Das Vierte Reich: Der lange Schatten des Nationalsozialismus 3806241155, 9783806241150

Mai 1945: Das Dritte Reich ist untergegangen, aber das Vierte Reich wird kommen? Unmittelbar nach der deutschen Kapitula

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German Pages 448 [450] Year 2020

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Titel
Impressum
Inhalt
Vorwort
Einleitung
1. Zwischen Fantasie und Albtraum: Die Erfindung des Vierten Reiches im Dritten Reich
2. Von Werwölfen zu Demokraten: Das Vierte Reich unter alliierter Besatzung
3. Der Rechtsruck des Vierten Reiches: Die Renazifizierung Deutschlands in den 1950er-Jahren
4. Von Deutschland in die Vereinigten Staaten: Die Generalisierung Des Vierten Reiches in den turbulenten 1960er-Jahren
5. »Hitler in Argentinien!«: Die Fiktionalisierung Des Vierten Reiches in den langen 1970er-Jahren
6. Das Vierte Reich in der jüngeren deutschen Vergangenheit: Von der Wiedervereinigung bis zur Reichsbürgerbewegung
Schlussbetrachtung
Nachwort von Sven Felix Kellerhoff
Dank
Anmerkungen
Literatur
Abbildungsnachweis
Register
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Das Vierte Reich: Der lange Schatten des Nationalsozialismus
 3806241155, 9783806241150

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Gavriel D. Rosenfeld

Das Vierte Reich

Gavriel D. Rosenfeld

Das Vierte Reich Der lange Schatten des Nationalsozialismus

Mit einem Nachwort von Sven Felix Kellerhoff Aus dem Englischen von Claudia Kotte

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel The Fourth Reich. The Specter of Nazism from World War II to the Present by Cambridge University Press Die deutsche Ausgabe erscheint in Abstimmung mit Cambridge University Press © Gavriel D. Rosenfeld 2019

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. wbg Theiss ist ein Imprint der wbg © 2020 by wbg (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der wbg ermöglicht. Lektorat: Dirk Michel, Mannheim Satz: TypoGraphik Anette Bernbeck, Gelnhausen Umschlaggestaltung: Vogelsang Design, Aachen Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-8062-4115-0 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-8062-4203-4 eBook (epub): 978-3-8062-4204-1

Inhalt Vorwort 6 Einleitung 10 1. Zwischen Fantasie und Albtraum: Die Erfindung des Vierten Reiches im Dritten Reich

31

2. Von Werwölfen zu Demokraten: Das Vierte Reich unter alliierter Besatzung

73

3. Der Rechtsruck des Vierten Reiches: Die Renazifizierung Deutschlands in den 1950er-Jahren

132

4. Von Deutschland in die Vereinigten Staaten: Die Generalisierung Des Vierten Reiches in den turbulenten 1960er-Jahren

190

5. »Hitler in Argentinien!«: Die Fiktionalisierung Des Vierten Reiches in den langen 1970er-Jahren

228

6. Das Vierte Reich in der jüngeren deutschen Vergangenheit: Von der Wiedervereinigung bis zur Reichsbürgerbewegung

284

Schlussbetrachtung 334 Nachwort von Sven Felix Kellerhoff

348

Dank 352 Anmerkungen 353 Literatur 424 Abbildungsnachweis 440 Register 441 5

Vorwort

E

Was für ein Mensch würde schon über etwas schreiben, von dem er weiß, dass es nicht existiert?

Philip K. Dick

s gibt kein Viertes Reich. Es gab noch nie eines. Warum also sollte irgendjemand eine historische Studie darüber schreiben? Die Frage von Philip K. Dick impliziert, der Autor einer solchen Studie müsse so etwas wie ein Realitätsverweigerer sein. Ich halte mich nicht für eine solche Person. Trotzdem fasziniert mich die Vorstellung des Vierten Reiches seit Langem. Sie begegnete mir zum ersten Mal, als ich meine Bücher The World Hitler Never Made: Alternate History and the Memory of Nazism (2005) und Hi Hitler! How the Nazi Past is Being Normalized in Contemporary Culture (2015) schrieb. Beide beschäftigten sich mit dem Thema kontrafaktischer Geschichte – mit »Was wäre, wenn?«-Erzählungen über das Dritte Reich. Bei den Recherchen zu diesen Büchern stieß ich gelegentlich auf literarische Werke, Filme und Fernsehsendungen, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg eine Rückkehr der Nationalsozialisten an die Macht und die Gründung eines »Vierten Reiches« vorstellten. Damals beschäftigte ich mich nicht näher mit diesem Szenario, da es außerhalb meines Themenschwerpunkts lag. Es untersuchte nicht so sehr, was in der Vergangenheit hätte geschehen können, sondern was in Zukunft noch geschehen könnte. Allmählich wurde mir jedoch klar, dass das Vierte Reich eine lange Geschichte hat. Im Lauf des letzten Jahrzehnts fiel mir auf, wie das Konzept immer wieder in Medienberichten über aktuelle Ereignisse auftauchte. Nach dem Ausbruch der Weltfinanzkrise 2008 warfen europäische Kommentatoren der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel vor, mit ihrem Spardiktat den übrigen EU-Ländern ein Viertes Reich aufzuzwingen. Linke politische Aktivisten diffamierten die israelische Regierung wegen ihrer Militäraktionen in Gaza und Libanon als Viertes Reich. Und amerikanische 6

Vorwort

Kommentatoren schlugen Alarm, als Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde, da sie die Schaffung eines Vierten Reiches befürchteten. Angesichts all dieser Trends wurde ich neugierig, warum Kritiker ihre politischen Ängste auf derart polemische Weise artikulierten, und begann, die Ursprünge des Vierten Reiches als Begriff zu erforschen. Schnell wurde mir klar, dass es eine lange und komplexe Geschichte hat. Die Angst vor einer Rückkehr der Nationalsozialisten an die Macht war im politischen, geistigen und kulturellen Leben der Nachkriegszeit des Westens ständig präsent. Eine historische Analyse dieser Angst ist kompliziert, denn sie versetzt uns in die schwierige Lage, ein Urteil über Menschen zu fällen, die nicht wissen konnten, ob ihre Sorgen berechtigt waren oder nicht. Aus der Rückschau können die Ängste der Nachkriegszeit vor einer Rückkehr der Nationalsozialisten an die Macht leicht übertrieben erscheinen. Wer in den ersten Nachkriegsjahren lebte, hatte jedoch keine Ahnung, wie sich die Zukunft entwickeln würde. Sich in die Köpfe dieser Menschen zu versetzen, sich trotz unseres späteren Wissens mit ihren Ängsten zu identifizieren, ist eine Herausforderung. Aber sie ist machbar. Wir alle wurden zu irgendeinem Zeitpunkt unseres Lebens zu Geiseln der Angst. Ich denke an meine Kindheit in der ländlichen Idylle der Universitätsstadt Bloomington (Indiana) zurück. Im Sommer 1983 kehrte ich von einem einmonatigen Aufenthalt im Ferienlager zurück, um von meinen Eltern die schockierende Nachricht zu erhalten, dass unsere örtliche Synagoge einem Brandanschlag zum Opfer gefallen war. Unbekannte hatten am Fuß des Thoraschreins Feuer gelegt, das sich im gesamten Raum ausbreitete. Obwohl es gelöscht werden konnte, entstand ein Schaden von mehreren Zehntausend Dollar.1 Ohne einen entscheidenden Hinweis auf die Täter blieb ein Gefühl des Unbehagens zurück. Ein Jahr später, im Oktober 1984, gab es einen weiteren Schock: Das jüdische Gemeinschaftshaus auf dem Campus der Indiana University, weniger als zehn Gehminuten von unserem Haus entfernt, wurde in Brand gesteckt; ein Student kam ums Leben, 34 weitere wurden verletzt.2 Da mein Vater Professor für Holocaust-Literatur und Leiter des Jewish-Studies-Programms der Universität war, war ich mir der Geschichte des Antisemitismus sehr wohl bewusst und davon überzeugt, uns stehe eine Welle antijüdischer Gewalt bevor. Meine Bedenken zerstreuten 7

Vorwort

sich ein wenig, als sich herausstellte, dass der Attentäter des Angriffs auf das Gemeinschaftshaus in dieser Nacht betrunken und in eine Schlägerei verwickelt gewesen war und eher aus Rache als aus antisemitischen Motiven gehandelt hatte.3 Meine Bedenken schienen sich jedoch zu bestätigen, als das FBI Mitglieder einer weißen Rassistengruppe wegen des Angriffs auf die Synagoge verhaftete.4 Glücklicherweise wurden sie schnell vor Gericht gestellt und die Gefahr wurde somit neutralisiert. Schon bald wurde mir klar, dass meine Ängste vor einer Welle des Antisemitismus übertrieben gewesen waren. Die Konstellation der örtlichen Ereignisse war ein zufälliges Zusammentreffen und kein Vorbote gewesen. Mein Wissen über die tragische jüdische Vergangenheit hatte meinen Blick auf die Zukunft verstellt. Seit diesen frühen Erfahrungen nehme ich die Widersprüche des historischen Gedächtnisses sehr genau wahr. Einerseits bin ich mir der berühmten Behauptung von George Santayana bewusst, dass diejenigen, die die Geschichte vergessen, dazu verdammt sind, sie zu wiederholen. Andererseits bin ich mir auch der Beobachtung von Otto Friedrich bewusst, dass »diejenigen, die die Vergangenheit nicht vergessen können, dazu verurteilt sind, sie misszuverstehen«.5 So, wie wir nicht allzu naiv sein sollten, was eine mögliche Wiederkehr historischer Bedrohungen betrifft, so sollten wir auch nicht übertrieben schwarzsehen. Das ist eine Mahnung, die dieser Tage besonders schwer zu befolgen ist. Wir leben in einer Zeit allgegenwärtiger Ängste – vor wirtschaftlicher Instabilität, sozialen Verwerfungen, politischen Umwälzungen und kulturellen Konflikten. Das Aufeinanderprallen von Globalisten und Nationalisten, der potenzielle »Kampf der Kulturen« zwischen der westlichen und der muslimischen Welt, ein wiederauflebender autoritärer Populismus, die mögliche Rückkehr des Faschismus – das alles hat unsere Vorstellungen von einer gemeinsamen Zukunft zutiefst erschüttert. Da wir nicht wissen, wie sich die Dinge entwickeln werden, ziehen wir es vor, auf Nummer sicher zu gehen und uns auf die »Lehren« der Vergangenheit zu berufen, um vor ihrer Wiederkehr auf der Hut zu sein. Der Zeitpunkt ist also gut gewählt, um die Reaktionen früherer Generationen auf ihre eigenen Ängste noch einmal Revue passieren zu lassen und die Nachkriegsgeschichte eines Albtraums zu analysieren, der nie stattfand: die Entstehung eines Vierten Reiches. Vielleicht ist es tröstlich, zu wissen, dass die Menschen vor nicht allzu langer Zeit durch Ängste gelähmt waren, 8

Vorwort

die sich als unbegründet erwiesen. Vielleicht werden auch wir eines Tages auf unsere heutigen Ängste zurückblicken und kleinlaut zugeben, dass wir uns umsonst Sorgen gemacht haben. Andererseits macht uns eine Untersuchung des Vierten Reiches bewusst, dass die Nachkriegsängste vor einer Rückkehr der Nationalsozialisten an die Macht auch auf realen Gefahren beruhten – Gefahren, die unter etwas anderen Umständen hätten Wirklichkeit werden können. Dieses Buch zeigt, wie Kontingenz die Geschichte bestimmen kann – denn sie erinnert uns daran, dass der Verlauf der Geschichte keineswegs zwangsläufig war –, und warnt so vor Selbstgefälligkeit. Es zeigt, wie unsere schlimmsten Ängste Fiktion blieben, und warnt so vor Hysterie. Es untersucht, wie Menschen in der Vergangenheit mit Ängsten zu kämpfen hatten, und zeigt so, wie sie mit Ängsten in der Gegenwart umgehen können.

9

Einleitung Die Wälder des Taunus wurden von einer dunklen Menschenmenge überflutet ... Nach Einbruch der Dunkelheit flackerten in regelmäßigen Abständen Feuer entlang des Hügels auf. Jedes Mal, wenn ein neues Licht die Dunkelheit durchdrang, dröhnten Tausende von Lautsprechern: »Das Ziel ist in Sicht.« Viele waren in »festliche Hirtengewänder« gekleidet und trugen prunkvolle Abzeichen. Zahlreiche Uniformen ähnelten denen der ehemaligen Wehrmacht, nur dass das Hakenkreuz durch einen Hirtenstab mit einem Band ersetzt worden war, dessen Enden von Taubenschnäbeln gehalten wurden. Zehn Minuten vor Mitternacht erschien Friedolin auf einer Lichtung, auf der ein Holzstapel vorbereitet worden war. Er wurde begleitet von den Hirten, fünf Generalfeldmarschällen, zwei Großadmiralen und einem General der Luftwaffe ... Auf der Lichtung warteten einige Hundert Ehrengäste – Deutsche und Ausländer ... Ein Generalfeldmarschall hielt ein silbernes Mikrofon. Tausende von Lautsprechern übertrugen Friedolins gellenden Schrei: »Das Vierte und Ewige Reich ist in Sicht!« Dann ging der Holzstapel auf der Lichtung in Flammen auf. Die Menschenmasse brüllte; die Macht braute sich wie eine Gewitterwolke zusammen.1

A

ls sich der Zweite Weltkrieg im Herbst 1944 seinem Ende zuneigte, veröffentlichte der in den USA lebende österreichische Schriftsteller Erwin Lessner den dystopischen Roman Phantom Victory, der einer wachsenden Angst vieler Menschen im englischsprachigen Raum Ausdruck gab. Der Roman spielt in den Jahren 1945–1960, in seinem Mittelpunkt steht ein einfacher, aber charismatischer Hirte namens Friedolin, der Adolf Hitler als neuen Führer Deutschlands ablöst und das Land in einen erneuten Kampf um die Weltmacht führt. Phantom Victory spiegelte die wachsende Sorge wider, die Gefahren der jüngsten Vergangenheit könnten sich in naher Zukunft wiederholen. Zum Zeitpunkt seines Erscheinens trieben die Alliierten die Wehrmacht rasch wieder auf deutschen Boden zurück. Das Ende des 10

Einleitung

Romans deutet allerdings darauf hin, dass militärische Stärke allein kein Garant für einen endgültigen Sieg sein könne. Wenn die Alliierten nicht wachsam blieben und ein Wiederaufleben nationalsozialistischen Gedankenguts verhinderten, könnte sich die bevorstehende Niederlage des Dritten Reiches als Schimäre – als »Phantomsieg« – erweisen und den Aufstieg eines noch tödlicheren Vierten Reiches nach sich ziehen. Als einer der ersten artikulierte Lessners Roman eine Angst, die über der gesamten Nachkriegszeit lag. Seit dem Zusammenbruch des Dritten Reiches 1945 geht ein Gespenst im Westen um – das Gespenst eines wiedererstarkenden Nationalsozialismus. In Europa und Nordamerika besteht noch immer die Angst, unbeirrbare Nazis könnten erneut an die Macht kommen und ein Viertes Reich gründen. Diese Ängste kommen nicht nur in Romanen wie dem von Lessner, sondern auch in politischen Jeremiaden, journalistischen Enthüllungsgeschichten, Mainstreamfilmen, Primetimesendungen und beliebten Comics zum Ausdruck. Sie malten sich eine Reihe von Gefahren aus – Staatsstreiche, Terroranschläge und militärische Invasionen –, die von unterschiedlichen Orten ausgingen ‒ unter anderen in Deutschland, Lateinamerika und den Vereinigten Staaten. Die Angst vor einem Vierten Reich schwankte im Lauf der Jahre, nahm in bestimmten Phasen zu und ebbte in anderen ab. Doch der imaginierte Albtraum trat nie ein. Die Aussicht auf ein wiederbelebtes Reich ist bislang eine Fiktion geblieben. Eine Untersuchung der Geschichte des Vierten Reiches mag auf den ersten Blick sinnlos erscheinen. Schließlich wird Geschichte allgemein als die Dokumentation und Interpretation von tatsächlich eingetretenen Ereignissen verstanden. Doch wie Hugh Trevor-Roper vor über einer Generation beredt bemerkte, »ist Geschichte nicht nur das, was geschah: Es ist das, was im Zusammenhang mit dem, was hätte geschehen können, geschah.«2 Fakt ist, dass in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg kein Viertes Reich entstand. Aber hätte es entstehen können? Kann die Reflexion über eine solche kontrafaktische Frage uns etwas über die reale Geschichte lehren? Durchaus, wie ich in diesem Buch zu zeigen hoffe. Aus heutiger Sicht erscheinen die Ängste der Nachkriegszeit vor einem Vierten Reich maßlos übertrieben. Deutschland glitt nach 1945 nicht in eine Diktatur ab, sondern wurde zu einer stabilen Demokratie. Es ist deshalb völlig angemessen, die deutsche Nachkriegsgeschichte als Erfolgsgeschichte 11

Einleitung

zu betrachten. Diese Sicht läuft jedoch Gefahr, die Demokratisierung des Landes als mehr oder weniger unvermeidlich darzustellen. Sie impliziert, dass ein Viertes Reich dazu bestimmt war, ein unerfüllter Albtraum zu bleiben. Inwieweit diese Behauptung der Wahrheit entspricht, ist schwer zu sagen. Bislang gibt es wenig seriöse Forschung zum Thema Viertes Reich. Unter Historikern besteht deshalb weitgehende Unkenntnis über seine komplexe Nachkriegsgeschichte. Historiker haben im Allgemeinen verkannt, dass ein drohendes neues Reich in jeder Phase des Bestehens der Bundesrepublik in der gesamten westlichen Welt Ängste auslöste. Sie haben es versäumt, die Gründe für diese Ängste zu untersuchen. Und sie haben es versäumt, die Frage zu stellen – oder gar zu beantworten –, ob diese Ängste auf Fakten beruhten. Dieses Versäumnis ist besonders problematisch, denn nach 1945 gab es nicht wenige Vorfälle, bei denen nationalsozialistische Gruppen, die sich eine Rückkehr an die Macht erhofften, eine ernste Gefahr in Deutschland darstellten. All diese Versuche verliefen letztlich im Sand. Aber es lohnt sich, zu untersuchen, ob sie hätten gelingen können. Wenn wir diese Vorfälle noch einmal durchspielen und uns Szenarien vorstellen, in denen sie sich möglicherweise anders entwickelt hätten, können wir die Berechtigung der Nachkriegsängste besser beurteilen. Betrachten wir die Geschichte dessen, was hätte passieren können, können wir außerdem die Erinnerung an das tatsächliche Geschehen besser verstehen. Die Entwicklung der Idee eines Vierten Reiches im Geistes- und Kulturleben der Nachkriegszeit des Westens zeigt, wie sich Menschen an die zwölfjährige Geschichte des Dritten Reiches erinnern. Diese Entwicklung spiegelt jedoch nicht nur wider, wie sich die Menschen passiv an die Ereignisse der Vergangenheit erinnert haben. Sie zeigt, wie sie diese Erinnerungen aktiv zur Gestaltung der Zukunft genutzt haben. Die Angst vor einer Rückkehr der Nationalsozialisten an die Macht befeuert seit Langem die öffentlichen Bemühungen zur Verhinderung eines solchen Ereignisses. Die Angst hat die Menschen aufgerüttelt, ein Wiederaufleben des Nationalsozialismus nicht nur in Deutschland, sondern weltweit zu verhindern. Im Lauf der Nachkriegszeit hat sich das Vierte Reich zu einer globalen Chiffre für einen wiederaufflammenden Nazismus und Faschismus entwickelt. Der Gedanke fungiert dabei wie eine umgekehrte sich selbst erfüllende Prophezeiung. Seine Existenz in der Ideenwelt hat die Menschen zur Wachsamkeit ge12

Das Vierte Reich historisieren

mahnt und so seine Verwirklichung in der realen Welt verhindert. Um dieses Paradoxon zu erkennen und zu begreifen, wie ein Gespenst die Nachkriegsgeschichte geprägt hat, ist es notwendig, die Ursprünge und die Entwicklung des Vierten Reiches im Bewusstsein des Westens zu untersuchen.

Das Vierte Reich historisieren Da es bislang wenig systematische Forschung über das Vierte Reich gibt, sind die meisten Menschen durch schlagzeilenträchtige Meldungen in den Massenmedien mit dem Thema in Berührung gekommen. Seit Jahrzehnten, vor allem aber seit der Jahrtausendwende, warnen europäische Zeitungen von Spanien bis Russland vor einem Vierten Reich – und keine häufiger als britische Boulevardzeitungen, die regelmäßig Geschichten mit reißerischen Schlagzeilen wie »MI5-Akten: Nazis planten ›Viertes Reich‹ in Nachkriegseuropa« und »Anbruch des Vierten Reiches: Warum Geld neue Ängste vor einer deutschen Dominanz in Europa schürt« veröffentlichten.3 Ähnliche Geschichten sind vor allem seit der Wahl von Donald Trump 2016 in der amerikanischen Presse zu beobachten; ein Journalist hat unlängst dramatisch erklärt, die Bemühungen linker »Antifa«-Gruppen zur Bekämpfung der »Alt-Right«-Bewegung seien Teil einer größeren Kampagne zur »Verhütung ... eines Vierten Reiches«.4 Diesen sensationsheischenden Trend befördert haben nichtwissenschaftliche Studien, die die Vorstellung eines Vierten Reiches mit verschiedenen globalen Verschwörungen in Verbindung gebracht haben. Bücher wie Jim Marrs’ The Rise of the Fourth Reich: The Secret Societies That Threaten to Take Over America (2008) und Glen Yeadons The Nazi Hydra in America: Suppressed History of a Century – Wall Street and the Rise of the Fourth Reich (2008) haben haarsträubende Behauptungen aufgestellt und wenig dafür getan, dem Anspruch des Themas auf Wissenschaftlichkeit gerecht zu werden.5 Die starke Zunahme solch sensationsheischender Texte ist ein Grund dafür, dass Historiker eine wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Vierten Reich gescheut haben. Das soll nicht heißen, dass sie sich ihr gänzlich entzogen haben. Tatsächlich haben Wissenschaftler und andere Autoren 13

Einleitung

Monografien, Zeitschriftenaufsätze und Gastkommentare mit plakativen Überschriften publiziert, in denen der Ausdruck »Das Vierte Reich« an prominenter Stelle erscheint.6 Doch nach diesem verheißungsvollen Auftakt haben diese Werke es in der Regel versäumt, den Gedanken tiefer gehend zu erklären und zu zeigen, wie er wahrgenommen, verwendet und instrumentalisiert wurde. An ähnlichen Mängeln kranken wissenschaftliche Studien, die den Gedanken des Vierten Reiches zwar erwähnen, aber nicht ausreichend definieren. In ihrem Buch A History of Germany 1918–2008 behauptet Mary Fulbrook zum Beispiel: »Viele Deutsche sahen die Besatzung durch die Alliierten als ›Viertes Reich‹, das nicht besser als das Dritte war.«7 Ähnlich erklärt Magnus Linklater in seiner Studie The Nazi Legacy, nach 1945 habe »das deutsche Volk, völlig erschöpft von Krieg und Politik, nur ans Überleben gedacht: ein Kilo Kartoffeln ... war wichtiger als Träume von einem Vierten Reich.«8 In diesen beiden Passagen kommen sehr unterschiedliche Auffassungen eines Vierten Reiches zum Ausdruck, doch da sie das Konzept nicht weiter vertiefen, bleibt seine Bedeutung unklar.9 Erschwerend kommt hinzu, dass manche Historiker den Begriff grundsätzlich ablehnen. In seinem Buch The Third Reich at War erklärt Richard Evans rundheraus: »die Geschichte wiederholt sich nicht. Es wird kein Viertes Reich geben.«10 Ähnlich tat Roger Griffin in The Nature of Fascism »Ängste ... [vor] einem Vierten Reich in Deutschland« als »hysterisch« ab.11 Und in The Spirit of the Berlin Republic kam Dieter Dettke zu dem Schluss: »[E]s ist unvorstellbar, dass die Berliner Republik je zu einem Vierten Deutschen Reich wird.«12 Diese lapidaren Reaktionen sind angesichts der sensationsgierigen Beschwörungen des Begriffs verständlich. Da sie ihm allerdings jegliche Ernsthaftigkeit absprechen, verhindern sie Bemühungen, seiner tieferen Geschichte auf den Grund zu gehen. Angesichts der mangelnden Theoretisierung und ungenügenden Dokumentation des Vierten Reiches ist es höchste Zeit für eine Historisierung. Diese erfordert eine Klärung der Herkunft des Begriffs und ein Nachzeichnen seiner Entwicklung im geistigen, politischen und kulturellen Diskurs des Westens. Dabei ist zu untersuchen, welche Erscheinungsformen das Vierte Reich in der Vorstellung von Intellektuellen, Politikern, Journalisten, Schriftstellern und Filmemachern angenommen hat. Es gilt zu klären, wie 14

Das Vierte Reich als Symbol

die Entwicklung der Idee breitere politische und kulturelle Kräfte widerspiegelt. Und es gilt zu verstehen, wie der Begriff mit umfassenderen Fragen der Geschichte und der Erinnerung verknüpft ist.

Das Vierte Reich als Symbol Der erste Schritt zur Historisierung des Vierten Reiches besteht in der Erkenntnis, dass es sich um einen semantisch vieldeutigen Begriff handelt.13 Auf der elementarsten Ebene ist das Vierte Reich ein sprachliches Symbol – ein Ausdruck, der mithilfe einer Beschreibung oder einer Andeutung Bedeutung in Bezug auf eine externe Instanz vermittelt.14 Das Vierte Reich ist auch eine Metapher, ein Ausdruck, der wörtlich eine Sache bedeutet, im übertragenen Sinn allerdings etwas anderes meint. Vor allem ist das Vierte Reich ein Slogan. Es ist ein höchst rhetorischer Bedeutungsträger, der einen aufmerksamkeitsheischenden Ausdruck verwendet, um zu informieren und zu überzeugen. Er kann eine Absichtserklärung oder ein Reizwort, positiv oder negativ besetzt sein, aber er verwandelt komplexe soziale und politische Ideen in einfachere Begriffe. Auf diese Weise liefert ein Slogan Menschen mit unterschiedlichen politischen Ansichten eine Losung und schafft Solidarität. Gleichzeitig kann ein Slogan auch den Widerstand andersdenkender Gruppen schüren und so die Gräben in der Gesellschaft vertiefen.15 Von seinen Anfängen bis heute weist das Vierte Reich fast alle dieser Eigenschaften auf. Als allgegenwärtiges Symbol, Metapher und Slogan der Nachkriegszeit zeichnet es sich seit Langem durch seine Vieldeutigkeit aus. Dies gilt insbesondere im zeitlichen Sinn. Als Begriff wurde das Vierte Reich meist verwendet, um auf die Zukunft zu verweisen – auf eine noch kommende Realität. Es wurde allerdings auch zur Beschreibung der Gegenwart verwendet – einer Realität, die (angeblich) bereits angebrochen ist. Auch in räumlicher Hinsicht ist das Vierte Reich vieldeutig. Der Begriff wurde zumeist für ein zukünftiges oder gegenwärtiges Deutschland verwendet, kann aber auch andere Länder bezeichnen. In beiderlei Hinsicht – in zeitlicher wie räumlicher – hat das Vierte Reich sowohl denotative als auch konnotative Bedeutung. Es wurde im Wortsinn, symbolisch und metaphorisch verwendet, um eine aktuelle oder zukünftige Realität – sei sie demokratisch 15

Einleitung

oder totalitär – an verschiedenen Orten zu beschreiben. Es wurde auch rhetorisch verwendet, um verschiedene Sichtweisen dieser Realität aufzurufen. Diese Sichtweisen waren positiver wie negativer Art und artikulierten sowohl Fantasien als auch Ängste. In beiden Fällen hat die Vorstellung des Vierten Reiches Unterstützung gefunden, ist aber auch auf Ablehnung gestoßen. Damit hat sie Millionen von Menschen in Deutschland und auf der ganzen Welt zu Anhängern oder Gegnern gemacht. Aus all diesen Gründen ermöglicht eine Spurensuche der Geschichte des Vierten Reiches einen tieferen Einblick in eine der wirkmächtigeren, wenn auch zu wenig untersuchten Ideen der Nachkriegszeit.

Das Vierte Reich und die deutsche Nachkriegsgeschichte Eine Historisierung des Vierten Reiches eröffnet neue Perspektiven auf die deutsche Nachkriegsgeschichte. Sie ist besonders nützlich, um die wichtigste »Meistererzählung« der Bundesrepublik zu überdenken. Wissenschaftler haben die deutsche Nachkriegsentwicklung im Allgemeinen als Erfolgsgeschichte dargestellt16 und diesen Erfolg auf verschiedene Faktoren zurückgeführt, darunter die auf Wiederaufbau ausgerichtete Besatzungspolitik der westlichen Alliierten, den durch das Wirtschaftswunder erzeugten Wohlstand, die Stabilität der von Bundeskanzler Konrad Adenauer verfolgten Westbindung und die heilsamen Auswirkungen einer allgemeinen »Modernisierung« des Landes. Politiker sind seit Langem davon überzeugt, dass Deutschland dank dem Zusammentreffen verschiedener Faktoren zu einem leuchtenden Vorbild wurde – allen voran Bundeskanzler Helmut Schmidt, der 1976 den berühmten Wahlkampfslogan vom »Modell Deutschland« prägte.17 Das Narrativ »Erfolgsgeschichte« wurde auch in Museen wie dem Haus der Geschichte in Bonn institutionalisiert, dessen Dauerausstellung eine unmissverständliche Geschichte des Fortschritts von der Diktatur zur Demokratie präsentiert.18 Trotz dieses Konsenses bleiben einige Fragen jedoch umstritten. Wissenschaftler sind sich uneins, wann sich Deutschland nach dem Krieg endgültig stabilisierte; Konservative verweisen auf die Mitte der 1950er-Jahre, Linke auf die liberale »zweite Gründung« des Landes in 16

Das Vierte Reich und die deutsche Nachkriegsgeschichte

den 1960er- und 1970er-Jahren.19 Weitgehend Einigkeit besteht jedoch, dass der Erfolg des Landes mit der deutschen Wiedervereinigung in den Jahren 1989–1990 besiegelt war. Zu diesem Zeitpunkt ging der deutsche Sonderweg schließlich zu Ende.20 Am Narrativ »Erfolgsgeschichte« ist grundsätzlich nichts auszusetzen, es hat dem Erfolg der Bundesrepublik allerdings manchmal den Schein der Unabwendbarkeit verliehen. Wenige Historiker haben dies explizit so formuliert, doch die Tendenz, die Demokratisierung des Landes als ununterbrochenen Fortschritt darzustellen, macht die These anfällig für bestimmte interpretatorische Fallstricke.21 Ein mögliches Problem sind Rückschaufehler oder hindsight bias. Dieser verbreitete Trugschluss nutzt unser Wissen über den Ausgang eines historischen Ereignisses, um es als überdeterminiert und im Wesentlichen unvermeidlich darzustellen; dabei reproduziert er die bekannten Probleme, die mit einem teleologischen Geschichtsverständnis oder einer Whig-Historiografie verbunden sind.22 Ein solches Beispiel ist die Rede von Bundespräsident Horst Köhler aus dem Jahr 2005, in der er den »Erfolg« der »demokratische[n] Ordnung« der Nachkriegszeit lobte. Seine Bilanz – »Im Rückblick zeigt sich: Alle diese Entscheidungen waren richtig«23 – war eindeutig von einem Rückschaufehler geprägt. Rückschaufehler stehen in engem Zusammenhang mit der ebenso problematischen Erzählstrategie des Backshadowing, bei dem historische Ereignisse, Entscheidungen und Phänomene so dargestellt und vor allem bewertet werden, als schritten sie unaufhaltsam zu unvermeidlichen Ergebnissen voran, die für Zeitgenossen hätten sichtbar »sein sollen«.24 Diese beiden Fallstricke hängen mit dem größeren Problem des »Präsentismus« zusammen.25 Die Tendenz, die Vergangenheit ausschließlich aus dem Blickwinkel der Gegenwart zu betrachten, bringt unweigerlich Verzerrungen der historischen Perspektive mit sich. Sie fördert deterministisches Denken, ignoriert die Existenz alternativer Entwicklungen und versäumt es, sich alternative Geschichtsverläufe vorzustellen. In den letzten Jahren haben Historiker auf die vom Präsentismus geprägten Merkmale der Meistererzählung der deutschen Nachkriegszeit aufmerksam gemacht – und dies bezeichnenderweise aufgrund wichtiger Veränderungen in der aktuellen deutschen Lebenswirklichkeit. Das Erfolgsnarrativ erreichte in den Jahren vor und unmittelbar nach der deutschen Wieder17

Einleitung

vereinigung im Jahr 1990 seinen Höhepunkt – in einer Zeit, in der viele Deutsche die Nachkriegsentwicklung ihres Landes mit ungetrübtem Stolz betrachteten.26 Seit der Jahrtausendwende haben allerdings neue Sorgen angesichts wirtschaftlicher Stagnation, sozialen Abstiegs und kultureller Anomie Wissenschaftler dazu bewogen, das Narrativ »Erfolgsgeschichte« infrage zu stellen. Einige haben darauf gedrängt, die »Mythen« und »Schattenseiten« der Nachkriegszeit kritisch zu beleuchten.27 Andere haben die scheinbare Selbstverständlichkeit des deutschen Erfolgs beklagt und gefordert, den Schein der Unabwendbarkeit zu hinterfragen.28 Wieder andere haben die Paradigmen der »Verwestlichung«, »Modernisierung« und »Demokratisierung« als eine übertriebene Form der Whig-Historiografie kritisiert.29 Aus Sicht dieser Kritiker musste keine Errungenschaft der deutschen Nachkriegszeit zwangsläufig so eintreten. »[D]ie Verlaufsgeschichte der alten Bundesrepublik [war] eben kein Selbstläufer«, wie ein Beobachter erklärt hat.30 Doch während Historiker alternative Wege der deutschen Nachkriegsentwicklung eingeräumt haben, haben nur wenige untersucht, wie sich die Geschichte tatsächlich hätte entwickeln können. Nur wenige haben ausführlich darüber spekuliert, welche konkreten Alternativen es gab. Noch weniger haben sich gefragt, was ihre Folgen gewesen wären. Hätten andere Entscheidungen die Lage besser – oder schlimmer – gemacht?

Kontrafaktische Geschichte Um diese spekulativen Fragen zu beantworten, ist kontrafaktisches Denken hilfreich. In den letzten Jahren haben sich Geistes- und Sozialwissenschaftler in ihrer Forschung zunehmend mit »Was wäre, wenn?«-Fragen beschäftigt. Sie haben umfassende »kontrafaktische Szenarien im Langformat« entwickelt, um Spekulationen über so unterschiedliche Themen wie Darwins Evolutionstheorie, den Ersten Weltkrieg und den Holocaust anzustellen.31 Sie haben »kontrafaktische Szenarien mittlerer Länge« in Darstellungen des Aufstiegs des Westens, der Aufklärung und der Diktatur Josef Stalins eingeflochten.32 Und sie haben knappe »kontrafaktische Szenarien im Kurzformat« zu einer Vielzahl anderer Themen entwickelt. Wissenschaftler haben 18

Kontrafaktische Geschichte

dabei eine Sicht hinterfragt, nach der sich Geschichte nur auf tatsächlich geschehene Ereignisse bezieht, und haben stattdessen Ereignisse untersucht, die nie stattgefunden haben. Sie haben »Fantasieszenarien« entwickelt, um zu zeigen, wie die Dinge hätten besser verlaufen können; sie haben »Albtraumszenarien« durchgespielt, um zu zeigen, wie die Dinge hätten schlechter ausgehen können; und sie haben sich »Stillstandsszenarien« ausgemalt, um zu zeigen, wie die Geschichte letztlich so ablaufen musste, wie sie es tat. Bei all diesen Überlegungen haben sie verschiedene rhetorische Strategien gewählt, um Leser von der Plausibilität ihrer Szenarien zu überzeugen. Sie haben kausale, emotive, zeitliche, räumliche, existenzielle und manieristische kontrafaktische Überlegungen angestellt, um ihre Leser sowohl emotional als auch rational anzusprechen.33 Diese neuere Forschung macht deutlich, dass kontrafaktisches Denken für ein Verständnis historischer Kausalität unerlässlich ist. Jeder hergestellte Kausalzusammenhang enthält bereits ein Kontrafakt: Wenn wir zum Beispiel sagen: »x führte zu y«, unterstellen wir implizit, dass »y nicht ohne x eingetreten wäre«.34 Kontrafaktische Überlegungen können uns außerdem helfen, zwischen verschiedenen Kausalitätsebenen zu unterscheiden: zwischen unmittelbaren, mittelbaren und entfernten, zwischen außergewöhnlichen und allgemeinen sowie zwischen notwendigen und hinreichenden Ursachen.35 Gewiss kann es schwierig sein, zwischen der relativen Bedeutung solcher Ursachen zu unterscheiden, doch wie Max Weber vor mehr als einem Jahrhundert erklärt hat, können wir die Bedeutung eines einzelnen Faktors für die Entstehung eines historischen Ereignisses nur bestimmen, wenn wir Ersteres in unserer Vorstellung eliminieren (oder ändern) und darüber spekulieren, wie sich dies auf Letzteres auswirken würde.36 Wenn wir die Beziehung zwischen Ereignissen aufdecken, die tatsächlich und niemals stattgefunden haben, helfen uns Kontrafakte, den jeweiligen Einfluss von Kontingenz und Determinismus in historischen Ereignissen zu bestimmen. Kontrafakte gestatten uns, teleologische Geschichtsauffassungen – insbesondere die verzerrenden Folgen von Rückschaufehlern und Backshadowing – zu überdenken und alternative Geschichtsverläufe aufzuzeigen.37 Letztlich bietet kontrafaktische Geschichte Historikern auf der Suche nach dem flüchtigen Ideal historischer Wahrheit einen neuen und wichtigen Pfeil in ihrem methodischen Köcher. Skeptiker mögen bezweifeln, ob die Erforschung von 19

Einleitung

nie eingetretenen Ereignissen uns diesem Ideal näherbringen kann. Doch wie schon John Stuart Mill vor langer Zeit betonte, gewinnen wir eine »deutlichere Wahrnehmung und den lebhafteren Eindruck des Richtigen, der durch den Widerstreit mit dem Irrtum entsteht«.38 Ähnlich können wir das tatsächliche Geschehen in der Vergangenheit besser verstehen, wenn wir es mit dem vergleichen, was hätte passieren können. Diesen unkonventionellen Weg einzuschlagen, ist nicht nur lohnend, sondern gerade zum jetzigen Zeitpunkt von großer Bedeutung. Wir leben in einer Zeit, die zu kontrafaktischem Denken neigt. Spekulatives Denken floriert in Zeiten rasanter Veränderungen. Während orthodoxe Auffassungen der Vergangenheit in Zeiten der Stabilität leicht zu vertreten sind, gewinnen revisionistische Herausforderungen in Zeiten des Umbruchs an Zulauf. Es ist leicht, den Kurs der Geschichte als gegeben hinzunehmen – ihn als deterministisch vorbestimmt wahrzunehmen –, wenn die bestehende Ordnung nicht durch drohende Alternativen in Gefahr ist. Bricht der Status quo jedoch angesichts neuer Kräfte zusammen, rücken alternative Entwicklungspfade immer deutlicher in den Fokus.39 Das aktuelle Interesse an Kontrafakten spiegelt diesen Trend wider. Obwohl »Was wäre, wenn?«-Überlegungen während des Kalten Krieges keineswegs unbekannt waren, nahmen sie nach seinem Ende rapide zu. Das Ende der vergleichsweise stabilen, bipolaren Welt führte zu einer neuen Ära der Unsicherheit, die von unerwarteten Krisen geprägt war. Diese Krisen begannen in den 1990er-Jahren mit dem jugoslawischen Bürgerkrieg, verschärften sich nach der Jahrtausendwende mit dem globalen »Krieg gegen den Terror« und erreichten mit dem Ausbruch der Weltfinanzkrise 2008 und dem Aufstieg von Rechts- und Linkspopulismus einen Höhepunkt. All diese Entwicklungen erschütterten frühere Gewissheiten – insbesondere die Wirksamkeit des Kapitalismus und die Unvermeidbarkeit der Demokratie – und nährten den Hang zu Spekulationen, wie die Vergangenheit und die Gegenwart hätten anders ausfallen können.40

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Kontrafakte und die deutsche Nachkriegsgeschichte

Kontrafakte und die deutsche Nachkriegsgeschichte Dieses neue Klima hat die Sicht der deutschen Nachkriegsgeschichte geprägt. Bis vor Kurzem wurde die Gültigkeit des Narrativs »Erfolgsgeschichte« der Bundesrepublik als mehr oder weniger selbstverständlich hingenommen. Als sich das Narrativ in den Jahren vor dem 40. Jahrestag der Bundesrepublik 1989 verfestigte, gab es wenig Grund, das Bekenntnis der Bundesrepublik zur Demokratie und zum westlichen Bündnis infrage zu stellen; nach Francis Fukuyamas Thesen über den unvermeidlichen Triumph des Liberalismus, der die Demokratisierung von Nachkriegsdeutschland ebenso unvermeidlich erscheinen ließ, gab es in der Euphorie nach der Wiedervereinigung 1990 sogar noch weniger Grund, an diesem Bekenntnis zu zweifeln.41 Die zunehmende Unsicherheit in der heutigen Welt hat diese deterministische Sicht jedoch ins Wanken gebracht. Sie hat darüber hinaus dazu beigetragen, die Unsicherheiten der frühen Nachkriegszeit besser beurteilen zu können. Da zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Buches (2018) die Auswirkungen des »Krieges gegen den Terror«, die Zukunft der Post-Brexit-EU oder das Schicksal der Vereinigten Staaten unter Präsident Donald Trump nicht absehbar sind, können wir besser die Sorgen und Nöte der Menschen verstehen, die nach 1945 eine Gefahr für die junge deutsche Demokratie in Form eines Vierten Reiches befürchteten. Da wir uns des kontingenten Wesens unserer eigenen Welt bewusst sind, stellen wir eher »Was wäre, wenn?«-Szenarien über die Nachkriegszeit an. Es mag ungewöhnlich erscheinen, über Ereignisse zu spekulieren, die hätten geschehen können, doch haben deutsche Wissenschaftler das Potenzial eines solchen Unterfangens längst erkannt. Schon vor einer Generation behauptete Hans-Peter Schwarz, die deutsche Nachkriegsgeschichte lasse sich nutzbringend durch das Konzept der »ausgebliebenen Katastrophe« erklären.42 Durch eine Untersuchung dessen, was nicht geschah, könnten Historiker das Geschehene besser verstehen, so Schwarz, warum nämlich die deutsche Nachkriegsgeschichte letztlich so stabil verlief. Andere Wissenschaftler haben diese These aufgegriffen und für eine »imaginäre Geschichte« der Bundesrepublik plädiert – eine Geschichte »vom Ausbleiben 21

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des Erwarteten«.43 Bislang haben jedoch nur wenige einen größeren Beitrag zu dieser Geschichte geleistet. Wie könnte dies geschehen? Zunächst einmal hilft es, die deutsche »Erfolgsgeschichte« der Nachkriegszeit aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Während die meisten Historiker den Erfolg des Landes im Allgemeinen mit Blick auf das erklären, was gut verlief, können wir uns stattdessen auf das konzentrieren, was nicht schiefgelaufen ist; anstatt die Gründe für den Erfolg Deutschlands zu untersuchen, können wir uns darauf konzentrieren, warum es nicht scheiterte. Kurz gesagt: Wir können untersuchen, warum die Bundesrepublik nie in ein Viertes Reich abglitt. Die deutsche Nachkriegsgeschichte in einen solchen Deutungsrahmen zu stellen, ist keine Frage nebulöser Begrifflichkeiten. Vielmehr geht es darum, zwei Seiten eines Kausalzusammenhangs aufzuzeigen. Historische Ereignisse ergeben sich in der Regel aus dem Zusammenspiel bestehender »Systeme« und äußerer »Kräfte«.44 Je stabiler das System, desto schwieriger ist es für eine äußere Kraft, es zu beeinflussen; je weniger stabil das System, desto leichter ist es für eine äußere Kraft, es zu beeinflussen. Historiker haben sich dieser Argumentation häufig bedient, um den Aufstieg der Nationalsozialisten zu erklären. Heinrich August Winkler zum Beispiel ist der Ansicht, Hitler sei an die Macht gekommen, »nicht weil die Nationalsozialisten ... so zahlreich gewesen wären, sondern weil es nicht genug Demokraten gab, die [die Weimarer Republik] zu verteidigen bereit gewesen wären«.45 Wissenschaftler, die sich mit der Geschichte der Bundesrepublik befasst haben, haben ihren Fokus ebenfalls auf das bestehende »System« und nicht auf oppositionelle »Kräfte« gerichtet und es vorgezogen, die den Nachkriegsstaat stabilisierenden politischen Maßnahmen zu untersuchen, anstatt sich nationalsozialistischen Angriffen auf ihn zu widmen.46 Diese Tendenz spiegelt die weitverbreitete Überzeugung wider, der Nationalsozialismus sei in Nachkriegsdeutschland eine extrem schwache Kraft gewesen. Bereits in den 1950er-Jahren betonten Journalisten, es sei unmöglich, in der Bundesrepublik »den nationalsozialistischen Leichnam wiederzubeleben«; in den 1960er-Jahren taten Historiker die »Angst vor einer Wiederholung der Ereignisse von 1933« zuversichtlich als Unsinn ab.47 Viele junge Wissenschaftler haben ähnliche Thesen aufgestellt und erklärt, der Nationalsozialismus sei nach 1945 als politische Tradition »zerschlagen« 22

Kontrafakte und die deutsche Nachkriegsgeschichte

worden; er sei als Bewegung »völlig gescheitert« und habe »nie eine ernsthafte Bedrohung für die Demokratie in Westdeutschland dargestellt«.48 Da der Nationalsozialismus nach 1945 nur noch isolierte »Spinner« angesprochen habe, habe »eine antidemokratische Rechte in der Bundesrepublik keine Chance« gehabt.49 Diese Feststellungen sind zwar zutreffend, wurden aber aus der Rückschau verfasst und vernachlässigen Fälle nach 1945, in denen nationalsozialistische Kräfte die deutsche Demokratie zu stürzen drohten. Zu entsprechenden Bestrebungen kam es erstmals in der Besatzungszeit, als fanatische Werwolf-Rebellen, ungeläuterte Hitlerjugendführer, engagierte SS-Männer und ungebrochene Wehrmachtsveteranen verschwörerische Kampagnen gegen die Errichtung einer demokratischen Ordnung starteten. In den ersten Jahren der Kanzlerschaft Konrad Adenauers, von 1949 bis in die frühen 1950er-Jahre, keimten angesichts des Aufstiegs der Sozialistischen Reichspartei (SRP) und der Aufdeckung der berüchtigten »Gauleiter-Verschwörung« unter Leitung des ehemaligen Stellvertreters des Nazipropagandaministeriums Werner Naumann Ängste vor einer »Renazifizierung« auf. Bald darauf gab der Ausbruch der »Schmierwelle« von 1959 bis 1960 Sorgen über das Fortbestehen von Nazianhängern in Westdeutschland neue Nahrung, wie es auch der Aufstieg der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) in den Jahren 1964–1969 tat. In den 1970er- und 1980er-Jahren schürte das Auftreten rechtsextremer Demagogen wie Manfred Roeder und Michael Kühnen die Angst vor einem wiederaufflammenden Nationalsozialismus. Und in den Jahrzehnten nach der deutschen Wiedervereinigung wurden Sorgen um den wachsenden Rechtsextremismus durch den Aufstieg neonazistischer Skinheadgruppen und Organisationen der neuen Rechten befeuert, die mit Hans-Dietrich Sanders Zeitschrift Staatsbriefe, dem Deutschen Kolleg und der Reichsbürgerbewegung in Verbindung standen. Historiker sind mit all diesen Bewegungen vertraut und haben sie in unterschiedlicher Ausführlichkeit untersucht. Die Beziehung dieser Bewegungen zur Idee eines Vierten Reiches haben sie jedoch übersehen. Dieses Versäumnis ist überraschend, wenn man bedenkt, dass sich sowohl Befürworter als auch Gegner häufig auf ein Viertes Reich beriefen. In der gesamten Nachkriegszeit setzten sich Nationalsozialisten und andere rechtsradikale Aktivisten nachdrücklich für die Schaffung eines neuen Reiches ein 23

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und nutzten den Begriff als Kampfbegriff und Ansporn für ihre Anhänger. Ihre Kritiker im In- und Ausland malten unterdessen das Schreckensbild eines Vierten Reiches an die Wand, um öffentlichen Widerstand zu mobilisieren. Diese Begriffsverwendung im politischen Diskurs der Nachkriegszeit empirisch zu dokumentieren, ist der erste Schritt in Richtung einer Geschichtsschreibung des Vierten Reiches. Der zweite Schritt – eine Interpretation des Begriffs – ist ebenso wichtig, aber schwieriger. Sämtliche nationalsozialistischen Bemühungen zur Schaffung eines Vierten Reiches sind bekanntlich gescheitert. Um die Gründe hierfür jedoch vollständig zu verstehen, müssen wir uns fragen, wie nah sie dem Erfolg kamen. Kontrafaktisches Denken und die Untersuchung von Szenarien, in denen die Geschichte sich hätte anders entwickeln können, helfen, diese wichtige Frage zu beantworten. Gewiss ist dies eine methodische Herausforderung, da es natürlich unmöglich ist, Ereignisse zu beweisen oder zu widerlegen, die nie stattgefunden haben. Wenn wir kontrafaktische Szenarien jedoch verantwortlich und unter Berücksichtigung ihrer Plausibilität untersuchen, können wir sicherstellen, dass die Aufgabe der Spekulation nicht von einem Übermaß an Fantasie überwältigt wird. Dies macht es unter anderem erforderlich, verschiedene Abweichungen von der etablierten Geschichtsschreibung zu postulieren und sich ihre unterschiedlichen Konsequenzen vorzustellen. Kontrafaktisches Denken muss jedoch kein rein subjektives Unterfangen sein. Die umfangreiche Sekundärliteratur zur deutschen Nachkriegsgeschichte enthält überraschend viele kurze kontrafaktische Behauptungen von Wissenschaftlern, die auch dazu verwendet werden können, »Was wäre, wenn?«-Fragen zu beantworten. Neue und alte spekulative Aussagen zu synthetisieren, ist eine Herausforderung, die jedoch die Mühe lohnt. Denn eine Untersuchung der Umstände, unter denen die Bundesrepublik nur knapp einem Vierten Reich entging, eröffnet eine neue Sicht auf die Gründe für die Nachkriegsstabilität des Landes. Wenn wir uns vorstellen, wie die Geschichte anders hätte verlaufen können, können wir weiter der wichtigen Frage nachgehen, ob die Nachkriegsängste vor einem Vierten Reich gerechtfertigt waren. Genau genommen beantwortet sich die Frage von selbst. Da die Nationalsozialisten ihre Ziele nach 1945 nie erreichten, scheinen die Ängste vor einem Vierten Reich übertrieben. Es wäre freilich falsch, sie als völlig unbegründet abzutun. Dies 24

Das Vierte Reich und die Erinnerung an den Nazismus

würde erstens die größte Schwäche des Narrativs »Erfolgsgeschichte« widerspiegeln und fortschreiben – die Unterstellung nämlich, dass die Demokratisierung Deutschlands nach dem Krieg mehr oder weniger unvermeidlich gewesen sei. Heute kennen wir das Ende der dramatischen Geschichte des deutschen Wiederaufbaus nach der militärischen Niederlage. Aber, was heute eine abgeschlossene Vergangenheit ist, lag einst in der Zukunft. In den Jahren nach 1945 war das deutsche Nachkriegsnarrativ noch offen, was in der gesamten westlichen Welt für Unruhe sorgte. Wenn wir uns in die Lage von Zeitgenossen versetzen und ihre Ängste ernst nehmen, können wir die das Zeitgeschehen prägenden Faktoren besser verstehen. Ängste sind seit Langem eine aktive Kraft in der Geschichte. Wie die verschiedenen Formen des Instrumentalisierens von Ängsten vor einer drohenden Revolution durch moderne politische Bewegungen wie den Konservatismus im 19. Jahrhundert oder den Faschismus im 20. Jahrhundert zeigen, haben Ängste vor möglichen zukünftigen Ereignissen oft das tatsächliche Geschehen geprägt.50 Einige Historiker haben sich bemüht, diese Erkenntnisse auf die Bundesrepublik anzuwenden, und haben gefordert, die Nachkriegsgeschichte des Landes als »Geschichte der Ängste« zu schreiben.51 Andere haben versucht, zu erklären, warum die Intensität dieser Ängste in keinem Verhältnis zur realen Stabilität des Landes stand.52 Ausgehend von diesen Ansätzen, können wir die Legitimität der Nachkriegsängste vor einem Vierten Reich gewinnbringend beurteilen.

Das Vierte Reich und die Erinnerung an den Nazismus Auf diese Weise können wir die Rolle der Erinnerung im Erfolgsnarrativ der Bundesrepublik besser verstehen. Seit dem Zusammenbruch des NS-Regimes 1945 haben unzählige Beobachter die Deutschen aufgefordert, sich an die »Lehren« des Dritten Reiches zu erinnern, um zu verhindern, dass sich die Geschichte wiederholt. Um festzustellen, ob die Deutschen diese Aufgabe erfolgreich gemeistert haben, haben Wissenschaftler verschiedene Formen der schwierigen »Aufarbeitung« der NS-Erfahrung untersucht. Die wissenschaftliche Forschung zur Vergangenheitsbewältigung ist immens 25

Einleitung

und beleuchtet das Thema aus zahlreichen methodischen Perspektiven.53 Bis heute haben jedoch nur wenige Wissenschaftler erkannt, dass der Nachkriegsdiskurs über das Vierte Reich ein wesentlicher Bestandteil dieses größeren Prozesses der Auseinandersetzung mit der jüngeren Vergangenheit war. In den Jahren nach 1945 war das Vierte Reich eine Chiffre für unterschiedliche Positionen zur Erinnerung. Die Frage des Umgangs mit der NSErfahrung spaltete die Menschen im In- und Ausland. Einige, zumeist aus dem linksliberalen Lager, riefen zum Gedenken auf und forderten eine Dokumentation der Verbrechen der NS-Zeit sowie eine Verurteilung der Täter. Andere, üblicherweise aus dem Mitte-rechts-Lager, plädierten für Amnesie wie Amnestie und betonten, die Verbrechen der NS-Zeit müssten vergessen und ihre Täter in die Nachkriegsgesellschaft integriert werden. Diese gegensätzlichen Ansichten über die Vergangenheit Deutschlands standen in direkter Wechselbeziehung mit der Sorge um ein mögliches neues Reich. Die »Alarmisten« im In- und Ausland fühlten sich der Erinnerung verpflichtet und schürten konsequent Ängste vor einer möglichen Rückkehr der Nationalsozialisten an die Macht. Für die »Apologeten« dagegen gehörte der Nationalsozialismus ein für alle Mal der Vergangenheit an, sodass sie die Nachkriegsängste als unbegründet abtaten. Untersucht man die Art und Weise, wie beide Gruppen die Vorstellung von einem Vierten Reich instrumentalisierten, so zeigt sich, dass sie unterschiedliche Beweggründe hatten – lautere und weniger lautere. Unter den Alarmisten waren einige der ehrlichen Überzeugung, ein neues Reich sei eine ernsthafte Möglichkeit, während andere den Begriff aus niederen Beweggründen instrumentalisierten. Unter den Apologeten bezweifelten einige ernsthaft eine Bedrohung der Nachkriegsordnung durch den Nationalsozialismus, während andere ihn bewusst herunterspielten, um das internationale Image Deutschlands aufzupolieren. Ein Vergleich der intensiv geführten Debatte beider Gruppen über das Vierte Reich hilft uns, zu verstehen, wie die Kräfte der Gegenwart die Sichtweisen der Vergangenheit geprägt haben. Das Vierte Reich als Spiegel der Erinnerung zu untersuchen, erlaubt uns zudem, nicht nur deutsche, sondern auch globale Tendenzen der Erinnerungskultur zu verstehen. Ab den 1960er-Jahren normalisierte sich der Begriff des Vierten Reiches zusehends. Anstatt als Chiffre eines wiederaufle26

Das Vierte Reich und die Erinnerung an den Nazismus

benden Nationalsozialismus in Deutschland zu gelten, wurde er zu einem metaphorischen Vorboten des globalen Faschismus. Nach der »Schmierwelle« 1959–1960 und der Festnahme Adolf Eichmanns bzw. dem Eichmann-Prozess 1960–1961 wuchs bei vielen die Überzeugung, die Gefahr des Nationalsozialismus könne von Orten außerhalb Deutschlands ausgehen – sei es in Lateinamerika, im Nahen Osten oder in den USA. Kurz darauf nutzten linke politische Aktivisten und Intellektuelle in den USA und Europa – darunter H. Rap Brown, James Baldwin und Régis Debray – den Begriff eines Vierten Reiches, um den Rassismus gegen Afroamerikaner, den Vietnamkrieg und den Watergate-Skandal anzuprangern. In den 1970er- und 1980er-Jahren internationalisierte sich der Begriff weiter und bezeichnete andere autoritäre Staaten wie etwa die griechische Militärjunta oder das südafrikanische Apartheidregime. Nach der deutschen Wiedervereinigung im Jahr 1990 erweiterte sich die Bedeutung des Vierten Reiches schließlich und bezeichnete gesetzwidriges Verhalten weltweit. Rechtsgerichtete europäische Nationalisten in Großbritannien, Russland und Polen haben sich der Idee bedient, um europäische Integration, Globalisierung und Verwestlichung anzugreifen. Linke Aktivisten in den USA verwenden den Begriff unterdessen, um Symbole des autoritären Populismus wie etwa die Brexit-Entscheidung Großbritanniens und die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten zu attackieren. Das Vierte Reich hat nicht nur eine Universalisierung, sondern auch eine Ästhetisierung erfahren. Ab den späten 1960er- und 1970er-Jahren wurde die Idee eines neuen Reiches zunehmend zum Thema populärer Romane, Filme, Fernsehsendungen, Comics und sogar Punkrocksongs. Zu den prominenteren Beispielen gehörten Bestseller (und spätere Kinohits) wie Frederick Forsyths The Odessa File, Ira Levins The Boys from Brazil und Robert Ludlums The Holcroft Covenant; Folgen der Fernsehserien Mission Impossible, Codename U.N.C.L.E. und Wonder Woman; Ausgaben von DC- und Marvel-Comics wie Batman und Captain America; und Songs von den Dead Kennedys und den Lookouts. Dieser Trend ist bis heute ungebrochen, betrachtet man ironisch-absurde Filme wie Iron Sky oder ambitionierte Internetdramen wie Amazons The Hunt.54 Diese Werke waren von den unterschiedlichsten Motiven inspiriert, viele von ihnen nutzten die Prämisse eines Wiedererstarkens der Nationalsozialisten jedoch zu Profit- sowie 27

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Unterhaltungszwecken und schwächten damit ihren moralischen Impetus. Aufgrund dieser normalisierenden Tendenzen löste sich die Vorstellung eines Vierten Reiches von ihrem ursprünglichen Bezugsobjekt – der Rückkehr der Nationalsozialisten an die Macht in Deutschland – und wurde zu einem universellen Bedeutungsträger für das Böse. Im Zuge dessen hat sie etwas von ihrer mahnenden Glaubwürdigkeit verloren.

Das Vierte Reich in Geschichte und Erinnerung Dieses Buch untersucht die Entwicklung des Vierten Reiches in der Nachkriegszeit des Westens und verfolgt dabei sowohl einen chronologischen als auch einen thematischen Ansatz. Der erste Teil des Buches konzentriert sich auf die Ursprünge des Vierten Reiches in Deutschland vom Beginn der 1930er- bis zum Beginn der 1950er-Jahre. Kapitel 1 zeigt, wie die Idee als antinazistische Parole bei den unterschiedlichsten Dissidentengruppen aufkam, darunter linksgerichteten deutsch-jüdischen Exilanten, konservativen Wehrmachtsoffizieren und abtrünnigen Nationalsozialisten. In der Folge versuchten Vertreter des NS-Regimes, den Begriff zu unterdrücken, was britische und amerikanische Beobachter zunächst dazu bewog, das Vierte Reich als hoffnungsvolles Symbol eines zukünftigen demokratischen Deutschlands zu deuten. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wandelte sich das Vierte Reich jedoch in ein mahnendes Symbol eines blinden NS-Fanatismus, da Engländer und Amerikaner befürchteten, die Anhänger der Nationalsozialisten könnten zum Kampf gegen die Alliierten in den Untergrund gehen. Kapitel 2 konzentriert sich auf die Besetzung Deutschlands durch die Alliierten von 1945 bis 1949 und beschreibt, wie amerikanische und britische Militärvertreter, Journalisten, zivile Lobbyorganisationen, Schriftsteller und Filmemacher weiter vor der Möglichkeit eines Vierten Reiches warnten, falls die Alliierten den Nazismus nicht aus allen Bereichen des täglichen Lebens in Deutschland eliminierten. Wie diese Angst zeigt, waren unbeirrbare Nazis in dieser Zeit aktiv bestrebt, die Besatzung durch die Alliierten zu stürzen und das Reich wiederzubeleben. Dazu gehörten die Aktionen der Organisation Werwolf 1945–1946, der Putschversuch unter der Leitung von Reichsjugendführer Artur Axmann in den Jahren 1945– 28

Das Vierte Reich in Geschichte und Erinnerung

1946 und die Verschwörung »Deutsche Revolution« unter der Leitung von SS- und Wehrmachtsveteranen in den Jahren 1946–1947. Die Alliierten vereitelten letztlich zwar all diese Umsturzpläne, doch der Entwurf bestimmter kontrafaktischer Szenarien zeigt, wie sie hätten gelingen können. Kapitel 3 untersucht den Aufstieg der SRP und die Aufdeckung der Gauleiter-Verschwörung in den Jahren 1950–1952 und zeigt, wie nationalsozialistische Widerstandsbewegungen nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 fortbestanden. Wie die Putschversuche während der Besatzungszeit wurden auch diese Gefahren abgewendet. Doch unter etwas anderen Umständen wäre ihnen vielleicht mehr Erfolg beschieden gewesen. Erkennt man die Verwundbarkeit Westdeutschlands gegenüber der nationalsozialistischen Bedrohung in dieser Zeit an, so wird klar, dass die Angst vor einem Vierten Reich keineswegs unbegründet war. Der zweite Teil des Buches umfasst die 1960er-Jahre bis zur Gegenwart und untersucht, wie sich die Vorstellung eines Vierten Reiches außerhalb Deutschlands verbreitete, schließlich jedoch nach einem Umweg wieder nach Deutschland zurückkehrte. Kapitel 4 beschreibt, wie die Angst vor einer Rückkehr der Nationalsozialisten durch den Ausbruch der »Schmierwelle« 1959–1960 und den Aufstieg der NPD von 1964 bis 1969 in der Bundesrepublik neuen Auftrieb erhielt. Diese Ängste erwiesen sich letztlich zwar als unbegründet, verschwanden jedoch nicht vollständig. Etwa zur gleichen Zeit gab es neue Bedenken, der Nationalsozialismus könne in den Vereinigten Staaten Einzug halten. Der Aufstieg der amerikanischen Nazipartei in den 1960er-Jahren, der rassistische Backlash gegen die Bürgerrechtsbewegung, der eskalierende Krieg in Vietnam und das skandalöse Verhalten der Nixon-Regierung ließen linksliberale Amerikaner den Anbruch eines Vierten Reiches befürchten. Diese Bedenken verallgemeinerten die Bedeutung des Begriffs und spielten so eine wichtige Rolle bei seiner Normalisierung. Auch die Ästhetisierung des Vierten Reiches in der Populärkultur beförderte diesen Normalisierungsprozess. Kapitel 5 erläutert, wie die Angst vor einer Rückkehr der Nationalsozialisten an die Macht zu einer Quelle der Massenunterhaltung in der angloamerikanischen Literatur, in Filmen und Fernsehsendungen der »langen 1970er-Jahre« wurde. Diese kulturelle Wende stellte eine wichtige Etappe in der Entwicklung des Vierten Reiches in der Nachkriegszeit dar, kam jedoch mit dem Fall der Berliner 29

Einleitung

Mauer und der deutschen Wiedervereinigung 1989–1990 abrupt zum Erliegen. Kapitel 6 zeigt, wie das Vierte Reich ab den 1990er-Jahren und nach der Jahrtausendwende »regermanisiert« und zu einem Thema von neuem politischen Interesse wurde. In ganz Europa äußerten besorgte Beobachter die Befürchtung, die Bundesrepublik steuere in eine rechte, wenn nicht gar neonazistische Richtung. Manche Behauptungen gründeten auf berechtigten Bedenken, da rechte Intellektuelle in Deutschland die politische Grundlage für ein zukünftiges Viertes Reich theoretisierten. Andere Äußerungen, die insbesondere im Zuge der Finanzkrise von 2008 in Ländern wie Griechenland, Italien und Russland fielen, waren eher tendenziöser Art und Ausdruck eines zynischen innen- und außenpolitischen Kalküls. Wie sich das Vierte Reich in Zukunft entwickeln wird, ist ungewiss. Der Schlussteil dieses Buches untersucht jedoch die Möglichkeit, dass es in einer Welt zunehmender Ungewissheit ein attraktiver Bedeutungsträger bleiben wird. Bislang hat der Begriff weitgehend als ominöser Mahnruf gedient, doch wer weiß, ob er sich nicht zu einem Inspirationsquell entwickeln wird. Angesichts der Art und Weise, wie nationalsozialistische Gruppen den Begriff seit 1945 am Leben erhalten haben, ist es durchaus denkbar, dass die Vorstellung eines Vierten Reiches unter den richtigen Bedingungen eines Tages eine ungeahnte Renaissance erleben könnte.

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1.  Zwischen Fantasie und Albtraum: Die Erfindung des Vierten Reiches im Dritten Reich Das Vierte Reich ist das Reich des Friedens. Es fühlt sich bewusst als ein europäisches Reich. Es wünscht tatkräftiges Mitglied eines Völkerbundes zu sein, in dem alle Völker der Erde in demokratischer Gleichberechtigung zusammenarbeiten, um die Freiheit jeder einzelnen Nation gegen jeden Friedensstörer zu verteidigen.1 Georg Bernhard, »Entwurf einer Verfassung für das Vierte Reich« (1936)

Die eigentliche Frage nach dem realen oder simulierten Ende Hitlers ist der Gebrauch, den die Nazis von ihm machen wollen. Einige Tage bevor … Admiral Doenitz den Tod des Führers verkündete, begannen die Sprecher der Nazis fieberhaft … an der Legende eines opferbereiten Führers zu stricken, der bereit war, sein Leben für sein Land aufzugeben, und der dies letztlich auch tat. [Die] ... Nazis sind kolossale Lügner... Aber sie lügen mit Absicht. ... In diesem Fall [lügen sie,] um aus den Trümmern von Hitlers Plänen etwas zu retten, auf das sie irgendwann zu einem späteren Zeitpunkt ein Viertes Reich bauen [können].2 Barnet Nover, The Washington Post (3. Mai 1945)

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ährend des Dritten Reiches beschäftigten sich viele Menschen ernsthaft mit der Möglichkeit, das Hitler-Regime könne eines Tages von einem Vierten Reich abgelöst werden. Politiker, Journalisten und Wissenschaftler im In- und Ausland malten sich aktiv aus, wie ein postnationalsozialistischer Staat aussehen könnte. Ihre Motive und Schlussfolgerungen unterschieden sich erheblich. Wie der Verfassungsentwurf des deutsch-jüdischen Emigranten und Journalisten Georg Bernhard von 1936 zeigt, hegten manche Menschen in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg die Hoff31

1.  Zwischen Fantasie und Albtraum

nung, der endgültige Sturz Hitlers könne die Gründung eines progressiven, demokratischen Vierten Reiches ermöglichen, das dem Dritten in jeder Hinsicht überlegen sei. Mit fortschreitendem Kriegsverlauf und zunehmender Siegesgewissheit der Alliierten sahen andere Kritiker jedoch eine besorgniserregendere Zukunft für Deutschland voraus. Der amerikanische Journalist Barnet Nover äußerte im Mai 1945 die Befürchtung, unbekehrbare Nazis könnten nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches einen Staat im Geist seines Vorgängers gründen und so an die Macht zurückkehren. In den Jahren der nationalsozialistischen Zwangsherrschaft beflügelte die Aussicht auf ein Viertes Reich kurz gesagt sowohl die Fantasien als auch die Albträume der westlichen Vorstellungskraft.

Die Kontrastfolie des Vierten Reiches: Die Idee des Dritten Reiches Die Idee des Vierten Reiches wurde im Dritten Reich geboren und als Reaktion darauf entwickelt. Eine Darstellung der Ursprünge des Vierten Reiches erfordert daher eine Auseinandersetzung mit den Ursprüngen des Dritten Reiches. Im heutigen Sprachgebrauch bezieht sich das Dritte Reich auf die Jahre der nationalsozialistischen Zwangsherrschaft von 1933 bis 1945. Doch nichts ist so einfach, wie es scheint. Es herrscht nach wie vor Uneinigkeit darüber, ob der Ausdruck »Drittes Reich« zur Beschreibung der betreffenden historischen Epoche angemessen ist. Einige Wissenschaftler deuten dies als Anerkennung der propagandistischen Verwendung des Ausdrucks durch das NS-Regime. Sie ziehen es daher vor, ihn in Anführungszeichen zu setzen (und verweisen auf das »Dritte Reich« statt auf das Dritte Reich) oder ihn zugunsten moralistischer Bezeichnungen wie »nationalsozialistische Gewaltherrschaft« gänzlich zu vermeiden.3 Diese Strategien sind gut gemeint, haben jedoch ebenfalls ihre Nachteile. Auf die Verwendung des Begriffs »Drittes Reich« zu verzichten, kann sich als kontraproduktiv erweisen, da es dem Ausdruck die Aura eines Tabus verleiht. Vermeidet man den Begriff in der Hoffnung, ihn zu entmythologisieren, schmälert man möglicherweise auch die Fähigkeit, seine ursprüngliche propagandistische Funktion zu verstehen. Sicherlich ist es keineswegs ratsam, sich naiv und ohne Kennt32

Die Kontrastfolie des Vierten Reiches

nis der belasteten Geschichte auf das Dritte Reich zu beziehen. Aber ihn in einem wissenschaftlichen Sinn zu verwenden, bedeutet nicht, ihn gutzuheißen. Angesichts seiner politischen Implikationen lässt sich der Begriff des Dritten Reiches am besten verstehen, wenn man ihn im breiteren Kontext der deutschen Geschichte historisiert. Am einfachsten beginnt man mit dem Begriff »Reich«. Das deutsche Wort »Reich« wird im Englischen meist mit »empire« oder »kingdom« übersetzt. Der Begriff meint damit sowohl einen Raum als auch eine politische Formation. Im Kontext der deutschen Geschichte wurde der Begriff »Reich« auf mehrere Staaten angewendet, die über einen Zeitraum von tausend Jahren bestanden. Das erste war das Heilige Römische Reich, das in der Regel von seiner Gründung durch den fränkischen König Karl den Großen im Jahr 800 (oder in anderen Darstellungen durch seinen sächsischen Nachfolger Otto I. im Jahr 962) bis zu seiner Auflösung durch Napoleon Bonaparte im Jahr 1806 bestand. Das zweite war das als Kaiserreich bekannte Wilhelminische Reich, das von 1871 bis zu seinem Zusammenbruch 1918 andauerte. Das dritte war das NS-Regime. Diese Dreiteilung erscheint regelmäßig in Überblicksdarstellungen zur deutschen Geschichte. Die Definition ist jedoch unvollständig, da sie den Begriff »Reich« auf eine rein politische Bezeichnung reduziert. Tatsächlich hat der Reichsgedanke auch spirituelle, ja sogar mystische Konnotationen, die tief in der christlichen Theologie verwurzelt sind, insbesondere in der chiliastischen Vorstellung des endgültigen Reiches Gottes auf Erden. Wie es in den letzten Kapiteln der Offenbarung des Johannes heißt, wird sich dieses Königreich als tausendjährige Friedenszeit (das »Millennium«) manifestieren und dem Kampf Jesu mit Satan sowohl vorausgehen als auch folgen. Der Glaube, dieses Königreich werde ein Drittes Reich darstellen, geht wiederum auf den im 12. Jahrhundert lebenden italienischen Theologen Joachim von Fiore zurück, der dieses Reich als die letzte Stufe der christlichen Eschatologie betrachtete. Ausgehend vom Gedanken der Heiligen Dreifaltigkeit und der langen abendländischen Tradition des triadischen Denkens, definierte Joachim das Dritte Reich als die erwartete dritte und letzte Phase der Weltgeschichte. Das erste und ursprüngliche Zeitalter sei das Königreich des Vaters, also die Zeit der hebräischen Religion. Das zweite Königreich sei das des Sohnes und beginne mit der Geburt des Christentums. 33

1.  Zwischen Fantasie und Albtraum

Noch vor uns liege das dritte und letzte Königreich des Heiligen Geistes, das nach einer apokalyptischen Konfrontation der Kräfte des Bösen mit ihren Gegnern, den homines spirituales, entstehe, die dazu bestimmt seien, ein tausendjähriges Zeitalter der Vollkommenheit einzuleiten. Durch diesen titanischen Kampf stehe die Ankunft des Dritten Reiches für das Ende der Erdgeschichte insgesamt.4 Im Lauf der Zeit weitete sich die Idee des Dritten Reiches über ihre ursprüngliche religiöse Bedeutung hinaus aus und säkularisierte sich. Zu Beginn der Neuzeit umfasste sie eine Reihe unterschiedlicher Vorstellungen. Der erwartungsvolle Glaube an ein kommendes »drittes Zeitalter«, wie es oft genannt wurde, stieß bei vielen europäischen Intellektuellen im 19. Jahrhundert auf Anklang, vom französischen utopischen Sozialisten Henri de Saint-Simon bis zum italienischen Nationalisten Giuseppe Mazzini.5 Vor allem jedoch sprach er die Deutschen an, die aus historischen Gründen keine nationale Einheit besaßen. Im Mittelalter und bis in die Frühe Neuzeit sahen viele Deutsche das Heilige Römische Reich mit seiner gemeinsamen Herrschaft von Papst und Kaiser als »Vorläufer des Reiches Gottes auf Erden«.6 Angesichts des allmählichen Niedergangs des Reiches nach der Reformation und seiner endgültigen Auflösung nach dem Eindringen der napoleonischen Armee zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde es jedoch immer schwieriger, diese Sicht aufrechtzuerhalten. Im schmerzhaften Bewusstsein der Bürde, die eine innere Spaltung bedeutete, griffen die Deutschen den Begriff der »Nation« begierig als neue Quelle der Einheit seines Volkes auf. Im Zuge dieses Prozesses wurde die Reichsidee zum Vehikel der nationalen deutschen Wiedergeburt. In der Überzeugung, das deutsche Volk verdiene ein eigenes Vaterland, entwickelten deutsche Nationalisten verschiedene Strategien, um dieses Volk in einem neuen Reich zu einen. Daraus entstanden zwei Visionen: Die erste war ein universelles, großdeutsches Reich, das sowohl die Gebiete des Deutschen Bundes als auch die österreichischen Länder der Habsburgermonarchie umfasste; die zweite war ein eher partikularistisches, kleindeutsches Reich unter preußischer Herrschaft der Hohenzollernmonarchie. Wie das Schicksal es wollte, setzte sich die letztgenannte Lösung durch. Nach den militärischen Siegen Preußens gegen Österreich und Frankreich 1866–1870 wurde am 18. Januar 1871 das zweite Deutsche Reich im Spiegelsaal von Versailles ausgerufen. 34

Die Kontrastfolie des Vierten Reiches

Das zweite Reich war ein säkulares politisches Konstrukt, das sich jedoch eine quasireligiöse Dimension bewahrte. Dies wurde einige Jahre nach seiner Gründung deutlich, als die anfängliche Euphorie nachließ. Auslöser für diese Entwicklung war der Gründerkrach 1873 und die daraus resultierende Wirtschaftskrise. Angesichts dieses traumatischen Ereignisses begannen einige Deutsche, den Glauben an den neuen Staat zu verlieren und seine Grundfesten infrage zu stellen. Diese Kritiker hatten das Gefühl, das Kaiserreich werde weitgehend von materialistischen Kräften – allen voran der freien Marktwirtschaft und dem politischen Liberalismus – definiert und lasse eine tiefere, spirituelle Dimension vermissen. Als Reaktion entwickelten sie utopische Visionen für ein neues Reich, das das gerade erst gegründete ersetzen sollte. Viele dieser Visionen stammten von rechtsgerichteten, völkischen Aktivisten wie Paul de Lagarde, Julius Langbehn und Heinrich Class. Bis auf wenige Ausnahmen bezeichneten sie dieses künftige Reich nicht explizit als »drittes« Reich, sondern verwendeten die Begriffe »neues« oder »nächstes«.7 Es werde sich um ein imperialistisches, von einem Führer regiertes »Großdeutsches Reich« handeln, das den alten »teutonischen« Tugenden von Freiheit, Gleichheit und Selbstlosigkeit verpflichtet sei. Ungefähr zur gleichen Zeit fügten andere rechtsgerichtete Denker wie Guido von List, Lanz von Liebenfels und Houston Stewart Chamberlin dieser Vision rassistische und antisemitische Elemente hinzu und forderten, das Reich von Ausländern und Minderheiten zu säubern und es auf der Grundlage von Blutsbanden zu einen.8 Diese Vorstellung vom Reich war im Allgemeinen säkularer Natur, der missionarische Eifer seiner Unterstützer war jedoch Ausdruck einen tausendjährigen Geistes. Dieser Wunsch nach einem neuen Reich wurde nach den katastrophalen Ereignissen von 1914–1918 nur noch dringlicher. Im Ersten Weltkrieg tauchte der Begriff »Drittes Reich« gelegentlich in einem spirituell-pazifistischen Kontext auf.9 Nach der militärischen Niederlage Deutschlands wurde der Ausdruck jedoch zumeist von Vertretern der politischen Rechten aufgegriffen. Erschüttert vom Zusammenbruch der Hohenzollernmonarchie im November 1918 und empört über die Ratifizierung des Versailler Vertrages durch die revolutionäre Weimarer Regierung im Juli 1919, plädierten konservative und völkische Deutsche für eine radikale Reaktion, um ihrem Land aus seiner noch nie da gewesenen Krise zu helfen. Ab den frühen 35

1.  Zwischen Fantasie und Albtraum

1920er-Jahren nahmen verschiedene Schriftsteller eine millenaristische Sicht ein und forderten die Gründung eines »Dritten Reiches«. Der wichtigste Vertreter unter ihnen war der konservative Schriftsteller Arthur Moeller van den Bruck, dessen berühmtes Buch Das Dritte Reich (1923) dem bislang religiösen Konzept eine eindeutig politische Färbung gab.10 Aufbauend auf dem mittelalterlichen Gedanken Joachims von Fiore, behauptete Moeller, nach dem Aufstieg und Fall des Heiligen Römischen Reiches und des Kaiserreiches stehe ein drittes Reich bevor. Dieses werde durch eine konservative Revolution eingeleitet, die die Widersprüche von Nationalismus und Sozialismus aufheben und einen dritten Weg zwischen ihnen finden werde. Wie Joachim glaubte Moeller, dieser Prozess werde mit einem Kampf zwischen den Kräften des Guten und des Bösen einhergehen. Inbegriff für Letztere war für Moeller der Liberalismus, der allerdings alle Formen marxistischen Denkens und allgemeiner die gesamte Weimarer Republik umfasste.11 Außerdem könne die neue Ordnung nur durch Gewalt entstehen. Letztlich werde das Dritte Reich seinen mittelalterlichen Ursprüngen jedoch treu bleiben und für die »Idee des ewigen Friedens« stehen.12 Mit seiner Gründung werde das deutsche Volk »sein Schicksal auf Erden erfüllen« und eine Ära der nationalen deutschen Vorherrschaft einläuten.13 Obwohl Moeller der berühmteste Exponent des Dritten Reiches in der Weimarer Republik war, war er nicht der erste. Bereits vor ihm prägte der rechte Dichter Dietrich Eckart den Begriff. Eckart, Gründungsmitglied der NSDAP, verstand das Dritte Reich als utopisches Telos des weltgeschichtlichen Kampfes Deutschlands gegen das jüdische Böse und verlieh ihm so einen antisemitischen Beiklang.14 Eckart hasste die Juden aus politischen und wirtschaftlichen Gründen, die er zu einer umfassenden apokalyptischen Vision verschmolz. Wie er in einer Reihe von Aufsätzen in seiner Zeitschrift Auf gut Deutsch in den Jahren 1919–1920 deutlich machte, waren die Juden für ihn nicht weniger als der Antichrist. Es sei Deutschlands heilige Mission, sie zu vernichten und dadurch die Welt zu erlösen. In einer berühmten Passage verkündete er im Juli 1919: »Nirgends auf Erden ein anderes Volk, das fähiger, gründlicher wäre, das dritte Reich zu erfüllen, denn unsres!«15 Unklar ist indes, wann und wie die Idee des Dritten Reiches in die NS-Ideologie Eingang fand. Hitler scheint sowohl von Eckart als auch von 36

Die Kontrastfolie des Vierten Reiches

Moeller beeinflusst gewesen zu sein. Der Führer der NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei) betrachtete Ersteren als seinen politischen Mentor, wurde Letzterem aber von einem seiner Parteifreunde, Otto Strasser, vorgestellt, der ebenfalls von der Notwendigkeit eines »Dritten Reiches« überzeugt war.16 Hitler und andere führende NSDAP-Vertreter waren sich des Ausdrucks sicherlich bewusst, da er in den 1920er-Jahren in ganz Deutschland an Popularität gewann. Allerdings wurde er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr ausschließlich von der NSDAP besetzt, sondern von den unterschiedlichsten politischen Kreisen aufgegriffen. Traditionelle konservative Denker sahen das Dritte Reich beispielsweise als eine wiederbelebte Hohenzollern- oder Habsburgermonarchie.17 Weiter rechts forderten Anhänger des militaristischen Tannenbergbunds von General Erich Ludendorff und der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) von Alfred Hugenberg ebenfalls ein Drittes Reich.18 Daneben gab es literarische Darstellungen des Dritten Reiches von eher schlichten völkischen Schriftstellern und hochintellektuellen Dichtern.19 Angesichts der großen Anziehungskraft des Dritten Reiches als Idee überrascht es nicht, dass führende NS-Ideologen sie ebenfalls übernahmen. Nach Otto Strasser waren die prominentesten unter ihnen Joseph Goebbels, der 1927 das Traktat Wege ins Dritte Reich schrieb, und Alfred Rosenberg, der in seinem Mythus des 20. Jahrhundert (1930) das »entstehende Dritte Reich« heraufbeschwor.20 Hitler selbst scheint den Begriff des Dritten Reiches in den 1920er-Jahren nicht sehr oft verwendet zu haben, sympathisierte aber wahrscheinlich mit der Idee. Auf Seite 1 von Mein Kampf forderte er mit der Erklärung »Gleiches Blut gehört in ein gemeinsames Reich« ein neues (und implizit drittes) Reich. Im weiteren Verlauf seines Buches fand er mit dem Wunsch nach einem »idealen Reich« ein Ventil für die mystischen Dimensionen des Konzepts.21 Weder Hitler noch ein anderer NS-Führer machte sich allerdings die Mühe, die Vorstellung von einem Dritten Reich mit konkreten politischen Inhalten zu füllen. Anstatt als klare Blaupause für eine zukünftige Regierung zu fungieren, diente sie vor allem als Kampfbegriff für die nationale Erneuerung. Mit dem Aufstieg der Nationalsozialisten an die Macht trat die aufrüttelnde Funktion des Begriffs immer deutlicher in Erscheinung. Während der Ausdruck »Drittes Reich« in den 1920er-Jahren selten in der deutschen Publikumspresse auftauchte, verbreitete er sich nach dem Durchbruch der 37

1.  Zwischen Fantasie und Albtraum

NSDAP bei der Reichstagswahl 1930 zusehends.22 Nicht richtig ist allerdings, dass die Idee eines »Dritten Reiches« weitgehend von ausländischen Medien verbreitet wurde.23 Obwohl der Begriff ab 1930 in der angloamerikanischen Presse Erwähnung fand, tauchte er ebenso häufig in deutschen Zeitungen auf.24 Die Nazis begannen somit zunehmend, ihn als Wahlkampfparole zu verwenden. Rufe nach einem Dritten Reich tauchten in den Medien der nationalsozialistischen Presse wie dem Völkischen Beobachter und dem Angriff auf.25 Sie flossen in die Reden von NS-Politikern ein26 und kamen auf Parteitagen zum Ausdruck.27 Diese Sympathiebekundungen für das Dritte Reich waren zudem keine bloße politische Rhetorik. Sie artikulierten die tausendjährigen Sehnsüchte einfacher deutscher Bürger.28 Doch nicht in allen Fällen war das Dritte Reich positiv gemeint. Auch die politischen Gegner der Nationalsozialisten beriefen sich häufig auf die Idee, um sie zu verunglimpfen. 1930 qualifizierte der Hamburger Anzeiger die »schwärmerische Verehrung des legendären Dritten Reiches« der Nationalsozialisten als weit hergeholte »Utopie« ab.29 Die von der SPD für die Reichstagswahl 1932 produzierten Wahlplakate illustrierten den Begriff mit Bildern von Grabsteinen und Skeletten.30 1931 landete ein Rechtsstreit zwischen dem Rowohlt Verlag und dem Herausgeber des Buches Das Dritte Reich von Moeller van den Bruck vor dem Berliner Landgericht, da der Rowohlt Verlag ein ironisch gemeintes Buch mit dem gleichen Titel herausgegeben hatte, das »die spirituelle Bedeutung des Nationalsozialismus lächerlich machte«.31 Derartige Kritiken kamen nicht nur von linker, sondern auch von rechter Seite. 1932 versuchte Erich Ludendorff, den Begriff des Dritten Reiches mit Homosexualität gleichzusetzen, und verhöhnte Hitlers Entscheidung, seinen (offen schwulen) SA-Chef Ernst Röhm zu behalten: »Bekanntlich nennt man ja alle die für das eigene Geschlecht krankhaft Veranlagten das ›Dritte Geschlecht‹. Wie sinnlos ist also für die Hitlerpartei der Name das ›Dritte Reich‹!«32 Angesichts der vielfältigen Kritiken an dem Begriff zur damaligen Zeit überrascht es nicht, dass Hitler ihn nach Möglichkeit vermied. Obwohl er ihn bereits 1930 explizit erwähnte, überließ er es seinen Befehlsempfängern, für ihn zu werben.33 Dies änderte sich jedoch am 29. Januar 1933, als Hitler von Reichspräsident Paul von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt wurde. Tags darauf erklärte der Völkische Beobachter triumphierend, die Entscheidung habe 38

Die Kontrastfolie des Vierten Reiches

Wie dieses Wahlplakat für die Reichstagswahl 1932 deutlich machte, stellte sich die SPD Deutschland unter einem Dritten Reich als einen riesigen mit Grabsteinen übersäten Friedhof vor.

»den Grundstein für das Dritte Reich gelegt«.34 Wo das neue Reich der Wirklichkeit nun einen Schritt nähergekommen war, machte sich Hitler den Begriff zunehmend zu eigen.35 Wie Max Domarus’ umfassende Sammlung der Reden des NS-Führers zeigt, berief sich Hitler in den ersten Jahren seiner Diktatur wiederholt auf die Idee des Dritten Reiches.36 So betonte er beispielsweise auf dem Ersten Kongress der Deutschen Arbeitsfront im Mai 39

1.  Zwischen Fantasie und Albtraum

1933, wie wichtig es sei, die Loyalität des deutschen Volkes für das »kommende[…] Deutsche[…] Reich, unser[…] Dritte[s] Reich« zu gewinnen (womit er auch andeutete, dass es noch nicht gegründet war).37 In späteren Reden beschwor Hitler »das Taufwasser des Dritten Reiches« herauf (München, 1934), begrüßte die »Flagge des Dritten Reiches« (Coburg, 1935) und bezeichnete Deutschland als »das nationalsozialistische Dritte Reich« (Nürnberg, 1936).38 1937 deutete er an, das Reich sei endlich gekommen, und verkündete dem Reichstag am 30. Januar, dass neue nationalsozialistische Organisationen wie die SA, die SS und die Hitlerjugend zu »Steine[n] des stolzen Baues unseres Dritten Reiches« geworden seien.39 In den folgenden Jahren verwendete Hitler den Begriff des Dritten Reichs jedoch immer seltener. Nach der Annexion des Sudetenlandes im Herbst 1938 spielte er ihn zugunsten weitreichenderer Bezeichnungen wie »Großdeutsches Reich« herunter.40 Im Sommer 1939 wies Hitler das Propagandaministerium an, den Begriff »Drittes Reich« in allen offiziellen Mitteilungen zu verbieten.41 Die Gründe bleiben undurchsichtig, doch galt der Begriff möglicherweise als zu pazifistisch.42 Da die ursprüngliche christologische Vorstellung vom »Dritten Reich« eine Ära des Friedens und der Harmonie suggerierte, hätte ihr weiterer Gebrauch implizieren können, dass das NS-Regime keine Pläne für weitere revolutionäre Aktionen hegte. Ein derartiges Ansinnen lag Hitler jedoch fern. Ende der 1930er-Jahre war der NS-Führer bestrebt, Lebensraum durch Krieg zu sichern. Um Unterstützung hierfür zu gewinnen, war ein neuer Begriff vonnöten. Im Juni 1939 wies Hitler deshalb die deutschen Medien an, den Ausdruck »Germanisches Reich deutscher Nation« und »Großgermanisches Reich« zu verwenden, da Deutschland dazu bestimmt sei, ein »Erobererstaat« zu werden.43 Fortan verschwanden Hinweise auf das Dritte Reich weitgehend aus dem nationalsozialistischen Deutschland. Obwohl die deutsche Presse den Ausdruck in den ersten Kriegsjahren weiterverwendete – und auch Hitler dies gelegentlich tat –, verschwand er in Deutschland allmählich aus dem öffentlichen Diskurs.44

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Die Ursprünge des Vierten Reiches

Die Ursprünge des Vierten Reiches Ein weiterer Grund für den Verzicht der Nationalsozialisten auf den Begriff Drittes Reich war die Tatsache, dass Regimegegner durch ihr Propagieren des alternativen Konzepts eines Vierten Reichs den Begriff rhetorisch entwertet hatten.45 Ausgehend von älteren Präzedenzfällen entwickelte sich die Idee des Vierten Reiches ursprünglich als Kampfbegriff des antinazistischen Widerstands nach 1933. Progressive Linke und reaktionäre Rechte im Inund Ausland übernahmen den Begriff als idealistischen Wahlspruch, der eine hoffnungsvolle, postnazistische Zukunft versprach. In dieser Phase galt das Vierte Reich jedoch nicht nur als Gegenpol zum Dritten Reich. Während es vor 1939 in antinazistischen Kreisen noch positiv besetzt war, verlieh der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs dem Konzept allmählich eine vieldeutigere Zuschreibung. Vor allem alliierte Beobachter assoziierten das Vierte Reich eher mit Ängsten als mit Fantasien.

Das Vierte Reich vor 1933 Wie ihr Vorgänger hat auch die Idee des Vierten Reiches tiefer liegende religiöse Wurzeln. Sie geht zurück auf das Buch des Propheten Daniel, speziell das zweite und siebte Kapitel, die den einflussreichen Begriff der vier Weltmonarchien oder Reiche in das abendländische Denken einführten. In Kapitel 2 deutet Daniel einen Traum des babylonischen Königs Nebukadnezar II. (um 634–562 v. Chr.), in dem Letzterer eine riesige Statue aus vier Metallen (Gold, Silber, Messing und Eisen) sieht, die von einem großen Stein zerstört wird. In Kapitel 7 beschreibt Daniel einen seiner eigenen apokalyptischen Träume, in dem vier Tiere (ein Löwe, ein Bär, ein Leopard und ein Wesen mit zehn Hörnern) aus dem Meer auftauchen und schließlich durch Gottes Gericht vernichtet werden. In beiden Kapiteln besitzt die Zahl vier eine wichtige politische Symbolik und verweist auf den unmittelbaren historischen Kontext des Buches Daniel. Das Buch wurde von Juden verfasst, die im 2. Jahrhundert v. Chr. unter der repressiven Herrschaft der griechischen Seleukidenmonarchie lebten, und verurteilte nachdrücklich die 41

1.  Zwischen Fantasie und Albtraum

vier Monarchien, die das jüdische Volk im Lauf der Geschichte unterdrückt hatten. Als die ersten drei galten traditionell die der Babylonier, der Meder und der Perser; das vierte Reich war das des griechischen Königs Antiochus IV. Epiphanes (um 215‒164 v. Chr.). Die Geschichten im Buch Daniel spielen allegorisch auf die Zerstörung dieses letzteren Königreichs an und boten unterdrückten Juden so eine erhebende, antiimperialistische Botschaft des Sieges des Guten über das Böse und der unmittelbar bevorstehenden göttlichen Befreiung.46 In der postbiblischen Zeit gaben christliche Denker dem Buch Daniel eine gänzlich neue Lesart. In der Spätantike, im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit nutzten religiöse Vertreter in Europa die biblischen Erzählungen, um die Weltgeschichte zu periodisieren und ihre eigenen historischen Realitäten zu verstehen. Vor allem wollten sie herausfinden, auf welche historische Monarchie sich das vierte Königreich der Bibel bezog. Frühchristliche Denker deuteten das vierte Königreich nicht als das der Griechen, sondern als das der Römer; diese Interpretation spiegelt die anfängliche Unterdrückung der christlichen Sekte durch das Römische Reich wider und wahrt die negativen Konnotationen des »vierten« Königreichs. Als das Christentum jedoch nach und nach zur römischen Staatsreligion wurde, wandelte sich die antiimperialistische Botschaft des Buches Daniel in eine positive Bestätigung des imperialen Status quo. Das Vierte Reich meinte nun nicht mehr die letzte Phase des Leidens vor einem kulminierenden Moment der Befreiung, sondern das letzte Bollwerk gegen apokalyptische Zerstörung.47 Diese Erzählung verbreitete sich im Lauf der Zeit im deutschsprachigen Raum. Im frühen Mittelalter sahen sich die Deutschen zunehmend als Erben des kaiserlichen Roms. Obwohl der Zusammenbruch des Westreiches im 5. Jahrhundert n. Chr. theoretisch die erwartete Apokalypse hätte herbeiführen sollen, bedienten sich die Deutschen des Prinzips der translatio imperii (»Übertragung des Reichs«) und erklärten, das Imperium lebe im neuen Heiligen Römischen Reich Karls des Großen und Ottos I.48 weiter. Von diesem Zeitpunkt an entwickelte sich der Gedanke vom Heiligen Römischen Reich als dem Vierten Königreich in eine einheitliche Richtung. Während der Reformation vertraten religiöse Abweichler wie Martin Luther, Johannes Calvin und Philipp Melanchthon eine von der Gegenwart geprägte 42

Das Vierte Reich vor 1933

Die Vorstellung von einem Vierten Reich geht auf das Buch Daniel im Alten Testament zurück, das den Aufstieg und Fall vierer Weltreiche prophezeite. Dieses Bild von 1775 zeigt den aus vier Metallen bestehenden Koloss der Königsherrschaft, der – stellvertretend für die vier Weltreiche – von vier mythischen Tieren umgeben ist. Oben rechts fällt ein von Gott gesandter Felsbrocken hinab, um die Herrschaft der Menschen durch göttliche Gerechtigkeit zu stürzen.

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Sicht des Vierten Reiches und verwendeten den Begriff zur Verteidigung des Reiches gegen neue Vertreter des »Antichristen« wie die osmanischen Türken.49 Während der Religionskriege, der Französischen Revolution und der Napoleonischen Kriege behielt das Konzept des Vierten Reiches seine rhetorische Anziehungskraft für Deutsche, die die bestehende imperiale Ordnung gegen neue apokalyptische Gefahren verteidigen wollten.50 Im Lauf des 19. Jahrhunderts verlor es jedoch einen Großteil seiner prophetischen Kraft. Der Aufstieg säkularer Formen politischen Denkens und historischer Forschung nahm dem Konzept seine frühere Relevanz, sodass es zu Beginn des 20. Jahrhunderts nur noch ein geheimnisumwobener religiöser Begriff war, der allein für Kleriker und Wissenschaftler von Interesse war.51 Erst zu Beginn der 1930er-Jahre entwickelte sich das Vierte Reich zu einem stärker säkularen politischen Begriff. Dieser Wandel begann mit dem Erscheinen von Kurt van Emsens Buch Adolf Hitler und die Kommenden.52 Der am Vorabend der nationalsozialistischen Machtergreifung 1932 erschienene Band war eine erweiterte, wenn auch höchst eigenwillige Betrachtung der Rolle, die sowohl ein Drittes als auch ein Viertes Reich für die politische Zukunft Deutschlands spielen sollten. Der Autor des Buches (in Wirklichkeit handelte es sich um den deutschen Arzt und Sanatoriumsleiter Karl Strünckmann) war von den unterschiedlichsten Strömungen beeinflusst, darunter christlicher Apokalyptik, Astrologie, Numerologie, Okkultismus, Rassenlehre, völkisches Denken, Pangermanismus und den philosophischen Werken von Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Karl Marx und Friedrich Nietzsche.53 Sein Ausgangspunkt war der messianische Glaube, Deutschland sei dazu bestimmt, »zum vierten Reich der ›Kommenden‹« zu werden.54 Dieser klangvolle Ausdruck, der Teil des Titels seines Buches war, macht deutlich, wie van Emsen die traditionelle Bedeutung des Vierten Reiches von einer gegenwärtigen Realität in ein zukunftsweisendes Ideal verkehrte. »[D]ie Aufgabe von übermorgen, im vierten Reich«, so der Autor, bestehe für die Deutschen darin, »Pioniere neuer transnationaler Schöpfungen zu werden, Träger einer föderalen Form des ›Universalismus‹ in Staat, Kirche und Wirtschaft«.55 Diese utopische Vision ähnelte insofern Moeller van den Brucks Vorstellung vom Dritten Reich, als sie von einer erlösenden, weltgeschichtlichen Mission für das deutsche Volk ausging. In einem wichtigen Punkt wich van Emsens Vision jedoch von Moeller van den Bruck ab. 44

Das Vierte Reich vor 1933

Da sie fast ein Jahrzehnt nach Moellers Buch verfasst worden war, war das Dritte Reich bereits von der NSDAP vereinnahmt worden und stand nicht mehr als Chiffre für van Emsens angestrebte Utopie zur Verfügung. Van Emsen musste sich deshalb auf die Zukunftsvision eines Vierten Reiches berufen, das nur im Anschluss an seinen noch zu schaffenden nationalsozialistischen Vorgänger begründet werden konnte. In seiner Darstellung dieses Prozesses bekannte sich van Emsen zu einer dialektischen Geschichtsphilosophie und prophezeite Deutschland eine Reihe revolutionärer Ereignisse, die von keinem Geringeren als Adolf Hitler initiiert werden würden. Als »Trommler der deutschen Revolution« sei Hitler dazu bestimmt, die chronischen Bruchlinien zwischen den Klassen, Religionen und Rassen in Deutschland durch die Gründung eines »dritte[n] Reich[es] der großdeutschen Nation« zu überwinden, das endlich Nationalismus und Sozialismus versöhnen und den »vierte[n] Stand« (das Proletariat) in den »Volksorganismus« integrieren werde.56 Doch während van Emsen Hitler als »Anfang einer Wende« sah, war er nur »Symbol der Übergangszeit«. »Dann wird aber seine Aufgabe erfüllt sein. An seine Stelle werden andere treten«, so van Emsen.57 Hitlers »kleine deutsche Revolution« sei nur ein partikularistischer, »völkischer« Auftakt zur umfassenderen »Weltrevolution«, die am Ende des 20. Jahrhunderts stattfinden werde.58 Diese werde die »große Wiedergeburt« herbeiführen, die durch die Verwirklichung einer neuen »kommunistisch-christliche[n] Brüderschaft« und durch die Entstehung eines »vierten Reich[es]«, des »Gottesreich[es]«, die historisch bedingten religiösen Gräben Deutschlands überwinden werde.59 Dieser Vorgang bedeute einen gewalttätigen, nietzscheanischen Prozess schöpferischer Zerstörung. »[D]ie letzten Bastionen der Vergangenheit«, so van Emsen, müssten vor der Entstehung des Vierten Reichs »restlos vernichtet werden«.60 Unter Verweis auf die Lieder-Edda aus der altnordischen Dichtung schrieb er, die Deutschen müssten »die tiefsten Tiefen der Hölle« durchleiden und die »Beilzeit« überstehen, bevor sie »in die Heilzeit eintreten« dürften.61 In der Anfangszeit würden sie »durch Blut und Eisen« ein national geeintes Kolonialreich in Mittel- und Osteuropa schaffen.62 Aber im Anschluss daran würden sie einen friedlicheren Prozess der kulturellen Vereinigung verfolgen, bei dem sie Brücken zu »hinduistischen Kulturkreisen« in Asien bauen und sich mit »der ältesten geistig-religiösen Heimstätte 45

1.  Zwischen Fantasie und Albtraum

In seinem Buch Adolf Hitler und die Kommenden (1932) prophezeite Kurt van Emsen mystisch ein Viertes Reich. Dieses biomorphe Diagramm mit dem Titel »Deutschland in der Welten-Wende« (S. 129) stellt die Entwicklung Deutschlands in Form von vier Existenzphasen dar: »I) das Römische Reich deutscher Nation; IIa) das alpen- und sudetendeutsche II. Reich (Österreich-ungarische Monarchie); IIb) das Bismarcksche II. Reich (Kleine Revolution); III) Das III. Reich (Große Revolution); IV) Das IV. Reich.«

der ›Arier‹« verbinden würden.63 Das Ergebnis werde die Gründung eines endgültigen »armanisch-atlantische[n] Reich[es] deutscher Nation« und die Schaffung einer »neuen Menschheit« sein.64 Mystisch schrieb er: Wir erleben heute den katastrophalen Übergang vom Fische-Zeitalter zum Wassermann-Zeitalter. Wir stehen in einer aeonischen Wende, wie zur Zeit der Geburt Christi; als die Menscheit [sic] aus der Widderzeit in den neuen christlichen Aeon der Fische trat. Eine alte Welt ging zugrunde, eine neue stieg auf: das christliche Abendland. Nach 2000 Jahren hebt jetzt ein neues gewaltiges »Stirb und Werde« an: der Untergang des Abendlandes und Aufstieg der 46

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neuen atlantischen Welt. Das sterbende Abendland abzubauen, ist die Bestimmung des dritten Reiches. Die Gestaltung des neuen atlantischen Kulturreiches im Wassermann-Aeon wird Aufgabe des Vierten Reiches sein.65 Das Vierte Reich werde letztlich ein Zeitalter des universellen Friedens einläuten, eine »Pax teutonica«. Eine »neue Erde« werde entstehen und Deutschland werde ihr »Schutzengel« sein.66

Nach 1933: Das Vierte Reich in ausländischer Inkubation Es ist nicht bekannt, wie viele Leser van Emsens Buch fand, doch nach 1933 bot es Nazigegnern einen bleibenden Slogan. Deutsche Emigranten waren die Ersten, die die Vorstellung eines Vierten Reichs beförderten. Ein früher Vertreter dieser Bemühungen war der bayerische Adlige und Katholik Hubertus Prinz zu Löwenstein (1906–1984). Wissenschaftlern zufolge warb Löwenstein in mehreren Büchern, die er nach seiner Übersiedlung nach Los Angeles 1933 verfasste, für die Idee eines »postnazistischen Vierten Reiches«.67 Löwenstein war ein wichtiger Akteur in deutsch-amerikanischen Kreisen, er war Mitbegründer der »Hollywood Anti-Nazi League« 1936 und verfasste zahlreiche Bücher zur Förderung eines zukünftigen Reiches. Allerdings bezeichnete er sein zukünftiges Deutschland nie als Viertes Reich, sondern betrachtete es vielmehr als ein reformiertes Drittes Reich. In seinem Buch Nach Hitlers Sturz: Deutschlands kommendes Reich (1934) machte Löwenstein von Anfang an deutlich, dass »wir nach dem Zusammenbruch des gegenwärtigen Pseudo-Reichs für das wahre Kommende Dritte Reich bereit sein müssen, das heißt auf die dritte historische Inkarnation der abendländischen Idee in einem Volk«.68 In seiner Begründung für diesen zukünftigen Staat verfolgte Löwenstein die Idee des Reiches bis ins antike Rom zurück und definierte sie platonisch als Vorstellung einer »europäischen Kulturgemeinschaft«, die einer Vision von »universeller Verantwortung gegenüber der Menschheit« verpflichtet sei. Wie das Heilige Römische Reich sah es sich der christlichen Idee von »Dienst und Liebe« verpflichtet,69 was erklärte, wa47

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rum das Dritte Reich der Nazis »keine Verbindung zu ihm hat«, da »die Idee des Reiches niemals dort verwirklicht werden kann, wo Gewalt herrscht ... [und] Freiheit und Gerechtigkeit zerstört wurden.«70 Das kommende Reich war also eine geistige Idee, die auf der »universellen Brüderlichkeit des Menschen« beruhte.71 Wie schon Moeller van den Bruck bei seiner Vorstellung vom Dritten Reich glaubte Löwenstein, dass Deutschland bei seiner Entstehung »eine besondere Rolle zu spielen« habe. So wie das Land das Heilige Römische Reich tausend Jahre lang geführt habe, sei Deutschland dafür verantwortlich, die zentrale Idee des Reichs – »den Inhalt des Abendlandes« – zu bewahren, den Grundstein aus Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit zu legen und damit der Zukunft Europas zu dienen.72 Im Gegensatz zum konservativen Löwenstein entstammten andere Befürworter des Vierten Reiches dem linksliberalen Flügel des politischen Spektrums. Einer der entschiedensten Verfechter war der Journalist und ehemalige SPD-Reichstagsabgeordnete Georg Bernhard. Er übersiedelte 1933 nach Paris, wo er Mitbegründer der großen deutschen Exilzeitung, des Pariser Tageblatts, war. Als Chefredakteur bekräftigte Bernhard den Anspruch des Blattes, »eine scharfe geistige Waffe der im Ausland lebenden Deutschen gegen die Unkultur des Dritten Reiches zu sein«.73 Seine Arbeit bestand vor allem darin, die Westmächte vor den aggressiven außenpolitischen Zielen der Nazis zu warnen und die »Lüge zu enthüllen«, auf die sich die NS-Propaganda stützte. Bernhard sah sich jedoch auch als Teil einer vertriebenen »intellektuellen Avantgarde«, die seiner Ansicht nach eine politische Alternative zum Nationalsozialismus formulieren konnte.74 In den Jahren 1935–1937 beteiligte er sich mit anderen führenden Emigranten, darunter Heinrich Mann, Lion Feuchtwanger und Konrad Heiden, an größeren, von den Kommunisten finanzierten Bemühungen, linke und liberale Kräfte in einer antinazistischen Volksfront zusammenzuführen.75 Im Rahmen dieser Bemühungen wurden Bernhard und sein Kollege Leopold Schwarzschild in einen Unterausschuss, den sogenannten Lutetia-Kreis, berufen, wo sie aus eigener Initiative an Verfassungsentwürfen für ein neues Deutschland arbeiteten.76 Bezeichnenderweise apostrophierte Bernhard seine Version als »Entwurf einer Verfassung für das Vierte Reich«.77 Das sehr detaillierte Dokument war in seinen Grundsätzen liberal und der »Gewissensfreiheit« sowie der »Gleich48

Nach 1933

Während seines französischen Exils (1935–1937) arbeitete der jüdische Journalist und ehemalige SPD-Reichtstagsabgeordnete Georg Bernhard zusammen mit anderen deutschen Emigranten an dem »Entwurf einer Verfassung für das Vierte Reich«. Das künftige Deutschland sollte der »Demokratie und Gleichheit weltweit« verpflichtet sein.

heit der Angehörigen aller Klassen und Rassen« verpflichtet. Darüber hinaus versprach es die »Austilgung aller Spuren der menschenunwürdigen Barbarei« des Dritten Reiches aus dem zukünftigen Staat und erklärte: »Es darf niemand ein öffentliches Amt im Vierten Reich führen, der leitend in der Nationalsozialistischen Partei oder ihren Nebenorganisationen tätig war.«78 Das Dokument enthielt zahlreiche Einzelheiten über die Neuordnung von Militär, 49

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Bürokratie, Justiz, Schulsystem und Wirtschaft. Gemeinsames Element all dieser Empfehlungen war eine Ablehnung von Gewalt. »Das Vierte Reich ist das Reich des Friedens«, schrieb Bernhard, das »alle Bestrebungen alldeutscher Art« sowie eine »Kolonialpolitik« als »verbrecherisch« ablehne. Stattdessen verpflichtete es sich zu »Demokratie und Gleichheit weltweit«.79 Wie nicht anders zu erwarten, löste Bernhards Dokument – wie Schwarzschilds »Verfassungsentwurf« aus der gleichen Zeit – eine heftige Kontroverse unter den liberalen und kommunistischen Fraktionen der Volksfront aus.80 Letztlich blieb es allerdings von rein theoretischem Interesse, denn, solange die Nationalsozialisten an der Macht waren, blieb der Verfassungsentwurf ein toter Buchstabe.81 Das Vierte Reich hatte nicht nur eine politische Prägung. Dass sowohl Bernhard als auch Schwarzschild – wie viele andere Exiljournalisten – Juden waren, zeigte, wie die Idee auch eine jüdische Färbung annahm.82 In dieser Zeit verbanden die deutschen Juden ein Viertes Reich ganz allgemein mit einer gewissen Hoffnung und manchmal sogar mit Humor. Vor allem deutsch-jüdische Flüchtlinge hofften naiv auf den bevorstehenden Sturz Hitlers und versuchten, die positiven Aspekte ihrer Situation zu sehen. Die zahlreichen deutsch-jüdischen Auswanderer, die in die Vereinigten Staaten geflohen waren, lebten vor allem in New York, insbesondere in Washington Heights.83 Ende der 1930er-Jahre erhielt der Stadtteil den Beinamen »Das vierte Reich«. Die genaue Herkunft des Spitznamens ist unbekannt, doch wie es scheint, verliehen die deutschen Juden ihrem neuen Viertel selbst die Bezeichnung – wenn auch in »scherzhafter«, »ironischer« oder »sarkastischer« Weise.84 Allerdings war die Bedeutung des Namens wahrscheinlich tiefgehender, als es Ernest Stock vermutete, als er die Namensgebung in der Nachkriegszeit als »plumpen Jux« bezeichnete.85 Der Name war zweifellos eine Art Bewältigungsstrategie. Deutsche Juden in Washington Heights versuchten, so viele kulturelle Traditionen wie möglich in ihrer neuen Heimat zu bewahren. Aus Deutschland geflohene Juden bezeichneten ihr Viertel als Viertes Reich und verknüpften ihr neues Zuhause so auf schwarzhumorige Weise mit dem Land, aus dem sie geflohen waren.86 Darauf deutet ein bekannter Flüsterwitz aus der NS-Zeit hin: »Ein Jude besucht in New York einen Verwandten, dem die Emigration aus Deutschland gelungen ist. Zu seiner Überraschung findet er im Wohnzimmer ein Hitlerbild. Er fragt, was 50

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das zu bedeuten habe. ›Gegen das Heimweh!‹[,] erklärt der Besitzer.«87 Vor diesem Hintergrund kann der ironische Beiname »Viertes Reich« als Ausdruck der Hoffnung deutscher Juden verstanden werden, das NS-Regime möge nicht von Dauer sein. Diese Hoffnung prägte auch einige der Verweise auf das Vierte Reich, die in den 1930er-Jahren in der jüdischen Presse erschienen. Im Herbst 1935 verkündete der amerikanisch-jüdische Arbeiterführer und Geschäftsführer der Zeitung Forward, Baruch Charney Vladeck, voller Zuversicht, das Dritte Reich der Nazis werde bald von einem fortschrittlicheren Staat, bestehend aus demokratischen Kräften, abgelöst: die »sozialistische Bewegung in Europa erholt sich ... definitiv von dem ersten Schock des Hitlerismus und ... ist in die Offensive gegangen«; Vladeck prognostizierte den Aufstieg einer »Massenbewegung« aus Vertretern der Arbeiterbewegung und Liberalen, die sich gegen den Faschismus stellten: »Das Vierte Reich ... wird eine Vereinigung von Arbeitern und dem Mittelstand sein, die auf Gleichheit und Demokratie beruht.«88 Die gleiche Art von Hoffnung kam im folgenden Jahr in einem Aufsatz in der deutsch-jüdischen Wochenzeitung Aufbau zum Ausdruck. Im Januar 1936 erschien hier eine futuristisch-fiktionale Zusammenfassung einer Silvesterfeier im New York des Jahres 1956. Nach der Beschreibung des imaginären Ereignisses, zu dem auch eine Liveübertragung des ersten Aktes von Richard Wagners Parsifal aus der großen Nationaloper Tel Aviv gehörte, hieß es in dem Artikel optimistisch: »unter den Anwesenden ... waren der deutsche Generalkonsul Dr. Wolfgang Isidor Nathan ... In seiner Begleitung befand sich der Chefredakteur der New Yorker Staatszeitung, Dr. Hadubrand Krause, der sich durch sein mutiges Eintreten für Demokratie und Sozialismus im Vierten Reich unsere allseitige Sympathie erworben hat.«89 Der Aufbau zeigte Deutsche und Juden, die sich miteinander versöhnt hatten, und präsentierte so eine verlockende Vorstellung deutschjüdischer Verständigung. Diese Hoffnung verbreitete, wenngleich mit einer zusätzlichen Portion Hohn, auch ein anderer Artikel, der im August 1939 erschien. Anlässlich der Abtragung einer Statue des philosophischen Aufklärers Gotthold Ephraim Lessing auf dem Wiener Judenplatz durch die Nationalsozialisten hieß es in dem Artikel: »und zu Recht! Der Autor von Nathan [dem Weisen] muss kein Held für die Nazis sein. ... erst im Vierten Reich« werde das Verbrechen wiedergutgemacht.90 Die Hoffnungen, die Ju51

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den mit der Vorstellung des Vierten Reiches verbanden, äußerten sich schließlich auch in dem Buch Europe’s Conscience in Decline (1939) des Rabbi (und späteren US-Marinekaplans) Charles Shulman. Sein Werk war eine Anklage gegen den Antisemitismus der damaligen Zeit. So schrieb Shulman empathisch, die Juden in Deutschland »dachten, mit dem Ende des Ersten Weltkriegs ... sei der Hass zu Ende gegangen. Mit dem Aufstieg Hitlers erkannten sie, dass sie sich einmal mehr getäuscht hatten ... In Deutschland und im Exil haben sie das NS-Regime nicht als das Deutschland akzeptiert, das sie in ihren letzten Hoffnungen erträumt hatten. Sie warten auf das Vierte Reich.«91 Im jüdischen Sprachgebrauch stand das Vierte Reich kurzum für die Hoffnung auf ein künftiges Idealbild von Deutschland. Unmittelbar nach Kriegsbeginn prophezeite die jüdische Presse zudem, das nächste Deutsche Reich werde ein fortschrittlicher Staat sein. Um dies zu gewährleisten, müsse jede künftige Friedensregelung die Probleme des Versailler Vertrags vermeiden und gegenüber Deutschland nicht Strenge, sondern Milde walten lassen. 1940 erklärte Ben Mordecai im Jewish Advocate: »trotz allem, was wir durch Hitlers Hände erlitten haben ... wenn wir darauf bestehen, das neue Deutschland in Ketten zu legen ... das Vierte Reich, mit einer riesigen Rechnung für alle Sünden und Verwüstungen seiner Vorgängerregierung, dann wird es uns nur gelingen, ein normales Leben für dieses unglückliche Land unmöglich zu machen ... Die Agitatoren werden dann darauf verweisen, dass es die Juden sind, die den Wiederaufbau Deutschlands verzögern.«92 Diese Zurückhaltung mag angesichts der späteren jüdischen Forderungen nach einer Bestrafung Deutschlands für seine Kriegsverbrechen überraschen. Zum Zeitpunkt von Mordecais Artikel hatten die schlimmsten Exzesse der Judenverfolgung durch das NS-Regime jedoch noch nicht stattgefunden. Darüber hinaus waren die amerikanischen Juden sensibel für den Vorwurf der »Kriegstreiberei«; sie standen im Ruf, die Regierung von Präsident Franklin D. Roosevelt in einen ausländischen Krieg verwickeln zu wollen, den amerikanische Isolationisten ablehnten. Aus diesem Grund versuchten die Vertreter der jüdischen Presse, sich gegenüber einem zukünftigen Vierten Reich optimistisch zu zeigen. Von einer ähnlichen Abneigung gegen Vergeltungsmaßnahmen zeugte eine von Martin Panzer verfasste und im Frühjahr 1941 im Jewish Exponent veröffentlichte fantastische Geschichte über »das, was nach Kriegsende mit 52

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Hitler geschehen könnte«. Panzer schilderte ein gnädiges Szenario, in dem der Führer für seine Vergehen nur einen Klaps auf das Handgelenk bekam. In einer zukünftigen Welt »drei Monate nach dem Friedensvertrag ... und fünf Monate, nachdem ... das Vierte Reich fast reibungslos zu funktionieren begonnen hatte«, nimmt die neue deutsche Regierung Hitler gefangen und stellt ihn für seine Verbrechen vor Gericht. Es folgen wochenlange Zeugenaussagen und Kreuzverhöre, doch völlig unerwartet erscheint Hitler schließlich als »eine erbärmliche Gestalt in seiner Einsamkeit«, sodass die Menschen ihn als »einen Außenseiter« betrachten. Als die Zeit der Urteilsverkündung kommt, wird Hitler schuldig gesprochen, kommt aber mit einer Bewährungsstrafe davon. Überraschenderweise halten nur wenige Menschen das Urteil für ungerecht, denn für sie ist »das alte Wrack« im Wesentlichen »machtlos«. Die Geschichte endet mit einer Szene ausgleichender, wenn auch absurder Gerechtigkeit: Mehrere Produzenten boten Hitler fette Summen für Bühnen- und Leinwandauftritte. Von einer großen Versicherungsgesellschaft kam ein Angebot über 50.000 Dollar pro Jahr, falls Hitler eine Vizepräsidentschaft übernähme. Doch Hitler schenkte keinem einzigen von ihnen Beachtung. Er nahm sich ein kleines Zimmer über einem Feinkostladen und schrieb unablässig. Um ihn herum entstand eine kleine Gruppe namens Zukünftige Deutsche Partei. Ein Polizist stand vor dem Gebäude Wache, um ihn zu schützen.93 In ihrer Vorhersage von Hitlers Nachkriegsreputation war Panzers Geschichte alles andere als hellseherisch. Aber sie unterstrich die Befindlichkeiten der amerikanisch-jüdischen Bevölkerung zu einer Zeit, als ihr Land noch neutral war und ihre Loyalitäten noch immer suspekt waren. Amerikanische Juden zeigten sich hier bereit, Deutschland für seine Verbrechen zu vergeben und der neuen Nachkriegsregierung bei der Wiederherstellung von Gerechtigkeit zu vertrauen. Sie befürworteten damit die Vorstellung von einem Vierten Reich.

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1.  Zwischen Fantasie und Albtraum

Das Vierte Reich in Deutschland: Vorstellungen im rechten Lager In Deutschland selbst gingen die Vorstellungen von einem Vierten Reich von einem ganz anderen Flügel des politischen Spektrums aus. Vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs entstanden die meisten Alternativen zum NS-Regime in rechten Kreisen. Eine der bedeutendsten Visionen eines zukünftigen Reiches stammte von dem ehemaligen Nationalsozialisten Otto Strasser. Strasser schloss sich 1925 der NSDAP an, trat aber 1930 aus ihr aus, da Hitler seiner Einschätzung nach die sozialistischen Prinzipien der Partei zugunsten eines Bündnisses mit reaktionären kapitalistischen Kräften aufgegeben hatte. Strasser gründete daraufhin die Splitterbewegung »Schwarze Front«, um eine in seinen Augen echte Form des »Deutschen Sozialismus« zu fördern. Die Schwarze Front gilt seit Langem als Teil des Lagers »konservativer Revolutionäre« oder »nationaler Bolschewiki«, da sie nationalistische mit sozialistischen Prinzipien zu verquicken versuchte.94 Es überrascht nicht, dass Strassers Organisation kurz nach der Machtergreifung 1933 mit den Nationalsozialisten in Konflikt geriet. Nach der Ermordung seines Bruders, des langjährigen nationalsozialistischen Stellvertreters Gregor Strasser, in der Nacht der langen Messer (30. Juni 1934) floh Otto in die Tschechoslowakei, bevor er 1939 nach Paris zog. 1940 verließ er Europa für immer und ließ sich schließlich in Kanada nieder, wo er für die Dauer des Zweiten Weltkriegs blieb. In dieser Zeit sorgte Strasser im englischsprachigen Raum durch zwei Bücher für Aufsehen. Beide erschienen 1940, in beiden trat er als Herrscher eines möglichen Vierten Reiches in Erscheinung: in seiner Autobiografie Hitler und ich und in der wohlwollenden Biografie Nemesis? The Story of Otto Strasser and the Black Front des britischen Journalisten Douglas Reed.95 Strasser bezog sich in seinen Schriften nicht explizit auf ein »Viertes Reich«, wurde aber dank Reeds Neuverpackung seiner politischen Vision in Großbritannien und in den USA dennoch mit dem Begriff assoziiert. Im gesamten Verlauf seines Buches Nemesis? kam Reed auf die Idee zurück und behauptete, Strasser spreche »häufig von dem neuen Deutschland, das er als Das Vierte Reich errichten möchte«.96 Nach Reeds persönlicher Auffassung 54

Das Vierte Reich in Deutschland

Otto Strasser, hier 1939 im Pariser Exil, brach 1930 mit der NSDAP und gründete die Splitterbewegung »Schwarze Front«, die Hitler stürzen und ein neues Deutsches Reich begründen wollte.

war dem zukünftigen Staat mit einem völlig »neuen Namen ... mehr gedient als mit einer überarbeiteten Fassung des diskreditierten alten«; gleichwohl unterstützte er in seiner Darlegung von Strassers Programm die Idee eines Vierten Reiches.97 Reed sprach sich ausdrücklich für Strassers Ziel aus, mithilfe der Schwarzen Front eine »Revolution von oben« einzuleiten und einen »deutschen Sozialismus« zu schaffen, um so Hitler zu stürzen und eine »neue Ordnung« zu errichten.98 Unter Verweis auf Strassers Buch Aufbau des deutschen Sozialismus von 1930 (das 1940 als Germany Tomorrow in aktualisierter Fassung auf Englisch erschien) erklärte Reed, das von der Schwarzen Front vorgesehene neue Reich verlange eine Mischung aus radikalen und reaktionären Maßnahmen, darunter die Abschaffung von Privateigentum, die Wiedereinführung von Gilden, die Errichtung eines autoritären politischen Systems unter der Führung eines auf Lebenszeit ernannten Reichspräsidenten und eine föderale Struktur mit einer eingeschränkten Rolle für Preußen. Schließlich werde das neue Deutschland Hitlers »widerwärtige« Methoden zur Lösung der »Judenfrage« ablehnen und es den Ju55

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den ermöglichen, »eine würdige Existenz zu führen«, zugleich aber ihren »übermäßigen« Einfluss einschränken.99 Strasser selbst bezeichnete diese Vision nicht als Viertes Reich, gab allerdings stillschweigend zu verstehen, der zukünftige deutsche Staat könne als solches betrachtet werden. Deutschland werde nach Hitler weiterhin ein Reich sein, bemerkte er häufig.100 In Hitler und ich erinnert sich Strasser, wie Hitler in einer Diskussion zwei Jahrzehnte zuvor, im Jahr 1920, das Dritte Reich in personam darzustellen behauptete, worauf Strasser antwortete: »Nein ... Moeller van den Bruck sagte, das Erste Reich sei das christliche und föderale Heilige Römische Reich Karls des Großen, das Zweite sei das von Wilhelm und Bismarck und das Dritte müsse wieder föderal, christlich und europäisch sein.«101 Wie Hubertus zu Löwenstein war Strasser überzeugt, ein zukünftiges Deutsches Reich müsse Teil einer größeren europäischen Gemeinschaft sein. Aus diesem Grund setzte er sich für die Bekämpfung der wichtigsten Wegbereiter von Hitlers Version des Nationalsozialismus ein – »Pandeutsche Industrielle ... [und] preußische Junker« – und schwor dem in seinen Augen wahren »nationalsozialistischen Programm«, »Deutschland zum Mitglied der großen europäischen Familie zu machen«, ewige Treue.102 Strasser warb dabei um die Unterstützung des deutschen Volkes. Da »zehn Millionen Menschen [in Deutschland] persönlich unter Hitlers Methoden gelitten« hätten, seien die Deutschen bereit, »die Wurzeln des ... Pan-Germanismus« zu zerstören, »den Geist der europäischen Einheit« anstelle des Geistes »der europäischen Dominanz« zu verfolgen und so »eine nationale und soziale Revolution« zu unterstützen.103 Auch wenn Strasser den Ausdruck Viertes Reich vielleicht nicht persönlich in seinen Schriften verwendete, assoziierten ihn andere damit. Bereits 1930 bezeichneten deutsche Medien sein Zerwürfnis mit Hitler spöttisch als Teil von »Strassers Drittem oder Viertem Reich«.104 Ähnliche Anwürfe kamen aus nationalsozialistischen Kreisen. 1935 beschuldigte die SS-Zeitschrift Das Schwarze Korps den damals im tschechischen Exil lebenden Strasser, Gelder von deutschen Emigranten in Prag angenommen zu haben: »um seine Geldquellen zu verschleiern ... sammelt Strasser ›Bausteine‹ für sein Viertes Reich … [das] zurückgezahlt werden wird, sobald die ›Schwarze Front‹ die Macht übernommen hat«.105 Angloamerikanische Rezensionen von Hitler und ich, Germany Tomorrow und Nemesis? schlossen sich dem 56

Das Vierte Reich in Deutschland

Urteil der New York Times an, wonach Strasser »ein Viertes Reich bilden« wolle.106 Neben Strasser wurden andere regimekritische Nationalsozialisten, konservative Revolutionäre und nationale Bolschewiki mit der Aussicht auf ein Viertes Reich in Verbindung gebracht. Einer der prominentesten war der radikale SA-Führer Ernst Röhm. Vor der Nacht der langen Messer soll Röhm ein neues Reich im Rahmen einer angeblichen Rebellion gegen Hitler geplant haben. Das zumindest behauptete Hermann Göring bei den Nürnberger Prozessen im März 1946: »Einige Wochen vor dem Röhm-Putsch vertraute mir ein unterer SA-Führer an, dass er gehört habe, dass eine Aktion gegen den Führer … geplant sei, damit das Dritte Reich schnellstens durch das endgültige Vierte Reich, wie der Ausdruck bei diesen Leuten war, abgelöst werden sollte.«107 Es ist schwer zu sagen, ob Göring die Wahrheit sagte oder nur versuchte, den Mord an Röhm nachträglich zu rechtfertigen. Seine Behauptung war jedoch nicht nur eine Nachkriegsprojektion. Bereits 1934 betonte Otto Strasser, dass »Röhm nur ein Mann des Militärs war. Er verstand rein gar nichts von Politik. Die Behauptung, er habe insgeheim ein Viertes Reich geplant, verschafft ihm eine Bedeutung, die er nie besessen hat.«108 Neben der SA wurden auch andere Anhänger der sozialistischen Prinzipien der NSDAP mit der Möglichkeit eines Vierten Reiches assoziiert. 1941 berichtete die New York Times, der ehemalige NS-Anhänger und konservative Revolutionär Hermann Rauschning plane, »ein christliches Viertes Reich auf einer traditionell konservativen, rechtmäßigen Grundlage zu errichten«.109 Rauschning verwendet den Ausdruck in seinem 1941 erschienenen Buch Die konservative Revolution, in dem er wehleidig klagte, der künftige deutsche Staat werde versuchen, Preußen zum Sündenbock für den Aufstieg des Nationalsozialismus zu machen: »Wir Preußen sind dazu bestimmt, Juden des Vierten Reiches zu sein.«110 Etwa zur gleichen Zeit wurde der ehemalige Linke und nunmehr Nationalbolschewik Ernst Niekisch als Befürworter »eines ›Vierten Reiches‹ [beschrieben], das ... alle bürgerlichen Elemente abschaffen und ... mit Sowjetrussland zusammenarbeiten wird«.111 Auch der rechte Schriftsteller Ernst von Salomon hoffte, nach dem Krieg ein Regime nach nationalbolschewistischen Maßstäben zu errichten, und wurde 1944 als »Prophet des Vierten Reiches« bezeichnet.112 57

1.  Zwischen Fantasie und Albtraum

Neben diesen radikalen Vertretern liebäugelten traditionelle Konservative mit der Vorstellung eines Vierten Reiches als Teil einer restaurierten Monarchie. Im Herbst 1933 nutzte die Vossische Zeitung den in Wien stattfindenden Deutschen Katholikentag als Gelegenheit, um bestimmte »Troubadoure« zu verurteilen, die angeblich hofften, ein von den Habsburgern geführtes »Viertes Reich« unter Erzherzog Otto zu errichten.113 Als Hitler einige Jahre später Pläne für den Anschluss Österreichs entwickelte, verurteilte Joseph Goebbels’ Zeitung Der Angriff die mögliche Rückkehr der Habsburger an die Macht und beschuldigte Erzherzog Otto, »die Einheit Deutschlands zu zerstören und als zukünftiger Monarch eines katholischen Vierten Reiches in Wien zu warten«.114 Derlei Anwürfe in der nationalsozialistischen Presse lassen sich nur schwer verifizieren und sind mit Vorsicht zu genießen, da das Regime den Begriff zur Diskreditierung politischer Gegner nutzte. Sie erklären freilich, wie sich das Vierte Reich in Deutschland zu einem antinazistischen Begriff entwickeln konnte. Diese Tendenz spiegelte sich auch in Berichten über angeblich vom Militär ausgeheckte Pläne wider. 1935 berichteten Gestapoagenten mit Sorge, Reichswehrveteranen hätten zufällig ein Kriegsgedicht mitangehört, das mit den Zeilen »Im dritten Reich marschieren wir, im vierten Reich regieren wir!« endete.115 Im selben Jahr war laut Berichten in der englischsprachigen Presse unter den »jüngeren Mitgliedern« konservativer Militärkreise »von einem vierten Reich die Rede, in dem die Reichswehr und der Stahlhelm mit einem General als Kanzler regiert«.116 Anderen Meldungen zufolge beschwerten sich deutsche Militäroffiziere über die Einmischung der Nationalsozialisten in militärische Belange und prophezeiten: »sobald wir genügend junge Männer in unseren Reihen haben und ... ihnen unseren Standpunkt beibringen können, werden wir einen großen Schritt in Richtung eines Vierten Reiches gemacht haben.«117 Diese Berichte spiegelten die Fantasievorstellung der Alliierten wider, die Nationalsozialisten könnten auch ohne Kriegseintritt der Alliierten gestürzt werden. Auch nach Beginn der Feindseligkeiten im Herbst 1939 wurden solche Wünsche laut. Nach dem gescheiterten Attentatsversuch von Georg Elser auf Hitler am 8. November 1939 spekulierte die britische Presse, wenn das Attentat geglückt wäre, hätte Hermann Göring »eine Übergangsregierung gebildet« und »die Alliierten gebeten, den Krieg zu stoppen, um die Neuordnung des ›Vierten Reiches‹ zu erleichtern«.118 58

Das Vierte Reich in Deutschland

Im weiteren Verlauf des Zweiten Weltkriegs machte sich der deutsche Widerstand den Gedanken eines Vierten Reiches zunehmend zur Aufrüttelung der Öffentlichkeit zu eigen. Mitglieder des liberal gesinnten Bosch-Kreises um den Industriellen Robert Bosch (1861–1942) nutzten die Vorstellung eines neuen Reiches in Geheimtreffen mit amerikanischen Konsularbeamten, um Widerstandskämpfern bei der baldmöglichsten Beendigung des Krieges zu helfen.119 Gleiches galt für den katholischen Widerstand in Köln, wie die Erwähnung eines Vierten Reiches durch den Provinzial der Dominikaner, Laurentius Siemer, und den Jesuitenpriester Alfred Delp zeigt; beide führten lebhafte Diskussionen über die Grundsätze eines postnazistischen Staates.120 Der ehemalige Leipziger Oberbürgermeister Carl Goerdeler, ein Mitglied des Kreisauer Kreises, galt zahlreichen Medienberichten zufolge als designierter Kanzler des Vierten Reiches.121 Wie ein Mitarbeiter des amerikanischen Office of War Information (OWI), der spätere Politikwissenschaftler Gabriel Almond, berichtete, schickte eine Dresdner Widerstandsgruppe 1944 einen anonymen Brief an die örtlichen NSDAP-Funktionäre, der mit »Die provisorische Regierung des Vierten Reichs« unterzeichnet gewesen sei.122 Gegen Ende des Kriegs notierte der Wehrmachtsoffizier und Widerstandskämpfer Hans Bernd Gisevius in seinem Tagebuch, der Geheimdienstchef des NS-Sicherheitsdienstes Ausland (SD), Walter Schellenberg, habe »versucht, sich mit der Opposition zu verbinden ... und habe sich selbst gerettet, indem er zum Vierten Reich überlief«.123 Der Begriff des Vierten Reiches erlaubte gewöhnlichen deutschen Bürgern eine subtilere Form des Widerstands. Der berühmte Dresdner Literaturprofessor und Tagebuchschreiber Victor Klemperer erläutert, wie der Ausdruck in beliebte, regierungsfeindliche »Flüsterwitze« Eingang fand.124 Klemperer, der sich Ende Juni 1941 vorübergehend in Haft befand, erinnerte sich an einen »sehr alte[n] Witz des Dritten Reiches«, der ihn »ernsthaft« tröstete. »Fragebogen des vierten Reiches: ›Wann haben Sie unter der vorigen Regierung gefangen gesessen? Wenn nicht, warum?‹«125 Die Botschaft des Witzes war klar; er gab der Hoffnung Ausdruck, die verkehrte Unrechtsvorstellung der Nationalsozialisten möge in naher Zukunft umgekehrt und ein vernünftiges moralisches Gleichgewicht wiederhergestellt werden. Andere Deutsche nutzten das Vierte Reich als Symbol für Beharrlichkeit. Die Journalistin und Widerstandskämpferin Ruth Andreas59

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Friedrich erwähnt in ihren Erinnerungen Der Schattenmann ein Gespräch mit ihren Freunden Erich und Karla Tuch im Frühjahr 1941 in Berlin; die beiden wurden vom Auswärtigen Amt nach Fernost versetzt. Bei seiner Verabschiedung setzt Herr Tuch an: »Wir sehen uns in ...«, bevor er von Emotionen überwältigt seinen Satz nicht mehr vollenden kann. Andreas-Friedrich ergänzt in Gedanken: »... dem Vierten Reich, beenden wir den Satz schweigend für ihn. Und nicken, um ihm zu zeigen, dass wir ihn verstehen.«126 Diese und andere Begegnungen in Andreas-Friedrichs Erinnerungen zeigen, wie die Erwartung eines neuen Reichs ein gemeinsames Band unter den Gegnern des Hitlerregimes schuf.127 Wie zu erwarten, versuchten die Nationalsozialisten angesichts der zunehmenden Verquickung des Vierten Reiches mit dem Widerstand gegen Hitler, den Begriff zu unterdrücken. 1934 verhöhnten NS-Funktionäre das Gerede »über ein bevorstehendes Viertes Reich« als »Auswanderergeschwätz«.128 Wenig später schlugen die Behörden schärfere Töne an. Am 4. März 1936 warnte Gauleiter Wilhelm Kube in einer Rede in Altona »diejenigen, die von einem Vierten Reich träumen«, dass sie »kein Mitspracherecht beim Schicksal unseres Volkes mehr haben«, und fügte hinzu: »das ›Vierte Reich‹ wurde für alle Zeiten hinter den Mauern der Konzentrationslager ausgesetzt«.129 In der Folge versuchten die Nationalsozialisten, die Vorstellung mit weiteren Strafmaßnahmen zu unterdrücken. 1940 erschien in der britischen Presse eine (möglicherweise apokryphe) Geschichte über eine deutsche Musikerin, die bei ihrer staatlichen Befähigungsprüfung gefragt wird: »Was kommt nach der Regierung des Dritten Reiches in Deutschland?« Die Zeitung berichtete weiter: »Mit ihrem Sinn für Humor schrieb sie ›Das Vierte Reich‹ und fiel daraufhin durch. Stattdessen hätte sie antworten sollen: ›Ich weiß nicht, was nach der Ewigkeit kommen wird.‹«130 Noch erschreckender ist das Todesurteil, dass der NS-Volksgerichtshof 1944 gegen das Weiße-Rose-Mitglied Hans Leipelt fällte. Leipelt wurden nazifeindliche Aktivitäten vorgeworfen, darunter der Versuch, den Nationalsozialismus durch die Erstellung und Veröffentlichung eines satirischen »Fragebogens im Vierten Reich« verunglimpft zu haben.131 Im weiteren Verlauf des Krieges nutzten die Nationalsozialisten den Begriff des Vierten Reiches immer aggressiver als Propagandawaffe. Er sollte den Deutschen vor allem Angst vor den Racheplänen der Alliierten einjagen 60

Das Vierte Reich in der Vorstellung der Alliierten

und so ihren Kampfgeist wecken. So behaupteten nationalsozialistische Zeitungen, die Besatzungspläne der Alliierten für Nachkriegsdeutschland würden von »einem Vernichtungsprogramm des internationalen Judentums« vorangetrieben, und prophezeiten: »ein Viertes Reich würde wahrscheinlich keine besseren [Friedens-]Bedingungen erhalten, als das Dritte erwarten kann«.132 In anderen Berichten betonte das Regime die Gnadenlosigkeit der Alliierten: »nach der Niederlage des Dritten Reiches wäre weder ein Viertes Reich noch überhaupt ein Reich der Deutschen erlaubt«.133 Diese Verwendung sollte der Beflissenheit der Deutschen entgegenwirken, sich den inzwischen auf deutsches Gebiet vordringenden Alliierten zu ergeben. Überdies nutzten die Nationalsozialisten den Terror, um jegliche Hoffnung auf die Gründung eines postnazistischen Staates zunichtezumachen. Als der Krieg zu Ende ging, berichteten ausländische Journalisten verschiedentlich, die Nazis versuchten, »alle Personen, die ... im Verdacht standen ... ein Viertes Reich [oder ein anderes] Kapitulationsregime aufzubauen, zu liquidieren«.134

Das Vierte Reich in der Vorstellung der Alliierten Während der Begriff des Vierten Reiches in Deutschland nachweislich antinazistisch war, war seine Bedeutung für die Alliiertenmächte weniger eindeutig. In den frühen und mittleren Kriegsjahren verwendeten viele Menschen den Begriff als progressive Bezeichnung für das nächste Deutschland. Als sich der Krieg jedoch seinem Ende zuneigte, brachten manche Kritiker das Vierte Reich mit der Aussicht auf einen wiederhergestellten NS-Staat in Verbindung. Die unterschiedlichen Auffassungen über die Art dieses Vierten Reiches spiegelten die allgemeinere Unsicherheit der Alliierten über den künftigen Umgang mit Deutschland nach Kriegsende wider. In den letzten Kriegsjahren entbrannte in den angloamerikanischen Medien, innerhalb der amerikanischen und britischen Regierung sowie in der deutschen Exilgemeinde eine heftige Debatte darüber, ob Deutschland ein harter oder ein weicher Frieden diktiert werden solle. Diese Unschlüssigkeit spiegelte zu einem Großteil auch die grundsätzliche Uneinigkeit über den Charakter des 61

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deutschen Volkes wider – vor allem die Frage, ob es zum demokratischen Wiederaufbau fähig war und mild behandelt werden sollte oder ob die Deutschen unverbesserliche Militaristen waren, die für ihre Verbrechen bestraft werden sollten. Die Vertreter der jeweiligen Positionen stützten sich dabei auf unterschiedliche Vorstellungen von einem Vierten Reich. Die Befürworter eines weichen Friedens versuchten, die progressive Bedeutung des Begriffs zu wahren, und deuteten die turbulente Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert als das Ergebnis kontingenter Faktoren; sie empfahlen eine großzügige Friedensregelung und den Wiederaufbau des Landes. Die Befürworter eines harten Friedens sahen die Deutschen dagegen als ein aggressiv militaristisches und antidemokratisches Volk, das bestraft werden müsse, damit es kein Viertes Reich gründen und einen Dritten Weltkrieg beginnen könne.135 In den englischsprachigen Medien gaben die Befürworter eines weichen Friedens, insbesondere deutsche Emigranten, der Vorstellung eines Vierten Reiches einen positiven Beiklang; für sie war es ein Ausdruck von Hoffnung. Nach der deutschen Besetzung Böhmens und Mährens brachte Otto Sattler, der emigrierte sozialistische Vorsitzende der in New York ansässigen German-American League for Culture, im März 1939 sein Beschämen über die »Vergewaltigung der Tschechoslowakei« zum Ausdruck. Er hoffte, eine Revolution werde einem »Vierten Reich« zur Entstehung verhelfen: »ein Reich für Freiheit und Kultur, vereint mit dem unermüdlichen Marsch der Menschheit auf dem Weg zum ... universellen Frieden«.136 Im Frühjahr 1940 veröffentlichte The New Leader zwei Kommentare des linken Wiener Journalisten Johann Hirsch und des ehemaligen Innenministers der Weimarer Republik, Wilhelm Sollmann, die beide die vorsichtige Hoffnung äußerten, »deutsche Sozialisten könnten ... von einer kriegsmüden Welt die Gelegenheit erhalten, das Vierte Reich in ein stabiles europäisches Zentrum zu verwandeln«.137 Ein Jahr darauf veröffentlichte der linke, nach New York ausgewanderte deutsche Journalist Will Schaber Heinrich Manns Essay »Die deutsche Entscheidung« (1931) in englischer Übersetzung unter dem neuen Titel »Outlook on the Fourth Reich« [Ausblick auf das Vierte Reich] in seinem Buch Thinker versus Junker (1941). In dem kurzen Essay über die politische Zukunft Deutschlands setzte Heinrich Mann – der inzwischen den Beinamen »ungekrönter Präsident des Vierten Reiches« erhalten hatte – den 62

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zukünftigen deutschen Staat mit einer Demokratie gleich und prophezeite ihm nach dem blutigen Sturz des NS-Regimes einen Triumph: »Das Dritte Reich wird scheitern an seiner Unfähigkeit und an seiner Abhängigkeit. Dann aber käme ein ungemein blutiger Abschnitt der deutschen Geschichte. Das Reich der falschen Deutschen und falschen Sozialisten wird gewiss unter Blutvergießen errichtet werden, aber das ist noch nichts gegen das Blut, das fließen wird bei seinem Sturz.«138 Etwa zur gleichen Zeit bezeichnete das Magazin The New Yorker Heinrich Manns Bruder, den Nobelpreisträger Thomas Mann, als »den idealen Präsidenten des Vierten Reiches, sobald die Nazis besiegt sind«.139 Die ins Exil gegangenen deutschen Sozialisten, die 1943 den Sammelband The Next Germany herausgaben, gingen von einem »demokratischen Regierungssystem in einem Vierten Reich« aus.140 Schließlich sagte die deutsch-jüdische (und später zum Katholizismus konvertierte) Exiljournalistin R. G. Waldeck in ihrem Buch Meet Mr. Blank: The Leader of Tomorrow’s Germans (1943) dem »Liberalismus in Deutschland« vorsichtig »eine große Zukunft« voraus; der Glaube an liberale Ideen werde »bei den Jüngeren am stärksten ausgeprägt sein, die ... die entscheidende Rolle im Vierten Reich spielen werden«.141 Viele dieser deutschen Exilanten fanden in amerikanischen Kreisen Unterstützung. Dorothy Thompson, die einflussreiche Kolumnistin des Boston Globe und spätere Verfechterin eines weichen Friedens, zitierte ungenannte Deutsche, »die wichtige Positionen im Dritten Reich einnehmen ... [und] sich auf die [Zeit] nach Hitler vorbereiten«, um ihren Lesern zu versichern: »das von ihnen vorgesehene vierte Reich ist kein kommunistisches ... [sondern] eine demokratische Republik«.142 Der amerikanische Journalist und Mitarbeiter im Office of Strategic Services (OSS) Wallace Deuel beteuerte 1944 in der New York Times, Nachkriegsdeutschland werde »ein freies und demokratisches Viertes Reich sein, mit dem die Welt in Frieden leben kann«.143 Im Februar 1945 brachte der Schwarze-Propaganda-Sender des OSS, »Operation MUSAC« (der deutschsprachige Pseudopopsongs vom britischen Soldatensender Calais oder »Soldiers’ Radio Calais« nach Deutschland sendete), einen neuen Song mit dem Titel »Im Vierten Reich«, der mit den folgenden zuversichtlichen Zeilen schloss:

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Ja, im Vierten Reich zieht der Herrgott ins Haus und der Goering zieht aus, denn das Vierte Reich wird das Land der Gerechtigkeit sein. Wenn die Nazis verkrachen wird Deutschland erwachen und auferstehn, denn im schoenen, im Vierten Reich wird kein Goebbels mehr luegen, kein Funk mehr betruegen, kein Hitler mehr bruellen, kein Himmler mehr killen, kein Schirach befehlen, kein Ribbentrop stehlen, kein Rosenberg schnaufen, und kein Ley sich besaufen – im Vierten Reich werden alle zum Teufel sie gehn!144 Im Gegensatz zu diesen optimistischen Vorhersagen befürchteten skeptischere Beobachter ein zukünftiges nationalsozialistisch ausgerichtetes Deutsches Reich. Manche waren überzeugt, dass die Führer des NS-Regimes nach Kriegsende keine Niederlage akzeptieren, sondern bis zu einer Rückkehr an die Macht untertauchen würden. 1944 warnte der deutsche Exilschriftsteller Curt Riess in seinem Buch The Nazis Go Underground, die NSDAP-Führung werde sich bewusst nicht gewaltsam gegen die alliierte Besatzung wehren, um Nachkriegsdeutschland mit »Untergrundzellen« aus Parteianhängern zu unterwandern und von innen heraus auszuhöhlen.145 Riess zufolge hatte Heinrich Himmler bereits »eine Gruppe von rund 200.000 bis 300.000 Mann« in Deutschland und »eine Armee von Millionen von Sympathisanten« in Ländern wie Argentinien und Spanien versammelt.146 Ihre Aufgabe war es, zu warten, »bis die Welt Zeit hatte, zu vergessen, was die Nazis in Deutschland angerichtet haben«, und dann mit dem »Raunen über die guten alten Zeiten ... unter Hitler« zu beginnen, bis es Zeit 64

Das Vierte Reich in der Vorstellung der Alliierten

für einen Angriff ist.147 Riess war zwar nicht willens, vorherzusagen, wer »der führende Kopf im Vierten Reich« sein werde, doch hatte er keinen Zweifel, dass das ultimative Ziel der NS-Führung darin bestand, »an die Macht zu kommen, damit sie den Dritten Weltkrieg beginnen können«.148 Denselben Verdacht hegte der britische Journalist Gordon Young in seinem fiktionalen Essay »Mein Zweiter Kampf«, der 1944 im Londoner Daily Express149 erschien. In dem Text spekuliert Young darüber, wie ein zweiter von Hitler verfasster Band von Mein Kampf aussehen könnte. In Youngs Fiktion ermittelt Hitler nüchtern die vielfältigen Gründe für die militärische Niederlage Deutschlands (»schlechter Geheimdienst«, unzureichende Ressourcen und dergleichen), skizziert aber scharfsinnig einen Plan, damit »jeder pflichttreue Deutsche ... für den dritten und letzten Konflikt arbeiten kann, der dem Reich endlich Weltmacht verleihen wird«. Da Deutschland dieses Ziel mit militärischer Gewalt nicht erreicht habe, erklärt Hitler: »Das Vierte Reich wird Erfolg haben müssen ..., indem es demokratischer erscheint als die Demokratien.« »Unter dem Deckmantel der Förderung von Weltwissenschaft und -kultur« werde Deutschland seine kulturelle und intellektuelle Elite »zu allen internationalen Kongressen« entsenden, gleichzeitig aber versuchen, auszuspionieren, »was unsere Feinde tun und sagen«. Exmilitärs würden sich mit ihren ausländischen Kollegen verbrüdern, während der »Generalstab verdeckt arbeiten muss«, um »neue Kriegswaffen zu entwickeln«. Im zweiten Band von Mein Kampf räumt Hitler sogar ein, dass »das Neue Deutschland die Gunst der Juden pflegen muss«, indem es ihnen »Wiedereinsetzung, Entschädigung und Unterstützung für alle ihre Forderungen« anbietet. Das oberste Ziel war jedoch klar: »[W]ährend dieses neue ›reformierte‹ Deutschland der Welt eine riesige Maske vorhält, können wir zu Hause unser geheimes Viertes Reich gestalten, das unseren Endkrieg vorbereiten wird.« Andere angloamerikanische Beobachter teilten die Befürchtung von Riess und Young, die Nazis könnten sich nach dem Krieg als Wolf im Schafspelz erweisen. Im Juni 1944 schrieb Vincent Church in der Daily Mail: »bestimmte Mitglieder der Gestapo, der Partei und der Armee werden ... abtauchen ... und sich insgeheim auf ein Viertes Reich vorbereiten«.150 Den gleichen Standpunkt vertraten Maxwell McCartney und J. H. Freeman im Oktober 1944 in The Times Literary Supplement: »Die Welt wird bereits vom 65

1.  Zwischen Fantasie und Albtraum

Vierten Reich überschattet und zum jetzigen Zeitpunkt sind die Deutschen wahrscheinlich besser vorbereitet, den dritten deutschen Krieg zu gewinnen, als die Alliierten es sind, den Frieden zu gewinnen.«151 Auch der amerikanische Journalist Barnet Nover fürchtete den Tag, »an dem ein neuer Hitler an der Spitze eines Vierten Reiches einen Dritten Weltkrieg beginnen wird«.152 Andere Beobachter warnten vor dem Versuch der Nazis, Hitler zu mythologisieren und so den Grundstein für ein Viertes Reich zu legen. Nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 schrieb der OSSGeheimdienstoffizier Wallace Deuel an seinen Vorgesetzten William Donovan: »einer der interessantesten ... Blickwinkel der Entwicklung der vergangenen Tage ... ist die Tatsache, dass das Vierte Reich jetzt sein Alibi für den gegenwärtigen Krieg hat.« Deuel unterstellte, dass unbeirrbare Nazis die bevorstehende militärische Niederlage Deutschlands auf »die Illoyalität einer kleinen Gruppe treuloser Generäle« schieben und Hitler von jeglicher politischer Verantwortung freisprechen könnten, sodass der Weg für seine Rehabilitierung frei wäre.153 Ähnlich prophezeite der britische Diplomat und Befürworter eines harten Friedens Robert Vansittart im Februar 1945, Hitler sei aufgrund der Schwäche des deutschen Volkes für charismatische, autoritäre Führer zu einer mythischen Form von »Berühmtheit« in der Nachkriegszeit bestimmt. Vansittart war überzeugt, dass das Scheitern des leiblichen Hitlers als Führer die Deutschen keineswegs beunruhigte, und warnte: »er könnte als Mythos von großem Nutzen sein, um einem Vierten Führer und einem Vierten Reich den Rücken zu stärken«. Das Wort »Reich« sollte gänzlich »verboten [werden], wenn wir klug sind«.154 Die eindringlichste Warnung vor der Entstehung eines Vierten Reiches war jedoch der Roman Phantom Victory (1944) des österreichischen Exilschriftstellers Erwin Lessner. Das Buch mit dem Untertitel The Fourth Reich, 1945–60 entwarf eine beängstigende Zukunftsvision, in der die Nazis eine drohende Niederlage in einen Sieg verwandeln. Zu Beginn des Romans neigt sich der Zweite Weltkrieg seinem Ende zu und die deutsche Führung geht eine vordergründige Zusammenarbeit mit den Alliierten ein. Die Federführung übernimmt dabei eine neu gegründete brüderliche Ordnung namens »Potsdamer Bund«, die sich aus den Anführern des deutschen Generalstabs zusammensetzt. Der Bund weist die Wehrmachtssoldaten an, 66

Das Vierte Reich in der Vorstellung der Alliierten

Der Roman Phantom Victory (1944) des österreichischen Schriftstellers Erwin Lessner trug maßgeblich dazu bei, eine Verbindung zwischen dem Vierten Reich und der düsteren Aussicht eines Rückfalls in den Nationalsozialismus herzustellen.

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1.  Zwischen Fantasie und Albtraum

ihre Waffen niederzulegen, und befiehlt der deutschen Bevölkerung, sich am passiven Widerstand zu beteiligen. Ohne eine Armee, mit der sie Verhandlungen führen könnten, schließen die Alliierten einen Separatfrieden unter der Bedingung, dass die Deutschen im Gegenzug ihren passiven Widerstand aufgeben. Im Einklang mit den Bestimmungen ihres Pakts überlässt der Potsdamer Bund Hitler den Alliierten, doch gleichsam als Omen für ihre zukünftige Doppelzüngigkeit erweist sich der Führer als Double. Die Alliierten sind außerstande, den echten Führer ausfindig zu machen, und geben ihr Entnazifizierungsprogramm bald auf. Obwohl sie die Bevölkerung dazu zwingen, Fragebögen über ihr bisheriges politisches Verhalten auszufüllen, sind die daraus resultierenden 62 Millionen Formulare so umfangreich, dass ihre Bearbeitung »die Rechtsmaschinerie der Vereinten Nationen [dazu zwingen würde] ... alle anderen Aufgaben für fünfeineinhalb Generationen auszusetzen.«155 Vor diesem wenig verheißungsvollen Hintergrund zeigt der Roman weiter, wie die Uneinigkeit der Alliierten über die Besetzung Deutschlands in die Katastrophe führt. Zwei amerikanische Journalisten stehen sinnbildlich für diesen Dissens: der vorsichtige Hardliner Donald Donnelly, der alle Deutschen für die Verbrechen ihres Landes zur Rechenschaft ziehen will, und die naiv hoffnungsvolle Rose Flag, die die Deutschen über das Radio zur Buße auffordert, damit sie sich ihre Rehabilitierung verdienen. Als Reaktion auf den Appell Flags taucht die zentrale Figur des Romans, ein bescheidener, aber charismatischer Schäfer aus dem Taunus namens Friedolin auf, um sich an die Spitze einer Massenbewegung deutscher »Büßer« zu setzen. Mit recycelten Hakenkreuzarmbinden mit einem »B« für büßen zeigen die Mitglieder der reumütigen Bewegung nach und nach quasinazistische Züge und begrüßen sich gegenseitig mit der Anrede »Buß Heil!«. Als Deutschland von einer Welle der Reue überzogen wird, sind die amerikanischen Vertreter überzeugt, dass das Land den Prozess der Selbstprüfung ausreichend abgeschlossen hat und für den Wirtschaftsaufschwung bereit ist. An diesem ist den USA besonders gelegen, da sie noch im Krieg mit Japan liegen und deutsche Rüstungsgüter brauchen, um den Krieg im Pazifik zu gewinnen.156 Die Abhängigkeit der USA von Deutschland erweist sich jedoch als fatal, da sie Friedolin das nötige Druckmittel zur Machtergreifung an die Hand geben. Donald Donnelly ist der Erste, der diese Bedrohung erkennt; unge68

Das Vierte Reich in der Vorstellung der Alliierten

fähr in der Mitte des Romans klagt er einem Barkeeper, »dass wir [Friedolin] geben werden, was immer er verlangt – und wir werden in Asien bluten, während die Deutschen sich bereichern ... Dann ein neuer Akt in der Friedolin-Farce: das Vierte Reich. Jedes neue Reich beginnt einen Krieg. Ich bitte Sie, mir meine Prophezeiung zu verzeihen, aber den Dritten Weltkrieg gewinnen wir nicht.«157 Bald schon werden Donnellys Ängste wahr, da Friedolin die wachsende wirtschaftliche Schwäche der USA ausnutzt, um die nationale Souveränität Deutschlands wiederzuerlangen; er zwingt die amerikanischen Truppen, das Land bis 1947 zu verlassen. Auch wenn die USA Japan schließlich besiegen, gelingt es der Regierung Friedolins aufgrund der amerikanischen Verpflichtungen gegenüber Deutschland, ihren europäischen und afrikanischen Nachbarn eine Wirtschaftsunion zu oktroyieren. Friedolins »Rat der Hirten«, der die Gründung »Eurafrikas« begrüßt, rühmt sich 1950, dass Deutschland »mit friedlichen Methoden mehr erreicht hat, als sich die ehemaligen deutschen Regierungen mit bewaffneter Macht zu erreichen erträumten!«158 1952 organisiert Friedolin ein riesiges Propagandaspektakel auf einer Wiese in der Nähe des Taunus, wo er im Hirtengewand die Proklamation des »Vierten und Ewigen Reiches« ankündigt.159 Mit neuen Wahlsprüchen wie »eine Herde, eine Weide, ein Hirte« und einem neuen deutschen Emblem aus »zwei überkreuzten Hirtenstäben« erweist sich das neue Deutschland als aktuelle Version der NS-Diktatur.160 Von diesem Zeitpunkt an erleben die Alliierten eine endlose Reihe von Katastrophen. Das neue Reich nutzt seine wirtschaftliche Macht, um die Länder Europas, Asiens und Lateinamerikas zum Beitritt zur so benannten Deutschen Union zu zwingen; es finanziert antikoloniale Aufstände gegen das britische Empire und marschiert 1960 erfolgreich in den USA ein. Mit »Geschwadern feindlicher Bomber [...], die Tod und Zerstörung [über amerikanischen Städten] verbreiten«, versucht Donald Donnelly verzweifelt, Widerstand zu mobilisieren, wird aber letztlich von einem rechtsextremen Teenager in dem überwiegend von Deutschen besiedelten Stadtteil Yorkville in Manhattan erschossen. Am Ende des Romans hält Friedolin eine Rede in »Greater Yorkville« (der neue Name für New York) und gibt sich als ehemaliger SS-Mann zu erkennen; er hat sich auf den Tag vorbereitet, an dem die Nazis an die Macht zurückkehren, und verkündet die aufsehenerregende Nachricht, dass Hitler noch am Leben ist und bald »seinen Platz an meiner 69

1.  Zwischen Fantasie und Albtraum

Seite einnehmen wird«. In einem letzten höhnischen Kommentar prahlt er: »Die Umerzieher wollten, dass wir Buße tun. Jetzt ernten sie, was sie gesät haben. Sie werden uns als Herden für die Dauer des Vierten Reiches dienen – für alle Ewigkeit!«161 Als offen propagandistisches literarisches Werk nutzte Phantom Victory den Begriff des Vierten Reiches, um sich die Unterstützung der Amerikaner für einen harten Frieden in Nachkriegsdeutschland zu sichern. Der Roman erschien zu einem entscheidenden Zeitpunkt in der amerikanischen Politik. Im Lauf des Jahres 1944 hatten amerikanische Lobbyorganisationen wie die Society for the Prevention of World War III [Gesellschaft zur Verhinderung eines Dritten Weltkriegs], die für einen harten Frieden eintrat, vor einem weiteren bewaffneten Konflikt mit Deutschland gewarnt, wenn die militärische Macht des Landes nicht dauerhaft zerstört würde. Gleichzeitig liebäugelten amerikanische Regierungsvertreter mit dem rigorosen Morgenthau-Plan zur Deindustrialisierung Deutschlands. In diesem Klima drängte Phantom Victory auf repressive Maßnahmen. Aus persönlichen Gründen unterstützte Lessner einen harten Frieden. Als österreichischer Journalist, der im Ersten Weltkrieg aufseiten Deutschlands gekämpft hatte, stellte er sich nach der Machtergreifung Hitlers aktiv gegen das NS-Regime, floh 1938 schließlich aus Österreich in die Tschechoslowakei und später nach Norwegen, wo er von der Gestapo gefangen genommen und gefoltert wurde. Nach seiner Flucht in die USA 1941 wurde er zu einem entschiedenen Befürworter der Ausmerzung des deutschen Militarismus, die seiner Ansicht nach eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Frieden war.162 Lessners harte Linie zeigt sich in dem Schlusskapitel von Phantom Victory, das aus einem einzigen Satz besteht: »Und im Übrigen sage ich, dass Deutschland zerstört werden sollte.«163 Wie diese Anspielung auf den berühmten Ausspruch »Carthago delenda est« (»Karthago muss zerstört werden«) zeigt – Cato der Ältere bekräftigte die Entschlossenheit der Römischen Republik, Karthago in den Punischen Kriegen als zukünftige militärische Bedrohung zu beseitigen –, unterstützte Lessner einen karthagischen Frieden für Deutschland, der eine zukünftige Bedrohung der Westmächte verhinderte. Die Schilderung seines Albtraums eines Vierten Reiches sollte sicherstellen, dass das zukünftige Deutschland nie wieder in den Nationalsozialismus zurückfallen würde. 70

Fazit

Phantom Victory wurde viel gelesen und allgemein positiv rezipiert. Die New York Times lobte die »außerordentlich raffinierte« Handlung des Romans; andere würdigten, dass er »den Leser mit dem schaudernden Gefühl eines besonders grausamen Albtraums zurücklässt«.164 Nicht alle Kritiken waren positiv: Ein Kommentator bezweifelte, dass Lessners Aufruf zur Zerstörung Deutschlands »die spirituelle Bedrohung durch den Nazismus beseitigen« würde, während ein anderer seine Darstellung amerikanischer Leichtgläubigkeit angesichts der büßenden Deutschen anzweifelte und betonte, die Amerikaner würden »das deutsche Spiel durchschauen«.165 Insgesamt begrüßten die Kritiker jedoch Lessners Botschaft der Wachsamkeit. Phantom Victory sei »ein heilsames Tonikum für diejenigen, die ... meinen, der Krieg liege hinter uns und wir könnten in den Traumzustand zurückkehren, der unser Denken vor Pearl Harbor prägte«, schrieb The Hartford Courant.166 Ähnlich urteilte das Life Magazine und erklärte in einem prominenten Buchporträt im Mai 1945, seine »fantastischen Vorhersagen produzierten ... die Schlagzeilen ... von heute« und böten amerikanischen Lesern »reichlich Stoff zum Nachdenken.«167 Diese positiven Reaktionen zeugen von der wichtigen Rolle, die Phantom Victory spielte, um die Amerikaner vor der potenziellen Gefahr eines Vierten Reiches zu warnen.

Fazit In den Jahren der nationalsozialistischen Diktatur und vor allem im Lauf des Zweiten Weltkriegs entwickelte sich die Vorstellung vom Vierten Reich als Chiffre für ein alternatives Deutschland dramatisch. Die Vorstellungen von diesem zukünftigen Staat variierten erheblich. Zu Beginn des NS-Regimes stammten sie von einer Vielzahl von Deutschen: ausländischen Emigranten und inländischen Dissidenten, Juden und Christen, Liberalen und Konservativen, Mainstream-Sozialisten und schismatischen Nazis. In den meisten ihrer Visionen stand das Vierte Reich für einen postnazistischen Staat, einen an humanistischen Werten orientierten Rechtsstaat. Versuche des NS-Regimes, den Begriff zu unterdrücken, machten deutlich, dass das Vierte Reich allgemein als progressiver Topos galt, der auf der »richtigen« Seite der Geschichte stand. Mit dem Ausbruch des Zweiten 71

1.  Zwischen Fantasie und Albtraum

Weltkriegs erfuhr der Begriff jedoch eine Umdeutung. Obwohl die Vorstellung eines Vierten Reiches weiter Unterstützung fand und vom deutschen Widerstand aufgegriffen wurde, gewann sie auch neue Kritiker. Als der Sieg der Alliierten immer wahrscheinlicher wurde, befürchteten Beobachter in der angloamerikanischen Welt, die Nazis könnten eine militärische Niederlage nicht akzeptieren und in der Hoffnung auf eine spätere Wiederkehr untertauchen. Der Begriff des Vierten Reiches wurde so mit einer zukünftigen Gefahr verknüpft. In der anschließenden Besetzung Deutschlands in den Jahren 1945–1949 sollten diese konkurrierenden Zukunftsvisionen weiter aufeinanderprallen.

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2.  Von Werwölfen zu Demokraten: Das Vierte Reich unter alliierter Besatzung Mit dem Niedergang der preußischen Armee stellt sich die Situation in Deutschland heute anders dar als 1919, als es dem deutschen Oberkommando gelang, das Debakel … unversehrt zu überstehen ..., und es ... die Kontrolle über das Land zurückgewann. Diesmal … haben antinazistische Zivilisten die einmalige Gelegenheit, das von den Junkern zurückgelassene Vakuum zu füllen und ein für alle Mal ein nicht militaristisches, nicht aggressives, nicht imperialistisches Viertes Reiches zu begründen.1 Commentary (1. Juli 1947)

Die Franzosen erinnern uns daran, dass – wenn wir die Deutschen zu ihren Minen, ihren Schornsteinen und ihren Reagenzgläsern zurückkehren lassen – die Gefahr besteht, dass ein Viertes Reich im Stechschritt in den Krieg marschiert mit Waffen, die wieder unter Schornsteinen versteckt sind ... Tausend Jahre französische Geschichte machen die Erinnerung mehr als plausibel. Die Gefahr ist real.2 The Dallas Morning News (27. Juni 1947)

M

it Beginn der alliierten Besatzung Deutschlands trat der Begriff des Vierten Reiches in eine neue Phase ein. In den Jahren 1945 bis 1949 herrschte noch immer Uneinigkeit darüber, welche Haltung man gegenüber dem zukünftigen deutschen Staat einnehmen soll. Wie die obigen gegensätzlichen Leitartikel aus dem Sommer 1947 zeigen, assoziierten einige Beobachter das Vierte Reich weiterhin mit einem neuen, fortschrittlichen Deutschland, während andere es mit einer Rückkehr der Nationalsozialisten an die Macht verbanden. Beide Positionen existierten in der Besatzungszeit nebeneinander. Im Lauf der Jahre gewann Letztere jedoch zunehmend an Einfluss. Kritische Beobachter in Westeuropa und in den Vereinigten Staa73

2.  Von Werwölfen zu Demokraten

ten deuteten den anhaltenden Aktivismus von Nationalsozialisten in der amerikanischen, britischen und französischen Besatzungszone als Beweis dafür, dass ein zukünftiges Viertes Reich ein diktatorisches Regime sein würde. Das taten auch die kommunistischen Funktionäre in der Sowjetzone, von denen viele den Begriff zur harschen Kritik an den wiederauflebenden »faschistischen« Tendenzen im Westen benutzten. Angeheizt durch die zunehmenden Spannungen im Kalten Krieg, führten diese Anschuldigungen zu einer Flut von Gegenbehauptungen des Westens, in Wirklichkeit entstehe im kommunistisch besetzten Ostdeutschland ein autoritäres Viertes Reich. Diese Beschuldigungen konnten sich jedoch ebenso wenig durchsetzen wie vereinzelte Bemühungen, die Neutralität des Begriffs zu wahren. Zum Zeitpunkt der Gründung der zwei deutschen Staaten 1949 hatte sich der Diskurs verschoben. Der Begriff des Vierten Reiches war inzwischen eng mit der Möglichkeit einer Wiederkehr des Nationalsozialismus verknüpft. Wie wir heute wissen, haben sich diese Befürchtungen als unbegründet erwiesen. In den Jahren der Besatzung entstand kein nationalsozialistisches Viertes Reich. Vielmehr endete die Übergangszeit mit der Gründung der liberalen, demokratischen Bundesrepublik Deutschland (BRD) und der sozialistischen Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Dieses Ergebnis macht es leicht, Bedenken der ersten Nachkriegsjahre als das Produkt irrationaler Ängste oder der Politik des Kalten Krieges abzutun. Die Bedenken waren jedoch nicht ganz unbegründet. Während die Aussicht eines kommunistischen Vierten Reiches das trügerische Produkt eines rhetorischen Schlagabtauschs zwischen Ost und West war, lässt sich das Gleiche nicht von der Möglichkeit eines nationalsozialistischen Vierten Reiches sagen. Es gab nicht wenige reale Bedrohungen aus dem rechten Lager, die Bemühungen der Alliierten zu untergraben, die Deutschland in den Jahren 1945–1949 in einen demokratischen Staat verwandeln wollten. In den ersten Jahren der Besatzung versuchten unbeirrbare Nazis, die trostlosen Bedingungen der Nachkriegszeit für ihre eigenen politischen Zwecke zu nutzen, indem sie verschiedene geheime Pläne zur Rückkehr an die Macht schmiedeten. Dank der schnellen Reaktion der Alliierten konnten die Verschwörungen zwar aufgedeckt werden, doch war ihr Scheitern nicht unvermeidlich. Wenn wir die Ursprünge der Verschwörungen untersuchen und über mögliche andere Entwicklungen spekulieren, können wir die Intensität der frühen Nach74

Debatten über die Möglichkeit eines Vierten Reiches

kriegsängste besser einordnen und verstehen, warum sich die Geschichte letztlich so abgespielt hat, wie sie es tat.

Debatten über die Möglichkeit eines Vierten Reiches Mit Beginn der Besetzung Deutschlands durch die Alliierten wurde erneut darüber debattiert, ob das Land eines Tages ein Viertes Reich werden könne. Die Debatte war bereits in den Kriegsjahren entbrannt, wurde nun jedoch aufgrund der Spannungen der frühen Nachkriegszeit besonders kontrovers geführt. Von 1945 bis 1947 bemühten sich die Alliierten nach Kräften, die Ordnung in Deutschland wiederherzustellen. Die erheblichen materiellen Schäden im ganzen Land – zerstörte Städte, fehlende Infrastruktur, akute Nahrungsmittelknappheit – waren an sich schon erschreckend genug, wurden jedoch durch zusätzliche Probleme verschärft: massenhafte soziale Verwerfungen in Form von Millionen deutscher Flüchtlinge, jüdischer Holocaust-Überlebender und europäischer Zwangsarbeiter, die auf der Suche nach ihren alten Wohnungen oder einer neuen Heimat waren, extreme wirtschaftliche Not in Form von Massenarbeitslosigkeit sowie Armut und wachsender politischer Unmut über die rigorose Besatzungspolitik der Alliierten in Form von Entnazifizierung, Demilitarisierung und einem Fraternisierungsverbot. Schließlich sorgte eine entzündliche Mischung aus traumatischen Erinnerungen und Emotionen – Erniedrigung, Schuld und Leugnung – für ein explosives psychologisches und kulturelles Klima. Vor diesem entmutigenden Hintergrund kam die Nachkriegsdebatte über das Vierte Reich erneut in Gang. Ein Grund für die Debatte war der unklare rechtliche Status des Reiches nach dem Krieg. Mit der Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 fand das NS-Regime von Adolf Hitler ein schmähliches Ende. Auf dem Papier blieb das Deutsche Reich jedoch bestehen. Mehrere Wochen lang stand Hitlers designierter Nachfolger, Großadmiral Karl Dönitz, als Reichspräsident einer geschäftsführenden deutschen Reichsregierung in Flensburg vor, die vorübergehend von den Alliierten toleriert (allerdings nicht offiziell anerkannt) wurde, bis sie auf Drängen der Sowjetunion am 23. Mai 1945 75

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aufgelöst wurde. Als Dönitz mitsamt seinem Reichskabinett daraufhin inhaftiert wurde, entstand ein Machtvakuum. Erst mit der Berliner Erklärung der Alliierten vom 5. Juni wurde Deutschland formell die Souveränität entzogen und die »Regierungsgewalt« in die Hände der vier Besatzungsmächte gelegt. Die Alliierten gingen nun vom Ende des Reiches aus und bezogen sich in offiziellen Dokumenten fortan auf »Deutschland« anstatt auf das »Reich«. Im täglichen Leben taten die meisten Deutschen jedoch so, als bestände das Reich weiter fort: Politische Parteien von der Christlich Demokratischen Union Deutschlands (CDU) bis zur Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) entwarfen neue Programme für die Zukunft des »Reiches«, während normale Bürger mit Reichsmark einkauften, mit der Reichsbahn fuhren und die Reichsgesetze befolgten, die den Fortbestand des Reiches voraussetzten.3 Erst in den Jahren 1948/49 sollte die Frage der offiziellen Existenz des Reiches direkt angegangen – und selbst dann nicht entscheidend gelöst – werden. Angesichts dieser anfänglichen Unklarheit bewerteten Beobachter aus der frühen Nachkriegszeit den Begriff eines Vierten Reiches oft neutral, wenn nicht gar positiv. Einige verwendeten den Ausdruck als numerisch logischen, wenn auch hypothetischen Platzhalter, um den späteren Nachfolger des Dritten Reiches zu bezeichnen. Zwei Tage nach der Kapitulation berichtete am 10. Mai 1945 ein Londoner Korrespondent einer australischen Zeitung: »Es wird Jahre dauern, bis es ein Viertes Reich gibt, denn in unmittelbarer Zukunft wird Deutschland unter der militärischen Besatzung der Alliierten stehen, die möglicherweise bis zu zehn Jahre dauern kann.«4 Im Juli 1945 spekulierte die britische Presse, die bevorstehende Potsdamer Konferenz werde sich wahrscheinlich von der früheren Konferenz von Jalta unterscheiden; während sich Letztere mit Besatzungsplänen befasst habe, werde die Potsdamer Konferenz »die Frage eines ›Vierten Reiches‹ aufwerfen«.5 Im September berichtete das Magazin Time, im besetzten Deutschland zeichneten sich die »Konturen eines Vierten Reiches« ab.6 Besondere Bedeutung kam der Frage nach der Hauptstadt des zukünftigen Landes zu; Beobachter berieten darüber, ob Berlin oder eine andere deutsche Stadt »die Hauptstadt des ›Vierten Reiches‹ werden« würde.7 Die künftigen Grenzen Deutschlands standen noch nicht fest, obwohl ein Kommentator die OderNeiße-Linie als »dauerhafte Ostgrenze des Vierten Reiches« bezeichnete.8 In gewisser Weise war die Vorstellung des zukünftigen Reiches noch immer 76

Debatten über die Möglichkeit eines Vierten Reiches

von äußeren Einflüssen geprägt. In einem Artikel über die fortlaufenden Bemühungen der Alliierten, »die Zukunft Deutschlands [auf der Moskauer Außenministerkonferenz im März 1947] zu klären«, konstatierte die New York Times nüchtern, die Teilnehmer versuchten allesamt, »das Vierte Reich mehr oder weniger nach ihrem eigenen Bild zu gestalten«.9 Keine zwei Jahre nach Beginn der Besatzung blieb der Begriff ein Abstraktum. Für pessimistischere Beobachter hatte die Vorstellung eines Vierten Reiches hingegen einen eher negativen Beigeschmack. In ihren Darstellungen blieb das zukünftige Deutschland den destruktiven Traditionen von Militarismus, Imperialismus und Nationalismus verhaftet. Am 8. Mai feierte The Cleveland Plain Dealer zwar den Sieg der Alliierten, warnte jedoch, »die Konfrontation mit einem wiederbelebten und wiederbewaffneten Vierten Reich« werde eine der größten Herausforderungen für »die nächste Generation der freien Welt« bleiben.10 Kurz darauf konstatierte die New York Times einen Konsens unter den Alliierten, »dass Berlin, die Wiege des deutschen Imperialismus, nie wieder aus seiner Asche als die Hauptstadt eines Vierten Reiches auferstehen soll«.11 Fast ein Jahr nach Beginn der Besatzung bewogen zunehmendes Gezerre unter den Alliierten und die Entwicklung einer »deutschen Nationalbewegung« den britischen Außenminister Anthony Eden jedoch zu warnenden Worten: »[E]s wird nicht mehr lange dauern und die Deutschen werden denken, dass sie in der Uneinigkeit der Alliierten die Gelegenheit für ein Viertes Reich sehen.«12 Über die Erscheinungsformen dieses Reiches waren sich die Vertreter dieser Position nicht immer einig. So prophezeite der britische Journalist Sefton Delmer, der Versuch, »Deutschland in ein neues ... militantes Viertes Reich zu verwandeln«, werde auf Wien und nicht auf Berlin beruhen.13 Der Präsident der Paneuropa-Union, Richard Coudenhove-Kalergi, sorgte sich hingegen um eine von Deutschland dominierte Europäische Union und erklärte 1946: »[K] einer der deutschen Nachbarn wäre bereit, einer europäischen Föderation um ein Viertes Reich beizutreten ... aus Angst, sie könnte die Politik ihrer Vorgänger fortführen.«14 Die größte Sorge war jedoch, das Vierte Reich könne von unverbesserlichen Nazis als Kampfparole genutzt werden. In seinem posthum erschienenen Buch Hitler and Beyond (1945) wies der Politiker und ehemalige Minister der Weimarer Republik, Erich Koch-Weser (1875–1944), auf hartnäckige 77

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»Elemente im deutschen Volk« hin, die sich weigerten, »die Blutschuld des Nationalsozialismus« anzuerkennen und weiterhin »von einem vierten Reich träumen, das tausend Jahre währen soll«.15 Ähnliche Bedenken wurden ein Jahr später bei den Nürnberger Prozessen laut, als die sowjetischen Medien das alliierte Militärtribunal kritisierten, weil es verurteilten NSKriegsverbrechern erlaubte, vor ihren Hinrichtungen Abschiedsreden zu halten; sie könnten damit einen »neuen Mythos für ein Viertes Reich« schaffen, so die Befürchtung.16 Diese Bedenken verstärkten sich im Herbst 1946, als die Sensationsmeldung kursierte, einer der Hauptangeklagten in Nürnberg, Hitlers ehemaliger Stellvertreter Rudolf Heß, entwerfe geheime »Pläne für das vierte Reich«.17 Viele dieser Kommentare wurden nur beiläufig eingestreut, andere waren anhaltende Spekulationen über die Gefahren eines rechtsgerichteten Vierten Reiches. Eine der ersten war die Veröffentlichung von Deutsche Fälschung der abendländischen Reichsidee des Schweizer Historikers Friedrich Gaupp 1946.18 Um die ernsten Herausforderungen der frühen Nachkriegszeit anzugehen, wollte Gaupp mit seiner Studie die in seinen Augen gefährliche Idee des Deutschen Reiches entzaubern. Obwohl er überzeugt war, dass der »angriffslustige Militärstaat« Deutschland im Krieg zerstört worden sei, hatte die Vorstellung eines »Deutsche[n] Reich[es]« seiner Ansicht nach überlebt und blieb ein Unruheherd.19 »Weiß man nicht, welchen mystischen, religiösen, irrationalen Zauber dieses eine Wort ›Reich‹ von jeher besessen hat?«, fragte er.20 Überzeugt von der inhärenten Zerstörungskraft des Reiches, forderte Gaupp: »Es ist jetzt ... die höchste Zeit, ... die Lügenhaftigkeit dieser deutschen Reichsidee klar nachzuweisen, diese größte aller Geschichtsfälschungen, die jemals der Menschheit aufgezwungen wurde!«21 Um diese Lüge zu entlarven, gab er einen historischen Überblick über die Entwicklung der Reichsidee vom alten Reich Alexanders des Großen bis zur modernen Diktatur des Nationalsozialismus. Für Gaupp fand der verhängnisvolle Moment im Mittelalter statt, als der deutsche Nationalismus die ursprüngliche Vorstellung vom Reich als einer unparteiischen, transnationalen und kulturell kosmopolitischen Einheit verfälschte. Nach dem »Staatsstreich« des sächsischen Königs Otto I. 962 verwandelte sich das Reich von einem universellen, humanistischen Konzept zu einem partiku78

Debatten über die Möglichkeit eines Vierten Reiches

laren deutschen – eine Entwicklung, die in der autoritären Aneignung der Reichsidee durch Preußen im Jahr 1871 gipfelte.22 Im Zuge dieses Prozesses nahm laut Gaupp »die größte ... Lüge der abendländischen Geschichte« Gestalt an: die Vorstellung, dass »die kontinentale Reichsidee eine deutsche Idee sei«, die »den Führungsanspruch der Deutschen über die anderen Völker und Rassen legitimiere«.23 Diese Entwicklung hatte katastrophale Folgen. »[I]n den Händen der Deutschen«, so Gaupp, »war [der Reichs-gedanke] zum Todfeind Aller geworden«.24 »Kein Begriff, der jemals für Millionen von Menschen einen lebenswichtigen Sinn hatte, ist heute so mit Schuld, Blut, Zerstörung und unmenschlichen Verbrechen beladen, beschmutzt und zersetzt, wie der Begriff des Reiches.«25 Nachdem er »Millionen Menschen das Leben gekostet« habe, müsse er beseitigt werden.26 »[D]er Reichsgedanke kann und darf nicht weiterleben«, schloss Gaupp, »Selbst sein Name darf nicht mehr gebraucht werden.«27 Trotz seiner Warnungen befürchtete Gaupp jedoch, die Nachkriegsdeutschen könnten mit der Möglichkeit eines Vierten Reiches liebäugeln. Diese Gefahr sei auch der Laxheit der Alliierten geschuldet. Obwohl sie Deutschland kontrollierten, »steht zu befürchten, dass sie die Lebenskraft [des Reichsgedankens] heute ... unterschätzen«.28 Gaupp fragte daher: »Wie kann man hoffen, das deutsche Volk demokratisch ›umzuerziehen‹« oder »einen europäischen föderalistischen Staatenbund erhoffen«, solange man »das Phantom ... eines ›Reiches‹ belässt?«29 Es bestehe kein Zweifel, dass die Deutschen »gefährlich [bleiben], solange sie sich ein ›Reich‹ nennen dürfen«.30 Besondere Sorge bereitete ihm, dass eine neue »Fälschung« der Reichsidee »in die Vorstellungswelt seiner jungen Generationen übergeht« und sich in einem Nachfolgestaat manifestieren könne.31 Für ihn war durchaus denkbar, dass »aus dem physischen und psychischen Zusammenbruch des III. Reiches irgendwann einmal ein IV. Reich entsteht, eine neue Verkörperung des übernationalen Reichsgedankens durch das Schwert der Deutschen«. Gaupp deutete es als schlechtes Zeichen, dass die Menschen weiterhin »von einem in der Entwicklung begriffenen ›IV. Reich‹ [sprechen], trotz Fehlens einer ›Reichsregierung‹, trotz Fehlens einer einheitlichen ›Reichsverwaltung‹«. Deshalb sei die »Beseitigung [des Reichsgedankens] für die Zukunft der ganzen Menschheit von ebenso großer Bedeutung wie die andern internationalen Probleme.«32 79

2.  Von Werwölfen zu Demokraten

1946 versuchte der deutsche Journalist Dolf Sternberger, den kollektiven Stoßseufzer der Deutschen zu erklären: »Gott schenke uns das Fünfte Reich. Das vierte sieht dem dritten gleich.«

Doch während viele das Vierte Reich mit rechtem Gedankengut – wenn nicht gar mit dem Nazismus selbst – in Verbindung brachten, lehnten viele konservative Deutsche den Begriff strikt ab. Dies wurde in einer Radiorede des liberalen deutschen Journalisten und späteren Politikwissenschaftlers Dolf Sternberger Anfang 1946 deutlich. Unter dem Titel »Enttäuschungen dieser Zeit« wollte er einen »Volkswitz« erklären, der damals in Deutschland kursierte – ein »Gebetchen«, das Sternberger als die »vox populi« bezeichnete: »Gott schenke uns das fünfte Reich. Das vierte sieht dem dritten gleich.«33 In seiner Deutung bemerkte Sternberger, dass der Reim insofern »nicht ohne Humor« sei, als er sich darüber mokiere, wie »heilig und erha80

Debatten über die Möglichkeit eines Vierten Reiches

ben das alte utopische Zauberwort vom Dritten Reich einmal geklungen hat«.34 Allerdings befürchtete er, dass der verzweifelte Tonfall des Gebets »eine entschiedene Unzufriedenheit mit dem gegenwärtigen Zustand in Deutschland« ausdrücke.35 Die »Hoffnungslosigkeit« vieler Deutscher spiegele die Erkenntnis wider, dass die »vielgepriesene, lang ersehnte Freiheit« eines Vierten Reiches nicht eingetreten sei und wahrscheinlich nie zu einem neuen »goldenen Zeitalter« führen werde.36 Grund für diese enttäuschten Erwartungen war der in den Deutschen aufkeimende Verdacht, sie seien nicht befreit, sondern von den Alliierten erobert worden. Obwohl sich viele deutsche Nazigegner »die Niederlage ihres Landes gewünscht hatten«, hätten die Alliierten sie mit Unterstützern des Regimes »in den gleichen Topf geworfen«. »Selbst die Amerikaner«, so Sternberger, »sind nicht als Freunde zu uns, den unterdrückten Deutschen, gekommen.« Die Amerikaner zwangen die Deutschen zu der Erkenntnis, dass »nicht bloß Hitler und die NSDAP [den Krieg] verloren haben, sondern die deutsche Nation«. Die Enttäuschung war auch Ausdruck der Erkenntnis, dass die neue »Demokratie« der Deutschen nicht aus »einem inneren Umbruch« entstanden, sondern »von außen gesteuert« worden war. »Man kann nicht umhin festzustellen«, so Sternberger, »dass wir den Sturz [des Naziregimes] nicht herbeigeführt haben.« Die »Ursache dieser Enttäuschung«, schloss er, »liegt in erster Linie in uns selbst«.37 Weiter erklärte Sternberger, die Weigerung der Deutschen, ihr eigenes Versagen anzuerkennen, habe zu einer besorgniserregenden Reaktion geführt. Sie habe sie veranlasst, die Verbrechen der Nazis mit den angeblichen Vergehen der alliierten Besatzungskräfte zu vergleichen und so zu relativieren. Sternberger kritisierte die Äußerungen vieler Deutscher, wonach »wieder so viel denunziert werde, nur von den Andern; ... dass es wieder eine Geheimpolizei gebe, nur bei den Amerikanern ... und dass eine ganze Schar von Leuten sogar vom Wahlrecht ausgeschlossen worden sei – im Zeichen von ... Demokratie«. Derart relativierende Behauptungen erklärten die Popularität des Volkswitzes über das Fünfte Reich. Durch den Vergleich des Vierten Reiches (also die Zeit unter alliierter Besatzung) mit dem Dritten Reich erlaube es der Volkswitz den Deutschen, eine sich selbst bemitleidende Opferhaltung einzunehmen und sich nicht mit ihrer eigenen Schuld an den Verbrechen des NS-Regimes auseinanderzusetzen. Sternberger hielt 81

2.  Von Werwölfen zu Demokraten

die Vertreter dieser Position zwar nicht für Nazis, schloss aber mit mahnenden Worten: Das ›Vierte Reich‹ gibt es gar nicht, denn wir leben in gar keinem Reich, sondern in einem Zustand der Abhängigkeit, der demjenigen des Dritten Reiches ganz und gar unähnlich ist, dafür uns aber leider jeden Tag und höchst fühlbar an das Dritte Reich als Ursache erinnert ... Wir leben aber ferner in einem Zustand, der uns nun endlich zum kritischen, wachsamen Wahrnehmen und Denken, zum eigenen Urteil, zur selbständigen Verantwortlichkeit in einer durchaus nicht paradiesischen ... Wirklichkeit treiben und bilden muss. Und darum sollen wir Gott nicht scherzhaft ... um ein Fünftes Reiche bitten ... sondern wir sollen unser Geschick annehmen [...].38 Wie Sternbergers Rede zeigt, war die Idee des Vierten Reiches in den ersten Jahren der Besatzung ständig im Fluss. Obwohl alliierte Beobachter den Begriff mit dem rechten Rand in Deutschland in Verbindung brachten, vermieden ihn Deutsche des konservativen Flügels. In den Jahren 1946/47 meldeten englischsprachige Zeitungen, deutsche Nationalisten lehnten die Alliiertenmächte ab und forderten ein »Fünftes Reich«.39 Nach einem Bericht der New York Times hatten unverbesserliche Nazis die Wortwahl des von Sternberger erörterten Volkswitzes abgeändert in »Lieber Gott, bitte schenke uns ein Fünftes Reich, und dieses sei dem Dritten gleich«.40 Unterdessen berichtete die australische Presse von befreiten KZ-Häftlingen, die mit einem anonymen Brief bedroht worden seien: »in einem Vierten Reich sollten Sie aufpassen, was sie tun, sonst werden Sie im Fünften gehängt«.41 Wie diese unterschiedlichen Auffassungen zeigen, befand sich die Bedeutung des Vierten Reiches in den ersten Jahren der Besatzung im Wandel. Doch egal, wie man die mögliche Rückkehr unverbesserlicher Nazis an die Macht bezeichnete – sie blieb eine reale Angst.

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Die Werwölfe und die Gefahr eines nationalsozialistischen Aufstands

Die Werwölfe und die Gefahr eines nationalsozialistischen Aufstands Die erste nationalsozialistische Bedrohung trat mit der Werwolf-Bewegung in Erscheinung. Dieser gewalttätige Partisanenaufstand formierte sich in den letzten Kriegsmonaten, setzte sich aber bis weit in die Besatzungszeit fort. Zwischen 1945 und 1947 starteten nationalsozialistische Freischärler Hunderte von Angriffen auf die alliierten Streitkräfte und mutmaßliche deutsche Kollaborateure. Diese Angriffe forderten mehrere Tausend Menschenleben, zerstörten wichtige Infrastrukturen und schufen nicht nur in den Ländern der Alliierten, sondern auch unter Politikern, Pressevertretern und der Öffentlichkeit in Deutschland ein Klima der Angst. Streng genommen, strebten die Werwölfe nicht die Gründung eines Viertes Reiches an. Ursprünglich waren sie entschlossen, seinen noch bestehenden Vorgänger zu verteidigen, und versuchten, den Einmarsch der Alliierten in Deutschland zu verlangsamen, die militärische Niederlage zu verzögern und sich Zeit für einen Separatfrieden zu verschaffen. Dieses Ziel erreichten die Werwölfe zwar nicht, doch passten sie ihre Schritte nach der Kapitulation Deutschlands an die neuen Gegebenheiten an und arbeiteten auf eine Verkürzung der Besatzungszeit hin.42 Auch in diesem Punkt scheiterten die Werwölfe, denn die Alliierten blieben bis zur Gründung von BRD und DDR 1949 in Deutschland ständig präsent. In gewisser Weise waren die Werwölfe bei ihrer größeren Mission, dem Überleben des Nationalsozialismus, jedoch durchaus erfolgreich. Auch nach Auflösung der Bewegung bildeten viele der ursprünglichen Teilnehmer Untergrundgruppen, die eine Rückkehr der Nazis an die Macht anstrebten. Wissenschaftler haben die volle Tragweite der Organisation Werwolf bislang unterschätzt. Von den wenigen Historikern, die das Phänomen untersucht haben, sehen es die meisten als Misserfolg.43 Ein Grund hierfür ist der Wunsch, sich vom Neonazismus zu distanzieren. Perry Biddiscombe und Volker Koop haben zum Beispiel versucht, die »wahre Geschichte« der Werwölfe zu erzählen und so den jüngsten Bemühungen von Neonazis entgegenzuwirken, die die Bewegung zu romantisieren und ihre Gewalttaten zu rechtfertigen versuchen.44 Andere Wissenschaftler haben versucht, die 83

2.  Von Werwölfen zu Demokraten

Werwolf-Bewegung zu entmythologisieren und politischen Versuchen von Konservativen entgegenzuwirken, ihre historische Bedeutung zu überhöhen. Während des Irakkriegs verwiesen der amerikanische Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und Außenministerin Condoleezza Rice auf den Sieg der Alliierten über die Werwölfe 1945, um Kriegsgegnern und Kritikern zu versichern, die US-Streitkräfte würden nach der Niederlage Saddam Husseins 2003 den Aufstand im Irak unweigerlich niederschlagen.45 Schließlich ist die Reaktion von Wissenschaftlern auch eine Antwort auf jüngste Medienberichte, die die Werwolf-Bewegung aufgebauscht hatten – britische Boulevardzeitungen etwa, laut denen die Bewegung mit Waffen im JamesBond-Stil (Giftwürstchen und giftigen Zigarettenanzündern) gegen die Alliierten vorgehen wollte.46 Wissenschaftliche Bemühungen um eine Entmythologisierung der Organisation Werwolf sind verständlich, haben aber dazu geführt, ihre Bedeutung herunterzuspielen. Zum einen haben sie das problematische Phänomen der Rückschaufehler verstärkt und die Niederschlagung der Bewegung durch die Alliierten beinahe unvermeidlich erscheinen lassen. Diese Sicht verschleiert die Kontingenz der Ereignisse und verhindert ein Verständnis dessen, wie die Geschichte anders hätte verlaufen können. Sie verhindert ebenfalls ein Verständnis der Ernsthaftigkeit und Legitimität der von der Bewegung ausgelösten Ängste. Um diesen Fallstricken zu entgehen, ist kontrafaktisches Denken von großem Wert. Wenn wir »Was wäre, wenn?«-Szenarien im Zusammenhang mit der Organisation Werwolf entwerfen, erkennen wir, dass ihre Zerschlagung keineswegs ausgemachte Sache war. Umso realistischer können wir damit den Erfolg der Alliierten bei der Bekämpfung der Bewegung und ihren Beitrag zur Stabilisierung Deutschlands nach dem Krieg bewerten. Die Ursprünge der Werwölfe gehen auf den Herbst 1944 zurück, als das NS-Regime die Gründung einer Widerstandsbewegung beschloss, um die drohende Ankunft der alliierten Streitkräfte in Deutschland zu sabotieren. Die wichtigste Figur bei diesen Bemühungen war SS-Chef Heinrich Himmler, der den SS-Obergruppenführer Hans-Adolf Prützmann anwies, zum Kampf gegen die Alliierten regionale Guerillaeinheiten zu koordinieren. Prützmann war kein besonders effektiver Führer, hatte jedoch bis Ende 1944 eine Truppe von etwa 5.000 Kämpfern versammelt.47 Gleichzeitig ver84

Die Werwölfe und die Gefahr eines nationalsozialistischen Aufstands

Hans-Adolf Prützmann, der 1944 von Heinrich Himmler beauftragt wurde, die Guerillaeinheiten der »Werwölfe« zusammenzuziehen.

suchten andere NS-Funktionäre, Einfluss auf die Bewegung zu nehmen. Der Reichsjugendführer Artur Axmann, Propagandaminister Joseph Goebbels, der stellvertretende Propagandaminister Werner Naumann und der Stürmer-Redakteur Julius Streicher rekrutierten Mitglieder und warben für die Bewegung.48 Hitlers Sekretär Martin Bormann, der Leiter der Deutschen Arbeitsfront (DAF) Robert Ley und der Leiter des Reichssicherheitshauptamtes Ernst Kaltenbrunner schalteten sich bei operativen Fragen ein.49 Militärische Beratung leisteten SS- und Polizeiführer Jürgen Stroop (bekannt für die Niederschlagung des Warschauer Gettoaufstandes von 1943) und der deutsche SS-Standartenführer Otto Skorzeny.50 85

2.  Von Werwölfen zu Demokraten

Übergeordnetes Ziel der Werwölfe war es, die anrückenden Alliierten anzugreifen und so die Moral der deutschen Zivilbevölkerung zu stärken sowie jeglichem Anzeichen von Defätismus entgegenzuwirken. Die Werwölfe knüpften an die Tradition früherer Guerillabewegungen in der deutschen Geschichte wie der Partisanenbanden des Siebenjährigen Krieges, des Landsturms der Napoleonischen Kriege und des Freikorps nach dem Ersten Weltkrieg an.51 Noch unheilverheißender war, dass sie sich auch auf den Präzedenzfall mittelalterlicher Femegerichte beriefen und den Terror gegen die deutsche Bevölkerung nutzten, um sie von einer Kapitulation abzuhalten.52 Um der Bewegung eine zusätzliche Aura der Bedrohung zu verleihen, wählten die Nazis den Namen Werwolf, der sich an den 1914 erschienenen Bestseller Der Wehrwolf des deutschen Schriftstellers Hermann Löns über die Partisanenkämpfe im Dreißigjährigen Krieg anlehnte; 1944 wurde er vom Regime neu aufgelegt.53 All diese Elemente waren Teil der glühenden Proklamationsrede Joseph Goebbels’, die am 1. April 1945 im Sender Werwolf übertragen wurde. Sie begann mit den Worten: Hier spricht der Sender Werwolf, der Sender der deutschen Freiheitsbewegung ... Der Feind ist in unsere Heimat eingedrungen und hat geheiligten Boden unseres Vaterlandes vergewaltigt. Deutsche Männer und Frauen müssen Schändung und Mord erleiden. … In dieser Schicksalsstunde unseres Volkes haben sich im besetzten Westen und Osten ungezählte Männer und Frauen sowie Jungen und Mädchen zu einer Bewegung des nationalsozialistischen Widerstandes unter dem Namen Werwolf zusammengefunden. Wir haben den feierlichen Entschluss gefasst, uns niemals dem Feind zu beugen. ... Hütet Euch, Engländer, Amerikaner, Juden und Bolschewisten! ... Hass ist unser Gebot und Rache unser Feldgeschrei. Dreimal wehe den Landesverrätern, die sich dem Feind zur Verfügung stellen. Werwölfe, nehmt keine Rücksicht auf das Leben des Feindes, da er das Leben unseres Volkes vernichten will. ... Werwölfe, an die Arbeit, auf zum Kampf für Freiheit und Ehre unseres Volkes! Es lebe die nationalsozialistische Werwolf-Bewegung! Es lebe unser Führer Adolf Hitler! Es lebe unser Volk!54 86

Die Werwölfe und die Gefahr eines nationalsozialistischen Aufstands

Erfüllt von diesem Mahnruf starteten Werwolf-Banden in der letzten Phase des Krieges zahlreiche Angriffe auf die Amerikaner, Briten und Franzosen im Westen und die Sowjets im Osten.55 Die Angriffe waren meist mit Sabotageakten gegen Kommunikations- und Transportnetze – dem Sprengen von Brücken, dem Verlegen von Stolperdrähten auf der Straße, der Unterbrechung von Versorgungsleitungen und dem Bombardieren von Militäranlagen – verbunden.56 Es kam jedoch auch zu tödlichen Schüssen von Scharfschützen und einzelnen Überfällen auf die alliierten Truppen.57 Alle diese Anschläge führten zu scharfen Gegenmaßnahmen der Alliierten, darunter Massenverhaftungen, Ausgangssperren und Hinrichtungen. Die meisten Angriffe der Werwölfe richteten sich jedoch gegen die deutsche Bevölkerung.58 Die Ermordung des von den Amerikanern eingesetzten Aachener Bürgermeisters Franz Oppenhoff am 24. März 1945 war der erste spektakuläre Mord der Werwölfe, der laut Goebbels potenziellen deutschen Kollaborateuren als Warnung dienen sollte. In Wirklichkeit war der infame Anschlag keine Werwolf-Operation, sondern eine Aktion der SS. Dennoch zielten viele echte Werwolf-Angriffe auf andere deutsche »Defätisten«, von kleinen Lokalpolitikern bis hin zu einfachen Arbeitern.59 In einigen Fällen handelte es sich um groß angelegte Tötungen wie in der sogenannten Penzberger Mordnacht vom 28. April 1945, als der fanatische NS-Aktivist Hans Zöberlein vor den Toren Münchens ein Werwolf-Massaker an 16 Mitgliedern des antinazistischen Aufstands, der sogenannten Freiheitsaktion Bayern, anführte.60 Bis Kriegsende kamen mehrere Tausend Menschen durch Werwolf-Angriffe und Vergeltungsmaßnahmen der Alliierten ums Leben.61 Als es im April 1945 gehäuft zu Meldungen über die Werwölfe in der angloamerikanischen Presse kam, befürchteten viele alliierte Beobachter das Schlimmste.62 Die Berichte waren beunruhigend. In einigen hieß es, NSFunktionäre gäben »ihre Posten auf ... um im Werwolf-Krieg in den Untergrund zu gehen«.63 Andere behaupteten, die Deutschen hätten 200.000 Soldaten in einer uneinnehmbaren »Alpenfestung« in Bayern positioniert, um einen langen Kampf gegen die alliierten Streitkräfte zu führen.64 Wieder anderen Berichten zufolge waren die Werwölfe so fanatisch, dass sie »ihre Arbeit bei Kriegsende nicht einstellen, [sondern] ... ihren politischen Terrorismus fortsetzen werden, bis der Letzte ausfindig gemacht und vernichtet wurde«.65 Vertreter der Alliierten schenkten diesen Geschichten zumeist 87

2.  Von Werwölfen zu Demokraten

Glauben. Der Oberbefehlshaber der Alliierten, Dwight D. Eisenhower, berichtete Präsident Franklin D. Roosevelt im April 1945, nur »eine sehr große Anzahl von Truppen« könne dem deutschen »Guerillakrieg« Herr werden.66 Nur durch die Zerschlagung der »Untergrundarmee« der Werwölfe, so Eisenhower, könnten die richtigen Bedingungen für eine erfolgreiche alliierte Besatzung geschaffen werden.67 Andere Kommentatoren hielten die Bedrohung durch die Werwölfe dagegen für übertrieben. Anfang April taten amerikanische Zeitungen Berichte über die Werwölfe als »wilde Geschichten« ab, die »direkt aus Sherlock-Holmes-Romanen stammen könnten«; nach Ansicht der britischen Presse existierte die Organisation »nur in der Vorstellung von ... Berliner Rundfunksendern«.68 Ende des Monats bemerkte die New York Times ein »völliges Verschwinden« der Werwolf-Aktionen, was sie als Hitlers »letztes Scheitern« deutete.69 Die Werwölfe waren nach Ansicht verschiedener Journalisten »als effektive Guerillaopposition ein Misserfolg«, da sie zumeist aus »jugendlichen Desperados« unter 15 Jahren bestanden, die schlecht vorbereitet gewesen seien, andere »Kindergartenkiller« zu versammeln und gegen die alliierten Streitkräfte vorzugehen.70 Diese skeptische Sicht wurde noch durch Berichte verstärkt, dass sich selbst die Deutschen über die Organisation Werwolf »lustig machten«.71 Das vielleicht deutlichste Zeichen dafür, dass die Bedrohung durch die Werwölfe nicht ernst genommen wurde, war das parodistische Lied des amerikanischen Songwriters Irving Caesar vom April 1945. Geschrieben als Reaktion auf das »Werwolf-Lied« der Nazis und gesungen von »Lily dem Werwolf«, mokierte sich Caesar in seinem Lied über die Bedrohung durch die Organisation: Who’s afraid of the big bad werewolf, High in his mountain lair? By day he growls, by night he howls, But GI Joe don’t scare. He hides in caves, and rants and raves This super Aryan. But thanks to Ike, he’s dying like A real barbarian. Who’s afraid of the big bad werewolf? 88

Die Werwölfe und die Gefahr eines nationalsozialistischen Aufstands

No one goodness knows. We only fear to get too near To a skunk in werewolf ’s clothes.72 [Wer hat Angst vor dem großen bösen Werwolf, Hoch in seiner Berghöhle? Am Tage knurrt er, bei Nacht heult er, Aber GI Joe hat keine Angst. Er versteckt sich in Höhlen und schimpft und tobt Dieser Superarier. Aber dank Ike stirbt er wie Ein echter Barbar. Wer hat Angst vor dem großen bösen Werwolf? Kein Mensch, weiß Gott. Wir fürchten nur, einem Stinktier in Werwolfskleidung Zu nahe zu kommen.] Zwischen diesen widerstreitenden Einschätzungen standen Beobachter, die sich über die Schwere der Gefahr durch die Werwölfe unschlüssig waren. Als Joseph Goebbels im Frühjahr 1945 die Freischärlerbewegung für den Mord an dem Bürgermeister von Aachen verantwortlich machte, vermuteten alliierte Vertreter einen deutschen »Trick« und mutmaßten, das Regime versuche, sich der Verantwortung für ein gezieltes Attentat zu entziehen und die Schuld sich »spontan« formierenden Gruppen in die Schuhe zu schieben.73 Der Reporter der New York Times, Drew Middleton, bezweifelte ebenfalls die Stärke der Aufständischen und behauptete, Deutschland werde nicht in der Lage sein, »eine Untergrundbewegung von Schlagkraft aufrechtzuerhalten«, weil sie nicht die Unterstützung einer größeren deutschen Armee hätten. Dennoch erklärte er vorsichtig, »sobald die Deutschen die Gelegenheit zu einem Gegenschlag« gegen die Alliierten sähen, würden sie die »Stunde der Rache« nutzen und dies tun.74 Ähnlich schrieb die Los Angeles Times, die Werwölfe seien zwar bislang »als effektive Guerillaopposition ein Misserfolg«, müssten aber dennoch ernst genommen werden, denn sie könnten zu »einer neuen Mordgesellschaft [werden] ... die man mögli89

2.  Von Werwölfen zu Demokraten

cherweise erst nach Jahren ausmerzen könne«.75 Die Werwölfe seien eine »seltsame Kombination aus Absurdität und ... Bösem«, resümierte The Oregonian.76 Nach Kriegsende ließ die Angst der Alliierten vor den Werwölfen jedoch nach. Die offizielle Ankündigung der Einstellung sämtlicher Werwolf-Aktivitäten durch Hitlers Nachfolger Karl Dönitz am 5. Mai 1945 ließ die Alliierten auf ein Ende der Freischärleraktionen hoffen.77 Die Selbstmorde von Heinrich Himmler und Hans-Adolf Prützmann raubten der Bewegung zudem ihre führenden Köpfe.78 Im Mai/Juni 1945 hielten die Alliierten die Bedrohung durch die Werwölfe zunehmend für eine »Halluzination«.79 Vertreter der amerikanischen Besatzungsmacht berichteten, die Ermordung des Aachener Bürgermeisters habe »kaum Auswirkungen auf die für die Alliierten tätigen deutschen Beamten gehabt«.80 »Die Werwölfe scheinen bislang noch ruhig zu sein«, stellten sie zu ihrer Erleichterung fest.81 Die Sorgen nahmen weiter ab, nachdem festgenommene deutsche Anführer Vertretern der Amerikaner erklärten, die Bedrohung durch die Werwölfe sei »reiner Unsinn« und könne dort, wo sie aufflamme, »unverzüglich ausgemerzt« werden.82 Tatsächlich waren nach der Kapitulation im Mai 1945 Morde der Werwölfe – sei es an alliierten Soldaten oder deutschen Kollaborateuren – äußerst selten.83 Einige Kreise blieben jedoch misstrauisch. Während die Aktivitäten der Werwölfe unmittelbar nach Kriegsende zurückgingen, nahmen sie im Lauf der Besatzungszeit wieder zu. Zunehmendes wirtschaftliches Elend und Unmut über die Entnazifizierung führten zu neuen Fällen von Vandalismus und Sabotage in ganz Deutschland und sogar zu vereinzelten Morden im Sudetenland.84 Anhaltende Meldungen über die Verhaftung von WerwolfBanden und die Entdeckung von Waffenverstecken rückten die Bewegung immer wieder ins Blickfeld der Öffentlichkeit und machten deutlich, dass die Werwölfe im deutschen Alltag weiter präsent waren.85 Obwohl Vertreter der Militärregierung im Spätsommer öffentlich vom »Zusammenbruch der Werwölfe« sprachen, hatten sie zugleich den Verdacht, eine »im Untergrund arbeitende Propagandaagentur der Nationalsozialisten« verbreite Gerüchte und Fehlinformationen über die Alliierten.86 Bis weit in den Herbst hinein warnten Kommentatoren vor einer langfristigen Bedrohung durch die Werwölfe. Im Oktober 1945 erklärte die Gesellschaft zur Verhütung eines Drit90

Die Werwölfe und die Gefahr eines nationalsozialistischen Aufstands

ten Weltkriegs, es sei »naiv« zu glauben, der »gegen die Alliierten gerichtete Untergrund werde unmittelbar nach der militärischen Niederlage aktiv werden«. Das »wahre Problem« werde vielmehr »in den kommenden Jahren auftreten, wenn der Druck der alliierten Besatzung nachlässt und die Zeit nach Ansicht der Anführer der Werwölfe reif ist, um in Aktion zu treten«. Anstatt »die Werwölfe ... mit einem Lachen als ›Walt-Disney-Cartoon‹ abzutun«, mahnte der Beitrag die Leser, »unsere Wachsamkeit zu verdoppeln«, um »weiteren Ärger« zu vermeiden.87 Die Befürchtungen von Beobachtern im Herbst 1945 traten jedoch nicht ein; die Werwölfe machten ihre Drohungen nie wahr, die Besatzung Deutschlands durch die Alliierten ernsthaft zu gefährden. Doch war ihr Scheitern unvermeidlich? Die meisten Wissenschaftler scheinen diese Frage zu bejahen. Koop zufolge waren die Aktionen der Werwölfe »von vornherein zum Scheitern verurteilt«.88 Andere Wissenschaftler sind weniger apodiktisch, behaupten aber ebenfalls, dass die Werwölfe kaum Aussicht auf Erfolg hatten. Ihre Planungen begannen erst spät.89 Die Führungsspitze war chaotisch zwischen SS und rivalisierenden Partei- und Staatsorganisationen aufgeteilt.90 Die Ressourcen waren knapp.91 Die deutsche Bevölkerung war erschöpft, demoralisiert und nicht in der Stimmung, die Feindseligkeiten fortzusetzen.92 Schließlich waren die Nationalsozialisten aus dem einfachen Grund ideologisch nicht zur Organisation einen Guerillaaufstands imstande, weil die Partei »davon ausging, dass sie nicht sterben kann«.93 Da sich die NSDAP-Führung ein kürzeres als ein tausendjähriges Drittes Reich nicht vorstellen konnte, war sie unfähig, für den Notfall zu planen, und versäumte es, sich mit den Mitteln zum künftigen Überleben auszustatten. Angesichts all dieser Faktoren scheinen die Befürchtungen der Alliierten unbegründet.94 Und doch können wir uns vorstellen, wie die Werwölfe hätten erfolgreicher sein können. Vor allem im Licht der anhaltenden Aufstände des irakischen Widerstands nach 2003 ist es möglich, kontrafaktische Szenarien zu entwerfen, in denen die Besatzung Deutschlands durch die Alliierten hätte schlimmer ausfallen können, als sie es in Wirklichkeit tat.95 Historiker haben einige dieser Albtraumszenarien durchgespielt. Koop zum Beispiel spekuliert: »Möglicherweise hätte der Werwolf aus Sicht der NS-Führung erfolgreicher agieren können, wenn er rechtzeitig geplant und aufgebaut worden 91

2.  Von Werwölfen zu Demokraten

wäre.«96 Biddiscombe hat sich gefragt, ob die Angriffe der Werwölfe nicht möglicherweise katastrophale Auswirkungen gehabt hätten, wenn die Verbündeten nicht so »hart« auf die Bewegung reagiert hätten.97 Diese Kommentare sind Ausdruck der Erleichterung, das die Geschichte sich so entwickelt hat, wie sie es tat. Aber sie gehen nicht so weit, das gesamte Ausmaß einer alternativen Version der Ereignisse zu erforschen. Das volle Potenzial dieser hypothetischen Möglichkeiten lässt sich ermessen, wenn wir bestimmte imaginäre Szenarien durchspielen. Was wäre zum Beispiel, wenn Deutschland nicht von den Alliierten besetzt worden wäre? Tatsächlich prägte die Aufteilung Deutschlands in getrennte Zonen die Art des Widerstands der Werwölfe. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs waren die Werwölfe häufiger in Ostdeutschland als in Westdeutschland aktiv. Dies lag vor allem an der Schwere der Gewalt an der Ostfront im Vergleich zu der an der Westfront. Während des Krieges und in den ersten Nachkriegsjahren kam es zwischen der Roten Armee und der Wehrmacht sowie zwischen sowjetischen Soldaten und deutschen Zivilisten (von denen viele auch von ihren polnischen und tschechischen Nachbarn angegriffen wurden) zu schweren Gewalttaten. Mord, Vergewaltigung und Vertreibung waren an der Tagesordnung. Um sich an diesen Verbrechen zu rächen, schlossen sich viele Deutsche daher den Werwölfen im Osten an.98 Diese Rachegefühle wurden noch durch die gewalttätige Reaktion sowjetischer Truppen auf Angriffe der Werwölfe befeuert, zu denen auch die Erschießung ziviler Geiseln, das Brandschatzen von Dörfern und die Anordnung von Massenverhaftungen gehörten.99 Dieser Teufelskreis der Gewalt im Osten könnte im Gegenzug das Verhalten deutscher Zivilisten im Westen geprägt haben. Das Bewusstsein über die Brutalität der Roten Armee könnte die Werwölfe vom massiven Widerstand gegen britische, französische und amerikanische Besatzungstruppen abgehalten haben. Bereits während des Krieges waren deutsche Zivilisten und Soldaten im Bewusstsein der Gräueltaten der Roten Armee in die verhältnismäßig sicheren Regionen im Westen des Landes geflohen, wo sie auf eine mildere Behandlung hofften.100 Ähnlich fiel der Widerstand der Werwölfe nach Kriegsende im Westen möglicherweise schwächer aus, weil die Deutschen dort relativ erleichtert über ihre Situation waren und wussten, dass sie mehr unter den sowjetischen Besatzern als unter den angloamerikanischen Truppen leiden würden. Kurzum blieben 92

Die Werwölfe und die Gefahr eines nationalsozialistischen Aufstands

viele Deutsche im Westen möglicherweise deshalb passiv, weil dies für ihre Sicherheit das Beste war. Was aber, wenn die Sowjets ganz Deutschland eingenommen hätten? Hätten die Werwölfe größeren Widerstand geleistet? Angesichts der harten kollektiven Bestrafung durch die Sowjets wären sehr viel mehr unschuldige Deutsche gefangen genommen und möglicherweise in den Widerstand getrieben worden, sodass die Bewegung zahlenmäßig zugenommen hätte. Ohne die Möglichkeit der Flucht in andere alliierte Besatzungszonen hätten viele Deutsche vielleicht das Gefühl gehabt, nichts zu verlieren zu haben, und sich der Organisation Werwolf angeschlossen. Tatsächlich waren die meisten Deutschen schon seit mehr als einer Generation – noch vor dem Dritten Reich – konditioniert, den Bolschewismus zu fürchten. Darüber hinaus hätte eine repressive sowjetische Besatzungspolitik die antibolschewistische Haltung der NSDAP vordergründig bestätigt und diese so teilweise rehabilitiert. Man kann nur ahnen, wie viele Deutsche dem Nationalsozialismus nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches 1945 eine zweite Chance gegeben hätten, aber eine brutale sowjetische Besatzung wäre Wasser auf die Mühlen eines jeden Aufstands der Nationalsozialisten gewesen. Interessanterweise hätte dasselbe auch passieren können, wenn die Westalliierten nach der Landung der Alliierten in der Normandie ganz Deutschland erobert hätten. Hätten die Deutschen nur unter der Kontrolle der westlichen Alliierten gestanden und hätten sie keine Angst vor einer harten sowjetischen Alternative haben müssen, hätten sie vielleicht aktiver gegen die Alliierten rebelliert. Viele Deutsche waren vom NS-Regime mit permanenter antibritischer und antiamerikanischer Propaganda überzogen worden und ärgerten sich über die angloamerikanischen Streitkräfte auf deutschem Boden. Dass sie stärker hätten rebellieren können, legt unter anderem der Verlauf des irakischen Widerstands nahe.101 Ein Faktor, der zum Ausbruch der lang anhaltenden sunnitischen und kurzzeitig aufflackernden schiitischen Aufstände gegen die Koalitionstruppen der Alliierten im Irak beitrug, war die Tatsache, dass die Aufständischen ihre Aggression gegen eine einzige Besatzungstruppe richten konnten und nicht befürchten mussten, ihre Aktionen könnten den Weg für eine schlimmere Besatzung durch eine in der Nähe befindliche fremde Macht bereiten.102 Da der Irak nicht in getrennte Besatzungszonen unterteilt war, gab es kein Pendant zur Roten 93

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Armee, die einen Teil des Landes verwaltete und auf potenzielle Aufständische in einem anderen Teil abschreckend wirkte. Wenn überhaupt, war das Gegenteil der Fall: Nachbarländer wie Saudi-Arabien und die Golfstaaten trugen zum Aufstieg der sunnitischen Aufständischen im Irak bei, während der Iran lokale schiitische Milizen unterstützte. (Umgekehrt trug die Unfähigkeit der Werwölfe, nach 1945 Unterstützung bei einem der deutschen Nachbarn zu finden, zum Scheitern der Bewegung bei.) Diese Vergleiche verdeutlichen einen wichtigen Aspekt der alliierten Besatzung Deutschlands. Entscheidend für den begrenzten Widerstand der Werwölfe war, dass die vier Mächte in Deutschland nach dem Prinzip »divide et impera« verfuhren. Die Westalliierten und die Sowjets spielten faktisch eine Version von good cop, bad cop und trugen so dazu bei, das deutsche Volk gefügig statt rebellisch zu machen. Gewiss werfen diese Szenarien grundlegende Fragen der Plausibilität auf. Hätten die Sowjets oder aber die Westalliierten Deutschland allein besetzen können? Das ist zwar unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Die Alliierten einigten sich bekanntlich darauf, Deutschland vor Kriegsende in getrennte Besatzungszonen aufzuteilen. Auf der Londoner Außenministerkonferenz im Herbst 1944 legten Vertreter der Alliierten in der European Advisory Commission drei Zonen fest, die später auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 auf vier erweitert wurden. Aus politischen Gründen war es mehr oder weniger unvermeidlich, dass Deutschland unter geteilter Herrschaft stehen würde. Dennoch können wir uns Szenarien vorstellen, in denen die Sowjets – und vielleicht auch die Westalliierten – Deutschland ganz allein hätten besetzen können. Während sich angloamerikanische Truppen im Sommer 1944 noch in Frankreich befanden, hatten die Streitkräfte der Roten Armee den östlichen Stadtrand von Warschau erreicht und waren kurz davor, nach Deutschland vorzudringen. Zu diesem Zeitpunkt befahl Stalin jedoch einigen seiner Streitkräfte, haltzumachen (was den Nazis erlaubte, im August 1944 den Warschauer Aufstand niederzuschlagen), während er gleichzeitig andere Truppen auf den Balkan schickte, um Rumänien, Bulgarien, Jugoslawien und Ungarn zu besetzen.103 Hätten die Sowjets anders entschieden, hätten sie ihren Marsch nach Deutschland beschleunigen und möglicherweise den größten Teil des Landes im Alleingang einnehmen können. Stalin träumte 94

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davon, bis nach Frankreich vorzudringen.104 Die Briten und Amerikaner waren sich nach dem Sieg der Sowjets in Stalingrad eines solchen Szenarios bewusst und eröffneten auch deshalb im Juni 1944 eine zweite Front in der Normandie, um dies zu verhindern.105 Unter anderem aus Sorge, die Sowjets könnten den größten Teil Deutschlands einnehmen, beriefen die Westalliierten im Februar 1945 die Konferenz von Jalta ein (zu einem Zeitpunkt, als die Rote Armee nur 50 Meilen vor Berlin stand und sich die Westalliierten noch von der zermürbenden Ardennenschlacht erholten, wollten sie die Sowjets zu den abgesprochenen Besatzungszonen verpflichten). Wie das britische und amerikanische Verhalten in den Jahren 1944/45 zeigt, war eine vollständige Eroberung Deutschlands durch die Sowjets durchaus plausibel.106 Dasselbe gilt für die Möglichkeit der alleinigen Besatzung Deutschlands durch die Westalliierten. Hätten Großbritannien und die USA in den Jahren 1942/43 weniger Zeit und Ressourcen auf den Einmarsch in Nordafrika und strategische Bombenangriffe auf Deutschland verwendet, hätten sie zwei Jahre vor dem reellen Datum eine zweite Front in Frankreich eröffnen können. In diesem Fall hätten sie laut Jacques Pauwels »viel tiefer ins Landesinnere Deutschlands vordringen können ... und sich [bei Kriegsende] möglicherweise unversehens in Berlin und sogar Warschau wiedergefunden«.107 Andere Historiker wie Caleb Carr haben sich vorgestellt, wie die Alliierten mit einer blitzkriegähnlichen »Deep-Strike«-Strategie (und keinem »BroadFront«-Ansatz) in Deutschland einmarschieren; diese Strategie hätte es ihnen erlaubt, Berlin zu erobern und im November 1944 eine deutsche Kapitulation zu erzwingen, was eine sowjetische Präsenz im Reich verhindert hätte.108 Ein weiteres mögliches Szenario ist eine erfolgreiche »Operation Market Garden« im September 1944. Wenn die Westalliierten in der Lage gewesen wären, den Rhein zu überqueren und sich den Zugriff auf die Industriekapazitäten des Ruhrgebiets zu sichern, hätten sie – noch vor irgendwelchen späteren Zugeständnissen in Jalta – ganz Deutschland schneller erobern und den Krieg bis Weihnachten 1944 beenden können.109 Alle diese Szenarien hätten größere angloamerikanische Verluste gefordert und wahrscheinlich dazu geführt, dass die Sowjets ihr eigenes Vordringen nach Westen beschleunigt hätten. Aber sie hätten vielleicht eine rein angloamerikanische Besatzung Deutschlands und damit eine aggressivere Guerillakampagne der Werwölfe ermöglicht. 95

2.  Von Werwölfen zu Demokraten

Man kann nur ahnen, ob diese Ergebnisse eine Chance auf Verwirklichung hatten, aber sie sind mehr als reine Spekulation. Tatsächlich ermöglichen sie es uns, die reellen Ereignisse nach 1945 besser einzuordnen. Auf der offensichtlichsten Ebene hilft uns der Entwurf solcher alternativen Szenarien, zu verstehen, wie die Politik der Alliierten in Deutschland die Nachkriegswelt vor der entsetzlichen Art von Unruhen bewahrt hat, wie es sie im Irak gab. Diese Szenarien erlauben uns mit anderen Worten zu verstehen, wie es hätte schlimmer kommen können. Aber sie können uns auch zu der Frage veranlassen, wie die Geschichte hätte besser verlaufen können. Im Schlussteil seines Buches The Last Nazis erklärt Perry Biddiscombe, die eigentliche Bedeutung der Organisation Werwolf liege im Bereich nie stattgefundener Ereignisse. Die Werwölfe seien ein entscheidender Negativfaktor für die frühe deutsche Nachkriegsgeschichte gewesen: Zu Beginn der … »Stunde null« ..., als die Deutschen am offensten für Veränderungen gewesen wären, waren die Alliierten so sehr damit beschäftigt, das Zepter zu schwingen, dass sie einen solchen Prozess kaum fördern und ... sein spontanes Entstehen aus deutschen Quellen nicht zulassen konnten. Die politische, soziale und kulturelle Revolution von 1945 wurde, zumindest teilweise dank der Werwölfe, zum großen Nichtereignis der jüngeren deutschen Geschichte.110 Die Werwölfe bestärkten die Alliierten in ihrem harten Vorgehen und hinderten die Deutschen so an einem echten Neuanfang. Diese These ist sicherlich umstritten, da verschiedene Faktoren zu Kontinuitäten zwischen der Besatzungszeit und der späteren Bundesrepublik beigetragen haben. Der Fall der Werwölfe erinnert uns jedoch daran, dass selbst gescheiterte Bewegungen die Geschichte prägen können. Der totgeborene Aufstand zeigt, wie schwierig es für Nachkriegsdeutschland war, einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zu ziehen. Sicherlich hätte die Situation schlimmer ausgehen können. Doch selbst im Scheitern zeigt die Werwolf-Bewegung, dass der Nationalsozialismus 1945 nicht starb, sondern bis in die Besatzungszeit hinein überlebte.

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Nationalsozialistische Verschwörungen der frühen Nachkriegszeit

Nationalsozialistische Verschwörungen der frühen Nachkriegszeit und die Reaktionen der Alliierten Als die Alliierten Anfang 1946 auf neue Versuche von unbeirrten Nazis aufmerksam wurden, sich im besetzten Deutschland Geltung zu verschaffen, wurde ihnen die Gefahr einer nationalsozialistischen Verschwörung schmerzlich bewusst. Vertreter heterogener, aber ideologisch überzeugter Gruppen von ehemaligen Parteiführern, SS-Offizieren, Militärs und Mitgliedern der Hitlerjugend hatten sich verschworen, um die im Entstehen begriffenen Institutionen des besetzten Deutschlands mit ihren Anhängern zu infiltrieren; diese nutzten nur zu gern die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der alliierten Herrschaft, um eine Rückkehr der Nationalsozialisten an die Macht vorzubereiten. In den Jahren 1946 und 1947 wurden Geheimdienstmitarbeiter der Alliierten auf diese Verschwörungen aufmerksam und starteten mit der »Operation Nursery« und der »Operation Selection Board« zwei wichtige Verhaftungswellen, um die Komplotte zu vereiteln. Beide waren erfolgreich. Aber sie offenbarten den anhaltenden Einfluss nationalsozialistischen Gedankenguts und machten die Angst vor einem möglichen Vierten Reich glaubhafter.

Die Hitlerjugend-Verschwörung und die »Operation Nursery« Die erste Verschwörung hatte mit dem langjährigen NS-Funktionär und Reichsjugendführer Artur Axmann zu tun. Axmann, ab 1931 Mitglied der NSDAP, löste 1940 Baldur von Schirach als Chef der Hitlerjugend (HJ) ab und erhielt rasch Zutritt zum inneren Kreis Hitlers. In den letzten Kriegswochen verbrachte Axmann viel Zeit im Führerbunker und half die Verteidigung Berlins zu koordinieren, indem er Mitglieder der Hitlerjugend in den Volkssturm und die Waffen-SS schickte. Nach Hitlers Selbstmord am 30. April floh Axmann zusammen mit zwei anderen Nazis, Werner Naumann und Martin Bormann, unter schwerem Beschuss der Roten Armee 97

2.  Von Werwölfen zu Demokraten

Der ehemalige Reichsjugendführer Artur Axmann stand 1946 an der Spitze eines gescheiterten Putschversuchs unbeirrter Nazis gegen die alliierten Besatzungsmächte. Der Aufstand wurde von den Alliierten in der »Operation Nursery« niedergeschlagen. Das Bild zeigt ihn bei der Begrüßung von Hitlerjungen in Berlin 1943.

aus dem Bunker. In den Wirren wurden die Männer getrennt, doch schaffte es Axmann schließlich bis nach Mecklenburg in die Sowjetzone. Daraufhin verschwand er von der Bildfläche und wurde von den Alliierten für tot gehalten. In Wirklichkeit hatte Axmann seinen Namen in Erich Siewert geändert und war untergetaucht, um mit der Umsetzung der ersten Phasen eines Widerstandsplans der Nachkriegszeit zu beginnen.111 Der im Frühjahr 1945 ausgearbeitete Plan ging davon aus, die angloamerikanischen und sowjetischen Streitkräfte würden sich nach Kriegsende entzweien, was den Kämpfern der Hitlerjugend die Möglichkeit gegeben hätte, sich den Engländern und Amerikanern gegen die Sowjets anzuschließen. Axmann ordnete daher im Frühjahr 1945 35.000 HJ-Führungskräften an, die Werwolf-Bewegung in Süddeutschland zu unterstützen und auf Befehle zur Durchführung weiterer Widerstandsaktionen zu warten.112 Obwohl dieser Plan auf Axmanns Kontakte zur Organisation Werwolf zurückging, zielte er weniger auf aktiven militärischen Widerstand gegen die Herrschaft der Alliierten als vielmehr auf eine Sabotage von innen her98

Die Hitlerjugend-Verschwörung und die »Operation Nursery«

aus.113 Als sich Axmann unmittelbar nach Kriegsende in Norddeutschland befand, wies er Anführer der Hitlerjugend im Süden wie HJ-Oberbannführer Willi Heidemann an, mit den zugewiesenen Mitteln Unternehmen – insbesondere Speditionsfirmen – zu gründen, die »im neuen Wirtschaftsleben Deutschlands Einfluss ausüben« sollten.114 Gleichzeitig sollten andere HJ-Mitglieder Beschäftigung bei Vertretern der Militärregierung finden und deren Vertrauen gewinnen. Ziel der Verschwörer war es, sich unauffällig zu verhalten, langsam ihre Wirtschaftsmacht auszubauen und dann »die bestehenden Parteien nach nationalsozialistischen Prinzipien zu beeinflussen«.115 Axmann blieb besonders dem Führerprinzip verpflichtet, das er in einer neuen Version der Hitlerjugend einsetzen wollte.116 Sein oberstes Ziel war es, die NSDAP wiederzubeleben und Deutschlands neuer Führer zu werden.117 Zusammen mit seinen Mitverschwörern hoffte er, zu zeigen, dass die zwölf Jahre des Dritten Reiches »nicht umsonst« gewesen waren.118 Bevor Axmanns Gruppe ihre Pläne jedoch weiterentwickeln konnte, setzten die amerikanischen und britischen Geheimdienste ihnen in der »Operation Nursery« [Operation Kindergarten] ein Ende. Die Operation, benannt nach dem jungen Alter der zu Verhaftenden, war zehn Monate in Vorbereitung. In dieser Zeit sammelten die Vertreter der Alliierten Informationen von ehemaligen Nationalsozialisten, die die Gruppe als Spione unterwandert hatten.119 Ein Großteil der Informationen kam dank der wachsenden Kluft zwischen zwei Fraktionen der Gruppe ans Tageslicht, die sich über die strategische Ausrichtung uneins waren.120 Im Dezember 1945 nahmen die Spionageabwehrkräfte eine erste Welle von Verhaftungen vor, bei der sie Axmann und über 200 andere Personen gefangen nahmen, obwohl die Nachricht zunächst geheim gehalten wurde. Im März 1946 schwärmten dann rund 7000 alliierte Truppen in mehr als 200 Städten in den westlichen Besatzungszonen aus und verhafteten über 1000 Verdächtige unter gewöhnlichen HJ-Mitgliedern. In vielen Fällen kam es zu Schüssen zwischen alliierten Soldaten und Deutschen, die auf den Verhaftungslisten standen. Alliierte Truppen stellten auch Nazigeld in Höhe von mehr als einer Million Reichsmark sicher und erhielten Hinweise auf Munitionsbestände an geheimen Orten in den Bergen.121 Als Meldungen über die Razzien durch die amerikanischen und britischen Medien gingen, betonten reißerische Schlagzeilen wie »Raids Smash 99

2.  Von Werwölfen zu Demokraten

Plot to Re-Nazify Germany« [Razzien vereiteln Komplott zur Renazifizierung Deutschlands] die Bedeutung der alliierten Aktion. Zahlreiche Presseberichte zitierten US-Brigadegeneral Edwin Sibert, dem zufolge die Verhaftungen einen wichtigen Versuch zur »Wiederbelebung der NS-Ideologie in Deutschland« und zur Auswahl eines »neuen Führers« gestoppt hätten.122 US-Vertreter versicherten, die Verschwörung sei noch im gewaltlosen Stadium aufgedeckt worden; sie sei nicht »für kämpferische Aktionen im Sinn der französischen Maquis bestimmt gewesen«.123 Gleichwohl wiesen sie darauf hin, dass es sich um die »seit dem Krieg gefährlichste Bedrohung für unsere Sicherheit« handele. Obwohl viele Zeitungen Siberts zuversichtliche Aussage zitierten, »das Rückgrat der Bewegung [sei] gebrochen«, mahnten sie weiter zur Wachsamkeit.124 Die alliierten Truppen müssten weiter in Deutschland bleiben. Eine US-amerikanische Zeitung warnte davor, dass die Deutschen »ein wiedererstarktes und vielleicht getarntes neues nationalsozialistisches Programm hervorbringen« könnten; eine andere betonte, die Alliierten müssten ihre Bemühungen fortsetzen, »dieses Übel ... aufzudecken und zu zerstören«.125 Die australische Presse sprach bildhaft von einer fortbestehenden »Untergrundbewegung von Schakalen«, bestehend aus »Nazis, ... die noch immer wie in die Enge getriebene Dingos kämpfen«.126 Im besetzten Deutschland fiel das Echo unterdessen geteilt aus: Eine Zeitung in der amerikanischen Zone verwies entschuldigend auf die Härten des Lebens unter der Besatzung; angesichts der Sorgen und Nöte im Alltag glaube die Bevölkerung, »die Werwolf-Nazis könnten die Lage verbessern und Axmann und seine Kameraden seien Patrioten«; eine andere Zeitung war dagegen erleichtert über den »Beinahe-Erfolg« und spekulierte selbstkritisch: »wenn [Axmanns] ... Pläne Wirklichkeit geworden wären, hätte die deutsche Bevölkerung ... keine Existenzberechtigung mehr in der Welt gehabt«.127 Die kommunistische Presse in der ostdeutschen Zone deutete die anhaltenden Bestrebungen unbeirrter Nazis, ein Jahr nach der deutschen Niederlage »Verschwörungen anzuzetteln«, schließlich als Beleg für die völlige Unfähigkeit, ihre Rolle bei der »Katastrophe« des Landes anzuerkennen.128 War die Bedrohung wirklich so schlimm? Auf den ersten Blick scheint dies nicht der Fall gewesen zu sein. Die Literatur über die Besatzung Deutschlands durch die Alliierten hat die Verschwörung weitgehend igno100

Die Hitlerjugend-Verschwörung und die »Operation Nursery«

riert.129 Gleiches gilt für die Nachrufe auf Axmann, die nach seinem Tod 1996 erschienen.130 Diese mangelnde Beachtung deutet darauf hin, dass die Verschwörung für viele Beobachter zum Scheitern verurteilt und der Erinnerung nicht würdig war. In letzter Zeit haben die Umsturzbestrebungen des Reichsjugendführers dank Scott Selbys Buch The Axmann Conspiracy jedoch neue Aufmerksamkeit erlangt. Laut Selby waren sie Teil eines größeren »Plans für ein Viertes Reich«.131 Dieses erneuerte Interesse an der Verschwörung verdeutlicht, wie ernst Zeitgenossen die Gefahr einer Wiederkehr des Nationalsozialismus nahmen. Bereits im Winter 1945/46 erkannten die Alliierten, dass das trostlose Leben unter der Besatzung nationalsozialistisches Gedankengut unter bestimmten Deutschen wachhielt. Die Prognosen für die deutsche Wirtschaft reichten zu diesem Zeitpunkt von düster bis katastrophal. Die Lebensmittelversorgung war so miserabel, dass die britische Presse den Tod einer größeren Anzahl an Menschen als bei »den ersten beiden Bomben des Atomzeitalters« voraussagte.132 Im März 1946 führte die Reduzierung der Tagesrationen auf rund 1000 Kalorien in Hamburg in der britischen Zone zu Unruhen; es kam zu mehreren Fällen von Plünderungen, Einbrüchen und Vandalismus.133 Als Reaktion darauf ordneten die britischen Besatzer Massenverhaftungen an und erklärten, »sie seien bereit, deutsche Hungerrandalierer mit Militärrüstung zu unterdrücken«.134 Diese Drohungen trugen jedoch wenig zu einem Ende der Krise bei.135 Ende 1946 erschienen in der englischsprachigen Presse reißerische Berichte über fanatische nationalsozialistische »Kannibalen«, die Menschen ermordeten, um »Menschenwürste« auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen.136 Nicht nur die Lebensmittelversorgung trug zu einem Klima der Verzweiflung bei. Obdachlosigkeit und Arbeitslosigkeit plagten weiterhin Millionen von Deutschen, allen voran Vertriebene, Flüchtlinge und Soldaten, die aus der alliierten Gefangenschaft zurückkehrten. Es verwundert deshalb nicht, dass alliierte Politiker vor dem »explosiven Potenzial« der wirtschaftlichen Situation warnten und befürchteten, »große Mengen von Deutschen [könnten] in das extreme rechte oder linke politische Lager abdriften«.137 Dieser politische Albtraum erschien angesichts der Unschlüssigkeit der Alliierten, ob sie Deutschland lieber »machtlos oder demokratisch machen« wollten, immer wahrscheinlicher.138 Viele Kommentatoren befürchteten, die politische Situation könne leicht von »überlebenden 101

2.  Von Werwölfen zu Demokraten

Nazis« ausgenutzt werden, die die eine Seite gegen die andere ausspielen und so »ihre Chance« nutzen würden.139 Im Frühjahr 1946 erkannten die Alliierten, dass nationalsozialistisches Gedankengut trotz des Erfolgs der »Operation Nursery« nur »zum Verstummen gebracht, nicht aber aus der Welt geschafft« worden sei.140 Politischen Beobachtern und Journalisten der Alliierten war klar, dass nationalsozialistische Ideen nach wie vor eine Anziehungskraft auf jüngere Deutsche – insbesondere Frauen und Mädchen – ausübten.141 Wenige Wochen nach der »Operation Nursery« veröffentlichte die New York Times eine aufsehenerregende Geschichte mit dem Titel »Nazivirus breitet sich in der amerikanischen Zone aus«: In ganz Bayern, so hieß es, seien Vertreter des nationalsozialistischen »Widerstands im Untergrund« insgeheim mit einer Neuorganisation beschäftigt, »um die Kontrolle über die von uns geschaffenen demokratischen Institutionen zu übernehmen« und so »an die Macht zurückzukehren«. Da sich Vertreter der amerikanischen Militärregierung leichtgläubig auf die Personalempfehlungen von »konservativen Elementen« verlassen hatten, die mit den Nazis »sympathisierten«, drängten rechte Deutsche »in [Schlüssel-]Positionen in der amerikanischen Zone« und warteten stillschweigend ab, bis »die Bedingungen günstig« seien, um die Herrschaft der Alliierten zu untergraben. Nur die Anwesenheit des USMilitärs hielte das »Chaos« in Schach.142 Diese düstere Einschätzung, die von verschiedenen amerikanischen und deutschen Beobachtern geteilt wurde, wirft die kontrafaktische Frage auf, ob die Krise zu einer revolutionären Situation hätte eskalieren und eine Rückkehr der Nationalsozialisten hätte ermöglichen können.143 Wirtschaftliche Not, soziale Unruhen und politische Desillusionierung sind seit Langem Voraussetzungen für revolutionäre Unruhen. Im Deutschland des Jahres 1946 gab es all dies im Überfluss. Der einzige fehlende Bestandteil war ein katalytischer Gewaltakt, der tiefere strukturelle Probleme über den kritischen Punkt hinaus in dramatische, epochale Ereignisse kippen ließ. Tatsächlich verschärfte sich die Gewalt in Deutschland in den folgenden Monaten. Am 19. Oktober 1946 explodierten mehrere Bomben in Spruchkammern und einem US-Militärgefängnis in Stuttgart. Noch am selben Tag detonierte eine weitere Bombe in einer Spruchkammer in der nahe gelegenen Stadt Backnang, eine Woche später explodierte eine Bombe in Ess102

Die Hitlerjugend-Verschwörung und die »Operation Nursery«

lingen. Zwar entstand jeweils nur Sachschaden, doch die Sorge um zunehmenden nationalsozialistischen Radikalismus wuchs.144 Der Boston Globe beschrieb die Bomben als »den ersten offen gewalttätigen Angriff auf die amerikanische Militär- und die deutsche Zivilpolizei durch den NS-Untergrund« und wertete sie als »ernste« Entwicklung.145 Viele Beobachter deuteten die Attentate als Proteste von überlebenden Werwolf-Zellen gegen das Entnazifizierungsprogramm der Alliierten; einige mutmaßten sogar, dass sie zum Abbruch des in der Nähe stattfindenden Prozesses gegen den ehemaligen Reichsbankchef Hjalmar Schacht führen sollten.146 Dieser Eindruck verstärkte sich mit dem Erscheinen nationalistischer Plakate in der Gegend, auf denen behauptet wurde, die Nürnberger Prozesse seien »kein Urteil, sondern Mord«.147 Der Anstieg an Gewalttaten war an sich schon alarmierend, wurde jedoch noch beunruhigender, als amerikanische Vertreter im Oktober 1946 erklärten, sie »erwarteten mehr Bombenanschläge ... gegen das Entnazifizierungsprogramm«.148 Wenig später bestätigten sich diese Befürchtungen. Im Januar und Februar 1947 kam es zu Explosionen in der Spruchkammer in Nürnberg, in der das Verfahren gegen den ehemaligen deutschen Kanzler und Hitler-Anhänger Franz von Papen stattfand.149 Weitere Attentate trafen etwa zeitgleich Spruchkammern in München und Kassel, während kurz darauf der Staatsanwalt einer Spruchkammer im württembergischen Öhringen ermordet wurde.150 Wäre der Gewalt nichts entgegengesetzt worden, wäre die zukünftige Entwicklung Deutschlands vielleicht in eine andere Richtung gegangen, doch wie sich herausstellte, war die Reaktion schnell und stark. Erstens lehnten viele Deutsche die Attentate entschieden ab. In Stuttgart riefen 75.000 Arbeiter am 22. Oktober zu einem kurzen Generalstreik auf, um gegen die Sabotageakte »ehemaliger Nationalsozialisten« gegen die Nachkriegsordnung zu protestieren.151 In Nürnberg fanden weitere Proteste unter Führung der Gewerkschaften statt.152 Die deutsche Presse verurteilte die Angriffe weithin, wobei kommunistische Zeitungen in Ostdeutschland auf die anhaltende Bedrohung durch faschistische »Reaktionäre« und »Werwölfe« verwiesen.153 Als entscheidend erwies sich, dass die Alliierten ebenfalls mit aller Härte reagierten. Innerhalb kurzer Zeit konnten die amerikanischen Behörden die Attentäter im Umkreis einer Zelle von Nazifanatikern unter der Führung eines 23-jährigen ehemaligen SS-Mannes namens Siegfried 103

2.  Von Werwölfen zu Demokraten

Kabus im Stuttgarter Raum ausmachen. Sein Ziel war es, den Unmut der Bevölkerung gegen die Entnazifizierung zu schüren und sich an die Spitze einer Bewegung für die nationale Wiedergeburt Deutschlands zu setzen. Die Alliierten konnten auch den Nürnberger Attentäter festnehmen, einen weiteren radikalen Nazi, der ehemalige Waffen-SS-Soldat und WerwolfAktivist Alfred Zitzmann. Kabus und Zitzmann waren beide junge Männer, deren Aktivismus in der NS-Zeit ihnen geringe Perspektiven für die unmittelbare Zukunft bot. Ihre Unterstützer waren zumeist ehemalige Mitglieder der Hitlerjugend und Waffen-SS mit ebenso geringen Zukunftschancen. Auch wenn Kabus’ und Zitzmanns gewalttätige Aktionen schließlich erfolglos verliefen,154 zeugten sie vom Fortbestand nationalsozialistischen Gedankenguts unter Teilen der deutschen Bevölkerung. Sicherlich versuchten einige deutsche Beobachter, Kabus als Ausnahme und Exzentriker darzustellen (er hübschte seine Kriegsbilanz ordentlich auf und behauptete, mit Martin Bormann in Kontakt zu sein).155 Andere Deutsche befürchteten indes, Kabus’ nachfolgende Verurteilung und seine (später umgewandelte) Todesstrafe könnten ihn zu einen »Märtyrer« machen, der andere Fanatiker zu radikalen Aktionen anregen könne.156 Diese Sorge klang auch in den Vereinigten Staaten an, wo die Nachricht von Kabus’ »ausgeklügelten Plänen für ein ›Viertes Reich‹« Ängste vor einer Rückkehr der Nationalsozialisten nährte.157

Die Deutsche Revolution und die »Operation Selection Board« Um entsprechenden Bestrebungen entgegenzutreten, starteten Vertreter der Alliierten in der westlichen Zone Anfang 1947 die »Operation Selection Board«. Die Aktion richtete sich gezielt gegen eine nationalsozialistische Untergrundgruppe namens »Deutsche Revolution«, die aus mehreren lose zusammengeschlossenen Gruppen von ehemaligen SS-Offizieren und Wehrmachtsveteranen in der britischen und amerikanischen Besatzungszone bestand.158 Hauptgruppe war die Deutsche Revolution, die auch als Organisation für den Deutschen Sozialismus bekannt war und von SS-Oberscharführer Bernhard Gericke geleitet wurde. Hinzu kamen die Organisation 104

Die Deutsche Revolution und die »Operation Selection Board«

Der SS-Hauptsturmführer und ehemalige Gestapo-Chef von Lyon Klaus Barbie beteiligte sich am erfolglosen Aufstand der »Deutschen Revolution«, der von den alliierten Streitkräften im Februar 1947 in der »Operation Selection Board« niedergeschlagen wurde.

Süddeutschland unter der Leitung des ehemaligen SS-Oberführers Kurt Ellersiek und zwei namenlose Zellen von SS- und Wehrmachtsoffizieren unter der Leitung von SS-Hauptsturmführer Klaus Barbie (dem ehemaligem Gestapo-Chef von Lyon), SS-Brigadeführer Christof Naumann und Wehrmachtsoffizier Ernst Gunther Jahnke. Die Gruppen entstanden unabhängig voneinander, fanden aber dank gemeinsamer persönlicher Kontakte und ideologischer Grundsätze ihren Weg zueinander. Nach Ansicht von Wissenschaftlern sahen sich die Mitglieder der Gruppe als »Kern einer neuen nationalsozialistischen Bewegung, der Speerspitze eines Vierten Reiches«.159 Doch wie bei der Axmann-Verschwörung gibt es keinerlei Hinweise darauf, 105

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dass die Zellen bei ihren Umsturzplänen den Begriff eines Reiches verwendeten. Sie befürworteten jedoch die Rückkehr der Nationalsozialisten an die Macht. Nach Ansicht der Verschwörer konnte der Nationalsozialismus mit gewissen Anpassungen seine Gültigkeit in der Nachkriegszeit behalten. Laut Gericke, dem wichtigsten Theoretiker der Verschwörung, waren Hitlers Ideen allzu nationalistisch und rassistisch; diesem Manko könne jedoch durch eine kosmopolitischere Art von Nationalsozialismus abgeholfen werden, der einem geeinten, antisowjetischen, europäischen Block verpflichtet sei – Gericke bezeichnete ihn als »deutschen Sozialismus«.160 Die Verschwörer waren realistisch genug, zu erkennen, dass sie mit gewalttätigen Methoden in der unmittelbaren Nachkriegszeit nicht weit kommen würden; daher versuchten sie stattdessen, Einrichtungen des täglichen Lebens mit Gleichgesinnten zu unterwandern.161 Ellersiek zum Beispiel nutzte seine Erfahrungen in der SS-Studentenorganisation »Mannschaftshäuser« aus der Vorkriegszeit, um ehemalige SS-Männer in Wissenschaftsinstitutionen der Nachkriegszeit einzuschleusen; Gericke versuchte, Nazis im politischen Apparat der Nachkriegszeit unterzubringen, und Barbie verhalf ehemaligen SS-Kameraden durch Schwarzhandel, Raub und Fälschungen zu neuen Identitäten, damit sie der Verhaftung durch die Alliierten entgehen konnten. Mit diesen verdeckten Aktivitäten bekannten sich die Verschwörer nicht nur weiterhin zu nationalsozialistischen Idealen, sondern erwiesen sich auch als unfähig, die Realität der neuen Nachkriegsordnung zu akzeptieren. Weil ihre kompromittierte Vergangenheit sie vom normalen deutschen Alltag ausschloss, sahen sich die Verschwörer gezwungen, ihr bestehendes Glaubenssystem beizubehalten und so »ihre unvermeidliche Existenz im Untergrund zu rechtfertigen«, wie es Mitarbeiter des amerikanischen CounterIntelligence Corps (CIC) 1947 formulierten.162 Unmittelbares Ziel der Deutschen Revolution war es, die Westalliierten, insbesondere die Briten, davon zu überzeugen, sich mit ihnen gegen die Sowjets zu verbünden. Die Gruppe versuchte, sich die zunehmenden OstWest-Spannungen zunutze zu machen und ihre Erfahrungen aus der antikommunistischen Geheimdienstarbeit zu Kriegszeiten einzubringen, um so im Gegenzug den Alliierten Zugeständnisse für ihre Zusammenarbeit abzuringen, vor allem ein Ende der Entnazifizierung, die Freilassung von Nazis 106

Die Deutsche Revolution und die »Operation Selection Board«

aus Internierungslagern, die Rückgabe der deutschen Ostgebiete von Polen und ein Ende der wirtschaftlichen Reparationen.163 Ende 1946 und Anfang 1947 versuchten die Verschwörer unter der Leitung von Ellersiek, Kontakt zu sympathisch wirkenden britischen Vertretern aufzunehmen, um sie zur Zusammenarbeit zu bewegen.164 Unglücklicherweise hatten die Alliierten allerdings bereits Spione in die Organisation eingeschleust, die regelmäßig über den Fortschritt der Verschwörung berichteten. Die Briten und Amerikaner erlaubten vorerst eine Fortsetzung der Planungen, bis sie im Januar 1947 zum Handeln gezwungen wurden. Ende des Monats hieß es in einem öffentlichkeitswirksamen Bericht einer privaten internationalen Lobbyorganisation, des International Committee for the Study of European Questions, undurchsichtige NS-Untergrundgruppen sabotierten die Entnazifizierungsbemühungen in der Westzone.165 Aus Angst, die Sowjets könnten die Informationen nutzen, um sich auf der bevorstehenden Außenministerkonferenz in Moskau einen Propagandavorteil zu verschaffen – auf der Konferenz Anfang März sollte über das Schicksal Deutschlands beraten werden –, beschlossen die Alliierten, zu handeln.166 Am Abend des 22. Februar verteilten sich mehrere Tausend alliierte Truppen bei eisigen Temperaturen in den westlichen Besatzungszonen, um mehr als hundert Verdächtige im Zusammenhang mit der Deutschen Revolution zu verhaften.167 Viele der wichtigsten Anführer wie Ellersiek und Gericke wurden gefasst, ebenso Dutzende ehemaliger SS-Offiziere, Wehrmachtsvertreter und mittlerer Chargen der NSDAP-Führung, darunter der Chef der Hitlerjugend in Polen, General Walter Schimmelpfennig, und der ehemalige Gauleiter von Württemberg, Helmut Baumert. Alliierte Truppen verhafteten auch andere Nazis, die nicht direkt mit der Verschwörung in Verbindung standen. Am bemerkenswertesten war die Inhaftierung mehrerer Mitarbeiter, die mit der »Bakteriologischen Abteilung« des Oberkommandos der Wehrmacht verkehrten, darunter Hans-Georg Eismann und Karl Rosenberg; sie wurden separat der bakteriologischen Kriegsführung gegen die alliierten Streitkräfte angeklagt. Trotz dieser Festnahmen war die Operation kein voller Erfolg. Schlüsselfiguren wie Klaus Barbie konnten sich der Verhaftung entziehen, andere gingen in den Untergrund.168 Nach Bekanntgabe der Festnahmen zeigte sich die angloamerikanische Presse schockiert und besorgt. Mit Schlagzeilen wie »Sudden Swoop by Allies 107

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Smashes Nazi Plot« [Überraschungsangriff der Alliierten vereitelt Naziverschwörung] beschrieb eine Flut von Nachrichten den Komplott als gefährlicher als die ein Jahr zuvor in der »Operation Nursery« zerschlagene HJVerschwörung.169 Die meisten Artikel berichteten atemlos, die Verschwörer hätten bewusst »darauf abgezielt, den Nazismus ... wiederzubeleben«; für die New York Times waren sie »die ehrgeizigste deutsche Untergrundbewegung, um auf den Ruinen des Nationalsozialismus eine neue Diktatur zu errichten«.170 Einige verstiegen sich sogar zu der Behauptung, die Verschwörung sei Teil einer nationalsozialistischen »Weltverschwörung« gewesen, um »einen Angriff auf die Zivilisation zu starten«.171 Diese scharfen Vorwürfe beruhten zum Teil auf der beunruhigenden Erkenntnis, dass die Verschwörer im Besitz »einer geheimen bakteriologischen Waffe« waren, mit der sie die »Westallierten erpressen« wollten, damit diese »eine antirussische Politik verfolgten«.172 Laut Presseberichten beabsichtigte die Bande, »Anthrax und Pestbakterien nach England und in die Vereinigten Staaten einzuschleusen«; speziell ausgebildete Agenten sollten mit pulverförmigen und flüssigen Formen der Bakterien, die in Spazierstöcken, Schirmen und Aktentaschen versteckt sein sollten, in britische und amerikanische Städte entsandt werden, die Keime über einen Zeitraum von fünf Tagen in U-BahnStationen, Restaurants und anderen öffentlichen Einrichtungen freisetzen und »12.000 Menschen täglich infizieren«.173 Trotz Beteuerungen der Alliierten, die Verschwörung sei vollständig zerschlagen, führten die Enthüllungen zu alarmierenden Schlagzeilen wie »Nazi Germ Threat to Britain« [Großbritannien von Nazikeimen bedroht] und sorgten in der Bevölkerung für verstärkte Unruhe.174 Im besetzten Deutschland fand die Aktion ein geteiltes Echo. Die meisten Zeitungen in der westlichen Zone berichteten pflichtbewusst über die Fakten, bestritten aber, dass die Verschwörung eine echte Gefahr darstelle. Der Spiegel verwies abschätzig auf die unbeholfenen Bemühungen der Deutschen Revolution, ein »Drittes Reich in zweiter Ausgabe« zu schaffen, während andere Zeitungen versicherten, die Verschwörer sprächen nicht für die Mehrheit der Deutschen.175 Diese skeptische Sicht bestätigten Meinungsumfragen des CIC, denen zufolge die Deutschen von den Nachrichten über das harte Durchgreifen der Alliierten verblüfft waren; sie vermuteten, dass die Engländer und Amerikaner nur deswegen so hart durchgegriffen hätten, um 108

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der sowjetischen Kritik an ihrer laxen Entnazifizierungspolitik zuvorzukommen.176 Gleichzeitig wurden in westdeutschen Zeitungen andere Ansichten laut; einige warnten davor, die Verbindungen »herunterzuspielen«, die »nationalsozialistische Verschwörer ... über die [Besatzungs-]Zonen hinweg zu spinnen versuchten«.177 Diesen Punkt hob insbesondere die kommunistische Presse in der ostdeutschen Zone hervor und betonte, die Verhaftungen bewiesen, dass es immer noch Kreise gebe, »die reaktionäre Kräfte einsetzen wollten, um das Hitler-System wiederzubeleben«.178 Angesichts der umfangreichen Medienberichterstattung über die »Operation Selection Board« überrascht es, dass der Vorfall in der wissenschaftlichen Literatur über die alliierte Besatzung relativ wenig Beachtung gefunden hat.179 Dieses Versäumnis ist wahrscheinlich auch auf die Überzeugung zurückzuführen, die Deutsche Revolution sei nur eine unbedeutende Gefahr gewesen, die die Herrschaft der Alliierten nie ernsthaft gefährdet habe. Diese mangelnde Beachtung ist jedoch nicht gerechtfertigt. Aus der Sicht von Anfang 1947 – einer Zeit, in der der Wiederaufbau Deutschlands nur schleppend in Gang kam und die Demokratisierung keineswegs gesichert war – war die Angst vor einer Rückkehr der Nationalsozialisten alles andere als irrational. Tatsächlich kann man sich leicht vorstellen, wie die Verschwörung mehr Erfolg hätte haben können. Dies gilt umso mehr, als sowohl zeitgenössische als auch spätere Beobachter bereit sind, das harte Durchgreifen mit kontrafaktischen Argumenten zu erklären. Bei der Beurteilung der Ergebnisse ihrer Operation spekulierten amerikanische Vertreter des CIC im Sommer 1947: Wenn die Verschwörer erfolgreich die britische Zustimmung zu einer, wie es schien, harmlosen politischen Theorie erhalten hätten, hätten sie im Endeffekt die Reihen derer konsolidiert, die mit den NS-Idealisten sympathisierten, welche letztlich diese angeseheneren Bewegungen infiltriert und infiziert hätten, die eine ähnliche politische Gesinnung vertraten. Früher oder später hätte diese Art von Entwicklung die alliierten Besatzer wahrscheinlich vor ein Problem gestellt, das entsprechend schwieriger zu lösen gewesen wäre.180

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Ähnlich argumentierte die deutsche Presse. Die Kasseler Zeitung erklärte, ohne eine Intervention der Alliierten könne es den Verschwörern gelingen, »eine große Anzahl von Mitreisenden aus den Reihen der unglücklichen NS-Fanatiker anzuziehen« und »zu einer mächtigen Bewegung anzuwachsen, die eine gefährliche Bedrohung für die Sicherheit der Besatzung darstellen könnte«.181 Wissenschaftler teilen die Befürchtung der Alliierten, die Verschwörung hätte im weiteren Verlauf »erheblichen Einfluss auf Teile der [deutschen] Bevölkerung haben können«.182 So spekuliert etwa Perry Biddiscombe: »Ohne eine Intervention der Alliierten hätte die Deutsche Revolution zu einer mächtigen Kraft im rechten deutschen Lager werden können, mit dem Potenzial, die Zeit zurückzudrehen.«183 Diese These ist einleuchtend, wirft jedoch die Frage auf, was die Alliierten davon abgehalten haben könnte, zum damaligen Zeitpunkt gegen die Bewegung vorzugehen. Ein Hinweis liegt in der nicht erfolgten Verhaftung von Klaus Barbie. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass Barbie bereits vom CIC rekrutiert worden war, um die amerikanischen Geheimdienste gegen die Sowjetunion zu unterstützen, und man ihm bewusst erlaubte, sich der Schleierfahndung der »Operation Selection Board« zu entziehen, obwohl Barbie ein überzeugter Nazi blieb.184 Der CIC-Mitarbeiter (und spätere Anwerber Barbies) Robert S. Taylor bezeichnete ihn als »einen NS-Idealisten, der glaubt, dass ... seine Überzeugungen von den machthabenden Nationalsozialisten verraten wurden«.185 Barbie brach außerdem nie die Verbindung zu seinen SS-Kameraden ab, obwohl dies eine Voraussetzung für die Zusammenarbeit mit den Amerikanern war.186 Der Fall Barbie war zudem keine Ausnahme. Die Amerikaner und Briten zeigten seinerzeit wenig moralische Skrupel, mit ehemaligen Feinden gemeinsame Sache zu machen, und waren besonders an der Anwerbung von NS-Geheimdienstagenten interessiert; der berühmteste unter ihnen ist wohl der Chef der Abteilung Fremde Heere Ost, Reinhard Gehlen, der von Alan Dulles und William Donovan die Erlaubnis erhielt, sein Geheimdienstnetz beizubehalten und seine Mitglieder für die Amerikaner arbeiten zu lassen. Angesichts dieses und anderer Beispiele ist es theoretisch möglich, dass die Alliierten mit der Deutschen Revolution zusammengearbeitet und ihren Wunsch nach einer gemeinsamen Kampagne gegen die Sowjets unterstützt haben.187 Wenn dem so wäre, wären die rechten Kräfte gestärkt worden. 110

Die Deutsche Revolution und die »Operation Selection Board«

Als es jedoch so weit war, stimmte das Timing der Verschwörer nicht. Im Prinzip waren die Rahmenbedingungen für die Verschwörer gut, um zur Tat zu schreiten. Der Winter 1946/47 war der kälteste seit Beginn der Aufzeichnungen und die wirtschaftlichen Bedingungen in den westlichen Besatzungszonen waren katastrophal. Der Unmut der Bevölkerung wuchs und die Alliierten waren wie nie zuvor in der Defensive. Allerdings gingen die Verschwörer zu früh auf die Alliierten zu. Als Anfang 1947 die Moskauer Außenministerkonferenz anstand, hatten die Amerikaner und Briten die Möglichkeit einer gemeinsamen Verwaltung Deutschlands zusammen mit den Sowjets noch nicht aufgegeben. Hätten die Verschwörer bis zu einer Verschärfung der Ost-West-Spannungen – zum Beispiel bis zur Berlin-Krise ein Jahr später – gewartet, hätten sie vielleicht mehr Druck ausüben können und wären imstande gewesen, eine größere Anzahl ihrer Mitglieder in den entstehenden deutschen Apparat einzuschleusen und ihre ideologische Agenda voranzutreiben. Ihre Ungeduld wurde der Deutschen Revolution letzten Endes zum Verhängnis. Der Bewegung gelang es nicht, den Lauf der deutschen Nachkriegsgeschichte zu ändern. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie bedeutungslos war. Die Existenz der Bewegung ist ein weiterer Beleg dafür, dass nationalsozialistisches Gedankengut nicht mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs verschwand, sondern sich bis weit in die Besatzungszeit hinein hartnäckig hielt. Sie trägt zudem zum Verständnis der entscheidenden Rolle der Alliierten bei, die verhinderten, dass dieses Gedankengut die einsetzende Demokratisierung Deutschlands gefährdete.188 Die »Operation Selection Board« war der letzte große Fall der Besatzungszeit, bei dem die Alliierten Peitsche statt Zuckerbrot wählten, um der Gefahr eines wiederauflebenden Nationalsozialismus zu begegnen. Obwohl viele Beobachter weiterhin die Bestrafung Deutschlands für eine moralische Pflicht hielten, wurde ihnen immer klarer, dass eine Rehabilitierung der Demokratisierung förderlicher war. Ende Februar 1947 erklärte die New York Times, die Verhaftung von führenden Nazis sei zwar wichtig, der Einsatz »überwältigender ... Stärke« reiche jedoch nicht aus, um »den Widerstand hoffnungslos erscheinen zu lassen«. Da »die eigentliche Gefahr in der geistigen Verfassung des deutschen Volkes liegt, die sie zur leichten Beute solcher Führer macht«, müssten die Deutschen »ein Ventil für ihre Energien im Dienste des ... Wiederaufbaus« erhalten und »einen Weg zu ihrer Rehabilitie111

2.  Von Werwölfen zu Demokraten

rung als angesehene Mitglieder der Staatengemeinschaft« aufgezeigt bekommen.189 Ähnlich betonte der britische Geheimdienstoffizier und Historiker Hugh Trevor-Roper 1947, die deutsche Wirtschaft müsse wiederhergestellt werden, um der »realen Gefahr« entgegenzuwirken, dass sich eine »neue Form des Nationalsozialismus« den Unmut in der Bevölkerung zunutze mache und um Unterstützung für einen »totalitären« Staat werbe.190 Als sich diese und ähnliche Geschichten häuften, entschieden sich die Westalliierten zu einem Kurswechsel hin zu einer stärker auf Wiederaufbau ausgerichteten Besatzungspolitik.191 Nach Verkündung der Direktive JCS 1779 der Vereinigten Stabschefs im Juli 1947, wonach »ein geordnetes, wohlhabendes Europa den wirtschaftlichen Beitrag eines stabilen und produktiven Deutschlands erfordert«, erhöhten die Alliierten die Lieferung von Nahrungsmitteln und sonstigen Gütern in ihre Zonen und stellten zwischen 1947 und 1949 rund 14 Millionen Tonnen landwirtschaftliche Geräte, Saatgut und anderes Material bereit.192 Ohne diese Neuausrichtung, bemerkte der Historiker Harold Zink 1955 kontrafaktisch, »hätte es ... eine Hungerkatastrophe« in Deutschland gegeben: »Ohne das umfangreichste, je aufgelegte Nahrungsmittel-Nothilfeprogramm kann man sich fast nicht vorstellen, was hätte passieren können.«193 Zinks Unwillen, über die politischen Auswirkungen eines fehlenden Kurswechsels der Alliierten zu spekulieren, war wahrscheinlich Ausdruck des psychologischen Widerwillens, sich mit den erschreckenden Folgen einer erst gerade abgewendeten Katastrophe zu befassen. Aus heutiger Sicht besteht jedoch kein Zweifel, dass die Nationalsozialisten ohne einen Politikwechsel der Alliierten ihre Agitation fortgesetzt hätten und diese wahrscheinlich auf ein dankbareres Publikum gestoßen wäre. Letztendlich erwies sich die Richtungswechsel der Alliierten als entscheidender Faktor für die Stabilisierung des Lebens in Deutschland.

Das Vierte Reich in der Kultur der frühen Nachkriegszeit Der Richtungswechsel in der Politik der Alliierten räumte die Sorge vor einer Wiederbelebung des Nationalsozialismus jedoch nicht restlos aus. Die Angst vor einem Vierten Reich prägte auch die Kultur der frühen Nach112

Das Vierte Reich in der Kultur der frühen Nachkriegszeit

Im Mittelpunkt von Orson Welles’ Film The Stranger (1946) steht ein Vertreter der alliierten Kriegsverbrecherkommission, der nach einem flüchtigen Nationalsozialisten fahndet. Dieser hat sich unter einem Decknamen in einer Kleinstadt in Connecticut niedergelassen.

kriegsjahre. Die Filme der Zeit drehten sich vor allem um die anhaltende Fähigkeit der Nazis, weltweites Chaos anzurichten. Während des Zweiten Weltkriegs war die Verruchtheit der Nazis ein häufiges Thema in amerikanischen und britischen Filmen und einige, die wie The Master Race (1944) gegen Ende des Krieges in die Kinos kamen, wiesen mit ihrer Darstellung nationalsozialistischer Militaristen, die nach der Niederlage Deutschlands eine heimliche Rückkehr planten, in die Zukunft. Die Filme der Nachkriegszeit schlossen nahtlos hieran an. In den Jahren 1945–1948 war der Nazismus in britischen und amerikanischen Filmen eine ständige Gefahr. Viele Filme folgten dabei der immer beliebter werdenden Prämisse des Film noir, wonach das Böse hinter der Fassade der Normalität lauert. Auch wenn Deutschland fest unter der Aufsicht der Alliierten stand, war ein Viertes Reich potenziell immer möglich. 113

2.  Von Werwölfen zu Demokraten

Einer der ersten bekannten Filme, der Zuschauer an die anhaltende Bedrohung durch die Nationalsozialisten erinnerte, war die große HollywoodProduktion The Stranger [deutsch: Die Spur des Fremden bzw. Der Fremde] von Orson Welles (1946). Im Mittelpunkt des Films steht ein Detektiv der alliierten Kriegsverbrecherkommission, Mr. Wilson (Edward G. Robinson), der nach dem Nazikriegsverbrecher Franz Kindler (Welles) fahndet. Dieser hat seinen Namen in Charles Rankin geändert und lebt als Lehrer in der Kleinstadt Harper in Connecticut. So erfolgreich ist Rankins Versteckspiel, dass er sich mit Mary Longstreet (Loretta Young), der Tochter eines Richters am Obersten Bundesgericht der Vereinigten Staaten, verlobt. Am Tag seiner Hochzeit gerät Rankins Welt jedoch ins Wanken, als Konrad Meinike, ein ehemaliger Nazivertrauter, ihm einen Überraschungsbesuch abstattet. Meinike ist nach Kriegsende aus Deutschland nach Lateinamerika geflohen, hat eine religiöse Wandlung durchgemacht und möchte, dass Kindler mit ihm die Gnade Gottes wiederentdeckt. Kindler verteidigt jedoch seine neue Identität und erklärt, seine »Tarnung ist perfekt«. »Wer käme schon auf die Idee, den berüchtigten Franz Kindler ... als Lehrer von Söhnen der besten Familien Amerikas zu suchen?« Finster fügt Rankin hinzu: »Und diese Tarnung werde ich beibehalten, bis wir wieder zuschlagen.« Als Meinike nachfragt: »Franz! Gibt es wieder einen Krieg?«, erwidert Rankin: »Aber sicher«. Wenig später tötet er seinen ehemaligen Kameraden und verscharrt dessen Leiche im Wald. Im weiteren Verlauf der Handlung wird klar, dass angesichts der Bedrohung durch die Nazis Wachsamkeit geboten ist. Der Film handelt zum großen Teil von Marys Schwierigkeiten, die wahre Identität ihres Mannes zu erkennen und zu akzeptieren. In ihrer grenzenlosen Naivität – an einer Stelle erklärt sie fröhlich: »In Harper ist nichts, was man fürchten müsste« – wird sie beinahe von Rankin getötet, als dieser sie bittet, eine Leiter mit einer von ihm angesägten Sprosse zum Glockenturm der Stadt hinaufzuklettern. Die Hauptbotschaft des Films ist schließlich eine Umkehrung seines Titels. Obwohl der Film scheinbar vor einer äußeren Gefahr warnt, zeigt er, dass diese von innen kommen kann. In einem entscheidenden Zwiegespräch entrüstet sich Mary, ihr Mann könne kein Kriegsverbrecher sein: »Mr. Wilson, ich versichere Ihnen, dass ich Nazis nur vom Hörensagen kenne.« Daraufhin erklärt der Vertreter der Alliierten: »Na vielleicht kennen Sie einen, 114

Das Vierte Reich in der Kultur der frühen Nachkriegszeit

ohne es zu wissen. Sie sehen aus wie wir alle und sie können sich auch so benehmen – wenn es zu ihrem Vorteil ist.« Am Ende des Films findet Rankin sein gerechtes Ende, als er vom Glockenturm in den Tod stürzt. Der Bösewicht ist besiegt, doch die Botschaft bleibt beunruhigend: Die Nazis haben einen langfristigen Plan, der vereitelt werden muss. Mit dem Film verfolgte Welles klare politische Absichten.194 Als linker Gegner des Faschismus war er schockiert über die Kriegsverbrechen in Deutschland und bemühte sich, sie ins öffentliche Bewusstsein zu rücken.195 Tatsächlich war The Stranger die erste Hollywood-Produktion, die Filmaufnahmen aus einem KZ zeigte (Mr. Wilson zeigt Mary Filmausschnitte, um ihr Kindlers Verbrechen vor Augen zu führen).196 Welles wollte ein Wiederaufleben des Faschismus in Deutschland verhindern, sorgte sich aber auch um Amerika. Als er im Sommer 1945 mit der Arbeit am Drehbuch begann, gab es erste Anzeichen für eine antikommunistische Wende im Land. Politiker wie der demokratische Kongressabgeordnete John E. Rankin aus Mississippi, Antisemit und ehemaliger Ku-Klux-Klan-Anhänger, nutzten das Komitee für unamerikanische Umtriebe (HUAC), um Kommunisten insbesondere in der amerikanischen Filmindustrie aufzuspüren. Welles’ Ansicht nach war Rankins »Angst vor dem Kommunismus« nur ein Vorwand, um von der »wahren Bedrohung eines aufkeimenden Faschismus« abzulenken, den er auch in der rassistischen Behandlung schwarzer Veteranen im Süden und bei den Atomtests am Bikini-Atoll am Werk sah.197 Um diesem Trend symbolisch entgegenzuwirken, benannte Welles den Erzschurken seines Films nach dem Politiker aus Mississippi. Welles verallgemeinerte damit den Gedanken eines wiederkehrenden Nazismus und warnte, dass dieser nicht nur in Deutschland, sondern überall auf der Welt möglich sei. Der britische Film Snowbound (1948) unter der Regie von David MacDonald lieferte dagegen ein eher partikularistisches Bild eines wiederauflebenden Nazismus. Er spielt in einer abgelegenen Skihütte in den italienischen Dolomiten, wo sich eine Gruppe von Briten und Südeuropäern versammelt hat, um angeblich die frische Bergluft zu genießen. Doch wie in The Stranger verfolgen alle Figuren insgeheim andere Pläne – sie suchen das im Zweiten Weltkrieg erbeutete Nazigold. Der Film handelt vor allem von den Versteckspielen der Figuren, die um die Geheimhaltung ihrer Identität besorgt sind. Allerdings gibt der Grieche Keramikos schon bald zu, dass er 115

2.  Von Werwölfen zu Demokraten

Im Mittelpunkt des britischen Films Snowbound (1948) steht ein ehemaliger Gestapo-Agent, der Nazigold unter einer verlassenen italienischen Skihütte zu bergen versucht, um ein Viertes Reich zu finanzieren.

eigentlich ein Deutscher namens von Kellerman ist, Gestapo-Chef von Venedig war und gegen Ende des Kriegs die Übergabe der italienischen Goldreserven an das Reich angeordnet habe. Er habe einen Untergebenen mit der Überführung des Goldes betraut, dieser habe jedoch seine Soldaten angewiesen, es unter der Hütte zu begraben. Kellerman erklärt weiter, dass er zurückgekehrt sei, um nach dem Gold zu suchen, und zwingt zwei der Briten, Wesson und Blair, unter der Hütte danach zu graben. Kellerman will das Gold nicht aus wirtschaftlichen, sondern aus politischen Gründen. Wie Franz Kindler in The Stranger ist er ein fanatischer Nazi. Während eines Showdowns in der Hütte schreit Kellerman den britischen Filmregisseur Derek Engles an: »Deutschland ist jetzt zerstört, aber eines Tages wird es wieder aufgebaut ... Eines Tages, da können Sie sicher sein, wird der Faschismus wieder siegen. Dafür werden wir schon sorgen.« Kurz darauf gerät die Hütte versehentlich in Brand. Als Kellerman nach den möglichen Ursachen suchen will, ruft Wesson, einer der Briten: »Lassen Sie die Tür auf, ja? Hier unten riecht es ein wenig!« Daraufhin schaltet sich sein 116

Das Vierte Reich in der Kultur der frühen Nachkriegszeit

Freund Blair ein: »Die Überreste des Dritten Reiches!« Auf den abfälligen Kommentar erwidert Kellerman trotzig: Grabt mal schön weiter! Und unter den Überresten ... des Dritten Reiches findet ihr das Gold, das euch helfen wird, seinen Nachfolger zu gründen ... Das findet ihr komisch ... Nun, ich auch. Es ist sehr komisch, dass sich die Feinde des Dritten Reiches als so nützlich für die Gründung des Vierten Reiches erweisen sollten. Aber täuscht euch nur nicht, meine britischen Freunde, es wird ein weiteres Reich geben, nur wird es diesmal die ganze Welt umspannen! Wie nicht anders zu erwarten, scheitert Kellerman an seinem Ziel und wird in kurzer Zeit von der Feuersbrunst verzehrt. Die Zuschauer verstehen jedoch, dass ein neues Reich eine reale Möglichkeit bleibt. Wie andere Nachkriegsfilme liefert Snowbound ein abschreckendes Beispiel, um die weiterhin benötigte außenpolitische Wachsamkeit Großbritanniens nach 1945 zu verdeutlichen. An einem Punkt im Film warnt Kellerman Blair: »Dies ist nicht deine gesetzestreue ... kleine Insel England. Dies ist Europa ... nach sieben Jahren Krieg, in dem die Menschen ... hassen und weiterkämpfen. Es ist ein Dschungel. Hier hat es keinen Sinn, sich in Dinge einzumischen, die dich nichts angehen.« Die vom Erzschurken des Films erhobene Forderung, England solle sich aus europäischen Angelegenheiten heraushalten, bestätigte rückblickend den Eintritt Großbritanniens in den Zweiten Weltkrieg und die Besatzung Deutschlands in der Nachkriegszeit. Die ultimative Botschaft von Snowbound war klar: Nur wenn sich Großbritannien weiter in der Welt engagiert und die Kontrolle über den Kontinent nicht seinem besiegten Rivalen überlässt, kann es verhindern, dass Deutschland künftig zu einer Bedrohung wird. Eine ähnliche Botschaft vermittelte ein anderer britischer Thriller aus dem Jahr 1948, Counterblast unter der Regie von Paul L. Stein. Der Film war wahrscheinlich von den sensationellen Ereignissen des »Operation Selection Board« im Vorjahr inspiriert, insbesondere von der Meldung, deutsche Wissenschaftler seien an einem größeren Plan der bakteriologischen Kriegführung gegen Großbritannien und die Vereinigten Staaten beteiligt gewesen. Zu Beginn des Films kann sich der NS-Wissenschaftler und Kriegs117

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verbrecher Dr. Bruckner (die »Bestie von Ravensbrück«) dank einer in Großbritannien ansässigen nationalsozialistischen Untergrundbewegung aus englischer Haft befreien. Bruckner will nach Lateinamerika fliehen, erfährt jedoch, dass er zunächst den Nazis helfen muss, einen bakteriologischen Krieg gegen ihre ehemaligen Feinde zu führen. Um einen Impfstoff zu entwickeln, der die Deutschen schützen kann, tötet Bruckner einen neu angekommenen australischen Wissenschaftler namens Forrester und gibt sich dann als dieser aus, um Zugang zur Laborausstattung an einem Forschungsinstitut in der Nähe von Oxford zu erhalten. Als Assistenten stellt er zwei junge Laboranten, Paul Rankin und Tracy Hart, ein. Bruckner verheimlich seine wahre Identität und Mission, erklärt Tracy gegenüber jedoch, deutsche Wissenschaftler hätten herausgefunden, wie man Pestbakterien als Waffe einsetze; er warnt davor, dass »jedes besiegte oder schwache Land an den Kräften eines größeren Landes zehren könnte. Das ist der nächste Krieg – unerklärt und im Dunkeln. Die Mikrobe. Die unsichtbare Waffe.« Obwohl Bruckner hier seine wahren Ziele für Deutschland zu erkennen gibt, lässt er Tracy in dem Glauben, das Projekt zur Herstellung eines »wirksamen Impfstoffs« sei für das britische Volk bestimmt. Im weiteren Verlauf der Handlung scheitert Bruckner jedoch bei seiner Mission. Obwohl er einen Impfstoff entwickelt, bei dem Tracy als freiwilliges Versuchskaninchen dient, deckt sein misstrauischer Assistent Rankin (der zugleich Tracys Liebhaber ist) seine wahre Identität auf. Nach einer längeren Verfolgungsjagd findet Bruckner schließlich sein Ende in einem Akt ausgleichender Gerechtigkeit. Nachdem er sich als blinder Passagier an Bord eines Schiffs nach Übersee einschmuggelt hat, erstickt er, als das von Ratten befallene Schiff mit Giftgas desinfiziert wird. Mit der abschließenden Forderung nach anhaltender Wachsamkeit gegen die versteckte deutsche Bedrohung erinnert Counterblast an The Stranger und Snowbound. Vergleichsweise mild in seiner Darstellung der deutschen Gefahr war der Film Berlin Express (1948) von Jacques Tourneur, in dem eine bunte Truppe aus Alliierten und Deutschen auf der Zugfahrt von Paris nach Berlin plötzlich mit Mord und politischen Intrigen konfrontiert wird. Die Reise beginnt recht friedlich, doch kaum hat der Zug das französische Gebiet verlassen und ist in die deutsche Stadt Sulzbach eingefahren, explodiert eine Granate im Abteil des berühmten deutschen Friedensaktivisten Dr. Heinrich 118

Das Vierte Reich in der Kultur der frühen Nachkriegszeit

Bernhard. Erst nachdem alle Fahrgäste von den amerikanischen Besatzungsbehörden in Frankfurt verhört worden sind, erfährt die Gruppe die schockierende Nachricht, dass Professor Bernhard überlebt hat (er reist unter einem Decknamen und ist einer ihrer Begleiter) und dass der Verstorbene in Wirklichkeit ein Agent ist, der ihn beschützen sollte. Zu diesem Zeitpunkt beschließt Bernhard, seine Mission fortzusetzen und zu einer von den Alliierten geförderten Konferenz nach Berlin zu reisen, wo er seinen Plan vorstellen will, die Alliierten zum Thema deutsche Einheit zusammenzubringen. Bevor es dazu kommt, wird er jedoch von einer zwielichtigen Gruppe am Frankfurter Bahnhof gekidnappt. Die Darstellung der Widerstandsgruppe ist zwiespältig. Einerseits erscheint sie als ernsthafte Bedrohung, denn als Dr. Bernhard trotz des Mordanschlags auf ihn auf der Reise nach Berlin besteht, mahnt ihn seine Sekretärin Lucienne: »Die Gefahr ist noch lange nicht vorbei. Hat diese Angelegenheit Sie nicht gelehrt, womit wir es zu tun haben? Ein Untergrund, der entschlossen ist, vor nichts haltzumachen.« Andererseits stellt Berlin Express Dr. Bernhards Gegner nie als Nazis dar, sondern nur als »Fanatiker« und »den Feind«. Der Film zeigt außerdem, dass es gute Deutsche gibt. Als der amerikanische Hauptdarsteller Lindley zu Beginn einem deutschen Mitreisenden im Zug begegnet, denkt er bei sich: »Da war er also, sein erster Deutscher. ... du hast es ihm in zwei Kriegen so richtig gezeigt und bist dir immer noch nicht so sicher, ob du die Oberhand hast. Du könntest dich allerdings täuschen. Er könnte ein anständiger Kerl sein.« Dieses differenzierte Porträt der Deutschen deutete den Richtungswechsel in der Besatzungspolitik der Alliierten im Verlauf des Kalten Krieges an und spiegelte die wachsende Überzeugung wider, wonach die Deutschen in den Kampf gegen die Sowjets einbezogen werden müssen. Nichtsdestoweniger stellte Berlin Express den Nazismus als anhaltende Bedrohung dar. Am Ende des Films wird einer der Zugreisenden, ein scheinbar rechtschaffener französischer Unternehmer, als Mitglied einer nationalsozialistischen Untergrundorganisation und als ursprünglicher Attentäter auf Dr. Bernhard entlarvt. Berlin Express erinnerte die Zuschauer so an die Wandlungsfähigkeit der Nazis. Unbeirrte Nazis waren nicht nur die Protagonisten der frühen Nachkriegsfilme, sondern auch die Schurken im Hintergrund. Sie unterwanderten das Nachkriegsleben der Amerikaner, Briten und Deutschen und wur119

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den oft bei konspirativen Tätigkeiten in Lateinamerika gezeigt. In Alfred Hitchcocks Klassiker Notorious (1946; deutsch: Berüchtigt) kämpfen Cary Grant und Ingrid Bergman gegen eine Gruppe von Nazis aus Brasilien, die Uran für den Bau einer Atombombe horten, um so erneut an die Macht zu kommen. In Rita Hayworths Debütfilm Gilda (1946) hoffen in Argentinien lebende Deutsche, mit einem Wolframkartell »die Welt zu beherrschen«. Cornered (1945) spielt in einem Buenos Aires voller Faschisten, die sich »nicht für besiegt halten«; ein ehemaliger Pilot der kanadischen Streitkräfte, gespielt von Dick Powell, will den Mord an seiner Frau rächen, die unter dem Vichy-Regime ums Leben kam.198 Eine mögliche Rückkehr der Nationalsozialisten an die Macht stand in diesen Filmen allerdings nicht im Mittelpunkt, sondern diente eher als dramatischer Hintergrund für die romantischen Plots im Vordergrund. Die Bedrohung durch die Nationalsozialisten fungierte somit oft als das, was Hitchcock als einen »MacGuffin« bezeichnete – ein erzählerisches Mittel, das mehr oder weniger nebensächlich für die größere Handlung war.199 Doch selbst dann, wenn die Nazis nur eine Nebenrolle spielten, bestätigte ihre filmische Omnipräsenz, dass von ihnen eine dauerhafte Gefahr ausgeht. Diese Sicht bestätigt die damalige Rezeption der Filme. Der am häufigsten besprochene Film war The Stranger, den die englischsprachige Presse als »beeindruckendes Melodram« feierte und für seine Darstellung eines unbeirrten Nazis lobte, der sich »auf das Vierte Reich vorbereite«.200 Viele Kritiker hielten die Handlung von Snowbound für durchaus glaubwürdig und erwähnten in ihren Rezensionen die Möglichkeit eines »Vierten Reiches«.201 Die Handlung von Counterblast wurde unterdessen als »nicht nur aktuell, sondern auch ... beunruhigend plausibel« gelobt.202 Andere Filme wurden hingegen für ihre Verharmlosung der Gefahr durch den Nationalsozialismus kritisiert. Berlin Express wurde vorgeworfen, die im Untergrund agierenden Nazis auf einen Haufen »dilettantischer Ganoven« reduziert zu haben.203 Gilda wurde wegen seiner verworrenen Handlung über »eine Art Nazikartell« verrissen.204 Und die Nazischergen von Berüchtigt wurden als »gewöhnlich« abgetan.205 Wie diese Kritik andeutet, gingen westliche Zuschauer davon aus, den Nazismus als dauerhafte Bedrohung präsentiert zu bekommen. Gleichzeitig zeigten die Kommentare jedoch, dass die Bedrohung angesichts neuer politischer Sorgen abnahm.206 120

Das Vierte Reich im Kalten Krieg

Das Vierte Reich im Kalten Krieg Ende der 1940er-Jahre begann ein sich verschärfender Kalter Krieg immer mehr die im Westen vorherrschenden Vorstellungen des Vierten Reiches zu prägen. Diese Entwicklung spitzte sich in den Jahren 1947/48 zu, als die Westalliierten den Marshallplan verabschiedeten, der eine stärker auf Wiederaufbau ausgerichtete Politik vorsah, und die Sowjets mit der Berlin-Blockade reagierten. Mit zunehmenden Spannungen bediente sich die kommunistische Presse rhetorisch des Begriffs des Vierten Reiches, um den im Entstehen begriffenen westdeutschen Staat anzugreifen. Bereits im Februar 1947 bezeichnete die Berliner Zeitung einen westdeutschen Richter polemisch als »Richter des Vierten Reiches«, weil er einen deutschen Soldaten dafür schuldig gesprochen hatte, im Krieg von der »Hitlerschen Armee« desertiert zu sein.207 Einige Monate später berichtete das Neue Deutschland, die sowjetische Zeitung Iswestija habe die ersten Bemühungen um die Bildung einer Föderation der westlichen Zonen Deutschlands als »Kampfprogramm für ein Viertes Reich« bezeichnet; sie spiegele den Ehrgeiz britischer und amerikanischer Industrieller wider, ein hegemoniales »Weltmonopol« zu schaffen.208 In der Anfangsphase der Berlin-Blockade im September 1948 schließlich sprach der sowjetische Oberst Sergei Iwanowitsch Tjulpanow eine relativ unverhohlene Warnung an die Westmächte aus: »Die Sowjetunion wird diejenigen zerstören, ... die ein Viertes Reich zu schaffen versuchen.«209 In Nordamerika und Westeuropa hingegen bedienten sich Beobachter der Vorstellung eines Vierten Reiches, um die Entwicklungen in der Ostzone zu beschreiben. The New Leader erklärte 1946, in einem ostdeutschen »Vierten Reich« setze sich eine antirussische Form des Kommunismus namens Nationalbolschewismus durch.210 Die New York Times behauptete im April 1947: »Die Sowjetunion will ein stark zentralisiertes Viertes Reich«, was der britische Diplomat Robert Vansittart bestätigte: »[D]ie Russen ... wollen das Vierte Reich als ihren größten ... Satelliten errichten.«211 Einige Monate später führte The Times diese Vermutung in einer Geschichte über das Ruhrgebiet weiter aus und spekulierte: »Ein Viertes Reich könnte durchaus unter den Ruinen des Dritten Reiches erwachsen, wenn die Produktiv121

2.  Von Werwölfen zu Demokraten

Der Dresdner Literaturprofessor Victor Klemperer identifizierte in seinem Nachkriegstagebuch eine neue »Sprache des Vierten Reiches« (eine »LQI« oder »lingua quarti imperii«).

kräfte dieses Teils Westdeutschlands einer Gruppe von Männern zur Verfügung stünden, die aus marxistischen oder nicht marxistischen Gründen die Prinzipien der Freiheit im eigenen Land ablehnen.«212 In Frankreich äußerten Beobachter vereinzelt die Befürchtung, »eine zentralisierte deutsche Regierung könnte ... als totalitäres ›Viertes Reich‹ unter roter Schirmherrschaft in Berlin enden«.213 In den westdeutschen Besatzungszonen wurde die ostdeutsche Entscheidung, junge Männer für zwei Jahre zur Volkspolizei einzuziehen, schließlich als »Weg zum Vierten Reich« beschrieben.214 Die Angst des Westens vor einem Vierten Reich teilte paradoxerweise ein wichtiger deutscher Bewohner der sowjetischen Besatzungszone, der Dresdner Literaturprofessor Victor Klemperer. Wie seine Schriften aus der 122

Das Ende der Besatzung und das Gespenst der Renazifizierung

frühen Nachkriegszeit zeigen, dauerte es nicht lange, bis Klemperer das Leben in der Ostzone mit einem Vierten Reich assoziierte. In seinen Nachkriegstagebüchern – später veröffentlicht als So sitze ich denn zwischen allen Stühlen: Tagebücher 1945–1959 – stellte der Literaturwissenschaftler viele Ähnlichkeiten zwischen der »Sprache des Dritten Reiches« (die er in den Jahren des NS-Regimes als »LTI« oder »lingua tertii imperii« bezeichnete) und der von ihm so bezeichneten »Sprache des Vierten Reiches« (die »LQI« oder »lingua quarti imperii«) fest. Am 4. Juli 1945 notierte Klemperer: »LTI weiterlebend« in den Medien der Ostzone in Form von »Analogien der nazistischen und bolschewistischen Sprache«, allen voran der Vorliebe für Superlative. »In den Artikeln über Stalin ist der Generalissimus der Sowjetunion, der genialste Feldherr aller Zeiten und der genialste aller lebenden Menschen.«215 Diese und andere Beispiele waren für Klemperer ein Indiz, dass die ostdeutschen Behörden sich umsonst bemühten, die »Gesinnung des Faschismus auszurotten«: »Aber die Sprache des Dritten Reiches scheint in manchen charakteristischen Ausdrücken überleben zu sollen; sie haben sich so tief eingefressen, dass sie ein dauernder Besitz der deutschen Sprache zu werden scheinen.«216 Das wiederholte Auftreten von »fragwürdigen Phrasen« in den kommunistischen Medien wie »Ausrichtung«, »Einsatz« und »kämpferisch« zeige, dass es »keinen Unterschied ... zwischen LTI und LQI« gebe.217 Diese Erkenntnis war für Klemperer erschütternd, da er gehofft hatte, der Kommunismus werde nach dem Krieg die beste Chance auf eine Erlösung Deutschlands bieten. Obwohl er im November 1945 notierte: »Schauderhaft die Identität der LTI u. LQI!«, blieb er in der DDR.218

Das Ende der Besatzung und das Gespenst der Renazifizierung Wie sich herausstellte, war die Assoziation des Vierten Reiches mit dem ostdeutschen Sozialismus nur von kurzer Dauer. Im weiteren Verlauf des Kalten Krieges rückte mit der wirtschaftlichen und politischen Annäherung der drei westlichen Zonen die Möglichkeit einer politischen Union auf die Tagesordnung. In den anschließenden Diskussionen über den Entwurf einer Verfassung für ein unabhängiges Westdeutschland stellte sich die Frage, ob 123

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der neue Staat ein Reich oder eine Republik sein solle. Gleichzeitig entstand mit der Zulassung politischer Parteien auf nationaler Ebene durch die Alliierten ab 1947 die Möglichkeit zur Bildung rechtsextremer Parteien, die in der Bevölkerung auf Zuspruch stoßen konnten. Da einige dies tatsächlich taten, verlagerte sich der Begriff des Vierten Reiches von links zurück nach rechts. Im Herbst 1948 debattierte der für die Ausarbeitung des Grundgesetzes zuständige Parlamentarische Rat darüber, ob der zukünftige Staat als Reich oder als Republik bezeichnet werden solle. Da sich der zukünftige westdeutsche Staat nach Ansicht der meisten Abgeordneten das Recht vorbehalten sollte, für das gesamte Land zu sprechen (das zur Hälfte noch unter kommunistischer Herrschaft stand), weigerten sich die Parlamentarier, das Reich offiziell für beendet zu erklären; gleichzeitig war ihnen klar, dass das Wort »Reich« im Namen des neuen Landes politisch umstritten sein würde. In einer Diskussion über die Ausarbeitung der Präambel erklärte der SPDPolitiker Carlo Schmid am 6. Oktober, es gebe »Gründe psychologischer Art, ... auf diesen Namen bewusst zu verzichten. Das Wort ›Reich‹ hat nun einmal bei den Völkern um uns herum einen aggressiven Akzent ... [und] wird von diesen Leuten gelesen als ein Anspruch auf Beherrschung.« Schmid sprach sich für das Wort »Republik« aus, dessen »Assoziationen ... nach innen gerichtet sind, während [das Wort] ›Reich‹ nach außen gerichtete Ansprüche stellt«. Der CDU-Politiker Jakob Kaiser wandte dagegen ein: »wenn wir den Reichsbegriff aufgeben und zu nüchternen Formulierungen übergehen, wird sich innerhalb weniger Jahre eine Bewegung in unserer Bevölkerung entwickeln, die die Rückkehr des Reiches fordert«.219 Kaiser bezeichnete das Wort »Reich« als »ein sehr schönes Wort« und fand, seine Beibehaltung könne dazu beitragen, das Wiederaufleben des deutschen Nationalismus zu verhindern. Kurz darauf nahm Hans-Christoph Seebohm von der rechtsgerichteten Deutschen Partei am 20. Oktober die Idee Kaisers auf und reichte einen Antrag ein, in dem er ein Festhalten »an dem alten Namen Deutsches Reich« in der Präambel des Grundgesetzes forderte.220 Erneut lehnte Schmid den Namen »Deutsches Reich« ab, da »gewisse Untertöne [mit]schwingen, die seit einer geraumen Zahl von Jahren ... sich verhängnisvoll ausgewirkt haben«. Stattdessen bekräftigte er die Notwendigkeit, einen Namen wie »Republik« zu wählen, der imstande sei, »die Deutschen in sei124

Das Ende der Besatzung und das Gespenst der Renazifizierung

Als Mitglied des Parlamentarischen Rates, der für die Ausarbeitung des Grundgesetzes zuständig war, sprach sich der SPD-Politiker Carlo Schmid im Herbst 1948 für den Begriff »Republik« im zukünftigen Namen des westdeutschen Staates aus und riet, den Begriff »Reich« aus »Gründe[n] psychologischer Art« zu vermeiden.

nem Zeichen zu großen Taten des Friedens zu beflügeln«.221 Im Herbst 1948 blieb die Frage weiter offen, sie wurde jedoch am 6. Mai 1949 geklärt. In der zweiten Lesung des westdeutschen Grundgesetzes wiederholte Seebohm seine Forderung nach einer Beibehaltung der »Reichsidee«.222 Schmid vertrat hingegen die Auffassung, dass so »ehrwürdig auch die Tradition des Namens ›Deutsches Reich‹« sei, so sei doch die »Erinnerung an die Untaten, die während der nationalsozialistischen Zwangsherrschaft in diesem Namen begangen worden sind, ... noch zu frisch und die Gefahr, dass der alte Name den Blick auf die neue Wirklichkeit mit ... romantischen An125

2.  Von Werwölfen zu Demokraten

sprüchen überschattet, die nicht mehr unseres Jahrhunderts sind«.223 In der anschließenden von Konrad Adenauer einberufenen Abstimmung wurde Seebohms Antrag abgelehnt. Damit ließ der neue deutsche Staat das Reich hinter sich.224 Diese Entscheidung war ein klares Signal, nachdem sich zuvor die New York Herald Tribune gefragt hatte, ob »Westdeutschland als das ›Vierte Reich‹ bekannt sein« würde.225 Diese Spekulationen verstärkten sich bei verschiedenen Anlässen: bei der Unterzeichnung des Grundgesetzes am 8. Mai, bei Inkrafttreten des Grundgesetzes am 23. Mai und bei der ersten Bundestagswahl am 14. August 1949. In dieser Übergangszeit hofften die führenden Politiker Frankreichs, darunter Charles de Gaulle, das zukünftige Deutschland möge »eine Föderation deutscher Staaten, aber kein Viertes Reich« sein, das nationalistischen Kräften hörig sei.226 In Großbritannien sorgte sich die Daily Mail, dass die »Deutschen ... an ein Viertes Reich« dächten, und mahnte: »Wir sollten uns vor allem in Acht nehmen, was die Franzosen schockiert.«227 Selbst nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes behauptete die Los Angeles Times im August 1949: »Das Vierte Reich existiert bereits im Namen, wenn nicht gar in der Form.«228 In diesen Kommentaren wurde der Begriff neutral verwendet, andere Stimmen befürchteten hingegen ein politisch rechts stehendes Viertes Reich. Bis 1949 argwöhnten Kommentatoren, die Entscheidung des Westens, Westdeutschland in den größeren antikommunistischen Block zu integrieren, könne nationalistische Tendenzen im deutschen Volk verstärken. Auf seiner ersten Sitzung im September 1949 werde der neue Bundestag »das Vierte Reich einführen«, befürchtete die Los Angeles Times: Er sei »bereit, den Bolschewismus im Namen der westlichen Zivilisation, aber auch [im Namen] ... eines zukünftigen deutschen Reiches zu bekämpfen.«229 Wenige Monate später fragte der Christian Science Monitor, ob Westeuropa »vor der Sowjetunion gerettet werden [könne], ... ohne Europa einem uneinsichtigen Vierten Reich zu übergeben«.230 Wie nicht anders zu erwarten, bestritten dies zahlreiche Journalisten. Eine linke australische Zeitung behauptete, Konrad Adenauers »nationalistisches« und »antibritisches« Kabinett habe die Hoffnungen auf eine »gemäßigte« Regierung enttäuscht, die »die hässlichen Wunden des Nationalsozialismus zu heilen« versuche; stattdessen erlebe »die Welt die Geburt des Vierten Reiches«.231 126

Das Ende der Besatzung und das Gespenst der Renazifizierung

Diese Vorwürfe waren nicht nur Rhetorik, sondern spiegelten die Bedenken des Westens angesichts des Aufstiegs rechter Parteien in der deutschen Parteienlandschaft wider. Als Vertreter der Alliierten 1946 die Lizenzierung politischer Parteien auf Landesebene erlaubten, konnten rechte Gruppen ihre politischen Programme gestalten und unter deutschen Wählern verbreiten. Diese Parteien schworen zwar der verbotenen NSDAP ab, doch bereiteten ihre politischen Programme, die Vorgeschichte ihres Führungspersonals und ihre Appelle an ehemalige NSDAP-Wähler alliierten Beobachtern Sorge. Dies galt insbesondere im Fall von Wahlerfolgen dieser Parteien. In der britischen Zone erzielte die Deutsche Konservative Partei – Deutsche Rechtspartei (DKP-DRP) unter Führung der rechten Nationalisten Adolf von Thadden und Franz Leonhard Schlüter 1948 beeindruckende Stimmenzahlen in Teilen Niedersachsens, insbesondere in den Städten Göttingen und Wolfsburg, wo die Ablehnung der Entnazifizierung sowie die Unterstützung von Kriegsgefangenen und Vertriebenen bei ehemaligen Nationalsozialisten, ehemaligen Hitlerjugend-Mitgliedern und revanchistischen Flüchtlingen auf großen Zuspruch stieß.232 Bei der Bundestagswahl 1949, bei der die DKP-DRP fünf Sitze aus Niedersachsen erhielt, konnte die Partei ihr Ergebnis noch ausbauen.233 In der amerikanischen Zone verzeichnete die Nationaldemokratische Partei (NDP) unter Führung des extrem nationalistischen Heinrich Leuchtgens, des ehemaligen Waffen-SS-Mannes Carl C. Heinz und des Hitlerjugend-Führers Karl-Heinz Priester ähnliche Erfolge. 1948 erzielte die Partei in fast allen hessischen Wahlkreisen mindestens zehn Prozent der Stimmen, in Wiesbaden errang sie sogar 26 Prozent (das dritthöchste Ergebnis). Bei der Bundestagswahl 1949 zwangen alliierte Verbote die NDP zwar zu einer Koalition mit der Freien Demokratischen Partei (FDP), doch die Partei erhielt trotzdem die zweithöchste Stimmenzahl (28 Prozent) in der amerikanischen Zone.234 Schließlich gab es eine weitere rechte Partei, den Deutschen Block (DB) unter Führung des ehemaligen Kommandanten des Reichsarbeitsdiensts Karl Meißner in Bayern, die mit ihren Propagandakundgebungen im nationalsozialistischen Stil – völkischen Slogans, Militärmusik, Flaggen des Kaiserreiches und Leibwächtern in Schaftstiefeln – breiten Anlass zur Sorge gab.235 Angesichts dieser Entwicklungen wuchs die Angst vor einer Rückkehr des Nationalsozialismus. Der amerikanische Militärgouverneur Lucius Clay 127

2.  Von Werwölfen zu Demokraten

hatte solche Befürchtungen im Januar 1949 bestärkt, als er vor »nationalistischen Gruppen nationalsozialistischer Gesinnung« warnte, die in Deutschland auf dem Vormarsch seien.236 Wenige Monate später beschwerte sich The Wisconsin Jewish Chronicle über die passive Reaktion der amerikanischen Behörden auf die deutsche Rechtspartei und warf den USA polemisch vor, »die Errichtung eines Vierten Reiches zu beschleunigen«.237 Etwa zur gleichen Zeit erklärte die australische Presse, »das Vierte Reich ... [könnte] tatsächlich ... so schlimm [sein], wie es die Vorschauen vermuten lassen«, während die britische Tageszeitung Daily Mail die Westmächte zur Wachsamkeit mahnte, »sonst wird ein neuer deutscher Nazismus ... wiedergeboren«.238 Von allen in dieser Zeit auftretenden angeblichen Bedrohungen erhielt keine so viel Aufmerksamkeit wie die des ehemaligen Nazirenegaten Otto Strasser. Seit seiner Emigration nach Kanada 1941 hatte Strasser auf den richtigen Moment gewartet, um nach Deutschland zurückzukehren und die Schwarze Front wiederzubeleben. Im Herbst 1948 erlaubte er seinen Anhängern in Bad Kissingen die Gründung des Bundes für Deutschlands Erneuerung, dessen Wahlprogramm auf Strassers Manifest von 1946, Deutschlands Erneuerung, zurückging. Dieses Manifest war Strassers »Aufruf an die Kämpfer der Schwarzen Front« und ein Freispruch seiner Bewegung von jeglicher Verantwortung für die Not in Nachkriegsdeutschland: »Die Schwarze Front ist für diese Misere nicht verantwortlich ... und hat versucht, sie zu verhindern.« Ihre Aufgabe sei es jetzt, sie zu »heilen«: »Nach der Beilzeit kommt die Heilzeit! Dies ist das neue Motto der Schwarzen Front.«239 Deutschlands Erneuerung war in großen Teilen ein Wiederaufguss von Strassers Vorkriegsideen, allerdings trat es nach einem konservativen Schwenk nun für christliche Werte ein.240 Das Manifest spielte sogar mit dem Gedanken eines Vierten Reiches.241 Obwohl Strasser den Begriff nie explizit verwendete, suggerierte sein Aufruf an alle »germanischen Stämme« zur Bildung einer »ewigen Union« in einem »neuen Deutschen Reich«, dass er das Konzept befürwortete.242 Ende 1948 und Anfang 1949 erschienen in der westlichen Presse Meldungen über eine mögliche Rückkehr Strassers nach Deutschland. Mit ominösen Schlagzeilen wie »Black Front Rises in Reich« [Schwarze Front erhebt sich im Reich] berichteten Zeitungen, Strasser habe einen Pass beantragt 128

Das Ende der Besatzung und das Gespenst der Renazifizierung

und plane die Rückkehr nach Deutschland, um seine politische Karriere wiederaufzunehmen.243 Über seine Absichten machte sich kaum jemand Illusionen. Obwohl die meisten Zeitungen nicht so weit gingen wie die australischen Medien, die vor einem möglichen »Vierten Reich« durch Strasser warnten, gab es für sie reichlich Anlass zur Sorge.244 Wie die New York Times bemerkte, riefen Strassers Anhänger dazu auf, »die ›besseren‹ Aspekte des Nationalsozialismus« zu übernehmen.245 Die schottische Presse warnte, »der finstere Otto Strasser« heiße »ehemalige Nazis als Mitglieder« in seiner Partei willkommen und lehne die Demokratie als »mumifizierte Leiche« ab.246 In Deutschland meldete der Sozialdemokratische Pressedienst, Strasser stelle sich ehemaligen Nazis »als neuer Führer« dar, der »die Deutschen in die Freiheit führen« werde.247 Ostdeutsche Zeitungen gaben unterdessen der westdeutschen SPD die Schuld an Strassers neuer Berühmtheit, da sie das Überleben der »Schwerindustrie« erlaubt habe.248 Wie realistisch war die Sorge, Strasser könne in Nachkriegsdeutschland eine nationalsozialistische Bewegung wiederbeleben? Angesichts der Bekanntheit, die er und sein Bruder Gregor in den 1920er- und frühen 1930erJahren genossen, war diese Angst nicht unbegründet. Die alliierten Geheimdienste waren sich nur zu gut Strassers Charisma bewusst und erklärten 1948, »seine große Suggestivkraft auf dem Gebiet der Agitation« mache ihn zu einer »verkleinerten Ausgabe von Hitler«.249 Seinen Nazismus beschrieben Vertreter des CIC als »päpstlicher als der Papst« und sie überwachten nicht nur seine Pläne für ein politisches Comeback, sondern auch die Aktivitäten seiner Anhänger in Deutschland.250 Sie wussten, dass diese Anhänger Tausende von Broschüren verteilten, in denen sie »demagogische Hetze der übelsten Art« gegen die alliierte Herrschaft verbreiteten – und den Deutschen unter anderem einredeten, dass sie »in Konzentrationslagern lebten«. Vertreter des CIC befürchteten, Strassers Rückkehr auf die politische Bühne könne »enorme Verwirrung« auslösen.251 Hätte Strasser 1949 nach Deutschland zurückkehren dürfen, wäre es ihm vielleicht gelungen, viele der disparaten rechten Gruppen unter seiner Führung zu vereinen und eine solidere Front gegen die im Entstehen begriffene demokratische Ordnung in Westdeutschland zu bilden. Dieses Szenario ging den britischen Besatzungsbehörden, nach deren Einschätzung ein vereinter rechter Block ein Sechstel der Stimmen in ihrer Zone auf sich vereinen konnte, nicht mehr 129

2.  Von Werwölfen zu Demokraten

aus dem Kopf.252 Allerdings hätte Strasser in diesem Fall mit internen Querelen innerhalb seiner Bewegung zu kämpfen gehabt. Nach dem Krieg führten seine Hinwendung zum Christentum, die Verwässerung des Sozialismus und seine gebieterische Führerschaft zu wachsendem Widerstand unter seinen Anhängern in Deutschland. Wie sich herausstellte, vergaben die Alliierten in mehreren Bundesländern keine Lizenz an Strassers »Bund für die Erneuerung Deutschlands«, da sie die Organisation für undemokratisch hielten.253 Seinen Antrag auf Rückkehr nach Deutschland lehnten sie bis 1955 wiederholt ab.254 Eine mögliche Wiederbelebung des Nationalsozialismus unter Strassers Führung war damit ausgeschlossen. Dass sie möglich war, zeigt jedoch, welche Bedeutung den Alliierten als Garant der politischen Stabilität Deutschlands zukam.

Fazit Mit dem Wissen, das wir heute über die Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland nach 1949 haben, ist es einfach, die Besatzung durch die Alliierten als Erfolg zu bezeichnen. Dennoch wäre es ein Rückschaufehler, diesen Erfolg als unvermeidlich zu betrachten. Obwohl das Ende des Zweiten Weltkriegs einen erheblichen Rückschlag für den Nazismus bedeutete, löschte es ihn nicht vollständig aus. Wie die anhaltenden Bemühungen unbeirrter Nazis, die Besatzung zu sabotieren, eine stabile Demokratie zu verhindern und auf konspirative Weise an die Macht zurückzukehren, zeigen, überlebte der Nazismus bis in die Nachkriegszeit. Die Tendenz von Wissenschaftlern, Schlüsselmomente während der Besatzung zu übersehen, in denen Nazizellen nach ihren Überzeugungen zu handeln versuchten, täuscht darüber hinweg, wie verwundbar die Besatzung in den Jahren 1945–1949 wirklich war. Dank wichtiger Interventionen der Alliierten wie der »Operation Nursery« oder der »Operation Selection Board« konnte die Bedrohung durch die Nationalsozialisten neutralisiert werden. Die Reaktion der damaligen Beobachter zeigt jedoch, dass die Ängste der Zeit real waren. Bezeichnenderweise kamen diese Befürchtungen zunehmend durch Verweise auf ein zukünftiges »Viertes Reich« zum Ausdruck. Obwohl die Bedeutung des Begriffs zu Beginn der Besatzung umstritten war, wurde er aufgrund der 130

Fazit

politischen Entwicklungen der Zeit zunehmend mit der politischen Rechten in Verbindung gebracht. Sicherlich haben diejenigen, die den Begriff fürchteten, ihn häufiger als seine Befürworter gebraucht; tatsächlich scheuten die Nationalsozialisten selbst in dieser Zeit vor ihm zurück und überließen es ihren Gegnern, ihn als Zeichen der Mahnung zur Wachsamkeit zu verwenden. Um 1950 begann sich die Lage jedoch angesichts neuer nationalsozialistischer Verschwörungen zu ändern.

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3.  Der Rechtsruck des Vierten Reiches: Die Renazifizierung Deutschlands in den 1950er-Jahren Dannenberg/Nieders. Landrat a. D. [Hermann] Heimhardt kündigte in einer Versammlung der Sozialistischen Reichspartei an, dass die SRP es sich zum Ziel gesetzt habe, das »Vierte Reich« zu schaffen. »Wir werden dafür sorgen, dass Deutschland wieder ein stolzes, freies und in der Welt geachtetes Land wird«, sagte der Redner, ohne Wiederspruch zu finden, da die Parteileitung durch einen Saalschutz Vorsorge gegen einen Tumult getroffen hatte.1 Mittelbayerische Zeitung (25. Februar 1950)

K

urz nach Gründung der Bundesrepublik 1949 wuchs in Europa, Nordamerika und anderen Teilen der westlichen Welt die Angst vor einer Rückkehr der Nationalsozialisten an die Macht. Diese Angst kam in der wachsenden Besorgnis über eine zunehmende »Renazifizierungswelle« in Westdeutschland zum Ausdruck. Ausgehend von Tendenzen, die gegen Ende der Besatzungszeit einsetzten, verschärfte sich die Sorge um eine Renazifizierung Ende 1949 und hielt bis Mitte der 1950er-Jahre an.2 Sie äußerte sich in zahlreichen alarmierenden Zeitungsberichten, journalistischen Enthüllungen und monografischen Studien, die alle eine breite Leserschaft fanden. Diese nahmen die zunehmenden Bemühungen von ehemaligen Nationalsozialisten in der Bundesrepublik in den Blick, neue politische Parteien zu bilden und geheime Pläne zur Rückkehr an die Macht zu schmieden. Diesen neuen rechten Aktivismus deuteten Kritiker als erneuten Vorstoß der Nazis, die junge westdeutsche Demokratie durch ein Viertes Reich zu ersetzen. Mit ihrem spektakulären Vorwurf nahmen Kommentatoren die ehemaligen Nationalsozialisten beim Wort. Wie die Erklärung des Mit132

3.  Der Rechtsruck des Vierten Reiches

glieds der Sozialistischen Reichspartei und ehemaligen SA-Sturmbannführers Hermann Heimhardt zeigte, hatten die einstigen Anhänger des Dritten Reiches erstmals seit Kriegsende die Schaffung eines Vierten Reiches in den Mittelpunkt ihrer politischen Agenda gestellt. Wie zu erwarten, blieb die Behauptung, ehemalige Nazis machten zur Gründung eines Vierten Reiches mobil, nicht ohne Gegenstimmen. Tatsächlich löste sie eine größere Debatte darüber aus, inwieweit die Bundesrepublik wirklich von einer Renazifizierung bedroht war. Als Reaktion auf die alarmierenden Vorwürfe hielten apologetischere Verteidiger der Bundesrepublik die Gefahr für maßlos übertrieben. Nach Ansicht von Beobachtern im In- und Ausland finde der Nationalsozialismus in der Bundesrepublik kaum öffentliche Unterstützung und stelle daher nur eine geringe Gefahr für die neue demokratische Staatsform des Landes dar. Da sich die Deutschen zu ihrer neuen Republik bekannt hätten, bestehe kaum eine Chance, dass sie sich erneut für ein Reich aussprechen würden. Nach heutigem Kenntnisstand über die politische Entwicklung Westdeutschlands in der Ära Adenauer haben die Alarmisten die Gefahr der Renazifizierung für das Land deutlich übertrieben. Historiker sind sich überwiegend einig, dass die Bundesrepublik Deutschland in den 1950er-Jahren nie in Gefahr stand, von einem Vierten Reich abgelöst zu werden.3 Trotz unbestrittener Vorzüge hat diese Sicht auch ihre Nachteile: Sie projiziert die erfolgreiche Demokratisierung der Bundesrepublik Deutschland sehr selektiv in frühere Phasen zurück, als sie ungewisser war; sie erklärt nicht vollständig das Ausmaß der damaligen Ängste vor einer Wiederkehr des Nationalsozialismus; und sie unterschätzt die wahre Stärke der damaligen nationalsozialistischen Bewegung. Tatsächlich waren Sorgen über eine mögliche Renazifizierung Westdeutschlands nicht unbegründet. Unbeirrbare Nazis waren zu Beginn der 1950er-Jahre fest zu einem Umsturz der demokratischen Ordnung in der Bundesrepublik entschlossen. Unter etwas anderen Umständen wären sie ihrem Ziel vielleicht sehr nahegekommen. Wenn wir die nationalsozialistischen Bemühungen um Gründung eines Vierten Reiches im kontrafaktischen Kontext dessen, was hätte geschehen können, rekapitulieren, können wir zu einem tieferen Verständnis darüber gelangen, wie und warum Zeitgenossen die Bedrohung durch den Nationalsozialismus so sahen, wie sie es taten. 133

3.  Der Rechtsruck des Vierten Reiches

Zudem können wir dabei klären, wie konkurrierende Erinnerungen an das Dritte Reich die Nachkriegsentwicklung der Bundesrepublik beeinflusst haben. In der Renazifizierungsdebatte der 1950er-Jahre ging es nicht nur um die westdeutsche Gegenwart, sondern auch um die nationalsozialistische Vergangenheit. Alarmisten und Apologeten vertraten unterschiedliche Auffassungen über Sinn und Zweck der Erinnerung. Erstere waren von den Verdiensten einer Erinnerungskultur überzeugt; in ihren Augen war eine Wiederholung der NS-Verbrechen nur zu verhindern, wenn das deutsche Volk zum Nachdenken über das Ausmaß der beispiellosen Verbrechen des Dritten Reiches gezwungen wurde. Letztere hingegen sahen dies als Belastung und meinten, die Erinnerung an die nationalsozialistische Vergangenheit verzerre die Realität der deutschen Gegenwart und ließe die Menschen im Ausland am Bekenntnis des Landes zur Demokratie zweifeln. Wie sich herausstellte, überwog die letztgenannte Auffassung. Vom Moment seines Amtsantritts 1949 an vermied Bundeskanzler Konrad Adenauer eine volle Abrechnung mit den Verbrechen des Dritten Reiches und beschloss, dessen ehemalige Anhänger in das neue demokratische Gemeinwesen zu integrieren. Dank der erfolgreichen Demokratisierung der Bundesrepublik in den 1950er-Jahren haben viele Wissenschaftler diesen Ansatz als richtig verteidigt. Andere haben infrage gestellt, ob er wirklich so klug war, und alternative Strategien vorgeschlagen. Wohin sie geführt hätten, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen. Doch durch das Erkunden nicht eingeschlagener Wege und Spekulationen über ihre möglichen Folgen können wir ein qualifizierteres Urteil über das tatsächliche Geschehen fällen.

Die Ursprünge der Renazifizierungsdebatte Die Renazifizierungsdebatte fand zu einem kritischen Zeitpunkt in der frühen Geschichte der Bundesrepublik statt. Obwohl Westdeutschland 1949 ein hohes Maß an Autonomie wiedererlangt hatte, war seine volle Souveränität noch nicht wiederhergestellt. Von 1949 bis 1955 – den Jahren der Alliierten Hohen Kommission für Deutschland (AHK) – war die Regierung Adenauer damit beschäftigt, mit den Alliierten die Bedingungen des Deutschlandvertrages auszuhandeln, der das Ende des Besatzungsstatuts 134

Die Ursprünge der Renazifizierungsdebatte

festlegen und die Bundesrepublik in das westliche Bündnis einbinden sollte.4 Diese Verhandlungen waren insbesondere wegen des umstrittenen angloamerikanischen Plans zur Wiederbewaffnung Westdeutschlands und seiner Aufnahme in die vorgeschlagene Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) schwierig. Während viele die deutsche Wiederaufrüstung – insbesondere nach dem Ausbruch des Koreakrieges 1950 – für dringend notwendig hielten, hatten andere Zweifel, ob die Bundesrepublik wirklich zu einem vertrauenswürdigen demokratischen Verbündeten geworden war. Diese Skeptiker befürchteten, die Alliierten könnten mit ihrem Bestreben, die Bundesrepublik Deutschland zu einem Bollwerk gegen den sowjetischen Kommunismus zu machen, sie für eine Wiederkehr des Nationalsozialismus anfällig gemacht haben. Mit dem Ende der früheren Maßnahmen zur Entnazifizierung, Entmilitarisierung und wirtschaftlichen Entflechtung erlaubten die Alliierten der Elite des Dritten Reiches – ehemaligen NSDAP-Mitgliedern, Wehrmachtsgenerälen und Industriekapitänen –, einflussreiche Positionen im neuen westdeutschen Staat einzunehmen. Dieser Trend hatte bereits in den letzten Jahren der Besatzung eingesetzt und fand in westlichen Medien, insbesondere in den Publikationen von Organisationen wie der Society for the Prevention of World War III, vereinzelt Erwähnung.5 Sein öffentliches Echo war jedoch relativ gering. Als nach der Unabhängigkeit der Bundesrepublik eine steigende Anzahl von Presseberichten über die Rückkehr ehemaliger Nazis in führende Positionen erschien, war ein öffentlicher Aufschrei vorprogrammiert. Ende 1949 schlugen Beobachter in den USA und Großbritannien angesichts der angeblichen »Renazifizierung« der Bundesrepublik Alarm. In den USA eröffnete der New-York-Times-Journalist Drew Middleton im November die Debatte mit einer Reihe von Artikeln, die auf die »Rückkehr ... ehemaliger Nazis an die Macht« in Westdeutschland aufmerksam machten (sie erschienen Ende 1949 in einem schmalen Band mit dem Titel The Renazification of Germany).6 Unter Verweis auf Industrielle, Lehrer und Journalisten stellte Middleton fest, dass dieselben Personen, die die vergangene deutsche Diktatur unterstützt hatten, in der neuen Demokratie wichtige Positionen einnahmen. Anfang Dezember unterstützte die Leitartikelseite der New York Times Middletons Position und warnte in einem Artikel mit dem Titel »Renazification«: Wenn »überzeugte Nazis ein Comeback erleben ..., haben 135

3.  Der Rechtsruck des Vierten Reiches

wir den Krieg verloren«.7 Im Herbst 1949 hatte bereits ein anderer Journalist der New York Times, Delbert Clark, ein vernichtendes Buch mit dem Titel Again the Goose Step [Wieder im Stechschritt] veröffentlicht. Darin entwarf er ein düsteres Szenario der Deutschen, die nach dem Abzug der alliierten Truppen aus Westdeutschland »bereit sind, dem neuen Führer zu folgen, wenn er erscheint«.8 Eine ähnlich pessimistische Stimmung herrschte in Großbritannien. Sefton Delmer, der berühmteste Reporter der weltgrößten Tageszeitung, des Daily Express, verkündete unheilvoll, der »Geist des Hakenkreuzes« kehre nach Westdeutschland zurück und drohe, »den in jedem deutschen Herzen schlummernden Nazi« zu wecken«.9 Grund dafür war die Machtübergabe der Alliierten an die Deutschen, die symbolisiere, dass Letztere nun »sicher auf dem Weg zum Nazismus« seien.10 Bei zukünftigen Wahlen, so Delmer, würden »Nazis auf den Plan treten und ... erhebliche Rückendeckung haben«. Anfang 1950 stimmten weitere Journalisten in den Chor ein. William L. Shirer gab der US-Politik im Kalten Krieg die Schuld daran, »das nationalsozialistische militärisch-industrielle Monster wiederhergestellt zu haben, das die Welt fast versklavt hätte«; die Amerikaner hätten so dafür gesorgt, dass »Deutschland ... in den Nazismus zurückfällt«.11 Im Sommer 1950 verurteilte die Society for the Prevention of World War III die personelle Besetzung »des deutschen öffentlichen Dienstes ... mit pronazistischen Bonzen« und »die Ausbildung ehemaliger NS-Diplomaten, die dort weitermachten, wo sie unter Hitler aufgehört hatten«.12 Neben liberalen Journalisten äußerten auch linke Organisationen und jüdische Gruppen ihre Besorgnis. Ab 1950 veröffentlichten sie eine Reihe von Informationsbroschüren, darunter Nazis Preferred: The Renazification of Western Germany (1950) des jüdisch-kommunistischen Aktivisten Moses Miller, Shadow of the Swastika: German Rearmament & Renazification. The Road to World War III (1950) des linken, in Los Angeles ansässigen West Side Committee against Renazification of Germany und Germany’s New Nazis (1951) der in London ansässigen Anglo-Jewish Association.13 Alle diese Publikationen machten kapitalistische Interessen für die Reindustrialisierung und Wiederbewaffnung Deutschlands verantwortlich, die den Weg für die Rückkehr ehemaliger Nationalsozialisten an die Macht geebnet hätten. Ähnlich argumentierten linke Zeitschriften. 1950 führte The Nation die Wiederkehr des Nationalsozialismus auf dieselben »finsteren finanziellen 136

Die Ursprünge der Renazifizierungsdebatte

Mit diesem Pamphlet lenkte der jüdisch-kommunistische Aktivist Moses Miller 1950 die Aufmerksamkeit auf das Problem der »Renazifizierung«.

Interessen [zurück], die direkt für das ... NS-Regime verantwortlich waren«, während Jewish Life »die Renazifizierung Westdeutschlands« als »eine der größten Gefahren für die Menschheit heute« sah.14 Das American Jewish Committee und die Anti-Defamation League äußerten sich in Pressemitteilungen ähnlich besorgt über die »Renazifizierung«.15 Auch deutsche Kritiker schalteten sich in die Debatte ein. Ost- und westdeutsche Zeitungen verwendeten den Begriff »Renazifizierung« bereits 1948 und taten dies auch nach der Unabhängigkeit von BRD und DDR 1949.16 Führende Intellektuelle kommentierten die Gefahr ebenfalls. Im September 1949 notierte der Schriftsteller Thomas Mann: »Die Entwicklung geht rapide in Richtung Renazifikation, unter anglo-amerikanischem Schutz und Schirm. In zwei Jahren, denke ich, werden wir ein völlig faschistisches West137

3.  Der Rechtsruck des Vierten Reiches

deutschland haben«.17 Im selben Jahr argwöhnte der Journalist und Buchenwald-Überlebende Eugen Kogon pessimistisch: »[W]enn Hitler zurückkehrte, würden viele ihm erneut folgen.«18 Selbst konservative westdeutsche Politiker spielten auf die Realität der Renazifizierung an, für die sie die Alliierten verantwortlich machten. So führte der FDP-Abgeordnete AugustMartin Euler sie in einer Bundestagsdebatte 1950 auf das »übereifrige Entnazifizierungsprogramm« der Vereinigten Staaten zurück.19 Viele dieser Beobachter verbanden die Renazifizierung mit der Aussicht auf ein Viertes Reich. In einem Artikel in The Nation sah J. Alvarez Del Vayo im April 1950 den Kalten Krieg als Ursache für »ein Wiedererstarken des Nationalsozialismus«; dieser bereite »das Vierte Reich vor«, um Hitlers ursprüngliche Mission zu erfüllen, »Europa gegen den Osten zu führen«.20 Im Christian Science Monitor befürchtete Ernest Pisko, der Nationalsozialismus lauere »in Deutschland hinter den Kulissen«, und »Alarmisten« befürchteten zu Recht, dass »die dunklen Flecken im Vierten Reich wie im Zweiten und Dritten die hellen Flecken überdecken werden«.21 Ebenso warnte die Publikation der Anglo-Jewish Association, Germany’s New Nazis, das Überleben von »nationalsozialistischen Überzeugungen« in »scheinbar demokratischen« Vierteln könne schließlich zu dem größeren »Versuch führen, ein viertes Reich wiederzuerrichten«.22 Nicht alle Beobachter teilten diese Befürchtungen. Nach den Wahlen vom September 1949 stellte die Londoner Tageszeitung Daily Mail nüchtern fest, die Bundestagsabgeordneten seien zur »Bildung des Vierten Reichs« zusammengekommen, und knüpfte damit an die frühe Verwendung in der Nachkriegszeit an, nach der ein solcher Staat durchaus demokratisch sein konnte.23 Im Dezember 1949 befanden die Dallas Morning News, es sei unnötig, »dass wir uns die Haare raufen, nur weil einige rechte Deutsche jetzt von einem Vierten Reich sprechen«. »Nicht der Name« sei das Problem, sondern die Tatsache, dass »Rechtsextreme [ihn] missbrauchten«. Ziel solle es daher sein, »den Deutschen zu helfen, ihr historisches Wort für die deutsche Nation richtig auszulegen«.24 Dieser Versuch der Beruhigung war jedoch die Ausnahme von der immer häufigeren Regel. Angesichts zunehmender Meldungen über die Tätigkeit ehemaliger Nazis in der neuen deutschen Demokratie sahen besorgte Kommentatoren ein zukünftiges Viertes Reich immer mehr am rechten Rand. 138

Die extreme Suche nach einem Vierten Reich

Die extreme Rechte und die Suche nach einem Vierten Reich Diese Bedenken wurden durch die gleichzeitige Entstehung neonazistischer politischer Parteien noch verstärkt. Vor der Gründung der Bundesrepublik 1949 hatten Lizensierungsauflagen der Alliierten die Gründung rechtsextremer Parteien generell verhindert. Im März 1950 ermöglichte der Wegfall dieser Bestimmungen jedoch die Bildung und zunehmende Bekanntheit dieser Parteien.25 Einige von ihnen befanden sich auf der extremen nationalistischen und irredentistischen Rechten, so der Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE), der die Interessen von Flüchtlingen und Vertriebenen vertrat, und die Deutsche Gemeinschaft (DG), die zeitweilig Koalitionspartner des BHE in Bayern war. Andere hingegen wurden aufgrund des politischen Hintergrunds ihrer Mitglieder und ihrer Bemühungen um die Wiederbelebung von NS-Idealen als Neonazis eingestuft. Im März 1950 präsentierte die Society for the Prevention of World War III eine Liste von zehn verschiedenen »Neonaziparteien von heute«, auf die man ein Auge haben müsse.26 Die erste Partei, die für Aufsehen sorgte, war die Deutsche Reichspartei (DRP), die Anfang 1950 aus der Fusion der Deutschen Konservativen Partei – Deutsche Rechtspartei (DKP-DRP) mit der Nationaldemokratischen Partei (NDP) hervorging. Wie ihr Name schon sagte, war die DRP eine der ersten Nachkriegsparteien in der Bundesrepublik, die den Begriff Reich explizit aufgriff und für die Nachkriegszeit salonfähig machte. Wie viele rechte Parteien vertrat auch die DRP eine stark nationalistische Position und verurteilte die »Verbrechen« der Alliierten gegen das deutsche Volk – insbesondere die »Vertreibung von Millionen ... aus den urdeutschen östlichen Gebieten« – und verlangte die Wiederherstellung »des Deutschen Reiches, in dem alle Deutschen, die es wünschen, ihre Heimat finden können«.27 Bekanntheit erlangte die Partei erstmals 1950 durch ihre skandalöse Verbindung mit dem langjährigen Stahlhelm- und NSDAP-Mitglied Wolfgang Hedler. Am 26. November 1949 hatte Hedler als Bundestagsabgeordneter der Deutschen Partei (DP) für landesweite Schlagzeilen gesorgt, als er in einer Hetzrede die Mitglieder des konservativen deutschen Widerstands 139

3.  Der Rechtsruck des Vierten Reiches

diffamierte und sich offen antisemitisch zum Holocaust äußerte.28 Obwohl er Anfang 1950 aus der DP ausgeschlossen und wegen Verleumdung vor Gericht gestellt wurde, löste sein anschließender Freispruch durch ein mit ehemaligen Nationalsozialisten besetztes Gericht in Neumünster und seine Aufnahme in die DRP einen bundesweiten Skandal aus.29 Viele Kritiker in Deutschland und dem westlichen Ausland registrierten Hedlers Popularität in rechten Kreisen mit Sorge und waren schockiert über die Verbreitung des unheilvolle Erinnerungen auslösenden Ausrufs »Heil Hedler!« unter seinen Anhängern. Die ostdeutsche Presse bezeichnete Hedlers Aufstieg sogar als Beweis für den »Marsch [der Bundesrepublik] ins Vierte Reich«.30 Zugleich lieferte ein weiteres DRP-Mitglied, Franz Richter, ein zusätzliches Indiz für ein mögliches bevorstehendes rechtes Viertes Reich. Wie Hedler war Richter langjähriges NSDAP-Mitglied. Doch wie Charles Rankin in The Stranger [Die Spur des Fremden] verheimlichte auch er seine wahre Identität: In Wirklichkeit handelte es sich bei ihm um den ehemaligen Mitarbeiter des NS-Propagandaministeriums Fritz Rößler, der nach 1945 den Namen Richter angenommen hatte, um der Entnazifizierung zu entgehen.31 Richters wahre Identität war noch unbekannt, als er Anfang 1950 mit einer Aktion für internationale Schlagzeilen sorgte, die noch kein anderer rechtsgerichteter deutscher Politiker seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs gewagt hatte. Wie amerikanische, britische und deutsche Medien ausführlich berichteten, hielt Richter im Januar 1950 eine Rede, in der er offen seine Unterstützung für ein »Viertes Reich« bekundete.32 Es verwundert nicht, dass Richter schließlich als »neuer Hitler« bezeichnet wurde und verstärkt ins Blickfeld der Öffentlichkeit geriet.33 Kurz darauf führte diese Aufmerksamkeit zu Richters Enttarnung und zum Verlust seines politischen Mandats.34 Sie bestätigte jedoch die wachsende Überzeugung, dass »der Neonazismus mit dem Wiederaufbau des Landes wächst, gut organisiert ist und ernsthafte Führer hat«, wie The New Republic schrieb.35 Vor allem zeigte sie eine neue Bereitschaft rechter Politiker, die Idee eines Vierten Reiches aufzugreifen.

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Aufstieg und Fall der Sozialistischen Reichspartei

Aufstieg und Fall der Sozialistischen Reichspartei Diese Bereitschaft trat im weiteren Verlauf des Jahres 1950 mit dem plötzlichen Aufstieg der Sozialistischen Reichspartei (SRP) immer deutlicher zutage. Zwischen ihrer Gründung Anfang Oktober 1949 und ihrem Verbot 1952 weckte die SRP im In- und Ausland Befürchtungen, sie könne die NSDAP wiederbeleben. Tatsächlich hatte die SRP zahlreiche Verbindungen zur alten Nazipartei. Siebzig Prozent der Amtsträger der SRP waren ehemalige Nazis, die meisten stammten aus der mittleren und unteren Führungsebene der NSDAP. Nach 1945 waren viele von ihnen aufgrund ihrer vorübergehenden Internierung im neuen westdeutschen Staat und aufgrund von Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche verbittert.36 Einer von ihnen war der Gründungsvorsitzende der SRP, Fritz Dorls. Als langjähriges NSDAP-Mitglied und SA-Mann wurde Dorls nach dem Krieg interniert und hatte fortan Schwierigkeiten, eine Anstellung als Journalist zu finden. 1949 trat er der DKP-DRP bei, wurde aber nach angeblicher Kontaktaufnahme zu Otto Strasser und unrühmlichen Meinungen über die Judenverfolgung durch die Nazis ausgeschlossen.37 Ähnlich erging es Dorls’ Stellvertreter und DKPDRP-Parteifreund Otto Ernst Remer. Als langjähriger Wehrmachtsoffizier erlangte Remer landesweite Berühmtheit für seine Rolle bei der Niederschlagung des konservativen deutschen Widerstands, der in der missglückten »Operation Walküre« am 20. Juli 1944 Hitler zu ermorden und an die Macht zu gelangen hoffte.38 Remers Aktionen brachten ihm Hitlers Dankbarkeit (sowie eine Beförderung zum Generalmajor) ein und machten ihn zu einem loyalen Gefolgsmann des Regimes. Nach dem Krieg wurde Remer jedoch verhaftet und bis 1947 interniert, woraufhin er versuchte, sich eine Existenz als Maurer aufzubauen. Da die Jahre des Ruhmes hinter ihm lagen, kehrte er schließlich zu der Bewegung zurück, die ihn ursprünglich berühmt gemacht hatte. 1949 trat Remer der SRP bei und wurde schnell zu ihrem charismatischsten Führer. Etwa zur gleichen Zeit wurden Franz Richter/Fritz Rößler sowie andere ehemalige Nazis in die SRP aufgenommen, darunter das ehemalige Mitglied von Reichspressekammer und SS Wolf Graf von Westarp und das Mitglied der Parteiführung der (in der »Operation Selection Board« aufgedeckten) Deutschen Revolution Bernhard Gericke.39 Und noch ein 141

3.  Der Rechtsruck des Vierten Reiches

weiterer NS-Funktionär gehörte der SRP an: der ehemalige Innenminister, Teilnehmer an der Wannsee-Konferenz und verurteilte Kriegsverbrecher Wilhelm Stuckart. Über die halb geheime Kaderorganisation Bruderschaft, die 1949 gegründet wurde, um eine radikale, nationalistische politische Agenda voranzutreiben, unterhielt die SRP schließlich enge Verbindungen zu ehemaligen Wehrmachtsgenerälen und SS-Offizieren.40 Nicht nur ihre Führer und Mitglieder, sondern auch das Parteiprogramm der SRP wies Kontinuitäten mit der NSDAP auf. Obwohl die Parteivorsitzenden bestritten, »einer irgendwie gearteten Restaurierung der NSDAP« Vorschub leisten oder ihre »Wiederherstellung« vorantreiben zu wollen, bekannten sie sich uneingeschränkt zu nationalsozialistischen Prinzipien.41 Nach der Ausrichtung seiner Partei gefragt, erklärte ein Sprecher, der ehemalige Mitarbeiter im Reichsarbeitsdienst und SA-Mann Ulrich Freiherr von Bothmer, die Partei habe »die gleiche Blutgruppe wie die NSDAP«.42 Die SRP suchte offen die Unterstützung ehemaliger NSDAP-Mitglieder. 1949 bekannte Remer: »Ich verschweige nicht, dass wir einen Appell vor allem an die ehemaligen Nazis richten. Wir wollen sie, wir brauchen sie, und wir wissen, dass sie nicht immer so schlechte Gefährten waren.«43 Um ihre Unterstützung zu gewinnen, lehnte Remer nicht nur die Entnazifizierung ab, sondern plädierte dafür, »das Gute des Nationalsozialismus [zu] erhalten und darauf auf[zu]bauen«.44 Dazu gehörten nationalsozialistische Prinzipien wie die Volksgemeinschaft, der Glaube an eine kollektiv orientierte Wirtschaftsordnung (deutscher Sozialismus) sowie eine Führungsdemokratie.45 Remer räumte ein, dass die NSDAP wie viele revolutionäre Bewegungen falsche Maßnahmen ergriffen habe und schließlich in eine Diktatur abgeglitten sei.46 Aus diesem Grund lehnten er und andere Parteiführer den Antisemitismus offiziell ab (am Holocaust waren ihrer Ansicht nach aber eher die NS-Karrieristen als die Idealisten schuld).47 Diese Fehler hinderten die SRP jedoch nicht daran, ungeniert wehmütige Erinnerungen an das Dritte Reich zu wecken. So fragte Remer seine Anhänger: »War die Lage unter Hitler nicht besser?«48 Zur weiteren Verklärung der NS-Zeit versuchte die SRP, die deutschen Ressentiments der Nachkriegszeit von den Nazis auf die Alliierten zu verlagern. Die Partei leugnete die deutsche Kriegsschuld und versuchte, durch Bildung einer neuen Dolchstoßlegende die NSDAP von der militärischen 142

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Die versammelte Führung der Sozialistischen Reichspartei. Links der ehemalige Schulungsleiter einer NS-Ordensburg, 1. Vorsitzender der SRP Fritz Dorls, in der Mitte der ehemalige Generalmajor Otto Ernst Remer, 2. Vorsitzender der SRP, und rechts der ehemalige SS- und HJ-Führer Wolf Graf von Westarp.

Niederlage des Landes freizusprechen.49 Remer diffamierte die Verschwörer vom 20. Juli 1944 häufig als Verräter und behauptete, ohne ihr Handeln hätte Deutschland den Krieg nicht verloren.50 Um die Klagen der Deutschen auszunutzen, die unter dem Konflikt gelitten hatten, stellte sich die SRP als Teil eines »nationalen Widerstandes« gegen die gemeinsame Herrschaft aus Alliierten und Adenauer-Regierung dar.51 Sie lehnte die Westbindung und Wiederbewaffnung der westdeutschen Regierung entschieden ab und forderte stattdessen, Deutschland müsse zu einer »Dritten Kraft« werden und eine neutrale Rolle als Mittler zwischen Ost und West spielen.52 Die SRP betätigte sich damit als Sprachrohr des anhaltenden Nationalismus in rechten Kreisen. Eines der wichtigeren Ziele, für das die SRP nationalistische Kräfte mobilisierte, war die Gründung eines neuen Deutschen Reiches. Wie ihr Name bereits andeutete, stand der Reichsgedanke im Mittelpunkt des SRP-Programms.53 So hieß es im ersten Punkt des »Aktionsprogramms« der SRP: »Die SRP will die Einigung aller Deutschen in einem einheitlichen Deut143

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schen Reich«.54 Das Dokument enthielt zahlreiche weitere Verweise auf das Reich – von der Beschwörung der »Treue zum Reich« bis zur Bekräftigung des »Reichsgedankens« als bevorzugter »Ordnungsform der Deutschen«.55 Mit diesen Formulierungen vermied die SRP es, zu erklären, wie ihr Reichsbegriff mit dem der Nationalsozialisten zusammenhing. Einerseits verzichtete die Partei auf nationalsozialistische Bemühungen, das Reich mit den Vorstellungen einer arischer Herrenrasse zu identifizieren; ihr Aufruf zur »Wiederherstellung« des Reiches sollte also etwas Neues schaffen.56 Gleichzeitig war die Parteiführung jedoch von der rechtlichen Existenz des Dritten Deutschen Reiches unter der Führung von Hitlers Nachfolger Karl Dönitz überzeugt, da dieses nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes von den Alliierten in ihren Augen illegal aufgelöst worden sei.57 Die SRP war also vom Fortbestand des Dritten Reiches überzeugt und bemüht, es in der Gegenwart wiederherzustellen.58 Unklar ist, inwieweit es der Parteiführung darum ging, die Frage nach der numerischen Identität ihres bevorzugten Reiches zu lösen. Es ist jedoch bezeichnend, dass einige von ihnen in Wahlkampfauftritten und -reden den Gedanken von einem »Vierten Reich« aufgriffen. Franz Richter war noch nicht Mitglied der SRP, als er den Begriff im Januar 1950 zum ersten Mal verwendete, doch im Februar desselben Jahres hielt der Sprecher der SRP, Hermann Heimhardt, einen Vortrag, in dem er die »Zusammenführung aller deutschen Regionen, auch derjenigen, die derzeit nicht unter deutscher Kontrolle stehen, zu einem ›Vierten Reich‹« forderte.59 Auch in Wahlkampfreden beharrte Remer auf einem Vierten Reich.60 Bei der Präsentation ihrer innen- und außenpolitischen Ziele bediente sich die SRP zahlreicher Propagandamanöver der NSDAP. Bei Wahlkampfveranstaltungen der Partei gab es Bilder im Überfluss; auf Bannern war das Symbol der Partei, ein schwarzer Adler auf rotem Hintergrund, zu sehen, der an die Farben der Hakenkreuzflagge der Nazis erinnerte. Häufig wurde Marschmusik wie der Badenweiler Marsch gespielt, der bei NSDAP-Mitgliedern sehr beliebt war. In Kombination mit flammenden Reden schufen diese Bilder bewusst die pathosgeladene Stimmung der Parteitage der Nationalsozialisten. Die öffentlichen Kundgebungen der SRP zogen die Massen an – mitunter über 1000 Menschen – und führten häufig wie bei den nationalsozialistischen Aufmärschen in der Weimarer Republik zu gewalttätigen Ausschreitungen. 1950 kam es bei SRP-Veranstaltungen in Wilhelmshaven, 144

Aufstieg und Fall der Sozialistischen Reichspartei

Mit dem Reichsadler und den von den Nazis bevorzugten schwarz-weiß-roten Farben wandte sich dieses Wahlplakat der SRP mit einer eindeutigen Botschaft an die Wähler.

Wolfsburg und Berlin zu blutigen Auseinandersetzungen.61 Bei einigen dieser Kundgebungen attackierten linke Demonstranten Remer als »faschistischen Hund« und drohten ihm mit Körperverletzung.62 Auch in ihrer Unterteilung in Unterorganisationen knüpfte die SRP an die Nationalsozialisten an: Die Reichsfront ähnelte der SA, die Reichsjugend orientierte sich an der HJ und der Frauenbund lehnte sich an die NS-Frauenschaft an.63 Darüber hinaus versuchte die Partei, berühmte deutsche Militärs aus dem Dritten Reich wie General Heinz Guderian und den Schlachtflieger Hans-Ulrich 145

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Rudel zu rekrutieren, und strebte Bündnisse mit Faschisten im Ausland an.64 Mit diesen Maßnahmen zielte die SRP auf nicht weniger als den Sturz des westdeutschen Staates. 1952 ging Fritz Dorls davon aus, dass die Partei in zwei Jahren »kräftig genug sein [wird], um die Reichsregierung übernehmen zu können«.65 Diesem Ziel kam die SRP 1951 ein gutes Stück näher, als sie beachtliche Erfolge bei den Landtagswahlen erzielte. Der erste Durchbruch gelang ihr im Mai, als sie in Niedersachsen rund 400.000 Stimmen (und damit elf Prozent der Gesamtstimmen) erhielt. In bestimmten Bezirken erzielte die Partei mehr als 30 Prozent der Stimmen und erreichte in 35 Kommunen sogar die absolute Mehrheit.66 Einige Monate später verzeichnete die Partei im Herbst 1951 in Bremen 7,7 Prozent der Stimmen. Auch in Lüneburg schnitt die SRP gut ab und erzielte zusammen mit dem BHE zwischen 40 und 50 Prozent. Zu dieser Zeit zog die Partei Scharen von Menschen an, mitunter kamen über 2.500 Zuschauer zusammen.67 Die Parteiführung sprach von 30.000 bis 40.000 Mitgliedern.68 Vor allem bei unzufriedenen Wählern kam die Partei gut an. Niedersachsen hatte bereits vor 1933 für die NSDAP gestimmt, da seine ländliche und kleinbürgerliche protestantische Bevölkerung traditionell eine rechte völkische Gesinnung vertrat.69 Nach 1945 stand Niedersachsen vor ernsten wirtschaftlichen und sozialen Problemen. Das Land hatte eine Arbeitslosenquote von 14 Prozent und viele Menschen sympathisierten mit dem Programm der SRP.70 Die meisten SRP-Wähler hatten im Krieg gelitten und standen dem neuen westdeutschen Staat kritisch gegenüber. Sie waren überwiegend jung und männlich (unter den SRP-Wählern waren nur wenige Frauen) und umfassten Wehrmachtsveteranen, ehemalige NSDAP-Mitglieder, Bauern und Vertriebene.71 Unter Kriegsveteranen und Parteimitgliedern hatte sich nach der erfahrenen Internierung und Entnazifizierung Unmut ausgebreitet.72 Landwirte, die nicht wenig von der Lebensmittelknappheit in den ersten Nachkriegsjahren profitiert hatten, verloren nach 1948 an Einfluss, da sie mit der Währungsreform dem freien Handel und ausländischer Konkurrenz ausgesetzt waren.73 Nicht zuletzt die Vertriebenen waren in Niedersachsen eine wichtige Wählergruppe (sie machten ein Drittel der Bevölkerung aus, die nach 1945 um 50 Prozent zugenommen hatte), die sich nach ihrer verlorenen Heimat im Osten sehnte.74 Der prekäre Nachkriegs146

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status dieser Gruppen trieb sie direkt in die Arme der SRP. Rund 30 Prozent ihrer Mitglieder waren arbeitslos.75 Vor 1949 hatten diese unzufriedenen Wähler rechtsgerichtete Parteien wie die DRP und die DP unterstützt (die CDU war ihnen zu katholisch). Weil diese Parteien jedoch nicht lieferten, wanderten sie zur SRP und machten diese zu einer erfolgreichen Protestpartei.76 Hätte die SRP nicht gegen den BHE antreten müssen, hätte sie noch mehr Stimmen erzielt. Angesichts der Wahlerfolge der SRP läuteten in den Medien alle Alarmglocken. In der New York Times bemerkte Drew Middleton im Juli 1951, die SRP habe die unzufriedenen deutschen Wähler davon überzeugt, dass man es mit dem Nationalsozialismus ja noch einmal versuchen und »Erfolg haben könne – ohne die Fehler von Hitler«.77 Viele andere Zeitungen setzten die SRP-Parteiführung mit Hitler gleich und bezeichneten Remer als »neuen Hitler« oder »neuen Führer«.78 Einige Journalisten zogen Parallelen zwischen dem Aufstieg Hitlers und Remers kompromissloser Strategie. So gab Reader’s Digest zu bedenken: »Selbst wenn Remer ins Gefängnis gehen sollte ..., wäre er [darüber nicht] übermäßig betrübt ..., [denn auch] Adolf Hitler wurde verhaftet und ins Gefängnis gesteckt ..., doch er kam heraus, um Deutschland zu erobern.«79 Zahlreichen Kommentatoren zufolge strebte die SRP die Gründung eines Vierten Reiches an. Einer der wichtigsten Vertreter dieser Position war Sefton Delmer, der seine Sicht der Dinge im Juli 1951 in einer Reihe von reißerischen Artikeln für den Daily Express darlegte. In einem Beitrag vom 6. Juli mit dem Titel »Erhebt sich ein neuer Hitler?« titulierte der britische Journalist Remer als »den aktiven Propheten eines vierten Nazi-Reiches« und warnte seine Leser wenige Tage später, den SRP-Chef nicht zu unterschätzen. Er fände »Remer weitaus beeindruckender, als ich Hitler zum gleichen Zeitpunkt seiner Karriere gefunden habe«.80 Im Juni 1951 veröffentlichte das britische Magazin Picture Post ein Porträt der SRP-Führung unter dem Titel »Kehren die Nazis zurück?«. In ihm hieß es: »Obwohl die Nazipartei mit Hitler und dem Dritten Reich im Frühjahr 1945 gestorben ist, ... bedeutet das nicht, dass es nicht eine Reihe von ehemaligen Nazis gibt, die das Vierte planen.«81 Ähnlich unkte die nordamerikanische Presse. Laut Seattle Times trat Remer »für die Wiedergeburt eines Großdeutschlands ein, das in einem nationalsozialistischen Vierten Reich vereint ist«.82 Collier’s verwies auf Re147

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mers Flirt mit der Sowjetunion und erklärte: »Deutschlands wiedererstehende Nationalsozialisten werden mit jedem zusammenarbeiten, der ihnen beim Aufbau eines Vierten Reiches behilflich ist.«83 Und der berühmte amerikanische Jesuit John La Farge forderte Widerstand gegenüber einem »Vierten Reich, das unter einem wiederbelebten Hitlerismus vereint ist«.84 In der Bundesrepublik und der Deutschen Demokratischen Republik war das Echo geteilt. Westdeutsche Medien vermieden es weitestgehend, bei ihrer Forderung nach einschlägigen Maßnahmen gegen die SRP ein mögliches Viertes Reich in Anschlag zu bringen.85 In Ostdeutschland dagegen machten die staatlich kontrollierten Medien großzügig von dem Begriff Gebrauch. So erklärte die Neue Zeit im Februar 1950 verächtlich, die Westdeutschen marschierten lautstark »in das Vierte Reich«, in dem sie »all das, was in der NSDAP gut war«, wiederbeleben wollten.86 Die wachsende Besorgnis in den Medien setzte die deutsche Politik gehörig unter Druck. Adenauer erkannte zwar die mit der SRP verbundene Gefahr, seine Regierung ignorierte die Partei jedoch die meiste Zeit in den Jahren 1950/51 in der Hoffnung, sie werde mit der konjunkturellen Belebung schon verschwinden.87 Dem entsprach auch die Strategie des Kanzlers, ehemalige Nationalsozialisten in das Gemeinwesen einzubinden, die allerdings Gefahr lief, der SRP Legitimität zu verschaffen. Mitte 1951 liebäugelte die niedersächsische CDU tatsächlich mit einer Koalition mit der SRP und der DP, um die regierende SPD abzulösen.88 Die SPD warnte dagegen, »eine Duldung der Partei käme einem nationalen Selbstmord gleich«.89 Die Sozialdemokraten waren freilich nicht unschuldig am Aufstieg der SRP. Die SPD-geführte niedersächsische Landesregierung lehnte trotz belastenden Materials ein Verbot der Partei ab, da die SRP Stimmen von der CDU abzog und die Konservativen spaltete.90 Anstatt eine einheitliche Front gegen die SRP zu bilden, versuchten die Mainstreamparteien, sie für ihre eigenen Zwecke zu nutzen. Dies stellte die Westalliierten vor eine schwierige Situation. Amerikaner und Briten versuchten, alarmierende Medienberichte über die SRP herunterzuspielen, um Vertrauen in Adenauer zu zeigen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass die Deutschen die Gefahr nicht gänzlich abtaten. Anfangs bestritt der Hochkommissar der USA John McCloy, dass die SRP ein unmittelbares Problem darstelle, und tat ihren Erfolg als nicht repräsentativ 148

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für die breite deutsche Wählerschaft ab.91 Anfang 1952 war er jedoch von der »potenziellen Gefahr« der Partei überzeugt und forderte die Deutschen auf, sich von allen neonazistischen Trends »zu distanzieren«; zur Not würden die USA intervenieren.92 Dieser Kurswechsel war vor allem außenpolitisch motiviert, da die Amerikaner befürchteten, die SRP könne der Sowjetunion in die Hände spielen und die Westintegration Deutschlands blockieren.93 Die Alliierten sahen in der Partei außerdem eine Gefahr für die deutsche Demokratie. 1951 ging US-Außenminister Dean Acheson sogar so weit, McCloy zu fragen: »Was würde passieren, wenn die SRP einen Putschversuch unternähme?«94 Die Briten sahen den Aufstieg der SRP derweil als »äußerst kritische Phase« in der deutschen Nachkriegsentwicklung, der so bald wie möglich bekämpft werden müsse. Amerikaner wie Briten warteten nur auf eine Gelegenheit zur Intervention, da sie wussten, dass ihre Kontrolle über deutsche Angelegenheiten mit der wachsenden militärischen Bedeutung des Landes abnahm. So drängten sie Adenauer, die Einrichtung des Bundesverfassungsgerichts zu beschleunigen, damit dieses rechtliche Schritte gegen die Partei einleiten könne.95 Angesichts des Drucks der Alliierten unternahm die Regierung erste Schritte, um der SRP einen Maulkorb anzulegen. Der zuständige Innenminister Robert Lehr war überzeugt, die SRP wolle »eine Revolte gegen den Staat anzetteln«.96 Allerdings sprach sich nur eine Minderheit der Deutschen (23 Prozent) für ein Verbot der Partei aus.97 Zu den ersten Maßnahmen zählten regionale Redeverbote und die Ächtung von Unterorganisationen wie der Reichsfront in den Jahren 1950/51; zur selben Zeit erklärte die Bundesregierung die Partei für staatsfeindlich.98 Remer musste sich 1951/52 mehreren Verleumdungsklagen stellen und wurde zu kurzen Haftstrafen verurteilt, weil er die Bundesregierung und den antinazistischen konservativen Widerstand diffamiert hatte.99 Schließlich beschloss Adenauer, die Partei ganz zu verbieten. Nach Gesprächen zwischen Justiz- und Innenministerium reichte die Regierung am 16. November 1951 ihren Antrag auf ein Verbot beim zwei Monate zuvor gegründeten Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein. Am 23. Oktober 1952 erklärte das Gericht die Partei aufgrund ihrer »Affinitäten« zum Nationalsozialismus als verfassungswidrig.100 Zu diesem Zeitpunkt war es mit der SRP längst aus und vorbei. Einige Wochen zuvor hatte sie sich in Erwartung des Verbots freiwillig aufgelöst, um 149

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Polizeirazzien zu entgehen und im Untergrund zu überleben.101 Dieser Plan lief jedoch ins Leere. Obwohl die Parteiführung versuchte, sich gleichgesinnten rechtsgerichteten Parteien anzuschließen, blieben ihre Bemühungen aufgrund interner Streitigkeiten erfolglos und die SRP verschwand aus dem politischen Leben Deutschlands.102 Auf die Auflösung der Partei reagierten Beobachter im In- und Ausland mit einer Mischung aus Erleichterung und Euphorie. Vertreter des alarmistischen Lagers äußerten sich zufrieden, dass die »Gefahr einer Wiederkehr des Nationalsozialismus beseitigt« worden sei.103 Nach Ansicht der Kommunistischen Partei in Westdeutschland war das »Scheitern des Vierten Reiches« dem Verfassungsgericht zu verdanken.104 Zahlreiche Beobachter blieben jedoch skeptisch und unterstützten die Mahnung der Welt, die Deutschen müssten »wachsam« gegenüber zukünftigen rechten Bewegungen bleiben.105 Im Gegensatz dazu sah sich das Lager der Apologeten bestätigt, die Bedrohung durch die SRP nie derart aufgebauscht zu haben. Die Partei sei »geplatzt wie eine Seifenblase«, so Die Zeit; ihre Auflösung habe bewiesen, dass »von Anfang an nichts dahinter war«.106 Etwa zur gleichen Zeit tat Hugh Trevor-Roper die SRP als »bloßes Strohfeuer« ab, während Fritz René Allemann später erklärte, sie habe sich »sozusagen von einem Tag auf den andern in Nichts aufgelöst«.107 Zu diesem Zeitpunkt der Renazifizierungsdebatte schien das Schicksal der SRP die Position der Apologeten zu bestätigen. Doch, wie sich herausstellte, war es noch zu früh, von einem Sieg zu sprechen.

Die Naumann-Affäre Innerhalb weniger Monate drohte der jungen deutschen Demokratie eine noch schwerwiegendere nationalsozialistische Gefahr. Am Morgen des 16. Januar 1953 verhafteten die britischen Behörden ein halbes Dutzend prominenter ehemaliger Nationalsozialisten, die angeblich den Sturz der westdeutschen Regierung planten. An der Spitze der Verschwörung standen der ehemalige Staatssekretär im Reichspropagandaministerium Werner Naumann und eine Reihe weiterer Mitglieder des sogenannten GauleiterKreises von Altnazis in Düsseldorf und Hamburg. Im Gegensatz zur SRP, die bei ihren Bemühungen um ein neues Deutsches Reich volksverhetzende 150

Die Naumann-Affäre

In den Jahren 1951/52 zettelte der ehemalige stellvertretende Reichspropagandaminister Werner Naumann eine Verschwörung von ehemaligen Gauleitern und anderen NSDAP-Mitgliedern an, um die Adenauer-Regierung zu stürzen. Die Verschwörer wurden von den Alliierten in der »Operation Terminus« verhaftet.

Taktiken anwandte, wandte sich die Naumann-Affäre eher verdeckt gegen das politische System Deutschlands. Wie frühere nationalsozialistische Verschwörungen während der Besatzungszeit scheiterte auch diese, warf allerdings weitere Fragen nach dem Verhältnis der Bundesrepublik zu ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit auf. Der Anführer der Verschwörung, Werner Naumann, war einer der prominentesten ehemaligen Nazis der Bundesrepublik. Naumann, der 1928 der NSDAP beigetreten war, hatte führende Positionen in der SA, der SS und dem Reichspropagandaministerium inne, wo er als Staatssekretär direkt unter Goebbels tätig gewesen war und genügend Einfluss gewonnen hatte, um in Hitlers privatem und politischem Testament zu seinem Nachfolger ernannt zu werden.108 Gegen Kriegsende war Naumann einer der wenigen im 151

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Führerbunker verbliebenen Parteisoldaten, der eine führende Rolle bei der Abfassung von Propaganda für die Werwolf-Bewegung übernahm.109 Am 2. Mai floh er zusammen mit Martin Bormann und Artur Axmann aus dem Bunker, bevor er sich schließlich auf den Weg nach Süddeutschland machte. In den nächsten fünf Jahren blieb er im Untergrund, entzog sich der Entnazifizierung und arbeitete als Maurer.110 Nach der Verabschiedung des ersten Amnestiegesetzes tauchte Naumann 1950 als Geschäftsführer einer Düsseldorfer Exportfirma des ehemaligen NSDAP-Mitglieds und Propagandaoffiziers der Wehrmacht Herbert Lucht auf.111 Von diesem Zeitpunkt an versuchte Naumann, wieder Kontakt zu ehemaligen Kollegen in der NSDAP aufzunehmen und in die Politik zurückzukehren. Dabei setzte er auf die Infrastruktur, die die weitgehend klandestine rechtsgerichtete Bruderschaft bereitgestellt hatte. Seit ihrer Gründung 1949 hatte die Bruderschaft viele prominente ehemalige NS-Funktionäre und Wehrmachtsoffiziere, die sich nicht an den offen politischen Aktivitäten der SRP beteiligten, miteinander vernetzt, um zu warten, bis ihnen der erwartete Niedergang des westdeutschen politischen Systems Gelegenheit zum Handeln gibt.112 Naumann war mit vielen Mitgliedern persönlich verbunden und scharte sie 1951 um sich, nachdem sich die Bruderschaft aufgrund von Flügelkämpfen aufgelöst hatte. Naumanns Netzwerk bestand aus schätzungsweise über 1000 Menschen und umfasste einen kleinen »inneren« sowie einen größeren »äußeren Kreis«.113 Unter den engsten Vertrauten des als Gauleiter-Kreises bekannten inneren Düsseldorfer Zirkels befanden sich der ehemalige Gauleiter von Salzburg und der in Hitlers Testament designierte Kultusminister Gustav Scheel, der ehemalige Gauleiter von Hamburg, Karl Kaufmann, der ehemalige Gauleiter von Düsseldorf, Friedrich Karl Florian, und der ehemalige Gauleiter von Köln-Aachen, Josef Grohé. Ebenfalls vertreten waren eine Vielzahl anderer NS-Funktionäre, darunter der SS- und Polizeiführer Paul Zimmermann, der Rassentheoretiker Heinrich Haselmeyer, der Mitarbeiter des Propagandaministeriums Karl Scharping, der NS-Ortsgruppenleiter Heinz Siepen und der ehemalige HitlerjugendFührer Karl Friedrich Bornemann.114 Der äußere, von Scheel aus Hamburg gesteuerte Kreis umfasste eine Vielzahl von Militärs und rechtsgerichteten politischen Organisationen, die Hunderte von kleineren ehemaligen Nationalsozialisten repräsentierten. Abgesehen von diesen beiden Gruppen, 152

Die Naumann-Affäre

stand Naumann in regelmäßigem Kontakt mit anderen Mitgliedern der Elite des Dritten Reiches. Darunter waren hochrangige Vertreter in Deutschland wie Artur Axmann, der ehemalige Reichsbank-Chef Hjalmar Schacht, Hitlers »Hofbildhauer« Arno Breker, die Wehrmachtsgeneräle Heinz Guderian und Hermann Ramcke sowie der Waffen-SS-Kommandant Paul Hausser. Ebenfalls vertreten waren ehemalige Nazis und faschistische Kollaborateure im Ausland wie Otto Skorzeny und Hans-Ulrich Rudel, der Antisemit und Vertreter des Propagandaministeriums Johann von Leers, der Gründer der British Union of Fascists Oswald Mosley und der belgische Rexistenführer Léon Degrelle.115 Sie alle unterstützten Naumanns Programm. Anfang 1952 begannen die Mitglieder des Kreises mit der geheimen Strategieplanung. Wie die SRP versuchten sie, den Nationalsozialismus zu rehabilitieren und eine rechte politische Massenbewegung zur Wiederherstellung des Deutschen Reiches zu mobilisieren. Naumann war nach wie vor von nationalsozialistischen Prinzipien überzeugt. »Man kann ein Ideal, an das man so lange wie ich geglaubt hat, nicht einfach ablegen«, schrieb er 1950.116 »Vielleicht halten die Ruinen der Reichskanzlei größere Werte, als sich die harsche Kritik erträumt.«117 Überzeugt, dass das NS-Regime »große Werke der sozialen Fürsorge« hervorgebracht habe, die der Volksgemeinschaft zugutegekommen seien, wies Naumann die kriminellen »Exzesse« des Regimes als »höchst unangenehme [...] Pubertätserscheinungen« zurück. Sie verblassten im Vergleich mit den »gigantischen Erfolgen« des Regimes in der Außenpolitik.118 Naumann trat für einen »bereinigten Nationalsozialismus« ein, der den Kampf gegen den Bolschewismus fortsetzte, den Wiederaufbau eines einheitlichen »nationalsozialistischen Reiches« förderte und die beherrschende Stellung Deutschlands in einer »gemeinsamen europäischen Ordnung« neu begründete.119 Im Gegensatz zur SRP sprach Naumann in der Darstellung seines Programms nicht explizit von einem »Vierten Reich«. Der Grund dafür lag wahrscheinlich weniger in einer ideologischen Abneigung gegen den Begriff – den er implizit mit der Forderung nach einem wiederbelebten Reich unterstützte – als vielmehr in taktischen Überlegungen. Angesichts des Verbots der SRP Anfang 1952 erkannte Naumann, dass er bei der Umsetzung seiner Agenda die aggressiven Methoden der Partei vermeiden musste.120 Anstatt eine traditionelle »propagandistische« Strategie zu verfolgen, ver153

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suchte er, nationalsozialistische Ideen in einem »neuen Stil« – einem »strengen, objektiven und ernsten« Stil – zu formulieren und sie langsam in die politische Kultur der Bundesrepublik einzuführen.121 Ein vorzeitiger Eintritt in das politische System werde nur Proteste im Ausland und Repressionen im Inland hervorrufen.122 Aus diesem Grund empfahl Naumann den Einsatz »evolutionärer« und nicht »revolutionärer Mittel«, um eine einheitliche nationale politische Partei zu gründen.123 Er hoffte, im Hintergrund zu bleiben und rechtzeitig zu den Bundestagswahlen 1957 in die Öffentlichkeit zurückzukehren.124 Jener »Tag des Handelns« werde kommen und er könne schließlich auf das »Wiedererstehen des Reiches als Ordnungsmacht in Mitteleuropa und als bewährten Schutzwall ... gegenüber dem Osten« hinwirken.125 Erste Schritte in diese Richtung unternahm Naumann, indem er eine mögliche Zusammenarbeit mit Vertretern der Mitte-rechts stehenden Freien Demokratischen Partei (FDP) auslotete. Im August 1950 wandte sich der prominente Essener Anwalt und FDP-Politiker Ernst Achenbach an Naumann und erkundigte sich nach dessen Interesse, ehemalige Nationalsozialisten in die Partei einzuschleusen. Achenbach war ab 1937 NSDAP-Mitglied und dem NS-Regime eng verbunden; er war als Attaché im diplomatischen Stab des deutschen Botschafters in Vichy-Frankreich, Otto Abetz, in Paris tätig gewesen und an der Deportation von Juden in Lager im Osten beteiligt.126 Nach dem Krieg verteidigte Achenbach verschiedene NS-Funktionäre, die in Nürnberg vor Gericht standen, und schloss sich rechten Gruppen an. 1950 begann er mit dem nordrhein-westfälischen FDP-Vorsitzenden und stellvertretenden Bundesvorsitzenden Friedrich Middelhauve zusammenzuarbeiten, um der Partei einen scharfen Rechtsruck zu verordnen. Als langjähriger Kritiker des Weimarer Parlamentarismus wollte Middelhauve, dass die FDP einen neuen konservativen Block, die »Nationale Sammlung«, rechts von der CDU gründe, der eine dritte große Partei in der westdeutschen Parteienlandschaft darstellen sollte.127 Die FDP solle ein Bündnis mit der DP und dem BHE eingehen und deren Basis aus ehemaligen NSDAPWählern umwerben.128 Achenbach war dagegen daran interessiert, Naumann einzuspannen, um ehemalige Nationalsozialisten in Führungspositionen in der FDP zu hieven.129 In der Folge rekrutierte Naumann eine neue Gruppe prominenter ehemaliger Nationalsozialisten für seinen wachsenden Kreis und gliederte sie 154

Die Naumann-Affäre

enger an die FDP an.130 Einer der wichtigsten war der Völkerrechtsprofessor, ehemalige Nationalsozialist und fanatische Antisemit Friedrich Grimm, der 1951 gemeinsam mit Achenbach einen »Vorbereitenden Ausschuss zur Herbeiführung der Generalamnestie« gründete, der bei den Alliierten für die Genehmigung eines umfassenden Amnestieprogramms für alle verurteilten nationalsozialistischen Kriegsverbrecher warb. Dank dieser Verbindung knüpfte Naumann Kontakte zu zwei besonders prominenten Mitarbeitern des Ausschusses von Achenbach und Grimm: dem ehemaligen GestapoMitarbeiter, stellvertretenden Chef des Sicherheitsdienstes von Heydrich und Reichskommissar für Dänemark Werner Best (der gerade erst aus vierjähriger dänischer Haft entlassen worden war) sowie dem ehemaligen SSObergruppenführer und für »Gegnerforschung« zuständigen Mitarbeiter des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA), Franz Alfred Six.131 Grimm und Achenbach halfen ferner bei der Einstellung des ehemaligen SS-Standartenführers, Mitarbeiter im Propagandaministerium und bekennenden Antisemiten Wolfgang Diewerge, der Middelhauves persönlicher Sekretär und Vorsitzender des NRW-Landesverbands wurde.132 Grimm brachte Naumann schließlich in Kontakt mit dem ehemaligen Leiter der Rundfunkabteilung des Propagandaministeriums und Angeklagten in den Nürnberger Prozessen Hans Fritzsche sowie mit dem Reichsjugendführer und Mitglied der WaffenSS Siegfried Zoglmann, der Naumanns Bemühungen um die Verbreitung von pronazistischen Artikeln in den deutschsprachigen Printmedien, insbesondere in dem FDP-Wochenblatt Die Deutsche Zukunft, förderte.133 Vor diesem Hintergrund unternahm Achenbach verstärkte Anstrengungen, um die FDP nach rechts zu rücken. Die wichtigste Maßnahme war dabei die Präsentation eines neuen Parteiprogramms, des »Deutschen Programms«, auf dem Parteitag in Bad Ems im November 1952. Das von Zoglmann, Best, Grimm, Diewerge und Fritzsche verfasste Programm sah einen starken nationalistischen Kurs vor, der ein Ende der deutschen Westbindung, eine Außenpolitik des »dritten Wegs« zwischen den Supermächten des Kalten Krieges, das Ende der Entnazifizierung, eine Wiedergutmachung für ehemalige Nationalsozialisten und eine »Generalamnestie« für inhaftierte Kriegsverbrecher forderte.134 Auch eine Wiederherstellung eines Deutschen Reiches wurde in dem Dokument ausdrücklich begrüßt. Obwohl die Autoren die Verwendung des Adjektivs »viertes« vermieden, sprachen sie 155

3.  Der Rechtsruck des Vierten Reiches

sich zu Beginn des Deutschen Programms implizit dafür aus: »Wir bekennen uns zum Deutschen Reich als der überlieferten Lebensform unseres Volkes und als der Verwirklichung seiner Einheit.«135 Ferner forderten sie die Wiederherstellung des Reiches als »Einheitsstaat«, der den Deutschen die »Möglichkeit zur Entfaltung ihrer Eigenart« gebe, das »Unglück, das über uns kam«, zu überwinden und wieder »unsere Achtung in der Welt« zu erlangen.136 Das Deutsche Programm wurde von den FDP-Landesverbänden Hessen und Nordrhein-Westfalen unterstützt, von den Parteimitgliedern anderer Länder, die für ein liberaleres Programm eintraten, allerdings abgelehnt. Die Weigerung der FDP, das Deutsche Programm zu übernehmen, und die wachsende Opposition der Liberalen gegen den rechten Parteiflügel ließen bei Naumann Zweifel aufkommen, ob die FDP tatsächlich das Vehikel für ein Wiedererstarken des Nationalsozialismus werden könne.137 Dennoch beschloss er, sein Programm weiter voranzutreiben, und suchte das Gespräch mit anderen rechten Parteien, darunter dem BHE, der DP und der DRP. Die kommenden Wahlen 1953 würden, so hoffte er, »die letzten sein«, bei denen der Bundestag demokratisch gewählt werde.138 Aus diesen umstürzlerischen Zielen Naumanns wurde allerdings nichts. Mitte 1952 waren die Vertreter der britischen Besatzung und die Adenauer-Regierung auf Naumanns Pläne aufmerksam geworden, konnten sich zunächst jedoch nicht über das weitere Vorgehen einigen.139 Während die britischen Besatzer sofort gegen die Verschwörer vorgehen wollten, zog die Regierung Adenauer es vor, zunächst genügend Beweise sicherzustellen. Ende des Jahres beschloss der britische Hochkommissar Sir Ivone Kirkpatrick, den Naumann-Kreis im Alleingang auszuheben.140 In der Nacht vom 14. auf den 15. Januar 1953 starteten die Briten die »Operation Terminus«, verhafteten Naumann in seinem Haus und beschlagnahmten Tausende von Dokumenten, um das konspirative Programm des Gauleiter-Kreises zu belegen. Zur selben Zeit nahmen sie fünf weitere Mitglieder des Kreises fest und inhaftierten andere in den folgenden Wochen. Zur Erläuterung ihres Vorgehens erklärten die Briten in einem Kommuniqué, »eine Gruppe ehemals führender Nationalsozialisten habe geheime Pläne zur Wiederergreifung der Macht in Westdeutschland geschmiedet«; das Besatzungsstatut ermächtige die Briten zum Eingreifen, um eine »Bedrohung für die Sicherheit der alliierten Streitkräfte« zu verhindern.141 Sie beschrie156

Die Naumann-Affäre

ben den Naumann-Kreis ferner als Gefahr für das Grundgesetz, die europäische Einheit und die westliche Verteidigung.142 Die angloamerikanische Presse reagierte schockiert auf die Meldung. Die Rückkehr dessen, was die New York Herald Tribune als »Neues Nazigespenst in Westdeutschland« bezeichnete, erfüllte Beobachter mit großer Sorge.143 In ihrer Titelgeschichte beschrieb die New York Times die Verschwörung als »die erste bekannte ernsthafte Verschwörung zur Wiederherstellung der nationalsozialistischen Macht in Deutschland« und veröffentlichte einen Leitartikel, in dem sie erklärte: »Der Neonazismus geht zwar nur von einer Minderheit aus ..., [doch] mit der Zeit und bei einer gewissen Verkettung von Umständen könnte eine Form des Nazismus wieder die Macht in Deutschland übernehmen.«144 In Großbritannien berichtete die Daily Mail über den »Komplott, aus der schwelenden Asche des alten ein neues NS-Regime zu errichten«, während sich Naumann laut Londoner Times als »Führer der Zukunft« sah.145 In Frankreich schrieb Le Monde von »den alten Nazis, die ihr Haupt in Westdeutschland erheben«.146 Jüdische Gruppen wie das American Jewish Committee äußerten ihre Besorgnis, ebenso Organisationen wie die Society for the Prevention of World War III, die die »Gefahr des Naumann-Kreises« als weiteren Beweis für »die Renazifizierung Deutschlands« deutete.147 Wie bei der Berichterstattung über die SRP betonten viele Zeitungen, der Naumann-Kreis habe sich für die Gründung eines Vierten Reiches eingesetzt. Zu einer Zeit, da die Einzelheiten der Verschwörung noch nicht bestätigt waren, schrieb Sefton Delmer: »[E]s ist keineswegs unmöglich, dass Naumann Hitlers Testament als heiligen Treuhandfonds zum Wiederaufbau des Vierten Reiches betrachtet. Naumann könnte durchaus die ersten Schritte in diese Richtung unternommen haben.«148 Die Jerusalem Post beschrieb die Verhaftungen als »ersten großen Komplott zur Gründung eines ›Vierten Reiches‹ nach dem Krieg«.149 In den Vereinigten Staaten veröffentlichten The Cleveland Plain-Dealer, The Los Angeles Times und The Boston Globe ähnliche Berichte – allerdings mit der fälschlichen Behauptung, Naumanns Vision für ein »Viertes Reich« sei »von den Kommunisten unterstützt« worden.150 Spätere Berichte über die Bemühungen anderer rechter westdeutscher Gruppen um die Gründung eines »Vierten Reiches« sowie die Veröffentlichung der Ergebnisse einer HICOG-Umfrage, wonach die 157

3.  Der Rechtsruck des Vierten Reiches

Deutschen zunehmend den Nationalsozialismus unterstützten, befeuerten die Sorge, die Bundesrepublik könnte tatsächlich zu einem wiederbelebten Reich werden.151 Die westdeutsche Reaktion auf die alliierte Operation fiel dagegen kritischer aus. Deutsche Journalisten beschwerten sich, dass die Verhaftungen von den britischen und nicht von den deutschen Behörden durchgeführt worden seien und damit gegen die Souveränität Deutschlands verstoßen hätten; die britischen Behörden hätten bei der Verhaftung der Verschwörer gegen Habeas-Corpus-Regeln verstoßen; auch ließen sie das Gespenst des Nationalsozialismus möglicherweise absichtlich wiederaufleben, um die Integration Deutschlands in das westliche Militärbündnis zu verzögern. Außerdem seien die Verhaftungen womöglich dazu gedacht, die FDP als Koalitionspartner der CDU zu diskreditieren und die Partei Adenauers in eine große Koalition mit der SPD zu zwingen.152 Alle diese Kritiker bezweifelten, dass die Naumann-Gruppe eine ernsthafte Bedrohung für die Bundesrepublik darstellte. Nach Ansicht der Welt waren die Verschwörer nicht mehr als »pathologische Narren«.153 Der Spiegel verglich die »Operation Terminus« mit der »Operation Selection Board«, denn bei beiden handele es sich um politisch motivierte Kampagnen gegen kleine Geheimbündeleien.154 Wie das Magazin abschließend feststellte, waren ausländische Journalisten nicht imstande, zu erkennen, dass der Gauleiter-Kreis kaum mehr als eine »Nostalgiegesellschaft« war; nur deswegen verzerrten sie das demokratische Gesicht Westdeutschlands in einen »NS-Totenschädel«.155 Trotz dieser Kritik unterstützten westdeutsche Politiker das Vorgehen der britischen Behörden. Wie zu erwarten, nutzte die SPD-Spitze die Verhaftungen, um die Laxheit der CDU im Umgang mit dem wiedererstarkenden Nationalsozialismus zu kritisieren.156 CDU-Politiker äußerten sich jedoch ebenso besorgt. Nach Aussagen von Innenminister Thomas Dehler war Naumann ein gefährlicher »Hüter des nationalsozialistischen Geistesgutes«, der Menschen um sich sammelte, die »einen neuen autoritären Staat nationalsozialistischen Gepräges« anstrebten.157 Selbst Adenauer erwies sich als kooperativ. Obwohl er sich öffentlich über den Alleingang der Briten beschwerte, bekannte er im kleineren Kreis, die Verhaftungen hätten es ihm erspart, gegen die Naumann-Gruppe vorzugehen, was die CDU bei den kommenden Wahlen 1953 rechte Wählerstimmen hätte kosten können. 158

Die Naumann-Affäre

Ohne sich über eine Stärkung der rechten Flanke Gedanken machen zu müssen, war der Kanzler zuversichtlich, dass die Bundesrepublik noch einmal davongekommen und in Zukunft besser gewappnet sei. Tatsächlich glaubte er, die Gefahr eines zukünftig wiederauflebenden Nationalsozialismus sei gebannt.158 Die Aufdeckung der Naumann-Affäre schien die Kritiker in dem Glauben zu bestätigen, sie habe nie eine echte Bedrohung für die Bundesrepublik dargestellt. Nachdem die Briten im März 1953 die Strafverfolgung des Naumann-Kreises an die Adenauer-Regierung übergeben hatten, fanden die deutschen Behörden bei den anschließenden Ermittlungen nicht genügend Beweise für das Bestehen einer »nationalsozialistischen Organisation«, die eine Gefahr für die alliierten Streitkräfte darstelle.159 Die Anklage wurde schließlich fallen gelassen und Naumann und seine Kollegen am 28. Juli 1953 aus der Haft entlassen. Diese Entscheidung schien die Zweifel an einer neonazistischen Verschwörung zu bestätigen. In der Folge versuchte Naumann, seine neu gewonnene landesweite Bekanntheit für die Kandidatur um ein politisches Amt zu nutzen. Nachdem er sich im Sommer 1953 in einem eilig veröffentlichten Buch mit dem Titel Nau Nau gefährdet das Empire zum patriotischen Opfer einer Intrige der Alliierten stilisiert hatte, beschloss er, bei den kommenden Bundestagswahlen zusammen mit Hans-Ulrich Rudel und anderen auf der Liste der rechten DRP anzutreten.160 Die Menschen strömten zu seinen Wahlkampf-Veranstaltungen, was westliche Zeitungen zu der Frage bewog, ob er ein »neuer Hitler« sei.161 Letztlich wurden seine Erwartungen jedoch enttäuscht.162 Bei einem Auftritt in Kiel wurde er mit faulen Eiern und Tomaten beworfen; Ende August musste er sich einem verspäteten Entnazifizierungsverfahren unterziehen, da die nord-rhein-westfälische Landesregierung ihn als »Hauptschuldigen« einstufte und seine Kandidatur blockierte.163 Wie beim SRP-Verbot bekräftigte der Entzug des aktiven wie passiven Wahlrechts für Naumann den festen Willen der westdeutschen Regierung, die Demokratie gegen rechtsextreme Gefahren zu verteidigen. Die Wahlen im September bestätigten den mangelnden Zuspruch neonazistischer Kräfte in Westdeutschland.164 Die CDU konnte mit 45,2 Prozent der Stimmen leichte Zugewinne verbuchen und ihr Ergebnis von 1949 verbessern. Sämtliche rechtsgerichtete Parteien, darunter die FDP, die DP, die 159

3.  Der Rechtsruck des Vierten Reiches

DRP und der BHE, verloren dagegen an Unterstützung.165 Das Ergebnis zeigte, wie schwierig es war, eine »nationale Oppositionspartei« rechts von der CDU zu gründen.166 Adenauer war es gelungen, viele der Wähler, die zuvor zu rechtsextremen Parteien wie der SRP tendiert hatten, für sich zu gewinnen.167 Westdeutsche Wähler lehnten den Rechtsradikalismus damit klar ab. Ungeachtet dieser Botschaft gab Naumann nicht auf und versuchte, nachdem er 1954 in allen Punkten freigesprochen worden war, ins politische Leben zurückzukehren. Zu diesem Zeitpunkt war es jedoch zu spät. Naumann zog sich schließlich in die Privatwirtschaft zurück und wurde von Joseph Goebbels’ Stiefsohn Harald Quandt in den Vorstand der Firma Busch-Jaeger, einem Hersteller von Elektrotechnik, berufen.168 Die unmittelbare Gefahr einer nationalsozialistischen Unterwanderung des politischen Systems Westdeutschlands war damit gebannt.

Eine Neuauflage der Renazifizierungsdebatte Mit dem Verbot der SRP und der Aufdeckung der Naumann-Affäre vermied die Adenauer-Regierung eine schwere Krise; gleichwohl gaben die beiden Episoden der Renazifizierungsdebatte erwartungsgemäß neuen Auftrieb. Von 1952 bis etwa 1955 veröffentlichten Kritiker und Verteidiger der Bundesrepublik eine Flut von Büchern und Artikeln über das Ausmaß, in dem das Land von unbeirrbaren Nazis bedroht wurde. Dabei ging es nicht nur um eine Bewertung der aktuellen Politik, sondern auch um die Erinnerung an die Vergangenheit. Diejenigen, die Deutschland misstrauisch gegenüberstanden, betonten, wie wichtig es sei, die Lehren aus dem Dritten Reich wachzuhalten und ehemalige Nazis für ihre früheren Taten zur Rechenschaft zu ziehen. Die Verteidiger der Bundesrepublik hielten dagegen die Amnestie- und Amnesiepolitik Adenauers für die Demokratisierung des Landes am förderlichsten. Im Lauf der Zeit verwob sich die Debatte mit der laufenden Diskussion darüber, ob die Bundesrepublik ein Viertes Reich werden würde. Eine der kritischsten Darstellungen war das Buch Germany Plots with the Kremlin (1953) des in die USA ausgewanderten deutschen Journalisten T. H. Tetens.169 Ausgehend von Berichten über die Tätigkeit ehemaliger Nationalsozialisten in der westdeutschen Regierung, den Aufstieg der SRP und die 160

Eine Neuauflage der Renazifizierungsdebatte

von Adenauer erwirkten Zugeständnisse der Alliierten für eine Wiederbewaffnung Westdeutschlands, warnte Tetens, die Bundesrepublik verfolge heimlich einen raffinierten Plan, um »ein Viertes Reich frei von der Kontrolle der Alliierten zu errichten«.170 Der Gipfel der Torheit sei es, zu glauben, die »politische Haltung der Deutschen habe sich geändert oder sie könnten als zuverlässiger Bündnispartner gelten«.171 Kurzfristig werde Westdeutschland möglicherweise gern amerikanische Hilfe annehmen, um wiederaufzurüsten und seine wirtschaftliche Stärke zurückzuerlangen; letzten Endes werde es das westliche Bündnis aber aufgeben und ein Abkommen mit den Sowjets schließen, um ein »dritter Machtblock« unabhängig von den Supermächten zu werden.172 Tetens’ Ansicht nach ging der Plan zur Schaffung eines von Deutschland beherrschten vereinten Europas auf die NS-Zeit zurück, in der er »ein strategisches Ziel von Hitlers Drittem Reich war«.173 Gegen Ende des Krieges habe der Plan an Eigendynamik gewonnen, da das Oberkommando eine Chance zur Rehabilitierung Deutschlands erkannt habe: Wenn alle europäischen Länder nach 1945 »ihre Souveränität aufgäben«, würde Deutschland »automatisch die Gleichheit erlangen und das Vaterland sein Stigma verlieren«.174 Für Tetens bewies die personelle Kontinuität vom Dritten Reich bis zur Adenauer-Regierung, dass der Kanzler »einen Plan der Nationalsozialisten ... ausführt«.175 Neonazistische Bewegungen gewännen täglich an Stärke »und viele von ihnen tönen, es werde ab 1956 wieder eine Nazidiktatur geben«.176 Sein Fazit stellte Tetens seinem Buch als Vorwort in Form eines »offenen Briefs an Präsident Eisenhower« voran: »Wir haben nicht unsere Lehren aus der Vergangenheit gezogen. Innerhalb einer Generation sind wir zweimal in den Krieg gezogen, um den deutschen Aggressoren Einhalt zu gebieten. ... Wenn es nach den Deutschen geht, wird es wieder passieren ... und die Vereinigten Staaten werden ... vor der größten Katastrophe ihrer Geschichte stehen.«177 Etwa zur gleichen Zeit vertrat der ungarisch-jüdische Journalist Hans Habe in seinem Buch Our Love Affair with Germany (1953) eine ähnliche Position.178 Wie Tetens kritisierte Habe die Besatzungspolitik der Alliierten und behauptete, sie habe »den Boden für den neuen Nationalsozialismus« in der Bundesrepublik bereitet.179 Insbesondere kritisierte er die Entscheidung der Alliierten, Deutschland als Teil des westlichen Bündnisses wiederaufzurüsten, was für ihn einer Renazifizierung gleichkam.180 Habe sorgte sich je161

3.  Der Rechtsruck des Vierten Reiches

doch auch um die innenpolitischen Entwicklungen in der Bundesrepublik. Der Aufstieg von FDP, DP, BHE und SRP beweise, dass »die Nazis bereits zurück« und zu einem »Sturz der Regierung« entschlossen seien.181 Ihre Strategie bestehe darin, »unterirdisch zu wühlen« und die existierenden Parteien der Bundesrepublik zu unterwandern, bis sie bereit seien, »an die Oberfläche zu kommen«.182 Dann wäre die Bundesrepublik das mächtigste Land Europas und würde »zu einer Regierungsform zurückkehren, die sich nicht nationalsozialistisch nennen darf, die aber im Wesentlichen dieser Beschreibung entspricht«.183 Die einzige Möglichkeit, dies zu verhindern, bestehe darin, die Erinnerung wachzuhalten. Nur wenn die USA eine »Generalamnestie« für ehemalige Nazis ablehnten und ihnen den Beitritt zur Bundeswehr verwehrten, sei »eine Renazifizierung zu verhindern«.184 Sowohl Tetens’ als auch Habes Buch fanden eine breite Leserschaft und zahlreiche Unterstützer, doch ihre Thesen waren nicht unumstritten.185 Beide Autoren betonten, eine fehlende Erinnerungskultur habe westlichen Beobachtern den Blick für die Gefahr eines wiedererstarkenden Nationalsozialismus verstellt; Kritiker dagegen wandten ein, ein Übermaß an Erinnerung habe die Gefahr überhaupt erst derart aufgebauscht. Tonangebend unter diesen Stimmen war dabei der deutsch-amerikanische Publizist Norbert Muhlen, der in seinem Buch The Return of Germany (1953; deutsch: Zweimal Deutschland) sowie in einer Reihe von etwa gleichzeitig erscheinenden Aufsätzen behauptete, der Nazismus habe seine Macht in der Bundesrepublik verloren.186 Laut Muhlen waren die meisten Deutschen, abgesehen von einem »kleinen harten Kern von Nazis«, während des Dritten Reiches »passive Nichtnazis« und bildeten die »unpolitische Mehrheit« der Bevölkerung in der Bundesrepublik.187 Es gebe somit wenig Anlass, eine Bedrohung durch die SRP zu befürchten, zumal die Partei aufgrund mangelnder Führungsstärke und fehlender Massenbasis »zum Scheitern verurteilt« sei.188 Muhlen war besorgt, dass westliche Beobachter die Stärke des Neonazismus in Deutschland dennoch überbewerteten. Dieser Alarmismus entspringe dem psychologischen Bedürfnis, die Fehleinschätzung des Nationalsozialismus in den 1930er-Jahren wiedergutzumachen und sich heute nicht »schuldig zu machen, ein neues NS-Regime in Deutschland zu tolerieren«.189 Der Wunsch, sich an die Lehren der jüngsten Vergangenheit zu erinnern, sei zwar gut gemeint, fördere aber eine Sicht, wonach »Deutschland 162

Eine Neuauflage der Renazifizierungsdebatte

für immer nationalsozialistisch« sei, und verstelle den Blick auf die neue demokratische Realität des Landes.190 Schlimmer noch werde die Demokratisierung der Bundesrepublik jedes Mal erschwert, wenn amerikanischen Medien eine »pauschale Deutschenfeindlichkeit« an den Tag legten, denn diese Medien lieferten deutschen Rechten eine Ausrede, um demokratische Reformen zu vermeiden und zu behaupten: »Sehen Sie, die Amerikaner ... haben kein Vertrauen in uns, egal, was wir tun!«191 »Wir können nicht auf ein stabiles, freies Deutschland hoffen«, schloss Muhlen, »wenn wir es vor allem in furchterregenden Klischees auf der Grundlage der Verbrechen des NSRegimes sehen; wenn wir die deutsche Nation als einen für immer uneinsichtigen Verbrecher behandeln, geben wir die reale Möglichkeit der Erneuerung auf.«192 Andere Kritiker teilten Muhlens Bedenken. In einem Essay im Magazin Commentary beklagte der Schweizer Journalist Peter Schmid im November 1953 den Hang zu vieler amerikanischer und deutsche Beobachter, »den Nazismus überall lauern zu sehen, unverändert unter der demokratischen Maske und nur auf eine weitere Chance wartend, sein Haupt zu heben«. Damit hätten sie Werner Naumann erst zu einer »bedeutsamen politischen Figur« gemacht. Diese Überreaktion sei ‒ zusammen mit der panischen Reaktion der Alliierten auf Otto Ernst Remer ‒ Ausdruck der Tendenz, »optischen Täuschungen« zum Opfer zu fallen und »einen drittklassigen Nazi zu einem neuen Hitler zu stilisieren«.193 Doch diese Vorgehensweise könne sich als Bumerang erweisen und zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden, in der sich die Vergangenheit wiederhole. In einem anderen, zuvor erschienenen Artikel in Commentary behauptete der Schweizer Journalist Herbert Lüthy im Februar 1952, erst die Zweifel ausländischer Beobachter an der Richtigkeit der Integration der Bundesrepublik in das westliche Bündnis drohten den von ihnen befürchteten Nationalismus zu schüren. Ein derartiges Wiederaufflammen würde es der Welt auf paradoxe Weise ermöglichen, »die Meinungen [zu rechtfertigen], die sie schon immer über ein ewig unverbesserliches Deutschland vertreten hat«.194 Nach der NaumannAffäre teilte Richard Lowenthal in The New Leader diese Auffassung und erklärte, sofern die Briten keine echten Beweise einer Bedrohung vorlegten, würden »nationalistische Politiker in Deutschland« die Verhaftungen als Teil einer »antideutschen« Kampagne abstempeln, die den Namen der Bun163

3.  Der Rechtsruck des Vierten Reiches

desrepublik in der Weltöffentlichkeit in den Schmutz ziehen solle.195 In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ging der westdeutsche Journalist Paul Sethe sogar so weit, zu behaupten, die Naumann-Verhaftungen hätten in Wirklichkeit die Unterstützung der Deutschen für den Nazismus gefördert.196 Sein Kalkül war offensichtlich: Nur wenn die Deutschen die Möglichkeit hätten, die Vergangenheit zu vergessen und sich auf die Gegenwart zu konzentrieren, könne politische Stabilität hergestellt werden. Als Reaktion auf die Naumann-Affäre bestand das alarmistische Lager auf der Notwendigkeit der Erinnerung. Mit einer Reihe von Artikeln im Daily Express, die die Tätigkeit von ehemaligen Nazis im westdeutschen politischen Establishment aufdeckten, löste Sefton Delmer in Großbritannien 1954 eine Kontroverse aus.197 Angefangen mit seinem aufsehenerregenden Essay »How Dead is Hitler?«, behauptete Delmer, eine »geheime Camarilla« ehemaliger NSDAP-Mitglieder und SS-Männer im Kabinett Adenauer (darunter Flüchtlingsminister Theodor Oberländer, der Bundesminister für Besondere Aufgaben Waldemar Kraft, Wohnungsminister Victor-Emanuel Preusker, Bundesverkehrsminister Hans-Christoph Seebohm, der Chef des Bundeskanzleramts Hans Globke und der verstorbene Geheimdienstchef Reinhard Gehlen) setze sich dafür ein, dass »die Keime der demokratischen Freiheit bereits erstickt werden, bevor die neue Maschine überhaupt geboren ist«.198 Entsprechende Meldungen erbosten die westdeutsche Regierung, die Delmer im Gegenzug zu diskreditieren versuchte, indem sie Informationen über seine Rolle bei der Verbreitung »schwarzer Propaganda« für die britische Regierung während des Zweiten Weltkriegs enthüllte.199 Andere Publikationen teilten Delmers Einschätzung. 1954 schilderte Lord Russell of Liverpool in seinem Buch The Scourge of the Swastika (1954) anschaulich, wie Hitlers Nazischergen »Kriegsverbrechen ... in beispiellosem Ausmaß« als Teil eines »vorgefassten ... Plans zur Terrorisierung« aller Gruppen begingen, »die sich dem deutschen Plan zur Welteroberung widersetzen könnten«.200 Zwei Jahre später griff der britische Journalist Alistair Horne in seiner gemäßigteren Studie Return to Power: A Report on the New Germany (1956) die Skandale um die SRP und den Naumann-Kreis erneut auf und kam zu dem Schluss, wenn sich die Bedingungen in Westdeutschland nicht verbesserten, könnten ähnlich gesinnte Nationalisten »beim nächsten Mal durchaus eine bessere Chance haben«.201 164

Eine Neuauflage der Renazifizierungsdebatte

Im weiteren Verlauf der Renazifizierungsdebatte befürchteten viele Kritiker, die Bundesrepublik sei im Begriff, ein Viertes Reich zu werden. Ersten Anlass hierzu gaben die schwierigen Verhandlungen über den Deutschlandvertrag und die Europäische Verteidigungsgemeinschaft Anfang der 1950erJahre, die sich mit der schrittweisen Widerherstellung der vollen Souveränität bis 1955 noch verstärkten. Wo sich die »Umrisse des Vierten Reiches« am Horizont abzeichneten, schrieb Jacques Soustelle 1952 in Foreign Affairs, befürchteten die Franzosen, »der deutsche Hurrapatriotismus könne in vollem Umfang wiederaufleben«.202 Im selben Jahr befand der britische Historiker Sir Lewis Namier in seinem Buch Avenues of History, »sobald die Deutschen wieder Stärke und Handlungsspielraum erlangen«, würden sie den OstWest-Konflikt zu ihrem Vorteil ausnutzen und damit »ihr Viertes Reich gründen«.203 1955 stellte The Nation die Entscheidung des Westens infrage, »zur ›Verteidigung der Zivilisation‹ ein viertes Reich wiederzubewaffnen«; schließlich neigten die Deutschen dazu, sich in »Selbstmitleid, Angst, Hass, Feigheit und Eskapismus« zu suhlen, hatten aber in Wirklichkeit »weniger beizusteuern« als jedes andere Volk.204 The Pittsburgh Press kam schließlich zu dem Schluss, »mit der Ratifizierung der Vertrags von Paris entsteht das Vierte Reich«, das »eines Tages« für »eine nazistische Wiederbelebung« anfällig sein könne.205 Die alarmierendsten Einschätzungen kamen aus Ostdeutschland, wo Beobachter ein nationalsozialistisches Viertes Reich bereits angebrochen sahen. Dies zeigte eine Anthologie bissiger politischer Karikaturen des französischen Kommunisten Louis Mitelberg mit dem Titel Das vierte Reich (1955) .206 Das Buch mit rund fünf Dutzend Karikaturen zu verschiedenen Themen erschien zu einer Zeit, als die DDR-Regierung ihre Propagandakampagne gegen die westdeutsche »Renazifizierung« intensivierte.207 Die meisten Karikaturen setzten Westdeutschland mit einem wiederhergestellten NS-Staat gleich und zeigten Adenauer als Politiker, der im Namen der Westintegration mit finsteren NS-Funktionären, schaurigen SS-Männern und preußischen Wehrmachtsgenerälen kollaboriert. Wie der ostdeutsche Schriftsteller, Verleger und spätere Filmregisseur Walter Heynowski in seinem Vorwort schrieb, zeugten Mitelbergs Karikaturen von der »Solidarität ... der französischen Werktätigen mit der sich immer stärker zur Wehr setzenden westdeutschen Bevölkerung« und ihrem »immer stärker werdenden 165

3.  Der Rechtsruck des Vierten Reiches

Unter dem Titel Das Vierte Reich veröffentlichte ein ostdeutscher Verlag 1955 eine Sammlung antiwestdeutscher politischer Karikaturen des kommunistischen französischen Künstlers Louis Mitelberg. Auf dem Umschlag ist der westdeutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer zu sehen, der ungerührt eine Harfe aus Stacheldraht spielt.

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Zur Einordnung der Renazifizierungsdebatte

Zorn« gegen das »Vierte Reich«.208 Laut Heynowski verstand Mitelberg satirische Karikaturen als »Kunst der Wachsamkeit« und wollte mit seinen »Satiren gegen das ›Vierte Reich‹« »Augen und Hirne und Herzen« der Deutschen umstimmen. »Mitelberg ist ein Röntgenologe, der seine ›Patienten‹ gegen ihren Willen vor dem Schirm der Wahrheit durchleuchtet. In diesem Buch sind seine Röntgenzeichnungen vom ›Vierten Reich‹ aneinandergereiht. Das faule Fleisch des [westdeutschen] Wirtschaftswunders, die herausputzenden Kunststückchen der imperialistischen Haut [sic] Couture sind auf der Röntgenplatte verschwunden. Übrig bleiben das geflickte Knochengerüst und ein militaristisch und nazistisch verseuchter Organismus.« Mitelberg mache die Leser auf diese Realität aufmerksam und könne daher einen Beitrag dazu leisten, dass das prophetische Thema des Buches, »Das vierte Reich – Anfang und Ende«, eintrete.

Zur Einordnung der Renazifizierungsdebatte: Was wäre, wenn …? Mitte der 1950er-Jahre hatte die Renazifizierungsdebatte ihren Höhepunkt erreicht. In den Jahren darauf ging sie zurück und hinterließ ein widersprüchliches Erbe. Während die Diskussion von immer expliziteren Befürchtungen vor einem Vierten Reich geprägt war, wurde keine von ihnen je wahr. Westdeutschland erlag nie einem wiedererstarkenden Nationalsozialismus. Wissenschaftler halten die Ängste der 1950er-Jahre deshalb für übertrieben.209 Nach Ansicht der meisten beweisen das Ende der SRP sowie die Naumann-Affäre, dass für die Bundesrepublik nie die Gefahr bestand, zu einem Vierten Reich zu werden. Die Zerschlagung der nationalsozialistischen Bedrohung bestätigte Adenauers Politik, ehemalige Nazis in die demokratische Nachkriegsordnung Westdeutschlands einzubinden. In jüngerer Zeit haben Forscher diese Sicht jedoch infrage gestellt. Sie sehen die Bedrohung durch die Nationalsozialisten als ernstere Gefahr und fragen, ob es Alternativen zu Adenauers Amnestie- und Amnesiepolitik gegeben hätte. Bei der Darlegung ihrer Argumente haben beide Gruppen kontrafaktische Methoden angewandt. Adenauers Verteidiger haben »deterministische« kontrafaktische Überlegungen angestellt, die auf Stillstandsszenarien beruhen, 167

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und erklärt, dass die Geschichte bei einer anderen Herangehensweise nicht anders verlaufen wäre; daneben haben sie in »Albtraum«-Szenarien gründende »Beinahe«-Kontrafakte vorgelegt, um zu zeigen, dass es hätte schlimmer kommen können. Sie haben damit die Geschichte bestätigt, wie sie sich tatsächlich ereignet hat. Adenauers Kritiker hingegen haben die Historie hinterfragt und mithilfe kontrafaktischer Fantasieszenarien »verpasster Chancen« gezeigt, wie sie hätte besser verlaufen können. Die Behauptungen beider Gruppen sind zwar suggestiv, fanden aber meist nur beiläufig Erwähnung und haben nicht das gesamte Spektrum der kontrafaktischen Möglichkeiten erforscht. Wenn wir sie durch weitere »Was wäre, wenn?«-Szenarien ergänzen, können wir ihr volles Potenzial entfalten und besser erfassen, welche alternativen Geschichtsverläufe es hätte geben können.

Adenauers Fürsprecher Nach Ansicht vieler Historiker war Adenauers Politik der Integration ehemaliger Nationalsozialisten in den westdeutschen Staat eine sehr effektive Methode, um die Demokratisierung der Bundesrepublik zu gewährleisten.210 Manche sprechen sogar von einem dem »Wirtschaftswunder« vergleichbaren »Integrationswunder«.211 Als Adenauer im Herbst 1949 Kanzler wurde, bemühte er sich um die Gunst rechter Wähler, indem er versprach, das weithin verhasste Entnazifizierungsprogramm der Alliierten zu beenden.212 Insbesondere nach den Wahlergebnissen von 1949, die einen rechtsgerichteten Wahlblock aus ehemaligen Nationalsozialisten und revanchistischen Vertriebenen erkennen ließen, wurde Adenauer klar, wie wichtig es war, diese Wählergruppen in die CDU einzubinden und sie von einem Abdriften an neue rechtsextreme Parteien abzuhalten.213 Er bot rechtsgerichteten Wählern eine einfache, wenn auch strikte Abmachung an: Die neue westdeutsche Regierung würde ihnen durch die Verabschiedung eines großzügigen Amnestieprogramms ihre Unterstützung des Dritten Reiches verzeihen und es ihnen erlauben, in der Bundesrepublik Arbeit zu finden.214 Im Gegenzug mussten sie nationalsozialistischen Ideen abschwören und sich nachdrücklich zur Demokratie bekennen.215 Viele ehemalige Parteimitglieder akzeptierten das Abkommen bereitwillig, zumal sich die wirtschaftliche 168

Adenauers Fürsprecher

In den 1950er-Jahren verabschiedete die westdeutsche Regierung unter Bundeskanzler Konrad Adenauer ein großzügiges Amnestieprogramm, um ehemalige Nationalsozialisten in die deutsche Nachkriegsgesellschaft zu integrieren, sofern sie sich der demokratischen Nachkriegsordnung verpflichtet fühlten. Offen bleibt, ob es Alternativen zu diesem Kompromiss gab.

Situation in der Bundesrepublik zu Beginn der 1950er-Jahre zu bessern begann. Da der Zusammenbruch des Dritten Reiches der größte Misserfolg ihrer Karriere war, wollten die meisten ehemaligen Nationalsozialisten die Vergangenheit hinter sich lassen und begrüßten die Chance auf ein gewisses Maß an wirtschaftlicher Sicherheit.216 Nachdem rechtsgerichtete Parteien bei den Wahlen 1953 keine allzu großen Erfolge für sich verbuchen konnten, verloren die meisten ehemaligen Nationalsozialisten allmählich das Interesse am politischen Aktivismus und zogen sich ins Privatleben zurück.217 Fortan war die deutsche Demokratie gesichert. Es gab keinen Grund mehr, eine Rückkehr des Nationalsozialismus zu befürchten. 169

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Seit einiger Zeit wird diese Behauptung mit kontrafaktischen Argumenten untermauert. Mitte der 1980er-Jahre prägte der schweizerisch-deutsche Philosoph Hermann Lübbe die vielleicht bekannteste Formulierung mit der umstrittenen These: »Diese gewisse Stille [über die nationalsozialistische Vergangenheit] war das sozialpsychologisch und politisch nötige Medium der Verwandlung unserer Nachkriegsbevölkerung in die Bürgerschaft der Bundesrepublik Deutschland.« Da »die Mehrheit des Volkes« den Nationalsozialismus übernommen hatte, konnte die Nachkriegsordnung laut Lübbe schwerlich »gegen die Mehrheit des Volkes ... eingerichtet werden«.218 Ihr Wunsch, die Auseinandersetzung mit der jüngsten Vergangenheit zu vermeiden, musste also respektiert werden. Dies galt umso mehr, als es ohne die Beteiligung ehemaliger Nationalsozialisten »aus organisationstechnischen Gründen ... unmöglich gewesen [wäre], auf die Mitwirkung der zwar belasteten, aber doch inzwischen entnazifizierten Bürger an der Rekonstruktion des öffentlichen Lebens zu verzichten«.219 Lübbes These ist ein Beispiel für einen deterministischen Kontrafakt, einen hypothetischen Ausdruck der Überzeugung, dass der Lauf der Geschichte unvermeidlich sei. Viele Wissenschaftler haben diese Ansicht mit ähnlichen kontrafaktischen Überlegungen untermauert. Laut Christian Meier ist fraglich, ob »der Gesellschaft in den ersten Jahren der Bundesrepublik etwas anderes übrig blieb, als ... sich taub zu stellen und das Geschehene zu beschweigen«, während Götz Aly behauptet: »Ohne das Schweigen und Verdrängen wäre ein Neuanfang [für Deutschland] nicht möglich gewesen.«220 Solche Kommentare bescheinigen Adenauer implizit, eine kluge politische Entscheidung getroffen zu haben. Andere Wissenschaftler haben Lübbes These hingegen relativiert und darauf hingewiesen, dass der Kanzler keine andere Wahl hatte, als ehemalige Nationalsozialisten in die deutsche Nachkriegsgesellschaft zu integrieren. Nach Ansicht von Norbert Frei waren ehemalige Nazis aufgrund ihrer immensen Anzahl und ihres Wunsches nach Amnestie in der Lage, die Bedingungen ihrer Nachkriegsintegration zu diktieren.221 Wieder andere Wissenschaftler haben argumentiert, dass Adenauers Strategie zwar unvermeidlich, aber mit gewissen Kosten verbunden gewesen sei. Für Thomas Schmid gab es »keine Alternative zum Schweigen«, so »beschämend« dies auch gewesen sei.222 Aus einer etwas anderen Perspektive hat Edgar Wolfrum betont, dass 170

Adenauers Fürsprecher

Adenauer nur unter alliiertem Druck so gehandelt habe. »Wäre die Kontrolle der Alliierten nicht gewesen und hätten diese die deutschen Politiker nicht ständig ermahnt, [in der Frage der Amnestie ehemaliger Nationalsozialisten] engere Grenzen zu ziehen, wäre das Ergebnis vermutlich noch großzügiger und noch bedenklicher ausgefallen«.223 Adenauer sollte man diesen Wissenschaftlern zufolge nicht allzu sehr das zugutehalten, was unvermeidlich war. Lübbes These beruht jedoch nicht nur auf einem deterministischen Kontrafakt, sondern auf einem impliziten Albtraumszenario. Sie impliziert, dass die Demokratisierung Deutschlands in Gefahr gewesen wäre, wenn die Westdeutschen die nationalsozialistische Vergangenheit in den 1950er-Jahren nicht beschwiegen hätten – wenn sie zum Beispiel ehemalige Parteimitglieder moralisch geächtet hätten.224 Viele Beobachter haben sich damals wie heute dieser These angeschlossen. Anfang der 1950er-Jahre behauptete der amerikanische Militärgouverneur General Lucius Clay, »wenn man den Mitläufern nicht ihre Bürgerrechte und die Möglichkeit zu einem normalen Leben zurückgegeben hätte, hätte sich früher oder später eine ernsthafte Quelle politischer Unruhen entwickelt«.225 Der Historiker Hans-Ulrich Wehler schloss sich später dieser Schlussfolgerung an und spekulierte: Der »Verzicht auf einen rigorosen Bruch mit der Vergangenheit« hätte »ein rein numerisch gewaltiges Potenzial von Unzufriedenen, Diskriminierten, Bestraften« schaffen können, das sich zu einem »hochbrisanten, politischen Sprengstoff hätte verbinden« und die junge Demokratie in Westdeutschland hätte gefährden können.226 Hätten die Alliierten wirklich versucht, alle Menschen zu bestrafen, so hätte laut Fritz Stern »die Hälfte des deutschen Volkes vor Gericht gestanden« und man hätte »keine Demokraten aus ihnen machen können«.227 Noch schlimmer wäre es laut Klaus Epstein gewesen, wenn ehemalige Nationalsozialisten »in ein Getto des Elends und der Verzweiflung gedrängt worden wären«, denn dann hätte »die reale Gefahr bestanden, dass sie in den Neonazismus getrieben worden wären«.228 Auch auf ganz normale Bürger hätte sich dies negativ auswirken können. So lautet Rudolf Augsteins Fazit: »Kein Kanzler hätte reüssieren können, wenn er das Ungeheuerliche der jüngsten Vergangenheit in das Zentrum seines Tuns und Denkens gestellt hätte.«229 Deshalb sei Adenauers Strategie die richtige gewesen. 171

3.  Der Rechtsruck des Vierten Reiches

Vertretern dieser Position zufolge bestätigte der Erfolg, dass Adenauers Umgang mit der Bedrohung durch die SRP und den Naumann-Kreis in den frühen 1950er-Jahren richtig war. Zur Begründung haben sie kontrafaktische »Stillstands«-Szenarien entwickelt und gezeigt, dass sich die Geschichte dank größerer deterministischer Kräfte sehr wahrscheinlich nicht viel anders entwickelt hätte, als sie es tat. Nach Ansicht von Henning Hansen war es auch ohne eine Intervention vonseiten Adenauers oder der Alliierten wahrscheinlicher, »dass der Partei [...] die Luft ausgehen würde, als [dass sie] zu einer ernsten Bedrohung für die Bundesrepublik« geworden wäre.230 Was die Naumann-Affäre betrifft, so wäre sie Wissenschaftlern zufolge selbst ohne Eingreifen der Briten von selbst verschwunden. Wie Beate Baldow festgestellt hat, ist es »fragwürdig«, dass Naumann viele Stimmen erhalten hätte, wenn ihm 1953 nicht die Kandidatur für ein Amt untersagt worden wäre.231 Nach Ansicht von Günter Trittel können wir »davon ausgehen, dass Naumanns rückwärtsgewandte[r] [Plan] ... auch ohne [britische] Eingriffe von außen Schiffbruch erlitten hätte«, denn er habe seine persönliche Mobilisierungskraft »grotesk« überschätzt, ehemalige NSDAP-Wähler zu einer »weichgespülten« Version des Nationalsozialismus zu bewegen; ebenso verkannt habe er die Bereitschaft der Adenauer-Regierung, »Gegner von rechts wirkungsvoll zu bekämpfen«.232 Diesen Historikern zufolge sorgte Adenauers Integrationspolitik dafür, dass die nationalsozialistische Bedrohung unbedeutend blieb. Andere Wissenschaftler haben diese These relativiert. Sie stimmen zwar zu, dass Adenauers Amnestie- und Integrationspolitik letztendlich funktioniert habe, nehmen die Bedrohung durch ehemalige Nationalsozialisten jedoch ernster und sind der Überzeugung, dass sie nur dank der tatkräftigen Unterstützung der alliierten Besatzungstruppen ausgeschaltet wurde.233 Diese Wissenschaftler haben Beinahekontrafakte aufgestellt, um durchzuspielen, wie die Geschichte hätte schlimmer ausgehen können. Sie haben sich damit der Position von Sir Ivone Kirkpatrick angeschlossen, der seinerzeit maßgeblich an der Bekämpfung der Gefahr beteiligt war. In seinen Memoiren begründete Kirkpatrick die von ihm verfügte Festnahme Naumanns damit, dass dessen »Versuch, in die Politik einzutreten, kein isolierter Tatbestand«, sondern Teil eines breiteren »Wiederauflebens des Nazismus« in Verbindung mit Remers SRP gewesen sei: 172

Adenauers Fürsprecher

Wenn ich nicht gehandelt hätte, wären wir später niemals in der Lage gewesen, eine unabhängige deutsche Regierung wegen ihrer Toleranz gegenüber einem wiedererstehenden Nazismus anzuklagen. Darüber hinaus wären Naus politische Aktivitäten im Laufe der Zeit immer bekannter geworden und die träge Duldung durch die britischen Behörden hätte die demokratischen Kräfte in Deutschland auf gefährliche Weise abgeschreckt.234 Spätere Beobachter teilen diese Position. Ende der 1960er-Jahre behauptete K. S. Tauber, das nationalsozialistische Programm Naumanns »hätte durchaus gelingen können, wenn die Kader nicht [von den Briten] aufgelöst worden wären, bevor sie fest etabliert waren«.235 Laut Norbert Frei »wäre das Risiko eines organisatorischen Zusammenflusses der nationalistischen und nationalsozialistischen Strömungen in der deutschen Nachkriegspolitik ohne die permanente Einmischung der Alliierten wohl weitaus größer gewesen – und immerhin236 wusste damals niemand sicher zu sagen, ob es sich um letzte braune Rinnsale oder um neue trübe Quellwasser handelte«.237 Wieder andere Wissenschaftler sind weiter gegangen und haben sich die katastrophalen Auswirkungen einer fehlenden Präsenz der Alliierten in Deutschland vorgestellt. Ohne den Druck der Alliierten, so Kristian Buchna, wären die Deutschen nicht gegen die Naumann-Affäre vorgegangen, was es der FDP ermöglicht hätte, sich als populistische »nationalistische Partei rechts von der Union« zu etablieren, die den »Reichsbegriff« unterstützt hätte.238 Wieder andere haben betont, dass die Pläne ehemaliger Nationalsozialisten größere Aussichten auf Erfolg gehabt hätten, wenn der betreffende Zeitraum weniger stabil gewesen wäre. Ulrich Herbert hat darauf hingewiesen, dass die SRP wichtige Nationalsozialisten, die in der prosperierenden BRD meist aus wirtschaftlichen Gründen auf ihre politischen Ziele verzichteten, im Allgemeinen nicht für sich gewinnen konnte; er räumt jedoch ein, dass die hypothetische Frage nicht zu beantworten sei, »auf welche Weise diese Kreise in Zeiten politischer und sozialer Krisenlagen in Deutschland agieren würden«.239 Ähnlich konstatiert Trittel: »Entsprechend offen musste bleiben, ob nicht bei einer sich verschärfenden außen- wie innenpolitischen Krise nationalsozialistische Ideen in einem solchen Maße Zuspruch finden könnten, dass [...] eine ernsthafte Herausforderung der jungen 173

3.  Der Rechtsruck des Vierten Reiches

[deutschen] Demokratie durch einen organisierten Neofaschismus ... entstehen könnte.«240 All diese Behauptungen bestätigen zwar den tatsächlichen Lauf der Dinge, heben jedoch auf die Kontingenz und nicht auf die Unvermeidlichkeit der Ergebnisse ab.

Die Kritiker des Kanzlers Andere Wissenschaftler haben dagegen die Alternativlosigkeit von Adenauers Ansatz hinterfragt und kontrafaktische Fantasieszenarien mit positiverem Ausgang entwickelt. Diese Kritiker betonen die hohen Kosten von Adenauers Amnestiestrategie. Sie stellen zunächst fest, dass die westdeutsche Demokratie aufgrund der Tätigkeit von ehemaligen Nationalsozialisten in führenden Positionen auf ein unmoralisches Fundament des Vergessens und der Ungerechtigkeit gestellt wurde. Die Integration ehemaliger Nationalsozialisten habe außerdem den Boden für das Eindringen rechtsextremen Gedankenguts in die Nachkriegsgesellschaft und die Schwächung ihrer demokratischen Grundfesten bereitet.241 Diese Entwicklungen schürten laut Kritikern über Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs tiefes Misstrauen unter ausländischen Beobachtern gegenüber der Bundesrepublik. Darüber hinaus säte die Amnestiestrategie in Westdeutschland letztendlich den Samen der sozialen Spaltung, der sich im Generationenkonflikt der 1960er-Jahre entladen sollte. Seitdem sei die Bundesrepublik in Bezug auf den Umgang mit einer »Vergangenheit, die nicht vergehen will«, zutiefst gespalten.242 Diese Kommentatoren bestehen darauf, dass es Alternativen zu Adenauers Politik gab. Hannah Arendt und Walter Dirks kritisierten bereits in der frühen Nachkriegszeit die »restaurative« Ausrichtung der Bundesrepublik und fragten sich, ob eine »Revolution« möglich gewesen wäre.243 Seitdem haben Wissenschaftler verschiedene Varianten dieser These aufgestellt. Anfang der 1980er-Jahre bestritt Hans-Ulrich Wehler Hermann Lübbes These von der Unvermeidlichkeit des Schweigens mit der Begründung: »Man konnte die Belasteten vor die Gerichte bringen. … Die sozialen Kosten sind klar: die Funktionstüchtigkeit der Verwaltung, der Justiz, der Wirtschaft. Es wäre aber wegen der Barbarei der NS zu verteidigen gewesen.«244 Ähnlich 174

Die Kritiker des Kanzlers

Wäre die deutsche Nachkriegsdemokratisierung mehr oder weniger erfolgreich verlaufen, wenn der SPD-Vorsitzende Kurt Schumacher statt Konrad Adenauer Kanzler gewesen wäre?

hat Wilfried Loth kritisiert, dass die politischen Eliten der 1950er-Jahre »auf die unterschwelligen Drohungen der [NS-]Täter und ihrer Lobbyisten hereingefallen sind«. Seiner Ansicht nach hätte Adenauer im Umgang mit der NS-Vergangenheit mehr Risiken eingehen können, ohne die Stabilität des Landes zu gefährden; es sei nicht einzusehen, dass »eine stärkere Heranziehung der Emigranten die Demokratisierung gefährdet hätte«.245 Für Peter Graf Kielmansegg bestand eines von Adenauers »gravierendsten Versäumnissen« darin, Beamte – insbesondere Richter – nicht der strengen Kontrolle zu unterwerfen, der sich die Offiziere und Generäle der Bundeswehr zu unterziehen hatten.246 Und Klaus Epstein zufolge hätte Adenauer ehemalige Nationalsozialisten »durch andere Methoden außer eine Kabinettsbesetzung« integrieren können.247 Die beste Aussicht auf eine alternative Herangehensweise hätte nach Ansicht einiger Wissenschaftler dann bestanden, wenn Konrad Adenauer niemals Kanzler geworden wäre. Ihrer Ansicht nach wäre die Geschichte besser 175

3.  Der Rechtsruck des Vierten Reiches

verlaufen, wenn statt Adenauer sein Rivale aus der SPD, Kurt Schumacher, Kanzler geworden wäre. Laut Jeffrey Herf hätte Schumacher »einen anderen Weg der Demokratisierung in Westdeutschland einschlagen können ..., [der] die Herrschaft des Volkes mit einer scharfen moralischen und rechtlichen Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen« verbindet.248 Ähnlich meint Jason Dawsey: »man könnte sich ein ganz anderes kulturelles und politisches Klima der Vergangenheitsbewältigung in der BRD vorstellen, wenn sich statt Adenauer Kurt Schumacher durchgesetzt hätte.«249 Peter Merseburger schließlich schreibt: »wenn die Sozialdemokraten die ersten Bundestagswahlen gewonnen hätten und Schumacher Kanzler geworden wäre«, wäre seine »neue Herangehensweise sowohl politisch als auch kulturell viel entschlossener gewesen«.250

»Was wäre, wenn?« – Szenarien im Vergleich Es ist schlechterdings unmöglich, zu beurteilen, inwieweit diese widerstreitenden kontrafaktischen Behauptungen zutreffen; wir können sie jedoch durch zusätzliche »Was wäre, wenn?«-Fragen auf ihre relative Plausibilität hin abklopfen. Um zum Beispiel den Erfolg von Adenauers Amnestiepolitik zu bewerten, können wir Spekulationen darüber anstellen, wie sie hätte kontraproduktiv sein können. Wir können außerdem untersuchen, ob Schumachers Ansatz – wenn er denn verfolgt worden wäre – die Dinge besser oder schlechter gemacht hätte. Schließlich können wir fragen, ob eines dieser beiden alternativen Szenarien eine Rückkehr der Nationalsozialisten an die Macht ermöglicht hätte. Je häufiger die Antwort ja zu sein scheint, desto begründeter erscheinen die Nachkriegsängste vor einem Vierten Reich.

Adenauer – eine gescheiterte Kanzlerschaft? Obwohl Adenauers Politik unbestreitbare Verdienste hatte, war sie auch mit klaren Risiken verbunden. Zum einen unterschätzte sie wahrscheinlich die potenzielle Gefahr einer Unterwanderung durch die Nationalsozialisten. Über weite Teile der Nachkriegszeit hielten Wissenschaftler es für ausge176

Adenauer – eine gescheiterte Kanzlerschaft?

schlossen, dass ehemalige Nationalsozialisten eine Bedrohung für den westdeutschen Staat darstellten, da sie das Thema mit kommunistischen Propaganda- und Schundthrillern verbanden.251 In den letzten Jahren haben Wissenschaftler das Thema jedoch ernster genommen und die schockierend hohe Anzahl von ehemaligen Nationalsozialisten im westdeutschen politischen Establishment der frühen Nachkriegszeit enthüllt. Um nur einige Beispiele zu nennen: Schätzungsweise 80 Prozent der Richter des Landes (und ein ähnlich hoher Prozentsatz des Personals des Bundesgerichtshofs) waren ehemalige NSDAP-Mitglieder; zwei Drittel des Führungspersonals des Bundeskriminalamtes (BKA) waren ehemalige SS-Männer und ein Großteil des Personals des Bundesnachrichtendienstes (BND) hatte für die Gestapo, die SS und den SD gearbeitet. Viele ehemalige Nationalsozialisten waren auch im Auswärtigen Amt (AA) und im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) beschäftigt.252 Die Zahlen sind zwar überwältigend, allerdings schwierig zu interpretieren. Einige Wissenschaftler sind zu dem Ergebnis gekommen, dass von ehemaligen Nationalsozialisten keinerlei »Gefahr für das Funktionieren des demokratischen Staates ausgegangen« sei.253 Andere haben diese Abwiegelung angezweifelt und gezeigt, wie ehemalige Nazis die Integrität der westdeutschen Nachkriegsinstitutionen auf verdeckte Weise gefährdeten. So verhängte die Justiz nach 1945 beispielsweise durchweg milde Urteile für ehemalige Nazis und selbst Kriegsverbrecher.254 Mitarbeiter des BND, des BKA, des BfV und des AA halfen ehemaligen Nazis wie Adolf Eichmann und Klaus Barbie, sich der Enttarnung und Verhaftung im Ausland zu entziehen.255 Schließlich erklärt die Anstellung von ehemaligen Nationalsozialisten beim Spiegel, dem wichtigsten Nachrichtenmagazin der Bundesrepublik, warum die nationalsozialistischen Bedrohung Anfang der 1950er-Jahre im Allgemeinen verharmlost wurde, und stellt die Objektivität der frühen deutschen Medienberichterstattung in der Nachkriegszeit infrage.256 All diese Beispiele werfen Fragen nach der Wirksamkeit von Adenauers Integrationsstrategie auf. Obwohl sie als Erfolg gewertet wurde, war sie möglicherweise weniger effektiv als angenommen. Es gelang ihr offensichtlich nicht, die unbeirrten, ideologisch überzeugten Nazianhänger der SRP und des Naumann-Kreises zu integrieren, von denen keiner die Rechtmäßigkeit der Bundesrepublik akzeptierte. Auch einige der »Mitläufer«, die aus 177

3.  Der Rechtsruck des Vierten Reiches

opportunistischen Gründen der NSDAP beigetreten waren, wurden möglicherweise nicht vollständig integriert. Unklar bleibt, wie sehr sich diese ehemaligen Parteimitglieder wirklich zur Demokratie bekannten. Ein Großteil der Unterstützung, die ehemalige Nazis für die Bundesrepublik bekundeten, beruhte auf wirtschaftlichen Überlegungen und entsprang nicht echten politischen Überzeugungen.257 Tatsächlich führten einige ehemalige Nazis im politischen Establishment der Nachkriegszeit ein »Doppelleben«: Nach außen hin unterstützten sie die Demokratie, doch insgeheim blieben sie rechten Prinzipien verhaftet.258 Trotz solcher Beweise haben nur wenige Wissenschaftler die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass die Unterstützung dieser ehemaligen Nazis für die Demokratie – und ihre Lossagung vom Nationalsozialismus – nicht nur vorübergehender, sondern dauerhafter Natur gewesen sein könnte.259 Nur wenige Forscher haben Szenarien in Betracht gezogen, in denen ehemalige Parteimitglieder ihr Engagement für die Bundesrepublik noch einmal überdachten und in alte Muster zurückfielen. Was wäre zum Beispiel, wenn die deutsche Wirtschaft Anfang der 1950er-Jahre nicht geboomt hätte? Das Wirtschaftswunder war entscheidend für die Integration ehemaliger Nationalsozialisten und anderer Skeptiker in die neue Demokratie.260 Der wirtschaftliche Aufschwung war jedoch keineswegs unvermeidlich. »Es sollte nicht vergessen werden«, erinnert uns Dirk van Laak, »dass die frühe Bundesrepublik auf einem prekären Fundament ruhte«.261 Anfang 1950 befand sich die westdeutsche Wirtschaft in denkbar schlechter Verfassung. Obwohl es nach der Währungsreform 1948/49 einen kurzen Aufschwung gab, kam es um 1950 zu einer dramatischen Kehrtwende. Energieengpässe (aufgrund von Strukturschwächen im Ruhrgebiet) beeinträchtigten die Industrieproduktion, verursachten ein großes Haushaltsdefizit und verlangsamten das Wirtschaftswachstum. Anfang 1950 stagnierten die Löhne und die Arbeitslosigkeit lag bei 13,5 Prozent. Weitere wirtschaftliche Belastungen kamen durch Auslandsschulden in Höhe von rund 30 Milliarden DM und die erheblichen Kosten der alliierten Besatzung hinzu, die schätzungsweise 35 Prozent des Bundeshaushalts ausmachten.262 Außerdem sah sich die Regierung Adenauer mit den massiven Kosten der Aufnahme von mehr als acht Millionen ethnisch deutschen Flüchtlingen in die westdeutsche Gesellschaft konfrontiert. Angesichts dieser Herausforderungen machte sich Anfang 1950 zunehmend politischer 178

Adenauer – eine gescheiterte Kanzlerschaft?

Unmut breit. Auf dem linken Flügel erklärte die SPD die Marktwirtschaft für gescheitert und forderte den Rücktritt Adenauers.263 Auf dem rechten Flügel beschwor die SRP die Vision eines neuen Deutschen Reiches herauf und appellierte so an unzufriedene deutsche Wähler. Mehrere Ereignisse trugen dazu bei, diese potenziell destabilisierende Situation zu entschärfen. Das erste war der Koreakrieg, der eine wichtige Rolle für den sogenannten Koreaboom spielte. Obwohl der Krieg in Ostasien zunächst für Engpässe und Inflation sorgte, kurbelte er Mitte 1951 die weltweite Nachfrage nach genau der Art von Industriegütern an – Werkzeugmaschinen, Autos, Elektro- und Chemieprodukte –, die Deutschland produzieren und exportieren konnte.264 Die westdeutsche Wirtschaft war fortan auf dem Weg zu einem Rekordwachstum. Das zweite wichtige Ereignis war die Neuverhandlung der Auslandsschulden der Bundesrepublik, die Anfang 1953 fast zur Hälfte erlassen wurden.265 Ohne diese wichtigen Entwicklungen wäre das Wirtschaftswunder der Bundesrepublik wahrscheinlich verzögert eingetreten und hätte die Demokratisierung des Landes beeinträchtigt.266 Es gab jedoch keine Garantie dafür, dass diese Entwicklungen so verlaufen mussten, wie sie es taten. Der Koreakrieg hätte auf vielfältige Weise vermieden werden können: wenn die Vereinigten Staaten die Sowjetunion und China überzeugt hätten, dass sie sich einem Einmarsch der Kommunisten in Korea widersetzen würden; wenn die USA ihre Kampfbereitschaft nach 1945 beibehalten hätten, anstatt ihre Streitkräfte zu verkleinern; oder wenn die Kuomintang-Armee des Chiang Kai-shek Maos kommunistische Truppen besiegt und den chinesischen Bürgerkrieg gewonnen hätte.267 Was Deutschlands Schuldenproblem betrifft, so wäre es auf der Londoner Schuldenkonferenz von 1952 beinahe nicht gelöst worden, weil sich konservative Politiker (und die deutsche Öffentlichkeit) gegen die Forderung der Vereinigten Staaten wehrten, den Schuldenabbau an Reparationszahlungen an Israel zu knüpfen.268 Hätten diese Maßnahmen den westdeutschen Wirtschaftsaufschwung verzögert oder verhindert, hätte das Land wahrscheinlich einen Rechtsruck erlebt. Adenauer hätte es deutlich schwerer gehabt, rechte Deutsche für die CDU zu gewinnen und sie in die neue demokratische Ordnung zu integrieren. Dies galt sicherlich auch für Millionen von ehemaligen NSDAP-Mit179

3.  Der Rechtsruck des Vierten Reiches

gliedern. Ohne das Wirtschaftswunder wären viele ehemalige Nazis arbeitslos und verbittert gegenüber dem neuen Staat geblieben. Darüber hinaus hätte Deutschland ohne das Schuldenabkommen von 1952 zu einem späteren Zeitpunkt möglicherweise noch größere Reparationen zahlen müssen – eine Realität, die laut Adam Tooze »die weiter unter der Oberfläche brodelnden nationalistischen Ressentiments« in Westdeutschland weiter geschürt hätte.269 Kurz gesagt, wäre der Widerstand gegen die Demokratie nur noch größer gewesen. Ebenjene, die vordergründig in das demokratische System aufgenommen worden waren, hätten sich möglicherweise in trojanische Pferde verwandelt und versucht, es von innen her auszuhöhlen. Neben der erschwerten Einbindung von ehemaligen Nazis hätte eine stagnierende Wirtschaft Adenauer daran gehindert, die Vertriebenen zu integrieren. Realiter wurden sie schließlich durch das Lastenausgleichsgesetz eingebunden, das nach seiner Verabschiedung im August 1952 eine Vermögensabgabe von deutschen Grundeigentümern forderte, um Deutsche, die ihren Besitz im Krieg verloren hatten, zu entschädigen.270 Möglich wurde das Gesetz jedoch erst durch das Wirtschaftswunder.271 Ohne es wären die Vertriebenen unter Umständen verarmt geblieben und zu einem Störfaktor geworden, der die radikalen politischen Vorstellungen des BHE unterstützt hätte.272 Die offiziellen Vertreter der Partei, Waldemar Kraft und Egon Hermann, hätten sich stärker für eine Rückgabe der verlorenen Ostgebiete eingesetzt und hätten Adenauer zu nachdrücklicherer Unterstützung gezwungen, um das Thema nicht der extremen Rechten zu überlassen.273 In einem Klima der wirtschaftlichen Unsicherheit wäre eine weniger integrierte Flüchtlingsbevölkerung zu verzweifelten Maßnahmen gezwungen worden und hätte vielleicht sogar den nationalsozialistischen Rand unterstützt.274 Diese Entwicklung hätte erhebliche Auswirkungen auf das Vorgehen der SRP und des Naumann-Kreises in den frühen 1950er-Jahren haben können. Auch wenn Szenarien weit hergeholt scheinen, in denen beide Gruppen erfolgreicher als in der realen Geschichte waren, ist es wichtig, zu erkennen, dass ehemalige Nazis selbst oft kontrafaktisch dachten und »Was wäre, wenn?«-Szenarien anstellten, um ihre politische Philosophie zu rehabilitieren. Menschen wie Otto Ernst Remer fantasierten, die Nazis hätten den Krieg gewinnen können, wenn die Attentäter des 20. Juli 1944 die deutsche Armee nicht »verraten« hätten.275 Andere wie Werner Naumann rechtfertig180

Adenauer – eine gescheiterte Kanzlerschaft?

ten den Kreuzzug der Nationalsozialisten gegen den Bolschewismus mit Albtraumszenarien und erklärten, »ohne den 30. Januar 1933 wäre Europa längst bolschewistisch geworden«. In Deutschland habe es 1933 zwar Millionen von Kommunisten gegeben, 1945 hingegen keine.276 Theodor W. Adorno brachte den Hang der Nationalsozialisten zur Selbstrechtfertigung nach dem Krieg 1959 so auf den Punkt: »Die nachlebende Sympathie mit dem Nationalsozialismus braucht nicht gar zu viel Sophistik aufzuwenden, um sich und anderen einzureden, es hätte auch immer ebensogut anders gehen können, eigentlich seien nur Fehler gemacht worden, und der Sturz Hitlers sei ein welthistorischer Zufall, den möglicherweise der Weltgeist doch noch korrigiere.«277 In einem Klima der wirtschaftlichen Unsicherheit hätten Westdeutsche diese kontrafaktischen Behauptungen überzeugend finden können. Obwohl angeblich nur 20 Prozent der Bevölkerung nach 1945 glaubten, die Nationalsozialisten hätten den Krieg gewinnen können, hätte eine größere innenpolitische Unsicherheit in den frühen 1950er-Jahren die Angst vor einem Kalten Krieg verschärft und eine größere Anzahl Menschen davon überzeugt, dass die Nationalsozialisten mit ihrer Einschätzung des Kommunismus richtig lagen.278 Ob sie neonazistischen Parteien eine neue Chance zur Gestaltung der politischen Zukunft Westdeutschlands gegeben hätten, hätte teilweise von ehemaligen Nazis abgehangen, die einflussreiche Positionen im deutschen Staat innehatten. Es ist möglich, dass die westdeutsche Justiz, die Polizei und die Nachrichtendienste, die alle mit ehemaligen Nazis besetzt waren, unter weniger stabilen Umständen der SRP und dem Naumann-Kreis gegenüber mehr Sympathie gezeigt und sie nur widerwillig zerschlagen hätten. Hätte eine der beiden Gruppen, ganz zu schweigen von beiden, ihre Pläne weiterentwickelt, hätte sich dies destabilisierend auf das westdeutsche politische System auswirken können. Hätten die Mitglieder des Naumann-Kreises die FDP und DP unterwandert, hätten sie vielleicht die wirtschaftlichen Ängste der Wähler ausnutzen können und ihre Parteien hätten bei den Wahlen 1953 besser abgeschnitten. In diesem Fall hätte Adenauer entweder eine Koalition mit ihnen bilden müssen – was ausländische Beobachter noch mehr befremdet hätte – oder eine große Koalition mit der SPD eingehen müssen, was er bereits 1949 abgelehnt hatte.279 Hätte er sich für Ersteres entschieden, wäre das Land gefährlich nach rechts gerückt. 181

3.  Der Rechtsruck des Vierten Reiches

Schließlich hätten die Alliierten eingreifen und Deutschland vor den schlimmsten politischen Reaktionen schützen müssen. Die möglichen Folgen sind schwer abzusehen, da es schwierig ist, langfristige kontrafaktische Szenarien weit in die Zukunft zu projizieren. Die demokratische Entwicklung Westdeutschlands hätte allerdings wahrscheinlich Schaden genommen. In diesem Fall wäre Adenauers Strategie, ehemalige Nationalsozialisten in die Bundesrepublik zu integrieren, als kolossaler Fehler angesehen worden.

Eine erfolgreiche Kanzlerschaft Schumachers? Wären diese Ereignisse eingetreten, hätten sich viele Deutsche möglicherweise Kurt Schumacher als Kanzler gewünscht. Hätte dies die Lage verändert? Historiker haben verschiedene Szenarien untersucht, wie der SPDChef zum Chef der westdeutschen Regierung hätte werden können.280 Zunächst hätte er bei der Bundestagswahl im September 1949 direkt Kanzler werden können. Auf den ersten Blick erscheint dieses Szenario plausibel. Die SPD rechnete fest mit einem guten Ergebnis. Schumacher sah sich und seine Partei als moralische Autorität, die nach der schrecklichen NS-Erfahrung die Führung im Land übernehmen solle.281 Schumachers persönliche Geschichte als entschiedener Nazigegner, der mehr als zehn Jahre in Konzentrationslagern (darunter Dachau und Neuengamme) verbracht hatte, machte ihn zu einem Märtyrer für die Sache der Sozialdemokratie, die Deutschland seiner Ansicht nach den einzig gangbaren Weg in die Zukunft bot. Wie sich herausstellte, schnitt die SPD schlechter ab, als Schumacher gehofft hatte, erhielt jedoch fast dieselbe Stimmenzahl wie die CDU. Die CDU errang 31 Prozent der Stimmen und 139 Sitze im Bundestag, die SPD erhielt 29,2 Prozent und 131 Sitze. Bei den anschließenden Kanzlerwahlen gewann Adenauer mit nur einer Stimme Mehrheit – seiner eigenen.282 Tatsächlich hätte auch diese eine Stimme beinahe nicht ausgereicht. Adenauer profitierte vom Treuebruch eines Politikers der Bayernpartei, Johann Wartner, der von der Fraktionsdisziplin ausscherte und Adenauer seine Stimme gab, obwohl die Bayernpartei eine Stimmenthaltung beschlossen hatte, um der CDU Zugeständnisse abzuringen.283 Hätte Wartner sich der Fraktionsdisziplin unterworfen, wäre Adenauer vielleicht nicht Kanzler geworden. 182

Eine erfolgreiche Kanzlerschaft Schumachers?

Allerdings hätte eine Niederlage Adenauers nicht zu einem Sieg Schumachers geführt. Viele Bundestagsabgeordnete enthielten sich im ersten Wahlgang (den Adenauer knapp gewann), hätten aber in einem hypothetischen zweiten oder dritten Wahlgang für ihn gestimmt.284 Schumacher hätte nur gewinnen können, wenn die Abgeordneten aus linken, aber nicht stimmberechtigten Bundesländern wie Berlin (damals aus der Bundesrepublik ausgeschlossen) und dem Saarland (damals unter französischer Kontrolle) hätten wählen dürfen.285 Zum damaligen Zeitpunkt war dies jedoch nicht möglich. Eine zweite Möglichkeit, wie Schumacher hätte Kanzler werden können, war eine Koalitionsregierung. Zahlreiche Politiker in SPD und CDU sprachen sich nach den knappen Wahlen von 1949 für eine solche Regelung aus.286 Schumacher hingegen lehnte diese Möglichkeit kategorisch ab. Der nach den Jahren in Konzentrationslagern verbitterte und körperlich geschwächte SPD-Chef war überzeugt, seine Partei habe das moralische Recht, die Bundesrepublik Deutschland ohne Koalitionspartner zu regieren.287 Er war außerdem der Ansicht, die Bundesrepublik brauche für eine lebendige Demokratie eine starke Oppositionspartei. Letztendlich hoffte er, die CDU-geführte Regierung Adenauers werde nicht von langer Dauer sein.288 Hätte es für Schumacher Umstände gegeben, unter denen er eine Koalitionsregierung in Betracht gezogen hätte? Vielleicht wäre er flexibler gewesen und hätte die Möglichkeit erwogen, wenn er der Inhaftierung in nationalsozialistischen Konzentrationslagern entgangen wäre – wenn er zum Beispiel wie der spätere SPD-Chef Willy Brandt ins Exil gegangen wäre. Die Möglichkeit einer Koalition bleibt jedoch fraglich, zumal der Autokrat Adenauer nur ungern die Macht teilte. Eine dritte Möglichkeit, wie Schumacher hätte Kanzler werden können, hätte – wie in Kapitel 2 beschrieben – darin bestanden, dass die Westalliierten in irgendeiner Weise die Kontrolle über ganz Deutschland übernommen und den Sowjets am Ende des Zweiten Weltkriegs eine Besatzungszone verweigert hätten. Da die fünf Bundesländer, die schließlich die DDR bildeten, Länder mit einer starken Arbeiterschaft waren und eher zum Sozialismus neigten, hätte ihre Teilnahme an gesamtdeutschen Bundestagswahlen 1949 einen Wahlsieg der SPD ermöglichen können, durch den Schumacher Kanzler geworden wäre. Allerdings ist dieses Szenario unwahrscheinlicher als die anderen zwei. Eine so dramatische Entwicklung hätte in der Geschichte der 183

3.  Der Rechtsruck des Vierten Reiches

frühen Nachkriegszeit – auch im Verlauf des Kalten Krieges – so vieles andere verändert, dass es schwierig ist, über ihre möglichen Folgen zu spekulieren. Der letzte und wahrscheinlichste Weg, wie Schumacher Kanzler hätte werden können, wäre eine erzwungene Amtsniederlegung Adenauers Anfang der 1950er-Jahre gewesen. Laut Hans-Peter Schwarz hätte es angesichts der »Koalition, die heterogen war, eine[r] noch ganz üble[n] Wirtschaftslage, eine[r] schwierige[n] internationale[n] Konstellation […] wirklich möglich sein können, dass Adenauer bis 1952 gescheitert wäre«.289 1951 waren seine Zustimmungswerte unter 23 Prozent gefallen.290 Außerdem war er in einen handfesten Skandal verwickelt. Im April 1950 verletzte Adenauer die Position seiner Regierung zur Aufrüstung und bot heimlich die Schaffung einer 30.000 Mann starken deutschen Bundespolizei an, um die USA im Fall einer sowjetischen Invasion bei der Verteidigung der Ostgrenze der Bundesrepublik zu unterstützen. Zwei Jahre später wurde bekannt, dass dieses geheime Angebot in der Zwischenzeit zur Bildung von paramilitärischen »Technischer-Dienst«-Einheiten aus Soldaten geführt hatte, die man aus den Reihen der Waffen-SS rekrutiert hatte; einige von ihnen hatten angeblich eine Liste von kommunistischen und SPD-Politikern erstellt, die im Fall eines Krieges mit der Sowjetunion ermordet werden sollten. Wie nicht anders zu erwarten, sorgte die Nachricht in Westdeutschland für wütende Proteste und spektakuläre Schlagzeilen über Pläne zur »Auferstehung von Hitlers Werwölfen«.291 Schwarz spekuliert: »Hätten die Sozialdemokraten das im August, November oder Dezember 1950 gewusst, wäre Adenauer in der Luft zerrissen worden und hätte als Bundeskanzler zurücktreten müssen.«292 In diesem Szenario hätten Neuwahlen stattgefunden, die CDU hätte Stimmen an die SPD verloren und Schumacher hätte eine Koalitionsregierung mit der FDP und anderen kleineren Parteien und einem nationalistischen Programm eingehen können.293 Sicherlich hätte Schumacher nicht lange an der Spitze der Bundesrepublik gestanden; er hatte gesundheitliche Probleme und starb im August 1952. Aber er hätte mehr als anderthalb Jahre Zeit gehabt, um die Geschicke Westdeutschlands zu lenken. Wie wäre ein Bundeskanzler Schumacher mit der nationalsozialistischen Vergangenheit Deutschlands umgegangen? Auf den ersten Blick kann man sich leicht vorstellen, dass er energischer als Adenauer vorgegangen wäre. 184

Eine erfolgreiche Kanzlerschaft Schumachers?

Als Oppositionsführer forderte er nach 1945 mutig, die Deutschen müssten sich ihrer Schuld am Dritten Reich stellen; er empörte sich über den Neonazismus und kritisierte die Tätigkeit ehemaliger NSDAP-Mitglieder im Auswärtigen Amt und in der Bundeswehr.294 Er verurteilte den Antisemitismus, betonte die deutsche Schuld am Holocaust und trieb die Bemühungen um Wiedergutmachung für den Staat Israel maßgeblich voran.295 Während sich Schumacher gegenüber den jüdischen Opfern der Nationalsozialisten ehrenhaft verhielt, war er in der Frage des Umgangs mit den Tätern allerdings ambivalenter. Trotz seiner moralisierenden Reden unterstützte er die meisten Maßnahmen von Adenauers Integrationspolitik und hätte sich wahrscheinlich ähnlich verhalten wie der Kanzler.296 Wie sein CDU-Rivale sprach sich Schumacher gegen den weitreichenden Charakter des Entnazifizierungsprogramms der Alliierten und die Mängel der Kriegsverbrecherprozesse aus.297 Er erkannte die Notwendigkeit, »kleine Nazis« – insbesondere ehemalige Mitglieder der Hitlerjugend – in den Staat zu integrieren, und verlangte sogar die Eingliederung von Mitgliedern der Waffen-SS.298 Darüber hinaus unterstützte er Adenauers »131er-Gesetz« aus dem Jahr 1951, das ehemaligen NSDAP-Funktionären, Polizisten und anderen Staatsdienern Renten- und Rechtsansprüche zusicherte.299 Er protestierte sogar gegen die Hinrichtung der letzten großen NS-Kriegsverbrecher in Landsberg 1951.300 Schumacher hielt es für moralisch falsch und potenziell gefährlich, ehemalige Nazis dauerhaft zu ächten, und erachtete es für weitaus sinnvoller, sie für die Sozialdemokratie zu gewinnen. Mit seiner pragmatischen Strategie lief Schumacher Gefahr, als Heuchler gebrandmarkt zu werden; als Nationalist wollte er die deutschen Wähler jedoch davon überzeugen, dass die SPD sich stärker dem nationalen Interesse als die alliiertenfreundliche Politik der Adenauer-CDU verpflichtet fühlte. Schumacher musste zudem die Bürde seiner persönlichen Biografie überkompensieren. Wie Ina Brandes schreibt, wurde die deutsche Bevölkerung »durch Schumachers bloße Existenz ständig an die eigene unrühmliche Vergangenheit erinnert. Dieser schwer geschundene und doch Feuer sprühende Mann hielt ihnen schon in seiner körperlichen Erscheinung unablässig die Schuld vor, die sie auf sich geladen hatten. Er maß sie alle an seinen unerreichbar hohen moralischen Standards. Er zeigte unaufhörlich, in welch umfassender Weise sie als Menschen versagt hatten.«301 Tief im Inneren war sich Schumacher dessen sicherlich 185

3.  Der Rechtsruck des Vierten Reiches

bewusst. Er wusste, dass sich das deutsche Volk einer gründlicheren Abrechnung mit dem nationalsozialistischen Erbe widersetzen würde, und reagierte mit einer Bekräftigung ihres Nationalismus. Kurzum: Schumacher hätte als Kanzler innenpolitisch wahrscheinlich nicht viel mehr als Adenauer getan. Außenpolitisch lagen die Dinge möglicherweise anders. Eine der berühmtesten kontrafaktischen Fragen der deutschen Nachkriegsgeschichte ist die, ob Ost- und Westdeutschland früher hätten wiedervereinigt werden können, wenn Adenauer die berühmte »Stalin-Note« vom März 1952 ernsthaft in Erwägung gezogen oder sogar akzeptiert hätte.302 Übergeben zu einem Zeitpunkt, da sich Westdeutschland inmitten heikler Verhandlungen über seinen ungelösten wirtschaftlichen, politischen und militärischen Status befand, stellte die Note die verlockende Möglichkeit eines vereinten Deutschlands in Aussicht; dazu mussten die Alliierten allerdings ihre Besatzungstruppen abziehen und dem Land erlauben, einen neutralen Status zwischen West- und Ostblock einzunehmen. Wissenschaftler erörtern diese Frage seit Jahren, ohne zu einer Lösung zu kommen. Damit stellt sich die verbundene Frage, wie Schumacher reagiert hätte, wenn er Kanzler gewesen wäre. Es ist bekannt, dass der SPD-Chef bereitwilliger als Adenauer das sowjetische Angebot in Betracht gezogen hätte.303 Schumacher war der Ansicht, dass die Deutschen die Demokratie nur innerhalb eines geeinten Landes wirklich annehmen würden, und befürchtete, wenn 18 Millionen Ostdeutschen ihre Freiheit verweigert würde, werde schon allein der Begriff der Demokratie in Deutschland ‒ wie in der Weimarer Zeit ‒ mit dem Ruch der Ohnmacht belastet sein.304 Wie hoch waren angesichts dessen die Chancen, dass er Stalins Angebot angenommen und Deutschland wiedervereinigt hätte? Obwohl das Szenario verlockend ist, spricht alles dagegen. Wahrscheinlich hatte Stalin nicht die Absicht, das Angebot in die Tat umzusetzen, sondern stellte es nur in den Raum, um die Pläne der Vereinigten Staaten zu durchkreuzen, ein wiederbewaffnetes Westdeutschland in das westliche Bündnis zu integrieren.305 Selbst wenn der sowjetische Führer es ernst gemeint hätte, hätten die USA immensen Druck auf einen Bundeskanzler Schumacher ausgeübt, das Angebot abzulehnen. Schumacher hätte dem Druck wahrscheinlich standgehalten und die Machbarkeit des Abkommens 186

Eine erfolgreiche Kanzlerschaft Schumachers?

geprüft, letzten Endes wäre es aber aus Gründen des zeitlichen Ablaufs zum Scheitern verurteilt gewesen. Es ist fraglich, ob irgendein Übereinkommen vor Schumachers Tod einige Monate später im August 1952 hätte ausgehandelt werden können. Auf sowjetischer Seite hätten unterdessen auch der Tod Stalins und die daraus resultierende Nachfolgerkrise im März 1953 ein mögliches Abkommen verhindert. Angesichts der politischen Unsicherheit in beiden Ländern ist zweifelhaft, dass Deutschland oder die Sowjetunion einen ziemlich aussichtslosen Plan hätten umsetzen können. Was wären die politischen Folgen für die Bundesrepublik gewesen? Bei den Wahlen 1953 – ohne den entehrten Adenauer als Kandidaten – hätten sich höchstwahrscheinlich Schumachers Nachfolger Erich Ollenhauer und ein Kandidat der CDU, möglicherweise der ehemalige Ostberliner CDUVorsitzende Jakob Kaiser, gegenübergestanden. Kaisers Unterstützung der nationalistischen Außenpolitik Schumachers hätte ihm vielleicht einen Vorteil gegenüber dem uncharismatischen Bürokraten Ollenhauer verschafft; vielleicht hätte es sogar eine Chance auf eine Koalition aus SPD und CDU gegeben, da sich beide Parteichefs über die Bedeutung der Wiedervereinigung einig waren.306 Unabhängig vom Wahlsieger hätte der neue Kanzler mit selbstbewussteren rechten Parteien zu kämpfen gehabt, die ihrer Wut auf die Regierung Luft gemacht hätten, das Ziel der nationalen Einheit nicht erreicht zu haben. Dieser Zorn aus dem rechten Lager wäre je nach Lage der westdeutschen Wirtschaft mehr oder weniger wortreich gewesen, auf jeden Fall aber hätte der neue Kanzler der Bundesrepublik Deutschland nach rechts rücken müssen, um die nationalistische Botschaft dieses politischen Lagers zu übernehmen. Ausländische Beobachter wären durch diese Wendung der Ereignisse beunruhigt gewesen; allerdings hätte der neue Kanzler wahrscheinlich weiter daran gearbeitet, die Bundesrepublik stärker an den Westen zu binden. Dies gilt umso mehr, als der Arbeiteraufstand vom 17. Juni in Ostberlin wahrscheinlich wie in der realen Geschichte stattgefunden hätte, was die antikommunistische Stimmung in Westdeutschland weiter geschürt und das Land stärker in das von den USA geführte antisowjetische Lager gerückt hätte.307 Wenn die Kräfte des Kalten Kriegs, wie zu erwarten, weiter die westdeutsche Wirtschaft gestärkt hätten, hätte der weitere Verlauf der Ereignisse wahrscheinlich dem realen Kurs der wirtschaftlichen Expansion und politischen Stabilisierung entsprochen. Das Ergebnis 187

3.  Der Rechtsruck des Vierten Reiches

wäre ein Beispiel für einen »umkehrbaren Kontrafakt« gewesen, in dem die Geschichte wieder auf ihren bestehenden Kurs zurückschwenkt.

Fazit Welche Schlussfolgerungen lassen diese hypothetischen Szenarien über die Renazifizierungsdebatte der frühen 1950er-Jahre zu? Sie deuten zunächst darauf hin, dass es wahrscheinlich nur wenige tragfähige Alternativen zur Strategie der Bundesrepublik im Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit nach 1945 gab. Unabhängig davon, ob Adenauer oder Schumacher Kanzler war, war die Politik der Integration ehemaliger Nationalsozialisten in die soziale und politische Ordnung der Nachkriegszeit wahrscheinlich unvermeidlich. Die tatsächliche Entwicklung sowie die möglichen Wege, die die Geschichte ebenfalls hätte gehen können, validieren den tatsächlichen Verlauf der Ereignisse. Sie bestätigen die Richtigkeit von Adenauers Integrationsstrategie als Mittel zur Förderung der Demokratisierung Deutschlands. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Renazifizierungsdebatte sinnlos war. In gewisser Weise konnten beide Seiten einen Sieg für sich verbuchen. Auf der einen Seite sollten die Verteidiger der noch jungen westdeutschen Demokratie mit ihrer Forderung recht behalten, die Skeptiker müssten Vertrauen in die neue Republik setzen. Andererseits lagen die Kritiker nicht ganz falsch, die die Bundesrepublik für eine Machtübernahme durch die Nationalsozialisten für anfällig hielten. Tatsächlich hatten sie recht mit ihrer Einschätzung, dass die Verteidiger der Bundesrepublik die reale nationalsozialistische Bedrohung allzu selbstgefällig abtaten. Wenn ihre Ängste heute übertrieben erscheinen, dann nur, weil wir im Nachhinein wissen, dass sie nie eintraten. Angesichts der enormen Unsicherheit der Zeit waren sie durchaus berechtigt. Zu Beginn der 1950er-Jahre gab es keinerlei Garantie, dass die Bundesrepublik zu einer wirtschaftlichen und politischen Erfolgsgeschichte werden würde. Unter etwas anderen Umständen wäre die Bundesrepublik vielleicht stärker nach rechts gerückt. Diese Tatsache rechtfertigt die nachdrückliche Forderung ausländischer Skeptiker, die Erinnerung an die nationalsozialistische Vergangenheit zu wahren. Ausländische Beob188

Fazit

achter äußerten sich besorgt über die Renazifizierung der Bundesrepublik und wollten die Deutschen auf eine Bewährungsprobe stellen, um ihnen klarzumachen: Wenn sie zögerten, sich ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit zu stellen, würde das Ausland sie daran erinnern. Für ausländische Beobachter war die Erinnerung eine Versicherungspolice. Glücklicherweise konnten sie sich auf die Alliierten als ihre Agenten verlassen. Die Renazifierungsdebatte unterstrich vor allem die Bedeutung der Alliierten als Stabilisierungsfaktor in der frühen Bundesrepublik. Da die Alliierten in der realen Geschichte Anfang der 1950er-Jahre mehrmals intervenieren mussten, um nationalsozialistische Bedrohungen der Demokratisierung in Westdeutschland auszuschalten, ist offensichtlich, dass das Land ohne sie in einer heikleren Situation gewesen wäre. Ihre Präsenz und ihr Eintreten gegen das Vergessen sorgten dafür, dass die frühe deutsche Nachkriegsgeschichte keine andere Wendung nahm. Letztendlich hatte die Renazifizierungsdebatte zwiespältige Auswirkungen auf die Vorstellung von einem Vierten Reich. In genau dem Moment, in dem sich die westdeutsche Demokratie festigte – in genau dem Moment, in dem das Land weniger anfällig für eine Rückkehr des Nationalsozialismus wurde –, verstärkten sich die öffentlichen Ängste. Die Befürchtung, Westdeutschland könne eines Tages zu einem Vierten Reich werden, erhärtete sich durch die Bestrebungen unbeirrbarer Nazis, die mit der SRP und dem Naumann-Kreis in Verbindung standen und die die demokratische Ordnung der Bundesrepublik durch ein wiederbelebtes Reich ersetzen wollten. Die Zerschlagung dieser Versuche stärkte die Stabilität der westdeutschen Demokratie, zementierte aber den Zusammenhang zwischen der Idee eines Vierten Reiches und einem wiedererstarkten Rechtsradikalismus. Mit dem NATO-Beitritt der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1955 hatte sich die Vorstellung eines Vierten Reiches entschieden nach rechts verlagert. Obwohl sie faktisch gestoppt wurde, spielte sie im Bewusstsein des Westens eine immer größere Rolle. Diese Kluft zwischen Wahrnehmung und Realität bestand weit über die Krisenzeit der frühen 1950er-Jahre hinaus. Obwohl die Angst vor einem Vierten Reich nach 1955 nachließ, verschwand sie nicht. Mit Beginn der 1960er-Jahre begann sie, sich in eine neue und unerwartete Richtung zu entwickeln.

189

4.  Von Deutschland in die Vereinigten Staaten: Die Generalisierung des Vierten Reiches in den turbulenten 1960-Jahren Über 5000 Münchner – überwiegend Schüler, Studenten und Mitglieder der Gewerkschaftsjugend – protestierten am Freitagabend mit einem kilometerlangen Demonstrationszug gegen Neofaschismus und NPD. Die Demonstranten, die vom Königsplatz zum Siegestor marschierten, trugen zahlreiche Transparente, auf denen es u. a. hieß: »Wir wollen kein Viertes Reich«, »NPD-Ausverkauf der Demokratie«.1 Neues Deutschland (19. November 1966)

Der schwarze Mann in Amerika muss erkennen, dass die Integration der schwarzen und weißen Rassen in den USA nie funktionieren wird ... Die Schwarzen in Amerika sind eine Nation in einer Nation, eine kolonialisierte, gefangene afrikanische Nation. Amerika ist ein Feind aller freiheitsliebenden Völker der Welt ... Es ist ein internationaler rassistischer Verbrecher. Es ist das Vierte Reich, schlimmer als Nazideutschland.2

Max Stanford (März 1968)

Z

u Beginn der 1960er-Jahre wandelten sich westliche Vorstellungen von einem Vierten Reich aufgrund neuer Entwicklungen. Wachsender wirtschaftlicher Wohlstand und die politische Stabilität Westdeutschlands stärkten in den 1950er-Jahren das internationale Vertrauen in das Land und brachten die Renazifizierungsdebatte zum Stillstand. Dieser Stillstand war jedoch nur vorübergehend. Die Ereignisse kurz nach der Jahrtausendwende weckten das Interesse an der nationalsozialistischen Vergangenheit Westdeutschlands von Neuem. Ende 1959 und Anfang 1960 schürten Fälle von antijüdischem Vandalismus – die sogenannte Schmierwelle – im Westen 190

4.  Von Deutschland in die Vereinigten Staaten

neue Ängste vor einem deutschen Antisemitismus. Die Verhaftung des SSObersturmbannführers Adolf Eichmann in Argentinien durch den israelischen Mossad lenkte im Mai 1960 die weltweite Aufmerksamkeit erneut auf die Verbrechen des NS-Regimes gegen die Juden. Und der Aufstieg und Wahlerfolg der rechtsextremen Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) in den Jahren 1964–1969 ließ die Sorge vor in der Bundesrepublik gärendem nationalsozialistischen Gedankengut neu aufleben. Wie der Demonstrationszug gegen die NPD 1966 in München zeigte, kehrte die Angst vor einem Vierten Reich zurück. In einer bemerkenswerten Neuentwicklung richteten sich diese Befürchtungen jedoch nicht nur gegen Westdeutschland. Wie die wütende Erklärung des schwarzen US-amerikanischen Nationalisten Max Stanford im März 1968 zeigt, hatte die Idee des Vierten Reiches ihren Weg in neue Kreise gefunden hatte und bezeichnete neue Gefahren. Ähnlich wie das nationalsozialistische Erbe wurde auch die Idee des Vierten Reiches generalisiert. Diese Entwicklungen waren ein Spiegel der turbulenten Ereignisse der 1960er-Jahre. Bereits in den ersten Jahren des Jahrzehnts, vor allem aber in der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre, setzte sich in den Vereinigten Staaten und Europa immer mehr die Überzeugung durch, dass der Nazismus kein rein deutsches Phänomen sei. Da die westdeutsche Schmierwelle weltweit Nachahmer fand, war für viele Beobachter klar, dass Nazismus und Antisemitismus auch außerhalb der Bundesrepublik auf Zustimmung stießen. Während der Aufstieg der NPD erneut Sorgen über die Gesundheit der westdeutschen Demokratie aufkommen ließ, nahmen ängstliche Beobachter auch in anderen Ländern »faschistische« Tendenzen wahr. Dieser Eindruck einer immer breiteren faschistischen Gefahr spiegelte das im Lauf des Jahrzehnts zunehmende Gefühl einer politischen Polarisierung wider. In der gesamten westlichen Welt vertieften eine einsetzende Rezession, der Generationenkonflikt und das Aufkommen der Gegenkultur die Kluft zwischen links und rechts und veranlassten beide Lager, den Gedanken des Vierten Reiches auf neue Fälle zu übertragen. Erwartbar war diese Entwicklung in der Bundesrepublik, wo linke Studierende die Idee in Debatten über die politische Zukunft ihres Landes anführten. In einer überraschenden Wendung der Ereignisse wurde die Vorstellung eines Vierten Reiches jedoch noch häufiger in den Vereinigten Staaten aufgerufen, wo radikale linke 191

4.  Von Deutschland in die Vereinigten Staaten

Gruppen – von College-Marxisten bis zu schwarzen Nationalisten – den Vietnamkrieg, amerikanischen Rassismus und den Watergate-Skandal mit dem Begriff verurteilten. Das Vierte Reich wurde somit zu einem Sammelbegriff für die Schrecken der Zeit.

Eine Neuauflage der Renazifizierungsdebatte Zu Beginn des Jahrzehnts ahnten nur wenige Beobachter, welche Turbulenzen mit der nationalsozialistischen Vergangenheit verbunden sein sollten. Ende der 1950er-Jahre schien die Debatte über die Renazifizierung beendet. Bei der Bundestagswahl 1957 erhielt Adenauers CDU 50 Prozent der Stimmen und eine komfortable Mehrheit im Bundestag – ein Ergebnis, das die Stärke der politischen Mitte und die Schwäche der extremen Rechten bewies. Die beeindruckende Stabilität der Bundesrepublik schien den Eindruck vieler Beobachter zu bestätigen, das Land habe die letzten Spuren des Nationalsozialismus beseitigt. Der ehemalige US-Hochkommissar für Deutschland, James Conant, brachte diesen Konsens 1958 auf den Punkt, als er erklärte, der Nationalsozialismus sei »tot und begraben«.3 In diesem neuen Klima tauchten alarmierende Verweise auf ein nationalsozialistisches Viertes Reich immer seltener auf. In einem seit der späten Besatzungszeit ungekannten Maß wurde der Begriff plötzlich neutral verwendet. Bereits 1955 hielt es der zumeist kritische Deutschlandbeobachter und New-York-Times-Journalist Drew Middleton für möglich, dass in Zukunft ein »vereintes, wohlhabendes und mächtiges Viertes Reich« entstehen könne.4 »Neonazistische Bewegungen« hätten im »›Vierten Reich‹ von Konrad Adenauer« kläglich versagt, befand einige Jahre später der konservative Historiker William Henry Chamberlin im Wall Street Journal.5 Die schleichende Normalisierung des Konzepts zeigte sich auch in einer Rezension des deutschen Liebesfilms Rosemary (1960), den der New Yorker unbekümmert als Film über »die Neureichen des Vierten Reiches« beschrieb.6 Der gleiche Trend war unter westdeutschen Journalisten zu beobachten. Ende der 1950er-Jahre veröffentlichten verschiedene Zeitschriften und Zeitungen Artikel mit harmlosen Verweisen auf das Vierte Reich als Nachfolgestaat des Dritten Reiches und gaben dem Begriff so den Anstrich demokratischer Le192

Eine Neuauflage der Renazifizierungsdebatte

gitimität.7 Vereinzelt nutzten Westdeutsche das Konzept sogar zur Kritik am ostdeutschen Regime. 1959 sorgte das Berliner Kabarett Die Stachelschweine für Schlagzeilen, als es den Titel von Bertolt Brechts Drama Furcht und Elend des Dritten Reiches (1938) in Furcht und Elend des Vierten Reiches abwandelte und die Gestapo-Agenten des ursprünglichen Stücks zu Spionen im Dienst des kommunistischen Regimes der DDR machte.8 Wie ähnliche Verweise auf ein kommunistisches Viertes Reich in Zeitungsartikeln und wissenschaftlichen Büchern zeigten, wurde der Begriff nicht mehr ausschließlich auf die Bundesrepublik angewendet.9 Westdeutschland trat nunmehr aus dem Schatten der nationalsozialistischen Vergangenheit heraus und konnte sich voll und ganz auf seine Zukunft konzentrieren. Es gab jedoch neue Anzeichen der Verunsicherung. Ende der 1950erJahre wurden die diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und Westdeutschland immer angespannter. Obwohl sich beide Länder gemeinsam gegen sowjetische Versuche wehrten, den Prozess der militärischen und wirtschaftlichen Westbindung zu torpedieren, waren sie sich gegen Ende des Jahrzehnts über die Ausrichtung der Entspannungspolitik uneins. Die USA unter Präsident Dwight D. Eisenhower wollten über Abrüstungsabkommen und eine Anerkennung des territorialen Status quo Europas zu einem Abbau der Spannungen zwischen Ost und West beitragen. Die Bundesrepublik hielt dagegen an der Hallstein-Doktrin fest und verweigerte die Anerkennung der DDR, um sich die Möglichkeit einer Wiedervereinigung offenzuhalten. Diese divergierenden Interessen traten mit dem Ausbruch der Berlin-Krise in den Jahren 1958–1961 offen zutage. Im November 1958 reagierte der sowjetische Ministerpräsident Nikita Chruschtschow auf die sich beschleunigende Abwanderung von Ostdeutschen nach Westberlin mit der Forderung, die Westmächte sollten ihre Sektoren innerhalb von sechs Monaten verlassen oder die Sowjets würden der ostdeutschen Regierung die volle Kontrolle übertragen. Da die USA die Chancen auf eine Einigung mit der Supermacht nicht gefährden wollten, ignorierten sie den westdeutschen Widerstand und versuchten, den Status der Stadt in einer Reihe von diplomatischen Gipfeln zu regeln. Keiner von ihnen war letztlich erfolgreich, wie die Entscheidung der DDR-Regierung zum Mauerbau im August 1961 deutlich machte. Doch drei angespannte Jahre lang lebten die Westdeutschen in ständiger Angst vor dem Einfluss der Großmächte auf ihr Schicksal.10 193

4.  Von Deutschland in die Vereinigten Staaten

Besondere Sorge bereitete ihnen, dass das Vertrauen des Westens in die Bundesrepublik durch neue Enthüllungen über die nationalsozialistische Vergangenheit des Landes erschüttert werden könnte. Obwohl Westdeutschland ab Mitte der 1950er-Jahre immer mehr als Erfolg gewertet wurde, hatte es mit gelegentlichen Kontroversen um das Erbe des Dritten Reiches zu kämpfen. Die Präsenz von ehemaligen Nationalsozialisten im Staatsapparat der Nachkriegszeit bereitete nach wie vor Sorge. Nicht nur die Kabinettsmitglieder Hans Globke, Theodor Oberländer und Hans-Christoph Seebohm, sondern auch juristische und medizinische Einrichtungen sowie Bildungsstätten in Westdeutschland wurden misstrauisch beäugt. Wie der Fall Nieland 1958–1959 zeigte, waren Nazis weiter in der Justiz aktiv. Der Hamburger Geschäftsmann Friedrich Nieland hatte eine antisemitische Broschüre veröffentlicht, in der er das Weltjudentum verurteilte, entging jedoch der Justiz, da der ehemalige NS-Richter Enno Budde von einem Verfahren gegen ihn absah. Etwa zur gleichen Zeit deutete der Fall Zind auf die Präsenz von Nationalsozialisten an westdeutschen Schulen hin: 1958 beleidigte der rechtsextreme Studienrat Ludwig Zind in einem Gasthaus einen jüdischen Geschäftsmann mit antisemitischen Äußerungen, erhielt vor Gericht jedoch breite Unterstützung von seinen Offenburger Mitbürgern. Wenig später zeigte die Verhaftung des Flensburger Arztes Werner Heyde (auch bekannt als Fritz Sawade) wegen seiner Beteiligung an Hitlers »Euthanasie«Kampagne T4, dass Ärzte aus der NS-Zeit den Weg zurück in den Beruf gefunden hatten. Diese Fälle wurden ebenso wie die wiederaufgenommenen Kriegsverbrecherprozesse gegen SS-Einsatzgruppenmitglieder und KZ-Wachen aus Buchenwald und Sachsenhausen 1958 in Westdeutschland und in geringerem Maß auch im Ausland mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Doch bis zum Ende des Jahrzehnts reichte keiner dieser Vorfälle aus, um die Renazifizierungsdebatte wiederaufleben zu lassen.

Die Schmierwelle Dies änderte sich jedoch dramatisch, als es Ende 1959 zu einer beispiellosen Welle von antisemitischem Vandalismus in der Bundesrepublik kam.11 Am Heiligabend schmierten unbekannte Täter schwarze Hakenkreuze 194

Die Schmierwelle

Am Heiligabend 1959 beschmierten Unbekannte die Außenmauer der wiedereröffneten Kölner Synagoge mit schwarzen Hakenkreuzen und der Aufschrift »Juden raus«.

und den Satz »Juden raus« auf die Außenmauer der neu eingeweihten Kölner Synagoge.12 Andere Täter verunstalteten ein nahe gelegenes Denkmal für die Opfer der Gestapo. Dieser demonstrative Hass war an sich schon schockierend genug, verschärfte sich aber noch, als die Täter tags darauf festgenommen und sich als junge Mitglieder der rechten DRP entpuppten. Noch beunruhigender war die Tatsache, dass ihre Taten offensichtlich nationalsozialistisch motiviert waren. Obwohl die Täter jeglichen Antisemitismus bestritten, kritisierten sie offen die »Selbstbesudelung des deutschen Volkes« und verwiesen auf die »vielen positiven Seiten« des Nationalsozialismus.13 Der Kölner Vorfall war erst der Anfang. In den folgenden Tagen und Wochen wurden Hunderte von Nachahmungstaten in ganz Westdeutschland registriert. In Berlin, Nürnberg, Hannover und Dutzenden anderen Orten malten Unbekannte Hakenkreuze, SS-Runen und Davidsterne an Sy195

4.  Von Deutschland in die Vereinigten Staaten

nagogen, Schulen und Schaufenster. Oft fügten sie antisemitische Slogans wie »Nieder mit den Juden« und »Heil Hitler« hinzu.14 In einigen Fällen richteten sich ihre Aktionen sogar gezielt gegen einzelne Juden. In der Stadt Scheinfeld wurde das Haus eines jüdischen Geschäftsmanns mit der Aufschrift »Drecksjude« beschmiert; in Hessen drohten Unbekannte einem älteren jüdischen Überlebenden von Theresienstadt die Kreuzigung an.15 Wieder andere wurden dabei erwischt, wie sie nazistische Lieder sangen, Naziparolen grölten und antisemitische Broschüren verteilten.16 In Bayern gab es sogar Fälle versuchter Brandanschläge auf Synagogen.17 Bundesweit wurden zwischen dem 25. Dezember 1959 und dem 15. Februar 1960 insgesamt 833 Taten registriert – über 20 pro Tag.18 Bis weit in das Jahr 1961 kam es zu Zwischenfällen.19 Die Reaktionen im Ausland ließen nicht lange auf sich warten. Die amerikanische Presse widmete dem »Hakenkreuz-Syndrom« große Aufmerksamkeit und berichtete mit Sorge über jeden neuen Fall.20 Regierungen in Westeuropa, Nordamerika und Israel verurteilten die »neonazistischen Übergriffe« aufs Schärfste.21 Die öffentliche Bestürzung drückte sich auch in Massendemonstrationen in London und anderen Städten aus.22 Diese Welle der Aufmerksamkeit übertraf bei Weitem die früheren Fälle von Antisemitismus in Nachkriegsdeutschland. Wie das Ausmaß der Schmierwelle vor dem Hintergrund der sich verschärfenden Berlin-Krise zeigte, blieb das Ausland der Bundesrepublik gegenüber misstrauisch. Das Auswärtige Amt räumte in einer eidesstattlichen Erklärung vom März ein, dass – wie die Reaktion auf die Schmierwelle zeige – »auch im westlichen Ausland nichts vergessen worden ist« und dass »Begriffe wie Konzentrationslager und Gaskammern ... so fest mit dem Namen Deutschland verbunden« sind.23 Wenngleich angloamerikanische Beobachter die Schmierwelle nicht als ernsthafte Bedrohung für die westdeutsche Demokratie sahen,24 galten die Schmierereien ausländischen Kritikern als Beleg für die mangelnde Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit in der Bundesrepublik.25 Das junge Alter der Täter – die meisten waren Jugendliche oder Anfang 20 – deutete nach Ansicht vieler Kommentatoren auf schwerwiegende Defizite im deutschen Bildungssystem hin.26 Kritiker waren außerdem besorgt, dass sich ehemalige Nationalsozialisten zunehmend »in hohen Positionen wiederfanden, sowohl in der ost- als auch in der westdeutschen Regierung«.27 196

Die Renazifizierungsdebatte: Die Alarmisten

In der Bundesrepublik fiel das Echo auf die Schmierwelle geteilt aus. Adenauer befürchtete in einer Zeit zunehmender Ost-West-Spannungen einen Schaden für »das internationale Image Deutschlands«.28 Er beschrieb die Welle deshalb freiheraus als »Schande für das gesamte deutsche Volk« und versprach, alles zu tun, um sie zu bekämpfen. Gleichzeitig wies seine Regierung aus politischem Kalkül jede Verantwortung von sich. Laut Regierungsvertretern handelte es sich bei den antisemitischen Schmierereien um eine vorsätzliche Verschwörung des ostdeutschen Regimes, um »die Bundesrepublik in den Augen der Weltöffentlichkeit [zu] diffamieren«.29 Andere Beobachter taten die Schändungen als spontane Aktion junger und oft betrunkener »Rowdys« ab und deuteten die Welle nicht als Ausdruck tieferer antisemitischer Gefühle.30 Im Gegensatz dazu sahen die politische Opposition unter Führung der SPD, jüdische Gruppen und liberale Medien sehr wohl eine Verbindung zwischen der Schmierwelle und Adenauers Einbindung von ehemaligen Nationalsozialisten in den Staatsapparat der Nachkriegszeit.31 Die Tatsache, dass Globke, Oberländer und andere Mitglieder in seinem Kabinett seien, zeige, dass die Regierung mehr für die Kollaborateure des NS-Regimes als für ihre Opfer getan habe. Jüngere Deutsche unterstrichen diese Anschuldigungen mit Protestmärschen und der Forderung nach der Entlassung ehemaliger Nationalsozialisten aus dem öffentlichen Dienst.32 Die Proteste setzten Adenauer unter Druck, führten zu neuen Aufrufen, sich der nationalsozialistischen Vergangenheit zu stellen, und ließen so die Renazifizierungsdebatte wiederaufleben.33

Die Renazifizierungsdebatte: Die Alarmisten Wie bereits in den frühen 1950er-Jahren ging die erneute Debatte Anfang der 1960er-Jahre mit der Veröffentlichung von alarmierenden Büchern einher, die alte Bedenken hinsichtlich der Vertrauenswürdigkeit der Bundesrepublik neu heraufbeschworen. Die erste dieser Veröffentlichungen war William L. Shirers weltweiter Bestseller Aufstieg und Fall des Dritten Reichs. Obwohl das Buch nicht direkt an die Renazifizierungsdebatte anknüpfte, prägte es die Diskussion nachhaltig.34 Im Oktober 1960 erschienen, kam es genau zum richtigen Zeitpunkt – ein gutes halbes Jahr nach dem Abebben 197

4.  Von Deutschland in die Vereinigten Staaten

der Schmierwelle im Februar und wenige Monate nach der Festnahme Eichmanns im Mai. Diese Ereignisse sowie die anhaltende Berlin-Krise verliehen der Studie eine besondere Dringlichkeit und ließen im Ausland Erinnerungen an die NS-Zeit wach werden. Allein dies versetzte viele westdeutsche Eliten in Sorge; noch beunruhigender war jedoch die Ausgangsthese »Luther zu Hitler«, die die Wurzeln des Dritten Reiches tief in der deutschen Geschichte verortete. Obwohl Shirer nur wenige direkte Parallelen zwischen der jüngeren Geschichte Deutschlands und der Realität des Jahres 1960 zog, gab es angesichts seines Engagements als Gründungsmitglied der Society for the Prevention of World War III und seiner kritischen Kriegs- und Nachkriegsberichterstattung kaum Zweifel an seiner anhaltenden Skepsis gegenüber der Bundesrepublik. Westdeutsche Beobachter verurteilten sein Buch deshalb als »antideutsche« Hetze.35 Ihre überzogenen Reaktionen beförderten jedoch nur das internationale Interesse an der NS-Zeit und schufen eine nur noch größere Leserschaft für weitere alarmierende Studien. Zwei dieser Bücher waren T. H. Tetens’ The New Germany and the Old Nazis (1961) und John Dornbergs Schizophrenic Germany (1961). Tetens kam in seinem Buch auf Thesen seiner früheren Studie Germany Plots with the Kremlin zurück und behauptete, die »Nazis erleben überall ein leises Comeback« und »warten nur auf eine Veränderung des politischen Klimas«, bevor sie den nächsten Schritt täten. In Tetens’ düsterer Vision der Schmierwelle waren sieben bis acht Millionen Deutsche »fanatische Anhänger alter nazistischer Vorstellungen« und eines »wiederhergestellten Deutschen Reiches«.36 Die meisten Deutschen warteten »auf einen neuen Führer«.37 Dornberg hingegen plädierte für eine differenziertere Sicht. Für ihn war Westdeutschland eine »verwirrende ... Gesellschaft der Widersprüche«; seine Bürger seien »weder in der Lage, sich [an die NS-Vergangenheit] zu erinnern noch [, sie] zu vergessen«. Genauso sei »der Faschismus weder tot noch lebendig«. Positiv zu bewerten sei, dass die westdeutsche Justiz angemessen auf die Schmierwelle reagiert, die Täter bestraft und neue Gesetze gegen neonazistische Aktionen erwogen habe. Dornberg widersprach Tetens’ Warnungen vor einem wiederauflebenden Nazismus und hielt die Behauptung, »dass die Nazis wieder an der Macht seien«, für »eine Übertreibung der gröbsten Art«.38 Gleichzeitig hatte er Zweifel an der politischen Stabilität der Bundesrepublik: »Deutschland wurde zu schnell die Unabhängigkeit ge198

Die Renazifizierungsdebatte: Die Alarmisten

In seinem Buch Heusinger of the Fourth Reich enthüllte der Journalist Charles Allen 1963 die nationalsozialistische Vergangenheit des ersten Generalinspekteurs der Bundeswehr und Vorsitzenden des NATO-Militärausschusses, General Adolf Heusinger.

währt und seine Demokratie ruhte auf einem zu wackligen Fundament.« Das beunruhigende Ergebnis sei, dass die Deutschen vergessen hätten, »sich mit ihrer Geschichte auseinanderzusetzen«.39 199

4.  Von Deutschland in die Vereinigten Staaten

Andere Studien aus dieser Phase der Debatte beschäftigten sich ausdrücklich mit der Frage nach einem zukünftigen Vierten Reich. Das Buch Hitler’s Heirs (1961) des New Yorker Journalisten Paul Meskil ähnelte insofern Tetens’ und Dornbergs Studien, als es ebenfalls einen kurzen Überblick über die Präsenz ehemaliger Nationalsozialisten im westdeutschen Staatsapparat gab. In einem Kapitel mit dem Titel »Das Vierte Reich« verlieh Meskil seiner Analyse jedoch zusätzliche rhetorische Emphase. In Westdeutschland lebten um die 10.000 Menschen, hieß es, die im Zweiten Weltkrieg »an den Massenmorden der Nationalsozialisten beteiligt waren«.40 Wie andere Autoren führte Meskil die Biografien von Persönlichkeiten wie Globke, Oberländer und Heyde einzeln auf, ging jedoch noch einen Schritt weiter und verknüpfte sie mit einem weltweiten »NS-Untergrund«, der »eifrig, still und heimlich auf ein Viertes Reich hinarbeitete«.41 Aus diesen internationalen Verbindungen zu unbeirrbaren Nazis im Ausland folgerte Meskil, dass man der Bundesrepublik nicht trauen könne. Eine ähnliche These vertrat der Journalist Charles Allen in seinem Buch Heusinger of the Fourth Reich (1963). Anstatt seinen Blick auf die vielen ehemaligen Nationalsozialisten im Staatsapparat der Nachkriegszeit zu richten, konzentrierte sich Allen auf eine zentrale Figur – den ersten Generalinspekteur der Bundeswehr und Vorsitzenden des NATO-Militärausschusses, General Adolf Heusinger. Allen hinterfragte die Bemühungen des US State Department, dem General trotz seiner »schmutzigen Karriere« im Dritten Reich einen Persilschein auszustellen und ihn für seinen Nachkriegsdienst gegen die Sowjets zu rehabilitieren. Er lehnte den »Mythos« ab, wonach Heusinger ein unpolitischer Hitler-Gegner gewesen sei, und bewies stattdessen, dass der General dem NS-Regime treu gedient hatte und in seine schlimmsten Verbrechen involviert war. Als Chef der Operationsabteilung im Oberkommando des Heeres (OKH) half Heusinger bei der Planung der Operation Barbarossa, entwarf den berüchtigten »Kommissarbefehl« vom Juni 1941 und war über die Verbrechen der Einsatzgruppen umfassend informiert. Nach dem Krieg, so Allen, habe Heusinger versucht, den deutschen Militarismus wiederzubeleben und die nationalen Interessen des Landes durch eine Unterwanderung der NATO zu befördern.42 Dabei habe er sich dafür eingesetzt, »die Grundlage des Vierten Reiches« zu schaffen.43 Allen machte keine Angaben über den genauen Charakter dieses zukünftigen Staates, doch wie seine 200

Die Renazifizierungsdebatte: Die Alarmisten

zahlreichen Zitate aus den Studien anderer alarmierender Kritiker wie Tetens, Dornberg, Shirer und der Society for the Prevention of World War III andeuten, schloss er sich deren Schlussfolgerungen an: Man könne Westdeutschland nicht uneingeschränkt vertrauen. Die Reaktionen auf diese Bücher wie auch auf die aktuellen Ereignisse in Deutschland befeuerten die Angst vor einem Vierten Reich nur noch mehr. In einem Kommentar zu Dornbergs Schizophrenic Germany schrieb Whitney Bolton im Juni 1961, ein Besuch in Berlin habe unlängst seinen Verdacht bestätigt, dass »der Geist, der das Dritte Reich schuf, noch immer lebendig genug ist, um ein mögliches Viertes Reich zustande zu bringen«.44 Ähnlich warnte Clifford E. Carpenter während der Berlin-Krise 1961, solange das Land geteilt sei, bestehe weiter die Gefahr, dass eines Tages »irgendein Deutscher ... ein wieder auflebendes Viertes Reich in ein weltweites Gemetzel führen wird, um Deutschland zusammenzubringen«.45 Gleichzeitig diente das Vierte Reich zunehmend als Marketinginstrument. Die Anzeige für Dornbergs Buch wurde im Juni 1961 gut sichtbar in der New York Times Book Review platziert und mit der reißerischen Schlagzeile »Wird es ein Viertes Reich geben?« versehen.46 Gleiches galt für Shirers Aufstieg und Fall des Dritten Reiches, wobei eine Buchhandlung in Salt Lake City Lesern riet: »Lesen Sie ›Aufstieg und Fall des Dritten Reiches‹ noch schnell, bevor das VIERTE REICH ersteht – jetzt auch als Taschenbuch.«47 Ostdeutsche Kommentatoren äußerten sich ebenfalls besorgt. Als Reaktion auf die Schmierwelle erklärten Journalisten 1959, das Adenauer-Regime habe »nie mit dem Faschismus abgerechnet, wie das gründlich in der DDR geschehen ist«.48 Wie Albert Norden, Mitglied des SED-Politbüros und Direktor des ostdeutschen Propagandakriegs gegen die westdeutsche Renazifizierung, im Januar 1960 im Neuen Deutschland sagte, hatten die »Regenten des Vierten Reiches in Bonn« das »braune Tuch des Schweigens« über die »Leichen im Keller« der Bundesrepublik gebreitet.49 Kurz darauf verurteilte der Erste Sekretär des ZK der SED, Walter Ulbricht, den westdeutschen Militarismus mit den Worten: »Das tausendjährige dritte Reich wurde ja nicht zerschlagen, damit seine Nachfolger ein viertes Reich errichten.«50 Neben diesen Äußerungen ranghoher Regierungsvertreter zitierte die ostdeutsche Presse regelmäßig Verweise auf das Vierte Reich in ausländischen Medien.51 1963 veröffentlichte sie sogar ein Gedicht des Schriftstel201

4.  Von Deutschland in die Vereinigten Staaten

lers Kurt Stern mit dem Titel »Erklärung – Auf Wahlversammlungen vorzutragen«: Wenn sie [im Westen] Geldmacht plus Ausbeutung Freiheit nennen … Wenn sie Kriegsverbrecher und Henker schützen Wenn Judenmörder in ihren Ämtern sitzen … Wenn sie Atombomben lieben … Dann sag ich mir Und sag ich euch Dieses ganze Gekreuch Und ihr Viertes Reich Seinem Vorgänger gleich Wir überleben’s.52 Wie diese auch von Kommunisten außerhalb der DDR stammenden Verweise auf das Vierte Reich zeigen, wurde der Begriff in einer zunehmend angespannten Zeit des Kalten Krieges für politische Zwecke missbraucht.53

Die Renazifizierungsdebatte: Die Apologeten Im Gegensatz zu den Alarmisten reagierten eher apologetische Kritiker nüchtern auf die Schmierwelle, wischten Ängste um die Bundesrepublik beiseite und verteidigten die Nachkriegsentwicklung des Landes. Unter ihnen waren der britische Journalist Terence Prittie mit seinem Buch Germany Divided (1960), Christopher Emmet und Norbert Muhlen mit ihrer Studie The Vanishing Swastika (1961) und der konservative amerikanische Historiker William Henry Chamberlin mit seinem Buch The German Phoenix (1963).54 Sie alle behandelten dieselben Fälle neonazistischer und antisemitischer Aktivitäten aus den späten 1950er-Jahren, bewerteten sie aber optimistischer.55 Emmet, Muhlen und Prittie zum Beispiel räumten ein, dass die Fälle Zind und Nieland »abstoßende« Vorfälle von Antisemitismus seien, hielten sie aber für »untypisch« für die deutsche »Allgemeinheit«.56 Ähnlich beurteilten sie die Schmierwelle als Aktionen zumeist unpolitischer »ju202

Die Renazifizierungsdebatte: Die Apologeten

gendliche Straftäter«, die auf breiter Front gerügt worden seien.57 Von einer Bedrohung durch ehemalige Nationalsozialisten könne deshalb keine Rede sein. Laut Emmett und Muhlen hatten sich die meisten »opportunistischen« Nazis mühelos an die Demokratie angepasst; »überlebende Altnazis« stellten »keine Bedrohung« dar, so die Autoren, weil sie von der Regierung überwacht würden.58 Wie Emmett und Muhlen wies auch Chamberlin Bedenken über die Tätigkeit ehemaliger Nationalsozialisten im Kabinett Adenauer zurück und behauptete, sie seien während des Dritten Reiches Mitläufer gewesen und hätten wenig Einfluss auf die Nachkriegspolitik gehabt.59 Alles in allem habe die westdeutsche Regierung mit ihrer Politik einen »unbeirrbar demokratischen Kurs« eingeschlagen, »sich große Mühe gegeben, wiedererstarkenden Nazis den Weg zu versperren« und alles in ihrer Macht Stehende getan, um »Abbitte für die Verbrechen des NS-Regimes zu leisten«.60 »Langsam, aber entschieden verschwindet das Hakenkreuz aus Westdeutschland«, so ihr Fazit.61 Enttäuschend war für die Apologeten jedoch, dass ihre Gegner außerhalb der Bundesrepublik die Fortschritte des Landes nicht anerkennen wollten. Prittie bemängelte die »extreme Untergangsstimmung« der meisten »Bücher über das heutige Deutschland« und tat die meisten neonazistischen Aktivitäten als das Werk von »Chaoten« ab.62 Die Deutschen verdienten »mehr Anerkennung« für ihre bewundernswerte Reaktion auf die Schändung von Synagogen; »zu viele Gedanken zum Kölner Vorfall wären nur kontraproduktiv«.63 Chamberlins Ansicht nach wurde die Wiedergeburt Westdeutschlands in der Nachkriegszeit durch »eine antideutsche Kampagne« verzerrt, die »die Amerikaner davon überzeugen [soll], dass der Nationalsozialismus heute … eine reale Kraft in Deutschland ist«.64 Derlei Behauptungen könnten sich leicht als Bumerang erweisen, warnten Apologeten. So schrieb der ehemalige amerikanische Landeskommissar für Bayern in den Jahren 1950/51, George Shuster, im Vorwort zu Chamberlins Buch: Jede »Übertreibung ... der [nationalsozialistischen] Gefahr« werde »ebenjene Elemente in Deutschland stärken, deren Wiederaufleben wir fürchten«. Mit »blinder Panikmache bereiten wir möglicherweise den Weg für eine zukünftige Rückkehr der NS-Werwölfe«.65

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4.  Von Deutschland in die Vereinigten Staaten

Die Schmierwelle außerhalb Westdeutschlands Die Ausweitung der Schmierwelle auf andere Länder verschaffte den Verteidigern der Bundesrepublik nur noch mehr Rückenwind. Einige Tage nach den Schmierereien in Köln wurden antisemitische Übergriffe in Westeuropa und Nordamerika bekannt. Am stärksten betroffen waren die Vereinigten Staaten. Zwischen Ende Dezember 1959 und Ende Februar 1960 kam es zu insgesamt 643 Vorfällen. In allen Regionen des Landes, von Großstädten wie Los Angeles bis hin zu Kleinstädten wie Darien, Connecticut, wurden Hakenkreuze auf Synagogen, die Häuser jüdischer Studentenvereinigungen, auf Kirchen, Schulen und Geschäfte geschmiert.66 Berichten zufolge wurden einzelne Juden gezielt schikaniert und angegriffen. Vereinzelt kam es sogar zu Bombenanschlägen. In der Nacht vom 28. auf den 29. Januar 1960 warfen Angreifer eine Brandbombe auf die Synagoge von Kehilath in Kansas City, Missouri, und beschädigten mehr als 50 Fenster.67 Zwei Monate später wurde eine Synagoge in Gadsden, Alabama, von Brandbomben getroffen; mehrere Gläubige kamen ums Leben, andere wurden verletzt.68 Wie in Westdeutschland wurde die »Hakenkreuzepidemie« aufs Schärfste kritisiert und führte zu schonungsloser Selbstbefragung und Ursachenforschung. Präsident Eisenhower verurteilte »das Virus der Bigotterie« als »Bedrohung der Freiheit«, während Geistliche aller Glaubensrichtungen für die Bekämpfung von Hass und die Achtung von Toleranz eintraten.69 Eine der systematischsten Untersuchungen antisemitischen Vandalismus erschien 1961 im Auftrag der »Anti-Defamation League«: Swastika 1960, verfasst von David Caplovitz und Candace Rogers.70 Ihr zufolge waren die Täter mehrheitlich junge Männer im Highschoolalter, die weniger aus virulentem Antisemitismus als vielmehr aus Unreife und blinder Zerstörungswut handelten; sie litten in vielen Fällen unter »Persönlichkeitsstörungen«, die in Handlungen von »wahlloser Feindseligkeit« kanalisiert würden.71 Caplovitz und Rogers verwiesen jedoch ebenso auf die politischen Motive mancher Täter. Eine hohe Anzahl der festgenommenen Rowdys gehöre lose organisierten, halbgeheimen »neonazistischen« Clubs an.72 Diese Gruppen unter der Leitung von selbst ernannten »jugendlichen ›Führern‹« unterschieden sich in ihrer Größe, hegten jedoch alle eine Vorliebe für das Sammeln von Nazi204

Die Schmierwelle außerhalb Westdeutschlands

devotionalien, insbesondere Militäruniformen, Hakenkreuzbannern und Waffen.73 Interviews mit festgenommenen Tätern deuteten ebenfalls auf erhebliche antisemitische Ressentiments hin. Zusammenfassend erklärte der Jewish Advocate 1960 düster: »Nazifreundlich zu sein ist ›in‹, Toleranz ist ›out‹, ... Antinazismus ist spießig.«74 Gewisse neonazistische Gruppen waren von der Vorstellung eines Vierten Reiches inspiriert, so unter anderen die Täter von Kansas City, die zwei verschiedenen Ablegern einer größeren Gruppe des »Nordischen Vierten Reiches« angehörten.75 An ihren Schulen hatten die Mitglieder mit Hakenkreuzen auf ihrer Kleidung für Aufsehen gesorgt; wie sich später herausstellte, hatten sie auch örtliche Synagogen mit dem Hakenkreuz geschändet.76 Die Gruppe stellte ihren Mitgliedern außerdem Ausweise mit dem Vermerk aus: »Auf Befehl von Der Fuehrer ist ____ Mitglied des 4. Reiches.«77 Ähnliche Meldungen kamen im Mai 1959 aus Cleveland, wo Schüler einer Highschool verhaftet wurden, die eine neonazistische Gruppe namens »Viertes Reich« gegründet hatten; nach Angaben der örtlichen Presse wollte sie »ein Viertes Reich nicht in Deutschland, sondern genau hier [in Ohio] errichten«.78 Sowohl die Gruppe in Kansas City als auch die in Cleveland nannten Hass auf Juden, Kommunisten und »Neger« als Motiv, wobei die Gruppe in Ohio Mordanschläge auf Feinde wie Präsident Eisenhower plante.79 Wie diese Berichte zeigten, war die Idee des Vierten Reiches bis auf die Ebene der Populärkultur vorgedrungen, wo sie an die rebellischen Instinkte amerikanischer Teenager appellierte. Die amerikanische Schmierwelle ebbte relativ schnell ab, doch die Reaktion darauf ließ eine neue Tendenz zur Verallgemeinerung der nationalsozialistischen Vergangenheit erkennen. Wo gewisse Amerikaner das gleiche extremistische Verhalten wie gewisse Deutsche an den Tag legten, hatten Beobachter den Eindruck, die Auslöser für neonazistische Schändungen beschränkten sich nicht auf die Bundesrepublik, sondern man hätte es mit weiter verbreiteten Kräften zu tun. Nach Ansicht der Autoren von Swastika 1960 spiegelte der antisemitische Vandalismus auch die Ängste der Amerikaner vor sozialem Wandel wider. Da Juden in der Nachkriegszeit in bisher homogene Vororte gezogen waren und die Bevölkerung zunehmend auf eine Aufhebung der Rassentrennung im amerikanischen Süden drängte, hätten sich weiße Amerikaner »mit der NS-Ideologie beschäftigt«, um so 205

4.  Von Deutschland in die Vereinigten Staaten

gegen eine immer inklusivere Gesellschaft zu protestieren.80 Die Studie verwies auch auf die Ängste im Kalten Krieg und stellte einen möglichen Zusammenhang her zwischen der »weitverbreiteten Angst von Jugendlichen«, die sich seit dem Start der Raumsonde Sputnik I durch die Sowjetunion 1959 um das schwindende »Ansehen Amerikas« sorgten, und der »Überzeugung, dass nur eine militaristische Herrenrasse-Ideologie diesem [Imageverlust] gewachsen ist«.81 Dieser Theorie zufolge zeugte die Identifizierung amerikanischer Teenager mit dem Vierten Reich von einer tiefen Unsicherheit. Während diese Analysen Ähnlichkeiten bezüglich der Motive der Täter feststellten, hoben andere Studien Ähnlichkeiten unter den Opfern hervor. Viele sahen die Schmierwelle als Bedrohung nicht nur für Juden, sondern auch für andere amerikanische Gruppen. So deutete die afroamerikanische Presse die Schmierwelle als Ausdruck eines Sündenbockdenkens, das »den Neger« genauso leicht wie die Juden treffen könne. Laut dem in Memphis ansässigen Tri-State Defender speiste sich der Hass auf Juden aus dem gleichen »Rassenvorurteil ... gegen den schwarzen Mann Amerikas« und war Teil eines größeren »Virus, der eine ganze Gesellschaftsordnung infizieren kann, wenn er nicht an der Quelle gestoppt wird«.82 Als Gegenmittel empfahl The Los Angeles Tribune den amerikanischen Behörden, die Öffentlichkeit an die Schrecken des Nationalsozialismus zu erinnern, »uns die sechs Millionen Juden zu zeigen …, die in den Lagern vernichtet wurden«, und »uns zu sagen, … was mit den 20 Millionen Negern in den USA passiert wäre«.83 Ein New Yorker Rabbi unterstütze diesen Aufruf und deutete das Hakenkreuz »weniger als ein Symbol des Hasses auf ein Volk als ... [des Hasses] auf die Kräfte der Freiheit [und] Gerechtigkeit«. Das Hakenkreuz sei »ebenso sehr Feind der Christen wie der Juden«.84 Diese Kommentare erwähnten den Gedanken eines Vierten Reiches zwar nicht ausdrücklich; sie setzten jedoch einen neuen Bezugsrahmen für die zukünftige Entwicklung des Konzepts.

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Neonazismus, die neue Linke und das Vierte Reich

Neonazismus, die neue Linke und das Vierte Reich Mitte der 1960er-Jahre waren deutsche und westliche Beobachter angesichts neuer neonazistischer Aktivitäten in der Bundesrepublik erneut in Sorge. Grund dafür war der Aufstieg einer neuen rechtsextremen Partei namens NPD. 1964 als Bündnis konservativ-nationalistischer und rechtsextremer Kräfte gegründet, ging die NPD aus der DRP von Adolf von Thadden hervor, die wiederum aus der SRP von Fritz Dorls und Otto Ernst Remer entstanden war. Die zwei Parteiflügel wurden ursprünglich von Adolf von Thadden und dem konservativen Nationalisten Friedrich Thielen geführt, die die verschiedenen rechtskonservativen Gruppierungen der Bundesrepublik in einer Partei zu einen versuchten. Nachdem zunächst beide auf dieses Ziel hinarbeiteten, übernahm von Thadden 1967 das Zepter und wurde zum unangefochtener NPD-Vorsitzenden.85 Unter seiner Führung vollführte die NPD den Spagat zwischen extremem Konservatismus und Neonazismus. Thaddens Erfahrungen mit der DRP hatten ihn sensibel für ein mögliches Parteiverbot der NPD durch die westdeutsche Justiz gemacht. So sorgte er dafür, dass die Partei sich nicht offen zu nationalsozialistischen Prinzipien bekannte, und entfernte Altnazis aus den Führungsetagen, um der Partei einen seriöseren Anstrich zu verleihen. Gleichzeitig bemühte sich der NPD-Chef um eine Rehabilitierung des Dritten Reiches, indem er eine schöngefärbte Version der NS-Vergangenheit forcierte.86 Überzeugt, dass die schändliche Last des Dritten Reiches die Deutschen zu einem »Volk ohne Geschichte« gemacht und ihrer nationalen Identität geschadet habe, relativierte von Thadden die Verbrechen des NSRegimes als Mittel zur Wiederherstellung der »nationalen Würde«.87 Nicht nur das Gründungsmanifest der NPD von 1966 wehrte sich gegen »die Lüge der deutschen Alleinschuld« für den Zweiten Weltkrieg; auch die Parteichefs spielten regelmäßig die Anzahl der im Holocaust getöteten Juden herunter und legten den Fokus auf das Leid der Deutschen unter alliierter Besatzung.88 Die Partei lehnte ferner die Fortsetzung der Kriegsverbrecherprozesse gegen NS-Täter sowie Entschädigungszahlungen an Israel ab.89 Nur durch die Befreiung von seinem chronischen »Anklagezustand« könne das 207

4.  Von Deutschland in die Vereinigten Staaten

1967 wurde der ehemalige Nationalsozialist Adolf von Thadden zum unangefochtenen Chef der rechtsextremen Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD).

deutsche Volk die tragische Teilung seines Landes beenden und wahre »nationale Selbstbestimmung« erreichen. Dabei bediente sich die NPD opportunistisch der antikolonialen Rhetorik der Zeit und beschrieb die Deutschen als eines der »unterdrückten Völker der Welt«, das um Befreiung von der Dominanz der »fremden Mächte« im Kalten Krieg kämpfe.90 Praktisch verlangte sie einen Austritt aus dem NATO-Bündnis, die Rückgabe der verlorenen Ostgebiete und die »Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands« innerhalb eines »unabhängigen Europas«. Zugleich vertrat die NPD eine klare antikommunistische Linie, verurteilte die Unterwerfung »Mitteldeutschlands durch die Sowjetdiktatur« und verurteilte den linken Aktivismus der westdeutschen Studentenbewegung. Nicht zuletzt verstand sie sich 208

Neonazismus, die neue Linke und das Vierte Reich

als Bewahrerin deutscher kultureller Werte, die vor fremden Einflüssen wie ausländischen Einwanderern oder der amerikanischen Populärkultur geschützt werden müssten.91 In den ersten Jahren ihres Bestehens erregte die NPD wenig Aufsehen, gab aber nach unerwarteten Wahlerfolgen 1966 Anlass zur Sorge. In jenem Jahr erreichte die Partei bei den Landtagswahlen in Hessen und Bayern 7,9 bzw. 7,4 Prozent der Stimmen. Im Jahr darauf konnte sie in Rheinland-Pfalz 6,9 Prozent der Stimmen, in Niedersachsen 7,0 Prozent und in Bremen 8,8 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Mit 9,8 Prozent der Stimmen erzielte die NPD 1968 in Baden-Württemberg ihr bestes Ergebnis.92 Sie war die erste rechtsextreme Partei, die seit der SRP 1952 in die Landtage einzog. Wie frühere Parteien erhielt auch die NPD viel Unterstützung von ehemaligen NSDAP-Mitgliedern, was auf den nationalsozialistischen Hintergrund der meisten ihrer ursprünglichen Parteichefs hindeutete.93 Im Zuge einer neuen und beunruhigenden Entwicklung fand die Partei jedoch auch bei jüngeren Deutschen Anklang, die in einer Zeit zunehmender Umwälzungen in der Bundesrepublik nach neuen politischen Optionen suchten.94 Der Erfolg der NPD zeugte von der zunehmenden politischen Polarisierung der Zeit. Ab Mitte der 1960er-Jahre erlebte die Bundesrepublik einen leichten, aber dennoch spürbaren Konjunkturrückgang, der zusammen mit steigenden Haushaltsdefiziten und einer Ungewissheit über die Aufwertung der D-Mark Zweifel an den Führungsqualitäten von Adenauers Nachfolger, CDU-Kanzler Ludwig Erhard, aufkommen ließ.95 Die FDP zog sich bald aus der CDU-geführten Regierungskoalition zurück, sodass es für kurze Zeit zu einer Lähmung kam, von der sich das politische System erst nach Bildung einer »Großen Koalition« aus SPD und Christdemokraten unter dem neuen Kanzler Kurt Georg Kiesinger erholte. Diese Entwicklung befremdete rechts stehende Deutsche, die die Zusammenarbeit mit der linken Opposition ablehnten. Sie befremdete allerdings auch die immer radikaleren studentischen Mitglieder der neuen Linken. Diese waren schockiert über das pragmatische Bündnis der älteren Sozialdemokraten mit der Rechten und deren Unterstützung für eine so umstrittene Maßnahme wie die Notstandsgesetze von 1968.96 Besonders entsetzt waren sie, dass sich das SPD-Establishment mit einer Partei verbündete, deren neuer Vorsitzender, Kiesinger, NSDAPMitglied gewesen war. In der Folge verstärkte die neue Linke ihren Protest 209

4.  Von Deutschland in die Vereinigten Staaten

gegen die ihrer Meinung nach kapitalistischen, imperialistischen und »faschistischen« Grundpfeiler der Bundesrepublik. Sie verurteilte ebenfalls das Bündnis mit den (damals in Vietnam Krieg führenden) USA, bejubelte antikoloniale Widerstandsbewegungen in Asien und im Nahen Osten und rebellierte mit ihrem Bekenntnis zur unheiligen Dreieinigkeit von Sex, Drogen und Rock’n’ Roll gegen bürgerliche gesellschaftliche und kulturelle Normen. Diese wachsende Protestwelle erreichte mit den Massendemonstrationen und der Straßengewalt der Jahre 1967 und 1968 ihren Höhepunkt – eine traumatische Zeit, die das Gefühl der politischen Polarisierung in der Bundesrepublik nur noch vertiefte. Wo deutsche Konservative Zweifel hatten, dass die CDU als Partei der Mitte Recht und Ordnung wiederherstellen könne, sahen viele in der NPD die einzig wahre rechte Alternative.97 Die Wahlerfolge der NPD in den Jahren 1966–1969 lösten bei westdeutschen wie ausländischen Beobachtern Besorgnis aus. In der Bundesrepublik erörterten Intellektuelle, Journalisten und Wissenschaftler die Gründe für das Entstehen der Partei, diskutierten, ob es sich um Neonazis handele, und stritten darüber, ob sie wie die SRP verboten werden solle.98 Viele Kritiker zogen polemische Parallelen zwischen der NPD und der NSDAP und wiesen darauf hin, dass sich die Abkürzungen der beiden Parteien bis auf die Buchstaben »S« und »A« (die Abkürzung für Sturmabteilung) glichen; die NPD entspreche also den Nazis ohne paramilitärische Gewalt.99 Andere bemerkten, dass von Thadden denselben Vornamen wie der berüchtigte Mitbegründer der NSDAP trug, nannten ihn »Adolf II.« und protestierten mit Slogans wie »Ein Adolf war genug!«.100 Die wichtigste der verschiedenen alarmierenden Analysen der Partei war das Buch Kommen die Nazis wieder? (1967) des linken Journalisten Kurt Hirsch.101 In seiner Studie deckte Hirsch systematisch die Kontinuitäten von Ideologie, Personal und Wählerschaft zwischen NSDAP und NPD auf. Vor allem machte er jedoch den »bürgerlichen Parteien« der Bundesrepublik den Vorwurf, ebenjenen Nationalismus zu schüren, der das Herzstück der NPD sei, und verglich ihr Vorgehen mit dem Zusammenschluss von Konservativen und NSDAP in der Harzburger Front von 1931. Nur durch ein Bewusstsein der Parallelen zwischen Vergangenheit und Gegenwart würden »demokratisch gesinnte Bürger ungeachtet ihrer Parteizugehörigkeit« aufstehen und den westdeutschen Staat vor »neuem Schaden« schützen.102 210

Neonazismus, die neue Linke und das Vierte Reich

Im angloamerikanischen Raum löste der Aufstieg der NPD ähnliche Jeremiaden aus. Ivor Montagus Germany’s New Nazis (1967), Wellington Longs The New Nazis of Germany (1968) und Lord Russells Return of the Swastika? (1969) erläuterten die Entstehung der NPD vor dem Hintergrund der Nachkriegsereignisse wie der gescheiterten Entnazifizierung, des Aufstiegs der SRP, des Eintritts von ehemaligen Nazis in den Staatsdienst und der Schmierwelle.103 Sie deuteten die Prinzipien der NPD als Reaktion auf die Krise Mitte der 1960er-Jahre, insbesondere die zunehmende soziale Spaltung sowie außenpolitische Enttäuschungen für Westdeutschland. Alle Autoren blickten pessimistisch auf die westdeutsche Gegenwart, blieben in ihren Prognosen jedoch gemäßigt. Nach Ansicht Montagus war es »äußerst unwahrscheinlich«, dass die NPD »wie die Nazipartei zu den Herrschern Deutschlands aufsteige«; allerdings mache die Partei »nazistisches Gedankengut« wieder salonfähig.104 Long zufolge hing das Schicksal der NPD von ihrer Fähigkeit ab, das »eine Viertel der Bevölkerung anzusprechen, das noch immer kein Vertrauen in das demokratische System hat«.105 Der pessimistischste Beobachter war Lord Russell. In seinen Augen stellte sich die Situation nationalsozialistischer politischer Parteien 1969 noch beunruhigender dar als 1952.106 Obwohl er die deutsche Demokratie nicht im Begriff sah, »einem neuen Hitler Platz zu machen«, deutete die Tatsache, dass »immer mehr junge Menschen sich ... dem neuen Adolf zuwenden«, für ihn darauf hin, dass die NPD geschickt die »echte Nostalgie für das Hitler-Regime« ausnutze.107 All diese Entwicklungen ließen befürchten, dass der Erfolg der NPD sich als Vorbote eines Vierten Reiches in Deutschland erweisen könne. Die NPD erwähnte ihrerseits das Konzept nie explizit, was sie von der SRP in den frühen 1950er-Jahren unterschied. Doch der Gedanke eines wiederbelebten Reiches blieb dennoch mit der Partei verbunden. Bereits Anfang der 1960erJahre stand von Thadden im Verdacht, die Vorgängerpartei der NPD, die DRP, für die Schaffung eines neuen Reiches zu nutzen.108 Derlei Vergleiche mehrten sich nach den Wahlerfolgen der NPD von 1966 bis 1968. Im November 1966 behauptete der kanadische Journalist Peter Lust, der Erfolg der NPD in Bayern lasse eine »Machtergreifung [durch] ... einen Putsch«, die »Wiederherstellung des Nationalsozialismus« und die Proklamation des »Vierten Reiches« befürchten.109 In den USA hoffte Robert Segal, der Wahlerfolg der NPD 1966 werde zusammen mit dem Aufstieg von Kiesinger als 211

4.  Von Deutschland in die Vereinigten Staaten

Kanzler »die besten Freunde Deutschlands aus ihrer Selbstgefälligkeit reißen« und ihnen klar machen, dass die Neonazis »Förderer des Vierten Reiches« seien.110 Im Frühjahr 1968 veröffentlichte die Society for the Prevention of World War III einen Artikel mit dem Titel »Ein Viertes Reich für Deutschland«, der die zahlreichen Verbindungen zwischen NPD und Nationalsozialismus aufdeckte und vor einem erneuten Anstieg der Stimmen für die Partei bei den Bundestagswahlen 1969 warnte.111 Ähnliche Mahnungen kamen vonseiten westdeutscher Beobachter. Die Zeit fragte sich nervös, ob nach dem Erfolg der NPD »ein 4. Reich in Sicht« sei.112 Auch Kurt Hirsch sah die prominentesten Mitglieder der NPD in seinem Buch Kommen die Nazis wieder? als »Führer eines ›Vierten Reiches‹«.113 Im November 1966 bekundeten Tausende von NPD-Gegnern bei einer Massendemonstration in München ähnliche Sorgen.114 Die ostdeutsche Presse verstärkte diese Argumentationslinie mit einer Vielzahl von Artikeln. Einige Autoren stellten zufrieden fest, dass Münchner Studierende bei ihren Protesten gegen die NPD vor einem »Vierte[n] Reich« in der Bundesrepublik gewarnt hätten.115 Die meisten Autoren nutzten den Begriff jedoch für einen Angriff auf die ihrer Ansicht nach zunehmend nationalistische Außenpolitik der westdeutschen Regierung. Im Oktober 1966 bezeichnete das Neue Deutschland einen unterirdischen Bunker im Ahrtal, der von westdeutschen Politikern bei NATO-Notfallübungen genutzt wurde, als »Wolfsschanze des vierten Reiches«, und erinnerte damit an Hitlers ostpreußische Kommandozentrale im Zweiten Weltkrieg.116 Ein halbes Jahr zuvor hatte die kommunistische französische Zeitschrift Combat nach einer Meldung im Neuen Deutschland Westdeutschland beschuldigt, die »Lebensraum«-Tradition von Joachim von Ribbentrop fortzusetzen, ehemalige Ostgebiete im sowjetischen Reich zu beanspruchen und sich so »als eine Art ›Viertes Reich‹« zu gebärden.117 Ein Jahr darauf deutete die sowjetische Presse nach einem Bericht der Neuen Zeit die von Bundeskanzler Kiesinger verweigerte endgültige Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als Beweis dafür, dass er »›Führer aller Deutschen‹ an der Spitze eines Vierten Reiches sein will«.118 Schließlich erschienen in ostdeutschen Medien in den Jahren 1968/69 häufig Kommentare aus der französischen, russischen, bulgarischen, indischen und syrischen Presse, die Parallelen zwischen der Bundesrepublik und dem »Vierten Reich« zogen.119 212

Die Generalisierung des Vierten Reiches in den USA

Letztlich erwiesen sich die Warnungen als überflüssig. Obwohl die NPD in sieben westdeutsche Landtage einzog, blieb ihr der nationale Durchbruch versagt. Bei den Bundestagswahlen 1969 erreichte die Partei nur 4,3 Prozent der Stimmen und scheiterte damit an der für den Einzug in den Bundestag erforderlichen Fünfprozenthürde. Dieses Scheitern lag unter anderem in der verbesserten wirtschaftlichen Lage begründet.120 Vor allem aber war es Ausdruck des allgemeinen Linksschwenks westdeutscher Wähler. Bei den Wahlen 1969 erhielt die SPD mit 42,7 Prozent die meisten Stimmen und bildete eine Koalition mit der FDP, die sich von der CDU/CSU abwandte. Zum ersten Mal seit der Gründung der Bundesrepublik im Jahr 1949 verlagerte sich die Macht friedlich von rechts nach links. Der neue Kanzler Willy Brandt wurde der erste sozialdemokratische Regierungschef seit der Weimarer Republik. Dieser wichtige Meilenstein verschaffte der jungen westdeutschen Demokratie eine beispiellose Legitimität. Tatsächlich deutete er an, dass die Bundesrepublik den historisch tragischen Sonderweg endlich überwunden hatte und zu einem »normalen« westlichen Land geworden war.121 Wie die Bundestagswahl bewies, war das Land weniger anfällig für Rechtsparteien als befürchtet und lief somit nicht unmittelbar Gefahr, zu einem Vierten Reich zu werden. Zum ersten Mal in der Nachkriegszeit erschien die historische Entwicklung Westdeutschlands nicht anfällig für nachträgliche kontrafaktische Kritik.

Die Generalisierung des Vierten Reiches in den USA Während westliche Beobachter in Anbetracht der sich festigenden Demokratie in Westdeutschland Zuversicht schöpften, begannen sie ironischerweise, sich Sorgen um die Zukunft der Demokratie in den Vereinigten Staaten zu machen. Die Unruhen der 1960er-Jahre erschütterten die USA in besonderer Weise. Der sich zuspitzende Kampf um Bürgerrechte, die Rassenunruhen in amerikanischen Städten, die Ermordung von Martin Luther King Jr. und die Entstehung der Bewegung des schwarzen Nationalismus offenbarten die anhaltende Kluft zwischen den Rassen im Land. Die massenhaften Studentenproteste gegen den Vietnamkrieg, die Forderung nach 213

4.  Von Deutschland in die Vereinigten Staaten

Frauen- und Schwulenrechten und die Entstehung der Gegenkultur deuteten auf eine wachsende soziale und kulturelle Spaltung hin. Die zunehmende Polarisierung zwischen liberalen und konservativen Amerikanern führte mit der Präsidentschaftswahl von Richard Nixon 1968 und erneut 1972 zu einem scharfen Rechtsruck. Der katastrophale Verlauf der Präsidentschaft Nixons, die nach fast zwei Amtszeiten in dem Watergate-Skandal gipfelte, ließ viele Amerikaner pessimistisch auf den Zustand der Demokratie in ihrem Land blicken und führte zu Verbalattacken von beispielloser Heftigkeit. So überrascht es nicht, dass Kritiker häufig auf die Geschichte der NS-Zeit zurückgriffen und sich der Idee des Vierten Reiches bedienten, um amerikanische und nicht deutsche Missstände anzuprangern. Dass Amerika sein eigenes faschistisches Potenzial haben könnte, wurde erstmals mit der Gründung der American Nazi Party (ANP) zu Beginn der 1960er-Jahre deutlich. Von dem notorischen Antisemiten und Befürworter der Rassentrennung George Lincoln Rockwell 1958 gegründet, war die ANP stets eine unbedeutende Organisation am politischen Rand. In den Medien, vor allem aber auf den Radarschirmen der staatlichen Überwachungsbehörden, fand sie angesichts ihrer öffentlichen Proteste gegen Juden und Schwarze jedoch große Aufmerksamkeit. Für Rockwell war die Bürgerrechtsbewegung Teil einer jüdischen Verschwörung; so geriet er 1958 in die Schlagzeilen, als er mit einem Schild mit der Aufschrift »Save Ike from the Kikes« [Rettet Ike vor den Juden] vor dem Weißen Haus demonstrierte und später Martin Luther King Jr. als »Martin Luther Coon« diffamierte.122 Zu Beginn der 1960er-Jahre löste seine rassistische Hetze gewalttätige Gegenproteste aus; 1965 zog er weitere Kritik auf sich, als er als Gouverneur von Virginia kandidierte und sich in seinem Wahlprogramm, für das er später den Slogan »White Power« prägte, unverhohlen zum Rassismus bekannte.123 Etwa zur gleichen Zeit wurde Rockwell mit der Möglichkeit eines Vierten Reiches in Verbindung gebracht. 1966 verurteilte ein Frankfurter Gericht den engen deutschen Vertrauten von Rockwell in der wachsenden internationalen Nazibewegung, das ehemalige Hitlerjugend-Mitglied Bruno Armin Ludtke, Wehrmachtsveteran und selbst ernannter »Führer«, wegen »Versuchs der Bildung einer Vierten Reichsregierung« zu einer Bewährungsstrafe von acht Monaten.124 Im selben Jahr wurden mehrere mit Ludtke 214

Die Generalisierung des Vierten Reiches in den USA

Der notorische Antisemit, Befürworter der Rassentrennung und Gründer der American Nazi Party (ANP), George Lincoln Rockwell, hält im November 1967 eine Nachrichtenkonferenz in Airlington, USA.

in Verbindung stehende Deutsch-Amerikaner und Deutsche – Reinhold Ruppe, Erich Lindner und Kurt Reinheimer – verhaftet, weil sie an einer verbrecherischen Geheimorganisation zur Ermordung des Generalstaatsanwalts Fritz Bauer und zur Gründung eines »Vierten Reiches« beteiligt waren.«125 Hinzu kamen Fälle von Vandalismus, bei denen in den Jahren 1966/67 Parolen wie »Das Vierte Reich« auf Synagogen und andere Gebäude in amerikanischen Städten geschmiert wurden. Wie diese Berichte zeigten, beschränkte sich die Unterstützung für den Nationalsozialismus nicht nur auf die westdeutsche NPD, sondern existierte auch in den vermeintlich demokratischeren Vereinigten Staaten.126 Der Gedanke eines neuen Reichs hatte offenbar ebenso viel mit amerikanischem Rassismus zu tun wie mit deutschem Antisemitismus. Diese zunehmenden Verquickungen verdeutlichen, warum schwarze wie weiße Bürgerrechtler als einige der Ersten behaupteten, die Vereinigten 215

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Staaten hätten das Potenzial zu einem Vierten Reich. Bereits 1964 warnte das Jet Magazine, das Bekenntnis des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Barry Goldwater zu »Extremismus im Namen der Freiheit« sei »nicht nur für Neger, sondern auch für Juden« eine »Gefahr«; »wenn wir hier kein Viertes Reich haben wollen, müssen sich rassische und religiöse Minderheiten an der Wahlurne zusammenschließen und die Kandidatur Barry Goldwaters begraben«.127 Nach dem »Bloody Sunday« in Selma, Alabama, im März 1965 verglich ein Beobachter die Anhänger von George Wallace mit Nationalsozialisten und fragte besorgt: »Versuchen wir, das Vierte Reich [in] meinem geliebten Bundesstaat zu errichten?«128 Als sich die Rassenspannungen 1967 verschärften, nutzten schwarze Nationalisten den Begriff des Vierten Reiches zur Beschreibung der gespaltenen Nation. Im August jenes Jahres erklärte H. Rap Brown vom Student Nonviolent Coordinating Committee (SNCC): »Wir sehen Amerika als das, was es ist: das Vierte Reich, und wir raten Amerika, gewarnt zu sein, denn wenn Weiße Nazis spielen, spielen die Schwarzen noch lange keine Juden!«129. Die entschiedenste Kritik kam von Max Stanford, einem führenden Mitglied des Revolutionary Action Movement (RAM), der während seiner Haft im Frühjahr 1968 ein Manifest für eine »unabhängige schwarze Nation« schrieb, in dem er erklärte: Anstatt dass Amerika die wahren Ungerechtigkeiten gegenüber Afroamerikanern zugibt ... hat es sich entschieden, ihn zu beseitigen ... Das Vierte Reich ist hier. ... Armageddon ist hier, der Rassenkrieg ist in Reichweite ... Das ganze Vierte Reich wird … versuchen, uns auszulöschen, wenn schwarze Amerikaner gegen Rassismus rebellieren. Das Vierte Reich wird von der modernsten ... elektronischen, biologischen und chemischen Kriegsführung gegen uns Gebrauch machen. Sie wissen, wenn sie diesen Krieg verlieren, wird ihr gesamtes Reich zerfallen. ... Das Vierte Reich wird einen brutaleren Krieg gegen uns entfesseln als den, den sie gegen die Vietnamesen führen.130

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1967 erklärte H. Rap Brown vom Student Nonviolent Coordinating Committee (SNCC): »Wir sehen Amerika als das, was es ist: das Vierte Reich.«

Schwarze Journalisten teilten im Allgemeinen diese alarmierenden Ansichten. 1967 verwies der Herausgeber des Ebony Magazine, Lerone Bennett, auf »den Aufstieg der radikalen Rechten, die wachsende Verzweiflung im Getto [und] die zunehmende Angst in der weißen Gemeinschaft«. Amerika laufe Gefahr, »ein Viertes Reich« zu werden, wenn »wir nicht ... revolutionäre Veränderungen auf allen Ebenen unseres Lebens vornehmen«.131 1969 kritisierte The Philadelphia Tribune den Bürgermeister von Philadelphia, Frank Rizzo, da dieser die Untersuchung örtlicher Fälle von Polizeibrutalität ablehnte und behauptete, die Stadtverwaltung habe »durchaus ihre Lehren aus dem Dritten Reich gezogen« und helfe, in der Stadt der brüderlichen Liebe »ein Viertes Reich« einzuführen.132 217

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Schwarze Aktivisten richteten ihr Augenmerk insbesondere auf die Rolle Richard Nixons, der diesen Rechtsruck beförderte. 1970 kritisierte The Milwaukee Star die autoritären Tendenzen des Präsidenten und bezeichnete ihn als »›King Dick‹, Herrscher des Vierten Reiches«.133 Entsprechende Stimmen mehrten sich nach der Wiederwahl Nixons. In einem Interview kritisierte der Schriftsteller James Baldwin 1973 die Entscheidung der amerikanischen Wähler, »Nixon … erneut ins Weiße Haus« einziehen zu lassen, mit den Worten: »um den Nigger in seine Schranken zu weisen, brachten sie Gesetz und Ordnung ins Amt, ich dagegen nenne es das Vierte Reich«.134 In seinem Buch Eine Straße und kein Name (1972) hatte der Schriftsteller bereits ein Jahr zuvor seine Sorge über die gesamte Generation der 1960er bekundet: »Als ich [die Blumenkinder] so betrachtete, als ich sah, wie idealistisch, zersplittert und machtlos sie waren, wurde mir klar, dass mein Land, an das ich unseligerweise mehr und mehr als an das Vierte Reich denken musste, diese Blumenkinder […] würde vernichten müssen, ehe es sich die Schwarzen und dann die übrige Welt vornehmen würde, genau wie das Dritte Reich erst die deutsche Opposition ausschalten musste, bevor es sich der Juden und dann des übrigen Europa annehmen konnte.«135 Ähnliche Kommentare tauchten bis weit in die Mitte der 1970er-Jahre hinein auf, als zum Beispiel Lerone Bennett in einer Rede vom November 1975 eine Reihe von Programmen auflistete, die »soziale Missstände … beheben« sollten: »Vor uns liegen nur zwei Wege ... der eine, zum ersten Mal eine Demokratie zu werden, der andere ein faschistisches viertes Reich.«136 Auf den Bemühungen von Bürgerrechtlern aufbauend, nutzten andere linke Kritiker die Idee des Vierten Reiches zur Verurteilung des Vietnamkriegs. 1970 zog der berühmte Anwalt William Kunstler angesichts des Massakers von Mỹ Lai und der Nutzung amerikanischer Gefängnisse »als Konzentrationslager« für politische Gefangene Parallelen zwischen den USA und Nazideutschland: »Wenn Sie das deutsche Volk für die Unterstützung des Dritten Reiches verurteilen, dann müssen Sie sich selbst für die Unterstützung des Vierten Reiches verurteilen.«137 Der damals in Bolivien inhaftierte kommunistische französische Aktivist Régis Debray äußerte 1970 seine Bewunderung für Charles de Gaulle; dieser sei eine inspirierende, nationalistische Figur des Widerstands für »jedes Land, das für die nationale Unabhängigkeit kämpft, gegen die Vorherrschaft des ›Vierten Reiches‹ – des 218

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Auf diesem Plakat aus der Zeit des Vietnamkriegs sitzt Präsident Lyndon B. Johnson in einem Volkswagen Käfer, der ursprünglich als »Kraft-durch-Freude«-Wagen von Hitlers Deutscher Arbeitsfront in den 1930er-Jahren konzipiert worden war. Die Bildunterschrift lautete: »Der Aufstieg und Fall des Vierten Reichs«.

Reiches der USA –, das furchtbarer ist als das Dritte Reich«.138 Anfang 1973 beschrieb Pamala Haynes in der Philadelphia Tribune Präsident Nixons »mörderische Bombardierung« Vietnams als das »schlimmsten Kriegsverbrechen ... seit Adolf Hitlers Bombardierung Rotterdams«; die Angriffe hätten das »rassistische Amerika« in »das Vierte Reich« verwandelt.139 Bereits 1968 wurde Lyndon B. Johnson auf einem satirischen Poster verspottet, auf dem er in einem Volkswagen Käfer saß – einem Modell, das in den 1930erJahren von Hitlers Deutscher Arbeitsfront als »Kraft-durch-Freude«-Wagen konzipiert worden war. »Der Aufstieg und Fall des Vierten Reiches« lautete die Bildunterschrift. Eine ähnliche Terminologie verwendeten Kritiker, die die Regierung Richard Nixons während des Watergate-Skandals attackierten. Noch bevor im Frühjahr 1973 der Einbruch in den Watergate-Komplex bekannt wurde, stellten Journalisten in ihren Berichten über Nixon und seine Berater Bezüge zur NS-Zeit her. 1971 bemerkte The Boston Globe, dass »fast alle ... 219

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engsten Mitarbeiter des Präsidenten im Weißen Haus« »unverkennbar teutonische Nachnamen [hatten] – Kissinger, Haldeman, Ehrlichman ... und Schultz« – und »zusammen als das Vierte Reich .... bekannt« waren.140 Nach Bekanntwerden des Watergate-Skandals bekamen solche Beobachtungen einen polemischeren Unterton. Im Mai 1973 sprach The Billings Gazette mit Blick auf die angeschlagene Nixon-Regierung vom »Fall des Vierten Reiches«.141 Landesweit wandten sich amerikanische Bürger mit Leserbriefen an die Herausgeber ihrer Lokalzeitungen und äußerten die Sorge, dass »Amerika zum Vierten Reich geworden und der Präsident der Sohn Hitlers ist«.142 Verschwörungstheoretiker assoziierten schließlich die Ermordung von Präsident John F. Kennedy mit einem größeren Komplott zur Gründung eines Vierten Reiches in den USA. Mitte der 1960er-Jahre begründete der berühmte Staatsanwalt von New Orleans, Jim Garrison, seine bekannte Ablehnung des Warren-Reports mit dem Argument, der Mord an Präsident Kennedy sei Teil einer größeren »Nazioperation«, finanziert von »ölreichen Millionären in Texas«, die Kennedys Bemühungen ablehnten, mit Nikita Chruschtschow und Fidel Castro »eine Übereinkunft zu erzielen«. 1967 legte Garrison diese Theorie in einem Essay mit dem provokanten Titel »The Rise of the Fourth Reich« [Der Aufstieg des Vierten Reiches] oder »How to Conceal the Truth about an Assassination without Really Trying« [Wie man die Wahrheit über ein Attentat verschleiert, ohne es wirklich zu versuchen] dar.143 Die amerikanische Regierung versuche, so Garrison, der amerikanischen Öffentlichkeit ein »Trugbild« über den Kennedy-Mord zu verkaufen und gehe dabei wie die Nationalsozialisten vor: »Die ... Illusion ... dass wir in der besten aller möglichen Welten leben, ist eine beliebte Strategie faschistischer Regierungen ..., damit die Menschen nicht unruhig werden. Und .... sie sehen ihre Anwendung heute ... in verschiedenen Bereichen der Regierung der Vereinigten Staaten.«144 Garrisons Ansichten teilte eine andere legendäre Verschwörungstheoretikerin, die kalifornische Radiomoderatorin Mae Brussell. Nach jahrelangen Recherchen zur Ermordung Kennedys war sie zu der Überzeugung gelangt, der Präsident sei von einer Intrige aus Ölbaronen, CIA-Agenten und mit der John Birch Society verbundenen antikommunistischen Nazis umgebracht worden; Kennedy habe nämlich »Schwarze aus den Südstaaten zu erziehen und sie als Wähler zu registrie220

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ren« versucht. Brussells Ansicht nach waren diese Aktionen Teil einer größeren Verschwörung, zu der auch die Ermordung anderer progressiver Persönlichkeiten der 1960er-Jahre wie »[Robert F.] Kennedy ... Malcolm X, Martin Luther King, Arbeiterführer, Richter, Entertainer, Reporter, Autoren, Studierende, Black Panthers, Indianer, Chicanos und Hippies« gehörte und die in ihren Augen auf die Nachkriegsrekrutierung ehemaliger NS-Geheimdienstler und -Raketenwissenschaftler durch die US-Regierung zurückging, um den »Südstaaten« bei der Errichtung des »Vierten Reiches« in den USA zu helfen.145 Diese Kommentare stammten zwar mehrheitlich von linksgerichteten Kritikern, doch äußerten sich Beobachter rechts von der Mitte mitunter in ähnlicher Weise. 1963 schickte ein wütender Anhänger der Rassentrennung aus Louisiana einen Brief an den Herausgeber seiner Lokalzeitung, in dem er die Entscheidung der Bundesregierung kritisierte, »30.000 bewaffnete Soldaten nach Mississippi zu schicken, um die Universität zu zwingen, einen Neger anzunehmen«; diese Entscheidung rieche nach »übler Despotie«, »wir befinden wir uns jetzt unter dem Vierten Reich«.146 Im Februar 1969 verschickten rassistische Weiße, die sich »Die Studenten des Vierten Reiches« nannten, Morddrohungen an eine Gruppe schwarzer Studierender, die am Sacramento City College einen Studiengang »Black Studies« einrichten wollten.147 1970 produzierte der konservative Musikproduzent Sidney O. Fields ein propagandistisches Album mit dem Titel The Fourth Reich: The Communazis Exposed in Their Own Words: Revolution Today in the USA, das die Reden der »National Revolutionary Conference for a United Front against Fascism« der Black Panther Party im Juli 1969 mit Nazipropagandakundgebungen verglich.148 Ob diese Verbalattacken von links oder rechts kamen: Unklar bleibt, warum so viele amerikanische Kritiker in den 1960er-Jahren die Idee des Vierten Reiches aufgriffen. Es gibt keine naheliegende Erklärung für die plötzliche Omnipräsenz des Begriffs im öffentlichen Diskurs. Keine einzelne wichtige Person förderte seine Bekanntheit. Kein wichtiges kulturelles Werk machte es zum Thema. Stattdessen scheint das Konzept durch die Berichterstattung über die westdeutschen Ereignisse der 1960er-Jahre allmählich in den amerikanischen Diskurs eingesickert zu sein. Damit stellt sich jedoch die Frage, warum das Konzept in den Vereinigten Staaten derart an Einfluss 221

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Die Fotomontage des Albumcovers The Fourth Reich: The Communazis Exposed zeigt, wie rechte Kritiker den linken Radikalismus der 1960er-Jahre als »nationalsozialistisch« motiviert darzustellen versuchten. Man beachte das Friedenszeichen im Buchstaben »o« von »Fourth«.

gewinnen konnte. Zum Teil spiegelte die Popularität des Vierten Reiches die zunehmende Verallgemeinerung der nationalsozialistischen Vergangenheit im amerikanischen Gedächtnis wider. In dieser Entwicklung prallten zwei Trends aufeinander: das zunehmende Interesse der Zeit an der Geschichte des Dritten Reiches und die wachsende Sorge um aktuelle soziale und politische Probleme. Beide Trends verstärkten sich gegenseitig: Das zunehmende Wissen über die NS-Zeit beeinflusste die Interpretation der damali222

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gen Probleme und die wachsende Besorgnis über aktuelle Probleme führte zu Vergleichen mit der NS-Vergangenheit, um ein Problembewusstsein für sie zu schaffen. In den gesamten 1960er-Jahren war der politische Diskurs der Vereinigten Staaten durchsetzt von Hinweisen auf das Dritte Reich. Präsident Kennedy begründete den Kalten Krieg der Vereinigten Staaten gegen den Sowjetkommunismus mit dem Argument, sein Land müsse seine »Freiheit« gegen den nationalsozialistischen Totalitarismus verteidigen. Um das Engagement Amerikas in Vietnam zu rechtfertigen, verwies Präsident Johnson auf die europäische Appeasementpolitik der 1930er-Jahre gegenüber Hitler.149 Regierungsfeindliche Demonstranten bedienten sich ähnlicher Analogien.150 1968 erinnerte die Black Panther Party an die deutschen Entschädigungszahlungen an Israel für den »Völkermord« an »sechs Millionen Juden«, um eine Entschädigung für »das rassistische amerikanische ... Abschlachten von über 50 Millionen Schwarzen« zu fordern.151 Für James Baldwin war ein zunehmend »faschistisches« Amerika kurz davor, »Konzentrationslager in Kalifornien, New York ... [und] Philadelphia« einzurichten; wenn Schwarze und Weiße nicht »zusammenkommen, werden sie im selben Gasofen landen«, warnte er.152 Schließlich zogen Kriegsgegner Parallelen zwischen dem amerikanischen Vorgehen in Vietnam und dem brutalen Kriegsverhalten der Nazis in Europa, wobei Bertrand Russell »die brennenden Kinder von Vietnam« mit »den vergasten Juden von Auschwitz« verglich.153 Die wachsende Präsenz des Vierten Reiches im öffentlichen Diskurs der USA kann als Reaktion auf das damalige Bedürfnis nach einem rhetorisch kraftvollen Begriff der Schuldzuweisung verstanden werden. Der Begriff eines Vierten Reiches bot verschiedenen sozialen Gruppen einen prägnanten, polemischen Topos, um ihre Angst vor dem Abdriften der damaligen Welt in eine »faschistische«, wenn nicht geradezu nationalsozialistische Richtung zu artikulieren. Der zukunftsorientierte Charakter des Konzepts machte die Aussicht auf einen bislang ausgebliebenen Albtraum, der aber immer noch geschehen konnte, umso dringlicher. Sein mahnender Charakter machte das Vierte Reich darüber hinaus zu einem Kampfbegriff für Aktivisten, die hofften, seiner Entstehung in welcher Form auch immer zuvorzukommen. Unabhängig davon, ob das Vierte Reich für die Bedrohung 223

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durch Rassismus, Imperialismus oder Militarismus verwendet wurde: Seine Vielseitigkeit und die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit auf aktuelle Probleme zu lenken, erklären seine wachsende Beliebtheit. Im Zuge seiner Generalisierung zeigte das Vierte Reich jedoch erste Anzeichen einer rhetorischen Überreizung. Nachdem das Konzept über Deutschland hinaus auf die Vereinigten Staaten ausgeweitet worden war, wurde es auf noch weitere Länder übertragen. 1967 attackierten Demonstranten bei einer Parade zum griechischen Unabhängigkeitstag in New York die neue griechische Militärdiktatur mit Schildern mit der Aufschrift »Griechenland darf nicht das vierte Reich werden«; zwei Monate später forderte der griechische Filmstar Irene Pappas mit demselben Slogan einen kulturellen Boykott des Landes.154 In Australien protestierten 1970 Antiapartheidaktivisten mit dem Slogan »Smash the Fourth Reich« [Zertrümmert das Vierte Reich] gegen das Spiel einer südafrikanischen und einer australischen Basketballfrauenmannschaft.155 Diese Verwendung wurde auf andere diktatorische Regime ausgeweitet und blieb somit innerhalb der Grenzen der rhetorischen Plausibilität. Andere Verwendungen des Begriffs waren hingegen fragwürdiger. 1965 ging der republikanische Senator von Indiana, Marlin McDaniel, hart mit dem Plan zur Neuaufteilung der Wahlbezirke des demokratisch regierten Bundesstaats ins Gericht: »Wir brauchen ein konstruktiveres Zweiparteiensystem in Indiana, kein Viertes Reich, das von einer Handvoll politischer Bosse einer Partei geleitet wird.«156 1970 wurde ein demonstrierender Student bei Protesten gegen die Erhöhung der Studiengebühren in Pennsylvania verhaftet, weil er eine amerikanische Flagge mit einem Hakenkreuz und den Worten »Amerika, das vierte Reich« beschmiert hatte.157 1974 verurteilte ein wütender Leserbriefschreiber einen Vorschlag aus Florida, ärztlich unterstützten Selbstmord in schweren Fällen von geistiger Behinderung und Downsyndrom zuzulassen: »Liebe Mitbürger Floridas, willkommen im Vierten Reich. Wir haben einen neuen Führer, der entscheidet, ... wer leben soll und wer sterben darf.«158 Diese Kommentare waren zwar ernst gemeint, doch da sie den Begriff des Vierten Reiches weit über seinen ursprünglichen historischen Kontext hinaus ausdehnten, wirkten sie sich negativ auf seine Bedeutung aus. Sie offenbarten zunächst Probleme der rhetorischen Verwendung. In vielen Fällen wurde der Ausdruck »Viertes Reich« beiläufig als Slogan für eine Viel224

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zahl aktueller Missstände verwendet. Seine zunehmende Verwendung zeigte weiter, dass er in den Sog einer »symbolischen Inflation« geriet, bei der der übermäßige Gebrauch zur Abwertung eines Symbols führt.159 Schließlich folgte das Vierte Reich dem »greshamschen Gesetz« – einer Dynamik, in der »schlechte« Wortbedeutungen »gute« verdrängen.160 Gemäß diesem Gesetz konkurrierte die rasante Zunahme überzogener Verweise auf das Vierte Reich mit den ursprünglichen Bezugnahmen und wertete das Konzept insgesamt ab. Logischer Endpunkt der rasanten Generalisierung des Vierten Reiches in dieser Zeit war seine zunehmende Ästhetisierung. Im Zuge der Verwendung des Konzepts zur Verurteilung von Missständen wurde es seines ursprünglichen moralischen und politischen Gehalts entleert. In den 1960erJahren wurde die Idee des Vierten Reiches mit einer Vielzahl von Gruppen in Verbindung gebracht, die keinerlei Bezug zur NS-Zeit hatten. So nannten sich beispielsweise viele Motorradbanden »Das Vierte Reich«, um sich von ihren Rivalen abzusetzen. In Presseberichten aus Michigan, Massachusetts und Ontario war von Kämpfen zwischen Männern die Rede, die »Motorradlederjacken mit der Aufschrift ›Viertes Reich‹ trugen«, und anderen Banden, die Namen wie »die Schänder, die Mischlinge und die Straßenräuber« trugen. Zeitungsartikel über die Gerichtsverfahren und friedensstiftenden Bemühungen zwischen den rivalisierenden Banden deuteten darauf hin, dass nur wenigen Mitgliedern die historische Bedeutung des Begriffs bewusst war.161 In Pittsfield, Massachusetts, griffen die Mitglieder einer Motorradbande namens »Viertes Reich« 1969 einen Autofahrer an, der Bierdosen nach ihnen geworfen hatte. Vor Gericht verteidigte ihr Anwalt sie mit der Bemerkung, seine Mandanten hätten »keine Ahnung ... was das Vierte Reich oder ... die NS-Symbole ... auf ihren Lederjacken ... bedeuteten«.162 Dieses Argument mag fadenscheinig erscheinen, doch unabhängig davon, was die Bandenmitglieder tatsächlich über die Geschichte Nazideutschlands wussten, beruhte ihre Verwendung des Namens »Viertes Reich« wahrscheinlich auf ästhetischen Überlegungen. Das Gleiche galt für andere entpolitisierte Verwendungen des Begriffs. Im März 1968 spielte beim Tanzabend einer Junior-Highschool in Mill Hall, Pennsylvania, eine Band namens »The Fourth Reich«.163 Die gleiche Band – oder vielleicht eine andere mit dem gleichen Namen – gab im Mai 1970 ein 225

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öffentliches Konzert auf dem zentralen Platz von Jasper, Indiana.164 Im Januar 1968 spielte im kalifornischen Ukiah eine Amateur-Basketballmannschaft namens »Fourth Reich« gegen die eher konventionell benannten »Eagles«.165 »The Fourth Reich of Wilmington, Del.« war eine von vielen Gruppen, die 1967 an den immer beliebter werdenden Kriegsspielen teilnahmen.166 Die respektloseste Bemerkung war wohl die eines Journalisten aus Houston, Texas, der den rasanten Anstieg der Anzahl an deutschen Restaurants als Invasion eines »kulinarischen Vierten Reiches« deutete.167 All diese unbekümmerten Erwähnungen deuteten die wachsende Bereitschaft an, den Begriff ironisch statt politisch zu nutzen. Obwohl wir nicht wissen, was die verschiedenen Kommentatoren zum Gebrauch bewogen haben mag, war ihre Ausdrucksweise eine Reaktion auf die damals inflationäre Verwendung des Begriffs des Vierten Reiches. So wie auf Ernsthaftigkeit stets Satire folgte, so führte die Inflation des Begriffs unweigerlich zu Bemühungen, ihn auf Normalmaß zurechtzustutzen.

Fazit In den turbulenten 1960er-Jahren erlebte der Ausdruck »Viertes Reich« innerhalb weniger Jahre einen tief greifenden Wandel. Nachdem er um 1960 aus dem Blickfeld verschwunden war, rückte er mit der neuen internationalen Beachtung der nationalsozialistischen Vergangenheit Westdeutschlands wieder in den Vordergrund. Wie die Schmierwelle 1959/60, die Verschärfung des Großmachtkonflikts um Berlin und der Wahlerfolg der NPD in den Jahren 1966–1969 zeigten, war es der Bundesrepublik nicht gelungen, aus dem Schatten des Dritten Reiches herauszutreten. Gleichzeitig lenkte diese neue Aufmerksamkeit den Blick jedoch paradoxerweise von Westdeutschland weg. Da die NS-Vergangenheit immer mehr zu einem Thema von öffentlichem Interesse wurde, wurde sie zur Richtschnur zur Bewertung von Problemen in anderen Ländern. Vor allem in den Vereinigten Staaten, aber auch in anderen Ländern riefen Kritiker – meist aus dem linken Spektrum – in ihren Reaktionen auf die Bürgerrechtsbewegung, den Vietnamkrieg, den Watergate-Skandal und das Attentat auf John F. Kennedy das Erbe der NS-Zeit in Erinnerung. Viele waren besorgt, ihr eigenes Land könne 226

Fazit

sich in eine faschistische Richtung entwickeln. Als Kurzformel für diese Ängste nutzten sie den rhetorisch kraftvollen Begriff eines »Vierten Reiches«. Ihrer Ansicht nach war Westdeutschland bei Weitem nicht das einzige Land, dessen demokratische Ordnung von nationalsozialistischen Tendenzen bedroht war. Mit der Internationalisierung der Aussicht auf ein Viertes Reich verallgemeinerte sich die Bedeutung des Begriffs. Als die ersten Tendenzen zur Ästhetisierung und, damit einhergehend, zur moralischen und politischen Entleerung des Begriffs sichtbar wurden, machten sich jedoch auch Anzeichen einer Gegenreaktion bemerkbar. In den 1970erJahren erreichte diese Entwicklung ein neues Ausmaß.

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5.  »Hitler in Argentinien!«: Die Fiktionalisierung des Dritten Reiches in den langen 1970er-Jahren Es gab sie überall, dachte Johann von Tiebolt, als er zur Tür ging. Überall. Die Sonnenkinder. Die Kinder der Sonne ... Tausende. Nach genetischen Gesichtspunkten ausgewählt, man hatte ... das, was über die Familie zu erfahren war, über einige Generationen zurückverfolgt ... Nur die Allerreinsten wurden hinausgeschickt, und überall beobachtete man diese Kinder sorgfältig, lenkte, schulte und indoktrinierte sie ... Millionen [Dollar], die mit Bedacht und politisch wohlüberlegt verteilt werden würden. Eine Nation nach der anderen würde sich anschließen, von innen heraus durch die Sonnenkinder geformt ... Chile hatte nicht einmal siebenundzwanzig Millionen gekostet, Panama knapp sechs. In Amerika waren Sitze im Senat und Kongress für ein paar hunderttausend zu haben ... Als nächstes war der Ostblock an der Reihe. ... Wenn das Signal kam, ... würden die Volkskollektive überall plötzlich erkennen, dass es einen besseren Weg gab. ... Und dann würde das Vierte Reich geboren werden und ... Die Kinder der Sonne würden die rechtmäßigen Herren des Globus sein.1

D

ie neonazistische Verschwörung zur Erlangung der Weltherrschaft, die das zentrale Thema in dem Bestseller Der Holcroft-Vertrag (1978) des amerikanischen Autors Robert Ludlum ist, verdeutlicht eine wichtige Etappe in der Nachkriegsentwicklung des Vierten Reiches. Die Idee wurde nicht nur generalisiert, sondern zugleich zunehmend fiktionalisiert. Vom Beginn der 1960er- bis zum Beginn der 1980er-Jahre – eine Phase, die man als die »langen 1970er-Jahre« bezeichnen kann – war das Vierte Reich immer häufiger ein Thema in der westlichen Populärkultur. Vor allem in den Vereinigten Staaten und Großbritannien kreisten Dutzende Romane, Filme, Fernsehserien, Hörspiele und Comics um das Thema einer möglichen Rückkehr der Nationalsozialisten an die Macht. Diese Erzählungen veränderten das 228

»Hitler in Argentinien!«

bisherige Bild des Vierten Reiches. Anstatt als Bedrohung ausschließlich von der Bundesrepublik Deutschland auszugehen, erschien es als Teil einer internationalen Verschwörung, die von einer Diasporagemeinde flüchtiger Nationalsozialisten in Lateinamerika, dem Nahen Osten und sogar den Vereinigten Staaten angezettelt wurde. Die Fiktionalisierung des Vierten Reiches zeugte paradoxerweise davon, dass eine Rückkehr der Nationalsozialisten keine echte politische Bedrohung mehr darstellte. Geschichten über ein internationales Nazinetzwerk, das sich zur Rückkehr an die Macht verschworen hatte, basierten auf realen Ängsten, die vom Zweiten Weltkrieg bis in die 1960er-Jahre anhielten. Gegen Ende des Jahrzehnts zerstreuten die Entwicklungen in der internationalen Politik – vor allem in Westdeutschland – jedoch die Sorge des Westens, die Nazidiaspora könne tatsächlich globale Fragen mitgestalten. Mit dem Verschwinden der politischen Gefahr eines bevorstehenden Vierten Reiches wurde es zu einer Quelle der Unterhaltung. Die daraufhin entstandenen literarischen und filmischen Erzählungen führten auf vielfältige Weise die Möglichkeit eines nationalsozialistischen Comebacks vor Augen. Einige stellten sich einen Putschversuch ausländischer Nazis in der Bundesrepublik vor, andere schilderten ihre Machtergreifung weltweit. Sie alle waren jedoch mit den vertrauten Schurken besetzt, mit hartgesottenen Naziwerwölfen, militanten Wehrmachtsgenerälen, flüchtigen SS-Männern und reuelosen Kriegsverbrechern, von Martin Bormann bis Hitler höchstselbst. Die Autoren dieser Erzählungen hatten verschiedene Motive, die teils eskapistisch, teils didaktisch waren. Sie alle nutzten das Vierte Reich jedoch allegorisch, um die Relevanz der Vergangenheit für die Gegenwart zu bewerten, und fanden dabei unterschiedliche Formen der Erinnerung an die NS-Zeit. Die Reaktionen auf die Flut von Erzählungen über das Vierte Reich waren ebenso vielfältig. Insgesamt wurden sie begeistert aufgenommen. Millionen von Menschen fanden Gefallen an dem Genre und machten es zu einem großen kommerziellen Erfolg. Kritiker hingegen waren eher gespalten und lobten einzelne Werke, kritisierten jedoch die größere Welle für ihre Ästhetisierung und Verharmlosung des nationalsozialistischen Erbes. Zu Beginn der 1980er-Jahre ging die Flut von Erzählungen allmählich zurück und verschwand schließlich ganz. Sie trug gleichwohl dazu bei, das Vierte Reich fest im allgemeinen Bewusstsein des Westens zu verankern. 229

5.  »Hitler in Argentinien!«

Die Nazidiaspora: Eine reale Bedrohung? Die Vorstellung eines aus dem Ausland geplanten Vierten Reiches stammt aus dem Zweiten Weltkrieg. Nachdem sich der Konflikt 1942 gegen das NSRegime wendete, setzte sich bei immer mehr amerikanischen Diplomaten und Journalisten die Überzeugung durch, seine Anführer planten, heimlich nach Lateinamerika zu fliehen und von dort aus erneut die Macht zu übernehmen.2 Eine der wichtigsten Anlaufstellen war Argentinien. Aufgrund der großen Anzahl deutscher Einwanderer und der Neutralität der Militärregierung im Zweiten Weltkrieg galt Argentinien vielen amerikanischen Vertretern als der wahrscheinlichste Fluchtpunkt für NS-Flüchtlinge; der erste ausdrückliche Hinweis auf die Möglichkeit eines nationalsozialistischen »Vierten Reiches« in Argentinien stammt tatsächlich aus der Mitte des Jahres 1944.3 Diese Befürchtungen verstärkten sich, als die angloamerikanische Presse im Frühjahr 1945 sensationsheischende Geschichten über die Ankunft von NS-Funktionären – darunter Martin Bormann und sogar Hitler – per U-Boot in argentinischen Häfen veröffentlichte, im Gepäck das geraubte Vermögen, mit dem ein »weltweiter NS-Untergrund« finanziert werden sollte.4 Von der Ernsthaftigkeit der Bedrohung überzeugt, veröffentlichte das US State Department im Februar 1946 ein Blaues Buch über Argentinien, in dem es darauf hinwies, dass »sich Naziführer mit totalitären Gruppen Argentiniens zusammengeschlossen haben, um einen nationalsozialistisch-faschistischen Staat zu schaffen«.5 Die Warnung bewirkte ironischerweise das Gegenteil dessen, was sie bewirken sollte. Die Argentinier ärgerten sich über die Einmischung der Amerikaner und wählten wenige Wochen darauf General Juan Perón zum neuen Präsidenten ihres Landes. Peróns Entscheidung, deutsche Einwanderer unabhängig von ihrer Biografie aufzunehmen, löste weitere Ängste aus und bewog amerikanische Organisationen wie die Society for the Prevention of World War III 1946 zu der Warnung, Zehntausende von Nazis »bastelten [in Argentinien] an einem Vierten Reich«.6 Zunehmende Ängste vor der Sowjetunion führten Ende der 1940erJahre zum Rückgang solcher Gerüchte, die jedoch Anfang der 1950er-Jahre 230

Die Nazidiaspora

mit dem Anstieg neonazistischer Aktivitäten in Westdeutschland wieder zunahmen.7 In den USA und Großbritannien untersuchten Journalisten die Rolle ausländischer Nazis bei der Umsetzung der politischen Ambitionen des SRP und des Naumann-Kreises. Dieser Verdacht drängte sich unter anderem deswegen auf, da Hans-Ulrich Rudel und Otto Skorzeny regelmäßig nach Argentinien, Spanien und in andere Länder der nationalsozialistischen Diaspora reisten.8 Weiter verstärkt wurde er durch die Aktivitäten der rechten, in Buenos Aires publizierten Monatszeitschrift Der Weg, die von der Society for the Prevention of World War III 1950 als »gefährlichster Naziaußenposten außerhalb der Grenzen Deutschlands« bezeichnet wurde.9 Parallel zu diesen Entwicklungen erschienen journalistische Enthüllungsgeschichten über eine rasch wachsende »Faschistische Internationale« von Europa bis Lateinamerika.10 So berichtete die australische Presse 1952, die Nationalsozialisten hätten »Millionen« an Raubgut (darunter »22 Kisten Goldzähne ›gesammelt‹ von ... Eichmann«) in der österreichischen Seenregion Altaussee versteckt, um »den Boden für das Vierte Reich zu bereiten«.11 Ähnliche Meldungen erschienen in der britischen und sogar in der brasilianischen Presse, der zufolge argentinische Gruppen 1950 »auf eine erfolgreiche Rückkehr des Nationalsozialismus« hinarbeiteten.12 Die Ängste des Westens vor einem internationalen NS-Untergrund konzentrierten sich auch auf den Nahen Osten, da die Nazifreundlichkeit zahlreicher arabischer Länder im Zweiten Weltkrieg kein Geheimnis war; Länder wie Ägypten, Syrien und Irak hatten geflohenen Nationalsozialisten nach 1945 Zuflucht geboten, darunter berüchtigten Kriegsverbrechern wie dem Lagerkommandanten von Treblinka Franz Stangl, Eichmanns Assistenten Alois Brunner, dem am Einsatz von Gaswagen beteiligten Walter Rauff, dem Mitarbeiter des Auswärtigen Amts Franz Rademacher, dem Mauthausen-Arzt Aribert Heim und Reichspropagandaminister Johann von Leers; andere wie der SRP-Politiker Fritz Rößler und die wegen antisemitischer Äußerungen angeklagten Hans Eisele und Ludwig Zind hatten sich aus der Bundesrepublik abgesetzt, nachdem sie mit den Behörden in Konflikt geraten waren.13 Amerikanische Schriftsteller wie John Dornberg und T. H. Tetens deckten verschiedene Verbindungen zwischen »Exilnazis in den ... arabischen Ländern und ... neonazistischen Bewegungen in Westdeutschland« auf und lenkten die Aufmerksamkeit Anfang der 1950er-Jahre 231

5.  »Hitler in Argentinien!«

auf diese Flüchtigen.14 Am beunruhigendsten waren vielleicht die Fälle nationalsozialistischer Raketenwissenschaftler, die vom ägyptischen Diktator Gamal Abdel Nasser angeheuert wurden, um beim Aufbau der militärischen Stärke des Landes zu helfen.15 Einzelne Journalisten sahen in diesen Verbindungen eine größere Verschwörung.16 Doch angesichts der Ängste im Kalten Krieg vor der Sowjetunion stießen sie bei wenigen auf offene Ohren. Die Sorge aufgrund flüchtiger Nazis griff jedoch nach der Gefangennahme von Adolf Eichmann 1960 auf ein viel größeres Publikum über. Die westdeutsche Regierung wusste bereits 1952, dass Eichmann sich in Argentinien aufhielt; in ihren Augen stellte er jedoch keine Bedrohung der Sicherheit dar, sodass sie sich nicht um eine Festnahme bemühte.17 Erst Ende der 1950er-Jahre erlaubte die israelische Regierung dem Mossad – Eichmann galt mittlerweile als Teil eines größeren Nazinetzwerks zur Unterstützung der Araber im Kampf gegen den jüdischen Staat –, ihn zu entführen und nach Jerusalem zu bringen, wo er wegen Verbrechen gegen das jüdische Volk vor Gericht gestellt werden sollte.18 Die Festnahme Eichmanns weckte erneut das weltweite Interesse an flüchtigen Nazis wie Bormann, Stangl und dem KZ-Arzt Josef Mengele in ausländischen Refugien und schürte die Angst vor einer Rückkehr an die Macht.19 1960 schrieb der Daily Express, »die Nazis in Argentinien ... hoffen, ... dass Deutschland erneut Herr über Europa sein wird«, und organisierte Diskussionen zum »Thema ... Viertes Reich«.20 1963 berichteten mehrere Medien über die Tauchgänge der österreichischen Regierung im Toplitzsee, wo die Nationalsozialisten angeblich Schätze versteckt hatten, um nach dem Krieg ein Viertes Reich zu »finanzieren«.21 Im selben Jahr führten Medienberichte über deutsche Wissenschaftler, die in Ägypten an der Entwicklung von Raketen für den Einsatz gegen Israel arbeiteten, zu Mutmaßungen, diese seien Teil eines größeren Plans zur Schaffung eines »Vierten Reiches«, das »ganz Deutschland wiedervereinigen und die Welt beherrschen« werde.22 Die wichtigste Person, die das öffentliche Interesse an der Nazidiaspora anfachte, war der berühmte Nazijäger Simon Wiesenthal. Angesichts seiner Aktivitäten als Mitarbeiter des Office of Strategic Services (OSS) und Privatdetektiv sowie seines Aufspürens flüchtiger Kriegsverbrecher in den späten 1940er- und 1950er-Jahren war er von der Existenz einer internationalen Verschwörung zur Rückkehr der Nazis an die Macht überzeugt. In seinem 232

Die Nazidiaspora

In seinem Buch Doch die Mörder leben (1967) thematisierte der Holocaust-Überlebende und Nazijäger Simon Wiesenthal eine Geheimorganisation von flüchtigen Nazis namens ODESSA, die die Gründung eines Vierten Reiches anstrebe.

autobiografischen Buch Doch die Mörder leben (1967) beschreibt er, wie ein ehemaliger deutscher Geheimdienstler ihm bei den Nürnberger Prozessen von der Existenz einer Geheimorganisation namens ODESSA erzählte: »Es ist verblüffend, wieviel in Nazikreisen von einem zukünftigen Vierten Reich die Rede ist.«23 ODESSA, eine Abkürzung für Organisation der ehemaligen SS-Angehörigen, wurde laut Wiesenthal 1947 von ehemaligen SS-Männern gegründet, um ehemalige Nazis nach Lateinamerika zu schmuggeln, die westdeutsche Demokratie zu untergraben, einen verdeckten Krieg gegen Israel zu führen und den Weltfrieden generell zu gefährden. Zur Finanzierung ihrer Aktivitäten soll ODESSA auf Staatsvermögen und geraubtes jüdisches Vermögen zurückgegriffen haben, das an Orten im NS-Reich versteckt oder 233

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nach einer von Martin Bormann und deutschen Industriellen organisierten Geheimkonferenz am 10. August 1944 in Straßburg ins Ausland transferiert worden sei.24 Übergeordnetes Ziel sei es, so Wiesenthal, »große Geheimfonds ... zum Aufbau eines Vierten Reiches« zu nutzen.25 Dieses neue Reich sei Teil einer breiteren Weltbewegung, die von Ländern in Europa, Amerika und Nahost unterstützt werde; gefördert werde es von politischen Parteien wie der westdeutschen NPD und der ANP von George Lincoln Rockwell; als Mitarbeiter beschäftige es flüchtige Nazis wie Mengele, Stangl und Skorzeny. Am aufsehenerregendsten war Wiesenthals Behauptung, Bormann selbst sei ein aktives Mitglied der Nazi-Internationale und helfe, sie aus seinem Versteck »im Grenzgebiet zwischen Argentinien und Chile« herauszuführen«.26 Nicht zuletzt dank Wiesenthals Buch konzentrierten sich die Ängste vor einer internationalen Naziverschwörung in den 1960er-Jahren immer mehr auf Bormann. Nach 1945 ging man davon aus, der ehemalige Reichsführer sei in Berlin auf der Flucht vor der Roten Armee gestorben; da seine Leiche jedoch unauffindbar blieb, lag der Verdacht nahe, dass er noch am Leben ist. Diese Vermutung verdichtete sich nach der Gefangennahme Eichmanns.27 Sie drängte sich noch weiter auf, als der ungarisch-amerikanische Journalist und ehemalige Geheimdienstmitarbeiter Ladislas Farago im November 1972 eine sensationelle sechsteilige Artikelserie im Londoner Daily Express veröffentlichte, in der er auf der Grundlage argentinischer Geheimdienstdokumente behauptete, Bormann halte sich unter einem Decknamen in Lateinamerika auf.28 Seinen Höhepunkt erreichte das Interesse einige Wochen später, als die westdeutschen Behörden erklärten, die Überreste Bormanns seien bei Grabungen für ein Straßenbauprojekt in Westberlin gefunden und als positiv identifiziert worden. Die anschließende Aufmerksamkeit löste eine Welle von journalistischen Studien aus, darunter William Stevensons The Bormann Brotherhood (1973), Faragos Aftermath: Martin Bormann and the Fourth Reich (1974) und Erich Erdsteins Inside the Fourth Reich (1977).29 Sie alle waren atemlose, persönliche Berichte darüber, wie Bormann und andere flüchtige Nazis von Deutschland aus in anderen Ländern Zuflucht suchten, um insgeheim eine Rückkehr an die Macht zu planen. Bezeichnenderweise betonten alle Bücher in ihren Analysen die Pläne für ein Viertes Reich und verschafften dem Konzept so neue Geltung. Laut Stevenson hatte Bormann nach der deut234

Die Nazidiaspora

Ende der 1960er- und zu Beginn der 1970er-Jahre kursierten Gerüchte, wonach sich Hitlers ehemaliger Sekretär und Reichsleiter Martin Bormann in Südamerika aufhalte und die Gründung eines Vierten Reiches plane.

schen Niederlage in Stalingrad »mit der Planung eines Vierten Reiches begonnen« und fungierte seit 1945 als künftiger »Führer« des Reiches; er steuerte eine »Bruderschaft« fanatischer Anhänger über riesige »Nazinetzwerke im Nahen Osten und in Lateinamerika« hinweg, die auf die »Wiedergeburt der nationalsozialistischen Bewegung« hinarbeiteten.30 Faragos Buch, das eine Erweiterung seiner früheren Artikel war, war stärker dokumentarisch ausgerichtet als Stevensons Studie und berief sich in vielfältigerer Weise auf die Idee eines Vierten Reiches. Zu Beginn erklärt Farago, er wolle »ermitteln, wie erfolgreich die Nazis bei der Wiederbelebung des Nazismus im Exil waren und wie sehr ihr amorphes Viertes Reich die Welt bedroht«.31 In seiner Darstellung fallen häufig die Adjektive »amorph« oder »nebulös«, die darauf hindeuten, dass es sich Faragos Ansicht nach bei dem Vierten Reich vor allem um eine aufkeimende Gefahr handelte.32 Obwohl der Autor die pronazistische Stimmung in deutschen Einwanderergemeinden in Lateinamerika für ein ernsthaftes Problem hielt, fällt sein Fazit nüch235

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tern und keineswegs alarmierend aus. In seinem Schlussteil behauptet er, den inzwischen senilen Bormann für fünf Minuten in einem bolivianischen Pflegeheim getroffen zu haben, und schildert, wie der Rückzug des Reichsleiters aus der Politik der lateinamerikanischen Nazigemeinde ihren Führer genommen und ihren Lauf als »Bewegung« oder »Kraft« beendet habe.33 In Erdsteins melodramatischer Studie erscheint das Vierte Reich dagegen als ernstere Gefahr. Das als Spionagethriller aufgemachte Inside the Fourth Reich rekapituliert Erdsteins autobiografische Erfahrungen als österreichisch-jüdischer Flüchtling und findiger Kopf, der nach Lateinamerika auswanderte, wo er – so seine Selbststilisierung – in Uruguay Geheimagent, in Brasilien Polizist und schließlich Nazijäger wurde. Wie Farago behauptet Erdstein, Bormann gesehen zu haben, konzentriert sich in seiner Darstellung jedoch mehr auf die Jagd nach Josef Mengele, von dem er sensationsheischend (und fälschlicherweise) behauptete, er habe ihn 1968 erschossen. Bei der Schilderung seiner abenteuerlichen Verfolgung von Nazis über die Grenzregionen von Rio del Sul und Marchel Candido Rondon bemerkt Erdstein, Bormann und Mengele hätten zusammen mit Franz Stangl »insgeheim eine Nazirevolution geplant«, die im »Aufstieg eines Vierten Reiches« gipfeln sollte.34 Gleichzeitig stellte Erdstein den Plan von Exilnazis infrage, »Diktatoren zu manipulieren und die Welt zu kontrollieren«; sie »lebten in einer Traumwelt«, die nichts mit der Realität zu tun habe.35 Allerdings insinuierten seine Behauptungen – wie die von Farago und Stevenson –, es gebe eine Verbindung zwischen flüchtigen Nationalsozialisten und einem möglichen Vierten Reich. Die Welle an Nazijägerstudien fand große Beachtung. Sie wurde nicht nur von Verlagen aggressiv vermarktet und in ganzseitigen Anzeigen in den großen amerikanischen Zeitungen beworben, sondern verkaufte sich auch gut und wurde von der Kritik weithin besprochen.36 Amerikanische, britische und deutsche Medien feierten Wiesenthals Buch als »außergewöhnlichen« Band, geschrieben vom »Gewissen einer vergesslichen Welt«.37 Die Monografien des »Bormann Books Boom« fanden hingegen ein geteiltes Echo.38 Angloamerikanische Kritiker lobten das »faszinierende Material« von Faragos Band, das auf »imposanten ... Quellen« beruhe, während Skeptiker – darunter Wiesenthal – es als »zweifelhaftes« Werk mit »schwerwiegenden Mängeln« bezeichneten.39 Deutsche Kritiker standen dem Buch 236

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sogar noch ablehnender gegenüber und bezeichneten es als völlig unglaubwürdig.40 Rezensenten von Stevensons Band beschrieben ihn als »schaurig«, »gruselig« und »spannend«, doch nicht wenige hielten ihn für »faktisch kaum akzeptabel«.41 Kritiker fanden Erdsteins Buch faszinierend, fragten sich bisweilen jedoch offen, ob es sich um »Realität oder Fantasie« handele.42 Ungeachtet dieser Vorbehalte betonten sie, die Bücher lenkten die nötige Aufmerksamkeit auf »einen traurigen Teil unserer Geschichte« und seien eine nützliche Warnung vor der Tendenz der westlichen Welt, »zu vergessen und zu vergeben«.43 Die Bücher verdeutlichten einem Kritiker zufolge, dass es unabhängig vom Tod oder Überleben einzelner Nazis »in Südamerika ein ›Viertes Reich‹ von flüchtigen Nazis gibt ..., das durch NS-Raubgut finanziert wird«.44 Nur durch Wachsamkeit könne man verhindern, dass sich die Geschichte wiederhole.45 Heute betrachten Wissenschaftler die Existenz eines ausländischen Vierten Reiches mit Skepsis. Obwohl sie einräumen, dass flüchtige Nationalsozialisten in Lateinamerika und im Nahen Osten Zuflucht gesucht haben – und obwohl sie gezeigt haben, wie sie aus Europa dorthin gelangten –, lehnen sie die These einer internationalen Verschwörung ehemaliger Nationalsozialisten zur Rückkehr an die Macht ab. In seiner Studie Odessa und das Vierte Reich erklärt der ehemalige westdeutsche Botschafter in Paraguay Heinz Schneppen zum Beispiel kategorisch: »Alle seriösen Erkenntnisse sprechen gegen die Existenz einer SS-Fluchtorganisation namens ODESSA«, und fügt hinzu: »Die ›Wiedergeburt‹ eines ›Vierten Reichs‹ ... reflektierte zu keinem Augenblick eine reale Gefahr.«46 Tatsächlich, so Ronald Newton, war die Idee eines Vierten Reiches ein »Mythos«, der nur im »Reich der ... Fantasie« existierte.47 Schneppen, Newton und andere liefern schlagende Beweise dafür, dass die Nationalsozialisten weder in Argentinien noch in irgendeinem anderen lateinamerikanischen Land nennenswerte Macht ausübten. Von den Zehntausenden Deutschen, die nach dem Krieg nach Argentinien auswanderten, bestand nur ein kleiner Teil (zwei bis drei Prozent) aus Nazis und nicht mehr als ein paar Dutzend waren Kriegsverbrecher.48 Gegenteilige Ängste waren das Ergebnis bewusst irreführender Kriegspropaganda. Die Sorgen des US State Department wegen nach Argentinien geflohener Nazis rührten aus abgefangener »schwarzer Propaganda« von britischen Geheimdienstlern – darunter dem Journalisten Sefton Delmer –, die 237

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die deutsche Heimatfront durch Meldungen demoralisieren wollten, wonach führende Nazis das sinkende Schiff verließen.49 Die Befürchtungen vor einem nationalsozialistischen Exodus nach Argentinien gingen zum Teil auch auf gefälschte Dokumente zurück. Einige der zentralen Thesen von Wiesenthal und Farago – über ODESSA, die Straßburger Konferenz 1944 und Bormanns Überleben – beruhten auf Fälschungen, geliefert von politisch motivierten Mittelsmännern und ausgemachten Schwindlern.50 In Wirklichkeit wurden die nach Südamerika geflohenen Nazis nicht von ODESSA, sondern vom Internationalen Roten Kreuz, der katholischen Kirche und Privatpersonen unterstützt.51 Es hätte auch nie eine Straßburger Konferenz geben können, da viele der angeblichen Teilnehmer zum Zeitpunkt der angeblichen Einberufung der Konferenz längst tot oder in Konzentrationslagern interniert waren.52 Schließlich gab es keine Verschwörung zwischen Perón und den Nazis, da der argentinische Diktator keinen Grund hatte, die Schaffung eines nationalsozialistischen Staates in seinem eigenen Land zu erlauben.53 Diese haltlosen Gerüchte stießen aus vielerlei Gründen auf fruchtbaren Boden. Amerikanische Vertreter akzeptierten die britische Propaganda über ein lateinamerikanisches Viertes Reich teilweise aus reiner Leichtgläubigkeit, teilweise aber auch mit dem bewussten Ziel, ihre Vorherrschaft in der Hemisphäre zu festigen und die wirtschaftliche Konkurrenz der Deutschen und Briten einzuschränken.54 Lateinamerikanische Länder wie Brasilien schürten die Gerüchte, um Argentiniens Macht einzuhegen.55 In Argentinien selbst verbreiteten Kritiker Peróns Geschichten über seine angeblichen Absprachen mit Nationalsozialisten, um ihn zu diskreditieren.56 Der Begriff des Vierten Reiches diente zudem verschiedenen Interessen im Kalten Krieg: Die USA hofften, vom Scheitern ihres Entnazifizierungsprogramms abzulenken, Linke in Westdeutschland wollten erneut auf die Gefahr des Neonazismus hinweisen und Kommunisten in Ostdeutschland versuchten, die Bundesrepublik zu delegitimieren.57 Schließlich diente die Idee des Vierten Reiches den Interessen ganz normaler Bürger und der Gesellschaft insgesamt. Simon Wiesenthal und andere Journalisten nutzten die Idee zur Selbstüberhöhung und aus Gründen des Profits. Und die breite Öffentlichkeit interessierte sich aufgrund ihres Hangs zu Verschwörungstheorien für das Thema.58 238

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Doch obwohl die Ängste vor einem Vierten Reich oft übertrieben waren, waren sie nicht gänzlich unbegründet. In Argentinien gab es zum Beispiel eine große Kohorte von wahren Nazigläubigen, die ihre Bewegung nach dem Krieg journalistisch wiederbeleben wollten. 1947 gründete der rechtsradikale Deutsch-Argentinier Eberhard Fritsch in Buenos Aires die Zeitschrift Der Weg, um ehemaligen nationalsozialistischen Funktionären, Journalisten und Intellektuellen ein geistiges Auffangbecken zu bieten.59 In Hunderten von Aufsätzen, die bis zur Einstellung der Zeitschrift im Jahr 1958 erschienen, relativierten die Autoren die Schuld Deutschlands am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, suchten Sündenböcke für die militärische Niederlage des Landes, verharmlosten die Verbrechen des NS-Regimes an den Juden, rehabilitierten seine Führung wie Institutionen und warnten vor der anhaltenden Bedrohung durch Juden und Bolschewiki. Nicht nur bei deutschen Lesern in Lateinamerika, sondern auch bei Lesern in Deutschland warben die Herausgeber der Zeitschrift Der Weg um Unterstützung für ihre Überzeugungen und lieferten Tausende von Ausgaben nach Deutschland.60 Die deutsche Mainstreampresse verurteilte die Zeitschrift scharf; die Alliierten sahen die Zeitschrift als Teil eines argentinischen »nazistische[n] Widerstandszentrum[s]« und verboten das Blatt schließlich im Mai 1949.61 Gleichzeitig griffen amerikanische und deutsche Medien die Zeitschrift an, weil sie Argentinien zu einem »Labor für ein Viertes Reich« gemacht habe.62 Tatsächlich deuten verschiedene Indizien darauf hin, dass deren Herausgeber ein solches Ziel verfolgten. Fritsch romantisierte unverhohlen die Idee eines »wiedervereinte[n], freie[n] und stolze[n] Reich[es]« im Sinn des nationalsozialistischen Ideals der Volksgemeinschaft und sondierte Möglichkeiten, wie dies aus dem Ausland zu bewerkstelligen sei.63 Zu Beginn der 1950er-Jahre rückte Der Weg unter dem Einfluss des fanatischen Antisemiten Johann von Leers noch weiter nach rechts und drängte auf stärkeren politischen Aktivismus.64 Die Herausgeber der Zeitschrift knüpften enge Beziehungen zur SRP und DRP in Westdeutschland, liebäugelten mit der Bildung einer deutschen »Exilregierung« und erwogen sogar die Möglichkeit, durch »bewaffnete[n] Aufstand« gegen das System vorzugehen, »wenn die objektiven Voraussetzungen eines Erfolgs gegeben sind«.65 Vor allem aber versuchten die Herausgeber von Der Weg, ihre politischen Ziele durch die Kontaktaufnahme zu Adolf Eichmann zu realisieren. 239

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Wie Bettina Stangneth in ihrem Buch Eichmann vor Jerusalem gezeigt hat, war einer der wichtigsten Mitarbeiter der Zeitschrift der niederländische NS-Kollaborateur Willem Sassen, der Eichmann Anfang der 1950er-Jahre im Dunstkreis von Fritsch kennenlernte und ihn für das immer wichtiger werdende Projekt der Zeitschrift – die Holocaust-Leugnung – zu gewinnen versuchte. Wie Fritsch und Rudel, mit denen er eng verbunden war, blieb Sassen auch nach 1945 ein treuer Nazianhänger, der hoffte, mit einer »Revolution in Deutschland« den Weg für eine »nationalsozialistische Renaissance« zu ebnen.66 Zusammen mit den anderen führenden Köpfen der Zeitschrift Der Weg hoffte er, durch die Behauptung, der Holocaust sei eine Lüge der Juden, nicht nur den Nationalsozialismus zu rehabilitieren, sondern vor den bevorstehenden Bundestagswahlen 1953 auch die Regierung Adenauers zu schwächen, die damals wegen des Reparationsabkommens mit Israel von 1952 bei rechten Deutschen besonders unbeliebt war.67 Eichmann teilte zu großen Teilen Sassens Agenda. Im Gegensatz zu Hannah Arendts späterer Darstellung Eichmanns als gesichtsloser, unpolitischer Bürokrat war der ehemalige SS-Obersturmbannführer ein reueloser Nazi, der so tat, als sei der Krieg nicht verloren und das Dritte Reich nie zusammengebrochen.68 Vor allem hegte Eichmann auch politische Ambitionen und verfolgte »ehrgeizige politische Umsturzpläne« in Westdeutschland.69 Mitte der 1950er-Jahre verfasste er ein nie erschienenes Buch zur Verteidigung seiner Kriegshandlungen und plante, seine »Feststellung« in Form eines »offenen Briefes an den Herrn Bundeskanzler« zu präsentieren.70 Laut Stangneth bereitete Eichmann diese Verteidigung im Rahmen eines größeren Plans zur Rückkehr nach Westdeutschland vor, um vor Gericht gestellt zu werden, eine milde Strafe zu erhalten (eine damals übliche Praxis für ehemalige NS-Täter), nach seiner Freilassung in die Politik einzutreten und Adenauer abzusetzen, der sich 1957 einer Wiederwahl stellen musste.71 Wie sich im selben Jahr zeigte, war Eichmann einverstanden, sich mit Sassen zu Interviews zum Thema Holocaust zu treffen, die sich über vier Monate erstrecken sollten. Zum Pech von Sassen (der hoffte, aus dem Material ein Buch zu machen) war Eichmann nicht an einer Leugnung der Endlösung interessiert, sondern übernahm stolz die Verantwortung für seine Beteiligung.72 »Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, hätten wir von den 10,3 Millionen Juden [in Europa] 10,3 Millionen Juden getötet, dann wäre ich befrie240

Die Nazidiaspora

Zusammen mit anderen Nationalsozialisten im Dunstkreis der rechtsradikalen argentinischen Zeitschrift Der Weg wollte der ehemalige SS-Offizier und Kriegsverbrecher Adolf Eichmann in den 1950er-Jahren die Adenauer-Regierung durch ein wiederhergestelltes nationalsozialistisches Reich ablösen.

digt und würde sagen, gut, wir haben einen Feind vernichtet«, erklärte er rundheraus.73 Als Sassen erkannte, dass dieses Eingeständnis seine Bemühungen um eine Leugnung des Holocausts torpedierte, distanzierte er sich von Eichmann und gab das Projekt der Rehabilitierung des Nazismus auf. Adenauers Wiederwahl 1957 bedeutete einen weiteren Rückschlag für die Agenda des argentinischen Nazikreises um Fritsch, und innerhalb eines Jahres wurde Der Weg ganz eingestellt. Auch wenn sie letztlich vergebens waren, sollten die Aktivitäten der Nazianhänger um die Zeitschrift Der Weg ernst genommen werden. Obwohl Fritsch und Sassen nach Einschätzung von Experten ihren Einfluss überschätzten und Eichmanns »irrwitzige« Pläne keine Chance auf Erfolg hatten, 241

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bleibt dennoch festzustellen, dass viele Nazis in Argentinien von einer Rückkehr an die Macht träumten.74 Auch wenn sich nur wenige von ihnen (außer Fritsch) zur Beschreibung ihrer Pläne auf die Idee eines Vierten Reiches beriefen, waren die von ihnen ausgelösten Sorgen im Ausland keineswegs unbegründet.75 Angesichts des Kenntnisstands in den frühen 1950er-Jahren war es sinnvoll, so Stangneth, »die vielen Aktivitäten der Nationalsozialisten« »wie eine große Verschwörung der Nazis aller Länder« wahrzunehmen.76 Obwohl sich ihre Bedenken als übertrieben erwiesen, hatten Zeitgenossen keine Ahnung, wie sich die Zukunft entwickeln würde. Ihre eindringlichen Warnungen vor den Gefahren eines Vierten Reiches waren daher vernünftig.77 Diese Schlussfolgerung mag unstrittig scheinen, sie hat jedoch überraschende kontrafaktische Auswirkungen. Angesichts unseres heutigen Kenntnisstands über die Verschwörungen in der Nazidiaspora kann man leicht zu dem Schluss gelangen, westliche Beobachter hätten ihren Ängsten entsprechend handeln und eine offensivere Kampagne gegen ausländische Nazis führen sollen. Wissenschaftler haben häufig Kontrafakte »verpasster Gelegenheiten« zur Diskussion gestellt, in denen sie beklagen, dass ehemalige Nationalsozialisten wie Eichmann nicht zur Rechenschaft gezogen wurden. Nach Ansicht von Stangneth und anderen wussten die westdeutschen Sicherheitsdienste beispielsweise, wo sich Eichmann 1952 aufhielt, und hätten ihn vielleicht festnehmen können, entschieden sich aber dagegen. Hätten sie sich dafür entschieden, hätte die Bundesrepublik nach dem Dritten Reich einen »wirklichen Neuanfang« wagen können.78 Die Geschichte hätte eine bessere Wendung nehmen können, als sie es in Wirklichkeit tat. Aber ist das zwingend der Fall? Um zu entscheiden, ob dieses Versagen kritisiert oder entschuldigt werden sollte, müssen wir uns an die tieferen Beweggründe erinnern. Die Zurückhaltung der westdeutschen Behörden, Eichmann Anfang der 1950er-Jahre ins Visier zu nehmen, war unter anderem ihrer Unsicherheit über die innenpolitischen Konsequenzen einer möglichen Gefangennahme geschuldet. Als Eichmann tatsächlich in Israel vor Gericht gestellt wurde, war Adenauer verzweifelt um Schadensbegrenzung für den internationalen Ruf Westdeutschlands bemüht.79 1960 war die demokratische Ordnung in Deutschland vergleichsweise stabil, Anfang der 1950er-Jahre war sie jedoch verwundbarer. Die Regierung Adenauer geriet 242

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im Inland unter Beschuss von rechtsextremen Kräften, während sich das Ausland im Hinblick auf die Einbindung der Bundesrepublik in das westliche Bündnis weiter abwartend verhielt. Wäre Eichmann zu diesem Zeitpunkt in Westdeutschland vor Gericht gestellt worden, hätte dies die Regierung Adenauer möglicherweise geschwächt. Rechte Kräfte hätten das in diesem Fall mangelnde Eintreten des Kanzlers für Amnestie und Integration verurteilt. Ausländische Kritiker in West und Ost hätten abermals Grund gehabt, der neuen Demokratie zu misstrauen. Dies wäre vor allem dann der Fall gewesen, wenn Eichmanns Aussage peinliche Fakten über die nationalsozialistische Vergangenheit westdeutscher Beamter ans Licht gebracht hätte. Angesichts dieser Faktoren ließen sich die westdeutschen Behörden die »Gelegenheit entgehen«, Eichmann zu verfolgen. Und das war möglicherweise auch gut so. Die demokratische Entwicklung der Bundesrepublik dürfte davon profitiert haben, dass sich prominente Altnazis im Ausland versteckten und nicht in Westdeutschland vor Gericht gestellt wurden. Selbst wenn sie sich an abstrusen Verschwörungen zur Rückkehr an die Macht und zur Gründung eines Vierten Reiches beteiligten, taten sie dies aus sicherer Entfernung, aus der sie nicht gefährlich werden konnten. Die nationalsozialistische Diaspora war keine konkrete Bedrohung, sondern möglicherweise ein Ventil. Wie die berühmte Frontierthese von Frederick Jackson Turner, der zufolge die Entdeckung neuer Gebiete im Westen zur Entschärfung des sozialen Unfriedens in den Vereinigten Staaten des 19. Jahrhunderts beigetragen hatte, könnte die Nazidiaspora die Energien unbeirrbarer Nazis von der Bundesrepublik weggelenkt und das Land vor politischer Destabilisierung bewahrt haben. Es war möglicherweise auch besser, dass Eichmann von den Deutschen ignoriert und von den Israelis festgenommen wurde. Simon Wiesenthal selbst hat gemutmaßt: »Hätte man ihn gleich nach Ende des Krieges gefasst und in Nürnberg verurteilt, wären seine Verbrechen heute längst vergessen. Er wäre nur ein Gesicht mehr gewesen auf der Bank der Angeklagten« und die Vernichtung der Juden hätte nicht die besondere Bedeutung erhalten, die sie später erhielt.80 Eine verspätete Konfrontation mit Eichmann, die die anhaltende Bedrohung durch andere flüchtige Nazis und die Rolle der Nachkriegsamnesie bei der Erlaubnis zur Flucht verdeutlichte, unterstrich die wichtige Rolle der Erinnerung an den Holocaust umso mehr. Das von flüchtigen Nazis im Aus243

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land angestrebte Vierte Reich mag weitgehend ein Mythos gewesen sein, aber es war ein Mythos mit einer bedeutsamen Botschaft.

Die kulturelle Wende: Das fiktionale Vierte Reich In den langen 1970er-Jahren kam der Mythos in der westlichen Kultur zu neuer Geltung. Während Romane und Filme die Idee eines Vierten Reiches im und unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg ergründeten, verschwanden sie in den 1950er-Jahren weitgehend. Ein Jahrzehnt später kehrten sie jedoch in beispielloser Weise zurück. Vom Anfang der 1960er- bis zum Anfang der 1980er-Jahre ergründeten Dutzende von Romanen, Filmen, Fernsehsendungen und Comics das albtraumhafte Szenario einer Rückkehr der Nazis an die Macht. Sie präsentierten ihre Erzählungen in verschiedener Form, als Kriegsdramen, Spionagethriller, Krimis, Horrorgeschichten und Geschichten von Superhelden. Unabhängig davon stellten sie das Vierte Reich aber durchweg als dauerhafte Bedrohung für die gesamte Welt dar. Diese Charakterisierung stieß beim Publikum in Nordamerika und Europa auf großen Anklang. Wie der kommerzielle Erfolg der Erzählungen der Zeit zeigte, fühlten sich Millionen von Lesern und Zuschauern vom Thema des Vierten Reiches angesprochen, das so zu einem festen Bestandteil der westlichen Populärkultur wurde.

Die Ästhetisierung des Nazismus Die Fiktionalisierung des Vierten Reiches war Ausdruck der breiteren Ästhetisierung der nationalsozialistischen Vergangenheit in der westlichen Kultur. Von den 1960er-Jahren bis in die 1980er-Jahre waren europäische und nordamerikanische Romane, Filme und Fernsehsendungen von Hitler und dem Dritten Reich geradezu besessen. Die Darstellung der Nationalsozialisten in diesen Werken war nicht statisch, sondern veränderte sich im Lauf der Zeit. Die frühesten Beispiele, darunter André Schwarz-Barts Roman Der Letzte der Gerechten (1959), Leon Uris’ Roman Mila 18 (1961) und 244

Die Nazidiaspora

Stanley Kramers Film Urteil von Nürnberg (1961), stellten die Nazis auf streng moralistische Weise als Inbegriff des Bösen dar. Sie waren Ausdruck des stark gestiegenen Bewusstseins für den Holocaust, der im Zuge der Schmierwelle und der Enthüllungen des Eichmann-Prozesses einsetzte. Gegen Ende des Jahrzehnts wurde jedoch ein neues Darstellungsmuster erkennbar. Als die Nazis zu immer vertrauteren Gestalten der Massenkultur wurden, wurden sie zu typisierten Schurken ohne irgendeine ethische Dimension, reduziert auf oberflächliche Symbole (schwarze Uniformen, Hakenkreuzarmbänder, Schaftstiefel) und allgemein soziopathisches Verhalten (sadistische Gewalt und sexuelle Devianz). Dieser Trend machte sich in anspruchsvollen Filmen wie Luchino Viscontis Die Verdammten (1969) und Liliana Cavanis Der Nachtportier (1973) sowie in Romanen wie William Styrons Sophies Entscheidung (1979) und D. M. Thomas’ Das weiße Hotel (1981) bemerkbar.81 Die Ästhetisierung des Nationalsozialismus griff auch auf die Populärkultur über. Im Kino beeinflusste sie »Naziploitation«-B-Movies wie Ilsa, She Wolf of the SS (1975) und Mainstreamfilme wie Jäger des verlorenen Schatzes (1981).82 In der Musik beeinflusste sie die von Nazisymbolen geprägte Mode von Punkbands wie den Sex Pistols, die Namen von Hardrockbands wie Kiss und die Songtexte von Musikern wie David Bowie.83 Wieder andere Werke der Populärkultur ästhetisierten die NS-Zeit auf humoristische Weise: Filme und Fernsehserien wie Dr. Seltsam (1966), The Producers (1969) und Ein Käfig voller Helden (1965–1971) setzten auf Belustigung statt auf Belehrung. Diese Werke waren sehr vielfältig, signalisierten aber alle eine beunruhigende »Faszination« für den Faschismus, die sich mehr mit den Tätern als mit den Opfern identifizierte.84 Diese Faszination deutete auf eine Tendenz hin, genau jene Aspekte der Vergangenheit zu vergessen, die es zu erinnern galt, um ihre Wiederkehr zu verhindern. Diese Entwicklungen waren eng mit der sogenannten Hitler-Welle verknüpft. Ab dem Ende der 1960er- und bis zur Mitte der 1980er-Jahre signalisierte eine Flut von historischen Biografien, Filmen und Romanen in Westdeutschland, den Vereinigten Staaten und Großbritannien ein stark gestiegenes öffentliches Interesse an dem verstorbenen »Führer«.85 Die Welle setzte mit der Veröffentlichung der Erinnerungen des gerade aus dem Spandauer Gefängnis entlassenen Albert Speer 1969 ein. Der rasante Aufstieg des Buches zum Bestseller beflügelte weitere Monografien, Filme und Romane, 245

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darunter Joachim Fests Hitler – eine Karriere (1973), Hans-Jürgen Syberbergs Hitler, ein Film aus Deutschland (1977) und George Steiners The Portage to San Cristóbal von A. H. (1981), und löste sogar Skandale wie den über die Veröffentlichung der (gefälschten) Hitler-Tagebücher 1983 aus.86 Das überwältigende Interesse an Hitler war zum Teil eine Reaktion auf die grob vereinfachende frühe Nachkriegsdarstellung des Führers als dämonische Gestalt und entsprach dem Wunsch, ihn mehr als echten Menschen zu sehen.87 Es war zum anderen aber auch eine Reaktion auf die damaligen sozialwissenschaftlichen Analysen des Faschismus, die die Rolle des Individuums in der Geschichte herunterspielten.88 Die neuen Studien gingen über die Untersuchung von Hitlers Politik hinaus und untersuchten Einzelheiten seines Privatlebens einschließlich seiner Erziehung im Kindesalter, seiner Freundschaften, Liebesbeziehungen, künstlerischen Interessen, Gewohnheiten, Hobbys und Haustiere. Die Vermenschlichung Hitlers alarmierte jedoch viele Kritiker, die befürchteten, die reißerische Aufmachung seiner Biografie und ihre kommerzielle Verwertung könnten die wichtige ethische Dimension der NS-Zeit in den Hintergrund drängen.89 Die wachsende Faszination für die Nationalsozialisten war auch ein Spiegel des veränderten internationalen politischen Klimas. Die Entspannungspolitik der US-Regierung – beispielhaft für sie war Präsident Nixons Reise nach China 1972 – führte ab den frühen 1970er-Jahren zu einer Tauwetterperiode im Kalten Krieg. Diese Entwicklung hatte wichtige Auswirkungen auf die westliche Populärkultur. Wie damalige Beobachter bemerkten, führte die Verbesserung der Ost-West-Beziehungen dazu, dass der »russische Spion in der Verlagswelt harte Zeiten durchlebte« und ein Vakuum entstand, das mit neuen Schurken gefüllt werden musste. Bald darauf rückten die Nazis als Feind, den die Menschen »zu hassen liebten«, in den Mittelpunkt eines beispiellosen »verlegerischen Blitzkriegs«.90 Das war insofern besonders einfach, da die meisten Menschen keine Angst vor einer baldigen Rückkehr der Nationalsozialisten in Westdeutschland mehr hatten. Obwohl mit dem Aufstieg der NPD Mitte der 1960er-Jahre im Westen kurzzeitig Zweifel an der Anfälligkeit der Bundesrepublik für nationalsozialistische Ideen aufkamen, verschwanden diese Bedenken nach dem schlechten Abschneiden der Partei bei den Wahlen 1969. Zum weiteren Abbau westlicher Ängste trug die Ostpolitik von Bundeskanzler Willy Brandt bei, die 246

Die Darstellung des Vierten Reiches: Handlungsschemata und Genres

durch die Normalisierung der Beziehungen zu Ostdeutschland und Polen den demokratischen Nachkriegsruf des Landes festigte.91 Schließlich wurden die von einem deutschen Neonazismus ausgelösten Sorgen in den 1970er-Jahren durch den Aufstieg linker Terrorgruppen wie der Roten Armee Fraktion (RAF) gedämpft; sie zeigten, dass die größte Gefahr für Westdeutschland nicht mehr von rechts ausging.92 Die Besorgnis hinsichtlich neonazistischer Umtriebe verlagerte sich indes von Westdeutschland in andere Länder, insbesondere in die Vereinigten Staaten. Nachdem die Amerikaner ihre Entnazifizierungspolitik aufgrund des Kalten Kriegs eingestellt hatten, warfen Enthüllungsgeschichten von Journalisten und Regierungsvertretern über in den USA lebende Nazikollaborateure mittlerer Chargen ein Schlaglicht auf diesen Kurswechsel.93 Etwa zur gleichen Zeit lösten die Entstehung neonazistischer Gruppen im Zusammenhang mit der American Nazi Party von Rockwell – darunter der National Socialist White People’s Party (1967), der National Socialist Party of America (1970), der National Alliance (1974) und der National Socialist German Workers Party Development and Foreign Organization (1971) – Besorgnis aus.94 Der enorme Anstieg neonazistischer Aktivitäten spiegelte sich auch in dem boomenden Markt für Nazidevotionalien und Utensilien wie Uniformen, Möbel, Flaggen, Schmuck, Dolche und anderem Kitsch.95 Und er zeigte sich in der stark ansteigenden Produktion neonazistischer Literatur, vor allem in dem rassistischen und antisemitischen Roman The Turner Diaries (1978) von Rockwells Kollegen William L. Pierce und in der Literatur der Holocaust-Leugnung des 1978 gegründeten kalifornischen Institute for Historical Review.96 Erschreckenderweise fand ein Großteil dieses Materials dank der Verbindungen, die amerikanische Nazis zu ihren deutschen Kollegen geknüpft hatten, den Weg nach Westdeutschland.97

Die Darstellung des Vierten Reiches: Handlungsschemata und Genres All diese Entwicklungen prägten die Fiktionalisierung des Vierten Reiches. In den langen 1970er-Jahren erschienen rund fünf Dutzend Werke – Romane, Filme, Fernsehserien, Hörspiele und Comics. Die meisten stammten 247

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aus Großbritannien und den Vereinigten Staaten, erreichten aber nach ihrer Übersetzung in andere Sprachen, dem Verkauf an ausländische Filmverleihe und der Ausstrahlung auf anderen Fernsehkanälen meist ein breiteres Publikum.98 Diese Werke stellten verschiedene Formen von historischer Fiktion dar: Die meisten waren »Geheimgeschichten«, die die verschwörerischen (aber letztlich erfolglosen) Versuche von Schlüsselpersonen schilderten, den Lauf der Geschichte zu beeinflussen; einige waren als future histories in der nahen Zukunft angesiedelt; andere waren »alternative Geschichten«, die eine abgewandelte Form tatsächlicher historischer Ereignisse schilderten. Sie machten Anleihen bei verschiedenen literarischen Genres – bei Spionagethrillern, Kriegsabenteuern, Verschwörungsdramen, Krimis und Horrorgeschichten –, konzentrierten sich jedoch alle auf den Konflikt zwischen unbeirrbaren Nazis, die auf ein Viertes Reich hinarbeiteten, und antinazistischen Kräften, die dies zu verhindern suchten. Die Erzählungen lassen sich in vier Kategorien einteilen: 1) Politthriller, in denen zeitgenössische Nationalsozialisten die Kontrolle über die westdeutsche Regierung übernehmen; 2) Abenteuergeschichten, in denen aktuelle Nazis bei ihrem Streben nach Weltmacht verheerenden Schaden anrichten; 3) Kriegsgeschichten, in denen NS-Werwölfe die Macht zurückzuerlangen versuchen; und 4) Krimis, in denen aktuelle Nazis versuchen, einen noch lebenden Adolf Hitler als deutschen Diktator wiedereinzusetzen. Zum besseren Verständnis der Ausprägungen des Konzepts in der Populärkultur sollen im Folgenden die unterschiedlichen Erscheinungsformen des Vierten Reiches in diesen Erzählungen untersucht werden.

Nationalsozialistische Pläne für einen westdeutschen Putsch Eines der beliebtesten Themen der Zeit waren fanatische Nazis, die die Macht in der Bundesrepublik zu übernehmen versuchen. Dieses Thema prägte zahlreiche Werke der 1960er-Jahre. 1962 stellte der britische Schriftsteller Harry Patterson einen britischen Spion in den Mittelpunkt seines Romans The Testament of Caspar Schultz, der die Enthüllungsmemoiren eines reuevollen ehemaligen Nazis aufzuspüren versucht und so eine geheime na248

Nationalsozialistische Pläne für einen westdeutschen Putsch

tionalsozialistische Untergrundbewegung in der Bundesrepublik aufdeckt.99 1966 porträtierte der britische Schriftsteller David Ray in seiner Novelle The End of the Fourth Reich einen in Spanien lebenden Nazigeneral, der einen von den Briten entworfenen Laser stiehlt, um britische, amerikanische und sowjetische Truppen zum Rückzug aus Deutschland zu zwingen.100 Im Herbst 1967 führten drei Folgen der amerikanischen TV-Serie Kobra, übernehmen Sie! [Mission: Impossible] ähnliche Szenarien vor Augen: »Das Erbe der Väter« zeigte die Söhne von Hitlers »treuen Offizieren«, die mit dem persönlichen Vermögen des Führers in Höhe von 300 Millionen Dollar »das Vierte Reich« in Deutschland gründen wollen; »The Bank« handelte von einem ostdeutschen Finanzier, der heimlich an der Finanzierung einer neuen nationalsozialistischen Partei arbeitet; und der westdeutsche Neonazi in »Echo of Yesterday« versucht westdeutsche Wähler davon zu überzeugen, dass »die Nazis von heute keine Gangster mehr sind«, sondern die Anführer einer angesehenen politischen Bewegung. Herbert Leders Horrorfilm The Frozen Dead (1966) schließlich kreiste um einen in London lebenden NSWissenschaftler, der durch die Wiederbelebung der in deutschen Höhlen gefrorenen Körper von 1.500 NS-Eliteeinheiten die Macht an sich zu reißen versucht.101 Zentrales Thema der Erzählungen der 1970er-Jahre waren hingegen die Bemühungen der Nazidiaspora um eine Machtergreifung in Westdeutschland. Im Mittelpunkt des Romans Canceled Accounts (1972) des amerikanischen Schriftstellers Harris Greene stand ein in Lateinamerika lebender ODESSA-Anführer, Richard Reichart, der einen jüdischen Holocaust-Überlebenden und Schweizer Bankier zur Freigabe von geraubtem Vermögen zwingt, um eine palästinensische Terrorkampagne gegen Israel zu finanzieren. Diese soll zur Schaffung eines »Vierten Reiches ... auf den Ruinen des gegenwärtigen, von Adenauer begonnenen, verfaulten kapitalistischen deutschen Systems« beitragen.102 In No Earth for Foxes (1974) porträtierte der irische Schriftsteller Manning O’Brine eine österreichische Neonazigruppe namens »Die Wespe«, die den Abzug der amerikanischen und sowjetischen Truppen aus Deutschland zu beschleunigen versucht und die Wiedervereinigung des Reiches anstrebt.103 In The Strasbourg Legacy (1975) schildert der amerikanische Schriftsteller William Craig die Bemühungen einer aus Lateinamerika und dem Nahen Osten agierenden NS-Untergrundorganisa249

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In William Craigs Roman The Strasbourg Legacy (1975) planen im Ausland operierende Nazis die Ermordung Willy Brandts, um erneut die Macht in Westdeutschland zu übernehmen.

tion. Um an die Macht zu gelangen, ermordet sie Kanzler Willy Brandt, schaltet die NATO-Truppen aus und proklamiert als Reaktion auf einen geplanten sowjetischen Angriff das Kriegsrecht.104 Im Mittelpunkt des Romans The Bormann Receipt (1977) der amerikanischen Schriftstellerin Madelaine Duke stand schließlich eine lateinamerikanische Mafia unter Führung von Bormann, die einen verschwörerischen Plan zur Verwendung von Nazigeldern aus dem Verkauf jüdischer Raubkunst ausheckt, um die »schwache und unbrauchbare Demokratie« der Bundesrepublik durch ein »tausendjähriges Viertes Reich« zu ersetzen.105 250

Pläne der Nazis zur Welteroberung

Pläne der Nazis zur Welteroberung Im Mittelpunkt einer zweiten Gruppe von Erzählungen standen international agierende Nazis, die einen globalen Krieg zu entfesseln und so ein Viertes Reich zu errichten versuchten. Der Spionagethriller Das QuillerMemorandum (1965) des britischen Schriftstellers Elleston Trevor alias Adam Hall (1966 mit George Segal in der Hauptrolle verfilmt) schildert eine aus Argentinien operierende neonazistische Untergrundorganisation namens »Phoenix«, die die westdeutsche Regierung unterwandert und sowjetische Truppen mit Lungenpestampullen auszuschalten versucht. Unter Ausnutzung des so entstandenen militärischen Vorteils Westdeutschlands gegenüber den Alliierten will sie die Bundesrepublik erobern und einen bewaffneten Konflikt zwischen den USA und der Sowjetunion in Berlin auszulösen.106 Ein ähnliches Szenario führt etwa zur gleichen Zeit eine Folge der amerikanischen Fernsehserie Die Seaview – In geheimer Mission [Voyage to the Bottom of the Sea] mit dem Titel »The Last Battle« (1965) vor Augen: Auf der geheimen Militärbasis einer Tropeninsel versucht ein SS-Oberst, Atomschläge gegen die USA und gegen die Sowjetunion gleichzeitig zu starten, um so einen »nuklearen Holocaust« auszulösen und »das für tausend Jahre bestimmte Vierte Reich« zu errichten. Der Spionagethriller The Fourth Reich (1965) des britischen Schriftstellers Martin Hale wiederumhandelte von einem Hitler-Anhänger, der Generalsekretär der Vereinten Nationen wird und mithilfe von UN-Truppen einen größeren afrikanischen Krieg entfesselt, um die uranreiche Region Katanga zu erobern.107 Im Mittelpunkt von Folgen der Serien Mission Impossible und The Man from U.N.C.L.E. standen 1967 südamerikanische Nazis in »New Berchtesgaden« und »San Rico«, die »weltweit den Boden für den Nationalsozialismus bereiteten«. Frederick Forsyths Roman Die Akte Odessa (1972 veröffentlicht und 1974 mit Jon Voight in der Hauptrolle verfilmt) schilderte den teuflischen Plan eines NS-Kriegsverbrechers – des ehemaligen SS-Offiziers und Kommandanten des Rigaer Gettos Eduard Roschmann (Codename »Vulkan«) –, der Ägypten mit einem ausgeklügelten Raketenlenksystem versorgen will, damit es Israel mit Sprengköpfen voller Beulenpesterreger angreifen kann.108 251

5.  »Hitler in Argentinien!«

In der Verfilmung von Frederick Forsyths Erfolgsroman Die Akte Odessa (1972) versucht Jon Voight, eine weltweite Terrorkampagne des ehemaligen SS-Mannes und Kriegsverbrechers Eduard Roschmann zu vereiteln.

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Pläne der Nazis zur Welteroberung

Ab den 1970er-Jahren ging die nationalsozialistische Bedrohung in fiktionalen Werken zunehmend von den Vereinigten Staaten aus. In einer Folge der amerikanischen Krimiserie Mannix mit dem Titel »To Cage a Seagull« will der fanatische Anführer der amerikanischen »Partei des Vierten Reichs« im November 1970 in »hundert wichtigen amerikanischen Städten«»die Polizei niederschießen und die Zivilbehörden niedermetzeln«. Seine Aktion ist Teil eines größeren Griffs nach der Weltmacht. Der Krimi The Wind Chill Factor (1975) des Amerikaniners Thomas Gifford kreist um die Bemühungen amerikanischer Nazis, unter der Führung hoher Regierungsvertreter die »Vorzüge des Nationalsozialismus« zu rehabilitieren und eine »weltweite Verschwörung« zur Errichtung eines Vierten Reiches anzuzetteln.109 Ein ähnliches Handlungsschema begegnet Lesern in Ben Steins Roman The Croesus Conspiracy (1978). In ihm planen in den USA lebende Nazis, den ehrgeizigen kalifornischen Senators Travis Bickel – eine ihrer Marionetten – zum Präsidenten zu machen und so die Zukunft der arischen Rasse zu sichern.110 In Robert Ludlums Roman Der Holcroft-Vertrag (1978 erschienen und 1985 verfilmt) planen im Ausland lebende deutsche Schläfer namens »Sonnenkinder«, fast eine Milliarde Dollar an geraubtem Nazigeld sicherzustellen und mithilfe einer Mordserie »auf der ganzen Welt ... das Vierte Reich« zu errichten.111 In Andrew Kaplans Roman Hour of the Assassins (1980) will ein in Peru lebender ODESSA-Führer namens von Schiffen in Zusammenarbeit mit amerikanischen CIA-Beamten die Regierungen Lateinamerikas stürzen, den Kampf gegen den sowjetischen Kommunismus wiederaufnehmen und dafür sorgen, dass »aus dem rückständigen Käffern der Dritten Welt das Vierte Reich geboren wird«.112 Mike Pettits The Axmann Agenda (1980) schildert, wie eine von den USA ausgehende Verschwörung unter der Leitung eines ehemaligen SS-Lebensborn-Mitarbeiters die »Nahrungsmittelund Wasserversorgung der Welt« zu beherrschen und den Reichtum an eine neue Generation von rassisch überlegenen Kindern weiterzugeben versucht.113 In einer Folge der amerikanischen Fernsehsendung The Greatest American Hero schließlich fordern amerikanische Neonazis 1982 »Power to the Fourth Reich!«; in Zusammenarbeit mit arabischen Ländern wollen sie eine amerikanische Waffenlieferung nach Israel verhindern.114 Nicht nur in Romanen und Filmen, sondern auch in Comics streben Nazis ein weltumspannendes Viertes Reich an. Während des Zweiten Welt253

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In Robert Ludlums Bestseller Der Holcroft-Vertrag (1978) verüben im Ausland lebende deutsche Schläfer eine brutale Mordserie, um ein weltumspannendes Viertes Reich zu gründen.

kriegs waren Nazifiguren in amerikanischen Comics allgegenwärtig und kassierten regelmäßig eine schmachvolle Niederlage. Ab den 1960er-Jahren wurden sie jedoch erneut als Bedrohung dargestellt. An erster Stelle stand dabei der klassische Marvel-Bösewicht aus Kriegszeiten, Red Skull.115 Zwischen 1965 und 1980 trat der wahnsinnige Nazimutant bei zahlreichen An254

Werwolf-Geschichten

lässen auf, um die Nazis erneut an die Macht zu bringen.116 1972 zum Beispiel zeigte die Ausgabe Nr. 148 von Captain America, wie Red Skull die Stadt Las Vegas angreift und verkündet, seine Organisation Hydra sei schon immer ein Lockvogel gewesen, »um Zeit für die Geburt des Vierten Reiches zu gewinnen«. In elf aufeinanderfolgenden Ausgaben (Nr. 17‒27) des Marvel-UK-Comics Captain Britain versuchte der britische Superheld Anfang 1977 zu verhindern, dass Red Skull mithilfe einer im Big Ben versteckten »Keimbombe« Großbritannien besiegt und »den Glanz des Vierten Reiches« erstrahlen lässt. Außer in der Red-Skull-Saga traten auch in anderen Comics Nazis auf, die von Lateinamerika aus weltweit Unfrieden stifteten. In den Ausgaben Nr. 23‒24 (Ende 1974 und Anfang 1975) des Master-ofKung-Fu-Comics versucht der Held Shang Chi zu verhindern, dass ein am Amazonas lebender Nazirassist mithilfe eines nuklearen Sprengkopfes ein »glorreiches Viertes Reich« schafft. Und in den Ausgaben Nr. 188‒189 (1982) von The Brave and the Bold versucht Batman, lateinamerikanische Nazis davon abzuhalten, heimlich den »Aufstieg eines 4. Reiches« vorzubereiten und mithilfe eines gestohlenen »Bakterienserums« einen »weiteren Holocaust« zu starten.

Werwolf-Geschichten In einer dritten Gruppe von Erzählungen traten Naziwerwölfe auf, die den Grundstein für ein Viertes Reich legten. Ausgehend von den Ängsten der frühen Nachkriegszeit waren diese Geschichten meist am Ende des Zweiten Weltkriegs angesiedelt und schilderten hartgesottene Nazirebellen, die in Zusammenarbeit mit Martin Bormann eine Rückkehr an die Macht anstrebten. In Geoff Taylors Roman Court of Honor (1966) begründet ein blinder deutscher General gegen Ende des Zweiten Weltkriegs ein Femegericht, um deutsche »Kollaborateure« zu bestrafen und Bormann zum »Führer des neuen Vierten Reiches« zu machen.117 1976 veröffentlichte Jack Higgins (unter seinem wirklichen Namen Harry Patterson) seinen Roman The Valhalla Exchange, in dem zwei deutsche SS-Eliteoffiziere durch einen Gefangenenaustausch mit prominenten westlichen Geiseln aus Berlin zu fliehen und damit Bormanns Plan umzusetzen versuchen.118 Im Mittelpunkt von Ib Mel255

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chiors Sleeper Agent (1975) stand der SS-Offizier Rudolf Kessler, der Bormann bei der Flucht aus Deutschland und dem Aufbau einer Schläferzelle von NS-Agenten in den Vereinigten Staaten hilft, die den »Aufstieg des Vierten Reiches« anstreben.119 Jack Hunters The Tin Cravat (1981) porträtiert einen deutschen Antihelden, Bruno Stachel, der in Zusammenarbeit mit den amerikanischen Streitkräften 1945 die Werwolf-Kampagne als Tarnung für Bormanns wahren Plan zur weltweiten Finanzierung von NS-Widerstandszellen entlarven will.120 John Gardners Roman The Werewolf Trace (1977) verlagert das Geschehen in die Nachkriegszeit und handelt von einem NS-Agenten (Codename »Werewolf«), der sich als dänischer Geschäftsmann namens Joseph Gotterson ausgibt und auf den richtigen Moment wartet, um Großbritannien an der Spitze rechtsgerichteter Briten in den Faschismus zu führen.121 George Markstein erfand in seinem Roman The Goering Testament (1978) eine Verschwörung alternder, aber reueloser britischer Nazisympathisanten, die Hermann Görings (vor seinem Selbstmord 1946 diktiertes) Testament zur Wiederbelebung einer weltweiten NSBewegung nutzen.122

Hitler lebt Die letzte Kategorie von Erzählungen stellte radikale Nazis in den Mittelpunkt des Geschehens, die mithilfe des »Führers« ein Viertes Reich schaffen wollen. In dem TV-Drama (und späteren Bühnenstück) The Night Conspirators (1962) des britischen Schriftstellers Robert Muller treffen sich deutsche Eliten heimlich in einer ausländischen Botschaft und planen, den gebrechlichen (und kürzlich aus dem isländischen Exil zurückgekehrten) Führer zur Machtübernahme einzusetzen. Zwei Jahre später versuchte ein flüchtiger NS-Wissenschaftler in einer Folge der Fernsehserie The Man from U.N.C.L.E., den scheintoten Körper Hitlers wiederzubeleben, damit die »verbitterten jungen Männer« seines Vaterlandes »jemanden haben, der sie führt«.123 In David Bradleys Film They Saved Hitler’s Brain (1963) plant Hitler aus einem Versteck im südamerikanischen Mandoras einen tödlichen Nervengiftanschlag und damit den Griff nach der Weltmacht.124 In Brad F. Ginters Film Flesh Feast (1967) unterzieht sich Hitler einer Operation, um 256

Hitler lebt

mit Unterstützung undurchsichtiger lateinamerikanischer Nazis eine Rückkehr ins politische Leben zu planen. Joseph Kanes Film The Search for the Evil One (1967) zeigt, wie der senile Diktator als Schlüssel zu Bormanns Plan (»Operation Viertes Reich«) der Eroberung Argentiniens und daraufhin der Welt fungiert. In dem Roman Who Will Watch the Watchers? (1970) von Edwin Fadiman Jr. versucht eine skrupellose, in Paraguay ansässige neonazistische Organisation mit dem Namen »Söhne der Freiheit«, Hitler am Leben zu erhalten und zum erneuten Aufstieg des »Vierten Reiches« beizutragen.125 In einer Folge des CBS Radio Mystery Theater mit dem Titel »The Rise and Fall of the Fourth Reich« pflegt 1976 eine Gruppe Deutscher einen kranken Hitler in Mexiko-Stadt und überzeugt ihn davon, dass »der Tag des Vierten Reiches angebrochen ist«.126 Ebenfalls 1976 handelte eine Folge der britischen Fernsehserie Mit Schirm, Charme und Melone [The New Avengers] mit dem Titel »The Eagle’s Nest« von einer Gruppe Nazis in England, die den in einen Kälteschlaf versetzten »Führer« wiederbelebt, um »erneut an die Macht zu gelangen«.127 Und in Philippe van Rjndts Roman The Trial of Adolf Hitler (1978) wird Hitler bewusst vor der Weltöffentlichkeit vor Gericht gestellt, um ihn als Märtyrer zu inszenieren und eine saubere Grundlage für ein Viertes Reich zu schaffen.128 Eine Unterkategorie dieser Szenarios malte sich Hitlers Überleben in veränderter Form aus. In Ira Levins Roman The Boys from Brazil (1976; 1977 mit Gregory Peck und Laurence Olivier in den Hauptrollen verfilmt) verfolgt der berüchtigte KZ-Arzt Josef Mengele den wahnsinnigen Plan, die Väter von 94 künstlich aus Hitlers Erbgut geklonten Teenagern zu töten, um eine »panarische« Version des »Vierten Reiches« zu schaffen.129 1977 erschien in einer Folge der amerikanischen Fernsehserie Wonder Woman ein Hitler-Klon in Lateinamerika, der erneut die Weltherrschaft anstrebt.130 In Ib Melchiors Thriller The Watchdogs of Abaddon (1979) nutzt eine in Los Angeles ansässige Nazizelle unter der Leitung des ruchlosen SSOffiziers Franz Schindler Hitlers geistig zurückgebliebenen Enkel Dolfi (der in einem Bunker in Nordhollywood lebt), um eine internationale Krise im Nahen Osten herbeizuführen, die Weltherrschaft zu erobern und ein »Nordamerikanisches Reich« in den USA zu errichten.131 Im Mittelpunkt von Hitler’s Daughter (1983) des amerikanischen Schriftstellers Timothy B. Benfords steht eine Kongressabgeordnete namens Leora Gordon – eine 257

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Im Mittelpunkt der Verfilmung von Ira Levins Roman The Boys from Brazil (1976) stand der berüchtigte KZ-Arzt Josef Mengele, der mithilfe von Hitler-Klonen ein Viertes Reich begründen will.

Nachfahrin des Führers –, die ihre Rivalen aus dem Weg räumt, zur Präsidentin gewählt wird und ein »Viertes Reich in Amerika« begründen will.132

Darstellungsmuster Zwar ist es schwierig, allgemeine Muster aus den zahlreichen Erzählungen der Zeit abzuleiten, doch sind breitere Trends erkennbar. Unabhängig davon, ob es sich um Werwolf-Freischärler, fanatische SS-Männer, flüchtige Kriegsverbrecher oder undercover lebende westdeutsche Politiker handelte: Die Nazis erschienen durchweg als Schurken. Die Darstellung ihrer Gegner war dagegen – je nach Intention ihrer Verfasser – vielfältiger: Eine Gruppe von Geschichten stellte die Amerikaner, Briten und Israelis als idealistische Helden dar, eine zweite Gruppe porträtierte sie als feige Kollaborateure. Die Autoren der Zeit waren eine heterogene Gruppe: Viele waren von Beruf 258

Geschichten des Triumphs

Schriftsteller und arbeiteten als Literaten, im Filmgeschäft oder für das Fernsehen; andere waren ehemalige Journalisten, die sich in die Welt der Unterhaltungsliteratur begaben; wieder andere waren Hobbyautoren, die in anderen Berufsfeldern tätig waren. Sie alle hatten jedoch etwas gemeinsam: Fast alle von ihnen waren Männer, die überwiegende Mehrheit hatte ihren Militärdienst zudem während des oder nach dem Zweiten Weltkrieg absolviert. Ihre Erzählungen waren auch ein Kommentar zu historischen und aktuellen Themen, der jedoch unterschiedliche Formen annahm: Eine Gruppe von Autoren warnte vor anhaltenden neonazistischen Umtrieben im seinerzeitigen Westdeutschland, eine andere Gruppe wies selbstkritisch auf das Überleben faschistischer Strömungen im eigenen Land hin. Diese unterschiedlichen Botschaften spiegelten zum Teil die unterschiedlichen Biografien der beiden Gruppen wider: Die erste Gruppe bestand im Allgemeinen aus Veteranen des Zweiten Weltkriegs, die triumphierend auf ihre Rolle beim Sieg über die Nazis zurückblickten; die Mitglieder der zweiten Gruppe gehörten einer jüngeren Generation an, die nach 1945 aufwuchs und sich mehr um die nationalen und internationalen Krisen der Gegenwart sorgte. Die Erzählungen beider Gruppen erschienen mehr oder weniger gleichzeitig, doch ihre Unterschiede signalisierten einen einsetzenden Wandel, was die Erinnerung des Westens an die NS-Zeit anging. Im Lauf der Jahre generalisierten und ästhetisierten die fiktiven Darstellungen des Vierten Reiches die NS-Diktatur.

Geschichten des Triumphs: Nazischurken, alliierte Helden und die anhaltende Bedrohung durch die Deutschen Die erste Gruppe von Erzählungen betonte nachdrücklich die Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus. Sie taten dies zunächst, indem sie die anhaltende Wirkmacht der NS-Ideologie betonten. Die meisten Werke schilderten Nachkriegsnazis, die ihre Ziele gemeinsam in Untergrundorganisationen wie ODESSA (Canceled Accounts, The Bormann Receipt und Die Akte Odessa) oder Die Spinne (The Werewolf Trace) oder in fiktiven Organisationen wie »Phoenix« und »Die Wespe« (Das Quiller-Memorandum und 259

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No Earth for Foxes) verfolgten. In vielen Texten war die Bundesrepublik bereits von Nationalsozialisten unterwandert: Im Quiller-Memorandum etwa waren 40 mit dem »Phoenix« verbundene Deutsche in der westdeutschen Bürokratie tätig, während sich die Nationalsozialisten in Die Akte Odessa und The Strasbourg Legacy als legitime westdeutsche Politiker ausgaben. In anderen Werken warten Nazis in Schläferzellen auf den richtigen Moment zur Machtergreifung, so etwa der SS-Offizier Rudolf Kessler in Sleeper Agent; seine logische Konsequenz fand dieses Handlungsschema in Mengeles Plan in The Boys from Brazil, wo die schlafenden Kinder-Hitler durch die Ermordung ihrer Väter »aktiviert« werden sollen. Zudem schmiedeten die Nazis mächtige Allianzen mit ebenso ruchlosen Kollaborateuren, allen voran feindlich gesinnten arabischen Terroristen oder Regierungen (so etwa in Canceled Accounts, Die Akte Odessa, The Strasbourg Legacy und The Watchdogs of Abaddon). In den meisten Erzählungen griffen Nationalsozialisten für ihre Ziele häufig auf Entführungen, Folter und Mord zurück. Der Terror der Nazis zeigte sich außerdem in ihrem Hang zum Sadismus, wie einige Texte durch Rückblenden in die Kriegsjahre verdeutlichen. No Earth for Foxes beschreibt ein Ende 1944 stattfindendes SS-Massaker an italienischen Zivilisten außerhalb von Bologna, bei dem ein Soldat »den Fötus eines acht Monate alten Babys ... aus dem Mutterleib« herausreißt. In The Strasbourg Legacy plant der Hauptschurke, der Naziarzt August Bleemer, »Menschenversuche in Dachau«, bei denen Gefangenen »Gasbrand injiziert« wird und sie sich »nackt in Schneewehen legen« müssen. Die Akte Odessa zeichnet ein plastisches Bild des SS-Offiziers Eduard Roschmann, der sich im Rigaer Getto als »Inbegriff des Teuflischen« verhält, indem er Juden vor ihrem Tod am Galgen noch verhöhnt.133 Andere Texte wie Martin Hales The Fourth Reich schilderten Folterhandlungen, bei denen ein Nazischerge mit einer »brennenden Fackel« den Rücken des britischen Protagonisten »mit erotischer Absicht« versengte.134 Die Erzählungen betonten die Skrupellosigkeit der Nazis, indem sie sie als sexuell deviant darstellten. In The Watchdogs of Abaddon zum Beispiel ist Hitlers Enkel Dolfi das Ergebnis einer inzestuösen Beziehung zwischen Hitlers Sohn und Tochter, während Hitler selbst »perversen Sex« mit »verschiedenen Playmates von Ausklappfotos« hat.135 In anderen Texten werden Nazis in homophober Weise als schwul dargestellt. In No Earth for Foxes ist eine 260

Geschichten des Triumphs

Gruppe von Naziagenten »Schwuchteln für einen Mann«, in The Axmann Agenda vergewaltigt der oberste Nazivollstrecker Spade mehrere männliche Geheimdienstler und in Canceled Accounts organisiert SS-Chef Reichart eine Prostituiertenorgie in Marrakesch mit schwulen »sexuellen Verirrungen«.136 Viele Texte betonten die Ruchlosigkeit der Nazis durch eine Gegenüberstellung mit der Redlichkeit ihrer Verfolger. Unter den zahlreichen amerikanischen und britischen Figuren sind bewundernswerte Militärs: der »patriotische« und »smarte« CIC-Mitarbeiter Tom Jaeger in Sleeper Agent, der unermüdliche amerikanische General Hamilton Canning in The Vahalla Exchange und der tapfere britische Royal-Air-Force-Pilot und Kriegsgefangene Tommy Dart in Court of Honor.137 Daneben treten hart durchgreifende amerikanische Polizeibeamte (Harry Bendicks in The Watchdogs of Abaddon) und israelische Geheimdienstagenten auf (Zvi Harari, der Reichart in Canceled Accounts jagt, und Rudi Ebel, der die Mitglieder von »The Wasp« in No Earth For Foxes bekämpft). Die fiktionalen Nazischurken scheitern im Allgemeinen bei ihren Vorhaben und kassieren eine Niederlage: Reichart in Canceled Accounts wird verhaftet; Bleemer in The Strasbourg Legacy wird gefangen genommen und in ein sowjetisches Kriegsgefangenenlager gesteckt; der Hauptschurke in The Watchdogs of Abaddon, Schindler, kommt an einem Hollywood-Filmset ums Leben. Historisch verbürgte Figuren finden in den Romanen ebenfalls den Tod: Martin Bormann kommt sowohl in Court of Honor als auch in The Tin Cravat bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Viele dieser Tode sind von besonderer Brutalität. In The Boys from Brazil wird Mengele von einem Rudel Dobermänner, die der junge Hitler-Klon Bobby Wheelock von der Leine gelassen hat, brutal in Stücke gerissen. Den gewaltsamsten Tod findet Kappler, der sadistische SS-Offizier aus No Earth for Foxes, als er nach »einer kurzen Explosion, die ... seinen Penis vernichtete«, qualvoll stirbt.138 Adolf Hitler findet schließlich auf unterschiedliche und eigenwillige Weise sein Ende: Sein bewusstloser Körper wird in die Flammen eines brennenden Labors geschoben (The Man from U.N.C.L.E.), von Maden verschlungen (Flesh Feast), in einem brennenden Auto verkohlt (They Saved Hitler’s Brain), von einer Landmine in die Luft gesprengt (The Search for the Evil One) und von Kugeln durchlöchert (The New Avengers). 261

5.  »Hitler in Argentinien!«

Der Schlüssel zur Gerechtigkeit sei die Erinnerung an die NS-Verbrechen, so die Lehre der Erzählungen. In manchen Texten wurzelt der Einsatz der Protagonisten bei ihrer Jagd auf NS-Kriegsverbrecher in traumatischen Kriegserlebnissen: In No Earth for Foxes setzt der fanatischste Nazijäger Mills dem Kriegsverbrecher Kappler obsessiv nach, um die miterlebten Gräuel der SS in Italien zu rächen. In anderen Geschichten entscheiden sich nach dem Krieg geborene Protagonisten zur Jagd auf Nazis, nachdem sie von den NS-Verbrechen erfahren haben. In der Akte Odessa macht es sich der junge westdeutsche Journalist Peter Miller zur Aufgabe, den Verbleib des SS-Offiziers Roschmann zu erforschen, nachdem ihm das Tagebuch des Holocaust-Überlebenden Solomon Tauber mit den Schilderungen der Gräuel dieses Offiziers zugespielt wurde. Andere Texte vermitteln dieselbe Botschaft, indem sie auf die Gefahr des Vergessens verweisen. In The Watchdogs of Abaddon ist der Sohn des in Los Angeles lebenden Detektivs Harry Bendicks zunächst der Ansicht, der Krieg habe »vor langer Zeit« stattgefunden und die NS-Kriegsverbrecher seien meist »harmlose« alte Männer; schon bald erkennt er jedoch, dass sein Vater durchaus recht hat und die Bedrohung durch die Nazis aktuell bleibt.139 Wenn sich die Menschen nicht an die Vergangenheit erinnern, so die Moral dieser Romane, ermöglichen sie ihr erneutes Auftreten. In Canceled Accounts erklärt ein israelischer MossadAgent, die Nazis stellten, »wenn sie je wiedererstehen, eine künftige Bedrohung für Deutschland und die Welt dar«, denn sie würden »einen weiteren Holocaust« produzieren.140 Viele Erzählungen betonten schließlich das Gebot der Wachsamkeit, da sich in ihrem Verlauf bestimmte Nazis der Justiz entziehen. In The Valhalla Exchange und Sleeper Agent scheint Martin Bormann nach Lateinamerika zu fliehen. In Greenes Canceled Accounts hindert die Verhaftung des ODESSA-Führers Reichart die verbleibenden Mitglieder der Gruppe nicht an deren Engagement für ein Viertes Reich. Der Kampf gegen die Nazis bleibt somit eine ständige Aufgabe. In ihrem Bekenntnis zur Erinnerung spiegelten die Erzählungen die Anliegen ihrer Zeit wider. Zahlreiche Werke äußerten Bedenken hinsichtlich der anhaltenden Anfälligkeit Deutschlands für nationalsozialistisches Gedankengut. Der Aufstieg der NPD hatte dabei maßgeblichen Einfluss. Einige Texte erwähnten die Partei ausdrücklich, so etwa The End of the Fourth Reich, in dem der Oberschurke, General von Klaus, zuversichtlich ist, dass 262

Geschichten des Triumphs

die NPD »meine Autorität sofort akzeptieren wird«, da ihre Mitglieder wie die meisten Deutschen »einem Mann folgen wollen, der sie zurück zu Würde und Macht führt«.141 Die Sorge, das Lippenbekenntnis der NPD zur Demokratie könne ein dauerhaftes Bekenntnis zum Nationalsozialismus verschleiern, kam auch in der Verfilmung des Quiller-Memorandums zum Ausdruck, wo ein britischer Geheimdienstler (Sir Alec Guinness) Quiller (George Segal) vor den Nazis warnt, weil heute »niemand ein braunes Hemd trägt« und sie »wie alle anderen aussehen«. Der Einfluss der NPD erklärt wahrscheinlich auch die Fülle der Kino- und Fernsehfilme in den Jahren 1966–1969, darunter Folgen von Mission: Impossible und The Man from U.N.C.L.E. sowie die Filme Flesh Feast und The Frozen Dead. Das Eintreten für die Erinnerung zeugte von den historischen Erfahrungen und aktuellen Überzeugungen ihrer Autoren. Viele der Schriftsteller hatten durch ihren Einsatz im Zweiten Weltkrieg einen unbändigen Hass auf den Nazismus entwickelt und standen den Deutschen nach 1945 nach wie vor misstrauisch gegenüber. Der Autor von Court of Honor, Geoff Taylor (1926–2007), war als australischer Bomberpilot für die Royal Air Force im Einsatz gewesen, von den Deutschen abgeschossen, in Kriegsgefangenschaft genommen und erst 1945 von den Russen befreit worden; in einem Interview gestand er 1966, dass er Jahre gebraucht habe, um seine Kriegserfahrungen zu verarbeiten und »objektiv« über sie zu schreiben; zu einem früheren Zeitpunkt »wäre der Roman eine Hymne des Hasses gewesen«.142 Ähnlich stützte sich der irische Schriftsteller Manning O’Brine (1913–1977) in No Earth for Foxes auf seine Erfahrungen als britischer Geheimdienstler, der im besetzten Italien gegen die Nazis kämpfte; in einer Vorbemerkung zum Roman machte er klar, man könne ihn gern als »befangen« kritisieren; er sei jedoch der Ansicht, dass das Bekenntnis der Deutschen zum Nationalsozialismus nicht »in der Flamme des Berliner Bunkers« gestorben sei.143 Der britische Schriftsteller Martin Hale (1937–2016) war zu jung, um gegen die Nazis zu kämpfen; in seinem Roman The Fourth Reich verarbeitete er jedoch die antideutschen Ressentiments seines Vaters, des Kriegsveteranen und Eigentümers des Daily Telegraph Lord Hartwell. Dies wird im Nachwort seines Romans deutlich, in dem Hale bemerkt: »deutsche Methoden und Ideen sind Hunderte von Jahren alt und laufen deshalb [heute] Gefahr, in alte Verhaltensmuster zurückzufallen«.144 Der dänisch-amerikanische Schrift263

5.  »Hitler in Argentinien!«

steller und Hollywood-Drehbuchautor Ib Melchior (1917–2015) diente im US CounterIntelligence Corps, war an der Befreiung des Konzentrationslagers Flossenbürg beteiligt und wurde 1945 mit der »Bronze Star Medal« für seine Unterstützung bei der Gefangennahme einer Werwolf-Einheit ausgezeichnet. In The Watchdogs of Abaddon beendet Melchior jedes Kapitel seines Romans mit »Schlagzeilen und Nachrichten« über neonazistische Aktivitäten, die »tatsächlichen internationalen Presseberichten aus den späten 1970er-Jahren entnommen sind«.145 In Sleeper Agent behauptet Melchior, die Vorstellung von im Ausland operierenden NS-Geheimagenten sei faktisch belegt bzw. beruhe auf Tatsachen, und fragt unheilvoll: »Wo sind sie heute?« Andere Autoren waren aus Deutschland und Österreich ins Exil gegangen. Der deutsch-jüdische Schriftsteller und Autor von The Night Conspirators, Robert Muller (1925–1998), war 1938 aus Nazideutschland nach England geflohen und hegte danach tiefes Misstrauen gegenüber seiner alten Heimat. Die Autorin von The Bormann Receipt, Madelaine Duke (1919– 1996), hatte zwar keinen Militärdienst abgeleistet; angesichts des Raubs der Kunstsammlung ihrer jüdischen Familie in Wien durch die Nazis, der Ermordung ihrer Verwandten in den Lagern und ihres langwierigen Bemühens um Restitution durch die österreichische Regierung hatte sie jedoch ihre eigenen Gründe, über das Thema zu schreiben.146 Andere Autoren teilten das Misstrauen gegenüber den Deutschen, verzichteten aber auf Generalisierungen. Wie andere amerikanische Schriftsteller war auch Harris Greene (1921–1997) in und nach dem Krieg als CICAgent und später als Diplomat in Deutschland tätig gewesen, erfand beim Schreiben von Canceled Accounts jedoch einen virtuosen deutschen Doppelagenten namens Dieter, der ODESSA im Namen des Mossad unterwandert.147 Der Autor von The Tin Cravat, Jack Hunter (1921–2009), arbeitete nach dem Krieg für die amerikanische Besatzungsmacht in Deutschland, verhaftete Naziwerwölfe und spielte eine führende Rolle bei der »Operation Nursery«. In vielen seiner Romane gibt es jedoch einen »guten deutschen« Helden, Bruno Stachel, der trotz seines Kriegsdienstes im Dritten Reich mit den US-Streitkräften zusammenarbeitet.148 Im Gegensatz dazu hatten einige der Schriftsteller, in deren Werken »gute Deutsche« auftraten, im Zweiten Weltkrieg nicht gegen sie gekämpft. Der berühmte britische Journalist und Schriftsteller Frederick Forsyth (* 1938) war zu jung, um zum Kriegsdienst 264

Geschichten der Selbstkritik

eingezogen zu werden (obwohl er später Pilot bei der Royal Air Force war), und vertrat relativ moderate Ansichten gegenüber den Deutschen. In der Akte Odessa gab es nicht nur einen moralisch aufrechten deutschen Journalisten, Peter Miller, den Helden des Romans, sondern auch den HolocaustÜberlebenden Salomon Tauber, der in seinem Tagebuch notierte: »Ich hege keinen Hass ... gegen das deutsche Volk«.149 Auch Ira Levin (1929–2007) diente nicht im Krieg (Mitte der 1950er-Jahre jedoch in der Fernmeldetruppe der US-Streitkräfte), vermittelte in The Boys from Brazil allerdings eine ähnliche Botschaft: Am Ende des Romans schwört der Simon-Wiesenthal-ähnliche Protagonist Yakov Lieberman »Rache«, indem er die Liste der 94 Hitler-Klone zerstört und damit eine militante jüdische Organisation an der Identifizierung und Tötung der Klone hindert.150

Geschichten der Selbstkritik: Nazischurken, alliierte Kollaborateure und universeller Faschismus Auch die zweite Kategorie von Romanen stellte die Nazis als Bösewichte dar. In Werken wie The Testament of Caspar Schultz, The Werewolf Trace, Who Will Watch the Watchers, The Wind Chill Factor, The Holcroft Covenant, The Croesus Conspiracy und The Hour of the Assassins erscheinen die Nazis angesichts ihrer geheimen Zusammenarbeit in Organisationen wie ODESSA, Die Spinne und anderen internationalen Netzwerken als ungeheuer mächtig und sadistisch zugleich: In The Testament of Caspar Schultz peitscht ein teuflischer NS-Arzt namens Krüger eine inhaftierte israelische Agentin namens Anna Hartmann aus und tötet sie anschließend; in The Hour of the Assassins foltert Josef Mengele den amerikanischen Protagonisten, John Caine, indem er ihn in einen stickigen Schuppen am Amazonas voller Feuerameisen sperrt. Darüber hinaus werden die Nazis als sexuell deviant dargestellt. Im Holcroft-Vertrag hat der intrigante, in London lebende Nazi Johann von Tiebolt eine inzestuöse Beziehung mit seiner Schwester Gretchen, in The Hour of the Assassins unterhält Mengele sexuelle Beziehungen zu seiner masochistischen Tochter Inger und der in München lebende Nazi Gunter Brendel wird in The Wind Chill Factor mit einem »kunstliebenden Homosexuellen« 265

5.  »Hitler in Argentinien!«

verglichen.151 Alle Texte machten außerdem klar, dass die Nazis für ihre Ziele über Leichen gehen. Sie unterschieden sich jedoch insofern von den Geschichten des Triumphs, als in ihnen die Gegenspieler der Nazis unsympathische Figuren sind. Dieser Unterschied wurde erstmals in britischen Romanen erkennbar. Wie The Testament of Caspar Schultz am Ende enthüllt, ist der Oberschurke der Geschichte der britische Geheimdienstmitarbeiter Sir George Harvey, der dem verkappten Nazi Kurt Nagel bei der Vernichtung der Enthüllungsmemoiren hilft, um Harveys Beschwichtigungspolitik gegenüber Hitler und seine Rolle als designierter Marionettenpremier nach dem erwarteten Sieg der Nazis über Großbritannien zu vertuschen. Die britischen Geheimdienstagenten in The Werewolf Trace erscheinen gleich doppelt inkompetent: Sie erlauben nicht nur ehemaligen Nazis, sich nach 1945 der Justiz zu entziehen, sondern sie überkompensieren dieses Versagen, indem sie die Bedrohung durch den in England lebenden dänischen Emigranten (und mutmaßlichen Nazischläfer) Joseph Gotterson übertreiben. Die Briten geben ihm unterschwellig zu verstehen, dass sie ihn für Joseph Goebbels’ überlebenden Sohn Helmut halten, und treiben ihn damit in den Selbstmord. In The Goering Testament erscheinen britische Regierungsbeamte als »durchtriebene« Gestalten, die bereitwillig das Leben britischer Bürger opfern, um eine verschwörerische britische Neonazizelle aufzudecken.152 In der Nummer 22 des Captain-Britain-Comics erscheint England schließlich als heruntergekommenes Land, dessen Bevölkerung so demoralisiert ist, dass Red Skull mühelos »direkt hier in London« Nazikollaborateure anwerben kann.153 In amerikanischen Romanen gab es ähnliche Anschuldigungen. Der Hauptschurke in The Wind Chill Factor ist der amerikanische Anwalt und verkappte Naziagent Arthur Brenner (Codename »Barbarossa«), der dem Protagonisten John Cooper am Ende des Romans verrät, US-Regierungsvertreter arbeiteten seit Langem mit engagierten Nazis zusammen, um »einen eigenen« Mann im Weißen Haus zu platzieren und eine Welt zu schaffen, in der »Washington und die NS-Bewegung ein ... [und] dasselbe sind«.154 In The Croesus Conspiracy fädeln die Oberschurken, der amerikanische Außenminister Arthur Koster und der amerikanische Plutokrat und Nazisympathisant Elson Patterson, die Präsidentschaft einer willigen Marionette, des kalifornischen Senators Travis Bickel, ein und setzen einen 266

Geschichten der Selbstkritik

hinterhältigen nazistisch-amerikanischen Plan (»Operation Croesus«) zur Schaffung eines »Weltreichs« in die Tat um.155 In The Hour of the Assassins hilft die amerikanische CIA dem ODESSA-Führer von Schiffen beim Sturz der peruanischen Regierung und der Umsetzung eines Plans kontinentaler Hegemonie. Die CIA ist auch in Who Will Watch the Watchers? von Edwin Fadiman Jr. in finstere Machenschaften verstrickt, weil sie Hitlers Überleben vor den Amerikanern vertuscht und damit deren Vertrauen in die Regierung »tötet«.156 Im Holcroft-Vertrag ist die CIA ebenso unzuverlässig, da sie von Schläferzellen der nationalsozialistischen »Sonnenkinder« unterwandert wurde, die »Mord und Brand auf den Straßen« entfesseln wollen.157 Angesichts der verschwimmenden Grenzen zwischen Nazis und Nazigegnern deuteten diese Romane an, dass die vermeintlichen Helden – ob Briten oder Amerikaner – potenziell zu faschistischen Bösewichten werden können. Die Texte verallgemeinerten damit die Bedeutung des Nazismus. Im Gegensatz zu anderen Erzählungen der Zeit sahen die Autoren dieser Romane rechtsextremes Denken nicht auf die Deutschen beschränkt, sondern als inhärente Eigenschaft aller Menschen. Dies wird durch verschiedene überraschende Wendungen klar, die die wahre Identität der zentralen Figuren preisgeben. Einige Schlüsselpersonen meinen, ihre Familiengeschichte zu kennen, müssen jedoch erfahren, dass sie eine nationalsozialistische Vergangenheit haben: Noel Holcroft in Der Holcroft-Vertrag erfährt, dass er der Sohn des NS-Finanzexperten Heinrich Clausen ist, während John Cooper in The Wind Chill Factor erkennen muss, dass sein Vater Edward nicht im Kampf gegen die Nazis in der Royal Air Force ums Leben gekommen ist, sondern als NS-Geheimagent mit seinem nationalsozialistischen Großvater Austin zusammengearbeitet hat. In anderen Geschichten erweisen sich vermeintliche Juden als Nazis, die der Justiz unter Vorspiegelung einer falschen Identität als Holocaust-Opfer entkommen sind. In The Hour of the Assassins ist der in Los Angeles lebende jüdische Pornobaron und HolocaustÜberlebende Karl Wasserman in Wirklichkeit der Hauptschurke von Schiffen, während Außenminister Arthur Koster in The Croesus Conspiracy seine jüdische Herkunft zur Verschleierung seiner Naziidentität nutzt. Die Botschaft ist klar: Jeder kann ein Nazi sein, die Nazis können überall sein. Mit dieser pessimistischen Botschaft kritisierten die Autoren der Romane oft die aktuelle politische Situation. Britische Schriftsteller vermittel267

5.  »Hitler in Argentinien!«

ten in den 1960er- und 1970er-Jahren zum Beispiel ein Gefühl des postimperialen Niedergangs, indem sie den nationalen Mythos der finest hour infrage stellten. In The Testament of Caspar Schultz konterkariert Jack Higgins (* 1929) die krude Gegenüberstellung von britischen Helden und deutschen Schurken, indem er britische Regierungsvertreter – allen voran Sir George – zu NS-Kollaborateuren und einzelne Deutsche – vor allem den heldenhaften Detektiv von Kraul – zu sympathischen Helden macht.158 Higgins’ vermenschlichte Darstellung der Deutschen spiegelte seine positiven Erfahrungen als britischer Soldat im besetzten Deutschland wider, während seine Darstellung von Sir George – einem Kollaborateur der Nazis, der das britische Empire erhalten will – auf die postimperiale Skepsis des Autors hindeutet.159 Auch John Gardner verweigert in seinem Roman The Werewolf Trace die plakative Gegenüberstellung von Deutschen und Briten. Der Autor warf einen kritischen Blick auf die britischen Nachkriegsängste vor den Deutschen, die er als Nebenprodukt des Imperialismus deutete, und behauptete, das »sinnlose koloniale Rückzugsgefecht [der Briten] in Palästina« habe die britische Regierung daran gehindert, die Nazis Ende der 1940erJahre der ganzen Strenge der Justiz zu überstellen; zudem schüre es eine anhaltende Paranoia vor »Schläferagenten«. Eine ähnliche antiimperialistische Botschaft prägte die Darstellung der Briten in The Werewolf Trace; ihre Begeisterung für die Recht-und-Ordnung-Botschaft britischer Faschisten in den 1970er-Jahren führte der Autor auf die Krise des Vereinigten Königreichs in Nordirland (»unser kleines Vietnam«) zurück.160 Amerikanische Romane gaben mit ihrer Darstellung eines faschistischen Amerikas einen Kommentar zum Unbehagen des Landes in der Ära von Vietnam und Watergate ab. Mit seiner Schilderung eines von den Nazis regierten Landes bekräftigte Robert Ludlum (1927–2001) im Roman Der HolcroftVertrag seine liberale Überzeugung, faschistische Tendenzen existierten in allen modernen Institutionen, von internationalen Konzernen bis hin zu Geheimdiensten.161 Diese Skepsis teilte Edwin Fadiman Jr. (1925–1994), dessen Vorwürfe gegenüber der CIA aufgrund ihrer Vertuschung von Hitlers Überleben in Who Will Watch the Watchers? die wachsende Kritik der Zeit an dem Auslandsgeheimdienst widerspiegelte.162 Jüngere Autoren äußerten ein ähnliches Gefühl der Ernüchterung. Andrew Kaplans (* 1941) Kritik an der CIA in The Hour of the Assassins spiegelte seine persönlichen 268

Der Aufstieg und Fall des Vierten Reiches

Erfahrungen als Geheimdienstler und ehemaliger Frontkämpfer wider, die hier durch die Vietnam-Rückblenden seines Protagonisten John Caine und die Überzeugung, im Krieg verübten alle Seiten Gräuel, gefiltert werden.163 Ob Thomas Gifford (1937–2000) bei der Darstellung einer faschistischen Machtergreifung in den USA in The Wind Chill Factor eine bestimmte politische Aussage treffen wollte, ist unbekannt, doch seine Ernüchterung über das Geschehen in den USA kommt in einem Kommentar seines Protagonisten (und Alter Egos) Cooper zum Ausdruck: »Alles, woran ich glaube, hat sich als Lüge erwiesen.«164 Amerikanische Romane brachten nicht nur liberale, sondern auch konservative Sichtweisen auf das aktuelle Geschehen zum Ausdruck. Mit seiner vernichtenden Kritik am politischen Establishment der USA wollte Ben Stein in The Croesus Conspiracy die Regierung Nixon keineswegs anklagen, sondern vielmehr entlasten. Als ehemaliger Redenschreiber und Anhänger Nixons porträtiert Stein einen Präsidenten, der die Zusammenarbeit mit amerikanischen Naziagenten verweigert, während diese heimlich den Watergate-Skandal inszenieren, um ihn seines Amtes zu entheben; auch verblassen die Vergehen des ehemaligen Präsidenten in Bezug auf Watergate im Vergleich zu den weitaus gewalttätigeren Verbrechen, zu denen der von den Nazis ausgewählte Präsident (mit dem symbolischen Namen) Travis Bickel Beihilfe leistet.165 Auch Timothy B. Benfords Hitler’s Daughter vermittelte eine konservative Botschaft. Er schildert ein von äußeren Kräften gelenktes und von den Nazis besetztes Weißes Haus und spricht amerikanische Bürger so von der Schuld für das dystopische Ende des Romans frei, was der patriotischen Haltung des Autors entsprach.166

Der Aufstieg und Fall des Vierten Reiches: Die Rezeption bei Publikum und Kritik Geschichten über das Vierte Reich waren in den 1970er-Jahren überaus populär. Viele Romane wurden zu Bestsellern, einige wurden erfolgreich verfilmt. Die positive Resonanz des Publikums teilten professionelle Kritiker allerdings nicht. Während zahlreiche Erzählungen von der Kritik gelobt wurden, wurden weitaus mehr heftig attackiert. Das geteilte Echo spiegelte 269

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das Zusammenspiel komplexer wirtschaftlicher und kultureller Kräfte. Doch die Ursachen spielten eine weniger wichtige Rolle als das Ergebnis, denn die große Aufmerksamkeit, die das Vierte Reich in der Fiktion erfuhr, verankerte das Thema weiter im öffentlichen Bewusstsein.

Die Rezeption beim Publikum Ein Indiz für die Beliebtheit der Erzählungen der Zeit waren ihre Verkaufszahlen. Zu den meistverkauften Büchern gehörten Das Quiller-Memorandum, Die Akte Odessa, The Wind Chill Factor, The Boys from Brazil, The Valhalla Exchange und Der Holcroft-Vertrag.167 Dass fast alle von ihnen zu populären Filmen wurden, war ein weiteres Zeichen ihrer Lukrativität.168 Die Anzahl der Fernsehzuschauer lässt sich zwar nur schwer schätzen, doch unterstrich die Präsenz des Vierten Reiches in amerikanischen Fernsehserien wie The Man from U.N.C.L.E., Voyage to the Bottom of the Sea, Mission: Impossible, Mannix, The New Avengers, Wonder Woman und Greatest American Hero einmal mehr seine Beliebtheit. Gleiches galt für das wiederholte Auftreten des Vierten Reiches in amerikanischen Comics. Die Popularität des Themas hatte auch wirtschaftliche Gründe. Die Produktion fiktionaler Erzählungen über das Vierte Reich folgte dem Gesetz von Angebot und Nachfrage. Einerseits veranschaulichten die Autoren und Verleger insofern den Einfluss der keynesianischen, »nachfrageseitigen« Kräfte, als sie mit ihren Erzählungen auf die Bedürfnisse ihres Publikums reagierten; andererseits illustrierten die gleichen Produzenten die »angebotsseitigen« Kräfte des sayschen Theorems, da sie die private Nachfrage ankurbelten und den Markt mit den Produkten überschwemmten, auf deren Konsum sie hofften. Als Autoren, Verlage, Filmstudios, Fernsehgesellschaften und Comicverlage erst einmal das Gewinnpotenzial des Vierten Reiches erkannt hatten, bemühten sie sich nach Kräften, dieses aufrechtzuerhalten. Erstens sahen die Autoren selbst das Thema des Vierten Reiches als einträgliches Betätigungsfeld. Die größten Namen in der Unterhaltungsliteratur der Zeit griffen das Thema auf: Jack Higgins, Ira Levin, Frederick Forsyth, Robert Ludlum, John Gardner und James Patterson. Zusammen hatten sie mehrere Dutzend Millionen Bücher über andere Themen verkauft, darunter 270

Die Rezeption beim Publikum

über den Krieg (Jack Higgins’ Der Adler ist gelandet), Spionage (Frederick Forsyths Der Schakal) und Horror (Levins Rosemaries Baby). Vor dem Schreiben wusste keiner der Autoren viel über den Nationalsozialismus, doch die Tatsache, dass sie sich mit dem Thema beschäftigten, verschaffte ihren Büchern Beachtung und erhöhte ihre Erfolgschancen. Auch die Verlage erkannten, dass mit dem Thema des Vierten Reiches Geld zu machen war. 1972 erhielt Forsyth von seinem britischen Verlag einen Rekordvorschuss von 250.000 Pfund für Die Akte Odessa; im selben Jahr kassierte Ladislas Farago von Simon & Schuster einen sechsstelligen Vorschuss, um seine im Daily Express erschienene Artikelserie über Martin Bormann in ein Buch zu verwandeln.169 Unterdessen beeilten sich die Hollywood-Studios, sich die Filmrechte an den Romanen und sogar Sachbüchern der Zeit zu sichern.170 Verlage und Filmstudios unterstützten die Welle mit aufwendigen Marketingkampagnen. Sie schalteten großformatige Anzeigen in den großen Tageszeitungen und verwendeten häufig den Ausdruck »Das vierte Reich«, um eine Aura des Sensationellen zu erzeugen. So waren Anzeigen für die Verfilmung von The Boys from Brazil überschrieben mit: »[Sie] sind der Beginn des Vierten Reiches. Werden auch wir überleben, wenn diese Kinder überleben?«171 Ähnliche Anzeigen erschienen für weniger prominente Werke wie Harris Greenes Canceled Accounts, das mit dem Slogan vermarktet wurde: »Die letzten Überlebenden des Dritten Reiches haben das Vierte schon ins Leben gerufen.«172 Nach dem Erfolg von der Akte Odessa und The Boys from Brazil wurden andere Werke mit direkter Bezugnahme auf diese beiden Erfolgsromane vermarktet. Mike Pettits The Axmann Agenda zum Beispiel wurde von seinem Verlag als Buch angekündigt, das »den schockierenden Schrecken der Boys from Brazil« übersteige, während Erich Erdsteins Inside the Fourth Reich mit dem Slogan »Die wahre Geschichte der Boys from Brazil« beworben wurde. Die Beachtung, die die Werke in der Werbung fanden, schwappte auch auf Funk und Fernsehen über. Um für ihre Bücher zu werben, traten Wiesenthal, Forsyth und Ludlum in der Today Show auf, während Erdstein in der Dick Cavett Show erschien.173 Die Welle von Büchern über das Vierte Reich wurde zudem von tiefer liegenden kulturellen und psychologischen Faktoren befeuert. In den 1960er- und 1970er-Jahren war die amerikanische Populärkultur vom Bösen fasziniert. Besonders beliebt waren Horrorgeschichten, sei es über Teu271

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felsbesessenheit (Der Exorzist), Serienmörder (The Texas Chainsaw Massacre), Paranormales (Carrie), Zombies (Die Nacht der lebenden Toten) oder Psychopathen (Taxi Driver). Geschichten über das Vierte Reich bedienten dieses Interesse am Bösen, da in ihnen NS-Verbrecher Mord, Diebstahl, Militärschläge und Völkermord verübten. Diese Geschichten gewannen insofern noch an Popularität, als die fiktionalen Nazis für ihre Verbrechen mit dem Leben bezahlten. Da Nationalsozialisten in ihnen regelmäßig einen gewaltsamen Tod fanden, erfüllten die Romane eine wichtige psychologische Funktion, denn sie ermöglichten es den Lesern, eine indirekte, fiktionale Form der Rache an den Schurken zu genießen, die sich in der Realität der gerichtlichen Verfolgung entzogen. Die Erzählungen bedienten außerdem die erotischen Fantasien ihrer Leser. In The Hour of the Assassins wird Mengeles Tochter Inger als Frau mit »kleinen spitzen Brüsten«, deren »Brustwarzen wie kleine Dolche erigiert« waren, beschrieben.174 Die Femme fatale aus Der Holcroft-Vertrag, Gretchen Beaumont, hatte »ein[en] außergewöhnliche[n] Körper, der danach schrie, dass … man in ihn eindrang und ihn befriedigte«.175 Wie diese Beispiele zeigen, wurden die Romane vor allem von männlichen Autoren für ein männliches Publikum verfasst. Das Vierte Reich war zu dieser Zeit auch in Männermagazinen ein wiederkehrendes Thema. Die Titelgeschichte der Ausgabe von Escape to Adventure von März 1962 war zum Beispiel mit »Flucht aus dem Folterkeller des Vierten Reiches« überschrieben, teilte sich jedoch das Cover mit einem Artikel, dessen Überschrift »Die sexuelle Seite der Brandstiftung« lautete.176 Erich Erdsteins Geschichte über seinen vermeintlichen Mord an Mengele erschien am 5. Januar 1969 im deutschen Männermagazin Neue Revue neben einer äußerst spärlich bekleideten Frau.177 Die Schlagzeile auf dem Cover des Magazins Gallery vom September 1984 lautete: »Das vierte Reich lebt« und verwies auf ein Interview mit Simon Wiesenthal in dem Heft, bebildert war der Titel jedoch mit dem Foto eines Dessousmodells.178 Die Popularität der Romane zeugte auch von einer Faszination für das Mysteriöse. Der Zusammenbruch des Dritten Reiches 1945 ließ viele Fragen offen: Waren Hitler und seine führenden Gefolgsleute wirklich gestorben oder nach Übersee geflohen? War das Dritte Reich endgültig besiegt oder strebten die Deutschen noch immer nach der Weltherrschaft? In Ermangelung klarer Antworten blieb das Thema Nationalsozialismus von Gerüchten 272

Die Rezeption beim Publikum

und Anschuldigungen umrankt. Berichte über NS-Kriegsverbrecher, die in Lateinamerika gesehen worden waren, über Raketenwissenschaftler, die im Nahen Osten beschäftigt waren, und über Nazischätze, die in ganz Europa versteckt waren, waren in den westlichen Nachrichten ständig präsent. Fiktionale Erzählungen über das Vierte Reich bedienten diese Faszination und versprachen, die Informationslücke mit dramatischen Antworten zu schließen. Die Beliebtheit der Romane war nicht zuletzt ein Spiegel der politischen Stimmung der Zeit. In den USA zwangen zunehmende Rassenspannungen, der fortdauernde Krieg in Vietnam, der Ausbruch des Watergate-Skandals und die Anhörungen über verdeckte CIA- und FBI-Missionen im Kongress die Amerikaner, sich mit grundlegenden moralischen Fragen auseinanderzusetzen. In Großbritannien verstärkten der Ausbruch von Rassenunruhen, die zunehmende terroristische Gewalt in Nordirland, eine einsetzende Rezession und der Ausbruch von Arbeitskämpfen das Gefühl eines postimperialen Niedergangs des Landes. In beiden Ländern steigerte die pessimistische Stimmung die Beliebtheit von Erzählungen über das Vierte Reich. Dies geschah jedoch auf unterschiedliche Weise: Manche Romane leisteten einem Eskapismus Vorschub, während andere zur Selbstkritik aufforderten. Der erste Ansatz war vor allem unter älteren Schriftstellern verbreitet und stieß wahrscheinlich bei älteren Lesern auf große Resonanz; beide Gruppen hatten im Zweiten Weltkrieg gegen die Nazis gekämpft und bewältigten die Krisen der Zeit häufig durch den nostalgischen Rückblick auf die Kriegsjahre, in denen ihre Länder mit dem »guten Krieg« gegen die deutschen Aggressoren ihre finest hour erlebt hatten. Geschichten über ein Viertes Reich erlaubten diesen Lesern, sich in fiktionale Welten zu flüchten, in denen die Wahrheit schwarz-weiß und nicht grau, in denen die Trennlinie zwischen Schurken und Helden scharf und nicht verschwommen und in denen das Böse im Ausland und nicht im Inland angesiedelt war.179 Den zweiten Ansatz verfolgten insbesondere jüngere Autoren und er kam wahrscheinlich vor allem bei einem jüngeren Publikum gut an. Diese Gruppe, die in einer Zeit zunehmender Instabilität aufgewachsen war, versuchte, die gegenwärtigen Probleme offensiv anzugehen, anstatt sie zu umgehen. Ihren Erfahrungen nach war es durchaus möglich, dass die Nazis eine innere und keine äußere Bedrohung darstellten und das demokratische System von innen 273

5.  »Hitler in Argentinien!«

aushöhlen wollten. Mit dieser selbstkritischen Haltung gab diese Gruppe zu verstehen, dass sich der Nationalsozialismus nicht auf Deutschland beschränkte, sondern eine allgemeine Gefahr blieb.

Die Rezeption der Kritik Die kritische Reaktion auf die Erzählungen der Zeit fiel gemischt aus. Bestimmte Werke wurden gelobt, während andere ignoriert wurden. Insgesamt reagierten die Kritiker positiver auf Werke, die in der ersten Hälfte der Welle (von Mitte der 1960er- bis Mitte der 1970er-Jahre) erschienen, als auf diejenigen, die an ihrem Ende (von Mitte der 1970er- bis Mitte der 1980erJahre) auf den Markt kamen. Rezensenten hatten zudem eher Grund, die Romane zu kritisieren, als sie zu loben. Schließlich analysierten Kritiker nicht nur einzelne Werke, sondern erklärten sie zum Bestandteil eines größeren kulturellen Phänomens und schufen so die Voraussetzungen für seinen Untergang. Viele der Romane der Zeit wurden von britischen und amerikanischen Kritikern positiv besprochen. Einige gewannen Preise, allen voran Das Quiller-Memorandum, das in den USA zum besten Kriminalroman des Jahres 1965 gekürt wurde.180 Der Roman erhielt auch einige der enthusiastischsten Rezensionen, wobei ein Kritiker ihn als »packend« und ein anderer ihn als »einen der besten Spionageromane, die ich je gelesen habe«, bezeichnete.181 Andere Werke erhielten ebenso überschwängliche Kritiken. Forsyths Roman Die Akte Odessa wurde als »Cliffhanger« gefeiert, »brillant konzipiert und meisterhaft geschrieben«.182 Levins The Boys from Brazil wurde als »fesselnd« und »perfekt angelegt« bejubelt.183 John Gardners The Werewolf Trace galt als Roman »in der besten Tradition britischer Spionagethriller«.184 Adam Halls The Fourth Reich wurde als »intelligent und unterhaltsam« gelobt (und von Kingsley Amis als »etwas spleenig« bezeichnet).185 Andere Erzählungen erhielten eher allgemeines Lob, darunter Der Holcroft-Vertrag (»voller Action«), The Strasbourg Legacy (»pfiffige Idee«) und The Watchdogs of Abaddon (»großes Vergnügen«).186 Viele Rezensenten würdigten die Romane für ihre Aktualität und Plausibilität. Die Verfilmung des Quiller-Memorandums wurde angesichts des Er274

Die Rezeption der Kritik

folgs der NPD in Westdeutschland von verschiedenen Kritikern als »ominös« und »zeitgemäß« bezeichnet.187 The Watchdogs of Abaddon galt aufgrund der eingestreuten Nachrichten über aktuelle neonazistische Aktivitäten als besonders »glaubwürdig«.188 Andere Werke wurden aufgrund ihrer Relevanz für das aktuelle politische Leben in den USA gelobt. Who Will Watch the Watchers? wurde es hoch angerechnet, zu hinterfragen, ob »diejenigen, die wir in ein hohes Amt wählen«, tatsächlich »in unserem besten Interesse handeln«.189 The Croesus Conspiracy wurde für seine Botschaft gewürdigt, die »sich an die Spitze unserer Institutionen richtet«.190 Andere Romane wurden aufgrund ihrer allgemeinen Plausibilität zur Lektüre empfohlen: Kritiker lobten Die Akte Odessa als »absolut überzeugend«, bezeichneten The Boys from Brazil als »irrsinnig glaubwürdig« und beschrieben den Holcroft-Vertrag als »plausible« Geschichte mit »einem enervierenden ... Ergebnis«.191 Ein Rezensent von The Boys from Brazil hoffte, Bibliotheken und Buchhandlungen würden den Band »in der Belletristikabteilung« platzieren.192 Andere Kritiker lobten die aufgeworfenen aktuellen moralischen Fragen. Die Akte Odessa wurde als wirksame »Studie über Schuld ... und den ... Wert der Vergeltung« gewürdigt.193 The Trial of Adolf Hitler galt als »Denkanstoß«, da der Roman die Frage aufwerfe, ob eine Regierung »ohne Schuld regieren kann«.194 In einer der umfassendsten Reflexionen über die Welle lobte Greil Marcus im Rolling Stone die »Nazijägerthriller«, weil sie sich mit »einer irreduziblen Realität« über den Nationalsozialismus auseinandersetzten, »mit der sich niemand sonst auseinandersetzt«. »Historiker und Politologen« hätten die drastische Sprache aufgegeben, die zur Beschreibung der »unerklärlichen« Momente des Nationalsozialismus notwendig sei. Daher müssten die Autoren von Thrillern diese Sprache für sich reklamieren. Ihre Werke artikulierten die »wahren Ängste, ... die heute nirgendwo sonst eine Stimme finden können«. Romane wie The Wind Chill Factor schilderten Marcus zufolge auf effektive Weise, »wie leicht die von den Nazis geschaffene Welt in unsere eigene passen könnte«; sie zeigten, dass die »Zerstörung aller Grenzen des menschlichen Handelns« durch das Dritte Reich bis in die Nachkriegszeit fortgedauert habe.195 Allerdings überwogen die negativen Kommentare. Zwei Werke gerieten zu Beginn der 1960er-Jahre besonders unter Beschuss: Robert Mullers Fern275

5.  »Hitler in Argentinien!«

sehdrama The Night Conspirators und die Verfilmung von Adam Halls Roman Das Quiller-Memorandum. Beide lösten eine politische Kontroverse aus. Als The Night Conspirators im Mai 1962 erstmals im britischen Fernsehen ausgestrahlt wurde, kam es zu einer Welle wütender Kommentare. Zahlreiche britische Beobachter weigerten sich, die zentrale Botschaft des Stücks zu akzeptieren, dass – wie ein Kommentator es ausdrückte – »das deutsche Volk heute ... erneut Hitler bereitwillig akzeptieren würde, wenn er noch am Leben wäre«.196 Mullers »hysterischer« Ausdruck von »Hass« untergrabe die Glaubwürdigkeit seines Dramas so sehr, dass es wohl nur von »Antifaschisten [und] Hunnophobikern« akzeptiert würde.197 Kein Geringerer als der ehemalige britische Hochkommissar für Deutschland, Sir Ivone Kirkpatrick, kritisierte die »irreführende Darstellung der aktuellen Situation in Deutschland«.198 Auch westdeutsche Medien lehnten das Drama ab und bezeichneten es als »klischeebeladen.199 Die bemerkenswerteste Kritik kam jedoch von der Deutschen Botschaft in London: Die dort ansässigen Diplomaten hatten Beschwerden von Zuschauern abgewiesen, die »der Film empört hatte«, und daraufhin das Drehbuch eingefordert.200 »[W]ir wissen, dass einige Dinge nicht vergessen werden können«, so die Botschaftsmitarbeiter, doch »warum [sollte man] erneut schlechte Erinnerungen wecken?«201 Der Grund für ihre Besorgnis lag auf der Hand: Im Frühjahr 1962 reagierte die westdeutsche Regierung besonders empfindlich auf ausländische Darstellungen der NS-Zeit, die durch die Schmierwelle, die BerlinKrise und den Eichmann-Prozess wieder aufgelebt waren.202 Gleichzeitig nutzte das ostdeutsche Regime die NS-Zeit aktiv zur Diskreditierung der Bonner Republik. Tatsächlich wurde The Night Conspirators [unter dem Titel Comeback bei Nacht] im Herbst 1962 im DDR-Fernsehen ausgestrahlt; die staatlichen Medien lobten Mullers Drama dafür, die Bereitschaft der Bundesrepublik demaskiert zu haben, »einen wiederkehrenden Hitler als den geeignetsten Garanten der alten monopolistischen, klerikalen, militaristischen und revanchistischen Wunschträume sofort wieder auf den Schild zu heben«.203 Ähnliche politische Anliegen wurden bei der Verfilmung des QuillerMemorandums deutlich. Als der Film 1966 erstmals in englischen Kinos lief, war das Thema Neonazismus aufgrund des Aufstiegs der NPD hochaktuell. Aus Angst vor negativen politischen Folgen verlangte die Freiwil276

Die Rezeption der Kritik

In der Verfilmung von Adam Halls Roman Das Quiller-Memorandum (1965) wird der britische Spezialagent Quiller (George Segal, rechts) von einer Gruppe ehemaliger Nazis unter Führung von »Oktober« (Max von Sydow, links) gefangen genommen; die Zelle hat die westdeutsche Regierung bereits unterwandert.

lige Selbstkontrolle der westdeutschen Filmwirtschaft vom amerikanischen Verleih, alle Hinweise auf Neonazis zu streichen, bevor der Film für ein westdeutsches Publikum freigegeben werden könne. Die Dialoge wurden daraufhin so geändert, dass die Zuschauer nur noch allgemeine Verweise auf »Verschwörer« zu hören bekamen und daraus schließen mussten, bei den Schurken handele es sich um Kommunisten.204 Die verordneten Änderungen wurden weithin verspottet. Die Londoner Times bezeichnete sie als ein weiteres Beispiel dafür, dass die Deutschen »Echos der Vergangenheit« vermieden; die ostdeutsche Presse verurteilte sie als Beweis für »Anti277

5.  »Hitler in Argentinien!«

kommunismus und militaristische Aggressivität« der Bonner Republik; und selbst die westdeutsche Wochenzeitung Die Zeit kritisierte die Eingriffe und bemerkte, der deutsche Titel des Films, Gefahr aus dem Dunkel, beschreibe ungewollt, aber treffend den inneren Trend zur »freiwilligen« Selbstkontrolle.205 Nach diesen zwei politischen Kontroversen wurden spätere Romane aufgrund unterschiedlicher literarischer Mängel attackiert. Kritiker bemängelten häufig Sprache, Stil und die Entwicklung des Figurenpersonals. The Boys from Brazil wurde als »Superjunk« und »ohne Anmut oder Witz« beschrieben.206 Die Akte Odessa enthalte »Figuren so steif wie Pappe«.207 The Bormann Receipt sei »wirr und stümperhaft«.208 Die Figuren in The Watchdogs of Abaddon seien »nicht mehr als Roboter«.209 Das am häufigsten kritisierte Werk war Robert Ludlums Holcroft-Vertrag. Ein Kritiker beschrieb den Roman als »absolut schauderhaft in seiner ... stereotypen Figurenzeichnung«; für einen anderen stammte das Figurenpersonal von »der Rückseite von Cornflakes-Packungen«. Ein Kritiker bemängelte die »lachhaften Dialoge«, während andere sich über die »Kursivsetzungen und Ellipsen« beschwerten und »sorgfältig konstruierte Sätze« vermissten.210 Wurde Ludlum für seine stilistischen Schwächen kritisiert, so wurden andere Autoren für das Überfrachten ihrer Romane mit historischem Material gerügt. Forsyths Roman enthalte so viele »ermüdende Details«, dass er sich wie »eine Enzyklopädie« lese.211 An Jack Hunters Roman wurden die in die Handlung eingeflossenen obskuren »deutschen Verweise« sowie das prätentiöse »Glossar« beanstandet.212 Kritiker monierten außerdem die mangelnde Originalität der Plots. Bereits 1964 kritisierte ein Kommentator, die Folge »The Deadly Games Affair« von The Man from U.N.C.L.E. verwende »jedes nur erdenkliche Klischee«.213 Nur ein Jahr später kritisierte ein anderer Beobachter bezeichnenderweise die Folge »The Last Battle« von Voyage to the Bottom of the Sea dafür, dass ihr Thema »bereits bei ›The Man from U.N.C.L.E.‹ verwendet worden sei«.214 Die Handlung der Akte Odessa sei nur ein »Echo aller B-Filme über die Nazis«.215 Die Verfilmung des Quiller-Memorandums galt als klischeebeladen.216 Das am häufigsten kritisierte Werk war erneut Der Holcroft-Vertrag. Ein Kritiker mokierte sich über Ludlums floskelhafte Sprache und behauptete, der Autor habe seine Erzählungen durch das willkürliche Auswählen und 278

Die Rezeption der Kritik

Verschieben einiger »Scrabble-Steinchen« mit Schlüsselwörtern wie »Nazischatz«, »CIA«, »Buenos Aires« usw. auf einem Spielbrett komponiert, »dessen rote und blaue Felder mit Gewalt ... Sex ... doppeltes Spiel ... und so weiter markiert sind«. »Ergänzen Sie die fehlenden Informationen«, so der Rezensent, »und Sie haben einen Ludlum-Thriller.«217 Beanstandet wurde darüber hinaus die mangelnde Plausibilität der Romane. Die übermäßige Anzahl von Figuren und Nebenhandlungen in Court of Honor verhinderte nach Ansicht eines Beobachters, dass sich die Elemente »zu einem tatsächlichen Roman fügen«.218 Die »verschwommene Handlung von The Valhalla Exchange macht nicht viel Sinn«, beschwerte sich ein anderer.219 Der Plot der Akte Odessa sei »ungelenk ... durch eine Reihe unglaubwürdiger Zufälle aneinandergereiht«.220 Der Autor des Holcroft-Vertrags neige zu »unnötiger Verwirrung«, was den Roman derart »unwahrscheinlich« mache, dass ein Kritiker sich beklagte: »Ich habe ihn weder geglaubt, noch hat er mich interessiert«.221 Ähnliche Vorwürfe wurden mit Blick auf The Fourth Reich, The Werewolf Trace, The Strasbourg Legacy, The Croesus Conspiracy und die Verfilmung des Quiller-Memorandums laut.222 Andere Kritiker hielten es grundsätzlich für wenig überzeugend, dass die Nazis eine Rückkehr an die Macht planten. Ein skeptischer Kommentator des Quiller-Memorandums schrieb: »[D]ie moderne NS-Organisation« scheine in der westdeutschen Regierung »so fest etabliert«, dass »schwer vorstellbar sei, wie dieselben Menschen den Zweiten Weltkrieg verloren«.223 Ein Rezensent von The Wind Chill Factor wollte wissen, wie die Nazis die letzten »30 Jahre« über robust genug geblieben waren, »um eine starke Bedrohung für die vier Freiheiten, Mutterschaft und Apfelkuchen darzustellen«.224 Westdeutsche Kritiker bezeichneten die in der Akte Odessa geschilderte SS-Verschwörung in der Bundesrepublik als »lächerlich«.225 Andere Kritiker beschwerten sich über die Ungereimtheiten gewisser Erzählungen. Der Film Search for the Evil One wurde wegen seiner »hanebüchenen Absurditäten« in der Luft zerrissen.226 Die Folge »The Deadly Games Affair« von The Man from U.N.C.L.E. zeige »den bizarrsten ... Handlungsstrang seit Langem.«227 Die vielleicht aufschlussreichste Kritik richtete sich an die Folge »Das Erbe der Väter« der Serie Kobra, übernehmen Sie!, deren Handlung ein Rezensent höhnisch zusammenfasste als »Wiederherstellung von Hitlers ... Vermögen und oh mein Gott! Dem Beginn eines weiteren Reiches«.228 Wie 279

5.  »Hitler in Argentinien!«

dieser sarkastische Kommentar andeutet, machte die schludrige Qualität bestimmter Erzählungen die vermeintlich beängstigende Prämisse eines nationalsozialistischen Vierten Reiches zu bloßem Camp. Zehn Jahre später wurde diese korrosive Entwicklung immer deutlicher. Ende der 1970er-Jahre räumten Kritiker ein, dass das Vierte Reich Teil eines größeren literarischen Phänomens geworden sei, das allerdings seinen Zenit überschritten habe. Wie ein Beobachter 1978 bemerkte, »reitet jeden Monat ... ein anderer literarischer Caballero auf dem Hakenkreuz an die Spitze der nationalen Bestsellerlisten«.229 Die Naziromane seien zu einem »Perpetuum mobile« geworden, genau wie der Wilde Westen, schrieb ein anderer.230 Ein weiterer Kommentator bemerkte treffend, dass »die Beschäftigung von Büchern und Filmen mit Nazideutschland praktisch ein postumes Viertes Reich darstellt«.231 Anfang der 1980er-Jahre fanden Kritiker Geschichten über Nazis, die »Pläne für das Vierte Reich schmiedeten«, jedoch zu »abgedroschen«, »ermüdend« und »zu Tode geritten«.232 Diese Kritik war zum Teil eine Reaktion auf das sinkende Niveau der Romane. Zu Beginn der 1980er-Jahre hatte sich die Möglichkeit eines neonazistischen Vierten Reiches auf ein austauschbares Szenario reduziert. Ein deutliches Zeichen dafür war die formelhafte Nutzung des Vierten Reiches in verschiedenen Abenteuerbuchreihen, darunter Nick Carter-Killmaster, Death Merchant, Secret Mission und James Bond.233 In all diesen Ablegern dienten Neonazis als der bequeme Bösewicht des Monats – so austauschbar wie sowjetische KGBAgenten und arabische Terroristen. Zu diesem Zeitpunkt war das Vierte Reich den gleichen wirtschaftlichen Kräften zum Opfer gefallen, die ihm ursprünglich zur Berühmtheit verholfen hatten. Da die Verlage den Markt mit immer mehr Titeln sättigten, legten sie weniger Wert auf Qualität und sorgten so letztlich für eine sinkende Nachfrage und ein Platzen der Blase, die sie ursprünglich geschaffen hatten. Diese Dynamik erhärtete das vernichtende Urteil der Kritiker, wonach die Autoren der Romane das nationalsozialistische Erbe zu Unterhaltungsund Profitzwecken instrumentalisierten. 1972 warf ein Beobachter Forsyth vor, in der Akte Odessa eine »schmerzhafte, lebendige Geschichte« zu verwenden, »um ein paar schnelle Nervenkitzel zu erzeugen«.234 Ein anderer empfand es als »Sakrileg, die ... Brutalitäten eines Konzentrationslagers zu nutzen, um einer Spionagegeschichte einen pseudoernsten Touch zu verlei280

Die Rezeption der Kritik

hen«.235 Ein Kommentator von Ira Levins The Boys from Brazil kritisierte, der Roman bediene sich »bestimmter ernster Themen« wie »pathologischem Antisemitismus« und »manipuliert sie allein zu ... Unterhaltungszwecken«; deshalb zeigte der Roman »mangelnden Respekt vor dem Bösen«.236 Vielen Autoren wurde vorgeworfen, den Profit vor alles andere zu setzen. Ein Beobachter missbilligte, The Boys from Brazil nutze »schamlos unsere kollektive Empörung über die Schrecken der Nazis aus« und ziele einzig darauf, dass »viele Menschen viel Geld verdienen«.237 Als Grund für die schlechte literarische Qualität der Romane vermuteten viele Kritiker, die Autoren spekulierten auf eine Hollywood-Verfilmung. Court of Honor wurde vorgeworfen, an »Filmscouts« gerichtet zu sein.238 The Werewolf Trace galt im Wesentlichen als »Leinwand-Treatment«.239 Die Aussicht auf Profit erklärte auch den schablonenhaften Charakter der Romane. Ein Rezensent bemerkte, dass jeder ambitionierte Schriftsteller seinem Krimi lediglich einen Titel wie »Die ellenlange Von-Richthofen-Liste« geben müsse und »schon wird einem ein Vertrag angeboten«.240 Kein Wunder also, dass Robert Ludlum noch einmal ausdrücklich vorgeworfen wurde, er habe »mehr Geld mit Adolf Hitler verdient … als irgendjemand sonst seit Krupp«.241 Mit diesen Beobachtungen wollten Kritiker darauf hinweisen, dass ein solcher Opportunismus des Autors fehlende moralische Verantwortung gegenüber dem Thema der NS-Zeit darstellte. In ihrer Zusammenfassung der Welle stellte eine Kritikerin die rhetorische Frage: »Brauchen wir einen weiteren Naziroman?«, und beantwortete sie sogleich mit der Bemerkung, die Popularität des Genres spiegele ein »Bedürfnis des Marktes, nicht der Seele« wider.242 Im Licht solcher Kommentare verebbte die Welle der Erzählungen des Vierten Reiches erwartungsgemäß gegen Ende des Jahrzehnts. Symptomatisch hierfür war der kommerzielle Misserfolg der Verfilmung des HolcroftVertrags 1985. Trotz eines angesehenen Regisseurs (John Frankenheimer) und einer hochkarätigen Besetzung (unter anderen Michael Caine) waren die Kritiken des Films vernichtend. Ein Rezensent bezeichnete ihn als »erbärmlichen« Film mit »kläglichem« Drehbuch; ein anderer befand, das »Drehbuch hätte einen B-Movie aus den vierziger Jahren beschämt«.243 In dem vielleicht aufschlussreichsten Kommentar wurde die fehlende »Aktualität« des Films bemängelt.244 Der Misserfolg war auch auf schlechtes Timing 281

5.  »Hitler in Argentinien!«

zurückzuführen. Als Ludlums Roman 1978 erschien, befand sich das Vierte Reich auf dem Höhepunkt seiner Popularität, sieben Jahre später hatte das Thema jedoch an Brisanz verloren. Kein Wunder also, dass ein Kritiker bemerkte, »die Aussicht auf ein neues NS-Regime gibt dem heutigen Publikum wenig Anlass zur Sorge«.245 Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die internationale politische Situation erheblich verändert. Während die Entspannungspolitik zwischen Ost und West in den frühen 1970er-Jahren zu einer Welle fiktionaler Nazis in der westlichen Kultur geführt hatte, machte die Rückkehr der Kalten-Kriegs-Spannungen weniger als ein Jahrzehnt später sie irrelevant. Angesichts des Einmarsches der Sowjets in Afghanistan 1979, des US-Boykotts der Olympischen Spiele 1980 in Moskau und des nuklearen Säbelrasselns von Präsident Ronald Reagan spielten die Russen in der kulturellen Imagination Amerikas wieder einmal die Hauptrolle als Bösewicht. Zu einer Zeit, als die Amerikaner Filme wie The Day After (1982), Red Dawn (1984) und Invasion: USA (1985) sahen, hatte die Aussicht auf ein Viertes Reich wenig Chancen, mitzuhalten.

Fazit Die fiktionalen Darstellungen des Vierten Reiches, die in den langen 1970er-Jahren erschienen, markierten eine zunehmende Spaltung, was die Erinnerung an die NS-Zeit anging. Einerseits signalisierten sie die grundsätzliche Bereitschaft der Bevölkerung zur Erinnerung. Als Anfang der 1960er-Jahre die ersten Romane, Filme und Fernsehserien über das Vierte Reich erschienen, waren sie Ausdruck anhaltender westlicher Bedenken über das Verhältnis der Bundesrepublik zu ihrem nationalsozialistischen Erbe. Unter dem Eindruck der Schmierwelle, des Eichmann-Prozesses und des Aufstiegs der NPD gemahnten die Erzählungen die Welt, die NS-Verbrechen nicht zu vergessen. Die Nazis seien nicht nur die besiegten Bösewichte einer vergangenen Ära, sondern eine dauerhafte Bedrohung. Mit zunehmender Verbreitung spiegelten die Erzählungen jedoch eine immer stärkere Normalisierung der Erinnerung wider. Viele Werke ästhetisierten die NS-Zeit. Unter Rückgriff auf die bewährten Erzählstrategien aus verschiedenen literarischen Genres – darunter Kriegs-, Spionage- und 282

Fazit

Horrorgeschichten sowie Krimis – machten sie reichlich Gebrauch von Gewalt, Sex, Täuschung, Verrat, Intrigen und Verschwörungen. In vielen frühen Romanen und Filmen waren diese Elemente ein integrales Handlungsmoment, während sie in späteren Werken eher reflexartig angewendet wurden. Sie nutzten die Nazis zunehmend als bequeme, ja angesagte Schurken in ansonsten konventionellen Abenteuergeschichten. Im Lauf dieser Entwicklung lösten sie die Nationalsozialisten aus ihrem tieferen historischen Zusammenhang heraus und verwandelten sie in generische Chiffren der Niedertracht. Ihre Aufgabe war nun nicht mehr, zu unterrichten, sondern zu unterhalten – eine Entwicklung, die schließlich zum Untergang des fiktionalen Vierten Reiches führte. Je mehr Nazis in den Erzählungen der Zeit auftauchten, desto monotoner, fantasieloser und formelhafter wurden sie. In kurzer Zeit waren sie abgedroschen und wurden schließlich ganz fallen gelassen. Die Erzählungen der Zeit ästhetisierten das nationalsozialistische Erbe nicht nur, sondern verallgemeinerten es auch. Während die frühen Darstellungen der 1960er-Jahre das Vierte Reich als eine von Deutschland ausgehende Gefahr schilderten, hoben spätere Werke auf das globale Ausmaß der nationalsozialistischen Bedrohung ab. Viele konzentrierten sich auf eine nazistische Gefahr, die von den Vereinigten Staaten ausging. Geschichten von Nazis, die die amerikanische Regierung unterwanderten, dienten insofern als Selbstkritik, als sie den Unmut der Zeit – sei es mit Watergate oder Vietnam – zum Ausdruck brachten. Sie waren das kulturelle Gegenstück zu den deutlich politischeren Behauptungen linker Aktivisten, wonach die Vereinigten Staaten unter Johnson und Nixon faschistische Züge angenommen hätten. Wie diese politischen Behauptungen blähte die Generalisierung des Vierten Reiches den Begriff jedoch rhetorisch auf, löste ihn aus seinem historischen Kontext heraus und verwandelte ihn in eine universelle, aber zunehmend inhaltsleere Floskel. Diese Entwicklung setzte sich auch in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre fort. Doch vor dem Ende des Jahrzehnts wurde sie durch unerwartete Ereignisse unterbrochen, die schließlich zu einer Trendwende führten.

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6.  Das Vierte Reich in der jüngeren deutschen Vergangenheit: Von der Wiedervereinigung bis zur Reichsbürgerbewegung Präsident Bush hat letzte Woche die Unterstützung der USA zur deutschen Wiedervereinigung »bekräftigt« ... [Seine] Äußerung … sollte nicht unterschätzt werden. Denn sie markiert eine neue Etappe, was die beiden großen ineinandergreifenden weltgeschichtlichen Prozesse angeht, die die letzten Jahrzehnte unseres Jahrhunderts … beherrschen werden: die Auflösung des Sowjetreiches und die deutsche Wiedervereinigung … Wenn diese Sicht … zutrifft, dann ist die deutsche Wiedervereinigung heute unvermeidlich. Wir sind auf dem Weg zum Vierten Reich: einer pandeutschen Einheit, die die volle Loyalität deutscher Nationalisten fordert.1 Conor Cruise O’Brien, The Times (31. Oktober 1989)

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ach seiner Generalisierung in den 1970er-Jahren wurde der Begriff des Vierten Reiches in den 1980er-Jahren erneut mit Deutschland assoziiert. Diese Wende kam ebenso plötzlich wie unerwartet. Zu Beginn des neuen Jahrzehnts machten sich nur wenige Beobachter in Europa und Nordamerika Sorgen um die Bundesrepublik, die als verlässlicher westlicher Bündnispartner galt. Mit dieser entspannten Sicht war es jedoch nach dem Fall der Berliner Mauer im Herbst 1989 bald vorbei. Wie das Lamento des irischen Schriftstellers Conor Cruise O’Brien in der Times zeigte, ließen das Ende des Kommunismus und die Aussicht auf eine deutsche Wiedervereinigung Befürchtungen vor einem neuen Reich wieder wach werden. Diese Ängste waren in den Jahren unmittelbar nach der Einheit von Bundesrepublik und Deutscher Demokratischer Republik im Oktober 1990 besonders akut. Angesichts wieder auflebender neonazistischer Aktivitäten und des wachsenden Einflusses Deutschlands in der Europäischen Union gab es Be284

6.  Das Vierte Reich in der jüngeren deutschen Vergangenheit

denken, das Land könne in seine alten nationalistischen Gewohnheiten zurückfallen. Journalistische Essays, akademische Monografien und populäre Werke aus Literatur, Film und Fernsehen schürten die Angst der Menschen nur noch mehr. Gegen Ende des Jahrzehnts hatten sich diese Bedenken jedoch gelegt; die Regierung Helmut Kohls hatte es geschafft, den frühen Herausforderungen der Wiedervereinigung standzuhalten, und das Geschick von Kohls Nachfolgern, SPD-Kanzler Gerhard Schröder (1998–2005) und CDU-Kanzlerin Angela Merkel (seit 2005), an diese Erfolge anzuknüpfen, stärkte das Vertrauen der Bürger in die Stabilität des Landes. Diese Beruhigung hielt jedoch nicht lange an. Nach der Finanzkrise von 2008 war erneut von einem Vierten Reich die Rede. Verschiedene europäische Länder warfen Deutschland vor, die EU als Mittel zur Sicherung einer Hegemonialstellung auf dem Kontinent zu nutzen. Auslöser für diese Vorwürfe war eine Mischung aus echter Überzeugung und zynischem Kalkül. Auf der einen Seite gründete die Angst vor einem neuen deutschen Reich in tatsächlichen politischen Entwicklungen. Nach der Wiedervereinigung versuchten deutsche Rechtsextreme und Neonazis – darunter das Deutsche Kolleg, die NPD und die Reichsbürgerbewegung – immer mehr, die Bundesrepublik in ein Viertes Reich zu verwandeln. Ihre Aktivitäten ließen die Befürchtungen besorgter Kritiker vor einem gefährlichen Rechtsruck Deutschlands durchaus glaubwürdig erscheinen. Gleichzeitig wurden die Bedenken jedoch aus anderen Gründen bewusst übertrieben. In ganz Europa malten Politiker und Journalisten das Schreckgespenst eines Vierten Reiches an die Wand, um in EU-Angelegenheiten mehr Einfluss auf die Bundesrepublik ausüben zu können und populistische Ressentiments von internen auf externe Ziele zu verlagern. Während die einen das neue Reich ernsthaft umzusetzen versuchten, bauschten andere die drohende Gefahr zu politischen Zwecken auf.

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6.  Das Vierte Reich in der jüngeren deutschen Vergangenheit

Vor der Sintflut: Das Vierte Reich auf dem Weg zur Normalität In den zehn Jahren vor der deutschen Wiedervereinigung war der Gedanke des Vierten Reiches seiner Normalisierung ein gutes Stück nähergekommen. Er wurde weiterhin als universelle Chiffre autoritärer Intoleranz verwendet. In den Vereinigten Staaten verwendete der prominente afroamerikanische Politiker Jesse Jackson den Begriff häufig in seinem Kampf gegen das südafrikanische Apartheidsregime. Anlässlich des 40. Jahrestags des Endes des Zweiten Weltkriegs erklärte Jackson bei einem Besuch 1985 in Berlin vor 25.000 Menschen: »Die gleichen ethischen Gründe ..., die bei der Ablehnung … des Dritten Reiches in Deutschland angeführt wurden ..., müssen dazu verwendet werden, das Vierte Reich in Südafrika zu stoppen.« 2 In den folgenden Jahren berief sich Jackson wiederholt auf den Begriff, wie es auch führende afroamerikanische Zeitungen taten, die den amerikanischen Rassismus der Zeit verurteilten.3 Die Regierung von Präsident Ronald Reagan wurde nicht annähernd so oft als »Viertes Reich« angegriffen wie die von Richard Nixon, war jedoch gegen derlei Anwürfe nicht immun. Während Reagan von der Linken – gelegentlich auch von Jackson selbst – wegen seiner Unterstützung des Botha-Regimes attackiert wurde, kritisierte ihn auch die extreme Rechte, so zum Beispiel der republikanische Kongresskandidat Gary Arnold, der dem Präsidenten 1982 vorwarf, in seiner wirtschaftspolitischen Zusammenarbeit mit dem Bankier David Rockefeller auf die Errichtung eines »Vierten Reiches« in den USA zu zielen.4 Außerhalb der Vereinigten Staaten nutzten Gruppen den Begriff des Vierten Reiches, um das Bewusstsein für andere politische Themen zu schärfen. 1988 verwendeten panamaische Zeitungen die Bezeichnung, um die Beschneidung der Pressefreiheit durch Machthaber Manuel Noriega zu verurteilen.5 Im selben Jahr bedienten sich englischsprachige Bürger von Quebec des Begriffs, um einen Vorschlag von Ministerpräsident Robert Bourassa in der Luft zu zerreißen, wonach außerhalb von Gewerben nur französischsprachige Schilder zugelassen sein sollten.6 Eine zunehmende Normalisierung erfuhr der Begriff des Vierten Reiches auch auf kulturellem Gebiet. In den 1970er- und 1980er-Jahren griffen 286

Vor der Sintflut

Punkrockbands den Ausdruck aufgrund seiner provokanten Konnotationen auf und ästhetisierten ihn damit. 1979 gab sich eine südkalifornische Band den Namen »The Fourth Reich«, versicherte Kritikern jedoch, sie beabsichtige damit nur eine »Schockwirkung«.7 Unterdessen griffen andere Bands wie die Dead Kennedys, D. I. und die Lookouts den Ausdruck in Songtexten auf, um den Alltag in den USA zu kritisieren. Der folgende Liedtext von »Fourth Reich (Nazi Amerika)« der Lookouts aus dem Jahr 1987 erinnert an linke Slogans aus den 1970er-Jahren. And now swastikas come in red white and blue Fourth Reich Nazi Amerika Fascism comes to the USA Fourth Reich the night’s getting darker Too bad a great country had to end this way. [Und jetzt gibt es Hakenkreuze in rot, weiß und blau Viertes Reich Nazi-Amerika Der Faschismus kommt in die USA Viertes Reich die Nacht wird dunkler Schade, dass ein großes Land so enden musste.]8 Auch in der populären Kunst waren Tendenzen zur Verallgemeinerung des Begriffs zu beobachten. Der amerikanische Karikaturist Garry Trudeau nutzte seinen Comic Doonesbury 1987 für einen Frontalangriff auf den konservativen Gouverneur von Arizona, Evan Mecham (der trotz Protesten den offiziellen Feiertag Martin Luther King Day 1986 gestrichen hatte); in Trudeaus Karikatur ernennt der Gouverneur einen Beamten, der »in der Politik des Vierten Reiches aktiv« war.9 In Mexiko kritisierte der in Chile geborene Künstler José Palomo in einer Karikatur mit dem Titel »El Cuarto Reich« die Korruption lateinamerikanischer Regierungen durch eine Reihe von Figuren, die in einer namentlich nicht näher genannten Diktatur leben.10 Auch im amerikanischen Sport fand das Vierte Reich seinen Platz. 1979 spielte der Fernsehsprecher Beano Cook scherzhaft auf die rechtslastigen Ansichten der NFL-Fußballtrainer an und bemerkte, »wenn die NFL eingestellt würde, … würden alle 28 Trainer nach Argentinien gehen, Hitler fin287

6.  Das Vierte Reich in der jüngeren deutschen Vergangenheit

den und ein Viertes Reich gründen«.11 1985 erhielt der Trainer Frank Kush der Indiana Colts aufgrund seiner Sympathiebezeugungen für Hitlers Art der »Menschenführung« sarkastisch den »Fourth Reich Award«.12 Im selben Jahr beschrieb ein Profifußballer der San Diego Sockers eine gegnerische Mannschaft, die Chicago Sting, »als das Vierte Reich«.13 Zwar handelte es sich hierbei nur um vereinzelte Beispiele, doch wie bei der Übernahme des Begriffs durch Motorradbanden in den 1970er-Jahren war die Verwendung im amerikanischen Sport Ausdruck seiner Verwandlung in eine allgemeine Kurzformel für Zähigkeit. Den Prozess der Normalisierung veranschaulicht am besten die harmlose Verwendung des Begriffs für die Bundesrepublik. Während die Vorstellung eines wiederbelebten Deutschen Reiches in den ersten drei Jahrzehnten der Nachkriegszeit von einer Aura der Gefahr umgeben war, flößte sie in den 1980er-Jahren immer weniger Angst ein. Dieser Wandel wurde mit der Veröffentlichung des Buches The Fourth and Richest Reich (1980) des amerikanischen Journalisten Edwin Hartrich offenbar.14 Seine These war simpel: Dank der Wirtschaftsleistung der Bundesrepublik nach dem Krieg »hat die Ökopolitik für die Deutschen erreicht, was die Geopolitik … in Hitlers Drittem Reich nicht erreicht hat«.15 Deutsche Exporte hätten einen »unbegrenzten Lebensraum« eingenommen, in dem sie weitaus nachhaltiger expandieren könnten, als es »Hitlers Millionen von Soldaten bei ihren erfolglosen militärischen Eroberungen in Europa, Russland und Afrika« getan hätten. Bezeichnenderweise unterstützten auch zahlreiche amerikanische Kritiker Hartrichs These und betonten, die USA – die damals in einer Rezession steckten – könnten viel vom deutschen Wirtschaftswunder lernen. In der New York Times empfahl David Schoenbrun Hartrichs Buch als Pflichtlektüre; für die Amerikaner, die »mit Entsetzen unser eigenes sinkendes Glück beobachten«, halte es wichtige Lehren darüber bereit, »wie wir unsere Position als wirtschaftliche Supermacht der Welt wiedererlangen können«.16 Die implizite Botschaft war klar: Das Vierte Reich war kein furchterregender Begriff mehr, den es zu vermeiden galt. In seiner jüngsten Ausprägung – als wohlhabende, demokratische Bundesrepublik – war es ein bewundernswertes Modell, das es nachzuahmen galt. In den weiteren Jahren des Jahrzehnts wurde die Vorstellung von einem Vierten Reich selten auf Westdeutschland angewendet. Im Gegensatz zur 288

Die deutsche Wiedervereinigung und neue Ängste vor einem Reich

frühen Nachkriegszeit hielten sich westliche Sorgen vor einem Neonazismus in den 1980er-Jahren in Grenzen. Ein wichtiger Grund hierfür war die Machtübernahme durch die konservative CDU von Helmut Kohl im Jahr 1982. Nach mehr als einem Jahrzehnt SPD-Herrschaft, in dem westliche Beobachter nervös zusahen, wie Westdeutschland eine unabhängigere Außenpolitik gegenüber dem kommunistischen Ostblock verfolgte, bekräftigte die Regierung Kohl ihr Bekenntnis zum westlichen Bündnis. Die frühen 1980erJahre waren eine Zeit wachsender Spannungen mit der Sowjetunion, und Kohls Bereitschaft, trotz erheblicher innerdeutscher Widerstände auf Bitten von Präsident Ronald Reagan 1983 Pershing II-Raketen auf deutschem Boden zu stationieren, beruhigte westliche Beobachter, was die westlichen Bündnispflichten Deutschlands anging. Gleichzeitig schmälerte Kohls breiteres Bestreben, die deutsche Geschichte aus dem Schatten der Nazizeit zu zerren und so eine neue Form der nationalen Identität zu schaffen, die Anziehungskraft von Rechtsextremen, die den überwiegenden Teil des Jahrzehnts untätig blieben. Die NPD, die letzte große Partei, die einen kurzen Höhenflug erlebt hatte, verharrte auf schwachem Niveau; ihr Stimmenanteil sank von 4,3 Prozent 1969 auf 0,2 Prozent 1980.17 Neue Parteien wie Gerhard Freys Deutsche Volksunion (DVU), die 1987 mit einem nationalistischen und einwanderungsfeindlichen Programm/Profil gegründet wurde, und die von Franz Schönhuber 1983 ins Leben gerufenen Republikaner blieben bei Landtagswahlen in den Jahren 1987–1990 unter der Fünfprozenthürde.18 Sicherlich stieß Kohls konservativer Nationalismus unter Linksliberalen auf Misstrauen. Doch während deutsche Linke – und sowjetische Regierungsvertreter – Kohl gelegentlich kritisierten und das Gespenst eines »Vierten Reiches« heraufbeschworen, fiel der Begriff relativ selten.19

Die deutsche Wiedervereinigung und neue Ängste vor einem Reich: 1989–1990 Um 1990 trat die Idee des Vierten Reiches jedoch plötzlich wieder in den Vordergrund, nachdem der revolutionäre Sturz der kommunistischen Ordnung in Osteuropa in den Jahren 1989/90 das Ende der DDR signalisiert und eine mögliche deutsche Wiedervereinigung in Aussicht gestellt hatte. 289

6.  Das Vierte Reich in der jüngeren deutschen Vergangenheit

Diese dramatischen Ereignisse führten insofern zu einem Wandel in der diskursiven Verwendung des Vierten Reiches, als sie die Bezeichnung abermals mit ihrem traditionellen Bezugsobjekt Deutschland verbanden. In der gesamten westlichen Welt reagierten Kritiker auf die mögliche deutsche Einheit mit Warnungen vor einem neuen Reich. Damit lösten sie eine heftige Diskussion zwischen denen aus, die ein vereintes Deutschland fürchteten, und denen, die dies nicht taten. Die Debatte entbrannte um die Zeit des Mauerfalls im November 1989 und wurde fast ein Jahr lang bis zur endgültigen Vereinigung des Landes am 3. Oktober 1990 kontrovers geführt. In dieser Anfangszeit diskutierten Politiker, Journalisten und Wissenschaftler lebhaft, ob sich ein Viertes Reich aggressiv und nazistisch verhalten und somit dem Dritten ähneln würde.

Die Kritiker Die ersten Bedenken wurden in Großbritannien laut. Am 31. Oktober 1989 veröffentlichte Conor Cruise O’Brien in der Londoner Times einen umstrittenen Essay mit dem Titel »Beware, the Reich Is Reviving« [Hütet euch vor einem wiedererstehenden Reich]. O’Briens Ansicht nach war die deutsche Wiedervereinigung angesichts der Schwäche der Sowjetunion nur eine Frage der Zeit: »Wir sind auf dem Weg zum Vierten Reich«, erklärte er. Deutsche Nationalisten würden »die Rehabilitierung des Nationalsozialismus ... und Adolf Hitlers« anstreben, um so »das Bild des Dritten Reiches reinzuwaschen«. Schon bald würden »nationalistische Intellektuelle« »den Holocaust … [als] mutige … Tat« beschreiben, die »Beziehungen zu Israel … abbrechen« und »in jeder deutschen Stadt eine Hitler-Statue errichten«. Sein Fazit war ebenso düster wie schonungslos: »Das Vierte Reich wird, wenn es kommt, ... seinem Vorgänger ähneln.«20 Wie nicht anders zu erwarten, sorgte O’Briens Artikel umgehend für Aufsehen und fand zunächst erheblichen Rückhalt.21 Journalisten des Daily Express, des Guardian und anderer Zeitungen teilten die Befürchtung, mit der Wiedervereinigung werde ein neues Reich entstehen.22 Ähnliche Ängste wurden auch in anderen Ländern laut. Gut 75 Prozent der Franzosen fürchteten, die Wiedervereinigung bedeute das »Wieder290

Die Kritiker

erstehen einer gewissen Form des Nazismus«.23 Auch französische Minister gaben düstere Prognosen ab.24 Doch wie die Briten betrachteten viele Franzosen die deutsche Einheit nüchtern als unvermeidlich. Wie der Herausgeber von Politique étrangère, Dominique Moïsi, in der New York Times schrieb, »kann der Versuch, einen hoffnungslosen Status quo gegen die potenzielle Gefahr eines ›vierten Reichs‹ zu bewahren, nur zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden«.25 Ähnliche Befürchtungen kamen aus Schweden, Dänemark, Italien und Polen.26 Sie wurden auch in Israel laut, wo große Zeitungen erklärten, ein »Viertes Reich im Herzen Europas« werde den deutschen Irredentismus schüren und viele Menschen davon abhalten, »tief und fest zu schlafen«.27 Gleiches befürchteten linke Kritiker in West- und Ostdeutschland. In einem prominenten Spiegel-Essay vom Dezember 1989 warnte der Chef der westdeutschen SPD Oskar Lafontaine vor »unbedachten Wiedervereinigungsparolen«: »Das Gespenst eines starken Vierten Deutschen Reiches erschreckt unsere westlichen nicht weniger als unsere östlichen Nachbarn.«28 In Ostdeutschland hingegen druckte die offizielle Staatspresse wütend ausländische Kommentare zur befürchteten Wiedervereinigung nach und veröffentlichte Erklärungen ostdeutscher Politiker, die vor dem Untergang einer unabhängigen DDR warnten. Im Februar 1990 lehnte die Nachfolgepartei der SED, die PDS, den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik ab und erklärte: »Wir wollen weder ein Viertes Reich noch eine großdeutsche Bundesrepublik.«29 Massendemonstrationen im selben Monat in Ostberlin verknüpften die Gefahr eines neuen Reiches mit anwachsender »brauner Gewalt und faschistischer Ideologie«.30 Ähnliche Proteste dauerten bis in den Frühherbst hinein und wiederholten sich in westdeutschen Städten wie Frankfurt am Main, wo Tausende gegen das sich abzeichnende »Vierte Reich« protestierten.31 Die extremste Reaktion war ein Brief, den die terroristische Rote Armee Fraktion (RAF) im Sommer 1990 an internationale Nachrichtenagenturen verschickte und in dem sie dem »Vierten Reich« den Krieg erklärte.32 Die leidenschaftlichste Kritik in Deutschland war das Buch Das vierte Reich: Deutschlands später Sieg des in Deutschland lebenden spanischen Schriftstellers Heleno Saña.33 Das vor der offiziellen Wiedervereinigung des Landes am 3. Oktober 1990 erschienene Buch beschrieb die neue Einheit 291

6.  Das Vierte Reich in der jüngeren deutschen Vergangenheit

ängstlich als ersten Schritt zur Errichtung eines neuen Reiches. Wie O’Brien sah Saña die Deutschen im Begriff, die Fehler aus ihrer Geschichte zu wiederholen. Saña bezeichnete das »Vierte Reich« als »Zauberformel für ihre Sehnsucht nach einer neuen imperialistischen Ära«; der Traum von einem Reich wurzele in »dunklen Leidenschaften, die ihr in der Tiefe eurer Seele mitschleppt«.34 Wie Saña seinen Lesern versicherte, »wird das Vierte Reich kein mechanisches Abbild … des Dritten … sein«; es werde »Gewalt und Terror« vermeiden.35 Dennoch werde es von dem Glauben getragen sein, dass »Deutschland ein Sonderschicksal zu erfüllen hat«: Das Vierte Reich wird ein neuer Versuch sein, die Erfahrung der vorausgegangenen, gescheiterten Reiche aus dem Gedächtnis zu tilgen und die deutsche Geschichte mit neuem Glanz zu schmücken. … es wird sich als ein Reich im Dienste der germanischen Vorherrschaft in Europa gestalten … Das Vierte Reich [wird] … rücksichtslos … bekämpfen und … unterdrücken, wenn …nötig, durch offene Repression; die innere Dynamik wie der äußere Expansionskurs des kommenden Reiches werden … die Wiederholung eines schon mehrere Male aufgeführten deutschen Trauerspiels [sein].36 Den tieferen Grund für diese sinistre Prognose sah Saña im deutschen Hang zur »Maßlosigkeit«.37 Aufgrund dieses Charakterfehlers »werden sich [die Deutschen] mit der Wiederherstellung ihrer nationalen Einheitlichkeit nicht zufriedengeben« und schließlich ein expansiveres Reich anstreben.38 Die tragische deutsche Vergangenheit verheiße eine düstere Zukunft. Weil »[k]eines der vorangegangenen deutschen Reiche … gut« geendet habe, habe »das Vierte Reich … langfristig keine Chance auf ein Happy-End, aus dem einfachen Grund, dass alles, was maßlos und irrational ist, unweigerlich scheitern muss«.39

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Die Verteidiger

Die Verteidiger Die meisten Deutschen lehnten allerdings jeglichen Zusammenhang zwischen Wiedervereinigung und einem Vierten Reich ab. Die westdeutsche Presse kritisierte im Herbst 1989 O’Briens Times-Artikel aufs Schärfste und keine heftiger als die konservative FAZ, die ihn als »hysterische großdeutsche Prognose« bezeichnete.40 Das Blatt ging sogar so weit, zu spekulieren, derartige »Wahnvorstellungen« seien »angelsächsische[r] Rassismus mit antideutscher Stoßrichtung«.41 Moderatere deutsche Kritiker veröffentlichten Gegendarstellungen in der britischen Presse, so etwa der Zeit-Herausgeber Theo Sommer, der im Observer schrieb: »Was sie Deutschen suchen, hat wenig mit einem ›Vierten Reich‹ zu tun.«42 Andere deutsche Journalisten erkannten jedoch, dass die Bedenken aus dem Ausland nicht ignoriert werden dürfen. Als Reaktion auf die Ängste in Frankreich versuchte die FAZ, die Aura der Gefahr um den Reichsgedanken zu entschärfen. Der Reichsbegriff sei »nicht historisch festgelegt, sondern eine Worthülse, in die sich fast beliebige Inhalte stecken lassen«. Gleichzeitig räumte das Blatt ein, dass die Idee des Reiches »Befürchtungen … zum … Ausdruck bringt«, die »tief in das Bewusstsein der französischen Elite eingegraben« seien.43 Rezensenten von Sañas Buch kamen zu einem ähnlichen Schluss: Die geäußerten Ängste könnten nicht einfach als »unbegründet[e]« Versuche der »Diffamierung Deutschlands« weggewischt werden.44 Deutschen Politikern wurde bald klar, dass sie westlichen Staaten versichern mussten, sie wollten die deutsche Republik nicht durch ein Reich ersetzen. Am 21. Dezember 1989 erklärte Bundeskanzler Helmut Kohl ausländischen Journalisten in Dresden unmissverständlich: »Es wird kein Viertes Reich geben. Wir sind keine Revanchisten.«45 Im Februar 1990 klang seine Bekräftigung eher wütend als nachsichtig: »wer von einem Vierten Reich spricht ... will die Deutschen bewusst diffamieren«.46 Dennoch bekräftigte Kohl am 7. März 1990 fest: »Dieses wiedervereinte Deutschland wird Teil eines friedlichen Europas sein.«47 Etwa zur gleichen Zeit verkündeten andere prominente Politiker wie Exkanzler Willy Brandt: »Ein viertes Reich wird es nicht geben.«48 Kohls Bekräftigung, die polnische Westgrenze sei unverletzlich, war im Sommer 1990 eine weitere Beruhigung, die am 8. No293

6.  Das Vierte Reich in der jüngeren deutschen Vergangenheit

vember 1990 mit Premierminister Tadeusz Mazowiecki vertraglich bestätigt wurde. Auch dank dieser offiziellen Aussagen waren viele Medienbeobachter beruhigt. Josef Joffe zum Beispiel fühlte sich ermutigt, zwar kein dreifaches, aber immerhin ein »eineinhalbfaches Hoch« auf die Vereinigung auszurufen: »die [in Kürze wiedervereinigte] Bundesrepublik ... ist mitnichten ein Vorläufer des Vierten Reiches«. Vielmehr sei sie ein Ort, an dem »Wohlstand« herrsche, »die Demokratie floriert« und »Neonazis kurz vor dem Aussterben sind«. Das Land sei kurzum »Teil des westlichen Mainstreams«.49 Viele westliche Beobachter, insbesondere Amerikaner, akzeptierten dieses positive Urteil. Obwohl einige Journalisten skeptisch blieben, gaben sich Diplomaten und Wissenschaftler relativ optimistisch über die Zukunft der Bundesrepublik.50 In einem Spiegel-Interview antwortete der stellvertretende Außenminister Lawrence Eagleburger auf die Frage »Teilen die USA diese Furcht vor einem ›Vierten Reich‹?«, die Vereinigten Staaten seien »das Land, in dem die Sorgen über eine Wiedervereinigung Deutschlands am geringsten sind«.51 Diese Sicht teilte der Historiker Gordon Craig; die Amerikaner hätten wenig Angst vor einem »Vierten Reich«, denn im Gegensatz zu den Briten und Franzosen hätten sie nach 1945 »sehr schnell vergessen und vergeben«.52 Ähnlich äußerten sich Journalisten. Laut William Tuohy wurzelte das »grimmige Gespenst« eines Vierten Reiches in »überholten Stereotypen«.53 Wie Walter Russell Mead erklärte, werde »das Vierte Reich in einem vereinten Deutschland offen für Geschäfte sein«; allerdings bestehe wenig Gefahr, dass es zu einem extremistischen Staat werde: »Der Faschismus ist tot.«54 Ähnliche Stimmen waren auch in Großbritannien zu hören. Im Dezember 1989 erklärte J. P. Stern zuversichtlich, O’Briens Schreckensvision eines Vierten Reiches bleibe in »absehbarer Zukunft« eine »Chimäre«.55 Wie Lord Weidenfeld schrieb, sollten »diejenigen, die noch eine beklemmende Vision eines Vierten Reiches haben«, »ihre Ängste verbannen und auf die beständige Kontinuität moralischer Prinzipien vertrauen ... auf Adenauer ... und auf die jüngere Generation von Deutschen«.56 Schließlich kam ein von Premierministerin Margaret Thatcher im März 1990 einberufenes, hochkarätig besetztes Wissenschaftlergremium – unter anderen mit Norman Stone, Hugh Trevor-Roper und Fritz Stern – zu dem Ergebnis, von einem wiedervereinten Deutschland gehe keine ernsthafte Bedrohung und »keine Gefahr eines vierten Reiches« aus.57 294

Die Rückkehr der Nazis

Die Rückkehr der Nazis: Das Wiederaufleben des Reichs durch die Rechte Doch während der friedliche Ausgang der deutschen Wiedervereinigung im Oktober 1990 die Ängste der Kritiker vor einem Vierten Reich zu zerstreuen schien, gaben ihnen die nachfolgenden Ereignisse neuen Auftrieb. In den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung erlebte Deutschland einen sprunghaften Anstieg neonazistischer Gewalt, der unvorhergesehenen wirtschaftlichen und sozialen Probleme entsprang. Die schwierige Integration der ost- und westdeutschen Wirtschaft führte zu Betriebsstilllegungen und Arbeitsplatzverlusten im Osten, während sie im Westen zu Steuererhöhungen und Inflation führte. Je mehr der soziale Unmut um sich griff, umso mehr fühlten sich die Deutschen zu rechten Ideen hingezogen und umso mehr suchten sie nach Sündenböcken, für die zumeist ausländische Einwanderer und Asylbewerber herhalten mussten. Bei den Landtagswahlen 1992 konnten die rechten Republikaner, die DVU und die NPD bescheidene Erfolge erzielen und jeweils über fünf Prozent der Stimmen für sich verbuchen.58 Noch bedrohlicher war die steigende Anzahl neonazistischer Gruppen und Skinheadbanden. In den Jahren 1991–1994 griffen Neonazis ausländische Gastarbeiter und Asylbewerber in Städten wie Hoyerswerda, Rostock, Mölln und Solingen an, töteten 23 Menschen und verletzten Dutzende weitere. Zudem kam es zu antisemitischen Übergriffen auf jüdische Friedhöfe und Gotteshäuser durch rechtsextreme Gruppen.59 In den westlichen Medien ließ der Anstieg neonazistischer Gewalt Ängste vor einem Vierten Reich in Deutschland neu aufleben. Nach den Ausschreitungen in Rostock im August 1992 charakterisierte die New York Times deutsche Neonazis als Gruppe, die ein rassisch reines »Viertes Reich ohne Juden, Ausländer und Kapitalisten« wollten.60 Im selben Jahr führte ein neonazistischer Anschlag auf die Gedenkstätte und das Museum Sachsenhausen bei Berlin zum Ausbruch antinazistischer Demonstrationen in Frankfurt, Düsseldorf und Berlin, bei denen die Demonstranten Schilder mit der Aufschrift »Kein Viertes Reich« trugen.61 Im November 1992 erklärte Bundespräsident Richard von Weizsäcker vor 350.000 Teilnehmern einer Demonstration gegen Ausländerhass und Fremdenfeindlichkeit in 295

6.  Das Vierte Reich in der jüngeren deutschen Vergangenheit

Berlin, jeder Bürger habe die Pflicht, die Demokratie gegen Neonazis zu verteidigen, die die Wiedervereinigung als »Signal für ein Viertes Reich« betrachteten.62 Forderungen nach Rückgabe ehemals deutscher Gebiete vonseiten ethnisch deutscher Nationalisten in Polen wurden als Teil eines »von ihnen angestrebte[n] Vierte[n] Reich[es]« beschrieben.63 Berichte über Frauen in der deutschen Neonaziszene führten zu Artikeln über »Stricken für das Vierte Reich«.64 In anderen Artikeln befürchteten Autoren, »der Faschismus ... kommt wieder in Mode«.65 Journalisten befürchteten das Schlimmste und das nicht ohne Grund, denn eine wachsende Anzahl von rechten Aktivisten setzte sich tatsächlich für die Gründung eines Vierten Reiches ein. Die ersten Anzeichen machten sich bereits in den 1970er- und 1980er-Jahren bemerkbar, als Neonazis das Konzept vereinzelt nutzten, um ihre Anhänger zur Erkundung radikal neuer Methoden – von Massendemonstrationen bis hin zu Terroranschlägen – zum Umsturz des westdeutschen Staates aufzufordern. Diese aktionistisch ausgerichtete Strategie schlug letztlich fehl. Aber eine moderatere Bewegung, angeführt von einer zweiten Gruppe von Aktivisten, die mit der »neuen Rechten« in Deutschland in Verbindung stand, erwies sich als vielversprechender. Unter dem Einfluss »konservativer Revolutionäre« der Weimarer Republik versuchte diese Bewegung, rechte Ideen zu erneuern und intellektuell weiterzuentwickeln, um sie in der deutschen Gesellschaft konsensfähig zu machen.66 Dieses Ziel erreichten die Anführer der neuen Rechten zwar nicht, doch durch ihre Bemühungen brachten sie den Gedanken des Vierten Reiches einem breiteren Publikum näher.

Die Volksverhetzer: Manfred Roeder und Michael Kühnen Einer der Hauptakteure, der das Interesse der Deutschen am Vierten Reich neu weckte, war der Rechtsextremist Manfred Roeder. Geboren 1929, war er Mitglied der Hitlerjugend-Generation und in seiner politischen Weltanschauung stark von seiner Schulzeit in einer nationalpolitischen Erziehungsanstalt und seinen Erfahrungen in der Wehrmacht geprägt. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hielt Roeder an seinen rechten Überzeugungen fest 296

Die Volksverhetzer

In den 1970er-Jahren war Manfred Roeder einer der Vordenker der neuen Rechten, der die Wiederbelebung des Deutschen Reiches forderte. In seinen Augen hatte die Bundesrepublik keine rechtliche Grundlage, da das Reich 1945 nicht untergegangen sei. In den 1980er-Jahren wandte sich Roeder dem Terrorismus zu, später zog es ihn zur NPD.

und weigerte sich, seinen Frieden mit der westdeutschen Demokratie zu machen. Obwohl er eine Zeit lang als Anwalt arbeitete, radikalisierte er sich Ende der 1960er-Jahre und wurde zu einem Gegner des, wie er es nannte, »moralischen und kulturellen Niedergangs« der gegenkulturellen Bewegung. Schon bald zog es Roeder zu rechten Kreisen und er engagierte sich in der wachsenden Bewegung der Holocaust-Leugner. Als ihm daraufhin die 297

6.  Das Vierte Reich in der jüngeren deutschen Vergangenheit

Zulassung als Rechtsanwalt entzogen wurde, driftete er noch weiter nach rechts.67 In den 1970er-Jahren widmete sich Roeder der Wiederbelebung des Deutschen Reiches, indem er einen Plan auf der Grundlage von klaren politischen Prinzipien entwickelte. Wie er in seinem im Selbstverlag veröffentlichten Untergrundmanifest Ein Kampf ums Reich (1979) deutlich machte, war das erste Prinzip: »Das Deutsche Reich ist nicht untergegangen! Die Reichsregierung ist nie zurückgetreten!«68 Mit dieser Behauptung griff Roeder eine Idee auf, die die SRP Anfang der 1950er-Jahre vertreten hatte. In einem neuen Schritt begründete er die These jedoch mit der Erklärung des Bundesgerichtshofs von 1973, der unter Bezug auf das Grundgesetze festgestellt hat, dass »das Deutsche Reich den Zusammenbruch 1945 überdauert hat und weder mit der Kapitulation noch durch Ausübung fremder Staatsgewalt in Deutschland durch die alliierten Okkupationsmächte noch später untergegangen ist«.69 In dieser Erklärung, die den Status des Reiches nach der Unterzeichnung des Grundlagenvertrages mit Ostdeutschland im Jahr 1972 klären sollte, wurde die Bundesrepublik klar als Rechtsnachfolgerin des Reiches benannt. Roeder lehnte diese Ansicht jedoch ab und vertrat einen zweiten Grundsatz – dass nämlich die Republik illegitim sei, ein bloßes »Verwaltungsprovisorium der Alliierten«.70 Diese beiden Prinzipien führten Roeder schließlich zu einem dritten: der nötigen Wiederbelebung des Deutschen Reiches.71 Überzeugt, dass der »Glaube an das Reich [...] ungebrochen [ist], und deshalb [...] eines Tages in neuer Herrlichkeit wiedererstehen« wird, zitierte Roeder die Erklärung des nationalsozialistischen Diasporaführers, Johann von Leers aus den 1950er-Jahren: »Sobald das Reich wieder auftritt ... wird jeder ehrenhafte Deutsche sich ihm anschließen.«72 Mitte der 1970er-Jahre machte sich Roeder mit den verstiegensten Taktiken an die Verwirklichung seines Programms. 1975 nahm er Kontakt zu Karl Dönitz auf – dem juristisch gesehen letzten Staatsoberhaupt des NS-Staates im Mai 1945 – und versuchte ihn zu der öffentlichen Erklärung zu bewegen, dass das Reich im rechtlichen Sinn fortbestehe und er das rechtmäßige Staatsoberhaupt sei. Als ein verwirrter Dönitz es ablehnte, als dauerhafter »Reichspräsident« anerkannt zu werden, machte sich Roeder eigenmächtig an die Wiederbelebung des Reiches.73 1975 gründete er die 298

Die Volksverhetzer

Freiheitsbewegung Deutsches Reich und veranstaltete am 23. Mai desselben Jahres – dem »Tag des unvergänglichen Reiches« – eine Demonstration in Flensburg, wo die Dönitz-Regierung 30 Jahre zuvor aufgelöst worden war. Die Veranstaltung, die zur »Wiederherstellung eines freien, unbesetzten Reiches« aufrief, lockte mehrere Hundert Anhänger an und deutete auf eine wachsende Bewegung hin.74 Als Roeder 1977 einen zweiten Reichstag in Regensburg einberief und sich 1978 dramatisch zum »Reichsverweser« und »Sprecher aller reichsbewussten und rechtsbewussten deutschen Bürger« erklärte, schien die Bewegung weiter an Fahrt aufzunehmen. Am 23. Mai veröffentlichte Roeder einen neuen »Aufruf«, in dem er »ein wiedervereinigtes, neutrales Deutsches Reich«, frei von alliierten Besatzern, »künstlichen Grenzen« und »Neokolonialismus« forderte. Roeder verlangte »Freiheit für alle unterdrückten Völker der Erde« und »Deutschland den Deutschen allein«.75 Trotz wachsenden Aktivismus zündete Roeders Bewegung nicht, und gegen Ende des Jahrzehnts gab er die friedliche Agitation zugunsten von gewaltsamen Terroraktionen auf. 1980 gründete er die »Deutschen Aktionsgruppen«, die eine Reihe von Bombenanschlägen auf verschiedene Ziele verübten, darunter eine jüdische Schule in Hamburg und mehrere Asylbewerberunterkünfte, bei denen zwei vietnamesische Flüchtlinge ums Leben kamen.76 Roeder wurde daraufhin wegen Anstiftung zu einem Sprengstoffanschlag vor Gericht gestellt, für schuldig befunden und von 1982 bis 1990 inhaftiert. Mit diesem Rückschlag endete sein persönlicher Beitrag zur Wiederbelebung des Reiches. Obwohl er sich in den 1990er-Jahren gelegentlich Gehör verschaffte, wurde er von einer radikaleren Generation von neonazistischen Agitatoren übertönt.77 Der einflussreichste unter ihnen war Michael Kühnen. Geboren 1955, war er deutlich jünger als Roeder und wurde in den 1980er-Jahren schnell zum charismatischen neuen Gesicht der wachsenden westdeutschen Neonazibewegung. Nach einem kurzen Intermezzo bei der NPD gründete Kühnen Ende der 1970er-Jahre eine Reihe von Organisationen, von denen die Aktionsfront Nationaler Sozialisten (ANS) die bedeutendste war. Kühnens Gruppe bemühte sich explizit um eine Wiederbelebung des Erbes der NSDAP und kooperierte mit gleichgesinnten Organisationen wie der amerikanischen NSDAP/AO, die die ANS mit Propagandamaterial versorgte. 299

6.  Das Vierte Reich in der jüngeren deutschen Vergangenheit

Der Anführer der Neonazis, Michael Kühnen (Zweiter von links), gründete in den 1980er-Jahren verschiedene rechtsgerichtete Organisationen und rief in seinem Manifest Die zweite Revolution (1982) ausdrücklich zu einem Vierten Reich auf.

Im Gegensatz zur NPD und anderen rechtsgerichteten Parteien scheute Kühnen nicht davor zurück, Propagandataktiken der NSDAP heraufzubeschwören. Unter dem Einfluss der Hitler-Welle und ihrer Faszination für die NS-Symbolik sorgte Kühnen durch die Organisation von provokanten öffentlichen Auftritten mit schwarz gekleideten SA-Männern, nationalsozialistisch anmutenden Fahnen und Reden, in denen er Hitler die Treue schwor, für mediales Interesse. Noch bedrohlicher war Kühnens Zusammenschluss mit anderen nazistischen Gruppen, um kleinere terroristische Aktivitäten wie Banküberfälle und Angriffe auf Militärbasen zu verüben. Diese führten in den Jahren 1979–1982 zu seiner Festnahme und Inhaftierung.78 Im Gefängnis folgte Kühnen Hitlers Beispiel und verfasste ein zweibändiges politisches Manifest namens Die zweite Revolution (1982).79 In Anlehnung an die Ziele des SA-Chefs Ernst Röhm, der 1933/34 eine »zweite Revolution« forderte, legte Kühnen in dem Manifest unter anderem seine Vision 300

Die Volksverhetzer

eines zukünftigen Vierten Reiches dar. Wie Roeder, mit dem er in den 1970er-Jahren gemeinsame Aktionen unternommen hatte, war Kühnen überzeugt, dass die militärische Niederlage Deutschlands im Zweiten Weltkrieg »nichts am Rechtsstatus des Deutschen Reiches geändert« habe, der nach 1945 fortbestehe. Da die Besatzung durch die Alliierten »völkerrechtswidrig« sei, könne man nicht umhin, zu folgern, dass »alle deutschen Nachkriegsregierungen in der Bundesrepublik Deutschland, der Deutschen Demokratischen Republik und Österreich illegal waren und sind«.80 Kühnen forderte daher »ein Ende der Nachkriegszeit« und die »Aufhebung des Verbots der NSDAP«, die er als »Freiheitsbewegung« zur »Wiederherstellung des Reiches der Deutschen« wiederbeleben wollte:81 Wir betrachten das Großdeutsche Reich als die Erfüllung der Jahrhundertelangen Sehnsucht des deutschen Volkes und wissen, dass nur ein Viertes Reich – der nationalsozialistische Volksstaat der Zukunft ‒ das Überleben unseres Volkes bis ins nächste Jahrtausend garantieren kann.82 Diese Vision ähnelte zwar der von Roeder, war in ihrer Tragweite jedoch radikaler. Für Kühnen bestand das Ziel des Reiches darin, eine von den USA und der UdSSR unabhängige Weltmacht zu werden; aus diesem Grund müsse Deutschland seine Staatsgrenzen vom 1. September 1939 wiedererlangen. Um jedoch seine große Aufgabe der »Rettung der weißen Rasse« zu erfüllen, müsse Deutschland eine größere abendländische »Reichsidee« verfolgen, wie sie das alte Römische Reich, das mittelalterliche Heilige Römische Reich und das »Dritte Rom« der russischen Zaren verkörperten, und die Länder West- und Osteuropas mit denen der islamischen Welt zu einem Bündnis gegen »Zionismus, Kapitalismus und Kommunismus« zusammenführen. Das Vierte Reich sei nicht nur ein zukünftiges deutsches Gemeinwesen, sondern ein inspirierender »Schlachtruf« für eine von den Deutschen geführte Koalition, die sich für die Durchsetzung der Hegemonie der weißen Rasse einsetze.83 Die Umsetzung dieser politischen Vision gestaltete sich für Kühnen allerdings schwieriger. Nach seiner Haftentlassung 1982 verhalf er der ANS zu neuer Geltung, wies seine Anhänger aber nach ihrem Verbot durch das 301

6.  Das Vierte Reich in der jüngeren deutschen Vergangenheit

Bundesinnenministerium an, die Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) zu unterwandern. Zwei Jahre darauf gründete er die Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front (GdNF).84 Diese neue Organisation rief nur noch nachdrücklicher zu einem Vierten Reich auf und bezog sich in Kühnens Manifest Lexikon der Neuen Front (1987) gut 30-mal darauf.85 Seine erneute Verhaftung und Inhaftierung von 1984 bis 1988 wegen der Verbreitung neonazistischer Propaganda schränkte seine Möglichkeiten zur Umsetzung seiner Ziele jedoch ein, ebenso die sich verschärfenden Grabenkämpfe mit anderen nazistischen Gruppen. Kühnen sank im Ansehen, nachdem er sich als schwul geoutet hatte – eine Offenbarung, die innerhalb der FAP zu Zerwürfnissen über die Vereinbarkeit von Homosexualität und Nationalsozialismus führte. 1989 verschaffte er sich neue Geltung und gründete mit der Deutschen Alternative (DA) eine neue Organisation, deren Parole »Das vierte Reich kommt« lautete.86 Mit der Wiedervereinigung erkannte Kühnen die Möglichkeit, die neonazistische Botschaft der DA in die fünf neuen Bundesländer zu tragen. Bevor er dieses Potenzial jedoch ausschöpfen konnte, starb er 1991 an den Folgen einer Aids-Erkrankung. Die DA wurde in der Folge verboten.87

Die Intellektuellen: Die Staatsbriefe und das Deutsche Kolleg Obwohl gewalttätige Neonazis bei der Errichtung eines Vierten Reiches keine Fortschritte erzielten, arbeiteten rechte Intellektuelle weiter darauf hin. Einer der aktivsten war nach 1990 der rechtsextreme Intellektuelle und Herausgeber der einflussreichen Staatsbriefe Hans-Dietrich Sander. 1928 geboren, schwankte er in seinem frühen Leben zwischen verschiedenen politischen Richtungen, diente als Jugendlicher in der Hitlerjugend, wandte sich in den 1950er-Jahren dem Kommunismus zu und schwenkte in den 1960erJahren zurück nach rechts. Nach einer Promotion in Geschichte und nach Tätigkeiten als Journalist und Lehrbeauftragter begeisterte er sich für konservativ-revolutionäres Gedankengut. Um 1980 faszinierte ihn die Vorstellung eines wiederbelebten Reiches, wie er in seinem Buch Der nationale Imperativ: Ideengänge und Werkstücke zur Wiederherstellung Deutschlands 302

Die Intellektuellen

In den 1990er-Jahren gab der rechtsextreme Intellektuelle Hans-Dietrich Sander die einflussreichen Staatsbriefe heraus, in denen er häufig ein Viertes Reich ausrief. Auf dem Titel der ersten Ausgabe ist der Grundriss des Castel del Monte aus dem 13. Jahrhundert zu sehen, erbaut von dem Stauferkaiser Friedrich II., den Sander in seinem Aufsatz »Die ghibellinische Idee« würdigte.

(1980) darlegte.88 Es sei endlich an der Zeit, dass die Deutschen dem »nationalen Imperativ« gehorchten, die amerikanisch-sowjetische Weltordnung zerstörten und ihr Land auf einer starken nationalistischen Basis neu gründeten.89 Zu diesem Zeitpunkt ging Sander davon aus, dass der schwindende internationale Einfluss Amerikas unter Präsident Jimmy Carter eine erneute Diskussion der »deutschen Frage« ermögliche. Entscheidend sei es, den schlummernden »Furor teutonicus zu wecken« und »den Deutschen ihren 303

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bewährten Kampfgeist und ihren berechtigten Stolz zurückzugeben, die sie beim Bau eines neuen Reiches brauchen.«90 Sein Buch, so hoffte Sander, werde die westdeutschen Eliten dazu bringen, die seit Langem »unterdrückte« Diskussion über die nationale Frage wiederzubeleben. Zu seiner Enttäuschung wurde seine Kampfansage jedoch weitgehend ignoriert. Obwohl sie in Ostdeutschland auf erhebliche (und wie zu erwarten negative) Resonanz stieß, fand sie im Westen wenig Beachtung.91 Nach den revolutionären Ereignissen von 1989/90 formulierte Sander seine Botschaft jedoch neu. 1990 veröffentlichte er eine aktualisierte Fassung von Der nationale Imperativ, in der er seine Überzeugung bekräftigte, dass »das Einzige, was das wiedererwachende Bedürfnis nach deutscher Identität befriedigen kann«, darin bestehe, ein »Viertes Reich« in den historischen Grenzen Deutschlands von 1937 zu schaffen.92 Dies werde zu einer neuen Reichsverfassung führen, die unweigerlich den »Volksgeist« der Deutschen widerspiegele und ihre richtige »Machtform« finde; vor allem werde sie eine »Politik der ausschließlichen Wahrung deutscher Interessen« begünstigen.93 Langfristig, so Sander, werde »die Konstituierung eines Vierten Reiches« »den Todesstoß für die Vereinigten Staaten von Europa« bedeuten.94 Vorerst blieb er jedoch zurückhaltend. Obwohl er im neuen Vorwort des Buches die Unvermeidlichkeit der Wiedervereinigung von West- und Ostdeutschland bekräftigte, warnte er gleichzeitig, dass die Union lediglich »eine größere Version der Bundesrepublik« schaffen und Österreich und die historischen deutschen Ostgebiete ausschließen werde.95 Letztlich werde sich jedoch alles von allein lösen: »Die konkrete Zielrichtung der zweiten Auflage liegt deshalb in der Perspektive, dass der Vereinigungsprozess die Krise in einer Weise verschärfen wird, dass an ihrem Ende die Wiederherstellung des Deutschen Reiches erzwungen werden dürfte.«96 Gleichzeitig versuchte Sander, diesen Prozess durch die Gründung einer neuen Zeitschrift namens Staatsbriefe zu forcieren. Benannt nach den bekannten Staatsbriefen des mittelalterlichen Stauferkaisers Friedrich II., wollte die Zeitschrift eine »Renaissance des nationalen Denkens« befördern und die Form des zukünftigen Deutschen Reiches theoretisieren.97 In den elf Jahren ihres Bestehens (1990–2001) veröffentlichte Sander die Beiträge zahlreicher Rechtsextremer – von Michael Kühnen bis Léon Degrelle – und behandelte ein breites Themenspektrum, von der Geschichte des Zweiten 304

Die Intellektuellen

Weltkriegs bis zur Leugnung des Holocaust.98 Sander behielt sich jedoch reichlich Raum vor, um die vernachlässigte »Reichsidee« wiederzubeleben. Sie war das Thema zweier früher Artikel, die er in den Jahren 1990/91 veröffentlichte: »Die ghibellinische Idee« und »Das Reich als politische Einheit der Deutschen«.99 Unter Berufung auf den Historiker Gustav Droysen, der das Reich im 19. Jahrhundert mit dem Programm der mittelalterlichen ghibellinischen politischen Fraktion innerhalb des Heiligen Römischen Reiches gleichgesetzt hatte, erklärte Sander die »ghibellinische Idee« zu einer Form der »Oberhoheit«: »Völker, die in ihrer Selbstbestimmung versagen, geraten deshalb immer wieder unter die Oberhoheit stärkerer Völker.«100 Die Hohenstauferdynastie habe diese Oberhoheit besonders effektiv genutzt, um das erste Deutsche Reich im Mittelalter auf den Zenit seiner Macht zu bringen. Mit der Zeit wurde die Idee des Reiches jedoch verfälscht, zuerst durch die Hohenzollern und später durch die Nazis. Beide ersetzten den universellen, metaphysischen Auftrag der Idee – nämlich den einer »Ordnungsmacht«, die den Antichristen unter Kontrolle hält – durch eine eher »guelfische« Vision, die durch die gewaltsame Germanisierung der nichtdeutschen Völker im Osten scheiterte.101 Aufgrund dieser Verfälschung sei die Reichsidee nach 1945 »wie ausgelöscht« gewesen.102 Durch eine »Umerziehung in kontinentalem Maßstab« der Alliierten seien die Deutschen einer »Massenpsychose« zum Opfer gefallen und hätten »zum ersten Mal seit einem Jahrtausend die Geschichte des Reiches geleugnet«. Das Ergebnis sei »Reichsvergessenheit, Reichsverrat und Reichsverbot«.103 Das Jahr 1989 eröffne jedoch neue Möglichkeiten, die ursprüngliche universalistische Vision des Reiches neu für sich zu reklamieren. Der Zusammenbruch der Sowjetmacht erhöhe die verlockende Möglichkeit der »Wiedergewinnung des deutschen Ostens« und seiner »Rekolonisierung«. Sander war überzeugt, dass die osteuropäischen Slawen die Vertreibung der Deutschen 1945 bereuten und glaubten, es wäre »besser, wenn sie zurückkämen«. Solange diese Stimmung weiter wachse, würden sich die »objektiven Bedingungen für den Neubau des Deutschen Reiches« verbessern.104 Die erste Herausforderung bestand darin, den Westen Deutschlands zu »rekolonisieren«, indem man die Westdeutschen wieder mit den Vorzügen der Reichsidee vertraut mache. Sander war optimistisch, dass dies möglich sei. So bemerkte er zuversichtlich: »Das Wort Reich ist heute – wenn überhaupt hauptsächlich 305

6.  Das Vierte Reich in der jüngeren deutschen Vergangenheit

aus Gründen der Abwehr im Munde ... Das Wort Reich fasziniert aber auch wieder jüngere Deutsche als geschichtsphilosophische Idee. ... Die Deutschen brauchen das Reich. Europa braucht das Reich. Die Welt braucht das Reich. ... Wir müssen als Deutsche das Reich allerdings erst wieder wollen.«105 Sanders Staatsbriefe beeinflussten andere rechte Intellektuelle und ermöglichten die Gründung der wichtigsten Organisation der damaligen Zeit, die sich die Gründung eines Vierten Reiches zum Ziel setzte: des Deutschen Kollegs (DK).106 Das 1994 in Berlin gegründete DK, das von einer Gruppe rechtsextremistischer Aktivisten, bestehend unter anderen aus Reinhold Oberlercher, Horst Mahler und Uwe Meenen, geleitet wurde, bezeichnete sich als »Denkorgan« und Bildungsinstitut, das die »Wiederherstellung der vollen Handlungsmacht des ... Deutschen Reiches« durch »theoretische, pädagogische und programmatische Tätigkeit« anstrebe.107 Im gesamten Jahrzehnt produzierte die Gruppe unablässig Aufsätze, Manifeste und Lehrmaterial, die auf der Website der Gruppe verfügbar gemacht wurden, umdie Bildung einer neuen, rechtsgerichteten »nationale[n] Intelligenz« zu befördern.108 Die Führer des DK waren meist ehemalige Linke, die wie Sander ins rechte Lager übergelaufen waren. Oberlercher begann seine Karriere Ende der 1960er-Jahre als Leiter des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) in Hamburg, wo er sich für eine Arbeiterrevolution einsetzte, und promovierte 1975 mit einer Dissertation über Pädagogik und Philosophie.109 Ende der 1970er-Jahre führten seine Ablehnung der liberalen Einwanderungspolitik der Bundesrepublik und sein Unmut über den Widerstand der Sowjetunion gegen die deutsche Wiedervereinigung jedoch zu einem Rechtsruck.110 In den 1980er-Jahren trat er verschiedenen extremistischen Organisationen bei und veröffentlichte später Artikel in Zeitschriften der neuen Rechten wie Armin Mohlers Criticon und Sanders Staatsbriefe.111 Horst Mahler war ebenfalls ein linker Renegat, gelernter Jurist, Mitglied des SDS, der außerparlamentarischen Opposition (APO) und – wofür er vor allem berüchtigt war – der terroristischen Roten Armee Fraktion (RAF). Nach seiner Verurteilung wegen verschiedener terroristischer Aktivitäten und nach dem Verbüßen einer Haftstrafe von 1970 bis 1980 vollzog er ebenfalls einen Schwenk nach rechts. Sein langjähriger Wunsch, die nationale Ehre des deutschen Volkes nach den schändlichen Verbrechen des NS-Regimes 306

Die Intellektuellen

wiederherzustellen, bewog ihn in den 1990er-Jahren zu Attacken auf die seiner Meinung nach zahlreichen Bedrohungen der nationalen Identität des Landes, darunter den amerikanischen Imperialismus, den globalen Kapitalismus, die Zuwanderung aus dem Ausland und den von Juden forcierten »Holocaust-Gedenkkult«.112 Als er in den folgenden Jahren in das DK eintrat, bewegte er sich auch im Orbit der NPD. Uwe Meenen dagegen begann seine politische Karriere nicht links, sondern war ein langjähriger Rechtsnationalist und NPD-Mitglied, der zunächst zum Bezirksvorsitzenden in Unterfranken und dann zum Landesvorsitzenden in Berlin aufstieg. Von den drei Männern beteiligte sich Oberlercher am aktivsten an der Gestaltung der Programmatik des DK. In den 1990er-Jahren war er der Vordenker eines künftigen Vierten Reiches und veröffentlichte zahlreiche Artikel in den Staatsbriefen und auf der Website des DK. Einige Artikel waren philosophischer, andere eher programmatischer Art. Sie alle ließen ein Gespür für das Dramatische erkennen. Mit übertriebenem Pathos veröffentlichte Oberlercher zahlreiche Dokumente für ein zukünftiges Reich, darunter Verfassungsentwürfe, Gesetze und Manifeste, die deutsche Bürger zum Sturz der Bundesrepublik aufforderten. Einen frühen Einblick in seine politischen Ziele gab er im Herbst 1992 in einem Aufsatz mit dem Titel »Die Neuschöpfung des deutschen Reiches«.113 Zutiefst pessimistisch über den frühen Verlauf der Wiedervereinigung, beklagte er in dem Essay die »innere Spaltung zwischen West- und Mitteldeutschland«, die sich weiter vertiefen werde, und prophezeite Deutschland eine düstere Zukunft, falls es keine radikalen Maßnahmen ergreife. Oberlercher beklagte das Schicksal der arbeitslosen Deutschen, »denen die Verausländerung des Arbeitsmarktes die letzte Beschäftigungschance raubt«, verurteilte die Not der »alten und einkommensschwachen Mieter«, die in den »Fremdenghettos der Großstädte« gefangen seien, und kritisierte den drohenden »Ethnozid« am deutschen Volk, das nach dem Verlust seiner »Souveränitätsrechte ... mitsamt seiner Nationalwährung« an Brüssel zu einer »melkbare[n] Minderheit in einem kontinentalen Bevölkerungskonglomerat« geworden sei. Oberlercher lehnte diese Entwicklungen ab und forderte den raschen Niedergang »der BRD« durch den Aufstand einer »Mehrheit der Deutschen«. Eine solche Revolte, so hoffte er, würde zum Scheitern der »Europa-Idee« und deren Ersatz durch die »Reichsidee« führen. Unter Be307

6.  Das Vierte Reich in der jüngeren deutschen Vergangenheit

rufung auf die Staatsbriefe von Sander versprach Oberlercher, die Debatte zu den »Verfassungsgrundsätzen« des neuen Reiches voranzutreiben. Im selben Jahr legte Oberlercher einen ehrgeizigen »Reichsverfassungsentwurf« (RVerfE) für das neue Reich vor, der in den Staatsbriefen erschien.114 Der aggressiv rechtsextreme Text propagierte ein nationalistisches und imperialistisches Programm. So hieß es in Artikel 2, »Verschiedenheit der Völker«: »Das Deutsche Volk anerkennt die Verschiedenheit aller Völker und Menschen«, jedes Volk habe jedoch das Recht, »die eigene Abstammung [und] Rasse ... zu bevorzugen und das Fremde zu benachteiligen.« Artikel 3 reklamierte unterdessen das Recht des deutschen Volkes »auf seinen hergebrachten Lebensraum in Europa und auf gebietliche Unversehrtheit seines Vaterlandes«. Im Fokus des RVerfE stand jedoch das Reich. Der Begriff fiel (als Substantiv oder Bestandteil eines Kompositums) über 200-mal und lieferte den Überbau für den zukünftigen Staat. Oberlerchers Verfassung sah ein erweitertes, großdeutsches Reich vor, das aus der Bundesrepublik, Österreich und anderen germanischen Gebieten bestand und in Dutzende von Herzogtümern und Gaue aufgeteilt war. Es umfasste drei Hauptstädte: Berlin (Sitz von Reichsoberhaupt, Reichsregierung und Reichstag), Wien (Kulthauptstadt) und Zürich (Sitz der Reichsbank). Das politische System des Reiches war eine undemokratische, neofeudale Ordnung, die von gewählten »Herzögen« geleitet wurde und an deren Spitze ein aus den Reihen von Adel und Armee gewähltes »Reichsoberhaupt« stand. Diese und viele andere Merkmale hatten eine tiefere metaphysische Bedeutung; wie Oberlercher abschließend bemerkte, sei »das Reich als Staatsglaube ... die deutsche Art der Rückbindung des Menschen an das Jenseits von Raum und Zeit«.115 Im Anschluss an seinen Verfassungsentwurf legte Oberlercher ein Jahr später sein »100-Tage-Programm« (1993) vor.116 Dieses bestand aus 100 Tagesordnungspunkten, die nach der »Machtergreifung des nationalen Lagers« und der Bildung einer »Notstandsregierung« umgesetzt werden sollten. Es umfasste wirtschaftliche, politische und kulturelle Maßnahmen, die sich an die Ziele des RVerfE anlehnten. Dazu gehörten die Ausweisung arbeitsloser Ausländer, die Inhaftierung von Obdachlosen und »Asozialen«, die scharfe Bestrafung von Drogenhändlern, die Einschränkung der Pressefreiheit und ein Verbot von Pornografie. Über diese Strafpolitik hinaus for308

Die Intellektuellen

Die 1943/44 von dem deutschen Widerstandskämpfer und Nazigegner Josef Wirmer entworfene Flagge des »Vierten Reiches« besteht aus einem skandinavischen Kreuz und der schwarz-rot-goldenen Farbfolge der alten Trikolore der Weimarer Republik. Der rechtsextreme Aktivist Reinhold Oberlercher erklärte sie zur »Widerstandsflagge« seines zukünftigen Vierten Reiches und fügte sie in die Kopfzeile der Webseite des Deutschen Kollegs ein.

derte das Programm die »Revision des Geschichtsbildes zu Gunsten Deutschlands und [die] weltweite Durchsetzung mittels auswärtiger Kulturpolitik«, die »Durchsetzung der deutschen Sprache als ... führende Kultursprache der Welt« und die »Säuberung der deutschen Sprache ... von Amerikanismen und anderen Verfremdungen«. Das Programm verlangte nicht zuletzt die »Wiedereinsetzung des Deutschen Reiches«. Oberlerchers Überlegungen zur Ausgestaltung des Reiches erstreckten sich auch auf seine visuellen Symbole. Das »Vierte Reich« benötige Staatssymbole, die »unverwechselbar mit den Symbolen der vorangegangenen drei Reiche sind«, erklärte er und kündigte Ende der 1990er-Jahre die Einführung einer neuen Flagge an: »Die Reichsflagge trägt ein schwarzes Kreuz in goldenem Bett auf rotem Grund«.117 Sie gehe auf einen Entwurf des konservativen Nazigegners und Widerstandskämpfers Josef Wirmer aus den Jahren 1943–1944 zurück und sei »der einzige bekannt gewordene Flaggenentwurf für ein Viertes Reich«. Auch wenn Oberlercher überzeugt war, dass Wirmer durch seine Unterstützung des deutschen Widerstands ein Verbrechen begangen hatte und »völlig zu Recht mit dem Tode bestraft wurde«, sei es annehmbar, seinen Entwurf zu verwenden, denn es könne »heute nur 309

6.  Das Vierte Reich in der jüngeren deutschen Vergangenheit

darum gehen, ein Deutsches Reich ohne Hitler zu schaffen«. Da die neue Flagge die Trikolore der Bundesrepublik aufgab, die in der »Französischen Konterrevolution ... von 1789« wurzelte, bilde sie ein echtes neues Symbol zur Würdigung »der Epoche des historischen Nationalsozialismus und der heldenhaften Errettung des Deutschen Reiches durch den Durchhaltewillen des Deutschen Volkes«. Oberlercher versuchte, seine Anhänger nicht nur mit neuen Symbolen, sondern auch mit aggressiver Rhetorik zu mobilisieren. In seinem Aufsatz »Die Zerstörung der Demokratie durch die Verfolgung der Patrioten« stellte er 1997 die Legitimität der Bundesrepublik infrage und verstärkte so seine Bemühungen um die Errichtung eines neuen Reiches.118 Zu lange hätten deutsche Beamte – in Absprache mit den Alliierten – dem deutschen Volk »Selbsthass« aufgezwungen und seinen Patriotismus geschwächt. Sie hätten die deutsche Demokratie untergraben und sie in bloßen »politische[n] Kapitalismus« verwandelt. Ohne eine patriotische Seele sei die Bundesrepublik geistig tot. Unter Rückgriff auf die Ideen von Roeder, Kühnen und Sander kam Oberlercher zu dem naheliegenden Schluss: Die BRD ist das Wachkoma des Dritten Reiches. Die berühmtesten zwölf Jahre der deutschen Geschichte sind nur die Zeit der Handlungsfähigkeit des Dritten Reiches, die Epoche danach ist sein Koma, seine Handlungsunfähigkeit. ... Die BRD muß untergehen, damit das Dritte Reich endlich sterben und vom Vierten Reich konstruktiv überwunden werden kann. Dann erst erlöst das Reich der Deutschen die Welt zu neuer Entfaltung ... Wie genau das Reich wiederbelebt werden könne, ließ Oberlercher offen, deutete jedoch den notwendigen Einsatz von Gewalt an. Obwohl er hoffte, dass dem deutschen Volk »neues Blutvergießen erspart bleibe«, schwor er, »die Hauptverantwortlichen« für die »Existenz von Teilungsstaaten« wegen »Landes- und Hochverrat« vor Gericht zu stellen und sie »zum Tode« zu verurteilen. Diese radikale Wende in Oberlerchers Denken verschärfte sich mit dem Eintritt von Horst Mahler in das Deutsche Kolleg 1998 nur noch mehr. In jenem Jahr überzeugte Mahler Oberlercher und einen weiteren linken Rene310

Die Intellektuellen

Nach der deutschen Wiedervereinigung war Horst Mahler der radikalste rechtsextreme Vertreter eines Vierten Reiches; er verband seine Forderung nach einem Sturz der deutschen Regierung mit antisemitischer Hetze und der Leugnung des Holocaust.

gaten, Günter Maschke, zur Mitarbeit an einem in den Staatsbriefen veröffentlichten Manifest mit dem Titel »Kanonische Erklärung zur Bewegung von 1968«.119 Das Dokument sorgte landesweit für Schlagzeilen, da es die Studentenbewegung provokativ als »nationalrevolutionären« Aufstand bezeichnete; sie sei gemeinsam von der neuen Rechten und der neuen Linken angeführt worden, um Deutschlands »Selbstbefreiung« vom Sowjetismus, Amerikanismus und Kapitalismus herbeizuführen.120 Im November 1999 bauten Mahler und Oberlercher mit einem weiteren Essay, »Thesen zur Reichsstatthalterschaft«, auf dieser Erklärung auf und bekräftigten, das 311

6.  Das Vierte Reich in der jüngeren deutschen Vergangenheit

Reich habe das Ende des Zweiten Weltkriegs überlebt und sei dazu bestimmt, die Bundesrepublik nach Wiedererlangung ihrer Handlungsfähigkeit zu ersetzen.121 In dem von Mahler, Oberlercher und Meenen im Oktober 2000 veröffentlichten Manifest »Aufruf zum Aufstand der Anständigen« propagierte das DK einen äußerst radikalen Antisemitismus. Die Verfasser bezeichneten den »Judaismus« dreist als »eine tödliche Gefahr für die Völker«, beschrieben die »zweitausendjährige Geschichte des Abendlandes« als »Kampf des zersetzenden jüdischen Geistes gegen den sittlichen Geist der Germanen« und forderten »das Verbot der jüdischen Gemeinden in Deutschland«.122 Das DK drängte außerdem weiterhin auf die Schaffung eines Reiches. Im Juni 2002 veröffentlichte die Gruppe eine »Petition an die deutschen Fürsten«, in der sie die führenden Vertreter von 22 Königshäusern ‒ von Anhalt bis Württemberg ‒ aufforderte, »die Macht zu ergreifen« und »das Deutsche Reich mit seiner monarchistisch-aristokratischen Verfassung wiederherzustellen«.123 Die Verfasser wiederholten die Ansicht, wonach die drei »Reichszerteilungsregime« nach 1945 – Westdeutschland, Ostdeutschland und Österreich – null und nichtig seien; für die deutschen Fürsten sei es an der Zeit, ihre »Reichsgewalt« an das »Deutsche Volk« zu übertragen und eine »Reichsversammlung« einzuberufen. Unter Führung eines Reichsstatthalters aus dem Haus Hohenzollern werde die Versammlung alle Mittel – einschließlich des Kriegsrechts – einsetzen, um die »Wiederherstellung des Deutschen Reiches als einer starken europäischen Zentralmacht« zu verfolgen. Mit diesem Ziel vor Augen werde »die Schreckenszeit des Interregnums ein Ende haben [und] das Reich in der Mitte Europas als Stützpfeiler einer dauerhaften Friedensordnung in die Geschichte eintreten«. Ebenfalls 2002 veröffentlichte das DK eine Reihe von Gesetzentwürfen, die verschiedene Aspekte des Lebens im Reich regeln sollten. Die fast ein Dutzend Bereiche umfassenden Gesetze, darunter Gesellschaft, Wirtschaft, Kunst und Kultur, führten den Verfassungsentwurf näher aus und enthielten offiziell klingende Namen und Abkürzungen wie zum Beispiel Sozialordnungsgesetz (SozOG), Arbeitsdienstgesetz (ArbDG) und Wirtschaftsordnungsgesetz (WirtOG), die bestehende Bundesgesetze nachahmten und dem zukünftigen Reich den Anstrich der Authentizität gaben. Keine dieser Äußerlichkeiten konnte jedoch über die rechte Stoßrichtung der Gesetze 312

Die Intellektuellen

hinwegtäuschen. Unter anderem verboten die Gesetze den Judaismus (ein »monotheistischer Kult«) und erklärten »Diskriminierung« zur offiziellen Staatspolitik: »Diskriminierung ist die abwertende Unterscheidung des Bösen vom Guten, des Hässlichen vom Schönen, ... des Fremden vom Eigenen«.124 Ungeachtet dieser programmatischen Aktivitäten hatte das DK zunehmend mit internen Auseinandersetzungen zu kämpfen und geriet nach der Jahrtausendwende ins Stocken. Die ersten Anzeichen machten sich 1999 bemerkbar, als es zum Bruch zwischen Sander und Oberlercher kam.125 Ein Jahr zuvor war Sander nach der Veröffentlichung von Texten des HolocaustLeugners Germar Rudolf mit den deutschen Behörden in Konflikt geraten und zu acht Monaten Haft wegen Volksverhetzung verurteilt worden.126 Wahrscheinlich wegen dieses Zusammenstoßes mit dem Gesetz distanzierte sich Sander von der zunehmend antisemitischen Haltung, die das DK mit dem Eintreffen Mahlers verfolgte.127 Zu diesem Zeitpunkt hegte Sander erste Bedenken gegen die »kabbalistische Sicht des Reiches« im DK und seine »Fetischisierung von Gesetz und Verfassung«.128 Mit dem Zerwürfnis zwischen Oberlercher und Mahler zeigte das DK weitere Auflösungserscheinungen. Nach 2000 legte Mahler nur noch extremeres Verhalten an den Tag: Er leugnete aggressiv den Holocaust, unterstützte freimütig die Anschläge al-Qaidas vom 11. September 2001 auf die USA und vertrat die NPD als Anwalt in einem Verbotsverfahren vor dem Verfassungsgericht.129 2004 geriet Oberlercher aufgrund von Mahlers Extremismus in Schwierigkeiten, da beide zusammen mit Meenen wegen Volksverhetzung im Zusammenhang mit ihrem Manifest von 2000, »Aufruf zum Aufstand der Anständigen«, verurteilt wurden. Vor Gericht wiederholte Mahler die Thesen des DK zum Fortbestehen des Deutschen Reiches und der fehlenden Legitimität der BRD. Vor allem nutzte er den Prozess jedoch, um vor dem (zum großen Teil aus Neonazis bestehenden) Publikum im Gerichtssaal seine antisemitischen Ansichten kundzutun und sich zum Märtyrer zu stilisieren.130 Da diese Ausrichtung im Widerspruch zu Oberlerchers umfassenderen Zielen stand, gingen die beiden Männer schließlich getrennte Wege.131 In der Folge verlor das DK einen Großteil seines aktivistischen Impetus.

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6.  Das Vierte Reich in der jüngeren deutschen Vergangenheit

Die Populisten: Die NPD und die Reichsbürgerbewegung Andere rechte Gruppen verfolgten jedoch weiter das Ziel eines Vierten Reiches. Eine davon war die NPD. Seit ihrem rasanten Aufstieg Ende der 1960er-Jahre trat die Partei auf der Stelle und führte neben der DVU und den Republikanern ein Schattendasein. Nach der Wiedervereinigung und vor allem nach der Jahrtausendwende nahm die Partei jedoch an Fahrt auf. Nach 1996 versuchte der neue NPD-Vorsitzende Udo Voigt, sie zu einer »aktionistischen« Partei zu machen, die sich dem »Kampf um die Straße« verschrieb, große öffentliche Demonstrationen organisierte und mit ihrem Programm für Aufsehen sorgte.132 Dabei bekannte sich die NPD ausdrücklich zur Reichsidee.133 Ab Ende der 1990er-Jahre erklärte die Partei die »Neuvereinigung zu einem Deutschen Reich« zum obersten Ziel; der zukünftige Staat solle eine starke »Zentralgewalt« haben und die größeren Bedürfnisse der »Volksgemeinschaft« verfolgen.134 Diese Hinwendung zum Reich dürfte ein Spiegel der zunehmenden Überschneidungen zwischen NPD und dem DK, insbesondere denen zu Meenen und Mahler, gewesen sein.135 Der Einfluss des DK dürfte auch erklären, warum sich Voigt in der Folge einige der Kerngedanken des Kollegs zu eigen machte: 2004 bezeichnete er die Bundesrepublik beispielsweise als einen illegitimen »Vasallenstaat« mit »gar keine[r] legitime[n] Verfassung«; die NPD versuche, durch »revolutionäre Veränderung« die BRD zu überwinden.136 Unabhängig davon, warum die NPD den Reichsgedanken aufgriff: Dass sie es tat, tat ihrem Wahlergebnis keinen Abbruch, ganz im Gegenteil. Bei den sächsischen Landtagswahlen erhielt die Partei 2004 9,2 Prozent der Stimmen137 – ein Erfolg, der vielen deutschen Journalisten zu denken gab und manche befürchten ließ, die Partei wolle »ein Viertes Reich nach Vorbild des Dritten«.138 Obwohl die NPD die Reichsidee unterstützte, trug sie wenig zu ihrer Umsetzung bei. Schuld daran waren parteiinterne Grabenkämpfe. Zwei Jahre nach Mahlers Ausscheiden aus der Partei im Jahr 2003 traten mehrere sächsische NPD-Abgeordnete aus der Partei aus; sie lehnten den von Voigt gesetzten Schwerpunkt auf ein »Viertes Reich« ab und wollten sich vielmehr für die schwierige wirtschaftliche Situation in Sachsen einsetzen.139 Etwa zur 314

Die Populisten

gleichen Zeit erklärten die führenden Politiker der Republikaner, sie lehnten die Zusammenarbeit mit der NPD ab, da diese sich zu einem neuen Reich bekenne.140 Bei den Bundestagswahlen 2005 erhielt die NPD nur 1,8 Prozent der Stimmen; zwei Jahre später spielten die Parteichefs laut deutschen Presseberichten das Konzept eines zukünftigen Reiches zugunsten einer stärker antikapitalistisch ausgerichteten Botschaft herunter.141 In der Folge sorgten finanzielle Schwierigkeiten der Partei zusammen mit den anhaltenden Bemühungen der Behörden um ein Parteiverbot für weitere Probleme.142 Der Traum von einem Reich lebte gleichwohl fort und fand Anhänger in der neuen Reichsbürgerbewegung. Die Bewegung geht auf die 1980er-Jahre zurück, als sich verschiedene kleine Splittergruppen wie die »Kommissarische Reichsregierung« (KRR) mit dem Ziel der Wiederherstellung des Reiches formierten.143 In den 1990er-Jahren wurde es still um die Bewegung, doch nach der Jahrtausendwende erhielt sie dank der Aktivitäten von Horst Mahler neuen Auftrieb. Nach seinem Ausscheiden aus dem DK und der NPD war es Mahlers Ziel, die Bevölkerung von der fortdauernden Existenz des Deutschen Reiches zu überzeugen.144 Im Februar 2003 gründete er im niedersächsischen Verden einen Freundeskreis von Reichsbürgern und verfasste ein Manifest, in dem er erklärte, die Leugnung des Holocaust werde zu einem »Aufstand des deutschen Volkes« führen und »das Deutsche Reich« wieder zu sich kommen lassen.145 2006 setzte Mahler seine Bemühungen mit der Gründung der Völkischen Reichsbewegung und der Veröffentlichung eines programmatischen Textes mit dem Titel »Ehre Wahrheit Heimat« fort. In diesem gut 30-seitigen Dokument, bestehend aus Gesetzentwürfen und politischen Prinzipien, berief sich Mahler über 80-mal auf den Reichsbegriff und bezeichnete ihn als einzige Rechtsgrundlage für den deutschen Staat.146 »Es ist der Wille des Deutschen Volkes«, schrieb er, »nach dem Führerprinzip verfasst zu sein und als Deutsches Reich aufzuerstehen«.147 Das »wiedererstandene […] Deutsche[…] Reich [werde] mit den anderen europäischen Mächten« zusammenarbeiten, um den »Kontinent des Weißen Mannes« »gegen Übergriffe raumfremder Mächte« zu schützen und als »Abhalter des Bösen« zu dienen. Mit der »Wiederbelebung des Deutschen Reiches und der Wiederherstellung seiner Handlungsfähigkeit … werden Freiheit und Frieden endlich zu den Deutschen und allen europäischen Völkern kommen«.148 315

6.  Das Vierte Reich in der jüngeren deutschen Vergangenheit

Die Reichsbürgerbewegung umfasste neben den Anhängern Mahlers zahlreiche weitere Gruppen, Mahlers Bemühungen trugen jedoch zur Radikalisierung der Bewegung bei. Jahrelang galt die Szene als Sammelbecken von exzentrischen, aber harmlosen Spinnern. Als sich nach 2010 jedoch die Akte zivilen Ungehorsams mehrten, erlangte die Bewegung zunehmend nationale Aufmerksamkeit. Bundesweit weigerten sich selbst ernannte »Reichsbürger«, Bußgelder für Parkscheine, überfällige Steuern und andere Verstöße zu zahlen mit der Begründung, die Bundesrepublik habe keine Befugnis, Gesetze zu erlassen oder durchzusetzen. Unter Berufung auf langjährige rechtsextreme Thesen erklärten die Mitglieder, das Reich habe 1945 nicht kapituliert, sondern lediglich einem Waffenstillstand zugestimmt. Die Bundesrepublik der Nachkriegszeit sei damit eine von den Alliierten geschaffene künstliche »GmbH« zur Verwaltung des deutschen Territoriums. Ein wiedervereinigtes Deutschland sei ebenso illegal.149 Da das Reich in einem Ruhezustand in der Bundesrepublik überlebt habe, reklamierten die Reichsbürger für sich das Recht, im Namen des Staates zu handeln und ihn wieder »handlungsfähig« zu machen. Sie würden alle sich daraus ergebenden staatlichen Erlasse als Ausdruck der rechtmäßigen Reichsregierung befolgen, so die Mitglieder. Um diese Fantasievorstellung glaubhaft zu machen, begannen sie, gefälschte »Reichs«-Dokumente wie Personalausweise, Führerscheine und Nummernschilder zu verkaufen; sie erhoben zudem Geldforderungen im Namen einer »Reichs«-Justiz und nahmen »Verhaftungen« durch eine selbst ernannte Bürgerwehr (Deutsches Polizei Hilfswerk, DPHW) vor.150 Dabei kam es sogar zu Gewalttaten gegen Staatsbedienstete. 2016 wurden bei einer Razzia im Haus eines Reichsbürgers drei Beamte eines Spezialeinsatzkommandos in Bayern angeschossen, ein vierter erlag seinen Verletzungen. Seitdem betrachten die Bundesbehörden die Reichsbürger als rechtsextreme Terrorgefahr.151 Wenn die Bewegung tatsächlich rund 12.000 Mitglieder umfasst, ist dies verglichen mit der Größe früherer neonazistischer Gruppen eine beträchtliche Anzahl.152 Das weitere Schicksal der Reichsidee in Deutschland ist offen. Auf der einen Seite sind viele der wichtigsten Führungspersonen nicht mehr aktiv. Mit dem Tod von Kühnen 1991, dem von Roeder 2014 und dem von Sander 2017 verlor die deutsche Szene einige der wichtigsten Anhänger der Reichsidee. Mahler wurde 2009 zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt und bleibt der316

Die Populisten

In den letzten Jahren haben deutsche Rechtsextreme wie die migrations- und islamfeindlichen Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (Pegida) mit der 1943/44 vom NS-Widerstandskämpfer Josef Wirmer entworfenen Flagge des »Vierten Reiches« gegen die Politik von Kanzlerin Angela Merkel protestiert.

zeit in Haft.153 Die NPD-Chefs Voigt und Meenen wurden 2012 der Volksverhetzung für schuldig befunden, ihre Partei könnte zudem durch das Bundesverfassungsgericht verboten werden.154 Auf der anderen Seite hat die Reichsidee neue Anhänger auf der politischen Rechten gefunden.155 Die Alternative für Deutschland (AfD) hat Mitglieder der Reichsbürgerbewegung in ihren Reihen begrüßt und durchblicken lassen, dass sie die Bundesrepublik für unrechtmäßig hält.156 Unterstützer der migrations- und islamfeindlichen Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (Pegida) waren unterdessen bei Massendemonstrationen mit der von Josef Wirmer entworfenen und vom DK geförderten Flagge des Vierten Reiches zu sehen. Die Reichsidee ist in Deutschland außerdem dank rechter Publizisten, Prominenter und selbst ernannter Politiker in den kulturellen Mainstream eingesickert.157 Diese Entwicklungen zeigen, dass ein neues Reich für 317

6.  Das Vierte Reich in der jüngeren deutschen Vergangenheit

die extreme Rechte nach wie vor ein erstrebenswertes Ziel ist. Seitdem sich die Reichsidee als Kampfbegriff und Mittel zur Rekrutierung als tauglich erwiesen hat, bleibt sie ein Mobilisierungsfaktor.

Ein neues Leben für das Vierte Reich: Kulturelle Ängste vor dem Nazismus Die nach 1989 zunehmende Sorge vor der Begründung eines Vierten Reiches durch die neue Rechte und neonazistische Gruppen äußerte sich auch in kultureller Hinsicht. Zwischen 1990 und der Jahrtausendwende machte sich das Thema eines wiederbelebten Deutschen Reiches in einer neuen Welle von Romanen, Filmen und Fernsehsendungen in prominenter Weise bemerkbar. Im Vergleich zur enormen Anzahl an Erzählungen in den langen 1970er-Jahren war die Welle der 1990er-Jahre zwar weniger groß, ähnelte aber in vielerlei Hinsicht ihrem Vorgänger. In den Erzählungen gab es grundlose Gewalt, reichlich Sex und ungelenke Formulierungen, die allerdings an die Welt nach dem Kalten Krieg angepasst wurden. Die Motive der Autoren waren vielfältig. Einige von ihnen hatten während des ursprünglichen Booms namhafte Werke veröffentlicht und wollten an ihren bisherigen Erfolg anknüpfen. Andere waren Newcomer, die an einem literarischen Revival des Nationalsozialismus teilzuhaben hofften. Wie nicht anders zu erwarten, stießen die Texte auf ein geteiltes Echo. Im Mittelpunkt der meisten Erzählungen standen geheime nationalsozialistische Verschwörungen, die ein wiedervereintes Deutschland in ein Viertes Reich zu verwandeln versuchten. Zwei von ihnen waren Fortsetzungsromane. Thomas Giffords The First Sacrifice (1994) knüpfte dort an, wo sein Roman The Wind Chill Factor von 1976 aufgehört hatte. Der Protagonist John Cooper will den mächtigen Nazimilliardär Wolf Koller an der Umsetzung seines sogenannten SPARTAKUS-Plans hindern, durch den Europa von einem deutsch-russischen Bündnis beherrscht würde. Robert Ludlums Roman Die Lennox-Falle [Apocalypse Watch, 1995] setzte die Handlung seines Bestsellers Der Holcroft-Vertrag von 1978 fort. Amerikanische Geheimdienstler versuchen eine erneute Kampagne der ruchlosen und diesmal als »Bruderschaft« organisierten Sonnenkinder zu vereiteln, die das Trinkwasser 318

Ein neues Leben für das Vierte Reich

verschiedener Länder Westeuropas und Nordamerikas vergiften und so weltweites Unheil anrichten wollen. An seinen früheren Roman anknüpfen wollte auch Jack Higgins mit Thunder Point (1993). In ihm kämpfen britische Regierungsvertreter gegen aktuelle Nazisympathisanten, die in der Karibik nach dem Wrack eines von Martin Bormann befehligten NS-U-Bootes suchen; darin sollen sich belastende Dokumente mit den Namen britischer und amerikanischer Nazisympathisanten aus der Kriegszeit befinden. Im Zuge der neuen Welle machten auch neue literarische Talente von sich reden. Im Mittelpunkt von Allan Folsoms Roman The Day After Tomorrow (1994) steht ein amerikanischer Arzt, der eine neonazistische Verschwörung der Gruppe »The Organization« zu vereiteln versucht; diese will durch kryogene chirurgische Eingriffe eine Herrenrasse schaffen und so das Dritte Reich wiederbeleben. In Glenn Meades Roman Unternehmen Brandenburg (1997) schmiedet eine Zelle lateinamerikanischer und deutscher Neonazis mit dem sogenannten Brandenburgischen Testament ein unheimliches Komplott, um mit geschmuggelten Atomwaffen die bestehende Bundesregierung zu stürzen und »ein neues, wohlhabendes und mächtiges Reich« zu errichten.158 Einige der Geschichten lehnten sich in zentralen Handlungsmomenten an das »Hitler-lebt«-Genre an. Ludlums Roman Die Lennox-Falle nahm insofern ein überraschendes Ende, als der Protagonist Drew Latham schließlich zugibt, dass die Untaten der Bruderschaft von einem französischen Landschloss aus gesteuert werden, dessen Hauptbewohner niemand anders als ein »bettlägeriger« Adolf Hitler ist.159 Folsoms The Day After Tomorrow gipfelt in einer Szene, in der der Protagonist, Doktor Paul Osborne, den eiskalten Bösewicht der »Organisation«, von Bolden, auf dem schweizerischen Jungfraujoch in eine Gletscherspalte stößt. Während von Bolden in den Abgrund stürzt, verliert er die Kontrolle über eine geheime Kiste, die er mit sich führt, und verschüttet deren Inhalt – »den abgetrennten, tiefgefrorenen Kopf von Adolf Hitler«.160 Wie dieser letzte Satz des Romans verrät, zielten die kryogenen Experimente der »Organisation« seit je darauf, einen geeigneten Körper für den wiederbelebten Führer eines Vierten Reiches zu schaffen. Glenn Meades Unternehmen Brandenburg machte schließlich Anleihen bei Ib Melchiors The Watchdogs of Abaddon: Ein bislang unbekannter Sohn von Adolf Hitler und Geli Raubal versucht, die politische Vision seines verstorbenen Vaters umzusetzen. 319

6.  Das Vierte Reich in der jüngeren deutschen Vergangenheit

Die Autoren dieser Romane hatten unterschiedliche, zum Teil rein materielle Beweggründe. Ludlum, Gifford und Higgins hatten mit ihren Romanen der 1970er-Jahre bereits Bestsellerstatus erreicht und hofften wahrscheinlich, dass sich das Interesse an einem wiedervereinten Deutschland erneut für sie auszahlen würde. Auch Neulinge versuchten, aus der Nachfrage nach Geschichten über Nazis Kapital zu schlagen. Der erfolgreichste Autor, Allan Folsom, kassierte mit zwei Millionen Dollar den größten Vorschuss aller Zeiten für einen Erstling.161 Doch auch aus ideellen Gründen engagierten sich die Autoren im Kampf gegen den Neonazismus. In einer »Anmerkung des Autors« zu Beginn seines Romans The First Sacrifice erklärte Gifford, dass »die Ereignisse im neuen, wiedervereinigten Deutschland verstörend genug waren, um ein erneutes Aufgreifen der Figuren [seines vorherigen Romans] zu rechtfertigen«. Folsom hatte unterdessen The Day After Tomorrow geschrieben, weil »die Erinnerungen [an die NS-Zeit] verblassten«: »Ich hatte wirklich das Gefühl, dass wir das Geschehene gar nicht genug betonen können.«162 Ludlum schrieb Apokalypse Watch nach einer Begegnung mit Neonazis auf den Straßen Münchens: »Ich habe das Buch mit Wut geschrieben ... und der Hoffnung, eine Veränderung in den Köpfen zu bewirken.163 In den Werken dieser Autoren ist der Nationalsozialismus jedoch kein rein deutsches Problem, sondern hat globale Dimensionen. In Giffords Roman unterstützen amerikanische Geheimagenten Hans Koller heimlich bei seiner Wiederbelebung des Nazismus, um eine Vormachtstellung Deutschlands in Europa zu verhindern. Die Bruderschaft in Ludlums Roman schleust erfolgreich nationalsozialistische Maulwürfe in die amerikanische Regierung ein und löst eine Hexenjagd à la McCarthy aus. In Higgins’ Roman halten Vertreter der britischen Regierung Informationen über eine Kollaboration mit den Nazis zu Kriegszeiten geheim; da der Premierminister weiß, dass ein naher Verwandter in die Dokumente verwickelt ist, verbrennt er sie kurzerhand in seinem Kamin. Die amerikanische und die britische Regierung legen kurz gesagt unmoralische, wenn nicht gar geradezu nazistische Tendenzen an den Tag. Viele der Romane waren nicht nur ein kommerzieller Erfolg, sondern kamen auch bei Kritikern gut an. Ludlums Apocalypse Watch, Folsoms The Day After Tomorrow, Giffords The First Sacrifice und Meades Unternehmen 320

Ein neues Leben für das Vierte Reich

Brandenburg erlangten Bestsellerstatus oder hatten sechsstellige Auflagen.164 Auch die Kritiken waren positiv. Folsoms Roman sei »enorm unterhaltsam« und ein »außergewöhnlicher Thriller«, hieß es.165 Ludlums Buch wurde als »Riesenspaß« gelobt.166 Giffords The First Sacrifice galt als »fantastische Lektüre« und »erschreckend plausibel«.167 Unternehmen Brandenburg wurde als »schnell, schlitzohrig und clever« bejubelt.168 Und Thunder Point galt als »ungeheuer unterhaltsam« und als ein »Riesenabenteuer«.169 Einige der Romane waren so beliebt, dass sie in Hollywood verfilmt wurden; Apocalypse Watch und Thunder Point waren als Fernsehfilme zu sehen.170 Bemängelt wurden gleichwohl die zahlreichen ästhetischen und thematischen Schwächen der Werke. Ludlums Roman – der letzte des Autors – sei »250 Seiten länger« als nötig und eine »große Enttäuschung«.171 Giffords »melodramatische« Handlung »kippe ... ins Unwahrscheinliche«.172 Unternehmen Brandenburg sei so »verworren wie ein ungemachtes Bett«.173 Higgins’ Roman sei »nicht sein bester« und habe »wenig Tiefe«.174 Auch die Verfilmungen von Ludlums und Higgins’ Werken stießen auf mäßige Resonanz.175 Die deutlichste Kritik galt Folsoms The Day After Tomorrow. Wie andere Autoren wurde Folsom beschuldigt, den »eintönigen« Stil Ludlums nachzuahmen und »unaufhörliche Erklärungen« ohne tiefere philosophische Erkenntnisse zu produzieren.176 Inhaltlich galt seine Geschichte als überholt. Ein Kritiker bezeichnete die »Hitler-lebt«-Prämisse als »abgedroschen, schrill und überstrapaziert«.177 Ein anderer wies das »Er-ist-wiederda«-Motiv vollständig von sich und befand, Folsom gehöre in ein »Wachsmuseum der Popkultur«, denn er habe »einen Schund-Grabstein für das Zeitalter der Intrige [geschaffen], als weiße Männer auf der Karrierespur ... auf die Rolle der Playboy-Freiheitskämpfer versessen waren.«178 Deutsche Kritiker ärgerten sich über die geplante Verfilmung von The Day After Tomorrow. 1997 erklärte der Feuilletonchef der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Frank Schirrmacher, es widere ihn an, dass die Popularität des Buches das »kollektive Unbewusste« angloamerikanischer Leser widerspiegele.179 In ihrer Gesamtheit ließen diese Kommentare darauf schließen, dass die Romane der Zeit die Originalität und Relevanz verloren hatten, die sie eine Generation zuvor besessen hatten. Dieser Eindruck verstärkte sich schließlich, als in den 1990er-Jahren vereinzelt Romane oder Filme erschienen, die die Vorstellung eines Vierten 321

6.  Das Vierte Reich in der jüngeren deutschen Vergangenheit

Reiches ins Lächerliche zogen. Diese Werke ästhetisierten das nationalsozialistische Erbe, waren jedoch eher unterhaltend als belehrend und zeigten so, wie eine Tragödie mit der Zeit in eine Komödie umschlagen konnte. In einer kurzen Szene des Erfolgsfilms L. A. Story (1991) lädt ein Meteorologe (Steve Martin) aus Los Angeles eine junge Frau (Sarah Jessica Parker) in ein exklusives Restaurant ein und muss, bevor er die Rechnung bezahlen kann, ein Gespräch mit einem Finanzberater in einer Zweigstelle der »Vierten-ReichsBank Hamburg« vereinbaren.180 1990 erwähnte das Spy Magazine gelegentlich einen Pseudo-»Fortsetzungsroman« mit dem Titel 1999: Casinos of the Fourth Reich, der die Reichen und Berühmten parodierte.181 Einige Jahre später veröffentlichte das legendäre Revolverblatt Weekly World News eine Reihe von reißerischen Artikeln, um ihre Leser mit dem abstrusen Schreckensszenario eines fiktiven Vierten Reiches zu konfrontieren: In einem dieser Artikel war von einem »geheimen deutschen Komplott [die Rede], um den Dritten Weltkrieg zu beginnen« und ein »Viertes Reich« zu gründen, das »Kalifornien annektiert« und »blonde Frauen zwingt, den deutschen Besatzern als ›Gebärerinnen‹ zu dienen«. Ein anderer Artikel handelte von einer »im Eis der Antarktis gefrorenen« »Naziarmee«, die insgeheim die Errichtung eines »finsteren Vierten Reiches und die Eroberung der Welt« plane.182 Diese Werke waren relativ außergewöhnlich für das Jahrzehnt, zeigten aber, wie eine erneute Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im Lauf der Zeit ihren Schrecken verlor.

Ein deutsches Trojanisches Pferd? Die Europäische Union als Viertes Reich Die Sorge um ein Viertes Reich konzentrierte sich nicht nur auf ein mögliches Wiederaufleben des Nationalsozialismus in Deutschland, sondern betraf eine mögliche Dominanz der Europäischen Union durch Deutschland. Bereits in den 1970er-Jahren äußerten verschiedene europäische Länder bisweilen die Sorge vor einem wirtschaftlichen deutschen »Vierten Reich«.183 Diese Bedenken nahmen jedoch in den Jahren 1989/90 stark zu, bevor sie im weiteren Verlauf des Jahrzehnts wieder abebbten. Nach der Jahrtausendwende, vor allem nach der Finanzkrise 2008, kehrten sie jedoch zurück. Die 322

Die Ängste der Nachwendezeit

Rolle Deutschlands bei der Reaktion der EU auf die Krise – insbesondere die Forderung nach schmerzhaften Sparmaßnahmen – hinterließ bei vielen europäischen Ländern ein Gefühl der Verbitterung über ihren Autonomieverlust und führte zu populistischen Gegenreaktionen. Kritiker in Griechenland, Italien und anderen Ländern warfen der Bundesrepublik vor, ein neues Reich errichten zu wollen. Sie nutzten das Konzept als rhetorisches Mittel, um ihrem Unmut über die europäische Integration freien Lauf zu lassen.

Die Ängste der Nachwendezeit Unmittelbar nach dem Fall der Berliner Mauer 1989 wurden in Europa Ängste vor einer wirtschaftlichen Vormachtstellung Deutschlands wach. In einem Leitartikel vom 12. November hegte die Londoner Times Befürchtungen, die unvermeidliche deutsche Wiedervereinigung werde zur »Entstehung eines Vierten Deutschen Reiches als wirtschaftlicher Supermacht Europas« führen. Aus Sorge, die Sowjetunion könne die Wiedervereinigung nur im Gegenzug für »deutsche Neutralität« zulassen, sah die Times gar ein »Ende der NATO« voraus; Deutschland werde zur »Lokomotive« für den »Wiederaufbau ... der neuerdings freien Marktwirtschaften Osteuropas« werden. Damit stelle sich die Frage: »Was wird dann aus Großbritannien?«184 Eine Woche darauf gab die Times eine düstere Antwort: Großbritannien sei wahrscheinlich dazu bestimmt, »in einem Vierten Reich unter ferner liefen zu landen«.185 Französische Beobachter hegten ähnliche Bedenken. Wie eine Umfrage im Dezember 1989 ergab, befürchteten drei Viertel der Franzosen, die deutsche Vereinigung werde zu einer »wirtschaftlichen Dominanz« und einem »Vierten Reich« führen.186 In Griechenland bezeichnete die linksradikale Terrororganisation »17. November« die Bundesrepublik 1990 als »Viertes Reich« und warf ihr vor, Griechenland mit »wirtschaftlicher Gewalt« »aufkaufen« zu wollen.187 Die Angst vor der wirtschaftlichen Vormachtstellung Deutschlands war auch mit der Sorge um die außenpolitischen Ambitionen des Landes verbunden. Entsprechende Bedenken wurden während des jugoslawischen Bürgerkriegs zu Beginn der 1990er-Jahre laut. Nachdem sich Slowenien und 323

6.  Das Vierte Reich in der jüngeren deutschen Vergangenheit

Kroatien 1991 für unabhängig erklärt hatten, kritisierten serbische Politiker und Journalisten die Regierung Helmut Kohl für ihre diplomatische Unterstützung der abtrünnigen Staaten wiederholt als expansionistisches »Viertes Reich«. Diese Verbalattacke überschnitt sich zeitlich mit der Tendenz aller Parteien im jugoslawischen Konflikt, verdrängte Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg wachzurufen. Die Serben beriefen sich häufig auf die Kriegsverbrechen der kroatischen Ustascha (die Anfang der 1940er-Jahre rund 600.000 Serben ermordete), um dem nationalistischen Regime des kroatischen Präsidenten Franjo Tuđman neofaschistische Absichten gegen sie vorzuwerfen.188 Die Serben erinnerten an die Unterstützung des kroatischen Marionettenstaates durch Nazideutschland im Zweiten Weltkriegs und behaupteten Anfang der 1990er-Jahre, die Anerkennung Kroatiens durch Deutschland sei Teil eines Plans zur Ausweitung der deutschen Einflusssphäre auf der Balkanhalbinsel.189 Die stillschweigende deutsche Duldung der slowenischen und kroatischen Angriffe komme einer neuen »Münchner Konferenz« gleich; die Regierung Kohl verfolge ein »Viertes Reich« von der »Ostsee bis zur Adria«.190 In Deutschland war die Reaktion erwartungsgemäß gespalten; marxistische Gruppen unterstützten die Behauptungen der Serben, ein »Viertes Reich wolle den Balkan dominieren«, während offizielle Vertreter Deutschlands die Anschuldigungen als tendenziöse Rhetorik zurückwiesen.191 Ihr Verdacht sollte sich bald bestätigen. Als sich der Bürgerkrieg 1992 nach Bosnien verlagerte, änderte die serbische Regierung ihre Propagandastrategie, verzichtete auf Verweise auf das Vierte Reich und behauptete dafür, bosnische Streitkräfte seien die Speerspitze eines von der Türkei und dem Iran unterstützten Einfalls der Muslime.192 Dieser Kurswechsel offenbarte die reine Instrumentalisierung des Begriffs zum Schüren antideutscher Ressentiments.193 In den 1990er-Jahren legte sich angesichts neuer wirtschaftlicher Schwierigkeiten in der Bundesrepublik allmählich die europäische Angst vor einer deutschen Hegemonialstellung. Als der Wechselkurs der D-Mark im Verhältnis zum französischen Franc 1991 sank, beruhigten sich in Frankreich die Gemüter.194 Selbst kritische Beobachter in Großbritannien schlugen einen moderateren Ton an. 1995 wies Martin Walker im Guardian die Ängste britischer Skeptiker zurück, »das entstehende Europa werde ein von Deutschland geführtes Viertes Reich sein«: Es sei »kolossal falsch, anzuneh324

Die Ängste der Nachwendezeit

men, dass das Vierte Reich ein Nachhall des Dritten sein wird«.195 Zwei Jahre darauf bezeichnete Niall Ferguson die anhaltenden wirtschaftlichen Probleme Deutschlands als »gute Nachricht« für Großbritannien; ein wiedervereinigtes Deutschland ähnele weniger einem »vierten Reich – reich und stark« als vielmehr »einem Weimar 2.0 – verschuldet und schwach«.196 Sicherlich nutzten britische Konservative das Vierte Reich vereinzelt weiter als rhetorische Waffe – als sich Deutschland 1996 zum Beispiel wegen der Angst vor Rinderwahnsinn für ein Exportverbot für britisches Rindfleisch in der EU einsetzte –, doch geschah dies seltener als zu Beginn des Jahrzehnts. Das Buch The Fourth Reich des britischen Journalisten Brian Reading stand sinnbildlich für das entspanntere Klima.197 Der 1995 erschienene Band gab einen umfassenden Überblick über den wirtschaftlichen Erfolg der Bundesrepublik und eine Einschätzung der wirtschaftlichen Zukunft des Landes. Trotz des sensationsheischenden Titels seines Buches sah Reading die Zukunft eines wiedervereinigten Deutschlands positiv. Im Gegensatz zu britischen Vertretern eines deutschen Sonderwegs wich die deutsche Geschichte für Reading keineswegs von der Norm ab. Er lobte das erste Reich, das Heilige Römische Reich, die »westeuropäische Zivilisation vor barbarischen Angriffen aus dem Osten« geschützt zu haben; das zweite Reich sei »nicht schlechter« als Frankreich oder Großbritannien gewesen und der »Schandfleck« des Dritten Reiches sei dank der »exemplarischen« Entwicklung der Bundesrepublik getilgt.198 Für Reading hatte Deutschland die richtigen Lehren aus der Geschichte gezogen. Das »Zweite und Dritte Reich« hätten das Land gelehrt, sich über die Gefahren eines »Wirtschaftsnationalismus« und einer »Zentralmacht« im Klaren zu sein; die Aufgabe von »Kohls Viertem Reich« sei es, Europa eine Lehrstunde in Sachen Demokratie zu erteilen und zu einem offenen und freien Europa beizutragen.199 Die Bundesrepublik sei ein entscheidender Faktor, um die europäische Unterstützung für den Freihandel zu gewährleisten und den Prozess der europäischen Integration voranzutreiben. Diese Realität müsse Großbritannien anerkennen. Die wachsende Kluft zwischen Deutschland und Frankreich biete Großbritannien die Möglichkeit, engere Beziehungen zu Deutschland zu knüpfen und Europa in eine liberale, marktwirtschaftliche Richtung zu lenken. Die britische Politik solle »nicht mehr von der Angst vor der deutschen 325

6.  Das Vierte Reich in der jüngeren deutschen Vergangenheit

Hegemonie getrieben sein«,200 sondern diese »begrüßen«.201 Wie das positive Echo in der angloamerikanischen Presse verdeutlichte, hatte das Vierte Reich für immer mehr Menschen seinen Schrecken verloren.202 Den Rest des Jahrzehnts und bis in die ersten Jahre des neuen Jahrtausends wurde Deutschland selten als wirtschaftlicher Hegemon angegriffen. Sein internationales Ansehen stieg stetig. Die Einweihung des Denkmals für die ermordeten Juden Europas in Berlin verschaffte Deutschland 2005 internationale Anerkennung für seine Bemühungen um die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit. Die anschließende Wahl von Angela Merkel zur ersten Kanzlerin des Landes brachte dem Land weitere Bewunderung für seine fortschrittliche Politik ein. Und die erfolgreiche Ausrichtung der Fußballweltmeisterschaft 2006 festigte den Ruf des Landes als geachtetes und sogar beliebtes Land.203

Die Finanzkrise und das Vierte Reich Die Popularität Deutschlands hielt jedoch nicht lange an. Die Weltfinanzkrise von 2008 ließ die europäischen Ängste vor einem Vierten Reich bald wieder aufleben. Die Ursprünge der Krise lagen in einer komplizierten globalen wirtschaftlichen Gemengelage; bei der Formulierung der europäischen Antwort spielte Deutschland jedoch eine führende Rolle. Um die Jahrtausendwende lenkten ausländische Investitionen aus wohlhabenden europäischen Ländern wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien massive Kapitalströme in die sich entwickelnden Volkswirtschaften an der Peripherie des Kontinents – insbesondere Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Italien. Obwohl diese Länder die Investitionen begrüßten, führten sie schließlich zu einer erhöhten Inflation, steigenden Handelsund Haushaltsdefiziten, einer erhöhten Staatsverschuldung und steigender Arbeitslosigkeit. Die schwere Rezession verursachte enormes soziales Elend und löste eine politische Krise aus, auf die die entsprechenden Regierungen nur mit Mühe eine Antwort fanden. Da sie ihre nationalen Währungen durch den Beitritt zur Eurozone Jahre zuvor geopfert hatten, konnten sie die traditionelle Strategie der Währungsabwertung nicht zum Schuldenabbau anwenden. In den Jahren 2010–2014 boten EU-Beamte unter Leitung der 326

Die Finanzkrise und das Vierte Reich

von Deutschland unterstützten Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) Griechenland und anderen Ländern milliardenschwere Rettungspakete, verlangten aber im Gegenzug die Einführung von Sparprogrammen mit Budgetkürzungen, Steuererhöhungen und einer in der Verfassung verankerten Schuldenbremse. Deutsche Vertreter begründeten diesen Ansatz mit der Notwendigkeit, das Vertrauen der Anleger in die verschuldeten Länder wiederherzustellen, wollten jedoch auch sicherstellen, dass die Verbindlichkeiten gegenüber deutschen Banken – die maßgeblich Kreditgeber waren – vollständig getilgt würden. Sie wiesen ferner darauf hin, dass die von der Regierung Schröder zwischen 1998 und 2005 ergriffenen Sparmaßnahmen die deutsche Wirtschaft angekurbelt hätten. Und sie brachten das Argument des moralischen Risikos vor, wonach ein Schuldenerlass ökonomische Fehlanreize auslöse.204 Unabhängig von den Ursachen verschärften die Sparmaßnahmen die Wirtschaftskrise und führten zu wütenden Gegenreaktionen in Griechenland, Italien und anderen Ländern. Auf der Linken wie auf der Rechten entstanden populistische Parteien, die aus ihrer Wut über den Souveränitätsverlust ihres Landes keinen Hehl machten. Einige wie zum Beispiel Syriza 2015 in Griechenland kamen schließlich an die Macht und drohten, die Bedingungen der Rettungspakete abzulehnen oder die Eurozone ganz zu verlassen. Um ihrem Unmut Nachdruck zu verleihen, beschuldigten sie Deutschland und die EU, sich wie ein repressives Viertes Reich zu verhalten. Die Griechen gehörten zu den aktivsten Vertretern dieser Klage. Als Angela Merkel 2012 zu Gesprächen über das Sparpaket nach Athen kam, wurde sie von Tausenden von Demonstranten begrüßt, auf deren Schildern unter anderem »Nein zum Vierten Reich« zu lesen war.205 Bei anderen Protesten schwenkten die Demonstranten wütend Plakate mit »nazifizierten« Versionen der blau-gelben EU-Flagge.206 2012 bejahten 77 Prozent der befragten Griechen die Aussage: »Die deutsche Politik dient der Schaffung eines Vierten Reiches«.207 Ein Jahr später schlug der konservative Politiker Panos Kammenos einen trotzigen nationalistischen Ton an: »Wir sind Griechen. ... Wir haben [die Deutschen] im [Zweiten Welt-]Krieg geschlagen. Wir werden sie auch in dem Vierten Reich wieder schlagen, das sie durchzudrücken versuchen.«208 Diese schrillen Forderungen sollten maximale rhetorische Wirkung erzielen, rührten aber auch an tieferen historischen Erinnerungen. 327

6.  Das Vierte Reich in der jüngeren deutschen Vergangenheit

Seit dem frühen 19. Jahrhundert und besonders während der brutalen Besatzung Griechenlands im Zweiten Weltkrieg, als die Nationalsozialisten Vermögen im Wert von Hunderten Millionen Dollar enteigneten und rund 300.000 Griechen ermordeten, sahen sich viele Griechen als Opfer deutscher Kolonialherren.209 Obwohl Westdeutschland 1960 begrenzte Reparationen an Griechenland zahlte, blieben diese weit hinter den Erwartungen der Griechen zurück.210 Die Griechen waren außerdem darüber verärgert, dass Deutschland im 20. Jahrhundert viermal von großzügigen Gläubigern gerettet worden war, sich aber dennoch weigerte, Griechenland die Schulden zu erlassen.211 Als die linke Syriza-Koalition im Januar 2015 die Regierung übernahm, versuchte Premierminister Alexis Tsipras deshalb, die historischen Erinnerungen zu seinem Vorteil zu nutzen. An seinem ersten Tag im Amt würdigte er die 200 Griechen, die von den Nazis im Athener Stadtteil Kaisariani als Vergeltung für die Ermordung eines deutschen Generals 1944 hingerichtet worden waren, und rief so den kommunistischen Widerstand gegen die Nazis in Erinnerung. Einen Monat später verglich Tsipras die Sparprogramme mit einem »sozialen Holocaust«. Und im März 2015 forderte er Deutschland auf, überfällige Kriegsentschädigungen zu zahlen.212 Ähnliche Stimmen wurden auch in Italien laut. Nachdem Ministerpräsident Mario Monti nicht die Unterstützung Merkels für niedrigere Fremdkapitalkosten am Rentenmarkt gewinnen konnte, wuchs im Sommer 2012 die antideutsche Stimmung. Gleichzeitig stand Monti unter dem Druck des ehemaligen Premierministers Silvio Berlusconi, der ein politisches Comeback andeutete und Italien außerhalb der Eurozone für überlebensfähig hielt.213 Um Unterstützung im eigenen Land zu gewinnen, veröffentlichte die im Besitz von Berlusconis Bruder Paolo befindliche Zeitung Il Giornale im August 2012 einen umstrittenen Artikel mit der Schlagzeile »Quarto Reich« und einem Foto von Merkel, auf dem sie die rechte Hand zum Gruß erhebt.214 In dem Artikel heißt es: Seit gestern befindet sich Italien … nicht mehr in Europa, sondern im Vierten Reich. Im ersten Reich rühmte sich der deutsche Souverän auch des Titels Kaiser von Rom, und es ist bekannt, wie die zwei anderen deutschen [Reiche] die europäischen Staaten unterwarfen: Zwei Weltkriege und Millionen von Toten reichen offenbar 328

Die Finanzkrise und das Vierte Reich

nicht aus, um die hegemonialen Absichten der Deutschen zu besänftigen. Jetzt kehren sie zurück, diesmal nicht mit Kanonen, sondern mit dem Euro.215 2014 veröffentlichten zwei Journalisten von Il Giornale, Vittorio Feltri und Gennaro Sangiuliano, ein Buch mit dem Titel Il Quarto Reich: Come la Germania ha sottomesso l’Europa [Das vierte Reich: Wie Deutschland Europa unterworfen hat]. Sie setzten den polemischen Angriff ihrer Zeitung aus dem Jahr 2012 fort und erklärten, der Euro ähnele den deutschen »Panzerdivisionen von einst«, da die Währung das europäische Territorium unter deutsche Herrschaft zu stellen versuche – diesmal allerdings nicht mit militärischen, sondern mit wirtschaftlichen Mitteln.216 Auch britische Beobachter beteiligten sich an der Verbalattacke. Im Sommer 2011 veröffentlichte die konservative Daily Mail einen Artikel von Simon Heffer mit dem Titel »Das Vierte Reich: wie Deutschland die Finanzkrise nutzt, um Europa zu erobern«.217 Unter Berufung auf historische Analogien erklärte er, falls die verschuldeten Länder einer »Fiskalunion« zustimmten, werde dies »einen Souveränitätsverlust mit sich bringen, den diese Länder seit 70 Jahren nicht mehr erlebt haben, seit viele von ihnen unter dem Stiefel des Dritten Reichs standen«. »Wo es Hitler misslang, Europa mit militärischen Mitteln zu erobern, gelingt dies den modernen Deutschen durch Handel und Haushaltsdisziplin. Willkommen im Vierten Reich.«218 Etwa zur gleichen Zeit deutete auch der konservative Euroskeptiker und Autor des Romans Die Akte Odessa, Frederick Forsyth, den ersten 100-Milliarden-Euro-Rettungsplan für Griechenland als »die Gründungscharta des Vierten Deutschen Reiches«, da er Deutschland die Kontrolle über die Wirtschaft seiner »Satellitenstaaten« gebe.219 Im November 2011 schaltete sich die Daily Mail erneut in die Debatte ein, diesmal auf eher launige Weise mit einer Parodie auf Mel Brooks’ unsterblichen Song »Springtime for Hitler« aus dem Film Frühling für Hitler [The Producers]. Der vom Journalisten Richard Littlejohn umgedichtete Liedtext lautete: Springtime for Merkel and Germany, Meltdown for Ireland and Greece, We’re marching forward to bankruptcy 329

6.  Das Vierte Reich in der jüngeren deutschen Vergangenheit

Watching the death of democracy ... Springtime for Merkel and Germany, We’re building a new Fourth Reich, This shouldn’t come as a mystery, Not if you study your history.220 Ähnliche Anklagen kamen auch aus anderen Ländern und unterstrichen den instrumentellen Charakter der Attacken auf Deutschland. In Liechtenstein löste Fürst Hans-Adam II. mit einer Bemerkung zum Stand der deutsch-liechtensteinischen Beziehungen 2008 eine Kontroverse aus: Sein Land warte »auf bessere Zeiten, wobei ich zuversichtlich bin, denn in den vergangenen zweihundert Jahren haben wir immerhin schon drei Deutsche Reiche überlebt, und ich hoffe, wir werden auch noch ein Viertes überleben«. Während der Prinz sich gegen Beleidigungsvorwürfe wehrte, enthüllten Presseberichte, dass er von Ermittlungen der Bundesregierung gegen liechtensteinische Banken abzulenken versuchte, die angeblich Gelder deutscher Kunden vor dem Fiskus versteckten.221 2013 erschien im Presseorgan der Kommunistischen Partei Zyperns (AKEL), Gnomi, ein Artikel mit der Schlagzeile »Invasion durch das Vierte Reich« und einer Fotomontage aus Merkels Kopf und dem Körper eines bewaffneten türkischen Soldaten, der auf die Landkarte von Zypern tritt.222 Die Partei hoffte so, ihren von Merkel unterstützten christdemokratischen Rivalen (DISY) zu diskreditieren. Auch osteuropäische Länder beteiligten sich an der Diffamierung. 2016 reagierte Polens nationalistische, regierungsfreundliche Gazeta Polska nach der Brexit-Entscheidung auf die deutschen Bemühungen um europäische Integration mit einem Titelbild, auf dem ein Hakenkreuz die EU-Flagge durchtrennt. »Wird es ein Viertes Reich geben?«, lautete die Schlagzeile der Titelgeschichte.223 Etwa zur gleichen Zeit wetterten russische Medienseiten wie Pravda Report, RT und Novorussia Today ähnlich wie russische Regierungsvertreter gegen das »Vierte Reich [von] Bundesführer ... Angela Merkel.«224 Die Gründe für die weitverbreitete Befürchtung einer EU als einem von Deutschland geführten Vierten Reich waren vielschichtig. Die Anschuldigung diente europäischen Politikern vor allem als bequemes Mittel, um die Wut seiner Bürger über interne Probleme auf ausländische Quellen umzu330

Die Finanzkrise und das Vierte Reich

lenken. Der Vorwurf hatte zudem eine tiefer liegende psychologische Dimension, da er traumatische Erinnerungen in andere Bahnen lenkte. Wie Catherine MacMillan erklärt hat, wies »der Diskurs des Vierten Reiches« die Merkmale der Schauerliteratur auf, darunter das »Unheimliche«, die »Rückkehr des Verdrängten« und das »Monströse«, die auf reale Ängste hindeuteten, Deutschland könne in sein altes, angeblich abgelegtes Dominanzverhalten zurückfallen. Die Besorgnis über das Vierte Reich diene deshalb »als Warnung an Deutschland, innerhalb [der] Grenzen ... der Demokratie, des Rechtsstaats und [der] Achtung der Menschenrechte zu bleiben, auf denen die EU beruht«.225 Ungeachtet der tieferen Beweggründe führte der Vorwurf zu umgehenden Gegenreaktionen aus Deutschland. Einige Beobachter versuchten, die Anschuldigung mit empirischen Argumenten zu entkräften. Der Soziologe Ulrich Beck fand es 2013 »absurd«, die Regierung Merkels als »viertes Reich« zu bezeichnen, und wies auf die Zurückhaltung Deutschlands bei einer militärischen Intervention in Libyen hin. Sie habe bewiesen, dass es Merkel nicht um militärische Macht gehe.226 Andere Kommentatoren zogen die Motive derjenigen in Zweifel, die die Vorwürfe erhoben. Der konservative Publizist Karlheinz Weißmann bemerkte 2012 in der Jungen Freiheit, ausländischen Kritikern sei »die Erpressbarkeit der Deutschen« durchaus bewusst, wenn sie aus opportunistischen Gründen seine »braunen Flecken« ins Feld führten.227 Drei Jahre später behauptete Dirk Schümer, die Urheber des »Deutschenhasses« nutzten »den deutschen Schuldkomplex« bewusst aus, da sie wüssten, dass ein Angriff auf das Land effektiver sei als der Angriff auf andere Gläubigernationen wie Finnland und die Niederlande, die weniger den »Gespenstern der Vergangenheit« verpflichtet seien.228 Andere Beobachter warnten vor einer Schwächung der europäischen Einheit durch haltlose Anschuldigungen, die nur nationalistischen Ressentiments Vorschub leisteten. Die FAZ konfrontierte den griechischen Oppositionsführer Alexis Tsipras 2013 mit dem Vorwurf, Syrizas Hauszeitung Avgi [Morgenröte] habe vorsätzlich »Nazi-Vergleiche« mit der Regierung Merkel angestellt, um sich bei rechtsnationalistischen Parteien beliebt zu machen.229 Unterdessen attackierten deutsche Rezensenten Feltris und Sangiulianos Buch »Il Quarto Reich«, weil es »Sympathie, Wohlwollen und Verständnis [zwischen Italien und Deutschland] nachhaltig beschädigen« könne.230 331

6.  Das Vierte Reich in der jüngeren deutschen Vergangenheit

Andere deutsche Kritiker reagierten unkonventioneller auf das rhetorische Trommelfeuer. Einige konterten mit sarkastischer Gelassenheit. So antwortete Die Welt 2011 auf die Panikmache der Daily Mail mit der trockenen Bemerkung: »Wir Deutschen [sollten] froh sein, dass es die ›Daily Mail‹ nur bei ihrem Hitler-Vergleich belassen hat. Wir sind zwar Nazis und wollen Europa kolonisieren, aber wenigstens verursachen wir keinen Krebs.«231 Andere richteten die rhetorischen Waffen der Angreifer gegen sie. Harald Martenstein riet Bundeskanzlerin Merkel im ZEIT-Magazin 2015, sich weniger berechenbar zu verhalten und auf Vorwürfe imperialer Ambitionen zu antworten: »Nun, Viertes Reich, die Idee ist eigentlich gar nicht so übel, oder? Lasst uns einfach in aller Ruhe darüber reden.« Das würde die Kritiker Deutschlands verwirren und aus dem Konzept bringen.232 Der Spiegel ging im März 2015 noch einen Schritt weiter und brachte eine Titelgeschichte, bei der ein aktuelles Merkel-Foto mit Klebestreifen in das Archivfoto einer Gruppe von Wehrmachtsoffizieren auf der Athener Akropolis 1941 eingefügt worden war. »The German Übermacht« lautete die Überschrift. Als das Magazin für sein Cover kritisiert wurde, entgegneten die Redakteure, sie ironisierten den Blick von außen, wonach Deutschland ein aggressiver, nationalsozialistischer Angreifer in Europa sei, unterstützten diese Haltung aber nicht: »missverstehen kann [den Titel] nur, wer ihn missverstehen will«.233 Andere europäische Kommentatoren sprangen den Deutschen ebenfalls bei. Im November 2011 wies The Sunday Times die Vorstellung von Deutschland als einem Vierten Reich zurück; die einzige Möglichkeit, eine »Vormachtstellung in Europa« einzunehmen, bestehe darin, tatsächlich »für die Schulden anderer Länder ... zu bürgen« – und genau das habe Deutschland bislang verweigert.234 Etwa zur gleichen Zeit warf der Historiker Richard Evans dem Journalisten Simon Heffer von der Daily Mail »Germanophobie« vor und tat dessen Behauptungen über ein zukünftiges Reich spöttisch als »ignorant und hysterisch« ab.235 Andere britische Journalisten kritisierten die Daily Mail dafür, sich an die Spitze des Dauerbeschusses auf Deutschland gesetzt zu haben; die Zeitung habe »so oft« über das Vierte Reich »geschrieben, dass wir inzwischen im Siebten oder Zehnten Reich sein müssen«.236 Die Irish Times forderte 2015 eine Rückkehr zur gebotenen Sachlichkeit; die historisch aufgeladene Rhetorik verstärke nur die Ver332

Fazit

bohrtheit auf beiden Seiten: »Berlin wird nur dann handeln, wenn die verbalen Molotowcocktails nicht mehr in seine Richtung fliegen. Vorwürfe, ... Berlin verfolge ein Viertes Reich, sind eine Schande für die Opfer der NSVerbrechen und eine Verunglimpfung für ganz normale Deutsche.«237 In den USA bezeichnete Fareed Zakaria schließlich Sangiulianos und Feltris Buch als »beschämend«, denn es »schüre ... alte Hassgefühle, für die in der heutigen Welt keine Grundlage besteht«; das »moderne Deutschland ist das eindrucksvollste Beispiel dafür, ... dass Menschen sich ändern können ... und dass ... Wiedergutmachung möglich ist«.238

Fazit In den Jahren nach der deutschen Wiedervereinigung erlebte die Vorstellung des Vierten Reiches dramatische Veränderungen, was sowohl ihre Verwendung als auch ihre Bedeutung anging. Breiteren historischen Entwicklungen folgend, war die Idee mal mehr, mal weniger in Gebrauch, wurde in Krisenzeiten aufgerufen und verschwand in Zeiten der Stabilität. In zwei konkreten Phasen stand das Vierte Reich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit: zunächst in den Jahren 1989–1994, als die Aussicht auf die deutsche Wiedervereinigung und neonazistische Umtriebe das Wiederaufleben eines deutschen Reiches befürchten ließen. Diese Bedenken verblassten in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre und in den ersten Jahren des neuen Jahrtausends. Sie tauchten jedoch in einer zweiten Phase nach dem Ausbruch der weltweiten Finanzkrise 2008 wieder auf. In beiden Zeiträumen nahm das Reden über ein drohendes Viertes Reich dramatisch zu, wenn auch auf unterschiedliche Weise. Seine Bedeutung schwankte zwischen zwei Visionen: der eines neonazistischen Staates im Einklang mit Hitlers Drittem Reich und der einer wirtschaftlichen Supermacht, die Europa über die EU eine hegemoniale Ordnung aufzwingt. Obwohl diejenigen, die sich des Ausdrucks bedienten, eine bestimmte Bedeutung im Sinn hatten, wurden bei jeder Nennung des Begriffs unweigerlich beide Bedeutungen aufgerufen. Seine symbolische Flexibilität trug maßgeblich zu seinem rhetorischen Wert bei.

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Schlussbetrachtung Sehr geehrter Herr sogenannter Präsident, Lassen Sie mich Ihnen also erklären, wie dies funktioniert. Sie wurden zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt …, wenn auch nicht mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen und with a little help from your friend … Wladimir Putin. Und das berechtigt Sie in der Tat zu bestimmen Dingen ... Doch … Ihre Wahl berechtigt Sie nicht … zu tun, was immer Ihnen gerade in Ihren orangefarbenen Haarschopf kommt …, falls es gegen die Verfassung verstößt. Sie und andere Mitglieder des Vierten Reiches scheinen Schwierigkeiten zu haben, das zu begreifen.1 Leonard Pitts, Jr., The Miami Herald, 14. Februar 2017

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bwohl die Idee des Vierten Reiches in der letzten Generation zumeist auf das wiedervereinigte Deutschland verwies, ist sie inzwischen zum jüngsten deutschen Exportgut nach Amerika avanciert. Wie der obige Kommentar des Pulitzerpreisträgers Leonard Pitts Jr. zeigt, signalisiert die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten nach Ansicht von immer mehr Kritikern die Ankunft des Faschismus in Amerika. Das Vierte Reich ist also bis heute ein wirkmächtiger Slogan geblieben und wird weiterhin auf neue Kontexte angewendet. Nichts davon sollte angesichts der langen Nachkriegsgeschichte des Vierten Reiches überraschen. Seit seiner Herausbildung vor mehr als einem Dreivierteljahrhundert hat sich der Begriff auf beeindruckende Weise als metaphorischer Slogan für gegenwärtige oder zukünftige Gefahren entwickelt. Die konkrete Bezugnahme hat sich im Lauf der Zeit jedoch erheblich gewandelt. Ein Überblick über den aktuellen Stand und eine Rekapitulation seiner Nachkriegsentwicklung helfen, präzisere Voraussagen über seine Entwicklung in den kommenden Jahren zu machen.

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Das Vierte Reich heute

Das Vierte Reich heute Das Vierte Reich erlebt derzeit eine neue Phase der Normalisierung. Dank der tiefgreifenden politischen Umwälzungen in der westlichen Welt wird das Konzept immer stärker verallgemeinert. Die Wahl von Donald Trump, die zahlreichen und endlos andauernden Konflikte im Nahen Osten sowie die anhaltende Krise der Europäischen Union haben die Aussicht auf ein zukünftiges Reich hochaktuell gemacht. Das Vierte Reich wird zudem bis heute ästhetisiert. In Romanen, Filmen, Comics und Boulevardzeitungen vermag es nach wie vor, Aufmerksamkeit zu erzielen und Kontroversen anzuregen. Angesichts dieser Entwicklungen hat sich die Bedeutung des Begriffs weit über sein ursprüngliches Bezugsobjekt hinaus erweitert. Nach der Wahl Donald Trumps am 9. November 2016 vervielfachten sich in den Vereinigten Staaten plötzlich die Verweise auf das Vierte Reich. Wie in den 1960er-Jahren waren linksliberale und afroamerikanische Kritiker führend bei diesem Vorstoß. Ende 2016 eröffnete der berühmte Schauspieler und linke Aktivist Harry Belafonte als Reaktion auf die Wahl Trumps einen Vortrag in der New Yorker Riverside Church mit der scherzhaften Begrüßung »Willkommen im Vierten Reich«.2 Etwa zur gleichen Zeit erklärte die Journalistin Stacey Patton, Trump errichte »ein Viertes Reich«, indem er sich »auf die Seite von Neonazis und Anhängern der weißen Vorherrschaft stellt«.3 Leitartikel und Leserbriefe warnten kurz darauf vor Trumps »entstehendem Vierten Reich«.4 In Beiträgen auf Twitter, Tumblr und Pinterest fragten die Menschen nervös, ob »die republikanische Regierung das Vierte Reich« sei.5 Protestgruppen wie Anonymous waren fest entschlossen, »jedes beabsichtigte Vierte Reich des Faschisten Donald Trump« zu bekämpfen.6 Und Journalisten erklärten trotzig, dass »unsere vierte Gewalt die Einführung des Vierten Reiches verhindern wird«.7 Die breite Akzeptanz des Konzepts bestätigt seinen bleibenden rhetorischen Wert als Kampfbegriff. Drohend den Ausdruck »Viertes Reich« in einer Artikelüberschrift zu verwenden oder ihn auf ein Protestschild zu kritzeln, hilft Aktivisten, Aufmerksamkeit auf ihre breitere Agenda zu lenken. Diese verallgemeinernde Funktion ist seit Langem eine der Hauptkräfte, die die Bedeutung des Vierten Reiches aufgebläht haben. Sie hatte jedoch den 335

Schlussbetrachtung

negativen Effekt, die historische Spezifität der NS-Zeit im kollektiven Gedächtnis zu erodieren. In den meisten der genannten Beispiele haben Aktivisten wenig unternommen, um zu erklären, in welchem Zusammenhang die Aussicht auf ein drohendes »Reich« und die rechtsgerichtete politische Agenda von Präsident Trump stehen. Dies ist angesichts der Flüchtigkeit und Oberflächlichkeit von Internettweets und -posts vielleicht nachvollziehbar. Doch das gleiche Muster zeigt sich in tiefer gehenden Analysen. Auf der Onlineplattform Medium veröffentlichte der britische Journalist Nafeez Ahmed 2016 einen vierteiligen Essay mit dem Titel »The Return of the Reich«, dessen letzter Teil mit »A Fourth Reich Is Rising across Europe – with Ties to Donald Trump and Vladimir Putin« [Ein Viertes Reich entsteht in ganz Europa – mit Verbindungen zu Donald Trump und Wladimir Putin] überschrieben war.8 Der Artikel zeichnete überzeugend die Verbindungen zwischen rechten Gruppen in Europa und rechtsextremen Außenpolitikexperten nach, die mit der Trump-Administration in Verbindung stehen.9 In der Schlussbetrachtung seines Artikels geht Ahmed jedoch an keiner Stelle auf seine Behauptung ein, »das Endziel« der verschiedenen Parteien sei »die heimliche schrittweise Rückkehr des Reiches ... in ... mehreren europäischen Demokratien«. Wichtiger noch: Er legt nie eine Definition des »Reiches« vor, erklärt nicht, wie es begründet werden könnte, und skizziert nicht seine möglichen Folgen für das heutige Leben. Ahmed reiht sich mit anderen Worten in die Riege derer ein, die den Begriff nur als metaphorischen Slogan für eine breitere Bedrohung verwenden. Angesichts der polemischen Stoßrichtung solcher Behauptungen haben konservative Kritiker sie ‒ wie zu erwarten ‒ als haltlose Übertreibungen bezeichnet. So schrieb der Journalist Bernard Goldberg Anfang Februar 2017, das »Weltuntergangsszenario ..., wonach die Vereinigten Staaten von Amerika das Vierte Reich werden und ... Trump die Rolle von Du-weißt-schonwem spielt«, sei »mehr als ein bisschen paranoid«.10 Etwa zur gleichen Zeit verurteilte der Reporter des Wall Street Journal, William McGurn, die liberale Überzeugung, dass »jeder, der sich nicht unerbittlich über den 45. Präsidenten echauffiert, ihm beim Aufbau des neuen Reiches hilft«.11 In einem Essay mit dem Titel »Pundits and the Fourth Reich« [Experten und das Vierte Reich] vertrat die rechte Polemikerin Ann Coulter eine ähnliche Haltung und kritisierte die ihrer Ansicht nach ungerechtfertigten Hitler-Ver336

Das Vierte Reich heute

gleiche liberaler Journalisten.12 Die konservative Kolumnistin Christine Flowers legte den Aberwitz derartiger Behauptungen offen: »Wenn wir wirklich im Vierten Reich leben würden, wären diese Spinner, die letzte Woche am Flughafen [protestierten] ..., festgenommen und ins Gefängnis geworfen worden ..., [anstatt] glücklich und zufrieden in ihren Häusern zu sitzen.«13 Diese Einwände sind zum Teil berechtigt, ignorieren aber die Tatsache, dass sich Mitglieder der extremen Rechten weiterhin vom Traum eines Vierten Reiches inspirieren lassen. Im August 2017 wurde eine Kirche von Schwarzen in Dumfries, Maryland, mit rassistischen Schildern geschändet, darunter eines mit der Aufschrift »Das Vierte Reich«.14 Im Mai 2017 wurde eine Facebook-Seite namens »Alt-Reich« gelöscht, nachdem eines ihrer Mitglieder wegen Mordes an einem afroamerikanischen Studenten an der University of Maryland festgenommen wurde.15 Etwa zur gleichen Zeit wurde ein Teenager aus Florida verhaftet, weil er zwei seiner Mitbewohner aufgrund deren Mitgliedschaft in einer neonazistischen Gruppe ermordet hatte – eine Gruppe, die angeblich ein »Viertes Reich« plante.16 Nutzer rechtsextremer Webseiten wie Stormfront haben sich unterdessen an Diskussionen über ein mögliches »Viertes Reich hier in Amerika« beteiligt, wobei die Erklärung ‒ »Donald Trump Is Just the Opening Act. Yes, We Will Live to See a Fourth Reich.« [Donald Trump ist nur die Vorgruppe. Ja, wir werden ein Viertes Reich erleben] ‒ 2016 einen besonders langen Diskussionsfaden auslöste.17 Der Begriff bleibt somit eine potenzielle Kampfparole nicht nur für die Gegner, sondern auch für die Anhänger der extremen Rechten. Die Idee des Vierten Reiches hat zudem Eingang in Debatten über den Nahen Osten gefunden. Kritiker Israels verwendeten das Konzept, um das Land während seiner militärischen Konflikte mit der Hisbollah im Libanon 2006 und mit der Hamas in Gaza 2009 anzugreifen. Im Mai 2006 hielt Amir Abdul Malik Ali, ein schwarzer muslimischer Imam einer radikalen Moschee in Oakland, einen Vortrag an der University of California at Irvine, der von der örtlichen Gruppe von Students for Justice in Palestine gesponsert wurde: Der Titel seines Vortrags, »Israel: Das Vierte Reich«, entfachte eine Kontroverse, weil er eine jüdische Kontrolle der Medien insinuierte und die bevorstehende Niederlage Israels durch muslimische »Märtyrer« voraussagte.18 Einige Monate später zogen die Canadian Arab News durch ihre Bezeichnung Israels als Staat der »Apartheid oder des Herrenvolks« Pa337

Schlussbetrachtung

rallelen zwischen dem »zionistischen (Vierten) Reich und dem nationalsozialistischen Dritten Reich«.19 Der Krieg in Gaza löste 2009 zahlreiche Straßenproteste aus, bei denen Demonstranten Schilder mit der Aufschrift »Israel: das Vierte Reich« trugen. Ähnliche Äußerungen kamen von arabisch-amerikanischen Medien.20 In jüngster Zeit wurde Israel in Rapsongs als Viertes Reich attackiert; verwandte Behauptungen sind auf Twitter und in der Kommentarfunktion der antizionistischen Website Mondoweiss erschienen.21 Wenig überraschend nutzten konservative Anhänger Israels die Idee des Vierten Reiches daraufhin, um die muslimischen und arabischen Gegner des Landes zu attackieren. Als im Mai 2006 Falschmeldungen erschienen, wonach der Iran plane, seine jüdischen Bürger gelbe Abzeichen tragen zu lassen, schaltete die New York Daily News ein Banner mit der Überschrift »The Fourth Reich«.22 2009 griffen christlich-zionistische Anhänger Israels einige der Länder an, die an der zweiten Weltkonferenz der Vereinten Nationen gegen Rassismus in Südafrika (Durban II) als Mitglieder eines »Vierten Reiches« teilnahmen.23 2015 beschuldigte der angesehene indische Schriftsteller V. S. Naipaul die sunnitisch-muslimische Terrororganisation ISIS, »sich für einen zeitgenössischen Holocaust einzusetzen«; sie könne leicht »das Etikett des Kalifats aufgeben und sich als das Vierte Reich bezeichnen«.24 Auch in der anhaltenden Debatte um die Europäische Union sind Verweise auf das Vierte Reich aufgetaucht. Während die schuldengeplagten Länder Südeuropas den Slogan nach der Finanzkrise 2008 gegen Deutschland verwendeten, haben nationalistische Regierungen in Osteuropa ihn zunehmend im Rahmen einer größeren Kampagne zur Schwächung der EU eingesetzt. Führend dabei war Wladimir Putins Russland. Als Reaktion auf die 2014 von der EU verhängten Sanktionen aufgrund Russlands Intervention in der Ostukraine und seiner Annexion der Krim erschien im Pravda Report ein Artikel mit dem Titel »The Boys from Brussels«, der an Ira Levins Roman The Boys from Brazil erinnerte. »Die wahren Nazis«, so insinuierte er, seien nicht in Lateinamerika zu finden, sondern in einem »Vierten Reich« mit Sitz »in den Büros der Europäischen Kommission in Brüssel«.25 Andere russische Webseiten beschuldigten ukrainische Nationalisten der Gründung eines »Vierten Reiches«, das sich gegen Russland richte.26 Einige warfen so338

Das Vierte Reich heute

gar den USA vor, durch ihre Unterstützung der Ukraine und die Osterweiterung der NATO ein »Viertes Reich zur Zerstörung Russlands« geschaffen zu haben.27 Zusammen mit ähnlichen Kommentaren aus Polen und Ungarn war eine solche Übertreibung Teil einer konzertierten Aktion autoritärer nationalistischer Regime, um die europäische Einheit zu untergraben.28 Neben seiner Verallgemeinerung wird das Vierte Reich weiterhin ästhetisiert. Schriftsteller bedienen sich immer wieder des Themas, um aus seinem dramatischen Potenzial zu schöpfen. Im Roman The Budapest Protocol (2009) des Journalisten Adam Lebor nutzen unbeirrbare Nazis die EU als Instrument, um die wirtschaftliche Dominanz Deutschlands über kleinere osteuropäische Nationen durchzusetzen.29 Am anderen Ende des literarischen Spektrums haben verschiedene On-demand-Romane begierig den Begriff aufgegriffen – mit reißerischen Titeln wie 4th Reich of Antarctica: Secrets of South America (2012), Treasures of the Fourth Reich: A Novel of Suspense (2012) und The Fourth Reich – Head of the Snake (2016).30 Der gleiche Trend ist in einigen Filmen der letzten Jahre zu beobachten, sei es die Mainstreamproduktion Beyond Valkyrie: Dawn of the Fourth Reich (2016), in der SS-Männer das Reich von Argentinien aus wiederzubeleben versuchen, oder der Low-Budget-Film Dead Walkers: Rise of the Fourth Reich (2013), in dem die seit Langem erwartete Ehe zwischen Nazis und Zombies vollzogen wird. Auch Comics haben das Vierte Reich aufgegriffen, wobei DC-Comics in verschiedenen Ausgaben der Jahre 2006–2010 ein Team von Oberschurken – darunter Captain Nazi, Baroness Blitzkrieg und Baron Gestapo – unter dem Namen »Das Vierte Reich« versammelt haben, um die Justice Society zu bekämpfen.31 Schließlich dient das Vierte Reich weiterhin zu Unterhaltungszwecken. 2014 porträtierte die Filmsatire Iron Sky eine Gruppe fanatischer, auf dem Mond lebender Nazis, die durch einen interstellaren Angriff auf die Erde ein Viertes Reich zu errichten versuchen.32 Der Begriff wurde sogar in Liedern parodiert, so zum Beispiel in der Neufassung des R.E.M.-Hits »It’s the End of the World as We Know It« (1987), den der Comedian Stephen Colberts 2017 umtextete: »Hasserfüllt, xenophob, Trollgehässigkeit, Viertes Reich«, lautete eine Liedzeile.33 Diese Normalisierungstendenzen verraten einiges über die Idee des Vierten Reiches. Seine breite Verwendung durch politische Aktivisten, Journalisten, Schriftsteller und Filmemacher spiegelt seine Vielseitigkeit als poli339

Schlussbetrachtung

tischer und kultureller Topos wider. Die Übernahme des Begriffs durch linke wie rechte Aktivisten bestätigt, dass er über alle politischen Ideologien hinweg funktioniert. Wie die erneute Resonanz des Begriffs bestätigt, steigt seine Popularität in Zeiten politischer Instabilität. Und wie die polemische Schärfe des Begriffs zeigt, ist seine Bedeutung ebenso rhetorisch wie historisch.

Das Vierte Reich gestern: Zwischen deutscher und globaler Gefahr Diese Eigenschaften wurzeln allesamt in der langen Geschichte des Vierten Reiches. Zur Zeit seiner Entstehung in den 1930er-Jahren verwies der Begriff ausschließlich auf Deutschland und seine politische Zukunft. In den folgenden Jahrzehnten behielt es einen Großteil dieser Ausrichtung bei. Doch auch im rein deutschen Kontext machten die Verwendung und Bedeutung des Vierten Reiches eine erhebliche Entwicklung durch: Von Menschen im In- und Ausland verwendet, wurde es von linken wie rechten politischen Bewegungen aufgegriffen und brachte die widerstreitenden Gefühle von Furcht und Fantasie zum Ausdruck. Im Lauf der Zeit ist das Vierte Reich jedoch nicht auf Deutschland beschränkt geblieben, sondern wurde zu einem normalen Symbol globaler Gefahr.

Das Vierte Reich als deutsche Gefahr In den Jahren der nationalsozialistischen Zwangsherrschaft machten sich die unterschiedlichsten Menschen im In- und Ausland die Idee des Vierten Reiches zu eigen. Darunter waren Sozialisten im Exil, ausgewanderte Juden, abtrünnige linke Nazis, konservative Monarchisten, meuternde Wehrmachtsoffiziere und radikale Studenten. Sie vertraten sehr unterschiedliche politische Ansichten, bedienten sich jedoch alle des Vierten Reiches, um ihren Hoffnungen auf eine postnazistische Welt Ausdruck zu verleihen. Eine Zeit lang teilten westliche Beobachter außerhalb Deutschlands diese optimistische Sicht und deuteten das Vierte Reich als neutrale, wenn nicht gar 340

Das Vierte Reich als deutsche Gefahr

positive Bezeichnung für die zukünftige Nation. In der zweiten Hälfte des Zweiten Weltkriegs und in den ersten Nachkriegsjahren erhielt die Aussicht auf ein neues Reich als Vorbote eines wiederbelebten Nazismus jedoch einen eher bedrohlichen Beigeschmack. Diese Entwicklung zeugte von den wiederholten Bemühungen deutscher Rechtsextremer, ihre Träume zur Schaffung eines Vierten Reiches in Nachkriegsdeutschland umzusetzen. Sie begann mit den Versuchen aufständischer Gruppen – der Organisation Werwolf, der Hitlerjugend-Verschwörung und der Deutschen Revolution –, die Besatzungsherrschaft zu stürzen. In den 1950er-Jahren fanden die Bemühungen um ein neues Reich mit dem Aufstieg der SRP und der Unterwanderung der FDP durch die Mitglieder des Gauleiter-Kreises von Werner Naumann politischen Ausdruck. Etwa zur gleichen Zeit – wenn auch in einem ganz anderen Teil der Welt – verfolgten lateinamerikanische Nazis, die mit der argentinischen Nazizeitschrift Der Weg und dem flüchtigen Kriegsverbrecher Adolf Eichmann in Verbindung standen, das gleiche Ziel auf eher verstiegene Weise. In den 1960er-Jahren liebäugelte die NPD mit der Reichsidee, die in den 1970erund 1980er-Jahren von neonazistischen Terroristen wie Manfred Roeder und Michael Kühnen lautstarke Unterstützung erhielt. In den Jahren nach der deutschen Wiedervereinigung versuchten die Vordenker der neuen Rechten im Dunstkreis der Staatsbriefe und des Deutschen Kollegs wie Hans-Dietrich Sander, Reinhold Oberlercher und Horst Mahler, dem Reich eine anspruchsvollere theoretische Grundlage zu geben. Und in jüngster Zeit haben populistische Bewegungen wie die Reichsbürger und Pegida Symbole mit Bezug zum Vierten Reich in ihre Propaganda aufgenommen. Dem Versuch dieser Gruppen, den Traum von einem wiederbelebten Reich zu verwirklichen, traten jedoch andere wirksam entgegen, für die dies ein Albtraum war. Bereits in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs führten westliche Journalisten die Aussicht auf ein Viertes Reich ins Feld, um sicherzustellen, dass die Alliierten den Frieden nicht verlieren und eine Rückkehr der Nationalsozialisten an die Macht erlauben. Nach dem Krieg lebte der Begriff fort und dies vor allem in den Jahren 1946/47, als die alliierten Besatzungstruppen Bewegungen des nationalsozialistischen Widerstands in den Operationen »Nursery« und »Selection Board« zerschlugen. In den 1950er-Jahren trugen Ängste vor einem Vierten Reich zu einem Ver341

Schlussbetrachtung

bot der SRP und zur Aufdeckung der Naumann-Verschwörung in der »Operation Terminus« bei. Von den 1960er- bis zu den 1980er-Jahren veranlassten sie deutsche und westliche Beobachter außerdem zur Überwachung neonazistischer Terrorgruppen. Nach der deutschen Wiedervereinigung trugen internationale Befürchtungen vor einem Vierten Reich schließlich zur Einhegung radikaler Neonazis durch die Regierung Helmut Kohls bei. Heute mahnt der Begriff zu steter Wachsamkeit vor der Gefahr des Rechtsradikalismus. Als langjähriges Objekt widerstreitender Fantasien und Ängste hat das Vierte Reich eine wichtige, wenn auch bislang nicht anerkannte Rolle in der deutschen Nachkriegsgeschichte gespielt. Wissenschaftler haben die Idee des Vierten Reiches größtenteils als sensationsheischenden Mythos abgetan. Aber das gilt nur für den Begriff im engsten Sinn. Das Vierte Reich ist unbestreitbar mythisch, da es nie zustande gekommen ist. Doch gerade diese Tatsache beweist ironischerweise seinen Wert. Seine Existenz im Bereich des Möglichen hat das Vierte Reich daran gehindert, in den Bereich des Realen vorzudringen. Wenn es ein Mythos ist, dann ist es ein notwendiger. Die Rolle des Vierten Reiches in der deutschen Nachkriegsgeschichte unterstreicht die Macht der Erinnerung bei der Bewährung des Landes. Die häufige Verwendung des Begriffs in der Nachkriegszeit durch besorgte westliche Beobachter erinnerte die Deutschen daran, dass die Welt die Ereignisse der NS-Zeit nicht vergessen hat und sie die Regierungschefs des Landes auch in Zukunft dafür verantwortlich machen würde, ihr erneutes Auftreten zu verhindern. Ausschließlich aus der Rückschau betrachtet, hat die Idee des Vierten Reiches natürlich die reale Gefahr durch Altnazis in der Nachkriegszeit verzerrt und eine alarmistische Stimmung gefördert. Schließlich setzten die Nazis ihre Nachkriegsziele nie um. Doch die durch den Begriff artikulierten Ängste waren zum großen Teil real. Außerdem waren sie nie unbegründet. Die Demokratisierung Deutschlands nach dem Krieg erscheint zwar aus heutiger Sicht unvermeidlich, war aber zu keinem Zeitpunkt eine Selbstverständlichkeit. Die nationalsozialistischen Kräfte waren in den Anfangsjahren der Bundesrepublik entschlossen, die demokratische Ordnung des Landes infrage zu stellen. Obwohl ihnen dies nicht gelang, wären sie unter etwas anderen Umständen dem Erfolg vielleicht nähergekommen. Es war deshalb 342

Das Vierte Reich als globale Gefahr

von entscheidender Bedeutung, dass die Verteidiger der Demokratie durch das Heraufbeschwören des Gespensts eines Vierten Reiches dieser Aussicht entgegenzuwirken vermochten. Das Gespenst fungierte gewissermaßen wie eine rhetorische Versicherungspolice, wie ein Aufruf zur Mobilisierung, den man so lange in Reserve halten konnte, bis er zur Bekämpfung bedrohlicher politischer Trends gebraucht wurde. Die Police hat sich ausgezahlt. Jedes Mal, wenn ausländische Beobachter Bedenken über ein wiederbelebtes Reich äußerten, übten sie Druck auf die deutschen Behörden aus, entschieden gegen diese Tendenzen vorzugehen. Damit sorgten sie dafür, dass die rechtsgerichteten Feinde der Bundesrepublik ihre antidemokratischen Ziele nie erreichten. Ohne die Angst vor einem Vierten Reich wäre die deutsche Nachkriegsgeschichte vielleicht nicht so erfolgreich verlaufen, wie sie es tat.

Das Vierte Reich als globale Gefahr Die Idee des Vierten Reiches warnte nicht nur vor einem wieder auflebenden Nazismus in Deutschland, sondern auch vor entsprechenden Tendenzen in anderen Ländern. Je mehr der Begriff ins Zentrum der Öffentlichkeit geriet, umso undifferenzierter wurde er. Ab den turbulenten 1960er-Jahren machten ihn sich verschiedene Gruppen zu eigen, um auf Probleme außerhalb Deutschlands hinzuweisen. In den späten 1950er- und frühen 1960er-Jahren wurde das Vierte Reich erstmals auf die Vereinigten Staaten angewendet, insbesondere auf die Bedrohung durch einheimischen Nationalsozialismus, der nach dem Ausbruch der Schmierwelle und dem Aufstieg der American Nazi Party Besorgnis auslöste. Einige Jahre später griffen linksgerichtete Studierende und afroamerikanische Bürgerrechtler das Konzept auf, um Rassenungerechtigkeit, den Krieg der USA in Vietnam und die Watergate-Verbrechen der Regierung Nixon anzugreifen. Als der Begriff in immer breiteren Kreisen kursierte, übernahmen ihn in den 1970er- und 1980er-Jahren Aktivisten in anderen Teilen der Welt, um unter anderem das autokratisch regierte Griechenland, die Apartheid in Südafrika oder verschiedene Juntas in Lateinamerika zu kritisieren. Seit den 1990er-Jahren, insbesondere seit der Jahrtausendwende, nutzen linke und rechte 343

Schlussbetrachtung

Populisten das Vierte Reich, um transnationale Institutionen wie die Europäische Union zu attackieren. Anders als im Fall Deutschlands ist die Wirksamkeit dieser polemischen Angriffe jedoch fraglich. Obwohl sie das Augenmerk auf aktuelle Probleme lenken, sind sie ebenso häufig verspottet worden. Diese Angriffe erfolgten oft ohne überzeugende empirische Belege. Die meisten Aktivisten, die das Vierte Reich als rhetorische Keule eingesetzt haben, haben versäumt, zu erklären, wie es aktuelle Probleme wie zum Beispiel Rassismus, Autoritarismus oder wirtschaftliche Ungerechtigkeit erhellt. Der Begriff impliziert, dass diese Kräfte irgendwie »nationalsozialistischer« Gesinnung seien, doch ohne weitere Beweise verliert er an Glaubwürdigkeit. Reduziert auf einen metaphorischen Slogan, bleibt der Begriff semiotisch vage und wird folglich von niemandem außer überzeugten Aktivisten ernst genommen. Anstatt zur Wachsamkeit aufzurufen, löst er eine Abwehrhaltung aus und vertieft die Polarisierung. Die Verallgemeinerung des Vierten Reiches dürfte somit das historische Verständnis eher behindert als befördert haben. Dasselbe gilt für die Ästhetisierung des Vierten Reiches. Bereits in den 1940er-Jahren fand die Möglichkeit einer erneuten Machtergreifung der Nazis in einem neuen Reich kulturellen Ausdruck in Literatur und Film. Diese Erzählungen erschienen auch in der Besatzungszeit, bevor sie in den 1950er-Jahren verschwanden. Nach dem erneuten Interesse des Westens an der nationalsozialistischen Vergangenheit wandelte sich das Vierte Reich in den 1960er-Jahren jedoch radikal und inspirierte als kultureller Topos eine riesige Welle von Romanen, Kurzgeschichten, Filmen, Fernsehsendungen und Comics, die bis weit in die 1980er-Jahre anhielt. Eine zweite, wenn auch kleinere Welle rollte Mitte der 1990er-Jahre heran und machte erneut die Sorgen des Westens angesichts eines möglichen Rechtsrucks im wiedervereinten Deutschland deutlich. Seit der Jahrtausendwende tauchen immer wieder einzelne Filme oder Bücher auf. Die Wirkung dieser Werke fällt gemischt aus. Auf der einen Seite haben sie ein Bewusstsein für das Vierte Reich geschaffen und den Begriff zu einer unverkennbaren Chiffre für eine globale Gefahr gemacht. Auf der anderen Seite haben sie ihn in ein Klischee der Popkultur verwandelt. Das in unzähligen kulturellen Werken auftauchende Vierte Reich ist zu einem von vielen ikonischen, wenn auch erschöpften Symbolen des Naziterrors geworden. Es 344

Das Vierte Reich morgen

hat die nationalsozialistische Vergangenheit zu Unterhaltungszwecken genutzt, zu kommerziellen Profitzwecken ausgeschöpft, ins Lächerliche gezogen und ihre moralische Macht untergraben. Auf all diese Weise ist das Vierte Reich immer mehr unter die Kräfte der Normalisierung geraten. Kein Wunder, dass Wissenschaftler, Journalisten und andere Beobachter seit Langem der Ansicht sind, das Thema verdiene wenig ernsthafte Aufmerksamkeit. Wie diese Studie jedoch gezeigt hat, hat das Vierte Reich eine reiche Geschichte, die nicht einfach so von der Hand gewiesen werden kann. Zwar erschließt sich das Thema nicht ohne Weiteres, doch macht es seine Komplexität umso faszinierender. Im Kern ist die Geschichte des Vierten Reiches die Geschichte eines ontologischen Paradoxons. Es ist nie entstanden, aber es ist zugleich nie verschwunden. Es speist sich aus den Erinnerungen an eine traumatische Vergangenheit, bringt aber Ängste vor einer unbekannten Zukunft zum Ausdruck. Seine Bedeutung ist sowohl konkret als auch universell. Es ist der deutschen Geschichte immanent und transzendiert sie doch letztlich. Es symbolisiert den ultimativen Albtraum unserer Welt, aber es ist ein Albtraum, der – bis jetzt – abgewendet wurde. Bislang hat sich das Vierte Reich auf das Reich der Mythen statt auf das Reich der Realität beschränkt.

Das Vierte Reich morgen Offen ist, ob dies so bleiben wird. Wenn die Vergangenheit das Vorspiel ist, dann vermittelt die Geschichte des Vierten Reiches einen Eindruck von seiner zukünftigen Entwicklung. Aus heutiger Sicht war die Geschichte des Vierten Reiches eine glückliche. Es ist die Geschichte eines abgewendeten Albtraums. Aber es könnte immer noch eine bevorstehende Katastrophe vorhersagen. Paradoxerweise bestätigt das Scheitern des Vierten Reiches seinen Erfolg als Konzept. Ob metaphorisch als Versicherungspolice, als Prophylaktikum oder als umgekehrte, sich selbst erfüllende Prophezeiung – seine Fähigkeit, zur Wachsamkeit angesichts einer möglichen Rückkehr der Nationalsozialisten an die Macht aufzurufen und diese zu verhindern, unterstreicht seinen 345

Schlussbetrachtung

Wert. Und doch hatte das Vierte Reich auch negative Auswirkungen, die darauf hindeuten, dass es seine Zweckmäßigkeit überlebt haben könnte. Dank seiner rhetorischen Inflation ist es zu einem Ausdruck geworden, der die Menschen ebenso leicht entfremdet, wie er sie von den Gefahren des politischen Rechtsradikalismus überzeugt. Je mehr sich der Signifikant von seinem ursprünglichen Bezugsobjekt abgekoppelt hat, desto mehr verwässerte und erodierte seine Bedeutung. Natürlich kann niemand Ideen per Gesetz aus der Welt schaffen, und so wäre es sinnlos, zu fordern, dass das Vierte Reich als Konzept zwangsweise außer Kraft gesetzt wird. Wenn die Menschen jedoch wie in diesem Buch zum kritischeren Nachdenken über den Begriff angeregt werden, gelangen sie vielleicht zu der Einsicht, dass sie in Zukunft verantwortungsvoller mit ihm umgehen sollten. Dies ist angesichts der Wahrscheinlichkeit, dass das Vierte Reich uns auch in nächster Zeit beschäftigen wird, besonders wichtig. Wenn uns die Geschichte des Begriffs etwas lehrt, dann, dass sich das Vierte Reich eine bemerkenswerte Fähigkeit erhalten hat, Anhänger zu mobilisieren. Seit mehr als tausend Jahren bewahrt sich der Reichsgedanke eine unheimliche Kraft, den turbulenten und oft destruktiven Verlauf der historischen Geschehnisse zu überleben. In jeder Phase hat er unzählige Menschen in Deutschland mit seinem Versprechen messianischer Erlösung inspiriert. Unabhängig davon, ob die Idee eines »Reiches«, »Königreichs« oder »Imperiums« in einem religiösen oder weltlichen Sinn verstanden wird: Sie hat Millionen von Deutschen in Krisenzeiten mobilisiert und geeint. Seit dem Zweiten Weltkrieg ist der Begriff angesichts der verheerenden Folgen des von den Nazis angestrebten tausendjährigen Reiches mit Tabus belegt. Aber es wäre naiv, zu glauben, dass diese Tabus für immer bestehen bleiben. In Zeiten des Umbruchs blicken die Menschen auf Epochen zurück, in denen ihr Land »großartig« war. Glücklicherweise wurde der Bundesrepublik die Art von Krise erspart, die Menschen jenseits des extremistischen politischen Randes dazu bringen könnte, mit einem neuen Reich zu liebäugeln. Sollte es jedoch zu einer solchen Krise kommen, könnten opportunistische Intellektuelle, Schriftsteller und Politiker die Reichsidee für ihre Zwecke nutzen. Sollten die deutschen Massen verzweifelt genug sein, gibt es keinen Grund zu der Annahme, dass sie ein erneuertes Reich nicht als Antwort auf ihre Probleme sehen würden. 346

Das Vierte Reich morgen

Die einzige Möglichkeit, den Lockruf des Vierten Reiches verstummen zu lassen, besteht darin, seine ganze Geschichte zu kennen. Obwohl es in unserer heutigen Welt der Fake Facts und bewussten Desinformation immer schwieriger wird, einen Konsens über die historische Wahrheit zu erzielen, haben wir keine andere Wahl, als darauf hinzuarbeiten. Ohne eine Kenntnis der Ursprünge und Entwicklung des Vierten Reiches werden wir nicht in der Lage sein, seine zukünftige Entwicklung zu gestalten. Nur wenn wir seine historische Anziehungskraft verstehen, können wir seine zukünftige Realisierung verhindern.

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Nachwort Verheißung, Diagnose, Drohung

D

em üblichen Sprachgebrauch zum Trotz sind »Vergangenheit« und »Geschichte« keineswegs identisch. Im Gegenteil ist es sogar vernünftig, zwischen diesen beiden Begriffen deutlich zu differenzieren. Tut man das nicht, verschließt man sich nämlich interessante Erkenntnismöglichkeiten. In diesem Sinne meint »Vergangenheit« vergangene Wirklichkeit, also Ereignisse und Entwicklungen, die tatsächlich stattgefunden haben. Ihnen nachzuforschen, sie also anhand von Quellen genauer als bisher zu beschreiben und offene Fragen zu klären, ist eine zentrale Aufgabe der historischen Wissenschaft. Doch darin erschöpft sich diese Disziplin nicht. Denn neben Vergangenheit im Sinne von vergangener Wirklichkeit gibt es auch noch »Geschichte«. Es handelt sich dabei um das Bild, das sich eine einzelne Person von der eigenen oder eine Gruppe von der gemeinsamen Vergangenheit macht. Bekanntlich sind oft die Diskrepanzen zwischen Lebenserinnerungen und den aus anderen Quellen wissenschaftlich erschließbaren Ereignissen das Spannendste an Autobiografien – eine Einsicht, die jemand treffend in den Aphorismus gegossen hat: Nirgendwo wird mehr gelogen als in Memoiren. Das gilt natürlich ebenso für Familien und auch für ganze Gesellschaften. Bestenfalls ist Geschichte die seriöse Deutung, auf die sich die betreffende Gruppe geeinigt hat; schlimmstenfalls handelt es sich um einen kollektiven Wahn, der fatale Folgen haben kann – bis hin zu Krieg und Völkermord. Ausgehend von dieser sprachlichen Differenzierung wird unmittelbar einsichtig, warum es erhellend ist, sich mit Ereignissen zu befassen, die nie stattgefunden haben (gemeinhin »virtual history« oder mit einer Formulierung von Alexander Demandt »Ungeschehene Geschichte« genannt), ebenso wie mit Gerüchten und Legenden. Also auch zum Beispiel mit Vorstellungen über ein drohendes oder vermeintlich bereits existierendes Vier348

Verheißung, Diagnose, Drohung

tes Reich. Gavriel D. Rosenfeld führt auf faszinierende Art die Erkenntnismöglichkeiten eines solchen Ansatzes vor. Natürlich beruhten solche Vorstellungen nicht auf realen Ereignissen; es handelte sich entweder um irrtümliche Deutungen von Fakten oder um übertriebene Sorgen. Der französische Historiker Marc Bloch schrieb in einem bekannten Aufsatz über »fausses Nouvelles de la Guerre« schon 1921: »Für den Historiker ist ein Irrtum nicht bloß ein Fremdkörper, den er mit der gesamten Genauigkeit seiner wissenschaftlichen Hilfsmittel zu beseitigen versucht.« Diesen Gedanken Blochs kann man im Sinne der genannten Begriffsunterscheidung auch so fassen: Ein Historiker, der sich auf die Aufklärung von Irrtümern über die vergangene Wirklichkeit beschränkt, befasst sich ausschließlich mit Vergangenheit, nicht aber mit Geschichte. Bloch fuhr schon vor rund einem Jahrhundert völlig zu Recht fort: »Der Historiker betrachtet den Irrtum auch als Studienobjekt, mit dem er sich beschäftigen muss, wenn er das Zusammenspiel menschlicher Handlungen verstehen will. Falsche Berichte haben schon Massen bewegt. Die Menschheitsgeschichte ist voll von Falschmeldungen in der ganzen Vielfalt ihrer Formen.« Der Franzose stellte klare Fragen: »Wie entstehen sie? Woher beziehen sie ihre Substanz? Wie breiten sie sich aus?« Selbstkritisch gegenüber der eigenen Zunft merkte er an: »Allerdings finden wir darüber in der Geschichtswissenschaft nur wenig Aufklärung. Unsere Vorgänger stellten sich solche Fragen nicht, sondern verwarfen alles, was sich als Irrtum herausstellte. Sie interessierten sich nie dafür, wie ein Irrtum entstand und sich entwickelte.« Genau das aber ist, abermals im Sinne der hier gebrauchten Differenzierung zwischen den Begriffen Vergangenheit und Geschichte, eine genauso wichtige Aufgabe für Historiker wie die Untersuchung der tatsächlichen vergangenen Wirklichkeit. Denn sie können aus verbreiteten Deutungsmustern lernen, selbst wenn sie falsch waren, was in einer Gesellschaft zu einer bestimmten Zeit als vorstellbar galt. Solche Muster sind damit, wiewohl unbegründet, wichtige Zeugnisse – die freilich nicht Auskunft geben über das, was tatsächlich geschah, sondern über das, was man für selbstverständlich, für wahrscheinlich oder zumindest für möglich hielt. Genau dieser methodische Zugriff erlaubt Rosenfeld weiterführende Einblicke ins 20. Jahrhundert. Das Panorama über acht Jahrzehnte hinweg, das er vorführt, beweist 349

Nachwort

allein schon die Berechtigung seiner Untersuchung. Das Deutungsmuster eines Vierten Reiches begegnet darin in völlig verschiedenen Konnotationen – selten als Verheißung, manchmal als Diagnose, meistens aber als Drohung. All diese Arten der Nutzungen kannte man bisher schon vage, doch Gavriel D. Rosenfeld gebührt Anerkennung, dass er die Verwendung des Begriffs seit der NS-Zeit bis in die Gegenwart systematisch erfasst hat. Zusätzlich interessant ist allerdings auch, in was für Zusammenhängen sich dieser Begriff eben nicht etablieren konnte. Wenn ein Deutungsmuster, das an sich verbreitet und vielfältig verwendbar ist, dann doch nicht genutzt wird, so ist das ein weiteres interessantes »Studienobjekt«, wie Marc Bloch formulierte. In einer der ersten Ausgaben der »Bild«-Zeitung 1952 erschien in der Kolumne »Guten Tag« ein mit dem Pseudonym »Hans im Bild« gezeichneter Text. Der Autor war Hans Zehrer, Journalist und konservativer Hitler-Gegner mit faktischem Berufsverbot in der NS-Zeit, der 1945/46 Gründungschefredakteur der Zeitung »Die Welt« in der britischen Besatzungszone gewesen war und inzwischen ein enger Vertrauter des jungen Verlegers Axel Springer. Die Kolumne begann mit einer naheliegenden, aber dennoch in dieser Form ungewohnten Reihung: »Wir hatten das erste Reich. Es währte von 1871 bis 1918. (Was davor war, ist dunkel.) Wir hatten das zweite Reich. Es währte bis 1933. Wir hatten das dritte Reich. Es währte bis 1945. Und jetzt leben wir im vierten Reich. (Allerdings gespalten. 50 Millionen leben im Westen, 18 im Osten. Und Ost und West stehen sich feindlich gegenüber.)« Anschließend wandte sich Zehrer, ein für seine Kolumne typischer Kunstgriff, mit einer Frage an seine Leser: »Erinnern Sie sich noch an die einzelnen Reiche? Vielleicht nicht ganz. Denn das zweite hielt nichts vom ersten, und das dritte nichts von den beiden andern. Und heute im vierten wissen wir nicht mehr, was wir von all dem halten sollen, was in den letzten 80 Jahren mit uns geschah.« Damit kam Zehrer zur eigentlichen Botschaft seines Textes: »Soll man sich denn erinnern? Ist es nicht besser, in dieser verwirrenden Zeit, unbeschwert in den Tag hineinzuleben? Dagegen wäre nichts zu sagen, wenn das Vergangene wirklich tot wäre. Aber das ist es nicht. Es lebt und wirkt weiter in uns allen. Wir wurden von diesen vier Reichen geformt und geprägt, und sie bestimmen noch heute unser Leben. Auch wenn wir geschichtslos aus der Hand in den Mund leben.« 350

Verheißung, Diagnose, Drohung

Erkennbar relativierte dieser Text nichts, sondern warb im Gegenteil für eine aktive Beschäftigung mit der damals allerjüngsten Vergangenheit, die jeder miterlebt hatte. Dafür spielte Zehrer mit dem Begriff des Vierten Reiches. Offenbar erreichte dieser Gedanke das damalige Publikum nicht, das lieber verdrängen wollte als sich auseinandersetzen. Zehrer jedenfalls kam in Dutzenden seiner »Hans-im-Bild«-Kolumnen zurück auf Themen der NS-Zeit, schrieb zum Beispiel über den 20. Jahrestag der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler, über den »Röhm-Putsch« und über die Verfolgung der Juden. Aber niemals griff er die Reihung der Reiche wieder auf. Natürlich war so ein Umgang mit der Vergangenheit, wie ihn viele, wenn nicht die meisten Deutschen der 1950er-Jahre pflegten, ebenfalls im oben beschriebenen Sinne Geschichte. Die Behauptung, die ersten Jahre des Wirtschaftswunders in Westdeutschland seien von völliger Geschichtsvergessenheit dominiert gewesen, trifft bekanntlich nicht zu; im Gegenteil dominierten die NS-Zeit und der Zweite Weltkrieg den öffentlichen Diskurs sogar zeitweise. Allerdings gerade nicht im Sinne einer kritischen, also potenziell seriösen Auseinandersetzung, sondern vielmehr im Sinne eines Opfermythos. Übrigens galt dies gleichermaßen für die Bundesrepublik wie auch für die DDR, nur hier in einer gegensätzlichen Ausprägung: Fühlte man sich im Westen vorwiegend als Geschädigte der NS-Herrschaft, des Krieges, der Bombardements, der Massenflucht 1945 und der Vertreibungen bis 1948, bot im Osten die Staatsideologie des Antifaschismus vielfältige Möglichkeiten, ganz persönliche Verstrickungen auszublenden. Die offene Gesellschaft der Bundesrepublik bot, anders als die SED-Diktatur, in dieser Zeit wenigstens theoretisch Raum für eine Wiederkehr des nationalsozialistischen Wahns. Gavriel D. Rosenfeld beschreibt diese Phase treffend unter dem Schlagwort Renazifizierungsdebatte und zeigt zugleich, wie hilfreich kontrafaktische Überlegungen für Historiker sein können. Die Analyse der vergangenen Wirklichkeit, wie sie Rosenfeld anhand zahlreicher Quellenbelege über Vorstellungen eines Vierten Reiches vorführt, bleibt natürlich die Grundlage jeder historischen Arbeit. Aber erst, wenn man einen Schritt weiter geht und die damit verbundenen Selbstbilder analysiert – eben die Geschichte –, kann man zu produktiven Deutungen kommen. Februar 2020 Sven Felix Kellerhoff 351

Dank

B

ei den Recherchen zu diesem Buch habe ich von der Hilfe verschiedener Freunde, Kollegen, Archivare und Bibliothekare profitiert. Ihnen allen gebührt mein Dank. Ich danke Paul Brown und Eric Van Slander vom National Archive in Maryland für ihre Hilfe bei der Suche nach Aufzeichnungen zu den Einrichtungen der US-Militärregierung in Nachkriegsdeutschland. Mein Dank gilt auch den Mitarbeitern des Instituts für Zeitgeschichte in München, der Bayerischen Staatsbibliothek, der New York Public Library und den Bibliotheken der Harvard University, des Jewish Theological Seminary sowie der University of California in Los Angeles für die Unterstützung bei der Suche nach anderen relevanten Materialien. Freunde und Kollegen von anderen Universitäten, Richard Steigmann-Gall, Janet Ward, Thomas Pegelow Kaplan, Alon Confino und Jonathan Wiesen, nahmen an Konferenzpanels teil, bei denen ich Material aus dem Buch präsentierte. Bei der Cambridge University Press möchte ich meinem langjährigen Lektor Michael Watson für sein stets hilfreiches Feedback danken, Christopher Jackson für sein sorgfältiges Lektorat und Lisa Carter und Julie Hrischeva für die Unterstützung bei der Produktion und Gestaltung des Buches. Mein Dank gilt auch meinem Agenten Andrew Stuart, der mich und meine Arbeit in der sich ständig verändernden Verlagswelt vertritt. Meinem Vater, Alvin H. Rosenfeld, danke ich für die Lektüre des Manuskripts sowie seine klugen Kommentare. Mein herzlichster Dank gilt schließlich meiner Frau Erika und meinen Kindern Julia und Benjamin, die mir unzählige Gründe gegeben haben, eher Feierabend machen zu wollen.

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Anmerkungen Vorwort 1 »Arson Believed Certain Bloomington Center«, Jewish Post (Indianapolis), 13. September 1983, S. 14. 2 »Fire at I. U. Fraternity Declared Arson; 1 Dead«, The Indianapolis Star, 22. Oktober 1984. 3 »Former Student Arrested in Fraternity House Fire,« The New York Times, 23. Oktober 1984. 4 Für das Attentat verantwortlich war die Gruppe von Befürwortern der weißen Vorherrschaft »The Covenant, the Sword, and the Arm of the Lord« (CSA), die Verbindungen zur Aryan Brotherhood hatte und zu Beginn der 1980er-Jahre mehrere Terroranschläge in ganz Amerika verübte. Das FBI umstellte das Gelände im ländlichen Arkansas im Frühjahr 1985 und verhaftete die Mitglieder der Gruppe. Jessica Eve Stern, »The Covenant, the Sword, and the Arm of the Lord (1985)«, in Jonathan B. Tucker, Hg., Toxic Terror: Assessing Terrorist Use of Chemical and Biological Weapons (Cambridge, MA, 2000), S. 151 f. 5 Otto Friedrich, Before the Deluge: A Portrait of Berlin in the 1920s (New York, 1995), S. XXI.

Einleitung 1 Erwin Lessner, Phantom Victory: A Fictional History of the Fourth Reich, 1945–1960 (New York, 1944), S. 180 f. 2 Hugh Trevor-Roper, History and Imagination (Oxford, 1980), S. 15, 16, 21. 3 Duncan Gardham, »MI5 Files: Nazis Planned ›Fourth Reich‹ in Post-War Europe«, Telegraph, 4. April 2011. »Dawn of the Fourth Reich«, The Toronto Star, 11. April 2015. 4 Michael Miller, »Antifa: Guardians against Fascism or Lawless Thrill-Seekers?«, The Washington Post, 14. September 2017. 5 Jim Marrs, The Rise of the Fourth Reich: The Secret Societies That Threaten to Take over America (Solon, OH, 2008), und Glen Yeadon, The Nazi Hydra in America: Suppressed History of a Century – Wall Street and the Rise of the Fourth Reich (Joshua Tree, CA, 2008). Eine der ersten dieser Studien war Des Griffins Fourth Reich of the Rich (Clackamas, OR, 1976). 6 Carlos Collado Seidel, Angst vor dem »Vierten Reich«: Die Alliierten und die Ausschaltung des deutschen Einflusses in Spanien, 1944–1958 (Paderborn, 2001), Ronald Newton, »The United States, the German-Argentines, and the Myth of the Fourth Reich, 1943–47«, The Hispanic American Historical Review, 1, Februar 1984, S. 81–103, Heinz Schneppen, Odessa und das Vierte Reich: Mythen der Zeitgeschichte (Berlin, 2007), Scott Selby, The Axmann Conspiracy: The Nazi Plan for a Fourth Reich and How the U.S. Army Defeated It (New York, 2012), Daniel Stahl, Nazi-Jagd: Südamerikas Diktaturen und die Ahndung von NSVerbrechern (Göttingen, 2013), S. 27 f.

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Anmerkungen 7 Mary Fulbrook, A History of Germany 1918–2014: The Divided Nation (Chichester, UK, 2014), S. 122. 8 Magnus Linklater, Isabel Hilton und Neal Ascherson, The Nazi Legacy: Klaus Barbie and the International Fascist Connection (New York, 1985), S. 135. 9 Wissenschaftler haben den Begriff nicht nur unzureichend theoretisiert, sondern auch den gegenteiligen Fehler gemacht und sich auf zu detaillierte, idealtypische Definitionen des Vierten Reiches festgelegt. In seinem Opus magnum Beyond Eagle and Swastika zum Beispiel behauptet K. P. Tauber, »die Gründung eines Vierten Reiches ... [ging mit] der Schaffung von politischer Homogenität, sozialer Einheit und nationaler Macht durch im Wesentlichen konservativ-autoritäre, nichtrevolutionäre Mittel einher.« K. P. Tauber, Beyond Eagle and Swastika (Middletown, CT, 1967), S. 882. 10 Richard Evans, The Third Reich at War (New York, 2009), S. 764. 11 Roger Griffin, The Nature of Fascism (New York, 1996), S. XII. 12 Dieter Dettke, The Spirit of the Berlin Republic (New York, 2003), S. 3. 13 Um das Vierte Reich zu verstehen, muss man mit anderen Worten auch seine diskursiven Eigenschaften verstehen. Zum interdisziplinären Gebiet der Diskursanalyse vgl. Deborah Tannen, Heidi E. Hamilton und Deborah Schiffrin (Hg.), The Handbook of Discourse Analysis (Oxford, 2015), insbesondere Laurel J. Brinton, »Historical Discourse Analysis« (S. 222–243), Teun A. van Dijk, »Critical Discourse Analysis« (S. 466–485), und John Wilson, »Political Discourse« (S. 775–794). 14 Semiotisch gesprochen ist das Vierte Reich ein Bedeutungsträger, der sich auf eine Reihe verschiedener Bedeutungen bezieht (»le signifié«), die wiederum auf eine äußere Realität verweisen (»le référent«). Es vermittelt sowohl denotative als auch konnotative Bedeutung, Erstere durch Beschreibung, Letztere durch Andeutung. 15 Robert E. Denton, »The Rhetorical Functions of Slogans: Classifications and Characteristics«, Communication Quarterly, Frühjahr 1980, S. 10–18. 16 Vg. Klaus Naumanns Aufsatz »Selbstanerkennung: Nach 40 Jahren Bundesrepublik: Anstöße zur Bewältigung einer ›Erfolgsgeschichte‹«, Blätter, 9, 1988, S. 1046–1060. Axel Schildt, Ankunft im Westen: Ein Essay zur Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik (Frankfurt, 1999). Diese Position vertreten u. a. Wissenschaftler wie Harold Zink, The United States in Germany (Princeton, 1957), Fritz René Allemann, Bonn ist nicht Weimar (Köln, 1956), Ralf Dahrendorf, Society and Democracy in Germany (London, 1965), Hans-Peter Schwarz, Die Ära Adenauer: Gründerjahre der Republik, 1949–1957 (Stuttgart, 1981), Christoph Kleßmann, Die doppelte Staatsgründung: Deutsche Geschichte, 1945–1955 (Bonn, 1991), Edgar Wolfrum, Die geglückte Demokratie: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von ihren Anfängen bis zur Gegenwart (München, 2007), Heinrich August Winkler, Der lange Weg nach Westen, Band 2: Deutsche Geschichte vom ›Dritten Reich‹ bis zur Wiedervereinigung (München: C. H. Beck, 2000), Konrad Jarausch und Michael Geyer, Shattered Past: Reconstructing German Histories (Princeton, 2009). 17 Thomas Hertfelder, »›Modell Deutschland‹ – Erfolgsgeschichte oder Illusion?«, in: Thomas Hertfelder und Andreas Rödder (Hg.), Modell Deutschland – Erfolgsgeschichte oder Illusion? (Göttingen, 2007), S. 9. 18 Thomas Hertfelder, »Ein Meistererzählung der Demokratie? Die großen Ausstellungshäuser des Bundes«, in: Thomas Hertfelder, Ulrich Lappenküper und Jürgen Lillteicher (Hg.), Erinnern an Demokratie in Deutschland: Demokratiegeschichte in Museen und Erinnerungsstätten der Bundesrepublik (Göttingen, 2016), S. 167 f. 19 Konrad Jarausch, After Hitler: Recivilizing Germans, 1945–1995 (New York, 2006), S. 13– 17; Hertfelder, »›Modell Deutschland‹«, S. 15. Peter Pulzer, German Politics, 1945–1995 (Oxford, 1995), S. 71.

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Einleitung 20 Jarausch, »The Federal Republic at Sixty«, German Politics and Society, März 2010, S. 10. Vgl. Hertfelder, »›Modell Deutschland‹«, S. 15. 21 In seinem Buch The German Problem Transformed: Institutions, Politics, and Foreign Policy, 1945–1995 (Ann Arbor, 1999) bezeichnet Thomas Banchoff die Westbindung als »unvermeidlich« (S. 46). 22 Richard Ned Lebow, Forbidden Fruit (Princeton, NJ, 2010), S. 8–12. 23 Ruth Wittlinger und Steffi Boothroyd, »A ›Usable‹ Past at Last? The Politics of the Past in United Germany«, German Studies Review, Oktober 2010, S. 494–499. Vgl. auch: www. bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Horst-Koehler/Reden/2005/05/20050508_ Rede.html 24 Zum »backshadowing«, vgl. Michael André Bernstein, Foregone Conclusions: Against Apocalyptic History (Berkeley, 1994), und Gary Saul Morson, Narrative and Freedom: The Shadows of Time (New Haven, 1994). 25 Vgl. Peter Novick, That Noble Dream: The »Objectivity Question« and the American Historical Profession (Cambridge, UK, 1989). 26 Sonja Levsen und Cornelius Torp, »Die Bundesrepublik und der Vergleich«, in: Sonja Levsen und Cornelius Torp (Hg.), Wo liegt die Bundesrepublik? Vergleichende Perspektiven auf die Westdeutsche Geschichte (Göttingen, 2016), S. 13. 27 Andreas Rödder, »Das ›Modell Deutschland‹ zwischen Erfolgsgeschichte und Verfallsdiagnose«, Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 3, 2006, S. 345–363. Zur nötigen kritischen Auseinandersetzung mit Mythen vgl. Hannah Schissler, The Miracle Years: A Cultural History of West Germany, 1949–1968 (Princeton, 2000), S. 3, und Michael Schwarz, Vertriebene und ›Umsiedlerpolitik‹ (München, 2004), S. 3. Zu den »Schattenseiten« der »Erfolgsgeschichte« der deutschen Nachkriegszeit, vgl. Hertfelder, »,Modell Deutschland‹«, S. 18. Nach Ansicht von Hans Günter Hockerts betont »›Erfolgsgeschichte‹ [...] zu sehr das Glatte und Eindeutige, vernachlässigt Verluste, Umwege und Widerstände«. Hans Günter Hockerts (Hg.), Koordinaten deutscher Geschichte in der Epoche des Ost-West-Konflikts (München, 2004), S. IX. 28 Jarausch, After Hitler, S. VI. Dirk Moses, German Intellectuals and the Nazi Past (Cambridge, UK, 2007), S. 6. 29 Philipp Gassert hat »Verwestlichung« als allzu »whiggish« bezeichnet. Philip Gassert, »The Specter of Americanization: Western Europe in the American Century«, in: The Oxford Handbook of Postwar European History (Oxford, 2012), S. 194. Die Zwangsläufigkeit der »Modernisierung« kritisiert Maria Höhn in: GIs and Fräuleins: The German-American Encounter in 1950s West Germany (Chapel Hill, NC, 2002), S. 228, Michael Hughes hat die Unausweichlichkeit der Demokratisierung infrage gestellt in: Shouldering the Burdens of Defeat: West Germany and the Reconstruction of Social Justice (Chapel Hill, NC, 1999), S. 150. Peter Graf Kielmansegg, Lange Schatten: Vom Umgang der Deutschen mit der nationalsozialistischen Vergangenheit (Berlin, 1989), S. 10. 30 Kristian Buchna, Nationale Sammlung an Rhein und Ruhr: Friedrich Middelhauve und die nordrheinwestfälische FDP 1945–1953 (München, 2010), S. 10, Hervorhebung im Original. 31 Peter Bowler, Darwin Deleted: Imagining a World without Darwin (Chicago, 2013); Richard Ned Lebow, Archduke Franz Ferdinand Lives! A World without World War I (New York, 2014); Jeffrey Gurock, The Holocaust Averted: An Alternate History of American Jewry, 1938–1967 (New Brunswick, 2015). 32 J. H. Elliotts Empires of the Atlantic World: Britain and Spain in America, 1492–1830 (New Haven, 2006) schließt mit der Frage, was gewesen wäre, wenn Heinrich VII. die erste Reise von Christoph Kolumbus finanzierte hätte (S. 411). Anthony Pagdens The Enlightenment:

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Anmerkungen And Why It Still Matters (New York, 2013) untersucht abschließend, was geschehen wäre, wenn die Aufklärung nie stattgefunden hätte (S. 408–415); Steven Kotkins Stalin: Volume I, Paradoxes of Power, 1878–1928 (New York, 2014) endet mit der Coda »If Stalin Had Died« (S. 724–739). 33 Gavriel D. Rosenfeld, »The Ways We Wonder ›What If?‹ Towards a Typology of Historical Counterfactuals«, The Journal of the Philosophy of History, 3, 2016, S. 382–411. 34 Richard Ned Lebow, »Counterfactuals, History and Fiction«, Historical Social Research, 2, 2009, S. 57. Lebow, Forbidden Fruit, S. 40. 35 John Lewis Gaddis, The Landscape of History: How Historians Map the Past (Oxford, 2004), S. 102. 36 Fritz Ringer, »Max Weber on Causal Analysis, Interpretation, and Comparison«, History and Theory, Mai 2002, S. 168. 37 Philip E. Tetlock, Richard Ned Lebow und Geoffrey Parker (Hg.), Unmaking the West: »What-If?« Scenarios That Rewrite World History (Ann Arbor, MI, 2006), S. 17 f., 25; Roland Wenzlhuemer, »Counterfactual Thinking as Scientific Method«, Historical Social Research, 2, 2009, S. 49. 38 John Stuart Mill, On Liberty. Über die Freiheit, übersetzt von Bruno Lemke (Stuttgart 2009), S. 55. 39 Die einflussreiche »Whig-Historiografie« entstand beispielsweise mit dem Aufstieg Großbritanniens zur Weltmacht im 19. Jahrhundert, erlebte aber mit dem Zusammenbruch des Empires nach 1945 ihren Niedergang. Richard Evans, Cosmopolitan Islanders: British Historians and the European Continent (Cambridge, UK, 2009), S. 30 f. 40 Azar Gat, Victorious and Vulnerable: Why Democracy Won in the Twentieth Century and How It Is Still Imperiled (Lanham, MD, 2010), S. 5–7. 41 Ebd., S. IX. 42 Hans-Peter Schwarz, »Die ausgebliebene Katastrophe: Eine Problemskizze zur Geschichte der Bundesrepublik«, in: Hermann Rudolph (Hg.), Den Staat denken: Theodor Eschenburg zum Fünfundachtzigsten (Stuttgart, 1989), S. 151. Nach Ansicht von Schwarz war die Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik von Menschen geprägt, die der Katastrophe in allen Lebensbereichen zu »entgehen« versuchten. Über den Nutzen kontrafaktischer Modelle äußerte sich Schwarz paradoxerweise abfällig: »natürlich ist nicht viel historiographischer Ruhm zu erwerben, wenn man sich in die schlechthin nicht zu beantwortende Frage verbeißt, ›was wäre geschehen, wenn?‹.« Ebd., S. 167. 43 Klaus Naumann, »Die neunziger Jahre, ein nervöses Jahrzehnt am Ende der Nachkriegszeit«, in Ursula Heukenkamp (Hg.), Schuld und Sühne? Deutsche Kriegserlebnis und Kriegsdeutung in deutschen Medien der Nachkriegszeit (1945–1961) (Amsterdam, 2001), S. 801– 811, hier S. 800. 44 Yemima Ben-Menahem, »Historical Necessity and Contingency«, in: Aviezer Tucker (Hg.), A Companion to the Philosophy of History and Historiography (Chichester, 2009), S. 110–130. 45 Winkler, Der lange Weg, Band 2, S. 656. Ähnlich stellte Richard von Weizsäcker 1992 fest: »die erste deutsche Republik [scheiterte nicht, weil es zu früh] ... zu viele Extremisten gegeben hatte, sondern zu lange zu wenige Demokraten«. Zitiert in: Kevin McAleer, Dueling: The Cult of Honor in Fin-de-Siècle Germany (Princeton, 2014), S. 208. http://www. bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Richard-von-Weizsaecker/Reden/1989/05/ 19890524_Rede.html. 46 In seinem Buch The Bonn Republic: West German Democracy 1945–1990 (New York, 1997) schenkt A. J. Nicholls den Bemühungen von ehemaligen und Neonazis, die die westdeutsche Demokratie in der Nachkriegszeit bekämpften, wenig Beachtung; er verweist die

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1.  Zwischen Fantasie und Albtraum Sozialistische Reichspartei (SRP) auf wenig mehr als eine Fußnote (S. 92) und widmet der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) weniger als eine Seite. 47 Allemann, Bonn ist nicht Weimar, S. 295; Gerhard Ritter, The German Problem: Basic Questions of German Political Life, Past and Present (1965), S. 204. Allerdings blieben eher liberale Wissenschaftler wie zum Beispiel Karl Dietrich Bracher, der sich ausführlich mit dem »Fortleben nationalsozialistischer Gedanken und Legenden« in der Bundesrepublik auseinandersetzte, zu dieser Zeit eher zurückhaltend. Karl Dietrich Bracher, Die deutsche Diktatur. Entstehung, Struktur, Folgen des Nationalsozialismus (Köln, 1969), S. 519. 48 Jeffrey Herf, »Multiple Restorations: German Political Traditions and the Interpretation of Nazism, 1945–1946«, Central European History, 26, 1, 1993, S. 53; Kielmansegg, Lange Schatten, S. 11; Dennis Bark und David Gress, A History of West Germany: From Shadow to Substance, 1945–1963 (Oxford, 1989), S. XII. Für weitere Beispiele vgl. Jarausch, After Hitler, S. 62, 54; Rand Lewis, The Neo-Nazis and German Unification (Westport, CT, 1996), S. 14; Dieter Dettke, The Spirit of the Berlin Republic, S. 3. 49 Martin Kitchen, A History of Modern Germany (Malden, MA, 2006), S. 343; Wolfrum, Die geglückte Demokratie, S. 171. 50 Vgl. Corey Robin, Fear: The History of a Political Idea (New York, 2004); Adam Zamoyski, Phantom Terror: Political Paranoia and the Creation of the Modern State, 1789–1848 (New York, 2015). 51 Naumann, »Die neunziger Jahre«, S. 801; vgl. auch Schwarz, dem zufolge Historiker die »Stimmungen« der Angst in der deutschen Nachkriegsgeschichte »ernst nehmen« müssen. Schwarz, »Die ausgebliebene Katastrophe«, S. 158 f. 52 Vgl. Christian Schletter, Grabgesang der Demokratie: Die Debatten über das Scheitern der bundesdeutschen Demokratie von 1965 bis 1985 (Göttingen, 2015), S. 9–11, 361–363. Ian Connor, »The Radicalization That Never Was? Refugees in the German Federal Republic«, in: Frank Biess, Mark Roseman und Hanna Schissler, Conflict, Catastrophe, and Continuity: Essays on Modern German History (New York, 2007), S. 221–236. 53 Zu den wichtigsten Werken zum Thema Vergangenheitsbewältigung zählen unter anderen: Charles Maier, The Unmasterable Past: History, Holocaust, and German National Identity (Cambridge, MA, 1988); Jeffrey Herf, Divided Memory: The Nazi Past in the Two Germanys (Cambridge, MA, 1997); Ulrich Brochhagen, Nach Nürnberg: Vergangenheitsbewältigung und Westintegration in der Ära Adenauer (Hamburg, 1994); Manfred Kittel, Die Legende von der zweiten Schuld: Vergangenheitsbewältigung in der Ära Adenauer (Berlin, 1993); Helmut Dubiel, Niemand ist frei von der Geschichte (München, 1999); Bill Niven, Facing the Nazi Past: United Germany and the Legacy of the Third Reich (London, 2002). 54 Der von Jordan Peele produzierte Film The Hunt »folgt einer bunten Truppe von NaziJägern, die im New York des Jahres 1977 leben ... [und] entdeckt haben, dass Hunderte ... NS-Funktionäre sich verschworen haben, um ein Viertes Reich in den USA zu schaffen«. ‒ »Jordan Peele-Produced Nazi Hunting Drama Ordered to Series at Amazon«, Variety, 17. Mai 2018.

1.  Zwischen Fantasie und Albtraum 1 Georg Bernhard, »Entwurf einer Verfassung für das ›Vierte Reich‹, Januar/Februar 1936,« in: Ursula Langkau-Alex (Hg.), Dritter Band: Dokumente zur Geschichte des Ausschusses zur Vorbereitung einer deutschen Volksfront (Berlin, 2005), S. 26. 2 Barnet Nover, »The End of Adolf Hitler«, The Washington Post, 3. Mai 1945, S. 6.

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Anmerkungen 3 Dieter Gunst, »Hitler wollte kein ›Drittes Reich‹«, Geschichte, Politik, und ihre Didaktik, 17, 1989, S. 303 f. 4 Vgl. dazu Claus-Ekkehard Bärsch, Die politische Religion des Nationalsozialismus (München, 1998), S. 46–49; David Redles, »Nazi End Times: The Third Reich as Millennial Reich«, in: Karolyn Kinane und Michael Ryan (Hg.), End of Days: Essays on the Apocalypse from Antiquity to Modernity (Jefferson, NC, 2009), S. 173 f. 5 Thomas Flanagan, »The Third Reich: Origins of a Millenarian Symbol«, Journal of European Ideas, 3, 1987, S. 285. Vgl. auch Cornelia Schmitz-Berning, Vokabular des Nationalsozialismus (Berlin, 1998), S. 156. 6 Nicolas Sollohub, »Forerunners of the Third Reich«, The Contemporary Review, 1. Juli 1939, S. 57. 7 Vgl. allgemein Jost Hermand, Der alte Traum vom neuen Reich. Völkische Utopien und Nationalsozialismus. (Weinheim, 1988). Zu den Ausnahmen zählen Johannes Schlafs Roman Das dritte Reich (1899) und Hermann Burtes Roman Wiltfieber, der ewige Deutsche (1912). Bärsch, Die politische Religion des Nationalsozialismus, S. 48 f.; Flanagan, »The Third Reich«, S. 286 f. 8 Hermand, Dreams of a New Reich, S. 49–58. 9 In einem Artikel mit dem Titel »Kriegsrede«, der am 4. Februar 1916 in den Altonaer Nachrichten/Hamburger neueste Nachrichten erschien, schrieb Richard Dehmel über die Notwendigkeit »der Ganzheit für das Dritte Reich, von der die Apostel des Friedens träumten«. Vgl. auch das Buch des deutschen Schriftstellers Ernst Krieck, Die deutsche Staatsidee (1917). Redles, »Nazi End Times«, S. 183; Flanagan, »The Third Reich«, S. 287 f. 10 Fritz Stern, The Politics of Cultural Despair: A Study in the Rise of the Germanic Ideology (Berkeley, 1961), Kapitel 14. 11 Ebd., S. 259. 12 Ebd., S. 262. 13 Hermand, Old Dreams of a New Reich, S. 83; vgl. auch Stern, The Politics of Cultural Despair, S. 253–265. 14 Bärsch, Die politische Religion des Nationalsozialismus, S. 52–91. Bärsch zufolge übernahm Eckart den Begriff wohl vom Dramatiker Henrik Ibsen, der ihn in seinem Stück Kaiser und Galiläer (1873) verwendete. Eckart war mit Ibsens Dramen vertraut und hatte Peer Gynt nachgedichtet. Bärsch, Die politische Religion des Nationalsozialismus, S. 62 f. 15 Bärsch, Die politische Religion des Nationalsozialismus, S. 64. 16 Stern, The Politics of Cultural Despair, S. 265, 237; Flanagan, »The Third Reich«, S. 284, 293, 12 f.; Bärsch, Die politische Religion des Nationalsozialismus, S. 49–57; Redles, »Nazi End Times«, S. 181. 17 »The New Order in Germany«, The Times (London), 10. November 1928, S. 11. Vgl. auch Hermand, Old Dreams of a New Reich, S. 74. 18 »Das dritte Reich«, Börsen-Halle (Hamburg), 21. März 1926. »Verbündete Prügelhelden«, Berliner Volkszeitung, 18. August 1930, S. 1. 19 Der völkische Schriftsteller Hermann Wirth verwendete die Vorstellung eines Dritten Reichs in seinem utopischen Blut-und-Boden-Roman Aufgang der Menschheit (1928). Hermand, Old Dreams of a New Reich, S. 191. Der Dichter Stefan George war dafür bekannt, nach einem »neuen Reich« unter Leitung eines »Führers« zu verlangen. Hermand, Old Dreams of a New Reich, S. 47 f. 20 Bärsch, Die politische Religion des Nationalsozialismus, S. 114; Alfred Rosenberg, The Myth of the Twentieth Century (Ostara, 2000), S. 318; Hermand, Old Dreams of a New Reich, S. 148. 21 Adolf Hitler, Mein Kampf: Eine kritische Edition, hg. von Christian Hartmann, Othmar

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1.  Zwischen Fantasie und Albtraum Plöckinger, Roman Töppel und Thomas Vordermayer. München, Berlin: Institut für Zeitgeschichte, 2016, S. 93. Hervorhebung im Original. 22 1926 forderten deutsche Universitätsstudenten die Schaffung eines »Dritten Reiches, des großen deutschen Reiches der Zukunft«. Siegfried Scharfe, »Politische Schulung der Studentenschaft«, Hamburger Nachrichten, 26. Februar 1926. 23 Diese These vertritt Gunst in seinem Aufsatz »Hitler wollte kein ›Drittes Reich‹«, S. 303 f. 24 Der Ausdruck erschien erstmals am 4. Juli 1930 in der New York Times, »Berlin Acts to Curb Extremist Parties«, The New York Times, S. 6. Vgl. auch »Reich Cabinet Stays«, 17. September 1930, S. 1, und »Conquest of Russia One Aim of Hitler«, 29. September 1930, S. 11. 25 1926 forderte Gregor Strasser ein »Drittes Reich nationaler Freiheit und sozialer Gerechtigkeit!« Zitiert in Detlef Mühlberger, Hitler’s Voice: The Völkische Beobachter, 1920– 1933: Volume II, Nazi Ideology and Propaganda (Bern, 2004), S. 136. Andere Beispiele aus den Jahren 1927–1928 sind zitiert in: ebd., S. 271, 339, 354. Otto Baugert beruft sich in seiner Geschichte »Hans Sturms Erwachen« auf den Begriff, Der Angriff, 16. April 1928; ihre Titelfigur wird beschrieben als ein »Soldat für das Dritte Reich«. Zitiert in Russell Lemons, Goebbels und der Angriff (Lexington, KY, 1994), S. 93, 153 f. 26 Karl Kaufmann berief sich in einer Rede zu Beginn des Jahres 1931 auf das Dritte Reich. Vgl. »Reichsgründungstag in Hamburg und Altona«, Hamburger Nachrichten, 19. Januar 1931, S. 5. Wilhelm Kube hielt in Altona einen Vortrag mit dem Titel »Hitler’s Path to the Third Reich«, Hamburger Nachrichten, 10. Februar 1932, S. 4; Julius Streicher berief sich 1927 in einer Rede auf ihn, Redles, »Nazi End Times«, S. 181. 27 Zur Verwendung des Begriffs durch andere Parteimitglieder vgl. »Vor dem Strafrichter«, Hamburger Anzeiger, 14. April 1932; »Schüsse auf Polizeibeamte«, Hamburgischer Correspondent und neue hamburgische Börsen-Halle, 16. November 1932. 28 Vgl. David Redles, Hitler’s Millennial Reich: Apocalyptic Belief and the Search for Salvation (New York, 2005) zu den Erinnerungen gewöhnlicher Parteimitglieder, S. 98–100. 29 »Wen sollst du wählen?« Hamburger Anzeiger, 28. August 1930, S. 1. 30 Vgl. die Plakatsammlung des Landesarchivs Baden-Württemberg: Staatsarchiv Freiburg, unter: www.dhm.de/lemo/bestand/objekt/plakat-spd-193233.html. 31 »›Das dritte Reich‹ vor Gericht«, Börsen-Halle (Hamburg), 9. März 1931. Im selben Jahr wurde ein von der SPD produzierter satirischer Film mit dem Titel Ins Dritte Reich von der deutschen Filmprüfstelle verboten, nachdem das Reichsministerium des Inneren und das Auswärtige Amt erklärt hatten, der Film könne dem internationalen Ruf Deutschlands schaden. »Das Kino als Parteikampfarena«, Hamburger Anzeiger, 30. Januar 1931, S. 1. 32 »Luftkampf über dem Berliner Lustgarten«, Hamburger Anzeiger, 23. April 1932, S. 1. 33 Dem Artikel »Hitler Would Scrap Versailles Treaty and Use Guillotine« in der New York Times vom 26. September 1930 zufolge verwendete ihn Hitler persönlich, S. 1. 34 Alfred Rosenberg, »Der Grundstein zum Dritten Reich«, Völkischer Beobachter, 31. Januar 1933, S. 1 f. 35 Auch literarische Werke übernahmen den Begriff, vgl. zum Beispiel Wilhelm Höper, Die drei Reiche: Von der Kaiserkrone zum Hakenkreuz (Breslau, 1934). 36 Max Domarus, Hitler: Reden und Proklamationen, 1932–1945 (Wauconda, IL, 1990). Nach 1933 bezeichneten die Nationalsozialisten die Weimarer Republik zunehmend als das »Zwischenreich« zwischen dem zweiten und dem dritten Reich. Schmitz-Berning, Vokabular des Nationalsozialismus, S. 710. 37 Domarus, Hitler, S. 269, Rede vom 10. Mai 1933. 38 Ebd., S. 542, 718.

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Anmerkungen 39 Ebd., S. 666. Hitler lobte außerdem die deutschen Frauen dafür, dem »Dritten Reich ihre Kinder gegeben« zu haben. Ebd., S. 874. 40 In einer Rede vor den Bürgern von Reichenberg im Sudetenland erklärte Hitler am 2. Dezember 1938: »Es ist aber notwendig als Abschluss der Geburtsurkunde des Großdeutschen Reiches!« Ebd., S. 981. 41 Schmitz-Berning, Vokabular des Nationalsozialismus, S. 159 f. Christian Zentner und Friedemann Bedürftig, Das Große Lexikon des Dritten Reiches (München, 1985), S. 135. 42 Karl Lorenz, Methodenlehre und Philosophie des Rechts in Geschichte und Gegenwart (Berlin, 2010), S. 114. 43 Reinhard Bollmus, Das Amt Rosenberg und seine Gegner: Studien zum Machtkampf im nationalsozialistischen System (München, 2006), S. 236. Vgl. auch Schmitz-Berning, Vokabular des Nationalsozialismus, S. 159 f. 44 Der Begriff tauchte zwar in den Jahren 1939–1941 noch auf, verschwand jedoch danach. Vgl. etwa »Das Dritte Reich militärisch unbesiegbar«, Deutsches Nachrichtenbüro, 16. Oktober 1939, und »Eine Idee hat uns besiegt«, Altonaer Nachrichten, 6. Mai 1941. Die Hauptsuchmaschine der European Library verzeichnet 1.825 Treffer für den Ausdruck »dritte reich« in deutschsprachigen Zeitungen der Jahre 1930–1939 und nur 46 in den Jahren 1940–1949. 45 Cornelia Berning, Vom ›Abstammungsnachweis‹ zum ›Zuchtwart‹: Vokabular des Nationalsozialismus (Berlin, 1964), S. 57. 46 Vgl. allgemein Mariano Delgado, Klaus Koch und Edgar Marsch (Hg.), Europa, Tausendjähriges Reich und Neue Welt: Zwei Jahrtausende Geschichte und Utopie in der Rezeption des Danielbuches (Freiburg, Schweiz, 2003). 47 Jürgen Ebach, Neue Schrift-Stücke: Biblische Passagen (Gütersloh, 2012), S. 35–39. 48 Auch die Byzantiner und Russen beanspruchten das Erbe des römischen Kaiserreiches und verstanden ihre Reiche als das »Dritte Rom«. Ebd., S. 38. 49 Zu dieser Zeit entstand auch die »Vier-Reiche-Lehre«. Franz Brendle, Das konfessionelle Zeitalter (Berlin, 2015), S. 12. Die Prophezeiung Daniels, wonach das Heilige Römische Reich das letzte Reich sei, könne nicht falsch sein, so Luther. Daher könne es dem Angriff der Türken nicht zum Opfer fallen. Wolfgang E. J. Weber, »... oder Daniel würde zum Lügner, das ist nicht möglich: Zur Deutung des Traums des Nebukadnezar im frühneuzeitlichen Reich«, in: Peer Schmidt und Gregor Weber (Hg.), Traum und res publica: Traumkulturen und Deutungen sozialer Wirklichkeiten in Europa von Renaissance und Barock (Berlin, 2008), S. 209 f. 50 Napoleons Auflösung des Heiligen Römischen Reichs 1806 war ein besonders traumatisches Ereignis, das konservative Deutsche dazu bewog, auf das unmittelbar bevorstehende Ende der Tage gefasst zu sein. Stefan Bodo Würffel, »Reichs-Traum und Reichs-Trauma: Danielmotive in deutscher Sicht«, in: Delgado u. a. (Hg.), Europa, Tausendjähriges Reich und Neue Welt, S. 407–411. Vgl. auch Klaus Koch, »Europabewusstsein und Danielrezeption zwischen 1648 und 1848«, in: Delgado u. a. (Hg.), Europa, Tausendjähriges Reich und Neue Welt, S. 326–384. 51 Johannes Friedrich Hoffmann, Antiochus IV. Epiphanes, König von Syrien: Ein Beitrag zur allgemeinen und insbesondere israelitischen Geschichte, mit einem Anhange über Antiochus im Buche Daniel (Leipzig, 1873), S. 85. Zu Verweisen in der Presse vgl. »Gedanken über Daniel, 7. Cap. 19. Vers.«, Grazer Volksblatt, 15. Februar 1871. »Atlantis«, Hamburgischer Correspondent und neue hamburgische Börsen-Halle, 1. März 1922. 52 Kurt van Emsen, Adolf Hitler und die Kommenden (Leipzig, 1932). 53 Strünckmann unterstützte die Lebensreform, die Körperkultur und Jugendbewegungen. Mohler, Die konservative Revolution in Deutschland, S. 450. Bernd Wedemeyer-Kolwe,

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1.  Zwischen Fantasie und Albtraum »Der neue Mensch«: Körperkultur im Kaiserreich und in der Weimarer Republik (Würzburg, 2004), S. 173. Florentine Fritzen, Gesünder leben: Die Lebensreformbewegung im 20. Jahrhundert (Stuttgart, 2006), S. 61 f. 54 Emsen, Adolf Hitler und die Kommenden, S. 8. 55 Ebd., S. 12. 56 Ebd., S. 95, 13 f., 99, 133. 57 Ebd., S. 125 f., 151. Van Emsen plädierte dafür, »dem National-Sozialismus zum Siege zu verhelfen«. Ebd., S. 100. 58 Ebd., S. 11. 59 Ebd., S. 99, 21. 60 Ebd., S. 130. 61 Ebd., S. 131. 62 Ebd., S. 43. 63 Ebd., S. 134. 64 Ebd., S. 102 f., 138, 118. 65 Ebd., S. 15. 66 Ebd., S. 138, 118. 67 Kevin Starr, The Dream Endures: California Enters the 1940s (New York, 1997), S. 374. Diese Sicht /Auffassung tauchte bereits 1935 auf in E. J. Passants Rezension von After Hitler’s Fall in International Affairs, Mai–Juni 1935, S. 425, und »A German’s Hope for Germany«, The Courier-Journal (Louisville, KY), 7. April 1935. 68 Hubertus zu Löwenstein, Nach Hitlers Sturz: Deutschlands kommendes Reich (London, 1934), S. XXVI. 69 Ebd., S. 12. 70 Ebd., S. 20. 71 Ebd., S. 24–27. 72 Ebd., S. 39, 42. 73 Zitiert in Walter F. Peterson, The German Left-Liberal Press in Exile: Georg Bernhard and the Circle of Émigré Journalists around the Pariser Tageblatt-Pariser Tageszeitung, 1933– 1940 (Ph.D. Dissertation, State University of New York at Buffalo, 1982), S. 200. 74 Ebd., S. 219, 178. 75 Ebd., S. 286. 76 Ebd., S. 367, 294. 77 Georg Bernhard, »Entwurf einer Verfassung für das ›Vierte Reich‹, Januar/Februar 1936«, in: Ursula Langkau-Alex (Hg.), Dritter Band: Dokumente zur Geschichte des Ausschusses zur Vorbereitung einer deutschen Volksfront (Berlin, 2005), S. 25–33. 78 Ebd., S. 25. 79 Ebd., S. 26. 80 Die kommunistische Fraktion lehnte die Verfassungsprinzipien ab. Milorad M. Drachkovitch und Branko Lazitch, The Comintern: Historical Highlights, Essays, Recollections, Documents (Palo Alto, 1966), S. 131 f. 81 W. F. Peterson, The German Left-Liberal Press in Exile, S. 299. 82 Wie Peterson schreibt, waren »die meisten, die Mitarbeiter beim Pariser Tageblatt wurden, Juden«; 80 Prozent der deutschen Flüchtlinge in Frankreich waren Juden. Ebd., S. 100, 181. 83 Zwischen 1933 und 1940 gelangten 100.000 und 150.000 deutsch-jüdische Flüchtlinge in die USA. Rund 20.000 von ihnen ließen sich in Washington Heights nieder. Steve Lowenstein, Frankfurt on the Hudson: The German Jewish Community of Washington Heights, 1933–1983, Its Structure and Culture (Detroit, 1989), S. 22, 68.

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Anmerkungen 84 Valerie Popp, Aber hier war alles anders ...: Amerikabilder der deutschsprachigen Exilliteratur nach 1939 in den USA (Würzburg, 2008), S. 58. Gerhard Jelinek, Nachrichten aus dem 4. Reich (Salzburg, 2008), S. 18. Claudia Appelius, »Die schönste Stadt der Welt«: Deutsch-jüdische Flüchtlinge in New York (Essen, 2003), S. 11. 85 Ernest Stock, »Washington Heights’ ›Fourth Reich‹: The German Émigrés’ New Home«, Commentary, Juni 1951, S. 581–588. Vgl. »Refugee Jews Living in New York’s ›Fourth Reich‹ Panic-Stricken over Fate of Relatives«, The Wisconsin Jewish Chronicle, 18. November 1938, S. 1. 86 Ein weiterer Spitzname war »Frankfurt on the Hudson«. Appelius, »Die schönste Stadt der Welt«, S. 11. 87 Hans-Jochen Gamm, Der Flüsterwitz im Dritten Reich (München, 1963), S. 138. 88 »Hitler’s Fall Near, Vladeck Declares«, The New York Times, 5. Oktober 1935, S. 7. 89 »Eine Klubrevue aus dem Jahre 1956«, Aufbau, 6. Januar 1936, S. 10. 90 »Wie wir hören«, Aufbau, 1. August 1939, S. 7. 91 Charles Shulman, Europe’s Conscience in Decline (Chicago, 1939), S. 27. Vgl. auch »Hitler’s Ten Plagues«, The Wisconsin Jewish Chronicle, 13. Juli 1934. 92 Ben Mordecai, »I Think as I Please«, Jewish Advocate, 8. März 1940, S. 4. 93 Martin Panzer, »Democracy’s Revenge«, The Jewish Exponent, 2. Mai 1941, S. 1. 94 James Donohoe, Hitler’s Conservative Opponents in Bavaria: 1930–1945 (Leiden, Niederlande, 1961), S. 15, 20 f. Vgl. allgemein Jeffrey Herf, Reactionary Modernism: Technology, Culture, and Politics in Weimar and the Third Reich (Cambridge, UK, 1984), insbesondere Kapitel 2. 95 Otto Strasser, Hitler and I (Boston, 1940); Douglas Reed, Nemesis? The Story of Otto Strasser and the Black Front (Boston, 1940). 96 Reed, Nemesis?, S. 28. 97 Ebd., S. 29. 98 Ebd., S. 225, 223, 228. 99 Ebd., vgl. Kapitel 11 und Nachwort. Aus Reeds Darstellung von Strassers Antisemitismus geht hervor, dass der Journalist selbst eine virulente Form von Judenhass vertrat. So schrieb Reed: »Die Ansicht setzt sich heute mehr und mehr durch, dass ... die Juden eine wesensfremde Gemeinschaft mit einer ausgesprochen feindlichen Religion gegenüber Nicht-Juden sind … mit religiösen Gesetzen, die viel rabiater sind als Hitlers antijüdische Gesetze, welche nur eine blasse Umkehrung ihrer sind.« Ebd., S. 273. 100 Strasser führte diese Vision in zahlreichen Aufsätzen, Pamphleten und Büchern näher aus. Er betonte jedoch stets die Bedeutung des auf der Bamberger Führertagung überarbeiteten Programms der NSDAP von 1925, die die Partei in eine eher linke Richtung führte, und sein nach dem Bruch mit Hitler 1930 veröffentlichtes Buch Aufbau des deutschen Sozialismus. 101 Strasser, Hitler and I, S. 27. 102 Ebd., S. 207 f., 215. 103 Ebd., S. 224, 228, 230. 104 Vgl. Hans Bauer, »Ohne Kragen ins Dritte Reich!« Hamburger Anzeiger, 25. Oktober 1930, S. 7. 105 »Bausteine für das Vierte Reich gefällig?« Das Schwarze Korps, 19. Juni 1935, S. 16. 106 Ralph Thompson, Rezension von Nemesis? 27. Juni 1940, S. 21; kurzer titelloser Artikel über Strasser in: Life, 4. Dezember 1939. Viele andere Artikel stellten die gleiche Verbindung her. Die Montreal Gazette sprach von »Strassers Blaupause für das Vierte Reich.« Donald MacDonald, »Strasser’s Life and Work«, Montreal Gazette, 3. Oktober 1941. Kirkus Reviews bezeichnete Strasser als einen »Führungskandidaten für das Vierte Reich«:

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1.  Zwischen Fantasie und Albtraum Kirkus Reviews, 21. August 1940. Vgl. auch »Leader of the Fourth Reich«, The Wellington Times (Neuseeland), 1. Februar 1940, S. 4. Laut Christian Science Monitor versuchte Strasser, »Hitlers Drittes Reich durch sein ›Viertes Reich‹ zu ersetzen«: The Christian Science Monitor, April 10, 1943, S. WM5. The New Statesman und Nation bezeichneten Strasser als den »Propheten des Vierten Reichs«: »The Strasser Brothers«, New Statesman and Nation, 30. März 1940, S. 438. Vgl. auch R. M. W. Kempner, Rezension von Hitler and I and Nemesis? in: Annals of the American Academy of Political and Science, März 1941, S. 223 f. 107 Zitiert in Yale University’s Avalon Project: Nuremberg Trial Proceedings, Band IX. http:// avalon.law.yale.edu/subject_menus/imtproc_v9menu.asp. 108 »Goering Nipped Hitler – Strasser Plot, Paris Told«, The New York Herald Tribune, 6. Juli 1934, S. 1. 109 Shepard Stone, »Why Dr. Rauschning was a Nazi«, The New York Times, 14. September 1941, S. BR9. 110 Hermann Rauschning, The Conservative Revolution (New York, 1941), S. 116. Vgl. auch »Hope for Future of Europe«, The Advertiser (Adelaide, Australien), 14. Februar 1942, S. 12. 111 »Germany Will Try Three for Treason Today; Announcement Made to Decry ›Conspiracy‹«, The New York Times, 3. Januar 1939, S. 1. 112 »A Prophet of the Fourth Reich?« Free Europe, 3. Dezember 1943, S. 191 f. 113 »Mystisches Österreich«, Vossische Zeitung, 13. September 1933, S. 2. 114 »The Habsburgs: Vitriolic Attack in Nazi Newspaper«, Manchester Guardian, 2. März 1937, S. 14. Goebbels selbst wurde in Deutschland verhöhnt als jemand, der sich in einem künftigen, vom Adel beherrschten »Vierten Reich« in den aristokratischen »Grafen von Goebbels« verwandle. Vgl. »The Spread of Underground Humor in Germany«, The St. Louis Post-Dispatch, 5. Mai 1935, S. 69. 115 Vgl. Bernhard Vollmer, Volksopposition im Polizeistaat: Gestapo- und Regierungsberichte, 1934–1936 (Stuttgart, 1957), S. 259. Manuel Becker und Christoph Studet, Der Umgang des Dritten Reiches mit den Feinden des Regimes (Berlin, 2010), S. 68. 116 »Nazi Extremism«, The West Australian (Perth, Australien), 10. August 1935, S. 19. 117 »Hitler’s Weak Spot«, The Chronicle (Adelaide, Australien), 8. Februar 1940, S. 47. In diesem Zusammenhang prophezeiten einige Artikel sogar, in einem Vierten Reich würden die Junker an die Macht zurückkehren. Die Zeitschrift Foreign Affairs hoffte 1935, Hitler werde den deutschen Konservativen nachgeben müssen: Wie Karl Brandt schrieb, könne die Nacht der langen Messer »durchaus als Geburtstag des Vierten Reiches bezeichnet werden«, weil sie den Weg für einen nationalsozialistischen »Rückzug in praktisch allen Bereichen des politischen Lebens« bereitet und die Voraussetzungen für eine Restauration der Junker geschaffen habe. Karl Brandt, »Junkers to the Fore Again«, Foreign Affairs, 1. Oktober 1935, S. 129, 134. 118 »Report on Munich Bomb Plot«, Press and Journal (Aberdeen, Schottland), 14. November 1939, S. 6. Diese Position unterstützte Dorothy Thompson, »The Revolutionary Weapon«, The Daily Boston Globe, 17. November 1939, S. 20. Einige Jahre darauf schrieb The Boston Globe: »Wenn Hitler mit dem von ihm geschaffenen Regime untergeht, will Göring triumphierend aus der Asche aufsteigen, um das Vierte Reich zu regieren«: »Goering Planning to Seek Peace with Us through Big Business via France«, The Boston Globe, 17. August 1942, S. 3. Während des Krieges spekulierte The Hartford Courant, der ehemalige Reichsbankdirektor Hjalmar Schacht »plane [ein] Viertes Reich«. Vgl. »Dr. Schacht Germany’s Big Puzzle«, The Hartford Courant, 13. Dezember 1942, S. B5. 119 Vgl. Joachim Scholtyseck, Robert Bosch und der liberale Widerstand gegen Hitler 1933 bis 1945 (München, 1999), S. 394–396, und S. 670, 571 f.

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Anmerkungen 120 Stefan Noethen, »Pläne für das Vierte Reich: Der Widerstandskreis im Kölner Kettelerhaus 1941–1944«, Geschichte in Köln, 39, 1996, S. 62–64. 121 Die New York Times beschrieb den zukünftigen Staat als »Feldmarschall General Erwin von Witzlebens Viertes Reich«. »Hitler Has Pledge from Brauchitsch«, The New York Times, 20. August 1944, S. 14. Mit den gleichen Worten verwies Hans Peters vom Kreisauer Kreis auf Goerdeler. Zitiert in Agostino von Hassell und Sigrid MacRae, Alliance of Enemies: The Untold Story of the Secret American and German Collaboration to End World War II (New York, 2006), S. 197. Ruth Andreas-Friedrich berichtete: »Goerdeler ... [reist] im Lande umher und [verteilt] Posten fürs Vierte Reich«, S. 140. 122 Gabriel A. Almond, »The German Resistance Movement«, A Current History, 1. Mai 1946, S. 419. 123 Hans Bernd Gisevius, Bis zum bitteren Ende: Vom Reichstagsbrand bis zum 20. Juli 1944, Band II (Hamburg, 1959), S. 326. 124 »Die Waffe des Witzes ist das letzte freie Spiel des Individuums, das der Staat nicht ›gleichschalten‹ kann.« Gamm, Der Flüsterwitz im Dritten Reich, S. 173. 125 Klemperer, Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1933‒1945. 2 Bände, Band 1: 1933‒1941. Berlin: Aufbau, 1995, S. 614 f. Eintrag vom 23.6.‒1.7.1941. Im Oktober 1938 war der Witz bereits in der Monatsschrift Das wahre Deutschland erwähnt worden, die der katholischen Zentrumspartei nahestand. Zitiert in Günter Buchstab, Brigitte Kaff und Hans-Otto Kleinmann (Hg.), Verfolgung und Widerstand, 1933–1945: Christliche Demokraten gegen Hitler (Düsseldorf, 1986), S. 109. 126 Ruth Andreas-Friedrich, Der Schattenmann: Tagebuchaufzeichnungen 1938‒1945. Mit einem Nachwort von Klaus Drobisch, Berlin 1977. 127 Weiter erzählt Andreas-Friedrich, wie ein jüdischer Bekannter nach einem Bombenangriff im Frühjahr 1944 einen neuen Ausweis beantragte und ihm die ausstellende Dame antwortete: »Wir werden später mit den Listen vergleichen« – eine Bemerkung, die den Begleiter des Mannes dazu veranlasste, fröhlich bei sich zu denken: »Später ... im Vierten Reich.« Im März 1945 erfuhr Andreas-Friedrich, dass die Behörden »ein Spottgedicht gegen Hitler« in der Luftschutztasche einer jüdischen Bekannten entdeckt hatten, ebenso wie »zwei Judensterne, die sich die Mädchen vorsorglich fürs Vierte Reich besorgt haben«. Ebd., S. 122, 198. 128 Arthur Dix, »›Wirtschaftsfrieden‹ der Völker«, Hamburger Nachrichten, 29. Dezember 1934. 129 »Kube in Altona«, Altonaer Nachrichten, 5. März 1936. 130 »Hitler’s Shopkeeper Supporters Now Disillusioned«, Derby Evening Telegraph (England), 9. Januar 1940, S. 2. 131 Institut für Zeitgeschichte, ED 474/216. Dokument: »In Name des Deutschen Volkes in der Strafsache gegen den Studenten der Chemie, Hans-Konrad Leipelt« (1944). 132 »Das Bild der Lage«, Znaimer Tagblatt, 26./27. August 1944, S. 1. Vgl. auch »Roosevelts wahre Nachkriegsziele«, Znaimer Tagblatt, 4. August 1944, S. 2. 133 »Ein vergeblicher Sturmlauf«, Neue Warte am Inn, 12. Juli 1944, S. 3. 134 »Decent End of Nazism is Held Unlikely«, The Hartford Courant, 26. März 1944, S. C6; »Zapp, Mackensen, and Prince Seized«, The New York Times, 16. April 1945, S. 14. 135 Michaela Hoenicke Moore, Know Your Enemy: The American Debate on Nazism, 1933– 1945 (Cambridge, UK, 2010). 136 Zitiert in »Czech Seizure Shocks German-Americans«, The Winnipeg Tribune, 29. März 1939, S. 13. 137 »The Fourth Reich«, The New Leader, 27. April 1940, S. 3. Vgl. auch »After Hitler«, The New Leader, 11. Mai 1940, S. 5.

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1.  Zwischen Fantasie und Albtraum 138 Heinrich Mann, »Outlook on the Fourth Reich«, in: Will Schaber (Hg.), Thinker versus Junker (New York, 1941), S. 272. Harry Levin, Memories of the Moderns (New York, 1982), S. 71. 139 »Goethe in Hollywood«, The New Yorker, 20. Dezember 1941, S. 22. 140 Vgl. R. D. Charques, »German Socialist Plea«, Times Literary Supplement, 4. Dezember 1943. 141 R. G. Waldeck, Meet Mr. Blank: The Leader of Tomorrow’s Germans (New York, 1943), S. 173, 171, 162. 142 Dorothy Thompson, »After Hitler, What?«, The Boston Globe, 13. März 1939, S. 12. 143 Wallace Deuel, »The ›Other‹ Germany«, The New York Times, 30. Januar 1944, S. BR4. 144 Christof Mauch, Schattenkrieg gegen Hitler: Das Dritte Reich im Visier der amerikanischen Geheimdienste 1941–1945 (Stuttgart, 1999), S. 224 f. 145 Curt Riess, The Nazis Go Underground (New York, 1944), S. 185, 82. Riess veröffentlichte auch Kolumnen zum Thema, darunter »The Nazis Dig in for World War III«, The New York Times, 6. August 1944, S. SM9, und »The Fourth Reich Casts a Shadow«, Esquire, Februar 1944, S. 49, 131 f. 146 Riess, The Nazis Go Underground, S. 7, 96, 142. 147 Ebd., S. 185 f. 148 Ebd., S. 43, 91 f., 189. 149 Gordon Young, »Mein Zweiter Kampf« in: The Sunday Times (Perth, Australien), 8. August 1944. 150 Vincent Church, »Danger«, Daily Mail (London), 29. Juni 1944, S. 2. 151 Maxwell Macartney und J. H. Freeman, Times Literary Supplement, 2. Oktober 1944, S. 506. 152 Barnet Nover, »How Shall Germany Be Dealt with?«, The Washington Post, 26. September 1944, S. 6. Im April 1945 bestätigte das State Department diesen Verdacht offiziell mit der Ankündigung: »deutsche Führer planten die Eroberung der Welt durch einen Dritten Weltkrieg«, indem sie »Kapital exportieren und hoch qualifizierte deutsche Techniker in Sicherheitsbereiche schicken, damit sie zu einem späteren Zeitpunkt von Deutschland genutzt werden können«. »Assert Nazis Map New War in Detail«, The New York Times, 8. April 1945, S. 19. 153 Jürgen Heideking und Christof Mauch, American Intelligence and the German Resistance to Hitler (Boulder, CO, 1996), S. 9. Vgl. auch den Anhang des Deuel-Memorandums an Donovan, S. 250. 154 Robert Vansittart, »How Hitler Made the Grade«, The Shepparton Advertiser (Australien), 2. Februar 1945, S. 6. 155 Lessner, Phantom Victory, S. 78. 156 Ebd., S. 128. 157 Ebd., S. 149. 158 Ebd., S. 166. 159 Ebd., S. 181. 160 Ebd., S. 177, 193. 161 Ebd., S. 227. 162 Vgl. den Rückumschlag von Phantom Victory. 163 Ebd., S. 227. 164 Charles Rolo, »A Preview of Chaos«, The New York Times, 12. November 1944, S. BR30. Bernard De Voto, Rezension von Phantom Victory, The New York Herald Tribune, 10. Oktober 1944, S. 19. Lessners »vernichtende Anklage« gegen die Deutschen sei besonders glaubwürdig, so Rolo, weil er »im Ersten Weltkrieg auf der Seite Deutschlands gekämpft habe«.

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Anmerkungen 165 E. S. P., »Nazis after the War«, The Christian Science Monitor, 28. Oktober 1944, S. 18; Herbert Kupferberg, Rezension von Phantom Victory, The New York Herald Tribune, 15. Oktober 1944, S. E8. 166 T. E. M., »Fourth Reich Grim Warning«, The Hartford Courant, 5. November 1944, S. SM13; wie The Washington Post feststellte, hatte Phantom Victory »bis heute ... eine größere Wirkung als jedes andere Buch ... über die Gefahren ... eines ›weichen Friedens‹«. 167 »Phantom Victory«, Life Magazine, 14. Mai 1945. Das Porträt umfasste acht Gemälde der in Russland geborenen amerikanischen Künstlerin Vera Bock, die verschiedene Szenen aus dem Roman zeigten und von erläuternden Bildunterschriften begleitet waren. Aus den positiven Leserbriefen zu schließen, traf das Profil im Life Magazine einen Nerv des Publikums. »Letters to the Editor«, Life Magazine, 4. Juni 1945, S. 7.

2.  Von Werwölfen zu Demokraten 1 Alfred Werner, »The Junker Plot to Kill Hitler: The Dying Gesture of a Class«, Commentary, 1. Januar 1947, S. 42. 2 Lynn W. Landrum, »Price of Peace«, The Dallas Morning News, 27. Juni 1947. 3 Vgl. Hans Dieter Schlosser, »Es wird zwei Deutschlands geben«: Zeitgeschichte und Sprache in Nachkriegsdeutschland 1945–1949 (Frankfurt, 2005), S. 26–30. 4 »Reich Will Be Years under Allied Control«, The Examiner (Launceston, Tasmanien), 10. Mai 1945, S. 1. Vgl. auch »Fourth Reich Will Be a Smaller, Quieter Place«, The Stars and Stripes, 8. Mai 1945, S. 2. 5 »British and U.S. Take Over in Berlin To-Day«, Courier and Advertiser (Dundee, Schottland), 12. Juli 1945, S. 3. 6 »Fourth Reich«, Time, 10. September 1945, S. 40. 7 »The Fourth Reich«, The Palestine Post, 20. Juli 1945, S. 4; Joachim Josten, »Germany’s Capital«, The Washington Post, 21. Februar 1947, S. 9. 8 »A Plan for Germany«, The Courier-Mail (Brisbane, Australien), 9. September 1946, S. 2. 9 Drew Middleton, »Big 4 Have Four Plans for Remaking Germany«, The New York Times, 23. März 1947, S. E4. 10 »At Last, Victory«, The Cleveland Plain-Dealer, 8. Mai 1945, S. 8. Vgl. auch Jay Franklin, »We the People«, The Cleveland Plain-Dealer, 11. Mai 1945, S. 24. 11 »The Problem of Germany«, The New York Times, 21. Mai 1945, S. 18. 12 Anthony Eden, »Issues Empire Statesmen Must Face«, The Sydney Morning Herald, 20. März 1946, S. 2. 13 Sefton Delmer, »There’s a Revolution Going on in Europe«, The News (Adelaide), 25. März 1946, S. 2. 14 »United Europe Envisaged«, The New York Times, 1. Juni 1946, S. 11. 15 Erich Koch-Weser, Hitler and Beyond: A German Testament (New York, 1945), S. 187. 16 »Bodies of German Leaders Cremated«, The Irish Times, 18. Oktober 1946, S. 1. 17 »Nazi Hangings to be Filmed«, The Sunday Times (Perth, Australien), 13. Oktober 1946, S. 2; »Still Doodling«, The Glasgow Herald, 14. Oktober 1946, S. 4. »Hess Assumes Goering’s Role«, The Trenton Evening Times, 21. Oktober 1946, S. 1. 18 Friedrich Gaupp, Deutsche Fälschung der abendländischen Reichsidee (Bern, 1946). 19 Ebd., S. 8. 20 Ebd., S. 10. 21 Ebd., S. 10.

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2.  Von Werwölfen zu Demokraten 22 Ebd., S. 32 f., 73. 23 Ebd., S. 11. 24 Ebd., S. 85 f. 25 Ebd., S. 13. 26 Ebd., S. 11. 27 Ebd., S. 13. 28 Ebd. 29 Ebd., S. 9. 30 Ebd., S. 14. 31 Ebd., S. 90. 32 Ebd., S. 9. 33 Dolf Sternberger, Dreizehn politische Radio-Reden (Heidelberg, 1947), S. 9. 34 Ebd. 35 Ebd. 36 Ebd., S. 10, 12. 37 Ebd., S. 13. 38 Ebd., S. 17 f. 39 Drew Middleton, »Germans Return to Nationalism«, The New York Times, 25. Februar 1946, S. 3. C. L. Sulzberger, »Educators Stress Needs in Germany«, The New York Times, 1. April 1946, S. 5. 40 »Anti-Ally Slogans Spread in U.S. Zone of Germany«, The New York Times, 19. Mai 1947, S. 14. Vertriebene aus dem Sudetenland teilten die Ansicht, das Fünfte Reich werde besser sein als das Vierte. Vgl. »Czechoslovakia Recovering Fast«, St. Louis Post-Dispatch, 5. Mai 1946. 41 »What Is Germany Thinking?«, Le Courrier Australien, 28. November 1947, S. 1, 3. 42 Perry Biddiscombe, Werwolf!: The History of the National Socialist Guerrilla Movement, 1944–1946 (Toronto, 1998). Perry Biddiscombe, The Last Nazis: Werewolf Guerilla Resistance in Europe, 1944–1947 (Stroud, UK, 2006). 43 Biddiscombe beschreibt das Scheitern der Bewegung, weist jedoch darauf hin, dass ihre Bedeutung von Wissenschaftlern bislang unterschätzt worden sei. Vgl. auch Gerhard Rempel, Hitler’s Children: The Hitler Youth and the SS (Chapel Hill, NC, 1990), der die Verblendung der häufig sehr jungen Mitglieder der Werwölfe herausstellt (S. 244–250). Nachdrücklicher unterstreicht Volker Koop das Scheitern der Werwölfe in seinem Buch Himmlers letztes Aufgebot (Köln, 2008), in dem er behauptet, die Bewegung habe nie öffentliche Unterstützung genossen (S. 119, 244). Vgl. auch Christina von Hodenberg, »Of German Fräuleins, Nazi Werewolves, and Iraqi Insurgents: The American Fascination with Hitler’s Last Foray«, Central European History, 41, 2008, S. 75, 81; Tauber, Beyond Eagle and Swastika, S. 23; Rodney G. Minott, The Fortress That Never Was: The Myth of Hitler’s Bavarian Stronghold (New York, 1964); Frederick Taylor, Exorcising Hitler: The Occupation and Denazification of Germany (New York, 2011), Kapitel 2; Antony Beevor, The Fall of Berlin 1945 (New York, 2002), S. 175; Stephen Fritz, Endkampf: Soldiers, Civilians, and the Death of the Third Reich (Lexington, KY, 2004), S. 221 f. 44 Biddiscombe, The Last Nazis, S. 10; Biddiscombe, Werwolf!, S. 7; Koop, Himmlers letztes Aufgebot, S. 265. Biddiscombe stützt sich in seiner Darstellung des anhaltenden Widerstands gegen die Alliierten auch auf Alltagsgeschichten und zeigt, wie dieser Widerstand den Mythos der passiven deutschen Haltung in der Niederlage infrage stellt. Biddiscombe, Werwolf!, S. 3. 45 Biddiscombe erörtert dieses Phänomenon in »Donald and Me: The Iraq War and the ›Werwolf‹ Analogy«, International Journal, Sommer, 2004, S. 669–680. Vgl. auch David B.

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Anmerkungen MacDonald, Thinking History, Fighting Evil: Neoconservatives and the Perils of Analogy in American Politics (Lanham, MD, 2009), S. 138–144. 46 Colin Fernandez, »Killer Sausages: How the Nazis Plotted to Fight Back after Losing the War«, Daily Mail (London), 4. April 2011. Duncan Gardham, »MI5 files: Nazis Plotted to Kill Allied Troops with Coffee«, Telegraph, 4. April 2011. 47 Biddiscombe, The Last Nazis, S. 23. 48 Koop, Himmlers letztes Aufgebot, S. 72, 172, 183. 49 Ebd., S. 47–48; Biddiscombe, The Last Nazis, S. 40, 48. 50 Koop, Himmlers letztes Aufgebot, S. 41. 51 Ebd., S. 54, Biddiscombe, The Last Nazis, S. 11–16. Fritz, Endkampf, S. 195 f. 52 Koop, Himmlers letztes Aufgebot, S. 55. 53 Biddiscombe, The Last Nazis, S. 13–15. 54 Koop, Himmlers letztes Aufgebot, S. 188 f. 55 Vgl. etwa die Schlagzeile der Zeitung Front und Heimat vom April 1945, »Werwolf greift an!«, www.dhm.de/lemo/kapitel/zweiter-weltkrieg/kriegsverlauf/werwolf; Koop, Himmlers letztes Aufgebot, S. 107 f. 56 Biddiscombe, The Last Nazis, S. 63–87. 57 Biddiscombe zufolge kamen fast 50 amerikanische Soldaten ums Leben. Biddiscombe, »Donald and Me«, S. 672. 58 Koop, Himmlers letztes Aufgebot, S. 159. 59 Biddiscombe erwähnt den Fall des Bürgermeisters von Kirchlegen. Vgl. The Last Nazis, S. 135. 60 Ebd., S. 172. 61 Ebd., S. 8. Biddiscombe schätzt die Anzahl der Toten auf »3.000 bis 5.500«. Ebd., S. 276. 62 Zu den ersten Berichten über die Werwölfe zählten: »Nazi Force for Last Stand«, The Times (London), 20. Oktober 1944, S. 4; »Nazis Plan Underground Fight«, The Sydney Morning Herald, 29. August 1944, S. 2; »Nazis Preparing to ›Go Underground‹ When Germany is Occupied«, Townsville Daily Bulletin (Queensland, Australien), 10. Februar 1945, S. 3. 63 »Hitler Orders Party Men to Quit State Jobs«, The Chicago Daily Tribune, 8. April 1945, S. 2. 64 Koop, Himmlers letztes Aufgebot, S. 62, 77; »Near the End«, The New York Times, 29. April 1945, S. E1. »Battle of Germany«, The New York Times, 8. April 1945, S. 52; »Spreading German Disaster«, The New York Times, 9. April 1945, S. 18. 65 Harlowe Hoyt, »Germany’s Werewolves Follow Same Old Pattern«, The Cleveland PlainDealer, 24. April 1945, S. 6. 66 »Clear-Cut Reich Surrender Is Doubted by Eisenhower«, The New York Times, 6. April 1945, S. 1. 67 Dwight D. Eisenhower, Crusade in Europe (Baltimore, 1997), S. 397. 68 »Werewolves«, The Washington Post, 5. April 1945, S. 6; »Himmler Warns of ›Werewolves‹ War on Victors«, The Los Angeles Times, 7. April 1945, S. 4; »Current Events«, Evening Telegraph and Post (England), 3. April 1945, S. 2. 69 »Hitler’s Last Failure«, The New York Times, 10. April 1945, »Reich Army Rebels«, The New York Times, 29. April 1945, S. 1. 70 »Nazi Werewolves Fail to Terrify Any But Germans«, Springfield Daily Republican, 10. April 1945, S. 13. »First of ›Werewolves‹ Prove to Be Boys of 15«, The Sunday Oregonian, 18. April 1945, S. 2. 71 »Goebbels Berlin’s Pet ›Hate‹: Germans Jeer His ›Werewolf‹«, The Atlanta Constitution, 11. April 1945, S. 1.

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2.  Von Werwölfen zu Demokraten 72 »Werewolves Can’t Huff«, Sunday Mail (Brisbane, Australien), 18. April 1945, S. 1. 73 »Murders Blamed on ›Werewolves‹«, The Baltimore Sun, 3. April 1945, S. 1. 74 Drew Middleton, »Nazi Die-Hards Man Their ›National Redoubt‹«, The New York Times, 8. April 1945, S. 54. 75 Wes Gallagher, »Nazi Werewolf Effect Called ›Flop‹ Thus Far«, The Los Angeles Times, 10. April 1945, S. 2. 76 »First of ›Werewolves‹ Prove to Be Boys of 15«, The Sunday Oregonian, 18. April 1945, S. 2. 77 Biddiscombe, The Last Nazis, S. 56. 78 Koop, Himmlers letztes Aufgebot, S. 248. 79 Ebd., S. 76. 80 Brief des amerikanischen Botschafters in Frankreich (Caffery) an den französischen Außenminister, 1. Mai 1945, in: Foreign Relations of the United States, Diplomatic Papers, 1945: European Advisory Commission, Austria, Germany, Band III (Washington, DC, 1945), S. 938. 81 Memorandum von Brewster Morris, 16. Juli 1945, in: ebd., S. 952. 82 Telegramm des Ministers in Schweden (Johnson) an den Außenminister, 11. April 1945, in: ebd., S. 753 f. 83 Biddiscombe, The Last Nazis, S. 173. 84 »Werewolves Busy in British Zone«, Courier and Advertiser (Dundee, Schottland), 7. Juli 1945, S. 3. Biddiscombe, The Last Nazis, S. 204. Koop, Himmlers letztes Aufgebot, S. 180– 182. Zu den Morden an tschechischen Polzisten und deutschen Antifaschisten vgl. Petr Blahus, »Werwölfe 1945«, Reflex, 17, 22. April 2004; www.zukunftbrauchterinnerung.de/ werwoelfe-1945 85 »In the Bavarian Redoubt«, The Times (London), 28. Mai 1945, S. 3. »14 Youths Boast ›Werewolf‹ Ties«, The Alexandria Times-Picayune (Alexandria, Indiana), 13. Juli 1945, S. 3. »›Werewolves‹ Arrested«, Daily Mail (Hull, UK), 20. August 1946, S. 4; »Nazi-Geheimorganisation in Trutnow«, Berliner Zeitung, 6. Oktober 1945, S. 3. 86 »Nazi Underground Is at Work – With Rumors«, The News (Adelaide, Australien), 20. September 1945, S. 2; »Sinister Nazi Movement Uncovered by Allies«, The Mercury (Hobart, Tasmanien), 17. Juli 1945, S. 2. 87 Prevent World War III, Oktober 1945. Die Aufrufe zur Wachsamkeit hielten bis zum Frühjahr 1946 an. Vgl. auch »British Expect Trouble in Germany«, Daily Mail (Hull, UK), 11. März 1946. 88 Koop, Himmlers letztes Aufgebot, S. 244. 89 Ebd., S. 7. 90 Ebd., S. 30. 91 Ebd., S. 89 f. 92 Ebd., S. 119. 93 Biddiscombe, Werwolf!, S. 277. 94 Koop zufolge ermordeten die Werwölfe überwiegend deutsche Zivilisten und keine Angehörigen der alliierten Truppen. Koop, Himmlers letztes Aufgebot, S. 61. 95 Ähnlich hat David Donald spekuliert, die Soldaten der konföderierten Staaten hätten nach 1865 im Untergrund leicht eine längere Widerstandskampagne gegen die nördlichen Besatzungskräfte führen können, entschieden sich jedoch dagegen. David Donald, Liberty and Union (Boston, 1978), S. 173 ff. 96 Koop, Himmlers letztes Aufgebot, S. 244 [Hervorhebung im Original]. 97 Biddiscombe, The Last Nazis, S. 8. 98 Koop, Himmlers letztes Aufgebot, S. 17, 81; Biddiscombe, The Last Nazis, S. 201.

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Anmerkungen 99 Koop, Himmlers letztes Aufgebot, S. 208–225. Biddiscombe, Werwolf!, S. 268 ff. Biddiscombe, The Last Nazis, S. 248 ff. 100 So stellte der britische General Bernard Montgomery fest: »Die Deutschen ... waren bereit, alle Befehle auszuführen, die ihnen [die Alliierten nach 1945] erteilten; ihre größte Angst war, an die Russen ausgeliefert zu werden.« David MacDonald, Thinking History, Fighting Evil, S. 144. 101 Zu einem Vergleich zwischen der amerikanischen Besatzung Deutschlands und des Irak vgl. Thomas W. Maulucci, Jr., »Comparing the American Occupations of Germany and Iraq«, Yale Journal of International Affairs, Winter 2008, S. 120–128. 102 Ein weiterer entscheidender Faktor war die ethnisch-religiöse Heterogenität der irakischen Gesellschaft und das daraus resultierende Sektierertum – beides spielte bei der Besatzung Deutschlands nach 1945 keine Rolle. MacDonald, Thinking History, Fighting Evil, S. 143. 103 Norman Davies, Rising ’44: The Battle for Warsaw (New York, 2004), S. 417. 104 John Lewis Gaddis, The Cold War: A New History (New York, 2005), S. 14. 105 Michael Bess, Choices under Fire: Moral Dimensions of World War II (New York, 2008), S. 172. 106 Die Sowjets hätten Deutschland auch allein einnehmen können, wenn Winston Churchill 1942 Unterstützung für seinen ursprünglichen Plan gefunden hätte, eine zweite Front gegen die Nazis zu eröffnen und den »soft underbelly« – die offene Flanke – des Balkans anzugreifen, statt die Invasion der Normandie zu beginnen. Dieser Plan ging unter anderem auf Churchills Wunsch zurück, Stalin von der kommunistischen Kontrolle über Südosteuropa abzuhalten, wurde aber von Roosevelt und Eisenhower abgelehnt und auf der Konferenz von Casablanca im Januar 1943 verworfen. Vgl. Dwight D. Eisenhower, Crusade in Europe (Baltimore, 1997), S. 281–284. Wäre die Entscheidung anders ausgefallen (zum Beispiel durch einen früheren Tod von Roosevelt und einen leichter zu beeinflussenden Harry S. Truman als Nachfolger), hätten die Westalliierten möglicherweise den Balkan erobert und so verhindert, dass dieser unter sowjetische Kontrolle gerät; damit hätten sie es der Roten Armee allerdings ermöglicht, Deutschland bis an den Rhein einzunehmen. Vgl. Gerhard Weinberg, »Who Won World War II and How?«, in: Walter L. Hixson (Hg.), The American Experience in World War II, Band XII (New York, 2003), S.7 f. 107 Jacques Pauwels, The Myth of the Good War: America in the Second World War (Toronto, 2002), S. 104, 88. Churchill verwarf diesen Plan nach dem verheerenden Angriff auf Dieppe – die sogenannte Operation Jubilee – im August 1942. 108 Caleb Carr, »VE Day – November 11, 1944«, in: Robert Cowley (Hg.), What If? 2: Eminent Historians Imagine What Might Have Been (New York, 2001), S. 333–343. 109 www.bbc.co.uk/history/worldwars/wwtwo/battle_arnhem_01.shtml. 110 Biddiscombe, The Last Nazis, S. 252. 111 www.dhm.de/lemo/biografie/arthur-axmann. 112 Biddiscombe, Werwolf!, S. 77. 113 Koop, Himmlers letztes Aufgebot, S. 252. 114 »Operation Nursery«, 16. März 1946. Folder »3rd Army G-2 Operation Nursery 380.4, Third United States Army, G-2 Section, Decimal Files 1944–1947, RG 338, NA.« 115 Ebd. 116 Scott Selby, The Axmann Conspiracy: The Nazi Plan for a Fourth Reich and How the U.S. Army Defeated It (New York, 2012), S. 150. 117 Ebd., S. 151, 219. »Attempt to Revive Nazism Crushed«, The Times (London), 1. April 1946, S. 3.

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2.  Von Werwölfen zu Demokraten 118 Selby, The Axmann Conspiracy, S. 219. 119 Koop, Himmlers letzte Aufgebot, S. 253. 120 Es kam zu einem Zerwürfnis zwischen Heidemann in Süddeutschland und Willi Lohel und Kurt Budäus in Norddeutschland. Letztere waren eher geneigt als Heidemann, Gewalt gegen die Alliierten anzuwenden, und wollten Gruppen zusammenlegen. Selby, The Axmann Conspiracy, S. 180, 190 f. 121 »Operation Nursery«, 16. März 1946. 122 »200 Towns Raided in Hunt for Nazis«, The New York Times, 1. April 1946, S. 5; »Nazis Battle Allied Troops«, Detroit Free Press, 31. März 1946; »Raids Smash Plot to Re-Nazify Germany«, The Cincinnati Enquirer, 31. März 1946, S. 1. 123 »Underground Raid Holds 183 Germans«, The New York Times, 2. April 1946, S. 2. 124 Zitiert in »Underground Nazi Movement Smashed«, The Canberra Times (Australien), 1. April 1946, S. 1. Vgl. auch »Yanks Smash Nazi Plot«, The Boston Globe, 31. März 1946, S. D1. 125 »Stateside Editorials Point Up the Lesson of ›Operation Nursery‹«, Weekly Information Bulletin, Mai 1946, S. 21 f. Vgl. auch »Repeat Performance?«, The Boston Globe, 1. April 1946, S. 10. 126 »Nazis Are Still Fighting Like Cornered Dingoes«, The World’s News (Sydney), 4. Mai 1946, S. 3. 127 »Patrioten?«, Passauer Neue Presse, 12. April 1946, S. 1; »How Could It Happen?«, Weekly Information Bulletin, April 1946, S. 15. 128 »Hoegner und die Reaktion«, Neue Zeit, 24. April 1946, S. 1. 129 Die Verschwörung findet keine Erwähnung in wichtigen Studien wie James F. Tent, Mission on the Rhine: Reeducation and Denazification in American-Occupied Germany (Chicago, 1982); John Gimbel, The American Occupation of Germany: Politics and the Military, 1945–1949 (Palo Alto, 1968); Edward Peterson, The American Occupation of Germany: Retreat to Victory (Detroit, 1977); Earl Frederick Ziemke, The U.S. Army in the Occupation of Germany: 1944–1946 (Washington, DC, 1975); Eugene Davidson, The Death and Life of Germany (New York, 1959); Zink, The United States in Germany; Terence Prittie, Germany Divided: The Legacy of the Nazi Era (New York, 1960). 130 »Artur Axmann, 83, a Top Nazi Who Headed the Hitler Youth«, The New York Times, 7. November 1996, S. D27. »Obituary: Artur Axmann: In the Bunker with Hitler«, Guardian, 6. November 1996, S. 15; »Hitler treu bis zur letzten Minute«, taz, 4. November 1996. 131 Selby, The Axmann Conspiracy; sehr viel kürzere Erwähnung findet sie in: Fritz, Endkampf, S. 219. 132 Diese Prophezeiung des Guardian wird zitiert in Weekly Information Bulletin, September 1945, S. 24. 133 In der britischen Zone fehlten 600.000 Tonnen Getreide. F. Taylor, Exorcising Hitler, S. 205. Davidson, The Death and Life of Germany, S. 135. 134 »British to Quell Hamburg Rioting«, The New York Times, 24. März 1946, S. 11. »Shots Deter Mob in Hamburg Riot«, The New York Times, 22. März 1946, S. 4. 135 Zink, The United States in Germany, S. 298–300. 136 »Nazis Charged with Making Human Sausages«, The Daily Advertiser (New South Wales, Australien), 5. Dezember 1946, S. 1. »Policemen Went into Sausages«, The Scone Advocate (New South Wales, Australien), 6. Dezember 1948, S. 2. Insgesamt wurden 31 Personen aus der Gruppe der »Nazikannibalen« verhaftet, die alle zu einer größeren »nationalsozialistischen Untergrundbewegung« gehörten. 137 »Nazi Revival Fails«, The New York Times, 1. April 1946, S. 20. 138 Alan Barth, »Rule or Ruin in Germany«, The New Republic, 24. Juni 1946, S. 897.

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Anmerkungen 139 »Nazism Scotched – Not Killed«, The Sydney Morning Herald, 2. April 1946, S. 2. 140 Ebd., S. 2. 141 Vgl. zum Beispiel »End of the German Era«, Courier and Advertiser (Dundee, Schottland), 5. April 1945, S. 2. Tania Long, »They Long for a New Fuehrer«, The New York Times, 9. Dezember 1945, S. 89. »Reich Girls Want Return of Nazism«, The New York Times, 22. Oktober 1945, S. 3. 142 »Nazi Virus Thrives in American Zone«, The New York Times, 22. April 1946, S. 1. 143 »The Shape of Things«, The Nation, 4. Mai 1946, S. 521. 144 »New Bomb Hurled in Stuttgart Area«, The New York Times, 29. Oktober 1946, S. 12; »55 Germans Taken in Stuttgart Raids«, The New York Times, 22. Oktober 1946, S. 8. 145 »Rumblings in Germany«, The Boston Globe, 23. Oktober 1946, S. 16. 146 »Schacht Trial Bomb Target«, The Trenton Evening Times, 21. Oktober 1946, S. 1. »Bombs at Nazi Record Rooms«, Press and Journal (Aberdeen, Schottland), 21. Oktober 1946, S. 1. »3 Bombs Set Off in Germany«, The Wilkes Barre Record, 21. Oktober 1946. 147 »Bomben auf Spruchkammern«, Der Spiegel, 11. Januar 1947, S. 5. 148 »More Bombings Are Expected in Germany«, The Hope Star (Arkansas), 21. Oktober 1946, S. 2. 149 Fritz, Endkampf, S. 220; »Bomb Exploded in Denazification Court«, Dunkirk Evening Observer, 8. Januar 1947, S. 4. 150 Biddiscombe, The Last Nazis, S. 214; »Öhringen«, Neues Deutschland, 26. März 1947, S. 1; »Anti-Nazi in Stuttgart Shot by 2 Gunmen«, Santa Cruz Sentinel, 23. März 1947, S. 1. 151 »75,000 at Stuttgart Strike in Protest against Bombings«, The Boston Globe, 23. Oktober 1946, S. 6. 152 Arthur D. Kahn, Experiment in Occupation: Witness to the Turnabout: Anti-Nazi War to Cold War, 1944–1946 (University Park, PA, 2004), S. 179. 153 »Bombenattentat in Nürnberg«, Neues Deutschland, 9. Januar 1947, S. 1. 154 Zitzmann wurde später Mitglied der Sozialistischen Reichspartei (SRP). Rempel, Hitler’s Children, S. 251. 155 »Bomben auf Spruchkammern«, Der Spiegel, 11. Januar 1947, S. 5. »He Planned to Succeed Hitler«, Press and Journal (Aberdeen, Schottland), 16. Januar 1947, S. 1. »Wahnwitziges Komplott«, Berliner Zeitung, 15. Januar 1947, S. 2. 156 »Kabus-Geschwister Scholl«, Passauer Neue Presse, 28. Februar 1947, S. 3. 157 »›Fourth Reich‹ Boss Due to Be Hanged«, The Alexandria Times-Picayune (Alexandria, Indiana), 21. Februar 1946, S. 3. Vgl. auch »U.S. Swoop on Nazis«, Courier Advertiser (Dundee, Schottland), 21. November 1946, S. 2. 158 Vgl. Perry Biddiscombe, »Operation Selection Board: The Growth and Suppression of the Neo-Nazi ›Deutsche Revolution‹ 1945–47«, Intelligence and National Security, 1, 1996, S. 59–77. 159 Tom Bower, Klaus Barbie: The »Butcher of Lyons« (New York, 1984), S. 124. 160 Biddiscombe, »Operation Selection Board«, S. 61. »Right-Wing Movements Curtailed by Operation Selection Board«, 15. Juli 1947, S. 6. Operation Selection Board File. 114. NA. 161 Biddiscombe, »Operation Selection Board«, S. 65. 162 »Right-Wing Movements Curtailed by Operation Selection Board«, 15. Juli 1947, S. 2, 10. Operation Selection Board File. 114. NA. 163 »Round-Up Thwarts Budding Nazi Plot for War on Soviet«, The New York Times, 24. Februar 1947, S. 1. 164 Biddiscombe, »Operation Selection Board«, S. 66 f. 165 Ebd., S. 69 f. Vgl. »The Comeback of the Nazis«, The Boston Globe, 28. Januar 1947, S. 14. 166 Biddiscombe, »Operation Selection Board«, S. 70 f.

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2.  Von Werwölfen zu Demokraten 167 Insgesamt 133 Personen wurden verhaftet, darunter 89 in der britischen und 44 in der amerikanischen Besatzungszone. »Appendix B: Summary of Arrests and Disposal«, undatiert, Operation Selection Board File. 114. NA. 168 Guy Walters, Hunting Evil: The Nazi War Criminals Who Escaped and the Quest to Bring Them to Justice (New York, 2010), S. 210–214. 169 »Sudden Swoop by Allies Smashes Nazi Plot«, Press and Journal (Aberdeen, Schottland), 24. Februar 1947, S. 1. 170 »Blow at Nazi Coup Ends«, The New York Times, 26. Februar 1947; »The Nazi Underground«, The New York Times, 24. Februar 1947. »Biggest Nazi Round-Up Made Since Hitler Died«, The Telegraph (Brisbane, Australien), 24. Februar 1947. 171 »Nazi Plan to Use Disease Germs as World Plot«, The Canberra Times (Australien), 3. März 1947, S. 1. 172 »Round-Up Thwarts Budding Nazi Plot for War on Soviet«, The New York Times, 24. Februar 1947, S. 1, »Allies Crack Germ-War Plot«, The Democrat and Chronicle (Rochester, NY), 24. Februar 1947, S. 1. Rosenberg und Eismann hatten zwar bakteriologische Erfahrungen, waren aber nicht Teil der Deutschen Revolution und wurden im Rahmen der größeren Razzia verhaftet. Biddiscombe, »Operation Selection Board«, S. 76, FN 16. 173 »Biggest Nazi Round-Up Made Since Hitler Died«, The Telegraph (Brisbane, Australien), 24. Februar 1947; »Nazi Germ Threat To Britain«, The Courier-Mail (Brisbane, Australien), 25. Februar 1947, S. 1. 174 »High Nazis Held in Germ Warfare Plot«, The Boston Globe, 24. Februar 1947, S. 1; vgl. auch »Leaders in Nazi Plot Arrested, Army Says«, The Stars and Stripes, 25. Februar 1947, S. 1. 175 Vgl. »Bazillen«, Der Spiegel, 1. März 1947, S. 2. 176 »Memorandum for the Officer in Charge«, Frank J. Buttenhoff, 17. März 1947. Dokument mit dem Titel »Subject: Operation Selection Board,« unterzeichnet von John R. Himmelright, 13. März 1947. Operation Selection Board File. 114. NA. CIC-Beamte waren über die gleichgültige Reaktion der Deutschen auf die Verschwörung überrascht und führten diese auf die Vordringlichkeit der »aktuellen Treibstoff- und Nahrungsmittelkrise« zurück. »Hätte diese Operation in den Sommermonaten stattgefunden, wenn die Menschen weniger häusliche Sorgen haben, hätte sie wahrscheinlich größere Reaktionen ausgelöst«, spekulierten die Beamten. »Memorandum for the Officer in Charge«, unterzeichnet von Edwin Eich, 13. März 1947. Operation Selection Board File. 114. NA. 177 »Naziverschwörer«, Tribüne, 25. Februar 1947. Operation Selection Board File. 178 »Die Großen hängen«, Neues Deutschland, 25. Februar 1947, S. 2. Vgl. auch »Späte Erkenntnis«, Neues Deutschland, 6. Februar 1947, S. 2, und »Ein ernstes Alarmsignal«, Tägliche Rundschau, 26. Februar 1947. 179 Dies gilt für alle in Fußnote 130 genannten Untersuchungen. Eine Ausnahme bildet Stephen Fritz’ Endkampf, der auf die Operation Selection Board anspielt, sie aber nicht namentlich erwähnt; ebd., S. 220 f. Die größte Beachtung hat der Vorfall in der journalistischen Literatur über Klaus Barbie gefunden. Vgl. Magnus Linklater, Isabel Hilton und Neal Ascherson, The Nazi Legacy: Klaus Barbie and the International Fascist Connection (New York, 1985), S. 143. Brendan Murphy, The Butcher of Lyon: The Story of Infamous Nazi Klaus Barbie (New York, 1983), S. 225–227. Bower, Klaus Barbie, S. 128 f. Stephen Dorril, MI6: Inside the Covert World of Her Majesty’s Secret Intelligence Service (New York, 2000), S. 109. Wellington Long, The New Nazis of Germany (Philadelphia, 1968), S. 41. 180 »Right-Wing Movements Curtailed by Operation Selection Board«, 15. Juli 1947. »High Nazis Held in German Warfare Plot«, The Boston Globe, 24. Februar 1947, S. 1. 181 »Razzia gegen Nazis«, Kasseler Zeitung, 24. Februar 1947.

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Anmerkungen 182 »Biggest Nazi Round-Up Made Since Hitler Died«, The Telegraph (Brisbane, Australien), 24. Februar 1947, S. 1. 183 Biddiscombe, »Operation Selection Board«, S. 74. 184 Allan A. Ryan, Jr., Klaus Barbie and the United States Government: A Report to the Attorney General of the United States (Washington, DC, August 1983), S. 35–37, 60. Im April 1947 hatte der CIC-Agent Robert S. Taylor Barbie angeworben, um geheimdienstliche Aufgaben gegen die Franzosen und Sowjets zu übernehmen. Er wurde im Dezember 1947 verhaftet, allerdings nur, um über die Aktivitäten von SS-Kollegen befragt zu werden; ebd., S. 39. Barbie ging später nach Bolivien und wahrte enge Beziehungen zu anderen ehemaligen Nazis. Murphy, The Butcher of Lyon, S. 293, 270, 276. 185 Murphy, The Butcher of Lyon, S. 228. 186 Erhard Dabringhaus, Klaus Barbie: The Shocking Story of How the U.S. Used This Nazi War Criminal as an Intelligence Agent. A First-Hand Account (Washington, DC, 1984), S. 132. 187 Dorril, MI6, S. 110. 188 So lautet Biddiscombes Fazit: »es war ... ein Glück, dass die Besatzungsmächte die Grundlagen für ein demokratisches Deutschland legten«, indem sie halfen, »die Überreste der ... nationalsozialistischen Bewegung zu ersticken«. Biddiscombe, »Operation Selection Board«, S. 75. 189 »The Nazi Underground«, The New York Times, 24. Februar 1947, S. 18. 190 Hugh R. Trevor-Roper, »The Danger of a Neo-Nazism«, The New York Times, 27. Juli 1947. 191 Vgl. auch Delbert Clark, »Economic Crisis First in the German Picture«, The New York Times, 6. April 1947, S. E4; Delbert Clark, »Quarrels among Allies Wreck Aims in Germany«, The New York Times, 7. September 1947, S. E5; »Germans Still Clinging to Nazism«, Derby Evening Telegraph, 25. März 1947, S. 1. 192 Tauber, Beyond Eagle and Swastika, S. 35. 193 Zink, The United States in Germany, S. 299. 194 Geoffrey Cocks, »Hollywood über Alles: Seeing the Nazis in American Movies«, Film & History, 45.1, Sommer 2015, S. 42. 195 Welles hatte auch eine didaktische Ader und großes Interesse an öffentlicher Bildung. Jennifer Lynde Barker, The Aesthetics of Antifascist Film: Radical Projection (New York, 2013), S. 114. 196 Joseph McBride, Whatever Happened to Orson Welles? A Portrait of an Independent Career (Lexington, KY, 2006), S. 88. Welles fand es gut, »die Öffentlichkeit dazu zu bringen, sich beliebiges Filmmaterial aus einem Konzentrationslager anzusehen«. Gene D. Phillips, Out of the Shadows: Expanding the Canon of Classic Film Noir (Lanham, MD, 2012), S. 204. 197 Rashna Wadia Richards, Cinematic Flashes: Cinephilia and Classical Hollywood (Bloomington, IN, 2013), S. 150. »Disturbing Aliens, Some from Space«, The New York Times, 27. Oktober 2013, S. 13. In seiner Radiosendung erklärte Welles: »Obwohl Hitler in Europa besiegt wurde, hatte er in Amerika Erfolg.« Cocks, »Hollywood über Alles«, S. 44; Barker, The Aesthetics of Antifascist Film, S. 113. 198 Zu Kritiken vgl. »›Cornered‹ Absorbing Melodrama«, The Los Angeles Times, 1. März 1946, S. A2, und Bosley Crowther, »The Screen in Review«, The New York Times, 26. Dezember 1945. 199 Vgl. Patrick McGilligan, Alfred Hitchcock: A Life in Darkness and Light (New York, 2003), S. 158 f., S. 361–375. Allerdings waren sowohl Hitchcock als auch sein Drehbuchautor Ben Hecht entschiedene Nazigegner. Matthew H. Bernstein, »Unrecognizable Origins: ›The Song of the Dragon‹ and Notorious«, in: R. Barton Palmer und David Boyd (Hg.), Hitchcock at the Source: The Auteur as Adapter (Albany, 2011), S. 140. 200 Kritik von The Stranger, in: Variety Movie Reviews, 1. Januar 1946; Time, Kritik von The

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2.  Von Werwölfen zu Demokraten Stranger, 17. Juni 1946. Für andere positive Kritiken, vgl. The Boston Globe, 19. Juli 1946, S. 8; »Orson Does It Twice as Welles«, Daily Mail (London), 23. August 1946, S. 2; »The Cinema«, Spectator, 6. September 1946, S. 239. Vgl. auch die Kritik in: Time, 17. Juni 1946, die die Planung des »Dritten Weltkrieges« durch die Deutschen schilderte. Selbst in kritischen Rezensionen spiegelte sich ein weitverbreiteter Argwohn gegenüber den Deutschen. Die New York Times kritisierte Welles dafür, keine überzeugende »Illusion ... [eines] verdorbenen Nazis« geschaffen zu haben; The Stranger habe seinen Bösewicht nicht bedrohlich genug gemacht. Bosley Crowther, Kritik von The Stranger in: The New York Times, 11. Juli 1946, S. 18. 201 Zu Kritiken von Snowbound vgl. »At the Symphony«, The New York Times, 21. Februar 1949, S. 20. Richard Coe, »›Snowbound‹ Gets Lost in the Alps«, The Washington Post, 4. April 1949, S. 12. Zu Kritiken von Counterblast vgl. Stephen Guy, After Victory: Projections of the Second World War and Its Aftermath in British Feature Films, 1946–1950 (Ph.D. Dissertation, Queen Mary, University of London, 2002), S. 142 f. Vgl. neben der Kritik in der Washington Post die Kritiken in: The Irish Times, 26. Juli 1948, und The New York Times, 21. Februar 1949, S. 20. 202 Guy, After Victory, S. 142 f. 203 Rezension von Berlin Express, Variety Movie Reviews, 1. Januar 1948. Vgl. auch The New York Times, 21. Mai 1948, S. 19; Philip Scheuer, »Granet Makes Picture in Berlin Despite Reds«, The Los Angeles Times, 18. April 1948, S. C1; Rezension von Berlin Express in: The Hartford Courant, 22. Juli 1948, S. 16; Rezension von Berlin Express in: The Boston Globe, 7. Mai 1948, S. 22. 204 Bosley Crowther, »The Screen«, The New York Times, 15. März 1946, S. 27. Marjory Adams, »New Films«, The Boston Globe, 9. Mai 1946, S. 14. 205 Vgl. Bosley Crowther, »The Screen in Review«, The New York Times, 16. August 1946, S. 29, sowie Bosley Crowther, »Love Conquers All«, The New York Times, 25. August 1946, S. 49. 206 Wohlwollende Darstellungen von normalen Deutschen erschienen nicht nur in: Berlin Express, sondern auch in: Foreign Affair (1948) und The Big Lift (1950). Emily Rosenberg, »›Foreign Affairs‹ after World War II: Connecting Sexual and International Politics«, Diplomatic History, Januar 1994, S. 59–70. 207 Paul Mittag, »Formalistische Justiz«, Berliner Zeitung, 19. Februar 1947, S. 6. 208 »Kampfprogramm für ein 4. Reich«, Neues Deutschland, 4. April 1947, S. 1. 209 »Russian Talk Adds to Berlin Tension«, The New York Times, 12. September 1948, S. 2. 210 Leon Dennen, »National Bolshevism in Germany«, The New Leader, 27. April 1946, S. 29. 211 Drew Middleton, »Soviet Concessions on Berlin Held Possible«, The New York Times, 20. April 1947, S. E3. Lord Vansittart, »Russia’s Plan for Germany Would Mean the Ruin of Britain and France«, The Shepparton Advertiser (Australien), 16. März 1947, S. 11. 212 E. L. Woodward, »Europe is Worth Saving and Can Be Saved«, The New York Times, 13. Juli 1947, S. 107. 213 »West Germany and the French«, Southern Cross (Adelaide, Australien), 25. Juni 1948, S. 3. 214 Der Ausdruck erschien erstmals in dem Berliner Magazin Sie. Zitiert in »Der Marsch in die rote Diktatur«, Mittelbayerische Zeitung, 12. November 1949. 215 Victor Klemperer, So sitze ich denn zwischen allen Stühlen. Tagebücher 1945–1949. Hg. von Walter Nojowski unter Mitarbeit von Christian Löser. Berlin, 1999. Eintrag vom 4.7.1945, S. 38. 216 Victor Klemperer, LTI. Notizbuch eines Philologen. Leipzig, 1975, S. 20. 217 Klemperer, So sitze ich denn, S. 108, 76. Eintrag vom 18.9.1945 und vom 16.8.1945. 218 Ebd., S. 139. Eintrag vom 8.11.1945.

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Anmerkungen 219 Eberhard Pikart und Wolfram Werner (Hg.), Der Parlamentarische Rat, 1948–1949, Band V.1 (Boppard, 1993), S. 169 f. 220 Wolfram Werner, Der Parlamentarische Rat, 1948–1949, Band IX (München, 1996), S. 200. Dabei verwies Seebohm auf die wichtige »Aufrechterhaltung der Kontinuität« mit früheren deutschen Traditionen. 221 Ebd., S. 182. 222 Ebd., S. 445. 223 Ebd., S. 437. 224 Ebd., S. 445. Mit dem 8. Mai 1945 löste sich die Regierung des Dritten Reiches auf; gemäß internationalem Recht blieb der Begriff »Reich« jedoch in einer Art juristischem Vakuum weiter bestehen. Die Alliierten annektierten Deutschland nie und schafften es nie ab, sondern gingen nach Bildung einer Einheitsregierung von seiner Wiederherstellung aus. Diese kam jedoch aufgrund von Meinungsverschiedenheiten zwischen Ost und West nie zustande. Westdeutsche Gerichte entschieden später, die BRD sei nicht der Nachfolgestaat des Deutschen Reiches, da sie nur ein Teil des alten Deutschlands sei. Das Reich blieb somit weiter bestehen. Bark und Gress, A History of West Germany, S. 58 f. 225 »Name for West Germany: Reich, Republic, Bund?«, The New York Herald Tribune, 16. Oktober 1948, S. 2. 226 »De Gaulle fordert allgemeine Wahlen«, Die Passauer Neue Presse, 20. April 1948, S. 1. 1949 sah Frankreich die Gründung der BRD als »Geburt des Vierten Reiches« und forderte, das Land müsse in die Gemeinschaft der Nationen integriert werden und dürfe nicht dem Nationalismus erliegen. Evening Telegraph and Post (Dundee, Schottland), 9. Mai 1949, S. 1. 227 »A Blow in the Face«, Daily Mail (London), 12. November 1948. 228 Polyzoides, »Strassbourg Talks Guide U.S. Policy«, The Los Angeles Times, 21. August 1949, S. 17. 229 Ebd., S. 17. 230 »New German Policy«, The Hartford Courant, 22. November 1949, S. 16. 231 »The Fourth Reich«, Westralian Worker (Perth, Australien), 26. August 1949, S. 2. 232 Tauber, Beyond Eagle and Swastika, S. 62–71. Die Partei war auch unter dem Namen DRP bekannt. 233 Ebd., S. 89 f. Rund 38 Prozent der Bevölkerung Niedersachsens bestand aus Vertriebenen, Flüchtlingen und Evakuierten. 234 Ebd., S. 71–75, 99. Die Partei lehnte in ihrem Wahlprogramm die Entnazifizierung ab und strebte ein »Deutsches Reich unter den Farben Schwarz-Weiß-Rot« an. 235 Ebd., S. 104 f. 236 »Unrest in Germany: Germans Are at It Again, Says Clay«, Press and Journal (Aberdeen, Schottland), 11. Januar 1949, S. 1. 237 Milton Friedman, »Capital Spotlight«, The Wisconsin Jewish Chronicle, 26. August 1949, S. 7. 238 Douglas Willkie, »As I See It«, The Advertiser (Adelaide, Australien), 29. August 1949, S. 2; »Little Hitlers in Sheep’s Clothing«, Daily Mail (London), 17. Februar 1949, S. 4. 239 Otto Strasser, Deutschlands Erneuerung (Buenos Aires, 1946), S. 172–174. 240 Ebd., S. 148–151. 241 Strasser verwendete in seinem Manifest nicht den Ausdruck »Viertes Reich«, sondern verwies mit Blick auf die Beilzeit und die Heilzeit auf den Einfluss von Karl Strünckmann, der den gleichen Satz in seiner Vorhersage eines kommenden Vierten Reiches 1932 verwendet hatte. Bezeichnenderweise gehörten Strünckmann und seine Frau beide dem dissidenten sozialistischen Flügel von Strassers Nachkriegsbewegung (bekannt als Samm-

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3.  Der Rechtsruck des Vierten Reiches lung zur Tat, SzT) an und strebten nach dem Krieg ausdrücklich die Schaffung eines »christlich-kommunistischen Vierten Reiches« an. Tauber, Beyond Eagle und Swastika, S. 112–114. Im amerikanischen Teil Baden-Württembergs erhielt die Gruppe 14 Prozent der Stimmen. 242 Strasser, Deutschlands Erneuerung, S. 24 f., 76. Alle neuen Führungspositionen im zukünftigen Deutschland begannen mit dem Wort »Reich«. Ebd., S. 80. 243 »Black Front Rises in Reich«, The Los Angeles Times, 11. Januar 1949, S. 9. »Strasser Seeks Passport«, The New York Times, 11. Januar 1949, S. 7. Vgl. auch »Extreme Rightists Gain in Germany«, The New York Times, 17. November 1949, S. 2. 244 »The Fourth Reich?«, The News (Adelaide, Australien), 12. Januar 1949, S. 2. 245 »Germans Reviving Nationalist Ideas«, The New York Times, 15. Februar 1949, S. 10. 246 »New German President«, Courier and Advertiser (Dundee, Schottland), 13. September 1949, S. 2. 247 Sozialdemokratischer Pressedienst, Hannover, 5. November 1948, S. 7. 248 »Der drohende Zeigefinger«, Berliner Zeitung, 11. Januar 1949, S. 2. 249 »Memorandum for the Officer in Charge, Subject: Otto Strasser«, unterzeichnet von J. Thomas Dale, 25. März 1948. Strasser file. NND007017. 250 Ebd. 251 Ebd. Vgl. auch »Memorandum for the Officer in Charge, Subject: Otto Strasser«, unterzeichnet von Ernest Baer, 24. Mai 1948. Strasser file. NND007017. 252 Drew Middleton, »British Fear Rightist Groups in Germany Plan to Combine«, The New York Times, 12. Dezember 1949, S. 1. 253 Tauber, Beyond Eagle and Swastika, S. 112. 254 »British Won’t Allow Strasser to Enter Their Zone of Reich«, The Chicago Daily Tribune, 20. September 1949, S. 7.

3.  Der Rechtsruck des Vierten Reiches 1 »Das ›vierte Reich‹ der SRP«, Mittelbayerische Zeitung, 25. Februar 1950, S. 1. 2 Eine der wenigen Studien zur Renazifizierung ist Norbert Freis »Vergangenheitsbewältigung or ›Renazification‹? The American Perspective on Germany’s Confrontation with the Nazi Past in the Early Years of the Adenauer Era«, in: Michael Ermarth (Hg.), America and the Shaping of German Society, 1945–1955 (New York, 1993), S. 47–59. 3 K. S. Tauber war einer der ersten Wissenschaftler, die den Begriff »Renazifizierung« problematisierten. Vgl. Tauber, Beyond Eagle and Swastika, S. 881–883. Juliane Wetzel zufolge war das »politische System der Bundesrepublik ... nie wirklich durch die rechtsextremen Parteien und rechtsradikalen Bewegungen gefährdet«. Vgl. ihren Aufsatz »Der parteipolitische Rechtsextremismus«, in: Wolfgang Kowalsky und Wolfgang Schroeder (Hg.), Rechtsextremismus: Einführung und Forschungsbilanz (Opladen, 1994), S. 89‒102, hier S. 99. 4 Der Vertrag wurde am 26. Mai 1952 unterzeichnet, trat aber erst am 5. Mai 1955 in Kraft. Diese Verzögerung war der Nichtratifizierung des Vertrags über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) und der darauf folgenden Entscheidung, der BRD stattdessen den Beitritt zur NATO zu ermöglichen, geschuldet. 5 »The Road to Disaster«, Prevent World War III, Mai–August 1949, S. 1. Frühere Erwähnungen des Begriffs Renazifizierung sind zu finden in »Hitler’s Ex-Enemy Turns to Defense of ›Little Nazis‹«, The Abilene Reporter-News, 24. März 1948; »U.S. Policy in Germany Called ›Renazification‹«, The Wisconsin Jewish Chronicle, 26. November 1948, S. 1.

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Anmerkungen 6 Drew Middleton, »Hitler Aides Ruling Bavaria; Germans Cool to Democracy«, The New York Times, 30. November 1949, S. 1; Drew Middleton, The Renazification of Germany (New York, 1949). 7 »Renazification«, The New York Times, 2. Dezember 1949, S. 28. 8 Delbert Clark, Again the Goose Step (New York, 1949), S. 296. 9 Mit einer Auflage von 4,4 Millionen war The Daily Express 1954 die größte Zeitung der Welt. »Illustrierte Schreckenskammer«, Der Spiegel, 6. Januar 1954, S. 24. Vgl. auch Karen Bayer, »How Dead Is Hitler?« Der Britische Starreporter Sefton Delmer und die Deutschen (Mainz, 2008). 10 Sefton Delmer, »Can Germany Harm Us?«, Daily Express, 12. September 1949. 11 William Shirer, »Germany Is Marching Again«, See Magazine, Mai 1950, S. 10. 12 »Nothing to Worry About?«, Prevent World War III, Juni–August 1950, S. 1. 13 Moses Miller, Nazis Preferred: The Renazification of Western Germany (New York, 1950); West Side Committee against Renazification of Germany, Shadow of the Swastika: German Rearmament & Renazification. The Road to World War III (1950); Anglo-Jewish Association, Germany’s New Nazis (1951). 14 Carolus, »The Road to Hell«, The Nation, 29. April 1950, S. 394 f.; Louis Harap, »Renazification Versus the People«, Jewish Life, Juli 1950, S. 8–11. 15 Das American Jewish Committee widmete dem Problem der »Renazifizierung« in seinem Jahresbericht 1950–1951 einen ganzen Abschnitt, The American Jewish Year Book, 1952, S. 438–440. Vgl. auch »Nazis Returning to Power Says Anti-Defamation League«, The Brooklyn Daily Eagle, 21. Mai 1950. 16 »Die Gefahren der Renazifizierung«, Mittelbayerische Zeitung, 4. Juni 1948. »Gegen Renazifizierung der Presse«, Passauer Neue Presse, 30. August 1949; »Regierungspräsident gegen Renazifizierung«, Passauer Neue Presse, 11. Juni 1948; »›Braunes Haus‹ in München«, Berliner Zeitung, 8. Oktober 1949, S. 2. 17 Zitiert in Manfred Görtemaker, Thomas Mann und die Politik (Frankfurt, 2005), S. 227. 18 Eugen Kogon, The Theory and Practice of Hell (New York, 1964), S. 319. 19 Deutscher Bundestag – 40. Sitzung, 23. Februar 1950, S. 1330; http://dip21.bundestag.de/ dip21/btp/01/01040.pdf. 20 Alvarez Del Vayo, »Germany: Cold War Victor?« The Nation, 1. April 1950, S. 295; vgl. auch Alvarez Del Vayo, »The Eternal Dr. Schacht«, The Nation, 18. Februar 1950, S. 157. 21 Ernest S. Pisko, »This World ..., The Christian Science Monitor, 31. Januar 1950, S. 7. 22 Anglo-Jewish Association, Germany’s New Nazis, S. 71. 23 Brian Connell, »Muddle as Bonn Rulers Meet«, Daily Mail (London), 8. September 1949, S. 1. 24 »A Fourth Reich,« The Dallas Morning News, 10. Dezember 1949. 25 Daniel E. Rogers, Politics after Hitler: The Western Allies and the German Party System (New York, 1995), S. 21. Der Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE), eine Interessensvertretung für Flüchtlinge, wurde im Januar 1950 gegründet und erhielt im selben Jahr über 24 Prozent der Stimmen in Schleswig-Holstein. Richard Stöss, Die extreme Rechte in der Bundesrepublik: Entwicklung – Ursachen – Gegenmaßnahmen (Opladen, 1989), S. 88. 26 »Neo-Nazi Parties of Today«, Prevent World War III, März–April 1950, S. 20–21. 27 Tauber, Beyond Eagle and Swastika, S. 743. 28 Norbert Frei, Vergangenheitspolitik. Die Anfänge der Bundesrepublik und die NS-Vergangenheit (München, 1999), Kapitel 10, insbesondere S. 309‒313. Nach Aussagen von Hedler hätten die Nazis auch »andere Methoden« als das Vergasen anwenden können, um sich der Juden zu entledigen. Zwei Drittel der Mitglieder des Gerichts waren ehemalige Nationalsozialisten.

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3.  Der Rechtsruck des Vierten Reiches 29 Zur Berichterstattung in anderen Zeitungen vgl. Antony Terry, »Will German Dilemma End in New Hitler?«, Press and Journal (Aberdeen, Schottland), 29. März 1950. 30 »Das ›Vierte Reich‹ marschiert«, Neue Zeit, 24. Februar 1950, S. 1. 31 Norbert Muhlen, »In the Backwash of the Great Crime«, Commentary, Februar 1952, S. 110. 32 »German Nationalism High Again on Day Hitler Took Full Rule«, The Anniston Star (Anniston, AL), 30. Januar 1950, S. 1; »New German Party Pledges 4th Reich«, The Boston Globe, 23. Januar 1950, S. 2; »A Führer Sets Them Singing«, Daily Mail (London), 23. Januar 1950, S. 1. Vgl. auch Tauber, Beyond Eagle and Swastika, S. 743, zu Ausführungen über Richters Unterstützung des Reiches als DRP-Mitglied. 33 »Franz Richter: The New Adolf Hitler?«, Daily Mail (London), 4. März 1950, S. 4. 34 Information Bulletin, March 1952. 35 Anne Freemantle, »Was It Better under Hitler?«, The New Republic, 29. Dezember 1952, S. 15. 36 Henning Hansen, Die Sozialistische Reichspartei (SRP): Aufstieg und Scheitern einer rechtsextremen Partei (Düsseldorf, 2007), S. 78; Otto Busch und Peter Furth, Rechtsradikalismus im Nachkriegsdeutschland: Studien über die Sozialistische Reichspartei (SRP) (Berlin, 1957), S. 23; Tauber, Beyond Eagle and Swastika, S. 692. 37 Busch und Furth, Rechtsradikalismus im Nachkriegsdeutschland, S. 18. Dorls bezeichnete die Gaskammern als eine der »revolutionärsten Methoden« der Nazizeit. Zitiert in William J. Collins, »Otto Remer: The New Nazi Threat«, Jewish Advocate, 21. Juni 1951, S. 1. Zu Dorls vgl. auch Leonard J. Schweitzer, »Hitler’s Would-Be Heirs«, The Reporter, 25. Dezember 1951, S. 31 f. 38 Remer unterstützte ursprünglich die Attentäter des 20. Juli, wechselte jedoch opportunistisch die Fronten, als Joseph Goebbels ihn zur Rede stellte: Remer musste daraufhin mit Hitler telefonieren, um zu zeigen, dass der Führer noch am Leben war. Tauber, Beyond Eagle and Swastika, S. 87. 39 Hansen, Die Sozialistische Reichspartei, S. 56 f., 99; Busch und Furth, Rechtsradikalismus im Nachkriegsdeutschland, S. 20; Tauber, Beyond Eagle and Swastika, S. 692. 40 Tauber, Beyond Eagle and Swastika, S. 119–132. Martin A. Lee, The Beast Reawakens: Fascism’s Resurgence from Hitler’s Spymasters to Today (Boston, 1997), S. 76 f. 41 Germany’s New Nazis, S. 26. Hansen, Die Sozialistische Reichspartei, S. 178; Peter Dudek und Hans-Gerhard Jaschke, Entstehung und Entwicklung des Rechtsextremismus in der Bunderepublik: Zur Tradition einer besonderen politischen Kultur (Opladen, 1984), S. 67. 42 »Die gleiche Blutgruppe?«, FAZ, 7. März 1952, S. 2. 43 Information Bulletin, 6. September 1949, S. 4; »Schickt deutsche Maurer«, Der Spiegel, 2. Mai 1951. 44 Ebd. 45 Busch und Furth, Rechtsradikalismus im Nachkriegsdeutschland, S. 33–44. 46 Hansen, Die Sozialistische Reichspartei, S. 117. 47 Ebd., S. 123. »Otto Remer: The New Nazi Threat«, Jewish Advocate, 21. Juni 1951, S. 1; Don Doane, »Reich Party Frankly Wants a Dictator«, The Washington Post, 23. Dezember 1951, S. B3. 48 Anne Freemantle, »Was It Better under Hitler?«, The New Republic, 29. Dezember 1952, S. 14. 49 Hansen, Die Sozialistische Reichspartei, S. 120. 50 »Trial of Nazi Accents Voluntary Reeducation«, The Christian Science Monitor, 17. April 1952, S. 13. 51 »Are the Nazis Coming Back?«, Picture Post, 16. Juni 1951. 52 Hansen, Die Sozialistische Reichspartei, S. 117, 130.

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Anmerkungen 53 Wie die Historiker Otto Busch und Peter Furth schreiben, »sah die SRP das ›Reich‹ als die altehrwürdige existentielle Realität des deutschen Volkes, die mythische Quelle seines Sendungsbewusstseins«. Busch und Furth, Rechtsradikalismus im Nachkriegsdeutschland, S. 296. 54 The Anglo-Jewish Association, Germany’s New Nazis, S. 24; Hansen, Die Sozialistische Reichspartei, S. 124. 55 Vgl. das Aktionsprogramm der SRP (1949), in: Uwe Backes und Eckhard Jesse, Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland, Band III (Köln, 1989), S. 87–89. 56 Busch und Furth, Rechtsradikalismus im Nachkriegsdeutschland, S. 24, 295 f.; Günter J. Trittel, »Die Sozialistische Reichspartei als Niedersächsische Regionalpartei«, in: Bernd Weisbrod (Hg.), Rechtsradikalismus in der politischen Kultur der Nachkriegszeit: Die verzögerte Normalisierung in Niedersachsen (Hannover, 1995), S. 74. 57 Frei, Vergangenheitspolitik, S. 329; Busch und Furth, Rechtsradikalismus im Nachkriegsdeutschland, S. 298 f. 58 Mitte der 1950er-Jahre bestätigte der Bundesgerichtshof, dass das Reich mit Kriegsende nicht abgeschafft, sondern nur »suspendiert« und »handlungsunfähig« gemacht worden sei, da sich die Alliierten nie auf einen Friedensvertrag einigten und das besiegte NS-Regime schlicht mit zwei neu geschaffenen, aber »provisorischen« Nachkriegsstaaten ersetzt hatten. 1955 erklärte das westdeutsche Presse- und Informationsamt die Bundesrepublik zur »legitimen Gestalt« des Deutschen Reiches. Allemann, Bonn ist nicht Weimar, S. 17. 59 »Das ›Vierte Reich‹ marschiert«, Neue Zeit, 24. Februar 1950, S. 1. Vgl. auch »Das ›Vierte Reich‹«, Hamburger Abendblatt, 21. Februar 1950, der auf Heimhardts Vortrag in Luckau verweist, in dem dieser seine Absicht zur Gründung »des Vierten Reiches« bekundete. 60 Zitiert in Heiko Buschke, Deutsche Presse, Rechtsextremismus und nationalsozialistische Vergangenheit in der Ära Adenauer (Frankfurt, 2003), S. 161. »Nazis Find New Fuhrer«, The Advertiser (Adelaide, Australien), 8. Mai 1951, S. 3. 61 »Saalschlachten wie einst«, Neue Zeit, 7. Februar 1950, S. 2. »Remer in Aktion«, Aufbau, 15. September 1950. »Tumult um Remer«, FAZ, 12. Januar 1950, S. 4. 62 »Tumult um Remer«, FAZ, 12. Januar 1950, S. 4. 63 The Anglo-Jewish Association, Germany’s New Nazis, S. 33; Tauber, Beyond Eagle and Swastika, S. 693. 64 Hansen, Die Sozialistische Reichspartei, S. 196–203; Beate Baldow, Episode oder Gefahr? Die Naumann-Affäre (Doktorarbeit, Freie Universität Berlin, 2012), S. 105 f., online unter https://d-nb.info/1041255683/34. 65 »Geheim ins Reich«, Der Spiegel, 18. März 2013. 66 Bernd Weisbrod, »Einleitung«, in: Weisbrod (Hg.), Rechtsradikalismus in der politischen Kultur der Nachkriegszeit, S. 9. David Johst, »Nur allerbeste Nazis«, Die Zeit, 29. März 2012. 67 Heiko Buschke, »Die Sozialistische Reichspartei im Raum Lüneburg 1949–1952«, in: Weisbrod (Hg.), Rechtsradikalismus in der politischen Kultur der Nachkriegszeit, S. 91. 68 In Wirklichkeit hatte die SRP wohl um die 10.000 Mitglieder. Hansen, Die Sozialistische Reichspartei, S. 59; Steffen Kailitz, Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland: Eine Einführung (Wiesbaden, 2004), S. 32; Tauber, Beyond Eagle and Swastika, S. 698. 69 Trittel, »Die Sozialistische Reichspartei als Niedersächsische Regionalpartei«, S. 83; Hansen, Die Sozialistische Reichspartei, S. 64. 70 Hansen, Die Sozialistische Reichspartei, S. 173; David Johst, »Nur allerbeste Nazis«, Die Zeit, 29. März 2012. 71 Jaschke und Dudek, Entstehung und Entwicklung des Rechtsextremismus in der Bunderepublik, S. 65.

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3.  Der Rechtsruck des Vierten Reiches 72 Hansen, Die Sozialistische Reichspartei, S. 29, 86; Weisbrod, »Einleitung«, S. 12. 73 The Anglo-Jewish Association, Germany’s New Nazis, S. 15. Hansen, Die Sozialistische Reichspartei, S. 173. 74 Hansen, Die Sozialistische Reichspartei, S. 68. 75 Ebd., S. 81. 76 Buschke, »Die Sozialistische Reichspartei im Raum Lüneburg 1949–1952«, S. 99 f. 77 Drew Middleton, »Neo-Nazism: ›A Cloud Like a Man’s Hand‹«, The New York Times, 1. Juli 1951, S. 115. 78 Don Doane, »Otto Remer Wants to Be New Hitler«, The Abilene Reporter-News, 26. März 1952, S. 3B; Richard Hanser, »Is He Germany’s New Hitler?«, The St. Louis Post-Dispatch, 4. November 1951. »The New Hitler?«, Prevent World War III, November–Dezember 1949, S. 21. 79 Richard Hanser, »He Hopes to Be Tomorrow’s Führer«, The Reader’s Digest, Dezember 1951, S. 120. 80 Sefton Delmer, »Is a New Hitler Rising?«, Daily Express, 6. Juli 1951. Sefton Delmer, »I Heard Remer Echo That Nazi Style«, Daily Express, 10. Juli 1951. 81 »Are the Nazis Coming Back?«, Picture Post, 16. Juni 1951. 82 William Stevenson, »General Remer – A New Hitler?«, The Seattle Times, 3. Februar 1952. 83 William Attwood und Seymour Freidin, »The Nazis March Again«, Collier’s, 25. November 1950, S. 23. 84 John La Farge, »Reconstructing a Divided Germany«, America, 28. Juli 1951, S. 417. 85 »West German Unions Rebuff Communists But Warn against Any Growth of Nazism«, The New York Times, 23. Juni 1951, S. 3. 86 »Das ›Vierte Reich‹ marschiert«, Neue Zeit, 24. Februar 1950, S. 1. 87 Frei, Vergangenheitspolitik, S. 343. 88 Kailitz, Politischer Extremismus in der Bundesrepublik Deutschland, S. 33; Hansen, Die Sozialistische Reichspartei, S. 179. 89 Vgl. die Sammlung von SPD-Flugblättern, die sich gegen die SRP richteten: http://archiv2.fes.de/vtrech.FAU?sid=129062E3&dm=4&RO_ZEILE_1=remer. 90 »›Das wär’ bei Hitler nicht passiert ...‹«, Die Zeit, 3. Mai 1951. 91 Vgl. »The Radical Right«, Information Bulletin, September 1951, S. 65–68. 92 »McCloy Warns of Neo-Nazis«, The New York Times, 28. Februar 1952, S. 8; John J. McCloy, »Germany’s Future«, Information Bulletin, Januar 1952, S. 7–9. Frei, Vergangenheitspolitik, S. 338 f. 93 Hansen, Die Sozialistische Reichspartei, S. 205–208. 94 Frei, Vergangenheitspolitik, S. 339, FN 53. 95 Hansen, Die Sozialistische Reichspartei, S. 179, 204 f., 225. 96 »Schickt deutsche Maurer«, Der Spiegel, 2. Mai 1951, S. 8. 97 Rand C. Lewis, A Nazi Legacy: Right-Wing Extremism in Postwar Germany (New York, 1991), S. 44. 98 Die SRP wurde am 19. September 1950 für staatsfeindlich erklärt. Die Reichsfront wurde 1951 verboten. Remer wurde 1951 mit einem Redeverbot belegt. Tauber, Beyond Eagle and Swastika, S. 710. 99 Auf Landesebene wurde erstmals im Februar 1950 ein Redeverbot über Remer verhängt. Frei, Vergangenheitspolitik, S. 327, 348. Im März 1952 wurde er in Braunschweig vor Gericht gestellt und später schuldig gesprochen, die Attentäter des 20. Juli als Verräter diffamiert zu haben. 100 Trittel, »Die Sozialistische Reichspartei als Niedersächsische Regionalpartei«, S. 69; Frei, Vergangenheitspolitik, S. 357.

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Anmerkungen 101 Dorls löste die SRP kurz vor dem 12. September 1952 auf. 102 Tauber, Beyond Eagle and Swastika, S. 714–725. Um der Verhaftung zu entgehen, floh Dorls nach Spanien, während Remer sich nach Ägypten absetzte, um sich einer Haftstrafe für seine zweite Verurteilung wegen Verleumdung und übler Nachrede zu entziehen. Remer blieb in rechtsradikalen Kreisen aktiv und wurde später ein Holocaust-Leugner. 103 Hansen, Die Sozialistische Reichspartei, S. 275. »Nazi Threat of Comeback Is Exploded«, The Hartford Courant, 13. September 1952. 104 Kommunistische Partei Deutschlands, Viertes Reich fällt aus: Das Urteil des Bundeverfassungsgerichts über die SRP (Hilden, 1952). 105 Hansen, Die Sozialistische Reichspartei, S. 274 f. 106 »Das Ende der SRP«, Die Zeit, 18. September 1952. 107 Hugh Trevor-Roper, »The Germans Reappraise the War«, Foreign Affairs, Januar 1953, S. 233. Frei, Vergangenheitspolitik, S. 360; Allemann, Bonn ist nicht Weimar, S. 294. 108 Baldow, Episode oder Gefahr?, S. 17–23. 109 Vgl. Werner Naumann, »The Time to Decide« (vom April 1945), im Propagandaarchiv des Calvin College. http://research.calvin.edu/german-propagandaarchive/naumann1.htm. 110 Günter Trittel, »Man kann ein Ideal nicht verraten ...« Werner Naumann – NS-Ideologie und politische Praxis in der frühen Bundesrepublik (Göttingen, 2013), S. 72–90. 111 Baldow, Episode oder Gefahr?, S. 25; Trittel, »Man kann ein Ideal nicht verraten ...«, S. 81. 112 Baldow, Episode oder Gefahr?, S. 39–55; Tauber, Beyond Eagle and Swastika, S. 119–132. 113 Baldow, Episode oder Gefahr?, S. 83. 114 Ebd., S. 2 f., 85; Tauber, Beyond Eagle and Swastika, S. 133–135. Vgl. auch »NaumannKreis«, ohne Datum, S. 10. Im Nachlass von Leo Freiherr Geyr von Schweppenburg, ED 91, Bd. 1–54, am Institut für Zeitgeschichte, München. 115 Baldow, Episode oder Gefahr?, S. 29, 33 f., 57 f., 82. 116 Ebd., S. 28. 117 Trittel, »Man kann ein Ideal nicht verraten ...«, S. 7. 118 Tauber, Beyond Eagle and Swastika, S. 38. 119 So schrieb Naumann 1951. Baldow, Episode oder Gefahr?, S. 25 f., 92–94, 111 f., Trittel, »Man kann ein Ideal nicht verraten ...«, S. 134. 120 Trittel, »Man kann ein Ideal nicht verraten ...«, S. 130. 121 Trittels Auffassung nach wollte Naumann die FDP nicht übernehmen oder durch sie an die Macht gelangen; vielmehr habe die FDP Naumann umworben. Trittel, »Man kann ein Ideal nicht verraten ...«, S. 13, 136 f., 177 f., 156–159, 162 f. Die meisten Wissenschaftler sehen Naumann jedoch als aktiven Verschwörer. Vgl. Baldow, Episode oder Gefahr? S. 93–96; Alistair Horne, Return to Power: A Report on the New Germany (New York, 1956), S. 169; Tauber, Beyond Eagle and Swastika, S. 135–139. 122 Trittel, »Man kann ein Ideal nicht verraten ...«, S. 130. 123 Ebd., S. 128, 133. 124 Ebd., S. 148. 125 Ebd., S. 128, 134. 126 Baldow, Episode oder Gefahr?, S. 30. 127 Buchna, Nationale Sammlung an Rhein und Ruhr, S. 217. 128 Baldow, Episode oder Gefahr?, S. 148; Buchna, Nationale Sammlung an Rhein und Ruhr, S. 220. 129 Frei, Vergangenheitspolitik, S. 379; Baldow, Episode oder Gefahr?, S. 32. 130 Baldow, Episode oder Gefahr?, S. 33. 131 Best war der ranghöchste lebende ehemalige RSHA-Mitarbeiter in Deutschland, der Achenbach und Six aus Kriegszeiten kannte.

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3.  Der Rechtsruck des Vierten Reiches 132 Diewerge war eine der wichtigsten Personen, die den Kontakt zwischen der FDP und Naumann herstellte; Naumann war sein Vorgesetzter im Propagandaministerium gewesen. 133 Susanna Schrafstetter, »Siegfried Zoglmann, His Circle of Writers, and the Naumann Affair«, in: David A. Messenger und Katrin Paehler (Hg.), A Nazi Past: Recasting German Identity in Postwar Europe (Lexington, KY, 2015), S. 118. Zoglmann war Chefredakteur des Wochenblatts Die Deutsche Zukunft und schrieb Beiträge für Die Plattform, in denen apologetische, pronazistische Artikel von Grimm und Diewerge erschienen. Baldow, Episode oder Gefahr?, S. 136–138. 134 Frei, Vergangenheitspolitik, S. 365; Schrafstetter, »Siegfried Zoglmann«, S. 122–126. 135 Vgl. den Text der Erklärung in Peter Juling, Programmatische Entwicklung der FDP 1946 bis 1969: Einführung und Dokumente (Meisenheim am Glan, 1977), S. 120–124, hier S. 120. 136 Ebd., S. 121, 120, 124. 137 Trittel, »Man kann ein Ideal nicht verraten ...«, S. 164 f.; Baldow, Episode oder Gefahr?, S. 154–158. 138 Baldow, Episode oder Gefahr?, S. 96 f., 160–169, 193–195. Trittel, »Man kann ein Ideal nicht verraten ...« S. 169–172. Naumann hatte ursprünglich vor, vor 1957 eine öffentliche Rolle in der Politik zu spielen. Trittel, »Man kann ein Ideal nicht verraten ...«, S. 148. 139 Ebd., S. 185. 140 Tauber, Beyond Eagle and Swastika, S. 895. 141 »British Arrest Seven Nazi Ringleaders«, The Times (London), 16. Januar 1953; Baldow, Episode oder Gefahr?, S. 205. 142 »Naumann-Kreis«, ohne Datum, S. 17. Im Nachlass von Leo Freiherr Geyr von Schweppenburg, ED 91, Bd. 1–54, am Institut für Zeitgeschichte, München. 143 »New Nazi Specter in Western Germany«, The New York Herald Tribune, 25. Januar 1953. 144 »7 Ex-Nazis Seized by British for Plot«, The New York Times, 16. Januar 1953, S. 1; »Nazism Hangs On«, The New York Times, 19. Januar 1953, S. 22. 145 »Echo from the Bunker«, Daily Mail (London), 16. Januar 1953, S. 4; »The Web Spun by Naumann«, The Times (London), 6. Mai 1953, S. 7. 146 Baldow, Episode oder Gefahr?, S. 233. 147 »The Re-Nazification of Germany«, Prevent World War III, Sommer, 1953, S. 31. 148 »Germans Threaten Allied Forces’ Security«, reprinted in The Examiner (Launceton, Tasmanien), 10. März 1953, S. 2. 149 »British Break Up Nazi Plot to Seize Power in Germany«, The Jerusalem Post, 16. Januar 1953, S. 1. 150 »British Nab 7 Nazis, Charge Plot to Create ›4th Reich‹«, The Cleveland Plain-Dealer, 16. Januar 1953. »Seventh Nazi Seized in Communist-Backed Plot«, The Los Angeles Times, 16. Januar 1953, S. 2. »7 Ex-Nazis Jailed for Plotting Coup«, The Boston Globe, 16. Januar 1953, S. 13. 151 Laut Meldungen der britischen Presse planten Mitglieder des Deutschen Freikorps bei ihrer Verhaftung Anfang Februar 1953 ein Viertes Reich. »Nazi Leaders Are Hunted by Night«, Daily Express, 11. Februar 1953. Die Forderung nach einem »neuen Reich« erhoben auch Kriegsveteranen im Umfeld von General Hermann Ramcke, vgl. Daily Mail (London), 23. Januar 1953. Berichte über die Niederschlagung eines weiteren NSPutsches, diesmal durch das Freikorps Deutschland, erschienen in The New York Times, 11. Februar 1953. Drei Tage nach den Naumann-Verhaftungen schien eine HICOG-Umfrage die wachsende Unterstützung der Deutschen für den Neonazismus zu bestätigen. Demnach fanden 41 Prozent der Deutschen, dass es im Dritten Reich »mehr Gutes als

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Anmerkungen Schlechtes« gegeben habe, während 35 Prozent das Gegenteil behaupteten; nur vier Prozent waren der Meinung, dass die Deutschen eine gewisse Schuld für die Geschehnisse in der NS-Zeit trügen; schließlich bestätigten 24 Prozent der Befragten, dass sie eine neue nationalsozialistische Bewegung unterstützen würden. Drew Middleton, »Rise in NeoNazism Is Shown by Survey in West Germany«, The New York Times, 18. Januar 1953, S. 1. 152 Vgl. Baldow, Episode oder Gefahr?, S. 215–222; »Mit Nau-Nau Argumenten«, Der Spiegel, 11. März 1953, S. 19. Zu einer Liste der Forderungen, vgl. »Nau-Nau«, Der Spiegel, 21. Januar 1953, S. 6. 153 Trittel, »Man kann ein Ideal nicht verraten ...«, S. 197. 154 »Nau-Nau«, Der Spiegel, 21. Januar 1953, S. 8. In den USA stellte The Wall Street Journal die Ernsthaftigkeit der Bedrohung durch die Nationalsozialisten infrage, vgl. »Nazi Revival«, 26. Februar 1953, S. 8. 155 »Nau-Nau«, Der Spiegel, 21. Januar 1953, S. 6; »Zum Totenschädel verzerrt«, Der Spiegel, 11. März 1953, S. 6. 156 Baldow, Episode oder Gefahr?, S. 222–224; Trittel, »Man kann ein Ideal nicht verraten ...«, S. 204, 263. 157 Trittel, »Man kann ein Ideal nicht verraten ...«, S. 206 f. Dehler betonte, das Ziel des Naumann-Kreises sei es, »nach den bevorstehenden Wahlen die Macht zu ergreifen«. »The Re-Nazification of Germany«, Prevent World War III, Sommer 1953, S. 31. 158 Baldow, Episode oder Gefahr?, S. 225; Frei, Vergangenheitspolitik, S. 376. 159 Baldow, Episode oder Gefahr?, S. 242. 160 Ebd., S. 298. 161 »Naumann, a New Hitler?«, The Corpus Christi Caller, 24. August 1953. »Ex-Nazi Reviving Hitler Technique«, The New York Times, 17. August 1953, S. 6. 162 Trittel, »Man kann ein Ideal nicht verraten ...«, S. 260. 163 Baldow, Episode oder Gefahr? S. 298, 283; Trittel, »Man kann ein Ideal nicht verraten ...«, S. 264–270. »Rotten Eggs Hurled at Naumann in Kiel«, The New York Times, 21. August 1953, S. 2. »Naumann Out of German Politics Under Ruling That He Is a Nazi«, The New York Times, 25. August 1953, S. 1. 164 Baldow, Episode oder Gefahr?, S. 273. 165 Tauber, Beyond Eagle and Swastika, S. 803–807. Die FDP rutschte von 11,9 auf 9,5 Prozent, die DP von 4,0 auf 3,3 Prozent und die DRP von 1,8 auf 1,1 Prozent. Der BHE blieb mit 5,9 Prozent der Stimmen hinter den Erwartungen zurück. Nur 34 Prozent der Heimatvertriebenen wählten die Partei. Baldow, Episode oder Gefahr?, S. 287. 166 Tauber, Beyond Eagle and Swastika, S. 811. Wolfrum, Die geglückte Demokratie, S. 128 f. 167 Tauber, Beyond Eagle and Swastika, S. 806 f. 168 Baldow, Episode oder Gefahr?, S. 298–301. Nachdem die Mitverschwörer der FDP im Dezember 1954 von ihrem Versuch der »Wiederherstellung eines nationalsozialistischen Führerstaats« freigesprochen worden waren, kamen sie vergleichsweise ungeschoren davon. Middelhauve beteuerte seine völlige Unschuld und blieb im Amt. Achenbach wurde leicht degradiert, erhielt jedoch 1957 zusammen mit Zoglmann ein Bundestagsmandat. Frei, Vergangenheitspolitik, S. 378‒380. 169 T. H. Tetens, Germany Plots with the Kremlin (New York, 1953). 170 Ebd., S. 6. 171 Ebd., S. VIII–IX. 172 Ebd., S. 95. 173 Ebd., S. 94. 174 Ebd., S. 158. 175 Ebd., S. 179.

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3.  Der Rechtsruck des Vierten Reiches 176 Ebd., S. 159. 177 Ebd., S. VIII. 178 Hans Habe, Our Love Affair with Germany (New York, 1953). 179 Ebd., S. 27. 180 Ebd., S. 233, 165. 181 Ebd., S. 61, 66. 182 Ebd., S. 71 f. 183 Ebd., S. 236 f. 184 Ebd., S. 242 f. 185 Einige Rezensenten fanden Tetens’ Buch zwar »zeitgemäß«; andere bemängelten, sein »unheilverkündender / schwarzmalerischer Grundton« richte »mehr Schaden als Nutzen« an. Vgl. die Rezensionen von Louis Snyder in: The American Historical Review, Juli 1953, S. 963 f.; von Koppel Pinson in Jewish Social Studies, April 1954, S. 182–186; und von Elizabeth Wiskemann in: International Affairs, April 1954, S. 235 f. Habes Buch wurde derweil als von »persönlichem Groll« getrübt beschrieben (Pinson, S. 184); vgl. auch Richard F. Schiers Rezension in: The Western Political Quarterly Review, Juni 1954, S. 264 f. 186 Norbert Muhlen, The Return of Germany (1953). Norbert Muhlen, »Is There a West German Menace?« Commentary, Juni 1953. 187 Muhlen, The Return of Germany, S. 50–52. 188 Ebd., S. 69. 189 Ebd., S. 4 f. 190 Ebd., S. 12, 7. 191 Vgl. auch Norbert Muhlen, »German Anti-Americanism: East and West Zones«, Commentary, Februar 1953, S. 130. 192 Muhlen, »Is There a West German Menace?«, Commentary, Juni 1953. 193 Peter Schmid, »The Germans’ Present Conservatism: Its Roots«, Commentary, November 1953, S. 422 f. 194 Herbert Lüthy, »Behind Reawakened German Nationalism«, Commentary, 1. Februar 1952, S. 116. 195 Richard Lowenthal, »The New Nazi Round-up«, The New Leader, 23. Februar 1953, S. 36. 196 Horne, Return to Power, S. 165. 197 Bayer, »How Dead Is Hitler?«, Prevent World War III, Sommer, 1954, S. 24–28. 198 Bayer, »How Dead Is Hitler?«, S. 205–217. 199 »Schwarze Propaganda«, Der Spiegel, 8. September 1954, S. 16–22. 200 Lord Russell, The Scourge of the Swastika (London, 1954), S. 1. 201 Horne, Return to Power, S. 41–45, 182 und Kapitel 9. 202 Jacques Soustelle, »France and Europe«, Foreign Affairs, Juli 1952, S. 547. 203 Lewis Namier, Avenues of History (London, 1952), S. 94, 98. 204 Frederick Schuman, »The Tortured German Psyche«, The Nation, 8. Januar 1955, S. 34 f. 205 Anthony Terry, »Germans Unhappy over New Fourth Reich«, The Pittsburgh Press, 15. Januar 1955, S. 9. 206 Louis Mitelberg, Walter Heynowski und Hans Picard, Das Vierte Reich (Berlin, 1955). 207 An der Spitze des ostdeutschen Propagandafeldzugs stand Albert Norden, Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei (SED). Vgl. Michael F. Scholz, »Active Measures and Disinformation as Part of East Germany’s Propaganda War, 1953–1972«, in: Kristie Macrakis, Thomas Wegener Friis und Helmut Müller-Enbergs (Hg.), East German Foreign Intelligence: Myth, Reality and Controversy (New York, 2010), S. 114. 208 Die Karikaturen erschienen ursprünglich in der kommunistischen französischen Tageszeitung L’Humanité.

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Anmerkungen 209 Norbert Frei hat in Bezug auf diese Ängste von einem »mühsam herbeigezerrten Schreckgespenst« und sie als »häufig frei erfunden« beschrieben. Frei, Adenauer’s Germany, S. 52, 59. Laut Wetzel war eine Überreaktion keine sinnvolle Strategie, »Der parteipolitische Rechtsextremismus«, S. 99. 210 Norbert Frei zufolge war »die politische Amnestierung und die soziale Reintegration des Heeres der ›Mitläufer‹ ebenso notwendig wie unvermeidlich«, Vergangenheitspolitik, S. 15. Nach Ansicht von Ulrich Herbert hatte sich die »Politik Adenauers gegenüber den ehemaligen Nationalsozialisten ... bestätigt«: Ulrich Herbert, Best: Biographische Studien über Radikalismus, Weltanschauung und Vernunft, 1903–1989 (Bonn, 1996), S. 474. So schreiben Wilfried Loth und Bernd-A. Rusinek: »Aus Nationalsozialisten wurden Demokraten, ohne dass sie sich ihrer Verantwortung für den Nationalsozialismus und im Nationalsozialismus gestellt hätten«, »Einleitung«, in: Wilfried Loth und Bernd-A. Rusinek (Hg.), Verwandlungspolitik: NS-Eliten in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft (Frankfurt, 1998), S. 8. Richard Stöss schreibt: »Die politische Integration des Nachkriegsrechtsextremismus ... trug wesentlich zu der enormen Stabilität der Bundesrepublik bei.« Stöss, Die extreme Rechte in der Bundesrepublik, S. 94. Jeff Olick, In the House of the Hangman: The Agonies of German Defeat, 1943–1949 (Chicago, 2005), S. 9 f. Nach Ansicht von Klaus Epstein muss »die Politik der ›Domestizierung‹ von Ex-Nazis durch Freundlichkeit als politischer Erfolg gewertet werden«, in: Pinson und Epstein, Modern Germany, S. 580. 211 Klaus Dietmar Henke, »Die Grenzen der politischen Säuberung in Deutschland nach 1945«, in: Ludolf Herbst (Hg.), Westdeutschland 1945–1955: Unterwerfung, Kontrolle, Integration (München, 1986), S. 132 f. 212 Adenauer zufolge richtete die Entnazifizierung »viel Unglück und viel Unheil« in Deutschland an; er beklagte sich über die nimmer endende »Naziriecherei«. Zitiert in Georg von Bönisch, »Amnesie und Amnestie«, Der Spiegel, 21. Februar 2006, S. 112–118. Vgl. auch »Böse Erinnerungen«, Der Spiegel, 4. April 1956, S. 18. 213 Wie Adenauer erkannte, waren rund zehn Prozent der Wähler bei der Bundestagswahl 1949 für rechtsextreme Parteien anfällig. Da die CDU 1949 nur 31 Prozent der Stimmen erhielt und sein Block von Koalitionspartnern nur 46 Prozent erzielte, begriff er, dass es entscheidend war, alle Wähler zu gewinnen, die eine Partei rechts von der CDU unterstützen könnten. Stöss, Die extreme Rechte in der Bundesrepublik, S. 86–88. 214 1949 wurde das erste Straffreiheitsgesetz verabschiedet, das rund 800.000 Personen begnadigte und ihnen ihr Stimmrecht zurückgab; sie hatten für Verbrechen, die sie vor 1949 begangen hatten, leichte Strafen zwischen sechs Monaten und einem Jahr erhalten. Zwei Jahre später wurde das »131er-Gesetz« verabschiedet, das rund 160.000 nach 1945 entlassenen Beamten aus der NS-Zeit den Bezug ihrer Pensionen sicherte und ihnen die Rückkehr an den Arbeitsplatz ermöglichte (darunter sogar einigen Gestapo-Mitarbeiter). 1954 wurden mit dem zweiten Straffreiheitsgesetz Straftaten gegen Ende des Zweiten Weltkriegs begnadigt. Frei, Vergangenheitspolitik, Kapitel 2–4; vgl. auch Dominik Geppert, Die Ära Adenauer (Darmstadt, 2002), S. 74–77. 215 Adenauers Amnestiepolitik war Teil einer »Doppelstrategie«, die darin bestand, die nationalsozialistische Vergangenheit von Privatpersonen zu ignorieren und gleichzeitig den Nationalsozialismus in der Öffentlichkeit zu verurteilen. Helmut König, »Das Erbe der Diktatur: Der Nationalsozialismus im politischen Bewusstsein der Bundesrepublik«, Leviathan, 2, 1996, S. 169 f. 216 Herbert, Best, S. 473–476. 217 Frei, Adenauer’s Germany, S. 310. Tauber, Beyond Eagle and Swastika, S. 809–813; Herbert, Best, S. 474 f. Herbert, »Rückkehr in die Bürgerlichkeit: NS-Eliten in der Bundes-

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3.  Der Rechtsruck des Vierten Reiches republik«, in: Weisbrod (Hg.), Rechtsradikalismus in der politischen Kultur der Nachkriegszeit, S. 157–173. 218 Hermann Lübbe, »Der Nationalsozialismus im politischen Bewusstsein der Gegenwart«, in: Martin Broszat (Hg.), Deutschlands Weg in die Diktatur (Berlin, 1983), S. 334. 219 Hermann Lübbe, Hermann Lübbe im Gespräch (München, 2010), S. 158. 220 Christian Meier, Das Gebot zu vergessen und die Unabweisbarkeit des Erinnerns: Vom öffentlichen Umgang mit schlimmer Vergangenheit (München, 2010), S. 62. Vgl. das Interview mit Götz Aly, »Vereiste Vergangenheit«, Die Zeit, 14. März 2013. Dirk Moses verweist auf das »funktionell notwendige Schweigen« und meint, dass es »unmöglich gewesen wäre, die großenteils nazifizierte Bevölkerung in die neue Ordnung zu integrieren«, wenn nicht nach dem Krieg der radikale Versuch einer »antifaschistischen Revolution« verfolgt worden wäre. Moses, Deutsche Intellektuelle und die Nazi-Vergangenheit, S. 69, 73. Ulrich Herbert schreibt: »Ohne die einstigen NS-Führungsgruppen insbesondere in den Verwaltungen wäre die Konstituierung des neuen Staates vermutlich nicht möglich gewesen ...« Ulrich Herbert, »NS-Eliten in der Bundesrepublik«, in: Loth und Rusinek (Hg.), Verwandlungspolitik: NS-Eliten in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft, S. 114. 221 Norbert Frei, »Das Problem der NS-Vergangenheit in der Ära Adenauer«, in: Weisbrod (Hg.), Rechtsradikalismus in der politischen Kultur der Nachkriegszeit, S. 26–31. 222 Thomas Schmid, »Der Streit der alten Männer«, Die Welt, 5. Dezember 1998. 223 Wolfrum, Die geglückte Demokratie, S. 171. 224 Lübbe lehnte es ab, explizite kontrafaktische Behauptungen aufzustellen. Er tat es beinahe, als er spekulierte, »ein Entnazifizierungsprogramm unter deutscher Führung hätte besser sein können« als das der Alliierten; doch wie er betonte, »bleiben alle Alternativen imaginäre Geschichte«. 225 Ralf Beste, Georg Bönisch, Thomas Darnstaedt, Jan Friedmann, Michael Fröhlingsdorf und Klaus Wiegrefe, »From Dictatorship to Democracy: The Role Ex-Nazis Played in Early West Germany«, Der Spiegel, 6. März 2012. 226 Zitiert in Joachim Perels, Das juristische Erbe des Dritten Reiches (Frankfurt, 1999), S. 125. 227 Helmut Schmidt und Fritz Stern, Unser Jahrhundert: Ein Gespräch (München, 2010), S. 250. 228 Epstein in: Pinson, Modern Germany, S. 580. 229 Rudolf Augstein, »Konrad Adenauer und seine Epoche«, Der Spiegel, 41, 1963, S. 99. 230 Hansen, Die Sozialistische Reichspartei, S. 300. 231 Baldow, Episode oder Gefahr?, S. 7. Baldow zitiert auch Theo Rütten, der dies in seinem Buch Der deutsche Liberalismus 1945 bis 1955 festgestellt habe. Baldow, Episode oder Gefahr?, S. 309. 232 Trittel, »Man kann ein Ideal ...«, S. 305 f. 233 Trittel bezeichnet die Naumann-Affäre als »das einzig ernst gemeinte Renazifizierungsprojekt in der Geschichte der Bundesrepublik«. Trittel, »Man kann ein Ideal nicht verraten ...«, S. 306. Laut Walters wurde die Naumann-Affäre »sträflich unterschätzt«. Generell ist William Hagen der Ansicht, dass das Land »möglicherweise in einen Bürgerkrieg geschlittert wäre«, »wenn die Alliierten nicht die Federführung über Nachkriegsdeutschland übernommen hätten«. William W. Hagen, German History in Modern Times: Four Lives of the Nation (Cambridge, MA, 2012), S. 360. 234 Ivone Kirkpatrick, The Inner Circle: Memoirs of Ivone Kirkpatrick (New York, 1959), S. 252 f. 235 Tauber, Beyond Eagle and Swastika, S. 146. Ähnlich spekulierte Terence Prittie 1960: »[H]ätte die Naumann-Gruppe 40 Mitglieder des Bundestages gefangen genommen und dann eine der großen Parteien erpresst, hätte sie eine einmalige Chance gehabt, ihre geplante nationale Kundgebung aus den Millionen ehemaliger Nationalsozialisten zu ma-

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Anmerkungen chen ... die sich immer noch nicht mit der Demokratie abgefunden hatten«. Prittie, Germany Divided, S. 326. 236 Frei, Vergangenheitspolitik, S. 400. G. David Johst schreibt in der Zeit: »Außerhalb von Niedersachsen allerdings fiel es der SRP noch schwer, Fuß zu fassen; ob es ihr gelungen wäre, wenn sie länger existiert hätte, sei dahingestellt.« »Nur allerbeste Nazis«, Die Zeit, 29. März 2012. 237 Frei, Vergangenheitspolitik, S. 400. Frei fügte hinzu: »Ohne die direkte Kontrolle durch die Alliierten [...] wären die Grenzen der Vergangenheitspolitik noch fließender gewesen.« Kielmansegg erwähnt »die physische Präsenz der Sieger als Herren im Land, die doch wohl manches verhindert hat, was den demokratischen Neubeginn jedenfalls erschwert hätte«. Kielmansegg, Lange Schatten, S. 10. 238 Buchna, Nationale Sammlung an Rhein und Ruhr, S. 222 f. Durch das rechtzeitige Eingreifen hinderten die Briten Naumann daran, mit der Umsetzung seiner Pläne bis 1957 zu warten, und zwangen ihn vorzeitig zum Handeln. Trittel, »Man kann ein Ideal nicht verraten ...«, S. 304 f. Hätten sie gewartet, hätte Naumann seine Pläne weiterentwickeln können. Wie Tauber hinzufügt, hätte Naumann – wenn er nicht verhaftet worden wäre – den BHE unterwandern und Kraft dazu bewegen können, sich für seinen Plan zu engagieren. Beyond Eagle and Swastika, S. 145. 239 Herbert, Best, S. 462. 240 Trittel, »Man kann ein Ideal nicht verraten ...«, S. 8. 241 Stöss, Die extreme Rechte in der Bundesrepublik, S. 94. 242 So lautete der Titel von Ernst Noltes umstrittenem Essay von 1986 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der den Historikerstreit über die Singularität des Dritten Reiches auslöste. 243 Arendt fragte sich 1950, ob eine »blutige ... Erhebung« eine Alternative gewesen wäre, »der Ausbruch einer spontanen Wut des deutschen Volkes gegen all diejenigen, die als prominente Vertreter des Naziregimes bekannt waren.« Zitiert in: König, »Das Erbe der Diktatur«, S. 166. 1950 verurteilte Walter Dirks die »restaurative« Stimmung in Westdeutschland und schrieb 1967: »Ich kann mir ein anderes Deutschland vorstellen«, das ohne das »Hindernis« Adenauer entstanden wäre. Vgl. Dirks’ Artikel, »Der restaurative Charakter der Epoche«, Frankfurter Hefte, 9, 1950, S. 942–954. 244 So Wehlers Beobachtung in »Podiumsdiskussion zum Thema des Abschlussvortrages«, in: Broszat (Hg.), Deutschlands Weg in die Diktatur, S. 359. 245 Wilfried Loth, »Verschweigen und Überwinden: Versuch einer Bilanz«, in: Loth und Rusinek (Hg.), Verwandlungspolitik: NS-Eliten in der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft, S. 357–359. 246 Kielmansegg, Lange Schatten, S. 40. 247 Pinson und Epstein, Modern Germany, S. 580. 248 Jeffrey Herf, »The Holocaust and the Competition of Memories in Germany, 1945–1949«, in: Dan Michman (Hg.), Remembering the Holocaust in Germany, 1945–2000: German Strategies and Jewish Responses (New York, 2002), S. 15 f. 249 Jason Dawsey, »The Antinomies of German Memory«, H-German, September 2009; www.h-net.org/reviews/showpdf.php?id=25045. 250 Peter Merseburger, »Ein deutscher Sozialdemokrat«, The European Circle, 8. November 2010. Vgl. auch Edgar Wolfrum, Geschichte als Waffe: Vom Kaiserreich bis zur Wiedervereinigung (Göttingen, 2001), S. 107. 251 Ulrich Herbert, »NS-Eliten in der Bundesrepublik«, S. 94 f.; Kielmansegg, Lange Schatten, S. 20. 252 Marc von Miquel, Ahnden oder amnestieren?: Westdeutsche Justiz und Vergangenheits-

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3.  Der Rechtsruck des Vierten Reiches politik in den sechziger Jahren (Göttingen, 2004), S. 28, 66–68. »Germany’s FBI Examines Its Nazi Roots«, Der Spiegel, 1. Oktober 2007; »A German Ministry’s Criminal Past«, The Wall Street Journal, 26. Oktober 2010; Klaus Wiegrefe, »The Nazi Criminals Who Became German Spooks«, Der Spiegel, 16. Februar 2011; »Mitarbeiter mit braunen Flecken«, taz, 29. Januar 2015. 253 Sven Felix Kellerhoff, »Wie viele Nazis arbeiteten für Adenauers Polizei?«, Die Welt, 29. Februar 2012. Vgl. auch »Nazis zählen reicht nicht«, Die Zeit, 25. Februar 2016. 254 Ulrich Brochhagen verweist auf den deutlichen Rückgang der Anzahl der Nazis, die zwischen 1945 und 1958 wegen einer Straftat verurteilt wurden. Brochhagen, Nach Nürnberg, S. 165. 255 Klaus Wiegrefe, »Triumph der Gerechtigkeit«, Der Spiegel, 28. März 2011, S. 37–43; Georg Bönisch und Klaus Wiegrefe, »From Nazi Criminal to Postwar Spy«, Der Spiegel International, 20. Januar 2011. 256 Lutz Hachmeister, »Mein Führer, es ist ein Wunder!«, taz, 27. Dezember 1996, S. 11–13. Laut Hachmeister hatte Rudolf Augstein die ehemaligen SS-Offiziere Horst Mahnke und Georg Wolff wegen ihrer Insiderkenntnisse rekrutiert, die ihnen bei Geschichten über die nationalsozialistische Vergangenheit zugutekommen konnten. Vgl. auch »Eine Handvoll Nazis«, Der Spiegel, 22. September 2012, sowie »The Role Ex-Nazis Played in Early West Germany«, Der Spiegel, 6. März 2012. 257 Herbert, »Rückkehr in die Bürgerlichkeit«, S. 157–173. 258 Vgl. Dirk van Laaks Erörterung der Fälle des ehemaligen Reichsamtsleiters der Deutschen Arbeitsfront Otto Wetzel und des Verfassungsrechtlers Theodor Maunz in: »›Nach dem Sturm schlägt man auf die Barometer ein ...‹ Rechtsintellektuelle Reaktionen auf das Ende des ›Dritten Reiches‹«, WerkstattGeschichte, 17, 1997, S. 36 f. 259 Kielmansegg argumentiert deterministisch: »Die Bonner Demokratie war nie dadurch gefährdet, dass die Sympathien der Staatsdiener der Vergangenheit oder überhaupt irgendeiner Alternative zum demokratischen Verfassungsstaat gehört hätten.« Kielmansegg, Lange Schatten, S. 41 f. Laut Herbert gingen nur wenige bedeutende Nationalsozialisten nach dem Krieg in die Politik, da dies für sie (verglichen mit dem Status, den sie im Dritten Reich genossen) ein Abstieg gewesen wäre und da dies ihre wirtschaftlichen Chancen in der Nachkriegszeit hätte gefährden können. Herbert, »NS-Eliten in der Bundesrepublik«, S. 106–115. 260 Tauber, Beyond Eagle and Swastika, S. 810; Winkler, Der lange Weg, S. 178; Kielmansegg, Lange Schatten, S. 12. 261 Van Laak, »Nach dem Sturm«, S. 40. 262 Kleßmann, Die doppelte Staatsgründung, S. 223–226. Wolfrum, Die geglückte Demokratie, S. 51; Adam Tooze, »Reassessing the Moral Economy of Post-War Reconstruction: The Terms of the West German Settlement in 1952«, Past and Present, 2011, S. 53 f. 263 Wolfrum, Die geglückte Demokratie, S. 78. 264 Ebd., S. 80; Herbert Giersch u. a., The Fading Miracle: Four Decades of Market Economy in Germany (Cambridge, UK, 1992), S. 62–65. Winkler, Der lange Weg, S. 178; Gert-Joachim Glaeßner, Politik in Deutschland (Wiesbaden, 2006), S. 90. Kitchen, A History of Modern Germany, S. 330 f. 265 Vgl. Tooze, »Reassessing the Moral Economy of Post-War Reconstruction«, S. 56–60; Wolfrum, Die geglückte Demokratie, S. 80 f. 266 Lawrence S. Kaplan hat kontrafaktisch spekuliert, dass Deutschland sich vielleicht in Richtung eines neonazistischen »Vierten Reiches« bewegt hätte, wenn die USA 1949 den NATO-Vertrag nicht genehmigt und zu einer isolationistischeren Außenpolitik zurückgekehrt wären. Anders als andere nimmt Kaplan jedoch an, dass der US-Senat möglicher-

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Anmerkungen weise Artikel 5 des Vertrags abgelehnt hätte (der die Mitgliedstaaten zur kollektiven Verteidigung verpflichtet). Dieses Szenario scheint jedoch weit hergeholt zu sein, wenn man bedenkt, dass der Senat den Vertrag schließlich deutlich mit 82 zu 13 Stimmen im Juli 1949 ratifizierte. Vgl. Lawrence S. Kaplan, »NATO after Forty-Five Years: A Counterfactual History«, in: S. Victor Papacosma und Mary Ann Heiss (Hg.), NATO in the Post-Cold War Era: Does It Have a Future? (New York, 1995), S. 5 f., 12–14. 267 L. C. B. Seaman, Post-Victorian Britain 1902–1951 (London, 1966), S. 385. Vgl. auch Kapitel 6 (»Korean War Alternatives«) in Jennifer Millikens Buch The Social Construction of the Korean War: Conflict Possibilities (Manchester, UK, 2001). Arthur Mitchell, Understanding the Korean War: The Participants, the Tactics, and the Course (Jefferson, NC, 2013), S. 236. Benjamin David Baker, »What if the Kuomintang Had Won the Chinese Civil War?«, The Diplomat, 24. Dezember 2015. 268 Laut Tooze setzten die USA Deutschland unter Druck, ein Abkommen mit dem jüdischen Staat als Gegenleistung für den Schuldenabbau abzuschließen, allerdings wollten deutsche Beamte wie Fritz Schäffer den Inlandsausgaben für Flüchtlinge Vorrang einräumen und stimmten dem Kompromissplan von Adenauer nur unter enormem Druck zu. Tooze, »Reassessing the Moral Economy of Post-War Reconstruction«, S. 61. Deutschland reduzierte letztlich seine Auslandsschulden von 30 Milliarden vor 1933 und nach 1945 auf 14 Milliarden DM. Nicht darin enthalten waren die Schulden der NS-Zeit von mehr als 20 Milliarden RM. Deutschland war bis zur Unterzeichnung eines endgültigen Friedensvertrags zwischen den Alliierten und einem geeinten Deutschland von jeglichen Reparationsansprüchen für die Zwangsarbeitspolitik der NS-Zeit ausgenommen. Westdeutschland wurde somit sehr mild behandelt. Tooze, »Reassessing the Moral Economy of PostWar Reconstruction«, S. 56, 60. 269 Tooze, »Reassessing the Moral Economy of Post-War Reconstruction«, S. 68 f. 270 Michael Hughes, Shouldering the Burdens of Defeat, 1999; Hagen, German History in Modern Times, S. 360–365. Ziel des Gesetzes war es, Vertriebenen den Verlust von rund 300 Milliarden DM Privatvermögen zu ersetzen. Letztendlich sah das Gesetz nur eine teilweise Entschädigung vor (etwa die Hälfte des Gesamtbetrags). Görtemaker, Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, S. 171. 271 Ulrich Herbert zufolge wäre »die Integration von Flüchtlingen ohne das Wirtschaftswunder ... unmöglich gewesen«. Gleichzeitig hat er die These aufgestellt, dass sich »ohne den riesigen Zustrom von Flüchtlingen ... ein enormer Arbeitskräftemangel in den 1950er-Jahren entwickelt hätte. ... ohne die bereitgestellte zusätzliche Arbeitskraft wäre das Wirtschaftswunder selbst eine Unmöglichkeit gewesen«. Ulrich Herbert, A History of Foreign Labor in Germany (Ann Arbor, 1990), S. 195. 272 Wie Görtemaker schreibt, hätte die einzige »Alternative« zum Lastenausgleich – die »permanente Akzentuierung der Forderung nach Rückkehr der Vertriebenen in ihre Heimat oder sogar die gewaltsame Durchsetzung dieser Forderung« – »nicht nur Feindschaft gesät, sondern auch eine dauerhafte Lösung der deutschen und europäischen Frage unmöglich gemacht«. Burdens of Defeat, S. 194. 273 Rudolf Augstein, »Konrad Adenauer und seine Epoche«, Der Spiegel, 41, 1963, S. 87. 274 Die meisten Vertriebenen zögerten, in den Osten zurückzukehren, nachdem sie erkannt hatten, wie dramatisch ihre Heimatstädte durch die kommunistische Herrschaft umgestaltet worden waren. Dies war jedoch erst der Fall, nachdem der Lastenausgleich Vertriebenen eine sichere Grundlage gab und es ihnen ermöglichte, in einer imaginären »Heimat der Erinnerung« und nicht in ihren tatsächlichen Häusern Trost zu finden. Vgl. Andrew Demshuk, The Lost German East: Forced Migration and the Politics of Memory, 1945–1970 (New York, 2012), S. 60–61, 77, 120.

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3.  Der Rechtsruck des Vierten Reiches 275 »Trial of Nazi Accents Voluntary Reeducation«, The Christian Science Monitor, 17. April 1952, S. 13. 276 Trittel, »Man kann ein Ideal nicht verraten ...«, S. 256. Vgl. auch »Ex-Nazi Reviving Hitler Technique«, The New York Times, 17. August 1953, S. 6. 277 Theodor W. Adorno, »Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit«. Gesammelte Schriften 10.2. Kulturkritik und Gesellschaft II: Eingriffe. Stichworte. Anhang (Frankfurt/Main, 1977) S. 555–572, hier S. 563. 278 1952 waren 21 Prozent der Westdeutschen der Meinung, ohne eine Widerstandsbewegung hätte Deutschland den Krieg gewonnen; 45 Prozent hielten den Krieg ohnehin für verloren. Kittel, Die Legende von der zweiten Schuld, S. 224. 279 Dieses Szenario skizzierte Richard Lowenthal in seinem Essay »The New Nazi RoundUp«, The New Leader, 23. Februar 1953, S. 11. 280 Viele haben diese Prämisse ins Feld geführt, ohne sich die Mühe zu machen und zu zeigen, wie dies hätte geschehen können. Vgl. Banchoff, The German Problem Transformed, S. 46. Edgar Wolfrum, Geschichte als Waffe: Vom Kaiserreich bis zur Wiedervereinigung (Göttingen, 2001), S. 107. Lewis Joachim Edinger, Kurt Schumacher: A Study in Personality and Political Behavior (Palo Alto, 1965), S. 142. 281 Edinger, Kurt Schumacher, S. 206; Wolfrum, Die geglückte Demokratie, S. 47–48; Ina Brandes, »Kurt Schumacher: Der Kandidat aus Weimar«, in: Daniela Forkmann und Saskia Richter (Hg.), Gescheiterte Kanzler-Kandidaten: Von Kurt Schumacher bis Edmund Stoiber (Wiesbaden, 2007), S. 36. 282 Von den insgesamt 402 abgegebenen Stimmen erreichte er dank seiner eigenen Stimme gerade die absolute Mehrheit von 202 Stimmen. 283 Von Thomas Rieke, »Erinnerung an den ›Kanzlermacher‹«, Mittelbayerische Zeitung, 23. Mai 2013; www.mittelbayerische.de/region/regensburg-stadtnachrichten/erinnerungan-den-kanzlermacher-21179-art918696.html. 284 Görtemaker, Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, S. 99 f. 285 David Childs und Jeffrey Johnson, West Germany: Politics and Society (New York, 1981), S. 204. 286 Wolfrum, Die geglückte Demokratie, S. 49. »Eine Stimme mehr? Das reicht!«, Der Tagesspiegel, 23. August 2009; www.tagesspiegel.de/meinung/kommentare/konrad-adenauereine-stimme-mehr-das-reicht/1585880.html. 287 Geppert, Die Ära Adenauer, S. 31. Wolfrum, Die geglückte Demokratie, S. 50. 288 Geppert, Die Ära Adenauer, S. 31. Brandes, »Kurt Schumacher«, S. 42. 289 Schwarz argumentiert zudem: »Der Bürgerblock hätte unter ungünstigen Bedingungen auseinanderfallen können, wenn man annimmt, es wäre im Mai 1952 nicht gelungen, die West-Verträge unter Dach und Fach zu bringen, oder wenn der Korea-Krieg nicht ausgebrochen wäre mit dem Korea-Boom und allem, was damit zusammenhing.« Vgl. seine Einlassungen in »Podiumsdiskussion: Kurt Schumacher – Mensch und Staatsmann«, gefördert von der Friedrich-Ebert-Stiftung, September 1999, S. 169–171. 290 Tooze, »Reassessing the Moral Economy of Post-War Reconstruction«, S. 49. 291 Vgl. Christopher Simpson, Blowback: America’s Recruitment of Nazis and Its Effects on the Cold War (New York, 1988), S. 146–148. Deborah Kisatsky, The United States and the European Right, 1945–1955 (Columbus, OH, 2005), Kapitel 3. »Hitlers Werwolf sollte wiedererstehen«, Aufwärts (Köln), 19. März 1953. 292 »Podiumsdiskussion: Kurt Schumacher – Mensch und Staatsmann«, gefördert von der Friedrich-Ebert-Stiftung, September 1999, S. 169. 293 Vgl. Barnard A. Cook, Europe since 1945: An Encyclopedia, Band I (New York, 2001). Cook schreibt: »Wenn es 1950 Bundestagswahlen gegeben hätte, wäre die Regierung wahrscheinlich gestürzt.« Ebd., S. 467.

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Anmerkungen 294 Herf, Divided Memory, S. 242–252; Kittel, Die Legende von der zweiten Schuld, S. 80. 295 Vgl. Herf, Divided Memory, S. 267–280. 296 Vgl. Jürgen Weber, Germany, 1945–1990: A Parallel History (Budapest, 2004), S. 44. Man darf somit A. J. Nicholls’ These bezweifeln, dass »der Ausschluss weiterer ehemaliger Mitarbeiter des Dritten Reiches hätte fortgesetzt werden können, wenn Schumachers SPD 1950 die Regierung gebildet hätte«, denn diese Mitarbeiter hätten damit »das neue Regime unwiderruflich abgelehnt«. Nicholls, The Bonn Republic, S. 110. 297 Frank M. Buscher, »Kurt Schumacher, German Social Democracy and the Punishment of Nazi Crimes«, Holocaust and Genocide Studies, 3, 1990, S. 262. 298 Ebd., S. 265. Edinger, Kurt Schumacher, S. 90–92. Herf, Divided Memory, S. 278 f. 299 Edinger, Kurt Schumacher, S. 90. 300 Dies konstatiert selbst Herf. Herf, Divided Memory, S. 295. 301 Brandes, »Kurt Schumacher«, S. 39 f. 302 Die ostdeutsche Presse machte sich bereits in dem Artikel »Was wäre, wenn ...« über kontrafaktische Möglichkeiten dieses Angebots Gedanken. Neues Deutschland, 22. Mai 1952, S. 4. Zur Literatur vgl. Ruud van Dijk, »The 1952 Stalin Note Debate: Myth of Missed Opportunity for German Unification?« Working Paper Nr. 14, Woodrow Wilson International Center for Scholars Mai 1996. Görtemaker, Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, S. 305–310. Vgl. auch Winkler, Germany, S. 137–141. 303 Winkler, Germany, S. 138; vgl. auch »Podiumsdiskussion: Kurt Schumacher – Mensch und Staatsmann«, Referate und Podiumsdiskussion eines Kolloquiums des Gesprächskreises Geschichte der Friedrich-Ebert-Stiftung, September 1999. Augstein erörtert die Möglichkeit, dass es zu einer Wiedervereinigung gekommen wäre, wenn Adenauer nicht Kanzler gewesen wäre. 304 Herbert Lüthy, »Behind Reawakened German Nationalism«, Commentary, 1. Februar 1952, S. 120. 305 Geppert, Die Ära Adenauer, S. 52–54; Wolfrum, Die geglückte Demokratie, S. 115–121. 306 Banchoff, The German Problem Transformed, S. 46–49. 307 Lothar Kettenacker geht kurz darauf ein, was passiert wäre, wenn der Aufstand am 17. Juni zum Sturz des ostdeutschen Regimes geführt hätte, vgl. Germany 1989: In the Aftermath of the Cold War (New York, 2009), S. 41.

4.  Von Deutschland in die Vereinigten Staaten 1 »Marsch gegen Neofaschismus«, Neues Deutschland, 19. November 1966, S. 1. 2 John H. Bracey, Jr., August Meier und Elliott Rudwick (Hg.), Black Nationalism in America (Indianapolis, 1970), S. 514. 3 James Bryant Conant, Germany and Freedom: A Personal Appraisal (Cambridge, MA, 1958), S. 13, 33. 4 Drew Middleton, »Geneva Mood: Less ›Spirit‹, More Realism«, The New York Times, 30. Oktober 1955, S. E3. 5 William Henry Chamberlin, »Adenauer’s Fourth Reich«, The Saturday Review, 19. November 1960, S. 27. 6 »Goings On About Town: Motion Pictures«, The New Yorker, 20. Februar 1960; vgl. auch den neutralen Verweis auf »die Bürger des Vierten Reiches« in einem Artikel über die Verbreitung von Berlitz-Sprachschulen in Westdeutschland. Mel Heimer, »My New York«, The Kane Republican, 12. Mai 1958.

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4.  Von Deutschland in die Vereinigten Staaten 7 In einem Artikel im Spiegel erklärte der deutsche Diplomat Otto Bräutigam, er habe einst befürchtet, dass sein Tagebuch in falschen Händen landen könne: »Allerdings fürchtete ich diese falschen Hände im Dritten Reich und nicht im Vierten Reich«: »Es gab Gänsebraten«, Der Spiegel, 21. März 1956, S. 23. Vgl. auch die Bemerkung des Leiters des Presseund Informationsamtes der Bundesregierung, Felix von Eckhardt, er beabsichtige, die Fortsetzung eines von ihm als Drehbuchautor mitverfassten Films im Dritten Reich – Die Entlassung (1942) – »im Vierten Reich« zu schreiben: »Die hellgraue Eminenz«, Der Spiegel, 6. Februar 1957. 8 »Brecht Scene Brought Up to Date«, The Times (London), 6. Dezember 1959, S. 9; »Commie Berthold Brecht Sacred Cow Even in Café of ›Free City of Berlin‹«, Variety, 30. Dezember 1959. 9 1962 erklärte die Passauer Neue Presse, der kommunistische Führer Ostdeutschlands, Walter Ulbricht, »träumt davon, der Schöpfer eines Vierten Reiches zu sein ... unter kommunistischen Vorzeichen«. »Ulbrichts ›Nationalkongreß‹«, Passauer Neue Presse, 5. Juni 1962, S. 1–2. Ähnlich bezeichneten David S. Collier und Kurt Glaser in ihrem Buch Berlin and the Future of Eastern Europe (Chicago, 1963) »Ulbrichts Viertes Reich« als »totalitäre« Regierung (S. 17). 10 Roger Morgan, The United States and West Germany, 1945–1973: A Study in Alliance Politics (London, 1974), S. 115, 75–97. Vgl. auch Wolfram Hanrieder, Germany, America, Europe: Forty Years of German Foreign Policy (New Haven, 1989), S. 164–172. 11 Shida Kiani, »Zum politischen Umgang mit dem Antisemitismus in der Bundesrepublik: Die Schmierwelle im Winter 1959/1960«, in: Stephan Alexander Glienke, Volker Paulmann und Joachim Perels (Hg.), Erfolgsgeschichte Bundesrepublik? Die Nachkriegsgesellschaft im langen Schatten des Nationalsozialismus (Göttingen, 2008), S. 115–145. 12 »Vandals Desecrate Synagogue Opened by Adenauer in Cologne«, The New York Times, 26. Dezember 1959, S. 1. 13 Kiani, »Zum politischen Umgang«, S. 117. Vgl. auch »Cologne Vandals Defiant in Court«, The New York Times, 6. Februar 1960, S. 5. 14 »Wieder mehrere antisemitische Übergriffe«, FAZ, 2. Januar 1960, S. 3; »Das Kabinett befaßt sich mit den antisemitischen Übergriffen«, FAZ, 4. Januar 1960, S. 1. »Nach der Synagogenschändung«, FAZ, 31. Dezember 1959, S. 5. »Hakenkreuzschmierereien«, FAZ, 13. April 1961. 15 »West Germans Fight Anti-Semitism«, The Chicago Daily Tribune, 31. Dezember 1959, S. 3. 16 Kiani, »Zum politischen Umgang«, S. 118. 17 »Synagogue Arson Foiled in Bavaria«, The New York Times, 20. Januar 1960, S. 15. 18 John Dornberg, Schizophrenic Germany (New York, 1961), S. 102. 19 »Hakenkreuze vor der Hamburger Synagoge«, FAZ, 22. April 1961, S. 3. 20 »The Swastika Syndrome«, The Washington Post, 14. Januar 1960, S. A22. 21 »Neo-Nazi Outrages«, The New York Times, 31. Dezember 1959, S. 20. 22 »Britons Protest Anti-Semitic Acts: Jewish War Veterans Lead London Throng in March on Bonn’s Embassy«, The New York Times, 18. Januar 1960, S. 8. 23 Zitiert in Ulrich Brochhagen, Nach Nürnberg: Vergangenheitsbewältigung und Westintegration in der Ära Adenauer (Berlin, 1999), S. 295. 24 Dass Deutschland »fett und wohlhabend« war, war nach Einschätzung der New York Times ein gutes Zeichen für die Zukunft des Landes. »Nazis in High Office at Issue in Germany«, The New York Times, 24. Januar 1960, S. 1. 25 »British Press Attacks Germans«, The Chicago Daily Tribune, 4. Januar 1960, S. B4. Drew Pearson, »Nazism Revival Laid Partly to U.S.«, The Washington Post, 13. Januar 1960, S. D11. 26 Kritiker konzentrierten sich auf Medienberichte, wonach westdeutsche Geschichtsbücher

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Anmerkungen der Judenverfolgung durch die Nationalsozialisten nur einen Absatz widmeten. »German Students Get Swastika Truth«, The Salt Lake Tribune, 18. Januar 1960, S. 30. 27 »Ghost of Nazism Still Haunts Bonn«, zitiert in The Washington Post, 23. Januar 1960, S. A10. 28 Kiani, »Zum politischen Umgang«, S. 130–134; »Adenauer verurteilt die antisemitischen Schmierereien«, FAZ, 6. Januar 1960, S. 4. 29 »Das Kabinett befaßt sich mit den antisemitischen Übergriffen«, FAZ, 4. Januar 1960, S. 1. 30 Nur zwölf Prozent der Deutschen waren der Ansicht, die Schmierwelle sei das Ergebnis von unverbesserlichen Altnazis. Kiani, »Zum politischen Umgang«, S. 136. 31 Ebd., S. 135. Manfred Kittel, »Peripatie der Vergangenheitsbewältigung: Die Hakenkreuzschmierereien 1959/60 und das bundesdeutsche Verhältnis zum Nationalsozialismus«, Historisch-Politische Mitteilungen, 1, 1994, S. 56. 32 »Berliners Decry Ex-Nazis’ Power«, The New York Times, 19. Januar 1960, S. 7; »35,000 in Berlin Parade Denounce Hate Wave«, The Washington Post, 9. Januar 1960, S. A4. 33 Angesichts des zunehmenden Drucks nahm Adenauer Oberländers Rücktritt 1960 an. Kiani, »Zum politischen Umgang«, S. 139. »Spread of Anti-Semitism Indicates W. German Youth in Vacuum of Ideals«, The Washington Post, 7. Januar 1960, S. A5. 34 William L. Shirer, The Rise and Fall of the Third Reich (New York, 1960). Die deutsche Übersetzung von Wilhelm und Modeste Pferdekamp erschien 1961. 35 Gavriel D. Rosenfeld, »The Reception of William L. Shirer’s The Rise and Fall of the Third Reich in the United States and West Germany, 1960–1962«, Journal of Contemporary History, Januar 1994, S. 95–129. 36 T. H. Tetens, The New Germany and the Old Nazis (New York, 1961), S. 84, 82, 86. 37 Ebd., S. 256, 254. 38 Dornberg, Schizophrenic Germany, S. 288. 39 Ebd., S. 287. 40 Paul Meskil, Hitler’s Heirs (New York, 1961), S. 112. 41 Ebd., S. 8. 42 Charles Allen, Heusinger of the Fourth Reich (New York, 1963), S. 222. 43 Ebd., S. 34. 44 Whitney Bolton, »Glancing Sideways«, The Cumberland Evening Times (Maryland), 15. Juni 1961. 45 C. E. Carpenter, »A Miscalculation by K, and Lights Go Out«, The Democrat and Chronicle (Rochester, NY), 17. August 1961. 46 The New York Times, 4. June 1961, S. BR20. 47 The Salt Lake Tribune, 21. Mai 1962. 48 »Nazis schänden die Kölner Synagoge«, Berliner Zeitung, 28. Dezember 1959, S. 1; »Die Kölner Hakenkreuze«, Neues Deutschland, 28. Dezember 1959, S. 2; »Die Antworten«, Berliner Zeitung, 29. Dezember 1959, S. 1. 49 »Ihre Saat geht auf«, Neues Deutschland, 6. Januar 1960, S. 2. Albert Norden verurteilte Theodor Oberländer für dessen Unterstützung der »imperialistischen Revanchepolitik des Vierten Reiches« und zog Parallelen zwischen den »Gestapogrößen des dritten Reiches mit den Regenten des vierten Reiches«. Albert Norden, »In Urlaub? Vor Gericht!«, Neues Deutschland, 13. April 1960, S. 1; »Revanchisten-Allianz gegen Entspannung«, Neues Deutschland, 7. Dezember 1963, S. 3; den Springer-Konzern bezeichnete Norden als »Kriegspresse-Trust des Vierten Reiches«. »Nazi-Journaille beherrscht Bonns Presse«, Neue Zeit, 17. März 1962, S. 2. 50 »Deutschlands Weg zum Friedensvertrag«, Berliner Zeitung, 7. Juli 1961, S. 3. 51 »Gedanken eines Engländers zur Deutschlandfrage«, Neues Deutschland, 10. August 1961,

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4.  Von Deutschland in die Vereinigten Staaten S. 7; »Das vierte Reich ist im Entstehen begriffen«, Neue Zeit, 8. November 1961, S. 2. »Pressespiegel, ›La Tribune des Nations‹«, Berliner Zeitung, 21. November 1961, S. 12; »Holländer müssen Westiran räumen«, Berliner Zeitung, 17. August 1962, S. 5; »Ein Buch warnt vor Bonn«, Neues Deutschland, 27. März 1963, S. 5. 52 Kurt Stern, »Erklärung«, Neues Deutschland, 13. Oktober 1963, S. 4. 53 1960 erhielt Thomas Harlan, der Sohn des NS-Filmemachers Veit Harlan, von der polnischen Regierung Unterstützung für ein Großprojekt mit dem Titel Das Vierte Reich, das die Biografien von 17.000 NS-Tätern auswerten und ihre Bedeutung für die Bundesrepublik aufzeigen sollte. Die Studie wurde von der kommunistischen Partei Polens und dem kommunistischen italienischen Verleger Giangiacomo Feltrinelli finanziert, wurde aber aufgrund von Machtrangeleien innerhalb der Kommunistischen Partei Polens nie abgeschlossen. Pierre Stephan, Thomas Harlan: Das Gesicht deines Feindes: Ein deutsches Leben (Berlin, 2007), S. 105–137; »Thomas Harlan von Warschau aus«, FAZ, 18. Januar 1960, S. 4; Jonas Engelmann, »Sauvater, du Land, du Un, du Tier«, Jungle World, 7, 18. Februar 2010. Stephan, Thomas Harlan, S. 125–131, 136 f. 54 Prittie, Germany Divided; Christopher Emmet und Norbert Muhlen, The Vanishing Swastika: Facts and Figures on Nazism in West Germany (Chicago, 1961); William Henry Chamberlin, The German Phoenix (New York, 1963). Vgl. auch Chamberlins apologetischen Essay »Jews in Germany,« The Wall Street Journal, 13. Januar 1960, S. 12. 55 Emmet und Muhlen, The Vanishing Swastika. 56 Ebd., S. 19–20. Prittie, Germany Divided, S. 259, 257. Vgl. auch Chamberlin, The German Phoenix, S. 267–269. 57 Emmet und Muhlen, The Vanishing Swastika, S. 8, 47; Prittie, Germany Divided, S. 331– 335; Chamberlin, The German Phoenix, S. 220 f. 58 Emmet und Muhlen, The Vanishing Swastika, S. 21. 59 Ebd., S. 30–38; Chamberlin, The German Phoenix, S. 224. 60 Emmet und Muhlen, The Vanishing Swastika, S. 3. 61 Ebd., S. 54. 62 Prittie ging auf die anhaltenden faschistischen Tendenzen im Land ein und berücksichtigte die Aktivitäten der SRP, DRP und des Naumann-Kreises. Prittie, Germany Divided, S. 354, 303. 63 Ebd., S. 331–335. 64 Chamberlin, The German Phoenix, S. 234, 7. 65 Ebd., S. IX. 66 »Swastika Smeared in 13 U.S. Cities«, The Washington Post, 10. Januar 1960, S. D19. 67 »Bomb Blast at Temple«, The Kansas City Times, 28. Januar 1960, S. 1. 68 »Jews in Gadsden Reassured«, Jewish Telegraphic Agency, 28. März 1960. 69 »President Scores ›Virus Of Bigotry‹«, The New York Times, 13. Januar 1960, S. 1. 70 David Caplovitz und Candace Rogers, Swastika 1960: The Epidemic of Anti-Semitic Vandalism in America (New York, 1961). 71 Ebd., S. 33. 72 Ebd., S. 36. 73 »Boy ›Fuehrers‹«, The Washington Post, 17. Januar 1960, S. A8. 74 Milton Friedman, »Nazism in American Schools,« Jewish Advocate, 11. Februar 1960, S. A2. 75 »Neo-Nazis Reported in Kansas City Schools«, Bridgeport Post, 1. Februar 1960. 76 »On in Bombing Probe«, The Kansas City Times, 30. Januar 1960, S. 1. 77 »Neo-Nazi Youth Party in U.S. Schools«, The Age (Melbourne, Australien), 1. Februar 1960, S. 4. 78 »Nazi Activities of Boys Stirs Debate on Studies«, The Hartford Courant, 26. Mai 1959,

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Anmerkungen S. 1A. »›4th Reich‹ Plot Confessed by Ohio High School Boys«, The New York Tribune, 26. Mai 1959, S. 8. 79 »Youthful Nazis Idealize Bitter Period of World«, The Kansas City Times, 30. Januar 1960, S. 1, 5. 80 Caplovitz und Rogers, Swastika 1960, S. 51. 81 Ebd., S. 41. 82 »Negroes and Jews Face Bias«, Tri-State Defender (Memphis, TN), 23. Januar 1960, S. 7. 83 Leon Carter Smith, »Young Ideas«, The Los Angeles Tribune, 15. Januar 1960, S. 14. 84 »Rabbi Scorns Swastika«, The New York Times, 26. Januar 1960, S. 24. 85 John David Nagle, The National Democratic Party: Right Radicalism in the Federal Republic of Germany (Berkeley, 1970), S. 33–34, 52–57. 86 Ebd., S. 84, 93. 87 Vgl. das Parteiprogramm 1967 in Ivor Montagu, Germany’s New Nazis (London, 1967), S. 130 f. 88 Nagle, The National Democratic Party, S. 77–79. 89 Montagu, Germany’s New Nazis, S. 130 f. 90 »Programm der NPD«, https://www.hdg.de/lemo/bestand/objekt/druckgut-flugblatt-npdkurier.html. 91 Montagu, Germany’s New Nazis, S. 24, 127, 128; Nagle, The National Democratic Party, S. 88–92. 92 Nagle, The National Democratic Party, Kapitel 3. 93 Zwei Drittel der Führungsriege war Mitglied der NSDAP gewesen; Montagu, Germany’s New Nazis, S. 49–51; Nagle, The National Democratic Party, S. 34. 94 Zwischen 15 und 18 Prozent der Deutschen galten als potenzielle NPD-Wähler. Dietrich Strothmann, »Das Gespenst der NPD«, Die Zeit, 19, 10. Mai 1968. Nagle, The National Democratic Party, S. 133 f., https://www.zeit.de/1968/19/das-gespenst-der-npd/komplettansicht. 95 Die Arbeitslosenquote stieg im März 1967 auf über drei Prozent. Nagle, The National Democratic Party, S. 50. 96 Stöss, Die extreme Rechte in der Bundesrepublik, S. 97–121; Montagu, Germany’s New Nazis, S. 59–62. 97 Nagle, The National Democratic Party, S. 66. 98 Vgl. Karl Dietrich Bracher, »Democracy and Right Wing Extremism in West Germany«, Current History, 1. Mai 1968, S. 281–287. 99 Dietrich Strothmann, »Die Nationalen probten den Aufstand«, Die Zeit, 26, 1966. 100 »Close-Up: Von Thadden Boss of the Reich’s Reborn Right,« Life Magazine, 19. Juli 1968, S. 37. 101 Kurt Hirsch, Kommen die Nazis wieder? Gefahren für die Bundesrepublik (München, 1967). 102 Ebd., S. 37–97, 115–151, 178–179. 103 Montagu, Germany’s New Nazis. 104 Ebd., S. 82 f. Außerdem beschuldigte er Kiesinger, »die NPD zu verharmlosen« und den deutschen Nationalismus wiederzubeleben. 105 Long, The New Nazis of Germany, S. 247. 106 Lord Russell, Return of the Swastika? (New York, 1969), S. 28. 107 Ebd., S. 103 f., VII–VIII. 108 Wie George Vine schrieb, machte es sich von Thadden zur Aufgabe, die Verbrechen der Nazis an den Juden »zu beschönigen«, weil »der unansehnliche Schutt des Dritten Reiches mit Blick auf den Aufbau neuer Mythen entfernt werden [müsse] – Mythen, auf denen das Vierte Reich errichtet werden wird«. George Vine, »Fanatical Nazis Seek to Destroy the

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4.  Von Deutschland in die Vereinigten Staaten Truths about Hitler’s Germany«, The Age (Melbourne, Australien), 3. Februar 1960, S. 8. Nach einem Bericht der Montreal Gazette forderte die DRP »die Schaffung eines ›vierten Reiches‹ und die Vereinigung aller deutschsprachigen Gebiete ... in Europa«. Brian Horton, »Nazi Underground Discounted«, The Montreal Gazette, 30. März 1961. 109 Peter Lust, »Sees History Repeating Itself in Germany«, The Canadian Jewish Chronicle, 25. November 1966. 110 Robert E. Segal, The Wisconsin Jewish Chronicle, 23. Dezember 1966. Vgl. auch Nino Lo Bello, »Specter of Horror: Neo-Nazis Arise«, Philadelphia Inquirer, 26. Februar 1967. 111 »A Fourth Reich for Germany?«, Prevent World War III, 71, Winter/Frühjahr, 1968, S. 10–12. 112 Dietrich Strothmann, »Das Gespenst der NPD«, Die Zeit, 10. Mai 1968. 113 Hirsch, Kommen die Nazis wieder?, S. 38. 114 »Students Fight the Extremists in Munich,« Guardian, 18. November 1966; »Munich Clashes over Right-Wing Rally«, The Times (London), 19. November 1966, S. 1. 115 »Marsch gegen Neofaschismus«, Neues Deutschland, 19. November 1966, S. 1. 116 »Sechs drängende Fragen«, Neues Deutschland, 23. Oktober 1966, S. 1. 117 »›Combat‹: Bonn gebärdet sich als ›Viertes Reich‹«, Neues Deutschland, 12. Februar 1966, S. 1. 118 »Kiesingers ›Geheimnis‹«, Neue Zeit, 17. September 1967, S. 2. 119 »Ein neuer ›Rat der Götter‹ entsteht in Westdeutschland«, Berliner Zeitung, 5. Juni 1968; »Bonn schuf ›viertes Reich‹«, Neues Deutschland, 1. Februar 1968; »Prawda: Wölfe bleiben Wölfe«, Neues Deutschland, 28. Juli 1968, S. 7; »Strauß giert nach der Atombombe«, Neues Deutschland, 7. Januar 1969, S. 7; »Kurs auf das ›vierte Reich‹«, Neue Zeit, 30. Januar 1969, S. 3; »Polen warnt Bonn«, Neue Zeit, 13. Februar 1969, S. 1. 120 Nagle, The National Democratic Party, S. 201. 121 Vgl. Jarausch, After Hitler, S. 99–185. 122 Frederick J. Simonelli, American Fuehrer: George Lincoln Rockwell and the American Nazi Party (Urbana, IL, 1999), S. 27, 75. 123 Ebd., S. 98–101; »Washington Crowd Attacks Rockwell«, The New York Times, 4. Juli 1960, S. 28; »American Nazi Stoned in Boston«, The New York Times, 16. Januar 1961, S. 22. 124 »Neo-Nazi’s Fourth Reich Plan Dropped«, The Pittsburgh Post-Gazette, 15. Januar 1966, S. 3. Vgl. Frederick J. Simonelli, »The World Union of National Socialists and Postwar Transatlantic Nazi Revival«, in: Jeffrey Kaplan und Tore Bjørgo (Hg.), Nation and Race: The Developing Euro-American Racist Subculture (Boston, 1998), S. 37–42. Vgl. auch Simonelli, American Fuehrer, S. 82–95; »Plot to Set Up ›Fourth Reich‹«, The Canberra Times (Australien), 9. November 1966, S. 5. 125 »›Schuhgröße neun reicht im allgemeinen‹«, Der Spiegel, 14. November 1966, S. 80–82. »West Germany Accuses 2 of Neo-Nazi Murder Plot«, The New York Times, 25. September 1966, S. 13. 126 »Swastika Charge«, The News-Herald (Franklin, PA), 25. Oktober 1966, S. 24. »Police Investigating Two Building Defacings«, The Journal News (White Plains, NY), 22. Juni 1966, S. 25; »Seek Solution to Wave of Vandalism in Dubuque«, The Des Moines Register, 3. Juli 1967. 127 »Jet Editorial Comment«, Jet, 30. Juli 1964, S. 10. Ein Porträt der New York Times über die Stadt Philadelphia, Mississippi, in der 1964 drei Bürgerrechtler ermordet wurden, bewog einen Leser, die Stadt als »das Vierte Reich« zu kritisieren. »Civilized?«, The New York Times, 24. Januar 1965, S. SM6. 128 Zitiert in Aniko Bodroghkozy, Equal Time: Television and the Civil Rights Movement (Urbana, IL, 2012), S. 142.

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Anmerkungen 129 Zitiert in Judith Trotsky, »Generations of Silence«, Harper’s, 1. Oktober 1973, S. 44. Vgl. auch »Protesters Plan ›Attack‹ on Pentagon«, Newsday, 29. August 1967, S. 3; »4th Reich«, Independent (Long Beach), 9. August 1967, S. 2. 130 Zitiert in Bracey, Meier und Rudwick, Black Nationalism in America, S. 513–517. Nachdem Stanford seinen Namen in Muhammad Ahmed geändert hatte, warnte er im Dezember 1972 vor dem Plan der US-Regierung, »Amerika zu Nazideutschland – dem vierten Reich – zu machen, indem sie militante Schwarze in Konzentrationslager bringt«. »The Ahmed Case«, The Oakland Post, 3. Dezember 1972. 131 Lerone Bennett, »What Do You Say?«, Negro Digest, März 1967, S. 76. 132 Timothy S. Lewis, »Press ›Cop-Out‹ Helping to Bring on Fourth Reich«, The Philadelphia Tribune, 3. Juni 1969, S. 9. 133 »The Fourth Reich«, The Milwaukee Star, 2. Mai 1970. 134 Fred L. Standley und Louis H. Pratt (Hg.), Conversations with James Baldwin (Jackson, MS, 1989), S. 145. 135 James Baldwin, Eine Straße und kein Name. Aus dem Englischen von Irene Ohlendorf (Reinbek, 1973), S. 127. Bereits 1968 bezeichnete Baldwin bei einer Kundgebung in East Harlem anlässlich des dritten Jahrestags der Ermordung von Malcolm X die USA als »Viertes Reich«. »Negroes Urged at I. S. 201 to Arm for ›Self-Defense‹«, The New York Times, 22. Februar 1968, S. 1. 136 »Editor Points Social Wrongs, Urges Billions for Jobs Program«, The Journal News (Hamilton, OH), 19. November 1975, S. 86. 137 »Kunstler Calls U.S. 4th Reich«, The Troy Record, 20. Mai 1970, S. 34. 138 »Famous Last Words?«, Guardian, 7. Dezember 1970, S. 15. 139 Pamala Haynes, »Right On!«, The Philadelphia Tribune, 16. Januar 1973, S. 9. 140 »What’s Your Origin?«, The Boston Globe, 12. September 1971, S. E10. 141 »Friday Finishers«, The Billings Gazette, 11. Mai 1973. 142 »Fourth Reich«, The Fresno Bee, 13. Oktober 1973, S. 11; »›Dictatorship‹ Symptoms«, The Courier-Journal (Louisville, KY), 30. Januar 1973, S. 14. Vgl. auch »Suggests New Title«, The Des Moines Register, 7. Juli 1973, S. 10; »Maximum John«, The Lowell Sun (Lowell, MA), 5. März 1975, S. 11. 143 Gerald Posner, Case Closed: Lee Harvey Oswald and the Assassination of JFK (New York, 2003), S. 440. Jim Garrison, »The Rise of the Fourth Reich«, The Los Angeles Free Press, 22. Dezember 1967, S. 3. 144 Ebd. Garrisons Kritik ähnelte dem Diskurs der extremen Linken, allerdings vertrat Garrison eine eher libertäre Position. Obwohl Garrison offiziell Demokrat war, änderte er Ende der 1960er-Jahre seine politischen Loyalitäten und erklärte in einem berühmten PlayboyInterview, dass er sich inzwischen mit einem »libertären Gefühl des Konservatismus« identifiziere; http://22november1963.org.uk/jim-garrison-political-views. 145 Vgl. Alex Constantine (Hg.), The Essential Mae Brussell: Investigations of Fascism in America (Port Townsend, WA, 2014), S. 11 f., 5. 146 »Mr. Hyde Fourth Reich«, Monroe Morning (LA), 2. Juni 1963. 147 »BSU Leader Says: Administration Betrayed BSU«, The Sacramento Observer, 27. Februar 1969. 148 Ein repräsentativer Ausschnitt zeigt eine Aufnahme von jubelnden Massen aus Nazideutschland, bei der der Sprecher intoniert: »Das sind die Stimmen des Dritten Reiches, der sozialistischen Partei Deutschlands.« Es folgt ein kurzer Ausschnitt aus einer Rede der Black Panther, unterlegt mit einer Erzählerstimme, die kommentiert: »Das sind Stimmen des heutigen Vierten Reiches, der sozialistischen kommunistischen Nazis von Amerika, der Kommunazis.«

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4.  Von Deutschland in die Vereinigten Staaten 149 Etheridge, Enemies to Allies: Cold War Germany and American Memory (Lexington, KY, 2016), S. 167 f. 150 Bürgerrechtler und schwarze Nationalisten führten bereits in den 1930er- und 1940erJahren Nazivergleiche ins Feld. Thomas Sugrue, »Hillburn, Hattiesburg, and Hitler: Wartime Activists Think Globally and Act Locally«, in: Kevin M. Kruse und Stephen Tuck (Hg.), Fog of War: The Second World War and the Civil Rights Movement (New York, 2012), S. 90 f. Vgl. auch Chris Vials, Haunted By Hitler: Liberals, the Left, and the Fight against Fascism in the United States (Amherst, MA, 2014), Kapitel 6. 151 Bracey, Meier und Rudwick, Black Nationalism in America, S. 532. 152 Fred L. Standley und Louis H. Pratt (Hg.), Conversations with James Baldwin (Jackson, MS, 1989), S. 96, 140. Der erklärte schwarze Nationalist Milton Henry berichtete dem Esquire Magazine 1969, er habe »jeden schwarzen Haushalt [gedrängt], zur Selbstverteidigung gegen die Möglichkeit eines Treblinka eine Waffe zu haben«. Bracey, Meier und Rudwick, Black Nationalism in America, S. 523. 153 John Duffett, Against the Crime of Silence: Proceedings of the International War Crimes Tribunal (New York, 1970), S. 51. 1972 verglich der schwedische Premier Olof Palme die Bombardierung von Hanoi mit den NS-»Schandtaten [von] Guernica, Oradour, Lidice und Treblinka«. Ähnlich äußerten sich der Chef der Studentenorganisation »Students for a Democratic Society« (SDS) Mark Rudd und die religiösen Aktivisten Daniel Berrigan und Abraham Joshua Heschel. Vgl. Walter L. Hixson, The United States and the Vietnam War / 3 Leadership and Diplomacy in the Vietnam War (New York, 2000), S. 441; Melvin Small, Antiwarriors: The Vietnam War and the Battle for America’s Hearts and Minds (Wilmington, DE, 2002), S. 105. Wie Betty Friedan in The Feminine Mystique (1963) schrieb, seien Frauen in Vororten in »komfortablen Konzentrationslagern« eingesperrt. 154 »Parade and a Protest Mark Greek Independence Day Here«, The New York Times, 22. Mai 1967, S. 3; »Irene Pappas Asks Boycott of Greece’s ›Fourth Reich‹«, The New York Times, 20. Juli 1967 S. 2. 155 »Arrests, Batons in Park Battle«, The Age (Melbourne, Australien), 4. Juni 1970, S. 1. 156 »Democrats Propose New State Reapportionment Plan«, The Alexandria Times-Picayune (Alexandria, Indiana), 5. Oktober 1965, S. 1. 157 »5,000 Pa. Students Rally to Protest Tuition Hikes«, Bucks Co. Courier Times (PA), 16. Oktober 1970, S. 14. 158 »Mongoloid Death Plan Deplored«, Florida Today (Cocoa, FL), 31. Mai 1974, S. 8A. 159 Vgl. Orrin E. Klapp, Inflation of Symbols: Loss of Values in American Culture (New Brunswick, NJ, 1991), S. 1–5. 160 Das greshamsche Gesetz beschreibt, wie »schlechtes« (das heißt »überteuertes und entwertetes«) Geld gutes Geld aus dem Umlauf verdrängt. Verweise auf das »greshamsche Sprachgesetz« erscheinen in: Klapp, Inflation of Symbols, S. 18. 161 »Cowboy-Longhair Fight Brings Killings«, Detroit Free Press, 23. November 1970; »26 Charged after Motorbike Gangs Clash«, The Ottawa Journal, 4. Juni 1968, S. 5; »Police and Cyclists Hold Peace Talks«, Detroit Free Press, 2. April 1967, S. 8. 162 Die Erklärung wurde vom vorsitzenden Richter mit Skepsis aufgenommen. »Judge Orders Disbanding of ›Fourth Reich‹ Group«, The Berkshire Eagle, 10. September 1969, S. 1. 163 »Pantherama at BEN March 15, 16«, The Express (Lock Haven, PA), 14. März 1968, S. 8. 164 Vgl. die Anzeige in The Herald (Jasper, IN), 25. Mai 1970, S. 5. 165 »Boys, Girls Open Rec Cage Loops Thursday«, Ukiah Daily Journal, 9. Januar 1968, S. 2. 166 »Armchair Generals«, The Boston Globe, 24. September 1967, S. C4. 167 »German ›Invaders‹ Link Chain«, The Port Arthur News (Port Arthur, TX),1. September 1974, S. 15.

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Anmerkungen

5.  »Hitler in Argentinien!« 1 Robert Ludlum, Der Holcroft-Vertrag. Aus dem Amerikanischen von Heinz Nagel. Gütersloh, ohne Jahr, S. 178–180. 2 Laut Ronald Newton hatten Mitarbeiter des State Department 1942 diese Ängste entwickelt: »The United States, the German-Argentines, and the Myth of the Fourth Reich, 1943–47«, S. 92. Vgl. auch Stahl, Nazi-Jagd, S. 27 f. 3 Heinz Schneppen, Odessa und das Vierte Reich: Mythen der Zeitgeschichte (Berlin, 2007), S. 111; Newton, »The United States, the German-Argentines, and the Myth of the Fourth Reich, 1943–47«, S. 96. 4 Newton, »The United States, the German-Argentines, and the Myth of the Fourth Reich, 1943–47«, S. 97. »Hitler Is Reported Alive«, The New York Times, 17. Juli 1945, S. 14; »Hitler and Eva Braun Reported on Nazi Submarine Reaching Argentina«, The Coshocton Tribune (Ohio), 17. Juli 1945, S. 6. »Argentines Deny Nazi’s Arrival«, The New York Times, 20. Februar 1945, S. 10. 5 US Department of State, Blue Book on Argentina: Consultation among the American Republics with Respect to the Argentine Situation (New York, 1946), S. 1. 6 Zitiert in Gerald Steinacher, Nazis on the Run: How Hitler’s Henchmen Fled Justice (Oxford, 2011), S. 220. 7 Newton, »The United States, the German-Argentines, and the Myth of the Fourth Reich, 1943–47«, S. 100. »Nazi Activity in Argentina Told«, The Des Moines Register, 15. June 1947, S. 10 8 Vgl. T. H. Tetens’ Buch Germany Plots with the Kremlin (New York, 1953). Zur Rolle von Spanien bei den Ängsten der Alliierten vgl. Seidel, Angst vor dem »Vierten Reich«. 9 »›Der Weg‹ – Mouthpiece of Pan-Germanism«, Prevent World War III, Sommer, 1950, S. 21. 10 Zur Angst vor einer »Nazi-Internationale« vgl. Leon Poliakov, »Launching the New Fascist International«, Commentary, November 1952; J. Alvarez Del Vayo, »Rebirth of the Nazi International«, The Nation, 5. April 1952, S. 318–320; J. Alvarez Del Vayo, »Argentina, Nazi Paradise«, The Nation, Januar 1950; »Fascists Clinging to Hope of Coming Back to Power«, The New York Times, 29. Mai 1951, S. 8. 11 »Hitler’s Hidden Millions Finance Nazi Comeback«, The Worker (Brisbane, Australien), 28. Juli 1952, S. 11. 12 Der brasilianische Artikel wird zitiert in Daniel Kosthorst und Michael Feldkamp, Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik (München, 1997), S. 85, 9 f. Vgl. auch »Persistence of Neo-Nazism«, Manchester Guardian, 2. April 1956, S. 5. 13 Stangl floh von Deutschland nach Syrien und ging später nach Brasilien. Vgl. Gitta Sereny, Into That Darkness: From Mercy Killing to Mass Murder, a Study of Franz Stangl, the Commandant of Treblinka (New York, 1974). Zu Heim, der 1962 aus Westdeutschland nach Ägypten floh, vgl. Nicholas Kulish und Souad Mekhennet, The Eternal Nazi: From Mauthausen to Cairo, the Relentless Pursuit of SS Doctor Aribert Heim (New York, 2014). Von Leers zog 1956 von Argentinien nach Ägypten, konvertierte zum Islam und änderte seinen Namen in Omar Amin. Martin Finkenberger, »Johann von Leers und die ›faschistische Internationale‹ der fünfziger und sechziger Jahre in Argentinien und Ägypten«, Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 6, 2011, S. 522–543. Fritz Rößler setzte sich 1957 nach Ägypten ab und nannte sich Achmed Fritz Rößler; Der Spiegel, 6. November 1957, S. 64; Eisele und Zind flohen 1958 nach Ägypten. 14 Dornberg, Schizophrenic Germany, S. 62. 15 Ray Alan, »Nazis in the Near East«, The New Republic, 14. Dezember 1953, S. 8–11.

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5.  »Hitler in Argentinien!« 16 Vgl. etwa Prevent World War III, 41, S. 13. 17 Stahl, Nazi-Jagd, S. 112. 18 Diese Auffassung äußerten Ben Gurion sowie der Mossad-Chef Isser Harel und der westdeutsche Generalstaatsanwalt Fritz Bauer. Ebd., S. 118–120. 19 »Israeli Agents on Trail of Hitler Deputy«, The Salt Lake Tribune, 27. Mai 1960, S. 51. 20 Nachdruck in: The El Paso Herald, 13. Oktober 1960. »Runaway Nazis Are Working for a Revival«, Daily Express, 5. Oktober 1960. 21 Flora Lewis, »Lake Probed for Rumored Nazi Hoard«, The Los Angeles Times, 17. November 1963, S. L3; »Das Geheimnis des Toplitzsees«, Berliner Zeitung, 5. November 1963, S. 5. 22 »›Fourth Reich‹ Employs Egypt as Lab for War«, Detroit Free Press, 14. Juni 1963. 23 Simon Wiesenthal, Doch die Mörder leben. Herausgegeben und eingeleitet von Joseph Wechsberg. Aus dem Englischen von Frank und Sonja Weiß (München/Zürich, 1967), S. 103 f. 1961 erschien Wiesenthals Ich jagte Eichmann: Tatsachenbericht (Gütersloh, 1961). 24 Wiesenthal, Doch die Mörder leben, S. 104–123. 25 Ebd., S. 112. 26 Ebd., S. 420. 27 1965 gruben die westdeutschen Behörden das Gebiet um die Invalidenstraße auf Westberliner Seite aus, um die Überreste von Bormann zu finden, allerdings ohne Erfolg. Vgl. »Verschwörung am Wendekreis des Steinbocks«, Der Spiegel, 43, 1968, S. 54–55. »Bormann Arrest Is Sought by Bonn«, The New York Times, 5. Juli 1967, S. 15. 28 »British Paper Reports Bormann Alive«, The New York Times, 25. November 1972, S. 10. Farago stützte sich auf Dokumente, die ihm angeblich von argentinischen Geheimpolizeiagenten zugespielt worden waren und denen zufolge Bormann den Namen Ricardo Bauer angenommen hatte. 29 William Stevenson, The Bormann Brotherhood (New York, 1973), Ladislas Farago, Aftermath: Martin Bormann and the Fourth Reich (New York, 1974), und Erich Erdsteins Inside the Fourth Reich (New York, 1977). Vgl. auch Paul Mannings Martin Bormann: Nazi in Exile (Secaucus, NJ, 1981), in dem der Autor behauptet, Hitler habe Bormann 1944 gesagt, er solle »deinen Schatz vergraben ... denn du brauchst ihn, um ein viertes Reich zu beginnen« (S. 29). 30 Stevenson, The Bormann Brotherhood, S. 66, 64, 97. 31 Farago, Aftermath, S. 71. 32 Ebd., S. 167, 307. 33 Ebd., S. 404. 34 Erdstein, Inside the Fourth Reich, S. 133, 136. Erdstein verwendete den Begriff Viertes Reich bereits 1968. Vgl. »›Fourth Reich‹ Reported in Brazil«, The Christian Science Monitor, 22. Mai 1968, S. 6. 35 Erdstein, Inside the Fourth Reich, S. 172, 181. 36 Vgl. die ganzseitige Anzeige für Stevensons Buch in The New York Times, 6. Mai 1973, S. 462. 37 Richard Shepard, Rezension von The Murderers among Us, in: The New York Times, 12. April 1967, S. 45. Harriett Woods, »In Persistent Pursuit of the Nazi Criminals«, The St. Louis Post-Dispatch, 28. Mai 1967. Wiesenthals Buch wurde in Auszügen abgedruckt in: Der Spiegel, 14. August 1967, S. 60–63. 38 »Bormann Books Boom«, Detroit Free Press, 6. Dezember 1972, S. 60. 39 Unter den positiven Rezensionen waren Terence Prittie, »The Ramifications of Nazism«, The New York Times, 10. November 1974, S. 410; »The Vatican and the Nazis«, Commentary, 1. April 1975, S. 82. Robert Payne, »Bormann – Wanted, Dead or Alive«, The Chicago Tribune, 10. November 1974, S. F6. Zu den eher kritischen Rezensionen gehörten: Eric Pace, »Accuracy of Recent Reports on Bormann Challenged«, The New York Times,

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Anmerkungen 10. Dezember 1972, S. 2; Margaret Manning, »A Dubious Resurrection of Bormann Mystery«, The Boston Globe, 21. November 1974, S. A19; Hal Burton, »Alive in Argentina?«, Newsday, 7. November 1974, S. 7A; Herbert D. Andrews, »Did Bormann Make It?«, The Baltimore Sun, 24. November 1974, S. D7; Heinrich Fraenkel, »57 Varieties of Bormann«, TLS, 26. September 1975, S. 1106. 40 »Ich bin tot«, Der Spiegel, 2. Februar 1969, S. 150. 41 Rezension von The Bormann Brotherhood, in: The Arizona Republic, 21. April 1974, S. 185. Bill Shelton, Rezension von The Bormann Brotherhood, in: The Independent (Long Beach, CA), 12. Juli 1973, S. 81; Sylvia Sachs, »Nazis Still at Top He Says«, The Pittsburgh Press, 17. Februar 1974, S. 143. W. Emerson Wilson, »Hitler Described as Just a Stooge«, The Morning News (Wilmington, DE), 29. Mai 1973, S. 30. 42 Nicholas Knezevich, »Is ›Fourth Reich‹ Real or Fantasy?«, The Pittsburgh Press, 8. Juni 1978. Vgl. auch I. J. Blynn, »Mystery Man’s Claim: ›I Killed Mengele‹«, The Jewish Exponent, 24. März 1978, S. 4, und Agnes F. Peterson, Rezension von Inside the Fourth Reich, in: The Library Journal, 1. März 1978. Spätere Wissenschaftler zogen Erdsteins Glaubwürdigkeit in Zweifel und wiesen darauf hin, dass er nicht etwa aufgrund der Bedrohung durch rachsüchtige Nazis von Lateinamerika nach Kanada geflohen sei, sondern weil er »ungedeckte Schecks weitergegeben habe«. Gerald Posner, Mengele: The Complete Story (New York, 1986), S. 218. 43 Bill Shelton, Rezension von The Bormann Brotherhood, The Independent (Long Beach, CA), 12. Juli 1973, S. 81. Auch für die westdeutsche SPD war Wachsamkeit das Gebot der Stunde. Vgl. »Existiert wirklich ein ›Viertes Reich‹?«, Sozialdemokratischer-Pressedienst, 12. November 1975, S. 7–9. 44 Robert Kirsch, »Ladislas Farago and the Fourth Reich«, The Los Angeles Times, 4. November 1974, S. E9. 45 Abraham S. Hyman, »Post-Holocaust Puzzles«, The Jerusalem Post, 10. Januar 1975, S. A12; C. L. Grant, »Bormann Myths Still Alive«, The Atlanta Constitution, 3. Juni 1973, S. 12C; James J. Devaney, »Flawed Premise«, The Hartford Courant, 20. Januar 1975, S. 13. 46 Schneppen, Odessa und das Vierte Reich, S. 22, 112. 47 Newton, »The United States, the German-Argentines, and the Myth of the Fourth Reich, 1943–47«, S. 83. 48 Ebd., S. 84; Schneppen, Odessa und das Vierte Reich, S. 121, 208 49 Newton, »The United States, the German-Argentines, and the Myth of the Fourth Reich, 1943–47«, S. 83, 98. 50 Wiesenthal erhielt viele seiner Informationen Mitte der 1950er-Jahre von einem argentinischen Diplomaten und Antiperonisten namens Silvio Santander, der von einem Doppelspion getäuscht worden war, Heinrich Jürges; Jürges arbeitete für die amerikanische Militärregierung in Deutschland und gab gefälschte Informationen an die US-Behörden weiter. Schneppen, Odessa und das Vierte Reich, S. 91–106. Newton, »The United States, the German-Argentines, and the Myth of the Fourth Reich, 1943–47«, S. 97. Laut Schneppen tauchten Berichte über die Straßburger Konferenz erstmals in einem Dokument vom November 1944 auf, das dem Alliierten Hauptquartier (Supreme Headquarters Allied Expeditionary Force, SHAEF) von einem angeblichen französischen Informanten übermittelt wurde. Schneppen, Odessa und das Vierte Reich, S. 77. Zu Zweifeln an Faragos Behauptungen vgl. »Tolle Geschichte«, Der Spiegel, 50, 1972, S. 87–91; »Verdammtes Ding«, Der Spiegel, 52, 1972, S. 73 f. 51 Schneppen, Odessa und das Vierte Reich, S. 41–70, 307. 52 Ebd., S. 74–87. 53 Ebd., S. 107.

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5.  »Hitler in Argentinien!« 54 Newton, »The United States, the German-Argentines, and the Myth of the Fourth Reich, 1943–47«, S. 82. 55 Stanley E. Hilton, »The United States and Argentina in Brazil’s Wartime Foreign Policy, 1939–1945«, in: Guido Di Tella und D. Cameron Watt (Hg.), Argentina between the Great Powers, 1939–1946 (Pittsburgh, 1990), S. 176. 56 Dies galt insbesondere zu Beginn der 1970er-Jahre, als Perón eine Rückkehr nach Argentinien erwog. »Tolle Geschichte«, Der Spiegel, 50, 1972, S. 91. 57 Vgl. H.-Georg Lützenkirchen, »Keine Angst vor Odessa«; http://literaturkritik.de/public/ rezension.php?rez_id=11078; Schneppen, Odessa und das Vierte Reich, S. 216 f. 58 Schneppen, Odessa und das Vierte Reich, S. 216 f. 59 Holger Meding, Der Weg: Eine deutsche Emigrantenzeitschrift in Buenos Aires, 1947–1957 (Berlin, 1997). Fritschs Dürer-Verlag war das Nervenzentrum eines größeren Kreises von Exilnazis. Ebd., S. 110–120. Vgl. auch Finkenberger, »Johann von Leers und die ›faschistische Internationale‹«, S. 534. 60 Die Auflage der Zeitschrift stieg auf 25.000 Exemplare pro Monat. Finkenberger, »Johann von Leers und die ›faschistische Internationale‹«, S. 534. 61 Meding, Der Weg, S. 116. 62 Diese Behauptung stellte T. H. Tetens laut dem Artikel »German Plotters in Argentina?« auf. The Des Moines Register, 16. Januar, 1950; vgl. auch »German Dreams of World Domination Still Live in Hearts of Exiled Nazis«, The Salt Lake Tribune, 1. Dezember 1949, S. 7. Die Neue Zeitung attackierte Fritsch als den »kommende[n] Mann des Vierten Reiches«. Meding, Der Weg, S. 117. 63 Meding, Der Weg, S. 109. 64 Leers floh 1950 aus Westdeutschland nach Argentinien. Finkenberger, »Johann von Leers und die ›faschistische Internationale‹«, S. 529. 65 Meding, Der Weg, S. 126–128, 82. 66 Bettina Stangneth, Eichmann vor Jerusalem (Zürich/Hamburg, 2. Aufl. 2011), S. 181, 156. 67 Ebd., S. 183. 68 Ebd., S. 89, 78. 69 Ebd., S. 18. 70 Ebd., S. 277, 280. 71 Ebd., S. 278‒280. 72 Ebd., S. 194. 73 Ebd., S. 392. 74 Ebd., S. 143, 182; vgl. auch Nikolaus Barbian, Auswärtige Kulturpolitik und »Auslandsdeutsche« in Lateinamerika, 1949–1973 (Wiesbaden, 2013), S. 279 f. 75 Stangneth, Eichmann vor Jerusalem, S. 237. 76 Ebd., S. 185. 77 Stangneth beschreibt die Bedenken der westdeutschen Behörden im Hinblick auf Eichmanns politische Pläne als »begründet«. Ebd., S. 418. 78 Ebd., S. 19. Klaus Wiegrefe zufolge hätte Eichmann »gefasst werden können – wenn die Bundesrepublik gewollt hätte«. Klaus Wiegrefe, »Triumph der Gerechtigkeit«, Der Spiegel, Mai 1960, S. 37. 79 Wiegrefe, »Triumph der Gerechtigkeit«, Der Spiegel, Mai 1960, S. 37. 80 Wiesenthal, Doch die Mörder leben, S. 126. 81 Dieser Trend prägte auch Kunst und Architektur, wie Anselm Kiefers Hitlergrußbilder und Leon Kriers Band über die von ihm bewunderte Architektur von Albert Speer zeigten. Vgl. Andreas Huyssen, »Anselm Kiefer: The Terror of History, the Temptation of

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Anmerkungen Myth«, October, Frühjahr 1989, S. 22–45; Leon Krier, Albert Speer: Architecture, 1932–1942 (New York, 1985). 82 Daniel Magilow, Elizabeth Bridges und Kristin T. Van der Lugt (Hg.), Nazisploitation! The Nazi Image in Low-Brow Cinema and Culture (New York, 2012). 83 James J. Ward, »›This is Germany! It’s 1933!‹ Appropriations and Constructions of ›Fascism‹ in New York Punk/Hardcore in the 1980s«, Journal of Popular Culture, Winter, 1996, S. 155–184. 84 Susan Sontag, »Faszinierender Faschismus«, in: Im Zeichen des Saturn. Aus dem Amerikanischen von Werner Fuld (München, 1981), S. 95–124 (ursprünglich erschienen in: The New York Review of Books , 6. Februar 1975). Vgl. auch Saul Friedlander, Reflections of Nazism: An Essay on Kitsch and Death (New York, 1982); wie George Mosse angemerkt hat, sind »Bücher über seine Opfer weniger gefragt, während Hitler von der Unterhaltungsindustrie in Beschlag genommen wurde«. George Mosse, »Hitler Redux«, The New Republic, 16. Juni 1979, S. 21. 85 Wyden, Peter, The Hitler Virus: The Insidious Legacy of Adolf Hitler (New York, 2001). 86 Weitere Werke waren Werner Masers Monografie Hitler (1973) und Sebastian Haffners Studie Anmerkungen zu Hitler (1978), der Film Hitler: Die letzten zehn Tage (1972) und Beryl Bainbridges Roman Young Adolf (1979). Vgl. auch Robert Harris, Selling Hitler: The Story of the Hitler Diaries (New York, 1986). 87 Vgl. etwa Robert Hughes, »The Hitler Revival: Myth v. Truth«, Time, 21. Mai 1973, S. 81 f. 88 Vgl. Ian Kershaw, Der NS-Staat. Geschichtsinterpretationen und Kontroversen im Überblick. (Reinbek, 1988), Kapitel 2. 89 Robert S. Levine, »The Hitler Vogue«, The Nation, 29. Juni 1974, S. 807. 90 Paul Weingarten, »Nazis Still Fighting War – In Literary Blitz«, The Chicago Tribune, 3. März 1977, S. A1. 91 Craig Whitney, »Der Führer Who?«, The Courier-Journal & Times Magazine (Louisville, KY), 11. November 1973, S. 40–48. 92 Neonazistische Gruppen verschwanden in dieser Zeit jedoch nicht vollständig, wie die Aktivitäten von Manfred Roeder und Michael Kühnen zeigten (vgl. Kapitel 6). 93 Howard Blum, Wanted! The Search for Nazis in America (New York, 1977); John Loftus, The Belarus Secret (New York, 1982); Tom Bower, The Pledge Betrayed: America and Britain and the Denazification of Postwar Germany (New York, 1982); Allan A. Ryan, Jr., Quiet Neighbors: Prosecuting Nazi War Criminals in America (New York, 1984). Vgl. in jüngster Zeit Eric Lichtblau, The Nazis Next Door: How America Became a Safe Haven for Hitler’s Men (New York, 2014). 94 Wie der Dokumentarfilm The California Reich (1976) zeigte, waren die »Machtlosen«, die sich Rockwells Nachfolgeparteien anschlossen, zum Teil motiviert durch die »Popularisierung der Nazis in Film und Fernsehen«. »American Nazis: Are They More Than Just a Curiosity?«, U.S. News & World Report, 7. November 1977, S. 57–58. Betty Liddick, »Profile of California’s Fourth Reich«, Los Angeles Times, 23. März 1976, S. E1. 95 Wyden, The Hitler Virus, Kapitel 25. 96 Vgl. Deborah Lipstadt, Denying the Holocaust: The Growing Assault on Truth and Memory (New York, 1993), Kapitel 8. 97 »American Neo-Nazis Aid German Fourth Reich«, The Sarasota Journal, 10. Januar 1979, S. 12. 98 Ein ostdeutsches Beispiel war die Fernsehserie Ich, Axel Cäsar Springer (1968), die den westdeutschen Medienmogul Axel Springer als Anführer der Bundesrepublik beim Übergang vom »Dritten zum Vierten« Reich darstellte. Stefan Wolle, Der Traum von der Revolte: Die DDR 1968 (Berlin, 2008), S. 25 f.

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5.  »Hitler in Argentinien!« 99 Patterson veröffentlichte den Roman erstmals 1962 unter dem Pseudonym Martin Fallon. Er wurde später unter Pattersons bekanntestem Pseudonym Jack Higgins wieder aufgelegt. Zitate aus dem Roman stammen aus der folgenden Ausgabe: Jack Higgins, The Testament of Caspar Schultz (New York, 1985). 100 David Ray, The End of the Fourth Reich: A Rat Catcher’s Adventure (London, 1966). 101 Für weitere Informationen zu den Fernsehserien und Filmen vgl. www.imdb.com. 102 Harris Greene, Canceled Accounts (New York, 1976), S. 7. 103 Manning O’Brine, No Earth for Foxes (New York, 1976), S. 200. 104 William Craig, The Strasbourg Legacy (New York, 1976). 105 Madeline Duke, The Bormann Receipt (London, 1977), S. 145. 106 Adam Hall, The Quiller Memorandum (New York, 1965). Der Roman erschien in Großbritannien ursprünglich unter dem Titel The Berlin Memorandum. 107 Martin Hale, The Fourth Reich (London, 1965), S. 44–46. 108 Frederick Forsyth, Die Akte Odessa. Aus dem Englischen von Tom Knoth (München, 4. Aufl., 1981). 109 Thomas Gifford, The Wind Chill Factor (New York, 1994), S. 413 f., 424. 110 Ben Stein, The Croesus Conspiracy (New York, 1979). 111 Ludlum, Der Holcroft-Vertrag, S. 180. 112 Andrew Kaplan, Hour of the Assassins (New York, 1980), S. 433. 113 Mike Pettit, The Axmann Agenda (New York, 1980). 114 Der Titel der Folge lautete »Divorce Venusian Style«. 115 Red Skull trat 1941 zum ersten Mal im Comic Captain America auf. Vgl. John H. Moser, »Madmen, Morons, and Monocles: The Portrayal of the Nazis in Captain America«, in: Robert G. Weiner (Hg.), Captain America and the Struggle of the Superhero: Critical Essays (Jefferson, NC, 2009), S. 24–35. 116 Ende 1965 und Anfang 1966 erschien in den Nummern 72–74 des Comics Tales of Suspense die Figur des Red Skull, der seine Prophezeiung aus Kriegszeiten wahrmachte: »wenn der Nazismus die Welt nicht eroberte«, würde er »seine Macht nutzen, um die ganze Erde zu zerstören«. Im Juni 1980 erschienen in den Nummern 16–17 von Super-Villain Team-Up Red Skull und ein als »Hassredner« bekannter Hitler-Klon, die gegen einen israelischen Nazijäger namens Yousuf Tov um einen »kosmischen Würfel« kämpfen. 117 Geoff Taylor, Court of Honor (New York, 1967), S. 301. 118 Harry Patterson, The Valhalla Exchange (Greenwich, CT, 1977). 119 Ib Melchior, Sleeper Agent (New York, 1977), S. 175. 120 Jack Hunter, The Tin Cravat (New York, 1981). 121 John Gardner, The Werewolf Trace (New York, 1977). 122 George Markstein, The Goering Testament (New York, 1978). 123 Der Titel der TV-Folge lautete »The Deadly Games Affair«. 124 They Saved Hitler’s Brain erschien ursprünglich unter dem Titel Madmen of Mandoras 1963 in den Kinos. 1968 wurde der Film mit neuen Aufnahmen und unter seinem bekannteren Titel neu herausgebracht. 125 Edwin Fadiman, Jr., Who Will Watch the Watchers? (New York, 1970), S. 150. Im selben Jahr sollte Peter Sellers in dem Film The Phantom versus the Fourth Reich einen 80-jährigen Hitler spielen; der Film kam jedoch nie zustande. A. H. Weiler, »Life with Father Hitler«, The New York Times, 21. Mai 1972, S. D15. 126 Als Vorlage diente die Erzählung »The Rise and Fall of the Fourth Reich« von Henry Slesar, The Magazine of Fantasy and Science Fiction, August 1975, S. 63–75. 127 www.dissolute.com.au/the-avengers-tv-series/new-avengers/n01-the-eagles-nest.html. 128 Philippe van Rjndt, The Trial of Adolf Hitler (New York, 1978), S. 255.

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Anmerkungen 129 Ira Levin, The Boys from Brazil (New York, 1976), S. 245. 130 Der Titel der Folge lautete »Anschluss ’77«. 131 Ib Melchior, The Watchdogs of Abaddon (New York, 1980), S. 237. 132 Timothy B. Benford, Hitler’s Daughter (New York, 1983), S. 215. 133 O’Brine, No Earth for Foxes, S. 31; Craig, The Strasbourg Legacy, S. 88–89; Forsyth, Die Akte Odessa, S. 48. 134 Hale, The Fourth Reich, S. 66. 135 Melchior, The Watchdogs of Abaddon, S. 234. 136 O’Brine, No Earth for Foxes, S. 205; Greene, Canceled Accounts, S. 16. 137 Melchior, Sleeper Agent, S. 1. 138 O’Brine, No Earth for Foxes, S. 282. 139 Melchior, The Watchdogs of Abaddon, S. 90. 140 Greene, Canceled Accounts, S. 174. 141 Ray, The End of the Fourth Reich, S. 128. 142 Neil Jillett, »Thanks to Dr. Goebbels«, The Age (Melbourne, Australien), 11. Juni 1966. 143 O’Brine fügte hinzu: »eine jahrhundertealte Rasse, von Martin Luther ... bis Martin Bormann, ändert ihre Identität nicht über Nacht«. O’Brine, No Earth for Foxes, S. 13 f., 280. 144 Hale, The Fourth Reich, S. 183 f. 145 Die Zitate sind der nicht nummerierten Seite zwischen Widmung und Danksagung entnommen. Zu Melchiors Biografie vgl. »about the author«, S. 369. 146 »Author Hunts Treasures Stolen by Nazis«, The Toronto Star, 2. November 1977, S. E5. Duke war die Tochter des berühmten österreichisch-jüdischen Anwalts Richard Herzog; sie floh 1939 nach England. 147 Vgl. den Nachruf auf Greene in der Washington Post, 1. September 1997. 148 Vgl. Selby, The Axmann Conspiracy, in dem Hunters Rolle in der »Operation Nursery« beschrieben wird. 149 Forsyth, Die Akte Odessa, S. 38. 150 I. Levin, The Boys from Brazil, S. 60. Stattdessen empfiehlt Lieberman die »Erinnerung« und bekräftigt optimistisch: »die Menschen sind heute besser und klüger«, weil sie die »Geschichte« kennen. Ebd., S. 272. 151 Gifford, The Wind Chill Factor, S. 272. 152 Markstein, The Goering Testament, S. 263. 153 Captain Britain, S. 22. Als eine umstehende Person ausruft: »Man kann niemandem vertrauen! Jeder von uns könnte ein Nazi sein«, denkt ein anderer Zuschauer bei sich: »Du weißt gar nicht, wie recht du hast, Kumpel!« 154 Gifford, The Wind Chill Factor, S. 424, 414. 155 Stein, The Croesus Conspiracy, S. 262, 305. 156 Fadiman, Who Will Watch the Watchers?, S. 252. 157 Ludlum, Der Holcroft-Vertrag, S. 368. 158 Von Kraul hilft, den übelsten Nazischurken des Romans, Nagel, zu fangen. 159 Sir George räumt ein, dass er noch immer »nostalgisch auf das Empire zurückblickt«. Higgins, The Testament of Kaspar Schultz, S. 29. Eine postimperiale Skepsis zeigte sich auch in Giles Coopers Roman The Other Man (1964) sowie in Kevin Brownlows und Andrew Mollos Film It Happened Here (1964). 160 Gardner, The Werewolf Trace, S. 99, 61 f. Unklar ist, warum Gardner (1926–2007) den Mythos der finest hour infrage stellte. Wie Higgins hatte er den Militärdienst abgeleistet, im Zweiten Weltkrieg bei der Home Guard und später bei der Royal Navy und den Royal Marines gedient; möglicherweise veranlassten ihn verschiedene Identitätskrisen nach dem Krieg (er gab das Priesteramt auf und kämpfte gegen den Alkoholismus) dazu, eine

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5.  »Hitler in Argentinien!« ikonoklastischere Haltung als Schriftsteller einzunehmen. In seinem Buch Spin the Bottle (London, 1963) schildert er seine Enttäuschung über die organisierte Religion und sein Abgleiten in den Alkoholismus. 161 Ludlum diente 1944–1945 bei den Marines im Pazifik und machte keinen Hehl aus seinen liberalen politischen Überzeugungen. Er unterstützte Adlai Stevenson und beschrieb sich als Gegner von »Großkonzernen«, »großen Regierungen« und »Fanatikern aller Couleur«. Herbert Mitgang, »Robert Ludlum«, The New York Times, 16. April 1978, S. 272. Gina Macdonald, Robert Ludlum: A Critical Companion (Westport, CT, 1997), S. 11, 14, 61, 90, 102. 162 Fadiman war der Neffe des berühmten Journalisten Clifton Fadiman. Angesichts der Mitgliedschaft seines Onkels in der Society for the Prevention of World War III ist es gut möglich, dass der Neffe die antinazistischen Ansichten seines Onkels teilte. 163 Zu einem Autorenporträt vgl. »Tim Boxer’s Traveling with the Stars«, The New York Jewish Week, 1. März 1981. Kaplan ist vor allem bekannt für seine Fortsetzungsromane der Reihe Homeland. 164 Gifford, The Wind Chill Factor, S. 424. Giffords offene Kritik an der katholischen Kirche deutet auf seine liberale Gesinnung hin. Vgl. Jack Adrian, »Obituary: Thomas Gifford«, The Independent, 11. November 2000, S. 6. 165 Vgl. Ben Stein, »Watergate: No Big Deal«, USA Today, 17. Juni 1992; Bob Woodward und Carl Bernstein, The Final Days (New York, 1976), S. 447. David Greenberg, Nixon’s Shadow: The History of an Image (New York, 2003), S. 386, 95 f. und 211. Bickels Misanthropie deutet sich in seinem Namen an, der dem Namen des psychotischen Protagonisten in Martin Scorseses Film Taxi Driver entspricht. 166 Diese These vertritt Michael Butter in The Epitome of Evil: Hitler in American Fiction, 1939–2002 (New York, 2009), S. 113–117. Benfords genaue politische Einstellung ist nicht bekannt; in einem Nachruf wurde er jedoch als »ehemaliger Ministrant« und »Polizeichef« des Bezirks beschrieben. »Timothy B. Benford, 67«, The Westfield Leader and The Scotch Plains – Fanwood Times, 14. August 2008; www.goleader.com/08aug14/11.pdf. Außerdem verfasste er eine Reihe von Büchern über den Zweiten Weltkrieg. Vgl. auch Timothy B. Benford, World War II Quiz and Fact Book, Band I und II (New York, 1982 und 1984); Timothy B. Benford, World War II Flasbhback – A Fact-Filled Look at the War Years (Stamford, CT, 1991). Diese Publikationen deuten darauf hin, dass die in Hitler’s Daughter vorgesehene nationale Einheit nach Ansicht des Autors die richtige Antwort auf die Krisen der 1970er-Jahre war. 167 »Best Seller List«, The New York Times, 23. September 1973, S. 422; »1975’s Best Sellers«, Chicago Tribune, 28. Dezember 1975, S. E1; »Best Sellers of the Year«, The New York Times, 4. Dezember 1977, S. 312; The New York Times, 6. August 1978, S. BR7; The Westfield Leader and The Scotch Plains – Fanwood Times, 4. August 2008; www.goleader.com/ 08aug14/11.pdf. 168 The Wind Chill Factor und The Valhalla Exchange wurden nicht verfilmt. 169 »The Best Seller Who Wants to Stop«, The Times (London), 22. April 1972, S. 14; »Bormann’s False Role as ›Priest‹ Is Related«, The Bridgeport Telegram, 29. November 1972, S. 38. 170 Farago war mit Filmstudios über den Verkauf der Filmrechte an seinem Buch im Gespräch. »Book about Bormann, Nazi War Criminal, to Become a Movie«, The Wall Street Journal, 14. Dezember 1972. 171 Vgl. die Anzeige in The Sydney Morning Herald, 26. November 1978, S. 109. 172 The New York Times, 22. März 1973, S. 41. 173 Zu Forsyths Fernsehauftritten vgl. Daily Independent Journal (San Rafael, CA), 1. November 1972, S. 41; zu Wiesenthal vgl. The Democrat and Chronicle (Rochester, NY), 29. März

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Anmerkungen 1967, S. 38; zu Ludlum vgl. Detroit Free Press, 22. März 1978, S. 50; zu Erdstein vgl. The Kingsport Times-News (Kingsport, TN), 3. April 1978, S. 21. 174 Kaplan, The Hour of the Assassins, S. 287. 175 Ludlum, Der Holcroft-Vertrag, S. 119. 176 Bert C. Martin, »Escape from the Torture Dungeon of the Fourth Reich«, Escape to Adventure, März 1962, S. 40, 78–81. 177 Die Schlagzeile lautete »Nazi-Massenmörder Mengele in Brasilien erschossen«, Neue Revue, 5. Januar 1969. 178 Gallery, September 1984. Der Playboy brachte häufiger Interviews mit Nationalsozialisten. Vgl. Alex Haley, »Interview: George Lincoln Rockwell«, Playboy, April 1966; Eric Norden, »Interview: Albert Speer«, Playboy, Juni 1971. 179 Kevin Phillips, »Era Demands New Political Leadership«, The Piqua Daily Call (Piqua, OH), 17. Mai 1974, S. 6. 180 1965 gewann The Quiller Memorandum den Edgar Award der Mystery Writers of America für den besten Kriminalroman. »Capote’s ›Cold Blood‹ Wins Prize«, The Times Record (Troy, NY), 23. April 1966, S. 4. 181 Rex Barley, »Books in the News«, The Arizona Republic, 28. März 1965, S. 66; Robert Baldick, »Bereavement of a Simple Man«, Daily Telegraph, 15. April 1965, S. 21. Kritiken des Films waren ebenfalls positiv: R. H. Gardner, »Pinter Can Be Comprehensible«, The Sun, 10. Februar 1967, S. B4; Patrick Gibbs, »The Complete Spy«, Daily Telegraph, 11. November 1966; Dilys Powello, »Gentlemanliness Is Out«, The Sunday Times, 13. November 1966, S. 23. 182 »›Jackal‹ Author Does It Again«, The Des Moines Register, 12. November 1972, S. 11C; Don Keown, »Frederick Forsyth Proves ›Day of Jackal‹ No Fluke«, Daily Independent, 11. November 1972. Die Verfilmung lobte David Robinson in »Invention Scuppered by Reality«, The Times (London), 18. Oktober 1974, S. 14. 183 Robert Clere, »The Creation of the Fourth Reich«, The Cincinnati Enquirer, 25. April 1976, S. 105; Jeremy Brooks, »Strong-Arm Storytelling«, The Sunday Times, 11. April 1976, S. 38. 184 Nancy Tipton, »Books & Art«, Clarion-Ledger (Jackson, MS), 14. August 1977, S. 103. Vgl. auch H. R. F. Keating, »Crime«, The Times (London), 24. Februar 1977, S. 12; Frank White, »Goebbels Son Alive?«, The Atlanta Constitution, 28. August 1977, S. 7E. 185 Roger Lupton, »Crime Corner«, The Age (Melbourne, Australien), 29. September 1965; »Science Fiction«, The Observer, 28. März 1965, S. 26. 186 »Packed with Action«, Guardian, 17. August 1978, S. 7; Newgate Callendar, »Criminals at Large«, The New York Times, 1. Februar 1976, S. BR7; Edward Warre, »Thrillers«, The Sydney Morning Herald, 28. Juni 1980, S. 24. 187 Herbert Luft, »Germany’s Past and Present on the Screen«, Jewish Advocate, 15. September 1966, S. 16B. Die Regisseure hatten ursprünglich gehofft, echtes Filmmaterial einer NPDWahlkampfveranstaltung in den Film aufzunehmen. Vgl. »›Quiller‹ Photographs New Nazi Strutters«, Variety, 29. Juni 1966, S. 1. 188 Shirley Murray, »What if ...? War Yields Four Thrillers«, The Courier-Journal (Louisville, KY), 30. August 1979, S. 35. 189 »Mission Became Thriller«, The Lincoln Star (Lincoln, NE), 3. Mai 1970, S. 75. 190 Newgate Callendar, »Crimes«, The New York Times, 24. Dezember 1978, S. BR10. 191 Violet Grant, »One Man vs. the SS«, Daily Telegraph, 28. September 1972, S. 8; Jeremy Brooks, »Strong-Arm Storytelling«, The Sunday Times, April 11, 1976, S. 38; Bill Hayden, »Robert Ludlum Produces His Most Intricate Plot Yet«, The Morning News (Wilmington, DE), 26. März 1978.

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5.  »Hitler in Argentinien!« 192 Robert Clere, »The Creation of the Fourth Reich«, The Cincinnati Enquirer, 25. April 1976, S. 105. 193 Don Keown, »Frederick Forsyth Proves ›Day of Jackal‹ No Fluke«, Daily Independent, 11. November 1972. 194 Joseph McLellan, »Evils of Hitler and the World«, The Washington Post, 30. Januar 1979, S. B4. 195 Greil Marcus, The Dustbin of History (Cambridge, MA, 1995), S. 60, 63, 68. Der Aufsatz erschien ursprünglich 1976 unter dem Titel »Götterdämmerung after Twenty-One Years« im Rolling Stone. 196 »Return of Hitler«, The Stage and Television Today, 30. Mai 1963, S. 15. 197 Alan Brien, »Wrong Side of the Footlights«, Sunday Telegraph, 26. Mai 1963, S. 14. 198 Carol Kennedy, »Adolf Hitler Returns to London Stage«, The Brandon Sun, 12. Juni 1963. 199 »Wie sie Deutschland sehen«, Die Zeit, 31. Mai 1963. 200 »Germans Seek BBC’s Script of Hitler Play«, The Globe and Mail (Kanada), 9. Mai 1962, S. 9. 201 »Protest Anti-German Brit. Vidfilm«, Variety, 23. Mai 1962; »Hitler Play Leads to Embassy Protest«, The Age (Melbourne, Australien), 9. Mai 1962. 202 Vgl. Brian C. Etheridges Erörterung der »antideutschen Welle« der 1960er-Jahre in Kapitel 4 seines Enemies to Allies. 203 »Neuentdeckte Satire«, Neue Zeit, 25. Januar 1963, S. 4; das ostdeutsche Staatsfernsehen strahlte die Sendung unter dem Titel »Comeback bei Nacht« aus. »Lorbeer für Robert Müller«, Neue Zeit, 18. Januar 1963, S. 4. 204 »Braune Katakomben«, Der Spiegel, 27. Februar 1967; »›Quiller Memorandum‹ Cuts NeoNazi Scenes in Germany«, The New York Times, 28. Februar 1967, S. 32. 205 »Brauner Pfiff«, Neues Deutschland, 12. März 1967, S. 10. Ernst Wendt, »Entnazifizierung«, Die Zeit, 3. März 1967. 206 Tom Nugent, »Hitler’s Baby: Junk from Brazil«, The Sun, 7. März 1976, S. D7. 207 Christopher Lehmann-Haupt, »A Couple of Good Explosions«, The New York Times, 24. Oktober 1972, S. 41. 208 Kirkus Reviews, 28. Juni 1978. 209 Rezension von The Watchdogs of Abaddon in Science Fiction and Fantasy Book Review, Januar 1980, S. 14. 210 »Porno and the Swastika«, The Anniston Star (Anniston, AL), 2. April 1978, S. 56; John Leonard, »Thrillers«, The Sun, 14. März 1978, S. B2; »Robert Ludlum«, The Times (London), 14. März 2001, S. 25; David Shaw, »Another Digger in the Mother Lode of Villainy«, The Los Angeles Times, 2. April 1978, S. L4. 211 Margaret Manning, »The SS Lives – With Same Purpose«, The Boston Globe, 26. Oktober 1972, S. 48. 212 Bill Frank, »End of Trilogy Disappointing«, The Morning News (Wilmington, DE), S. 16. 213 »Today’s Video Tips«, The Arizona Republic, 20. Oktober 1964, S. 31; Vgl. auch The Decatur Daily (Decatur, IL), 4. Januar 1965, S. 3. 214 The Tucson Daily Citizen, 4. Januar 1965, S. 36. 215 Robert Kirsch, »Forsyth’s Second Novel Misfires Badly«, The Tucson Daily Citizen, 4. November 1972, S. 46. 216 Joseph Gelmis, »›Memorandum‹ Flashes Style, Flubs Message«, Newsday, 16. Dezember 1966, S. 2A. 217 Allan A. Ryan, Jr., »Triple Word Score«, The Washington Post, 19. März 1978. 218 »Blind General Presides over Secret Nazi Court«, The Bridgeport Post, 12. Juni 1966. Vgl. auch Harry Themal, »Books in the News«, The Morning News (Wilmington, DE), 30. März 1966, S. 25.

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Anmerkungen 219 Richard Lipe, »The Archfiend and Debussy«, Newsday, 6. März 1977, S. B23. 220 Sterlin Holmsley, »Forsyth Novel Hard to Swallow«, Express/News, 12. November 1972, S. 15. 221 »Terrorists, Mad Scientists, and Neo-Nazis«, The Chicago Daily Tribune, 21. Mai 1978, S. I12; Stuart Byczynski, »A Nazi behind Every Bush and Stone«, The Sun, 16. April 1978, S. D4; Hope Hewitt, »Intrigues and Suspense«, The Canberra Times (Australien), 9. Februar 1980, S. 15; vgl. auch Jack Zaiman, »Big Theme«, The Hartford Courant, 26. März 1978, S. 6G. 222 Louise Sweeney, »›Quiller Memorandum‹«, The Christian Science Monitor, 30. Dezember 1966, S. 4; Rezension von The Quiller Memorandum, The Monthly Film Bulletin, 1. Januar 1967, S. 34; Richard L. Coe, »Neo-Nazis Are Latest in Heels«, The Washington Post, 28. Januar 1967, S. C6. 223 John Breitlow, »Destructive Female, Nazis Provide Thriller Fodder«, The Winona Daily News, 31. Oktober 1965, S. 39. 224 »Crime and Suspense«, The Anniston Star (Anniston, AL), 5. Januar 1975, S. 37. 225 Wolf Donner, »Erbarmen mit den Nazis«, Die Zeit, 8, 1975; Hellmuth Karasek, »Angst vorm einstmals Schwarzen Mann«, Die Zeit, 13. April 1973. 226 Rezension von Search for the Evil One, The Monthly Film Bulletin, 1. Januar 1978, S. 162. 227 The Oneonta Star (Oneonta, NY), 20. Oktober 1964, S. 9. 228 The Daily Mail (Hagerstown, MD), 7. Januar 1967, S. 21; The News Journal (Wilmington, DE), 7. Januar 1967, S. 19. 229 David Shaw, »Another Digger in the Mother Lode of Villainy«, The Los Angeles Times, 2. April 1978, S. L4. 230 Alex Hamilton, »Back to the Bunker«, Guardian, 31. Januar 1977, S. 8. 231 Tom Shales, »Back in the Bunker«, The Washington Post, 27. Januar 1981, S. B1. 232 George Warren, »Soft Cover«, The Los Angeles Times, 25. Januar 1981, K8; Stuart Elliott, »Familiar Spy Plot Tingles with New Twists«, Detroit Free Press, 8. März 1981, S. 21. 233 Joseph Rosenberger, #39 in der Death-Merchant-Serie mit dem Titel The Fourth Reich (Los Angeles, 1980); Nick Carter: Plot for the Fourth Reich (New York, 1977), Nick Carter: The Israeli Connection (New York, 1982); John Gardner, Icebreaker (New York, 1983). 234 Richard Brickner, »›The Odessa File‹«, The New York Times, 5. November 1972, S. BR5. 235 Gloria Whelan, »›Odessa File‹ is Too Convincing«, Detroit Free Press, 12. November 1972. 236 Christopher Lehmann Haupt, »Great Experiments in Living«, The New York Times, 10. März 1976, S. 33. 237 Tom Nugent, »Hitler’s Baby: Junk from Brazil«, The Sun, 7. März 1976, S. D7. 238 Elliott Fremont-Smith, »Two for the Show«, The New York Times, 30. März 1966, S. 43. 239 Gene Lyons, »Intriguing Intrigue«, The New York Times, 15. May 1977, S. 231. 240 Owen Findsen, »We Have Ways of Making You Talk«, The Cincinnati Enquirer, 4. März 1979, S. 110. 241 David Shaw, »Another Digger in the Mother Lode of Villainy«, The Los Angeles Times, 2. April 1978, S. L4. 242 »›Wind Chill Factor‹ a Deft Work«, The Winona Daily News, 5. Januar 1975. 243 George Perry, »Screen: Crying Out for Truth«, The Sunday Times, 22. September 1985; David Robinson, »Cinema: Painful Perspectives on the Recent Past«, The Times (London), 20. September 1985. 244 Michael Wilmington, »›Holcroft‹: Out-of-Kilter Thriller«, The Los Angeles Times, 18. Oktober 1985, S. G4. 245 Rezension von The Holcroft Covenant, Variety, 9. Oktober 1985.

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6.  Das Vierte Reich in der jüngeren deutschen Vergangenheit

6.  Das Vierte Reich in der jüngeren deutschen Vergangenheit 1 Conor Cruise O’Brien, »Beware the Reich is Reviving«, The Times (London), 31. Oktober 1989, S. 18. 2 »Jackson Tours Europe«, Jet, 3. Juni 1985. Beim Besuch des Konzentrationslagers Natzweiler-Struthof erklärte Jackson: »Das vierte Reich liegt in Südafrika.« »Jackson Tours Nazi Camp«, Philadelphia Inquirer, 8. Mai 1985, S. A17. 3 Vgl. auch »Jackson Compares Botha to Hitler«, The New York Times, 30. August 1986, S. 4; »75,000 Protesters March on Capitol«, The Boston Globe, 26. April 1987, S. 22; »Jackson’s Radical Platform Woos the Voters«, The Canberra Times (Australien), 31. März 1988, S. 4. Schwarze Zeitungen verurteilten weiße Rassisten, die versuchten, »ein viertes Reich« in den USA zu errichten: »Hitlerism in Our Country«, Tri-State Defender (Memphis, TN), 20. August 1986, S. 5. 4 »Anti-Reagan Rally Draws 75,000 Marchers«, The Toronto Star, 26. April 1987, S. H2. »Candidate Says Reagan Runs Politburo«, The Times (Shreveport, LA), 8. Oktober 1982, S. 7. Rechtsgerichtete Unterstützer von Lyndon La Rouche äußerten sich ähnlich; »Reagan Budget’s ›Warped Vision‹«, The Los Angeles Times, 13. Januar 1985, S. 4. 5 »Armed Men Close Paper in Panama«, Philadelphia Inquirer, 20. Februar 1988, S. A8. 6 »Perceptions and Realities«, The Financial Post (Toronto), 30. Dezember 1988, S. 10. Der Verweis war auf das »Vierte Reich Quebecs«. 7 Wie die Gründer der Band hinzufügten, habe der Name »keine politischen Konnotationen«; www.trakmarx.com/2007_02/16_sun.html. 8 www.lyricsmatch.com/the-lookouts/fourth-reich-(nazi-amerika); www.ouvirmusica.com. br/the-lookouts/1564817/. 9 Der Comic ist zu finden in The Southern Illinoisan (Carbondale, IL), 11. September 1987, S. 15. 10 Der Comic erschien erstmals 1977. Oakland Ross, »The Mighty Pens of Mexico«, The Globe and Mail (Kanada), 28. Juni 1983; »Mexico’s Troubled Masses Can Laugh at Powerful«, The Atlanta Constitution, 8. April 1984, S. 19C. 11 Zitiert in »Daytona Engines Salute Free Life in the Fast Lane«, The Washington Post, 18. Februar 1979, S. D1. 12 »Losers of 1984 Deserve Special Awards for Feats«, The Sun, 1. Januar 1985, S. 1B. 13 »Sockers Face a Revamped Sting Tonight«, The San Diego Union Tribune, 9. November 1985, S. C1. 14 Edwin Hartrich, The Fourth and Richest Reich (New York, 1980). 15 Ebd., S. 6 f. 16 David Schoenbrun, »Economic Miracle«, The New York Times, 23. März 1980, S. BR4. 17 Lee McGowan, The Radical Right in Germany: 1870 to the Present (London, 2002), S. 158 f. 18 Ebd., S. 160–169. Die Republikaner erhielten bei den Wahlen zum Europäischen Parlament 8,7 Prozent in Baden-Württemberg und 14,6 Prozent in Bayern. 19 »Folksy Kohl Attracts Votes Despite Contempt of Media«, The Globe and Mail (Kanada), 23. Januar 1987; »Moscow’s Deep-Seated Fear – A Fourth Reich«, Guardian Weekly, 22. März 1987, S. 4. 20 Conor Cruise O’Brien, »Beware, the Reich Is Reviving«, The Times (London), 31. Oktober 1989. 21 Conor Cruise O’Brien, »Taking Germany’s Nationalist Pulse«, The Times (London), 17. November 1989, S. 18. In seinem Essay räumte der Autor ein, sein ursprünglicher Auf-

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Anmerkungen satz sei zu »überzogen« gewesen; »das Vierte Reich ... wird dem Deutschland der Hohenzollern ... ähnlich«, das sei »beängstigend genug«. 22 Vgl. »The Freedom March That May Create a Fourth Reich«, Daily Express, 6. November 1989. Alex Brummer, »All Change for EC as It Ponders Birth of the Fourth Reich«, Guardian, 10. November 1989, S. 16. 23 »Keine Angst, aber Sorgen«, FAZ, 10. März 1990, S. 12. Vgl. auch »Die Furcht vor dem ›Vierten Reich‹«, FAZ, 13. Dezember 1989, S. 16. 24 »Als ob Kohl das vierte Reich gründen wolle«, Berliner Zeitung, 13. März 1990, S. 5. So äußerte sich der ehemalige französische Innenminister Michel Poniatowski. Vgl. auch die Äußerung des ehemaligen französischen außenpolitischen Beraters von Jacques Chirac, Claude Lellouche, laut »Müssen wir lernen, Europäer zu werden?«, Neues Deutschland, 9. Januar 1990, S. 6. 25 Dominique Moïsi, »Germany’s Unity, Europe’s Rebirth«, The New York Times, 20. November 1989, S. A23. 26 Zu Schweden vgl. »Gelassene Zustimmung in Norden«, FAZ, 6. März 1990, S. 6; Jochen Reinert, »Die Dänen, die Deutschen und Europa – Sorgen und Hoffnungen«, Neues Deutschland, 11. Mai 1990, S. 7; zu Italien vgl. Bezeichnungen für »Deutschland« in der Zeit der »Wende«: Dargestellt an ausgewählten westdeutschen Printmedien (Göttingen, 1997), S. 239; »Auf der Geisterbahn«, FAZ, 16. März 1990, S. 16; »A Bit of Warmth amid Tensions of Germans, Poles«, Philadelphia Inquirer, 31. März 1990, S. A2. 27 Zitiert in Matthias Morgenstern, »Vor der ›deutschen Intifada‹ zum ›vierten Reich‹«, in: Andrea Kaiser und Tobias Kriener (Hg.), Normal ist das besondere: Streiflichter aus 30 Jahren deutsch-israelischer Beziehungen (Schwalbach/Taunus, 1996), S. 54; vgl. auch »Israel Haunted by Specter of ›Fourth Reich‹«, The Tennessean, 20. Februar 1990. »Getting Their Act Together?«, The Jerusalem Post, 20. November 1989, S. 8. 28 »Das Gespenst des Vierten Reiches«, Der Spiegel, 39, 18. Dezember 1989, S. 21. 29 »Europakonzept der PDS«, Neues Deutschland, 6. Februar 1990, S. 6. In den folgenden Wochen fragte der PDS-Vorsitzende Gregor Gysi in einer Rede: »Soll nun im Eiltempo ein Viertes Reich entstehen, nachdem drei untergegangen sind?« »Gute Gründe, die PDS zu wählen«, Neues Deutschland, 26. Februar 1990, S. 8. 30 »Gemeinsam gegen rechts«, Berliner Zeitung, 5. Januar 1990, S. 1. 31 Im Oktober 1990 demonstrierten 5000 Gegner der Wiedervereinigung aus dem linken Flügel gegen die Gründung eines »Vierten Reiches«. »Symbols of the Past Linger as Protesters Strike Note of Dissent«, The Times (London), 4. Oktober 1990, S. 15. Im Juli behauptete die linksradikale Gruppierung SpAD (Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands), westdeutsche Pläne zur Enteignung der kommunistischen Partei kündigten »ein viertes Reich« an. »Nein zur Enteignung«, Neues Deutschland, 21. Juli 1990, S. 6. 32 »Terrorists Declare War on the ›Fourth Reich‹«, The Times (London), 1. August 1990, S. 7. »Terrorist Group Threatens Unified Germany«, The Washington Post, 1. August 1990. 33 Heleno Saña, Das vierte Reich: Deutschlands später Sieg (Hamburg, 1990). 34 Ebd., S. 230, 234. 35 Ebd., S. 234, 235. 36 Ebd., S. 236. 37 Ebd., S. 238. 38 Ebd., S. 241. 39 Ebd., S. 242. 40 »Britische Bangen vor ›Viertem Reich‹«, FAZ, 9. November 1989, S. 5. 41 »Eine Hitler-Statue in jeder Stadt«, FAZ, 2. November 1989, S. 4. 42 Theo Sommer, »Germans Want to Be Good Neighbors«, The Observer, 12. November 1989, S. 16.

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6.  Das Vierte Reich in der jüngeren deutschen Vergangenheit 43 Günther Nonnenmacher, »Falsche Angst vor Deutschland«, FAZ, 16. Dezember 1989, S. 1. 44 Peter Grubbe, »Furcht vor Deutschen«, Die Zeit, 24. August 1990. »Brechen die Deutschen nun auf ins Vierte Reich?«, Berliner Zeitung, 7. Dezember 1990, S. 13. 45 »Kohl Rallies German Reunification Hope«, The Times (London), 21. Dezember 1989, S. 10. 46 »Kohl Rejects Soviet Call for Reunification Referendum«, The Los Angeles Times, 4. Februar 1990, S. 1. 47 »Kohl: Es wird kein viertes Reich geben«, FAZ, 7. März 1990, S. 2. 48 »Ein viertes Reich wird es nicht geben«, Berliner Zeitung, 21. Februar 1990, S. 5. 49 Josef Joffe, »One-and-a-Half Cheers for German Unification«, Commentary, 1. Juni 1990, S. 29–31. 50 Ein Skeptiker war William Safire, der 1989 sowjetische »Apologeten in der Abrüstungslobby des Westens« wie den »hinterhältigen westdeutschen Außenminister Hans-Dietrich Genscher« attackierte; Genscher sehe angeblich »ein Viertes Reich« aus der »Asche der NATO« entstehen. William Safire, »Bush’s ›New Path‹«, The New York Times, 15. Mai 1989. Der Spiegel konterte mit der Behauptung, die USA machten Deutschland aufgrund ihrer wirtschaftlichen Probleme zum Sündenbock, wie sie auch Japan in die Rolle eines Feindbildes gedrängt hätten. »Viertes Reich«, Der Spiegel, 21, 1989, S. 23–25. 51 »Wiedervereinigung unausweichlich«, Der Spiegel, 48, 1989, S. 39. 52 »Zu groß für Europa?«, Der Spiegel, 46, 1989, S. 187. 53 William Tuohy, »Allies Wary as Bonn Plays Host to Gorbachev«, The Los Angeles Times, 12. Juni 1989, S. 1. 54 Walter Russell Mead, »United Germany Must Confront Chaos«, The Los Angeles Times, 30. September 1990, S. 2. 55 J. P. Stern, Diary, The London Review of Books, 7. Dezember 1989. In Leserbriefen wurde O’Briens Artikel als »realitätsfern« kritisiert. »German Unity a Threat to Europe?«, The Times (London), 2. November 1989, S. 15. Vgl. auch Peter Pulzer, »East Berlin Diary«, The London Review of Books, 19. April 1990. 56 Lord Weidenfeld, »All Roads Lead to German Unity«, The Times (London), 19. Januar 1990, S. 12. 57 »What Experts Told Maggie«, Daily Mail (London), 16. Juli 1990, S. 6–7; in einem Artikel mit dem Titel »›Germany? Maggie Was Absolutely Right?‹« revidierte Stone später seine Ansicht, The Sunday Times, 29. September 1996, S. 9. 58 McGowan, The Radical Right in Germany, S. 173. 59 Die Anzahl der Deutschen, die sich neonazistischen Gruppen anschlossen, stieg im ehemaligen Osten auf rund 2000 – doppelt so viele wie im deutlich bevölkerungsreicheren Westen; ebd., S. 189. Zwischen 1990 und 2007 kamen 130 Menschen bei Angriffen ums Leben; Gerard Braunthal, Right-Wing Extremism in Contemporary Germany (Basingstoke, UK, 2009), S. 96–103. Der schlimmste Angriff auf eine jüdische Einrichtung war der Brandanschlag auf eine jüdische Synagoge in Lübeck 1994. Zu allgemeinen Überlegungen zu dieser Entwicklung vgl. Robert Gerald Livingston und Volkmar Sander (Hg.), The Future of German Democracy (New York, 1993). 60 »German Attacks Rise as Foreigners Become Scapegoat«, The New York Times, 2. November 1992, S. A1, A6. 61 »New Clashes in Germany as Politicians Voice Alarm«, The New York Times, 4. Oktober 1992, S. 15. 62 »Germans Stage Rally against Neo-Nazis«, The St. Louis Post-Dispatch, 9. November 1992, S. 1A.

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Anmerkungen 63 »Kriegerdenkmäler schüren Angst«, Berliner Zeitung, 10. Dezember 1992, S. 7. 64 Christine Toomey, »Women Dreaming of Fourth Reich Swell German Neo-Nazi Ranks«, The Sunday Times, 13. Dezember 1992, S. 21. 65 Sabine Reichel, »A Legacy of Hate Revives in the East«, The Los Angeles Times, 10. Mai 1991, S. B7. Vgl. auch »Germany Creating Police Unit Aimed at Rightist Groups«, The New York Times, 29. November 1992, S. 1. 66 Thomas Pfeiffer, »Avantgarde und Brücke«, in: Wolfgang Gessenharter und Thomas Pfeiffer (Hg.), Die neue Rechte – eine Gefahr für die Demokratie? (Wiesbaden, 2004), S. 51–69. 67 Hartmut Herb, Jan Peters und Mathias Thesen, Der neue Rechtsextremismus: Fakten und Trends (Lohra-Rodenhausen, 1980), S. 52. 68 Manfred Roeder, Ein Kampf ums Reich. Eine Dokumentation und politische Streitschrift um die Nachfolge des Reiches (Schwarzenborn, 1979), S. 11. 69 Diese Behauptung taucht in Roeders Brief an Dönitz aus dem Jahr 1975 auf. Vgl. Roeder, Ein Kampf ums Reich, S. 22–24. 70 Ebd., S. 62. 71 Ebd., S. 15. 72 Ebd., S. 23, 15. 73 Ebd., S. 25. 74 Ebd., S. 33. 75 Ebd., S. 61 f. 76 »Miese Weise«, Der Spiegel, 26, 1982, S. 77 f. 77 1995 hielt Roeder einen Gastvortrag an einer Führungsakademie der Bundeswehr, der bei seinem Bekanntwerden 1997 zu Kontroversen führte. »30 German Army Officers Attended ’95 Speech by Right-Wing Terrorist«, The Los Angeles Times, 30. Dezember 1997, S. A6. »Hitlerjunge mit Tränensäcken«, Der Spiegel, 18, 1998, S. 69–76. 1996 geriet er in die Schlagzeilen, als er einen Farbanschlag auf die Wehrmachtsausstellung in Erfurt verübte. »Neonazis und CSU kämpfen für die Ehre der Wehrmacht«, taz, 20. Februar 1997. 1997 ließ er sich als Direktkandidat der NPD in Stralsund aufstellen, wurde jedoch nicht gewählt. Braunthal, Right-Wing Extremism in Contemporary Germany, S. 59. 78 Lee, The Beast Reawakens, S. 195–201. 79 Michael Kühnen, Die Zweite Revolution (1982). Das Buch erschien ursprünglich in Thies Christophersens Kritik Verlag und später bei Gary Laucks NSDAP/AO. 80 Ebd., S. 84, 86. 81 Ebd., S. 27. 82 Ebd., S. 119. 83 Ebd., S. 88–93. 84 »Mit Todesmut«, Der Spiegel, 27. März 1989. 85 https://archive.org/details/LexikonDerNeuenFront. 86 McGowan, The Radical Right in Germany, S. 180–188; »Schon gehuscht«, Der Spiegel, 3, 1990, S. 76; Braunthal, Right-Wing Extremism in Contemporary Germany, S. 31 f. 87 https://openjur.de/u/211744.html. Obwohl Kühnen den österreichischen Neonazi Gottfried Küssel als seinen Nachfolger an der Spitze der GdNF benannte, machte Küssel keine großen Fortschritte bei der Errichtung eines Vierten Reiches, da er 1992 von den österreichischen Behörden inhaftiert wurde. Vgl. »Hitlerjugend ohne Partei«, Der Spiegel, 50, 1992, S. 28. Braunthal, Right-Wing Extremism in Contemporary Germany, S. 85. 88 Hans-Dietrich Sander, Der nationale Imperativ: Ideengänge und Werkstücke zur Wiederherstellung Deutschlands (Essen, 1990). 89 Ebd., S. 18. 90 Ebd., S. 19, 29 f.

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6.  Das Vierte Reich in der jüngeren deutschen Vergangenheit 91 Die ostdeutsche Presse kritisierte Sanders Buch 1982 als Symptom einer revanchistischen westdeutschen Agenda. Vgl. »Ein Aufbruch ohne Ankunft«, Berliner Zeitung, 28. Januar 1982, S. 9. Vgl. auch Ludwig Elm, Aufbruch ins Vierte Reich? (Berlin, 1981). Peter Glotz besprach das Buch in Die Deutsche Rechte (Stuttgart, 1989). 92 Sander, Der nationale Imperativ, S. 150. 93 Ebd., S. 192. 94 Ebd., S. 191, 193. 95 Sander bemerkte später: »1989 wurde mir klar, dass die Alliierten durch die Vereinigung ihrer beiden Besatzungsmächte eine endgültige Lösung der deutschen Frage herbeizuführen beabsichtigten.« Die Staatsbriefe wollten dem entgegenwirken. So schrieb Sander: »Eine der Voraussetzungen für die Wiederbelebung des Reiches ist die Überwindung des Reichsdualismus zwischen Berlin und Wien.« Hans-Dietrich Sander und Jürgen Maaß, Im Banne der Reichsrenaissance (Kiel, 2011), S. 85, 88. 96 Sander, Der nationale Imperativ, S. 16. 97 Der Begriff Staatsbriefe ging auf Wolfram von den Steinens Beschreibung der verschiedenen gedruckten Erlasse von Friedrich II. zurück. Sander und Maaß, Im Banne der Reichsrenaissance, S. 87. 98 In der Zeitschrift erschienen Artikel über das Reich aus verschiedenen Perspektiven, darunter Kühnens Aufsatz »Vom Reichsmythos zum Vierten Reich«. 99 Hans-Dietrich Sander, »Die Ghibellinische Idee«, Staatsbriefe, 1, 1990, S. 24–31, und Hans-Dietrich Sander, »Das Reich als politische Einheit der Deutschen«, Staatsbriefe, 1, 1991, S. 25–33. 100 Sander, »Die ghibellinische Idee«, Staatsbriefe, 1, 1990, S. 26. 101 In »Das Reich als politische Einheit der Deutschen« griff Sander die heilige Idee des Katechons auf, mit der Carl Schmitt auf ein Bedrohungen abwehrendes Bollwerk verwies. Ebd., S. 29. 102 Sander, »Das Reich als politische Einheit der Deutschen«, Staatsbriefe, 1, 1991, S. 29. 103 Ebd. 104 Sander, »Die Ghibellinische Idee«, Staatsbriefe, 1, 1990, S. 31. 105 Sander, »Das Reich als politische Einheit der Deutschen«, Staatsbriefe, 1, 1991, S. 33. 106 http://brd-ende.com/. 107 Vgl. http://brd-ende.com/. Vgl. auch Manuel Seitenbecher, Mahler, Maschke, & Co.: Rechtes Denken in der 68er-Bewegung? (Schöning, 2013), S. 339. Das DK entstand aus einem Lesekreis, der von der konservativen Zeitschrift Junge Freiheit gesponsert wurde. 108 Thomas Grumke und Bernd Wagner, Handbuch Rechtsradikalismus: Personen – Organisationen – Netzwerke von Neonazismus bis in die Mitte der Gesellschaft (Opladen, 2002), S. 293. 109 Seitenbecher, Mahler, Maschke & Co., S. 110. Oberlercher prägte den denkwürdigen nazikritischen Spruch »Unter den Talaren, Muff von 1000 Jahren« – ein Verweis auf Hitlers »tausendjähriges Reich«. 110 Dieser Schwenk hatte auch mit Oberlerchers Schwierigkeiten zu tun, eine feste akademische Stelle zu finden. Nach Ablehnung seiner Habilitationsschrift war er für kurze Zeit Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg. Ebd., S. 345. 111 Er trat der anarchistischen Freien Arbeiter-Union (FAU) bei und schloss sich danach verschiedenen rechten Splittergruppen an. Ebd., S. 292 f. 112 Hans Kundnani, Utopia or Auschwitz? Germany’s 1968 Generation and the Holocaust (New York, 2009), S. 46, 76 f., 137 f., 223 f. Braunthal, Right-Wing Extremism in Contemporary Germany, S. 66–70. George Michael, »The Ideological Evolution of Horst Mahler: The Far Left–Extreme Right Synthesis«, Studies in Conflict and Terrorism, 32, 2009, S. 346–366.

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Anmerkungen 113 Reinhold Oberlercher, »Die Neuschöpfung des Deutschen Reiches«, 12. September 1992; www.oberlercher.de/blog/neuschoepfung-des-deutschen-reiches. 114 »Reichsverfassungsentwurf«, Staatsbriefe 1, 1992, S. 23–26. Zur aktualisierten Fassung von 1999, vgl. www.reich4.de/1999/11/reichsverfassungsentwurf-rverfe99/. 115 Ebd., S. 24. Nur gewisse Deutsche (die Militär- oder Ersatzdienst leisteten) sollten wählen dürfen (nur Reichsdeutsche, nicht aber Volksdeutsche). 116 https://reichstr.eu/1993/01/das-100-tage-programm/. 117 https://reichstr.eu/die-fahne-weht/. 118 Reinhold Oberlercher, »Die Zerstörung der Demokratie durch die Verfolgung der Patrioten«, Staatsbriefe, 4, 1997, S. 9–11, www.vho.org/D/Staatsbriefe/Oberlercher8_4.html. 119 Horst Mahler, Günter Maschke und Reinhold Oberlercher, »Kanonische Erklärung zur Bewegung von 1968«, 24. Dezember 1998, https://reichstr.eu/1998/12/kanonische-erklaerung-68/. 120 Den SDS benannten sie in »Waffen-SDS« um. Kundnani, Utopia or Auschwitz?, S. 227. 121 Michael Fischer, Horst Mahler: Biographische Studie zu Antisemitismus, Antiamerikanismus, und Versuchen deutscher Schuldabwehr (Karlsruhe, 2015), S. 329–331. Grumke und Wagner, Handbuch Rechtsradikalismus, S. 293. 122 Zwei unterschiedliche Fassungen sind zu finden unter: https://web.archive.org/web/ 20070927230236/; www.verfassungsschutz-hessen.de/bilder/kolleg.jpg; und www.luebeckkunterbunt.de/Judentum/Aufstand_Anstaendigen.htm. 123 https://reichstr.eu/2002/06/petition-an-die-deutschen-fuersten/. 124 https://reichstr.eu/2002/06/sozialordnungsgesetz-sozog/ und https://reichstr.eu/2002/06/ arbeitsdienstgesetz-arbdg/. 125 Grumke und Wagner, Handbuch Rechtsradikalismus, S. 293; Seitenbecher, Mahler, Maschke, & Co., S. 338 f. 126 Sander und Maaß, Im Banne der Reichsrenaissance, S. 102–106. Zwei Artikel sorgten 1995 für Aufsehen: einer über Germar Rudolf und ein satirischer Artikel mit dem Titel »The Miracle of Technology« von einem (in Wortspiele verliebten) Autor mit dem Pseudonym »Ole Caust«. 127 Brigitte Mihok (Hg.), Handbuch des Antisemitismus: Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart: Band VI Publikationen (Berlin, 2013), S. 667. 128 Grumke und Wagner, Handbuch Rechtsradikalismus, S. 293. 129 Mahler verließ die Partei 2003, da sie ihm nicht radikal genug war. 130 »Das Gericht als Bühne«, www.netz-gegen-nazis.de/artikel/das-gericht-alsbuehne-horstmahlers-revisionismus-kampagne. 131 Mahler stieß auf den Widerstand Oberlerchers, als er versuchte, den Interessen der Holocaust-Leugner Vorrang einzuräumen (Verein zur Rehabilitierung der wegen des Bestreitens des Holocaust Verfolgten, VRBHV), anstatt eine breitere Koalition zu schmieden. Seitenbecher, Mahler, Maschke, & Co., S. 339 f. 132 Grumke und Wagner, Handbuch Rechtsradikalismus, S. 407. 133 Fabian Virchow und Christian Dornbusch (Hg.), 88 Fragen und Antworten zur NPD (Schwalbach, 2008), S. 60. 134 www.hagalil.com/archiv/2000/12/npd.htm. 135 Grumke und Wagner, Handbuch Rechtsradikalismus, S. 320. Vgl. Mahlers Manifest zur Verteidigung der NPD, »Appell an die Bürger des deutschen Reiches«, aus dem Jahr 2000; https://groups.google.com/forum/#!topic/de.sci.geschichte/5bL77sueC68. 136 »Ziel ist die BRD abzuwickeln«, Junge Freiheit, 24. September 2004; https://jungefreiheit. de/debatte/interview/2004/ziel-ist-die-brd-abzuwickeln/. 137 Die NPD nutzte die Unzufriedenheit der Deutschen im Zusammenhang mit den Kürzun-

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6.  Das Vierte Reich in der jüngeren deutschen Vergangenheit gen der Sozialleistungen durch die Hartz-IV-Reform aus. Reiner Burger, »Da waren es nur noch neun«, FAZ, 23. Dezember 2005. 138 »Sie wollen ein viertes Reich und fressen dafür Kreide«, Sächsische Zeitung, 7. September 2004; www.sz-online.de/nachrichten/sie-wollen-ein-viertes-reichund-fressen-dafuer-kreide-598885.html. Vgl. auch Hajo Funke, Paranoia und Politik (Berlin, 2002), S. 88. Vgl. auch Jan Rübel, »Der Kampf um die Straße«, Die Welt, 2. November 2004. 139 »Das waren es nur noch neun«, FAZ, 23. Dezember 2005. 140 »Rep-Chef eröffnet zweite Volksfront«, taz, 2. November 2004; www.taz.de/!678959/ 141 »Demonstrationen der NPD und Gegendemonstrationen in Frankfurt«, FAZ, 7. Juli 2007, S. 4. 142 David Crossland, »Neo-Nazi Threat Growing Despite NPD Cash Woes«, Spiegel online, 19. März 2009. 143 Die unzähligen kleinen Gruppen, aus denen sich die Bewegung zusammensetzt, werden vorgestellt: Andreas Speit (Hg.), Reichsbürger: Die unterschätzte Gefahr (Berlin, 2017). 144 Das machte er bereits 1998 in seinem Aufsatz »Der Globalismus als höchstes Stadium des Imperialismus erzwingt die Auferstehung der deutschen Nation« klar. Fischer, Horst Mahler, S. 327, 514, 59 f. Vgl. das Dokument auf: www.scribd.com/document/230495275/ Mahler-Horst-Der-Globalismus-Als-Hochstes-Stadium-Des-Imperialismus-ErzwingtDie-Auferstehung-Der-Deutschen-Nation. 145 Mahlers Gruppe initiierte Ende Juli 2003 eine Demonstration auf der Wartburg in Eisenach. Handbuch des Antisemitismus, S. 726–777. »Der Aufstand für die Wahrheit begann auf der Wartburg«, 2003. https://germanenherz.files.wordpress.com/2015/07/horst-mah ler-aufstand-fuer-die-wahrheit-2003–11-stext.pdf. 146 Horst Mahler, Ehre Wahrheit Heimat (2009); https://germanenherz.files.wordpress.com/ 2015/07/horst-mahler-ehre-wahrheitheimat-eine-programmschrift-2006-20-doppelstext.pdf; http://web.archive.org/web/20091014181155/; www.voelkische-reichsbewegung. org/Ehre_Wahrheit_Heimat_runter.pdf. 147 Ebd., S. 8. 148 Ebd., S. 8, 9, 22, 23. 149 Mitglieder der Bewegung behaupten, die Weimarer Verfassung sei weder von den Nazis noch von den Alliierten abgeschafft worden, und bezeichnen die Bundesrepublik Deutschland als OMF, »Organisationsform einer Modalität der Fremdherrschaft«. 150 Kai Biermann und Astrid Geisler, »Ein Volk, viele Reiche, noch mehr Führer«, Die Zeit, 16. April 2016; Thomas Schade, »Eins, zwei, drei – falsche Polizei«, Sächsische Zeitung, 16. Dezember 2015, S. 3. 151 Verfassungsschutzbericht Brandenburg 2012; vgl. auch die Webseite »Gelber Schein«, www.gelberschein.net/. 152 Speit (Hg.), Reichsbürger, S. 9. 153 Seitenbecher, Mahler, Maschke, & Co., S. 344. 154 www.npd-berlin.de/tag/uwe-meenen/. »Unrecht behalten«, Die Zeit, 22. September 2016, S. 11. 155 Außerdem ist Oberlercher weiter aktiv. Vgl. David Begrich und Andreas Speit, »›Heiliges Deutsches Reich‹: Reichsidee und Reichsideologie der extremen Rechte«, in: Speit (Hg.), Reichsbürger, S. 22–40. 156 Florian Gathmann und Severin Weiland, »Die unterschätzte Gefahr«, Der Spiegel, 20. Oktober 2016; www.spiegel.de/politik/deutschland/reichsbuerger-bewegungdie-unterschaetzte-gefahr-a-1117575.html. 157 Der ehemalige Linke Jürgen Elsässer tritt in seiner Onlinezeitung Compact für die Reichsidee ein. »Ein Netzwerk für Putin und Pegida«, Der Tagesspiegel, 16. August 2015. Der Popmusiker Xavier Naidoo löste durch seine Unterstützung der Reichsbürgerbewe-

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Anmerkungen gung 2014 eine Kontroverse aus. »Naidoo bekräftigt Thesen über ›unfreies Deutschland‹«, Die Welt, 11. März 2015. Dasselbe gilt für den rechtsextremen Musiker Frank Rennicke, der den Song »Das Reich« schrieb. Begrich und Speit, »Heiliges Deutsches Reich«, S. 39 f. Peter Fitzek geriet in die Schlagzeilen, als er 2012 ein neues »Königreich für Deutschland« ausrief und 2016 unerlaubte Bankgeschäfte betrieb. Vgl. »›König von Deutschland‹ zu Haftstrafe verurteilt«, Der Spiegel, 15. März 2017. Vgl. Tobias Ginsburg, Die Reise ins Reich: Unter Reichsbürgern (Berlin, 2018). 158 Glenn Meade, Unternehmen Brandenburg. Aus dem Englischen von Wolfgang Thon (Köln, 1994). 159 Robert Ludlum, Apocalypse Watch (New York, 1995), S. 736–742. 160 Alan Folsom, The Day after Tomorrow (New York, 1995). 161 »The $5 Million Thriller«, The Boston Globe, 26. April 1994, S. 65. 162 Interview mit Folsom im January Magazine, www.januarymagazine.com/profiles/afolsom.html. 163 »Ludlum Goes Full Circle in 4 Hours«, The News Journal (Wilmington, DE), 1. März 1997, S. E8; Linda Marx, »Robert Ludlum: On a Mission with the Spy Novelist«, The Orlando Sentinel, 21. Mai 1995, S. 196. 164 Folsoms Roman schaffte es auf Platz zwei der Bestsellerliste der New York Times. The New York Times, 12. Februar 1995, S. BR36. Ludlums Apocalypse Watch war unter den Top Ten der Londoner Times vertreten. The Sunday Times, 23. April 1995, S. 11. Giffords The First Sacrifice erschien in einer Startauflage von 100.000 Exemplaren. Brandenburg hatte eine Erstauflage von 125.000. Publishers’ Weekly, 28. April 1997. 165 Robert Ward, »Right for the Jugular«, The Los Angeles Times, 10. April 1994; George Hackett, »First Time Novelist Delivers Smashing Thriller«, Santa Cruz Sentinel, 20. Mai 1994, S. 57. 166 Kirkus Reviews, 1. April 1995. 167 Booklist, 1. Oktober 1994; Library Journal, Juli 1994. Vgl. auch Mary Danforth, »›Sacrifice‹ Revives Nazi Threat after 20-Year Hiatus«, South Florida Sun Sentinel, 13. November 1994, S. 88. 168 Booklist, Juni 1997; Kirkus Reviews, 1. Juni 1997. Vgl. auch Zannah Lyle, »Uncovering New Mysteries«, The Tallahassee Democrat, 13. Juli 1997, S. 2E. 169 Rezension in The Desert Sun (Palm Springs), 14. Juli 1993, S. 15; Ann Hellmuth, »Excitement, Intrigue Aplenty to Liven Up a Lazy Summer«, The Orlando Sentinel, 27. Juni 1993, S. 49. 170 Apocalypse Watch lief 1997 auf ABC, Thunder Point wurde in zwei Filme aufgeteilt, Thunder Point und The Windsor Protocol (beide mit Kyle MacLachlan) und lief 1996 und 1998 auf TMC. 171 Guy Powers, »Ludlum Disappoints in ›Watch‹«, The Hartford Courant, 7. Juli 1995, S. 4. 172 »Two Presidents, One Big Problem«, The Chicago Tribune, 23. Oktober 1994. 173 Ann Hellmuth, »The Hunter Becomes the Hunted«, The Orlando Sentinel, 8. Juni 1997, S. F9. 174 Mike Kent, »Author Treads Water with His Latest Work«, The Indianapolis Star, 29. Juli 1993, S. 27. Ron Weiskind, »Thunder Point Makes Noise But Has Little Depth behind It«, The Pittsburgh Post-Gazette, 29. August 1993, S. 86. 175 Die Fernsehverfilmung galt als »unglaubwürdig«. »›Apocalypse‹ Centers on Neo-Nazi Plot«, The Los Angeles Times, 1. März 1997, S. F19. 176 Harry Levins, »Complicated Conspiracy Chapter Makes Entertaining Reading«, 22. Mai 1994, S. 25; Lawrence DeVine, »Folsom Novel a Movie Just Waiting to Happen«, The Times (Shreveport, LA), 30. April 1994. Newgate Callendar, »Spies and Thrillers«, The New York Times, 22. Mai 1994.

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6.  Das Vierte Reich in der jüngeren deutschen Vergangenheit 177 Kirkus Reviews, 6. April 1994. 178 Rezension von The Day after Tomorrow in New York Magazine, 4. April 1994, S. 69. 179 »New Front Opens in German War with Hollywood«, The Times (London), 14. Januar 1997, S. 14. 180 Steve Martin, L. A. Story and Roxanne: Two Screenplays (New York, 1997), S. 74 f. 181 Spy Magazine, Januar 1990; Spy Magazine, April 1990. Zwei Jahre darauf landete das »Vierte Reich« dem Magazin zufolge auf Platz sechs (von 100) der »jährlichen Liste der ärgerlichsten, alarmierendsten und unerträglichsten Menschen, Orte und Dinge«. »The 1992 Spy 100«, Spy Magazine, Dezember 1992–Januar 1993. 182 »Secret German plot to start World War III«, The Weekly World News, 9. Dezember 1997; »Nazi Army Lies Frozen in Antarctic Ice«, The Weekly World News, 15. Oktober 2002. 183 Manche britischen Beobachter bezeichneten die EEG bereits 1974 als Viertes Reich. »Argwohn und gespannte Neugier schlagen Schmidt entgegen«, FAZ, 2. Dezember 1974, S. 3. So auch Schweden: »Ein mehr als bedrückendes Schauspiel«, Der Spiegel, 22. August 1987. 184 »The Fourth German Reich«, The Sunday Times, 12. November 1989, S. 2. 185 »The Future for Britain«, The Sunday Times, 9. November 1989, S. 2. 186 »Keine Angst, aber Sorgen«, FAZ, 10. März 1990, S. 12. Vgl. auch »Die Furcht vor dem ›Vierten Reich‹«, FAZ, 13. Dezember 1989, S. 16; Henri Froment-Meurice, »Ein starkes Deutschland, den Nachbarn verpflichtet«, FAZ, 2. Oktober 1990, S. 10. 187 »Griechische Terrorgruppe droht deutschen Firmen«, FAZ, 24. November 1990, S. 6. Vgl. auch »Brüssel und Delphi orakeln um die Wette«, Berliner Zeitung, 30. Dezember 1993, S. 8. 188 »Wenn die Geschichte zur Waffe wird«, taz, 7. November 1991, S. 10. 189 »Belgrade Whips Up Fear of Croatia«, The Times (London), 18. September 1991, S. 12. 190 »Deutschfeindliche Ausfälle Belgrader Blätter häufen sich«, Nürnberger Nachrichten, 8. Juli 1991. »In den Medien der jugoslawischen Teilrepublik Serbien häufen sich antideutsche Berichte«, Nürnberger Nachrichten, 3. August 1991, S. 2. 191 www.marxists.org/history/etol/document/icl-spartacists/periodicals/spartakist/088_ July_1991_Spartakist.pdf »Germany Denies Charges of ‘Fourth Reich‘«, Northwest Herald (Illinois), 9. Juli 1991, S. 7. 192 »When Horror Stories Are Just Another Weapon«, The Globe and Mail (Kanada), 12. August 1992. 193 www.welt.de/print-welt/article646955/Belgrad-fuerchtet-das-Vierte-Reich.html 194 »Nach dem Vierten Reich die Katastrophen-Republik«, FAZ, 13. April 1991, S. 3. 195 Martin Walker, »Overstretching Teutonia: Making the Best of the Fourth Reich«, World Policy Journal, Frühjahr 1995, S. 4. 196 Niall Ferguson, »The Golden Mirage of Helmut’s Fourth Reich«, The Sunday Times, 15. Juni 1997, S. 5. 197 Brian Reading, The Fourth Reich (London, 1995). 198 Ebd., S. 3–4. 199 Ebd., S. 237. 200 Ebd., S. X. 201 Ebd., S. 3. 202 Harold James, »Should We Fear a German Europe?«, The Times (London), Juli 1995, S. 36. Diethelm Prowe bezeichnete es als »luzide« Untersuchung, German Studies Review, Februar 1999, S. 172 f. Quentin Peel, »Smokescreen of the British Obsession«, The Financial Times, 27. Juli 1995. Vgl. auch »Viertes Reich und Europäische Union«, FAZ, 21. August 1995, S. 10. 203 Richard Bernstein, »In World Cup Surprise, Flags Fly with German Pride«, The New York

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Anmerkungen Times, 18. Juni 2006, S. 3. Roger Cohen, »Germany and the Cup: A Liberating Normality«, The New York Times, 17. Juni 2006, S. 2. 204 Unter Schröder kürzte Deutschland die Reallöhne und Renten, um seine Wirtschaft wettbewerbsfähiger zu machen. Die Arbeitnehmer waren hiervon erheblich betroffen, doch blieb die Inflation in Deutschland niedrig, während die Preise in Griechenland, Spanien, Portugal und Italien kräftig stiegen. Waren aus Deutschland hatten damit einen Wettbewerbsvorteil gegenüber teureren Waren der GIPSI-Länder, was den großen deutschen Handelsüberschuss noch steigerte. Mark Blyth, »A Pain in the Athens: Why Greece Isn’t to Blame for the Crisis«, Foreign Affairs, 7. Juli 2015, www.foreignaffairs.com/articles/ greece/2015-07-07/pain-athens; Eduardo Porter, »Germans Forget Postwar History Lesson on Debt Relief in Greece Crisis«, The New York Times, 8. Juli 2015, S. B1. 205 »For Germany’s Angela Merkel Storm and Stress in Greece«, The Globe and Mail (Kanada), 10. Oktober 2012. 206 Einige Demonstranten fügten ein Hakenkreuz in die zwölf Sterne der Flagge ein, während andere die kleinen EU-Sterne zu einem riesigen Hakenkreuz gruppierten; www.welt.de/ politik/ausland/article13439625/Deutsche-werden-zum-Suendenbock-fuer-dieGriechen.html. 207 »77 Prozent der Griechen glauben: Deutschland will das Vierte Reich«, Deutsche Mittelstands Nachrichten, 23. Februar 2012. 208 Michael Martens, »Widerstand gegen das Vierte Reich«, FAZ, 20. März 2012. 209 Dikos Dimou, »The Bailout Crisis: Why Greece Is Content to Put the Blame on Germany«, The Observer, 26. März 2015. 210 Michael Martens, »Widerstand gegen das Vierte Reich«, FAZ, 20. März 2012. 211 Eduardo Porter, »Germans Forget Postwar History Lesson on Debt Relief in Greece Crisis«, The New York Times, 8. Juli 2015, S. B1. Vgl. auch Peter Casey, »Dig Deep to Find the Real Meaning of Debt Forgiveness«, Sunday Independent, 8. Februar 2015, S. 7. 212 »Greek Lawmaker Compares Debt Crisis to Holocaust«, The New York Times, 24. Juni 2015; »Berlin Faces Austerity Challenge in Brussels«, Spiegel online, 10. Februar 2015; »Tsipras Raises War Reparations Claim at Berlin Press Conference with Merkel«, Guardian, 23. März 2015. 213 »Italy’s Monti Takes Gloves Off in Euro Fight«, The Times & Transcript (New Brunswick), 9. August 2012. 214 »Von Hitler-Merkel bis Terminator«, Süddeutsche Zeitung, 20. März 2015. 215 www.ilgiornale.it/news/quarto-reich-827668.html. »Antideutsche Stimmung in Italien«, FAZ, 7. August 2012, S. 11. 216 »What Some Europeans See When They Look at Germany«, Der Spiegel International, 23. März 2015; www.spiegel.de/international/germany/germanpower-in-the-age-of-theeuro-crisis-a-1024714.html; »Italienische Zeitung zeigt Merkel mit Hitler-Bart«, Die Welt, 8. August 2011; www.welt.de/politik/ausland/article13532791/Italienische-Zeitung-zeigtMerkel-mit-Hitler-Bart.html. 217 Simon Heffer, »Rise of the Fourth Reich«, Daily Mail (London), 17. August 2011; www. dailymail.co.uk/news/article-2026840/European-debt-summit-Germanyusing-financialcrisis-conquer-Europe.html. 218 Ebd. 219 Frederick Forsyth, »New Deal Is a Charter for the Fourth Reich«, Sunday Independent, 24. Juli 2011. 220 Richard Littlejohn, »Springtime for Merkel!«, Daily Mail (London), 18. November 2011. 221 »Wir überleben auch noch das Vierte Reich«, FAZ, 12. September 2008, S. 1. 222 »Tales from the Coffee Shop«, Cyprus Mail, 13. Januar 2013.

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Schlussbetrachtung 223 www.wsws.org/en/articles/2016/07/01/unio-j01.html. 224 »Russian TV talk show predicts cold war«, BBC Worldwide Monitoring, 11. Dezember 2014; www.pravdareport.com/opinion/columnists/08–06-2016/134656-russia_fourth_ reich-0/; http://novorossia.today/150391–2/. Novorussia Today griff Merkels »Viertes Reich« wegen der Kritik ihrer Regierung an »Fake News« an; http://europe.newsweek.com/ max-keiser-interview-britain-epicentrefinancial-fraud-327254: die beliebte RT-Show The Keiser Report von Moderator Max Keiser über die Entwicklung Deutschlands zum »Vierten Reich«. 225 Catherine MacMillan, »The Return of the Reich? A Gothic Tale of Germany and the Eurozone Crisis«, Journal of Contemporary European Studies, 1, 2014, S. 31–35. 226 »Über den Merkiavellismus«, FAZ, 17. Januar 2013, S. 25. »Ulrich Beck im Gespräch«, Goethe Institut, April 2013; www.goethe.de/ins/gr/de/kul/mag/20572701.html. 227 Karlheinz Weißmann, »Der hässliche Deutsche«, Junge Freiheit, 17. Februar 2012. 228 Dirk Schümer, »Eine Welle von Deutschenhass rollt durch Europa«, Die Welt, 19. Juli 2015. Vgl. auch Thomas Steinfeld, »Der Zorn des Südens auf das ›Vierte Reich‹«, Süddeutsche Zeitung, 15. Dezember 2014. 229 Michael Martens, »Und willst du nicht mein Bruder sein«, FAZ, 28. Juli 2013, S. 5. 230 Frank Vollmer, »Italiens Zorn auf Deutschland«, Rheinische Post, 10. März 2015. 231 Konrad Putzler, »Das vierte Reich – Deutschland erobert Europa«, Die Welt, 19. August 2011; www.welt.de/politik/ausland/article13554379/Das-vierte-Reich-Deutschland-erobertEuropa.html. 232 Harald Martenstein, »Über Deutschlands Image«, ZEIT-Magazin, 6. August 2015, S. 10. 233 »Kritik an ›Spiegel‹-Cover mit Merkel und Nazis«, Die Welt, 22. März 2015. 234 Dominic Lawson, »Cease Fire! Merkel Isn’t Building a Fourth Reich«, The Sunday Times, 13. November 2011, S. 24. 235 Richard Evans, »The Shackles of the Past«, The New Statesman, 21. November 2011, S. 24. 236 Martin Ivens, »It’s ›Never Again‹ That Made This Euro Mess«, The Sunday Times, 20. November 2011. 237 Derek Scally, »Language of ›Perpetrator‹ and ›Victim‹ Fuels EU Crisis«, The Irish Times, 18. Juli 2015, S. 13. 238 Fareed Zakaria, »Germany’s Road to Redemption«, The Washington Post, 10. September 2015.

Schlussbetrachtung 1 Leonard Pitts, Jr., »Mr. President«, The Miami Herald, 14. Februar 2017. 2 »Welcome to the Fourth Reich«, Democracy Now, 6. Dezember 2016; www.democracynow.org/2016/12/6/welcome_to_the_fourth_reich_legendary. 3 Stacey Patton, »How Donald Trump Is Building a Fourth Reich«, Dame, 21. November 2016; www.damemagazine.com/2016/11/21/how-donald-trump-buildingfourth-reich. 4 Mike Rivage-Seul, »›Fourth Reich‹ Is Coming to Incinerate the Planet«, Lexington Herald-Leader, 25. Dezember 2016. Jacob Rubashkin, »Trump’s Fourth Reich«, The Cornell Daily Sun, 23. November 2015; https://issuu.com/cornellsun/docs/11–24-15_entire_issue_hi_res_3637854916e22c; »Sieg Heil«, The Collegian, 22. Februar 2016; http://collegian.csufresno.edu/2016/02/22/donald-trump-is-going-to-get-us-allkilled/. 5 Vgl. https://twitter.com/JennyTwist1/status/840128399477620736 und https://twitter. com/search?q=%22fourth%20reich%22&src=typd; vgl. http://fightfascism.tumblr.com/;

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Anmerkungen www.pinterest.com/cbest55/trump-the-fourth-reich/?lp=true; www.reddit.com/r/Enough TrumpSpam/comments/5cvgv1/america_2016_the_dawn_of_the_fourth_reich/; www.red dit.com/duplicates/4r8qa7/welcome_to_donald_trumps_nascent_fourth_reich/. 6 http://abcnews.go.com/US/anonymous-claims-hack-donald-trump/story?id=37730049; www.maciverinstitute.com/2016/12/protesters-fail-to-derail-trumpelection-at-wisconsin-electoral-college/. 7 Warren Blumenfeld, »The Fourth Estate as Antidote for the Fourth Reich«, The Good Men Project, 18. November 2017; https://goodmenproject.com/featuredcontent/the-fourth-estate-as-antidote-for-the-fourth-reich-wcz/. 8 https://medium.com/return-of-the-reich. 9 Zu ihnen gehören Frank Gaffney, der Präsident des Center for Security Policy, Pamela Geller von Atlas Shrugs und Robert Spencer von Jihad Watch. 10 Bernard Goldberg, »The New Party of No«, Rapid City Journal, 15. Februar 2017; http:// rapidcityjournal.com/news/opinion/columnists/national/goldberg-the-newparty-of-no/ article_00566bff-8424-5204-bf41-fe3353654b16.html. 11 William McGurn, »Who’s ›Normalizing‹ Donald Trump Now?«, The Wall Street Journal, 7. Februar 2017, S. A13. 12 Ann Coulter, »Pundits and the Fourth Reich«, The St. Augustine Recorder, 13. März 2016; http://staugustine.com/opinions/2016-03-13/ann-cokulter-pundits-andfourth-reich. 13 Christine Flowers, »Hitler References to Trump Are Lazy, Offensive«, The Winona Daily News, 9. Februar 2017; www.winonadailynews.com/news/opinion/columnists/other/christine-flowers-hitler-references-to-trump-are-lazy-offensive/article_53281f28-36da-541e9f81-577804fbbe08.html. 14 »Racist, Anti-Semitic signs Placed at Dumfries Church«, Fox 5 News, 28. August 2017; www.fox5dc.com/news/local-news/racist-anti-semitic-signs-placed-atdumfries-church. 15 www.usatoday.com/story/news/nation-now/2017/05/22/what-alt-reich-nationfacebook-group-fbi-investigating-possible-hate-crime-university-maryland/335961001/. 16 »Florida Nazi Leader Gets Five Years for Having Explosive Material«, NBC News, 9. Januar 2018; www.nbcnews.com/news/us-news/florida-neo-nazi-leader-gets-5-years-havingexplosive-material-n836246. 17 www.stormfront.org/forum/t951387/; www.stormfront.org/forum/t923534/. Vgl. https:// angrywhitemen.org/2016/02/16/stormfront-users-predict-that-donaldtrump-will-usherin-the-fourth-reich/. 18 Kimi Yoshino, »Fresh Muslim-Jewish Discord on Campus«, The Los Angeles Times, 12. Mai 2006, S. B3. Vgl. auch »Sabiqun and Anti-Semitism on Campus«; http://archive.adl.org/ main_anti_israel/sabiqun_anti-semitism250d.html. 19 »Remembrance Day – A Delusional Escape to a Time When Fascists Were the Enemy«, Canadian Arab News, 9. November 2006. 20 Robert Horenstein, »The Ultimate Abuse«, The Jerusalem Post, 16. März 2009, S. 46. Sherri Muzher, »Turning the Palestinian Cause into Medusa«, The Arab American News, 27. September 2008, S. 13: »Israel is now the Fourth Reich.« 21 Dies galt für den Song »Hungry« (2013) von Doc Jazz; www.docjazz.com/damnedfourthreich/, https://twitter.com/moderate_rabble/status/777324354216624128 und https:// twitter.com/communicipalist/status/772719520477765633 Vgl. den 2017.3 Verweis auf Mondoweiss auf »die Verbrennung palästinensischer Zivilisten mit illegalem weißen Phosphor durch Das Vierte Reich«; http://mondoweiss.net/2012/04/englisheffort-to-boycott-israeli-theater-is-likened-to-nazi-book-burning/. 22 Marc Perelman, »False Report Triggers Rush of Iranian-Nazi Comparisons«, The Forward, 26. Mai 2006, S. 1.

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Nachwort 23 Mathew Wagner, »Jesus’s Zionists«, The Jerusalem Post, 1. Mai 2009, S. 14. 24 »A Grotesque Love of Propaganda«, Daily Mail (London), 21. März 2015. 25 www.pravdareport.com/opinion/columnists/01-04-2015/130153-boys_from_brussels0/#sthash.hvQ8xDh6.dpuf. 26 www.strategic-culture.org/news/2014/06/19/a-fourth-reich-is-already-underconstruc tion-in-ukraine.html. 27 »USA Creates Fourth Reich to Destroy Russia«, Pravda Report, 9. Februar 2015; www. pravdareport.com/world/americas/09-02-2015/129738-0/ 28 www.express.co.uk/news/world/841539/EU-news-European-Union-fourth-reich-Germany-communism-Poland; www.sueddeutsche.de/politik/ungarn-wer-hatangst-vor-demfremden-mann-1.3088398. 29 Adam Lebor, The Budapest Protocol (London, 2011). 30 Cotton Levi Grove, 4th Reich of Antarctica: Secrets of South America (2012), Patrick Parker, Treasures of the Fourth Reich: A Novel of Suspense (2012), und Gary Compton, The Fourth Reich – Head of the Snake (2016). 31 http://dc.wikia.com/wiki/Fourth_Reich. 32 Vgl. Gavriel D. Rosenfeld, Hi Hitler! How the Nazi Past Is Being Normalized in Contemporary Culture (Cambridge, UK, 2015), S. 198–203. 33 www.salon.com/2017/02/04/the-end-of-the-world-as-we-know-it-the-donaldtrumpwhite-house-is-set-to-destroy-decades-of-u-s-foreign-policy/. 1998 veröffentlichte Rage Against the Machine den Song »No Shelter« mit der Textzeile: »Cinema, simulated life, ill drama; Fourth Reich Culture – Americana«; www.azlyrics.com/lyrics/rageagainstthemachine/noshelter.html.

Nachwort Ich finde, ein Nachwort sollte eigentlich keine Anmerkungen haben. Der guten Ordnung und der Vollständigkeit halber hier aber doch der Nachweis der Zitate: Den Aphorismus »Nirgendwo wird mehr gelogen als in Memoiren« habe ich selbst zwei, drei Mal verwendet; er ist aber nicht von mir und ich weiß leider nicht, wer das ursprünglich gesagt hat. Alexander Demandts Formulierung »Ungeschehene Geschichte« in: ders.: Ungeschehene Geschichte. Ein Traktat über die Frage »Was wäre geschehen, wenn ...?«, 3. Aufl. Göttingen 2001. »Für den Historiker ist ein Irrtum nicht bloß ein Fremdkörper …«: Das Zitate Marc Blochs in: ders.: Réflexions d’un historien sur les fausses nouvelles de la guerre, in: ders.: Mélanges historiques. Bd. 1, Paris 1963, S. 43. Zitate »Hans im Bild« (Hans Zehrer) in: Bild v. 8.8.1952, S. 2. Auswertung der »Hans-im-Bild«Kolumnen mittels des Digas-Archivsystems der AS SE.

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Abbildungsnachweis akg-images: S. 55 (akg / TT News Agency / SVT), 80 (akg / picture-alliance / Peter Stein), 98 (akg / Sammlung Berliner Verlag / Archiv), 113 (akg / Album / Rko), 122 (akg / Bildarchiv Pisarek), 125 (akg / Erich Lessing), 151 (akg / picture-alliance / dpa), 175, 208 (akg / picturealliance / dpa), 217 (akg / Universal Images Group / Universal History Archive), 233 (akg / Imagno / Barbara Pflaum), 235, 241 (akg / Heritage-Images / Keystone Archives), 258 (akg / Album / 20th Century Fox), 277 (akg / Album / 20th Century Fox), 311 (akg / Ingo Barth); alamy: S. 252; Bundesarchiv: S. 145; Landesarchiv Baden-Württemberg (Abt. Staatsarchiv Freiburg): S. 39; picture-alliance / dpa: S. 195, 297 (picture-alliance / ZB), 300 (picture-alliance / dpa); Universitätsbibliothek Utrecht: S. 43; wbg-Archiv: S. 46, 49, 67, 116, 137, 166: Whitney Museum of American Art, New York: S. 219; Wikimedia Commons: S. 85, 105 (Wikimedia Commons / Archives du département du Rhône et de la métropole de Lyon), 143, 169, 199 (Harvey Georges/AP), 222, 250, 254, 309, 317

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Register Achenbach, Ernst  154–155, 382, 384 Adenauer, Konrad  16, 23, 126, 133–134, 143, 148–149, 151, 156, 158–161, 164–188, 192, 197, 201, 203, 209, 240–243, 249, 294, 386, 388, 390, 392, 394 Afroamerikaner  27, 206, 216, 286, 335, 337, 343 Akte Odessa  27, 251–252, 259–260, 262, 265, 270–271, 274–275, 278–280, 329 Allen, Charles  199–200 Alt-Right-Bewegung 13 American Nazi Party (ANP)  214–215, 234, 247, 343 Andreas-Friedrich, Ruth  59–60, 364 Antisemitismus  7–8, 35–36, 52, 115, 140, 142, 153, 155, 185, 191, 194–197, 202, 204–205, 214–215, 231, 239, 247, 281, 295, 311–313, 362 Apocalypse Watch  318, 320–321, 418 Argentinien  64, 120, 191, 228, 230–232, 234, 237–239, 241–242, 251, 257, 287, 339, 341, 400–403 Axmann, Artur  28, 85, 97–98, 101, 105, 152, 153 Axmann Agenda, The  253, 261, 271 Baldwin, James  27, 218, 223, 398 Barbie, Klaus  105–107, 110, 177, 373–374 Benford, Timothy B.  257, 269, 407 Berlin Express  118–120, 375 Berlusconi, Silvio  328 Bernhard, Georg  31, 48–50 Best, Werner  155, 382 Biddiscombe, Perry  83, 92, 96, 110, 367–368 Black Front  54, 128 Black Panthers  221, 223, 398 Bormann, Martin  85, 97, 104, 152, 229–230, 232–236, 238, 250, 255–257, 261–262, 271, 319, 401, 406 Bormann Receipt, The  250, 259, 264, 278 Boys from Brazil, The   27, 257–258, 260–261, 265, 270–271, 274–275, 278, 281, 338 Brandt, Willy  183, 213, 246, 250, 293 Brown, H. Rap  27, 216–217 Bruderschaft  142, 152 Brussell, Mae  220–221 Buch Daniel  41–43 Budapest Protocol, The  339 Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE)  139, 146–147, 154, 156, 160, 162, 180, 378, 384, 386–387 Bundestag(swahl)  126–127, 138, 154, 156, 159, 176, 182–183, 192, 212–213, 240, 315, 386, 391 Bürgerrechtsbewegung (USA)  29, 213–215, 218, 226, 343, 399

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Register Canceled Accounts  249, 259–262, 264, 271 Captain America  27, 255, 405 Captain Britain  255, 266 CBS Radio Mystery Theater 257 Chamberlin, William Henry  192, 202–203 Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU)  76, 124, 147–148, 154, 158–160, 168, 179, 182–185, 187, 192, 209–210, 213, 285, 289, 386 CIA (Central Intelligence Agency)  220, 253, 267–268, 273, 279 Clark, Delbert  136 Clay, Lucius  127, 171 Comics  11, 27, 228, 244, 247, 253–255, 266, 270, 287, 335, 339, 344, 405, 411 Cornered  120 Counterblast  117–118, 120 Counter Intelligence Corps (CIC)  106, 108–110, 129, 261, 264, 373–374 Court of Honor  255, 261, 263, 279, 281 Craig, William  249–250 Croesus Conspiracy, The  253, 265–267, 269, 275, 279 Day after Tomorrow, The  319–321 Debray, Régis  27, 218 Delmer, Sefton  77, 136, 147, 157, 164, 237 Der Weg  231, 239–241, 341 Deuel, Wallace  63, 66 Deutsche Demokratische Republik (DDR)  74, 83, 123, 137, 148, 165, 183, 193, 201–202, 276, 289, 291, 301 Deutsche Gemeinschaft (DG)  139 Deutsche Konservative Partei – Deutsche Rechtspartei (DKP-DRP)  127, 139, 141 Deutsche Partei (DP)  139–140, 147–148, 154, 156, 159, 162, 181, 384 Deutsche Reichspartei (DRP)  139–140, 147, 156, 159–160, 195, 207, 211, 239, 384, 395 Deutsche Revolution  141, 341, 373 Deutscher Block (DB)  127 Deutsches Kolleg (DK)  23, 285, 302, 306–307, 309–310, 312–315, 317, 341, 415 Dönitz, Karl  75–76, 90, 144, 298–299, 414 Donovan, William  66, 110 Dorls, Fritz  141, 143, 146, 207, 379, 382 Dornberg, John  198, 201, 231 Dritter Weltkrieg  90–91 Drittes Reich  11–12, 25, 31–41, 44, 47–49, 58–61, 63, 76, 81–82, 91, 93, 99, 108, 117, 121, 123, 133–135, 144–145, 147, 153, 160–162, 168–169, 185, 192–194, 197–198, 200–201, 203, 207, 217–218, 222, 226, 228, 242, 244, 264, 271–272, 286, 290, 310, 325, 329, 338, 358–360, 376, 383, 388–389, 392–394, 396, 398 Duke, Madelaine  250, 264, 406 Eckart, Dietrich  36, 358 Eichmann, Adolf  27, 177, 191, 198, 231–232, 234, 239–243, 245, 276, 282, 341, 403 Eisele, Hans  231, 400 Eisenhower, Dwight D.  88, 161, 193, 204–205, 370 Ellersiek, Kurt  105–107

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Register Emsen, Kurt van  44–47, 361 End of the Fourth Reich, The  249, 262 Entnazifizierung  68, 75, 90, 103–104, 106–107, 109, 127, 135, 138, 140, 142, 146, 152, 155, 159, 168, 170, 185, 211, 238, 247, 376, 386–387 Erdstein, Erich  234, 236–237, 271–272, 401–402 Europäische Union (EU)  6, 21, 77, 284–285, 322–323, 325–327, 330–331, 333, 335, 338–339, 344, 420 Evans, Richard  14, 332 Fadiman Jr., Edwin  257, 267–268, 407 Farago, Ladislas  234–236, 238, 271, 401, 407 Feltri, Vittorio  329, 331, 333 Finanzkrise 2008  30, 285, 322, 326, 329, 333, 338 finest hour  268, 273, 406 First Sacrifice, The  318, 320–321, 418 Flesh Feast  256, 261, 263 Folsom, Allan  319–321, 418 Forsyth, Frederick  27, 251–252, 264, 270–271, 274, 278, 280, 329 Fourth Reich, The  251, 260, 263, 274, 279 Frankreich  34, 94–95, 122, 126, 154, 157, 293, 324–326, 361, 376 Frei, Norbert  170, 173 Freie Demokratische Partei (FDP)  127, 138, 154–156, 158–159, 162, 173, 181, 184, 209, 213, 341, 382–384 Friedrich II.  303–304 Fritsch, Eberhard  239–242, 403 Frozen Dead, The  249, 263 Fünftes Reich  80–82, 367 Gardner, John  256, 268, 270, 274, 406 Garrison, Jim  220, 398 Gauleiter-Kreis/-Verschwörung  23, 29, 150–152, 156, 158, 341 Gaulle, Charles de  126, 218 Gaupp, Friedrich  78–79 Gericke, Bernhard  104, 106–107 Gifford, Thomas  253, 269, 318, 320–321 Gilda  120 Globke, Hans  164, 194, 197, 200 Goebbels, Joseph  37, 58, 64, 85–87, 89, 151, 160, 266, 363, 379 Göring, Hermann  57–58, 256, 363 Goering Testament, The  256, 266 Greatest American Hero  253, 270 Greene, Harris  249, 262, 264, 271 Griechenland  27, 30, 41, 42, 224, 323, 326–329, 331, 343, 420 Habe, Hans  161 Hale, Martin  251, 260, 263 Hall, Adam  251, 274, 276–277 Hartrich, Edwin  288

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Register Hedler, Wolfgang  139–140, 378 Heiliges Römisches Reich  33–34, 36, 42, 46–48, 56, 301, 305, 325, 360 Heimhardt, Hermann  132–133, 144, 380 Heusinger, Adolf  199–200 Higgins, Jack  255, 268, 270–271, 319–321, 405–406 Himmler, Heinrich  64, 84–85, 90 Hirsch, Kurt  210, 212 Hitler, Adolf  10, 22, 31–32, 36–40, 44–47, 50–58, 60, 63–66, 68–70, 75, 77–78, 81, 85–86, 88, 90, 97, 106, 109, 121, 129, 136, 138, 140–142, 144, 147–148, 151–153, 157, 159, 161, 163–164, 181, 184, 194, 196, 198, 200, 211–212, 219–220, 223, 228–230, 235, 244, 246, 248–249, 251, 256–258, 260–261, 265–269, 272, 275–276, 279, 281, 287–288, 290, 310, 319, 329, 332–333, 336 Hitlerjugend (HJ)  23, 40, 97–99, 104, 107, 127, 152, 185, 214, 296, 302, 341 Hitler-Welle  245–246, 300 Holcroft-Vertrag, Der  27, 228, 253–254, 265, 267–268, 270, 272, 274–275, 278–279, 281, 318 Holocaust  18, 75, 140, 142, 185, 207, 233, 240–241, 243, 245, 249, 255, 262, 265, 267, 290, 307, 313, 328, 338 Holocaust-Leugnung  240–241, 247, 297, 305, 311, 313, 315, 382, 416 Horne, Alistair  164 Hour of the Assassins  253, 265, 267–268, 272 Hunter, Jack  256, 264, 278, 406 Irak  84, 91, 93–94, 96, 231, 370 Iron Sky  27, 339 Jackson, Jesse  286 Joachim von Fiore  33, 36 Johnson, Lyndon B.  219, 223, 283 Juden  36, 41–42, 50–53, 55, 57, 61, 65, 71, 86, 141, 154, 191, 194–196, 202, 204–207, 214, 216, 218, 223, 239–240, 243, 260, 267, 295, 307, 326, 340, 361–362, 364, 378, 394, 396 Jugoslawienkriege  20, 323–324 Kabus, Siegfried  103–104 Kaiser, Jakob  124, 187 Kaiserreich  33, 35–36, 127 Kalter Krieg  20, 74, 119, 121, 123, 136, 138, 155, 181, 184, 187, 202, 206, 208, 223, 232, 238, 246–247, 282, 318 Kaplan, Andrew  253, 268, 407 Kennedy, John F.  220, 223, 226 Kiesinger, Kurt Georg  209, 211–212, 396 King Jr., Martin Luther  213–214, 221, 287 Kirkpatrick, Ivone  156, 172, 276 Klemperer, Victor  59, 122–123 Koch-Weser, Erich  77 Kohl, Helmut  285, 289, 293, 324–325, 342 Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)  76, 140 kontrafaktische Geschichte  6, 18–19 Kraft, Waldemar  164, 180

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Register Kühnen, Michael  296–297, 299–302, 304, 310, 316, 341, 404, 414–415 Kunstler, William  218 Lebor, Adam  339 Leers, Johann von  153, 231, 239, 298, 400, 403 Leipelt, Hans  60 Lessner, Erwin  10–11, 66–67, 70–71, 365 Levin, Ira  27, 257–258, 265, 270–271, 274, 281, 338 lingua quarti imperii (LQI)  122–123 Long, Wellington  211 Löwenstein, Hubertus zu  47–48, 56, 211 Lübbe, Hermann  170–171, 174, 387 Ludendorff, Erich  37–38 Ludlum, Robert  27, 228, 253–254, 268, 270–271, 278–279, 281–282, 318–321, 407 Mahler, Horst  306, 310–316, 341, 416–417 Man from U.N.C.L.E., The  251, 256, 261, 263, 270, 278–279 Mann, Heinrich  48, 62–63 Mann, Thomas  63, 137 Mannix  253, 270 McCloy, John  148–149 Meade, Glenn  319–320 Meenen, Uwe  306–307, 312–314, 317 Melchior, Ib  257, 264, 319 Mengele, Josef  232, 234, 236, 257, 258, 260–261, 265, 272 Merkel, Angela  6, 285, 317, 326–332 Meskil, Paul  200 Middelhauve, Friedrich  154, 384 Middleton, Drew  89, 135, 147, 192 Mission Impossible  27, 249, 251, 263, 270 Mitelberg, Louis  165–167 Moeller van den Bruck, Arthur  36–38, 44–45, 48, 56 Montagu, Ivor  211 Mossad  191, 232, 262, 264, 401 Muhlen, Norbert  162–163, 202–203 Muller, Robert  256, 264, 275–276 Nationaldemokratische Partei (NDP)  127, 139 Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD)  23, 29, 190–191, 207–213, 215, 226, 234, 246, 262–262, 275–276, 282, 285, 289, 295, 297, 299, 307, 313–315, 317, 341, 357, 396, 414, 416 Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP)  36–38, 45, 54–55, 57, 59, 64, 81, 91, 93, 97, 99, 127, 135, 139–142, 144, 146, 148, 151–152, 154, 164, 177–179, 185, 209–210, 299–301, 362 NATO  189, 199–200, 208, 212, 250, 323, 339, 377, 389, 413 Naumann, Werner  23, 85, 97, 150–160, 163–164, 167, 172–173, 177, 180–181, 189, 231, 341–342, 382–384, 387–388 Neonazis  23, 83, 139–140, 149, 157, 159, 161–162, 171, 181, 185, 192, 196, 198, 202–205, 207,

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Register 210, 212, 228, 231, 238, 247, 249, 251, 253, 257, 259, 264, 266, 275–277, 280, 284–285, 289, 294–296, 299–300, 302, 313, 316, 318–320, 333, 335, 337, 341–342, 383, 404, 413–414 neue Linke  207, 209, 311 neue Rechte  23, 168, 296–297, 306, 311, 318, 341 New Avengers, The  257, 261, 270 Night Conspirators, The  256, 264, 276 Nixon, Richard  29, 214, 218–220, 246, 269, 283, 286, 343 No Earth for Foxes  249, 260–263 Norden, Albert  201, 385, 394 Notorious (Berüchtigt) 120 Nürnberger Prozesse  57, 78, 103, 154–155, 233 O’Brien, Conor Cruise  284, 290, 292–294, 413 O’Brine, Manning  249, 263, 406 Oberländer, Theodor  164, 194, 197, 200, 394 Oberlercher, Reinhold  306–313, 341, 415–417 ODESSA (Organisation der ehemaligen SS-Angehörigen)  233, 237–238, 249, 253, 259, 262, 264–265, 267 Operation Nursery  97–99, 102, 108, 130, 264, 341 Operation Selection Board  97, 104–105, 109–111, 117, 130, 141, 158, 341 Operation Terminus  151, 156, 158, 342 Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (Pegida)  317, 341 Patterson, Harry  248, 255, 404 Perón, Juan  230, 238, 403 Pettit, Mike  253, 271 Phantom Victory  10, 66–67, 70–71, 366 Prittie, Terence  202–203, 387, 395 Prützmann, Hans-Adolf  84–85, 90 Putin, Wladimir  334, 336, 338 Quiller-Memorandum, Das  251, 259–260, 263, 270, 274, 276–279 Ray, David  249 Reading, Brian  325 Reagan, Ronald  282, 286, 289 Red Skull  254–255, 266, 405 Reed, Douglas  54–55, 362 Reichsbürger(bewegung)  23, 284–285, 314–317, 341, 417–418 Reichswehr 58 Remer, Otto Ernst  141–145, 147, 149, 163, 172, 180, 207, 379, 381–382 Renazifizierung  23, 100, 123, 132–138, 150, 157, 160–162, 165, 167, 188–190, 192, 194, 197, 201–202, 377–378 Republikaner  289, 295, 314–315, 411 Ribbentrop, Joachim von  64, 212 Richter, Franz (Fritz Rößler)  140–141, 144, 231, 400 Riess, Curt  64–65, 365 Rjndt, Philippe van  257

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Register Rockwell, George Lincoln  214–215, 234, 247, 404 Roeder, Manfred  23, 296–299, 301, 310, 316, 341, 404, 414 Röhm, Ernst  38, 57, 300 Roosevelt, Franklin D.  52, 88, 370 Rote Armee Fraktion (RAF)  247, 291, 306 Rudel, Hans-Ulrich  145, 153, 159, 231, 240 Russell, Lord  164, 211 Saña, Heleno  291–293 Sander, Hans-Dietrich  23, 302–306, 308, 310, 313, 316, 415 Sangiuliano, Gennaro  329, 331, 333 Sassen, Willem  240–241 Schacht, Hjalmar  103, 153, 363 Schmid, Carlo  124–125 Schmidt, Helmut  16 Schmierwelle  23, 27, 29, 190–191, 194–198, 201–202, 204–206, 211, 226, 245, 276, 282, 343, 394 Schröder, Gerhard  285, 327, 420 Schumacher, Kurt  175–176, 182–188, 392 Schutzstaffel (SS)  23, 29, 40, 56, 69, 84–85, 87, 91, 97, 103–107, 110, 127, 141–143, 151–153, 155, 164–165, 177, 184–185, 194–195, 229, 233, 237, 240–241, 251–253, 255–256, 258, 260–262, 279, 339, 374, 389 Schwarz, Hans-Peter  21, 184, 356 Schwarze Front  54–56, 128 Search for the Evil One, The  257, 261, 279 Seebohm, Hans-Christoph  124–126, 164, 194, 376 Shirer, William L.  136, 197–198, 201 Skorzeny, Otto  85, 153, 231, 234 Sleeper Agent  256, 260–262, 264 Snowbound  115–118, 120 Society for the Prevention of World War III  70, 135–136, 139, 157, 198, 201, 212, 230–231, 407 Sonderweg  17, 213, 325 Sowjetunion  75, 110, 121, 123, 126, 147, 149, 179, 184, 187, 206, 230, 232, 251, 289–290, 306, 323 Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)  38–39, 48–49, 124–125, 129, 148, 158, 175– 176, 179, 181–187, 197, 209, 213, 285, 289, 291, 359, 381, 392, 402 Sozialistische Reichspartei (SRP)  23, 29, 132–133, 141–150, 152–153, 157, 159–160, 162, 164, 167, 172–173, 177, 179–181, 189, 207, 209–211, 231, 239, 298, 341–342, 356, 372, 380–382, 388, 395 Staatsbriefe  23, 302–304, 306–308, 311, 341, 415 Stalin, Josef  18, 94, 123, 186–187, 370 Stanford, Max  190–191, 216, 398 Stangl, Franz  231–232, 234, 236, 400 Stein, Ben  253, 269 Sternberger, Dolf  80–82 Stevenson, William  234–237 Stranger, The  113–116, 118, 120, 140, 375

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Register Strasbourg Legacy, The  249–250, 260–261, 274, 279 Strasser, Gregor  54, 359 Strasser, Otto  37, 54–57, 128–130, 141, 362–363, 376 Südafrika  27, 286, 338, 343 Synagogen  7–8, 195–196, 203–205, 215, 413 Taylor, Geoff  255, 263 Taylor, Robert S.  110, 374 Testament of Caspar Schultz, The  248, 265–266, 268 Tetens, T. H.  160–162, 198, 200–201, 231, 385 Thadden, Adolf von  127, 207–208, 210–211, 396 They Saved Hitler’s Brain  256, 261, 405 Thunder Point  319, 321, 418 Tin Cravat, The  256, 261, 264 Trevor-Roper, Hugh  11, 112, 150, 294 Trial of Adolf Hitler, The  257, 275 Trump, Donald  7, 13, 21, 27, 334–337 Tsipras, Alexis  328, 331 Unternehmen Brandenburg  319, 321 Valhalla Exchange, The  255, 262, 270, 279, 407 Vansittart, Robert  66, 121 Vergangenheitsbewältigung  25, 176, 357 Vietnam  27, 29, 192, 210, 213, 216, 218–219, 223, 226, 269, 273, 283, 299, 343 Voigt, Udo  314, 317 Voyage to the Bottom of the Sea  251, 270, 278 Washington Heights  50, 361 Watchdogs of Abaddon, The  257, 260–262, 264, 274–275, 278, 319 Watergate-Skandal  27, 192, 214, 219–220, 226, 268–269, 273, 283, 343 Wehrmacht  10, 23, 28–29, 59, 66, 75, 92, 104–105, 107, 135, 141–142, 146, 152–153, 165, 214, 229, 296, 332, 340, 414 Welles, Orson  113–115, 374–375 Werewolf Trace, The  256, 259, 265–266, 268, 274, 279, 281 Werwolf-Organisation  23, 28, 73, 83–96, 98, 100, 103–104, 152, 184, 203, 229, 248, 255–256, 258, 264, 341, 367, 369 Who Will Watch the Watchers?  257, 265, 267–268, 275 Wiedervereinigung  17, 21, 23, 27, 30, 186–187, 193, 232, 239, 249, 284–286, 289–291, 293–296, 299, 302, 304, 306–307, 311, 314, 316, 318, 320, 323, 325, 333–334, 341–342, 344, 392, 412 Wiesenthal, Simon  232–234, 236, 238, 243, 265, 271–272, 402 Wind Chill Factor, The  253, 265–267, 269–270, 275, 279, 318 Wirmer, Josef  309, 317 Wonder Woman  27, 257, 270 Zind, Ludwig  194, 202, 231, 400 Zitzmann, Alfred  104, 372

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