114 95 2MB
German Pages 192 [193] Year 2024
Anselm Demattio ›Agenda oder Hanndt Buechlin‹
Studien zur Pastoralliturgie · Band 50 Herausgegeben von Stefan Kopp
Anselm Demattio
›Agenda oder Hanndt Buechlin‹ Der Codex 107 der Stiftsbibliothek Kremsmünster als Dokument katholischer Liturgie im Kontext der Reformation Edition und Kommentar
Verlag Friedrich Pustet Regensburg
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.dnb.de abrufbar.
© 2024 Verlag Friedrich Pustet, Regensburg Gutenbergstraße 8 | 93051 Regensburg Tel. 0941/920220 | [email protected] ISSN 0341-6909 ISBN 978-3-7917-3454-5 Reihen-/Umschlaggestaltung: www.martinveicht.de Druck und Bindung: Friedrich Pustet, Regensburg Printed in Germany 2024 eISBN 978-3-7917-7462-6 (pdf) Unser gesamtes Programm finden Sie unter www.verlag-pustet.de
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ......................................................................................................... 9 Siglen und Abkürzungen .............................................................................. 11 Einleitung ..................................................................................................... 15 Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse 1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 2 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6
Der CC 107 im Kontext seiner Entstehung ......................................... 23 Die Vorgeschichte der Reformation in Oberösterreich ....................... 23 Der Prozess der doppelten Konfessionalisierung in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ................................................................. 28 Biographische Notizen zum Autor Magister Sebastian Krabler ......... 33 Die Entstehungsgeschichte des Textes ................................................ 37 Zustand und Geschichte des CC 107 .................................................. 43 Fazit Erstes Kapitel ............................................................................. 46
2.7 2.8 2.9
Die Agende des CC 107 ...................................................................... 47 Textgattung, Inhaltsübersicht und Charakteristika .............................. 47 Feier der Taufe (De Baptismo) ........................................................... 53 Segnung der Mutter (Ad Introducendum mulierem) ........................... 53 Gebete und Vermahnung zur Beichte ................................................. 56 Gebete und Vermahnung zur Eucharistie ........................................... 62 Feier der Trauung (Copulatio Sponsi et Sponsae und Vermahnung nach der Hochzeit) .............................................................................. 71 Begräbnis (Vermahnung bei einer Leich) ........................................... 81 Zwei Gebete für die Obrigkeit ............................................................ 89 Fazit Zweites Kapitel .......................................................................... 94
3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5
Der Ritus der Taufe im CC 107 .......................................................... 97 Zur Theologie des Taufsakramentes bei Krabler ................................ 97 Katechetische Liturgieerklärung ....................................................... 102 Ablauf der Taufe bis zu den Exorzismen (Nr. 1–26) ........................ 110 Ablauf der Taufe ab der Evangelienlesung (Nr. 26–45) ................... 116 Fazit Drittes Kapitel .......................................................................... 127
Conclusio ................................................................................................... 128
6
Inhaltsverzeichnis
Teil B: Agenda oder Hanndt Buechlin colligiert durch Sebastian Krabler (CC 107) 1
Editorische Hinweise ........................................................................ 137
2
Titel und Inhaltsverzeichnis .............................................................. 139
3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 3.8 3.9 3.10
Feier der Taufe / De Baptismo .......................................................... 141 Ansprache an die Anwesenden ......................................................... 141 Einleitungsoration und -fragen .......................................................... 143 Erste Absage, Exsufflation, Signation .............................................. 143 Die Salzzeremonie ............................................................................ 145 Die Exorzismen von der Salzzeremonie bis zu den Übergaben ........ 145 Übergaben und Schlußexorzismus .................................................... 147 Effeta-Ritus und Einführung in die Kirche ....................................... 149 Letzte Absagen, Glaubensfragen, Ölsalbung .................................... 149 Der Taufakt ....................................................................................... 150 Die Riten nach der Taufe .................................................................. 151
4 4.1 4.2 4.3
Segnung der Mutter / Ad Introducendum Mulierem ......................... 152 Psalm 120 mit Abschlussvers ........................................................... 152 Zwei Orationen ................................................................................. 153 Abschlussformel ............................................................................... 153
5 5.1 5.2 5.3
Gebete und Vermahnung zur Beichte ............................................... 154 Vermahnung zur Beichte .................................................................. 154 Forma Absolutionis allgemein .......................................................... 157 Forma Absolutionis zum Jubeljahr ................................................... 157
6 6.1 6.2 6.3 6.4
Gebete und Vermahnung zur Eucharistie ......................................... 159 Vermahnung zum Altarsakrament .................................................... 159 Vorbereitungsgebete ......................................................................... 161 Spendeformeln .................................................................................. 162 Gebet und Segen nach Empfang des Altarsakraments ...................... 162
7 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 7.6
Feier der Trauung / Copulatio Sponsi et Sponsae ............................. 164 Vermahnung zum Ehesakrament ...................................................... 164 Erfragung des Ehewillens ................................................................. 168 Segnung der Ringe ............................................................................ 168 Eheschließung ................................................................................... 169 Abschlussoration und Segen ............................................................. 169 Vermahnung nach der Hochzeit ........................................................ 170
8 8.1
Begräbnis / Vermahnung bei einer Leich .......................................... 173 Hinweis auf Gebete der Begräbnisliturgie vor der Ansprache .......... 173
Inhaltsverzeichnis
7
8.2 8.3 8.4
Vermahnung zum Begräbnis ............................................................. 173 Gang zum Grab und Beisetzung ....................................................... 175 Zwei Lieder zum Begräbnis .............................................................. 175
9 9.1
Zwei Gebete für die Obrigkeit .......................................................... 178 Gebet für die Obrigkeit (O Herr, allmächtiger Gott) mit Akrostichon (In unser höchsten Gefahr) ................................................................ 178 Gebet für die Obrigkeit (Allmächtiger, ewiger Gott) mit Akrostichon (Ihesu mein liebster Herre mein) .................................. 180
9.2
Bibliographie ............................................................................................. 182
Vorwort
Das kirchliche Leben des 16. Jahrhunderts war im Land ob der Enns, dem heutigen Oberösterreich, wie in ganz Europa von massiven Umbrüchen gekennzeichnet. Mit der raschen Verbreitung reformatorischer Ideen brachen nicht wenige mittelalterliche Traditionen ab, neue Formen wurden gesucht. Ein komplexes Mit- und Nebeneinander diverser Strömungen entstand, eine Melange aus strengen Lutheranern und Altgläubigen, aus verheirateten katholischen Pfarrern neben protestantischen Prädikanten und einer bunten Mischung liturgischer Riten und Texte, die entweder selbst verfasst oder aus Quellen verschiedenster Herkunft zusammengestellt wurden, je nachdem, welche Richtung der jeweilige Pfarrer oder Prediger vertrat oder woher er stammte. Während im Land an Donau und Enns in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts der Protestantismus in verschiedenen Spielarten die Mehrheitskonfession bildete, begannen vor allem mit dem Abschluss des Trienter Konzils 1563 erste Schritte zu einer inneren Erneuerung der sich zunehmend als betont römisch verstehenden katholischen Kirche. Im Vergleich mit anderen Ländern bildeten sich in Oberösterreich erst relativ spät, in den Jahren um 1580, deutliche konfessionelle Trennlinien aus, eine gegenseitige Abgrenzung zeichnete sich zunehmend ab. Was vorher noch allgemein anerkannt war, wurde zum konfessionellen Streitpunkt, wie der Laienkelch, die Priesterehe oder die Volkssprache in der Liturgie. Mit der ab etwa 1600 einsetzenden sog. Gegenreformation oder katholischen Reform führten politisch von den Habsburgern unterstützt diverse Maßnahmen, die von der Durchsetzung der römischen Liturgie bis zur Ausweisung protestantischer Adliger reichten, schließlich dazu, dass Österreich in der Barockzeit das fast homogen katholische Land wurde, das es bis vor wenigen Jahrzehnten war. All die Reformversuche und Suchbewegungen, die Abbrüche und Aufbrüche in jenen Jahren machen gerade die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts zu einer spannenden Zeit, die lohnt liturgiewissenschaftlich untersucht zu werden. Die Agende in der unscheinbaren Handschrift des CC 107 der Stiftsbibliothek Kremsmünster ist einer der wenigen erhaltenen Zeugen handschriftlicher Pfarrritualien dieser Übergangszeit. Mit seinen Formularen für die Sakramente und Sakramentalien aus dem Leben einer Pfarrei gewährt der auf 1580 datierte Text einen Einblick in die theologischen und liturgischen Vorstellungen sowie die konkrete pastorale Praxis seines Autors Sebastian Krabler (gest. 1590). Nachdem er in Ingolstadt bei den Jesuiten den Magistergrad erworben hatte,
10
Vorwort
wurde Krabler auf Umwegen durch Beziehungen zum damaligen Abt von Kremsmünster Erhard Voit (gest. 1588) Pfarrer und Dekan in der oberösterreichischen Landgemeinde Steinerkirchen an der Traun, die damals als Stiftspfarre dem Kloster zugehörig war – und heute noch ist. Mittels Edition und Kommentar sollen sein Text sowie Quellen, Hintergründe und Ideen Krablers mit der vorliegenden Arbeit zugänglich gemacht und erschlossen werden. Der nun erscheinenden Studie liegt die für die Veröffentlichung geringfügig überarbeitete gleichnamige Lizenziatsarbeit zugrunde, die im Sommersemester 2021 am Pontificio Istituto Liturgico des päpstlichen Athenäums Sant’Anselmo in Rom eingereicht und im Februar 2022 erfolgreich verteidigt wurde. Mein Dank gilt daher allen, die meine Studien in Rom unterstützt und gefördert haben. In besonderer Weise danken möchte ich Prof. Dr. P. Dominik Jurczak OP, der als Betreuer die Erstellung der Arbeit stets aufmerksam begleitet hat, Prof. Dr. Markus Tymister als Zweitbetreuer sowie Abt Ambros Ebhart OSB und dem ganzen Konvent von Kremsmünster, die mir das Studium der Liturgiewissenschaft in Sant’Anselmo, dem Zentrum der benediktinischen Welt auf dem Aventin in Rom, erst ermöglicht haben. Meinen Dank möchte ich auch dem Bibliothekar der Stiftsbibliothek Kremsmünster, meinem Mitbruder P. Petrus Schuster OSB, für seine Hilfe bei der Handschriften- und Literaturrecherche aussprechen, ebenso wie P. Dr. Augustinus Sander OSB (Rom/Maria Laach) und fr. Meinrad Hötzel OSB (Rom/Einsiedeln), die mir in vielen Gesprächen wichtige Hinweise und Anregungen für die Arbeit gegeben haben. Weiters gilt mein herzlicher Dank Prof. Dr. Winfried Haunerland (München), der im August 2023 leider viel zu früh verstorben ist. Er hatte als Herausgeber der „Studien zur Pastoralliturgie“ die Aufnahme der Arbeit in diese Reihe befürwortet, die nun von Prof. Dr. Stefan Kopp betreut wird. Widmen möchte ich den vorliegenden Band meiner Familie, meiner Schwester Cordula und ihrem Mann Gerard, meiner Mutter Angela und insbesondere meinem im Dezember 2021 verstorbenen Vater Dr. Helmut Demattio. Noch in den Tagen der Krankheit hörte er mir aufmerksam beim Vorlesen vieler Seiten der Arbeit zu, die ich dann mit ihm ausführlich besprechen konnte. Als Historiker, der sich selbst intensiv mit der frühen Neuzeit beschäftigt hatte, nahm er regen und interessierten Anteil an der Arbeit, hat er doch gemeinsam mit meiner Mutter meine Interessen an der Geschichte und der Theologie, auch und gerade in ökumenischer Perspektive, geweckt und über lange Jahre seit Kindertagen bei vielen Besuchen in Kirchen und Archiven im Rahmen seiner eigenen Arbeit gefördert. Dabei hat er mich stets ermutigt, den Dingen genau auf den Grund zu gehen, sie kritisch zu hinterfragen und sie aus ihrem geschichtlichen Werden zu begreifen. Dafür danke ich ihm aus tiefstem Herzen. Rom, am 6. Dezember 2023
Anselm Demattio
Siglen und Abkürzungen
1. Siglen Chyträus 1571
DAVID CHYTRÄUS, Christliche Kirchenagenda, Rosenburg 1571.
DH
DENZINGER H., Enchiridion symbolorum definitionum et declarationum de rebus fidei et morum, Freiburg 42 2009.
Dietenberger 1567
JOHANN DIETENBERGER, Bibell – Das ist alle Buecher Alts und News Testaments nach Alter in Christlicher Kyrchen gehabter Translation trewlich verteutscht etc., Köln 1567.
Eck 1558
JOHANNES ECK, Bibel – alt und new Testament, Ingolstadt 1558.
GeV
Liber Sacramentorum Romanae Aeclesiae Ordinis Anni Circuli. Sacramentarium Gelasianum.
GrH
Le Sacramentaire Grégorien. Ses principales formes d’après les plus anciens manuscrits (GregorianumHadrianum).
LThK
Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 1–11, W. Kasper (Hrsg.), Herder, Freiburg 31993–2001.
Luther 1569
MARTINUS LUTHER, Biblia – Das ist die ganze heylige Schrifft teutsch, Frankfurt am Main 1569.
Mainz 1551
SEBASTIAN VON HEUSENSTAMM, Agenda ecclesiae Moguntinensis, Moguntiae [Mainz] 1551.
Passau 1490
Agenda sive benedictionale de actibus ecclesiae etc., Passau 1490.
12
Siglen und Abkürzungen
Passau 1587
URBAN, Actus Sacerdotalis Siue Brevis Eorvm Informatio etc., Pataviae [Passau] 1587.
Rituale Romanum 1614
Rituale Romanum. Editio Princeps (1614), Città del Vaticano 2004.
Salzburg 1557
MICHAEL, Libellvs Agendarvm, Circa Sacramenta, Benedictiones, & Caeremonias etc., Salzburg 1557.
Salzburg 1575
FELICIANUS NINGUARDA, Libri Agendorvm Secvndvm Antiqvvm vsum Metropolitanae Salisburgensis Ecclesiae etc. 1, Salzburg 1575.
TRE
Theologische Realenzyklopädie, Bd. 1–38, H. Balz – G. Krause – G. Müller (Hrsg.), De Gruyter, Berlin – New York, 1977–2007.
Veit Dietrich
VEIT DIETRICH, Agend Büchlein für die Pfarrherrn auf dem Land, Nürnberg 1560.
2. Biblische Bücher (deutsch / lateinisch) Gen / Gn Ps Spr / Prv Sir Mt Mk Lk / Lc Joh / Io Apg / Act Röm / Rm 1 Kor / 1 Cor 2 Kor Gal Eph 1 Thess / 1 Th Tit Hebr / Hbr Jak /Iac 1 Petr
Genesis Buch der Psalmen Buch der Sprichwörter Jesus Sirach Matthäus Markus Lukas Johannes Apostelgeschichte Römerbrief 1. Korintherbrief 2. Korintherbrief Galaterbrief Epheserbrief 1. Thessalonicherbrief Titusbrief Hebräerbrief Jakobusbrief 1. Petrusbrief
Siglen und Abkürzungen
3. Abkürzungen Anm. Bd. bzw. CC cf Cgm cm d. h. ebd. emph et al. etc. f./ff. gest. Hrsg. Jh. km lac lat. lege marg MS Nr. r ras rub S. sog. sup lin u. a. v Vg vgl.
Anmerkung Band beziehungsweise Codex Cremifanensis vergleiche mit … Codices germanici monacenses Zentimeter das heißt ebenda unterstrichen, hervorgehoben et alii et caetera folium / folia; folgende Seite(n) gestorben Herausgeber Jahrhundert Kilometer lacuna, Lücke, Schaden latinus, lateinisch hier zu lesen als … Randnote Manuskript Nummer (in der Agende Krablers) recto auf Rasur in Rot geschrieben; Rubrik Seite sogenannte(r) supra lineam, über der Zeile unter anderem verso Vulgata vergleiche
13
Einleitung
Das Benediktinerstift Kremsmünster in Oberösterreich verwahrt in seiner Bibliothek neben zahlreichen mittelalterlichen Handschriften auch den unscheinbaren Kodex 107, dessen wurmstichiger und teilweise beschädigter Ledereinband ins 16. Jahrhundert weist. Auf seiner Innenseite wurde durch den Bibliothekar einst sein Standort in der noch heute bestehenden Barockbibliothek vermerkt. Sie wurde um das Jahr 1700 eingerichtet, so dass der CC 107 spätestens seit dem 18. Jahrhundert im Kloster sein muss.1 Auf der zweiten Seite hat der Schreiber den Titel der Schrift eingetragen: „Agenda oder Hanndt Buechlin darinnen begriffen wirdt wie die Actus Ecclesiastici verricht und etliche Sacramenta Administriert sollen werden.“ Laut Index enthält die Handschrift ein Taufformular, einen Segen für die Mutter nach der Geburt, Vermahnungen zur Beichte und zum Kommunionempfang, Formulare mit Ansprachen zur Hochzeit und zum Begräbnis sowie zwei Gebete für die Obrigkeit und die Anliegen der Christenheit. Dabei handelt es sich um typische Elemente eines Rituales oder einer Agende, wie sich das Werk selbst nennt, in der die Sakramente und Sakramentalien aus dem Alltag einer Pfarrei geregelt werden. Zusammengestellt hat das Manuskript dem Titelblatt zufolge ein Magister Sebastian Krabler aus dem bayerischen Aichach im Jahre des Heils 1580. Er ist damals als Pfarrer und Dechant in der dem Stift Kremsmünster inkorporierten Pfarrei Steinerkirchen an der Traun bezeugt; sein Grabstein hat sich an der Rückwand der dortigen spätgotischen Pfarrkirche erhalten. Mit der Darstellung eines von einer Stola umgebenen und auf einem Buch platzierten Kelches lässt er auf einen Priester schließen, der mitten in den theologischen Auseinandersetzungen seiner Zeit stand. 1
Vgl. PÜHRINGER-ZWANOWETZ L., „Das Stift als neuzeitliche Anlage“, in Die Kunstdenkmäler des Benediktinerstiftes Kremsmünster. Das Stift, der Bau und seine Errichtung Bd. 1 (Österreichische Kunsttopographie 43,1), E. Doberer – H. BerteleGrenadenberg (Hrsg.), Schroll, Wien 1977, 172–486, hier 412–420; PITSCHMANN B., „Kremsmünster“, in Die benediktinischen Mönchs- und Nonnenklöster in Österreich und Südtirol (Germania Benedictina 3,2), hrsg. von der Bayerischen BenediktinerAkademie München in Verbindung mit dem Abt-Herwegen-Institut Maria Laach, bearbeitet von U. Faust – W. Krassnig, EOS-Verlag, St. Ottilien 2001, 163–252, hier 206–210. Zur Stiftsbibliothek Kremsmünster vgl. PÖTSCH A. – SIHORSCH D. – LEBERBAUER W., „Forscher, Lehrer, Astronomen: Bildungstraditionen im Stift“, in Stift Kremsmünster. Klösterliches Leben seit 777, A. Ebhart (Hrsg.), Christian Brandstätter Verlag, Wien 2017, 133–146, hier 136–138.
16
Einleitung
Nach einer letzten Hochblüte in den ersten beiden Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts wandelte sich das kirchliche Leben im Land ob der Enns mit dem Beginn der Reformation um das Jahr 1520 grundlegend, stellte diese doch die bisherige spätmittelalterliche Praxis in Frage. Während die Kirche in der alten Form immer stärker in die Krise geriet, wurde das heutige Oberösterreich besonders ab der Jahrhundertmitte zu einem fast vollständig lutherisch geprägten Land, politisch getragen vom Adel und dem Bürgertum der Städte. Es wurde lutherisch gepredigt und Gottesdienst nach lutherischen Büchern gefeiert – das „Luthertum war die Mehrheitskonfession, die ganz öffentlich ausgeübt wurde“, wie Herrmann festhält.2 Erst nach dem Konzil von Trient kam es ab den 1580er Jahren zu ernsthaften Versuchen der Römischen Kirche, im Rahmen der später so bezeichneten „Gegenreformation“ oder „katholischen Reform“ Maßnahmen zu ihrer Erneuerung zu setzen. Diese führten neben der Politik der Habsburgerkaiser dazu, dass Österreich im 17. Jahrhundert zu dem katholischen Land geworden ist, als das es – zumindest noch – bis heute gilt und in dem die Evangelische Kirche nur eine kleine Minderheit bildet. 3 Als die Agende Krablers im Jahr 1580 entstand, begann in Oberösterreich die Herausbildung der auf gegenseitiger Abgrenzung bedachten Konfessionen, so dass der Bruch der Einheit der abendländischen Kirche unübersehbar wurde – man spricht vom Prozess der Konfessionsbildung bzw. der Konfessionalisierung.4 Noch aber waren die Übergänge fließend und eine konfessionelle 2
3
4
HERRMANN F., „,Von den Unordnungen ledig und frey gemacht‘. Einblicke in die oberösterreichischen Kirchenordnungen des 16. und 17. Jahrhunderts“, in Jahrbuch für die Geschichte des Protestantismus in Österreich 126 (2010), 79–121, hier 79. Vgl. Daten zur Religionszugehörigkeit der Statistik Austria bis 2021 unter Religionsbekenntnis, Statistik Austria, URL: https://statistik.at/statistiken/bevoelkerungund-soziales/bevoelkerung/weiterfuehrende-bevoelkerungsstatistiken/religionsbe kenntnis [Zugriff 28.10.2022]. Zum Begriff der Konfessionalisierung und den diesbezüglichen Debatten vgl. u. a. LEEB R., „Der Streit um den wahren Glauben“, Wien 2003, 239 f.; EHRENPREIS S. – LOTZ-HEUMANN U., Reformation und konfessionelles Zeitalter, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 22008, 62–79; SCHILLING H., „Die Konfessionalisierung von Kirche, Staat und Gesellschaft – Profil, Leistung, Defizite und Perspektiven eines geschichtswissenschaftlichen Paradigmas“, in Die katholische Konfessionalisierung. Wissenschaftliches Symposium der Gesellschaft zur Herausgabe des Corpus Catholicorum und des Vereins für Reformationsgeschichte 1993 (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 198), W. Reinhard – H. Schilling (Hrsg.), Gütersloher Verlagshaus, Heidelberg 1995, 1–49; REINHARD W., „Was ist katholische Konfessionalisierung?“, in Die katholische Konfessionalisierung. Wissenschaftliches Symposium der Gesellschaft zur Herausgabe des Corpus Catholicorum und des Vereins für Reformationsgeschichte 1993 (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 198), W. Reinhard – H. Schilling (Hrsg.), Gütersloher Verlagshaus, Heidelberg 1995, 419–452; Das Konfessionalisierungsparadigma. Leistungen, Probleme, Grenzen (Bayreuther Historische Kolloquien 18), T. Brockmann – D. Weiß (Hrsg.), Aschendorff, Münster 2013.
Einleitung
17
Zuordnung kaum möglich. Es bestand eine „Vielzahl von Schattierungen“ mit „reformorientierten Katholiken und am Interim interessierten Lutheranern“, was früher „abschätzig als ‚Kompromisskatholizismus‘ oder ‚Konfessionsmengerei‘ bezeichnet wurde“.5 Dieses Mit- und Nebeneinander der noch nicht klar zu trennenden Bekenntnisse spiegelt sich auch in der damaligen liturgischen Praxis in den Pfarreien wider, für die der CC 107 ein Zeuge ist. Hier wird der Alltag vor Ort sichtbar, während die Diözesanritualien der Zeit eine beispielhafte und offizielle Regelung der Liturgie darstellen. Für die liturgische Weiterentwicklung im Oberösterreich des 16. Jahrhunderts sind die in Salzburg herausgegebenen Agenden aus den Jahren 1557 und – stark tridentinisch beeinflusst – 1575 sowie die Passauer Agende aus dem Jahr 1587 von großer Bedeutung. Pfarrer Krabler möchte zwar, wie der Titel sagt, eine bewusst katholische Agende anbieten, nimmt dabei aber offenbar die lutherisch geprägten kirchlichen Gewohnheiten der Gläubigen auf, indem er seine Texte etwa mehrheitlich in deutscher Sprache bringt oder den Begräbnisritus mit zwei typisch evangelischen Liedern ergänzt. Manche dieser berechtigten Ansätze zur Reform der spätmittelalterlichen Liturgie, durch die eine bewusste und aktive Teilnahme der Gläubigen an der Feier gefördert werden sollte, wurden damals in Abgrenzung zu den Protestanten abgelehnt und erst Jahrhunderte später im katholischen Bereich schließlich durch das Zweite Vatikanische Konzil rezipiert. An der Schwelle zur Entwicklung der posttridentinischen Liturgie entstanden, zeigt sich im CC 107 noch die breite Skala an diözesanen Eigenriten und Eigenbräuchen aus der Zeit vor dem Trienter Konzil, die sich durch die vielfältigen liturgischen Veränderungen im Zuge der Reformation im 16. Jahrhundert deutlich vergrößert hatte. Im deutschsprachigen Raum bestanden diese Gewohnheiten auch noch lange nach den Bestrebungen zu einer Vereinheitlichung der Liturgie durch das zwar nicht verbindliche, aber doch prägende Rituale Romanum von 1614 weiter.6 All das macht die Agende Krablers zu einem wertvollen Dokument einer spannenden Zeit, das lohnt ediert und bearbeitet zu werden. Die vorliegende Arbeit verfolgt eine dreifache Zielsetzung: Als Erstes soll die liturgische Handschrift des CC 107 mittels einer diplomatischen Edition überhaupt zugänglich gemacht und zweitens historisch und theologisch kontextualisiert werden. Dabei wird folgenden Fragen nachgegangen: Welche theologischen Aussagen und Intentionen finden sich im Text und wie lassen sie sich in den historischen
5 6
HERRMANN F., „,Von den Unordnungen ledig und frey gemacht‘“, 80. Vgl. HAUNERLAND W., „Das Konzil von Trient und die nachtridentinische Liturgiereform“, in Geschichte der Liturgie in den Kirchen des Westens. Rituelle Entwicklungen, theologische Konzepte und kulturelle Kontexte (Bd. 1). Von der Antike bis zur Neuzeit, J. Bärsch – B. Kranemann (Hrsg.), Aschendorff, Münster 2018, 480– 513, hier 495–504.
18
Einleitung
Kontext einordnen? Auf welche Quellen hat der Autor Sebastian Krabler bei der Erstellung seines Werkes zurückgegriffen und welche theologischen Einflüsse lassen sich dabei feststellen? Abschließend will die Arbeit auch die Geschichte des Stiftes Kremsmünster, seiner Pfarren und seiner Bibliothek sowie das kirchliche Leben im Oberösterreich des 16. Jahrhunderts besser verstehen. Die vorliegende Studie zur Agende Krablers sieht in den Antworten auf die gestellten Fragen ihren Beitrag zur liturgiewissenschaftlichen Forschung, die sich bisher kaum mit der Handschrift beschäftigt hat. So ist die Agende Krablers im CC 107 weder wissenschaftlich ediert noch im Ganzen einer fundierten theologischen Analyse unterzogen worden.7 Eine Ausnahme stellt der Taufritus dar, den Hermann Josef Spital in seinem noch immer grundlegenden Werk „Der Taufritus in den deutschen Ritualien von den ersten Drucken bis zur Einführung des Rituale Romanum“ von 1968 bearbeitet hat. Dieses Buch dient daher der vorliegenden Arbeit als wichtige Quelle, auch wenn Spital einzig den Abschnitt zur Taufe gekannt hat.8 Eine weitere Erwähnung in der Literatur findet die Agende in einem Artikel von Adolph Franz über die Passauer Ritualien aus dem Jahr 1899, in dem der Autor die Handschrift auf einer Seite kurz beschreibt; nach eigener Aussage scheint Franz anders als Spital das Original in der Hand gehabt zu haben.9 Sehr ausführlich über das Leben und Wirken von Sebastian Krabler hat der Kremsmünsterer Benediktiner P. Dr. Rupert Froschauer geforscht und dazu mehrere Arbeiten und Artikel verfasst. Insbesondere seine „Studien zur Reformation und Gegenreformation im Pfarrgebiet von Kremsmünster“ von 1977 bilden mit ihren zahlreichen Angaben zur Biographie Krablers, dessen Zeit in Steinerkirchen und vor allem zur Entstehung der Agende im Wesentlichen den bisherigen Forschungsstand zur Handschrift ab.10 Wird der Inhalt des CC 107 darin zwar nur knapp aufgelistet und in einigen Punkten wie etwa der Trauung kommentiert, stellt das Werk trotz des Fehlens einer liturgiewissenschaftlichen Analyse eine zentrale Quelle für die
7
8
9 10
Eine Transkription des CC 107 findet sich im Anhang der an der Universität Wien erstellten Masterarbeit von Johann Hofinger von 2020, die sich auch mit der Agende Krablers beschäftigt, diese aber nicht kritisch untersucht; vgl. HOFINGER J., Die hürdenreiche katholische Erneuerung in der Gegenreformation (1555–1620) im Land ob der Enns, Masterarbeit, Wien 2020. Vgl. SPITAL H. J., Der Taufritus in den deutschen Ritualien von den ersten Drucken bis zur Einführung des Rituale Romanum (Liturgiewissenschaftliche Quellen und Forschungen 47), Aschendorff, Münster 1968. Vgl. FRANZ A., „Zur Geschichte der gedruckten Passauer Ritualien“, in Theologisch-praktische Monatsschrift 9 (1899) 75–85.180–185.288–299, hier 185. Vgl. FROSCHAUER R., Studien zur Reformation und Gegenreformation im Pfarrgebiet von Kremsmünster. Dargestellt am Beispiel von Steinerkirchen an der Traun und seiner Filiale Eberstalzell (Hausarbeit am Institut für Österreichische Geschichtsforschung), Wien 1977.
Einleitung
19
vorliegende Arbeit dar. In einem neueren Artikel von 2012 erläutert Froschauer außerdem das Wirken Krablers als Dechant von Steinerkirchen.11 Zur Entwicklung der deutschsprachigen Vermahnungen und deren liturgischen Kontext in den Ritualien ab dem 15. Jahrhundert bietet Stefan Kopp in seiner 2016 erschienenen Habilitationsschrift „Volkssprachliche Verkündigung. Die Modellanreden in den Diözesanritualien des deutschen Sprachgebietes“ wesentliche Informationen, die zur Einordnung der Ansprachen in der Agende Krablers hilfreich sind, auch wenn der CC 107 selbst dort unerwähnt bleibt.12 In den Aussagen zur historischen Situation der Kirche Oberösterreichs vom 15. bis zum 17. Jahrhundert stützt sich die vorliegende Arbeit vor allem auf die Aufsätze im Katalog zur oberösterreichischen Landesausstellung 2010 mit dem Thema „Renaissance und Reformation“ sowie auf die auch noch bald 90 Jahre nach ihrem Erscheinen als Standardwerk geltenden „Studien zur Reformationsgeschichte Oberösterreichs“ von Karl Eder, die in zwei Bänden die politische und kirchliche Lage im Zeitraum von 1490 bis 1602 untersuchen.13 Die Artikel der Theologischen Realenzyklopädie (TRE) dienen als Grundlagenliteratur für die Fragen von Theologie und Liturgie im Umfeld von Reformation und katholischer Reform.14 Zur Umsetzung der gesteckten Ziele ist die Handschrift der Agende Krablers zunächst zu transkribieren und in nummerierte Sinneinheiten zu gliedern. Der nur in Ausnahmefällen korrigierte Originaltext soll in Form einer diplomatischen Edition mit textkritischen Anmerkungen und Hinweisen auf Bibelstellen geboten werden; sie bildet die Basis für die weitere Analyse. Die historische, theologische und liturgische Kontextualisierung der Agende geschieht zum einen auf Grundlage der Sekundärliteratur zum Thema, zum anderen schwerpunktmäßig im Vergleich mit einer Auswahl von liturgischen Quelltexten der Zeit, die dank der digitalen Angebote wie etwa der Bayerischen Staatsbibliothek München gut zugänglich sind. Dazu zählen die bereits genannten 11
12
13
14
Vgl. FROSCHAUER R., „Das Wirken des Steinerkirchner Pfarrers Mag. Sebastian Krabler (1573–1590) als Dechant des Dekanats Lambach“, Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereines 157 (2012) 327–343. Vgl. KOPP S., Volkssprachliche Verkündigung. Die Modellanreden in den Diözesanritualien des deutschen Sprachgebietes (Studien zur Pastoralliturgie 42), Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2016. Vgl. Renaissance und Reformation. Landesausstellung 2010, K. Vocelka – D. Leitner (Hrsg.), Trauner, Linz 2010; EDER K., Studien zur Reformationsgeschichte Oberösterreichs (Bd. 1). Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung. Die kirchlichen, religiösen und politischen Verhältnisse in Österreich ob der Enns 1490–1525, Feichtinger, Linz 1933 und EDER K., Studien zur Reformationsgeschichte Oberösterreichs (Bd. 2). Glaubensspaltung und Landstände in Österreich ob der Enns 1525–1602, Feichtinger, Linz 1936. Vgl. Theologische Realenzyklopädie, Bd. 1–38, H. Balz – G. Krause – G. Müller (Hrsg.), De Gruyter, Berlin – New York, 1977–2007.
20
Einleitung
Ritualien der Salzburger Tradition von 1557 und 1575 sowie die spätmittelalterliche Passauer Agende von 1490, die zur Zeit Krablers in der Diözese noch in Geltung war und erst fast einhundert Jahre nach ihrer Veröffentlichung durch die Agende von 1587 ersetzt wurde. Ritualien anderer Diözesen wie die 1551 entstandene Mainzer Agende werden zusätzlich zum Vergleich herangezogen. Als Referenztexte für evangelische Liturgien in Oberösterreich während der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts dienen das zuerst 1543 in Nürnberg erschienene lutherische Agendbüchlein von Veit Dietrich und die 1571 von David Chyträus verfasste offizielle Agende für das Erzherzogtum Österreich unter der Enns. Darüber hinaus werden nach Bedarf weitere theologische Texte wie etwa evangelische Gesangbücher konsultiert. Um die Herkunft der deutschsprachigen Bibelzitate bei Krabler zu klären, werden diese mit den entsprechenden Stellen der Lutherbibel und den damals gängigen und weit verbreiteten „katholischen“ Übersetzungen von Johannes Eck und Johann Dietenberger verglichen. Welche Übersetzungen Krabler im Einzelnen zur Verfügung standen, lässt sich jedoch nicht sagen. Die Einflüsse auf Inhalt und Struktur der Agende Krablers sollen ebenso wie mögliche direkte und indirekte Quellen des Textes durch diesen vergleichenden Ansatz offengelegt werden. Aufgrund der Fülle an Themen und Material, das die Handschrift trotz ihres relativ geringen Umfangs von insgesamt 70 Blättern enthält, muss sich die Abhandlung auf eine Einführung beschränken. So begrenzt sich die Studie mit Ausnahme der Taufe auf eine knappe Darstellung der Riten und ihrer Formulare, deren Quellen nach Möglichkeit ermittelt werden; die Vermahnungen dagegen können nur überblicksmäßig behandelt werden. Weitere Originaldokumente oder Archivalien wie noch im Stift Kremsmünster erhaltene Bücher oder Briefe Krablers, die den Hintergrund und die zeitgenössische Rezeption des Textes beleuchten könnten, müssen vorerst unbeachtet und späteren wissenschaftlichen Arbeiten überlassen bleiben. Entsprechend der skizzierten Herangehensweise gliedert sich die Arbeit in zwei Hauptteile: erstens in „Historischer Kontext und theologische Analyse“ mit Kommentar und Einführung sowie zweitens in „Agenda oder Hanndt Buechelin colligiert durch Sebastian Krabler (CC 107)“, d. h. die Edition der Quelle. Der Teil zur Analyse besteht aus drei Kapiteln: Das erste erläutert die historischen Zusammenhänge, in die die Handschrift einzuordnen ist, und stellt deren Autor Sebastian Krabler vor; einige Beobachtungen zum äußeren Zustand des CC 107 schließen die Einführung ab. Darauf aufbauend bietet das zweite Kapitel einen Überblick über den Inhalt der Agende und deren Charakteristika. Die Beschreibung der einzelnen Riten mit ihren zugehörigen Formularen und Vermahnungen in diesem Kapitel bildet die Mitte der ganzen Arbeit. Exemplarisch untersucht das dritte Kapitel den Taufritus; einige theologische Aspekte des Sakraments der Taufe sowie der Ablauf der Feier werden dort detailliert dargestellt.
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
1 Der CC 107 im Kontext seiner Entstehung
Das erste Kapitel dient der historischen Einordnung des CC 107 in die komplexe politische und kirchliche Situation Oberösterreichs im Spannungsfeld zwischen Reformation und katholischer Reform von der Wende zum 16. Jahrhundert bis in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges. In diesem Kontext sollen der Autor der Handschrift Sebastian Krabler biographisch verortet und die näheren Umstände der Entstehung des Textes beleuchtet werden. Den Abschluss bildet die Darstellung des heutigen Zustandes des Kodex und seiner Geschichte in der Stiftsbibliothek Kremsmünster. 1.1
Die Vorgeschichte der Reformation in Oberösterreich
In den Jahren um den Beginn der Neuzeit stand das kulturelle und kirchliche Leben im Land ob der Enns in einer großen Blüte. Ablesen lässt sich dies unter anderem an den zahlreich neu errichteten Kirchen und Altären sowie den damit verbundenen Messstipendien. Bis heute bestimmen vor allem spätgotische Kirchen und Kapellen die Landschaft im südlichen Oberösterreich, auch die Gegend rund um Kremsmünster. Die Wallfahrten, etwa nach St. Wolfgang zum Grab des heiligen Regensburger Bischofs, erreichten wie die häufig damit verbundenen Ablässe damals einen Höhepunkt.1 Vor 1517 saßen hochgebildete Bischöfe auf der Kathedra in Passau2, etwa Christoph von Schachner (1447–1500) und Wiguleus Fröschl von Marzoll (1445–1517)3, die sich mit der Passauer Agende 1490 (neu aufgelegt 1514) um die Ordnung der Seelsorge in der Diözese verdient gemacht haben.4 Wie noch zu zeigen ist, bildet die genannte Agende eine wichtige Grundlage des Textes bei Krabler. 1
2
3
4
Vgl. LEEB R., „Der Streit um den wahren Glauben. Reformation und Gegenreformation in Österreich“, in Österreichische Geschichte (Bd. 13). Geschichte des Christentums in Österreich. Von der Spätantike bis zur Gegenwart, R. Leeb – M. Liebmann – G. Scheibelreiter et al. (Hrsg.), Ueberreuter, Wien 2003, 145–280, hier 150–153. Vgl. WASSILOWSKY G., „Die katholische Kirche in Oberösterreich zur Zeit der Reformation“, in Renaissance und Reformation. Landesausstellung 2010, K. Vocelka – D. Leitner (Hrsg.), Trauner, Linz 2010, 309–320, hier 315. Vgl. ERKENS F.-R., „Passau, Bistum: Politische Geschichte (Spätmittelalter)“, in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexi kon/Passau,Bistum:_Politische_Geschichte_(Spätmittelalter) [Zugriff 19.03.2021]. Vgl. Passau 1490 und WIGILEUS, Agenda sive Benedictionale de actibus ecclesie s[ecundu]m chorum et observatione[m] ecclesie Pataviensis, Wolff, Basilee [Basel] 1514.
24
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
Problematisch für die kirchliche Reform in den Folgejahren war die Besetzung des Bistums im Jahr des Wittenberger Thesenanschlags Luthers 1517 mit dem Administrator Herzog Ernst von Bayern (1517–1540), weil sich dieser, ohne geistliche Weihen empfangen zu haben, in erster Linie als weltlicher Herr verstand. In Österreich wurde Ernst daher vor allem als ausländischer Fürst und weniger als Bischof wahrgenommen. Eine generelle Komplikation und „Hauptschwierigkeit der Passauer Bischöfe für ihre Amtsführung“ war der Umstand, dass alle „kirchlichen Verwaltungsgeschäfte“ für Oberösterreich in der Stadt Passau zu erfolgen hatten.5 Ein geistliches Zentrum im Land selbst gab es nicht, weshalb stattdessen die zahlreichen „als kirchliche Kraftpunkte über das ganze Land“6 verstreuten Klöster und Stifte maßgeblich für „die kirchliche Durchdringung“7 und das religiöse Leben im Land ob der Enns waren – noch immer spielen sie dafür eine wichtige Rolle. In der Zeit um 1500 lag etwa „mehr als die Hälfte aller Pfarren“ in ihrem Verantwortungsbereich.8 Statt eines Stiftsgeistlichen hatte in der Regel ein Weltpriester das Amt des Pfarrers inne, das die Äbte als Patronatsherren vergeben konnten. Dies war auch in der dem Stift Kremsmünster inkorporierten Pfarrei Steinerkirchen an der Traun der Fall, die bis heute vom Kloster betreut wird.9 In der Folge der monastischen Erneuerungen des 15. Jahrhunderts befanden sich die Klöster – darunter auch das Stift Kremsmünster – in einem guten Zustand, so dass laut Wassilowsky von einem „Klosterhumanismus“ gesprochen werden kann.10 Insgesamt lassen sich die Jahre um 1500 als Hochzeit der „Frömmigkeitspraxis“ mit einem „faszinierenden Reichtum an spirituellen Formen“ beschreiben, vor deren Hintergrund die baldige Wende zur Reformation als Paradox erscheint.11 Bereits ab 1520 nahm mit der Verbreitung der reformatorischen Ideen die Zahl der Stiftungen drastisch ab. Allerdings bestanden schon zuvor gravierende Probleme insbesondere im Bereich der Bildung der Priester, die erst langsam gegen Ende des 16. Jahrhunderts behoben werden konnten. Im Gegensatz zu den akademisch studierten Bischöfen verfügte kaum ein Priester über eine fundierte theologische Ausbildung, gab es doch im Land
5
6 7 8 9 10 11
EDER K., Studien zur Reformationsgeschichte Oberösterreichs (Bd. 1). Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung. Die kirchlichen, religiösen und politischen Verhältnisse in Österreich ob der Enns 1490–1525, Feichtinger, Linz 1933, 82 f. Ebd., 84. WASSILOWSKY G., „Die katholische Kirche zur Zeit der Reformation“, Linz 2010, 316. EDER K., Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung, Linz 1933, 86. Vgl. ebd., 81–86 sowie WASSILOWSKY G., „Die katholische Kirche zur Zeit der Reformation“, Linz 2010, 315 f. WASSILOWSKY G., „Die katholische Kirche zur Zeit der Reformation“, Linz 2010, 318. Ebd., 309.
1 Der CC 107 im Kontext seiner Entstehung
25
ob der Enns keine entsprechenden Schulen.12 Trotz einer „Überfülle an Geistlichen“13 bestand wegen der geringen „Anforderungen an das theologische Wissen“ ein gravierender Mangel an fähigen Klerikern, die sich für eine geistige Erneuerung der Kirche einsetzen und der Kritik der Reformatoren hätten begegnen können.14 Weil zugleich der Zölibat von vielen Klerikern nicht eingehalten wurde, hat die später erhobene und von der Reformation umgesetzte „Forderung der Priesterehe bereits in unhaltbaren Verhältnissen vor der Glaubensspaltung“ ihren Ursprung.15 Geradezu poetisch spricht Eder anhand der großen Bautätigkeit neuer Kirchen um 1500 von der damaligen Situation: „Wie warme Luft vor einem großen Witterungsumschlag, zauberte jene Zeit eine solche Fülle von Bau- und Kunstschöpfungen aus dem Boden […] Anteil vom überwältigenden Reichtum der Nachblüte eines sterbenden Zeitalters.“ 16 Erste Hinweise auf reformatorisches Gedankengut in Oberösterreich sind schon sehr früh nachweisbar, so hatten etwa Adelige und Studenten an der Wittenberger Universität, die aus dem Land ob der Enns stammten, Kontakt mit Martin Luther. Bereits im Jahr 1525 entsandte der Reformator den ersten Prediger ins heutige Oberösterreich zu den Jörgern auf Schloss Tollet bei Grieskirchen. Dies führte zu Gegenmaßnahmen, die in der Hinrichtung einzelner Prediger wie Leonhard Käser 1527 bei Schärding gipfelten.17 Dennoch kam es zu einer das Land ob der Enns „prägenden sehr starken, frühen Reformationsbewegung“,18 deren Hauptträger sowohl der Adel als auch die Bürger der Städte und Märkte waren; sie blieben es bis ins 17. Jahrhundert. Neben vor allem lutherisch geprägten Strömungen entstand in den 1520er und 1530er Jahren außerdem eine ausgeprägte Täuferbewegung, die jedoch scharfen Verfolgungen ausgesetzt war.19 Ansätze zu Reformen der Kirche verliefen im Sande und konnten die Ausbreitung der Reformation kaum eindämmen, was jedoch auch maßgeblich mit den bestehenden „politischen und territorialen Rahmenbedingungen“ zusammenhing. So verfügten die Landstände von Oberösterreich, d. h. vor allem der „grundbesitzende Adel“ als „zweiter Pol der Macht“, 12 13 14 15 16 17
18
19
Vgl. ebd., 312–316; LEEB R., „Der Streit um den wahren Glauben“, Wien 2003, 156–158. EDER K., Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung, Linz 1933, 87. Ebd., 287; vgl. WASSILOWSKY G., „Die katholische Kirche zur Zeit der Reformation“, Linz 2010, 316. EDER K., Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung, Linz 1933, 212. Ebd., 87. Vgl. LEEB R., „Luthers Kontakte nach Oberösterreich“, in Renaissance und Reformation. Landesausstellung 2010, K. Vocelka – D. Leitner (Hrsg.), Trauner, Linz 2010, 51–58, hier 51–54. SCHLACHTA A. VON, „Die frühe Reformation in Oberösterreich“, in Renaissance und Reformation. Landesausstellung 2010, K. Vocelka – D. Leitner (Hrsg.), Trauner, Linz 2010, 59–65, hier 60. Vgl. ebd., 59–62.
26
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
mit dem „Steuerbewilligungs- und Steuererhebungsrecht“ über maßgebliche politische Einflussmöglichkeiten gegenüber dem Landesherrn.20 Diese politische Schwäche der Habsburger, die vor allem wegen der jahrzehntelangen Bedrohung durch die Türken auf die finanzielle Unterstützung der Stände angewiesen waren, stellte einen wichtigen Faktor für die Ausbreitung der Reformation in Oberösterreich dar. Ein weiterer Grund lag in den „Besetzungs- und Aufsichtsrechten über Pfarren“ auf Seiten der Adeligen und der Städte bzw. Märkte, die auf diese Weise zu „Multiplikatoren“ der Reformation wurden.21 Deren „institutionelle Absicherung“ erfolgte durch die Besetzung von Pfarrstellen im bisherigen Pfarrsystem, das rechtlich bestehen blieb. So waren das Patronatsrecht des Adels – dem „politischen Träger der Reformation“ – sowie die dogmatisch-konfessionelle Unsicherheit und die „Ratlosigkeit und Lähmung“ der „altgläubigen“ Kirche laut Leeb entscheidende Gründe für das „kontinuierliche Erstarken der Reformation“.22 Die Übergänge zwischen den sich entwickelnden Konfessionen waren offenbar lange fließend, wobei es Indizien dafür gibt, dass „sich die allermeisten einer Kirche zugehörig fühlten, auch wenn bestimmte Bräuche oder Überzeugungen von der anderen Konfession übernommen wurden“.23 Leeb konstatiert, dass bis etwa 1580, dem Entstehungsjahr der Agende des CC 107, „jeder Versuch […], ein genaues Bild von der Verteilung der Konfessionen zu erhalten, zum Scheitern verurteilt“ sei, da anders als in den meisten anderen Regionen Europas in Oberösterreich ein „bunter Strauß an religiösen Überzeugungen“ und liturgischen Traditionen geherrscht habe.24 Auch Froschauer sieht für die Zeit um 1570 „die Fronten zwischen Katholizismus und Protestantismus in Österreich durchaus ungeklärt“.25 Zu dieser Vielfalt trug der Umstand bei, dass die evangelischen Prediger häufig aus verschiedenen Landeskirchen des heutigen Deutschlands kamen und von dort nicht nur dogmatische Streitigkeiten, sondern auch die jeweils eigenen liturgischen Bücher mitbrachten.26 Katholisch gebliebene Pfarrer verwendeten bis zum Ende des 16. Jahrhunderts neben 20 21
22 23
24 25
26
LEEB R., „Der Streit um den wahren Glauben“, Wien 2003, 145 f. STROHMEYER A., „Religionspolitik in Oberösterreich im konfessionellen Zeitalter“, in Renaissance und Reformation. Landesausstellung 2010, K. Vocelka – D. Leitner (Hrsg.), Trauner, Linz 2010, 219–233, hier 221 f. LEEB R., „Der Streit um den wahren Glauben“, Wien 2003, 197 f. LEEB R., „Die Evangelische Kirche Oberösterreichs und ihre Theologen im Jahrhundert der Reformation“, in Renaissance und Reformation. Landesausstellung 2010, K. Vocelka – D. Leitner (Hrsg.), Trauner, Linz 2010, 235–251, hier 238. LEEB R., „Der Streit um den wahren Glauben“, Wien 2003, 203. FROSCHAUER R., Studien zur Reformation und Gegenreformation im Pfarrgebiet von Kremsmünster. Dargestellt am Beispiel von Steinerkirchen an der Traun und seiner Filiale Eberstalzell (Hausarbeit am Institut für Österreichische Geschichtsforschung), Wien 1977, 46. Vgl. LEEB R., „Die Evangelische Kirche Oberösterreichs“, Linz 2010, 237–240.
1 Der CC 107 im Kontext seiner Entstehung
27
den Ritualien Passaus oder benachbarter Diözesen wie vor allem Salzburgs ebenso eigene Privatsammlungen oder evangelische Agenden. In Oberösterreich sehr häufig gebraucht war nicht nur in den evangelischen Gemeinden, sondern auch in den offiziell katholischen Pfarreien Kremsmünsters das Agendbüchlein des mit Luther eng verbundenen Nürnbergers Veit Dietrich (Veit Dietrich), der u. a. als Prediger in St. Sebald tätig war.27 Dieses im Jahr 1543 „als offizielle Gottesdienstordnung des Rates von Nürnberg“ erschienene Werk fand eine „ungewöhnlich weite Verbreitung“;28 laut Weigelt dokumentiert es die Sorge Veit Dietrichs „um ein stark praxisorientiertes Kirchenwesen“, was sich auch an den zahlreichen Auflagen und seiner Verwendung „bis ins 18. Jahrhundert“ ablesen lässt.29 Für den evangelischen Gottesdienst im Land ob der Enns wurde auf das Buch Veit Dietrichs in der „Kirchenordnung von 1578 ausdrücklich legitimierend verwiesen“.30 Die offizielle Agende Niederösterreichs, des Erzherzogtums Österreich unter der Enns, von 1571 (Chyträus 1571) hatten die Stände in Oberösterreich abgelehnt, da ihnen die Beteiligung an deren Entstehen verwehrt worden war und sie „das Buch als für kleinere Orte nicht tauglich“ ansahen.31 Stattdessen ließen sie einen Auszug dieser Agende erstellen, dessen handschriftliche Abschrift sich in der Österreichischen Nationalbibliothek Wien erhalten hat.32 Die Entwicklung der beginnenden Reformation wird, wie Lehner hervorhebt, gerade an den Veränderungen und Neuerungen in der Liturgie „am deutlichsten und sinnfälligsten sichtbar“.33 Dies unterstreicht Niebergall, wenn er schreibt, dass Änderungen „der hergebrachten Gottesdienstform auf Grund der neuen Einsichten“ in dieser Zeit ein Zeichen für den „Durchbruch“ der Reformation waren, ja veränderte Texte oder eine eigene Agende „weit über eine Modifikation liturgischer Traditionen hinausreichten“.34 Insofern sind die liturgischen Neuerungen deut27
28 29 30
31
32
33 34
Vgl. FROSCHAUER R., Studien zur Reformation, Wien 1977, 40 (Anm. 1); SIMON M., „Dietrich, Veit“, in Neue Deutsche Biographie (Bd. 3), Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Hrsg.), Duncker & Humblot, Berlin 1957, 699. NIEBERGALL A., „Agende“, in TRE (Bd. 1 und 2), 755–784.1–91, hier 22. WEIGELT H., „Nürnberg“, in TRE (Bd. 24), 698–707, hier 702. LEHNER G., „Kirchliches Leben – Gottesdienst und Liturgie“, in Renaissance und Reformation. Landesausstellung 2010, K. Vocelka – D. Leitner (Hrsg.), Trauner, Linz 2010, 253–263, hier 259. EDER K., Studien zur Reformationsgeschichte Oberösterreichs (Bd. 2). Glaubensspaltung und Landstände in Österreich ob der Enns 1525–1602, Feichtinger, Linz 1936, 115. Vgl. HERRMANN F., „,Von den Unordnungen ledig und frey gemacht‘. Einblicke in die oberösterreichischen Kirchenordnungen des 16. und 17. Jahrhunderts“, in Jahrbuch für die Geschichte des Protestantismus in Österreich 126 (2010), 79–121, hier 83 f. LEHNER G., „Kirchliches Leben“, Linz 2010, 253. NIEBERGALL A., „Agende“, in TRE (Bd. 1 und 2), 755–784.1–91, hier 777.
28
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
liche Anzeichen für die Veränderungen des kirchlichen Lebens im Oberösterreich des 16. Jahrhunderts unter dem Einfluss der Reformation.
1.2
Der Prozess der doppelten Konfessionalisierung in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
Der Augsburger Religionsfrieden von 1555 mit der Gewährung des Rechts zur Wahl der Konfession durch den jeweiligen Landesherrn führte in Oberösterreich anders als in vielen Territorien des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation nicht zu einer konfessionellen Vereinheitlichung, sondern hatte vor allem zur Folge, dass die „Religionsfrage“ zum zentralen Streitpunkt der „Länder mit ihrem habsburgischen Landesherrn“ wurde.35 Inzwischen war die Lage der „altgläubigen“ Kirche bedrohlicher geworden; aufgrund politischer Konflikte „lähmten sich“ deren Vertreter wechselseitig, wie das Scheitern einer 1549 in Salzburg abgehaltenen Provinzialsynode zeigt.36 Die Stifte waren in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, steckten aufgrund der Reformation in einer schweren „Identitätskrise“ und litten unter Nachwuchsmangel – nicht zu Unrecht nennt Leeb das 16. Jahrhundert ein „Jahrhundert der Krise“ der österreichischen Klöster.37 Kremsmünster hatte in Johannes Habenzagel (1526– 1543)38 und Gregor Lechner (1543–1558)39 zwar fähige Äbte, die sich für das Kloster einsetzten – im Jahr 1549 wurde etwa das noch heute bestehende Stiftsgymnasium begründet –, doch konnten sie weder wirtschaftlichen Schaden noch den Verfall der Disziplin verhindern. Der Nachfolger Lechners Abt Markus Weiner (1558–1564) ist wohl protestantisch eingestellt gewesen, Kellner bezeichnet ihn als „von den Ideen der Neuerer befangen“ und der „Ideale des Mönch- und Priestertums“ verlustig.40 Möglicherweise war er verheiratet, was ihm eine Visitation im Jahr 1561 jedoch nicht nachweisen konnte.41 Laut der Visitation von 1563 lebten im Konvent von acht Mönchen sechs mit ihren Frauen im Stift, so dass Eder zu dem Schluss kommt, dass in seiner Zeit „das Haus alle Merkmale schweren Verfall aufwies“.42 Erst mit dem gebildeten Abt Erhard Voit (1571–1588)43 begann die Erneuerung. Sein Nachfolger 35 36 37 38 39 40 41 42 43
LEEB R., „Der Streit um den wahren Glauben“, Wien 2003, 196. Ebd., 194. Ebd., 198 f. Vgl. KELLNER A., Profeßbuch des Stiftes Kremsmünster, Kremsmünster 1968, 180 f. Vgl. ebd., 183 f. Vgl. ebd., 187. Vgl. EDER K., Glaubensspaltung und Landstände, Linz 1936, 95 f. Ebd., 203. Vgl. KELLNER A., Profeßbuch des Stiftes Kremsmünster, Kremsmünster 1968, 190 f.
1 Der CC 107 im Kontext seiner Entstehung
29
Johannes Spindler (1589–1600) eröffnete dann, wie Eder schreibt, „die Reihe hervorragender Äbte […], die Kremsmünster nach der Zeit der Erniedrigung wieder auf die alte Höhe führten“.44 Die Haltung der Landesherren beschreibt Leeb für Kaiser Ferdinand I. (gest. 1564) als „vorkonfessionell“45 und für Maximilian II. (gest. 1576) als „überkonfessionell“ und „stark reformgesinnt“46; beide beabsichtigten eine Erneuerung der einen abendländischen Kirche mit einem Ausgleich zwischen den beiden sich entwickelnden Konfessionen. Nach faktischer Duldung unter Ferdinand I. gewährte Maximilian II. gegen große finanzielle Zugeständnisse von Seiten der Stände Oberösterreichs im Jahr 1568 seine Religionskonzession, die offiziell eine „rechtlich anerkannte Bikonfessionalität“ 47 festschrieb. Sie galt de jure nur für die Adeligen und ihre Besitzungen, nicht aber für die landesherrlichen Städte und Märkte, die die Konzession jedoch de facto ebenfalls übernahmen. Dieser Rechtsbruch sollte später zu einem entscheidenden Ansatzpunkt für die Gegenreformation werden, denn sie begann in den Klöstern sowie in den Städten und Märkten. Zum Zeichen ihres Erfolges ließen die Stände im Jahr 1574 an Stelle des aufgelösten Minoritenklosters das Landhaus Linz als ihren repräsentativen Sitz errichten, dem ein Predigtzentrum und eine berühmte Schule angeschlossen war – bis heute tagt dort der oberösterreichische Landtag. So waren diese Jahre geprägt von einer Blüte des kulturellen protestantischen Lebens im Land ob der Enns.48 Parallel zur Durchsetzung des Protestantismus in Oberösterreich ist der Beginn einer „katholischen Gegenbewegung“ festzustellen;49 immerhin hatte ein katholisches Leben stets weiter bestanden und auch der Landesherr in Wien war dem alten Glauben treu geblieben. Für Österreich kann vom Prozess einer zweifachen Konfessionalisierung gesprochen werden, die jedoch im Vergleich mit anderen Ländern erst „relativ spät“ begann; Gründe dafür waren einerseits die Politik des Kaisers, die anders als in den evangelischen Herrschaftsgebieten in Deutschland eine „vollständige evangelische Konfessionalisierung“ unmöglich machte, und andererseits die Tatsache, dass „eine katholische lange nicht ernsthaft betrieben wurde“.50 Nach und während der Festigung des Protestantismus setzte ab etwa 1550 langsam eine katholische Erneuerung ein, die 44 45 46 47 48 49 50
EDER K., Glaubensspaltung und Landstände, Linz 1936, 203. LEEB R., „Der Streit um den wahren Glauben“, Wien 2003, 204. Ebd., 206. LEEB R., „Die Evangelische Kirche Oberösterreichs“, Linz 2010, 237. Vgl. ebd., 237 ff.; LEEB R., „Der Streit um den wahren Glauben“, Wien 2003, 204– 208.251; STROHMEYER A., „Religionspolitik“, Linz 2010, 224. LEEB R., „Der Streit um den wahren Glauben“, Wien 2003, 239. WINKELBAUER T., „Ständefreiheit und Fürstenmacht. Länder und Untertanen des Hauses Habsburg im konfessionellen Zeitalter (Teil 2)“, in Österreichische Geschichte 1522–1699, H. Wolfram (Hrsg.), Ueberreuter, Wien 2003, 61.
30
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
sich um 1600 zu einer katholischen Konfessionalisierung verstärkte und die evangelische ablöste.51 Von zentraler Bedeutung war das 1563 abgeschlossene Konzil von Trient, da es zu einer „Klarheit über die eigene theologische Position“ der Kirche als „Konfessionskirche“ führte.52 Die Abgrenzung gegenüber der protestantischen Position bzw. dessen, was man darunter verstand, und eine Orientierung an der Theologie des Mittelalters waren dabei bestimmend.53 Außerdem stieß es wichtige Neuerungen und Vereinheitlichungen vor allem auch im liturgischen Bereich an – zu nennen ist dabei etwa das Missale Romanum von 1570. Auf protestantischer Seite erfolgte eine Einigung der „Kirchen Augsburgischen Bekenntnisses […] im deutschsprachigen Raum“ einige Jahre nach Trient mit der sog. Konkordienformel von 1577, die eine klare Trennung von calvinistischen Strömungen zur Folge hatte.54 Ihr „maßvoller Mittelweg“ in Fragen des Erbsündenstreits und des Abendmahls wurde in Oberösterreich übernommen, die Pfarrer jedoch auf „ältere Bekenntnisse“ festgelegt, um auf die stark vertretenen sog. gnesiolutheranischen Flacianer mit ihrer harten Haltung zur Erbsünde Rücksicht zu nehmen.55 Diese Prozesse der Selbstvergewisserung und Positionierung auf beiden Seiten waren maßgeblich für die Festigung der Konfessionen in ihrer jeweiligen Unterschiedlichkeit, was seinen Niederschlag wesentlich auch in der Liturgie fand. Sie wurde statt „hoher dogmatischer Fragen“ in der Praxis zum Unterscheidungskriterium zwischen Katholiken und Protestanten.56 Die Rezeption der Ergebnisse des Trienter Konzils verlief nördlich der Alpen schleppend, gerade auf der Ebene der „realen Umsetzung in den Diözesen“ dauerte der Prozess wegen des Fehlens von „geeigneten Pfarrern und Bischöfen“ bis weit ins 17. Jahrhundert hinein, wozu auch der „unter Ferdinand I. und Maximilian II. stark gewordene Kompromisskatholizismus“ beitrug.57 Zwei 51
52 53
54 55 56 57
Vgl. LEEB R., „Der Streit um den wahren Glauben“, Wien 2003, 239 f.251 ff.; WASSILOWSKY G., „Katholische Reform und Gegenreformation in Oberösterreich“, in Renaissance und Reformation. Landesausstellung 2010, K. Vocelka – D. Leitner (Hrsg.), Trauner, Linz 2010, 323–325; WINKELBAUER T., „Ständefreiheit und Fürstenmacht“, Wien 2003, 56–63. LEEB R., „Der Streit um den wahren Glauben“, Wien 2003, 243. Vgl. GANZER K., „Das Konzil von Trient und die theologische Dimension der katholischen Konfessionalisierung“, in Die katholische Konfessionalisierung. Wissenschaftliches Symposium der Gesellschaft zur Herausgabe des Corpus Catholicorum und des Vereins für Reformationsgeschichte 1993 (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 198), W. Reinhard – H. Schilling (Hrsg.), Gütersloher Verlagshaus, Heidelberg 1995, 50–69, hier 51.67 f. Vgl. KOCH E., „Konkordienformel“, in TRE (Bd. 19), 476–483, hier 476. LEEB R., „Die Evangelische Kirche Oberösterreichs“, Linz 2010, 246. FROSCHAUER R., Studien zur Reformation, Wien 1977, 137. LEEB R., „Der Streit um den wahren Glauben“, Wien 2003, 245.
1 Der CC 107 im Kontext seiner Entstehung
31
Jahrzehnte nach dem gescheiterten Treffen von 1549 fand im Jahr 1569 in Salzburg erneut eine Synode der Kirchenprovinz statt, um die Trienter Beschlüsse in die Diözesen der Region zu kommunizieren. Als apostolischer Kommissar nahm der italienische Dominikaner Felizian Ninguarda daran teil, unter dessen Führung in der Folge die wichtige Salzburger Agende von 1575 entstand.58 Anders als viele Bischöfe des Reiches, die „nicht zu Ausführungsorganen der römischen Zentrale“59 werden wollten, setzte sich der ab 1561 als Fürstbischof von Passau amtierende Urban von Trennbach (1525–1598) im Geiste der Konzilsbeschlüsse für deren Umsetzung, die kirchliche Erneuerung und die Stärkung der Seelsorge ein – Eder nennt ihn „Reformbischof im Sinne des Trienter Konzils“ und „die Seele der katholischen Restauration im Lande ob der Enns“.60 Er ließ sich weder von seinen geringen Einflussmöglichkeiten in den österreichischen Ländern noch durch den Widerstand des Kaisers und der Äbte und Prälaten beirren, die etwa die Gründung eines diözesanen Priesterseminares verhinderten. Im Jahr 1576 berief er eine eigene Diözesansynode nach Passau ein und setzte mit seinen gemeinsam mit Melchior Khlesl verfassten Pastoralinstruktionen von 1582 und 1590 zur „formgerechten und würdigen Durchführung“ der Sakramente, zur „Kultivierung der tridentinischen Lehre von der realen und bleibenden Präsenz des Eucharistiesakraments“ und zur Reform der Predigt sowie mit der neuen Passauer Agende von 1586/87 maßgebliche Impulse für die liturgische Entwicklung in seinem Bistum.61 Als nach dem Tod Maximilians II. im Jahr 1576 dessen Sohn Rudolf II. die Macht übernahm, der „in Spanien streng katholisch erzogen worden war“, änderten sich die politischen Rahmenbedingungen zu Gunsten der Katholiken.62 Bereits 1578 kam es zum Konflikt mit den Ständen Oberösterreichs, als Rudolf diesen die Religionsfreiheit nicht schriftlich bestätigen wollte. Das hielt die Stände nicht davon ab, noch im selben Jahr zur Regelung der Seelsorge, des Verhältnisses von evangelischen und katholischen Pfarreien und zur Klärung innerprotestantischer theologischer Auseinandersetzungen eine eigene Kirchenordnung zu beschließen, die Eder wegen ihrer Bedeutung für die „innere Ordnung des Protestantismus im Lande“ als „Seitenstück zu dem prächtigen 58
59 60 61
62
Vgl. Agende in zwei Bänden: Bd. 1 Salzburg 1575 und Bd. 2 FELICIANUS NINGUARDA, Libri Agendorvm Secvndvm Antiqvvm vsum Metropolitanae Salisburgensis Ecclesiae etc. 2: Quae Est De Benedictionibus A Sacerdotibus Faciendis, Ac Processionibus, & id genus aliis, uti ex sequenti indice constat Mayer, Dilingae [Dillingen] 1575. WASSILOWSKY G., „Katholische Reform und Gegenreformation in Oberösterreich“, Linz 2010, 323. EDER K., Glaubensspaltung und Landstände, Linz 1936, 310 f. WASSILOWSKY G., „Katholische Reform und Gegenreformation in Oberösterreich“, Linz 2010, 323 f.; vgl. Passau 1587 sowie EDER K., Glaubensspaltung und Landstände, Linz 1936, 224 ff.311. LEEB R., „Der Streit um den wahren Glauben“, Wien 2003, 251.
32
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
Landhausbau“ in Linz bezeichnet – ein wichtiger Punkt betraf dabei die Prediger im Landhaus, die nun „nicht nur Herren und Landleute, sondern auch Bürger“ seelsorglich betreuen durften.63 Damals sind zur gleichen Zeit eine weitere Ausbreitung des evangelischen Bekenntnisses vor allem auf den Gütern der Adligen einerseits und andererseits die ersten politischen Maßnahmen der später so bezeichneten Gegenreformation zu beobachten. Dazu zählen die Inanspruchnahme alter Patronatsrechte von Seiten des Landesherrn zur Einsetzung katholischer Pfarrer nach 1580 sowie verschiedene Eingriffe wie das Verbot der evangelischen Schulen und die Einsetzung katholischer Beamter im Gefolge der Bestellung des katholischen Landeshauptmanns von Löbl im Jahr 1592. Ab 1600 waren die Jesuiten mit zwei Patres in Linz vertreten. Diese legten dort einen großen pastoralen Eifer für die katholische Erneuerung an den Tag und führten beispielsweise kurz nach ihrer Ankunft die 40 Jahre zuvor abgeschaffte Fronleichnamsprozession wieder ein. All dies stieß in Oberösterreich auf heftigen Widerstand und löste zum Teil soziale Unruhen bis hin zum Bauernaufstand von 1595 aus.64 Den Ständen des Landes ob der Enns gelang es, dem politischen Druck standzuhalten und den Status quo der evangelischen Gemeinden unter ihrem Patronat zu bewahren, was durch die passive Haltung und Untätigkeit des Kaisers begünstigt wurde. Darüber hinaus konnten sie den Konflikt der Brüder Rudolf II. und Matthias dazu nutzen, als Preis ihrer Gefolgschaft für Matthias von diesem im März 1609 eine weitreichende, schriftlich bestätigte Religionskonzession zu erreichen, die für Oberösterreich auch die „Kultusfreiheit für die Städte“65 zumindest teilweise akzeptierte. Die Konzession sicherte die freie „Ausübung des evangelischen Glaubens“ zu, so dass sich ab 1609 erneut ein „reges von den Ständen getragenes Kulturleben“ entfalten konnte.66 Schließlich wurde im Jahr 1617 auch eine eigene Agende zum „Gottesdienst der Gemeinden Augspurgischen Confession“67 gedruckt, was Leeb als eine „Nachblüte“68 des Protestantismus in Oberösterreich bezeichnet. Mit dem Tod von Kaiser Matthias im Jahr 1619 endete dieser Nachsommer bereits kurz darauf, als die Stände die Huldigung für dessen Nachfolger Ferdinand II. verweigerten. Stattdessen schlossen sie sich in einem Versuch einer neuen staatlichen Einheit den aufständischen Böhmen an, was jedoch mit der Niederlage in der 63 64
65 66 67 68
EDER K., Glaubensspaltung und Landstände, Linz 1936, 152. Vgl. LEEB R., „Der Streit um den wahren Glauben“, Wien 2003, 251–262; WASSILOWSKY G., „Katholische Reform“, Linz 2010, 324; STROHMEYER A., „Religionspolitik“, Linz 2010, 225; EDER K., Glaubensspaltung und Landstände, Linz 1936, 151 f.249 ff.255 ff. LEEB R., „Der Streit um den wahren Glauben“, Wien 2003, 263. STROHMEYER A., „Religionspolitik“, Linz 2010, 226. LEHNER G., „Kirchliches Leben“, Linz 2010, 260. LEEB R., „Der Streit um den wahren Glauben“, Wien 2003, 263.
1 Der CC 107 im Kontext seiner Entstehung
33
Schlacht am Weißen Berg bei Prag 1620 katastrophal scheiterte. Der Sieg der kaiserlichen Truppen läutete das Ende offizieller evangelischer Kirchlichkeit in Oberösterreich ein. Als Ferdinand II. das Land ob der Enns im Jahr 1621 als Gegenleistung für dessen militärische Unterstützung bei den Kämpfen in Böhmen an den bayerischen Herzog Maximilian verpfändete, setzten strenge gegenreformatorische Maßnahmen ein: 1624 wurden Prediger und Schulmeister ausgewiesen, 1625 die Anordnung erlassen, „alle Bewohner des Landes müssten katholisch werden“,69 und im Jahr 1627 wurde schließlich der Adel vor die Wahl gestellt, zu konvertieren oder das Land zu verlassen, womit die letzte Basis des Protestantismus zerschlagen wurde. Entwickelte sich Oberösterreich zwar auf diese Weise im 17. Jahrhundert zu einem „von außen sichtbar […] religiös homogenen Land“,70 wurde das evangelische Bekenntnis aber im Privaten vielfach weitergetragen, was man als das Phänomen des Geheimprotestantismus bezeichnet. In der Zeit ab 1650 bot der katholische Klerus vor allem aufgrund der intensiven Ausbildung in den Priesterseminaren ein „signifikant neues Erscheinungsbild“ im Vergleich zu dessen Zustand 100 Jahre früher, auf eine angemessene Lebensführung wurde hohen Wert gelegt.71 Von großer Bedeutung war auch das „Wirken der inzwischen reformierten und im Aufblühen begriffenen alten Stifte“72 wie Kremsmünster, die ihre Mitglieder verstärkt in der Seelsorge einsetzten und so den Katholizismus auch in der Fläche präsent machten. Diese Erneuerung fand Ausdruck in den damals errichteten Klosterund Kirchenbauten, die bis heute Österreich prägen, so dass Leeb von einer „barocken Sakrallandschaft“73 sprechen kann, zu der das Land bis zum Ende des 17. Jahrhunderts geworden war.74 1.3
Biographische Notizen zum Autor Magister Sebastian Krabler
Auf der ersten Seite nennt der CC 107 den Autor bzw. Kompilator der Agende mit den Worten: „Colligiert durch Magistrum Sebastianum Krablerum Aichen. Bavarum 1580“ (f. IIr). Jener Sebastian Krabler war zu diesem Zeitpunkt Pfarrer der Kremsmünsterer Stiftspfarre Steinerkirchen an der Traun sowie Dechant des Dekanates Lambach. Beide Ämter finden hier jedoch keine Erwähnung, stattdessen werden seine bayerische Herkunft aus der Stadt Aichach sowie sein akademischer Grad des Magisters aufgeführt. Geboren wurde Krabler 69 70 71 72 73 74
STROHMEYER A., „Religionspolitik“, Linz 2010, 227. WASSILOWSKY G., „Katholische Reform“, Linz 2010, 325. LEEB R., „Der Streit um den wahren Glauben“, Wien 2003, 272. Ebd., 274. Ebd., 279. Vgl. ebd., 262–265.272–279; STROHMEYER A., „Religionspolitik“, Linz 2010, 225– 228; WASSILOWSKY G., „Katholische Reform“, Linz 2010, 324 f.; EDER K., Glaubensspaltung und Landstände, Linz 1936, 413–416.
34
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
um das Jahr 1545 in einer vermutlich wohlhabenden Familie, die laut Pongratz dem Patriziat der Stadt Nürnberg zuzurechnen ist; sein Vater ist als Gerichtsschreiber in Aichach bezeugt.75 Im Jahr 1548 erhielt dieser einen Wappenbrief Kaiser Karls V. und führte fortan als Wappen einen schräggestellten Krebs mit zwei Scheren, darüber als Helmzier einen wilden Mann mit zwei Krebsscheren in den beiden Händen. Dieses Familienwappen findet sich nicht nur auf dem Exlibris von Pfarrer Krabler, sondern auch auf dessen Grabstein, der sich an der Chorrückwand der Pfarrkirche von Steinerkirchen erhalten hat. Wohl noch von ihm persönlich bei einem Künstler in Auftrag gegeben – die Sterbedaten fehlen – ist dieses Epitaph wegen seiner Inschrift und der bemerkenswerten Darstellung eines Kelches auf einem Buch, über den ein Stab mit einer Stola gestellt ist, von besonderem Interesse.76 Möglicherweise lässt sich diese Komposition aufgrund der Größe des Kelches,77 die auf den Empfang der Kommunion unter beiderlei Gestalt hinzuweisen scheint, als Bekenntnis zu einem reformoffenen, erneuerten Katholizismus verstehen. Ab 1560 ist Krabler als Student der Rechte an der Universität Ingolstadt nachweisbar, wo er bereits 1563 den Magistergrad erwarb. 78 Zu dieser Zeit stand Ingolstadt unter wachsendem Einfluss der Jesuiten, denen ab 1549 vom bayerischen Herzog wichtige Aufgaben und Rechte an der Hochschule übertragen worden waren.79 Deren Bildungsziele und gegenreformatorische Ausrichtung einerseits wie auch die „geistige Ausstrahlung dieser Universität“ andererseits dürften nicht ohne Einfluss auf den späteren Dechanten geblieben sein, wofür seine Bemühungen um eine kirchliche Reform sprechen.80 Auch nach dem Abschluss in Ingolstadt muss Krabler weiteren Studien vor allem der Theologie nachgegangen sein, so dass er offenbar über eine hohe Bildung verfügt hat – eine große Ausnahme für die damalige Zeit. Besondere Fachkenntnisse scheint er in der Kanonistik erworben zu haben, worauf die große Zahl 75
76
77
78 79
80
PONGRATZ W., „Sebastian Krabler und sein Exlibris“, in Österreichisches Jahrbuch für Exlibris und Gebrauchsgrafik (Bd. 45, 1962/1963), Exlibris-Gesellschaft, Wien 1963, 15–21, hier 16. Vgl. STURM J., „Kommentierte Regesten zur Kunst- und Kulturgeschichte der Pfarrkirche Steinerkirchen an der Traun 1400–1800“, in Jahrbuch des Musealvereines Wels 31 (1996/1997) 89–138, hier 93 (Anm. 18).95; PONGRATZ W., „Sebastian Krabler und sein Exlibris“, Wien 1963, 20. Zur Größe des Kelches vgl. LEEB R., „Die Evangelische Kirche Oberösterreichs und ihre Theologen im Jahrhundert der Reformation“, in Renaissance und Reformation. Landesausstellung 2010, K. Vocelka – D. Leitner (Hrsg.), Trauner, Linz 2010, 235–251, hier 236. Vgl. FROSCHAUER R., Studien zur Reformation, Wien 1977, 51.61.64; PONGRATZ W., „Sebastian Krabler und sein Exlibris“, Wien 1963, 17. Vgl. SCHUH M., „Universität Ingolstadt (1472–1800)“, in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Universität_Ingol stadt_(1472-1800) [Zugriff 11.03.2021]. FROSCHAUER R., Studien zur Reformation, Wien 1977, 51.
1 Der CC 107 im Kontext seiner Entstehung
35
kirchenrechtlicher Bücher in den Resten seiner einst wohl umfangreichen Bibliothek hinweist.81 Dazu passt die Einschätzung von Spital in seiner Analyse der Taufansprachen Krablers, dass es sich um die „Hand eines kundigen Theologen“ handeln müsse.82 Darüber hinaus ist Krabler offenkundig auch musikalisch sehr interessiert gewesen, führt doch das nach dessen Tod verfasste Inventar des Pfarrhofs mehrere Instrumente auf.83 Wo und wann Krabler seine theologischen Studien absolviert hat und zum Priester geweiht wurde, lässt sich nicht angeben. Nach 1569 wirkte er als Pfarrer im zur Erzdiözese Salzburg gehörigen Laufen an der Salzach, bevor er 1572/73 die Pfarrei Steinerkirchen in der Diözese Passau übernehmen konnte. Dort ließ er ab 1582 unter anderem einen neuen Hochaltar für die Kirche errichten, wie in den Regesten der Pfarrkirche vermerkt ist.84 Als „teiglichen [= tauglichen; d. Verf.] und gelerten briester“ setzte ihn der damalige Abt Erhard Voit von Kremsmünster als „Vogts- und Lehensherr“ der Pfarrei ein;85 die Bestätigung des Bischofs Urban von Passau erfolgte 1573.86 Bereits ein Jahr später ernannte ihn der Bischof auch zum Dechanten des Dekanats Lambach, das mit 49 Pfarreien im Traungau, Attergau und Salzkammergut einen bedeutenden Teil des heutigen Bundeslandes Oberösterreich abdeckte.87 Als Dechant hatte Krabler in der Rolle einer Vermittlungsinstanz zwischen den Pfarreien und dem Bischof zu fungieren, womit unter anderem „ein gewisses selbstständiges Aufsichtsrecht über den Klerus“ des Dekanats verbunden war.88 Eine seiner ersten Amtshandlungen war offenbar die Verkündigung des „für 1575 ausgerufenen Heiligen Jahres“.89 Krabler stand damit nicht nur in der Spannung zwischen Klerus und Bischof, sondern war als Pfarrer einer Stiftspfarre neben dem Bischof auch „seinem Mentor“ und Förderer Abt Erhard von Kremsmünster gegenüber in der Pflicht.90 Für beide war er im Sinne der Erneuerung des katholischen kirch81 82
83 84 85 86 87 88 89 90
Vgl. ebd., 64.70. SPITAL H. J., Der Taufritus in den deutschen Ritualien von den ersten Drucken bis zur Einführung des Rituale Romanum (Liturgiewissenschaftliche Quellen und Forschungen 47), Aschendorff, Münster 1968, 164. Vgl. FROSCHAUER R., Studien zur Reformation, Wien 1977, 129; STURM J., „Kommentierte Regesten“, 97. Vgl. FROSCHAUER R., Studien zur Reformation, Wien 1977, 64; STURM J., „Kommentierte Regesten“, 93 f. FROSCHAUER R., Studien zur Reformation, Wien 1977, 65. Vgl. ebd., 68. Vgl. EDER K., Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung, Linz 1933, 9 f.; FROSCHAUER R., Studien zur Reformation, Wien 1977, 84 f. FROSCHAUER R., Studien zur Reformation, Wien 1977, 86. Ebd., 84. FROSCHAUER R., „Das Wirken des Steinerkirchner Pfarrers Mag. Sebastian Krabler (1573–1590) als Dechant des Dekanats Lambach“, Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereines 157 (2012) 327–343, hier 327.
36
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
lichen Lebens aktiv, wenn seine Maßnahmen in der eigenen Pfarrei bisweilen auch sehr drastisch waren, wie ein Beispiel aus dem Jahr 1575 zeigt. Damals ließ er ein verstorbenes Mädchen nicht auf dem Friedhof bestatten, weil es seit über einem Jahr nicht mehr die Kommunion empfangen hatte.91 Die „mutige Erneuerung des Alten […] im Geist des Trienter Konzils“ war, wie Froschauer schreibt, in „einem auf die Seelsorge ausgerichteten missionarischen Geist“ das große Anliegen Krablers; seine Hoffnung war „eine katholische Erneuerung“, die ihm vielversprechender schien als eine „neue Konfession, die eben erst im Aufbau begriffen“ und von vielen Streitigkeiten geprägt war.92 Er entwarf etwa das Konzept für ein Patent des Abtes Erhard Voit, mit dem dieser 1587 für die Pfarren des Stiftes anordnete, „unkatholische Bräuche“ abzuschaffen und die „katholische Religion“ wiederherzustellen.93 Bemerkenswert ist, dass er anlässlich des Besuchs von Erzherzog Karl von Innerösterreich und seiner bayerischen Frau Maria zum 800-jährigen Jubiläum des Klosters 1577 in der Stiftskirche ein Hochamt zu feiern hatte – offenbar hielt der Abt damals keinen seiner Mönche dafür geeignet.94 Außerdem hat er für Abt Johannes Spindler als Nachfolger Abt Erhards 1588 die „Ordnung seiner Installierung in Kremsmünster verfasst“.95 Zu seinen Hauptaufgaben im Amt des Dechanten gehörte, den Bischof über den Stand des kirchlichen Lebens zu informieren und ihm vor allem Fälle von „Ungehorsam straks zu berichten“.96 Diesem Auftrag kam Krabler etwa mit seinem ersten offiziellen Bericht von 1575 nach, in dem er ausführlich die Missstände im Klerus darstellt und die Ablehnung schildert, die er persönlich bei seiner Tätigkeit erfuhr. Hervorzuheben ist die Teilnahme des Dechanten Krabler an der Passauer Diözesansynode im Frühjahr 1576, die zur Umsetzung und Mitteilung der Beschlüsse der Salzburger Provinzialsynode von 1569 und damit des Trienter Konzils dienen sollte. In deren Folge hielt Krabler im Juni 1576 eine eigene Synode seines Dekanates in Steinerkirchen ab, zu der aber nur ein geringer Teil der geladenen Geistlichen tatsächlich erschienen ist – ein wichtiges Indiz für „die bedrohte Situation des alten Glaubens im Land ob der Enns“ in dieser Zeit.97 Nach der Einführung der Kalenderreform durch Papst Gregor XIII. für den Oktober 1582 fiel es in den Aufgabenbereich des Dechanten, diese in den Pfarreien bekannt zu machen und für deren Umsetzung zu sorgen, wobei die Akzeptanz des neuen Kalenders vor allem aufgrund des 91 92 93 94 95 96 97
Vgl. FROSCHAUER R., Studien zur Reformation, Wien 1977, 152. Ebd., 178. Ebd., 144 f. Vgl. ebd., 141 f. Ebd., 147. FROSCHAUER R., „Das Wirken des Steinerkirchner Pfarrers Mag. Sebastian Krabler“, 331. Ebd., 337.
1 Der CC 107 im Kontext seiner Entstehung
37
Widerstands der Bauern zunächst nur sehr gering war. Diese Schwierigkeiten mögen neben persönlichen Problemen dazu beigetragen haben, dass sein Arbeitseifer offenbar nachgelassen hat, zumindest sind nach 1583 kaum mehr Aktivitäten als Dechant belegt. Wie im Folgenden noch darzustellen ist, geriet der katholische Erneuerer Krabler gegen Ende seines Lebens selbst in den Verdacht, nicht linientreu zu sein, so dass er „beim Bischof in Ungnade gefallen zu sein“ scheint,98 als er 1590 in Steinerkirchen starb.99
1.4
Die Entstehungsgeschichte des Textes100
Über die Hintergründe der Entstehung und Verwendung seines Agendbüchleins äußert sich Krabler in einem Brief an den Passauer Domdekan Anton Fabritius aus dem Jahr 1589, dessen Konzept erhalten geblieben ist. Im Rückblick schreibt er dort zu seiner Rechtfertigung, dass man „in der ganzen Gegend früher nur die Agende des lutherischen Veit Dittrich gekannt“ 101 habe und die Leute vor allem für die Kindertaufe keine andere verwendet sehen wollten. Aus diesem Grund habe er es – ob hier nur der Taufritus oder ein ganzes Rituale gemeint ist, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden – „verteutscht, zusammengeschriben, mit einer vorrödt gemehrt und bisher gepraucht“, also übersetzt, zusammengestellt, Vermahnungen hinzugefügt und diese Texte „ein zeit her aus not“ verwendet.102 Weder in Steinerkirchen noch in benachbarten Pfarreien, wie Krabler an anderer Stelle schreibt, habe man schließlich mehr etwas „von der katholischen Religion“ gewusst. 103 Tatsächlich stellt der Taufritus der Krabler’schen Agende, wie im Folgenden zu zeigen ist, weitgehend eine deutsche Übersetzung des damals in der Diözese Passau üblichen Ritus dar. Als Vorbild für seine Arbeit nennt Krabler in dem Brief an Fabritius einen Herrn „Leüsentritius“,104 wobei es sich ziemlich sicher um Johann Leisentritt (gest. 1586) handeln dürfte. Dieser war als Dekan des Kollegiatsstifts Bautzen (heute Bundesland Sachsen, Deutschland) für das kirchliche Leben in der Ober- und Niederlausitz verantwortlich und setzte sich als solcher für den „Erhalt des katholischen Bekenntnisses“ ein. Aufgrund seiner pastoralliturgischen Werke, darunter seine „deutschsprachigen Liturgiebücher 98 99 100 101 102 103 104
Ebd., 342. Vgl. ebd., 333–337.339–342; FROSCHAUER R., Studien zur Reformation, Wien 1977, 84–86.91–97. Für dieses Kapitel vgl. vor allem FROSCHAUER R., Studien zur Reformation, Wien 1977, 71–83.126–137.178 f.; weitere Zitationen sind jeweils angegeben. FROSCHAUER R., Studien zur Reformation, Wien 1977, 127. Ebd., 127 f. Ebd., 133. Ebd., 127.
38
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
(Taufe, Trauung) […], sein bahnbrechendes Gesangbuch“ und auch Übersetzungen der Messtexte in die Volkssprache, kann er laut Heinz neben Georg Witzel als „bedeutendster Anwalt einer katholischen Liturgiereform vor und während des Tridentinums“ gelten.105 Angesichts dessen ist die Aussage Krablers bemerkenswert, ordnet er sich und sein Werk damit doch in den an Erneuerungen und Reformen interessierten katholischen Bereich ein, der vor dem Einsetzen der zunehmend strikten gegenreformatorischen Maßnahmen zur Durchsetzung der konfessionell verstandenen katholischen Sache durchaus für Anliegen der Reformation offen war. Weil er seine eigene Agende im Vergleich zu der des Veit Dietrich als „verantwortlicher gegen Gott“ ansah, ließ er Abschriften für weitere Pfarreien anfertigen, die sich im Sinne der kirchlichen Erneuerung „umb die religion treulich“ annehmen wollten.106 Auch an Abt Johannes Spindler von Garsten, der 1589 die Leitung Kremsmünsters übernahm, habe er sein Agendbuch geschickt, weil dieser „etliche aufruererische pfarren zu reformieren gedacht“ habe.107 Wann und unter welchen Umständen die Stiftsbibliothek Kremsmünster in den Besitz des CC 107 gelangte, ist unklar. Der barocke Signaturvermerk aus dem 18. Jahrhundert am Anfang der Handschrift gibt den Standort in der um 1700 eingerichteten Bibliothek an und belegt so, dass sie bereits lange zu deren Bücherbestand zählt; vermutlich ist der Kodex jedoch bereits zu einem früheren Zeitpunkt erworben worden. Bisher sind keine weiteren erhaltenen Abschriften der Agende bekannt, könnten aber theoretisch noch in (Pfarr-) Archiven der Region vorhanden sein. Ein Zusammenhang mit dem Werk Krablers besteht eventuell mit dem Taufritus samt Vermahnung in der Handschrift Cgm 9509 der Bayerischen Staatsbibliothek, da diese große Übereinstimmungen zeigen, die Vermahnungen vor und während der Taufe einander in weiten Teilen sogar wörtlich entsprechen; vielleicht gehen beide auf eine gemeinsame, bisher unbekannte Quelle zurück oder sind voneinander abhängig.108 Möglicherweise sind frühere Abschriften im Rahmen späterer Visitatio105
106 107 108
HEINZ A., „Leisentrit(t)“, in LThK (Bd. 6), 798 f.; Heinz nennt als Sterbejahr 1584, Froschauer (Studien zur Reformation) und andere Autoren dagegen das Jahr 1586; wohl ein Fehler von Heinz. FROSCHAUER R., Studien zur Reformation, Wien 1977, 128. Ebd., 127. Vgl. Der handschriftliche Teil enthält hauptsächlich zum Rituale, auch Libellus agendarum genannt, gehörende Texte, deutsch und lateinisch (Bayerische Staatsbibliothek Cgm 9509), Digitalisat unter: https://www.digitale-sammlungen.de/de/ view/bsb00092318?page=1 [Zugriff 07.11.2023], dort ff. IIIr–VIv und ff. 67v–91r; zu dieser, mit einem Exemplar von Salzburg 1557 zusammengebundenen Handschrift vgl. DONAHUE L. A., „Presentation and Discussion of a Reformation-era, Catholic, Vernacular Baptismal Rite in Germany in Manuscript Cgm 9509. Part one“, in Ecclesia orans 39 (2022) 277–303, „Part two“ in Ecclesia orans 40 (2023) 37–59.
1 Der CC 107 im Kontext seiner Entstehung
39
nen im Sinne der Trienter Reformen verloren gegangen oder gar der „Spanischen Inquisition“ zum Opfer gefallen, was Froschauer von bezeugten, aber bislang nicht aufgefundenen Predigten Krablers vermutet,109 die für dessen theologische Position sicherlich aufschlussreich wären. Nach dem erneuerten Salzburger „Libellus agendarum“ von 1557 (Salzburg 1557), der zahlreiche deutschsprachige Ansprachen enthält, war wenige Jahre vor der Entstehung der Agende Krablers im Anschluss an die Provinzialsynode in Salzburg von 1569 wie bereits erwähnt unter Federführung des päpstlichen Kommissärs Ninguarda die stark tridentinisch beeinflusste Agende mit dem Titel „Libri Agendorum secundum antiquum usum Metropolitanae Salisburgensis Ecclesiae“ in zwei Bänden erschienen (Bd. 1: Salzburg 1575). Dieses Rituale war bei Krabler nach dessen eigener Aussage in Verwendung und diente gemeinsam mit der älteren Ausgabe aller Wahrscheinlichkeit nach auch als Quelle für seine eigene Agende, wie im Folgenden noch zu zeigen ist. Exemplare beider Ausgaben haben sich in der Stiftsbibliothek erhalten. Im Jahr 1586 gab Bischof Urban von Passau eine eigene Agende heraus, mit deren Erscheinen – wie in der Vorrede unterstrichen wird – der Gebrauch aller anderen Rituale mit der Strafandrohung der Exkommunikation verboten wurde; dies zu überwachen, war besonders den Dekanen wie Krabler aufgetragen.110 Dennoch legen Berichte einer Visitation aus dem Jahr 1598 nahe, dass einige Pfarreien noch bis dahin die Agende Krablers verwendeten. Die Gemeinden wurden daraufhin aufgefordert, dies zu unterlassen und stattdessen – interessanterweise – nicht die Passauer, sondern die Salzburger Agende von 1575 einzuführen. Dies zeigt sowohl, dass trotz der klaren bischöflichen Bestimmungen der Gebrauch verschiedener Agenden üblich blieb, als auch wie wenig durchsetzungsstark und machtlos der Bischof vielen Entwicklungen gegenüberstand. Trotz seiner mangelnden Autorität versuchte der Passauer Oberhirte im Rahmen der Möglichkeiten, seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen. So lag dem bereits zitierten Brief Krablers an Domdekan Fabritius der handfeste Vorwurf zugrunde, gegen die ausdrückliche Anweisung des Bischofs gehandelt zu haben, nämlich nur mehr die Passauer Ausgabe zu verwenden und für deren Verbreitung zu sorgen. In der Vorrede des Buches hatte sich Bischof Urban explizit über die Priester seiner Diözese beklagt, die sich aus älteren Agenden eigene Texte zusammenstellten. Er lehnt klar ab, dass sie „ihrer ainfald nach vermainend das best und gut daraus (zu) klauben und das böse (zu) lassen“, denn so würden „ihre Ame Schäflin durch solche giftige mit Zucker 109 110
Ebd., 134. Vgl. Passau 1587, f. IIIv–IVr; zur Vorrede vgl. auch KOPP S., Volkssprachliche Verkündigung. Die Modellanreden in den Diözesanritualien des deutschen Sprachgebietes (Studien zur Pastoralliturgie 42), Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2016, 110 f.
40
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
überzogene Agenden verführt“.111 Es nimmt daher nicht wunder, dass sich auch Krabler für seine liturgische Bräuche rechtfertigen und die von ihm verfasste Agende zur Kontrolle nach Passau übersenden sollte. Er selbst gab zwar vor, von der neuen Ausgabe des Diözesanrituales noch nichts gewusst – eine ziemlich unwahrscheinliche Aussage – und außerdem immer alles stets treu und fleißig gehalten zu haben. Dennoch scheint er in Sorge gewesen zu sein, wenn er schreibt: „Ob ich nun dardurch in die Spanisch inqisition fallen möcht muss ich mich hoch besorgen.“112 Leider dokumentiert Froschauer kein Ergebnis der bischöflichen Durchsicht der Agende, die sich vielleicht in den Passauer Archiven erhalten hat; möglicherweise kam es aber wegen des Todes Krablers 1590 gar nicht erst zu weiteren Nachforschungen. Insgesamt scheint die Reputation sowohl beim Bischof als auch beim neuen Abt Johannes Spindler (ab 1589) geschwunden zu sein, da seine Praktiken und reformoffenen Ansätze einer katholischen Erneuerung in der beginnenden Gegenreformation wohl zusehends als nicht mehr rechtgläubig angesehen wurden. Zu diesen zählt als Erstes der Gebrauch der Volkssprache, die im Zuge der Reformation auch in der katholischen Liturgie mehr oder weniger weite Verbreitung gefunden hatte.113 Das reformatorische Anliegen, dass die Gläubigen die Texte verstehen und so besser an den Feiern teilnehmen können sollten, wurde auch von katholischer Seite vielfach geteilt, was sich an den liturgischen Büchern der Zeit ablesen lässt. Der bereits genannte Leisentritt entwarf in diesem Sinne etwa eine deutsche Messe, die allerdings keine päpstliche Anerkennung fand. Viele Diözesanagenden sind zumindest teilweise zweisprachig und enthalten ab der Mitte des 16. Jahrhunderts volkssprachliche Vermahnungen.114 Dass jedoch wie bei Krabler etwa die Taufe vollständig in Deutsch angeboten wird, kann als Besonderheit seines Buches bezeichnet werden, da mit Ausnahme der Übersetzungen von Georg Witzel und Johann Leisentritt die katholischen Taufordnungen der Zeit „beim Vollzug der Riten die Muttersprache nur sehr sparsam“ gebrauchen.115 Im Zuge der neuen Passauer Agende betonte Bischof Urban gegen diese Entwicklungen, dass die Sakramente nur in lateinischer Sprache zu halten seien, was allerdings zunächst nicht oder nur schwer zu erreichen war. Auch seine eigene Agende von 1586/87 enthält große Teile in der Landessprache, was „vom Druckbild her den Eindruck“ erweckt, 111 112 113 114 115
Passau 1587, f. IIv. FROSCHAUER R., Studien zur Reformation, Wien 1977, 127. Vgl. dazu etwa KOPP S., Volkssprachliche Verkündigung, Regensburg 2016, 40– 43. Vgl. SPITAL H. J., Der Taufritus in den deutschen Ritualien, Münster 1968, 163. KLEINHEYER B., Sakramentliche Feiern I. Die Feier der Eingliederung in die Kirche (Gottesdienst der Kirche 7,1), Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 1989, 163; vgl. auch FRANZ A., „Zur Geschichte der gedruckten Passauer Ritualien“, in Theologisch-praktische Monatsschrift 9 (1899) 75–85.180–185.288–299, hier 185.
1 Der CC 107 im Kontext seiner Entstehung
41
diese sei gegenüber dem Lateinischen „leitend“ – die Taufformel allerdings wird nur auf Latein angegeben.116 Ähnlich schwierig war es, die Zölibatsverpflichtung der Priester durchzusetzen. Dahingehende Versuche führten dazu, dass die Prälaten Oberösterreichs im Jahr der Passauer Synode von 1576 in einem Schreiben an Kaiser Maximilian II. die zur kirchlichen Reform von der Synode geforderte „Abschaffung der Priesterehe […] als unmöglich“ bezeichneten, da „alle Laienpriester verheiratet“ seien und die Leute „unverehelichte Priester nicht für ehrlich und tauglich“ ansehen.117 Mehr oder weniger scheint diese Beschreibung auch auf Krabler zu zutreffen, der zwar nie offiziell verheiratet war, aber offenbar mehrere Beziehungen und Kinder aus diesen gehabt haben dürfte. Zunächst als gängige Praxis nicht beanstandet, änderte sich die Situation mit der genannten Synode von 1576 in Passau, da diese den Zölibat klar einforderte und die gegenteilige Praxis zu unterbinden suchte. Nach eigener Aussage hat man Krabler seine Lebensführung in der Folge zum Vorwurf gemacht. Gleiches war auch für die Kommunion der Fall, die er trotz eigener Bedenken wohl üblicherweise unter beiderlei Gestalt gespendet hat. Dafür spricht, dass seine Agende für die Spendung von Leib und Blut je eigene Formeln angibt. Im Jahr 1590 musste Krabler bei Abt Johannes Spindler von Kremsmünster über seine Form der Krankenkommunion Rechenschaft ablegen. Die bisher übliche Form unter beiderlei Gestalt akzeptierte der Nachfolger des 1588 gestorbenen Voit anders als dieser knapp 15 Jahre früher nicht mehr. Allerdings hatte noch Abt Alexander a Lacu (in Kremsmünster im Amt 1600 bis 1613) als „Kommissär für die Durchführung der Kommunion unter der Brotgestalt allein“118 Schwierigkeiten, diese Form durchzusetzen, was auch für das Zölibatsgebot gilt. Der noch in den 1560er Jahren als „Einigungsmittel“ zwischen den Konfessionen angesehene Laienkelch – Kaiser Ferdinand I. hatte sich für ihn in der Meinung eingesetzt, damit der Einheit der Kirche einen „großen Dienst“ zu tun – konnte aus verschiedenen theologischen und politischen Gründen die in ihn gesetzten Hoffnungen nicht erfüllen.119 Auf „Drängen des Kaisers“ und weiterer Fürsten aus dem Reich hatte Papst Pius IV. mit einem „Kelchindult“ den Laienkelch für die Gebiete des Reiches offiziell gestattet.120 Die Auswirkungen dieses Schrittes sorgten für „Bestürzung und Verwirrung“ beim Passauer Bischof, dem schon 1568 Pius V., der Nachfolger des 1565 im Petrusamt gestorbenen Pius IV., auf eine Anfrage an die Wiener Nuntiatur hin in einem Brief schrieb, dass er „das Volk bei dem uralten katho116 117 118 119 120
SPITAL H. J., Der Taufritus in den deutschen Ritualien, Münster 1968, 20. EDER K., Glaubensspaltung und Landstände, Linz 1936, 140 f. Ebd., 387. Ebd., 121. ISERLOH E., „Abendmahl. III/3. Reformationszeit – 2. Römisch-katholische Kirche“, in TRE (Bd. 1), 122–131, hier 128.
42
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
lischen Ritus erhalten“ möge, die Kommunion also einzig in Brotgestalt spenden solle.121 In der beginnenden Gegenreformation war „der Laienkelch schon zum konfessionellen Unterscheidungsmerkmal geworden“, weshalb Papst Gregor XIII. das Indult 1584 auch offiziell wieder zurückzog. 122 Angesichts der Probleme, enttäuschten Hoffnungen und der veränderten Stimmungslage waren entsprechende Konzessionen in Bayern und Salzburg bereits 1571 wieder zurückgenommen und die Abschaffung des Laienkelchs auf der Passauer Synode 1576 angemahnt worden – durchsetzen ließ sich diese Forderung damals jedoch nicht, so dass die Kommunion unter beiderlei Gestalt in Österreich bis ins 17. Jahrhundert währte.123 Auf klare Ablehnung war die Bestimmung der Synode bei den österreichischen Prälaten gestoßen, die sie wie die Durchsetzung des Zölibats für „unmöglich“ hielten, schließlich werde „im ganzen Land […] das Sakrament des Altares unter der Messe sub utraque specie jedermann […] gereicht“.124 Dass Abt Johannes Spindler nach 1588 wie Bischof Urban von Trennbach versuchte, die Spendung der Kommunion unter beiderlei Gestalt einzuschränken und damit die gängige Praxis zu ändern, lässt sich als Anzeichen der katholischen Reform und der Entwicklung und Herausbildung der getrennten Konfessionen verstehen. Ein weiterer möglicher und wichtiger Grund, weshalb Spindler die Praxis der Krankenkommunion bei Krabler beanstandete, ist der Umstand, dass in vielen Pfarreien bei Krankenbesuchen häufig die Konsekration des Sakramentes außerhalb der Messfeier üblich war – ob Krabler dies auch so hielt, ist allerdings nicht belegt. Wie Eder feststellt, war diese Form der Konsekration „für die Jahrzehnte der Konfessionsmengerei“ ein „entscheidendes Merkmal für die Zurechnung der betreffenden Geistlichen zum Luthertum“.125 Die drei genannten Aspekte kirchlicher Praxis – Volkssprache, Priesterehe und Laienkelch – zeigen beispielhaft, wie sich die offizielle kirchliche Position und das, was man als katholisch ansah, in der beginnenden katholischen Erneuerung mit ihren gegenreformatorischen Maßnahmen zwischen 1560 bis 1590 gewandelt hat und Krabler auf diese Weise von einem geschätzten Verteidiger des Katholizismus zu einem verdächtigen Sympathisanten des Protestantismus werden konnte. Diese Veränderungen spiegelt auch die mitten in diesen Umwälzungen von ihm als Dechant in Steinerkirchen im Jahr 1580 verfasste Agende im CC 107 wider, die mit der Passauer Ausgabe von 1587 bald überholt war.
121 122 123 124 125
EDER K., Glaubensspaltung und Landstände, Linz 1936, 129 f. ISERLOH E., „Abendmahl. III/3. Reformationszeit – 2. Römisch-katholische Kirche“, 128. Vgl. EDER K., Glaubensspaltung und Landstände, Linz 1936, 130.140 f.190 f. Ebd., 140 f. EDER K., Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung, Linz 1933, 206.
1 Der CC 107 im Kontext seiner Entstehung
1.5
43
Zustand und Geschichte des CC 107
Der CC 107 der Stiftsbibliothek Kremsmünster besteht aus 139 nummerierten Blättern aus Papier und wird vom Schreiber der Handschrift auf das Jahr 1580 datiert. Die Bindung und der mit geometrischen Mustern verzierte Ledereinband scheinen ursprünglich, was der Vergleich mit Einbänden anderer Bücher der Stiftsbibliothek Kremsmünster aus demselben Zeitraum nahelegt. Einband wie Blätter weisen deutliche Schäden auf; so fehlen etwa die Metallschließen des Einbandes, bei einigen Blättern hat sich die Fadenbindung teilweise gelöst und viele Blätter sind wurmstichig. Außerdem lässt die Verfärbung an den Seitenrändern auf Gebrauchspuren schließen, etwa in den Abschnitten der Taufe und der Trauung. Das Papier weist als Wasserzeichen einen heraldischen Doppeladler mit Herzschild mit dem Buchstaben „K“ auf, das in den Jahren um 1580 häufig vertreten ist.126 Es ist vermutlich einer der Papiermühlen der Stadt Kempten im Allgäu zuzuordnen, das damals ein Zentrum der Papierherstellung mit Handelsbeziehungen in den süddeutschen Raum, nach Tirol und bis nach Wien war.127 Aufgrund der räumlichen Nähe könnte das Wasserzeichen des CC 107 eventuell auch mit dem der Papiermühle des Stiftes Kremsmünsters in Verbindung gebracht werden, die ab 1540 in Betrieb war.128 Die größere Ähnlichkeit besteht jedoch mit dem Kemptener Zeichen, was für den Allgäuer Ursprung des Papiers spricht. Die äußeren Maße des Einbandes betragen (Höhe × Breite × Tiefe in cm) 21,3 × 16,5 × 3,1; die Blätter haben das Format (Höhe × Breite in cm) 19,9 × 15,5. Der Textkorpus der Handschrift findet sich auf den Blättern IIr bis f. 70v, wobei alle Blätter bis f. 72 einen Rahmen in roter Farbe zur Begrenzung des Satzspiegels enthalten. Dessen Maße betragen in cm von links nach rechts und von oben nach unten (1; 10,9; 0,4; 3,0) × (1,5; 15,9; 2,6). Die meisten Blätter verfügen über eine einspaltige Liniierung in 126
127
128
Vgl. Wasserzeichen-Informationssystem für Motiv und zeitliche Verteilung, URL: www.wasserzeichen-online.de/wzis/struktur.php?klassi=1030040020030010070 02&anzeigeIDMotif=17601&anfang=11&bildbrowser= [Zugriff 09.03.2021]. Vgl. PETZ W., „Ein Handwerk zwischen Stadt und Land. Das Kemptener Papiergewerbe vor dem Dreißigjährigen Krieg“, in „Mehr als 1000 Jahre …“. Das Stift Kempten zwischen Gründung und Auflassung 752 bis 1802 (Allgäuer Forschungen zur Geschichte und Archäologie 1), B. Kata – V. Laube – M. Naumann et al. (Hrsg.), Likias, Friedberg 2006, 237–300; zum Verbreitungsgebiet 252–259, Bezeichnung Adlerpapier/Schildpapier 257 f., Darstellung des Wasserzeichens 262, Angaben zum Wasserzeichen 280–284. Vgl. Wasserzeichen Nr. 574 in EINEDER G., The ancient paper-mills of the former Austro-Hungarian Empire and their watermarks, Hilversum 1960, 160 (URL: https://manuscripta.at/diglit/eineder/0333 sowie https://manuscripta.at/diglit/ein eder/0616 [Zugriff 15.04.2021]); SCHUBERT I., „Wasserzeichen“, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, URL: www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_W/Wasser zeichen.xml [Zugriff 15.04.2021].
44
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
roter Farbe von 21 Zeilen à 0,8 cm; einzelne Zeilen bei Überschriften sind breiter gestaltet. Diese Linien scheinen anders als der Rahmen erst nach dem Schreiben des Textes gezogen worden zu sein, da die Schrift stets über dem Rahmen, in der Regel aber unter den roten Zeilenlinien liegt. Rahmen, Zeilen und Schrift gehören offensichtlich zusammen und sind zeitnah vermutlich von derselben Hand gezeichnet bzw. geschrieben worden. Eine eindeutige Klassifizierung der Schriftarten ist für die Entstehungszeit des Kodex in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts kaum mehr möglich, zeichnet sich doch bereits das 15. Jahrhundert durch einen „verwirrenden Reichtum an Formen und Typen“ aus.129 Dennoch lassen sich im Text der Handschrift mindestens vier Schriftarten feststellen. Für die lateinischen Überschriften wird eine Capitalis Quadrata verwendet, Titel in deutscher Sprache sind in einer Art gotischer Textura geschrieben.130 Im Fließtext werden deutsche und lateinische Passagen ebenfalls jeweils durch verschiedene Schriftarten unterschieden; so ist der deutsche Text, der den Großteil der Handschrift ausmacht, in einer Art Bastarda verfasst, während die lateinischen Teile in einer humanistischen Minuskel gehalten sind.131 Einzelne Rand- und Endnotizen wechseln leicht zwischen den Schriftarten und gehen bisweilen in die Kurrentschrift über, etwa die Kustoden auf ff. 1r oder 11v. Vermutlich stammt praktisch der ganze Text von einer Hand und wurde in einem Zug niedergeschrieben, wofür die Einheitlichkeit der Schriftgestalt spricht, die stark an Drucke aus der gleichen Zeit erinnert.132 Die Ziffern des Index auf f. IIIr 17, 25, 33 und 41 sind über Rasur geschrieben, die ursprünglichen Angaben lassen sich noch erkennen: 21, 29, 41 und 53. Offenbar war die Verteilung der Seiten zunächst anders geplant, als sie letztlich ausgeführt wurde. Eventuell sollten noch weitere Seiten für spätere Nachträge oder Änderungen frei bleiben, etwa weitere vier Leerseiten vor dem Abschnitt „Ad Introducendum mulierem“, wie sie im Anschluss daran zu finden sind. Diese Beobachtung spricht jedoch nicht gegen die Einheitlichkeit der Handschrift, sind doch die Foliierung auf den Blättern und die Ziffern des Index aufgrund ihrer Form ziemlich sicher derselben Hand zuzuordnen. Einige wenige Texte sind allerdings sehr wahrscheinlich spätere Ergänzungen, etwa der Nachtrag der lateinischen Vermählungsformel auf f. 49r unten. Es kann nicht bestimmt werden, ob es sich um eine andere Hand oder einfach um einen späteren Zusatz durch dieselbe Hand handelt. Der Text der Absolu129 130 131 132
BISCHOFF B., Paläographie des römischen Altertums und des abendländischen Mittelalters (Grundlagen der Germanistik 24), Erich Schmidt Verlag, Berlin 1979, 185. Vgl. ebd., 74.168. Vgl. BATTELLI G., Lezioni di Paleografia, Libreria Editrice Vaticana, Città del Vaticano 42015, 225–229; BISCHOFF B., Paläographie, 182–185.191. Vgl. SPITAL H. J., Der Taufritus in den deutschen Ritualien, Münster 1968, 163 (Anm. 919).
1 Der CC 107 im Kontext seiner Entstehung
45
tionsformel für „Tempore Iubilaei“ auf ff. 30r–31r dürfte ebenfalls ein Nachtrag sein. Dafür spricht die Beobachtung, dass der Buchstabe „b“ des Wortes „Iubilaei“ im Titel an einer Stelle die Unterlänge des „ij“ im Wort „filii“ der darüberliegenden Zeile überdeckt. Außerdem stehen das „p“ im „Tempore“ des Titels sowie einzelne Buchstaben der Formel „Misereatur tui“ über der oberhalb verlaufenden roten Zeilenlinie, während die Buchstaben wie bereits erwähnt sonst darunter liegen; offenbar wurde der Text hier erst nach dem Einzeichnen der Linie geschrieben. Beim Verfassen der übrigen Zeilen bis f. 31r folgt der Schreiber wieder dem Schema, erst den Text zu schreiben und dann die Zeilenline zu zeichnen. Falls es sich bei der Formel tatsächlich um einen Nachtrag handelt, könnte Froschauer recht haben, wenn er vermutet, dass der Anlass dafür das Jubeljahr 1585 gewesen ist.133 Eine weitere Möglichkeit wäre, dass Krabler sich auch auf das Heilige Jahr 1575 beziehen könnte, dessen Verkündigung ihm als Dechant anvertraut war.134 Aufgrund der Einheitlichkeit des Schriftbildes stammen sowohl die Vermählungs- als auch die Absolutionsformel ziemlich sicher von derselben Hand. Deutlich jünger sind der Besitzvermerk „Monasterii Cremifanensi“, d. h. dem Stift Kremsmünster gehörig, auf f. IIr sowie Katalognummer und Standortsignatur der gegen 1700 eingerichteten Barockbibliothek auf der Innenseite des Buchdeckels. Alle drei Angaben sind vermutlich in das 18. Jahrhundert zu datieren, wobei die Besitzangabe wohl auf eine andere Hand als die beiden Signaturen zurückgeht; möglicherweise sind diese auch jünger als die Besitzangabe. Ob es sich bei dem CC 107 der Stiftsbibliothek um das von Krabler persönlich verwendete Original, sein Konzept oder eine (möglicherweise unvollständige) Abschrift für eine andere Pfarrei handelt, ist nicht abschließend zu bestimmen. Die Tatsache, dass sich im Kodex weder ein persönlicher Besitzvermerk Krablers noch ein bestimmter Hinweis auf Steinerkirchen oder eine andere Pfarre findet, lässt keine eindeutige Aussage zu. Nach der Einschätzung von Spital kann ausgeschlossen werden, dass es sich um die direkte Abschrift eines Druckes handelt, da dafür die Zahl der angegeben Rubriken zu gering scheint. Stattdessen plädiert er dafür, die Agende als „selbstständige Arbeit, die sich der Verfasser für den eigenen Gebrauch zusammengestellt hat“, einzuordnen, wofür auch die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit sprechen.135 Der Grund für die erwähnte stilistische Nähe der Handschrift zu zeitgenössischen Drucken könnte darin liegen, dass sie damit schlicht dem Stil der Zeit folgt. Eventuell könnte der CC 107 darüber hinaus auch als Druckvorlage gedacht gewesen und daher ähnlich gestaltet worden sein, doch darüber lässt sich nur spekulieren. 133 134 135
Vgl. FROSCHAUER R., Studien zur Reformation, Wien 1977, 126 (Anm. 1). Vgl. ebd., 84. SPITAL H. J., Der Taufritus in den deutschen Ritualien, Münster 1968, 163.
46
1.6
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
Fazit Erstes Kapitel
Nach einer Hochphase kirchlichen Lebens im ausklingenden Spätmittelalter entwickelte sich Oberösterreich ab etwa 1520 begünstigt durch innerkirchliche und politische Faktoren zu einem mehrheitlich lutherisch geprägten Land. Bis etwa 1580, dem Entstehungsjahr des CC 107, sind die sich herausbildenden Bekenntnisse noch nicht klar zu trennen, erst in der Folgezeit grenzen sich die Konfessionen deutlich voneinander ab. In diesem historischen Kontext sind die Agende des CC 107 als Zeugnis für die liturgische Praxis einer oberösterreichischen Pfarrei am Ende des 16. Jahrhunderts sowie die Biographie ihres Autors Magister Sebastian Krabler zu verorten. Der um 1545 im bayerischen Aichach geborene Krabler wirkte nach Studien u. a. an der Universität Ingolstadt im salzburgischen Laufen an der Salzach und ab 1572 bis zu seinem Tod 1590 als Pfarrer und Dechant des Dekanates Lambach in der dem Stift Kremsmünster inkorporierten Pfarrei Steinerkirchen an der Traun. Wie sich an seiner Agende ablesen lässt, verstand er sich bewusst als Katholik, war aber auch für reformatorische Impulse in der Liturgie wie den Gebrauch der Volkssprache oder die Spendung der Kommunion unter beiderlei Gestalt offen. Lange Zeit als Vertreter einer katholischen Erneuerung geschätzt, geriet Krabler am Ende seines Lebens im Zuge der einsetzenden Gegenreformation mit dem Passauer Bischof Urban von Trennbach (gest. 1598) in Konflikt, der den Beschlüssen des Trienter Konzils in seiner Diözese Geltung verschaffen wollte. Der Text der Agende befindet sich auf IIr bis f. 70v von insgesamt 139 foliierten Papierblättern des CC 107. Die große Einheitlichkeit des Schriftbildes spricht dafür, dass die Handschrift vermutlich von einer Hand geschrieben wurde; sie diente wohl dem privaten Gebrauch Krablers. Vermutlich seit dem 18. Jahrhundert befindet sich der Kodex in der Stiftsbibliothek Kremsmünster.
2 Die Agende des CC 107
Nach der Darstellung des historischen Kontextes, in dem die vorliegende Handschrift verortet wurde, bietet das Kapitel zunächst Hinweise zur Textgattung „Agende“ sowie eine Inhaltsübersicht. Danach werden die Bestandteile der Agende Krablers einzeln untersucht und deren Aufbau, theologische Hintergründe und – falls möglich – ihre Quellen dargestellt. Die Feier der Taufe wird nur sehr knapp beschrieben, da das folgende dritte Kapitel dieses Sakrament noch im Einzelnen analysiert. Beim Vergleich der Bibelstellen werden die deutschen Übersetzungen Luther 1569, Eck 1558 und Dietenberger 1567 verwendet, da es sich dabei um damals weit verbreitete Übersetzungen handelt. Möglicherweise hat Krabler für seine Bibelzitate in deutscher Sprache aber auch ältere Übersetzungen aus der Vulgata verwendet, die hier nicht berücksichtigt werden können.
2.1
Textgattung, Inhaltsübersicht und Charakteristika
Der Titel auf f. IIr weist den CC 107 als „Agenda“ aus, die angibt, wie die „Actus Ecclesiastici“ zu verrichten seien und „etliche Sacramenta administriert sollen werden“. Bereits in der frühen Kirche wurde der Begriff „Agende“ für liturgische Handlungen verwendet, vor allem für die Feier der Eucharistie und des Stundengebets. Dieser Sprachgebrauch änderte sich mit der Entwicklung des Buchtyps „Rituale“ im Hochmittelalter, die mit Sammlungen der kirchlichen Vollzüge der Priester neben der Messe zunächst in den Klöstern ihren Anfang nahm; ab dem 13. Jahrhundert ist sie auch in den Diözesen und im Weltklerus bezeugt. Bezeichnet wurden diese Rituale oder die Ritualien u. a. mit dem Begriff „Agende“ oder „Agenda“. Besonders im 15. Jahrhundert gewann mit der Erfindung des Buchdrucks die Textgattung an großer Bedeutung und wurde „zu einem wichtigen Hilfsmittel des priesterlichen Einsatzes in der Seelsorge“.136 Im deutschsprachigen Raum trugen die Ausgaben der Bistümer meist den Titel „Agenda“, daneben waren auch „Obsequiale“, „Manuale“ oder „Sacerdotale“ gängige Bezeichnungen. Das Rituale Passau 1490 etwa trägt den Namen „Agenda sive Benedictionale“, Salzburg 1557 und 1575 heißen „Libellus agendarum“, während Passau 1587 mit „Actus sacerdotalis“ überschrieben ist. Noch 1712 findet die Bezeichnung „Agende“ für das katholische 136
KOPP S., Volkssprachliche Verkündigung, Regensburg 2016, 3.
48
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
Diözesanrituale von Münster Verwendung. Ab der Mitte des 16. Jahrhunderts wurde der Terminus vermehrt von Autoren der Reformation übernommen, die damit „das Ordinarium und Proprium des Gemeindegottesdienstes und der gottesdienstlichen oder Amtshandlungen“ bezeichnen, was bis heute der Fall ist; wie der zunächst häufiger verbreitete, synonym gebrauchte Ausdruck „Kirchenordnung“ angibt, finden sich darin neben liturgischen Texten auch „Bestimmungen für das kirchliche Leben insgesamt“.137 Die Verwendung des Begriffs „Agende“ sowohl im katholischen als auch im evangelischen Bereich zeigt, dass der Begriff im 16. Jahrhundert zunächst noch nicht als konfessionell geprägt angesehen werden kann. Dies dürfte erst eine Entwicklung des 17. Jahrhunderts sein, da sich auf katholischer Seite nach dem Erscheinen des Rituale Romanum 1614 „Rituale“ zum „gängigen Einheitstitel“ 138 für diesen Buchtyp entwickelte – während „Agende“ eine typisch evangelische Bezeichnung wurde. Angesichts dessen lassen sich allein aus dem Titel des CC 107 keine Schlüsse auf die theologische Verortung Krablers etwa im Hinblick auf eine Offenheit für Ideen der Reformation ziehen.139 Zum „Grundbestand“ der Ritualien gehören die Sakramente der Taufe, der Krankensalbung und der Trauung, außerdem das Begräbnis und zahlreiche Benediktionen.140 Darüber hinaus finden sich bereits in den „frühesten gedruckten Diözesanritualien des 15. Jahrhunderts“ Rubriken zu mahnenden oder erläuternden Ansprachen des Priesters. 141 Zwei Ritualien aus der Zeit um 1500, nämlich das Salzburger Rituale von 1496 sowie das Rituale von Speyer aus dem Jahr 1512, bieten sogar ausformulierte Reden in deutscher Sprache an – eine Praxis, die also keine katholische Reaktion auf Anliegen der Reformation sein kann, da sie sich bereits zuvor entwickelt hatte, wie Kopp hervorhebt.142 Solche Vermahnungen nehmen auch in der Agende Krablers einen großen Raum ein. Dazu kommen Rubriken und Gebete, wie sie laut Titel „in der Catholischen Kirchen bisher und noch bestendigklich recht und wol gebraucht werden“. Die Texte sind nach Aussage der Handschrift „colligiert“, d. h. gesammelt und zusammengestellt, wobei jedoch keine Quellen genannt werden. Krablers Rituale bietet Formulare zum Sakrament der Taufe, zur Segnung der Mutter 40 Tage nach der Geburt, Vermahnungen und Gebete für die Beichte 137 138 139
140 141 142
NIEBERGALL A., „Agende“, in TRE (Bd. 1 und 2), 755–784.1–91, hier 756. KOPP S., Volkssprachliche Verkündigung, Regensburg 2016, 3. Vgl. ebd., 2 f.; NIEBERGALL A., „Agende“, in TRE (Bd. 1 und 2), 755–784.1–91, hier 756 ff.; VOGEL C., Medival liturgy. An introduction to the sources, revised and translated by W. G. Storey – N. K. Rasmussen, The Pastoral Press, Washington D.C. 1986, 257–271; SCHMIDT-LAUBER H.-C., „Agende“, in LThK (Bd. 1), 229; REIFENBERG H., „Rituale“, in LThK (Bd. 8), 1207–1209. REIFENBERG H., „Rituale“, 1208. KOPP S., Volkssprachliche Verkündigung, Regensburg 2016, 19. Vgl. ebd., 20.
2 Die Agende des CC 107
49
und den Empfang der Kommunion, ein Formular zur Trauung samt Ansprachen, ein knappes Schema für das Begräbnis mit zwei Liedern zur Prozession zum Grab und für die Zeit am Grab sowie abschließend zwei Gebete für die Obrigkeit mit jeweils einem Gebet in Form eines Akrostichons. Sie erscheinen in folgender Reihenfolge (die Blätter zwischen den Riten sind leer): ff. 1r–14v ff. 17r–18v ff. 25r–31r ff. 33r–39r ff. 41r–53r ff. 57r–62r ff. 65r–70v
Feier der Taufe (De Baptismo) Segnung der Mutter (Ad Introducendum mulierem post partum) Gebete und Vermahnung zur Beichte (Vermanung bey der beicht) Gebete und Vermahnung zur Eucharistie (Vermanung bey dem hochwürdigsten Sacrament deß Altars) Feier der Trauung (Copulatio Sponsi et Sponsae; Vermanung bey einem hochzeit Ambt) Begräbnis (Vermanung bey einer leich) Zwei Gebete für die Obrigkeit (Zway gebet für Obrigkait und anligen der Christenhait)
Tab. 1: Inhaltsübersicht Agende Krabler Ein einfacher Vergleich mit verschiedenen katholischen wie evangelischen Ritualbüchern bzw. Agenden vor und nach 1580 zeigt, dass die Agende Krablers hinsichtlich ihres Inhalts und Aufbaus nicht aus dem Rahmen fällt.143 Die Reihenfolge der angebotenen Texte variiert in der damaligen Zeit mehr oder weniger stark. Tendenziell steht jedoch wie bei Krabler die Taufe am Anfang, auch die Beichte und der Empfang der Eucharistie folgen wegen ihrer engen Verbindung häufig aufeinander. Ein direktes Vorbild, von dem Krabler seine dem menschlichen Lebenslauf folgende Struktur einfach übernommen hätte, konnte nicht gefunden werden. Ähnlichkeiten bestehen im Aufbau etwa mit Salzburg 1575 oder mit Chyträus 1571, woraus sich aber nicht schließen lässt, er hätte sich an diesen beiden Ausgaben orientiert. Auffällig am inhaltlich reduzierten Bestand Krablers ist, dass neben den pastoralen Hinweisen und den sonst üblichen zahlreichen Segnungen – ausgenommen der Segen über die Mutter „Ad Introducendum mulierem“ – vor allem die Texte zur Krankensalbung (Extrema Unctio) fehlen. Dies könnte mehrere Ursachen haben, über die jedoch nur Vermutungen angestellt werden können, da sich aus dem Fehlen dieser Texte kaum argumentativ direkte oder indirekte Schlüsse ziehen lassen; hier zeigt sich das gene143
Vgl. Passau 1490, Veit Dietrich, Salzburg 1557 und 1575, Chyträus 1571, Passau 1587, Rituale Romanum 1614.
50
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
relle Problem des Arguments ex nihilo. Möglicherweise ist der CC 107 aus verschiedenen Gründen schlicht unvollständig geblieben. Ob ein entsprechendes Formular hätte noch nachgetragen werden sollen, lässt sich nicht sagen. Eine weitere Möglichkeit wäre der Gebrauch eines eigenen Rituales für die fehlenden Stücke durch Krabler in seiner Pfarrei, etwa ein leichtes Heft, das nur die entsprechenden Texte enthielt und sich gut zu den Krankenbesuchen mitnehmen ließ. Da ein solches jedoch weder vorhanden ist noch erwähnt wird, scheint dies unwahrscheinlich. Aufgrund der personellen Situation des Klosters gilt dies ebenso für die Vermutung, dass eventuell die Mönche des von Steinerkirchen ca. 15 km entfernten Stiftes Kremsmünster mit der Krankensalbung betraut waren.144 Die plausibelste Lösung des Problems besteht darin, dass die Krankensalbung in Steinerkirchen schlicht nicht (mehr) Teil der pastoralen Praxis war und daher von Krabler auch nicht in seine Agende aufgenommen wurde. Möglicherweise hat dies mit dem Einfluss der Reformation zu tun, dürfte aber wohl eher der allgemeinen kirchlichen Situation geschuldet sein, ist doch das Sakrament der Krankensalbung, wie Eder schreibt, bereits „in der vorreformatorischen Zeit im Lande ob der Enns auffallend gering“ dokumentiert.145 Überhaupt war die Krankensalbung „zur Zeit der Glaubensspaltung“ laut Kaczynski „auch in der katholischen Kirche geringgeachtet“, was ihr Fehlen im protestantischen Bereich mit bedingt haben könnte.146 Dass sich in den reformatorischen Agenden kein Ritus einer Salbung findet, dürfte in der Hauptsache aber an der Ablehnung von deren Sakramentalität durch Luther liegen. Immerhin bieten Veit Dietrich und Chyträus 1571 Hinweise zum Besuch der Kranken, die getröstet und mit der Kommunion versehen werden sollen. Demgegenüber betont das Konzil von Trient den sakramentalen Charakter der Krankensalbung als „von Jesus Christus eingesetzt“ und möchte die – offenbar aus der Übung gekommene – Praxis bewahren bzw. reaktivieren.147 Wie Eder feststellt, ist es gerade die Zurückweisung durch die Reformatoren, die zu einem neuen Interesse an der Krankensalbung führt.148 So bieten die Ritualien Salzburg 1557 und 1575 sowie Passau 1587 einen Ritus der Letzten Ölung an. Die Pastoralinstruktion Bischof Urbans von Passau beklagt jedoch noch im Jahr 1590, dass das 144 145
146
147 148
Für den Hinweis auf diese Möglichkeit Dank an Prof. Dr. Markus Tymister, Pontificio Ateneo Sant’Anselmo, Roma. EDER K., Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung, Linz 1933, 210; Passau 1490 bietet allerdings einen Ritus unter dem Titel „Ordo ad visitandum infirmorum“ (ff. IXv–XVr). KACZYNSKI R., „Feier der Krankensalbung“, in Gottesdienst der Kirche (Bd. 7,2). Sakramentliche Feiern I/2. Feiern der Umkehr und Versöhnung, H. B. Meyer et al. (Hrsg.), Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 1992, 241–343, hier 323. VORGRIMLER H., „Krankensalbung“, in TRE (Bd. 19), 664–669, hier 667 f. Vgl. EDER K., Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung, Linz 1933, 210.
2 Die Agende des CC 107
51
Sakrament „in der Diözese fast ganz verschwunden sei“, was wohl auch für Steinerkirchen in der Zeit Krablers der Fall gewesen ist.149 Abgesehen von der „Abneigung der reformatorischen […] Kirchen gegen die Segnung von Sachen“ dürfte dasselbe Argument der mangelnden Praxis wie bei der Krankensalbung auch für das Fehlen von Benediktionen im CC 107 gelten.150 Charakteristisch für den Inhalt der Agende Krablers sind einerseits der bereits erwähnte Gebrauch der Volkssprache Deutsch – nur die Rubriken, einige Orationen und Bibelzitate sind in lateinischer Sprache – und anderseits die zahlreichen Vermahnungen151 zu den einzelnen Riten; einzig die Segnung der Mutter 40 Tage nach der Geburt wird ohne Ansprache angeboten. Diese Redetexte nehmen wie in anderen Ritualien der Zeit (etwa Salzburg 1557 oder Passau 1587) großen Raum ein und sind für Krabler wohl von hoher Bedeutung gewesen, zum Teil vielleicht wichtiger als die korrekte Angabe der einzelnen Rubriken der Riten. So werden etwa die Orationen und Vollzüge zum Begräbnis offenbar als bekannt vorausgesetzt, während die Ansprache neben zwei Liedern im Zentrum des Abschnitts steht. Die Vermahnungen dienen dazu, die Riten theologisch zu erklären und – in der Auseinandersetzung mit den Reformatoren zentral – vor allem biblisch zu begründen, so dass sich in ihnen zahlreiche Zitate aus der Heiligen Schrift finden, besonders häufig aus den Paulusbriefen. Außer den oben erwähnten lateinischen Zitaten, die der Vulgata entnommen sind, verwendet Krabler die Bibel in deutscher Sprache. Welche Übersetzung er dabei zugrunde gelegt hat, lässt sich selten genau feststellen. Doch zeigt der Vergleich mit der Lutherbibel sowie den als „Korrekturbibeln“ bezeichneten weit verbreiteten „katholischen“ Übersetzungen des 16. Jahrhunderts von Johannes Eck und Johann Dietenberger, 152 dass Krabler deren Ausgaben gekannt haben dürfte – eventuell standen ihm aber auch noch weitere Übersetzungen zur Verfügung, etwa ältere vorreformatorische Übersetzungen der Vulgata ins Deutsche. Eck und Dietenberger basieren auf dem Text von Hieronymus Emser 153, der sich wiederum laut Sander „nur unwesentlich von Luthers Übersetzung“ 149 150 151 152
153
EDER K., Glaubensspaltung und Landstände, Linz 1936, 225. DAVIES J. G., „Benediktionen III. Praktisch-theologisch“, in TRE (Bd. 5), 564–573, hier 568. Zur Bezeichnung „Vermahnung“ vgl. KOPP S., Volkssprachliche Verkündigung, Regensburg 2016, 3–5. Vgl. SONDEREGGER S., „Geschichte deutschsprachiger Bibelübersetzungen in Grundzügen“, in Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung (Erster Teilband) (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 2,1), W. Besch et al. (Hrsg.), De Gruyter, Berlin – New York 21998, 229–284, hier 230–233. Vgl. HIERONYMUS EMSER, Das naw Testament nach lawt der Christliche[n] kirchen bewerte[n] text, corrigirt, un[d] widerumb zu recht gebracht, Stöckel, Dresden 1527.
52
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
unterscheidet. Auf diese Weise konnte sich mit dem Erfolg Emsers der Text des Reformators indirekt auch im katholischen Raum verbreiten. Eine wichtige Korrektur Ecks ist die Anpassung des Vokabulars an den süddeutschen Sprachraum, so dass in seiner Version der „oberdeutsch-bayerische Sprachcharakter“ sichtbar wird, wie Sander schreibt. In der Folge war die sog. Eckbibel besonders in Bayern, Salzburg und Österreich gängig.154 Die Nähe der Übersetzungen zueinander erschwert das Wiedererkennen im Text von Krabler. Außerdem handelt es sich selten um wörtliche Zitate, weil er die Stellen vermutlich aus dem Gedächtnis wiedergegeben hat.155 Darüber hinaus hat er Formulierungen und Begriffe wohl auch gezielt verändert. Möglich wäre aber außerdem, dass Krabler unter Zuhilfenahme der genannten deutschen Bibelausgaben eine eigene Übersetzung der jeweiligen Verse angefertigt hat. Immerhin kann man Krabler jedoch den Gebrauch der Lutherbibel an einigen Stellen nachweisen, die er sehr wahrscheinlich aus der Agende des Veit Dietrich übernommen hat. Abschließend lässt sich anhand der Kriterien Spitals zur Einteilung der katholischen Ritualien von den ersten Drucken bis zum Rituale Romanum auch die Agende Krablers einer der drei von ihm unterschiedenen Gruppen zuordnen. Spital geht dabei vom Taufritus aus und untersucht dessen Stellung „im Gesamt des vorliegenden Rituale“, die „Anordnung des Ritus“ mit oder ohne „Bemerkungen rubrizistischer oder gar pastoral-liturgischer bzw. -rechtlicher Art“ sowie den „Gebrauch der Landessprache“.156 Anhand dieser drei Punkte kann der CC 107 in die zweite Gruppe eingeordnet werden, die nach Spital ein „ausgesprochenes Übergangsstadium“ darstellt und der u. a. auch die Rituale Salzburg 1557 und 1575 sowie Passau 1587 angehören. Sie kennzeichnet, so Spital weiter, der „bedeutend erweiterte Gebrauch der deutschen Sprache“, während der Ritus und dessen innere Struktur noch den älteren Ausgaben vom Ende des 15. bis etwa zur Mitte des 16. Jahrhunderts nahestehen. Die Rituale von Gruppe zwei enthalten alle einen „Vorspann“ zu den einzelnen Riten sowie zum Teil ausführliche Vermahnungen, doch fehlt bei fast allen noch ein „systematisch geordneter Pastoraltraktat“, der kennzeichnend für Gruppe drei ist und mit dem Rituale Romanum von 1614 normiert wird.157
154
155 156 157
SANDER A., Luther in Laach (Begleitbroschüre zur gleichnamigen Ausstellung), Benediktinerabtei Maria Laach und Landesbibliothekenzentrum Rheinland-Pfalz (Hrsg.), Maria Laach – Koblenz 2007, 25–28. Für den Hinweis auf die im 16. Jahrhundert gängige Praxis einer Zitation aus dem Gedächtnis Dank an Fr. Meinrad Hötzel OSB, Kloster Einsiedeln (Schweiz). SPITAL H. J., Der Taufritus in den deutschen Ritualien, Münster 1968, 13. Ebd., 19–21.
2 Die Agende des CC 107
2.2
53
Feier der Taufe (De Baptismo)
Der Taufritus eröffnet die Agende Krablers und ist vollständig als Kindertaufe ausgeführt, ohne jedoch nähere Angaben zu Vor- und Nachbereitung, liturgischer Kleidung oder Zeit zu machen; zum liturgischen Ort gibt es ebenfalls keine Bestimmungen. Allerdings ist in Nr. 34 bei der unmittelbaren Vorbereitung des Täuflings auf die Taufe von „praeparatur ad Baptisterium“ die Rede, was auf eine Prozession vom Kirchenportal zum Taufbrunnen Bezug nehmen könnte, die im Mittelalter üblich war.158 Die Feier besteht aus einer Ansprache an die Umstehenden („Adhortatio ad Circumstantes“) auf ff. 1–3 sowie dem eigentlichen Ritus auf ff. 4–14, dem eine Ansprache an die Paten nach der Evangelienlesung eingeschoben ist (f. 10v unten bis f. 11v unten). Praktisch alle Teile – darunter auch die Taufformel – stehen in deutscher Sprache. Ausnahmen auf Latein bilden der Titel, die Rubriken, einige Bibelzitate sowie die beiden Gebete Pater Noster und Ave Maria, die jedoch auf Deutsch gebetet worden sein könnten. Die Adhortatio zu Beginn dient der biblischen Grundlegung der Taufe (Nr. 1) und erklärt die einzelnen Vollzüge des Ritus (Nr. 2). Dieser gliedert sich in folgende Abschnitte: die Einleitungsfragen mit Absage und Glaubensbekenntnis (Nr. 3–6), Exsufflation (Nr. 7), Signation (Nr. 8–11), Salzzeremonie (Nr. 12–13), Exorzismen für männliche und weibliche Täuflinge (Nr. 14–26), Evangelienlesung mit Patenvermahnung und Schlußexorzismus (Nr. 27–30), Effeta-Ritus159 (Nr. 31–34), Absage- und Glaubensfragen und Ölsalbung (Nr. 35–39), in den eigentlichen Taufakt mit der Chrisamsalbung (Nr. 40–43) und die postbaptismalen Riten der Überreichung von Taufkleid und Taufkerze (Nr. 44–45). Alle Fragen des Priesters beantwortet dabei der Pate stellvertretend für das Kind.
2.3
Segnung der Mutter (Ad Introducendum mulierem)
An den Taufakt schließt sich „wie zumeist in deutschen Diözesanritualien“160 der einfache Ritus der Segnung der Mutter 40 Tage nach der Geburt an. Bis auf eine Rubrik fehlen nähere Angaben zum Ablauf der Feier, die sich in drei Teile gliedert: Gebet des Psalms 120 (in der Zählung der Vulgata) mit einem 158 159
160
Vgl. KLEINHEYER B., Sakramentliche Feiern I, Regensburg 1989, 132.153; SPITAL H. J., Der Taufritus in den deutschen Ritualien, Münster 1968, 100–103. Bei der Diktion folgt die Arbeit hier SPITAL H. J., Der Taufritus in den deutschen Ritualien, Münster 1968; Krabler selbst gebraucht den auch heute gängigen Begriff „Effata“ (Nr. 31). KLEINHEYER B., „Riten um Ehe und Familie“, in Gottesdienst der Kirche (Bd. 8). Sakramentliche Feiern II, H. B. Meyer et al. (Hrsg.), Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 1984, 67–156, hier 154.
54
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
Abschlussvers (Nr. 46–48), zwei Orationen (Nr. 49–50) und einer Abschlussformel (Nr. 51). Zu dieser wird die Mutter vom Priester an der Hand in die Kirche geführt („Manu introducatur in Ecclesiam“). Dies lässt darauf schließen, dass die Feier bei Krabler vor dem Portal der Kirche stattfand, wie es etwa das Rituale aus Konstanz von 1482 vorgibt; nach Salzburg 1575 beginnt die Feier vor der Kirche („ante ianuam Ecclesiae“) und wird dann am Altar fortgesetzt.161 Bei Krabler ist kein sich anschließender Ritus in der Kirche selbst vorgesehen. Die Agende des CC 107 führt die Orationen auf Deutsch, die Rubriken auf Latein an; der Psalm steht in beiden Sprachen. Der Typus dieser Benediktion der Mutter findet sich bereits in frühkirchlicher Zeit vor allem im östlichen Mittelmeerraum und diente zur Wiederzulassung der Frau zur Liturgie, nachdem diese gemäß alttestamentlicher Vorstellungen nach der Geburt für einen bestimmten Zeitraum nicht in die Kirche kommen durfte. Trotz römischer Kritik von Papst Gregor dem Großen verbreitete sich „auch im Westen in den unter orientalischem Einfluss stehenden nichtrömischen Liturgiebereichen“ diese Praxis;162 entsprechende Riten sind ab dem Mittelalter bezeugt. Der theologische Akzent liegt auf der Reinigung der Frau, über die das Erbarmen Gottes mit einem Segen herabgerufen wurde, so dass sie eine Kirche wieder betreten durfte. Vereinzelt enthalten Ritualien eigene Segensformeln über Mütter in der Kirche; erst mit dem Rituale Romanum 1614 verschiebt sich das Gewicht auf Segen und Danksagung für eine gute Geburt.163 Der Ritus der Muttersegnung bei Krabler beginnt ohne ein eröffnendes Zeichen mit dem Gebet des Psalms 120 „Levavi oculos meos“, der in der lateinischen Version der Vulgata sowie in deutscher Übersetzung mit der Rubrik „vel hunc psalmum in germanice“ angegeben ist. Welche Übersetzung Krabler hier verwendet hat, ist nicht eindeutig. Die starken Übereinstimmungen, die der Text mit der Version Dietenbergers aufweist, sprechen für diese Bibelausgabe; Luther und Eck weichen dagegen stärker ab. Der lateinische Psalm schließt mit dem Gloria Patri ab, das im Deutschen fehlt. Die Gründe für die Auswahl dieses Psalms dürfte dessen dem Anlass entsprechender Charakter als Segensgebet sowie insbesondere der letzte Vers mit der Bitte um den Schutz für das Kommen und Gehen sein, der am Ende der Feier als Abschlussformel wiederholt wird. Der Vers nach dem Psalm (Nr. 48) fasst die Segensbitte für die Frau, die direkt als „dein dienerin“ angesprochen wird, zusammen. In den beiden folgenden Orationen (Nr. 49–50) kommt der oben erwähnte theologische Aspekt der Reinigung deutlich zum Ausdruck. Oration Nr. 49 stellt eine umgearbeitete Version des Tagesgebets zum Fest Darstellung des Herrn bzw. Mariä 161 162 163
Salzburg 1575, 277; vgl. Salzburg 1575, 277–282. KLEINHEYER B., „Riten um Ehe und Familie“, Regensburg 1984, 152. Für den Absatz vgl. KLEINHEYER B., „Riten um Ehe und Familie“, Regensburg 1984, 152–154; zur Geschichte des Ritus vgl. auch FRANZ A., Die kirchlichen Benediktionen im Mittelalter (Bd. 2), Herder, Freiburg 1909, 213–240.
2 Die Agende des CC 107
55
Lichtmess (2. Februar) dar, die Kleinheyer als „unglücklich“ bezeichnet. So wie Christus solle hier „die Wöchnerin […] mit geläutertem Herzen im Tempel Gott präsentiert werden“.164 Hervorzuheben ist, dass nur in dieser Oration auch das Kind („sambt ihrer leibsfrucht“) in die Feier mit einbezogen wird, während die übrigen Texte einzig von der Mutter sprechen. Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass die Mutter entweder gemeinsam mit dem Neugeborenen oder wohl wahrscheinlicher alleine gesegnet wurde. Die Bitte um Reinigung wird explizit in Oration Nr. 50 genannt („umb rainigung willen“) und mit dem alttestamentlichen Gebot des Mose begründet. Der Text ist als Segensformel über die Frau formuliert („Segne dise dein dienerin“) und bittet in Parallele zum Hineinführen der Frau in die Kirche um deren Aufnahme ins ewige Leben nach dem Tod. Die Feier schließt nach dieser Oration mit dem achten Vers des Psalms 120 als Segensspruch ab (Nr. 51). Das folgende Strukturschema vergleicht die Riten „Ad Introducendam mulierem post partum ad ecclesiam“ aus Passau 1490 (ff. XVIIIv–XIXr) und „Ad Introducendam Mulierem post partum“ aus Salzburg 1557 (f. 110r–112r) mit der Version Krablers: Passau 1490
Salzburg 1557
Krabler (Nr. 46–51)
Ps 120 Gloria Patri
Ps 120 Gloria Patri
Ps 120 Gloria Patri (Nr. 46/47)
Kyrie Salvam fac
Kyrie, Pater Noster Salvam fac
Mitte ei Domine, Domine exaudi Omnipotens sempiterne Deus maiestatem tuam
Domine exaudi Omnipotens sempiterne Deus maiestatem tuam
Omnipotens sempiterne Deus qui per Moysen Aspersio und Geleit in die Kirche Dominus custodiat
Omnipotens sempiterne Deus qui per Moysen Aspersio und Geleit in die Kirche Dominus custodiat
Oh herr, mach heylwerdig (Nr. 48)
Allmechtiger ewiger Gott / wir bitten dein göttliche maiestet (Nr. 49) Herr Gott himlischer vatter / der du durch Moysen (Nr. 50) Geleit in die Kirche (Nr. 51) Der herr beware deinen eingang (Nr. 51)
Oder: Ingredere Tab. 2: Strukturvergleich Passau 1490, Salzburg 1557 und Krabler 164
KLEINHEYER B., „Riten um Ehe und Familie“, Regensburg 1984, 153.
56
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
Der Ritus im CC 107 entspricht in Ablauf und Textgestalt der Passauer bzw. Salzburger Tradition, die Krabler in einer vereinfachten und ins Deutsche übersetzten Version wiedergibt. Dies zeigt der Vergleich mit den Ritualien Passau 1490 und Salzburg 1557 sehr deutlich, weshalb es wahrscheinlich ist, dass beide Bücher Krabler als Vorlage dienten. Das Rituale Salzburg 1575 mit seinem „Ordo quando mulier post partum primo Ecclesiam ingreditur“ (S. 277– 282) folgt derselben Struktur, bietet jedoch zwei Varianten an; außerdem ist der Ritus stärker entfaltet. Neben ausführlichen Rubriken bringt das Buch auch eine abschließende Segnung in der Kirche. Aus diesem Grund kommt es als mögliches Modell Krablers eher nicht in Frage. Die reformatorischen Agenden Veit Dietrich und Chyträus 1571 bieten beide kein Ritual zum Segen der Mutter an und sind daher eindeutig als mögliche Quellen auszuschließen.
2.4
Gebete und Vermahnung zur Beichte
Der Abschnitt zur Beichte in der Agende Krablers ist unterteilt in eine längere deutschsprachige Vermahnung (Nr. 52–54 auf ff. 25–29v) und die lateinische Absolutionsformel (auf ff. 29v–31r), die in zwei Varianten für den allgemeinen Gebrauch (Nr. 55–60) und für den Anlass von Jubeljahren (Nr. 61–63) angeboten wird. Die enthaltenen Rubriken dienen nur als Titel, nähere Angaben zum äußeren Rahmen wie Ort und Zeit, zum Kontext, in dem die Beichte stattfindet, oder bestimmte Riten wie die Handauflegung oder die Haltung der Beichtenden finden sich im Text nicht – bis auf einen indirekten Hinweis. Die an den einzelnen Christen gerichtete Vermahnung schließt mit einer Aufforderung, bei der die Anrede in den Plural wechselt: „So gehe nun her ainer nach dem andern und beicht“ (Nr. 54). Dies könnte ein Anhaltspunkt dafür sein, dass die Beichte in der Kirche gehalten wurde, in der sich die Gläubigen zu diesem Anlass versammelten; nach der Vermahnung des Pfarrers traten die Gläubigen dann einzeln zu diesem zur Beichte, die mit der Absolutionsformel abgeschlossen wurde. Möglicherweise handelt es sich dabei in heutigem Sprachgebrauch um einen Bußgottesdienst oder eine Art Wortgottesdienst mit Predigt und anschließender Einzelbeichte. Der Text der Vermahnung bietet neben Trost und Ermahnung eine kleine Theologie des Bußsakraments, die biblisch begründet wird; überhaupt finden sich in der ganzen Ansprache zahlreiche Zitate und Anspielungen aus der bzw. auf die Heilige Schrift. Obwohl das Kapitel über die Beichte in der Agende vor dem Kapitel zum Altarsakrament steht, nimmt die Vermahnung an keiner Stelle Bezug auf die Eucharistie. Es fehlt etwa ein Hinweis darauf, dass zu deren würdigem Empfang eine Beichte notwendig sei. Dies ist nicht nur wegen der inhaltlichen Abfolge, sondern vor allem im historischen Kontext auffällig, denn hier findet sich ein deutlicher Unterschied zur Praxis der protestantischen
2 Die Agende des CC 107
57
Gemeinden der Zeit. In der Reformation wurden Einzelbeichte und Beichtzwang zunächst abgelehnt, die Beichte jedoch als solche von Luther sehr geschätzt, der sie „im Anschluß an spätmittelalterliche Vorbilder“ als „Sündenbekenntnis“ zu einem „Katechismusverhör umgestaltet“ hat, das der Pfarrer vor dem Empfang des Abendmahls abzunehmen hatte.165 Ab 1524 war dieses Verhör „als Abendmahlvorbereitung Pflicht“, aus der „die für das Luthertum typische Form der stark katechetisch orientierten Privatbeichte“ entstand, deren „zentrales Anliegen“ die Zusicherung der „Heilsgewißheit“ war. 166 Bei Chyträus 1571 (f. LXVIIIv) mussten alle, die am Sonntag kommunizieren wollten, am Vorabend zur Vesper erscheinen, um nach einer Vermahnung des Pfarrers zu beichten; der enge Konnex von Beichte und Kommunion findet sich auch bei Veit Dietrich in seinem Kapitel „XVI. Von der Beycht“. Von solchen Positionen zu Beichte und Buße scheint sich Krabler – ohne sie jedoch explizit zu benennen – abheben zu wollen, wenn er in der Vermahnung die mittelalterliche, von Trient bestätigte Bußtheologie wiedergibt. Insgesamt zeigt sein Text die Züge einer im Sinne der sich herausbildenden Konfessionen katholischen Auffassung, die sich gegen die reformatorische Sicht Luthers richtet.167 Zu Beginn geht Krabler in Nr. 52 von der Gnade der Taufe aus, die der Mensch durch die Sünde verloren hat. Dem Verlust des unbefleckten in der Taufe erhaltenen Kleids der Unschuld stellt er die Barmherzigkeit Gottes in seinem Sohn gegenüber. Die Güte Gottes, wie sie im Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lk 15,11–32) sichtbar wird – Krabler bezieht sich direkt darauf im ersten Satz von Nr. 53 –, schenkt eine „Arzney“ zur Versöhnung nach jedem Rückfall in die Sünde. Dabei handelt es sich um das „Sacrament der Bueß“ (Nr. 53), das auch an anderen Stellen in medizinischem Kontext erscheint, wenn etwa von den Wunden der Seele gesprochen wird, die zu ihrer Heilung in der Buße geöffnet werden sollen (Nr. 54). Krabler führt die drei „stukh“ auf, die das Sakrament „in sich begreifft“: Reue, Beichte und Genugtuung. Mit dieser „klassischen Dreiteilung contritio cordis, confessio oris, satisfactio operis“, an der auch das Trienter Konzil gegen Luther festgehalten hat, und der Betonung des sakramentalen Charakters der Buße folgt Krabler eindeutig der katholischen Tradition.168 165
166 167
168
PETERS A., „Die Beichte“, in Kommentar zu Luthers Katechismen (Bd. 5). Die Beichte. Die Haustafel. Das Traubüchlein. Das Taufbüchlein, G. Seebaß (Hrsg.), Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1994, 13–94, hier 76 f. BEZZEL E., „Beichte III. Reformationszeit“, in TRE (Bd. 5), 421–425, hier 423 f. Zu Beichte und Kirchenzucht in der lutherischen Tradition vgl. MESSNER R., „Feiern der Umkehr und Versöhnung“, in Gottesdienst der Kirche (Bd. 7,2). Sakramentliche Feiern I/2. Feiern der Umkehr und Versöhnung, H. B. Meyer et al. (Hrsg.), Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 1992, 9–240, hier 188–204. BEZZEL E., „Beichte III. Reformationszeit“, 422; vgl. ebd., 425.
58
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
Zur biblischen Grundlegung sind in Nr. 53 zwei Bibelstellen in deutscher Sprache aufgeführt: Jak 5,14a.15b–16a und Joh 20,22 f. Dem Zitat aus dem Jakobusbrief scheint die Übersetzung von Eck zugrunde zu liegen, da dieser mit „Priester der Kirchen“ (bei Dietenberger „Kirchenpriester“, Luther „Älteste der Gemeinde“) und dem Verb „beichten“ (bei Dietenberger und Luther „bekennen“) fast die gleichen Begriffe wie Krabler verwendet („Briester“ und „beichten“). Der Verweis auf Jakobus dient der Begründung der Beichte vor dem Priester, denn Gott selbst habe „durch seinen Apostl Jacob“ aufgetragen, dass man „dem mithknecht seinem seelsorger seine sünden beichte, entpindung und vergebung von Ihme begere“. Bemerkenswert ist dabei der Begriff „mithknecht“, der den Priester als Diener ansieht, der gemeinsam mit allen Gläubigen im Dienst des gleichen Herrn steht. Vermutlich handelt es sich hier um eine Anspielung auf Mt 18,18, gebrauchen doch auch Luther, Eck und Dietenberger den Ausdruck genau in diesem Vers. Das Zitat aus dem Jakobusbrief „Beichte einer dem anderen“ könnte als versteckte Würdigung der Laienbeichte verstanden werden, auf die Krabler jedoch nicht näher eingeht. Die Bedeutung der Amtsvollmacht und Amtsgewalt des Priesters nach katholischem Verständnis unterstreicht dagegen sehr klar das Zitat aus dem Johannesevangelium mit der nachösterlichen Übertragung der Bindegewalt der Sündenvergebung auf die Apostel; gerade die „Schlüsselgewalt im Bußsakrament“ als Teil der „potestas jurisdictionis“ mit ihrer Bindung an die Priesterweihe und insbesondere der Anspruch des Papstes darauf waren von Luther kritisiert und verworfen worden, er spricht sie stattdessen „allen Christen“ zu.169 Welche Übersetzung Krabler hier verwendet hat, ist unklar; die Verben „verzeihen“ und „vorbehalten“ kommen weder bei Eck, Dietenberger noch bei Luther vor, allerdings verwenden die beiden zuletzt genannten das ähnliche Verb „behalten“. Aus der Stelle bei Johannes folgt nach Krabler die Geltung der Amtsvollmacht für alle „ordenlichen Khirchen dienern“ als Nachfolger der Apostel unabhängig von deren moralischen Disposition. Das Konzil von Trient sieht in Joh 20,23 neben Mt 18,18 – allerdings nicht wie Krabler in Jak 5 – die „Einsetzungsworte der Buße“, die sich nicht an die „ganze Kirche“, sondern nur an die Priester richten; außerdem unterstreicht es die „Notwendigkeit […] eines vollständigen Sündenbekenntnisses […] als von göttlichem Recht vorgeschrieben“.170 Diese Positionen des Tridentinums gibt Krabler in seiner Vermahnung wieder. So betont er in Nr. 54, dass für die Vergebung der einzelnen begangenen Sünden deren vollständige Bekenntnis „mit einer warhafftigen Reue“ in der Beichte erforderlich sei, ein allgemeines Bekenntnis ist für Krabler nicht ausreichend. Falls das Sakrament „recht und 169 170
FAGERBERG H., „Amt/Ämter/Amtsverständnis VI. Reformationszeit“, in TRE (Bd. 2), 552–574, hier 554 f. MESSNER R., „Feiern der Umkehr und Versöhnung“, Regensburg 1992, 182.
2 Die Agende des CC 107
59
ordentlich gebraucht würd“, würden alle gebeichteten Sünden „dadurch ausgelescht“. Unterschlägt der Beichtende aber eine „schwere Sünd auß scham oder anderer ursachen“, obwohl er sich dieser bewusst ist, so heißt es, „dieselbig Sünd würdt nit nachgelassen, sonder sy bleibt auf deinem khopf“. Diese Aussagen entsprechen im Wesentlichen der traditionellen Vorstellung, dass „die Absolution erst dann gültig [war], wenn ein lückenloses und vollständiges Sündenbekenntnis abgelegt“ wurde – eine Position, die Luther klar ablehnte.171 Bemerkenswert bei Krabler ist, dass er auch unbewusst vergessene Sünden durch das Sakrament der Buße als vergeben ansieht, obwohl dabei die Beichte gerade nicht komplett und umfassend ist. Möglicherweise kommt hier eine gewisse Nähe Krablers zur reformatorischen Haltung zum Ausdruck. Allerdings vertritt die liturgische Absolutionsformel dieselbe Auffassung, wenn sie im Wortlaut ausdrücklich von allen Sünden befreit, selbst von denen, die der Pönitent vergessen hat („aut quorum memoriam non habes“ in Nr. 58). Offensichtlich hat man eine alte Formel weiterverwendet, obwohl sich seit deren Entstehung Theologie und Praxis der Buße verändert hatten. So scheint es plausibler, dass Krabler, statt an dieser Stelle Luthers Vorstellung der Beichte zu folgen, seine theologische Haltung hier aus der Liturgie schöpft und sich damit auf eine mittelalterliche Tradition bezieht, die den konfessionellen Auseinandersetzungen vorausgeht. Für die Wirkung der „Arzney“ ist nach Krabler neben dem Vorsatz, sich von Sünden in Zukunft zu enthalten, von Bedeutung, die Auflagen des Beichtvaters „vleissig und gehorsamlich (zu) verrichten“, denn dies sei die „gnuegthuung“ im Sinne der Kirche. Es gelte, „zu dienen der gerechtigkhait und heyligkhait“; so bestehe die Genugtuung in „fasten, betten, almosen geben, und in allen guten werkhen“. Krabler betont, dass dabei letztlich nicht ein abzuleistendes Bußpensum die Vergebung bewirkt, weil dazu der Mensch gar nicht im Stande sei, vielmehr hat Christus schon „am stammen des heyligen Creutzes“ für „alle gnueg gethan“. Dennoch solle der Beichtende nicht an der Bedeutung der Buße zweifeln, die Gott „lieb und angenem sey nit weniger“ als das Opfer Abels, des „bueßfertigen Davids“ oder das Fasten der Bewohner von Ninive. Hier scheint Krabler die Auffassung Trients zu referieren, das laut Werbick zwar den „Satisfaktionscharakter der Bußleistungen“ betont, diesen jedoch so formuliert, dass „er nicht mehr in Konkurrenz treten kann zur Sündenvergebung als unverdienbarem, göttlichen Gnadenakt“.172 Nach dem Hinweis auf die biblischen Vorbilder der Buße schließt die Vermahnung mit der bereits erwähnten Aufforderung zur Beichte ab. Die beiden angebotenen Absolutionsformeln für den allgemeinen Gebrauch (Nr. 55–60) und für das Jubeljahr („tempore jubilaei“, Nr. 61–63) un171 172
BEZZEL E., „Beichte III. Reformationszeit“, 422. WERBICK J., „Buße. III. Historisch-theologisch“, in LThK (Bd. 2), 828 f.
60
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
tergliedern sich in zwei Gebetsformeln und die darauf folgende Absolution selbst, die wiederum aus zwei bzw. drei Teilen besteht. Die zwei ersten, mit „praecatio“ überschriebenen Formeln (Misereatur, Indulgentiam, Nr. 55 und 56) sind für beide Varianten gleich. Da jeweils nur deren erste Worte angegeben sind, setzt Krabler offenbar die Kenntnis der Texte als bekannt voraus. Dies kann als sehr wahrscheinlich angenommen werden, sind doch die Formeln seit dem hohen Mittelalter üblich.173 Aufgrund der knappen Angaben ist jedoch unklar, welche Formulierung genau bei Krabler gemeint sind. Bei Gebet Nr. 55 („Misereatur tui omnipotens Deus“) dürfte es sich um die Formel „Misereatur tui omnipotens Deus, et dimittat tibi omnia peccata tua, et perducat te sine macula cum gaudio, in vitam aeternam Amen“ handeln, die das Rituale Salzburg 1575 im Ordo Absolvendi auf S. 36 bringt; die Ritualien Salzburg 1557 (f. 240r) und Passau 1587 (f. 83r) enthalten sie ebenfalls. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass Krabler hier die später im Rituale Romanum 1614 festgeschriebene Form „Misereatur tui omnipotens Deus et dimissis peccatis tuis perducat te ad vitam aeternam“ gemeint hat, die er aus einer unbekannten Quelle zitiert haben könnte. Da sich die Formulierung jedoch weder in der Salzburger noch in der Passauer Tradition findet, dürfte das unwahrscheinlich sein. Die Angabe zur zweiten Formel Nr. 56 lautet „Indulgentiam, Absolutionem et remissionem“ und könnte sich auf ein Teil des Stufengebets aus dem Salzburger Rituale von 1557 auf f. 20r beziehen: „Indulgentiam, absolutionem et remissionem omnium peccatorum nostrorum, spacium vitae, fructuosam poenitens, finem bonum, vitam perpetuam tribuat nobis omnipotens pius Pater et misericors dominus Amen.“ Der Grund für diese Vermutung liegt darin, dass nur Salzburg 1557 denselben Beginn wie Krabler aufweist, während die entsprechende Formel bei der Absolution für die Spendung des Viaticums in Salzburg 1557 (f. 68v und 70r), bei der Absolution in Salzburg 1575 (S. 36) sowie auch in Passau 1587 (f. 83r) mit „Indulgentiam et absolutionem“ ohne „remissionem“ beginnt. Salzburg 1557 und Passau 1587 enthalten keine eigene Ordnung zur Absolution wie Salzburg 1575, führen aber zwei Vermahnungen zur Beichte samt Absolution im Abschnitt zur Kommunionspendung an die Kranken auf. Ganz am Ende des Buches hat Salzburg 1557 außerdem auf ff. 239v– 240r ein Formular mit dem Titel „Die gemeine oder offentliche Beicht / gegründet in der Schrift“, das jedoch aufgrund seiner unterschiedlichen Struktur Krabler hier nicht als Vorbild gedient haben kann. Im Rituale Romanum 1614 lautet das Gebet „Indulgentiam, absolutionem et remissionem omnium peccatorum tuorum tribuat tibi, omnipotens et misericors Dominus“. Krabler könnte diese Variante gemeint haben, da sich diese Formulierung ergibt, wenn man Salzburg 1575 mit „et remissionem“ aus Salzburg 1557 ergänzt. Die genannten 173
Vgl. MESSNER R., „Feiern der Umkehr und Versöhnung“, Regensburg 1992, 130 f.
2 Die Agende des CC 107
61
Beobachtungen legen nahe, dass Krabler die in den Büchern von 1557 und 1575 enthaltene Salzburger Tradition seiner Absolutionsformel zugrunde legt. Das jüngere Salzburger Rituale könnte insofern als Vorbild verwendet worden sein, als es die beiden Gebete „Misereatur“ und „Indulgentiam“ wie Krabler mit „Precatio quae Absolutioni praemittitur“ überschreibt; die Absolutionsformel selbst dürfte dagegen eher auf die Salzburger Agende von 1557 zurückgehen. Die allgemeine Absolution selbst besteht aus drei Teilen, der Oration „Dominus noster“ (Nr. 57), der Formel der Lossprechung „Et ego“ (Nr. 58) und der Formel „Passio Domini“ (Nr. 60). In Nr. 58 bringt Krabler wie auch in der Taufe jeweils die männliche und die weibliche Form (confessus/ confessa). Bis auf geringe Abweichungen und eine Ergänzung – Krabler fügt in seine Formel die Lossprechung vom „vinculo excomunicationis minoris“ ein – entspricht der Text der Version aus Salzburg 1575 auf S. 37–38; Krabler folgt also auch hier dem Salzburger Modell. Die von Passau 1587 im Kapitel über die Krankenkommunion aufgeführte Variante (f. 83r) ist dagegen deutlich kürzer, der Teil „Passio Domini“ fehlt vollständig. Es könnte sich dabei um die „Absolutionsformel der Passauer Agende“ handeln, die laut der Pastoralinstruktion Bischof Urbans von 1590 bei der Beichte gebraucht werden musste. 174 Für das Jubeljahr ist in Nr. 62 ein eigener Text vorgesehen, der deutlich umfassender absolviert, etwa auch vom „Vinculo Excommunicationis maioris“; den Abschluss bildet wieder die Formel „Passio Domini“ (Nr. 63 mit Bezug auf Nr. 60). Die nicht eruierte Quelle für Nr. 62 könnte wegen des Bezugs auf die Apostel und den Papst römischen Ursprungs sein, eventuell eine Bulle zur Ankündigung des Heiligen Jahres, so dass hier die Abgrenzung zum Protestantismus deutlich zum Ausdruck kommt. Was bereits die theologische Untersuchung der Vermahnung zur Beichte gezeigt hat, dass sich Krabler nämlich der katholischen Tradition verpflichtet weiß, lässt sich ebenso deutlich an seinem Beichtritual und der Absolutionsformel ablesen. Nicht nur die ausschließliche Verwendung der lateinischen Sprache, sondern auch die Gestaltung des Formulars weisen darauf hin. Dieses folgt im Wesentlichen den „spätmittelalterlichen Beichtriten“, die „aus der eigentlichen Beichte, dem Zuspruch des Priesters“ – bei Krabler nicht erwähnt – „und den 3 Absolutionen ‚Misereatur‘ – ‚Indulgentiam‘ – ‚Ego te absolvo‘“ bestanden – eine Form, die vom Rituale Romanum bis zu den Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils galt.175 In dieser Struktur spiegeln sich, wie Frank schreibt, „die verschiedenen Schichten der Entwicklung der Absolutionsformel“ mit der im 10. und 11. Jahrhundert erfolgten „Überlagerung der älteren deprekativischen Formeln durch die neuen indikativischen“ wider: Das 174 175
EDER K., Glaubensspaltung und Landstände, Linz 1936, 225. MESSNER R., „Bußriten“, in LThK (Bd. 2), 840–845, hier 844.
62
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
„Misereatur“ stellt eine „deprekative Vergebungsbitte“ dar, während das „Indulgentiam“ ein „indikativischer Vergebungssatz“ ist; diese Zusage wird durch die Formel „Ego te absolvo“ bestätigt, um „den hoheitlichen priesterlichen Akt der Sündenvergebung“ hervorzuheben.176
2.5
Gebete und Vermahnung zur Eucharistie
In der Agende Krablers folgt auf Beichte und Absolution der Abschnitt mit der Vermahnung und den Gebeten zum Kommunionempfang, d. h. zum „hochwürdigen Sacrament deß Altars“, wie es in der Agende heißt. Diese inhaltliche Anordnung enthalten auch andere Diözesanritualien der Zeit wie etwa Salzburg 1575 oder ähnlich auch Mainz 1551 im Kontext der Krankenkommunion. Das Kapitel gliedert sich in die mehrseitige Vermahnung auf ff. 33r–37r (Nr. 64–68) und die eigentliche Spendung der Eucharistie unter beiderlei Gestalt177 mit Vorbereitungsgebeten und Absolution (Nr. 69–71), je zwei Spendenformeln für Brot und Wein (Nr. 72–75) sowie einem Gebet samt Segensformel zum Abschluss nach dem Empfang (Nr. 76–77). Die Texte werden in deutscher Sprache angeboten, nur die Absolutionsformel (Nr. 70), die Rubriken zu den Spendeformeln und die Randnoten stehen auf Latein. Dass die Formeln zur Spendung selbst in der Volkssprache gehalten sind, ist bemerkenswert, da sowohl die Salzburger Rituale von 1557 (f. 71r) und 1575 (S. 76) sowie die Passauer Ausgabe von 1587 (f. 84v) nur eine lateinische Formel vorsehen. Die evangelischen Agenden von Veit Dietrich178 und Chyträus 1571 (f. CIXr) haben dagegen wie Krabler eine deutsche Version. Rubrikale Angaben zum Ablauf oder Kontext der Feier fehlen bis auf wenige Hinweise. Die Vermahnung steht im Plural und scheint sich an eine möglicherweise extra zu diesem Zweck versammelte Gemeinde zu richten, wobei außer in der Nennung bzw. Erwähnung der Einsetzungsworte in Nr. 65 und Nr. 68 kein Bezug zur Feier der Messe erkennbar ist. Diese beiden Stellen könnten aber ein Hinweis darauf sein, dass Krabler die Ansprache auch im Rahmen einer Messe verwendet oder dies zumindest nicht ausgeschlossen hat. Wahrscheinlicher ist, dass hier nicht ein Kommunionempfang vor oder nach der Messe gemeint ist, was laut Meyer „erst um 1800“ zur Regel wurde, sondern es sich bei der versammelten Gemeinde vermutlich eher um eine Art „Kommunionandacht“ handeln dürfte, die „gegen Ende des Mittelalters […] 176 177 178
FRANK I. W., „Beichte II. Mittelalter“, in TRE (Bd. 5), 414–421, hier 417; vgl. MESSNER R., „Feiern der Umkehr und Versöhnung“, Regensburg 1992, 172. Vgl. dazu Kapitel 1.4 „Die Entstehungsgeschichte des Textes“. Vgl. Veit Dietrich in der „Ordnung des Hern Abentmals“ im Kapitel „III. Collecten und Deutsche Gebet / so man zur Meß / und sonst singen oder lesen sol“.
2 Die Agende des CC 107
63
mit einem relativ breit entfalteten Ritus“ entstanden war.179 Dafür spricht vor allem auch die bei Krabler vorgestellte Struktur seiner Feier, die etwa mit dem umgeformten „Non sum dignus“ (Nr. 71) und der Danksagung (Nr. 76) dem bei Meyer vorgestellten Ablauf folgt, wie der folgende Vergleich zeigt.180 Kommunionandacht
Krabler
Kommunionansprache Schuldbekenntnis (gemeinsam)
Vermahnung (Nr. 64–68) Aufforderung zur „offenen Beicht“ (Nr. 69) --Absolutio (Nr. 70) Gebet mit „Non sum dignus“ (Nr. 71) Spendeformeln für Hostie (Nr. 72–73) Kelchkommunion (Nr. 74–75) Gebet mit Danksagung (Nr. 76) Segensformel (Nr. 77)
Vater Unser Absolution „Non sum dignus“ Mundkommunion der Hostie mit Spendeformel Ablutionswein Private Danksagung ---
Tab. 3: Vergleich Aufbau Kommunionandacht nach Meyer und Krabler Eine entsprechende Andacht zum Kommunionempfang findet sich allerdings weder in den Salzburger Büchern noch im Passauer Rituale von 1587. Überhaupt scheinen Verortung und Gebrauch der katholischen Kommunionvermahnungen des 16. Jahrhunderts wie auch bei Krabler unklar zu sein, so beziehen sich manche auf den Empfang im Rahmen oder Kontext einer Messe, manche auf die Krankenkommunion und manche auf die Eucharistie allgemein, „ohne dass eine Gläubigenkommunion zwingend erfolgen muss“ – die verschiedenen Arten des Kommunionempfangs dürften dabei jedoch laut Lurz „nicht als sich ausschließende“ verstanden werden.181 Voraussetzungen waren offenbar eine zuvor erfolgte Beichte und bußfertige Gesinnung, wie die Vermahnung in Nr. 67 nahelegt, die so vorbereitete Gläubige zum Empfang der Kommunion auffordert. Auffällig ist, dass hier die Beichte offenbar doch in engem Bezug zum Kommunionempfang steht, obwohl in der Vermahnung zur 179 180 181
MEYER H. B., Eucharistie. Geschichte, Theologie, Pastoral (Gottesdienst der Kirche 4), Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 1989, 236 f.; vgl. ebd., 555 f. Vgl. ebd., 236. LURZ F., „Die Eucharistie als Opfer. Die Aussagen katholischer Kommunionvermahnungen des 16. Jahrhunderts“, in Archiv für Liturgiewissenschaft 42 (2000) 65– 83, hier 68.71.
64
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
Buße des vorangegangenen Abschnitts davon keine Rede war. Daher auf eine größere Nähe zur oben dargestellten evangelischen Praxis zu schließen, scheint jedoch nicht angemessen, da die Verbindung Beichte-Kommunionempfang vermutlich in den beiden sich entwickelnden Konfessionen gängig war, wohl ein gemeinsames Erbe der mittelalterlichen Tradition. So könnte die Beichte trotz des Schweigens Krablers eventuell in der Praxis doch zur Vorbereitung auf den Kommunionempfang gedient haben. Nach der Vermahnung zum Sakrament des Altars werden die Gläubigen angehalten, sich niederzuknien – offenbar saßen oder standen sie während der Ansprache des Priesters –, sich zu bekreuzigen und die Gebete des Priesters nachzusprechen (Nr. 69). Wo, und wie anschließend die Kommunion gespendet wurde, bleibt in der Agende unbestimmt, wie auch andere Agenden einen direkten liturgischen Kontext nicht erkennen lassen. Krabler legt in den Texten dieses Abschnitts das traditionelle, scholastische und von Trient betonte katholische Eucharistieverständnis von Realpräsenz und Transsubstantiationslehre vor, ohne jedoch direkt auf die Lehre der Konkomitanz einzugehen, wie das andere katholische Rituale der Zeit tun; die Spendung sieht er ja auch unter beiderlei Gestalt vor. An das Leiden und Sterben Jesu Christi, an die Erlösung am Kreuz, wird erinnert, die Eucharistie aber an keiner Stelle als Opfer bezeichnet. Damit stellt die Agende Krablers keine Ausnahme unter den katholischen Vermahnungen seiner Zeit dar, deren größer Teil ebenfalls den Opferbegriff nicht gebraucht, der Tod Jesu am Kreuz dagegen kommt fast immer vor.182 Der „Verzicht auf jede Opferterminologie“ hängt nach Lurz vermutlich mit der „dogmatischen Trennung von Opfer und sakramentaler Kommunion“ sowie mit dem Anliegen der Texte zusammen, die Kommunion und nicht das Wesen der Messe zu erklären.183 Dies könnte der Grund dafür sein, dass Bezüge zur Opferthematik bei Krabler fehlen; ein Gebrauch seiner Vermahnung im Rahmen der Messe scheint damit unwahrscheinlich, kann aber nicht sicher ausgeschlossen werden. Wo in der Frage des Opfercharakters die beginnenden konfessionellen Grenzlinien verlaufen und welche Position Krabler dabei einnimmt, wäre eigens zu untersuchen.184 Andere Ritualien sprechen im Unterschied zu Krabler ganz explizit vom Opfer und verwenden eine entsprechende 182 183 184
Vgl. ebd., 71. Ebd., 81. Vgl. EVANS G. R., „Opfer V. Mittelalter bis Neuzeit“, in TRE (Bd. 25), 278–286; DALFERTH I. U., „Opfer VI. Dogmatik“, in TRE (Bd. 25), 286–293; STAEDTKE J., „Abendmahl. III/3. Reformationszeit – 1. Protestantismus“, in TRE (Bd. 1), 106– 122; ISERLOH E., „Abendmahl. III/3. Reformationszeit – 2. Römisch-katholische Kirche“, in TRE (Bd. 1), 122–131; PETERS A., „Abendmahl. III/4. Von 1577 bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts“, in TRE (Bd. 1), 131–145; MENKE K.-H., „Opfer. IV. Theologiegeschichtlich u. systematisch-theologisch“, in LThK (Bd. 7), 1067– 1069; BERGER R., „Opfer. VI. Liturgisch“, in LThK (Bd. 7), 1070.
2 Die Agende des CC 107
65
Begrifflichkeit, Lurz nennt in seiner Studie u. a. ein Rituale aus Gnesen oder die Vermahnungen von Georg Witzel und Michael Helding – bestimmend ist das Thema gerade auch in der Salzburger Agende von 1557, wie Kopp hervorhebt.185 Der Autor bietet wie bereits für die Beichte eine in erster Linie biblisch fundierte Grundlegung des Sakraments und verzichtet dabei auf „antireformatorische Ausrichtung“ und „polemische Schärfe“, die laut Kopp dagegen die entsprechende Ansprache des Salzburger Rituales von 1557 auszeichnen. 186 Möglicherweise liegt dies an der Einstellung Krablers, die zwar betont katholisch, aber gleichzeitig für Impulse aus der Reformation durchaus offen war, wie im ersten Kapitel dieser Arbeit gezeigt wurde. Die Verwendung der Volkssprache und die Kommunion unter beiderlei Gestalt lassen sich als Ausdruck dieser Position lesen. Krabler scheint sich in seiner Ansprache zur Eucharistie nicht so eindeutig wie im Abschnitt zur Beichte von theologischen Auffassungen der Reformation abgrenzen zu wollen. Möglicherweise liegt dies aber auch an der größeren Übereinstimmung zwischen katholischer und zumindest lutherischer Position im Bereich des Abendmahl- bzw. Eucharistieverständnisses. Die Vermahnung der Krabler’schen Agende beginnt mit einer knappen Eröffnung (Nr. 64), die einen inhaltlichen Überblick gibt. Dargelegt werden soll demnach, „wie diß heylig Sacrament eingesezt / was es sey / welche frucht und nuz wir darauß zugewartten haben“. Entsprechend dieser Gliederung ist der Text in drei Absätze zur Einsetzung der Eucharistie (Nr. 65), die deren Wesen biblisch begründet, zum Konzept der Transsubstantiation (Nr. 66) sowie zu den Wirkungen der Kommunion (Nr. 67) unterteilt; abgeschlossen wird die Vermahnung mit einem Hinweis auf das Leiden Christi, das zu „tugent und Gottesforcht“ mahnt (Nr. 68). Nach einigen biblischen Bezügen nennt Nr. 65, deren Beginn mit der Randnote „Insitutio“ versehen ist, das Wesen der Eucharistie. Sie ist „sein wahrer leib und sein wahres blut“ – in einer weiteren Randnote heißt es „quod sit“ –, das uns „zu seiner ewigen gedechtnus / und wahrer einleibung unser mit Ihme“ von Christus eingesetzt wurde. Der an dieser Stelle verwendete Begriff der „Einleibung“ mit Christus ist theologisch von Interesse, da ihn auch Luther im Zusammenhang mit dem Abendmahl gebraucht. Für ihn ist es ein Zeichen der „Gemeinschaft und Einleibung mit Christo und allen Heiligen“ und „Sakrament dieser Einheit“, wobei das Konzept der Einleibung gerade den einheitsstiftenden Charakter des Abendmahls zum Ausdruck bringt – möglicherweise nimmt Krabler hier auf den Reformator Bezug.187 Zwingend ist dies jedoch nicht, da Luther zumindest das Verb „einleiben“ in verschiedenen Zusammenhängen verwendet; ganz allgemein bedeutet 185 186 187
Vgl. ebd., 74–80; KOPP S., Volkssprachliche Verkündigung, Regensburg 2016, 458. KOPP S., Volkssprachliche Verkündigung, Regensburg 2016, 457. ZUR MÜHLEN K.-H., „Luther II. Theologie“, in TRE (Bd. 21), 530–567, hier 551.
66
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
„Einleibung“ so viel wie „Angliederung“ und „Beifügung“, theologisch aber auch „Menschwerdung“ bzw. das zugehörige Verb „einleiben“ so viel wie „eingliedern“ oder „in eine Gemeinschaft aufnehmen“.188 Biblisch besteht bei der „Einleibung“ eine Nähe etwa zum Römerbrief (Röm 12,5) oder zum ersten Brief an die Korinther (u. a. in 1 Kor 10,17, was Krabler in Nr. 69 direkt zitiert). Zur Begründung des Eucharistieverständnisses im Sinne der Realpräsenz folgen die Einsetzungsworte, die die Agende in einer Kombination der entsprechenden Stellen aus Matthäus (Mt 26,26–28) und Paulus (1 Kor 11,23– 26) zitiert. Wörtliche Übereinstimmungen lassen vermuten, dass Krabler die Übersetzung von Eck zugrunde gelegt hat. Diese folgt zwar im Wesentlichen Luther, unterscheidet sich aber in Details. So gebraucht Eck in 1 Kor 11,24 „dargegeben“ statt „gebrochen“ (Luther) oder fügt in Mt 26,28 ein „dann“ ein, das sich auch bei Krabler findet. Wie zwei Randnoten anzeigen, benennt die Agende an dieser Stelle in scholastischer Unterscheidung mit „das ist mein leib“ die Materie und mit „diese wortt“ – gemeint sind hier die Einsetzungsworte – die Form des Sakraments. Dabei ist unklar, was Krabler mit „materia“ genau meint, ob den gewandelten Leib Christi oder Brot und Wein, wie es die als Armenierdekret bekannte Bulle „Exsultate Deo“ von Eugen IV. aus dem Jahr 1439 festgelegt hatte. Die Identifikation der „forma“ mit den Einsetzungsworten entspricht dagegen den Bestimmungen des genannten Dokuments (DH 1320 f.). Damit leitet die Agende über zu Nr. 66, in der die Worte Jesu als Begründung der Transsubstantationslehre interpretiert werden. Natur und Substanz von Brot und Wein änderten sich zu Leib und Blut Christi, auch wenn das die Vernunft nicht verstehe. Dieses Verständnisses abzulehnen hieße, „die Göttlich warheit selbs […] einer unwarheit bezeihen“. Bezug genommen wird an dieser Stelle auf den Römerbrief (Röm 4,17) und die Verkündigung an Maria bei Lukas (Lk 1,37): „bey Gott sey nichts unmöglich“. Beide Zitate werden so frei wiedergegeben, dass sie sich kaum einer Übersetzung zuordnen lassen, vermutlich dürfte Krabler jedoch den Text von Eck abgewandelt übernommen haben. Unklar ist auch die Zuordnung des vermeintlichen Pauluszitates, dass der Glaube „ein bestendiger grundt oder anfang“ sei; hier könnten Röm 3,28 oder auch Hebr 11,1 gemeint sein. Die Betonung der Rolle des Glaubens im Gegensatz zur Vernunft ist an dieser Stelle auffällig, weil ja die Rede von Natur und Substanz die Eucharistie gerade durch Vernunftbegriffe durchdringen und 188
„einleiben“, in Frühneuhochdeutsches Wörterbuch, URL: https://fwb-online.de/ lemma/einleiben.s.3v [Zugriff 12.10.2022]; „Einleibung“, in Deutsches Rechtswörterbuch, URL: https://drw-www.adw.uni-heidelberg.de/drw-cgi/zeige?index=lemma ta&term=Einleibung [Zugriff 12.10.2022]; „Einleibung, f.“, in Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (Neubearbeitung [A–F]), digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/21, URL: www.woerterbuchnetz.de/DWB2/EINLEIBUNG [Zugriff 12.10.2022].
2 Die Agende des CC 107
67
begreifen will. Möglicherweise möchte Krabler hier die katholische Lehre mit dem protestantischen Prinzip der „sola fides“ in Einklang bringen. Im folgenden Abschnitt der Vermahnung (Nr. 67) wird die Wirkung der Kommunion zunächst in moralischer Perspektive betrachtet. Sie möge helfen, „hinfüro eur leben zu bessern / und in Gottes willen und wolgefallen zu leben“. Die Eucharistie stärkt die Gläubigen in ihrem christlichen Lebenswandel in Parallele zur Taufe, denn durch die Buße den „sünden abgestorben“ führt der Empfang des Leibes Christi „zu einem neuen heyligen leben“. Im Anschluss daran greift Krabler noch einmal das bereits genannte Konzept der Einleibung in Christus auf, das die Randnote „Effectus et fructus I“ eigens hervorhebt. Den ekklesiologischen Aspekt der Eingliederung in die kirchliche Gemeinschaft, die Communio Sanctorum, nennt der mit der Randnote „Effectus et fructus II“ ausgezeichnete zweite Teil von Nr. 67.189 Dabei verweist die Agende auf den ersten Korintherbrief, in dem Paulus das eine Brot und den einen Leib parallel setzt und die Teilhabe am gebrochenen Brot als Teilhabe am Leib Christi deutet (1 Kor 10,16 f.); hier verwendet Krabler vermutlich die Übersetzung von Eck. Die Gemeinschaft in dem einen Leib Christi spendet Trost und findet ihren Ausdruck in der Nächstenliebe für die Mitchristen. Sie regt dazu an, „das wir einander herzlich mainen“, wie Krabler formuliert, entsprechend dem Vorbild Jesu, der sich für uns hingegeben hat. Das im Einsetzungsbericht genannte Gedächtnis deutet Nr. 68 als Erinnerung an die Passion Jesu, die für „unsere sünden geschehen“, damit wir diesen „feindt sein“. Die Vermahnung endet mit einem eschatologischen Hinweis auf das himmlische Gastmahl als Ziel des Lebens. Der sich anschließende Ritus der Kommunionspendung wird mit dem Kreuzzeichen und der Aufforderung zum Sprechen der „offenen Beichte“ in Nr. 69 eingeleitet. Diese „offene Beichte“ lässt sich möglicherweise mit dem als „Offene Schuld“ bezeichneten „allgemeinen Sündenbekenntnis mit Generalabsolution“ zum Abschluss des „Wortgottesdienstes“ in Verbindung bringen, das „im Pfarrgottesdienst seit dem Ende des 11. Jh. nachweisbar ist“; ihr Vorkommen in der „sonntäglichen Pfarrmesse ist vor allem im deutschen Sprachraum zu beobachten“.190 Gerade dieser Zusammenhang könnte eventuell ein Hinweis darauf sein, dass der von Krabler angebotene Ritus nicht nur für eine Andacht, sondern auch den Kommunionempfang im Kontext der Messe (am Sonntag) gedacht gewesen sein könnte. Eröffnet mit „Ich armer sündiger Mensch“ wird das Bekenntnis mit der Absolution in der Formel „Misereatur Vestri“ (Nr. 70) abgeschlossen. In Passau 1587 findet sich eine „confessio generalis in lingua vernacula“ (f. 84r) im Abschnitt zur Krankenkommu189 190
Hier könnte es ebenfalls eine Parallele zu Martin Luther geben: vgl. ZUR MÜHLEN K.-H., „Luther II. Theologie“, in TRE (Bd. 21), 551. MESSNER R., „Feiern der Umkehr und Versöhnung“, Regensburg 1992, 76.
68
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
nion, außerdem in einer Art Predigtgottesdienst („Modus Concionandi“) ohne Bezug zur Kommunion die „offene schult und beicht“ (f. 139r). Die Gläubigen werden dort nach der Predigt, wie in Krabler Nr. 69, aufgefordert, sich zu bekreuzigen und dem Priester den Text „Ich armer Sünder“ nachzusprechen. Den Abschluss der Feier in Passau 1587 bildet eine allgemeine Absolution auf Deutsch (wohl nach „Misereatur Vestri omnipotens Deus“). Ein weiterer Zeuge für das Schuldbekenntnis „Ich armer Sünder“ ist Petrus Canisius, der es in seinem Katechismus im Abschnitt „Volgen kurtze gebetlin / wie man sich alle Tag Got bevelhen/und morgens/mittags/und abents betten soll“ unter dem Titel „Ein gemeine Christenliche Beicht“ aufführt.191 Salzburg 1557 bietet eine „gemaine oder offentliche Beicht“ (f. 239v) – jedoch ohne Bezug zum Kommunionempfang –, während Salzburg 1575 eine „Generalis delictorum Confessio ante Eucharistiae sumptionem“ (S. 71) im Ordo Communicandi vorsieht. Die beiden Salzburger Agenden beginnen jeweils mit dem Gebet „Ich armer sündiger Mensch“ als Bekenntnis der Sünden, dabei ist die neuere Version von 1575 umfangreicher und deutlich an das Vorbild des Confiteor angelehnt. Auf das Gebet folgt die „Absolution“ (Salzburg 1557) bzw. die „Absolutio generalis“ (Salzburg 1575) mit der Formel „Misereatur vestri“, wie sie sich auch bei Krabler findet. Da in der älteren Salzburger Ausgabe zusätzlich die Formel „Absolutionem cunctorum“ genannt ist, die aber in Salzburg 1575 und bei Krabler fehlt, ist wahrscheinlich, dass an dieser Stelle wohl eher Salzburg 1575 Krabler als Vorbild gedient hat. Obwohl sich nicht mit Sicherheit sagen lässt, welche Variante Krabler vorsieht, weil er nur den Anfang der Formeln wiedergibt, ist es sehr wahrscheinlich, dass Krabler hier der Salzburger Tradition folgt.192 Vor der eigentlichen Spendung der Eucharistie fügt Krabler in Nr. 71 ein längeres Gebet ein, das die bereits in der Vermahnung angesprochene Wirkung der Kommunion thematisiert. Im Vordergrund stehen dabei die Erlösung des sündigen Menschen, der um Reue und Erkenntnis seiner Sünden bittet, sowie der moralische Aspekt, das Leben zu bessern; Ziel ist der würdige Empfang „zu nuz / hulff / und trost / meiner armen seelen“. Abgeschlossen wird der Text mit einer erweiterten und – wie es scheint – relativ frei übersetzten Form des lateinischen Gebetes „Non sum dignus“ in deutscher Sprache, in der die Verlorenheit des sündigen Menschen noch einmal unterstrichen wird. In Salzburg 1575 ist das „Non sum dignus“ in Deutsch oder Latein (S. 76), in Salzburg 1557 (f. 70v) sowie in Passau 1587 (f. 84v) nur in der Volkssprache, unmittel191 192
Vgl. PETRUS CANISIUS, Der Klain Catechismus sampt kurtzen gebetlen für die ainfaeltigen etc., Sebald Mayer, Dillingen 1558, XXXr. Vgl. MESSNER R., „Feiern der Umkehr und Versöhnung“, in Gottesdienst der Kirche (Bd. 7,2). Sakramentliche Feiern I/2. Feiern der Umkehr und Versöhnung, H. B. Meyer et al. (Hrsg.), Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 1992, 9–240, hier 182.
2 Die Agende des CC 107
69
bar vor dem Kommunionempfang vorgesehen. Während Salzburg 1575 eine gemeinsame Spendeformel für Leib und Blut Christi, Salzburg 1557 und Passau 1587 dagegen nur eine Formel für den Leib auf Latein anbieten, sieht Krabler jeweils zwei eigene deutschsprachigen Formeln für beide Gestalten vor. Bei dem ersten Paar der Formeln für Leib (Nr. 72) und Blut (Nr. 74) dürfte es sich sehr wahrscheinlich um eine leicht angepasste Übersetzung der lateinischen Vorlage aus Salzburg 1557 auf f. 71r handeln. Salzburg 1557
Salzburg 1575
Krabler (Nr. 72, 74)
Corpus Domini nostri Iesu Christi, custodiat animam tuam in vitam aeternam. Amen. Pax + tecum.
Corpus, & sanguis Domini nostri Iesu Christi conservet, & custodiat te in vitam aeternam.
Der Leib unsers herrn Jesu Christi bewahr dein seel in das ewig leben. Das bluet unsers herrn Jesu Christi bewahr dein seel in das ewig leben.
Tab. 4: Vergleich Spendeformeln Salzburg 1557, Salzburg 1575 und Krabler Ob eine direkte Vorlage für das zweite Paar der beiden Alternativen Nr. 73 und Nr. 75 besteht, die mit „Nim hin das ist der wahr leib Jesu Christi“ bzw. „Nim hin und trinkh“ beginnen, ist unklar. Wie jedoch der folgende Vergleich zeigt, scheint Krabler originär evangelische Spendeformeln aus Veit Dietrich (Kapitel „III. Collecten und Deutsche Gebete / so man zur Meß / und sonst singen oder lesen soll“) oder Chyträus 1571 (f. CIXr) aufgegriffen und seinen Bedürfnissen entsprechend umgestaltet zu haben. Durch die Einfügung des Wortes „wahr“ vor Leib und vor Blut wollte Krabler vermutlich die Position der Realpräsenz unterstreichen, während mit der Anfügung „bewahr dich in das ewig leben“ die evangelischen Vorbilder wahrscheinlich an die beiden anderen Formeln auf Latein aus der vermutlichen Vorlage von Salzburg 1557 angeglichen werden sollten. Veit Dietrich
Chyträus 1571
Krabler (Nr. 73, 75)
Nimm hin und iß / das ist der leyb Christi / der für dich gegeben ist.
Nimm hin und issz / das ist der Leib Christi / der für dich gegeben ist.
Nim hin das ist der wahr leib Jesu Christi / der für dich gegeben ist /der bewahr dich in das ewig leben.
70
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
Nimm hin und trinck / Das ist das Blut des newen Testaments / das für dein sünd vergossen ist.
Nimm hin und trinck / Das ist das Bluet des Neuwen Testaments / das für deine Sünd vergossen ist.
Nim hin und trinkh / das ist das wahr bluet unsers herrn Jesu Christi daß bewar dich in das ewig leben.
Tab. 5: Vergleich Spendeformeln Veit Dietrich, Chyträus 1571 und Krabler Den Abschluss des Ritus bilden ein im Singular formuliertes Dankgebet des einzelnen Gläubigen nach dem Kommunionempfang (Nr. 76) und eine vermutlich durch den Priester zu sprechende Segensformel (Nr. 77); rubrikale Angaben zum Ablauf fehlen. Im Gebet Nr. 76 dankt der Gläubige für die Speisung mit dem Leib und Blut Christi und bittet wie bereits mit dem Gebet vor dem Kommunionempfang (Nr. 71) besonders um die Wirkung der Vergebung der Sünden und der Stärkung für ein christliches Lebens im Glauben. Der Text schließt analog zur Vermahnung in Nr. 68 mit einem Hinweis auf das himmlische „wolleben“ bei Gott. So möge die Kommunion etwa eine „starkhe Purg des glaubens“ oder „mehrung und wachsung einer rechten lieb“ sein. Ob Krabler das Gebet Nr. 76 selbst verfasst oder an dieser Stelle ein Vorbild übernommen oder adaptiert hat, ist nicht eindeutig zu entscheiden. Der Vergleich mit dem ersten Gebet zur Danksagung nach der Kommunion in der lutherischen Agende Veit Dietrichs lässt jedoch aufgrund einer inhaltlichen und sprachlichen Nähe zumindest der ersten Hälfte des Textes vermuten, dass sich Krabler an diesem Modell orientiert haben dürfte. Zu den beiden lateinischen Orationen nach der Kommunion aus Salzburg 1575 (S. 78 f.), den Orationen in Salzburg 1557 (f. 71v ff.) oder Passau 1587 (f. 85r ff.) bestehen dagegen keine Parallelen. Veit Dietrich
Krabler (Nr. 76)
O allmechtiger ewiger Gott / Wir sagen deiner Göttlichen barmherzigkeyt lob und danck / das du uns mit dem heylsamen fleysch unnd blut / deines eynigen Sons Jesu Christi unseres Herren / gespeist unnd getrenckt hast / Und bitten dich demütigklich / du wöllest durch deinen heyligen Geist …
O Allmechtiger / ewiger und heyliger vatter / Ich sag dir lob und dankh / das du mich unwürdigen sünder gespeist hast / mit dem leib und bluet deines eingebornen Sohns unsers herrn Jesu Christi / Ich bitt dich demütigclich / das diß Sacrament …
Tab. 6: Vergleich Danksagung nach Kommunion Veit Dietrich und Krabler
2 Die Agende des CC 107
71
Bei der Segensformel Krablers (Nr. 77) kann es sich nicht um eine Übersetzung der in Salzburg 1557 und 1575 angebotenen Formel handeln. Wahrscheinlicher ist, dass Krabler auch hier die Agende Veit Dietrichs verwendet hat, die nach der Danksagung vier Gebete zum Segen über das Volk aufführt. Die dort an zweiter Stelle genannte Formel stimmt bis auf die Anrede „euch“ statt „uns“ mit der Version Krablers überein und dürfte daher als dessen Vorbild anzusehen sein, wie der Vergleich zeigt. Veit Dietrich
Krabler (Nr. 77)
Gott sey uns gnedig und barmherzig / und gebe uns seinen Göttlichen segen / Er laß uns sein angesicht leuchten / und gebe uns seinen frid. Amen.
Gott sey euch genedig und barmbherzig / und geb euch seinen göttlichen Segen / er laß sein angesicht leuchten / und geb euch seinen friden. Amen
Tab. 7: Vergleich Segensformel nach Kommunion Veit Dietrich und Krabler Insgesamt ist es erstaunlich, wie Krabler gerade im Zusammenhang mit der Eucharistie Komponenten protestantischer Agenden mit typisch katholischen Aussagen und Elementen aus den Ritualien Salzburgs mischt. Wie bereits an anderer Stelle scheint es sich dabei um einen Ausdruck seiner reformoffenen katholischen Haltung zu handeln.
2.6
Feier der Trauung (Copulatio Sponsi et Sponsae und Vermahnung nach der Hochzeit)
Der Ritus zum Sakrament der Ehe gliedert sich in drei Abschnitte, die bei Krabler auf zwei Kapitel mit eigenem Eintrag im Inhaltsverzeichnis (f. IIIr) aufgeteilt sind, aber für die vorliegende Edition in einem Kapitel zusammengefasst wurden. Das mit „Copulatio Sponsi et Sponsae“ überschriebene Stück beginnt mit einer Vermahnung zur biblischen Grundlegung und inhaltlichen Erklärung des Sakraments auf ff. 41–47r; sie besteht aus einer einleitenden Mahnung (Nr. 78) und fünf Gliederungspunkten (Nr. 79–83). Auf den Blättern 47r–49v findet sich der eigentliche Ritus mit der Erfragung des Ehewillens von Seiten des Brautpaares (Nr. 84–87), der Ringsegnung (Nr. 88–90), dem Akt der Eheschließung (Nr. 91–93) und dem Abschluss samt Segensformel (Nr. 94–96). Auf f. 49r ist unter dem Satzspiegel die zur Eheschließung gehörige, lateinische Formel „Matrimonium in facie Ecclesiae“ (Nr. 95) nachgetragen, wodurch die Oration Nr. 94 unterbrochen wird. Die sich anschließende Ver-
72
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
mahnung mit dem Untertitel „Bey einem hochzeit Ambt da man khain sonderbare predig helt“ auf ff. 50r–53r (Nr. 97–99) bildet den zweiten Teil, bei Krabler ein eigenes Kapitel. Die Ansprachen, Orationen und Formeln sind in deutscher Sprache gehalten, auf Latein stehen ähnlich wie beim Ritus der Taufe nur der Titel („Copulatio“) und die Rubriken – außerdem die offensichtlich nachgetragene Eheformel Nr. 95. Direkte Angaben zum zeitlichen Rahmen, liturgischen Ort und Umfeld der Feier fehlen. Zur liturgischen Kleidung findet sich in der Rubrik zum Akt der Eheschließung in Nr. 91 nur der Hinweis, dass dabei die Hände mit der Stola zu umwickeln seien, sie muss der Priester daher mindestens getragen haben. Weitere Rückschlüsse auf den Ablauf der Feier einer Hochzeit in der Zeit Krablers lassen sich darüber hinaus aus den beiden Vermahnungen ziehen. Einige Wochen vor der Trauung musste die Eheabsicht des Paares dreimal von der Kanzel verkündet werden, um mögliche Ehehindernisse in Erfahrung zu bringen, wie die Einleitung zur ersten Vermahnung in Nr. 78 zeigt. Adressat der Ansprache scheint zu Beginn eine vor oder in der Kirche versammelte Festgemeinde zu sein („Ihr auserwelten“), Trauzeugen oder Brauteltern werden dagegen weder hier noch an anderer Stelle im Ritus erwähnt. Im weiteren Verlauf richtet sich die Vermahnung nur mehr an das Paar selbst. Die Abschlussoration Nr. 94 beginnt mit der Aufforderung an die Neuvermählten und die Gemeinde, sich zum Gebet niederzuknien. Die bereits genannte lateinische Formel „Matrimonium in facie Ecclesiae“ (Nr. 95) verweist auf einen Ort vor der Kirche („in facie“), wo die Trauung gehalten wurde. Hier könnte die zeitgenössische Brauttorvermählung gemeint sein, haben doch nach Kleinheyer „bayerische Bistümer erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts“ diese Art der Feier rezipiert.193 Passau 1490 spricht explizit von einer Feier „in facie ecclesie“ (f. XIXr), Salzburg 1557 nennt keinen Ort. Salzburg 1575 dagegen gibt in der zugehörigen Rubrik am Anfang des Ritus als Ort den Eingangsbereich der Kirche – außen („ad foras Ecclesiae“) oder im Inneren („in foribus templi“) oder, falls eine Messe gefeiert wird, einen beliebigen Altar an („aliquod altare“).194 Der Titel der zweiten Vermahnung (Nr. 97–99) weist auf ein „hochzeit Ambt“, das heißt eine Messe aus Anlass der Hochzeit, die offenbar am Tag nach der Vermählung gehalten wurde, spricht der Text doch von den Brautleuten, „welche an gestern den heyligen standt der Ehe an sich zunemen angefangen haben“. Die obige erste Vermahnung und die Feier der Trauung selbst fanden daher sehr wahrscheinlich nicht im Rahmen einer Messe statt. Adressat der zweiten Ansprache ist zunächst wieder die versammelte Gemeinde („Ihr samentlich {Ihr geliebten} disen bayden Personen […] zu ehren alhie er-
193 194
KLEINHEYER B., „Riten um Ehe und Familie“, Regensburg 1984, 103. Salzburg 1575, 255.
2 Die Agende des CC 107
73
scheinet“), dann vor allem aber das Brautpaar, dem in einer Art Katechese Bedeutung und Ziel des Ehesakraments erläutert werden sollen. Die Feier der Trauung wird mit einer umfangreichen, an die Eheleute gerichteten Vermahnung eröffnet. Dieser geht eine kurze Ansprache an die versammelte Gemeinde voraus (Nr. 78), um die Eheschließung anzukündigen und mögliche Ehehindernisse zu erfragen. Krabler dürfte dafür die als „Proclamatio“ bezeichnete Ansprache aus Salzburg 1557 (f. 53) in einer leichten Bearbeitung übernommen haben, stimmen doch beide Texte fast wörtlich überein. Die Agende Salzburg 1575 hat ihn ebenfalls (S. 256 f.), Passau 1587 weist dagegen eine eigenständige Ansprache auf (ff. 109r–114r). Krabler leitet mit einem „Zum ersten / anderen / und dritten mal“ zur folgenden Vermahnung an die Eheleute über. Dabei zitiert er den Abschluss der Proclamtaio auf f. 53v in der Agende Salzburg 1557, die eine dreiteilige Ansprache bietet (ff. 53v–57r), während sein eigener Text aber in fünf Abschnitte gegliedert ist – offensichtlich ein Fehler Krablers, der verrät, dass er seine Texte nicht nur aus Salzburg 1557 übernommen haben kann. So hat er sich zwar die drei Teile von Salzburg 1557 in Nr. 79, 80 und 83 zu eigen gemacht, diese aber mit Abschnitten und den zugehörigen Bibelzitaten (mit Eph 5, Gen 1, Gen 3 und Spr 18,22) aus der lutherischen Ansprache an die Eheleute von Veit Dietrich195 ergänzt (Nr. 81, 82). Insgesamt erhielt er so eine erweiterte fünfgliedrige gemischtkonfessionelle Vermahnung, was wieder auf Krablers bereits genannte reformoffene Haltung verweist. Salzburg 1557 und Veit Dietrich weisen ebenfalls Gemeinsamkeiten auf. Die beiden ersten Punkte in Salzburg 1557 mit den Zitaten aus Gen 2 und Mt 19 finden sich parallel bei Veit Dietrich. Salzburg 1557 lehnt sich außerdem an die Bibelübersetzung Luthers an, statt etwa die katholische Übertragung von Eck zu verwenden, aus der Krabler die beiden Stellen entnimmt. Im Unterschied zu seiner Vorlage Salzburg 1557 erweitert Krabler das Zitat aus Gen 2 um den Vers 23b, in dem es heißt, dass die Frau „Männin“ heiße, weil sie vom Mann genommen sei – dieser Ausdruck findet sich sowohl bei Luther als auch bei Eck. Die Verse aus dem Epheserbrief, Gen 3 und dem Buch der Sprichwörter bringt Krabler dagegen fast wörtlich nach Veit Dietrich in der Fassung Luthers, die er nur leicht bearbeitet hat. Von Bedeutung ist sein Ersetzen des bei Luther wichtigen Begriffes der „gemein“ durch den mehr katholisch anmutenden Ausdruck „Kirchen“.196 In den an den Bräutigam gerichteten Versen Eph 5,25–29 spricht Krabler zunächst wie Luther von der „gemein“, tauscht die Bezeichnung aber im letzten Vers gegen „khirchen“ aus, das auch Eck in seiner Übersetzung an dieser Stelle hat; in den Versen 5,22–24 zur Frau steht 195 196
Bei Veit Dietrich im Kapitel „XVIII. Von Eheleuten / wie man die einleyten soll“. Vgl. MÖLLER C., „Gemeinde I. Christliche Gemeinde“, in TRE (Bd. 12), 316–335, hier 317.320 f.
74
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
nur mehr „khirchen“. In Summe entsprechen die bei Krabler angeführten Bibelstellen den fünf Lesungen, die Luther bei der Trauung vorgesehen hat und die auch Veit Dietrich in seiner Agende aufweist.197 Veit Dietrich
Salzburg 1557
Krabler (Nr. 78–83)
---
Proclamatio: Lieben Kinder / es sein hie zwo ersame Personen …
Dieweyl ihr denn zum heyligen standt der Ehe … (mit Gen 2,18.21–24)
Dieweil ir dann zum stanndt der heiligen Ehe … (mit Gen 2,18.21–23a.24)
Zum andern / höret auch das heilig Evangelion (mit Mt 19,3–9)
Zum andern höret auch das heilig Evangelion (mit Mt 19,3–9) Allerliebste in Christo (Mahnung zur Einsetzung der Ehe) ---
Ihr auserwelten / es sein alhie zwo erbar Personen … (Ankündigung und Ehehindernisse) Dieweil Ihr dann zum standt der heyligen Ehe greiffen wolt … (mit Gen 2,18.21–24) Aus disen wortten Ihr geliebten (Mahnung zur Einsetzung der Ehe) Zum Andern so vernembt auch das heylig Evangelium (mit Mt 19,3–9)
Zum dritten / so höret auch das gebot Gottes (mit Eph 5,25–29 zum Mann, 5,22–24 zur Frau)
Nun höret auch das Creuz (mit Gen 3,16 zur Frau, 3,17–19 zum Mann)
197
---
Zum dritten / So höret auch das gebot Gottes (mit Eph 5,25–29 zum Mann, 5,22–24 zur Frau) Da vernembt Ihr nun widerumben (Mahnung zum ehelichen Leben) Weitter und zum viertten höret auch das Creuz (mit Gen 3,16 zur Frau, 3,17–19 zum Mann)
Vgl. KLEINHEYER B., „Riten um Ehe und Familie“, Regensburg 1984, 119.
2 Die Agende des CC 107
Doch sol das ewer trost sein (mit Gen 1,27–28.31a und Spr 18,22) ---
75
Doch soll das eur trost sein (mit Gen 1,27– 28.31a und Spr 18,22) Und sein der einsetzung dieses heiligen stands fürnemlich diese ursachen…
Zum funfften und letzten solt Ihr auch mit khurzen wortten vernemen die ursachen / dardurch Gott der allmechtig bewegt / den heyligen standt der Ehe hat eingesezt …
Tab. 8: Vergleich Aufbau Vermahnung zur Hochzeit Veit Dietrich, Salzburg 1557, Krabler Die erste Mahnung zur Einsetzung des Ehesakraments nach der Lesung aus Gen 2 übernimmt Krabler aus der Agende Salzburg 1557 (f. 55v) fast wörtlich, ändert aber deren Position; in der Vorlage steht sie erst nach der Evangelienlesung aus Mt 19. In der Agende von Veit Dietrich fehlt eine entsprechende Mahnung. Bei Krabler folgt auf die Lesung aus dem Epheserbrief unter „Zum dritten“ eine diese Verse deutende Ansprache zum ehelichen Leben. Da sie weder Salzburg 1557 noch Veit Dietrich kennen, könnte sie von Krabler selbst stammen oder aber einer bisher unbekannten Quelle entnommen worden sein. In dem Text wird die eheliche Treue betont und in bilderreicher Sprache das Verhältnis der Eheleute dargestellt. So solle der Mann die Frau „im hauß auch etwas geltten lassen“ und sie als „mit gehülffen“ achten, schließlich sei sie aus der Seite und nicht aus den Füßen des Mannes genommen (vgl. Gen 2,21). Sie dürfe von ihm nicht sprichwörtlich wie „für ein fußhader umbgezogen werden“, was so viel bedeutet wie „zu verächtlichen Diensten gemißbrauchet werden“.198 Bei aller Wertschätzung bleibt der Mann eindeutig der Frau übergeordnet, denn sie solle ihm gegenüber in ihrer Liebe „in allen dingen gehorsam und underthenig“ sein. Sie untersehe sich, „uber den mann zu herschen“, da sie nicht aus dem Haupt, sondern dessen Seite genommen sei. Den abschließenden fünften Abschnitt zu den drei Hauptursachen für die Einsetzung der Ehe, d. h. deren Sinn und Zweck im Sinne der „klassischen Ehegüter […] Nachkommenschaft, gegenseitige Liebe und Treue sowie sakramentale Zeichenhaftigkeit“,199 übernimmt Krabler mit wenigen Änderungen 198
199
„Fusshader“, in Deutsches Sprichwörter-Lexicon von Karl Friedrich Wilhelm Wander, URL: www.woerterbuchnetz.de/cgi-bin/WBNetz/wbgui_py?sigle=Wander& lemid=WF01035 [Zugriff 13.04.2021]. KOPP S., Volkssprachliche Verkündigung, Regensburg 2016, 410.
76
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
aus Salzburg 1557 (ff. 55v–57r). Im Unterschied zu seiner Vorlage spricht er aber nicht nur vom Ehestand, sondern gebraucht in diesem Zusammenhang den Begriff vom „Sacrament der Ehe“ (Nr. 83), an anderer Stelle verwendet er auch „Sacrament des Ehelichen standts“ (Nr. 79). Der Salzburger Agende von 1557 dürfte das Rituale Mainz 1551 als Modell gedient haben, das auf den Blättern LXXIIIr bis LXXIIIIr dieselben Themen von Ziel und Grund der Ehe bespricht. Das Rituale Salzburg 1575 bezieht sich ebenfalls auf die Ansprache aus dem Mainzer Buch, zitiert sie aber deutlich ausführlicher als Salzburg 1557 und Krabler. Wegen ihrer Qualität hat die Mainzer Vermahnung die Ritualien zahlreicher Diözesen beeinflusst, die Rede in Passau 1587 aber scheint ein von Mainz 1551 unabhängiger eigener Text zu sein.200 Die erste Aufgabe der Ehe ist die Zeugung von Kindern, die als Geschenk Gottes angesehen werden und im Sinne des Glaubens zu erziehen sind. Bei der doppeldeutigen Aussage, dass damit nicht nur die Zahl der Christen, sondern insbesondere „die anzal der außerwölten gemehrt werde“, scheint Krabler seine Quelle Salzburg 1557 missverstanden zu haben. Diese gebraucht den Ausdruck „gemein“ hier vermutlich nicht als Synonym für die Kirche, sondern in der Bedeutung „allgemein, im Allgemeinen“.201 Daher werden dort anders als bei Krabler nicht Auserwählte von gewöhnlichen Christen, sondern Menschen im Allgemeinen von den als „Auserwählten“ bezeichneten Christen unterschieden. Der zweite Grund für das Bestehen der Institution der Ehe liegt darin, dass damit Schande und Unzucht vermieden und aufgehoben werden solle. Der dritte Punkt vergleicht in Entsprechung zum Epheserbrief die eheliche Gemeinschaft und ihre gegenseitige Verpflichtung mit der Verbindung Christi mit seiner Kirche. So wie er diese mit seinem Blut erkauft hat, sollen die Eheleute „alles guets und böß in gedult miteinander leiden“ und in den Schwierigkeiten des Lebens nicht an Gottes Segen zweifeln. Die in Salzburg 1557 enthaltene Drohung gegen die Nachlässigen streicht Krabler in seiner Fassung, schließt stattdessen direkt mit einem Segenswunsch und ergänzt diesen mit der in seiner Quelle nicht enthaltenen Aufforderung, gemeinsam ein Pater Noster und Ave Maria zu beten. Der Ablauf der Eheschließung bei Krabler folgt in den Teilen Erfragung des Ehewillens, Ringsegnung202 und Eheschließung mit zwei Ergänzungen im Wesentlichen der Salzburger Agende von 1557 (ff. 57r–59r). Auf eine ausformulierte Passauer Tradition konnte Krabler nicht zurückgreifen, da Passau 1490 diese Teile zwar beschreibt, aber nur die Formeln der Eheleute („Ego recipio te“) und die Bestätigung des Priesters („Et ego auctoritate dei“) festlegt 200 201 202
Vgl. ebd., 410–413. „gemein“, in Frühneuhochdeutsches Wörterbuch, URL: https://fwb-online.de/ lemma/gemein.s.1f?q=gemein&page=1 [Zugriff 19.05.2021]. Zum Deutewort bei der Ringsegnung als Salzburger Besonderheit vgl. KOPP S., Volkssprachliche Verkündigung, Regensburg 2016, 352–355.
2 Die Agende des CC 107
77
(f. XIX). Im Unterschied zu seinem Modell Salzburg 1557 sowie Salzburg 1575, die die erste Frage zum Ehewillen nur an den Bräutigam richten, ergänzt Krabler eine solche Frage auch für die Braut (Nr. 85). In der zweiten Frage an den Bräutigam (Nr. 86) wird auf den ersten Petrusbrief (1 Petr 3,7) Bezug genommen, wobei Salzburg 1557 („schwachen zeugs“) und Krabler („schlechten werkhzeug“) der Übersetzung Luthers folgen, die von dem „schwächsten werkzeuge“ spricht; Eck verwendet dagegen den Ausdruck „gefeß“. Wichtig ist die eingefügte Formel, mit der sich Mann und Frau gegenseitig als Eheleute annehmen (Nr. 91, 92). Salzburg 1557 lässt nur den Priester den Ehebund mit einer Formel bekräftigen, während sich bei Veit Dietrich eine entsprechende Formel zur gegenseitigen Annahme der Brautleute findet. Auf diese scheint Krabler für den zentralen Akt der Eheschließung zurückgegriffen zu haben, stimmen doch beide Formeln fast wörtlich überein. Allerdings könnte er sich auch auf eine deutlich schlichtere Formel in lateinischer Sprache beziehen, die in Passau 1490 überliefert ist: „Ego recipio te in legitimam uxorem / legitimum virum“ (Passau 1490, f. XIXv). Möglicherweise handelt es sich dabei um eine regionale Tradition der Salzburger Kirchenprovinz, denn auch das Obsequiale Salisburgense von 1496 weist eine vergleichbare Formel in deutscher Sprache auf: „Ich nym dich zu aynem elichen gemahel“.203 Vielleicht folgen dieses Salzburger Buch, Passau 1490 und Veit Dietrich in diesem Punkt aber auch einer weiter verbreiteten mittelalterlichen Tradition. An das gegenseitige Versprechen der Eheleute schließt sich die Bestätigung des Priesters an (Nr. 93). Krabler dürfte sie aus seiner Salzburger Vorlage übernommen haben, die eine lateinische und deutsche Variante anbietet (f. 59r) – bei Veit Dietrich findet sich bis auf den Unterschied „Christlichen Gemeyn“ (Veit Dietrich) statt „heiligen Christenlichen kirchen“ (Salzburg 1557) und einem anderen Schluss die gleiche Formel in deutscher Sprache. In wichtigen Punkten ändert Krabler sein Modell ab, so dass sich der theologische Akzent verschiebt. Er spricht etwa vom Aneinander-Tun der ehelichen Pflicht statt von deren Versprechen vor „Gott und seiner gemain“ (Salzburg 1557), womit unterstrichen wird, dass es bei der Eheschließung wie bei der vorangegangenen gegenseitigen Annahme vor allem auf die Eheleute selbst ankommt. Ihre Pflicht bestätigt der Priester im Auftrag der Kirche („auß beuelch […] seiner Christlichen Khirchen“), bei Krabler anders als in den untersuchten Ritualien der Zeit aber auch im Auftrag Christi selbst. Vielleicht sollte damit der sakramentale Charakter der Ehe und ihre Einsetzung durch Christus betont werden, erscheint sie doch durch diese Ergänzung als unmittelbar vor Gottes Angesicht 203
Obsequiale Salisburgense, Georg Stuchs, Nürnberg 1496, f. 76v; Digitalisat unter: https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb00032885?page=158,159 [Zugriff 20.11.2023]; vgl. dazu KOPP S., Volkssprachliche Verkündigung, Regensburg 2016, 20–22.
78
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
geschlossen, statt nur durch die Kirche bestätigt. Dieser Akt geschieht im Namen des dreifaltigen Gottes, wobei in der Formel die Formulierung „Im Namen Gottes vatters“ auffällt; sie findet sich in dieser Form bei Krabler ebenfalls in der Segensformel der Hochzeit (Nr. 96), wie auch in der Taufformel (Nr. 42), und konnte auch in anderen Ritualien des 16. Jahrhunderts gefunden werden, etwa ebenfalls zur Bestätigung der Ehe im „Ritus ecclesiastici Augustensis Episcopatus“ von 1580 (hier S. 363).204 Im Fließtext der Agende bringt Krabler für die Eheschließung nur die Formel in deutscher Sprache (Nr. 93), die ihm jedoch offenbar später möglicherweise aufgrund ihrer zentralen Bedeutung für die juristische Gültigkeit der Ehe nicht ausreichend oder problematisch erschienen sein muss. Zumindest könnte das die am unteren Seitenrand des nächsten Blattes offensichtlich nachgetragene lateinischen Formel (Nr. 95) nahelegen. Sie entspricht mit einer Umstellung der lateinischen Variante in Salzburg 1557 (f. 59r), mit der Ergänzung von „me annuente“ steht sie auch in Salzburg 1575 (S. 264) und in Passau 1587 (f. 115r). Wie lange nach der Fertigstellung der Agende diese Ergänzung erfolgte, lässt sich nicht bestimmen. Falls kurzfristig, hat Krabler die deutsche Version eventuell kaum verwendet, falls Jahre später, könnte er damit der Forderung Bischof Urbans, vermehrt die lateinische Sprache zu gebrauchen, nachgekommen sein. 205 Die Abschlussoration und die kurze Segensformel in der Agende (Nr. 94 und 96) scheinen originär von Krabler zu stammen, eine direkte Quelle konnte nicht gefunden werden. Das Gebet könnte er selbst geschrieben haben, auch wenn er sich dabei vermutlich an dem in Salzburg 1557 auf die Eheschlussformel folgenden Text orientiert hat, der ebenfalls „mit gebogenen Knien“ um „segen und gnad“ für das Ehepaar bittet (ff. 59v–60r). Nach der Anamnese, in der die Hochzeit von Kana genannt wird, bei der Jesus mit seinem ersten Wunder nicht nur die Ehe geehrt, sondern sich auch als Bräutigam der Kirche geoffenbart habe, betet die Oration um Gnade für das Brautpaar und schließt mit dem Anliegen, dass alle Mitfeiernden mit den Eheleuten „die ewig seeligkhait entlich erwerben mögen“. Veit Dietrich hat an derselben Stelle ebenfalls ein Segensgebet, das jedoch wegen deutlicher Unterschiede nicht das Vorbild Krablers gewesen sein kann. Das umfangreiche traditionelle Segensritual über die Eheleute, wie es Passau 1490 (ff. XIXv–XXIr) oder die Salzburger Bücher (Salzburg 1557, ff. 60r–62v; Salzburg 1575, S. 267–276) kennen, fehlt bei Krabler vollständig.206 Der Grund für diesen auffälligen Bruch mit der 204
205 206
Ritus ecclesiastici Augustensis Episcopatus …, Johann Mayer, Dillingen 1580, 363; Digitalisat unter: https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb1016434 0?page=386,387 [Zugriff 20.11.2023]; zu dem Rituale vgl. auch KOPP S., Volkssprachliche Verkündigung, Regensburg 2016, 89 ff.; vgl. dazu im vorliegenden Band Kapitel 3.4 „Ablauf der Taufe ab der Evangelienlesung (Nr. 26–45)“. Vgl. dazu Kapitel 1.4 „Die Entstehungsgeschichte des Textes“. Vgl. KLEINHEYER B., „Riten um Ehe und Familie“, Regensburg 1984, 106–109.
2 Die Agende des CC 107
79
Tradition ist unklar, eventuell geschah er unter dem Einfluss der Reformation, streicht doch auch Veit Dietrich bis auf Psalm 128 den Segen über die Brautleute. So ergibt sich der Aufbau: Salzburg 1557
Krabler (Nr. 84–96)
Interroget Sponsum: Nun frag ich dich N. Ist das dein gründtliche und wolbedachte mainung / ernst und gemuet / Eelich zu werden in Christo ---
Ad Sponsum: N. Ists eur herzlichs begern / will und mainung / ehelich zu werden in Christo?
(ad Sponsum) N. Gedenckhstdu auch irhie gegenwürtig trewlichen vorzusteen … Interroget Sponsam: Dergleichen frag ich dich auch N. Gedenkhst du auch disem hie gegenwürtigen N. trewlich beyzuwonen …? Dieweil ir nun aneinander solche trew laisten wellet / so gebet aneinander die hende und ring Die zusammen bietung der hende / ist nichts anders / dann das ir da vor Gott / und ainer Christlichen gemain / gleich als mit dem ayde bestettiget … Durch den Ring zu gleicher weiß / wie dieser ring rundt … --[aus Veit Dietrich: erst spreche er dem Mann vor: Ich N. nimme dich N. mir zu einem Ehelichen Gemahel / und gelob dir mein trew. Dergleichen soll er dem weib auch vorsagen …]
Ad Sponsam: N. Seydt auch Ihr gänzlich entschlossen / in Christo ehelich zu werden? Ad Sponsum: N. Gedenkht Ihr diser N. threulich vorzusthen …? Ad Sponsam: N. Gedenkht Ihr disem gegenwürdigen N. threulich beyzuwohnen …? Ad ambos: Dieweil dann dise threu an einander halten und laisten wolt, / so gebt die ring und hendt einander Datis manibus et annulo dicat Sacerdos: Das Ihr alda die hendt einander gebt / bedeut nichts anders / dann das Ihr hie vor Christo und seiner Christlichen gemain / gleich als mit einem Aydt bestettet … Durch den Ring / gleich wie der Ring rundt … Ad Sponsum, inuoluendo stola amborum manus: Sprecht mir nach: Ich N. nimb dich N. mir zu einem ehelichen gemahel / und verlob dir mein threu. Similiter etiam ad Sponsam
80
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
Sacerdos cum stola circumuoluat manus amborum et dicat latine: Matrimonium inter vos contractum deus confirmet, et ego illud approbo et in facie ecclesiae solemnizo in nomine patris et filii et spiritus sancti. Amen. Die Eelichen pflicht die ir da vor Gott und seiner gemein aneinander gelobt habt / bestättig ich auß bevelh der heiligen Christenlichen kirchen / im namen des Vaters / des Sons / und des heilligen Geists / gott gebe euch seinen fried und vil gluckhs / Amen. Ihr geliebten … / So bittendt mit gebogenen knien den allmechtigen ewigen Gott … --Sequitur benedictio sponsi et sponse …
[Nachtrag auf f. 48r unten: Matrimonium in facie Ecclesiae inter vos contractum, Deus confirmet, et ego illud approbo, perficio, et solennizo, in nomine Patris + et Filii + et Spiritus Sancti. Amen] Die Ehelich pflicht die Ihr alda aneinander thuet / die bestett Ich auß beuelch Christi und seiner Christlichen Khirchen / Im Namen Gottes vatters / Sohns / und heyligen Geists. Amen.
Khniet nider und lasst uns betten. Guetiger herr Jesu Christe … Der segen Gottes vatters / Sohns / und heyligen Geists … ---
Tab. 9: Vergleich Ablauf Trauung Salzburg 1557, Krabler Anstelle einer Predigt sieht Krabler bei der am Tag nach der Eheschließung zu haltenden Messe eine dreigliedrige Vermahnung (Nr. 98–100) vor, die sich an die Anwesenden und das Brautpaar richtet und eine Theologie des Ehesakraments entwirft. Vermutlich hat sie Krabler selbst verfasst, kennen doch weder die Salzburger Bücher, Mainz 1551, Veit Dietrich noch Passau 1587 einen entsprechenden Text. Im ersten Teil betont er die katholische Position, dass die Ehe unter die sieben Sakramente zu rechnen sei, die von Christus eingesetzt und der Kirche „als werkhzeug der genaden Gottes“ anvertraut seien. Daher solle es bei der Hochzeit nicht wie bei einem „weltlichem geschafft und handl“ oder „affenspill“ zu gehen – ein Begriff, der in „agitativen Texten der Reformationszeit, vor allem von protestantischer Seite“ oft zu finden ist.207 Denn dies sei bei denen der Fall, die den Ehestand „aus der zal der heyligen Sacrament verwerffen“ (Nr. 97). Hier will sich Krabler offensichtlich von der protestantischen Auffassung abgrenzen und die katholische, von Trient bestätigte 207
„affenspiel“, in Frühneuhochdeutsches Wörterbuch, URL: https://fwb-online.de/ lemma/affenspiel.s.2n [Zugriff 20.05.2021].
2 Die Agende des CC 107
81
Lehre von der Sakramentalität der Ehe und der Siebenzahl der Sakramente betonen.208 Im zweiten Teil wird der Vergleich der Ehe mit der Verbindung von Christus und der Kirche wiederholt und damit ihre Unauflöslichkeit begründet, die durch „eines yeden ordenlichen Priesters khirchendienst“ erfolge. Der Text scheint hier die Aufgabe des Priesters gegenüber der Rolle der Brautleute für das Zustandekommen der Ehe höher zu gewichten, wenn es heißt, dass durch ihn die Brautleute „zusamen vertrauet und verkhnüpfft“ werden. Eine solche Tendenz wirkt widersprüchlich im Vergleich zu Krablers Ritus der Eheschließung, der eine eigene Formel enthält, kraft derer sich die Eheleute gegenseitig annehmen und so die Ehe eingehen. Möglicherweise ist diese Spannung von Krabler in dieser Form nicht intendiert, könnte aber auch bewusst gewollt sein, um die zentrale Funktion des priesterlichen Aktes klarzustellen und einen gegenteiligen Eindruck seines Formulars zu vermeiden. Eine weitere plausible Erklärung bestände außerdem darin, dass Krabler bei der Zusammenstellung und Formulierung seiner Vermahnung eine oder mehrere bisher unbekannte Quellen zugrunde gelegt hat, die anders als er selbst eindeutiger von einer Überordnung der priesterlichen Handlung bei der Hochzeit ausgehen. Wie bereits in der Vermahnung vor der Feier nennt Krabler als Aufgaben der Ehe die Zeugung von Nachkommenschaft und ihre Funktion als „Arzney […] wider alle unzucht“. Mit der Aussage, dass ein Sakrament außerhalb der katholischen Kirche „weder fruchtbar noch hailsam“ sei, unterstreicht er noch einmal seinen katholischen Standpunkt. Der dritte Teil thematisiert in ähnlicher Weise wie die Ansprache zur Hochzeit das wechselseitige Verhältnis der Eheleute. Der Mann halte die Frau als „als das schwachste gefäß“ in Ehren – hier zitiert Krabler den ersten Petrusbrief (1 Petr 3,7) nicht wie in Nr. 86 nach Luther sondern nach Eck –, die Frau dagegen sei dem Mann „in allen dingen gehorsam“. Beide sollen sich „vleissige achtung geben“, „aneinander helffen und befürdern“ und mit „lieblichen dienstbarkheit trösten“. Den Abschluss bildet der auch an anderen Stellen erkennbare eschatologische Ausblick mit dem Wunsch, dass die Eheleute das „himlisch leben / miteinander zu ewigen zeitten besizen“ mögen.
2.7
Begräbnis (Vermahnung bei einer Leich)
Das mit „Vermanung bey einer Leich“ überschriebene Kapitel in der Agende Krablers umfasst neben der namensgebenden Ansprache auf ff. 57r–60r (Nr. 101–104) einen sehr knappen Begräbnisritus (f. 57r, ff. 60v–62r) mit den Riten 208
Vgl. WENZ G., „Sakramente I. Kirchengeschichtlich“, in TRE (Bd. 29), 663–684, hier 672 f.677 ff.
82
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
vor der Vermahnung (Nr. 100), an diese anschließend für den Weg zum Grab bzw. am Grab selbst (Nr. 105–107) sowie zwei Lieder (Nr. 108–109). Die Rubriken zum Begräbnis stehen mehrheitlich in lateinischer Sprache, wie auch die einzig genannte Oration „Sume terra“ (Nr. 106), alle anderen Texte, vor allem die beiden Gesänge und die Vermahnung sind auf Deutsch. Auffällig ist jedoch, dass in der Rede einige wörtliche Zitate aus der Heiligen Schrift ebenfalls auf Latein statt in deutscher Übersetzung gebracht werden; der Grund dafür ist unklar. Die rubrikalen Angaben sind als Hinweise so allgemein formuliert, dass der genaue Hergang nicht erschlossen werden kann. Es scheint, dass Krabler diesen als bekannt voraussetzt, zumindest wären dafür weitere liturgische Bücher mit den entsprechenden Texten nötig. Möglicherweise belässt er es aber auch bei Andeutungen, weil die Feier in der Praxis nur aus den in der Agende ausgeführten Teilen bestand und die übrigen als optional angesehen wurden. Zeit und liturgische Gewänder werden nicht bestimmt, die liturgischen Orte nur beim Weg zum Grab und am Grab selbst angegeben. Wo die Vermahnung und die vorhergehenden Riten zu halten sind, wird nicht gesagt, möglich wären die Kirche oder das Haus des Verstorbenen. Die Lieder sind vom „chorus“ (Nr. 107) zu singen, wobei unsicher ist, wer damit gemeint ist. Eventuell bezieht sich der Begriff auf die in evangelischen Agenden genannten Schüler, die die Gesänge zum Begräbnis vorzutragen haben, „wo nun ein Schul ist“.209 Einen Hinweis auf die vor dem Begräbnis an den Sterbenden vollzogenen Riten liefert die Vermahnung gleich zu Beginn (Nr. 101). Dort heißt es, dass der Verstorbene „mit beicht / reu und layd uber seine sünden“ vorbereitet und mit dem „hochwürdigen Sacrament deß leibs und bluets Jhesu Christi“ gestärkt gestorben sei. Daraus lässt sich schließen, dass zum einen die Kommunion an die Kranken offenbar normalerweise unter beiderlei Gestalt gespendet wurde und andererseits eine Krankensalbung nicht üblich war. Dies passt nicht nur zum Fehlen des Ritus einer Art Letzten Ölung in der Agende Krablers, sondern bestätigt auch die in Kapitel 2.1 „Textgattung, Inhaltsübersicht und Charakteristika“ geäußerte Vermutung, dass der Grund für ein solches Fehlen nicht eine mögliche Unvollständigkeit der Agende oder der Gebrauch eines eigenen Heftes für die Krankensalbung war, sondern in der mangelnden Praxis der damaligen Zeit zu suchen ist. Insgesamt weist der dargebotene Ritus für das Begräbnis einen sehr schlichten Charakter auf, der sich auf die Vermahnung, die Prozession zum Grab, das Einsenken des Sarges und die beiden zugehörigen Gesänge konzentriert. Das Kapitel zum Begräbnis beginnt mit Hinweisen zu den Elementen des Ritus (Nr. 100), die vor der Vermahnung zu halten sind; vom Schriftbild her gehören sie zum Untertitel des Abschnitts, der mit „Vermanung“ über209
Veit Dietrich im Kapitel „XV. Wie man es mit dem begrebnuß halten sol“.
2 Die Agende des CC 107
83
schrieben ist. Vier Bestandteile werden explizit genannt, auf weitere mit einem unbestimmten „etc.“ indirekt verwiesen. De Profundis, Kyrie Eleison, Pater Noster und Collecta sollen demnach der Ansprache vorausgehen. Welcher Ablauf damit genau gemeint ist, lässt sich schwer sagen. Der Vergleich mit den möglichen Quellen Krablers Salzburg 1557 (ff. 198v–208v), Salzburg 1575 (S. 186–254) sowie Passau 1490 (ff. XVr–XVIIIv) zeigt, dass in diesen Büchern die genannten Elemente zu der Feier den „Exequiae mortuorum“ bzw. zur Prozession „Ad deducendum funus“ (in Salzburg 1557 und 1575) gehören. In diesem zuletzt genannten Abschnitt der Salzburger Ritualien – nicht jedoch in deren Exequiae – finden sich auch der Gang zum und die Station am Grab mit der Oration „Sume terra“ zur Bestattung des Leichnams. Sie folgt bei Krabler am Grab in Nr. 106 auf die Vermahnung; die Passauer Agende von 1490 enthält die Oration ebenfalls. Ansprachen des Priesters an die Gläubigen erwähnen einzig die Salzburger Ritualien in einer Rubrik, in den „Exequiae“ von Salzburg 1557 als „hic hortetur populus ad orationem pro defuncto“ (f. 199r) sowie in Salzburg 1575 im Abschnitt „De Visitatione Sepulchri“ mit den Worten „et exhortetur populum ad orandum pro defuncto“ (S. 246). Daraus ergibt sich, dass Krabler für den Ritus des Begräbnisses offenbar kein direktes Vorbild übernommen, sich aber an der bestehenden Passauer und Salzburger Tradition orientiert haben dürfte. Für diese Vermutung spricht außerdem, dass sowohl Passau 1490 als auch die beiden Salzburger Ritualien 1557 und 1575 im Ritus „Ad deducendum funus“ dieselbe Abfolge der Gebete wie in der Agende Krablers aufweisen; dies gilt ebenso für die in der späteren Passauer Agende von 1587 enthaltenen Exequien (f. 51r–53r). Besonders auffällig ist, dass bei Krabler wie in protestantischen Büchern große Teile der in den Quellen dokumentierten Texte der Totenliturgie, wie das etwa in den Salzburger Büchern viele Seiten umfassende Totenoffizium (Salzburg 1557, ff. 145v–198r; Salzburg 1575, S. 193–244), zahlreiche Orationen und Hymnen sowie insbesondere das Fürbittgebet für den Verstorbenen mit der Absolution, die im Mittelalter eine zentrale Rolle beim Begräbnis spielten, unerwähnt bleiben.210 Aufgrund der ungenauen Angaben in der protestantischen Agende von Veit Dietrich und den Unterschieden zu Chyträus 1571 lassen sich beide als direkte Vorlagen des Ritus wohl jedoch ausschließen. Die Vermahnung Krablers gliedert sich in vier Teile (Nr. 101–104), die vor allem die Sterblichkeit des Menschen und die Hoffnung auf die Auferstehung behandeln; die Motive Gericht, Buße, Fegefeuer und die Fürbitte für den Verstorbenen fehlen vollständig. Die Rubriken der beiden Salzburger Agenden schreiben dagegen vor, dass das Gebet für den Verstorbenen Inhalt der 210
Vgl. KACZYNSKI R., „Die Sterbe- und Begräbnisliturgie“, in Gottesdienst der Kirche (Bd. 8). Sakramentliche Feiern II, H. B. Meyer et al. (Hrsg.), Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 1984, 191–232, hier 216 f.
84
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
Vermahnungen sein soll. Die ausformulierten Begräbnisansprachen in den Ritualien von Würzburg aus dem Jahr 1564 und von Regensburg aus dem Jahr 1570 setzen den gleichen Schwerpunkt wie die Bücher aus Salzburg; weil in den meisten Büchern solche Ansprachen fehlen, stellen sie für die katholischen Diözesanritualien des 16. Jahrhunderts eine große Ausnahme dar.211 Die „Funktion und Sinnhaftigkeit“ solcher Vermahnungen wurde auf katholischer Seite hinterfragt, ja es bestand offenbar eine „prinzipielle Aversion“ gegen Ansprachen in der Volkssprache in der „katholischen Begräbnisliturgie“ vor allem „in Abgrenzung zu protestantischen Formen dieser Gattung“, die weit verbreitet waren.212 Eine als evangelisch angesehene „tröstende Anrede an die Trauergemeinde“ stand dem „katholischen Verständnis des Begräbnisses als Dienst am Verstorbenen“ gegenüber.213 Während „die katholische Begräbnisfeier weiterhin stärker am Verstorbenen und dessen Seelenheil“ orientiert war, kritisierte die Reformation dieses Totengedenken und betonte beim Begräbnis den Trost im Glauben an die Auferstehung für die „Angehörigen“; es ist eine „Feier für die Lebenden“.214 Dieser „frömmigkeitsgeschichtliche Neuanfang“ geht im Wesentlichen auf Martin Luther zurück, der mit seinen „Leichenpredigten“ vor allem „Hoffnung und Stärkung des Glaubens vermitteln wollte“. 215 Da nach protestantischer Vorstellung die Hinterbliebenen nichts mehr für den Verstorbenen tun konnten, entfielen dort Fürbitten und Seelenmessen zugunsten des Toten. Sinn des Begräbnisses ist laut Steck aus evangelischer Perspektive die „öffentliche Verkündigung der Auferstehung und die Erinnerung an den eigenen Tod“. Sie „dient dem Glauben der Lebenden“, während im katholischen Ritus der „Tote im Mittelpunkt“ stehe, für den die Gemeinde „Gaben und Gebete“ darbringt.216 Insofern ist an der Agende Krablers neben dem Fehlen vieler traditioneller Elemente der Totenliturgie nicht nur bemerkenswert, dass sie überhaupt eine Ansprache zum Begräbnis enthält, sondern auch, dass diese Vermahnung vor allem von typisch reformatorischen Elementen geprägt ist. So hält Nr. 101 der Trauer und Klage der Heiden den Trost im Glauben an die Auferstehung entgegen und betont das Fortleben des Verstorbenen „an ein vil freyers / bessers / und sicherers ort“. Dem Toten solle man sowohl sein „Christliches abschai211 212 213 214 215 216
Vgl. KOPP S., Volkssprachliche Verkündigung, Regensburg 2016, 77 f.81.291. Ebd., 482. Ebd., 291.482. Ebd., 483. LENZ R., „Leichenpredigt“, in TRE (Bd. 20), 665–669, hier 666. STECK W., „Begräbnis, 2. Geschichtliche Entwicklung“, in Evangelisches Kirchenlexikon. Internationale theologische Enzyklopädie (Bd. 1), E. Fahlbusch – J. M. Lochman – J. Mbiti et al. (Hrsg.), Vandenheock & Ruprecht, Göttingen 1986, 387– 389, hier 388; vgl. auch MERKEL F., „Bestattung IV. Historisch“, in TRE (Bd. 5), 743–749, hier 746–748.
2 Die Agende des CC 107
85
den“ wie auch „die ewig seeligkhait“ wohl und gerne „vergönnen“. Das Begräbnis ist bei Krabler ein Anlass, den Menschen ihre Sterblichkeit vor Augen zu führen. So zitiert Krabler in Nr. 102 den Hebräerbrief (Hebr 13,14) in der Version der Vulgata: „so der heylig Apostl Paulus sagt: Non habemus hic ciuitatem manentem“. Im Bewusstsein des eigenen Todes gelte es alles zu tun, dass nicht auch die Seele wie der Leib „abneme / und in das grab der ewigen verdamnus falle“. Um der „ewigen seeligkhait würdig“ zu werden, ermahnt Nr. 103 daher zum Glauben und Vertrauen auf Gott, seien wir doch „Templ deß heyligen Geists“. Dazu kommen die in Nr. 104 genannten „guten und gottselige werkhe“, Gott zu lieben, den Gottesdienst zu besuchen und die Werke der Barmherzigkeit zu üben. Letztere vergleicht Krabler mit dem Öl der klugen Jungfrauen aus dem Evangelium nach Matthäus (Mt 25,1–13). So wie diese „mit öl und liecht“ den Bräutigam begrüßen könnten, mögen auch wir ausgestattet mit den Werken „frohlich mit Ihme zur hochzeit deß ewigen leben eingehn“, denn „mit dem blossen glauben ohn gutte werkh“ könne man nicht selig werden – eine auffällige Betonung der katholischen Sicht der Werke gegen das Prinzip der „sola fides“ in einer recht protestantisch wirkenden Begräbnisansprache. Bei dem indirekten Zitat des Gleichnisses hat Krabler vermutlich die deutsche Übersetzung Ecks zugrunde gelegt, gebrauchen doch beide den Ausdruck „Ampeln“, während Luther von den „Lampen“ der Jungfrauen spricht. Bei den übrigen deutschsprachigen Verweisen auf Bibelstellen lässt sich nicht sagen, welche Übersetzung verwendet wurde. Den Abschluss der Vermahnung bildet ein Hinweis auf das ebenfalls im 25. Kapitel des Matthäusevangeliums beschriebene Endgericht. Wenn wir Gläubige ein christliches Leben führten, das im Glauben und vor allem in den Werken seinen Ausdruck finde, dann dürften wir hoffen von Christus zu hören, was er den Gerechten sagt: „so khomm herein in das ewig reich meines vatters“. Auf die Vermahnung folgen die Prozession ans Grab mit dem Gesang „Mitten wir in leben sein“ (Nr. 105), die Oration „Sume terra“ am Grab (Nr. 106) sowie die übrigen, nicht näher bestimmten Riten („reliqua iuxta ritum Ecclesiae catholicae“), während der Chor „In dich hab Ich gehoffet herr“ singt (Nr. 107). Kennt die katholische Tradition zwar gesungene Responsorien und Bußpsalmen im Kontext von Sterben und Begräbnis, fällt die Bestimmung Krablers, die beiden – allerdings ohne Noten angegebenen – volkssprachlichen Liedtexte an dieser Stelle zu singen, für ein katholisches Rituale aus dem Rahmen. Weder die Salzburger Bücher noch die Passauer Agenden kennen diese Texte, stattdessen soll der Priester Responsorien und Psalmen singen bzw. sprechen, etwa „Absolve Domine“ zu „De profundis“ wie in Salzburg 1575 (S. 189). Eine wesentlich bedeutendere Rolle spielt der Gesang dagegen im evangelischen Gottesdienst. Den dort etablierten „Gemeindegesang“ bezeichnet
86
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
Lehner als „durchaus etwas Neues“ im Vergleich zur katholischen Liturgie des Spätmittelalters. In den Liedern verbindet sich nach lutherischer Tradition das Gotteslob „mit der Lehre“, es wird „gesungene Verkündigung“. Neu und attraktiv, so Lehner, seien die „Verwendung der deutschen Sprache“ sowie „populäre, volkstümliche Melodien“ gewesen, weshalb diese „Initiative […] die katholische Seite unter Zugzwang“ gesetzt habe. In der Folge entstanden auch im katholischen Bereich eigene Lieder und Gesangbücher wie das Johann Leisentritts 1567, denn „die Macht der neuen Lieder“ sei einfach zu groß gewesen. In den evangelischen Gemeinden prägte der Gesang nicht nur den Sonntagsgottesdienst, sondern war nach Lehner „auch selbstverständlicher und eingeforderter Teil der Begräbnisse“, wie eine Kirchenordnung der Stadt Steyr aus dem Jahr 1567 „wiederholt […] herausgestrichen“ hat.217 Der Macht der Lieder konnte sich auch Krabler nicht entziehen, so dass er hier offensichtlich bewusst Impulse der Reformation im Sinne einer reformoffenen katholischen Erneuerung aufgreift. Für diese Einschätzung spricht auch der Text der vorgesehenen Gesänge, denn bei beiden handelt es sich um typisch protestantische Lieder, die bis heute im Evangelischen Gesangbuch stehen. Das erste „Mitten wir im leben seindt“ (Nr. 108) mit seinen drei Strophen ist in Text und wohl auch Melodie ein Werk Martin Luthers aus der Zeit um 1524 und geht auf die mittelalterliche Antiphon „Media vita in morte sumus“ und ein daraus im Spätmittelalter entstandenes, „einstrophiges deutsches Antiphonenlied“ zurück.218 Es zählt neben anderen zu den „gebräuchlichsten Liedern während der Grabprozession, beim Trauergottesdienst oder am Grab“.219 Auch Veit Dietrich und Chyträus 1571 (f. CCXIIv) erwähnen es; nach der Agende Krablers ist es auf dem Weg zum Grab zu singen. Der lateinische Text des einstrophigen „Media vita“ findet sich als Antiphon zum Benedictus der Totenvigil in Salzburg 1575 (S. 263–266), Übertragungen davon in die deutsche Sprache mit ebenfalls nur einer Strophe, die jedoch deutliche Unterschiede zur Version bei Krabler aufweisen, stehen im zweiten Band der Salzburger Agende 1575 unter den „Cantiones devotae“220 – dort ist der Text für die Zeit vom zweiten Februar bis zum Beginn 217 218
219 220
LEHNER G., „Kirchliches Leben“, Linz 2010, 257–259. RÖSSLER M. – HAHN G., „518 Mitten wir im Leben sind“, in Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch (Heft 9), W. Herbst – I. Seibt (Hrsg.), Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004, 69–78, hier 75; vgl. zu dem Lied außerdem u. a. LIPPHARDT W., „,Mitten wir im Leben sind‘. Zur Geschichte des Liedes und seiner Weise“, in Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie 8 (1963) 99–118; BENINI M., Die Feier des Osterfestkreises im Ingolstädter Pfarrbuch des Johannes Eck (Liturgiewissenschaftliche Quellen und Forschungen 105), Aschendorff, Münster 2016, 93–95. MERKEL F., „Bestattung IV. Historisch“, in TRE (Bd. 5), 748. FELICIANUS NINGUARDA, Libri Agendorvm Secvndvm Antiqvvm vsum Metropolitanae Salisburgensis Ecclesiae etc. 2, Dilingae [Dillingen] 1575, 534.
2 Die Agende des CC 107
87
der Fastenzeit vorgesehen – sowie in Salzburg 1557 (ff. 231r und 234v) unter den Gesängen für die Fastenzeit bzw. von „Purificatione usque ad Resurrectionem domini“. Die bei Krabler ungenannt gebliebene Quelle könnte das Babstsche Gesangbuch sein, das „den Abschluß der ersten Gesangbuchentwicklung zu Luthers Lebzeiten“ markiert und bis 1561 immer wieder aufgelegt wurde.221 Der dort angegebene Text mit dem Titel „XXXV. Mitten wir im leben sind“ unterscheidet sich nur an einer Stelle in der zweiten Strophe von Luthers ursprünglichen Text, wie er sich in vielen Gesangbüchern etwa dem Straßburger Gesangbuch von Martin Bucer aus dem Jahr 1560 findet („unser sund“ bei Babst statt „unser klag“ bei Luther und Bucer).222 Da Krabler mit „unser sündt“ die Variante von Babst aufweist, besteht die Wahrscheinlichkeit, dass er dessen Buch verwendet haben mag. Möglich ist aber auch, dass diese Version in Oberösterreich gängig war und daher von Krabler übernommen wurde, ohne auf das Babstsche Gesangbuch zurückzugreifen. Ab 1537 erschien eine katholische Variante des Luther-Liedes, die sich in der zweiten Strophe leicht und in der „neu formulierten“ dritten Strophe stark von ihrem Vorbild unterscheidet.223 Diese auch bei Leisentritt in seinem bereits erwähnten Gesangbuch wiedergegebene Variante kann aufgrund der starken Unterschiede zum Text bei Krabler diesem nicht als Vorlage gedient haben.224 Thematisch greift das Lied in der Version Krablers den bereits in der Vermahnung angesprochenen Aspekt des Vertrauens und Glaubens an Gott auf, der als Einziger in seiner Barmherzigkeit und Gnade den Menschen aus seiner Sünde erlösen kann. Bei dem zweiten Lied „In dich hab Ich gehoffet herr“ (Nr. 109) mit sechs Strophen und angehängter „Gloria-Patri-Strophe“ als „trinitarischem Abschluss“ handelt es sich um eine freie Nachdichtung von Versen des Psalms 31(30) durch Adam Reißner (oder Reusner) aus dem Jahr 1533 nach dem 221 222
223 224
VÖLKER A., „Gesangbuch“, in TRE (Bd. 12), 547–565, hier 549. „XXXV. Mitten wir im Leben sind“, in Das Babstsche Gesangbuch von 1545 (Documenta Musicologica. Erste Reihe Druckschriften Faksimiles, Bd. 38), K. Ameln (Hrsg.), Bärenreiter, Kassel – Basel – London – New York 1988; Originaltext des Liedes: MARTINUS LUTHERUS, „Mitten wir im Leben sind“, in D. Martin Luthers Werke, Kritische Gesamtausgabe (Weimarer Ausgabe, Bd. 35), H. Böhlau (Hrsg.), Metzler, Weimar 1923, 453 f.; Straßburger Gesangbuch: MARTIN BUCER, Das Gros Kirchengesang Buch, darinn begriffen sind, die allerfürnemisten vnd besten Psalmen Geistliche Lieder Hymni vnd alte Chorgesenge Aus dem Wittembergischen Strasburgischen vnnd anderer Kirchen Gesangbüchlin etc., Georg Messerschmidt, Strasburg 1560, CCIX–CCXIII. Vgl. RÖSSLER M. – HAHN G., „518 Mitten wir im Leben sind“, Göttingen 2004, 73. Vgl. JOHANN LEISENTRITT, Geistliche Lieder vnd Psalmen der alten Apostolischer recht vnd wargleubiger Christlicher Kirchen … auffs fleissigste und Christlichste zusamen bracht gemehret vnd gebessert … Durch Den Ehrwirdigen Herrn Johan: Leisentrit, Bautzen 1573, CCCIIIr–CCCIIIIv.
88
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
Vorbild der Psalmenlieder Luthers.225 Es spiegelt eine starke „auf den Herrn gegründete Glaubenszuversicht“ wider, die gut zum Kontext des Begräbnisses passt, betet ja nach Lukas Jesus selbst am Kreuz einen Vers aus diesem Psalm (vgl. Lk 23,46).226 Dennoch kommt dieser Psalm weder in seiner lateinischen Fassung noch als deutschsprachiges Lied im Umfeld von Tod und Begräbnis in den Salzburger Ritualien 1557 und 1575 sowie Passau 1587 vor; das Gesangbuch Leisentritts enthält den Text ebenso wenig. Da ihn aber auch die evangelischen Agenden Veit Dietrich und Chyträus 1571 nicht für die Beerdigung erwähnen, könnte Krabler das Psalmenlied hier selbst für diese Stelle ausgewählt haben oder einer bisher unbekannten Vorlage bzw. nicht dokumentierten lokalen Gewohnheit gefolgt sein. Das Lied Nr. 109 ist mit Noten sowohl im Gesangbuch von Babst im Abschnitt „Psalmen und Geistliche Lieder“ unter „VIII. Der ein und dreissigst Psalm“ 227, als auch im Straßburger Gesangbuch Bucers mit dem Titel „Der XXXI. Psalm“ und dem Namen des Autors „Adam Reisner“228 enthalten. Bis auf geringe Unterschiede – etwa in der ersten Strophe „mein Gotte“ bei Krabler statt „Herr Gotte“ – stimmen deren Texte mit dem Krablers überein. Da bei einigen Schreibweisen eine größere Ähnlichkeit zu Bucer als zu Babst besteht, könnte Krabler hier eventuell die Version aus Straßburg übernommen haben. Abschließend lässt sich festhalten, dass der Gebrauch der beiden für die Reformation typischen Lieder wie auch die Vermahnung zum Begräbnis in der Agende Krablers auffällige Besonderheiten darstellen, die mit den wenigen ebenfalls vorhandenen traditionellen Elementen der katholischen Begräbnisliturgie eine Art konfessionellen Mischritus ergeben, in dem die charakteristischen Merkmale eines für die Zeit üblichen evangelischen Begräbnisses deutlich überwiegen.229 Dies spiegelt die unscharfe liturgische und konfessionelle Situation in Oberösterreich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wider und dürfte erneut zeigen, wie offen Krabler für protestantische Neuerungen in seinem Ansatz einer katholischen Reform von Glaube und Liturgie war.
225
226 227 228 229
STALMANN J., „275 In dich hab ich gehoffet, Herr“, in Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch (Heft 23), W. Herbst – I. Seibt (Hrsg.), Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2017, 24–27, hier 25. Ebd., 27. „VIII. Der ein und dreissigst Psalm“, in Das Babstsche Gesangbuch von 1545, Ameln K. (Hrsg.), Kassel – Basel – London – New York 1988. „Der XXXI. Psalm“, in MARTIN BUCER, Das Gros Kirchengesang Buch, Strasburg 1560, CXLVI–CXLIX. Vgl. dazu etwa die kurze Ordnung des Begräbnisses bei Veit Dietrich im Kapitel „XV. Wie man es mit dem begrebnuß halten sol“; eine einheitliche lutherische oder reformierte Begräbnisliturgie ist allerdings nie entwickelt worden (vgl. MERKEL F., „Bestattung IV. Historisch“, in TRE (Bd. 5), 746).
2 Die Agende des CC 107
2.8
89
Zwei Gebete für die Obrigkeit
Den Abschluss der Agende des CC 107 bilden zwei längere Gebetstexte in deutscher Sprache für die Obrigkeit und die Anliegen der Christenheit (ff. 65–67 und 68v–70v), an die jeweils ein Gebet in deutscher Sprache in Form eines Akrostichons mit den Anfangsbuchstaben „Ihesus Maria“ angehängt ist (f. 68r und 70v). Rubriken mit Angaben, von wem und in welchem Kontext diese Gebete zu sprechen sind, fehlen in dem Kapitel vollständig. Der Schlüssel zum Verständnis von Wesen und Hintergrund der Gebete liegt im Titel des ersten Textes „Ein gemain gebett“, da dieser die Texte als dem Typus des „Allgemeinen Gebets“ zugehörig kennzeichnet. Der Begriff bezeichnet laut Dietz „jenes Gebet“ im Rahmen der Messe oder der Predigtliturgie, „in dem die Gemeinde im Gottesdienst […] die ‚allgemeinen‘, d. h. alle Gläubigen auf Grund ihrer communio am Leibe Christi betreffenden Anliegen der Kirche vor Gott bringt“. Die „comunis oratio“ ist bereits in der frühen Kirche etwa bei Augustinus nachweisbar und gliedert sich nach Dietz in der Regel in Fürbitten für die Kirche, Welt und Obrigkeit sowie für die „Notstände und Notleidenden aller Art“.230 Im Laufe der Entwicklung der römischen Liturgie in der Spätantike wurde das fürbittende Gebet im Rahmen der Messfeier in den Kanon integriert und rückte damit in die „Nähe zum zentralen Geheimnis der Messe“. 231 Gleichzeitig gingen Fürbitten in der Form des Allgemeinen Gebets verloren, wurden aber im Frankenreich „in Anknüpfung an altgallische Praxis“ nach Heinz als „sonntägliche Kanzelfürbitten“ (weiterhin) praktiziert, wobei „der Pfarrer nach der Predigt die Gläubigen aufforderte“, für bestimmte Anliegen und Personen zu beten.232 In Frankreich, den slawischen Ländern und dem deutschsprachigen Raum wurde diese Praxis im Mittelalter fortgeführt und in veränderter Form bis ins 20. Jahrhundert gepflegt, so dass die Wiedereinführung der Fürbitten im Rahmen der Messe durch die Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils dort nicht als Neuerung „seit mehr als einem Jahrtausend“ bezeichnet werden kann, wie Heinz hervorhebt. Im Mittelalter waren die Gebete für Kirche und Welt nach der Predigt „integrierender Bestandteil der sonn- und feiertäglichen Pfarrmesse“, blieben aber im Messbuch unerwähnt, weil es sich „um ein volkssprachliches Element des Gottesdienstes handelte“. Da viele Ritualien der katholischen Diözesen im 16. Jahrhundert, darunter auch die Bücher 230
231
232
DIETZ O., „Das Allgemeine Kirchengebet“, in Leiturgia. Handbuch des evangelischen Gottesdienstes (Bd. 2). Gestalt und Formen des evangelischen Gottesdienstes I. Der Hauptgottesdienst, K. F. Müller – W. Blankenburg (Hrsg.), Johannes-Stauda Verlag, Kassel 1955, 417–452, hier 420 f. MEYER H. B., Luther und die Messe. Eine liturgiewissenschaftliche Untersuchung über das Verhältnis Luthers zum Meßwesen im späten Mittelalter, BonifaciusDruckerei, Paderborn 1965, 109. HEINZ A., „Allgemeines Gebet“, in LThK (Bd. 1), 410 f., hier 410.
90
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
aus Salzburg, entsprechende Texte enthielten, gehörten sie – so Heinz – zur „bischöflich geordneten Diözesanliturgie“, was auch für die Zeit nach den Reformen von Trient gelte.233 Das Allgemeine Gebet erfreute sich unter den Gläubigen einer großen Beliebtheit, da dieses in der Volkssprache verfasste Gebet nicht nur deren Anliegen aufnahm, sondern auch „Gelegenheit zum Mitbeten bot“; aufgrund dessen blieb es im 16. Jahrhundert sowohl im katholischen als auch evangelischen Gottesdienst erhalten.234 Bereits im Spätmittelalter hatte sich die Beteiligung der Gläubigen allerdings stark reduziert, was sich im 16. Jahrhundert fortsetzte. Bei Luther erhielt das Gebet „eine rein prosphonetische Form“, bei der die Gemeinde nur auf den vom Geistlichen vorgebeteten Text mit Amen antwortete.235 Im katholischen Bereich verlief die Entwicklung ähnlich; sie „fand einen gewissen Abschluss“ im Gebet des Petrus Canisius, das „den Charakter eines Wechselgebetes ganz verloren hat“.236 Das Salzburger Rituale von 1557 bietet ähnlich wie Krabler fast am Ende der Agende auf ff. 237v–239v „ein gemain gebett / für all unser Obrigkhait“, das laut Rubrik vom Priester „vor / oder nachgethoner Predig / seinen zuehörern vorbetten soll“. Der zweite Band der Salzburger Agende von 1575 umfasst zwei Textvarianten einer „generalis precatio“, zu deren erster die lateinische Rubrik analog zu Salzburg 1557 bestimmt, dass der Text vor oder nach der Predigt bzw. Vermahnung („ante vel post concionem“) vorgelesen werden soll.237 Diesen Ort innerhalb des Gottesdienstes dürfte Krabler trotz fehlender Rubriken ebenfalls voraussetzen, dienten ihm doch die Salzburger Bücher hier vermutlich als Modell, wie noch zu zeigen ist. Analog dazu gibt Passau 1587 im Abschnitt zu den Predigten und Vermahnungen („Modus Concionandi“) auf f. 138v vor, dass der Priester das „gemain Gebet für alle ständt“ „nach der Predig“ zu sprechen hat. Unklar ist, ob die Predigt damals im Rahmen der sonntäglichen Messe oder einer Art mittelalterlichen Predigtliturgie stattfand, in deren Rahmen ebenfalls ein Allgemeines Gebet vorgesehen war; unabhängig davon waren die Fürbitten regelmäßig in der Liturgie präsent.238 Da im evangelischen Gottesdienst das Gebet in Entsprechung zur Rechtfertigungslehre von „allen meritorischen Motiven und Zielsetzungen befreit“ werden 233
234 235 236 237 238
Für diesen Absatz: HEINZ A., „Die ‚Oratio Fidelium‘ im deutschen Sprachraum zwischen Tridentinum und Vaticanum II“, in Liturgisches Jahrbuch 30 (1980) 7– 25, hier 7 f.; vgl. auch MEYER H. B., Eucharistie. Geschichte, Theologie, Pastoral, Regensburg 1989, 293. MEYER H. B., Luther und die Messe, Paderborn 1965, 110. Ebd., 112. Ebd. FELICIANUS NINGUARDA, Libri Agendorvm Secvndvm Antiqvvm vsum Metropolitanae Salisburgensis Ecclesiae etc. 2, Dilingae [Dillingen] 1575, 547–552. Vgl. MEYER H. B., Eucharistie. Geschichte, Theologie, Pastoral, Regensburg 1989, 235.
2 Die Agende des CC 107
91
sollte, wie Dietz hervorhebt, steht das Allgemeine Gebet auch dort in engem Bezug zur Predigt und folgt unmittelbar auf diese. Luther erwähnt es in seiner deutschen Messordnung ebenso wie viele Kirchenordnungen, die „vom Predigtstuhl aus ein Fürbittgebet“ in verschiedenen Anliegen vorsehen; entsprechende Gebete finden sich etwa bei Veit Dietrich oder auch in Chyträus 1571.239 Wie diese Bücher eine Vielzahl von Modelltexten kannten, waren auch im katholischen Teil des deutschen Sprachraums eine Reihe von Texten für das Allgemeine Gebet verbreitet, in denen nach Heinz die „Tradition der gegliederten Kanzelfürbitten weiterlebte“. Vor allem in Süddeutschland jedoch erfolgte, so Heinz weiter, „in nachtridentinischer Zeit eine rasche und drastische Vereinheitlichung“ durch den „blockartigen Einheitstext“ des bereits erwähnten „Allgemeinen Gebets in den Anliegen der Christenheit“ von Petrus Canisius. Nachdem es in dessen Kleinem Katechismus um 1556 zum ersten Mal gedruckt wurde, verbreitete es sich rasch in leicht unterschiedlichen Varianten.240 Wie der Vergleich zeigt, hat Salzburg 1557 den Gebetstext von Canisius in seiner ersten Fassung, wie ihn der „Klain Catechismus sampt kurtzen gebetlen“ in einer Ausgabe von 1558 bietet, bis auf geringe Änderungen praktisch wörtlich übernommen; das Salzburger Rituale von 1575 gibt den Text als zweite Variante unter „alia similis precatio generalis“ ebenfalls wieder.241 Ziemlich sicher dem Salzburger Vorbild folgend, bringt auch Krabler in Nr. 110 das Gebet von Canisius, das er jedoch für seine Agende adaptiert. Wie der Vergleich der Texte belegt, hat er große Teile nahezu wörtlich aus den Salzburger Büchern übernommen, die von Ergänzungen aus eigener Hand oder unter Benutzung von unbekannter Quelle unterbrochen werden. Bei dem zweiten Gebet Nr. 112 handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit ebenfalls um die Bearbeitung einer Vorlage. Sie muss in den 1580er Jahren auch ein Mainzer Kartäuser für ein „gulden Gebett für alle stende und anliegen der gantzen Christenheit“ in seinem Gebetbuch verwendet haben, wie der parallele Aufbau und die zum Teil wörtlichen Übereinstimmungen zeigen; welcher Text das
239
240 241
DIETZ O., „Das Allgemeine Kirchengebet“, in Leiturgia. Handbuch des evangelischen Gottesdienstes (Bd. 2), Kassel 1955, 443 f.; vgl. Kapitel „III. Collecten und Deutsche Gebete / so man zur Meß / und sonst singen oder lesen sol“ bei Veit Dietrich; „Von Gemeinden Gebtten“, Chyträus 1571, ff. CXXVIIIr–CLXXXVIv, Hinweis auf die Position nach der Predigt auf f. CXXXr. HEINZ A., „Die ‚Oratio Fidelium‘ im deutschen Sprachraum zwischen Tridentinum und Vaticanum II“, 14; vgl. ebd., 8 f.14–16. Gebetstext des Petrus Canisius in: PETRUS CANISIUS, Der Klain Catechismus sampt kurtzen gebetlen für die ainfaeltigen etc., Sebald Mayer, Dillingen 1558, XXXIr– XXXIIv; Salzburg 1557, ff. 237v–239v; FELICIANUS NINGUARDA, Libri Agendorvm Secvndvm Antiqvvm vsum Metropolitanae Salisburgensis Ecclesiae etc. 2, Dilingae [Dillingen] 1575, 550–552.
92
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
gemeinsame Modell bildete, ist aber unbekannt.242 Die beiden Akrosticha Nr. 111 und 113 könnte Krabler gleichermaßen einer – bisher nicht bestimmten – Quelle entnommen haben, eventuell stammen die Dichtungen aber auch von ihm selbst. Froschauer bezeichnet die Texte als „Lieder“, ohne dies jedoch weiter auszuführen oder eine Quelle zu nennen, weshalb die Aussage reine Spekulation bleibt.243 Inhaltlich geht es in ihnen um die Zuflucht bei Jesus und die Fürsprache Marias; während Nr. 111 aus der Not des Lebens spricht, stellt Nr. 113 ein Gebet im Anliegen eines guten Todes dar. Die Gebete Nr. 110 und 112 beginnen beide mit der Bitte um Barmherzigkeit und Vergebung, die laut Heinz als knappe Wiederholung der „den Fürbitten gewöhnlich vorausgehenden Stücke ‚Glaube und Beichte‘“ anzusehen sind.244 In Nr. 110 ist eine klare Struktur erkennbar, die dem klassischen Schema der Fürbitten folgt. Gerahmt von Eröffnung und Abschlussformel „Das verleih uns O herr himlischer vatter“ gliedert sich das Gebet in Bitten für die Wohlfahrt der Kirche, die weltliche Obrigkeit insbesondere zum Schutz vor den feindlichen Türken, für die Feldfrüchte, für Notleidende aller Art sowie für die Verstorbenen. Im Abschnitt zur Kirche übernimmt Krabler aus Salzburg 1557 und 1575 die Bitte, dass die weltliche und geistliche Obrigkeit das Gotteslob und das Wohlergehen der Kirche fördern mögen, fügt aber zwei weitere wichtige Aspekte hinzu. Diese betreffen die Sorge um „threue fromme vorsteher / und seelsorger“, durch deren Verkündigung die Gläubigen „deines wortts thailhafftig werden“ sollen, sowie die in den Wirren der damaligen Zeit in Frage gestellte Einheit der Kirche. Das Anliegen Krablers, zur Erneuerung der einen Kirche beizutragen, sowie seine Ablehnung der sich abzeichnenden Kirchenspaltung kommen deutlich zum Ausdruck, wenn er formuliert, dass die „ganze Christliche gemain in so mancherlay Irrungen“ durch den heiligen Geist „im rechten wahren Catholischen und Apostolischen glauben“ bewahrt werden möge. „Secten und Rotten“ würden das Volk Gottes „in allerlay mainung so iemmerlich zerreissen und zerspalten“, dass „so maniche Religion und Khirchenordnung“ Gottes Namen lästern würde – hier denkt Krabler vielleicht an die verschiedenen protestantischen Gruppierungen und Richtungen mit ihren religionspolitischen und gerade auch in Oberösterreich zum Teil heftig geführten theologischen Auseinandersetzungen.245
242 243 244 245
HEINZ A., „Die ‚Oratio Fidelium‘ im deutschen Sprachraum zwischen Tridentinum und Vaticanum II“, 23; vgl. ebd., 22–24. FROSCHAUER R., Studien zur Reformation, Wien 1977, 126. HEINZ A., „Die ‚Oratio Fidelium‘ im deutschen Sprachraum zwischen Tridentinum und Vaticanum II“, 23 (Anm. 51). Vgl. LEEB R., „Die Evangelische Kirche Oberösterreichs“, Linz 2010, 242–249; LEEB R., „Der Streit um den wahren Glauben“, Wien 2003, 226–232; LEHNER G., „Kirchliches Leben“, Linz 2010, 261 f.
2 Die Agende des CC 107
93
In der auf die Salzburger Bücher und damit auf Canisius zurückgehenden Bitte Krablers in Nr. 112 für die Majestäten und Fürsten, die sich für Frieden und Gerechtigkeit einsetzen mögen, spiegelt sich die damalige Kriegssituation gegen die Türken wider, deren Untaten in drastischen Farben gezeichnet werden. Aufgrund militärischer Erfolge stellten sie seit der ersten Türkenbelagerung Wiens 1529 bis zu den Siegen der kaiserlichen Truppen nach der zweiten Belagerung der Stadt im Jahr 1683 für Österreich eine stetige Bedrohung dar, die auch die Entwicklung der Reformation stark beeinflusste.246 Um Sicherheit vor den Türken geht es daher nicht nur bei Krabler, sondern häufig auch in ähnlichen Gebeten anderer Agenden etwa bei Veit Dietrich (Gebet „Wider den Türcken“).247 Die Bitte für die Feldfrüchte wird von Krabler in seine Vorlage eingefügt; Schaden möge abgewendet und durch „gute gesunde lufft / und zeittigs wetter“ eine gute Ernte geschenkt werden, die den Hunger stillt und die Menschen Gott danken lässt. Die letzte Fürbitte für alle Notleidenden, für Freund und Feind, für die Verstorbenen und „alles anligen gemainer Christenhait“ stammt wohl wie die leicht erweiterte Abschlussformel aus der Salzburger Vorlage Krablers. Das Gebet Nr. 112 verfügt über keinen klaren Aufbau, da es im Wesentlichen aus einer Aneinanderreihung von vielen lebensnah formulierten Bitten für unterschiedliche Personengruppen besteht. Sie lassen sich jedoch gemäß der allgemeinen Gliederung von Fürbitten grob den Bereichen Kirche, Welt und Notleidende zuordnen. Nach der Einleitung spricht das Gebet wie Nr. 110 die gefährdete Einheit der Kirche an, die vor „unglauben / und khezerey“ bewahrt werden möge. Zwar fällt der Begriff Obrigkeit nicht, doch wird für „alle ständt der Christenhait / geistlich und weltlich“ gebetet. Einen großen Teil machen die Bitten für Menschen in Not aus, etwa für „alle betrüebte herzen“, für die Kranken, die Pilger oder die werdenden Mütter – ihnen wird ein „frölichen anplikh Ihrer khinder geburt“ gewünscht. Weitere Themen sind die Verwandten und Wohltäter, der Schutz vor den Feinden, die Feldfrüchte und die Verstorbenen. Auch für sich selbst bittet der Beter, wenn er sich „ein gedultigs / barmherzigs / fridtlichs / und aller dings ein freundtlichs herz“ gegenüber allen Menschen sowie – in der bei Krabler häufiger festzustellenden eschatologischen Perspektive zum Abschluss von Gebeten – am Ende des Lebens die Aufnahme „in das ewig vatterlandt“ erhofft.
246 247
Vgl. Kapitel 1.1 zur historischen Einführung. Vgl. Veit Dietrich im Kapitel „III. Collecten und Deutsche Gebet / so man zur Meß / und sonst singen oder lesen sol“.
94
2.9
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
Fazit Zweites Kapitel
Bei der im CC 107 enthaltenden Handschrift handelt es sich laut Titel um eine „Agende“, was im 16. Jahrhundert in den beiden sich entwickelnden Konfessionen eine gängige Bezeichnung für die auch „Sacerdotale“ oder „Rituale“ genannte Sammlung von Sakramenten und Sakramentalien aus dem Leben einer Pfarrei war. Das Buch Krablers umfasst die Taufe (siehe dazu vor allem das dritte Kapitel der Arbeit), eine Segnung der Mutter nach der Geburt, Texte zur Beichte und für den Kommunionempfang, die Trauung, das Begräbnis sowie zwei Gebete für die Obrigkeit und die Anliegen der Christenheit. Charakteristisch für den CC 107 ist der weitgehende Gebrauch der deutschen Sprache und die stark biblisch geprägten ausführlichen Vermahnungen zu den meisten Riten. Hinsichtlich des Aufbaus und Inhalts ist die Agende Krablers mit anderen Ritualien der Zeit vergleichbar. Allerdings fällt das Fehlen der umfangreichen Benediktionen und insbesondere der Krankensalbung auf, was wohl die pastorale Praxis der Zeit widerspiegelt. Die wichtigsten Quellen des CC 107 scheinen die Ritualien Passau 1490, Salzburg 1557 und 1575 sowie an einigen Stellen die lutherische Agende des Veit Dietrich zu sein. Krabler fertigt daraus Übersetzungen an, übernimmt Teile wörtlich oder in adaptierter Form und ergänzt sie durch Texte, die aus eigener oder auch fremder Feder stammen könnten. Von den untersuchten Bibelzitaten in der Agende dürften sich einige auf die deutsche Übersetzung des Johannes Eck zurückführen lassen, die aus Veit Dietrich übernommenen Stellen stammen dagegen eindeutig aus der Lutherbibel; viele Zitate konnten leider keiner Quelle eindeutig zugeordnet werden. Der Segen über die Mutter steht auf Deutsch, der zugehörige Psalm 120 wird allerdings auch in lateinischer Sprache angegeben. Der Ritus entspricht einer vereinfachten Version von „Ad Introducendam Mulierem“ aus Passau 1490 und Salzburg 1557. Die Vermahnung in den Texten zur Beichte bietet typische Elemente der katholische Bußtheologie, ohne allerdings auf den Zusammenhang von Beichte und Eucharistie bzw. den Empfang der Kommunion zu verweisen, der in der Praxis eine große Rolle spielte. Während die Ansprache zum Bußsakrament auf Deutsch ist, stehen die beiden Formeln zur Absolution in lateinischer Sprache. Eine Formel ist für den allgemeinen Gebrauch gedacht, die zweite, wohl nachgetragene Formel für Jubeljahre. Als Hauptquelle dieses Abschnitts dienten Krabler vermutlich die beiden Agenden aus Salzburg (1557 und 1575). In der Vermahnung zur Eucharistie tritt Krabler zwar für die katholische Position etwa im Hinblick auf die Realpräsenz ein, tut dies aber deutlich weniger polemisch als die sonst von ihm häufig gebrauchte Agende Salzburg 1557. Dies dürfte mit seiner reformoffenen katholischen Position zusammenhängen, was sich besonders deutlich an der Gestaltung der Kommunionspendung ablesen lässt. So reicht Krabler die Kommunion nicht nur unter beiderlei Gestalt, sondern greift für die Texte sehr wahrscheinlich
2 Die Agende des CC 107
95
sowohl auf die Agende Salzburg 1557 als auch auf die Agende Veit Dietrichs zurück – dem ersten Paar der Spendeformeln dürfte die katholische, dem zweiten die lutherische Quelle zugrunde liegen. Ein ähnliches Muster zeigt sich in der Gestaltung der Feier der Trauung, besteht doch die dazugehörige Vermahnung neben eigenen Ergänzungen aus den Ansprachen der Bücher Salzburg 1557 und Veit Dietrich. Der Aufbau des Ritus folgt Salzburg 1557, die Formel, mit der sich Mann und Frau gegenseitig als Eheleute annehmen, dürfte jedoch von Veit Dietrich stammen, könnte aber auch auf Passau 1490 zurückgehen. Nach der Hochzeit fügt Krabler eine Ansprache hinzu, die sich nicht in den untersuchten, sonst von ihm gebrauchten Quellen findet; möglicherweise hat er sie selbst formuliert. Sie bietet im Gegensatz zur Vermahnung vor der Feier typisch katholische Positionen und betont wie auch das Konzil von Trient die Sakramentalität der Ehe und die Siebenzahl der Sakramente. Auffällig ist, dass die in den Salzburger Büchern und Passau 1490 enthaltenen umfangreiche Segensrituale für die Brautleute fehlen. Der Abschnitt zum Begräbnis macht nur sehr knappe Angaben zum Ablauf der Feier, der als bekannt vorausgesetzt zu werden scheint oder möglicherweise in der Praxis nur anhand der ausformulierten Teile gehalten wurde. Obwohl eine genaue Bestimmung daher nicht möglich ist, dürften sich diese Hinweise am Modell der Salzburger Bücher bzw. Passau 1490 orientieren. Bemerkenswert ist die umfangreiche Vermahnung zu Beginn. Statt wie die katholischen Rituale seiner Zeit die Fürbitte für den Verstorbenen in den Mittelpunkt zu stellen, thematisiert Krabler die Sterblichkeit des Menschen und die Hoffnung auf die Auferstehung. Mit dieser Perspektive für die Lebenden statt für die Toten nimmt Krabler wie auch mit den beiden Liedern zur Prozession und am Grab typisch evangelische Elemente in seine Agende auf. Darüber hinaus fehlen bei Krabler wie in den protestantischen Büchern im Kontext der Totenliturgie große Teile der katholischen Tradition, etwa das Totenoffizium. Insgesamt handelt es sich beim Begräbnis um eine Art Mischritus, der jedoch sehr viel stärker protestantisch als katholisch im Sinne der sich herausbildenden Konfessionen geprägt ist. Hier dürfte sich erneut die für Reformen offene Haltung Krablers zeigen und sich seine tatsächliche liturgische Praxis widerspiegeln. Den Abschluss der Agende bilden zwei Gebete für die Obrigkeit und die Anliegen der Christenheit, an die jeweils zwei kurze Gebete in Form eines Akrostichons angehängt sind. Es handelt sich dabei vermutlich um als Allgemeines Gebet bezeichnete Fürbitten, wie sie in vielen Agenden der Zeit aus dem deutschen Sprachraum dokumentiert sind. Diese Bitten für die Anliegen von Kirche und Welt waren üblicherweise nach der Predigt vom Priester vorzutragen. Die Vorlage des ersten Gebetes bei Krabler ist mit großer Wahrscheinlichkeit ein Allgemeines Gebet aus den Büchern Salzburg 1557 bzw. 1575, die wiederum auf ein weitverbreitetes Gebet von Petrus Canisius zurück-
96
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
gegriffen haben, das um 1556 entstanden ist. Das zweite Gebet folgt ebenfalls einer Vorlage, die jedoch nicht näher identifiziert werden konnte. Die beiden Akrosticha hat Krabler eventuell aus einer unbekannten Quelle entnommen oder aber selbst verfasst.
3 Der Ritus der Taufe im CC 107
Nach dem Überblick über die Elemente der Agende des CC 107 sollen in diesem Kapitel der Ritus der Taufe und die zugehörigen Vermahnungen katechetischen Inhalts auf ihre Quellen und theologischen Aussagen hin untersucht werden. Der Ablauf der Taufe wird dabei mit der Passauer Tradition (Passau 1490 und Passau 1587), den Salzburger Büchern (Salzburg 1557 und Salzburg 1575) sowie mit der Agende von Veit Dietrich verglichen, da diese Bücher – außer freilich Passau 1587 – als Quellen dieses Ritus in Frage kommen.248 Als Vergleichstexte für die deutschsprachigen Bibelstellen dienen wieder die Übersetzungen von Luther (Luther 1569), Eck (Eck 1558) und Dietenberger (Dietenberger 1567).
3.1
Zur Theologie des Taufsakramentes bei Krabler
Der Abschnitt zur Taufe in der Agende Krablers enthält zusätzlich zum eigentlichen Ritus zwei Vermahnungen. Die erste zu Beginn richtet sich an die Anwesenden und legt den Schwerpunkt auf das theologische Verständnis der Taufe und die Bedeutung der einzelnen Riten. Die zweite Ansprache nach der Verlesung des Evangeliums ist vor allem an die Paten adressiert; sie beschreibt deren Aufgaben und fordert die Anwesenden zum Gebet für den Täufling auf. Neben der vollständigen Übersetzung des Ritus in die deutsche Volkssprache erscheinen solche Ansprachen in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts vor allem in protestantischen Agenden, um den Gläubigen die Bedeutung des Ritus zu erläutern und so eine aktivere Teilnahme zu ermöglichen. Im Taufbüchlein Luthers von 1526 fehlt noch eine Vermahnung zur Taufe, doch bildet dessen Vorwort eine wichtige Grundlage für spätere Ansprachen, etwa in der Ordnung von Brandenburg-Nürnberg, auf der das 1543 erschienene Agendbüchlein von Veit Dietrich basiert.249 Im katholischen Bereich wird das Anliegen ab der Mitte des 16. Jahrhunderts von Ritualien mit deutschen Taufansprachen auf248 249
Vgl. Passau 1490, ff. IIIr–IXv; Passau 1587, ff. 53v–74v; Salzburg 1557, ff. 31r– 58r; Salzburg 1575, 3–32; Veit Dietrich Abschnitt „VIII. Wie man tauffen sol“. Vgl. JORDAHN B., „Der Taufgottesdienst im Mittelalter bis zur Gegenwart“, in Leiturgia. Handbuch des evangelischen Gottesdienstes (Bd. 5). Der Taufgottesdienst, K. F. Müller – W. Blankenburg (Hrsg.), Johannes-Stauda Verlag, Kassel 1970, 349–640, hier 432 f.
98
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
gegriffen, die ihren Schwerpunkt entweder mehr auf die „Theologie des Sakraments“ oder auf „den liturgischen Vollzug“ legen.250 Diese Aspekte finden sich auch in der im Vergleich zu anderen Büchern kurzen ersten Vermahnung Krablers, die sich in zwei Abschnitte gliedert. Sie handelt zum einen von dem, was „doch diß Sacrament der Tauff sey“ (Nr. 1), und beschreibt zum anderen „die bedeuttung der Ceremonien“ (Nr. 2). Eine weitgehend wortgleiche, allerdings etwas kürzere Taufvermahnung sowie eine Ansprache an die Paten nach der Evangelienlesung finden sich, wie bereits erwähnt, in der Handschrift Cgm 9509. Obwohl es lohnend wäre, die Texte mit Krabler im Vergleich näher zu untersuchen, muss dies späteren Forschungen überlassen bleiben; in der vorliegenden Studie kann nur an wenigen Stellen auf den Text Bezug genommen werden.251 Im ersten Teil zur Theologie folgt Krabler aller Wahrscheinlichkeit nach dem Vorbild der „Vermonung bey der heiligen Tauf“ (ff. 31v–32v) zu Beginn des Taufrituals der Salzburger Agende von 1557, die in adaptierter Form auch in Salzburg 1575 steht. Während Salzburg 1575 diese gemeinsam mit einer Patenansprache an den Anfang stellt sowie außerdem nach der Taufe noch eine zweite Ansprache vorsieht, lassen Salzburg 1557 und Krabler die Vermahnung an die Paten erst nach dem Evangelium folgen. Daher scheint plausibel, dass sich Krabler vor allem an der Ausgabe von 1557 orientiert hat. Das Passauer Rituale von 1490 enthält noch keine volkssprachlichen Ansprachen, die Krabler als Vorbild hätten dienen können. Die Taufe bezeichnet Krabler wie andere Agenden auch als Wiedergeburt. Doch bezieht er sich dabei nicht wie die Salzburger Bücher, Veit Dietrich oder Passau 1587 auf das nächtliche Gespräch Jesu mit Nikodemus im Johannesevangelium (Joh 3,5) – den Vers mit „renatus ex aqua et spiritu sancto“ zitiert Krabler zwar im weiteren Verlauf ebenfalls, stellt ihn aber in anderem Zusammenhang –, sondern auf den Titusbrief (Tit 3,5), indem er vom „Sacrament der widergeburt / durch das wasser im wort“ spricht. Möglicherweise übernimmt Krabler diesen biblischen Bezug aus dem zwölften Kapitel des Abschnitts zur Taufe über „gaben und gnaden“ des Sakraments im Römischen Katechismus von Pius V., der den Vers aus dem Titusbrief wörtlich zitiert.252 Das im Auftrag des Trienter Konzil begonnene Werk war im Jahre 1566 auf Latein erschienen und wurde bereits 1568 ins Deutsche übersetzt. Es enthält einen „Abriß der gesamten Dogmatik und 250 251
252
SPITAL H. J., Der Taufritus in den deutschen Ritualien, Münster 1968, 163. Taufvermahnung in Cgm 9509 ff. IIIr–VIr, Patenansprache ff. 82r–84v; transkribiert in DONAHUE L. A., „Presentation and Discussion. Part one“, 290–292.299 f.; zu den Vermahnungen insbesondere im Vergleich zu Salzburg 1557 vgl. DONAHUE L. A., „Presentation and Discussion. Part two“, 43–46.52–54. Vgl. Römischer Catechismus: welcher auß Bevelch Bäpstlicher Hayligkeit, Pii des fünfften nach hievon gegebner Ordnung des hailigen jungst zu Triendt gehaltnen Concilii etc., Mayer, Dillingen 1576, 268 f.
3 Der Ritus der Taufe im CC 107
99
Ethik“ und besaß eine „hohe theologische Autorität“, was für eine Verwendung bei Krabler sprechen könnte.253 Als zweites Attribut der Taufe nennt Krabler deren Eigenschaft „thür aller andern Sacrament“ zu sein, da ohne die Taufe keines der übrigen Sakramente „recht und würdigclich empfangen“ werden könne. Er übernimmt dies vermutlich aus der dem Ritus vorgeschalteten, sehr wahrscheinlich für den Priester gedachten Beschreibung der Taufe in lateinischer Sprache aus Salzburg 1557, die von der Taufe als „ianua“ und „fundamentum omnium aliorum Sacramentorum“ spricht, ohne die die anderen Sakramente nicht empfangen werden können (f. 33r). Grundlage dieser Aussage ist wohl das sog. Armenierdekret aus dem Jahr 1439, in der die Taufe als „primum omnium sacramentorum“ und „vitae spiritualis ianua“ bezeichnet wird (DH 1314). Analog zur Taufvermahnung aus Salzburg 1557 hält Krabler fest, dass man ohne die Taufe „nimmermehr seelig werden“ könne; die Ansprache in Passau 1587 betont dies ebenfalls.254 Krabler zitiert hier als Belegstelle den bereits erwähnten Vers aus dem Johannesevangelium in der Version der Vulgata (Joh 3,5), auf die auch Salzburg 1557 verweist (f. 31v). Als Wirkung des als „notwendig“ bezeichneten Sakraments wird die Reinigung von allen Sünden, insbesondere „von den erblichen sünden“, aufgeführt, was sich ebenfalls in den Salzburger Büchern und der Passauer Agende wiederfindet.255 Anders als dort hebt Krabler außerdem die ekklesiale Dimension der Taufe hervor, wenn er schreibt, dass diese den Getauften „in die Christlich Kirchen“ bringe; vom Eintritt in die „gemainschafft der heyligen“ spricht am Ende der Taufvermahnung auch Veit Dietrich.256 Die Salzburger Bücher nennen diesen Aspekt erst im Rahmen der Vermahnung an die Paten, wenn von der Aufnahme in die „zal der Christen“ 257 bzw. „zal der Christgläubigen“258 die Rede ist. Die Taufe lässt den Gläubigen zu einem „Tempel des heyligen Geists“ werden – ein Motiv, das außerhalb der Ansprache in drei Orationen im weiteren Verlauf des Taufritus ebenfalls vorkommt (Nr. 10, 20, 30). Abschließend betont Krabler die Einsetzung des Sakraments der Taufe durch Christus, der sich nicht nur selbst hat im Jordan taufen lassen, sondern auch den Jüngern aufgetragen hat, die Menschen im Namen des dreifaltigen Gottes zu taufen; als Belegstelle wird der entsprechende Vers aus dem Matthäusevangelium in der lateinischen Version der Vulgata zitiert (Mt 28,19). Auf diesen Auftrag zur Taufe als Einsetzungsworte Jesu weisen auch Salzburg 1557 (ff. 31v–32r) und Salzburg 1575 (S. 7) hin, während Passau 1587 damit in seiner Beschreibung 253 254 255 256 257 258
BELLINGER G. J., „Catechismus Romanus“, in TRE (Bd. 7), 665–668, hier 667. Vgl. Passau 1587, f. 58v. Vgl. Salzburg 1557, f. 32r; Salzburg 1575, 6 f.; Passau 1587, f. 58v. Veit Dietrich, Kapitel „VIII. Wie man tauffen sol“. Salzburg 1557, f. 46v. Salzburg 1575, 8.
100
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
der Elemente des Ritus die trinitarische Taufformel erklärt (f. 63v); Passau 1587 und Salzburg 1557 führen zusätzlich die Parallelstelle im Markusevangelium (Mk 16,15 ff.) an. Viele evangelische Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts verstehen die beiden Perikopen ebenfalls als Einsetzungsworte insbesondere der Kindertaufe und verwenden sie daher zur Eröffnung in der Vermahnung zu Beginn.259 Weder die Salzburger Bücher noch Krabler deuten die Taufe theologisch im Sinne des Römerbriefes (Röm 6,3–5) als Teilhabe an Tod und Auferstehung Jesu oder bringen sie praktisch – etwa im Hinblick auf Ostern als ausgezeichneten Tauftermin – damit in Verbindung. In Passau 1587 findet sich jedoch ein Hinweis auf diesen Zusammenhang im Abschnitt zur Taufwasserweihe, die am Vorabend von Ostern oder Pfingsten zu erfolgen hat, um deutlich zu machen, dass die Taufe ihre Kraft aus Tod und Auferstehung Jesu sowie aus der Gnade des Heiligen Geistes beziehe.260 Für die meisten der sich bildenden Bekenntnisse des 16. Jahrhunderts stellte die Kindertaufe den Normalfall dar; auch Krabler setzt ihn voraus. Angesichts ihrer hohen Bedeutung und der Angriffe von Seiten der Wiedertäufer wurde zu ihrer Rechtfertigung zu klären versucht, wie sich das Glaubensgeschehen am unmündigen Kind ereignen könne. Luther sieht in der Taufe das „Handeln Gottes“, das im Sakrament den Glauben des Getauften bewirkt, so dass auch das Kleinkind zum Gläubigen werden kann.261 Dabei geht es ihm jedoch nicht um eine „allgemeine Betrachtung des Glaubensbegriffes“, denn im „Mittelpunkt seiner Überlegungen steht das Taufgeschehen selbst“.262 Der Glaube wirkt für Luther als Geschenk Gottes im Heiligen Geist durch die Verkündigung des Wortes und durch die Spendung des Sakraments der Taufe, die als verkündetes Wort verstanden wird. Der Geist schenkt das Vertrauen in die Verheißungen des Sakraments, nämlich die gerecht machende Gnade Gottes, die gerade in der Kindertaufe gut zum Ausdruck kommt, da ja das Kleinkind keine Werke oder Verdienste vorweisen kann.263 Aufgrund des Kinderglaubens („fides infantium“) können auch diese „ihren eigenen Glauben bekennen“.264 Ein ähnlicher Gedanke findet sich im 13. Kanon von der Taufe im 259 260 261
262
263 264
Vgl. JORDAHN B., „Der Taufgottesdienst im Mittelalter bis zur Gegenwart“, Kassel 1970, 460 f. Vgl. Passau 1587, f. 60r. KRANEMANN B., „Liturgien unter dem Einfluss der Reformation“, in Geschichte der Liturgie in den Kirchen des Westens. Rituelle Entwicklungen, theologische Konzepte und kulturelle Kontexte (Bd. 1). Von der Antike bis zur Neuzeit, J. Bärsch – B. Kranemann (Hrsg.), Aschendorff, Münster 2018, 425–480, hier 431. JORDAHN B., „Der Taufgottesdienst im Mittelalter bis zur Gegenwart“, Kassel 1970, 418; zum Kinderglauben bei Luther vgl. JORDAHN B., „Der Taufgottesdienst im Mittelalter bis zur Gegenwart“, Kassel 1970, 416–423. Vgl. JOHNSON M. E., The Rites of Christian Initiation. Their Evolution and Interpretation (A Pueblo Book), Liturgical Press, Collegeville (Minnesota) 2007, 320 f. KLEINHEYER B., Sakramentliche Feiern I, Regensburg 1989, 141.
3 Der Ritus der Taufe im CC 107
101
Dokument „Ad consummationem“ des Trienter Konzils von 1547 (DH 1626), in der die Praxis der Kindertaufe gegen die Wiedertäufer bestätigt wird.265 Das Konzil gibt in Bann, wer ein Kind nach der Taufe wegen seiner fehlenden Glaubenspraxis nicht unter die Gläubigen rechnet. Diese Auffassung, nicht nur Erwachsene, sondern auch die getauften Kinder als Gläubige zu bezeichnen, obwohl sie den Glauben noch nicht verstehen können, setzt implizit einen Kinderglauben voraus, den das Kind in der Taufe erhält und annimmt. Damit scheinen die Konzilsväter von Trient eine dem Verständnis Luthers im Grunde sehr nahe Position einzunehmen; beide eint in jedem Fall das Bemühen um eine Rechtfertigung der Praxis der Kindertaufe in der gemeinsamen Ablehnung der Wiedertäufer. Vorrangig ging es dem Konzil um die Bestätigung der spätmittelalterlichen Sakramententheologie gegen alles, was man für protestantische Kritik hielt, ohne diese jedoch im Einzelnen zu kennen und ohne den Versuch zu unternehmen, die eigene dogmatische Position zu klären. Der Umstand, dass das Konzil als auch die Reformatoren wie Luther in der spätmittelalterlichen Theologie wurzeln, mag die Nähe in Sachen Kindertaufe erklären; Trient hielt sie im Blick auf die Erbsünde weiterhin für gerechtfertigt. 266 Die Taufriten der Salzburger Bücher und der Agende Passau 1587 betrachten den Täufling als handelnden Empfänger des Sakraments, wenn sie ihn etwa bei der Absage an den Satan und der Glaubenszusage direkt mit Namen und in zweiter Person ansprechen lassen. So hat der Priester laut der Rubrik in Salzburg 1557 zu der dem Taufakt vorausgehenden Absage und Bekenntnis das Kind ausdrücklich mit der Nennung seines Namens zu befragen (f. 48v), auch wenn aus naheliegenden praktischen Gründen die Paten die Antworten geben. Diese aktive Rolle im Ablauf liegt wohl in der Hauptsache an den auf der Erwachsenentaufe basierenden antiken Quellen, so dass das Ritual aus pastoraler Sicht in problematischer Weise „mit den Unmündigen verfährt, als seien sie mündig“.267 Sie hängt aber wohl auch mit der theologischen Konzeption des Kinderglaubens zusammen, die sich in Rubriken und den Ansprachen zeigt. Das Verständnis des Kindes als handelnde Person drückt sich in der Formulierung der Patenvermahnung von Salzburg 1557 etwa so aus, dass das Kind in der Taufe den Glauben annehme (f. 47r), was die Ansprachen an die Paten in Salzburg 1575 (S. 9), Passau 1587 (f. 71r) wie auch bei Krabler (Nr. 29) sehr wahrscheinlich von dort übernommen haben. In die gleiche Richtung geht die Aussage von Salzburg 1557, dass sich der Glaube der Täuflinge auf das
265 266 267
Vgl. ZUR MÜHLEN K.-H., „Taufe V. Reformationszeit“, in TRE (Bd. 32), 701–710, hier 708. Vgl. JOHNSON M. E., The Rites of Christian Initiation, Collegeville (Minnesota) 2007, 363 f. KLEINHEYER B., Sakramentliche Feiern I, Regensburg 1989, 161.
102
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
biblische Fundament der Taufe verlassen solle, was an Stelle der Kinder ebenso für die Paten sowie die ganze Kirche und den Taufpriester gelte (f. 32r). 268 In der Ansprache an die Anwesenden in Salzburg 1575 ist nur mehr vom Glauben der Eltern, Paten und der Kirche die Rede. Passau 1587 nennt die Paten „bürgen und zeugen des unmündigen Kindts“ (f. 60v), die „auff des Priesters frag“ die Absage leisten und den Glauben bekennen. In ähnlicher Weise wie diese beiden katholischen Rituale sieht die evangelische Agende Chyträus 1571 vor, dass die Paten zwar in Vertretung des Kindes, aber doch explizit nach ihrem eigenen Glauben gefragt werden (f. VIIIv). Die Aufnahme in die Kirche und die Wiedergeburt in Christus als Wirkungen der Taufe werden durch diese leichte Akzentverschiebung nicht in Frage gestellt. Die geänderte Formulierung mit den an die Paten gerichteten Fragen dient der Anpassung des Ritus an die Kindertaufe, was sich bereits in früheren Ritualien findet, lässt aber das Konzept des Kinderglaubens weniger klar erkennen.269 Krabler scheint dagegen mit den älteren Büchern die aktive Rolle des Täuflings stärker betonen zu wollen, wenn er in seiner Erklärung des „Ritus des Absage-ZusagePaares“ am Anfang des Taufrituals den Täuflingen zuschreibt, dass sie sich – wenn auch vermittelt durch die Paten – „Christo dem herrn verloben / und profeß thuen / von Ihm nit zuweichen“ (Nr. 2).270 Möglicherweise bezieht er sich dabei nicht nur auf Salzburg 1557, sondern auch auf Veit Dietrich, der in der Rubrik zu Absage und Glaubensbekenntnis vor dem Taufakt anordnet, dass der Priester das Kind – „durch seine Paten / oder die Gevattern“ – dem Teufel absagen lasse. Insgesamt zeigt sich bei Krabler wie bei seinen Quellen in den theologischen Fragen der Kindertaufe und ihrem Ausdruck im Ritus im 16. Jahrhundert ein fließender, (noch) nicht klar abzugrenzender Übergang zwischen den Konfessionen.
3.2
Katechetische Liturgieerklärung
Der zweite Teil der Vermahnung Krablers an die Umstehenden vor Beginn des eigentlichen Taufritus handelt von der „bedeuttung der Ceremonien“ (Nr. 2) und gehört damit zu den „Ansprachen, die anhand einzelner Rituselemente eine Liturgieerklärung vornehmen“. Von Kopp werden sie aus diesem Grund als „mystagogisch-katechetische Liturgieerklärungen“ bezeichnet.271 Da sowohl in den Salzburger Büchern wie auch bei Veit Dietrich solche Erklärungen fehlen, kann Krabler diese Agenden an dieser Stelle nicht als Vorbild ge268 269 270 271
Vgl. dazu auch DONAHUE L. A., „Presentation and Discussion. Part two“, 44 f. Vgl. SPITAL H. J., Der Taufritus in den deutschen Ritualien, Münster 1968, 151. Ebd., 166 (Anm. 938). KOPP S., Volkssprachliche Verkündigung, Regensburg 2016, 303.
3 Der Ritus der Taufe im CC 107
103
braucht haben. Entsprechende Ansprachen finden sich zuerst im Rituale der Erzdiözese Mainz 1551, deren Texte häufig nachgedruckt und etwa von Leisentritt in seinem Rituale für Meißen von 1562 großteils übernommen wurden.272 In der Folgezeit enthalten sie auch andere Diözesanritualien des „katholischen Reformprogramms im 16. Jahrhundert“, darunter die Agende Passau 1587.273 Der bereits erwähnte Römische Katechismus erläutert im 13. Kapitel des Abschnitts über die Taufe ebenfalls die einzelnen Riten.274 Da Krabler „wesentliche Abweichungen“ zum Mainzer Rituale wie auch zum Römischen Katechismus zeigt, kann er sie, so vermutet Spital, wohl nicht als direkte Quelle verwendet haben.275 Von „vast differences“ zwischen der Taufvermahnung im Cgm 9509 und dem Mainzer Rituale, dem Buch Passau 1587 sowie einem Rituale aus Meißen von 1564 spricht auch Donahue und schließt daraus, dass der Text zu keinem dieser drei Traditionen gehören kann.276 Der Vergleich mit Mainz 1551 legt jedoch nahe, dass sich Krabler beim Verfassen seines eigenständigen Textes an diesem Vorbild wenigstens orientiert haben könnte. Zu welchem Grad die Vermahnung originär aus seiner Hand stammt, ist schwer zu entscheiden; möglicherweise sind hier auch noch weitere, bisher nicht identifizierte Quellen im Spiel, wofür die in Cgm 9509 enthaltene Taufvermahnung ein Indiz sein könnte, falls keine direkte Abhängigkeit zwischen dieser und Krabler besteht. Als Motivation für die Deutung der Riten nennt Krabler in einer kurzen Mahnung, die die Ansprache rahmt, dass die Gläubigen die aufgeführten Riten nicht aus Unkenntnis für unnütz halten mögen. Kein Christ solle sie um ihrer „löblichen und hailsamen bedeuttung willen“ verachten oder verdammen, seien sie doch keineswegs eine neue Erfindung, sondern schon über 1000 Jahre in Gebrauch. Krabler bezieht sich bei diesem Appell vermutlich auf die lutherische Taufpraxis, die im Vergleich zum katholischen Ritus deutlich reduziert und vereinfacht war, wie die im Anschluss an die beiden Taufbüchlein des Reformators von 1523 und 1526 entstanden Agenden zeigen. Luther hatte die spätmittelalterliche Liturgie als Modell zwar übernommen, womit die „Kontinuität gemeinchristlicher Überlieferung“ gewahrt blieb, in dieser jedoch die als „nicht notwendige Ausschmückungen bezeichneten Symbolriten“ gestrichen, um das „eigentliche Taufgeschehen, das von den allzu vielen Symbolriten überwuchert worden war“, zu befreien und neu zu akzentuieren.277 Zu den entfallenen Riten zählen die Salzgabe, die Öffnung der Sinne (Effata) und die 272 273 274 275 276 277
Vgl. ebd., 304 ff.312 f. Ebd., 304. Vgl. Römischer Catechismus, Dillingen 1576, 271–282. SPITAL H. J., Der Taufritus in den deutschen Ritualien, Münster 1968, 164. DONAHUE L. A., „Presentation and Discussion. Part two“, 54. SCHULZ F., „Luthers liturgische Reformation. Kontinuität und Innovation“, Archiv für Liturgiewissenschaft 25/3 (1983) 249–275, hier 252 f.
104
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
präbaptismale Salbung; erhalten geblieben sind in stark gekürzter Form die Exsufflation und der Exorzismus wie auch die postbaptismale Salbung, die mit der Übergabe des Taufkleides in einer Formel zusammengezogen wurde.278 Die Agende Veit Dietrichs folgt der Taufordnung Luthers, erklärt aber in einer Randnotiz, dass die Exsufflation mit ihrer exorzistischen Formel am Beginn des Rituals ohne Sünde ausgelassen werden könne. Eine diesem Zeichen vorangehende Abschwörung und Glaubenszusage, die Krabler aufweist (Nr. 5 und 6) und in seiner Vermahnung erläutert (Nr. 2), ist weder bei Veit Dietrich noch bei Luther vorhanden, was an dessen lateinischer Vorlage liegen dürfte.279 Mit Ausnahme der optionalen Exsufflation und der Übergabe des Taufkleides bespricht Krabler in seiner Ansprache eben jene in der Agende des Veit Dietrich fehlenden Teile. Da er anders als etwa das Rituale von Mainz von 1551 nicht den vollständigen Ritus der Taufe in seinem Verlauf darstellt, sondern sich auf diese Auswahl beschränkt, dürfte er sich damit implizit gegen den Taufritus nach Veit Dietrich wenden, um die althergebrachten Rituselemente zu rechtfertigen und den Gläubigen plausibel zu machen. Aus pastoralen Gründen war dies wohl notwendig, wenn nach Aussagen Krablers der straffe evangelische Ritus der Kindertaufe nach Veit Dietrich in Oberösterreich vielerorts der Normalfall war.280 Schließlich beabsichtigte die Liturgieerklärung, neben dem Gebrauch der Volkssprache einen „verständigen Mitvollzug der Liturgie“ zu fördern.281 Nach den bereits erwähnten ersten Absagen und der Glaubenszusage, die als eine Art Treuegelöbnis des Täuflings gedeutet wird, behandelt Krabler das Ritual der Exsufflation. Entsprechend der zugehörigen Formel „Gehe aus du unrainer geist“ sieht er in ihr eine exorzistische Wirkung. Die Befreiung von der Macht des bösen Geistes geschehe jedoch nicht, weil sich der Teufel im Kind wie in einem besessenen Menschen befinde, sondern weil er aufgrund der Erbsünde einen Zugang zu dem Kind habe. Diese Argumentation hat laut Spital ihren „Sitz im Leben“ im innerprotestantischen „Exorzismusstreit“, bei dem es um die Beibehaltung oder Abschaffung der Exorzismen in der Taufe ging, die man vor allem im süddeutschen Raum „aus sakramententheologischen Gründen“ gestrichen hat.282 Luther hatte an ihnen wenn auch in verkürzter Form festgehalten, um klarzustellen, dass der „Täufling“, weil er „von Natur der Sünde und dem Bösen verfallen ist“, in der Taufe vom Teufel befreit und zum Kind Gottes wird, schließlich „entstehe“ nach Luther „der bei der Taufe vorauszusetzende Kinderglaube“ mit den Worten des Exorzismus. Wie 278 279 280 281 282
Vgl. SCHULZ F., „Luthers liturgische Reformation“, 252 ff. Vgl. KLEINHEYER B., Sakramentliche Feiern I, Regensburg 1989, 139. Vgl. Kapitel 1.4 „Die Entstehungsgeschichte des Textes“. KOPP S., Volkssprachliche Verkündigung, Regensburg 2016, 305. SPITAL H. J., Der Taufritus in den deutschen Ritualien, Münster 1968, 151.165 (Anm. 935).
3 Der Ritus der Taufe im CC 107
105
Nagel weiter schreibt, standen spätere Kirchenordnungen dem Exorzismus dagegen nur eine „signifikative Bedeutung“ zu, stuften „ihn deshalb als Adiaphoron“ ein und rechneten ihn nicht zum Wesen der Taufe.283 Unter den sog. Adiaphora sind die liturgischen Zeichen und Handlungen zu verstehen, „die hinsichtlich des Gebotenseins durch Gott indifferent sind, weil sie dem Heil des Menschen weder dienen noch es gefährden“.284 In diesem Kontext sind die Angaben der Agende Veit Dietrichs zu verstehen, dass der Exorzismus zu Beginn der Feier weggelassen werden könne, ohne dass damit die Gültigkeit der Taufe in Frage gestellt würde. In einer Randnote rechtfertigt Veit Dietrich den zu einer einzigen Formel verschmolzenen, ursprünglich mehrgliedrigen Taufexorzismus damit, dass er einfach ein Gebet sei. Wenn Spital recht hat, dürfte Krabler hier die auch in Oberösterreich virulenten Streitigkeiten der verschiedenen evangelischen Gruppen zur Erbsünde und den liturgischen Zeichen im Auge haben und könnte gewissermaßen mit Luther für das Gewicht des Exorzismus Stellung beziehen.285 Die einige Jahre nach Krabler entstandene Agende Passau 1587 bringt dagegen eine ganz andere Deutung der Exsufflation. Sie betrachtet das Zeichen unter Verweis auf das Anhauchen der Jünger durch Jesus im Johannesevangelium (Joh 20,22) als Ausdruck für die Spendung des Heiligen Geistes sowie außerdem parallel zur im Buch Genesis erzählten Geschichte der Erschaffung des Menschen als Zeichen der Neuschöpfung durch die Taufe.286 Die Interpretation der Salzgabe fasst das Salz als Ausdruck der „gottlichen hailsamen weisheit“ auf, die der Christ als entscheidendes Gewürz seines Lebens „zu gottes ehr / seinem und seines negsten hail und wolfart“ gebrauchen soll. Im Zeichen des Salzes wird eine moralische Erneuerung in der Abkehr von den Sünden bekundet, womit Krabler auf Mainz 1551 Bezug nehmen könnte, stellt doch diese Agende den Aspekt der Umkehr ebenfalls in den Mittelpunkt. Das Ritual wird dort ein Zeichen dafür genannt, dass die „Christen durch Gottes hilff und gnad / von allem stanck der sünden / und faulung fleischlicher begirden / sich frei behalten“ und ein Leben mit „heilsamen worten und wercken“ führen sollten.287 Im Verlauf des Taufritus der Agende Krablers folgen dem Ritual der Salzgabe die umfangreichen Exorzismen, an die sich 283 284 285
286 287
NAGEL W., „Exorzismus II. Liturgiegeschichtlich“, in TRE (Bd. 10), 750–756, hier 753 f. JOEST W., „Gebot II. Systematisch-Theologisch“, in TRE (Bd. 12), 130–138, hier 132. Vgl. Kapitel 1.2 „Der Prozess der doppelten Konfessionalisierung in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts“; vgl. dazu auch LEEB R., „Die Evangelische Kirche Oberösterreichs“, Linz 2010, 242–249; LEEB R., „Der Streit um den wahren Glauben“, Wien 2003, 226 f.; LEHNER G., „Kirchliches Leben“, Linz 2010, 261 f. Vgl Passau 1587, f. 61r und f. 61v. Mainz 1551, f. VIr und f. VIv.
106
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
die Lesung der Perikope aus dem Matthäusevangelium, die Patenansprache und der Schlußexorzismus anschließen. Die Liturgieerklärung übergeht diese Teile, vermutlich weil einerseits die Exorzismen bereits angesprochen wurden und andererseits Schriftlesung und Patenvermahnung auch aus protestantischer Perspektive unstrittig waren. Krabler fährt mit der als Öffnung der Sinne oder Effata-Ritus bezeichneten Handlung fort, bei der Ohren und Nase des Kindes „mit aschen und Spaichl“ bestrichen werden. Diese Angabe könnte ein Hinweis darauf sein, dass man statt Lehm oder Dreck, wie die Rubrik Nr. 31 mit „lutum“ fordert, in der Praxis wohl Asche gebraucht hat. Ähnlich wie die Mainzer Agende von 1551 hebt Krabler als Sinn dieser Öffnung das Hören des Wortes Gottes, das das Kind in seinem Leben befolgen solle, und die Freude an „dem süessen geruch gottes“ hervor. Aufgrund der parallelen Formulierungen im Mainzer Rituale, das davon spricht, dass die „ohren allezeit zum gehöre Göttlichs worts“ offenstehen sollen und das Kind den „geruch Göttlicher unnd himelischer ding gern unnd mit lust“ aufnehmen solle, hat Krabler diese Motive vermutlich aus Mainz 1551 übernommen.288 Auch in diesem Fall deutet Passau 1587 das Ritual auf eigene Art mit der Perikope der Heilung des Blindgeborenen aus dem Johannesevangelium (Joh 9,5–7) als Zeichen für die Erlösung von seelischer „gehörloßigkait / blindtheit und unempfindtlichait / durch die Tauff“ (f. 62v).289 Die je dreifache Abschwörung vom Teufel und das Bekenntnis des Glaubens fallen in der Ansprache Krablers aus. Gemäß dem bei Krabler vermuteten Schema der Rechtfertigung der von den Reformatoren in Frage gestellten Elemente der Taufliturgie dürfte der Grund für das Fehlen darin liegen, dass Abschwörung und Bekenntnis wie Evangelium und die Ansprache an die Paten auch bei Veit Dietrich vorhanden sind. Die nun im Ablauf folgende präbaptismale Ölsalbung (Nr. 38) findet sich dagegen weder bei Veit Dietrich noch in Luthers Taufbüchlein von 1526 – der Wittenberger Reformator hatte sie gestrichen, nachdem er sie drei Jahre zuvor in seinem ersten deutschen Taufritus von 1523 noch aufgeführt hatte.290 Krabler dürfte für die Erklärung dieses Rituselements das Motiv der Salbung der antiken Athleten gebrauchen, sollen doch die Täuflinge mit dem Öl für den geistlichen Kampf unter dem Joch Christi gegen den Teufel und für das Gute gerüstet werden. 291 Dabei spielt 288 289 290
291
Mainz 1551, f. VIIr. Vgl. SPITAL H. J., Der Taufritus in den deutschen Ritualien, Münster 1968, 98. Vgl. Veit Dietrich, Abschnitt „Die form aber / wie man tauffen sol / ist dise“ im Kapitel „VIII. Wie man tauffen sol“; MARTINUS LUTHERUS, „Das Tauffbüchlein aufs Neue zugerichtet“, Weimar 1897, 541; MARTINUS LUTHERUS, „Das Taufbüchlein verdeutscht 1523“, in D. Martin Luthers Werke, Kritische Gesamtausgabe (Weimarer Ausgabe, Bd. 12), H. Böhlau (Hrsg.), Metzler, Weimar 1891, 38–46, hier 45. Vgl. SPITAL H. J., Der Taufritus in den deutschen Ritualien, Münster 1968, 167.
3 Der Ritus der Taufe im CC 107
107
Krabler wohl auf das Bild des leichten Joches Christi aus Mt 11,29 an, das sich in Güte und Demut zeigt. Der Leitgedanke des Kampfes erinnert an Paulus,292 dürfte hier jedoch aus Mainz 1551 übernommen worden sein, wo vom „ein redlicher Ritter Christi sein“ und dem „ritterlich fechten unnd streitten“ gegen den „Feind Christi den Teufel“ die Rede ist (f. VIIv). Die theologische Deutung dieser Salbung in „antidämonische[m] Sinn“ als Stärkung „durch die Kraft Christi“ für den „Entscheidungskampf mit Satan […], um wie ein Ringkämpfer mit Satan den Kampf aufzunehmen“, hebt auch Vagaggini hervor und bezieht sich dabei auf die patristische Tradition.293 Für die Ölsalbung bietet Passau 1587 erneut ein anderes Verständnis als Mainz 1551 und Krabler, wenn es das Zeichen statt auf Kampf auf die Bilder vom heilenden Öl im Gleichnis des barmherzigen Samariters (Lk 10,34) und vom Einpfropfen des wilden Ölzweigs „durch die Tauff dem geschlachten294 ölbaum Christi“ (vgl. Röm 11,13–24) bezieht.295 Bei letzterem handelt es sich um ein Bild, das auch Cyrill von Jerusalem im dritten Absatz seiner zweiten mystagogischen Katechese über die Taufe gebraucht, möglicherweise greift Passau 1587 hier auf diese patristische Quelle zurück.296 Der eigentliche Taufakt wird wohl angesichts seiner zentralen Stellung in den Taufriten aller Traditionen von Krabler nicht kommentiert, während Mainz 1551 und Passau 1587 eine Deutung bieten. Für die sich daran anschließende postbaptismale Scheitelsalbung (Nr. 43) gilt wie für die präbaptismale Salbung (Nr. 38), dass sie bei Luther 1523 noch genannt, in der Neuausgabe von 1526 aber gestrichen wird, was dann spätere Taufordnungen wie die von Veit Dietrich übernommen haben – wohl deswegen beschreibt sie Krabler hier.297 In seiner Vermahnung heißt es, dass dabei das Haupt des Kindes „mit dem heyligen Crisam […] bestrichen wurdt“, wobei unklar bleibt, in welcher Form dies geschieht. Es fällt auf, dass nicht explizit von einer Bezeichnung des 292 293
294
295 296 297
Vgl. POPLUTZ U., „Wettkampf“, in WiBiLex. Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet, URL: www.bibelwissenschaft.de/stichwort/48954/ [Zugriff 06.05.2021]. VAGAGGINI C., Theologie der Liturgie. Ins Deutsche übertragen und bearbeitet von August Berz, Benziger Verlag, Einsiedeln – Zürich – Köln 1959, 248; vgl. auch die Einleitung des Bandes CYRILL VON JERUSALEM, Mystagogicae Catechesis. Mystagogische Katechesen (Fontes Christiani 7), übersetzt und eingeleitet von G. Röwekamp, Herder, Freiburg 1992, 30 f. Der Begriff „geschlacht“ bedeutet „veredelt, Gegensatz wild“, siehe „geschlacht“, in Deutsches Rechtswörterbuch, URL: https://drw-www.adw.uni-heidelberg.de/ drw-cgi/zeige?index=lemmata&term=geschlacht [Zugriff 07.05.2021]. Passau 1587, 63r. Vgl. CYRILL VON JERUSALEM, Mystagogische Katechesen (Fontes Christiani 7), Freiburg 1992, 112–115. Vgl. MARTINUS LUTHERUS, „Das Taufbüchlein verdeutscht 1523“, in D. Martin Luthers Werke, Weimar 1891, 46; MARTINUS LUTHERUS, „Das Tauffbüchlein aufs Neue zugerichtet“, Weimar 1897, 541; Veit Dietrich, Abschnitt „Die form aber / wie man tauffen sol / ist dise“ im Kapitel „VIII. Wie man tauffen sol“.
108
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
Kindes in Kreuzesform die Rede ist, wie sie die zugehörige lateinische Rubrik in Nr. 43 vorsieht. Daraus auf eine mögliche, von der Rubrik abweichende Praxis als Hintergrund der Ansprache zu schließen, ist jedoch kaum möglich, da das Schweigen Krablers in diesem Punkt keine genauen Aussagen zulässt. Nach Krabler werde mit der Geste das Kind „dem haubt Christo aigentlich ingepflanzet“ und damit ein „warhafftiger Christ“. Auch wenn weder in Mainz 1551 noch Passau 1587 von einer Einpflanzung sprechen, die an den Begriff der Einleibung im Kontext der Eucharistie erinnert,298 findet sich in den beiden genannten Agenden doch ebenfalls die Idee, dass die Salbung Ausdruck für die Mitgliedschaft im Leib Christi sei. Schließlich werden die getauften Kinder mit den übrigen „Glidern Christi“ (Mainz 1551, f. VIIIr) zu einem „geistlichen Künigreich und Priesterthum“ gesalbt (Passau 1587, f. 63v). Während das Passauer Buch seine Deutung der Salbung wahrscheinlich von Mainz 1551 übernommen haben dürfte, hat sich Krabler hier wohl nur grob an dem Mainzer Text orientiert. So fehlt bei ihm der Deutungszusammenhang von Chrisma und Christus bzw. Christen, den Mainz 1551 (f. VIIIr), Passau 1587 (f. 63v) wie auch der Römische Katechismus von Canisius (S. 279) enthalten. Dennoch könnte sich Krabler eventuell hier auf Canisius bezogen haben, da sich bei diesem Formulierungen finden, dass der Täufling durch die Taufe „alß zweyg in Christum eingepflanzt“ werde und mit der Chrisamsalbung „alß ein glidmaß Christo seinem Haupt zugethan“ sei.299 Krablers Bemerkung, dass wir nach dem Zeugnis des Apostels Paulus mit der Taufe „Christum angethan“ haben (wohl nach Gal 3,27), ist ohne Vorbild oder Parallele in den untersuchten Verweistexten. Ob dieser Zusammenhang einer bisher unbekannten Quelle entnommen wurde oder originär von Krabler stammt, lässt sich kaum entscheiden; das Fehlen in seinen Vorlagen könnte jedoch für die zweite Alternative sprechen. Möglicherweise steht die Aussage mit ihrem Bild vom Anziehen Christi im Kontext der Verbindung von Salbung und Übergabe des Taufkleides in der lutherischen Agende von Veit Dietrich. Vielleicht dient sie auch nur der Überleitung zur Erklärung des Taufkleides, mit der die Ansprache zur Taufliturgie vor der abschließenden Mahnung endet. Das Taufkleid wird von Krabler als „westerhembdlein / oder Crisam pfaitlein“ bezeichnet. Der erste Begriff „westerhembd“ leitet sich vom Wort „wester“ für Taufe ab und ist eine bereits im Mittelalter verbreitete Bezeichnung, die auch Martin Luther in seinem Taufbüchlein von 1526 gebraucht.300 Wohl in der auf 298 299 300
Vgl. Kapitel 2.5 „Gebete und Vermahnung zur Eucharistie“. Römischer Catechismus, Dillingen 1576, 267 f.279. MARTINUS LUTHERUS, „Das Tauffbüchlein aufs Neue zugerichtet“, in D. Martin Luthers Werke, Kritische Gesamtausgabe (Weimarer Ausgabe, Bd. 19), H. Böhlau (Hrsg.), Metzler, Weimar 1897, 532–541, hier 541; vgl. dazu „Westerhemd“, in Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, URL: https:// www.dwds.de/wb/dwb/westerhemd [Zugriff 21.11.2023].
3 Der Ritus der Taufe im CC 107
109
den Reformator zurückgehenden Tradition steht sie auch bei Veit Dietrich, aus dem Krabler sie entnommen haben dürfte. Vielleicht ebenfalls nach protestantischem Vorbild findet „Westerhemd“ auch Verwendung im Taufritus von Leisentritt, der außerdem den in der Mainzer Agende bezeugten Terminus „rein weisse haube“ benutzt.301 Das Wort „Crisam pfeitlein“ dürfte dagegen eine regionale Bezeichnung des Taufkleides sein, da die alte Vokabel „pfeit“ in der Bedeutung „Hemd“, von dem sich „pfeitlein“ als Verkleinerungsform ableitet, wohl aus dem bayerisch-österreichischen Raum stammt und dort noch bis ins 20. Jahrhundert in Gebrauch war.302 Allerdings ist „pfeitlein“ weder in den Salzburger Büchern, die lateinisch von „vestis“ (so auch Passau 1490, f. VIIIv) oder „cappa“ sprechen303, noch in Passau 1587 enthalten, das „hemmetlin“ (f. 64r) oder lateinisch „mitra“ (f. 74r; ebenso Passau 1490, f. VIIIr) gebraucht; eine Quelle kann für den Begriff daher nicht angegeben werden.304 Die lateinische Rubrik und Übergabeformel in der Agende Krablers (Nr. 44) haben „camisia“ (Hemd) bzw. „weiß unvermailigt khlaidt“, was in der Vermahnung mit dem Ausdruck „klaidt der unschuldt“ aufgegriffen und interpretiert wird. Es ist ein Zeichen für die Befreiung vom Teufel, was auf die wichtige Rolle der exorzistischen Dimension im Taufritual hinweist. Während die Übergabeformel eine stark eschatologische Perspektive enthält, fehlt eine solche in der Erklärung Krablers, die vor allem auf den moralischen Lebenswandel des Täuflings „biß ans endt seines lebens“ abstellt. Im Anschluss an das Taufkleid folgt im Taufritus bei Krabler noch die Übergabe der Taufkerze („candela“, Nr. 45), die jedoch in der Vermahnung nicht behandelt wird; dort folgt direkt die mahnende Schlussbemerkung. Aus dieser Differenz zwischen Ansprache und Ritus ex nihilo auf die tatsächliche liturgische Praxis Krablers zu schließen, ist, wie schon an anderer Stelle bemerkt, kaum zulässig. Außerdem kann das Fehlen der Taufkerze in der Vermahnung nicht damit erklärt werden, dass dieses Element auch im lutherischen Bereich üblich gewesen sei und daher als gemeinsames Traditionsgut von Krabler nicht eigens begründet hätte werden müssen – weder Luther noch Veit Dietrich kennen sie. Insgesamt scheint das Anliegen der katechetischen Ansprache Krablers zur Deutung der Taufe vor allem gewesen zu sein, die bei Veit Dietrich in lutherischer Tradition 301
302
303 304
JOHANN LEISENTRITT, Forma Germanico idiomate baptisandi infantes secundum catholicae vereque apostolicae ecclesiae ritum; cum explicatione caeremoniarum, quae circa baptismum fiunt; etc., Wolrab, Budissinae [Bautzen] 1564, ff. XIv–XIIr; Mainz 1551, f. VIIIr. Vgl. „Pfeit“, in Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, URL: https://www.dwds.de/wb/dwb/pfeit [Zugriff 07.05.2021]; für den Hinweis zum regionalen Sprachgebrauch im 20. Jahrhundert Dank an P. Maximilian Bergmayr OSB. Salzburg 1557, f. 52r; Salzburg 1575, 30. Zu den Bezeichnungen des Taufkleides vgl. auch JORDAHN B., „Der Taufgottesdienst im Mittelalter bis zur Gegenwart“, Kassel 1970, 396.
110
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
gestrichenen Teile des Taufritus der mittelalterlichen Tradition zu verteidigen. Vermutlich zeigt sich hier die regional verschiedene Entwicklung und Ausgestaltung des Taufritus, denn weder Passau 1490 noch Passau 1587 kennen im Unterschied zu den Salzburger Büchern von 1557 und 1575 eine Taufkerze. Möglicherweise hat Krabler hier ein Element aus Salzburg in seinen ansonsten wesentlich von der Passauer Tradition geprägten Ritus übernommen. Bei Leisentritt wird ein „Briennendes Liecht“ erwähnt, während Mainz 1551 keine Taufkerze anführt.305 Laut Spital haben in der Zeit um 1500 bereits zahlreiche – aber offenbar noch nicht alle – Bücher im deutschsprachigen Raum das Zeichen der „Kerzenübergabe“ bei der Taufe, das sich im 16. Jahrhundert weiter verbreitet.306 Durch die Übernahme in das 1614 erschienene Rituale Romanum wurde die Übergabe von Taufkerze und Taufkleid schließlich zum Allgemeingut der katholischen Tauffeier, was es auch nach den Reformen des Zweiten Vatikanums geblieben ist.307
3.3
Ablauf der Taufe bis zu den Exorzismen (Nr. 1–26)
Vor Beginn des eigentlichen Taufritus308 setzt Krabler die bereits besprochene Ansprache an die Umstehenden („Adhortatio ad Circumstantes“) mit ihren tauftheologischen Erklärungen, wie sie in den Agenden des 16. Jahrhunderts üblich waren. Ohne eine weitere liturgische Eröffnung leitet die offenbar als bekannt vorausgesetzte Formel „Der Allmächtig Gott etc.“ (Nr. 3) zur Handlung selbst über. Um welches Gebet es sich dabei handelt, konnte nicht geklärt werden; eventuell besteht ein Zusammenhang mit dem am Ende der Taufvermahnung in Cgm 9509 gesprochenen Gebet „Nun der almechtig ewig und barmherzig got …“.309 Der Ritus beginnt mit der an die Paten gerichteten Frage nach dem Namen des Kindes (Nr. 4), wie es auch die Passauer und Salzburger Bücher vorsehen; bei Veit Dietrich fehlt diese Frage. Auf die Nennung des Namens folgt der erste aus jeweils drei Fragen bestehende Block von Absage an den Teufel und Bekenntnis des Glaubens, der eine Dopplung zu den Fragen 305 306 307
308 309
JOHANN LEISENTRITT, Forma Germanico idiomate baptisandi infantes, Bautzen 1564, f. XIIv. SPITAL H. J., Der Taufritus in den deutschen Ritualien, Münster 1968, 124. Zur Taufkerze vgl. KLEINEYER B., Sakramentliche Feiern I, Regensburg 1989, 136.158–160.180; SPITAL H. J., Der Taufritus in den deutschen Ritualien, Münster 1968, 123–125; JORDAHN B., „Der Taufgottesdienst im Mittelalter bis zur Gegenwart“, Kassel 1970, 384–386. Vgl. auch Kapitel 3.4 „Ablauf der Taufe ab der Evangelienlesung (Nr. 26–45)“. Vgl. Taufritus im Cgm 9509, ff. 67v–91r; DONAHUE L. A., „Presentation and Discussion. Part one“, 293–302; vgl. dazu DONAHUE, „Part two“, 47–53. Cgm 9509, f. VIr/VIv; DONAHUE L. A., „Presentation and Discussion. Part one“, 292.
3 Der Ritus der Taufe im CC 107
111
im Rahmen des Taufaktes darstellt. In der Zeit um 1500 ist das Paar von Absage und Zusage zur Eröffnung weit verbreitet, etwa die Hälfte der gedruckten Agenden dieser Zeit enthalten es.310 Krabler scheint dabei die Passauer mit der Salzburger Tradition zu verbinden, wie der Vergleich zeigt. Passau 1490
Salzburg 1557
Salzburg 1575
Krabler (Nr. 5 und 6)
Abrenuncias sathane? / dem bosen geist? operibus eius?
Widersagst du dem Teufel?
Widersagst du dem Teufel?
Widersagstu dem Teuffel?
aller seiner hochfart? allen seinen werckhen? Glaubst du in Gott? auch in Jhesum? auch in den heiligen Geist?
aller seiner Hochfart? allen seinen Wercken? Glaubst du in Gott? auch in Jesum? auch in den heyligen Geist?
seinen werkhen? seiner hochfart? Glaubstu in Gott? auch in Jesum? auch in den heyligen geist?
pompis eius? -------
Tab. 10: Vergleich Erste Absage & Zusage Passau 1490 (lateinisch), Salzburg 1557/1575 (lateinisch/deutsch), Krabler (deutsch) Die Fragen nach dem Glauben sind bei Passau 1490 in der Tabelle gestrichen, da sie sich in dem Werk nicht unmittelbar an die erste Absage anschließen, sondern erst auf die zwischengeschaltete Exsufflatio folgen. Passau 1587 weist dieselbe Anordnung auf, reiht jedoch im Unterschied zur Agende von 1490 bei der Absage Hoffahrt und Werke wie die Salzburger Bücher. Krabler entspricht in der Reihenfolge der Fragen zur Absage der Agende von Passau 1490, während die Struktur der Verbindung von Absage und Glaubenszusage offenbar den Salzburger Büchern entnommen wurde. In der dritten Frage nach dem Heiligen Geist verwenden die Salzburger Bücher und Passau 1587 den Begriff „Auferstehung“, Krabler spricht dagegen von „urstendt des fleisch“. Möglicherweise bezieht er sich dabei auf den Römischen Katechismus, der im siebten Kapitel des Abschnitts über Christus ebenfalls mehrfach diesen Terminus enthält.311 Nach dem ersten Glaubensbekenntnis folgen die Riten der Exsufflation und Signation, die mit einer Oration abgeschlossen werden; alle drei Elemente finden sich ebenfalls in den Passauer und Salzburger Büchern. Veit 310 311
Vgl. SPITAL H. J., Der Taufritus in den deutschen Ritualien, Münster 1968, 52. Vgl. Römischer Catechismus, Dillingen 1576, 95–103.
112
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
Dietrich enthält eine exorzistische Formel zur gestrichenen Exsufflation, außerdem die Signation an Stirn und Brust – zwar ohne Spendeformel, aber mit Abschlussoration. Die Passauer und Salzburger Bücher verstehen die Exsufflation ähnlich wie Veit Dietrich als exorzistischen Ritus, wie die Spendeformeln zeigen. Bei der Signation von Stirn und Brust lässt sich eine Dopplung beobachten, die sich in vielen Ritualien der Zeit findet.312 Passau 1490
Salzburg 1557/1575
Krabler (Nr. 7–11)
exufflet in faciem eius tribus vicibus Exi sathanas ab hac ymagine dei … Signum sancte crucis
insuflet in faciem […] per modum crucis Exi ab eo vel ea inmunde spiritus sathana … Signum sancte crucis
Signum salvatoris domini
Signum salvatoris domini
Accipe signum sancte crucis Omnipotens sempiterne deus pater domini …
Accipe signum sancte crucis Omnipotens sempiterne deus pater domini …
Sufflet in faciem infantis in modum crucis Gehe aus du unrainer geist von diser bildnus gottes … Das Zaichen des heyligen Creuz Das Zaichen des heyligen Creuz unsers haylands Nim hin das Zaichen des Creuz Christi Allmechtiger Ewiger Gott und vatter unsers herrn Jesu Christi
Tab. 11: Vergleich Exsufflatio, Signatio und Oration Passau 1490, Salzburg 1557/1575, Krabler Krabler folgt in seiner Agende ganz offensichtlich der regionalen Tradition und kombiniert Passauer und Salzburger Elemente. Die Anhauchung in Kreuzform dürfte aus Salzburg übernommen sein, die Spendeformel (Nr. 7) dagegen stellt mit hoher Wahrscheinlichkeit eine wörtliche Übersetzung der lateinischen Passauer Vorlage aus 1490 (f. IIIv) dar, die auch in Passau 1587 (f. 64v) steht – mit der deutschsprachigen Formel aus Veit Dietrich besteht dagegen keine Übereinstimmung. Doppelte Signation (Nr. 8–10) und Abschlussoration (Nr. 11) sind in Passau und Salzburg gleich; aus einer der beiden Quellen hat Krabler sie wohl übernommen und ins Deutsche übersetzt. Die exorzistische Oration „Omnipotens sempiterne Deus“ ist in praktisch allen Ritualen der Zeit enthalten und stammt ursprünglich aus den Katechumenatsriten des Gelasianum Vetus.313 312 313
Vgl. SPITAL H. J., Der Taufritus in den deutschen Ritualien, Münster 1968, 55. Oration GeV 285; vgl. SPITAL H. J., Der Taufritus in den deutschen Ritualien, Münster 1968, 59.
3 Der Ritus der Taufe im CC 107
113
Die Salzzeremonie beschränkt sich bei Krabler auf die Spendeformel (Nr. 12) und die zugehörige Oration (Nr. 13); der lange Exorzismus über das Salz, den Passau 1490 und Passau 1587 hier einschieben und der in den Salzburger Büchern vor dem Taufritus steht, fehlt bei Krabler vollständig. Da auch ein Weihegebet über das Taufwasser in seiner Agende nicht vorhanden ist, könnte er Salz und Wasser zuvor nach Salzburger oder Passauer Texten gesegnet und exorziert haben, so dass hier wie in anderen Agenden „stillschweigend“ davon ausgegangen werden dürfte, „geweihtes Salz zur Hand“ zu haben.314 Eventuell könnte dieses Fehlen aber auch darauf hindeuten, dass ein solcher Exorzismus bei Krabler nicht üblich gewesen ist. Passau 1490, die Salzburger Agenden 1557/1575 sowie Passau 1587 weisen die gleiche Spendeformel mit der einfachen Formulierung „ut habeas vitam aeternam“ verbunden mit dem in vielen Ritualen der Zeit geläufigen Friedensgruß auf – diesen allerdings in zwei leicht unterschiedlichen Varianten. Die in allen Ritualien enthaltene Oration „Deus patrum nostrorum“ stammt aus dem Gelasianum Vetus und spricht von Gott als „conditor veritatis“, was manche Bücher in „universae conditor creaturae“ geändert haben.315 Passau 1490 unterscheidet sich in dieser Formulierung von Passau 1587 und den Salzburger Büchern, was mit großer Sicherheit darauf schließen lässt, dass Krabler seiner Übersetzung von Spendeformel und Oration die Passauer Tradition von 1490 zugrunde legt, wie der Vergleich zeigt. Passau 1490
Salzburg 1557/ 1575
Passau 1587
Krabler (Nr. 12–13)
Accipe salem sapientie ut habeas vitam aeternam. Pax tibi et spiritui tuo.
Accipe salem sapientiae ut habeas vitam aeternam. Amen. Pax tecum.
Accipe salem sapientiae ut habeas vitam aeternam. Amen. Pax tecum.
Deus patrum nostrorum, deus universe conditor veritatis …
Deus patrum nostrorum, deus univers(a)e creatur(a)e conditor …
Deus patrum nostrorum, Deus universae creaturae conditor …
Nimb hin das salz der weisheit / auf das du habest das ewige leben. der fridt sey mit dier und deinem geist. Gott unser vatter / ein erschaffer aller warheit …
Tab. 12: Vergleich Ritus der Salzgabe Passau 1490, Salzburg 1557/1575, Passau 1587, Krabler 314 315
Ebd., 67. Oration GeV 290; vgl. SPITAL H. J., Der Taufritus in den deutschen Ritualien, Münster 1968, 69.
114
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
Der umfangreiche Komplex der Exorzismen über die Taufkandidaten, der auf die Salzzeremonie folgt, ist ein traditioneller, auf das Gelasianum Vetus zurückgehender Bestandteil der katholischen Taufordnungen. Luthers Taufbüchlein von 1526 und in seiner Folge die Agende Veit Dietrichs bringen davon nur mehr eine deutschsprachige Bearbeitung der Oration „Deus immortale praesidium“, die aus dem „Alkuinischen Anhang zum GrH“ stammt,316 sowie nach dem sog. Sintflutgebet den ersten Teil der exorzistischen Formel „Exorciso te immunde spiritus“.317 Die Version Veit Dietrichs dieser beiden Texte weist zwar aufgrund der gemeinsamen lateinischen Vorlage Ähnlichkeiten mit der deutschen Übersetzung Krablers auf, kann aber wegen eindeutiger Unterschiede kaum seine direkte Quelle gewesen sein. Die von Krabler in der Oration „Deus immortale praesidium“ bzw. „O Gott du ewige hülff aller begerendten“ (Nr. 18) zitierten Verse aus dem Evangelium (Mt 7,7; Lk 11,9) sind keiner der drei untersuchten Bibelübersetzung zuzuordnen, da Luther, Eck und Dietenberger hier dieselbe Version haben. Hinsichtlich der Anordnung der Formeln und Orationen und deren Aufteilung auf männliche und weibliche Täuflinge divergieren die Ritualien zum Teil stark, lassen sich aber nach Spital anhand typsicher gemeinsamer Merkmale in Gruppen einteilen. Die Agende Krablers bildet mit den Passauer und Salzburger Büchern sowie einer Naumburger Agende aus dem Jahr 1502 eine Kategorie, was Ausdruck der bereits festgestellten großen Nähe des Taufritus bei Krabler zur regionalen Tradition der Diözesen Salzburg und Passau ist. Im Wesentlichen bringt Krabler hier eine deutschsprachige Übersetzung der in Passau 1490 und in den Salzburger Agenden von 1557 und 1575 enthaltenen Exorzismen, wobei er die Struktur aus der Agende Salzburg 1557 zu übernehmen scheint. Es ist bemerkenswert, dass die dort den Abschnitt der Exorzismen eröffnende Oration „Deus Abraham, deus Isaac, deus Iacob“ laut Rubrik zwar nur für die männlichen Täuflinge („super masculos tantum“) vorgesehen ist, jedoch im Text beide Geschlechter genannt werden („hunc famulum tuum vel hanc famulam tuam“).318 Das Gebet bildet auf diese Weise mit dem folgenden, gemäß Rubrik über beide Geschlechter zu sprechenden „Ergo maledicte diabole“ ein an männliche wie weibliche Taufbewerber gerichtetes Paar aus Oration und exorzistischer Formel. Nach drei weiteren Paaren jeweils nur für Buben oder Mädchen schließt die über beide gemeinsam zu sprechende Oration „Aeternam ac iustissimam“ den Teil ab. Insgesamt weist die Abfolge der Exorzismen in Salzburg 1557 daher anders als bei Spital angegeben eine symmetrische Struktur auf. Für Salzburg 1575 und die Passauer Bücher sind die 316 317
318
SPITAL H. J., Der Taufritus in den deutschen Ritualien, Münster 1968, 75. Vgl. MARTINUS LUTHERUS, „Das Tauffbüchlein aufs Neue zugerichtet“, Weimar 1897, 539; Veit Dietrich, Abschnitt „Die form aber / wie man tauffen sol / ist dise“ im Kapitel „VIII. Wie man tauffen sol“. Salzburg 1557, f. 41r/v.
3 Der Ritus der Taufe im CC 107
115
Angaben Spitals dagegen korrekt; ihre Anordnung ist asymmetrisch, weil dort die erste Oration tatsächlich nur über die Buben zu beten ist. 319 Krablers erste Oration „Gott Abrahams / Isaacs / und Jacobs“ – eindeutig eine Übersetzung von „Deus Abraham, deus Isaac, deus Iacob“ – ist lediglich mit dem Titel „Oratio“ überschrieben, eine Rubrik fehlt. Die Verwendung beider Geschlechter im Gebetstext zeigt jedoch, dass das Gebet wie in Salzburg 1557 für Buben und Mädchen gleichermaßen gedacht ist, was insgesamt wieder zu einer symmetrischen Struktur der Exorzismen führt. Krabler dürfte daher mit großer Wahrscheinlichkeit Salzburg 1557 als Vorlage verwendet und deren lateinische Rubriken direkt übernommen, die Orationen und Formeln dagegen ins Deutsche übersetzt haben, wie der Vergleich nahelegt. Salzburg 1575 zeigt mit Ausnahme der besprochenen Oration „Deus Abraham, deus Isaac, deus Iacob“ die gleiche Struktur, die Rubriken sind jedoch leicht umformuliert; aufgrund dieser Unterschiede scheidet es wohl als Modell Krablers aus. Dies gilt ebenso für Passau 1490, das zwar wieder außer der ersten Oration gleich aufgebaut ist, seinen Inhalt jedoch anders ordnet und darüber hinaus in den Rubriken deutlich von Krabler und Salzburg 1557 abweicht, indem es etwa mit den mehrfachen Signationen und der Handauflegung zur Schlussoration noch stärker der spätmittelalterlichen Tradition verhaftet ist. 320 Passau 1490
Salzburg 1557
Krabler (Nr. 14–26)
Faciat crucem super masculum: Deus Abraham, deus ysaac
(Formuliert für beide Geschlechter) Deus Abraham, deus Isaac (GeV 291) utrumque: Ergo maledicte (GeV 292)
(Formuliert für beide Geschlechter) Gott Abrahams / Isaacs / und Jacobs utrumque: Derowegen du verfluechter Sathan
Super masculos tantum ---
Super Masculos tantum ---
Deus immortale praesidium (GrH 358) Ergo maledicte
O Gott du ewige hülff aller begerendten Derwegen du verfluchter Sathan ---
Super masculum et feminam: Ergo maledicte --Super feminas: Deus celi Super masculos: Ergo maledicte, Deus immortale praesidium, Ergo maledicte Super feminas: Deus Abraham, deus Isaac, Ergo maledicte 319 320
---
Vgl. SPITAL H. J., Der Taufritus in den deutschen Ritualien, Münster 1968, 79–86. Vgl. KLEINEYER B., Sakramentliche Feiern I, Regensburg 1989, 129 f.
116
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
Hic faciat crucem super masculum: Audi maledicte, Ergo maledicte
Hic faciat Cru+cem Audi maledicte (GeV 294) Ergo maledicte
super masculum: Exorciso te immunde spiritus, Ergo maledicte ---
Exorciso te immunde spiritus (GeV 296) Ergo maledicte
---
Orationes super faminas Deus caeli (GeV 293) Ergo maledicte
---
Deus Abraham, deus Isaac (GeV 295) Ergo maledicte
super feminas: Exorciso te immunde spiritus, Ergo maledicte
Exorciso te immunde spiritus (GeV 297) Ergo maledicte
Hic faciat crucem in frontibus eorum imponens manum super capita eorum: Aeternam ac iustissimam
utrumque: Aeternam ac iustissimam (GeV 298)
Hic faciat Cru+cem Höre du verfluechter Sathan Derwegen du verfluchter Sathan Ich beschwer dich du unrainer geist Derwegen du verfluchter Sathan Orationes super Foemellas O Gott des himels Derwegen du verfluchter Sathan Gott Abrahmas / Gott Isaacs Derwegen du verfluchter Ich beschwere dich du unrainer geist Derwegen du verfluchter utrumque O herr heyliger vatter / ein allmechtiger Ewiger Gott / Ich rueff dein ewige / und uber alle gerechte güetigkheit und gnaden an …
Tab. 13: Vergleich Exorzismen Passau 1490, Salzburg 1557, Krabler
3.4
Ablauf der Taufe ab der Evangelienlesung (Nr. 26–45)
Nach dem Block der Exorzismen wird bei Krabler die Evangelienperikope von der Kindersegnung nach Matthäus (Mt 19,13–15) gelesen (Nr. 27), die mit der Vermahnung der Paten und der an die ganze Gemeinde gerichteten Aufforderung zum fürbittenden Gebet auf die antiken Riten der Übergabe des Evangeliums, des Credo und des Pater Noster zurückgeht. Diese „traditio und redditio heiliger Formeln“ entwickelte sich in den spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Taufritualen zu einem Vorbeten der christlichen Grundgebete, die
3 Der Ritus der Taufe im CC 107
117
„die Paten ihren Täuflingen später vermitteln“ sollten. 321 Da man den Ritus in den meisten der von Spital untersuchten Ritualien des deutschen Sprachraums – so auch bei Krabler und seinen Quellen – „als fürbittendes Gebet“ im Rahmen der Taufe fehlinterpretiert hat,322 wird zusätzlich zum Pater Noster häufig das Ave Maria hinzugefügt, während das Credo – „wohl zum ersten Mal bei Luther“323 – wegfiel, wahrscheinlich weil man es „als Fürbittgebet nicht gerade geeignet“ empfand.324 In Passau 1490 ist das Credo noch vorgesehen, wird aber als Bittgebet dafür verstanden, dass der Täufling im wahren Glauben bewahrt werden möge.325 Krabler mahnt in seiner Ansprache (Nr. 28) nach der Verkündung des Evangeliums die Paten nicht nur zu einer guten Unterweisung „des Christlichen glaubens / des heyligen Vatterunsers / Englischen Grueß / der zehen gebot“, sondern fordert auch alle Anwesenden auf, gemeinsam mit ihm ein Pater Noster und ein Ave Maria für den Täufling zu beten – vom Sprechen des Credo ist keine Rede (Nr. 29). Eine Lesung aus dem Evangelium nach den Exorzismen findet sich in „nahezu allen Ritualien“ des deutschsprachigen Raumes;326 in der Regel wird passend zur Kindertaufe die Segnung der Kinder aus Matthäus (Mt 19,13–15) oder die Parallelstelle bei Markus (Mk 10,13–16), ganz selten auch eine andere Perikope gewählt. Die Verlesung ist meist „ganz oder teilweise dem Ritus der heiligen Messe angepaßt“ und wird durch Rubriken zur Bezeichnung der Kinder mit dem Kreuz, zum Halten des Evangeliums – Passau 1490 erinnert mit „Hic imponatur evangelium dicendo“ an die alte Traditio Evangelii327 – oder zur Handauflegung näher bestimmt.328 Krabler macht keine vergleichbaren Angaben, sondern übernimmt aus seinen Quellen nur die liturgische Rahmung. Die Einleitung „Lasset uns hören das heylig Evangelium“ dürfte aus der Agende Veit Dietrichs stammen, da dort diese Formel ebenfalls zu Beginn der Perikope vorgesehen ist. Die Passauer und Salzburger Bücher eröffnen dagegen mit „Dominus Vobiscum“, das bei Krabler fehlt.
321 322 323 324
325 326 327 328
KLEINEYER B., Sakramentliche Feiern I, Regensburg 1989, 162. SPITAL H. J., Der Taufritus in den deutschen Ritualien, Münster 1968, 93. JORDAHN B., „Der Taufgottesdienst im Mittelalter bis zur Gegenwart“, Kassel 1970, 372. SPITAL H. J., Der Taufritus in den deutschen Ritualien, Münster 1968, 93; vgl. zu diesem Absatz auch ebd., 90–95; KLEINEYER B., Sakramentliche Feiern I, Regensburg 1989, 130–134.162 f.; JORDAHN B., „Der Taufgottesdienst im Mittelalter bis zur Gegenwart“, Kassel 1970, 371–380. Vgl. Passau 1490 f. VIIr. SPITAL H. J., Der Taufritus in den deutschen Ritualien, Münster 1968, 90. Passau 1490 f. VIv. SPITAL H. J., Der Taufritus in den deutschen Ritualien, Münster 1968, 90; vgl. ebd., 88–91.
118
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
Mit der Wahl der Perikope aus Matthäus folgt Krabler sehr wahrscheinlich der Passauer Tradition, die in Passau 1490 und Passau 1587 ebenfalls die Lesung dieses Evangelisten vorsieht. Die Salzburger Bücher von 1557 und 1575 haben zwar beide als Rubrik „secundum Marcum 10“ (Salzburg 1557, f. 45v; Salzburg 1575, S. 22), enthalten aber dann wie Passau die lateinische Perikope aus dem Matthäusevangelium; Veit Dietrich bietet die Stelle aus Markus, so dass bei ihm Rubrik und Bibeltext übereinstimmen. Aus Passau 1490 dürfte der der Lesung vorangehende Vers „Sequentia + sancti Evangelii secundum Mathaeum“ übernommen sein. Mit dem Abschluss „Deo gratias per istos sermones“ bezieht sich Krabler auf die in Passau 1490 und den Salzburger Büchern in zwei Varianten angegebene Formel „Per istos sermones“, die auf das die Lesung abschließende „Deo gratias“ folgt. Häufig ist diese als eine der Messe „entsprechende Schlußformel“ neben einer zweiten Variante in vielen Ritualien der Zeit enthalten und beinhaltet eine apologetische Vergebungsbitte.329 In Passau 1490 lautet sie „Per istos sermones sancti evangelii indulgeat tibi universa delicta tua. Amen“, in Salzburg 1557 und 1575 leicht verändert „Per istos sermones sancti Euangelii, indulgeat nobis dominus noster I(h)esus Christus omnia delicta nostra. Amen“. Welche der beiden Versionen Krabler gebraucht hat, lässt sich nicht entscheiden. Die deutschsprachige Matthäusperikope könnte Krabler der Übersetzung Ecks entnommen und für den liturgischen Gebrauch leicht verändert haben, stimmen doch beide im Wesentlichen überein. Der Vers Mt 19,13a dagegen steht der Übersetzung Luthers sehr nahe. Eventuell hat Krabler die in Passau 1490 enthaltene Perikope auch direkt unter Zuhilfenahme einer der erwähnten oder anderer Übertragungen selbst übersetzt oder eine bisher unbekannten Quelle für sein Zitat verwendet. Den Abschluss der Exorzismen bildet die bei Krabler mit „Catechisatio“ überschriebene Formel „Du solt hiemit wissen Sathan“ (Nr. 30). Es handelt sich dabei um die deutsche Übersetzung des „Schlußexorzismus ‚Nec te latet‘“ aus dem Gelasianum Vetus (GeV 419), der in fast allen Ritualien aus dem deutschsprachigen Raum überliefert und meist mit der aus dem GeV stammenden Rubrik zur Handauflegung verbunden wird.330 Passau 1490 sieht eine solche zu „Nec te lateat“ vor, die Salzburger Bücher fordern den Priester zusätzlich auf, seine Stola über die Täuflinge zu legen; Krabler und Passau 1587 erwähnen dagegen keine Handauflegung. Der nach dem „Anfang des Deutewortes“ als Effata oder bei Spital als Effeta bezeichnete „altkirchliche Ritus“ der „Öffnung der Sinne“, dessen Deutung wohl auf Ambrosius zurückgeht, steht im Gelasianum Vetus (GeV 420) direkt im Anschluss an „Nec te latet“ und findet sich in allen von Spital untersuchten katholischen Ritualien aus dem deutschen Sprachraum des 15. und 329 330
Ebd., 90 f. Vgl. ebd., 95 f.
3 Der Ritus der Taufe im CC 107
119
16. Jahrhunderts.331 Krabler übernimmt diesen Ritus aus Passau 1490 bzw. den Salzburger Büchern, modifiziert jedoch seine Vorlage. So streicht er deren exorzistisches Element und hängt an die Formel zum linken Ohr (Nr. 33) das Wort zur Einführung des Taufkandidaten in die Kirche aus Passau 1490 und Salzburg 1557/1575 („Ingredere in templum dei …“) an, das in Passau 1587 fehlt. Passend dazu soll das Kind bei Krabler nach der gesprochenen Formel entkleidet und für das Taufbecken vorbereitet werden (Nr. 34), was in den Salzburger Büchern ausführlich beschrieben wird und auf einen liturgischen Ortswechsel hindeutet. Laut Spital ist der „Ritus der Einführung in die Kirche“ in der Zeit der von ihm untersuchten Drucke noch im Werden; wenn ihn die Ritualien aus dem deutschsprachigen Raum enthalten, setzen sie ihn jedoch mit einer überraschenden „Einheitlichkeit der Tradition“ an die Stelle nach dem Effata-Ritus, wie es auch die Passauer und Salzburger Bücher tun.332 Die rubrikale Angabe Krablers, dass der Priester das Kind mit etwas in Lehm („lutum“) getauchtem Speichel berühren solle (Nr. 31), hat er vermutlich der Salzburger Tradition entnommen, da Passau 1490 nur den Speichel („sputo oris sui“) erwähnt. Es ist allerdings unklar, ob Krabler dies so auch praktiziert oder statt Lehm Asche verwendet hat, wie er in seiner Liturgieerklärung (Nr. 2) andeutet.333 Insgesamt scheint der Ritus Krablers eine Kombination aus Passau 1490 und Salzburg 1557/1575 zu sein: Passau 1490
Salzburg 1557/1575
Krabler (Nr. 31–34)
sputo oris sui
sputo oris sui, addito modico luto Aurem dexteram: Effeta, quod est adaperire Nares: In odorem suauitatis ---
parum sputi intincti in lutum tangens dexteram aurem: Effata das ist thue dich auf Ad Nares: zu einem lieblichen geruch ---
Demum sinistram aurem: Tu autem effugare maledicte diabole, appropinquabit enim iudicium dei
Ad sinistram Aurem: Dann das gericht Gottes würdt sich herzu nahen / gehe ein in den Tempel Gottes / auf
Aurem dextram: Effeta, quod est adaperire Nares: In odorem suavitatis Ad linguam: Tu autem effugare dyabole Ad sinistram aurem: Appropinquabit enim iudicium dei
331 332 333
KLEINEYER B., Sakramentliche Feiern I, Regensburg 1989, 132; vgl. SPITAL H. J., Der Taufritus in den deutschen Ritualien, Münster 1968, 97 f. Ebd., 103. Vgl. dazu Kapitel 3.2 „Katechetische Liturgieerklärung“.
120
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
das du würdig werdest / zu sehen den Sohn Gottes des lebendigen Introducatur cathecuminus in ecclesiam: Ingredere in templum dei ut merearis videre filium dei vivi pervenietur ad fontem cum puero …
Baptisandus introducatur ad ecclesiam: Ingredere in templum dei ut merearis videre filium dei vivi Praeparetur […] ad baptismum
solvatur Puer et praeparetur ad Baptisterium
Tab. 14: Vergleich Effata-Ritus Passau 1490, Salzburg 1557/1575, Krabler Nach der praktischen Vorbereitung auf die Taufe und dem vermuteten Ortswechsel an das Taufbecken beginnt das „eigentliche Kernritual der Taufe“334 mit der erneuten Absage an den Teufel und dem Bekenntnis des Glaubens, auf die die präbaptismale Ölsalbung folgt. Diese Anordnung weist Passau 1490 wie eine große Zahl der Bücher in der Zeit um 1500 auf, ergänzt sie aber mit der Frage nach dem Namen des Täuflings. In Passau 1587 findet sich diese Hinzufügung ebenfalls, in den Salzburger Büchern fehlt sie. Passau 1490 enthält wie die beiden Agenden Salzburg 1557/1575, Passau 1587 und auch Veit Dietrich die aus dem Gelasianum Vetus stammenden je drei Fragen der Absage an den Teufel und Zusage des Glaubens. Dabei weist Passau 1490 hier wie bei dem Absage-Zusage-Paar zu Beginn des Ritus mit der Reihung „operibus“ vor „pompis“ jedoch die ursprüngliche Abfolge aus GeV 421 auf, was es mit den meisten älteren Ritualien gemeinsam hat. Die neueren Bücher Mainz 1551, Salzburg 1557/1575, Passau 1587 dagegen stellen in den Absagefragen „operibus“ nach „pompis“, was in den Ritualien ab etwa 1550 verstärkt zu beobachten ist; die Glaubensfragen stehen sowohl bei den neueren Büchern als auch beim älteren Passau 1490 in der ursprünglichen Anordnung (GeV 449). In der Agende Krablers wird die Tradition von Passau 1490 mit der aus Salzburg verbunden, wobei eine Absagefrage gestrichen wird – in den von Spital untersuchten Ritualien ist das eine große Ausnahme gegen die übliche dreigliedrige Form.335
334 335
SPITAL H. J., Der Taufritus in den deutschen Ritualien, Münster 1968, 103. Zu diesem Absatz vgl. SPITAL H. J., Der Taufritus in den deutschen Ritualien, Münster 1968, 106–109; KLEINEYER B., Sakramentliche Feiern I, Regensburg 1989, 134.
3 Der Ritus der Taufe im CC 107
121
In der dritten Frage nach dem Glauben an den Heiligen Geist (in Nr. 37) spricht Krabler anders als zu Beginn des Taufritus (in Nr. 6) nicht mehr von den „urstendt des fleisch“, sondern von der „Auferstehung“ – ein Terminus, den auch die Salzburger Bücher gebrauchen.336 Passau 1490
Salzburg 1557/1575
Krabler (Nr. 35–37)
Quis vocaris Abrenuncias sathanae Abrenuncio omnibus operibus eius Abrenuncio omnibus pompis eius Abrenuncio Quis vocaris Credis in deum patrem Credo in Jesum Credo
--Widersagst du dem Teuf(f)el? Ich widersag(e) seiner hochfart? Ich widersag(e) allen seinen werken? Ich widersag(e) --Glaubst du in Got(t)? Ich glaub. auch in J(h)esum? Ich glaub.
Nennts Khindt. N. widersagstu dem Teuffel? Ich widersag allen seinen werkhen? Ich widersag ---
et in spritium sanctum Credo
in den heyligen Geist? Ich glaub.
--N. Glaubstu in Gott? Ich glaub. Glaubstu in Jesum Christum? Ich glaub. Glaubst auch in den heyligen Geist? Ich glaub.
Tab. 15: Vergleich Absage/Zusage Passau 1490 (lateinisch), Salzburg 1557/ 1575 (lateinisch/deutsch), Krabler (deutsch) Die Ölsalbung bei Krabler scheint in einer vereinfachten Form einem „vor allem im Passauer Raum“ verbreiteten „Sonderbrauch“ mit eigenen Spendeformeln zur Salbung an Brust und zwischen den Schultern am Rücken zu folgen, der in Passau 1490 dokumentiert ist; laut Spital kann die Agende Krablers daher „als mit Sicherheit der Passauer Tradition zugehörig“ bezeichnet werden.337 Ganz anders ist die Anordnung in Passau 1587, das die Ölsalbung zwischen Taufakt und Chrisamsalbung setzt.
336 337
Vgl. dazu Kapitel 3.3 „Ablauf der Taufe bis zu den Exorzismen (Nr. 1–26)“. SPITAL H. J., Der Taufritus in den deutschen Ritualien, Münster 1968, 109 (Anm. 617).
122
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
Passau 1490
Salzburg 1557/1575
Krabler (Nr. 38–39)
liniat pectus: Fuge immunde spiritus da honorem deo vero et viuo Et ego te linio oleo salutis in christo iesu domino nostro Exi immunnde spiritus da locum spiritui sancto Inter scapulas: Exi immunde spiritus da locum spiritui sancto. Et ego te lineo oleo salutis in christo iesu domino nostro. pax tecum et cum spiritu tuo
faciat crucem in pectore: Ego te lineo oleo salutis.
faciat crucem in pectus: Fleuch du unrainer Geist / und gib die ehr dem wahren und lewendigen Gott / gehe auß du unrainer Geist / und gib raum dem heyligen Geist.
faciat crucem inter scapulas: In Christo Iesu Domino nostro, pax tecum et cum spiritu tuo.
zwischen den Schulttern: und Ich salbe dich mit dem öle deß hails in Christo Jesu unserm herrn.
Tab. 16: Vergleich Ölsalbung Passau 1490 (lateinisch), Salzburg 1557/1575 (lateinisch/deutsch), Krabler (deutsch) Im Aufbau des Taufrituals stellt der eigentliche Taufakt dessen „Herzstück“338 dar, der von der Frage nach der Absicht, getauft zu werden, und der postbaptismalen Chrisamsalbung gerahmt wird; in der Regel wird außerdem noch einmal nach dem Namen des Kindes gefragt. Die rechte Intention zum „Empfang des Sakramentes herzustellen bzw. sich über sie zu vergewissern“, dürfte der Grund dafür sein, dass sich der Priester gemäß fast allen von Spital untersuchten Ritualien nach dem Willen zur Taufe erkundigen muss. 339 In den Passauer und Salzburger Büchern ist die Frage „Vis baptizari?“ bzw. in Salzburg 1575 und Passau 1587 auch auf Deutsch „Wilt du getaufft werden?“ je dreimal zu stellen, nachdem der Name des Kindes erfragt wurde – nur Salzburg 1557 fragt hier nicht nach dem Namen des Kindes. Ein „Wiltu getaufft werden?“ kennt auch Veit Dietrich unmittelbar vor dem Taufakt. In Entsprechung zu seinen Passauer und Salzburger Quellen lässt Krabler die Paten den Namen des Täuflings nennen („Nennts Khindt“ in Nr. 40) und dreimal den Taufwunsch bestätigen, wobei das Kind direkt mit Namen angesprochen wird („N. wiltu getaufft werden?“ in Nr. 41). Die Rubrik zu dieser Frage („Sacerdos ter interroget“) 338 339
Ebd., 110. Ebd., 110 f.
3 Der Ritus der Taufe im CC 107
123
dürfte er aus den Salzburger Büchern entlehnt haben, die hier „tunc sacerdos interroget puerum ter dicens“ haben.340 Passau 1490 sieht die Taufe sowohl durch Ein- bzw. Untertauchen („immergendo“) als auch durch Übergießen („superfusio“) vor, die jeweils einmal oder dreimal zu den Worten Vater, Sohn und Geist vollzogen werden soll; entsprechend der örtlichen Tradition kann eine Variante gewählt werden. Die Bücher aus Salzburg stellen ebenfalls diese Möglichkeiten je nach lokalem Brauch („pro consuetudine loci“) zur Auswahl. Da sie aber das Übergießen – „aspersio“ hier synonym zu „superfusio“ gebraucht341 – vor dem Eintauchen bzw. Untertauchen („intinctio vel immersio“342) aufführen, scheinen sie jener Form mehr Gewicht zu geben. Sie dokumentieren damit wohl den „in der Rücksichtnahme auf die kleinen Täuflinge“ begründeten Übergang vom Tauchen zum Übergießen.343 In Passau 1587 wird dies besonders deutlich. Das Rituale erwähnt zwar noch beide Formen, die je nach Lokalbrauch gewählt werden können, stellt jedoch eine eindeutige Wertung auf, wenn es in der Rubrik formuliert: „immergendo sed melius superfundendo“.344 Das Beispiel Augsburg zeigt, dass diese Entwicklung bereits am Ende des 15. Jahrhunderts begonnen hat. Während eine Synode in der genannten Stadt im Jahr 1321 die dreifache Eintauchung forderte und auch das Augsburger Obsequiale von 1487 noch betonte, dass die „Immersionstaufe […] ohne wichtigen Grund nicht geändert werden solle“, zeigt eben jenes Rituale bereits selbst, dass diese Art der Taufe nicht mehr unangefochten war, wenn es aus Sicherheitsgründen die „dreimalige Besprengung über dem Täufling“ empfiehlt.345 Anders als seine Quellen macht Krabler zur Art und Weise des Taufaktes keine Angaben, vermutlich geht er von den lokalen Gepflogenheiten aus, die ja auch die Passauer und Salzburger Bücher berücksichtigen. Der in der Pfarrkirche von Steinerkirchen an der Traun erhaltene mittelalterliche Taufstein lässt aufgrund der Größe des Beckens kein vollständiges Untertauchen zu, weshalb Krabler selbst vermutlich die Form des Übergießens, vielleicht auch des Eintauchens bei der Taufe praktizierte.346 Die Bücher von Passau und Salzburg zeichnet aus, dass sie die Taufformel mit „Ego baptizo te“ statt mit „Ego te baptizo“ beginnen, wie es sonst in den
340 341 342 343 344 345 346
Salzburg 1557, f. 51r; Salzburg 1575, 28. Vgl. SPITAL H. J., Der Taufritus in den deutschen Ritualien, Münster 1968, 112. Salzburg 1557, f. 51v; Salzburg 1575, 29. SPITAL H. J., Der Taufritus in den deutschen Ritualien, Münster 1968, 113. Passau 1587, f. 74r. JORDAHN B., „Der Taufgottesdienst im Mittelalter bis zur Gegenwart“, Kassel 1970, 394. Zur Taufpraxis zwischen Eintauchen und Übergießen vgl. SPITAL H. J., Der Taufritus in den deutschen Ritualien, Münster 1968, 112–116.
124
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
anderen Agenden der Zeit offenbar die Regel gewesen zu sein scheint.347 Krabler hat die gleiche Anordnung der Worte wie die Passauer und Salzburger Bücher, da er diese als Vorlage für seine Agende verwendet hat. Ein weiterer Grund könnte jedoch auch schlicht die deutsche Grammatik sein, denn anders als fast alle katholischen Ritualien seiner Zeit bietet er die zentrale Taufformel in der Volkssprache an (Nr. 42). Dies ist bemerkenswert und stellt seine Agende in eine Reihe mit den reformorientierten katholischen Arbeiten von Georg Witzel und Johann Leisentritt, den Krabler selbst als sein Vorbild bezeichnet.348 Die Formel Krablers dürfte eine Übersetzung nach Passau 1490 oder den Salzburger Büchern sein. Das bei Krabler fehlende Amen am Ende der Formel spricht für Passau 1490, da es anders als die Bücher Salzburg 1557 und 1575 gleichermaßen auf das Amen an dieser Stelle verzichtet. Aufgrund der deutlichen Unterschiede kann die Formel bei Veit Dietrich nicht die Vorlage Krablers gewesen sein. Die Ergänzung des Wortes „Gottes“ in der trinitarischen Taufformel geht vielleicht auf Krabler selbst oder eine unbekannte Quelle zurück; er verwendet die Formel in diesem Wortlaut auch bei der Eheschließung (Nr. 93) und beim Segen über die Brautleute (Nr. 96).349 Passau 1490, Salzburg 1557/1575
Veit Dietrich
Krabler (Nr. 42)
N. Ego baptizo te in nomine Patris et Filii et Spiritus Sanctus
Und ich Tauffe dich / Im Namen des Vatters / und des Sons / und des heyligen Geysts
N. Ich tauff dich im namen Gottes Vatters / und des Sohns / und des heyligen Geists
Tab. 17: Vergleich Taufformel Passau 1490, Salzburg 1557/1575, Veit Dietrich, Krabler Direkt im Anschluss wird das neugetaufte Kind mit Chrisam gesalbt, wobei der Priester laut Rubrik bei Krabler mit dem Daumen ein Kreuz auf den Scheitel des Kindes zeichnen soll (Nr. 43). Dies entspricht den Vorgaben der Passauer und Salzburger Bücher, einzig der Daumen ist im allgemeiner formulierenden Rituale Passau 1490 nicht erwähnt. Die in beiden Traditionen gleiche Spendeformel zur Salbung „Deus et pater domini nostri Iesu Christi“ geht auf das Gelasianum Vetus zurück (GeV 450);350 Krabler übernimmt die Formel in wörtlicher deutscher Übersetzung. Vermutlich dürfte er dabei Passau 1490 347 348 349 350
Vgl. ebd., 116. Vgl. ebd., 152–163; Kapitel 1.4 „Die Entstehungsgeschichte des Textes“. Vgl. Kapitel 2.6 „Feier der Trauung (Copulatio Sponsi et Sponsae und Vermahnung nach der Hochzeit)“. Vgl. SPITAL H. J., Der Taufritus in den deutschen Ritualien, Münster 1968, 117.
3 Der Ritus der Taufe im CC 107
125
zugrunde gelegt haben, weil diese Agende die Formel wie Krabler mit Amen abschließt. Es könnte sich dabei um eine typisch Passauer Tradition handeln, findet sich in Passau 1587 doch dieselbe Form. Die Agenden Salzburg 1557 und 1575 hängen dagegen wie „ein beträchtlicher Teil“ zeitgenössischer Ritualien den Friedensgruß „Pax tecum“ an.351 Veit Dietrich hat zwar keine Chrisamsalbung, bringt aber bei der Übergabe des Taufkleides ebenfalls die alte Spendeformel für das Chrisam in einer deutschen Übersetzung. Weil sich die Formulierungen der beiden Übertragungen in Veit Dietrich und der Agende Krablers deutlich unterscheiden, ist jedoch unwahrscheinlich, dass Veit Dietrich als Modell der Übersetzung Krablers in Frage kommt. Passau 1490
Salzburg 1557/1575
Veit Dietrich
Krabler (Nr. 43)
Deus et pater domini nostri ihesu christi qui te regenerauit ex aqua et spiritu sancto quique dedit tibi remissionem omnium peccatorum tuorum. Ipse te liniat Crismate salutis in christo ihesu domino nostro in uitam eternam. Amen.
Deus et pater domini nostri Iesu Christi qui te regenerauit ex aqua et spiritu sancto quique dedit tibi remissionem omnium peccatorum tuorum, ipse te lineat Crismate salutis in Christo Iesu Domino nostro. Pax tecum
Der Allmechtig Gott und Vatter unsers Herrn Ihesu Christi / der dich von oben herab geborn hat / durchs wasser und den heyligen Geyst / unnd hat dir alle deine sünde vergeben / Der sterck dich mit seiner genad / zum ewigen leben / Amen. Der fried sey mit dir.
Gott und vatter unsers herrn Jesu Christi / der dich wider geboren hat aus dem wasser und heyligen Geist / der dier auch geben hat verzeihung aller deiner Sünden / der salb dich mit dem Chrisam des hails / in Christo Jesu unserm herrn / zum ewigen leben. Amen.
Tab. 18: Vergleich Chrisamsalbung Passau 1490, Salzburg 1557/1575, Veit Dietrich, Krabler Den liturgischen Abschluss des Taufritus bilden die zwei Zeichenhandlungen der Übergabe von Taufkleid und Taufkerze. Worte zur Entlassung, eine sich anschließende Taufkommunion, die aber nach 1522 keine Quelle mehr dokumentiert, oder die Spendung des Ablutionsweines, wie sie einige Rituale bis ins 18. Jahrhundert kennen, fehlen sowohl in den Büchern aus Passau und 351
Ebd., 118.
126
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
Salzburg als auch bei Krabler.352 Die Übergabe der Taufkerze könnte Krabler aus den Salzburger Büchern übernommen haben, da sie dieses Zeichen kennen – anders als das Passauer Rituale von 1490. Dass auch die Liturgieerklärung Krablers nicht von einer Taufkerze spricht, erlaubt jedoch ex nihilo keine Aussage über einen tatsächlichen Gebrauch oder Nichtgebrauch in der liturgischen Praxis Krablers, wie bereits im Kapitel zur katechetischen Liturgieerklärung hervorgehoben wurde.353 Passau 1490
Salzburg 1557/1575
Krabler (Nr. 44–45)
Accipe uestem candidam et imaculatam quam perferas ante tribunal christi ut habeas uitam eternam. Pax tecum Et cum spiritu tuo
Accipe uestem candidam et immaculatam quam perferas ad Tribunal christi ut habeas uitam aeternam.
Nim hin das weiß unvermailigt khlaidt / das du bringest für den Richterstuel Christi / auf das du habest das ewige leben / der fridt sey mit dier und mit deinem geist.
---
Accipe lampadem irreprehensibilem, custodi baptismum tuum ut cum Dominus unerit ad nuptias possis ei occurrere in aula sancta coelesti, Amen.
Nim hin das unsträflich liecht / auf das / wo der herr zu richten khummen wierdt / du Ihme entgegen lauffest / in den grossen heyligen und himlischen Saal / zu der freudt des ewigen lebens. Amen.
Tab. 19: Vergleich Taufkleid/Taufkerze Passau 1490, Salzburg 1557/1575, Krabler Seine Formel „Nim hin das unsträflich liecht“ (Nr. 45) zur Übergabe der Taufkerze weist deutliche Unterschiede zu Salzburg 1557/1575 („Accipe lampadam“) auf, so dass es sich um keine direkte Übersetzung handeln kann. Bestehende Parallelen könnten aber eventuell darauf hindeuten, dass Krabler seinen Text als freie Bearbeitung des Salzburger Vorbildes verfasst hat. Darüber hinaus bildet möglicherweise eine bisher unbekannte Quelle das Modell für die Formel Krablers.354 352 353 354
Vgl. ebd., 125–127. Vgl. dazu Kapitel 3.2 „Katechetische Liturgieerklärung“. Vgl. dazu die fast gleichlautende Formel zur Taufkerze in Cgm 9509, f. 91r; DONAHUE L. A., „Presentation and Discussion. Part one“, 302.
3 Der Ritus der Taufe im CC 107
3.5
127
Fazit Drittes Kapitel
Der Aufbau des Taufritus bei Krabler weist ihn als deutsche Übersetzung eines typisch spätmittelalterlichen Ritus der Passauer Tradition aus. So folgt Krabler im Wesentlichen der Agende Passau 1490, die er aber etwa durch die symmetrische Anordnung der Exorzismen oder das liturgische Element der Taufkerze aus der Salzburger Tradition nach Salzburg 1557 korrigiert und erweitert. Eine wesentliche Neuerung gegenüber seiner Vorlage aus Passau sind die an die Anwesenden und Paten gerichteten Vermahnungen in deutscher Sprache zur Erklärung des Taufritus und der Pflichten der Paten, die typisch für die Rituale und Agendbücher des 16. Jahrhunderts sind. Weil sie in Passau 1490 noch vollständig fehlen, hat Krabler dabei vermutlich vor allem auf Salzburg 1557 zurückgegriffen, für die dort nicht vorhandene Liturgieerklärung aber wohl die Agende Mainz 1551 verwendet. Die Ansprache zu Beginn der Feier ist an alle Anwesenden gerichtet und bietet zunächst eine traditionelle Tauftheologie. So bezeichnet Krabler die Taufe dort im Rückgriff auf den Titusbrief (Tit 3,5) als „Sacrament der widergeburt“, nennt sie im Sinne des Armenierdekretes von 1439 „thür aller andern Sacrament“ und führt als ihre Wirkungen die Reinigung von den Sünden sowie die Eingliederung in die Kirche auf – die Gläubigen werden durch sie zum „Tempel des heyligen Geists“. Seiner Zeit entsprechend geht Krabler vom Normalfall der Kindertaufe aus, deren Berechtigung und Notwendigkeit sowohl Luther als auch das Konzil von Trient gegen die Praxis der Wiedertäufer verteidigt haben. In diesem Kontext scheint die Agende des CC 107 gemäß der Lehre vom Kinderglauben den noch unmündigen Täuflingen eine aktive Rolle zuzuschreiben, wenn es heißt, dass diese in der Taufe „Christo dem herrn […] profeß thuen“. Im zweiten Teil der Ansprache werden einzelne liturgische Elemente des Ritus erläutert, um diese in katechetischer Absicht für die Gläubigen plausibel zu machen. Schließlich handelt es sich dabei vor allem um jene Elemente, die im deutlich kürzeren lutherischen Taufritus, wie er nach der Agende von Veit Dietrich in Oberösterreich weit verbreitet war, gestrichen sind. Darüber hinaus verstecken sich in den Erklärungen möglicherweise Hinweise auf die tatsächliche pastorale Praxis Krablers. So fällt etwa auf, dass in der Ansprache die Übergabe der Taufkerze fehlt, obwohl sie im Ritus selbst vorgesehen ist – ein zwingender Schluss lässt sich daraus jedoch nicht ziehen. Zusammenfassend kann der Taufritus im CC 107 aufgrund der Vermahnungen und der Tatsache, dass er wie in den lutherischen und für Reformen offenen katholischen Agenden der Zeit vollständig – samt Taufformel – in deutscher Sprache steht, als eine innovative, pastoral ausgerichtete und erweiterte Interpretation der Passauer Diözesantradition bezeichnet werden.
Conclusio
Mit der vorliegenden Studie wird die von Sebastian Krabler zusammengestellte Agende im CC 107 der Stiftsbibliothek Kremsmünster aus dem Jahr 1580 ediert, theologisch analysiert und in ihrem historischen Kontext verortet. Ein vergleichender Ansatz erschließt die Quellenlage des Kodex, d. h. die Herkunft der Orationen, Rubriken und Vermahnungen der einzelnen Riten. Die Studie hat dafür vor allem liturgische Texte herangezogen, die während des 16. Jahrhunderts in Oberösterreich gebräuchlich waren, so die Passauer Agende von 1490, die Salzburger Agenden von 1557 und 1575, die 1543 erschienene lutherische Agende von Veit Dietrich und die 1571 für das Erzherzogtum Österreich unter der Enns veröffentliche Agende des David Chyträus; darüber hinaus wurden weitere zeitgenössische Bücher wie die Mainzer Agende von 1551, Werke von Petrus Canisius oder evangelische Gesangbücher konsultiert. Die auf diese Weise identifizierten direkten und indirekten Bezüge in Krablers Agende lassen nicht nur die Arbeitsweise sondern auch den liturgischen und geistigen Hintergrund des Autors besser verstehen. Einige Gebete und Formeln der Agende konnten keiner Quelle zugeordnet werden. Vielleicht stammen sie, etwa die Absolutionsformel für ein Jubeljahr (Nr. 62) oder das zweite Gebet für die Obrigkeit (Nr. 113), aus einem hier nicht untersuchten Werk; möglicherweise sind einige Texte aber auch von Sebastian Krabler selbst verfasst worden, was etwa für das Dankgebet nach dem Kommunionempfang (Nr. 71) oder das Segensgebet über die Eheleute (Nr. 94) vermutet wird. Die biblischen Zitate und Verweise in der Agende konnten zum Großteil bestimmt und die Verse in deutscher Sprache mit den – weil im 16. Jahrhundert weit verbreiteten – als Referenztexten herangezogenen Übersetzungen von Luther, Eck und Dietenberger verglichen werden. Weil die Zitate meist nicht wörtlich, sondern in einer bearbeiteten Fassung erscheinen – so ersetzt Krabler etwa den Begriff „gemein“ bei Luther an mehreren Stellen mit „khirchen“ – und außerdem weitere, in der vorliegenden Studie nicht berücksichtigte Bibelausgaben verwendet worden sein könnten, ist eine Zuordnung schwierig. Nur an wenigen Stellen lässt sich eine direkte und indirekte Verwendung sowohl der „katholischen“ Übersetzung von Johannes Eck als auch der Lutherbibel (etwa in der Vermahnung zur Hochzeit) belegen. Im Ergebnis erweist sich die Agende des Sebastian Krabler als ein Beispiel für die Vielfalt katholischer Ritualien des 16. Jahrhunderts, das sich besonders durch seine Offenheit für die Impulse der Reformation zur Erneuerung des kirchlichen Lebens auszeichnet. Entstanden inmitten der vielfach turbulenten Prozesse der Herausbildung und Trennung der verschiedenen Konfessionen
Conclusio
129
gibt der CC 107 einen bemerkenswerten Einblick in die Praxis einer oberösterreichischen Landpfarrei seiner Zeit. Im Land ob der Enns hat sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die von den Adeligen und den Bewohnern der Städte und Märkte getragene Reformation voll entfalten können. Die politische Stärke der Landstände gegenüber dem kaiserlichen Landesherrn und der problematische Zustand des Klerus, der anders als Krabler in der Regel kaum theologisch gebildet war, hatten dazu maßgeblich beigetragen. Verschiedene protestantische Strömungen entwickelten sich neben der althergebrachten Form der abendländischen Kirche, so dass es zu einem konfessionellen Mitund Nebeneinander kam, in dem das Luthertum dominierte. Die Gläubigen fühlten sich zwar einer Richtung zugehörig, übernahmen jedoch ohne Berührungsängste theologische und liturgische Elemente der anderen. So unterstanden alle Pfarrer offiziell weiterhin dem Bischof von Passau, predigten aber lutherisch oder waren verheiratet. Bis um das Jahr 1580, dem Entstehungsjahr der Agende Krablers, ist daher eine genaue konfessionelle Zuordnung in Oberösterreich kaum möglich, wie etwa Leeb und Froschauer festhalten.355 Erst in den 1580er Jahren verstärkte sich auf beiden Seiten eine auf Abgrenzung bedachte Entwicklung, als sich die Protestanten 1577 auf die sog. Konkordienformel einigen konnten und andererseits die Reformmaßnahmen der Römischen Kirche im Sinne des Trienter Konzils Wirkung zeigten. Die im Zuge der sog. Gegenreformation von katholischer Seite gesetzten Maßnahmen versuchten politisch, theologisch und liturgisch den Protestantismus zurückzudrängen, das eigene Profil zu schärfen und eine katholische Erneuerung unter römischen Vorzeichen zu befördern. Im Kontext der Durchsetzung der Beschlüsse von Trient war insbesondere die Herausgabe neuer liturgischer Bücher im Namen des Papstes wesentlich, wie des allgemein verpflichtend eingeführten Missale Romanum von 1570. Selbstständig regeln konnten die einzelnen Diözesen jedoch weiterhin den Bereich der Sakramente und Sakramentalien im Leben einer Pfarrei, denn das Rituale Romanum von 1614 blieb optional – als Modellbuch entfaltete es jedoch trotzdem eine große Wirkung etwa in der Gestaltung der Taufe oder der Eheschließung.356 Im frühen 17. Jahrhundert gewann schließlich eine vor allem durch die Habsburger forcierte katholische Konfessionalisierung die Oberhand. Praktiken wie der Laienkelch, der Gebrauch der Volkssprache oder die Priesterehe entwickelten sich von akzeptablen Ansätzen der Erneuerung zum konfessionellen Unterscheidungsmerkmal. In Spannungsfeld der Entwicklungen dieser Zeit bewegte sich auch das Leben von Sebastian Krabler, der zunächst als katholischer Erneuerer 355 356
Vgl. LEEB R., „Der Streit um den wahren Glauben“, Wien 2003, 203; FROSCHAUER R., Studien zur Reformation, Wien 1977, 46. Vgl. NIEBERGALL A., „Agende“, in TRE (Bd. 1 und 2), 755–784.1–91, hier 773 f.; KLEINHEYER B., „Riten um Ehe und Familie“, Regensburg 1984, 113–118; KLEINHEYER B., Sakramentliche Feiern I, Regensburg 1989, 154–165.
130
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
geschätzt und gefördert, bei seinem Tod 1590 schließlich in den Verdacht geraten war, zu empfänglich für protestantische Ideen zu sein. Vor dem skizzierten historischen Hintergrund ist die Agende im CC 107 als Produkt ihrer Zeit im Nebeneinander und häufig fließenden Übergang der Konfessionen zu verstehen. Sie tritt mit dem Anspruch auf, die Sakramente so darzubieten, wie sie „in der heyligen Catholischen Kirchen bisher und noch bestendigklich gebraucht werden“. Tatsächlich steht Krabler ganz in der Passauer und Salzburger Tradition, legt er doch seinen Formularen die Passauer Agende von 1490 und die Salzburger Ritualien von 1557 und 1575 zugrunde. Bei den Riten der Taufe, des Muttersegens und des Begräbnisses handelt es sich im Wesentlichen um Übersetzungen des Passauer Diözesanritus, die mit Salzburger Elementen ergänzt sind. Eine solche Bearbeitung ist beispielsweise in der Umordnung der Taufexorzismen zu erkennen, die Krabler wohl nach dem Modell von Salzburg 1557 gestaltet hat. Dafür spricht die symmetrische Struktur der über Buben und Mädchen zu sprechenden Formeln, die die Exorzismen in Krabler und Salzburg 1557 kennzeichnet, was Spital allerdings verborgen geblieben ist.357 Die Texte der Agende sind in der Tat „colligiert“, d. h. aus verschiedenen Quellen zusammengesammelt, wie Krabler im Titel auf f. IIr angibt. Die in der Agende Passau 1490 fehlenden Teile zu Beichte, Kommunionempfang, Hochzeit und Allgemeinem Gebet hat er wohl wie die meisten seiner Vermahnungen mehrheitlich aus den neueren Salzburger Büchern entnommen. Sie bringen im Unterschied zu Passau 1490 nicht nur einen großen Teil der liturgischen Texte auf Deutsch, sondern auch erklärende Ansprachen zu den Riten in der Volkssprache. Diese Salzburger Prägung könnte auf Krablers Zeit als Pfarrer von Laufen an der Salzach (nahe Salzburg) zurückgehen, von wo aus er nach Steinerkirchen an der Traun und damit in die Diözese Passau kam. Möglicherweise ist Krabler auch ursprünglich in Salzburg zum Priester geweiht worden; Dokumente, die Zeit und Ort seiner Weihe belegen könnten, sind jedoch nicht bekannt. Anders als Spital vermutet, scheint wahrscheinlich, dass sich Krabler für die liturgische Erklärung der einzelnen Riten bei der Taufe an der Mainzer Agende von 1551 orientiert hat, wobei andere Quellen ebenso möglich wären.358 Im Unterschied zu den genannten Diözesanritualien sind bei Krabler die meisten Riten wie in den protestantischen und einigen reformorientierten katholischen Agenden fast durchgängig in deutscher Sprache verfasst. Nach eigener Aussage nahm sich Krabler dabei Johann Leisentritt zum Vorbild, der als Dekan des Kollegiatsstifts Bautzen zur Erneuerung des kirchlichen katholischen Lebens in der Lausitz viele Initiativen der Reformatoren aufgegriffen hat. Mit einer Deutschen Messe, einem Gesangbuch und weiteren deutsch357 358
Vgl. SPITAL H. J., Der Taufritus in den deutschen Ritualien, Münster 1968, 82 f. Vgl. ebd., 164.
Conclusio
131
sprachigen Liturgiebüchern zu Taufe und Hochzeit hat er versucht, eine katholische Alternative zu den protestantischen Agenden zu schaffen. Im lutherisch geprägten Land ob der Enns, in dem vor allem das Agendbüchlein Veit Dietrichs aus Nürnberg Verwendung fand, beabsichtigte Krabler mit seiner Agende offenbar Ähnliches. Da die Gläubigen die gekürzten und in der Volkssprache gehaltenen Riten gewohnt waren, wollte er sie wohl nach heutigem Sprachgebrauch als Ausdruck der Inkulturation in seinen katholischen Gegenentwurf integrieren. Dabei hat er nicht nur die deutsche Sprache, sondern auch aus dem Luthertum kommende theologische Ideen und liturgische Formen übernommen. So enthalten die Feiern der Kommunionspendung, der Hochzeit und insbesondere des Begräbnisses eindeutig protestantische Elemente. Für die Spendeformeln von Brot und Wein werden zusätzlich zum katholischen Paar nach der Salzburger Tradition (Nr. 72 und 74) noch in leicht bearbeiteter Version die Formeln aus der Agende Veit Dietrichs angegeben (Nr. 73 und 75); die Formel, mit der sich die Eheleute gegenseitig als Mann und Frau annehmen (Nr. 91), dürfte ebenfalls aus dem Werk Veit Dietrichs stammen. Die Vermahnung vor der Hochzeit (Nr. 78–83) stellt eine Kombination aus den Ansprachen von Salzburg 1557 und Veit Dietrich dar, die Krabler jeweils nur leicht bearbeitet und ergänzt hat. Die beiden Lieder zum Begräbnis „Mitten wir im Leben sind“ (Nr. 108) und „In dich hab ich gehoffet herr“ (Nr. 109) bei Krabler sind typisch evangelisch; sie finden sich in gängigen protestantischen Gesangbüchern der Zeit und stehen bis heute im Evangelischen Gesangbuch. Das auf Luther zurückgehende erste Lied war im 16. Jahrhundert üblicher Bestandteil einer evangelischen Beerdigung. Krabler dürfte die Lieder nach dem protestantischen Brauch seiner Umgebung übernommen haben, wofür möglicherweise auch seine Liebe zur Musik ausschlaggebend war. In der zugehörigen Vermahnung „bei einer Leich“ (Nr. 101–103) fällt außerdem auf, dass der theologische Schwerpunkt ganz im Sinne Luthers nicht mehr auf die Fürbitte für den Verstorbenen, sondern auf Mahnung und Trost der Lebenden gelegt wird. Überhaupt fehlen bei Krabler wesentliche Teile der traditionellen mittelalterlichen Totenliturgie mit ihren Gebeten für den Verstorbenen, weshalb sein Begräbnisritus insgesamt klar protestantisch geprägt ist. Diese Beobachtung steht im Gegensatz zum Anspruch der Agende, die Riten laut Titel nach Brauch der „heyligen Catholischen Kirchen“ anzubieten. Die liturgischen Formen aus evangelischen Quellen wie in der Ordnung des Begräbnisses dürften daher der Grund für Krablers Sorgen vor der „Spanisch inqisition“ gewesen sein, als er sich 1589 für seine Agende beim Bischof verantworten musste.359 Andererseits mag das Adjektiv „katholisch“ vor dem Hintergrund der konfessionellen Unschärfe der Zeit statt als Konfessionsbezeichnung auch als Attribut der einen, noch nicht in klar zu trennende Bekenntnisse aufgeteilten 359
FROSCHAUER R., Studien zur Reformation, Wien 1977, 127.
132
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
Kirche zu verstehen sein, die mit verschiedenen Formen und theologischen Akzenten Lösungen auf die Fragen der Zeit suchte. Die erneuerten gottesdienstlichen Formen sowohl der liturgischen Bücher aus Rom und den Diözesen wie auch der lutherischen Gemeinden wurzelten beide in der Liturgie des Spätmittelalters, die sie mehr oder weniger stark übernahmen bzw. den jeweiligen theologischen Positionen anpassten. Insofern hat Krabler die lutherische Agende eines Veit Dietrich vielleicht auch als Teil der umfassenden, katholischen Tradition angesehen, obgleich er seine eigene Agende als „verantwortlicher gegen Gott“ verstand.360 Summa summarum kann man die Agende Krablers im CC 107 der Stiftsbibliothek Kremsmünster als eine in mehrerlei Hinsicht originelle und pastoral ausgerichtete Interpretation der in Passau 1490 dokumentierten Diözesantradition lesen, die Krabler auf Basis der neueren Salzburger Agenden von 1557 und 1575 erweitert hat. Innovativ sind seine von ihm aus Vorlagen zusammengestellten und bearbeiteten – möglicherweise in Teilen auch von ihm ganz neu formulierten – Gebete und Vermahnungen in lebensnaher und bilderreicher Sprache, für die er die Salzburger Bücher und andere zeitgenössische Texte verwendet hat, sowie der Ansatz, die Sakramente und Sakramentalien zum besseren Verständnis der Gläubigen fast vollständig auf Deutsch anzubieten. Eine deutsche Taufformel enthalten weder die Salzburger Bücher noch Passau 1587, in denen die Volkssprache sonst sehr präsent ist. Für die Agende Krablers charakteristisch ist außerdem ihre Offenheit für protestantische Reformimpulse, die Krabler aufgreift und in seine Vorlagen einbaut. Dies reicht von geänderten Formulierungen über die Hinzufügung einzelner Formeln bis zur Übernahme längerer Textpassagen oder liturgischer Elemente. Krablers Werk im CC 107 ist, wie Froschauer schreibt, tatsächlich von der „Neuen Salzburger als auch von der Abende [sic!] des Veit Dietrich beeinflußt“. Seiner Einschätzung, dass sie daher ein „ausgesprochenes Kompromißprodukt“ sei, das zwischen Veit Dietrich und der Salzburger Agende von 1575 stehe, ist jedoch eindeutig zu widersprechen, wie die Analyse gezeigt hat.361 Vielmehr ist die mit „Agenda oder Hanndt Buechlin“ überschriebene Zusammenstellung liturgischer Texte und Vermahnungen im CC 107 ein Beispiel für die mit Teilen der Salzburger Bücher erweiterte Passauer Tradition, die der Autor großteils aus dem Lateinischen ins Deutsche übersetzt und mit Elementen aus weiteren katholischen (hier konfessionell verstanden) wie protestantischen Quellen seiner Zeit, vor allem der Agende Veit Dietrichs, erweitert bzw. ergänzt hat. Aus den Erkenntnissen der vorliegenden Studie zum Inhalt der Krabler’schen Agende erwachsen viele Fragen für zukünftige Studien. So wäre es wünschenswert, nicht nur allgemein die theologische Konzeption der bespro360 361
Ebd., 128. Ebd., 130.
Conclusio
133
chenen Sakramente in den im 16. Jahrhundert entstehenden Konfessionen, sondern insbesondere Krablers Sakramententheologie und deren Präsentation im Rahmen seiner Agende zu untersuchen – von Interesse wären auch deren ekklesiologischen Implikationen. Dazu müssten neben den Formularen auch alle Vermahnungen detailliert im historischen Kontext auf mögliche direkte und indirekte Quellen und Paralleltexte zeitgenössischer Autoren hin analysiert werden. Für das theologische Verständnis Krablers sicherlich aufschlussreich wäre dabei außerdem eine Auswertung seines umfangreichen Predigtwerkes, das Froschauer zwar anspricht, über dessen Verbleib jedoch keine weiteren Angaben macht.362 Ebenfalls Einblick in sein Denken und Leben dürften die noch in der Stiftsbibliothek Kremsmünster vorhandenen Reste der einst umfangreichen Büchersammlung Krablers sowie seine Briefe und Notizen gewähren, die sich vermutlich im Stiftsarchiv Kremsmünster erhalten haben. Eventuell könnten sich auch in anderen Archiven Dokumente zu Krabler finden, wohl jedoch nicht in den Diözesanarchiven von Linz und Passau. 363 Darüber hinaus dürfte eine kunsthistorische Untersuchung des in Steinerkirchen noch vorhandenen Grabsteins Krablers interessant sein, da sich aus der Darstellung eines großen Kelches auf einem Buch möglicherweise Rückschlüsse auf die offenbar für liturgische und theologische Neuerungen seiner Zeit aufgeschlossene Haltung Krablers ziehen ließen. Die bei Froschauer beschriebene Anordnung einer Untersuchung der Agende Krablers in Passau im Jahr 1589 bzw. 1590 lieferte, falls sie denn tatsächlich durchgeführt und nicht aufgrund des Todes Krablers 1590 eingestellt wurde, Hinweise auf eine zeitgenössische offizielle Beurteilung, Deutung und Interpretation des Textes.364 Allerdings dürften sich keine entsprechenden Unterlagen im Archiv des Bistums Passau erhalten haben.365 Wichtig für das Verständnis der Agende wäre außerdem die Klärung der Frage, ob der CC 107 deren einziger Textzeuge ist oder ob in anderen Bibliotheken und Archiven der Region noch eine der Abschriften vorhanden ist, die Krabler selbst für interessierte Pfarreien hat anfertigen lassen.366 All dies würde helfen, die Agende Krablers im CC 107 als einzigartiges Dokument aus der Praxis einer oberösterreichischen Pfarrei in den historischen Kontext der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts noch besser
362 363
364 365 366
Vgl. ebd., 134. Vgl. Angaben zum Bestand des Diözesanarchivs Linz unter https://www.dioezeselinz.at/institution/8003/bestaendepublikationen/urkunden [Zugriff 14.11.2023] sowie Korrespondenz mit Prof. Dr. Hannelore Putz, Direktorin des Archivs des Bistums Passau, im November 2023. Vgl. FROSCHAUER R., Studien zur Reformation, Wien 1977, 126.133. Vgl. Korrespondenz mit Archivdirektorin Prof. Dr. Putz. Vgl. FROSCHAUER R., Studien zur Reformation, Wien 1977, 128; zu dieser Frage außerdem den erwähnten Taufritus in Cgm 9509.
134
Teil A: Historischer Kontext und theologische Analyse
einordnen zu können – es muss an dieser Stelle zukünftigen Arbeiten zum Thema überlassen werden. Die hier vorgelegte Studie zur Agende Sebastian Krablers im CC 107 der Stiftsbibliothek Kremsmünster hofft, in den von der Sache und dem Ansatz einer kommentierten Edition gegebenen Grenzen Anstoß für weitere Forschungen geben zu können sowie zu einem vertiefteren Verständnis der liturgischen Entwicklung Oberösterreichs in der komplexen Situation des Übergangs vom Spätmittelalter zur Neuzeit, im Spannungsfeld von Reformation und katholischer Reform, zwischen Luther und Trient beizutragen.
Teil B: Agenda oder Hanndt Buechlin colligiert durch Sebastian Krabler (CC 107)
1 Editorische Hinweise
Die Transkription der Agende des CC 107 folgt der Schreibweise des Originals aus dem 16. Jahrhundert, so dass deren Eigenheiten erhalten bleiben. Nur an wenigen Stellen wurden Korrekturen zum besseren Verständnis vorgenommen und entsprechend gekennzeichnet. Die Buchstabenfolge ij wird mit y wiedergegeben; je nach graphischer Variante des Originals verwendet die Transkription die Buchstaben „s“ und „ß“. Die deutschen und lateinischen Abkürzungen wurden aufgelöst.1 Mit Ausnahme der Angabe des Titels (f. IIr) und der beiden Akrosticha (Nr. 111 und 113) wurde die originale Formatierung nicht übernommen; alle Schriftarten des Originals werden in Times New Roman wiedergegeben. Die bei Silbentrennung über einen Seitenwechsel in der Handschrift als Lesehilfen verwendeten Kustoden wurden nicht transkribiert. Die Rubriken stehen zur Unterscheidung kursiv, der Fließtext gerade; auf die Hervorhebung einiger im Textverlauf in roter Farbe stehender Buchstaben, Satzzeichen oder Worte – etwa zu Beginn eines Absatzes – wurde in der Regel verzichtet, sofern es sich nicht um rubrikale Angaben handelt. Die im Originaltext verwendeten Schrägstriche wurden übernommen, da sie Hinweise auf die Struktur sowie auf die Vortragsweise der Texte in der liturgischen Praxis bieten. Bei jeder neuen Text- und Sinneinheit wird ein eigener Absatz gesetzt. Die Gliederung der Transkription entspricht im Wesentlichen dem Original, Titel und Überschriften stammen vom Herausgeber; die Bezeichnungen der Elemente der Taufe folgen dem Buch „Der Taufritus in den deutschen Ritualien“ von Spital.2 Die Nummerierung der Sinneinheiten, die auch mehrere Absätze umfassen können, folgt der Struktur des Originals. Die Rubriken bilden dabei in der Regel mit der dazugehörigen Oration oder Anrede eine Einheit. Die Transkription enthält in einem Register paläographische Hinweise sowie Verweise auf Bibelstellen. Alle verwendeten Abkürzungen, Quellen und Siglen werden in den entsprechenden Verzeichnissen am Anfang der Arbeit angegeben.
1
2
Vgl. Capelli online, URL: https://www.adfontes.uzh.ch/en/ressourcen/abkuerzun gen/cappelli-online [Zugriff 16.04.2021]; BISCHOFF B., Paläographie des römischen Altertums und des abendländischen Mittelalters (Grundlagen der Germanistik 24), Erich Schmidt Verlag, Berlin 1979, 192–213. Vgl. SPITAL H. J., Der Taufritus in den deutschen Ritualien von den ersten Drucken bis zur Einführung des Rituale Romanum (Liturgiewissenschaftliche Quellen und Forschungen 47), Aschendorff, Münster 1968.
138
Teil B: Agenda oder Hanndt Buechlin
Eckige Klammern [] wurden zu Ergänzungen im transkribierten Text verwendet, etwa zur fett gedruckten Nummerierung der Blätter; alle im Original vorkommenden Klammern sind in der Transkription einheitlich mit geschweiften Klammern {} wiedergegeben. Für Einfügungen in den Überschriften oder den Fußnoten wurden runde Klammern () verwendet. Als Auslassungszeichen wird im Register … gebraucht. Abschließend seien in einer tabellarischen Übersicht einige von Krabler gebrauchte Begriffe der frühneuhochdeutschen Sprache, die in der heutigen Form des Deutschen nicht mehr verwendet werden, zu deren besserem Verständnis erklärt. affenspill Beichtiger Bilgram Chonvolk Crisam pfaitlein faiste fußhader unvermailigt urstendt
3 4 5 6 7 8
9
10 11
närrisches Spiel, Posse3 Bekenner (lat. Confessor)4 Pilger, Wallfahrer5 Eheleute6 Taufkleid7 Art Fett, wohl für Lampen8 Lappen, mit denen man die Schuhe reinigt9 rein, sauber10 Auferstehung11
„affenspiel“, in Frühneuhochdeutsches Wörterbuch, URL: https://fwb-online.de/ lemma/affenspiel.s.2n [Zugriff 26.10.2022]. „beichtiger“, in Frühneuhochdeutsches Wörterbuch, URL: https://fwb-online.de/ lemma/beichtiger.s.0m?q=beichtiger&page=1 [Zugriff 26.10.2022]. Vgl. „Pilger“, in Frühneuhochdeutsches Wörterbuch, URL: http://fwb-online.de/ go/pilger.s.0m_1604946253 [Zugriff 26.10.2022]. „konvolk“, in Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, URL: https://www.dwds.de/wb/dwb/konvolk [Zugriff 26.10.2022]. Vgl. „Pfeit“, in Frühneuhochdeutsches Wörterbuch, URL: https://fwb-online.de/ lemma/pfeit.s.1f?q=pfeit&page=1 [Zugriff 26.10.2022]. Vgl. „kuttelbletz, kuttelplätz“, in Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, URL: www.dwds.de/wb/dwb/kuttelpl%C3%A4tz [Zugriff 26.10.2022]. Vgl. „Der Fußhader“, in Grammatisch-Kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart (Ausgabe letzter Hand, Leipzig 1793–1801), digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/21, URL: www.woerterbuchnetz.de/cgi-bin/WBNetz/wbgui_py?sigle=Adelung&lemid=DF 03268 [Zugriff 26.10.2022]. Vgl. „vermeiligen“, in Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, URL: https://www.dwds.de/wb/dwb/vermeiligen [Zugriff 26.10.2022]. Vgl. „urstand/urstände“, in Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, URL: https://www.dwds.de/wb/dwb/urstände [Zugriff 10.05.2021].
2 Titel und Inhaltsverzeichnis
[Spiegel] N107 [=Katalognummer] זVIII 51 [=alte Standortsignatur in der Barockbibliothek] [f. I vacat] [f. IIr] Monasterii Cremifanensis Agenda Oder Hanndt Buechlin darinnen begriffen wirdt wie die Actus Ecclesiastici verricht und etliche Sacramenta Administriert sollen werden. Neben andern schönen vermahnungen und Gebetten wie die in der heyligen Catholischen Kirchen bisher und noch bestendigklich recht12 und wol gebraucht werden Colligiert durch Magistrum Sebastianum Krablerum Aichenensem. Bavarum etc. Anno Salutis 1580 [f. IIv vacat]
[f. IIIr] Index in hoc libello contentorum. De Baptismo. folio Ad introducendum mulierem
12 13
recht] re(sup lin c)ht 17] ras 21
1 1713
140
Teil B: Agenda oder Hanndt Buechlin
Vermanung bey der beicht Vermanung bey dem hochwürdigsten Sacrament des altars Copulatio Sponsi et Sponsae Vermanung bey eim hochzeit ampt Vermanung bey einer leich. Zway Gebet für Obrigkait und anligen der Christenhait. Forma Absolutionis.
[f. IIIv vacat]
14 15 16
25] ras 29 33] ras 41 41] ras 53
2514 3315 4116 50 57 65 68 29
3 Feier der Taufe / De Baptismo
[f. 1r] De Baptismo.
3.1
Ansprache an die Anwesenden
Adhortatio ad Circumstantes. Ihr auserwelten / Dieweil wir nun in dem herrn alda beyeinander versamblet sein / und das hochwürdig Sacrament der Tauff {weliches diß Khindlein durch seine Eltern begert} handeln und wandeln wollen / so sollet ihr zuvor wol betrachten / was doch diß Sacrament der Tauff sey: Nemlich / ein Sacrament der widergeburt / durch das wasser im wort / wie es Paulus beschreibt17 / Ein thür aller andern Sacrament, / dann ohn diß kan kain ander Sacrament recht und würdigclich empfangen /Ja wir künden18 ohn diß Sacrament nimmermehr seelig werden / wie Chri- [f. 1v] stus selbst bezeugt: Nisi quis renatus fuerit19 ex aqua et spiritu sancto, / non potest introire regnum dei etc. 20 Darumben muest21 es ia Ihr geliebten ein notwendig Sacrament sein / das es rainigt den getaufften, von allen / ia auch von den erblichen sünden / bringt ihn in die Christlich Kirchen / führet ihn in die gemainschafft der heyligen / und macht aus ihm ein Tempel des heyligen Geists / Diß Sacrament hat Christus der herr selbst eingesezt / nit allein mit seinem aignen Exempel da er von Johanne im Jordan ist getaufft worden / sonder auch da er seinen Jungern solches zuthuen bevolhen22 hat: Ite et docete omnes gentes et baptisate eos in nomine patris et filii et Spiritus Sancti etc.23 Zum Andern, So solt Ihr auch wissen die bedeuttung der Ceremonien [f. 2r] so sich dabey zutragen / damit ihr nit unwissent villeicht dieselbigen verachtet und für unnüz schezet. Und fürs erst: das nun der Catechismus gebraucht / das 17 18 19 20 21 22 23
Nemlich … Paulus beschreibt] cf Tit 3,5 künden] lege könnten fuerit] marg Johan 3 Nisi … regnum dei etc.] cf Io 3,5 muest] mu(sup lin e)st bevolhen] marg Math 28 Ite … Spiritus Sancti etc.] cf Mt 28,19
1
2
142
Teil B: Agenda oder Hanndt Buechlin
ist die absagung des bösen feindts / und dagegen die bekennung des Christlichen glaubens erfordert würdt / geschicht darumben /damit die Kinder welche nun zu Christen werden / sich durch die / so sy aus der Tauff heben / Christo dem herrn verloben / und profeß thuen / von Ihm nit zuweichen / Sonder bey Ihm bestendig im rechten wahren glauben zubleiben / bis an das endt ihres lebens / Sy wellen dem Teuffel widerstandt thuen und gottseelige kinder werden. Das aber das kind angeplasen / mit dem Zaichen des heyligen + bezaichnet / und beschweret würdt / geschicht alles darumben / damit es von dem [f. 2v] gewalt / pomp / und bracht / des bösen geists entledigt werdt / nit das der böß feindt in ihm sey / wie sonst in einem besessnen menschen / sonder dieweil der Sathan zumthail ein Zugang24 zu einem solchen kindt hat / welches in erbsünden empfangen und geboren / vor der Tauff ein kindt des zorns ist / aber hernach zu einem kindt Gottes und des ewigen lebens würdt. Das aber das salz eingegeben würdt / dabey verstehen wier / das es hinfurahn den unflatt aller sunden / mit wortten und werkhen ablegen / und alle seine redt mit dem salz der gottlichen hailsamen weisheit gewürzen / und in allen dingen seiner seelen hail betrachten sol. Dann gleichwie ein Speiß / wiewol sy mit anderen specereien wolgewürzt / und doch nit gesalzen ungeschmakh ist / Also ein Christ [f. 3r] ob er schon klueg und weiß / so ist es ihm doch nichts nuz / er gebrauch sich dann derselben weisheit zu gottes ehr / seinem und seines negsten hail und wolfart. Nasen und ohren werden ihme mit aschen und Spaichl nach dem form und exempl Christi bestrichen / anzuzaigen / das es nun hinfüro soll das wortt gottes vleissig / und mit einem starken fursaz demselben nachzuleben, hören / auch allein am dem süessen geruch gottes und er göttlichen ding seinen wollust und freudt haben. Mit dem heyligen öel würdt es gesalbet / darumben / das es ingedenkh sey / wie hinfüran seine glider geüebt sollen sein under dem Joch Christi / wider den Sathan ernstlich zukempfen /und sich alles gueten zubefleissen. Das es aber alsbald nach der [f. 3v] Tauff mit dem heyligen Crisam auf dem haubt bestrichen wurdt / hat es diese gottselige bedeuttung / das es nun dem haubt Christo aigentlich ingepflanzet / und ein warhafftiger Christ worden sey / dann durch die Tauff {wie Paulus bezeuget} haben wir Christum angethan.25 Leztlich würdt uns durch das westerhembdlein / oder Crisam pfaitlein angezaigt / das die getaufft person / von der person des laidigen Sathans ganz entledigt sey / und das klaidt der unschuldt angezogen habe / darin es wandeln soll biß ans endt seines lebens.
24 25
Zugang] Zu(sup lin e)gang durch die Tauff … angethan] cf Gal 3,27
3 Feier der Taufe / De Baptismo
143
Solche Ceremonien Ihr geliebten seyen warlich nit erst neulich erdacht / sonder ob den tausent Jahren im gebrauch gewest / darumb sollen sy von ihr löblichen und hailsamen bedeuttung willen / von kainem Christen veracht / vilweniger verdambt werden.
3.2
Einleitungsoration und -fragen
[f. 4r] Der allmechtig Gott etc. Nun wollen wier zum werk selbst greiffen. Sacerdos. Wie wolt ihr das Kindt nennen Patrinus. N.
3.3
3 4
Erste Absage, Exsufflation, Signation
Sacerdos. N. widersagstu dem Teuffel? Patrinus. Ich widersag. Sacerdos. Und allen seinen werkhen? Patrinus. Ich widersag. Sacerdos. Und aller seiner hochfart? Patrinus. Ich widersag.
5
Sacerdos. N. Glaubstu in Gott vatter den all- [f. 4v] mechtigen / schöpfer himels und der erden? Patrinus Ich glaub. Sacerdos. N: Glaubstu auch in Jesum Christum / der geboren wardt und gelitten hat. Patrinus. Ich glaub.
6
144
Teil B: Agenda oder Hanndt Buechlin
Sacerdos. N. Glaubstu auch in den heyligen geist / die heylig allgemain Christlich Khirch / gemainschafft der Heyligen / Ablaß der Sünden / urstendt des fleisch / und nach disem ein ewigs leben. Patrinus. Ich glaub. 7 Hic sufflet in faciem infantis in modum crucis dicens: Gehe aus du unrainer geist von diser bildnus gottes / und gib dem wahren und lebendigen Gott die [f. 5r] ehr / gib die ehr Jesu Christo seinem sohn / und dem tröster dem heiligen geist. 8 Deinde faciat crucem cum pollice in frontem Baptisandi dicens: Das + Zaichen des heyligen Creuz unsers herrn Jesu Christi / mach Ich an dein stirn. 9 Idem faciat ad pectus dicens: Das + Zaichen des heyligen Creuz unsers haylands Jesu Christi / mach Ich an dein brust. 10 Ad frontem et pectus. Nim hin das + Zaichen des Creuz Christi / baide an die Stirn unnd brust / ergreif den glauben der himlischen gebot / sey also geziret / damit du iezt mögst zu einem Tempel gottes werden / und wissen, das du nach dem eintrit in die Kirchen gottes / entrunnen seyest allen strikhen des todts / fleuch die abgotterey / meidt [f. 5v] allerlay unglauben / ehre gott den allmechtigen / und Jesum Christum seinen ainigen sohn / der mit Gott dem vatter und heyligen Geist lebt und regirt wahrer Gott in ewigkait. Amen. 11 Oratio Allmechtiger Ewiger Gott und vatter unsers herrn Jesu Christi / wir bitten dich du wollest deine augen wendten auf {disen deinen diener dise deine dienerin} N. {den die} du zum anfang des glaubens so genedigclich berueffen hast / und treib von {Ihm Ihr} aus alle verblendung des herzn / Zerreis alle pandt des Sathans / damit {Er Sy} gebunden war / thue {Ihm Ihr} auf die Tür26 deiner guete / auf das {Er Sy} durch dein gottliche weisheit gesterkht / aller fleischlichen bösen begiert ledig / und mit dem süessen geruch deiner gebott erfreudt / dier warhafftig in deiner Kirchen diene / und [f. 6r] von tag zu tag zuneme / auf das {Er Sy} als ein tauglicher / bekhomme die gnadt deiner Tauff / vermittelst deiner göttlich arzney / durch Jesum Christum unsern herrn. Amen.
26
Tür] thier
3 Feier der Taufe / De Baptismo
3.4
145
Die Salzzeremonie
12 Sal imponat ori infantis et dicat. Nimb hin das salz der weisheit / auf das du habest das ewige leben / der fridt sey mit dier und mit deinem geist. 13 Oratio. Gott unser vatter / ein erschaffer aller warheit / wir bitten dich demuttiglich / du wollest {disen deinen diener dise deine dienerin} gnedigclich ansehen / und {Ihm welcher Ihr welche} anizt zum ersten das Salz gekost hat / nit lenger lassen geistlichen hunger leiden / sonder {Ihn Sy} mit der waydt deiner himlisch speiß ersettigen / damit {Er Sy} im geist inbrünstig / und in der hoffnung frölich / deinem heyligen Namen ohne underlaß [f. 6v] diene / für Ihn Sy her zu dem bad der widergeburt / auf das Er Sy sambt allen deinen glaubigen / die ewige belohnung deiner verhaissung erlangen möge. Amen
3.5
Die Exorzismen von der Salzzeremonie bis zu den Übergaben
14 Oratio. Gott Abrahams / Isaacs / und Jacobs / gott der du Moysi deinem diener auf dem perg Synai erschinen bist / und die Kinder Israels aus Egypten gefüert hast / durch den engel deiner göttlich gnaden / der Sy bey tag und nacht fleissig bewahren und verhüetten solt / wir bitten dich / du wöllest deinen heyligen Engel vom himel herab senden / der gleicherweis disen deinen diener27 bewahr / und belaitt / zu der gnadt deiner Tauff. durch Christum unsern herrn. Amen 15 Sequitur Abiuratio super Utrunque tam masculos quam foeminas. Derowegen28 du verfluechter Sathan / [f. 7r] erkhenn dein urtl / und gib dem 16 lewendig und wahren Gott die ehr /gib die ehr Jesu Christo seinem sohn / und dem tröster dem heyligen Geist / und weich ab von {disem diener diser dienerin} Gottes N. {welchen welche} Ihm Christus zu seiner gnadt und segen / auch zum Prunnen der heyligen Tauff / so gnediglich berueffen hat / und diß zaich des heyligen + / welches wir an sein Stirn machen / solt dier du böser geist zu schwech / gänzlich verpotten sein / durch den der da khunfftig würdt / zurichten die lebendigen und todten / und die welt durchs feur. Amen 17 Super Masculos tantum. O Gott du ewige hülff aller begerendten / du erledigung aller flehendten / du 18 fridt aller bittendten / du leben aller glaubigen / du aufferstehung aller todten / 27 28
diener] diener (sup lin in) Derowegen] marg rub Trima repetitur
146
Teil B: Agenda oder Hanndt Buechlin
dich rüeff Ich an o herr uber disen deinen diener N. welcher die ga- [f. 7v] ben deiner heyligen Tauff begert / und die ewig glori und herzligkait durch die geistlich widergeburt zubekhommen ein herzlichs verlangen hat / o herr nimb Ihn auf / und dieweil du selbst gesagt hast: Bittet so werdt Ihr empfahen / suecht so werdt Ihr finden / khlopfet an so wierdt euch aufgethan.29 Derwegen o herr / so raich dem begerendten dein handt / thue auf die thür dem ankhlopfendten / auf das / so er den segen des himlischen wasserbadts erlangt / das verhaissen reich deiner gnaden und gaben einneme / und besize / durch Christum unsern herrn Amen. Repete Derwegen du verfluchter Sathan etc. 19 Hic faciat Cru+cem. 20 Höre du verfluechter Sathan / da sey beschweret durch den namen des [f. 8r] ewigen Gottes und haylandts unsers herrn Jesu Christi / weich ab du uberwundner mit Zittern und Zagen / nichts sey dier gemain mit disem diener Gottes / der mit himlischer betrachtung umbgeht / und gedenkht dier und deiner welt genzlich abzusagen / und hinfüro der seeligen unsterbligkeit zu leben. Gib derwegen dem ieztkommendten heyligen geist die ehr / auf das er von der höchsten Purkh des himels herab steigendt / alle deine lisst zerstöre / und ihme alda durch den göttlichen Prunnen ein gerainigt herz / das ist / Gott dem herrn ein geheyligten Tempel und wohnung mache / und zurichte / damit dieser diener gottes / so er nun von allen sündten entledigt / dem ewigen Gott immerzu danckhsage / und lobe seinen heyligen namen von ewigkhait zu [f. 8v] ewigkhait. Amen. Repete Derwegen du verfluchter Sathan etc. 21 Exorcismus. Ich beschwer30 dich du unrainer geist / im namen Gottes des Vat+ters / und des Soh+ns / und des heyligen + geists / das du ausgehest und weichest von disem diener Gottes N. dann solches gebeut dir du vermaledeiter und verfluechter eben der / welcher mit trukhnen füessen uber mehr gangen ist / und dem Petro / der gleich versinkhen wolt / die handt geraicht hat / durch den so da khummen würdt zurichten die lewendigen und todten / und die welt durchs feur. etc. Repete Derwegen du verfluchter Sathan etc. 22 Sequuntur iam Orationes super Foemellas. [f. 9r] 23 O Gott des himels / Gott der erdten / Gott der Engel / Gott der Erzengel / Gott der Patriarchen / Gott der Propheten / Gott der Apostel / Gott der Martyrer / Gott der Beichtiger / Gott der Jungkhfrauen / Gott aller derer so ein gottsforchtigs leben führen / Gott welchen alle zungen bekhennen / der himlischen 29 30
Bittet … euch aufgethan] cf Mt 7,7; Lc 11,9 beschwer] lege beschwöre
3 Feier der Taufe / De Baptismo
147
/ Irdischen / und undter Irdischen. Dich rueff Ich an uber diese dein dienerin N. das du sie gnedigclich bringen wöllest zu der gnaden deiner Tauff / durch Christum unsern herrn. Amen. Repete Derwegen du verfluchter Sathan etc. 24 Oratio Gott Abrahmas / Gott Isaacs / Gott Jacobs / Gott der du die zwelff Stamm Israels von der Egiptischen dienstbarkhait erlediget / und Sy durch Moysen [f. 9v] deinen diener / zur haltung deiner gebott in der wüesten vermanet / Auch Susannam vor dem falschen urtail errettet hast: wir bitten dich von ganzem herzen / das du dise deine dienerin N. erledigen / und gnediglich führen wollest zu der gnadt deiner Tauff / durch Christum unsern herrn Amen. Repete Derwegen du verfluchter etc. 25 Exorcismus. Ich beschwere dich du unrainer geist / durch Gott den Vat+ter, / Sohn + und heyligen + geist / das du ausgehest und abweichest von diser dienerin Gottes N. Dann der gebeut dier du vermaledeiter und verfluechter / der dem plindt geborenen die augen eröffnet / und den viertagigen Lazarum vom todt erwekht hat /durch den der da khommen würdt zu richten die lebendigen / und [f. 10r] todten / und die welt durchs feur. Repete Derwegen du verfluchter etc. 26 Oratio super utrumque. O herr heyliger vatter / ein allmechtiger Ewiger Gott / Ich rueff dein ewige / und uber alle gerechte güetigkheit und gnaden an / uber {disen deinen diener dise deine dienerin} N. du wollest als ein anfenger des liechts und der warheit {Ihme Sy} gnedigclich ansehen / und {Ihn Sy} mit dem liecht deines verstandts erleuchten / Rainige und heylige ihn {Sie} verleih Ihm {Ihr} die recht khunst und wissenheit / auf das er {Sie} würdiglich zu der gnaden deiner Tauff tretten möge / und volgents mit einer starkhen hoffnung / hailsamen rath / und heyligen lehr / wolversehen sey / damit er {Sy} also tauglich werdt zum Reich Gottes / durch Christum unsern herrn. Amen.
3.6
Übergaben und Schlußexorzismus
[f. 10v] Lasset uns hören das heylig Evangelium welchs uns beschreibt Matheus 19. 27 capitulum Sequentia + sancti Evangelii secundum Mathaeum. 19. In der Zeit waren die khlaine Khindtlein zu Jesu gebracht / das er die hendt auf sy leget / und bettet / die Junger aber führen sy ubel an / da sprach Jesus: lasset die khlainen
148
Teil B: Agenda oder Hanndt Buechlin
Khindlein / und weret Ihnen nit zu mir zukhummen / dann solcher ist das himelreich / und er legt die hendt auf sy / und zog von dannen.31 Deo gratias per istos sermones etc. 28 Adhortatio ad Patrinos et circumstantes Ihr geliebten: der allmechtig Gott hat ein sonders groß wolgefallen [f. 11r] daran / das ihr euch also vleissig bey disem heyligen werkh finden und gebrauchen lasst / Er will solches umb Euch sonderlich mit seinen gnaden vergelten / und ingedenkh sein / und euch als ein Gefattern32 vermahn Ich in sonderhait / weiln Ihr euch dises Khindleins alhie annembt / und darzu verhelftt / das es ordentlich zur vergebung seiner sunden getaufft / und in die Zal der Christen genomen werde / das Ihr euch solches Khindlein bevolhen sein lasset neben seinen natürlichen Eltern / Also / wo es seine vernunfftige Jahr erraicht / Ihr ihme gute unterweisung des Christlichen glaubens / des heyligen Vatterunsers / Englischen Grueß / der zehen gebot / und aller zucht und erbarkheit / zugeben beflissen seidt / und euch hierinnen nit faul oder nachlessig erzaiget / [f. 11v] sonder der iezt gebettnen gevatterschafft ein geniegen thuet / auf das khain schuldt uber euch erschein vor dem Richterstuel des herrn / wolt Ihr solches thuen / so verhaist miers und sprecht Ja etc. 29 Sequitur ad omnes33 Dieweil wier dann im herrn beyeinander versamlet sein / so thuet ein werkh der Barmherzigkheit / und helfft mit Gott bitten / das er sich uber dise Creatur erbarm / damit es durch sein göttliche gnadt / in dem heyligen Catholischen Christlichen glauben / den es alda in der Tauff annimbt / bis in das endt erhalten werde / und nach disem leben erlang das ewig. Solches zuerwerben so sprecht sambt mir: Pater Noster Ave Maria etc. 30 Sequitur Catechisatio. Du solt hiemit wissen Sathan / das sich dein pein und marter herzu na- [f. 12r] het / das auch der tag des jüngsten gerichts herbey khumbt / der tag der ewigen pein / der khunfftig tag als ein brinnendter ofen / darinnen dier und allen deinen Engeln beraidt ist der ewig undtergang und verdamnus / derwegen du boshafftiger verfluechter Sathan / gib die ehr dem wahren und lebendigen Gott / gibt die ehr seinem sohn Jesu Christo / und dem heyligen geyst / durch welches namen und krafft Ich dier gebeut du unrainer geist / wer du auch bist / das du ausgehest und abweichest von disem diener34 gottes N. welchen unser Gott und herr Jesus Christus / zu seiner heyligen gnaden und segen / auch zu dem 31 32 33
34
In der Zeit … von dannen.] cf Mt 19,13–15 Gefattern] Gefatter(sup lin i)n In der Handschrift nicht als Rubrik geschrieben. disem diener] dise(sup lin r)m diener(sup lin in)
3 Feier der Taufe / De Baptismo
149
prunnen der heyligen Tauff / hat durch seine gaben so gnediglichen berueffen wöllen / auff das er {Sy} sein Tempel werde / durchs wasser der widergeburt / zur vergebung [f. 12v] aller sünden / im namen unsers herrn Jesu Christi / der da khunfftig ist zurichten die lebendigen / und die todten / und die welt durchs feur.
3.7
Effeta-Ritus und Einführung in die Kirche
Deinde accipiat Sacerdos parum sputi intincti in lutum et tangens dexteram aurem infantis dicat: Effata35 das ist thue dich auf Ad Nares. zu einem lieblichen geruch Ad Sinistram aurem: Dann das gericht Gottes würdt sich herzu nahen / gehe ein in den Tempel Gottes / auf das du würdig werdest / zu sehen den Sohn Gottes des lebendigen. Deinde solvatur Puer et praeparetur ad Baptisterium.
3.8
31
32 33
34
Letzte Absagen, Glaubensfragen, Ölsalbung
Sacerdos: Nennts Khindt. [f. 13r] Patrinus. N. Sacerdos. N. widersagstu dem Teuffel? Patrinus. Ich widersag. Sacerdos. und allen seinen werkhen? Patrinus. Ich widersag.
35
Sacerdos. N. Glaubstu in Gott vatter allmechtigen / Schöpffer himels und der Erden? Patrinus. Ich glaub.
37
35
Effata] rub MS
36
150
Teil B: Agenda oder Hanndt Buechlin
Sacerdos. Glaubstu in Jesum Christum seinen ainigen Sohn / unsern herrn / der geporen wardt und gelitten hat. Patrinus. Ich glaub. [f. 13v] Sacerdos. Glaubst auch in den heyligen Geist / die heylig Christlich Khirchen / gemainschafft der heyligen / Ablaß der sünden / Aufferstehung des fleisch / und nach disem ein ewiges leben? Patrinus. Ich glaub. 38 Sacerdos cum pollice intincto in oleum sanctum faciat crucem in pectus et dicat + Fleuch du unrainer Geist / und gib die ehr dem wahren und lewendigen Gott / gehe auß du unrainer Geist / und gib raum dem heyligen Geist. 39 Deinde zwischen den Schulttern faciendo + dicat und Ich salbe dich mit dem öle deß hails in Christo Jesu unserm herrn.
3.9
Der Taufakt
40 Sacerdos. Nennts Khindt. [f. 14r] Patrinus. N. 41 Sacerdos ter interroget: N. wiltu getaufft werden? Patrinus. Ich will. 42 Sacerdos. N. Ich tauff dich im namen Gottes Vatters / und des Sohns / und des heyligen Geists. 43 Intincto pollice in Chrisma faciat Cru+cem in Vertice dicens: Gott und vatter unsers herrn Jesu Christi / der dich wider geboren hat aus dem wasser und heyligen Geist / der dier auch geben hat verzeihung aller deiner Sünden / der salb dich mit dem Chrisam des hails / in Christo Jesu unserm herrn / zum ewigen leben. Amen.
3 Feier der Taufe / De Baptismo
3.10
151
Die Riten nach der Taufe
[f. 14v] 44 Induendo Camisiam. Nim hin das weiß unvermailigt khlaidt / das du bringest für den Richterstuel Christi / auf das du habest das ewige leben / der fridt sey mit dier und mit deinem geist. 45 Porrigendo illi Candelam: Nim hin das unsträflich liecht / auf das / wo der herr zu richten khummen wierdt / du Ihme entgegen lauffest / in den grossen heyligen und himlischen Saal / zu der freudt des ewigen lebens. Amen. [f. 15 vacat] [f. 16 vacat]
4 Segnung der Mutter / Ad Introducendum Mulierem
[f. 17r] Ad Introducendum mulierem post partum
4.1
Psalm 120 mit Abschlussvers
46 Psalmus 120. Leuaui oculos meos in montes unde ueniet auxilium mihi. Auxilium meum a Domino qui fecit coelum et terram. Non det in commotionem pedem tuum, neque dormitet qui custodit te. Ecce non dormitabit neque dormiet / qui custodit Israhel. Dominus custodit te / dominus protectio tua / super manum dexteram tuam. Per diem sol non uret te / neque luna per noctem. Dominus custodit te ab omni malo / custodiat animam tuam dominus. Dominus custodiat introitum tuum / et exitum tuum / ex hoc nunc et usque in seculum. Gloria Patri: [f. 17v] 47 Vel hunc psalmum germanice: Ich36 hab meine augen aufgehebt zu den Pergen / davon mier hülff khommen würdt / mein hülff khumbt von dem herren der himel und erden gemacht hat / Er würdt deine fueß nit strauchlen lassen / und der dich behüet der schläfft nit / Sihe der bewarer uber Israel der würdt nit schläfferig sein / oder entschlaffen / der herr behüete dich / der herr ist dein schuz uber dein rechte handt / das dich des tages die Sonn nit prenn / noch der monschein des nachtes. der herr würdt dich behüetten vor allem ubel / der herr würdt behüetten dein seel / der herr würdt behüetten deinen eingang und ausgang von nun an bis in ewigkhait. amen. 48 O herr mach heylwerdig dein dienerin so auf dich hoffet.
36
Ich] ras O (?)
4 Segnung der Mutter / Ad Introducendum Mulierem
4.2
153
Zwei Orationen
[f. 18r] Allmechtiger ewiger Gott / wir bitten dein göttliche maiestet / das / gleich wie 49 Christus Jesus dein aingeborner Sohn / dier in dem Tempel ist aufgeopffert worden / das also dise dein dienerin sambt ihrer leibsfrucht dier mit gerainigtem herzen aufgeopfert werde. Herr Gott himlischer vatter / der du durch Moysen deinen diener / dem Israe- 50 litischen volkh gebotten hast / das sich ein weib so eines khindts geligt / vierzig tag von der Khirchen solle absundern / Segne + dise dein dienerin / welche nach Ihrer geberung / umb rainigung willen ihres gemuets hieher khommen ist / und verleih / das gleich wie wier Sy durch unsern dienst in disen irdischen Tempel füeren / Sy als dann nach beschliessung ihres gegenwerttigen lebens / den eingang [f. 18v] zum himlischen ewigen leben bekhommen möge / durch unsern herrn Jesum Christum deinen sohn / der mit dier in ainigkhait des heyligen geists / lebt und regiert / warer Gott in ewigkhait Amen.
4.3
Abschlussformel
51 Manu introducatur in Ecclesiam his verbis: Der herr beware deinen eingang / und ausgang / von nun an biß in ewigkhait. Amen.
[ff. 19–25 vacant]
5 Gebete und Vermahnung zur Beichte
[f. 25r]
5.1
Vermahnung zur Beichte
Vermanung so ein Beichtvatter gegen seinem Beicht-Khindt gebrauchen mag. 52 Frommer lieber Christ / du bist ia durch den glauben und die Tauff auß ainem khnecht des Teufels ain Sohn Gottes / aus einem feindt ein freundt / und ein lebendigs glidt der Khirchen Christi worden / du hast erlangt vergebung der sünden / ein neuheit des lebens / ein sterkh guetes zu thun / und hast die aller grösten wolthaten Gottes / und die hoffnung des lebens / und der ewigen seeligkhait / uberkhummen / dieweil du aber das unbeflekhte khlaidt der unschuldt / welches du in der Tauff empfangen / nicht behalten / und dein erste lieb verlassen / und aintweders aus Poshait / oder aus menschlicher geprechlichkait {von unser aller haupt- [f. 25v] feinden / als von der welt / fleisch / Teufl etc. verfuert} mit deinen sünden demselben Gott {welcher alle die / die da ungerechtigkheit wirken37 / hasset} verlezt hast / so hast dich selbs durch dein schuldt jener aller dier von Gott gegebnen guetter und wolthaten beraubt / und bist widerumben in dieselbe des Teuffels und todts aigenschafft eingefallen. Aber getrau38 und richte dich in gueter hoffnung auf / der du in tieffe der sünden ligst / wir haben ein güettigen herrn und alles trosts / welcher / wann er zornig wierdt / gedenkht er an sein Barmherzigkhait / und wie er von anfang durch seinen eingebornen Sohn uns seine feindt sich selbst versönet hat / also weil er unser geschöpff und sinnen / und des menschlichen herzen gedankhen welche von Jugent auf zum bösen genaigt sein / [f. 26r] anmerkhet / hat er uns aus lautter güete und unermeslichen gnaden / durch den selben seinen Sohn ain andere Arzney wider diß unser ubel vorberaittet / auf das / so offt wir / und wie schwer das immer sein möchte / sundigen / und uns von Gott frembdt machen / khönnen wir zu gnaden wider khommen / das unglukh so wir verdient haben / abwenden / und die verlornen guetter / durch sein hülff wider erlangen und bekhommen.
37 38
wirken] wurkhen getrau] gethraw
5 Gebete und Vermahnung zur Beichte
155
Dann er ists / der uns gleich wie der vatter den verlornen Sohn von ferne 53 ansicht / Ihm entgegen gnediglich laufft / zu sich widerumben ruefft / und39 bringt / macht uns wurdig seines khuß / bekhlaidet uns mit dem ersten khlaidt der unschuldt / dise arzney aber mein Bruder oder Schwester40 ist das Sacament der Bueß / welches wie dier nit unbewust / drei41 thail oder stukh in sich be[f. 26v] greifft / als nemblich: die Reue42 / Beicht / und Gnuegthuung / dann / wiewol jene göttliche verhaissung warhafft ist bey dem Propheten / das böß leben des gottlosen würdt ihme nit schaden / zu welcher Zeit er sich bekheren würdt von seinem gottlosen wandl / dannocht aber will Gott / das der / welcher durch die hochfart und ungehorsam sündiget / sich durch die demuth nidrige / und in Scham dem mitkhnecht seinem seelsorger seine sünden beichte / entpindung und vergebung von Ihme begere / wie er durch seinen Apostl Jacob hat bevolhen: So jemandt under euch spricht er khrankh ist / so berueffet die Briester und lasset uber Ihn betten / und so er hat Sünden gethan / werden sy Ihme verzigen. und baldt hernach: Beichte einer dem andern eure sünden / damit Ihr seelig werdet43 / Als wolt er zu verstehen44 [f. 27r] geben / man khöndte nit anderst seelig werden / dann durch solche beicht. Ja es schreibt der Evangelist Johannes das Christus selbst nach seiner Auffersthung von den todten / seine Junger angeplasen hat / sprechent: Nembt hin den heyligen Geist / welchem Ihr die sünden verzeihet dem sein sy verzigen / dem Ihr sy aber vorbehaltet / dem sein sy vorbehalten. Verzeihen aber und vorbehalten45 / khan niemandt unter den menschen / das ienig was er nit waiß / er khan es weder hailn noch abhauen / weder auflösen46 noch pinden / Sihe mein Christ mit disen wordten hat Christus seinen Aposteln / und Ihren nach khummern allen ordenlichen Khirchen dienern gewaldt uber die Sünden zurichten geben / gleich wie Sy auch von Christo gewaldt haben andere Sacrament zu administriren / handlen und wandlen / auch wann [f. 27v] Sy die Priester schon in einem bösen leben / und grosse Sünder seyen / gleich wie Judas Iscarioth / so lang er bey Christo und in der samblung der frommen Junger war / so lang ist er ein rechter Apostl gewest / und also genent worden von den Evangelisten / nemlich das er ainer der Zwelffen, ob er wol ein dieb war. Dieweil Ich dann auch auß der Zal der Khirchendiener wiewol unwürdiger 54 bin / und dein Seelsorger / so bekhenn mir deine sünden / souil du derselben
39 40 41 42 43 44 45 46
und] unnd oder Schwester] emph MS drei] dreu Reue] Rew So jemandt … seelig werdet] cf Iac 5,14a.15b–16a zu verstehen] zuuerstehn Christus … vorbehalten] cf Io 20,22–23 auflösen] auflesen
156
Teil B: Agenda oder Hanndt Buechlin
gedenkhen khanst / mit einer warhafftigen Reue47 / öffne mir die wunden deiner seelen / auf das Ich Sy sehen und hailen khunde / und wiewol deine Sund schwer und groß sein / durch weliche du Gott deinen aller genedigisten vatter so hoch erzürnet / deinen nechsten verlezt / und dich selbert besudlet hast / Jedoch so du warhafftig und von [f. 28r] herzen die begangnen sünden bereuest / und mir sy threulich beichtest / mit einem starkhen fürsaz dich volgendter Zeit von denen und allen anderen Sünden durch hülff und beystandt Gottes zuenthalten / So würdt es dir an hailsamer arzney / und entbindung deiner sünden / auch an trost und unterweisung nit manglen / dann das sollst du48 wissen / im fahl diß Sacrament der Bueß recht und ordenlich gebraucht würdt / das dardurch ausgelescht werden alle deine Sünden die du mir gepeicht / oder aber nit mit willen / sonder auß vergessenheit unterlassen hast / dann wo du ainige schwere Sünd auß scham oder anderer ursachen halben nit beichtest / ob du schon daran gedenkhest / dieselbig Sünd würdt nit nachgelassen / sonder sy bleibt auf deinem khopf / dir zu deinem schaden / zeitlich und ewig / [f. 28v] wouer dir aber in der beicht etwas von mir deinem Beichtvatter hernach guets Zuthun etc. auferlegt würdt / die begirden deiner Sünden dardurch zu tempffen / soltu dasselbig mit freudt und ehrerbiettung aufnemen / und souil dir möglich / vleissig und gehorsamlich verrichten / dann das haist die heylig Christlich Khirch ein gnuegthuung / nit das du wollest achten es khündt ein mensch für seine sünden gnueg thun / dann Christus hat schon für Sy alle gnueg gethan am stammen des heyligen Creutzes / sonder das wir uns selber in die straff nemen / und aus demutigkhait guete werkh thuen / so den Sünden entgegen sein / und wie der heylig Paulus spricht: wie wir unsere glider dargethan haben zu dienen der ungerechtigkhait und boshait / Also wir hinfüro unsere [f. 29r] gelider dargeben zu dienen der gerechtigkhait und heyligkhait49 / das nennt die Christlich Khirch ein genugthuung / welche dann in fasten / betten / almosen geben / und in allen guten werkhen steht / dise will Ich dir nun nach gelegenhait / und nit wie deine Sündt verschuldt hetten / im namen der heyligen Christlichen Khirchen auferlegen / und das uberig auf den verdienst des leidens Christi / welcher unsere Sünden an seinem leib getragen hat / legen / du würdest das so dir auferlegt würdt gern annemen / und dich nach deinem vermögen / im verthrauen der göttlichen hülff zu volzihen befleissen / du solt auch nit zweiflen / das dise bueß / und alle gute werkh die von dem der Gott angenem und versöhnet ist worden / herfliessen / Gott in Christo und durch [f. 29v] sein bluet / lieb und angenem sey / nit weniger dann vorzeiten das opfer Abels / des unschuldigen / auch deß bueßfertigen Davids / welcher die verhengt straff der Pestilenz / durchs gebet abgewendet / und des khönigs 47 48 49
Reue] Rhew sollst du] soltu wie wir … heyligkhait] cf Rm 6,13
5 Gebete und Vermahnung zur Beichte
157
Achabs demüetigkhait / und der Niniviter fasten / Säkh / aschen / und schreien zu Gott / ist angenem gewesen. So gehe nun her ainer nach dem andern und beicht etc.
5.2
Forma Absolutionis allgemein
Forma Absolutionis. Precatio quae Absolutioni praemittitur. Misereatur tui omnipotens Deus etc. Indulgentiam, Absolutionem et remissionem etc.
55 56
Absolutio. Dominus noster Jesus Christus / filius Dei uiui / per suam piissimam miseri- 57 cordiam dignetur te absolvere. Et ego authoritate ipsius / qua in hac parte fungor / [f. 30r] absolvo te ab om- 58 nibus peccatis tuis / quae mihi modo confessus {confessa} es / aut quorum memoriam non habes / etiam a vinculo excomunicationis minoris si aliquo teneris / ut sis absolutus absoluta hic et ante tribunal eiusdem domini nostri Jesu Christi / habeasque vitam aeternam. In nomine Dei patris et filii et50 Spiritus sancti. Passio Domini nostri Jesu Christi / et merita beatae Mariae semper Virginis / 60 et omnium Sanctorum / et quicquid boni feceris / vel intendis facere / et mala quae sustines / ac sustinebis / sint tibi in remissionem peccatorum tuorum / in augmentum gratiae / et praemium vitae aeternae. In nomine patris et filii et Spiritus sancti.
5.3
Forma Absolutionis zum Jubeljahr
61 Tempore Iubilaei. Misereatur tui Omnipotens Deus etc. Indulgentiuam Absolutionem et remissionem etc. Absolutio [f. 30v] Dominus noster Jesus Christus filius Dei uiui / per suam piissimam miseri- 62 cordiam dignetur te absolvere. Et ego authoritate omnipotens Dei / et beatorum Apostolorum Petri et Pauli / sanctaeque matris Ecclesiae / et sanctissimi Domini nostri Papae N. mihi nunc vigore Jubilaei nuper promulgati concessa / 50
et] et et
158
Teil B: Agenda oder Hanndt Buechlin
Absolvo te ab omnibus peccatis / delictis et51 / praeuaricationibus / quantumuis gravibus / et enormibus / etiam Romanae et Apostolicae Sedi immediate reservatis / et in Bulla coenae Domini contentis / quae hactenus commisisti / et mihi modo confessus es / aut quorum memoriam non habes. Item ego te absolvo ab omni Vinculo Excommunicationis maioris / et minoris / et ab omnibus sententiis / Censuris / et Poenis Ecclesiasti cis / in quas incurristi / dans tibi praelibata authoritate / omnium et singulorum peccatorum tuorum plenam Culpae et [f. 31r] Poenae remissionem / et Indulgentiam: Ut modo supra dicto / ratione sancti Jubilaei / sis absolutus / hic et ante Tribunal eiusdem Domini nostri Jesu Christi / habeasque Vitam aeternam. In nomine Dei patris et filii / et Spiritus sancti. Amen. 63 Passio Domini nostril Jesu Christi / et merita beatae Maria semper Virginis etc. [f. 31v vacat] [f. 32 vacat]
51
et] sup lin
6 Gebete und Vermahnung zur Eucharistie
[f. 33r]
6.1
Vermahnung zum Altarsakrament
Vermanung zum hochwürdigen Sacrament52 deß Altars. Ihr Auserwelten in Christo dem herrn / nachdem wir nun das heylig hoch- 64 würdig Sacrament des Altars zu niessen vorhabens / würdt von nötten sein / das wir zuuor wol betrachten und erwegen / wie diß heylig Sacrament eingesezt / was es sey / welche frucht und nuz wir darauß zugewartten haben / damit wir nit unwissent hinzue lauffen / oder dises heyligthumb fur gering achten. Es bezeugen uns die heyligen Evangelisten53 / Matheus / Marcus / und Lucas / 65 Ja auch der heylig Apostel Paulus / das vor Ostern der Juden fest / als nun die Zeit khummen war / in [f. 33v] deren Christus Jesus der Sohn Gottes / durch den todt des Creuzes / widerumb auß diser welt zum vatter hinzihen wolt / hat er zuuor auß grosser begirt / ain Abentmal gehalten mit seynen lieben Jungern / welche er wie zuuor / auch also biß an das endt lieb gehabt54 / und sein lieb / nit allein gegen Ihnen / sonder auch gegen unß / und allen denen / so durch sein wort bis auf den Jungsten tag an Ihn glauben werden / mit der that bewisen / In dem er nit allein für uns gestorben / sonder zu seiner ewigen gedechtnus / und wahrer einleibung unser mit Ihme / hat er uns als zur lez verlassen diß hochheylig Sacrament / welches ist sein wahrer leib 55 und sein wahres bluet / wie dann der Evangelisten und Pauli wort lautten: In der nacht da Jesus verrathen wardt nam er das brodt / [f. 34r] dankhet / und brachs / und gabs seinen Jungern und sprach: Nemet hin und esset / das ist mein leib / der fur euch56 dargegeben würdt / das thut zu meiner gedechtnus. Deß gleichen auch den Khelch nach dem Abentmal / und sprach: Trinkht alle daraus / dann das ist mein bluet deß neuen Testaments / welches vergossen würdt für vil / zur vergebung der sunden / und solches thuet so offt Ihrs tinkht zu meiner 52 53 54 55 56
Sacrament] Sacramet Evangelisten] marg rub Institutio lieb gehabt] cf Io 13,1 sein wahrer leib] marg rub quid sit fur euch] marg rub Materia
160
Teil B: Agenda oder Hanndt Buechlin
gedechtnus.57 Dise wortt58 Ihr geliebten hat Christus selbs geredt / nemlich / nembt hin und esset / nembt hin und trinkhet / das ist mein leib / das ist mein bluet. etc. 66 Darumben sollen wir ihnen billich glauben geben / und unser schwache vernunfft in die allmechtigkhait Gottes gefangen legen / das / was Christus Jesus Gottes sohn verhaist / das khan er auch thuen / der die todten auferwekhet hat / und ruefft [f. 34v] die ding herzue die nit sein / wie der heylig Apostl59 Paulus bezeuget / Es bleiben ia wol die gestalten deß brots und weins60 / aber die natur und substanz derselben / würdt gänzlich in die natur und substanz des leibs und bluets Christi warhafftigclich verendert / ligt nicht daran ob wir wol solches durch unser vernunfft nit begreiffen mögen / dann so wir auf unsere gedankhen sehen / und disen wortten Christi: das ist mein Leib / das ist mein bluet / nit glauben wolten / so wurdten wir unsern verstandt uber den gewalt Christi erheben / an Gottes allmechtigkhait zweifeln / und Christum den herrn der die Göttlich warheit selbs ist / einer unwarheit bezeihen / wo blib dann das der Engl zu Maria der heyligen61 Jungkhfrawen sagt: bey Gott sey nichts unmöglich.62 derwegen [f. 35r] Ihr geliebten / so muß alhie nit unser vernunfft geltten / sonder der glaub / welcher wie Paulus sagt ein bestendiger grundt oder anfang ist / derer ding so wir verhoffen / und ein gewisse sichere anzeigung / derer ding so nit gesehen werden. 67 So khumbt nun herzue alle die Ihr euch durch vorgeendte Beicht und pueß gerainiget habt / und der sünden abgestorben seit / auch nun durch Gottes khrafft und Geist / zu einem neuen heyligen leben widerumben zuerstehn / und euren wandl / Christlicher als bisher / anzustellen / vorhabens seyt / trett herzue / und empfahet in wahrem Christlichem glauben dise himelische speiß in euren seelen / dardruch Ihr genadt bekhummet / hinfüro eur leben zu bessern / und in Gottes willen und wolgefallen zu leben / Khumbt her sag [f. 35v] Ich / last euch speisen mit dem heyligen leib und bluet unsers herrn Jesu Christi / alle die Ihr euch nach der lehr des heyligen Pauli63 genugsam prueft habt / damit Ihr nit esset euch selbs zu der ewigen verdamnus / dann durch die hailsame speiß werden wir Christo dem herrn64 innerlich eingeleibt / das wir in Ihme bleiben / und er in uns / also das wir alle Christi leib und glider seyen / und er unser haupt und haylandt / auch wir hinfüro nit mer uns / sonder dem leben sollen / der fur unß gestorben und aufferstanden ist / und uns aus lautter lieb / 57 58 59 60 61 62 63 64
In der nacht … zu meiner gedechtnus] cf 1 Cor 11,23–26; Mt 26,26–28 Dise wortt] marg rub forma der heylig Apostl] marg Rom: 4 (cf Rm 4,17) weins] marg rub Transsubstantiatio der heyligen] marg lucae 1 bey Gott … unmöglich] cf Lc 1,37 des heyligen Pauli] cf 1 Cor 11,28–29 dem herrn] marg rub Effectus et fructus I
6 Gebete und Vermahnung zur Eucharistie
161
seinen wahren leib und bluet in disem hochwürdigen Sacrament gegeben hat / dardurch wir dem Teuffl und allem seinen anhang khündten widerstandt thuen. Zum Andern65 / werden wir durch dise heylige niessung und gemainschafft [f. 36r] allen frommen auserwölten heyligen zugesellet / das wir mit Ihnen der geystlich leichnam Christi seyen / wie Paulus sagt: das wir alle ain leib / und ain brot seyen / die wir aines brots thailhafftig werden66 / welches uns dann nit ein schlechten trost macht / in dem wir erkhennen / das / so lang wir in solcher gemainschafft deß haubts Christi / und aller gottseeligen wandl also verharren / uns nichts widerwerttigs oder schedlichs widerfaren khan / durch welche gemainschafft wir auch zu der lieb gegen unserm nechsten glidt und mitchristen / insonderhait angeraizt werden / das wir einander herzlich mainen / und liebhaben / wie uns Christus liebgehabt und sein leben fur uns dargegeben hat. Dieweil dann Christus der herr selbs [f. 36v] spricht: so offt Ihr das thuet so 68 thuet es zu meiner gedechtnus / sollen wir uns von herzen erinnern der grossen pein und martter / seines bluetigen schwaiß und angstigen gebets / seiner harten gaislung und erbarmlichen Khrönung / seiner pittern Creuzigung und heyligen funff wunden / seines rosenfarben bluets vergiessung und schmerzlichen sterbens / welches dann alles fur unsere sünden geschehen / darumben wir billlich allen sunden {die disen Khönig der ehren zu solcher marter verursacht haben} feindt sein / und uns aller tugent und Gottesforcht zu einem wolgefelligen dienst Gottes befleissen sollen / auf das wir diß hochwürdig Sacrament nit allein hie würdig67 geniessen / sonder alsdann nach disem leben / dortt mit der ewigen glori und herzligkhait [f. 37r] Gottes / in der ewigen freudt und seeligkhait ohn aufhören gespeist werden mögen. Amen.
6.2
Vorbereitungsgebete
Damit Ihr aber diß hochwürdig Sacrament desto würdiger empfahen mögt / so 69 khniet nider / bezaichnet euch mit dem zaichen deß heyligen Creuz / und sprecht mir nach die offne Beicht: Ich armer sündiger mensch etc. 70 Absolutio Misereatur Vestri omnipotens Deus etc. 71 Sprecht mir nach diß gebetlein O du aller güettigster herr Jesu Christe / Ich bitt dich durch dein leiden und sterben / gib mir in niessung dises deines fleischs und bluets / ein rechten wahren glauben / ein starkhe lebendige hoffnung / und ein volkhommene lieb / das 65 66 67
Zum Andern] marg II das wir alle … werden] cf 1 Cor 10,17 würdig] wür(lac d)ig
162
Teil B: Agenda oder Hanndt Buechlin
Ich mög mit rainem herzen bedenkhen / auß waß lieb und güete du uns dein fleisch und bluet [f. 37v] am Nachtmal eingesezt / und uns verlassen hast / das auch in mir khrefftigkhlich erneuert werdt / dein aller heyligster todt und leiden / so zu erlösung deß armen sünders geschehen ist. Ich bitt dich du wollest mein herz rainigen und saubern von allen sunden / mir auch geben ein rechte ware rheu uber meine sünd / ein warhafftige volkhommene bekhandtnus meiner sündt / gib mir auch o herr ein ware bueß / alhie in der Zeit der genadten / und ein guetten fürsaz mein leben zu bessern / das Ich dir / und nit mir lebe / in heyligkhait und gerechtigkhait alle tag meines lebens / das Ich auch yezundt mög dises dein bluet und fleisch im heyligen Sacrament empfahen68 / würdigkhlich / zu nuz / hulff / und trost / meiner armen seelen. O herr Jesu Christe / Ich armer sünder [f. 38r] bin nit würdig das du eingehest unter das dach meines herzen / dieweil Ich aber so arm und ellendt / das Ich ohn dich nimmermer weder gerecht noch seelig werden khan / so beger Ich deiner auß inbrünstigem herzen / sprich derwegen ain hailsames wortt, so wurdt alsbaldt mein arme seel gesundt. Amen.
6.3
Spendeformeln
72 Ad Corpus. Der Leib unsers herrn Jesu Christi bewahr dein seel in das ewig leben. 73 Vel. Nim hin das ist der wahr leib Jesu Christi / der für dich gegeben ist / der bewahr dich in das ewig leben. 74 Ad Sanguinem. Das bluet unsers herrn Jesu Christi bewahr dein seel in das ewig leben. 75 Vel. Nim hin und trinkh / das ist das wahr bluet unsers herrn Jesu Christi daß [f. 38v] bewar dich in das ewig leben.
6.4
Gebet und Segen nach Empfang des Altarsakraments
76 Gebet nach der niessung. O Allmechtiger / ewiger und heyliger vatter / Ich sag dir lob und dankh / das du mich unwürdigen sünder gespeist hast / mit dem leib und bluet deines eingebornen Sohns unsers herrn Jesu Christi / Ich bitt dich demütigclich / das diß Sacrament mir nit sey ein verschuldigung zu der pein / sonder ein hailsams mittl zu der genadt / es sey mir ein starkhe Purg des glaubens / ein schilt eines 68
empfahen] empfahe(lac n)
6 Gebete und Vermahnung zur Eucharistie
163
gueten willens / diß sey auch ein ausfegung meiner sünden / und ein ausreuttung böser begirligkhait / es sey mir ein mehrung und wachsung einer rechten lieb / gedult demuetigkheit / gehorsam / und eines ganzen tugentsamen lebens / es sey mir auch o herr ein starkhe beschir- [f. 39r] mung / wider alle meine feindt / das Ich dir allein anhange / und mein leben in dir beschließ / Ich bitte dich auch das du mich unwürdigen sünder / wollest füeren zu dem himlischen wolleben / da du bist bey deinen lieben auserwelten ein wahres liecht / ein volkhummene settigung / und ewige freudt. Amen. Gott sey euch genedig und barmbherzig / und geb euch seinen göttlichen 77 Segen69 / er laß sein angesicht leuchten / und geb euch seinen friden. Amen. [f. 39v vacat] [f. 40 vacat]
69
Segen] seegen
7 Feier der Trauung / Copulatio Sponsi et Sponsae
[f. 41r] Copulatio Sponsi et Sponsae.
7.1
Vermahnung zum Ehesakrament
78 Ihr auserwelten / es sein alhie zwo erbar Personen / welche nach ordnung der heyligen Christlichen Khirchen dreu mal offentlich auf der Canzel verkündt worden / und sein nun willlens / alda vor Christo und seiner Christlichen gemain / das heylig Sacrament der Ehe an sich zu nemen / und ordenlich zubestetten. Derwegen wo nun yemandt verhandten wär / der Irrung oder hindernus zwischen disen bayden Personen wisse / als wann bluetsfreundt schafft / Sipschafft / gevatterschafft / oder anders dergleichen verhanden wäre / dardurch diß heylig werkh sein fortgang nit haben möchte / dem gepeut Ich bey Christlicher gehorsam / damit mir solches bey Zeitten geoffenbaret werdte / [f. 41v] Zum ersten / anderen / und dritten mal 79 Ad Copulandos: Dieweil Ihr dann zum standt der heyligen Ehe greiffen wolt / und dann solches mit gutem verstandt der heyligen schrifft / und also mit mehrer andacht beschehe / so höret erstlich das wort Gottes / wie der Ehlich standt von Gott sey eingesezt worden. Gott der herr sprach:70 es ist nit guet das der mensch allein sey / Ich will Ihm ein gehulffen machen die umb Ihn sey / da ließ Gott der herr ein tieffen schlaff fallen auf den Adam / und da er entschlaffen war / hat er genommen seiner rippen aine / und die stedt mit fleisch zugeschlossen / und Gott der herr pauet die ripp so er auß dem mann genomen het, zu einem weib / und bracht sy zu Adam / da sprach Adam: das ist ein pain von meinem pain / und fleisch [f. 42r] von meinem fleisch / dise würdt man mannin haissen / darumb das Sy von dem mann genomen ist / derwegen würdt der mensch sein vatter und mutter verlassen / und seinem weib anhangen / und werden sein zway ain fleisch.71 Aus 70 71
Gott der herr sprach] marg rub I Gen: 2 Gott der herr … ain fleisch] cf Gn 2, 18.21–24
7 Feier der Trauung / Copulatio Sponsi et Sponsae
165
disen wortten Ihr geliebten höret und vernembt Ihr / wer das Sacrament des Ehelichen standts hat72 eingesezt / nemblich / das Gott der herr selbs dises standts ein anfanger und Ehestiffter sey / derwegen soll disen standt niemand verachten / vil weniger verdammen / dieweil Ihn Gott selbs hat eingesezt. Zum Andern so vernembt auch73 das heylig Evangelium / wie Ihr solt gegen- 80 einander verpflicht und verpunden sein. Die Phariseer tratten zu74 dem herrn Jesu / versuchten Ihn und sprachen: Zimbt es sich auch das sich ein mann schaide von seinem weibt / umb einer [f. 42v] yedlichen ursachen willen? und er sprach zu Ihnen: habt Ihr nit gelesen / das der den menschen von anfang erschaffen hat / der hat sy bayde mann und weibt gemacht / und zu Ihnen gesagt: umb deß willen wirdt der mensch vatter und mutter verlassen / und seinem weib anhangen / und werden zway in ainem fleisch sein / so seindt sie nun nit zway / sonder ain fleisch / darum was Gott zusamen gefiegt hat / sol der mensch nit schaiden / da sprachen sy: warumb hat denn Moyses gebotten zu geben einen schaidt brieff / und sich von Ihr zu schaiden? Er sprach zu Ihnen: Moyses hat euch erlaubt zu schaiden von euren weibern / von eures herzen hertigkhait wegen / von anfang aber ists nit also gewest / Ich aber sag euch / wer sich von seinem weib schaidet / {es sey dann umb des Ehebruchs [f. 43r] willen} und nimbt ein andere / der bricht die Ehe / und wer die abgeschaiden nimbt / der bricht auch die Ehe.75 Ihr geliebten / aus disen wortten lehrnet Ihr abermals / wie Ihr gegen einander verpunden sein solt / nemlich / das Ihr nit umb einer yeden schlechten ursach willen / wie dieselb mag genent werden von einander lauffen / sonder durch allerlay not dises ellendten Jammerthals / vleissig und fesst bey einander bleiben sollet / biß das euch Gott durch den zeitlichen todt von einander schaidet. Zum dritten / So höret auch das76 gebot Gottes / wie Ihr euch gegen einander 81 halten sollet / dann also spricht der heylig Paulus: Ihr manner liebt77 eure weiber / wie Christus geliebt hat die gemain / und hat sich selbs für sy gegeben / auf das er sy heyliget / und [f. 43v] hat Sy gerainiget durch das wasserbad im wort / auf das er sy Ihm selbs zurichten ein gemain die herrrlig sey / die nit hab ein flekhen / oder runzel / oder etwas dergleichen / sonder das sy sey heylig und unsträflich / also sollen auch die menner lieben Ihre weiber als Ihre aigne leib / wer sein weib liebt der liebt sich selbs / dann niemandt hat yemals sein aigen fleisch gehasset / sonder er neret es und pfleget sein gleich wie auch der herr seiner khirchen.78 72 73 74 75 76 77 78
hat] hab vernembt auch] marg rub II tratten zu] marg rub Math: 19 Die Phariseer … die Ehe] cf Mt 19,3–9 höret auch das] marg rub III Ihr manner liebt] marg rub Zum mann Ephes: 5 Ihr manner … khirchen] cf Eph 5,25–29
166
Teil B: Agenda oder Hanndt Buechlin
Zum weib. Die weiber seyen unterthan Ihren männern als dem herrn / dann der mann ist des weibs haupt / gleich wie Christus das haupt ist der Khirchen / und er ist seines leibs haylandt / Aber wie nun die Khirchen Christo unterthan ist / also auch die weiber Ihren mennern in allen dingen.79 Da vernembt Ihr nun widerumben [f. 44r] Ihr auserwelten aus disen wortten deß heyligen Pauli / wie sich weib und mann gegeneinander halten sollen / nemlich das sy in fester stetter lieb gegen einander Ihr lebenlang verbleiben / und durchaus khain dritte person in Ihr lieb sollen gerathen lassen / dieweil allein sy bayde ain fleisch worden sein / der mann soll sein weib dermassen lieben / das er sy für ein mit gehülffen halten / und im hauß auch etwas geltten lassen soll / dann darumb hat Sy Gott der herr nit auß des manns fuessen / sonder aus seiner seitten genommen / das sy von Ihm nit soll schmälich gehaltten / und für ein fußhader umbgezogen werden. das weib sol Ihren mann dergestalt lieben / das sy Ihm in allen dingen gehorsam und underthenig sey / und sich nit unterstehe uber den mann zu [f. 44v] herschen / und sich nebn Ihm im hauß aufzuwerffen / dess sie sich erinnern sol / das sy nit auß dem haubt / sonder aus der seitten deß manns genommen worden. 82 Weitter80 und zum viertten höret auch das Creuz das Gott dem Ehelichen standt hat auffgesezt. Ad Sponsam. Also sprach Gott zum weib: Ich will dir vil schmerzen und khummernus schaffen wann du schwanger würdest / du solt mit schmerzen Khinder geberen / und dein will soll deinem mann allezeit unterworffen sein / und er soll dein herr sein.81 Ad Sponsum. Und zum Adam sprach Gott: dieweil du deines weibs stimm bist gehorsam gewest / und hast geessen von dem baum / davon Ich dir zuessen verbotten het / verfluecht sey der Akher umb deinet willen / mit [f. 45r] khummer soltu dich darauf nehren, dein lebenlang / dorn und distln soll er dir tragen / und solst das khraut auf dem feldt essen / im schwais deines angesichts solt dein brott essen / bis das du widerumb zu der erden werdest davon du genommen bist / dann du bist erden und solt zur erden werden.82 Doch soll das eur trost sein das Ihr glaubt und wisset / das eur standt vor Gott angenem und gesegnet ist / dann also steht geschrieben: Gott erschuef83 den menschen nach seiner bildnus / nach der bildnus Gottes erschuef er Ihn / und er schuef sy ein männlein und ein fraulein / und Gott segnet sy und sprach zu Ihnen: Seyt fruchtbar und mehret euch und erfüllet die erden / und machet Sy euch unterthan / und herschet uber die fisch im mör / und uber die vögl [f. 45v] 79 80 81 82 83
Die weiber … dingen] cf Eph 5,22–24 Weitter] marg rub IIII Also sprach Gott … herr sein] cf Gn 3,16 Und zum Adam … erden werden] cf Gn 3,17–19 Gott erschuef] marg rub Genes: 1.
7 Feier der Trauung / Copulatio Sponsi et Sponsae
167
unter dem himel / und uber alles thier das da khreucht auf erden / und Gott sahe alles was er gemacht hett / und sihe da es war alles sehr guet84 / darumb spricht auch Salomon: wer ein Ehefraw findet / der findet ein guet ding / und bekhombt wolgefallen vom herrn85 / das ist / Gott gibt den Eheleuthen sein genadt / das sy lust und lieb zusamen haben / und gern bey einander sein / dann sy wissen das es Gott also wolgefelt. Zum funfften86 und letzten solt Ihr auch mit khurzen wortten vernemen die 83 ursachen / dardurch Gott der allmechtig bewegt / den heyligen standt der Ehe hat eingesezt / derselben finden wir aber fürnemlich drey: dann zum ersten87 hat Gott das Sacrament der Ehe eingesezt / auf das dardurch khinder erzeugt / und das menschlich [f. 46r] geschlecht gemehret werde / derwegen wo und wem nun Gott der herr khinder gibt / der soll sich befleissen damit solche khinder in aller ehr / zucht / und Gottesforcht / auferzogen werden / aufdas also nit allein die anzal der Christen in gemain / sonder und vilmer die anzal der außerwölten gemehrt werde. Zum Andern88 ist diser standt von Gott eingesezt worden / auf das dardurch huererey / buelerey / allerley schandt / unzucht / und leichtfertigkhait / vermitten / und aufgehebt werde. Zum dritten89 hat Gott die Ehe darumb eingesezt / auf das durch die ehelich beywohnung / und verpflichtung manns und weibs / desto ehe verstanden werde / die genadenreich vereheligung / und verwandtnus Christi mit seiner heyligen gemain und Khirchen / [f. 46v] derwegen / gleich wie Christus sein Khirchen mit seinem rosenfarben bluet erkhaufft hat / dieselb regiret und erhelt / auch zu ewigen zeitten nit verlesst / Also sollen auch die Eheleuth herzliche lieb aneinander haben / und khaines wes die ehelich pflicht in vergessenhait stellen / sonder alles guets und böß in gedult miteinander leiden / ains dem andern ein trost und freudt in diser traurigen welt sein / wo solches geschicht unter den Eheleuten / sollen sy nit zweyfeln / Gott der allmechtig würdt Ihnen sein gnadt geben / das Ihnen die nahrung reichlich zuesteht / und wo schon dieselbig zu Zeitten schmal ist / das sy doch wol erspreust / die khinder wol geratten / das vatter und muetter ein ehr und freudt daran sehen und haben / und [f. 47r] in Summa / all ihr thun Ihnen zum gueten gedeyet. Der allmechtig ewig güettig Gott / wöll all eur handlen und wandlen in disem heyligen standt der Ehe / nach seinem göttlichen willen und wolgefallen dahin richten / das Ihr nach disem ellenden leben / endtlich würdig werdet / zu erlangen das ewig /solches zu bekommen sprecht mit mir das heylig Pater Noster. Ave Maria etc. 84 85 86 87 88 89
Gott erschuef … sehr guet] cf Gn 1,27–28.31a wer ein Ehefraw … vom herrn] cf Prv 18,22 Zum funfften] marg V zum ersten] emph MS; marg rub 1 Zum Andern] Zum An emph MS; marg rub 2 Zum dritten] emph MS; marg rub 3
168
7.2
Teil B: Agenda oder Hanndt Buechlin
Erfragung des Ehewillens
84 Ad Sponsum N. Ists eur herzlichs begern / will und mainung / ehelich zu werden in Christo? So sagt Ja. 85 Ad Sponsam. N. Seydt auch Ihr gänzlich entschlossen / in Christo ehelich zu werden? So sagt Ja. 86 Ad Sponsum. N. Gedenkht Ihr diser N. threulich [f. 47v] vorzusthen / wie Adam seiner Eva / und sy zu lieben als eur aigen fleisch und Ihr zuverschonen als einem schlechten90 werkhzeug91 / wie sy der heylig Petrus beschreibt / und sy endtlich nit zuverlassen / in allerlay nöten dises ellenden lebens / sondern Ihr threulich bey zustehen biß das euch der todt schaidet? So sagt Ja. 87 Ad Sponsam. N. Gedenkht Ihr disem gegenwürdigen N. threulich beyzuwohnen / und Ihm underthenig zu sein / wie Eva dem Adam / Ihn zu lieben und ehren wie Sara den Abraham / auch von Ihm nit zu weichen / in allerley trüebseligkhait dises ellendten Jammerthals / sonder euch / threulich / ehrlich / und wol bey Ihm zuverhalten / bis das euch der todt schaidet? So sagt Ja.
7.3
Segnung der Ringe
88 Ad ambos. [f. 48r] Dieweil dann dise threu an einander halten und laisten wolt / so gebt die ring und hendt einander 89 Datis manibus et annulo dicat Sacerdos. Das Ihr alda die hendt einander gebt / bedeut nichts anders / dann das Ihr hie vor Christo und seiner Christlichen gemain / gleich als mit einem Aydt bestettet / das Ihr eur lebenlang nimmermer aneinander verlassen / sonder durch allerley nott / angst / und truebseligkhait / dises gegenwürdigen ellendten lebens / threulich bey einander bestehn / und bleiben wollet / biß das euch der todt schaidet. 90 Durch den Ring / gleich wie der Ring rundt / und ganz ist / hat weder anfang noch endt / also soll eur lieb die Ihr alda anfahet / khain endt haben / und sollet das anfahen / und thun / in [f. 48v] dem der weder anfang noch endt hat.
90 91
schlechten] sup lin schwachen (rub MS) schlechten werkhzeug] cf 1 Petr 3,7
7 Feier der Trauung / Copulatio Sponsi et Sponsae
7.4
169
Eheschließung
91 Ad Sponsum, inuoluendo stola amborum manus Sprecht mir nach: Ich N. nimb dich N. mir zu einem ehelichen gemahel / und verlob dir mein threu. 92 Similiter etiam ad Sponsam. 93 Postea dicat Sacerdos: Die Ehelich pflicht die Ihr alda aneinander thuet / die bestett Ich auß beuelch Christi und seiner Christlichen Khirchen / Im Namen Gottes vatters / Sohns / und heyligen Geists. Amen.
7.5
Abschlussoration und Segen
Khniet nider und lasst uns betten. Guetiger herr Jesu Christe / der du auf der 94 hochzeit zu Cana / dein erstes wunderzaichen {da du wasser zu köstlichem wein machest} zu ehren dem heyligen Ehestandt gethan / und da- [f. 49v] mit dein göttlichen gewalt geoffenbaret / auch angezaigt hast / das du seyst der recht wahr Preutigam deiner Khirchen und aller Christglaubigen / wir bitten dich / gib disem gegenwerdigen Chonvolk dein genadt / das Sy den heyligen Ehestandt heylig und ehrlich halten / und also darinnen leben mit aller Gottesforcht und Zucht / das Sy Ihnen selbs dardurch khain hindernus sezen zum reich der himel / gib auch das wir alle miteinander deiner stimm {der du unser herr / Maister und Breutigam bist} mit unterthenigem wilferigem herzen allzeit volgen / und gehorchen / und thuen / was du uns gebeutst / das wir als deine gehorsame die ewig seeligkhait entlich erwerben mögen / durch dein genadt / der du lebest und regirest mit Gott dem vatter Matrimonium in facie Ecclesiae inter vos92 contractum, Deus confirmet, et ego 95 illud approbo, perficio, et solennizo, in nomine Patris93 + et Filii + et Spiritus Sancti. Amen. [f. 49v] und heyligen Geist / ein ainiger gebenedeitter Gott / in ewigkhait Amen. Der segen Gottes vatters / Sohns / und heyligen Geists / sey mit uns izt und zu 96 allen Zeitten. Amen. [f. 50r] 92 93
vos] sup lin etc. Patris] (lac Pat)ris
170
7.6
Teil B: Agenda oder Hanndt Buechlin
Vermahnung nach der Hochzeit
Vermanung Bey einem hochzeit Ambt da man khain sonderbare predig helt. 97 Dieweil Ihr samentlich {Ihr geliebten} disen bayden Personen / welche an gestern den heyligen standt der Ehe an sich zunemen angefangen haben / zu ehren alhie erscheinet / so solt Ihr vor allen dingen betrachten / das der Ehestandt unter die siben Sacrament gezelt würdt / welche von Christo dem herrn eingesezt / und der khirchen gleich als werkhzeug der genaden Gottes / ein Arzney der menschlichen schwachheit / und ein pfandt der ewigen seeligkhait / seindt verlassen worden / da sollet Ihr euch mit allem vleiß huetten / das Ihr alhie nit wie bey einem affenspill / oder sonst anderm weltlichem geschafft und handl [f. 50v] steht / wie es dann wol geschicht / und geschehen mues / bey denen / welche den Ehestandt aus der zal der heyligen Sacrament verwerffen / bey welchen auch die Eheleuth liederlich geschaiden werden / sondern sollet dem Ehestandt gleich wie den andern Sacramenten / gebürliche Reverenz und ehrerpiettung beweisen / und für dise zway Eheleuth Gott vleissig von herzen bitten / das Sy nit allein deß Sacraments / sonder auch seiner frucht und genaden Gottes / thailhafftig werden. 98 fürnemblich aber so verhoff und versieh Ich mich zu bayden dem neuen Preuttigam und Praut / das sy sich mit Gott versönen / Ihne umb sein Gottliche genadt und beystandt bitten / und disen heyligen schon angenommenen standt der Ehe also anfangen / damit Sy die augen der Mayestet Gottes so viel94 Ihnen möglich / mit geber- [f. 51r] den / und gedankhen / vil mer aber mit den werkhen unbelaidigt lassen / denn man mueß heylig sein wo man des heyligthumbs geniessen / und thailhafftig will werden / lasst euch zum wenigsten den heyligen Paulum von würdigkhait dises sacraments ermanen / welcher den Ehestandt vergleicht der verainigung / die der sohn Gottes mit der khirchen angenommen hat / und spricht das diß ein groß Sacrament95 sey / darumben wie nun Christus im glauben die Khirch Ihm selbst vermählet hat in ewigkhait96 / Also werden auch durch meinen und eines yeden ordenlichen Priesters khirchendienst / Breittigam und Braut / mann und weib / mit unaufleslichem bandt zusamen vertrauet und verkhnüpfft / und solches erstlich daumben / auf das sy khinder erzeugen / und zur ehr Gottes auferzihen [f. 51v] {wie Ihr auch an gestern gehört} dar nach / das Ihnen auch diser standt ein Arzney ist wider alle unzucht / darzu sunst das menschlich geschlecht genaigt ist / dann die ehelichen werkh / welche villeicht sonst ohn sünde nit volbracht wurden /
94 95 96
so viel] souil Sacrament] emph MS heyligen Paulum … ewigkhait] cf Eph 5,29–32
7 Feier der Trauung / Copulatio Sponsi et Sponsae
171
geschehen aus khrafft dises Sacraments ohne sünden / darzu komht auch die genadt Gottes / den ienigen / die diß Sacrament mit reuerenz / ehrerbiettung / und mit guetem fürsaz / in Catholischer Khirchen {ausser welcher die Sacrament weder fruchtbar noch hailsam seindt} annemen zu steur und hülff / die stachl und zuntter deß fleisch und bösen wollusts zu dempfen / die offt und vil in uns von neuem zuentstehn pflegen / nit allein in denen so im ehestandt / sonder die auch unkheusch leben / diß solt Ihr aber auff baiden thailen bey euch [f. 52r] wol beschliessen97 / das khains unter euch hinfuran seines aignen leibs mechtig seyn würdt / sonder diß dein weib / würdt uber deinen leib gewalt haben / und du würdest deines weibs leibs mochtig sein. Darumb seit Ihr schuldig so lang Ihr baide lebt / das ains dem andern seinen 99 leib kheusch / rain / und unbeflekht / vorbehalt und beware / und werdet euch untereinander nit verkhurzen / es sey dann ein Zeitlang umb deß gebets willen wie der heylig Paulus vermanet98 / daher jederman99 verstehn soll / das die eheleut auf die heyligen zeit und tag {daran man fürnemlich dem gebet / gottesdienst / und gottlichem lob obliget} vleissige achtung geben sollen / so gebeut euch auch der heylige Paulus / und dann der heylige Petrus / dier mann zwar das du dein weib liebest / [f. 52v] gleich wie Christus die Kirch / und sy in ehren habest / als das schwachste gefäß / aber doch als ein miterbin der genaden deß ewigen lebens100 / Ja umb deines weibs willen ist dir beuolhen / das du vatter und mutter verlassen sollest / dir Braut aber / das du in allen dingen gehorsam und unterthenig seyest deinem mann / dem dich Gott der herr selbst alsbald im anfang unterworffen hat / es wer dann / das er dich vom rechten alten Catholischen glauben unser lieben voreltern abfüeren wolt / dann da muß man Gott mer gehorsam sein dann den menschen101 / wie Petrus sagt: Ihr sollet auch glukh und unglukh mit gleichem herzen geduldigclich aufnemen / und sammentlich undereinander tragen / und souil Ihr khündt aneinander helffen und befürdern / und auch untereinander [f. 53r] mit vleissigem handtraichen / und lieblichen dienstbarkheit trösten / und wo euch Gott Khinder bescheren würdt / sollet Ihr dieselben mit grosser sorg und fleiß / in Gottes forcht und rechten glauben auferziehen / also wurdt es mit Gottes hulff geschehen / das euch eure Khinder solches mittler zeit gethreulichen widerumb vergelten / und Ihr alhie auf erden ein stilles lieblichs und fridtlichs leben {doch villeicht nit ohne betruebnus wie es dann pflegt in diser welt zuzugehn} führen / Nach disem aber das jenig ewig seelig und himlisch leben / mitein-
97 98 99 100 101
beschliessen] besc(sup lin h)liessen und werdet … vermanet] cf 1 Cor 7,5 daher jederman] marg 1 Corint: 7 dier mann … ewigen lebens] cf 1 Petr 3,7 dann da … menschen] cf Act 5,29
172
Teil B: Agenda oder Hanndt Buechlin
ander zu ewigen zeitten besizen werdet. Zu welchem unß allen verhelffen wölle die genadt unsers herrn Jhesu Christi / welchem sambt dem vatter und heyligen Geist ehr und lob sey in ewigkhait. Amen.
[f. 53v vacat] [ff. 54–56 vacant]
8 Begräbnis / Vermahnung bei einer Leich
[f. 57r] Vermanung bey einer Leich
8.1
Hinweis auf Gebete der Begräbnisliturgie vor der Ansprache
Erstlich aber sol De profundis etc. Kyrieleison Pater Noster collecta etc. 100 gehalten werden.
8.2
Vermahnung zum Begräbnis
Ihr auserwelten / dieweil nun Gott der allmechtig abermal einen Brueder {oder 101 schwester} mit namen N. auß disem Jammerthal abgefordert / und mit dem leib hinwekh genommen / und entschlaffen hat lassen / so sollen wir dennocht Gott lob und dankh sagen / das er Ihne {Sy}so gnedig und Christlich abgefordert / zuuor mit beicht / reu und layd uber seine sünden / nachmals mit dem hochwürdigen Sacrament deß leibs und bluets Jhesu Christi / als deß glaubigen rechte zehrung auf die raiß zum ewigen vatterlandt / wol versehen / wir wollen Ihme {Ihr} solches [f. 57v] Christliches abschaiden wol vergönnen / Ich wil geschweigen das wir wie die unsinnigen haiden / die khain aufferstehung verhoffen / so ungeheur und iammerlich umb Ihn {Sy} trauren / wainen / oder heulen wolten / vilmer wollen wir uns trösten durch unsern wahren Christlichen glauben / dadurch wir für gewis halten / unsere brueder und Schwester in Christo / ob sy wol auß unsern leiblichen augen abgeschaiden / so leben sy dich noch der seelen nach / Ja Sy gehen nur aus der gefenkhnus Ihres zergengklichen leibes / erst an ein vil freyers / bessers / und sicherers ort / es soll uns trösten das wortt Christi so er zu der Martha sagt:102 Resurget frater tuus etc.103 dann diß wortt ist unß allen / von allen unsern Christlichen Bruedern und schwe- [f. 58r] stern gesagt. Item tröstet euch mit dem / so der heylig Paulus sagt: Nolo vos ignorare de dormientibus / ut non104 contristemini 102 103 104
Martha sagt:] marg rub Johan 11 wortt Christi … tuus etc.] cf Io 11,23 ut non] marg rub 1 Thessal: 4
174
Teil B: Agenda oder Hanndt Buechlin
/ sicut et coeteri qui spem non habent etc.105 derwegen soll man uber ein Christlichs entschlaffens glidt nit also wainen / als ob es mit leib und seel gar vergangen / und todt wäre / sonder Ihme vilmer die ewig seeligkhait / die man ohn allen Zweifel daselbst sicht / und besizt / wie mans alhie geglaubt und verhofft hat / gern vergönnen. 102 Zum andern / lasst uns auch betrachten / was uns alda zuerlernen sey / Ja was uns eben dise gegenwerdige leich / predig und zuschrey / nichts anders Ihr geliebten / dann eben das / so der heylig Apostl Paulus sagt: Non habemus hic ciuitatem106 manentem / sed futuram inquirimus etc.107 und abermal: Statutum est homini se-108 [f. 58v] mel mori etc.109 Sy zaigt unß an sag Ich / wie wir alle miteinander dise schulden bezalen muessen / Hodie mihi spricht sy / cras tibi / vor zwayen oder dreyen tagen war Ich noch bey leben / khundt redt und antwort geben / Ich sorget nit das man mich so bald würdt gen grab tragen / wo wenig als du / und so ungewiß Ichs war / so ungewiß bistu deß auch / darumben / dieweil es ye nit anderst daran ist / so rath Ich dier110 / Memorare nouissima tua.111 Schikh dich auf die raiß / und das durch die ganz zeit deines lebens / dieweil du ye khain augenplikh sicher bist etc. und solches Ihr geliebten gibt die täglich erfahrung / wann schon gar khain schrifft darumben verhanden wär / da tregt immerzu einer den andern hinaus / niemandt bleibt uber wie Edl / starkh / mächtig / schon / Jung / reich / [f. 59r] und gelehrt er auch ist. 103 Derwegen und zum dritten / dieweil wir das wissen / ey so lasst uns nit allein fleissig erwegen was unß zu thun sey / sonder dasselbig ohne verzug ins werkh bringen / wir empfinden in uns / wie unser zergengclicher leib / von tag zu tag je lenger je mer corrumpirt würdt und abnimbt / biß er lezlich gar feldt / und in dem erdtrich erfaulet / damit aber nit auch die seel abneme / und in das grab der ewigen verdamnus falle / so lasst uns disen weg für uns nemen / dardurch sy von tag zu tag erneuert112 / und lezlich gar rain / und der ewigen seeligkhait würdig werde / wie Paulus lehret / und fürs erst / last uns ein festen ungezweiffelten glauben zu Gott unserm Schopffer haben / von dem wir alles guets empfangen / und gedenkhen / wir sein nun nit [f. 59v] mer unser wie Paulus sagt / sonder wir seyen Templ deß heyligen Geists113 darumb sollen wir Gott stets in unserm herzen tragen / und gänzlich verhoffen er werdt unß auch in unserm lezten stundtlein nit verlassen. 105 106 107 108 109 110 111 112 113
Nolo vos … habent etc.] cf 1 Th 4,13 civitatem] marg rub Hebr: 13 non habemus… inquirimus etc.] cf Hbr 13,14 homini se-] marg rub Hebr: 9 statutum … mori etc.] cf Hebr 9,27 Ich dier] marg rub Eccles: 7 Memorare … tua] cf Sir 7,40 Vg (= Sir 7,36) von tag … erneuert] cf 2 Cor 4,16 wir sein … Geistes] cf 1 Cor 6,19
8 Begräbnis / Vermahnung bei einer Leich
175
Zum andern / so lasst uns nit so faul und nachlessig sein wie die fünff tollen 104 und törechten Jungkhfrauen / die mit Ihren lären Ampeln daher lieffen / wolten erst öll einkhauffen da der Preutigam schon verhanden war / sonder vilmer / lasst uns jederzeit wie die weisen Jungkhfrauen mit öl und liecht / das ist mit allerlay guten und gottseligen werkhen wol versehen sein / auf das wenn der Preutigam Christus khumbt / wir Ihme entgegen lauffen / und frohlich mit Ihme zur hochzeit deß ewigen leben eingehn mögen114 / dann eben so wenig ein liecht [f. 60r] in der Ampel ohn öll und dergleichen liquor und faiste khan erhalten werden / also wenig würdestu mit dem blossen glauben ohn gutte werkh khinden selig werden / Lasst uns Gott vor allen dingen lieben / seinem wortt und gottestdienst volgen und außwartten / darnach auch gegen unserm negsten die werkh der Barmherzigkhait / auß vngefelschter lieb gebrauchen / aufdas Christus der herr an jenem jungsten tag auch zu uns allen sagen möge: dieweil du mich gespeist und getrenkht hast / da Ich hungerig und durstig war / hast mich nakhendten bekhlaidet / mich khrankhen haimgesucht / gefangenen getröst etc.115 Ey so khomm herein in das ewig reich meines vatters / das ist / in die ewige freudt und seeligkhait / welche mir und euch verleih die heilige Trifaltigkait / ein einiger Gott in etc.
8.3
Gang zum Grab und Beisetzung
[f. 60v] 105 Eundo ad Sepulchrum Mitten wir in leben sein etc. 106 Iuxta Sepulchrum. Sume terra quod tuum est / sumat Deus quod suum est / Corpus de terra formatum est / Spiritus de sursum inspiritus est. et reliqua iuxta ritum Ecclesiae catholicae. Interim chorus cantet In dich hab 107 Ich gehoffet herr etc.
8.4
Zwei Lieder zum Begräbnis
Ein Rueff zu der todten Procession Mitten wir im leben116 seindt / mit dem todt umbfangen / wen suechen wir der hulffe thut / das wir gnadt erlangen das bistu herr alleine / unß reuet unser 114 115 116
so lasst uns … eingehn mögen] cf Mt 25,1–13 Christus der herr … getöst etc.] cf Mt 25,34–40 Mitten wir im leben] marg 1
108
176
Teil B: Agenda oder Hanndt Buechlin
missethat / dieh dich herr erzürnet hat heyliger herre Gott / heyliger starkher Gott / heyliger barmherziger haylandt du ewiger Gott / lass uns nit versinkhen / in des pittern todtes not / Kirie leison. Mitten in dem todt117 anficht / unß der [f. 61r] hellen rachen / wer will unß auß solcher not / frey und ledig machen / das thustu herr alleine / es iammert dein barmherzigkhait / unser sündt und grosses laidt / heyliger herre Gott / heyliger starkher Gott / heyliger barmherziger haylandt / du ewiger Gott / lass uns nit verzagen / vor der tieffen helle gluet / Kyrieleison. Mitten in der hellen angst / unser sünd118 uns treiben / wo sollen wir dann fliehen hin / da wir mögen bleiben / zu dir herr Christ alleine / vergossen ist dein theures bluet / das gnueg für die sünde thuet / heyliger herre Gott / heyliger starkher Gott / heyliger barmherziger haylandt / du ewiger Gott / laß uns nit entfallen / von deß rechten glaubens trost. Kyrieleison 109 Ein anders unter der Begrebnus. [f. 61v] In dich119 hab Ich gehoffet herr / hulff das Ich nit zu schanden werdt / noch ewigclich zu spotte / des bitt Ich dich erhaltte mich / in deiner threu mein Gotte. Dein gnedig120 ohr naig her zu mier / erhör mein bitt thue dich herfür / eil bald mich zuerretten / in angst und wehe / Ich lig und steh / hulff mir in meinen nötten Mein Gott121 und schirmer steh mir bey Sey mir ein purg darin Ich frey / und ritterlich mög streitten / wider mein feindt / der gar vil seindt / an mir auf bayden seitten. Du bist122 mein sterkh / mein felß / mein hort / mein schildt / mein khrafft / sagt mir dein wortt / mein hulff / mein hail / mein leben / mein starkher Gott in aller nott / wer mag mir widerstreben. [f. 62r] Mir hat die weltt truglich gericht123 / mit liegen und mit falschem gedicht / vil nez und heimlich strikhe / herr nim mein war / in diser gefahr / behut mich vor falschen dükhen. Herr meinen geist befilch Ich dir124 / mein Gott / meint Gott weich nit von mir / nim mich in deine hende / O wahrer Gott / aus aller not / hulff mir am lezten endte. 117 118 119 120 121 122 123 124
Mitten in dem todt] marg 2 unser sünd] marg 3 In dich] marg 1 Dein gnedig] marg 2 Mein Gott] marg 3 Du bist] marg 4 truglich gericht] marg 5 Ich dir] marg 6
8 Begräbnis / Vermahnung bei einer Leich
177
Glori lob ehr und herrligkhait / sey Gott125 vatter und Sohn berait / dem heyligen Geist mit namen / die göttlich Khrafft / mach uns sighafft / durch Jesum Christum. Amen. [f. 62v vacat] [ff. 63–64 vacant]
125
sey Gott] marg 7
9 Zwei Gebete für die Obrigkeit
[f. 65r]
9.1
Gebet für die Obrigkeit (O Herr, allmächtiger Gott) mit Akrostichon (In unser höchsten Gefahr)
110 Ein gemain gebett für die geistlich und weltlich Obrigkhait auch allerlay anligen der ganzen Christenhait O herr Allmechtiger ewiger Gott / herr himlischer Vatter / sihe an mit den augen deiner grundtlosen Barmherzigkhait / den Jammer deiner glaubigen / für welcher dein aingeborner sohn / unser lieber herr und haylandt Jesus Christus / sich nit gewidert in die hendt der sünder zu khummen / und sein rosenfarbes bluet am stammen deß heyligen Creuz zuuergiessen / wende ab die wolverdiente straff so iezo vor augen / erleucht und sterkh durch deinen heyligen Geist / alle Geistliche und weltliche Obrigkhaiten / die päpstliche heyligkhait sambt aller Priesterschafft / alles das zu befürdern / so deiner göttlichen ehr / lob / und breiß / auch deiner [f. 65v] gemainen Christlichen Khirchen wolfart und rueh erspriessen und gedeyen mag / sende deiner gesponß der heyligen Catholischen Khirchen threue fromme vorsteher / und seelsorger die der beuolhnen Schäflein hail / als sich selbst mainen / die das heylig Evangelium nach dem allgemainen verstandt Christi / der heyligen Apostl / und Apostolischen menner / die ie von Christo her in der khirchen gelebt und gelehrt haben / predigen und auslegen / laß uns desselben deines wortts thailhafftig werden / und schaff das es in einen guten akher falle / und daraus vilfelttige frucht / in allen guten werkhen bringe / Erbarm dich auch allmechtiger Vatter uber dein ganze Christliche gemain in so mancherlay Irrungen des glaubens / hulff das deine auserwöldten [f. 66r] nit verführt werden / sunder durch deinen heyligen Geist im rechten wahren Catholischen und Apostolischen glauben bleiben / den rechten weg treffen / und von demselben biß ans endt nit weichen / wehr denen so vilfeltigen iezigen Secten und Rotten / derer khaine durchaus glaubt als die ander / und sich gleichwol alle deines wortts und khirchen starkh beruhmen / nit laß Ihnen souil khrafft das sy dein Volkh in allerlay mainung so iemmerlich zerreissen und zerspalten / das schier so manicher mann / so mancher glaub / auch so manichs Landt / Herrschafft / und Stadt / so maniche Religion und Khirchenordnung /
9 Zwei Gebete für die Obrigkeit
179
zu grosser lesterung deines heyligen Namens / und hoch scheolicher verführung viler tausent seelen / die du selbs mit deinem Rosenfarben bluet erwor[f. 66v] ben hast / gib auch barmherziger Gott / khayserlichen und khönigclichen mayestätten / allen Chur/fürsten und herrn / sambt andern Christlichen Obrigkhaiten / das sy deß heyligen Römischen Reichs {welches du zu erweitterung deines heyligen glaubens / verordent hast} glider / nach deinem willen schuzen / schirmen / handthaben / fridt und gerechtigkhait erhalten mög / sonderlich wider den grausamen Tyrannen und erbfeindt des Christlichen bluets den Türkhen / welcher mit deinem schönen Erbthail so jammerlich handlet / das er auch der khlainen seugling / so an der muetter pristen hangen / oder auch die noch in muetter leib / nit verschonet / dem widersez dich selbs O126 herr / und prich Ihme sein [f. 67r] grimmig fürnemen / nit laß Ihn also mit uns deinem völkhlein / sein unerhörten muettwillen treiben / stell auch ab alle andere schedliche empörung / und khriegsrüstung /so an manchen ortten wider uns gebraucht werden / du wöllest auch allmechtiger himlischer vatter die lieben frücht auf dem feldt / vor allerlay schaden und unfal genediclich bewahren / laß die grossen wetter / pliz / und donner / nit zu nachtheil unsers getraydts und frücht geraichen / wendt ab allerlay dörre / und gewässer / dardurch dieselben unsere frücht verderben möchten / verleih uns fridt und nahrung / gute gesunde lufft / und zeittigs wetter / damit wir unser feldt gewächs zu unserer notturfft einfuhren / und mit danckhsagung gebrauchen mö- [f. 67v] gen / wir bitten dich auch allmechtiger Gott / für alle gefangene / und betruebte / khrankhe / und ellende Christen / für unsere freundt / wolthater / und feindt / für lebendige und abgestorbene / und alles anligen gemainer Christenhait / damit wir dich hie in ainigkhait deß heyligen Christlichen Glaubens / und dort mit allen auserwehlten in ewiger freudt und seeligkhait mögen loben und ehren / Das verleih uns O herr himlischer vatter / durch die bluetfliessendten wunden deines allerliebsten sohns unsers herrn und haylandts Jesu Christi / welcher mit dir und dem heyligen Geist gleicher Gott lebet und regiret in ewigkhait. Amen. [f. 68r] In unser höchsten gefahr und not Herr Jesu Christe unnser Gott Eylents wir lauffen all zu dir Sonst gar khein zuflucht wissen wir Und bitten allzeit bey uns bleib Sey unser hülff an seel und leib. Maria raine Jungkfraw zart Aus dir Christus geboren wardt 126
O] Ö
111
180
Teil B: Agenda oder Hanndt Buechlin
Rueff dein liebs kindlein an mit uns Ihesus dir tregt groß liebes prunst Ain furbit thue für uns aus gunst. [f. 68v]
9.2
Gebet für die Obrigkeit (Allmächtiger, ewiger Gott) mit Akrostichon (Ihesu mein liebster Herre mein)
112 Ein anders Gebet auf oberzelte mainung. Allmechtiger ewiger Gott / herr himlischer Vatter / wir bitten dich durch das heylig verdienst Jesu Christi deines lieben sohns unsers haylandts / du wöllest uns gnedigclich widerfahren lassen / alles was uns zum hail der seelen und des leibes von nötten ist / Insonderhait / gib und mehr uns den glauben / die lieb / und hoffnung in dich / reütt in uns aus alle sünden und laster / allen zwitracht / unglauben / und khezerey / straff die Irrigen / bekher die unglaubigen / bring die abtrinnigen wider zu der ainigkhait der Catholischen kirchen / und zaig Ihnen das liecht deiner warheit / darinnen souil tausent heyliger Martyrer seeligclich abgeleibt sein / Behüet alle ständt der Christenhait / geistlich und weltlich / vor aller [f. 69r] gefärligkhait leibs und der seelen / vor allem unbillichem rath und fürnemen / O herr verleih gnadt dem sunder / wahre bueß zu wirkhen / dem gerechten / in seinem guten wandl und fürsaz zu verharren127 / Erbarm dich alles Christliches volkhs / sterkh alle threue arbeiter / tröst alle betrüebte herzen / den khrankhen verleih gesundtheit an seel und leib / den armen gib leibliche und geistliche notturfft / den Bilgram / und den die im ellendt sein / verleih mit freudten wider zu hauß zu khummen / denen die in gefährligkhait des wassers sein / gib zuerlangen das gestatt nach Ihrem begern / den schwangern frauen mitthaile gnedigclich ein frölichen anplikh Ihrer khinder geburt / allen mit denen wir gesundigt / oder die wir zu sindigen angeraizt haben / vergib Ihre sündt und missethat / allen die wir belaidiget / ge- [f. 69v] ergert / und beschedigt haben / denen wöllest alles für uns genedigclich widergeltten / und erstatten / allen unsern verwanten / Bluetsfreundten / mitbrüdern / und wolthätern / welcher wolthat wir täglich geniessen / und allen die in Ihrem gebet unser ingedenkh sein / oder die sich in unser gebet beuolhen haben / wollest barmherziger Vatter alles gutts widerfahren lassen / verleih und und unseren feindten wahre lieb / fridt / und ainigkhait / behuet uns gnedigclich vor dem Turkhen / und vor allen die uns schedtlich zu sein begeren / den früchten des Erdtrichs bescher ein gutes fruchtbares wetter / das wir derselben fridtlich / 127
zu verharren] zuuer harren
9 Zwei Gebete für die Obrigkeit
181
und zu deinem wolgefallen geniessen mögen / Gib uns gegen allen menschen ein gedultigs / barmherzigs / fridtlichs / und aller dings ein freundtlichs herz / ohn allen neidt / [f. 70r] zorn / und pitterkhait. Erbarm dich auch allmechtiger Gott uber alle Christglaubige Seelen / insonderhait uber unsere Eltern / Voreltern / geschwistriget / und uber alle die so ye was guets in der Christenhait gestifft und gethan haben / neben allen ellenden glaubigen seelen / damit Sy in der ewigen rueh geniessen mögen / dessen sy sich alhie vertröstet haben / Und lezlich rueffen wir dich an du guetiger Vatter / du wollest uns in deinem dienst und lob erhalten bis an das endt / auf das wir auch deiner göttlichen hülff und beystandt / in unsern lezten zügen empfinden / und so wir nun aus disem Jammerthal wöllen abschaiden / so khumm du gnediger Gott / und erledig unsere Seelen / von dem rachen deß grimmigen feindts / nimb uns hinauf zu dir in das ewig vat- [f. 70v] terlandt / da ewige freudt / hail / und seeligkhait ist / von ewigkhait zu ewigkhait. Amen. Ihesu du liebster herre mein Hilff mir dann von der helle pein Eill mich zuerretten in der stundt So mir verschlossen würd mein mundt Und mich der todt plagt uberal Sey mein gefert ins himels saal. Maria zart hör mein begir Aus herzen grundt bitt Ich von dir Rueff für mich an den sohne dein Insonders laß die Seele mein An meim endt dir beuolhen sein. [ff. 71–72 vacant] [Die Blätter 71–72 mit rotem Rahmen, die weiteren Blätter sind bis 139 nummeriert, enthalten aber keinen Text.]
113
Bibliographie 1.
Quellen
1.1
Handschriften
Der handschriftliche Teil enthält hauptsächlich zum Rituale, auch Libellus agendarum genannt, gehörende Texte, deutsch und lateinisch (Bayerische Staatsbibliothek Cgm 9509), Digitalisat unter: https://www.digitale-samm lungen.de/de/view/bsb00092318?page=1 [Zugriff 07.11.2023]. SEBASTIAN KRABLER, Agenda oder Hanndt Buechlin darinnen begriffen wirdt wie die Actus Ecclesiastici verricht und etliche Sacrame[n]ta administriert sollen werde[n]. Neben anderen schönen vermahnungen und Gebetten wie die in der heyligen Catholischen Kirchen bisher und noch bestendigklich recht und wol gebraucht werden, ohne Ort 1580. 1.2
Biblische Quellen
Biblia Sacra iuxta Vulgatam versionem, R. Gryson – R. Weber (Hrsg.), Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 2007. JOHANN DIETENBERGER, Bibell – Das ist alle Buecher Alts und News Testaments nach Alter in Christlicher Kyrchen gehabter Translation trewlich verteutscht und mit vielen heilsamen Annotaten erleucht, Quentel, Köln 1567; Digitalisat unter: www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb101962 65?page=5 [Zugriff 22.05.2021]. JOHANNES ECK, Bibel – alt und new Testament, Weissenhorn, Ingolstadt 1558; Digitalisat unter: www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10141238? page=7 [Zugriff 22.05.2021]. HIERONYMUS EMSER, Das naw Testament nach lawt der Christliche[n] kirchen bewerte[n] text, corrigirt, un[d] widerumb zu recht gebracht, Stöckel, Dresden 1527; Digitalisat unter: https://daten.digitale-sammlungen.de/00 08/bsb00086366/images/index.html?id=00086366&groesser=&fip=xdsyd xsydxdsydqrsxsyztseayafsdrfsdr&no=5&seite=7 [Zugriff 22.05.2021]. MARTINUS LUTHER, Biblia – Das ist die ganze heylige Schrifft teutsch, Georg Raben, Sigmund Feyerabend vnd Weygand Hanen Erben, Frankfurt am Main 1569; Digitalisat unter: http://digital.wlb-stuttgart.de/sammlungen/ sammlungsliste/werksansicht/?no_cache=1&tx_dlf%5Bid%5D=5565&t x_dlf%5Bpage%5D=3&tx_dlf%5Bdouble%5D=0&cHash=f8db7d40692f 82d68887452166e6e14b [Zugriff 22.05.2021].
Quellen
1.3
183
Liturgische Quellen
Agenda sive benedictionale de actibus ecclesiae secundum chorum et observationem ecclesiae Pataviensis, Passau 1490; Digitalisat unter: www.digitalesammlungen.de/de/view/bsb00086527?page=2,3 [Zugriff 22.05.2021]. Das Babstsche Gesangbuch von 1545 (Documenta Musicologica. Erste Reihe Druckschriften Faksimiles, Bd. 38), K. Ameln (Hrsg.), Bärenreiter, Kassel – Basel – London – New York 1988. MARTIN BUCER, Das Gros Kirchengesang Buch, darinn begriffen sind, die allerfürnemisten vnd besten Psalmen Geistliche Lieder Hymni vnd alte Chorgesenge Aus dem Wittembergischen Strasburgischen vnnd anderer Kirchen Gesangbüchlin etc., Georg Messerschmidt, Strasburg 1560; Digitalisat unter: www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb00090205?page=4,5 [Zugriff 23.05.2021]. DAVID CHYTRÄUS, Christliche Kirchenagenda. Wie die bey den zweyen Ständen der Herrn und Ritterschaft im Ertzhertzogthumb Oesterreich unter der Enns gebraucht wirdt, Rosenburg 1571; Digitalisat unter: www.dilibri. de/rlb/content/pageview/1938164 [Zugriff 22.05.2021]. CYRILL VON JERUSALEM, Mystagogicae Catechesis. Mystagogische Katechesen (Fontes Christiani 7), übersetzt und eingeleitet von G. Röwekamp, Herder, Freiburg 1992. VEIT DIETRICH, Agend Büchlein für die Pfarrherrn auf dem Land, Johann von Berg & Ulrich Neuber, Nürnberg 1560; Digitalisat unter: www.digitalesammlungen.de/de/view/bsb00022379?page=,1 [Zugriff 22.05.2021]. JOHANN LEISENTRITT, Forma Germanico idiomate baptisandi infantes secundum catholicae vereque apostolicae ecclesiae ritum; cum explicatione caeremoniarum, quae circa baptismum fiunt; etc., Wolrab, Budissinae [Bautzen] 1564; Digitalisat unter: www.digitale-sammlungen.de/de/view/ bsb11228553?page=,1 [Zugriff 23.05.2021]. — Geistliche Lieder vnd Psalmen der alten Apostolischer recht vnd wargleubiger Christlicher Kirchen ... auffs fleissigste und Christlichste zusamen bracht gemehret vnd gebessert ... Durch Den Ehrwirdigen Herrn Johan: Leisentrit, Bautzen 1573; Digitalisat unter: www.digitale-sammlungen. de/de/view/bsb11289240?page=,1 [Zugriff 23.05.2021]. Liber Sacramentorum Romanae Aeclesiae Ordinis Anni Circuli (Cod. Vat. Reg. lat. 316 / Paris Bibl. Nat. 7193, 41/56. Sacramentarium Gelasianum) (Rerum ecclesiasticarum documenta, Series maior, Fontes 4), L. C. Mohlberg (Hrsg.), Herder, Roma 1960. MARTINUS LUTHERUS, „Das Taufbüchlein verdeutscht“, in D. Martin Luthers Werke, Kritische Gesamtausgabe (Weimarer Ausgabe, Bd. 12), H. Böhlau (Hrsg.), Metzler, Weimar 1891, 38–46.
184
Bibliographie
— „Das Tauffbüchlein aufs Neue zugerichtet“, in D. Martin Luthers Werke, Kritische Gesamtausgabe (Weimarer Ausgabe, Bd. 19), H. Böhlau (Hrsg.), Metzler, Weimar 1897, 531–541. — „Mitten wir im Leben sind“, in D. Martin Luthers Werke, Kritische Gesamtausgabe (Weimarer Ausgabe, Bd. 35), H. Böhlau (Hrsg.), Metzler, Weimar 1923, 453 f. MICHAEL, Libellvs Agendarvm, Circa Sacramenta, Benedictiones, & Caeremonias, secundum antiquum vsum Metropolitanae Ecclesiae Salisburgensis, Ioan Baumann, Salzburg 1557; Digitalisat unter: www.digitale-samm lungen.de/de/view/bsb00028719?page=2,3 [Zugriff 23.05.2021]. FELICIANUS NINGUARDA, Libri Agendorvm Secvndvm Antiqvvm vsum Metropolitanae Salisburgensis Ecclesiae etc. 1: Quae Est De Sacramentis Ecclesiae, & de eorum administratione, & id genus aliis, uti ex sequenti indice constat, Mayer, Dilingae [Dillingen] 1575; Digitalisat unter: www.digitalesammlungen.de/de/view/bsb10164185?page=18,19 [Zugriff 22.05.2021]. — Libri Agendorvm Secvndvm Antiqvvm vsum Metropolitanae Salisburgensis Ecclesiae etc. 2: Quae Est De Benedictionibus A Sacerdotibus Faciendis, Ac Processionibus, & id genus aliis, uti ex sequenti indice constat, Mayer, Dilingae [Dillingen] 1575; Digitalisat unter: www.digitale-sammlungen. de/de/view/bsb10164186?page=4,5 [Zugriff 22.05.2021]. Obsequiale Salisburgense, Georg Stuchs, Nürnberg 1496; Digitalisat unter: https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb00032885?page=6,7 [Zugriff 20.11.2023]. PETRUS CANISIUS, Der Klain Catechismus sampt kurtzen gebetlen für die ainfaeltigen etc., Sebald Mayer, Dillingen 1558; Digitalisat unter: https://digi tal.staatsbibliothek-berlin.de/werkansicht?PPN=PPN817303650&PHYSID=PHYS_0005&DMDID= [Zugriff 23.05.2021]. Rituale Romanum. Editio Princeps (1614) (Monumenta Liturgica Concilii Tridentini 5), J. J. Flores-Arcas – M. Sodi (Hrsg.), Libreria Editrice Vaticana, Città del Vaticano 2004. Ritus ecclesiastici Augustensis Episcopatus tribus partibus sive libri comprehensi nuncque primum ricogniti, editi atque promulgati, Johann Mayer, Dillingen 1580; Digitalisat unter: https://www.digitale-sammlungen.de/de/ view/bsb10164340?page=4,5 [Zugriff 20.11.2023]. Römischer Catechismus: welcher auß Bevelch Bäpstlicher Hayligkeit, Pii des fünfften nach hievon gegebner Ordnung des hailigen jungst zu Triendt gehaltnen Concilii etc., Mayer, Dillingen 1576; Digitalisat unter: www.digi tale-sammlungen.de/de/view/bsb10174309?page=4,5 [Zugriff 23.05.2021]. Le Sacramentaire Grégorien. Ses principales formes d’après les plus anciens manuscrits. Tome premier: Le sacramentaire, le supplement d’Aniane (Spicilegium Friburgense 16), J. Deshusses (Hrsg.), Éditions Universitaires, Fribourg 31992.
Sekundärliteratur
185
SEBASTIAN VON HEUSENSTAMM, Agenda ecclesiae Moguntinensis, Behem, Moguntiae [Mainz] 1551; Digitalisat unter: www.digitale-sammlungen. de/de/view/bsb11204551?page=4,5 [Zugriff 23.05.2021]. URBAN, Actus Sacerdotalis Siue Brevis Eorvm Informatio, Qvae Circa Divina Officia Et Sacramentorum administrationem versantur, ad Ecclesiae Patauiensis Ritum accommodata: Hvic Accessit Methodus consolandi Afflictos & Morientes, Nenninger, Pataviae [Passau] 1587; Digitalisat unter: www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb00039317?page=2,3 [Zugriff 22.05.2021]. WIGILEUS, Agenda sive Benedictionale de actibus ecclesie s[ecundu]m chorum et observatione[m] ecclesie Pataviensis, Wolff, Basilee [Basel] 1514; Digitalisat unter: www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb00004423? page=6,7 [Zugriff 22.05.2021].
2.
Sekundärliteratur
BATTELLI G., Lezioni di Paleografia, Libreria Editrice Vaticana, Città del Vaticano 42015. BELLINGER G. J., „Catechismus Romanus“, in TRE (Bd. 7), 665–668. BENINI M., Die Feier des Osterfestkreises im Ingolstädter Pfarrbuch des Johannes Eck (Liturgiewissenschaftliche Quellen und Forschungen 105), Aschendorff, Münster 2016. BERGER R., „Opfer. VI. Liturgisch“, in LThK (Bd. 7), 1070. BEZZEL E., „Beichte III. Reformationszeit“, in TRE (Bd. 5), 421–425. BISCHOFF B., Paläographie des römischen Altertums und des abendländischen Mittelalters (Grundlagen der Germanistik 24), Erich Schmidt Verlag, Berlin 1979. DALFERTH I. U., „Opfer VI. Dogmatik“, in TRE (Bd. 25), 286–293. DAVIES J. G., „Benediktionen III. Praktisch-theologisch“, in TRE (Bd. 5), 564– 573. DENZINGER H., Enchiridion symbolorum definitionum et declarationum de rebus fidei et morum. Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen, P. Hünermann (Hrsg.), Freiburg – Basel – Wien 452017. DIETZ O., „Das Allgemeine Kirchengebet“, in Leiturgia. Handbuch des evangelischen Gottesdienstes (Bd. 2). Gestalt und Formen des evangelischen Gottesdienstes I. Der Hauptgottesdienst, K. F. Müller – W. Blankenburg (Hrsg.), Johannes-Stauda Verlag, Kassel 1955, 417–452. DONAHUE L. A., „Presentation and Discussion of a Reformation-era, Catholic, Vernacular Baptismal Rite in Germany in Manuscript Cgm 9509. Part one“, in Ecclesia orans 39 (2022) 277–303, „Part two“ in Ecclesia orans 40 (2023) 37–59.
186
Bibliographie
EDER K., Studien zur Reformationsgeschichte Oberösterreichs (Bd. 1). Das Land ob der Enns vor der Glaubensspaltung. Die kirchlichen, religiösen und politischen Verhältnisse in Österreich ob der Enns 1490–1525, Feichtinger, Linz 1933. — Studien zur Reformationsgeschichte Oberösterreichs (Bd. 2). Glaubensspaltung und Landstände in Österreich ob der Enns 1525–1602, Feichtinger, Linz 1936. EHRENPREIS S. – LOTZ-HEUMANN U., Reformation und konfessionelles Zeitalter, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 22008. EVANS G. R., „Opfer V. Mittelalter bis Neuzeit“, in TRE (Bd. 25), 278–286. FAGERBERG H., „Amt/Ämter/Amtsverständnis VI. Reformationszeit“, in TRE (Bd. 2), 552–574. FRANK I. W., „Beichte II. Mittelalter“, in TRE (Bd. 5), 414–421. FRANZ A., „Zur Geschichte der gedruckten Passauer Ritualien“, in Theologisch-praktische Monatsschrift 9 (1899) 75–85.180–185.288–299. — Die kirchlichen Benediktionen im Mittelalter (Bd. 2), Herder, Freiburg 1909. FROSCHAUER R., Studien zur Reformation und Gegenreformation im Pfarrgebiet von Kremsmünster. Dargestellt am Beispiel von Steinerkirchen an der Traun und seiner Filiale Eberstalzell (Hausarbeit am Institut für Österreichische Geschichtsforschung), Wien 1977. — „Das Wirken des Steinerkirchner Pfarrers Mag. Sebastian Krabler (1573– 1590) als Dechant des Dekanats Lambach“, in Jahrbuch des Oberösterreichischen Musealvereines 157 (2012) 327–343. GANZER K., „Das Konzil von Trient und die theologische Dimension der katholischen Konfessionalisierung“, in Die katholische Konfessionalisierung. Wissenschaftliches Symposium der Gesellschaft zur Herausgabe des Corpus Catholicorum und des Vereins für Reformationsgeschichte 1993 (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 198), W. Reinhard – H. Schilling (Hrsg.), Gütersloher Verlagshaus, Heidelberg 1995, 50–69. HAUNERLAND W., „Das Konzil von Trient und die nachtridentinische Liturgiereform“, in Geschichte der Liturgie in den Kirchen des Westens. Rituelle Entwicklungen, theologische Konzepte und kulturelle Kontexte (Bd. 1). Von der Antike bis zur Neuzeit, J. Bärsch – B. Kranemann (Hrsg.), Aschendorff, Münster 2018, 480–513. HEINZ A., „Die ‚Oratio Fidelium‘ im deutschen Sprachraum zwischen Tridentinum und Vaticanum II“, in Liturgisches Jahrbuch 30 (1980) 7–25. — „Allgemeines Gebet“, in LThK (Bd. 1), 410 f. — „Leisentrit(t)“, in LThK (Bd. 6), 798 f. HERRMANN F., „,Von den Unordnungen ledig und frey gemacht‘. Einblicke in die oberösterreichischen Kirchenordnungen des 16. und 17. Jahrhunderts“, in Jahrbuch für die Geschichte des Protestantismus in Österreich 126 (2010) 79–121.
Sekundärliteratur
187
HOFINGER J., Die hürdenreiche katholische Erneuerung in der Gegenreformation (1555–1620) im Land ob der Enns, Masterarbeit, Wien 2020. ISERLOH E., „Abendmahl. III/3. Reformationszeit – 2. Römisch-katholische Kirche“, in TRE (Bd. 1), 122–131. JOEST W., „Gebot II. Systematisch-Theologisch“, in TRE (Bd. 12), 130–138. JOHNSON M. E., The Rites of Christian Initiation. Their Evolution and Interpretation (A Pueblo Book), Liturgical Press, Collegeville (Minnesota) 2007. JORDAHN B., „Der Taufgottesdienst im Mittelalter bis zur Gegenwart“, in Leiturgia. Handbuch des evangelischen Gottesdienstes (Bd. 5). Der Taufgottesdienst, K. F. Müller – W. Blankenburg (Hrsg.), Johannes Stauda, Kassel 1970. KACZYNSKI R., „Die Sterbe- und Begräbnisliturgie“, in Gottesdienst der Kirche (Bd. 8). Sakramentliche Feiern II, H. B. Meyer et al. (Hrsg.), Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 1984, 191–232. — „Feier der Krankensalbung“, in Gottesdienst der Kirche (Bd. 7,2). Sakramentliche Feiern I/2. Feiern der Umkehr und Versöhnung, H. B. Meyer et al. (Hrsg.), Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 1992, 241–343. KELLNER A., Profeßbuch des Stiftes Kremsmünster, Kremsmünster 1968. KLEINHEYER B., „Riten um Ehe und Familie“, in Gottesdienst der Kirche (Bd. 8). Sakramentliche Feiern II, H. B. Meyer et al. (Hrsg.), Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 1984, 67–156. — Sakramentliche Feiern I. Die Feier der Eingliederung in die Kirche (Gottesdienst der Kirche 7,1), Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 1989. KOCH E., „Konkordienformel“, in TRE (Bd. 19), 476–483. Das Konfessionalisierungsparadigma. Leistungen, Probleme, Grenzen (Bayreuther Historische Kolloquien 18), Brockmann T. – Weiß D. (Hrsg.), Aschendorff, Münster 2013. KOPP S., Volkssprachliche Verkündigung. Die Modellanreden in den Diözesanritualien des deutschen Sprachgebietes (Studien zur Pastoralliturgie 42), Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2016. KRANEMANN B., „Liturgien unter dem Einfluss der Reformation“, in Geschichte der Liturgie in den Kirchen des Westens. Rituelle Entwicklungen, theologische Konzepte und kulturelle Kontexte (Bd. 1). Von der Antike bis zur Neuzeit, J. Bärsch – B. Kranemann (Hrsg.), Aschendorff, Münster 2018, 425–480. LEEB R., „Der Streit um den wahren Glauben. Reformation und Gegenreformation in Österreich“, in Österreichische Geschichte (Bd. 13). Geschichte des Christentums in Österreich. Von der Spätantike bis zur Gegenwart, R. Leeb – M. Liebmann – G. Scheibelreiter et al. (Hrsg.), Ueberreuter, Wien 2003, 145–280.
188
Bibliographie
— „Die Evangelische Kirche Oberösterreichs und ihre Theologen im Jahrhundert der Reformation“, in Renaissance und Reformation. Landesausstellung 2010, K. Vocelka – D. Leitner (Hrsg.), Trauner, Linz 2010. — „Luthers Kontakte nach Oberösterreich“, in Renaissance und Reformation. Landesausstellung 2010, K. Vocelka – D. Leitner (Hrsg.), Trauner, Linz 2010. LEHNER G., „Kirchliches Leben – Gottesdienst und Liturgie“, in Renaissance und Reformation. Landesausstellung 2010, K. Vocelka – D. Leitner (Hrsg.), Trauner, Linz 2010, 253–264. LENZ R., „Leichenpredigt“, in TRE (Bd. 20), 665–669. LIPPHARDT W., „,Mitten wir im Leben sind‘. Zur Geschichte des Liedes und seiner Weise“, in Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie 8 (1963) 99–118. LURZ F., „Die Eucharistie als Opfer. Die Aussagen katholischer Kommunionvermahnungen des 16. Jahrhunderts“, in Archiv für Liturgiewissenschaft 42 (2000) 65–83. MENKE K.-H., „Opfer. IV. Theologiegeschichtlich u. systematisch-theologisch“, in LThK (Bd. 7), 1067–1069. MERKEL F., „Bestattung IV. Historisch“, in TRE (Bd. 5), 743–749. MESSNER R., „Feiern der Umkehr und Versöhnung“, in Gottesdienst der Kirche (Bd. 7,2). Sakramentliche Feiern I/2. Feiern der Umkehr und Versöhnung, H. B. Meyer et al. (Hrsg.), Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 1992, 9–240. — „Bußriten“, in LThK (Bd. 2), 840–845. MEYER H. B., Luther und die Messe. Eine liturgiewissenschaftliche Untersuchung über das Verhältnis Luthers zum Meßwesen im späten Mittelalter, Bonifacius-Druckerei, Paderborn 1965. — Eucharistie. Geschichte, Theologie, Pastoral (Gottesdienst der Kirche 4), Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 1989. MÖLLER C., „Gemeinde I. Christliche Gemeinde“, in TRE (Bd. 12), 316–335. NAGEL W., „Exorzismus II. Liturgiegeschichtlich“, in TRE (Bd. 10), 750–756. NIEBERGALL A., „Agende“, in TRE (Bd. 1 und 2), 755–784.1–91. PETERS A., „Abendmahl. III/4. Von 1577 bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts“, in TRE (Bd. 1), 131–145. — „Die Beichte“, in Kommentar zu Luthers Katechismen (Bd. 5). Die Beichte. Die Haustafel. Das Traubüchlein. Das Taufbüchlein, G. Seebaß (Hrsg.), Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1994, 13–94. PETZ W., „Ein Handwerk zwischen Stadt und Land. Das Kemptener Papiergewerbe vor dem Dreißigjährigen Krieg“, in „Mehr als 1000 Jahre ...“. Das Stift Kempten zwischen Gründung und Auflassung 752 bis 1802 (Allgäuer Forschungen zur Geschichte und Archäologie 1), B. Kata – V. Laube – M. Naumann et al. (Hrsg.), Likias, Friedberg 2006, 237–300.
Sekundärliteratur
189
PITSCHMANN B., „Kremsmünster“, in Die benediktinischen Mönchs- und Nonnenklöster in Österreich und Südtirol (Germania Benedictina 3,2), hrsg. von der Bayerischen Benediktiner-Akademie München in Verbindung mit dem Abt-Herwegen-Institut Maria Laach, bearbeitet von U. Faust – W. Krassnig, EOS-Verlag, St. Ottilien 2001, 163–252. PONGRATZ W., „Sebastian Krabler und sein Exlibris“, in Österreichisches Jahrbuch für Exlibris und Gebrauchsgrafik (Bd. 45, 1962/1963), ExlibrisGesellschaft, Wien 1963. PÖTSCH A. – SIHORSCH D. – LEBERBAUER W., „Forscher, Lehrer, Astronomen: Bildungstraditionen im Stift“, in Stift Kremsmünster. Klösterliches Leben seit 777, A. Ebhart (Hrsg.), Christian Brandstätter Verlag, Wien 2017, 133–146. PÜHRINGER-ZWANOWETZ L., „Das Stift als neuzeitliche Anlage“, in Die Kunstdenkmäler des Benediktinerstiftes Kremsmünster. Das Stift, der Bau und seine Errichtung Bd. 1 (Österreichische Kunsttopographie 43,1), E. Doberer – H. Bertele-Grenadenberg (Hrsg.), Schroll, Wien 1977, 172–486. REIFENBERG H., „Rituale“, in LThK (Bd. 8), 1207–1209. REINHARD W., „Was ist katholische Konfessionalisierung?“, in Die katholische Konfessionalisierung. Wissenschaftliches Symposium der Gesellschaft zur Herausgabe des Corpus Catholicorum und des Vereins für Reformationsgeschichte 1993 (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 198), W. Reinhard – H. Schilling (Hrsg.), Gütersloher Verlagshaus, Heidelberg 1995, 419–452. RÖSSLER M. – HAHN G., „518 Mitten wir im Leben sind“, in Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch (Heft 9), W. Herbst – I. Seibt (Hrsg.), Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004, 69–78. SANDER A., Luther in Laach (Begleitbroschüre zur gleichnamigen Ausstellung), Benediktinerabtei Maria Laach und Landesbibliothekenzentrum Rheinland-Pfalz (Hrsg.), Maria Laach – Koblenz 2007. SCHILLING H., „Die Konfessionalisierung von Kirche, Staat und Gesellschaft – Profil, Leistung, Defizite und Perspektiven eines geschichtswissenschaftlichen Paradigmas“, in Die katholische Konfessionalisierung. Wissenschaftliches Symposium der Gesellschaft zur Herausgabe des Corpus Catholicorum und des Vereins für Reformationsgeschichte 1993 (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 198), W. Reinhard – H. Schilling (Hrsg.), Gütersloher Verlagshaus, Heidelberg 1995, 1–49. SCHLACHTA A. VON, „Die frühe Reformation in Oberösterreich“, in Renaissance und Reformation. Landesausstellung 2010, K. Vocelka – D. Leitner (Hrsg.), Trauner, Linz 2010. SCHMIDT-LAUBER H.-C., „Agende“, in LThK (Bd. 1), 229. SCHULZ F., „Luthers liturgische Reformation. Kontinuität und Innovation“, in Archiv für Liturgiewissenschaft 25/3 (1983) 249–275.
190
Bibliographie
SIMON M., „Dietrich, Veit“, in Neue Deutsche Biographie (Bd. 3), Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Hrsg.), Duncker & Humblot, Berlin 1957, 699. SONDEREGGER S., „Geschichte deutschsprachiger Bibelübersetzungen in Grundzügen“, in Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung (Erster Teilband) (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 2,1), W. Besch et al. (Hrsg.), De Gruyter, Berlin – New York 21998, 229–284. SPITAL H. J., Der Taufritus in den deutschen Ritualien von den ersten Drucken bis zur Einführung des Rituale Romanum (Liturgiewissenschaftliche Quellen und Forschungen 47), Aschendorff, Münster 1968. STAEDTKE J., „Abendmahl. III/3. Reformationszeit – 1. Protestantismus“, in TRE (Bd. 1), 106–122. STALMANN J., „275 In dich hab ich gehoffet, Herr“, in Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch (Heft 23), W. Herbst – I. Seibt (Hrsg.), Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2017, 24–27. STECK W., „Begräbnis, 2. Geschichtliche Entwicklung“, in Evangelisches Kirchenlexikon. Internationale theologische Enzyklopädie (Bd. 1), E. Fahlbusch – J. M. Lochman – J. Mbiti et al. (Hrsg.), Vandenheock & Ruprecht, Göttingen 1986, 387–389. STROHMEYER A., „Religionspolitik in Oberösterreich im konfessionellen Zeitalter“, in Renaissance und Reformation. Landesausstellung 2010, K. Vocelka – D. Leitner (Hrsg.), Trauner, Linz 2010. STURM J., „Kommentierte Regesten zur Kunst- und Kulturgeschichte der Pfarrkirche Steinerkirchen an der Traun. 1400–1800“, in Jahrbuch des Musealvereines Wels 31 (1996/1997) 89–138. VAGAGGINI C., Theologie der Liturgie. Ins Deutsche übertragen und bearbeitet von August Berz, Benziger Verlag, Einsiedeln – Zürich – Köln 1959. VOGEL C., Medival liturgy. An introduction to the sources, übersetzt von W. G. Storey – N. K. Rasmussen, The Pastoral Press, Washington D.C. 1986. VÖLKER A., „Gesangbuch“, in TRE (Bd. 12), 547–565. VORGRIMLER H., „Krankensalbung“, in TRE (Bd. 19), 664–669. WASSILOWSKY G., „Die katholische Kirche in Oberösterreich zur Zeit der Reformation“, in Renaissance und Reformation. Landesausstellung 2010, K. Vocelka – D. Leitner (Hrsg.), Trauner, Linz 2010, 309–320. — „Katholische Reformation und Gegenreformation“, in Renaissance und Reformation. Landesausstellung 2010, K. Vocelka – D. Leitner (Hrsg.), Trauner, Linz 2010, 321–326. WEIGELT H., „Nürnberg“, in TRE (Bd. 24), 698–707. WENZ G., „Sakramente I. Kirchengeschichtlich“, in TRE (Bd. 29), 663–684. WERBICK J., „Buße. III. Historisch-theologisch“, in LThK (Bd. 2), 828 f.
Online-Quellen
191
WINKELBAUER T., „Ständefreiheit und Fürstenmacht. Länder und Untertanen des Hauses Habsburg im konfessionellen Zeitalter (Teil 2)“, in Österreichische Geschichte 1522–1699, H. Wolfram (Hrsg.), Ueberreuter, Wien 2003. ZUR MÜHLEN K.-H., „Luther II. Theologie“, in TRE (Bd. 21), 530–567. — „Taufe V. Reformationszeit“, in TRE (Bd. 32), 701–710.
3.
Online-Quellen
„affenspiel“, in Frühneuhochdeutsches Wörterbuch, URL: https://fwb-online. de/lemma/affenspiel.s.2n [Zugriff 20.05.2021]. „beichtiger“, in Frühneuhochdeutsches Wörterbuch, URL: https://fwb-online. de/lemma/beichtiger.s.0m?q=beichtiger&page=1 [Zugriff 10.05.2021]. Bestände des Diözesanarchivs Linz, URL: https://www.dioezese-linz.at/insti tution/8003/bestaendepublikationen/urkunden [Zugriff 14.11.2023]. Capelli online, URL: https://www.adfontes.uzh.ch/en/ressourcen/abkuerzun gen/cappelli-online [Zugriff 16.04.2021]. EINEDER G., The ancient paper-mills of the former Austro-Hungarian Empire and their watermarks, Hilversum 1960, URL: https://manuscripta.at/diglit/ eineder/0333 sowie https://manuscripta.at/diglit/eineder/0616 [Zugriff 15.04.2021]. „einleiben“, in Frühneuhochdeutsches Wörterbuch, URL: https://fwb-online. de/lemma/einleiben.s.3v [Zugriff 12.10.2022]. „Einleibung“, in Deutsches Rechtswörterbuch, URL: https://drw-www.adw. uni-heidelberg.de/drw-cgi/zeige?index=lemmata&term=Einleibung [Zugriff 12.10.2022]. „Einleibung, f.“, in Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (Neubearbeitung [A–F]), digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/21, URL: www.woer terbuchnetz.de/DWB2/EINLEIBUNG [Zugriff 12.10.2022]. ERKENS F.-R., „Passau, Bistum: Politische Geschichte (Spätmittelalter)“, in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: www.historisches-lexikon-bayerns. de/Lexikon/Passau,_Bistum:_Politische_Geschichte_(Spätmittelalter) [Zugriff 19.03.2021]. „Der Fußhader“, in Grammatisch-Kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart (Ausgabe letzter Hand, Leipzig 1793–1801), digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/21, URL: www.woerterbuchnetz.de/cgi-bin/WBNetz/wbgui_py?sigle= Adelung&lemid=DF03268 [Zugriff 13.04.2021]. „Fusshader“, in Deutsches Sprichwörter-Lexicon von Karl Friedrich Wilhelm Wander, URL: www.woerterbuchnetz.de/cgi-bin/WBNetz/wbgui_py?sig le=Wander&lemid=WF01035 [Zugriff 13.04.2021].
192
Bibliographie
„gemein“, in Frühneuhochdeutsches Wörterbuch, URL: https://fwb-online.de/ lemma/gemein.s.1f?q=gemein&page=1 [Zugriff 19.05.2021]. „geschlacht“, in Deutsches Rechtswörterbuch, URL: https://drw-www.adw. uni-heidelberg.de/drw-cgi/zeige?index=lemmata&term=geschlacht [Zugriff 07.05.2021]. „konvolk“, in Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, URL: https://www.dwds.de/wb/dwb/konvolk [Zugriff 20.05.2021]. „kuttelbletz, kuttelplätz“, in Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, URL: www.dwds.de/wb/dwb/kuttelpl%C3%A4tz [Zugriff 13.04.2021]. „Pfeit“, in Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, URL: https://www.dwds.de/wb/dwb/pfeit [Zugriff 07.05.2021]. „Pilger“, in Frühneuhochdeutsches Wörterbuch, URL: http://fwb-online.de/ go/pilger.s.0m_1604946253 [Zugriff 16.04.2021]. POPLUTZ U., „Wettkampf“, in WiBiLex. Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet, URL: www.bibelwissenschaft.de/stichwort/48954/ [Zugriff 06.05.2021]. Religionsbekenntnis, Statistik Austria, URL: https://statistik.at/statistiken/be voelkerung-und-soziales/bevoelkerung/weiterfuehrende-bevoelkerungs statistiken/religionsbekenntnis [Zugriff 28.10.2022]. SCHUBERT I., „Wasserzeichen“, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, URL: www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_W/Wasserzeichen.xml [Zugriff 15.04.2021]. SCHUH M., „Universität Ingolstadt (1472–1800)“, in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Universität _Ingolstadt_(1472-1800) [Zugriff 11.03.2021]. „urstand/urstände“, in Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, URL: www.dwds.de/wb/dwb/urstände [Zugriff 10.05.2021]. „vermeiligen“, in Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, URL: www.dwds.de/wb/dwb/vermeiligen [Zugriff 10.05.2021]. Wasserzeichen-Informationssystem für Motiv und zeitliche Verteilung, URL: www.wasserzeichen-online.de/wzis/struktur.php?klassi=10300400200300 1007002&anzeigeIDMotif=17601&anfang=11&bildbrowser= [Zugriff 09.03.2021]. „Westerhemd“, in Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, URL: https://www.dwds.de/wb/dwb/westerhemd [Zugriff 21.11. 2023].