234 23 6MB
German Pages 224 Year 1902
Aas WMchadengeseh vom 11. Juli 1891, erläutert
Dr.
von
3. Holtgreven.
Vierte, vermehrte und verbesserte Auflage bearbeitet von
Dr. A. Holtgreve«,
Dr. Th. Wulff,
und
Oberlandesgerichtspräsident,
Oberlandesgerichtsrath,
in Ham in.
Berlin 1902.
I. Gnttentag, Berlagsbnchhandtnng, G. m. b. H.
Vorwort. Der vorliegende Kommentar verfolgt einen doppeltm Zweck. Derselbe will die juristisch zweifelhaften Punfte des
Wildschadengesetzes wissenschaftlich erörtern und klar stellen;
er will aber außerdem allen denjenigen, welche bei der Handhabung dieses Gesetzes in irgend einer Weise, sei es als Private oder als Beamte, als Grundbefitzer oder als
Jagdberechtigte betheiligt sind, ein praktischer Berather sein. Schon ein Blick in das Sachregister stellt ben zuletzt
gedachten Zweck des Kommentars außer Zweifel.
Möge die
kleine Arbeit seitens der Wissenschaft eine wohlwollende Be
urtheilung und Bei dem betheiligten Publikum und Behörden
eine freundliche Ausnahme finden. Berlin, im Oftober 1891.
Der Verfasser.
Vorwort zur -ritten Austage. Nachdem die erste Auflage des Kommentars, schneller,
wie der Verfasser erwartet hatte, Dergriffen war, mußte sich die zweite Auflage auf den unveräudeften Abdruck der ersten beschränken. Die jetzt vorliegende dritte Auflage enthält dagegen eine
erhebliche Vermehrung des einschlägigen Materials. Allem ist den
abweichenden Anfichten
Vor
anderer Bearbeiter
a*
Vorwort.
IV des
Wildschadengesetzes
überall
sprechung gewidmet worden,
wo
da
eine
eingehende Be
es sich um
prakttsch wichtiger Fragen handelt. Im Vordergmnde des Interesses
die Lösung
steht hierbei ohne
Zweifel die Erörtemng über den vielumstrittenen §. 12 des
Gesetzes. Der Streit betrifft die Frage, ob die in diesem Paragraphen vorgesehenen Vorbeugungsmaßregeln nur eintreten, wenn Wildschaden in gemeinschaftlichen Jagd
bezirken (beziehungsweise auf
den Enklaven) festgestellt
worden ist, oder auch dann, wenn die Wildschadensfeststellung
Die Frage hat, namentlich auch vom Standpunkte des Wildschongesetzes vom 26. Febr. 1870 aus ihre große praktische Bedeutung. Den
in Eigenjagdbezirken stattgefunden hat.
Gegnern der diesseitigen Ansicht, welche letztere die ortspolizei lichen Feststellungen des §. 12 auf die gemeinschaftlichen
Jagdbezirke (bezw. Enklaven) beschränkt wissen will, ist nun auch das Oberverwaltungsgericht beigetreten.
Wir verkennen
die Autorität dieses hohen Gerichtshofes keineswegs, haben
aber doch geglaubt, an unserer bisherigen Ansicht festhalten zu sollen, weil die Begründung des Urtheils nach unserer Meinung die getroffene Enffcheidung nicht zu Mtzen vermag.
Inzwischen müssen wir es der Wissenschaft überlassen, der interessanten Rechtsftage näher zu treten und die endgültige Lösung derselben zu fördern.
Möge auch der gegenwärtigen Bearbeitung des Wild
schadengesetzes die wohlwollmde Beurtheilung zu Theil werdm,
welche der ersten Auflage des Kommentars in so reichlichem
Maße zu Theil geworden ist.
Berlin, im Oktober 1893.
Der Verfasser.
Vorwort.
V
Vorwort zur vierten Auflage. Die neue Auflage, welche erforderlich geworden ist, hatte vor Allem die Aufgabe, Gesetzbuchs
die Vorschriften des Bürgerlichen
zu berückfichtigen.
Um dessen Einwirkung auf
das Gesetz, die in der Einleitung einer näheren Erörtemng
unterzogen ist, klar zu stellen, sind im ersten Theile der Text des
Wildschadengesetzes in
seiner bisherigen Fassung, die
den Wildschaden betreffenden Bestimmungen des Bürgerlichen
Gesetzbuchs und des Einführungsgesetzes zu demselben und das Wildschadengesetz in der Gestalt des neuen Rechts nach
einander dargestellt.
Im Kommentar ist das Wildschaden
gesetz in der Gestalt des neuen Rechts wiedergegeben. Die neue Auflage, in welcher auch die sonstige neuere
Gesetzgebung sowie die Judikatur zu berücksichtigen war, hat
auch insofern eine Erweiterung erfahren, als die bisher nur
angedeuteten Vorschriften des Jagdpolizeigesetzes, soweit sie für die Auslegung des Wildschadengesetzes in Betracht kommen, in den Kreis der Erläuterungen gezogen sind. find in
der
Anlage die neuem,
das
Außerdem
Gesetz betreffenden,
Ministerialerlaffe abgedmckt.
Hamm, im März 1902.
Die Verfasser.
Znhaltsveyeichniß. I. Theil. Seite Text des Wildschadengesetzes...................................................... Preußisches Gesetz, betr. Abänderung des Gesetzes über die Schonzeit des Wildes.............................. 7 Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs und des Ein
1
führungsgesetzes ................................................ 8 Text des Wildschadengesetzes nach der gegenwärtigen Gesetz
gebung ..................................................................... 11 Abkürzungen ....................................................................................
17
II. Theil. Einleitung. § 1. § 2.
Geschichtlicher Rückblick................................................. Das weitere Schicksal des Antrags Conrad. Die
18
wesentlichsten Unterschiede zwischen dem ursprüng lichen Entwurf des Wildschadengesetzes im Ab
§ 3.
geordneten- und Herrenhause........................ 26 Struktur und Jnhaltdes Wildschadengesetzes
§ 4.
Zulässigkeit und Bedeutung des polizeilichen Vor
verfahrens und Verwaltungsstreitverfahrens ...
34
§ 5.
Der Geltungsbereich des Wildschadengesetzes...
38
§ 6.
Die Einwirkung des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf
§ 7.
das Wildschadengesetz im Allgemeinen...... 41 Fortsetzung. Die Einwirkung des Bürgerlichen Ge setzbuchs auf das Wildschadengesetz im Einzelnen .
29
50
VHI
Jnhaltsverzeichniß.
§ 8.
Abweichende Meinungen; die Entscheidung des Ober-Derwaltungsgerichts, betreffend den § 12 des Wildschadengesetzes............................................... 56
III. Theil. 1. 2. 3. 4.
Kommentar zum Wildschadengesetz...................................... 104 Ein Wort zur Orientirung*) ...................................... 184 Entscheidungen der Central-Instanz 185 Sachregister.................................................................................... 210 *) DaS hier Gesagte verdient eine besondere Beachtung.
I.
Wildschadengesetz. Vom 11. Juli 1891.
(Gesetz-Samml. 1891 S. 307—310.) Wir
Wilhelm,
von
Gottes
Gnaden
König
von
Preußen rc. verordnen, unter Zustimmung beider Häuser des Landtages, für den Umfang Unserer Monarchie, mit Aus schluß der Provinz Hannover und des vormaligen Kurfürstm-
thums Heffm, was folgt: §• 1.
Der durch Schwarz-, Roth-, Elch- und Damwild sowie Rehwild und Fasanen auf und an GmndMckm angerichtete
Schadm ist dem Nutzungsberechttgten nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu ersetzen. §• 2. Ersatzpflichtig sind in einem gemeinschaMchen Jagd
bezirke die Grundbesitzer des Jagdbezirks nach Verhältniß der Größe der betheiligten Fläche.
Dieselben werden durch
die Gemeindebehörde vertretm. Hat bei Verpachtung der Jagd in gemeinschaMchm Jagdbezirken die Gemeindebehörde die vollständige Wieder erstattung der zu zahlenden Wildschadmsbettäge durch den
Holtgreorn-Wolff, Wildschadengesetz. 4. Anfl.
1
2
Wildschadengesetz.
Vom 11. Juli 1891.
Jagdpächter nicht ausbedungen, so müssen solche Jagdpacht verträge nach ortsüblicher Bekanntmachung eine Woche öffent
lich ausgelegt werden.
Genehmigung
Sie bedürfen zu ihrer Gültigkeit der
des Kreisausschusses,
in Stadtkreisen
des
Stadtausschusses, wenn seitens auch nur eines Nutzungs
berechtigten innerhalb zwei Wochen nach dieser Auslegung Widerspmch erhoben wird.
3. Ersatzpflichtig ist bei Enklaven (§. 7 des Jagdpolizei
gesetzes vom 7. März 1850, Gesetz-Samml. S. 165, §. 9
des Gesetzes vom 30. März 1867, Gesetz-Samml. S. 426, und §. 11 des Lauenburgischen Gesetzes vom 17. Juli 1872,
Offiz. Wochenblatt f. Lauenburg S. 218) der Inhaber des
umschließenden Jagdbezirks,
sofern er die Jagd auf der
Enklave angepachtet oder die angebotene Anpachtung abge
lehnt hat.
§• 4.
Ein Ersatz für Wildschaden findet nicht statt, wenn die
Umstände ergeben, daß die Bodenerzeugniffe in der Absicht gezogen oder erheblich über die gewöhnliche Emtezeit hinaus
auf dem Felde belassen sind, um Schadensersatz zu erzielen. §- 5. (Sofern Bodenerzeugnisse, deren voller Werth sich erst zur Zeit der Ernte bemessen läßt, vor diesem Zeitpunkte be-
schädigt werden (§. 1), so ist der Schadm in demjenigm Umfange zu erstatten, in welchem er sich zur Zeit der Ernte
darstellt.
§• 6-
Der Beschädigte, welcher auf Gmnd der §§. 1 bis 3 Ersatz für Wildschaden fordern will, hat diesen Anspmch bei
Wildschadengesetz.
Vom 11. Juli 1891.
3
der für das geschädigte Grundstück zuständigen Ortspolizei
behörde binnen drei Tagen, nachdem er von der Beschädigung Kenntniß erhalten hat, schriftlich oder zu Protokoll anzu
melden.
Bei Versäumung dieser Anmeldung findet ein Er
satzanspruch nicht statt.
§. 7. Nach rechtzeitig erfolgter Anmeldung hat die Ortspolizei-
behörde zur Ermittelung und Schätzung des behaupteten Schadens und zur Herbeiführung einer gütlichen Einigung unverzüglich einen Termin an Ort und Stelle anzuberaumen
und zu demselben die Betheiligten unter der Verwarnung zu laden, daß im Falle des Nichterscheinens mit der Ermittelung
und Schätzung des Schadens dennoch vorgegangen wird. Der Jagdpächter ist zu diesem Termine zu laden.
§• 8. Jedem Betheiligten steht das Recht zu, in dem Termine zu beantragen,
daß die Schätzung des Schadens erst in
einem zweiten kurz vor der Ernte abzuhaltenden Termine er
folge.
Diesem Anträge muß stattgegeben werden.
§• 9. Auf Grund des Ergebnisses der Vorverhandlungen hat
die Ortspolizeibehörde einen Vorbescheid über den Schadens ersatzanspruch und die entstandenen Kostm zu erlassen und
dm Betheiligten in schriftlicher Ausfertigung zuzustellen.
Die Zustellung
erfolgt nach Maßgabe
der für Zu
stellungen des Kreisausschusses geltenden Bestimmungen.
§. 10. Gegen den Vorbescheid findet innerhalb zwei Wochen
die Klage bei dem Kreisausschuffe, in Stadtkreisen bei dem Bezirksausschüsse statt.
4
Wildschadengesetz.
Vom 11. Juli 1891.
Die Entscheidungen des Kreisausschuffes und des Bezirksausschuffes sind vorläufig vollstreckbar.
Wird innerhalb der zwei Wochen die Klage nicht er hoben, so wird der Vorbescheid endgültig und vollstreckbar.
§• n. Als Kosten des Verfahrens kommen nur baare Aus lagen, insbesondere Reisekosten und Gebühren der Sachver
ständigen, Botenlöhne und Portokosten in Ansatz. Die Kosten des Vorverfahrens werden als Theil der Kosten des Ver
waltungsstreitverfahrens behandelt.
§• 12. Ist während des Kalenderjahres wiederholt durch Rothoder Damwild verursachter Wildschaden durch die Ortspolizei behörde festgestellt worden, so muß auf Antrag des Ersatz-
pflichtigen oder der Jagdberechtigten die Auffichtsbehörde so
wohl für den betroffenm, als auch nach Bedürfniß für be-
nachbarte Jagdbezirke die Schonzeit der schädigenden Wildgattung für einen bestimmten Zeitraum aufheben und die
Jagdberechtigten zum Abschuß auffordem und anhalten. §. 13.
Genügen diese Maßregeln nicht, so hat die Aufsichtsbehörde den Gmndbefitzern und sonstigen Nutzungsberechtigten
selbst nach Maßgabe der §§. 23 und 24 des Gesetzes vom 7. März 1850 (Gesetz-Sammi. S. 165) die Genehmigung zu ertheilen, das auf ihre Gmndstücke übertretende Roth und Damwild auf jede erlaubte Weise zu sangen, namentlich
auch mit Anwendung des Schießgewehres zu erlegen. §. 14. Schwarzwild darf nur in solchen Einftiedigungen gehegt
werden, aus denen es nicht ausbrechen kann.
Der Jagd-
5
Vom 11. Juli 1891.
Wildschadengesetz.
berechtigte, aus dessen Gehege Schwarzwild austritt, haftet
für den durch das ausgetretene Schwarzwild
vemrsachten
Schaden. Außer dem Jagdberechttgten darf jeder Gmndbesttzer
oder
Nutzungsberechtigte
innerhalb
seiner
GrundMcke
Schwarzwild auf jede erlaubte Art fangen, tobten und be halten.
Die Aufsichtsbehörde kann die Bmutzung von SchießWaffen für eine bestimmte Zeit gestatten.
Die Aufsichtsbehörde hat außerdem zur Vertilgung un-
eingeftiedigten Schwarzwildes alles Erforderliche anzuordnen, sei es durch Polizeijagdm, sei es durch andere geeignete Maßregeln oder Auflagen an die Jagdberechtigten des Be
zirks und der Nachbarforsten.
§. 15. Wilde Kaninchen unterliegen dem freien Thierfange, mit Ausschluß des Fangens mit Schlingen.
§16. Die Aufsichtsbehörde kann die Besitzer von Obst-, Ge müse-, Blumen- und Baumschulanlagen ermächtigen, Vögel
und Wild, welche in den genannten Anlagen Schaden anrichten, zu jeder Zeit mittelst Schußwaffen zu erlegen.
Der
Jagdberechttgte kann verlangen, daß ihm die erlegten Thiere,
soweit sie seinem Jagdrechte unterliegen, gegen das übliche
Schußgeld überlassen werden. Die Ermächttgung vertritt die Stelle des Jagdscheines.
Sie darf Personen, welchm der Jagdschein versagt werden
muß, nicht ertheilt werden und ist widerruflich.
6
Vom 11. Juli 1891.
Wildschadengesetz.
§• 17.
Gegen die Anordnung oder Versagung obiger Maßregeln (§. 16) seitens der Aufsichtsbehörde (des Landraths,
in Stadtkreisen der Ortspolizeibehörde, in Hohenzollern des
Oberamtmanns) ist nur die Beschwerde an den Bezirksaus schuß, in Hohenzollem an den Regierungspräsidenten, und
gegen deren Entscheidung die Beschwerde zulässig, welche an den Minister des Innern und den Minister für Landwirth
schaft, Domänen und Forsten geht. §. 18.
Sofern das gegenwärtige Gesetz dem Jagdpächter größere als die bisherigen Verpflichtungen auferlegt, kann er den Pachtvertrag innerhalb drei Monaten nach
Verkündigung
dieses Gesetzes derart kündigen, daß das Pachtverhältniß mit Ende des laufenden Pachtjahres erlischt. Das gleiche Recht steht dem Verpächter zu, sofern der
Pächter nicht für die Zeit bis zum Ablaufe der bestehendm Pachtverträge die Vergütung der durch das Gesetz dem Ver
pächter auferlegten Wildschäden auf sich nimmt. §. 19. Der §. 25 des Jagdpolizeigesetzes vom 7. März 1850
(Gesetz-Samml.
S.
165),
§. 27
der
Verordnung
vom
30. März 1867 (Gesetz-Samml. S. 416) und §. 28 des Gesetzes vom 17. Juli 1872 (Lauenb.
Offiz.
Wochenblatt
Nr. 42) werden aufgehoben.
Wildschadenersatz kann nur auf Grund und nach Maß
gabe dieses Gesetzes gefordert werden. §.20. Dieses Gesetz tritt mit dem 1. Januar 1892 in Kraft.
Vom 11. Juli 1891.
Wildschadengesetz.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift
und beigedrucktem Königlichen Jnsiegel.
Gegeben Buckingham-Palace London, den 11. Juli 1891.
Wilhelm.
(L. S.) v. Caprivi,
v. Boetticher.
Frhr. v. Berlepsch.
Miquel,
Gr. v. Zedlitz.
Herrfurth,
v. Schelling.
v. Kaltenborn,
v. Heyden.
Thielen.
Preußisches Gesetz, betreffend Abänderung des Gesetzes über die Schonzeit des Wildes vom 26.Febr«ar 1870 (Gesetz-Samml. S. 120). Vom 13. August 1897 (Gesetz-Samml. S. 391). §• 2.
Die tztz. 12 und 13 des Wildschadengesetzes vom 11. Juli 1891 (Gesetz-Samml. S. 307) kommen auch hinsichtlich des durch Elchwild vemrsachten Wildschadens zur Anwendung.
II.
Lürgerliches Gesetzbuch. §. 835.
Wird durch Schwarz-, Roth-, Elch-, Dam- oder Reh-
wild oder durch Fasanen ein GmndMck beschädigt, an welchem dem Eigenthümer das Jagdrecht nicht zusteht, so ist der
Jagdberechtigte verpflichtet, dem Verletzten den Schaden zu ersetzen.
Die Ersatzpflicht erstreckt sich auf den Schaden, den
die Thiere an den getrennten, aber noch nicht eingeemteten Erzeugnissen des Grundstücks anrichten.
Ist dem Eigenthümer die Ausübung des ihm zustehen
den Jagdrechts durch das Gesetz entzogen, so hat derjenige den Schadm zu ersetzen, welcher zur Ausübung des Jagd rechts nach dem Gesetze berechtigt ist.
Hat der Eigenthümer
eines Gmndstücks, auf dem das Jagdrecht wegen der Lage des GmndMcks nur gemeinschaftlich mit dem Jagdrecht auf einem anderen GmndMck ausgeübt werden darf, das Jagd
recht dem Eigenthümer dieses Grundstücks verpachtet, so ist der letztere für den Schaden verantwoMch.
Sind die Eigenthümer der GmndMcke eines Bezirkes zum Zwecke der gemeinschaMchen Ausübung des Jagdrechts durch das Gesetz zu einem Verbände vereinigt, der nicht als
solcher hastet, so sind sie nach dem Verhältnisse der Größe ihrer GmndMcke ersatzpflichttg.
Dom 11. Juli 1891.
Mldschadengesetz.
9
Einfichrungsgesetz zum
Lürgerlichen Gesetzbuch. Arttkel 69. Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften über
Jagd und Fischerei, unbeschadet der Vorschrift des §. 958 Abs. 2
des Bürgerlichen Gesetzbuchs und
des Bürgerlichen Gesetzbuchs
über
der Vorschriften
den Ersatz des Wild
schadens.
Artikel 70.
Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften über
die Gmndsätze, nach welchen der Wildschaden festzustellen ist, sowie die landesgesetzlichen Vorschriften, nach welchen der
Anspruch auf Ersatz des Wildschadens innerhalb einer be stimmten Frist bei der zuständigen Behörde geltend gemacht
werden muß. Artikel 71. Unberührt bleiben
die
landesgesetzlichen
Vorschriften,
nach welchen 1. die Verpflichtung zum Ersätze des Wildschadms auch
dann eintritt, wenn der Schaden durch jagdbare Thiere
anderer als der im §. 835 des Bürgerlichen Gesetz buchs bezeichneten Gattungm angerichtet wird; 2. für den Wildschaden, der durch ein aus einem Gehege
ausgetretenes jagdbares Thier angerichtet wird, der
Eigmthümer ober der Besitzer des Geheges verantwottlich ist;
3. der Eigenthümer eines GrundMcks, wenn das Jagdrecht auf einem anderen GrundMcke nur gemeinschast-
10
Wildschadengesetz.
Vom 11. Juli 1891.
lich mit dem Jagdrecht auf seinem Grundstück ausge übt werden darf, für den auf dem anderen GmndMck
angerichteten Wildschaden auch dann haftet, wenn er die ihm angebotene Pachtung der Jagd abgelehnt hat;
4. der Wildschaden, der an Gärten, Obstgärten, Weinbergen,
Baumschulen
und
einzelstehenden Bäumen
angerichtet wird, dann nicht zu ersetzen ist, wenn die Herstellung von Schutzvorrichtungen unterblieben ist, die unter gewöhnlichen Umständen zur Abwendung des
Schadens ausreichen;
5. die Verpflichtung zum Schadensersatz im Falle des §. 835 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs abweichend
bestimmt wird; 6. die Gemeinde an Stelle der Eigenthümer der zu einem Jagdbezirke vereinigten Grundstücke zum Ersätze des
Wildschadens verpflichtet und zum Rückgriff auf die Eigenthümer berechtigt ist oder an Stelle der Eigmthümer
oder des Verbandes
der Eigenthümer oder
der Gemeinde oder neben ihnen der Jagdpächter zum Ersätze des Schadens verpflichtet ist.
Arttkel 72. Besteht in Ansehung eines Grundstücks ein zeitlich nicht
begrenztes Nutzungsrecht, so finden die Vorschriften des §. 835
des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Verpflichtung zum Ersätze des Wildschadens mit der Maßgabe Anwendung, daß an die Stelle des Eigenthümers der Nutzungsberech
tigte tritt.
Vom 11. Juli 1891.
Wildschadengesetz.
11
Das Wildschadengesetz vom 11. Juli 1891
nach der gegenwärtigen Gesetzgebung. Wir
Wilhelm,
Gottes
von
Gnaden
König
von
Preußen rc. verordnen, unter Zustimmung beider Häuser des Landtages, für den Umfang Unserer Monarchie, mit Aus
schluß der Provinz Hannover und des vormaligen Kurfürsten thums Heffen, was folgt:
§• 1. Wird durch Schwarz-, Roth-, Elch-, Dam- oder Rehwild oder durch Fasanen ein GrundMck beschädigt, so hat, wenn dem Eigenthümer die Ausübung des ihm zustehenden Jagd
rechts durch das Gesetz entzogen ist, derjenige dem Verletzten
den Schaden zu ersetzen, welcher zur Ausübung des Jagd rechts nach dem Gesetze berechtigt ist. Die Ersatzpflicht erstreckt
sich auf den Schaden, den die Thiere an den getrennten,
aber noch nicht eingeemteten Erzeugnissen des Grundstücks anrichten.
Der Schade ist nach Maßgabe der folgenden Bestim mungen zu ersetzen.
§• 2. Sind die Eigenthümer der Grundstücke eines Bezirkes
zum Zwecke der gemeinschaftlichen Ausübung des Jagdrechts durch das Gesetz zu einem Verbände vereinigt, der nicht als
solcher hastet, so sind sie nach dem Verhältnisse der Größe ihrer Grundstücke ersatzpflichtig.
Dieselben werden durch die
Gemeindebehörden vertreten. Hat bei Verpachtung der Jagd in gemeinschaftlichen
Jagdbezirken die Gemeindebehörde die vollständige Wieder-
Wildschadengesetz.
12
Vom 11. Juli 1891.
erstattung der zu zahlenden Wildschadensbeträge durch den Jagdpächter nicht ausbedungen, so müssen solche Jagdpacht-
verträge
nach
ortsüblicher Bekanntmachung
öffentlich ausgelegt werden.
eine
Woche
Sie bedürfen zu ihrer Gültig
keit der Genehmigung des Kreisausschuffes, in Stadtkreisen des Stadtausschusses, wenn seitens auch nur eines Nutzungs
berechtigten innerhalb zwei Wochen nach dieser Auslegung Widerspruch erhoben wird. §• 3.
Hat der Eigenthümer eines Gmndstücks, mit dem das
Jagdrecht wegen der Lage des Gmndstücks nur gemeinschaft lich mit dem Jagdrecht auf einem anderen GrundMck aus geübt werden darf, das Jagdrecht dem Eigenthümer dieses GrundMcks verpachtet, oder hat dieser die ihm angebotene Pachtung der Jagd abgelehnt, so ist der letztere für den
Schaden verantwortlich. §• 4Ein Ersatz für Wildschaden findet nicht statt, wenn die Um
stände ergeben, daß die Bodenerzeugniffe in der Absicht gezogen oder erheblich über die gewöhnliche Erntezeit hinaus auf dem Felde
belasien find, um Schadensersatz zu erzielen. §• 5.
Sofern Bodenerzeugniffe, deren voller Werth fich erst zur Zeit der Emte bemessen läßt, vor diesem Zeitpunkte
beschädigt werden (§. 1), so ist der Schaden in demjenigen Umfange zu erstatten, in welchem er fich zur Zeit der Ernte
darstellt. §■ 6.
Der Beschädigte, welcher auf Gmnd der §§. 1 bis 3
Ersatz für Wildschaden fordem will, hat diesen Anspruch bei
Wildschadengesetz. der für das
Vom 11. Juli 1891.
13
geschädigte Gmndstück zuständigen Ortspolizei
behörde binnen drei Tagen, nachdem er von der Beschädigung
Kenntniß erhalten hat, schriftlich oder zu Protokoll anzu-
melden.
Bei Versäumung dieser Anmeldung findet ein Er
satzanspruch nicht statt.
§• 7. Nach rechtzeitig erfolgter Anmeldung hat die Ortspolizei behörde zur Ermittelung und Schätzung des behaupteten
Schadens und zur Herbeiführung einer gütlichen Einigung unverzüglich einen Termin an Ort und Stelle anzuberaumen
und zu demselben die Betheiligten unter der Verwarnung zu laden, daß im Falle des Nichterscheinens mit der Er mittelung und Schätzung des Schadens dennoch vorgegangen
Der Jagdpächter ist zu diesem Termine zu laden.
wird.
§• 8. Jedem Betheiliglen steht das Recht zu, in dem Termine zu beantragen,
daß die Schätzung des Schadens erst in
einem zweiten kurz vor der Ernte abzuhaltenden Termine
erfolge.
Diesem Anträge muß stattgegeben werden.
§- 9. Auf Grund des Ergebnisses der Vorverhandlungen hat
die Ortspolizeibehörde einen Vorbescheid über den Schadensersatzanspruch und die entstandenen Kosten zu erlassen und den Betheiligten in schriftlicher Ausferttgung zuzustellen. Die Zustellung erfolgt nach Maßgabe der für Zustellungen
des Kreisausschuffes geltmden Bestimmungen.
§. 10. Gegen den Vorbescheid findet innerhalb zwei Wochen
die Klage bei dem Kreisausschuffe, in Stadtkreisen bei dem Bezirksausschüsse statt.
14
Wildschadengesetz. Vom 11. Juli 1891. Die Entscheidungen des Kreisausschusses und des Be
zirksausschusses sind vorläufig vollstreckbar. Wird innerhalb der zwei Wochen die Klage nicht erhoben,
so wird der Vorbescheid endgültig und vollstreckbar. §• 11. Als Kosten des Verfahrens kommen nur baare Auslagen,
insbesondere Reisekosten und Gebühren der Sachverständigen,
Botenlöhne und Portokosten in Ansatz.
Die Kosten des
Vorverfahrens werden als Theil der Kosten des Verwaltungs streitverfahrens behandelt.
§. 12. Ist während des Kalenderjahres wiederholt durch Roth-, Dam- oder Elchwild verursachter Wildschaden durch die Orts
polizeibehörde festgestellt worden, so muß auf Antrag des
Ersatzpflichtigen oder der Jagdberechttgten die Aufsichtsbehörde sowohl für den betroffenen, als auch nach Bedürfniß für
benachbarte Jagdbezirke die Schonzeit der schädigenden Wild
gattung für einen bestimmten Zeitraum aufheben und die
Jagdberechtigten zum Abschuß auffordern und anhalten. §• 13.
Genügen diese Maßregeln nicht, so hat die Aufsichts behörde den Gmndbefitzern und sonstigen Nutzungsberechtigtm
selbst nach Maßgabe der §§. 23 und 24 des Gesetzes vom 7. März 1850 (Gesetz-Samml. S. 165) die Genehmigung
zu ertheilen, das auf ihre Grundstücke übertretende Roth-,
Dam- und Elchwild auf jede erlaubte Weise zu fangen,
namentlich auch mit Anwendung des Schießgewehres zu erlegen.
Wildschadengesetz.
Vom 11. Juli 1891.
15
§• 14. Schwarzwild darf nur in solchen Einfriedigungen gehegt werden, aus denen es nicht ausbrechen kann.
Der Jagd
berechtigte, aus dessen Gehege Schwarzwild austritt, haftet
für den durch das ausgetretene Schwarzwild
verursachten
Schaden.
Außer dem Jagdberechtigten darf jeder Grundbesitzer oder Nutzungsberechtigte innerhalb seiner Grundstücke Schwarz-
wild auf jede erlaubte Art fangen, tobten und behalten.
Die Aufsichtsbehörde kann die Benutzung von Schieß waffen für eine bestimmte Zeit gestatten.
Die Aufsichtsbehörde hat außerdem zur Vertilgung uneingeftiedigten Schwarzwildes alles Erforderliche anzuordnen, sei es durch Polizeijagden, sei es durch
andere geeignete
Maßregeln oder Auflagen an die Jagdberechtigten des Be
zirks und der Nachbarforsten.
§. 15. Wilde Kaninchen unterliegen dem freien Thierfange, mit
Ausschluß des Fangens mit Schlingen.
§• 16. Die
Aufsichtsbehörde
kann
die
Besitzer von
Obst-,
Gemüse-, Blumen- und Baumschulanlagen ermächtigen, Vögel
und Wild, welche in den genannten Anlagen Schaden an richten, zu jeder Zeit mittels Schußwaffen zu erlegen.
Der
Jagdberechtigte kann verlangen, daß ihm die erlegten Thiere, soweit sie seinem Jagdrechte unterliegen, gegen das übliche
Schußgeld überlassen werden.
Die Ermächtigung vertritt die Stelle des Jagdscheines. Sie darf Personen, welchen der Jagdschein versagt werden
muß, nicht ertheilt werden und ist widerruflich.
16
Wildschadengesetz.
Vom 11. Juli 1891.
§• 17.
Gegen die Anordnung oder Versagung obiger Maß regeln (§. 16) seitens der Aufsichtsbehörde (des Landraths,
in Stadtkreisen der Ortspolizeibehörde, in Hohenzollern des Oberamtmanns) ist nur die Beschwerde an den Bezirksaus schuß, in Hohenzollern an den Regierungspräsidenten, und
gegen deren Entscheidung die Beschwerde zulässig, welche an den Minister des Jnnem und den Minister für Landwirth
schaft, Domänen und Forsten geht.
§. 18.
Sofern das gegenwärtige Gesetz dem Jagdpächter größere, als die bisherigen Verpflichtungen auferlegt, kann er den Pachtvertrag innerhalb
dieses Gesetzes
drei Monaten nach Verkündigung
derart kündigen, daß das Pachtverhältniß
mit Ende des lausenden Pachtjahres erlischt.
Das gleiche Recht steht dem Verpächter zu, sofern der
Pächter nicht für die Zeit bis zum Ablaufe der bestehendm Pachtverträge die Vergütung der durch das Gesetz dem Ver
pächter auferlegten Wildschäden auf sich nimmt. §. 19. Der §. 25 des Jagdpolizeigesetzes vom 7. März 1850 (Gesetz-Samml.
S.
165), §.
27
der
Verordnung
vom
30. März 1867 (Gesetz-Samml. S. 416) und §. 28 des
Gesetzes vom 17. Juli 1872 (Lauenb. Offiz. Wochenblatt Nr. 42) werden aufgehoben.
§. 20. Dieses Gesetz tritt mit dem 1. Januar 1892 in Kraft. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigm Unterschrift und beigedrucktem Königlichm Jnfiegel.
17
Abkürzungen.
Abkürzungen. Allgemeinere Gerichtsordnung für die Preußischen Staaten. A.L.R.: Das Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten. Anm.: Anmerkung. A. M.: Anderer Meinung. B.G.B-: Das Bürgerliche Gesetzbuch für das Deutsche Reich. C.P.O.: Civilprozeßordnung für das Deutsche Reich. E.G.: Einführungsgesetz. E.G. z. B.G.B.: Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Gruchots Beitr.: Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechtes, begründet von Gruchot, fortgesetzt von Rassow und Küntzel und Eccius. J.P.G.: Das (Preußische) Jagdpolizeigesetz vom 7. März 1850. Johow, Jahrbuch: Jahrbuch der Entscheidungen des Kammer gerichts von Johow. J.W.: Juristische Wochenschrift. J.M.Bl.: Justizministerialblatt. M.Bl. f. d. i- B.: Ministerialblatt für die innere Verwaltung. Obertr.: Entscheidungendes (früheren)Preußischen Obertribunals. Obertr. in Strieth. Arch.: Arch. für Rechtsfälle von Entschei dungen des (früheren) Preußischen Obertribunals, gesammelt von Striethorst. O.V.G.: Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts. O.V.G. bei Kuntze und Kautz: Kuntze und Kautz, Rechtsgrund sätze des Oberwaltungsgerichts. R.G.: Entscheidungen des Reichsgerichts in Civilsachen. R.G. in Str.: Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen. V.O.: Verordnung. Z-: Zeitschrift.
A.G.O.:
Holtgreven-Wolff, Wildschadengesetz. 4. Aufl.
2
II.
Einleitung. §i.
Geschichtlicher Rückblick. Dem römischen Rechte war ein gesetzlicher Anspruch auf Ersatz des Wildschadens unbekannt.
Das Wild, d. h. das
in seiner natürlichen Freiheit lebende Thier unterlag als res nullius der Okkupation eines jeden.
Der Eigenthümer
eines Grundstücks, der Meßbraucher, der Pächter konnte fich daher durch Ausübung des freien Thierfangs gegen das
schädigende Wild selbst schützen.
Es fehlte an einem Rechts-
gründe, aus welchem ein Anderer für den Wildschaden hätte
verantwortlich gemacht werden können.')
In gleicher Weise gewährte auch das deutsche Recht einen Anspruch auf Wildschadensersatz nicht.
Auch nach der
deutschen Rechtsanschauung war das Wild eine herrmlose Sache, welche allerdings nicht von einem jedm Drittm, wohl
aber von dem Eigmthümer des Grundstücks,
sie betroffen wurde,
beziehungsweise
in
den
auf welchem Gemeinde
waldungen von dm Gemeindegmoffen durch Okkupation zum
Eigenthum erworben werden konnte.
') Daß sich die Sache anders verhielt, wenn jemand Eigenthümer eines wilden Thieres geworden war, braucht kaum erwähnt zn werdm.
Dieser Rechtszustand änderte sich seit dem neunten Jahr
hundert und zwar zunächst
infolge
der
von
Karl
dem
Großen begonnenen und von den späteren Herrschem fort
gesetzten Jnforestationen,
d. h. infolge des Verbots
des
Königs, in bestimmten (nicht in seinem Eigenthume stehen-
den) Bezirken (Bannforsten) zu jagen. Weiterhin war die Ausbildung des Lehnswesens mit
seinem
Ober-
und
Untereigenthum
für
die
allmähliche
Trennung des Jagdrechts vom eigenen Grund und Boden von Bedeutung.
Endlich entwickelte sich mit der Landeshoheit im sechzehnten Jahrhundert der Begriff des landesherrlichen Jagd
regals, inhalts dessen ausschließlich der Landesherr nicht bloß
«uf den ihm gehörenden Grundstücken und in Bannforsten, sondern auf allen Grundstücken seines Territoriums zu jagen
berechtigt war, während die der Landeshoheit Unterworfenen nur durch landesherrliche Genehmigung ein Recht zur Aus
übung der Jagd erlangen konnten.
Die infolge geführte
der Ausbildung des Jagdregals
Beschränkung
herbei
der Okkupationsberechtigten,
sowie
die allmähliche Einfühmng der Schon- und Hegezeiten hatte naturgemäß eine Vermehmng des Hochwildes und damit
zugleich die Häufung von Wildschäden zur Folge.
Seitens
der Gerichte wurde nunmehr nach den Grundsätzen des ge
meinen Rechts gegen den Jagdberechtigten, welcher durch ordnungswidrigen Gebrauch seines Rechts, insbesondere dmch
übermäßige Hegung des Wildes Schaden vemrsachte,
ein
Anspmch auf Erstattung desselben anerkannt. Dieselben
Gmndsätze haben
demnächst
auch
in den
Ländern des französischen Rechts Anerkennung gefunden.
Die Verantwortlichkeit des Gmndeigenthümers oder Jagd2*
Wildschadengesetz.
20
berechtigten für entstandenen Wildschaden wurde dort namenslich dann angenommen, wenn diese Personen die betreffenden
Grundbesitzer gehindert hatten, selbst das schädigende Wild zu vertilgen,
oder wenn
sie
durch
Hegen
des
Wildes
Ursache geworden waren, daß letzteres sich übermäßig ver mehrt hatte und schädlich geworden war.
(Vgl. das Urtheil
des Reichsoberhandelsgerichts vom 29. Jan. 1875, Entsch.
Bd. 16 S. 12.)
Im Preußischen Landrechte waren in den §§. 141 bis 147 Theil I Tit. 9 nicht nur Bestimmungen zur Ver
hütung von Wildschäden, sondern auch spezielle Vorschriften wegen Ersatzes desselben getroffen worden.
„Wer hohes
Wild aus seinen Revieren in ungewöhnlicher Menge hegen will," heißt es im §. 144, „ist schuldig, solche Veranstaltungen zu treffen, daß die angrenzenden bebauten Ländereien gegen
die Beschädigung desselben gesichert werden."
„Sind keine
andere Mittel zur Abwendung solcher Beschädigungen vor
handen, so können die Besitzer der angrenzenden Ländereien
darauf antragen, daß der Jagdberechtigte auf seine Kosten tüchttge Wildzäune anlege und unterhalte."
(§. 145.) „Macht
sich der Jagdberechtigte in Anlegung oder Unterhaltung solcher
Veranstaltungen einer Nachlässigkeit schuldig, so haftet er für
allen durch Schaden."
das Wild
in
der Nachbarschaft
verursachten
(§.146.)
Diese Bestimmungen sind durch das Gesetz vom 31. Okt. 1848 und das Jagdpolizeigesetz vom 7. März 1850 aufge
hoben beziehungsweise abgeändert worden (Erkenntniß des
Obertrib. vom 11. Juni 1850, Entsch. Bd. 19 S. 113ff.). Nachdem zunächst das Gesetz vom 31. Oktober 1848 die bestehenden Wildschonzeiten beseitigt und unter Aufhebung des Jagdrechts auf ftemden Gmndstückm einem jeden Grund-
21
Einleitung.
bescher das Recht gegeben hatte, die Jagd auf seinem Grund
und Boden selbst auszuüben, führte das Jagdpolizeigesetz
vom 7. März 1850 die Schonzeiten wieder ein, beschränkte außerdem im öffentlichen Interesse das Jagdrecht der Grund besitzer dadurch in erheblicher Weise, daß es denselben zur
eigenen Ausübung des Jagdrechts nur auf Besitzungen
von zusammenhängenden 300 Morgen,
auf
vollständig eingefriedigten Grundstücken,
eventuell auch auf
dauernd und
Seen, Teichen und Inseln für befugt erklärte, sah
aber
gleichwohl davon ab, die landrechtlichen Schutzbestimmungen gegen das übermäßige Hegen von Hochwild im vollen Um
fange wieder herzustellen.
Die durch das Jagdpolizeigesetz
vom 7. März 1850 zur Verhütung von Wildschaden erlassenen
Vorschriften,
auf welche wir im nachstehenden noch des
öfteren verweisen werden, sind die folgenden: tz. 21. Durch Klappern, aufgestellte Schreckbilder, sowie durch Zäune, kann ein Jeder das Wild von seinen Besitzungen abhalten, auch wenn er auf diesen zur Ausübung des Jagd rechts nicht befugt ist. Zur Abwehr des Roth-, Dam- und Schwarzwildes kann er sich auch kleiner oder gemeiner Haus hunde bedienen.
§. 22. Auf gemeinschaftlichen Jagdbezirken, auf welchen Wildschäden vorkommen, darf die Gemeindebehörde, wenn auch
nur ein einzelner Grundbesitzer Widerspruch dagegen erhebt, die Ausübung der Jagd nicht ruhen lassen. §. 23. Wenn die in der Nähe von Forsten belegenen Grund stücke, welche Theile eines gemeinschaftlichen Jagdbezirkes bilden, oder solche Waldenklaven, auf welchen die Jagdausübung dem Eigenthümer des sie umschließenden Waldes überlassen tft (§.7),
erheblichen Wildschäden durch das aus der Forst übertretende Wild ausgesetzt sind, so ist der Landrath befugt, auf Antrag
der beschädigten Grundbesitzer, nach vorhergegangener Prüfung des Bedürfnisses und für die Dauer desselben den Jagdpächter
22
Wildschadengesetz.
selbst während der Schonzeit zum Abschüsse des Wildes aufzu-
fordern. Schützt der Jagdpüchter, dieser Aufforderung unge achtet, die beschädigten Grundstücke nicht genügend, so kann der Landrath den Grundbesitzern selbst die Genehmigung
ertheilen, das auf diese Grundstücke übertretende Wild auf jede erlaubte Weise zu fangen, namentlich auch mit Anwendung des Schießgewehrs zu tödten. Das Nämliche gilt rückstchtlich der Besitzer solcher Grund stücke, auf welchen sich die Kaninchen bis zu einer, der Feld- und Gartenkultur schädlichen Menge vermehren, in Betreff dieser Thier gattung. Wird gegen die Verfügung des Landraths bei der vorgesetzten Verwaltungs-Behörde der Rekurs eingelegt, so bleibt erstere
bis zur eingehenden höheren Entscheidung interimistisch gültig. Das von den Grundbesitzern infolge einer solchen Ge nehmigung des Landraths erlegte oder gefangene Wild muß aber gegen Bezahlung des in der Gegend üblichen Schußgeldes dem Jagdpächter überlassm und die desfallsige Anzeige binnen
vier und zwanzig Stunden erstattet werden.
§. 24. Auch der Besitzer einer solchen Waldenklave, auf welcher die Jagd nach §. 7 gar nicht ausgeübt werden darf, ist, wenn das Grundstück erheblichen Wildschäden ausgesetzt ist und der Besitzer des umgebenden Wald-Jagdreviers der Aufforderung des Landraths, das vorhandene Wild selbst während der Schon
zeit abzuschießen, nicht genügend nachkommt, zu fordern be rechtigt, daß ihm der Landrath nach vorhergegangener Prüfung des Bedürfnisses und auf die Dauer desselben die Genehmigung ertheile, das auf die Enklave übertretende Wild auf jede er laubte Weise zu fangen, namentlich auch mit Anwendung des
Schießgewehrs zu tödten. In diesem Falle verbleibt das ge fangene oder erlegte Wild Eigenthum des Enklavenbesitzers.
In den in den §§. 23 und 24 gedachten Fällen vertritt die von dem Landrathe zu ertheilende Legitimation die Stelle des Jagd scheins.
Die wichttgste Neuemng gegenüber dem früheren Rechts zustande bestand aber in der gänzlichen Ausschließung eines
gesetzlichen Anspruchs auf Ersatz von
Wildschaden.
Der
25 des Jagdpolizeigesetzes bestimmte: „Ein gesetzlicher An spruch auf Ersatz des durch das Wild vemrsachten Schadens
findet nicht statt.
Den Jagdpächtem bleibt dagegen unbe-
nommm, hinsichtlich des Wildschadens in dm JagdpachtKontrakten vorsorgliche Bestimmung zu treffen."
Der durch das Jagdpolizeigesetz vom 7. März 1850
geschaffene Rechtszustand wurde schon bald nach dem Inkraft treten
desselbm
mannigfachen
Anfechtungen
unterworfen.
Ohne in eine nähere Erörtemng der Gründe dieser Unzu-
friedmheit einzutreten, müssen wir hier auf einen Umstand
Hinweisen, der für die Richtung, in welcher sich das gegen wärtige Wildschadmgesetz bewegt, von besonderer Bedeutung
gewesen ist. Nach dem Jagdpolizeigesetze ist, wie bereits erwähnt, die Ausübung, des Jagdrechts
auf eigenem Gmnd und
Boden nur unter der Voraussetzung einer bestimmten Größe
und Beschaffmheit des Jagdterrains gestattet (§. 2 des Jagd polizeigesetzes).
Alle übrigen GrundMcke eines Gemeinde-
bezirks, welche nicht zu den in §. 2 gedachten gehören, bilden der Regel nach einen gemeinschaftlichen Jagdbezirk (§. 4),
auf welchem die Jagd entweder durch einen angestellten Jäger für Rechnung der betheiligten Grundbesitzer beschaffen oder auf welchem sie verpachtet »erben kann (§. 10.) Die auf diese Weise
erzielten Pachtgelder und Einnahmen werden in die Gr-
meindekaffe gezahlt und nach Abzug der etwa entstehenden Verwaltungskosten durch die Gemeindebehörde unter die Be
sitzer derjenigen Grundstücke, auf welchen die gemeinschaftliche
Ausübung des Jagdrechts stattfindet, nach dem Verhältniß
des Flächeninhalts
(§. 11).
dieser
Grundstücke
vertheilt
Wildschadengesetz.
24
Es kann nun nicht zweifelhaft sein,
daß gerade diese
letztere Bestimmung unter Umständen eine große Ungerechtig
keit gegen den beschädigten Grundbesitzer enthält.
Nicht
der Umfang des erlittenen Wildschadens, sondern lediglich die Größenverhältniffe der Grundstücke sollen für die Ver-
theilung der Jagdpachtgelder maßgebend sein.
Und doch ist
nicht selten bei Bemeffung der Höhe der Jagdpacht auf den Wildschaden besondere Rücksicht genommen und in derselben
der Ersatz für den letzteren miteinbegriffen.
Diese ganz
offenbare Unbilligkeit hat wohl nicht zum wenigsten zu den
zahlreichen Klagen über die Mangelhaftigkeit des Jagdpolizeigesetzes vom 7. März 1850 beigetragen, und die Abstellung
gerade dieses Uebelstandes bildet, um dies vorweg zu be-
merken, den eigentlichen Kern- und Mittelpunft des gegen-
»artigen Wildschadengesetzes. Dem kleinen Manne, d. h. dem beschädigten Nutzungsberechtigten in einem gemein
schaftlichen Jagdbezirke sollte geholfen werden.
waren — unter Billigung
der
Darüber
Staatsregierung — alle
Parteien des Abgeordneten- wie des Herrenhauses einver standen. Auf dieser Erwägung beruht auch die fundamentalste
Bestimmung des gegenwärtigen Gesetzes, §. 2 Abs. 1: „Er-
satzpflichtig (für den Wildschaden) sind in einem gemein
schaftlichen Jagdbezirke die Gmndbefitzer des Jagd bezirks nach Verhältniß der Größe der betheiligten Fläche."
Es erübrigt noch, zur Vervollständigung des geschicht
lichen Rückblickes die
Reformversuche
kurz zu
erwähnen,
welche bald nach dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 7. März
1850 bis zum Erlaß des gegenwärtigen Wildschadengesetzes auf dem Gebiete des Jagdpolizeirechts unternommen worden sind. In dem Kommissionsbericht des Abgeordnetenhauses vom
30. Januar 1891 (Nr. 72 der Drucksachen) ist darüber bemerkt: „Bereits im Jahre 1853 legte die damalige erste Kammer
einen
Gesetzentwurf- über
die
Abänderung
des
Jagd
polizeirechts vor, welcher aber in der zweiten Kammer nicht 1855 gelaugte ein neuer Ent
mehr zur Berathung kam.
wurf in der zweiten Kammer zur Annahme, blieb aber in der ersten Kammer unerledigt.
Beide Entwürfe scheiterten
hauptsächlich daran, daß man sich nicht über die Entschädigung einigen konnte, welche alle diejenigen erhalten sollten, welche das Jagdrecht auf den den Gemeinden zugewiesenen Grundstücken
ehemals besessen hatten.
Die Revision des Gesetzes wurde
dadurch erschwert und kam erst wieder zur Aufnahme, als
die Nothwendigkeit durch die Vergrößerung des
gebietes 1866 noch dringender hervortrat.
Staats
Die in den neu
erworbenen Landestheilen geltenden zahlreichen Partikular gesetze versuchte man durch ein dem Herrenhause im Jahre
1868 vorgelegtes Allgemeines Jagdpolizeigesetz einheitlich zu regeln.
Dasselbe gelangte aber nicht bis an das Abgeord
netenhaus.
Seitdem ist das Bedürfniß einer Revision der
Jagdpolizeigesetzgebung sowohl
vonseiten der Staatsregie
rung, als auch von der Volksvertretung wiederholt zum Aus
druck gebracht worden.
Die Berathungen eines Wildschon
gesetzes vom 26. Februar 1870 (G-S. S. 120) und die
Gutachten der Provinzialbehörden im Jahre 1873 über den
Entwurf einer Jagdordnung bildeten die Gmndlage zu einer am 21. Januar 1880 der Landesvertretung zugegangenen
Vorlage.
Dieselbe
wurde zunächst einer Kommission im
Herrenhause überwiesen (Bericht vom 8. Juni 1880, Druck
sachen Nr. 132 1879/80).
Die Kommissionsbeschlüsse er
fuhren durch die inzwischen erlassenen Gesetze über die all gemeine Landesverwaltung und durch das Zuständigkeitsgesetz
26
Wildschadengesetz.
entsprechende Abänderungen und wurden am 20. November
1883 dem Herrenhause zur nochmaligen Berathung vorgelegt. Nachdem der Gesetzentwurf an das Abgeordnetenhaus gelangt
und daselbst im März 1884 in einer Kommission') sowohl wie im Plenum vielfache Abänderungen erfahren hatte, blieb
die Vorlage durch Schluß des Landtages unerledigt.
Im Jahre 1888 wurde unter dem Namen Berling
ein Gesetzentwurf im Abgeordnetenhause eingebracht, y
be-
treffend „den Schutz der Landwirthschaft gegen Hochwild".
Derselbe wurde in einer Kommffsion') berathen, gelangte aber nicht zur Verhandlung im Plenum. Das gleiche Schicksal hatte 1890 der Antrag Conrad*) betreffend
der Landwirthschaft gegen Wildschaden"?)
„den Schutz
Die Beschlüsse,
welche aus dieser Kommission hervorgingen, unterbreitete der Abgeordnete Conrad bei Beginn der III. Session 1890
dem
Abgeordnetenhause als Entwurf
gesetzes."
Wildschaden
eines
Dieser Entwurf bildet den Ausgangspunkt des
gegenwärtigen Gesetzes.
§• 2.
Das weitere Schicksal des Antrags Conrad. Die wesevttichsten Unterschiede zwischen dem nrsprünglichen Entwurf des tlvildschadengesetzes im Adgeordnrtenund Herreuhanse. Der
Entwurf
des
Wildschadengesetzes,
welchen
das
Abgeordnetenhaus auf der Grundlage des Antrags Conrad 2) Bericht Nr. 166 der Drucksachen II. Session 1883/84. 2) Nr. 172 der Drucksachen III. Session 1888. 3) Bericht Nr. 190 der Drucksachen I. Session 1889.
4) Nr. 45 der Drucksachen II. Session 1890. Kommisfionsbericht Nr. 181 der Drucksachen II. Sess. 1890.
in
der Sitzung vom 10. Februar 1891 in dritter Lesung
beschlossen hatte, hat sich nur im geringeren Maße der Zu
Waren die
stimmung des Herrenhauses zu erfreuen gehabt.
gmndlegendsten
Bestimmungen
Entwurfs
dieses
geordnetenhause selbst nur mit geringen
im
Ab-
Majoritäten
an
genommen worden, so war vorauszusehen, daß das Herren
haus gegenüber der Mehrzahl dieser Bestimmungen eine ent
schieden abweichende Stellung einnehmen würde.
In der
That ist denn auch der aus der Jnittative des Abgeordneten hauses hervorgegangene Gesetzentwurf vom Herrenhause in
Nachdem als
den erheblichsten Punkten umgestaltet worden.
dann der so veränderte Gesetzentwurf an das Abgeordneten
haus zurückgelangt war, wurde er daselbst einer abermaligen Umgestaltung unterworfen und gelangte schließlich dort und
im Herrenhause in der Faffung zur Annahme, in welcher er Gesetz geworden ist.
Die Unterschiede zwischen den Bestimmungen jenes ersten Gesetzentwurfs
des
Abgeordnetenhauses
dem
und
ab
geänderten Entwurf des Herrenhauses sind nicht lediglich von historischem Interesse.
die
richtige
Es
deutung.
Die Kenntniß desselben hat auch für
Beurtheilung des
erscheint
daher
Gesetzes
gewisse Be
eine
angezeigt,
die wichtigsten
Unterschiede hier kurz mitzutheilen:
1.
Das Abgeordnetenhaus wollte nicht
nur den
an
landwirthschaftlich benutzten GrundMcken und deren Erzeug nissen, sondern auch den an Forst-Grundstücken angerichteten
Wildschaden
ersetzt wissen,
während
letzteren von der zu leistenden ausschloß.
Das
das Herrenhaus
Ensschädigung
gegenwärttge Gesetz
ensspricht
Hinsicht dem Entwürfe des Abgeordnetenhauses.
den
ausdrücklich in
dieser
Wildschadengesetz.
28 2.
Das Abgeordnetenhaus machte in erster Linie den
Jagdpächter eines
gemeinschaftlichen Jagdbezirks für
den
Wildschaden verantwortlich; nur eventuell, nämlich im Falle
der Zahlungsunfähigkeit des Jagdpächters, oder wenn ein
ersatzpflichtiger Jagdpächter nicht vorhanden, sollte der Grund
besitzer des Jagdbezirks für den Wildschaden haften.
Der
Entwurf des Herrenhauses bestimmte dagegen, daß in einem
gemeinschaftlichen Jagdbezirke die Gmndbesitzer ersatzpflichtig Das gegenwärtige Gesetz entspricht dem Beschluffe des
seien.
Herrenhauses. 3.
Beide Entwürfe statuiren zwar für die Geltend
machung des Entschädigungsanspruches ein polizeiliches Vor verfahren.
Während aber das Abgeordnetenhaus gegen den,
über den Schadensersatzanspruch erlassenen, Vorbescheid der Ortspolizei die Erhebung der gerichtlichen Klage zuließ,
bestimmte der Entwurf des Herrenhauses,
daß gegen den
polizeilichen Vorbescheid (innerhalb zwei Wochen) die Klage
im Verwaltungsstreitverfahren stattfinde.
Die Ent
scheidung des Kreisausschusses beziehungsweise des Bezirks ausschusses sollte endgültig sein.
Das Gesetz schließt fich dem
Entwürfe des Herrenhauses, jedoch mit der Maßgabe an, daß der Jnstanzenzug des Verwaltungsstreitverfahrens in keiner Weise beschränkt worden ist.
4.
Nach dem Beschluffe des Herrenhauses sollten Wild
schäden, welche die Höhe von 6% der Ernte nicht erreichen,
bei der Abschätzung
finden.
des Schadens keine Berücksichtigung
Der Entwurf des Abgeordnetenhauses kannte eine
solche Beschränkung des Schadensersatzes nicht.
Das Gesetz
enthält ebenfalls eine derartige Vorschrift nicht. 5.
Die umstnttenste Bestimmung in dem Entwürfe des
Abgeordnetenhauses
der §. 5
enthielt
desselben,
so
der
genannte Regreß-Paragraph, welcher lautete:
„Ist der Schaden durch Wild der im §. 1 genannten entstanden,
Arten
nicht in dem Jagdbezirke,
welches
in
welchem der Schaden erfolgt ist, seinen regelmäßigen Aufent halt hat, so sind die Entschädigungspflichtigen ebenso wie
die Inhaber eigener Jagdbezirke berechtigt, Ersatz von dem jenigen zu verlangen, aus dessen Wildstande dasselbe aus getreten ist.
Mehrere hiernach Ersatzpflichtige haften dem
Ersatzberechtigten gegenüber jeder für das Ganze, unter ein ander nach der Größe ihrer Forstbezirke." Bei den Berathungen im Abgeordnetenhause waren die
Ansichten der verschiedenen Parteien über die Nothwendigkeit, Nützlichkeit und Zulässigkeit einer solchen Wildschadenersatz pflicht von Jagdbezirk zu Jagdbezirk weit auseinander ge
gangen.
das Herrenhaus den Regreß-
Nachdem sodann
Paragraphen verworfen hatte, fiel derselbe auch bei der aber maligen Berathung im Abgeordnetenhause in der Sitzung
vom 13. Juni 1891 mit 112 gegen 101 Stimmen. Bericht S. 2802.)
wesen,
mußte
die
(Sten.
Da das Haus nicht beschlußfähig geAbstimmung
in
der
Sitzung
vom
15. Juni 1891 wiederholt werden, und wurde der Regreß-
Paragraph
dann
ebenfalls
verworfen.
(Sten.
Bericht
S. 2806.)
§• 3.
Struktur und Inhalt des tvildschadengesetzes. 1.
Das Wildschadengesetz hatte vor der neuen Gesetz
gebung einen exklusiven Charakter, d. h. es
gab in der
preußischen Monarchie, von Hannover und Hessen abgesehen,
keinen gesetzlichen Anspruch aus Ersatz von Wildschaden,
30
Wildschadengesetz.
welcher nicht materiell auf das gedachte Gesetz ge
stützt und, formell nach den Vorschriften desselben')
geltend gemacht werden müßte. trag
des
des
Zwar ist auf den An
Abgeordneten Rintelen bei der Schlußberathung
Gesetzes eine Bestimmung in dasselbe
ausgenommen,
durch welche der den gesetzlichen Anspruch auf Wildschadens
ersatz
ausschließende
§.
25
des
Jagdpolizeigesetzes
vom
7. März 1850 ausdrücklich aufgehoben wurde (§. 19
des
Wildsch.-Ges.), und es könnte auf bett ersten Blick scheinen,
als ob damit zugleich ein weiterer Boden für den gesetzlichen Anspruch auf Ersatz des Wildschadens neben dem gegen wärtigen Gesetze hätte geschaffen werden sollen.
war nicht der Fall.
Allein dies
Alle Redner im Abgeordnetenhause waren
darüber einverstanden, daß auch nach Aufhebung des §. 25
des Jagdpolizeigesetzes ein gesetzlicher WildschadensersatzAnspruch nur nach Maßgabe des gegenwärtigen Ge-
setz es sollte begründet werden können, und daß insbesondere nicht etwa (wie früher in den Gebieten des sranzöfischm und
gemeinen Rechts) ein Ersatzanspruch auch aus allgemeinen Rechtsgmndsätzm (z. B. wegen übermäßigen Hegens)-) statt
finden sollte.
Um aber in dieser Beziehung jedes Bedenken
auszuschließen, wurde dem Anträge des Abgeordneten von Jagow gemäß dem §. 19 ein zweiter
Absatz
hinzugefügt,
in welchem in klarer und unzweideutiger Weise zum Ausdruck
gelangte,
daß
Wildschadensersatz
nur
auf
und nach Maßgabe des gegenwärtigen Gesetzes
Grund
gefordert
werden könne. ') Die Form-Borschriften, §§. 6—11 des Gesetzes beziehen
sich allerdings nicht auf den nach §. 14 des Ges. zu fordemden Schadensersatz. Vgl. unten §. 4 der Einleitung am Ende. ’) Siche oben Einleitung §. 1 S. 20.
Dagegen war mit dieser letzteren Bestimmung nur der
gesetzliche Anspruch auf Wildschadensersatz gemeint, nicht auch der kontraktliche, d. h.
der
auf
einer Verabredung
zwischen dem Jagdverpächter und dem Jagdpächter beruhende.
In das freie Vertragsrecht hatte der Gesetzgeber in keiner Weise eingreifen wollen, wie denn auch der §. 2 des Gesetzes die
Zulässigkeit
einer
vertragsmäßigen
Regulirung
Wtldschadensersatzes als selbstverständlich voraussetzt.
des
(Vgl.
unten S....)
2.
Das Gesetz gewährt nicht einen Ersatzanspruch hin
sichtlich einer jeden Art von Wildschaden, sondem es be
schränkt denselben auf denjenigen Schaden, welcher durch
Schwarz-, Roth-, Elch- und Damwild, sowie Rehwild und Fasanen angerichtet ist, wobei es allerdings keinen Unter
schied
macht, ob
Grundstücken
der Schade landwirthschastlich benutzten
oder Forstgrundstücken zugefügt
worden ist.
(§• 1.)
3.
Das Gesetz
beschränkt
ferner den Wildschadens
ersatzanspruch auf ein bestimmtes Gebiet, nämlich auf die
gemeinschaftlichen Jagdbezirke und die Waldenklaven.
Nicht der Inhaber eines selbständigen Jagdbezirks von 300 und mehr Morgen Größe, sondem der kleine Gmndbesitzer,
sei er Eigenthümer, Nießbraucher oder Pächter, soll Wild
schadensersatz erhalten. Ersatzpflichtig find in einem gemeinschaftlichen Jagd
bezirke die Grundbesitzer des Jagdbezirks nach Verhältniß der Größe der betheUigten Fläche.
Bei sogenannten Wald-
enklaven ist der Wildschaden von dem Inhaber des um schließenden Jagdbezirks zu ersetzen, sofern derselbe die Jagd
aus der Enklave angepachtet oder die angebotene Anpachtung abgelehnt hat.
(£. 2 und §. 3.)
Wildschadengesetz.
32 Die
4.
Entscheidung über den Anspruch erfolgt
Verwaltungsstreitverfahren.
(§. 10.)
im
Bevor jedoch
die Entscheidung der Berwaltungsgerichte angerufen werden kann, bedarf es zunächst eines polizeilichen Vorverfahrens.
Dasselbe ist in den §§. 6—9 des Gesetzes in folgender Weise
geregelt: Der Beschädigte, welcher Wildschadensersatz fordem will,
hat den Anspruch innerhalb einer Präklusivfrist von 3 Tagen,
nachdem er von der Beschädigung Kenntniß erhalten
hat,
bei der für das geschädigte Grundstück zuständigen Orts polizeibehörde schriftlich oder zu Protokoll anzumelden.
Ver
säumt er diese Anmeldung, so findet ein Ersatzanspruch nicht
Ist aber die Anmeldung rechtzeitig erfolgt, so hat die
statt.
Ortspolizeibehörde zur Ermittelung und Schätzung bes be haupteten Schadens und zur Herbeiführung einer güüichen Einigung unverzüglich einen Termin an Ort und Stelle an
zuberaumen und zu demselben die Betheiligten
unter der
daß im Falle des Nichterscheinens
Verwarnung zu laden,
mit der Ermittelung und Schätzung
dennoch vorgegangen
Der Jagdpächter ist zu diesem Termine zu laben.
wird.
Jedem Betheiligten steht das Recht zu, in dem Termine zu beantragen, daß die Schätzung des Schadens erst in
einem zweiten kurz vor der Ernte abzuhaltenden Termine
erfolge.
Diesem Anträge muß stattgegeben werden.
Auf Grund des Ergebnisses der Vorverhandlungm hat die Ortspolizeibehörde einen Vorbescheid über den Schadens
ersatzanspruch und die entstandenen Kosten zu erlassen und den
Betheiligten
in
schriftlicher Ausferfigung zuzustellen.
Die §§. 12 und 13 des Gesetzes enthalten prophy
laktische Maßregeln.
Ist während des Kalenderjahres
wiederholt durch Roth-, Dam» oder Elchwild vemrsachter
Wildschaden durch die Ortspolizeibehörde festgestellt worden,
so muß auf Antrag des Ersatzpflichtigen oder der Jagdberechtigten die Aufsichtsbehörde sowohl für den betroffenen, als auch nach Bedürfniß für benachbarte Jagdbezirke die
Schonzeit der schädigenden Wildgattung für einen bestimmten
Zeitraum aufheben und die Jagdberechttgten zum Abschuß auffordern und anhalten. Genügen diese Maßregeln nicht, so hat die Aufsichts
behörde den Grundbesitzern und sonstigen Nutzungsberechtigten
selbst nach Maßgabe der §§. 23 und 24 des Gesetzes vom 7. März 1850 die Genehmigung zu ertheilen, das auf ihre
GrundMcke übertretende Roth- und Damwild auf jede er
auch mit Anwendung
laubte Weise zu fangen, namentlich
des Schießgewehrs zu erlegen. 6. Die Anwendbarkeit der §§. 14—17 ist in keiner Weise
auf den gemeinschaftlichen Jagdbezirk beschränkt, enthalten
vielmehr
meiner Natur:
jagdpolizeiliche Zunächst
(§. 14), sodann hinsichtlich
dieselben
Bestimmungen
bezüglich
des
allge
Schwarzwildes
der Kaninchen (§. 15).
Nach
§ 16 kann die Aufsichtsbehörde die Besitzer von Obst-, Ge müse-, Blumen- und Baumschulanlagen ermächttgen, Vögel und Wild, welche in den genannten Anlagen Schaden anrichten, zu jeder Zeit mittels Schußwaffen zu erlegen.
Der
Jagdberechtigte kann verlangen, daß ihm die erlegten Thiere,
soweit sie seinem Jagdrechte unterliegen, gegen das übliche Schußgeld überlassen werden. Die Ermächtigung vertritt die Stelle des Jagdscheines.
Sie darf Personen, welchen der Jagdschein versagt werden
muß, nicht ertheilt werden und ist widerruflich. 7. Hinsichtlich der bestehenden Jagdpachtverträge endlich mthält der §. 18 des Gesetzes eine, namentlich für die GeHoltgreven-Wolsf, Wildschadengesetz. 4. AM.
3
34
Wilhschadengesetz.
meinden wichtige Uebergangsbestimmung.
(Sofern das
gegenwärtige Gesetz dem Jagdpächter größere als die bis herigen Verpflichtungen auferlegt, kann er den Pachtvertrag
innerhalb drei Monaten nach Verkündigung dieses Gesetzes
derart kündigen, daß das Pachtverhältniß mit Ende des
laufenden PachtjahreS erlischt.
Das gleiche Recht steht dem Verpächter zu, sofern der Pächter nicht für die Zeit bis zum Ablaufe der bestehenden Pachtverträge die Vergütung der durch das Gesetz dem Ver pächter auferlegten Wildschäden auf sich nimmt. §• 4.
IulässigKeit und Bedeutung -es polizeilichen Vorverfahrens und Verwaltnugsstreitverfahreus.*) Nach §. 23 des Genchtsverfaffungsgesetzes gehören die Streittgkeiten
wegen Wildschadens
vor
die Amtsgerichte.
Es waren deshalb Bedenken darüber entstanden, ob die
preußische Gesetzgebung berechtigt sei, für die Geltendmachung
von Wildschäden ein polizeiliches Vorverfahren anzuvrdnen, und die endgülttge Entscheidung über dieselben bett Ver
waltungsgerichten zu überweisen. Recht für
unbegründet
erachtet
Die Bedenkm sind mit worden.
Der
§. 23
regelt nur die Zuständigkeit der Amtsgerichte gegenüber den Landgerichten.
Die bürgerlichen Rechtsstreittgkeiten, welche
■einen geringeren vermögensrechtlichen Anspruch betreffen ober *) Ueber die Verweisung der Ansprüche wegen Wildschadens
an die Verwaltungsgerichte vgl. vonBrünneck, in den Jahrbüchern Bd.
3
für Nationalökonomie S. 571 ff.,
Bd. 1 S. 353 ff.
und Statistik, dritte Folge,
Schultzenstein im Verwaltungsarchiv
sonst einfacherer Natur find, oder welche eine schnellere Er
ledigung erheischen, find grundsätzlich den Amtsgerichten im Gegensatze zum Landgerichte zugetheilt worden. 'Damit ist
aber nichts über
die
weitere Frage
entschieden,
betreffenden bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten
ob
die
unter allen
Umständen vor die ordmtlichen Gerichte gehörm, oder ob nicht hinsichtlich einzelner aus besonderm Gründen die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte festgesetzt werden kann.
Die Enffcheidung über diese Frage haben die Reichsgesche
grundsätzlich den Bundesstaaten überlassen, da die Bestimmung über die Zulässigkeit des Rechtsweges und die Abgrenzung
des Gebietes
der Justiz und VerwalKmg nur nach dem
öffentlichen Recht der einzelnen Bundesstaaten zu erfolgen
hat, und bei der Verschiedenartigkeit des Staats- und Verfaffungsrechts derselben nicht aus dem gleichen Rechtssysteme
geordnet werden konnte.') Deshalb bestimmt §. 13 des Gerichtsverfaffungsgesetzes: „Vor die
ordentlichen Gerichte gehören alle bürgerlichm
Rechtsstreitigkeiten . . .,
für
welche
nicht
entweder
die
Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichten begründet ist,')
oder reichsgesetzlich
besondere Gerichte bestellt oder zugelaffen sind."
Die preußische Gesetzgebung war demnach schon nach
bisherigem Recht in der Lage, die Enffcheidung über die ') von Wilmowski und Levy, Civilprozeßordnung Note 1 zu § 13 des G.D.G. ’) Die einzelnen, in den Reichsgesetzen enthaltenen Beschränkungen für das im Uebrigm freie Bestimmungsrecht der Einzelstaaten interessiren hier nicht. Namentlich treffen auch die Voraussetzungen des §. 4 des E.G. z. Civilprozeßordg. hier nicht zu.
Wildschadengesetz.
36
mit der Jagd zusammenhängenden Streitigkeiten, soweit die selben sich auf Berechttgungen oder Verpflichtungen beziehen,
welche im öffentlichen Rechte begründet sind oder mit solchen Verpflichtungen im Zusammenhänge stehen, den Verwaltungs
behörden resp, den Verwaltungsgerichten zu überweisen, eine Annahme, die jetzt durch den Art. 70 E.G. zum B.G.B.
ganz außer Zweifel gestellt ist.
In dieser Beziehung konnte mit Recht auf den §. 105 Ziffer 3 des Zuständigkeitsgesetzes vom 1. August 1883 ver wiesen werden: „Streitigkeiten der Betheiligten über ihre in
dem öffentlichen Rechte begründeten Berechtigungen und Verpflichtungen hinsichtlich der Ausübung der Jagd, insbesondere
... 3. über die Ausübung der Jagd auf ftemden GrundMcken, welche von einem größeren Walde oder von einem
oder mehreren selbständigen Jagdbezirken umschloffen sind, sowie
die
den Eigenthümern
der
Grundstücke
zu
gewährende Entschädigung unterliegen der Entscheidung im Verwaltungsstreitverfahren.
Zuständig im Verwaltungs
streitverfahren ist in erster Instanz der Kreisausschuß, in
Stadtkreisen der Bezirksausschuß." In ähnlicher Weise sind auch bereits durch §. 106 desselben
Ges. die Klagen und Beschwerden der betheiligten Gmndbesitzer über die Vertheilung
worden.
der Jagdpachtgelder
geregelt
Der §. 106 bestimmt:
„Auf Beschwerden und Einsprüche, betreffend die von der Gemeindebehörde oder dem Jagdvorstande festgestellte
Vertheilung der Erträge der gemeinschaftlichen Jagdnutzung, beschließt die Gemeindebehörde, beziehungsweise der Jagdvorstand.
Gegen den Beschluß findet innerhalb zwei Wochen
die Klage bei dem Kreisausschuffe, im Stadtkreise bei dem Bezirksausschuffe statt."
Nun erscheint aber die Vorschrift über die Entschädigung
des
einzelnen
Gmndbesitzers
für
erlittenen Wildschaden
durch die Gesammtheit der Grundbesitzer des gemeinschaft lichen Jagdbezirks in Wirklichkeit nur als eine anderweite
gesetzliche Regelung der Vertheilung der Pachtgelder resp,
der sonstigen Jagderträge.
Der Beschädigte erhält aus den
letzteren die zur Ausgleichung seiner thatsächlichen Mehr
belastung — seines Wildschadens — erforderliche Summe voraus; erst dasjenige, was nach Erledigung dieser gesetzlich
vorgeschriebenen Aufwendung übrig bleibt (§. 11 des Jagd
polizeigesetzes vom 7. März 1850),
der
sammtheit
Flächeninhalts
Grundstücksbesitzer
der Grundstücke
kann unter die Ge Verhältniß
nach
vertheilt
werden.
des
Dieser
Gesichtspunkt weist in Anlehnung an das bestehende Recht
auf die Ueberweisung des Wildschadens an die Verwaltungs gerichte hin.
aber
War
die in
Entscheidung
die
preußische
über
den
Gesetzgebung
Ersatz
den Fällen der §§. 1—3 des
lichen Gerichten
zu entziehen und
des
Gesetzes
berechtigt,
Wildschadens den
ordent
an die Polizeibehörde
resp, an die Verwaltungsgerichte zu verweisen, so erscheint die Beantwortung der weiteren Frage, ob eine derartige
Regelung des Verfahrens thatsächlich erfolgen sollte, lediglich als
eine
Sache
der praktischen
Erwägung,
auf
welche
einzugehen hier nicht der Ort ist.
Dagegen erübrigt es noch,
ausdrücklich darauf hinzu
weisen, daß das Vorverfahren und das Verwaltungsstreit
verfahren nur dann Platz greift, wenn der Beschädigte auf Grund der §§. 1—3 des Gesetzes Ersatz für Wildschaden
fordern will. Handelt es sich dagegen um einen Entschädigungsanspmch,
38
Wildfchadengesetz.
welcher außerhalb dieser Bestimmungm liegt, so tritt selbst verständlich die Entscheidung des ordentlichm Richters ein, s. darüber unten §. 6. §. 5.
Der Seltuugsbereich des Wildschadrugefetzes. Der Geltungsbereich
des
Wildschadengesetzes
umfaßt
die gesammte Monarchie mit Ausnahme der Provinz
Hannover (das Gebiet des vormaligen Königreichs Han-
nover, einschließlich des Jadegebietes)') und des Theils der Provinz Hessen-Nassau, welcher sich mit dem vor maligen
Kurfürstenthum
Hessen
deckt.
In
diesm
beiden Gebietstheilen war der Ersatzanspmch wegen Wild-
schadens bereits anderweitig zur Zufriedenheit der dortigen Bevölkerung geregelt?) *) Dgl. Gesetz, betreffend den Rechtszustand des Jade gebietes vom 23. März 1873 (Ges.S. S. 107).
3) a) Für die Provinz Hannover kommen bezüglich des Wildschadensersatzes in Betracht: Das hannov. Gesetz über den Wildschaden vom 21. Juli 1848 (Hannov. Ges.S. S. 215), sowie der §. 23 und der §. 25
letzter Satz der hannov. Jagdordnung vom 11. März (Ges.S. Abth. I S. 159).
1859
b) In Kurhessen ist der Ersatz des Wildschadens durch das Gesetz, betreffend Ersatz des Wildschadens vom 26. Januar 1854
(Kurh. Ges.S. S. 9) in Verbindung mit dem Ges. vom 7. Sept. 1865, betreffend das Jagdrecht und dessen Ausübung (Kurh. G.S. S. 571) geregelt. Die fortdauernde Gültigkeit dieser Gesetze ergiebt sich aus §. 7 Abs. 2 des Ges. vom 1. März 1873
(Preuß. Ges.S. S. 27).
Die das Verfahren betreffenden Vor
schriften enthalten die §§. 34—40 des erwähnten Gesetzes vom 7. Sept. 1865, von denen jedoch die §§. 38 und 39 durch §. 14 des Einführungsgesetzes zur Civilprozeßordnung außer Kraft
gesetzt find.
In den übrigen Provinzen des preußischen Staates war der gesetzliche Anspruch
durch
das
gegmwärtige
auf Erstattung des Wildschadens Gesetz
theils
neu
eingeführt
worden, theils haben 'die darüber vorhandenen Bestim mungen durch dasselbe eine Abänderung erlitten.
Für das Gebiet der Monarchie vor dem Jahre 1866,
einschließlich Hohenzollern-Sigmaringen,») bestand bisher ein
gesetzlicher Anspruch aus Wildschadm nicht (§. 25 des Jagd
polizeigesetzes vom 7. März 1850).
Ebenso war derselbe
ausgeschlossen in Schleswig-Holstein,«) ferner in Nassau^) und in Lauenburg; °) endlich im Gebiete des Amtes Meisen heim') und der Enklave Kaulsdorf.')
In dem Gebiete der Stadt Frankfurt a. M.') und in
’) Gesetz für Hohenzollern-Sigmaringen vom 29. Juli 1848 Artikel 5.
4) In Schleswig - Holstein ist das preußische Jagdpolizei gesetz vom 7. März 1850 (mit Ausschluß der §§. 18 und 26) durch §. 7 des Gesetzes vom 1. März 1873 (Ges.S. S. 27) ausdrücklich eingeführt. s) §. 27 der Verordnung für Nassau vom 30. März 1867 (Ges.S. S. 426). 6) §. 28 des Gesetzes vom 17. Juli 1872 (Lauenburgisches off. Wochenblatt Nr. 42). 7) Verordnung, betreffend die Einführung der im westrheinischm Theile des Regienmgsbezirks Coblenz geltenden Gesetze in dem vormals Heffen-Homburgischen Oberamte Meisen heim, vom 20. Sept. 1867 (Ges.S. S. 1534). 8) Verordnung, betreffend die Einführung der Preußischen Gesetze und die Justizverwaltung in der vormals Bayerischen Enklave Kaulsdorf, vom 22. Mai 1867 (Ges.S. S. 729). Vergleiche das Gesetz vom 28. August 1850 (GesetzSammlung für Frankfurt, Bd. 10 S. 323).
40
Wildschadengesetz.
Hohenzollern-Hechingen ">) fehlten ausdrückliche Vorschriften über den Wildschadensersatz.
In den,
1866 von Bayem an Preußen abgetretenen,
Gebieten Orb und Gersfeld war bisher nach dem Bayerischen
Gesetze vom 15. Juni 1850") jeder Wildschaden, mit Aus-
nähme des von Federwild angerichteten, aus der Gemeinde
kaffe, bei Enklavejagden vom Anpächter zu ersetzen.
Baum
schulen, Obstgärten und einzeln stehende Bäume waren vom
Eigenthümer selbst gegen Wildschaden zu verwahren. Zn den vormals Heffen-Darmstädt'schen Gebietstheilen waren die Gemeinden und in gleicher Weise auch die Pächter von Gemeindejagden für jeden Wildschaden verantwortlich,
welcher sich innerhalb der Distrikte, worin sie die Jagd aus zuüben haben,
an den Erzeugniffen von Feldern, Wiesen,
Weinbergen und Gärten, an Bäumen oder an Waldkulturen ereigneten. ’2)
In den
vormals Hessen-Homburg'schen Landestheilen
mit Ausschluß des Amtes Meisenheim waren die Pächter von Gemeindejagden verpflichtet, den innerhalb des gepach teten Jagdbezirks durch Schwarz-, Roth-, Dam- oder Reh-
wild an den Erzeugniffen von Feldern, Wiesen und Gärten, oder an Bäumen oder an Waldkulturen verursachten Schadm
auf Verlangen des Besitzers des beschädigten GrundMcks zu ersetzen.13 10) * *
10) Vergleiche das Gesetz für Hohenzollern-Hechingen vom 16. April 1849. ”) Gesetz-Blatt für das Königreich Bayem S. 185. 13) Großherzogl. Hessisches Jagdgesetz vom 26. Juli 1848 (Regiemngsblatt S. 229) Art. 12. 13) Hessen-Homburgische Verordnung vom 12. Mai 1857 (Regierungsblatt Nr. 5), und vom 7. Juli 1863 §. 1 (Regierungs-
Einleitung.
41
Es konnte zweifelhaft sein, ob es sich empfehlen würde,
auch auf die zuletzt wärtige Gesetz
erwähnten Gebietstheile das
auszudehnen.
gegen
Der Kommissionsbericht des
Abgeordnetenhauses vom 29. April 1890, Nr. 181 der Druck sachen, bemerkt darüber Seite 7:
„Die Kommission beschloß, auch die vormals Hohenzollem'schen,
Frankfurtischen,
Bayrischen,
Hessen-Darm-
städtischen und Hessen-Homburgischen Gebietstheile in den Geltungsbereich des
vorliegenden Gesetzentwurfs hineinzu
ziehen, um diejenigen von diesen Bezirken, in denen kein gesetzlicher Anspruch auf Wildschadensersatz besteht, der Vor
theile dieses Entwurfs theilhaftig zu machen.
Für den Rest
dieser Bezirke erschienen die durch diesen Gesetzentwurf ein geführten Aenderungen so wenig erheblich, und diese Gebiete
selbst in ihrem Umfange so klein, daß man im Interesse der Rechtseinheit ihre Unterstellung unter diesen Gesetzent
wurf für zweckmäßig erachtete."
Diesen Erwägungen haben sich beide Häuser des Land tags angeschloffen.
§• 6.
Die Einwirkung des Liirgerlichen Gesetzbuchs auf das Wiidfchadeugesetz; im Allgemeinen. L
Der erste Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuchs
enthielt keine besonderen Bestimmungen über den Wildschaden, sondem ließ im Art. 43 des Einführungsgesetzes die Vor
blatt Nr. 5) (Archiv der landgrüflich Hessischen Gesetze und Ver ordnungen S. 812 und 907).
42
Wildschadengesetz.
schriften der Landesgesetze über dm Ersatz des Wildschadms unberührt. DaS Bürgerliche Gesetzbuch hat dagegen in dem, die
„unerlaubten Handlungm" betreffenden, 25. Titel des 7. Ab schnittes im 2. Buch neben den allgemeinm Vorschriften der
§§. 823 ff. besondere Bestimmungen über Wildschadens im §. 835 getroffen.
den Ersatz
des
Der §. 823 verpflichtet
jedm zum Schadensersatz, welcher vorsätzlich oder fahrläsfig
das Eigenthum eines anderen widerrechtlich verletzt, wogegen
der § 835 dem Jagdberechtigten und dem Eigenthümer eines
Grundstücks des Abs. 2 Satz 2 die Verbindlichkeit zum Schadmsersatz
auch
schuldms auferlegt.
ohne die Voraussetzung eines VerDurch diese Sondervorschrist ist der
sachliche Geltungsbereich des §. 823 auch in Ansehung des
Wüdschadensersatzes nicht eingeschränkt, sondem es ist dem
Verletzten nur eine vortheilhaftere Rechtslage eingeräumt; das besondere Privileg des §. 835 befreit daher Dritte nicht von der Ersatzpflicht, die ihnm unter dm Voraussetzungen des §. 823 obliegt.
Daß der §. 823 hinsichtlich des Wild
schadens nicht durch §. 835 ersetzt, sondern ergänzt ist, ergiebt sich auch aus den Verhandlungen der zweiten Kommission zur Bearbeitung des B.G.B., Prot. S. 3217 (Mugdan 2, 1136), in welchen hervorgehoben wurde, „daß die Verweisung
auf die allgemeinen Grundsätze über die Schadensersatzpflicht
nicht ausreichen, um dem Nutzungsberechtigtm einen ge» nügendm Schutz gegen Wildschaden zu gewähren"; s. auch
v. Staudinger, Kommmtar Anm. 6 zu §. 833, welcher hinsicht
lich des auf demselben Grundsatz, dem Veranlaffungsprinzip, beruhmdm §. 833 als selbstverständlich annimmt, daß die
Verpflichtung
zum Ersatz
des
durch
ein
Thier
verur-
sachten Schadens auch auf Grund anderer Bestimmungm,
insbesondere auf Planck
Anmerk.
Grund des §. 823 gegeben sei ebenso
lc
zu
§. 833,
Oertmann
Anmerk. 3c
zu §. 833. Durch den Art. 55 des Einführungsgesetzes zum B.G.B.
find die privatrechtlichen Vorschriften der Landesgesetze, zu denen auch die Bestimmungen über die Ersatzpflicht wegen
Wildschadens gehören, aufgehoben, durch den §. 835 ist diese Ersatzpflicht reichsrechtlich besonders
geregelt.
Die Vor-
schriften des §. 835 treten daher in Verbindung mit den allgemeinen Bestimmungen der §§. 823 ff. an die Stelle der
Vorschriften des Wildschadengesetzes, soweit
diese
privat
rechtlicher Natur sind und soweit die privatrechtlichen Vor schriften dieses Gesetzes nicht durch die Vorbehalte der Art. 70, 71 des Einführungsgesetzes auftecht erhalten sind, s. auch
Art. 69 des Einfühmngsgesetzes.
Die hierdurch verursachte
Umgestaltung des Gesetzes ist oben
legen hätte, ja nothwendig gewesen wäre, der Ortspolizei
behörde die Feststellung der
selbständigen
des Wildschadens
Jagdbezirke
auch hinfichtlich zur
ausdrücklich
Pflicht zu
machen, wie dies im §. 7 bezüglich der Feststellungen in den gemeinschaftlichen Jagdbezirken geschehen, da es keineswegs
zu den allgemeinen Obliegenheitm der Polizei gehöre,
auf
die Verhütung von Wildschäden hinzuwirken.
Diese und ähnliche Erwägungen werden vielleicht auch die Vertreter der
Staatsregierung
veranlaßt habm,
von
einer Bekämpfung der Bohtz'schen Ausfühmngen abzusehen. Möglicherweise hat hierzu aber ttagen,
daß
durch
eine
auch
die Besorgniß beige-
direkte Einmischung der Staats-
regierung in die zahlreichen im Schoße des Abgeordneten hauses,
sowie zwischm den
beiden Häusern
des Landtags
bestehenden Meinungsverschiedenheiten das Zustandekommen des allerseits gewünschten Wildschadengesetzes noch in letzter Stunde
gefährdet werden könnte.
Aus
dieser praMschen
Erwägung hat man es vielleicht für das geringere Uebel ge
halten, die Lösung etwaiger Zweifel der Judikatur der zuständigen Gerichte zu überlaffen.
Wie dem aber auch sein mag: Der Beweis, daß sämmt liche bei fühmngen
der Gesetzgebung
betheiligte Fattoren dm
des Abgeordnetm Bohtz
Aus
zugestimmt haben, ist
nicht erbracht worden und läßt fich nicht erbringm.
(Ver
gleiche auch die diesbezügliche Aeußerung des Kommissars des Herm Justizministers zu §. 19 des Gesetzes S. 2839 der Drucksachen.)
Es wird deshalb bei der oben erwähnten
Jnterpretatton des §. 12 sein Bewenden zu behaltm haben.
Hieran wird auch durch den Umstand nichts geändert, daß
zu den im §. 12 erwähnten Jagdberechtigten nicht bloß der Jagdpächter des gemeinschaftlichen Jagdbezirks, sondem auch
78
Wildschadengesetz.
der Inhaber der Zagd in den benachbarten (selbstständigen
oder gemeinschaftlichen) Jagdbezirken gehört (vgl. Anm. 4 zu §. 12 des Gesetzes). Es erübrigt noch,
Beleuchtung der
des
Erörterungen
6. Hefte
des
gedenken.
im
Anschluß
Urtheils
des
über
diesen
Verwaltungsarchivs
Dort
hat
Herr
an
die vorstehende
Oberverwaltungsgerichts Gegenstand
(Bd. 1
in
S. 613)
dem zu
Oberverwaltungsgerichtsrath
Schultzenstein gelegentlich der Rezension des Schwarz'schm
Kommentars
zum
Wildschadengesetz
und
in
Ergänzung
der offenbar unzulänglichen Begründung des Urtheils des
Oberverwaltungsgerichtes vom 6. März
1893 Folgendes
angeführt: Selbst wenn der §. 12 trotz seiner in der Annahme des Bohtz'schen Antrages liegenden Ausdehnung über seine ursprüngliche, freilich beabsichtigte, beschränkte Tragweite hinaus mit Holtgreven nur von gemeinschaftlichen Jagdbezirken und Enklaven
zu verstehen sein sollte, kommt man damit, daß bloß bei Fest stellung durch einen Vorbescheid nach §§. 6 und 7 eine Fest stellung im Sinne des §. 12 vorhanden sei, nicht aus. Soll
denn deshalb, weil die Frist des §. 6 versäumt und damit ein Vorbescheid ausgeschlossen ist, auch die Wildschadenverhütung unmöglich werden, und zwar obwohl die Innehaltung der Frist von dem Ersatzberechtigten abhängt, der Anspruch auf Wild-
schadenverhütung aber dem Ersatzpflichtigen oder dem Jagdberech-
tigten zusteht, die gar nicht in der Lage sind, auf jenen einen Einfluß behufs rechtzeitiger Anmeldung seines Anspruchs auf Schadensersatz auszuüben. Es würde ferner bei einer gütlichen Einigung, die, abgesehen vom Falle der Kollusion den Wildschaden gewiß feststellt, keine für den §. 12 genügende Fest stellung vorhanden sein; denn hier giebt es, wie bemerkt, keinen
Vorbescheid.
Ja, selbst die im Verwaltungsstreitverfahren, nach
dem die Ortspolizeibehörde keinen Wildschaden angenommen hatte, getroffene Feststellung von solchem wäre bedeutungslos,
da auch diese Feststellung keine Feststellung nach §§. 6 ff. ist. glimmt man aber an, daß der §. 12 auch für Eigenjagdbezirke gilt, dann muß man für die in ihm gedachte Feststellung von den Formen der §§. 6 ff. bereits deshalb absehen, weil es bei den Eigenjagdbezirken keinen Wildschadensersatzanspruch und kein Verfahren nach §§. 6 ff. giebt, von einer analogen AnWendung des letzteren auf die Feststellungen des H. 12 bei Eigen-
jagdbezirken aber wegen des Mangels jeder Analogie keine Rede sein kann, und weil, wenn bei Eigenjagdbezirken zur An wendung des §. 12 eine Feststellung ohne die Formen der §§. 6 ff. ausreicht, es völlig unbegreiflich wäre, weshalb diese Formen bei gerneinschaftlichen Jagdbezirken und Enklaven un-
entbehrlich sein sollten. Sind dieselben auch nur in einem einzigen Falle nicht nothwendig, dann darf man sie nirgends fordern.
Hiernach ist jede mit sachlich ausreichender Gewißheit
getroffene Feststellung für genügend zu erachten und ferner noch auf die Worte „durch die Ortspolizeibehörde" kein übermäßiges
Gewicht zu legen. Diese Worte sind in den §. 12 hinein gekommen, weil die Feststellung in der Regel durch die OrtsPolizeibehörde zu treffen ist und man bloß an diesen Regelfall gedacht hat; sie schließen nicht die Gleichwerthigkeit einer durch das Gericht getroffenen Feststellung und ebensowenig aus, daß ohne eigene besondere Feststellung bereits auf Grund anderweit stattgefundener Ermittelungen und namentlich auch auf Grund einer in ihren thatsächlichen Unterlagen bedenkenfreien gütlichen Einigung das Vorhandensein von Wildschaden als feststehend
angesehen wird. Nur wenn der §. 12 so, d. h. dahin verstanden wird, daß die Aufsichtsbehörde dem auf Wildschadenverhütung
gerichteten Anträge stattzugeben hat, sobald nach pflichtmäßiger Ueberzeugung der Ortspolizeibehörde, an deren Stelle insoweit, als überhaupt eine Aufsichtsbehörde ihre Ansicht an die Stelle
derjenigen der untergeordneten Behörde setzen darf, die Ueber zeugung der Aufsichtsbehörde selbst treten kann, während des Kalenderjahres wiederholt durch Roth- oder Damwild Wild
schaden verursacht worden ist, hat er einen sachgemäßen, praktisch brauchbaren Inhalt.
Wildfchad engesetz.
80
Hierzu ist Folgendes zu bemerken:
Die diesseitigen Erörtemngen in der Note 3 zu §. 12 hatten lediglich den Zweck,
darzuthun, daß sich die Fest
stellungen der Ortspolizeibehörde ausschließlich aus dm gemeinschastlichen Jagdbezirk und die Enklave, nicht aber, wie
der Abg. Bohtz wollte, auf dm selbständigm Jagdbezirk be
ziehen.
Es handelte sich hauptsächlich darum, im Hinblick
auf den historischm und logischen Zusammenhang des §. 12 mit dem Feststellungsverfahren der §§. 6—9 die vollständige
Bedeutungslosigkeit der Bohtz'schen Rede für die Auslegung des §. 12 klarzustellen.
Die Frage, ob die FeMellung noth-
wmdiger Weise durch einen Vorbescheid erfolgen müsse, oder ob sie z. B. im Falle eines Vergleichs zwischm dm Parteim auch ohne Erlaß eines Vorbescheides durch die dem
Vergleiche vorausgegangenen Verhandlungen erfolgen könne, stand dort nicht zur Diskussion. Dies vorausgeschickt, kann es nicht zweifelhaft sein, daß, wmn die Anmeldungsfrist des §. 6 versäumt ist, eine Fest
stellung des Wildschadens durch die Ortspolizeibehörde nicht erfolgt, da nach dem klaren Wortlaute des §. 7 des Gesetzes
die rechtzeitige Schadmsanmeldung die Voraussetzung für die fernere Thätigkeit der Ortspolizeibehörde, insbesondere auch für die Wildschadensfeststellung bildet.
In diesem Falle
fehlt es also in gleicher Weise an einer Verpflichtung zum
Wildschadmsersatz wie auch an dem Eintritt der im §. 12 vorgesehenen
Vorbeugungsmaßregeln.
Die Ausstellungm,
welche Schultzmstein gegen diese Konsequenz erhebt, würdm
nur
dann
§. 12 sich
berechtigt von
dem
fein,
obigen
wenn
feststände,
daß
der
Inhalte des Gesetzes voll-
ständig loslöse, wenn angenommen werden müßte, daß er unabhängig von dm vorhergehenden Bestimmungen dm
Zweck
hüten.
verfolgte,
ganz allgemein
Wildschaden zu ver
Mesen Beweis hat aber weder Schultzenstein, noch,
wie früher gezeigt, das
Oberverwaltungsgericht
erbracht.
Wir haben das Gegentheil oben dargethan, es möchte ge nügen, aus das Gesagte Bezug zu nehmm.
Uebrigens kann
es nicht zweifelhaft sein, daß, wenn der Gesetzgeber in der
That die Feststellungen des §. 12 auf die selbständigen Jagd bezirke
bezogen
hätte
wissen
wollen,
es
das
öffentliche
Interesse — die Rücksicht auf die gesetzlich gewährleistete
Schonzeit — erfordert haben würde, auch hier eine Präklusiv frist für die Schadmsanmeldung sestzusetzen, wie dies im
§. 7 für den Fall der Geltmdmachung eines Ersatzanspmchs
Die Ratio des Gesetzes, nämlich eine thun-
geschehen ist.
lichste Gewähr für die sichere Erkennbarkeit des Wildschadens,
ist doch in beiden Fällen dieselbe. Stehen aber in der That die Vorbeugungsmaßregeln
des §. 12 im
engsten Zusammenhänge
mit dem in den
§§. 6—9 geregelten, sich nur auf den gemeinschaftlichm Jagd
bezirk und die Enklave beziehenden Feststellungsverfahrm,
so hat es nichts beftemdendeS, wenn der Gesetzgeber dm Abschuß von Wild währmd der Schonzeit in dem Falle versagt, das
wenn
der
kleine
Wildschadmgesetz
Mann,
in
dessen
in erster Linie erlassen
Interesse ist,
keine
Veranlassung nimmt, mit Wildschadmsersatzfordemngm hervorzutretm.
Unterläßt
er
die
rechtzeitige
Schadensan
meldung, so giebt es im Sinne des Gesetzes auch keinen
Ersatzpflichtigen, der den Antrag auf Abschußbewilligung stellen könnte.
Wenn weiter geltend gemacht wird, daß die im Ver-
waltungsstrettverfahren — entgegen der Annahme der Orts polizeibehörde — erfolgte Wildschadensfeststellung bedeutungs-
Holtgrevcn-Wolsf, Wildschadengesetz. 4. Aust.
6
Wildschadengeseh.
82
loS sein würde, da sie keine Feststellung nach §. 6 sei, so ist
hierbei übersehen, daß, wenn das Gesetz selbst im §. 10 dem Kreisausschuß die Nachprüfung des
polizeilichen Vorder,
fahrens und die Korrektur des dortigen FeststellungSverfahrens überweist, das Ergebniß einer solchen Nachprüfung
an rechtlicher Wirksamkeit und Bedeutung nicht hinter der polizeilichen Feststellung zurückstehen kann.
Die Annahme endlich, daß die Worte „durch die OrtsPolizeibehörde" in den §. 12 des Gesetzes hineingekommen
seien, weil die Feststellung in der Regel durch die OrtsPolizeibehörde zu treffen sei, entbehrt der thatsächlichen Be gründung und auch wohl der sonst gewohnten Schärfe.
Schultzenstein ist aber im Verw.Archiv 2 S. 371 bei seiner Meinung stehen geblieben. Der vorstehendm Ansicht ist Dickel
in der Zeitschrift f. Forst- und Jagdwesen Bd. 26
S. 385 und ausführlich Bd. 30 S. 20 ff. beigetreten, wogegen sich die meisten Schriftsteller der Meinung des O.V.G. an-
geschloffen haben.
Vgl. auch die Ausführungen von Küntzel
in Gruchots Beitr. 38, 519 ff.
Der hier vertretenen Ansicht
sind offenbar
auch die
Minister des Innern und für Landwirthschast, welche eine Beschwerde gegen den von derselben Auffaffung geleiteten Beschluß des Bezirksausschuffes
zu Frankfurt a. O. vom
29. September 1892 in Uebereinstimmung mit dem von derselben Anschauung ausgehenden Begleitbericht des Regiemngs-
präfidenten vom 21. August 1892 durch den Erlaß vom 23. November 1892 zwar als unzulässig, aber ausdrücklich auch
als
unbegründet
mit dem Bemerken zurückgewiesen
habm, daß „keine Veranlaffung" vorliege, gegen das Ver fahren des Bezirksausschuffes oder der Königlichen Regiemng
von Aufsichtswegen einzuschreiten."
II.
Eine weitere Meinungsverschiedenheit betrifft den
Z. 14 Abs.
1
des Wildschadengesetzes.
Derselbe
lautet:
„Schwarzwild darf nur in solchen Einftiedigungen gehegt
werden, aus denen es nicht ausbrechen kann.
Der Jagd-
berechtigte, aus dessen Gehege Schwarzwild austritt, hastet
für bett durch das ausgetretene Schwarzwlld vemrsachten Schaden."
Hier wird angenommen, daß die Geltendmachung des Schadenersatzes
nicht in
aus §. 14
den
Formm
der
§§. 6—9 des Gesetzes zu erfolgen habe, sondern daß hier
ein gewöhnlicher civilrechtlicher Anspmch vorliegt, welcher zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gehört.
(Vgl. oben
S. 49 und Note 2 zu §. 14 des Kommentars.)
Die gleiche
Ansicht vertritt auch der mit großer Sorgfalt und Sach
kunde bearbeitete
Kommentar
des
Amtsrichters
Berger,
Note 3 zu §. 14 des Gesetzes S! 113, s. auch die Ausführungen
Schultzenstein's
im
Verwaltungsarchiv Bd. 1
Heft 3 S. 361 und Heft 6 S. 612 und Dickel in der Z.
f. Forst- und Jagdwesen 26 S. 386.
Anderer Meinung ist W. Schwarze, welcher auf Seite 15 seines Kommentars Folgendes anführt: „Fraglich erscheint es, ob Derjenige, welcher aus §. 14 des Gesetzes Wildschaden fordern will, diesen bei dem Gerichte oder bei der Ortspolizeibehörde geltend zu machen habe. Holtgreven ist der Ansicht, daß die Gerichte zuständig seien.
Die Ansicht
dürfte aber nicht richtig sein. Schon §. 1 des Gesetzes bestimmt,
daß der durch Schwarzwild an und auf Gmndstücken angerichtete Schaden „nach Maßgabe" der folgenden Bestimmungen
zu ersetzm ist. Die §§. 6 bis 11 des Gesetzes regeln nun das Verfahren. Nun heißt es allerdings in §. 6 des Gesetzes: „Der Beschädigte, welcher auf Grund der §§. 1 bis 3 Ersatz des Wild
schadens fordern will, hat diesen Anspruch u. s. w.", danach
84
Wildschadengesetz.
könnte es scheinen, als ob bezüglich des Schadens aus §. 14 das Verfahren der §§. 6 bis 11 nicht maßgebend sein sollte. Er wägt man aber, daß, als über den §. 6 des Gesetzes abgestimmt wurde, ein Ersatzanspruch aus §. 14 des Gesetzes überhaupt nicht vorlag, da die Herrenhausvorlage diesen Anspruch nicht kannte, vielmehr derselbe erst auf Antrag des Abgeordneten Rintelen in das Gesetz bei der Berathung des §. 14 eingefügt ist, so er scheint die Annahme gerechtfertigt, daß bei der bekannten Eile, das Gesetz in zwölfter Stunde zu Stande zu bringen, es über sehen ist, die in Folge der Annahme der Rintelen'schen Korrektur zu dem §. 14 nothwendig gewordene Aenderung des §. 6 nachzuholen. Erwägt man, daß weiter bereits in der Sitzung vom 16. Juni 1891 der Abgeordnete Rintelen die obige
Konsequenz aus dem §. 1 des Gesetzes zog, indem er sagte: ,,„3m §. 1 heißt es wörtlich: „Schaden, welcher u. s. w. ist dem Nutzungsberechtigten nach Maßgabe der folgenden Besttmmungen zu ersetzen," danach charakterifirt sich eben dieses Gesetz als eine lex specialis, und es ist meiner Ansicht nach vollständig aus geschlossen, daß bei Wildschaden auf andere Gesetze zurückge
griffen werden kann;"" daß diese Auffassung ohne Widerspruch geblieben ist, und daß auf Antrag des Abgeordneten von Jagow, um, wie er sagt, zu präzifiren, was hier als Ansicht des Haufes ausgesprochen sei, im §. 19 Abs. 2 ausdrücklich angeordnet ist: „Wildfchadensersatz kann nur auf Grund und nach Maßgabe"
dieses Gesetzes gefordert werden, so erscheint die Absicht des Gesetzgebers, das gerichtliche Verfahren auch für den Wild
schadensersatz aus §. 14 des Gesetzes auszuschließen, zweifellos-
Auch hätte eine der Ansicht von Holtgreven entsprechende gesetz geberische Absicht in den §. 14 eingefügt werden müssen, oder es hätte doch wenigstens, da die Ausschließung des gerichtlichen
Verfahrens so erhebliche Debatten abgesetzt hat, in diesen er wähnt werdm rnüssen, daß bei §. 14 das gewöhnliche gerichtliche Verfahren zugelassen sein solle. Alles dieses ist nicht geschehen. Hiernach ist anzunehmen, daß die Bestimmungen der §§. 6
bis 11
auch auf Wildschadensersatz aus §. 14 des Gesetzes
anzuwenden find, mithin auch dieser Schaden innerhalb drei
Einleitung.
85
Tagen nach Kmntnißnahme bei der Ortspolizeibehörde anzu. melden ist." Diese Auslegung muß als unzutreffmd bezeichnet werden.
1. Wenn die Gesetzes-Jnterpretation erst dahingelangt, in den klaren Wortlaut eines Gesetzes etwas hineinzutragen,
was nicht darin steht, unter dem Vorwande, daß der Gesetz-
geber
die Beifügung des Zusatzes in der Eile vergessm
habe, so ist es um die Rechtssicherheit stellt.
sehr schlecht be-
Der klare Wortlaut des §. 6 des Gesetzes sagt: Der
Beschädigte, welcher auf Grund der tztz. 1 bis 3 Ersatz für
Wildschaden fordern will, hat u. s. w. schrift fehlt im §. 14 und
schriften,
welche
Eine ähnliche Vor
deshalb können die Formvor
im §. 6 für
einen
ganz anderm Fall
gegeben find, nicht auch auf die Entschädigung aus §. 14 Anwendung finden.
2. Der dem Abgeordnetenhaus« bezw. dem Antragsteller ist aber auch
Rintelen gemachte Vorwurf der Uebereilung
durchaus unbegründet.
Rintelen, welcher von allm Ab
geordneten am meisten gegen die Neberweisung der Wild
die
schadensersatzstreitigkeiten an
Verwaltungsgerichte
ge
kämpft hat, hat nicht aus Vergeßlichkeit, sondern bewußter Maßm den aus der Culpa des Schwarzwild - Hegers
er
wachsenden Ersatzanspmch in einer von den Formvorschristm der §§. 6—9 unabhängigen Weise regeln und damit die Ent
scheidung
über
diesen rein
civilrechtlichen
Anspmch
den
ordentlichen Gerichten belassen wollen, vor welche er seiner
Natur nach auch allein gehört.
3. Daß auch der §. 14 in seiner hier unterstellten Be deutung eine Maßgabe des Gesetzes im
Sime
des
§. 19 Abs. 2 ist, kann einem Bedenken nicht unterliegen.
86
Wildschadengesetz.
III. Im §. 2 Abs. 2 des Gesetzes ist bestimmt, daß,
wenn bei Verpachtung der Jagd in gemeinschaftlichen Jagd bezirken die Gemeindebehörde die vollständige Wiedererstattung
der zu zahlenden Wildschadensbeträge durch den Jagdpächter nicht auSbednngm hat, solche Jagdpachtverträge nach orts üblicher Bekanntmachung eine Woche
werden müffen.
öffentlich
ansgelegt
Sodann heißt es wörtlich weiter: „Sie
(die Jagdpachtverträge) bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Ge nehmigung des Kreisausschuffes, in Stadtkreisen des Stadt-
ansschuffes,
wenn
Seitens
auch
nur
eines
Nutzungs-
berechttgten innerhalb zwei Wochen nach dieser Auslegung Widerspmch
erhoben
wird."
Hierzu
bemerft
Berger
a. a. O. S. 36: „Das Gesetz und seine Entstehungsgeschichte geben keinen
Aufschluß, in welchen Fällen diese Genehmigung zu versagen ist. Nach der Begründung, welche Rintelen seinem Anträge, Nr. 419II, dem jetzigen Absatz 2, gegeben hat, soll beim Vorhandensein eines Jagdpächters dieser zunächst derjenige sein, der allen Wildschadm zu zahlen hat. Nur beim Nichtvor
handensein eines Pächters tritt die Gesammtheit der Besitzer ein.
Nach
dieser Tendenz
des Gesetzgebers muß
die Ge
nehmigung versagt werden, wenn der widersprechende Nutzungs berechtigte behauptet und dies durch stattfindende Er mittelungen sich erweist, daß in dem fraglichen Jagdbezirk
stetiger oder auch nur vorübergehender Wlldschaden vorkommt.
Denn würde in solchem Falle die Genehmigung ertheilt werden, so würden an Stelle des vom Gesetz gewollten Pächters die Besitzer eintreten müffen, — was nicht sein soll."
Dieser Ansicht kann nicht beigetreten werden.
Sie findet
im Gesetze selbst keine Stütze, und die Auslassungen des Abg. Rintelm übrigms
auch
vermögen nicht fie zu begründen.
die
weitergehende
v. Hume S. 2839 der Drucksachen.)
Aeußerung
des
(Vgl. Abg.
Das Gesetz verlangt
nichts weiter, als daß die Jagdpachtverträge, in betten die
vollständige Wiedererstattung der zu zahlenden Wildschadens beträge dmch dm Jagdpächter nicht ausbedungen ist, einer
sorgfältigen Prüfung durch eine andere geeignete Behörde
nämlich den Kreis- resp. Stadtausschuß, unterzogen werden sollm, sobald einer der Jntereffentm dem Vertragsabschluße innerhalb der festgesetzten Frist
widerspricht.
Findet der
Kreis- resp. Stadtausschuß bei Prüfung der Sache, daß die Bestättgung des Jagdpachtvertrages für die betheiligten Gmnd-
befitzer vortheilhaster ist, als die Mchtbestätigung, so genehmigt er dm Jagdpachtvertrag trotz des Einspruchs eines
mehrerer Jntereffmtm.
oder
Vgl. das Nähere hierüber in der
Anm. 6 zu tz. 2 des Gesetzes, s. auch Dickel in der Z. f.
Forst- und Jagdwesen 26, 386, 387. IV.
Nach Schwarze sollm auf das polizeiliche Vor-
verfahrm die Bestimmungen über das
Verwaltungsstreit-
verfahrm Anwmdung finden. Er führt in dieser Beziehung Folgmdes an:
Zweifelhaft erscheint es, ob Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zuläsfig ist. Holtgrevm verneint es, aber wohl mit Unrecht. Das Verfahren vor der Ortspolizeibehörde ist doch zweifellos ein Verwaltungsstreitverfahren, mithin müssen die allgemeinen Grundsätze dieses Verfahrens, soweit das Gesetz nicht eine anderweite Regelung vorschreibt, konform zur An wendung gebracht werden, namentlich da das Gesetz in den §§. 6 bis 11 nur den Rahmen des Verfahrens und nicht spezielle Vorschriften giebt. Es muß deshalb auch nach §. 112 des Ge setzes vom 30. Juli 1883 über die allgemeine Landesverwaltung für dm Beschädigtm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zugelassm werden und dieses um so mehr, als die AnMeldungsfrist eine so sehr kurze ist. Die Anmeldung des Anspruchs ist der Einlegung der Klage gleichzuachten und muß demnach nammtlich noch mit Rücksicht auf die generelle Klausel
Wildschadengesetz.
88
des §. 112 eit. die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zugelaffen werben, da eben diese Klausel speziell durch das Gesetz hätte beseitigt werden müssen, wenn die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeschloffen sein sollte.
Demgegenüber ist zu bemerken: Das Verfahrm vor der
Ortspolizeibehörde ist kein Verwaltungsstreitversahren, sondem es ist ein durch das Wildschadengesetz ad hoc eingeführtes
besonderes Verfahren, welches dem Verwaltungsstreit,
verfahren vorauszugehen hat, (§. 10 des Ges.)
Das
letztere ist durch die bestehende Gesetzgebung, vor allem durch
des Gesetzes über
die §§. 63 ff.
verwaltung vom 30. Juli zelheiten genau geregelt.
die
1883,
in
allgemeine Landes allen
seinen
Ein-
Nach diesen Bestimmungen gehört
das polizeiliche Ermittelungsverfahren nicht zum Verwaltmgs-
streitverfahren.
Die Einfühmng
desselben in das
Wild
schadengesetz war auch bereits in Ausficht genommen, noch
ehe man daran dachte, die definitive Erledigung des Rechts streits
Verwaltungsstreitverfahren erfolgen zu
im
lassen.
Es wäre freilich erwünscht gewesen, wenn dieses Vorverfahren,
welches die Gesetzgebung übrigens auch noch in anderen Fällen als
Vorbedingung
für die
gerichtliche
oder
ver
waltungsgerichtliche Geltendmachung eines Anspmches kennt,
in allen seinen Einzelheiten eine sorgfältige Regelung er fahren hätte.
Aus dem Umstande aber, daß dies nicht ge
schehen, folgt nicht die Berechttgung, ohne weiteres die für
ein ganz anderes Prozeßverfahren gegebenen Bestimmungen
auf
das
polizeiliche
Ermittelungsverfghren
anzuwenden.
Insbesondere muß aber die Anwendbarkeit derjmigen Be
stimmungen des Gesetzes
vom 30. Juli 1883 für ausge
schlossen erachtet werden, die sich gewiffermaßm als besondere,
nur für ganz bestimmte Fälle gegebene Vorschriften charak-
Dahin gehört nameMch die Bestimmung des
terisiren.
112 des Ges. vom 30. Juli 1883 über die Wiederein
Die Anmeldung des Ersatz-
setzung in den vorigen Stand.
gemäß §. 6
anspmches
des Wildschadengesetzes
Klage im Sinne des §. 112;
dem
nach
ist
klaren
keine
Wort
laute des §. 10 des Wildschadengesetzes kann vielmehr diese Klage erst erhoben werden, wenn das Vorverfahren beendigt
ist.
— Was hier von der
der Be-
Mchtanwendbarkeit
stimmungm des Verwaltungsstreitverfahrens gesagt ist, gilt in noch höherem Maße von den Vorschriften der Reichscivilprozeßordnung. versäumniß
die
Bauer, welcher früher gegen die Frist-
Wiedereinsetzung
den
in
vorigen
Stand
zuließ, hat diese Ansicht jetzt — Anm. zu §. 6 — auf
S. hierüber auch Dickel in der Z. Forst- und Jagd
gegeben.
wesen 26, 387.
Der §. 2 Abs. 1
V.
die
Gmndbesitzer
des
der
älteren Fassung,
Jagdbezirks
nach
welcher
der Größe der
betheiligten Mchen für ersatzpflichtig erklärt, die Vertretung der
Grundbesitzer
steht
aber
der
in Uebereinstimmung
Gemeindebehörde
polizeigesetzes, wonach die Besitzer der,
bildenden,
lichen
einen
Jagdbezirk
Grundstücke in allen Jagdangelegenheiten durch
die Gemeindebehörde vertreten werden.
B.G.B.,
überträgt,
mit den §§. 4, 9 des Jagd
nach
Der §. 835 Abs. 3
welchem die zum Zweck der gemeinschaft
Ausübung
des
Jagdrechts
durch
das
Gesetz
zu
einem Verbände vereinigten Eigenthümer des gemeinschaft-
lichm Jagdbezirks nach dem Verhältniß
der Größe ihrer
Gmndstücke ersatzpflichttg find, wenn der Verband nicht als solcher hastet, bringt die Jdmtität des Verbandes hinfichtlich der Jagdnutzung und hinfichüich des Wildschadensersatzes auch wörtlich zum Ausdruck.
Die Frage nach dem rechtlichen
Wildschadengesetz.
90
Charakter dieses Verbandes ist nicht unzweifelhaft.
das Obertribunal in den
Während
Entscheidungm Bd. 58 S. 50,
Bd. 77 S. 129, Bd. 80 S. 245 und in Striethorsts Archiv Bd. 67 S. 297 dem Verband die Eigmschast einer juristischen
Person versagte und ihn als eine privatrechtliche Vereinigung
betrachtete, hat das Oberverwaltungsgericht in den Entsch. Bd. 28 S. 317 und Bd. 31 S. 241 angenommen, daß die Vereinigung der Gmndbesitzer „eine mit juristischer Persön
lichkeit ausgestattete Zwangsgenoffenschast des Rechts",
„eine
neben
der politischen
öffentlichm
Gemeinde
stehmde
Körperschaft sei, welche durch die sie vertretende Gemeinde
behörde Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, vor den Gerichten klagen und verklagt werden könne".
An diesem
Satz hat es auch in den neuem Entscheidungen vom 14. Dez. 1896 (Kunze und Kauz, Ergänzungsband 1899 S. 182) und vom 29. November 1899 (Preuß. Verwaltungsblatt Bd. 21
S. 316) festgehalten.
Das Reichsgericht hat zunächst in der
Entsch. in Gmchots Beitr. Bd. 28 S. 982 angenommen,
daß die Besitzer der Einzelgrundstücke eine private Gesell schaft bilden, in den spätem Entscheidungen dagegen dem
Jagdverbande Korporationsrechte beigemeffen: in der Entsch. in der Jurist. Wochmschrist 1893 S. 73 Nr. 51 spricht es
von der Jagdgemeinde im Gegensatz zur Stadtgemeinde und bemerkt, daß „beide verschiedene Subjekte seien, wenn auch
beide durch dieselbe Gemeindebehörde vertretm werdm"; in dem Urtheile bei Bolze Bd. 9 S. 149 Nr. 340 nennt es die
Gesammtheit der Jagdintereffenten sogar eine Jagdbehörde
und bezeichnet in der Entscheidung Bd. 38 S. 255 den Jagd verband als „Subjekt der aus der Vereinigung zu einem
gemeinschaftlichen Jagdbezirk sich ergebmden Rechte."
Die letztere Ansicht Beitritt auch Schultzenstein im Ver-
waltungsarchiv Bd. 2 S. 375, wogegen Bauer Anm. 6 zu
§. 9 des Jagdpolizeigesetzes und Kohlt Anm. 40 zu tz. 9 den Verband nicht als Korporation ansehen.
Die früheren Auf
lagen stellten fich auf den/ Standpunkt des Obertribunals;
dieser Standpunkt muß auch jetzt, namentlich für das neue Recht, festgehalten werden.
Das Obertribunal begründet seine Anficht in der Entsch. Bd. 80 S. 245 durch die Materialien des Jagdpolizeigesetzes
und durch die allgemeinen Grundsätze über die Entstehung der juristischen Person in folgender Weise:
„Das Gericht erster Instanz ist mit der Gemeinde behörde zu dieser, Art.
als
13
Altenbochum einer
selbst
privilegirten
der Deklaration vom
davon ausgegangen, daß
Korporation, 6. April 1839
nach
dem
zur
An
meldung des Rechtsmittels die sechswöchentliche Doppelfrist
zustehe." „Das ist aber keineswegs der Fall.
Es kommt hierbei
wesentlich auf die Bedeutung des Wortes „Gemeindebehörde" im §. 9 des Jagdpolizeigesetzes vom 7. März 1850 an.
Der
den damaligen Kammern vorgelegte Entwurf war von dem in seinen wesentlichen Grundzügm beibehaltenen Jagdgesetze für das linke Rheinufer vom 17. April 1830 (G.-S. S. 65)
insofern abgewichen, als es die Jagdvorstände dieses Gesetzes
(§§. 2, 5, 6,13) nicht beibehielt, sondern die Vertretung der Befitzer der erntn gemeinschaftlichen Jagdbezirk bildenden
GmndMcke dem Gemeindevorstand übertrug, wofür in den Regierungsmotiven angeführt ist, daß der Gemeindevorstand besser, als ein aus der Mitte der Betheiligten zu wählender
Jagdvorstand, geeignet erscheine, die Rechte der großen und
Heinen Grundbesitzer mit gleicher Sorgfalt zu schützen und dabei das öffentliche Wohl wahrzunehmen.
(Sergi, steno-
92
Wildschadengesetz.
graphische Berichte der ersten Kammer 1850 Bd. 2 S. 802, 805.)" „Bei der Berathung in derKommission der ersten Kammer
sprach dieselbe, gegenüber der von anderer Seite beantragten Beibehaltung der Jagdvorstände, sich für die unveränderte Beibehaltung des §. 9 der Regierungsvorlage namentlich auch deshalb aus, weil es nicht gerathen sei, die öffentlichen Be hörden, besonders auf dem Lande, zu vermehren.
(Eben
daselbst Bd. 3 S. 140, 141 a. a. £).)"
„Bei der Berathung in der ersten Kammer selbst wurde schon zum §. 4 des Entwurfes das Amendement eingebracht,
überall statt „Gemeindevorstand" zu setzen „Gemeindebehörde", und zwar in der Erwägung, um durch den Ausdmck „Ge
meindebehörde"
darnach
den
der künftigen Gemeindeordnung und
Gemeindevorständen beizulegenden
nicht zu präjudiziren.
der
Befugniß
Diesem angenommenen Amendement
gemäß wurde, wie in den §§. 4 und 10, so auch im §. 9, statt „Gemeindevorstand" gesetzt „Gemeindebehörde".
(Eben
daselbst Bd. 3 S. 1387, 1388, 4001, 4002 a. a. £>.)"
„Nach dem Berichte der vereinigten Kommission für
Gemeinde- und Justizsachen der zweiten Kammer ist für den auch hier gestellten Antrag auf Bildung besonderer Jagd
vorstände vorzugsweise darauf Gewicht gelegt, daß es sich hier nicht von der Vertretung der Jntereffen „der Gemeinde",
sondern von einer besonderen Vertretung der Jntereffen „ein
zelner Besitzer" handele, von der Kommission jedoch der, von der ersten. Kammer adoptirten Fassung lediglich beigetreten und zwar in Erwägung der obigen Regiemngsmottve und
weil die Ausführung einer solchen Einrichtung mit vielfachen Schwierigkeiten verbunden
sein
würde.
(Dmcksachen der
zweiten Kammer 1850 Bd. 7 Nr. 542 S. 7, 11, 12)."
„Auf das bei der Berathung in der zweiten Kammer
gestellte
selbst zu dem §. 9 wiederholt
Amendement auf
Bildung besonderer Jagdvorstände wurde vom Ministertische
aus erklärt:
„Es
ist
allerdings erwogen worden, ob man den
jagdberechtigten
Grundbefitzern
nicht
besondere
eine
Organisation geben und fie in den Stand setzen sollte, selbst ihre auf die Jagd bezüglichen Rechte wahrzunehmen.
Indes haben namentlich zwei Gründe dagegen gesprochen;
einmal würde es ein Erfordemiß gewesen sein, eine voll
ständige Vertretung ins Leben zu rufen und dieser Ge nossenschaft korporative Rechte beizulegen. Solche Vertretungen neben die Gemeindebehörden zu stellen, ist
aus naheliegenden Gründen nicht rathsam rc.
aber glaubte man
gerade
die
Jntereffen
Zweitens
der
kleinen
Gmndbefitzer dadurch zu wahren, daß man deren Wahr
nehmung in die Hand der Gemeindebehörden legte, die
ein Interesse
dabei
haben,
die minder mächttgm zu
schützen und es zu verhindem, daß vielleicht ein über
wiegender Gmndbefitzer das Recht der weniger Bedeutmden für fich allein ausbeute."
„Hiemach geht aus den Motiven, gleichwie aus den
Berathungen über das Gesetz unzweifelhaft hervor, daß die Jagdangelegenheitm in vermögensrechtlicher Beziehung nicht als Gemeinde-, sondern lediglich als Angelegenheitm der dabei
interessirenden Befitzer der jagdberechtigtm Grundstücke be
trachtet sind, und daß die Verwaltung dieser Interessenten-
angelegenheit nur deshalb in die Hand eines, von den Inter essenten selbst gewähltm besonderen Jagdvorstandes gelegt
ist, einmal, weil diese Behörde, der schon im öffentlichen Interesse die Jagdpolizei anvertraut war, als das geeignetste
94
Wildschadengesetz.
Organ erschien, gleichzeittg auch die Privatintereffen der Be sitzer der jagdberechtigten Grundstücke wahrzunehmen, und
dann,
weil die Einrichtung besonderer Jagdvorstände, da
ihnen zugleich korporative Rechte beizulegen gewesen sein
würden, wegen der damit verbundenen Schwierigkeiten als fast unausführbar angesehen wurde, — daß nach alledem die Verwaltung dieser reinen Jntereffentenangelegenheiten der
Gemeindebehörde nicht in ihrer Eigenschaft als Vertreterin der politischen Gemeinde übertragen worden ist.
Eine Be-
stättgung findet diese Annahme auch darin, daß, wie die
§§. 4 und 7 des Gesetzes ergeben, die Bezirke der polittschen Gemeindm mit gemeinschaftlichen Jagdbezirken keineswegs
zusammenfallen, daß vielmehr für die Bildung solcher Jagd
bezirke Normen aufgestellt sind, welche von den Gemeinde bezirken unter Umständen ganz absehen. §. 11 des Gesetzes:
Zwar bestimmt der
die Pachtgelder und Einnahmen von
der durch einen angestellten Jäger beschossenen Jagd werden
in die Gemeindekaffe gezahlt, setzt aber gleich hinzu: „und, nach Abzug der etwa entstandmen Verwaltungskosten, durch die Gemeindebehörde unter die Besitzer derjenigm GmndMcke,
auf welchen die gemeinschaftliche Ausübung der Jagd stattfindet,
nach
dem Verhältniffe
des Flächeninhaltes dieser
GmndMcke vertheilt", sodaß also die Jagdeinnahmen nicht
eine Jntrade der Gemeindekaffe für die polittsche Gemeinde bilden, vielmehr nur eine den zu einem gemeinschaftlichen
Jagdbezirke vereinigten Gmndbesitzem gehörige, durchlaufende Post, deren vorläufige Einzahlung an die Gemeindekaffe nur
aus Zweckmäßigkeitsgründen angeordnet ist.
Wenn hiemach
aber im §. 9 die Vertretung der Besitzer der einen Jagd-
bezirk bildenden ländlichen oder städttschen GmndMcke der Gemeindebehörde nicht in ihrer Eigenschaft als Vertreterin
der politischen Gemeinde, sondem als eine mit dieser Eigen schaft in keiner Beziehung stehende,
bloße Nebenfunktion
übertragen wordm ist, so können, auf Gmnd solcher Ueber-
tragung ihrer Vertretung an die Gemeindebehörde, diese Besitzer als eine Land- oder Stadtgemeinde im Sinne des
Art. 13 der Deklaration vom 6. April 1839 nicht angesehen
werden, und machen noch weniger als Mitglieder einer ein* zelnen Klasse der Gemeinde eine besondere Korporation aus
(§. 24 Tit. 7 Thl. II des A.L.R.) Und so wenig denselben durch
das Gesetz vom 7. März 1850 selbst, ist ihnen die Eigen schaft einer juristischen Person oder einer privilegirten Kor-
poratton durch ein anderes Gesetz beigelegt worden (§. 22
Tit. 6 a. a. £).).
Auch nach allgemeinen gesetzlichen Vor
schriften können sie als eine privilegirte Korporation nicht
angesehen werden, da ihre Verbindung
nicht einen fort
dauernden gemeinnützigen Zweck hat (§. 25 daselbst).
mehr stellen dieselben
eine
Viel
erlaubte Privatgesellschaft im
Sinne der §§. 2, 11 a. a. O. dar, der durch den §. 9 des Gesetzes vom 7. März 1850 die Befugniß besonders bei gelegt ist, sich in ihren Privatjagdangelegmheiten durch die
Gemeindebehörde vertreten zu lassen, die aber im Uebrigen bei Handlungen, woraus Rechte und Verbindlichkeiten gegen
Andere entstehen, nur Theilnehmer eines gemeinsamen Rechtes oder einer gemeinsamen Verbindlichkeit find, im Verhältnisse gegen Andere also keine moralische Person darstellen."
Diesen Ausfühmngen ist in den Entscheidungen des
Reichsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts zwar ein anderes Ergebniß entgegengesetzt, dieses Ergebniß ist aber nicht näher begründet.
Ihnen treten folgende Erwägungen
hinzu:
Die Eigenschaft der Rechtsfähigkeit kann den Verbänden,
96
Wildschadenersatz.
abgesehen von der speziellen staatlichen Verleihung im Einzel fall, nur durch eine darauf gerichtete ausdrückliche aber fich aus dm Vorschriften des Gesetzes zustehm.
Das
ergebmde Bestimmung
Gesetz hat aber keine solche ausdrückliche
Bestimmung getroffen,
durch welche der Jagdverband
als
besonderes Rechtssubjekt anerkannt wird, wie dies z. B. im §. 10 des Gesetzes vom 1. April 1879 für die Wassergenoffen schaften geschehm ist, noch läßt fich eine solche Abficht des
Gesetzgebers aus dem Jagdpolizeigesetz oder dem Wildschadmgesetz entnehmen.
Nicht nur aus den in der Entscheidung
des Obertribunals
angeführten
Materialim,
insbesondere
aus der Amßemng des Regierungsvertreters ergiebt fich die
bestimmte Abficht des Gesetzgebers,
dem Jagdverband die
Rechtsfähigkeit zu versagm, auch der Inhalt des Gesetzes giebt teilten Anhalt für die Annahme, daß dem Verbände die juristische Persönlichkeit verliehm werdm sollte und ver-
lichm ist.
Vielmehr ist das Jagdrecht der einzelnen Grund-
befitzer unverändert
geblieben, den Gmndbefitzern ist das
Recht der Jagdverpachtung nicht entgegen und ihnen legt
daS Wildschadmgesetz die Ersatzpflicht für den Wildschaden
auf.
Nur vertreten werden fie sowohl bei der Jagdver
pachtung als
auch hinfichtlich
der Wildschadensersatzpflicht
durch die Gemeindebehörde, wie im §. 9
des Jagdpolizei
gesetzes und im §. 2 Abs. 1 Satz 2 des Wildschadengesetzes
ausdrücklich bestimmt ist.
Eine juristische Person vertritt «her
nicht die einzelnen Mttglieder, sondem steht ihnm als ein
besonderes Rechtssubjekt mit eigenen Interessen und selbstständigen Zweckbestimmungen gegenüber.
Wäre der Jagd
verband ein rechtsfähiger Verein, so würde die Gemeinde behörde
fein' Vorstand,
einzelnen Mitglieder sein.
nicht
aber
die
Vertreterin
der
Und werden die Grundbefitzer in
Einleitung.
97
ihren Rechten und Pflichten, zu deren Ausübung oder Er-
Mung fie sich zusammen zu schließen haben, vertreten, so find
sie selbst die Berechttgten und Verpflichteten, eine Konsequenz, welche dem Begriff
der juristischen Person
entgegen steht,
denn, si quid universitati debetur, singulis non debetur,
nec, quid debet Universitas, singuli debent, 1. 7 §. I. D. 3,4. Dem Verbände fehlt auch das eigentliche Wesen der juristischen Persönlichkeit, die Rechtsfähigkeit.
Freilich kann
die Gemeindebehörde Namens der Gesammtheit der Grund besitzer Jagdpachtverträge abschließen, über den Ersatz des
Wildschadens rechtsgeschästliche Verfügungen treffen und ist in beiden Beziehungen
legitimirt.
im Rechtsstreit otttö
und passiv
Aber diese nur in Vertretung der Grundbesitzer
vorgenommenen Rechtshandlungen, die für den nur zu diesen
Zweckm bestehenden Verband vorgenommen werden können,
sind die einzigen Rechtshandlungen, deren der Verband fähig ist.
Auf andern Gebieten des wirthschastlichen Lebens kann
er nicht, wie jedes Rechtssubjekt, eine Rechtsfähigkeit be
thätigen, kann er Eigenthum, andere Rechte oder Forderungen nicht erwerben, noch können solche Rechte gegen ihn bestehen.
Der Verband hat überhaupt kein Vermögm, sondem die Einnahmen aus der Jagd sind nur durchlaufende Gelder, §.
11
des Jagdpolizeiges.,
und die Wildschadensbeträge
werdm, soweit fie nicht aus der Jagdeinnahme gedeckt werden
könnm,
von
dm
Grundbefitzem,
pflichttgen, eingezogen.
dm
alleinigen Ersatz-
Daß die Gemeindebehörde oder der
Verband ohne Nennung der einzelnm Grundbesitzer klagen und verklagt werden kann, ist auch vom Standpunkt der
mangelnden Rechtsfähigkeit des Verbandes keine Anomalie, da die Pasfivlegittmation im Prozeß überhaupt jedem nicht
rechtsfähigen Verein zusteht, §. 50 Abs. 2
C.P.O., über
Holtgreven-Wolff, Wildschadengesetz. 4. Ausl.
7
Wildschadengesetz.
98
dessen Vermögen sogar der Konkurs eröffnet werden kann,
§. 213 der Konkursordnung, und die bisherige gemeinrecht
liche ebenso wie die Preußische Praxis jeden nicht rechts fähigen Verein nicht nur die Passivlegitimation, sondem auch die AMvlegittmation im Rechtsstreit zugestand, Entsch. des
Obertrib. 18, 398, in Striethorsts Arch. 42, 66; 61, 45, Entsch. des Reichsoberhandelsgerichts 4, 202; 8, 180; 18,
398 und des Reichsgerichts 4, 155 und 8, 121 (s. auch
Stobbe, Deussches Privatrecht Bd. 1 S. 414), indem die Aufzählung der einzelnen Mitglieder durch die Bezeichnung des
Verbandes oder Vereins als ersetzt angenommen wurde.
Der Jagdverband steht
auf gleicher Rechtsstufe mit
dem Verband der Gemeinheitstheilungsintereffenten, welcher
nach §. 1 des Gesetzes vom 2. April 1887 auf Antrag für
die gemeinschaftlichen, durch das Auseinandersetzungsverfahren begründeten, Angelegenheiten von der Auseinandersetzungs behörde zur Vertretung der Gesammtheit der Betheiligten,
sowie zur Verwaltung der gemeinschaftlichen Vermögensstücke auch nach der Beendigung des Verfahrens geblldet werden
kann; auch in diesem Fall ist nach §. 2
des angeführten
Gesetzes die Vertretung der Betheiligten dem Gemeinde vorstand übertragen (s. auch die Uebereinstimmung des §. 9 Abs. 1 dieses Ges. mit §. 9 Abs. 2 des Jagdpolizeigesetzes). Daß aber ein solcher Verband, obgleich er sogar Vermögen
besitzen kann,
welches ebmfalls der Gemeindevorstand zu
verwalten hat, ein besonderes Rechtssubjekt sei, ist bisher
nicht behauptet und vom Reichsgericht in der Jur. Wochen schrift 1892 S. 48 Nr. 29 entschieden bestritten, vgl. auch
die Enssch. des Reichsgerichts Bd. 47 S. 314 und in der
Jur. Wochenschrift 1900 S. 709 Nr. 56 und des OberVerwaltungsgerichts Bd. 21 S. 143.
Nach der Charakterisirung
des Jagdverbandes richtet
sich die Zwangsvollstreckung gegen den Jagdverband, Anm. 4 zu §. 10. Von der rechtlichen Natur des Jagdverbandes hängt auch die Beantwortung der Frage ab, ob der §. 2 Abs. 1
Satz 1 des Wildschadensgesetzes durch den §. 835 Abs. 3
B.G.B. ersetzt ist oder nicht. Indem der §. 835 Abs. 3 durch die Bestimmung: „Sind die Eigenthümer der Grundstücke eines Be
zirkes zum Zwecke der gemeinschaftlichen Ausübung des Jagdrechts durch das Gesetz zu einem Verbände vereinigt, der nicht als solcher haftet, so sind sie nach dem Verhältnisse der Größe ihrer Grundstücke ersatzpflichtig,"
die Vereinigung der Eigenthümer zu einem derartigen Ver bände voraussetzt, welcher nicht als solcher hastet, spricht er
diesem Verbände die juristische Persönlichkeit ausdrücklich ab und weist ihn zu den Privatgesellschaften der §§. 705 ff.
B.G.B.
Die zweite Kommission zur Berathung des Entw.
des B.G.B. nahm in der ausdrücklich ausgesprochenen Absicht,
die rechtliche Natur
der Jagdgesellschaft nicht festzulegen,
(Prot. S. 3248, Mugdan Bd. 2 S. 1142) die folgende Bestimmung in den Entwurf auf: „Sind die Gmndstücke eines Bezirkes zum Zweck der
Ausübung des mit dem Eigenthum verbundenen Jagd-
rechts zu einem Jagdbezirke vereinigt, so hat die nach
den Vorschriften des öffentlichen Rechts zu diesem Zweck bestehende Gemeinschaft der Eigenthümer der zum Jagd bezirk gehörigen Grundstücke den Schaden zu
ersetzen
und zwar haften, wenn landesgesetzlich nicht ein Anderes
bestimmt ist,
die Grundbesitzer des Jagdbezirkes nach
Verhältniß der Größe der betheiligten Flächen," (Prot.
100
Wildschadengesetz.
S.
3244,
3245,
3247,
3248,
3249,
Mugdan
2,
1141, 1142).
Diese
Bestimmung,
welche
keinen
Anhalt
für
die
Charakterifirung des Jagdverbands bot, wurde aber, ohne die Gründe aus den veröffentlichten Materialien er-
daß
sichtlich
sind,
in dem dem Reichstag vorgelegten Entwurf
durch die zum Gesetz gewordene Vorschrift des § 835 Abs. 3 ersetzt, welche von der Denkschrift (S. 101, Mugdan 2, 1269)
mit dem Bemerken begleitet wurde: „Besondere Vorschriften trifft der Entwurf für den
Fall, daß das Landesgesetz den Verband als bloße Gesellschaft nach den Vorschriften des Bürger lichen Gesetzbuchs gestaltet, ohne über die Haftung der Genoffm etwas zu bestimmen.
Hier würde aus
jenen Vorschriften sich eine gesammtschuldnerische Haftung
ergeben; dies wäre jedoch nicht sachgemäß, und der Ent
wurf sieht daher . . eine Haftung nach Verhältniß der
Größe der GrundMcke vor," s. auch Jecklin in Gruchots Beitr. Bd. 40 S. 806.
Hieraus
ergiebt sich, daß der Verband des §. 835 Abs. 2, „der nicht als solcher haftet", nicht als rechtsfähiger Verein, sondern
nur als Privatgesellschaft angesehen werden kann.
Der Landesgesetzgebung ist es zwar unbenommen, dem Verband die Rechtsfähigkeit beizulegen.
Diese Befugniß ist
aber von der Voraussetzung abhängig, daß dann auch nur
der Verband als solcher zur Ausübung der Jagd berechtigt wird.
Denn abgesehen von dieser Voraussetzung besteht ein
Vorbehalt — Art. 71 Nr. 6 E.G. zum B.G.B. - nur
insofern, als die Gemeinde an Stelle der Eigenthümer der zu einem Jagdbezirk Bereinigten Grundstücke zum Ersatz
des Wildschadens verpflichtet wird, und der Vorbehalt des
Art. 71 Nr. 5, wonach die Verpflichtung zum Schadens-
ersatz abweichend bestimmt werden darf, bezieht sich nur auf den Fall des §. 835 Abs. 3, setzt also einen nicht rechts fähigen Verband voraus.
Ist oder wird der Verband landes
gesetzlich als der zur Ausübung der Jagd Berechtigte
er-
klärt, so liegt ihm als solchem nach § 835 Abs. 2 Satz 1 auch die Verpflichtung zum Ersatz des Wildschadens ob, denn diese Verpflichtung liegt demjenigen ob, der nach dem
Gesetz zur Ausübung des Jagdrechts berechtigt ist.
Hieraus
folgt, daß dem Verband die Rechtsfähigkeit nur dann zusteht,
wenn er zur Ausübung der Jagd berechtigt ist, und folgt weiter, daß der Verband unter dieser Voraussetzung aber auch als
solcher zum Ersatz des Wildschadens verpflichtet ist.
Dies ist
über nach Preußischem Recht nicht der Fall, denn nach dem
Jagdpolizeigesetz ist nicht der Verband, sondern sind die Grund besitzer, die andernfalls in dieser Beziehung nicht von der
Gemeindebehörde vertreten werden könnten, §. 9, zur Aus übung der Jagd berechtigt, und im §. 2 des Wildschadens gesetzes
sind
bezeichnet.
sie
als
die
ausdrücklich
Ersatzpflichtigen
Auch nach dieser Rechtsgestaltung kann somit der
Verband nicht als rechtsfähiger Verein gelten. die Rechtsfähigkeit, so würde der §.
nicht,
zum
wie
Preuß.
in Uebereinstimmung
oben
Ausf.Ges.
vom
Besäße er
835 Abs. 3 B.G.B.
mit
den Motiven
20. September
1899
und
den oben angegebenen Schriftstellern angenommen ist, zur
Anwendung kommen können, nicht rechtsfähigen
Verband
weil diese
Vorschrift einen
zur Voraussetzung
hat;
es
würde aber auch der §. 2 Abs. 1 S. 1 des Wildschadens gesetzes in seiner bisherigen Fassung nicht mehr gelten, weil
nach
demselben
die
Grundbesitzer des Jagdbezirks ersatz
pflichtig sind, während nach Reichsrecht bei dem Vorhanden-
Wildschadengesetz.
102
sein eines rechtsfähigen Jagdverbandes dieser der Ersatz pflichtige sein müßte. —
Hat der Verband die rechtliche Natur einer
Privat
gesellschaft, so kommen die Gmndsätze der §§. 705ff. B G B. zur Anwendung, soweit sich nicht aus den auftechi erhaltenen
Vorschriften des Landesgesetzes Abweichungen ergeben.
Dar-
nach hastet der Vertreter für culpa in concreto, §. 705, er
ist zur Auskunstsertheilung und zur Rechnungslegung ver pflichtet, §§. 716, 713, 666, was auch das Obertribunal (in
Striethorsts Arch. Bd. 95 S. 119) für das bisherige Recht annahm, wogegen das Reichsgericht (Entsch. Bd. 31 S. 255,
256) von seinem hier bekämpften Standpunst aus zu dem entgegengesetztm Ergebniß gelangte.
Die Grundbesitzer find
auch nicht, wie aus der Rechtsfähigkeit des Verbandes folgen würde, §§. 31, 89 B.G.B., für den Schaden verantwortlich, welchen der Gemeindevorstand durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Vertretung begangene, zum Schadensersatz
verpflichtende Handlung einem Dntten zufügt, hierzu sind sie andererseits übrigens auch nicht nach §. 831
B-G-B.
verpflichtet, weil sie den Gemeindevorstand nicht zu ihrem
Vertreter bestellt haben, und die erzwungene Vertretung ihnm daher stets die Einwendung sichert, daß sie in der Auswahl
des Vertreters kein Verschulden begangen haben. Die Anwendung des Sozietätsprinzips findet aber ihre
Schranke in der besonderen Rechtsgestaltung der Gesellschaft, nach welcher für sie Kraft Gesetzes die Vertretung angeordnet
und diese Vertretung einem Beamten als solchem übertragen
ist.
Der Kraft seines Amtes bestellte Vertreter kann vom
Verbände nicht abbemfen, nicht mit Jnstmttionen versehen werden,
als Beamter handelt er unabhängig von der Zu-
Einleitung.
103
stimmung des Jntereffmten und selbst gegen ihren Willen (Anm. 4 zu §. 2).
Ebenso steht er dem einzelnen Grund-
befitzer mit den Funktionen gegenüber, die ihm sein Gemeinde amt verleiht, er zieht daher von ihnen die zur Berechtigung
des Wildschadensersatzes erforderlichen Beträge im Wege des Verwaltungszwangsverfahrens ein.
III.
Kommentar zum Wildschadengesetz. Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen rc. verordnen, unter Zustimmung beider Hauser des Landtages, für den Umfang Unserer Monarchie, mit Aus schluß der Provinz Hannover und des vormaligen Kurfürstmthums Heffen,*) was folgt: *) Ueber den Geltungsbereich des Gesetzes ist im §. 5 der Einleitung das Nähere gesagt worden. Das Gesetz umfaßt das
ganze Gebiet der preußischen Monarchie mit Ausnahme der Provinz Hannover (einschließlich des Jadegebiets) und der
Provinz Hessen-Nassau, soweit dieselbe mit dem vormaligen Kurfürstenthum Hessen identisch ist.
Das Gesetz gilt demnach
auch in einem Theile des Regierungsbezirks Cassel, nämlich in
den nach dem Jahre 1866 demselben zugetheilten vormals Bayerischen und vormals Großherzoglich Hessischen Gebiets theilen, sowie in Hohenzollern-Sigmaringen, s. darüber von Meer
in der Z. f. Forst- u. Jagdwesen, Bd. 31 S. 611 ff. Dagegen gilt das Gesetz nicht in demjenigen Theile des Regierungs
bezirks Wiesbaden, welcher früher zum R.-B. Cassel gehörte und durch die Kreisordnung f. d. P. Hessen-Nassau v. 7. Juni 1885 dem R.-B. Wiesbaden zugetheilt worden ist. Wegen der für Hannover und (Kur-)Hessen geltenden Vor schriften über den Wildschaden ist auf das im §. 5 der Ein
leitung S. 38 Note 2 Gesagte zu verweisen.
Wildschadengesetz § 1.
105
§• !•*)
Wird durch Schwarz-, Roth-, Elch-, Dam- oder Reh wild oder durch Fasanen^ ein Grundstücks beschädigt^), so hat,
wenn dem Eigenthümer die Ausübung des
ihm zu
stehenden Jagdrechts durch das Gesetz entzogen ist4),
der-
jenigeb) beut Verletzten °) den Schadens zu ersetzen»), welcher zur Ausübung des Jagdrechts nach dem Gesetze berechtigt
ist.
Die Ersatzpflicht erstreckt sich auf den Schaden, den die
Thiere an den getrennten, aber noch nicht eingeernteten Er
zeugnissen des Grundstücks anrichten. Der
Schaden ist nach
Maßgabe
der folgenden Be
stimmungen zu ersetzen?)
*) Vgl. zu §. 1 die Vordem. S. 50ff. 1) Nur der durch die aufgeführten Wildarten angerichtete Schaden wird ersetzt. Ausgeschlossen ist daher der Ersatz des durch Kleinwild, besonders durch Hasen, sowie der durch die,
nicht jagdbaren, wilden Kaninchen verursachte Schade. Da das Gesetz von Wildarten handelt, so erstreckt es sich auf alles Wild, welches zu diesen Arten gehört, deshalb auch auf den Wapitihirsch, auf
den Silber- oder Goldfasan, vgl.
O.V.G. 14, 430, A. M. Berger Anm. 1 und 3, dessen Ansicht von einem Widerspruch dieser Entscheidung mit dem Urtheil des R.G. in Str. 5, 85 nicht als richtig anzuerkennen ist.
2) Geschützt sind die Grundstücke jeder Kulturart, die landwirthschaftlichen und Forstgrundstücke/ die Höfe, die öffentlichen und Privatwege rc. (Denkschrift zum B.G.B. S. 100, Mugdan,
Materialien zum B.G.B. Bd. 2 S. 1269). Das Grundstück ist ein bestimmter Flächenabschnitt der Erdoberfläche, welcher sich in die Tiefe erstreckt, und zu welchem der Raum über der Oberfläche gehört, §. 905 B.G.B., mit allen
seinen Bestandtheilen. Zu den wesentlichen Bestandtheilen des Grundstücks gehören die mit dem Grund und Boden fest ver bundenen Sachen, insbesondere die Gebäude, sowie die Erzeug
nisse des Grundstücks, solange sie mit dem Boden zusammen-
106
Wildschädengesetz §. 1.
hängen, der Samen mit dem Aussäen, die Pflanze mit dem Einpflanzen, §. 94 B.G.B. Deshalb ist auch der durch Wild an einem Gebäude, einer Mauer, einer Hecke, an dem mit dem Erdboden verbundenen Glasbehälter eines Kunstbeets ver
ursachte Schade zu ersetzen. Zu den Bestandtheilen eines Grundstücks gehören aber nach §. 95 B.G.B. solche Sachen nicht, die nur zu einem vor übergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden sind, noch ein Gebäude oder ein anderes Werk, welches in Ausübung eines Rechts am Grundstück von dem Berechtigten mit dem Grundstück verbunden ist. Ein vom Pächter errichtetes Gebäude, welches der Verpächter nach der Beendigung der Pachtzeit nicht zu übernehmen braucht, ist zu dem vorübergehenden
Zwecke der Zeitpachtung errichtet und gilt daher ebensowenig als Bestandtheil des Grundstücks, als ein von dem Nießbraucher nur für die Dauer des Nießbrauchs errichtetes Gebäude, Ende mann, Lehrbuch des Bürgerl. Rechts Bd. 1 §. 52 Anm. 27, Dernburg, Bürgerl. Recht Bd. 1 §. 5 Anm. 7, Crome, System des Deutschen Bürgerl. R. S. 280, Gierke, Deutsches Pr.R.
S. 37, Rehbein, Das Bürgerl. R. S. 84. Lose auf dem Grundstücke befindliche Sachen, z. B. eine Dresch- oder Sämaschine, ein Pflug, der Vorspann, die Weide-
thiere gehören nicht zum Grundstück, die daran entstehenden Beschädigungen braucht der Jagdberechtigte daher nicht zu er setzen. (Nach dem bisherigen Gesetz („an oder auf dem Grund stück") war dies der Fall).
Die hauptsächlich in Betracht kommenden Gegenstände,
die Erzeugnisse (Früchte), gehören zum Grundstück, auch wenn die Aussaat vom Pächter oder Nießbraucher vorgenommen ist, denn die Aussaat ist für die ganze Dauer ihrer Existenz mit
dem Grundstück verbunden, Gareis, Der Allgem. Theil des B.G.B. Anm. 3 zu §. 95. Sie sind von der Aussaat oder Einpflanzung an Bestandtheile des Grundstücks und behalten diese Eigenschaft, solange sie mit dem Boden Zusammenhängen.
Mit der Trennung verlieren sie zwar diese Eigenschaft,
fie
Wildschadengesetz § 1.
107
werden aber nach Abs. 1 Satz 2 vom Gesetz bis zur Einerntung
geschützt. Eingeenitet sind sie, wenn sie vom Grundstück in die Scheune rc. gebracht sind, die Einerntung ist aber auch schon dann erfolgt, wenn die Früchte auf dem Grundstück in ortsüb
licher Weise in Diemen, Miethen, Veimen und dgl. zusammen gebracht sind (Bericht der Reichstags-Komm. S. 109. Mugdan,
Bd. 2 S. 1301). 3) Der gesetzliche Thatbestand ist mit der Beschädigung durch ein Thier der angeführten Wildarten erfüllt, ohne daß es auf ein Verschulden des Jagdberechtigten ankommt, s. darüber Einl. S. 41 ff. Denn, wenn sich auch der Ersatzanspruch als
eine Forderung aus einer unerlaubten Handlung charakterisirt, unter deren Titel der §. 855 in das B.G.B. eingestellt ist, und wenn auch der Anspruch aus einer solchen Handlung prinzipiell ein Verschulden des Ersatzpflichtigen voraussetzt, so sieht doch das Gesetz für die Ansprüche aus Beschädigungen, welche durch Thiere entstehen, §§. 833, 835, durch Annahme des Veran lassungsprinzips von jeder subjektiven Beziehung der Beschädi gung zu dem Ersatzpflichtigen ab. Der Verletzte braucht daher eine Fahrlässigkeit des Jagdberechtigten nicht zu beweisen, und der Gegenbeweis des letzteren, daß er zur Verhütung des Schadens alles gethan habe, was er habe thun können, ist ebenso unzulässig, wie der Beweis, daß er durch Zufall oder selbst durch höhere Gewalt zur Abwendung der Beschädigung
außer Stande gewesen sei.
Es kommt auch'nicht auf den Jagdbezirk an, in welchem das beschädigende Wild seinen Stand hat, der Jagdberechte ist daher auch für die Beschädigungen durch diejenigen Thiere ver antwortlich, welche aus einem anderen Jagdbezirk übergetreten sind, ohne daß ihm gegen den Jagdberechtigten des anderen
Bezirks, wenn diesem nicht ein Verschulden zur Last fällt ein Regreß zusteht (nachdem die auf Begründung der Re greßpflicht gerichteten Anträge bei der Berathung des Wild schadensgesetzes schließlich ohne Erfolg geblieben waren, ist
auch ein bei der Berathung des B.G.B. in der ReichstagsKommission gestellter Antrag gleichen Inhalts abgelehnt, Be-
108
Wildschadengeseh §. 1.
richt der Komm, des Reichstags S. 111, 112. S.1302, 1303).
Mugdan Bd. 2
4) Indem der Abs. 1 des §. 835 den Ersatzanspruch nur für diejenigen Grundstücke, an welchen dem Eigenthümer das Jagdrecht nicht zusteht, und da Abs. 2 ihn nur für die jenigen Grundstücke anerkennt, an welchen dem Eigen thümer die Ausübung des ihm zustehenden Jagdrechtes
gesetzlich entzogen ist, ist der Anspruch für den Eigenjagdbezirk nicht anerkannt und daher ausgeschlossen. Für ein zur Eigen jagd gehöriges Grundstück hat daher auch der GrundstücksPächter aus dem Gesetz keinen Anspruch gegen den Eigenthümer, der zugleich der Jagdberechtigte ist.
Ueber den Eigenjagdbezirk Jagdbezirk s. Anm. 1 zu §. 2. 5)
und
Ersatzpflichtig ist derjenige,
den
gemeinschaftlichen
welcher zur Ausübung
der Jagd nach dem Gesetz berechtigt ist. Nach dem Gesetz ist zur Tragung des Wildschadens die Gesammtheit der
Grundeigenthümer des gemeinschaftlichen Jagdbezirks und bei Enklaven im Fall des §. 3 der Eigenthümer des umschließenden Waldes verpflichtet. S. hierüber §§. 2, 3.
Nach §. 5 des Jagdpolizeigesetzes vom 7. März 1850 „find die Besitzer isolirt gelegener Höfe berechtigt, sich mit denjenigen Grundstücken, welche zusammenhängend den Hof ganz oder theilweise umgeben, also nicht mit fremden Grundstücken im Gemenge liegen, von dem gemeinschaftlichen Jagdbezirke aus zuschließen. .." Durch diese Ausschließung verliert der Eigen
thümer die Ersatzpflicht, aber auch das Ersatzrecht. Denn da dem Ausschließungsrecht die Pflicht des Jagdverbands entspricht, den Ausschluß zu dulden, Entsch. des Obertribunals 71, 284,
so gehören zu dem gemeinschaftlichen Jagdbezirk die ausge schlossenen Grundstücke nicht, die Jagdgenossenschaft ist daher für den Fall des Ausschlusses zur Ausübung des Jagdrechts nach dem Gesetz nicht mehr berechtigt, sodaß ein Ersatz-
pflichtiger nicht mehr vorhanden ist, s. auch §. 11 des JagdPolizeigesetzes.
6) Verletzt ist derjenige, dessen Recht durch die Be schädigung beeinträchtigt ist. Es kann der Eigenthümer, der Eigenbesitzer, §. 872 B.G.B, der Erbbauberechtigte, §. 1012 der Bergwerksbesitzer, der Nießbraucher, der aus einer Grunddienstbarkeit (z. B. einem Weiderecht) Berechtigte, der Pächter, der Miether rc. sein. Es können auch mehrere aus
verschiedenen Gründen Berechtigte gleichzeitig verletzt sein. Wer auf Grund eines persönlichen Rechts, z. B. des Kaufs, das Recht erworben hat, die Früchte zu gewinnen, §. 956 B.G.B., ist nur dann der Verletzte, wenn auf ihn die Gefahr überge gangen ist, was beim Kauf ohne eine abweichende Vereinbarung vor der Uebergabe nicht der Fall ist, §. 446 B.G.B. Ein Pfandrecht kann durch Rechtsgeschäft am Grundstück und daher auch an den stehenden Früchten, die als wesentliche Bestandtheile (§. 94 B.G.B.) nicht Gegenstand besonderer Rechte
sein können, §. 93 B.G.B., nicht mehr begründet werden. Aber dem Verpächter steht ein gesetzliches Pfandrecht an den Früchten des landwirthschaftlichen Grundstücks zu, §. 585 B.G.B., und im Wege der Mobiliarzwangsvollstreckung können die Früchte gepfändet werden, ohne Unterschied ob sie getrennt sind oder nicht, §. 810 der Civilprozeßordnung. Verletzt sind in den Fällen des gesetzlichen Pfandrechts sowohl der Schuldner (Eigen thümer, Nießbraucher, Pächter), als auch der Pfandgläubiger und ebenso im Fall des Pfändungspfandrechts der Schuldner
und der Gläubiger. Die Beschlagnahme im Wege der Zwangsversteigerung um-
faßt nach §. 21 des Zwangsversteigerungsgesetzes vom 24. März
1897 die mit dem Boden verbundenen, sowie die getrennten,
zur Fortführung der Wirthschaft bis zur voraussichtlichen Ge
winnung gleicher oder ähnlicher Erzeugnisse erforderlichen Früchte. Der Gläubiger der Zwangsversteigerung wird daher durch die Beschädigung verletzt, ebenso aber auch der Schuldner, der geschädigt wird, wenn sich die Befriedigung seiner Gläubiger in
Folge der Beschädigung verringert, und welchem nach §. 24 des Zwangsversteigerungsgesetzes bis zur Versteigerung die Ver waltung und Benutzung des Grundstücks solange verbleibt, als
110
Wildschadengesetz §. 1.
sie ihm nicht durch das Vollstreckungsgericht entzogen wird, §. 25 Z.V.G. In der Zwangsverwaltung wird dem Schuld-ner bis zum Zuschlag auch das Nutzungs- und Verwaltungsrecht entzogen, §. 148 Z.V.G., und der Verwalter tritt an seine Stelle als der Vertreter des Schuldners, der letztere bleibt aber nach wie vor
an der Verfolgung der Beschädigung, durch welche die Aussicht auf Befriedigung seiner Gläubiger verringert wird, interesstrt. Dasselbe gilt für das Konkursverfahren, in welchem das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Gemeinschuldners vom Konkursverwalter ausgeübt wird, §. 6 der Konkursordnung. Neben dem Nießbraucher ist der Eigenthümer wegen Be schädigung der Früchte nicht verletzt, weil es für ihn ohne Inter esse ist, welche Früchte der Nießbraucher zieht, wohl aber wegen der Beschädigung des Grundstücks bezw. der darauf stehenden
Gebäude, §§. 1041, 1042 B.G.B. Verletzt ist aber immer nur derjenige, welcher zur Ein ziehung der Ersatzforderung berechtigt ist. Dies ist wegen der Früchte der Pächter oder Nießbraucher, der Konkursverwalter, der Zwangsverwalter, in der Zwangsversteigerung bis zum Zuschlag der Schuldner, wenn ihm die Verwaltung und Be nutzung des Grundstücks nicht nach §. 25 des Zwangsversteige
rungsgesetzes entzogen ist, wegen anderer Beschädigungen der Verpächter und gegenüber dem Nießbraucher auch der Eigen
thümer. Der zur Einziehung des Ersatzes Berechtigte und nur dieser ist auch zur Erhebung des Widerspruchs des §. 2 Abs. 2 und zu der im §. 6 vorgesehenen Anmeldung legitimirt. 7) a) Als Schade ist das Interesse des Verletzten, d. h.
der positive Schade und der entgangene Gewinn, §. 252 Satz 1
B.G.B., zu ersetzen (die Berücksichtigung der besonderen Vor liebe, das Affektionsinteresse, kennt das B.G.B. nicht). Als entgangen gilt nach §. 252 Abs. 2 des B.G.B. der
Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder
nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den ge troffenen Anstalten und Vorkehrungen mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.
Nicht ein ganz unsicherer Gewinn,
Wildschadengesetz §. 1.
111
sondern nur ein solcher Gewinn ist zu ersetzen, welcher mit Wahrscheinlichkeit erzielt sein würde. Hat z. B. der Eigen thümer regelmäßig die Früchte des Grundstücks zu einem den Werth übersteigenden Preis verkauft, und war die Sachlage in dieser Beziehung nicht verändert, so spricht die Wahrscheinlich keit für die Erzielung dieses Gewinns. War der Fruchtbezug bereits zu einem höheren Preise verkauft, so kann dieser Preis Seitens des Verkäufers vom Ersatzpflichtigen gefordert werden, wenn — was nach §. 446 B.G.B. die Regel ist — die Gefahr beim Verkäufer geblieben ist. Zn der Regel wird der Schade in dem Werth der be schädigten Früchte bezw. in den Kosten bestehen, die die Wieder herstellung der beschädigten Sache erfordert. Unter dem Werth
der Früchte ist aber nur der Reinertrag zu verstehen, welcher sich nach Abzug der Unkosten der Aberntung ergiebt, Entsch. des Reichsgerichts Bd. 15 S. 73 (compensatio lucri cum damno), denn die Entschädigung kann nur in der Ausgleichung des
Interesses, in der Herstellung des Zustandes, der ohne das schädigende Ereigniß eingetreten wäre, §. 249 B.G.B., nicht
auch in einer Bereicherung des Beschädigten bestehen. Deshalb sind die Kosten der Aberntung, die Dresch- und Absatzkosten
abzurechnen, aber nur diejenigen Kosten, welche der Verletzte thatsächlich erspart. Auch die Versicherungssumme ist ab züglich der Prämien bezw. des Prämienantheils abzurechnen, welche der Verletzte für den Wildschaden erhalten oder zu er
halten hat, da der Beschädigte sonst in Folge der Beschädigung eine über das Interesse des §. 249 B.G.B. hinausreichende Be reicherung erhalten würde. (Uebrigens besteht eine Verpflichtung zur Abtretung der Versicherungsforderung an den Ersatz pflichtigen nicht, weil der §. 255 B.G.B. nur die Ansprüche aus dem Eigenthum oder einem dinglichen Recht, nicht auch
persönliche Ansprüche betrifft). Abzurechnen ist auch der Vortheil, welchen der Beschädigte dadurch erwirbt, daß das Feld, dessen Frucht zerstört ist, nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirthschaft anderweitig bestellt werden kann; A. M. Bauer, Anm. zu §. 5.
112
Wildschadengesetz §. 1.
b) Von dem zu ersetzenden Betrage hat der Ersatzpflichtige von dem Zeitpunkt an, welcher der Bestimmung des Werths zu Grunde liegt (s. darüber Anm. zu §. 5), Zinsen zu 4% zu zahlen, §§. 849, 246 B.G.B. c) Der Ersatzanspruch ist von einer bestimmten Höhe der Schadenssumme nicht abhängig; an und für sich kann sogar die Erstattung des unerheblichsten Schadens verlangt
werden. Durch die Aeußerung des Landwirthschaftsministers bei der Berathung des Wildschadengesetzes — Derhandl. des Herrenhauses 1891 Bd. 1 S. 450: „daß es so thörichte Menschen gebe, welche das Vorhandensein von Wildschaden feststellen lassen, wenn sie die Abschätzung auf einen Pfennig beanspruchen, glaube ich nicht; Taxen von einem oder zehn Pfennigen find überhaupt nicht zu machen", wurde nur die Erwartung ausgesprochen, daß wegen minimaler Beschädigungen ein Anspruch auf Schadensersatz thatsächlich nicht erhoben werden werde; die entgegenstehende Anflcht Bauers ist von denrselben jetzt, Anm. zu §. 1, aufgegeben. d) Ist der Schade entstanden, so ist es unerheblich, ob demnächst ein Ereigniß eintritt, welches, auch wenn der Schade
nicht entstanden wäre, zur Vernichtung oder Beschädigung der Frucht geführt haben würde. Deshalb bleibt der Anspruch wegen der Beschädigung eines Theils der Früchte eines Grund stücks auch dann bestehen, wenn nach der Beschädigung der übrige Theil der Frucht durch Hagel zerstört wird und an-
genommen werden muß, daß auch die beschädigte Frucht, wenn fie nicht beschädigt wäre, durch den Hagel mit vernichtet sein
würde. e) Ueber die Einwirkung eines konkurrirenden Verschuldens
des Verletzten s. die Anm. zu §. 4. f) Ueber die Feststellung des Schadens s. die Anm. zu §. 7. 8. Die Verpflichtung zum Schadensersatz besteht im All gemeinen nach § 249 Satz 1 B.G.B. in der Verbindlichkeit,
den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Das Prinzip ist daher die Naturalrestitution. Soweit es sich aber
Wildschadengesetz §§. 1, 2.
113
um die Beschädigung einer Sache handelt, ist der Verletzte nach §. 249 Satz 2 berechtigt, statt der Naturalrestitution den Schadens
ersatz in Geld zu verlangen. Eine bloße Beschädigung im Gegen satz zur Zerstörung (Schollmeyer, das Recht der Schuldverhält-
nifse, Anm. 4b zu §. 249) liegt in der Verletzung des Grund stücks und seiner Bestandtheile. Die Verletzung der ausstehenden Früchte ist daher, da diese Früchte nur einen Theil (Bestand theil) des Grundstücks bilden, immer, auch bei vollständiger Devastation der Frucht, eine bloße Beschädigung, für welche der Berechtigte den Schadensersatz in Geld fordern kann. Ist die Fmcht bereits vom Boden getrennt, so wird, da die ab getrennten Erzeugnisse eines Grundstücks als eine einheitliche
Sache aufzufassen find, die Vernichtung eines Theils dieser Gesammtfrucht ebenfalls nur als Beschädigung aufzufassen sein. Eine völlige Vernichtung der gesammten vom Boden getrennten Frucht wird thatsächlich kaum vorkommen; tritt aber ein solcher Fall ein, so kann der Berechtigte, wenn nicht der Verpflichtete mit der Geldleistung im Prinzip einverstanden ist, die Geldleistung nach §. 250 B.G.B. erst dann fordern, wenn er dem Ersatzpflichtigen zur Naturalrestitution, d. h. hier zur Lieferung einer Fruchtmenge derselben Art, Güte und Menge, eine an
gemessene Frist mit der Erklärung vergebens bestimmt hat, daß er die Naturalleistung nach dem erfolglosen Ablauf der Frist ablehne. Berechtigt ist der Verletzte in jedem Falle, die Natural leistung zu fordern, ein Verlangen, welchem der Verpflichtete
durch Geldzahlung nur in dem seltenen Falle ausweichen kann,
daß ihm die Naturalrestitution nicht oder nur mit unverhältnißmäßigen Aufwendungen möglich ist, § 251 B.G.B.
a) S. über diesen Satz Einl. S. 43, 44.
§• 2. Sind die Eigenthümer der Grundstücke eines Bezirkes
zum Zwecke der gemeinschaftlichen Ausübung des Jagdrechts durch das Gesetz zu einem Verbände vereinigt'), der nicht
Holtgreve»-W»lff, Wildschadengesetz. 4. Aufl.
8
114
Wildschadengesetz §. 2.
als solcher haftet, so find sie2) nach dem Verhältnisse») der
Größe ihrer Grundstücke ersatzpflichtig.
Dieselben werden
durch die Gemeindebehörde vertretens.
Hat bei Verpachtung^) der Jagd in gemeinschaftlichen
Jagdbezirken die Gemeindebehörde die vollständige Wieder erstattung der zu zahlenden Wildschadensbeträge durch dm
Jagdpächter nicht ausbedungen, so müssen solche Jagdpacht verträge
nach
ortsüblicher
öffentlich ausgelegt werden.
Bekanntmachung
eine
Woche
Sie bedürfen zu ihrer Gültig
keit der Genehmigung des Kreisausschuffes, in Stadtkreisen des Stadtausschuffes, wenn seitens auch nur eines Nutzungs
berechtigten innerhalb zwei Wochen nach dieser Auslegung Widerspruch erhoben wird °). *) Vgl. zu §. 2 die Vorbemerkungen im §. 7 der Ein leitung S. 52, 53.
Die §§. 2 und 3 bestimmen zunächst das örtliche Gebiet, für welches der Wildschadensersatzanspruch gesetzlich geregelt ist: dengemeinschaftlichenJagdbezirk und die Waldenklave. Das Gesetz findet — von den später zu erörternden 12 ffabgesehen — keine Anwendung aus den dem §. 2 des Jagd polizeigesetzes vom 7. März 1850 entsprechenden selbständigen
Jagdbezirk.
1. Der gemeinschaftliche Jagdbezirk besteht aus den Grund
stücken eines Gemeindebezirks, auf welchen die Eigenjagd nicht
ausgeübt werden darf (f. jedoch §. 6 J.P.G.), mit Ausnahme der wegen ihrer isolirten Lage ausgeschlossenen Grundstücke (§§. 5, 6 J.P.G.) und der Waldenklaven (§. 7 das.). Abgesehen von den Festungswerken, in denen die Militär
verwaltung allein zur Ausübung der Jagd berechtigt ist, §. 5 Abs. 1 des Ges. vom 31. Ok't. 1848, §. 8 des Jagdpolizeiges.
vom 7. März 1850, bezeichnet der §. 2 des Ges. vom 7. März 1850 die Grundstücke, auf denen der Besitzer zur eigenen Aus
übung der Jagd auf feinem Grund und Boden befugt ist, nämlich:
a) auf solchen Besitzungen, welche in einem oder mehreren an einander grenzenden Gemeindebezirken einen land- oder forstwirthschafilich benutzten Flächenraum von wenigstens dreihundert Morgen einnehmen und in ihrem Zusammenhänge durch kein fremdes Grundstück unterbrochen sind; die Trennung, welche Wege oder Gewässer bilden, wird als eine Unterbrechung des
Zusammenhanges nicht angesehen.
Gesetz vom 29. April 1897 (Ges.S. S. 117): Zu den Wegen in vorstehendem Sinne sind auch Schienenwege und
Eisenbahnkörper zu rechnen.
Gesetz vom 7. August 1899 (Ges.S. S. 151): Die Bildung eines eigenen Jagdbezirkes ist auch dann zulässig, wenn die dafür in Betracht kommenden Grundstücke in mehreren Landestheilen liegen, in denen die gesetzlichen Vorschriften über die Bildung eines eigenen Jagdbezirkes von einander abweichen. In diesem Falle kommen die für den größeren Theil der Grundstücke geltenden gesetzlichen Vorschriften zur Anwendung.
Bei gleicher
Größe ist dasjenige Gesetz maßgebend, welches den größeren Flächen inhalt für die Bildung eines eigenen Jagdbezirks erfordert.
b) auf allen dauernd und vollständig eingefriedeten Grund
stücken. Darüber, was für dauernd und vollständig eingefriedet zu erachten, entscheidet der Landrath. c) auf Seen, auf zur Fischerei eingerichteten Teichen und auf solchen Inseln, welche Ein Besttzthum bilden. Alle übrigen Grundstücke eines Gemeindebezirks, welche
nicht zu den im §. 2 gedachten gehören, bilden der Regel nach
einen gemeinschaftlichen Jagdbezirk (§. 4 Abs. 1 J.P.G.). Auf die Größe und Lage dieser Grundstücke kommt es nicht an, da
§. 4 nicht, wie der §. 2, einen Flächeninhalt von 300 Morgen, noch einen Zusammenhang der einzelnen Grundstücke voraussetzt. Min. ° Reskripte vom 13. Nov. 1863 (M.Bl. f. d. i. Verw.
(S. 237), vom 7. Jan. 1870 (M.Bl. S. 16), vom 6. Mai 1873 (M.Bl. S. 186), O.V.G. 10, 156; 16, 344, 352; 25, 300, R.G. in Str. vom 30. Mai 1899 (J.W. 1900 S. 124) Dickel
116
Wildschadengesetz §. 2.
in Z. f, Forst- und Jagdwesen 31 S. 65ff., Dalcke S. 39 Sinnt. 12 zu §.4, Ziebarth, Forstrecht S. 297, Olshausen, Grundriß, Sachenrecht S. 203, 204, Schultzenstein im Verw.-Archiv 5, 637 ff., Kuntze, Jagdpolizeigesetze zu §. 4, Bauer, Jagdrecht zu §. 4, Stelling, Hannovers Jagdrecht S. 64 Anm. 6, Kohli Anm. 19, zu tz. 4, Lehfeld, Jagdrechtskunde S. 17, 20; a. M. Obertrib.
in Goltdammers Arch. 24, 392 und in Oppenhoffs Recht, sprechung 17, 220, Kammergericht in Johows Jahrb. 17, 406, Wagner, Jagdrecht S. 58 ff., Groschupf, Pr. Strafgesetze S. 78, 342, 343, Delius im Derw.-Arch. 5, 273, Anschütz das. S. 441. Es ist aber den Gemeindebehörden gestattet, nach
freier Uebereinkunft mehrere ganze Gemeindebezirke oder einzelne Theile eines Gemeindebezirks mit einem anderen Gemeinde. Auch soll zu einem gemeinschaftlichen Jagdbezirke zu vereinigen, bezirke die Gemeindebehörde befugt fein, mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde aus dem Bezirke einer Gemeinde mehrere für sich bestehende Jagdbezirke zu bilden, deren jedoch keiner eine geringere Fläche als dreihundert Morgen umfassen darf. §. 4 Abs. 1 J.P.G. Den Besitzern der im §. 2 bezeichneten Grundstücke ist es gestattet, sich mit diesen Grundstücken dem Jagdbezirke ihrer Ge.
meinden anzuschließen, §. 4 Abs. 2 J.P.G. Auch diejenigen Grundstücke gehören zum gemeinschaftlichen
Jagdbezirke, auf welchen die Ausübung der Jagd aus thatsäch lichen oder rechtlichen Gründen erschwert ist, z. B. die Grundstücke der Eisenbahn, insbes. der Eisenbahnkörper, sowie die mit Häusern bestandenen Grundstücke, in denen und in deren Nähe nicht mit Schießgewehr gejagt werden darf, §. 368 Nr. 7 des Strafgesetzbuchs, O.V.G. 19, 319.
Wird eine Grundbesitzung, die einen Flächenraum von weniger als 300 Morgen umfaßt, in der Hand desselben Eigen
thümers vergrößert, so scheidet sie ohne Weiteres aus dem gemeinschaftlichen Jagdverbande, selbst während der Dauer des
von dem letzteren mit einem Dritten geschlossenen Pachtvertrages, aus, weil das J.P.G. die Befugniß zur Jagdausübung ohne jede Bedingung mit der im §. 2 geforderten Größe von 300 Morgen ver-
Wildschadengesetz §. 2.
117
bindet, Min--Reskript vom 18. Juni 1870 (M.Bl. f. d. i. V. 1870 S. 196), Obertrib. 77, 132, in Oppenhoffs Rechtsprechung 8, 533, in Goltdammers Archiv 15, 764, O.V.G. 20, 320; 24, 286, 291; 28, 316; 31, 240, im Preuß. Verwaltungsblatt 14, 319; 16, 449; 22, 253, O.tz.G. Cöln vom 26. Jan. 1897 im Rheinischen Archiv 91, 233, Beschl. des Kammergerichts vom 19. Okt. 1899 in der Deutschen Jägerzeitung 34, 299, vgl. auch R.G. 45, 303, Kunze, Jagdpolizeigesetze S. 14 Anm. 4 und im Verw.-Arch. 5, 195, Dalcke, Jagdrecht S. 18, A.M. Obertr. 49, 36, in Striethorsts Archiv 96, 5, in Oppenhoffs Rechtsprechung 10, 740. Das Ausscheiden eines Grundstückes aus dem bisherigen Gemeindebezirk entzieht das Grundstück da gegen nicht dem bisherigen Jagdverband während der Dauer des Pachtvertrages und hebt daher auch den Pachtvertrag nicht auf, Ministerialerlaß vom 5. Juli 1898 s. unten Anl. G. Umgekehrt hört das Recht, die Jagd auf dem eignen Grund und Boden auszuüben, auf, wenn sich die Besitzung, z. B. durch Verkauf einzelner Parzellen, auf einen Flächenraum von weniger als 300 Morgen verringert; mit dem Zeitpunkte des Eigen thumsübergangs gehören daher alle Theilflächen von einergeringeren Größe als 300 Morgen zum gemeinschaftlichen Jagd bezirk, O.V.G. 24, 291; 35, 313. Streitigkeiten dieser Art über die Zugehörigkeit von Grund stücken zum gemeinschaftlichen Jagdbezirk werden im Ver waltungsstreitverfahren, §. 105 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes vom L August 1883, entschieden; bis zu deren Erledigung können von der Jagdpolizeibehörde, dem Landrath, die erforderlichen einstweiligen Anordnungen getroffen werden, O.V.G. 35, 313; 37, 298 und bei Kunze und Kauz, Rechtsgrundsätze des Ober verwaltungsgerichts, Ergänzungsband 1900 S. 190, 191 und 1901 S. 178, 179. Scheidet während der Dauer des Jagdpachtvertrages ein Grundstück aus dem gemeinschaftlichen Jagdbezirk aus, so ist der Jagdpächter nach §§. 537, 542, 581 Abs. 2 B.G.B. berechtigt, den Pachtzins nach dem Verhältniß herabzusetzen, in welchem zur Zeit der Verpachtung der Werth des Jagdbezirks in unbe-
118
Wiwschadengesetz §. 2.
schränkter Fläche zu dem wirklichen Werthe gestanden hat, und, wenn das übrig bleibende Jagdfeld nicht mehr zur Jagd taug lich ist, vom Vertrage zurückzutreten. Tritt dagegen während der Pachtzeit ein Grundstück dem gemeinschaftlichen Jagdbezirke hinzu, so gilt dasselbe nicht ohne besondere Vereinbarung als mitverpachtet. — Selbstständige Gutsbezirke stehen als gemeinschaftliche Jagdbezirke den Gemeindebezirken gleich, O.V.G. 16, 344; 25, 300. — Die eingefriedeten Grundstücke scheiden erst dann aus dem gemeinschaftlichen Jagdbezirk aus und bilden erst dann ein eigenes Jagdgebiet, wenn der Landrath anerkannt hat, daß fie vollständig und dauernd eingefriedet find. Denn da nach §. 2 b J.P.G., welcher ein Streitverfahren nicht voraussetzt, der Land rath darüber zu befinden hat, was für dauernd und vollständig eingefriedigt zu erachten ist, kann diese Frage und damit der Thatbestand des §. 2b erst durch die Entscheidung des Landraths beantwortet werden; Obertrib. in Goltdammers Arch. 20, 128, in Oppenhoffs Rechtsprechung 13, 71, O.V.G. 36, 360, im Verwaltungsbl. 15, 158, R.G. in Str. 10, 391; 17, 363; 22, 115, in der Rechtsprechung 10, 391, in der J.W. 1891 S. 375 Nr. 30, Bauer, Jagdgesetze Sinnt. 15 zu §. 2 des Jagdpolizeigesetzes, s. auch die Aus führungen Bauers in der Jägerzeitung 18, 33ff., Kohli, Die Preußischen Jagdges. S. 36, Oppermann, Das Jagdpolizeiges. S. 8, vgl. auch Entsch. des Kompetenzgerichtshofs v. 30. Okt. 1858 im J.M.Bl. 1859 S. 141. A.M. Obertr. im Oppenhoffs Rechtsprechung 10, 711 und Kunze und Kauz, die Rechtsgrund sätze des O.V.G. Ergänzungsband 1901 S. 182. Solange diese Entscheidung des Landraths nicht ergangen ist, darf daher der Eigenthümer eines umfriedeten Gartens rc. die Jagd auf einem solchen Grundstück nicht ausüben, bis dahin gehört er aber auch zum Jagdverband und ist daher auch berechttgt, Ersatz des an feinem Grundstück angerichteten Wildschadens zu verlangen. 2. Der Verband, der dem Beschädigten gegenüber ersatz pflichtig ist, nimmt seinerseits den Rückgriff auf die Eigen-
thümer der Grundstücke.
Der Grundstückspüchter braucht die
auf dem Pachtgrundstück ruhenden Lasten der Ersatzpflicht (auch
dem Verpächter gegenüber) nicht zu tragen, §§. 546, 581 Abs. 2
B.G.B., an ihn kann stch der Verband daher nicht halten. Ebensowenig liegt diese Verpflichtung dem Nießbraucher
ob, da er fie nur dem Eigenthümer gegenüber, §. 1047 B.G.B., nicht aber im Verhältniß zu Dritten hat. Den Nießbrauch hat auch der Pfarrer am Pfarrgut, §. 778 A.L.R. II, 11, der Lehrer an seinem Dienstlande, vgl. O.V.G. 28, 319. Der Lehns- und der Familienfideikommißbesitzer ist dagegen „ohne Beitritt des Obereigenthümers die Lasten der Sache zu tragen verpflichtet", §. 11 A.L.R. I, 18, §.74 A.L.R. II, 4, Art. 59 des Einführungsges. zum B.G.B. Gehört ein Grundstück zum eingebrachten Gut einer Ehe frau, die mit ihrem Ehemann nach gesetzlichem Güterrecht lebt, so haften (außer dem Grundstück) die Eheleute dem Verbände gegenüber als Gesammtschuldner, §§. 1385, 1388 B.G.B. Im
Fall der allgemeinen Gütergemeinschaft haftet das vom Ehe mann verwaltete Gesammtgut auch für den Wildschaden, welcher vor dem Eintritt der Gütergemeinschaft entstanden ist, ohne
Unterschied, ob das Grundstück vom Manne oder von der Frau in die Gütergemeinschaft eingebracht ist, §. 1459, sofern es nicht zum Vorbehaltsgut gehört. Bei der fortgesetzten Gütergemein schaft haftet das Gesammtgut, §. 1487; bei der Errungenschaftsgemeinschaft haftet das Gesammtgut dem Verbände auch dann, wenn das Grundstück zum eingebrachten Vermögen eines Ehe gatten, nicht aber, wenn es zum vorbehaltenen Vermögen der Frau gehört, §§. 1529 Abs. 2, 1531 B.G.B.
Gehört ein Grundstück einem unter elterlicher Gewalt stehenden Kinde, und steht daher dem Vater, §. 1649 B.G.B., oder der Mutter, §. 1684, die Nutznießung an dem Grundstück
zu, so haften das Kind und der Vater bezw. die Mutter für den Wildschaden als Gesammtschuldner.
3)
Nach §.11 des Jagdpolizeigesetzes vom 7. März 1850
nehmen in einem gemeinschaftlichen Jagdbezirke die Besitzer der
120
Wildschadengesetz §. 2.
einzelnen Grundstücke an den Einkünften der Jagd nach dem Verhältniß des Flächeninhalts ihrer Grundstücke Theil. Es erscheint daher gerechtfertigt, wenn im §. 2 des
bisherigen wie des jetzigen Gesetzes bestimmt wird, daß nach demselben Verhältnisse die Grundbesitzer eines gemein schaftlichen Jagdbezirks auch für die Wildschäden aufzukommen haben. Für die Praxis ergiebt sich daraus das Folgende: Sind die zur Gemeindekasse vereinnahmten Jagdintraden (rechnungsmäßig) noch in solcher Höhe in derselben vorhanden, daß aus ihnen die Deckung des angemeldeten und als ersatz pflichtig festgestellten Wildschadens erfolgen kann, so erfolgt die Auszahlung des Ersatzbetrages ohne Weiteres aus der Ge meindekasse. Kann aber auf diese Weise die Entschädigungsleistung nicht bewirkt werden, so ist eine Repartition des Schadens auf die betheiligten Grundbesitzer im Wege der Umlage erforderlich.
Zu diesem Ende kommt zunächst in Betracht: Wie groß ist die Gesammtfläche des Jagdbezirks, wie groß ist das Grundstück (resp, die Grundstücke) des einzelnen betheiligten Grundbesitzers und in welchem Verhältnisse steht das letztere (resp, die letzteren) zu der Gesammtfläche? Der so gefundene Bruchtheil bildet dann den Maßstab für die Repartition des Wildschadens
unter die Grundbesitzer. Hieraus ergiebt sich, daß der Be schädigte die auf ihn entfallende Ersatzquote selbst mit zu tragen hat, d. h. daß er insoweit Schadensersatz nicht erhält. (Ebenso Bauer a. a. O. S. 23, Berger, Kommentar zum Wild schadengesetze S. 43.) Die gemäß der Umlage von den einzelnen Grundbesitzern zu zahlenden Beträge sind von denselben wie andere Gemeindeubgaben einzuziehen.
Rach Eingang derselben erfolgt der Er
satz des Wildschadens an den Beschädigten. Ob der Jagdpächter schon vor erfolgter Berichtigung der Wildschadenschuld seitens der Gmndbesitzer auf Zahlung des
festgestellten Schadensbetrages
mit
Erfolg
in
Anspruch
ge
nommen werden kann, richtet sich nach dem Jagdpachtvertrage. Der Regel nach ist der Anspruch auf Befreiung von einer
Wil-sckadengesetz §. 2.
121
Schuldverbindlichkeit dem Ansprüche üuf Ersatz des gezahlten Schuldbetrages gleich zu erachten, vgl. §§. 329, 415 Abs. 3 B.G.B. Keinesfalls braucht aber der beschädigte Nutzungs berechtigte mit der Durchführung seiner Schadensersatzforderung gegenüber der Gemeindebehörde zu warten, bis diese von dem Jagdpächter die Ersatzgelder erstattet erhalten hat. Die Repartition des Wildschadens und die Einziehung der Beträge erfolgt durch die Gemeindebehörde (vergl. Note 4). — Daß die Richtigkeit der Umlage Seitens der Beitrags pflichtigen im Wege der Beschwerde angefochten werden kann, wird mit Recht von Berger a. a. O. S. 33 hervorgehoben, ebenso Dalcke S. 160. Das Reskript vom 10. April 1863 (M.Bl. f. die innere Verwaltung S. 92), welches ausführt, daß in denjenigen Fällen, in welchen innerhalb eines Gemeindebezirks mehrere Jagd bezirke gebildet sind, die Jagdpachtgelder gesondert innerhalb jedes einzelnen Jagdbezirks zu vertheilen sind, wird analog auch auf die Repartition der Wildschäden Anwendung finden müssen.
4. Nach §. 9 des Jagdpolizeigesetzes vom 7. März 1850 werden die Besitzer der einen (gemeinschaftlichen) Jagdbezirk bildenden Grundstücke in allen Jagdangelegenheiten durch die Gemeindebehörde vertreten. Es ist deshalb folge richtig, daß die ersatzpflichtigen Grundbesitzer auch in dem Falle durch die Gemeindebehörde vertreten werden, wenn dieselben wegen Wildschadens in Anspruch genommen werden. Ueber die rechtliche Natur der Jagdgemeinschaft s. Einl. S. 89ff. Ohne Rücksicht auf die Beantwortung der Frage nach der rechtlichen Natur der Jagdgemeinschaft ist dem einzelnen Grundbesitzer die Verfügung über das mit seinem Grundstück verbundene Jagdrecht entzogen und in die Hand der Gemeinde behörde gelegt, von welcher die Grundeigenthümer in allen den Wildschaden und die Jagd betreffenden Angelegenheiten außer gerichtlich und im Rechtsstreit aktiv und passiv vertreten werden, ^)hne daß die Gemeindebehörde an Instruktionen oder an die
122
Wildschadengesetz §. 2.
Zustimmung der Mehrheit oder der Gesammtheit der Inter essenten gebunden ist, R.G. 25. 353, in der Jur. Wochenschrift 1898 S. 34 Nr. 89, bei Bolze 9, 149 Nr. 340. Diese Ver
tretung ist ihr aber, wie nicht bestritten ist, nicht in ihrer Eigenschaft als Vertreterin der politischen Gemeinde, sondern als eine mit dieser Eigenschaft in keiner Beziehung stehende, bloße Nebenfunktion übertragen worden; s. darüber Obertr. 58, 58; 60, 308; 72, 308, in Strieth. Arch. 69, 213, O.D.G. 3, 172; 6, 268; 14, 217; R.G. 25, 353, in Gruchots Beiträgen 28, 982, in Str. 19, 327; 26, 146, v. Brauchitsch, Die neuere Organisation der um. Derw., 2. Supplementsband S. 284 S. 284 Anm. 9 zu §. 9 des Jagdpolizeiges., Wagner, Die Preuß. Jagdgesetzgebung Anm. 26, 45, Kunze, Die Preuß. Jagdgesetze S. 31, 41, 42, Hinschius in der Zeitschr. für Gesetz,
gebung und Rechtspflege 3, 565. Andererseits besteht aber kein Unterschied zwischen den Organen der Gemeindebehörde in dem einen oder in dem anderen Sinne, vielmehr haben auch hier als Gemeindebehörde diejenigen Organe der Gemeinde zu gelten, welche zuständig
sein würden, wenn es sich nicht um eine Jagd-, sondern um eine Gemeindeangelegenheit handelte, O.D.G. 3, 172, und im Preuß. Derw.Bl. 10, 400, Kunze, Preuß. Jagdpolizeigesetze S. 31 ff., Kunze, Jagdscheingesetz S. 14,15. In den sieben östlichen Provinzen und in Schleswig. Holstein ist nach §. 88 der Landgemeindeordnung vom 24. Juni 1891 und vom 4. Juli 1892 der Gemeindevorsteher die Obrig.
keit der Landgemeinde,
er führt ihre Verwaltung,
vertritt sie
nach außen und verhandelt Namens derselben mit Behörden und Privatpersonen. Er stellt daher die Gemeindebehörde dar, welche den Jagdverband vertritt, seine Vereinbarung über den Ersatz des Wildschadens ist daher rechtswirksam. Der schrift. liche Jagdvertrag (siehe unten Anm. 5) bedarf aber nach §. 88 Abs. 4 Nr. 7 Abs. 2 der Landgemeindeordnung vom 24. Juni 1891 außer der Unterschrift des Ortsvorstehers und der Bei-
drückung des Gemeindestegels auch der Unterschrift eines Schöffen (wogegen nach der entsprechenden Vorschrift der Landgemeinde-
Ordnung für Schleswig-Holstein die Unterzeichnung Seitens eines Schöffen nicht erforderlich ist). Der Bezugnahme auf einen Gemeindebeschluß oder der Genehmigung der Aufsichts behörde bedarf es dagegen nicht, „well die Jagdverpachtung dem Gemeindevorsteher ausschließlich überwiesen und keine An gelegenheit der Gemeinde ist", R.G. in Str. 26, 146, in der J.W. 1898 S. 98 Nr. 99, Obertr. 58, 50; 80, 245, Bauer Anm- 3 zu §. 10 des Jagdpolizeigesetzes. Die Vereinbarung über den Wildschaden bleibt aber auch ohne die Mitunter zeichnung rc. des Schöffen und ohne Beidrückung des Siegels gültig, weil sie der Schriftform überhaupt nicht bedarf (Anm. 5).
Zu Gutsbezirken ist der Gutsvorsteher die Gemeindebe
hörde, §§. 122 ff. der Landgemeindeordnungen v. 24. Juni 1891 und 4. Juli 1892.
In der Provinz Westfalen bilden der Ortsvorsteher und die Gemeindevertretung die Gemeindebehörde, Obertr. 68, 29; 76, 366; 68, 95, in Strieth. Arch. 67, 305; 93, 337, aber die Unterzeichnung des Jagdpachtvertrages kann wirksam nur von ihm in Gemeinschaft mit dem Amtmann erfolgen, §§. 3, 40, 65 der Landgemeindeordnung vom 19. März 1856. In der Rhein-
provinz wird die Gemeindebehörde nach der Landgemeindeord nung vom 23. Juli 1845 bezw. dem Ges. vom 15. Mai 1856
von dem Ortsvorsteher und dem Bürgermeister gebildet. In den Städten ist der Magistrat die Ortsbehörde, §. 56 der Städteordnungen vom 30. Mai 1853, 19. März 1856, in
der Rheinprovinz der Bürgermeister, §. 56 der Städteordnung vom 15. Mai 1856.
Betheiligt sich der Gemeindevorsteher selbst an der Jagd-
Pachtung,
so
ist
er
zur
Vertretung
der
Grundbesitzer
bei
Schließung des Vertrages und bei der Vereinbarung über den Wildschadensersatz nicht berechtigt, §. 181 B.G.B. (ebenso nach
bisherigem Recht,
Obertr. in Strieth. Arch. 80, 368, R.G.
in der Jur. Wochenschr. 1898 S. 97 Nr. 98, Reskript vom 20. Jan. 1864 im M Bl. f. d. um. V. S. 47). An seine Stelle
tritt einer der Gemeindeschöffen, §. 74 Abs. 2 der Landgemeinde-
124
Wildschadengesetz §. 2.
Ordnung vom 24. Juni 1891.
Eine Abweichung hiervon wäre
zwar an sich nach §. 181 B.G.B. mit Zustimmung der Ver tretenen zulässtg, die Gesammtheit der Grundbesitzer kann diese Zustimmung aber nicht ertheilen, weil ihr die Verfügung über die Jagd- und Wildschadensangelegenheiten entzogen ist. 5. Der Jagdpachtvertrag, der aus freier Hand oder öffent lich im Wege des Meistgebots, §. 10 J.P.G., im letzteren Falle auch unter Ausschließung auswärtiger Bieter, Min.-Erlaß vom
7. Nov. 1899, s. unten Anl. J, geschlossen werden darf, kann nach jetzigem Recht mit Rechtswirksamkeit nur schriftlich ge schlossen werden: Da nach §. 3 des Ges. vom 31. Okt. 1848 das Jagdrecht als ein Recht des Grundeigenthümers anerkannt und durch den §. 2 dess. Ges. die Trennung dieses Rechts vom
Grund und Boden für unzulässig erklärt ist, so ist die Jagd berechtigung ein mit dem Grundeigenthum verbundenes Recht, O.D.G. 4, 218, und bildet daher als solches nach §. 96 B.G.B. einen Bestandtheil und wegen seiner Untrennbarkeit nach §. 93 einen wesentlichen Bestandtheil des Grundstücks.
Der Jagd
pachtvertrag ist deshalb ein über Bestandtheile von Gmndstücken geschlossener Vertrag. Sein Gegenstand ist das Recht auf
Occupation des Wildes, also auf die Ausbeute, welche aus diesem Theil der Grundstücke seiner Bestimmung gemäß ge wonnen wird, mithin das Recht auf die Fruchtziehung, §. 99 Abs. 1 und 3 B.G.B., und da die entgeltliche Ueberlafsung des
Gebrauchs und des Fruchtgenusses auch an einem Recht (§. 581 Abs. 1 „Gegenstand", §. 595 B.G.B.) sich als Pachtvertrag dar
stellt, so ist der Jagdpachtvertrag ein regulärer Pachtvertrag über einen Grundstückstheil.
Ein das Grundstück oder einen
Theil desselben betreffender Pachtvertrag kann aber nach §§. 566, 581 Abs. 2 B.G.B. auf eine längere Zeit als auf ein Jahr
rechtswirksam nur schriftlich geschlossen werden.
Ein Vertrag,
durch welchen ein gemeinschaftlicher Jagdbezirk verpachtet wird, darf sich nach §. 10 Abs. 2 des Jagdpolizeigesetzes auf eine kürzere Zeit als auf drei Jahre nicht erstrecken; der mündlich
geschlossene Vertrag, der sonst auf ein Jahr gültig sein würde, ist daher überhaupt unwirksam, weil er auf ein Jahr nicht ge-
Wildschadengesetz §. L.
125
schloffen werden darf, s. auch Ministerial-Erlaß vom 15. Dez. 1900, s. unten Anl. K. (Die Frage war bisher zweifelhaft, das Obertr. in Strieth. Arch. 58, 156 hielt die schriftliche Abfassung für erforderlich, das O.D.G. 36, 356 hielt fie nicht für nöthig, für das Rheinische Recht hielt auch das R.G. 41, 348 den mündlichen Jagdpachtvertrag für rechtsgültig). — Eine nachträgliche Aenderung der Vereinbarung über den Schadensersatz ist nur unter Wiederholung der Formen des Abs. 2 zulässig, Bauer, Anm. zu §. 2. — Mehrere gemeinschaftliche Jagdpächter haften als Gesammtschuldner (solidarisch), tz. 427 B.G.B., es kann aber eine ab* weichende Verabredung getroffen werden. Im Fall der Gesammthaft haften die mehreren Pächter im Verhältniß zu einander zu gleichen Antheilen, wenn sie nichts Anderes ver einbart haben; der Pächter, der den Wildschaden ersetzt hat, hat daher in Ansehung der auf die andern Pächter entfallenden
Antheile einen Regreß gegen dieselben, §. 426 Abs. 2 B.G.B. —
Die Ansprüche aus dem Jagdpachtverhältniß können nur im ordentlichen Rechtswege geltend gemacht werden, in welchem allein über die Rechtswirksamkeit des Jagdpachtvertrags ent schieden werden kann, Ministerial-Erlasse vom 24. März 1898, 18. Mai und 4. Oktober 1901, s. unten Anl. E, L und N. 6. Der zweite Absatz des §. 2 verfolgt den Zweck, nach Möglichkeit die Wiedererstattung derjenigen Beträge zu sichern, welche die betheiligten Grundbesitzer in Gemäßheit des Abs. 1
für Wildschaden zu zahlen gehabt haben. Das Gesetz geht da von aus, daß die Gemeindebehörde der Regel nach bei Ver pachtung der Jagd in einem gemeinschaftlichen Jagdbezirke für die vollständige Wiedererstattung der zu zahlenden Wild schadensbeträge durch den Jagdpächter Sorge tragen werde. Es lassen sich aber auch Fälle denken, in denen die Jagdpächter
lieber eine höhere Pachtsumme zahlen, als jeden Wildschaden im Einzelnen ersetzen wollen. Auch kann die Festsetzung einer Pauschal-Entschädigungssumme unter Umständen für die Ge meinde vortheilhafter sein, als die Erstattung der einzelnen ge°
126
Wildschadengesetz §. 2.
zahlten Wildschadensbeträge. In allen Fällen nun, in welchen nicht die vollständige Wiedererstattung der zu entrichtenden Wildschadensbeträge durch den Jagdpächter ausbedungen ist, müssen die Jagdpachtverträge in ortsüblicher Weise bekannt gemacht und eine Woche lang ausgelegt werden. Sobald auch
nur von einem Nutzungsberechtigten innerhalb zwei Wochen nach dieser Auslegung Widerspruch erhoben wird, soll der Kreisausschuß (in Stadtkreisen der Stadtausschuß) endgültig entscheiden, ob die Verhältnisse es rechtfertigen, daß von der Ausbedingung des vollen Ersatzes durch den Jagdpächter ab gesehen wird. Die Gemeindebehörden haben demnach im Falle rechtzeitig erhobenen Widerspruchs die Jagdpachtverträge dem Kreisausschuß resp, dem Stadtausschuß zur Genehmigung vor
zulegen. Der letztere entscheidet alsdann über die Genehmigung nach eigenem Ermessen, ohne durch den Widerspruch in seinem Genehmigungsrechte beschränkt zu sein. (Vgl. oben