Denkmalschutz und Eigentumsschutz: Die Pflicht zur Erhaltung von Baudenkmälern im Lichte der grundgesetzlichen Eigentumsgewährleistung [1 ed.] 9783428474080, 9783428074082


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German Pages 185 Year 1992

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Denkmalschutz und Eigentumsschutz: Die Pflicht zur Erhaltung von Baudenkmälern im Lichte der grundgesetzlichen Eigentumsgewährleistung [1 ed.]
 9783428474080, 9783428074082

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 614

Denkmalschutz und Eigentumsschutz Die Pflicht zur Erhaltung von Baudenkmälern im Lichte der grundgesetzlichen Eigentumsgewährleistung

Von

Raimund Körner

Duncker & Humblot · Berlin

RAIMUND KÖRNER

Denkmalschutz und Eigentumsschutz

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 614

Denkmalschutz und Eigentumsschutz Die Pflicht zur Erhaltung von Baudenkmälern im Lichte der grundgesetzlichen Eigentumsgewährleistung

Von

Dr. Raimund Körner

Duncker & Humblot * Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Körner, Raimund: Denkmalschutz und Eigentumsschutz : die Pflicht zur Erhaltung von Baudenkmälern im Lichte der grundgesetzlichen Eigentumsgewährleistung / von Raimund Körner. - Berlin : Duncker und Humblot, 1992 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 614) Zugl.: Bielefeld, Univ., Diss., 1991 ISBN 3-428-07408-4 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1992 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fremddatenübernahme: Hagedornsatz, Berlin 46 Druck: Druckerei Gerike GmbH, Berlin 36 Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-07408-4

Vorwort Diese A r b e i t lag i m Sommersemester des Jahres 1991 der juristischen F a k u l t ä t der Universität Bielefeld als Dissertation vor. D i e A r b e i t wurde v o r der Herstellung der Einheit Deutschlands begonnen u n d noch v o r dem Inkrafttreten v o n Denkmalschutzgesetzen i n den neuen Bundesländern fertiggestellt; aus diesem Grunde behandelt sie nur die Denkmalschutzgesetze der alten Bundesländer. H e r r n Univ.-Prof. D r . Hans-Jürgen Papier, der die Arbeit betreut hat, möchte ich an dieser Stelle für wertvolle Anregungen danken. D i e A r b e i t ist neben meiner beruflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt entstanden; meinen Berliner Kollegen, stellvertretend H e r r n Rechtsanwalt D r . Peter Raue, gilt mein besonderer D a n k für die wohlwollende Rücksicht i m beruflichen A l l t a g . Schließlich wurde die Drucklegung v o n der Messerschmitt Stiftung i n M ü n c h e n i n großzügiger Weise finanziell unterstützt. Berlin, i m Februar 1992

Raimund Körner

Inhaltsverzeichnis

§ 1 Einführung

17

I. Denkmalschutz und Eigentumsschutz

17

II. Gang der Darstellung

18

§ 2 Die Denkmalschutzgesetze der Bundesländer

19

I. Gesetzgebungskompetenz

19

II. Der gesetzliche DenkmalbegrifF

20

1. Die Regelungsobjekte

20

2. Das Erhaltungsinteresse

20

a) Umfang der Kontrolldichte b) Das Merkmal des öffentlichen Erhaltungsinteresses als Korrektiv

21 .

22

III. Denkmalschutz und Denkmalpflege

23

IV. Die verfahrensrechtlichen Systeme des Denkmalschutzes

23

1. Denkmalschutz ipso iure

24

2. Denkmalschutz durch konstitutive Unterschutzstellung

26

a) Begriff und Formen

26

b) Zweistufigkeit des Denkmalschutzverfahrens

27

V. Die Rechtsfolgen des Denkmalschutzes

28

1. Veränderungsverbote

28

a) Regelungsumfang

29

b) Tatbestandliche Voraussetzungen der Genehmigung

30

aa) Gründe des Denkmalschutzes

30

bb) Überwiegende öffentliche Belange

30

cc) Wirtschaftliche Zumutbarkeit unveränderter Erhaltung

32

8

Inhaltsverzeichnis c) Ermessen oder gebundene Entscheidung

32

aa) Ermessen

33

bb) Zwingendes Verbot der Veränderung

34

d) Präventive Verbote mit Erlaubnisvorbehalt

35

2. Erhaltungsgebote

36

a) Regelungsstruktur

37

aa) Generelle Erhaltungspflicht bb) Ermächtigungen zur Anordnung bestimmter Maßnahmen b) Begrenzung der Erhaltungspflicht auf das Zumutbare 3. Nutzungsgebote und Nutzungsverbote

37 ...

37 38 38

a) Leitlinien der Nutzung

39

b) Verbot der Nutzungsänderung

40

c) Anordnung bestimmter Nutzungen

40

4. Auskunfts-, Anzeige- und Duldungspflichten

40

5. Enteignung und Enteignungsentschädigung

41

6. Entschädigung für Maßnahmen mit „enteignender Wirkung"

41

a) Rezeption der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes

42

b) Salvatorische Entschädigungsregelungen

43

c) Differenzierte Entschädigungsregelungen

43

§ 3 Eigentümerinteressen im Konflikt mit den Belangen des Denkmalschutzes I. Die belastende Wirkung des Denkmalschutzes 1. Die Beschränkung der Rechtsstellung des Eigentümers a) Die grundsätzliche Baufreiheit

44 44 44 44

aa) Bebauung

44

bb) Abriß

45

cc) Nutzungsänderung

45

b) Denkmalschutz als Dauerbeschränkung der Bodennutzung aa) Beschränkte Bebauungsbefugnis

46 46

bb) Abrißverbot

47

cc) Nutzungsbeschränkungen

47

Inhaltsverzeichnis 2. Die Belastungen in tatsächlicher Hinsicht

48

a) Verkehrswertminderung

48

b) Erhöhter Erhaltungsaufwand

49

c) Ertragsminderungen

49

d) Unverkäuflichkeit

50

II. Der Interessenkonflikt im einfach-gesetzlichen Regelungswerk

50

1. Tatbestandliche Begrenzung von Maßnahmen des Denkmalschutzes auf das Zumutbare

51

2. Berücksichtigung von Eigentümerbelangen im Rahmen des Gesetzesvollzuges

51

3. Ausschluß der Berücksichtigung von Eigentümerbelangen im Gesetzesvollzug

52

III. Der Rechtsschutz des Eigentümers gegen belastende Maßnahmen des Denkmalschutzes

52

IV. Präzisierung der Fragestellung

53

§ 4 Die dogmatische Konzeption der Eigentumsgewährleistung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts I. Inhaltsbestimmung — Legalenteignung — Administrativenteignung

55 55

1. Inhaltsbestimmung

55

2. Legalenteignung

56

3. Administrativenteignung

56

II. Begriff, Abgrenzung und Verhältnis von Inhaltsbestimmung und Enteignung

57

1. Begriffsbestimmung und Abgrenzung

57

2. Verhältnis von Inhaltsbestimmung und Enteignung

58

a) Enteignungsfähige eignung

Rechtsposition als Voraussetzung der Ent58

b) Kein Stufenverhältnis

58

c) Enteignung durch Neugestaltung

59

3. Beispiele fur Inhaltsbestimmungen und Enteignungen

60

4. Kritik und Präzisierungsversuche

63

a) Inhaltsbestimmung und Aufopferungsenteignung

63

10

Inhaltsverzeichnis aa) Kritik

63

bb) Stellungnahme

64

b) Rechtsstellungsgarantie und Enteignung

65

aa) Kritik

66

bb) Stellungnahme

66

5. Präzisierung des Enteignungstatbestandes und Beurteilung salvatorischer Entschädigungsklauseln

67

III. Gestaltungsfreiheit und Gestaltungsgrenzen des Gesetzgebers bei der Inhalts- und Schrankenbestimmung

68

1. Grundlegende stimmungen

Anforderungen

an

Inhalts-

und

Schrankenbe69

2. Privatnützigkeit als eigentumsspezifische Grenze der Gestaltungsbefugnis

69

a) Veräußerungsbefugnis

70

b) Renditeerzielung

70

c) Recht der Eigennutzung

71

3. Differenzierung der Gestaltungsbefugnis nach dem sozialen Bezug des Eigentums

71

4. Flankierender Grundrechtsschutz

73

a) Verhältnismäßigkeit

73

b) Gleichheitssatz

73

c) Bindung von untergesetzlicher Normsetzung und Fachgerichtsbarkeit

74

IV. Sonderproblem: Die sogenannte ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung 1. Die Pflichtexemplar-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

...

74 74

2. Weitergehende Schlußfolgerungen

75

V. Der Vorrang des Abwehrrechtsschutzes

77

1. Der Naßauskiesungsbeschluß des Bundesverfassungsgerichts

77

2. Die Auffassung von Böhmer

78

3. Stellungnahme

79

§ 5 Die Entschädigung für Maßnahmen des Denkmalschutzes in der Zivilrechtsprechung

81

Inhaltsverzeichnis I. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts — insbesondere das GalgenbergUrteil

81

1. Die Ausweitung des EnteignungsbegrifFs

81

2. Das Galgenberg-Urteil

81

II. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes 1. Fortführung gerichts

und Modifizierung

83

der Rechtsprechung des Reichs83

2. Die Herausbildung der Rechtsfigur der Situationsgebundenheit

84

a) Beschränkung bisher nicht verwirklichter Nutzungen

85

b) Beschränkung bereits ausgeübter Nutzungen

86

3. Die Übertragung der Rechtsfigur der Situationsgebundenheit auf denkmalschutzrechtliche Eigentumsbeschränkungen

88

a) Der Ansatz von Leibholz und Lincke

89

b) Das „Baden-Baden"-Urteil des Bundesgerichtshofes vom 8. Juni 1978

90

c) Das Urteil des Bundesgerichtshofes zum „Blücher-Museum" vom 9. Oktober 1986

92

d) Das Urteil des Bundesgerichtshofes zur „Jungsteinzeit-Siedlung" vom 23. Juni 1988

94

e) Das Urteil des Bundesgerichtshofes zur „Villa in den Elbvororten" vom 21. Dezember 1989

95

III. Kritik und eigene Stellungnahme

96

1. Die Aussageschwäche des Begriffs der Situationsgebundenheit

96

a) Funktionswandel

96

b) Wahrung der Privatnützigkeit

97

c) Denkmalrechtliche Situationsgebundenheit als Umschreibung des gesetzlichen Erhaltungsinteresses

99

2. Die Abstimmung der Entschädigungsrechtsprechung mit dem verfassungsrechtlichen System der Eigentumsgewährleistung 100 3. Die Gleichsetzung von rechtmäßigen und rechtswidrigen Belastungen des Eigentums

101

a) Entstehung und weitere Entwicklung der Gleichsetzung

101

b) Widersprüche in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes

...

103

12

Inhaltsverzeichnis c) Vermeidung des Widerspruches durch Interpretation salvatorischer Entschädigungsregelungen als Ausgleichsregelungen? 104 aa) Die Auffassung von Götz und anderen

104

bb) Folgerungen für das Verhältnis von Abwehr- und Entschädigungsrechtsschutz 105 cc) Eigene Stellungnahme

105

4. Die Nivellierung gesetzgeberischer Gestaltungsmöglichkeiten

107

a) Orientierung an den Eingriffsfolgen b) Gesetzgeberische Gestaltungsmöglichkeiten recht

107 im

Denkmalschutz107

IV. Zusammenfassung und Fortgang der Darstellung

109

1. Zusammenfassung

109

2. Folgerungen für den Fortgang der Arbeit

110

§ 6 Die Denkmalschutzgesetze im verfassungsrechtlichen System der Eigentumsgewährleistung 111 I. Der Prüfungsmaßstab denkmalschutzrechtlicher Eingriffsregelungen

...

1. Verfahrensrechtliche Bestimmungen

111 111

a) Konstitutives und deklaratorisches System

111

b) Die Anordnung des präventiven Verbots mit Erlaubsnisvorbehalt als Inhaltsbestimmung des Eigentums 112 2. Instandhaltungs- und Instandsetzungsgebote

114

3. Nutzungsregelungen

115

a) Nutzungsgebote

115

b) Verbot der Nutzungsänderung

116

c) Pflicht zur erhaltungsfreundlichen Nutzung

117

aa) Regelungen mit begrenzter Erhaltungspflicht

118

bb) Regelungen mit begrenzter Eingriffsermächtigung

118

cc) Regelungen mit Überleitungscharakter

119

dd) Einzelne Denkmalschutzgesetze

120

4. Veränderungsverbote a) Veränderungsverbote befugnisse

121 als Beschränkung abstrakter

b) Veränderungsverbote und ausgeübte Nutzungen

Eigentümer122 124

Inhaltsverzeichnis 5. Förmliche Enteignungen

125

II. Inhaltsbestimmungen und Enteignungsermächtigungen im Zusammenhang gesetzlicher Regelungswerke 126 § 7 Regelungszweck und Sozialbezug des Denkmalschutzes

128

I. Relevanz von Regelungszweck und Sozialbezug

128

II. Sicherung kulturellen Erbes als Regelungszweck des Denkmalschutzes

. 129

1. Einfach-gesetzliche Begründungen 2. Denkmalschutz als gebungsaufträge

Vollzug

129

landesverfassungsrechtlicher

Gesetz129

3. Denkmalschutz als Vollzug supranationaler Empfehlungen III. Sozialbezug des Baudenkmals

130 130

1. Kulturelle Sozialfunktion

130

2. Besonderheiten einer kulturellen Sozialfunktion

132

a) Zurechenbarkeit der Konstituierung

132

b) Ideeller Nutzen

133

c) Die Allgemeinheit als Nutznießer

134

IV. Regelungszweck und Sozialbezug im Kontext legitimer Gemeinwohlbelange 134 1. Funktion eines Vergleichs unterschiedlicher Sozialfunktionen

134

2. Auffassungen in der Literatur

135

3. Kritik

135

4. Eigene Konzeption

136

a) Vergleichbare verbot

Regelungsform:

Wohnraumzweckentfremdungs-

b) Vergleichbares Regelungsziel: Urheberrechtsbeschränkungen

137 138

c) Vergleichbarer Regelungsgegenstand: städtebauliche Erhaltungssatzung 139 5. Schlußfolgerungen § 8 Die zulässige Belastungsintensität denkmalschutzrechtlicher Regelungen

141 143

14

Inhaltsverzeichnis I. Die Eingriffsmaßnahmen Satz 2 GG

am

Prüfungsmaßstab

des

Art. 14 Abs. 1 143

1. Verfahrensrechtliche Bestimmungen

144

a) Erforderlichkeit und Erhaltungszustand b) Sachgerechte systeme

Ausgestaltung

und

unterschiedliche

144 Verfahrens-

c) Gerechter Interessenausgleich und Verkehrswerteinbuße 2. Materielle Erhaltungspflicht

145 146 147

a) Erhaltungspflicht und Wirtschaftlichkeit der Erhaltung

148

b) Die denkmalrechtliche Wirtschaftlichkeitsberechnung

149

aa) Herangezogene Rechtsgrundlagen

149

bb) Kosten der Erhaltung

149

cc) Erträge und Zuwendungen

150

dd) Prognosezeitraum

150

c) Stellungnahme

151

aa) Begrenzte Analogiefähigkeit der herangezogenen Berechnungsgrundlagen 152 bb) Wirtschaftlichkeitsbegriff und Kapitalverzinsung

153

cc) Wert der Eigennutzung

154

dd) Wirtschaftlichkeit und allgemeine Handlungsfreiheit

155

3. Veränderungsverbote

156

a) Erforderlichkeit, Geeignetheit und Dokumentationswert des Baudenkmals 156 b) Veränderungsverbote und gerechter Interessenausgleich

157

aa) Veränderungsverbote und Wirtschaftlichkeit

157

bb) Veränderungsverbote und Schutz ausgeübter Nutzungen

157

cc) Veränderungsverbote und Schutz sonstiger Investitionen

158

4. Instandhaltungs- und Instandsetzungsgebote

159

5. Nutzungsregelungen

159

a) Verbot beeinträchtigender Nutzung und Wirtschaftlichkeit

159

b) Schutz ausgeübter Nutzungen

159

c) Schutz abstrakter Nutzungsbefugnisse

161

II. Zum Begriff der Zumutbarkeit 1. Subjektiver Begriff der Zumutbarkeit

163 163

Inhaltsverzeichnis 2. Objektiver Begriff der Zumutbarkeit

163

3. Der Zumutbarkeitsbegriff als tatbestandliche Begrenzung von Eingriffsermächtigungen

164

§ 9 Die Wahrung der Belastungsgrenze im Vollzug der Denkmalschutzgesetze I. Verhältnismäßigkeit und Ausgleichsleistungen

....

167 167

1. Zuwendungen und Steuervergünstigungen

168

2. Ausgleichsansprüche

169

II. Die Wahrung der Belastungsgrenze im Rahmen des Ermessens und bei tatbestandlicher Begrenzung 170 1. Vollzugsermessen

170

2. Tatbestandliche Begrenzung

171

3. Schlußfolgerungen

172

III. Die Wahrung der zulässigen Belastungsgrenze beim zwingenden Verbot beeinträchtigender Veränderungen 173 1. Anwendung salvatorischer Entschädigungsklauseln als Ausgleichsregelungen 174 a) Die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts

174

b) Kritik und Stellungnahme

174

2. Verfassungskonforme Auslegung zwingender Veränderungsverbote

.. 175

§10 Zusammenfassung

177

Literaturverzeichnis

180

§ 1 Einführung I . Denkmalschutz und Eigentumsschutz Denkmalschutz ist i n erster Linie Schutz des Denkmals vor dem Eigentümer 1 : Dessen Befugnisse sollen beschränkt, ihre A u s ü b u n g der behördlichen K o n t r o l le unterworfen werden, u m die Erhaltung des als erhaltenswert Angesehenen zu sichern. Diese Feststellung provoziert Fragen: Welcher A r t ist eigentlich das (Allgemein-) Interesse, daß den Gesetzgeber legitimiert, ein Bauwerk vor demjenigen — oder zumindest dessen Rechtsnachfolger — zu schützen, der es erworben oder gar errichtet hat? U n d wieweit, wie intensiv d a r f der Eigentümer i n der A u s ü b u n g seiner Befugnisse beschränkt werden? Die Vermutung liegt nahe, daß die beiden Fragen zueinander i n Beziehung zu setzen sind, daß die Reichweite zulässiger Eigentumsbeschränkungen v o n der A r t des Interesses abhängt, das der Gesetzgeber durch den Schutz des Denkmals w a h r n i m m t . Diese Verbindung ist der verfassungsrechtlichen Eigentumsdogmat i k nicht fremd; i n der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts w i r d sie durch den Begriff des Sozialbezuges, der sozialen F u n k t i o n des Eigentumsobjekts hergestellt 2 . Gleichwohl wurde dieser Zusammenhang i n der bisherigen Diskussion 3 des Problems denkmalschutzrechtlicher Eigentumsbeschränkungen vernachlässigt. Dies mag darauf zurückzuführen sein, daß das Denkmalschutzrecht, wie M a u n z m i t Recht festgestellt hat, als „rechtsgeschichtlich spät entwickeltes Spezialgebiet des Verwaltungsrechts" 4 nicht a u f eine gefestigte Eigentumsordnung traf. D i e verfassungsrechtliche Diskussion nach dem Inkrafttreten der Landesdenkmalschutzgesetze i n den 70iger Jahren war v o n der Frage nach dem Begriff der Enteignung beherrscht. Dessen inzwischen gefestigte Präzisierung ist allerdings Voraussetzung auch für die Behandlung des hier aufgeworfenen Problems, weil zunächst der verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstab eigentumsrelevanter Vorschriften festgestellt werden muß, anhand dessen sodann die Frage nach der zulässigen Intensität denkmalschutzrechtlicher Eigentumsbeschränkungen, nach dem Verhälnis v o n Denkmalschutz u n d Eigentumsschutz zu beantworten ist. 1

So deutlich die Begründung zum Hess DSchG, Hessischer Landtag, Drcks. 7/3958, S. 10. 2 Vgl. nur BVerfGE 38, S. 348, 370; BVerfGE 52, S. 1, 35; BVerfGE 70, S. 191, 201. 3 Vgl. etwa Leibholz/Lincke, DVB1. 1975, S. 933; Backhaus, S. 38ff.; auch die Arbeiten von Parodi und Müller widmen sich diesem Thema. 4 Maunz, Bay VB1. 1983, S. 257. 2 Körner

18

§ 1 Einführung

I I . Gang der Darstellung D a m i t ist das Thema der A r b e i t umrissen: Die Untersuchung der Zulässigkeit v o n Eigentumsbeschränkungen bedarf zunächst einer präzisen Darlegung des Untersuchungsmaterials, der Landesdenkmalschutzgesetze. D i e Darstellung ist dabei a u f den Baudenkmalschutz begrenzt, dem die größte praktische Relevanz z u k o m m t ; der Schutz v o n Bodenu n d beweglichen Denkmälern w i r f t spezielle Fragen auf, die nicht Gegenstand dieser A r b e i t sind. D e m gesetzlichen Baudenkmalschutz ist der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums gegenüberzustellen, dessen zwei Dimensionen eines A b w e h r - u n d eines Entschädigungsrechtsschutzes i n Gestalt der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts u n d des Bundesgerichtshofes zu kontrastieren sind. Die Präzisierung der dem Eigentumsschutz zugrundeliegenden D o g m a t i k erlaubt es, den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab denkmalschutzrechtlicher Regelungen festzustellen. Die darauffolgende Beantwortung der Frage nach dem Sozialbezug des Baudenkmals ist Voraussetzung für die Erörterung der zulässigen Intensität denkmalschutzrechtlicher Eigentumsbeschränkungen. D i e A r b e i t schließt m i t der Untersuchung der i n der Praxis bedeutsamen Frage, a u f welche Weise Denkmalschutz- u n d Eigentümerinteressen i m Gesetzesvollzug zu harmonisieren sind.

§ 2 Die Denkmalschutzgesetze der Bundesländer I . Gesetzgebungskompetenz Das Denkmalschutzrecht fallt gem. Art. 70 Abs. 1 GG in die Gesetzgebungskompetenz der Länder, da das Grundgesetz dem Bund die Befugnis zur Regelung dieser Materie weder als ausschließliche (Art. 73 GG) noch als konkurrierende Gesetzgebung (Art. 74 GG) verliehen hat 1 . Das Denkmalschutzrecht fallt insbesondere nicht in die das Bodenrecht betreffende Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Nr. 18 GG. In diesem Zusammenhang hat der Bund lediglich die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis für die „Ausstrahlungswirkung des Denkmalschutzes in das Bauplanungsrecht, den sogenannten städtebaulichen Denkmalschutz" 2 — eine Materie, die der Bund durch die Ermächtigung zum Erlaß städtebaulicher Erhaltungssatzungen in § 39 h Abs. 3 Nr. 1 und 2 BBauG — jetzt § 172 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 BauGB — geregelt hat. Eine früher vertretene Auffassung vom Denkmalschutz als sozialer Aufgabe und die damit begründete Erstreckung der Bundeskompetenz nach Art. 74 Nr. 18 auf den gesamten Bereich des Denkmalschutzrechts 3 ist unzutreffend: Das in den Landesgesetzen geregelte Denkmalschutzrecht ist Kulturverwaltungsrecht 4 ; insofern es die rechtlichen Beziehungen des Menschen zum Grund und Boden 5 regelt, geschieht dies nur als Reflex des im Kern verfolgten Zieles der Erhaltung von Kulturgut und Sicherung kulturellen Erbes. M i t den in den 70iger Jahren verabschiedeten Denkmalschutzgesetzen6 haben die Bundesländer von dieser Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht. Dies geschah einerseits unter dem Eindruck negativer Erfahrungen mit dem Städtebau der Nachkriegszeit, dessen Tendenz zur massenhaften Überbauung die als erhaltenswert erachtete Bausubstanz gefährdete 7; andererseits kam der 1

Allg. Auff.: Backhaus, S.20ff.; Erbguth/Paßlick/Püchel, S. 2; M . Müller, S. 2; Bülow, S. 74; Birn, in: Strobl/ Majocco / Birn, § 1 Rz 4; v. Münch, in: v. Münch, GG, Art. 75 Rz 27 zur Frage einer Rahmenkompetenz des Bundes nach Art. 75 Nr. 3 GG. 2 BVerfG, DVB1. 1987, S. 465. 3 Watzke, Denkmalschutz- u. Stadtplanungsrecht, S. 122, 135; jetzt anders: Watzke, ZfBR 1981, S. 10. 4 Backhaus, S. 24; hierzu ausführlich unten, § 7 II. 5 Dies ist kennzeichnendes Merkmal des Bodenrechts: BVerfGE 3, S. 407, 424; BVerfGE 34, S. 139, 144. 6 Zur Entstehungsgeschichte ausf. Bühlow, S. 34ff.; Hönes,Denkmalschutz in Rheinland-Pfalz, Erl. 1.4; Birn, in: Strobl/Majocco/Birn, Einleitung Teil I, Nr. 1. 7 Hierzu Kummer, S. 9ff.; 2*

20

§ 2 Die Denkmalschutzgesetze der Bundesländer

Gesetzgeber mit dem Erlaß der Denkmalschutzgesetze Forderungen nach, die im europäischen Denkmalschutzjahr 1975 ihren Ausdruck fanden 8 . Die Denkmalschutzgesetze wurden verabschiedet, ohne daß die Länder vorher einen einheitlichen Musterentwurf erarbeitet hatten. Dieser Tatsache mag es zuzuschreiben sein, daß die Denkmalschutzgesetze ein „variantenreiches förderalistisch geprägtes Gesamtbild" 9 ergeben und — bei einheitlichem Regelungszweck — in der Praxis bedeutsame Unterschiede aufweisen. I I . Der gesetzliche Denkmalbegriff Zentrale Bedeutung bei der Anwendung der Denkmalschutzgesetze kommt dem gesetzlichen Denkmalbegriff zu. Er hat in den Gesetzen der Bundesländer eine einheitliche, nur in Nuancen abweichende Ausformung gefunden. Substrat aller gesetzlichen Definitionen des Denkmalbegriffs ist zum einen die Beschreibung des Regelungsobjekts, zum anderen die tatbestandliche Normierung eines öffentliches Erhaltungsinteresses: (Kultur-) Denkmale sind danach Sachen, deren Erhaltung aus bestimmten Gründen im öffentlichen (oder Allgemein-) Interesse liegt 1 0 . 1. Die Regelungsobjekte Die Denkmalschutzgesetze unterscheiden sich zunächst in der näheren Bestimmung des Objekts des gesetzlichen Erhaltungsinteresses: In einigen Gesetzen ist das Regelungsobjekt schlicht als Sache, Sachgesamtheit oder als Teil von Sachen definiert 11 , in anderen zählen hierzu nur „von Menschen geschaffene Sachen ... aus vergangener Zeit" 1 2 . Zahlreiche Gesetze differenzieren explizit zwischen Bau-, Boden-, beweglichen und unbeweglichen Denkmälern 1 3 . 2. Das Erhaltungsinteresse Aufgabe der tatbestandlichen Ausformung des gesetzlichen Erhaltungsinteresses ist es, daß Erhaltenswerte von dem Nicht-Erhaltenswerten abzugrenzen. Die Denkmalschutzgesetze nennen hierbei verschiedenartige Gründe für die 8

Vgl. Hönes, Denkmalschutz in Rheinland-Pfalz, Erl. 1.4; Kummer, S. 27 ff. Erbguth/ Paßlick/ Püchel, S. 3. 10 § 2 Abs. 1 BadWürt DSchG; Art. 1 Abs. 1 Bay DSchG; § 2 Abs. 2 Bin DSchG; § 2 Abs. 1 Bre DSchG; § 2 Abs. 1 Hbg DSchG; § 2 Abs. 1 Hess DSchG; § 3 Abs. 2 Nds DSchG; § 2 Abs. 1 N R W DSchG; § 3 Abs. 1 RhldPf DSchPflG; § 2 Abs. 1 Saarl DSchG; § 1 Abs. 2 SchlHol DSchG. 9

11 12 13

§ 2 Abs. 1 BadWürt DSchG. Art. 1 Abs. 1 Bay DSchG. So z.B. § 2 Abs. 1 Bre DSchG; Art. 1 Abs. 2, 4 Bay DSchG

II. Der gesetzliche Denkmalbegriff

21

Erhaltung des Regelungsobjekts; die Erhaltung aus geschichtlichen, künstlerischen und wissenschaftlichen Gründen wird in allen Denkmalschutzgesetzen genannt, hinzu treten in einigen Gesetzen die städtebauliche 14 , technik- oder heimatgeschichtliche15 und volkskundliche Bedeutung des Reglungsobjekts 16 . Im Denkmalschutzgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen 17 wird neben den oben genannten Gründen noch die Bedeutung des Denkmals „für die Geschichte des Menschen, für Städte und Siedlungen und für die Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse" als Begriffsmerkmal normiert. Erkennbar verfolgten die Landesgesetzgeber mit dieser Auffächerung des gesetzlichen Erhaltungsinteresses das Ziel, das zentraleBegriffsmerkmal in der gesetzlichen Denkmaldefinition zu präzisieren. Gleichwohl bereitet die generalklauselartige Weite der unbestimmten Rechtsbegriffe in der Anwendung zahlreiche Probleme, weil die Gesetzgeber sich bei der Definition des Denkmalbegriffs sogenannter wertausfüllender Rechtsbegriffe bedient haben 18 . Von diesen bei der Auslegung der gesetzlichen Denkmalbegriffe in der Praxis bedeutsamen Fragen seien im folgenden nur zwei zentrale, mit der Grundrechtsrelevanz des Denkmalschutzes eng zusammenhängende Fragen angesprochen: a) Umfang der KontroOdichte

Die in den gesetzlichen Legaldefinitionen verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe unterliegen richtiger Ansicht nach der unbeschränkten (verwaltungs-) gerichtlichen Überprüfung 19 . Die Gegenmeinung20 verkennt, daß das vorgebliche „Zusammenspiel verschiedener Stellen" 21 bei Maßnahmen des Denkmalschutzes noch nicht den Tatbestand der Entscheidung eines pluralistisch besetzten Gremiums erfüllt, welcher allein eine Beschränkung der Nachprüfbarkeit rechtfertigen könnte 22 . Dem gesetzlichen Denkmalbegriff kommt insofern zentrale Rechtsschutzfunktion zu, als die normierten Erhaltungsgründe allein die mit eigentumsbela14 So z.B. Art. 1 Abs. 1 Bay DSchG; §2 Abs. 1 Saarl DSchG; § 1 Abs. 1 SchlHol DSchG. 15 § 2 Abs. 1 Hess DSchG; § 2 Abs. 1 Bre DSchG. 16 § 2 Abs. 1 N R W DSchG. 17 § 2 Abs. 1 NRW DSchG. 18 Maunz, BayVBl. 1983, S. 257, 259. 19 BVerwGE 24, S. 60, 63 f.; OVG Lüneburg, DVB1. 1975, S. 952, 953; OVG Rheinland-Pfalz, DVB1. 1984, S. 286, 287 sowie DVB1. 1985, S. 406, 407; OVG Berlin, OVGE 17, S. 149, 150; Strobl, in: Strobl/Majocco/Birn, §2 Rz 8; Moench, NJW 1983, S. 1998, 2000; Backhaus, S. 89f. 20 Wiechert, U-Anm. DVB1. 1975, S. 954f.; ders., in: Grosse-Suchsdorf, § 3 Rz 16fT.; Namgalis, DÖV 1984, S. 239, 241. 21 Namgalis, ebd. 22 So etwa BVerwGE 77, S. 75 ff. zur Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften; vgl. z. ganzen Maurer, § 7 Rz 20 ff.

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§ 2 Die Denkmalschutzgesetze der Bundesländer

Stenden Maßnahmen des Denkmalschutzes einhergehenden Grundrechtseingriffe zu legitimieren vermögen. Der Gesetzgeber hat in der Legaldefinition des Denkmalbegriffes den Gemeinwohlzweck, der Eigentumsbeschränkungen rechtfertigen kann, in Gestalt der genannten Erhaltungsgründe konkretisiert. Liegen diese Gründe nicht vor, fehlt es an einem den Grundrechtseingriff rechtfertigenden öffentlichen Belang. Zu Recht betont das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe in § 2 Abs. 1 N R W DSchG, die hiermit einhergehende Unsicherheit in der Rechtsanwendung sei wegen der grundrechtlichen Bedeutung der behördlichen Entscheidung durch sorgfaltige Aufklärung des Sachverhalts und sachverständige Beratung abzugleichen 23 . Eine beschränkte Überprüfbarkeit der Auslegung gesetzlicher Denkmalbegriffe wäre mit dieser Rechtsschutzfunktion nicht zu vereinbaren. b) Das Merkmal des öffentlichen Erhaltungsinteresses als Korrektiv

Die Denkmalschutzgesetze beschränken sich nicht darauf, die Erhaltungsgründe in geschichtliche, künstlerische oder wissenschaftliche Dimensionen aufzufächern; aus diesen Erhaltungsgründen muß sich vielmehr ein öffentliches Erhaltungsinteresse ergeben. Auch dieses Merkmal ist im Lichte der grundrechtlichen Bedeutung von Maßnahmen aufgrund der Denkmalschutzgesetze auszulegen: Ein wie immer geartetes privates Interesse an der Erhaltung wäre nicht geeignet, Grundrechtseingriffe zu legitimieren. Das Grundgesetz verlangt für die Rechtfertigung eigentumsbeschränkender Maßnahmen einen Gemeinwohlzweck 24 , den allein ein öffentliches (oder Allgemein-) Interesse an der Erhaltung zu begründen vermag. Das Merkmal des öffentlichen Interesses in den gesetzlichen Denkmalbegriffen hat deshalb Korrektivfunktion 25 ; seine Aufgabe ist es, das Erhaltungsinteresse „der Allgemeinheit" von den Vorlieben einzelner — auch einzelner Fachbehörden oder gar einzelner Fachbeamter 26 — zu scheiden. Ein die Eigentumsbeschränkung rechtfertigendes Allgemeininteresse an der Erhaltung kann deshalb erst dann vorliegen, wenn die Denkmalwürdigkeit der baulichen Anlage in das Bewußtsein der Bevölkerung oder mindestens eines breiten Kreises von Sachverständigen eingegangen ist 2 7 . 23 BVerwG NJW 1988, S. 505; diese grundrechtliche Bedeutungverkennt Backhaus, S. 91, wenn er meint, für die positive Feststellung der Denkmaleigenschaft genüge schon die Anerkennung durch weite Kreise der Bevölkerung, wogegen es bei der negativen Ausgrenzung einer besonders sorgfaltigen Beurteilung bedürfe, wie sie nur ein Sachverständiger leisten könne — die oben dargelegte grundrechtssichernde Funktion sorgfaltiger Sachverhaltsermittlung und sachverständiger Beratung legt die gegenteilige Annahme nahe. 24 Hierzu ausf. unten, § 7. 25 Backhaus, S. 86 ff. 26 Finkelnburg, in: Festschrift juristische Gesellschaft, S. 129, 139. 27 BVerwGE 11, S. 32, 37; OVG Lüneburg NVwZ 1983, S. 231, 233; OVG RheinlandPfalz, DVB1. 1984, S. 286, 288; OVG Berlin, OVGE 17, S. 149; 152; Finkelnburg, S. 139.

IV. Die verfahrensrechtlichen Systeme des Denkmalschutzes

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I I I . Denkmalschutz und Denkmalpflege Der den Denkmalschutzgesetzen der Länder gemeinsame Zweck der Erhaltung von (Kultur-) Denkmälern wird im Rahmen einer zweifachen Aufgabenzuweisung verfolgt, deren beide Bereiche sich grob dem Instrumentarium der Eingriffs- und der Leistungsverwaltung zuordnen lassen. Die in allen Landesgesetzen genannten28 Begriffe Denkmalschutz und Denkmalpflege umschreiben den Umstand, das der gesetzliche Zweck sowohl durch hoheitliche Ge- und Verbote als auch durch betreuende, fördernde und forschende Tätigkeit ohne Eingriffscharakter angestrebt wird. In diesem Sinne werden unter dem Begriff des Denkmalschutzes alle Maßnahmen der Denkmalbehörden verstanden, die sie als Ordnungsbehörden im Rahmen der Eingriffsverwaltung zumeist durch Verwaltungsakt treffen. Denkmalpflege sind demgegenüber Handlungen im Rahmen der schlicht-hoheitlichen oder fiskalischen Verwaltung, durch die der Erhaltungszweck durch beratende, unterstützende und vorsorgende Tätigkeit verfolgt wird 2 9 . Der Befund, daß die Grenzen dieser Aufgabenbereiche fließend sind 3 0 , bringt eine spezifische Problematik des Denkmalschutzrechts zum Ausdruck, die in der Verbindung hoheitlicher Eingriffsmaßnahmen mit der Gewährung von Leistungen begründet liegt und im Rahmen der Bestimmung der EingrifTsintensität von Maßnahmen des Denkmalschutzes noch zu behandeln sein wird 3 1 . Zunächst sind jedoch die Maßnahmen des Denkmalschutzes, das denkmalrechtliche Instrumentarium der Eingriffsverwaltung zu skizzieren. I V . Die verfahrensrechtlichen Systeme des Denkmalschutzes Die Denkmalschutzgesetze bedienen sich unterschiedlicher verfahrensrechtlicher Systeme zum Schutze der als erhaltenswert angesehenen Kulturgüter: Der bedeutsame Unterschied betrifft die Frage, ob die Schutzwirkungen bei Vorliegen der Voraussetzungen des gesetzlichen Denkmalbegriffs „ipso iure" eintreten, oder ob es hierzu eines konstitutiven Aktes der Unterschutzstellung bedarf. Dies ist allerdings keine selbstverständliche Gestaltungsalternative; ob etwa das Bauordnungsrecht auf die beabsichtigte Veränderung einer Sache Anwendung findet, entscheidet sich durch schlichte Subsumtion unter den gesetzlichen Begriff der „baulichen Anlage". Die Tatsache, daß nur ein Teil der Landesgesetze ihren Schutz derart unmittelbar auf Denkmale erstreckt, hängt zum einen mit 28 § 1 Abs. 1 BadWürt DSchG; §§ 3 Abs. 2, 12 Bay DSchG; § 1 Bin DSchG; § 1 Bre DSchG; § 1 Abs. 1 Hbg DSchG; § 1 Abs. 1 Hess DSchG; §§1,2 Abs. 1 Nds DSchG; § 1 N R W DSchG; § 1 RhldPf DSchG; § 1 Abs. 1 Saarl DSchG; § 1 Abs. 1 SchlHol DSchG. 29 Schönstein, in: Memmersheimer/Upmeier/Schönstein, §1 Rz 11. 30 Erbguth/ Paßlick / Püchel, S.4. 31 Hierzu unten, § 9.

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§ 2 Die Denkmalschutzgesetze der Bundesländer

der bereits oben angesprochenen Unsicherheit in der Rechtsanwendung zusammen; sind die Begriffsmerkmale einer baulichen Anlage in (Bauordnungs-) Gesetz und Rechtsprechung relativ präzise gefaßt, so sind die wertausfüllenden Rechtsbegriffe des gesetzlichen Denkmalbegriffs einer derart präzisen Umschreibung unzugänglich, was die verfahrensrechtliche Zwischenstufe einer konstitutiven Entscheidung über Vorliegen oder NichtVorliegen der Denkmaleigenschaft nahelegt. Zum anderen liegt die Ursache für die Existenz unterschiedlicher Verfahrenssysteme in der historischen Herausbildung der Vorläufer der heutigen Denkmalschutzgesetze aus der „Klassierung" 32 von Denkmälern als deren Erfassung, Einordnung und Bewertung in besonderen Denkmallisten. Die Entscheidung der Frage, ob rechtliche Folgen erst an die Aufnahme eines Objekts in diese Listen geknüpft werden sollten oder generalklauselartig 33 auch bisher unbekannte Denkmäler geschützt werden sollten, hing rechtsgeschichtlich von dem Stand der wissenschaftlichen Erforschung des Denkmalbestandes und des Aufbaues einer funktionierenden Denkmalfachverwaltung ab 3 4 . Je umfassender die wissenschaftliche Erfassung des Bestandes in Denkmallisten gediehen war, desto weniger Risiken bestanden für „unerkannte" Denkmäler, wenn man Rechtsfolgen ausschließlich an die Aufnahme von Anlagen in die Listen knüpfte. Umgekehrt mußte eine lückenhafte und erst im Aufbau befindliche wissenschaftliche Dokumentation für ein Prinzip der Generalklausel sprechen 35. 1. Denkmalschutz ipso iure Im System des Denkmalschutzes ipso iure folgt die Anwendbarkeit der Denkmalschutzgesetze auf eine bauliche Anlage oder sonstige Sache unmittelbar aus dem Vorliegen der Merkmale des gesetzlichen Denkmalbegriffs. Damit entfallt zwar nicht die — sich aus der Wertausfüllungsbedürftigkeit der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale ergebende — Notwendigkeit, die Verfügungsberechtigten und die Baugenehmigungsbehörden über die Denkmaleigenschaft zu informieren; dies geschieht durch sogenannte nachrichtliche Denkmallisten. Die Aufnahme eines Objekts in diese Liste hat aber keinen rechtsbegründenden oder regelnden Charakter; die Eintragung ist kein Verwaltungsakt 36 . 32

Denkmalschutz durch konstitutive Unterschutzstellung wird nach dem französischen (Denkmalschutz-) Gesetz vom 30. März 1887 auch „Classement-System" genannt, was mißverständlich ist, wie Kummer, S. 63 ff. nachweist: „Classement" war die Bezeichnung für die Bewertung und Aufnahme eines Denkmals in die französischen Denkmallisten; die Begründung von Rechtsfolgen dieser Aufnahme erfolgte erst durch das genannte Gesetz. 33

Der Denkmalschutz „ipso iure" wird deshalb auch „Prinzip der Generalklausel" genannt, vgl. Erbguth/Paßlick/Püchel, S. 18. 34

Kummer, S. 63 ff. Vgl. zu dieser Motivation der Landesgesetzgeber Hönes, Unterschutzstellung, S. 163 ff. 35

IV. Die verfahrensrechtlichen Systeme des Denkmalschutzes

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Der Verfügungsberechtigte kann sich mittels der Feststellungsklage gegen die von der Behörde angenommene Denkmaleigenschaft wenden 37 . I m übrigen verlagert sich der Rechtsschutz hinsichtlich der Frage der Denkmaleigenschaft in das bauaufsichtliche oder sonstige Genehmigungsverfahren: Hat die zuständige Behörde eine beantragte Genehmigung unter Hinweis auf die Denkmaleigenschaft versagt, so ist im Rahmen der Klage auf Erteilung ζ. B. einer Bau- oder Abrißgenehmigung auch die Frage der Denkmaleigenschaft zu prüfen 38 . Die „nachrichtliche" Denkmalliste ist mithin nicht abschließend: Auch ein nicht in der Liste aufgeführtes Objekt kann ein Denkmal sein, wenn es die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt 39 . Dieses hier nur in groben Zügen skizzierte verfahrensrechtliche System normieren die Denkmalschutzgesetze der Länder Bayern 40 , Hessen 41 , Niedersachsen42 und Saarland 43 . Unterschiede finden sich hinsichtlich des Schutzes von beweglichen Denkmälern — einige Gesetze44 knüpfen die Begründung von Rechtsfolgen für bewegliche Denkmäler an die Eintragung, was in Verbindung mit Eintragungsbeschränkungen erkennbar dem Zweck dient, die anderenfalls unübersehbare Vielzahl beweglicher Schutzobjekte einzugrenzen. Ein Mischsystem verfolgt das Denkmalschutzgesetz Baden-Württemberg: Alle Kulturdenkmäler werden „ipso iure" allgemeinen Schutzvorschriften unterworfen 45 , die im wesentlichen die Beseitigung oder Zerstörung, die Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes und die Entfernung aus der Umgebung einem Genehmigungsvorbehalt unterstellen 40 . Kulturdenkmäler von besonderer Bedeutung werden durch konstitutive Eintragung in ein Denkmalbuch erweiterten Schutzvorschriften unterworfen, was gem. § 15 Abs. 1 BadWürt DSchG unter anderem zur Folge hat, daß auch die Wiederherstellung und Instandsetzung sowie Veränderungen des Erscheinungsbildes genehmigungsbedürftig sind. 36 V G H Baden-Württemberg, in: Stich/Burhenne, Nr. 717, S. 25; V G H BadenWürttemberg, BWVwPr 1983, S. 164; Backhaus, S. 94 ff.; Moench, NJW 1983, S. 1998, 2001; ders., NVwZ 1984, S. 146, 149; Eberl, in: Eberl/Martin/ Petzet, Art. 2 Rz 4; a. A. Kummer, S. 72 ff. unter Hinweis auf die tatsächlichen Folgen der Eintragung; hiergegen zutreffend Backhaus, S. 96. 37 So f. d. Fall einer informatorischen Benachrichtigung V G H Baden-Württemberg, in: Stich /Burhenne, S. 28; a. A. Backhaus, S. 98. 38 Moench, NVwZ 1984, S. 146, 149; Backhaus, S. 97. 39 So ausdrücklich § 5 Satz 1 Nds DSchG; ebenso § 9 Abs. 1 Satz 2 Hess DSchG. 40 Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 Bay DSchG. 41 §9 Abs. 1 Hess DSchG. 42 § 5 Nds DSchG. 43 § 7 Abs. 1 Saarl DSchG. 44 Konstitutive Wirkung der Eintragung bei beweglichen Denkmälern gem. § 5 Satz 2 Nds DSchG; ebenso Art. 3 Abs. 1 Bay DSchG; 9 Abs. 1 Satz 2 Hess DSchG. 45 Titel des 3. Abschnitts des BadWürt DSchG. 46 § 8 Abs. 1 BadWürt DSchG.

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§ 2 Die Denkmalschutzgesetze der Bundesländer

2. Denkmalschutz durch konstitutive Unterschutzstellung a) Begriff und Formen

Gegenüber dem eben beschriebenen Denkmalschutz „ipso iure" kommt den nach den Denkmalschutzgesetzen der Länder Berlin 47 , Bremen 4*, Hamburg 4 9 , Nordrhein-Westfalen 50 , Rheinland-Pfalz 51 und Schleswig-Holstein52 ebenfalls zu führenden Denkmallisten — hier zumeist Denkmalbücher genannt 53 — eine andersartige Bedeutung zu: Erst mit der Eintragung 54 oder einer ihr vorausgehenden Unterschutzstellungsverfügung 55 wird das Denkmal den Schutzvorschriften des Gesetzes unterworfen. Die Eintragung oder vorausgehende Verfügung ist belastender Verwaltungsakt 56 , Rechtsschutz bietet die Anfechtungsklage. Dieses Eintragungsverfahren kann im Einzelfall zu langwierig sein, um eine beabsichtigte Veränderung eines denkmalwürdigen, aber noch nicht unter Schutz gestellten Objekts zu verhindern. Fast alle Denkmalschutzgesetze, die dem konstitutiven Eintragungssystem folgen, enthalten deshalb Vorschriften über den vorläufigen Schutz, nach dessen Anordnung — ebenfalls durch Verwaltungsakt — das Objekt für einen bestimmten Zeitraum als eingetragen gilt 5 7 . Die Eintragung mit konstitutiver Wirkung steht nach überwiegender Auffassung nicht im Ermessen der Behörde 58 . Lediglich bezüglich der Denkmalschutzgesetze Hamburgs und Bremens wird aufgrund des gesetzlichen Wortlauts die gegenteilige Auffassung vertreten 59 . Hintergrund der überwiegend angenomme47

§ 6 Abs. 1, Abs. 4 Bin DSchG. §§ 3 Abs. 1, 7 Bre DSchG. 49 §§ 6 Abs. 1, 7 Abs. 1 und 3 Hbg DSchG. 50 § 3 Abs. 1 Satz 1 und 2 N R W DSchG. 51 §§ 8 Abs. 1, 10 RhdlPf DSchPflG. 52 §§ 5 Abs. 1, 6 SchlHol DSchG. 53 Sowohl ein Denkmalbuch als auch eine Denkmalliste kennt das SchlHol DSchG; während die Eintragung in das Denkmalbuch konstitutiv die Genehmigungspflicht auslöst, bewirkt die Eintragung in eine nachrichtliche Denkmalliste gem. § 6 a SchlHol DSchG nur eine Anzeigepflicht. 54 § 6 Abs. 4 Bin DSchG; § 3 Abs. 1 Bre DSchG; § 9 Abs. 1 SchlHol DSchG. 55 § 7 Abs. 1 Hbg DSchG; § 8 Abs. 1 RhldPf DSchPflG. 56 V G H Baden Württemberg, DVB1. 1983, S. 466; Moench, NJW 1983, S. 1998, 2001; ders., NVwZ 1984, S. 146, 149. 48

57 §7 Bin DSchG; §8 Bre DSchG; § 11 RhldPf DSchPflG; §7 SchlHol DSchG; §4 N R W DSchG. 58 OVG Berlin, OVGE Bd 17, S. 149, 153; OVG Rheinland-Pfalz, DÖV 1984, S. 75; Hönes, Denkmalschutz in Rheinland-Pfalz, Erläuterung 6.1; Dieterich / DieterichBuchwald, ZfBR 1984, S. 63 ff. 59 OVG Bremen, Urteil vom 23. November 1982, OVG 1 BA 53/81, zit. n. Dieterich/Dieterich-Buchwald S. 65 f.; dies., S. 64.

IV. Die verfahrensrechtlichen Systeme des Denkmalschutzes

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nen Gebundenheit der Entscheidung über die Eintragung ist die Lehre von der Zweistufigkeit denkmalschutzrechtlicher Verfahren: b) Zweistufigkeit des Denkmalschutzverfahrens

Die Lehre von der Zweistufigkeit denkmalschutzrechtlicher Verfahren bringt eine für die konstitutiven Regelungssysteme spezifische Problematik zum Ausdruck: Ist eine gesetzliche Regelung — etwa der Genehmigungsvorbehalt für beabsichtigte Veränderungen — nicht per se auf einen Tatbestand — ein erhaltenswertes Gebäude — anwendbar, sondern bedarf es hierzu eines vorgeschalteten Verwaltungsaktes, der die Anwendbarkeit erst konstituiert, so ist die Frage zu klären, welche Erwägungen bei der Entscheidung über die Unterschutzstellung zu berücksichtigen sind und welche Erwägungen im Rahmen des Genehmigungsvorbehalts zum Tragen kommen. Nach der hierzu durchgängig vertretenen Auffassung dürfen im Rahmen der Entscheidung über die Eintragung — Unterschutzstellung — eines Denkmals weder Fragen des Erhaltungszustandes oder der erforderlichen Instandsetzungsmaßnahmen60 noch Erwägungen der Wirtschaftlichkeit und Nutzbarkeit des Denkmals und damit der Zumutbarkeit der Erhaltung eine Rolle spielen 61 . Hiernach sind bei der Eintragung nur die Merkmale des gesetzlichen Denkmalbegriffs, mithin das öffentliche Erhaltungsinteresse zu überprüfen, während alle sonstigen — öffentlichen und privaten — Belange erst im Rahmen des Genehmigungsverfahrens, also anläßlich der „konkreten Entscheidung über das weitere Schicksal des Baudenkmals" 62 zu berücksichtigen sind 6 3 . Hieran ist zutreffend, daß diese „zweistufige" Ausgestaltung sowohl dem Wortlaut als auch dem Regelungszweck derjenigen Denkmalschutzgesetze entspricht, die ein konstitutives Eintragungsverfahren vorsehen. Nach dem Wortlaut der meisten Regelungen — mit Ausnahme der Gesetze Hamburgs und Bremens — ist eine Anlage den Schutzwirkungen des Gesetzes zu unterstellen, wenn das spezifische öffentliche Erhaltungsinteresse vorliegt, die Anlage also den gesetzlichen Denkmalbegriff erfüllt, ohne daß es auf entgegenstehende Interessen ankäme. Zweck und Vorteil des vorgeschalteten Eintragungsverfahrens sind es gerade, Rechtssicherheit und Klarheit 6 4 in der den Beteiligten nur schwer zugänglichen Frage nach der Denkmalwürdigkeit zu schaffen. Dieser Zweck wird nur dann erreicht, wenn das Unterschutzstellungsverfahren auf 60

OVG Berlin, OVGE Bd 17. S. 149, 153. OVG Rheinland-Pfalz, DÖV 1984, S. 75; Dieterich/Dieterich-Buchwald, ZfBR 1984, S. 63, 67. 62 OVG Berlin, OVGE Bd. 17, S. 149, 154. 63 Dieterich/Dieterich-Buchwald, S. 68; Hönes, DÖV 1983, S. 332, 334; Finkelnburg, S. 149, unter kritischem Hinweis auf die unzulässige Beteiligung der Finanzverwaltung an Entscheidungen über die Unterschutzstellung. 61

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So ausdrücklich BGHZ 99, S. 24, 30.

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§ 2 Die Denkmalschutzgesetze der Bundesländer

eben diese Überprüfung konzentriert wird; eine Verbindung mit der an anderer Stelle durchzuführenden Abwägung würde die konstitutive Unterschutzstellung entbehrlich machen und das Verfahren dem Denkmalschutz „ipso iure" annähern, bei dem ja über die Denkmaleigenschaft im Rahmen eines bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahrens inzidenter entschieden wird. Fraglich ist aber, ob der Erhaltungszustand bei der Eintragung auch dann unberücksichtigt bleiben darf, wenn die zu schützende Anlage objektiv nicht mehr erhalten werden kann 6 5 . Die Frage gewinnt ihre Relevanz unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit belastender Maßnahmen des Denkmalschutzes und wird an anderer Stelle im Zusammenhang mit der (eigentums-) grundrechtlichen Überprüfung dieser Maßnahmen erörtert 66 . Zunächst ist der Frage nach den Rechtsfolgen der Unterschutzstellung bzw. des Denkmalschutzes „ipso iure" weiter nachzugehen. V. Die Rechtsfolgen des Denkmalschutzes Ist die Denkmaleigenschaft einer baulichen Anlage durch konstitutiven Verwaltungsakt oder durch Subsumtion unter den gesetzlichen Denkmalbegriff festgestellt, so lassen sich die an diese Eigenschaft geknüpften Rechtsfolgen grob wie folgt einteilen: Den Kern der Rechtsfolgen des Denkmalschutzes bildet das den Eigentümer treffende materiell-rechtliche Erhaltungsgebot, das in ein negatives Beeinträchtigungsverbot — in seiner gesetzestechnischen Ausformung als Veränderungsverbot mit Genehmigungsvorbehalt — und ein positives Instandhaltungsgebot zerfällt 67 . Die überwiegende Zahl der Denkmalschutzgesetze normiert daneben besondere Nutzungsgebote und Nutzungsverbote. Diese Regelungen werden alsdann von Auskunfts- und Duldungspflichten flankiert. Als „ultima ratio" zur Sicherung des Erhaltungsinteresses kennen schließlich alle Landesgesetze die förmliche Enteignung. 1. Veränderungsverbote Die in den Denkmalschutzgesetzen normierten Veränderungsverbote unterscheiden sich hinsichtlich ihres Regelungsumfangs (im folgenden a)) und der tatbestandlichen Voraussetzungen der vorbehaltenen Genehmigungserteilung oder -versagung (b) sowie schließlich in der Frage, ob die Genehmigungsversagung in das Ermessen der Behörde gestellt oder als gebundene Entscheidung ausgestaltet ist (c). Trotz dieser Differenzen lassen sich die Veränderungsverbote sämtlich als präventive Verbote mit Erlaubnisvorbehalt charakterisieren (d). 65

Verneinend OVG Lüneburg, NJW 1980, S. 307 f.; kritisch hierzu Hönes, DÖV 1983, S. 332 ff. 66 Hierzu unten, § 8 I 1 a). 67 Wiechert, in: Grosse-Suchsdorf, § 6 Rz 1.

. Die

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des Denkmalschutzes

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a) Regelungsumfang

Die Erhaltung eines Baudenkmals verlangt zunächst und vorrangig, einen andernfalls zulässigen Abbruch zu verhindern: Alle Landesgesetze unterwerfen deshalb die Zerstörung, Beseitigung und Entfernung des Denkmals dem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt 68 . Der von den Denkmalschutzgesetzen verfolgte Erhaltungszweck knüpft nicht in erster Linie an die Sicherung einer bestimmten Funktion einer baulichen Anlage — dies bezwecken etwa die Wohnraumzweckentfremdungsverbote 69 —, sondern dient vorrangig der Bewahrung der unveränderten Gestalt eines Bauwerks. Denkmalschutz will die kunst-, architektur-, sozial- und allgemeingeschichtlichen Epochen und Entwicklungen dokumentieren 70 , was voraussetzt, daß das zu erhaltende Bauwerk in seiner Gestalt der (Stil-) Entwicklung und Veränderung entzogen wird. Diesem Gedanken tragen die Denkmalschutzgesetze Rechnung, indem entweder die Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes 71 oder generell die Veränderung des Denkmals 72 dem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt unterworfen werden. Dem Zweck der Erhaltung des Erscheinungsbildes sind ferner die in einigen Denkmalschutzgesetzen gesondert normierten Verbote des Anbringens von Werbeeinrichtungen zuzuordnen 73 . Schließlich kann selbst durch eine Instandsetzung das „konservatorische" Erhaltungsinteresse gefährdet sein, weil unsachgemäß ausgeführte Instandsetzungsarbeiten das Erscheinungsbild entstellen oder auch die dauernde Erhaltung gefährden können 74 . Einige Landesgesetze unterstellen deshalb die Instandsetzung und Wiederherstellung von Baudenkmälern ausdrücklich dem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt 7 5 . 68 § 8 Abs. 1 Ziff. 1 und 3 BadWürt DSchG; Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 Bay DSchG; § 10 Abs. 1 Bin DSChG; § 10 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 Bre DSchG; § 9 Abs. 1 Hbg DSchG; § 16 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 Hess DSchG; § 10 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 Nds DSchG; § 9 Abs. 1 a N R W DSchG; § 13 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 und 4 RhldPf DSchPflG; § 12 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 Saarl DSchG; § 9 Abs. 1 Satz 1 a und b SchlHol DSchG. 69

Hierzu unten, § 7 IV 4 a). BVerwG, NVwZ 1988, S. 357, 359; OVG Lüneburg, NVwZ 1988, S. 375, Moench /Schmidt, Baugestaltung, S. 61. 71 § 8 Abs. 1 Ziff. 2 BadWürt DSchG; § 10 Abs. 1 Ziff. 3 Bre DSchG; § 13 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 3 RhldPf DSchPflG; § 12 Abs. 1 Ziff. 3 Saarl DSchG. 72 Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 Bay DSchG; § 10 Abs. 1 Bin DSchG; §9 Abs. 1 Hbg DSchG; § 16 Abs. 1 Ziff. 3 Hess DSchG; § 10 Abs. 1 Ziff. 1 Nds DSchG; § 9 Abs. 1 a N R W DSchG; § 13 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 2 RhldPf DSchPflG; § 12 Abs. 1 Ziff. 3 Saarl DSchG; § 9 Abs. 1 Satz 1 a SchlHol DschG. 70

73

§ 15 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 3 BadWürt DSchG — nur für eingetragene Denkmäler -; § 16 Abs. 1 Ziff. 4 Hess DSchG; § 10 Abs. 1 Ziff. 2 Nds DSchG; § 12 Abs. 1 Ziff. 5 Saarl DSchG. 74 Wiechert, in: Grosse-Suchsdorf, § 10 Rz 2. 75 § 15 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 BadWürt DSchG — nur für eingetragene Denkmäler -; § 10 Abs. 1 Bin DSchG; § 10 Abs. 1 Ziff. 4 Bre DSchG; § 9 Abs. 1 Hbg DSchG; § 10 Abs. 1 Ziff. 1 Nds DSchG; § 12 Abs. 1 Ziff. 4 Saarl DSchG; § 9 Abs. 1 Satz 1 a SchlHol DSchG.

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§ 2 Die Denkmalschutzgesetze der Bundesländer b) Tatbestandliche Voraussetzungen der Genehmigung

Erhebliche Unterschiede weisen die Denkmalschutzgesetze hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen der vorbehaltenen Genehmigung einer unter die Veränderungsverbote fallenden Maßnahme auf. Die Regelungen lassen sich drei Gruppen zuordnen: Eine Reihe von Gesetzen knüpft die Genehmigungserteilung oder -versagung ausschließlich an das Vorliegen von Gründen des Denkmalschutzes (im folgenden aa). Eine weitere Gruppe verbindet Erwägungen des Denkmalschutzes mit sonstigen öffentlichen Belangen (bb). Schließlich ist nach einem Landesgesetz die Entscheidung über die Erteilung oder Versagung der Genehmigung explizit — neben den Belangen des Denkmalschutzes — von der wirtschaftlichen Zumutbarkeit der unveränderten Erhaltung abhängig zu machen (im folgenden cc). aa) Gründe des Denkmalschutzes Nach den Denkmalschutzgesetzen der Länder Bayern 76 , Berlin 77 , Bremen 78 , Hamburg 79 und Saarland 80 darf oder muß die Genehmigung versagt werden, wenn Gründe des Denkmalschutzes — zum Teil sind „gewichtige" oder „wesentliche" Gründe erforderlich — der Veränderung entgegenstehen bzw. für die unveränderte Beibehaltung sprechen. Diese Gesetze knüpfen also ihrem Wortlaut nach die Befugnis zur Aufrechterhaltung des Veränderungsverbots ausschließlich an eine Beeinträchtigung des gesetzlichen Schutzzwecks. bb) Überwiegende öffentliche

Belange

Erweiterte Tatbestandsvoraussetzungen der Genehmigungserteilung oder -versagung normieren die Gesetze der Länder Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Hiernach ist die Genehmigung zu erteilen — oder soll erteilt werden —, wenn „überwiegende Gründe des Gemeinwohls nicht entgegenstehen"81, „ein überwiegendes öffentliches Interesse die Maßnahme verlangt" 82 oder „andere Erfordernisse des Gemeinwohls die Belange des Denkmalschutzes ... überwiegen" 83 . Diese Gesetze stellen damit klar, daß das Veränderungsverbot auch dann durchbrochen werden darf, wenn die Maßnahme zwar Belange des Denkmal76 77 78 79 80

Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Bay DSchG. § 10 Abs. 2 Bin DSchG. § 10 Abs. 3 Bre DSchG. § 12 Abs. 1 Hbg DSchG.

§ 12 Abs. 3 Saarl DSchG. § 16 Abs. 3 Hess DSchG. 82 § 9 Abs. 2 b N R W DSchG. 83 § 13 Abs. 1 Satz 2 RhldPf DSchPflG — für Zerstörung, Abbruch, Beseitigung und Zerlegung. 81

. Die

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des Denkmalschutzes

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schutzes beeinträchtigt, aber durch andere — überwiegende — Erwägungen des Gemeinwohls legitimiert ist. Es handelt sich hierbei um Erwägungen, die bei der oben unter aa) genannten Gruppe jedenfalls dann auch zum Tragen kommen, wenn den Behörden Ermessen bei der Versagung der Erlaubnis eingeräumt ist. Die Regelungen gebieten auf der Tatbestandsseite der Norm eine Abwägung der für die Versagung streitenden Belange des Denkmalschutzes gegen die für die Genehmigung sprechenden anderen öffentlichen Belange 84 . Sie setzen mithin eine Beeinträchtigung der Belange des Denkmalschutzes voraus; die Befugnis zur Versagung der Genehmigung besteht auch nach diesen Denkmalschutzgesetzen dann nicht, wenn eine Maßnahme das gesetzliche Erhaltungsinteresse nicht gefährdet, etwa weil Substanz und Erscheinungsbild durch eine sachgerechte bauliche Maßnahme nicht beeinträchtigt werden. Die gegen die — beeinträchtigten — Belange des Denkmalschutzes abzuwägenden anderen Belange des Gemeinwohls können ζ. B. fachplanerische Erwägungen sein, wenn etwa die Verwirklichung eines die Belange des Denkmalschutzes zulässigerweise überwindenden Bebauungsplans die Genehmigung einer Maßnahme erfordert 8 5 . Umstritten ist, ob die Finanzkraft der Gemeinden und insbesondere die finanziellen Folgekosten eines auf die Versagung einer Genehmigung gestützten Übernahmeanspruches 86 zu den öffentlichen Belangen zählen. Dies wird vor allem mit der Erwägung verneint, eine solche Betrachtungsweise öffentlicher Belange würde bei aufwendigen Denkmälern, deren Übernahme die Finanzkraft der Gemeinden erschöpft, zum Abbruch gerade überregional bedeutsamer Denkmäler führen müssen 87 . Diese Auffassung beruht jedoch auf einer unzulässigen Vermengung von Abwägungsbelangen und Abwägungsprozeß: Daß die Finanzkraft der Gemeinde und die möglichen Folgekosten der Versagung zu den öffentlichen (Gemeinwohl-) Belangen zu zählen sind, kann angesichts der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG keinem Zweifel unterliegen 88 ; ob die Abwägung zu dem von der genannten Auffassung befürchteten Ergebnis führt — fiskalische Belange also überwiegen —, hängt sowohl von der Bewertung der in die Abwägung einzustellenden Belange ab 8 9 als auch von der den Gemeinden gewährten Unterstützung in Form von Landesmitteln.

84 Upmeier, in: Memmersheimer / Upmeier /Schönstein, §9 Rz 25; Hönes, Denkmalschutz in Rheinland-Pfalz, Erl. 9.2. 85 Upmeier, Rz 23; Moench, NVwZ 1988, S. 304, 310. 86 Etwa nach § 31 N R W DSchG. 87 OVG Münster, BRS 42, Nr. 137; Gahlen, U-Anm., DÖV 1985, S. 411 ff.; Upmeier Rz 28. 88 Erbguth/ Paßlick / Püchel, S. 74f. 89 Moench, NVwZ 88, S. 304, 310.

§ 2 Die Denkmalschutzgesetze der Bundesländer

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cc) Wirtschaftliche

Zumutbarkeit

unveränderter

Erhaltung

Nur das Niedersächsische Denkmalschutzgesetz normiert neben den bereits erörterten Belangen des Denkmalschutzes explizit die wirtschaftliche Zumutbarkeit der unveränderten Erhaltung als Tatbestandsmerkmal der Genehmigungsversagung: Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 NdS DSchG ist die Genehmigung zu versagen, soweit die Maßnahme gegen dieses Gesetz verstoßen würde. Hiermit wird zunächst auf die generelle Erhaltungspflicht nach §6 NdS DSchG verwiesen, nach dessen Absatz 2 Kulturdenkmale unter anderem nicht so verändert werden dürfen, daß ihr Denkmalwert beeinträchtigt wird. Auch hiernach besteht die Befugnis zur Genehmigungsversagung also nur, falls die verändernde Maßnahme Belange des Denkmalschutzes beeinträchtigen würde. Jedoch ist nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 NdS DSchG ein Eingriff in ein Kulturdenkmal zu genehmigen, wenn die unveränderte Erhaltung den Verpflichteten wirtschaftlich unzumutbar belastet. § 7 Abs. 3 NdS DSchG enthält eine Legaldefinition: Danach ist eine wirtschaftliche Belastung insbesondere unzumutbar, soweit die Kosten der Erhaltung und Bewirtschaftung nicht durch die Erträge oder den Gebrauchswert des Kulturdenkmals aufgewogen werden können. Hierauf sind Zuwendungen aus öffentlichen oder privaten Mitteln sowie Steuervorteile anzurechnen. Nach § 7 Abs. 3 Satz 3 NdS DSchG kann sich der Verpflichtete nicht auf die Belastung durch erhöhte Erhaltungskosten berufen, die dadurch verursacht wurden, daß Erhaltungsmaßnahmen dem Denkmalschutzgesetz oder sonstigem öffentlichen Recht zuwider unterblieben sind. Die Regelung hat in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg 90 und der einschlägigen Kommentierung 91 zur Herausbildung einer „denkmalrechtlichen Wirtschaftlichkeitsberechnung" geführt, auf die noch vertieft einzugehen sein wird 9 2 . c) Ermessen oder gebundene Entscheidung

Bevor die landesgesetzlichen Veränderungsverbote unter der Alternative Ermessen oder gebundene Entscheidung systematisiert werden können, bedarf die Fragestellung zunächst einer Präzisierung: Es geht im folgenden zunächst nur um die Frage, ob die Versagung der Genehmigung im Ermessen steht oder nicht. Damit ist noch keine Aussage darüber getroffen, ob dies auch für die Erteilung der Genehmigung gilt 9 3 . Wenn etwa Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Bay DSchG anordnet, die Genehmigung dürfe versagt werden, soweit gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung sprechen, so heißt dies, daß die Behörde bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen das 90 91 92 93

OVG Lüneburg, BRS 42, Nr. 142. Wiechert, in: Grosse-Suchsdorf, § 7 Rz 8 ff. Hierzu unten, § 8 I 2 b). Dies verkennt Wiechert, in: Grosse-Suchsdorf, § 10 Rz 1.

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Veränderungsverbot aufrechterhalten kann, aber nicht muß — es besteht ein Versagungsermessen. Ob die Genehmigung zu erteilen ist, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, hängt von der Charakterisierung der Regelung als präventivem oder repressivem Verbot ab und ist in diesem Zusammenhang zu erörtern. aa) Ermessen Nach dem eindeutigen Wortlaut der gesetzlichen Regelungen in Bayern 94 , Berlin 95 , Bremen 96 und Hamburg 9 7 steht die Versagung der Genehmigung bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen im Ermessen der Behörde: Hiernach kann oder darf die Genehmigung versagt werden, wenn Gründe des Denkmalschutzes entgegenstehen. Die Behörde ist mithin nicht gehindert, auch eine Maßnahme zu genehmigen, die Belange des Denkmalschutzes beeinträchtigen würde, weil dies aus anderen Gründen sachgerecht erscheint. Dies gilt auch für die Denkmalschutzgesetze Hessens und NordrheinWestfalens: Nach § 16 Abs. 3 Satz 1 Hess DSchG „soll" die Genehmigung nur erteilt werden, wenn überwiegende Belange des Gemeinwohls dem nicht entgegenstehen. Der Formulierung „soll nur erteilt werden ..." kann nicht entnommen werden, daß die Genehmigungserteilung zwingend ausgeschlossen ist, wenn die überwiegenden Gemeinwohlbelange der Maßnahme entgegenstehen. Dies ergibt zunächst der Vergleich mit anderen Landesgesetzen, die einen solchen zwingenden Ausschluß der Genehmigungserteilung durch die Formulierung „ . . . darf nur erteilt werden" zum Ausdruck bringen 98 . Die Formulierung „soll" kennzeichnet das — allerdings beschränkte — Ermessen 99. Zu beachten ist aber, daß Gemeinwohlbelange in die Ermessenserwägungen nicht einzustellen sind, da sie bereits auf der Tatbestandsebene zu berücksichtigen waren und insoweit „verbraucht" sind. Auch § 9 Abs. 2 N R W DSchG räumt der Behörde bei der Versagung der Genehmigung Ermessen ein: Nach der Vorschrift „ist" die Erlaubnis zu erteilen, wenn Gründe des Denkmalschutzes nicht entgegenstehen oder ein überwiegendes öffentliches Interesse die Maßnahme verlangt. Der eindeutige Wortlaut der Regelung räumt dem Antragsteller einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung ein, falls die tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen — für Ermessen läßt die Regelung insoweit in der Tat einen Raum. Daraus aber den pauschalen 94 95 96 97 98 99

Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Bay DSchG. § 10 Abs. 2 Bin DSchG. § 10 Abs. 3 Bre DSchG. § 12 Abs. 1 Hbg DSchG. § 13 Abs. 1 Satz 2 RhldPf DSchPflG. Wolff-Bachof Bd 1, § 31 I I b.

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§ 2 Die Denkmalschutzgesetze der Bundesländer

Schluß zu ziehen, nach § 9 Abs. 2 DSchG stehe der Behörde keinerlei Ermessen z u 1 0 0 , ist verfehlt: Die Frage, ob die Genehmigung zu versagen „ist" oder nur versagt werden „kann", wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des Erlaubnisanspruches nicht gegeben sind, regelt die Vorschrift ihrem Wortlaut nach gerade nicht. Für die Annahme einer in das Ermessen gestellten Genehmigungsversagung spricht wiederum, daß die zwingende Anordnung der Genehmigungsversagung eine derartig weitreichende Regelung darstellt, daß sie ausdrücklich normiert werden müßte — wie dies in anderen Landesgesetzen der Fall ist 1 0 1 . Zudem spricht der ordnungsrechtliche Charakter des Veränderungsverbots für das Ermessen bei der Frage, ob das Veränderungsverbot aufrecht zu erhalten ist oder nicht. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die erörterten Regelungen, nach denen die Entscheidung über eine Versagung der beantragten Erlaubnis im Ermessen der Behörde steht, eine Berücksichtigung von privaten Eigentümerbelangen bei der Entscheidung über die Veränderung eines Denkmals jedenfalls zulassen: Über die Frage aber, wie weit dies im Rahmen der Ermessenausübung zu geschehen hat, herrscht weitgehende Unklarheit 1 0 2 . bb) Zwingendes Verbot der Veränderung Kein Ermessen bei der Entscheidung über die Versagung der Genehmigung gewähren die Gesetze der Länder Rheinland-Pfalz, Saarland und Niedersachen: Hiernach muß das Veränderungsverbot aufrechterhalten werden, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen. Dies bringt §13 Abs. 1 Satz 2 RhldPf DSchPflG — beschränkt auf die Fälle der Zerstörung, des Abbruchs, der Zerlegung und der Beseitigung des Denkmals — durch die Formulierung zum Ausdruck, daß die Genehmigung nur erteilt werden darf,\ wenn andere Erfordernisse des Gemeinwohls die Belange des Denkmalschutzes überwiegen. Damit ist zugleich klargestellt, daß die Erlaubnisbehörde eine Maßnahme nicht genehmigen darf, wenn die genannten Voraussetzungen nicht gegeben sind. Dasselbe gilt für § 10 Abs. 3 Satz 1 NdS DSchG und § 12 Abs. 3 Saarl DSchG, wonach die Erlaubnis bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen zu versagen ist. Da nur bei der Anwendung des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes die privaten Eigentümerbelange bereits auf der Tatbestandsebene Berücksichtigung finden, ergibt sich für die Regelungen in Rheinland-Pfalz und im Saarland, daß Eigentümerbelange nach dem Wortlaut der gesetzlichen Regelungen bei der Entscheidung über eine Veränderung des Denkmales keine Berücksichtigung finden können.

100 OVG Münster, OVGE Bd 37, S. 124, 127; Upmeier, in: Memmersheimer/Upmeier /Schönstein, §9 Rz 17. 101 102

Hierzu sogleich unter bb). Hierzu unten, §9 II.

V. Die Rechtsfolgen des Denkmalschutzes

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d) Präventive Verbote mit Erlaubnisvorbehalt

Im Gegensatz zu den erheblichen Unterschieden, die die Denkmalschutzgesetze in der Frage aufweisen, ob die Versagung einer Veränderungsgenehmigung im Ermessen steht oder aber die Veränderung bei Beeinträchtigung des Schutzzwecks zwingend untersagt werden muß, hat der Eigentümer nach sämtlichen Denkmalschutzgesetzen einen Anspruch auf die Veränderungsgenehmigung, wenn die Maßnahme die gesetzlichen Schutzzwecke nicht beeinträchtigt. Während sich dies bei einem Teil der Landesgesetze103 bereits aus deren Wortlaut ergibt, bedarf es hinsichtlich der übrigen Denkmalschutzgesetze einer Betrachtung der in Rechtsprechung und Literatur geläufigen Unterscheidung zwischen präventivem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt und repressivem Verbot mit Befreiungsvorbehalt: Während der Gesetzgeber beim präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt bestimmte Handlungen nur einer vorgeschalteten Kontrolle, einer Genehmigungspflicht unterwirft, den (grundrechtlichen) Genehmigungsanspruch aber unberührt läßt, wenn Versagungsgründe nicht eingreifen, stellt das repressive Verbot die grundsätzliche Untersagung einer bestimmten Handlung dar, von der nur ein im Ermessen stehender Dispens „befreien" kann. 1 0 4 Das Bundesverfassungsgericht hat im „Sammlungs-Urteil" 105 ausgeführt, daß die grundrechtliche Gewährleistung einer Tätigkeit zwar nicht verbiete, die Ausübung grundrechtlich geschützter Befugnisse zu überwachen; das angewendete Mittel muß jedoch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen und der Gefahr angepaßt sein, der es begegnen soll. In dieser Betrachtung stellt das lediglich präventive Verbot gegenüber dem repressiven Verbot das mildere Mittel dar. Die Veränderung baulicher Anlagen ist eine grundrechtlich gewährleistete Tätigkeit. Zunächst wird die Möglichkeit zur Veränderung des Erscheinungsbildes einer baulichen Anlage durch die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG geschützt; die repressive Untersagung jeglicher Veränderung eines Baudenkmals — vom Außenanstrich bis zur Instandsetzung — wäre ein unverhältnismäßiger Eingriff, weil der Gesetzgeber den Gefahren mit einem milderen Mittel begegnen kann — der präventiven Kontrolle durch ein vorgestaltetes Genehmigungsverfahren, das dem Betroffenen das Recht zur Veränderung läßt, wenn der gesetzliche Schutzzweck der Wahrung des denkmalgerechten Zustandes und Erscheinungsbildes nicht beeinträchtigt wird. Zutreffend werden deshalb auch diejenigen Regelungen, die ihrem Wortlaut nach nicht erkennen lassen, ob dem Eigentümer ein Anspruch auf Genehmigung einer „unschädlichen" Veränderung zusteht, einhellig als präventive Verbote mit Erlaubnisvorbehalt beurteilt. 106 103 § 10 Abs. 2 Bin DSchG; § 10 Abs. 3 Brem DSchG; § 12 Abs. 1 Hbg DschG; § 9 Abs. 2 N R W DSchG. 1( * WolfT-Bachof, Bd 1, §48 I I a 1, I I c; Parodi, S. 138 ff. 105 BVerfGE 20, S. 150, 154.

3*

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§ 2 Die Denkmalschutzgesetze der Bundesländer

Die Auslegung denkmalschutzrechtlicher Veränderungsverbote als präventive Verbote mit Erlaubnisvorbehalt ist darüberhinaus das zwingende Ergebnis einer näheren Betrachtung der Veränderungen selbst: Diese sind in der Regel keine bloßen Veränderungen des Erscheinungsbildes, sondern in aller Regel Voraussetzung für eine beabsichtigte (Neu-) Bebauung des Grundstückes. Die Wahrnehmung der dem Grundeigentümer gewährten Baufreiheit setzt — vom Ausnahmefall der Zusatzbebauung abgesehen — die Veränderung des vorhandenen Bestandes bis hin zum Abriß voraus. 1 0 7 D i e Baufreiheit ist aber nach richtiger Ansicht Element des verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundeigentums, mithin grundrechtlich geschützte Tätigkeit und nicht lediglich Ergebnis einer öffentlich-rechtlichen Nutzungszuweisung oder Verleihung. 108 Die durch Art. 14 GG garantierte Privatnützigkeit des Grundeigentums erfaßt neben der Ertragsfahigkeit des Grundeigentums gerade auch die Freiheit des „Gebrauchen-Dürfens" 109 im Rahmen der gesetzlichen Inhalts- und Schrankenbestimmungen. Gegen die Annahme einer von den Grundrechtseingriffsschranken befreiten Nutzungszuweisung durch das öffentliche Planungsrecht—was in dem hier diskutierten Zusammenhang auf die eigentumsrechtliche Zulässigkeit repressiver Veränderungsverbote hinausliefe — spricht schließlich, daß eine derartige „Abspaltung" der Bebauungsbefugnis den Geboten der Wahrung der Verhältnismäßigkeit und der sachgerechten Abwägung zuwiderliefe, denen der Gesetzgeber auch bei der inhaltlichen Ausgestaltung des Eigentums unterliegt. 110 Da die Veränderungsverbote dem Grundeigentümer mithin nicht nur eine ihm „verliehene" Befugnis entziehen, sondern ihn an der Ausübung eines Grundrechts hindern, wären repressive Veränderungsverbote auch im Hinblick auf Art. 14 GG übermäßige, durch die abzuwehrenden Gefahren nicht legitimierte Belastungen. Auch unter Betrachtung des eigentumsrechtlichen Hintergrundes stellen sich die diskutierten Regelungen des Denkmalschutzrechts deshalb als präventive Verbote mit Erlaubnisvorbehalt dar. 2. Erhaltungsgebote Der Regelungszweck der Denkmalschutzgesetze, die Sicherung des öffentliches Erhaltungsinteresses, kann nicht nur durch eine beabsichtigte Veränderung gefährdet werden, sondern auch durch ein bloßes Unterlassen des Eigentümers 106 Parodi, S. 138; Strobl, in: Strobl/Majocco/Birn, § 8 Rz 3; i.Erg. auch Martin, in: Eberl/Martin/Petzet, Art. 6 Rz 18. 107 Hierzu unten, § 3. los Papier^ j n : Maunz/Dürig, Art. 14 Rz 59 ff.; Badura, Handbuch des Verfassungsrechts, S. 685 f.; Friauf/Wendt, S. 72; a.A. Breuer, S. 158 ff. m.w.N. 109

Friauf/ Wendt ebd.; zum Verhältnis von Eigentumsgewährleistung und allgemeiner Handlungsfreiheit auch Henschel, NJW 1989, S. 937, 938. 110 Papier, Eigentumsgarantie im Wandel, S. 21 ff.

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oder sonstigen Verfügungsberechtigten: Werden notwendige Instandhaltungsarbeiten nicht oder nicht in ausreichendem Umfange durchgeführt, so sind Denkmäler auf Dauer dem Verfall preisgegeben. Die Denkmalschutzgesetze normieren deshalb neben den Veränderungsverboten positive Erhaltungsgebote. In diesem Zusammenhang finden sich nur geringfügige Abweichungen hinsichtlich der Regelungsstruktur (im folgenden a); erhebliche Unterschiede weisen die Landesgesetze wiederum hinsichtlich der Frage auf, ob die Erhaltungspflichten auf das dem Eigentümer Zumutbare begrenzt werden oder nicht (b). a) Regelungstruktur

Alle Denkmalschutzgesetze regeln die Erhaltungsgebote zweiteilig: Zunächst wird eine generelle Erhaltungspflicht normiert (aa); sodann werden die Behörden ermächtigt, bestimmte Instandhaltungsmaßnahmen anzuordnen (bb). aa) Generelle Erhaltungspflicht Die sachlich-rechtlichen Pflichten zur Erhaltung unterscheiden sich — abgesehen von der unten zu erörternden Begrenzung auf das Zumutbare — nur in den Formulierungen: Eigentümer, dinglich Verfügungsberechtigte und teilweise auch Besitzer trifft hiernach die Pflicht, das Denkmal „zu erhalten und pfleglich zu behandeln" 111 , „instandzuhalten, instandzusetzen, sachgemäß zu behandeln und vor Gefahrdung zu schützen" 112 oder schließlich das Denkmal in einem „denkmalgerechten Zustand zu erhalten und sachgemäß zu unterhalten" 113 . bb) Ermächtigungen zur Anordnung bestimmter Maßnahmen Kommt der Verpflichtete der generellen Erhaltungspflicht nicht nach, räumen alle Denkmalschutzgesetze den Behörden die Möglichkeit zur Anordnung bestimmter Instandhaltungsmaßnahmen ein 1 1 4 . Zum Teil sind diese Regelungen als Ermächtigungen zum Erlaß von Instandsetzungsverfügungen ausgestaltet, die im Wege des Verwaltungsvollstreckungsrechts durchgesetzt werden können; 111

§ 6 Abs. 1 Satz 1 BadWürt DSchG. Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Bay DSchG. 113 § 9 Abs. 1 Satz 1 Bin DSchG; ähnliche Regelungen in § 9 Abs. 1 Satz 1 Bre DSchG; § 15 Abs. 1 Hbg DSchG; § 11 Abs. 1 Hess DSchG; § 6 Abs. 1 Satz 1 Nds DSchG; § 7 Abs. 1 Satz 1 N R W DSchG; § 2 Abs. 1 Satz 1 RhldPf DschPflG; § 9 Abs. 1 Satz 1 Saarl DSchG; § 12 Abs. 1 Satz 1 SchlHol DSchG. 112

114 § 7 Abs. 1 BadWürt DSchG; Art. 4 Abs. 2 Bay DSchG; § 9 Abs. 2 Bin DSchG; § 12 Bre DSchG; § 12 Hbg DSchG; § 12 Abs. 1 Hess DSchG; § 23 Abs. 1 Nds DSchG; § 7 Abs. 2 N R W DSchG; § 14 Abs. 2 RhldPf DSchPflG; § 9 Abs. 1 Satz 2 Saarl DSchG; § 12 Abs. 1 SchlHol DSchG.

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§ 2 Die Denkmalschutzgesetze der Bundesländer

zum Teil sehen die Denkmalschutzgesetze auch nur die Ermächtigung vor, dem Verpflichteten eine Frist zur Vornahme einer bestimmten Maßnahme zu setzen, nach deren Ablauf die Behörde die Maßnahme selbst durchführen lassen und den Verpflichteten zur Kostentragung heranziehen kann. Die Anordnung der Maßnahme bzw. die Fristsetzung steht im Ermessen der Behörde. b) Begrenzung der Erhaltungspflicht auf das Zumutbare

Die Denkmalschutzgesetze der Länder Baden-Württemberg 115 , Bayern 116 , Bremen 117 , Hessen 118 , Niedersachsen 119, Nordrhein-Westfalen 120 und Rheinland-Pfalz 121 begrenzen bereits die generelle Erhaltungspflicht auf das dem Eigentümer Zumutbare. Das niedersächsische und nordrhein-westfalische Denkmalschutzgesetz definieren hierbei den Begriff der Zumutbarkeit; die Regelung in Nordrhein-Westfalen ähnelt der bereits erörterten niedersächsischen Zumutbarkeitsdefinition, die dort sowohl für die Veränderungsverbote als auch für die Instandhaltungsgebote gilt. Die Denkmalschutzgesetze Hamburg 1 2 2 und Schleswig Holstein 1 2 3 kennen keine Begrenzung der sachlich-rechtlichen Erhaltungspflichten, sehen dafür aber die Heranziehung des Verpflichteten zur Kostentragung nach einer Ersatzvornahme nur im Rahmen des Zumutbaren vor. Lediglich die Gesetze der Länder Berlin 1 2 4 und Saarland 125 begrenzen weder die Instandhaltungspflicht noch die Kostentragungspflicht; gem. § 9 Abs. 3 DSchG Saarl hat zwar das Land zu den Kosten „nach Maßgabe der im Haushaltsplan bereitgestellten Mittel" beizutragen, eine Begrenzung der den Eigentümer treffenden Pflichten ergibt sich hieraus aber nicht. 3. Nutzungsgebote und Nutzungsverbote Die Nutzung von Baudenkmälern erscheint im Rahmen des gesetzlichen Erhaltungsinteresses in zweierlei Hinsicht relevant:

115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125

§ 6 Satz 1 BadWürt DSchG. Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Bay DSchG. § 9 Abs. 1 Satz 1 Bre DSchG. §11 Abs. 1 Hess DSchG. § 7 Abs. 1 Nds DSchG. § 7 Abs. 1 N R W DschG. § 2 Abs. 1 RhldPf DSchPflG. § 15 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Hbg DSchG. § 12 Abs. 1 und 2 SchlHol DSchG. § 9 Abs. 1 Satz 1 Bin DSchG. § 9 Abs. 1 Satz 1 Saarl DSchG.

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Zunächst ist es ein Erfahrungssatz der Denkmalpflege, daß ungenutzte Baudenkmäler dem Verfall eher preisgegeben sind als genutzte; nur die funktionale Integration eines Baudenkmals in die Gegenwart vermag auf Dauer die materielle Erhaltung zu sichern 126 . Museale Erhaltung ist nur in wenigen Fällen möglich 1 2 7 ; gerade der beabsichtigte Leerstand von Baudenkmälern dient oft dem Zweck, den Verfall zu beschleunigen, um einer Neubebauung Platz zu machen 128 . Aber nicht nur die Tatsache der Nutzung, sondern auch die Artder Nutzung ist für die Sicherung des Erhaltungsinteresses bedeutsam: Denkmalschutz und Denkmalpflege streben die bestimmungsgemäße Nutzung von Baudenkmälern an, weil zum einen die ursprüngliche Nutzung Bestandteil der geschichtlichen Bedeutung ist, deretwegen das Denkmal erhaltenswert erscheint 129 , zum anderen die ursprünglich bestimmungsgemäße Nutzung in der Regel auch die schonendste Nutzung darstellt. Es liegt auf der Hand, daß die bestimmungsgemäße Nutzung in vielen Fällen — zumal bei Bauten der Industrie- und Technikgeschichte — nicht zu realisieren sein wird. Denkmalschutz und Denkmalpflege streben dann eine Nutzung an, die die Substanzerhaltung des Denkmals am ehesten gewährleistet 130 . Die Denkmalschutzgesetze tragen dieser Relevanz der Nutzung von Baudenkmälern für ihre Erhaltung auf vielschichtige Weise Rechnung; in den Landesgesetzen finden sich zunächst Normen, die den Charakter von Programmsätzen haben und denen außer einer Leitlinie kaum eine verbindliche Regelung oder gar Verpflichtung zu entnehmen ist (im folgenden a). In einigen Gesetzen wird das für die Veränderung geltende Verbot mit Erlaubnisvorbehalt auf die Nutzungsänderung erstreckt (b). Schließlich finden sich Ermächtigungen zu konkreten Nutzungsanordnungen (c). a) Leitlinien der Nutzung

Beispielhaft für eine abgestufte Nutzungsleitlinie ist Art. 5 Satz 1 bis 4 Bay DSchG, wonach Baudenkmäler „möglichst" entsprechend der ursprünglichen Zweckbestimmung genutzt werden sollen. Werden sie nicht in dieser Weise genutzt, sollen Eigentümer oder sonstige Berechtigte eine „gleiche oder gleichwertige" Nutzung anstreben; ist auch dies nicht möglich, soll eine Nutzung gewählt werden, die eine weitgehende Substanzerhaltung gewährleistet. Von mehreren möglichen Nutzungen soll die für das Baudenkmal am wenigsten beeinträchtigende gewählt werden 131 . 126

Mosel, in: Gebeßler/Eberl, S. 257ff. Backhaus, S. 108. 128 wiechert, in: Grosse-Suchsdorf, § 23 Rz 5. 127

129 130 131

Mosel ebd. Mosel ebd. Beispiele bei Eberl, in: Eberl/Martin/Petzet, Art. 5 Rz Iff.

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§ 2 Die Denkmalschutzgesetze der Bundesländer

Ähnliche Regelungen finden sich in § 13 Hess DSchG, § 9 NdS DSchG, § 8 Abs. 1 N R W DSchG und § 11 Abs. 1 Saarl DSchG. b) Verbot der Nutzungsänderung

Die Denkmalschutzgesetze der Länder Berlin 1 3 2 , Niedersachsen 133 und Nordrhein-Westfalen 134 haben ausdrücklich die Nutzungsänderung dem allgemeinen Veränderungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt unterworfen. Für die Genehmigungsvoraussetzungen gilt das oben gesagte, wobei die Leitlinien der Nutzung hier ergänzend zu berücksichtigen sind. c) Anordnung bestimmter Nutzungen

Die Behörden der Länder Bayern 135 , Niedersachsen 136, Nordrhein-Westfalen 1 3 7 und Saarland 138 werden durch denkmalschutzrechtliche Regelungen ermächtigt, eine bestimmte Nutzung anzuordnen. Vorausgesetzt ist zumeist die Gefahr einer Schädigung des Baudenkmals. Die angeordnete Nutzung muß den Verpflichteten nach allen Regelungen „zumutbar" sein. 4. Auskunfts-, Anzeige- und Duldungspflichten Von eher marginaler Bedeutung sind die in allen Landesgesetzen geregelten Auskunfts- und Anzeigepflichten, die dem Verpflichteten die Anzeige bestehender Mängel am Denkmal sowie die Anzeige der Veräußerung auferlegen 139 . Daneben sehen die meisten Landesgesetze ein Betretungsrecht für die Mitarbeiter der Denkmalschutzbehörden v o r 1 4 0 . In eigentumsrechtlicher Hinsicht bedeutsamer erscheint die Problematik des öffentlichen Zugangs zu Baudenkmälern: Die Denkmalschutzgesetze Bre-

132

§ 10 Abs. 1 Bin DSchG. § 10 Abs. 1 Ziff. 3 Nds DSchG. 134 §9 Abs. 1 a N R W DSchG. 135 Art. 5 Satz 6 Bay DSchG. 136 § 23 Abs. 2 Nds DSchG. 137 § 8 Abs. 2 N R W DschG. 138 §11 Abs. 2 Saarl DSchG. 139 § 16 BadWürt DSchG; Art. 16 Abs. 2 Bay DSchG; § 10 Abs. 5 Bin DSchG; § 13 Bre DSchG; §§ 14,15 Abs. 3 Satz 3, 25 Hbg DSchG; § 14 Hess DSchG; § 11 Nds DSchG; § 10 N R W DSchG; §§ 6, 12 RhldPf DSchPflG; § 10 Saarl DSchG; § 10 SchlHol DSchG. 140 § 10 Abs. 2 BadWürt DSchG; Art. 16 Abs. 1 Bay DSchG; § 19 Abs. 3 Bin DSchG; § 13 Abs. 2 Bre DSchG; § 25 Hbg DSchG; § 14 Abs. 2 Hess DSchG; § 27 Abs. 1 Nds DSchG; § 28 Abs. 2 N R W DSchG; § 7 RhldPf DSchPflG; § 13 Abs. 2Saarl DSchG; § 13 SchlHol DSchG. 133

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men 1 4 1 , Hessen 142 , Rheinland-Pfalz 143 , Saarland 144 und Schleswig Holstein 145 legen den Denkmalschutzbehörden auf, "Vereinbarungen" mit den Verfügungsberechtigten über den öffentlichen Zugang zu treffen. Die zwangsweise Anordnung, der Öffentlichkeit Zugang zu verschaffen, findet sich hingegen in keinem Landesgesetz. 5. Enteignung und Enteignungsentschädigung Alle Denkmalschutzgesete ermächtigen die nach Landesrecht zuständigen Behörden zur förmlichen Enteignung 146 . Die Zulässigkeitsvoraussetzungen sind entsprechend den — noch zu erörternden — verfassungsrechtlichen Vorgaben als „ultima ratio" des Denkmalschutzes formuliert: Die Enteignung ist zulässig, wenn auf andere Weise die Erhaltung des Denkmals nicht gesichert, eine Gefahr für seinen Bestand nicht anders abgewehrt werden kann. Lediglich das Saarländische Denkmalschutzgesetz erweitert die Enteignungsmöglichkeiten erheblich, indem § 25 Abs. 1 Ziff. 2 Saarl DSchG es für die Zulässigkeit der Enteignung ausreichen läßt, wenn nicht auf andere Weise der Zugang für die Allgemeinheit zu erreichen ist. Hinsichtlich des Enteignungsverfahrens und der Enteignungsentschädigung verweisen die Denkmalschutzgesetze auf die jeweiligen Landesenteignungsgesetze oder das Baugesetzbuch. 6. Entschädigung für Maßnahmen mit „enteignender Wirkung 64 M i t Ausnahme des Denkmalschutzgesetzes von Schleswig-Holstein normieren alle Denkmalschutzgesetze weitere Entschädigungsregelungen; diese Regelungen beruhen auf der Rezeption der früheren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Enteignung und zum enteignenden Eingriff durch die Landesgesetzgeber und gewähren überwiegend in Gestalt einer „salvatorischen Klausel" 1 4 7 eine angemessene Entschädigung, soweit Maßnahmen des Denkmalschutzes enteignende Wirkung haben. Zum Teil weisen die Regelungen hingegen auch differenzierte Tatbestandsvoraussetzungen auf.

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§ 14 Bre DSchG. § 15 Hess DSchG. 143 §15 RhldPf DSchPflG. 144 §11 Abs. 3 Saarl DSchG. 145 § 20 a SchlHol DSchG. 140 § 25 BadWürt DSchG; Art. 18 Bay DSchG; § 14 Bin DSchG; § 20 Bre DSchG; § 20 Hbg DSchG; § 25 Hess DSchG; § 30 Nds DSchG; § 30 N R W DSchG; § 25 Saarl DSchG; § 24 SchlHol DSchG. 147 Hierzu ausführlich Weyreuther, Salvatorische Entschädigungsklauseln; Breuer, Bodennutzung, S. 66 ff.; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rz 489 f. 142

§ 2 Die Denkmalschutzgesetze der Bundesländer

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a) Rezeption der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes

Der Bundesgerichtshof ging bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Juli 1981 — Naßauskiesungsbeschluß — von einem weiten Enteignungsbegriff aus. Nach dieser Rechtsprechung wurde der Eigentumsschutz durch den Enteignungsbegriff vermittelt 1 4 8 ; dem von einer belastenden Maßnahme betroffenen Eigentümer wurde kompensatorischer Rechtsschutz durch Entschädigung in Geld gewährt, wenn die Maßnahme als Enteignung anzusehen war. Dieser Enteignungsbegriff war nicht beschränkt auf die — in den Enteignungsvorschriften geregelte — förmliche oder „klassische" Enteignung in Gestalt eines Güterbeschaffungsvorganges 149, sondern umfaßte jeden hoheitlichen Eingriff durch nachteilige Einwirkung auf eine als Eigentum geschützte Rechtsposition, der nicht als Ausprägung der Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG oder als sonstige Konkretisierung der Sozialpflichtigkeit gem. Art. 14 Abs. 2 GG zu werten war 1 5 0 . Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung war jeweils zu fragen, ob eine Belastung noch als entschädigungslose Inhaltsbestimmung gem. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG oder schon als entschädigungspflichtige Enteignung anzusehen war 1 5 1 . Da der Enteignungsbegriff mithin von den mit einer Maßnahme einhergehenden Rechtsfolgen und nicht von dem gesetzgeberischen Zweck her bestimmt wurde, war es für den Gesetzgeber kaum vorhersehbar, ob der Vollzug einer gesetzlichen Eingriffsermächtigung den so verstandenen Enteignungsbegriff erfüllen und zu einer Entschädigungspflicht führen würde 1 5 2 . Da aber unter der Geltung der Junktim-Klausel des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG jedes Enteignungsgesetz Art und Ausmaß der Entschädigung regeln mußte, behalfen sich die Landesgesetzgeber überwiegend mit dem Erlaß sogenannter salvatorischer Entschädigungsregelungen 153. Lediglich einige Gesetze rezipierten die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auch insoweit, als die von der Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungskriterien in Gestalt differenzierter tatbestandlicher Voraussetzungen des Entschädigungsanspruches normiert wurden.

148

Schwerdtfeger, Dogmatische Struktur, S. 10. BVerfGE 45, S. 297, 332. 150 BGHZ 99, S. 24, 26 ff. 151 Schwerdtfeger, Dogmatische Struktur, S. 10 m.w.N. 152 BGHZ 99, S. 24, 27. 153 Deren Vereinbarkeit mit Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG umstritten ist, vgl. hierzu unten, §4 11 5. 149

. Die

e t e n

des Denkmalschutzes

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b) Salvatorische Entschädigungsregelungen

Die Denkmalschutzgesetze der Länder Baden-Württemberg 154 , Bayern 155 , Bremen 156 , Hessen 157 , Niedersachsen 158, Nordrhein-Westfalen 159 und Saarland 1 6 0 gewähren dem betroffenen Eigentümer eine angemessene Entschädigung, soweit Maßnahmen aufgrund der Denkmalschutzgesetze „enteignende Wirkung" haben, eine „Enteignung darstellen" oder eine „über den Rahmen der Sozialbindung des Eigentums hinausgehende Wirkung" haben. Die Regelung im Denkmalschutzgesetz Bayerns ergänzt die salvatorische Klausel dahingehend, daß auf die Denkmaleigenschaft zurückzuführende Steuervorteile anzurechnen sind. c) Differenzierte Entschädigungsregelungen

Nicht auf die „enteignende Wirkung" einer Maßnahme, sondern auf die wirtschaftliche Zumutbarkeit stellt die Entschädigungsregelung des Landes Hamburg ab: Nach § 22 Abs. 1 Hbg DSchG hat der Betroffene Anspruch auf angemessene Entschädigung, wenn eine beantragte Genehmigung abgelehnt wird und dadurch die wirtschaftlich zumutbare Nutzung des Denkmals unmöglich oder wesentlich erschwert wird. Eine weit differenziertere Entschädigungsregelung findet sich in §13 Bin DSchG: Nach dessen Abs. 1 kann der Verfügungsberechtigte für die durch Maßnahmen zur Erhaltung, Unterhaltung und Wiederherstellung des Denkmals erforderlichen, über das auch bei einem Denkmal zumutbare Maß hinausgehenden Aufwendungen eine angemessene Entschädigung verlangen. Zentrale Bedeutung kommt der Regelung in § 13 Abs. 2 Bin DSchG zu, wonach eine angemessene Entschädigung verlangt werden kann, soweit baurechtlich sonst zulässige Vorhaben nicht ausgeführt werden dürfen und dadurch die Nutzung des Grundstücks wirtschaftlich wesentlich erschwert wird oder der Verkehrswert des Grundstücks nicht nur unwesentlich gemindert wird. Ähnlich differenziert regelt das Denkmalschutzgesetz von Rheinland-Pfalz die entschädigungspflichtige Maßnahme. Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 RhldPf DSchPflG setzt die Entschädigung voraus, daß aufgrund einer Maßnahme des Denkmalschutzes die bisher rechtmäßig ausgeübte Nutzung nicht mehr fortgesetzt werden kann und hierdurch die wirtschaftliche Nutzbarkeit insgesamt erheblich beschränkt wird. § 31 Abs. 1 Satz 2 RhldPf DSchPflG enthält — als Auffangtatbestand — die salvatorische Entschädigungsklausel für Maßnahmen, die in sonstiger Weise enteignend wirken. 154 155 156 157 158 159 160

§24 Abs. 1 BadWürt DSchG. Art. 20 Abs. 1 Bay DSchG. § 21 Brem DSchG. § 26 Abs. 1 Satz 1 Hess DSchG. § 29 Abs. 1 Satz 1 Nds DSchG. §33 Satz 2 NRW DSchG. § 27 Abs. 2 Saarl DSchG.

§ 3 Eigentümerinteressen im Konflikt mit den Belangen des Denkmalschutzes I . Die belastende Wirkung des Denkmalschutzes Die oben skizzierten Verfahrens- und Eingriffsregelungen des Denkmalschutzes sind mit vielfaltigen Belastungen für den Eigentümer verbunden. Dies sei zunächst anhand der Beschränkungen der Rechtsstellung des Eigentümers erläutert; danach ist der Frage nachzugehen, welchen Belastungen in tatsächlicher Hinsicht der Eigentümer eines Denkmals ausgesetzt ist. 1. Die Beschränkung der Rechtsstellung des Eigentümers U m sich Klarheit über die mit dem Denkmalschutz einhergehendenBeschränkungen der Rechtsstellung des Grundeigentümers zu verschaffen, bedarf es zunächst eines Überblicks über die dem Eigentümer eines nicht mit dem Denkmalschutz belasteten Bauwerks zustehenden Befugnisse. Diesen Befugnissen sind sodann die Einwirkungsmöglichkeiten desjenigen gegenüberzustellen, der ein Baudenkmal sein Eigentum nennt. a) Die grundsätzliche Baufreiheit

Die richtiger Ansicht nach als Element des verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundeigentums anzusehende Baufreiheit 1 erlaubt dem Grundeigentümer die bauliche Nutzung des Grundstückes, die vor allem die Bebauung, den Abriß baulicher Anlagen sowie die Nutzungsänderung umfaßt. aa) Bebauung Das Recht zur Bebauung seines Grundstückes steht dem Grundeigentümer im Rahmen des Bauplanungs- und Bauordnungsrechts zu. Ist eine Bebauung mit dem geltenden öffentlichen Recht vereinbar, so hat der Eigentümer einen Rechtsanspruch auf administrative Zulassung; die rechtswidrige Nichterfüllung dieses Anspruchs ist ein Eingriff in das Grundrecht des Art. 14 Abs. 1 G G 2 . Von dieser Dispositionsbefugnis des Eigentümers umfaßt ist im Rahmen der verbindlichen planerischen Festlegungen auch die Wahl von Art und Maß der baulichen Nutzung; der Eigentümer ist hierbei nicht an den vorhandenen

1 2

Hierzu bereits oben, § 2 V 1 d). Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14, Rz 91.

I. Die belastende Wirkung des Denkmalschutzes

45

Bestand gebunden, sondern kann sowohl frei darüber entscheiden, wie intensiv er den Boden der baulichen Nutzung unterziehen will — bis zur Grenze des planerisch und bauordnungsrechtlich Zulässigen —, als auch darüber, welcher Art diese Nutzung sein soll, wobei er auch in dieser Hinsicht Grenzen des Planungs- und Ordnungsrechts zu beachten hat. bb) Abriß Der eben ausgeführte Umstand, daß der Grundeigentümer zwar an die planerischen Festsetzungen und das geltende Bauordnungsrecht, nicht aber an einen vorhandenen Bestand gebunden ist, bedeutet zugleich, daß die gewährleistete Baufreiheit ihm grundsätzlich auch den Abriß baulicher Anlagen erlaubt. Beschränkungen unterliegt der Eigentümer in diesem Zusammenhang vor allem durch die Verbote der Zweckentfremdung von Wohnraum 3 , wonach auch der Abbruch von zu Wohnzwecken genutzten baulichen Anlagen als verbotene Zweckentfremdung angesehen wird 4 . Der Dispositionsbefugnis des Eigentümers unterliegt grundsätzlich auch die Entscheidung, ob und in welchem Maße er für die Instandhaltung baulicher Anlagen sorgt. Grenzen ergeben sich hier wiederum für den Bereich des Wohnraums aus den Wohnungsaufsichtsgesetzen 5 sowie aus dem geltenden Bauordnungsrecht im Hinblick auf die Standsicherheit von baulichen Anlagen 6 . cc) Nutzungsänderung Im Rahmen der planerischen Festlegungen sowie der auch insoweit einschlägigen Zweckentfremdungsverbote für Wohnraum steht es dem Eigentümer ohne Rücksicht auf die bestehende Nutzung oder die Erhaltung der Substanz baulicher Anlagen frei, die Nutzung zu ändern. Zwar ist die Nutzungsänderung ein genehmigungsbedürftiges Vorhaben 7 , die gewährleistete Baufreiheit räumt dem Eigentümer jedoch einen Rechtsanspruch auf Zulassung derjenigen Nutzung ein, die mit den planerischen Festsetzungen vereinbar ist. Das so umschriebene Recht zur Wahl der Nutzung umfaßt auch die Möglichkeit, ein Grundstück ungenutzt und eine bauliche Anlage leerstehen zu 3

Art. 6 MRVerbG (Gesetz z. Verbesserung d. Mietrechts u. z. Begrenzung d. Mietanstiegs sowie z. Regelung von Ingenieur- u. Architektenleistungen vom 4. November 1971, BGBl. I, S. 1745). 4

BVerwGE 54, S. 54; ausf. Böhle, S. 92 ff. Vgl. etwa d. Gesetz z. Beseitigung von Wohnungsmißständen in Berlin — Wohnungsaufsichtsgesetz — vom 6. März 1973 (GVB1. S. 2746). 6 Vgl. etwa §§ 13,77 BauO Bin; insgesamt z. bauordnungs- u. wohnungsaufsichtsrechtlichen „Bestandspflege" Tietzsch, Bestandspflege, S. 89 ff. sowie Groth/Wiegenstein, S. 45 ff. 5

7

Jedenfalls soweit die neue Nutzung anderen Vorschriften unterliegt als die bisherige, vgl. etwa §§ 55 Abs. 1, 56 Abs. 3 BauO Bln.

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§ 3 Eigentümerinteressen und Denkmalschutz

lassen. In dieser Hinsicht ergeben sich Grenzen durch das städtebauliche Baugebot8 sowie wiederum für den Eigentümer von Wohnraum durch das Zweckentfremdungsverbot 9. b) Denkmalschutz als Dauerbeschränkung der Bodennutzung

Die oben beschriebenen Eingriffsmaßnahmen aufgrund der Denkmalschutzgesetze stellen sich — mit Ausnahme der förmlichen Enteignung — ähnlich wie die erwähnten Begrenzungen der Baufreiheit durch planerische und normative Nutzungsbeschränkungen als öffentlich-rechtliche Dauerbeschränkungen der faktischen Bodennutzung dar 1 0 . Kennzeichen dieser Beschränkungen ist es, daß das Grundeigentum nicht durch „klassische" Enteignung entzogen wird, sondern in der Hand des privaten Eigentümers verbleibt, jedoch um bestimmte Möglichkeiten der Bodennutzung geschmälert wird. Diese durch die Denkmalschutzgesetze ermöglichte Schmälerung ist weitreichend; sie stellt sich als Bindung des Eigentümers an den vorhandenen Baubestand und — in Grenzen — auch an die vorgefundene Nutzung des Baudenkmals dar. aa) Beschränkte Bebauungsbefugnis Die denkmalschutzrechtlichen Veränderungsverbote verwehren dem Eigentümer eine Intensivierung des Maßes der baulichen Nutzung. Soweit der denkmalgeschützte Bestand im Maß der Grundstücksnutzung hinter dem planungs- und bauordnungsrechtlich Zulässigen zurückbleibt, erreicht der Grundstückseigentümer in der Ausnutzung des Bodens nicht den status quo des auf dem Grundstück und in seiner Umgebung „an sich" zulässigen; denn auch eine ohne Abriß der geschützten baulichen Anlage denkbare Zusatzbebauung scheitert in der Regel am denkmalrechtlichen Umgebungsschutz oder würde Veränderungen des Denkmals selbst erfordern. Die denkmalschutzrechtliche Beschränkung der Bodennutzung wird noch offenbarer, wenn das Nutzungsmaß durch veränderte planerische Festsetzungen angehoben wird, der Denkmaleigentümer aber durch das Veränderungsverbot daran gehindert ist, an der Intensivierung teilzuhaben 11 . 8

§§ 175, 176 BauGB; zu §§ 39 a, 39 b BBauG BVerwG, ZfBR 1990, S. 143 ff. BVerwGE 59, S. 195. 10 Breuer, Bodennutzung, S. 102ff.; Papier, in: Maunz/ Dürig, Art. 14 Rz 318ff, 366 ff. 9

11

Aus diesem Grunde meint Martin, in: Eberl / Martin / Petzet, Art. 3 Rz 11, das Gebot der Rücksichtnahme auf Belange des Denkmalschutzes im Rahmen der Bauleitplanung bedeute, daß Nutzungsmaße so festgelegt werden müßten, „daß Eigentümer und Erwerber von Grundstücken keinen Anreiz haben, Baudenkmäler ... zum Zwecke des Abbruchs und einer nachfolgenden, weitaus stärkeren Nutzung des Grundstücks zu erwerben"; ob dieser Weg einer präventiven Konfliktvermeidung gangbar ist, erscheint jedenfalls bei einer städtebaulich erwünschten Verdichtung zweifelhaft.

I. Die belastende Wirkung des Denkmalschutzes

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bb) Abrißverbot Eine Intensivierung der baulichen Nutzung setzt oft den (Teil-) Abriß des denkmalgeschützten Bestandes voraus — eine Maßnahme, die als schwerwiegendster Eingriff in das Baudenkmal den Belangen des Denkmalschutzes diametral entgegensteht. Aber nicht nur die Intensivierung der baulichen Nutzung, sondern auch die Modernisierung der Grundstücksnutzung setzen oft den Abriß des vorhandenen Bestandes voraus. Denn die Anpassung des denkmalgeschützten Bestandes an die Erfordernisse einer zeitgemäßen und modernen Nutzung scheitert oft an dem Kostenaufwand, der die Kosten von Abriß und Neubebauung bei weitem übersteigen kann. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, daß Modernisierungsmaßnahmen an denkmalgeschützten Anlagen einem zusätzlichen Kostenfaktor dadurch unterworfen sind, daß sie das Erscheinungsbild des Denkmals nicht beeinträchtigen dürfen und bis hin zu Details der Ausführung oder Wahl des verwendeten Materials konservatorischen Anforderungen genügen müssen. Der Eigentümer ist darüberhinaus in seiner Entscheidungsfreiheit beschränkt, in welchem Maße und mit welchem Aufwand er eine bauliche Anlage instandhalten will. Ihn treffen im Gegenteil zahlreiche Instandhaltungspflichten bis hin zu der Pflicht, der Anordnung bestimmter Instandsetzungsmaßnahmen nachzukommen. cc) Nutzungsbeschränkungen Der Denkmaleigentümer ist schließlich gravierenden Nutzungsbeschränkungen unterworfen und auch insoweit an die vorgefundene Nutzung gebunden. Zwar sind die Denkmalschutzbehörden zum Zwecke der „funktionalen Integration" des Denkmals in seine Umgebung an der Erarbeitung gegenwartsbezogener Nutzungskonzepte interessiert 12. Das Spektrum derartiger Konzeptionen ist jedoch wegen des Zwangs zur Erhaltung des geschützten Baubestandes von vornherein sehr viel enger als die Bandbreite der Nutzungen, die einem nur durch planerische Festsetzungen gebundenen Grundstückseigentümer offen stehen. Der Realisierung derartiger Konzepte stehen zudem neben dem Gebot der schonendsten Nutzung meist die Veränderungsverbote entgegen. Denn die Anforderungen, die beispielsweise eine moderne Wohnnutzung mit sich bringt, lassen sich mit der unveränderten Erhaltung denkmalgeschützten Bestandes nur schwer und kostenträchtig in Einklang bringen. Die Probleme erhöhen sich noch, wenn ein Grundstückseigentümer beabsichtigt, von einer Nutzungsart zu einer anderen zu wechseln: Stehen dem bereits konservatorische Erwägungen entgegen — der Wechsel einer Nutzungsart ist in der Regel dem Erscheinungsbild und der Substanzerhaltung abträglich —, so wird der Nutzungswechsel noch dadurch erschwert, daß zunehmend die ursprüngliche Nutzung selbst als „Bedeutungsträger" angesehen wird 1 3 . 12

Mosel, in: Gebeßler/Eberl, S. 257 f.

48

§ 3 Eigentümerinteressen und Denkmalschutz

2. Die Belastungen in tatsächlicher Hinsicht Durch die Beschränkung der Rechtsstellung und die Auferlegung öffentlicher Pflichten kann Eigentum zu einer untragbaren wirtschaftlichen Belastung werden 14 . Es verbleibt in der Hand des Eigentümers, beschert diesem aber zahlreiche Nachteile wirtschaftlicher Art, die infolge beschränkter Nutzungsmöglichkeiten nicht mehr durch wirtschaftliche Vorteile kompensiert werden können. Vorbehaltlich der später zu erörternden verfassungsrechtlichen Grenzen für derartige Lasten gilt es an dieser Stelle zunächst, die nach dem einfachen Denkmalschutzrecht „an sich" denkbaren wirtschaftlichen Belastungen herauszuarbeiten. Dabei wird nicht verkannt, daß (Markt-) Situationen denkbar sind, die die Entstehung derartiger Lasten verhindern. Die grundrechtliche Diskussion denkmalschutzrechtlicher Regelungen hat sich jedoch am schlimmsten Fall dessen zu orientieren, was die Denkmalschutzgesetze zulassen15. Die oben erörterte Beschränkung der Rechtsstellung des Denkmaleigentümers führt zu wirtschaftlichen Belastungen, die sich in Gestalt der Verkehrswertminderung, einem erhöhten Erhaltungsaufwand und Ertragsminderungen vermögensmindernd auswirken und zur Unverkäuflichkeit eines Grundstückes führen können. a) Verkehrswertminderung

Bereits die Eintragung eines Denkmals in die deklaratorische Denkmalliste bzw. die konstitutive Unterschutzstellung eines Bauwerks haben in der Regel negativen Einfluß auf den Verkehrswert eines Grundstückes: In wirtschaftswissenschaftlicher Sicht entsprechen die Bodenpreise — und damit der Verkehrswert — tendenziell der erwarteten Grundrente, die entweder Kontrakteinkommen aus Vermietung und Verpachtung oder — bei Eigennutzung — sogenanntes Residualeinkommen darstellt 16 . Der grundsätzlich nach dem Vergleichswert-, gegebenenfalls zusätzlich nach dem Ertragswertverfahren 1 7 zu ermittelnde Verkehrswert eines Grundstücks richtet sich dementsprechend vor allem nach dem öffentlichen Bau- und Planungsrecht, der dadurch festgelegten Art und dem Maß der baulichen Nutzung sowie sonstigen Baubeschränkungen, etwa aufgrund des Denkmalschutzes18. Durch diesen wird ein Grundstück der weiteren Entwicklung entzogen; an planerischen Anhebungen des Nutzungsmaßes der Umgebung nimmt das Grundstück nicht teil, da die 13

Mosel, S. 259. Rittstieg, in: Alternativ-Kommentar, Art. 14/15 Rz 65. 15 In der Kommentarliteratur ist oft die gegenteilige Tendenz erkennbar, vgl. etwa Eberl, in: Eberl/Martin/Petzet, Einführung Rz 13, 16. 16 Holzheu, S. 47 f. 17 §§4ff., 8 ff. WertV. 18 Krautzberger, in: Battis / Krautzberger/ Lohr, §243 Rz 9 f. 14

I. Die belastende Wirkung des Denkmalschutzes

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erhöhte oder auch nur die dem status quo entsprechende Ausnutzung zumeist an den Veränderungsverboten scheitert. Daneben geht der Denkmalschutz mit verfahrensbedingten Verzögerungen von ansonsten zulässigen Vorhaben einher. Die Bindungen des Denkmalschutzes, die sich für den Markt bereits zum Zeitpunkt der Eintragung als sicher darstellen, schließen ein Grundstück deshalb von der weiteren konjunkturellen Entwicklung aus 19 und haben in der Regel erhebliche Wertminderungen zur Folge 20 . Anderes mag für Denkmäler im ländlichen Raum gelten 21 ; die rechtliche Konfliktbewältigung hat sich jedoch gerade den problematischen Ballungsgebieten mit rascher konjunktureller Entwicklung zuzuwenden, in denen der Denkmalschutz um so fühlbarere Belastungen mit sich bringt 2 2 . b) Erhöhter Erhaltungsaufwand

Sowohl die möglichen Anordnungen bestimmter Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen als auch der generelle Genehmigungsvorbehalt für Instandhaltungsarbeiten bringen für den Eigentümer eines Baudenkmals einen erhöhten Erhaltungsaufwand mit sich; der Denkmaleigentümer entscheidet nicht selbst über den Erhaltungszustand seines Bauwerks, sondern hat auf eigene Kosten eine bestimmte Qualität des Zustandes zu sichern. Aber selbst eine bei objektiver Betrachtung angezeigte Instandhaltungsmaßnahme bringt eine gegenüber dem Regelfall oft erhebliche Verteuerung mit sich, die aus den behördlichen Anforderungen an Material und Ausführung resultiert. c) Ertragsminderungen

Die Bindung des Grundeigentümers an den vorgefundenem Baubestand und an die vorgefundene Nutzung verhindert zunächst, daß der Grundeigentümer andernfalls mögliche Ertragssteigerungen erzielt. Derartige Ertragssteigerungen können in erhöhten Einkünften aus Vermietung liegen, die bei einer modernisierten Wohnnutzung erzielbar wären. Ertragssteigerungen sind ferner denkbar, wenn die planungsrechtlichen Festsetzungen einen Wechsel in der Art der Nutzung zulassen, dem Eigentümer also nur aufgrund des Denkmalschutzes der Wechsel zu einer einträglicheren Nutzungsart — etwa Gewerbenutzung — 19

Schmaltz, in: Grosse-Suchsdorf, § 31 Rz 3. Beispiel bei Fahrenbruch, S. 201; Moench/ Schmidt, Baugestaltung, S. 127. 21 Vgl. Eberl, in: Erberl/Martin/Petzet, Einführung Rz 13. 22 Gerade diese Problemfelder hatte etwa der Bayerische Gesetzgeber im Blick, der die Notwendigkeit des Denkmalschutzes auf „das ungeheure Anwachsen unserer gesamten Wirtschaft" zurückführt, das „zu einer Umstrukturierung unserer Städte und Dörfer geführt und die Stadtzentren in Cities verwandelt" habe. „Es hat Grund und Boden in den Zentren der Groß- und auch schon der Kleinstädte im Preise so sehr anstiegen lassen, daß allgemein eine stärkere Ausnutzung der zentral gelegenen Grundstücke angestrebt wird als sie bisher üblich war ..." (aus d. amtl. Gesetzesbegründung, zit. n. Eberl, Erl. Rz 2). 20

4 Kömer

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§ 3 Eigentümerinteressen und Denkmalschutz

verwehrt wird. Es ist jedoch eine realistische Annahme, daß der Denkmalschutz auch zu Minderungen der Erträge führen kann; dies gilt etwa dann, wenn eine veraltete Wohnnutzung auf dem Markt nicht mehr angenommen wird, eine gewerbliche Nutzung nur nach Modernisierungen rentabel fortgeführt werden kann oder gar das Grundstück sich nur nach Abriß überhaupt rentabel nutzen läßt 2 3 . Derartige Ertragsminderungen können dazu führen, daß dem regulären oder denkmalbedingt erhöhten Erhaltungsaufwand keine ausreichenden Erträge mehr gegenüberstehen, sodaß der Eigentümer entweder keine Rendite aus dem Grundstück ziehen kann oder gar zur Erhaltung des Baudenkmals „zuschießen" muß 2 4 . d) Unverkäuflichkeit

Erhöhter Erhaltungsaufwand und Ertragsminderungen, die sich im geminderten Verkehrswert spiegeln, können schließlich dazu führen, daß ein Grundstück zu einem angemessenen Preis nicht mehr veräußerbar ist 2 5 . Der Markt nimmt ein solches Grundstück nicht an; es wäre nur „auf Abriß" veräußerbar 26 , was gerade wegen des denkmalschutzrechtlichen Veränderungsverbots ausgeschlossen ist. Der Eigentümer kann sich in solch einem Falle nicht ohne erheblichen wirtschaftlichen Schaden von einem Grundstück lösen, das ihm bei einem Erhaltungsaufwand, der die Erträge übersteigt, auf Dauer eine Minderung seines sonstigen Vermögens abverlangt. I I . Der Interessenkonflikt im einfach-gesetzlichen Regelungswerk Die Denkmalschutzgesetze sind — in der Terminologie des Bundesverfassungsgerichts 27 — eigentumsrelevante Vorschriften. Unabhängig von der noch zu erörternden Frage, ob es sich bei den gesetzlichen Regelungen um Legalenteignungen handelt, ob sie die Behörden zur Administrativenteignung ermächtigen oder Inhalt und Schranken der Eigentumsrechte ausformen, hat der Vergleich der Rechtsstellung des Denkmaleigentümers mit der Rechtsstellung der sonstigen Grundeigentümer gezeigt, daß die Denkmalschutzgesetze den Grundeigentümer erheblichen Belastungen aussetzen und seine Rechtsstellung verkürzen. Angesichts dessen ist zu erwarten, daß die Landesgesetzgeber dem Interessenkonflikt zwischen Denkmalschutz und Grundeigentum Rechnung 23 Derartige Konstellationen sind besonders bei Baudenkmälern der Industrie- und Technikgeschichte denkbar. 24 Schmaltz, BauR 1976, S. 96, 97. 25 Dies lag der Entscheidung BGHZ 72, S. 211 („Villa Baden-Baden") zugrunde; hierzu unten, § 5 I I 3 b). 26 Ein aus dem Zweckentfremdungsrecht bekannter Tatbestand, vgl. BVerwG DVB1. 1985, S. 1173. 27 BVerfGE 58, S. 300, 330.

II. Der Interessenkonflikt im einfach-gesetzlichen Regelungswerk

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getragen haben. Bevor untersucht wird, ob die Landesgesetze damit den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen, ist zunächst der Frage nachzugehen, auf welche Art und Weise die Denkmalschutzgesetze versuchen, den Eigentümerbelangen Rechnung zu tragen. Die Landesgesetze lassen sich unter diesem Aspekt drei Gruppen zuordnen. Es finden sich Denkmalschutzgesetze mit tatbestandlicher Begrenzung der Maßnahmen auf das dem Eigentümer Zumutbare, ferner solche Gesetze, die die Berücksichtigung von Eigentümerbelangen im Rahmen des Gesetzesvollzuges zulassen sowie schließlich Regelungswerke, die nach ihrem Wortlaut eine Berücksichtigung von Eigentümerbelangen ausschließen. 1. Tatbestandliche Begrenzung von Maßnahmen des Denkmalschutzes auf das Zumutbare Wie gezeigt 28 , normiert das Niedersächsische Denkmalschutzgesetz explizit die wirtschaftliche Zumutbarkeit als Voraussetzung der Erhaltungspflicht; sowohl Veränderungsverbote als auch Instandhaltungs- und Instandsetzungsgebote sowie Nutzungsanforderungen stehen damit unter dem Vorbehalt der wirtschaftlichen Zumutbarkeit. Eine Reihe von Landesgesetzen erstreckt diese Begrenzung nicht auf die Veränderungsverbote, sondern hält nur die Erhaltungspflicht im Rahmen des Zumutbaren 29 . Diesen Gesetzen liegt erkennbar der Gedanke zugrunde, daß das negative Beeinträchtigungsverbot eine derartige Begrenzung nicht erfordert, während die positive Erhaltungspflicht — die dem Eigentümer ein positives Tun abverlangt — tatbestandlich begrenzt werden soll. Bei diesen Varianten einer tatbestandlichen Begrenzung von Maßnahmen auf das Zumutbare stellt sich zunächst die Frage, ob die einfach-gesetzliche Ausformung dieser Begrenzungen den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, das „wirtschaftlich Zumutbare" sich also mit der im Rahmen des Art. 14 GG zu ziehenden Grenze noch zulässiger hoheitlicher Einwirkungen auf das Grundeigentum deckt. Da auch diese Gesetze salvatorische Entschädigungsregelungen kennen 30 , ist ferner der Frage nachzugehen, welche Belastungen durch diese Entschädigungsansprüche (noch) abgedeckt werden sollen. 2. Berücksichtigung von Eigentümerbelangen im Rahmen des Gesetzesvollzuges Eine Reihe von Denkmalschutzgesetzen kennt keine — oder nur eine auf Instandhaltungspflichten beschränkte — tatbestandliche Begrenzung von Denkmalschutzmaßnahmen, räumt aber den mit dem Vollzug der Gesetze 28 29 30

*

Oben, §2 V 1 b) cc). Oben, § 2 V 2 b). Vgl. § 29 Abs. 1 Satz 1 Nds DSchG.

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§ 3 Eigentümerinteressen und Denkmalschutz

befaßten Behörden Ermessen bei der Frage ein, ob das Veränderungsverbot aufrechterhalten werden soll 3 1 . Für die Anordnung von Instandhaltungsmaßnahmen und die Anordnung bestimmter Nutzungen gilt dies ohnehin, da nach allen Denkmalschutzgesetzen diese Maßnahmen im Ermessen der Behörde stehen. Bei diesem Vollzugsermessen stellt sich die Frage, ob Eigentümerbelange derart in die Ermessensausübung einzustellen sind, daß nur Maßnahmen bis zur — noch zu bestimmenden — Grenze des nach Art. 14 Abs. 1 und 2 GG zulässigen angeordnet werden dürfen, oder ob darüberhinausgehende Maßnahmen deshalb erlaubt sind, weil die Eigentümer durch Entschädigungsregelungen kompensiert werden. 3. Ausschluß der Berücksichtigung von Eigentümerbelangen im Gesetzesvollzug Die vergleichende Darstellung der Denkmalschutzgesetze hat schließlich gezeigt, daß nach dem Wortlaut einiger Regelungen die Berücksichtigung von Eigentümerbelangen im Rahmen des Gesetzesvollzuges schlechthin ausgeschlossen ist 3 2 . Diese Regelungen schreiben für den Fall der Beeinträchtigung von Belangen des Denkmalschutzes zwingend die Verhängung belastender Maßnahmen — etwa die Versagung einer Veränderungsgenehmigung — vor, ohne daß tatbestandlich oder im Wege des Ermessens eine Korrektur solcher Maßnahmen möglich wäre, die im konkreten Einzelfall eine hohe Eingriffsintensität aufweisen. Die Belange der Eigentümer werden damit ausschließlich in die Entschädigungsregelungen verwiesen. Im Rahmen dieser Regelungen ist demnach zu überprüfen, ob die ausschließliche Berücksichtigung der Eigentümerbelange im Rahmen von Entschädigungsansprüchen den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt; daneben ist zu fragen, welchen Grad eine Beeinträchtigung aufweisen muß, um die Entschädigungspflicht nach sich zu ziehen. I I I . Der Rechtsschutz des Eigentümers gegen belastende Maßnahmen des Denkmalschutzes Die eben aufgeworfenen Fragen der Berücksichtigung von Eigentümerbelangen im Tatbestand und Vollzugsermessen einerseits oder deren ausschließliche Verweisung in Entschädigungsregelungen andererseits haben bereits verdeutlicht, daß dem Eigentümer grundsätzlich zwei verschiedene Wege des Rechtsschutzes offenstehen: Er kann sich gegen eine belastende Maßnahme selbst wenden und etwa ein Instandhaltungsgebot mit der Anfechtungsklage angreifen oder die Genehmigung einer beabsichtigten Veränderung mit der Verpflich31 32

Oben, § 2 V 1 e). Oben, § 2 V 1 c) bb).

IV. Präzisierung der Fragestellung

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tungsklage erstreiten; beide Begehren könnte er auf die Behauptung stützen, die tatbestandliche oder durch das Vollzugsermessen vermittelte Begrenzung belastender Maßnahmen sei überschritten, die Maßnahme mithin rechtswidrig und deshalb von dem angerufenen Verwaltungsgericht aufzuheben. Zum anderen — so scheint es jedenfalls — kann der betroffene Eigentümer eine belastende Maßnahme hinnehmen und Kompensation seiner Vermögensverluste durch Entschädigung verlangen 33 . Der Rechtsschutz gegen eigentumsrelevante hoheitliche Maßnahmen läßt sich mithin in einen Abwehrrechtsschutz und einen Entschädigungsrechtsschutz gliedern 34 . U m die unterschiedlichen Arten der Konfliktbewältigung in den Denkmalschutzgesetzen der Länder unter verfassungsrechtlichen Aspekten beurteilen zu können, bedarf es deshalb einer Antwort auf die Frage nach dem Verhältnis zwischen Abwehrrechtsschutz und Entschädigungsrechtsschutz. Sofern sich aus dem Grundgesetz ein zwingendes Verhältnis des Vorranges eines dieser beiden Rechtsschutzarten ergäbe, müßte sich dies auf die Beurteilung der Zuordnung von Eigentümerbelangen in den Denkmalschutzgesetzen auswirken. I V . Präzisierung der Fragestellung Zusammenfassend stellen sich mithin folgende Aufgaben: Zu erörtern ist im folgenden zum einen, wie intensiv Maßnahmen des Denkmalschutzes die Befugnisse des Grundeigentümers zur Bodennutzung begrenzen dürfen. Anhand der Verfassung ist zu überprüfen, wo die „Belastungsgrenze" verläuft, die das vom Grundeigentümer zum Zwecke des Denkmalschutzes Hinzunehmende markiert. Diese Prüfung setzt eine Klärung der dogmatischen Struktur des Art. 14 GG voraus. Zum anderen stellt sich die Frage, welche Rechtsfolgen von Verfassungs wegen an eine Überschreitung der Belastungsgrenze zu knüpfen sind. Eine der möglichen Rechtsfolgen — die Entschädigung—ist in der Rechtsprechung der Zivilgerichte thematisiert. Diese Entschädigungsrechtsprechung ist der dogmatischen Struktur des Art. 14 G G gegenüberzustellen und mit ihr in Einklang zu bringen. Sind die Voraussetzungen und der Umfang eines Entschädigungsanspruches geklärt, so erlaubt dies die Beantwortung der Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Auslegung die Denkmalschutzgesetze den Eigentümerbelangen hinreichend Rechnung tragen. Der gegenwärtige Stand der—im Umbruch befindlichen 35 — Eigentumsdogmatik ist geprägt von den Folgen der in Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG angelegten 33

Zu dieser Problematik unten, § 4 V. Zutreffend weist Böhmer, NJW 1988, S. 2561, 2566 b. Fn. 38 daraufhin, daß der allgemein verwendete Begriff des „Primärrechtsschutzes" unscharf ist, da es nicht einen „primären" und einen „sekundären", sondern einen geteilten Rechtsschutz mit unterschiedlichen Funktionen gebe. 35 Bryde, in: v. Münch, Art. 14 Rz 5. 34

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§ 3 Eigentümerinteressen und Denkmalschutz

Zweispurigkeit des Rechtsweges. Die verfassungsrechtlich vorgegebene Aufspaltung des Rechtsschutzes gegen eigentumsrelevante hoheitliche Maßnahmen in einen Abwehrrechtsschutz und einen Entschädigungsrechtsschutz und die damit — nicht notwendigerweise, aber positiv-rechtlich — einhergehende Aufspaltung des Rechtsweges führte zu zwei abgegrenzten, parallelen Entwicklungslinien der Eigentumsdogmatik. Da zu zeigen sein wird, daß die Unterschiede in diesen Entwicklungslinien zu weiterreichenden Konsequenzen bei der Auslegung der Fachgesetze nötigen als gemeinhin angenommen 36 , ist es erforderlich, die dogmatischen Konzeptionen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofes zunächst gegenüberzustellen und im Anschluß hieran kritisch zu würdigen. Dies erscheint um so mehr angezeigt, als manche der neueren Entscheidungen der beiden Gerichte sich erst vor dem Hintergrund einer wechselseitigen Rezeption erschließen. Die Darstellung beschränkt sich dabei auf die für das behandelte Thema unerläßlichen Leitlinien. Aus der Fülle der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes wurden diejenigen Entscheidungen ausgewählt, die mit der neuesten Rechtsprechung dieses Gerichts zur Entschädigung für die Folgen denkmalschutzrechtlicher Maßnahmen einen Entwicklungsstrang bilden und für das Verständnis dieser Rechtsprechung unerläßlich sind.

36 So meint M. Müller, S. 19ff., die Rechtsprechung des BVerfG trage zur Lösung des „Sachproblems" nichts bei, geändert habe sich lediglich der Standort der jeweils durchzuführenden Prüfung; ähnlich rechnet Backhaus, S. 38 f. der Rechtsprechung des BVerfG nur die Folge einer Verlagerung der Probleme des Eigentumsrechts zu.

§ 4 Die dogmatische Konzeption der Eigentumsgewährleistung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts I . Inhaltsbestimmung — Legalenteignung — Administrativenteignung Das Bundesverfassungsgericht erkennt die Grundstruktur des Art. 14 GG in einer dreifach gegliederten Ermächtigung des Gesetzgebers, eigentumsrelevante Vorschriften zu erlassen: Der Gesetzgeber kann — und muß — zum einen eigentumsinhaltsbestimmende Normen setzen, er hat zweitens die Möglichkeit, durch Gesetz konkrete Eigentumsrechte zu entziehen, und er kann drittens die Exekutive ermächtigen, konkretes Eigentum einzelner zu entziehen1. 1. Inhaltsbestimmung Die Inhaltsbestimmung des Eigentums wird als Auftrag an den Gesetzgeber angesehen: Als „Zuordnung eines Rechtsgutes an einen Rechtsträger" 2 bedarf das Eigentum notwendigerweise der rechtlichen Ausformung, um im Rechtsleben praktikabel zu sein. Aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ergibt sich danach die Aufgabe des Gesetzgebers, Inhalt und Schranken des Eigentums unter Beachtung der Grundsatzentscheidung des Verfassungsgebers festzulegen 3. Dieses Normierungserfordernis hat insbesondere Böhmer 4 durch den vertiefenden Hinweis auf die der Grundrechtsdogmatik immanente Differenzierung zwischen Schutzobjekt und Garantie erläutert: Anders als Meinung, Kunst, Religion, die „der Verfassung vorgegebende Eigenständigkeiten" seien, deren Wahrnehmung oder Ausübung die entsprechenden Grundrechte garantierten, bilde das Eigentum ein Schutzobjekt, das nicht vorgegeben sei, sondern als „Zuordnungsverhältnis" eines Vermögenswerten Gutes zu einem Rechtsträger erst der rechtlichen Strukturierung bedürfe 5. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sei kein Gesetzesvorbehalt, sondern bringe dieses Normierungserfordernis zum Ausdruck; auch ohne Art. 14 Abs. 1 Satz 2 G G müsse der Gesetzgeber Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmen.

1 2 3 4 5

BVerfGE 58, S. 300, 330. BVerfG ebd. BVerfGE 24, S. 367, 396. NJW 1988, S. 2561, 2563 ff. Hierzu auch Schwerdtfeger, Dogmatische Struktur, S. 13.

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§ 4 Die dogmatische Konzeption der Eigentumsgewährleistung

Ähnlich formuliert Henschel6, nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entstehe Eigentum überhaupt erst mit dem Inhalt, den der Gesetzgeber in Wahrnehmung seiner Kompetenz aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG formt. Kennzeichen dieser Inhaltsbestimmungen ist es nach dem Bundesverfassungsgericht 7, generell und abstrakt die Rechte und Pflichten des Eigentümers festzulegen, um damit auf der Ebene des objektiven Rechts diejenigen Rechtssätze zu schaffen, die die Rechtsstellung des Eigentümers begründen und ausformen. Diese Rechtssätze können privat-rechtlicher und öffentlich-rechtlicher Natur sein. 2. Legalenteignung Das Grundgesetz räumt dem Gesetzgeber in Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG des weiteren die Möglichkeit ein, „durch Gesetz einem bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis konkrete Eigentumsrechte zu entziehen, die aufgrund der allgemein geltenden Gesetze im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG rechtmäßig erworben worden sind" 8 . Die Legalenteignung ist danach — ebenso wie die Administrativenteignung — ein gegenüber der Inhaltsbestimmung deutlich abgesetzes, eigenständiges Rechtsinstitut 9 . Prägnant formuliert das Bundesverfassungsgericht in einer jüngeren Entscheidung 10 , die auf die vollständige oder teilweise Entziehung konkreter subjektiver Eigentumspositionen gerichtete Enteignung ziele darauf ab, zur Realisierung bestimmter öffentlicher Aufgaben entgegenstehende Rechtspositionen zu überwinden. Während die Inhaltsbestimmung eigentumsrechtliche Positionen zur Verwirklichung gesetzgeberischer Ziele generell-abstrakt gestaltet, bezweckt die Enteignung mit anderen Worten gerade eine Durchbrechung der so geschaffenen Eigentumsordnung. 3. Administrativenteignung Schließlich kann der Gesetzgeber nach Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG der Exekutive die Ermächtigung erteilen, konkretes Eigentum einzelner zu entziehen. Diese Administrativenteignung unterscheidet sich im Wesen und in der Funktion nicht von der Legalenteignung. Anders als diese erfordert sie allerdings einen behördlichen Vollzugsakt, der — anders als die Legalenteignung — mit Rechtsmitteln angefochten werden kann 1 1 . Diese unterschiedlichen Rechtsschutzmöglichkeiten bedingen unterschiedliche Zulässigkeitsvoraussetzungen der Legal- und Administrativenteignung 12 . 6

NJW 1989, S. 937, 938. BVerfGE 58, S. 300, 330. 8 BVerfG ebd. 9 BVerfG ebd. 10 BVerfGE 70, S. 191, 199f. 11 BVerfGE 58, S. 300, 330 f. 7

II. Verhältnis von Inhaltsbestimmung und Enteignung

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Legal- und Administrativenteignung schließen sich gegenseitig aus; denn „eine... Rechtsstellung, die bereits vom Gesetzgeber entzogen worden ist, kann nicht erneut durch Verwaltungsakt beseitigt werden" 13 . Da ein und dieselbe Regelung nicht eine Legalenteigung bewirken und zugleich die Exekutive zur Vornahme einer Enteignung ermächtigen könne, sei es ausgeschlossen, in der Anwendung eines Gesetzes, das bereits mit seinem Inkrafttreten eine Befugnis entzogen hat, eine (erneute) Enteignung zu sehen14. I I . Begriff, Abgrenzung und Verhältnis von Inhaltsbestimmung und Enteignung 1. Begriffsbestimmung und Abgrenzung Im Vordergrund der Begriffsbestimmung und Abgrenzung von Inhaltsbestimmung und Enteignung stehen die unterschiedlichen Funktionen und Zwecke dieser beiden Rechtsinstitute. Während die Inhaltsbestimmung die abstrakt-generelle Gestaltung der objektiven Rechtsordnung bezweckt, handelt es sich bei der Enteignung um ein Instrument, das dem Gemeinwohl durch die Verwirklichung eines bestimmten, im öffentlichen Nutzen liegenden Zwecks dienen soll 1 5 . Zur Verwirklichung dieses Zweckes werden im Wege eines gezielten konkret-individuellen Zugriffs subjektive Rechtspositionen entzogen 16 . Die Übertragung des Eigentumsobjekts als „Güterbeschaffungsvorgang", die dem sogenannten klassischen Enteignungsbegriff zugrundelag, ist nicht Merkmal der Enteignung; ausschlaggebend ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vielmehr der Entzug von subjektiven Rechtspositionen und der dadurch bewirkte Rechts- und Vermögensverlust 17. Die Inhaltsbestimmung als objektiv-rechtliche Regelung zur generellen und abstrakten Festlegung von Rechten und Pflichten bezweckt die (Neu-) Gestaltung des Inhalts des Eigentumsrechts vom Inkrafttreten des Gesetzes an für die Zukunft 1 8 ; deutlich abgesetzt erscheinen demgegenüber Funktion und Zweck der Enteignung: „Ihrem Zweck nach ist sie auf die vollständige oder teilweise Entziehung konkreter subjektiver Rechtspositionen gerichtet, die durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 G G gewährleistet sind" 1 9 . 12 13 14 15 16 17 18 19

BVerfGE 24, S. 367ff.; BVerfGE 45, S. 297, 324ff. BVerfGE 58, S. 300, 331. BVerfG ebd. BVerfGE 38, S. 175, 179 f. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 114. BVerfGE 24, S. 367, 394f.; BVerfGE 42, S. 263, 299. BVerfGE 52, S. 1, 27f. BVerfGE 52, S. 1, 27f.

§ 4 Die dogmatische Konzeption der Eigentumsgewährleistung

58

2. Verhältnis von Inhaltsbestimmung und Enteignung a) Enteignungsfähige Rechtsposition als Voraussetzung der Enteignung

Die Qualifizierung eines Rechtsvorganges als Enteignung erfordert zunächst die Feststellung, daß dem Betroffenen im Zeitpunkt des Zugriffs eine enteignungsfahige Rechtsposition zusteht 20 . Gegenstand und Umfang des durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteten Bestandsschutzes ergeben sich aber aus der Gesamtheit der verfassungsmäßigen Gesetze, die den Inhalt des Eigentums bestimmen 21 . Hieraus folgt zunächst, daß im Wege einer Enteignung nur diejenige Rechtsposition entzogen werden kann, die nach Maßgabe der inhaltsbestimmenden Gesetze von dem durch sie gestalteten Eigentum umfaßt war. Eine Befugnis, die bereits nach Maßgabe des objektiven Rechts dem Eigentümer nicht zusteht, kann nicht entzogen werden. b) Kein Stufenverhältnis

Aus dieser deutlichen Absetzung von Inhaltsbestimmung und Enteignung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgt weiter, daß inhaltsbestimmende Normen auch bei Verfassungswidrigkeit ihren Rechtscharakter als Regelung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG behalten und sich nicht in eine den Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 unterliegende Enteignungsnorm wandeln 22 . Eine verfassungswidrige Inhaltsbestimmung kann demnach auch nicht in eine Enteignung umgedeutet werden 23 . Das Bundesverfassungsgericht verneint ein „Stufenverhältnis" zwischen Inhaltsbestimmung und Enteigung: Da Regelungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG und Enteignungen im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG nur dann gültig sind, wenn sie den jeweiligen Normen der Verfassung entsprechen 24, scheidet die Qualifizierung einer — verfassungswidrigen — Inhaltsbestimmung als Enteignung aus, und zwar sowohl für den Bereich der Normsetzung als auch für den Vollzug: „Eine gesetzliche Vorschrift kann nicht verfassungswidrig und zugleich verfassungsgemäß sein. Demgemäß kann die Anwendung einer solchen Regelung seitens der Behörden keine entschädigungspflichtige Administrativenteignung sein, sondern bleibt in jedem Fall bloßer Gesetzesvollzug, der allerdings mit Rechtsmitteln angegriffen werden kann". 2 5

20 21 22 23 24 25

BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE

58, 58, 58, 52, 52, 58,

S. 300, 332 m.w.N. S. 300, 336. S. 300, 320; zuletzt auch BVerfG, NJW 1989, S. 1271 f. S. 1, 27 f. S. 1, 27 f. S. 300, 320.

II. Verhältnis von Inhaltsbestimmung und Enteignung

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c) Enteignung durch Neugestaltung

Die Tatsache, daß es sich bei inhaltsbestimmenden Gesetzen zumeist um Neugestaltungen des objektiven Rechts handelt, hat zur Folge, daß durch eine solche Inhaltsneubestimmung konkrete subjektive Rechtspositionen, die nach Maßgabe des früheren objektiven Rechts zum Inhalt des Eigentums gehörten, entzogen werden können. Das Bundesverfassungsgericht weist deshalb darauf hin, daß die eindeutige Abgrenzung von Inhaltsbestimmung und Enteigung nicht ausschließe, daß durch den Erlaß neuer, für die Zukunft geltender Vorschriften im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG subjektive Rechte entzogen oder gemindert werden, die der Einzelne aufgrund des alten Rechts erworben hatte 26 . In einer solchen Einwirkung neuer, objektiv-rechtlicher Vorschriften auf individuelle Rechtspositionen könne eine Enteignung liegen, die dann zulässig sei, wenn die Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 GG gegeben seien 27 . In diesem Rahmen zieht das Bundesverfassungsgericht allerdings nur dann eine Enteignung in Betracht, wenn durch die Änderung des objektiven Rechts subjektive Rechte entzogen werden, die der einzelne aufgrund des alten Rechts tatsächlich ausgeübt hatte 28 . Nur wenn von einer nach früherem Recht möglichen Nutzungsbefugnis Gebrauch gemacht worden sei, könne in der Änderung des objektiven Rechts zugleich eine Legalenteignung zu sehen sein 29 . Eine Änderung des objektiven Rechts, so die Begründung, dürfe die Fortsetzung von Grundstücksnutzungen, zu deren Aufnahme umfangreiche Investitionen erforderlich waren, nicht abrupt und ohne Überleitung unterbinden, da dies die geleistete Arbeit und den Einsatz von Kapital von heute auf morgen entwerten und das Vertrauen in die Beständigkeit der Rechtsordnung erschüttern würde 30 . Der Schutz ausgeübter Nutzungen und des damit verbundenen Einsatzes von Kapital und Arbeit vor einer Entwertung infolge Änderungen des objektiven Rechts erfordert es aber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht, den Gesetzgeber auf die Alternative zu beschränken, die alten Rechtspositionen zu konservieren oder gegen Entschädigung zu entziehen. Nach Auffassung des Gerichts hat er vielmehr eine dritte Möglichkeit: Er könne im Rahmen des Art. 14 Abs. 2 GG — also im Wege einer Inhaltsbestimmung — durch eine angemessene und zumutbare Überleitungsregelung individuelle Rechtspositionen umgestalten, wenn Gründe des Gemeinwohls vorliegen, die den Vorrang vor dem berechtigten, durch die Bestandsgarantie gesicherten Vertrauen auf den Fortbestand eines wohlerworbenen Rechts verdienen 31 . 26

BVerfGE 52, S. 1, 28 u. Hinw. auf BVerfGE 25, S. 112, 121 f. BVerfGE 52, S. 1, 28 unter Hinw. auf BVerfGE 31, S. 275, 292ff. und BVerfGE 45, S. 297, 330. 27

28

BVerfGE 58, S. 300, 331 f. BVerfGE 58, S. 300, 338. 30 BVerfGE 58, S. 300,349f. unter Hinw. auf BVerfGE 31, S. 229,299 und BVerfGE 50, S. 290, 339 sowie BVerfGE 51, S. 193, 217f. 29

60

§ 4 Die dogmatische Konzeption der Eigentumsgewährleistung

3. Beispiele für Inhaltsbestimmungen und Enteignungen Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht Vorschriften des Grundstücksverkehrsgesetzes, durch die die Veräußerung landoder forstwirtschaftlicher Grundstücke einem Genehmigungsvorbehalt unterworfen wurde, als gesetzliche Beschränkung der Veräußerungsbefugnis und des Erwerbsrechts und damit als „eine den Inhalt des Rechtsinstituts Eigentum bestimmende Norm" angesehen32. Das als repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt gewürdigte Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum — Art. 6 Mietrechtsverbesserungsgesetz 33 und die hierauf gestützten Rechtsverordnungen — wurde ebenso als Vorschrift im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG angesehen und seine Verfassungsmäßigkeit anhand dieser Verfassungsnorm überprüft 34 wie kleingartenrechtliche Vorschriften 35 , durch die die Kündigungsbefugnis privater Verpächter von Kleingartenland weitgehend ausgeschlossen wurde 36 . In dieser Entscheidung wendet sich das Gericht ausdrücklich gegen die vom vorlegenden Gericht angenommene Qualifizierung der Kündigungsschutzregelungen als Enteignung und erwägt lediglich, ob in der Beseitigung der Kündigung aus wichtigem Grund und der Verlängerung befristeter Verträge durch den Reichsgesetzgeber ein Eingriff in bestehende Rechtsverhältnisse liegen könnte. Selbst wenn hierin eine Enteignung im Sinne der Entziehung subjektiver Rechte durch den Erlaß neuer, für die Zukunft geltender Vorschriften liege, wäre aber nach dem Bundesverfassungsgericht eine etwaige Enteignung mit dem Erlaß der reichsrechtlichen Vorschriften abgeschlossen gewesen: „Fortan hatten die Vorschriften der Kündigungsschutzverordnung nur noch insoweit rechtliche Bedeutung, als sie die Voraussetzungen bestimmen, unter denen ein Kleingartenpachtvertrag vom Verpächter gekündigt werden kann; es handelt sich im Sinne der Terminologie des Grundgesetzes um Vorschriften, die den Inhalt des Eigentums des Verpächters bestimmen." 37

Die aufgrund § 9 des Hessischen Landespressegesetzes38 erlassene Pflichtexemplarverordnung 39 legte in § 1 Abs. 1 dem Verleger auf, „unentgeltlich und

31

BVerfGE 58, S. 300, 350 u. Hinw. auf BVerfGE 31, S. 275, 290 und BVerfGE 36, S. 281, 293 sowie BVerfGE 43, S. 242, 288. 32 BVerfGE 21, S. 73, 79. 33 Gesetz zur Verbesserung des Mietrechts und zur Begrenzung von Ingenieur- und Architektenleistungen vom 4. November 1971 (BGBl. I, S. 1745). 34 BVerfGE 38, S. 348, 370. 35 Verordnung über Kündigungsschutz und andere kleingartenrechtliche Vorschriften in der Fassung vom 15. Dezember 1944 (RGBl. I, S. 347). 36 BVerfGE 52, S. 1, 26ff. 37 BVerfGE 52, S. 1, 28 f. 38 Gesetz über Freiheit und Recht der Presse — LPrG — in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. November 1958 (GVB1. S. 183).

II. Verhältnis von Inhaltsbestimmung und Enteignung

61

auf eigene Kosten" ein Stück eines jeden im Lande Hessen erscheinenden Druckwerkes an eine bezeichnete Bibliothek abzugeben. § 9 Landespressegesetz sah das Bundesverfassungsgericht als gesetzliche Ermächtigung zu einer Regelung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG an 4 0 . Obwohl die Ablieferungspflicht auf einzelne Belegstücke gerichtet sei, entfalte die Vorschrift keine Ermächtigung für die Exekutive, durch Einzelakt auf ein bestimmtes von ihr benötigtes Vermögensobjekt zuzugreifen, sondern begründe in genereller und abstrakter Weise eine Naturalleistungspflicht in der Form einer Abgabe. Das Eigentum des Verlegers am Druckwerk sei schon bei der Entstehung mit dieser Verpflichtung belastet. Diese Einordnung behalte auch dann Gültigkeit, wenn die Inhaltsbestimmung wegen der Intensität der Belastung für gewisse Sachverhalte nicht mit dem Grundgesetz in Einklang stehe. Da sich Inhaltsbestimmung und Enteignung entsprechend der verschiedenartigen Funktionen in den Voraussetzungen und den Anforderungen an die materielle Ausgestaltung grundlegend voneinander unterschieden, falle die Regelung unabhängig vom Grad der den Verleger treffenden Belastung in den Bereich von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 G G 4 1 . Die Vorschriften des Wasserhaushaltsgesetzes42, nach denen das Grundeigentum nicht zu einer nach dem Wasserhaushaltsgesetz oder den Landeswassergesetzen erlaubnispflichtigen Gewässerbenutzung berechtigt, sah das Bundesverfassungsgericht 43 als inhaltsbestimmende Normen an. Die — vom vorlegenden Bundesgerichtshof — beanstandeten Vorschriften ermächtigten nicht die Exekutive, verfassungsrechtlich geschützte Rechte des Grundeigentümers zu entziehen, sondern regelten vielmehr allgemein das Verhältnis von Grundeigentum zu Grundwasser und bestimmten die Rechtsstellung des Grundstückseigentümers in diesem Rechtsbereich. Da nach der objektiv-rechtlichen Regelung des Wasserhaushaltsgesetzes dem Grundstückseigentümer kein Recht zustehe — so das Bundesverfassungsgericht —, im Rahmen der Grundstücksnutzung auf das Grundwasser einzuwirken, werde durch die Anwendung dieses Gesetzes ein solches Recht nicht entzogen, die Versagung der Erlaubnis zur Grundwasserbenutzung könne somit keine Administrativenteignung darstellen 44 . Die Tatsache, daß das Wasserhaushaltsgesetz für die nach dem preußischen Wassergesetz erworbenen und ausgeübten Eigentümernutzungen — im Gegensatz zu besonders titulierten Nutzungen — weder einen Anspruch auf Bewilligung noch einen Anpruch auf Entschädigung einräumte, sah das Gericht als eine im Rahmen des 39 Verordnung über die Abgabe von Druckwerken — PflEVO — vom 21. März 1977 (GVB1. S. 146). 40

BVerfGE 58, S. 137, 144. BVerfGE 58, S. 137, 145. 42 Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Oktober 1976 (BGBl. I, S. 3017). 43 BVerfGE 58, S. 300, 336. 44 BVerfGE 58, S. 300, 336f. 41

§ 4 Die dogmatische Konzeption der Eigentumsgewährleistung

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Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zulässige, weil mit einer angemessenen und zumutbaren Überleitungsregelung ausgestattete Umgestaltung individueller Rechtspositionen an 4 5 . Die Vorschriften über die Bildung gemeinschaftlicher Fischereibezirke sowie die diesen übertragene Wahrnehmung der Fischereirechte durch das Fischereigesetz Nordrhein-Westfalen 40 sah das Bundesverfassungsgericht 47 nicht als Enteignung der Fischereiberechtigten, sondern als Regelung im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG an. Deutlich grenzt das Bundesverfassungsgericht die Rechtsinstitute in dieser Entscheidung nach dem Zweck und den Intentionen des Gesetzgebers ab: „Der Landesgesetzgeber zielt ... nicht darauf ab, zur Realisierung bestimmter öffentlicher Aufgaben entgegenstehende Rechtspositionen zu überwinden, sondern darauf, durch die Neugestaltung eigentumsrechtlicher Positionen generell-abstrakt gesetzgeberische Ziele zu verwirklichen . . . t < 4 8 .

Auch die ausgeübten Rechtspositionen nach dem preußischen Fischereigesetz — die beanstandeten Vorschriften nahmen den Fischereiberechtigten die freie und selbständige Verwaltung ihrer Rechte und ersetzten sie durch Beteiligungsrechte an der Fischereigenossenschaft — durfte der Gesetzgeber nach dem genannten Urteil im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG umgestalten, ohne daß es im konkreten Fall einer Übergangsregelung in Form von Auslauffristen für die individuelle Ausübung der Fischereirechte bedurfte 49 . Die Regelung einer sogenannten Kappungsgrenze im Recht der Wohnraummiete 50 — der Vermieter kann nach der beanstandeten Regelung bei der Erhöhung des Mietzinses höchstens eine Steigerung um 30%, nicht aber eine darüberliegende Vergleichsmiete fordern — überprüfte das Bundesverfassungsgericht 51 ebenso anhand der Verfassungsnorm des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG wie die durch das Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz 52 übergangslos eingeführte Verdoppelung der Anwartschaftszeit für den Bezug von Arbeitslosengeld 53 . In dieser Entscheidung maß das Gericht die Neuregelung auch insoweit an den Anforderungen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, als diese Regelungen in als 45

BVerfGE 58, S. 300, 350 ff. Fischereigesetz für das Land Nordrhein Westfalen — Landesfischereigesetz — vom 11. Juli 1972 (GVB1. S. 226). 47 BVerfGE 70, S. 191, 199f. 48 BVerfG ebd. 49 BVerfGE 70, S. 191, 201 sowie S. 209, 213. 50 § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe von 18. Dezember 1974 (BGBl. I, S. 3603) in der Fassung des Gesetzes zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen vom 20. Dezember 1982 (BGBl. I, S. 1912). 51 BVerfGE 71, S. 230, 246f. 52 Gesetz zur Konsolidierung der Arbeitsförderung vom 22. Dezember 1981 (BGBl. I, S. 1497). 53 BVerfGE 72, S. 9, 22 f. 46

II. Verhältnis von Inhaltsbestimmung und Enteignung

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Eigentum geschützte Rechtspositionen solcher Versicherten eingriffen, die bei Inkrafttreten der Neuregelung die nach dem früheren Rechtszustand erforderlichen Zeiten bereits erfüllt hatten 54 . Schließlich betrachtete das Bundesverfassungsgericht in einer Kammerentscheidung55 die gesetzliche Ermächtigung in § 39 h Bundesbaugesetz56 zum Erlaß von Erhaltungssatzungen nicht als enteigungsrechtliche Vorschriften, sondern als Regelungen, die gem. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmen. 4. Kritik und Präzisierungsversuche a) Inhaltsbestimmung und Aufopferungsenteignung

An dem Punkt der Abgrenzung der sogenannten Aufopferungsenteignung 57 von der Inhaltsbestimmung setzt ein Großteil der Kritik in der rechtswissenschaftlichen Literatur an: aa) Kritik Da praktisch jede Inhaltsbestimmung am Tage des Inkrafttretens einen bestimmbaren Kreis von Eigentümern in ihren aufgrund alter Rechtslage erworbenen und ausgeübten Rechten treffe, biete das Bundesverfassungsgericht in seiner Konzeption einer strikten Entgegensetzung von Inhaltsbestimmung und Enteignung gerade für diesen Regelfall eine „offene Flanke" 5 8 . Die Aussagen des Gerichts über das Verhältnis von Inhaltsbestimmung und Aufopferungsenteignung werden dahingehend interpretiert, daß das Bundesverfassungsgericht nach wie vor den Umschlag generell-abstrakter Eigentumsinhaltsbestimmungen in einen die Enteignungsschwelle überschreitenden Eingriff anerkenne 59 ; während die „klassische Enteignung" von anderer Qualität sei, unterscheide sich die Aufopferungsenteignung von der Inhaltsbestimmung nur in der Quantität 60 . Da sich diese Abgrenzung nach der Eingriffstiefe zu richten habe, endeten die Aussagen des Gerichts dort, wo der Anwendungsbereich materieller Abgrenzungstopoi beginne 61 .

54 55 56 57 58 59 60 61

BVerfG ebd. BVerfG, DVB1. 1987, S.465f. Im wesentlichnen unverändert in § 172 BauGB. BVerfGE 45, S. 297, 332. Bryde, in: von Münch, Art. 14 Rz. 54; Weyreuther, Situationsgebundenheit, S. 96. Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14, Rz 317. Schwerdtfeger, Dogmatische Struktur, S. 26. Papier, Rz 317.

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§ 4 Die dogmatische Konzeption der Eigentumsgewährleistung

bb) Stellungnahme Die Konzeption des Bundesverfassungsgerichts einer Entgegensetzung von Inhaltsbestimmung und Enteignung als je eigenständiger Rechtsinstitute wäre in der Tat lückenhaft, wenn die Abgrenzung im Regelfall gerade doch anhand einer Intensitätsskala vorzunehmen wäre. Die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts legen jedoch eine andere Betrachtungsweise nahe: Bedeutsam ist zunächst, daß das Bundesverfassungsgericht bei der Charakterisierung beider Rechtsinstitute die unterschiedlichen Zwecke der Regelungstypen betont 62 . Es grenzt die Inhaltsbestimmung und Enteignung daher nicht im Wege einer Betrachtung der Rechtsfolgen ab, sondern gemäß ihrer je unterschiedlichen Funktion in der verfassungsrechtlichen Eigentumsordnung. Dies läßt die Schlußfolgerung zu, daß auch die Frage, ob der Entzug konkreter Rechtspositionen anläßlich einer Inhaltsbestimmung als Aufopferungsenteignung anzusehen ist, durch eine Betrachtung ex ante und nicht ex post zu erfolgen hat 6 3 . Die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts über das Verhältnis von Inhaltsbestimmung und Aufopferungsenteignung können daher nicht dahingehend verstanden werden, daß ab einer bestimmten Intensität der Rechtsfolgen für den Eigentümer die Inhaltsbestimmung in eine Enteignung umschlage, sondern daß der Gesetzgeber die Möglichkeit habe, den andernfalls zum Schutz ausgeübter Rechte erforderlichen „schonenden Übergang" durch eine (Aufopferungs-) Enteignung zu ersetzen 64. Nur bei einer solchen funktionalen Bestimmung von Inhaltsbestimmung und Aufopferungsenteignung durch eine Betrachtung ex ante ist nämlich gewährleistet, daß von vornherein feststeht, ob es sich bei einer Regelung um eine Enteignung handelt oder nicht, mithin der Gesetzgeber und nicht das Gericht die Entscheidung über die Enteignung trifft 6 5 . Die „Warnfunktion" 6 6 der Junktim-Klausel des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 G G und der Schutz der Haushaltsprärogative des Gesetzgebers, der gerade nicht mit unbeabsichtigten Folgen für den Staatshaushalt belastet werden soll 6 7 , können nur dann gewahrt werden, wenn die Bestimmung und verfassungsrechtliche Zuordnung des jeweiligen Rechtsinstituts sich an den Absichten des Gesetzgebers orientiert 68 . 62 Hierzu bereits oben, § 4 I I 1; ob eine Inhaltsbestimmung dann an Art. 14 Abs. 3 GG zu messen ist, wenn sie „die Nutzung des geschützten Rechts praktisch und schlechthin unmöglich machen und das Recht damit völlig entwerten würde", ist in BVerfG NJW 1989, S. 1271, 1272 offen gelassen. 63

J. Ipsen, DVB1. 1983, S. 1029, 1030; Böhmer, AgrarR 1984, Beilage I, S. 16. Bryde, in: von Münch, Art. 14, Rz 55, der treffend formuliert, der Gesetzgeber könne dem Eigentümer das Recht auf den schonenden Übergang durch Enteignung „abkaufen". 65 J. Ipsen, DVB1. 1983, S. 1029, 1030. 66 BVerfGE 46, S. 268, 287. 67 BVerfGE 4, S.219, 235; Bryde, in: von Münch, Art. 14, Rz 86; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14, Rz 472, 486. 64

68

Bryde, Rz 55.

II. Verhältnis von Inhaltsbestimmung und Enteignung

65

Diese Bestimmung ex ante bedeutet allerdings nicht, daß eine Enteignung nur dann vorliegt, wenn der Gesetzgeber diese Absicht durch die Normierung einer Entschädigungsklausel zum Ausdruck gebracht hat 6 9 . Ebenso, wie es verfassungswidrige Inhaltsbestimmungen gibt — die deshalb keine Enteignungen sind —, ist denkbar, daß der Gesetzgeber konkrete und ausgeübte Rechte einem abgegrenzten Kreis von Eigentümern zu einem bestimmten Zweck „abrupt" entzieht, also enteignet, ohne die Entschädigung zu regeln; eine solche Maßnahme würde wegen der fehlenden Entschädigungsregelung nicht zu einer Inhaltsbestimmung, sondern bliebe eine verfassungswidrige Enteignung. Die verfassungsrechtliche Zuordnung ex ante kann mithin nicht von der Existenz einer Entschädigungsregelung abhängen, wenngleich diese ein deutliches Indiz für die Absicht und die vom Gesetzgeber verfolgten Zwecke ist. Ausschlaggebend für die Zuordnung einer Regelung muß eine historisch-teleologische Auslegung des Gesetzes sein; ergibt sich aufgrund auch wertender Betrachtung, daß der Gesetzgeber bei der Inhaltsbestimmung erworbene und ausgeübte Rechtspositionen umgestalten wollte, so liegt auch dann lediglich eine Inhaltsbestimmung vor, wenn Folge dieser generellen Umgestaltung ein im Einzelfall unzulässiger Eingriff ist. Bedient sich der Gesetzgeber hingegen zielgerichtet der Enteignung als „Instrument zur zwangsweisen Überwindung grundrechtlicher Schranken" 70 , um konkrete, der neugestalteten Eigentumsordnung entgegenstehende Rechtspositionen durch deren Entzug zu „überwinden" 71 , so liegt neben der Inhaltsbestimmung auch eine Aufopferungsenteignung vor 7 2 .

b) Rechtsstellungsgarantie und Enteignung

Sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch die überwiegend in der Literatur vertretene Auffassung betonen, daß Art. 14 GG zwei verschiedene Gewährleistungen enthält: Die Institutsgarantie verpflichtet den Gesetzgeber, den Eigentumsinhalt nach den sich aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Art. 14 Abs. 2 GG ergebenden Strukturprinzipien auszugestalten73. Die Institutsgarantie sichert einen Grundbestand von Normen, die als Eigentum bezeichnet werden 74 und „umhegt" die Rechtsstellungsgarantie. Die Rechtsstellungsgarantie gewährleitet das Eigentum in seiner konkreten Gestalt in der Hand des einzelnen Eigentümers 75 . Diese Rechtsstellungsgarantie umfaßt den Bestand des Eigentums in der Gestalt, welche die inhaltsbestimmen-

69 70 71 72 73 74 75

So aber J. Ipsen, S. 1030; Böhmer, AgrarR 1984, Beilage I, S. 2,11. Böhmer, Sondervotum, BVerfGE 56, S. 249, 266, 271. BVerfGE 70, S. 191, 199f. Ähnlich Schmitt-Kammler, in: Festschrift Universität Köln, S. 821, 832 ff. Vgl. nur Schwerdtfeger, Öffentliches Recht, Rz 636 c. BVerfGE 24, S. 367, 389. BVerfGE 24, S. 367, 289.

5 Kömer

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§ 4 Die dogmatische Konzeption der Eigentumsgewährleistung

den Gesetze konstitutiv festgelegt haben, mithin alle subjektiven Rechte, gleichgültig, ob von ihnen Gebrauch gemacht wurde oder nicht 7 6 . Die Verengung des Enteigungsbegriffs durch das Bundesverfassungsgericht auf ausschließlich solche Rechtspositionen, von denen bereits Gebrauch gemacht wurde, ist auf Kritik gestoßen. aa) Kritik Der Konzeption des Bundesverfassungsgerichts zum Verhältnis von Inhaltsbestimmung und Aufopferungsenteignung ist entgegengehalten worden, das Gericht mißachte die für die Enteignung wesentlichen Kriterien der Privatnützigkeit und der Wahrung einer funktionsgerechten Verwendungsmöglichkeit, wenn es in einem Entzug bestehender Verwendungsmöglichkeiten dann keine Enteignung sehe, wenn von der Nutzungsmöglichkeit noch kein Gebrauch gemacht worden ist 7 7 . bb) Stellungnahme Es hieße in der Tat, die Schutzfunktionen des Art. 14 GG in gravierender Weise zu schmälern, wenn die Anwendbarkeit des Enteignungsbegriff auf realisierte Nutzungsmöglichkeiten reduziert und damit zugleich die Rechtsstellungsgarantie deshalb verringert würde, weil Rechtsschutz nur über Art. 14 Abs. 3 GG zu erlangen wäre. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zwingt jedoch nicht zu dieser Schlußfolgerung: Sowohl Art. 14 Abs. 1 Satz 2 G G als auch Art. 14 Abs. 3 GG ermächtigen den Gesetzgeber zu Eingriffen in die Rechtstellungsgarantie 78 . Aus diesem Grunde wurde etwa die Tötung seuchenverdächtiger Tiere 79 , der Entzug von Eigentum im Wege der Zwangsversteigerung 80, die Aufhebung von Anwartschaften der Arbeitslosenversicherung 81 oder von Fischereirechten 82 durch das Bundesverfassungsgericht ausschließlich an Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gemessen. Rechtsschutz ist dem Eigentümer hier in Form des Abwehrrechtsschutzes gewährt, wenn der Eingriff dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit widerspricht und deshalb rechtswidrig ist. Der Eingriff ist im Lichte der Bedeutung der Bestandsgarantie zu sehen, er muß geeignet, notwendig und verhältnismäßig sein, um das gesetzgeberische Ziel zu fördern 83 . 76 Allerdings soll nur der Eigentumsinhalt geschützt sein, der für den Eigentümer .aktuelle Bedeutung" hatte, Schwerdtfeger, Öffentliches Recht, Rz 636 j., m.w.N. 77 Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rz 352. 78 Schwertfeger, Dogmatische Struktur, S. 23. 79 BVerfGE 20, S. 351, 359. 80 BVerfGE 49, S. 220, 232. 81 BVerfGE 72, S. 9, 22f. 82 BVerfGE 70, S. 191, 199f.

II. Verhältnis von Inhaltsbestimmung und Enteignung

67

Im Rahmen dieser Verhältnismäßigkeitsprüfung gewinnt der Grundsatz des Vertrauensschutzes besondere Bedeutung 84 . Eine Inhaltsneubestimmung, bei der der Gesetzgeber auf von der Rechtsstellungsgarantie umfaßte Rechte trifft, muß deshalb einem doppelten Erfordernis genügen: Sie muß zum einen — wie jede Inhaltsbestimmung — die objektivinstitutionellen Strukturprinzipien beachten, sie muß zum anderen die von der Rechtsstellungsgarantie umfaßten „alten" Rechtspositionen in einer den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutz genügenden Weise umgestalten. Eine Enteignung kommt dagegen erst dann in Betracht, wenn einerseits die alten Rechtspositionen nicht umgestaltet, sondern „abrupt" entzogen werden sollen und andererseits die nach altem Recht erworbenen Befugnisse auch realisiert worden sind und sich zu substanzhaftem Eigentum verdichtet haben 85 . Eine Schmälerung der Schutzfunktionen des Art. 14 G G ist mit dieser Systematik nicht verbunden. 5. Präzisierung des Enteignungstatbestandes und Beurteilung salvatorischer Entschädigungsklauseln Die Vereinbarkeit salvatorischer Entschädigungsklauseln mit Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG war seit jeher umstritten. Während der BundesgerichtshoF 6 — dessen Rechtssprechung die Landesgesetzgeber ja in Gestalt der salvatorischen Regelungen rezipiert haben 87 — diese Klauseln bis heute entgegen der überwiegenden Auffassung in der Literatur 88 als verfassungsrechtlich hinnehmbar ansieht, hat das Bundesverwaltungsgericht in einer Entscheidung 89 zu naturschutzrechtlichen Eigentumsbeschränkungen die salvatorische Klausel des § 7 Satz 1 Landschaftsgesetz Nordrhein-Westfalen als Enteignungsentschädigung für verfassungswidrig gehalten. Das Gericht hat damit explizit die Konsequenz aus der Präzisierung des Enteigungstatbestandes durch das Bundesverfassungsgericht gezogen: Sei es für den Gesetzgeber unter der Geltung eines weitgefaßten Enteignungsbegriffs schwer gewesen, den Tatbestand der Enteignung im voraus hinreichend genau festzulegen, so hätten solche Gründe vor dem Hintergrund der neueren Judikatur des Bundesverfassungsgerichts ihre Berechtigung verloren. Wegen 83

Schwerdtfeger, Dogmatische Struktur, S. 24. Rittstieg, in: Alternativkommentar, Art. 14/15 Rz 176. 85 Ähnlich Schmidt-Kammler, in: Festschrift Universität Köln, S. 821, 826 ff. 86 BGHZ 77, S. 211; BGHZ 77, S. 351; BGHZ 99, S. 24, 28 f. 87 Hierzu oben, § 2 V 6a). 88 Wey reuther, Salvatorische Entschädigungsklauseln, S. 23 f f ; Papier, Maunz/Dürig, Art. 14 Rz 489 m.w.N. 89 BVerwG DVB1. 1990, S. 585. 84

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in:

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§ 4 Die dogmatische Konzeption der Eigentumsgewährleistung

der Warnfunktion der Junktimklausel dürfe der Gesetzgeber nicht unentschieden lassen, wann eine Enteignung vorliege, sondern müsse deren Tatbestand selbst regeln 90 . Dieser Auffassung ist zuzustimmen: Dem Argument der fehlenden Vorhersehbarkeit wird durch die Präzisierung des Enteignungsbegriffs die Berechtigung entzogen, die zutreffenden Einwände gegen die salvatorischen Entschädigungsklauseln — Mißachtung der Warnfunktion, des Regelungs- und Bestimmtheitsgebots — sind damit nicht mehr dem Vorwurf mangelnder Praktikabilität ausgesetzt. Diesen vom Bundesverwaltungsgericht selbst herausgestellten Zusammenhang scheint das Gericht allerdings in der Folge wieder zu vernachlässigen, wenn es hinsichtlich der Abgrenzung von Inhaltsbestimmung und Enteignung auf die Grundsätze der Situationsgebundenheit verweist 91 . Dem Gesetzgeber wird eine hinreichende Präzisierung nur dann ermöglicht, wenn man eine Regelung nicht ex post daran mißt, ob eine Enteignung „vorliegt", sondern nur dann, wenn der Regelungsgehalt ex ante im Hinblick auf den finalen Charakter der Enteignung bestimmt wird. Die Lösung des Problems der Verfassungswidrigkeit salvatorischer Entschädigungsklauseln wird zu Recht in einer Begrenzung der Eingriffsnorm auf deren Tatbestandsseite gesucht: Fehlt einem Eingriffsgesetz die den Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 G G genügende Entschädigungsregelung, so kann die verfassungskonforme Auslegung dazu führen, daß Enteignungen auf das restriktiv zu verstehende Gesetz nicht gestützt werden dürfen 92 . Ob salvatorischen Entschädigungsregelungen darüberhinaus ein verfassungskonformer „Restbestand" durch ihre Heranziehung als Ausgleichsregelungen im Anwendungsfeld des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG abgewonnen werden kann 9 3 , hängt vom jeweiligen Regelungszusammenhang zwischen Eingriffsnorm und Entschädigungsregelung ab und ist dort zu erörtern 94 . I I I . Gestaltungsfreiheit und Gestaltungsgrenzen des Gesetzgebers bei der Inhalts- und Schrankenbestimmung Regelungen im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, durch die der Gesetzgeber den Inhalt des Rechtsinstituts Eigentum gestaltet, haben nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor der Verfassung nicht schon deshalb Bestand, weil sie als formelles Gesetz ergangen sind; vielmehr müssen sie auch in materieller Hinsicht mit dem Grundgesetz in Einklang stehen 95 . 90 91 92 93 94 95

BVerwG ebd., S. 586. BVerwG ebd., S. 588. Papier, N W V B L 1990, S. 397, 400. So BVerwG, S. 587 Hierzu unten, § 9 I I I 1 a). BVerfGE 52, S. 1, 27 f.

III. Gestaltungsfreiheit und Gestaltungsgrenzen

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1. Grundlegende Anforderungen an Inhalts- und Schrankenbestimmungen Diese materiellen Anforderungen finden ihren eigentumsspezifischen Ausdruck in den verfassungsrechtlichen Direktiven des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG einerseits und Art. 14 Abs. 2 GG andererseits: Aufgabe des Gesetzgebers bei der Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sei es, so formuliert das Bundesverfassungsgericht 96, das Sozialmodell zu verwirklichen, dessen normative Elemente sich einerseits aus der grundgesetzlichen Anerkennung des Privateigentums in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und andererseits aus dem Sozialgebot des Art. 14 Abs. 2 GG ergeben, wonach der Gebrauch des Eigentums zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll. Der Gesetzgeber müsse die schutzwürdigen Interessen der Beteiligten in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis bringen, einseitige Bevorzugung oder Benachteiligung vermeiden und so den beiden Elementen des im Grundgesetz angelegten Verhältnisses von verfassungsrechtlich garantierter Rechtsstellung und dem Gebot einer sozialgerechten Eigentumsordnung Rechnung tragen. 2. Privatnützigkeit als eigentumsspezifische Grenze der Gestaltungsbefugnis Die eigentumsspezifische Grenze der Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers liegt in der verfassungsrechtlichen Erhaltung der Substanz des Eigentums 97 , in der Wahrung seines rechtlichen Gehalts der Privatnützigkeit und grundsätzlichen Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand98. Dessen Nutzung soll dem Eigentümer ermöglichen, sein Leben nach eigenen, selbstverantwortlich entwickelten Vorstellungen zu gestalten. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts enthält diese grundrechtliche Eigentumsverbürgung damit Elemente der allgemeinen Handlungsfreiheit sowie des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Zu der gewährleisteten Verfügungsbefugnis gehöre die Freiheit, den Eigentumsgegenstand zu veräußern, etwa aus seiner Vermietung einen Ertrag zu ziehen, der zur finanziellen Grundlage für eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung beiträgt und schließlich die Freiheit, den Eigentumsgegenstand selbst zu nutzen 99 . Es sind diese drei Elemente — Veräußerungsbefugnis, Möglichkeit der Renditeerzielung und Freiheit der Eigennutzung —, die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts immer wieder als eine Art unverzichtbarer Kernbestand der Privatnützigkeit genannt werden.

96 97 98 99

BVerfGE 52, S. 1, 29f. BVerfGE 52, S. 1, 30. BVerfGE 71, S. 230, 246f. BVerfG NJW 1989, S. 970, 971.

70

§ 4 Die dogmatische Konzeption der Eigentumsgewährleistung a) Veräußerungsbefugnis

Wiederholt hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, daß zum verfassungsrechtlichen Inhalt der Eigentumsgewährleistung grundsätzlich die freie Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand gehört 1 0 0 . Während die umfassende Verfügungsbefugnis jedoch begrenzt werden darf — beispielsweise zur Erhaltung von Wohnraum durch ein Zweckentfremdungsverbot 101 —, wird die von der Verfügungsbefugnis umfaßte Veräußerungsbefugnis als „elementarer Bestandteil der Handlungsfreiheit im Bereich der Eigentumsordnung" 102 angesehen, deren Beschränkung „die Substanz" des grundrechtlich garantierten Eigentums berühre, was nur unter erschwerten Voraussetzungen zulässig sei 103 . Eine solche Substanzbeeinträchtigung erblickt das Gericht nicht erst in einem ausdrücklichen gesetzlichen Veräußerungsverbot, sondern bereits in solchen gesetzlichen Regelungen, deren praktisches Ergebnis eine Aufhebung der Veräußerungsmöglichkeit wegen fehlender wirtschaftlicher Realisierbarkeit ist 1 0 4 . Eine solche Folge hat das Gericht etwa dem umfassenden kleingartenrechtlichen Kündigungsschutz zugerechnet 105 , aber auch bei grundrechtswidriger Auslegung von Kündigungsschutzvorschriften im Recht der Wohnraummiete angenommen: „Auch Kündigungsschutzvorschriften können in die Substanz des Eigentums eingreifen, wenn ihre Handhabung den Verkauf als wirtschaftlich sinnlos erscheinen läßt . . . " 1 0 6 . b) Renditeerzielung

Zum „Kernbestand" der Privatnützigkeit gehört des weiteren die Möglichkeit, wirtschaftlichen Nutzen aus dem Eigentum zu ziehen. Dies ist nach zwei Seiten hin abzugrenzen: In ständiger Rechtsprechung verneint das Bundesverfassungsgericht einerseits die grundrechtliche Gewährleistung der Möglichkeit, sein Eigentum jederzeit der optimalen wirtschaftlichen Nutzung zuzuführen 107 . Die Beschränkung einer gegebenen Befugnis, „den Markt sofort in voller Höhe auszuschöpfen", sei grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig, da sich aus der Gewährleistung des Eigentums kein Anspruch auf den größtmöglichen wirtschaftlichen Nutzen ergebe 108 . Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ist aber der 100 101 102 103 104 105 106 107 108

BVerfGE 26, S. 215, 222; BVerfGE 38, S. 348, 370. BVerfGE 38, S. 348 ff. BVerfGE 52, S. 1, 31 f. BVerfGE 26, S. 215, 222; BVerfGE 42, S. 263, 295. BVerfGE 52, S. 1, 31 f. BVerfGE ebd. BVerfG NJW 1989, S. 972, 973. BVerfGE 38, S. 348, 371. BVerfGE 58, S. 300, 345; BVerfGE 71, S. 230, 253.

III. Gestaltungsfreiheit und Gestaltungsgrenzen

71

Kernbestand der Privatnützigkeit, die „Substanz" der Eigentumsgewährleistung andererseits dann beeinträchtigt, wenn etwa die Vermietung von Wohnraum auch bei voller Ausschöpfung der gesetzlichen Möglichkeiten zur Mieterhöhung im Ergebnis zu Verlusten führen würde 1 0 9 . Das Zweckentfremdungsverbot von Wohnraum hat das Bundesverfassungsgericht gerade deshalb für zulässig gehalten, weil der Eigentümer „eine Rendite in Höhe der vertraglichen Miete, der Kostenmiete oder der ortsüblichen Vergleichsmiete" behalte 110 . c) Recht der Eigennutzung

Dritter ausdrücklich genannter Bestandteil eines Kernbereichs der Privatnützigkeit sind das Recht und die Möglichkeit, das Eigentumsobjekt selbst zu nutzen: „Zur Substanz des Eigentums gehört... auch die Freiheit, den Eigentumsgegenstand selbst zu nutzen" 1 1 1 .

3. Differenzierung der Gestaltungsbefugnis nach dem sozialen Bezug des Eigentums Die Grenzen der Gestaltungsbefugnis sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht für alle Sachbereiche gleich festgelegt: Das Gericht differenziert hinsichtlich des Umfangs der Gestaltungsfreiheit zunächst danach, ob das Eigentumsobjekt „in einem sozialen Bezug und einer sozialen Funktion" steht 112 . Dies gilt sowohl hinsichtlich der Nutzungsinteressen des Eigentümers als auch in bezug auf schutzwürdige Interessen der Nichteigentümer an einem konkreten Eigentumsobjekt. Soweit es um die Funktion des Eigentums als Element der Sicherung der persönlichen Freiheit des einzelnen gehe, genieße das Eigentum einen besonders ausgeprägten Schutz 113 ; soweit andererseits der Nichteigentümer der Nutzung des Eigentumsobjekts zu seiner Freiheitssicherung und verantwortlichen Lebensgestaltung bedürfe, umfasse das grundgesetzliche Gebot einer am Gemeinwohl orientierten Nutzung die Pflicht zur Rücksichtnahme auf den Nichteigentümer 114 . Dieses "Angewiesensein" der Nichteigentümer begründe einen sozialen Bezug und eine besondere soziale Funktion dieser Eigentumsgegenstände115; je ausgeprägter dieser soziale Bezug sei, um so weiter sei die Befugnis des Gesetzgebers zur Inhalts- und Schrankenbestimmung 116 . 109

BVerfGE 71, S. 230, 250. BVerfGE 38, S. 348, 371. 111 BVerfG NJW 1989, S. 970, 971. 112 BVerfGE 70, S. 191, 201. 113 Dieser „personale Bezug" für den Eigentümer wird etwa beim Recht zur Eigennutzung von Wohnraum betont, BVerfG NJW 1989, S. 970, 972 f. 114 BVerfGE 70, S. 191, 201 m.w.N. 115 BVerfGE 38, S. 348, 370. 110

72

§ 4 Die dogmatische Konzeption der Eigentumsgewährleistung

Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum im Recht des landwirtschaftlichen Boden Verkehrs eingeräumt 117 und den sozialen Bezug in der Tatsache gesehen, daß der Grund und Boden unvermehrbar und unentbehrlich sei, was es verbiete, seine Nutzung dem unübersehbaren Spiel der freien Kräfte und dem Belieben des einzelnen vollständig zu überlassen 118 . Die Nutzung des Grundeigentums zu Wohnungszwecken vermittelt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen verstärkten Sozialbezug und eröffnet dem Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum. Der Umstand, daß große Teile der Bevölkerung nicht in der Lage seien, aus eigener Kraft Wohnraum für sich zu schaffen, begründe diesen deutlichen Sozialbezug, der sich noch erheblich verstärke, wenn die Versorgung mit Wohnraum besonders gefährdet sei 1 1 9 . Dieser Sozialbezug des zu Wohnzwecken vermieteten Eigentums wird schließlich um eine „personale" Komponente erhöht, wenn das Bundesverfassungsgericht darauf hinweist, daß die Wohnung Lebensmittelpunkt des einzelnen sei 120 . In deutlicher Absetzung von solcherart existenziellen Bedürfnissen und dem damit einhergehenden Rang des Sozialbezugs etwa der Wohnraumversorgung und der Bodenordnung stuft das Bundesverfassungsgericht die Nutzungsinteressen von Nichteigentümern ein, die auf fremdes Eigentum zur Erzielung ideeller Zwecke angewiesen sind. So führt das Bundesverfassungsgericht in der bereits zitierten Kleingartenentscheidung 121 aus, zwar sei auch der „Freizeitnutzen" des Kleingartenwesens von erheblichem öffentlichen Interesse. Wörtlich heißt es sodann jedoch: „Der dargelegte Strukturwandel zeigt aber, daß der Besitz eines Kleingartens für die große Masse der Kleingärtner zwar von beachtlichem Wert, nicht jedoch mehr von existenzieller Bedeutung ist. Diese Änderung der sozialen Funktion kann bei der verfassungsrechtlichen Legitimation des Kündigungsschutzrechts nicht außer acht bleiben. Mag der Wunsch und das Interesse des Pächters, einen Kleingarten zu besitzen, noch so groß und berechtigt sein, so kann dennoch nicht davon gesprochen werden, daß er auf die Nutzung fremden Eigentums in gleicher Weise angewiesen ist wie etwa auf eine Wohnung, die eine unabdingbare Voraussetzung für ein menschenwürdiges Dasein und die persönliche Lebensgestaltung darstellt." 122

Ähnlich hat das Gericht die vom nordrheinwestfalischen Gesetzgeber bei der Neuordnung des Fischereirechts verfolgten Gemeinwohlziele — unter anderem

116 117 118 119 120 121 122

BVerfGE 70, S. 191, 201. BVerfGE 21, S. 73, 82. BVerfG ebd. BVerfGE 38, S. 348, 370. BVerfG NJW 1989, S. 972, 973. BVerfGE 52, S. 1, 35. BVerfG ebd., S. 35 f.

III. Gestaltungsfreiheit und Gestaltungsgrenzen

73

war es Zweck der Neuregelung, weiten Bevölkerungskreisen Möglichkeiten einer erholsamen Freizeitbeschäftigung durch das Sportfischen zu erschließen — zwar als legitime Aufgabe der Daseinsvorsorge angesehen, aber gleichzeitig darauf hingewiesen, daß der gesetzgeberischen Zielsetzung kein soziales Gewicht beikomme, das etwa mit dem sozialen Mietrecht vergleichbar wäre 1 2 3 . Die eben erörterte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts läßt sich dahingehend zusammenfassen, daß das Gericht den Gestaltungsumfang des Gesetzgebers nach dem sozialen Bezug differenziert, in dem das Eigentumsobjekt steht und hierbei vor allem auf die soziale Bedeutung der Nutzungsinteressen für die Nichteigentümer abstellt. 4. Flankierender Grundrechtsschutz Der so umschriebene eigentumsspezifische Grundrechtsschutz gegenüber Inhalts- und Schrankenbestimmungen wird flankiert von den verfassungsrechtlichen Erfordernissen der Verhältnismäßigkeit und der Wahrung des Gleichheitssatzes: a) Verhältnismäßigkeit

U m vor der Verfassung Bestand zu haben, so das Bundesverfassungsgericht, müsse die dem Eigentümer aufzuerlegende Beschränkung vom geregelten Sachbereich her geboten und in ihrer Ausgestaltung sachgerecht sein. Einschränkungen von Eigentümerbefugnissen dürfen nicht weitergehen, als der Schutzzweck reicht, dem die Regelung diene 124 . b) Gleichheitssatz

Die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Eigentums fordert nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Beachtung des Gleichheitsgebots des Art. 3 Abs. 1 G G 1 2 5 . Der Gleichheitssatz gebietet die Berücksichtigung ungleicher Auswirkungen einer an sich gleichmäßigen Regelung; die Elemente einer inhaltsbestimmenden Regelung seien deshalb so zu ordnen, daß eine unterschiedliche Inanspruchnahme der Eigentümer und damit dem unterschiedlichen Gewicht ihrer Belange gegenüber den Belangen der Allgemeinheit hinreichend differenziert Rechnung getragen werde und einseitige Belastungen vermieden würden 1 2 6 .

123 124 125 126

BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE

70, 52, 52, 58,

S. 191, 211 f. S. 1, 29 f. S. 1, 29 f. S. 137, 150 f.

74

§ 4 Die dogmatische Konzeption der Eigentumsgewährleistung c) Bindung von untergesetzlicher Normsetzung und Fachgerichtsbarkeit

Diese vom Gesetzgeber zu wahrenden Grenzen gelten auch, so ausdrücklich das Bundesverfassungsgericht, wenn das formelle Gesetz zum Erlaß inhaltsbestimmender Normen ermächtigt. Der Gesetzgeber könne durch eine (Verordnungs-) Ermächtigung keine Regelungsbefugnisse einräumen, an deren Wahrnehmung er selbst im Blick auf die Eigentumsgewährleistung gehindert wäre 1 2 7 . Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht zum Ausdruck gebracht, daß diese Grenzen nicht nur den Gesetzgeber binden, sondern die Fachgerichte ebenfalls bei Auslegung und Anwendung der jeweiligen gesetzlichen Regelung die durch die Eigentumsgarantie gezogenen Grenzen zu beachten haben und die im Gesetz zum Ausdruck kommende Interessenabwägung in einer Weise nachzuvollziehen haben, die den Grundrechtsschutz des Eigentums beachtet 128 .

I V . Sonderproblem: Die sogenannte ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung 1. Die Pflichtexemplar-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts In der bereits angesprochenen Pflichtexemplar-Entscheidung 129 hatte das Bundesverfassungsgericht die Regelung des § 9 Landespressegesetz insoweit für unvereinbar mit Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gehalten, als die Regelung die zuständigen Behörden ermächtigte, „die Pflicht zur Ablieferung eines Belegstücks von jedem im Geltungsbereich des Gesetzes erscheinenden Druckwerk ausnahmslos ohne Kostenerstattung anzuordnen" 130 . Den Grund hierfür sah das Gericht zum einen in einer übermäßigen Belastung solcher Verleger, die besonders kostenintensive Publikationen in geringer Auflage herstellen: „Die Abwägung zwischen der Intensität der Belastung und dem Gewicht der zu ihrer Rechtfertigung anzuführenden Gründe ergibt daher, daß bei wertvollen Druckwerken mit niedriger Auflage eine kostenlose Pflichtablieferung die Grenzen verhältnismäßiger und noch zumutbarer inhaltlicher Festlegung des Verlegereigentums überschreitet." 131

Zum anderen erkannte das Gericht in der "praktischen Auswirkung" des Gesetzes einen Verstoß gegen den im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zu beachtenden Gleichheitssatz: Die allgemeine Ablieferungspflicht mit generellem Vergütungsausschluß führe zu Belastungen von erheblich unterschiedlicher Intensität 132 . 127 128 129 130 131 132

BVerfGE 58, S. 137, 148. BVerfG NJW 1989, S. 970, 971. BVerfGE 58, S. 137 ff. BVerfG ebd. BVerfGE 58, S. 137, 150. BVerfG ebd.

IV. Die „ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung"

75

Das Gericht erklärte die beanstandete Vorschrift deshalb nicht für ganz oder teilweise nichtig, weil der Landesgesetzgeber eine Reihe von Möglichkeiten habe, „das Pflichtexemplarrecht entweder insgesamt neu zu ordnen oder es in Bezug auf die Härtefalle der dort bestehenden Interessenlage unter Beachtung der Eigentumsgarantie anzupassen" 133 . In diesem Zusammenhang, darauf sei besonders hingewiesen, sind die oben dargelegten Ausführungen über die gleichheitswidrige und übermäßige Belastung durch die unentgeltliche Ablieferungspflicht zu verstehen: Selbstverständlich konnte der Gesetzgeber den Verfassungsstoß auch heilen, indem er in den der Entscheidung zugrundeliegenden, eingriffsintensiven Sonderfällen auf eine Ablieferungspflicht verzichtete. Das Bundesverfassungsgericht wies daraufhin, daß eine andere Möglichkeit in einer Beibehaltung der Ablieferungspflicht mit Kostenerstattung für „Härtefalle" liege. Das Gericht hat damit zum Ausdruck gebracht, daß bei der Bewertung der Eingriffsintensität einer gesetzlichen Maßnahme und deren Überprüfung am Gebot der sachgerechten Differenzierung auch staatliche Leistungen zu berücksichtigen sind, die geeignet sind, die auferlegten Belastungen — zum Teil — zu kompensieren. 2. Weitergehende Schlußfolgerungen Die Pflichtexemplar-Entscheidung wird als Beleg für eine bereits vor diesem Urteil entwickelte Konzeption herangezogen, wonach verfassungsrechtliche Entschädigungspflichten auch im Bereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG anzuerkennen seien 134 . Immer dann, wenn eine Inanspruchnahme des Eigentums als eine im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zulässige Freiheitsbeeinträchtigung zu qualifizieren sei, müsse in einem zweiten Schritt geprüft werden, ob auch eine mit der Freiheitsbeeinträchtigung verbundene Wertbeeinträchtigung des Eigentums mit den vom Gesetzgeber zu beachtenden Grundsätzen des Übermaß Verbotes und des Gleichheitssatzes vereinbar ist 1 3 5 . Gegen die Annahme einer Entschädigungspflicht im Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG wird jedoch zu Recht der Einwand erhoben, daß deren Anerkennung unter Geltung des Übermaßverbots zur generellen Entschädigungspflicht von Inhalts- und Schrankenbestimmungen führen müßte 1 3 6 . Weil eine kompensierte Inhaltsbestimmung immer ein milderes Mittel wäre als eine kompensationslose, würde auf diese Weise die „Grundsatzentscheidung" 137 unterlaufen, nach der Art. 14 Abs. 1 GG keine allgemeine Vermögensgarantie enthält. Dieses Problem der Ausweitung zu einer generellen Entschädigungs133

BVerfGE 58, S. 137, 152. Schulze-Osterloh, Eigentumsopferentschädigung, S. 235 ff.; dies., NJW 1981, S. 2537, 2541 ff.; Schwerdtfeger, Dogmatische Struktur, S. 28 f. 135 Schulze-Osterloh, NJW 1981, S. 2537, 2543. 136 Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rz 285ff. 137 Papier, ebd. 134

§ 4 Die dogmatische Konzeption der Eigentumsgewährleistung

76

pflicht, daß sich ohne systematische Brüche auch nicht durch eine Verlagerung von der Erforderlichkeitsprüfung zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne lösen läßt 1 3 8 , liegt offenbar darin begründet, daß die zu berücksichtigenden fiskalischen Interessen einer angemessenen Konkretisierung unzugänglich sind. Entweder entschädigungslose Inhaltsbestimmungen sind zum Schutze fiskalischer Interessen immer erforderlich, oder sie sind es nie; eine nicht willkürliche Differenzierung nach der Art des Eingriffs scheidet im Rahmen des Übermaßverbotes aus. Von dieser mithin zu verneinenden Frage, ob sich aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG eine verfassungsrechtliche Entschädigungspflicht herleiten läßt, ist die Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers zu unterscheiden, durch Bereitstellung von Ausgleichsansprüchen die Eingriffsintensität eigentumsbeschränkender Maßnahmen zu verlagern 139 . Der Gesetzgeber hat im Rahmen seines aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 G G fließenden Gestaltungsauftrages die Möglichkeit, einen von ihm definierten Gemeinwohlzweck nur bis zur Grenze des dem Eigentümer verfassungsrechtlich zumutbaren zu verwirklichen; darüberhinausgehende Zielvorstellungen, die zu Belastungen des betroffenen Eigentümers führen würden, die mit der Privatnützigkeit des Eigentums, der Wahrung von Verhältnismäßigkeit und Gleichheitssatz nicht zu vereinbaren wären, darf er im Rahmen anderer verfassungsrechtlicher Bindungen durchaus aufgeben. Er kann aber auch an diesen weiterreichenden Zielvorstellungen festhalten und die dem Eigentümer dadurch entstehenden „überschüssigen" Lasten kompensieren: durch Zuschüsse oder steuerliche Vorteile 140 und grundsätzlich auch durch die Gewährung von Ausgleichsansprüchen 141. Damit ist die Frage angesprochen, ob die im Rahmen von Art. 14 Abs. 3 GG wegen der Junktimklausel problematisch erscheinenden salvatorischen Entschädigungsklauseln als derartige intensitätsverlagernde Ausgleichsansprüche im Rahmen von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG herangezogen werden können 1 4 2 . Diese Frage wird auch für die oben erörterten Entschädigungsregelungen der Denkmalschutzgesetze zu beantworten sein; Voraussetzung für die Diskussion dieser Frage ist jedoch zunächst die Feststellung, ob die denkmalschutzrechtlichen Belastungen des Grundeigentums und die ihnen zugrundeliegenden Eingriffsregelungen verfassungsrechtlich Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG oder Art. 14 Abs. 3 GG zuzuordnen sind 1 4 3 . 138

So Schulze-Osterloh, NJW 1981, S. 2537, 2542. Battis/Schmittat, NuR 1983, S. 102, 104. 140 So explizit § 7 Abs. 3 Satz 2 Nds DSchG; § 7 Abs. 3 Satz 2 N R W DSchG. 141 BVerfG NJW 1989, S. 1271,1272; OVG Berlin, GE1990, S. 201,205; Böhmer, NJW 1988, S. 2561, 2566; Weyreuther, Situationsgebundenheit, S. 64. 142 Bejahend Nüßgens/Boujong, Rz 340; Götz, Urteilsanmerkung, DVB1.1984, S. 395, 397; Battis/Schmittat, NuR 1983, S. 102, 107; Krohn, DVB1. 1986, S. 745, 747f.; offen gelassen bei Ossenbühl, Urteilsanmerkung, JZ1989, S. 190 sowie Schmaltz, Urteilsanmerkung, DVB1. 1987, S. 571, 572; ablehnend Schmitt-Kammler, in: Festschrift Universität Köln, S. 821, 839 ff. 139

V. Der Vorrang des Abwehrrechtsschutzes

77

V. Der Vorrang des Abwehrrechtsschutzes 1. Der Naßauskiesungsbeschluß des Bundesverfassungsgerichts Die folgenden Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in dem Naßauskiesungsbeschluß144 haben Anlaß zur Diskussion der Frage gegeben, ob das Grundgesetz dem verwaltungsgerichtlichen Abwehrrechtsschutz einen generellen Vorrang vor dem Rechtsschutz durch Entschädigung einräumt: Die vom Grundgesetz vorgesehene Folge einer verfassungswidrigen „Enteignung" sei die Aufhebung des Eingriffsakts. M i t der Eröffnung des Rechtsweges zu den Verwaltungsgerichten habe das Grundgesetz dem von einer solchen Maßnahme Betroffenen die Möglichkeit gegeben, den Verwaltungsakt selbst zu Fall zu bringen, „wenn das zugrundeliegende Gesetz wegen Fehlens einer Entschädigungsregelung oder auch aus anderem Grunde nichtig i s t " 1 4 5 . Sehe der Bürger in einer gegen ihn gerichteten Maßnahme eine Enteignung, so könne er eine Entschädigung nur einklagen, wenn hierfür eine gesetzliche Anspruchsgrundlage vorhanden sei. Der Betroffene habe hiernach kein Wahlrecht, ob er sich gegen eine wegen Fehlens der gesetzlichen Entschädigungsregelung rechtswidrige Enteignung zur Wehr setzen oder unmittelbar eine Entschädigung verlangen wolle: „Läßt er den Eingriffsakt unanfechtbar werden, so verfallt seine Entschädigungsklage der Abweisung. Wer von der ihm durch das Grundgesetz eingeräumten Möglichkeit, sein Recht auf Herstellung des verfassungsmäßigen Zustandes zu wahren, keinen Gebrauch macht, kann wegen eines etwaigen, von ihm selbst herbeigeführten Rechtsverlustes nicht anschließend von der öffentlichen Hand Geldersatz verlangen" 146 .

Diese Verweisung auf die Anfechtung, so das Bundesverfassungsgericht, stelle für den Betroffenen keine unzumutbare Belastung dar. Die Entscheidung, diesen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, sei nicht schwieriger zu treffen als die, eine Entschädigung einzuklagen: „Sie setzt lediglich die Feststellung voraus, ob das Gesetz eine Entschädigung vorsieht." 147 Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts beziehen sich ihrem Wortlaut nach nur auf den Fall, daß sich eine hoheitliche Maßnahme als Enteignung erweist, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht entspricht, weil ein gesetzlicher Entschädigungsanspruch fehlt. Das Bundesverfassungsgericht betont dabei den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Enteignungsentschädigung, aus dem nicht die Subsidiarität des Entschädigungsrechtsschutzes folgt, sondern die ausschließliche Möglichkeit des Abwehrrechtsschutzes, wenn sich eine 143 144 145 146 147

Hierzu unten, § 6 I. BVerfGE 58, S. 300 ff. BVerfG ebd., S. 323. BVerfG ebd., S. 324. BVerfG ebd., S. 324.

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§ 4 Die dogmatische Konzeption der Eigentumsgewährleistung

hoheitliche Maßnahme als Enteignung erweist und eine gesetzliche Entschädigungsregelung fehlt 1 4 8 . Dem wird entgegengehalten149, die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts seien nicht auf den Fall der infolge Fehlens einer Entschädigungsregelung rechtswidrigen Enteignung beschränkt, wie sich aus den Worten ergebe, der Betroffene habe die Möglichkeit, den Verwaltungsakt selbst zu Fall zu bringen, wenn das zugrundeliegende Gesetz wegen Fehlens einer Entschädigungsregelung „oder auch aus anderem Grunde" nichtig sei 150 . Diese Exegese der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts verträgt sich allerdings nicht mit dem dort enthaltenen Satz, die Verweisung auf die Anfechtung sei deshalb keine unzumutbare Belastung, weil die Entscheidung, diesen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, lediglich die Feststellung voraussetze, ob das Gesetz eine Entschädigung vorsehe 151 . Festzuhalten bleibt deshalb zunächst, daß die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zum Vorrang des Abwehrrechtsschutzes sich nur auf den Fall beziehen, daß eine Enteignung wegen Fehlens der gesetzlichen Entschädigungsregelung verfassungswidrig ist. 2. Die Auffassung von Böhmer Dieses Ergebnis, wonach sich den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in der Naßauskiesungsentscheidung kein allgemeines Prinzip der Subsidiarität des Entschädigungsrechtsschutzes entnehmen läßt, beantwortet allerdings noch nicht die Frage, ob sich eine solche Subsidiarität aus der Verfassung oder aus dem einfachen Gesetz ableiten läßt. In diesem Zusammenhang hat Böhmer 152 die Auffassung vertreten, unter Geltung des Grundgesetzes folge aus dem subjektiven Abwehrrecht, das auf die Wiederherstellung des verfassungsmäßigen Zustandes gerichtet sei, ein umfassender Vorrang dieser Abwehrbefugnis vor dem Entschädigungsrecht: Dem Abwehrrecht korrespondiere eine Anfechtungslast 153 , eine Mitwirkungspflicht an der Erhaltung des rechtmäßigen Zustandes. Dieser sich aus dem materiellen Verfassungsrecht ergebende Vorrang könne nicht „durch ein ,mitwirkendes Verschulden4 beiseite geschoben" werden. Der in § 79 Abs. 2 BVerfGG geregelte Rechtsgrundsatz, wonach aufgrund einer für nichtig erklärten Norm ergangene Verwaltungsakte unberührt blieben, gelte auch, wenn der Verwaltungsakt auf der verfassungs- oder gesetzeswidrigen Anwendung einer gültigen Norm beruhe. Durch die gesetzliche Verweisung auf § 95 Abs. 2 BVerfGG in § 79 Abs. 2 BVerfGG habe der Gesetzgeber klargestellt, daß unanfechtbare Verwaltungsakte, die nicht mit der 148 149 150 151 152 153

Papier, NVwZ 1983, S. 258, 260; ders., in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rz 642. Hendler, DVB1. 1983, S. 873, 882. BVerfGE 58, S. 300, 323. BVerfG ebd., S. 324. NJW 1988, S. 2561, 2564. Böhmer, ebd., unter Hinweis auf BVerfGE 20, S. 230, 235 f.

V. Der Vorrang des Abwehrrechtsschutzes

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Verfassungsbeschwerde angegriffen werden, gegenüber dem Vorwurf der Grundrechtswidrigkeit verbindlich blieben. Wer sein Recht zur Abwehr eines Eingriffes nicht wahrnehme, verwirke weitere Ansprüche 154 . 3. Stellungnahme Die Auffassung Böhmers begegnet folgenden Bedenken: Die in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 155 versagt dem Betroffenen einen Aufhebungsanspruch gegenüber verfassungsoder gesetzeswidrigen Verwaltungsakten, wenn die Abwehrklage nicht erhoben wurde. Über die Möglichkeit der Kompensation ist damit keine Aussage getroffen. Die Auffassung Böhmers müßte konsequenterweise dazu führen, daß Subsidiaritätsvorschriten des einfachen Gesetzes—so etwa § 839 Abs. 3 BGB — nur deklaratorischen Charakter hätten, soweit Grundrechtseingriffe in Rede stehen. 156 Im übrigen ist auch § 79 Abs. 2 BVerfGG eine Norm des einfachen Gesetzesrechts. Ihre Heranziehung vermag nicht zu erklären, warum sich der generelle Vorrang der Abwehrklage aus dem materiellen Verfassungsrecht ergeben soll. Läßt sich damit als Ergebnis zunächst festhalten, daß die Normierung einer Subsidiarität des Entschädigungsrechtsschutzes der Dispositon des einfachen Gesetzgebers unterliegt, so schließt sich hieran der Befund, daß § 254 BGB eine derartige einfach-gesetzliche Regelung beinhaltet, die im Entschädigungsrecht Anwendung findet 157. Durch dessen Anwendung wird nicht ein verfassungsrechtlicher Vorrang der Abwehrklage „beiseite geschoben" 158 , vielmehr stellt § 254 BGB die einfach-gesetzliche Ausprägung der Mitwirkungspflicht an der Erhaltung des rechtmäßigen Zustandes dar. Die in § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB normierte Schadensabwendungspflicht 159 zielt ebenso auf eine Minimierung der Eingriffsfolgen ab wie die erörterte Mitwirkungspflicht zur Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes; denn die Aufhebung eines Eingriffsaktes belastet die öffentliche Hand in der Regel weit weniger als die Duldung und Liquidierung der gesamten Eingriffsfolgen. Hieraus folgt zum einen, daß an den Verschuldensmaßstab im Rahmen des § 254 BGB keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen. Bei einem rechtswidrigen Eingriff können nur ausnahmsweise Gründe für das Absehen von dem verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz 154

Böhmer, ebd., S. 2564 b. F N 20. BVerfGE 20, S. 230, 235. 156 Auch das für nichtig erklärte Staatshaftungsgesetz vom 26. Juni 1981 (BGBl. I, S. 553) sah in § 6 eine Subsidiaritätsregelung vor. 157 BGHZ 90, S. 17ff.; BGH NJW 1990, S. 898f.; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rz 570, 639ff.; ders., in: MüKo, §839 Rz 49f.; Nüßgens/Boujong, Rz 434ff. 158 Böhmer, S. 2564 b. Fn. 20. 159 Hierzu Grunsky, in: M ü K o , §254 Rz 38 ff. 155

80

§ 4 Die dogmatische Konzeption der Eigentumsgewährleistung

geltend gemacht werden. Die Beweislast für das Vorliegen solcher Gründe trägt der Betroffene 160 . Zu den verwaltungsgerichtlichen Rechtsmitteln, die der Betroffene zu ergreifen hat, zählt zum anderen auch der vorläufige Rechtsschutz, soweit er im Einzelfall zulässig ist; das Nichtergreifen eines zulässigen Rechtsbehelfs des vorläufigen Rechtsschutzes hat Auswirkungen auf die Liquidierung derjenigen Nachteile, die auch bei einer — unterlassenen — Anfechtung in der Hauptsache entstanden wären, also etwa der eingetretende Verzögerungsschaden 161.

160 161

Krohn/Löwisch, Rz 235 a. Hierzu Papier, in: MüKo, § 839, Rz 50.

§ 5 Die Entschädigung fur Maßnahmen des Denkmalschutzes in der Zivilrechtsprechung I . Die Rechtsprechung des Reichsgerichts — insbesondere das Galgenberg-Urteil 1. Die Ausweitung des Enteignungsbegriffs Während der Rechtszustand vor 1918 unter Geltung der Preußischen Verfassung von 1850 dadurch gekennzeichnet war, daß als Enteignung gem. Art. 9 Abs. 2 Preußischer Verfassung nach ganz herrschender Meinung nur die Übereignung anzusehen war, bloße Begrenzungen des Eigentums dagegen entschädigungslos hinzunehmen waren 1 , ging das Reichsgericht nach 1918 prinzipiell neue Wege: Es vermittelte einen verstärkten Eigentumsschutz durch eine Ausweitung des Enteignungsbegriffs 2. Es erkannte eine Enteignung im Sinne von Art. 153 Abs. 2 WeimarerReichsverfassung schon dann an, wenn das Recht des Eigentümers, mit seiner Sache gem. § 903 BGB nach Belieben zu verfahren, zu Gunsten eines Dritten beeinträchtigt wurde 3 . Ferner erweiterte es den Eigentumsschutz, in dem es den Enteignungsbegriff vom Grundeigentum löste und schließlich die Enteigung durch Gesetz anerkannte 4. 2. Das Galgenberg-Urteil Eines der ersten und grundlegenden Urteil im Rahmen dieser Enteignungsrechtsprechung des Reichsgerichts war das Galgenberg-Urteil 5 , das eine Maßnahme des Denkmalschutzes betraf: Das Hamburger Denkmal- und Naturschutzgesetz vom 6. Dezember 19206 erstreckte seinen Schutz unter anderem auf Baudenkmäler sowie auf „die Umgebung von Bau- und Naturdenkmälern". Voraussetzung des Denkmalschutzes war die Eintragung des Denkmals oder seiner Umgebung in eine Denkmalliste. Die Rechtsfolgen dieser Eintragung regelte unter anderem § 10 DuNG, wonach die Umgebung eines Baudenkmals ohne Genehmigung weder 1

Hierzu ausführlich v. Brünneck, S. 21 ff. m.w.N. Zu den Gründen vgl. Schwerdtfeger, Dogmatische Struktur, S. 7 ff. 3 RGZ 105, 253; 107, S. 269; 108, S. 253; 111, S. 226; 116, S. 268, 272. 4 Hierzu Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rz 293 ff.: „Öffnung des Enteignungstatbestandes in dreierlei Hinsicht". 5 RGZ 116, S. 268. 6 Amtsblatt von Hamburg 1920, S. 1441. 2

6 Kömer

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§ 5 Entschädigungsrechtsprechung und Denkmalschutz

durch bauliche Anlagen noch sonst verändert werden durfte. Entschädigungsansprüche sah das Gesetz nur für Baudenkmäler selbst, nicht aber für Veränderungsverbote in deren Umgebung vor. Der Kläger betrieb auf einer Parzelle, die an das eingetragene Baudenkmal „Galgenberg" angrenzte, einen Sand- und Kiesabbau. Die Denkmalschutzbehörde untersagte dem Kläger den Abbau und trug die Parzelle als „Umgebung eines Baudenkmals" in die Denkmalliste ein. Das Reichsgericht sah „die entscheidende Handlung", die eine Enteigung begründe, in der Eintragung der Parzelle als Umgebung eines Baudenkmals und nicht — wie noch das Berufungsgericht — in dem Abbauverbot 7 . Die Revision — das beklagte Land Hamburg — machte unter anderem geltend, durch das Denkmal- und Naturschutzgesetz habe „der Begriff des Eigentums für Hamburg einen engeren Inhalt als anderwärts erhalten". Was durch das Gesetz versagt werde, sei im Eigentumsbegriff nicht mehr enthalten 8 . Diesem Ausgangspunkt, wonach Inhalt und Schranken des Eigentums sich gem. Art. 153 Abs. 1 Satz 2 WRV aus den Reichs- und Landesgesetzen ergebe, stimmte das Gericht zu, stellte im weiteren aber entscheidend darauf ab, das Denkmal- und Naturschutzgesetz habe „nicht allgemein ausgesprochen, daß im Hamburger Gebiet kein Eigentümer sein Grundstück ohne Genehmigung der Denkmalschutzbehörde verändern dürfe". Das Denkmal und Naturschutzgesetz habe vielmehr die Möglichkeit gegeben, daß durch eine besondere Verwaltungsmaßnahme — die Eintragung — die Eigentümer bestimmter Grundstücke in ihrem Recht, mit der Sache gem. § 903 BGB nach Belieben zu verfahren, beschränkt würden, „also ausnahmsweise einzelne Eigentümer an der Ausübung der an sich auch nach dem Hamburger Recht in ihrem Eigentum liegenden Befugnisse gehindert würden" 9 . Das Reichsgericht grenzte damit — und in ständiger Rechtsprechung — die Enteignung von der Inhaltsbestimmung mittels der Einzelakttheorie ab 1 0 , wonach die Enteignung durch den Einzeleingriff als konstitutivem Element geprägt war, während die generelle Eigentumsbeschränkung, die alle im Geltungsbereich des Gesetzes befindlichen Adressaten erfaßte, Kennzeichen der Inhaltsbestimmung war. Die Entscheidung fand im Ergebnis Zustimmung, in der Begründung wurde sie hingegen kritisiert. Hauptkritikpunkt lag in der Einsicht, daß ein generellabstraktes Gesetz nicht nur alle Grundstücke seines Geltungsbereiches, sondern durch allgemein einschränkende Kriterien den gleichen Kreis von Denkmälern und „Umgebungen" unter Schutz stellen könnte, wie dies durch den Verwal-

7

RGZ 116, S. 268, 270. Ebd., S. 270 f. 9 Ebd., S. 271. 10 Hierzu Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14, Rz 295 ff. 8

II. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes

83

tungsvollzug der Listeneintragung geschehen war. Ob eine Enteigung vorliegt oder nicht, würde danach allein von der Gesetzestechnik abhängen 11 . Auf die heutige Rechtslage bezogen, würde die Begründung des Reichsgerichts in der Tat darauf hinauslaufen, daß die nach dem deklaratorischen System verfahrenen Denkmalschutzgesetze generell entschädigungslos zulässige Inhaltsbestimmungen darstellten, während die nach dem konstitutiven Eintragungsprinzip verfahrenden Regelungssysteme die Behörden ausnahmslos zu entschädigungspflichtigen Enteignungen ermächtigten — ein offensichtlich verfehltes Ergebnis. Das Reichsgericht hielt jedoch auch in der Folgezeit an der Einzelakttheorie fest. So sah es in den beiden Fluchtlinien-Urteilen 12 in der Beschränkung der Bebauungsbefugnis aufgrund des preußischen Fluchtlinien-Gesetzes deshalb eine Enteignung, weil den Bauverboten Einzelaktscharakter beigemessen wurde 1 3 . I I . Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes 1. Fortführung und Modifizierung der Rechtsprechung des Reichsgerichts In der grundlegenden Entscheidung des Großen Zivilsenats 14 zur Entschädigungspflicht von Wohnraumerfassungs- und Zuweisungsmaßnahmen bestätigte der Bundesgerichtshof im wesentlichen die Rechtsprechung des Reichtsgerichts, modifizierte sie im Sinne des bereits früher entwickelten Sonderopferbegriffs und sah in der Enteignung „einen gesetzlich zulässigen zwangsweisen staatlichen Eingriff in das Eigentum, der die betroffenen Einzelnen oder Gruppen im Vergleich zu anderen ungleich, besonders trifft und sie zu einem besonderen, den übrigen nicht zugemuteten Opfer für die Allgemeinheit zwingt — und zwar zu einem Opfer, das gerade nicht den Inhalt und die Grenzen der betroffenen Rechtsgattung allgemein und einheitlich festlegt, sondern das aus dem Kreise der Rechtsträger einzelne oder Gruppen von ihnen unter Verletzung des Gleichheitssatzes besonders trifft. Der Verstoß gegen den Gleichheitssatz kennzeichnet die Enteignung." 15

Ausdrücklich wandte sich der Große Senat gegen die in der Rechtsprechung des Reichsgerichts angeklungene Differenzierung nach der gesetzestechnischen Zugriffsform:

11 12 13 14 15

6*

Breuer, S. 106f., m.w.N. aus der zeitgenössischen Literatur. RGZ 128, S. 18; RGZ 132, S. 69. Hierzu Breuer, S. 111 ff.; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rz 322f. BGHZ 6, S. 270. BGHZ 6, S. 270, 280.

84

§ 5 Entschädigungsrechtsprechung und Denkmalschutz „Nur aus rechtstechnischen Gründen", so der Bundesgerichtshof, sei im Wohnungsgesetz „die Einschränkung der Herrschaftsbefugnis in verschiedene Teilakte zerlegt, von denen der erste Teilakt in der gesetzlichen Regelung, die weiteren Teilakte in Verwaltungsmaßnahmen aufgrund einer die Verwaltungsmaßnahmen bindenden Rechtsanwendung zu finden sind." 1 6

Der Grundgedanke der Einzelakttheorie, „die Wahrung des Gleichheitssatzes bei Auferlegung besonderer Opfer durch Zubilligung einer entsprechenden Entschädigung" 17 , könne bei einer gesetzlichen Regelung keine Anwendung finden, die ihrem Sinn nach alle betroffenen Wohnungsinhaber gleichmäßig treffen solle und deren Verwirklichung in einer die Verwaltung bindenden Rechtsanwendung durch einzelne Verwaltungsakte erfolge. Ferner erkannte der Große Senat in dieser Entscheidung noch an — diese Erkenntnis wurde im weiteren Laufe der Entwicklung kaum noch beachtet —, daß die „allgemein angeordnete inhaltliche Bindung und Begrenzung des Eigentums ... keine Enteignung" sei, auch wenn sie den Eigentümer übermäßig intensiv belaste: „Sie zieht deshalb auch keine Entschädigungspflicht nach sich. Auch wenn sie die verfassungsmäßigen oder übergesetzlichen Grenzen der Bindung überschreitet, wird sie deswegen noch nicht zur Enteignung, die die Entschädigungspflicht auslöst. Das Überschreiten der gezogenen Grenzen macht vielmehr hier den gesetzgeberischen Akt nichtig" 1 8 .

Diese klare Differenzierung hinsichtlich der Rechtsfolge — Nichtigkeit des gesetzgeberischen Aktes oder Entschädigungspflicht einer „enteignenden" Maßnahme — mußte in dem Grade verloren gehen, in dem sich der Bundesgerichtshof zur Abgrenzung der entschädigungslosen Sozialbindung von der entschädigungspflichtigen Enteignung materieller Kriterien bediente, die sowohl die Nichtigkeit einer Maßnahme als auch deren Entschädigungspflicht begründen konnten. 2. Die Herausbildung der Rechtsfigur der Situationsgebundenheit Sowohl die Einzelakt- als auch die Sonderopfertheorie standen vor dem Problem, daß gesetzliche Beschränkungen von Gruppeneigentum nicht zuverlässig in die Kategorien von Inhaltsbestimmung und Enteignung eingeordnet werden konnten 19 . Bei diesen Beschränkungen fallt die Gleichbehandlung aller Gruppenmitglieder im Innenverhältnis zusammen mit einer Ungleichbehandlung im Außen Verhältnis zu anderen Eigentümergruppen 20 . Aus dem Gleich16

Ebd., S. 284f. Ebd., S. 285. 18 Ebd., S. 279; vgl. hierzu auch Lege, NJW 1990, S. 864, 866, der treffend formuliert, die Entscheidung lese sich „über weite Strecken geradezu modern". 17

19 20

Breuer, S. 52f. Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14, Rz 300.

II. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes

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heitssatz selbst ergibt sich kein taugliches Kriterium, auf welche dieser beiden Aspekte abzustellen ist. Der Bundesgerichtshof suchte deshalb das entscheidende Differenzierungskriterium in der „Situation" eines Grundstückes zu finden. a) Beschränkung bisher nicht verwirklichter Nutzungen

Das Gericht versuchte zuerst im Grünflächen-Urteil 21 , diesen Problemen durch eine Differenzierung nach der „besonderen Situation" des Grundeigentums zu begegnen. Ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück war in dem zu entscheidenden Rechtsstreit in ein „Grünflächenverzeichnis" aufgrund der Verbandsordnung für den Siedlungsverband Ruhrkohlebezirk 22 aufgenommen worden. Durch das damit verbundene Bauverbot scheiterte ein beabsichtigter Verkauf des Grundstückes. Der Bundesgerichtshof verneinte den Enteignungscharakter des Bauverbots: Da der Gleichheitssatz nur gegen ungleiche Behandlung bei im wesentlichen gleicher tatsächlicher Lage schütze, dürfe nach dieser tatsächlichen Lage, nach der Situationsgebundenheit eines Grundstücks differenziert werden. Das Grundeigentum in einer besonderen Situation sei „seiner Natur nach" mit einer begrenzten „Pflichtigkeit" verbunden, die sich durch Gesetz zu einer Pflicht im Rechtssinne verdichten könne. Die Dispositionsfreiheit des Eigentümers werde nicht verkürzt, weil sie gar nicht so weit reiche; der Eigentümer werde im Grunde nur an einer Verwendungsweise seines Eigentums gehindert, die der vernünftige und einsichtige Eigentümer von sich aus mit Rücksicht auf die gegebene Situation nicht ins Auge fassen würde 23 . Die Tatsache, daß sich die „Pflichtigkeit" nur für einen Teil der Betroffenen zu einer Pflicht „verdichte", begründe dann keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz, wenn die Abgrenzung des Kreises nicht willkürlich sei 24 . Diese Rechtsprechung führte der Bundesgerichtshof im „Buchendom-Fall" 25 fort: In dem Rechtsstreit hielt das Gericht die Verpflichtung des Eigentümers, eine in die Liste der Naturdenkmäler eingetragene Baumgruppe nicht abzuholzen, grundsätzlich für eine entschädigungslose Eigentumsbeschränkung, sah die Grenze zur Enteignung aber dort, „wo das schützenswerte Gut des Eigentümers nach der konkreten Situation von ihm als wirtschaftlich denkenden Menschen als Wirtschaftsobjekt zu wirtschaftlichen Zwecken vorher erst geschaffen worden i s t " 2 6 21

BGHZ 23, S. 30. Verbandsordnung für den Siedlungsverband Ruhrkohlebezirk vom 5. Mai 1920 (PrGS, S. 286). 23 BGHZ 23, S. 30, 32 ff. 24 Ebd., S. 34. 25 BGH DVB1. 1957, S.861. 26 Ebd., S. 861 f. 22

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§ 5 Entschädigungsrechtsprechung und Denkmalschutz

und stellte damit bei der Situationsbetrachtung im Kern auf Erwägungen des Vertrauensschutzes ab. Im Kapellen-Urteil 27 wandte der Bundesgerichtshof den Begriff der Situationsgebundenheit erstmalig auf ein Problem des Denkmalschutzes an: Der Kläger verlangte Entschädigung für ein auf das Bauordnungsrecht gegründetes Verbot, in der Nähe einer unter Denkmalschutz stehenden Kapelle einen Schuppen zu errichten. Das Gericht versagte die Entschädigung wiederum mit der Erwägung, die mit Rücksicht auf das Orts- oder Landschaftsbild begründete Versagung einer Bauerlaubnis beinhalte nur die „Verdichtung" der auf dem Grundstück lastenden „Pflichtigkeit" zu einer Pflicht. Dies stelle kein Sonderopfer dar, da die im Hinblick auf den Gleichheitssatz wirklich vergleichbaren Grundstücke in gleicher Weise betroffen würden. Ähnlich lehnte der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 9. Mai I960 2 8 die Entschädigungspflicht bei einer im Einklang mit dem Bauplanungsrecht stehenden Versagung einer Bauerlaubnis ab, weil der Ausschluß der Bebauung des bisher nur landwirtschaftlich genutzten Grundstücks nur die aus der Situation zu entnehmende Sozialpflichtigkeit des Eigentums konkretisiert habe 29 . Die Untersagung einer bisher nicht verwirklichten Nutzungsart sei zwar nicht schlechthin keine Enteignungsmaßnahme. Es komme vielmehr darauf an, ob das Grundstück, mit den Augen eines einsichtigen Eigentümers gesehen, zur Zeit des Eingriffs objektiv auch in der Weise nutzbar war, in der es der Eigentümer künftig nicht nutzen dürfe. Wenn das zu bejahen sei, so sei dem Grundsatz nach ein entschädigungspflichtiger enteignender Eingriff gegeben30. b) Beschränkung bereits ausgeübter Nutzungen

Der Bundesgerichtshof übertrug in seinem Urteil vom 10. Dezember 1957 31 den Gedanken der Situationsgebundenheit auf die Umklassiflzierung eines Baugebiets in ein reines Wohngebiet mit der Folge, daß kriegsbedingt zerstörte gewerbliche Anlagen nicht wieder errichtet werden durften. Im Gegensatz zu den Grünflächen- und Buchendom-Entscheidungen, bei denen, so der Bundesgerichtshof, dem Eigentümer etwas „genommen" worden sein, was nie zu seinem Eigentum gehört habe, würde dem Kläger in dem UmklassiflzierungsFall die Verwendungsmöglichkeit des Eigentums abgeschnitten. In das Eigentum werde eingegriffen, wenn der Kläger das Grundstück nicht mehr wie bisher nutzen dürfe. Ein Sonderopfer sei dieser Eingriff deshalb, weil es sich bei dem unklassifizierten Gebiet um ein kleines Gelände handele und der Kläger deshalb ungleich betroffen werde. 27 28 29 30 31

BGH L M Nr. 70 zu Art. 14 GG. BGH NJW 1960, S. 1618ÎT. Hierzu Breuer, S. 138 f. BGH NJW 1960, S. 1618, 1619. BGH L M Nr. 71 zu Art. 14 GG.

II. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes

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In demselben Sinne — Enteignung bei Aufhebung einer auch durch Kriegseinwirkungen unterbrochenen Verwendungsart — hat der Bundesgerichtshof weitere Umklassifizierungsfälle entschieden32. Daß der Bundesgerichtshof in der eben geschilderten Entscheidung weniger auf das Sonderopfer abgestellt hatte — die Größe des Geländes war eher eine Hilfserwägung — als vielmehr auf die Tatsache der bereits ausgeübten Nutzung, wurde durch das Urteil vom 16. März 1959 33 zum Gipsabbau bestätigt. In dieser Entscheidung hielt das Gericht die aus Naturschutzgründen ausgesprochene Untersagung von Gipsabbau, der bisher betrieben wurde, für ein den Gleichheitssatz verletzendes Sonderopfer, weil diese von der „Natur der Sache" her gegebene und bisher stets ungestört ausgeübte Benutzungsart des Eigentums beeinträchtigt werde. Die Zweckbestimmung des Gips Vorkommens sei es — im Gegensatz zu dem Buchendom — von Alters her gewesen, durch Abbau wirtschaftlich genutzt zu werden. Während bisher das Merkmal des „vernünftigen Eigentümers" in der Rechtsprechung des Gerichts dazu verwendet wurde, die Möglichkeit einer Entschädigungspflicht auch bei bisher noch nicht verwirklichten, aber sich objektiv anbietenden Nutzungen zu begründen, tauchte diese Rechtsfigur im „Hinterhaus-Urteil" 34 als Korrektiv einer zwar realisierten, aber nicht (mehr) „vernünftigen" Nutzung auf. In dem zu entscheidenden Fall wurde dem Eigentümer die Erlaubnis zum Wiederaufbau eines kriegsbedingt zerstörten Hinterhauses aus bauordnungsrechtlichen Gründen versagt. Das Grundstück war vormals mit einem Vorder-, Mittel- und Hinterhaus bebaut gewesen, die Versagung des Wiederaufbaus hätte nach den Grundsätzen der Umklassifizierungsfälle 35 also als Enteignung betrachtet werden müssen. Der Bundesgerichtshof hielt es jedoch für erforderlich, daß die Bebauung des Grund und Bodens nach der objektiv beurteilten Situationsgebundenheit einem vernünftigen Eigentümer sich bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise als eine zu verwirklichende Nutzungsart anböte. Der Wiederaufbau eines im Krieg zerstörten Hinterhauses sei mit der „allgemeinen Baugesinnung" unverträglich und nicht situationsgerecht, da sich die Anschauungen über gesundheitliches Wohnen geändert hätten 36 . In seinen beiden Auskiesungs-Urteilen vom 25. Januar 1973 37 faßte der Bundesgerichtshof seine bisherige Rechtsprechung zur Situationsgebundenheit folgendermaßen zusammen:

32 33 34 35 36 37

Hierzu Breuer, S. 143 m.w.N. BGH DÖV 1959, S. 750 ff. BGHZ 48, S. 193, 196. Hierzu oben, § 5 I I 2 b). BGHZ 48, S. 193, 196 f. BGHZ 60, S. 126; BGHZ 60, S. 145.

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§ 5 Entschädigungsrechtsprechung und Denkmalschutz

Eine entschädigungslos zulässige Eigentumsbegrenzung setze voraus, daß Inhalts- und Schrankenbestimmungen „der betroffenen Gattung von Rechten allgemein eigentümlich sein sollen und dem Wesen des betroffenen Rechts nach allgemein eigentümlich sein können".

Solcherart auferlegte Pflichten bedeuteten keine Verkürzung der Rechte, wenn die allgemein auferlegte Pflicht lediglich die Situationsgebundenheit des Grundstücks konkretisiere, indem dem Eigentümer eine bisher noch nicht verwirklichte Verwendungsart untersagt werde. Der Umfang der Situationsgebundenheit richte sich nach der naturgegebenen Lage eines Grundstücks in der Landschaft; dabei sei die situationsbedingte Belastung insoweit gegeben, als ein vernünftiger Eigentümer von sich aus mit Rücksicht auf die vorgegebene Situation eine bestimmten Nutzung unterlassen würde. Hierfür seien in der Regel die bisherige Nutzung und der Umstand von Bedeutung, ob eine Nutzungsart in der Vergangenheit schon verwirklicht worden war 3 8 . Allerdings sei die Frage, ob dem Eigentümer etwas „genommen" werde, nicht allein aufgrund der bereits gezogenen Nutzungen zu beantworten. Entscheidend sei vielmehr, ob die von der Natur der Sache her gegebene Möglichkeit der wirtschaftlichen Ausnutzung untersagt werde, wie sie sich bei vernünftiger und wirtschaftlicher Betrachtungsweise objektiv anböte 39 . Ungleiche tatsächliche Belastungen für die betroffenen Eigentümer seien unerheblich, denn die sich aus der Situationsgebundenheit ergebende Pflichtigkeit könne sich zur Pflicht verdichten, müsse dies aber nicht 4 0 . Im übrigen käme es für die Abgrenzung zwischen entschädigungslos hinzunehmender Beeinträchtigung und entschädigungspflichtigem Sonderopfer wesentlich auf die Schwere der Beeinträchtigung an 4 1 . 3. Die Übertragung der Rechtsfigur der Situationsgebundenheit auf denkmalschutzrechtliche Eigentumsbeschränkungen Die zuvor geschilderten Entscheidungen, die nur einen geringen Ausschnitt aus dem Rechtssprechungsmaterial zur Situationsgebundenheit bilden, behandelten vornehmlich naturschutzrechtliche Beschränkungen des Grundeigentums. Aus der Rückschau hatte sich im Kapellen-Urteil 42 bereits angedeutet, daß der Bundesgerichtshof diese Rechtsfigur auch bei der Beurteilung von Eigentumsbeschränkungen fruchtbar machen könnte, welche die in den siebziger Jahren erlassenen Denkmalschutzgesetze dem Grundeigentümer auferlegen. Im folgenden wird diese Übertragung der genannten Rechtsprechung auf die Beurteilung denkmalschutzrechtlicher Eigentumsbeschränkungen nachgezeichnet, die in der rechtswissenschaftlichen Literatur „vorbereitet" wurde. 38 39 40 41 42

BGHZ 60, S. 126, 131. Ebd., S. 131. Ebd., S. 131 f. Ebd., S. 132. S. hierzu oben, § 5 I I 2 a).

II. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes

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a) Der Ansatz von Leibholz und Lincke

In einem im Jahre 1975 erschienenen Aufsatz zum Thema „Denkmalschutz und Eigentumsgarantie" 43 zogen Gerhard Leibholz und Dieter Lincke die Situationsgebundenheit des Grundeigentums zur Klärung der Grenzen zulässiger Eigentumsbindung aus Gründen des Denkmalschutzes heran: Im Gegensatz zur Rechtsprechung des Reichsgerichts im Galgenberg-Urteil 44 könne eine Enteignung nicht schon dann angenommen werden, wenn das Recht des Eigentümers, mit seiner Sache gem. § 903 BGB nach Belieben zu verfahren, beeinträchtigt werde; die dem Eigentum gesetzten Schranken könnten nicht mehr als Ausnahme von einem Prinzip der absoluten Verfügungsgewalt begriffen werden, sondern erschienen vielmehr als dem modernen Eigentumsbegriff von vornherein immanent 45 . Da die Eigentumsgarantie primär eine gegenstandsbezogene und nur sekundär eine vermögensbezogene Gewährleistung des Eigentums enthalte 46 , solle sie dem Eigentümer die Substanz des Eigentums, seinen Bestand und Gebrauchswert sichern: „Konkret heißt dies für die Materie des Denkmalschutzes, daß die dem Eigentümer durch behördliche Abrißverbote oder Erhaltungsgebote entstehenden Nachteile nur dann im Sinne des Art. 14 GG Relevanz besitzen, wenn dadurch der Bestand oder die Nutzung des Grundstücks spürbar gefährdet wird" 4 7 .

Der vom Bundesgerichtshof entwickelte Begriff der Situationsgebundenheit, der als notwendige Ergänzung und Korrektiv zur Einzelakttheorie verstanden wird, sei über die von dem Gericht entschiedenen Fallgestaltungen des Naturund Landschaftsschutzes auch im Rahmen des Denkmalschutzes anwendbar. Von Situationsgebundenheit könne man auch dann sprechen, wenn ein Bauwerk für sich gesehen und nicht aufgrund seiner Beziehung zu seiner Umgebung für denkmalwürdig erklärt wird: „Die konkrete Situation kann in solchen Fällen je nach der besonderen Eigenart gekennzeichnet sein durch den spezifischen Bezug zur Geschichte der betreffenden Stadt oder auch schon durch den in ihm verkörperten individuellen künstlerischen Gehalt. Er ist es, der den Charakter und damit den besonderen ideellen — oder auch materiellen — Wert des Denkmalgrundstücks bislang ausgemacht hat. M i t dieser ,Belastung4 ... ist das Grundstück erworben. M i t ihr allein ist es von Verfassungs wegen dem Eigentümer gewährleistet." 48

43

DVB1. 1975, S. 933. RGZ 116, S. 268. 45 Leibholz/Lincke, DVB1. 1975, S. 933, 934. 46 Ebd., unter Hinweis auf Papier, Eigentumsgarantie und Geldentwertung, AöR 1973, S. 528 ff. 47 Leibholz/Lincke, S. 936 (Hervorhebung im Original). 48 Ebd., S. 939. 44

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§ 5 Entschädigungsrechtsprechung und Denkmalschutz

Maßnahmen des Denkmalschutzes, die den Eigentümer nicht daran hinderten, sein Grundstück künftig nach Art und Umfang wie bisher zu nutzen, seien daher als Ausdruck der Sozialbindung entschädigungslos hinzunehmen. Die Konsequenz der Situationsgebundenheit sei es, daß ein Grundstück nur in dem Umfang an der Eigentumsgarantie teilhabe, in dem bestimmte Nutzungsarten bereits verwirklicht oder zu einem Rechtsanspruch erstarkt waren, während die Umwidmung eines Grundstückes zu einem bisher nicht realisierten Verwendungszweck eine neue Situation und damit ein „Mehr" schaffen würde. Der Eigentümer könne deshalb nicht damit gehört werden, daß der Denkmalschutz ihn hindere, sein Grundstück durch Abriß der Gebäude und Neubebauung optimal zu nutzen 49 . Andererseits seien die Grenzen der Sozialbindung überschritten, wo aus Gründen, die mit dem baulichen Erhaltungszustand des Denkmals zusammenhingen, eine „angemessene Fortsetzung der bestimmungsgemäßen Nutzung" ohne Modernisierungsmaßnahmen nicht mehr möglich sei oder dem Eigentümer Erhaltungsgebote auferlegt würden, die nur mit unverhältnismäßigem Aufwand erfüllt werden könnten, die eine „äußerste Grenze des wirtschaftlich objektiv Vertretbaren" überschritten: „ I n diesem äußersten Fall würde der privatnützige Charakter des Grundstücks ganz zurücktreten, seine Funktion wäre geändert: in Wahrheit wäre das Gebäude nur noch Denkmal, daß heißt, ausschließlich dazu bestimmt, dem Wohl der Allgemeinheit zu dienen 50 . b) Das „Baden-Baden"-Urteil des Bundesgerichtshofes vom 8. Juni 1978

In seinem ersten Urteil zur Entschädigungspflicht aufgrund denkmalschutzrechtlicher Maßnahmen beurteilte der Bundesgerichtshof 51 die eigentumsrechtlichen Wirkungen einer auf das Baden-Württembergische Denkmalschutzgesetz 52 gegründeten Versagung einer Abbrucherlaubnis in enger Anlehnung an die Konzeption von Leibholz und Lincke. Der Bundesgerichtshof hatte über das Entschädigungsbegehren der Eigentümer eines über 5000 m 2 großen Grundstückes zu entscheiden, das mit einer in der Landesdenkmalliste verzeichneten, luxuriösen und repräsentativen Villa bebaut war. Die Kläger hatten geltend gemacht, das von ihnen allein bewohnte Gebäude erfordere einen jährlichen Bewirtschaftungsaufwand in Höhe von 60000,— D M . Ein beabsichtigter Verkauf zum Preise von 2,5 Mio. D M sei an der Eintragung in die Denkmalliste gescheitert, nach welcher nur mehr ein Kaufpreis von 1 Mio. D M zu erzielen gewesen sei. Die beantragte, aber abgelehnte Abrißgenehmigung habe der Errichtung eines Neubaus mit Eigentumswohnungen dienen sollen 53 . 49

Ebd., S. 939. Ebd., S. 939f. 51 BGHZ 72, S. 211. 52 Gesetz zum Schutze der Kulturdenkmäler vom 25. Mai 1971 (GBl. S. 209); jetzt in der Fassung der Gesetze vom 6. Dezember 1983 (GBl. S. 797) und 27. Juli 1987 (GBl. S. 230)). 50

II. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes

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Auf der Grundlage dieses klägerischen Vorbringens hielt der Bundesgerichtshof den Entschädigungsanspruch nach § 24 BadWürt DschG 5 4 für gerechtfertigt: Unter Anwendung der Rechtsprechung zur Situationsgebundenheit des Grundeigentums seien die auf dem Denkmalschutz beruhenden Beschränkungen grundsätzlich als Ausgestaltung der Sozialbindung zu begreifen. Andererseits müsse auch für den Denkmalschutz der Grundsatz gelten, daß die Grenze zwischen Sozialbindung und Enteignung dann überschritten sei, wenn eine bisher ausgeübte oder zulässige Nutzung untersagt würde, die der Lage und Beschaffenheit des Eigentums entspreche und von einem vernünftig denkenden Eigentümer ins Auge gefaßt werde 55 . Die bloße Minderbewertung eines unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes durch potentielle Käufer könne zwar eine Entschädigungspflicht nicht begründen, weil Nachteile erst dann enteignungsrechtliche Bedeutsamkeit erlangten, wenn sie den Eigentümer in seiner Rechtsposition beträfen. Es sei vielmehr zu fragen, ob die Minderbewertung ihren Grund in einem den Eigentümer in einer Rechtsposition betreffenden Eingriff habe 56 . Eine Beeinträchtigung einer Rechtsposition sah der Bundesgerichtshof in dem Zusammenwirken von vorgetragenem Bewirtschaftungsaufwand und Mindererlös beim beabsichtigten Verkauf, was einem Veräußerungsverbot gleichzustellen sei. Da den Klägern der Verkauf des Grundstücks zu einem Preise in Höhe von zwei Dritteln des Verkehrswertes des unbebauten Bodens nicht angesonnen werden könne, werde es ihnen durch Maßnahmen des Denkmalschutzes unmöglich gemacht, den Besitz zu veräußern. Beschränkungen der Veräußerungsbefugnis — „elementarer Bestandteil der Handlungsfreiheit im Bereich der Eigentumsordnung" — seien nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nur zu vorrangigen Gemeinwohlzwecken gerechtfertigt 57 , die nicht vorlägen; der Denkmalschutz gebiete es nicht, daß die Kläger Eigentümer ihres Grundbesitzes blieben 58 . Entschädigung sei ferner dann zu gewähren, wenn ein unter Denkmalschutz stehendes Gebäude nicht mehr sinnvoll genutzt werden könnte, es nur noch „Denkmal" sei und damit dem Wohl der Allgemeinheit diene 59 . Eine sinnvolle Nutzung des Gebäudes könne auch durch anhaltende, übermäßig hohe Bewirtschaftungskosten ausgeschlossen werden, da die Sozialbindung den Eigentümer nicht verpflichte, auf Dauer bei der Erhaltung des Denkmals „zuzuschießen" 60 . 53 54

BGHZ 72, S. 211 f.

Eine salvatorische Entschädigungsklausel: „Soweit Maßnahmen aufgrund dieses Gesetzes enteignende Wirkung haben, ist eine angemessene Entschädigung zu leisten.". 55 BGHZ 72, S. 211, 218. 56 BGHZ 72, S. 218 f. 57 BGHZ 72, S. 219 f. unter Hinweis auf BVerfGE 26, S. 215, 222. 58 BGH ebd. 59 BGHZ 72, S. 220 unter Hinweis auf Leibholz/Lincke, S. 940. 60 BGHZ 72, S. 220f. unter Hinweis auf Schmaltz, BauR 1976, S. 96f.

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§ 5 Entschädigungsrechtsprechung und Denkmalschutz

Der Bundesgerichtshof hielt allerdings nur eine solche Enteignungsentschädigung für gerechtfertigt, die erforderlich sei, um die infolge der Enteignung eingetretenen Vermögensnachteile abzuwenden. Dies, so das Gericht, sei regelmäßig der Betrag, der erforderlich sei, „um die Veräußerbarkeit des Besitzes oder dessen wirtschaftlich vertretbare Nutzung durch den Eigentümer zu ermöglichen, daß heißt, es ist letztlich ein angemessener Zuschuß zu den Aufwendungen für die Erhaltung und Bewirtschaftung des Gebäudes zu leisten" 61 . c) Das Urteil des Bundesgerichtshofes zum „Blücher-Museum" vom 9. Oktober 1986

In seiner zweiten Entscheidung 62 zu denkmalschutzrechtlichen Eigentumsbeschränkungen hatte der Bundesgerichtshof das auf § 31 RhldPf DSchPflG gestützte Entschädigungsbegehren des Eigentümers eines im Jahre 1780 errichteten Barock-Gebäudes zu beurteilen, daß dem Feldmarschall Blücher während des Befreiungskrieges gegen das napoleonische Frankreich zeitweise als Hauptquartier gedient hatte. In drei Räumen des Gebäudes wurde von der Stadt als Mieterin ein „Blücher-Museum" betrieben. Nachdem Verhandlungen über eine Erhöhung des Mietzinses erfolglos geblieben waren, kündigte der Eigentümer das Mietverhältnis mit der Stadt wegen Eigenbedarfs. Daraufhin wurde das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt — nach § 8 RhldPf DSchPflG durch Verwaltungsakt mit konstitutiver Wirkung — und zwar mit der „Maßgabe, daß das Blücher-Museum in den jetzigen Räumen belassen werden muß" 6 3 . Der Eigentümer verkaufte daraufhin das Gebäude zu einem Preis,der um 50000,— D M unter dem geschätzten Verkehrswert des Anwesens ohne die Unterschutzstellung lag. Der Bundesgerichtshof bejahte die Entschädigungspflicht nach § 31 RhldPf DSchPflG aufgrund folgender Erwägungen: Die Fassung des § 31 RhldPf DSchPflG 64 sei durch die frühere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes veranlaßt worden, der ein weiter, mittelbar der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG entnommener Enteignungsbegriff zugrundegelegen habe. Die „salvatorischen Entschädigungsklauseln" sollten den mit der Junktim-Klausel des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG einhergehenden Problemen begegnen, da unter der Geltung des weiten Enteignungsbegriffes kaum vorhersehbar war, ob gesetzeskonforme Eingriffe sich im Einzelfall 61

BGHZ 72, S. 222. BGHZ 99, S. 24. 63 BGHZ 99, S. 25. 64 Die Vorschrift gewährt nach § 31 Abs. 1 Satz 1 RhlDPf DSchPflG eine Entschädigung, wenn „die bisher rechtmäßig ausgeübte Nutzung eines Gegenstandes nicht mehr fortgesetzt werden kann und ... hierdurch die wirtschaftliche Nutzbarkeit insgesamt erheblich beschränkt" wird; § 31 Abs. 1 Satz 2 enthält eine undifferenzierte salvatorische Entschädigungsklausel; vgl. hierzu oben, § 2 V 6 b). 62

II. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes

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enteignend auswirkten 65 . Die Regelung des § 31 DSchPflG RhldPf sei, an den Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG gemessen, wirksam, da zum einen die Regelung in § 31 Abs. 1 Satz 1 DSchPflG RhldPf den Rahmen möglicher Enteignungsmaßnahmen hinreichend umschreibe, zum anderen sich die Junktim-Klausel nur auf den „engen, stark formalisierenden Begriff der Enteignung" beziehe, der der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zugrundeliege 66 . Von diesem Begriff der Enteignung als zweckgerichteter, finaler Maßnahme in Form eines Rechtsaktes habe auch der Bundesgerichtshof auszugehen; er habe deshalb die Haftungsinstitute des enteignenden und enteignungsgleichen Eingriffes von Art. 14 Abs. 3 GG „abgekoppelt" 67 . Mit § 31 RhldPf DSchPflG habe der Gesetzgeber eine „umfassende Entschädigungsregelung" schaffen wollen; dem entspreche es, die Vorschriften sowohl auf rechtmäßige als auch auf rechtswidrige Maßnahmen anzuwenden. Der Betroffene sei „im allgemeinen" nicht zur Prüfung der Rechtswidrigkeit der hoheitlichen Maßnahme verpflichtet, sondern könne sich auf den Standpunkt stellen, die belastende Maßnahme sei wirksam und sofort Entschädigung verlangen 68 . Ob der Unterschutzstellungsbescheid und die in ihm enthaltene Anordnung, das Museum in den Räumen zu belassen, enteignende Wirkung gehabt habe, beurteilte der Bundesgerichtshof nach „allemeinen enteignungsrechtlichen Grundsätzen": Auf jedem Grundstück laste eine aus seiner Situationsgebundenheit abzuleitende immanente Beschränkung der Rechte des Eigentümers, deren Grenzen „aufgrund einer wertenden Beurteilung der Kollision zwischen den berührten Belangen des Allgemeinwohls und den betroffenen Eigentümerinteressen" 69 festzustellen seien. Eine situationsbedingte Belastung könne angenommen werden, wenn ein als Leitbild gedachter, vernünftiger und einsichtigter Eigentümer, der auch das Gemeinwohl nicht aus dem Auge verliere, von sich aus von bestimmten Formen der Nutzung absehen würde. Neben der bisherigen Nutzung sei entscheidend, ob sich die untersagte Nutzung objektiv anbiete 70 . Diese Grundsätze werden sodann mit denselben Erwägungen auf den Denkmalschutz übertragen wie in der Entscheidung zur „Villa-Baden-Baden" 71 . Bei Anwendung dieser Grundsätze komme der Unterschutzstellung, die nur eine Verfahrenspflichtigkeit begründe, keine Enteignungswirkung zu; jedoch beinhalte die Anordnung eines „zwangsweisen Nutzungsverhältnisses" mit der Stadt einen über die Grenze der Sozialpflichtigkeit hinausgehenden Eingriff in die 65

BGHZ 99, S. 27. Unter Hinweis auf BVerfGE 52, S. 1, 27; 56, S. 249, 260; 58, S. 300, 331. 67 BGHZ 99, S. 29. 68 BGHZ 99, S. 29 unter Hinweis auf Götz, DVB1. 1984, S. 395, 397; hierzu unten, § 5 I I I 3 c). 69 BGHZ 99, S. 32. 70 BGH ebd. 71 Hierzu oben, § 5 I I 3 b). 66

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§ 5 Entschädigungsrechtsprechung und Denkmalschutz

Rechtsposition des Eigentümers. Das in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Eigentum sei durch Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis gekennzeichnet, wozu auch das Recht des Eigentümers zum eigenen Gebrauch und zur Entscheidung gehöre, ob er das Grundstück der Öffentlichkeit zugänglich machen wolle oder nicht. Entschädigungslos brauche der Eigentümer den freien Zugang zur Öffentlichkeit nicht zu dulden, wie sich insbesondere aus § 15 RhldPf DSchPflG ergebe, wonach die Behörde mit den Eigentümern Vereinbarungen über den freien Zugang zu Kulturdenkmälern treffen solle 72 . d) Das Urteil des Bundesgerichtshofes zur „Jungsteinzeit-Siedlung" vom 23. Juni 1988

Der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 23. Juni 1988 73 lag das auf § 24 Abs. 1 BadWürt DSchG gestützte Entschädigungsbegehren eines Eigentümers zugrunde, der auf seinem Grundstück über zehn Jahre Sandvorkommen abgebaut hatte. Als im Zuge der Abbaumaßnahmen auf dem Grundstück die Überreste einer Siedlung aus dem 4. bis 5. Jahrhundert vor Christus entdeckt wurden, untersagten die Behörden den Sandabbau zur Auswertung und Sicherung der Bodenfunde über einen Zeitraum von drei Jahren. Der Bundesgerichtshof hielt in enger Anlehnung an die Entscheidung zum „Blücher-Museum" das Entschädigungsbegehren nach § 24 Abs. 1 Satz 1 BadWürt DschG für begründet. Auch durch diese Vorschrift habe der Gesetzgeber eine umfassende Entschädigungsregelung für alle die Sozialgebundenheit des Eigentums überschreitenden Maßnahmen schaffen wollen, so daß die Vorschrift sowohl auf rechtmäßige als auch rechtswidrige Maßnahmen anzuwenden sei. Nach den Grundsätzen der Situationsgebundenheit des Grundeigentums könne eine besondere, „die Sozialbindung aktualisierende Situation sich auch aus der Tatsache ergeben, daß das Grundstück... im Erduntergrund archäologisch oder historisch wertvolle Kulturdenkmale aufweist.. . " 7 4 . Kennzeichnend für einen enteignenden Tatbestand sei es aber, wenn die von der Natur der Sache her gegebene und bisher rechtmäßig ausgeübte Nutzungsart eines Grundstückes untersagt werde 75 . Diese Nutzung präge ihrerseits die Situation, sie habe eine Situationsberechtigung für sich 76 . Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der Eigentümer nur einem vorübergehenden Verbot der Bodennutzung unterworfen wurde, sei ihm ein Sonderopfer abverlangt worden. In Anwendung der Rechtsprechung zur Festlegung der Opfer-

72

BGHZ 99, S. 32 ff. BGH JZ 1989, S. 188. 74 BGH JZ 1989, S. 189. 75 BGH JZ 1989, S. 189 unter Hinweis auf das „Gipsbruch-Urteil", BGH L M , Art. 14 GG Nr. 5. 76 BGH ebd., unter Hinweis auf Weyreuther, Situationsgebundenheit, S. 130, 172. 73

II. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes

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grenze bei Anliegerbeeinträchtigungen 77 habe der Eigentümer als Ausdruck der Sozialbindung einen „Sockelbetrag" seiner Vermögenseinbuße entschädigungslos hinzunehmen 78 . e) Das Urteil des Bundesgerichtshofes zur „Villa in den Elbvororten" vom 21. Dezember 1989

In seiner vorerst jüngsten Entscheidung 79 zu Entschädigungsbegehren von Denkmaleigentümern nahm der Bundesgerichtshof erneut zum Verhältnis von Entschädigungs- und Abwehrrechtsschutz Stellung. Die Eigentümerin einer Hamburger Gründerzeitvilla hatte vor demVerwaltungsgericht die Unterschutzstellung angefochten, den Rechtsstreit jedoch für erledigt erklärt, nachdem sie die Abriß- und Neubaupläne auf eine Zusatzbebauung beschränkt hatte. DasEntschädigungsbegehren stützte sie auf die behauptete Rechtswidrigkeit der Unterschutzstellung. Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos: Der Bundesgerichtshof unterschied in der Entscheidung klar zwischen dem auf eine gesetzliche Entschädigungsregelung und dem auf das Rechtsinstitut des enteignungsgleichen Eingriffs gestützten Entschädigungsbegehren. Da die Vorinstanz hier — im Gegensatz zu den Entscheidungen „Blücher-Museum" und „Jungsteinzeitsiedlung" — die Entschädigungsregelung des Hamburger Denkmalschutzgesetzes80 irrevisibel als nur auf rechtmäßige Maßnahmen anwendbar ausgelegt hatte, konnte die Klägerin mit der behaupteten Rechtswidrigkeit der Unterschutzstellung nicht durchdringen: Denn einem Entschädigungsanspruch nach den Grundsätzen des enteignungsgleichen Eingriffs stand die Tatsache entgegen, daß die Klägerin trotz ihrer Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Unterschutzstellung das verwaltungsgerichtliche Verfahren nicht fortgeführt und damit „eine Lage geschaffen (hatte), in der sie sich auch befunden hätte, wenn sie von Anfang an die Maßnahmen des Denkmalschutzes als rechtmäßig hingenommen und nur Entschädigung ... verlangt hätte." 8 1 Die Klage konnte schließlich auch nicht mit Erfolg auf § 22 Abs. 1 Hbg DSchG gestützt werden, da dieser Anspruch nach §24 Hbg DSchG in Verbindung mit §7 des Hamburger Enteignungsgesetzes zunächst bei der Enteignungsbehörde geltend zu machen ist, ein Verfahren vor der Enteigungsbe-

77

BGHZ 57, S. 359, 365 f.; BGH NJW 1980, S. 2703; BGH NJW 1983, S. 1663. BGH JZ 1989, S. 189. 79 BGH NJW 1990, S. 898. 80 § 22 Abs. 1 Hbg DSchG: „Wird ... eine beantragte Genehmigung abgelehnt... und wird dadurch eine wirtschaftlichzumutbare Nutzung eines Denkmals ... unmöglich oder wesentlich erschwert, so hat der Betroffene Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld.". 78

81

BGH NJW 1990, S. 899.

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§ 5 Entschädigungsrechtsprechung und Denkmalschutz

hörde im Streitfall aber nicht stattgefunden hatte. Der Senat stellte klar, daß diese Verfahrens- und Rechtswegregelung auch dann gelte, wenn der Anspruch aus § 22 Abs. 1 Hbg DSchG in einem anderen verfassungsrechtlichen Zusammenhang zu sehen wäre: „ . . . mag er sich nunmehr im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ... als Ausgleichsregelung im Bereich von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG und nicht als Enteignungsentschädigung im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG darstellen . . . " 8 2 I I I . Kritik und eigene Stellungnahme Die Kritik an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes läßt sich vier verschiedenen, aber eng miteinander verzahnten Aspekten zuordnen: Die Rechtsfigur der Situationsgebundenheit weist zunächst dogmatische Aussageschwächen auf (hierzu im folgenden 1.); die Entschädungsrechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist zudem nicht ausreichend in dem verfassungsrechtlichen System der Eigentumsgewährleistung verankert und mit diesem abgestimmt (2.); damit eng verbunden ist eine Vernachlässigung der wechselseitigen Abstimmung von Abwehr- und Entschädigungsrechtsschutz (3.), woraus schließlich eine Nivellierung der Gestaltungsmöglichkeiten des Landesgesetzgebers resultiert (4.). 1. Die Aussageschwäche des Begriffs der Situationsgebundenheit a) Funktionswandel

Der Begriff der Situationsgebundenheit hatte in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zunächst 83 die Funktion, aus der faktischen Beschaffenheit eines Grundstückes einen Maßstab für die Beantwortung der Frage zu gewinnen, ob auf der Grundlage der Einzelakt- und Sonderopfertheorien der hoheitliche Zugriff auf das Eigentum den betroffenen Eigentümer im Verhältnis zu anderen Eigentümern „ungleich" oder „gleich" traf und darum kompensationsbedürftig war oder nicht. Für die Beurteilung dieser Situation wurde entscheidend, ob eine bestimmte Nutzung bereits verwirklicht war: „ I n der Regel" entsprach die bereits verwirklichte Nutzung der Situation, die Untersagung dieser Nutzung ging also über die Situationsgebundenheit hinaus. Die Regel bedurfte der Korrektur in zweierlei Richtung: Zum einen erschien es unbillig, die Untersagung solcher bereits verwirklichter Nutzungen als entschädigungspflichtige Enteignung aufzufassen, welche nach den zur Zeit des Eingriffs geltenden Maßstäben als unangemessen bewertet wurden; 84 zum 82

BGH NJW 1990, S. 899 unter Hinweis auf BVerfGE 58, S. 137, 150ff. — Pflichtexemplar-Entscheidung —. 83 Im „Grünflächen-Urteil, s. oben § 5 I I 2 a). 84 „Hinterhaus-Urteil", s. oben § 5 I I 2 b).

III. Kritik und eigene Stellungnahme

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anderen sollte auch eine solche Nutzungsmöglichkeit nur gegen Entschädigung zu entziehen sein, die zwar nicht verwirklicht war, aber sich „objektiv anbot". Diese Korrektur gewährleistete die Rechtsfigur des „vernünftigen und einsichtigen Eigentümers, der auch das Gemeinwohl nicht aus dem Auge verliert" 85 . Diese Argumentationsfigur eröffnete dem Gericht Wertungen, die auf der Grundlage des Sonderopferbegriffs und der Beurteilung der faktischen Situation verschlossen waren: Sie ermöglichte die Abwägung mit den Gemeinwohlzwecken, die dem Eingriff zugrundelagen. Dies wird in der neueren Rechtsprechung deutlich, wenn das Gericht — im Rahmen der Lehre von der Situationsgebundenheit — auf die „wertende Beurteilung der Kollision zwischen den berührten Belangen des Allgemeinwohls und den betroffenen Eigentümerinteressen"86 abstellt. Die Berücksichtigung der mit dem Eingriff verfolgten Zwecke im Rahmen einer Abwägung ist allerdings erforderlich; sie entspricht sowohl allgemeiner Grundrechtsdogmatik als auch dem spezifisch eigentumsrechtlichen Grundrechtsschutz, den das Bundesverfassungsgericht durch die postulierte Abhängigkeit des Umfanges der gesetzgeberischen Gestaltungsbefugnis von dem jeweiligen Sozialbezug des Eigentums realisiert. 87 Die Gemeinwohlzwecke lassen sich aber nicht in die Rechtsfigur eines „einsichtigen Eigentümers" projizieren, sondern nur dem Gesetz entnehmen, da zum einen die Festlegung der Gemeinwohlzwecke dem Gesetzgeber obliegt, zum anderen deren Projektion in die „Einsicht" des Eigentümers die für die Abwägung grundlegende Entgegensetzung von privaten und öffentlichen Interessen 88 verwischen muß. Die Berücksichtigung der dem Eingriff zugrundeliegenden Gemeinwohlzwecke „sprengt" deshalb den Begriff der Situationsgebundenheit; wird er trotzdem beibehalten, wird er zur Leerformel, die—worauf Breuer 89 zu Recht hinweist— manipulierbar und deshalb für die forensische Praxis verhängnisvoll ist. b) Wahrung der Privatnützigkeit

Unter dem Mantel des Begriffs der Situationsgebundenheit stellt der Bundesgerichtshof zahlreiche, oftmals entscheidende Wertungen an, die in dieser Begrifflichkeit keinen Ausdruck finden. Diese Wertungen decken sich weitgehend mit dem oben erörterten „Kernbestand" der Privatnützigkeit des Eigentums, den das Bundesverfassungsgericht seiner Rechtsprechung zur Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers zugrundelegt. Es ist deshalb kein erstaunlicher Befund, daß die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sich in ihren entscheidenden Wertungen mit den oben dargelegten Strukturprinzipien der Rechtspre85 86 87 88 89

Oben, § 5 I I 2 a). „Blücher-Museum", BGHZ 99, S. 24, 31 f. Hierzu oben, §4 111 3. Weyreuther, Situationsgebundenheit, S. 7. Breuer, S. 147.

7 Kömer

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§ 5 Entschädigungsrechtsprechung und Denkmalschutz

chung des Bundesverfassungsgerichts deckt. So hat der Bundesgerichtshof in dem „Baden-Baden-Urteil" 90 maßgeblich darauf abgestellt, daß ein — auch faktisches — Veräußerungsverbot dem Grundrechtsgehalt des Art. 14 GG widerspreche; eine Wertung, die sich unschwer den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in der Kleingartenentscheidung 91 zuordnen läßt, wonach auch ein Veräußerungsverbot, das sich lediglich als praktisches Ergebnis einer gesetzlichen Regelung darstellt, in den Kernbestand der Privatnützigkeit eingreift. Ob aber ein solches „faktisches Veräußerungsverbot" durch Maßnahmen des Denkmalschutzes der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung widerspricht oder aber durch vorrangige Gemeinwohlbelange legitimiert ist, läßt sich der „Situationspflichtigkeit" nicht entnehmen, ja zur Situation eines Grundstückes nicht einmal sinnvoll in Beziehung setzen. Ebenso hat es mit der vorgegebenen Situation eines Grundstückes nichts zu tun, ob ein anhaltend hoher Bewirtschaftungsaufwand 92, ein zwangsweises Nutzungsverhältnis 93 oder der Ausschluß des Eigengebrauches zu Wohnzwecken mit der Gewährleistung des Eigentums vereinbar sind oder nicht. Diese Erwägungen lassen sich nicht der Situation eines Grundstückes entnehmen, sondern werden aus dem verfassungsrechtlichen Gebot der Wahrung der Privatnützigkeit des Grundeigentums gespeist: Der denkmalbedingt hohe Bewirtschaftungsaufwand kann die grundsätzlich gewährleistete Möglichkeit einer Renditeerzielung 94 verletzen, das zwangsweise Nutzungsverhältnis gegen das Recht zur Eigennutzung 95 verstoßen. Es führt auch nicht weiter, diesen Erwägungen dadurch Eingang in die Lehre von der Situationsgebundenheit zu verschaffen, indem man diesen Begriff durch die Vokabel einer „Situationsgerechtigkeit" ersetzt, wie dies Leibholz und Lincke 9 6 vorgeschlagen haben. Die Aussageschwäche der Begriffe der Situationsgebundenheit oder der Situationsgerechtigkeit resultiert aus dem Bestreben, den mit der Einzelakt- und Sonderopfertheorie verzahnten Begriff auch dann aufrechtzuerhalten, wenn der Bezugsrahmen und die maßgeblichen Wertungen längst gewechselt haben. Je größer aber Umfang und Anwendungsbereich eines abstrakten Begriffes, desto geringer muß sein Inhalt werden 97 .

90 91 92 93 94 95 96 97

BGHZ 72, S. 211, 219. BVerfGE 52, S. 1, 31. BGHZ 72, S. 211, 219 — „Villa Baden-Baden". BGHZ 99, S. 24, 32ff. — „Blücher-Museum" —. BVerfGE 38, S. 348, 371; BVerfGE 71, S. 230, 250. BVerfG NJW 1989, S. 970, 971; hierzu oben, §4 I I I 2 c). DVB1. 1975, S. 933, 938. Larenz, S. 432, 435.

III. Kritik und eigene Stellungnahme

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c) Denkmalrechtliche Siutationsgebundenheit als Umschreibung des gesetzlichen Erhaltungsinteresses

Im Zuge der Übertragung der Grundsätze der Situationsgebundenheit auf die Beurteilung der dem Grundeigentum zu Zwecken des Denkmalschutzes auferlegten Belastungen verlieren diese Grundsätze noch weiter dadurch an Aussagegehalt, daß die auf den Denkmalschutz angewandte „Situationspflichtigkeit" identisch ist mit der gesetzlichen Begriffsbestimmung von Bau- und Kulturdenkmälern. Diese Begriffstimmungen variieren in Details von Landesgesetz zu Landesgesetz98; gemeinsam ist ihnen aber die Voraussetzung eines öffentlichen Erhaltungsinteresses, das aus der (heimat-) geschichtlichen, künstlerischen, wissenschaftlichen oder städtebaulichen Bedeutung der baulichen Anlage resultiert. Mit diesen gesetzlichen Schutz- und damit Eingriffsvoraussetzungen fallt die vom Bundesgerichtshof formelhaft wiederholte 99 , im Anschluß an Leibholz und Lincke 1 0 0 gebrauchte denkmalschutzrechtliche Konkretisierung der Grundsätze der Situationsgebundenheit zusammen. Wenn das Gericht nämlich ausführt, von Situationsgebundenheit könne auch dann gesprochen werden, wenn ein Bauwerk für sich gesehen und nicht aufgrund seiner Beziehung zu seiner Umgebung für denkmalwürdig erachtet werde und die konkrete Situation in solchen Fällen „durch den spezifischen Bezug des bebauten Grundstücks zur Geschichte der betroffenen Stadt oder auch schon durch den in ihm verkörperten individuellen künstlerischen Gehalt" gekennzeichnet sei 1 0 1 , so wird damit nicht mehr zum Ausdruck gebracht, als daß ein (heimat-) geschichtlich, städtebaulich oder künstlerisch begründetes Erhaltungsinteresse bestehen kann. Der Aussagegehalt erschöpft sich also darin, daß denkmalschutzrechtliche Beschränkungen dem Grundeigentümer in Verfolgung eines legitimen Gemeinwohlzwecks auferlegt werden. Dies festzustellen, bedarf es eines Rekurses auf die Situation des Grundstücks allerdings nicht. Die Festlegung der vom Gesetzgeber verfolgten Gemeinwohlzwecke obliegt dem Gesetzgeber selbst; ob diese Gemeinwohlzwecke — das öffentliche Erhaltungsinteresse — die Beschränkungen des Grundeigentums in ihrer jeweiligen Intensität legitimieren, läßt sich mittels einer denkmalrechtlichen Situationsbetrachtung nicht klären. Der Rekurs auf dem Grundeigentum immanente „Pflichtigkeiten" ist deshalb überflüssig, weil sich die Legitimation von Grundrechtsbeschränkungen aus den vom parlamentarischen Gesetzgeber definierten — und verfassungsrechtlich überprüfbaren — Gemeinwohlzwecken ergibt, die in der fachgesetzlichen Ausgestaltung gem. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 G G oder in Enteigungsermächtigungen bzw. Legalenteignungen gem. Art. 14 Abs. 3 GG ihren Niederschlag finden. 98

Hierzu oben, § 2 I I 2. Sogleich bei Fn. 101. 100 DVB1. 1975, S. 933, 939. 101 BGHZ 72, S. 211, 217; nur leicht abgewandelt ebenso in: BGHZ 99, S. 24, 32 und BGH JZ 1989, S. 188, 189. 99

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§ 5 Entschädigungsrechtsprechung und Denkmalschutz

2. Die Abstimmung der Entschädigungsrechtsprechung mit dem verfassungsrechtlichen System der Eigentumsgewährleistung In der Entscheidung des Großen Senats vom 10. Juni 1952 102 hatte der Bundesgerichtshof noch klar zwischen der Enteignung und „der allgemein angeordneten inhaltlichen Bindung und Begrenzung des Eigentums" differenziert, welche auch dann nicht zur entschädigungspflichtigen Enteignung werde, wenn sie die verfassungsmäßigen Grenzen überschreite 103 . Diese Differenzierung zwischen verfassungswidriger Inhaltsbestimmung und entschädigungspflichtiger Enteignung mußte verloren gehen, als zum kennzeichnenden Tatbestandsmerkmal des Enteignungsbegriffs die Intensität des Eingriffs wurde. Je mehr der Bundesgerichtshof zur Feststellung eines Enteignungstatbestandes auf Merkmale des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und der Wahrung der Privatnützigkeit des Eigentums zurückgriff, desto geringer mußte der Anwendungsbereich des Begriffs einer verfassungswidrigen Inhaltsbestimmung werden. Dies liegt in der Logik eines durch den Enteigungsbegriff vermittelten Eigentumsschutzes 104 : Wird die Rechtsschutzgewährung an den Enteignungsbegriff gekoppelt, so bedeutet dies, daß alle Erwägungen, die im konkreten Fall für die Rechtsfolge „Rechtsschutz" sprechen, in den Enteigungsbegriff einfließen. Dieses Ineinanderfließen von Inhaltsbestimmung und Enteignung ist mit dem oben skizzierten System verfassungsrechtlicher Eigentumsgewährleistung nicht in Einklang zu bringen: Die Grundrechtsbindung von Legislative und Exekutive (Art. 1 Abs. 3 GG) bei eigentumsbeschränkenden Maßnahmen bedeutet, daß in diesem Zusammenspiel von Art. 14 GG und Art. 1 Abs. 3 G G die Schutzfunktion zentral von der in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 G G geregelten Eigentumsgewährleistung wahrgenommen wird, nicht aber von Art. 14 Abs. 3 GG, einer Vorschrift, die im Gegenteil gerade zu einer bestimmten Art von Eingriffen ermächtigt 105. Die Entschädigungsrechtsprechung steht mit den unterschiedlichen Voraussetzungen von Inhaltsbestimmung und Enteignung im Widerspruch 106 , da der Bundesgerichtshof das Vorliegen dieser Eingriffsvoraussetzungen nicht überprüft. In keiner der Entscheidungen wird die festgestellte Enteignung an den Erfordernissen des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG gemessen; in der Entscheidung zur „Villa-Baden-Baden" 107 wird die Erwägung, der Denkmalschutz erfordere es nicht, daß die Betroffenen Eigentümer ihres Grundstückes blieben, zur Begründung der Feststellung einer Enteignung herangezogen — diese Erwägung spräche eher dafür, daß die festgestellte „Enteignung" nach Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG rechtswidrig war, da eine Enteignung nur zum Wohle der Allgemeinheit 102 103 104 105 106 107

BGHZ 6, S. 270. BGHZ 6, S. 279. Schwerdtfeger, Dogmatische Struktur, S. 7f., lOf. Schwerdtfeger ebd., S. 7f. Hierzu oben, §4 1. BGHZ 72, S. 211, 220.

III. Kritik und eigene Stellungnahme

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zulässig ist. Ebenso wurde in der Entscheidung zum „Blücher-Museum" die „enteignende Wirkung" des zwangsweisen Nutzungsverhältnisses damit begründet, nach dem Denkmalschutzgesetz Rheinland Pfalz solle der Zugang der Öffentlichkeit durch Vereinbarungen mit dem Eigentümer ermöglicht werden— eine Erwägung, die zum einen für die Rechtswidrigkeit der Maßnahme spricht, zum anderen aber dafür, daß der Gesetzgeber den freien Zugang der Öffentlichkeit offenbar nicht als einen die Enteignung legitimierenden Gemeinwohlzweck angesehen hat. Die unzureichende Verankerung und Abstimmung der Entschädigungsrechtsprechung des Bundesgerichtshofes mit dem verfassungsrechtlichen System der Eigentumsgewährleistung bleibt auch nach der in seiner neueren Rechtsprechung vollzogenen Rezeption der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der „Abkoppelung" der Institute des enteignenden und enteignungsgleichen Eingriffes von Art. 14 Abs. 3 G G bestehen. So führt der Bundesgerichtshof in der Entscheidung zum „Blücher-Museum" den „formalisierenden" Enteignungsbegriff des Bundesverfassungsgerichts als maßgeblich auch für die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes an. M i t einer solchen Enteignung als zweckgerichteter, finaler Maßnahme 108 hatte es das Gericht in dem der Entscheidung zugrundeliegenden Rechtsstreit aber offenbar nicht zu tun, da das Gesetz für eine derartige Maßnahme — die Begründung eines zwangsweisen Nutzungsverhältnisses — keine Ermächtigungsgrundlage bereitstellte. Die Entschädigung stützte der Bundesgerichtshof demzufolge auch auf die salvatorische Klausel des § 31 DSchPflG als — vermeintlich 109 — „umfassender Entschädigungsregelung", die das Gericht offenbar losgelöst von dem verfassungsrechtlichen Enteignungsbegriff als einfach-gesetzliche Ausprägung seiner von Art. 14 Abs. 3 GG abgekoppelten Rechtsprechung zum enteignenden und enteignungsgleichen Eingriff ansieht. Unter dieser Prämisse war es aber überflüssig, in umfangreichen Ausführungen die Vereinbarkeit des § 31 RhldPf DSchPflG mit der Junktim-Klausel des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG darzulegen; denn die Junktim-Klausel, so der Bundesgerichtshof, beziehe sich nur auf den „engen" Enteignungsbegriff des Bundesverfassungsgerichts. 3. Die Gleichsetzung von rechtmäßigen und rechtswidrigen Belastungen des Eigentums a) Entstehung und weitere Entwicklung der Gleichsetzung

Begünstigt durch die richterrechtliche Entwicklung einer unmittelbaren Staatsunrechtshaftung in Gestalt des enteignungsgleichen Eingriffs durch einen „doppelten Erstrechtschluß" 110 , war in der Enteignungsrechtsprechung des 108 109 110

BGHZ 99, S. 24, 28. Hierzu sogleich unten, § 5 I I I 3 b). Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14, Rz 599 ff.

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§ 5 Entschädigungsrechtsprechung und Denkmalschutz

Bundesgerichtshofes bereits früh die Tendenz erkennbar, die Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit einer Eigentumsbeschränkung offen zu lassen. Bereits in der „Buchendom-Entscheidung" 111 wies das Gericht in einem Nebensatz daraufhin, über die Berechtigung der Eintragung des „Buchendoms" in die Liste der Naturdenkmäler hätten die ordentlichen Gerichte nicht zu entscheiden. Auch in anderen Entscheidungen wurde die Frage nicht aufgeworfen, obwohl Anlaß dazu bestanden hätte 1 1 2 . Wie dargelegt, erklärte der Bundesgerichtshof in den beiden jüngeren Entscheidungen zu denkmalschutzrechtlichen Eigentumsbeschränkungen 113 die Entschädigungsregelungen der §§31 RhldPf DSchPflG und 24 BadWürt DSchG explizit zu „umfassenden Entschädigungsregelungen", die auf rechtmäßige und rechtswidrige Maßnahmen anwendbar seien. Im Hinblick darauf ließ der Bundesgerichtshof die Frage offen, ob die in Rede stehenden Bescheide rechtswidrig oder rechtmäßig waren. Während in diesen Entscheidungen die Denkmaleigenschaft der baulichen Anlagen bzw. Bodenbestandteile nicht zu bezweifeln und Anlaß zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der behördlichen Maßnahmen sich aus deren konkreter Eingriffswirkung und Unverhältnismäßigkeit ergab, erklärte das Bayerische Oberste Landesgericht 114 in einer Entscheidung vom 21. Dezember 1987, die Denkmaleigenschaft der betreffenden baulichen Anlage könne im Streitfall dahingestellt bleiben: Die Klägerin könne den geltend gemachten Entschädigungsanspruch auch dann auf Art. 20 Abs. 1 Satz 1 Bay DSchG — eine salvatorische Entschädigungsklausel — stützen, wenn es sich bei dem Gebäude um kein Denkmal handeln sollte, da die Vorschrift sowohl für rechtmäßige als auch rechtswidrige Eingriffe im Vollzug des Denkmalschutzgesetzes gelte. Zwar hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung zu der „Villa in den Elbvororten" 115 den Anspruch auf Entschädigung in einer ähnlich gelagerten Konstellation mit der Erwägung verneint, der Kläger habe es versäumt, seine Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Unterschutzstellung im Wege des Primärrechtsschutzes geltend zu machen. Diese deutliche Begrenzung der Entschädigungsrechtsprechung des Bundesgerichtshofes bezieht sich jedoch ausdrücklich nur auf das Rechtsinstitut des enteignungsgleichen Eingriffs; für die vom Bundesgerichtshof als „umfassende Entschädigungsregelungen" angesehenen gesetzlichen Entschädigungsansprüche muß bis dato angenommen werden, daß das Gericht diese Entschädigungsregelungen auch dann für

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BGH DVB1. 1957, S.861. Anlaß zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Versagung einer Abrißgenehmigung bestand in BGHZ 72, S. 211 — „Villa Baden-Baden" —. 113 BGHZ 99, S. 24 — „Blücher-Museum" -; BGH JZ 1989, S. 188 — „JungsteinzeitSiedlung" —. 114 BayOblGZ 1987, S. 454, 457. 115 BGH NJW 1990, S. 898. 112

III. Kritik und eigene Stellungnahme

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anwendbar hält, wenn sich die Rechtswidrigkeit einer Maßnahme aus der fehlerhaften Beurteilung der Denkmalwürdigkeit einer baulichen Anlage ergibt. b) Widersprüche in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und des Bayerischen Obersten Landesgerichts begegnet folgenden Bedenken: Oben wurde gezeigt, daß sich aus der Verfassung zwar kein Subsidiaritätsgebot des Entschädigungs- gegenüber dem Abwehrrechtsschutz herleiten läßt, die dem Anfechtungsrecht korrespondierende Anfechtungslast vielmehr der einfach-gesetzlichen Normierung bedarf. Der Bundesgerichtshof hat — bezogen auf den enteignungsgleichen Eingriff — eine solche einfach-gesetzliche Regelung zutreffend in § 254 BGB gesehen. In seiner Entscheidung vom 26. Januar 1984 116 hatte das Gericht ausgeführt, der Betroffene eines rechtswidrigen hoheitlichen Eingriffs in das Eigentum habe nicht die freie Wahl, ob er den Eingriff mit den dafür vorgesehenen Rechtsmitteln abwehren oder ihn hinnehmen und stattdessen eine Entschädigung verlangen wolle. In entsprechender Anwendung des § 254 BGB stehe ihm ein Entschädigungsanspruch für solche Nachteile nicht zu, die er durch eine zumutbare, aber schuldhaft unterlassene Anfechtung hätte abwehren können. Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung zur „Villa in den Elbvororten" fortgeführt und bekräftigt, sie jedoch auf Entschädigungsansprüche aus dem Rechtsinstitut des enteignungsgleichen Eingriffs beschränkt. Es ist kein Grund ersichtlich, von diesem „negativen Tatbestandsmerkmal" 117 des enteignungsgleichen Eingriffs im Falle einer einfach-gesetzlichen Entschädigungsregelung abzuweichen. Die Begründung des Bundesgerichtshofes — eine knappe Bezugnahme auf die Gesetzgebungsmaterialien — überzeugt nicht: Zwar ist in den Materialien zu § 31 RhldPf DSchPflG 118 vom enteignungsgleichen Eingriff die Rede, aber — wie Ossenbühl 119 zutreffend ausgeführt hat — dieser Begriff wird dort nicht im staatshaftungsrechtlichen Sinne gebraucht. In den Materialien zu §24 BadWürt DSchG 1 2 0 — nach dem Bundesgerichtshof ebenfalls eine „umfassende Entschädigungsregelung" — ist explizit auf die Junktim-Klausel Bezug genommen, also nur an rechtmäßige Eingriffe gedacht worden 1 2 1 . Eine Regelungsabsicht hinsichtlich rechtswidriger Eingriffe läßt sich dem Gesetz auch deshalb nicht entnehmen, weil zu erwarten wäre, daß ein Gesetzgeber, der eine Entschädigungsregelung für rechtswidrige Eingriffe 116 117 118 119 120 121

BGHZ 90, S. 17, 31 f. Ossenbühl, Urteilsanmerkung, JZ 1989, S. 190 f. Amtliche Begründung zu § 30 RhldPf DSchPflG, LT-Drcks. 8/1030, S. 30. Ossenbühl, JZ 1989, S. 190. LT-Drcks. 5/2808, S. 29. Ossenbühl, JZ 1989, S. 190.

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§ 5 Entschädigungsrechtsprechung und Denkmalschutz

schaffen wollte — also in einem Teilbereich eine verschuldensunabhängige, unmittelbare Staatshaftung begründen wollte —, dies klar zum Ausdruck gebracht hätte 1 2 2 . Schließlich spricht gegen die Auslegung des Bundesgerichtshofes gerade der Umstand, daß sowohl § 24 Abs. 1 BadWürt DSchG als auch §31 RhdlPf DSchPflG auf einer Rezeption der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes beruhen; auf der Grundlage dieser früheren Rechtsprechung, die von der Alternative entschädigungslose Sozialbindung oder entschädigungspflichtige Enteignung beherrscht war, wollte der Gesetzgeber der Vorschrift des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG Rechnung tragen. Legt man — mit dem Bundesgerichtshof 123 —den „engen", „formalisierenden" Enteignungsbegriff des Bundesverfassungsgerichts zugrunde, stellt sich aber nunmehr die Frage, ob die auf der Grundlage einer anderen Rechtsprechung geschaffenen Entschädigungsregelungen in einem veränderten Bezugsrahmen nicht obsolet geworden sind 1 2 4 . c) Vermeidung des Widerspruches durch Interpretation salvatorischer Entschädigungsregelungen als Ausgleichsregelungen?

Der Widerspruch zu der vom Bundesgerichtshof andernorts über § 254 BGB vermittelten Beschränkung eines Wahlrechts des Betroffenen ließe sich aber möglicherweise vermeiden, wenn man die §§24 BadWürt DSchG, 31 Abs. 1 RhldPf DschPflG nicht als Entschädigungsregelungen für enteignende Eingriffe, sondern als Ausgleichsregelungen im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 G G verstünde 125 . Diese Konzeption liegt — zum Teil — der Folgerung von Volkmar Götz 1 2 6 zugrunde, der Betroffene könne sich auf den Standpunkt stellen, der Eingriff sei rechtmäßig, und von diesem Standpunkt aus eine gesetzlich vorgesehene Ausgleichsleistung verlangen. Da der Bundesgerichtshof 127 diese Auffassung explizit zur Begründung der Anwendbarkeit der gesetzlichen Entschädigungsregelungen auf rechtswidrige Maßnahmen heranzieht, ist die Konzeption der Entschädigungsregelungen als Ausgleichsansprüche hier zunächst kurz zu skizzieren; sie wird an anderer Stelle vertiefend behandelt. aa) Die Auffassung von Götz und anderen Volkmar Götz und andere Autoren 1 2 8 haben vorgeschlagen, salvatorische Entschädigungsregelungen als Ausgleichsleistungen im Rahmen von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zu interpretieren. I m Anschluß an die Pflichtexemplarent122

Ossenbühl, JZ 1989, S. 191. BGHZ 99, S. 24, 28 f. 124 Schmaltz, Urteilsanmerkung, DVB1. 1987, S. 571. 125 Hierzu oben, § 4 IV. 126 Götz, Urteilsanmerkung, DVB1. 1984, S. 395, 397f. 127 BGHZ 99, S. 24, 29. 128 Götz, DVB1.1984, S. 395; Battis, NVwZ 1982, S. 585, 589; Battis/ Schmittat, NuR 1983, S. 102, 107; Nüßgens/Boujong, Rz 340; Hendler, DVB1. 1983, S. 873, 879. 123

III. Kritik und eigene Stellungnahme

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Scheidung des Bundesverfassungsgerichts 129 wird den im Naturschutz-, Landschaftspflege- und Denkmalschutzrecht vorgesehenen Zuschuß-, Härteausgleichs- und Aufwendungsersatzregelungen der Zweck zugeschrieben, „dem Eigentümer auferlegte Pflichten und Beschränkungen in der Eigentumsnutzung erträglich zu machen und sie ... in den Schoß der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit zurückzuführen. " 1 3 0

Hiernach sollen die Entschädigungsregelungen also weder dem Gebot des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG Rechnung tragen, noch Ersatz für rechtswidriges Staatshandeln sein, sondern gerade die Rechtmäßigkeit einer hoheitlichen Maßnahme durch Abmilderung der Eingriffsintensität sicherstellen. bb) Folgerungen för das Verhältnis von Abwehr- und Entschädigungsrechtsschutz Es liegt auf der Hand, daß die über § 254 BGB vermittelte Beschränkung eines Wahlrechts dann nicht eingreifen kann, wenn der Entschädigungs-, besser: Ausgleichsanspruch gerade dem Zweck dient, die Rechtmäßigkeit des Eingriffs (wieder-) herzustellen. Denn die Überschreitung der Zumutbarkeitsschwelle durch den hoheitlichen Eingriff könnte im Wege der Anfechtung nicht abgewehrt werden; weil das Gesetz einen Ausgleich bereitstellt, wäre der Eingriff nicht rechtswidrig, folglich nicht abzuwehren 131 . §254 BGB könnte keine Anwendung finden. cc) Eigene Stellungnahme Diese Folgerungen unterliegen jedoch zwei Einschränkungen: (1) Die durch gesetzliche Ausgleichsansprüche gewährten Leistungen können — wenn überhaupt — nur solche Rechtsmängel „heilen", die gerade aus der an sich gegebenen Überschreitung der verfassungsrechtlich durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip gesetzten Eingriffs-, Intensitäts- oder Zumutbarkeitsschwelle resultieren. Geldleistungen können bereits vom Ansatz her nur zum Ausgleich eines zu intensiven, unverhältnismäßigen, die Privatnützigkeit des Eigentums mißachtenden Eingriffs dienen. Andere Rechtsfehler — Ermessensfehler, Zuständigkeitsmängel oder Verkennung des gesetzlichen Denkmalbegriffes — führen zur Rechtswidrigkeit des Eingriffs, gleichgültig, ob eine Entschädigungs-, Ausgleichs- oder Ersatzleistung zu gewähren ist oder nicht. Der von einer unzuständigen Behörde erlassene Unterschutzstellungsbescheid wird nicht deshalb rechtmäßig, weil das Gesetz eine Ausgleichs- oder Härteklausel enthält. Die Versagung einer Abrißgenehmigung aus denkmalschutzrechtli129

BVerfGE 58, S. 137; neuestens BVerfG NJW 1989, S. 1271,1272; OVG Berlin, GE 1990, S. 201, 205. 130 Götz, DVB1. 1984, S. 397. 131 Götz, ebd.

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§ 5 Entschädigungsrechtsprechung und Denkmalschutz

chen Gründen bleibt ein wegen des Vorbehalts des Gesetzes rechtswidriger Grundrechtseingriff, wenn es sich bei dem Gebäude nicht um ein Denkmal handelt — gleichgültig, ob das Gesetz einen Ausgleichsanspruch gewährt oder nicht. Gegenüber derartig rechtsfehlerhaften Eingriffen bleibt es bei der aus § 254 BGB resultierenden Pflicht des Betroffenen, den Eingriff abzuwehren. Das oben 1 3 2 erörterte Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts ist deshalb nicht haltbar. In diesem Sinne müssen auch die weiteren Ausführungen von Götz verstanden werden, wonach der Betroffene auch dann die Möglichkeit habe, sofort zum Verlangen nach finanziellem Ausgleich überzugehen, wenn der Eingriff an „Rechtsfehlerhaftigkeit" leide 133 . Diese Ausführungen sind in der Tat lediglich als Hinweis auf das „prozeßtaktische Verhalten" des Betroffenen zu verstehen, wie Ossenbühl 134 zutreffend bemerkt hat. (2) Eine weitere Einschränkung der oben erörterten Schlußfolgerung, die aus § 254 BGB resultierende Abwehrpflicht des Betroffenen gelte auf der Grundlage des Verständnisses von Entschädigungsregelungen als Ausgleichsansprüche nicht, ergibt sich aus dem gesetzlichen Regelungszusammenhang, in dem die einfach-gesetzliche Entschädigungsnorm steht. Die Möglichkeit, den durch die Entschädigungsnorm gewährten Anspruch als intensitätsmilderndeAusgleichsnorm im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zu interpretieren, ist nur dann eröffnet, wenn die gesetzlichen Eingriffsermächtigungen auch tatsächlich so weitreichend sind, daß sie „an sich" unzumutbare, weil unverhältnismäßige Eingriffe gestatten wollen, die sodann durch die Ausgleichsnorm „in den Schoß der Verhältnismäßigkeit" 135 zurückgeführt werden müssen. Nur dann, wenn die Eingriffsermächtigungen derart weitreichend sind, daß ihre Verfassungsmäßigkeit nur unter Bereitstellung eines Ausgleichsanspruches gewahrt werden kann, bedarf es einer solchen Ausgleichsregelung. Ob dies der Fall ist, oder ob der Eingriff schon von seiner Ermächtigungsgrundlage her auf das Verhältnismäßige beschränkt werden soll — was zur Folge hätte, daß die Entschädigungsregelungen obsolet wären —, läßt sich nur anhand des rechtmäßigen Vollzuges des Gesetzes beurteilen. 136 Denn eine mögliche rechtswidrige Handhabung eines in sich verfassungsmäßigen Gesetzes vermag dessen Auslegung nicht zu bestimmen. Diese Perspektive ist dem Bundesgerichtshof deshalb versperrt, weil er rechtmäßige und rechtswidrige Eingriffe seit jeher ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Folgen für den Betroffenen betrachtet hat. Die systematische Interpretation muß sich aber dem Regelungszusammenhang zuwenden, um 132 133 134 135 136

Hierzu oben, § 5 I I I 3 b). Götz, DVB1. 1984, S. 397. Ossenbühl, Urteilsanmerkung JZ 1989, S. 190, 191. Götz, DVB1. 1984, S. 397. Schmaltz, Urteilsanmerkung, DVB1. 1987, S. 571.

III. Kritik und eigene Stellungnahme

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erkennen zu können, welche Funktion einem Entschädigungsanspruch zukommt. Die Erkenntnis dieser Funktion wiederum ist erforderlich, um Widersprüche zu der andernorts postulierten Abwehrpflicht zu vermeiden. 4. Die Nivellierung gesetzgeberischer Gestaltungsmöglichkeiten a) Orientierung an den EingrifTsfolgen

Ein letzter Aspekt der Kritik an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes erschließt sich erst bei näherer Betrachtung der Wirkungen der eben angesprochenen Folgenorientierung dieser Rechtsprechung: Bei der Entscheidung über das Entschädigungsbegehren eines betroffenen Eigentümers betrachtet der Bundesgerichtshof ausschließlich die Folgen, die eine Maßnahme für den Eigentümer hatte. Bei dieser Verfahrensweise ist es gleichgültig, ob das die Behörden ermächtigende Gesetz den durch den Eingriff bewirkten Zustand anstrebt oder die Behörden „eigenmächtig" — also rechtswidrig — einen vom Gesetz nicht angestrebten Zustand geschaffen haben; unabhängig von den gesetzgeberischen Intentionen wird der als „enteignend" oder „enteignungsgleich" erkannte Zustand durch eine Geldleistungspflicht kompensiert. Offensichtlich entfallt hierbei ein Steuerungsmodus, der in der mit den Abwehrrechten des Betroffenen verbundenen Rechtmäßigkeitskontrolle begründet liegt. Das Recht des Betroffenen zur Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes dient in diesem Sinne auch als Mittel zur Erreichung des gesetzlich angestrebten Zustandes und zur Vermeidung gesetzlich nicht gewollter Kosten. b) Gesetzgeberische Gestaltungsmöglichkeiten im Denkmalschutzrecht

Im Rahmen gesetzgeberischer Intentionen und Gemeinwohlbelange, deren Lasten teils von privaten, teils von der öffentlichen Hand zu tragen sind, bedeutet dies das folgende: Der Gesetzgeber hat bei der Verwirklichung des von ihm definierten Gemeinwohlzwecks „Denkmalschutz" verschiedene Gestaltungsalternativen; er kann Denkmalschutz bis zur Grenze des dem Eigentümer verfassungsrechtlich Zumutbaren verwirklichen und jene Zielvorstellungen aufgeben, die mit darüberhinausgehenden Lasten verbunden wären. Er kann andererseits zum Zwecke eines weitreichenden Denkmalschutzes über diese Grenze hinausgehen und die hierbei entstehenden überschüssigen Lasten selbst tragen, nämlich im Wege von Ausgleichsleistungen. Wie gezeigt wurde 1 3 7 , haben die Landesgesetzgeber von diesen unterschiedlichen Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht. Die Denkmalschutzgesetze der Länder verfolgen nicht allesamt das Ziel der Sicherung des öffentlichen 137

Hierzu oben, § 3 II.

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§ 5 Entschädigungsrechtsprechung und Denkmalschutz

Erhaltungsinteresses „um jeden Preis"; vielmehr lassen sich die Gesetze in dieser Hinsicht drei Gruppen zuordnen: Es finden sich Denkmalschutzgesetze, die die Maßnahmen tatbestandlich auf das dem Eigentümer Zumutbare begrenzen, solche Gesetze, die eine derartige Begrenzung jedenfalls im Vollzug zulassen, und schließlich Gesetze, die eine Begrenzung der dem Eigentümer auferlegten Erhaltungspflicht nicht kennen, sondern dessen Belange ausschließlich im Rahmen der Entschädigungsregelungen wahrnehmen. Wird nun der rechtswidrige, den gesetzgeberischen Zielvorstellungen von Denkmalschutz und Kostenbegrenzung nicht entsprechende Vollzug durch Geldleistung kompensiert, so entsteht dabei ein Zustand, der die gesetzgeberischen Gestaltungsziele in beiderlei Hinsicht mißachtet: Denkmalschutz reicht weiter — in der Ausprägung der Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts sogar in qualitativer Hinsicht — als der Gesetzgeber beabsichtigte; die öffentliche Hand trifft Lasten in Gestalt der Ausgleichs- oder Entschädigungszahlungen, die gerade vermieden werden sollten. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Gleichsetzung von rechtswidrigen und rechtmäßigen Belastungen des Eigentums bedeutet zwar keinen Eingriff in die Freiheit der Denkmalschutzbehörden bei ihrer Entscheidung darüber, welche Objekte sie auch um den Preis eines finanziellen Ausgleichs erhalten wissen wollen oder wegen fehlender Mittel dem Verfall oder Abriß preisgeben. 138 Der hiergegen gerichtete Einwand, die Behörde habe sich vor einer Verfügung darüber Gedanken zu machen, ob eine Maßnahme die Grenzen entschädigungslos hinzunehmender Konkretisierung der Sozialpflichtigkeit des Eigentums überschreitet oder nicht 1 3 9 , ist zutreffend. Die Behörden haben sich auch bei einer die tatbestandlichen Begrenzungen überschreitenden und später kompensierten Maßnahme für den Erhalt entschieden und von ihrer „Entscheidungsfreiheit" in rechtswidriger Weise Gebrauch gemacht. Der Bundesgerichtshof greift darum nicht in die Entscheidungsfreiheit der Behörden ein, sondern in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. Die gleichförmige Kompensation von rechtswidrigen und rechtmäßigen Maßnahmen durch Geldersatz verwischt die Konturen der gesetzgeberischen Gestaltung, indem sie den rechtswidrigen Vollzug ungeachtet der Intentionen des Gesetzgebers „zementiert". Gegen diese Kritik ließe sich allerdings der Einwand erheben, es sei nicht Aufgabe des Betroffenen, den gesetzmäßigen Vollzug der Denkmalschutzgesetze sicherzustellen. Dieser Einwand klingt bei Moench 1 4 0 an, wenn er meint, es sei nicht einzusehen, warum das Risiko unrichtiger Einschätzung und die Last der Prozeßführung im Rahmen des Primärrechtsschutzes der Bürger tragen solle. Diesem Einwand ist zunächst entgegenzuhalten, daß die Last der Prozeßführung im Rahmen des Abwehrrechtsschutzes nicht schwerer wiegt als die Last der 138 139 140

So aber Schmaltz, Urteilsanmerkung, DVB1. 1987, S. 571. Moench/Schmidt, Baugestaltung, S. 126 bei F N 305. Moench/Schmidt ebd.

IV. Zusammenfassung und Fortgang der Darstellung

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Prozeßführung im Rahmen des Entschädigungsrechtsschutzes. Ferner ist darauf hinzuweisen, daß die Risiken der richtigen Wahl des Rechtsschutzes durch das im Rahmen vom §254 BGB erforderliche Verschulden 141 der unterlassenen Anfechtung aufgefangen wird. I m übrigen ist die Anwendbarkeit von § 254 BGB eben Ausprägung der oben erörterten Anfechtungslast, die dem Anfechtungsrecht korrespondiert. Wer die Möglichkeit zur Schadensminderung hat, muß diese wahrnehmen, falls er Nachteile nicht erleiden will. Die hier erörterte Sicherung des gesetzmäßigen Vollzugs durch den Abwehrrechtsschutz ist nur ein Reflex dieser Schadensminderungspflicht, aber keine zusätzliche Belastung, die dem Bürger angesonnen würde — allerdings eine wichtige Reflexwirkung, die verloren geht, wenn rechtswidrige und rechtmäßige Eingriffe im Rahmen einfach-gesetzlicher Entschädigungsregelungen gleichgesetzt werden. I V . Zusammenfassung und Fortgang der Darstellung 1. Zusammenfassung Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, daß dem Bundesgerichtshof eine widerspruchsfreie Verankerung und Abstimmung seiner Rechtsprechung mit dem System der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung nicht gelungen ist. Die Rechtsfigur der Situationsgebundenheit und die Doktrin von einer dem Grundeigentum immanenten Pflichtigkeit erlauben es zum einen nicht, die im Rahmen des spezifischen Eigentumsschutzes und der allgemeinen Grundrechtslehren zu berücksichtigenden, gesetzlich definierten Gemeinwohlzwecke zu erkennen, zu bewerten und mit der jeweiligen Belastung des Eigentums abzuwägen, zum anderen finden auch die vom Bundesgerichtshof selbst für entscheidungsrelevant erachteten Erwägungen in der Formel von der Situationsgebundenheit keinen Ausdruck. Die Gleichsetzung von rechtswidrigen und rechtmäßigen Eingriffen im Rahmen einfach-gesetzlicher Entschädigungsregelungen läßt sich nicht widerspruchsfrei mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Anwendbarkeit von §254 BGB im Rahmen enteignungsgleicher Eingriffe in Einklang bringen. Dies gilt auch dann, wenn man die Entschädigungsregelungen als Ausgleichsregelungen versteht, die die Verhältnismäßigkeit eines Eingriffes sichern sollen. Auf der Basis einer solchen Konzeption müßte zum einen nach der Qualität der Rechtswidrigkeit, zum anderen nach dem gesetzlichen Regelungszuammenhang differenziert werden. Die gleichförmige Kompensation gesetzlich gewollter und gesetzlich ungewollter Belastungen durch Geldersatz verkennt die gesetzgeberischen Gestaltungsbefugnisse und führt zu einer Nivellierung der gesetzgeberischen Gestaltungsmöglichkeiten.

141

BGHZ 90, S. 17, 32: „Verschulden in eigener Angelegenheit".

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§ 5 Entschädigungsrechtsprechung und Denkmalschutz

2. Folgerungen für den Fortgang der Arbeit Aus diesen Erwägungen ergibt sich der Fortgang der Untersuchung: Zunächst ist der Standort der denkmalschutzrechtlichen Regelungen im Gefüge des Art. 14 GG zu bestimmen, um die gesetzliche Regelung an den verfassungsrechtlichen Anforderungen messen zu können, die das Grundgesetz für die in Rede stehende Art von Beschränkungen des Eigentums vorsieht. Die materielle Prüfung der jeweils zulässigen Eingriffsintensität von Maßnahmen des Denkmalschutzes setzt voraus, daß zuvor der mit den Denkmalschutzgesetzen verfolgte Gemeinwohlzweck untersucht und der „soziale Bezug" des denkmalgeschützten Eigentums beleuchtet werden. Erst eine so ermittelte „Wertigkeit" des Denkmalschutzes auf einer Skala von mehr oder minder bedeutsamen Belangen des Gemeinwohls erlaubt es, die zulässige Eingriffsintensität denkmalschützerischer Maßnahmen zu untersuchen. Diese Maßnahmen sind in Fallgruppen zu ordnen, da dieAuseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof auch gezeigt hat, daß die Anwendung theoretischer Großformeln auf alle denkbaren und gesetzlich vorgesehenen Beschränkungen des Eigentums zu wenig brauchbaren Ergebnissen führt. 1 4 2 Nachdem auf diese Weise die verfassungsrechtlich erlaubte „Intensitätsschwelle" für die Maßnahmen des Denkmalschutzes ermittelt wurde, ist sodann der Frage nachzugehen, ob die Intensität denkmalschützerischer Eingriffe durch Ausgleichsansprüche verlagert werden kann und die in den Landesgesetzen enthaltenen Entschädigungsregelungen zu diesem Zwecke herangezogen werden können. In diesem Rahmen ist das bereits angesprochene Problem zu vertiefen, daß Ausgleichsansprüche im Rahmen des gesetzlichen Regelungszusammenhangs zu beurteilen sind und es deshalb darauf ankommt, ob das jeweilige Gesetz die Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs bereits auf der Tatbestandsebene zu wahren sucht oder aber die Eigentümerbelange ausschließlich in den Entschädigungszusammenhang verweist.

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Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rz 310.

§ 6 Die Denkmalschutzgesetze im verfassungsrechtlichen System der Eigentumsgewährleistung Die Erörterung der dogmatischen Struktur der Eigentumsgewährleistung hat verdeutlicht, daß die Zuordnung normativer Regelungen im System des Art. 14 GG nicht davon abhängig gemacht werden darf, ob im Vollzug dieser Regelungen eine Enteignung „vorliegt", sondern deren Prüfungsmaßstab vielmehr danach zu bestimmen ist, ob der Gesetzgeber eine Enteignung in Gestalt des überleitungslosen Entzuges subjektiver Rechtspositionen bezweckte. Allein diese historisch-teleologische Betrachtung ermöglicht die vorausschauende Erkenntnis des Gesetzgebers, ob und wie er den Anforderungen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 G G einerseits oder den Bestimmungen des Art. 14 Abs. 3 GG andererseits genügen kann. Dies bedeutet umgekehrt, daß die Existenz lediglich einer salvatorischen Entschädigungsklausel im Wege verfassungskonformer Auslegung dafür spricht, daß das Gesetz zu einer Enteignung nicht ermächtigt 1 . I . Der Prüfungsmaßstab denkmalschutzrechtlicher Eingriffsregelungen Die Zuordnung der Denkmalschutzgesetze im Rahmen der nach Art. 14 GG dreifach gegliederten Ermächtigung des Gesetzgebers zum Erlaß eigentumsrelevanter Vorschriften — Inhaltsbestimmung, Legalenteignung, Administrativenteignung — erfordert es, bei der Betrachtung zwischen den jeweiligen konkreten Regelungen zu differenzieren. Im folgenden werden zunächst die verfahrensrechtlichen Bestimmungen erörtert (1), sodann die Instandhaltungs- und Instandsetzungsgebote (2), um anschließend die Nutzungsregelungen (3), die Veränderungsverbote (4) und die Bestimmungen über die förmliche Enteignung dem System des Art. 14 GG zuzuordnen (5). 1. Verfahrensrechtliche Bestimmungen a) Konstitutives und deklaratorisches System

Die unterschiedlichen verfahrensrechtlichen Systeme des Denkmalschutzes verlangen zunächst eine Präzisierung: Während die als belastender Verwaltungsakt ausgestaltete konstitutive Unterschutzstellung in ihrer Wirkung auf die Rechtsstellung des Eigentümers klar zu fassen ist — Rechtsfolge ist die 1

Papier, NWVB1. 1990, S. 397, 400; hierzu bereits oben, §4 I I 5.

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§ 6 Denkmalschutz im System der Eigentumsgewährleistung

Anwendbarkeit der gesetzlichen Bestimmungen —, stellt sich hinsichtlich der deklaratorischen Systeme die Frage, welche Regelungen insoweit unter dem Gesichtspunkt des Art. 14 G G zu betrachten sind. Die deklaratorische Eintragung eines Denkmals in die Denkmalliste hat gerade keine rechtliche Außenwirkung; die gesetzliche Anordnung der deklaratorischen Eintragung bezweckt deshalb weder die Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, noch zielt sie auf den Entzug konkreter Rechtspositionen ab. Die der konstitutiven Unterschutzstellung komplementäre Regelung in den deklaratorischen Verfahrenssystemen stellt vielmehr die gesetzliche Definition des Denkmals mit den daran geknüpften Rechtsfolgen dar. Der „ipso iure" eintretende Denkmalschutz und die konstitutive Unterschutzstellung unterwerfen das Baudenkmal dem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt; dieser gemeinsame Regelungszweck erlaubt es, die rechtstechnisch unterschiedliche Ausgestaltung der gemeinsamen Betrachtung zu unterziehen. b) Die Anordnung des präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt als Inhaltsbestimmung des Eigentums

Die gesetzliche Anordnung der konstitutiven Eintragung und das Generalklauselprinzip der deklaratorischen Systeme stellen zunächst nur den rechtstechnischen Anknüpfungspunkt für die mit der Denkmaleigenschaft verbundenen gesetzlichen Pflichten dar 2 . Durch den Genehmigungsvorbehalt wird der Eigentümer einer Verfahrenspflichtigkeit 3 unterworfen, das notwendige Verwaltungsverfahren bewirkt eine vorläufige Sperrwirkung. Unabhängig von der inhaltlichen Ausgestaltung bewirkt der Genehmigungsvorbehalt zunächst nur, daß Änderungen am Kulturdenkmal mit zeitlichen Verzögerungen vorgenommen werden können 4 . Durch die Auferlegung dieser Verfahrenspflicht regelt der Gesetzgeber abstrakt und generell Rechte und Pflichten des Eigentümers; er schafft damit Rechtssätze, die auf der Ebene des objektiven Rechts die Rechtsstellung des Eigentümers ausformen und damit den Inhalt des Eigentumsrechts vom Inkrafttreten des Gesetzes an für die Zukunft (neu-) gestalten5. Die Vorschriften über die konstitutive Eintragung und die gesetzliche Normierung des präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt stellen mithin Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar 6 . Dies gilt unabhängig von der Frage, mit welchen Belastungen rechtlicher und tatsächlicher Art die Eintragung verbunden ist; da zwischen der Inhaltsbestimmung und Enteignung 2 Battis/Schmittat, NuR 1983, S. 102,105; OVG Lüneburg, DVB1. 1984, S. 284, 285; BVerwG DVB1. 1984, S. 638, 639. 3 BGH NVwZ 1988, S. 963. 4 OVG Lüneburg, DVB1. 1984, S. 284.; BVerwG, DVB1. 1984,S. 638. 5 Hierzu oben, § 4 II. 6 BVerwG DVB1. 1984, S. 638, 639.

I. Der Prüfungsmaßstab

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kein Stufenverhältnis existiert, wandelt sich eine Regelung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG auch bei Verfassungswidrigkeit infolge zu hoher Belastungsintensität nicht in eine Enteignungsregelung 7. Diese Zuordnung der verfahrensrechtlichen Regelungen des Denkmalschutzes wird auch von jenen Auffassungen geteilt, die Inhalts- und Schrankenbestimmungen nach materiellen Kriterien von der Enteignung abgrenzen 8, was angesichts der Tatsache, daß bereits die Unterschutzstellung mit erheblichen Folgen für den Eigentümer verbunden sein kann, im Rahmen mancher Konzeption zu Widersprüchen führt. So soll nach einer Auffassung 9 die Enteignung von der Inhaltsbestimmung einerseits anhand der mit den Maßnahmen des Denkmalschutzes einhergehenden Verkehrswertminderung abgegrenzt werden, während andererseits 10 der Unterschutzstellung nie enteignender Charakter zukommen soll, was im Hinblick darauf erklärungsbedürftig wäre, daß bereits die Unterschutzstellung erhebliche Verkehrswertminderungen nach sich ziehen kann 1 1 . Wie dargelegt 12 , hatte zwar das Reichsgericht in dem „Galgenberg-Urteil" die „entscheidende Handlung", die eine Enteignung begründe, in der konstitutiven Eintragung eines Grundstücks als Umgebung eines Baudenkmals und nicht etwa in dem darauffolgenden Sandabbauverbot gesehen13. Dem kann aus zweierlei Gründen nicht gefolgt werden: Das Reichsgericht verkennt schon die Rechtsfolgen der Eintragung und des damit anwendbaren Genehmigungsvorbehalts, dem nur die Bedeutung einer präventiven Kontrolle zukommt 1 4 . Auf der Grundlage der Einzelakttheorie sah es die Eintragung deshalb als „entscheidende Handlung" an, weil bereits durch diese Verwaltungsmaßnahme der Kreis der in ihren Rechten beschränkten Eigentümer von den nicht belasteten geschieden wurde. Unter der Geltung des Art. 14 GG und eines präzisierten Enteignungstatbestandes vermag die Begründung des Reichsgerichts ferner deshalb nicht zu überzeugen, weil die Einzelakttheorie nur nach den Rechtsfolgen einer Regelung — eben den Belastungen — differenziert, nicht aber nach den mit einer eigentumsrelevanten Vorschrift verfolgten Zwecken, die im „Galgenberg-Fall" bereits seinerzeit darin lagen, dem „Begriff des Eigentums für Hamburg einen engeren Inhalt als anderwärts" zu geben — diese Rechtsverteidigung des beklagten Staates Hamburg, die das Denkmal- und Naturschutzgesetz als Inhalts- und Schrankenbestimmung 7

Hierzu oben, § 4 I I 2. BGHZ 99, S. 24, 33; BGH NVwZ 1988, S. 963, 964; Nüßgens/Boujong, Rz 222. 9 Parodi, S. 167 f. 10 Ebd., S. 137. 11 Hierzu bereits oben, § 3 I 2. 12 Hierzu bereits oben, § 5 I 2. 13 RGZ 116, S. 268, 271. 14 OVG Lüneburg, DVB1. 1984, S. 284, 285. 8

8 Kömer

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§ 6 Denkmalschutz im System der Eigentumsgewährleistung

wertete und diese in einen „kontradiktorischen Gegensatz" zur Enteignung rückte 15 , findet damit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine späte Bestätigung. 2. Instandhaltungs- und Instandsetzungsgebote Die denkmalschutzrechtlichen Erhaltungs-, Instandhaltungs- und Instandsetzungsvorschriften verpflichten den Eigentümer einerseits, das Baudenkmal in einem denkmalgerechten Zustand zu erhalten, sie ermächtigen die Behörden andererseits zur Anordnung bestimmter Erhaltungsmaßnahmen; in beiderlei Hinsicht wird dem Eigentümer die Pflicht zu einem positiven Tun auferlegt. Der Gesetzgeber gestaltet auch mit diesen Vorschriften die Rechtsstellung des Eigentümers — in concreto seine Pflichten — abstrakt und generell. M i t der Ermächtigung zur Anordnung von Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen soll dem Grundstückseigentümer keine konkrete Rechtsposition entzogen, sondern seine Befugnis zur eigenverantwortlichen Bestimmung des Erhaltungszustandes für die Zukunft umgestaltet werden. Die genannten Regelungen sind deshalb Inhaltsbestimmungen im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, was wiederum unabhängig vom Grad der mit den angeordneten Maßnahmen einhergehenden Belastungen gilt. Wie gezeigt, kann der erhöhte Erhaltungsaufwand im Einzelfall dazu führen, daß ein Grundstück als Zuschußobjekt zu Vermögensminderungen führt. Gleichwohl ändern derart intensive Belastungen nichts an der verfassungsrechtlichen Zuordnung: Der Gesetzgeber bezweckt auch mit der Auferlegung übermäßig intensiver Pflichten nicht, konkrete Rechtspositionen zu entziehen, sondern beabsichtigt — möglicherweise unter Verkennung seiner verfassungsrechtlichen Grenzen — die Rechtsstellung des Eigentümers für die Zukunft neu zu gestalten. Da fast alle Landesgesetze die Instandhaltungs- und Instandsetzungspflichten tatbestandlich auf das dem Eigentümer Zumutbare begrenzen, sehen auch jene Autoren, die Inhaltsbestimmungen von Enteignungen nach den materiellen Eingriffsfolgen abgrenzen wollen, in den bezeichneten Regelungen Inhaltsbestimmungen des Eigentums 16 . Das Dilemma dieser Konzeptionen offenbart sich bei der Frage nach dem Rechtsschutz, wenn die Behörden bei der Auferlegung von Erhaltungsmaßnahmen diese Grenze verletzen: „Belastungen oberhalb der Zumutbarkeitsgrenze" wird enteignende Wirkung zugerechnet, die durch salvatorische Entschädigungsregelungen kompensiert werden soll 1 7 , ohne daß es einer Anfechtung der rechtswidrigen Anordnung bedürfe 18 . Es entfallt die 15

Breuer, S. 106. Müller, S. 190; Upmeier, in: Memmersheimer/Upmeier/ Schönstein, §7 Rz 11; Martin, in: Eberl/Martin/Petzet, Art. 4 Rz 5; Strobel, in: Strobel / Majocco / Birn, §6 Rz 7. 17 Strobel, §6 Rz 17. 18 Was der BGH jedenfalls im Rahmen einfach-gesetzlicher Entschädigungsregelungen billigt, BGHZ 99, S. 24 ff. 16

I. Der Prüfungsmaßstab

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allein mit dem Abwehrrechtsschutz verbundene Rechtmäßigkeitskontrolle, verhindert wird darüberhinaus eine vorausschauende Allokation von Haushaltsmitteln 19 . Den rechtlichen Charakter einer Enteignung verkennt schließlich jene Auffassung, die deren Vorliegen von der mit den Erhaltungspflichten verbundenen Verkehrswertminderung abhängig machen will 2 0 . Daß die Höhe der Verkehrswertminderung für die verfassungsrechtliche Zuordnung einer Erhaltungsmaßnahme kein taugliches Kriterium sein kann, ergibt sich bereits daraus, daß die rechtliche Subsumtion einer gesetzlichen Regelung unter einen Verfassungssatz nicht von mittelbaren, faktischen Marktfolgen abhängig sein kann. Zu Recht betont das Bundesverwaltungsgericht im Anschluß an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, eine Enteignung könne immer nur durch einen Rechtsakt erfolgen 21 . Aber auch bei immanenter Betrachtungsweise dürfte es schwerfallen, die Verkehrswertminderung oder gar deren konkrete Höhe einer bestimmten Erhaltungsmaßnahme zuzuordnen; der Markt „reagiert" auf das „Signal" Denkmalschutz, aber nicht auf einzelne Ge- oder Verbote. 3. Nutzungsregelungen a) Nutzungsgebote

Die in einigen Denkmalschutzgesetzen22 enthaltene Ermächtigung zur Anordnung einer bestimmten Nutzung räumt den mit dem Vollzug betrauten Behörden die Möglichkeit ein, einen etwa zum Zwecke des beschleunigten Verfalls herbeigeführten Leerstand durch ein Nutzungsgebot zu verhindern 23 . Soweit damit ein bisher ungenutztes Grundstück zwangsweise einer Nutzung zugeführt wird, liegt darin eine auf die Zukunft gerichtete Beschränkung der Rechtsstellung des Eigentümers, die zuvor auch die Befugnis umfaßte, ein Grundstück ungenutzt zu lassen. Die Regelungen bezwecken nicht den Entzug einer subjektiven Rechtsposition, sondern stellen objektiv-rechtliche Inhaltsbestimmungen des Eigentums dar. Sie sind vergleichbar mit dem städtebaulichen Baugebot des § 176 BauGB, einer Regelung, die das Bundesverwaltungsgericht zutreffend als Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums qualifiziert hat 2 4 . Während jedoch das städtebauliche Baugebot den durch das Planungsrecht gebildeten „Zulässigkeitsrahmen" von Art und Maß der Nutzung nicht verengt, 19

Hierzu bereits oben, § 5 I I I 4 b); vgl. im übrigen unten, § 9 I I I 2. Parodi, S. 168. 21 BVerwG DVB1. 1990, S. 585, 586. 22 Art. 5 Satz 6 Bay DSchG; § 23 Abs. 2 Nds. DSchG; § 8 Abs. 2 N R W DSchG; § 11 Abs. 2 Saarl. DSchG. 23 Schmaltz, in: Grosse/ Suchsdorf, §23 Rz 5. 24 BVerwG ZfBR 1990, S. 143 (zu §§ 39 a, 39 b BBauG). 20

8=

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§ 6 Denkmalschutz im System der Eigentumsgewährleistung

erlauben die denkmalschutzrechtlichen Nutzungsgebote auch die Anordnung einer bestimmten Nutzung anstelle einer anderen „erhaltungsfeindlichen" Nutzung. Das Nutzungsgebot schließt deshalb die Möglichkeit zur Untersagung einer ausgeübten Nutzung ein, wenn diese die Substanz oder das Erscheinungsbild des Denkmals gefährdet. In dieser Hinsicht kommt allerdings eine Überprüfung der Regelung am Maßstab des Art. 14 Abs. 3 GG in Betracht, weil die Ermächtigung zur abrupten, überleitungslosen Untersagung einer ausgeübten Nutzung durchaus auf den Entzug subjektiver Rechtspositionen gerichtet sein kann 2 5 . Zu beachten ist aber, daß die angeordnete Nutzung dem Betroffenen nach allen Denkmalschutzgesetzen „zumutbar" sein muß. Wenngleich sich nach dem Wortlaut einiger Regelungen die Zumutbarkeit nur auf die angeordnete Nutzungsart selbst bezieht, kann dies nur so gedeutet werden, daß sich der Vorbehalt der Zumutbarkeit auf die Anordnung insgesamt bezieht: Wenn schon die angeordnete (Neu-) Nutzung selbst zumutbar sein muß, gilt dies erst recht für die damit möglicherweise einhergehende Untersagung der (Alt-) Nutzung. Durch die unter den Vorbehalt der Zumutbarkeit gestellten Ermächtigungen zum Erlaß von Nutzungsgeboten sollten die Behörden deshalb nicht zu einer Enteignung in Gestalt der überleitungslosen Untersagung ausgeübter Nutzungen ermächtigt werden. Durch die tatbestandliche Begrenzung hat der Gesetzgeber — unabhängig von dem noch zu bestimmenden Inhalt des Begriffs der Zumutbarkeit 26 — jedenfalls zu erkennen gegeben, daß dem Regelungszweck entgegenstehende Rechtspositionen gerade nicht zwangsweise überwunden, sondern respektiert werden sollten. Die Regelungen über die Nutzungsgebote erlauben den Behörden daher keine Enteignungen, sondern bezwecken die „schonende", weil „zumutbare" Umgestaltung der Rechtsstellung des Eigentümers im Wege der Inhaltsbestimmung. Der Prüfungsmaßstab dieser Bestimmungen ist Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. b) Verbot der Nutzungsänderung

Wie gezeigt 27 , erstrecken einige Denkmalschutzgesetze das generelle Veränderungsverbot mit Genehmigungsvorbehalt auch auf die Nutzungsänderung, für deren Genehmigung die allgemeinen Voraussetzungen unter besonderer Berücksichtigung der hier sogenannten Nutzungsleitlinien gelten. Das durch Versagung einer Nutzungsänderungsgenehmigung aktualisierte Verbot der Nutzungsänderung unterscheidet sich in seiner verfassungsrechtlichen Zuordnung nicht von den sonstigen Veränderungsverboten 28. Durch die diese Verbote 25 26 27 28

Hierzu oben, § 4 I I 2 c). Hierzu unten, § 8 II. Vgl. oben, § 2 V 3 b). Hierzu ausführlich unten, § 6 I 4.

I. Der Prüfungsmaßstab

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regelnden Gesetze wird die zukünftige Rechtsstellung des Eigentümers abstrakt und generell ausgestaltet; das Verbot der Nutzungsänderung kann per definitionem kein Verbot einer ausgeübten Nutzung beinhalten, auch ein sonstiger Entzug einer konkreten Rechtsposition kommt nicht in Betracht. Es handelt sich um eine Beschränkung der abstrakten Befugnisse des Eigentümers und damit um eine Inhaltsbestimmung im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. c) Pflicht zur erhaltungsfreundlichen Nutzung

Sämtliche Denkmalschutzgesetze normieren die Pflicht des Eigentümers, das Denkmal „sachgemäß zu behandeln", zu „pflegen" oder schlicht zu „erhalten". Überwiegend ist diese — von den konkreten Instandhaltungs- und Instandsetzungsanordnungen zu unterscheidende — materielle Erhaltungspflicht an deren Zumutbarkeit gebunden, zum Teil fehlt aber auch eine solche Begrenzung. Denkbar ist nun, daß eine ausgeübte „erhaltsungsfeindliche" Nutzung mit dieser materiellen Erhaltungspflicht kollidiert. In der Literatur wird dementsprechend erwogen, ob etwa die an die Eintragung eines bisher in substanzgefahrdender Weise genutzten Fabrikgebäudes anknüpfende Pflicht zur erhaltungsfreundlichen Nutzung ipso lege ein Verbot der bisher ausgeübten Nutzung bewirke und hierin eine Legalenteignung zu sehen sei oder ob ein solcher Vorgang — wenn überhaupt — als Administrativenteignung zu sehen sei 29 . An diesen Überlegungen fallt zunächst auf, daß sie zuwenig die konkreten, an Art. 14 GG zu überprüfenden Regelungen im Blick haben. Es sind daher die in Betracht kommenden Nutzungsregelungen im Hinblick auf ihren Eingriffscharakter einer genaueren Erörterung zu unterziehen: Die Denkmalschutzgesetze begründen für den Denkmaleigentümer zum einen die materielle Erhaltungspflicht, die das Verbot der Schädigung oder Gefährdung umfaßt. Eine bisher rechtmäßig ausgeübte Nutzung, deren Fortführung die denkmalgerechte Erhaltung beeinträchtigen oder gefährden würde, widerspricht der gesetzlichen Erhaltungspflicht. Die bisher rechtmäßige Nutzung ist deshalb ab dem Zeitpunkt der Begründung dieser Pflicht materiell illegal 30 . Dieser Zeitpunkt ist abhängig von der verfahrensrechtlichen Ausgestaltung der Denkmalschutzgesetze: Während beim Denkmalschutz ipso iure die Erhaltungspflicht mit dem Inkrafttreten des Gesetzes begründet wird, vermag beim konstitutiven Eintragungssystem erst die Unterschutzstellung Rechtspflichten — und damit die Illegalität der Nutzung — zu begründen. Von der materiellen Erhaltungspflicht und der daraus folgenden Illegalität einer erhaltungsfeindlichen Nutzung sind zum anderen die Eingriffsbefugnisse der Denkmalschutzbehörde streng zu unterscheiden. Die Illegalität einer ausgeübten Nutzung bedeutet noch nicht, daß die Behörden zur Untersagung 29 30

Battis/Schmittat, NuR 1983, S. 102, 105. Schmaltz, in: Grosse /Suchsdorf, §23 Rz 3.

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§ 6 Denkmalschutz im System der Eigentumsgewährleistung

der Nutzung ermächtigt sind; ein solcher Eingriff bedarf vielmehr einer ausdrücklichen Ermächtigungsgrundlage. Ähnlich wie die Landesbauordnungen sämtlich die Befugnisse der Baubehörden zur Beseitigung materiellbaurechtswidriger Zustände normieren, bedürfen auch die Denkmalschutzbehörden spezieller Untersagungsermächtigungen. Ein Rückgriff auf die polizeiliche Generalklausel scheidet wegen der abschließenden Regelungen im Denkmalschutzrecht aus 31 . Vor diesem Hintergrund ist bei der Erörterung des Eingriffscharakters von Nutzungsregelungen in dreierlei Hinsicht zu differenzieren: Es finden sich Regelungen mit begrenzter Erhaltungspflicht, Regelungen mit begrenzter Eingriffsermächtigung sowie schließlich Bestimmungen mit Überleitungscharakter. aa) Regelungen mit begrenzter Erhaltungspflicht Eine auf den Entzug subjektiver Rechtspositionen gerichtete Regelung scheidet überall dort aus, wo bereits die materielle Erhaltungspflicht nicht weitreichend genug ist, um ausgeübte, aber erhaltungsfeindliche Nutzungen überwinden zu können. Hieran fehlt es immer dann, wenn bereits die Erhaltungspflicht auf das dem Eigentümer Zumutbare begrenzt ist. In diesen Fällen fehlt es bereits an der materiellen Illegalität, wenn die Substanzgefahrdung aus einer ausgeübten Nutzung resultiert, deren Aufgabe dem Eigentümer — etwa wegen vorangegangener Investitionen — nicht zumutbar wäre. Eine an eine derart begrenzte Erhaltungspflicht anknüpfende Verbotsregelung bezweckt deshalb auch keine Enteignung 32 . bb) Regelungen mit begrenzter Eingriffsermächtigung Auch die tatbestandlich nicht begrenzte Pflicht zur erhaltungsfreundlichen Nutzung beinhaltet keine Legalenteignung. Ein Entzug subjektiver Rechtspositionen kann erst durch eine konkretisierende Regelung ergehen, die einer Eingriffsermächtigung bedarf. Eine Enteignung liegt deshalb dort nicht vor, wo es an einer entsprechenden Ermächtigung zur Untersagung fehlt, das Gesetz sich etwa auf die hier sogenannten Nutzungsleitlinien beschränkt 33 . Darüberhinaus bezweckt der Gesetzgeber dort keine Enteignung, wo er zwar eine Eingriffsermächtigung zur Unterbindung substanzgefahrdender Nutzungen zur Verfügung stellt, aber diese Ermächtigung selbst durch Bindung an die Zumutbarkeit der Anordnung tatbestandlich begrenzt, wie dies bei Nutzungsuntersagungen in Verbindung mit der Anordnung bestimmter Nutzungen der Fall ist 3 4 . 31

Vgl. hierzu Wolff/ Bachof, Bd III, § 126 Rz 2. Dies betrifft etwa § 2 Abs. 1 RhlPf DSchPflG, § 11 Abs. 1 Hess DSchG, § 9 Abs. 1 Bre DSchG, §§ 6 Abs. 1, 7 Nds DSchG. 33 Vgl. § 13 Hess DSchG, Art. 5 Bay DSchG. 34 Vgl. § 11 Abs. 2 Saarl. DSchG, § 8 Abs. 2 N R W DSchG. 32

I. Der Prüfungsmaßstab

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cc) Regelungen mit Überleitungscharakter Wie gezeigt, hängt der Entstehungszeitpunkt der Erhaltungspflicht von der verfahrensrechtlichen Ausgestaltung des Denkmalschutzgesetzes ab. Die Erhaltungspflicht entsteht bei den deklaratorischen Systemen mit dem Inkrafttreten des Gesetzes, bei den konstitutiven Verfahrensregelungen erst mit der Unterschutzstellung. Die damit einhergehende unterschiedliche Geltungsdauer der Erhaltungspflicht läßt sich zur Beantwortung der Frage heranziehen, ob das Gesetz zur Vermeidung eines abrupten Rechtsentzuges eine Überleitungsregelung bereitstellt 35 . Zwar ließe sich gegen die Heranziehung der zum Zeitpunkt einer Nutzungsuntersagung bereits verstrichenen Geltungsdauer der Erhaltungspflicht als enteignungsvermeidende Überleitungsregelung einwenden, daß damit ein eher zufalliges Vollzugsdefizit in ein zweckgerichtetes Handeln des Gesetzgebers — auf dessen Ziele es bei der Abgrenzung von Inhaltsbestimmung und Enteignung ja entscheidend ankommt — „umgedeutet" würde. Dem ist jedoch nicht so: Das beim Denkmalschutz ipso iure verwirklichte Prinzip der Generalklausel sollte auch eine möglichst frühzeitige Festlegung von Rechten und Pflichten bewirken, um der Gefahr des Verlustes bisher nicht inventarisierter Denkmäler vorzubeugen 36 . Der „Zeitgewinn" war deshalb ein entscheidender Beweggrund für die Wahl des Verfahrenssystems, ein Umstand, der es zuläßt, die damit einhergehende unterschiedliche Geltungsdauer der Erhaltungspflichten im Rahmen der verfassungsrechtlichen Zuordnung dieser Regelungen zu berücksichtigen. Zu beachten ist aber, daß Überleitungsregelungen den Zweck verfolgen, den mit ausgeübten Nutzungen verbundenen Einsatz von Kapital und Arbeit vor Entwertung zu schützen 37 . Als Ausdruck des Vertrauensschutzprinzips soll die Überleitung dem Eigentümer neben der Amortisation des eingesetzten Kapitals auch ermöglichen, sich auf die zukünftige Beendigung der Nutzung einzustellen. Voraussetzung für die Wertung der Geltungsdauer der Erhaltungspflicht als Überleitung ist daher zumindest die Erkennbarkeit dieser Pflichten und der darauf möglicherweise folgenden Nutzungsuntersagung für den Eigentümer. Es wird dem Vertrauensschutzgedanken deshalb nicht gerecht, die gesamte, auf den Zeitpunkt der objektiven Entstehung der Pflichten bezogene Geltungsdauer als Überleitungszeitraum anzurechnen 38. Voraussetzung hierfür ist vielmehr die Erkennbarkeit für den Eigentümer, die in der Regel mit der Eintragung in das deklaratorische Denkmalverzeichnis eintreten dürfte.

35 36 37 38

Wiechert, in: Grosse / Suchsdorf, § 7 Rz 18 f. Hierzu oben, § 2 IV. BVerfGE 58, S. 300, 350. So aber offenbar Wiechert, in: Grosse / Suchsdorf, §7 Rz 18 f.

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§ 6 Denkmalschutz im System der Eigentumsgewährleistung

dd) Einzelne Denkmalschutzgesetze Das oben aufgeworfene Problem der Kollision einer ausgeübten, aber substanzgefährdenden Nutzung mit der Pflicht zur erhaltungsfreundlichen Nutzung läßt sich nun unter dem Gesichtspunkt betrachten, ob die Denkmalschutzgesetze diese Kollision durch eine Ermächtigung zur Nutzungsuntersagung als Enteignung oder ausschließlich im Wege einer Inhaltsbestimmung zu lösen versuchen: Eine Enteignung durch ein abruptes Verbot ausgeübter Nutzungen vermeiden zunächst die Denkmalschutzgesetze Baden-Württemberg, Bremen, Hessen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz, indem sie die materielle Pflicht zur Erhaltung auf das dem Eigentümer Zumutbare begrenzen 39. Hierzu zählt auch die Regelung in Bayern 40 ; zwar findet sich in Art. 4 Abs. 4 Bay DSchG die Ermächtigung, ein Baudenkmal schädigende oder gefährdende „Handlungen" zu untersagen. Der Begriff kann jedoch nicht auf ausgeübte Nutzungen angewendet werden 41 , wie zunächst der Vergleich zu der sich speziell mit den „Nutzungen" befassenden Regelung in Art. 5 Bay DSchG zeigt, die eine abgestufte „Nutzungsleitlinie" enthält, aber gerade keine unbegrenzte Ermächtigung zur Untersagung substanzgefahrdender Nutzungen. Entgegen der Kommentierung kann es bei der Anwendung der Regelung in Art. 4 Abs. 4 Bay DSchG nicht lediglich auf die Prüfung ankommen, „ob nicht eine Entschädigungspflicht eintritt" 4 2 ; als Enteignungsermächtigung verstanden, wäre die Regelung verfassungswidrig, da Art. 20 Bay DSchG lediglich eine salvatorische Entschädigungsklausel enthält. Wegen der Begrenzung der generellen Erhaltungspflicht, deren Geltungsdauer ohne Relevanz für eine Überleitung ist, verbürgt allein die hier vorgeschlagene Auslegung eine verfassungskonforme Anwendung, die zudem bereits durch den Wortlaut nahegelegt wird. Die Regelungen in Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Schleswig-Holstein und dem Saarland kennen zwar keine Begrenzung der materiellen Erhaltungspflicht auf das dem Eigentümer Zumutbare. Auch diese Regelungen enthalten jedoch keine Enteignungsermächtigung, weil es an einer entsprechenden Eingriffsermächtigung fehlt 43 oder diese selbst auf das Zumutbare begrenzt ist 4 4 . Auch diese Auslegung wird durch die Tatsache nahegelegt, daß einer Heranziehung der unbegrenzten Erhaltungspflichten zur Untersagung ausgeübter Nutzungen die unzureichenden Entschädigungsregelungen entgegenstünden; während § 27 Abs. 2 Saarl DSchG und § 33 N R W DSchG lediglich undifferenzierte salvatori39

§ 6 BadWürt DSchG; § 9 Abs. 1 Brem DSchG; § 11 Abs. 1 Hess DSchG; § 7 Nds. DSchG; § 2 Abs. 1 RhldPf DSchPflG. 40

Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Bay DSchG. Α. A. Martin, in: Eberl/Martin/Petzet, Art. 4 Rz 33. 42 Ebd. 43 §§ 12 Abs. 1 SchlHol DSchG, 15 Abs. 1 Hbg DSchG regeln lediglich die abstrakten Anforderungen an die Nutzung. 41

44

§ 11 Abs. 2 Saarl. DSchG; § 8 Abs. 2 N R W DSchG.

I. Der Prüfungsmaßstab

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sehe Entschädigungsklauseln enthalten, bieten die differenzierten Regelungen in Schleswig Holstein und Hamburg für die hier in Rede stehende Nutzungsuntersagung gerade keine Entschädigung, weil die Bestimmungen die Pflicht zur Entschädigung auf enumerativ bestimmte — nicht einschlägige — Fallgestaltungen begrenzen. Dasselbe gilt für die Regelung in Berlin: § 9 Abs. 1 Bin DSchG statuiert die tatbestandlich unbegrenzte Pflicht, das Denkmal in einem denkmalgerechten Zustand zu erhalten; nach § 9 Abs. 3 darf eine Nutzung des Baudenkmals, die nicht seiner ursprünglichen Zweckbestimmung entspricht, seine Eigenart nicht beeinträchtigen. Auch hier liegt die Annahme nahe, daß § 9 Abs. 3 keine Ermächtigung zur überleitungslosen Untersagung ausgeübter Nutzungen enthält, wie insbesondere der Vergleich zur ausdrücklichen Ermächtigung der Anordnung von Erhaltungsmaßnahmen in § 9 Abs. 2 Bin DSchG ergibt, was überflüssig wäre, wenn sich diese Ermächtigung bereits aus der generellen Erhaltungspflicht des § 9 Abs. 1 Bin DSchG ergäbe. Diese Auslegung wird zwar nicht durch eine verfassungswidrige salvatorische Entschädigungsklausel erzwungen; nach der hinreichend differenzierten Regelung in § 13 Abs. 2 Bin DSchG ist unter anderem Entschädigung zu gewähren, soweit aus Gründen des Denkmalschutzgesetzes baurechtlich sonst zulässige Vorhaben nicht ausgeführt werden dürfen und hierdurch eine Nutzungserschwerung oder ein Verkehrswertverlust eintritt. Aber die Fassung dieser Entschädigungsregelung zeigt gerade, daß an die Untersagung ausgeübter Nutzungen nicht gedacht war, weil der aus dem Baurecht bekannte Begriff des Vorhabens 45 zumindest eine Nutzungsänderung voraussetzt. Auch die Nutzungsregelungen des Berliner Denkmalschutzgesetzes ermächtigen mithin nicht zu einer Enteignung. 4. Veränderungsverbote Während im Regelfalle durch das Verbot der baulichen Veränderung eine noch nicht ins Werk gesetzte Nutzung verhindert wird, sind Fallgestaltungen möglich, in denen eine bauliche Veränderung erforderlich sein kann, um eine bereits begonnene Nutzung fortzuführen. Bei Sachverhalten dieser Art, die aus der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zum „überwirkenden Bestandsschutz" 46 bekannt sind, würde das Veränderungsverbot die Fortführung einer ausgeübten Nutzung verhindern. Bei der Betrachtung der Veränderungsverbote ist deshalb zu differenzieren: Zu erörtern sind sie zum einen als Beschränkung abstrakter Eigentümerbefugnisse, zum anderen ist der Frage nachzugehen, ob durch das Verbot der Veränderung zugleich eine ausgeübte Nutzung unterbunden werden darf oder ob die Nutzung sich im Wege des „überwirkenden Bestandsschutzes" gegen das Verbot der Veränderung durchsetzt.

45 46

Vgl. § 29 BauGB, §§ 60 ff. BauO NW. Grundlegend BVerwGE 50, S.49ff.

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§ 6 Denkmalschutz im System der Eigentumsgewährleistung a) Veränderungsverbote als Beschränkung abstrakter Eigentümerbefugnisse

Die Veränderungsverbote realisieren das denkmalschutzrechtliche Regelungsziel — Sicherung des öffentlichen Erhaltungsinteresses — durch die zweckentsprechende Beschränkung der Eigentümerbefugnisse in abstraktgenereller Regelungsform. Die aus dem Grundeigentum fließende Freiheit der Wahl von Art und Maß der baulichen Nutzung wird über die planungs- und bauordnungsrechtlichen Begrenzungen hinaus im Wege einer Bindung an den vorgefundenen Bestand beschränkt. In ihrer Struktur vergleichbar mit dem Zweckentfremdungsverbot für Wohnraum 47 , der gesetzlichen Ermächtigung zum Erlaß städtebaulicher Erhaltungssatzungen 48 oder planungsrechtlichen Duldungspflichten 49 , handelt es sich auch bei den denkmalschutzrechtlichen Veränderungsverboten um Inhaltsbestimmungen des Eigentums, deren Prüfungsmaßstab in dieser Hinsicht allein Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ist. Dies gilt wiederum unabhängig von der Intensität der mit einem Veränderungsverbot verbundenen Belastung. Die verfassungsrechtliche Zuordnung behält auch in den Fällen Gültigkeit, „in denen eine Inhaltsbestimmung wegen der Intenstität der den Rechtsinhaber treffenden Belastung mit dem Grundgesetz nur in Einklang stehen könnte, wenn sie durch die Einführung eines Ausgleichsanspruch abgemildert würde . . . " 5 0 .

Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in dieser Entscheidung die Frage offen gelassen, ob die Anwendung von Art. 14 Abs. 3 GG dann in Betracht kommen könnte, „wenn eine Inhaltsbestimmende Regelung die Nutzung des geschützten Rechts praktisch schlechthin unmöglich machen und das Recht damit völlig entwerten würde" 5 1 .

Derartige Folgen können die Veränderungsverbote nach sich ziehen, wenn die beantragte Veränderung der baulichen Substanz Voraussetzung für eine privatnützige Verwendung des Denkmals ist, das Bauwerk ohne bauliche Veränderungen also nicht mehr nutzbar, vielmehr „nur noch Denkmal" 5 2 ist. Nach der hier vertretenen Auffassung können die mit einer Neugestaltung des objektiven Rechts verbundenen Folgen für den einzelnen Eigentümer jedoch nur dann Auswirkungen auf die verfassungsrechtliche Zuordnung der gesetzlichen Regelung haben, wenn der Gesetzgeber in Kenntnis dieser Folgen gezielt die gewählte Regelungsform einsetzt, um zur überleitungslosen Verwirklichung des gesetzgeberischen Anliegens entgegenstehende konkrete Rechtspositionen 47 48 49 50 51 52

BVerfGE 38, S. 348, 370. BVerfG DVB1. 1987, S. 565 f. BVerfGE 79, S. 174, 191. BVerfGE 79, S. 174, 192; hierzu bereits oben, §4 IV. Ebd., S. 192. Leibholz/Lincke, DVB1. 1975, S. 933, 939f.; BGHZ 72, S. 211, 220.

I. Der Prüfungsmaßstab

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in Gestalt ausgeübter Nutzungen zu überwinden. In der auf die Zukunft gerichteten Beschränkung der abstrakten Baufreiheit durch das Verbot beeinträchtigender Veränderung sind derartige Wirkungen selbst dann nicht angelegt, wenn diese Beschränkung im Einzelfall übermäßig belastend ausfallen sollte. Zutreffend hielten die Landesgesetzgeber die Normierung objektiv-rechtlicher Veränderungsverbote für eine Ausübung ihrer sich aus dem „Sozialgebot" des Art. 14 Abs. 2 GG ergebenden Gestaltungsbefugnisse, die dem Gesetzgeber zugleich abverlangten, „einen Ausgleich zwischen öffentlichem Interesse und dem Interesse des betroffenen Eigentümers zu finden." 53. Die Frage, ob dem von einem Veränderungsverbot betroffenen Eigentümer noch eine privatnützige Verwendungsmöglichkeit bleibt, betrifft mithin gerade die „Aufgabe" des Gesetzgebers, im Rahmen der Inhalts- und Schrankenbestimmung das Sozialmodell zu verwirklichen, dessen normative Elemente sich einerseits aus der grundgesetzlichen Anerkennung des Privateigentums und andererseits aus dem Sozialgebot des Art. 14 Abs. 2 GG ergeben 54. Mißlingt die Lösung dieser „Aufgabe" im Einzelfall, ändert sich nichts an dem Regelungstyp. Zwar wurde die Notwendigkeit salvatorischer Entschädigungsregelungen unter anderem damit begründet, daß auch die Versagung einer Veränderungsgenehmigung „in Einzelfällen" entschädigungspflichtig sein könne 55 . Damit sollte jedoch der „nicht immer leichten" 56 Abgrenzung von Inhaltsbestimmung und Enteignung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vorgebeugt werden, um sich so des durch Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG auferlegten Risikos der Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung zu entziehen.57 Zu Recht weist das Bundesverwaltungsgericht in der bereits angesprochenen Entscheidung zu naturschutzrechtlichen Beschränkungen des Eigentums daraufhin, daß derartige Gründe auf der Grundlage der neueren Judikatur des Bundesverfassungsgerichts ihre Rechtfertigung verloren haben, weil das Bundesverfassungsgericht den Tatbestand der Enteignung hinreichend präzisiert habe 58 . Es hieße dann aber in der Tat, die systematischen Verhältnisse umzukehren, wenn man aus der Existenz einer — durch eine überholte Rechtsprechung veranlaßten — salvatorischen Entschädigungsregelung folgern wollte, der Gesetzgeber habe zu einer Enteignung ermächtigen wollen 59 . Die Indizwirkung 60 einer Entschädigungsre53

Amtl. Begründung zum Hess DSchG von 1974, LT-Drcks. 7/3958, S. 14f. BVerfGE 52, S. 1, 29. 55 Amtl. Begründung zum Hess DSchG, S. 15, 23 f.; amtl. Begründung zum BadWürt DSchG, LT-Drcks. 5/2808, S. 29. 56 Amtl. Begründung zum BadWürt DSchG, S. 29. 57 BVerwG DVB1. 1990, S. 585, 586. 58 Ebd. 59 Schmaltz, DVB1. 1987, S. 571, 572. 60 Hierzu oben, §4 I I 4 a) bb). 54

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§ 6 Denkmalschutz im System der Eigentumsgewährleistung

gelung hängt von ihrem hinreichend differenzierten und bestimmten Regelungsgehalt ab, dem zu entnehmen sein kann, daß der Gesetzgeber auch zu Enteignungen ermächtigen wollte. Einer salvatorischen Entschädigungsregelung läßt sich diese Erkenntnis nicht abgewinnen. b) Veränderungsverbote und ausgeübte Nutzungen

Im Hinblick auf die Möglichkeit, daß die Versagung einer Veränderungsgenehmigung die Fortsetzung einer ausgeübten Nutzung abrupt verhindern kann, wenn diese etwa eine bauliche Maßnahme mit beeinträchtigender Wirkung erfordert, ist der Frage nachzugehen, ob die Landesgesetzgeber durch die Veränderungsverbote zugleich zu einem solchen überleitungslosen Verbot ausgeübter Nutzungen und damit zu einer Enteignung ermächtigen wollten. Eine solche Enteignungsermächtigung scheidet entsprechend dem oben 61 zu den Nutzungsregelungen Erörterten zunächst dort aus, wo das Verbot der Veränderung unter den Vorbehalt der Zumutbarkeit gestellt ist 6 2 , weil hier der Gesetzgeber zur Überwindung entgegenstehender Rechtspositionen gerade nicht ermächtigen wollte. Die verfassungskonforme Auslegung derjenigen Regelungen, denen lediglich eine salvatorische Entschädigungsklausel korrespondiert, zwingt ebenfalls zu der Annahme, daß durch das Veränderungsverbot eine Enteignung nicht herbeigeführt werden darf 6 3 . Schließlich läßt sich im Rahmen deklaratorischer Verfahrenssysteme die längere Geltungsdauer der Erhaltungspflicht als Versuch der „schonenden" Überleitung ausgeübter Nutzungen verstehen, was die Annahme nahelegt, der Gesetzgeber habe mit dem Verbot beeinträchtigender Veränderung ausgeübte Nutzungen nicht abrupt entziehen, sondern umgestalten wollen. Vor diesem Hintergrund ergibt sich, daß allein die Regelungen in Berlin, Hamburg und Rheinland-Pfalz die Behörden ermächtigen, eine beeinträchtigende Veränderung auch dann zu verbieten, wenn hierdurch eine ausgeübte Nutzung überleitungslos — etwa weil die Unterschutzstellung erst kurzfristig vor dem Verbot der Veränderung erfolgte — unterbunden würde; die Regelungen ermächtigen mithin die Behörden, den Eigentümer zu enteignen. Den Veränderungsverboten in § 10 Bin DSchG, §9 Hbg DSchG und § 13 RhldPf DSchPflG korrespondieren Entschädigungsregelungen, die hinreichend bestimmt sind und den Schluß zulassen, daß der Gesetzgeber die Möglichkeit einer Durchsetzung ausgeübter Nutzungen gegenüber dem Verbot der Veränderung im Wege des überwirkenden Bestandsschutzes gesehen und deshalb die Behör61

§ 6 I 3 c) aa). §7 Abs. 2 Nds DSchG. 63 Vgl. §§ 8 Abs. 1, 24 Abs. 1 BadWürt DSchG, Art. 6, 20 Bay DSchG; §§ 10, 21 Bre DSchG; §§ 16,26 Hess DSchG; §§ 9,33 N R W DSchG; §§ 12,27 Abs. 2 Saarl. DSchG; auch §§9, 25, 26 SchlHol DSchG zählen hierzu, weil die Entschädigungsregelung den Tatbestand des Veränderungsverbots nicht abdeckt. 62

I. Der Prüfungsmaßstab

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den ermächtigen wollte, diese dem Regelungsziel entgegenstehenden Rechtspositionen im Wege der Administrativenteignung zwangsweise zu überwinden. Nach § 22 Abs. 1 Hbg DSchG besteht der Entschädigungsanspruch nämlich, wenn eine Veränderungsgenehmigung versagt und dadurch eine wirtschaftlich zumutbare Nutzung des Denkmals unmöglich oder wesentlich erschwert wird; dasselbe gilt nach § 31 Abs. 1 Satz 1 RhldPf DSchPflG, wenn aufgrund einer Maßnahme des Denkmalschutzes die bisher rechtmäßig ausgeübte Nutzung nicht mehr fortgesetzt werden kann und hierdurch die wirtschaftliche Nutzbarkeit insgesamt erheblich beschränkt wird. Damit grenzt der Gesetzgeber den Tatbestand der Enteignung hinreichend bestimmt ab und gibt zu erkennen, daß es den Behörden erlaubt sein soll, zum Zwecke der Durchsetzung des Veränderungsverbots die Fortführung ausgeübter Nutzungen überleitungslos zu unterbinden. Ganz ähnlich stellt die Entschädigungsregelung in § 13 Abs. 2 Bin DSchG darauf ab, ob ein baurechtlich sonst zulässiges Vorhaben aus Gründen des Denkmalschutzes nicht ausgeführt und dadurch die Nutzung des Grundstücks wirtschaftlich wesentlich erschwert wird 6 4 ; soweit der Gesetzgeber hier einerseits nicht explizit auf die ausgeübte Nutzung Bezug nimmt, andererseits nach § 13 Abs. 2 zweite Alternative Bin DSchG auch dann Entschädigung gewährt, wenn infolge eines Veränderungsverbots der Verkehrswert erheblich gemindert wird, ist dies unschädlich, weil jedenfalls der entschädigungspflichtige Enteignungstatbestand von der Regelung umfaßt ist und es dem Gesetzgeber nicht verwehrt ist, über die Erfordernisse des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG hinauszugehen.65 Die übrigen Landesgesetze erlauben dagegen eine Enteignung nicht, weil sie zum einen keine hinreichend bestimmten Entschädigungsregelungen bereitstellen, zum anderen durch die Koppelung des Veränderungsverbots an die Zumutbarkeit oder schließlich durch ausreichend lange Überleitungsregelungen die zwangsweise Überwindung entgegenstehender Rechtspositionen vermieden wissen wollen. Den mit dem Vollzug dieser Gesetze betrauten Behörden ist deshalb aufgegeben, dem Gebot der „Schonung" entgegenstehender Rechtspositionen im Rahmen der Anwendung inhaltsbestimmender Regelungen Rechnung zu tragen. 5. Förmliche Enteignungen Die in allen Denkmalschutzgesetzen enthaltenen Ermächtigungen zur förmlichen Enteignung 66 stellen denkmalschutzrechtliche Regelungen dar, die am Maßstab des Art. 14 Abs. 3 GG zu messen sind. Diese Enteignungsermächtigungen bilden das notwendige Korrektiv der soeben erörterten Begrenzungen 64

Kritisch zum Tatbestandsmerkmal der „wesentlichen" Erschwerung Finkelnburg, in: Festschrift juristische Gesellschaft, S. 129, 148. 65 Zutreffend Finkelnburg, ebd. 66 Hierzu oben, § 2 V 5.

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§ 6 Denkmalschutz im System der Eigentumsgewährleistung

im Rahmen der Erhaltungs-, Nutzungs- und Veränderungsbestimmungen: Läßt sich im Rahmen dieser den Bindungen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG unterliegenden Regelungen ein Denkmal nicht erhalten, so hat die Behörde die Möglichkeit, es preiszugeben oder förmlich zu enteignen 67 . I I . Inhaltsbestimmungen und Enteigungsermächtigungen im Zusammenhang gesetzlicher Regelungswerke Das angesichts der reichhaltigen Diskussion um „enteignende Wirkungen" des Denkmalschutzes zunächst verwundernde Ergebnis, daß denkmalschutzrechtliche Eingriffsregelungen mit wenigen Ausnahmen nicht zu Enteignungen ermächtigen, sondern an Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zu messende Inhaltsbestimmungen des Eigentums bilden, ist der konsequenten Anwendung eines präzisierten Enteignungsbegriffs und der damit erst geschaffenen Vorhersehbarkeit und Regelbarkeit enteignender Maßnahmen geschuldet. Diesem Ergebnis lassen sich zwei Einwendungen entgegenhalten: Zum einen ist die weitgehend restriktive Auslegung zur Vermeidung verfassungswidriger Maßnahmen nicht die einzige Lösung des Problems salvatorischer Entschädigungsregelungen. Vorgeschlagen wird auch die Korrektur an der Rechtsfolgenseite durch analoge Anwendung anderer Entschädigungsregelungen 68 . Diese Korrektur muß aber dort versagen, wo sich dem gesamten Regelungswerk nicht entnehmen läßt, ob dem gesetzgeberischen Anliegen entgegenstehende Rechtspositionen „geschont" oder überwunden werden sollen. Weil diese zwangsweise Überwindung ein Eingriff von besonderer Qualität und Tragweite ist, der gesteigerten Zulässigkeitsvoraussetzungen unterliegt 69 , läßt sich das Problem nicht nach der Maxime „im Zweifel für den Denkmalschutz" lösen 70 . Bleibt die Frage nach der Enteignungsermächtigung sowohl auf der Eingriffsseite als auch auf der Entschädigungsseite eines gesetzlichen Regelungswerkes offen, läßt sich die verfassungskonforme Anwendung nur durch restriktive Interpretation des Eingriffstatbestandes sichern. Zum anderen bleibt die Besorgnis praktischer Art, der behördliche Handlungsspielraum würde durch die Alternative Inhaltsbestimmung oder förmliche Enteignung zu sehr beschränkt, wenn die Möglichkeit der „Teilenteignung" etwa durch übergangslosen Entzug ausgeübter Nutzungen entfiele. Dies ist zunächst ein Hinweis an den Gesetzgeber, dem es bei hinreichender Präzisierung und ausreichender Geltungskraft der Regelungsziele offen steht, entsprechende Ermächtigungen zu schaffen. I m übrigen wird aber zu zeigen sein, daß die Subsumtion der Eingriffsregelungen unter den Prüfungsmaßstab des Art. 14 67 68 69 70

V G H BadWürt, DVB1. 1988, S. 1219, 1225. Papier, NWVBL. 1990, S. 397, 400. BVerfGE 56, 249, 266 ff. — Sondervotum Böhmer —. In dieser Tendenz etwa Gahlen, DÖV 1985, S.41 Iff.

II. Inhaltsbestimmung und Enteignung im Regelzusammenhang

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Abs. 1 Satz 2 GG nicht zur Preisgabe berechtigter Anliegen zwingt. Auch im Bereich der Inhaltsbestimmungen stehen der Verwaltung flexible Handlungsformen im Grenzbereich von Eingriffs- und Leistungsverwaltung zur Verfügung. Deren Präzisierung setzt jedoch die Bestimmung der zulässigen Eingriffsintensität denkmalrechtlicher Inhaltsbestimmungen voraus, was zunächst eine Klärung der sozialen Funktion des Baudenkmals erfordert.

§ 7 Regelungszweck und Sozialbezug des Denkmalschutzes Nachdem soeben geklärt wurde, daß die denkmalschutzrechtlichenEingriffsregelungen überwiegend — mit Ausnahme der Ermächtigung zur förmlichen Enteignung — als Inhaltsbestimmungen des Eigentums aufzufassen sind, lassen sich diese Regelungen nun am Maßstab des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG messen. Hierzu bedarf es zunächst einer näheren Betrachtung der mit den Denkmalschutzgesetzen verfolgten Zwecke sowie der vom Gesetzgeber vorgefundenen Strukturbedingungen, des Sozialbezuges des Baudenkmals. I . Relevanz von Regelungszweck und Sozialbezug Wie gezeigt, haben sich gesetzliche Inhaltsbestimmungen des Eigentums in zweierlei Hinsicht an dem Grundrecht des Art. 14 GG zu bewähren: Sie müssen zum einen in objektiv-rechtlicher Hinsicht den Strukturprinzipien genügen, die das Grundgesetz in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und 14 Abs. 2 als Direktiven der Gesetzgebung normiert. Diese Strukturprinzipien erweitern die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in dem Maße, in dem das Eigentum in einem sozialen Bezug steht. Vom Grad dieses Sozialbezuges, des „Angewiesenseins" der Nichteigentümer auf das Eigentumsobjekt hängen die Grenzen der Gestaltung des Eigentumsinhalts ab. Diese Überprüfung gesetzlicher Regelungen an den objektiv-rechtlichen Gestaltungsgrenzen ist im Kern Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit 1, allerdings bestimmt durch die genannten eigentumspezifischen Strukturprinzipien. Regelungsziel und Sozialbezug stehen dabei in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis. Der Gesetzgeber greift den „vorrechtlichen" Sozialbezug des Eigentumsobjekts auf und nimmt ihn zum Anlaß, die Teilhabe der Nichteigentümer durch eine inhaltsbestimmende Regelung zu sichern. Vom Grad dieses vorgefundenen Sozialbezuges hängt die Beantwortung der Frage ab, wie intensiv die inhaltsbestimmende Regelung den Eigentümer belasten darf, um die verfolgten Regelungszwecke zu erreichen. Zum anderen muß der Gesetzgeber auch bei der Umgestaltung „alter" Rechtspositionen durch die Inhaltsneubestimmung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren. I m Rahmen der hier erforderlichen Güterabwägung gewinnen die vom Gesetzgeber verfolgten Regelungszwecke ebenfalls Relevanz: Sie sind gegen die Bedeutung der subjektiv-rechtlichen Bestandsgarantie insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes abzuwägen. 1 Schwerdtfeger, Öffentliches Recht, S. 207; Rittstieg, in: Alternativ-Kommentar, Art. 14 Rz 167 ff.

II. Sicherung kulturellen Erbes

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I I . Sicherung kulturellen Erbes als Regelungszweck des Denkmalschutzes 1. Einfach-gesetzliche Begründungen Mit der Normierung eines öffentlichen Erhaltungsinteresses und der zu dessen Sicherung erforderlichen Erhaltungspflichten verfolgen die Landesgesetzgeber den Zweck, „kulturelles" oder „historisches" Erbe zu wahren 2 . Dies kommt in den Begründungen der Landesgesetzentwürfe zum Ausdruck, wenn dort auf die kriegsbedingte Dezimierung des „historischen Erbes" und „Kulturgutes" hingewiesen wird 3 . Der damit bereits als beeinträchtigt angesehene, vorgefundene Bestand ist nach den Gesetzentwürfen der Länder einer aktuellen Gefährdung ausgesetzt, die insbesondere aus den konjunkturellen Entwicklungsbedingungen des modernen Städtebaus resultiere; diesen „Angriffe(n) auf die historische Substanz" 4 entnehmen die Gesetzgeber die Notwendigkeit zur Beschränkung der Eigentümerrechtsstellung, wobei deutlich ausgesprochen wird, daß das „kulturelle Erbe" nicht vor Beeinträchtigungen Dritter, sondern in erster Linie vor dem Eigentümer selbst zu schützen sei5. 2. Denkmalschutz als Vollzug landesverfassungsrechtlicher Gesetzgebungsaufträge Die landesgesetzlichen Begründungen beschränken sich im wesentlichen auf die oben skizzierte Gefahrdungsanalyse, ohne deutlich zu machen, warum der Schutz „kulturellen Erbes" — selbst vor dem Eigentümer — zu den öffentlichen, im Gemeinwohl liegenden Aufgaben gehöre. In dieser Hinsicht beschränken sich die Landesgesetzgeber auf den Hinweis, landesverfassungsrechtliche Bestimmungen verpflichteten Staat und Kommunen, „den kulturellen Besitz, insbesondere die Denkmäler schöpferischer menschlicher Tätigkeit" zu sichern 6 . Entsprechende programmsatzartige Regelungen finden sich in zahlreichen Landesverfassungen 7. Vorläufer dieser „Staatszielbestimmungen"8 war Art. 150 Weimarer Reichsverfassung, eine Bestimmung, in der bereits seinerzeit ein Schutzauftrag gesehen wurde, der die öffentliche Gewalt verpflichtete, 2

Zum Denkmalschutzrecht als Kulturverwaltungsrecht bereits oben, § 2 I. Vgl. amtl. Begründung zum Berliner Denkmalschutzgesetz, Abgeordnetenhaus von Berlin, Drcks. 7/780, S. 5; amtl. Begründung zum Hess DSchG, Hessischer Landtag, Drcks. 7/3958, S. 13 4 Bayerischer Landtag, Drcks. 7/2033, S. 7. 5 Hessischer Landtag, Drcks. 7/3958, S. 10. 6 Hessischer Landtag, ebd., S. 10. 7 Vgl. Art. 86 BadWürt Verf.; Art. 141 Bay Verf.; Art. 62 Hess Verf.; Art. 18 Abs. 2 N R W Verf.; Art. 46 RhldPf Verf.; Art. 34 Saarl Verf. 8 M i t dem Begriff wird zunächst nur zum Ausdruck gebracht, daß die landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen keine subjektiven öffentlichen Rechte begründen, vgl. Braun, Art. 86 Rz 4. 3

9 Kömer

130

§ 7 Regelungszweck und Sozialbezug des Denkmalschutzes

Denkmäler gegen Gefahren zu sichern 9. In eben diesem Sinne werden auch die heutigen Landesverfassungsbestimmungen als Gesetzgebungsauftrag angesehen10. Auch in dieser Deutung landesgesetzlichen Denkmalschutzes als Vollzug eines verfassungsrechtlichen Gesetzgebungsauftrages kommt die inhaltliche Zwecksetzung des Denkmalschutzes als Sicherung kulturellen Erbes deutlich zum Ausdruck, wird doch auch im landesverfassungsrechtlichen Zusammenhang die ästhetisch-kulturelle und historische Bedeutung der Denkmäler betont 11 . 3. Denkmalschutz als Vollzug supranationaler Empfehlungen Im Europäischen Denkmalschutzjahr 1975 entstanden zwei Dokumente, die von einigen Landesgesetzgebern zur Begründung der Gesetzentwürfe herangezogen wurden. Es handelt sich um die Europäische Denkmalschutz-Charta 12 , die vom Europarat im September 1975 beschlossen wurde, sowie die Deklaration von Amsterdam, verabschiedet vom Kongress über das Europäische Bauerbe am 25. Oktober 1975 13 . Beide Dokumente betonen den kulturellen Wert des „europäischen Architekturerbes" bzw. des „baulichen Erbes" Europas, das den europäischen Völkern das Bewußtsein ihrer gemeinsamen Geschichte sichere. Auch die landesgesetzliche Bezugnahme auf diese Apelle belegen den Charakter der Denkmalschutzgesetze als Bestandteil und Ausprägung eines umfassenden Kulturstaatsprinzips, das Kulturgüter als „soziale Erbschaft" einer gemeinsamen Kulturverantwortung von Staat und Gesellschaft anheim stellt 14 . I I I . Sozialbezug des Baudenkmals 1. Kulturelle Sozialfunktion Die Bestimmung des durch die Denkmalschutzgesetze verfolgten Regelungszwecks als Sicherung kulturellen Erbes erlaubt es nun, den spezifischen Sozialbezug des Eigentumsobjekts „Baudenkmal" zu betrachten: Die soziale Funktion des Denkmals als Kulturgut liegt in ihrem gegenüber dem Eigentümernutzen verselbständigten Wert des Objekts als „Erinnerungszeichen" 15 , das auch dem Nichteigentümer eine Anschauung vom gemeinsamen 9

Anschütz, S. 695. Braun, Art. 86 Rz 9, 10; Feuchte, Art. 86 Rz 4; Meder, Art. 141 Rz 2. 11 Feuchte, ebd., Rz 1 12 Abgedruckt in: DVB1. 1975, S. 946 f. 13 Abgedruckt in: DVB1. 1975, S. 947 ff. 14 Häberle, S. 13; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 5 Abs. 3 Rz 8; zum ganzen auch Backhaus, S. 18. 15 So das Reichsgericht zu § 304 StGB, in: Goltdammers Archiv für Strafrecht, Bd 51, S. 49. 10

III. Sozialbezug des Baudenkmals

131

kulturellen Erbe erlaubt. Diese Anschauung vermag die — ja auch ohne Erhaltung mögliche — wissenschaftliche Dokumentation von Denkmälern nicht in gleicher Weise zu vermitteln, weil die bloße Information über das Vergangene sowohl hinsichtlich der Intensität des Eindrucks als auch in seiner Breitenwirkung dem Gegenwärtigen nicht ebenbürtig ist. In dieser Möglichkeit einer unmittelbaren Anschauung vom kulturellen Erbe liegt der Kern des „Angewiesenseins" der Nichteigentümer auf das Eigentumsobjekt Baudenkmal. Hiergegen kann nicht eingewandt werden, unter Sozialbezug des Eigentums sei immer nur eine tatsächliche Nutzung durch Nichteigentümer zu verstehen, wie sie etwa den Wohnraumschutzgesetzen zugrunde liege. Anläßlich der verfassungsrechtlichen Würdigung gesetzlicher Beschränkungen urheberrechtlicher Verwertungsrechte hat das Bundesverfassungsgericht die grundsätzliche Legitimation derartiger Beschränkungen — Ausschluß des Verbotsrechts des Urhebers bei der Aufnahme des Werkes in Schulbuchsammlungen und der Aufführung von Werken der Kirchenmusik 16 — in der kulturellen Funktion gesehen, die das Werk jenseits des Eigentümer-, hier: Urhebernutzens erlange. Das Gericht erkennt dort einen über den Eigentümernutzen hinausgehenden Sozialbezug des Kunstwerks an, das deutlich dem in die kulturelle Sozialfunktion „hineinwachsenden" Baudenkmal ähnelt: M i t der Publikation, so das Bundesverfassungsgericht, stehe „das geschützte Werk nicht nur dem einzelnen zur Verfügung, es tritt zugleich in den sozialen Raum und kann damit zu einem eigenständigen, das kulturelle und geistige Bild der Zeit mitbestimmenden Faktor werden." 17

Die Allgemeinheit habe daher ein bedeutsames Interesse daran, Teilnehmer von Unterrichtsveranstaltungen mit dem Geistesschaffen vertraut zu machen. Diese „soziale Aufgabe" könne nicht verwirklicht werden, wenn der Urheber die Aufnahme seines Werkes in Sammlungen, die dem Kirchen-, Schul- oder Unterrichtsgebrauch dienen, verhindern könnte. U m nichts anderes geht es bei dem Sozialbezug des Baudenkmals: Die ausschließlich kulturelle Sozialfunktion, die dem gesetzlichen Denkmalschutz zugrundeliegt, erscheint damit deutlich abgesetzt von den Funktionen des Eigentums, die den sogenannten städtebaulichen Denkmalschutz des Baugesetzbuches rechtfertigen 18 . Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil zur städtebaulichen Erhaltungssatzung nach §39 h BBauG dazu folgendes ausgeführt: „Die Vorschrift ergreift verfassungsgemäß auch den Denkmalschutz, diesen jedoch nur in seinem städtebaulichen Aspekt, d.h. in seiner Ausstrahlungswirkung in das Bauplanungsrecht. Im übrigen ist Denkmalschutz Sache der Länder. Die damit angesprochenen verschiedenen Regelungsbereiche sind nach den Zielen abzugrenzen, 16 17 18

9*

BVerfGE 31, S. 229; BVerfGE 49, S. 382. BVerfGE 31, S. 229, 242. Vgl. hierzu bereits oben, § 2 I.

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§ 7 Regelungszweck und Sozialbezug des Denkmalschutzes die der Gesetzgeber mit der Erhaltung baulicher Anlagen jeweils verfolgt: Denkmalschutz hat die Erhaltung baulicher Anlagen aus historischen Gründen im weitesten Sinne im Auge; er will durch sie geschichtliche, insbesondere kunst- oder architekturgeschichtliche Epochen und Entwicklungen, aber auch allgemein- oder sozialgeschichtliche Ereignisse und Zeitabschnitte dokumentieren. Das Bodenrecht hingegen nimmt die zu erhaltenden baulichen Anlagen in ihrer Beziehung zur aktuellen Stadtstruktur und in ihrer stadt-räumlichen Funktion fiir das gegenwärtige Zusammenleben der Menschen in der Gemeinde in den Blick. Es bezieht vorhandene bauliche Anlagen in ihrer Bedeutung für eine geordnete städtebauliche Entwicklung, eine dem Wohl der Allgemeinheit entsprechende sozialgerechte Bodennutzung und eine menschenwürdige Umwelt ... in seine Regelungen ein . . . " 1 9 .

Diese in der Kompetenz sich ausdrückenden Unterschiede zwischen städtebaulichem und kulturellem Denkmalschutz wurzeln damit auch in gänzlich unterschiedlichen Funktionen, die die Eigentumsobjekte für die Nichteigentümer haben: Der Sozialbezug des städtebaulich Erhaltenswerten liegt in der Bodennutzung begründet, die Sozialfunktion des Baudenkmals in seinem kulturellen Dokumentationswert. 2. Besonderheiten einer kulturellen Sozialfunktion Die Besonderheiten dieser „kulturellen Sozialfunktion" lassen sich am ehesten in Abgrenzung von dem Sozialbezug des Eigentumsobjekts im Recht der Wohnraummiete verdeutlichen, den das Bundesverfassungsgericht als Maßstab für die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit in diesem Rechtsbereich herangezogen hat 2 0 . Hiervon unterscheidet sich die soziale Funktion des Baudenkmals in mehrfacher Hinsicht: a) Zurechenbarkeit der Konstituierung

Die soziale Funktion erlangt das Eigentumsobjekt „Wohnraum" dadurch, daß es durch Dritte genutzt wird. Auch die erläuterte Anschauung vom kulturellen Erbe läßt sich als eine solche, wenn auch „ideelle" Nutzung begreifen. Einen wesentlichen Unterschied begründet jedoch die Tatsache, daß der Eigentümer bei der Wohnungsvermietung den sozialen Bezug selbst hergestellt hat, indem er sich für eine Überlassung der Wohnung an den Mieter entschieden hat 2 1 . Nichts anderes gilt im Hinblick auf das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum. Auch der diesem Verbot zugrundeliegende Sozialbezug wird dadurch begründet, daß sich der Eigentümer — oder sein Rechtsvorgänger—für die Schaffung von Wohnraum entschieden hat, indem er — durch den Bauantrag oder durch Parteivereinbarung — eine entsprechende Zweckbestimmung getroffen hat 2 2 . 19 20 21

BVerwGE 78, S. 23, 28 f. (Hervorhebung d. Verf.). Hierzu oben, §4 111 3. Wendt, S. 386.

III. Sozialbezug des Baudenkmals

133

Auch der soziale Bezug urheberrechtlich geschützter Werke wird durch einen solchen Willensakt des Eigentümers konstituiert; das Bundesverfassungsgericht bringt diesen Sachverhalt deutlich zum Ausdruck, wenn es formuliert, mit der Publikation trete das Werk „bestimmungsgemäß" in den gesellschaftlichen Raum 2 3 . An einem solchen, den Sozialbezug erst konstituierenden Willensakt des Eigentümers fehlt es bei der Begründung der kulturellen Funktion des Baudenkmals. Zwar lassen sich Baudenkmäler finden, die bereits bei ihrer Errichtung einen „ästhetischen Überschuß" 24 als Beleg dafür aufwiesen, daß der Eigentümer seinem Objekt von vornherein eine kulturelle Bedeutung zumaß, die das Bauwerk später als erhaltungswürdig erscheinen lassen würde. Konstituierendes Merkmal oder auch nur der Regelfall ist dies aber nicht. Besonderheit der sozialen Funktion des Baudenkmals ist es gerade, daß dem Eigentumsobjekt im Laufe der Zeit eine Bedeutung zuwächst, auf die der Eigentümer keinerlei Einfluß hat und die in der Regel auch nicht beabsichtigt war 2 5 . b) Ideeller Nutzen

Ein weiterer wesentlicher Unterschied liegt in der Art und dem Gewicht der Bedeutung, die ein Eigentumsobjekt im Rahmen einer kulturellen Sozialfunktion für die Nichteigentümer erlangt. Wie gezeigt 26 , differenziert auch das Bundesverfassungsericht nach diesem Grad der Bedeutung des Eigentumsobjekts für den Nichteigentümer. Während etwa dem Wohnraum als unabdingbarer Voraussetzung für ein menschenwürdiges Dasein besondere, existenzielle Bedeutung zukommt, werden Freizeitinteressen wie der Nutzung eines Kleingartens oder der Sportfischerei ein deutlich geringeres „soziales Gewicht" beigemessen27. Die Zuordnung der kulturellen Sozialfunktion von Baudenkmälern in dieses Spektrum von Nutzungsinteressen der Nichteigentümer hat zunächst zu berücksichtigen, daß der Anschauung vom kulturellen Erbe nicht die „personale" und existenzsichernde Bedeutung zukommt, die etwa der Wohnraumversorgung eigen ist. In seiner unmittelbaren Funktion für die Lebensgestaltung der Nichteigentümer erscheint die Bedeutung des Denkmals eher mit den ideellen Bedürfnissen vergleichbar, deren Befriedigung — etwa durch aktive und vielfaltige Freizeitgestaltung — „zwar von beachtlichem Wert, nicht jedoch mehr von existenzieller Bedeutung ist" 2 8 . 22

Böhle, S. 75ff. BVerfGE 49, S. 382, 394. 24 Ein im Architekten-Urheberrecht bekannter Begriff, vgl. BGHZ 24, S. 55; kritisch Gerlach, G R U R 1976, S. 613, 614. 25 Deutlich wird dies etwa an den Baudenkmälern der Industriegeschichte, aber auch an architektur- oder entwicklungsgeschichtlich bedeutsamen Profanbauten. 26 Hierzu oben, §4 111 3. 27 BVerfGE 52, S. 1, 91, 35; BVerfGE 70, S. 191, 211. 23

134

§ 7 Regelungszweck und Sozialbezug des Denkmalschutzes c) Die Allgemeinheit als Nutznießer

Diese Feststellung wird sogleich relativiert durch eine dritte Besonderheit, die einer kulturellen Sozialfunktion eigen ist: Der dem denkmalgeschützten Eigentumsobjekt innewohnende Sozialbezug betrifft nicht nur einzelne oder einzelne Gruppen — wie Kleingärtner oder Mieter —, sondern schlechthin die Allgemeinheit. Alle Mitglieder eines Kulturkreises sind zur Anschauung vom kulturellen Erbe auf die Erhaltung des Baudenkmals angewiesen — bis hin zum Eigentümer selbst. Während der Einzelne in der Befriedigung des ideellen Bedürfnisses nicht existenziell betroffen ist, verleiht die Betroffenheit der Allgemeinheit und die Weite des Kreises der auf die ideelle Nutzung angewiesenen Nichteigentümer dem Denkmalschutz eine Dimension, die vom Europarat zutreffend als Teil des geschichtlichen Bewußtseins von Generationen gekennzeichnet wurde 29 . I V . Regelungszweck und Sozialbezug im Kontext legitimer Gemeinwohlbelange 1. Funktion eines Vergleichs unterschiedlicher Sozialfunktionen Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß der Regelungszweck des gesetzlichen Denkmalschutzes als Sicherung kulturellen Erbes durch die soziale Funktion von Denkmälern als Kulturgüter legitimiert ist, deren Erhaltung der Allgemeinheit die Anschauung vom kulturellen Erbe ermöglicht. Dieser unabhängig vom Eigentümerwillen konstituierte Sozialbezug betrifft einerseits den einzelnen Nichteigentümer nicht existenziell, erfaßt andererseits aber sämtliche Mitglieder eines Kulturkreises. Der so präzisierte Sozialbezug des Baudenkmals läßt sich nun mit anderen Regelungszwecken und deren Legitimationskraft vergleichen. Dabei ist zu beachten, daß Ziel einer vergleichenden Gewichtung nur eine Annäherung sein kann; die Verfassung normiert keine Rangfolge verschiedener Gemeinwohlzwecke 30 . Im Rahmen der Frage, ob der Gesetzgeber seiner Abwägungsaufgabe im Spannungsfeld von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 14 Abs. 2 GG gerecht geworden ist, bietet jedoch der Vergleich der dieser Abwägungsaufgabe zugrundeliegenden, vom Gesetzgeber vorgefundenen Strukturbedingungen einerseits und der hierdurch veranlaßten Beschränkungen der Eigentümerrechtsstellung andererseits einen wichtigen Anhaltspunkt.

28

BVerfGE 52, S. 1, 35. DVB1. 1975, S. 946. 30 Das Recht des Gesetzgebers, seine politischen Ziele selbst zu setzen, betont Rittstieg, in: Alternativ-Kommentar, Art. 14/15 Rz. 171. 29

IV. Regelungszweck und Sozialbezug im Vergleich

135

2. Auffassungen in der Literatur Die durch den Denkmalschutz verfolgten Regelungsziele werden in der Literatur zum Teil ohne Begründung anderen Gemeinwohlbelangen zugeordnet, zum Teil wird entscheidend auf die Originalität oder Unvermehrbarkeit von Baudenkmälern abgestellt. So meint Wiechert 31 , die Erhaltung der Kulturdenkmäler sei ein Anliegen, das Nutzungsbeschränkungen nicht weniger rechtfertigen dürfte als der Schutz des Grundwassers. Loddenkemper 32 vergleicht das Erfordernis wirtschaftlicher Zumutbarkeit im Rahmen eines Baugebots mit dem denkmalschutzrechtlichen Begriff der Zumutbarkeit und kommt zu dem Ergebnis, wegen der Originalität der Objekte und des hohen Allgemeininteresses an „der Bewahrung der Zeugnisse menschlicher Geschichte und Entwicklung" sei es sachgerecht, die denkmalschutzrechtliche Erhaltungspflicht bis zur „bloßen Kostendeckung" hin auszuweiten; es gebe keine derart „gewichtige Aufgabe", die es gebiete, einen Baulückeneigentümer in gleicher Weise in die Pflicht zu nehmen 33 . Ein ähnlicher Gedanke findet sich bei Dieterich 34 , der in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 35 zur landwirtschaftlichen Bodenverkehrsgenehmigung auf die Unvermehrbarkeit von Baudenkmälern abstellt. Weil das Bundesverfassungsgericht die Tatsache der Unvermehrbarkeit von Grund und Boden zur Rechtfertigung einer Beschränkung privater Verfügungsgewalt herangezogen habe, seien die ebenfalls unvermehrbaren Kulturdenkmäler einer „stärkeren Sozialpflichtigkeit" unterworfen.

3. Kritik Es ist bereits zweifelhaft, ob die zuletzt genannte Auffassung in ihren tatsächlichen Voraussetzungen zutrifft; der wachsende Umfang von Denkmalbüchern und -listen dürfte nicht nur auf den Abbau eines behördlichen Vollzugsdefizits gegenüber einem feststehenden Bestand von denkmalwürdigen Objekten zurückzuführen sein, sondern vor allem auf die stetige Ausdifferenzierung und Ausweitung des — zunächst behördlich definierten — öffentlichen Erhaltungsinteresses auf immer subtilere Nuancen der Architektur-, Regionalund Technikgeschichte36 — ein Befund, der gegen die These von der „Unvermehrbarkeit" der Kulturdenkmäler spricht. 31

Wiechert, in: Grosse / Suchsdorf, § 7 Rz 22. Loddenkemper, BauR 1985, S. 489. 33 Ebd., S. 490. 34 Dieterich, in: Gebeßler / Eberl, S. 397, 402 f. 35 BVerfGE 21, S. 73, 82. 36 So ließ das Innenministerium des Landes Baden Württemberg am 20. Juli 1981 auf eine kleine Anfrage wissen, das Landesdenkmalamt beziehe bei der Erfassung der Kulturdenmäler „die jüngere Architektur seit dem ersten Weltkrieg grundsätzlich in 32

136

§ 7 Regelungszweck und Sozialbezug des Denkmalschutzes

Dessen ungeachtet wird die Bedeutung der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts verkannt, wenn darin eine unspezifische Aufwertung jeglicher auch bodenrelevanter Anliegen des Gesetzgebers gesehen wird. Der Gesetzgeber kann unter pauschaler Berufung auf die besondere Sozialpflichtigkeit von Grund und Boden keineswegs beliebige Eigentumsbeschränkungen rechtfertigen, sondern unterliegt auch insoweit einem differenzierten Begründungszwang 37 . Diese Differenzierung hat die jeweilige Sozialfunktion des Eigentumsobjekts zu berücksichtigen; der Denkmalschutz knüpft gerade nicht an die soziale Bedeutung von Grund und Boden als unverzichtbarer Lebensgrundlage an, sondern an die kulturelle Bedeutung der Eigentumsobjekte. Zwar hat Denkmalschutz bodenrelevante Auswirkungen, der denkmalschutzrechtliche Regelungszweck ist jedoch vom Bodenrecht grundverschieden 38. Denkmalschutzrechtlicher Regelungszweck und der ihm zugrundeliegende kulturelle Sozialbezug des Baudenkmals gewinnen in ihrem Gewicht für die Nichteigentümer nicht annähernd die Bedeutung, die das Wasser als „eine der wichtigsten Grundlagen allen menschlichen, tierischen und pflanzlichen Lebens" 39 hat. Die Auffassung Wiecherts verkennt die dem Abwägungsprozeß vorgelagerten Strukturbedingungen und ersetzt deren Analyse durch eine nicht näher begründete Bewertung. Soweit die oben referierten Auffassungen die Originalität einzelner Denkmäler zur Begründung einer erhöhten Sozialpflichtigkeit heranziehen wollen, vermag diese Betrachtungsweise schließlich der im Abwägungsprozeß erforderlichen Typisierung nicht gerecht zu werden. Die generell-abstrakte Ausgestaltung der Rechtsstellung des Eigentümers kann sich nicht am Wert einzelner, herausragender Objekte orientieren, sondern nur an der Sozialfunktion eines vom konkreten Denkmalobjekt abstrahierten Erhaltungsinteresses. 4. Eigene Konzeption Die Besonderheit des Denkmalschutzes als einer kulturell motivierten Nutzungsbeschränkung des Grundeigentums legt es nahe, beim Vergleich mit anderen eigentumsrelevanten Vorschriften die Unterscheidung zwischen nutzungsrelevanten Auswirkungen des Denkmalschutzes einerseits und seiner Legitimation durch die kulturelle Sozialfunktion des Baudenkmals andererseits gleicher Weise ein wie ältere Bauten", obgleich bei der Einbeziehung der jüngeren Architektur in den Denkmalschutz die Schwierigkeit bestehe, „daß nur in wenigen Fällen das Vorliegen der Merkmale des gesetzlichen Denkmalbegriffs fachwissenschaftlich unumstritten i s t . . . " , vgl. Landtag Baden Württemberg, Drcks. 8/1620; zur „noch nicht ausreichend erkannten denkmalrechtlichen Bedeutung" von Industriebauten vgl. Bülow, S. 19 ff. 37 38 39

Wendt, S. 385. Zutreffend Müller, S. 71 ff. BVerfGE 58, S. 300, 341.

IV. Regelungszweck und Sozialbezug im Vergleich

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im Blick zu behalten. Zur Beantwortung der Frage, ob der Gesetzgeber seiner Abwägungsaufgabe gerecht geworden ist, bedarf es mithin eines gegenüberstellenden Vergleiches der je unterschiedlich bedeutsamen und gewichtigen Sozialbezüge mit den daraus abgeleiteten Beschränkungen der Eigentümerrechtsstellung. Aus der Vielzahl eigentumsrelevanter Maßnahmen bieten sich die in der Regelungsform einer Bindung an den vorgefundenen Bestand vergleichbaren Verbote der Wohnraumzweckentfremdung, die hinsichtlich des Regelungszieles vergleichbaren Beschränkungen urheberrechtlicher Verwertungsbefugnisse, sowie die im Hinblick auf den Regelungsgegenstand vergleichbare städtebauliche Erhaltungssatzung an. a) Vergleichbare Regelungsform: Wohnraumzweckentfremdungsverbot

Wie gezeigt, trifft der Gesetzgeber bei der Normierung der Zweckentfremdungsverbote zum Schutze des Wohnraums auf eine soziale Funktion der erfaßten Eigentumsobjekte, die für den einzelnen Nichteigentümer ein sehr viel höheres Gewicht hat, als dies bei der kulturellen Bedeutung von Baudenkmälern der Fall ist; die kulturelle Sozialfunktion des Denkmals erhält ihr besonderes Gewicht nicht durch die existenzielle Betroffenheit des einzelnen, sondern durch den größeren Kreis der an der ideellen Nutzung interessierten Nichteigentümer. Mögen sich diese unterschiedlichen Gewichtungen in der Qualität und der Quantität des Bezuges gegenseitig aufheben, so spricht doch für eine höhere Legitimationskraft des Sozialbezuges des Eigentumsobjekts „Wohnraum" die Tatsache, daß der Eigentümer diesen Bezug selbst geschaffen hat 4 0 , während ein solcher Willensakt für den Denkmalschutz nur ausnahmsweise bestimmend ist. Dies würde dafür sprechen, die Gestaltungsgrenzen des Gesetzgebers bei der Verfolgung denkmalschutzrechtlicher Gemeinwohlziele enger zu ziehen als es der Regelungszweck „Schutz des Wohnraums" zuließe. Berücksichtigt man aber weiter, daß der Gesetzgeber—innerhalb eines durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 14 Abs. 2 GG vorgegebenen Gestaltungsrahmens — verfassungsrechtlich legitimiert ist, seine Ziele selbst zu setzen und zu gewichten 41 , so läßt sich als Ergebnis jedenfalls festhalten, daß der Denkmalschutz dem Gesetzgeber keine größere Gestaltungsfreiheit eröffnet, als dies bei den Wohnraumzweckentfremdungsverboten der Fall ist. Für die weitere Bestimmung der zulässigen Belastungsintensität denkmalschutzrechtlicher Regelungen läßt sich deshalb ein Anhaltspunkt daraus herleiten, welche Lasten dem Eigentümer von Wohnraum zugemutet werden dürfen. Eine zu Ungunsten des Eigentümers weiterreichende Verschiebung der in einen „gerechten Ausgleich" zu bringenden Belange wäre durch die kulturelle Sozialfunktion des Denkmalschutzes nicht mehr legitimiert. 40 41

Wendt, S. 386. Rittstieg, in: Alternativ-Kommentar, Art. 14/15 Rz 171.

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§ 7 Regelungszweck und Sozialbezug des Denkmalschutzes

In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung herrscht Einigkeit darüber, daß ein auf das Zweckentfremdungsrecht gestütztes Abrißverbot von Wohnraum seine Grenze dort findet, wo dessen Aufrechterhaltung zu einem Renditeausschluß führen würde. Die soziale Funktion des Eigentums als Wohnraum rechtfertigt hiernach nur einen solchen Ausgleich der divergierenden Interessen, der die Möglichkeit des Eigentümers wahrt, aus seinem Eigentum angemessene Vorteile zu ziehen. Die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers bleiben hiernach nur dann gewahrt, wenn längerfristig noch mit einer Rendite aus dem Grundstück zu rechnen ist 4 2 . Die dabei erforderliche Abgrenzung zwischen der hinzunehmenden Renditeminderung und dem nicht mehr hinzunehmenden Renditeausschluß muß sich dabei auf längerfristige Zeiträume, mindestens ein Jahrzehnt, erstrecken 43. Bei der Beantwortung der Frage, ob dem Eigentümer die zweckentfremdungsrechtliche Bindung an den vorgefundenen (Wohnraum-) Bestand zuzumuten ist, darf die Rechtsprechung sich — so ausdrücklich das Bundesverwaltungsgericht 44 gegen das Oberverwaltungsgericht Berlin 45 — hierbei einer „exakten Liquiditätsanalyse" nicht entziehen. Ebenso wie das Abrißverbot ist auch die Beseitigung von zur Unbewohnbarkeit von Räumen führenden Mängeln hiernach „zweckentfremdungsrechtlich nicht zumutbar", wenn die aufzuwendenden Mittel nicht durch eine erzielbare Rendite ausgeglichen werden können 40 . Diese Rechtsprechung findet Zustimmung in der Literatur, wo eine auf Dauer angelegte Beschränkung des Eigentümers auf die Kostenmiete — was einem Renditeausschluß gleichkäme — für unzulässig gehalten wird 4 7 . Zutreffend wird dabei hervorgehoben, daß die Verfassung nichts über die Höhe der dem Eigentümer zu belassenden Rendite aussage, solange überhaupt die Erzielung einer Rendite ermöglicht ist 4 8 . b) Vergleichbares Regelungsziel: Urheberrechtsbeschränkungen

Konzentriert man den Vergleich denkmalschutzrechtlicher Regelungen mit anderen eigentumsrelevanten Vorschriften auf die langfristig verfolgten Zwekke, so fällt eine enge Verwandtschaft zwischen der Sicherung kulturellen Erbes als Regelungsziel des Denkmalschutzes und dem Interesse der Allgemeinheit an einem ungehinderten Zugang zu den Kulturgütern auf, welches das Bundesverfassungsgericht als rechtfertigenden Grund von Beschränkungen urheberrechtlicher Verwertungsrechte angesehen hat 4 9 . Der Sozialbezug, der dem mit der 42 43 44 45 46 47 45

BVerwGE 54, S. 54, 62. V G Bln. NVwZ 1982, S. 53, 54. BVerwG, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 12. OVG Bln. OVGE 38, S. 333, 335. BVerwG, Buchholz 451.51 MRVerbG Nr. 13. Böhle, S. 108. Tietzsch, BauR 1988, S. 420, 423.

IV. Regelungszweck und Sozialbezug im Vergleich

139

Publikation „ i n den gesellschaftlichen Raum" eintretenden Kunstwerk eigen ist, unterscheidet sich in der Intensität des „Angewiesenseins" der Nichturheber in keiner Weise von dem Interesse des Nichteigentümers an der ideellen Nutzung des Baudenkmals. In beiden Fällen sind nicht einzelne soziale Gruppen, sondern schlicht „die Allgemeinheit" betroffen. Wiederum spricht aber für eine höhere Legitimationskraft des urheberrechtlichen Sozialbezuges die Tatsache, daß der Urheber diesen Bezug willentlich geschaffen hat, als das Werk durch die Veröffentlichung „bestimmungsgemäß" in den gesellschaftlichen Raum getreten ist, während ein solcher Willensakt dem Sozialbezug des Baudenkmals fremd ist. Angesichts dieser Vergleichbarkeit, ja sogar einer tendenziell geringeren Legitimationswirkung des Baudenkmalschutzes gegenüber dem Urheberrecht gewinnt an Bedeutung, daß das Bundesverfassungsgericht den grundsätzlichen Ausschluß eines Verbotsrechts des Urhebers zwar für zulässig gehalten hat, nicht hingegen den Ausschluß eines Vergütungsanspruches. Der Anspruch des Urhebers darauf, „daß ihm der wirtschaftliche Nutzen seiner Arbeit zugeordnet wird", könne allein im Interesse der Allgemeinheit an einem ungehinderten Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken nicht ausgeschlossen werden: „ I m Hinblick auf die Intensität der Beschränkung der urheberrechtlichen Stellung muß ein gesteigertes öffentliches Interesse gegeben sein, damit eine solche Regelung vor der Verfassung Bestand h a t " 5 0 . Das Interesse der Allgemeinheit am Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken, also der Sozialbezug des Kunstwerkes, erlaubt mithin ebenfalls keine Beschränkung der Rechtsstellung des Urhebers, die ihm den wirtschaftlichen Nutzen seiner Arbeit nehmen würde. c) Vergleichbarer Regelungsgegenstand: städtebauliche Erhaltungssatzung

Es bleibt schließlich der Vergleich des landesgesetzlichen Denkmalschutzes mit dem sogenannten städtebaulichen Denkmalschutz. Wie gezeigt, finden die Vorschriften über die städtebauliche Erhaltungssatzung — §§172, 173 BauGB — nicht nur ihre kompetenzrechtliche, sondern auch ihre eigentumsspezifische Legitimation in einem gänzlich anderen Sozialbezug des Eigentums, als dem landesgesetzlichen Denkmalschutz zugrundeliegt. Die der städtebaulichen Erhaltungssatzung zugrundeliegende „stadträumliche" Funktion des Grundeigentums für das gegenwärtige Zusammenleben der Menschen in einer „menschenwürdigen Umwelt" 5 1 legt die Annahme eines intensiveren Sozialbezugs nahe, weil zum einen von den städtebaulichen Ausstrahlungswirkungen des Grundeigentums nicht nur einzelne soziale Gruppen, sondern ebenfalls die 49 50 51

BVerfGE 31, S. 229; BVerfGE 49, S. 382. BVerfGE 31, S. 229, 243. BVerwGE 78, S. 23, 29.

§ 7 Regelungszweck und Sozialbezug des Denkmalschutzes

140

Allgemeinheit schlechthin betroffen ist, zum anderen aber die städtebauliche Funktion den einzelnen in seiner Lebensgestaltung stärker betrifft als der kulturelle Dokumentationswert des Baudenkmals. Im Hinblick auf dieses relativ hohe Gewicht der sozialen Eigentumsbezüge im Städtebau erscheint bedenkenswert, ob auch im Rahmen der städtebaulichen Erhaltungssatzung die verfassungsrechtliche Grenze des Hinzunehmenden beim Renditeverlust anzusiedeln ist. Die überwiegende Auffassung in der Literatur tendiert dazu, die eigentumsrechtlich relevante Grenze der städtebaulichen Erhaltungspflicht erst dann als überschritten anzusehen, wenn die Kosten der Erhaltung und Bewirtschaftung die Erträge übersteigen 52. Dies würde bedeuten, dem Eigentümer eine Erhaltungspflicht auch dann zuzumuten, wenn längerfristig nicht mit einer Rendite gerechnet werden kann 5 3 . Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts 54 zur städtebaulichen Erhaltungssatzung legen jedoch eine andere Betrachtungsweise nahe. § 39 h BBauG bestimme Inhalt und Schranken des Eigentums in einer Weise, so das Bundesverfassungsgericht, die den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahre: „Die Gestaltung der Eigentumsposition der Grundeigentümer und der damit verfolgte Zweck stehen zueinander in einem angemessenen Verhältnis. Das Grundeigentum wird nicht in seiner Substanz berührt, die den Eigentümern voll erhalten bleibt. Sie können es weiter in der Art und Weise nutzen, wie sie dies vor dem Erlaß einer Erhaltungssatzung nach § 39 h BBauG getan haben. Verloren geht ihnen allerdings die Möglichkeit, den vorhandenen Baubestand in einer Art und Weise abzuändern, die den Vorschriften des § 39 h Abs. 3 BBauG widerspricht, und so den aus ihrem Grundeigentum zu ziehenden wirtschaftlichen Nutzen noch zu erhöhen. Diese Belastung kann ihnen indessen im Interesse der Erreichung der mit § 39 h BBauG verfolgten Zwecke, die nicht gering zu veranschlagen sind, auferlegt werden . . . " 5 5 .

Das Gericht setzt damit offensichtlich eine rentable Nutzung voraus, die vom Eigentümer trotz der durch die Erhaltungssatzung auferlegten Beschränkungen fortgeführt werden kann. Wird jedoch durch das Änderungsverbot verhindert, daß der Eigentümer von einer unrentablen auf eine rentable Nutzung umstellen kann, so ist bereits der damit erzwungene Renditeausschluß durch den städtebaulichen Sozialbezug nicht mehr legitimiert 56 .

52

Ernst / Zinkahn / Bielenberg/ Stock, § 173 Rz 35; Schlichter/ Stich / Tittel, § 39 h Rz 9; Schmaltz, in: Schrödter, § 39 h Rz 11 53 Konsequent will Schmaltz ebd. eine Verzinsung des Eigenkapitals nicht zu den Kosten der Erhaltung rechnen. 54 BVerfG DVB1. 1987, S. 465. 55 Ebd., S. 466. 56 Grundsätzlich zutreffend deshalb Wolf, B1GBW 1978, S. 228, 229, der die Kapitalverzinsung des Gebäudewertes zu den Aufwendungen rechnet; dagegen bleibt unklar, weshalb die Verzinsung des Boden wertes keine Berücksichtigung finden soll.

IV. Regelungszweck und Sozialbezug im Vergleich

141

5. Schlußfolgerungen Der Vergleich denkmalschutzrechtlicher Zwecksetzungen und des ihnen zugrundeliegenden Sozialbezuges erhaltenswerten Eigentums mit anderen Gemeinwohlbelangen sowie den ihnen korrespondierenden Eigentumsfunktionen hat gezeigt, daß der Denkmalschutzgesetzgeber keine Strukturbedingungen vorgefunden hat, die eine stärke Zurückdrängung der Eigentümerinteressen rechtfertigen könnten als dies beim Wohnraumzweckentfremdungsverbot, dem Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken oder der städtebaulichen Erhaltungssatzung der Fall ist. Der verfassungsrechtlich gebotene Ausgleich kollidierender Eigentümer- und Gemeinwohlinteressen verlangt im Rahmen der genannten Regelungen aber, daß dem Eigentümer eine Renditeerzielung, ein wirtschaftlicher Nutzen und damit eine Verwertung seines Kapitals und seiner Arbeit möglich bleibt. Es läßt sich deshalb schlußfolgern, daß auch dem Eigentümer denkmalgeschützter Bauwerke diese Möglichkeit der Renditeerzielung durch eine gesetzliche Inhaltsbestimmung nicht genommen werden darf, weil die kulturellen Funktionen des schutzwürdigen Baubestandes eine stärkere Zurückdrängung der Eigentümerinteressen nicht rechtfertigen können. Damit ist nichts über die Höhe der erzielbaren Rendite gesagt; die Verfassung garantiert keine bestimmte Gewinnhöhe. Damit ist ferner nichts über die Sicherheit einer Gewinnerwartung gesagt; selbstverständlich ist denkbar, daß ein Eigentümer denkmalgeschützter Bauwerke aus anderen Gründen als denen des Denkmalschutzes Verluste erwirtschaftet. Als Ergebnis steht vielmehr allein, daß der Eigentümer baulicher Anlagen, an denen ein öffentliches Erhaltungsinteresse besteht, durch die dieses Interesse sichernden Regelungen in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit nicht derart „eingeschnürt" werden darf, daß eine Gewinnerzielung ausgeschlossen ist. Dieses Ergebnis gibt sowohl Auskunft über die Anforderungen, denen der Gesetzgeber bei der objektivinstitutionellen Ausgestaltung der denkmalschutzrechtlichen Inhaltsbestimmungen unterliegt, als auch über die Frage, in welcher Weise subjektive Rechtspositionen, die nicht durch Enteignung entzogen werden, umgestaltet werden dürfen. Auch bei der hier im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsprinzips erforderlichen Abwägung stehen dem Gesetzgeber keine Gemeinwohlbelange zur Seite, die gewichtig genug wären, die Vertrauensschutzerwägungen weiter zurückzudrängen als im Rahmen der oben erörterten Regelungsmaterien. Im Kern bedeutet dies, daß auch eine Umgestaltung subjektiver Rechtspositionen zwar Gewinnerwartungen beschränken darf, dem Eigentümer aber keine bloße „Null-Rendite" aufgezwungen werden darf. Dieses Ergebnis hat mit dem Einwand zu rechnen, bei dem dargestellten Vergleich würde verkannt, daß die Durchsetzungskraft bestimmter gesetzgeberischer Anliegen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung dadurch erhöht werden kann, daß die Verfassung selbst die vom Gesetzgeber verfolgten Ziele „betont" 5 7 . 51

Rittstieg, in: Alternativ-Kommentar, Art. 14/15 Rz 171.

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§ 7 Regelungszweck und Sozialbezug des Denkmalschutzes

Als derartige Staatszielbestimmung käme hier sowohl ein bundesverfassungsrechtliches Kulturstaatsprinzip als auch die landesverfassungsrechtlichen Gesetzgebungsaufträge zum Schutz der Kulturdenkmäler in Betracht. Ungeachtet der problematischen Reichweite und Verbindlichkeit eines bundesverfassungsrechtlichen Kulturstaatsprinzips könnte einer derartigen Staatszielbestimmung hinsichtlich der hier interessierenden Frage jedoch lediglich das Postulat einer institutionellen Kooperation von gesellschaftlichen und staatlichen Kulturträgern entnommen werden 58 , wonach staatliche und gesellschaftliche Kulturpflege sich wechselseitig zu ergänzen haben. Ein Kulturstaatsprinzip kann deshalb nur den Rahmen kennzeichnen, in dem Staat und Gesellschaft dem kulturellen Anliegen Denkmalschutz Rechnung zu tragen haben. Wo innerhalb dieses Rahmens die Belastungsgrenze zwischen gesellschaftlicher und staatlicher Verantwortung bei der Erhaltung denkmalwürdigen Baubestandes zu ziehen ist, kann einer derartigen Staatszielbestimmung nicht entnommen werden. Ein dem Grundgesetz immanentes Kulturstaatsprinzip kann diese Grenzziehung deshalb nicht verschieben und dem gesetzgeberischen Anliegen keine erhöhte Durchsetzungskraft verleihen. Nichts anderes gilt für die landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen zum Schutze der Kulturdenkmäler: Die Verpflichtung von Staat und Gemeinden zum Schutz und zur Pflege von Denkmälern 59 sind ebenfalls als Staatszielbestimmungen aufzufassen, für deren Inhalt das eben zum bundesverfassungsrechtlichen Kulturstaatsprinzip erörterte gilt. Die Landesverfassungen wollen Schutz und Pflege der Denkmäler als öffentliche Aufgabe verstanden wissen, die bestimmten Aufgabenträgern anvertraut wird. Inwieweit die Landesgesetzgeber diese Aufgabe mehr repressiv oder mehr in gewährender Art und Weise bewältigen, wird durch die Staatszielbestimmung nicht geregelt. Über das zulässige Maß der den Eigentümern auferlegten Lasten ist diesen Regelungen deshalb nichts zu entnehmen.

58 59

Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 5 Abs. 3 Rz 8. Vgl. etwa Art. 86 der Verfassung von Baden Württemberg

§ 8 Die zulässige Belastungsintensität denkmalschutzrechtlicher Regelungen Nachdem der Prüfungsmaßstab denkmalschutzrechtlicher Regelungen und der vom Gesetzgeber vorgefundene Sozialbezug des Baudenkmals geklärt sind, ferner der Vergleich mit anderen eigentumsrelevanten Vorschriften und den ihnen zugrundeliegenden Sozialfunktionen gezeigt hat, daß das Regelungsziel des Denkmalschutzes dem Gesetzgeber nicht erlaubt, die Möglichkeit einer Renditeerzielung auszuschließen, bedürfen diese Ergebnisse nun, um praktikabel zu sein, der weiteren Differenzierung. Damit ist die Frage nach der zulässigen Belastungsintensität einzelner denkmalschutzrechtlicher Maßnahmen angesprochen. Zu ihrer Beantwortung werden zunächst die in Rede stehenden Eigentumsbeschränkungen im Hinblick auf ihren „kritischen Bereich" betrachtet; dabei lassen sich zwar nicht alle denkbaren Fallkonstellationen erörtern, bei denen die Anwendung inhaltsbestimmender Regelungen zu einer übermäßigen Belastung führen könnte 1 , jedoch bietet die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung einen ausreichenden Überblick über die in der Praxis auftauchenden Probleme. In einem zweiten Schritt wird sodann überprüft, ob der in den Denkmalschutzgesetzen verwendete Begriff der Zumutbarkeit diese Belastungsgrenze markiert oder diesem Tatbestandsmerkmal ein hiervon zu unterscheidender Anwendungsbereich zukommt. I . Die Eingriffsmaßnahmen am Prüfungsmaßstab des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 G G Inhaltsbestimmungen des Eigentums müssen, um vor der Verfassung Bestand zu haben, in Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vom geregelten Sachverhalt her geboten — erforderlich — und in ihrer konkreten Ausgestaltung sachgerecht — geeignet — sein; im Spannungsfeld der Direktiven des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 GG muß der Gesetzgeber die Rechtsstellung des Eigentümers unter gerechter Abwägung der sozialen Bezüge und Funktionen des Eigentumsobjekts ausgestalten. Schließlich hat er gleichheitswidrige Belastungen zu vermeiden. An diesem Maßstab sind im folgenden die verfahrensrechtlichen Bestimmungen (1.), die materielle Erhaltungspflicht (2.), sowie weiter die Veränderungsverbote (3.) und Instandhaltungsgebote (4.) und schließlich die denkmalschutzrechtlichen Nutzungsregelungen (5.) zu überprüfen. 1 Zu Recht betont BVerwG NJW 1988, S. 505, es ließe sich „verallgemeinernd nicht feststellen", ob die Rechtsfolgen des Denkmalschutzes zu einer übermäßigen Belastung führten.

144

§ 8 Die zulässige Belastungsintensität

1. Verfahrensrechtliche Bestimmungen a) Erforderlichkeit und Erhaltungszustand

Der Zweck des dem Eigentümer ipso iure oder durch konstitutive Unterschutzstellung auferlegten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt liegt darin, der Rechtsausübung eine „vorläufige Sperre" 2 zu setzen, um den Behörden die vorbeugende Prüfung einer Beeinträchtigung des gesetzlichen Erhaltungsinteresses zu ermöglichen. Die derart als präventive Verbote mit Erlaubnisvorbehalt ausgestalteten Verfahrensbestimmungen sind erforderlich, weil ohne präventive Kontrolle die Sicherung des Erhaltungszwecks gar nicht—oder nur unvollkommen durch nachträgliche Wiederherstellung — erreicht werden könnte, die Behörden also anderenfalls vor vollendeten Tatsachen stünden 3 . Zwar ließe sich eine Vielzahl baulicher Veränderungen auch im Baugenehmigungsverfahren auf ihre Denkmalverträglichkeit hin überprüfen, der Kreis möglicher Beeinträchtigungen ist jedoch weiter als derjenige genehmigungspflichtiger Bauvorhaben, was sich etwa am Beispiel der nicht baugenehmigungspflichtigen Instandhaltungsarbeiten zeigt. Problematischer ist jedoch die bereits oben 4 aufgeworfene Frage, ob die Unterschutzstellung — oder die Anwendbarkeit eines ipso iure begründeten Genehmigungsvorbehalts 5 — dann noch erforderlich und damit zulässig ist, wenn die bauliche Anlage aufgrund ihres Erhaltungszustandes objektiv nicht mehr erhalten werden kann. Nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg 6 setzen die gesetzlichen Begriffsbestimmungen des Kulturdenkmals voraus, daß eine Anlage erhaltungsfahig ist; die mit der Eintragung eines Denkmals einhergehenden Eigentumsbeschränkungen seien nur dann gerechtfertigt, wenn die technische Erhaltungsfähigkeit positiv feststehe. Dem wird entgegengehalten7, diese Rechtsprechung vermenge in unzulässiger Weise Merkmale des Kulturdenkmalbegriffs mit Problemen des Genehmigungsverfahrens. Oft stelle sich erst nach umfangreichen Untersuchungen heraus, ob ein Denkmal erhalten werden könne. Die Erhaltung liege erst dann nicht mehr im Interesse der Allgemeinheit, wenn das Original nicht mehr vorhanden sei 8 . Diese Kritik verkennt, daß die Unterschutzstellung und Auferlegung des präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt eine belastende Maßnahme ist, deren Zulässigkeit nicht allein aus der gesetzlichen Begriffsbildung abgeleitet werden kann. Erforderlich zur Wahrung des gesetzlichen Erhaltungszwecks 2 3 4 5 6 7 8

BVerfGE 20, S. 150, 155 — Sammlungs-Urteil —. OVG Lüneburg, DVB1. 1984, S. 284, 285; BVerwG DVB1. 1984, S. 683. Vgl. oben, §2 IV 2 b). Was im Wege der Feststellungsklage überprüft werden könnte, oben § 2 IV 1. OVG Lüneburg, NJW 1980, S. 307, 308. Hönes, DÖV 1983, S. 332. OVG Berlin, OVGE 17, S. 149, 153.

I. Eingriffsmaßnahmen und Art. 14 I 2 GG

145

kann eine präventive Kontrolle nur dann sein, wenn dieser (End-) Zweck überhaupt noch erreichbar ist. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen belastender Maßnahmen müssen aber zum Zeitpunkt ihrer Anordnung vorliegen 9 . Es hieße, das präventive Verbot einem repressiven Verbot anzunähern, wenn man unter Verkennung dieser Grundsätze das Erfordernis sachlicher Gebotenheit außer acht ließe und der Behörde erlaubte, Denkmäler ohne Rücksicht auf die Erreichbarkeit der gesetzlichen Zwecke „auf Vorrat" unter Schutz zu stellen. Die Unterschutzstellung eines objektiv nicht erhaltbaren Bauwerks ist deshalb rechtswidrig. b) Sachgerechte Ausgestaltung und unterschiedliche Verfahrenssysteme

Die Ausgestaltung der verfahrensrechtlichen Bestimmungen trägt dem Anliegen aller Denkmalschutzgesetze Rechnung, zur Sicherung des legitimen Erhaltungsinteresses das Eigentumsobjekt zwar grundsätzlich in der Hand des Eigentümers zu belassen, dessen Befugnisse aber zweckentsprechend zu beschränken und ihre Ausübung zu überwachen. Sowohl die deklaratorischen als auch die konstitutiven Verfahrenssysteme werden diesem Regelungsziel in je unterschiedlicher Weise gerecht: Das durch die deklaratorischen Systeme verwirklichte „Prinzip der Generalklausel" ist geeignet, erhaltenswerte Bauwerke auch dann der Stilentwicklung zu entziehen, wenn der Bestand an solchen Anlagen noch nicht umfassend festgestellt ist 1 0 . Die gegen dieses Verfahren erhobenen Bedenken im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot11 überzeugen nicht. Zwar läßt sich dem erwähnten Erfordernis auch im Rahmen konstitutiver Verfahren durch die Vorschriften über den vorläufigen Schutz nachkommen; entscheidend ist jedoch, daß auch im Rahmen konstitutiver Verfahren nicht auf unbestimmte, mit dem Rechtsstaatsprinzip gleichwohl vereinbare Rechtsbegriffe „wertausfüllenden Charakters" 12 verzichtet werden kann, die gerichtliche Überprüfbarkeit aber im Rahmen beider Verfahren gleichermaßen gewahrt ist. Die Rechtslage ist vergleichbar mit der Anwendung des Begriffs des im Zusammenhang bebauten Ortsteiles in § 34 BauGB: Die Gemeinde kann durch eine Satzung nach § 34 Abs. 4 BauGB — klarstellend oder konstitutiv — festlegen, welche Grundstücke zum Ortsteil zählen, dazu gezwungen ist sie aber aus Gründen des Bestimmtheitsgebots nicht. Auch die im Rahmen der konstitutiven Verfahren allseits geteilte Auffassung, im Rahmen der zweistufigen Verfahren seien Belange der Wirtschaftlichkeit und Zumutbarkeit erst auf der zweiten Stufe — nämlich im Genehmigungsverfahren — zu berücksichtigen 13 , ist im Hinblick auf das Regelungsziel sachgerecht. 9

Maurer, S. 198 f. Hierzu oben, § 2 IV. 11 Hönes, Unterschutzstellung, S. 269 f. 12 Maunz, BayVBl. 1983, S. 254, 259. 13 Hierzu bereits oben, § 2 IV 2 b). 10

10 Kömer

§ 8 Die zulässige Belastungsintensität

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Diese Ausgestaltung trägt dem Bestreben Rechnung, in den Regelungsbereich des Gesetzes zunächst möglichst umfassend alle Eigentumsobjekte einzubeziehen, bei denen ein öffentliches Interesse an der Erhaltung des gegenwärtigen Zustandes vorliegt 14 . Ihre Grenze findet dieses Bestreben erst, wie gezeigt, bei der objektiven Unmöglichkeit der Erhaltung. c) Gerechter Interessenausgleich und Verkehrswerteinbuße

Die präventive Kontrolle, denen die Ausübung der Eigentümerbefugnisse durch die Eintragung unterworfen wird, läßt subjektive Rechtspositionen unberührt; daß eine ausgeübte Nutzung allein wegen des auferlegten Genehmigungsvorbehalts nicht forgeführt werden könnte, ist nicht denkbar. Die in Rede stehenden Regelungen sind deshalb nur in ihrer objektiv-institutionellen Wirkung auf die abstrakten Eigentümerbefugnisse zu betrachten und im Hinblick darauf zu befragen, ob ihnen eine gerechte, an den Direktiven des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 GG orientierte Abwägung zugrundeliegt. Bei dieser Betrachtung eines Genehmigungsvorbehalts hat die Rechtsprechung zu Recht seit jeher streng zwischen den Wirkungen der „Verfahrenspflichtigkeit" 15 und der nachfolgenden Aktualisierung eines präventiven Verbots durch die Versagung einer Genehmigung unterschieden 16. Die so verstandenen Wirkungen des Genehmigungsvorbehalts gehen nicht über das Maß dessen hinaus, was der Gesetzgeber im Hinblick auf die vorgefundenen sozialen Funktionen erhaltenswerter Bausubstanz dem Eigentümer zumuten durfte 17 . Die Belastungen liegen weit unter der oben dargelegten Schwelle, von der ab eine kulturelle Sozialfunktion keine ausreichende Legitimationsgrundlage mehr darstellt. Diese weithin geteilte Auffassung 18 gilt auch im Hinblick auf die mit der Eintragung verbundenen Verkehrswertverluste: Zwar kann, wie dargelegt 19 , bereits die Eintragung eines Denkmals erhebliche Verkehrswertverluste nach sich ziehen, die die Veräußerung eines Grundstückes

14

BVerwG NJW 1988, S. 505. BGH NVwZ 1988, S. 963. 16 So bereits BGHZ 6, S. 270, 284; ferner BGHZ 57, S. 278, 282 ff. m.w.N. 17 BVerwG DVB1. 1984, S. 638; BVerwG NJW 1988, S. 505; OVG Lüneburg DVB1. 1984, S. 284. 18 Bereits OVG Hamburg MDR1965, S. 417; Battis/Schmittat, NuR 1983, S. 102,105; Eberl, in: Eberl / Martin / Petzet, Art. 20 Rz 20; anderer Ansicht V G Berlin, DVB1. 1982, S. 366f., das zwar präzise zwischen den Rechtsfolgen der Eintragung und den „erst aufgrund entsprechender Anordnungen der Behörde bzw. durch die Versagung der Genehmigung" eintretenden Rechtsfolgen unterscheidet, dann aber unzutreffend meint, die Eintragung selbst könne sich „enteignend" auswirken, wenn diese durch einen Abrißantrag veranlaßt worden ist — was bereits deshalb unzutreffend ist, weil der Abrißantrag trotz der Eintragung beschieden werden muß und erst durch diesen Ablehnungsbescheid die Ausübung der Eigentümerbefugnisse geregelt wird. 15

19

Vgl. oben, § 3 I 2.

I. Eingriffsmaßnahmen und Art. 14 I 2 GG

147

erschweren; auch hat das Bundesverfassungsgericht 20 eine Beeinträchtigung der Veräußerungsbefugnis — „elementarer Bestandteil der Handlungsfreiheit im Bereich der Eigentumsordnung" — rechtlichen Regelungen bereits dann zugeordnet, wenn deren praktische Handhabung den Verkauf als wirtschaftlich sinnlos erscheinen ließ 21 . Gleichwohl führen die mit der Eintragung einhergehenden Verkehrswertverluste unabhängig von ihrer Höhe nicht zu der Schlußfolgerung, der Gesetzgeber habe dem Abwägungsgebot nicht hinreichend Rechnung getragen. Denn zum einen zielt die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf ein „faktisches Veräußerungsverbot" ab, das gerade daraus resultiert, daß der Gesetzgeber die privatnützigen Verwendungsmöglichkeiten derart reduziert hat, daß selbst eine Veräußerung unmöglich wird. Von einer derartigen Beschränkung der Verwendungsmöglichkeiten kann aber im Hinblick auf die aus der Eintragung resultierende Verfahrenspflichtigkeit keine Rede sein 22 . Während das Bundesverfassungsgericht also die konkrete Regelung und ihre Auswirkungen auf die Rech ^Stellung des Eigentümers im Blick hat, kann aus der bloßen Reaktion des Grundstücksmarktes nicht auf die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes geschlossen werden 23 . Es ist deshalb zumindest ungenau, den Grundstückswert als „brauchbaren Indikator für die enteignende Wirkung einer Maßnahme" 24 anzusehen: Dies kann er nur sein, wenn die gesetzliche Ausformung der Rechtsstellung selbst übermäßig einschränkend wirkt und dem Eigentümer durch die damit verbundenen Wertverluste zugleich die Möglichkeit genommen wird, sich durch Veräußerung vor Vermögensschäden zu bewahren. Daß es entscheidend nur auf die rechtlichen Auswirkungen der gesetzlichen Maßnahme ankommen kann, zeigen schließlich auch die in der Rechtsprechung angestellten Vergleiche zu anderen inhaltsbestimmenden Maßnahmen, die Wertverluste zur Folge haben, aber deshalb zutreffend nicht als unzulässig einseitige Ausgestaltung angesehen werden: Die baurechtliche Veränderungssperre zieht ebenso Wertverluste nach sich wie Baumaßnahmen des Grundstücksnachbarn, die auf rechtmäßiger Planung und Genehmigung beruhen, ohne daß hieraus der Schluß gezogen würde, Veränderungssperre und Nachbarbaugenehmigung seien wegen der daraus resultierenden Wertverluste rechtswidrig 2 5 . 2. Materielle Erhaltungspflicht Die materielle Erhaltungspflicht wird im denkmalschutzrechtlichenEingriffsinstrumentarium aktualisiert durch das Veränderungsverbot, das Instandhaltungs- und Instandsetzungsgebot sowie die Nutzungsregelungen. Dieser Um20 21 22 23 24 25

10*

BVerfGE 52, S. 1, 31 f. BVerfG NJW 1989, S. 972, 973 OVG Lüneburg, DVB1. 1984, S. 284, 285. BVerwG DVB1. 1984, S. 638, 639. Moench/Schmidt, Baugestaltung, S. 127. OVG Lüneburg, DVB1. 1984, S. 284, 286; BVerwG, DVB1. 1984, S. 638, 639.

148

§ 8 Die zulässige Belastungsintensität

stand legt es nahe, die diesen Eingriffsermächtigungen gemeinsamen Erwägungen im Rahmen einer Betrachtung der verfassungsrechtlichen Grenzen der materiellen Erhaltungspflicht voranzustellen. Eine unbegrenzte Erhaltungspflicht kann in ihrem kritischen Bereich dazu führen, daß dem Eigentümer die Erhaltung eines unwirtschaftlichen Baudenkmals und damit ein unzulässiger Renditeausschluß aufgezwungen würde. Die materielle Erhaltungspflicht steht daher im Brennpunkt der objektiv-institutionellen Anforderungen an inhaltsbestimmende Regelungen des Denkmalschutzes. Subjektive Rechtspositionen werden durch die generell-abstrakte Erhaltungspflicht dagegen nicht berührt; dies kann erst im Rahmen der konkreten Eingriffsverfügung — Veränderungsverbot oder Nutzungsuntersagung — der Fall sein, weshalb die sich aus dem Schutz subjektiver Rechtspositionen ergebenden Anforderungen im Rahmen dieser Eingriffsmaßnahmen erörtert werden. a) Erhaltungspflicht und Wirtschaftlichkeit der Erhaltung

Das aus dem Vergleich der sozialen Funktionen des Grundeigentums abstrakt gewonnene Ergebnis, wonach die Rechtsstellung des Eigentümers zum Zwecke der Erhaltung von Baudenkmälern nicht in einer Weise verengt werden darf, die die Erzielung einer Rendite unmöglich macht, bedarf der Konkretisierung. In der praktischen Rechtsanwendung stellt sich die Frage, wie die so verstandene Wirtschaftlichkeit eines Baudenkmals zu ermitteln ist. In der Rechtsprechung und Kommentierung zu § 7 Abs. 3 Nds DSchG — der Legaldefinition wirtschaftlich unzumutbarer Belastungen — hat sich eine „denkmalrechtliche Wirtschaftlichkeitsberechnung" herausgebildet, nach der die Wirtschaftlichkeit eines Baudenkmals durch einen unter Heranziehung von Vorschriften des Wohnungsbauförderungs- sowie des Steuerrechts gebildeten Vergleich von Kosten und Erträgen des Denkmals zu ermitteln ist 2 6 . Diese Berechnungsmethode ist durch die Auslegung des § 7 Abs. 3 Nds DSchG bestimmt, wonach eine wirtschaftliche Belastung insbesondere dann unzumutbar ist, soweit die Kosten der Erhaltung und Bewirtschaftung nicht durch die Erträge oder den Gebrauchswert des Kulturdenkmals aufgewogen werden können. Unabhängig von der damit bereits angesprochenen Frage, ob diese Definition wirtschaftlicher Unzumutbarkeit zugleich die Grenze der verfassungsrechtlich zulässigen Belastungsintensität markiert, ist im folgenden die Berechnungsmethode zunächst auf ihre Eignung zur Ermittlung dieser verfassungsrechtlichen Eingriffsschwelle hin zu überprüfen. Zu diesem Zwecke werden zunächst die Grundzüge der denkmalrechtlichen Wirtschaftlichkeitsberechnung dargestellt, in einem zweiten Schritt ist der Frage nachzugehen, ob damit den sich aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 GG ergebenden Erfordernissen in ausreichendem Maße Rechnung getragen ist. 26

Zum folgenden umfassend OVG Lüneburg, BRS 42, Nr. 142; Wiechert, in: Grosse/Suchsdorf, §7 Rz 8 ff.

I. Eingriffsmaßnahmen und Art. 14 I 2 GG

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b) Die denkmalrechtliche Wirtschaftlichkeitsberechnung

aa) Herangezogene Rechtsgrundlagen Zur Ermittlung der in den Vergleich einzustellenden Kosten und Erträge ziehen das Oberverwaltungsgericht Lüneburg 27 und die Kommentierung zum niedersächsischen Denkmalschutzgesetz28 zunächst die Verordnung über wohnungswirtschaftliche Berechnungen nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz, die sogenannte Zweite Berechnungsverordnung — II. BV — heran 29 , die verwertbare Aussagen insbesondere über die Kosten der Bewirtschaftung baulicher Anlagen enthalte. Daneben werden die Vorschriften über Steuervergünstigungen für Kulturdenkmäler bei der Grundsteuer — § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG —, der Vermögenssteuer — § 115 BewG — und der Erbschaftssteuer — §13 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG — herangezogen 30, die die Vergünstigungen unter anderem davon abhängig machen, ob die jährlichen Kosten des Kulturdenkmals in der Regel die Einnahmen übersteigen. Die steuerrechtliche Praxis bei der Ermittlung dieser Voraussetzungen kann den einschlägigen Steuerrichtlinien — Abschnitt 35 Abs. 2 GrStR und Abschnitt 94 Abs. 5 VStR — entnommen werden. bb) Kosten der Erhaltung Zu den Kosten der Erhaltung und Bewirtschaftung des Baudenkmals zählen danach zunächst die laufenden Aufwendungen zur Instandhaltung, deren Kosten an den Pauschalsätzen des § 28 Abs. 2 II. BV zu orientieren sind; entsprechend § 24 II. BV werden daneben Verwaltungskosten, Betriebskosten und Mietausfallwagnis — entsprechend § 26, 27, 29 II. BV — angesetzt, nicht hingegen Abschreibungen, an deren Stelle aber eine Rückstellung für Reparaturen anerkannt wird 3 1 . Während eine Verzinsung desjenigen Eigen- oder Fremdkapitals, das in der Denkmalsubstanz oder dem Grundstück angelegt ist, nicht als Kosten anerkannt wird, sollen Finanzierungskosten für das Sanierungskapital anrechenbare Erhaltungskosten darstellen, wobei sich die Höhe des zu einer Sanierung erforderlichen Kapitals aus den Bau- und Baunebenkosten — entsprechend § 8 II. BV — ergebe 32. Bei der Gegenüberstellung von Kosten und Erträgen bleiben, wie § 7 Abs. 3 Satz 3 Nds DSchG ausdrücklich anordnet, solche Mehrkosten unberücksicht, die darauf zurückzuführen sind, daß in der Vergangenheit Erhaltungsmaßnah27

OVG Lüneburg, BRS 42, Nr. 142, S. 324, 327. Wiechert, § 7 Rz. 10. 29 In der Fassung der Bekanntmachung vom 3. April 1984 (BGBl. I, S. 553), zuletzt geändert durch die Verordnung zur Änderung energieeinsparender Vorschriften vom 19. Januar 1989 (BGBl. I, S. 109). 30 Wiechert, § 7 Rz. 10. 31 Wiechert, §7 Rz 11; OVG Lüneburg, S. 327 f. 32 Wiechert, § 7 Rz 12, 14; OVG Lüneburg, S. 326, 328. 28

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§ 8 Die zulässige Belastungsintensität

men denkmalschutzrechtlichen Verpflichtungen oder sonstigem öffentlichen Recht zuwider unterblieben sind. cc) Erträge und Zuwendungen Als Erträge des Baudenkmals werden nach der genannten Berechnungsmethode sämtliche Einnahmen angesehen; dies betrifft insbesondere Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, gegebenenfalls aber auch Eintrittsgelder oder andere Erträge, die insbesondere aus gewerblich genutzten Grundstücken gezogen werden. Bei selbstgenutzten Bauwerken soll die ortsübliche Miete als Ertrag anzusetzen sein; da das „Wohnen im eigenen Haus" aber höher bewertet werde, sei als Anhaltspunkt das üblicherweise für den Bau oder Erwerb von Einfamilienhäusern Aufgewendete anzusehen33. Dem Eigentümer werden nicht nur diejenigen Erträge angerechnet, die er tatsächlich erzielt, sondern auch dasjenige, was er erzielen kann 3 4 . Der Eigentümer soll sich deshalb objektiv mögliche Nutzungen entgegenhalten lassen müssen; dies schließt eine gegenüber dem derzeitigen Gebrauch rentablere Nutzung nach einer erforderlichen Sanierung ein. Auch die Veräußerungsmöglichkeit soll hierzu zählen und gegebenenfalls eine Wirtschaftlichkeitsberechnung entbehrlich machen 35 . Neben den Erträgen sind nach § 7 Abs. 3 Satz 2 Nds. DSchG den Erhaltungsund Bewirtschaftungskosten Steuervorteile sowie Zuwendungen aus privaten und öffentlichen Mitteln gegenzurechnen, die der Eigentümer in Anspruch nehmen kann. Besondere Bedeutung erlangen in diesem Zusammenhang die in § 82 i und k EStDV geregelte erhöhte Absetzung von Herstellungskosten und der Sonderbehandlung von Erhaltungsaufwand bei Baudenkmälern 36 . dd) Prognosezeitraum Die Feststellung der Wirtschaftlichkeit eines Baudenkmals stellt eine Prognose dar. Insbesondere im Zusammenhang mit einer zum Zwecke der Wohnnutzung erforderlichen Sanierung kann sich im Laufe des Berechnungszeitraums die zu ermittelnde Kostenmiete ändern, weil die Finanzierungskosten für das Sanierungskapital einerseits abnehmen, andererseits damit verbundene Steuervergünstigungen auslaufen. Es bedarf deshalb einer Antwort auf die Frage, auf welchen Zeitraum die Wirtschaftlichkeitsprognose zu erstrecken ist. 33

Wiechert, § 7 Rz 13. Wiechert, § 7 Rz 13 u. H. auf den gesetzlichen Wortlaut in § 7 Abs. 3 Satz 1 Nds DSchG. 35 Wiechert, §7 Rz 13. 36 Hierzu Wiechert, § 33 Rz 4; zu beachten ist, daß der Nutzwert der selbstgenutzten Wohnung im eigenen Haus seit dem 1. Januar 1987 keine steuerpflichtige Einkunftsart mehr ist, so daß Erhaltungsaufwand und Herstellungskosten grundsätzlich nicht mehr als Werbungskosten gegengerechnet werden können, vgl. § 52 Abs. 21 EStG. 34

I. Eingriffsmaßnahmen und Art. 14 I 2 GG

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Die Rechtsprechung verlangt in Anlehnung an die Regelungen des § 82 i und k EStDV, die die Gewährung steuerlicher Vorteile zur Erhaltung von Baudenkmälern auf zehn Jahre begrenzen, daß die Wirtschaftlichkeit der Erhaltung ebenfalls für die ersten zehn Jahre gewährleistet ist, da dem Eigentümer nicht zugemutet werden könne, zunächst jahrelang eigenes Kapital zur Erhaltung aufzubringen. Dies wird unter anderem mit dem Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes begründet, nach der dem Eigentümer nicht zugemutet werden dürfe, „auf Dauer" bei der Erhaltung des Baudenkmals „zuzuschießen" 37 . c) Stellungnahme

Die beschriebene Berechnungsmethode erweist sich grundsätzlich als geeignet, die verfassungsrechtlich noch zulässige Ausgestaltung der Rechtsstellung des Eigentümers zu ermitteln. Die Berechnung steht im Ansatz im Einklang mit der „exakten Liquiditätsanalyse", die das Bundesverwaltungsgericht bei der Ermittlung der Grenzen solcher Einschränkungen der Dispositionsfreiheit fordert, die sich aus dem Wohnraumzweckentfremdungsverbot ergeben 38. Auch im Rahmen der dort erforderlichen Ermittlung der „Grenze zwischen der als Sozialbindung hinzunehmenden Renditeminderung ... und des unter dem Gesichtspunkt des Art. 14 GG nicht mehr hinzunehmenden Renditeausschlusses" verlangt die Rechtsprechung, daß sich die Prognose auf längerfristige Zeiträume, mindestens ein Jahrzehnt erstreckt 39 . Weil die Erhaltungspflicht selbst eine auf Dauer angelegte Pflicht ist, kann sich die Feststellung, daß dem Eigentümer damit kein unzulässiger Renditeverzicht abverlangt wird, nicht auf kurze Zeiträume beziehen; der Prognosezeitraum von zehn Jahren gewährleistet hinreichende Sicherheit einer auf Dauer renditefahigen Erhaltung. Die Ermittlung der Wirtschaftlichkeit eines Baudenkmals durch einen Vergleich von Kosten und Erträgen ist eine Schätzung 40 , wie sich bereits daraus ergibt, daß zukünftige Erhaltungskosten und Erträge zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Erhaltung nicht feststehen können. Dies läßt es im Ansatz sachgerecht erscheinen, die in anderen Regelungswerken — insbesondere der Zweiten Berechnungsverordnung — niedergelegten Erfahrungswerte bei der Schätzung heranzuziehen. Es spricht schließlich nichts dagegen, die in § 7 Abs. 3 Satz 2 Nds DSchG normierte Anrechenbarkeit solcher Steuerersparnisse und Zuwendungen auch bei der Ermittlung der Intensitätsgrenze denkmalschutzrechtlicher Eingriffsmaßnahmen anzuerkennen, die der Eigentümer in Anspruch nehmen kann. Nicht zu überzeugen vermag die in der Rechtsprechung 4 1 zum Wohnraumzweckentfremdungsverbot vereinzelt vertretene Ansicht, 37

OVG Lüneburg, S. 327 unter Bezugnahme auf BGHZ 72, S. 211 — „Villa BadenBaden" —. 38 BVerwGE 54, S. 54, 62; BVerwG Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 12. 39 V G Berlin, NVwZ 1982, S. 53, 54. 40 OVG Lüneburg, S. 325 ff. 41 V G Berlin, NVwZ 1982, S. 53, 54 f.

152

§ 8 Die zulässige Belastungsintensität

derartige Zuwendungsmöglichkeiten dürften den Kosten nicht gegengerechnet werden, weil der Eigentümer nicht dazu gezwungen werden könne, Zuwendungen in Anspruch zu nehmen. Die Belastungen gesetzlicher Maßnahmen sind einer Gesamtschau der Rechtsstellung zu entnehmen; wenn Eingriffe durch gewährende Maßnahmen im vermögensrechtlichen Bereich kompensiert werden, ist dies bei der Betrachtung der Eingriffsmaßnahme zu berücksichtigen 42. Schließlich erscheint auch die Regelung des § 7 Abs. 3 Satz 3 Nds DSchG für die Ermittlung der verfassungsrechtlichen Belastungsgrenze anwendbar, wonach in der Vergangenheit rechtswidrig unterbliebene Erhaltungsarbeiten nicht als Mehrkosten angesetzt werden dürfen. Auch ohne gesetzliche Regelung wurde dieser Ansatz bei der Bestimmung der Grenzen des Wohnraumzweckentfremdungsverbots von der Rechtsprechung gebilligt, weil das rechtswidrige Unterlassen für die Bestimmung dessen, was ein Eigentumsobjekt der Allgemeinheit „zu leisten" habe, ohne Einfluß sein müsse 43 . Will man die Berechnungsmethode zum Zwecke der Ermittlung der verfassungsrechtlich noch zulässigen Erhaltungspflicht anwenden, werden gleichwohl Korrekturen erforderlich, die zum einen der begrenzten Analogiefähigkeit der herangezogenen Berechnungsgrundlagen, zum anderen einem unterschiedlichen Begriff der Wirtschaftlichkeit Rechnung tragen. aa) Begrenzte Analogiefähigkeit der herangezogenen Berechnungsgrundlagen Die zweite Berechnungsverordnung dient nach ihrer Ermächtigungsgrundlage — § 105 Abs. 1 a II. WoBauG — einem doppelten Zweck: In ihr wird zum einen der Begriff der Wirtschaftlichkeit im Sinne des Wohnungsbauförderungsrechts geregelt 44 , zum anderen werden Berechnungsmethode und Berechnungsgrundlagen vereinheitlicht, also die Ermittlung der Wirtschaftlichkeit geregelt. In der nach der Zweiten Berechnungsverordnung zu erstellenden Wirtschaftlichkeitsberechnung werden die für den neu geschaffenen Wohnraum nachhaltig entstehenden Kapital- und Bewirtschaftungskosten — sogenannte laufende Aufwendungen — errechnet und den zu erzielenden Erträgen gegenübergestellt. Die Wirtschaftlichkeit von Wohnraum ist gegeben, wenn die laufenden Aufwendungen durch die Erträge gedeckt werden können, die bei öffentlich gefördertem Wohnraum bis zur Höhe der so ermittelten „Kostenmiete" anfallen 45 . M i t der Entscheidung, welche Art von Kosten in die Berechnung eingestellt werden dürfen, regelt der Verordnungsgeber mithin den Begriff der Wirtschaftlichkeit; mit der Festsetzung von Pauschalsätzen und Berechnungsgrundlagen regelt er dagegen die Ermittlung der Wirtschaftlichkeit 46 . 42 43 44 45

Hierzu bereits oben, § 4 IV 2. BVerwG Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 12. Leisner, S.3ff. Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender, Einl. II.BV, S. Iff.

I. Eingriffsmaßnahmen und Art. 14 I 2 GG

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Nichts anderes gilt für die herangezogenen steuerrechtlichen Regelungen: Nach § 32 Abs. 1 Ziff. 1 GrStG ist die Grundsteuer zu erlassen, wenn die aus einem Denkmal erzielten Einnahmen und die sonstigen Vorteile — der Rohertrag — unter den jährlichen Kosten liegen. Die Richtlinien — Abschnitt 35 GrStR — greifen den gesetzlichen Tatbestand einer fehlenden Kostendeckung auf und geben Hinweise für die Ermittlung von Kosten und Erträgen im Rahmen dieses Wirtschaftlichkeitsbegriffs. Hinsichtlich der Anwendbarkeit der genannten Regelungswerke im Rahmen einer denkmalrechtlichen Wirtschaftlichkeitsberechnung folgt aus diesem doppelten Regelungszweck, daß nur diejenigen Vorschriften übertragbar sind, die Ermittlung und Berechnungsgrundlagen der Wirtschaftlichkeit zum Gegenstand haben, nicht aber die den Wirtschaftlichkeitsbegriff selbst regelnden Vorschriften. Der Begriff der Wirtschaftlichkeit im Bezugsrahmen des Wohnungsbauförderungsrechts — wo er eine das Förderungsrechtsverhältnis bestimmende Subventionsauflage bildet 47 — unterscheidet sich grundlegend von dem Begriff der Wirtschaftlichkeit als Grenze einer verfassungsrechtlich zulässigen Renditeminderung. Dasselbe gilt für die steuerrechtlichen Regelungen, die ebenfalls eine Subvention bezwecken. Im Rahmen eines subventionsoder steuerrechtlichen Wirtschaftlichkeitsbegriffs steht es dem Gesetz- oder Verordnungsgeber frei, dessen Inhalt entsprechend den politischen Zielvorstellungen festzulegen; die verfassungsrechtliche Wirtschaftlichkeitsgrenze ist dem Gesetzgeber hingegen vorgegeben. Dieser Umstand verbietet es, einen diesen politischen Zielvorstellungen verpflichteten Wirtschaftlichkeitsbegriff unbesehen zur Bestimmung der verfassungsrechtlichen Zumutbarkeitsgrenze heranzuziehen. Dagegen bestehen keine Bedenken gegen die Übertragbarkeit der Vorschriften über die Ermittlung und die Berechnungsgrundlagen von Kosten und Erträgen, weil der Zweck dieser Regelungen dem Erfordernis einer denkmalrechtlichen Wirtschaftlichkeitsberechnung entspricht. Hier wie dort geht es darum, auf der Grundlage von Erfahrungssätzen in einer systematisierten Berechnung eine Prognose hinsichtlich zukünftiger Kosten und Erträge zu erstellen. Die dort angewendeten Methoden — ζ. B. Gliederung der Berechnung in Gesamtkosten und daraus abgeleiteten laufenden Aufwendungen — sowie die Pauschalsätze für Instandhaltung, Bewirtschaftung, Mietausfallwagnis sind deshalb übertragbar. bb) Wirtschaftlichkeitsbegriff

und Kapitalverzinsung

Es wird diesen Erwägungen nicht gerecht, den Ausschluß einer Verzinsung des im (Denkmal-) Grundstück gebundenen Kapitals damit zu begründen, auch die Steuerrichtlinien sähen eine Berücksichtigung der Kapitalverzinsung als 46

Wobei die Nichtanpassung der Pauschalsätze an veränderte Umstände Rückwirkungen auf den Wirtschaftlichkeitsbegriff selbst haben kann, hierzu Leisner, S. 27 ff. 47 Leisner, S. 3.

154

§ 8 Die zulässige Belastungsintensität

Kosten der Erhaltung nicht vor 4 8 . Dem ließe sich mit derselben Überzeugungskraft entgegenhalten, daß §§ 20,21 II. BV die Zinsen für Eigen- und Fremdkapital als laufende Aufwendungen berücksichtigen, und zwar sowohl hinsichtlich der Kosten des Baugrundstücks als auch der Baukosten selbst 49 . Der Ausschluß der Kapitalverzinsung läßt sich auch nicht damit begründen, aus der Situationsgebundenheit des Eigentums folge, daß kein Rechtsanspruch darauf bestehe, Gewinne aus einem Baudenkmal zu ziehen, solange eine ausgeübte oder vernünftigerweise in Betracht zu ziehende Nutzungsmöglichkeit nicht ausgeschlosen ist 5 0 . Die Lehre von der Situationsgebundenheit läßt sich auch bei immanenter Betrachtungsweise nicht zur Beantwortung der Frage heranziehen, ob nicht eine „vernünftigerweise in Betracht zu ziehende Nutzungsmöglichkeit" gerade ausgeschlossen wird, wenn aus einem Grundstück keine Gewinne mehr gezogen werden dürfen. Dagegen hat die Betrachtung der vom Gesetzgeber vorgefundenen Sozialfunktionen des Baudenkmals gezeigt, daß diese eine solche Beschränkung der Rechtsstellung des Eigentümers nicht mehr legitimieren, die einen Renditeausschluß zur Folge hat 5 1 . Dies bedeutet nicht, daß der Eigentümer einen Rechtsanspruch darauf hat, „Gewinne aus einem Baudenkmal zu ziehen" 52 ; er hat aber einen Rechtsanspruch darauf, daß ihm die Möglichkeit zur Erzielung eines Gewinns nicht genommen wird. Zeigt sich bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung, daß die Erhaltungspflicht ihn zu einem Verzicht auf diese Möglichkeit nötigen würde, so sind die Grenzen des verfassungsrechtlich Erlaubten überschritten. Diese Renditefahigkeit ist in der Wirtschaftlichkeitsberechnung dadurch zu gewährleisten, daß die Verzinsung des Eigen- und Fremdkapitals, das im Grundstück angelegt ist, als Kosten der Erhaltung anzusetzen ist. Als Anhaltspunkt für die Höhe der Verzinsung können die Regelungen der §§ 20, 21II. BV herangezogen werden, wenngleich zu beachten ist, daß die dort angesetzte Höhe der Eigenkapitalverzinsung Ausdruck eines Subventionszweckes ist, der ohne eine entsprechende gesetzliche Regelung nicht auf das Denkmalschutzrecht übertragbar erscheint. Eine Unterschreitung des in § 20 Abs. 2 Satz 2 II. BV angesetzten Mindeszinssatzes kommt jedoch nicht in Betracht, weil das angesichts der Geldentwertung einem Renditeausschluß gleichkäme. cc) Wert der Eigennutzung Eine weitere Korrektur ist im Hinblick auf den als Ertrag anzusetzenden Wert der Eigennutzung erforderlich. Diese stellt einen Kernbestand privatnütziger Verwendungsmöglichkeiten dar, der dem Eigentümer im Rahmen der Ausge48 49 50 51 52

So aber Wiechert, § 7 Rz 12. Vgl. §§ 19, 12, 5 Abs. 1 II. BV. So aber OVG Lüneburg, S. 328. Hierzu oben, § 7 IV 5. OVG Lüneburg, S. 328.

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staltung seiner Rechtsstellung zu belassen ist 5 3 . Es liefe darauf hinaus, die Ausübung dieses Rechts ungerechtfertigt zu beschränken, wenn man den Ertrag wegen des besonderen Wertes „des Wohnens im eigenen Haus" 5 4 höher als die dadurch ersparten Aufwendungen ansetzen wollte. Die Eigennutzung ist keine dem Eigentümer gewährte Vergünstigung, sondern Rechtsausübung. Erträge dieser Nutzung bilden deshalb nur die ersparten Aufwendungen, also die ortsübliche Miete. dd) Wirtschaftlichkeit

und allgemeine Handlungsfreiheit

Eine letzte Korrektur ist schließlich im Hinblick auf das oben 55 erörterte Verständnis der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG als Ausprägung der allgemeinen Handlungsfreiheit im vermögensrechtlichen Bereich erforderlich. Denn weil in die denkmalschutzrechtliche Wirtschaftlichkeitsberechnung an Erträgen nicht nur dasjenige einbezogen wird, was der Eigentümer tatsächlich erzielt, sondern auch die Erträge angerechnet werden, die erzielt werden können, ist es denkbar, daß dem Eigentümer eine ungewollte, aber objektiv wirtschaftliche Nutzungsart entgegengehalten wird, dies bis hin zur Veräußerung. Die Annahme liegt nahe, daß damit ein im Hinblick auf die allgemeine Handlungsfreiheit unzulässiger Nutzungs- oder gar Veräußerungszwang ausgeübt würde. Bei genauer Betrachtung ergibt sich jedoch, daß der Verweis auf eine objektiv rentable Nutzungsmöglichkeit, die der Eigentümer selbst nicht ins Auge gefaßt hat, keinen hoheitlichen Zwang zur Aufnahme dieser Nutzung beinhaltet, sondern eine aus dem Grundsatz von Treu und Glauben resultierende Einwendung, die dem sich auf die UnVerhältnismäßigkeit einer Maßnahme berufenden Eigentümer entgegengehalten werden darf, vergleichbar etwa mit der aus § 254 BGB resultierenden Schadensabwendungspflicht 56. Hieraus ergeben sich auch die Grenzen dieser Verweisungsmöglichkeit: Dem Eigentümer darf keine solche Nutzungsmöglichkeit entgegengehalten werden, die nach seiner individuellen Disposition nicht ins Auge zu fassen wäre, die mit der angestrebten Nutzung also nicht zumindest vergleichbar ist. Eine Sanierung zum Zwecke rentabler Nutzung darf ihm nur dann angesonnen werden, wenn die erforderliche Finanzierung abgesichert ist. Der Einsatz von Eigenkapital darf nicht in höherem Maße verlangt werden, als der Eigentümer im Rahmen der von ihm ins Auge gefaßten Nutzung veranschlagt hatte 57 . Die Veräußerung ist nur dann eine Alternative, die dem Eigentümer entgegengehalten werden darf, wenn sie wirtschaftlich im hier verstandenen Sinne ist 5 8 und außerdem mit den sonstigen 53

Hierzu oben, § 4 I I I 2 c). Wiechert, §7 Rz 13. 55 Vgl. oben, §4 I I I 2. 56 Hierzu bereits oben, § 4 V 3. 57 A.A. Wiechert § 7 Rz 14; zum Kostenrisiko beim Primärrechtsschutz BGH JZ 1984, S. 741. 54

156

§ 8 Die zulässige Belastungsintensität

Dispositionen des Eigentümers in Einklang steht 59 ; das Recht zur Eigennutzung muß dabei gewahrt werden. 3. Veränderungsverbote a) Erforderlichkeit, Geeignetheit und Dokumentationswert des Baudenkmals

Es bedarf keiner Erörterung, daß das Verbot beeinträchtigender Veränderungen im Grundsatz sachgerecht und erforderlich ist, um das gesetzliche Erhaltungsinteresse zu sichern. Die Probleme liegen hier im Detail, bei der Antwort auf die Frage, wann einer beabsichtigten Maßnahme „Gründe des Denkmalschutzes entgegenstehen"60 oder eine Maßnahme „den Denkmal wert beeinträchtigt" 61 . Diese Tatbestandsmerkmale sind — ebenso wie die Voraussetzung des Erhaltungsinteresses beim Denkmalbegriff selbst — gerichtlich voll nachprüfbar 62 . Im Rahmen ihrer Auslegung werden der Berücksichtigung konservatorischer Forderungen etwa nach werkstoffgetreuer Ausführung durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip Grenzen gesetzt: Erforderlich zur Wahrung des Erhaltungsinteresses ist die Verwendung ursprünglicher Baustoffe nur dann, wenn sich das besondere Erhaltungsinteresse gerade auf diese Ausführung bezieht 63 . Dasselbe gilt für die in der Praxis häufigen Detailfragen etwa bei der Erneuerung von Fenstern in denkmalgeschützten Bauwerken 64 . Denn der Maßstab, nach dem zu beurteilen ist, ob im Einzelfall eine Maßnahme beeinträchtigend wirkt oder nicht, ergibt sich aus dem Dokumentationswert der Anlage für die Allgemeinheit. Es ist deshalb ein gangbarer Weg, bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Beeinträchtigung auf das Empfinden eines gebildeten Durchschnittsbetrachters abzustellen65. Damit wird nicht die Forderung nach Authentizität denkmalpflegerischer Maßnahmen 66 bestritten, aber einem dem Allgemeininteresse nicht mehr verbundenen Purismus Grenzen gesetzt.

58 A.A. Wiechert §7 Rz 13, der nicht erläutert, warum nur der Bodenwert ersetzt werden soll: Der Wert der Baulichkeiten muß auch dann vergütet werden, wenn diese abgerissen werden sollten, der Eigentümer durch das Veränderungsverbot hieran aber gerade gehindert war. 59 So auch Wiechert § 7 Rz 14. 60 § 10 Abs. 2 Bin DSchG. 61 § 6 Abs. 2 Nds DSchG. 62 A.A. Wiechert § 6 Rz 8. 63 Zu undifferenziert deshalb Martin, in: Eberl/Martin/Petzet, Art. 6 Rz 55. 64 Vgl. Strobel, in: Strobel/Majocco/Birn, § 8 Rz 15 m.w.N.aus der Rechtsprechung. 65 V G H Baden-Württemberg, ESVGH 32, S. 45, 48; Backhaus, S. 101 f. m.w.N. 66 Hierzu Mörsch, in: Gebeßler/Eberl, S. 70, 75.

I. Eingriffsmaßnahmen und Art. 14 I 2 GG

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b) Veränderungsverbote und gerechter Interessenausgleich

aa) Veränderungsverbote

und Wirtschaftlichkeit

Die Versagung einer Veränderungsgenehmigung aktualisiert die materielle Erhaltungspflicht; das Verbot der Veränderung darf deshalb nicht weiter reichen als die Erhaltungspflicht selbst, die ihre Grenze an der UnWirtschaftlichkeit des Baudenkmals findet. Ein Veränderungsverbot, das den Eigentümer zu einer unwirtschaftlichen Erhaltung im oben erörterten Sinne nötigt, stünde deshalb mit der Forderung nach gerechtem Interessenausgleich anhand der Direktiven des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 GG nicht in Einklang. bb) Veränderungsverbote

und Schutz ausgeübter Nutzungen

Weil die Veränderungsverbote aber nicht lediglich eine objektiv-institutionelle Pflicht statuieren, sondern zugleich Eingriffsermächtigungen darstellen, ist ihre Vereinbarkeit mit dem Abwägungsgebot des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 GG darüberhinaus im Hinblick auf ausgeübte Nutzungen zu überprüfen. Oben 67 wurde gezeigt, daß die Gesetzgeber mit den Veränderungsverboten überwiegend keinen Entzug subjektiver Rechtspositionen bezweckten; wo dies doch der Fall war, darf die mit dem Vollzug des Denkmalschutzgesetzes betraute Behörde das Veränderungsverbot auch dann aufrechterhalten, wenn hiermit zugleich eine Enteignung verbunden ist. Die hierbei zu beachtenden Anforderungen ergeben sich aus Art. 14 Abs. 3 GG. Dort, wo die Veränderungsverbote eine solche Ermächtigung zur Enteignung nicht aufweisen, bildet es die materielle Kehrseite dieser ausschließlichen Zuordnung zum Prüfungsmaßstab des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, daß bei der Anwendung der gesetzlichen Regelungen über die Veränderungsverbote die Rechtspositionen nicht abrupt überwunden, sondern nur schonend umgestaltet werden dürfen. Ähnlich wie in den Fallgestaltungen, die der baurechtlichen Rechtsprechung 68 zum „überwirkenden Bestandsschutz" zugrundeliegen, darf die Versagung einer Veränderungsgenehmigung dabei nicht dazu führen, daß eine funktionsgerechte und legal begonnene Nutzung unterbunden und damit der Bestand entwertet würde. Im Hinblick auf die unterschiedliche Geltungskraft der vom Gesetzgeber jeweils verfolgten Regelungszwecke, gegen die der Bestandsschutz sich „durchzusetzen" hat, bedarf dieser Grundsatz jedoch folgender Präzisierungen: Art. 14 Abs. 1 Satz 1 G G schützt ausgeübte Nutzungen nicht um ihrer selbst Willen, sondern im Hinblick auf den damit verbundenen Einsatz von Kapital und Arbeit 6 9 . Läßt sich das Grundstück ohne die beeinträchtigende Veränderung „wirtschaftlich", also renditefahig, auf andere Art und Weise nutzen, so darf die Veränderung versagt werden. Die im Hinblick auf die ursprüngliche 67 68 69

Oben, § 6 I 4. BVerwGE 50, S. 49,55ff.; vgl. hierzu im übrigen Finkelnburg/Ortloff, Bd. II, S. 148. Hierzu oben, §4 I I 2 c).

158

§ 8 Die zulässige Belastungsintensität

Nutzung eingesetzten Investitionen sind dann, soweit sie sich im Rahmen der geänderten Nutzung als wertlos erweisen, in die Wirtschaftlichkeitsberechnung als Kosten einzubeziehen. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG verlangt ferner nicht, daß ausgeübte Nutzungen ohne zeitliche Begrenzung „konserviert" werden müssen 70 . Der Sozialbezug des Baudenkmals ist von ausreichender Legitimationskraft, um die Umgestaltung dieser Rechtspositionen durch ausreichend lange Überleitungszeiträume zu erlauben. Eine beeiträchtigende Veränderung darf deshalb auch dann versagt werden, wenn der Eigentümer nach Kenntnis der Denkmaleigenschaft 71 die begonnene Nutzung ausreichend lange fortführen konnte, um zu einer Amortisation seiner Investitionen zu gelangen. cc) Veränderungsverbote

und Schutz sonstiger Investitionen

Dieselben Vertrauensschutzerwägungen haben auch im Hinblick auf sonstige Aufwendungen zu gelten, die ein Eigentümer im Vorgriff auf eine beabsichtigte Veränderung einsetzt und die sich bei einem Verbot der Veränderung als wertlos erweisen würden. Es handelt sich hierbei um Kosten, die im Planungsschadenrecht des Baugesetzbuches von § 39 BauGB erfaßt und dort als Vertrauensschaden bezeichnet werden. Ähnlich wie der Bauherr Schutz seines Vertrauens auf die Verbindlichkeit des Bebauungsplans erwarten darf, ist das Vertrauen eines Denkmaleigentümers auf die Veränderbarkeit der baulichen Anlagen hinsichtlich solcher Investitionen schutzwürdig, die vor Kenntnis der Denkmaleigenschaft im Hinblick auf eine beabsichtigte und nach Maßgabe sonstigen Rechts zulässige Veränderung eingesetzt wurden. Es wird dem Vertrauensschutzgedanken nicht gerecht, den spätesten Zeitpunkt der Schutzwürdigkeit derartiger Aufwendungen auf das Inkrafttreten der materiellen Erhaltungspflicht — bei den deklaratorischen Regelungssystemen also auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes — zu beziehen72. War ein Denkmal zum Zeitpunkt der Aufwendungen unerkannt, so kann vom Eigentümer nicht mehr Vorausschau erwartet werden, als von den mit dem Vollzug der Denkmalschutzgesetze befaßten Behörden. Der Hinweis 73 auf die Möglichkeit zu einer Bauvoranfrage ändert hieran nichts; auch der von einer Planänderung Betroffene hat diese Möglichkeit 74 , gleichwohl gewährt der Gesetzgeber Ersatz des Vertrauensschadens. Fehlt es an einer Anspruchsgrundlage für diesen Ersatz, ist dem gebotenen Schutz derartiger Investitionen auf andere Weise Rechnung zu tragen: Durch die Einbeziehung auch dieser Kosten in die Wirtschaftlichkeitsberechnung mit den 70

Hierzu oben, §4 I I 2 c). Hierzu oben, § 6 I 3 c) cc). 72 So aber Wiechert § 7 Rz 18 f. 73 Wiechert § 7 Rz 19. 74 Durch deren Wahrnehmung sich der Eigentümer gegen nachfolgende Rechtsänderungen durchsetzt, vgl. BVerwGE 69, S. 1; Finkelnburg/Ortloff, Bd. II, S. 104f. 71

I. Eingriffsmaßnahmen und Art. 14 I 2 GG

159

sich daraus ergebenden Folgen bis hin zur Erteilung der Veränderungsgenehmigung 75 . 4. Instandhaltungs- und Instandsetzungsgebote Hinsichtlich der gesetzlichen Ermächtigung, bestimmte Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung anzuordnen, ergeben sich keine wesentlichen Besonderheiten. Die Erforderlichkeit und Geeignetheit dieser Anordnungsbefugnisse ist im Grundsatz unbestritten, bezüglich der Gebotenheit im Einzelfall gilt das oben ausgeführte. Auch die Verpflichtung zur Ausführung dieser Maßnahmen darf den Eigentümer nicht an der Erzielung einer Rendite hindern; die Kosten der voraussichtlich erforderlichen Erhaltungsmaßnahmen sind deshalb in die Wirtschaftlichkeitsprognose einzustellen und bereits im Rahmen eines Antrages auf Veränderung zur berücksichtigen 76 . Daraus ergibt sich zugleich, daß Instandhaltungsmaßnahmen, deren Erforderlichkeit sich erst nachträglich herausstellt, nur dann verhälnismäßig sind, wenn sie sich entweder im Rahmen der ursprünglichen Wirtschaftlichkeitsprognose halten, oder aber von den tatsächlichen Erträgen in ausreichendem Maße gedeckt sind. 5. Nutzungsregelungen a) Verbot beeinträchtigender Nutzung und Wirtschaftlichkeit

Das objektiv-rechtliche Verbot beeinträchtigender Nutzung — etwa aktualisiert durch das Verbot der Nutzungsänderung mit Genehmigungsvorbehalt — steht ebenso unter dem Zulässigkeitsvorbehalt der Renditefähigkeit wie die Veränderungsverbote. Die Genehmigung zur Nutzungsänderung darf deshalb nicht versagt, die beeinträchtigende Nutzung nicht untersagt werden, wenn dies nach den Grundsätzen der denkmalrechtlichen Wirtschaftlichkeitsberechnung einen Renditeausschluß nach sich zöge. b) Schutz ausgeübter Nutzungen

War das oben 77 erörterte Problem, ob sich der Schutz einer ausgeübten Nutzung gegen das Verbot beeinträchtigender Veränderungen durchsetzen kann, mit dem aus dem Baurecht bekannten Problem des „überwirkenden Bestandsschutzes" vergleichbar, so bildet die Durchsetzung einer ausgeübten Nutzung gegen das Verbot substanzgefahrdender Nutzungen das Analogon zum „einfachen" Bestandsschutz. Während es beim „überwirkenden" Bestandsschutz darum geht, wegen eines geschützten Zustandes ein zusätzliches Vorha75

Vgl. hierzu im übrigen unten, § 9 II. OVG Lüneburg, NJW 1986, S. 1892; V G H Baden Württemberg, DVB1. 1988, S. 1219, 1223 f; a.A. noch V G H Baden Württemberg, BWVPr. 1976, S. 84. 77 Vgl. oben, § 8 I 3 b) bb). 76

160

§ 8 Die zulässige Belastungsintensität

ben — eben die Veränderung — verwirklichen zu dürfen, erlaubt es der „einfache" Bestandsschutz, einen tatsächlich gegebenen Zustand aufrechtzuerhalten 78 . Soweit es dabei nur um die Erhaltung der errichteten Bausubstanz geht, scheinen sich zwar die Schutzrichtungen des Bestandsschutzes und des Denkmalschutzes zu decken; der Bestandsschutz umfaßt jedoch auch — und gerade — die Bestandsnutzung79, die als substanzgefährdende Nutzung mit den denkmalschutzrechtlichen Nutzungsregelungen durchaus in Konflikt treten kann. Hier wie dort ist Voraussetzung eines Schutzes der ausgeübten Nutzung, daß diese ursprünglich — zum Zeitpunkt ihrer Aufnahme oder später — rechtmäßig war 8 0 . Dies bedeutet, daß die substanzgefährdende Nutzung eines Denkmals zu einem Zeitpunkt begonnen worden sein muß, indem ihr die zur materiellen Illegalität führenden denkmalrechtlichen Erhaltungspflichten noch nicht entgegenstanden. Abzustellen ist bei dieser Frage der ursprünglichen materiellen Legalität nicht auf den Zeitpunkt der Kenntnis von der Denkmaleigenschaft, vielmehr muß die denkmalgeschützte Nutzung vor dem objektiven Inkrafttreten denkmalrechtlicher Pflichten begonnen worden sein. Dieser Unterschied etwa zum Vertrauensschutz von im Hinblick auf beabsichtigte Veränderungen eingesetzten Aufwendungen rechtfertigt sich dadurch, daß die Aufnahme einer substanzgefahrdenden Nutzung in aller Regel ein baugenehmigungsbedürftiges Vorhaben ist. Die Baugenehmigungsbehörden haben deshalb die Gelegenheit, die Denkmaleigenschaft bisher „unerkannter" Denkmäler vor der Nutzungsaufnahme zu prüfen und die Nutzung gegebenenfalls zu untersagen. Die durch Umgehung dieser präventiven Kontrolle formell illegal begonnene Nutzung begründet hingegen kein schutzwürdiges Vertrauen auf die Nutzbarkeit „unerkannter" Denkmäler. Umgekehrt bedeutet dies aber, daß eine genehmigte, jedoch materiell illegale Nutzung Vertrauensschutz genießt, der durch die Widerrufs- bzw. Rücknahmevorschriften gewährleistet wird 8 1 . Im übrigen gilt das bereits zum „überwirkenden" Bestandsschutz ausgeführte: Ausgeübte Nutzungen sind nicht unüberwindbar, die mit ihnen verknüpften Rechtspositionen können „schonend" umgestaltet werden. Bei der Länge der Überleitungsfristen ist wiederum — dem Vertrauensschutzgedanken entsprechend — auf den Zeitpunkt der Kenntnis von der Denkmaleigenschaft abzustellen. Eine Nutzung muß mithin, um überhaupt Bestandsschutz genießen zu können, vor dem objektiven Inkrafttreten der entgegenstehenden Pflichten begonnen sein; die Frage, ob die grundsätzlich bestandsgeschützte Nutzung während einer ausreichend langen Überleitungsfrist hätte umgestellt werden können, ist dagegen im Hinblick auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme dieser

78 79 80 81

BVerwG BRS 32, Nr. 141. BVerwG BRS 32, Nr. 140 m.w.N. Finkelnburg/Ortloff, Bd. II, S. 134. Ebd., S. 129f.

I. Eingriffsmaßnahmen und Art. 14 I 2 GG

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Pflicht zu beantworten. Im Einzelfall richtet sich die Länge der Frist nach der Höhe der mit der Nutzung verbundenen Investitionen. Ein „schonender" Übergang wird schließlich auch dadurch ermöglicht, daß der Eigentümer auf eine andere wirtschaftliche Nutzung im hier verstandenen Sinne umstellt und die noch nicht amortisierten, durch die Nutzungsänderung wertlos gewordenen Investitionen als Kosten in die Wirtschaftlichkeitsberechnung eingestellt werden dürfen. c) Schutz abstrakter Nutzungsbefugnisse

Oben 82 wurde gezeigt, daß denkmalrechtliche Veränderungsverbote und Nutzungsregelungen die Bandbreite der dem Eigentümer zustehenden Nutzungsbefugnisse über das Planungs- und Bauordnungsrecht hinaus verengen, indem sie den Eigentümer hindern, an einer sonst zulässigen Intensivierung der baulichen Nutzung teilzuhaben oder zu einer einträglicheren Nutzungsart überzugehen. Es ist zu prüfen, ob diese Verengung abstrakter Nutzungsbefugnisse jenseits der objektiv-rechtlichen Anforderungen der Wirtschaftlichkeit und des subjektiv-rechtlichen Schutzes ausgeübter Nutzungen dem Abwägungsgebot des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 G G gerecht wird. Dieser „Entzug" abstrakter, nicht ins Werk gesetzter Befugnisse ist keine Enteignung 83 ; er ist auch keine im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 zulässige, weil „schonende" Umgestaltung konkreter Rechtspositionen, sondern eine Inhaltsneubestimmung des Eigentums, bei der der Gesetzgeber das Verhältnismäßigkeitsgebot und das Vertrauensschutzprinzip auch im Hinblick auf frühere, nicht ins Werk gesetzte, aber „aktuell" bedeutsame Befugnisse zu wahren hat 8 4 . Erhöhte Veranlassung erhält diese Überprüfung denkmalrechtlicher Nutzungsregelungen dadurch, daß das Planungsschadenrecht in § 42 Abs. 2 BauGB eine Entschädigung in Höhe des Wertverlustes gewährt, wenn die zulässige — nicht notwendig ausgeübte — Nutzung eines Grundstücks innerhalb einer Frist von sieben Jahren aufgehoben oder geändert wird. Gegen die hiernach naheliegende Annahme, auch der Denkmalschutzgesetzgeber dürfe abstrakte Nutzbarkeiten jedenfalls nicht entschädigungslos entziehen, läßt sich nicht mit Erfolg einwenden, der Denkmalschutz sei ein Anliegen, das die entschädigungslose Nutzungsbeschränkung nicht weniger rechtfertigen dürfte als der Schutz des Grundwassers 85. Auf diese Weise lassen sich Gemeinwohlziele nicht miteinander vergleichen; die im Rahmen der Institutsgarantie bedeutsamen Sozialfunktionen des Baudenkmals sind eher von geringerer Legitimationskraft 8 6 . 82

Oben, § 3 I 1 b). BVerfGE 58, S. 300, 338. 84 Schwerdtfeger, Dogmatische Struktur, S. 22, der diese Vertrauensschutz- und Verhältnismäßigkeitsanforderungen „einfachen Bestandsschutz" nennt. 85 So aber Wiechert, in: Grosse/Suchsdorf, §7 Rz 22. 83

11 Kömer

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§ 8 Die zulässige Belastungsintensität

Entscheidend gegen die Annahme, eine entschädigungslose Aufhebung von abstrakten Nutzbarkeiten durch den Denkmalschutz könnte die Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgebots und des Vertrauensschutzprinzips mißachten, spricht aber folgendes: Die durch eine Entziehung abstrakter Nutzbarkeiten bewirkte Belastung bemißt sich danach, was dem Eigentümer gegenüber dem planungsrechtlichen status quo ante nach Inkrafttreten der denkmalrechtlichen Pflichten noch erlaubt ist. Weil aber die objektiv-institutionelle Ausgestaltung der Rechtsstellung des Eigentümers nur dann auf einem gerechten Interessenausgleich beruht, wenn die verbleibenden Nutzbarkeiten die Renditefähigkeit des Eigentumsobjekts zulassen, ist auch die Umgestaltung nicht derart gravierend, daß sie dem Verhältnismäßigkeitsgebot nur bei gleichzeitiger Gewährung einer Entschädigung genügen würde. Der Ausschluß von der Teilhabe an Intensivierungen der Nutzung oder von einem Wechsel der Nutzungsart ist durch die mit dem Denkmalschutz verfolgten Zwecke legitimiert, solange die verbliebenen Nutzungsarten den Kernbestand privatnütziger Verwendungsmöglichkeiten wahren. Die insbesondere zu wahrende Renditefahigkeit hat unmittelbare Auswirkungen auf den Verkehrswert auch des denkmalgeschützten Grundstücks 87 . Damit wird in der Regel zugleich ein „faktisches Veräußerungsverbot" ausgeschlossen, weil ein renditefahiges Grundstück verkehrsfahig bleibt. Für dieses Ergebnis spricht schließlich ein Argument der sachlichen Gebotenheit: Wäre der Gesetzgeber gezwungen, die mit dem Denkmalschutz einhergehenden Bodenwertschwankungen auszugleichen, also entsprechend § 42 Abs. 2 BauGB die mit der Umgestaltung der Nutzbarkeiten verbundenen Verkehrswertverluste zu ersetzen, wäre Denkmalschutz zumal in konjunkturbegünstigten, städtischen Gebieten kaum noch möglich 88 . Dagegen dürfte es nicht ausgeschlossen sein, die Wirtschaftlichkeit erhaltenswerter Bausubstanz gerade soweit zu fördern, daß ein Grundstück renditefahig bleibt. Es spricht für die Konsensfähigkeit dieser Annahme, daß der Bundesgerichtshof 89 auf völlig anderer dogmatischer Grundlage ein ähnliches Ergebnis erzielte: Entschädigungsfahig ist hiernach nicht der geltend gemachte Verkehrswertverlust, sondern derjenige Anteil an den Bewirtschaftungskosten, der erforderlich ist, um die Veräußerbarkeit des Baudenkmals oder dessen „wirtschaftlich vertretbare Nutzung" zu ermöglichen 90 .

86 87 88 89 90

Hierzu oben, § 7 IV 4. Hierzu oben, § 3 I 2. Dieterich, in: Gebeßler / Eberl, S. 419; Wiechert § 7 Rz 22. BGHZ 72, S. 211 — „Villa Baden-Baden" —. BGHZ 72, S. 222.

II. Zum Begriff der Zumutbarkeit

163

I I . Zum Begriff der Zumutbarkeit Nachdem die Grenzen der verfassungsrechtlich zulässigen Intensität denkmalschutzrechtlicher Beschränkungen damit umrissen sind, läßt sich nun der Frage nachgehen, ob der in den Denkmalschutzgesetzen verwendete Begriff der Zumutbarkeit diese Belastungsgrenze markiert oder ihm ein davon abweichender Inhalt zu entnehmen ist. Im folgenden werden die hierzu vertretenen Auffassungen kurz dargelegt, die im wesentlichen auf eine objektive und eine subjektive Deutung des Begriffs abzielen, um sodann eine am Zweck der tatbestandlichen Begrenzung orientierte Auslegung zu erörtern. 1. Subjektiver Begriff der Zumutbarkeit In der Kommentarliteratur findet sich die verbreitete Auffassung, bei der Ermittlung der Zumutbarkeit einer Maßnahme des Denkmalschutzes komme es auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Eigentümers an; dem vermögenden Eigentümer seien höhere Leistungen zur Erhaltung des Baudenkmals zumutbar als dem weniger begüterten 91 . Die durch den Begriff konkretisierte Sozialbindung des Eigentums reiche beim leistungsfähigen Eigentümer weiter als bei einem weniger vermögenden; es sei deshalb danach zu fragen, was ein vernünftiger Eigentümer bei den gegebenen Vermögensverhältnissen an Leistungen erbringen würde 92 . Nach Maunz 9 3 ist der Begriff zur Lösung eigentumsrechtlicher Probleme gerade deshalb untauglich, weil seine Auslegung auch von den vermögensrechtlichen und sonstigen persönlichen Verhältnissen des Eigentümers abhinge. 2. Objektiver Begriff der Zumutbarkeit Dieser auf die Leistungsfähigkeit des Eigentümers abstellenden Betrachtungsweise wird zu Recht entgegengehalten, daß sie im Ergebnis wie eine rechtsstaatswidrige Besteuerung ohne gesetzlich bestimmten Maßstab wirke 9 4 . Die Sozialbindung lasse den Zwang zum Rückgriff auf sonstige Vermögensgüter unabhängig von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Eigentümers nicht zu, weshalb die Zumutbarkeit objektbezogen zu ermitteln sei 95 . Die Rechtsprechung folgt überwiegend dieser objektbezogenen Betrachtungsweise. Dies gilt für die gerichtliche Anwendung der Regelung der Zumutbarkeit in § 7 Abs. 3 Nds DSchG ohnehin, weil diese Legaldefinition eine 91

Gahlen/Schönstein, § 7 Rz 3; Upmeier, in: Memmersheimer / Upmeier /Schönstein, § 7 Rz 12 f.; Rothe, § 7 Rz 6; Dörffeld, § 12 Rz 6. 92 Martin, in: Eberl /Martin /Petzet, Art. 4 Rz 13. 93 Maunz, BayVBl. 1983, S. 257, 258. 94 Wiechert, in: Grosse /Suchsdorf, § 7 Rz 9 95 Moench/Schmidt, Baugestaltung, S. 96 f. 11*

164

§ 8 Die zulässige Belastungsintensität

objektbezogene Ermittlung der Kosten und Erträge des Baudenkmals voraussetzt; aber auch der Zumutbarkeitsbegriff in den übrigen Landesgesetzen wird überwiegend im Hinblick auf den Nutzwert des einzelnen Baudenkmals ausgelegt96. Dabei werden die zu § 7 Abs. 3 Nds DSchG entwickelten Grundsätze der denkmalrechtlichen Wirtschaftlichkeitsberechnung herangezogen und die Grenze der Zumutbarkeit als überschritten angesehen, soweit die Kosten der Erhaltung und Bewirtschaftung nicht durch die Erträge aufgewogen werden können 97 . Als unzumutbar gilt danach erst die Erhaltung desjenigen Denkmals, das ein „Zuschußobjekt" ist, das dem Eigentümer im Interesse der Allgemeinheit eine Art „Mäzenatentum" aufzwingen würde 98 . Ein Renditeausschluß verletze die Zumutbarkeitsgrenze nicht, im Gegenteil wird erwogen, ob nicht ein gewisser „Abmangel" bei der Kostendeckung noch zumutbar sei 99 . Veranlaßt durch die Regelung in Art. 4 Abs. 2 Satz 1 Bay DSchG, wonach bei der Ermittlung der Zumutbarkeit die „sonstigen Aufgaben und Verpflichtungen" des Betroffenen zu berücksichtigen sind, hat sich bei der Anwendung dieser Regelung eine „zweistufige" 100 Betrachtungsweise herausgebildet. Auszugehen sei von der Frage, ob der Erhaltungsaufwand in einem anhaltenden Mißverhältnis zum realisierbaren Nutzwert des Baudenkmals stehe; zu Recht weist der Bayerische Verwaltungsgerichtshof 101 jedoch darauf hin, daß es dem Gesetzgeber freistehe, darüberhinaus die Berücksichtigung sonstiger Aufgaben und Verpflichtungen des Eigentümers anzuordnen. Im Rahmen dieser Zumutbarkeit „unterhalb der Enteignungsschwelle"102 seien die widerstreitenden Interessen abzuwägen und zu überprüfen, ob „das angesonnene Verhalten in Fällen dieser Art billigerweise verlangt werden k a n n " 1 0 3 . 3. Der Zumutbarkeitsbegriff als tatbestandliche Begrenzung von Eingriffsermächtigungen Bei der inhaltlichen Bestimmung des Zumutbarkeitsbegriffs ist von dessen Zweck auszugehen: Durch die tatbestandliche Begrenzung denkmalrechtlicher Belastungen auf das Zumutbare bringt der Gesetzgeber zunächst zum Ausdruck, daß Rechtspositionen des Eigentümers, die der gesetzgeberischen Zweckverfolgung entgegenstehen, nicht zwangsweise überwunden, sondern „geschont" werden sollen. Nicht zutreffend, zumindest aber unklar ist deshalb die Auffassung, die Zumutbarkeitsgrenze sei mit der Grenze zwischen entschä96

V G H Baden Württemberg, BRS 44, Nr. 310. V G H Baden Württemberg, DVB1. 1988, S. 1119, 1122f. 98 Wiechert § 7 Rz 8 unter Hinweis auf Leibholz / Lincke. 99 Strobel, in: Strobel/Majocco/Birn, § 6 Rz 12. 100 Moench/Schmidt, Baugestaltung, S. 100. 101 Bayerischer VGH, BRS 47, Nr. 127. 102 Moench/Schmidt, Baugestaltung, S. 100. 103 Bayerischer VGH, BayVBl. 1987, S. 368, 369. 97

II. Zum Begriff der Zumutbarkeit

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digungslos zulässiger Sozialbindung und entschädigungspflichtiger Enteignung gleichzusetzen104. M i t dem Zumutbarkeitsbegriff gibt der Gesetzgeber vielmehr unzweifelhaft zu erkennen, daß das Gesetz eine Enteignung nicht bezweckt, bei seinem Vollzug mithin auch keine Enteignung vorliegen kann. Darin erschöpft sich der Begriffsinhalt jedoch nicht. Wie bei jedem Gesetz haben die Behörden bei der Anwendung inhaltsbestimmender Regelungen das Verhältnismäßigkeitsgebot zu beachten. Der Zumutbarkeitsbegriff umreißt als unbestimmter Rechtsbegriff die hierbei zu wahrenden Anforderungen und gibt Auskunft darüber, an welcher Stelle des Gesetzesvollzuges und auf welche Weise diese Anforderungen zu wahren sind: als tatbestandliche Begrenzung der Eingriffsermächtigungen. Der Inhalt ist deshalb mit den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgebots und den sich aus den Strukuturprinzipien des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 GG ergebenden Erfordernissen identisch; dem zur Erhaltung verpflichteten Eigentümer darf kein Renditeausschluß abverlangt werden. Die gesetzliche Definition der Zumutbarkeit im Nieder sächsischen Denkmalschutzgesetz steht dem nicht entgegen, weil diese Formulierung — „soweit die Kosten... nicht durch die Erträge.. aufgewogen werden können..." — nicht ein materielles Kostendeckungsprinzip normiert. Ein solches, vom Regelungszusammenhang unabhängiges Kostendeckungs- oder Wirtschaftlichkeitsprinzip gibt es nicht 1 0 5 . Ob zur Kostendeckung auch eine Rendite — als Eigenkapitalverzinsung — gehört, ist dem jeweiligen Regelungszusammenhang zu entnehmen, der hier bereits zur Unzumutbarkeit des Renditeausschlusses führt. Diese objektive Grenze der Verhältnismäßigkeit gilt unabhängig von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Eigentümers, weil dessen Rechtsstellung nicht danach auszugestalten ist, ob er reich oder arm ist, sondern vielmehr der Inhalt des Eigentums unter Beachtung der Direktiven des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 GG zu bestimmen ist. Unterhalb dieser Intensitätsgrenze steht es dem Gesetzgeber allerdings frei, dem weniger vermögenden Eigentümer durch Billigkeitsklauseln entgegenzukommen, wofür die Formulierung in Art. 4 Abs. 2 Satz 1 Bay DSchG einen Anhaltspunkt bietet. Aber auch dort, wo der Gesetzgeber derartige Billigkeitsklauseln nicht mit dem Zumutbarkeitsbegriff verbunden hat, sind bei dessen Auslegung neben der objektiven Belastungsgrenze subjektive Komponenten zu berücksichtigen, die sich aus dem bereits oben 1 0 6 erörterten Verständnis des Art. 14 GG als Konkretisierung der allgemeinen Handlungsfreiheit im vermögenrechtlichen Bereich ergeben. Nicht jede objektiv mögliche Ertragserzielung ist dem jeweiligen Eigentümer in subjektiver Hinsicht zumutbar; er darf bei der Ermittlung der Wirtschaftlichkeit nicht auf Verwendungsarten verwiesen werden, die gänzlich 104 So noch V G H Baden Württemberg, BWVPr 1976, S. 84; Moench, NVwZ 1984, S. 146, 152; ders., NVwZ 1988, S. 304, 311 f.; zutreffend dagegen V G H Baden Württemberg, DVB1. 1988, S. 1219, 1223. 105 Loddenkemper, BauR 1985, S. 489; Leisner, S. 5, 84ff. 106 S. oben, §4 111 2.

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§ 8 Die zulässige Belastungsintensität

außerhalb seiner Disposition liegen oder erheblich mehr an Kapital- und Risikoeinsatz verlangen, als er dies geplant hatte. Das Recht auf Eigennutzung darf nicht durch die Verweisung auf eine anderweitige rentable Nutzungsart vereitelt werden, solange die beabsichtigte Eigennutzung durch den subjektiven Bedarf veranlaßt ist 1 0 7 . Der Zumutbarkeitsbegriff enthält damit in der Tat objektive und subjektive Komponenten, die sich allerdings nicht aus Billigkeitserwägungen, sondern aus dem Zweck der tatbestandlichen Begrenzung von Erhaltungspflichten und Eingriffsermächtigungen ergeben. Zumutbar in diesem Sinne ist die Erhaltung für den Eigentümer, wenn das Baudenkmal im Rahmen einer mit seiner persönlichen Disposition verträglichen Nutzung renditefahig bleibt.

107

BGHZ 99, S. 24 — „Blücher-Museum" —, wo allerdings die zwangsweise begründete Fremdnutzung bereits mangels Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig war.

§ 9 Die Wahrung der Belastungsgrenze im Vollzug der Denkmalschutzgesetze Nachdem die Grenzen zulässiger Eingriffsintensität und der Begriff der Zumutbarkeit geklärt sind, läßt sich nun die oben 1 aufgeworfene Frage beantworten, in welcher Weise — und in welcher Auslegung — die Denkmalschutzgesetze eine sachgerechte Lösung des Konflikts zwischen Eigentümerinteressen und den Belangen des Denkmalschutzes ermöglichen. Die Lösung dieses Konflikts ist unproblematisch, soweit die die Erhaltungspflicht aktualisierende Maßnahme nicht zur wirtschaftlichen Unzumutbarkeit der Erhaltung in dem hier erörterten Sinne führt. In diesem Fall hat der Eigentümer die mit der Nutzungsbeschränkung einhergehenden Lasten — wie etwa die Verkehrswertminderung — hinzunehmen, weil sich die Regelung seiner Befugnisse auf eine gesetzliche Grundlage stützt, die die normativen Elemente des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 GG in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander bringt. Im umgekehrten Fall wirtschaftlicher Unzumutbarkeit der Erhaltung ist die Lösung des Konflikts aus der — grundrechtlich allein relevanten — Sicht des Eigentümers selbstverständlich dann unproblematisch, wenn die Nutzungsbeschränkung aufgegeben, die beantragte Veränderung genehmigt wird. Problematisch und im folgenden zu erörtern ist dagegen die Frage, ob und wie wirtschaftliche Unzumutbarkeit und Erhaltungspflicht in Einklang gebracht werden können, die Nutzungsbeschränkung also trotz der „an sich" unzulässigen Verengung der Eigentümerrechtsstellung aufrechterhalten werden kann. Das Mittel zur Harmonisierung von Erhaltungspflicht und Unzumutbarkeit stellt die Ausgleichsleistung dar. I . Verhältnismäßigkeit und Ausgleichsleistungen Bereits oben 2 wurde dargelegt, daß Ausgleichsleistungen — Zuschüsse, Steuererleichterungen und Ausgleichsansprüche — grundsätzlich geeignet sind, die Folgen einer gesetzlichen Beschränkung der Eigentümerrechtsstellung abzumildern, indem sie die Eingriffsintensität der auf die gesetzliche Ermächtigung gestützten Maßnahmen verlagern. Es wurde ferner daraufhingewiesen 3 , daß finanzielle Ausgleichsleistungen nur solche „Mängel" der gesetzlichen Inhaltsbestimmung kompensieren können, die gerade aus einer übermäßigen 1 2 3

S. oben, § 3 III. Vgl. oben, §4 IV 2. Vgl. oben, § 5 I I I 3 c) cc).

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§ 9 Die Wahrung der Belastungsgrenze im Vollzug

Belastung im vermögensrechtlichen Bereich resultieren, nicht hingegen das Fehlen der gesetzlichen Ermächtigung, den Fehlgebrauch des eingeräumten Ermessens oder vergleichbare Rechtswidrigkeitsursachen „heilen" können. Zu Recht betont deshalb auch das Bundesverwaltungsgericht 4 in der Entscheidung zu naturschutzrechtlichen Beschränkungen des Grundeigentums, daß die prinzipiellen Anforderungen der Verhältnismäßigkeit und des gerechten Interessenausgleichs nicht durch Ausgleichsansprüche überwunden werden können; die gesetzlichen Schutzzwecke selbst müssen geeignet sein, die Beschränkung der Rechtsstellung zu rechtfertigen, deren Ausgestaltung Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 GG sowie den Sozialfunktionen der Eigentumsobjekte entsprechen muß. Die Ausgleichsleistung ist mit anderen Worten ein in die Gesamtschau der Rechtsstellung einzubeziehender Posten, mit ihr kann sich der Gesetzgeber hingegen nicht von den verfassungsrechtlichen Anforderungen „freikaufen". Auch die oben erörterten subjektiven Elemente des Zumutbarkeitsbegriflfs stellen persönlichkeitsrechtliche Ausprägungen der Eigentumsgewährleistungen dar, die durch Ausgleichsleistungen nicht überwunden werden können. Im Rahmen denkmalschutzrechtlicher Beschränkungen des Eigentums gewinnen Ausgleichsleistungen ihre Relevanz deshalb ausschließlich bei den objektiven Elementen wirtschaftlicher Zumutbarkeit. In diesem Rahmen sind Ausgleichsleistungen geeignet, eine an sich zum Renditeausschluß führende Erhaltung renditefahig und damit die Erhaltungspflicht sowie die sie konkretisierenden Maßnahmen verhältnismäßig werden zu lassen. Diese Feststellung zieht jedoch Probleme nach sich, die mit der Form der Gewährung der Ausgleichsleistungen zusammenhängen: Während ein Zuschuß bei der Überprüfung der Eingriffsmaßnahme unmittelbar in Rechnung gestellt werden kann, stellt sich bei Ausgleichsansprüchen die Frage, wie die erforderliche Bindung zwischen — „an sich" übermäßigem — Eingriff und Kompensation herzustellen ist und welche Auswirkungen der Anspruch auf den Rechtsschutz des Eigentümers hat. 1. Zuwendungen und Steuervergünstigungen Die komplikationsloseste Form der Gewährung einer Ausgleichsleistung stellt der Zuschuß dar. Er ist im Rahmen der denkmalrechtlichen Wirtschaftlichkeitsberechnung den Erträgen hinzuzurechnen und kann dazu führen, daß die „an sich" unverhältnismäßige, weil zur UnWirtschaftlichkeit der Erhaltung führende Versagung einer Abrißgenehmigung zu dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt als rechtmäßig zu beurteilen ist. Zu Recht fordert die Rechtsprechung 5, daß der die Wirtschaftlichkeit herbeiführende Zuschuß zu diesem Zeitpunkt nicht nur in Aussicht gestellt, sondern zugesichert ist. Im Falle der Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Abrißge4 5

BVerwG DVB1. 1990, S. 585, 588. OVG Lüneburg, BRS 42, Nr. 142.

I. Verhältnismäßigkeit und Ausgleichsleistungen

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nehmigung muß bei der letzten mündlichen Verhandlung verbindlich geklärt sein, ob der Zuschuß gewährt wird, weil der Eigentümer anderenfalls dem Risiko ausgesetzt wäre, beim Ausfall der nur in Aussicht gestellten Zuwendung im Ergebnis doch mit einer unverhältnismäßigen Maßnahme belastet zu werden. Nichts anderes gilt für die steuerlichen Vergünstigungen, die bei der Ermittlung der Wirtschaftlichkeit problemlos in Rechnung zu stellen sind. Diese werden zwar nicht in Form einer Zusicherung gewährt, jedoch sind auch sie zum Zeitpunkt der Entscheidung über die beabsichtigte Maßnahme so exakt zu ermitteln, daß sie in die Wirtschaftlichkeitsberechnung eingestellt werden können 6 . 2. Ausgleichsansprüche Dagegen erscheint die Verlagerung der Eingriffsintensität durch Ausgleichsansprüche sehr viel problematischer. Die Verweisung auf einen gesondert zu verfolgenden Ausgleichsanspruch führt zu einer Aufspaltung des Verfahrensund Rechtsweges, und damit zu Hindernissen bei der Rechtsverfolgung, die einer eigenständigen Legitimation bedürfen. Trifft die Behörde eine Entscheidung, durch die sie die denkmalrechtliche Erhaltungspflicht aktualisiert, und läßt sie dabei im Hinblick auf gesetzliche Ausgleichsansprüche offen, ob die Erhaltung des Baudenkmals dem Eigentümer wirtschaftlich zumutbar ist, so könnte diese Frage zwar in einem nachgeordneten Verfahren auf Gewährung einer Ausgleichsleistung geklärt werden, die Maßnahme „ i n den Schoß der Verhältnismäßigkeit zurückgeführt" 7 werden. Die sich im Hinblick auf den Rechtsschutz ergebenden Komplikationen sind jedoch unübersehbar: Der Eigentümer müßte alle die Einwendungen im Rahmen des Abwehrrechtsschutzes gegen die Eingriffsmaßnahme zu Gehör bringen, die nicht kompensationsfähige Mängel betreffen; ist die Maßnahme wegen — im deklaratorischen Verfahrenssystem ohnehin inzident zu überprüfender — fehlender Denkmaleigenschaft oder wegen Ermessensfehlgebrauchs rechtswidrig, so wäre der Eigentümer mit diesen Einwendungen im Verfahren auf Gewährung eines Ausgleichsanspruches ausgeschlossen. Dieses Problem läßt sich nicht durch die Anwendbarkeit von Ausgleichsregelungen auf rechtswidrige Maßnahmen lösen, weil damit der rechtswidrige Vollzug „zementiert" würde 8 . Umgekehrt würde eine nur auf die wirtschaftliche Unzumutbarkeit gestützte Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage erfolglos bleiben, wenn die bloße Existenz eines gesetzlichen Ausgleichsanspruches zur „Heilung" der UnVerhältnismäßigkeit und damit zur Rechtmäßigkeit des Eingriffsaktes führte 9 . 6 7 8 9

Vgl. auch hierzu OVG Lüneburg ebd. Götz, DVB1. 1984, S. 395, 396. Hierzu oben, § 5 I I I 4 b. Götz DVB1. 1984, S. 397.

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§ 9 Die Wahrung der Belastungsgrenze im Vollzug

In der Praxis pflegen Argumente der verschiedensten Art miteinander verbunden zu werden. Der Eigentümer, der die Denkmaleigenschaft bestreitet und die Erhaltungspflicht für wirtschaftlich unzumutbar hält, wäre so gezwungen, in jedem Fall zwei Verfahren zu betreiben. Die Problematik wird noch erhöht, wenn der Ausgleichsanspruch in einem anderen Rechtsweg zu verfolgen ist. Während das Bundesverwaltungsgericht 10 in der Entscheidung zu naturschutzrechtlichen Beschränkungen diese Frage mit der Formulierung offengelassen hat, die Entscheidung über die Höhe des angemessenen Ausgleichs bleibe „einem anderen Verfahren" vorbehalten, werden zu dem ähnlich gelagerten Anspruch aus §17 Abs. 4 BFernStrG beide Möglichkeiten vertreten 11 . Dem Problem läßt sich nur in den wenigsten Fällen durch den Hinweis auf § 40 Abs. 1 VwGO begegnen12, weil als denkmalschutzrechtliche Ausgleichsklauseln — wenn überhaupt 13 — nur die Entschädigungsregelungen in Betracht kommen, die zumeist spezialgesetzlich dem Zivilrechtsweg zugewiesen sind 14 . I I . Die Wahrung der Belastungsgrenze im Rahmen des Ermessens und bei tatbestandlicher Begrenzung Mag es dem Gesetzgeber trotz der oben geschilderten Unzuträglichkeiten bei der Rechtsverfolgung im Grundsatz nicht verwehrt sein, Eingriffsmaßnahmen durch die Verweisung auf Ausgleichsansprüche „abzumildern", so bleibt doch zu beachten, daß für eine derartige Ausgestaltung der Eigentümerrechtsstellung sachliche Erwägungen streiten müssen. Den Eigentümer zunächst einer „an sich" unverhältnismäßigen Maßnahme auszusetzen, die nachträglich in die Verhältnismäßigkeit „zurückgeführt" wird, ist ersichtlich eine belastendere Regelung, als die Maßnahme von vornherein verhältnismäßig zu gestalten. Sachlich geboten kann eine solche Regelung in dem Bestreben sein, die Entscheidung über die Verändung oder sonstige Nutzung zunächst von der Ermittlung der Wirtschaftlichkeit freizuhalten. Diese Erwägung scheidet ersichtlich beim Vollzug zweier Regelungstypen aus: beim Vollzugsermessen und bei der tatbestandlichen Begrenzung auf das Zumutbare. 1. Vollzugsermessen Die sachliche Rechtfertigung des Umwegs der Wahrung der Verhältnismäßigkeit durch Ausgleichsansprüche kann dort nicht zum Tragen kommen, wo den Behörden bei der Entscheidung über die Nutzung oder Veränderung Ermessen eingeräumt ist. Dieses Ermessen wird nur dann fehlerfrei ausgeübt, wenn dabei 10 11 12 13 14

BVerwG DVB1. 1990, S. 585, 588. BVerwGE 77, S. 295, 297; Papier, JZ 1986, S. 547, 548. So aber Hermes, NVwZ 1990, S. 733, 734. Hierzu sogleich unten, § 9 I I I 1. Vgl. BGH NJW 1990, S. 898, 899.

II. Ermessen und tatbestandliche Begrenzung

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die Frage der wirtschaftlichen Zumutbarkeit geklärt wird 1 5 ; denn das Ermessen ist den Behörden gerade auch zu dem Zwecke eingeräumt worden, sich über die entschädigungsrechtlichen Folgen eines Eingriffes klar zu werden, um die Bedeutung der Erhaltung gegen die Kostenbelastung abzuwägen 16 . Dieses Ergebnis findet eine Entsprechung in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Ausgleichsansprüchen nach §§ 8 a Abs. 4,17 Abs. 4 BFernStrG: Die hiernach gebotene Entscheidung über eine Geldentschädigung muß dem Grunde nach bereits im Planfeststellungsbeschluß getroffen werden 17 . Wenngleich dies unter anderem mit dem auf Ermessensentscheidungen nicht übertragbaren planungsrechtlichen Grundsatz der Problembewältigung begründet wird, greift doch die Erwägung gleichermaßen, die Entscheidung über die Geldentschädigung müsse getroffen werden, solange die Planung noch zur Disposition stehe 18 ; auch die Entscheidung darüber, ob die öffentliche Hand mit den anteiligen Kosten der Erhaltung eines Baudenkmals belastet werden soll, kann nicht mehr nachgeholt werden, nachdem die kostenauslösende Eingriffsregelung bereits getroffen wurde. Während es aber beim Planfeststellungsbeschluß vorrangig um die Art und Weise der Konfliktbewältigung geht und deshalb über die Geldentschädigung nur dem Grunde nach entschieden werden muß, steht bei der Frage der denkmalrechtlichen Wirtschaftlichkeit und damit Zumutbarkeit der Erhaltung in erster Linie die Höhe des zu gewährenden Ausgleiches zur Entscheidung an. Die Behörde muß, um sich Klarheit über die Wirtschaftlichkeit zu verschaffen, eine Ertragsberechnung erstellen; auch bei der sachgerechten Ermessensausübung bei der Entscheidung über die Erhaltung geht es weniger um die Frage, ob überhaupt ein Zuschußbedarf entsteht, als vielmehr darum, ob die Höhe der Kosten im Verhältnis zur Bedeutung des Baudenkmals steht. Aus diesem Grunde hat die Behörde eine Ausgleichsleistung nicht nur dem Grunde, sondern auch der Höhe nach festzustellen. Dann aber besteht zwischen dem Zuschuß und einem Ausgleichsanspruch nur noch ein terminologischer Unterschied: Ein dem Grunde und der Höhe nach festgestellter Ausgleichsanspruch wirkt wie eine Zusicherung. 2. Tatbestandliche Begrenzung Auch dort, wo die Eingriffsmaßnahme tatbestandlich auf das Zumutbare begrenzt ist, scheidet eine Verweisung auf Ausgleichsansprüche aus. Dies ergibt 15 V G H Baden Württemberg, DVB1. 1988, S. 1119, 1122; Moench/Schmidt, Baugestaltung, S. 111, 126; Hermes, NVwZ 1990, S. 733, 734. 16 So ausdrücklich Nr. 13.1 der Verwaltungsvorschriften des Innenministeriums Baden Württemberg für das Verfahren beim Vollzug des Denkmalschutzgesetzes vom 27. Juni 1984, GABI. S. 689 (abgedr. in: Stich/Burhenne, Nr. 315, S. 11). 17 BVerwG DVB1. 1981, S. 403, 404; BVerwGE 61, S. 295, 306; vgl. auch BGHZ 95, S. 28, 33 m.w.N. 18 BGHZ 95, S. 28, 33 f.

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§ 9 Die Wahrung der Belastungsgrenze im Vollzug

sich zum einen aus der Gesetzesgebundenheit der Verwaltung, zum anderen aus der Regelungsfunktion des Verwaltungsakts: Ordnet der Gesetzgeber an, daß ein Eingriff nur dann erfolgen soll, wenn eine Maßnahme zumutbar ist, so darf die Behörde gerade diese Frage nicht offen lassen. Die Regelung, durch die einem Eigentümer die Befugnis zum Abriß versagt wird, enthält auch die Feststellung der Zumutbarkeit dieser Maßnahme, eine Feststellung, die nur getroffen werden kann, wenn der erforderliche Ausgleich dem Grunde und der Höhe nach feststeht. Auch im Rahmen dieser Regelungen wäre deshalb eine Verweisung auf gesondert zu verfolgende Ausgleichsansprüche nicht sachgerecht, weil es an der verfahrensrechtlichen Legitimation für eine solche Verweisung fehlt 19 . 3. Schiußfolgerungen Aus dem eben erörterten ergibt sich, daß bei Ermessens- und tatbestandlich begrenzten Regelungen die Verbindung zwischen belastender Maßnahme und kompensierender Ausgleichsleistung dort zu schaffen ist, wo die Ausübung der Eigentümerbefugnisse geregelt wird: Dies ist der die Veränderung versagende oder die Nutzung auf sonstige Weise regelnde Verwaltungsakt. Die adäquate Handlungsform für eine derartige Kompensation ist die Zuwendung, der durch Verwaltungsakt zugesicherte Zuschuß zur Erhaltung und Bewirtschaftung 20 . Allein diese Verbindung von belastender Regelung der Eigentümerbefugnisse und gleichzeitiger Kompensation sichert eine sachgerechte Entscheidung der Behörden, welche Objekte sie auch um den Preis eines finanziellen Ausgleichs erhalten wissen und welche sie wegen fehlender Mittel dem Verfall oder Abriß preisgeben wollen 21 . Damit ist zugleich eine vorausschauende Allokation von Haushaltsmitteln gewährleistet, weil vermieden wird, daß die Behörden Veränderungen verbieten und die Frage der Kosten „vertagt" wird. Hierbei wird den mit dem Vollzug befaßten Behörden keine untragbare Ermittlungslast aufgebürdet. Nach dem Grundsatz der in § 26 Abs. 2 VwVfG gerelten Mitwirkungslast 22 darf die Behörde darauf vertrauen, daß der Eigentümer die nach seiner Auffassung zur Unzumutbarkeit einer Maßnahme führenden Umstände vorträgt, soweit diese nicht offenkundig sind. Schließlich bürgt dieses Ergebnis für einen effektiven Rechtsschutz. Der Eigentümer kann sämtliche Einwendungen in dem gegen das Verbot oder die sonstige Verfügung gerichteten Abwehrrechtsschutz zu Gehör bringen; läßt er dagegen die Regelung seiner Befugnisse betandskräftig werden, hat er keinerlei

19

Was von der Rechtsprechung zu § 7 Nds DSchG zu Recht gar nicht erwogen wird, vgl. OVG Lüneburg BRS 42, Nr. 142. 20 Hoppe, S. 213 f. 21 Schmaltz, DVB1. 1987, S. 571. 22 Hierzu Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, § 26 Rz. 8 ff. m.w.N.

III. Zwingendes Verbot beeinträchtigender Veränderungen

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Entschädigungsansprüche 23. Bei der Anwendung von Regelungen mit tatbestandlicher Begrenzung auf das Zumutbare und Ermächtigungsgrundlagen, die den mit dem Vollzug befaßten Behörden Ermessen einräumen, ist die Verhältnismäßigkeit deshalb — soweit erforderlich — durch Zuwendung sicherzustellen. Die Versagung einer in das Ermessen gestellten Abrißgenehmigung ist rechtswidrig, wenn sie eine unzumutbare Erhaltungspflicht nach sich zieht und keine Zusicherung eines Zuschusses vorliegt, der die Renditefahigkeit des Baudenkmals sichert. Ein derartiger Versagungsbescheid ist vom Verwaltungsgericht durch Bescheidungsurteil aufzuheben; die Verpflichtung zur Erteilung der Abrißgenehmigung wird in der Regel an der fehlenden Spruchreife scheitern, weil die Behörden die Wahl haben, ob sie die Erhaltung bezuschussen oder das Denkmal preisgeben wollen 2 4 . I I I . Die Wahrung der zulässigen Belastungsgrenze beim zwingenden Verbot beeinträchtigender Veränderungen Das eben erörterte Konzept muß dort versagen, wo das Gesetz eine Berücksichtigung der Eigentümerbelange weder im Wege einer tatbestandlichen Begrenzung noch im Rahmen des den Behörden eingeräumten Vollzugsermessens zuläßt, das Gesetz also das zwingende Verbot beeinträchtigender Veränderungen anordnet 25 . Diese Regelungen bieten Anlaß zu der Annahme, der Gesetzgeber habe ein „geschlossenes System" verwirklichen wollen, dessen oberstes Ziel es ist, Denkmäler zu erhalten 26 , und zwar ohne den Behörden die Möglichkeit einzuräumen, finanzielle Folgekosten gegen die Bedeutung des Denkmals abzuwägen. Soweit diese Gesetze mit dem Verbot der Veränderung die Behörden zugleich ermächtigen, subjektive Rechtspositionen überleitungslos zu entziehen, stellt sich ein solches Verbot als Enteignung dar, die gem. Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG zu entschädigen ist 2 7 . Wo eine solche Enteignungsermächtigung dem gesetzlichen Regelungszusammenhang nicht entnommen werden kann, das Gesetz aber gleichwohl das zwingende Verbot der Veränderung normiert, ist der Frage nachzugehen, ob die dort enthaltenen salvatorischen Entschädigungsklauseln sich als Ausgleichsregelungen anwenden lassen, oder ob eine andere Korrektur zur Vermeidung unverhältnismäßiger Maßnahmen geboten ist.

23 24 25 26 27

So auch Hermes, NVwZ 1990, S. 733, 734. V G H Baden Württemberg, DVB1. 1988, S. 1219, 1225. Hierzu oben, § 2 V 1 c) bb). OVG Münster, NJW 1986, S. 1890, 1892; Gahlen, DÖV 1985, S. 411, 413. Hierzu oben, §6 1 4 b).

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§ 9 Die Wahrung der Belastungsgrenze im Vollzug

1. Anwendung salvatorischer Entschädigungsklauseln als Ausgleichsregelungen a) Die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts

Nachdem zunächst in der Literatur 28 eher undifferenziert vorgeschlagen worden war, salvatorische Entschädigungsregelungen als Ausgleichsansprüche gewährende, die Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme wiederherstellende Normen anzuwenden, sodann der BundesgerichtshoP 9 anklingen ließ, die Entschädigungsregelung des § 22 Abs. 1 Hbg DSchG könne sich als eine derartige Ausgleichsregelung im Bereich von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG darstellen, hat das Bundesverwaltungsgericht 30 die verfassungskonforme Auslegung einer naturschutzrechtlichen salvatorischen Entschädigungsklausel als Ausgleichsregelung befürwortet. Wenngleich diese Auslegung nicht in jeder Hinsicht dem Willen des historischen Gesetzgebers entspreche, so das Bundesverwaltungsgericht, bleibe doch das gesetzgeberische Ziel unangetastet, „für einen rechtlich zulässigen, aber in seinen Wirkungen schwerwiegenden Eingriff einen angemessenen Ausgleich in Geld vorzusehen 31. b) Kritik und Stellungnahme

Der Heranziehung salvatorischer Entschädigungsklauseln als Ausgleichsregelungen wird entgegengehalten, der Gesetzgeber könne auch dem aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG resultierenden Abwägungsgebot nur genügen, wenn er selbst die Tatbestände regelt, bei deren Vorliegen die Rechtsfolgen der Entschädigung eingreifen. Der Gesetzgeber selbst müsse unter Beachtung des Abwägungsgebots und Verhältnismäßigkeitsprinzips die Anspruchsvoraussetzungen konstituieren und dürfe diese Aufgabe nicht den rechtsanwendenden Organen überlassen 32. Zudem spreche gegen den Funktionswechsel, daß fraglich sei, ob der Gesetzgeber unter der Geltung einer anderen verfassungsrechtlichen Beurteilung, als sie den salvatorischen Entschädigungsregelungen in Gestalt der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zugrundelagen, nicht eher vom Vollzug „ i n atypischen Fällen" abgesehen hätte, um Entschädigung zu sparen 33 . Dieser Kritik ist zuzugestehen, daß gegen die Anwendung salvatorischer Entschädigungsklauseln im Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dieselben Argumente zu sprechen scheinen, die das Verdict ihrer Verfassungs28

Götz, DVB1. 1984, S. 395, 397; Battis/Schmittat, NuR 1983, S. 102, 107; Nüßgens/ Boujong, Rz 340; Hendler, DVB1. 1983, S. 873, 879. 29 BGH NJW 1990, S. 898, 899. 30 BVerwG DVB1. 1990, S. 585, 587. 31 Ebd. 32 Papier, NWVBL. 1990, S. 397, 401. 33 Schmaltz, DVB1. 1987, S. 571, 572; ähnlich Schmitt-Kammler, in: Festschrift Universität Köln, S. 821, 840 f.

III. Zwingendes Verbot beeinträchtigender Veränderungen

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Widrigkeit als Enteignungsentschädigungsregelungen nach sich ziehen. Der Hinweis auf das Abwägungsgebot müßte bei konsequenter Betrachtung jedoch dazu führen, daß auch tatbestandliche Begrenzungen durch den unbestimmten Rechtsbegriff der Zumutbarkeit oder die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips im Rahmen des Ermessens nicht geeignet wären, den Anforderungen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 G G Rechnung zu tragen. Bei angespannten Haushaltslagen dürfte die Annahme keine unzulässige Unterstellung sein, der Gesetzgeber habe — bei prinzipieller Rechtfertigung der verfolgten Zwecke und sachlicher Gebotenheit der ergriffenen Maßnahmen — die im Einzelfall entstehenden Lasten bis zur Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen auf die Eigentümer abwälzen wollen. Müßte der Gesetzgeber auch diese Grenze des im Einzelfall Zulässigen konkret normieren, bliebe zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffen die Gültigkeit versagt 34 . Scheidet demnach die Heranziehung salvatorischer Entschädigungsklauseln als ein Mittel verfassungskonformer Auslegung nicht prinzipiell aus, bleibt doch zu bedenken, daß diese Auslegung den Willen des Gesetzgebers zu achten hat. Einer undifferenzierten Heranziehung salvatorischer Entschädigungsregelungen zum Ausgleich unverhältnismäßiger Maßnahmen steht in der Tat der Einwand entgegen, daß nur dem Gesetzgeber die Entscheidung darüber zukommt, ob die Entstehung „überschüssiger" Lasten vermieden oder diese kompensiert werden sollen. Jene Regelungen, in denen der Gesetzgeber diese Entscheidung an die Behörde delegiert, sie also nicht durch ein Programm zur unbedingten Erhaltung gebunden hat, lassen sich auf andere Weise verfassungskonform auslegen und anwenden, die die mit der Heranziehung salvatorischer Entschädigungsklauseln einhergehenden Bedenken vermeidet. Dem entspricht es, daß das der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts 35 zugrundeliegende Verbot der fischereilichen Nutzung eines unter Naturschutz stehenden Gewässers als zwingende Regelung ausgestaltet war. 2. Verfassungskonforme Auslegung zwingender Veränderungsverbote Ersichtlich gibt es drei Möglichkeiten der Auslegung jener Regelungen, die ein zwingendes Verbot beeinträchtigender Veränderungen anordnen, um eine nicht mit Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbare Erhaltungspflicht zu vermeiden: Die Auslegung der Regelungen als Ermessensnormen, die Ergänzung um eine tatbestandliche Zumutbarkeitsbegrenzung sowie schließlich die Heranziehung der Entschädigungsregelungen zur Gewährung von Ausgleichsansprüchen. Die erste Möglichkeit verfassungskonformer Auslegung scheidet aus, weil sie contra legem den Behörden die Befugnis einräumen würde, ein Denkmal wegen der Kostenbelastung preiszugeben. Diese Befugnis mag sinnvoll erscheinen — vor allem, wenn bereits der Denkmalbegriff und damit die quantitative Erstreckung 34 35

Vgl. nur § 176 Abs. 3 BauGB; § 172 Abs. 4 Satz 2 BauGB;§ 17 Abs. 2 BImSchG. BVerwG DVB1. 1990, S. 585.

176

§ 9 Die Wahrung der Belastungsgrenze im Vollzug

des Denkmalschutzes von fiskalischen Erwägungen freigehalten wird 3 6 —, im Wege verfassungskonformer Auslegung läßt sich dieses Ergebnis jedoch nicht erzielen, weil es dem Gesetzgeber freisteht, seinen Zielen eine höhere Bedeutung einzuräumen als der mit ihrer Verwirklichung einhergehenden Kostenbelastung. Gegen die ergänzende Auslegung durch Hinzufügung einer Zumutbarkeitsschranke spricht zunächst, daß dabei nicht offenbleiben dürfte, was bei einer unzumutbaren Erhaltungspflicht zu geschehen hätte; der Gesetzgeber verlangt die Erhaltung, mithin käme nur eine Vermeidung der Unzumutbarkeit durch Zuwendungen in Betracht. Der dabei erforderlichen Prüfung der Zumutbarkeit und Wirtschaftlichkeit steht entgegen, daß der Vollzug dieser denkmalschutzrechtlichen Regelungen von Wirtschaftlichkeits- und Zumutbarkeitserwägungen gerade freigehalten werden sollte. Dies läßt es sachgerecht erscheinen, den Kerngehalt der gesetzgeberischen Zielvorstellungen vom unbedingten Vorrang der Erhaltung und einem von der Überprüfung privater Belange entlasteten Vollzug durch die Heranziehung der Entschädigungsregelungen als Ausgleichsregelungen zu wahren. Diese Lösung ist sämtlichen Bedenken ausgesetzt, die die erörterten Probleme bei der Rechtsverfolgung und der begrenzten Analogiefahigkeit von Entschädigungsregelungen nach sich ziehen. Für sie spricht jedoch der Vorzug, den einem zwingenden Verbot beeinträchtigender Veränderung zugrundeliegenden gesetzgeberischen Zielvorstellungen den größtmöglichen Raum zu verschaffen — Zielvorstellungen allerdings, die sich nach gebotener legislativer Überprüfung kaum als erhaltenswert erweisen dürften, will sich die Allgemeinheit nicht um die Möglichkeit der vorausschauenden Allokation ihrer Ressourcen bringen.

36

Hierzu oben, § 2 IV 2 b).

§ 10 Zusammenfassung Die vergleichende Darstellung der Denkmalschutzgesetze hat gravierende Unterschiede nicht nur in der verfahrensrechtlichen Ausgestaltung des Denkmalschutzes, sondern auch hinsichtlich der Frage ergeben, auf welche Weise die Regelungswerke den Eigentümerinteressen Rechnung zu tragen suchen. Unter diesem Aspekt lassen sich die Denkmalschutzgesetze drei Gruppen zuordnen: Es finden sich Regelungen mit tatbestandlicher Begrenzung von Veränderungsverboten und sonstigen Eingriffsmaßnahmen, ferner Gesetze, die den mit dem Vollzug betrauten Behörden Ermessen bei der Aktualisierung belastender Regelungen einräumen und schließlich Gesetze, die das zwingende Verbot beeinträchtigender Veränderungen anordnen und damit die Berücksichtigung von Eigentümerbelangen im Vollzug ausschließen1. Der Denkmaleigentümer ist einer Dauerbeschränkung der faktischen Bodennutzung ausgesetzt, die ihn einerseits durch die Bindung an den vorgefundenen Baubestand von der Teilhabe einer andernfalls zulässigen Intensivierung der baulichen Nutzung und der Möglichkeit des Wechsels der Nutzungsart ausschließt, ihm andererseits erhöhten Erhaltungsaufwand, Ertragsminderungen und Verkehrswerteinbußen abverlangt, die bis zur Unverkäuflichkeit des Grundstücks führen können 2 . Die zur verfassungsrechtlichen Überprüfung dieser Beschränkungen und Belastungen erforderliche Klärung der dogmatischen Struktur des Art. 14 GG hat ergeben, daß die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vorgenommene Entgegensetzung von Inhaltsbestimmung und Enteignung, die Präzisierung des Enteignungstatbestandes als zweckgerichtetem Instrument zur zwangsweisen Überwindung konkreter Rechtspositionen und die Bindung des Gesetzgebers bei der Inhaltsbestimmung an die vorgefundenen Sozialfunktionen des Eigentumsobjekts eine tragfahige Grundlage für ein widerspruchsfreies Verhältnis von Abwehr- und Entschädigungsrechtsschutz bilden 3 . Dagegen hat die Untersuchung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu entschädigungsrechtlichen Folgen von Maßnahmen des Denkmalschutzes gezeigt, daß dem Bundesgerichtshof eine widerspruchsfreie Verankerung und Abstimmung seiner Rechtsprechung mit dem System der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung bisher nicht gelungen ist. Die Rechtsfigur der Situationsgebundenheit und die Doktrin von einer dem Grundeigentum immanenten Pflichtig1 2 3

Oben, § 2 V. Oben, § 3. Oben, §4.

12 Körner

178

§ 10 Zusammenfassung

keit erlauben es nicht, die gesetzlich definierten Gemeinwohlzwecke zu erkennen und gegen die jeweiligen Beschränkungen des Eigentums abzuwägen. Die Gleichsetzung von rechtswidrigen und rechtmäßigen Eingriffen im Rahmen gesetzlicher Entschädigungsregelungen steht selbst dann nicht in Einklang mit dem auch vom Bundesgerichtshof anerkannten, durch § 254 BGB vermittelten Vorrang des Abwehrrechtsschutzes, wenn man Entschädigungsregelungen als Ausgleichsregelungen ansieht, die die Verhältnismäßigkeit eines Eingriffes wiederherstellen sollen. Die gleichförmige Kompensation gesetzlich gewollter und gesetzlich ungewollter Beschränkungen des Eigentums durch Geldersatz führt zu einer Nivellierung gesetzgeberischer Gestaltungsalternativen 4. Der durch die Präzisierung des Enteignungstatbestandes erst ermöglichte, vorausschauende und zweckgerichtete Einsatz des Instruments der Enteignung durch den Gesetzgeber verlangt nach differenzierten Entschädigungsregelungen, um den Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG zu genügen. Wo es an einer differenzierten Entschädigungsregelung fehlt, spricht die verfassungskonforme Auslegung des Regelungswerkes dafür, daß das Gesetz zu einer Enteignung nicht ermächtigt. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG bildet danach den Prüfungsmaßstab der verfahrensrechtlichen Bestimmungen des Denkmalschutzes, der Erhaltungsgebote, der Nutzungsregelungen sowie der überwiegenden Anzahl der landesgesetzlichen Veränderungsverbote; lediglich einigen wenigen Veränderungsverboten, denen eine ausreichend differenzierte Entschädigungsklausel korrespondiert, läßt sich die Ermächtigung zum überleitungslosen Entzug konkreter Rechtspositionen in Gestalt ausgeübter Nutzungen entnehmen. Der Prüfungsmaßstab dieser Regelungen ist insoweit Art. 14 Abs. 3 G G 5 . Der Regelungszweck des gesetzlichen Denkmalschutzes findet seine Legitimation im kulturellen Sozialbezug des Eigentumsobjekts Baudenkmal, dessen Erhaltung als "Erinnerungszeichen" auch dem Nichteigentümer eine Anschauung vom kulturellen Erbe ermöglichen soll. Dieser ideelle Nutzen unterscheidet sich von den Sozialfunktionen anderer Eigentumsobjekte durch die Art seiner Konstituierung, durch das Ausmaß des Angewiesenseins der Nichteigentümer und durch den Kreis der Betroffenen. Der Vergleich des Sozialbezuges des Baudenkmals mit dem anderer Eigentumsobjekte ergibt, daß der Denkmalschutzgesetzgeber keine Strukturbedingungen vorgefunden hat, die ihm eine stärkere Zurückdrängung von Eigentümerinteressen erlauben als dies beim Schutz des Wohnraums, bei der städtebaulichen Erhaltung baulicher Anlagen oder der Beschränkung urheberrechtlicher Verwertungsbefugnisse der Fall ist. Der Vergleich mit diesen Regelungen ergibt, daß die Denkmalschutzgesetzgebung nur dann auf einem an den Direktiven des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 GG orientierten, gerechten Interessenausgleich beruht, wenn sie dem Eigentümer die Möglichkeit einer Renditeerzielung läßt 6 . 4 5 6

Oben, § 5. Oben, § 6. Oben, § 7.

§ 10 Zusammenfassung

179

Die Überwachung der Ausübung der Eigentümerbefugnisse durch eine präventive Kontrolle erweist sich als grundsätzlich sachgerecht und erforderlich, solange der Regelungszweck der Sicherung des öffentlichen Erhaltungsinteresses noch erreicht werden kann; die damit verbundenen Lasten, auch in Gestalt von Verkehrswerteinbußen, gehen nicht über das nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Erlaubte hinaus. Die dem Eigentümer auferlegte Erhaltungspflicht ist dagegen nur dann mit Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar, wenn eine Gegenüberstellung der erzielbaren Erträge mit den Kosten der Erhaltung, zu denen auch die Kapitalverzinsung rechnet, im Rahmen einer denkmalrechtlichen Wirtschaftlichkeitsberechnung die Renditefähigkeit der Anlage ergibt. Beim Vollzug von Veränderungsverboten und Nutzungsregelungen dürfen ins Werk gesetzte Nutzungen im Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 G G nicht überleitungslos beendet, sondern nur „schonend" umgestaltet werden; die zum Zeitpunkt der Maßnahme verstrichene Geltungsdauer der Erhaltungspflicht ist erst ab der Kenntnis des Eigentümers von der Denkmaleigenschaft als Überleitungsfrist heranzuziehen. Dem Eigentümer dürfen im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsberechnung und bei der Umgestaltung ausgeübter Nutzungen nur solche alternativen Nutzungsmöglichkeiten entgegengehalten werden, die mit seiner individuellen Disposition vereinbar sind und nicht mehr Kapitaleinsatz verlangen, als beabsichtigt war. Im Vertrauen auf die Veränderbarkeit des Baudenkmals eingesetzte Aufwendungen sind zu ersetzen oder als Kosten in die Wirtschaftlichkeitsberechnung einzustellen. Abstrakte, nicht ins Werk gesetzte Befugnisse dürfen dagegen entschädigungslos entzogen werden, weil das Erfordernis der Wirtschaftlichkeit der verbleibenden Nutzungsmöglichkeiten verhältnismäßige Übergänge sichert. Der denkmalschutzrechtliche Begriff der Zumutbarkeit ist im Hinblick auf diese verfassungsrechtlichen Anforderungen auszulegen: Zumutbar ist die Erhaltung für den Eigentümer dann, wenn das Baudenkmal im Rahmen einer mit seiner individuellen Disposition verträglichen Nutzung renditefahig bleibt 7 . Im Vollzug der Denkmalschutzgesetze ist die Wahrung der Zumutbarkeit grundsätzlich durch Zuwendungen sicherzustellen. Die verfassungskonforme Anwendung salvatorischer Entschädigungsregelungen zur Gewährung von Ausgleichsansprüchen ist nur dort angezeigt, wo weder die tatbestandliche Begrenzung noch das Erfordernis fehlerfreier Ermessensausübung eine dem Verhältnismäßigkeitsprinzip genügende Gestaltung der Vollzugsmaßnahmen erzwingen; allein beim zwingenden Verbot der Veränderung gebieten es die gesetzgeberischen Zielvorstellungen von der unbedingten Erhaltung und der Entlastung des Vollzuges von Wirtschaftlichkeitserwägungen, die verfassungsrechtliche Intensitätsgrenze durch die entsprechende Anwendung salvatorischer Entschädigungsregelungen zu wahren 8 .

7 8

12*

Oben, § 8. Oben, § 9.

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