zeigen die Aktivitäten und Forschungen in St. Gallen und der Schweiz. Dort ist nicht nur die Webdatenbank ‚Codices Electronici Sangallenses‘ (CESG, abrufbar unter http://www.cesg.unifr.ch/de/index.htm) entstanden und weiterentwickelt worden, sondern in zahlreichen Ausstellungen, Tagungen und Publikationen wurden auch differenziertere Erkenntnisse zur frühmittelalterlichen Schriftlichkeit erarbeitet.

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haben sich in Mondsee unverhältnismäßig viele volkssprachliche Textstücke erhalten (vgl. Mazal 1977: 48).17 Ein wichtiger Impuls für die Entstehung von Texten und Glossen in deutscher Sprache dürfte in den Reformen unter Karl dem Großen zu suchen sein, wie sie etwa in der ‚Admonitio generalis‘ zu greifen sind (vgl. Haubrichs 2018; Knapp 1994: 34; Kössinger 2018; Stiene 2014). Lateinische Texte werden zunehmend mit deutschen Glossen versehen und erste Segenssprüche bzw. Beichtformeln oder Gelöbnisse, die in lateinischen Büchern annotiert wurden, sind in Bayern aus dieser Zeit erhalten. Bemerkenswert ist, dass in Salzburg erst im späten 10. Jahrhundert – nach dem Jahr 987 – Glossen überliefert sind, während im alemannisch beeinflussten Bereich Bayerns, in Freising, St. Emmeram und Tegernsee, schon wesentlich früher althochdeutsche Glossen auftreten (vgl. Knapp 1994: 36).18 Die im Salzburger Bistumssprengel vergleichsweise spät einsetzende Überlieferung korrespondiert daher mit dem Befund aus dem Paderborner Repertorium, dass – abgesehen von den St. Pauler Lukasglossen19 – die einzigen bisher bekannten, bis zur Mitte des 9. Jahrhunderts verschriftlichten althochdeutschen Texte im heutigen Österreich aus dem alemannisch beeinflussten Kloster Mondsee stammen.20 Es handelt sich dabei um den sogenannten ‚Althochdeutschen Isidor‘ und die ‚Monseer Fragmente‘, die Reste einer althochdeutschen Übersetzung des Matthäus-Evangeliums, Predigten und Traktate, wie eben jenen des Isidor von Sevilla, enthalten.21 Erst kürzlich wurden in Cod. 2997 der Österreichischen Nationalbibliothek weitere Teile der in Mondsee angefertigten Handschriften gefunden (vgl. Krotz/Kaska 2016). Diese Fragmente sind die ältesten Zeugnisse einer theologischen Übersetzungsliteratur in deutscher Sprache, in der auch erstmalig auf Grammatik und geregelte Orthographie Wert gelegt wird. Das zeugt von einem neuen

|| 17 Eine kurze Zusammenfassung über die literarische Produktion im Salzburg der Karolingerzeit bieten Knapp 1994: 29–40 (mit eigenem Kapitel zu Mondsee) und Bischoff 21980: 9ff. 18 Ein Überblick findet sich bei Haubrichs 21995: 185–190. 19 St. Paul, Stiftsbibliothek, Cod. 1/8, siehe unter http://www.paderborner-repertorium.de/17808 (Stand: 30.4.2020). Die ursprünglich italienische Trägerhandschrift aus dem 5. Jh. stammt aus St. Blasien und ist erst im 18. Jh. nach St. Paul gekommen (vgl. Schatzhaus Kärntens 1991: 167, Nr. 9.32). 20 Die Recherche im Paderborner Repertorium der deutschsprachigen Textüberlieferung des 8. bis 12. Jh. (abrufbar unter http://www.paderborner-repertorium.de, letzter Zugriff: März 2018) ergibt, dass sich – abgesehen von den ‚Monseer Fragmenten‘ – in der ÖNB fünf Textzeugen aus dem 9. Jh. in Cod. 751, 1815 (9.–10. Jh.), 2997, 2681 und 2687 befinden. Die vermutlich Ende des 9. Jh. in einem oberrheinischen Skriptorium entstandene ‚Vorauer Beichte‘ ist erst im 13. Jh. ins Stift Vorau gekommen und befindet sich heute in Straßburg, National- und Universitätsbibl., ms. 2540 (vgl. Knapp 1994: 35). 21 Die ‚Monseer Fragmente‘, heute in ÖNB, Cod. 3093*, Cod. 2997 und Paris, BnF, lat. 2326 (online unter http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b84260348; Stand: 30.4.2020), Quellenzusammenstellung im Handschriftencensus unter http://www.handschriftencensus.de/11565 (Stand: 30.4.2020) (vgl. Krotz 2002, 2003 & 2013; Matzel 2004; Bergmann 2013: 204–213).

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Zugang zur Vulgärsprache, die nicht mehr nur durch einzelne Wörter glossiert wird, sondern eine eigene Übersetzungsleistung aus dem Lateinischen hervorbringt. Auch wenn die Admonter Funde wohl nicht in Mondsee geschrieben wurden, spiegelt sich in ihnen das neue Bemühen wider, die deutsche Sprache auf dem Pergament systematisch zu behandeln und damit zum Bestandteil der gelehrten Praxis in den klösterlichen Skriptorien zu machen. Die neue Schreibkultur der Karolingerzeit blieb aber nicht auf einzelne Skriptorien beschränkt. Die politische und gelehrte Kultur bildete schon im Frühmittelalter ein Netzwerk, dessen Knotenpunkte zu einem großen Teil die über das ganze Reich verstreuten Klöster bildeten. Das oben erwähnte Kloster Mondsee eignet sich als Beispiel für diese Schriftverbindungen im Südosten des karolingischen Einflussbereichs. Es ist nicht zu beurteilen, inwieweit sich die äußeren politischen Ereignisse nach dem Sturz Tassilos im Jahr 788 und der Umwandlung der Benediktinerabtei Mondsee in ein fränkisches Reichskloster auf die sprachlich-literarische Auseinandersetzung ausgewirkt haben. Auf jeden Fall pflegt man unter Abt Hunrich (788 bis ca. 800) in ökonomischer Hinsicht sowie zwischen den Skriptorien regen Austausch mit den Salzburger Institutionen. Im Jahr 803 schenkt Karl der Große das Stift dem Erzbischof Hildebold von Köln, was den kulturellen Leistungen des Konvents keinen Abbruch tat und seine regionale Bedeutung sogar steigerte. In den 830er Jahren übergibt Ludwig der Deutsche das Stift dem Abtbischof Baturich von Regensburg und spätestens Anfang des 10. Jahrhunderts versiegen die kulturellen Aktivitäten im Südosten des Reichs, als dieser Raum durch die Kämpfe mit den Magyaren für etwa 100 Jahre zu seiner äußersten Peripherie wird. Erst ab der Wende zum 11. Jahrhundert kann die Region zwischen Ostalpen und Donau wieder kleinteilig in den Bayerischen Herrschaftsverband reintegriert werden und etwa Anfang des 12. Jahrhunderts beginnt sich ein stabiles kulturelles Leben zu etablieren (vgl. Wolfram 2003: 190–195). Ähnlich wie unter den Agilolfingern und Karolingern des Frühmittelalters fungieren Klöster in der Wiederaufbauphase der bayerischen Grenzmarken im Osten nach den Ungarnkämpfen des 10. Jahrhunderts als wichtige Instrumente der Etablierung von Herrschaft. Während im Donauraum Regensburg und Passau Ausgangspunkte für Neugründungen durch Bischöfe oder Landesfürsten sind, ist das 1073 gegründete Admont als Stiftung des Salzburger Erzbischofs das neue große Zentrum in den Alpen. Mit dem reichen Dotationsgut wird unter anderem eine bestens ausgestattete Bibliothek aufgebaut, die nicht nur wegen ihrer frühen Prachthandschriften noch heute beeindruckt,22 sondern auch wegen der außergewöhnli-

|| 22 Erwähnt seien die Admonter Riesenbibeln (heute ÖNB, Cod. Ser. n. 2701 und 2702; vormals Admont, Stiftsbibl., Cod. A und B) sowie die oberitalienischen Bibeln (Admont, Stiftsbibl., Cod. C, D und E) und Legendare (Admont, Stiftsbibl., Cod. 1 und 2).

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chen Leistungen des hauseigenen Skriptoriums im 12. Jahrhundert.23 Nicht zufällig wurde der Bibliothekssaal während des 18. Jahrhunderts in dieser Dimension und künstlerischen Ausstattung ausgebaut und ist für das Stift während seiner jahrhundertelangen Geschichte und noch heute ein wesentlicher Teil der Identität und Selbstrepräsentation. Für den Aufbau einer Bibliothek ist naturgemäß der Austausch von Texten und Schreibern notwendig, was sich im 11./12. Jahrhundert nicht vom Frühmittelalter unterscheidet. Die noch vorhandenen Bücher der Altstifte wie Mondsee, Kremsmünster, St. Florian und vor allem Salzburgs, aber auch der jüngeren und schon ausgebauten Stiftungen in Bayern wurden ausgeliehen, abgeschrieben oder gekauft. Wir wissen noch wenig über die konkreten Vorgangsweisen, aber Spuren dieser Wissenstransfers sind heute noch teilweise sichtbar. Eines der wenigen derzeit bekannten konkreten Beispiele aus dem Donauraum, das nicht nur einiges des vorher Gesagten illustriert, sondern auch in Verbindung zum ‚Abrogans‘ gebracht werden kann, ist die Handschrift CCl 848 der Stiftsbibliothek Klosterneuburg (vgl. Bischoff 21980: 135f., Nr. 106; 1998: 383, Nr. 1853).24 Das lateinische ‚Abavus-Glossar‘ wird während der Zeit Arns aus einer Handschrift, die noch in Saint-Amand geschrieben worden war, in Salzburg von dort ansässigen und eingewanderten Schreibern kopiert.25 Diese dürfte in den 1130er Jahren von Propst Hartmann als ‚Doublette‘ für Klosterneuburg erworben worden sein. Hartmann, der später selig gesprochene Bischof von Brixen, war Domherr in Salzburg gewesen, bevor er 1133 erster Propst der regulierten Chorherren in Klosterneuburg wurde. Durch seine guten Kontakte holte er nicht nur gut ausgebildete Kleriker aus Bayern, sondern auch Bücher aus Passau und Salzburg in die babenbergische Neugründung an der Donau. Das vorliegende ‚Abavus-Glossar‘ zeigt sich als lateinisch-lateinische Synonymliste und verdeutlicht, wie solche Glossen und Texte in den monastischen Netzwerken zirkulieren – auch das Admonter ‚Abrogans‘-Fragment könnte wohl ähnliche Wege hinter sich haben. Diese im mittelalterlichen Alltag der Mönche so wichtigen Nachschlagewerke für Ausbildung und Studium, die ins Hochmittelalter transferiert wurden, sind im Laufe der Zeit außer Gebrauch gekommen und heute verhältnismäßig selten überliefert. Am häufigsten finden sich karolingische Schriftträger solcher Glossen und Texte heute als Makulaturen in den Einbänden oder Fälzen von Handschriften oder auch als Einzelstücke in den entsprechenden Fragmentesammlungen. Es ist die Leistung Bernhard Bischoffs, diese Quellen – oft mit Unterstützung von Handschrif-

|| 23 Bis zum Ende des 12. Jh. sind etwa 400 Kodizes erhalten, sie werden derzeit vollständig digitalisiert und auf http://manuscripta.at/m1/lib.php?libcode=AT1000 bereitgestellt (Stand: 30.4.2020). 24 Volldigitalisat auf http://manuscripta.at/?ID=1084 (Stand: 30.4.2020). 25 Auch die Vorlage der Handschrift ist in der ÖNB, Cod. 89 erhalten (vgl. Bischoff 21980: 112, Nr. 72).

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tenkundigen und Zuständigen in Bibliotheken und Archiven – systematisch zusammengetragen zu haben. In Admont hat er zum Beispiel vier Fragmente aus der Zeit Arns identifiziert26 – eines davon stammt aus Mondsee (Stiftsbibliothek Admont, Fragm. B 38). Insgesamt ergibt sich aus den Forschungen Bischoffs die Zahl von 324 Signaturen karolingischer Handschriften und Fragmente, die sich in heute österreichischen Bibliotheken befinden. Die meisten stammen aus dem Raum Salzburg, wo sich in der Bibliothek der Erzabtei St. Peter noch 25 vollständige Kodizes befinden. Der größte Teil der frühmittelalterlichen Handschriften und Fragmente wird heute in der Handschriftensammlung der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien aufbewahrt. Dorthin sind nach der Säkularisierung die Bibliotheksbestände des Stiftes Mondsee und des Salzburger Domstiftes gekommen (vgl. Haltrich/Polheimer 2008: 370f.; Haltrich u. a. 2010: 20f.; Mazal 1977)27 und dort befindet sich auch beinahe die gesamte althochdeutsche Überlieferung aus dem 9. und 10. Jahrhundert in Österreich.28 In den hochmittelalterlichen Neugründungen sind Reste der althochdeutschen Texte ausschließlich als Annotationen, Glossen oder kleinere Einträge vorhanden. In Admont etwa lassen sich nach dem ‚Abrogans‘ erst im 12. Jahrhundert ein deutsches Konversengelübde in Cod. 567, fol. 44v und einige Marginalien zu Kalendarium, Psalter und Totenoffizium in Cod. 575 und 575a finden.29 Angesichts solch weniger Spuren und komplexer Vernetzungen soll hier besonders auf jene Forschungsperspektive aufmerksam gemacht werden, der wir den Neufund letztlich auch verdanken: Gemeint ist die Arbeit an historischen Quellen mit den Möglichkeiten der Digitalisierung in Kombination mit einer verstärkten Zusammenarbeit mit den Klosterbibliotheken und -archiven. Das vertieft nicht nur die Fragestellungen auf philologischer und (lokal-)historischer Ebene, sondern kann auch neues bzw. bisher nicht beachtetes Material zutage fördern. Besonders die Überschreitung von Epochengrenzen könnte hier ein neues Verständnis unserer Wissensgesellschaft bringen. So ist etwa klar ersichtlich, dass die klösterlichen Skriptorien zwar bei Transformation der antiken Schriften ins Frühmittelalter und weiter ins 12. Jahrhundert eine aktive, fast alleinstehende Rolle spielten, allerdings im spätmittelalterlichen Medienwandel am Beginn des Buchdrucks fast ausschließlich

|| 26 Vgl. Bischoff 21980: Nr. 21, ein Predigttext, der insgesamt in sieben Blättern überliefert ist. Heute Fragm. C 121 (Zusammenstellung in Bischoff 1998: 9). Die vier sind: aus Cod. 285 (Origenes, Homilien), B 39 (Canones) und aus Cod. 244 (Beda Venerabilis, Homilien). 27 5 Hss. und 8 Fragmente sind in St. Florian, 5 Hss. und 18 Fragmente in Kremsmünster. 28 Ausgenommen ist der Bienensegen von St. Peter, Cod. a VII 3, vgl. http://www.paderbornerrepertorium.de/17722 (Stand: 30.4.2020). 29 Vgl. http://www.paderborner-repertorium.de/19659 (Stand: 30.4.2020). Das Kalendarium und Nekrolog wurden in den 1960er Jahren aus dem Psalter Cod. 575 herausgelöst und als Cod. 575a einsigniert.

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weltliche Akteure aus den Universitäten und dem städtischen Unternehmertum diese Aufgaben übernahmen.30 Es scheint fast, als ob den klösterlichen Gemeinschaften ihr Verhältnis zu den alten Kodizes abhandengekommen ist. Viele Pergamentbände wurden zu Buchbindermaterialien umfunktioniert – was auch mit der massenhaften Produktion des wesentlich billigeren Papiers zu tun hatte, das Falzverstärkungen und Spiegelblätter zum besseren Halt des Einbandes erforderte. Nachdem das Bildungsmonopol der Klöster im Hoch- und Spätmittelalter verschwunden war, spätestens aber mit der Reformation, hatten die geistlichen Gemeinschaften ihre besten Köpfe verloren und damit den Bezug zu den alten Bibliotheken, deren Handschriften kaum jemand mehr zu lesen vermochte. Bis ins 18. Jahrhundert hinein reduzierten sich die Handschriftenbestände, sei es durch Verschenken, schlechte Lagerung oder durch Eingehen bzw. Aufhebung der Klöster, die als rein kontemplative Gemeinschaften gesellschaftlich nutzlos erschienen. Erst mit der beginnenden Aufklärung begannen die mittelalterlichen Originale in der aufkommenden Ordensgeschichtsforschung wieder interessant zu werden. Die ‚Abrogans‘-Handschrift wurde aber noch zum Bucheinband verarbeitet, als in Melk bereits die Brüder Pez systematisch mittelalterliche Schriften transkribierten und in Kompendien herausgaben. Schließlich gewannen im 19. Jahrhundert auch Fragmente wieder zunehmend an Bedeutung und auf der Suche nach nationalen Identitäten begannen Handschriftenreisende nach für sie interessanten Texten zu forschen und in den neu gegründeten Publikationsformaten wie etwa der ‚Zeitschrift für deutsches Altertum‘ (ZfdA) oder ‚Minnesangs Frühling‘ (MF) der Forschung zugänglich zu machen. Aktuelle Projekte im Netz geben Hoffnung auf eine intensivere Auseinandersetzung mit der mittelalterlichen Schriftpraxis und Literaturproduktion auf Basis von Originalquellen, die das Bild des Geisteslebens weiter differenzieren könnten.31 In den Forschungen der vorigen Generation um die Paläographen Elias A. Lowe oder Bernhard Bischoff standen bis zu einem gewissen Grad Systematisierungen im Vor|| 30 Im Gegensatz zu den frühmittelalterlichen ‚Schreibschulen‘ gibt es zur Skriptorienforschung des Hochmittelalters lediglich wenige Einzelstudien (vgl. Egger 2015). 31 Um nur einige Webprojekte aus dem deutschsprachigen Raum zu nennen: ‚Codices Electronici Ecclesiae Coloniensis‘ (http://www.ceec.uni-koeln.de/), ‚Bibliotheca Palatina digital‘ (http://www.ub.uni-heidelberg.de/helios/digi/codpalgerm.html), ‚Codices Electronici Sangallenses‘ (http://www.cesg.unifr.ch/de/index.htm), Handschriften der Universitätsbibliothek Graz (http://143.50.26.142/digbib/handschriften/Ms.0001-0199/Ms.0087/index.html) oder das Österreichische Handschriftenportal http://manuscripta.at. Neuerdings: ‚Fragmentarium. Digital Research Laboratory for Medieval Manuscript Fragments‘ (http://www.fragmentarium.unifr.ch) – vgl. dazu Flüeler 2009. Derzeit läuft die vollständige Digitalisierung der mittelalterlichen Handschriften in den Stiftsbibliotheken Admont (800 Hss.) und Klosterneuburg (1250 Hss.), die 2025 abgeschlossen sein soll. Bereits 2017 wurden die Handschriften des Augustiner-Chorherrenstiftes Neustift bei Brixen vollständig digitalisiert. Neue Zugänge in der Fragmentenforschung zusammenfassend bei Sorbello Staub 2015.

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dergrund, womit auch eine vollständige und großteils abgeschlossene Aufarbeitung der sogenannten ‚Schreibschulen‘ in einer ‚quellenarmen Zeit‘ suggeriert wurde. Viele von diesen Erkenntnissen müssen wir den mit ‚fotografischem Gedächtnis‘ ausgestatteten Forschern einfach glauben, weil an Abbildungen gespart werden musste. Wir können heute durch die massenweise Verfügbarkeit von qualitativ hochwertigen Bildern ganzer Handschriften diese Zusammenhänge neu betrachten. Das einzige, das dabei systematisch sein sollte, wäre, die handschriftlichen Quellen allgemein zugänglich zu machen und den wissenschaftlichen Nachwuchs mit entsprechenden Kompetenzen auszurüsten. Und das geht am besten am Original in der Klosterbibliothek.

Karin Schamberger

Die Fragmentesammlung der Stiftsbibliothek Admont und einige Überlegungen zur Herkunft der Admonter ‚Abrogans‘-Fragmente Die Handschriftensammlung des im Jahr 1074 gegründeten Benediktinerstiftes Admont beherbergt etwa 1000 mittelalterliche Handschriften, von denen mindestens zwei Dutzend älter sind als das Stift selbst. Es handelt sich bei diesen früh- und hochmittelalterlichen Handschriften um Kodizes, die vom Gründungskonvent aus dem Mutterkloster St. Peter in Salzburg mitgebracht wurden und, wie die Geschichtsschreiber ausdrücklich festgehalten haben, um Schenkungen des Klostergründers Erzbischof Gebhard von Salzburg (vgl. Tomaschek 2000: 87). Besonders hervorzuheben sind dabei die so genannte Admonter Riesenbibel (heute ÖNB, Cod. Ser. n. 2701 und 2702; vormals Admont, Stiftsbibl., Cod. A und B) und das Evangeliar (Cod. 511)1 des Kustos Berchtolt.2 Kamen alte Pergamenthandschriften etwa durch liturgische Reformen aus dem Gebrauch, wurden sie aufgrund ihres hohen Materialwertes bis in die Neuzeit hinein wiederverwertet. Einerseits wurden die Buchstaben von den Häuten abgeschabt, um wieder Platz für neue Texte zu haben (Palimpseste), oder die Lagen wurden aufgelöst und die Stücke als Spiegel- oder Vorsatzblätter für Bucheinbände, Bundverstärkungen oder zur Stabilisierung von Buchrücken verwendet. Durch diese Art von Recycling sind zahlreiche Texte überliefert, die sonst verloren wären, wie eben die neu aufgefundenen Teile des ‚Abrogans‘, die im 18. Jahrhundert noch als Umschlag über ein Papierbüchlein geklebt wurden. Im 19. Jahrhundert erkannte man nach und nach den Wert dieser fragmentarischen Überlieferung und es wurde begonnen, die Teile aus den Trägerbänden abzulösen und in eigenen Sammlungen aufzubewahren, die oft in Zusammenhang mit Experten aus der Wissenschaft systematisch angelegt und beschrieben wurden. So auch im Stift Admont, wo der Archivar und Bibliothekar P. Jacob Wichner (1825– 1903) nach dem verheerenden Stiftsbrand 1865 umfangreiche Ordnungs- und Katalogisierungsarbeiten durchführte. Der aus Graz stammende Jacob Wichner trat 1846 in das Benediktinerstift Admont ein und absolvierte seine humanistischen Studien in Graz (vgl. Joherl 1903). Danach war er in mehreren Stiftspfarren seelsorglich eingesetzt, wo er sich auch mit || 1 Beschreibung und Volldigitalisat auf http://manuscripta.at/?ID=26339 (Stand: 30.4.2020). 2 Zur Geschichte der Bestände vgl. Handbuch der historischen Buchbestände (online unter http://fabian.sub.uni-goettingen.de/fabian?Benediktinerstift_(Admont); Stand: 30.4.2020). Ferner Naschenweng 2000: 71–188; Krause 81978. https://doi.org/10.1515/9783110710786-003

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der Abfassung von Pfarrchroniken beschäftigte. 1870 wurde er von Abt Zeno Müller als Archivar ins Stift berufen, 1875 ernannte ihn der Abt zusätzlich zum Bibliothekar und Kustos der Münzsammlung. Als Korrespondent der k. k. Zentralkommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale in Wien und Verfasser zahlreicher historischer Schriften – insgesamt 87, wovon 52 in wissenschaftlichen Zeitschriften erschienen3 – wurde er vom Historischen Verein für Steiermark zum Ehrenmitglied ernannt und erhielt die große goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft. Sein besonderes Verdienst bestand darin, dass er alle Archiv- und Bibliotheksbestände in Zettel- sowie Bandkatalogen verzeichnete. Über diese Neuordnungen berichtet er 1874 in einem Zeitschriftenaufsatz, wobei er im Bereich ‚Handschriften‘ auch Fragmente „vom 12. Jahrhundert angefangen“ nennt, die von Buch- und Aktendeckeln abgelöst worden waren (vgl. Wichner 1874: 87). Im Handschriftenmagazin der Stiftsbibliothek Admont befinden sich in zwei Stahlschränken etwa 20 Mappen und vier Kartons, die mit Handschriftenfragmenten verschiedenster Provenienz befüllt sind. Da die Erfassung der Fragmente noch längst nicht abgeschlossen ist, kann ihre Zahl lediglich auf etwa 1000 geschätzt werden, es könnten aber auch wesentlich mehr sein. Erstmals gesammelt und verzeichnet wurden die damals bekannten durch Wichner. In seinem 1887 fertiggestellten Handschriftenkatalog listet er 35 Fragmente auf, die in einem Archivkarton gesammelt wurden.4 Die In-Situ-Fragmente, also jene Teile, die noch in den Kodizes vorhanden waren, wurden nur teilweise in den Handschriftenbeschreibungen berücksichtigt. In einem Bibliotheksführer aus dem Jahr 1897 spricht P. Jacob Wichner von 40 losen Fragmenten,5 wobei er ausdrücklich Fragmente von Ezechiel und Jeremias aus dem 8. Jahrhundert nennt.6 Die Sammlung des Jacob Wichner ist überschaubar und gut dokumentiert.7 Darin finden sich einige hebräische Fragmente sowie eine Ester-Rolle,8 ein Fragment aus einem Mondseer Homiliar, entstanden um 800 (vgl. Bischoff 21980: 20f.), aber auch fünf deutschsprachige Fragmente, die erstmals im August 1927 im Auftrag der

|| 3 Darunter eine vierbändige ‚Geschichte des Benediktinerstiftes Admont‘ (1874–1880), ‚Das Benediktinerinnenstift Göß‘ (1892), ‚Kloster Admont und seine Beziehungen zur Kunst‘ (1888), ‚Kloster Admont und seine Beziehungen zu Wissenschaft und Unterricht‘ (1892) und ‚Die Stiftsbibliothek zu Admont‘ (1897). 4 Weitere Fragmente – bis zur Nr. 43 – wurden später nachgetragen. 5 „Unsere Sammlung zählt über 1100 Bände; ferner 10 Manuscripte, welche Druckwerken beigebunden sind, und 40 grössere und kleinere Fragmente in Einzelblättern“ (Wichner 1897: 35). 6 Diese sechs Blätter aus den ‚Libri Prophetarum‘, später mit Fragment B 12 signiert, stammen aus Luxeuil (vgl. z. B. Bischoff 21980: 173). 7 Sie wird heute als Fragmentesammlung B geführt. Die Fragmentesammlung A enthält Fragmente, die von buchförmigen Archivalien abgelöst wurden. 8 Dokumentiert und beschrieben in www.hebraica.at.

Die Fragmentesammlung der Stiftsbibliothek Admont | 23

Preußischen Akademie der Wissenschaften von Richard Newald beschrieben wurden.9 Das Fragment B 3, das um etwa 1300 entstanden ist, enthält spätmittelalterliche Benediktionen und Gebete sowie – als Einfügung – ein frühneuhochdeutsches Tintenrezept. 2002 hat Wernfried Hofmeister eine Edition dieses Doppelblattes publiziert (vgl. Hofmeister 2002: 335–342). Ebenfalls aus dem 14. Jahrhundert stammen ein Bruchstück des ‚Alexander‘ von Ulrich von Etzenbach (Fragm. B 38a; vgl. Bertelsmeier-Kierst/Heinig 1995) und ein Doppelblatt mit Evangelien-Perikopen (Fragm. B 36). Zwei Blätter aus der ‚Weltchronik‘ Heinrichs von München, von der sich weitere Bruchstücke im Grazer Landesarchiv befinden, datieren aus dem Ende des 14. Jahrhunderts (Fragm. B 40). Aus dem 15. Jahrhundert stammt ein Doppelblatt mit einem lateinischen Eucharistietraktat mit deutschen Interlinearglossen und Marginalien (Fragm. B 33). Die weitaus größere und weitgehend noch unbeforschte Fragmentesammlung wurde jedoch erst im 20. Jahrhundert angelegt. Im Jahre 1950 beauftragte der Admonter Stiftsarchivar und -bibliothekar P. Adalbert Krause die Restauratorin Eleonore Klee mit einer umfassenden Restaurierung der im Stift Admont aufbewahrten Handschriften. Die für das Stift St. Florian tätige Restauratorin begutachtete und bearbeitete in etwas über zwanzig Jahren etwa 840 Handschriften in ihrer oberösterreichischen Werkstatt.10 Die Restaurierungen wurden umfassend schriftlich und fotografisch dokumentiert, die damals noch In-Situ-Fragmente wurden abgelöst, mit der Signatur der Trägerhandschrift beschriftet und gemeinsam mit den restaurierten Handschriften und einem kurzen Schreiben wieder nach Admont zurückgeschickt. Die von Eleonore Klee abgelösten Fragmente wurden, geordnet nach Signatur, in Mappen, aber teilweise auch in Schachteln, gelagert. Die Mappen wurden später als Fragmentesammlung C bezeichnet.11 Am 17. Oktober 1963 beendete Eleonore Klee die Arbeit an vier Handschriften und einem Druck und schrieb an P. Adalbert Krause: Die aufgelösten Makulaturen brachten, glaube ich, nicht viel Gescheites, aber man kann ja nie wissen, ob sich nicht doch noch irgend ein Schatz zwischen den Blättern verbirgt. Ich putzte die Blätter nicht sehr gründlich, wenn es notwendig sein sollte, läßt sich das ja immer noch nachholen. (AT-ABBA Yyy-c-14)

|| 9 Vgl. dazu die Website der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, http://www.bbaw.de/forschung/dtm. 10 Insgesamt, also inklusive der Inkunabeln, Drucke und gebundenen Archivalien, bearbeitete Klee 1315 Exemplare. 11 Derzeit werden die Fragmente digitalisiert und mit einer kurzen Beschreibung über die Homepage des Stiftes Admont online zur Verfügung gestellt.

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Eine dieser besagten Makulaturen mit der Aufschrift „Ex Druck 1704“, die unbeachtet in eine Schachtel der damals schon abgeschlossenen Sammlung B wanderten, wurde erst fünfzig Jahre später als Fragment einer ‚Abrogans‘-Handschrift erkannt. Aufgrund der Beschriftung von der Hand der Restauratorin Eleonore Klee war schnell klar, dass dieses Fragment eigentlich der C-Sammlung zugeordnet werden musste. Der handschriftliche Hinweis „Ex Druck 1704“ half zunächst nicht weiter, da es keine vollständige Liste der restaurierten Handschriften und Drucke gibt. Die darunter stehende, handschriftliche Anmerkung „133. Lief[erung]“ führte allerdings zu einem Lieferschein vom 23. September 1963, der auch Beschreibungen der restaurierten Objekte enthält. Der Druck von 1704 hatte einen „ganz zerrissene[n] Pergamentumschlag“ und wurde ganz neu als Halbpergamentband gebunden (ATABBA Yyy-c-7). Die zur 133. Lieferung gehörige Rechnung enthielt auch einen Kurztitel des gesuchten Druckes: ‚Secretarius‘. Sehr aufschlussreich war ebenfalls das beigelegte Foto, das den ursprünglichen Zustand des restaurierten Buches dokumentiert (vgl. Abb. 1). Die Vorder- und die Rückseite des Druckes waren jeweils mit einem Blatt des ‚Abrogans‘-Fragmentes beklebt, der Rücken war völlig zerrissen. Das ‚NachherFoto‘ mit dem Halbpergamenteinband half wesentlich bei der Suche nach dem Buch in der Bibliothek.

Abb. 1: ‚Abrogans‘-Fragment als Einband vor der Restaurierung

Im Zettelkatalog der Stiftsbibliothek, der ebenfalls von P. Jacob Wichner begonnen worden war und bis in die 1970er Jahre fortgeführt wurde, sind unter dem Schlagwort ‚Secretarius‘ neun Werke in verschiedenen Ausgaben eingetragen, drei davon sind Nachträge von anderer Hand. Das Trägerbuch des ‚Abrogans‘ ist ohne Signatur sehr spät nachgetragen, vermutlich von P. Adalbert Krause, der von 1945 bis 1979

Die Fragmentesammlung der Stiftsbibliothek Admont | 25

Stiftsarchivar und -bibliothekar war. Es gibt zwei Erklärungen für diesen Umstand: Erstens, das Werk ist erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ins Stift gekommen und zweitens, es wurde im Zuge der Handschriftenrestaurierung irgendwo im Stift gefunden und nach der Restaurierung im Katalog nachgetragen. Für diese Theorie spricht, dass im Standortkatalog der Stiftsbibliothek bereits eine Ausgabe des ‚Secretarius‘ von 1704 eingetragen war, aber dieser Eintrag wieder durchgestrichen wurde. Das im Zettelkatalog ohne Signatur eingetragene Buch wurde irgendwann zu den anderen, bereits signierten Ausgaben beigeordnet: Es erhielt sogar nachträglich – wahrscheinlich im Zuge der Übersiedelung eines Teils der Regale aus den Galerien der Barockbibliothek im Jahr 2000 – ein Signaturenschild mit der Nummer 82A/268-270. Der Buchbestand der historischen Bibliothek im Benediktinerstift Admont setzt sich, wie die meisten Klosterbibliotheken, aus Schenkungen, Ankäufen oder Nachlässen der Mönche zusammen. Nicht immer sind die Provenienzen in das Buch eingetragen. P. Jacob Wichner führte z. B. akribische Akzessionslisten, aus denen hervorgeht, dass auch immer wieder Buchbestände aus den dem Stift inkorporierten Pfarren Eingang in die Stiftsbibliothek gefunden haben. Der Historiker P. Richard Peinlich,12 der ab 1844 als Gymnasiallehrer und von 1861 bis 1870 als Direktor im k. k. I. Staatsgymnasiums in Graz tätig war, führte ebenfalls ein Akzessionsbuch, in dem er seine eigenen Ankäufe vermerkte, die später in die Bibliothek wanderten. Der ‚Secretarius‘ war ein weit verbreitetes, praktisches und kleinformatiges Druckwerk mit Formulierungsvorschlägen für Schreiben zu allen denkbaren Gelegenheiten, von Neujahrswünschen bis zu Geschäftsbriefen. Man kann davon ausgehen, dass sich dieses Werk auch häufig im Privatbesitz von Priestern befunden hat, die die Formulierungshilfen für ihre Korrespondenz benötigt haben. Der Erwerb solcher barocken Druckwerke erfolgte meist ungebunden in einzelnen Faszikeln. Der Käufer des Buches musste sich selbst um einen Bucheinband kümmern, den er je nach finanziellen Möglichkeiten oder je nach Wert oder Verwendung bei einem Buchbinder in Auftrag gab. Die sich heute in der Stiftsbibliothek befindlichen Ausgaben des ‚Secretarius‘ sind unterschiedlich gebunden. Der Großteil besitzt einen weißen, einfachen Pergamenteinband; lediglich eine ist noch heute in Makulaturpergament13 gebunden. Dies war die billigste Art, ein Buch vor Beschädigung zu schützen. Eine Ausgabe ist ungebunden und befindet sich in einem Kartonschuber.

|| 12 Zu seinen größeren Arbeiten zählen die ‚Geschichte des Gymnasiums zu Graz‘ (1864–1871), die ‚Pest in Steiermark‘ (2 Bde., 1878) und ‚Die ältere Ordnung und Verfassung der Städte in Steiermark‘ (1879). 13 Der Umschlag wurde aus dem Blatt eines Antiphonars aus dem 14. Jh. mit vierzeiliger Musiknotation angefertigt.

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Woher könnte demnach jener ‚Secretarius‘ aus dem Jahr 1704 stammen, der der Restauratorin Eleonore Klee im Jahre 1963 von Stiftsbibliothekar Adalbert Krause zur Reparatur übergeben wurde? Der ‚billige‘ Einband spricht dafür, dass er für eine Pfarre angeschafft und dort aufbewahrt worden war. Vielleicht ist er im Zuge eines Pfarrerwechsels ins Stift gelangt und wurde dort ohne großen Verzeichnungsaufwand bei den anderen ‚Secretarii‘ eingeordnet. Auf dem Vorsatzblatt findet sich über dem Bibliotheksstempel, der seit Adalbert Krause in Verwendung war, die mit Bleistift eingetragene Nummer 409 und ein einzelner Majuskelbuchstabe M oder W. Eventuell ein Hinweis auf eine frühere Aufstellung in einer Bibliothek? Diese Signatur entspricht jedenfalls nach derzeitigem Wissen keinem der historischen Signaturensysteme der Stiftsbibliothek Admont. Wo und wann wurde der ‚Secretarius‘ mit dem ‚Abrogans‘-Fragment eingebunden? Jedes größere Kloster hat selbst eine Buchbinderei betrieben und auch im Verzeichnis der Admonter Mönche sind ab dem 15. Jahrhundert sporadisch Patres fassbar, die als Buchbinder tätig waren. Noch im 18. Jahrhundert, also zur Erscheinungszeit des ‚Secretarius‘, waren zwei Mönche im Stift als Buchbinder geführt, nämlich Lorenz Weingartner und Stefan Wolff. Gleichzeitig finden sich aber im Archiv zahlreiche Buchbinderrechnungen aus Graz und Steyr, und es ist anzunehmen, dass größere Buchbindeaktionen außerhalb des Klosters ausgeführt wurden. So findet sich eine Rechnung des Grazer Buchbinders Franz Jakob Ludwig aus dem Jahr 1711 im Bestand des Archivs und 1718 hat der Buchbinder Holzmayr aus Steyr dem Stift Admont eine Rechnung über eine Buchlieferung an Abt Anselm Luerzer ausgestellt (AT-ABBA O-139). Dennoch kann mit ziemlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der ‚Secretarius‘ von einem Admonter Buchbinder mit Makulaturpergament, in diesem Fall mit dem Stück aus dem ‚Abrogans‘ gebunden wurde. Wahrscheinlich wären dann mehrere Stücke der zerteilten ‚Abrogans‘-Handschrift im Stift als Makulatur zum Büchereinbinden vorhanden gewesen. Es sind aber keine weiteren Makulatureinbände mit diesem Text in der Bibliothek auffindbar. Befanden sich also die ‚Abrogans‘-Fragmente doch bei einem Buchbinder in Graz oder Steyr? Kam der Auftrag zum Binden des ‚Secretarius‘ überhaupt von einem Mönch des Benediktinerstiftes Admont oder wurde das fertig gebundene Buch nach Admont geschenkt? Laut den Quellen im Archiv des Stiftes Admont müssen diese Fragen offenbleiben.

Daniela Mairhofer

Der ‚Admonter Abrogans‘: Provenienz und Datierung der Handschrift Für eine Datierung und Lokalisierung des ‚Admonter Abrogans‘ ist man neben dem Sprachbefund vor allem auf die Paläographie gestellt, da jegliche internen oder externen Angaben, die hierfür aufschlussreich sein könnten, fehlen.1 Die fragmentarische Überlieferung in Form von zwei relativ kleinen pergamentenen Teilen, d. h. zwei beschnittenen Bruchstücken eines auf beiden Seiten beschriebenen FolioBlattes (zum Umfang s. unten, S. 34), erschwert allerdings die schrifttypologische Analyse: Weder nämlich deckt das bei großzügigem Zeilenabstand dreispaltig mit acht bis zwölf Zeilen erhaltene Schriftmaterial das Buchstabenspektrum vollständig ab;2 noch berücksichtigt es alle möglichen Varianten bei Buchstaben oder zeigt die ursprüngliche Fülle an Kürzungen und Ligaturen. Gebrauch und Häufigkeit von Kürzungen und Ligaturen, denen bei der Evaluierung einer Minuskel eine wichtige Funktion zukommt und von denen hier aufgrund der Überlieferung nur ein fragmentärer Eindruck gewonnen werden kann, sind nicht nur vom Minuskeltyp, von seiner Herkunft und Datierung abhängig, sondern auch von den Gewohnheiten bzw. Vorlieben der Schreiberhand. Doch auch die Textgattung mag in diesem Zusammenhang eine nicht unwesentliche Rolle spielen: Im Glossar kann, bei entsprechender Anlage, wie sie beispielsweise im Admonter Fragment vorliegt, eine Reduzierung oder gar Aufhebung der ansonsten üblichen Kürzungen gegeben sein, da nicht platzsparend geschrieben werden muss (zur Anlage s. unten, S. 35); im vorliegenden Fragment sind insgesamt vier Kürzungen erhalten (Nr. 31.2 cu(m)be, Nr. 46 Cupiosissim(us), Nr. 75 Depromuer(unt) und Nr. 78 Deo(rum); vgl. auch die Tabelle auf S. 39). Inwieweit das Ligieren vom Gattungsfaktor abhängt, kann nicht beurteilt werden;3 angesichts der bei geringem Textumfang nicht zu knappen Anzahl von Ligaturen im Fragment, die auch dem Schrifttyp und der Datierung, wie sie am Ende

||

Anmerkung: Rohfassungen dieses Kapitels wurden 2018 in London, Seminar ‚IES Medieval Manuscripts‘, School of Advanced Studies (SAS), University of London, und 2019 in Princeton, Workshop ‚Materiality, Textuality and Reading Practices‘, Princeton University, vorgetragen. 1 Vgl. den Beitrag von Karin Schamberger, S. 21–26 in diesem Band. Zur Analyse der Sprache s. den Beitrag von Wolfgang Haubrichs, S. 105–142. 2 Drei aus ursprünglich vier Spalten sind erhalten geblieben. 3 Zwar sollen Ligationen in erster Linie ein beschleunigtes, flüssiges Schreiben gewährleisten, doch es kommt ihnen auch eine platzsparende Funktion zu. In Handschriften lässt sich am Zeilenende, wo der Platz knapp wird, häufig eine vermehrte Anzahl von Ligationen feststellen; ein schönes Beispiel hierfür bietet die weiter unten besprochene Pariser Handschrift (S. 31–33). Beim ‚Admonter Abrogans‘ kann Ligieren aufgrund von Platzmangel jedenfalls ausgeschlossen werden. https://doi.org/10.1515/9783110710786-004

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des Kapitels vorgeschlagen werden, entspricht, scheint es im vorliegenden Fragment jedenfalls nicht eingeschränkt zu sein. Der Versuch einer örtlichen und zeitlichen Fixierung des ‚Admonter Abrogans‘ anhand der Paläographie kann sich allein auf zwei Säulen stützen: auf eine Gegenüberstellung mit den Minuskelschriften unter Berücksichtigung ihrer Entwicklung und auf den Vergleich mit anderem Schriftmaterial. Beiden Arbeitsschritten ist eine genaue paläographische Analyse der Minuskel im Fragment zugrundezulegen, soweit dessen Umfang eine Beurteilung derselben zulässt.

1 Die ‚Abrogans‘-Überlieferung aus paläographischer Sicht Im Zuge einer paläographischen Untersuchung des Admonter Fragments kommt man nicht umhin, einen Blick auf die ‚Abrogans‘-Überlieferung, d. h. auf die Minuskeln der Trägerhandschriften, zu werfen. Der deutsche ‚Abrogans‘ geht auf eine „etwa Mitte des 8. Jahrhunderts im oberdeutschen Sprachgebiet“ (Splett 2013: 5) entstandene Verdeutschung eines lateinischen Synonymenlexikons, des lateinischen ‚Abrogans‘, zurück; aus dieser Zeit ist kein Zeuge überliefert. Vier jüngere, in uneinheitlichen Dialekten verfasste Abschriften sind uns noch erhalten, die aus dem späten 8. und 9. Jahrhundert stammen und heute in St. Gallen, Paris, Karlsruhe und Prag liegen.4 Die drei letzteren Abschriften sind jünger und kürzer als die St. Galler Fassung. Die St. Galler und die Karlsruher Fassung gehen auf eine gemeinsame Vorlage zurück. Diese Vorlage konstituiert zusammen mit Paris (BnF, lat. 7640, fol. 124ra–132vc) den Archetypus (Splett 2013: 5).5

1.1 St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. Sang. 911 (K) Das lateinisch-althochdeutsche Synonymwörterbuch, das heute in der Stiftsbibliothek St. Gallen unter der Signatur Cod. Sang. 911 liegt, der ‚Codex Abrogans‘, ist das älteste erhaltene Buch in deutscher Sprache und zugleich eines der frühesten Bei-

|| 4 Die Prager Abschrift wird nicht zur Hauptüberlieferung gezählt, s. unten, S. 34. 5 Zu den einzelnen Abschriften s. die entsprechenden Einträge im Handschriftencensus unter http://www.handschriftencensus.de/werke/728 mit weiterführender Literatur. Eine detaillierte Einführung in die Überlieferungsgeschichte bzw. Analyse der Abschriften K, Pa und Ra bietet Splett 2009; s. auch den Beitrag von Stephan Müller, S. 87–104 in diesem Band.

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spiele für die Nutzung des römischen Alphabets zur Wiedergabe anderer Sprachen.6 Der Schrift nach zu urteilen stammt der ‚St. Galler Abrogans‘ nicht aus St. Gallen (oder Murbach): Bernhard Bischoff schreibt die vorkarolingische Minuskel, die insularen Einfluss aufweist, einem „Kloster im Südwesten des deutschen Sprachgebiets“ zu und datiert sie in die letzten Jahre des 8. Jahrhunderts (Bischoff 1977: 82).7 In St. Gallen schreibt man zum Zeitpunkt der Entstehung von K alemannische Minuskel, die von der unruhigen Minuskel des ‚St. Galler Abrogans‘ (s. Abb. 3, S. 51) weit entfernt steht. Wie alle Minuskelschriften geht auch die alemannische auf die jüngere römische Kursive zurück (Bischoff 42009: 136–147; Maag 2014: 168; vgl. auch unten, S. 46). Zusammen mit der rätischen Minuskel steht sie auf einer höheren kalligraphischen Stufe als andere Regionalschriften, wenn auch einige Ligaturen den kursiven Ursprung noch erkennen lassen.8 Charakteristische Merkmale der alemannischen Minuskel, die mit allerlei Namen bezeichnet und vom rätischen Minuskelstil meist nicht unterschieden wurde, bis Albert Bruckner ihr den heutigen Namen gab,9 sind ein breites, rundliches und etwas schwer wirkendes Schriftbild; die Oberlängen sind bei geringer Neigung wohlproportioniert, der Zeilenabstand ist weit (Daniel 1973 zit. n. Berschin 21992: 70). Die Buchstaben werden einzeln geschrieben und stehen meistens deutlich voneinander getrennt.10 Das cc-a, ein aus zwei Bögen gebildetes a, herrscht hier, wie auch in der rätischen Minuskel, vor, während unziales a eher selten auftritt.11 Die Buchstaben d und e erscheinen meist in der Minuskelform,12 letzteres kann auch die Gestalt eines ‚eingekerbten ε-e‘ annehmen, das das Mittelband übersteigt; g ist meist eine oben und unten offene Minuskel-Dreiform, mit Deckstrich: Die beiden Schleifen, die einander in einem spitzen Winkel auf der Grundlinie berühren, sind häufig gleich groß und || 6 Der ‚Abrogans deutsch‘ ist auf p. 4–289 überliefert. Zu Faksimile, Kommentar und Transkription s. Bischoff 1977. Online unter https://www.e-codices.unifr.ch/de/list/one/csg/0911 als Teil der digitalen Stiftsbibliothek St. Gallen, Codices Electronici Sangallenses (CESG) (Stand: 30.4.2020). 7 Eine sehr ausführliche Schriftanalyse ebd., S. 67–82. 8 Zu den regionalen Schriftstilen der frühkarolingischen Zeit s. z. B. Bischoff 1965a/1981: 2f.; Bischoff 1965b/1981. 9 Bruckner hat die alemannische Minuskel in den 1930er Jahren beschrieben und sie von anderen Regionalschriften (v.a. von der rätischen Minuskel) unterschieden (s. Bruckner 1931: 8; Zeller 2013: 310–312; Maag 2014: 3f., 6–8). Ich danke Sarah Hutterer, die mir Teile von Bruckner 1931 und 1936 in Form von Scans zugänglich gemacht hat. 10 Die folgende Auflistung von Merkmalen nach Maag (2014: 19); wesentlich knapper Cherubini/Pratesi 2010: 333 und Maag 2015: 164. 11 Ein frühes datierbares Beispiel von unzialem a in einer alemannischen Minuskel liefert die Urkunde St. Gallen, Stiftsarchiv, I 3 (ChLA I, 41; s. Licht 2012: 343, Anm. 26); vgl. auch unten, S. 47f. In der alemannischen Minuskel kann beim cc-a das Köpfchen des ersten Bogens auch fehlen (z. B. Bischoff 1977: 64). 12 Unziales und halb-unziales d werden generell eher selten nebeneinander verwendet; der St. Galler Schreiber Winithar beispielsweise verwendet beide Formen (s. Maag 2014: 38 & 39, mit Abb. 17; vgl. auch S. 116 mit Abb. 72 [Freising]).

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wohlproportioniert. In halbunzialer Form ohne Kopf tritt g nur vereinzelt auf (Bruckner 1931: 33). Die Schäfte von m und n sind krallenartig spitz einwärts gebogen; r steht auf der Grundlinie, in Ligaturen (außer mit i) stößt es darunter. Anstelle des links hinuntergeführten und an den Stamm angeschlossenen Deckstriches von t (rätische Minuskel; s. Bruckner 1931: 10f.) ist der Balken hier häufig nur links gebogt, oder, wenn es die Form des vorausgehenden und nachfolgenden Buchstabens erlaubt, gerade und verbindet sich mit beiden in einer waagrechten Linie (z. B. bei unzialem a und bei i); q ist offen, anstelle des Bogens links steht ein gerader Strich; hochgestelltes a und tiefgestelltes i treten ebenfalls auf wie auch, allerdings weniger häufig, doppelstöckiges c und verschleiftes o. Kennzeichnend für die alemannische Minuskel sind die angestammten r-Ligaturen, insbesondere die weit ausholende riLigatur; und, vor allem, die nt-Ligatur mit t-inversum (auch im Wortinneren), die, unabhängig von den Ligaturgewohnheiten eines Schreibers, immer auftaucht (zu den Ligaturen s. auch unten, S. 40 & 43f.). Diese kopfständige Ligatur, bei welcher der Querbalken des t nach unten verrutscht ist, kommt in insularen Schriften beispielsweise nicht vor (Lindsay 1922: I, 49). Die Ligaturen nt und et (im Wortverband) halten sich bis zum Übergang in die karolingische Minuskel. Die alemannische Minuskel, die auf ‚italienischem Hintergrund‘ entstanden sein dürfte13 und erstmals in einer St. Galler Urkunde aus dem Jahr 744 bezeugt ist (Maag 2014: 23, 168),14 war primär im Bodenseeraum im Gebrauch, bis sie von der karolingischen Minuskel endgültig abgelöst wurde. Sie wurde von in den zentralalemannischen Skriptorien der Klöster St. Gallen und Reichenau, vielleicht auch der Domschule von Konstanz ausgebildeten Schreibern geschrieben,15 ist aber, wenngleich in geringerem Ausmaß, auch für Urkunden und Codices außerhalb Alemanniens, in Benediktbeuren, Kochel, Freising (Bayern), Mondsee und dessen Filiation Kremsmünster bezeugt.16 Die St. Galler alemannische Minuskel, die im letzten Drittel des 8. Jahrhunderts an Einfluss gewinnt (CLA VII, IX), ist um 800 federführend und wird noch unter Abt Gozbert (816–837) geschrieben (Berschin 21992: 70). Stilistisch unterscheidet sich die St. Galler alemannische Minuskel nur gering von der Reichenauer (Bischoff 1965b/1981: 21f.). Ihre höchste kalligraphische Ausgestaltung

|| 13 Darauf lassen bestimmte „Ligaturgewohnheiten und die Beziehungen zu norditalienischen Zentren“ schließen (Maag 2014: 168; vgl. auch 126). 14 Zur ältesten datierbaren alemannischen Minuskel s. ChLA II, 159. 15 Zur Konstanzer Schreibschule s. Löffler 1927. 16 Die alemannische Minuskel hat sich in diesen Schriftzentren unterschiedlich lang gehalten, vgl. hierzu auch die Zusammenfassung bei Maag (2014: 168–174). Eine Karte zum Verbreitungsgebiet der alemannischen Minuskel findet sich ebd., erste Doppelseite. In St. Gallen wurde sie am längsten, fast ein ganzes Jahrhundert lang verwendet, ca. zwischen 750 und 840 (vgl. Bruckner 1936: 13; Berschin 21992: 70). Zur Problematik der Unterscheidung von alemannischer Urkunden- und Buchminuskel (in den ChLA) vgl. Maag 2014: 26.

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erreicht sie unter Abt Gozbert, in der ‚Wolfcoz-Schrift‘.17 Der Wechsel zur karolingischen Minuskel, die seit der Jahrhundertwende in St. Gallen erscheint (Bruckner 1936: 28), ist in den Zeitraum von ca. 820–840 zu setzen.18

Abb. 2: Wolfcoz-Psalter, Ps 117 (St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. Sang. 20; p. 263, Detail)

1.2 Paris, BnF, lat. 7640 (Pa) Die Entstehung der Pariser Handschrift BnF, lat. 7640, die eine Abschrift des ‚Abrogans-Glossars‘ auf fol. 124ra–132vc überliefert, wird von Bischoff in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts im Regensburger Kreis um Bischof Baturich (817–847) vermutet (Bischoff 1971/1981: 96–98; 21980: 187).19 Das sauber angelegte Glossar ist bei breiter Linierung in größerer Schrift auf der Zeile eingetragen; die deutschen Interpretamente wurden von derselben Hand zeit-

|| 17 Zum Wolfcozkreis bzw. -stil s. Bruckner 1936: 26–28; Daniel 1973: 11; Scarpatetti 1999: 48–50; Zeller 2013: 313; Maag 2014: 80–109 (mit Literatur). Im abgebildeten Wolfcoz-Psalter (St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. Sang. 20: Psalterium Gallicanum mit Cantica, um 820–830; Digitalisat unter http://www.e-codices.unifr.ch/de/list/one/csg/0020; Stand: 30.4.2020) wird von karolingischer Minuskel zur alemannischen Minuskel gewechselt; dort zeigt sich dann auch die oben erwähnte kopfständige nt-Ligatur (vgl. Abb. 2, Z. 4). 18 Der Übergang zur karolingischen Minuskel erfolgte in den Urkunden und Handschriften nicht abrupt, sondern graduell, wie die alemannisch-karolingischen Übergangsschriften zeigen (z.B. Zeller 2013: 314). Zur karolingischen Buchminuskel in St. Gallen s. z. B. Bruckner 1936: 28–31; Bischoff 1965b/1981: 21; Daniel 1973: 11–14; Berschin 1987: 9; Scarpatetti 1999: 52–55. 19 Entgegen Baesecke (1930: 10f.), der eine Entstehung des Glossars in Murbach vermutet. Die Handschrift enthält auf fol. 1ra–123vc das lateinische Glossar ‚Abavus maior‘, gefolgt vom ‚Abrogans-Glossar‘, das mit dem Buchstaben I abbricht; sie ist online auf Gallica abrufbar, unter https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b9077678f.r=7640?rk=21459;2 (Stand: 30.4.2020); s. auch BStK III, 1425–1428, Nr. 747. Die in der Folge abgebildete paläographische Analyse wurde am Original in Paris vorgenommen.

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gleich in den Zeilenzwischenraum eingefügt, in kleinerer, weniger formaler Schrift, in der sich (erwartungsgemäß) Ligaturen häufen. Zum Zwecke einer schrifttypologischen Gegenüberstellung mit dem ‚Admonter Abrogans‘ wird die knappe paläographische Analyse Bischoffs weiter ausgeführt und die Charakteristika dieser regelmäßigen karolingischen Minuskel im Folgenden aufgelistet: unziales, (fol. 131rc, Z. 9) halbunziales a; der Diphthong ae wird meist als ae oder e wiedergegeben, cedilliertes e ist selten, wobei die Cauda die Form einer eingerollten Schlinge annimmt (z. B. fol. 126va, Z. 19); Ligatur æ nur einmal, auf fol. 131bisvc, Z. 4; Minuskel-c mit ausgeprägtem Köpfchen, rundes Majuskel-C; halbunziales und unziales d (mit sehr kurzem, linksschrägem Hals) unterschiedslos verwendet, letzteres überwiegt; e ragt sowohl isoliert als auch in Ligatur bisweilen leicht über die Oberlinie des Mittelbandes hinaus, seine Zunge ist schräg; Minuskel-f lang, ff verbunden; das meist linksschräge g ähnelt der alten Drei-Form: Köpfchen gewöhnlich geschlossen, die beiden Schleifen berühren einander in einem weichen Winkel unmittelbar unter der Grundlinie; die untere Schlaufe ist größer, offen und wohlgeschwungen; bei h ist der Langschaft gerade, der kleine, leicht krallenförmige Bogen endet gewöhnlich vor der Grundlinie; m und n: Anstrich, meistens schräge Abstriche; gehenkeltes o auf fol. 128rb, Z. 6 (im lateinischen Lemma; keine Korrektur von o zu u); der Diphthong oe als oe oder e wiedergegeben; Schaft von r geht nie unter die Grundlinie; s stößt leicht unter die Grundlinie, ss unverbunden; u/v: Verzicht auf Alternativform spitzes v; u gewöhnlich gleich groß wie andere Kleinbuchstaben; x: beide Balken gewöhnlich auf der Zeile, außer in Ligatur (ex); y: punktiert, rechter Ast schwingt unter die Zeile; z: stark gekrümmte obere Horizontale, das Mittelband durchbrechend, untere Horizontale auf Grundlinie, Krümmung unterhalb. Majuskeleinmischung im Wort: gelegentlich unziales G, zweimal N ähnlich der alten Form (fol. 127rc, Z. 6; 127va, Z. 25).20 In den Glossen bisweilen hochgestelle Minuskeln (z. B. c oder i). Ligaturen: generell wenige (in den Glossen verstärkt, z. B. ni-Ligatur, fol. 124vc, Z. 7), u. a.: ct mit geknicktem Bogen, nicht zwingend; et und ex im Wort und am

|| 20 Zu dieser Form s. auch weiter unten, S. 39 in diesem Beitrag.

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Wortende, ec(t); et-Ligatur gelegentlich geschwänzt (z. B. fol. 125rc, Z. 9; in den folgenden zwei Zeilen wird aetas jeweils mit a&tas wiedergegeben); MajuskelLigatur NT (im Wort und am Wortende); re(t)-Ligatur, nicht zwingend, Schaft von r geht kaum unter die Grundlinie; Ligatur st mit hohem Bogen, der Deckstrich von t tief angesetzt. Kürzungen: insulare Kürzung für est; -l mit Kreuzstrich für -lus (fol. 124va, Z. 1); -t2 (= -tur) auch bei et-Ligatur: &2. Oberlängen meist leicht verdickt, bisweilen schräg abgeschnitten; e häufig als ae wiedergegeben.

1.3 Karlsruhe, BLB, Aug. perg. 111 (Ra) Dieser zweite Teil einer ursprünglich dreiteiligen Handschrift wird in das erste Viertel des 9. Jahrhunderts datiert. Das Glossar befindet sich auf fol. 76ra–90rb, mit zeitgleichen deutschen Interpretamenten, die, wie bei K, eingereiht sind.21 Mehrere Besitzvermerke des 13./14. Jahrhunderts verweisen auf die Benediktinerabtei Reichenau. Die Herkunft der sehr unruhigen karolingischen Minuskel,22 deren charakteristische Züge im Folgenden aufgelistet werden, lässt sich nur grob eingrenzen – auf Süddeutschland:23 unziales, gelegentlich halbunziales a; offenes und geschlossenes cc-a; der Diphthong ae meist als e wiedergegeben, æ oder cedilliertes e ist selten; doppelstöckiges c, mit ausgeprägtem, aufsteigendem Köpfchen; unziales d, selten halbunziales mit eingedrücktem Bogen; Minuskel-f lang, Zunge gelegentlich auf der Grundlinie; g dreiförmig: Köpfchen beinahe oder vollends geschlossen, die beiden Schleifen berühren einander in einem spitzen Winkel unmittelbar unter der Grundlinie; m und n: Anstrich, meistens Basen, manchmal auch nur ansatzweise; y gelegentlich punktiert. Majuskeleinmischung im Wort: häufig N, in jeder Position; R im Wort und am Wortende; unziales G im Wort. Ligaturen: generell viele, bis zu vier Buchstaben umfassend: ct, mit bisweilen geknicktem Bogen; en und ec im Wort, es, em und ex am Wortende; ti (i mit Unter|| 21 Beschrieben in BStK II, 672–675, Nr. 298; Holder 1970: 286–289. Online einsehbar unter https://digital.blb-karlsruhe.de/id/347140 (Stand: 30.4.2020). 22 Vgl. Bischoff (1971/1981: 95), der die Hand als „ungepflegten Wildwuchs“ bezeichnet. 23 Vgl. Bischoff 1971/1981: 95 (oberrheinisch, nicht Reichenau); Splett 1978: 12 („oberrheinisch aber nicht auf der Reichenau geschrieben“; nach Preisendanz bei Baesecke 1930: 17); Bischoff 1998: 343f., Nr. 1640 („Südwestdeutschland“); BStK II, 672 („wahrscheinlich in Süddeutschland, vielleicht auf der Reichenau entstanden“).

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länge), ni, mi, li; ur; NT und nt; ru, ro, ri (auch peitschenförmig), re, rt, wobei r immer auf der Zeile steht, außer bei rt; ect, ere, eri, est, rti, sti; enti, erti, teri, u. a. Oberlängen meist leicht verdickt. Hyperkorrekte Formen (z. B. Aephyfania, fol. 76ra, Z. 9). Nicht zur Hauptüberlieferung des ‚Abrogans deutsch‘ gerechnet wird Prag, Nationalbibl., Cod. XXIII.E.54, vormals Fürstl. Lobkowitzsche Bibl., Cod. 434, ein codex rescriptus: Ursprünglich von einer Hand Anfang des 9. Jahrhunderts beschrieben, wurde er Anfang des 13. Jahrhunderts wiederverwertet.24 39 Glossen aus dem ‚Abrogans-Glossar‘ sind auf vereinzelten Seiten zwischen fol. 23r und 47r noch lesbar (BStK IV, 1513). Eine Analyse der Unterschrift anhand der Digitalisate erweist sich als schwierig, da sie größtenteils von der Oberschrift verdeckt ist. Erkennbar ist eine frühe Minuskel, die hauptsächlich unziales a verwendet und die offene Minuskel-Dreiform von g; der Deckbalken von t ist geschwungen, aber nicht gebogt. Die Schrift ist einem südwestdeutschen Skriptorium zuzuordnen; um eine alemannische Minuskel, wie man sie etwa aus St. Gallen kennt, handelt es sich hier allerdings nicht (s. auch Bischoff 1971/1981: 95f.).

2 Das Admonter Fragment (Ad): paläographische Analyse Die Größe der erhaltenen Fragmentteile beträgt 92–105 × 110–117 mm (oben) und 91–96 × 97–119 mm (unten), der Schriftspiegel wird bei ursprünglich vier ca. 32 mm breiten Spalten zu je 24 Zeilen (19 davon sind erhalten) ca. 167 × 127 mm gemessen haben. Linierung wurde keine vorgenommen, womit sich die Frage nach Resten von Zirkelstichen erübrigt. Der Zeilenabstand ist relativ regelmäßig, die Zeilenführung weniger, die Wörter ‚tänzeln‘ auf einer imaginären Grundlinie.25 Haar- (verso) und Fleischseite (recto) sind aufgrund einer weniger sorgfältigen Kalzinierung relativ gut zu unterscheiden. Neben einem natürlichen Loch (recto/verso unten) zeigt der erhaltene Rest des ‚Admonter Abrogans‘ deutliche Spuren seiner Umnutzung als Bucheinband: Klebespuren und je eine von rechts 16 mm eingerissene Horizontalfalte im oberen und unteren Bereich des ursprünglichen || 24 Nach ihrer Reskribierung Anfang des 13. Jahrhunderts war die Handschrift vermutlich in Blaubeuren; ein Besitzvermerk (18. Jahrhundert) auf fol. 1r nennt die Prämonstratenserabtei Weißenau (zu Beschreibungen s. BStK IV, 1512–14, Nr. 786; Wegstein 1985: 77; Wenzel 1998: 105). Die Handschrift ist online einsehbar unter: http://www.manuscriptorium.com/apps/index.php?direct= record&pid=AIPDIG-NKCR__XXIII_E_54__1JSBOO9-cs (Stand: 30.4.2020). 25 Mit ‚Grundlinie‘ oder ‚Zeile‘ ist in der folgenden Tabelle stets die imaginäre gemeint.

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Blattes, sowie Textschaden durch Beschneidung:26 Es fehlt die erste (lateinische) Spalte auf der Vorder- und somit die letzte (althochdeutsche) Spalte auf der Rückseite;27 auch der Mittelteil des Blattes (ca. 35 mm), ehemals der Buchrücken einer Ausgabe des ‚Secretarius‘,28 ist verloren, was einem Textverlust von etwa fünf Zeilen entspricht (vgl. Müller, S. 96f. in diesem Band). Die Tinte ist stellenweise abgegriffen. Von einer Hand mit breiter Feder beschrieben, ist das Layout der Teile großzügig ausgelegt: Die althochdeutschen Interpretamente stehen den lateinischen in weitem Abstand in einer eigenen Kolumne gegenüber, ohne dass dabei ein unterschiedlicher Schriftgrad verwendet wurde. Schrifthierarchie fehlt auch in K und Ra, wo die Glossierung jeweils eingereiht ist. Nur in Pa kommt die untergeordnete Rolle des Deutschen gegenüber dem Lateinischen sowohl in Schrift als auch Layout zum Ausdruck, da hier die Glossen in kleiner, weniger formaler Schrift in die Zwischenzeilenräume eingetragen sind.29 In Ad ist das gleichberechtigte Nebeneinander von Lemma und Glosse noch auffälliger als in K und Ra, da die althochdeutschen Glossen hier eine eigene Kolumne besitzen. Die einzelnen Buchstaben bewegen sich in einem Rahmen von 7 mm. Satzinitialen finden sich keine, ebensowenig wie Rubrizierung, Marginalien oder Korrekturen (radierte Stellen, Einritzungen, Federkorrekturen, Umstellungen, udgl.). Der gesamte Schriftbestand ist original, ohne spätere Nachträge. Auch Tinten- und Federwechsel sind nicht zu beobachten. Auf beinahe jedes Wort folgt ein Punkt auf mittlerer Höhe; vier Wörter werden außerdem durch einen solchen Hochpunkt in ihre lexikalischen Bestandteile zerlegt (Nr. 40 Cuius . piam .; Nr. 41 Cuius . libet . : Souuelies . luste .; Nr. 45 Mu . uuerf .). Die folgende Tabelle verzeichnet eine genaue Analyse der Gestalt der im Fragment erhaltenen Buchstaben und -verbindungen, in alphabetischer Reihenfolge:30

|| 26 Das betrifft den inneren Rand des ursprünglichen Blattes. Zur Einbandmakulatur s. den Beitrag von Karin Schamberger, S. 21–26 in diesem Band. 27 S. Anm. 2. 28 Admont, Stiftsbibl., Schrank 82A, Nr. 268-270-12° (s. S. 25 in diesem Band). Der Einbandrücken war bereits vor der Abnahme des Einbandes beschädigt, vgl. S. 24, Abb. 1. 29 Eine Interlinearglossierung war in Pa von vornherein geplant, die Seiten sind entsprechend eingerichtet worden (s. auch Bergmann 2000: 82). 30 Hier wurde bewusst darauf geachtet, den Formenbestand des Buchstabenkanons nicht schrifttypologisch zu definieren. Erst im darauffolgenden Abschnitt werden einzelne Buchstaben ihrer Form nach einer Minuskelgattung zugeordnet. Einträge in der Tabelle, die sich auf Majuskeln beziehen, sind explizit als solche gekennzeichnet; ansonsten ist stets von Kleinbuchstaben die Rede.

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a

unziales a (61×),31 cc-a (16×), oc-a (3×) unziale Form: linksschräger, leicht geschwungener Rücken, mehr oder weniger auf der

Grundlinie umgebogen; das hängende Bäuchlein, eher tief angesetzt und geschlossen (vgl. unten, S. 47 mit Anm. 70), liegt gewöhnlich auf der Grundlinie auf cc-a: mit Köpfchen auf beiden Bögen; in den meisten Fällen außerhalb einer Ligatur, jedoch stets mit dem vorausgehenden Buchstaben verbunden32 oc-a: folgt auf g und f, mit denen es jeweils verbunden ist33 ae

Diphthong durch e wiedergegeben

an

Ligatur: hochgestelltes sichelförmiges a, vertikal auf den ersten Schaft von n aufgesetzt

b

nicht merowingisch, Langschaft gerade; Bogen geschlossen, sitzt nicht auf der Grundlinie

c

mitunter doppelstöckig, gewöhnlich nur leicht gekerbt; Köpfchen des einfachen Minuskel-c gebogen Majuskel-C sowohl rund als auch eckig

ct

Ligatur;34 hoch und breit, mit rundem Bogen

d

halbunzial (gerade), der Langschaft stößt nicht unter die Zeile; hängendes, ovales Bäuchlein; unziales (rundes) d nur im Anlaut, als Majuskel

e

halb-unzial, ragt auch isoliert meist über die Mittellinie hinaus; Zunge häufig leicht schräg, am Wortende lang und gewellt

ec

Ligatur (im Wort)

et

Ligatur (im Wort und am Wortende)

f

halb-unziales f, meist ungewöhnlich lang; Zweig oder Sporn (auf Mittellinie) häufig mit nachfolgendem und/oder vorausgehendem Buchstaben verbunden Majuskel F am Wortbeginn tief gesetzt: erster Zweig auf oder oberhalb der Mittellinie, zweiter auf oder unterhalb der Grundlinie

ff

verbunden; das erste f ordnet sich dem zweiten nicht unter

|| 31 Das a am Ende von Nr. 15 Gilaupta und Nr. 32.1 Cruria sowie in Nr. 38 Hlauft lese ich unzial. 32 Eine Ausnahme bildet hier vermutlich Nr. 9 Furnoman, wo cc-a isoliert von m zu stehen scheint. Eine echte Ligatur mit dem vorausgehenden Buchstaben geht cc-a beispielsweise in Nr. 24 Crata ein. 33 Nr. 42 Fogal, Nr. 52 Denegat und Nr. 53 Gifastinot. 34 Die Ausnahme in Nr. 54 Delectabilia, wo e und c eine Ligatur bilden und t gesperrt steht.

Provenienz und Datierung der Handschrift | 37

g

zwei Formen, die ineinander überzugehen scheinen; jeweils kurzer Deckstrich nach rechts, Köpfchen grundsätzlich geschlossen: offene, leicht nach hinten gezogene Schlaufe mit Knickung (ähnlich oben geschlossener Drei-Form) offene, runde Schlaufe, keine scharfe Knickung; Buchstabe kann gestaucht wirken (ähnlich oben geschlossener Neun-Form)

h

Langschaft gerade; Bogen meist klein und leicht krallenförmig, endet mehr oder weniger auf der Grundlinie

ht

Ligatur, wie nt (s. unten), im Wortinneren; der Kopfstrich des t-inversum am unteren Teil des Bogens von h angesetzt

i

kurz, das Mittelband nicht über- oder unterschreitend; leichter An- und Abstrich; zur Ligatur mit r s. unten

i-longa

nicht vorhanden

k

nur in Majuskelform; Langschaft mit waagrechtem Anstrich; Zangenbacken: nur linke minimal gekrümmt; linke Backe auf rechte aufgesetzt

l

Langschaft des Minuskel-l bisweilen leicht linksgeneigt; häufig auf der Grundlinie umgebogen und nach oben gezogen

ll

verbunden; Unterordnung des ersten unter das zweite und umgekehrt

m, n

Anstrich; meist spitz zulaufende, leicht krallenförmig nach links einbiegende Schäfte; letzter Schaft gewöhnlich etwas kürzer

nt

kopfständiges t; Wortinneres und -ende; der Kopfstrich des t-inversum bisweilen am unteren Teil des Schaftes von n und nicht an seinem Ende angesetzt

o

meist rund, gelegentlich oval, stets ungeschwänzt

oe

Diphthong nicht vorhanden

or

bisweilen Ligatur, mit rundem r (auch außerhalb der -orum-Kürzung)

p, q

Köpfe geschlossen; Unterlänge jeweils gerade, Ausläufer von q und gelegentlich von p leicht angespitzt; p ist einfach (d. h. der Bogen nicht spitz), mit einem leichten Anstrich

r

Schaft geht unter die Grundlinie, auch außerhalb von Ligaturen; nur in (r)ri-Ligatur mit Bogen steht r auf der Zeile; der Schulterstrich ist flach geschwungen und berührt meist den Folgebuchstaben

38 | Daniela Mairhofer

ra

meist Verbindung: Schulterstrich des tiefen r verbindet sich rechts mit cc-a; Ligatur: Der nach unten geführte Schulterstrich bildet den unteren Teil des ersten Bogens von cc-a

re

meist Ligatur: tiefes r, manchmal gespalten, einmal mit Horn; e auf dem zuerst aufgeworfenen, dann steil nach unten geführten Schulterstrich angesetzt und mehr oder weniger bis auf die Grundlinie geführt Verbindung: Schulterstrich verbindet sich beispielsweise mit der Zunge des e

ri

meist Ligatur: kurzes r, der Schulterstrich holt kurz nach oben aus und verbindet sich in der Folge in einer scharfen Umbrechung mit dem Schaft des i in einem Bogen; der geschwungene Bogen von i stößt unter die Zeile bis tief nach unten und ist bisweilen sehr ausgeprägt, mit Abschlusshäkchen ansonsten Verbindung: langes r, der nach rechts gewellte Schulterstrich verbindet sich mit i

ro

Ligatur, mit und ohne Horn

rr

Verbindung; beide r unterschreiten die Grundlinie, außer in rri

rri

Ligatur (mit i): beide r verbunden, das zweite hoch mit aufgeworfenem Schulterstrich

rt

Verbindung, Schulterstrich wellenförmig als Deckbalken des t weitergeführt

ru

Ligatur, nicht zwingend; u ist v-förmig, die linke Seite ist die Verlängerung des nach unten geführten Schulterstriches

s

langes s mit vornehmlich kurzer Unterlänge; in Ligatur mit t kann der Schaft bis weit unter die Grundlinie stoßen

ss

keine Verbindung; meistens Unterordnung des ersten unter das zweite s

st

Ligatur; steil nach oben, allerdings nicht sehr hoch gezogen: Ein weicher, schmaler Bogen verbindet die Krümme des s mit dem hoch angesetzten Schaft des t; Deckstrich von t nach links mit s verbunden

t

Deckstrich leicht gewellt, nicht in einem Bogen nach links in Richtung (oder bis auf) Grundlinie herabgezogen; Schaft gerade, auf der Grundlinie umgebogen

ti

Verbindung (außer bei vorausgehendem n); i bleibt auf Grundlinie (hartes ti)

tor

Verbindung mit oR-Ligatur (s. oben)

u/v

Verzicht auf Alternativform spitzes v (außer in Ligatur ru, s. oben); u ähnlich verstümmeltem c (ohne Köpfchen, mit kurzem, auf der Zeile umgebogenem Rumpf) + i; gewöhnlich etwas kleiner als a, e, n, o

Provenienz und Datierung der Handschrift | 39

x

Linksschräge auf der Zeile, Rechtsschräge ein bis unter die Grundlinie geschwungener

Schenkel mit Häkchen nach rechts oder Verdickung; in einem Fall ist der zweite Teil des rechtsschrägen Balken versetzt an die Linksschräge angesetzt y

nicht erhalten

z

meist breit ausladend, mit gekrümmten ‚Waagerechten‘; Durchbrechung des Mittelbandbereiches mitunter oben, immer unten

zz

vermeiden sich

Kürzungen35

-ũ-: -um- (Nasalkürzung über Vokal) -m’: -mus (Suspension durch Apostroph) -r̃: -runt (Suspension durch geschwungenen horizontalen Strich) -oR mit Kreuzstrich: -orum

Die Analyse der vorhandenen Buchstaben und ihrer Verbindungen liefert folgendes (wenn auch, wie weiter oben bereits erläutert, eingeschränktes) Bild: Die Synthese von Federzügen ist generell auf zwei und oder drei Minuskelbuchstaben beschränkt. Ligaturen aus zwei Majuskelbuchstaben oder aus einem Minuskel- und einem Majuskelbuchstaben sind im Fragment nicht gegeben (von der üblichen oR-Ligatur abgesehen). Majuskeleinmischung im Wort ist ebenfalls nicht vorhanden: Alle erhaltenen Majuskelformen beschränken sich jeweils auf den Beginn eines Wortes. Interessant sind in diesem Zusammenhang zwei Buchstaben: Bei N handelt es sich um die ‚normale‘ (d. h. dem modernen N entsprechende) Gestalt, die, wie in der karolingischen Minuskel üblich, nicht aus der zentralen Spur tanzt; älter wäre Majuskel-N mit tief nach unten gezogenem ersten Schaft und einem auf der Grundlinie liegenden Querbalken. Die Majuskel C erscheint in zweierlei Form, eckig und rund, wobei das Nebeneinander beider Schreibweisen keiner Regel unterliegt, d. h. die Verwendung einer der beiden Formen von C ist nicht etwa an einen bestimmten nachfolgenden Buchstaben gekoppelt. Die eher ungewöhnliche eckige Form dürfte auf eine Auszeichnungsschrift in Capitalis oder einer Mischschrift zurückgehen, wo die Formen des Musteralphabets nicht mehr beherrscht wurden.36 || 35 Konkret betrifft das Nr. 31.2 cu(m)be, Nr. 46 Cupiosissim(us), Nr. 75 Depromuer(unt) und Nr. 78 Deo(rum). 36 Derartige Schwankungen bei Buchstabenformen sind in Auszeichnungsschriften häufig zu beobachten; ein Beispiel für eine solche Mischmajuskel, wo die Formen der Capitalis-Schriften nicht mehr beherrscht und mit denen der Uncialis vermischt wurden, wobei auch beispielsweise eckiges C auftritt, liefert Stuttgart, WLB, HB II 54, fol. 121r (s. IX in.). Vgl. auch die für die erste Produktionsphase des Lorscher Skriptoriums (bis zur Jahrhundertwende) charakteristische Auszeichnungsschrift, die ‚stäbchenförmige Capitalis rustica‘, die ebenso zwei Formen des C, ein rundes und ein eckiges, aufweist; letzteres sollte der Streckung der Schrift dienen (s. Becker/Licht 2016: 6 und Tafel 15: linke Spalte, ‚Explicit‘ und ‚Incipit‘). S. hierzu auch unten, S. 58 mit Anm. 113.

40 | Daniela Mairhofer

Doppelformen von Minuskelbuchstaben sind, mit Ausnahme von a, das in dreifacher Variation erscheint, doppelstöckigem bzw. einfachem c und tiefem bzw. auf der Grundlinie stehendem r nicht erhalten.37 Der Diphthong ae wird stets mit e wiedergegeben, hat den Stand der e caudata also noch nicht erreicht, oder zumindest ist cedilliertes e im Fragment nicht überliefert. Neben dem üblichen Ligaturenkanon – den kontinentalen Ligaturen ct, st (s. Lindsay 1922: I, 52f.)38 und der Ligatur et, die insofern hervorsticht, als sie nicht nur am Wortende, sondern auch im Wortinneren auftritt (s. unten, S. 49 mit Anm. 79) –, erscheinen die (übliche) oR-Ligatur und ec.39 Der Buchstabe r wird gewöhnlich entweder ligiert oder mit dem nachfolgenden Buchstaben verbunden: Ligiert wie auch unligiert stößt er stets unter die Grundlinie (außer in (r)ri; s. unten). Der leicht gewellte Schulterstrich ist waagrecht geführt und berührt alle nachfolgenden Buchstaben mit Ausnahme von s, zu dem r weiten Abstand hält, und in einem Fall auch von n (Nr. 38 Cursum und Nr. 9 Furnoman). So ist auch bei der Buchstabenkombination rt beispielsweise mehr von einer einfachen Berührung als von Ligatur zu sprechen, die der typisch karolingischen Ligatur keineswegs entspricht.40 Ligaturen mit r sind zahlreich vorhanden und betreffen konkret die Buchstaben a, e, i, o und u. Am meisten ausgeprägt ist dabei die Ligatur mit i: Neben der unauffälligen Verbindung ri, wo sich die Schulter des langen r waagrecht mit i verbindet, findet sich häufiger die augenfällige peitschenförmige (r)ri-Ligatur, bei der allein r kurz ist, also auf der Grundlinie steht (vgl. oben): Der Schulterstrich wird aufgeworfen, und in einer scharfen Umbrechung der Schaft des i im Bogen ausgepeitscht; der geschwungene Bogen von i stößt unter die Zeile und reicht bis tief nach unten, mitunter in sehr ausgeprägter Form und mit Abschlusshäkchen. Diese Ligatur ist charakteristisch für kontinentale, nicht jedoch für insulare Minuskelschriften (Lindsay 1922: I, 29). Zwei Ligaturen stechen besonders hervor: an mit hochgestelltem sichelförmigen a (in Nr. 7 Paz uuepanti ist) und die charakteristische, mit einem gestürzten t gebildete nt-Ligatur, die im Fragment sowohl im Wort als auch am Wortende erkennbar ist und weiter oben bereits als Kennzeichen der alemannischen Minuskel besprochen wurde (z. B. in Nr. 4 Uuannentem und Nr. 22 Cruentem). Gleichermaßen ist auch die ungewöhnliche Ligatur ht in Nr. 46 Ginuhtsamota aufgebaut, welche die obere Versoseite des Fragments zeigt: Ihr Erscheinen ist aufgrund der Buchstaben-

|| 37 Den Buchstaben g schließe ich hier bewusst aus, da es sich nicht um echte Alternativen handelt, sondern um zwei Formen, die mitunter schwer voneinander zu trennen sind und auch ineinander überzugehen scheinen. 38 st und ct (mit der Ausnahme von Nr. 54 Delectabilia, s. Anm. 34) werden im Fragment immer ligiert. 39 Die Buchstabenkombination -ex-, deren Ligatur man angesichts des ligierten ec erwarten könnte, ist im Fragment nicht überliefert. 40 Eine Abbildung derselben z. B. in Bischoff 42009: 153.

Provenienz und Datierung der Handschrift | 41

kombination in einem lateinischen Wort nicht zu erwarten. Dass ht in Nr. 57 Fehtanti nicht ligiert wurde, mag an dem folgenden cc-a liegen, das, wenn es schon nicht mit dem vorausgehenden Buchstaben ligieren kann, so doch zumindest von ihm berührt werden will. Beim assibilierten Laut -ti- vor Vokal steht nicht etwa ein t oder ein ‚verkehrtes Beta‘ mit unter die Zeile stoßendem i, sondern eine einfache Verbindung von t mit auf der Grundlinie stehendem i (in Nr. 63 Deuotione).41 Eine i-longa im Wort ist im Admonter Fragment nicht erhalten und auch kaum zu erwarten.42 Die vier im Fragment sichtbaren Kürzungen sind herkömmlich und betreffen – wenig verwunderlich – ausnahmslos lateinische Wörter (Nr. 31.2 cu(m)be, Nr. 46 Cupiosissim(us), Nr. 75 Depromuer(unt) und Nr. 78 Deo(rum)).43 Interessant in diesem Zusammenhang ist die Suspension durch einen Apostroph bzw. ein halbmondförmiges Häkchen/verkehrtes c hochgestellt in Nr. 46 Cupiosissim(us): Antiquierter als der Apostroph (-m’), der nicht das tachygraphische -us-Zeichen ist, sondern für eine Reihe von Endungen stehen kann (s. Lindsay 1915: 382),44 ist die (kontinentale) Kürzung durch einen den verlängerten Endstrich von m kreuzenden Schrägstrich (ꝳ), die allerdings bald aus der Mode kam (vgl. z. B. Foerster 1916: 104f.). Zur Orthographie der lateinischen Lemmata in Ad ist folgendes zu vermerken: Für den Diphthong ae wird e geschrieben, der Diphthong oe ist nicht vorhanden (s. oben, S. 37). Orthographische Eigentümlichkeiten umfassen weit verbreitete Vokalverschiebungen: die im Vulgärlatein übliche Senkung von zu in Nr. 69 Deneque (denique), Nr. 60 Deescens (de(h)iscens, mit intervokalischer h-Aphärese, s. Stotz 1996: III, § 120.1), Nr. 27 Crespat (crispat) und Nr. 58 Deiudicat (diiudicat),

|| 41 In vielen Regionalstilen, so auch in der alemannischen Minuskel, beispielsweise, wird häufig die kontinentale Ligatur in der Form eines umgedrehten epsilonartigen t bzw. eines „verkehrten Beta“ (vgl. z. B. Lindsay 1922: I, 51) und einer unter die Grundlinie reichenden i-longa verwendet, um einen assibilierten Laut von einem unassibilierten zu unterscheiden. Im Fragment liegt eine einfache ti-Verbindung vor, wobei der Deckstrich und der Fuß von t den Schaft von i berühren. 42 In dieser Position ist sie in der alemannischen (s. Bruckner 1931: 33; 1936: 21) und karolingischen Minuskel selten; ein Beispiel für die i-longa im Wortverband in einer ausgereiften karolingischen Minuskel in Mairhofer 2014: 350 (2. Hand). 43 Bei deutschen Texten wurde allgemein sehr zurückhaltend gekürzt (vgl. Bischoff 21957: 436f.). 44 Beispielsweise kann der Apostroph (nach t) auch für -tur stehen: Diese Kürzung ist für die zeitliche Einordnung einer Minuskel nicht unwesentlich, da sie antiquierter ist als t mit hochgestellter 2Form (vgl. Lindsay 1915: 372–78; Rand 1927; Jones 1932: 12f., mit Anm. 5); letztere ist allerdings nicht „wohl kurz vor 800 im Umkreis des Hofes“ erfunden worden (Bischoff 42009: 152; s. auch Bischoff 1957: 435f.; Cherubini/Pratesi 2010: 367f.), da sie bereits wesentlich früher auftaucht, z. B. in der Maurdramnusbibel (s. Becker/Licht 2016: 8). Selbstverständlich müssen auch bei der Durchsetzung der neueren 2-Form, die in erster Linie die Unterscheidung von -us und -ur erleichtern sollte, regionale Unterschiede berücksichtigt werden (vgl. Becker/Licht 2016: 8f.). Im Fragment ist keine auf -tur auslautende Wortform erhalten.

42 | Daniela Mairhofer

Nr. 71 Deuellemur (devellimur) und Nr. 72 Deterremur (statt deterrimum; s. Stotz 1996: III, § 28f. und auch unten);45 oder die hyperkorrekte Hebung von zu : Nr. 35 Crutinam (cortinam; s. auch unten) und Nr. 48 Custus (custos; s. Stotz 1996: III, § 41); weiters den Schwund von auslautendem m in Nr. 68 Demu (demum),46 wobei hier natürlich auch der Nasalstrich der Vorlage übersehen worden sein könnte; oder die Umkehrung der Sonorisierung, der Wechsel von zu

zwischen zwei Vokalen in Nr. 67 Deliputus (delibutus; s. Stotz 1996: III, § 218.1). Nicht ungewöhnlich, aber wohl seltener ist das Eintreten von für vor einem sonoren r in Nr. 24 Crata (grata; s. Stotz 1996: III, § 177.6f.).47 Bei Nr. 63 Deuotione wird ti für den assibilierten Laut verwendet, d. h. die Assibilierung von ti zu ci ist nicht durchgeführt. Während derartige Verschiebungen wie auch die in Nr. 76 Detullerunt gegebene Verdoppelung von intervokalischem l im Mittellatein keineswegs ungewöhnlich sind, ist bei dem Wandel von zu in Nr. 77 Depis (dapis) mit einer Verschreibung zu rechnen,48 wie auch bei Nr. 22 Cruentem (cruentum), Nr. 72 Deterremur (deterrimum; s. auch oben), Nr. 74 Depromunus (depromunt)49 und den Buchstabenvertauschungen (ru statt ur) in Nr. 32.1 Cruria (curia) und Nr. 35 Crutinam (curtinam bzw. cortinam; s. auch oben). Ein Silbenausfall ist in Nr. 44 Cupitas (cupiditas) gegeben. Auch bei Nr. 31.2 cu(m)be muss es sich angesichts des deutschen Interpretaments um einen Fehler handeln (s. Edition, S. 73): Wahrscheinlich wurde bei (in)cumbere der Vorlage das Kürzungshäkchen beim Infinitiv ((in)cūb’e) übersehen.50 Entweder handelt es sich hier um ein Derivat (cumbere statt incumbere; s. Edition, S. 73f.), oder aber der Ausfall von in- ist quasi haplographisch zu erklären, bedingt durch die Ähnlichkeit der Endung -ui mit dem Präfix in-. Bei Nr. 33 Cunctassis liegt wahrscheinlich eine Verschreibung aus cunctans sis vor, wobei das n ausge|| 45 Nr. 71 Deuellemur: Hier könnte auch eine im Mittellatein nicht unübliche Verschiebung der Konjugationsklassen vorliegen; Nr. 72 Deterremur ist verschrieben aus deterrimum (s. Edition, S. 85). Die Form Nr. 79 Desapit (klass. desipit) geht wohl auf eine Verschiebung von zu zurück (vgl. Stotz 1996: III, § 31); sie ist in Blaise 1975 belegt. 46 Romanischer bzw. vulgärlateinischer Obliquus (Stotz 1996: III, § 245); s. auch Edition, S. 84. 47 Eine einfache Buchstabenverwechslung ist hier wohl auszuschließen: Zwar können c und g in Minuskelschriften nicht miteinander verwechselt werden, umso mehr aber unziale Majuskelbuchstaben: Ist die Cauda von G nicht besonders ausgeprägt oder aus irgendeinem Grund nicht mehr deutlich erkennbar, kann sie leicht übersehen und der Buchstabe G folglich als C verlesen werden. Im Fragment allerdings – und sehr wahrscheinlich auch schon in der Vorlage – ist im Anlaut von Crata ein eckiges C gegeben. 48 Zum Wandel generell s. Stotz 1996: III, § 4; eine Analogiebildung oder aussprachebedingte Verwechslung ist hier auszuschließen. 49 Hier ist offensichtlich das kopfstehende t der ursprünglichen nt-Ligatur der bzw. einer Vorlage falsch als Kreuzstrich durch den Ausläufer von n (= -nus) verstanden worden (vgl. Bischoff 1977: 75 [zu K]). 50 Ein ähnlicher Fall liegt auch in Nr. 64 Dedunt vor, wenn beim Lemma nicht von der Präsensform dedunt (von dedere), sondern von der Perfektform dederunt (von dare) ausgegangen wird: Hier könnte ebensogut das Kontraktionszeichen übersehen worden sein (ded'unt).

Provenienz und Datierung der Handschrift | 43

fallen ist.51 Fehlerhafte Worttrennung tritt bei Nr. 56 Dememoria (de memoria), Nr. 73 Demalo (de malo) und Nr. 49 Culicusgenus (culicum genus) auf, wo überhaupt ein Schreibfehler vorliegt;52 der umgekehrte Fall in Nr. 51 De est (deest). Fehlende Assimilation oder Dittographien sind bei den lateinischen Wörtern im Fragment nicht zu finden; zu Buchstabenausfall und Haplographie s. oben, S. 42.53 Zwar ist der Anteil von Schreibfehlern und Flüchtigkeiten im Fragment nicht sonderlich hoch und, mit einer Ausnahme (Nr. 31.2 cu(m)be), auch keines der erhaltenen lateinischen Wörter so entstellt, dass es einen falschen Sinn ergibt; allerdings wurden viele der hier vorhandenen orthographischen Eigenarten bzw. Vulgarismen, wie z. B. die phonetische Opposition zwischen und , und oder die Verwendung von

statt , durch die karolingische Reform weithin wiederhergestellt. Eine genauere zeitliche Eingrenzung lässt diese Feststellung zwar nicht zu, da sich die Anhebung des Schreibniveaus regional unterschiedlich schnell vollzog; doch sprechen Orthographie und Schreibfehler zumindest für eine Datierung vor die Anhebung der Textqualität durch die karolingische Correctio an dem Entstehungsort des Fragments.54 Ein Schreibfehler (Nr. 74 Depromunus statt depromunt) deutet außerdem darauf hin, dass die bzw. eine Vorlage in alemannischer Minuskel geschrieben war.55

2.1 Alemannischer Einfluss Wie aus der vorausgehenden Tabelle ersichtlich ist, weist die Minuskel im Fragment zahlreiche alemannische ‚Symptome‘ auf, die in der Folge zusammengefasst und bewertet werden sollen. Als wichtigstes alemannisches Element fällt sofort die liegende nt- (bzw. ht-) Ligatur im Wort ins Auge: Auf einer (mehr oder weniger) horizontalen Verlängerung

|| 51 Vgl. auch Edition, S. 75, wo mehrere Erklärungen für die Form Cunctassis aufgelistet werden. 52 Möglicherweise ein Augensprung: Vgl. Custus der übergeordneten Zeile. 53 Keine orthographische Besonderheit oder Verschreibung liegt bei Nr. 75 Depromuer(unt) vor, wo von vornherein die falsche Perfektform gewählt wurde. 54 Die ‚Admonitio generalis‘ aus dem Jahr 789 stellt den umfangreichsten Kulturerlass Karls des Großen dar; ihre früheste Fassung ist in der Handschrift Wolfenbüttel, HAB, Helmst. 496a, fol. 1r– 15r überliefert (Fulda, ca. 800; s. Mordek/Zechiel-Eckes/Glatthaar 2012, mit Edition). Kurz vor die ‚Admonitio‘ wird die ‚Epistola de litteris colendis‘, ein Erlass Karls an Abt Baugulf von Fulda (779– 802), datiert (ca. 787); sie warnt vor Wort- und besonders Sinnfehlern. Oxford, Bodl., Laud Misc. 126, fol. 1r überliefert die älteste Version der ‚Epistola‘, ca. 800 (s. Mairhofer 2014: 401f., mit weiterer Literatur). Ediert ist die ‚Epistola‘ meist nach der 1944 verbrannten Handschrift Metz, BM, Ms. 226, s. xi/xii. Stengel (1956: 251–254, Nr. 166) bietet eine synoptische Edition beider Textzeugen, wiederabgedruckt in Martin 1985: 231–235. Im Admonter Fragment ist jedenfalls noch frühkarolingische Textqualität erkennbar. 55 S. Anm. 49.

44 | Daniela Mairhofer

des zweiten n-Striches wird von oben kommend ein zweiter Strich aufgesetzt, der oben mit einem Anstrich versehen ist; im Fragment ist der liegende Deckbalken leicht schräg und bisweilen minimal gewellt. Ein weiteres alemannisches Kennzeichen ist cc-a, das im Fragment gegenüber unzialem a zahlenmäßig zwar stark unterbesetzt ist, als Alternativform aber immerhin auch außerhalb von Ligaturen erscheint (z. B. in Nr. 6 Pifangan oder Nr. 9 Furnoman). Die alte alemannische ‚geknickte‘ Form von g ist im Fragment nicht vorhanden; in einigen Fällen allerdings, wo die Schlaufen in einem mehr spitzwinkeligen als weichen Bogen aufeinandertreffen, wird noch an sie erinnert (in Nr. 3 Pagit, Nr. 52 Denegat und Furlaugnit sowie Nr. 56 Fonagihugti).56 Die Form von g mit geschlossener Maske und offener Schlaufe, wie sie im Fragment gegeben ist und weiter unten näher besprochen wird, ist nicht selten in der alemannischen Urkundenminuskel anstelle der traditionellen (linksschrägen und offenen) Dreiform zu finden, wobei dort das Mittelband von der oberen Schlaufe durchstoßen wird (ChLA2 C, 2, 12, 13, u.ö.). Der Buchstabe r entspricht zwar in Ligatur der alemannischen Minuskelform, geht allerdings auch isoliert in die Unterlänge.57 Die nicht geringe Anzahl von Ligaturen mit r, allen voran der peitschenförmigen ri-Ligatur, aber auch der Ligatur re, ist alemannisch: Die karolingische Minuskel neigt dazu, Ligaturen mit r zu vermeiden, da nach und nach die Tendenz dahin geht, es nicht die Höhe der anderen Buchstaben übersteigen zu lassen (Cherubini/Pratesi 2010: 366). Charakteristisch für die alemannische Minuskel, sowohl für die Buch- als auch Urkundenschrift, ist auch die Form des z, mit dem ausgeprägten Ober- und Unterteil; hier durchbrechen die gebogenen Balken den Mittelbandbereich immer unten und mitunter oben. Auch die spitz, leicht krallenartig nach links laufenden Schäfte von m und n, mit einem leicht kürzeren letzten Schaft, der noch keine Tendenz zur Basenbildung zeigt, erinnern an die alemannische Minuskel, wenn dieses Erscheinungsbild dort auch wesentlich stärker ausgeprägt ist (vgl. Löffler 1937: 38, 40). In der alemannischen Minuskel ist unterdessen auch das gerade Minuskel-d mehr die Regel, wo – im Gegensatz zur karolingischen Minuskel58 – gewöhnlich kein Wechsel zwischen Minuskel-d und unzialem d stattfindet;59 letzteres tritt im Admonter Fragment nur in Form einer Majuskel am Beginn eines Wortes auf, im Wortinneren wird

|| 56 Der Buchstabe entspricht nicht der oben leicht geschlossenen Drei-Form, wie sie Bruckner (1936: 21) in St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. Sang. 40 und 44 beobachtet; vgl. auch Maag 2014: 91. 57 In der alemannischen Minuskel steht isoliertes r gewöhnlich auf der Grundlinie oder stößt minimal darunter (Bruckner 1931: 34; 1936: 21f.). 58 Dort ist ein Wechsel zwischen den beiden Alternativformen nicht ungewöhnlich, selbst in ausgereiften karolingischen Minuskeln, wie beispielsweise des Würzburger Skriptoriums (s. z. B. Mairhofer 2014: 708). 59 Vgl. Anm. 12.

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ausschließlich halbunziales d verwendet; sein Schaft stößt nicht bis unter die Grundlinie.60 Auch das bereits oben erwähnte merowingische a (hier Teil der an-Ligatur) erscheint in der alemannischen Minuskel (s. Maag 2014: 26): Offen und vertikal eingeschrieben, sitzt es auf dem nachfolgenden n auf. Hochgestelltes a, ovales o (in Nr. 63 Deuotione), doppelstöckiges c, verdickte und elongierte Schäfte (ebenso wie verschleiftes o, unten und oben geschlossenes 8-e, umgekehrte β-t-Ligaturen, „halbkursive Buchstabencluster“ (Zeller 2013: 315, 317) oder am Endschaft von l, m, n oder t hängendes i, die im Fragment jeweils nicht vorliegen) sind kursive Bestandteile (vgl. Maag 2014: 26), die nicht nur im alemannischen Raum, sondern auch überregional in Urkundenschriften angewandt wurden. Nicht selten sind sie auch in den Buchschriften des 9. Jahrhunderts, besonders in der frühen Phase, zu finden; in der karolingischen Minuskel werden sie dann verdrängt. Im Admonter Fragment wird das aufsteigende c, wobei das Köpfchen aufwärts gerichtet ist, häufig verwendet; sein Erscheinen ist nicht an einen bestimmten nachfolgenden Buchstaben gekoppelt. Das Köpfchen des ‚normalen‘ c wiederum ist deutlich ausgeprägt: In der karolingischen Minuskel wird die obere Kurve des c generell nicht mehr so stark präsentiert (Cherubini/Pratesi 2010: 366). Eine kursive Färbung der Minuskel scheint auch die Form der oben erwähnten Ligatur mit liegendem t anzuzeigen: In zwei Fällen fällt auf, dass der Balken weniger geschmeidig an dem Bogen von n anliegt, wodurch die Ligatur leicht unorganisch wirkt (in Nr. 64 Dedunt und Nr. 76 Detullerunt). Das kann auf eine Formunsicherheit mit der älteren Ligatur zurückgehen; nachdem aber andere archaische Formen problemlos geschrieben werden, liegt es nahe, den Grund für diese unorganische Form in einem stark kursiv geprägten Arbeitsumfeld des Schreibers zu suchen: Wie eine Durchsicht der ChLA zeigt, sind derartige unorganische Ligaturen mitunter auch in alemannischen Urkunden zu beobachten.61 Kursiv gefärbt ist im Fragment auch der Buchstabe p mit seinem bisweilen spitzen Schaft sowie der Buchstabe g (s. oben, S. 44). Aus dem insgesamt stark kursiv geprägten Charakter der Minuskel ist zu schließen, dass der Schreiber des Admonter Fragments auch als Urkundenschreiber tätig war. Die Kürzung -mus wird in der alemannischen Minuskel sowohl mittels Querstrich durch den verlängerten Endstrich von m (wie oben beschrieben) als auch mittels Apostroph (-m’) angezeigt.

|| 60 Wie es in den vorkarolingischen Minuskelhandschriften des 8. Jahrhunderts häufig zu beobachten ist (vgl. Lindsay 1922: I, 15f.). 61 Z. B. St. Gallen, Stiftsarchiv, I 106 (ChLA II, 121, Z. 7: possedeant).

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2.2 Karolingische Elemente Führt man sich das Schriftbild und Alphabet bzw. die Kennbuchstaben (cc-a, die Minuskel-Ligatur nt im Wort, 3-förmiges g, r-Ligaturen, besonders ri-, aber auch re-) der alemannischen Minuskel nochmals vor Augen, kann im Falle des ‚Admonter Abrogans‘ aufgrund der oben genannten Abweichungen nicht von einer reinen alemannischen Minuskel gesprochen werden.62 Diese Feststellung führt zu der Frage nach dem Einflussgrad der ‚fremden‘ Minuskel. Zunächst einige allgemeine Anmerkungen zu Genese und Erscheinungsform dieser jüngeren Minuskel: Wann und wo die Carolina zum ersten Mal erscheint, ist für die moderne Forschung noch nicht geklärt (vgl. Licht 2012; Becker/Licht 2016: 6).63 Soweit heute bekannt stammen die ältesten datierbaren Handschriften in karolingischer Minuskel aus dem Zeitraum von ca. 765–783.64 Eine regional unterschiedliche Weiterentwicklung der jüngeren römischen Kursive, erscheint die karolingische Minuskel in dieser ersten Entwicklungsphase entsprechend uneinheitlich, zumindest was Doppelformen im Alphabet und Ligaturen betrifft, die vom jeweiligen Skriptorium bzw. von der Region abhängen (Bischoff 42009: 152). Trotz derartiger Unterschiede zeichnet sich die karolingische Minuskel durch die „Klarheit ihres Erscheinungsbildes“ aus, die sich sowohl in der Struktur eines jeden einzelnen Buchstabens als auch in seinem Verhältnis zu anderen Buchstaben zeigt (Spilling 1994: 52): Die Buchstaben stehen generell getrennt voneinander, es sei denn, dass sie Nachbarbuchstaben berühren oder eine Verbindung mit ihnen eingehen. Eine konsequente Wort- und Buchstabendistinktion fördert die Lesbarkeit der Minuskel wie auch ein genügend großer Abstand zwischen den Zeilen, durch den Ausführung und Höhe der einzelnen Buchstaben mehr zur Geltung kommen (Ganz 1996: 25). Abkürzungen, Ligaturen und Doppelformen werden generell zurückhaltend eingesetzt, interpungiert wird nach dem insularen System. Bischoff datiert den Wechsel der vorkarolingischen Regionalstile zu „mehr nüchternen Schriften“ in die Zeit um 810–820; im zweiten Viertel des 9. Jahrhunderts wurde „die Rezeption der vereinfachten [karolingischen] Minuskel [...] vollzogen“ (Bischoff 42009: 155). Mit dem Stilwechsel verschwindet allmählich auch cc-a, und die kopfständige nt-Ligatur wird von der Majuskelligatur NT verdrängt (Bischoff 42009: 156). Der Buchstabe g ist nicht mehr geöffnet; karolingisches, d. h. unziales (also ein Majuskel-) a, tritt lange

|| 62 Derartige ‚Mischminuskeln‘ sieht man häufig in den ChLA (vgl. auch Maag 2014: 27–31). 63 Zu Entwicklung und Geschichte der karolingischen Minuskel allgemein s. Bischoff 42009: 151– 171; Gasparri 1994: 79–101; Cencetti 21995: 111–134; Ganz 1996; Cherubini/Pratesi 2010: 357–387. 64 In chronologischer Reihenfolge sind das der Berliner Leutcharcodex (ca. 765) aus Corbie; die mehrbändige Maurdramnusbibel, die, ebenfalls im Kloster Corbie, unter Abt Maurdramnus zwischen 772 und 781 entstanden ist; und das im bis heute nicht lokalisierten Skriptorium der Hofschule Karls des Großen zwischen 781 und 783 hergestellte Godescalc-Evangelistar, dessen Widmungsverse karolingische Minuskel zeigen (s. Licht 2012: 338f., 343f.; Becker/Licht 2016: 6).

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vor 800 auf, wird aber erst ab ca. dem zweiten Fünftel des 9. Jahrhunderts vorherrschend. Charakteristisch für die karolingische Minuskel ist die Betonung des Mittelbandes, die durch die einheitliche Größe der Buchstaben in Mittelposition und auch durch deren Berührungen sowohl auf der Grund- als auch Mittellinie erwirkt wird. Oben abgeflachte Buchstabenkörper, mäßig lange Ober- und Unterschäfte und nicht allzu großer Zeilenabstand verstärken den Eindruck von Kompaktheit (vgl. z. B. Steffens 21929: XVII). Ein Blick auf das Admonter Fragment zeigt, dass die hier abgebildete Minuskel keinem strikten Vierliniensystem folgt:65 Die langen Oberschäfte und bisweilen überdimensionierten Unterlängen sind nicht normiert und stehen, da sehr lang, in keinem ausgewogenen Verhältnis zum Mittelband. Die Kleinbuchstaben sind von unterschiedlicher Größe, und daneben gibt es ‚halblange‘ Buchstaben (s. unten, S. 48). Außerdem ist das räumliche Verhältnis einzelner Buchstaben zueinander unregelmäßig, was ebenso gegen die Formästhetik der karolingischen Minuskel geht,66 und auch die Augenform von b, d, g, p und q entspricht nicht der Form von o.67 Die im Fragment sichtbare leichte Verstärkung der Langschäfte ist typisch für die karolingische Minuskel, aber auch bereits für frühere Minuskelschriften; die Verdickung scheint hier teils durch einen einzelnen, mit der ganzen Breite der Feder gezogenen Druckstrich, teils durch einen zweiten, linksseitigen Federzug realisiert worden zu sein.68 Einige Buchstabenformen im Fragment können – zumindest auf den ersten Blick – als karolingisch identifiziert werden:69 zunächst a der Unziale, der Kennbuchstabe der karolingischen Minuskel. Im Fragment begegnet das karolingische (unziale) a mit schön geschwungenem Rücken und leicht fülligem, auf der Grundlinie rastendem und vermutlich stets geschlossenem Bauch70 neben offenem cc-a und der geschlossenen Form des alten kursiven cc-a, dem oc-a.71 Aus der Tabelle oben ist ersichtlich, dass das karolingische a gegenüber den Alternativformen zwar vor-

|| 65 Unabhängig davon, dass das Fragment nicht (blind-)liniert ist und die Buchstaben dadurch schwanken. Die karolingische Minuskel fordert eine konsequente Anwendung des Vierliniensystems (Cherubini/Pratesi 2010: 366). 66 Die unregelmäßige Schriftdichte kommt nicht nur durch häufiges Ligieren zustande. Vgl. den auffallend großen Abstand, den einzelne Buchstaben voneinander halten, wie beispielsweise r und s in Nr. 38 Cursum. 67 Der zweite Federzug von h hingegen entspricht dem letzten von m bzw. n (vgl. Cherubini/Pratesi 2010: 367). 68 Letztere Technik kann man bei spachtelförmigen Verdickungen gut beobachten, wo häufig ein Leerraum gegeben ist. 69 Der karolingische Buchstabenkanon ist z. B. bei Bischoff (42009: 153) abgebildet. 70 An manchen Stellen scheint der Bauch von a offen zu sein: Hier ist allerdings von einer mechanischen Abnutzung der Tinte auszugehen. 71 D. h. ein halbunziales a: ein geschlossenes cc-a, das der Ligatur oc gleichkommt. Das oc-a tritt bereits in der frühen Beneventana auf (Loew 1914: 133).

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herrscht, diese älteren Formen aber, vor allem das oc-a, immer noch vorhanden sind, und dabei auch außerhalb von Ligaturen. Isoliert betrachtet kann allerdings das Vorhandensein von unzialem a die Minuskel im Fragment nicht zwangsläufig als karolingisch ausweisen, da es auch in der alemannischen Minuskel erscheint, sowohl vereinzelt als auch in Überzahl.72 Ähnliches gilt auch für den Buchstaben g, der weiter unten besprochen wird. Der Buchstabe t zeigt keinerlei Tendenz zur Bogenbildung und mag daher als karolingisch gelten: Der leichte bis starke Bogenansatz links am Deckbalken (alemannische und rätische Minuskel) fehlt hier.73 Folglich ist auch die ct-Ligatur nicht so breit gesetzt wie in der alemannischen oder rätischen Minuskel, wo Platz für den Bogen beim Deckbalken von t benötigt wird. Bei q ist der obere Teil des Ansatzes rund und nicht etwa abgeflacht, wie mitunter in der alemannischen Minuskel (vgl. Cherubini/Pratesi 2010: 333; hingegen Bruckner 1936: 21); und auch die Rundung dieses Buchstabens, wie auch von b, d, o und p, ist im Fragment nicht mehr so stark ausgeprägt: Die Minuskel ist bereits etwas aufgerichtet. Einige Buchstabenformen sind sowohl alemannisch als auch karolingisch, wie z. B. der Buchstabe i, der stets im Mittelband bleibt (vgl. Cherubini/Pratesi 2010: 366),74 oder e, das hier eine leicht schräge Zunge hat; sein Köpfchen ist nicht mehr ganz so rund wie in der alemannischen Minuskel, allerdings überragt es auch unligiert meist die Mittelbuchstaben und tanzt somit aus der ‚karolingischen Spur‘ (vgl. Cherubini/Pratesi 2010: 366). Am Wortende ist die Zunge leicht gewellt und nach rechts ausgestreckt. Die in der karolingischen Minuskel gewöhnliche und auch im Admonter Fragment erhaltene oR-Ligatur, wobei der unzialen Form von r der Stamm fehlt, ist in der alemannischen Minuskel eher unüblich (Maag 2014: 116): Für die Endung -orum findet man dort gewöhnlich o mit scharfem r und Kreuzstrich (Kürzungszeichen x). Der Buchstabe s erscheint im Fragment in Langform, mit unter die Grundlinie reichender Unterlänge: ein senkrechter Schaft mit Sporn und einem Bogen oben und deutlicher Oberlänge, der aber kaum Unterlänge hat. Die Unterlänge von f, das, wie auch s, in zwei Strichen geschrieben ist, ist betont.75 Die Gestalt dieser beiden Buchstaben, die sowohl alemannisch als auch frühkarolingisch ist, weist das Fragment spätestens dem Beginn oder ersten Viertel des 9. Jahrhunderts zu: Zum zweiten Viertel hin stehen nämlich sowohl s als auch f gewöhnlich auf der Grundlinie

|| 72 Z. B. im Mondseer Prachtpsalterium, Montpellier, Bibliothèque interuniversitaire, Section Médecine, H 409 (CLA VI, 795) (vor 788; s. Maag 2014: 129 mit Abb. und unten, S. 54 mit Abb. 6). 73 Zu einer Abbildung des karolingischen t s. z. B. Cherubini/Pratesi 2010: 367. Allerdings kann ein links nicht gebogter Deckbalken auch in der alemannischen Minuskel erscheinen; s. oben, S. 30. 74 Zum Buchstaben i in der (r)ri-Ligatur s. oben, S. 40. 75 Der erste Schaft reicht deutlich unter die Grundlinie hinunter, der zweite ist ein nicht sehr ausgeprägter Halbbogen. Ähnliches gilt für das lange s, dessen erster Strich allerdings nur gering unter die Grundlinie stößt.

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(Cherubini/Pratesi 2010: 366).76 Dasselbe gilt für den Buchstaben r, der im Fragment, außer wenn in Ligatur mit i, stets lang ist.77 Kursive Elemente bzw. Urkundengewohnheiten (an-Ligatur, doppelstöckiges c, oc-a, lange Ober- und Unterlängen) haben sich zum Teil auch in der frühkarolingischen Minuskel noch erhalten. Diese bzw. die weiter oben besprochenen alemannischen Symptome können generell zwar mit den „archaistischen Ligaturen und Buchstabenformen“, die nach Steffens die frühkarolingische Minuskel charakterisieren, gleichgesetzt werden78 – konkret wären das z. B. die Ligaturen nt (z. B. bei Nr. 57 Debellante : Fehtanti) und et (z. B. bei Nr. 72 Deterremur und Nr. 76 Detullerunt) im Wortinneren,79 an, ra, ri (betont) und re (jeweils mit aufgeworfenem Schulterstrich) sowie einzelne Buchstabenformen wie cc-a, oc-a und doppelstöckiges c; und auch die Anzahl der Ligaturen kann als frühkarolingisch gewertet werden, da sie hier, im Gegensatz zur karolingischen Minuskel, die sich durch das Bestreben auszeichnet, den Anteil an Ligaturen fast vollständig zu reduzieren (Cherubini/Pratesi 2010: 367), noch relativ hoch ist;80 allerdings ist die Minuskel in ihrer Gesamtheit zu archaistisch, d. h. alemannisch, um primär als frühkarolingisch gelten zu können: Die Mehrheit der Ligaturen und Buchstabenformen ist alemannisch bzw. alemannisch beeinflusst. Das Schriftbild ist noch zu breit und rund, der Abstand zwischen einzelnen Buchstaben zu unregelmäßig. Auch ist die Minuskel im Fragment noch nicht, auch nicht ansatzweise, auf einem Vierliniengerüst aufgebaut: Einzelne Buchstaben wie auch Ober- und Unterlängen sind zu lang, die Kleinbuchstaben unterschiedlich groß (das betrifft auch gleiche Buchstaben hintereinander). Der Buchstabe u, beispielsweise, der in der karolingischen Minuskel gewöhnlich gleich groß ist wie a, e, n (Cherubini/Pratesi 2010: 366f.), ist hier noch etwas kleiner; r ist tief gesetzt, und ebenso unterschreiten f und s die Zeile.81 Der

|| 76 In der reifen karolingischen Minuskel werden die Buchstaben in ein striktes Vierliniengerüst gepresst (s. oben, S. 47 mit Anm. 65), dem die halb- bzw. überlange Gestalt von s und f im Fragment nicht entspricht. 77 Vgl. oben, S. 40. 78 „Noch lange Zeit hielt man sowohl in Handschriften wie in Urkunden an gewissen archaistischen Ligaturen und Buchstabenformen fest. Besonders häufig finden sich diese in der sogenannten frühkarolingischen Minuskel, als deren Periode man etwa das letzte Viertel des VIII. und das erste Viertel des IX. Jahrhunderts annehmen kann […]“ (Steffens 21929: XVII). 79 Die Ligaturen et und nt im Wortverband werden in der karolingischen Minuskel vermieden (Cherubini/Pratesi 2010: 367). 80 Gemessen an dem geringen Textumfang und der -gattung ist die Anzahl der Ligaturen im Fragment nicht gering. 81 Die Ligatur rg gehört nach Lindsay (1922: I, 43f.) ebenfalls der frühen Phase an (sie überlebt in der Beneventana; s. z. B. Vatikan, BAV, Vat. lat. 3313, fol. XXIV, Z. 4 [Ergo], Digitalisat unter https://digi.vatlib.it/view/MSS_Vat.lat.3313; Stand: 30.4.2020). Hierbei ist die Ligatur von langem r und dreiförmigem g gemeint, wobei der zunächst aufsteigende Schulterstrich beim schrägen Abstieg den oberen Teil von g bildet; die obere Schlaufe wird also durch einen Schrägstrich ersetzt. Im

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Buchstabe z, der in der reifen karolingischen Minuskel denselben Platz einnimmt wie die anderen Buchstaben mit kleinem Körper, ist im Fragment, wie in einigen anderen frühmittelalterlichen Schriften, besonders im deutschsprachigen und norditalienischen Raum, auffällig und ausladend, hat oben und unten gekrümmte Balken und ist unter die anderen das Mittelband beherrschenden Buchstaben gesetzt (vgl. Cherubini/Pratesi 2010: 367). Der Buchstabe g hat eine geschlossene Maske, die in etwa gleich groß wie die Schlaufe ist, und einen Schopf; sein Scheitel überschreitet nicht das Mittelband, der untere Bogen schwingt zunächst leicht nach rechts und ist nach links offen. Diese Form von g mit offener Schlaufe erscheint in der frühen karolingischen Minuskel, später ist sie häufig geschlossen.82 Wie bereits weiter oben angesprochen wurde, ist diese Form allerdings auch für die alemannische Urkundenminuskel bezeugt (wie umgekehrt das 3-förmige alemannische g auch in reifer karolingischer Minuskel erscheinen kann); und angesichts der zahlreichen alemannischen Urkundengewohnheiten, die in der vorliegenden Minuskel erkennbar sind, wäre es nicht verwunderlich, wenn auch die Form des g auf eine solche zurückginge. Die Oberlängenverstärkung, die, mäßig durchgeführt, auch für die reife karolingische Minuskel charakteristisch ist, ist im Admonter Fragment gegeben (b, d, h, l), allerdings nicht keulenförmig, wie sie in der frühkarolingischen Minuskel gewöhnlich zu sehen ist (z.B. Steffens 21929: XVII). Litterae subscriptae, etwa an h, m, n unten angehängte kleine Buchstaben a und i83 – ein eigentlich insulares Symptom –, die ebenso einer früheren Schriftstufe zuzuweisen wären und in der alemannischen Minuskel mitunter vorkommen, sind im Fragment nicht erhalten. Umgekehrt ist in einem Fall ein Buchstabe hochgestellt (das e in Nr. 31.1 Nazze). Über die „preziöseren Verbindungen mit f“ (Bischoff 42009: 154) kann an dieser Stelle nur bedingt eine Aussage gemacht werden, da die entsprechenden Buchstabenverbindungen (fr, fu), mit der Ausnahme von -fi-, innerhalb eines Wortes im Fragment nicht überliefert sind; bei -fi- in Nr. 53 Defixus handelt es sich um keine ‚preziöse Verbindung‘. Derartige früh- bzw. karolingische Symptome, wie sie für das Admonter Fragment soeben festgestellt wurden, sind hinsichtlich der Datierung einer Minuskel sicherlich hilfreich, aber keineswegs entscheidend: Wie weiter oben bereits angemerkt, gibt es bei der Entwicklung, Durchsetzung und Einheitlichkeit der karolingischen Minuskel regionale Unterschiede. Sieht man nun von regionalen Form- und Entwicklungsunterschieden ab, lässt sich folgendes Schriftbild skizzieren: Bei dem

|| Fragment lässt die Form von g nur eine Verbindung im Sinne einer horizontalen Berührung von Schulterstrich und Köpfchen zu. 82 Zu den frühen, d. h. 5-, 3- und 9-förmigen Formen des g s. Lindsay 1922: I, 21–25. 83 Das tief nach unten reichende i hat dabei die Form einer Schlangenlinie, eines verkehrten s. All diese Buchstabenkombinationen sind im Fragment vorhanden.

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vorliegenden Fragment handelt es sich um eine Minuskel, die durch das Vorherrschen älterer Schriftmerkmale, die als alemannisch zu identifizieren sind, und durch die Unterordnung neuerer, karolingischer Elemente alemannisches Grundgepräge besitzt, sich von den Formen der alemannischen Minuskel jedoch bereits zu lösen beginnt. Wenn auch die zur Reife gelangte karolingische Minuskel noch in einiger Entfernung steht, macht sich der Einfluss derselben sowohl im Buchstabenkanon als auch im Duktus bereits bemerkbar: Die Minuskel im Fragment ist bereits etwas aufgerichtet und der runde, breite Duktus der alemannischen Minuskel nicht mehr vollständig gegeben. Einige Buchstabenformen können außerdem als frühkarolingisch bzw. karolingisch identifiziert werden. Die Minuskel steht also am Beginn einer Übergangszeit: Eine vollständige Angleichung des alemannischen an den karolingischen Schrifttyp ist hier noch nicht vonstatten gegangen, kündigt sich jedoch bereits an. Das Fragment stammt also noch aus einer Periode vor der Zeit, in der sich an seinem Entstehungsort die Formen der karolingischen Minuskel bereits ganz durchgesetzt hatten.

3 Vergleichsmaterial aus dem alemannischen Raum Wie aus den vorausgehenden Minuskelbeschreibungen hervorgeht und der Bildervergleich unten unterstreicht, steht die Minuskel des Fragments Ad in keinerlei Beziehung zu den Minuskeln der ‚Abrogans‘-Fassungen K, Pa und Ra.

Abb. 3: ‚Abrogans‘ K (St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. Sang. 911; p. 4, Detail)

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Abb. 4: ‚Abrogans‘ Pa (Paris, BnF, lat. 7640; fol. 131rb, Detail)

Abb. 5: ‚Abrogans‘ Ra (Karlsruhe, BLB, Aug. perg. 111; fol. 88va, Detail)

Auf welchem Weg und in welcher Form – als noch unzerstörte oder bereits makulierte Glossarhandschrift – das ‚Abrogans‘-Fragment nach Admont gelangte, ist bis jetzt ungeklärt. Eine Zuordnung zu einem Skriptorium kann also gegebenenfalls nur durch den Vergleich mit anderem vor- oder frühkarolingischen Schriftmaterial aus

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dem alemannischen Raum erreicht werden, wobei allerdings nur selektiv vorgegangen werden kann. Das Benediktinerkloster Admont wurde erst 1074, also mehrere hundert Jahre nach der Entstehung des ‚Admonter Abrogans‘, von Erzbischof Gebhard von Salzburg gegründet und in der Folge von St. Peter aus besiedelt.84 Die Gründungsgeschichte des Klosters lässt einen Vergleich mit Salzburger Schriftmaterial naheliegend erscheinen, und tatsächlich finden sich im Kloster Admont Spuren der frühen Salzburger Schreibschule: Das Fragment Admont, Stiftsbibl., Fragm. C 472 beispielsweise, das den Schlussteil der ‚Cosmographia‘ des Aethicus enthält, wird paläographisch von Winfried Stelzer dem Salzburger Skriptorium des späten 8. Jahrhunderts zugewiesen.85 In Salzburg existierten bereits unter Virgil († 784) zwei Schriftstile nebeneinander, ‚Stil I‘ und ‚Stil II‘; unter Bischof Arn (784–821) trat noch ein dritter hinzu, der ‚Arn-Stil‘ (s. Bischoff 21980: 54–73). Mit diesen insular beeinflussten bzw. westlich orientierten Minuskelstilen der Salzburger Schreibschule ist die Minuskel im vorliegenden Fragment nicht verwandt;86 auch ist im Katalog der Bibliothek zu St. Peter aus dem 12. Jahrhundert kein Glossar aufgelistet, das als ‚Abrogans-Glossar‘ identifiziert werden könnte (vgl. MBKÖ IV, 66–72). Wie im Beitrag von Karin Schamberger (S. 21–26 in diesem Band) ersichtlich, wurde das Admonter Fragment im 18. Jahrhundert für einen Bucheinband benutzt und von Restauratoren 1963 in einer Mappe abgelegt; möglicherweise stammt es von einem Buchbinder in Steyr oder Graz, der es wiederum aus einem Kloster wie dem oberösterreichischen Benediktinerkloster Mondsee (748–1791) haben dürfte. Das Michaelskloster, das als Gründung des Bayernherzogs Odilo gilt, fällt in den alemannischen Schreibraum und bietet sich nicht zuletzt auch deshalb für einen Schriftenvergleich an.87 Das frühe Skriptorium des Klosters, das mit reichem Handschriftenmaterial rekonstruiert werden kann, zählt zu den bedeutendsten Zentren der südostdeutschen Schriftprovinz. Hier kristallisierte sich ein eigener, von auswärtigen (beispielsweise salzburgischen) Schriftstilen scheinbar unbeeinflusster Stil heraus, der bis in das erste Viertel des 9. Jahrhunderts wirkte.88 Bischoff (21980: 10)

|| 84 Zur Bibliotheksgeschichte des Klosters Admont und der Edition seiner mittelalterlichen Bibliothekskataloge bzw. -listen s. MBKÖ III, 1–65 (ein lateinisch-althochdeutsches Glossar/der ‚Abrogans‘ ist dort nicht erwähnt); zur Bibliotheksgeschichte zuletzt auch Holter 21987, mit weiterer Literatur. 85 Stelzer 1992: 136, mit zwei Abbildungen (Zuordnung zu Stil I); s. auch Forstner 1998: 268 (Zuordnung zu Stil II). 86 Zu einer paläographischen Analyse des Salzburger Skriptoriums s. Bischoff 21980: 83–140 (Stil I, II & Arn-Stil) und Forstner 1998. In vielen der dort hergestellten Handschriften ist die Haarseite dunkel und wenig sorgfältig präpariert (vgl. Bischoff 21980: 58), was hier nicht der Fall ist. 87 Zur Geschichte des Klosters und seiner Schreibschule s. Pfaff 1967: 11–83, mit weiterer Literatur. 88 Zur Mondseer Schreibschule bzw. dem Minuskelstil s. Bischoff 21980: 9–26; CLA X, XVIIIf.; Maag 2014: 127–136.

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beschreibt den Mondseer Minuskelstil als „rund, gerade, mit quadratischem Aufriß oder etwas breit“; charakteristisch für die vollrunde Mondseer Minuskel sind häufiges cc-a, g mit „scharfer Spitze zwischen den Bögen“ und einige Ligaturen, darunter auch nt.89 Ein Beispiel aus der frühen Produktionsphase des mondseeischen Skriptoriums ist der Psalter von Montpellier (s. Abb. 6).90

Abb. 6: Psalter von Montpellier (Montpellier, Bibliothèque interuniversitaire, Section Médecine, H 409; fol. 330v, Detail)

Hier liegt allerdings ebensowenig eine Schriftidentität vor wie auch bei den späteren Handschriften, die schriftmäßig am Übergang zur karolingischen Minuskel stehen. Zum Vergleich seien außerdem die ‚Monseer Fragmente‘, die um 810 im Kloster Mondsee entstanden sind,91 herangezogen, deren Schrift ebenfalls an der Wende zur karolingischen Minuskel steht. Der Minuskelstil der lateinisch-althochdeutschen Fragmente, der trotz zahlreicher Ligaturen (vor allem mit e, das aufsteigt) im Großen und Ganzen karolingischer ist, hat mit dem des Admonter Fragments allerdings nicht viel gemein.92 Auch von Wien, ÖNB, Cod. 1014 (datiert 811–819), dessen Schrift am Übergang zur frühkarolingischen Minuskel steht, weicht das Admonter Frag-

|| 89 Mit weiteren Kennzeichen, wie beispielsweise der kursiven ti-Ligatur (abgebildet z. B. in Maag 2014: 133, Abb. 85, Z. 5 [peccatis]). 90 Montpellier, Bibliothèque interuniversitaire, Section Médecine, H 409 (CLA VI, 795) wird vor 788 datiert (s. Bischoff 21980: 17). Zu Edition und Kommentar s. Unterkircher 1974, mit 12 Tafeln. 91 38 (1834 aus den einzelnen Fragmenten zusammengestellte) Blätter liegen in der Österreichischen Nationalbibliothek unter der Signatur Cod. 3093*, zwei Blätter in der Niedersächsischen Landesbibliothek von Hannover unter der Signatur Ms. I 20b; zu den ‚Monseer Fragmenten‘ s. z. B. Bischoff 1998: 313, Nr. 1502; Krotz 2002: 107–157. 92 Die ‚Monseer Fragmente‘ sind online einzusehen unter http://digital.onb.ac.at/RepViewer/ viewer.faces?doc=DTL_5736858&order=1&view=SINGLE (Stand: 30.4.2020).

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ment paläographisch ab.93 Die Minuskel im Admonter Fragment ist also mit denen des Salzburger-Mondseer Umlandes nicht identisch.94 Den Übergang zu dem nächsten zu vergleichenden Skriptorium stellt die winzige Schrift der Evangelistenbilder in dem ansonsten vollständig in Unzialschrift geschriebenen Codex Millenarius Maior her:95 Die Minuskel, die in den aufgeschlagenen Evangelistenbüchern abgebildet ist, ist alemannisch (vgl. Maag 2014: 134).96 Bischoff datiert den Millenarius in das zweite Jahrzehnt des 9. Jahrhunderts;97 Mondsee als Entstehungsort hält er für wahrscheinlicher als Kremsmünster (Bischoff 21980: 29; vgl. hingegen Neumüller/Holter 1959: 40, 66). In jedem Fall steht der „weiche längliche Stil“ (Neumüller/Holter 1959: 31) der Minuskel (s. Abb. 7) in keinerlei Beziehung zu dem runden, eher breiten Duktus des Admonter Fragments.98

Abb. 7: Codex Millenarius Maior, Lukasevangelium (Kremsmünster, Stiftsbibl., CC Cim. 1; fol. 174v, Detail)

|| 93 Der Codex wurde von Landperht, Stellvertreter des Abts Hildebald, in Auftrag gegeben (s. Bischoff 21980: 10f.; Maag 2014: 132f.). Online einzusehen unter http://digital.onb.ac.at/RepViewer/ viewer.faces?doc=DTL_6729697&order=1&view=SINGLE (Stand: 30.4.2020). In den erhaltenen Mondseer Bücherlisten (Ausleiheverzeichnis des 12. Jahrhunderts, etc.) ist ein Glossar nicht zu erwarten (vgl. MBKÖ V, 70–82). 94 Für das Skriptorium Mattsee ist nach Maag (2014: 140, Anm. 368) nur eine alemannische Handschrift belegt: München, BSB, Clm 12632. Eine Abbildung des Isidorcodex war mir nicht zugänglich; den bei Forstner (1998: 264) beschriebenen Ligaturen nach zu urteilen besteht allerdings keine Schriftidentität mit dem Admonter Fragment. 95 Der Codex Millenarius Maior wird in der Stiftsbibliothek Kremsmünster aufbewahrt und trägt die Signatur CC Cim. 1 oder Schatzkasten Nr. 1. 96 Vgl. hingegen Neumüller/Holter (1959: 26): „Diese ‚karolingische‘ (wir müßten eher sagen vorkarolingische Minuskel) […]“. 97 Zu Datierung und Schriftmerkmalen s. Bischoff 21980: 28f. Neumüller/Holter (1959: 31, 66) datieren den Millenarius in den Zeitraum von 780 und 820 bzw. „kurz vor 800“. 98 Beschrieben und vergrößert abgebildet ist die Minuskel der Evangelistenpulte in Neumüller/Holter 1959: 25–31.

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Die Geschichte bzw. Entwicklung der Schreibschule in Kremsmünster, der Gründung Tassilos von 777, ist nur schwer nachzuvollziehen, da die ältesten Handschriften von auswärts stammen (etwa Freising, Reichenau, etc.).99 Für die Rekonstruktion des Skriptoriums bleibt nur eine kleine Gruppe von Fragmenten, die im Kloster entstanden sein dürften. Bischoff teilt die Fragmente in zwei Gruppen, eine ältere und eine jüngere.100 Auch die in diesen Fragmenten abgebildete Minuskel steht in keiner direkten Ähnlichkeit zur Minuskel des Admonter Fragments.101 Was den südbayerischen Raum betrifft, passt das Handschriftenmaterial aus dem Zeitraum spätes 8. bis erste Hälfte 9. Jahrhundert, das Kochel zugeschrieben wird, ebensowenig in das Schriftbild des Admonter Fragments wie das von Benediktbeuren, dem das Frauenkloster unterstand. Auch Freising lässt sich nach einem Vergleich als Schreibprovenienz für das Fragment ausschließen;102 dort ist der Übergang zur karolingischen Minuskel etwa im zweiten Viertel des 9. Jahrhunderts abgeschlossen (Maag 2014: 126). Zur alemannischen Schreibregion gehört auch Lorsch.103 Zwar sind in einigen Handschriften des ‚älteren Lorscher Stils‘ alemannische Symptome erkennbar (vgl. Maag 2014: 164; 2015), doch besteht auch hier keinerlei paläographische Nähe zum Admonter Fragment, wie beispielsweise Vatikan, BAV, Pal. lat. 218 (datiert um 800) verdeutlicht.104 Die St. Galler alemannische Minuskel wurde bereits weiter oben besprochen (s. auch Bruckner 1936: 13–28).105 Stellvertretend für die Handschriften in dieser Minuskel sei hier Cod. Sang. 916 der Stiftsbibliothek angeführt: Der erste Teil (p. 2– 158) dieser Handschrift, die kurz nach 799, zu Beginn des 9. Jahrhunderts in St. Gallen entstand,106 überliefert eine lateinisch-althochdeutsche Benediktinerregel. || 99 Die Geschichte des Klosters ist zusammengefasst in Pitschmann 2001. 100 Ältere Gruppe, vor 800: I/2, I/3, I/5 und ein Teil von I/6; jüngere Gruppe, nach 800: I/4 + I/8 sowie ein Teil von I/6 (Bischoff 21980: 26–30; I/2 abgebildet als IIc); I/2, I/5, I/6 und I/4 abgebildet in Maag 2014: 137–40. 101 Die Bücherverzeichnisse der Bibliothek Kremsmünster (ohne lateinisch-deutsches Glossar) sind in MBKÖ V, 31–39 ediert. 102 Zum Vergleich mit Freisinger und benediktbeurischem Schriftmaterial wurden die entsprechenden Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek herangezogen (s. Bierbrauer 1990: 6–78; 84–96). Zu den Minuskelstilen aus Kochel, Benediktbeuren und Freising s. Bischoff 21960: 22–43, 59–130; Maag 2014: 113–126, 141–148 (mit Abbildungen). 103 Zu Abtei und Skriptorium s. Bischoff 21989. 104 Digitalisat und Beschreibung (von Michael Kautz, 2014) unter https://bibliothecalaureshamensis-digital.de/bav/bav_pal_lat_218 (Stand: 30.4.2020). Bischoff (21989: 31) und CLA (Suppl., 1770) vermuten hinter den für Lorsch ungewöhnlichen Ligaturen fi und ffu (fol. 86v, Z. 9) eine alemannische Vorlage, während Maag (2015: 168) von einer alemannisch beeinflussten Schreiberhand ausgeht (s. Beschreibung Kautz). 105 Zu den Bibliothekskatalogen der St. Galler Stiftsbibliothek und ihrer Edition s. Lehmann 1918: 55–146 (ohne lateinisch-deutsches Glossar). 106 Datierung nach Berschin 2004: 154. Online einsehbar unter https://www.e-codices.unifr.ch/

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Sieht man von den (früh-)karolingischen Symptomen im Admonter Fragment ab, zeigt der Vergleich, dass sein alemannischer Grundstock nicht als sankt-gallisch gewertet werden kann. Schriftidentität ist auch nicht für die Reichenau gegeben, deren Minuskelstil sich nur gering von dem St. Galler unterscheidet (s. oben, S. 30).107 Für Murbach ist der hauseigene Stil, der sowohl rätischen als auch alemannischen Einfluss zeigt, generell eher schwer paläographisch festzumachen.108 Zum Vergleich mit dem Admonter Fragment bieten sich die ‚Murbacher Hymnen‘ an. Der ursprüngliche Nukleus dieser althochdeutschen Interlinearversion, die heute in der Bodleian Library, Oxford, unter der Signatur Junius 25 liegt, stammt von der Reichenau des ersten Viertels des 9. Jahrhunderts und wurde in Murbach aufgestockt.109 Die Faszikel B (‚Cosmographia‘ des Aethicus, fol. 2r–59v), E (‚Expositiones symbolorum et orationis dominicae‘, fol. 108r–115v) wie auch ein Teil von D (Glossar ‚Jb‘ und ‚Dialogi‘-Glossen, fol. 87v–107v) und F (die ‚Murbacher Hymnen‘ und Glossare, fol. 116r–122r) werden in Murbach angesiedelt.110 Die eher unruhige Minuskel der Murbacher Teile zeichnet sich durch häufiges cc-a und hochgestelltes a sowie scharfes z aus, bei dem die Schräge die Grundzeile durchbricht und die beiden Krümmungen eng und ausgeprägt sind. Die Murbach zugeschriebene Minuskel weicht in ihrer graphischen Gestaltung von der des Fragments stark ab.111

|| en/csg/0916/9/0/Sequence-715 (mit Beschreibung von Stefania Ortelli, 2009; Stand: 30.4.2020). 107 Eingesehen wurden die entsprechenden Reichenauer Handschriften der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe (online unter https://digital.blb-karlsruhe.de/). Zu den Reichenauer Bibliothekskatalogen und ihrer Edition s. Lehmann 1918: 222–274 (ohne lateinisch-deutsches Glossar). 108 Vgl. Maag 2014: 149–159, wo Murbach zugeschriebene Handschriften auf ihre paläographischen Gemeinsamkeiten hin untersucht werden. 109 29 Digitalisate der aus zehn Faszikeln bestehenden Sammelhandschrift sind online einsehbar, unter https://digital.bodleian.ox.ac.uk/inquire/p/b779d6c3-28e0-456a-b9b6-8effab18dd8b (Stand: 30.4.2020). Eine genaue Analyse der Handschrift bietet Krotz 2002: 159–698. 110 Eine Übersicht über die Provenienz der Faszikel bzw. ihrer Teile in Krotz 2002: 257f. Das Glossar ‚Jb‘ und die ‚Dialogi‘-Glossen werden von Bischoff (1971/1981: 80) und später Maag (2014: 157f.) ebenfalls Murbach zugeschrieben (vgl. hingegen Krotz 2002: 257). Für die ‚Cosmographia‘ ist die Zuordnung zum Murbacher Skriptorium unsicher (Maag 2014: 157). 111 Der um 840 angelegte Bibliothekskatalog von Murbach, der in einer Abschrift aus dem Jahr 1464 überliefert ist (ediert von Milde 1968: 35–48, mit Kommentar [49ff.]; Korrekturen und Ergänzungen in Geith/Berschin 1972: 63f.), verzeichnet im übrigen kein Glossar, wie auch nicht der zweite, kleine Katalog aus Murbach (Iskar-Katalog, ediert von Geith/Berschin 1972: 66–68), der in dem älteren Katalog nicht enthaltene Bücher auflistet.

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4 Zusammenfassung Die Schrift im Fragment entspricht zu einem Großteil den oben genannten Formen und Traditionen der alemannischen Minuskel. Wenn sie auch noch nicht direkt am Übergang zu einer karolingischen Minuskel steht, lässt sie dennoch derartige Tendenzen bereits erkennen: Der Breitenzug der alemannischen Minuskel, ihr runder Duktus bzw. Bogencharakter sind nicht mehr vollständig gegeben (z. B. bei den Buchstaben s und cc-a), die Schrift ist aufgerichtet. Die Kennbuchstaben bzw. -ligaturen der alemannischen Minuskel sind vorhanden, allerdings mit gewissen Einschränkungen, die, wie auch einzelne Buchstabenformen und -verbindungen, frühkarolingische Färbung erkennen lassen. Externe oder interne Daten, die Aufschluss über Entstehungsort und -zeit des Fragments geben könnten, fehlen. Da seine Schrift überwiegend den Formen der alemannischen Minuskel entspricht, kann es im süddeutschen Raum lokalisiert werden. Die Zuordnung zu einer identifizierbaren alemannischen Schriftregion bzw. einem Skriptorium durch den Vergleich mit vorhandenem Schriftmaterial war soweit nicht möglich, weshalb über die Zugehörigkeit zur alemannischen Schreibprovinz hinaus keine Präzisierung – wie etwa südwest- oder südostdeutsche Region – gemacht werden kann. Der genaue Entstehungsort des ‚Admonter Abrogans‘ muss also vorerst unbekannt bleiben. Insgesamt lässt der Schriftbefund eine Entstehung des Fragments nach dem ersten Drittel des 9. Jahrhunderts nicht zu:112 Doppelformen, das Erscheinen und die Anzahl von traditionellen Ligaturen, die zahlreichen kursiven Elemente, die Größe, Breite und Anordnung einzelner Buchstaben der Minuskel und auch das Majuskelalphabet113 ordnen das Fragment dem frühen 9. Jahrhundert zu. Die hier deutlich ausgeprägten vorkarolingischen Züge rücken die Datierung ‚frühes 9. Jahrhundert‘ näher an 800 heran:114 In den ersten Jahrzehnten des 9. Jahrhunderts, beim Übergang in die karolingische Minuskel, verschwinden nämlich kursive Elemente der Reihe nach und cc-a wird bald nur mehr in bestimmten Ligaturen verwendet, bis es schließlich ganz weggelassen wird; Ligaturen werden mehr und mehr vermieden und schließlich auf einen schmalen Kanon reduziert; die || 112 Im Laufe des ersten Drittels des 9. Jahrhunderts verschwinden nach und nach „die lokalen Schriftschöpfungen“ zugunsten der karolingischen Formen (Spilling 1994: 52). 113 Gemeint ist hier das eckige C, das auf eine Unsicherheit im Auszeichnungsalphabet hinweist (s. oben, S. 39); s. auch Bischoff 42009: 156 und 21957: 416: Auch die Auszeichnungsschriften, deren Alphabet in vor- und frühkarolingischer Zeit häufig vermischt oder falsch erschien, wurden „mit der Vollendung der karolingischen Minuskel [...] nach guten alten Mustern reformiert.“ 114 Vgl. hierzu beispielsweise die Datierung 810–825 der alemannischen Minuskel in München, BSB, Clm 6333 (CLA IX, 1277) durch Bischoff (21960: 33), die von Maag (2014: 148) auf Ligaturenarmut, auf das Fehlen von kursiven Elementen und das Auftreten von cc-a ausschließlich in der Ligatur ra und von nt fast nur mehr am Wortende zurückgeführt wird.

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nt-Ligatur wird schon bald zugunsten der Majuskelalternative NT, die et-Ligatur im Wortverband ganz aufgegeben. Für eine Datierung nach die Jahrhundertwende wiederum sprechen die ‚modernere‘ Suspensionskürzung durch den Apostroph in -mus, die Form des Majuskel-N, die Neigung zur Streckung der Buchstaben wie auch das Fehlen von einigen für die Frühzeit charakteristischen Ligaturen (etwa ro mit scharfem r, te und ti, fi, at oder UT) oder auch einer littera a bzw. i subscripta; möglicherweise auch das oben geschlossene g, das keine Dreiform mehr, sondern frühkarolingisch ist (vgl. allerdings oben, S. 50), und das Überwiegen von unzialem a gegenüber cc-a. Die vorausgehende Schriftanalyse verdeutlicht, dass sich der Träger des Admonter Fragments – wenn wir davon ausgehen, dass es sich dabei um die Überreste einer heute verlorenen Handschrift handelt – mit keiner der drei ‚Abrogans‘-Abschriften den Entstehungsort teilt. Entstanden dürfte er knapp nach der Sankt Galler und vor der Pariser Abschrift sein. Angaben zur Kopiervorlage des ‚Admonter Abrogans‘ können natürlich nur spekulativ sein. Ein Schreibfehler lässt allerdings vermuten, dass die bzw. eine Vorlage der Admonter Abschrift in alemannischer Minuskel geschrieben war. Die zahlreichen kursiven Elemente, die Struktur der nt-Ligatur und die Form einzelner Buchstaben deuten außerdem darauf hin, dass der Schreiber des Fragments auch als Urkundenschreiber tätig war.

Wolfgang Haubrichs, Stephan Müller

Der ‚Admonter Abrogans‘: Edition 1 Aufbau des Blattes und Verteilung der Glossen Das Blatt misst ca. 12 cm × ca. 9–10 cm. Es handelt sich um den Rest eines ursprünglich vierspaltigen Blattes, von dem jeweils eine Spalte und einige weitere Teile fehlen (in der folgenden Übersicht grau unterlegt).

https://doi.org/10.1515/9783110710786-005

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2 Transkription Recto, Spalte 1 (oben) 1) [lat. Lemma verloren] – Denchit . 2) [lat. Lemma verloren] – Giuuonahait . 3) [lat. Lemma verloren] – Pagit . 4) [lat. Lemma verloren] – Uuannentem . 5) [lat. Lemma verloren] – Giscaft . 6) [lat. Lemma verloren] – Pifangan . 7) [lat. Lemma verloren] – Paz uuepanti ist . 8) [lat. Lemma verloren] – Khaisorlih . 9) [lat. Lemma verloren] – Furnoman . 10) [lat. Lemma verloren] – Piduuingit . 11) [lat. Lemma verloren] – Uuahsanti Recto, Spalte 1 (unten) – ca. 5 Zeilen verloren 12) [lat. Lemma verloren] – Vparhaltan . 13) [lat. Lemma verloren] – Striplenti 14) [lat. Lemma verloren] – Khregenti 15) [lat. Lemma verloren] – Gilaupta 16) [lat. Lemma verloren] – Vuinuas . 17) [lat. Lemma verloren] – Firinari . 18) [lat. Lemma verloren] – Vualugirerim . 19) [lat. Lemma verloren] – Suedan . Recto, Spalte 2/3 (oben) 20) Crudum . – [ahd. Lemma verloren] 21) Cras . – Morgane . 22) Cruentem . – Firinlih . 23) Crucis . – Chruces . 24) Crata . – Danclih . 25) Criminosus . – Firinhaft . 26) Crassus . – Gifotit . 27) Crespat . – Chlingit . 28) Crura . – Pain . 29) Creator – Scaffento 30) Creditum – Pifolhan .

Der ‚Admonter Abrogans‘: Edition | 63

Recto, Spalte 2/3 (unten) – ca. 5 Zeilen verloren 31) Cultui . cu(m)be . – Nazze . piziuhit . 32) Cruria . cuneus . – Gimahhida . drupo . 33) Cunctassis . – Quehonti . 34) Culpat . – Missafahit . 35) Crutinam – Antuurti 36) Curriculum . – Vmpilauft . 37) Cuncti temporis . – Allera ziti . 38) Cursum . – Hlauft . Verso, Spalte 1/2 (oben) 39) [lat. Lemma verloren] – Vparal . 40) Cuius . piam . – Souuelih . 41) Cuius . libet . – Souuelies . luste . 42) Culix . – Fogal . 43) Custodia . – Pihalti . 44) Cupitas . – Furnessi . 45) Cubilia . – Mu.uuerf . 46) Cupiosissim(us) . – Ginuhtsamota . 47) Cunctis . – Allem . 48) Custus . – Phaltari . 49) Culicusgenus . – Premachunni . 50) Dapibus .a. – Mazzimos Verso, Spalte 1/2 (unten) – ca. 5 Zeilen verloren 51) De est .e. – Vuanist 52) Denegat . – Furlaugnit . 53) Defixus – Gifastinot . 54) Delectabilia . – Lustlih . 55) Descendit – Vrpaizzit . 56) Dememoria . – Fonagihugti . 57) Debellante . – Fehtanti . 58) Deiudicat . – Posonit . 59) Depositum . – Antsazzit . Verso, Spalte 3 oben 60) Deescens . – [ahd. Lemma verloren] 61) Dedicare . – [ahd. Lemma verloren]

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62) Dedicatum . – [ahd. Lemma verloren] 63) Deuotione . – [ahd. Lemma verloren] 64) Dedunt . – [ahd. Lemma verloren] 65) Deuotus . – [ahd. Lemma verloren] 66) Defenerauit . – [ahd. Lemma verloren] 67) Deliputus . – [ahd. Lemma verloren] 68) Demu . – [ahd. Lemma verloren] 69) Deneque . – [ahd. Lemma verloren] 70) Deinceps . – [ahd. Lemma verloren] Verso, Spalte 3 (unten) – ca. 5 Zeilen verloren 71) Deuellemur . – [ahd. Lemma verloren] 72) Deterremur . – [ahd. Lemma verloren] 73) Demalo peiore . – [ahd. Lemma verloren] 74) Depromunus . – [ahd. Lemma verloren] 75) Depromuer(unt) . – [ahd. Lemma verloren] 76) Detullerunt . – [ahd. Lemma verloren] 77) Depis . – [ahd. Lemma verloren] 78) Deo(rum) . – [ahd. Lemma verloren] 79) Desapit . – [ahd. Lemma verloren]

Der ‚Admonter Abrogans‘: Edition | 65

3 Kommentierte Edition Aufbau der kommentierten Edition: Nummerierung. Lateinisches Lemma – Althochdeutsches Interpretament. Transkription, Abkürzungen in Klammern aufgelöst, Unsicherheiten kursiv Ggf. Angaben zu Lesung und möglichen Verschreibungen [Nachweis in SchGW (mit Bedeutungsangaben) und ggf. AhdWB und EWA] Edition in StSG sowie für K die Transkription von Sonderegger [So] und ggf. Angaben zu weiteren vergleichbaren Glossen. Mit Formenangaben und Nachweis aus K, Pa und Ra (auch Negativangaben, gekennzeichnet mit ø). Wenn vorhanden, auch Nachweis in weiteren Glossaren (R, Rx) G: Grammatische Bestimmung der althochdeutschen Form L: Grammatische Bestimmung der lateinischen Form K: Ggf. Kommentierung

Recto, Spalte 1 (oben) – [ohne lateinisches Lemma] 1) Denchit . [SchGW II, 165: denken ‚(sich) besinnen, denken, überlegen‘; AhdWB II, 377; EWA II, 579–581] StSG I, 162.34: Pa cogitat – danchit, K Ra ø; StSG I, 267.23: Kb (So II, 302) cogitat – thekhit (verschrieben < *thenkhit), Pa Ra ø. G: 3. Ps. Praes. Ind. zu ahd. denken sw.V. K: Pa noch ohne Umlaut; Kb mit Umlaut (wie Ad), aber auch mit Bewahrung des germ. [th] < germ. *thank-(e)ja-. 2) Giuuonahait . [SchGW XI, 279f.: giwonaheit ‚Brauch, Gebrauch, Gemütsart, Gewohnheit, Haltung, Nutzen, Übung‘; EWA IV, 455f.] giwonaheit nicht im ‚Abrogans‘, evtl. giwona StSG I, 44.14, 45.14 u. ö. G: Nom. Sg. zu ahd. giwona-heit st.F., Ableitung mit Suffix -heit zu ahd. giwon ‚gewohnt, vertraut‘. K: Mit Suffix -heit in den Glossen zu einzelnen biblischen Büchern, sonst in Glossen-Überlieferung zu consuetudo, consparsio. Das Lemma consuetudo ist auch im Karlsruher lat.-lat. ‚Abrogans-Glossar‘ auf fol. 58r belegt. Früh in der Form giuuonaheit in den ‚Würzburger Canonesglossen‘. In den ‚St. Pauler Lukasglossen‘ in der Form keuuoneheiti als st.N. überliefert (ChWdW8, 330). Das Suffix in Ad mit Erhaltung des germanischen Diphthongs [ai].

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3) Pagit . [SchGW I, 244f.: bāgan ‚streiten‘; AhdWB I, 776; EWA I, 425–427] StSG I, 88.3, 89.3: contendit – Pa pagit, Kb (So II, 187) pakit, Ra ø; StSG I, 112.39, 113.39: contendit – Pa pagit, Kb (So II, 201) pakit, Ra ø; vgl. StSG I, 18.26, 19.26: litigat – Ra pagit. Ka (So II, 151), Pa pagari. G: 3. Sg. Praes. Ind. von ahd. bāgan red.V. 4) Uuannentem . [SchGW X, 375f.: wānen ‚vermuten‘] StSG I, 88.38, 89.38: Coniectorem – Pa uuanentem, Kb (So II, 188) uuanenten, Ra ø. G: Part. Praes. (oder substantiviert) Dat. Pl. zu ahd. wānen sw.V. Die Kasusdifferenz im Vergleich zum Akk. Sg. des anzunehmenden lat. Lemmas könnte in Anlehnung an die lateinische Endung entstanden sein (vgl. Splett 1976: 154). Für die Semantik ist zu beachten, dass lat. coniector auch ‚Zeichendeuter, Wahrsager‘ bedeutet. K: Auffällig ist die Schreibung mit Doppel- als Folge der alemannischen Gemination vor j nach Langvokal, vgl. Simmler (1974: 221f.) mit Beispielen und dem Hinweis darauf, dass Kb diese Gemination bereits nicht mehr aufweist, wogegen sie in der ‚Benediktinerregel‘ und den ‚Murbacher Hymnen‘ noch vorhanden ist, was dafür spricht, dass Ad hier die ältere Form aufweist. Vgl. allgemein zur Gemination nach Langvokal (besonders im Altoberdeutschen) Ahd. Gr.16, § 92. 5) Giscaft . [SchGW VIII, 269: giscaft ‚Beschaffenheit‘; EWA IV, 395] StSG I, 84.18, 85.18: Conditio (Pa), Condicio (Kb) – Pa kascaft, Kb (So II, 185) kiscaft, Ra ø. G: Nom. Sg. von ahd. gi-scaft st.F. K: In der Form kiscaft im 8. Jh. auch in ‚St. Galler Glaube und Beichte‘ und ‚Rb‘ (ChWdW8, 260). 6) Pifangan . [SchGW III, 20–24: bifāhan ‚erfassen‘; AhdWB III, 492; EWA III, 9–14] StSG I, 16.2, 17.2: consumptor (Pa Ra), consuntor (K) – Pa Ka (So II, 150) pifangan, Ra ø; StSG I, 60.33, 61.33: conpacte – Pa Kb (So II, 173) Ra pifangan; StSG I, 60.37, 61.37: conprehendi – Pa pifangen, Ra pifahan, K ø. G: Part. Praet. von bi-fāhan red.V. 7) Paz uuepanti ist . Übernahme einer Fehllesung und Fehlsegmentierung, die sich so auch in Kb findet: cohorta est . spanantio ist pas . uuependi ist . subito . nata ist . farunka . suuimmandi ist (So II, 180; StSG I, 75.2), aber auch in Pa ähnlich steht. Zur genaueren

Der ‚Admonter Abrogans‘: Edition | 67

Gestalt und Genese dieser Glossierung vgl. den Beitrag von Brigitte Bulitta (S. 143–148 in diesem Band). Die Segmentierung der Wörter in Ad spricht für folgendes Verständnis: [SchGW I, 278: baz ‚allmählich, eher (hier: besser)‘; EWA I, 503–505]; [SchGW X, 431: weban – ‚gewebt, weben‘] ist [SchGW VIII, 212–230: sīn ‚sein‘]. G: uuepanti Part. Praes. von ahd. weban st.V.; ist 3. Sg. Praes. Ind. von ahd. sīn an.V. paz Komparativ zu ahd. guot, Adj. K: Übersetzung wäre also ‚besser webend ist‘; dazu, wie das mit dem anzunehmenden Lemma co(h)orta zusammengedacht wurde, vgl. Bulitta (S. 143–148 in diesem Band). 8) Khaisorlih . [SchGW V, 171f.: keisurlīh ‚kaiserlich‘; AhdWB V, 72] StSG I, 104.25, 105.25: corona imperialis – Pa sikihelm chaisurlih – Kb (So II, 196) corona keisurlih, Ra ø. G: Adj.; mit Suffix -līh Ableitung vom Subst. st.M. kaisor. K: Das Adjektiv findet sich in der ‚Abrogans‘-Überlieferung innerhalb der Erklärung zum Lemma Diadema (StSG I, 104.21). In der Überlieferung ist der Anlaut sonst graphisch als oder realisiert; vergleichbar dem von Ad ist die Form kheisure in den ‚St. Pauler Lukasglossen‘, allerdings ist dort das hochgestellt: kh-; zur sonstigen Realisierung der Affrikata als (wie neben der ‚Abrogans‘-Überlieferung u. a. etwa im ‚Muspilli‘), vgl. Ahd. Gr.16, § 144, Anm. 1 und Haubrichs, S. 118–126 in diesem Band. Die Endung -or findet sich sonst nur bei Otfrid (vgl. Kelle 1881: III, 334) und teilweise im ‚Tatian‘ (vgl. Sievers 21892: 369); in einer Adjektivform ist die Endung sonst nicht belegt, dort stets -ur oder -ar. Der germ. Diphthong [ai] ist in Ad wie in Pa erhalten. 9) Furnoman . [SchGW VII, 52–55: firneman ‚verbrauchen, verzehren‘; AhdWB VI, 1136; EWA VI, 884f.] StSG I, 90.41, 91.41: Consumpta – Pa farnoman, Kb (So II, 189) firnoman, Ra ø; StSG I, 122.18, 123.18: consumpta – Pa farnoman, Kb (So II, 205) firnoman, Ra fornoman. G: Part. Praet. von ahd. fir-neman st.V. K: Die Form farnoman in Ka, StSG I, 27.18 (So II, 155). Zu fur- als „älteste Form dieses Präfixes“, das in den „älteren obd. Quellen“ indes „selten“ ist, vgl. Ahd. Gr.16, § 76 (ferner Haubrichs, S. 134f. in diesem Band). Vgl. dazu auch die Schreibung (bzw. Verschreibung) in Nr. 44 Furnessi und Nr. 52 Furlaugnit. 10) Piduuingit . [SchGW II, 337–339: bidwingan ‚fesseln‘; AhdWB II, 818; EWA II, 922–925] StSG I, 60.38, 61.38: constringi (Pa Ra), constricti (K) – Pa piduungan, Kb (So II, 173) pithungan, Ra pidungan. G: 3. Sg. Praes. Ind. von ahd. bi-dwingan st.V.

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K: In Kb (StSG I, 247.33) findet sich dieses Interpretament als pithunkit (< *pithuinkit) zu expremit ‚erzwingt‘ (So II, 282); ferner StSG I, 76.2, 77.2 confligit – Pa dathumgit (< *kathuungit), Kb kithuunkit (So II, 181) und StSG I, 123.15 nochmals zum Lemma expremere als kithuvin (So II, 205), wobei in StSG I, 122.15 in Pa mit kaduingan im Infinitiv glossiert wird. Das Lemma könnte in Ad also auch confligit ‚stößt zusammen, bekämpft‘ gelautet haben (vgl. Splett 1976: 433). 11) Uuahsanti Die letzten Buchstaben wohl die in Ad geläufige ti-Ligatur. [SchGW X, 346–348: wahsan ‚wachsen‘] Partizipialformen im ‚Abrogans‘: StSG I, 34.25, 35.25: creuit – Pa uuahsanti, Ka (So II, 158) uuahsandi, Ra ø; StSG I, 50.31: crescit – Pa uuahsant, K Ra ø; StSG I, 218.26: crescens – Kb (So II, 262) uuahsandi, Ra ø. G: Part. Praes. von ahd. wahsan st.V.

Recto, Spalte 1 (unten) – [ohne lateinisches Lemma] 12) Vparhaltan . Wohl verschrieben aus uparhlatan (vgl. Abb. 18, S. 165). [SchGW V, 441: ubarladan ‚übersättigt‘; EWA V, 953] StSG I, 80.8: crapulatus – Pa Kb (So II, 183) uparhlatan, Ra upartrunkan. G: Part. Praet. von frühahd. ubar-hladan, ahd. ubar-ladan st.V. K: Die Verschreibung könnte dadurch erklärt werden, dass dem Schreiber altes germ. h vor (anlautendem) l nicht mehr geläufig war. Es findet sich zwar in allen Fassungen des ‚Abrogans‘ oft, schwindet aber sonst im Laufe des 9. Jh. völlig (vgl. Ahd. Gr.16, § 153). 13) Striplenti [SchGW IX, 275: stripalēn ‚krachen, lärmen‘, hier Part. Praes. im Sinne von ‚krachend, lärmend‘] StSG I, 80.38, 81.38: Crepetus (Pa K), Crepitus (Ra) – Pa striplendi, Kb (So II, 184) stripelendi, Ra striplenti; StSG I, 142.24, 143.24: strepidus (Pa K), strepitus (Ra) – Pa Ra striplenti, Kb (So II, 215) stripelendi; StSG I, 252.28: strepidus (K), strepitus (Ra) – Kb (So II, 287) stripelenti, Ra striplenti; StSG I, 254.28: strepidus – Kb (So II, 289) stripelendi. G: Part. Praes. von ahd. stripalēn sw.V. K: Nur im ‚Abrogans‘ überliefert. Ad teilt mit Pa und Ra die Synkope des -a-. Nach Splett (1976: 143), der dabei Betz (1936: 50) folgt, ist stripalēn ein Lehnwort von strepere.

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14) Khregenti [SchGW V, 340: kriegen ‚schallen‘; AhdWB V, 407: ?kriegen sw.V.; EWA V, 787: kriegên sw.V.] StSG I, 82.2, 83.2: crepitans (Pa R), crepidans (Kb) – Pa chregenti, Kb (So II, 184) chrekendi, Ra ø, s. a. StSG I, 136.33, 137.33. G: Part. Praes. von ahd. kriegen sw.V. K: Brigitte Bulitta erwägt in diesem Band (S. 153f.) einen Zusammenhang mit einem lautmalerischen jan-Verb krecken oder krehhen (AhdWB V, 396). Schon im AhdWB (II, 9) wird für den Beleg mit Fragezeichen auf krêgen verwiesen und damit von StSG I, 136.33 getrennt. Gegen diese Trennung und mit Hinweis auf die Bedeutung von mhd. kriegen, das mit ‚lärmen‘ übersetzt werden kann, plädiert Splett (1976: 206) für einen Bezug zu kriegen. Auch EWA (V, 773: krecken) weist nicht auf StSG I, 82.2 hin. Die Belege aus dem ‚Abrogans‘ werden im EWA (V, 767: kriegên) genannt, als denominale Ableitung von krieg, das allerdings erst ab dem 2. Viertel des 9. Jh. belegt ist (vgl. EWA V, 785). 15) Gilaupta [SchGW VI, 166f.: gilouben ‚glauben‘; AhdWB V, 1316; EWA V, 1458f.] StSG I, 86.5, 87.5: Credidi – Pa kalaupta, Kb (So II, 186) kilaupta, R kalaup:ta, Ra ø. G: 1. Sg. Praet. Ind. von frühahd. gi-lauban, ahd. gi-louben sw.V. K: Germ. Diphthong [au] bleibt in der gesamten ‚Abrogans‘-Überlieferung bewahrt (vgl. Ahd. Gr.16, § 45, Anm. 1). 16) Vuinuas . [SchGW XI, 168: wīnfaz ‚Weinkrug‘] StSG I, 87.11, 87.12: Crateras chupfa (R) – R uasa uinalia uuinfaz, Pa ø K ø Ra ø G: Nom. Sg. oder Pl. von ahd. wīn-faz st.N. K: Das ahd. Interpretament ist im 8. Jh. sonst nicht belegt; der Beleg aus R ist der einzige auch für das 9. Jh. In Ad eventuell spontane Bildung aus Interpretamenten, die sich in Pa und K unter dem Lemma StSG I, 86.11, 86.12, 86. 13 Crateras (Pa), Creteras (K) finden: uasa – Pa Kb (So II, 186) faz. uinaria – Pa Kb (So II, 186) uuines, die danach als neues Interpretament zu Crateras/Creteras an dieser Stelle ins Alphabet eingeordnet wurde. Der Frikativ ist auch sonst, „besonders in Glossen zuweilen auch durch einfaches bezeichnet“ (Ahd. Gr.16, § 160, Anm. 2b). Da in Ad auch die Schreibung für [f] ungewöhnlich ist, gehen wir davon aus, dass die Schreibung unter dem Einfluss von lat. uasa steht. 17) Firinari . [SchGW III, 178: firināri ‚Verbrecher‘; AhdWB III, 904; EWA III, 289] StSG I, 98.31: crimenatus (Pa), crimenator (Kb) – Pa Kb (So II, 193) firinari Ra ø. G: Nom. Sg. von ahd. firināri st.M.

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18) Vualugirerim . Wohl – quasi haplologisch – verschrieben < *walugirim. [SchGW X, 370: walugiri ‚grausam‘ oder walugirī ‚Grausamkeit‘, walugirida ‚Grausamkeit‘] StSG I, 110.18, 111.18: crudelibus – Pa Kb (So II, 199) uualokirem, Ra ø. G: Subst. oder (falls -erim aus -irêm verschrieben) Adj. Zur Flexion kann man wegen der eventuell verschriebenen Endung nichts Definitives sagen. K: Die Verschreibung ist am ehesten aus der Form StSG I, 110.18, 111.18 mit der Endung -irem erklärbar. Dort aber im ersten Teil des Kompositums finales statt ursprünglichem wie in StSG I, 12.3, 13.3. Vgl. auch StSG I, 78.4, 79.4: Crudelis (Pa R), cludelis (K), Cludetis (Ra) – Pa uualogiri, Kb (So II, 182) uualokiri, Ra uualugiri, R uualukirer; StSG I, 156.35: crudelis – Pa uualokiri, K Ra ø; StSG I, 184.13, 185.13: crudeli – Pa uualogiri, R uualakiri, K Ra ø; StSG I, 242.11: crudelis – Kb (So II, 277) uualokiri, Ra ø. Möglicherweise stand als lat. Lemma auch das Substantiv wie in StSG I, 12.3, 13.3: crudelitas (Pa), crudilitas (K), crudelitatis (Ra) – Pa uualugirida, Ka (So II, 149) uualugiridha, Ra uualukirida. 19) Suedan . [SchGW IX, 381: swedan ‚verbrennen‘] StSG I, 132.38, 133.38: cremare – Kb (So II, 211) suuethan, Ra suedan, Pa smerzan. G: Inf. von ahd. swedan st.V.

Recto, Spalte 2/3 (oben) 20) Crudum . – [ahd. Lemma verloren] Das verlorene Interpretament war wohl *plaihendi wie in StSG I, 134.22, 135.22: crudum – Pa plaihendi, Kb pleih. endi plao (So II, 211) – in Kb mit Zusatz plao umgedeutet im Sinne von ‚bleich und blau‘ < *pleihendi; zugehörig zu [SchGW I, 424: bleihhen ‚glänzen, schimmern‘, hier als Part. Praes. im Sinne von ‚glanzlos schimmernd‘, vgl. AhdWB I, 1195]. L: Adj. Akk. Sg. mask. oder Nom./Akk. Sg. neutr. (crudus ‚roh, frisch, unbehandelt‘). K: crudum wird hier als Synonym zu incoctus im Sinne von ‚ungekocht‘ gesetzt, das im ursprünglichen Zusammenhang der Glossierung eigentlich – aber in anderer Semantik – das Part. Perf. zu incoquere ‚mit einem Metall überziehen‘ ist (Splett 1976: 203). Die übersetzerische Umdeutung mit ‚bleich und blau‘ (statt wörtlich ‚ungekocht‘) in Kb könnte auf das Lemma electrum ‚Goldsilber‘ und die Interpretamente aurum et argentum reagieren.

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21) Cras . – Morgane . [SchGW VI, 430–432: morgan ‚morgen‘; AhdWB VI, 803; EWA VI, 557–561] Im ‚Abrogans‘ nicht mit dem Lemma cras. Aber im AhdWB mehrfach adverbial (zu cras), z. B. StSG IV, 138.22. G: Dat. Sg. von ahd. morgan st.M. hier in adverbialer Verwendung (analog zum lat. Adverb cras). L: Adv. (cras ‚morgen‘). 22) Cruentem . – Firinlih . Verschreibung aus . [SchGW III, 178: firinlīh ‚grausam‘; AhdWB III, 905; EWA III, 289] StSG I, 215.26: cruentum – Kb (So II, 258) Ra firinlih (vgl. StSG I, 78.10: cruentum – Pa smerzanti, Kb [So II, 182] smerzzendi, Ra niuplotenti). G: Adj.; Ableitung mit Suffix -līh zu ahd. firina st.F. L: Die Form der Vorlage lautete wohl (so Splett 1976: 307) cruentum Adj. Nom. Sg. neutr. (cruentum ‚blutend, blutig‘). 23) Crucis . – Chruces . [SchGW V, 363–364: krūzi ‚Kreuz‘; AhdWB V, 447; EWA V, 842–844]. So nicht im ‚Abrogans‘, doch laut AhdWB häufig belegt und auch in der Genitivform. G: Gen. Sg. zu ahd. krūzi st.N. L: Subst. Gen. Sg. fem. (crux, crucis ‚Kreuz‘). 24) Crata . – Danclih . [SchGW II, 139: danklīh ‚dankbar‘; AhdWB II, 61; EWA II, 527] StSG I, 116.8, 117.8: grata (Pa Ra), crata (Kb) – Pa tunclih (mit Verschreibung aus cc-a), Kb (So II, 202) thanglih, Ra ø (vgl. StSG I, 161.26: Gratissima – R danclihhosta). G: Adj. ahd. dank-līh; līh-Bildung zu ahd. thanc st.M. L: Adj. Nom./Abl. Sg. fem. (gratus, a, um ‚angenehm, dankenswert, dankbar‘). K: Für die Bedeutung ‚dankbar‘ vgl. Splett 1976: 181. In Kb ist thanglih der einzige Fall, in dem germ. [k] mit wiedergegeben wird. Die beim lat. Lemma crata auftretende hyperkorrekte Schreibung für sonores ist nicht ungewöhnlich und hier schon der gemeinsamen Vorstufe von Ad und Kb zuzuschreiben (vgl. Mairhofer, S. 42 in diesem Band). Vgl. auch Nr. 77 Depis. 25) Criminosus . – Firinhaft . [SchGW III, 178: firinhaft ‚verbrecherisch‘; AhdWB III, 905; EWA III, 289] StSG I, 140.16, 141.16: criminosus – Pa Kb (So II, 214) firinhaft, Ra ø. G: Adj. ahd. firin-haft. L: Adj. Nom. Sg. mask. (criminosus, a, um ‚verleumderisch, gehässig, verbrecherisch‘). K: Das ahd. Interpretament ist nur hier belegt.

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26) Crassus . – Gifotit . [SchGW III, 342: fuoten ‚füttern‘, hier Part. Praet. im Sinne von ‚gefüttert, dick‘; AhdWB III, 1362; EWA III, 646f.] StSG I, 219.23: saginatus uel crassus – Kb (So II, 263) feizzit edho kifotit, Ra nur feizit; vgl. StSG I, 150.30, 151.30: Fouit – Pa Kb (So II, 219) fodit, Ra fotit. G: Part. Praet. von frühahd. fôten, ahd. fuoten sw.V. L: Adj. Nom. Sg. mask. (crassus, a, um ‚dick, dicht, fett, grob‘). K: Das Verb öfter im ‚Abrogans‘ (So II, 153, 207, 219, 226, 247) für fovere, gliscere, nutrire, educare. Nähe zu Kb, denn das Part. Praet. mit erhaltenem germ. Monophthong [ô] in fot- findet sich innerhalb der sonstigen ‚Abrogans‘Überlieferung nur dort. 27) Crespat . – Chlingit . [SchGW V, 254f.: klingan ‚sich kräuseln‘; AhdWB V, 252; EWA V, 602–604] StSG I, 265.26: crispat – Ra clingit, Kb (So II,300) klinkit. G: 3. Sg. Praes. Ind. von ahd. klingan st.V. L: 3. Pers. Sg. Praes. Akt. Ind. (crispare ‚kräuseln, in zitternde Bewegung versetzen, schwingen‘). K: Für die hier anzusetzende Bedeutung des lat. Lemma (hier mit vlat. Senkung von [i] > [e]) vgl. Splett 1976: 402; Seebold 1970: 300. 28) Crura . – Pain . [SchGW I, 282f.: bein ‚Bein, Gebein, Knochen‘; AhdWB I, 846; EWA I, 515f.] Oft in den vor allem Körperteile betreffenden Glossen für das Lemma crus, aber kein Beleg im ‚Abrogans‘. Vgl. u. a. crus – bein in StSG III, 19.25, 74.10, 178.53, 354.21, 433.63, 434.67, 438.42 (Körperteilglossen). G: Nom. Akk. Pl. von frühahd. bain, ahd. bein st.N. (in den Glossen sind Nom. Pl., aber auch Akk. Pl. belegt). L: Subst. Nom./Akk. Pl. neutr. (crus, cruris ‚Unterschenkel, Bein‘). K: Die Schreibung für den germ. Diphthong [ai] könnte auf den Archetypus des ‚Abrogans‘ zurückverweisen, zeigt in jedem Fall aber ins 8. Jh. zurück (zur Chronologie des Übergangs von zu vgl. Ahd. Gr.16, § 44, Anm. 2 sowie Haubrichs, S. 127f. in diesem Band). 29) Creator – Scaffento [SchGW VIII, 265: scaffōn ‚schaffen, bilden‘] StSG I, 58.31, 59.31: sorbellum ‚Schluck‘ – Pa Kb (So II, 171) scaffonti, Ra ø. Im ‚Abrogans‘ ist davor, und zwar als Synonym zu Bardus, auch conditor (StSG I, 58.29) bezeugt, mit der Übersetzung: Pa scapheo, Kb (So II, 171) scaffo, Ra ø; daraus lässt sich schließen, dass man offenbar schon im Archetyp in der Zeile verrutscht ist.

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G: Part. Praes. von scaffōn sw.V. Hier substantiviert und dekliniert als schwaches Adjektiv, Nom. -o (vgl. Ahd. Gr.16, § 255). L: Subst. Nom. Sg. mask. (creator, oris ‚Hervorbringer, Schöpfer, Urheber‘). K: Das statt zu erwartendem als erstaunlich frühe Form der Endsilbenabschwächung (vgl. Ahd. Gr.16, § 59, bes. Nr. 3) oder als Anschluss an einen Infinitiv *scaffen. 30) Creditum – Pifolhan . [SchGW III, 93–96: bifelahan ‚anvertrauen‘; AhdWB III, 701; EWA III, 126–131] StSG I, 92.39, 93.39: creditum – Pa Kb (So II, 190) pifolahan, Ra ø. G: Part. Praet. von ahd. bifelahan st.V. L: PPP Akk. Sg. mask. bzw. PPP Nom./Akk. Sg. neutrum (credere ‚(an-)vertrauen, glauben‘).

Recto, Spalte 2/3 (unten) 31) Cultui . cu(m)be . – Nazze . piziuhit . -e bei Nazze hochgestellt, aber gut erkennbar. Zwei Lemmata: (1) [SchGW VII, 153: nuz ‚Gebrauch‘; AhdWB VI, 1440; EWA VI, 1083f.] StSG I, 66.1, 67.1: cultui – Pa nuzze, Kb (So II, 175) nazze (Verschreibung mit cc-a aus ), Ra ø. G: Dat. Sg. von ahd. nuz st.M. (mit Verschreibung für ). L: Subst. Dat. Sg. mask. (cultus, us ‚Pflege, Bearbeitung, Kultivierung, Beschäftigung mit‘). K: Das ahd. Interpretament zeigt einen Bindefehler mit Kb. (2) [SchGW XI, 417: biziohan ‚beziehen, festbinden, unterweisen, wegnehmen, zurückziehen, zusammenziehen‘] StSG I, 68.8, 69.8: cumbe (Pa), cumpe (K) – Pa piciuuit, Kb (So II, 176) piziuuit, in Ad mit anderem Verb (vgl. unten, Kommentar). Die Form von Ad piziuhit so auch in StSG I, 184.39, 185.39: Pa Kb (So II, 235) piziuhit, Ra pizuhit, allerdings zum Lemma inbuit zu inbuere ‚einweisen, vertraut machen‘; vgl. ferner StSG I, 70.31: Pa piziuhit, Kb (So II, 178) biziuhit, Ra ø zum Lemma detrahit zu detrahere ‚wegnehmen‘. G: 3. Sg. Praes. Ind. von ahd. bi-ziohan st.V. L: Das eigenartige und zweifellos fehlerhafte Lemma cumbe ist durch Pa, Ad und Kb (mit aus romanischer Sonorisierung zu erklärender hyperkorrekter Schreibung

) für den Archetyp gesichert. Der dort entstandene Fehler erklärt sich

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nach Mairhofer (vgl. S. 42 in diesem Band) durch Übersehen eines Kürzungshäkchens in *cūb'e < (in)cumbere (Inf.) ‚sich auf/an etwas legen, stürzen, hereindringen, sich anstrengen‘, mlat. auch ‚zu jmd. gehören, jmd. zukommen‘, womit sich eine semantische Nähe zu ahd. bi-ziohan ergibt. K: Neben den genannten Lemmata inbuere und detrahere ist das AdInterpretament biziohan im ‚Abrogans‘ auch für con(n)ectere, coniungere, devincire belegt (vgl. Splett 1976: 545). Hierzu kommt nun auch das für Ad zu rekonstruierende Lemma *(in)-cumbere ‚sich auf/an etwas legen, hereindringen‘, aber auch später ‚zu jmd. gehören‘, womit es in die semantische Nähe von coniungere ‚verbinden, zusammenspannen‘ und connectere ‚zusammenknüpfen, verbinden‘ rückt. Das in Ad belegte ahd. Interpretament piziuhit müsste dann in Kb zu piziuuit und in Pa zu piciuuit verlesen worden sein. Wenn tatsächlich die Form in Pa und K auf bisiuwen ‚benähen, beziehen‘ (mit Verschreibung bzw. für ) zurückgehen sollte (vgl. Splett 1976: 128 mit Hinweis auf Guericke und Raven, wobei als ursprüngliches Lemma cumba ‚Kahn‘ angenommen wird; der Bezug zwischen ‚benähen, beziehen’ zu ‚Kahn‘ ist für Splett „unklar“, auch wenn er auf eine „ähnliche Glossierung“ – StSG I, 68.19: pelta ‚Schild‘ mit pisiuuit ‚vernäht‘ – hinweist), dann müsste das schon in einer Vorstufe von Ad geschehen sein, wobei Ad das , wie es in Kb steht, als Affrikata auffasste und das Wort deshalb an biziohan anschloss. Eine der Bedeutung von (in-)cumbere angemessenere Alternative ist aber, anzunehmen, dass Ad die ursprüngliche Form wahrt, wobei früh auf dem Weg nach Pa Kb das uh als uu gelesen (oder interpretiert) wurde und Pa selbst vor folgendem -i mechanisch nach sonstigem Schreibbrauch als wiedergab. 32) Cruria . cuneus . – Gimahhida . drupo . Cruria verschrieben aus *curia. Zwei Lemmata: (1) [SchGW VI, 230f. gimahhida ‚Versammlung‘; AhdWB VI, 90; EWA IV, 314] StSG I, 72.29, 73.29: Curia (Pa K), Curiam (Ra) – Pa kamahida, Kb (So II, 179) kimahhita, Ra kimahida. G: Nom. Sg. von ahd. gi-mahhida st.F. L: Subst. Nom./Abl. Sg. fem. (curia ‚Hof, Versammlungsort, Versammlung‘). (2) [SchGW II, 298–302: drūbo ‚Schar‘ für cuneus ‚Keil, Militärformation‘; AhdWB II, 682; EWA II, 810–812] StSG I, 74.6, 75.6: Cuneus – Pa Ra drupo, Kb (So II, 180) thrupo. G: Nom. Sg. von ahd. drūbo sw.M. L: Subst. Nom. Sg. mask. (cuneus ‚Keil‘). K: mit Pa Ra; [b] > [p] mit allen ‚Abrogans‘-Zeugen.

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33) Cunctassis . – Quehonti . [SchGW XI, 477f. zwehōn ‚zögern‘] StSG I, 74.9, 75.9: Cunctans (Pa Ra), Cuncta. sis (Kb) – Pa zueondi, Kb (So II, 180) queondi, Ra zuonti. G: Part. Praes. zu ahd. zwehōn sw.V. L: Wahrscheinlich Zeugnis der Nebenform cunctare (Georges I, 1807) des Deponens cunctari. Dann wohl Fehllesung (aufgrund eines missinterpretierten Nasalstrichs?) aus cunctans sis (Part. Praes. Akt. und 2. Sg. Konj. Praes. Akt. von esse), was das Part. Praes. des ahd. Interpretaments erklären kann (so auch Mairhofer, S. 42f. in diesem Band). Möglich – mit Blick auf Kb – wäre aber auch Verlesung aus *cunctatus sis, Perfekt Konj. des Deponens oder *cunctas(s)is < *cunctastis (hier mit vlat. Assimilation [st] > [ss]) < *cunctavistis, zum Inf. Perfekt cuncta-visse (mit vlat. Ausstoßung von -vi-). K: Die qu- Graphie des ahd. Interpretaments entspricht Kb (vgl. Haubrichs, S. 115 in diesem Band). Das lat. Lemma repräsentiert einen Bindefehler zu Kb. 34) Culpat . – Missafahit . [SchGW III, 26f.: missifāhan ‚sich vergehen‘; AhdWB VI, 661; EWA III, 9–14] StSG I, 76.35, 77.35: Culpat – Pa missafahit, Kb (So II, 182) Ra misfahit. G: 3. Sg. Praes. Ind. von ahd. missi-fāhan red.V. L: 3. Pers. Sg. Praes. Akt. Ind. (culpare ‚schelten, beschuldigen‘, mlat. auch ‚beleidigen‘). 35) Crutinam – Antuurti Crutinam verschrieben aus *Curtinam (mit statt ). [SchGW I, 186f.: antwurti ‚Orakelspruch‘; AhdWB I, 574; EWA I, 288f.] StSG I, 90.30, 91.30: Curtinam (Pa R) / Curtiinam (K) – Pa antuuurti, Kb (So II, 189) antuurti, R churtilahhan, Ra ø. G: Nom./Akk. Sg. von ahd. ant-wurti st.N. (oder ant-wurtī st.F.). L: Subst. Akk. Sg. fem. (cortina, ae ‚rundes Gefäß, Kessel in Zusammenhang mit ‚Orakel‘ oder ‚Vorhang‘, hier mit hyperkorrekter Verwechslung von und aufgrund der vlat. Senkung von [u] > [o]). K: Das ahd. Interpretament bildet eine genaue Entsprechung zu K und Ad. 36) Curriculum . – Vmpilauft . [SchGW X, 163: umbilouft ‚Umlauf‘; EWA V, 1467f.] StSG I, 90.32, 91.32: Curticulum (Pa), curriculum (Kb, R) – Pa Kb (So II, 189) umpihlauft, R hlaufti, Ra ø. G: Nom. Sg. von frühahd. -hlauft, ahd. umbi-louft st.M. L: Subst. Nom./Akk. Sg. neutr. (curriculum, i ‚Lauf, Wettlauf, Umlauf‘). K: Germ. [h] vor Liquid [l] im Anlaut ist schon geschwunden (vgl. dagegen Nr. 38 Hlauft). Das ahd. Interpretament ist nur im ‚Abrogans‘ überliefert.

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37) Cuncti temporis . – Allera ziti . [SchGW I, 102–105, hier 104: al (al[iu] cit) ‚jederzeit‘] StSG I, 90.33, 91.33: cuncti temporis – Pa allero citeo, Kb (So II, 189) allero ziti, R allera ziti, Ra ø. G: Pron. Adj. ahd. al (entweder – nach Kb – Gen. Pl., dann mit Verlesung des finalen statt , oder Gen. Sg., wenn – im Einklang mit R – korrekt ist) und Gen Sg. von ahd. zīt st.F. L: Adj. und Subst. Gen. Sg. neutr. (cunctus, a, um ‚gesamt, ganz‘ und tempus, oris ‚Zeit‘). K: Bei ahd. ziti liegt eine genaue Entsprechung zwischen Kb und Ad vor; Pa hat dagegen im Einklang mit dem lat. Lemma Gen. Plural citeo (vgl. Splett 1976: 156). Unter Berücksichtigung von Ad und R ist anzunehmen, dass in Kb allero eine Verlesung zu aus cc-a vorliegt, was die Inkongruenz des Numerus erklärt (vgl. Müller, S. 103 in diesem Band). 38) Cursum . – Hlauft . [SchGW VI, 171: louft ‚Lauf‘; AhdWB V, 1354; EWA V, 1468] StSG I, 90.34, 91.34: cursum – Pa hlaust (mit Verschreibung für ), Kb (So II, 189) hlauft, Ra ø. G: Akk. Sg. von frühahd. hlauft, ahd. louft st.M./F. (analog zum Lateinischen). Vgl. Nr. 36 Vmpilauft. L: Subst. Akk. Sg. mask. (cursus, us ‚Lauf‘). K: Das ahd. Interpretament entspricht Pa-Vorlage und Kb. Germ. [h] vor [l] im Anlaut ist noch erhalten, anders als in Nr. 36 Vmpilauft.

Verso, Spalte 1/2 (oben) 39) [lat. Lemma verloren] – Vparal . Das lat. Lemma war wohl Cunctis, noch sichtbar ist der obere Bogen der ct-Ligatur. [SchGW X, 136f.: ubaral ‚insgesamt‘] StSG I, 90.35, 91.35: Cunctis (Kb), Cuctis (Pa) – Pa upar al, Kb (So II, 189) uparal, Ra ø. G: Adv. ahd. ubar-al. K: Bei StSG (I, 90.35, 91.35) erscheint der Beleg aus Kb wie in Pa upar al getrennt, ist jedoch nach handschriftlichem Befund zusammengeschrieben uparal wie in Ad, woraus sich eine Korrespondenz für Kb und Ad ergibt (im AhdWB nicht zusammengeschrieben und getrennt behandelt). 40) Cuius . piam . – Souuelih . [SchGW IX, 46f.: sōwelīh ‚wer immer es sei‘] StSG I, 92.6, 93.6: Cuiuspiam – Pa so uuelih so iz si ; Kb (So II, 190) so uueliher so iz si, R einikes, Ra ø. G: Indefinitpronomen ahd. sō welīh. L: Indefinitpronomen im Gen. Sg. (quispiam ‚irgend jemand‘).

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K: Das ahd. Interpretament entspricht Pa, das wie Ad die endungslose, nominal flektierte Form benutzt (vgl. Ahd. Gr.16, § 247). Die Glossengruppe findet sich nur im ‚Abrogans‘. 41) Cuius . libet . – Souuelies . luste . [SchGW IX, 46f. sōwelīh ‚was auch beliebe‘; SchGW VI, 198: lusten ‚(er-)freuen‘; EWA V, 1537] StSG I, 92.7, 93.7: cuiuslibet – Pa so uuelihes so luste, Kb (So II, 190) so uuelihes luste, R so huelihher so, Ra ø. G: Indefinitpronomen (vgl. Nr. 40 Souuelih) Gen. Sg. und 3. Sg. Praes. Opt. von ahd. lusten sw.V. L: Indefinitpronomen im Gen. Sg. (quilibet ‚jede(r)/jedes Beliebige, der/die/das Erstbeste, alle‘). K: Für das ahd. Indefinitpronomen ist – gegenüber Pa und K – intervokalische h-Aphaerese (romanisch?) anzunehmen; die Ausstoßung des [-h-], im Alemannischen etwa bei Notker, ist erst spätahd. (vgl. Ahd. Gr.16, § 292, Anm. 1). Vgl. Nr. 40 Souuelih. 42) Culix . – Fogal . [SchGW III, 228f.: fogal ‚Mücke‘, eigentlich ‚Vogel‘, hier im Sinne von ‚fliegendes Tier‘ verstanden; AhdWB III, 1015; EWA III, 433–436] StSG I, 92.25, 93.25: Culix – Pa Kb (So II, 190) focal, R fliuga mucca, Ra ø. G: Nom. Sg. von ahd. fogal st.M. L: Subst. Nom. Sg. mask. (culex, licis ‚Mücke‘). K: Gegenüber Pa und Kb focal bewahrt Ad intervokalisches [-g-]. Vgl. Nr. 49 Culicusgenus : Premachunni. 43) Custodia . – Pihalti . [SchGW IV, 141: bihaltī ‚Gewahrsam‘; AhdWB IV, 662] Stammt aus einer Glossengruppe zur Erklärung von ergastolum/ergastulum; StSG I, 126.15, 127.15: uel custodia (Pa Kb) – Pa edo pihalti, Kb (So II, 207) edho pihalti, Ra ø. G: Nom. Sg. bi-haltī st.F. L: Subst. Nom./Abl. Sg. fem. (custodia, ae ‚Obhut‘). K: Vgl. auch StSG I, 122.5, 123.5: custodias – pihaltida. Diese Form, wie auch bihaltī, findet sich nur im ‚Abrogans‘. 44) Cupitas . – Furnessi . Furnessi wohl verschrieben aus *firnessi (dieses schon in der gemeinsamen Vorstufe von Kb und Ad < *girnessi, *kirnessi). [SchGW III, 467: girnessī ‚Begierde‘; AhdWB IV, 290; EWA IV, 378] StSG I, 184.5, 185.5: cupiditas (Pa Ra), cupitas (K) – Pa girnessi, Kb (So II, 234) firnessi, Ra ø. G: Nom. Sg. von ahd. girnessī st.F.

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L: Subst. Nom. Sg. fem. (cupiditas, atis ‚Begierde, Verlangen‘; hier mit haplologischer Verkürzung von -idit-, die schon der Vorstufe von Kb und Ad angehört). K: Doppelter Bindefehler (cupitas, firnessi) zwischen Kb und Ad. Ob *firnessi (auf der gemeinsamen Vorstufe von Ad Kb) unter Einfluß von firina ‚Sünde‘ verschrieben ist (so Splett 1976: 258)? Zum Wechsel zwischen fir- und fur- vgl. Nr. 9 Furnoman und Nr. 52 Furlaugnit. 45) Cubilia . – Mu.uuerf . [SchGW VI, 486: mūwerf ‚Erdaufschüttung‘; AhdWB VI, 938 mit Fragezeichen; EWA VI, 721–725] StSG I, 203.18: cubilia – Kb (So II,245) muuuerf, Ra ø. G: Nom. Sg. von ahd. mū-werf st.N. L: Subst. Nom./Akk. Pl. neutr. (cubile, is ‚Lager, Lagerstatt‘). K: Nicht zu ‚Maulwurf‘ zu stellen, sondern als eigenes Wort für ‚Erdaufwurf‘ anzusetzen (vgl. Splett 1976: 285). Nach AhdWB (VI, 938): Vielleicht im Sinne von lat. cubile ‚Tierlager, -versteck‘, „oder hat der Glossator mit Blick auf die vorausgehende Fügung gislof tioro ‚Schlupfwinkel der Tiere‘ u. auf Verg., G. I,183 (s.v. mûuuerf st. m.) an das Tier mûuuerf st. m. gedacht?“ 46) Cupiosissim(us) . – Ginuhtsamota . Verschreibung Ginuhtsamota statt *Ginuhtsamosta. [SchGW VII, 141f.: ginuhtsam ‚reichlich‘; AhdWB. VI, 1407; EWA IV, 352f.] StSG I, 203.28: copiosismus – Kb (So II, 246) kinuhtsamorta, Ra ø. G: Superlativ des Adj. ahd. ginuht-sam auf -osta. L: Adj. (Superlativ) Nom. Sg. mask. (copiosus, a, um ‚reich(-lich) ausgestattet, reichlich, reich‘). K: Das lat. Lemma zeigt in Ad im Stamm die hyperkorrekte Schreibung statt aufgrund der vlat. Senkung von [u] zu [o]. Vgl. ferner das ungesteigerte Adj. StSG I, 140.35, 141.35: copiosus – Pa canuhtsam, Kb (So II, 215) kinuhtsam. Ad und K weisen beide Fehllesungen aus dem Superlativ *g/kinuhtsamosta auf; einmal verschrieben (K), einmal ausgelassen (Ad). Die Form in Ad geht demnach wahrscheinlich wie bei K auf eine Fehllesung der Vorstufe s > r (-*orta) zurück, die Ad unvollkommen korrigierte. Das -a in der Endung bedarf der Erklärung, da es nicht zum Mask. des lat. Lemma passt: „Zum Eintreten der neutralen Form auf -a für den Nom.Sg.M. beim Superlativ“ verweist Splett (1976: 173, zu StSG I, 108.13, 108.14, 108.15) auf Kögel (1879: 166) und Schatz (1927: § 347) – mit Belegen aus dem ‚Althochdeutschen Isidor‘, den ‚Monseer Fragmenten‘, Otfrid und Notker. 47) Cunctis . – Allem . [SchGW I, 102–195, hier 104: al ‚gesamt‘; AhdWB I, 96; EWA I, 129–135] StSG I, 91.35, 91.36: Cunctis. uniuersis – Kb (So II, 189) upar al. allem (StSG I, 90.35: Cuctis [Pa] – upar al, Ra ø – ohne Verbindung zu allem).

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G: Pron. Adj. ahd. al st. Dat. Pl. L: Adj. Dat./Abl. Pl. (cunctus, a, um ‚alle(s) zusammen, gesamt‘). K: Das ahd. Interpretament allem findet sich (in Verbindung mit cunctis bzw. uniuersis) nur in K als Glossenpaar: Cunctis – upar al; uniuersis – allem. Vgl. Nr. 39 Vparal. 48) Custus . – Phaltari . Verschrieben aus *pihaltari oder Synkope (vgl. Kommentar). [SchGW IV, 141: bihaltāri ‚Wächter‘; AhdWB IV, 662; EWA II, 38] StSG I, 196.1, 197.1: custus – Pa Kb (So II, 240) Ra pihaltari. G: Nom. Sg. von ahd. bi-haltāri st.M. L: Subst. Nom. Sg. mask. (custos, odis ‚Wächter, Hüter‘). K: Das lat. Lemma custus < custos in Pa, K und Ad zeigt in der Endung hyperkorrekte Schreibung statt auf der Grundlage der vlat. Senkung von [u] zu [o]. Beim ahd. Interpretament könnte es sich statt einer Verschreibung aus *pihaltari auch um eine – allerdings frühe – Synkope des Praefixes handeln. Oliver Ernst (2007: 284 mit Anm. 16) weist Synkope in Praefixen in mehreren Fällen in seinem Freisinger Glossenkorpus nach: K[I]NOZ, p[i]fola[n], p[i]fengi[da]. 49) Culicusgenus . – Premachunni . Fehlende Worttrennung beim lat. Lemma (eventuell auch beim ahd. Interpretament). [SchGW II, 19: brema ‚Bremse‘ (Insekt); SchGW V, 384–386: kunni ‚Art‘; AhdWB I, 1351; EWA II, 315f.] StSG I, 255.8: culicum genus – Kb (So II, 290) p(re)ma. chunni, Ra ø. G: AhdWB (I, 1351f.) setzt ein eigenes Lemma ?bremakunni als Kompositum mit Fragezeichen an (so auch EWA II, 315f.; vgl. dagegen Splett 1976: 382). Folgt man AhdWB I, 1351: Nom. Sg. von ahd. brema-kunni st.N. Die Schreibung des ahd. Interpretaments mit Trennungspunkt in Kb als p(re)ma. chunni spricht freilich gegen den Ansatz eines Kompositums, während Ad der fehlenden Worttrennung im lat. Lemma Folge leistete. L: Entweder: culicus (statt culicum): Subst. Gen. Pl. mask. (culex, licis ‚Mücke‘) und genus: Subst. Nom. Sg. neutr. (genus, eris ‚Gattung, Art, Herkunft‘). Oder: Fehlinterpretation von culicum genus der Vorlage (vgl. Splett 1976: 381f.) als Nom. Sg. mit praeponiertem Adjektiv *culicus < *-um analog der auch sonst belegten vlat. Einebnung der Unterscheidung zwischen Mask. und Neutr. (z. B. a. 646 ‚Edictus Rothari‘, etc.). In beiden Fällen bleibt die Grundbedeutung ‚Gattung der Mücken, Mückengattung‘ gewahrt. K: Quelle der Glossengruppe ist das ‚Abba-Glossar‘ (vgl. Splett 1976: 381), danach culicum genus auch in Kb (So II, 290) als synonymische Erläuterung für scinifex – mucke. Vgl. Nr. 42 Culix : Fogal.

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50) Dapibus .a. – Mazzimos [SchGW VI, 361: mezzimuos ‚Speise‘; AhdWB VI, 539; EWA VI, 392f.] StSG I, 100.32, 101.32: Dabibus (Pa), Dapibus (K) – Pa mazzimos, Kb (So II, 194) mezzimos, Ra ø. G: Nom. Sg. von frühahd. mazzi-môs, ahd. mezzi-muos st.N. (im Gegensatz zum lat. Lemma im Dat./Abl. Pl. zu daps ‚Festmahl‘). L: Subst. Dat./Abl. Pl. fem. (daps, dapis ‚Opferschmaus, Festschmaus, Speise, Mahl‘). K: Das ahd. Interpretament steht in Ad und Pa ohne Umlaut und ohne Diphthongierung von germ. [ô]. Nach EWA (VI, 392) begegnet das Kompositum nur im ‚Abrogans‘ zum Lemma daps ‚Speise als Mahl, Schmaus, Festmahl‘; es handelt sich um ein Explikativ-Kompositum, wobei „mezzi vielleicht durch gebräuchlicheres gleichbedeutendes muos verdeutlicht wurde“. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Glossierung in der ‚Abrogans‘-Überlieferung die Einzelelemente des Kompositums unmittelbar vorausgingen: Kb dapis (Nom. Pl.) – mezzi (vgl. Nr. 77 Depis) und cybus ‚Speise‘ – moas (mit Diphthongierung). So ließe sich analog sonstigem Verfahren im ‚Abrogans‘ das quasi tautologische Kompositum auch als Versuch verstehen, für die spezielle Übersetzung des Plurals dapibus dem ahd. Mangel an Synonymen abzuhelfen; so auch direkt nachfolgend epulis, Dat. zu epulae ‚Speisen, Gastmahl‘ – Adj. kaumlih < gaum-lîh ‚das Essen betreffend‘ und escis, Dat. Pl. zu esca ‚Speise, Futter‘ – Subst. Nom. Sg. aaz ‚Fraß, Speise, Aas‘ (vgl. Splett 1976: 166). Das zwischen Lemma und Interpretament gestellte Zeichen .a. markiert, dass nun nach dem zweiten Buchstaben a sortiert ist (da- etc.) (vgl. Abb. 19, S. 165).

Verso, Spalte 1/2 (unten) 51) De est .e. – Vuanist Falsche Worttrennung beim lat. Lemma; fehlende Worttrennung beim ahd. Interpretament. [SchGW X, 372f.: wan (hier uuan sin) ‚fehlen‘] StSG I, 22.4, 23.4: deest – Pa uuanna ist, Kb (So II, 153) Ra uuan ist. G: Adj. ahd. wan + 1. Sg. Praes. Ind. von ahd. sîn an.V. L: 3. Pers. Sg. Praes. Akt. Ind. (deesse ‚weg sein, fehlen‘). Das zwischen Lemma und Interpretament gestellte Zeichen .e. markiert, dass nun nach dem zweiten Buchstaben e sortiert ist (de- etc.).

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52) Denegat . – Furlaugnit . [SchGW VI, 173: firlouganen ‚verleugnen‘, im ‚Abrogans‘ sonst ‚verweigern‘; EWA V, 1476: firlougnen] In der ‚Abrogans‘-Überlieferung im Infinitiv StSG I, 3.16: Ka (So II, 145) ferlaucnen, R Rx farlaugnen; StSG I, 7.26: Ra farlaugnen; mit Lemma denegare Clm 14747 (StSG II, 328.26): Denegant – arlougnaant und (unsicher) denegat – +far–ta (Mayer 1974: 58.30). G: 3. Sg. Praes. Ind. von frühahd. fir-laug(a)nen, ahd. fir-louganen sw.V. L: 3. Pers. Sg. Praes. Akt. Ind. (denegare ‚(ab-)leugnen, verneinen‘). K: Das ahd. Interpretament hat den germ. Diphthong [au] bewahrt. Zum Wechsel zwischen den Praefixformen fir- und fur- vgl. Nr. 9 Furnoman und Nr. 44 Furnessi. 53) Defixus – Gifastinot . [SchGW III, 131: festinōn ‚befestigen‘; AhdWB III, 776; EWA III, 189f.] StSG I, 10.14, 11.14: defixus – Pa gafastinot, Ka (So II, 148) cafastinot, Ra kifestinot. G: Part. Praet. von frühahd. *fastinôn, ahd. festinōn sw.V. L: PPP Nom. Sg. mask. (defigere ‚hineinschlagen, heften, fixieren‘). K: Das ahd. Interpretament zeigt wie Pa und Ka keinen Umlaut [a] zu [e]. 54) Delectabilia . – Lustlih . Im lateinischen Lemma bilden e und c eine Ligatur, das folgende t steht gesperrt (s. Mairhofer, S. 36, Anm. 34 in diesem Band). [SchGW VI, 199: lustlīh ‚ergötzlich, vergnüglich‘; AhdWB V, 1432; EWA V, 1539] StSG I, 10.4, 11.4: delectabilia – Ka (So II, 147) Ra lustlih, Pa gauualit (R [Rx] delectabile – lustli[i]h). G: Adj., Ableitung mit Suffix -līh zu ahd. lust. L: Adj. Nom./Akk. Pl. neutr. (delectabilis, e ‚erfreulich, köstlich‘). 55) Descendit – Vrpaizzit . [SchGW I, 288f.: irbeizen ‚absteigen‘; AhdWB I, 859; EWA I, 526] Die Form vr-beizen findet sich nicht im ‚Abrogans‘; ir-beizen als Interpretament zu descendit StSG I, 306.15, 404.27 (mit Endung -it: StSG I, 306.16 im Clm 22201 [12. Jh.] und StSG I, 737.35 [Luk 2,51], vgl. auch Vind. 2732, Clm 13002, Clm 17403, etc.). G: 3. Sg. Praes. Ind. von frühahd. *ur-baizen, ahd. ir-beizen sw.V. L: 3. Pers. Sg. Praes./Perf. Akt. Ind. (descendere ‚herabsteigen, herabkommen‘). K: Germ. Diphthong [ai] erhalten (vgl. Ahd. Gr.16, § 44 sowie Haubrichs, S. 127 in diesem Band).

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56) Dememoria . – Fonagihugti . Fehlende Worttrennung beim lat. Lemma, ebenso beim ahd. Interpretament. [SchGW III, 246–254: fona ‚von‘; SchGW IV, 425: gihugtī ‚Erinnerung‘; AhdWB IV, 1336; EWA IV, 281: gihugt] StSG I, 46.7, 47.7: de memoria – Pa fona gahucti, Kb (So II, 164) fona kihucti, Ra ø. G: Praep. ahd. fona + Dat. Sg. von ahd. gihugtī st.F. L: Praep. (de) + Subst. Abl. Sg. fem. (memoria, ae ‚Gedächtnis, Erinnerung‘). K: Teil der Erklärung von abolere als de memoria exclude(re): vgl. Splett 1976: 100; So II, 164; ferner Haubrichs/Müller, S. 6 in diesem Band. 57) Debellante . – Fehtanti . [SchGW III, 87: fehtan ‚niederkämpfen‘; EWA III, 108–112] StSG I, 52.23, 53.23: depellans (Pa), debellans (K R) – Pa fehtant, Kb (So II, 168) fehtandi, R arfehtanti, Ra ø. G: Part. Praes. von ahd. fehtan st.V. L: PPA Abl. Sg. (debellare ‚den Krieg zu Ende führen, völlig überwinden/bezwingen, auskämpfen‘, mlat. auch ‚angreifen, belagern‘). 58) Deiudicat . – Posonit . Wohl verschrieben aus *pe-, pi-sonit. [SchGW IX, 356: bisuonen ‚beurteilen‘] StSG I, 64.30, 65.30: deiudicat – Pa pisonit, Kb (So II, 175) pisonit, Ra ø. G: 3. Sg. Praes. Ind. von frühahd. *bi-sônen, ahd. bi-suonen sw.V. L: 3. Pers. Sg. Praes. Akt. Ind. (diiudicare ‚ein Urteil fällen, beurteilend entscheiden‘); hier mit vlat. Senkung [i] > [e] im Praefix di-. K: In K, Pa und Ad findet sich keine Diphthongierung von germ. [ô] (vgl. Ahd. Gr.16, § 39 und Haubrichs, S. 129f. in diesem Band). Die Verschreibung aus *pi-sonit ist wohl durch ‚psychische Vorwegnahme‘ des Stammvokal-ô zu erklären. 59) Depositum . – Antsazzit . [SchGW VIII, 181 öfter in Bibelglossen zum Interpretament deponere: intsezzen ‚absetzen‘] Im ‚Abrogans‘ StSG I, 94.1, 95.1: depositum – Kb (So II, 190) kisezzit, R kasezzit; Pa uesacit, Ra ø. G: Part. Praet. zu frühahd. ant-saz-jan, ahd. int-sezzen sw.V. L: PPP neutr. (deponere ‚niedersetzen, -legen‘). K: Das Interpretament zeigt in Ad wie Pa (StSG I, 94.1) keinen Umlaut von [a] zu [e]. Es findet sich im Sinne von deponere im ‚Abrogans‘ und anderswo auch mit dem Praefix gi-, ki- (vgl. aber StSG I, 183.10: R depositum – case(z)zit) und umgekehrt mit der Praefix-Form ant- (StSG I, 621.32: distitutus – ansazt; StSG II, 307,64: antsezzan – distituere). Es handelt sich wohl um eine Umarbeitung der Vorlage und keine besondere Quelle, da die folgenden de-Lemmata im ‚Abro-

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gans‘ jene sind, die auch in Ad dem Lemma depositum nachfolgen (vgl. Müller, S. 91 in diesem Band).

Verso, Spalte 3 oben – [ohne althochdeutsche Interpretamente] 60) Deescens . StSG I, 96.5, 97.5: Deiscens (Pa Kb Ra), Dehiscens (R) – Pa Ra inluhenti, Kb (So II, 191) in lukhendi. L: PPA Nom. Sg. – mit vlat. h-Schwund (dehiscere ‚aufklaffen, sich öffnen, auseinanderbersten‘). K: Das lat. Lemma zeigt vlat. Senkung [i] > [e] in -escens. 61) Dedicare . StSG I, 96.27, 97.27: Dedicare (Pa Kb) – Pa Kb (So II, 192) uuihen, Ra ø. L: Inf. Praes. Akt. (dedicare ‚weihen, widmen, für einen Zweck bestimmen‘). 62) Dedicatum . StSG I, 97.32: dedicatum (R) – R kaheizan; StSG I, 96.32: dedicatu (Pa Kb) – Pa ainqiti, Kb (So II, 192) enquidi, Ra ø. L: PPP Akk. Sg. mask. / PPP Nom./Akk. Sg. neutr. (dedicare ‚weihen, widmen, für einen Zweck bestimmen‘). K: In Pa und Kb steht dedicatu im vlat. Obliquus (mit Schwund des finalen Nasals); Ad latinisiert wie R (vgl. Nr. 68 Demu). 63) Deuotione . StSG I, 96.34, 97.34: Deuotione (Pa Kb R), Deuocione (Ra) – Pa sculdicnassi, Kb (So II, 192) sculdicnessi, Ra sculdicnusse. L: Subst. Abl. Sg. fem. (devotio, onis ‚Aufopferung, Ergebenheit, Hingabe, Frömmigkeit, Verwünschung, Zauberei‘). 64) Dedunt . StSG I, 96.17, 97.17: Dedunt (Pa Kb Ra [= StSG I, 97.3] R) – Pa Kb (So II, 192) Ra kepant, R dant, Ra ø. L: 3. Pers. Pl. Perf. Akt. Ind. wenn dedunt für dederunt (dare ‚geben, reichen‘) oder 3. Pers. Pl. Praes. Akt. Ind. (dedere ‚übergeben, ausliefern‘). 65) Deuotus . StSG I, 96.31, 97.31: Deuotus (Pa K R) – Pa anthaizzo, Kb (So II, 192) antheizzo, R hold (ve)l intentus, Ra ø.

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L: PPP Nom. Sg. mask. (devovere ‚zum Opfer bestimmen, weihen, sich aufopfern, dahingeben, geloben, verfluchen, verwünschen‘) oder Adj. (devotus ‚ergeben, treu‘, mlat. seit 6./7. Jh. auch ‚fromm‘). 66) Defenerauit . StSG I, 96.37, 97.37: Defenerauit (Pa Kb Ra R) – Pa cafraehticota, Kb (So II, 192) kifrehticota, Ra kifrehtigota, R farlaeh. L: 3. Pers. Sg. Perf. Akt. Ind. (defenerare ‚durch Wucher aussaugen, tief in Schulden stürzen‘). 67) Deliputus . StSG I, 98.3, 99.3: Delibutus (Pa K Ra), Delibatus (R) – Pa pismicit, Kb (So II, 193) pismizzit, R pismizit, Ra ø. L: PPP Nom. Sg. mask. (delibuere ‚mit fetter Feuchtigkeit benetzen oder bestreichen, salben‘) oder Adj. Sg. mask. (delibutus, a, um ‚benetzt, befeuchtet, gesalbt‘). K: Das lat. Lemma deliputus zeigt gegen Pa K Ra die Schreibung

statt in hyperkorrekter Umkehrung der romanischen Sonorisierung. 68) Demu . StSG I, 98.6, 99.6: Demum (Pa Ra R), Demu (Kb) – Pa iz untarostin, Kb (So II, 193) iz undarostin, Ra iz hintirostin, R iz iunkist. L: Adv. (demum ‚eben, jetzt, dann, zuletzt‘). K: Kb und Ad zeigen die gleiche Form des Lemmas, und zwar im romanischen Obliquus (vgl. Nr. 62 Dedicatum) mit Schwund des auslautenden Nasals, der damit bereits einer Vorstufe von Kb und Ad angehört. Ein Übersehen eines Nasalstrichs in der Vorlage dieser Vorstufe wäre auch möglich. 69) Deneque . StSG I, 98.7, 99.7: denique (Ra Kb R) – Pa za spari, Kb (So II, 193) zisperi, R hinne, Ra ø. L: Adv. (denique ‚schließlich, überhaupt, sogar, wenigstens, außerdem, endlich, zuletzt, gerade‘). K: Das lat. Lemma deneque zeigt die vlat. Senkung von [i] > [e]. 70) Deinceps . StSG I, 98.10, 99.10: Deinceps (Pa Kb Ra R) – Pa Ra fona diu, Kb (So II, 193) fona thiu, R fra(m)mort. L: Adv. (deinceps ‚hintereinander, nacheinander, demnächst, unmittelbar darauf‘).

Der ‚Admonter Abrogans‘: Edition | 85

Verso, Spalte 3 (unten) – [ohne althochdeutsche Interpretamente] 71) Deuellemur . Nur untere Schaftansätze lesbar (vgl. Abb. 20, S. 165). StSG I, 100.20: Deuellemur (Pa Kb), Deuellimur (Ra R) – Pa zauuerfemes, Kb (So II, 194) zeuuerfumes, Ra ziuuerfames. L: 1. Pers. Pl. Praes. Pass. Ind. (devellere ‚los-, ab-, ausrupfen, -reißen‘). K: Ad zeigt die gleiche Form des Lemmas wie Pa und Kb. 72) Deterremur . Verschreibung des finalen aus . StSG I, 100.23, 101.23: Deterremum (Pa Kb), deterrimum (Ra), deterrimus (R) – Pa fartanosta, Kb (So II, 194) firtanosta, Ra furtanosta, R pessimus. L: 1. Pers. Pl. Praes. Pass. Ind. (deterrere ‚abschrecken, zurückschrecken, abbringen, hindern‘). K: Das Lemma zeigt in Ad wie Pa und K die vlat. Senkung von [i] > [e], die damit offensichtlich bereits dem Archetyp angehört. 73) Demalo peiore . Fehlende Worttrennung beim ersten Teil des lat. Lemmas. StSG I, 100.24, 101.24: de malo peiore (Pa Kb) – Pa upile uuirsiro, Kb (So II, 194) upile uuirsoro, Ra ø. L: Praep. + Subst. (malum ‚Übel, Fehler, Schaden‘ oder Adj. malus, a, um ‚schlecht, gering‘) und Adj. (Komparativ) Abl. Sg. neutr. (peiore, das schon in der Quelle für urspüngliches peius stand, in Kb und Pa aber formal als Nom. Sg. mask. „des Komparativs peior ‚schlechter, ärger‘ übersetzt“ ist; so Splett 1976: 166). 74) Depromunus . StSG I, 100.26, 101.26: Depromunt (Pa R), Depromunus (Kb), Depromunus (Ra) – Pa Kb (So II, 194) Ra perant, R uuoffent. L: 3. Pers. Pl. Praes. Akt. Ind. (depromere, depromunt ‚hervorholen, herausnehmen, entnehmen, lehnen‘, mlat. auch ‚bekanntgeben, verbreiten‘) nach Pa und R. Verschreibung des Lemmas zu depromunus schon in der Vorstufe von Ad, K und Ra ist anzunehmen. Nach Mairhofer (S. 42, Anm. 49 in diesem Band) ist „offensichtlich das kopfstehende t der ursprünglichen nt-Ligatur der […] Vorlage falsch als Kreuzstrich durch den Ausläufer von n (= -nus) verstanden worden“. K: StSG (I, 100.26) bietet für Kb fälschlich depromunt statt das depromunus der Handschrift (So II, 194). Ad hat also einen Bindefehler mit Kb und Ra. Vgl. Nr. 75 Depromuer(unt).

86 | Wolfgang Haubrichs, Stephan Müller

75) Depromuer(unt) . StSG I, 100.28, 101.28: Depromuerunt (Pa Kb) – Pa Kb (So II, 194) peranti, Ra ø. L: 3. Pers. Pl. Perf. Akt. Ind. (depromere, deprompserunt ‚hervorholen, herausnehmen, entnehmen, -lehnen‘, mlat. auch ‚bekanntgeben, verbreiten‘). K: „Schon die lat. Quelle hat also depromuerunt anstelle von deprompserunt“ (Splett 1976: 166, mit Angaben zur Genese der Glossengruppe als Kontamination aus ‚Abba‘-Glosse und ‚Affatim‘-Glosse). Vgl. Nr. 74 Depromunus. 76) Detullerunt . StSG I, 100.29, 101.29: detulerunt (Pa Kb R) – Pa pringanti, Kb (So II, 194) prahton, R praahtun, Ra ø. L: 3. Pers. Pl. Perf. Akt. Ind. (defero, detulerunt ‚herab-, hinabtragen, -bringen, -schaffen‘). K: Die Doppel-Schreibung ist im Mittellatein nicht ungewöhnlich, hier – vielleicht unter romanischem Einfluss – als hyperkorrekte Umkehrschreibung für die vlat. Konsonanten-Degemination. Vgl. Nr. 4 Uuannentem. 77) Depis . Wohl Verschreibung aus . StSG I, 100.30, 101.30: Dabis (Pa), Dapis (Kb R), Dapes (Ra) – Pa Kb (So II, 194) mezzi, Ra meizi, R chohmos. Vgl. Nr. 50 Dapibus – Mazzimos. L: Subst. Gen. Sg. fem. (daps, dapis ‚Opferschmaus, Festschmaus, Speise, Mahl‘). K: Ad zeigt für das Lemma wie Kb und R (und Ra) die Schreibung

statt wie Pa die Schreibung mit romanischer Sonorisierung. 78) Deo(rum) . StSG I, 102.3: deorum (Pa Kb Ra) – Pa Ra coto, Kb (So II, 194) cotto. L: Subst. Gen. Pl. (deus ‚Gott‘). 79) Desapit . StSG I, 102.6, 103.6: Desapit (Pa K Ra R) – Pa farchritit (< *far-chnitit), Kb fircnitit (So II, 194), Ra fargnidit (-ar- auf Rasur), R missauueiz. L: 3. Pers. Sg. Praes. Akt. Ind. (desipere, desipit ‚geschmacklos machen, unsinnig sein oder handeln‘). Zum weiteren Kontext vgl. Splett 1976: 167. K: Vgl. zum Interpretament SchGW III, 483: firgnîtan ‚vernichten‘.

Stephan Müller

Untersuchungen zur Systematik der Alphabetisierung in Ad, zu den möglichen Quellen und zur Stellung in der Überlieferung des ‚Abrogans‘ 1 Aufbau des Blattes und Verteilung der Glossen

Das Fragment Ad ist Rest eines ursprünglich vierspaltigen Blattes, von dem jeweils eine Spalte und einige weitere Teile fehlen. Das Blatt wurde als Bucheinband verwendet (vgl. Abb. 1, S. 24 in diesem Band) und es fehlen die Teile, die den Buchrücken umfassten. Auf den Abb. 15a und 15b (S. 162 in diesem Band) ist das Blatt 1r (unten) zu sehen, wo über den Glossen Nr. 39 und Nr. 31 der Buchrücken beginnt. https://doi.org/10.1515/9783110710786-006

88 | Stephan Müller

Auf diese Weise sind ca. 5–8 Zeilen des Blattes verloren. Für eine genauere Beschreibung vgl. Mairhofer, S. 34f. und Hutterer/Kapeller, S. 159 in diesem Band. Die Tabelle auf S. 87 weist die verlorenen Passagen grau aus. Insgesamt sind 79 Glossen erhalten, die nach den Zeilen der Handschrift gezählt sind. In Nr. 31 und 32 stehen jeweils zwei Glossen auf einer Zeile. Davon sind 40 Glossen durch die Blattbeschneidung fragmentarisch; bei 20 ist nur das lateinische Lemma, bei 20 nur das althochdeutsche Interpretament erhalten. In Teilen, gerade am Rand des Blattes sind die Wörter schwer lesbar, Unsicherheiten sind in der Edition kursiviert. Einige Glossen konnten nur unter UV-Licht (teils sehr sicher) gelesen werden. Das trifft besonders auf die Glossen Nr. 11, 30, 31, 50 und 71 zu. Für eine Aufnahme des Fragments mit UV-Licht vgl. den Bildanhang, S. 161–163.

2 Die Technik der alphabetischen Ordnung Deutlich ist, dass auf dem vorliegenden Blatt eine konsequente Alphabetisierung der lateinischen Lemmata vorgenommen wird. Das heißt im Vergleich zu den vorhandenen Handschriften des ‚Abrogans‘, dass der lateinische SynonymenWortschatz, der die lateinischen Lemmata ursprünglich erläuterte und den Steinmeyer „Gegenglossen“ nennt, nun auch in die alphabetische Reihenfolge mit aufgenommen ist. Diese Technik kennen wir aus der Tradition der ‚Samanunga worto‘, die allerdings viel selektiver ist als der ‚Admonter Abrogans‘ und kaum Überschneidungen mit ihm aufweist. Es handelt sich um eine A2-Alphabetisierung (Aa-, Ab-, Ac-, etc.), es wird also nicht nur nach dem ersten Buchstaben des Interpretaments alphabetisiert. Das bedingte sicherlich einen sehr aufwändigen Arbeitsprozess. Für die Wörter, die bereits in der lateinisch-lateinischen Tradition ein Lemma und so bereits in dieser meist nach A2 alphabetisiert waren, machte das keine Mühe. Wohl aber für die Wörter, die in der lateinisch-lateinischen Tradition Interpretament waren oder als Teil einer Erläuterung eines Lemmas im Glossar standen. Diese befinden sich außerhalb der alphabetischen Ordnung. Um sie in eine solche einzuordnen, musste das Glossar also potentiell 23 mal 23 mal durchgegangen werden (Aa, Ab, Ac, etc.), denn J und I sowie U und V fallen zusammen und W fehlt. Eine so hohe Zahl der Durchgänge wird praktisch nicht der Fall gewesen sein, denn Buchstaben wie X (nur 1 Lemma) oder andere seltenere, konnte man sicher bei einem Durchgang sammeln und in eine A2-Ordnung bringen, außerdem waren viele Buchstabenkombinationen am Wortanfang unmöglich. Bei hochfrequenten Buchstaben musste der Aufwand sicher erheblicher sein. In Ad sind Teile der Alphabetstrecken Co-, Cr-, Cu-, Da- und Deerhalten (wobei jene für Co- von uns rekonstruiert sind). Ein genauerer Überblick über die Arbeitstechnik von Ad soll folgende Tabelle geben, in der die Admonter Lemmata in Bezug zu den aus der ‚Abrogans‘-Tradition

Untersuchungen zur Systematik der Alphabetisierung in Ad | 89

bekannten Lemmata nach der Edition von Steinmeyer und Sievers (StSG) gestellt werden und ausgewiesen ist, ob es sich dabei um ein Lemma (H) oder Interpretament (S) (also ein Synonym oder den Teil einer Erläuterung des Lemmas) der lateinisch-lateinischen Tradition handelt. Dabei wird auch markiert, ob es Parallelen in Pa oder K gibt und wie die Reihenfolge im Vergleich der Lemmaabfolge in K und Pa gestaltet ist. Von Hinweisen auf R und Ra sehen wir hier ab (bis auf Nr. 16 Vuinuas, wo Ad R entspricht und Pa und K ferner steht). Bei vagen Entsprechungen steht K oder Pa in Klammern. K meint hier in der Regel Kb, da Ka in der Sangaller Handschrift ja nur bis Seite 33 reicht, also noch in der A-Strecke abbricht, sodass in Ad nur Formen aus Ka vorkommen können, wenn sie als Synonym oder Teil der Erläuterung eines A-Lemmas aufgenommen worden wären (möglich ist das in Nr. 3, 6 und 11; sicher ist das in Nr. 53 und 54).

Lemma Ad (in Klammern erschlossene Lemmata)

Edition StSG I

(H) Hauptlemmata oder (S) Synonym, bzw. erklärend zum Lemma

Parallelen zu K/Pa

1 (cogitat)

267.23 oder 162.34

S (zu uolutad) oder S (zu gestit)

Pa, K

2 (consuetudo/consparsio)



3 (contendit)

88.3 oder 112.39

S (zu certat)

Pa, K

4 (coniectorem)

88.38

H (oder S zu disceptator)

Pa, K

5 (conditio)

84.18

H

Pa, K

6 (consumptor/conpacte)

16.2 oder 60.33

S (zu ambro/abro) oder S (zu conixe/connixe)

Pa, K

7 Fehlzuweisung (cohorta)

74.2

H

(Pa, K)

8 (corona imperialis)

104.25

S (zu diadema)

Pa, K

9 (consumpta)

90.41 oder 122.18

H (oder S zu exausta)

Pa, K

10 (constringi/constricti)

60.38

S (conpleti)

Pa, K

11 (crescit/creuit)

34.25 oder 50.31 oder 218.26

S oder S oder S

Pa, K

12 (crapulatus)

80.9

H

Pa, K

13 (crepitus)

80.38

H

Pa, K

14 (crepitans)

82.2

H

Pa, K

15 (credidi)

86.5

H

Pa, K

16 (crateras)

87.11

H

(Pa, K), R

Blatt 1 recto (Sp. 1 oben) –

Zeilen fehlen Blatt 1 recto (Sp. 1 unten)

90 | Stephan Müller

Lemma Ad (in Klammern erschlossene Lemmata)

Edition StSG I

(H) Hauptlemmata oder (S) Synonym, bzw. erklärend zum Lemma

Parallelen zu K/Pa

17 (crimenator/crimenatus)

98.31

S (zu dileator/delator)

Pa, K

18 (crudelibus)

110.18

S (zu duris)

Pa, K

19 (cremare)

132.38

S (zu exurire)

Pa, K

20 crudum

135.22

S (zu electrum)

Pa, K

21 cras



22 cruentem

215.26

23 crucis



24 crata

116.8

S (zu elegans)

Pa, K

25 criminosus

140.16

S (zu flagitiosus)

Pa, K

26 crassus

219.23

S (zu opemus)

K

27 crispat

265.26

S (zu uibrat)

K

28 crura



29 creator

(58.31?)

S bubum (zu bardus?)

Pa, K

30 creditum

92.39

S (zu conmissum)

Pa, K

31.1 cultui

66.1

H

Pa, K

31.2 cu(m)be

66.8

S (zu cautis)

Pa, K

32.1 curia (in Hs. cruria)

72.29

H

Pa, K

32.2 cuneus

74.6

H

Pa, K

33 cunctassis

74.9

H

Pa, K

34 culpat

76.35

H

Pa, K

35 crutinam

90.30

H

Pa, K

36 curriculum

90.32

H

Pa, K

37 cuncti temporis

90.33

S (zu curriculum)

Pa, K

38 cursum

90.34

S (zu curriculum)

Pa, K

39 (cunctis/cuctis)

90.35

H

Pa, K

40 cuius piam

92.6

H

Pa, K

Blatt 1 recto (Sp. 2/3 oben)

– S (zu nefantum)

K –



Zeilen fehlen Blatt 1 recto (Sp. 2/3 unten)

Blatt 1 verso (Sp. 1/2 oben)

Untersuchungen zur Systematik der Alphabetisierung in Ad | 91

Lemma Ad (in Klammern erschlossene Lemmata)

Edition StSG I

(H) Hauptlemmata oder (S) Synonym, bzw. erklärend zum Lemma

Parallelen zu K/Pa

41 cuius libet

92.7

S (zu cuius piam)

Pa, K

42 culix

92.25

H

Pa, K

43 custodia

126.15

S (zu ergastolum)

Pa, K

44 cupitas

184.5

S (zu incentiua)

Pa, K

45 cubilia

203.18

S (zu lustra)

K

46 cupiosissimus

203.28

S (zu lucentissimus)

K

47 cunctis

90.33

S (zu curriculum), vgl. Nr. 36

Pa, K

48 custus

196.1

S (zu inanitor)

Pa, K

49 culicusgenus

255.8

S (zu scinifex)

K

50 dapibus

100.32

H

Pa, K

51 deest

2.27 und 22.4

S (zu adest)

Pa, K

52 denegat

(3.16 und 7.26?)

Im ‚Abrogans‘ nur Inf.



53 defixus

10.14

S (adtonitus)

Pa, K

54 delectabilia

10.4

S (zu amoena)

Pa, K

55 descendit



Nicht im ‚Abrogans‘



56 dememoria

46.7

S (zu abolere)

Pa, K

57 debellante

52.23

S (zu amos)

Pa, K

58 deiudicat

64.30

S (zu contionatur)

Pa, K

59 depositum

94.1

S (zu conmissum)

Pa, K

60 deescens

96.5

H

Pa, K

61 dedicare

96.27

H

Pa, K

62 dedicatum

96.32

S (zu deuotus)

Pa, K

63 deuotione

96.34

H

Pa, K

64 dedunt

96.17

H

Pa, K

65 deuotus

96.31

H

Pa, K

66 defenerauit

96.37

H

Pa, K

67deliputus

98.3

H

Pa, K

Zeilen fehlen Blatt 1 verso (Sp. 1/2 unten)

Blatt 1 verso (Sp. 3 oben)

92 | Stephan Müller

Lemma Ad (in Klammern erschlossene Lemmata)

Edition StSG I

(H) Hauptlemmata oder (S) Synonym, bzw. erklärend zum Lemma

Parallelen zu K/Pa

68 demu

98.6

H

Pa, K

69 deneque

98.7

S (zu demu)

Pa, K

70 deinceps

98.10

H

Pa, K

71 deuellemur

100.20

H

Pa, K

72 deterremur

100.23

H

Pa, K

73 demalo peiore

100.24

S (zu deterremur)

Pa, K

74 depromunus

100.26

H

Pa, K

75 depromuerunt

100.28

H

Pa, K

76 detullerunt

100.29

S (zu depromuerunt)

Pa, K

77 depis

100.30

H

Pa, K

78 deorum

102.3

S (zu diuum)

Pa, K

79 desapit

102.6

H

Pa, K

Zeilen fehlen Blatt 1 verso (Sp. 3 unten)

Zwei Befunde ergeben sich auf den ersten Blick. (1) Es gibt eine große Deckungsgleichheit mit der Überlieferung in K und Pa. Die Lemmata, die sich nur in K finden, stammen aus dem Alphabetbereich, der in Pa verloren ist. Fehler, die Ad mit K und Pa teilt (wie besonders Nr. 29), verweisen auf eine gemeinsame Vorlage, wobei eine größere Nähe zwischen Ad und K besteht (vgl. unten, S. 101–103), obwohl Ad auch Eigenschaften mit Pa teilt (vgl. unten, S. 101). (2) Nur sechs Lemmata weisen keine eindeutigen Parallelen auf, können also nicht aus der bislang vorliegenden lateinisch-althochdeutschen ‚Abrogans‘-Überlieferung erklärt werden. Wie sich unten zeigen wird, ist es jedoch wahrscheinlich, dass diese ‚Zusätze‘ keine sind, sondern wohl in K und Pa fehlen. Wenn dem so ist, dürfen wir davon ausgehen, dass bei der Herstellung der alphabetischen Ordnung von Ad mit nur einer Handschrift operiert wurde, also ein ‚Abrogans‘ in teilalphabetischer Ordnung, wie in K und Pa, vorlag. Sollten die sechs Glossen Zusätze sein, dann wurden sie bei der Herstellung der alphabetischen Ordnung aus anderen Quellen (oder durch einen kreativen Schreiber) hinzugefügt. Vielleicht schrieb man bei der Alphabetisierung die jeweiligen Teile auf Wachstafeln. Notwendig aber ist das nicht, man kann sich gut vorstellen, dass die Admonter Handschrift direkt aus einer teilalphabetisierten Vorlage gemacht ist. Das wird man kaum klären können.

Untersuchungen zur Systematik der Alphabetisierung in Ad | 93

Wie auch immer die Arbeit konkret aussah, sie war mit zwei Formen von zu alphabetisierenden Wörtern konfrontiert: (1) Mit den bereits alphabetisierten Lemmata der Vorlage, die in dieser wahrscheinlich (und evtl. durch Farbe oder Initialsetzung) exponiert waren und (2) mit den Interpretamenten (also meist Synonymen) und den Wörtern in Erläuterungen aus der lateinisch-lateinischen Tradition. Diese stehen unmarkiert und nicht alphabetisiert in der Vorlage. Diese Synonyme (2) finden sich aber auch in den bereits alphabetisierten Strecken der Lemmata (1) und werden dann in Ad bei der Alphabetisierung gleich mit aufgenommen. So folgen dem Lemma Nr. 36 Curriculum : Vmpilauft auch die Synonyme Nr. 37 Cuncti temporis : Allera ziti und Nr. 38 Cursum : Hlauft, dem Lemma Nr. 40 Cuius . piam : Souuelih das Synonym Nr. 41 Cuis . libet : Souuelies . luste, dem Lemma Nr. 68 Demu das Synonym Nr. 69 Deneque, dem Lemma Nr. 72 das Synonym Nr. 73 Demalo peiore und dem Lemma Nr. 75 Depromuer(unt) das Synonym Nr. 76 Detullerunt. Ansonsten aber stehen in der Regel die Hauptlemmata und die Synonyme und die Wörter aus den Erklärungen zu den Lemmata getrennt voneinander (z. B. Nr. 31– 42 sind Cu-Hauptlemmata und Wörter aus den Erklärungen der Lemmata, die direkt bei diesen stehen, ab Nr. 43 folgen Cu-Lemmata, die als Wörter in den erklärenden Passagen und Synonyme verstreut in der Vorlage standen). Bei der Alphabetisierung der in der Vorlage verstreuten Synonyme und der Wörter aus den erklärenden Passagen wurde oft recht mechanisch vorgegangen. So ergaben sich Lemmata, die für sich genommen eigentlich kein vernünftiges Lemma darstellen, sondern nur im Kontext von Erklärungen sinnvoll waren, wie etwa Nr. 56 Dememoria, das im ‚Abrogans‘ in der Erklärung von abolere als de memoria excludere Sinn macht, aber für sich genommen kein sinnvolles Lemma ist, das man unter de- suchen würde. Diese Arbeitstechniken, also die Sammlung der Hauptlemmata und Sammlung der verstreuten Synonyme wechseln ab. Gut kann man das an der Cu- und der DeStrecke sehen. Nr. 31–42 sind Cu-Hauptlemmata, wobei Nr. 37, 38 und 41 Synonyme sind, die direkt neben einem Hauptlemma stehen. Nr. 43–49 sind dann CuLemmata, die als Synonyme und Wörter aus den Erläuterungen zu den Lemmata verstreut in der Vorlage gestanden haben. In der De-Strecke ist das umgekehrt: Nr. 51–59 sind verstreute Synonyme, Ad Nr. 60–79 dann die Hauptlemmata und die direkt neben diesen stehenden Synonyme. Wie dieses Bild zustande kommt, lässt sich am einfachsten nachvollziehen, wenn man selbst anhand der vorliegenden ‚Abrogans‘-Handschriften nach A2 alphabetisiert. Das bot sich für die De-Strecke an, da von dieser der Anfang überliefert ist und sie doch immerhin 29 Lemmata umfasst. In unserem Testlauf haben wir alle potentiellen De-Lemmata aus Pa aufgelistet und jene ergänzt, die in K (aber nicht in Pa) mit De- beginnen, und dies bis zu Desapit, dem letzten Lemma in Ad. Die durch Blattverlust potentiell verlorenen Lemmata sind mit ‚fehlt‘ gekennzeichnet. So ergab sich folgende Übersicht:

94 | Stephan Müller

fol. in Pa

De-Lemmata

In Ad

124ra

teest (in K deest) denicat

Nr. 51?

124rc

delectabilia defixus

Nr.54 Nr.53

124va

deratores

124vb

desceptatio

124vc

deest

Nr. 51?

125ra

denegat degit

Nr.52

125vb

degluttiuit degluttita

126ra

despicit

126rb

decurrit dememoria

Nr. 56

126va

depellans

Nr. 57

127ra

deiudicat

Nr. 58

127rc

detrahit

127va

(„i.e. de ista parte“)

128rc

desideravi

128va

debilitatus

128vb

desinuit depositum

128vc

deiscens dedunt degit dedicata dedicare devotus dedicatus devotione defeneravit devictissimo (K divictissimo) (deus) delibutus

Nr. 59 Nr. 60 Nr. 64

Nr. 61 Nr. 65 Nr. 62 Nr. 63 Nr. 66

Nr. 67

Untersuchungen zur Systematik der Alphabetisierung in Ad | 95

fol. in Pa

129ra

De-Lemmata

In Ad

demum denique

Nr. 68 Nr. 69

deinceps deinde dilata (K delata) dilator (K delator) (K declarat) dehinc delubra dedalus devellebant devellemur deterremu(m) demalo peiore depromunt depromuer(un)t detulerunt *dabis deorum desapit

Nr. 70 fehlt? fehlt? (fehlt) fehlt fehlt fehlt fehlt fehlt Nr. 71 Nr. 72 Nr. 73 Nr. 74 Nr. 75 Nr. 76 Nr. 77 (depis) Nr. 78 Nr. 79

Die Übersicht legt folgende Arbeitsweise nahe. Der Bearbeiter begann am Anfang der Handschrift, suchte nach lateinischen Wörtern, die mit De- beginnen, und setzte sie als Lemmata in sein Glossar. Teilweise ist die Reihenfolge der Lemmata im Vergleich mit Pa und K vertauscht, vielleicht hat sich der Bearbeiter die verstreut in der Handschrift auftauchenden De-Lemmata auf einer Wachstafel notiert, von der aus er dann die Reihenfolge im Codex noch verändern, z. B. weiter alphabetisieren, konnte. Erfasst wurden aber nicht alle in Frage kommenden Lemmata. Das kann mehrere Gründe haben. Wörter konnten abgekürzt geschrieben sein, sodass sie nicht gleich als De-Lemma ins Auge stachen, es kann Schreibvarianten geben (z. B. statt ), es kann bei der Arbeit ausgewählt worden sein, wenn etwa eine andere Form des Wortes bereits aufgenommen wurde – aber natürlich kann man immer auch ein Wort übersehen. Bei seinem Durchgang durch die Handschrift erreichte der Bearbeiter dann die De-Strecke und übernahm Lemma für Lemma. Auch dabei kam es punktuell zu Umgruppierungen, wie zwischen Nr. 60 und 66. Die wenigen fehlenden Lemmata in diesem Bereich lassen sich durch den Verlust in Ad durch Beschneidung des Blattes erklären (zwischen Nr. 70 und 71) oder durch die Verwendung von Abkürzungen in der Vorlage, wie zwischen Nr. 66 und 67, wo deus in Pa wie üblich abgekürzt ist und so nicht direkt optisch als De-Lemma erkennbar ist. dedicata könnte fehlen, da der Infinitiv des Verbs folgte (Nr. 61 Dedicare). devictissimo lautet in K divictissimo,

96 | Stephan Müller

könnte in der Vorlage also als Di-Lemma gestanden haben. Nur für das Fehlen von degit – wenn es denn in der Vorlage stand – lässt sich kein einfacher Grund nennen. Anders als die fast komplett aufgenommenen Hauptlemmata ist die Aufnahme der Synonyme und der Wörter aus den Erläuterungen zu den Lemmata weniger vollständig. Von den 22 Kandidaten (wobei es mit deest eine Dublette gibt, Fälle wie de ista parte nicht als De-Lemma gelten müssen, es Abkürzungen gegeben haben wird und natürlich wiederum das genaue Bild der Vorlage unsicher bleiben muss) sind acht in Ad berücksichtigt. Es gibt nun viel mehr Hauptlemmata als Synonyme und Wörter aus den Erklärungen der Lemmata mit gleichem Anfangsbuchstaben. Wir gehen, vorsichtig geschätzt, von einem Verhältnis von 2:1 zwischen beiden Kategorien aus. Die Synonyme und Wörter aus den Erklärungen zu den Lemmata sind in unserem Beispiel zu ca. 40–45 % erfasst, die Hauptlemmata zu ca. 90 %. Auch wenn das natürlich recht spekulativ bleiben muss, können wir auf dieser Grundlage vermuten, dass zwischen 75 und 80 % des bekannten ‚Abrogans‘Wortschatzes in Ad mit aufgenommen wurden.

3 Durch Blatt-Beschneidung fehlende Zeilen Eine Kalkulation, wie viele Zeilen in der Blattmitte durch Blattbeschneidung verloren gingen, ist gut zwischen Nr. 70 Deinceps und Nr. 71 Deuellemur möglich, da hier in der De-Strecke Zeilen in einem Bereich verlorengingen, in dem Ad vornehmlich Hauptlemmata der ‚Abrogans‘-Überlieferung hintereinanderstellte. Nach der oben beschriebenen Arbeitsweise fänden sich in der Edition von Steinmeyer und Sievers fünf bis acht passende De-Lemmata: StSG I, 98.11 StSG I, 98.21 StSG I, 98.29 StSG I, 98.34 StSG I, 98.38 StSG I, 98.40 StSG I, 100.12 StSG I, 100.18

deinde delata (in Pa dilata) delator (in Pa dilator) declarat (nur in K) dehinc delubra dedalus deuellebat

Es gibt eine Möglichkeit der weiteren Kalkulation: Ad enthält auch den Anfang der Da-Strecke (Nr. 50 Dapibus : Mazzimos) und setzt nach der Lücke bereits mit De- fort (Nr. 51 De est : Vuanist), wobei das neben Nr. 51 eingetragene e markiert, dass es sich um den Anfang der De-Strecke handelt. Wir haben den ‚Abrogans‘ nach potentiellen Da-Lemmata durchsucht und kamen (bei aller Vorsicht, was Varianten in der Schreibung und den Prozess der Auswahl angeht) auf die Zahl sechs (StSG I, 42.1,

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100.30, 106.20, 114.1, 202.36, 214.11). Das ist natürlich kein sicheres Datum, aber zeigt doch, dass die Praxis der Auswahl jener der De-Strecke gleicht und die Kalkulation der fehlenden Zeilen plausibel ist. Der Zeilenverlust wird sich also im Rahmen von fünf bis acht Zeilen bewegen. Für die Handschriftengestaltung ergibt sich damit: Vierspaltig mit 26 bis 29 Zeilen, da sich auf der überlieferten verso-Seite, auf der sich die De-Strecke findet, im jetzigen Zustand 21 Zeilen erkennen lassen (auf der recto-Seite, die bei der Bindung außen war, sind die Reste von zwei Zeilen, die auf der verso-Seite nur teilweise erhalten sind, ganz abgerieben, so dass dort nur 19 Zeilen erhalten sind).

4 Der mögliche Gesamtumfang von Ad Auf Grundlage dieser Quantitäten könnte man folgenden Umfang der Handschrift (oder des ‚Abrogans‘-Teils der Handschrift) errechnen. K, als vollständigste Form der Überlieferung, enthält 6995 Belege. Setzen wir minimal 75 % davon in Ad an, wären das ca. 5246 Belege. Gehen wir von der maximalen Zeilenzahl 29 pro Blatt aus, hieße das 58 Glossen pro Seite und 116 Glossen pro Blatt. Das wären ca. 45 Blätter. Für eine Maximalberechnung setzen wir 80 % des Wortschatzes an (5596) und die minimal anzunehmende Zeilenzahl (26 Zeilen, also 104 Glossen pro Blatt). Das ergäbe ca. 53 Blätter.

5 Zur Herkunft der Zusatzglossen in Ad gegenüber der ‚Abrogans‘-Tradition Während der Arbeit an der Edition ergab sich die deutliche Tendenz, dass Lemmata, die wir anfangs nicht der ‚Abrogans‘-Tradition zuordnen konnten, doch auf diese verweisen. So etwa in Nr. 7 Paz uuepanti ist, die erst Brigitte Bulitta richtig zuordnen konnte (vgl. S. 143–148 in diesem Band). Gingen wir anfangs davon aus, dass über 10 % des Lemmabestandes von Ad nicht zum Bestand des ‚Abrogans‘ gehören, blieben nun nur noch folgende Fälle übrig: Nr. 2 Nr. 21 Nr. 23 Nr. 28 Nr. 52 Nr. 55

Giuuonahait mit dem anzunehmenden Lemma consuetudo oder consparsio Cras : Morgane Crucis : Chruces Crura : Pain Denegat (das im ‚Abrogans‘ nur im Infinitiv belegt ist) Descendit

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Das sind inzwischen also weniger als 10 %. Zunächst war die Vermutung, dass diese Glossen aus anderen Traditionen stammen, etwa aus Textglossaren, aber es ließ sich kein Text nachweisen, in dem die lateinischen Lemmata gemeinsam vorkommen. Crucis und Crura ließen etwa Korrespondenzen in der Bibel erwarten, aber ein plausibler biblischer Textzusammenhang, der glossiert worden wäre, war nicht zu finden. Da sich für die althochdeutschen Interpretamente kein früher und konsistenter Überlieferungszusammenhang nachweisen ließ, konzentrierte sich die Suche auf die lateinischen Lemmata mit folgendem Ergebnis: Hinter Nr. 2 Giuuonahait ist ein Lemma wie consuetudo oder consparsio zu vermuten, wie es in anderen Glossen belegt ist. In K und Ra findet sich das nicht, wohl aber in R (StSG I, 268.31), allerdings ohne eine althochdeutsche Übersetzung: Vsus consuetudo. Diese lat.-lat. Glosse war eine entscheidende Spur. Sie findet sich nämlich auch auf fol. 58r der Karlsruher Handschrift des lat.-lat. ‚AbrogansGlossars‘, wobei immer zu bedenken ist, dass diese Handschrift stark verderbt und sehr oft nicht mehr lesbar ist. Außerdem ist einzuschränken, dass in der Karlsruher Handschrift zwei Glossare zusammengeschrieben sind, der ‚Abrogans‘ und ein Glossar ‚Glose de divinis sermonibus‘, das aber textgeschichtlich nichts mit dem ‚Abrogans‘ zu tun hat. Entsprechungen mit diesem zweiten Glossar werden deshalb nicht aufgenommen. Gleiches wie für consuetudo gilt für crucis, das in der Karlsruher Handschrift öfter vorkommt. Eine Durchsicht der Handschrift ergab einen Beleg auf fol. 53r (jene auf fol. 42r und 50v gehören nicht zum ‚Abrogans‘, sondern zu den genannten Sermonesglossen). Der Beleg auf fol. 53r (patibulum crucis vel stipites aut stipes) steht im Kontext jener Glossen, die sich nahe dem Lemma Crucis in Ad (Nr. 23) finden, nämlich Nr. 22 Cruentem auf fol. 52v und Nr. 26 Crassus auf fol. 52r. In diesen Bereich würde auch das Lemma cras passen, das im mit dem ‚Abrogans‘ ja verwandten (vgl. Splett 2013a: 5) ‚Abba-Glossar‘ als perendie pus cras (CGL IV, 271.24) überliefert ist, wobei für perendie auch das althochdeutsche Interpretament morgan (also wie in Ad) bezeugt ist. Nun lässt sich nicht mehr sagen, ob die Glosse perendie pus cras auch im lat.-lat. ‚Abrogans‘ bezeugt ist, denn die Passage ist verderbt. Doch die verderbte Passage mit den per-Lemmata befindet sich auf fol. 53r, also auf der Seite, auf der sich auch der Beleg für crucis befindet. Auch für Descendit findet sich ein Pendant im Karlsruher lat.-lat. ‚Abrogans‘, wenngleich in einer Form mit -i- (Desiluit discrepat discendit, fol. 45v). Endlich zu Denegat: Es wird in K und Pa nur in der Form des Infinitivs glossiert. In der wie in Ad konjugierten Form findet sich das Lemma aber in Karlsruhe und das zwei Mal: Abdicat abhominat denegat repudiat auf fol. 40rb und nochmals Abdigat abominat denegat Repudiat auf fol. 40vb. Schließlich zu Nr. 28 Crura : Pain. Sollte es nicht in den verderbten Passagen vorkommen, ist das Lemma Crura nicht im lat.-lat. ‚Abrogans‘ belegt, wohl aber in

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der mit dem ‚Abrogans‘ verwandten ‚Abba-Abavus‘-Glossartradition im Cod. Sang. 912 (CGL IV, 218.29): crura ossa tibiae anterioris und im ‚AbavusGlossar‘ (CGL IV, 326.23): crura tibias. Auch dieses Interpretament ist also Teil der lat.-lat. Glossartradition, aus der der ‚Abrogans‘ kompiliert wurde. Zusätzlich weist die frühalthochdeutsche Schreibung auf das hohe Alter der Glossierung hin. Welche Deutung legen diese Befunde nahe? Es ist keine einheitliche Quelle für die in Ad zusätzlichen Lemmata nachzuweisen. Vor allem die Suche nach einem Text oder einer Bibelpassage, in der sich diese Wörter finden ließen und was als Hinweis auf ein Textglossar als Vorlage hätte gesehen werden können, verlief ins Leere. Es lag deshalb nahe, die lateinischen Interpretamente in der Tradition der lateinischlateinischen Glossare, die im Zusammenhang mit dem ‚Abrogans‘ stehen, zu suchen und besonders im Karlsruher lat.-lat. ‚Abrogans‘, aber auch in verwandten Zeugnissen wie dem ‚Abba-‘ und ‚Abavus-Glossar‘. Tatsächlich ließen sich die Lemmata in dieser Tradition greifen. Vier von den zu erklärenden Glossen ließen sich positiv im Karlsruher lat.-lat. ‚Abrogans‘ nachweisen. Bei zweien konnte mit der ‚AbbaAbavus‘-Tradition eine mögliche Vorlage für das lateinische Lemma benannt werden, wobei immer möglich ist, dass auch diese beiden in den verderbten Teilen des Karlsruher lat.-lat. ‚Abrogans‘ zu finden waren. Dies legt nahe, dass die zusätzlichen Glossen von Ad (Nr. 2, 21, 23, 28, 52 und 55) in K und Pa ausgefallen sind, also in Ad Zeugnisse einer gemeinsamen Vorstufe darstellen. Das geht zusammen mit dem Befund, dass Ad trotz der engen Verwandtschaft zu K teilweise von K und Pa abweichende Formen aufweist, die auf eine gemeinsame Vorlage schließen lassen. Diese Glossen sollten also nicht als sekundär angesehen werden, sondern als möglicher Teil des ursprünglichen ‚Abrogans‘Wortschatzes.

6 Zur Abhängigkeit von den ‚Samanunga worto‘ (R) und dem ‚Abrogans deutsch‘ (K, Pa, Ra) Um die Abhängigkeiten des ‚Admonter Abrogans‘ von der Tradition des ‚Abrogans deutsch‘ und der ‚Samanunga worto‘ einschätzen zu können, ist vorab ein Blick auf die Schreibpraxis in Ad nötig. Ohne hier die Überlegungen zum Sprachstand ausführlich zu wiederholen (vgl. den Beitrag von Wolfgang Haubrichs, S. 105–142 in diesem Band), dazu nur einige Beispiele, die ein Profil ergeben sollen. Allgemein ist festzuhalten, dass der Sprachstand teilweise sehr konservativ ist und Formen bewahrt, die man als alte ansehen muss. Zu nennen wären hier erhaltenes statt , die Schreibung für den Diphthong /ai/, intervokalisches germ. statt in Nr. 42 Fogal oder die fehlenden Umlaute, die Ad oft mit Pa teilt. Andererseits

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finden sich durchaus ‚moderne‘ Formen, die nicht aus K oder Pa übernommen sind, wie die Schreibung statt (Nr. 36 Vmpilauft) oder Synkope, wo diese in K und Pa fehlt, wie in Nr. 48 Phaltari. Es liegt also eine Mischung aus (teils fehlerhafter) Abschrift älterer Formen und einer (zumindest möglichen) produktiven Angleichung an den Sprachgebrauch des Schreibers von Ad vor. Deshalb besteht immer eine Unsicherheit bei der Bewertung von Similien in K, Pa, Ra und R; sie können auf die Vorlage zurückverweisen, aber auch Eigengut sein. Ein gutes Beispiel dafür ist das Auftreten der Graphie (vgl. Haubrichs, S. 118–126 in diesem Band), die in den unterschiedlichen Hauptzeugen der ‚Abrogans‘-Überlieferung mehr oder weniger systematisch vermieden wird, aber wie ein ‚Leitfossil‘ in allen Zeugen des ‚Abrogans‘ nachzuweisen ist (in Ad Nr. 8 Khaisorlih und Nr. 14 Khregenti). Die Belege verweisen also sicher auf den Archetyp zurück, stehen aber auch für einen je eigenständigen Umgang bei der Ausgestaltung der Graphie.

6.1 Das Verhältnis von Ad und R Mit der stark kürzenden, alphabetisierten Auswahl von R gibt es keine aussagekräftigen Überschneidungen. Im Gegenteil sind die Berührungen so punktuell, dass man dezidiert einen Traditionszusammenhang verneinen kann. Die Parallelität in Ad Nr. 16 Vuinuas mit uuinfaz in R (StSG I, 87.11, 87.12) belegt keine Abhängigkeit voneinander, da in Ad die ‚lateinische‘ Schreibform vielmehr für eine spontane Form der Entlehnung spricht, in der die auch in Pa und K belegten Lemmata uasa und uinaria aufgegriffen werden. Zu nennen wäre noch ein möglicher Zusammenhang mit dem Lemma consuetudo in R, das der Kandidat für das Interpretament in Ad Nr. 2 Giuuonahait ist, aber dies ist lediglich erschlossen und verweist zurück auf die lateinisch-lateinische Tradition des ‚Abrogans‘ (vgl. oben, S. 98).

6.2 Das Verhältnis von Ad und Ra Auch über die Beziehung zu Ra, das „eine verbessernde und stark kürzende Überarbeitung darstellt“ (Splett 2013a: 5f.), lässt sich wenig sagen. Genaue Entsprechungen zwischen Ad und Ra belegen kaum eine gemeinsame Quelle, sondern eher vergleichbare Tendenzen wie Umarbeitungen, bzw. Modernisierungen, wie in Ad Nr. 19, wo Ra und Ad suedan teilen gegen suuethan in K. Die Synkope in Ad Nr. 13 Striplenti, die Ad mit Ra teilt, findet sich auch in Pa. Ansonsten geht Ad einige Male mit Ra und K und/bzw. Pa gemeinsam, wobei es sich um keine sprachlichen Auffälligkeiten handelt, die einen Hinweis auf ein Abhängigkeitsverhältnis böten.

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6.3 Das Verhältnis von Ad und Pa Mit Pa teilt Ad eine Reihe von Phänomenen, die, da sie teilweise als alt geltende Züge bewahren, dafür sprechen, dass sie auf den Archetyp zurückverweisen. Zu nennen ist dabei vor allem der fehlende a-Umlaut in Ad und Pa gegen K (in Ad Nr. 50 Mazzimos und Nr. 59 Antsazzit). Da in Ad der Umlaut gelegentlich auch realisiert ist (Nr. 1 Denchit) handelt es sich wohl um Abschreibphänomene, die in den Fällen Nr. 50 und Nr. 59 nicht aus K stammen können. Die Schreibung für den germ. Diphthong [ai], wo wiederum Ad mit Pa auch gegen K steht (Ad Nr. 8 Khaisorlih), kann zwar auf die archaische Form der Vorlage zurückverweisen, aber kann auch eine systematische Schreibeigenschaft in Ad sein (vgl. Haubrichs, S. 127 in diesem Band), die aber immerhin von K abweicht. Im Bereich der Medienverschiebung ist für Ad ein systematischer Umgang zu konstatieren (vgl. Haubrichs, S. 109–114 in diesem Band), wofür das stets verwendete Präfix stehen kann, also mit fehlender Medienverschiebung gegen in K oder , oder in Pa. Gerade diese Eigenständigkeit macht aber auf punktuelle Gemeinsamkeiten von Ad und Pa gegen K aufmerksam, die für eine gemeinsame Vorlagenabhängigkeit sprechen könnten: So die Verschiebung [d] > [t] in Ad Nr. 11 Uuahsanti (vs. uuahsandi) und Ad Nr. 14 Khregenti (vs. Khregendi) und die Verschiebung [g] > [k], die in Ad (Nr. 3 Pagit) gegenüber K (pakit) fehlt. Eine morphologische Gemeinsamkeit von Ad und Pa gegen K lässt sich in Ad Nr. 40 greifen, wo die endungslose Form so uuelih gegen die flektierte Form so uueliher steht. Auf eine aktualisierende Tendenz, die sich eventuell schon in einer gemeinsamen Vorlage findet, verweist die Form der Synkope, die Ad mit Pa (und Ra) gegen K in Nr. 13 teilt (Striplenti/striplendi vs. stripelendi), wo Ad gegen Pa und K Medienverschiebung aufweist. Das genaue Gegenteil dagegen findet sich in Ad Nr. 34, hier fehlt in Ad und Pa gegen K die Synkope (missafahit vs. misfahit), wobei Ad mit Pa eine exakte Entsprechung gegen K aufweist (wie auch in Ad Nr. 24 Crata). Aus diesen Gemeinsamkeiten von Ad und Pa gegen K lässt sich in keinem Fall eindeutig eine gemeinsame Vorlage nachweisen. Es ist aber doch wahrscheinlich, dass im Wechselspiel von systematischen Umarbeitungen und sklavischer Vorlagentreue in Ad auch Gemeinsamkeiten von Ad und Pa gegen K eine Rolle gespielt haben, die auch erklären, warum in Ad – wie oben gezeigt – Phänomene teilweise nicht konsequent realisiert werden, also teils abgeschrieben, teils aktualisiert sind (z. B. bei Synkopierungen).

6.4 Das Verhältnis von Ad und K Eine andere Qualität haben die Belege für eine gemeinsame Vorlage von Ad und K, bzw. von Ad und der Vorlage von K. Sie lässt sich nämlich unabhängig von der Ar-

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beit am Wortschatz durch eine Reihe von Bindefehlern objektiv belegen. Wir differenzieren hier nicht zwischen Ka und Kb, da nur Ad Nr. 53 und 54 sicher mit Ka, das in St. Gallen ja nur bis Seite 33 reicht, vergleichbar ist und Ad Nr. 3, 6 und 11 auf Glossen zurückgehen, die auch in Ka stehen. Diese Fälle sind zudem wenig aussagekräftig. Hier zuerst die eindeutigen Fälle von gemeinsamen Fehlern in K und Ad: Ad Nr. 7: Paz uuepanti ist beruht auf der Übernahme einer Fehllesung und Fehlsegmentierung, die sich genau so auch in K findet: pas . uuependi ist (StSG I, 75.2; Genaueres dazu im Beitrag von Brigitte Bulitta, S. 146–148 in diesem Band). Ad Nr. 31.1: Nazze ist eine Verschreibung aus nuzze, wobei die Interpretation von u als cc-a auch einfach mehrmals unabhängig voneinander geschehen kann. Ad Nr. 33: Die lateinische Form Cunctassis korrespondiert mit der Lesung Cuncta. sis in K statt korrektem Cunctans in Pa und Ra. Ad Nr. 44: Cupitas und Furnessi ist ein doppelter Bindefehler mit K (cupitas, firnessi) statt korrektem cupiditas (Pa, Ra) und girnessi (Pa, Ra ø). Ad Nr. 46: Ginuhtsamota korrespondiert mit dem fehlerhaften Superlativ in K kinuhtsamorta. Kein Bindefehler im engeren Sinne, aber doch eine auffällige Parallele im Lateinischen ist Nr. 24 Crata, das sich auch in K findet, während in Pa und Ra das zu erwartende grata steht. Dabei könnte es sich um eine Analogieschreibung zur Medienverschiebung handeln oder, wahrscheinlicher, um eine romanische Hyperkorrektur, da in romanischen Dialekten lat. k oft im Anlaut zu g lenisiert wurde. Darüber hinaus weist Ad Nr. 29 Creator : Scaffento auf ein Verrutschen in der Zeile hin, das schon in der Vorlage stattgefunden haben muss, das sich aber nicht nur in K, sondern auch in Pa findet. Neben diesen Bindefehlern gibt es eine Reihe von genauen Entsprechungen von Ad und K (Ad Nr. 35, 37, 41, 46) und sehr regelmäßigen sprachlichen Ähnlichkeiten, die jedoch eher auf den spezifischen Sprachgebrauch in Ad als auf die Form der Vorlage schließen lassen, auch wenn es deutliche Analogien zwischen Ad und K gibt. Ein Beispiel wäre das Präfix (so immer in Ad Nr. 2, 5, 15, 26, 32, 46, 53, 56), das in K stets als realisiert ist, in Pa indes in verschiedenen Formen auftaucht (, oder ). Ad geht im Vokalismus immer mit K, im Anlaut dagegen teils mit stimmhaftem Anlaut mit Pa. Solch konsequente Realisationen sagen nicht viel über direkte Abhängigkeiten aus, zumal sie teils mit Pa (wie bei den fehlenden Umlauten oder mit ) aber auch mit K gehen (wie im Vokalismus der Präfixe) und eher zeigen, wie Ad bewusst systematisiert. Neben den Bindefehlern lassen folgende Besonderheiten auf eine Abhängigkeit von Ad und K schließen:

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Ad Nr. 47: Die Glossierung Cunctis : Allem ist auf die Zusammenziehung zweier Glossen zurückzuführen. In K steht: cunctis : upar al . uniuersis : allem. Das erste Lemma wird also mit dem zweiten Interpretament zusammengezogen. In Pa dagegen steht cuctis : upar al . uniuersis : cauualih, sodass die Form in Pa nicht die Vorlage sein kann, sondern eine mit K verwandte Glossierung anzusetzen ist. Ad Nr. 33: In der Glosse mit dem Bindefehler Cunctassis (Ad) / Cuncta. Sis (K) findet sich die Realisation von Germ. [tw] (ahd. [zw]) in Form von in Ad und K – Quehonti (Ad) und queondi (K) gegen zueondi (Pa). Pa kennt diese Form zwar auch, aber eben nicht an dieser Stelle. Als Vorlage kommt Pa natürlich nicht in Frage, wenn es andere Interpretamente überliefert als K und Ad, wie in Ad Nr. 51 (Ad, K und Ra uuan; Pa uuanna) und Ad Nr. 54 (Ad, K und Ra lustlih; Pa gauualit). Auch das rückt Ad und K zusammen. Gleiches gilt für die Morphologie, wenn in Ad Nr. 68 im lateinischen Lemma in Ad und K mit demu der romanische Obliquus steht, in Pa, Ra und R dagegen das lateinische demum. Oder: Wenn in Ad Nr. 57 in Ad, K und R das Partizip Präsens die zu erwartende Endung aufweist (fehtanti/fehtandi/arfehtanti), diese in Pa aber fehlt (fehtant), auch wenn hier nur ein Fehler in Pa korrigiert worden sein könnte. Der Fund von Ad macht es auch möglich, bereits diskutierte Fälle neu zu bewerten, wie Nr. 37: Cuncti temporis wird glossiert in Pa allero citeo, K allero ziti, R allera ziti. Ad hat gemeinsam mit R allera ziti, übersetzt also den lateinischen Singular als Singular. Pa macht aus dem Singular einen Plural, während K mischt allero (Plural) ziti (Singular). Splett (1976: 156) spricht von einer nicht vollständigen Umsetzung des Plurals, indem cuncti als Plural und temporis als Singular aufgefasst wird. Diese Bewertung ist zu modifizieren, wenn man die alte Umsetzung im Singular in Ad vor sich hat. Wenn Ad nun den Singular bietet, dann ergibt sich folgendes Szenario: Es ist anzunehmen, dass der Archetyp die Singularform bot, wie er in Ad und R erhalten ist. Pa setzt das Althochdeutsche im Gegensatz zum Lateinischen in den Plural – ausgehend von der möglichen Lesung von cuncti als Pluralform, K dagegen verliest wohl allera zu allero – und dies vielleicht auch mit Blick auf die mögliche Lesung von cuncti als Pluralform und belässt ziti im Singular. Die Existenz der Singularform in einer alten Handschrift erklärt die Mischform in K besser als bisher im Prozess des Abschreibens.

6.5 Zusammenfassung Über das Verhältnis von Ad zu R lässt sich sicher nur sagen, dass Ad kein Zeuge der ‚Samanunga worto‘ ist. Die Berührungen zu Ra sind im Rahmen des zu Erwartenden vorhanden, aber es gibt keine gemeinsamen Fehler oder Auffälligkeiten, die Argumente für eine Abhängigkeit sein könnten. Ähnliches gilt für K und Pa: Die Gemeinsamkeiten, die von K abweichen, lassen sich durch einen systematischen Sprachge-

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brauch in Ad begründen. Aber es gibt eben auch Inkonsequenzen, die eher auf die Benutzung einer Vorlage, die mit K geht, verweisen. Weil einige Aspekte wie der fehlende Umlaut oder die Verwendung von oder archaischen Charakter haben, spricht doch vieles dafür, dass sie nicht Eigengut von jeweils Ad und Pa gegen K sind, sondern auf eine gemeinsame Vorlage von Ad und K schließen lassen. Mit annähernder Sicherheit lässt dagegen die Nähe von Ad und K auf eine gemeinsame Vorlage schließen. Vor allem die Bindefehler belegen dies, die keine direkten Abschreibfehler sind, sondern auf Konstellationen in einer gemeinsamen Vorlage von K und Ad schließen lassen, zumal sich in K einige Fehler finden, die in Ad fehlen (wenngleich die immer auch korrigiert worden sein könnten). Fasst man das in einem Stemma zusammen, ergibt sich für das Verhältnis von Ad, Pa und K Folgendes:

Wolfgang Haubrichs

Der ‚Admonter Abrogans‘: Gedanken zur sprachlichen Einordnung Vorbemerkung: Die nachfolgenden Überlegungen erheben nicht den Anspruch, eine vollständige grammatische Beschreibung der in Ad überlieferten althochdeutschen Interpretamente zu geben. Sie konzentrieren sich vielmehr auf innerhalb der ‚Abrogans‘-Überlieferung distinktive oder auffallende Merkmale, mit dem Schwerpunkt auf den phonologisch-graphematischen Strukturen. Für morphologische Untersuchungen scheint das Material zu knapp bemessen. Wo es sinnvoll erscheint, werden die wertvollen Forschungsresümees der Althochdeutschen Grammatik (152004, Bd. I) von Wilhelm Braune und Ingo Reiffenstein, jetzt bearbeitet von Frank Heidermanns (162018, Bd. I = Ahd. Gr.16)1, einleitend zitiert, kommentiert und ergänzt.

1 Zum kopialen Charakter der alphabetisierten Fassung Ad des ‚Abrogans‘ Der kopiale Charakter der Fassung Ad kann durch zahlreiche Verschreibungen, die Ad charakteristisch von den sonstigen ‚Abrogans‘-Zeugen abheben, aufgewiesen werden:2 1.

2.

Verlesung von zu in Nr. 35 Crutinam aus *Curtinam (so Pa R – Curtiinam Kb)3 zu lat. curtina ‚Orakelspruch‘. Ähnlich ist zu beurteilen die anzunehmende Verschreibung Nr. 32.1 Cruria aus *Curia (so Pa Kb) zu lat. curia ‚Versammlung, Versammlungsort, Hof‘. Verlesung von zu in Nr. 72 lat. Deterremur < *Deterremum (so Pa Kb) zu lat. deterrere ‚ab-, zurück-schrecken‘.

|| 1 Mein herzlicher Dank gilt Frank Heidermanns (Leipzig) für die freundliche Bereitstellung seiner Überarbeitung der ‚Althochdeutschen Grammatik‘ bereits vor der Publikation. 2 Vgl. freilich Ernst/Glaser (2009: 1002) zur Problematik der Annahme von Schreibfehlern bei graphematischen Auffälligkeiten. Die folgenden Entscheidungen sind in vollem Bewusstsein solcher Problemfälle getroffen, scheinen jedoch gut verantwortbar. 3 In dieser Abhandlung wird für die Version K (Sang. 911) nach Ka (p. 4–33, Z. 4) und dem für Ad ungleich wichtigerem Kb (p. 33, Z. 5 bis p. 289) geschieden, da beide auf letzten Endes unterschiedliche Vorlagen und Schreibsysteme zurückgehen (vgl. Kögel 1879: XXXII; Baesecke 1930: 13; Sonderegger 1977: 113–122). https://doi.org/10.1515/9783110710786-007

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3.

Verlesung von oder zu : Nr. 58 Deiudicat : Posonit aus *Pe-, *Pi-sonit (pi- in Pa Kb) zu frühahd. *bi-sônen ‚beurteilen‘. 4. Verlesung von zu in Nr. 77 lat. Depis < *Dapis (so Kb R; Ra Dapes, Pa Dabis) zu lat. daps, Gen. dapis ‚Speise, Festmahl‘. 5. Verschreibung von zu – wohl unter dem Eindruck der in Ad durchgängig gebrauchten Form fur- des Praefix: Nr. 44 Furnessi wohl aus *Firnessi (so Kb – verschrieben aus girnessi ‚Begierde‘, so Pa). Vgl. Nr. 9 Fur-noman Part. Praet. zu ahd. fir-neman ‚verbrauchen, consumere‘; Nr. 52 Furlaugnit zu frühahd. fir-laug(a)nen ‚verleugnen, verweigern‘. 6. Verschreibung zu in Nr. 12 Vparhaltan aus *Vparhlatan (so Pa Kb zu crapulatus ‚übersättigt‘) zu frühahd. ubar-hladan. Zur Motivation der Verschreibung aus um 800 bereits lautlich veraltetem [hl] vgl. Edition, Kommentar zu Nr. 12 Vparhaltan, S. 68. 7. Wahrscheinliche – quasi haplologische – Verschreibung in Nr. 18: Vualugirerim (mit aufeinanderfolgendem ir und er) aus *Walugirim, -em (Pa Kb uualokirem) zu ahd. walu-giri ‚todgierig, grausam‘. 8. Auslassung einzelner Buchstaben: Verlust von in Nr. 48 Custus : Phaltari aus *Pihaltari (so Pa Kb) zu ahd. bi-haltâri ‚Wächter‘. Die Form könnte evtl. auch als sehr früher Beleg einer Synkope aufgefasst werden (vgl. Ahd. Gr.16, § 77, Anm. 3c).4 Für die bei Oliver Ernst (2007: 371f., 377, 379) aus Freisinger Glossen (Clm 6272) angeführten Belege für Synkopen in Praefixbildungen ist unsicher, ob sie nicht aus dem 9. Jahrhundert oder noch späterer Zeit stammen oder gar Abbreviationen darstellen. 9. In Nr. 41 evtl. Auslassung eines in Souuelies aus *so uuelihes (so Pa Kb). Die Form könnte freilich auch als Resultat einer Schwächung des intervokalischen [h] gewertet werden, wobei es sich um einen sehr frühen Beleg handeln würde (vgl. Ahd. Gr.16, § 154, Anm. 4)5. 10. Auslassung eines Buchstabens in einer unverständlichen Buchstabenfolge, hier des in Nr. 46 Cupiosissim(us) : Ginuhtsamota aus fälschlichem *Ginuhtsamorta (in Kb belegt kinuhtsamorta), wohl in der Vorlage schon verschrieben aus *ginuhtsamosta, Superlativ zu ahd. Adj. gi-nuht-sam ‚reichlich, copiosus‘. Angesichts dieser – bei Würdigung der geringen Textmenge – zahlreichen Verlesungen und Verschreibungen ist für Ad eine Vorlage zu fordern, die der Fassung Kb des ‚Abrogans‘ nahesteht (vgl. Kögel 1879: VIIf., XXXII–XLI; Steinmeyer 1880: 136f., 140; Bischoff/Duft/Sonderegger 1977: 113–121; Splett 2009a: 733f.). Dafür sprechen auch die Bindefehler nazze statt nuzze (so Pa) in Nr. 31.1, dann Cunctassis

|| 4 Für den Hinweis danke ich Brigitte Bulitta (Leipzig). 5 Für den Hinweis danke ich auch hier Brigitte Bulitta (Leipzig).

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(Kb Cuncta . sis) statt Cunctans sis (Pa Ra) in Nr. 33 sowie doppelt Cupitas statt cupiditas (Pa) und *firnessi statt girnessi (Pa) in Nr. 44, dazu zahlreiche genaue Entsprechungen zwischen Ad und Kb (Nr. 35, 37, 41, 46) (vgl. Müller, S. 102 in diesem Band). Die gemeinsame Vorlage enthielt aber auch Schreibungen, die Pa nahestanden und somit einer Vorstufe von Kb und Pa entstammen müssen, z. B. Nr. 40 die endungslose, nominal flektierte Form so uuelih (so Pa Ad statt Kb mit der flektierten pronominalen Form so uueliher).

2 Die voralthochdeutsche Tenuesverschiebung Die bereits merowingerzeitlichen Verschiebungen der germanischen Tenues (6./7. Jh.), der stimmlosen Verschlusslaute [p, t, k], sind in Ad – wie zu erwarten – überall durchgeführt. Von Interesse für die sprachliche Einordnung des Fragments sind nur die benutzten Schreibungen für die Resultanten der sog. Zweiten Lautverschiebung.

2.1 Resultanten von germ. /t/ Ad nutzt – anders als andere ‚Abrogans‘-Fassungen (vgl. Kögel 1879: 61–68; für Ka: Seiler 2014: 176) – die im Althochdeutschen gängigen Schreibungen systematisch mit Hilfe des Graphems , niemals, auch nicht vor [e, i], die Schreibung , niemals auch (vgl. Ahd. Gr.16, § 155–161). Im Anlaut wird die Affrikata in zwei Fällen mit wiedergegeben: Nr. 31.2 pi-ziuhit, ahd. ziohan < germ. *teuh-an ‚ziehen‘; Nr. 37 ziti, Gen. Sg. zu ahd. zît < germ. *tîdi ‚Zeit‘. Im Inlaut nach den Konsonanten [l, n, r] (nicht vertreten in Ad) und in der vor [j] eintretenden Gemination – vorahd. [tt] – wird ohne Ausnahme geschrieben: Nr. 31.1 Nazze (verschrieben aus *Nuzze) : Cultui, Dat. Sg. zu ahd. nuz ‚Nutzen, Nutzung‘ < vorahd. *nut-i (vgl. westgerm. *nutja- Adj. ‚nütze‘); Nr. 50 Mazzi-mos : daps, dapibus Dat. Pl., zu frühahd. mazzi < westgerm. *mat-ja ‚Speise‘ (EWA VI, 389); Nr. 59 Ant-sazzit : Depositum, zu ahd. int-sezzen ‚absetzen‘ < germ. *sat-eja- ‚setzen‘. In den vorangegangenen Fällen ist jeweils Affrikata anzusetzen. Schwierig zu beurteilen ist Nr. 55 Vr-paizzit : Descendit, zu ahd. ir-beizen ‚(vom Pferde) absteigen‘ zu germ. *bait-j- / *bait-V- (EWA I, 524–526), wo nicht entschieden werden kann, ob Geminate oder einfaches [-t-] vor Vokal vorlag, und damit als Resultante Affrikata oder Frikative anzusetzen ist. Im Auslaut begegnet einmal die Frikative, geschrieben mit : Nr. 7 Paz zu ahd. baz Adv. ‚besser‘ < westgerm. *bat. Eine besondere Schreibung für die dentale Frikative findet sich in Nr. 16 Vuinuas zu ahd. wîn-faz ‚Weinkrug‘ < germ. *fata- ‚Fass, Gefäß‘, wohl als Übersetzung

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von crateras, dem in R unmittelbar uasa uinalia : uuinfaz folgt (StSG I, 87.11, 87.12). Die Schreibung findet sich gelegentlich (vgl. Ahd. Gr.16, § 160, Anm. 2; Ernst/Glaser 2009: 1001), z. B. in den bairischen Griffelglossen (Anfang 9. Jh.) von Salzburg, St. Peter, a VII 2 (vgl. Mayer 1994: 92), im Regensburger Clm 14747 mit archaischer Vorlage (vgl. Tiefenbach 2009: 1346) und dazu in Freisinger Griffelglossen (vgl. Ernst/Glaser 2009: 1011f.). Hier dürfte sie unter dem Einfluss von lat. uasa stehen, wofür auch statt spricht.

2.2 Resultanten von germ. /p/ Für die Resultanten von germ. /p/ verwendet Ad nur das Graphem (vgl. Ahd. Gr.16, § 130–133). Im Inlaut nach Vokalen ist in allen hochdeutschen Sprachzeugnissen germ. [p] zur Doppelfrikative [ff] geworden, die sich nach Kurzvokal lange hält (vgl. Ahd. Gr.16, § 97). Hier ist einzuordnen Nr. 29 Scaffento : Creator, mit Pa Kb scaffonti, zu ahd. scaffôn < germ. *skap-an (anord. skapa) ‚einrichten, ordnen‘ (Kluge/Seebold 252011: 792; vgl. Orel 2003: 334). Im Aus- oder Inlaut nach [r, l] tritt in den oberdeutschen Quellen zunächst die Affrikata [pf] auf, die im Laufe des 9. Jahrhunderts allgemein im Althochdeutschen zu [f] wird. Doch ist besonders für das Alemannische – im Gegensatz zum Bairischen und Fränkischen – bereits früh die Bezeichnung der Affrikata durch charakteristisch (vgl. Ahd. Gr.16, § 131, Anm. 4f.). Das gilt auch für die ‚Abrogans‘-Textzeugen, die inlautend durchweg zeigen (vgl. Kögel 1879: 71–76). Hier ist einzuordnen Nr. 45 Mu . uuerf : Cubilia ‚Erdaufschüttung, Erdauswurf‘, auch Kb mu-uuerf, zu ahd. werfan < germ. *werp-an ‚werfen‘. Germ. /p/ im Anlaut, für das in Kb so charakteristisch entweder mit Lautwert [pf] oder unverschoben [p] steht (vgl. Bischoff/Duft/Sonderegger 1977: 118), kommt in Ad nicht vor.

2.3 Resultanten von germ. /k/ Für die Resultanten von germ. /k/ verwendet Ad die Schreibungen und – im Falle der oberdeutschen Affrikata – die Schreibungen und (vgl. Ahd. Gr.16, § 140–146; für Ka: Seiler 2014: 158f.). Diese speziell oberdeutsche Entwicklung wird später in Abschnitt 9 behandelt. Nach Vokalen im In- und Auslaut wurde germ. /k/ im Ahd. im gesamten hochdeutschen Sprachgebiet zum geminierten stimmlosen Frikativ verschoben. Dieser wird in den ältesten Quellen durch bezeichnet, im Auslaut und vor Konsonant tritt dafür […] einfaches ein[.] (Ahd. Gr.16, § 145)

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Ad folgt diesem Brauch bei der Wiedergabe der gutturalen Frikativen: Nr. 32.1 bietet inlautend intervokalisch in Gi-mahhida, mit Kb ki-mahhita, aber vereinfacht Pa ka-mahida, Ra ki-mahida ‚Versammlung‘ zu westgerm. *mak-ôn ‚machen‘. Im Auslaut haben wir dreimal die gewöhnliche Vereinfachung der Frikativschreibung beim Adjektiv-Suffix ahd. -lîh < germ. *lîka- ‚Körper, Gestalt‘ (EWA V, 1265–67; Kluge/Seebold 252011: 569, 575f.): Nr. 8 Khaisor-lih; Nr. 40 Souue-lih; Nr. 54 Lust-lih.

3 Die althochdeutsche Medienverschiebung in Ad Für die räumliche und zeitliche Einordnung früher althochdeutscher Sprachdenkmäler ergibt die Untersuchung des Standes der germanischen Medien [b, d, g] und ihrer Verschiebung zu [p, t, k] stets wertvolle Hinweise (vgl. Ahd. Gr.16, § 83–90). Die Analyse wird hier im Vergleich mit Denkmälern vorwiegend des 8. und frühen 9. Jahrhunderts sowie mit den Namen des Salzburger Verbrüderungsbuches (LCS; vgl. Haubrichs 2015) vom Jahre 784, den Freisinger und vor allem St. Galler Namenbeständen durchgeführt:

3.1 [g] > [k] (vgl. Ahd. Gr.16, § 147–149) Das Praefix gi- (statt Kb durchweg ki-, Pa ga-, ca-, ka-) wird – entgegen den gemischten Verschriftungsgewohnheiten der sonstigen ‚Abrogans‘-Überlieferung – stets mit geschrieben: Nr. 2 Gi-uuonahait; Nr. 5 Gi-scaft gegen Kb Ra ki-scaft und Pa kascaft; Nr. 15 Gi-laupta gegen Kb ki-laupta, Pa ka-laupta; Nr. 26 Gi-fotit gegen Kb kifotit; Nr. 32 Gi-mahhida; Nr. 46 Gi-nuhtsamo[s]ta gegen Kb ki-nuht-, Pa ca-nuht-; Nr. 53 Gi-fastinot : Defixus gegen Kb ca-fastinot, Ra ki-festinot, Pa ga-fastinot; Nr. 56 gi-hugti gegen Kb ki-hucti, Pa ga-hucti. Diese systematische Regelung gehört zu den Eigenheiten der Admonter Handschrift bzw. ihrer unmittelbaren Vorlage, da sie sich auch in den nicht aus dem von Pa, K und Ra vertretenen ‚Abrogans‘-Bestand kommenden Wörtern wie Nr. 2 Gi-uuonahait zeigt, dessen lateinisches Lemma consuetudo (?) freilich im lateinisch-lateinischen ‚Abrogans‘ in Karlsruhe, BLB, Aug. perg. 248 (fol. 58r), vorkommt (vgl. Müller, S. 98 in diesem Band), so dass zu vermuten ist, dass sie einer stemmatologisch näher am Archetyp angesiedelten oder mit diesem identischen Stufe angehörten. Die sonstige ‚Abrogans‘-Überlieferung zeigt vor allem im Anlaut überwiegend bzw. , während im Inlaut (vor allem bei Pa) noch höhere Anzahlen von bewahrt bleiben (vgl. Kögel 1879: 108–112). Auch im relativen Anlaut des Kompositums Nr. 18 Vualugirerim, verschrieben aus *Walu-girim, flektiert zu walu-giri ‚crudelis‘ (Pa uualogiri, -kiri, Ra uualugiri, Kb uualokiri) bleibt die Schreibung .

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In Ad bleibt im Anlaut, aber auch in allen anderen Stellungen: Nr. 3 Pagit mit Pa pagit : contendit, aber gegen Kb pakit zu bâgan ‚kämpfen, streiten‘; Nr. 6 Pifangan Part. Praet. zu ahd. bi-fâhan ‚erfassen‘; Nr. 10 Pi-duuingit zu ahd. bi-dwingan ‚fesseln‘; Nr. 14 Khregenti (Pa chregenti, aber Kb chrekendi) zu frühahd. krêgen ‚schallen, lärmen‘; Nr. 42 Fogal gegen Pa Kb focal; Nr. 21 Morgane : Cras ‚morgen‘; Nr. 27 Chlingit mit Ra clingit gegen Kb klinkit; Nr. 52 Fur-laugnit (vgl. Kb fer-laucnen, Ra far-laugnen); Nr. 56 gi-hugti gegen Kb ki-hucti, Pa ga-hucti, Ableitung zu ahd. hugu, hugi m. ‚Geist, Verstand, Sinn‘ (EWA IV, 1194–98). Auch hier zeigt die nicht unmittelbar aus dem von Pa K Ra vertretenen lexikalischen ‚Abrogans‘-Bestand kommende, aber vielleicht dem Archetyp angehörige Nr. 21 Morgane ‚morgen‘ (vgl. Müller, S. 98 in diesem Band), dass die systematische -Schreibung zu den Propria von Ad gehört. Auch Nr. 52 Denegat : Fur-laugnit, deren lateinisches Lemma sich im lateinisch-lateinischen ‚Abrogans‘-Wörterbuch in Karlsruhe, BLB, Cod. Aug. perg. 248 (fol. 40rb, 40vb), findet, dürfte dem Archetyp angehört haben (vgl. Müller, S. 98f. in diesem Band). Die systematische -Schreibung kann keinesfalls als sprachliche ‚Modernisierung‘ bewertet werden, sondern muss ihre Erklärung im Rahmen graphischer oder lautlicher regionaler Besonderheiten finden. Mitberücksichtigen wird man die auf ‚Abrogans‘-Grundlage beruhenden Fragmente eines alphabetisierten Glossars vom „Beginn des IX. Jahrhunderts“, geschrieben in „einem nicht mehr identifizierbaren südwestdeutschen Skriptorium“ (Bischoff 1971: 120), im Palimpsest Prag, Nationalbibl., Cod. XXIII.E.54, vormals Fürstl. Lobkowitzsche Bibl., Cod. 434 (vgl. Baesecke 1930: 36–39; StSG IV, 603f.); die Handschrift befand sich später im Besitz des Klosters Weißenau bei Ravensburg in Oberschwaben. Diese Fragmente zeigen neben 3× ki- und 2× ka- doch immerhin 7× gi- und 1× ga-. Dazu kommen im relativen Anlaut far-geban und ga-gauuue : patria, im Inlaut runga : corona und mago. Das alles bei durchgehendem

und . Insgesamt zeigt die graphische Regelung in Ad im Bereich der gutturalen stimmhaften Okklusive nur bedingt einen oberdeutschen Lautstand an (vgl. Ahd. Gr.16, § 149 mit Anm. 3), auch wenn im LCS aus Salzburg von 784 or. neben der fast vollständig durchgeführten Verschiebung von [g] > [k] noch ca. fünfzehnmal die für den bairischen Raum eher archaische Schreibung vorkommt (vgl. Haubrichs 2015: 423–427); ähnlich, vor allem im Inlaut, in den Griffelglossen (Anfang 9. Jh.) im Codex Salzburg, St. Peter, a VII 2 (vgl. Mayer 1994: 96f.; Reiffenstein 2009: 1424) und in den sprachlich bairischen, 811/12–836 anzusetzenden Regensburger Glossen des Sang. 286 (vgl. Tiefenbach 2009: 1342; Schatz 1907: § 71); ebenso weisen die Freisinger Griffelglossen (um 800) neben 104× noch 25× auf, nie aber beim Praefix ki- (vgl. Glaser 1996: 406–409). Acht weitere Freisinger Gregor-Glossen (9. Jh.) im Clm 6293 (vgl. Schulte 1993: 140–241) und Clm 6277 (vgl. Ernst 2007: 371f., 377, 379; Glaser/Ernst 2009: 1364f.) zeigen weit überwiegend ki-, ka- und überhaupt vorwiegend -Schreibungen für germ. /g/ (vgl. ferner Ernst/Nievergelt/Schiegg 2019: 195–207). Ansonsten herrscht im Bairischen im Anlaut durchweg , „woneben aber auch ziemlich häufig auftritt“, während im Inlaut für das

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8. Jahrhundert eher selten sind (Schatz 1907: § 70f.). Die südbairischen Glossen der Handschrift 10 des Archivs des Bistums Augsburg (frühes 9. Jh.) zeigen mehrfach ki-, je einmal auch ca- und ka- (vgl. Schulte 1993: 54–82; Schiegg 2012: 81, 87, 93, 94, 104, 106). Im alemannischen Bereich des 8./9. Jahrhunderts hat das dem ‚Abrogans‘Codex Sang. 911 entstammende ‚St. Galler Paternoster und Credo‘ „an- und inlautend oder für /g/ konsequent durchgeführt […] während im Inlaut das Gewöhnliche ist“ (Ahd. Gr.16, § 149, Anm. 2a/b); ähnlich auch in Murbacher Glossen (vgl. Schindling 1908: 67–71; zum Bodenseegebiet Ernst/Nievergelt/Schiegg 2019: 432f.). Doch zeigen einige Quellen auch inlautend nicht selten , was wohl auf die unterliegende Lautung schließen lässt. Im Anlaut herrschen vor allem in den Glossaren (z. B. Ka, Ra) gemischte Verhältnisse, doch meiden einige Quellen wie die um 800 anzusetzende wohl ursprünglich Reichenauer ‚Benediktinerregel‘ des Sang. 916 (vgl. Knodt 1993; Berschin 2004; Voetz 2009: 904; Masser 2013: 49–54; Maag 2014: 24f., 97–99, 200, Nr. 221) und die aus dem 1. Viertel des 9. Jahrhunderts stammenden, teilweise Reichenauer sog. ‚Murbacher Hymnen‘ (vgl. Voetz 2009: 905f.; 2013: 272–274) die Schreibung . Entscheidend sind die Verhältnisse in den St. Galler Vorakten und Urkunden. Während in den Urkunden Mitte des 8. Jahrhunderts noch anlautend recht häufig ist, nimmt diese Schreibung in diesen offiziellen Dokumenten im Laufe des Jahrhunderts ab und fehlt nach 800 fast vollständig. Ganz anders die auf den Rückseiten von Urkunden öfter erhaltenen St. Galler Vorakte, d. h. informelle Aufzeichnungen von Klosterbeauftragten vor Ort im alemannischen Land. Sie „zeigen fast ausnahmslos in allen Positionen, das die Urkunden überwiegend durch ersetzen“ (Ahd. Gr.16, § 149, Anm. 2c; vgl. ebd.: § 88, Anm. 3; Sonderegger 1961: 274–278). Ebenso haben Murbacher Glossierungen der Benediktinerregel des frühen 9. Jahrhunderts durchgehend ki- (vgl. Masser 2008: 163–173), genau wie von Murbacher Händen kaum später eingetragene Gregor-Glossen (vgl. Schulte 1993: 457–482). Die wohl Reichenauer, jedenfalls sicher oberdeutsche Gregor-Glossierung der ehemals Berliner Handschrift Krakau, Bibl. Jagiellońska, Berol. Ms. lat. qu. 676 (nach 825), zeigt fast stets ka-, ca-. Innerhalb der ‚Abrogans‘-Überlieferung wird für die älteren (allerdings rekonstruierten) Stufen anlautend ca-, co-, cr- angenommen. Die häufigeren in Pa Ra werden gerne als ‚fränkische Neigung‘ dieser Quellen interpretiert. Die Vorstufen mit scheinen durch Fehler wie -Schreibung für germ. /k/ bewiesen werden zu können, wie etwa in Pa thungitha, Kb thunkhitha ‚dünkte‘ (StSG I, 174.28, 175.28) und Pa ka-dringum, Kb ki-drinchum : conviviis ‚in Trinkgelagen‘ (StSG I, 76.11; vgl. Baesecke 1931/1966: 361; Ahd. Gr.16, § 149, Anm. 3), aber auch in Kb thanglih ‚dankbar‘ statt Ad Nr. 24 Danclih. Das ist aber keineswegs sicher. Deutlich kann man die Komplexität der Schreibungen der ‚Abrogans‘-Zeugen an den typischen ‚Abrogans‘-Wörtern wala/u-g/kiri : crudelis (Ad Nr. 18 *-girim) und walu-g/kirida : crudelitas, eigentlich ‚tod-gierig‘ zu germ. *wala- ‚tot‘ (Kluge/Seebold 252011: 970) ablesen: Pa hat 1× , 3× , K je 1× und , Ra je

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1× und (StSG I, 12.3, 13.3, 78.4, 79.4, 156.35, 184.13; SchGW X, 370); das Reichenauer Glossar ‚Rb‘ zeigt 1× , 1× (StSG II, 312.15, 315.15). Diese Parallelen für zu Pa Ra sprechen zwar für -Schreibung neben auch im Archetypus, ändern jedoch nichts an der Sonderstellung der systematischen -Schreibung in Ad, die zwar Vorbilder in der Vorlage gehabt haben wird, aber vor allem bei der Praefix-Schreibung gi- gegen ki- direkt und kontrastiv mit Kb verglichen werden muss. Zahlreiche -Schreibungen (neben ) weist auch – wie bereits angedeutet – das alphabetisierte, auf ‚Abrogans‘-Tradition beruhende alemannische Glossar der Lobkowitzschen Fragmente (Prag, Nationalbibl., Cod. XXIII.E.54) aus dem beginnenden 9. Jahrhundert auf (vgl. Baesecke 1930: 36–39; Bischoff 1971: 120).

3.2 [d] > [t] (vgl. Ahd. Gr.16, § 162–164) Die Verschiebung der dentalen Media [d] zu [t] ist in Ad in nahezu allen Stellungen (auch im Part. Praes.) durchgeführt, wobei Anlautposition nicht vorkommt: Nr. 26 Gifotit mit Kb -fotit aus germ. *fôdja- ‚füttern‘; Nr. 37 ziti mit Kb ziti, Pa citeo < germ. *tîdi- ‚Zeit‘; Nr. 4 Uuannentem (mit Pa -entem, Kb -enten) < germ. *waen-jan ‚vermuten, hoffen‘; Nr. 7 uuepanti zu germ. *weban ‚weben‘; Nr. 11 Uuahsanti mit Pa uuahsanti, aber Kb uuahsandi; Nr. 12 Vpar-haltan, verschrieben aus -hlatan (Pa Kb upar-hlatan) zu frühahd. ubar-hladan ‚übersättigen‘; Nr. 13 Striplenti mit Ra striplenti, aber Pa striplendi, Kb stripelendi zu Lehnwort ahd. stripalên ‚krachen, lärmen‘ < lat. strepere; Nr. 14 Khregenti (Pa chregenti, aber Kb chrekendi) zu frühahd. *krê2gen ‚schallen, lärmen‘; Nr. 29 Scaffento (vgl. Pa Kb scaffonti); Nr. 33 Quehonti gegen Kb queondi, Pa zueondi, aber mit Ra zuonti (das sich freilich in der Realisierung von germ. [tw] wie auch Pa stark unterscheidet; vgl. unten, Abschnitt 4) zu ahd. zwehôn, quehôn ‚zögern‘; Nr. 35 Antuurti mit Pa Kb ant-uuurti < germ. *andawurd-ja; Nr. 43 Pihalti gegen Kb pihald-itha; Nr. 48 P[i]-haltari mit Kb pihaltari; Nr. 57 Fehtanti gegen Kb fehtandi, mit Pa fehtant; Nr. 59 Ant-sazzit, Part. Praet. zu frühahd. ant-saz-jan ‚deponere‘ < germ. *anda-. Diese systematische Regelung entspricht weitgehend oberdeutschem und ostfränkischem Sprachstand und Schreibbrauch (vgl. Ahd. Gr.16, § 163; für Murbacher Glossen auch Schindling 1908: 48–50), wobei auch für das Südrheinfränkische im (wohl aus Worms stammenden) ‚Weißenburger Katechismus‘ (vgl. Haubrichs 2003; Masser 2013b) und beim späteren Otfrid (863/71) inlautend herrscht, während in den früheren Weißenburger Urkunden überwiegt. Für das Bairische schreibt auch der Salzburger LCS von 784 or. (vgl. Haubrichs 2015: 421f.) durchgehend , ebenso ist der Befund um 800 bei den Freisinger Griffelglossen (vgl. Glaser 1996: 404–406). Insgesamt ist in oberdeutschen frühen Quellen die Schreibung recht selten. „Abweichend verhalten sich Pa, K“, also die ältere ‚Abrogans‘-Überlieferung, „in denen das Part. Präs. 45× mit /nt/, aber immerhin 19× mit /nd/ vorkommt […]. In

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Kb findet sich /d/ statt obd. /t/ an allen Stellen des Wortes […]; hier wird rheinfrk. Einfluss angenommen“ (Ahd. Gr.16, § 164, Anm. 5b; vgl. Kögel 1879: XXXVII, 96–106; Baesecke 1931/1966: 352f.). Wie die obigen Beispiele (besonders Nr. 33, 43, 57) zeigen, hat Ad hier erneut systematisiert – und zwar in Richtung auf den oberdeutschen Standard.

3.3 [b] > [p] (vgl. Ahd. Gr.16, § 134–136) Das Praefix bi- wird – nur einmal gegen die ‚Abrogans‘-Zeugen – stets mit

geschrieben: Nr. 6 Pi-fangan wie in Pa Kb Ra; Nr. 10 Pi-duuingit; Nr. 30 Pi-folhan mit Pa Kb pi-folahan; Nr. 43 Pi-halti mit Kb; Nr. 48 P[i]haltari mit Kb; Nr. 58 Po-sonit < *Pi- (vgl. Kb Pa pi-sonen); Nr. 31.2 pi-ziuhit mit Pa pi-, gegen Kb bi-. Die Schreibung

findet sich auch – weitgehend im Einklang mit der ‚Abrogans‘-Überlieferung (vgl. Kögel 1879: XXXIII, XXXVII, 106–108) – systematisch in allen anderen vorhandenen Stellungen: Nr. 3 Pagit mit Pa pagit, Kb pakit zu ahd. bâgan ‚streiten‘; Nr. 7 Paz (Kb pas) < ahd. baz ‚besser‘; Nr. 28 Pain; Nr. 55 Vr-paizzit zu frühahd. *ur-, ar-baizen ‚absteigen‘; Nr. 49 Prema- < ahd. brema ‚Stechmücke‘ mit Kb prema; Nr. 7 uuepanti (Kb uuependi) Part. Praes. zu ahd. weban ‚weben‘; Nr. 12 Vpar- mit Pa Kb upar-; Nr. 32.2 drupo mit Pa Ra drupo, Kb thrupo < ahd. *drûbo ‚Schar, Traubenbündel‘; Nr. 39 [V]paral mit Kb uparal; Nr. 15 Gilaup[ta] mit Kb -laupta, Pa -laupata; Nr. 36 Vmpi-lauft mit Pa Kb umpi-hlauft. Die systematische

-Schreibung wird auch in der nicht dem Bestand der sonstigen ‚Abrogans‘Zeugen entstammenden, aber wohl im Archetypus nach Ausweis des lateinischlateinischen ‚Abrogans‘ (Karlsruhe, BLB, Aug. perg. 248, fol. 45v) vorhandenen Nr. 55 Denegat (vgl. Müller, S. 98f. in diesem Band) angewandt. Auch das Lemma Nr. 28 Crura : Pain, das dem mit ‚Abrogans‘ verwandten lateinischen ‚Abba-Glossar‘ entstammt, könnte dem Archetyp des Wörterbuchs angehört haben. Wahrscheinlich ist hier auch Nr. 13 Striplenti, Pa striplendi, Kb stripelendi, Ra striplenti Part. Praes.: crepitus ‚Lärm, Krach‘ zu ahd. stripalên ‚lärmen, krachen‘ einzuordnen. Es handelt sich hier wohl um ein Lehnwort aus vlat. strepulare (Ableitung zu lat. strepitus ‚Lärm‘, strepere ‚lärmen‘), mit einer sonorisierten Variante *stribulare, woraus mit oberdeutscher Medienverschiebung stripalên entstand. Ein Großteil der ‚Abrogans‘-Zeugen hat ebenfalls die synkopierte Form *striplên (vgl. Betz 1936: 68; Schatz 1927: § 10; Splett 1976: 143, 512). Ad entspricht bei der Verschiebung der labialen Media oberdeutschem Sprachstand und Schreibpraxis: „Für das Oberdeutsche ist das häufige

für germ. /b/ charakteristisch […]. Im Bairischen […] zeigen Quellen des 8./9. Jahrhunderts im An-, In- und Auslaut weit überwiegend

“ (Ahd. Gr.16, § 136), auch ohne Ausnahme die um 800 entstandenen Freisinger Griffelglossen (vgl. Glaser 1996: 404ff.; ferner Ernst/Nievergelt/Schiegg 2019: 195–207; 255f.). Ebenso hat der Salzburger

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LCS a. 784 or. in seinem Namenbestand durchgehend die Schreibung

(vgl. Haubrichs 2015: 422f.). Für das Alemannische stellen sich die Verhältnisse um 800 etwas differenzierter dar. Bei überwiegendem anlautenden

dominiert in einigen Quellen inlautend , z. B. in der ‚Althochdeutschen Benediktinerregel‘ (vgl. für Murbacher Glossen auch Schindling 1908: 55–57; zum Bodenseegebiet Ernst/Nievergelt/Schiegg 2019: 432f.). Ferner: „Die Namen in St. Galler Urkunden von 744–789 haben inlautend 10

: 31

[recte: ] […]; von 790 bis 819 ist das Verhältnis im Inlaut 4

: 44 “ (Ahd. Gr.16, § 136, Anm. 3a). Doch für den Anlaut zumindest zeigen die überwiegenden

in den St. Galler Vorakten die wahren sprachlichen Verhältnisse, während die daraus resultierenden offiziellen Urkunden traditionelles bevorzugen (vgl. Ahd. Gr.16, § 136, Anm. 3; Sonderegger 1961: 274f.). „Für den Archetyp des Abrogans nimmt Baesecke 1931[/1966]: 352

in allen Stellungen an; Pa und K setzen auf den ersten Blättern dafür ein“ (Ahd. Gr.16, § 136, Anm. 1a; vgl. Kögel 1879: 106). Doch sonst überwiegt, vor allem in Kb, durchweg

, auch inlautend, auch wenn durchaus bemerkbar bleibt. Ad mit seiner durchgehenden

-Schreibung hat sich innerhalb der ‚Abrogans‘-Überlieferung erneut systematisierend verhalten.

3.4 Zwischenfazit zur Medienverschiebung in Ad Das erstaunlichste Resultat der Analyse der Medienverschiebung in Ad ist, dass einerseits nach oberdeutscher Regel konsequent [b] und [d] zu den entsprechenden stimmlosen Fortes verschoben wurden, ebenso konsequent aber die velare Media [g] bewahrt bleibt. Nach bisherigem Stand findet sich in der althochdeutschen Glossographie und den gleichzeitigen theodisken Denkmälern des achten und frühen 9. Jahrhunderts nichts Vergleichbares (vgl. aber unten in Abschnitt 15 zur onomastischen Überlieferung), auch wenn im oberdeutschen, vor allem bairischen Bereich vielfach beachtliche Minderheiten von g-Schreibungen aufscheinen. Es sei aber auf eine Glossierung in einer späteren Tegernseer Handschrift, Clm 18547b (Ende 10. Jh.) aufmerksam gemacht (vgl. Nievergelt 2007: 165–625, 725f.; 2009: 1401, 1413, 1415f.; Thies 1994: 52–307, 319–330), die u. a. in Abschrift sehr viel älteres Material enthält: In diesen Glossen wird durchweg geschrieben, ansonsten aber

und . Die -Schreibungen betreffen 97 % der relevanten ca. 170 Fälle; es gibt nur fünf Schreibungen mit k-Wert: 3× ki-, 1× ca-, im Inlaut 1× loucnan statt loug(a)nen. Sie dürften der späten Tegernseer Schicht angehören. Wir wissen nicht, woher die Vorlage dieser Glossen stammt, doch deutet sich hier eine mit Ad verwandte Regelung an.

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4 Die Wiedergabe von germ. [tw] Germ. [tw], ahd. [zw] kommt in Ad nur einmal vor: Nr. 33 Quehonti mit Kb queondi, gegen Pa zueondi, Ra zuonti, Part. Praes. zu ahd. zwehôn ‚zögern‘. „In Kb findet sich häufig statt der anlautenden Gruppe /zw/ (quifalt, quiski, quei, quiro usw.), wovon auch in Pa Spuren vorhanden sind ([StSG I] queot 156,14, queon 168,16 […])“ (Ahd. Gr.16, § 159, Anm. 5; vgl. ebd.: § 107, Anm. 2; Bischoff/Duft/Sonderegger 1977: 120f.). Eine Möglichkeit ist, dass die Vorlage für in der Verbindung schrieb, und der Kopist die lateinische Schreibregel = , wie etwa locutus für loquutus, missverstand (vgl. Kauffmann 1900: 166). Reiffenstein (1963: 338f., 345) weist freilich auf spätere Fälle von [tw] > [kw] u. a. im Elsass hin, die vielleicht ins Althochdeutsche zurückreichen, und spricht die ‚Abrogans‘-Schreibungen als Vorläufer dialektaler, aber erst spät verschriftlichter ähnlicher Wandlungen an. Sonderegger (s.o.) stellt fest: Diese Erscheinung, so schwach sie auch ausgeprägt ist, „weist […] mehr nach Norden als nach Süden“. Auf alle Fälle steht Ad mit dieser Graphie in der Nähe von Kb bzw. dessen Vorlage, die nach Ausweis der Restfälle in Pa – nämlich queot : simulat und queon : haesitare – bereits enthalten haben muss (vgl. Kögel 1879: 62). Ahd. [dw] in Nr. 10 Pi-duuingit zu bî-dwingan ‚fesseln‘ bleibt dagegen erhalten, während Kb zum Teil Formen mit Reduzierung des w zeigt (vgl. EWA II, 922).

5 Germ. /th/ Germ. [th] kommt an sechs Stellen in verschiedenen Positionen in Ad vor und wird stets mit wiedergegeben (vgl. Ahd. Gr.16, § 165–167): Nr. 1 Denchit ‚denkt‘ mit Pa danchit (ohne Umlaut), gegen Kb the[n]khit zu ahd. denken < germ. *thank-(e)ja‚denken‘; Nr. 10 Pi-duuingit zu ahd. bi-dwingan ‚fesseln‘ (vgl. as. thwingan) < germ. *thwengan ‚zwingen‘; Nr. 24 Danc-lih gegen Pa tunclih < *t(h)anc-, Kb thanglih zu ahd. danc- < germ. *thanka- ‚Dank‘; Nr. 32 drupo : cuneus ‚Truppenkeil‘, mit Pa Ra drupo, gegen Kb thrupo (mit bewahrtem ) zu ahd. drûbo m. ‚Traube, Bündel, Haufen, Schar‘ (vgl. ahd. alem. drubun ‚botrum, Traube‘ in Karlsruhe, BLB, Aug. perg. 99) < germ. *thrûb-ôn ‚Klumpen, Büschel, Haufen‘ (vgl. mhd. troube ‚Menge von Dingen‘, bair. trauppen ‚Haufen‘; dazu auch EWA II, 810–813); Nr. 19 Suedan, mit Ra suedan : cremare ‚verbrennen‘, gegen Kb suuethan (vgl. anord. sviđa ‚brennen, braten‘, ae. swathul ‚Flamme, Glut‘); Nr. 32 Gi-mahh-ida ‚Versammlung‘ wie Pa Ra (gegen Kb -ita, wohl fehlerhaft statt ) zum Suffix -ida < germ. *-ithô-. Ad steht hier mit seiner durchgängigen Graphie deutlich auf der Seite der jüngeren oberdeutschen Entwicklung, während Kb die ältere Graphie weitgehend bewahrt (vgl. Kögel 1879: 113–121).

116 | Wolfgang Haubrichs

Im Gegensatz zum Ostfränkischen, Rheinfränkischen und weiteren nördlichen Dialekten haben „die ältesten bair. Quellen […] nur noch wenige (seltener )“ (Ahd. Gr.16, § 167). Die Freisinger Glossen (um 800) haben 70× neben 8× . „Das Alem. vollzieht die Umsetzung des zu in der 2. Hälfte des 8. Jahrhunderts; in den ältesten alem. Quellen finden sich noch zahlreiche Belege des , aber die (der gesprochenen Sprache näheren) St. Galler Vorakte zeigen anlautend von Anfang an [nach 780] fast nur “ (Ahd. Gr.16, § 167), im Gegensatz zu den offiziellen Urkunden, die bis 779 überwiegend schreiben und auch danach noch häufiger diese Altgraphien aufweisen. „Ab dem 9. Jahrhundert ist im Obd. die allein herrschende Schreibung“ (Ahd. Gr.16, § 167; vgl. Sonderegger 1961: 278f.). Innerhalb der ‚Abrogans‘-Überlieferung haben Pa und Ra durchweg , Pa aber etwas häufiger im Anlaut noch das wohl dem Archetyp angehörige (vgl. Baesecke 1931/1966: 347–349, § 22), d. h. 29× gegenüber 218× , im Inlaut noch weniger (vgl. Kögel 1879: 115). In K allerdings herrschen die nördlichen Varianten „noch an allen Stellen des Wortes vor“ (Ahd. Gr.16, § 167, Anm. 2b). Die Graphie macht in Ka nur etwa den siebten, in Kb nur den dritten Teil der aus (vgl. Ahd. Gr.16, § 167, Anm. 1f.; Kögel 1879: 117; Seiler 2014: 136f.).

6 Gemination vor [j] nach Langvokal Für die Gemination nach Langvokal, hier von [n], hat Ad nur einen Beleg in Nr. 4 Uuannentem, gegen Pa uuanentem, Kb uuanenten, hier substantiviertes Part. Praes. Dat. Sg. zu ahd. wânen ‚vermuten, wähnen‘ (vgl. Ahd. Gr.16, § 92).6 Die Gemination nach Langvokal ist ein typisch alemannisches Kennzeichen. Sie findet sich bei [n] in der ‚Althochdeutschen Benediktinerregel‘ (z. B. Part. Praes. vvânnente) und in den ‚Reichenau-Murbacher Hymnen‘ (z. B. Part. Praes. reinnenti), in der ins ausgehende 8. Jahrhundert zu setzenden, wahrscheinlich aus Murbach stammenden Interlinearversion zu Lc. 1,64ff. aus der Handschrift St. Paul 1/8 (vgl. Voetz 1985; 2009; 2013) und im weitgehend Murbacher Codex Oxford, Bodl., Jun. 25 (z. B. uuânnani); ausnahmslos sogar in den Reichenauer Glossen (Ende 8. Jh.) des Codex Karlsruhe, BLB, Aug. perg. 99 (vgl. Simmler 1974: 218–227; Maag 2014: 189, Nr. 30; Meineke 2009: 760–779). So hat Ad mit der Gemination nach Langvokal zwar Parallelen im Alemannischen (und vereinzelt auch im Fränkischen), aber nicht bei den sonstigen Zeugen der ‚Abrogans‘-Überlieferung, denn sowohl Pa wie auch Kb und Ra meiden in dieser Stellung die Geminaten-Schreibung (vgl. Kögel 1879: 133– 135). Vgl. auch Edition, Kommentar zu Nr. 4 Uuannentem, S. 66.

|| 6 Freundlicher Hinweis von Brigitte Bulitta (Leipzig).

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7 [h] vor Konsonant Von den germ. Lautverbindungen [hl, hn, hr] kommt in Ad nur die Verbindung mit [l] vor: In Nr. 38 Hlauft : Cursum, mit Kb hlauft und Pa hlaust < *-ft, Verbalabstraktum zu germ. *hlaupan ‚laufen‘. Ad steht damit in der Nähe von Kb und der Vorlage von Pa. Dagegen ist in Nr. 36 Vmpi-lauft : Curriculum gegen Pa Kb umpihlauft (vgl. R hlaufti) das gleiche Wort mit h-Schwund bereits modernisiert, was wohl den wahren Sprachstand von Ad anzeigt. Rekonstruiert werden kann aus verschriebenem Nr. 12 Vparhaltan die Vorlage *-hlatan mit Pa Kb upar-hlatan : crapulatus, zu frühahd. ubar-hladan ‚übersättigt‘, so dass für die Vorlage eine weitere konservative Schreibung zu sichern ist. „Vor Konsonanten, d. h. in den anlautenden Verbindungen hl, hr, hn, hw setzen die ältesten Quellen das h meist noch korrekt; dagegen verliert es sich im Lauf des 9. Jahrhunderts vollständig“. Das [h] muss in diesen Lautgruppen „im Ahd. schon in der 2. Hälfte des 8. Jhs. so schwach artikuliert worden sein, dass bei den Schreibern Unsicherheiten auftreten. Dies gilt besonders für die obd. Texte“ (Ahd. Gr.16, § 153, Anm. 1), weniger für die fränkischen und teilweise die bairischen Quellen (vgl. Ahd. Gr.16, § 153 mit Anm. 1). Allerdings bieten die Freisinger Glossen für präkonsonantisches [h] 3 Belege, dagegen nur 1× Schwund (vgl. Glaser 1996: 411; Glaser/Ernst 2009: 1364); und auch die Regensburger Glossen des Clm 14747 (vgl. Tiefenbach 2009: 1346) sowie die Tegernseer Glossen (vor Ende 8. Jh.) des Clm 18550 (vgl. Nievergelt 2009: 1412) bieten vor Konsonant. Die südrheinfränkischen Glossen des Codex Vatikan, BAV, Ottob. lat. 3295 (9. Jh.) haben 1× bewahrt (vgl. Mayer 1982: 124). Die wohl Regensburger ‚Samanunga‘ (R) hält h+Konsonant noch (mit wenigen Fehlern) korrekt fest; ebenso ist die Verbindung durchweg erhalten in LCS 784 or. aus Salzburg (vgl. Schatz 1935: 149; Haubrichs 2015: 431f.). In alemannischen Quellen stellt sich die Lage differenzierter dar. Der ‚Vocabularius S. Galli‘ (nach der Mitte des 8. Jh.s, aber nicht aus St. Gallen) zeigt noch völlig korrekt erhalten. Und für den ‚Abrogans‘-Archetyp erschließt man immerhin noch (Baesecke 1931/1966: 350f., § 24), in der Überlieferung sind diese Lautverbindungen in der Mehrzahl noch erhalten, dabei am besten in Kb (vgl. Kögel 1879: 125–133; für Ka: Seiler 2014: 157–159). Doch zeigen Schreibungen mit h-Schwund bereits den grundsprachlichen Wandel an. „Die Unsicherheit verrät sich schon sehr früh durch falsche Setzung des , so besonders häufig in Ra (z. B. hrinnit, hliuhtenti und sogar hsêo ‚See‘ […]); aber auch in vielen anderen Texten zeigen sich Fehler dieser Art“ (Ahd. Gr.16, § 153, Anm. 1bδ; vgl. Kögel 1879: 130). Auch in den informellen St. Galler Vorakten ist [h] vor Konsonant geschwunden. In den Namen der originalen St. Galler Profess-Liste herrscht bis 803 , danach ist regelmäßig geschwunden (vgl. Schaab 2003: 59–67). Das Schwanken der Schreibung in Ad weist daher einmal

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erneut auf die starke Nähe zu Kb bzw. seiner Vorlage und zum andern auf eine Datierung um 800.

8 Schwund von [h(h)] < germ. /k/ nach Vokal? Nr. 41 Souuelies : Cuius (neben Souuelih : Cuius . piam ‚wer immer es sei‘), indefinites Pronomen, Gen. Sg. zu ahd. (h)welīh < germ. *hwa-leika könnte auch als Frühbeleg für die Reduktion und schließlichen Schwund von [h] nach Vokal aufgefasst werden (vgl. Ahd. Gr.16, § 145, Anm. 7; § 292, Anm. 1). Doch ist dieser Verlust des [h] erst im späten Alemannischen fassbar, bei Notker Labeo von St. Gallen († 1022), so dass wohl eher – auch angesichts der Schreibungen uuelihes in Pa Kb (huelihher in R) – mit einer Verschreibung in Ad zu rechnen ist (vgl. oben, Abschnitt 1.8).

9 Die Graphien und für germ. /k/ in Ad und der sonstigen ‚Abrogans‘-Überlieferung Ad kennt – in verschiedenen Positionen – sieben Fälle von im Althochdeutschen erhaltenen germ. /k/: 1.

2.

3.

Im Anlaut vor Vokal: Nr. 8 Khaisorlih mit Graphie gegen Pa chaisurlih, K keisurlih; Nr. 49 Prema-chunni : Culicusgenus mit Graphie wie K p(re)ma . chunni. Im Anlaut vor Konsonant: Nr. 14 Khregenti mit zu frühahd. krê2gên, ahd. kriegen (EWA V, 787); Nr. 23 Chruces : Crucis Gen. Sg. zum Lehnwort ahd. krûzi ‚Kreuz‘ (nicht im ‚Abrogans‘), hier mit Graphie ; Nr. 27 Chlingit : Crespat (mit vlat. Senkung [i] > [e] aus lat. crispat) mit Graphie gegen K klinkit, Ra clingit (beide für lat. crispat), 3. Sg. Praes. zu ahd. klingan ‚sich kräuseln‘. Im Inlaut nach Nasal: Nr. 1 Denchit mit Graphie wie Pa danchit (ohne Umlaut), gegen K the[n]khit, 3. Sg. Praes. zu ahd. denken ‚cogitare‘; Nr. 24 Danclih : Crata (statt lat. grata, ebenso in K) mit Graphie mit Pa tunclih < *t(h)anc-, gegen K thanglih (mit einzigartiger Schreibung ) zu Adj. ahd. danc-lîh ‚dankbar‘.

Man sieht, dass Ad die Graphie nur im Anlaut benutzt. Da die Graphie in verschiedenen Stellungen für die oberdeutsche velare Affrikata so etwas wie das Leitfossil der ‚Abrogans‘-Überlieferung in K (und zwar in Kb) und teilweise auch weiterer Textzeugen darstellt, scheint es angebracht, sich den Gebrauch dieser Graphie insgesamt im althochdeutschen Umfeld etwas genauer anzusehen. Zunächst

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seien hier die Belege aus Kb (Sang. 911) und der Parallelüberlieferung aufgeführt, wobei trotz starker Bedenken wegen Rudolf Schützeichels morphologisch normalisierenden Verfahrens aus praktischen Gründen von SchGW ausgegangen, teilweise aber nach StSG modifiziert wird: 1.

im Anlaut vor Vokal: khalp : vitulus ‚Kalb‘ (StSG I, 93.30; SchGW V, 127); Ra khan : norat ‚er weiß‘ (StSG I, 217.8); kharkella : carcer ‚Kerker‘ (StSG I, 205.17; SchGW V, 150); kharl : maritus ‚Ehemann‘ (StSG I, 267.12; SchGW V, 150); kha[rl] : vir ‚Mann‘ (StSG I, 173.13; SchGW V, 150); kheisartoam : imperium, Ra kheisartom (StSG I, 187.31; SchGW V, 172); khelotuh : monile ‚Halsband‘ (StSG I, 211.37; SchGW V, 175); khelatoah : sagum ‚Kehl-, Halstuch‘ (StSG I, 107.26; SchGW V, 175f.); kheminata : thalamus ‚Gemach, Kemenate‘, Ra kheminata (StSG I, 256.16; SchGW V, 182); ki-khennen : generare ‚erzeugen‘ (StSG I, 260.20; SchGW V, 184); ki-khennen : nasci ‚gebären‘ (StSG I, 214.28; SchGW V, 184); ir-khennen : experiri ‚erfahren‘ (StSG I, 129.3; SchWB V, 184); ir-khennen : gignere ‚hervorbringen‘ (StSG I, 163.24; SchGW V, 184); ki-kheren : copulare ‚verbinden‘ (StSG I, 85.10; SchGW V, 192); kherrant(?)di : trepitatus [strepitus] ‚lärmend‘ (StSG I, 155.22; SchGW V, 196); kherran : garrire ‚schwätzen‘ (StSG I, 161.13; SchGW V, 197); kherrari : garrus ‚Schwätzer‘ (StSG I, 161.16; SchGW V, 197); kherza : candela ‚Kerze‘ (StSG I, 202.4; SchGW V, 198); pi-khimpot : funus ‚bestattet?‘ (StSG I, 147.19; SchGW V, 209); 3× khind : filius ‚Sohn‘ (StSG I, 61.16, 155.29, 250.30; SchGW V, 211f.); Ra khindiski : pubes ‚Jugend‘ (StSG I, 232.36; SchGW V, 212); Ra kheosan : pendere ‚abwägen‘ (StSG I, 226.24; SchGW V, 218); ki-khoran : electus ‚auswählen‘ (StSG I, 204.35; SchGW V, 219); 3× kikhoran : egregius ‚auserwählt‘, Pa ka-khoran (StSG I, 128.20, 129.20, 175.20, 208.14; SchGW V, 219); ki-khoran : elegans ‚erlesen‘ (StSG I, 117.7; SchGW V, 219); fona ki-khoranem : que a gregis (StSG I, 208.14); khirihha : ecclesia (StSG I, 214.31; SchGW V, 223); khisil : silex ‚Kiesel‘ (StSG I, 137.4; SchGW V, 227); khizilon : titillare ‚kitzeln‘ (StSG I, 254.6; SchGW V, 231); Ra khol : olus ‚Kohl‘ (StSG I, 220.33; SchGW V, 279); khora : temptatio ‚Versuchung‘ (StSG I, 255.13; SchGW V, 288); ki-khoranlihho : eliganter ‚erlesen‘ (StSG I, 135.26; SchGW V, 288); khoron : conari ‚versuchen‘ (StSG I, 95.7; SchGW V, 296); un-ki-khorot : inprobus ‚schlecht?‘ (StSG I, 197.20; SchGW X, 195); ki-khoronot : coronatus ‚gekrönt‘ (StSG I, 205.1; SchGW V, 297); khorunka : temptamentum ‚Versuch‘ (StSG I, 201.16; SchGW V, 297); ki-khauuuaron : consumere ‚verzehren‘ (StSG I, 115.25; SchGW V, 309); khiuuuemes : mandemes zu ahd. kiuwan ‚verzehren‘ (StSG I, 206.18); uf khuman : exortus ‚entstanden‘ (StSG I, 115.13); khunpal-poro : co[h]ors ‚Heerzeichenträger‘ (StSG I, 203.3; V, 88.23; SchGW V, 370; EWA V, 861f.; Splett 1976: 284); khuna-uuith : catena ‚Fessel‘ (StSG I, 204.32; SchGW V, 375); khunt : notus ‚bekannt‘ (StSG I, 216.24; SchGW V, 375); khunt : certus ‚gewiss‘ (StSG I, 89.22; SchGW V, 376); Pa khund : manifestus ‚offenbar‘ (StSG I, 120.12; SchGW V, 376); un-ki-khuntlih : intestabilis ‚unfähig zur Zeugenschaft‘

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(StSG I, 191.26; SchGW X, 195); khunthen : testari ‚bezeugen‘ (StSG I, 211.28; SchGW V, 377); ki-khunthen : indicare ‚kundtun‘ (StSG I, 177.33; SchGW V, 378); ki-khunthen : manifestare ‚offenbaren‘, Ra ki-khunthen (StSG I, 103.29; SchGW V, 378); ki-khu(n)then : innotescere ‚bekanntmachen‘ (StSG I, 177.28; SchGW V, 378); ki-khunnen : denuntiare ‚verkünden‘ (StSG I, 115.13; SchGW V, 378); kikhunthen : denuntiare ‚verkünden‘ (StSG I, 211.29; SchGW V, 378); khundlihho : manifeste ‚offenbar‘ (StSG I, 77.21; SchGW V, 379); k(h)ouuuntheo : adnuntiatio ‚Verkündigung, -er‘, zu *kundio ‚nuntius‘ (StSG I, 137.35; SchGW V, 379); khuninclih : regalis ‚königlich‘ (StSG I, 105.23; SchGW V, 382); Ra khunnan : novisse ‚kennen‘ (StSG I, 135.27; SchGW V, 383); ki-khunnet : urbane ‚ausgesucht‘ (StSG I, 135.27; SchGW V, 384); khunnen : experiri ‚erfahren‘ (StSG I, 129.13; SchGW V, 384); khunnen : trutinare ‚erforschen‘, Ra khunnen (StSG I, 261.30; SchGW V, 384); khunnen : experiri ‚erproben‘ (StSG I, 129.11; SchGW V, 384); khunnen : haurire ‚probieren‘ (StSG I, 167.24; SchGW V, 384); 3× khunnen : temptare ‚prüfen‘ (StSG I, 95.5, 211.4, 264.37; SchGW V, 384); khuni : genus ‚Art‘ (StSG I, 209.34; SchGW V, 385); khunni : genimen ‚Geschlecht‘ (StSG I, 165.11; SchGW V, 385); khunni : tribus ‚Stamm‘ (StSG I, 259.7; SchGW V, 386); Pa khunni : natio ‚Stamm‘ (StSG I, 164.38; SchGW V, 386); 2× ki-khunni : natura (StSG I, 183.19, 213.22; SchGW V, 386); ki-khunni : Gaetulia ‚ein Stamm‘ (StSG I, 165.39; SchGW V, 386); un-khuski : squalor ‚Unflätigkeit‘ (StSG I, 107.17; SchGW X, 226); un-khuski : turpido ‚Schändlichkeit‘ (StSG I, 141.14; SchGW X, 226). 2. im Anlaut vor Konsonant: pi-khlemen : contaminare ‚beflecken‘ (StSG I, 91.3; SchGW V, 241); khneht peran : puerperium ‚ein Kind gebären‘ (StSG I, 234.13; SchGW V, 267); khne(h)t kiperandi : puerperium ‚ein Kind gebären‘ (StSG I, 233.25; SchGW V, 267); fram-khehta ahd. [iu] Germ. [eu] findet sich in Ad nur in einer einzigen Form: Nr. 31.2 pi-ziuhit, mit Pa K piziuhit, Ra pi-zuhit : inbuit, zu lat. inbuere ‚einweisen, vertraut machen‘, 3. Sg. Praes. zu ahd. bi-ziohan < germ. *-teuha- ‚ziehen‘. Der Übergang von germ. /eu/ > [iu] vor [i] findet sich im Althochdeutschen schon in den ältesten Quellen, im Oberdeutschen vor Labial und Velar allgemein (vgl. Ahd. Gr.16, § 47).

11 Die althochdeutsche Diphthongierung in Ad und in der ‚Abrogans‘-Überlieferung 11.1 Germ. /ô/ > ahd. [uo, ua, oa] Die Diphthongierung von germ. /ô/ kommt im Fragment Ad nicht vor. Vielmehr herrscht in allen drei möglichen Fällen die alte Schreibung : Nr. 26 Gi-fotit : Crassus, mit Kb ki-fotit, Part. Praet. zu frühahd. fôten ‚füttern‘ < germ. *fôd-ija- ‚füttern‘ (ahd. fuoten); Nr. 50 Mazzi-mos : Dapibus (Dat. Pl. zu lat. daps ‚Festmahl‘), mit Pa mazzi-mos, Kb mezzi-mos < westgerm. *môsa- ‚Zukost, Speise‘ (ahd. muos); Nr. 58 Po-sonit < *Pi-sonit : Deiudicat, Pa Kb pi-sonit, 3. Sg. Praes. zu frühahd. *bisônen ‚beurteilen‘, ahd. -suonen. Der Ablauf der Diphthongierung von germ. /ô/ gestaltet sich regional im Althochdeutschen nach Zeitstellung und Ergebnis sehr unterschiedlich (vgl. Ahd. Gr.16, § 39; Rauch 1967: 24–37, 110–114). Hier sind nur die oberdeutschen Entwicklungen relevant: Die ‚Abrogans‘-Zeugen geben folgendes Bild, das wohl auf originales im Archetyp verweist (vgl. Kögel 1879: 10–13; Baesecke 1931/1966: 323, § 5): Die Graphien (58 %) und überwiegen in Kb; auch in Ra herrscht und zwar noch stärker vor (75%), doch bieten sich auch schon zahlreiche und , wäh-

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rend sich im Regensburger Glossar Pa (66%) und im Verhältnis 2:1 verteilen. Die alemannischen ‚Abrogans‘-Zeugen gehen also in Richtung Diphthong, und das entspricht den sonstigen alemannischen Quellen, wo gegen Ende des 8. Jahrhunderts die Diphthonge aufkommen und ab 800 vorherrschen (vgl. Schindling 1908: 16f.). In den St. Galler Urkunden überwiegt im Zeitraum 781–800 schon , das nach 800 dominiert. Die St. Galler Vorakte zeigen allerdings vor und nach 800 noch zahlreiche (vgl. Sonderegger 1961: 269f.). Das Bair. hat ô am längsten bewahrt. Es ist noch in den Denkmälern des 9. Jahrhunderts ganz gewöhnlich […]. Die Namen in bair. Urkunden des 8. und 9. Jahrhunderts aus Salzburg, Mondsee, Passau, Regensburg weisen regelmäßig undiphthongiertes auf[.] (Ahd. Gr.16, § 39 mit Anm. 3)

Auch der Salzburger LCS a. 784 or. schreibt in der Mehrzahl der Fälle (vgl. Haubrichs 2015: 427); die Griffelglossen (Anfang 9. Jh.) des Codex Salzburg, St. Peter, a VII 2 zeigen gleichgewichtig und (vgl. Mayer 1994: 101). Nur in den Freisinger Urkunden [kopial überliefert] […] steht schon früher als im Alem. (ab 743) neben die Form . Während aber im Alem. um 800 der Diphthong /ua/ sich durchsetzte, zeigen die Freisinger Urkunden bis ca. 850 und etwas mehr [.] (Ahd. Gr.16, § 39 mit Anm. 3)

In den älteren literarischen Texten des bairischen Raums ist die Schreibung lange vorherrschend, ausnahmslos auch in den Freisinger Griffelglossen (um 800) des Clm 6300 (vgl. Ahd. Gr.16, § 39 mit Anm. 2f.; Glaser 1996: 384f.; Glaser/Ernst 2009: 1363); ebenso in den Freisinger Gregor-Glossen des Clm 6293 (frühes 9. Jh.; vgl. Schulte 1993: 140–241). Auch in den Tegernseer Glossen (vor Ende 8. Jh.) des Clm 18550 ist [ô] erhalten, ebenso wie [ê2] (vgl. Nievergelt 2009a: 1388f., 1402). Für eine Datierung von Ad sind die systematisch konservativen Schreibungen nur auswertbar, wenn sich das Fragment regional näher eingrenzen lässt. Im bairischen Raum ließen sie sich bis weit ins 9. Jahrhundert vorstellen.

11.2 Germ. /ê2/ > ahd. [ea, ia, ie] Ad bietet für germ. /ê2/ nur Nr. 14 Khregenti, Pa chregenti, Kb chrekendi (an anderer Stelle krekendi) zu mhd. kriegen ‚sich feindlich zeigen, streiten‘ < frühahd. krê2gên, ahd. krêg, krieg ‚Anstrengung, feindliche Gesinnung, Widerstand mit Geschrei, lauter Zank, Streit‘, hier als Übersetzung von crepitare ‚lärmen, schallen‘, an anderer Stelle zu exsuperatio ‚Übertreibung‘ für missverstandenes exsuperantia (hier nach Splett 1976: 143, 206f., 466; vgl. auch Kögel 1879: 81; EWA IV, 787; Bulitta, S. 148– 157 in diesem Band). Analog zu bewahrtem langem [ô] hat Ad auch den Monophthong [ê2] bewahrt.

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In den oberdeutschen Quellen ist -Schreibung noch regelhaft in den ‚Abrogans‘-Zeugen Pa Kb Ra und im ‚Vocabularius S. Galli‘ (vgl. Ahd. Gr.16, § 35, Anm. 1; Kögel 1879: 13f.; Rauch 1967: 37–45, 114–116), in den Freisinger Glossen (Ende 8. Jh.) des Clm 6300 (vgl. Glaser 1996: 383; Glaser/Ernst 2009: 1363f.), in den ‚Monseer Fragmenten‘ (neben vorlagebedingtem ) und in der Regensburger ‚Samanunga‘ (R, um 820/30; vgl. Splett 2013b: 428–430). Die jüngeren alemannischen Quellen wie ‚Abrogans Ka‘, die ‚Althochdeutsche Benediktinerregel‘, die ‚Reichenauer Hymnen‘, die ‚Alemannischen Psalmen‘, das Glossar ‚Ja‘ (Anfang 9. Jh.) haben bereits , das Reichenauer Glossar ‚Rb‘ (Ende 8./Anfang 9. Jh.) und die ‚Murbacher Hymnen‘ ; diphthongierte Formen auch in Murbacher Glossen (vgl. Schindling 1908: 15f.). So spricht die konservative Schreibung von Ad für einen frühen Ansatz des Fragments, vor allem dann, wenn es in den alemannischen Raum gehört, während sie im Bairischen auch noch bis ins 9. Jahrhundert gut möglich scheint.

12 Der althochdeutsche a-Umlaut Der im Laufe des 8. Jahrhunderts sich ausbreitende a-Umlaut vor [i, j] wird in Ad – mit zwei besonders zu bewertenden Ausnahmen – nicht bezeichnet: Nr. 32.1 Gimahhida : *Curia ‚Hof, Hofversammlung‘, ohne Umlaut wie Pa ka-mahida, Kb kimahhita, Ra ki-mahida zu ahd. gi-mahhida ‚Versammlung‘ (vgl. auch Kb kamahhida : conventus), wobei der Umlaut im Oberdeutschen vor [-hh, -ch] gehindert wurde; Nr. 50 Mazzi-mos : Dapibus, mit Pa mazzi-mos, gegen Kb mezzi-mos, zu ahd. mezzi-muos ‚Speise‘ < westgerm. *mat-ja ‚Speise‘ (EWA VI, 389); Nr. 53 Gi-fastinot : Defixus, mit Pa ga-fastinot, Kb ca-fastinot, gegen Ra ki-festinot mit Umlaut, Part. Praet. zu ahd. festinôn ‚befestigen‘ < germ. *fastinôje/a- (EWA III, 189f.); Nr. 59 Antsazzit : Depositum, mit Pa uesacit (?), gegen Kb ki-sezzit, R ka-sezzit (vgl. auch Kb casazzit : adposuit) < Part. Praet. zu ahd. int-sezzen ‚absetzen‘ < germ. *sat-eja- ‚setzen‘. Umlaut findet sich auch nicht, wie zu erwarten, bei langem [â] (vgl. Ahd. Gr.16, § 33f., § 51): Nr. 3 Pagit, mit Pa Kb pagit, 3. Sg. Praes. zu ahd. bâgan ‚streiten‘; Nr. 34 Missa-fahit : Culpat, mit Pa missa-fahit, Kb Ra misfahit, 3. Sg. Praes. zu ahd. missi-fâhan ‚sich vergehen‘ < germ. *fanhan ‚fangen‘. Die vier Fälle fehlender Umlaut-Schreibung stehen zumeist im Einklang mit den älteren ‚Abrogans‘-Zeugen, also Pa und Ka, während Kb und Ra den Umlaut schon weitgehend rezipiert haben (vgl. Kögel 1879: 1–8; Baesecke 1931/1966: 322, § 1; Bischoff/Duft/Sonderegger 1977: 116f.); alle lassen sich trotz der anscheinend ohne Parallele unter den ‚Abrogans‘-Zeugen verbleibenden Form Nr. 59 Ant-sazzit vollständig auf eine ‚Abrogans‘-Vorlage zurückführen, da auch für dieses Lemma ‚Abrogans‘-Tradition wahrscheinlich gemacht werden kann (vgl. Müller, S. 101 in die-

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sem Band). Dass Ad den Umlaut kannte (und damit die -Schreibungen bewussten Konservativismus spiegeln), zeigt Nr. 1 Denchit gegen Pa danchit : cogitat (vgl. auch Kb thekhit < *thenkhit : cogitat), 3. Sg. Praes. zu ahd. denken < germ. *thank(e)ja- ‚denken‘ (EWA II, 579–582). Möglich ist, dass hier Ad den RückumlautCharakter von denkit (auf Grund der lautlich stark abweichenden Praeteritum-Form dahta) nicht mehr erkannte und deshalb die Systematisierung der UmlautSchreibung unterließ. Der Umlaut findet sich auch in Nr. 40 und Nr. 41 mit den Formen uuelih und uuelies (mit h-Ausfall) < *hwa-lîka im Einklang mit Pa und Kb, doch ist zu bezweifeln dass der Redaktor von Ad noch den Umlautcharakter des (hier in nominaler Form aufgeführten) Pronomens erkannte, auch wenn sich an anderer Stelle in Pa uualih und in K uualihhiu fand (vgl. Ahd. Gr.16, § 248, § 292, Anm. 1). Der sog. primäre Umlaut von kurzem [a] wird im Althochdeutschen „Mitte des 8. Jahrhunderts in der Überlieferung fassbar und breitet sich in der zweiten Jahrhunderthälfte immer mehr aus. Die ältesten Glossen haben noch vielfach unumgelautetes /a/ […]. Im 9. Jahrhundert ist der Umlaut im Wesentlichen durchgedrungen“ (Ahd. Gr.16, § 27; vgl. ebd.: § 51; Gütter 2003: 12–23). Auch den aus dem Südwesten stammenden Glossen der Lobkowitzschen Fragmente (Prag, Nationalbibl., Cod. XXIII.E.54; frühes 9. Jh.) fehlt mehrfach der Umlaut, wie etwa in ki-statit und uualih ‚welcher‘ (vgl. Baesecke 1930: 36). Der Konservativität von Ad und wohl auch des ‚Abrogans‘-Archetypus ist zu vergleichen der Salzburger LCS a. 784 or., wo der Umlaut in den Personennamen durchweg nicht durchgeführt ist, obwohl der Schreiber ihn nachweislich kennt (vgl. Gütter 2003: 10f.; Haubrichs 2015: 433f.), während die Griffelglossen des Codex Salzburg, St. Peter, a VII 2 (Anfang 9. Jh.) nahezu vollständig den Umlaut durchgeführt haben (vgl. Mayer 1994: 97–99; Reiffenstein 2009: 1423). Ebenso komplex stellen sich die Verhältnisse in den St. Galler Urkunden dar, wo die informellen Vorakte bei den Namen „seit 764 fast immer Umlaut zeigen. In der Schreibsprache der Urkunden erscheinen sie dagegen ohne Umlaut“ (Ahd. Gr.16, § 27, Anm. 1; vgl. Sonderegger 1961: 267f.). Auch die originale St. Galler Profess-Liste hat zwar noch einmal 768 Ragin-bald ohne Umlaut, aber auch schon vor 761 Eghino zu *agin- und nach 768 nur noch Umlaut-Belege (vgl. Schaab 2003: 59f.). Wir haben es hier also mit soziolektalen Phänomenen, mit Registerunterschieden zu tun. Deshalb lässt sich aus dem grundsprachlich frühen Umlaut und dem Konservativismus der Schreibungen, den z. B. auch die Freisinger Griffelglossen mit 80× zu 1× teilen (vgl. Glaser 1996: 378f.) auch nicht viel für Datierung und Heimat von Ad (oder auch anderer früher ‚Abrogans‘-Textzeugen) schließen, außer dass man angesichts der zunehmenden -Schreibungen in Kb und vor allem in Ra kaum weit über 800 hinausgehen sollte.

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13 Die Praefixe und ihr Vokalismus In der Einleitung zum Abschnitt über „Die Vokale der Vorsilben“ schreibt Ingo Reiffenstein, Bearbeiter der ‚Althochdeutschen Grammatik‘ (2004), wie seine Vorgänger Hans Eggers, Walter Mitzka u. a. und mit ihm sinngemäß Frank Heidermanns (2018) mit vollem Recht: Die einsilbigen Präfixe und Präpositionen zeigen schon von den ältesten Zeiten an erhebliche Vokalschwankungen, die durch ihre proklitische Natur verursacht sind. Doch lässt sich der Vokalstand der Präfixe teilweise nach Ort und Zeit bestimmen, woraus sich ein Kriterium für die regionale und zeitliche Einordnung der Denkmäler ergibt. (Ahd. Gr.16, § 70; vgl. Schwarz 1986)

Diese von Elias Steinmeyer, Rudolf Kögel, Georg Baesecke u. a. vorbereitete Einsicht wird sich auch in der Untersuchung von Ad bewähren (vgl. zum ‚Abrogans‘: Sonderegger 1977: 114–116; Schwarz 1986). Betrachten wir die Praefixe des Fragments nacheinander im Einzelnen:

13.1 ga-/ka- versus gi-/kiAd kennt in allen sieben Fällen nur gi- (Nr. 2, 5, 15, 26, 32, 46, 53). Dagegen darf als die älteste Form des Praefixes (mit dem Gotischen) ga-, oberdt. ka-/ca- gelten (vgl. Ahd. Gr.16, § 71). „Im Alemannischen ist ga- (ca-) im 8. Jahrhundert noch häufig; daneben treten allmählich die Formen ge- und gi- auf. Anfang des 9. Jahrhunderts ist“ – vom fränkischen Norden her vordringend – „ga- im Erlöschen, im 9. Jahrhundert herrscht gi- [bzw. ki-]. Im Bair. halten sich die a-Formen am längsten. Noch in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts gilt hier ga- (ca-) ziemlich uneingeschränkt und ist für die Zeit Kriterium des bair. Dialekts“ (Ahd. Gr.16, § 71). Die Freisinger Glossen des Clm 6300 (um 800) haben durchgehend (vgl. Glaser 1996: 390); ebenso die Freisinger Gregor-Glossen des Clm 6293 (frühes 9. Jh.; vgl. Schulte 1993: 140–241); ferner die um oder kurz vor 800 anzusetzenden bairischen Glossen des Clm 4554 aus Benediktbeuren oder Kochel (vgl. Nievergelt 2016: 138, Nr. 4 & 140, Nr. 10). Ebenfalls durchgehend haben die aus dem Bodenseeraum (Ende 8. Jh.) stammenden Glossen des Sang. 217 und des Clm 6383 (vgl. Cirimele/Nievergelt 2016: 67–83; Ernst/Nievergelt/Schiegg 2019: 432f.). Zum durchgehenden ki- in Murbacher Glossen des frühen 9. Jahrhunderts vgl. oben, Abschnitt 3.1 (ferner Schindling 1908: 37f.). Für die ‚Abrogans‘-Überlieferung gilt: Das alemannische Ka hat regelmäßig cabzw. ga-, während dagegen Kb bereits regelhaft (98%) ki- zeigt und auch das aus der Bodenseegegend stammende Ra mehr als aufweist (vgl. Kögel 1879: 34–36; Bischoff/Duft/Sonderegger 1977: 115). Dagegen hat das aus Regensburg stammende

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Pa 434× eine a-Form (96%), 16× i. Auch die 811/12–836 anzusetzenden, dem Umfang nach geringen Regensburger Glossen des Sang. 286 haben ka- (vgl. Tiefenbach 2009: 1341). Mit hoher Sicherheit ist also für den ‚Abrogans‘-Archetyp ka- zu postulieren. Ad allerdings weist sich als eigenständig aus und verweist ins Alemannische, wenn man die Erhaltung der anlautenden Media [g] berücksichtigt, dabei eher in den Norden, an die Grenze zum südrheinfränkischen Bereich.

13.2 bi-/piDie Standardform des Praefixes ist im Althochdeutschen des 8./9. Jahrhunderts bi-, oberdeutsch pi- (vgl. Ahd. Gr.16, § 77). Ad entspricht in Übereinstimmung mit der ‚Abrogans‘-Tradition der oberdeutschen Form (Nr. 6, 10, 30, 31, 43, 48). Nr. 48 Phaltari : Custus ‚Wächter‘ statt Pa Kb Ra pi-haltari (neben Nr. 43 Pi-halti : Custodia) könnte eine synkopierte Form des Praefix repräsentieren. Die Freisinger Griffelglossen des 9. Jahrhunderts (Clm 6272 und 6293) bieten bei gi- und bi- einige Formen mit Vokalausfall, z. B. glassannem < gi-lazzanem, knoz < ki-noz, dazu pfengi < pi-fengi, pfol(an) < pi-folan; dazu gnoz < gi-noz im ‚Freisinger Paternoster‘ (Anfang 9. Jh. aus einem oberrheinisch-alemannischen Skriptorium; vgl. Masser 2013: 91f.), die als frühe sprechsprachliche Formen interpretiert werden können (vgl. Ernst 2007: 377; Ernst/Glaser 2009: 1017f.). Doch kann ein Teil der Glossenbelege auch Resultat schreibsprachlicher Kürzung sein. In Ad erscheint das Phänomen isoliert, und angesichts des fast benachbarten Eintrags Pi-halti und der sonstigen ‚Abrogans‘-Überlieferung scheint die Annahme eines Schreibfehlers am wahrscheinlichsten.

13.3 fur-/for- versus far- und fir-/fer„Die älteste Form dieses Präfixes ist fur-, for-“ (Ahd. Gr.16, § 76). Diese Altform, die Baesecke (1931/1966: 338) auch für den ‚Abrogans‘-Archetyp ansetzt, kommt zweimal in Ad vor und unterstreicht erneut den graphisch-lautlichen Konservativismus des Fragments: Nr. 9 Fur-noman gegen Pa far-noman und Kb fir-noman – ähnlich aber an anderer Stelle Ra for-noman; Nr. 52 Fur-laugnit : Denegat gegen (an anderer Stelle) Ra, R, Rx far-laugnen, K fer-laucnen. Auch die Umsetzung fur-nessi in Nr. 44 aus – unsinnig verschriebenem – fir-nessi zeigt die Gewolltheit der archaischen Schreibung. Unter den ‚Abrogans‘-Zeugen herrscht in Pa (98%), Ka (95%), Ra (89%) jeweils wie auch in den sonstigen alemannischen Quellen far- gegenüber ost- und westfränkischem konservativem fur-, for- und rheinfränkischem fir-/fer- (so auch überwiegend Kb mit 96 %; vgl. Kögel 1879: 38; Bischoff /Duft/Sonderegger 1977: 115). Auch die oberrheinisch-südrheinfränkischen Glossen des Codex Vatikan, BAV,

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Ottob. lat. 3295 (9. Jh.) haben 4× fur-, 8× das verwandte for- (Mayer 1982: 140), wogegen der frühe, wohl Wormser ‚Weißenburger Katechismus‘ (südrheinfrk.) wiederum mit den alemannischen Zeugen geht und far- aufweist (vgl. Meineke 1999: 157). Auch die Freisinger Glossen (um 800) haben wie viele alemannische und bairische Quellen durchgehend far- (vgl. Glaser 1996: 391f.). Ferner haben die wohl Reichenauer Gregor-Glossen der Handschrift Krakau, Bibl. Jagiellońska, Berol. Ms. lat. qu. 676 far- (vgl. Schulte 1993: 369–456, Nr. 18), ebenso wie vorwiegend auch Murbacher Glossen (vgl. Schindling 1908: 40). Die Vorherrschaft von fur- in Ad spricht also sowohl für eine frühe Datierung wie auch für eine Herkunft aus alemannischfränkischer Nachbarschaft.

13.4 ur- versus ar- und ir-/er„Die aus germ. *uz- entstandene Praefixform ur- ist vor Verben nur noch vereinzelt in wenigen altoberdeutschen Quellen vorhanden; die erste Abschwächung ist ar-, das in den meisten alten Denkmälern vorliegt, im Laufe des 9. Jahrhunderts aber“ – wohl vom Fränkischen ausgehend – „allmählich durch ir-, er- ersetzt wird“ (Ahd. Gr.16, § 75). Ad weist einen Beleg für das konservative ur- auf: Nr. 55 Vr-paizzit, wobei sich ur-beizen nicht in der sonstigen ‚Abrogans‘-Überlieferung findet, jedoch in Bibelglossaren ir-beizen 2× als Interpretament zu descendit (vgl. Edition, Kommentar zu Nr. 55 Descendit : Vrpaizzit, S. 81). „Für den Abrogans erschließt Baesecke 1931[/1966]: 339 [vgl. Kögel 1879: 37] ur-, das in den Hss. durch ar-“, in Kb (mit 89 %) aber „durch ir- ersetzt wird. In den obd. Denkmälern ist ar- das normale, so in Pa, Ka, Ra, Rb, MF [‚Monseer Fragmente‘], R [‚Samanunga‘] u. a. Die alte Form ur- findet sich daneben verstreut“ (Ahd. Gr.16, § 75, Anm. 1), besonders bairisch (vgl. Wüllner 1882: 121f.; Schatz 1907: § 35; Lühr 1982: 574; Bischoff/Duft/Sonderegger 1977: 115), aber auch in Murbacher Glossen (vgl. Schindling 1908: 39). Pa hat 98 %, Ka 100 %, Ra 90 % ar-. Doch finden sich fast überall Reste des archaischen ur- (Pa 2×, Kb 5×, Ra 3×). Die Freisinger Glossen (um 800) haben demgegenüber durchgehend (25×) ar- (vgl. Glaser 1996: 391); ebenso die Gregor-Glossen aus St. Mang bei Füssen (vgl. Schulte 1993: 54–82, Nr. 29f.), aus Freising (frühes 9. Jh.) im Clm 6293 (vgl. Schulte 1993: 140–241, Nr. 9, 22, 126, 179) und aus der Reichenau (?) in Krakau (vgl. Schulte 1993: 369–456, Nr. 52, 55). Man wird also auch ur- in Ad unter die altoberdeutschen Konservativismen rechnen dürfen.

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13.5 ant- versus int-, inDas Praefix ant- kommt in Ad einmal in nominaler Komposition vor: Nr. 35 Ant-uurti ‚Antwort, Orakelspruch‘. In nominaler Komposition ist ánt- betont und hält sein a im Althochdeutschen und bis heute fest (vgl. Ahd. Gr.16, § 73). „In proklitischer Stellung vor Verben“ ist ant- „schon früh in allen Dialekten zu int-, in- abgeschwächt“ (Ahd. Gr.16, § 73). Es kommt nur in den ältesten Quellen vor, so regelmäßig in den ‚Monseer Fragmenten‘, aber auch in Pa (mit 15× ant- gegen 22× int-, in-; vgl. Baesecke 1931/1966: 338; Kögel 1879: 38f.), auch im Ende des 8. Jahrhunderts oder kurz danach anzusetzenden Reichenauer Glossar ‚Rb‘ (mit 15× ant- gegen 5× int-, in-; vgl. Ottmann 1886: 44; E. Meineke 2009). „Die meisten altobd. Quellen haben“ dagegen „schon fast durchgängig int-/in-: so K, Ra, R, H [‚Reichenau-Murbacher Hymnen‘] (selten ant-/an-), BR [‚Althochdeutsche Benediktinerregel‘] […] u. a.“ (Ahd. Gr.16, § 73, Anm. 1). Das gelegentlich älteren Sprachstand bewahrende Ka hat je 1× in-, en- und ant-, das modernere Kb überwiegend in(t)-, nur 1× ent- (vgl. Bischoff/Duft/Sonderegger 1977: 115). Die Freisinger Gregor-Glossen (frühes 9. Jh.) des Clm 6293 haben ant- (vgl. Schulte 1993: 140–241, Nr. 160). So ist die Form von Ad Nr. 59 Ant-sazzit, die gegen Pa uesacit (?) und K ki-sezzit steht, erneut als Zeichen der graphischen Konservativität von Ad zu werten.

13.6 missa- versus misAuffällig ist die Bewahrung des Fugenvokals in Nr. 34 Missa-fahit zu ahd. missafâhan ‚sich vergehen‘ in Übereinstimmung mit Pa, was auf den Archetyp zurückweist, aber im Gegensatz zu Kb Ra mis-fahit mit der gekürzten Form steht. Man hat die Form mit Fugenvokal als stärker oberdeutsch, die Kurzform als fränkisch betrachtet; doch handelt es sich bei ersterer Form eher um die ursprüngliche, bei letzterer um eine jüngere Anpassung an den sonstigen Ausfall des Fugenvokals nach langer Silbe des Erstglieds (vgl. Ahd. Gr.16, § 62, Anm. 3; Gröger 1911: 14–19; Baesecke 1931/1966: 335).

14 Endsilben-Vokalismus Auffällig ist der Endsilbenvokalismus im Adjektiv Nr. 8 Khaisor-lih mit gegenüber Pa chaisurlih und Kb keisurlih. Die Form mit findet sich ansonsten nur im ‚Tatian‘ und bei Otfrid (vgl. Kelle 1881: III, 334): ca. 8× keisor; im Genetiv mehrfach keiseres. Die Form zeigt also Nachbarschaft zu fränkischem Sprachgebrauch. Ansonsten entspricht der End- und Mittelsilben-Vokalismus (vgl. Ahd. Gr.16, § 54–68) von Ad wie auch die verbale und nominale Morphologie ungefähr einem althochdeutschen Stand um 800.

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15 Fazit Wie zu erwarten besitzt das Fragment von Ad kopialen Charakter, wie durch ca. elf kopiale, in der sonstigen ‚Abrogans‘-Überlieferung nicht vorkommende Fehler gesichert werden kann. Für die Datierung von Ad ergeben die obigen Analysen folgende Resultate: Die Schreibungen für die germanischen Diphthonge /ai/ und /au/ gehen in ihrer Konservativität mit der älteren ‚Abrogans‘-Tradition, werden aber auch eigenständig bewahrt; die archaischen Schreibungen legen nahe, Ad oder seine unmittelbare Vorlage nicht nach 790/800 anzusetzen. Die konservative Schreibung für die germ. Monophthonge /ô/ und /ê2/ folgt ebenfalls dem Archetyp des ‚Abrogans‘ und wird zugleich selbständig verwandt. Sie hält sich, obwohl um 800 sich durchzusetzen beginnt, relativ lange im Alemannischen, noch deutlicher und länger im Bairischen. Falls sich eine paläographische Lokalisierung in den alemannischen Raum bestätigt, spricht auch die -Graphie für eine Datierung vor 800. Auch die konservative Reduzierung der Umlautschreibungen und das wiederum selbständige Beharren auf den älteren Praefix-Formen ur- und ant- spricht ebenfalls für diesen frühen Ansatz, ebenso das Schwanken zwischen der Bewahrung von [h] vor Konsonant und h-Schwund für eine Datierung um 800 oder kurz davor. Das stimmt mit dem Befund beim End- und Mittelsilben-Vokalismus überein. Der Stand der Medienverschiebung im Bereich der Labiale und Dentale mit systematischen

und entspricht dem oberdeutschen Standard (aber auch der ‚Abrogans‘-Tradition), die Wiedergabe des germ. [th] mit – anders als das sonst nahestehende ‚Abrogans Kb‘ – dem jüngeren oberdeutschen Standard, während die mit systematischer Schreibung unterbliebene Verschiebung im Bereich der velaren Media nach Norden weist. Hier ist auf die vergleichbare Regelung in den Tegernseer Glossen des Clm 18547b hinzuweisen (vgl. oben, Abschnitt 3.4), die man gemeinhin dem bairischen Dialekt zuweist, was aber für die altertümliche, wohl bis ins frühe 9. Jahrhundert zurückreichende, wenn auch schon die ahd. Diphthonge (z. B. fränkisch ) aufweisende Schicht der Vorlage sehr der Überprüfung bedarf. Außerordentlich interessant sind die im Gegensatz zu anderen Graphien nicht systematisierten Schreibungen im Bereich der velaren Affrikata, zum einen , zum andern . Mit steht Ad sowohl in der Nähe von Kb als auch des Archetyps und ist zugleich mit dieser Schreibung gut verankert in der alemannischschwäbisch-oberrheinischen Region, während einige bairische Vorkommen von sich auf Regensburg konzentrieren, wohl als Reflex der mit Pa auch dort vertretenen ‚Abrogans‘-Tradition. Auch die Gemination von [n] vor [j] nach Langvokal weist auf Alemannien. Die im 9. Jahrhundert verstärkt aus dem Norden einwandernde Praefix-Form gi- weist auf nichtbairische, genauer auf alemannische Herkunft, mit der gewissermaßen fränkisch inspirierten systematischen Bewahrung der velaren Media eher an den nördlichen Rand. Die in Ad herrschende Praefix-Form

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fur- weist erneut auf Nähe zum fränkischen Norden. Der Endsilben-Vokalismus in Nr. 8 Khaisor- hat Parallelen nur im fränkischen ‚Tatian‘ und beim südrheinfränkischen Otfrid von Weißenburg. Alles in allem genommen, wird man für die Herkunft von Ad gut an ein alemannisches, aber den fränkischen Einflüssen nahes Zentrum, vielleicht im Elsass oder in der Ortenau, denken können. Beide Landschaften kennen frühe, dem karolingischen Machtzentrum und seinen Funktionären nahestehende monastische Gründungen wie in der Ortenau Ettenheimmünster, Gengenbach, Schuttern (Offinuuilare) und Schwarzach, wie im Elsass Münster im Gregoriental, Ebersmünster, Haslach, Maursmünster, Neuweiler und Surburg, die wie die großen Zentren Weißenburg – dieses schon im fränkischen Speyergau liegend – und Murbach mannigfaltige Beziehungen zu St. Gallen und vor allem der Reichenau pflegten, die in den Mönchslisten der beiden Bodenseeklöster auf das Deutlichste dokumentiert sind. Die Mönchslisten der Reichenauer (R) und St. Galler (SG) ‚Libri confraternitatum‘7, aber auch des Salzburger ‚Liber confraternitatum‘ (LCS) und des ‚Liber memorialis‘ von Remiremont (Rem), wenn auch unterschiedlicher Zeitstellung, sind mit ihren großen Namenbeständen wertvolle, aber mit steter Berücksichtigung der historischen Entstehung und onomastischer Besonderheiten auszuwertende Sprachquellen, die hier nicht übergangen werden dürfen. Durchgesehen wurden – vorwiegend im Hinblick auf die Durchführung der oberdeutschen Medienverschiebung – die beiden Faksimileausgaben des 824/25 angelegten (vgl. Schmid 1979: LXV–LXVIII), aber in beachtlichem Ausmaße auch ältere Listen (z. B. Buxbrunno/St. Avold, Münster im Gregoriental, Gorze, Senones, Neuweiler, Niederaltaich) verwertenden Reichenauer Verbrüderungsbuches (R; vgl. Schmid/Oexle 1975) und der St. Galler Verbrüderungsbücher (SG), wobei im Allgemeinen der Reichenauer Überlieferung auf Grund ihrer wahrscheinlich höheren Vorlagentreue der Vorzug gegeben wurde (vgl. Ludwig 2019: 179–212). Von den im bairischen Sprachraum liegenden Klöstern zeigen Niederaltaich (R, 24f.), Mondsee (R, 26), Mattsee (R, 29) ganz überwiegend , Metten (R, 30f.) und Chiemsee (R, 32) dann mit wenigen , können also keinesfalls mit Ad verglichen werden. Das entspricht dem oben in Abschnitt 3 skizzierten Befund im LCS (a. 784 or.) und den in diesem zu findenden Mönchslisten de monasterio Auuue, d. i. Chiemsee (LCS, 18), wohl erst nach 850 entstanden (vgl. Herzberg-Fränkel 1887: 97), und aus Moosburg (LCS, 28), letztere Liste aus der Zeit des Erzbischofs Arn von Salzburg zwischen 785 und 821 (vgl. Herzberg-Fränkel 1887: 97). Die im Übergangs|| 7 Nach Stichproben scheinen die St. Galler kopialen Mönchslisten (SG) im Gegensatz zu den Reichenauer Listen (R) stärker oberdeutsch bearbeitet zu sein – freilich nicht in jedem Fall (vgl. Geuenich 2019: 214). Da es beim Vergleich mit ‚Abrogans Ad‘ auf die systematische Erhaltung von germ. [g] bei gleichzeitiger sonstiger Medienverschiebung ankommt, eine oberdeutsche Überarbeitung aber [g] > [k] zeitigen müsste, ist die Frage der Überarbeitung der Listen für unsere Fragestellung kaum relevant.

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gebiet zu Schwaben in der Diözese Augsburg liegenden Klöster Ellwangen a. 825/30 (R, 110; SG, 26; vgl. Ludwig 2019: 191–196) und Ottobeuren (R, 105) zeigen Mischungen von

und sowie und . Der in den Verbrüderungsbüchern (neben den hier nicht mehr eigens untersuchten, aus paläographischen Gründen nicht relevanten Bodenseeklöstern) gut repräsentierte engere alemannische Sprachraum weist mit Schienen im Hegau vor 824/25 (R, 86f.; SG, 21; Rem, 21r; vgl. Ludwig 2019: 185–187) eine von Schreibung dominierte Liste auf; Konstanz mit seiner Wolfleoz-Liste a. 811–838/39 (R, 83) überwiegend , nur einmal ; Basel mit seinen spät im 9. Jahrhundert aufgezeichneten Kanonikerlisten (R, 84; SG, 44f.; vgl. Ludwig 2019: 206) zeigt viel und , dazu Wechsel zwischen und

; Augsburg (R, 65) hat fast nur

und überwiegend , Zürich (R, 8), Zurzach (R, 133; vgl. Geuenich 1982: 32f.), aber auch a. 835/40 die Nonnenliste aus Schänis im Kanton St. Gallen (SG, 25; vgl. Ludwig 2019: 189f.), dann die spät ca. 885 anzusetzende Liste aus dem im Rhein gelegenen Insel-Kloster Rheinau im Kanton Zürich (SG, 73; vgl. Ludwig 2019: 203f.) und die Liste aus Säckingen am Rhein (Rem, 40r) haben eine Mischung im velaren und labialen Bereich. Nur Kempten im Allgäu (R, 42f.) zeigt nach 824/25 überwiegend -Schreibungen, dagegen findet sich in der St. Galler Liste (SG, 22; vgl. Ludwig 2019: 196f.) erneut eine Mischung der Schreibungen im velaren und labialen Bereich. Auch diese Verhältnisse weisen keine deutlichen Parallelen zum Befund in Ad auf. Dagegen zeigen die ebenfalls reich vertretenen elsässischen Institutionen entweder die schon oben charakterisierte Mischlage – so Straßburg (R, 85) – oder einen deutlich höheren Anteil an – so das monasterium sancti Gregorii, d. i. Münster im Gregoriental (R, 55; vgl. Rem, Cr) und die Liste der Nonnenabtei St. Stephan in Straßburg a. 835/40 (SG, 25; vgl. Ludwig 2019: 188f.) –, dabei häufig aber auch einen schon auf den fränkischen Norden und Westen verweisenden hohen Anteil an Schreibungen und , so bei Murbach (R, 44f.; Rem, 58v–63r), Haslach (R, 56), Ebersheim (R, 58), Maursmünster (R, 82), Neuweiler (R, 59) und Surburg (R, 57). Dies verweist auf den fränkischen Westen mit den Abteien Senones (R, 64) und Moyenmoutier (R, 65) am Westabhang der Vogesen, die metzischen Abteien Gorze (R, 66) und Mosabach (R, 63: vgl. Haubrichs 1990: 164, Anm. 204), dazu Metz (R, 87) selbst sowie die rheinfränkisch geprägten Abteien Weißenburg (R, 46f.; SG, 49; vgl. Ludwig 2019: 200), Plidenfeld/Klingenmünster, wohl aus den vierziger Jahren (R, 52; SG, 18; vgl. Ludwig 2019: 185), Hornbach ca. 805/10 (R, 88; vgl. SG, 16; Ludwig 2019: 182–184) und Buxbrunno/St. Avold (R, 67: vgl. Haubrichs 1990: 154–167), in deren Mönchslisten die Medienverschiebung auch im labialen und dentalen Bereich kaum noch hervortritt. Eine Ausnahme bildet das wohl weiträumig auch aus dem Süden wie aus dem Metzer Westen mit Mönchen besetzte Großkloster Lorsch, in dessen Listen (R, 54f.) eine Mischung von und sowie stark die Schreibung

neben auftritt. Einen starken Anteil an -Schreibungen hat auch das ostfränkische Kloster Feuchtwangen im Norden der Diözese Augsburg (R, 35), aber eben auch

140 | Wolfgang Haubrichs

durchweg , nicht

. Für das im labialen und dentalen Bereich den oberdeutschen Lautstand bezeugende Fragment Ad mit seinen systematischen Schreibungen im velaren Bereich bieten auch diese Listen keine Parallelen. Das gilt auch für die meisten Listen der in der Ortenau, im Grenzbereich zwischen fränkischen und alemannischen Einflüssen, doch in der Diözese Straßburg gelegenen, weitgehend von Magnaten des fränkischen Westens im 8. Jahrhundert gegründeten Klöster. Die Listen von Gengenbach um 820/25 (R, 50; vgl. allerdings SG, 53f.; Ludwig 2019: 179–181), Offinwilare/Schuttern (R, 49) und Schwarzach (R, 51) zeigen eine Mischung von und , dazu überwiegend fränkische und , die Schwarzacher Liste (9. Jh.) im LCS (vgl. Edition in Herzberg-Fraenkel: 44) dabei ganz überwiegend . Nur das vierte der Ortenau-Klöster macht da eine Ausnahme, die es näher zu betrachten gilt. Es handelt sich um das wohl bald nach der Mitte des 8. Jahrhunderts, unter König Pippin (751–768) von Bischof (H)Eddo von Straßburg (727–732 Abt der Reichenau) gegründete oder restaurierte (vgl. Bruckner 1949: Nr. 193; Schwarzmaier 1971: 1–35; 1975; Angenendt 1972: 301–304; Schultz/Schadek 1978: 150-160; Weber 2004: 195–215) und im Besitz der Bischöfe verbliebene wichtige Kloster Etinheim (R, 48). Der Reichenauer ‚Liber vitae‘ bietet drei Listen dieses Klosters (vgl. Schmid/Oexle 1975: 104–107): 1.

2.

3.

Eine Liste (U) unter uto ep(iscopu)s et abba, d. h. entstanden unter Bischof Uto I. von Straßburg (nach 786 – vor 816), mit 43 Mönchen, mit wenigen Ausnahmen latinisiert auf -us; eingetragen auf der Reichenau, ca. 824/25. Eine Liste (E), präsidiert von Domnus eddo ep(iscopu)s, d. i. Bischof (H)Eddo von Straßburg (734 – nach 762), und seinem ohne Titel aufgeführten Nachfolger als Abt helidulfus, mit weiteren 30 Mönchen, zunächst latinisiert mit Nominativ auf -us, ab dem 10. Eintrag aber durchweg im Obliquus auf -o. Es handelt sich nach Schmid und Oexle um die Liste des Gründungskonvents von Ettenheimmünster, die gleichzeitig mit Nr. 1 eingetragen wurde.8 Eine dritte Liste unter uto ep(iscopu)s, d. i. Bischof Uto II. von Straßburg (nach 832 – vor 840) mit weiteren ca. 28 Namen.

Die drei Listen bezeugen die enge Verbundenheit des Ortenau-Klosters Ettenheim mit dem Straßburger Bistum. Von ihnen kommt ihrer zeitlichen Stellung wegen || 8 Das im Kern auf einem echten Privileg Bischofs (H)Eddo beruhende, aber verfälschte sog. ‚HeddoTestament‘, hat für den Namen des vom Bischof eingesetzten Abts Hildolf; doch ist die im Verbrüderungsbuch aufscheinende seltene Namenform Helidulfus < *Halida-wulfa (‚Krieger-, Helden-Wolf‘) zweifellos die lectio difficilior, die in der verfälschten Fassung des 12. Jahrhunderts in das geläufigere, aber auf anderem Etymon beruhende Hildolf geändert wurde. Der Versuch von Karl Weber (2004: 206), die frappierende Übereinstimmung zwischen der im Testament vorgesehenen Besatzung von 30 Mönchen mit der im Reichenauer Verbrüderungsbuch fassbaren Anzahl von Namen des EddoHelidulfus-Konvents als Zufall zu erklären, scheint mir nicht gelungen.

Gedanken zur sprachlichen Einordnung | 141

Liste Nr. 3 kaum für einen Vergleich mit Ad in Frage, der sich demnach auf die ersten beiden Listen beschränken wird. Die zweite Liste (E), die sprachlich recht komplex ist, umfasste die Gründungsmönche des Eddo-Konvents, wohl unter Führung des späteren Abtes Helidulfus. Da sie für den Zeitraum von spätestens ca. 762 keine Überschneidungen mit Nr. 1 (U) aufweist, darf man wohl letztere Liste, die sprachlich einen einheitlicheren Charakter aufweist, nicht allzu früh, vielleicht um oder noch kurz nach 800 ansetzen. Was nun die Medienverschiebung in den ersten beiden Listen angeht, so zeigen sie genau wie Ad in allen Stellungen nur : Im absoluten Anlaut U ger-hardus, E gisal-p(er)tus, gisal-maro, godo-berto; im relativen Anlaut der zweistämmigen Kompositionen U muni-gisus, uuald-gerus, uuolf-gangus, aodal-gerus, frei-gisus, fridu-gerus; im Inlaut zwischen Vokalen U sigo-altus, sigu-inus, egil-olfus, egino, E magan-perto, uuig-olfo, aga-berto. Dagegen zeigt sich die Medienverschiebung im labialen Bereich – mit wenigen erklärlichen Ausnahmen – ausweislich stark überwiegender

-Schreibungen in der ersten Uto-Liste durchgeführt: U 2× uuit-paldus, hilti-paldus, ruat-paldus, pruningus, peran-hartus. Die Namen U buoz-uuinus ‚BußFreund‘ zu germ. *bôtô f. ‚Besserung, Buße‘ und U buobo < germ. *bôb- ‚männliches Kind, Bube‘ verraten mit [uo] < germ. [ô] (statt sonstigem alemannischsüdrheinfränkischem [ua]) ihre fränkische Herkunft, die ja angesichts der Gründung des Klosters, an der auch der am Oberrhein einflussreiche fränkische Graf Chrodhard (Ruthard) mitwirkte, nicht ungewöhnlich erscheint; der neben buoz-uuinus stehende ungewöhnliche Name U *ferah-baldus < germ. *ferhwa- (as. ahd. ferah) ‚Leben‘ + *baltha- ‚kühn‘ dürfte aus gleicher fränkischer Quelle stammen. Die ältere Liste des Eddo-Konvents hat mit E liut-prando < germ. *branda- ‚Schwert‘, sideperto, erchan-p(er)tus, gisal-p(er)tus, magan-perto, rih-perto zwar auch überwiegend

, aber die fränkischen Einflüsse der Frühzeit machen sich mit E godo-berto, agaberto, rod-berto, uuald-berto und intervokalisch E eber-mundo durchaus bemerkbar. Im dentalen Bereich dominiert in der Uto-Liste die Schreibung : inlautend zwischen Vokalen U 3× uto < Udo, 1× oto < Odo, 1× ato < Ado; postvokalisch U uuitpaldus zu germ. *wîda- ‚weit‘, ruat-paldus zu germ. *hrôd(i)- ‚Ruhm‘ neben ruadfridus mit ; postkonsonantisch U adal-hartus zu germ. *hardu- ‚hart, stark‘, rantoffo (verschrieben aus *rant-olfo) zu germ. *randi- ‚Schild‘, sigoaltus < *Sigi-walda‚Sieg-Herrscher‘, hilti-paldus, hilt-olfus zu westgerm. *hildi- ‚Kampf‘. Dagegen kennt die Eddo-Liste noch mehrfach die fränkische Schreibung mit E eddo, hildi-frido zu *hildi-, rod-berto zu germ. *hrôd(i)-, aude-ricus zu germ. *auda- ‚Reichtum‘, drudulfus zu germ. *thrûdi- ‚Kraft, Stärke‘, side-perto zu germ. *sidu- ‚Sitte, Brauch‘ etc. Im Konsonantismus ist die nahezu zu gleicher Zeit entstandene Uto-Liste aus Ettenheim gut mit dem Lautstand von Ad zu vergleichen. Das gilt so nicht für den Vokalismus. Während Ad die germanischen langen Monophthonge [ô] und [ê] bewahrt, zeigt die Ettenheimer Liste U die Diphthongierung, sowohl in fränkischer Schreibung (buoz-, buobo) als auch in alemannisch-südrheinfränkischer Schreibung (ruad-, ruat-). Die Eddo-Liste E dagegen bewahrt den Mono-

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phthong mit rod-berto zu *hrôd(i)- und godo-berto zu *gôda- ‚gut‘. Die Monophthongierung von [au] zeigt sich im Personennamen U ôto zu germ. *auda- ‚Reichtum‘, es bleibt der Diphthong aber auch in der Schreibung in U aodal-gerus (mit Stammerweiterung) zu *auda- erhalten, so wie bei E aude-ricus. Dagegen ist in U 4× ger- < westgerm. *gaira- ‚Ger, Speer‘ [ai] stets zu [ê] monophthongiert. Im Vokalismus also ist Ad deutlich konservativer als die Ettenheimer Uto-Liste, auch wenn in ihr die älteren Stufen noch durchscheinen. Dennoch ist zu fragen, ob nicht mit den zu Straßburg in Beziehung stehenden Ortenauer Schreibtraditionen, die eine Parallele in der etwa 815/20 anzusetzenden Liste des Nachbarklosters Gengenbach aus dem St. Galler Verbrüderungsbuch (SG, 53f.) haben (vgl. Ludwig 2019: 179– 181),9 eine Lokalisierungsmöglichkeit von Ad bzw. seiner Vorlage gefunden ist. Zum Schluss: Als deutlichste Merkmale der graphischen Praxis von Ad darf man ihre Konservativität, ihre qualitätvolle Systematisierung wie auch ihre Nähe zum ‚Abrogans‘-Archetyp festhalten. Diesen wird man nicht mehr – wie Georg Baesecke (1930) wollte – im bairischen Freising ansetzen (vgl. dazu Splett 1987: 109), sondern eher vielleicht mit Jochen Splett (1987: 109; 1990: 235; 2009: 732f.; 2013a: 5f.) auf der Basis charakteristischer Abschreibfehler, die auf eine Vorlage, eine Art sekundäres Bibelglossar in angelsächsischer Schrift weisen (vgl. Kralik 1931: 1466f.; Bischoff 1977: 75), in ein Zentrum mit insularer Tradition. Aber hier müsste künftige Forschung neu ansetzen.

|| 9 Die Gengenbacher Liste von 72 Namen hat nur 9× , dann 16×

neben 2× und ganz überwiegend 14× unverschoben in allen Stellungen (Sigi-frid, Regin-hart, Mager-inus, Got-pertus, Sadra-garius, Ger-roh, Sigi-munt, Sigi-ram, Ger-munt, Theot-gis, Uuolf-ger, Regin-frid, Regin-leoz, Uuigi-rat) neben 2× im Anlaut (Ker-pret, Kagan-hart).

Brigitte Bulitta

Ahd. pazuuepanti ist und ahd. khregenti im ‚Admonter Abrogans‘ Zur Wiedergewinnung lateinischer Lemmata, Herkunft und Lemmatisierung zweier Glossarglossen des frühen 9. Jahrhunderts

1 Paz uuepanti ist (Ad Nr. 7) 1.1 Auf dem ersten Blatt der lateinisch-althochdeutschen Admonter ‚Abrogans‘Bearbeitung findet sich an siebenter Stelle die gut lesbare althochdeutsche Eintragung pazuuepanti ist (mit einem hochgestellten a und einer nt-Ligatur):

Abb. 8: ‚Admonter Abrogans‘ (Admont, Stiftsbibl. Fragm. D1, 1r), Nr. 7 Paz uuepanti ist

Eine erste Deutung dieser Eintragung ist in zweierlei Hinsicht erschwert: Zum einen dadurch, dass scriptura continua vorherrscht, so dass Wortgrenzen und Spatien nicht notwendigerweise übereinstimmen (vgl. zum Beispiel auch Nr. 56 Dememoria : Fonagihugti für de memoria : fona gihugti). Zum anderen fehlt eine ganze, ursprünglich links davon stehende Spalte, die das lateinische Bezugswort enthalten würde. Diese wurde im Zuge der Fragmentierung abgeschnitten. Somit gibt es von lateinischer Seite zunächst keinen weiteren Anhaltspunkt für eine formale und semantische Bestimmung. 1.2 Ausgehend vom Überlieferungsbefund könnte an eine Segmentierung des Eintrags in drei Wörter gedacht werden, nämlich in paz, uuepanti und ist. Diese Wörter stimmen zum sonstigen Lautstand des Fragments und ließen sich theoretisch folgendermaßen lemmatisieren: Ahd. baz könnte die suppletive Steigerungsform zum Adverb ahd. wola sein und ‚besser, mehr‘ bedeuten,1 ahd. uuepanti ließe sich als Partizip Präsens zu ahd. weban st.V. ‚weben, flechten‘ (SchAWB, 375; SchGW X, 431) || 1 Üblicherweise steht ahd. baz bei finiten Verben, vereinzelt gibt es auch Vorkommen bei infiniten Partizipialformen (vgl. AhdWB I, 832: baz). https://doi.org/10.1515/9783110710786-008

144 | Brigitte Bulitta

stellen und schließlich ahd. ist als 3. Person Singular Präsens zum Kopulaverb sîn an.V. bestimmen. Die ganze Glosse wäre dann mit ‚(er, sie) ist besser webend‘ wiederzugeben. 1.3 Aufgrund der besonderen Überlieferungssituation des ‚Abrogans-Glossars‘, das in mehreren Handschriften unterschiedlicher Redaktionsstufen erhalten ist und dem das Admonter Fragment (als eigene Redaktionsstufe) dank der mittlerweile gewonnenen Erkenntnisse fraglos zugehört, muss die obige Deutung von pazuuepanti ist jedoch hinterfragt werden. Der Verdacht liegt nahe, dass es sich um eine Umformung aus einer ursprünglich anders lautenden Glossierung handelt. Um die ursprüngliche Eintragung wiederzugewinnen, muss zum einen geprüft werden, ob die fraglichen althochdeutschen Wörter auch in den bisher bekannten ‚Abrogans‘Handschriften vorkommen. Zum anderen muss die Entsprechung auf lateinischer Seite gefunden werden, die die Übersetzungsgrundlage darstellt. Für die lateinische Entsprechung müsste darüber hinaus noch die Bedingung erfüllt sein, dass sie alphabetisch mit co- anlautet. Alle genannten Bedingungen ergeben sich aus dem im Admonter Fragment enthaltenen althochdeutschen Wortgut vor dem Hintergrund der weiteren ‚Abrogans‘-Überlieferung sowie der fast vollständig gelungenen Wiederherstellung seiner lateinischen Stichwortstruktur (vgl. dazu den Beitrag von Stephan Müller, S. 88–96 in diesem Band). 1.4 Der lateinische und der althochdeutsche Wortbestand der ‚Abrogans-Glossare‘ ist dank der von Jochen Splett (1976 und 1979) erarbeiteten Wortindizes sowohl zu den ‚Abrogans‘- als auch den ‚Samanunga-worto‘-Handschriften vollständig erschlossen. Schlägt man in diesen Wortindizes nach, findet sich für den ‚Abrogans‘ jedoch weder ein Ansatz baz noch ein Ansatz weban.2 Da die Wortindizes jedoch nicht nur Ansätze, sondern auch Verweise enthalten, kann man auch nach Wortformen suchen. Und hier wird man fündig: Es gibt einen Eintrag „pasuuependi s. oba und suebên“ (Splett 1976: 489), der den Weg zur Identifikation der fraglichen Fügung paz uuepanti ist im Admonter Fragment weist. Geht man diesem Verweis nach, gelangt man zu einer in StSG I, 74.2, 74.3 edierten Glossengruppe cohorta est : subito nata est, die – wenngleich in unterschiedlicher Gestalt – in den drei ‚Abrogans‘-Handschriften Pa, K und Ra eine Übersetzung in das Althochdeutsche erfahren hat. Da diese Stelle für die Genealogie der ‚Abrogans‘-Handschriften aussagefähig ist, wurde ihr in der Forschungsliteratur von Anfang an besondere Beachtung geschenkt: Rudolf Kögel (1879: IXf.) bespricht sie ausführlich in seiner Dissertation

|| 2 Splett 1979: 247 weist weban nur für die ‚Samanunga worto‘ nach.

Ahd. pazuuepanti ist und ahd. khregenti im ‚Admonter Abrogans‘ | 145

‚Über das Keronische Glossar. Studien zur althochdeutschen Grammatik‘,3 Georg Baesecke (1930: 66, 99) listet sie zweimal in seiner Untersuchung ‚Der deutsche Abrogans und die Herkunft des deutschen Schrifttums‘ auf und Jochen Splett (1976: 135) bringt in seinen ‚Abrogans-Studien‘ neben einem umfassenden Kommentar zur Stelle auch den Nachweis des Vorkommens dieser Glossengruppe im ‚Abavusmaior-Glossar‘.4 Schauen wir uns die Überlieferung der Stelle in den verschiedenen Handschriften genauer an und beginnen mit dem ‚Abavus-maior-Glossar‘: 1.5 Das ‚Abavus-maior-Glossar‘, ein rein lateinisches Glossar, ist in einer Handschrift vom Anfang des 9. Jahrhunderts überliefert (Paris, BnF, lat. 7640), die zugleich auch das Pariser ‚Abrogans-Glossar‘ enthält. Die Glossengruppe auf Blatt 23vb,7f. lautet: coorta est : subito nata est (‚sie ist entstanden : sie ist plötzlich geboren‘). Lat. coorta ist ein feminines Partizip Perfekt zum Deponens cooriri (‚entstehen‘).

Abb. 9: ‚Abavus-maior-Glossar‘ (Paris, BnF, lat. 7640, fol. 23vb,7f.)

1.6 Im Pariser ‚Abrogans-Glossar‘ (Pa), das unmittelbar auf das ‚Abavus-maiorGlossar‘ folgt (vgl. Splett 2009a: 727), findet sich auf Blatt 127va,22 diese lateinische Glossengruppe ein weiteres Mal, jedoch erweitert um eine Übersetzung in das Althochdeutsche.

Abb. 10: ‚Abrogans-Glossar‘ Pa (Paris, BnF, lat. 7640, fol. 127va,22)

|| 3 Kögels Dissertation war 1879 zeitgleich mit dem ersten Band der Steinmeyerschen Glossenedition erschienen, er konnte jedoch Steinmeyers ‚Abrogans‘-Edition schon vor ihrem Erscheinen benutzen (vgl. Kögel 1879: Vorwort und IX). 4 Zur Frage des Verhältnisses der deutschen ‚Abrogans‘-Übersetzung zu verwandten lateinischlateinischen Glossaren vgl. Splett 1976: 9–11.

146 | Brigitte Bulitta

Sie lautet lat. cohorta est : subito nata est, worüber nun noch ahd. opa suuepenti ist : farunga suimmanti ist (StSG I, 74.2) eingetragen ist. Neuhochdeutsch kann die Stelle ungefähr mit ‚oben schwebend ist : plötzlich schwimmend ist‘ wiedergegeben werden. Der lateinische Haupteintrag wurde gegenüber coorta im ‚Affatim-Glossar‘ durch intervokalischen h-Einschub in cohorta geändert.5 Die unerwartete Übersetzung im Althochdeutschen erklärt sich daher, dass der Schreiber von Pa mit dem lateinischen Lemma co(h)orta nichts anzufangen wusste (im Gegensatz zum Schreiber des ‚Abrogans-Glossars‘ K, wie gleich zu sehen ist), und deshalb wie in unzähligen anderen Fällen auch vom lateinischen Interpretament, hier nata, ausging. Dieses gab er nicht als Verbalform des Deponens nasci (‚entstehen‘), sondern des Verbs nare (‚schwimmen‘) wieder. Grund dafür könnte sein, dass ihm das Verb nare hier passender als das Verb nasci erschien. Dass ihm dessen gleichlautende Verbalform natus durchaus bekannt war, beweist die adäquate Wiedergabe vor allem durch Formen von ahd. beran st.V. an vielen Stellen.6 Doch auch nare wird im ‚Abrogans‘ mehrfach gebraucht und übersetzt.7 1.7 Wie ist nun die lateinische Glossengruppe in der zeitlich vor Pa liegenden, noch in das späte 8. Jahrhundert zu datierenden und darüber hinaus nicht direkt mit Pa zusammenhängenden ‚Abrogans‘-Handschrift K (St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. Sang. 911, p. 61,9) wiedergegeben? In dieser Quelle ist die ursprüngliche Anordnung in Spalten mit übergeschriebenen deutschen Wörtern aufgelöst. Die Wörter sind nun fortlaufend hintereinander geschrieben, wodurch es zu einer Reihe von Entstellungen gekommen ist: cohorta est . spanantio ist pas . uuependi ist . subito . nata ist . farunka . suuimmandi ist (StSG I, 75.2; vgl. So 180 mit Anm. zu 61,8f.).

Abb. 11: ‚Abrogans-Glossar‘ K (St. Gallen, Stiftsbibl., Cod. Sang. 911, p. 61,9)

|| 5 Zu dieser im Mittellateinischen geläufigen Erscheinung eines (etymologisch unberechtigten) hZusatzes im Hiat vgl. Stotz 1996: III, § 121. 6 Z. B. StSG I, 28.3, 118.35, 213.25, 219.14, 250.30. Vgl. auch Splett 1976: 44 (unter ‚Wortvertauschungen‘ mit Anm. 212). 7 Z. B. StSG I, 213.8, 213.10 mit dem Synonym natare.

Ahd. pazuuepanti ist und ahd. khregenti im ‚Admonter Abrogans‘ | 147

Durch Vergleich der Stelle mit ihrer Überlieferung in Pa, in der die interlineare Übersetzung noch erhalten ist, lässt sich der ursprüngliche Text der Vorlage von K wiederherstellen. Er muss spananti ist. opa suuependi ist : farunka suuimmandi ist gelautet haben (vgl. Kögel 1879: XIf.; Baesecke 1930: 99; Splett 1976: 135). Das Lemma cohorta wurde in K gegenüber Pa demnach noch mit einer zweiten Glosse wiedergegeben, da ein Schreiber darin eine Form des Deponens lat. cohortari (‚ermuntern, antreiben, ermahnen‘; MLW II, 817) erkannt hatte.8 Und so muss in einer Vorlage von K zusätzlich noch eine Fügung aus dem Partizip Präsens von ahd. spanan st.V. (‚antreiben, (er)mahnen, verlocken‘; SchAWB, 303; SchGW IX, 51f.: spanan) und der Verbalform ist eingetragen worden sein. Der Platz war jedoch knapp, spananti passte wohl noch vor das Wort opa, aber das Wort ist musste dann über dieses geschrieben werden. Beim Abschreiben der Vorlage in einen fortlaufenden Text wurde ist in das Wort opa hineingezogen, so dass o[ist]pa entstand. Das anlautende s von swebên wurde noch dazugezogen und eine neue, durch einen Punkt bewusst abgetrennte Verbalform uuependi blieb übrig. Das erste u in uuependi ist rot ausgefüllt, was eine weitere Kennzeichnung des Beginns eines neuen Wortes anzeigt. Vielleicht dachte der Schreiber bei dieser Grenzziehung an das stark flektierende Verb weban (‚weben, flechten‘). Dieses ist im ‚Abrogans‘ nicht weiter belegt. Eine entsprechende Form hätte auch eher uuepandi lauten müssen. Bemerkenswerterweise weist aber die Form im Admonter Fragment ein -a- statt -e- auf. 1.8 In der zweispaltig angelegten Karlsruher ‚Abrogans‘-Handschrift Ra aus dem frühen 9. Jahrhundert (Karlsruhe, BLB, Aug. perg. 111, fol. 79rb,15)9, die an vielen Stellen mit der St. Galler Handschrift übereinstimmt, zugleich aber auch stärker kürzt, hat die entsprechende Eintragung folgenden Wortlaut: cohorta spananteo uuepitenti subito nata est (StSG I, 75.2).

Abb. 12: ‚Abrogans-Glossar‘ Ra (Karlsruhe, BLB, Aug. perg. 111, fol. 79rb,15)

|| 8 Zu Wortverwechslungen aufgrund lautlicher Ähnlichkeit im ‚Abrogans‘ vgl. Splett 1976: 40–43. Zu cohortari neben cooriri vgl. Splett 1976: 41. 9 Zur Datierung in das 1. Viertel des 9. Jahrhunderts vgl. Bischoff 1998: 343f., Nr. 1640; BStK II, 673, Nr. 298 (I); Splett 2013a: 4; Mairhofer, S. 33f. in diesem Band. Nach StSG IV, 401 ist die Handschrift dagegen in das 10. Jahrhundert zu datieren, nach ChWdW9, 110 in das 4. Viertel des 9. Jahrhunderts.

148 | Brigitte Bulitta

Das zu lat. cohorta gehörende est ist ausgefallen. Ein Rest davon könnte im e von ahd. spananteo zu sehen sein, da sonst i zu erwarten wäre. Das auslautende -o ist wiederum der Rest von opa. Das in K noch vorhandene Element pas ist komplett entfallen. Die gegenüber K um eine Silbe erweiterte Form uuepitenti erklärt sich am ehesten folgendermaßen: it ist falsch in die Zeile gezogenes ist (vgl. Baesecke 1930: 99; Splett 1976: 135).10 So ist mit Splett (1976: 135) von spanante o[pa s]uuep – i[s]t – enti auszugehen. Die Übersetzung des lateinischen Interpretaments nata est ist in Ra weggefallen. 1.9 Vergleichen wir nun den neu dazugekommenen Beleg paz uuepanti ist aus dem Admonter Fragment (vgl. Abb. 8) mit den bisher bekannten drei Belegstellen, so steht er der Handschrift K noch am nächsten. Die Abweichungen deuten darauf hin, dass auch hier Verbesserungen oder Nachdeutungen unklarer Stellen der Vorlage versucht wurden. So wurde das an pa (aus ursprünglichem opa) in Handschrift K angehängte s (aus ursprünglichem suuependi) in ein z umgesetzt, was die Interpretation als eigenständiges Wort baz adv. ermöglicht. Des Weiteren wurde der Suffixvokal -e- der übriggebliebenen Verbform, die in Handschrift K uuependi lautet und noch das ursprüngliche ên-Verb swebên verrät, in -a- geändert, so dass eine grammatische Form von weban st.V. erscheint. Die in K vorhandene Partizipialform spananti hat in Ad keine Spuren hinterlassen und es muss offenbleiben, ob sie vor der Umarbeitung noch vorlag wie in K oder nicht wie in Pa. 1.10 Im AhdWB werden die Belege aus K und Ra der derzeitigen Lemmatisierung folgend zusammen mit Pa voraussichtlich unter einem Ansatz oba-swebên sw.V. behandelt werden, dann allerdings im Formenteil des Artikels als abschriftliche Entstellungen bzw. Umformungen besonders abgesetzt. Mit dem Admonter Beleg könnte in gleicher Weise verfahren werden, obwohl hier eine Behandlung des Beleges unter weban st.V. noch näher läge als bei der Handschrift K. Eine endgültige Entscheidung wird erst im Zuge der Ausarbeitung der Ansätze getroffen.

2 Khregenti (Ad Nr. 14) 2.1 Die Bestimmung einer weiteren deutschen Eintragung im Admonter Glossarfragment bereitet Schwierigkeiten, weil sie verstümmelt und daher schwer lesbar

|| 10 Kögel (1879: XI) nimmt dagegen an, dass der Schreiber zuerst aus Versehen die Form uuepit als 3. Singular geschrieben und daraus dann das Partizipium gebildet hätte, ohne das -it- hinterher wegzustreichen.

Ahd. pazuuepanti ist und ahd. khregenti im ‚Admonter Abrogans‘ | 149

ist. Darüber hinaus fehlt auch hier das lateinische Bezugswort, weil es in der Spalte steht, die der Fragmentierung zum Opfer fiel. Es handelt sich um Nr. 14 khre(?)enti.

Abb. 13: ‚Abrogans-Glossar‘ Ad (Admont, Stiftsbibl., Fragm. D1, 1r), Nr. 14 Khregenti (UV-Aufnahme)

Der fragliche Buchstabe lässt sich wiedergewinnen, wenn man seine Form beispielsweise mit dem g in Nr. 52 Furlaugnit vergleicht, das ebenfalls, nur eben weniger stark, beschädigt ist. Demnach wäre von einem Wort khregenti auszugehen, dem Partizip Präsens eines Verbs, bei dem es sich nach bisheriger Forschungsmeinung um ahd. kriegên sw.V. handeln würde. Für diese Verbform, die sich in leicht variierender Schreibung an zwei verschiedenen Stellen in den ‚Abrogans‘-Handschriften Pa und K wiederfindet, soll im Folgenden das lateinische Bezugswort ermittelt und eine neue Lemmatisierung vorgeschlagen werden. 2.2 Die beiden bisher bekannten ‚Abrogans‘-Stellen StSG I, 82.2 und StSG I, 136.33 in den Handschriften Pa und K lauten: 1. StSG I, 82.2 crepitans (Pa, crepidans K)

Pa chregenti

K chrekendi

2. StSG I, 136.33

Pa

K

exsuperantia (Pa, exuperantia K)

in aboh chregenti

unlad in apuh krekendi

Das zum Beleg im Admonter Glossar gehörende, durch Beschnitt verlorengegangene lateinische Bezugswort muss – wie wir dank der Untersuchungen in diesem Band wissen (vgl. Müller, S. 89f.) – mit cr- begonnen haben, da das Glossar erwiesenermaßen einer AB-Alphabetisierung folgte. Daraus kann nun mit großer Sicherheit geschlossen werden, dass die Glosse ahd. khregenti zur ersten Stelle bzw. lat. crepitans (StSG I, 82.2) und nicht zu lat. exsuperantia (StSG I, 136.33) gehörte. Wie crepitans genau geschrieben wurde – ob etwa wie in K eine graphische Variante ( für ) vorlag – bleibt offen und ist hier nicht weiter von Belang.

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2.3 Die Deutung von Pa chregenti und K chrekendi bzw. krekendi hat die Forschung intensiv beschäftigt. Während der Glossenkontext der ersten Stelle eine Bestimmung als Geräuschverb11 nahelegt, ist diese Deutung mit dem Glossenkontext der zweiten Stelle nicht ohne Weiteres vereinbar. Die beiden Stellen, ihre Parallelüberlieferung in lateinisch-lateinischen Glossaren und ihre Deutungsgeschichte sind ausführlich in Splett (1976: 143, 206f.) besprochen. Wir gehen hier noch einmal auf sie ein: 2.4 Die Glossengruppe der ersten Stelle StSG I, 82.2, 82.3 besteht aus einem lateinischen Lemma und einem lateinischen Interpretament, die jeweils durch ein einzelnes deutsches Wort wiedergegeben sind: StSG I, 82.2, 82.3 crepitans (Pa, crepidans K)

Pa chregenti

K chrekendi

resonans (Pa, rosonans12 K)

hlutenti

hlutendi

Eine gleichlautende Glossengruppe crepitans : resonans ist auch im lateinischlateinischen ‚Affatim-Glossar‘ (CGL IV, 493.43) überliefert. Um die Bedeutung der althochdeutschen Übersetzungswörter ermitteln zu können, muss zunächst die lateinische Glossengruppe interpretiert werden: Da wir es hier mit Geräuschverben zu tun haben, ist bei der Bedeutungsermittlung und -angabe zu beachten, dass diese häufig sowohl intransitiv (‚ein Geräusch von sich geben‘) als auch transitiv (‚machen, dass etwas ein Geräusch von sich gibt‘) gebraucht werden können. Das gilt nicht nur für den Haupteintrag lat. crepitare (Georges I, 1749f.; MLW II, 2007f.), eine Frequentativbildung zu lat. crepare (Ernout/Meillet 41959/2001: 149), sondern auch für das Interpretament lat. resonare.13 Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass lautnachahmende Wörter wie lat. crepitare typischerweise auch bestimmte Vorgänge bezeichnen können, die mit dem im Wort anklingenden Geräusch einhergehen (vgl. Abschnitt 2.10).14 Lat. crepitare kann also nicht nur ‚krachen, knistern, knarren, klimpern‘ (crepare, stridere, strepare, tinnire) und ‚(er)klingen, (er)schallen, lärmen‘ (sonare, strepitare), sondern auch

|| 11 ‚Geräuschverb‘ meint hier eine Klasse von Verben, die dem Wortfeld ‚ein Geräusch machen‘ (lärmen, klingen u. a.) angehören. Dazu gehören vor allem – aber nicht nur – lautnachahmende Bildungen, die dieses Geräusch näher bestimmen (knistern, brummen u. a.). 12 Vgl. dazu die Form Nr. 58 Posonit, bei der der Präfixvokal wie bei lat. rosonans an den Vokal der Stammsilbe assimiliert ist. 13 Vgl. Georges II, 2348: resonare – intrans. ‚widerhallen‘, ‚wieder und wieder ertönen‘; trans. ‚von etw. widerhallen‘, ‚widerhallen machen, mit Schall erfüllen‘ (DML XIV, 2798). 14 Zu schallnachahmenden Wörtern und ihrem Bedeutungswandel vgl. z. B. Hilmer 1914.

Ahd. pazuuepanti ist und ahd. khregenti im ‚Admonter Abrogans‘ | 151

‚(krachend) auseinanderbrechen, platzen, bersten‘ bedeuten (vgl. MLW II, 2006f.). Wir gehen davon aus, dass sowohl Pa chregenti (K chrekendi) als auch Pa hlutenti (K hlutendi), Partizip Präsens zu ahd. [h]lûten sw.V. (vgl. AhdWB V, 1439–1442; Splett 1976: 474), ihre lateinischen Bezugswörter nicht nur formal, sondern auch inhaltlich stimmig wiedergeben. Angesichts einer möglichen intransitiven Bedeutung von resonare könnte hlutenti auch als ein ên-Verb ahd. [h]lûtên (‚laut bzw. lärmend sein‘) interpretiert werden.15 Auf die chregenti-Formen kommen wir noch zurück (vgl. Abschnitte 2.7 und 2.10). Eine interessante Beobachtung lässt sich noch an der unmittelbar vorangehenden substantivischen Glossengruppe anstellen, die dem gleichen Wortfeld angehört.16 Ihr Haupteintrag lat. crepitus M. (MLW II, 2007: ‚Geräusch, Klang; Bruch‘) ist nämlich ein Verbalabstraktum zu crepare, der Glossator hätte hier eigentlich ebenfalls auf eine Form chreg- bzw. chrek- zurückgreifen können. Er entscheidet sich jedoch für ein anderes Geräuschverb, nämlich für strip(e)lendi (‚lärmend‘). Die ganze Glossengruppe dazu lautet: crepitus : sonitus, strepitus (‚ein Geräusch : ein Ton, ein Lärm‘; StSG I, 80.38, 80.39). Sie wird zwar nicht formenkongruent, aber doch semantisch adäquat mit ahd. striplendi17 : filu hluti,18 strekendi (Pa)19 übersetzt20 (vgl. Splett 1976: 143).21 Ein Grund für die abweichende Wortwahl bei der Wiedergabe von lat. crep- könnte sein, dass der Glossator, der bei seiner Übersetzung an vielen anderen Stellen um adäquate Synonyme ringen musste, bei den Geräuschbezeichnungen offensichtlich aus dem Vollen schöpfen konnte und das auch zeigen wollte. 2.5 Die Bestimmung des zweiten Vorkommens von chregenti (StSG I, 136.33) hat die Forschung vor allem wegen der unklaren zugrundeliegenden lateinischen Glossengruppe lange beschäftigt (vgl. Splett 1976: 206f.). Sie lautet:

|| 15 Nur die Präfigierungen bi[h]lûten und ir[h]lûten haben in der ‚Abrogans‘-Überlieferung sichere Formen des jan-Verbs, vgl. die Belege in Splett 1976: 474f. 16 Das kommt in der sonstigen, nur nach dem lateinischen Lemma alphabetisierten ‚Abrogans‘Überlieferung durchaus nicht selten vor. 17 Splett (1976: 512): stripalên sw.V. ‚lärmen‘. 18 Zur fraglichen Ansetzung vgl. Splett (1976: 442): filulûtî st.F. ‚Getöse‘; AhdWB III, 831: filu; AhdWB V, 1443: [h]lûtî st.F. ‚Klang, Laut, Ton‘. 19 Nach Splett (1976: 143) unter Annahme einer Verschreibung in der Bedeutung ‚ertönend‘ (?) vielleicht zu stredan st.V. ‚aufwallen, sieden‘; so auch SchGW IX, 269. Anders Graff 1842: VI, 741: strecken sw.V. ‚(aus)strecken‘. 20 In K zeigt der Haupteintrag die Variante stripelendi, dem ersten Interpretament sonitus entspricht die haplologisch verschriebene Form filuti. 21 Diese Glossengruppe hat auch Spuren im Admonter Fragment hinterlassen, wie die Form Nr. 13 Striplenti beweist, die unmittelbar vor Nr. 14 Khregenti steht.

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StSG I, 136.32, 136.33

Pa

K

experientia22

uruuerf unlat

uruuerf

exsuperantia (Pa, exuperantia K)

in aboh chregenti

unlad in apuh krekendi

Heute geht man davon aus, dass auch dieser zweite Beleg Geräuschverb-Bedeutung hat, obwohl diese Annahme zunächst keineswegs naheliegt.23 Der GlossarBearbeiter muss dann nämlich sowohl das lateinische Lemma als auch dessen Interpretament mit einem anderen, ähnlich klingenden Wort verwechselt oder in Anlehnung daran übersetzt haben. So gibt er lat. exsuperantia (‚das Hervor-, Überragen‘; vgl. auch MLW III, 1723: ‚überlegene Kraft‘) der Handschrift Pa bzw. exuperantia (sc. -uber-; ‚das Hervorsprudeln, Überfließen‘; vgl. auch MLW III, 1764f.: ‚Üppigkeit, Fülle, Überfließen, Überschuss‘) der Handschrift K mit einer Fügung in aboh chregenti bzw. in apuh krekendi wieder, wobei in abuh ungefähr die Bedeutung ‚verkehrt, falsch, schlecht‘ hat und wohl auf das Präfix ex- zu beziehen ist. Guericke (1915: 30) fand einen plausiblen Weg, die beiden Belege zusammenzuführen, indem sie eine Verwechslung des lateinischen Bezugswortes mit dem rhetorischen Fachausdruck lat. exsuperatio (‚Übertreibung‘; vgl. auch Georges I, 2625, nach DML III, 871c: ‚exaggeration, hyperbole‘) erwog und eine Bedeutung ‚ins Verkehrte klingend, falsch tönend‘ vorschlug. Eine bessere Erklärung konnte bislang nicht gefunden werden (vgl. AhdWB V, 407; SchGW V, 340; Splett 1976: 466).24 2.6 Nachdem nun der Überlieferungsbefund der bisher bekannten Belege chregenti (zweimal in Pa), chrekendi und krekendi (beide in K) vorgestellt wurde, zu dem sich jetzt noch die Admonter Form khregenti gesellt, wenden wir uns der Frage der Lem-

|| 22 MLW III, 1637: experientia ‚Erprobung, Umgang, Kenntnis, Erfahrung, Wissen‘, auch ‚Erfüllung, Nachforschung, Untersuchung‘. 23 Aumann (1937: 258f.) ging von einer für kriegên erschlossenen Grundbedeutung ‚drehen, sich drehen, wenden‘ aus und schlug unter Annahme einer auf dem missverstandenen Haupteintrag experientia ‚Auswurf, Fehlgeburt‘ (statt ‚Erprobung, Erfahrung‘) beruhenden Glossierung eine Deutung ‚verkehrt sich drehend‘ vor; so auch AhdWB I, 22: abuh st.N. Vgl. dazu auch Anm. 24. 24 Zu ahd. uruuerf st.N. ‚Fehlgeburt‘ (eigentlich ‚Auswerfen‘) als Entsprechung von lat. experientia (‚Erprobung, Erfahrung, Erfüllung, Nachforschung‘, MLW III, 1637), das wohl als Bildung aus ex ‚heraus‘ und *periens zu parere ‚Gebären‘ verstanden wurde, vgl. Aumann 1937: 259 und Splett 1976: 41, 49, 530. Zur zweiten Glosse Pa unlat bzw. K unlad, die lautlich got. unleþs, ae. unlǣd entspricht und als Hapaxlegomenon unlât adj. ‚arm, elend, unglücklich‘ angesetzt wird, vgl. Aumann 1937: 259 und Splett 1976: 49 mit Anm. 253; zur Etymologie der Bildung vgl. Casaretto 2004: 127 (unledi st.N.). Für die Wortwahl von ahd. unlât könnte (gegen Aumann) eine Wortverwechslung ausschlaggebend gewesen sein, wie sie in der Vermischung von lat. expertus ‚kundig, erfahren‘ (MLW III, 1641) mit lat. expers ‚ohne Anteil an etwas, etw. entbehrend, etw. nicht kennend‘ (MLW III, 1642) nachweisbar ist; vgl. auch die Belege in CGL VI, 418: expers.

Ahd. pazuuepanti ist und ahd. khregenti im ‚Admonter Abrogans‘ | 153

matisierung zu. Seit 1838 (vgl. Graff 1838: IV, 590) werden beide Belegstellen zu einem ên-Verb kriegên und damit zur Wortfamilie um ahd. krieg (‚Hartnäckigkeit‘) gestellt.25 Die Herkunft des Wortes krieg ist unklar (vgl. EWA V, 785–787; Kluge/Seebold 252011: 542; Pfeifer 21993: 734; RGA XVII, 334–336), zum Neuhochdeutschen hin hat es die Bedeutung ‚Austragung eines Streites mit Mitteln der Gewalt‘ angenommen. Das Verb kriegên wird bislang als denominale Ableitung von krieg bestimmt (vgl. EWA V, 787; Splett 1993: I, 485). Formal lässt sich eine Zuordnung zu einem Verb kriegên rechtfertigen, wenn man die Schreibung des Anlauts (dreimal , einmal , in Ad einmal ) als germ. k, den übereinstimmend überlieferten Stammvokal -e- als germ. ê2 und den postvokalischen Guttural (zweimal in Pa, zweimal in K und in Ad) als germ. g wertet: Die Anlautgraphie steht tatsächlich mit großer Sicherheit für germ. k.26 Für die Interpretation des Stammvokals e als ein noch nicht diphthongiertes germ. ê2 spricht, dass in den ‚Abrogans‘-Handschriften hierfür noch die Schreibung die Regel ist (vgl. Kögel 1879: 13).27 Alternativ kämen nur kurzes erhaltenes e (vgl. Kögel 1879: 9) oder e aus umgelautetem a (vgl. Kögel 1879: 2–5) in Betracht. Ebenso lässt sich schließlich postvokalisches g und k als Vertreter von germ. g rechtfertigen, wenn man die sonstigen Vorkommen in Pa28 und K29 vergleicht. Zweifel an einer graphisch-morphologisch also durchaus möglichen Zuordnung zu ahd. kriegên erheben sich vor allem aus semantischer Sicht: Wie lässt sich ein Verb der Bedeutung ‚lärmen, tönen‘ in die Wortsippe um krieg einordnen, bei der von einer Bedeutung ‚Hartnäckigkeit, Beharrlichkeit‘, in der Folge auch ‚Anstrengung, Streit‘, auszugehen ist? Ist wie bisher (vgl. Splett 1976: 207) von einem metonymischen Zusammenhang zwischen ‚Leisten von Widerstand‘ und ‚Lärmen‘, ‚Zank‘, ‚Geschrei‘, etc. auszugehen? 2.7 Oder könnten die fraglichen Formen stattdessen nicht direkt einem Verb aus dem Wortfeld ‚ein bestimmtes Geräusch machen‘ zugeordnet werden? Vom Konso-

|| 25 Vgl. Ahd. Gl.-Wb., 347: kregên sw.V.; Ahd. Gl.-Wb., 824, 851; Splett 1976: 466; 1993: I, 485; SchGW V, 340; EWA V, 787: kriegên; AhdWB V, 407f.: ?kriegên. Im ‚Altdeutschen Wörterbuch‘ von Schade (21872: I, 512) ist chrëgên, chrëkên, krëkên sw.V. angesetzt. 26 Zur Verteilung und Bewertung der Anlautgraphien ch-, kh- und k- für germ. k in der ‚Abrogans‘Überlieferung vgl. Kögel 1879: 76–78, 82–84; vgl. auch Ahd. Gr.16, § 144, Anm. 1. Allenfalls krekendi in K (StSG I, 136.33) könnte als anlautende k-Graphie für germ. g vor Vokal herangezogen werden (vgl. die Zusammenstellung in Kögel 1879: 110, der diesen Beleg nicht aufführt). Vgl. auch Haubrichs, S. 118–126 in diesem Band. 27 Zur Chronologie der Schreibungen vgl. auch Ahd. Gr.16, § 35 mit Anm. 1a sowie § 36.1, § 36.3. 28 117× g gegenüber 75× k bzw. c, 2× auch ch (vgl. Kögel 1879: 109). 29 43× g gegenüber 14× (k bzw.) c im ersten Teil von K (= Ka) bzw. von StSG I, 3.1 bis 45.9; 46× g gegenüber 241× k bzw. c im zweiten Teil von K (= Kb) bzw. von StSG I, 45.10 bis 270.7 (vgl. Kögel 1879: 110f.).

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nantengerüst und vom lateinischen Bezugswort crepitare (vgl. Abschnitt 2.4) aus gesehen läge eine lautnachahmende Bildung durchaus nahe. Nach Hermann Hilmer ist „die beste Entsprechung eines einfachen Schalles, wie er durch das Aufstossen oder Bruch eines festen Körpers entsteht, […] in der Regel ein einsilbiger Laut mit kurzem Vokal und auslautendem Verschlusskonsonanten […]. Der Schall eines Bruches wird gern durch Laute wie krack (engl. crack), break, knack und ähnliche wiedergegeben“ (Hilmer 1914: 17, 19). In der Tat gibt es ein jan-Verb krecken, das nicht nur schon althochdeutsch, sondern auch in den späteren Sprachstufen und dialektal verbreitet ist (vgl. AhdWB V, 396; EWA V, 773: krecken oder krehhen sw.V.). Es kann (wie das oben besprochene Verb lat. crepitare) ebenso intransitiv (‚ein Geräusch von sich geben‘, ‚mit Krach zerplatzen‘) wie transitiv als Kausativum (‚etw. einen Krach machen lassen‘, ‚etw. knacken‘ u. a.) gebraucht werden (vgl. DWB V, 1931: kräcken, krecken). Könnten die ‚Abrogans‘-Formen etwa hierher gehören? 2.8 Dazu müsste das intervokalische g in Pa chregenti bzw. in Ad khregenti die inlautende Geminate kk bezeichnen können, was sehr ungewöhnlich wäre angesichts der sonstigen Schreibungen dieses „verschobenen verschärften“, d. h. geminierten k, die Kögel (1879: 78–85) für die Handschriften Pa30 und K (weiter untergliedert in Ka31 und Kb32) akribisch zusammenträgt und nötigenfalls problematisiert.33 Ganz unmöglich ist g in dieser Funktion aber nicht, wenngleich Belege dafür selten sind und innerhalb der ‚Abrogans‘-Überlieferung nur bei recken und gi-recken vorkommen, deren Geminate sonst mit -ch-, -hc-, -ck- und einfachem k34 geschrieben wird.35 Dabei handelt es sich um folgende drei Fälle: Als ahd. regit kommt das Wort in der Handschrift K in einer Erklärung des Namens Kephas vor (vgl. Splett 1976: 160): Ahd. Cephas regit Phetares kilihida ist („‚Ke|| 30 In Pa herrscht in der Mehrzahl der Fälle ch, nur noch sporadisch auftretend sind cch, gch, chc (im Auslaut), hc (im Auslaut), hch und in zwei Fällen g (vgl. Kögel 1879: 78–81). 31 In Ka wird kk durch cch (4 Belege), gch (2 Belege mit Diskussion) und im Auslaut einmal durch ch wiedergegeben (vgl. Kögel 1879: 82). 32 Für Kb verzeichnet Kögel (1879: 84f.) die Schreibungen kh, hk, hkh, chkh, hck, cch, hcc und ch, wobei kh und ch am häufigsten belegt sind. 33 Die Vorkommen in Formen der 2. und 3. Person Singular, die Partizip-Präteritum-Formen der jan-Verben und die Abstraktbildungen auf -ida werden gesondert besprochen; Kögel betont mehrfach, dass kh, hk und ch auch für den durch hh bezeichneten Laut, also für einen Reibelaut, stehen könnten. Die „Mannigfaltigkeit der Lautbezeichnungen“ spiegelten wider, mit welch „grossen Hindernissen diejenigen zu kämpfen gehabt hätten, die zuerst das ganz anders angelegte lateinische alphabet auf die deutsche sprache anwendeten“ (Kögel 1879: 85). 34 Vgl. Ahd. Gr.16, § 144, Anm. 3c; AhdWB VII, 889; Baesecke 1930: 94, Anm. 1; 1931: 363; Kögel 1879: 81; Schatz 1927: § 222; Splett 1976: 160, 206, 255. 35 Die Schreibungen chrekendi und krekendi in K mit einfachem k für kk sind demnach weniger problematisch (vgl. auch Anm. 37).

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phas‘ meint ‚Petrus‘, es ist das Gleiche“) steht für lat. Cephas Petrus Syrum est („‚Kephas‘ ist das ‚Petrus‘ der Syrer“, StSG I, 94.22;36 vgl. AhdWB VII, 892: recken sw.V. III 1c). Weiterhin erscheint recken in der Form regent in der Handschrift Pa in der Glossengruppe regent sagent quedant als Entsprechung von lat. inquiunt aiunt dicunt (‚sie sagen, sie reden, sie sprechen‘, StSG I, 180.14; vgl. AhdWB VII, 892: recken sw.V. III 1a; Splett 1976: 255). Und schließlich gibt es einen dritten Beleg kiregen in Handschrift Pa, der zur Präfigierung girecken gehört: Ahd. kiregen antluhhan (‚darlegen : eröffnen‘) steht als Entsprechung für lat. enarrare aperire (StSG I, 136.28; vgl. AhdWB VII, 896). Die Parallelhandschrift K hat an dieser Stelle kireken mit intervokalischem -k-.37 Wie sich die Graphie in den genannten Fällen erklärt, ist umstritten. In der Ahd. Gr.16 (§ 144, Anm. 3c) wird für die reg-Formen Einfluss einer Vorstufe von mhd. (ge-)regen (‚erregen, aufdecken‘) erwogen. Nach Baesecke (1931: 363) ist g in ahd. kiregen und regent „durch Nichtverstehen des Wortes erhalten“. Die oben beschriebene Varianz der Schreibungen insbesondere für geminiertes k zeigt, dass die Orthographie des Deutschen ebenso wie die des Lateinischen38 in diesen frühen Sprachzeugen noch nicht fest geregelt ist. Lässt man eine Interpretation des -g- als Bezeichnung der Geminate -kk- zu, wäre eine formale Zuordnung von ahd. kregenti (und seinen Parallelformen) zu einem jan-Verb krecken möglich. Hält man dagegen an intervokalischem -g- für germ. g fest,39 könnte auch an eine Zuordnung zu einer Form mit stammauslautendem -g- gedacht werden, wie sie beispielsweise in kragilôn (‚schwätzen‘, vgl. lat. garrire) neben krahhilôn (AhdWB V, 374; EWA V, 741f.) verbaut ist.40

|| 36 Vgl. das Namenverzeichnis in Splett (1976: 548): Caephas und Petres. 37 Zur Bezeichnung k für die Geminate vgl. noch Ahd. Gr.16, § 144, Anm. 2a, Anm. 3b. Vgl. noch Anm. 34 und 45. 38 Vgl. Bischoff (1977: 74) mit Beispielen für die Vertauschung von c und g in der Handschrift K, wonach reciproga statt reciproca, migare statt micare, suffogat statt suffocat und seltener auch umgekehrt denicat statt denegat oder cravis statt gravis steht; aus dem ‚Admonter Abrogans‘ ließe sich hier Nr. 24 Crata statt grata anführen. 39 Zu -g- für germ. g regelmäßig im Fränkischen, überwiegend aber auch im Oberdeutschen, wo im Inlaut zuweilen auch k oder c im Gebrauch ist, vgl. Ahd. Gr.16, § 149, § 177. 40 Vgl. auch DWB V, 1955: krägeln, krageln 2b, wo für die ‚Abrogans‘-Belege einerseits ein ursprünglicher Stammvokal -i- und eine Zuordnung zu Wörtern wie bair. grigeln ‚heiser reden‘ erwogen wird, andererseits noch ein Beleg des 17. Jahrhunderts für krägen ‚kreischen, knarren (wie Karrenräder)‘ erscheint und auf das Adjektiv kregel verwiesen wird (zur unklaren Herkunft von kregel mit der Variante krekel vgl. Kluge/Seebold 252011: 539). krag- und kreg-Formen können bei Vorliegen eines hiattilgenden -g- auch zu krâen ‚krähen, laut tönen, schwatzen‘ (AhdWB V, 362; EWA V, 737f.) gehören; diese Bedeutung bringen auch lautnachahmende Bildungen mit stammauslautendem Frikativ wie krehho ‚Schwätzer‘ (AhdWB V, 395; EWA V, 770f.) zum Ausdruck.

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2.9 Prüfen wir nun noch, ob die fraglichen Formen des ‚Abrogans‘ aus semantischer Sicht zur althochdeutschen Ansetzungsform krecken (AhdWB V, 396; EWA V, 773) gestellt werden können. Dieser Ansatz stützt sich bislang freilich nur auf eine einzige Form, nämlich kichracta (StSG II, 306.64), die noch dazu mehrdeutig ist. Da die Graphie c vor t keine sichere Rückführung des stammauslautenden Konsonanten auf einen Verschluss- oder Reibelaut zulässt, kann neben krecken auch krehhen angesetzt werden. Auch ein Ansatz kreg(g)en wäre vorstellbar.41 Der Beleg für kichracta stammt aus dem Reichenauer Glossar ‚Rb‘, das noch ins ausgehende 8. Jahrhundert datiert werden kann und westoberdeutsch-alemannischen Lautstand aufweist (vgl. ChWdW8, 46–49; Meineke 2013: 420–422). Die Form kichracta steht als Entsprechung für lat. quassatam, das folgendem Satz aus einer Homilie Gregors des Großen (I, 4.2) entstammt: si enim ruinam sui domus quassata minaretur, quisquis in illa habitaret, fugeret (PL LXXVI, 1090). Übersetzt lautet die Stelle: ‚Wenn nämlich ein geschütteltes (erschüttertes, beschädigtes) Haus seinen Einsturz androhte, würde jeder, der darin wohnte, fliehen‘. Die abweichende Form quassatam des Glossar ‚Rb‘ gegenüber quassata der Edition erklärt sich als Lesart, wie sie ursprünglich auch in der Gregor-Handschrift München, BSB, Clm 6263, fol. 13r, 2 (vgl. BStK III, Nr. 514) aus dem ersten Drittel des 9. Jahrhunderts gestanden hat, dort allerdings durch Rasur in quassata gebessert wurde.42 Die Stelle heißt leicht abweichend: si enim ruinam suam domus quassatam [durch Rasur in -ta korrigiert] minaretur […]. Lat. quassatam gehört als Partizip Perfekt Passiv zum transitiven Verb lat. quassare (‚heftig schütteln, erschüttern‘; Georges II, 2143). Im AhdWB (V, 396) wurde die zugehörige Glosse ahd. kichracta als stark flektierter Akk. Sing. Fem. des Partizip Präteritums von krecken oder krehhen (‚erschüttern, mit (krachenden) Erschütterungen erfüllen‘) bestimmt. Unter der Annahme eines möglicherweise mitgedachten neutralen Bezugsnomens ahd. hûs st.N. für lat. domus wäre auch ein schwach flektierter Akk. Sing. Neutr. möglich. Das Verb krecken wird also in diesem Beleg transitiv im Sinne von ‚machen, dass etwas einen Krach macht, kracht‘ mit Weiterentwicklung der Bedeutung zu ‚machen, dass etwas (auf-, zer-, zusammen-)bricht‘ gebraucht.43 2.10 Neben diesen Beleg würden nun auch die ‚Abrogans‘-Belege treten. Da es sich beim ‚Abrogans‘ um eine Wörterbuchübersetzung handelt, bleiben aufgrund fehlender Kontexte einige Fragen offen: So kann zum Beispiel nicht entschieden werden, ob in den Belegen wie beim ‚Rb‘-Beleg kichracta transitiv-kausativer oder stattdessen intransitiver Gebrauch vorliegt. Dabei hilft es auch nicht weiter, dass das

|| 41 Vgl. dazu Anm. 40. 42 Zu den Lesarten der Stelle vgl. Étaix 1999: 28, Nr. 44 mit Anm. 43 Lat. quassare ist auch Übersetzungsgrundlage weiterer Geräuschverben wie klaffôn, klaphôn oder klecken.

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Althochdeutsche für den intransitiven Gebrauch über ein verwandtes Verb krahhôn sw.V. (‚[einen bestimmten] Krach machen, krachen [von Gelenken, Blitzen u. a.]‘) verfügt, zumal dessen Belege ausschließlich aus anderen Handschriften stammen (vgl. AhdWB V, 375).44 Bei einer Bestimmung von krecken als Geräuschverb wären beide Gebrauchsweisen möglich.45 Weiterhin lässt sich nicht genau sagen, auf welcher Bedeutungsstufe krecken hier genau steht. Geht es nur um die Hervorbringung eines Geräuschs, also ‚(etwas) ein krek-ähnliches Geräusch machen (lassen)‘, oder liegt eine schon weiterentwickelte Bedeutung vor, die auf den Vorgang, der mit diesem Geräusch assoziiert wird, verschoben ist, also ‚auf-, zer-, zusammenkrachen, -brechen, platzen, kaputt gehen‘ bzw. kausativ ‚etwas auf-, zer-, zusammenkrachen, -brechen lassen, platzen lassen, kaputt machen‘?46 Zu krecken gehört noch krac st.M. (AhdWB V, 375), das sich wohl als Rückbildung dazu erklärt (vgl. EWA V, 744f.; Wißmann 1975: 80f.).47 Die Bildung ist in einer Glosse aus einer Handschrift des 11. Jahrhunderts (München, BSB, Clm 18140) mit der Bibelglossatur M belegt. In der Form ahd. chrac (StSG II, 256,76) gibt lat. strepitus in folgendem Satz aus den Dialogen Gregors des Großen (III, 30) wieder: magnus in […] ecclesiae tectis strepitus (sonus) factus est, ac si in eis aliquis errando discurreret (‚auf den Dächern der Kirche gab es ein großes Krachen, als ob jemand irrend auf ihnen umherliefe‘; PL LXXVII, 344; vgl. Schulte 1993: 661, Nr. 253).48 2.11 Die bislang als kriegên sw.V. lemmatisierten Formen Pa chregenti, K chrekendi bzw. krekendi sowie der Neufund Ad khregenti können demnach aus lautlichmorphologischen wie aus semantischen Gründen auch als lautnachahmende Bildungen interpretiert und zu einem Bestandteil krek- bzw. einer Parallelwurzel mit -g- gestellt werden.

|| 44 Zu den Gebrauchsbedingungen von ahd. krahhôn und mhd. krachen in Abgrenzung zum Gebrauch anderer Geräuschverben vgl. auch Lötscher 1973: 37, 82f. 45 Vgl. auch oben zu lat. crepare, crepitare, resonare und mhd. krecken ‚mit Schall zerplatzen‘ neben ‚knacken‘ (Lexer I, 1715). Auch das DWB V, 1931 (kräcken, krecken) verzichtet auf eine Trennung in Intransitivum und Transitivum (mit kausativer Bedeutung), „zumal die causativa da von selbst auch leicht in ihr intransitivum überspringen“. 46 Zur Wiedergabe von Geräuschen mit sprachlichen Lauten, insbesondere Lautnachahmungen und zur Frage ihrer Lexikalisierung vgl. Seebold 1981: 35f., 180f. 47 Zu krah st.M. in gleicher Bedeutung vgl. AhdWB V, 374; EWA V, 741f. Vgl. auch Riecke (1996: 181): krahhen. 48 Gemeint ist wohl das Krachen und Knarren von Holz (vgl. Lötscher 1977: 53).

Sarah Hutterer, Edith Kapeller

‚Admonter Abrogans‘: Kurzbeschreibung von Admont, Stiftsbibl., Fragm. D 1 2 Pergamentfragmente: (1) 92/105 × 110/117 mm; (2) 91/96 × 97/119 mm. Süddeutscher Raum, alemannische Schreibprovinz, frühes 9. Jahrhundert, erste Jahrzehnte (vgl. Mairhofer, S. 58f. in diesem Band). B: Haar- (verso) und Fleischseite (recto) deutlich voneinander unterscheidbar. Die beiden Fragmente ergeben zusammen etwa drei Viertel eines Einzelblattes, das ursprünglich vierspaltig beschrieben war. Dabei bildet Fragment 1 die obere Hälfte des Blattes, Fragment 2 die untere. Die Schrift ist an der oberen und unteren Kante des ursprünglichen Blattes unbeschnitten. Dort sind aufgrund der ehemaligen Verwendung als Bucheinband Fehlstellen sowie Faltspuren im Abstand von je 16 mm zum Rand erkennbar. Auf der recto-Seite fehlt die erste (lateinische) Spalte. Der Mittelteil des Blattes (ehemals Buchrücken) ist ebenfalls verloren, es fehlen ca. fünf Zeilen. Teilweise finden sich Klebereste auf dem Pergament. S: Schriftraum für das gesamte Blatt rekonstruiert (Prämisse: 5 Zeilen, also 35 mm, fehlen im Mittelteil): ca. 167 × 127 mm, 24 Zeilen (19 erhalten), Alemannische Minuskel in Übergang zur karolingischen Minuskel (vgl. Mairhofer, S. 58 in diesem Band) von einer Hand. Spaltenbreite ca. 32 mm. Zeilenhöhe: 7 mm. G: Vormals Einband des Buches Admont, Stiftsbibl., Schrank 82A, Nr. 268-270-12° mit dem Titel Der In Verfertigung Allerhand Schreiben Stets-bereite und vielvermehrte SECRETARIUS, Das ist: […] Nürnberg / verlegts Joh. Leonhard Buggel. 1704. Auf einem Foto, welches im Rahmen der Restaurierung einiger Bände und Abnahme des Fragments durch Eleonore Klee entstand (vgl. Abb. 1, S. 24 in diesem Band), ist wohl der Vorderdeckel dieses Buches sichtbar. Auf ihm ist die untere Hälfte der recto-Seite des Blattes zu erkennen; die Schrift verläuft vertikal. Vom Einbandrücken sind schon auf der Fotografie nur noch Reste vorhanden.

https://doi.org/10.1515/9783110710786-009

Bildanhang

Abb. 14a: ‚Admonter Abrogans‘ (Admont, Stiftsbibl., Fragm. D1), recto oben

Abb. 14b: ‚Admonter Abrogans‘ (Admont, Stiftsbibl., Fragm. D1), recto oben (UV-Aufnahme)

https://doi.org/10.1515/9783110710786-010

162 | Bildanhang

Abb. 15a: ‚Admonter Abrogans‘ (Admont, Stiftsbibl., Fragm. D1), recto unten

Abb. 15b: ‚Admonter Abrogans‘ (Admont, Stiftsbibl., Fragm. D1), recto unten (UV-Aufnahme)

Bildanhang | 163

Abb. 16a: Admonter Abrogans‘ (Admont, Stiftsbibl., Fragm. D1), verso oben

Abb. 16b: ‚Admonter Abrogans‘ (Admont, Stiftsbibl., Fragm. D1), verso oben (UV-Aufnahme)

164 | Bildanhang

Abb. 17a: ‚Admonter Abrogans‘ (Admont, Stiftsbibl., Fragm. D1), verso unten

Abb. 17b: ‚Admonter Abrogans‘ (Admont, Stiftsbibl., Fragm. D1), verso unten (UV-Aufnahme)

Bildanhang | 165

Abb. 18: ‚Admonter Abrogans‘ (Admont, Stiftsbibl., Fragm. D1), recto unten (UV-Aufnahme), Nr. 12 Vparhaltan

Abb. 19: ‚Admonter Abrogans‘ (Admont, Stiftsbibl., Fragm. D1), verso oben (UV-Aufnahme), Nr. 49 Culicusgenus : Premachunni und Nr. 50 Dapibus : Mazzimos

Abb. 20: ‚Admonter Abrogans‘ (Admont, Stiftsbibl., Fragm. D1), recto unten (UV-Aufnahme), Nr. 71 Deuellemur und Nr. 72 Deterremur

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Register Lateinische Lemmata aus dem Abrogans ab-olere 6, 82, 93 aedon aethan, edhon 120 aestimare *testimare (ut testimo < ut aestimo) 121

con-stringere constringi 67, 89, constricti 67, 89 constructio 121 consuetudo 65, 89, 97, 98, 100, 109

ager 120

con-sumere 119, consumpta 67, 89

aiere aiunt 155

consumptor consumptor, consuntor 66, 89

amphora anfora 121

con-taminare 120

annuntiatio adnuntiatio 120

con-temnere 121

a-perire 155

contemptor 121

ap-ponere adposuit 131

con-tendere contendit 66, 89, 110

bardus, i 72

conventus 131

bibere 121

convivium conviviis 111

cacula cacule 120

co-oriri co(h)orta (est) 66, 89, 144, 146, 147

candela 119

copiosus 78, 106 copiosissimus,

carcer 119, 121

cupiosissim(us) 27, 39, 41, 63, 78, 91, 106

catena 119

copulare 119

cerastes cerastis 120

corona 67, 89

certus 119

coronare coronatus 119

chiliarches, chiliarchus ciliarcus 120

cortina curtiinam, curtinam, crutinam 42,

cibus cybus 80

63, 75, 90, 105

clarescere 120

crapulari crapulatus 68, 89, 117

cogitare 121, cogitat 65, 89, 132

cras 62, 71, 90, 97, 98, 110

cohors 120, co[h]ors 119

crassus 62, 72, 90, 98, 129

comma 122

crater crateras, creteras 69, 89

com-paciscor conpacte 66, 89

creator 62, 72, 90, 102, 108

com-prehendere conprehendi 66

credere credidi 69, 89, creditum 62, 73, 90

conari 119

cremare 70, 90, 115

concha conca 121

crepitare 154, crepidans, crepitans 69, 89,

conditio condicio, conditio 66, 89

149, 150

conditor 72

crepitus crepitus, crepitus 68, 89, 113, 151

co-nectere con(n)ectere 74

crescere crescens 68, crescit 68, 89, creuit

con-fligere confligit 68

68, 89

coniector coniectorem 66, 89

criminari crimenatus 69, 90

con-iungere 74

criminator crimenator 69, 90

conspersio consparsio 65, 89, 97, 98

criminosus 62, 71, 90

https://doi.org/10.1515/9783110710786-012

184 | Register

crispare crespat, crispat 41, 62, 72, 90, 118 crudelis crudelis, cludelis, cludetis 70, 109, 111, crudelibus 70, 90 crudelitas crudelitas, crudilitas 70, 111, crudelitatis 70 crudus crudum 62, 70, 90 cruentus cruentum, cruentem 40, 42, 62, 71, 90, 98 crus crura 62, 72, 90, 97, 98, 113, 127 crux crucis 62, 71, 90, 97, 98, 118 cubile cubilia 63, 78, 91, 108 culex culix 63, 77, 79, 91, culicum genus, culicusgenus, 43, 63, 77, 79, 91, 118, 165 culpare culpat 63, 75, 90, 131

de-bellare debellans, depellans 82, 94, debellante 49, 63, 82, 91 debilitare debilitatus 94 de-clarare declarat 95, 96 de-currere decurrit 94 de-dicare 63, 83, 91, 94, 95, dedicatus, a, um 64, 83, 84, 91, 94, 95, dedicatu 83 de-esse de est, deest, teest 43, 63, 80, 91, 94, 96 de-fenerare defeneravit, defenerauit 64, 84, 91, 94 de-ferre (dif-ferre?) detullerunt, detulerunt 42, 45, 49, 64, 86, 92, 93, 95, delata, dilata 95, 96

cultus cultui 63, 73, 90

de-figere defixus 50, 63, 81, 91, 94, 109, 131

cunctare (cunctari) cunctans 75, 102, 107,

degere degit 94, 96

*cuncta sis 75, 102, 103, 107, *cunctassis

de-glut(t)ire degluttita, degluttiuit 94

42, 63, 75, 90, 102, 103, 106

de-hinc 95, 96

cunctus cunctis, cuctis 63, 76, 78, 79, 90, 91, 103, cuncti 63, 76, 90, 93, 103

de-hiscere deescens, dehiscens, deiscens 41, 63, 83, 91, 94

cuneus 63, 74, 90, 115

de-inceps 64, 84, 92, 95, 96

cupiditas cupiditas, cupitas 42, 63, 77, 78,

de-inde 95, 96

91, 102, 107 curia curia, cruria 36, 42, 63, 74, 90, 105, curiam 74 curriculum curriculum, curticulum 63, 75, 90, 93, 117, 128 cursus cursum 40, 47, 63, 76, 90, 93, 117, 128 custodia 63, 77, 91, 34, custodias 77 custos custus 42, 63, 79, 91, 105, 134 cymba cumba 74, cu(m)be, cumpe 27, 39, 41, 42, 43, 63, 73, 90 daedalus dedalus 95, 96 daps dabis, dapes, dapis, depis 42, 64, 71,

de-lat- s. de-ferre delectabilis delectabilia 36, 40, 63, 81, 91, 94 de-libere delibatus, delibutus, deliputus 42, 64, 84, 91, 94 delubrum delubra 95, 96 demum demu, demum 42, 64, 83, 84, 92, 93, 95, 103 de-negare denegat, denicat 36, 44, 63, 81, 91, 94, 97, 98, 110, 113, 128, 134 denique deneque, denique 41, 64, 84, 92, 95 de-nudare denudatus 120

80, 86, 92, 95, 106, dapibus, dabibus 63,

de-nuntiare 120

80, 86, 91, 96, 107, 129, 131, 165

de-ponere depositum 63, 82, 83, 91, 94,

dare dedunt 42, 45, 64, 83, 91, 94

107, 131

Register | 185

de-promere depromunt 42, 43, 85, 95,

eleganter eliganter 119

*depromunus 42, 43, 64, 85, 86, 92,

e-ligere electus 119

*depromuer(unt) 27, 39, 41, 43, 64, 85,

e-narrare 155

86, 92, 93, 95

epulae epulis 80

de-scendere descendit 63, 81, 91, 97, 98, 107, 127, 135

esca escis 80 esse est 155

de-siderare desideravi 94

excellens 122

de-sinere desinuit 94

ex-cludere 6, 82, 93

de-sipere desapit 42, 64, 86, 92, 93, 95

ex-oriri exortus 119

de-spicere despicit 94

experientia 152

de-stinare distenare 121

ex-periri 119, 120

deterior deterremu(m), deterremum,

ex-primere expremit 68

deterrimum 42, 85, 95, 105, *deterremur 42, 49, 64, 85, 92, 105, 165 de-trahere 73, 74, detrahit 73, 94, detrahens 121, *deratores 94

exsuperantia exsuperantia, exuperantia 149, 152 filius 119 flagrantia 121

de-tul- s. de-ferre

flagrare *flagor 121

deus 94, 95, deorum, deo(rum) 27, 39, 41,

frutectum 120

64, 86, 92, 95 de-vellere deuellemur, deuellimur,

funestus 120 funus 119

devellemur, 42, 64, 85, 92, 95, 96, 165,

gaetulia 120

deuellebat 96, devellebant 95

garrire 119

de-vincere devincire 74, devictissimo, divictissimo 94, 95 devotio deuocione , deuotione, devotione 41, 42, 45, 64, 83, 91, 94 devotus deuotus, devotus 64, 83, 91, 94

garrus 119 generare 119 genimen 120 genus 120, culicum genus, culicusgenus, 43, 63, 77, 79, 91, 118, 165

diadema 67

gignere 119

dicere dicunt 155

graecus 120

di-iudicare deiudicat 41, 63, 82, 91, 94, 106,

grata crata, grata 36, 42, 62, 71, 90, 101,

129

102, 117, 121, 155, gratissima 71

dilator delator, dilator 95, 96

grex gregis 119

disceptatio desceptatio 94

haesitare 115

divinus 120

haurire 120

ebrietas 121

imbuere inbuere 73, 74, inbuit 73, 129

ecclesia 119, 126

imperialis 67, 89, 127

edhon s. aedon

imperium 119, 122

egregius 119, 122

im-probus inprobus 119

elegans 119

in-citare 121

186 | Register

indicare 120

quis cuius 118

in-ebriare inebriatus 121

quis-piam cuius piam, cuiuspiam 35, 63, 76,

in-notescere 120

90, 93, 118

inquam inquiunt 155

regalis 120

instar 121

re-sonare resonans, rosonans 150

in-testabilis 119

sacculus sacculum 120

iubar 120

saginare saginatus 72

lurco 120

sagum 119

mactare mactat 122

scenopegia scenophigia 121

malus, a, um de malo, demalo 43, 64, 85,

servus 121

92, 93, 95, peiore 64, 85, 92, 93, 95

silex 119

mandere mandemes 119

simulare simulat 115

manifestare 120, 122

sonitus 151

manifeste 120

sorbellum 72

manifestus 119

splendescere splendiscere 120

maritus 119

squalor 120

memoria de memoria, dememoria 6, 43, 63,

stadium 121

82, 91, 93, 94, 143

stipare 121

monile 119

storia storio 120

nasci 119, nata est 66, 144, 146, 147

strepitus strepidus, strepitus 68, 119, 151

natio 120, 122

subito 66, 144, 146, 147

natura 120

syri syrum 155

nectar 121

temptamentum 119

nidor 121

temptare 120

noscere novisse 120, 122, norat 119, 122,

temptatio 119

notus 119

tempus temporis 63, 76, 90, 93, 103

obstinatus 120

testari 120

odor 121

*testimare? s. aestimare

olus 119, 122

thalamus 119

pars parte 94, 96

titillare 119

peior s. malus, a, um

trepidare trepitatus 119

pelta 74

tribus 120

pendere 119, 122

trutinare 120, 122

Petrus 155

turpedo turpido 120

pubes 119, 122

typus 121

puerperium 120

universus uniuersis 78, 79, 103

querel(l)a querilla 121

urbanus urbane 120

qui-libet cuius libet, cuiuslibet 35, 63, 77,

uti utimur 121

91, 93

vas uasa 69, 100

Register | 187

vel uel 72, 77

vir 119

verberare verberatur 121

vitulus 119

vinarius uinaria 69, 100

Althochdeutsche Interpretamente aus dem Abrogans (Lemmata-Ansätze nach Splett 1976) abuh aboh, abuh 149, 152

blickida plickhita 120

ackar akhar 120

bouhhan paukhan 121

al al, allem, allera, allero 63, 76, 78, 79, 93,

brema prema 63, 77, 79, 113, 118, 165

103

bremakunni s. brema, s. kunni

antheizi anthaizzo, antheizzo 83

bringan prahton 86, pringanti 86

antsazzit s. int-sezzen

brūhhen bruhemes, prukhumes 121

antwurti antuurti 63, 75, 112, 136

dank thankhe 121

bāgan pagit, pakit 44, 62, 66, 101, 110, 113,

danklīh danclih, danklih, thanglih, tunclih

131 bas pas ix, 6, 40, 62, 66, 97, 102, 113, 143, 144, 146, 148 bein pain 62, 72, 97, 98, 113, 127 irbeizen vrpaizzit 63, 81, 107, 113, 127, 135

62, 71, 111, 115, 118 denken thenkhen 121, danchit, denchit, thekit 62, 65, 101, 115, 118, 132 firdenken firthenkhen, furthencken 121 firdhenkhendi 121

beran peran 120, perant 85, peranti 86

dickinōdi thickhinodi 120

giberan kiperandi 120

drūbo drupo, thrupo 74, 113, 115

biblicken s. blicken

dunken thunken 121, thungitha, thunkhitha

bidwingan s. dwingan bifāhan s. fāhan bifelahan s. felahan bihaltāri s. bihaltāri bihaltida s. haltida biheltī s. heltī

111, 121 bidwingan piduuingit 62, 67, pidungan, piduungan, pithungan 62, 67, 110, 113, 115, pithunkit 68 gidwingan kaduingan, dathumgit, kithuunkit 68

bikimbōt s. kimbōt

einkirbi einkhirpi 120

bikleimen s. kleimen

einquiti ainqiti, enquidi 83

bisiuwen s. siuwen

enti endi 70

bismizzen s. smizzen

bifāhan pifahan, pifangan, pifangen 44, 62,

bisprehhan s. sprehhan bisuonen s. suonen biziohan s. ziohan

66, 110, 113 missafāhan missafahit, misfahit 63, 75, 101, 131, 136

blāo plao 70

falawiscōn phalauuiskhundi 121

bleih pleih 70

fargnitān s. gnitān

bleihhēn plaihendi 70

fārunga farunga, farunka 66, 146f.

biblicken piplickhen 120

faz 69

188 | Register

fehtan fehtant 82, 103, 112, fehtandi, fehtanti 41, 49, 63, 82, 112

gimahhida s. mahhida ginuhtsam s. nuhtsam

feizit 72

gireckida s. reckida

bifelahan pifolahan, pifolhan 62, 73, 113

girnessī firnessi, furnessi, girnessi 63, 67,

festinōn cafastinot, gafastinot, gifastinot, kifestinot 36, 63, 81, 109, 131

77, 78, 81, 102, 106, 107, 134 giscaft s. scaft

filu 151

gisticken s. sticken

firdenken s. denken

gitrink s. trink

firināri 62, 69

giwirki s. wirki

firinhaft 62, 71

giwirkida s. wirkida

firinlīh 62, 71

giwonahait s. wonahait

firlougnen s. lougnen

giwurti s. wurti

firneman s. neman

fargnitān farchritit, fargnidit, fircnitit 86

firtuon s. tuon

got coto, cotto 86

flioga fliuga 77

gotkund(i) kotkhunthi 120

fogal focal, fogal 36, 63, 77, 79, 99, 110

guot s. bas

fogalkunni fogalkhunni 120

bihaltāri phaltari, pihaltari 63, 79, 100, 106,

fona 6, 44, 63, 82, 84, 119, 143

112, 113, 134

framkneht framkhehta 120

bihaltida pihaltida 77

gifrēhtigōn cafraehticota, kifrehticota,

biheltī pihalti 63, 77, 112, 113, 134

kifrehtigota 84 fuoten fodit, fotit, fouit 72, gifotit, kifotit 62, 72, 109, 112, 129

hintarōsto hintirostin 84 in 121, 149, 152 intlūhhan s. lūhhan

furinessi s. girnessī

intnackutōn s. nackutōn

gāhi khahi 122

intsezzen s. sezzen

geban kepant 83

irbeizen s. beizen

giberan s. beran

irkennen s. kennen

gidwingan s. dwingan

irwecken s. wecken

gifrēhtigōn s. frēhtigōn

kalb khalp 119

gihugtī gahucti, gihugti, kihucti 6, 44, 63,

karkella kharkhella 121

82, 109, 110, 143 gikennen s. kennen gikēren s. kēren gikoranlīhho s. koranlīhho gikouwarōn s. kouwarōn gikunden s. kunden

karl kharl 119 keisarlīh chaisurlih, keisurlih, khaisorlih 62, 67, 100, 101, 109, 118, 125, 127, 136, 138 keisartuom kheisartoam, kheisartom 119, 122, 125

gikunni s. kunni

kelatuoh khelatoah, khelotuh 119

gilīhhida s. līhhida

kemināta kheminata 119

gilouban s. louban

gikennen kikhennen 119

Register | 189

irkennen irkhennen 119

gikunden kikhunthen 120, 122

gikēren kikheren 119

kundlīhho khundlihho 120

kerran kherran, kherrant(?)di 119

kundo k(h)ouuuntheo 120

kerrari kherrari 119

kuninglīh khuninclih 120

kerza kherza 119

kunnan khunnan 120, 122, khan 119, 122

bikimbōt pikhimpot 119

kunnēn khunnen 120, 122, kikhunnen 120,

kind khind 119 kindiscī khindiski 119, 122 kiosan kakhoran, kichoran, kikhoran 122 kikhoranem 119, kheosan 119, 122 kirihha khirihha 119, 125 kisil khisil 119 kiuwan khiuuuemes 119

kikhunnet 120 kunni chunni 63, 77, 79, 113, 118, 165, khuni, khunni 120 gikunni cachunni, kichunni, kikhunni 120, 122 ubarladan uparhlatan, vparhaltan 62, 68, 106, 112, 113, 117, 165

kizzilon khizilon 119

leckāri lekhari 120

bikleimen pikhlemen 120

gilīhhida kilihida 154

klingan chlingit, clingit, klinkit 62, 72, 110,

gilouban gilaupta, kalaupta, kilaupta 36,

118 kneht khne(h)t 120 kōl khol 119, 122 konka khorca 121 kora khora 119 gikoranlīhho kikhoranlihho 119 korōn khoron 119 korōnōn kikhoronot 119

62, 69, 109, 113, 128 firlougnen farlaucnen, farlaugnen, ferlaucnen 81, 110, 134, furlaugnit 44, 63, 67, 78, 81, 106, 110, 128, 134, 149 louft hlauft, hlaust 36, 63, 75, 76, 93, 117, 128 intlūhhan antluhhan 155, inluhenti, inlukhendi 83

korunga khorunka 119

intnackutōn s. nackutōn

gikouwarōn kikhauuuaron 119

lusten luste 35, 63, 77, 93

kraft khraft 120

lustlīh 63, 81, 103, 109

krecken/krehhen ? s. kriegen

lūten hlutendi 150, 151

kriegen chregenti, chrekendi, khregendi,

lūti hluti 151

khregenti, krekendi ix, 62, 69, 100, 102, 110, 112, 118, 130, 148, 149, 150, 151, 152, 154, 157 kriehhisc khrechisc 120 krucka kruhkhe 120

gimahhida gimahhida, kamahida, kimahhita, kimahida 74, 109, 115, 131 mezzi meizi, mezzi 80, 86 mezzimuos mazzimos, mezzimos 63, 80, 86, 101, 107, 129, 131, 165

krūzi chruces 62, 71, 97, 118

missafāhan s. fāhan

kumbalboro khunpalporo 119

morgan morgan, morgane 62, 71, 97, 98,

kunawid khunauuith 119

110

kund khund, khunt 119

mugga mucca 77

kunden khunten 120

muos moas 80

190 | Register

mūwerf muuuerf, mu . uuerf 35, 63, 78, 108

spanan spananteo, spanantio 148

intnackutōn innakhutod 120

zisperi za spari, zisperi 84

firneman farnoman, firnoman, fornoman,

bisprehhan pisprehanti 121, pisprekhkendi

furnoman 36, 40, 44, 62, 67, 78, 81, 106, 134 ginuhtsam canuhtsam, ginuhtsamota,

121 stenka stenkhe 121 sticken stikhen 121

ginuhtsamosta, kinuhtsamorta 40, 63, 78,

gisticken kistikhen 121

102

stredan ? strekendi 151

nuz nazze, nuzze 50, 73, 102, 106, 107 oba opa 146

stripalēn stripelendi, striplendi, striplenti 62, 68, 100, 101, 112, 113, 151

odo edho, edo 72, 77

stucki stukhi 121

quedan quedant 155

bisuonen pisonit 63, 82, 106, 113, 129, 150,

ūfqueman uf khuman 119

pisonen 113

recken regent 155

swebēn suuepenti 146

gireckida kirekhitha 120

swedan suedan 62, 70, 100, 115, suuethan

sagen sagent 155

70, 100, 115

scaffo scaffo, scapheo 72

swecke suuekhe 121

scaffōn scaffento 62, 72, 102, 108, 112,

swelkan suuelkhendi 121

scaffonti 72, 108

swenken suuenkhit 121

giscaft giscaft, kascaft, kiscaft 62, 66, 109

swimman suimmanti, suuimmandi 66, 146f.

scalk scalkh 121

gitrink kadringum, kidrinchum 111

sculdīgnessī sculdicnassi, sculdicnessi,

trinkan trinkhan 121

sculdicnusse 83 secka seickhe 121

ubartrinkan upardrunkhan, upartrunkan 68, 121, upartrunkhani 121

seckilīn sahkhilin 120

firtuon fartanosta, firtanosta, furtanosta 85

sezzen casazzit, kisezzit, uesacit 82, 131,

ubar upar 78, 79, 103

136 intsezzen antsazzit 63, 82, 101, 107, 112, 131, 136

ubaral upar al, uparal, vparal 63, 76, 79, 113 ubarladan s. ladan ubartrinkan s. trinkan

sigihelm sikihelm 67

ubil upile 85

sīn s. wesan

ūfqueman s. queman

bisiuwen pisiuuit 74

umbilouft umpihlauft, vmpilauft 63, 75, 76,

smerzan smerzan 70, smerzanti, smerzzendi 71

93, 100, 113, 117, 128 ungikorōt unkikhorot 119

bismizzen pismicit, pismizzit 84

ungikundlīh unkikhuntlih 119

sō so 76

unkūski unkhuski 120

sōwelīh souuelih 63, 76, 77, 93, 101, 107,

unlāt ? unlad, unlat 149, 152

109, 118, so uueliher 101, 107, so uuelihes

untarosto undarostin, untarostin 84

77, 106, souuelies 35, 63, 77, 93, 106, 118

urwerf uruuerf 152

Register | 191

wahsan uuahsandi, uuahsanti 62, 68, 101, 112 walugiri walagiri, walakiri, walugiri, walukiri, uualogiri, uualokiri, uualugiri 70,

ziwerfan zauuerfemes, zeuuerfumes, ziuuerfames 85 wesan ist ix, 6, 40, 62, 63, 66, 80, 97, 102, 113, 143, 144, 146, 148, si 72

109, 111, uualokirem 70, 106, uualugirerim

wīhen uuihen 83

62, 70, 106, 109

wīn uuines 69

walugirida walugirida, walukirida,

wīnfaz vuinuas 62, 89, 100, 107

uualogirida, uualugiridha, uualukirida 70,

giwirki kiuuirkhi 121

111

giwirkida kiuuirkhitha 121

wan vuan, uuan, uuana, uuan, uuanna 63, 80, 103 wānen uuannentem, uuannenten 40, 62, 66, 86, 112, 116 weban uuependi, uuepanti, uuepitenti ix, 6, 40, 62, 66, 97, 102, 112, 113, 143, 144, 146, 147, 148 (verlesen für swebēn)

wirsiro, wirsōro uuirsiro, uuirsoro 85 giwonahait 62, 65, 97, 98, 100, 109, 127 wurgen uurkhit, uurgit 122 wurmkunni uur[m]khunni 120 giwurti cadiuuurti, khauurti 122 biziohan bisiuwen 74, piciuuit, piziuhit, piziuuit, pizuhit 73, 74, 107, 129

irwecken iruuegkhen 121

zisperi s. speri

welīh uualih 132, uualihhiu 132, uuelies,

zīt citeo, ziteo, ziti 76, 103, 107, 112

uuelihes 132 giwelīh cauualih 103

ziwerfan s. werfan zwehōn queon 115, queot 115, queondi,

wellen gauualit 81, 103

quehonti, zueondi, zuonti 63, 75, 103, 112,

weraltkraft uueraltkhraft 120

115

Abrogans-Stellen Ad Nr. 1 62, 65, 89, 101, 115, 118, 132

Ad Nr. 11 62, 68, 88, 89, 101, 102, 112

Ad Nr. 2 62, 65, 89, 97, 98, 99, 100, 102,

Ad Nr. 12 62, 68, 89, 106, 112, 113, 117, 165

109, 127, 133 Ad Nr. 3 44, 62, 66, 89, 102, 110, 113, 131 Ad Nr. 4 40, 62, 66, 86, 89, 112, 116 Ad Nr. 5 62, 66, 89, 102, 109, 133 Ad Nr. 6 44, 62, 66, 89, 102, 110, 113, 134 Ad Nr. 7 ix, 6, 40, 62, 66, 89, 97, 102, 107, 112, 113, 143 Ad Nr. 8 62, 67, 89, 100, 101, 109, 118, 127, 136, 138 Ad Nr. 9 36, 40, 44, 62, 67, 78, 81, 89, 106, 134 Ad Nr. 10 62, 67, 89, 110, 113, 115, 134

Ad Nr. 13 62, 68, 89, 100, 101, 112, 113, 151 Ad Nr. 14 ix, 62, 69, 89, 100, 101, 110, 112, 118, 130, 148, 149, 151 Ad Nr. 15 36, 62, 69, 89, 102, 109, 113, 128, 133 Ad Nr. 16 62, 69, 89, 100, 107 Ad Nr. 17 62, 69, 90 Ad Nr. 18 62, 70, 90, 106, 109, 111 Ad Nr. 19 62, 70, 90, 115 Ad Nr. 20 62, 70, 90 Ad Nr. 21 62, 71, 90, 97, 99, 110 Ad Nr. 22 62, 71, 40, 42, 90, 98

192 | Register

Ad Nr. 23 62, 71, 90, 97, 98, 99, 118 Ad Nr. 24 36, 42, 62, 71, 90, 101, 102, 111, 115, 118, 155 Ad Nr. 25 62, 71, 90 Ad Nr. 26 62, 72, 90, 98, 102, 109, 112, 129, 133 Ad Nr. 27 41, 62, 72, 90, 110, 118 Ad Nr. 28 62, 72, 90, 97, 98, 99, 113, 127

Ad Nr. 46 27, 39, 40, 41, 63, 78, 91, 102, 106, 107, 109, 133 Ad Nr. 47 63, 78, 91, 103 Ad Nr. 48 42, 63, 79, 91, 100, 106, 112, 113, 134 Ad Nr. 49 43, 63, 77, 79, 91, 113, 118, 165 Ad Nr. 50 63, 80, 86, 88, 91, 96, 101, 107, 129, 131, 165

Ad Nr. 29 62, 72, 90, 92, 102, 108, 112

Ad Nr. 51 43, 63, 80, 91, 94, 96, 103

Ad Nr. 30 62, 73, 88, 90, 113, 134

Ad Nr. 52 36, 44, 63, 67, 78, 81, 91, 94, 97,

Ad Nr. 31 63, 73, 87, 88, 134 Ad Nr. 31.1 50, 73, 90, 102, 106, 107 Ad Nr. 31.2 27, 39, 41, 42, 43, 73, 90, 113, 129 Ad Nr. 32 63, 74, 88, 102, 109, 115, 133 Ad Nr. 32.1 36, 42, 74, 90, 105, 107, 109, 131 Ad Nr. 32.2 74, 90, 107, 113 Ad Nr. 33 42, 63, 75, 90, 102, 103, 107, 112, 113, 115 Ad Nr. 34 63, 75, 90, 101, 131, 136 Ad Nr. 35 42, 63, 75, 90, 102, 105, 107, 112, 136 Ad Nr. 36 63, 75, 76, 90, 93, 100, 113, 117, 128

99, 106, 110, 128, 134, 149 Ad Nr. 53 36, 50, 63, 81, 89, 91, 94, 102, 109, 131, 133 Ad Nr. 54 36, 40, 63, 81, 89, 91, 94, 102, 103, 109 Ad Nr. 55 63, 81, 91, 97, 99, 107, 113, 127, 135 Ad Nr. 56 6, 43, 44, 63, 82, 91, 94, 102, 109, 110, 143 Ad Nr. 57 41, 49, 63, 82, 91, 94, 103, 112, 113 Ad Nr. 58 41, 63, 82, 91, 94, 106, 113, 129, 150 Ad Nr. 59 63, 82, 91, 94, 101, 107, 112, 131, 136 Ad Nr. 60 41, 63, 83, 91, 94

Ad Nr. 37 63, 76, 90, 93, 102, 103, 107, 112

Ad Nr. 61 83, 91, 94, 95

Ad Nr. 38 36, 40, 47, 63, 75, 76, 90, 93, 117,

Ad Nr. 62 64, 83, 84, 91, 94

128

Ad Nr. 63 41, 42, 45, 64, 83, 91, 94

Ad Nr. 39 63, 76, 87, 79, 90, 113

Ad Nr. 64 42, 45, 64, 83, 91, 94

Ad Nr. 40 35, 63, 76, 77, 90, 93, 101, 107,

Ad Nr. 65 64, 83, 91, 94

109, 132 Ad Nr. 41 35, 63, 77, 91, 93, 102, 106, 107, 118, 132

Ad Nr. 66 64, 84, 91, 94, 95 Ad Nr. 67 42, 64, 84, 91, 94, 95 Ad Nr. 68 42, 64, 83, 84, 92, 93, 95, 103

Ad Nr. 42 36, 63, 77, 79, 91, 99, 110

Ad Nr. 69 41, 64, 84, 92, 93, 95

Ad Nr. 43 63, 77, 91, 93, 112, 113, 134

Ad Nr. 70 64, 84, 92, 95

Ad Nr. 44 42, 63, 67, 77, 81, 91, 102, 106,

Ad Nr. 71 42, 64, 85, 88, 92, 95, 165

107, 134 Ad Nr. 45 35, 63, 78, 91, 108

Ad Nr. 72 42, 49, 64, 85, 92, 93, 95, 105, 165 Ad Nr. 73 43, 64, 85, 92, 93, 95 Ad Nr. 74 42, 43, 64, 85, 92, 95

Register | 193

Ad Nr. 75 27, 39, 41, 43, 64, 85, 86, 92, 93, 95

StSG I, 74.6 74, 90 StSG I, 74.9 75, 90

Ad Nr. 76 42, 45, 49, 64, 86, 92, 93, 95

StSG I, 75.2 66, 102, 146, 147

Ad Nr. 77 42, 64, 71, 80, 86, 92, 95, 106

StSG I, 76.2 68

Ad Nr. 78 27, 39, 41, 64, 86, 92, 95

StSG I, 76.11 111

Ad Nr. 79 42, 64, 86, 92, 95

StSG I, 76.35 75, 90

StSG I, 2.27 91

StSG I, 77.21 120

StSG I, 3.16 81, 91

StSG I, 78.4 70, 112

StSG I, 7.23 120

StSG I, 80.8 68

StSG I, 7.26 81, 91

StSG I, 80.9 89

StSG I, 10.4 81, 91

StSG I, 80.38 89, 68, 151

StSG I, 10.14 81, 91

StSG I, 81.5 121

StSG I, 12.3 70, 112

StSG I, 81.12 121

StSG I, 16.2 66, 89

StSG I, 82.2 69, 89, 149, 150

StSG I, 18.26 66

StSG I, 85.10 119

StSG I, 22.4 80, 91

StSG I, 86.5 69, 89

StSG I, 27.18 67

StSG I, 86.11 69, 89, 100

StSG I, 28.3 146

StSG I, 87.24 120

StSG I, 34.25 68, 89

StSG I, 87.25 121

StSG I, 42.1 96

StSG I, 88.3 66, 89

StSG I, 44.14 65

StSG I, 88.38 66, 89

StSG I, 45.37 121

StSG I, 84.18 66, 89

StSG I, 46.7 82, 91

StSG I, 89.12 120

StSG I, 49.25 120

StSG I, 89.15 120

StSG I, 50.31 68, 89

StSG I, 89.22 119

StSG I, 52.23 82, 91

StSG I, 90.30 75, 90

StSG I, 58.29 72

StSG I, 90.32 75, 90

StSG I, 58.31 72, 90

StSG I, 90.33 76, 90, 91

StSG I, 60.33 66, 89

StSG I, 90.34 76, 90

StSG I, 60.37 66

StSG I, 90.35 76, 78, 90

StSG I, 60.38 67, 89

StSG I, 90.41 67, 89

StSG I, 61.16 119

StSG I, 91.3 120

StSG I, 64.30 82, 91

StSG I, 91.18 122

StSG I, 66.1 73, 90

StSG I, 91.25 120

StSG I, 66.8 73, 90

StSG I, 91.35 78

StSG I, 68.19 74

StSG I, 92.6 76, 90

StSG I, 70.31 73

StSG I, 92.7 77, 91

StSG I, 72.29 74, 90

StSG I, 92.25 77, 91

StSG I, 74.2 89, 144, 146

StSG I, 92.39 73, 90

194 | Register

StSG I, 93.30 119

StSG I, 104.25 67, 89

StSG I, 94.1 82, 91

StSG I, 105.23 120

StSG I, 95.5 120

StSG I, 106.20 97

StSG I, 95.7 119

StSG I, 107.17 120

StSG I, 96.5 83, 91

StSG I, 107.26 119

StSG I, 96.17 83, 91

StSG I, 108.13 78

StSG I, 96.27 83, 91

StSG I, 109.23 121

StSG I, 96.31 83, 91

StSG I, 110.18 70, 90

StSG I, 96.32 83, 91

StSG I, 112.39 66, 89

StSG I, 96.34 83, 91

StSG I, 113.27 121

StSG I, 96.37 84, 91

StSG I, 114.1 97

StSG I, 97.3 83, 91

StSG I, 115.13 119, 120

StSG I, 97.32 83

StSG I, 115.25 119

StSG I, 98.3 84

StSG I, 116.8 71, 90

StSG I, 98.6 84, 92

StSG I, 117.7 119

StSG I, 98.7 84, 92

StSG I, 117.29 120

StSG I, 98.10 84, 91

StSG I, 117.33 120

StSG I, 98.11 96

StSG I, 118.35 146

StSG I, 98.21 96

StSG I, 120.12 119

StSG I, 98.29 96

StSG I, 122.15 68, 77

StSG I, 98.31 69, 90

StSG I, 122.18 67, 89

StSG I, 98.34 96

StSG I, 123.15 68

StSG I, 98.38 96

StSG I, 126.15 77, 91

StSG I, 98.40 96

StSG I, 128.20 119

StSG I, 100.12 96

StSG I, 129.3 119

StSG I, 100.18 96

StSG I, 129.11 120

StSG I, 100.20 84, 92

StSG I, 129.13 120

StSG I, 100.23 84, 92

StSG I, 132.38 70, 90

StSG I, 100.24 84, 92

StSG I, 134.22 70, 90

StSG I, 100.26 84, 92

StSG I, 135.26 119

StSG I, 100.28 86, 92

StSG I, 135.27 120

StSG I, 100.29 86, 92

StSG I, 136.28 155

StSG I, 100.30 92, 86, 97

StSG I, 136.32f. 69, 149, 151, 152, 153

StSG I, 100.32 80, 91

StSG I, 137.35 120

StSG I, 102.3 86, 92

StSG I, 139.9 121

StSG I, 102.6 86, 92

StSG I, 140.16 71, 90

StSG I, 103.28 120

StSG I, 140.35 78

StSG I, 103.29 120

StSG I, 141.14 120

StSG I, 104.21 67

StSG I, 141.25 121

Register | 195

StSG I, 142.24 68

StSG I, 191.26 120

StSG I, 143.17 121

StSG I, 195.10 120

StSG I, 143.21 121

StSG I, 196.1 79, 91

StSG I, 143.23 121

StSG I, 197.20 119

StSG I, 147.19 119

StSG I, 200.13 120

StSG I, 147.24 120

StSG I, 201.16 119

StSG I, 149.3 120

StSG I, 202.4 119

StSG I, 150.30 72

StSG I, 202.36 97

StSG I, 151.1 121

StSG I, 203.3 119

StSG I, 151.6 120

StSG I, 203.18 78, 91

StSG I, 155.22 119

StSG I, 203.28 78, 91

StSG I, 155.29 119

StSG I, 203.40 120

StSG I, 156.14 115

StSG I, 204.32 119

StSG I, 156.35 70, 112

StSG I, 204.35 119

StSG I, 161.13 119

StSG I, 205.1 119

StSG I, 161.16 119

StSG I, 205.17 119, 121

StSG I, 161.26 71

StSG I, 205.29 121

StSG I, 162.34 65, 89

StSG I, 206.18 119

StSG I, 163.24 119

StSG I, 206.32 120

StSG I, 164.38 120

StSG I, 208.14 119, 120

StSG I, 165.11 120

StSG I, 208.35 121

StSG I, 165.39 120

StSG I, 210.5 121

StSG I, 167.7 120

StSG I, 210.37 119, 120

StSG I, 167.22 121

StSG I, 211.4 120

StSG I, 167.24 120

StSG I, 211.28 120

StSG I, 168.16 115

StSG I, 211.29 120

StSG I, 173.13 119

StSG I, 212.29 121

StSG I, 174.28 111

StSG I, 213.8 146

StSG I, 175.20 119

StSG I, 213.10 146

StSG I, 175.28 121

StSG I, 213.22 120

StSG I, 175.35 121

StSG I, 213.25 146

StSG I, 177.28 120

StSG I, 214.1 121

StSG I, 177.33 120

StSG I, 214.2 121

StSG I, 180.14 155

StSG I, 214.11 97

StSG I, 183.19 120

StSG I, 214.28 119

StSG I, 184.5 77, 91

StSG I, 214.31 119

StSG I, 184.13 70, 112

StSG I, 215.26 71, 90

StSG I, 184.39 73

StSG I, 216.24 119

StSG I, 187.13 119

StSG I, 217.8 119

196 | Register

StSG I, 218.26 68, 89

StSG I, 254.6 119

StSG I, 219.14 146

StSG I, 254.19 121

StSG I, 219.23 72, 90

StSG I, 254.28 68

StSG I, 220.33 119

StSG I, 255.8 79, 91

StSG I, 223.22 120

StSG I, 255.13 119

StSG I, 224.4 121

StSG I, 256.16 119

StSG I, 226.24 119

StSG I, 258.36 121

StSG I, 232.36 119

StSG I, 259.7 120

StSG I, 233.17 120

StSG I, 260.9 121

StSG I, 233.25 120

StSG I, 260.20 119

StSG I, 234.13 120

StSG I, 261.11 121

StSG I, 237.18 121

StSG I, 261.30 120

StSG I, 242.11 70

StSG I, 264.17 121

StSG I, 242.36 120

StSG I, 264.37 120

StSG I, 247.33 68

StSG I, 265.26 72, 90

StSG I, 250.4 121

StSG I, 267.12 119

StSG I, 250.30 119, 146

StSG I, 267.23 65, 89, 121

StSG I, 252.28 68

StSG I, 268.31 98

StSG I, 252.37 121

StSG I, 268.33 121

StSG I, 253.8 121

StSG I, 269.2 121

StSG I, 253.12 121

StSG IV, 138.22 71

StSG I, 253.29 120

Autoren und Werke Abavus-Glossar 17, 31, 99, 124, 145

Cosmographia (Aethicus) 53, 57

Abba-Glossar 79, 98, 99, 113

Edictus Rothari 79

Admonitio generalis 15, 43

Epistola de litteris colendis 13, 43

Admonter Riesenbibel 16, 21

Evangeliar des Kustos Berchtolt 21

Aethicus 53, 57

Expositiones symbolorum et orationis

Affatim-Glossar 146, 150 Alemannische Psalmen 129, 131

dominicae 57 Freisinger Paternoster 134

Alexander (Ulrich von Etzenbach) 23

Gennadius von Marseille 2

Althochdeutsche Benediktinerregel 56, 114,

Glose de divinis sermonibus 98

116, 128, 129, 131, 136

Godescalc-Evangelistar 46

Althochdeutscher Isidor 15, 78

Gregor der Große 124, 156, 157

Arbeo von Freising 3

Heinrich von München 23

Beda Venerabilis 18

De Heinrico 122

Benediktinerregel 5, 56, 66, 111

Heliand 2

Bienensegen von St. Peter 18

Isidor von Sevilla 15

Register | 197

Ja (Glossar) 131

Psalterium Gallicanum mit Cantica 31

Jb (Glossar) 57, 124

Rb (Glossar) 66, 112, 129, 131, 136, 156

Jodokus Metzler 3

Rd (Glossar) 124

Kero 3

Reichenauer Hymnen s. Murbacher Hymnen

Liber ecclesiasticorum dogmatum 2

Salomonisches Glossar 125

Libri Prophetarum 22

Samanunga worto x, 5, 6, 88, 99, 103, 117,

Magnum Legendarium Austriacum 10

124, 131, 135, 144

Maurdramnusbibel 41, 46

Secretarius 24, 25, 26, 35, 159

Mondseer Homiliar 22

St. Galler Glaube und Beichte 66

Mondseer Prachtpsalterium 48

St. Galler Paternoster und Credo 3, 111,

Monseer Fragmente 15, 54, 78, 122, 126, 131, 135, 136 Murbacher Hymnen 57, 66, 111, 116, 123, 128, 129, 131, 136

122f., 124, 128 St. Pauler Lukasglossen 1, 15, 65, 67, 125, 128 Tatian 67, 136, 138

Muspilli 67, 126

Ulrich von Etzenbach 23

Notitia de servitio monasteriorum 13

Vocabularius S. Galli 117, 129, 131

Notker der Deutsche 77, 78, 118

Vorauer Beichte 15

Origenes 18

Weißenburger Katechismus 112

Otfrid von Weißenburg 2, 4, 67, 78, 112, 121,

Winithar 29

125, 136, 138 Pa (Glossar) 130

Wolfcoz-Psalter 31 Würzburger Canonesglossen 65

Psalter von Montpellier 14, 54

Handschriften (ohne Pa, K, Ra und Ad) Admont, Stiftsbibl.

Fragm. B 12 22

Cod. 1 16

Fragm. B 33 23

Cod. 2 16

Fragm. B 36 23

Cod. 24 10

Fragm. B 38 18

Cod. 25 10

Fragm. B 38a 23

Cod. 244 18

Fragm. B 39 18

Cod. 285 18

Fragm. C 121 18

Cod. 511 21 Cod. 567 18 Cod. 575 18 Cod. 575a 18 Cod. C 16

Fragm. C 472 53 Augsburg, Archiv des Bistums Hs. 10 111 Hannover, Landesbibl. Ms. I 20b 54

Cod. D 16

Karlsruhe, Landesbibl.

Cod. E 16

Cod. Aug. Fr. 147 125

Fragm. B 3 23

Cod. Aug. perg. 99 115, 116, 124

198 | Register

Cod. Aug. perg. 248 3, 109, 110, 113 Klosterneuburg, Stiftsbibl. CCl 848 17 Krakau, Bibl. Jagiellońska Berol. Ms. lat. qu. 676 111, 135 Kremsmünster, Stiftsbibl. CC Cim. 1 14, 55 Metz, Stadtbibl. Ms. 226 43 Montpellier, Bibl. Universitaire de Médecine H 409 14, 48, 54 München, Staatsbibl. Cgm 14 125

Prag, Nationalbibl. Cod. XXIII.E.54 5, 34, 110, 112, 128, 132 Salzburg, St. Peter Cod. a VII 2 108, 110, 127, 128, 130, 132 Cod. a VII 3 18 St. Florian, Stiftsbibl. Cod. III 222B 125 St. Gallen, Kantonsbibl. VadSlg Ms. 70a 1 St. Gallen, Stiftsarchiv I 3 29 I 106 45 St. Gallen, Stiftsbibl.

Cgm 5248/2,II 126

Cod. Sang. 20 31

Clm 4554 133

Cod. Sang. 40 44

Clm 4614 124

Cod. Sang. 44 44

Clm 5153a 124

Cod. Sang. 193 124

Clm 6263 156

Cod. Sang. 217 133

Clm 6272 106, 134

Cod. Sang. 286 110, 134

Clm 6277 110

Cod. Sang. 292 126

Clm 6293 110, 130, 133, 134, 135, 136

Cod. Sang. 912 99

Clm 6300 127, 130, 131, 133 Clm 6333 58 Clm 6383 133 Clm 12632 55 Clm 13002 81 Clm 14395 126 Clm 14461 126 Clm 14747 81, 108, 117, 126

Cod. Sang. 916 56, 111 St. Paul, Stiftsbibl. Cod. 1/8 15, 116 Straßburg, National- und Universitätsbibl. ms. 2540 15 Stuttgart, Landesbibl. HB II 54 39 Vatikan, Bibl. Apostolica Vaticana

Clm 17403 81

Ottob. lat. 3295 117, 126, 134f.

Clm 18140 157

Pal. lat. 218 56

Clm 18547b 114, 137

Vat. lat. 3313 49

Clm 18550 117, 130 Clm 22201 81 Oxford, Bodleian Libr. Junius 25 57, 116, 124 Laud Misc. 126 43 Paris, Bibl. Nationale Ms. lat. 2326 15

Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv Hs. B 70 14 Hs. R 139 9 Wien, Österr. Nationalbibl. Cod. 89 17 Cod. 162 124 Cod. 751 15

Register | 199

Cod. 949 125 Cod. 1014 54 Cod. 1815 15 Cod. 2681 15 Cod. 2687 15 Cod. 2732 81 Cod. 2997 15 Cod. 3093* 15, 54 Cod. Ser. n. 2701 16, 21 Cod. Ser. n. 2702 16, 21 Wolfenbüttel, Herzog August Bibl. Helmst. 496a 43 Zwettl, Stiftsbibl. Cod. 1 125