Das Verhältnis zwischen der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften und der deutschen Zivilgerichtsbarkeit [1 ed.] 9783428417735, 9783428017737


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German Pages 464 [465] Year 1967

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Das Verhältnis zwischen der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften und der deutschen Zivilgerichtsbarkeit [1 ed.]
 9783428417735, 9783428017737

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HERMANN BASSE

Das Verhältnis zwischen der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften und der deutschen Zivilgerichtsbarkeit

Schriften zum Prozessrecht

Band 10

Das Verhältnis zwischen der Gerichtsba rkeit des Gerichtshofes der Europäisch en Gemeinsch aften und der deutschen Zivilgerich tsbarkeit Von

Dr. Hermann Basse

DUNCK ER & HUMBL OT I BERLIN

Alle Rechte vorbehalten

© 1967 Duncker & Humblot, Berlin 41

Gedruckt 1967 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Frühjahr 1966 abgeschlossen. Sie ist im Dezember 1966 von der Juristischen Fakultät der LudwigMaximilians-U niversität München als Dissertation angenommen worden. Die Änderungen der europäischen Vertragswerke, die der am 1. Juli 1967 in Kraft getretene "Vertrag zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften " gebracht hat, konnten im einzelnen nicht mehr berücksichtigt werden. Sie haben aber auf die Ergebnisse dieser Arbeit keinen Einfluß. Meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. Rudolf Pohle, bin ich für die Anregung und die Förderung, die er dieser Arbeit in reichem Maße zuteil weden ließ, zu größtem Dank verpflichtet. Herrn Ministerialrat a. D. Dr. Johannes Broermann darf ich für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe der "Schriften zum Prozessrecht" vielmals danken. Meine Frau Christa Basse hat das Manuskript in Maschinenschri ft übertragen und mich auch beim Lesen der Korrekturen unterstützt. München, im September 1967 Hermann Basse

Inhaltsverzeichn is Einführung

17 Erster Teil

Die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften - insbesondere in bürgerlich-rechtlichen Streitsachen 1. Abschnitt: Die Rechtsnatur der drei europäischen Gemeinschaften (EWG, EAG und EGKS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 1

§ 2·

§ 3 § 4

19

19 19

I. Die Gründung der drei europäischen Gemeinschaften . . . . . . II. Die Rechtsnatur der europäischen Gemeinschaften . . . . . . . . III. Die Rechtsnatur des Rechts der europäischen Gemeinsch•a ften und sein Verhältnis zum nationalen Recht der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff und Rechtsnatur des Gemeinschaftsrechts . . . . . . . .

27

2. Vorrang des Gemeinschaftsrechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Anhang: Der Integrationshebel des Art. 24 Abs.1 GG . . . . . .

30 39

19 20 2'1

§ 5

1. Form, Gegenstand und Adressat der "Übertragung" i. S. des Art. 24 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 § 6 2. Bedeutung der Übertragung von Hoheitsrechten gemäß Art. 24 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 § 7 2. Abschnitt: Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften 52 § 8

3. Abschnitt: Funktionen und Rechtsnatur des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4. Abschnitt: Die Zuständigkeiten des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften in bürgerlich-rechtlichen Streitsachen . . . . . . . . . .

§ 9

§ 10 § 11 § 12

§ 13

54

57 I. Begriff der "zivilgerichtlichen" Zuständigkeiten des EuGH 57 II. Originäre "zivilgerichtliche" Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . 59 1. Amtshaftungsstreitigk eiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 a) Im Bereich von EWG und EAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 b) Im Bereich der EGKS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 2. Beamten- und arbeitsrechtliche Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . 70 a) Im Bereich von EWG und EAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 b) Im Bereich der EGKS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 III. "Zivilgerichtliche" Zuständigkeiten kraft besonderer Zuweisung . . . . . . . . . .• . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

8

Inhaltsv.enzeichnis

§ 14

1. Schiedsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

§ 15

2. Gt!setze der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

Zweiter Teil

81

Das Verhältnis des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu den deutschen Zivilgerichten im System des deutschen Prozeßrechts - eine Kompetenzfrage

81

1. Abschnitt: Einordnung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften in die deutsche Zivilgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . .

81

§ 16

I. Berührungspunkte zwischen der Gerichtsbarkeit des EuGH und der deutschen Zivilgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

§ 17

II. Rechtscharakter der Gt!richtsbarkeit des EuGH als "Sondergerichtsbarkeit" im Verhältnis zur ordentlichen deutschen Ziviljustiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 2. Abschnitt: Qualifizierung des Verhältnisses des Gerichtshofs der

§ 18

Europäischen Gemeinschaften zu den deutschen Zivilgerichten erster Instanz vom Standpunkt des deutschen Prozeßrechts aus

96

I. Ausgangspunkt und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

§ 19

II. örtliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

§ 20

111. Sachliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

§ 21

IV. Zulässigkeit des Rechtswegs ............. .. . . . .. . . . . . . .. 104

§ 22

V. Funktionelle Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

§ 23

VI. Internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 VII. Deutsche Gt!richtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

§ 24

1. Die deutsche Gerichtsbarkeit als Prozeßvoraussetzung 109 2. Wesen der Prozeßvoraussetzung "deutsche Gt!richtsbarkeit" .. .. ... . .... . . . . ..... . . ..... . . .... . . . . .. ........ .. 112

§ 25

a) Auffassungsmöglichkeiten . . . .. .... . ...... . ... ....... 112

§ 26

b) Hoheitsrecht des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

§ 27

c) "facultas iurisdictionis" bzw. Fähigkeit zur Rechtsprechung ....... . .. . ............ . ....... . ......... . 118

§ 28

d) Gerichts- oder Entscheidungsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . 123

§ 29

e) Zusammenhang mit dem Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 123

§30

f) Ergebnis: Versuch einer Umschreibung . . .. ........ 125

§ 31

3. Läßt insbesondere die staatsrechtliche Betrachtungsweise der deutschen Gerichtsbarkeit als eines Hoheitsrechts der Bundesrepublik Deutschland den Schluß zu, daß die Errichtung der ausschließlichen Gerichtsbarkeit des EuGH durch Übertragung von Hoheitsrechten gern. Art. 24 Abs. 1 GG den Mangel der "deutschen Gerichtsbarkeit" i. e. S. zur Folge hat? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

Inhaltsverzeichnis

9

4. Gleichlauf von Zuständigkeiten des EuGH und Tatbeständen fehlender deutscher Gerichtsbarkeit i. e. S. . . . . 129 § 32

a) Zuständigkeiten des EuGH und persönliche Befreiung der europäischen Gemeinschaften als solcher von der deutschen Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

§ 33

b) Zuständigkeiten des EuGH und persönliche Befreiung der Gemeinschaftsbediensteten als solcher von der deutschen Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

§ 34

c) Zuständigkeiten des EuGH und Sachentzogenheit der Hoheitsgewalt der europäischen Gemeinschaften von der deutschen Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

§ 35

VIII. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 3. Abschnitt: Behandlung der staatlichen Zuständigkeit der deut-

schen Zivilgerichte im Verhältnis zur Gerichtsbarkeit des EuGH im Prozeß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156

§ 36

I. Prozeßvoraussetzung eigener Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 II. Prüfung der staatlichen Zuständigkeit der deutschen Zivilgerichte im Verhältnis zur Gerichtsbarkeit des EuGH im Prozeß ............ . ............. . ... .............. . .... .. 157

§ 37

1. Reihenfolge der Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

§ 38

2. Art der Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 III. Einfluß des Parteiwillens auf die staatliche Zuständigkeit der deutschen Zivilgerichte im Verhältnis zur Gerichtsbarkeit des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

§ 39

1. Erweiterung der staatlichen Zuständigkeit der deutschen

Zivilgerichte im Verhältnis zur Gerichtsbarkeit des EuGH durch Vereinbarung der Parteien (Prorogation)? . . . . . . . . 163 2. Ausschließung der staatlichen Zuständigkeit der deutschen Zivilgerichte im Verhältnis zur Gerichtsbarkeit des EuGH durch Vereinbarung der Zuständigkeit des EuGH (Derogation durch Prorogation) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165

§40

a) Inhalt und Bedeutung der Schiedsklausel gern. Art. 181 EWGV/ 153 EAGV/ 42 EGKSV .......... .. ... . . . .. 165

§41

b) Ausschluß der staatlichen Zuständigkeit der deutschen Zivilgerichte im Verhältnis zur Gerichtsbarkeit des EuGH ...... . . .. ... . .. . .... ... .. .. . . ... .... . . . .. . .. . 169 IV. Perpetuatio fori .. ..... .. .. .. . . . .... . . ... ... ....... . . .. . . . 175

§ 42

1. Gilt der Grundsatz der perpetuatio fori gern. § 263 Abs. 2

§ 43

2. Anhang: Unzerstörbarkeit der Zuständigkeit des EuGH im Verhältnis zur nationalen Zivilgerichtsbarkeit ...... 179

§ 44

V. Überprüfung der staatlichen Zuständigkeit der deutschen Zivilgerichte im Verhältnis zur Gerichtsbarkeit des EuGH in den höheren Instanzen . .. . . . .. .. .. . .. . .... .. .. . .. ..... 181

Ziff. 2 ZPO auch für die staatliche Zuständi gkeit der deutschen Zivilgerichte im Verhältnis zur Gerichtsbarkeit des EuGH? ......... . . . . .. ................... . ... 175

10

Inhaltsvel"Zeichnis VI. Wirkung formell rechtskräftiger Entscheidungen der deutschen Zivilgerichte, die die Schranken der staatlichen Zuständigkeit im Verhältnis zur Gerichtsbarkeit des EuGH überschritten haben .. . ......... ...... . . ............ .. .... 183 1. Nach den drei europäischen Verträgen ... . ........... . 183

§ 45

a) Keine Nichtigkeit, sondern nur staatliche Restitutionspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183

§ 46

b) Erfüllung der staatlichen Restitutionspflicht in der nationalen Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

§ 47

2. Nach deutschem Prozeßrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189

§ 48

3. Ergebnis: Notwendigkeit der Differenzierung im Einzelfall ....... . ....... . ........... . ..................... .. 193

§ 49

VII. Schlußfolgerung . .. . .. . .. . .. . .. .. .. .. .. . .. . .. .. . . . . . . . . . . 194

Dritter Teil

195

Einzelprobleme der Abgrenzung der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften von der deutschen Zivilgerichtsbarkeit

195

1. Abschnitt: Die Behandlung von Vorfragen aus dem Bereich der anderen Gerichtsbarkei t . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 1. Ka:pitel: Vorfr agen des Gemeinschaftsrechts ...... ... . ...... 195 § 50

1. Begriff, Rechtsgrundlagen, Bedeutung und Zweck der Be-

§51

2. Vergleichbarkeit des Verfahrens der Aussetzung und Vorlage an den EuGH gern. Art. 177 EWGV/ 150 EAGV/ 41 EGKSV mit entsprechenden nationalen und internationalen Verfahren der Vorabentscheidung .. .. ......... . ..... .. ... 202 3. Exegese der Bestimmungen der Art. 177 EWGV/ 150 EAGV/ 41 EGKSV .. . ....................... . .............. ... .. 205

§52 §53

a) Exegese: Letztlich eine Aufgabe des EuGH .... . . .. .... 205 b) Die vorlageberechtigten Instanzen .. . ........ ... .. . . . . . 207

§54

c) Die zur Vorlage verpflichteten Gerichte ...... .. .. .... .. 210

schränkung der Vorfragenkompetenz der deutschen Zivilgerichte durch die drei europäischen Verträge . . . . . . . . . . . . 195

§55

d) Auslegungsfragen ... .. .... .. ... .. ... . .. . . . . . . ... .. ... . 214

§56

e) Gültigkeitsfragen .. .. .. .. . ... .. .. ..... . ..... ... ..... . .. 228

§57

f) Schranken der Pflicht bzw. des Rechts zur Vorlage von Auslegungs- und Gültigkeitsfragen an den EuGH . . . . . . 247

§58

g) Das Vorlageverfahren .. ............ .. ..... . ......... . . 259

§59

h) Wirkung der Vorabentscheidungen des EuGH . ......... 267

§ 60

2. Kapitel: Vorfragen des nationalen Rechts ....... ... ........ . . 279

Inhaltsverzeichnis

11

2. Abschnitt: Kompetenzkonflikte ................................ 291 I. Problemstellung: Die Entstehung von Kompetenzkonflikten 291 II. Lösungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 § 62 1. Kompetenz-Kompetenz des EuGH? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 § 61

§ 63

§ 64

§ 65

§ 66

§ 67 § 68

§ 69

2. Herbeiführung einer Vorabentscheidung des EuGH gern. Art. 177 EWGV/ 150 EAGV/ 41 EGKSV .................. 299 III. Lösung positiver Kompetenzkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 1. Befugnis des EuGH zur bindenden Bejahung seiner Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 2. Befugnis der deutschen Zivilgerichte zur bindenden Bejahung ihrer Zuständigkeit im Verhältnis zur Gerichtsbarkeit des EuGH? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 3. Verfahren bei Vorliegen widersprechender Kompetenzentscheidungen ................................ ......... 316 IV. Lösung negativer Kompetenzkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 1. Befugnis des EuGH zur bindenden Vemeinung seiner Zuständigkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 2. Befugnis der deutschen Zivilgerichte zur bindenden Verneinung ihrer Zuständigkeit im Verhältnis zur Gerichtsbarkeit des EuGH? ................................ .... 329 3. Verfahren bei Vorliegen widersprechender Kompetenzentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 3. Abschnitt: Verweisung von Rechtsstreitigkeiten zwischen dem

Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften und den deutschen Zivilgerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335

§ 70

§ 71 § 72

I. Gegenwärtige Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 II. Voraussetzungen einer bindenden Verweisung von Rechtsstreitigkeiten vom EuGH an die deutschen Zivilgerichte und umgekehrt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 1. Völker- und verfassungsrechtliche Voraussetzungen ...... 337 2. Prozeßrechtliche Voraussetzungen ...................... 345 4. Abschnitt: Wirkungen rechtskräftiger Entscheidungen im Bereich

der anderen Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351

I. Anerkennung rechtskräftiger Urteile des EuGH im Bereich der deutschen Zivilgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 § 73

1. Rechtskraftwirkung der Urteile des EuGH im Bereich der europäischen Gemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 2. Rechtskraftwirkung der Urteile des EuGH im innerstaatlichen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353

§ 74

a) Rechtsgrundlagen ... ... ................... ... ........ 353 b) Insbesondere: Art. 187, 192 EWGV/ 159, 164 EAGV/ 44, 92 EGKSV ................................ ........ 356

§ 75

Inhaltsv.erzeichnis

12 § 76

c) Hindernisse der Anerkennung 3o Vollstreckung 0

§77 § 78

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367 380

381 a) Entscheidungen des EuGH als Vollstreckungstitel b) Verfahren der Zwangsvollstreckung im Gebiet der 385 Bundesrepublik Deutschland II. Anerkennung rechtskräftiger Entscheidungen der deutschen 397 Zivilgerichte im Bereich der Gerichtsbarkeit des EuGH . 0

§ 79

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5. Abschnitt: Doppelprozesse über den gleichen Streitgegenstand 414 § 80

I. Zustandekommen von Doppelprozessen über den gleichen 414 Streitgegenstand . II. Wirkung der Rechtshängigkeit von Streitsachen bei dem EuGH im Bereich der deutschen Zivilgerichtsbarkeit ...... 416 0

§ 81 § 82

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§ 84



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III. Wirkung der Rechtshängigkeit von Streitsachen bei den deutschen Zivilgerichten im Bereich der Gerichtsbarkeit des o.. 426 EuGH ... . ...... ... ........ . .. o. .. oo o. oo. o.... ... 429 IV. Anhang: Entscheidungskonflikte .. .... ... 1. Doppelprozesse über denselben Streitgegenstand als Aus429 o gangspunkt 430 2o Lösungsmöglichkeiten 0

§ 83

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Literaturverzeichnis

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437

Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O Abkommen über gemeinsame Organe ABI.

Abs. AcP a .E. a.F. A.J.C.L. A.J.I.L. Amtl. Erl. Ann.Dr.Sc.pol. Anm. AO AöR ArbGG ArchVR Art. AWD BAnz. BayObLG BB Bd. BGB

BGBI. BGH(Z) BK BRD BVerfG(E) BVerfGG

anderer Ansicht am angeführten Ort Abkommen über gemeinsame Organe für die europäischen Gemeinschaften vom 25. 3. 1957, BGBI. 1957 li S. 1156 ff. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (bzw. - bis Jahrgang 1956/7 einschließlich der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl) Absatz Archiv für die civilistische Praxis am Ende alte Fassung The American Journal of Comparative Law The American Journal of International Law Amtliche Erläuterungen der deutschen Bundesregierung zu den Verträgen zur Gründung der EWG und der EAG Annales de Droit et de Seiences Politiques Anmerkung Actes Officiels du Congres international d'etudes sur la Communaute Europeenne du Charbon et de l'Acier Archiv des öffentlichen Rechts Arbeitsgerichtsgesetz vom 3. 9. 1953, BGBI. I s. 1267 ff. Archiv des Völkerrechts Artikel Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters Bundesanzeiger Bayerisches Oberstes Landesgericht, auch Entscheidungssammlung Der Betriebs-Berater Band Bürgerliches Gesetzbuch vom 18. 8. 1896, RGBI. S. 195 ff. Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof (amtliche Sammlung der Entscheidungen in Zivilsachen) Banner Kommentar Bundesrepublik Deutschland Bundesverfassungsgericht (amtliche Entscheidungssammlung) Gesetz über das Bundesverfassungsgericht vom 12. 3. 1951, BGBI. I S. 243 ff.

14

Abkürzungsverzeichnis

BVerwG(E)

= Bundesverwaltungsgericht (amtliche Entschei-

C.E.C.A.

=

C.M.L.Rev. c.proc.civ. DB D.E. D.G.V.R. DJZ DOV DR DRiZ DVBI. EA EAG EAGV EG EuGH EGKS EGKSV

Europ. Inv.-BankProtokoll EVG EVGV

=

EWG EWGV

=

F. FGG

=

FGO FW GG

GH GH-Protokoll der EGKS

=

dungssammlung) La Communaute Europeenne du Charbon et de l'Acier Common Market Law Review Code de procedure civile vom 24. 4. 1806 (Frankreich) Der Betrieb Le Droit Europeen Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht Deutsche Juristen-Zeitung Die Offentliehe Verwaltung Deutsches Recht Deutsche Richterzeitung Deutsches Verwaltungsblatt Europa-Archiv Europäische Atomgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft vom 25. 3. 1957, BGBI. 1957 II S. 1014 ff. Europäische Gemeinschaft Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. 4. 1951, BGBI. 1952 II S. 447 ff., geänd. BGBI. 1960 II S. 1573 ff. Protokoll über die Satzung der Europäischen Investitionsbank vom 25. 3. 1957, BGBI. 1957 II s. 964 ff. Europäische Verteidigungsgemeinschaft Vertrag über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft vom 27. 5. 1952, BGBI. 1954 II S. 343 ff. Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. 3. 1957, BGBI. 1957 II S. 766 ff. Fußnote(n) in dieser Arbeit Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. 5.1898, RGBI. S.189 ff. Finanzgerichtsordnung vom 6. 10. 1965, BGBI. I S.1477 Die Friedens-Warte Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. 5. 1949, BGBI. S. 1 ff. Gerichtshof Protokoll über die Satzung des Gerichtshofes (der EGKS) vom 18. 4. 1951, BGBl. 1952 II s. 482 ff.

Abkürzungsverzeichnis GH-Protokoll der EWG GH-Protokoll der EAG GVG I.C.L.Q. i.d.F. i.e.S. IPR i.S. i.V.m. i.w.S. JJb JR JuS JW JZ KSE LeipzZ. LM m.a.W. MDR MRK MSt.

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n .F. NJ NJW OLG o.p. ÖJZ ÖZöR

p. RabelsZ RAG (R)AO RdNr. Rev.crit.dr.int.priv. Rev.dr.publ. Rev.gen.dr.int.publ.

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15

Protokoll über die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 17. 4. 1957, BGB1.1957 II S. 1166 ff. Protokoll über die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Atomgemeinschaft vom 17. 4. 1957 BGBI. 1957 II S. 1194 ff. Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. 1. 1877, RGBl. S. 41 ff. The International and Comparative Law Quarterly in der Fassung im engeren Sinn Internationales Privatrecht im Sinne in Verbindung mit im weiteren Sinn Juristen-Jahrbuch Juristische Rundschau Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kölner Schriften zum Europarecht Leipziger Zeitschrift Nachschlagewerk des BGH in Zivilsachen, herausgegeben von Lindenmaier und Mähring mit anderen Worten Monatsschrift für deutsches Recht Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. 11. 1950, BGBl. 1952 II S. 685 ff. (ber. S. 953) Mitgliedstaat(en) Montanunion = Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Fußnote(n) zitierter Autoren neue Fassung bzw. neue Folge Neue Justiz Neue Juristische Waschenschrift Oberlandesgericht ordre public Osterreichische Juristen-Zeitung Osterreichische Zeitschrift für öffentliches Recht page (englisch, französisch: Seite) Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, begründet von Ernst Rabel Reichsarbeitsgericht, zugleich amtliche Entscheidungssammlung Reichsabgabenordnung vom 22. 5. 1931, RGBl. I S. 161 ff. Randnummer Revue critique de droit international prive Revue du droit public et de Ia science politique en France et a l'etranger Revue generale de droit international public

16 Rev.int.dr.comp. RG(Z) RGBl. Rs. RsprGH

RVO SBZ SC.

SJZ Urt. VerfO

vo

Vorrechte-Protokoll der EGKS Vorrechte-Protokoll der EWG Vorrechte-Protokoll der EAG

v.v. VVDStRL VwGO WuW ZaöRV ZBR ZHR Ziff. ZPO ZZP

Abkürzungsverzeichnis Revue internationale de droit compare Reichsgericht (amtliche Sammlung der Entscheidungen in Zivilsachen) Reichsgesetzblatt Rechtssache(n) vor dem EuGH Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (bzw. - bis einschließlich Band IV - des Gerichtshofs der EGKS) = Reichsversicherungsordnung i.d.F. des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes vom 30. 4. 1963, BGBl. I S . 241 ff. Sowjetische Besatzungszone scilicet Süddeutsche Juristen-Zeitung Urteil Verfahrensordnung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 3. 3. 1959, ABI. Nr. 18 vom 21. 3. 1959, S. 349 ff. (BGBl. 1959 II S.1205); geändert am 11.11.1959, ABI. Nr. 2 vom 18. 1. 1960 S. 13 ff. (BGBl. 1960 II S. 451/2) Verordnung Protokoll über die Vorrechte und Immunitäten der Gemeinschaft (EGKS) vom 18. 4. 1951, BGBl. 1952 II S. 479 ff. Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 17. 4. 1957, BGB1.1957 II S. 1182 ff. Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Atomgemeinschaft vom 17. 4. 1957, BGBl. 1957 II S. 1212 ff. Versailler Vertrag vom 28. 6. 1919, RGBl. 1919 II S. 687 ff. Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung vom 21. 1. 1960, BGBl, I S.17 ff. Wirtschaft und Wettbewerb Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift für Beamtenrecht Zeitschrift für das Gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Ziffer Zivilprozeßordnung vom 30. 1. 1877, RGBl. I s. 83 ff. Zeitschrift für Zivilprozeß

Einführung Mit der Errichtung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und später der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft sind neuartige, in dieser Form bisher unbekannte europäische Staatenverbindungen ins Leben getreten. Das Verhältnis dieser Gebilde zu ihren Mitgliedstaaten, zu denen bekanntlich auch die Bundesrepublik Deutschland zählt, bedarf weitgehend noch der Klärung. Diese obliegt zwar in erster Linie der Staats- und Völkerrechtswissenschaft, aber die Existenz des Luxemburger Gerichtshofs der drei europäischen Gemeinschaften ruft auch die Prozessualisten auf den Plan. Insbesondere das deutsche Zivilprozeßrecht wird sich mit der Tatsache auseinandersetzen müssen, daß der EuGH auch solche und ausschließliche Kompetenzen besitzt, die im innerstaatlichen Rechtsbereich in die Jurisdiktion eines deutschen Zivilgerichts fallen würden. Die vorliegende Arbeit hat sich daher zum Ziele gesetzt, das vielschichtige Verhältnis zwischen der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften und der deutschen Zivilgerichtsbarkeit in einzelnen Beziehungen zu untersuchen. Dabei soll zunächst im ersten Teil die Gerichtsbarkeit des EuGH auf der überstaatlichen Ebene und für sich gesehen betrachtet werden, mit ihrer Rechtsgrundlage und Rechtsnatur, ihren Funktionen im allgemeinen und ihren Kompetenzen in bürgerlich-rechtlichen Streitsachen im besonderen. Danach soll in einem zweiten Teil folgenden Fragen nachgegangen werden: Wie und auf welche Weise läßt sich der EuGH in das System der deutschen Zivilgerichtsverfassung einordnen? Wie soll oder muß man insoweit das Nebeneinander von EuGH und deutschen Zivilgerichten erster Instanz vom Standpunkt des deutschen Prozeßrechts aus begreifen? Beeinträchtigen die vertraglich angeordneten bzw. zugelassenen ausschließlichen Zuständigkeiten des EuGH in Zivilsachen "nur" die Zuständigkeit der deutschen Zivilgerichte oder die deutsche Gerichtsbarkeit i. e. S.? Wie ist schließlich die besondere Sachurteilsvoraussetzung der "staatlichen Zuständigkeit im Verhältnis zur Gerichtsbarkeit des EuGH" im deutschen Zivilprozeß zu behandeln? 2 Basse

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Einführung

Zuletzt folgt im dritten Teil eine Darstellung einzelner interjurisdiktioneUer Probleme, als da sind: die Behandlung von Vorfragen aus dem Bereich der anderen Gerichtsbarkeiten, Kompetenz- und Entscheidungskonflikte, Verweisung von Rechtsstreitigkeiten, Anerkennung von Rechtshängigkeit und Rechtskraft und die Vollstreckung- also durchwegs schon dem internationalen Zivilprozeßrecht entsprechend bekannte Fragestellungen. In diesem Rahmen liegt das Schwergewicht der Untersuchung auf den Befugnissen des EuGH bzw. den Auswirkungen seiner rechtsprechenden Tätigkeit im Bereiche der deutschen Zivilgerichtsbarkeit. Es soll jedoch nicht verschwiegen werden, wie sich umgekehrt der EuGH z. B. gegenüber positiven oder negativen Kompetenzentscheidungen der deutschen Zivilgerichte oder etwa angesichts der Rechtskraft eines deutschen Zivilurteils zu verhalten hat; denn die Antwort auf diese Fragen kann wiederum für die Lösung der entsprechenden Konfliktsfälle aus der Sicht des deutschen Zivilrichters nicht ohne Einfluß bleiben. Abgesehen vom Sonderfall der Vorfragenkompetenz des EuGH gern. Art. 177 EWGV I 150 EAGV I 41 EGKSV haben die meisten der hier aufgezeigten Probleme die Praxis bisher noch nicht beschäftigt, sondern befinden sich auf juristischem Neuland. Ihre zusammenfassende und systematische Erörterung rechtfertigt sich aber schon im Hinblick darauf, daß mit Fortschreiten der europäischen Integration auch ein weiterer Ausbau der europäischen Gerichtsbarkeit zu Lasten der deutschen Ziviljustiz zu erwarten steht und damit die Lösung der Abgrenzungsproblematik an Bedeutung gewinnt.

Erster Teil

Die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinscbahen - insbesondere in bürgerlich-rechtlichen Streitsachen Erster Abschnitt

Die Rechtsnatur der drei europäischen Gemeinschaften (EWG, EAG und EGKS) §1

I. Die Gründung der drei europäischen Gemeinschaften

Am 25. 3. 1957 wurden die zwischen Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden geschlossenen sogenannten Römischen Verträge zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft1 unterzeichnet. Die gesetzgebenden Körperschaften der Bundesrepublik stimmten in einem gern. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 i. V. mit Art. 24 Abs. 1 GG erforderlichen Ratifikationsgesetz vom 27.7.1957 2 den Verträgen nebst ihren Anlagen und beigefügten Protokollen, die als Vertragsbestandteile gelten3, zu. Nach Hinterlegung der Ratifikationsurkunden aller sechs Mitgliedstaaten4 bei der Regierung der Italie-

1 BGBI. 1957 II S. 766 ff. bzw. S. 1014 ff. 2 BGBI. 1957 II S. 753. a Art. 239 EWGV, 207 EAGV. 4 Vgl. zum räumlichen Geltungsbereich der Verträge: Art. 227 EWGV, 198 EAGV. Inzwischen ist gern. Art. 238 EWGV' (vgl. Art. 206 EAGV) am 9. 7.1961 ein Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der EWG und Griechenland unterzeichnet worden (ABI. Nr. 26 vom 18. 2. 1963 S. 293 ff. = BGBl. 1962 II S. 1141 ff.) und nach Austausch sämtlicher Ratifikationsurkunden am 1. 1.1962 in Kraft getreten (ABI. a.a.O. S. 349 = BGBl. 1963 II S. 46). Das Assoziierungsabkommen mit der Tii.rkei vom 12.9.1963 (vgl. dazu Wockenfoth AWD 63 S. 298/9) bedarf hingegen noch der Ratifizierung durch die Parlamente der 6 Mitgliedstaaten. Beide Abkommen sehen einen "Assoziationsrat" vor, der auch Streitigkeiten bei der Anwendung und Auslegung des Vertrages, etwa zwischen der Gemeinschaft und ihrem Vertragspartner, schlichten oder dem EuGH unterbreiten kann. Das am 20.7.1963 unterzeichnete, ebenfalls noch der Ratifizierung bedürftige neue Abkommen über die Assoziation 17 assoziierter afrikanischer

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1. Teil: Gerichtsbarkeit des EuGH

nischen Republik sind die Vertragswerke gern. Art. 247 Abs. 2 EWGV und 224 Abs. 2 EAGV am 1.1.1958 für eine "unbegrenzte Zeit" 6 in Kraft getretene. Damit hat die europäische Organisationsbewegu ng7 ihren vorläufigen Abschluß und Höhepunkt erreicht, nachdem bereits am 23.7.1952 der in Paris am 18.4.1951 von denselben sechs Staaten8 unterzeichnete Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl9 mit Hinterlegung der letzten Ratifikationsurkund e bei der Regierung der Französischen Republik gern. Art. 99 EGKSV - zunächst für die Dauer von 50 Jahren10 - in Kraft getreten war11 •

§2

ll. Die Rechtsnatur der europäischen Gemeinschaften

Über die Rechtsnatur dieser durch das Inkrafttreten der genannten Verträge sowie die Errichtung und Aufnahme der Tätigkeit der in den Statuten vorgesehenen Organe existent gewordenen drei "supranationalen" Gemeinschaften12 herrscht in der staats- und völkerrechtStaaten (vgl. dazu im einzelnen AWD 63 S. 237 und Heinz Brunner AWD 63 S. 259 ff N. 2) und Madagaskars mit der EWG tritt an die Stelle des für die in Anhang IV zum EWGV aufgeführten .,überseeischen Länder und Hoheitsgebiete" bestimmter Mitgliedstaaten vorgesehenen besonderen Assoziierungssystems gem. Art. 227 Züf. 3 i. V. mit Art.l31 ff. EWGV und dem Durchführungsabkomm en vom 25. 3. 1957 (BGBI. II S. 998). Zu den Organen dieser Assoziation zählt u. a. ein Schiedsgericht, nicht aber der EuGH! Die Beitrittsverhandlunge n mit Großbritannien und anderen Staaten (Art. 237 EWGV, 205 EAGV) sind jedoch vorerst gescheitert; vgl. Nicolaysen NJW 63 S.1719. ll Art. 240 EWGV, 208 EAGV. e Bekanntmachung der Bundesregierung vom 27. 12. 1957, BGBI. 1958 II S. 1. 7 Vgl. dazu näher: Berber Ill S. 228 ff.; Bindschedler S. 1 ff. (zu den einzelnen europäischen Staatenverbindungen sowie deren Entstehungsgeschichte: S. 133 ff.); Dahm II S. 262 ff., 641 ff., 651 ff., 673 ff., 778 ff.; Kahmann, in: MüllerArmack-F. S. 345 ff.; Maunz, Deutsches Staatsrecht § 48 I ff.; Schlochauer ArchVR Bd. 3 S.l47 ff., 181 ff. s Zum weiteren räumlichen Anwendlllngsbereich vgl. Art. 79 EGKSV. Am 21.12.1954 wurde zwischen der EGKS und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland aufgrundvon § 14 des Abkommens über die übergangsbestimmung en ein .,Assoziationsabkommen" unterzeichnet, das am 23. 9. 1955 in Kraft getreten ist und ebenfalls einen besonderen .,Ständigen Assoziationsrat" vorsieht (BGBI. 1955 II S. 837 ff.; hinsichtlich des Inkrafttretens nach Hinterlegung der letzten Ratifikationsurkunde am 23.9.1955 s.: BGB1.1955 II S. 896); vgl. auch Bulletin der EGKS /Hohe Behörde Nr. 46 vom 15. 1. 1964 S. 44, 47 und JZ 55 S. 361 zu N.1; ferner hierzu eingehend: Monaco AO III p. 274 ff. (292 ff.); Prieur p. 292 und de Soto AO III p. 221 ff., 228 ff. o Diesem Vertrag einschließlich seiner Anlagen und Zusatzprotokolle (BGBI. 1952 II S. 447 ff.) hat der Bundestag mit Gesetz vom 29. 4. 1952 (BGBI. II S. 445) zugestimmt. to Art. 97 EGKSV. u Bekanntmachung der Bundesregierung vom 14. 10. 1952, BGBI. II S. 978. 12 Auf lange Sicht wird nach einer Fusion der jeweiligen europäischen Exekutivorgane über eine Fusion der drei Verträge eine Verschmelzung

1. Abschnitt: EWG, EAG und EGKS

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liehen Literatur ein lebhafter Streit, der sich naturgemäß am Auftauchen der ersten dieser Gemeinschaften, der Montanunion, entzündet hat. I. Die Skala der Meinungen reicht innerhalb der Reihe der herkömmlichen Kategorien staats- und völkerrechtlicher Verbindungen vom Bundesstaat über den Staatenbund bis zur bloßen Verwaltungsgemein schaft und internationalen Organisation. Meist werden aber die neuen Gemeinschaften nicht direkt mit der einen oder anderen dieser bekannten Organisationsformen von Staaten identifiziert, sondern irgendwo dazwischen angesiedelt".

1. Nur eine Minderheit nimmt offenbar vorbehaltlos die Existenz eines europäischen (Teil-)Bundesstaats im eigentlichen Sinne, wenn auch nur auf einem begrenzten wirtschaftlichen Sektor - d. h. zunächst für Kohle und Stahl-, an14 • 2. Im übrigen sind, von allen Einzelheiten und mannigfaltigen Nuancierungen abgesehen, im wesentlichen folgende Auffassungen vertreten: a) Viele Autoren15 begreüen die europäischen Gemeinschaften als Gebilde jedenfalls staatsrechtlicher und nicht völkerrechtlicher Art, dieser drei Gebilde zu einer einzigen Gemeinschaft angestrebt. Am 8. 4. 1965 haben die sechs MSt. als erstes gern. Art. 236 EWGV, 204 EAGV, 96 EGKSV einen "Vertrag zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften" unterzeichnet, der allerdings noch der innerstaatlichen Ratifikation bedarf; vgl. dazu näher: Nicolaysen NJW 65 S.1655/6 und v. Stempel, in: Ophüls- F. S. 233 ff. Dieses Verfahren ist zunächst nur in der BRD, Frankreich und Belgien durchgeführt worden. Nach dem auf der Jubiläumskonferenz der sechs MSt. in Rom am 30. 5. 1967 gefaßten Beschluß tritt der Fusionsvertrag am 1. 7. 1967 in Kraft.- Zur Problematik der Verschmelzung der drei Gemeinschaften und ihrer Exekutiven vgl. auch: Ipsen NJW 63 S. 2209 ff.; Jaenicke, in: OphülsF. S. 85 ff.; Krawielicki, in: Möhring- F. S. 483 ff und die Referate von C. F. Ophüls: "Ausblicke und Problemstellungen bei der Zusammenlegung der Gemeinschaften und ihrer Verträge" (protokolliert von Rainer Hüttebräucker) und G. Nicolaysen: "Der Fusionsvertrag der Exekutiven" (protokolliert von Harald Rieger) auf dem Assistenten-Seminar der Europäischen Gemeinschaften vom 22. 10. 1965 in Haus Lerbach, Bergisch Gladbach (jeweils hektographiert). 13 Besonders deutlich z. B. bei: Constantinesco JuS 65 S. 347; Furler NJW 65 S. 1402; Mason p. 121 ff., 126; Ophüls JJb. Bd. 4 S.152 und neuerdings Runge JuS 65 S. 13 ("supranationale Organisationen"). 14 So z. B.: Arnold 61. Bundesratssitzung der 1. Wahlperiode vom 27. 6. 1951 S. 441; Steindorff EA 51 S. 3955 ff., 3958; vgl. auch Moser S. 1 ff. 15 Vgl. vor allem: K. H. Klein, S. 36/7; v. Merkatz 161. Bundestagssitzung der 1. Wp. vom 12.7.1951 S. 6540/1 (dahingestellt in 183. Sitzung der 1. Wp. vom 10. 1.1952 S. 7738); Mosler, in: Recht- Staat- Wirtschaft, 3. Band, 1951, S. 248 ff., 255/6; derselbe (zurückhaltender!) ZaöRV 14 (1951/2) S. 26, 32 ff. (anders aber derselbe, in: Wehberg- F. S. 273, 299); Ophüls "Die Gegenwart" 1951 S. 25/6; derselbe NJW 51 S. 289 und (noch zurückhaltender) in: JJb. Bd. 4 S. 143/4, 151/2, 154/8; Schlochauer JZ 51 S. 289/90; ders. einschränkend in: Rechtsschutz S.ll; derselbe ArchVR Bd. 3 S. 385 ff. und vor allem in: Weh-

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1. Teil: Gerichtsbarkeit des EuGH

d. h. verfassungsrechtlichen Charakters, die - infolge der Verwendung (q\lasi-)bundesstaatlicher Einrichtungen und Organisationsformen mehr oder minder dem Bundesstaat angenähert seien (ohne doch ein solcher zu sein). b) Andere reihen dagegen die EGKS, EWG bzw. EAG in die große Kategorie der vöLkerrechtlichen und nicht der staatsrechtlichen Verbindungen ein1&. berg- F. S. 371/3. (Vgl. aber auch Bayer RabelsZ 17, 1952, S. 327 ff; Moser S . 71 f.; Sauer öZöR 1955 S.l ff.). Sie alle sprechen in diesem Zusammenhang von einem "partiellen Bundes- bzw. Wirtschaftsstaat" (kritisch dazu vor allem Bindschedler S. 201). s. ferner: Amtl. ErZ. zum EWGV S. 108 und zum EAGV S. 169 sowie zum EGKSV S. 4, 5; Betti ArchVR Bd. 4 S. 301/2; Breitner Organakte S. 1; ders. Europ. Gerichtsbarkeit S. 3; Cartou S. 32; Daig, in: Kommentar Vorbem. I 1 vor Art. 145 EWGV; v. d. Heydte, in: Laun-F. 1953 S. 111/5 ff., 119; Krüger DÖV 59 S. 722; Kordt, in: Schätzel-F. S . 237 ff.; Lagrange ZHR 1961 S. 89 ff., 100, 109; derselbe Schlußanträge Rs. 8/55 RsprGH II S. 266; vgl. auch ders. Rev.dr.publ. 1958 p. 841 ff., 862/3; Much S.l8/9; Nawiasky, in: Strupp - Schioehauer Bd. 3 Staatenverbindungen S . 316; Sahm EA 51 S. 3977 ff.; Schmid 161. Bundestagssitzung der 1. Wp. vom 12. 7. 1951 S. 6541 ff.; Steindorff Nichtigkeitsklage S. 47, 51 ff.; Thieme VVDStRL H.l8 S. 53; Vignes p. 12 ff., 19, 87; vgl. auch Ophüls a.a.O. und Schlochauer a.a.O., insbesondere in ArchVR Bd. 3 S.l85 und ArchVR Bd. 5 S. 40ff., 61 ("übergang vom internationalen Funktionalismus zum verfassungsrechtlichen Institutionalismus"); ferner zum gescheiterten Projekt der EVG: EichZer EA 54 S . 6087. Diese Stimmen heben sämtlich die (Bundes-)Staatsähnlichkeit, zumindest die Analogie der europäischen Gebilde mit dem Bundesstaat (Quasistaatlichkeit) hervor. Schließlich vergleiche: Bülow Abhandlungen S . 41 ff. (,.präföderale Züge"); Catalano AO II p.l21 ff. (167 ff.); derseLbe Manuel p. 80, 619 ff., 627/8 (,.nouveaux organismes de type federal"); Ehle NJW 63 S . 975 (,.staatliche Organisationsform im Anfangsstadium"); Hallstein Ansprache vom 2. 3. 1963 S. 8 ("eine Föderation in den Kinderschuhen"); Hay A.J.C.L.l963 p . 24, 38/9; Münch DÖV 62 S. 649 ff.; vgl. auch ders., in: Schätzel-F. S. 361 ("alle Staatsfunktionen wenigstens angelegt"); Ophüls NJW 63 S.l698 (,.Gebilde verfassungsrechtlicher Gattung"); Pescatore KSE 1 S. 522, 542 ff. (,.type federal"); P. R. Rev.dr.publ. 1951 p. 109, 110; van Raalte, I.C.L.Q. 1952 p. 73 ff.; SchwarzenbergeT EA 57 S. l0302: Diese Autoren halten die europäischen Gemeinschaften jedenfalls für mehr "föderale" als internationale Gebilde (bzw. eine besondere Form des funktionellen Föderalismus; Münch a.a.O.,). s. aber auch Green p. 280 ff., 291: "Joint (common) municipal institution"; ferner: Heraud Rev.dr.publ. 1953 p. 581 ff., 607 hinsichtlich der im Jahre 1953 geplanten Europäischen Politischen Gemeinschaft. 16 So anscheinend Bilfinger ZaöRV 13 (1950/1) S. 623 ff., früher auch Hallstein Frankfurter Universitätsreden Heft 5 S. 18/9, derselbe Kieler Vorträge Heft 2 S. 9, Jaenicke, in: Bilfinger-F. S. 71 ff., 95 ff. und Jerusalem S. 13, die von einem "Staatenverein", also einer staatenbündischen Organisationsform reden; offenbar ebenso D. Constantopoulos (vgl. die Besprechung seiner 1958 erschienenen Schrift: "The EEC- A Real Union" von: Bindschedler ArchVR Bd.lO S.118 ff.); ferner Delvaux AO II p. 28 ("Condominium"; vgl. dagegen derselbe auf p. 240, wo von einer supra- oder internationalen Organisation die Rede ist). Eine bloße "Verwaltungsunion" bzw. Verwaltungsgemeinschaft nehmen an: Offensichtlich Berber I S . 142 (vgl. auch S. 132 ff.); Jerusalem S.l4 (vgl. dagegen S. l3!); Wohlfarth JJb Bd. 3 S. 242. (Dagegen: schon Bayer a.a.O. S. 327 ff.; MieZe AO II p. 270; UZe DB 52 S. 244; Verdross S. 483 ff.). - Den

1. Abschnitt: EWG, EAG und EGKS

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c) Eine dritte Meinung will sich entweder überhaupt nicht festlegen17 oder bezeichnet- z. T. über vorangegangene Klassifizierungsversuche hinaus - die supranationalen Gemeinschaften ausdrücklich als Staatenverbindungen (bzw. "Institutionen", "Gebilde") sui generis18• Zweckverbandscharakter betonen: Berber III S. 254; Ipsen Vortrag L. 14; Ule DVBl. 52 S. 65 ff. Demgegenüber erblicken Calus S. 16 ff., 26 (der sich auf S. 7 ff. noch um eine soziologische, institutionelle und funktionelle Deutung des Gemeinschaftsbegriffs bemüht), ferner Delvaux Ann.Dr.Sc.pol. 1957 p. 199 (aber offengelassen), Gaudet I.C.L.Q. 1961 Suppl.Publ. No. 1 p. 8 ff., 12 ff., und Hallier Schiedsinstanzen S. 6, sowie hinsichtlich der Montanunion schon: Kraus, in: Smend-F. S. 204, ferner Miele AO II p. 261, 265 ff., 270, wohl auch Seidl-Hohenveldern ArchVR Bd. 4 S. 30 ff., 41 ff. und besonders Wehberg FW Bd. 52 (1953/5) S. 204 ff. (vgl. auch ders. a.a.O. S. 172/3), schließlich Bilfinger a.a.O. S. 624 und Münch DÖV 62, S. 649 ff. ("internationale Organisationen verstärkt durch bundesstaatliche Züge und Einrichtungen") in den europäischen Gemeinschaften nichts anderes als die bisher höchste Form der internationalen Organisation.

Eine Reihe von Autoren will schließlich die europäischen Gemeinschaften - ohne nähere Einordnung in eine der klassischen Kategorien - jedenfalls mehr als eine Sonderform der völkerrechtlichen, internationalen Staatenvereinigung und nicht als ein föderales Gebilde qualifiziert wissen. So vor allem: Bindschedler S. 19, 22 ff., 36, 67 ff., 201 ff. (zur EGKS), 258/9; Erler VVDStRL H. 18 S.13 ff., 23, 47; vgl. auch ders. Internationales Wirtschaftsrecht S. 29 N. 69, anders aber S. 164; Grewe VVDStRL H. 12 S. 263; Heraud Rev.gen.dr.inlpubl. 62 (1958) p. 55, wenn auch ausdrücklich nur hinsichtlich der EWG und im Unterschied zur EGKS ("Organisation de caractere interetatique"); Jaenicke, in: Strupp- Schlochauer Bd. 2 Supranationale Organisation S. 123 ff.; ders. Diskussionsbeitrag D.G.V.R. H. 2 S. 131 (unklar, bzw. dahingestellt ders. ZaöRV 14 S. 728 und ZaöRV 19 5.153 ff.; vgl. auch in: Bilfinger-F. S. 71 ff.); wohl auch Mason p.126; nunmehr entgegen früheren Stellungnahmen auch Mosler, in: Wehberg-F. S. 273; vgl. auch die anfänglichen Äußerungen von Münch D.G.V.R. H. 2 S. 93; ders. AO II S. 274 ff.; ders. in Schätzel-F. S. 342; ferner Riphagen Nederlands Tijdschrift 1955 S. 406 ("internationaal instrument"); Schlocha.uer ArchVR Bd. 11 S. 3 ("Supranationale Organisation"); Strange p.127 ff. ("form of economic confederation"); Verdross, S. 280 ff. und de Visscher AO II p. 9 ff., 34, 35 ("institution internationale"). Vgl. auch EuGH Rs. 26/62 RsprGH IX (1963) S. 5, 6, 25 (,.neue Rechtsordnung des Völkerrechts") und dazu die Anm. von Ehle NJW 63 S. 975 unter Ziff. 4 ("nicht mehr eine rein völkerrechtliche Vereinigung, sondern der Anfang einer staatlichen Organisationsform"); ferner das E.N.E.L.Urteil des EuGH Rs. 6/64 RsprGH X (1964) S. 1251, 1256 f., 1269 ff. (,.Rechtskörper mit eigenständiger Rechtsordnung"). 11 Klassifizierungen wie z. B. "weder- noch", "neuartig", "Zwischenform" etc. finden sich etwa bei: Ballerstedt S.1, 4; Bayer a.a.O. S. 327 ff.; Bebr The Yale Law Journal Vol. 63 p. 1 ff. (,.innovation"); vgl. auch ders. Judicial Control p. 21 bei N.1; Catalano AO II p. 167 ff. (,.quid novi"); Handbuch der Montanunion Bd. I A 10 S. 4 ff.; Heraud AO II Compte rendu des seances p. 364 ff.; Jeantet Rev.dr.publ. 1954 p. 685, 712 (aber p. 702!) Kunz A.J.I.L. 1952 p. 697; Osterheld S.ll; Reuter p.138 ff. (weder ,.federation" noch "confederation"); Scheuner, in: Verdross-F. S. 233, 241; R. Schuman Preface zu Reuter a.a.O. p. 7; Strauß Referat S. 203 ff.; Ule DVBl. 52 S. 65; Wigny AO II Campte rendu des seances p. 334/5 (Vgl. auch Münch DÖV 62 S. 649 ff., 652; derselbe, in: Wehberg-F. S. 323: "übergangserscheinungen"). 18 So: Bilfinger a.a.O. S. 621; Bindschedler S. 258/9; Catalano AO II p.l69; La CECA p. 255 ff., 268; Daig, in: Kommentar Vorbem. I 1 B d vor Art. 145

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1. Teil: Gerichtsbarkeit des EuGH

Bännann19 hält endlich die Diskussion über die Rechtsnatur der europäischen Gemeinschaften überhaupt für sinnlos.

II. Trotz verschiedentlich geäußerter Erwartungen hat der juristische Charakter von EGKS, EWG und EAG bis heute aber noch keine eingehendere und zusammenfassende Darstellung gefunden. Für die Zwekke der vorliegenden Untersuchung genügt es jedoch festzuhalten, daß alle drei europäischen Gemeinschaften als neuartige Staatenverbindungen über eine eigene, von derjenigen ihrer Mitgliedstaaten zu unterscheidende Völkerrechtspersönlichkeit20 sowie eine eigene, selbständige Hoheitsgewalt21 verfügen. Sie sind daher nicht einfach mit der bloßen Summe oder gar nur mit einem der sie errichtenden Mitgliedstaaten EWGV; Delvaux AO II p. 229, 235 (bzw. derselbe Ann.Dr.Sc.pol.1957 p. 190/3); Guggenheim Preface zu Vignes p. 7, 8; Lagrange Rev.dr.publ. 1958 p. 862; Mason p.121 ff., 126; Much S.18; Runge JuS 65 S.12; Schlochauer, in: Wehberg-F. S. 372; Thiesing, in: Kommentar Art. 210 EWGV Anm. 1a; C.-L. Wagner DÖV 65 S. 308 ff.; Wehberg FW Bd. 52 S. 172/3 (Besprechung von Reuter a.a.O.); Wohlfarth JJb Bd. 3 S. 247 ff., 259 ff., 263 und derselbe Komm. S. 511 vor Art. 189 ff. EWGV. 19 JZ 59 S. 554; ähnlich Zweigert RabelsZ 28 (1964) S. 603. 2o Vgl. Art. 6 Abs. 1 und 2 EGKSV/ Art. 210 EWGV/ 184 EAGV und dazu: Amtliche Erläuterungen zu Art. 210 EWGV; Berber III S. 243, 252 ; Bindschedler S. 94 ff., 241 und insbesondere Calus S. 30 ff., 77 ff.; ferner La CECA p. 238; Erler Internationales Wirtschaftsrecht S. 164; Lagrange ZHR 61 S. 94; Runge JuS 1965 S. 9 ff.; Scheuner, in: Verdross-F. S. 230; Thiesing a.a.O. Art. 210 Anm.1a, b, c; Wengler AO III Compte rendu des seances p. 318; Wohlfarth a.a.O. Art. 210 Anm. 1 und 4; vgl. auch Berber I S.111. Die Eigen- bzw. Selbständigkeit dieser supranationalen Gebilde gegenüber ihren MSt. betonen auch: Bärmann JZ 59 S. 554; Betti ArchVR Bd. 4 S. 301/2; Kraus, in: Smend-F. S. 189 ff., 193/7; Monaco AO Ill p. 268/9 (p. 266/7); Moser S. 79; Ophüls "Die Gegenwart" 1951 S. 25; Schlochauer JZ 51 S. 290; ders. Rechtsschutz S. 11 und FW Bd. 52 S. 14 ff. Eine andere Frage ist es, inwieweit den europäischen Gemeinschaften als speziellen, gekorenen juristischen Personen des Völkerrechts (vgl. Berber I S. 111 ff.) auch im Verhältnis zu dritten Staaten eine von den Mitgliedern verschiedene völkerrechtliche Existenz und Völkerrechtssubjektivität eignet. Dazu wird es einer zumindest stillschweigenden Anerkennung seitens der Gemeinschaftsfremden bedürfen; vgl. La CECA p. 238/9; Runge JuS 65 S. 9; Schlochauer ArchVR Bd. 5 S. 60; Thiesing a.a.O. Art. 210 Anm. 1c; Wohlfarth Art. 210 Anm. 1 und Wengler AO 111 p. 7 ff., 10 ff., 318/9 (vgl. aber auch Berber I S. 229). Calus S. 40 ff., 82 ff. vertritt jedoch ganz entschieden die Ansicht, daß den europäischen Gemeinschaften mangels ausdrücklicher Anerkennung als Völkerrechtssubjekte seitens irgendwelcher Drittstaaten im allgemeinen Völkerrechtsverkehr keine von den MSt. verschiedene Völkerrechtssubjektivität zukomme; einschränkend auch van Raalte a.a.O. p . 85. 21 Das entspricht der ganz herrschenden Meinung und läßt sich auch mit Art. 24 Abs. 1 GG vereinbaren; vgl. dazu näher unten § 5 III 2. So erkennen den europäischen Gemeinschaften eigene, selbständige (autonome) "europäische" - und gerade nicht deutsche, französische etc. -, aufgrund einer eigenen, unabhängigen Rechtsordnung ausgeübte Hoheitsrechte und Befugnisse zu: Amtl. Begründung zum EGKSV S. 4; Amtl. Erl. zum EWGV S. 108 und zu Art. 210 EWGV; Amtl. Erl. zum EAGV S. 169; Bebr Judicial Control p.10 ff., 13, 21 ; Dai g AöR 83 S. 140; Delvaux p. 12; Glaesner BAnz. 1959 S. 3; Handbuch der Montanunion Bd. I A 10 S. 4; Jaenicke, in: Strupp- Schlochauer Bd. 3 Supranationale Organisation S. 423; Knöpfle NJW 59 S. 553; Lagr ange

1. Abschnitt: EWG, EAG und EGKS

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identisch22, jenen im übrigen aber auch weder übergeordnet23 noch untergeordnet24• Gegenwärtig aber bilden die drei europäischen Gemeinschaften jedenfalls als solche noch keinen Staat, insbesondere mit ihren Mitgliedern zusammen keinen einheitlichen Gesamtstaat nach Art des Bundesstaats. ZHR 61 S. 94 ff., 97, 101; v. Merkatz 161. Bundestagssitzung der 1. Wp. vom 12.7. 1951 S. 6541; Mosler ZaöRV 14 S. 23 ff.; derselbe, in: Wehberg-F. S. 294; Much S.19; Ophüls NJW 51 S. 289; derselbe ,.Die Gegenwart" 1951 S. 25; derselbe, in: Sondersitzung des Bundesrats vom 15. 6. 1951 S. 23; ders. JJb Bd. 4 S. 143/4, 156; ders. NJW 63 S. 1698; Sahm EA 51 S. 3978; Schlochauer JZ 51 S. 290; derselbe FW Bd. 52 S. 14 ff.; derselbe ArchVR Bd. 5 S. 60, 61 und in: Wehberg-F. S. 373; Schüle ZaöRV 16 (1955/6) S. 243/4; Steindorft Nichtigkeitsklage S. 14; de Visscher AO li p. 20 ff.; Wohlfarth JJb Bd. 3 S. 247 ff., 259 ff. - In diesem Sinne auch EuGH Rs. 13/61 RsprGH VIII (1962) S. 110 und EuGH Rs. 6/64 RsprGH X (1964) S. 1256/7, 1269ff. Vgl. ferner Erler VVDStRL H. 18 S. 36, Schumann ZZP 78 S. 92/3, 128, Thieme VVDStRL Ir. 18 S. 76, Wohlfarth Art. 164 EWGV Anm. 6 und Vorbem. 2 vor Art.189 ff. EWGV (S. 511), die die Anwendbarkeit von Art.19 Abs. 4 GG auf die Hoheitsgewalt der Gemeinschaften verneinen, weil es sich insoweit eben nicht um "deutsche" öffentliche Gewalt handele; vgl. auch Golsong s. 60, 61. Anderer Ansicht sind offenbar nur: Jerusalem S. 13 (,.Ausübung abgeleiteter bzw. abgetretener Kompetenzen der MSt."); ähnlich v. Boeckh Komm. Art. 1 EWGV Anm. 3a; Erler Intern. Wirtschaftsrecht S. 29 N. 69 und S. 30; Runge JuS 65 S. 13; Wehberg FW Bd. 52 S. 204 ff., 206 (aber S. 209!) und Wengler AO III p. 14; vgl. auch de Richemont p. 366 (No. 261). Zumindest unklar Ehle A WD 63 S. 159 ("die Gewalt der europäischen Gemeinschaftsorgane rührt . .. aus der nationalen Sphäre her"); ferner D. Küchenhoff DÖV 63 S.167 ("funktionell wird die Staatsgewalt" - nämlich der MSt. - "von den überstaatlichen Behörden wahrgenommen"). 22 So ausdrücklich Green p. 283 und insbesondere Lagrange ZHR 61 S. 94 sowie Wohlfarth JJb Bd. 3 S. 247, 260/1; vgl. auch Krüger DÖV 59 S. 722 ff. 2s Vgl .dazu Dumon/Rigaux Ann.Dr.Sc.pol. 1959 p. 44 (gegen Reuter p.106 No.107) und mit eingehender Begründung Erler VVDStRL H.18 S.17 ff.; auch Jaenicke, in: Strupp- Schlochauer Bd. 3 Supranationale Organisation S. 425/7 {"kein den Gründerstaaten übergeordneter Gesamtstaat"); ferner Mason p. 126; Ophüls JJb Bd. 4 S.155/6 (wonach die Gemeinschaft keine übergeordnete, die MSt. beherrschende Stellung in der Art eines Oberstaates habe); Scheuner, in: Verdross-F. S. 241 und schon Wehberg FW Bd. 52 S. 204 ff., 206, 209. Zu Unrecht anderer Ansicht - offenbar angesichts der vertraglichen ,.Sanktionsbestimmungen" - : Amtl. Begründung zum EGKSV S. 5 (,.höhere Einheit") und S. 24 (zu Art. 88 EGKSV) und Sahm EA 51 S. 3978 (Art. 86 Abs.1 EGKSV!); ferner beiläufig und ohne jede Begründung Moser S. 2, 71 ff.; Much, S. 17 (,.übergeordneter, selbständiger Herrschaftsträger"); Schüle ZaöRV 16 S. 245; schließlich Berie- Miller Komm. Einleitung A Nr. 25 (aber nur wegen der Unmittelbarkeit der Hoheitsbefugnisse der Gemeinschaften gegenüber den Staatsangehörigen der MSt.; dagegen zutreffend: Erler a.a.O.); ähnlich Steindorff Nichtigkeitsklage 8.15, der eine "Weisungsunterworfenheit" der MSt. unter die Montangemeinschaft als solche annimmt (kritisch dazu Runge AöR 87 S. 475). 24 Auch nicht zusammen mit den MSt. einer dritten, gemeinsamen (staatlichen) Oberhoheit!

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1. Teil: Gerichtsbal'keit des EuGH

Der Unt~rschied der europäischen Gemeinschaften zu einem echten der Be(Bundes-)Staatswesen liegt nicht nur im Quantitativen schränkung von EGKS-, EWG- und EAG-Gewalt auf einen bestimmten wirtschaftlichen Sektor und Aufgabenbereich - , sondern auch im Qualitativen, in dem Fehlen der rechtlichen und soziologischen Staatsmerkmale, vor allem der staatlichen "Souveränität"25• Im Ergebnis sind sich daher auch nahezu alle Autoren in der Ablehnung der (Bundes-)Staatlichkeit der drei europäischen Gemeinschaften einig28 • Dementsprechend hat sich - jedenfalls vorerst - auch an der völkerrechtlichen Staatsqualität der Gründer bzw. Mitglieder der europäischen Gemeinschaften nichts geändert27• Da eine neue staatliche GeD. h. Unabhängigkeit; vgl. dazu eingehend Berber I S. 114 ff., 126, 132 ff. Vgl. u. a. ausdrücklich: Bayer a.a.O. S. 327 ff.; Bebr a.a.O. p. l ff.; Berber III S. 254/5; Bilfinger ZaöRV 13 (1950/1), S. 621,623;BülowAbhandlungenS.4 1ff. (43); Catalano Manuel p. 628; eingehend La CECA p. 263 ff., 268; Dahm II S. 654; Daig, in: Kommentar Vorbem. I 1 B d vor Art. 145 EWGV; Delvaux p. 12; ders. Ann.Dr.Sc.pol.1957 p. 192/3;Dumon/Rigaux 1959 p. 15 (unter Berufung auf den Bericht der französischen Delegation: " ... ni territoire, ni citoyens, ni force publique" p. 44 ff.); Erler Intern. Wirtschaftsrecht S. 24, 29 N. 69, 162, 164; ders. VVDStRL H. 18 S. 14 ff., 47; Furler NJW 65 S. 1402; Gaudet I.C.L.Q. 1961 Suppl.Publ. No. 1 p. 9, 10; Grewe VVDStRL H. 12 S. 144; v. d. Groeben, in: Komm. Bd. I Einl. S. XIII; Hallstein Frankfurter Universitätsreden H. 5 und Kieler Vorträge H. 2, je auf S. 9; Handbuch der Montanunion Bd. I A 10 S. 5, 6; Heraud Rev.dr.publ. 1953 p. 581 ff., 600 ff. hinsichtlich der Europäischen (Politischen) Gemeinschaft; v . d. Heydte, in: Laun-F. 1953 S. 116, 119; Jaenicke, in: Strupp- Schlochauer Bd. 3 Supranationale OrganisationS. 425 ff.; ders. Diskussionsbeitrag D.G.V.R. H. 2 S. 131, 132; vgl. auch ders. ZaöRV 14 S. 785; Jeantet Rev.dr.publ. 1954 p. 685, 693; Jerusalem S.13; Kraus, in: Smend-F. S. 202 (der - ähnlich wie v. d. Heydte a.a.O. - vor allem den Mangel an Territorialhoheit und eigenen Staatsangehörigen herausstellt); Krüger DÖV 59 S. 722; Kunz A.J.I.L. 1952 p. 697; Lagrange Rev.dr.publ. 1958 p. 682; Miele AO II p. 270; Moser S. 71 ff.; Mosler, in: Recht- Staat- Wirtschaft, Bd. 3, S. 256; ders. ZaöRV 14 S. 32 ff., 44; Much S. 17 ff., 19; M ünch D.G.V.R. H. 2 S. 76; ders. AO II S. 277 ff.; ders., in: Wehberg-F. S. 319 und in: Schätzel-F. S. 342, 361 sowie zuletzt in: DÖV 62 S. 649 ff., 651 (wonach es den Gemeinschaften vor allem an einer "starken Hand" fehle); Ophii.ls "Die Gegenwart" 1951 S. 26; Osterheld S.11; de Richemont p. 364 (No. 261); Hiphagen Nederlands Tijdschrift 1955 S. 396, 406; Runge JuS 65 S.12; Sauer öZöR 1955 S.1; Schätzel AO II Compte rendu des seances p. 396; Scheuner, in: Verdross-F. S. 233 ff.; Schlochauer JZ 51 S. 290; ders. ArchVR Bd. 5 S. 43 und in: Wehberg-F. S. 371; R. Schuman Preface zu Reuter a.a.O. p. 7; Schwarzenbe1·ger EA 57 S. 10300, 10304; Steindorff Nichtigkeitsklage S.14; Thieme a.a.O. S. 62; Thiesing, in: Komm. a.a.O. Art. 210 EWGV Anm. 1 a; Ule DVBI. 52 S. 65; Wehberg FW Bd. 52 S. 206, 209; Wengler AO III S.11 und S. 323/4 ("kein eigenes Territorium, noch Gebietshoheit"); Wigny AO II Compte rendu des seances p. 335; Wohlfarth JJb Bd. 3 S. 247, 252, 259 (der Wille zur Ausübung von Staatsgewalt sei nicht vorhanden); vgl. auch ders. Komm. Vorbem. vor Art.189 ff. EWGV S. 511; Zweigert RabelsZ 28 (1964) s. 604. Die wenigen Gegenstimmen (vgl. oben § 2 F.14) dürften nur auf ein Mißverständnis oder gar auf eine unpräzise Ausdrucksweise zurückzuführen sein. 27 So z. B. Mason p. 123 und Münch, in: Wehberg-F. S. 319; vgl. dazu aber auch Berber I S. 132 ff., 143 ff. und Berber III S. 254 ff. !5 28

1. Abschnitt: EWG, EAG und EGKS

27

samtgewalt nicht allein durch die Ratifizierung und das Inkrafttreten eines auf die Schaffung eines (Bundes-)Staats seitens der Vertragsschließenden gerichteten völkerrechtlichen Kontrakts entsteht28, sondern immer erst im Anschluß daran noch eines metajuristisch-soziologischen Schöpfungsaktes bedarf, im Grunde also auf historische, faktische Vorgänge zurückzuführen ist29 , kann mit Fortschreiten der europäischen Integration nur die weitere geschichtliche Entwicklung beweisen, ob die drei gegenwärtigen europäischen "Gemeinschaften" (EGKS, EWG und EAG) tatsächlich schon den Keim eines künftigen europäischen Bundesstaates in sich tragen. Infolgedessen verbietet sich auch die unbesehene Übernahme von Auslegungs- und anderen ungeschriebenen Grundsätzen des Bundesstaatsrechts auf das Verhältnis zwischen den europäischen Institutionen bzw. deren Organen und ihren Mitgliedstaaten90 •

m. Die Rechtsnatur des

Rechts der europäischen Gemeinschaften und sein Verhältnis zum nationalen Recht der Mitgliedstaaten

§3

1. Begriff und Rechtsnatur des Gemeinschaftsrechts

Das europäische Gemeinschaftsrecht gliedert sich in zwei große Normenkomplexe: die Vertragswerke - das sog. primäre Gemeinschaftsrecht - und das aufgrund der Verträge von den Gemeinschaftsorganen selbständig gesetzte "autonome" Recht, das sog. sekundäre Gemeinschaftsrecht91.

ze Geschweige denn im Wege des Art. 24 Abs. 1 GG begründet werden kann, der nur die "übertragung" einzelner Hoheitsrechte, nicht jedoch der gesamten Staatsgewalt erlaubt; vgl. dazu: Carstens, in: Riese-F. S. 76; K. H. KleinS. 34; Krüger DÖV 59 S. 722 ff.; Maunz- DüTig Art. 24 RdNr. 20; Menzel, in: BK Art. 24 GG Anm. II 1; v. Mangoldt- Klein Bd. I Art. 24 Anm. III 3; Wagner KSE 5 S. 359; vgl. auch Giese- Schunck Art. 24 Anm. 11 1. 29 Vgl. dazu grundsätzlich: Berber I S. 322 ff., 229; Bindschedler S. 34; v. d. Heydte VVDStRL H. 13 S. 25; kritisch aber Krüger DÖV 59 S. 721. Ebenso im Hinblick auf die europäischen Gemeinschaften: Bayer RabelsZ 1952 S. 328; Erler VVDStRL H.18 8.14; Genzer EA 53 S. 5654; Handbuch der Montanunion I A 10 S. 5, 6; K. H. Klein S. 34 ff.; Mosler, in: Recht- StaatWirtschaft, Bd. 3, S. 255/6; ders. in ZaöRV 14 S. 32 ff.; Münch DöV 62 S. 649 ff.; Zweigert RabelsZ 28 (1964) S. 605. ao Vgl. BeTie- Miller Komm. Einl. A Nr. 25; Furler NJW 65 S. 1402; Heise S. 8; insbesondere Jaenicke, in: Strupp- Schlochauer Bd. 3 Supranationale Organisation S. 423 ff., 426; ders. ZaöRV 14 S. 728; Münch D.G.V.R. H. 2 S. 76 und ders., in: Schätzel-F. S. 339 ff.; zurückhaltend auch Scheuner, in: Verdross-F. S. 232 ff., 241. st Diese Unterscheidung und Terminologie haben sich in der Praxis eingebürgert. Ebenso teilen ein: z. B. Bülow Abhandlungen S. 29 ff., 33; Constantinesco JuS 65 S. 290 ff.; Ophüls NJW 63 S. 1698 ff.; Schumann ZZP 78, S.118.

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1. Teil: Gerichtsbarkeit des EuGH

I. Das primäre Gemeinschaftsrecht ist zunächst formell und in seinen Entstehungsakten partikuläres, für die Mitgliedstaaten verbindliches Völkervertragsrecht. Gleichzeitig sind jedenfalls seine unmittelbar anwendbaren Normen32 durch die einzelstaatlichen Ratifikationsgesetzein der BRD aufgrund Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG - gleichförmig in die Rechtsordnungen aller sechs Mitgliedstaaten eingegliedert worden33 ; mit anderen Worten: das Vertragsrecht gilt insoweit direkt auch im gesamten nationalen Rechtsbereich. Daher kann die Streitfrage, ob das primäre Gemeinschaftsrecht überhaupt der "Transformation" bedurft hätte34 und ob ein derartiger innerstaatlicher Rechtsanwendungsbefehl darüber hinaus auch die Umgießung des (Völker-)Vertragsrechts in dem Geltungsgrund nach staatliches Recht bedeutet35, dahingestellt bleiben. Seiner Natur nach unterscheidet sich jedoch das primäre Gemeinschaftsrecht insofern wesentlich von den klassischen internationalen Verträgen, als es das Organisationsstatut der drei europäischen Gemeinschaften enthält. Die Vertragswerke werden daher vielfach von vornherein nicht mehr als Bestandteil des Völkerrechts i. e. S. betrachtet, ohne doch schon - wie die Rechtsnatur von EWG, EAG und Montanunion zeigt- "Staatsrecht" zu sein3&. II. Das sekundäre Gemeinschaftsrecht, wie z. B. die Verordnungen des Rates und der Kommission der EWG, fließt zwar aus einer autonomen, nichtstaatlichen (völkerrechtlichen) Quelle, entfaltet aber seine Wirkungen ebenfalls unmittelbar in sämtlichen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten (Art. 189 EWGV I 161 EAGV I 14 EGKSV). Dazu bedarf s2 D. h. die Bestimmungen, die "self-executing" sind; vgl. dazu näher unten § 16 F . 23. 33 In diesem Sinne: Constantinesco JuS 65 S. 289 ff.; Ehle NJW 64 S. 321 bei N. 5 und S. 2331 ; Lagrange Schlußanträge Rs. 6/64 RsprGH X (1964) S. 1285; Zweigert RabelsZ 28 (1964) S. 623 ff., 632; EuGH Rs. 6164 RsprGH X (1964) S.1251, 1256/7, 1269 ("Aufnahme der Bestimmungen des EWGV in das Recht der einzelnen Mitgliedstaaten"). 34 Dafür mit der h. M. und vom Standpunkt der dualistischen Auffassung aus: z. B. Ehle NJW 64 S. 321 und MDR 64 S. 10; Friauj DVBI. 64 S. 783 ff., 786; Schlochauer ArchVR Bd. 11 (1963) S. 24, 26 (10 ff., 22). - Dagegen: Ingo v. Münch JZ ·64 S. 692/3 Bericht über die Staatsrechtslehrertagung 1964 (Kiel) unter Hinweis auf das Referat von Badura; Ophüls NJW 63 S. 1699 ("unmittelbar wirksames Gemeinschaftsrecht"); Steindorff Rechtsschutz S. 47. Dahingestellt bei Zweigert RabelsZ 28 (1964) S. 631 ff. 35 Die auf Heinrich Triepel zurückgehende und noch herrschende Transformationslehre (vgl. z. B. Schlochauer ArchVR Bd.ll S. 10 ff., S. 16, 22) tritt in der wissenschaftlichen Diskussion allmählich hinter der sog. Vollzugslehre zurück, wonach der staatliche Rechtsanwendungsbefehl die Völkerrechtsnorm nicht von ihrem Geltungsgrund löse. Vgl. dazu: eingehend Partsch S. 13 ff., 18 ff., 86 ff., 156 ff.; ferner Friauf DVBI. 64 S. 786, Seidl - Hohenveldern I.C.L.Q. 1963 p. 88 ff.,123 und Zweigert RabelsZ 28 (1964) S . 631 N. 103. 36 Vgl. Bülow Abhandlungen S. 34 ff., 43, 44; Constantinesco JuS 65 S. 289 ff,. 292; Fuß DOV 64 S . 580 ff.; Ipsen Vortrag L. 20, 26; Schlochauer ArchVR Bd. 11 S. 3; Zweigert RabelsZ 28 (1964) S. 602 ff., 605.

1. Abschnitt: EWG, EAG und EGKS

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es keines zusätzlichen Transformations- oder Ratifikationsaktes der nationalen Gesetzgebung37• Die Konstruktion einer antizipierten Generaltransformation aufgrund einer Legalisierung der europäischen Rechtsetzungsbefugnisse durch die Vertragsgesetze erscheint dagegen nicht nur sehr gekünstelt, sondern wird auch der besonderen Natur der Hoheitsgewalt und des autonomen Rechts der Gemeinschaften nicht gerecht38•

III. Einzelne Bestimmungen des primären Gemeinschaftsrechts und vor allem das Sekundärrecht wenden sich im Gegensatz zum Völkerrecht im hergebrachten Sinne, aber - was den typischen Inhalt dieser privat-, verwaltungs- oder prozeßrechtlichen Normen anbetrifft - in Übereinstimmung mit dem nationalen Recht direkt an die Individuen in den Mitgliedstaaten, für die sie ohne weiteres verbindlich sind. Im Anschluß an Verdross39 spricht man hier vom sog. "Internen Staatengemeinschaftsrecht", dessen Rechtsnatur umstritten ist40 • Die Besonder37 So die ganz herrschende Meinung: Bülow Abhandlungen S. 53; Constantinesco JuS 65 S. 294 ff., 345; Daig, in: Komm. Anm. II 2 C vor Art. 189 ff. EWGV; Erler VVDStRL Heft 18 S. 8, 22 ff.; Friauf DVBI. 64 S. 783; Götz JZ 63 S. 268; Ophüls NJW 63 S. 1699; Steindorff Rechtsschutz S. 47; grundlegend dazu: Heinz Wagner KSE 5, S. 283 ff., 307 ff., 321 ff.; Carl-Ludwig Wagner DÖV 65 S. 308 ff. - Offengelassen bei Zweigert RabelsZ 28 (1964) S. 632 zu

N.105. 38 Wie der Text auch: Bülow Abhandlungen S. 53, 54; Ipsen Vortrag L. 25 ff. und C.M.L.Rev. 1964/5 p. 396 ff.; Rabe NJW 64 S. 1609 Bericht über das Referat von Ipsen. - Anderer Ansicht jedoch: Ehle MDR 64 S.10, 11 und vor allem Schlochauer ArchVR Bd.11 S. 24, 25. 39 Verdross-Zemanek S. 3 ff. 40 Verdross-Zemanek S. 3 ff. fassen es generell nur als Bestandteil eines erweiterten Völkerrechtsbegriffs auf. - Erscheinungsformen des "internen Staatengemeinschaftsr echts" finden und klassifizieren im Recht der europäischen Gemeinschaften: Bayer RabelsZ 17 (1952) S. 329 ff. ("autonomes überstaatliches Privat- und Verwaltungsrecht" ... "weder Bundes- bzw. staatliches Recht noch Völkerrecht"); Bindschedler S. 21 ("eindeutig ein Bestandteil des Völkerrechts"); Berber III S. 257 ("partikuläres Völkerrecht"); Bülow Abhandlungen S. 29 ff.; Constantinesco JuS 65 S. 289 ff.; Erler VVD StRL H. 18 S. 8 ff., 23 ff., 47 ("drittes Recht". . . "gesonderte Rechtsmasse"); derselbe Internationales Wirtschaftsrecht S. 20 ff., 26, 30; von der Heydte D.G.V.R. H. 2 S. 28 ff. ("Recht sui generis"); Kraus, in: Smend-F. S. 205 ff., 208 ff. ("weder Völkerrecht noch Landesrecht, sondern ein Recht eigener Prägung"); D. Küchenhoff DÖV 63 S. 163; Münch D.G.V.R. H. 2 S. 76; Runge JuS 65 S. 13; Scheuner, in: Verdross-F. S. 230/1, 235, 242 ("partikuläres Völkerrecht abgeleiteter Natur"); Schlochauer JZ 51 S. 290 ("Gemeinschaftsrecht ... insoweit kein partikuläres Völkerrecht ... auch keine innerstaatliche Grenznorm"); Schille ZaöRV 16 S. 241 ("weder Völkerrecht noch Quasi-Bundesstaatsrecht"); zweigert RabelsZ 28 (1964) S. 605 ff. Von der Heydte a.a.O. macht zutreffend darauf aufmerksam, daß neben den Kategorien des Völker(Vertrags-)rechts und des Internen Gemeinschaftsrechts für einen eigenen Normenkomplex des "supranationalen" bzw. überstaatlichen Rechts kein Raum mehr bleibt. Diese nichtssagende Terminologie gebrauchen jedoch etwa: Daig AöR 83 5.194; Matthies JZ 54 S. 305 ff.; Mühlenhöfer a.a.O. Art.177 Anm.l und 2 und vor allem Schlochauer ArchVR Bd. 11 S. 4 ff.

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1. Teil: Gerichtsbarkeit des EuGH

heiten dieses Normenkomplexes und die sonstigen Eigenarten des Europarechts rechtfertigen es jedoch, die gesamte Gemeinschaftsrechtsordnung als - gegenüber dem klassischen Völkerrecht einerseits und dem Staatsrecht bzw. dem staatlichen Recht andererseits - eigenständig zu erachten•t. Das soll allerdings nicht heißen, daß Gemeinschaftsrecht und staatliches Recht zwei völlig getrennte Rechtsmassen darstellen müßten. Soweit beide Komplexe übereinstimmend Geltung im nationalen Rechtsbereich besitzen oder beanspruchen, kommt es vielmehr häufig zu Überschneidungen, Verzahnungen und - Konflikten zwischen dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten und dem Gemeinschaftsrecht42• §4

2. Vorrang des Gemeinschaftsrechts?

I. Konflikte zwischen nationalem Recht und Gemeinschaftsrecht können sich im "supranationalen Forum" 43 - im Bereich und auf der Ebene der Gemeinschaften - schon deshalb nicht ergeben, weil die Organe der drei europäischen Gemeinschaften grundsätzlich nur das Gemeinschaftsrecht und nicht das interne Recht der Mitgliedstaaten anzuwenden haben44• Wenn man so will, kann man dieses Phänomen 41 In diesem Sinne vor allem: Constantinesco JuS 65 S. 289 ff., 340 ff., 347 ("Gemeinschaftscharakter", "eigenständige Rechtskategorie"); Daig AöR 83 S.194 (,.gemeinsames Recht der Mitgliedstaaten"); Donner Eröffnungsansprache KSE 1 S. 6; Ehle NJW 64 S. 2331; Erler VVDStRL H. 18 S. 8 ff., 23 ff., 47; Furler NJW 65 S. 1401 ff.; Gand Schlußanträge Rs. 20/64 RsprGH XI-3 (1965) S. 16; Götz JZ 63 S. 268 N. 32; von der Heydte D.G.V.R. H. 2 S. 28 ff.; Ipsen Vortrag L. 26 (,.gemeines Recht"); Kaiser Diskussionsbeitrag KSE 1, S.170; Kraus, in: Smend-F. S. 205 ff., 208., Lagrange Schlußanträge Rs. 6/64 RsprGH X (1964) S.1285; Matthies JZ 54 S. 305 ff. sub Ziff. II; Mühlenhöfer a.a.O.Art.177 Anm.2; Ingo v. MünchJZ 64 S.692ff. (694) Bericht über die Staatsrechtslehrertagung 1964 Kiel unter Hinweis auf die in der Diskussion umstrittenen Thesen des Referats von Badura (,.dritte Rechtsebene"); NicoZaysen NJW 64 S. 2339; Ophüls NJW 63 S.1699 ff.; ders. NJW 63 S.1751; Schlochauer ArchVR Bd.ll S. 6, 7; Steindorff Rechtsschutz S. 46; C.-L. Wagner DÖV 65 S. 308 ff.; Zweigert RabelsZ 28 (1964) S. 605 ff., 631 ff. Vergleiche auch EuGH Rs. 13/61 RsprGH VIII (1962) S. 97, 110; Rs. 26/62 RsprGH IX (1963) S. 25 (,.neue Rechtsordnung des Völkerrechts") und Rs. 6/64 RsprGH X (1964) S.1251, 1257, 1270 ("eigene Rechtsordnung" ... "Eigenständigkeit"... "aus autonomer Rechtsquelle"); ähnlich Rs. 90 und 91/63 RsprGH X (1964) S.l333, 1344. ü Vgl. Catalano Diskussionsbeitrag KSE 1 S. 162 ff.; Constantinesco JuS 65 S. 289 ff. (293); Bülow Abhandlungen S. 55; Donner C.M.L.Rev.1963 p. 8; Ehle MDR 64 S. 10; ders. NJW 65 S. 2231 ff.; Glaesner KSE 1 S.156 ff., 161, 171; Hallstein BB 64 S. 854; Schumacher Diskussionsbeitrag KSE 1 S. 167 Tomuschat S. 8 ff. - Dagegen vertritt Migliazza KSE 1 S. 142 ff. aufgrund der Judikatur des EuGH die These von zwei völlig getrennt nebeneinander bestehenden Rechtsordnungen. 43 Diese Terminologie geht auf F. Münch D.G.V.R. H. 2 S. 80, 89 ff. bei N. 61, 134 ff. zurück. « Vgl. Art. 164 EWGV, 136 EAGV, 31 EGKSV. - Ebenso argumentieren: Carstens, in: Riese-F. S. 65, 66; Steindorff Rechtsschutz S. 49 N. 27; Zweigert RabelsZ 28 (1964) S. 619 ff., 622, 640.

1. Abschnitt: EWG, EAG und EGKS

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auch mit dem absoluten ,.Vorrang des Gemeinschaftsrechts " im supranationalen Forum beschreiben411• II. Im "nationalen Forum" - d. h. im innerstaatlichen Rechtsbereich - sind dagegen für die Gerichte und Behörden der Mitgliedstaaten die "self-executing"-Bes timmungen des Gemeinschaftsrechts ebenso anwendbar wie die Normen des nationalen Rechts. Hier können daher Konflikte zwischen diesen beiden Rechtsmassen nicht von vornherein ausgeschlossen werden46 • Man ist sich dabei im Ergebnis jedenfalls insoweit einig, daß die Normen des europäischen Vertragsrechts - nach traditioneller Auffassung als leges posteriores - dem früheren nationalen Recht vorgehen47. Aus der Vielzahl der sonst denkbaren Konfliktssituationen48 sei vor allem ein Problem herausgegriffen: Bleibt im Falle eines Widerspruchs zwischen späterem (jüngerem) nationalen Gesetzesrecht und früherem (älterem) Vertragsrecht die nationale Norm - innerstaatlich - gültig oder gebührt hier umgekehrt dem Gemeinschaftsrecht ein ,.Vorrang" in der Weise, daß es das Inkrafttreten der widersprechenden nationalen lex posterior verhindert?

1. Ausgehend vom Dualismus Völker(vertrags-)rec ht - Landesrecht hat die in Deutschland bisher herrschende Meinung dem ,.in das nationale Recht transformierten" Vertragsrecht den Rang (nur) eines 46 In diesem Sinne: Ehle NJW 64 S. 2332; Frawein AWD 64 S. 233/4; Götz JZ 63 S. 268 und offenbar auch Constantinesco JuS 65 S. 340 ff., 345. - Da der EuGH als Gemeinschaftsorgan seine Jurisdiktion nur auf das Gemeinschaftsrecht gründet, muß er ohnehin immer dem Gemeinschaftsrecht den Vorrang geben. Vgl. insbesondere EuGH Rs. 6/64 RsprGH X (1964) S.1251, 1256/7. 1269/70. 46 Ebenso: BüZow Abhandlungen S. 36 ff.; Constantinesco JUS 65 S. 289, 290; Frawein AWD 64 S. 233; Götz JZ 63 S. 268; Kreibaum Z.f.schweiz.R. Bd. 83 (1964) S. 192; Matthies ZHR 1965 S.104; Steindorff Rechtsschutz S. 46 ff., 49; Zweigert RabelsZ 28 (1964) S. 623, 633 ff. Zu Unrecht hält dagegen Ophüls NJW 63 S.1699 N.10, S.1700, 1751 eine Kollision zwischen Gemeinschaftsrecht und dem Recht der MSt. auch im nationalen Forum deshalb für unmöglich, weil die MSt. insoweit auf ihre Hoheitsrechte verzichtet und daher das Gemeinschaftsrecht "schlechthin zu respektieren" hätten. 47 Vgl. z. B. Bülow Abhandlungen S. 46; Carstens, in: Riese-F. S. 67, 74/5; Catalano Manuel p. 164; Constantinesco JuS 65 S. 346; Daig, in: Komm. a.a.O. Vorbem. vor Art. 189 ff. EWGV S. 171 ff.; Furler NJW 65 S. 1404; Lagrange Schlußanträge Rs. 6/64 RsprGH X (1964) S. 1287/8; Matthies ZHR 1965 S. 103/4; Nicolaysen NJW 64 S. 344; Schlochauer ArchVR Bd. ll S. 28 ff.; Heinz Wagner KSE 5 S.356. 48 Man wird wenigstens näher zwischen primärem und sekundärem Gemeinschaftsrecht einerseits und nationalem Gesetzes-, Verordnungs- und Verfassungsrecht (des Bundes und der Länder) andererseits differenzieren müssen: Vgl. Bülow Abhandlungen S. 44, 53, 56/7; Carstens, in: Riese-F. S. 65 ff.; Ehle MDR 64 S. 11 ff.; Furler NJW 65 S.1404 ff.; Runge JuS 65 S. 13 N.59.

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1. Teil: Gerichtsbarkeit des EuGH

einfachen Bundesgesetzes zuerkannt49 und damit den Weg für den Satz "lex posterior derogat legi priori" freigemacht50• Aber schon vor und besonders nach Erlaß des grundlegenden E.N.E.L.-Urteils des EuGH vom 15. Juli 1964- wonach dem Gemeinschaftsrecht keine wie immer gearteten nachträglichen innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgehen könnten51 zeichnet(e) sich in der Lehre immer mehr die Tendenz 49

So: Constantinesco JuS 65 S. 346 bei N. 91; Erle'r VVDStRL H. 18 S.19

(N. 25 mit weiteren Nachweisen), S. 36; Knopp JZ 61 S. 310 N. 68, S. 312;

D.Küchenhoff DOV 63 S. 164; Münch D.G.V.R. H . 2 S. 86, 93, 136; ders. AO Il p . 290; Scheuner, in: Verdross-F. S. 241 ff.; Schlochauer Diskussionsbeitrag D.G.V.R. H. 2 S.ll7; ders. ArchVR Bd.ll S. 27 (9 ff., 22); Sehräcker DVBl. 58 S. 413, 417, 418; de Visscher AO II p. 45 ff, 48, 50, 55; Wagner KSE 5 S. 356. Vgl. auch Goisong Rechtsschutzsystem S. 11 und Maunz- Dürig Art. 1 Abs. II GG RdNr. 59 zur Menschenrechtskonvention vom 4. 11. 1950 (BGBl. 52 H S. 685 ff.) und allgemein zum Rang der Vertragsgesetze: BVerfGE 6 S. 309 ff. (363).Anderer Ansicht insoweit aber Ehte MDR 64 S. 12 ff., 15, JR 64 S. 9 und NJW 64 S. 321/2 (.,Zwischenrang", d. h. über einfachem Bundes-, aber unter Verfassungsrecht!), Wenner AWD 62 S.111 (Rang .,über dem einfachen Gesetz") und neuerdings z. B. Schumann ZZP 78 S. 122 ("Verfassungsrang"). GO Auf diese Konsequenz der dualistischen Konzeption weisen sehr klar (und kritisch) hin: Bütow Abhandlungen S. 39, Constantinesco JuS 65 S. 345 ff., Götz JZ 63 S. 268 und Ipsen Vortrag L. 24, 25, ders. C.M.L.Rev. 1964/5 p. 380 ff. Dementsprechend treten im Ergebnis für einen "Vorrang" der nationalen lex posterior in dem Sinne ein, daß sie bis zur - gem. Art. 5, 169 ff. EWGV I 192, 141 ff. EAGV I 86, 88 EGKSV gebotenen - Wiederaufhebung innerstaatlich gültig bleibt: Daig, in: Komm. a.a.O. Vorbem. vor Art. 189 ff. EWGV (S.172); Erler VVDStRL H.18 S. 22; Götz JZ 63 S. 268 ff., 270 N. 52 (hinsichtlich des EWGV selbst, aber ausgenommen gerade dessen "self-executing"Bestimmungen!); Heise S. 8; von der Heydte Diskussionsbeitrag D.G.V.R. H. 2 S. 129, 130; Jaenicke, in: Strupp- Schlochauer Bd. 3 Supranationale OrganisationS. 423 ff., 426; ders. ZaöRV 23 S. 523; Jerusalem S. 70, 71; Knopp JZ 61 S. 310 bei N. 68; D. Küchenhoff DOV 63 S. 164 ff. mit weiteren Nachweisen; Münch D.G.V.R. H. 2 S. 90 ff.; ders. DOV 62 S. 650; de Richemont p. 470 (No. 314); Scheuner, in: Verdross-F. S. 241/2; Schlochauer ArchVR Bd.ll (1963) S. 28 ff.; Thieme VVDStRL H. 18 S. 73, 74; Heinz Wagner KSE 5 S. 356 ff. Ebenso hinsidltlich der Redltslage in Italien: Italienisches Verfassungsgericht, Urteil vom 7. 3. 1964 im E.N.E.L.-Fall A WD 64 S. 219 ff. mit kritischer Anmerkung von Piola - Casem a.a.O. und von Catalano C.M.L.Rev. 1964/5 p. 225 ff. Diese Entsdleidung hat Lagrange Schlußanträge Rs. 6/64 RsprGH X (1964) S.1292 zu der Bemerkung veranlaßt, der betreffende MSt. (Italien) könnte dann nur noch seine Verfassung ändern oder den Vertrag kündigen. - Skeptisch dagegen bereits Mosler Diskussionsbeitrag D.G.V.R. H. 2 S.120. ol EuGH Rs. 6/64 RsprGH X (1964) S.1251, 1256{7, 1269 ff.- Vgl. zu diesem Urteil vor allem: Ehle NJW 64 S. 2331ff.; Frowein AWD 64 S. 233 ff.; Fuß DOV 64 S. 586/7; Nicolaysen NJW 64 S. 2339; Samkalden C.M.L.Rev. 1964/5 p. 213 ff.; Steindorff Rechtsschutz S. 55 ff.; Tomuschat S. 109 N. 410 a und S. 132 N. 477 a; Wagner KSE 5 S. 360.- Im Vorlageverfahren Rs. 20/64 RsprGH XI-3 (1965) S. 1, 2, 8 ff. hat der EuGH das E.N.E.L.-Urteil bestätigt. Aber auch schon in der Rs. 6/60 RsprGH VI/2 (1960) S. 1185 hatte der EuGH beiläufig bemerkt (nämlich in Zusammenhang mit der Verletzung vertraglicher Verpflichtungen des betreffenden MSt.), daß die ratifizierten Verträge "dem innerstaatlichen Recht vorgehen". Ob und inwieweit der EuGH überhaupt gemäß Art. 177 EWGV im Kon-

1. Abschnitt: EWG, EAG und EGKS ab, dem Gemeinschaftsrecht absoluten oder mindestens teilweisen rang" zuzubilligen52.

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"Vor-

fiiktsfall zur Beantwortung der Vorrangfrage befugt ist bzw. war, soll bei der Erörterung des Vorabentscheidungsverfahrens näher dargelegt werden: s. unten §55 zu F. 113 ff. 52 So im Ergebnis: Amphoux Rev.gen.dr.int.publ. 1964 p. 147 ff.; Ama. Begründung zum EGKSV S. 5 ("die durch den Vertrag ... begründete Rechtsordnung verdrängt die partikulären innerstaatlichen Rechtsordnungen"); Amtl. ErZ. zu Art.189 EWGV (hinsichtlich des sekundären Gemeinschaftsrechts); Bayer RabelsZ 17 (1952) S. 330 (wegen "endgültigen Verzichts der MSt. auf die übertragenen Befugnisse"); Bebr Judicial Control p.14, 215 ff., 226; ders. Col.Law Review 1958 p. 788; Bericht des Rechtsausschusses des Europ. Parlaments vom 25. 5.1965, wiedergegeben in AWD 65 S. 213/4; Brinkmann NJW 65 S. 1120 unter Hinweis auf das Referat von Sasse; Bülow AWD 63 8.163 ff. (hinsichtlich Art.12 EWGV); ders. Abhandlungen S. 51 ff., 53 ("faktischer Vorrang"); Carstens, in: Riese-F. S. 78 ff. (für die europäischen Verordnungen und Verträge); Catalano AO II p. 208 ff., einschränkend p. 210; ders. Manuel p. 164 ff.; Constantinesco AO II p . 218 ff. N. 80 (für das sekundäre Recht); eingehend ders. JuS 65 S. 345 ff. (aber nur als ein ,,Sollen"); Delvaux p. 97; Donner C.M.L.Rev. 1963 p.14; Ehle JR 64 S. 9, MDR 64 S. 12 ff. und NJW 64 S. 2332 (einschränkend); ders. AWD 65 S. 283; Frowein AWD 64 S. 233 ff. (237); Furler NJW 65 S. 1405; Fuß NJW 66 S. 1784 ff. (Rang unter der Verfassung, aber über den Gesetzen); Glaesner DÖV 59 S. 657 (für das gesetzte Recht "mangels einer Kompetenz der MSt."); Götz JZ 63 S. 268ff. (für das abgeleitete Gemeinschaftsrecht und die Bestimmungen der Verträge, die "self-executing" sind); Hallstein BB 64 S. 854 ("Vorrang des Rechts des übergeordneten Verbandes"); Hay A.J.C.L. 1963 p . 36; V an Den Heuvel S. 83; Ipsen Vortrag L. 24 ff., 27; ders. C.M.L.Rev. 1964/5 p. 396 ff., 401; Kraus, in: Smend-F. S. 200 ("Unwirksamkeit montanverfassungswidriger Anordnungen der MSt."); Mailänder DB 65 S. 1314/5; Mathi;sen p. 93 ("superieur aux normes de droit interne"); Matthies JZ 54 S. 305/6 (differenzierend), offengelassen aber ders. Diskussionsbeitrag D.G.V.R. Heft 2 S.127 und ZHR 1965 S. 103/4; v. Meibom NJW 65 S. 465; Möhring NJW 65 S. 2228; Much S. 19 ff., 22; F. Münch DÖV 62 S. 650 ("vielleicht für das sekundäre Recht"); Ingo v. Münch JZ 64 S. 692 ff. (Bericht über die Staatsrechtslehrertagung 1964 Kiel unter Hinweis auf die Referate von Kaiser und Badura); Nicolaysen NJW 64 S. 2339 und bereits NJW 63 S.1716; Ophüls NJW 63 8.1700 ("verdrängt das innerstaatliche Recht und schließt aus, daß es sich neu bildet"); Piola- Caselli AWD 64 S. 219 ff.; Rabe NJW 64 S. 1608 ff. Tagungsbericht Bensheim- Auerbach unter Hinweis auf die Referate von Ipsen und Bülow; Samkalden C.M.L.Rev. 1964/5 p. 213 ff., 220; Schlochauer Diskussionsbeitrag D.G.V.R. Heft 2 S.117; Schumann ZZP 78 S. 122 ff. (einschränkend aber auf S. 84); Steindorff ArchVR Bd. 8 S. 432/3 (dahingestellt aber in N.17); ders. in: Stropp- Schlochauer Bd. 1 "EGKS" S. 463 und "EWG" S. 483 (" ... soweit dies die Zwecke der Gemeinschaft erfordern"); uneingeschränkt ders. ArchVR Bd. 8 S.l2112; eingehend ders. Rechtsschutz S. 46 ff., 56; Suetens C.M.L.Rev. 1964/65 p. 436, 438; Verdross S. 467, 483 (für Gemeinschaftsverordnungen); Tomuschat S. 109 N. 410 a (absoluter Vorrang nur für Handlungen der Gemeinschaftsorgane); C.-L. Wagner DÖV 65 S. 309 ff. (uneingeschränkt); Wenner AWD 61 S.64ff.; ders. AWD 62 S.lll bei N.8; eingehend Wohlfarth JJb Bd. 3 S. 259 ff., 262 ff., 266 (wegen "mangelnder Kompetenz des nationalen Gesetzgebers") und S. 273; ders. Komm. Vorbem. 4 vor Art. 189 EWGV (für das Sekundärrecht); Zweigert RabelsZ 28 (1964) S. 638 ff. - In der deutschen Judikatur haben sich bislang z. B, das FG Bremen, Urt. vom 9. 4. 1963 A WD 63 S. 281/2 (mit zustimmender Anmerkung von Claus BrändeZ) = NJW 64 S. 344 und das FG Düsseldorf, Urt. vom 7. 7.1965 AWD 65 S. 299 ff. (mit Anm. von Harald Ditges) sowie das FG Münster, Urt. vom 28. 9. 1965 "Fund3 Basse

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1. Teil: Gerichtsbarkeit des EuGH

Die Judikatur des EuGH hat jedoch noch keine abschließende Klärung der Problematik gebracht63 , so daß die wissenschaftliche Diskussion über Bedeutung, insbesondere Begründung und Durchsetzung dieses Ergebnisses andauert. Für den kritischen Betrachter gilt es daher, in erster Linie die Norm zu suchen, die dem nationalen Richter in dem oben ins Auge gefaßten Konfliktsfall sagt, ob und - gegebenenfalls - auf welche Weise er dem (primären) Gemeinschaftsrecht einen "Vorrang" einzuräumen hat. 2. Der EuGH hat eine derartige Konfliktsnorm im Gemeinschaftsrecht gefunden64 • Darin folgen ihm zahlreiche Stimmen in der Litera-

tur und berufen sich teils auf Art.189 EWGV66 , teils auf den Effektivitätsgrundsatz, die Lehre von den "implied powers" oder sonst einen ungeschriebenen Rechtssatz der Vertragswerke des Inhalts, daß Gemeinschaftsrecht dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten im Range vorgehe68 •

stellenverzeichnis" der Europäischen Gemeinschaften I Juristischer Dienst der Exekutivorgane No. 2 (1966) ausdrücklich in diesem Sinne geäußert. Weitere Nachweise bei Fuß NJW 66 S. 1784 ff. N. 16 und N. 30. 6s Ehle NJW 64 S. 2332 und Frawein AWD 64 S. 234 weisen zutreffend darauf hin, daß das Urteil des EuGH im E.N.E.L.-Fall vom Standpunkt der Gemeinschaften und des Kommunitärrechts aus gar nicht anders ausfallen konnte, als schlicht den "Vorrang des Gemeinscllaftsrechts" zu proklamieren! 64 EuGH Rs. 6/64 RsprGH X (1964) S.1251, 1256/7, 1269 ff. leitet den absoluten Vorrang des Gemeinschaftsrechts ab aus Wortlaut und Geist des Vertrags, der Eigenständigkeit der Gemeinschaftsrechtsordnung, der Notwendigkeit, die Gemeinschaften funktionsfähig zu erhalten, der "endgültigen Beschränkung der Souveränitätsrechte" der MSt. und schließlich aus· Art. 189 EWGV. Näher dazu: Ehle NJW 64 S. 2331 ff. und vor allem Frawein AWD 64 s. 233 ff. (236 ff.). 66 Nach Art. 189 Abs. 2 EWGV ist eine Verordnung der EWG allgemein verbindlich und gilt unmittelbar in jedem MSt. In dieser Norm sehen den Vorrang des Gemeinschaftsrechts bestätigt: Frawein AWD 64 S. 234 (nur für Verordnungen); Furler NJW 65 S.1405; Götz JZ 63 S. 269, 270 (für Gemeinschaftsverordnungen); Ipsen Vortrag L. 26, 27; ders. C.M.L.Rev. 1964/5 p. 396 (für das Sekundärrecht); v. Meibom NJW 65 S. 465; Rabe NJW 64 S. 1609 Tagungsbericht Bensheim mit Hinweis auf das Referat von Ipsen. Dagegen halten diese Bestimmung nicht für ausreichend, den Vorrang des Gemeinschaftsrechts generell zu begründen oder gar zu aktualisieren: z. B. Carstens, in: Riese-F. S. 74; Constantinesco JuS 65 S. 346; Fuß OOV 64 S. 586. 68 In diesem Sinne vor allem: Bülow Abhandlungen S. 44, 51; Furler NJW 65 8.1405; Fuß NJW 66 S. 1784 ff.; Hallstein BB 64 S. 854; Ipsen C.M.L.Rev. 1964/5 p. 393, 395 ff.; Rabe NJW 64 S. 1608 ff. Tagungsbericht Bensheim; unklar Schumann ZZP 78 S. 106 N. 127 einerseits, S. 122 ff. andererseits; Steindorf! Rechtsschutz S. 47 ff. (aber nur als "Anspruch" bzw. "Bedürfnis"); C.-L. Wagner DÖV 65 S. 309 ff. (unter Berufung auf die Vertragsmaterialien); Zweigert RabelsZ 28 (1964) S. 638 ff. Demgegenüber betonen das Fehlen eines von Gemeinschafts wegen geltenden allgemeinen Prinzips in den Vertrjigen, wonach das Gemeinschaftsrecht dem nationalen Recht derart "vorgehen" könnte, daß es widersprechendes innerstaatliches Recht unmittelbar außer Kraft setzen würde: eingehend Carstens, in: Riese-F. S. 66 ff., 75; Constantinesco JuS 65 S. 346/7

1. Abschnitt: EWG, EAG und EGKS

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Diese Ansicht ist jedoch insofern nicht ganz konsequent, als sie gleichzeitig - dabei in Einklang mit der ganz herrschenden Meinung - die Geltung des Satzes "Gemeinschaftsrecht bricht nationales Recht" (analog der Bestimmung "Bundesrecht bricht Landesrecht" nach Art. 31 GG) in den Vertragswerken strikt leugnet57 • Vor allem aber erhebt sich ein Bedenken, auf das jüngst Constantinesco besonders klar hingewiesen hat: "Sollen" und "Sein" brauchen in der Vorrangfrage nicht übereinzustimmen; anders ausgedrückt: der gegebenenfalls vom Gemeinschaftsrecht - und für dieses auch vom EuGH - .beanspruchte Vorrang ist nicht identisch mit der Aktualisierung und Durchsetzung eines derartigen Vorrangs im nationalen Forum68 • (der Vorrang des Gemeinschaftsrechts sei nur ein "Sollen"); Fuß DÖV 64 S. 585 ff. ("noch kein Gewohnheitsrecht"); Matthies ZHR 65 S. 103; deutlich F.Münch DÖV 62 S. 649 ff.; ders. D.G.V.R. H. 2 S. 73 ff., 77, 90 ff.; ders. AO II p. 271 ff., 289 ff., 295/6; ders. in: Schätzel-F. S. 339 ff., 363 zu N. 37; Scheuner, in: Verdross-F. 24112; Sehräcker DVBl. 58 S. 417; im Ergebnis auch Steindorff Rechtsschutz S. 52 ff. - Die Verträge selbst rechnen vielmehr offensichtlich mit der Möglichkeit widersprechender staatlicher Normen und Entscheidungen, was vor allem ErZer VVDStRL H. 18 S. 20 zu N. 27 an Hand der "Sanktions"-Bestimmungen der Art. 5, 169 ff. EWGV I 192, 141 ff. EAGV I 86, 88 EGKSV nachweist. Ähnlich: Cars.t ens a.a.O. S. 69, 71; Frawein AWD 64 S. 233; Guggenheim, in: Strupp- Schlochauer Bd. 3, Völkerrecht und Landesrecht, S. 656; de Richemont p. 470 (No. 314); Steindorff Rechtsschutz S. 48; Zweigert a.a.O. S. 637. Zweifelnd: BüZow Abhandlungen S. 47. 67 So ausdrücklich und zutreffend: BindschedZer S. 246; Breitner Organakte S.ll; BüZow Abhandlungen S. 45/6; Carstens, in: Riese-F. S. 71; Constantinesco JuS 65 S. 347; Daig Diskussionsbeitrag D.G.V.R. H. 2 S. 124; ErZer a.a.O. H. 18 S. 16 ff., 22 ff. mit eingehender Begründung; Fuß DÖV 64 S. 585 ff; Götz JZ 63 S. 268; Heise S. 8; von der Heydte Diskussionsbeitrag D.G.V.R. H. 2 S. 128 ff. (kritisch); Ipsen Vortrag L. 25, 26 und NJW 64 S. 341; Jaenicke, in: Strupp- Schlochauer Bd. 3, Supranationale Organisation, S. 426; JerusaZem S. 71; Kreibaum Z.f.schweiz.R. 83 (1964) S. 191; F. Münch DÖV 62 S. 649 ff.; ders. AO II p. 278 ff. und D.G.V.R. H. 2 S. 77 ff., 134 ff.; NicoZaysen NJW 64 S. 344; Rabe NJW 64 S. 1608 ff. Tagungsbericht Bensheim; Runge JuS 65 S. 14; Scheuner, in: Verdross-F. S. 241; SchZochauer ArchVR Bd.ll S. 27; Sehräcker DVBl. 58 S. 417; Steindorff Rechtsschutz S. 49, 56; Thieme VVDStRL H. 18 S. 68 ff., 7314 mit weiteren Nachweisen N. 87; de Visscher AO II p. 5011; Heinz Wagner KSE 5 S. 350 ff. und C.-L. Wagner DOV 65 s. 310. Dagegen halten den Grundsatz "Gemeinschaftsrecht bricht nationales Recht" bereits für einen Bestandteil der Vertragswerke: Daig, in: Komm. a.a.O. Vorbem. vor Art. 189 ff. EWGV S.17112 (aber nicht genügend differenziert); EhZe NJW 64 S. 2332 (de lege ferenda?); Fuß NJW 66 S. 1784 ff.; I. v. Münch JZ 64 S. 692 Bericht über die Staatsrechtslehrertagung 1964 Kiel unter Hinweis auf das Referat von Kaiser; SeidZ- HohenveZdern ArchVR Bd. 4 S. 42 N. 60 (ohne Begründung) und vor allem konsequent Zweigert RabelsZ 28 (1964) S. 638 ff., 642. Ebenso anscheinend FG Bremen A WD 63 S. 281 ff. - Der Rückgriff auf das Schema Bundesrecht - Landesrecht, der auch bei Zweigert a.a.O. anklingt, scheint jedoch im gegenwärtigen Stadium der Gemeinschaften verfrüht. Vgl. auch oben § 2 bei F. 30! 68 Constantinesco JuS 65 S. 290, 340, 345 ff. (347); ebenso schon Fuß DÖV 64 S. 586. - Ähnlich unterscheidet Frawein A WD 64 S. 233 ff. zwischen der "Anordnung" und der "Durchsetzung" (bzw. Verwirklichung) des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts im nationalen Forum und fahndet insoweit nach 3*

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1. Teil: Gerichtsbarkeit des EuGH

Der nationale Richter kann daher im Einzelfall die Lösung des Problems der Anwendbarkeit einer vertragswidrigen nationalen lex posterior im gegenwärtigen Integrationsstadium letztlich nur seinem innerstaatlichen Recht, insbesondere dem nationalen Verfassungsrecht entnehmen59. 3. Im nationalen Recht der Bundesrepublik Deutschland60 kommen dabei als Konfliktsnormen in erster Linie die Art. 24 und 25 GG, aber u. U. auch sonstige Kollisionsregeln in Frage. Parallelregelungen im Gemeinschafts- und nationalen Recht. Steindorff Rechtsschutz S. 47 ff., 52 ff. wiederum untersucht anschaulich, inwieweit den "Ansprüchen" ("Anforderungen, Bedürfnissen") des Gemeinschaftsrechts auf einen Vorrang im innerstaatlichen Recht Genüge getan ist; vgl. aber auch Zweigert RabelsZ 28 (1964) S. 641 ("Anspruch des Gemeinschaftsrechts ... auf höheren Rang"). - Demgegenüber hält Heinz Wagner KSE 5, S. 349 einen unbedingten Vorrang des Gemeinschaftsrechts nicht einmal für rechtspolitisch wünschenswert. 69 Ebenso: Bebr Judicial Control p. 216 ff.; BiUow AWD 63 S.162 (einschränkend aber ders. Abhandlungen 8. 44); Carstens, in: Riese-F. 8. 75 ff.; Constantinesco JuS 65 8. 347, der notfalls den nationalen Gesetzgeber bemühen will; ders. AO II p. 218; Daig Diskussionsbeitrag KSE 1 S.173; Dumon!Rigaux 1958 p. 265 ff.; Ehle NJW 64 8. 2332; Friauf DVBl. 64 8. 785/6; Frawein AWD 64 S. 236 ff.; Fuß DÖV 64 S. 587; Hay A.J.C.L. 1963 p. 36; Ipsen NJW 64 S. 341; zum Teil auch ders. C.M.L.Rev. 1964/5 p. 394 ff.; Lagrange Schlußanträge Rs. 6/64 RsprGH X (1964) 8.1288 ff., 1291/2; ders. AO IV p. 67 ff.; Matthies ZHR 1965 8. 103/4; Münch D.G.V.R. H. 2 8 . 77 ff, 93 und DÖV 62 8. 650; Nicolaysen NJW 63 8.1716; Prieur p.131 ff.; Rabe NJW 64 S. 1608 Tagungsbericht Bensheim unter Hinweis auf das Referat von Ipsen; Scheuner, in: Verdross-F. 8. 241/2; Schlochauer ArchVR Bd. 11 8. 27, 29; im Ergebnis auch Steindorff Rechtsschutz 8 . 52 ff.; de Visscher AO II p. 46 ff., 48; Wenner AWD 62 8.111 bei N.12. In diesem Sinne offenbar auch noch EuGH Rs. 26/62 Rspr GH IX (1963) 8. 23 ff. und das Urteil des italien. Verfassungsgerichts vom 7. 3. 1964 (Nr. 14) AWD 64 S. 219 ff. = NJW 64 s. 2338. eo Zur Rechtslage und den einschlägigen Verfassungsbestimmungen in den übrigen MSt. - vor allem Art. 66 des niederländischen Grondwet i. d. F. vom 23. 8. 1956, Art. ll und 10 der italienischen Verfassung vom 27.12. 1947, Art. 55 der neuen französischen Verfassung vom 5.10.1958 - näher: Amphoux Rev.gen.dr.int.publ. 1964 p. 148 ff.; Bülow Abhandlungen 8. 35 ff.; Carstens, in: Riese-F. 8. 67 ff.; Frawein AWD 64 S. 236/7 mit weiteren Nachweisen N. 55 ff.; V an Den Heuvel S. 20 ff.; Christoph Sasse: "Die Geltung des Gemeinschaftsrechts in den M8t.", Referat auf dem Assistenten-Seminar der Europäischen Gemeinschaften vom 21.10. 1965, Haus Lerbach, Bergisch Gladbach (hektographiertes Protokoll von Friedrich Ebeling); Schlochauer ArchVR Bd.ll S. 27/8 (21 ff.); de Visscher AO II p. 46 ff.; Zweigert RabelsZ 28 (1964) S. 634/5. - Insbesondere Art. 66 der Niederländischen Verfassung statuiert eindeutig den Vorrang des Völkervertragsrechts auch vor entgegenstehendem späterem nationalem Gesetzesrecht: Bauer ZaöRV 18 S.137 ff., 151 ff.; Erades S. 339 ff., 359, 360; Grewe VVDStRL H. 12 S. 145 ff.; van Kleffens, in: Riese-F. 8. 49 ff. - Näher zu Art.ll der italienischen Verfassung: Urteil des Corte Costituzionale vom 7. 3.1964 AWD 64 S. 219 ff., Piola-Caselli ebenda 8. 220 ff. sowie vor allem Catalano C.M.L.Rev. 1964/5 p. 225 ff. - Zum Vorrang des Vertrags- und sekundären Gemeinschaftsrechts aufgrund Art. 55 der französ. Verfassung vgl. Pepy Rev.crit.dr.int.priv. 1963 p. 695 ff. Daß sich auch in der belgiseben Lehre und Rechtsprechung allmählich die Auffassung vom Vorrang des Gemeinschaftsrechts durchzusetzen beginnt, legt besonders Suetens C.M.L.Rev. 1964/5 p. 433 ff. mit ausführlichen Nachweisen dar.

1. Abschnitt: EWG, EAG und EGKS

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a) Art. 25 GG scheidet jedoch deshalb gleich wieder aus, weil er sich nur mit den "allgemeinen Regeln des Völkerrechts" befaßt und das partikuläre europäische Vertragsrecht nicht zu diesen "allgemeinen Regeln" zählt61 • b) In jüngster Zeit wird der Vorrang des Gemeinschaftsrechts vielfach aus Art. 24 Abs. 1 GG abgeleitet62 • Der Ausschluß einer deutschen lex posterior über Art. 24 Abs.1 GG- im Wege einer "Übertragung", d. h. eines "dinglichen Verzichts" auf das Abänderungsrecht63 - setzt aber die Möglichkeit der substantiellen Einbuße von staatlichen Hoheitsrechten voraus. Das ist jedoch, wie die nähere Untersuchung der Bestimmung des Art. 24 Abs. 1 GG noch zeigen wird, abzulehnen64 • Außerdem liefe diese Ansicht praktisch darauf hinaus, den einfachen, nicht in den Formen des Art. 79 GG zustande gekommenen Zustimmungsgesetzen zu den Verträgen i. S. des Art. 24 Abs. 1 GG selbst Verfassungsrang zuzuerkennen65 • Dafür lassen sich allerdings keine weiteren Argumente- außer den bereits verworfenen- finden 66 • 61 Auch über den Satz "pacta sunt servanda" i. V. mit Art. 25 GG läßt sich der Vorrang des (europäischen) Vertragsrechts nicht konstruieren; vgl. dazu näher: Berber I S. 100. - Wie der Text daher: Bü.Zow Abhandlungen S. 39; Carstens, in: Riese-F. S. 75; EhZe MDR 64 S.12 ff.; Götz JZ 63 S. 268; Runge JuS 65 S.14 N. 62; Wagner KSE 5 S. 357; Zweigert RabelsZ 28 (1964) S. 635/6. Zu Unrecht stützen dagegen zum Teil den Vorrang des Gemeinschaftsrechts auf Art. 25 GG: Bebr Judical Control p. 222 N. 60 und GZaesner DÖV 59 s. 657. 62 In diesem Sinne: offenbar Bayer RabelsZ 17 (1952) S. 330; Carstens, in: Riese-F. S. 76 ff., 79 ff.; Constantinesco AO II p. 218ff. N. 80; Frawein AWD 64 S. 237; Ipsen NJW 64 S. 342; ders. Vortrag L. 26, 27; ders. C.M.L.Rev.1964/5 p. 394 ff., 401; F. Münch DÖV 62 S. 650; I. v. Münch JZ 64 S. 692 ff. Bericht über die Staatsrechtslehrertagung 1964 in Kiel; NicoZaysen NJW 63 S. 1716; Ophü.Zs NJW 63 S. 1700 (im Ergebnis); ders. zitiert bei Ipsen Tagungsbericht Den Haag NJW 64 S. 341/2; PioZa-CaseZli AWD 64 S. 220 ff., der in Italien den Vorrang des Gemeinschaftsrechts auf Art.ll der italien. Verfassung stützt, einer dem Art. 24 GG vergleichbaren Bestimmung; Schumann ZZP 78 S. 122 ff. - Gegen die Möglichkeit, derartige Schlußfolgerungen gerade (und allein) aus Art. 24 Abs. 1 GG ziehen zu können, wenden sich jedoch: Bülow Abhandlungen S. 51; EhZe NJW 64 S. 321 und MDR 64 S.12 ff.; Fuß DÖV 64 S. 585 N.124; ders. NJW 66 S.1784; Götz JZ 63 S. 268; Zweigert RabelsZ 28 (1964) S. 636 (vgl. aber dagegen S. 640 ff.). Kritisch auch Heinz Wagner KSE 5 s. 358 ff. 63 Herzog DÖV 59 S. 47 hat diese seine - unbewiesene - These allerdings praktisch und im Ergebnis für die Europäische Menschenrechtskonvention wegen mangelnder Fähigkeit der betreffenden internationalen Einrichtung zur Obernahme des Rechts zur Abänderung des nationalen (!) Transformationsgesetzes nicht angewandt. Ähnlich argumentieren neuestens jedoch Maunz-Dürig Art. 24 RdNr. 9, 10 und 11, die ebenfalls aus Art. 24 Abs. 1 GG im Hinblick auf die praktischen Bedürfnisse (!) eine "Sperrwirkung" des deutschen G€setzes gern. Art. 24 Abs. 1 GG bzw. eine "Selbstbindung des deutschen Gesetzgebers" ableiten wollen. u s. dazu unten § 6! 85 So in der Tat ausdrücklich: Schumann ZZP 78 S.122, während MaunzDürig a.a.O. über diese Konsequenz ihrer oben genannten Ansicht zu er-

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1. Teil: Gerichtsbarkeit des EuGH

c) Weitere Kollisionsrege Zn, die in dem genannten Ausgangsfall generell den Vorrang des Gemeinschaftsrechts durchzusetzen vermöchten, weist das deutsche Recht nicht auf. § 101 Nr. 3 GWB gilt nur für den Sonderfall der Wettbewerbsbeschränkungen im Bereich der Montanindustrie67, wie überhaupt der Satz "Iex specialis derogat legi generali" nur in Einzelfällen helfen könnte. Die Regel "Iex posterior derogat legi priori" wiederum würde hier gerade zu dem gegenteiligen Ergebnis, nämlich dem Vorrang des jüngeren deutschen Gesetzes, führen68 • Schließlich hat Steindorff einen . interessanten Gedanken in die Debatte geworfen: Er nimmt an, die Ratüizierungsgesetze zum EWGV enthielten eine Kollisionsnorm, wonach (späteres) staatliches Recht unangewendet zu bleiben habe, soweit dies vom Gemeinschaftsrecht berechtigterweise (?) beansprucht werde69 • Diese Annahme scheint jedoch eher eine Unterstellung70 und außerdem wenig praktikabel zu sein. 4. Zusammenfassend und um zum Ausgangspunkt zurückzukehren, bleibt - für die Zwecke der vorliegenden Arbeit - folgendes festzuhalten: ein "Vorrang des Gemeinschaftsrechts" in dem Sinne, daß eine schrecken scheinen. - Ebenso zur Rechtslage aufgrund Art. 11 der italien. Verfassung: Piola-CaseUi AWD 64 S. 221. 66 Daß die Vertragsgesetze innerstaatlich Verfassungsrang besitzen, lehnen im Ergebnis ausdrücklich ebenfalls ab: Biilow Abhandlungen S. 39; Carstens, in: Riese-F. S. 79 ff.; Constantinesco JuS 65 S. 290 ff., 346/7; Ehle NJW 64 S. 321/2 und MDR 64 S. 14 ff. ("Rang unter der Verfassung"); Friauf DVBl. 64 S. 786; Fuß NJW 66 S.1784 ff.; Lagrange Schlußanträge 6/64 RsprGH X (1964) S. 1289 ff., 1291 ("Rang unter der Verfassung"); Runge JuS 65 S.14. Ebenso zur Rechtslage nach Art. 11 der italien. Verfassung: Corte Costituzionale, Urt. vom 7. 3.1964, AWD 64 S. 220. 67 Näher dazu: Deringer NJW 65 S. 477 ff. - Wie der Text: Matthies ZHR 1965 S. 103/4; Steindorff Rechtsschutz S. 52, 53. - Allgemein zum Verhältnis europäisches - nationales Wettbewerbsrecht: Schlochauer ArchVR Bd. 11 s. 30 ff. 68 So ausdrücklich italien. Verfassungsgericht, Urt. vom 7. 3. 1964 AWD 64 S. 220 = C.M.L.Rev. 1964/5 p. 224. - Zur Geltung derartiger nationaler Kollisionsregeln s. näher: Biilow Abhandlungen S. 39, 40 und Matthies ZHR 1965 s. 103 ff. Dagegen wendet allerdings Ipsen Vortrag L. 26, 27 und C.M.L.Rev. 1964/ 1965 p. 398 ff. grundsätzlich ein, daß die lex-posterior-Regel nur für das Verhältnis von Normierungen gleicher Herkunft und Qualität gelten könne und daher für die Relation Gemeinschaftsrecht - nationales Recht "abzutreten" habe (kritisch ·dazu aber Fuß DOV 64 S. 585 bei N. 125 und 128). In diesem Sinne auch: Seidl-Hohenveldern I.C.L.Q. 1963 p.111 ff., 114, Steindorf! Rechtsschutz S. 47 und Rabe NJW 64 S. 1609 ff. Tagungsbericht Bensheim unter Hinweis auf das Referat von Ipsen. 69 Steindorff Rechtsschutz S. 53 ff. Ähnlich: Much S. 22, wonach die MSt. "im Gründungsakt stillschweigend eigene Gesetze für unanwendbar erklärt" hätten; kritisch dazu aber F. Miinch D.G.V.R. H. 2 S. 90. Vgl. auch Ipsen C.M.L.Rev. 1964/5 p. 401 ff. - Steindorff a.a.O. S. 53, 54 gibt aber selbst zu, daß der staatliche Gesetzgeber diese Kollisionsnorm jederzeit durch spätere nationale Rechtsetzung aufheben kann. 10 Ebenso ausdrücklich Carstens, in: Riese-F. S. 68.

1. Abschnitt: EWG, EAG und EGKS

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nationale (deutsche) lex posterior, die insbesondere eine ältere Bestimmung des Vertragsrechts ausdrücklich aufhebt bzw. davon abweichen will, für den nationalen Richter eo ipso nichtig und unanwendbar wäre, läßt sich im gegenwärtigen Zeitpunkt (noch) nicht begründen und entspräche auch weder der Praxis noch der bisherigen Rechtsüberzeugung in den Mitgliedstaaten71 •

IV. Anhang: Der Integrationshebel des Art. 24 Abs. 1 GG §5

1. Form, Gegenstand und Adressat der "Übertragung" im Sinne des Art. 24 Abs. 1 GG

I. Nach Art. 24 Abs. 1 GG kann der Bund Hoheitsrechte "durch Gesetz" übertragen. Genaugenammen erfolgt diese Übertragung durch einen vom Bund mit fremden Staaten geschlossenen und gemäß Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG ratifizierten Staatsvertrag72•

Anläßlich des Kampfes um den deutschen Wehrbeitrag (die EVG) war heiß umstritten, ob sich Art. 24 Abs. 1 GG nur auf einfache Gesetze des Bundes bezieht, d. h. etwaige Grundgesetzänderun gen bereits vorweggenommen hat, oder gegebenenfalls - bei sonstigen Einbrüchen in das materielle oder formelle Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland - ein verfassungsändernde s Gesetz im Sinne von Art. 79 GG verlangt. Diese Frage ist sowohl bei der parlamentarischen Behand71 Ebenso insbesondere: Bülow Abhandlungen S. 52 (einschränkend auf S. 53); Constantinesco JuS 65 S. 290, 340, 345 ff. (347), der klar darauf hinweist, daß insoweit "Sein" und "Sollen" noch nicht übereinstimmen; Fuß DÖV 64 S. 585 ff. (kein "automatischer Rechtsanwendungsvorrang"); Frowein AWD 64 S. 237/8, wonach der Vorrang des Gemeinschaftsrechts nicht bedeute, daß widersprechendes nationales Recht unbeachtlich sei, sondern den MSt. zur Aufhebung des gemeinschaftswidrigen Rechts verpflichte; Hall.stein, in: Ophüls-F. S.17, 18; Heise S. 8; Jaenicke ZaöRV 23, 523 f., der einen automatischen "Rechtsanwendungsvorrang" für das Gemeinschaftsrecht verneint; ders. Diskussionsbeitrag, zitiert bei Rabe NJW 64, S.1609 Tagungsbericht Bensheim; Kreibaum Z.f.schweiz.R. 83 (1964) S. 191/2 N. 58; Steindorff Rechtsschutz S. 54, 56 unter Hinweis darauf, daß den Richtern eines vertragsuntreuen Staates nicht zuzumuten sei, sich gegen den erklärten Willen ihres nationalen Gesetzgebers zu wenden (ebenso Fuß DÖV 64 S. 586); Wagner KSE 5 S. 348 ff., 353, 360. Auch Badura (zitiert bei Ingo v . Münch JZ 64 S. 693 Bericht über die Staatsrechtslehrertagu ng 1964 in Kiel), betont, eine Aufhebung des mit dem Gemeinschaftsrecht in Widerspruch stehenden nationalen Rechts könne ;,nur durch den nationalen Gesetzgeber" erfolgen. Vgl. ferner die oben § 4 II 1 F. 50 genannten Autoren. 12 In diesem Sinne: Grewe VVDStRL H. 12 S. 263; Kaufmann Wehrbeitrag II S. 49; v. Mangoldt-Klein Art. 24 Anm. III 4 a, b; Maunz Deutsches Staatsrecht § 30 III; Menzel VVDStRL H. 12 S. 212; Münch AO II p. 280; ders. D.G.V.R. H. 2 S. 79; Scheuner Wehrbeitrag II S. 140; Schätzel Wehrbeitrag I S. 343/4 und II S. 632; Thoma Wehrbeitrag II S.160. Vgl. andererseits jedoch auch Maunz-Dürig Art. 24 RdNr. 15!

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1. Teil: Gerichtsbarkeit des EuGH

lung des im Bundestag nur mit einfacher Mehrheit angenommenen Montanvertrags73 als auch später bei den Römischen Verträgen74 nur ganz vereinzelt aufgeworfen worden75• Sie muß aber mit der ganz überwiegenden Meinung im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte des Art. 24 GG78 im ersteren Sinne beantwortet werden77 • Einigkeit herrscht jedenfalls insoweit, daß die bloße Übertragung von Hoheitsrechten als solche keines verfassungsändernden Gesetzes bedarf. II. 1. Zu den gemäß Art. 24 Abs. 1 GG übertragbaren "Hoheitsrechten" zählen auch Teile der deutschen Gerichtsbarkeit18• 73 In dritter Lesung mit 232 gegen 143 von 378 abgegebenen Stimmen; 184. Bundestagssitzung der 1. Wp. S. 7836. 74 Unter ausdrücklichem Hinweis darauf, daß "nach Art. 24 Abs. 1 GG die einfache Majorität" genüge, hat bei der Abstimmung über das Vertragswerk Bundestagsvizepräsident Dr. Becker gar nicht eigens festgestellt, ob eine verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit nach Art. 79 Abs. 2 GG gegeben war, sondern nur bemerkt, daß das Gesetz "mit sehr großer Mehrheit angenommen" sei; 224. Bundestagssitzung vom 5. 7. 57, 2. Wp. S.13349. 75 Aufgrund der Beeinträchtigung von Länderkompetenzen und der Abgabe von Hoheitsrechten an eine "undemokratische Institution" hielt allerdings der Abgeordnete Dr. Veit/SPD in der Ratifizierungsdebatte die Errichtung der Montanunion durch ein einfaches Gesetz für ausgeschlossen; 183. Bundestagssitzung der 1. Wp. S. 7728 ff. Für eine Verfassungsänderung auch: Fisch/ KPD a.aO. S. 7750 ff. - Anderer Ansicht aber: v. Merkatz!DP a.a.O. S. 7763 ff. und insbesondere Kaufmann in der Sondersitzung des Bundesrats vom 15. 6. 51 S.19 ff., 22 ff.; ebenso Ophüls Bundesratssondersitzung vom 15. 6. 51 S. 23; vgl. auch Weber Wehrbeitrag II S. 184 N. 18. 78 Dazu näher: Jahrbuch des öffentlichen Rechts n.F. Bd. 1 1951 S. 222 ff., 226. 77 Vgl. die Stellungnahme der Bundesregierung zum Wehrbeitragsstreit a.a.O. II S. 30/1; Erler VVDStRL H. 18 S.19;Friauf DVBl. 64 S. 786; GieseSchunck Art. 24 Anm. II 1; Glaesner DÖV 59 S. 653; Kaufmann Wehrbeitrag II S. 52; K. H. Klein S. 28; v. Mangoldt Wehrbeitrag I S. 279 ff.; Maunz-Dürig Art. 24 GG RdNr. 12, 14 ff.; Menzel Wehrbeitrag I S. 284, 292; ders. VVDStRL H.12 S.211; ders. in: Bonner Kommentar Art. 24 Anm. II 1; Münch D.G.V.R. H. 2 S. 87; Scheuner Wehrbeitrag li S. 140, 143; Süsterhenn Wehrbeitrag I S. 270 ff.; Thieme VVDStRL H. 18 S. 55 f.; Thoma Wehrbeitrag II S. 160 f.; Weber Wehrbeitrag li S.184; Wolff Wehrbeitrag II S. 203 ff. Anders jedoch: Ballerstedt S. 58 ff.; Forsthoff Wehrbeitrag II S. 330 ff. (unter ausdrücklichem Hinweis auf die Montanunion); Klein Wehrbeitrag II S. 465 ff. - Vgl. auch Kraus Wehrbeitrag II S. 537 ff., 541; ferner Küchenhoff DÖV 63 S.165; Loewenstein Wehrbeitrag II S. 386 ff.; wohl auch v. MangoldtKlein Art. 24 Anm. 111 4 b; Maunz Deutsches Staatsrecht § 30 111 (zweifelnd); ders. Wehrbeitrag II S. 593 ff., 600 ff.; Schätzet Wehrbeitrag I S. 346 ff. und II S. 632 ff., 637 und Smend Wehrbeitrag li S. 562 ff.: - sämtliche für den Fall, daß über die in der Übertragung als solchen liegende Verfassungsänderung hinausgegangen werden soll. 78 Vgl. Bettermann, in: Bettermann-Nipperdey-Scheuner Ill 2 S. 629, 801, der den Fall des Art. 24 Abs. 1 GG als die einzige vom Grundgesetz vorgesehene Ausnahme von dem staatlichen Rechtsprechungsmonopol anerkennt. Ebenso: Erler, in: Göttinger-F. S. 27 ff., 43 ff. und VVDStRL H. 18 S. 36 bei N. 54. - Vgl. aber auch zur Auslegung von Art. 24 Abs.1 GG in dieser Richtung: Bucher NJW 57 S. 850 ff.; Stellungnahme der Bundesregierung Wehrbeitrag II S. 36; Giese-Schunck Art. 24 Anm. II 1; Glaesner DÖV 59 S. 653; HaHier Schiedsinstanzen S.17 N. 82, S. 65; v. d. Heydte-Hettlage Wehr-

1. Abschnitt: EWG, EAG und EGKS

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2. Gemäß Art. 92 i. V. mit Art. 30 GG ist jedoch die Ausübung der rechtsprechenden Gewalt in dem hier besonders interessierenden zivil-, arbeits- und verwaltungsrechtlich en Bereich - abgesehen von den oberen Bundesgerichten des Art. 96 Abs. 1 GG und dem BVerfG eine Sache der Länder79. Daher war auch die Frage, ob der Bund in den von ihm abgeschlossenen Integrationsverträge n gem. Art. 24 Abs. 1 i. V. mit 59 Abs. 2 Satz 1 GG außer seinen eigenen auch Hoheitsrechte der Länder übertragen kann und darf, besonders in den Debatten um den deutschen Wehrbeitrag und die Errichtung einer EVG umstritten80 • Dies Problem ist auch schon bei der parlamentarischen Behandlung des EGKSV und in der Literatur zur Montanunion lebhaft erörtert81, jedoch - soweit ersichtlich - bei der Gründung der EWG und der EAG und danach von niemand mehr ernstlich zur verfassungsrechtlichen Diskussion gestellt wordens2 • MenzeLB3 weist in diesem Zusambeitrag II S. 671 N. 2; Kaufmann Wehrbeitrag li S. 49 ff., 54; K. H. Klein S. 60, 63; Kruse, in: Kraus-F. S. 118; u. Mangoldt-Klein Art. 24 Anm. III 3, 4 a, b und 5 e, f; Mosler, in: Wehberg-F. S. 274 ff., 295 ff. unter Hinweis auf Art. 67 der niederländischen Verfassung, worin ausdrücklich Befugnisse der Rechtsprechung als übertragbar bezeichnet sind (hierzu näher: Bauer ZaöRV 18 S. 137 ff.); Scheuner Wehrbeitrag li S. 138 ff., 149, der besonders darauf aufmerksam macht, daß erst dadurch auch die Einsetzung entsprechender Gerichte möglich werde; Schlochauer, in: Wehberg-F. S. 367 ff.; SPD-Fraktion Wehrbeitrag li S. 301. 79 Vgl. Maunz-DilTig Art. 30 Anm. 2, 10. so Für eine Übertragung von Länderkompetenzen durch den Bund in diesem Zusammenhang: Stellungnahme der Bundesregierung Wehrbeitrag li S. 30 ff.; Schätzel Wehrbeitrag I S. 347, 352 ff. und II S. 638, aber mit Einschränkungen; Scheuner Wehrbeitrag li S. 138 ff., 143; Silsterhenn Wehrbeitrag I S. 270 ff.; Thoma Wehrbeitrag II S. 163, 169; Weber Wehrbeitrag li S.184 ff., 189. - Dagegen: Kraus Wehrbeitrag II S. 545; anscheinend auch Forsthoff Wehrbeitrag II S. 330 ff. und Loewenstein Wehrbeitrag II S. 386 ff., die solche Eingriffe in die bundesstaatliche Verfassungsordnung nicht für bereits durch Art. 24 GG vorweggenommen halten, sondern ein verfassungsänderndes Gesetz verlangen; zweifelnd: Maunz Wehrbeitrag II S. 594. 81 Eine Befugnis des Bundes zur "Übertragung" nicht nur der eigenen Hoheitsrechte, sondern auch solcher der Länder, insbesondere der Justizbefugnisse des Art. 92 GG, nahmen dabei an: Kaufmann Bundesratssandersitzung vom 15. 6. 1951 S. 19 ff., 21 ff. unter Hinweis auf die Einsetzung von Gemischten Schiedsgerichten nach Art der Gern. Schiedsgerichtshöfe des V.V. und der Rheinschiffahrts-Zent ralkommission; v. Merkatz 161. Bundestagssitzung der 1. Wp. S. 6540 ff. und 183. Sitzung der 1. Wp. S. 7736/7; ebenso später K. H. Klein S. 63 ff. und grundsätzlich Mosler, in: Wehberg-F. S. 297 ff. - Anderer Ansicht jedoch: Schmi d 161. Bundestagssitzung der 1. Wp. S. 6512 ff. und Veit 183. Sitzung der 1. Wp. S. 7729; skeptisch Arnold 61. Bundesratssitzung der 1. Wp. S. 446. Vgl. auch Maunz Wehrbeitrag II S. 594, der allerdings schon die übertragung wirklicher Hoheitsrechte auf die EGKS bezweifelt. Schließlich gehen auch Giese-Schunck Art. 24 Anm. II 1 anscheinend nur von der Übertragbarkeit von Hoheitsrechten des Bundes aus, ohne daraus aber z. B. gegen die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Gerichtsbarkeit der EGKS irgendwelche Bedenken herzuleiten. 82 Weber/Harnburg machte in der 176. Bundesratssitzung der 2. Wp. S. 615 und der 181. Sitzung der 2. Wp. S. 743 insoweit nur auf die Schranken des Art. 79 Abs. 3 GG aufmerksam; ähnlich schon Arnold 61. Bundesratssitzung

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1. Teil: Gerichtsbarkeit des EuGH

menhang zutreffend darauf hin, daß schon die Fassung des Art. 24 Abs. 1 GG auf die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern keine Rücksicht nimmt und daß überhaupt der bundesstaatliche "Föderalismus" und das Prinzip des Art. 30 GG bei der Ausübung der "Integrationsgewalt" gern. Art. 24 GG84 als einer besonderen Ausgestaltung bzw. eines spezüisch modernen Elements der auswärtigen Gewalt85 nicht zur Auswirkung gelangen. Auch wird im Bereich der auswärtigen Gewalt nach dem Grundgesetz unter "Bund" etwa i. S. des Art. 24 GG, wo eine ausdrückliche Gegenüberstellung von Bund und Ländern fehlt, grundsätzlich die Gesamtgewalt der Bundesrepublik - also von Bund und Ländern - zu verstehen sein86. Dieses Ergebnis wird noch dadurch bestätigt, daß die allgemeine völkerrechtliche Vertragsschließungskompetenz des Bundes gemäß Art. 32 GG i. V. mit Art. 59 Abs. 2 GG nicht mehr an der Gesetzgebungshoheit der Länder Halt machen muß87 und der Bund daher auch schon insoweit praktisch über Länderkompetenzen verfügen kann88. Eine Beschränkung des Art. 24 Abs.l GG der 1. Wp. S. 446 bei der Beratung des Montanvertrags. - Grundsätzlich für eine Übertragbarkeit von Länderkompetenzen auf zwischenstaatliche Einrichtungen, insbesondere die europäischen Gemeinschaften, im Wege des Art. 24 Abs. 1 GG: Bettermann a.a.O. III 2 S. 629 und v. Mangoldt-Klein Art. 24 Anm. III 3; Bülow Abhandlungen S. 56; dahingestellt bei Carstens, in: Riese-F. S. 76. Neuerdings wiederum sehr skeptisch aber Maunz-Dürig Art. 24 RdNr. 13 und 18! 83 VVDStRL H.12 S. 208 ff., 220; vgl. auch ders. Diskussionsbeitrag, VVDStRL H. 18 S. 99 ff. 84 Vgl. dazu vor allem Grewe VVDStRL H. 12 S. 143 ff., 176; zustimmend Zweigert RabelsZ 28 (1964) S. 640. Kritisch zu diesem Begriff: Klein VVDStRL H. 12 S. 227 ff.; vgl. auch Maunz Deutsches Staatsrecht § 48 VI. 85 Kaufmann Bundesratssondersitzung vom 15. 6. 51 S. 20 ff., 23 rechnet ebenfalls die Übertragung von Hoheitsrechten im Grunde zu den "auswärtigen Angelegenheiten"; ebenso K. H. Klein S. 50, 53. 86 Vgl. v. Mangoldt-Klein Art. 24 III 2, 3 und Menzel VVDStRL H . 12 S. 258. Anderer Ansicht: anscheinend K. H. Klein S. 49; vgl. auch Nawiasky Diskussionsbeitrag VVDStRL H. 12 S. 235, der aus dieser Erkenntnis gerade umgekehrt Rückschlüsse auf die Notwendigkeit einer Beteiligung der Länder ziehen will. - Kritik an allen derartigen Auslegungsversuchen üben jedoch aus methodischen Gründen Maunz-Dilrig Art. 24 RdNr. 13. 87 So jedenfalls die h. M. unter Berufung auf die Entstehungsgeschichte des Art. 32 GG, abgedruckt im Jahrbuch des öffentlichen Rechts n .F. Bd. 1 S. 300 ff. Vgl. Stellungnahme der Bundesregierung Wehrbeitrag li S. 30; Grewe VVDStRL H.12 S.162 ff., 177, 264; Kaufmann Sondersitzung des Bundesrats vom 15. 6. 51 S. 19 ff.; insbesondere Menzel VVDStRL H. 12 S. 205 ff., 220, 257 ff.; Pfeifer Diskussionsbeitrag VVDStRL H.12 S. 244; Schätzel Wehrbeitrag II S. 638. - Anderer Ansicht - d. h. für einen Gleichlauf von Vertragsschließungs- und Gesetzgebungskompetenz- grundsätzlich: Merk Diskussionsbeitrag VVDStRL H.12 S. 231; Mosler ebenda S. 240 ff.; anscheinend auch Hugelmann ebenda S. 235; ebenso Maunz Deutsches Staatsrecht § 30 li, der aber unter irriger Heranziehung des Art. 59 Abs. 2 GG als Kompetenznorm - dagegen insbesondere Grewe a.a.O. S. 177 und K. H . Klein S. 50 ff. - zu einer weitgehenden Beschränkung der Vertragsgewalt des Bundes gelangt. 88 Vgl. Menzel a.a.O. S. 220, 257. Zu demselben Ergebnis gelangt auch Mosler Diskussionsbeitrag VVDStRL H. 12 S. 241 infolge einer Umkehrung

1. Abschnitt: EWG, EAG und EGKS

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auf Kompetenzen des Zentralstaats "Bund" wäre auch deshalb widersinnig, weil dann eine Übertragung von Hoheitsrechten der Länder den Abschluß besonderer Integrationsverträge dieser Teilstaaten verlangen würde: schon aus praktischen Gründen eine Unmöglichkeit89 ! III. 1. Art. 24 Abs. 1 GG nennt als Adressaten der Übertragungsmaßnahme "zwischenstaatliche Einrichtungen". Darunter hat man auch überstaatliche Institutionen nach Art der europäischen Gemeinschaften zu verstehenso. 2. Die von den "Übertragungsempfängern" im Sinne des Art. 24 Abs.l GG ausgeübte Hoheitsgewalt stellt dabei entsprechend der selbständigen Rechtsnatur dieser Einrichtungen91 eine eigene, selbständige, "supra"oder "internationale" bzw. staatengemeinschaftliche und wesensmäßig von derjenigen des "übertragenden" deutschen Staates verschiedene Gewalt dar92 • Diese schwerwiegende Feststellung ergibt sich allerdings aus dem Wortlaut des Art. 24 Abs.l GG nicht. Der Beweis dafür kann daher erst aufgrund einer näheren Untersuchung des Instituts der Rechtsübertragung i. S. des Art. 24 Abs.l GG geführt werden.

§6

2. Bedeutung der Vbertragung von Hoheitsrechten gemäß Art. 24 Abs. 1 GG

Über die Bedeutung der "Vbertragung" von Teilen des "Hoheitsrechts" der deutschen Gerichtsbarkeit93 auf die neu geschaffenen euroder allgemeinen Kompetenzvermutung des Art. 30 GG durch Art. 32 Abs. 1 GG für die auswärtigen Angelegenheiten; einschränkend v. d. Heydte Diskussionsbeitrag ebd. S. 238 - dagegen Schneider ebd. S. 249 -; ferner K. H. Klein S. 49 ff., 53; Nawiasky Diskussionsbeitrag VVDStRL H.l2 S. 235; offengelassen bei Kordt ebd. S. 250. 89 Vgl. Menzel a.a.O. S. 212, 220. 90 So jedenfalls für die EGKS und (oder) die EVG: Stellungnahme der Bundesregierung Wehrbeitrag II S. 32; Giese-Schunck Art. 24 Anm. II 1; Handbuch der Montanunion Bd. I A 10 S. 4; Kaufmann Wehrbeitrag II S. 43, 53 ff.; K. H. Klein S. 38 ff., 63; Kraus Wehrbeitrag II S. 545 ff, 550; v. Mangoldt Wehrbeitrag II S. 91 und v. Mangoldt-Klein Art. 24 Anm. III 5 e, f; Menzel Wehrbeitrag I S. 292, ders. VVDStRL H. 12 S. 211; v. Merkatz 161. Bundestagssitzung der 1. Wp. S. 6540; Scheuner Wehrbeitrag II S.l37; SPDFraktion Wehrbeitrag II S. 280 und Süsterhenn Wehrbeitrag I S. 270 ff. Ebenso für die EWG: Berie-Miller Einl. A Nr. 25. - Für sämtliche übernationalen Gemeinschaften im allgemeinen: Friauf DVBl. 64 S. 787 ff.; Furler NJW 65 S.l407; Maunz-Dürig Art. 24 RdNr. 21; Zweigert RabelsZ 28 (1964) s. 640 ff. 91 Vgl. oben § 2, insbesondere F. 21. 92 Vgl. Erler, in: Göttinger-F. S. 44; Kaufmann Wehrbeitrag II S. 54; ders. Bundesratssondersitzung vom 15. 6. 51 S. 20 ff. und hierzu vgl. Klein Wehrbeitrag II S. 466 ff.; K. H. Klein S. 29 ff., 63 ff.; Krüger DOV 59 S. 723; Lagrange ZHR 1961, S. 94, 97, 101; Maunz-Dürig Art. 24 RdNr. 8; Mosler, in: Wehberg-F. S. 294/5; Schätzel ArchVR Bd. 4 S. 249; Scheuner Wehrbeitrag II S. 139; Schlochauer, in: Wehberg-F. S. 373; ders. FW Bd. 52 S. 14 ff. 93 "Hoheitsrecht" verstanden als Herrschaftspotenz (bzw. Machtzuständigkeit), nicht Staatstätigkeit; vgl. Erler VVDStRL H. 18 S. 9, 10; K. H. Klein S.l9 ff.; SPD-Fraktion Wehrbeitrag II S. 300 ("Kompetenz").

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1. Teil: Gerichtsbarkeit des EuGH

päischen Gemeinschaften gemäß Art. 24 Abs. 1 GG herrscht ein lebhafter Streit.

I. Häufig ist - allerdings in Wahrheit meist nicht der Sache nach die Meinung vertreten worden, daß es sich dabei um eine echte Übertragung und Abtretung i. e. S. handelt94 • Nach heute ganz überwiegender Auffassung gibt aber das Institut der "Rechtsübertragung" - etwa im Sinne der Zession des Schuld- und Sachenrechts gern. §§ 398, 929 ff. BGB- den Vorgang der Ausstattung der europäischen Gemeinschaften mit der erforderlichen Hoheitsgewalt nicht zutreffend wieder95 und 94 So jedenfalls grundsätzlich Erler Intern. Wirtschaftsrecht S. 29 N. 69 (allerdings gerade nicht für die gegenwärtigen europäischen Gemeinschaften); ferner v. Mangoldt-Klein Art. 24 GG Anm. III 6 und ebenso F. Klein Wehrbeitrag II S. 468 ff., 470, 472, wonach ein "Abtreten" i.e.S. des Art. 24 Abs. 1 GG in den Formen des Verzichts auf Hoheitsrechte und der Einschränkung von Hoheitsrechten durch die Übernahme konnexer Verpflichtungen ohne Kündigungsmöglichkeit oder mit längerer Befristung erfolge; Art. 24 Abs.1 GG stelle demgemäß (?) eine Einschränkung des Satzes von der Unteilbarkeit der Staatsgewalt und der daraus folgenden Unveräußerlichkeit von Hoheitsrechten dar. Vgl. auch K. :Er. Klein S. 27 ff., 32, 63 ff. ("endgültige, echte Abtretung"; andererseits schafft aber nach Klein a.a.O. der Begehungsakt nicht die neue Staatsgewalt, sondern läßt nur ihre (originäre?) Schöpfung im Rahmen der Aufgabe zu). Für eine "Übertragung" i.e.S. wohl auch: Amtl. Erl. zum EWGV und EAGV Bundestagsdrucksache 3440 (2. Wp.) S.108; Forsthoff Wehrbeitrag II S. 330 ("Übertragung von Hoheitsrechten auf außerstaatliche Instanzen quoad substantiam; ... endgültige Ausgliederung dieser Hoheitsrechte"); GieseSchunck Art. 24 Anm. II 1 ("Übergang von einzelnen Hoheitsrechten jeder Art"); Kraus, in: Smend-F. S.199 (wonach die Montanverfassung aus dem vorbehaltenen innerstaatlichen Wirkungsbereich der Montanstaaten "Stücke herausschneide", die an die Montangemeinschaft mit der Folge "übergingen", daß sich der staatliche Wirkungsbereich entsprechend verenge; gegen diese Betrachtungsweise aber ausdrücklich Münch DÖV 62 S. 651); Loewenstein Wehrbeitrag II S. 385/6; auch Maunz Wehrbeitrag II S. 593 ff., 598 ("endgültige Weggabe von Hoheitsrechten") und schon Mosler, in: Recht- StaatWirtschaft, Bd. 3, S. 256 ("die MSt. übertragen ihre Hoheitsrechte . . . an die Gemeinschaften und verlieren sie dadurch"). Ausdrücklich offengelassen wird diese Frage bei Friauf AöR 85 S. 226, der den Gemeinschaften aber nur diejenigen Befugnisse zusprechen will, mit denen sie die Gründerstaaten ausgestattet hätten, d. h. die hoheitliche Gewalt der Gemeinschaften sei nicht originär, sondern "leite sich von der Gewalt der sechs Staaten ab"; ähnlich Dahm JI S. 654 ("aus der Staatsgewalt der Mitgliedstaaten abgeleitete Zuständigkeiten"). Auch Jerusalem S.ll ff. spricht ausdrücklich von den "stets abgeleiteten Befugnissen der Montanunion zweiter Hand"; ähnlich SPD-Fraktion Wehrbeitrag II S. 279 ff. ("abgeleiteter Rechtserwerb") und Runge JuS 65 S. 13; ferner - allerdings nicht im Hinblick auf Art. 24 Abs. 1 GG - Reuter S. 63, 87, 96 ff. ("transfert de competence"). 95 Aus der Fülle der Literaturstimmen seien nur einige besonders akzentuierte hervorgehoben, so z. B. ausdrücklich: Glaesner DÖV 59 S. 653; Hallier Schiedsinstanzen S. 14 N. 68; Hallstein, in: Ophüls-F. S. 15 ff.; Herzog DÖV 59 S. 46 f.; Maunz-Dürig Art. 24 RdNr. 6 ff.; aber auch schon v. Merkatz 161. Bundestagssitzung der 1. Wp. (vom 12. 7. 51) S. 6541; Scheuner, in: Verdross-F. S. 232 N.16; Thieme VVDStRL H.18 S. 53 und 63; Wohlfarth JJb Bd. 3 S. 260; Zweigert RabelsZ 28 (1964) S. 641. Auch Krüger DÖV 59 S. 722 ff.

1. Abschnitt: EWG, EAG und EGKS

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führt auch zu unmöglichen Konsequenzen. So weist vor allem Krüger 96 zu Recht darauf hin, daß auf diese Weise das neue "supranationale" Gebilde nicht mit einer einheitlichen und eigenständigen Gewalt, sondern lediglich mit einem Bündel konkreter Einzelbefugnisse von ganz verschiedener Herkunft und noch verschiedenartigerem und je nach der Verfassung des "Zedenten" begrenztem Inhalt ausgerüstet werde 97 . Es kann sich jedoch weder die Gewalt der europäischen Gemeinschaften mosaikartig aus einzelnen, heterogenen Bruchstücken zusammensetzen98, noch vermag die auf die Gemeinschaften "übertragene" Gerichtsbarkeit lediglich die "Summe der transferierten nationalen Gerichtsbarkeiten"99, sondern nur deren eigene Gerichtsbarkeit- also wesensmäßig ein "aliud"- darzustellen100 • bezieht gegen den Gedanken der Veräußerlichkeit von Hoheitsrechten ausdrücklich Stellung. 98 Krüger DÖV 59 S. 722 ff. mit grundsätzlicher Zustimmung von Thieme VVDStRL H. 18 S. 53 ff., 63. 97 Ebenso: Kaufmann Wehrbeitrag II S. 54 und Maunz-Dürig Art. 24 RdNr. 7 ff.; ferner Schille ZaöRV 16 S. 243 ff., der sich insbesondere gegen die unhaltbare Lehre von den "rechtsstaatlichen Hypotheken" wendet, die z. B. den EuGH dazu zwingen würde, den Umfang seines Rechtsschutzes je nach dem nationalen Recht des Betroffenen auszurichten. Ablehnend insoweit auch: Erler VVDStRL H. 18 S. 32, 33; Friauf DVBl. 64 S. 785; Kaiser Diskussionsbeitrag VVDStRL H. 17 S. 88; D. Küchenhoff DÖV 63 S. 166 N. 86; Thieme Diskussionsbeitrag VVDStRL H.18 S. 91; Wohlfarth JJb Bd. 3 S. 260. Allerdings wollen D. Küchenhoff DÖV 63 S. 165 ff. und Thieme a.a.O. S. 63 - ohne das "Übertragen" i.S. des Art. 24 Abs. 1 GG wörtlich zu nehmen insoweit den Rechtsgedanken "nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet" wenigstens und nur für den innerstaatlichen Rechtsbereich Platz greifen lassen. Dafür auch: grundsätzlich und vorbehaltlos Küchenhoff Diskussionsbeitrag VVDStRL H.18 S. 94; Kraus Wehrbeitrag li S. 541; Loewenstein Wehrbeitrag II S. 386; Menzel Wehrbeitrag I S. 294; SPD-Fraktion Wehrbeitrag II S. 279 ff. Dagegen ausdrücklich: Carstens, in: Riese-F. S. 78 ff.; Kaufmann Wehrbeitrag II S. 55; Maunz-Dürig a.a.O.; Wohlfarth JJb Bd. 3 S. 260; Ztveigert RabelsZ 28 (1964) S. 640 ff. - Jedoch ist die Vorstellung von einer zwar grundsätzlich selbständigen und geschlossenen, aber im innerstaatlichen Bereich ganz anders gearteten Gemeinschaftsgewalt als auf supranationaler Ebene schwer vollziehbar. Abzulehnen daher jedenfalls z. B. Erler Intern. Wirtschaftsrecht S. 30 ("Bündel ... delegierter ... gleichartiger inhaltlicher (?) Kompetenzen der einzelnen Mitgliedstaaten"), aber auch die oben § 2 F. 21 a.E. genannten Autoren. 98 Auf diese Weise würde sie auch nie eine Abgeschlossenheit und Vollständigkeit erreichen, ganz abgesehen davon, daß die moderne Vorstellung von der Staatsgewalt nicht ihr Verständnis aus Einzelrechten gestattet; vgl. die zu § 26 in F. 90 zitierten Literaturstimmen. 99 Vgl. die Stellungnahme der Bundesregierung Wehrbeitrag II S. 8; Kaufmann ebenda li S. 54; hierzu auch Kraus ebenda li S. 538; schließlich Maunz-Dürig Art. 24 RdNr. 7. Gegen eine derartige Bewältigung juristischer Sachverhalte mit Denkkategorien der Mathematik grundsätzlich auch: Schille ZaöRV 16 S. 243/4. too Vgl. die Nachweise oben § 5 III 2 F. 91 und F. 92. - Aus diesem Grunde hält auch Münch D.G.V.R. H. 2 S. 78 zu N. 21 eine "übertragung" staatlicher Kompetenzen als solcher vermöge einer völkerrechtlichen Transaktion für

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1. Teil: Gerichtsbarkeit des .EuGH

Ob die neu geschaffene Hoheitsgewalt, insbesondere die Gerichtsbarkeit der europäischen Gemeinschaften, dann eine ursprüngliche in dem Sinne ist, daß sie die betreffenden Gebilde aus eigener Kraft hervorbringen101, oder ob sie letztlich von den Mitgliedstaaten auf der Gemeinschaftsebene neu und originär konstituiert wird102, mag dabei dahinstehen; jedenfalls liegt kein abgeleiteter Rechtserwerb im eigentlichen Sinne- z. B. des deutschen Privatrechts- vor.

II. Aus diesen Gründen sieht eine andere, weit verbreitete Meinung in der "Übertragung" gern. Art. 24 Abs.l GG ein Doppeltes, nämlich eine endgültige Aufgabe bzw. Abgabe der zu "übertragenden" nationalen Hoheitsrechte im Wege des Rechtsverzichts103 seitens der Gründerstaaten einerseits und - zur Ausfüllung des so geschaffenen "kompetenzfreien Raumes" 104 - eine Neukonstituierung eigener Hoheitsrechte auf der Gemeinschaftsebene andererseits106. schwer möglich (unklar allerdings a.a.O. S. ff1: "Duldung staatlicher Tätigkeit von internationalen Organisationen"). 1o1 So: Krüger DÖV 59 S. 723 ff. Ähnlich: Carstens, in: Riese-F. S. 78, 79; Erler VVDStRL H. 18 S. 32; Friauf DVBI. 64 S. 785; Herzog DÖV 59 S. 47; Maunz-Dürig Art. 24 RdNr. 7 und 8; Zweigert RabelsZ 28 (1964) S. 641; kritisch Loewenstein Wehrbeitrag II S. 386. 102 So: Schü.le ZaöRV 16 S. 242 ff. und 252; unklar Friauf AöR 85 S. 227, auch K. H. Klein S. 32, der "das Zwischenglied, die Schöpfung neuer Staatsgewalt" für juristisch nicht erklärbar hält. (Gegen eine Ursprünglichkeit dieser Gewalt aber a.a.O. auf S. 29, 31; anders ders. DÖV 64 S. 310). Vgl. ferner v. Merkatz 161. Bundestagssitzung der 1. Wp. (vom 12. 7. 1951) S. 6541 ("keine Weitergabe ... sondern eine Neubegründung von Rechten"); schließlich auch Wohlfarth JJb Bd. 3 S. 247, 261 ("mit dem Ursprung der Gemeinschaften entstandene, neugeschaffene Kompetenzen originärer Art"). Kritisch dazu jedoch Kreibaum Z.f.schweiz.R. 83 (1964) S.l87 ff. und Wagner KSE 5 s. 277 ff. 1os Mit "dinglicher Wirkung"; vgl. Herzog DÖV 59 S. 44 ff., 47; auch Küchenhoff DÖV 63 S.l66; zurückhaltend insoweit: Thieme VVDStRL H.l8 S. 73 N. 86; kritisch: Erler ebenda H. 18 S. 21 ff. und neuestens auch Maunz-Dürig Art. 24 RdNr. 5, 7 ff. und Wagner KSE 5 S. 352. 104 Vgl. Mosler, in: Wehberg-F. S. 294. Herzog a.a.O. S. 47, aber auch (nicht ganz konsequent) zuletzt Maunz-Dürig Art. 24 RdNr. 7 sprechen insoweit von einem "Hoheitsvakuum"; vgl. dazu aber schon § 26 F. 92. 1os So besonders deutlich Schü.le ZaöRV 16 S. 244/5; im Ergebnis auch schon die Amtl. Begründung zum EWGV und EAGV S.l08, sowie Amt!. Begründung zum EGKSV S. 4, 5 ("Hoheitsfunktionen ... werden aus der Zuständigkeit der Vertragsstaaten ausgegliedert und der ... Gemeinschaft übertragen" - allerdings mit der Folge, daß diese mit eigenen Hoheitsbefugnissen ausgerüstet sei); ferner Herzog DÖV 59 S. 46, 47; auch K. H. Klein S. 27 ff., 63; Maunz-Dürig Art. 24 RdNr. 7 ff. ("Dereliktion plus Okkupation"), einschränkend jedoch dieselben a.a.O. RdNr. 5; Scheuner Wehrbeitrag II S. 139; insbesondere Schlochauer, in: Wehberg-F. S. 363 ff., 373; ders. JZ 51 S. 289 und FW 52 S. 14 ff.; Steindortf Nichtigkeitsklage S. 14. Eine Verringerung der Hoheitsbefugnisse der MSt. im Sinne einer Substanzeinbuße vertreten außerdem: Forsthoff Wehrbeitrag II S. 329 ff. ("endgültige Ausgliederung von Hoheitsrechten quoad substantiam"); ferner F. Klein ebenda II S. 468 ff.; Kraus, in: Smend-F. S. 199 (vgl. oben § 6 I F. 94); v. Mangoldt-Klein Art. 24 Anm. 111 6 ("Minderung oder Schmälerung deut-

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Diese Ansicht venneidet zwar die unmöglichen Folgen der eigentlichen Abtretungslehre insoweit, als sie die Schaffung einer eigenständigen, grundsätzlich vom jeweiligen formellen und materiellen Verfassungsrecht der MSt. und dessen Rechtsschutzgarantie n unabhängigen Gemeinschaftsgewal t bejaht. Sie wird aber wiederum der Eigenart des Vorgangs und der modernen Vorstellung von der Geschlossenheit einheitlicher Staatsgewalt insofern nicht gerecht, als sie praktisch die Gewalt der Gründerstaaten in ein Bündel verschiedener Hoheitsrechte aufspaltetlos und davon einzelne herausbricht. Ebensowenig wie man die Hoheitsgewalt der neuen Gemeinschaften als die bloße Summe heterogener, im Laufe der Zeit "erworbener" Einzelbefugnisse verstehen darf, genausowenig ist es gestattet, die Staatsgewalt der Gründerstaaten nur als ein Konglomerat inhaltlich genau beschreib- und abgrenzbarer Hoheitsrechte abzüglich der im Laufe der historischen Entwicklung "abgetretenen" Kompetenzen - sozusagen als Reststaatsgewalt mit einzelnen Lücken - aufzufassen. Erler107 und besonders Krüger108 haben überzeugend nachgewiesen, daß die Gewalt des modernen Staates weder ein historisches Gebilde darstellt noch sich in inhaltlich genau bestimmbare Hoheitsrechte auflösen läßt1°9 • Deshalb erscheint die Theorie eines substantiellen Verlusts an Staatsgewalt in dem Sinne, daß der neuzeitliche Staat aus seiner einheitlichen und geschlossenen Potenz Teilbereiche, d. h. inhaltlich bestimmte Hoheitsrechte, mit absoluter Wirkung110 zu entlassen und an internascher Hoheitsrechte"; anders aber wohl F. Klein a.a.O. li S. 470); Maunz Wehrbeitrag li S. 593 ff., 598; Ophüls Sondersitzung des Bundesrats vom 15. 6. 1951 S. 23; ders. "Die Gegenwart" 1951 S. 25 ("tlbergang der Substanz nach", und zwar mit der Folge, daß nur noch Hoheitsrechte der Gemeinschaft existierten); Smend Wehrbeitrag li S. 561 ("der Bestand an Hoheitsrechten" stehe "zur Verfügung" für die tlbertragungen und Eingliederungen nach Art. 24 Abs. 1 GG). 106 Ähnlich den Regalien des mittelalterlichen Königs- bzw. Kaiserstaats; vgl. Erler VVDStRL H.18 S.18 und 21; Glaesner DÖV 59 S. 653; K. H. Klein S.19 ff.; Maunz-Dürig Art. 24 RdNr. 20, Art. 30 RdNr. 7; vgl. auch die weiteren Nachweise unten § 26 F. 90. 107 Erler VVDStRL H. 18 S. 19 ff., 21. 1os Krüger DÖV 59 S. 722 ff. 109 Sie verkörpert vielmehr ein systematisches, logisches Gebilde und die Fähigkeit des damit begabten Wesens, die zur Bewältigung der jeweils gestellten Aufgaben erforderlichen Rechte aus eigener Kraft hervorzubringen (Krüger a.a.O. S. 723 ff.); sie sei die als reine Potenz zu verstehende, nicht auf bestimmte Inhalte von vornherein festgelegte "Kompetenzkompetenz", die als "Souveränität" bezeichnet zu werden pflege; vgl. Erler a.a.O. S. 21 und ders. Intern. Wirtschaftsrecht S. 29. Im Ergebnis ebenso Glaesner DöV 59 S. 653, der die "Hoheitsrechte" i.S. von Art. 24 GG als essentielle Elemente der einheitlichen Staatsgewalt und bloße Wirkungsrichtung staatlicher Machtausübung auf einem bestimmten Sachgebiet begreift und demzufolge einem ,.Hoheitsrecht" insoweit eine selbständige rechtliche Bedeutung abspricht. Vgl. aber auch das unten § 26 F. 90 genannte Schrifttum. uo Bzw. mit "dinglicher Wirkung"; vgl. Herzog DÖV 59 S. 47 und oben § 6 li F. 103 mit weiteren Nachweisen.

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1. Teil: Gerichtsbarkeit des EuGH

tionale Gemeinschaften weiterzugeben vermöchte, verfehlt111 • Damit soll nicht gesagt sein, daß es sich nur um eine "vorübergehende" bzw. "vorläufige" Übertragung von Hoheitsrechten an die europäischen Gemeinschaften handelt112• Denn die europäischen Verträge enthalten keine Kündigungsklauseln und sind auf 50 Jahre (Art. 97 EGKSV) bzw. "unbegrenzte Zeit" (Art. 240 EWGV /208 EAGV) abgeschlossen113• Von einem "Fehlen" der Staatsgewalt kann aber jedenfalls solange nicht die Rede sein, als die Qualität der "übertragenden" MSt. als grundsätzlich nur dem Völkerrecht unterworfener, unabhängiger und damit " souveräner" Staaten derart unangetastet bleibt, wie das bei den mitteleuropäischen Sechs bislang noch der Fall ist114• Diese Staaten haben daher 111 So ausdrücklich: Erler VVDStRL H.18 S. 19, 21; ders. Intern. Wirtschaftsrecht S. 29; besonders plastisch Krüger DÖV 59 S. 724/5 ("keine Aussteuer, die das eigene Vermögen verringert"); Maunz-Dürig Art. 24 RdNr. 4 ff.; wohl auch Mosler ZaöRV 16 S. 702; deutlich Wagner KSE 5 S. 352. 112 Etwa i.S. des Art. 24 Abs. 2 GG; vgl. F. Klein Wehrbeitrag II S. 469 N. 8, 470; K. H. Klein S. 27 ff., 36 ff., 63. 113 Abgesehen von einer Vertragsrevision gern. Art. 95, 96 EGKSV /235, 236 EWGV /203, 204 EAGV, aber auch gern. Art. 223/4 EWGV! Außerdem bieten sich hier nach allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen - vgl. Merk Diskussionsbeitrag VVDStRL H. 18 S. 95 - eventuell die Möglichkeit eines Rücktritts bei wesentlich geänderten Verhältnissen entsprechend der clausula rebus sie stantibus - für die BRD etwa im Falle der Wiedervereinigung; vgl. Weber 176. Bundesratssitzung der 1. Wp. S. 616; Zinn ebenda S. 617- und in "Grenzsituationen" letztlich auch der Ausweg des Vertragsbruchs: Vgl. Constantinesco JuS 65 S. 293; Erler Intern. Wirtschaftsrecht S. 29 N. 69, S. 160 ff.; Strange p. 128 und grundsätzlich: Berber I S. 449 ff. und Berber III S. 254/5 zu N. 1 und 2. - Ob für die MSt. als die "Herren der Verträge" wirtschaftlich bereits der "point of no return" erreicht ist, scheint eine metajuristische Frage zu sein; vgl. Runge JuS 65 S. 12, 13 und Wirsing Referat S. 135 ff.! 114 Denn die Gemeinschaften bilden noch keinen europäischen Bundesstaat, sondern basieren in erster Linie auf völkerrechtlicher Grundlage; vgl. oben § 2 und in diesem Zusammenhang besonders Erler Intern. Wirtschaftsrecht S. 29 zu N. 69, 8.157 ff., 163.Gegen den Gedanken einer Souveränitätsübertragung oder -beschränkung und - vice versa - für einen Fortbestand der völkerrechtlichen Souveränität der MSt. der europäischen Gemeinschaften treten ausdrücklich auch ein: Berber III S. 254 ff.; Bindschedler S. 69 ff., 74/5, 201; La CECA p. 267; Dumon/Ri gaux 1959 p. 44 (speziell im Hinblick auf die einzelstaatlichen Gerichte); Gaudet I.C.L.Q. 10 (1961) Suppl. Publ. p. 9 und 10; Glaesner Diskussionsbeitrag KSE 1 S.172; Jaenicke, in: Strupp-Schlochauer Bd. 3, Supranationale Organisation, S. 424; öers. Diskussionsbeitrag D.G.V.R. H. 2 S. 130 ff.; Jerusalem S. 10 ff., 16 ff.; Maunz-Dürig Art. 24 RdNr. 4 ff., 9, 20; Münch DOV 62 S. 652; Riphagen Nederlands Tijdschrift 1955 S. 395; Wohlfarth JJb Bd. 3 S. 262. Zumindest unpräzise und mißverständlich ist daher ein großer Teil der in- und ausländischen Literatur, der-angesichtsder "übertragung" einzelner staatlicher Kompetenzen (Hoheitsrechte) auf die Gemeinschaften - von einer (zum Teil sogar endgültigen und vollständigen!) "übertragung (eines Teils) der Souveränität" (oder einem Verzicht auf die "summa potestas" ; vereinzelt sogar einer "Fusionierung der Souveränitäten") bzw. von "abdication (abandon, transfert, delegation - de l'exercice -) de souverainete" bzw. von "transfer (surrender, fusing) of sovereignty" spricht. In diesem

1. Abschnitt: EWG, EAG und EGKS

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die Fähigkeit zum Vertragsbruch - selbst in Form eines vorzeitigen Austritts - nicht verloren, geschweige denn die Potenz zu einer simplen Zuständigkeitsüberschreitung115 • Das würde sich erst dann ändern, wenn die Gemeinschaftsgewalt eine vertragswidrige Sezession im Sanktionswege zu verhindern vermöchte 116• EWG, EAG und Montanunion sind jedoch- mangels einer "starken Hand" - noch nicht in der Lage, "Bundes"- bzw. "Gemeinschaftszwang" auszuüben117•

III. Die Einbuße, die die Staatsgewalt der MSt. durch die "Übertragung" von Hoheitsrechten auf die drei europäischen Gemeinschaften erfährt, kann nach alledem vielmehr nur darin bestehen, daß diese Staaten sich vertraglich verpflichtet - und durch die Vertragsgesetze ihren Organen verbindlich vorgeschrieben - haben, gewisse, bislang konkret wahrgenommene oder wenigstens in der eigenen Potenz konkludent enthaltene Funktionen nicht mehr auszuüben, sich insoweit der eigenen hoheitlichen Betätigung zu enthalten und eine entsprechende Ausübung der neukonstituierten öffentlichen Gewalt der betreffenden "zwischenstaatlichen Einrichtungen" auf diesem sachlichen Teilbereich der Staatssphäre zu gestatten118• Sinne z. B.: Adenauer 161. Bundestagssitzung der 1. Wp. v. 12. 7. 51 S. 6501; Antoine p. 212; Bayer RabelsZ 17 (1952) S. 329; Berie-Mitler Einl. A Nr. 25; La CECA p. 202 ff. (vgl. dagegen p. 267!); Erades S. 336 ("souvereiniteit prijs gegeven"); Goossens Rev.dr.publ. 1955 p. 99; auch Hallstein Frankfurter Universitätsreden S. 20; Kunz A.J.I.L. 1952 p. 690 ff., 696, 697; Lagrange Rev.dr.publ. 1954 p. 419; Moser S. 2, 71 ff.; Prieur j>. 81 ff., 92; P. R. Rev.dr. publ. 1951 p. 109; van Raalte I.C.L.Q. 1952 p. 74 ff.; Reuter p. 28, 34; de Richemont p. 252, 365; Robertson p. 101; Sauer öZöR 1955 S.l ff., 3 (unentschieden); Strange p. 120; Vernon A.J.I.L. 1953 p. 183, 188 ff.; Vignes p.12, 13, 85; kritisch de Visscher AO li p. 30 ff. - Vgl. aber auch EuGH Rs. 26/62

RsprGH IX (1963) S. 5, 6, 25 ("Einschränkung der Souveränitätsrechte der Staaten zugunsten der Gemeinschaft"); ebenso EuGH Rs. 6/64 RsprGH X (1964) S.1251, 1256/7, 1269 ff. ("endgültige Beschränkung der Souveränitätsrechte" bzw. "Hoheitsrechte der MSt."). 115 Daß diese Möglichkeiten ins Auge gefaßt werden müssen, nachdem der erste Oberschwang der Europabegeisterung verklungen ist, zeigen die Vorgänge und Diskussionen anläßlich des Scheitern der britischen Beitrittsbemühungen zur EWG zu Beginn des Jahres 1963, die kaum verhüllten französischen Austrittsdrohungen in Zusammenhang mit der weiteren Errichtung eines gemeinsamen Agrarmarktes um die Jahreswende 1963/64 und insbesondere die am 30. 6. 65 ausgebrochene EWG-Krise. Vgl. dazu näher Nicolaysen NJW 65 S. 1653 ff. 11& Vgl. Mosler ZaöRV 14 S. 44 und ders. in: Recht- Staat- Wirtschaft, Bd. 3, S. 245 ff., 250 und 256; zustimmend Bayer RabelsZ 17 (1952) S. 328 N. 3; ähnlich Erler Intern. Wirtschaftsrecht S. 161, 164, wonach die "Funktionsfreiheit" der Staaten gerade durch die Lösung aus eingegangenen Verpflichtungen bewiesen werden könne. 117 So ausdrücklich: Berber III S. 252 f., 254; Constantinesco JuS 65 S. 293 N. 39; Erler VVDStRL H.18 S.17 ff.; Friauf DVBI. 64 S. 786; Kreibaum Z.f.schweiz.R. 83 (1964) S.193; Münch DÖV 62 S. 651; Thieme VVDStRL H.18 S. 68 ff., 73; Wirsing Referat S. 134 ff. 118 Im wesentlichen übereinstimmend umschreiben den Vorgang der "Übertragung" von Hoheitsrechten gern. Art. 24 Abs.1 GG bzw. allgemein der Er4 Basse

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1. Teil: Gerichtsbarkeit des EuGH

In der neueren Literatur spricht auch W ohlfarth davon, die MSt. hätten ihre Rechte nicht durch Übertragung aufgegeben, sondern nur auf die Ausübung ihrer Kompetenzen verzichtet119 • Er hält diesen Verzicht aber nicht bloß für eine obligatorische Verpflichtung, sondern eine auf der Souveränität der MSt. lastende völkerrechtliche Servitut mit der Folge, daß der betreffende MSt. von seinen Kompetenzen keinen Gebrauch mehr machen "könne" und nicht nur nicht "dürfe" 120 • Wohlfarth begründet aber diese - nach vorangegangener ausdrücklicher Bejahung des Fortbestands der Plenipotenz und Souveränität der MSt. der Gemeinschaften wenig folgerichtige - Ansicht im wesentlichen nur mit den unübersehbaren praktischen, den Bestand der Gemeinschaft gefährdenden Folgen der gegenteiligen ·Auslegung; der Autor verkennt jedoch nicht, daß die Gemeinschaft vertrags- und kompetenzwidrige nationale Maßnahmen dennoch nicht zu verhindern vermag. Aus diesem Grunde scheint auch die im E.N.E.L.-Urteil geäußerte Ansicht des EuGH, die Übertragung von Hoheitsrechten hätte deren endgültige Beschränkung bewirkt, die durch spätere einseitige richtung "überstaatlicher" Gemeinschaften in dieser Weise: Erler VVDStRL H.18 8.19 ff., 22; GZaesner DOV 59 S. 653; Hallstein, in: Ophüls-F. S.15 ("Selbstbeschränkung der MSt."); Jaenicke, in: Strupp- Schlochauer Bd. 3, Supranationale Organisation, S. 423 ff., 426; Mosler, in: Wehberg-F. S. 294; Münch AO II p. 281; ders. D.G.V.R. H. 2 S. 78 (87). Ahnlieh Hallier Schiedsinstanzen S.14 N. 68 (" ... nur ein staatlicher Verzicht zur Ausübung bestimmter Kompetenzen") und Maunz-Dürig Art. 24 RdNr. 5 ff., 7 a.E., 9. ("Lediglich ein Verzicht auf die Ausschließlichkeit der deutschen Staatsgewalt und möglicherweise eine Verpflichtung, der fremden Gewalt keine Konkurrenz zu machen". - Zur Konkurrenz der Hoheitsgewalten - und der hoheitlichen Betätigung - von Gemeinschaften und Einzelstaaten vgl. aber auch Erler a.a.O., S. 22, Krüger DOV 59 S. 725 und insbesondere hinsichtlich des Bereiches der nationalen und supranationalen Gerichtsbarkeit: SchüZe ZaöRV 16 S. 245/6). Vgl. ferner Scheuner Wehrbeitrag II S. 137, 139 (schon unter Hinweis auf die Montanunion: "Verzicht auf die Ausübung der staatlichen Hoheit auf bestimmten Gebieten zugunsten der internationalen Organisation"); ders. in: Verdross-F. S. 232 N.16 ("keine Übertragung von Hoheitsrechten, sondern die Begründung der Entscheidungsbefugnis einer internationalen Instanz unter Ausschluß der Zuständigkeit der Einzelstaaten oder parallel mit dieser"). Entsprechend auch Thieme VVDStRL H.18 S. 62 ("der Vorgang des Übertragens enthält neben dem Verzicht auf die Ausübung eigener Hoheitsrechte und der Ermächtigung der Gemeinschaft zur Ausübung der Hoheitsrechte auch die Verpflichtung, die innerstaatlichen Voraussetzungen der Wahrnehmung von Hoheitsrechten durch die Gemeinschaftsorgane zu schaffen"); Verdross S. 280 ("die Vertragsstaaten verzichten auf die Ausübung ihrer Hoheitsrechte ..."). us Wohlfarth JJb Bd. 3 S. 261 ff. Anders aber ders. auf S. 266: " ... der Gemeinschaft ... mit dinglicher Wirkung ... die Befugnis eingeräumt". 120 Ebenso: Ophüls Bericht auf dem Haager Kongreß für Europarecht, mitgeteilt von Ipsen NJW 64 S. 341/2; ders. Diskussionsbeitrag KSE 1 S. 570. - Anders insoweit jedoch ausdrücklich: Maunz-Dürig Art. 24 RdNr. 5, 7 a.E. und 9; vgl. auch Ipsen Vortrag L. 25. 121 EuGH Rs. 6/64 RsprGH X (1964) 8.1251, 1256/7, 1271.

1. Abschnitt: EWG, EAG und EGKS

staatliche Maßnahmen nicht mehr rückgängig gemacht "kann" 121, lediglich eine "petitio principii" zu seinm.

51 werden

Ob man für die Übertragung von Hoheitsrechten auf die europäischen Gemeinschaften gern. Art. 24 Abs. 1 GG daher statt des Terminus "Abtretung" besser die Bezeichnung "Delegation", "Betrauung", "Ausstattung" o. ä. 123 wählen sollte, spielt dabei keine Rolle, sofern dadurch nicht die wesentlichen Erkenntnisse dieser Untersuchungen - eigene, selbständige Befugnisse der Gemeinschaften; aber auch kein Substanzverlust der Gewalt der souveränen Mitgliedstaaten! - verdunkelt werden.

So zutreffend: Steindorff Rechtsschutz S. 55, 56. Französisch: "conferer", "confier" oder "attribuer"; englisch: "confer"; lateinisch: "conferre" statt "transferre"! Vgl. die Stellungnahme der Bundesregierung Wehrbeitrag li S. 8; insbesondere Kaufmann ebenda li S. 54 ff.; auch Mosler, in: Wehberg-F. S. 294; Münch AO II p. 278 ff., ders. D.G.V.R. H. 2 S. 78 N. 21; Schätzel Wehrbeitrag II S. 638; Wohlfarth JJb Bd. 3 S. 260; Zweigert RabelsZ 28 (1964) S. 641. Kritisch zum Streit um Terminologien: Klein Wehrbeitrag II S. 466 ff. mit weiteren Nachweisen; ebenso Kraus ebenda II S. 538/9 ("ohne rechtliche Folgen"); ferner Systematische Stellungnahme der SPD-Fraktion ebenda II S. 300 ("unerheblich"). 122 123

Zweiter Abschnitt

§7

Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften

Unter den in den Verträgen zur Gründung dieser so gearteten drei Gemeinschaften vorgesehenen Organen1 nimmt der Gerichtshof jeweils gern. Art.164 EWGV bzw. 136 EAGV und 31 EGKSV die wichtige Aufgabe der "Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung des Vertrags" wahr. Dabei ist der EuGH gemeinsames Organ aller drei europäischen Gemeinschaften2, nachdem der "einzige" Gerichtshof der EWG und EAG mit Aufnahme seiner Tätigkeit gern. Art. 244 Abs. 1 EWGV und 212 Abs. 1 EAGV i. V. mit Art. 4 Züf. 1 des Abkommens über gemeinsame Organe am 7.10.1958 den bisher bestehenden Gerichtshof der Montangemeinschaft ersetzt hat3 • Dieser EuGH hat sich selbst• eine einheitliche Verfahrensordnung vom 3. 3.19595 sowie eine Zusätzliche Verfahrensordnung vom 9. 3.1962& 1 2

Vgl. Art. 4 Abs. 1 EWGV, 3 Abs. 1 EAGV, 7 EGKSV. Art. 3 und 4 Ziff. 1 des Abkommens über gemeinsame Organe sprechen

von einem "einzigen Gerichtshof"; in der Praxis hat sich aber die Bezeichnung Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) eingebürgert. s Vgl. dazu Maunz § 48 II (aber ungenau); ferner Miihtenhöfer, in: Kommentar Vorbem. Art. 164 EWGV S. 104; aber auch Donner I.C.L.Q. 1961 Suppl.Publ. No. 1 p. 66. Die Richter und Generalanwälte des Gerichtshofs der Montanunion, des Vorläufers des EuGH, wurden schon auf der Ministerratssitzung vom 1. und 2. 12. 1952 gern. Art. 32 EGKSV durch die Regierungen der sechs Mitlgliedstaaten mit Wirkung vom 4. 12. 1952 ernannt. Nach Aufbau und Organisation dieses Gerichtshofs (die feierliche Eröffnungssitzung fand am 10. 12. 1952 statt) lief die erste Klage am 13. 4. 1953 ein; die ersten beiden Urteile (Rechtssachen Nr. 1 und 2/54) ergingen am 21. 12. 1954. Vgl. Barzet EA 53 S. 5640; Breitner EA 55 S. 7243 ff. und EA 57 S. 9639 ff.; Bulletin der EGKS Nr. 46 (Hohe Behörde) S. 35; Daig JZ 55 S. 361; Riese DRiZ 1958 S. 270; Riphagen Nederlands Tijdschrift 1955 S. 386; Stein Col. Law Rev. 1955 p. 985 ff. Näher zur Geschichte und Entwicklung des EuGH: Vatentine Court I p.1 ff. Insgesamt gesehen vermag deshalb die Rechtsprechung des Luxemburger "europäischen" Gerichtshofs nunmehr bereits auf eine zehnjährige Geschichte zurückzublicken (vgl. "Zehn Jahre Rechtsprechung des GH der Europ. Gemeinschaften" - KSE Bd. 1, 1965). 4 Gern. Art. 188 Abs. 2 EWGV und 160 Abs. 2 EAGV i.V. mit Art. 44 GHProtokoll der EWG, 45 GH-Protokoll der EAG und Art. 44 GH-Protokoll der EGKS. 5 ABI. Nr. 18 vom 21. 3. 1959 S. 349 ff. (BGBl. 1959 II S. 1205 ff). s ABI. Nr. 34 vom 5. 5. 1962 S 1113 ff. (BGBl. 1962 II S. 770 ff.).

2. Abschnitt: Der EuGH

53

gegeben, während Gerichtsverfassung und Verfahren im übrigen in drei einzelnen, größtenteils aber gleichlautenden Satzungen geregelt sind7 • Die Gerichtsbarkeit des EuGH bemißt sich des näheren nach den ihm in den drei Verträgen übertragenen Zuständigkeiten, die er gemäß den jeweiligen - oft unterschiedlichen - Bestimmungen von EWGV, EAGV und EGKSV und nur unter den jeweils in diesen Verträgen vorgesehenen Bedingungen ausübt8 • Das kommt auch in Art. 232 EWGV zum Ausdruck, wonach der EWGV weder die Vorschriften des EGKSV, noch diejenigen des EAGV hinsichtlich der besonderen Befugnisse des Gerichtshofs dieser Gemeinschaften9 abändert oder beeinträchtigt.

7 Vgl. die GH-Protokolle der EGKS, EWG und der EAG i. V. mit Art. 45 EGKSV bzw. 188 Abs. 1 EWGV und 160 Abs. 1 EAGV. s Art. 3 8. 1 und Art. 4 Ziff. 1 Abs. 1 8. 2 des Abkommens über gemeinsame Organe; vgl. hierzu: Breitner MDR 58 8 . 472; Daig AöR 83 8.135; Miihlenhöfer a.a.O. Vorbem. vor Art. 164 8.104; derselbe Art.164 Anm.l; Wohlfarth Vorbem. 4 vor Art. 164. e Als leges speciales gegenüber dem EWGV! (vgl. Daig a.a.O. 8. 139).

Dritter Abschnitt §8

Funktionen und Rechtsnatur des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften

Der Katalog der Zuständigkeiten des EuGH nach den Verträgen zeigt seine wahrhaft universelle Natur. Seine Befugnisse sind weder allein mit denen eines der herkömmlichen "internationalen" Gerichte, noch mit denen nationaler Gerichte vergleichbar'. Der EuGH wird vielmehr, der besonderen Struktur der Gemeinschaften entsprechend, in umfassender Weise tätig: In der Hauptsache judiziert er als "Verwaltungsgericht"2 und als "Verfassungsgericht"- insoweit auch als "Staatengericht" - der Gemeinschaften3, daneben als "internationales (Schieds-)Gericht" 4, aber auch als "Disziplinargericht" 5, 1 Antoine S. 214; Amtl. Erläuterungen zu Art. 164 EWGV; Bebr KSE 1 S. 79; Mii.hlenhöfer a.a.O. Art. 164 Anm. 2; McMahon p. 323 ff., 325; Schumann ZZP 78 S. 78 ff.; Wohlfarth Art.164 Anm. 5. Anders aber noch die Amtl. Begründung zum EGKSV S. 15 ("die Funktionen des GH ähneln denen eines obersten staatlichen Gerichts, wie etwa des amerikanischen Supreme Court"); ebenso Goormaghtigh p. 369 und La CECA p. 222; ähnlich Vignes p. 47 ("Cour Supreme Federal") und Delvaux p.11. - In Frankreich und Belgien wiederum wurde der Gerichtshof vielfach mit dem "Conseil d'Etat" verglichen (vgl. Antoine p. 214; La CECA a.a.O.; Goormaghtigh a.a.O.; Jeantet Rev.dr.publ. 1954 p. 687 ff., 698; Lagrange Rev. dr.publ. 1958 p. 861 ff.; Pinay p. 140; Valentine p. 9), in den Niederlanden endlich mit dem Hoge Raad (vgl. Valentine, Symbolae Verzijl p. 387: "Netherlands Supreme Court"). 2 Vor allem bei Nichtigkeits- und Untätigkeitsklagen gern. Art. 173, 175 EWGV I 146, 148 EAGV I 33, 35 EGKSV. 3 Z. B. für Streitigkeiten zwischen MSt. oder diesen und Organen über die Einhaltung ihrer vertraglichen Pflichten bzw. "verfassungsmäßigen Schranken" gern. Art.169, 170 EWGV I 141, 142 EAGV I 88 EGKSV oder für Kompetenzstreitigkeiten zwischen Organen untereinander. Dabei herrscht aber in der Literatur über die Zurechnung der verschiedenen Klagen zu dieser oder einer anderen Zuständigkeitskategorie (s. bei F. 2 und 4) im einzelnen großer Streit. Häufig werden auch die Vorfragenkompetenzen des EuGH gern. Art. 177 EWGV I 150 EAGV /41 EGKSV hier eingestuft. ' Z. B. nach Art. 182 EWGV I 154 EAGV I 89 Abs. 2 EGKSV, soweit es sich um die völkerrechtlichen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten außerhalb ihrer verfassungsrechtlichen Stellung in der Gemeinschaft handelt; vgl. aber auch Art. 219 EWGVI 193 EAGV I 87 und 89 Abs. 1 EGKSV sowie F.3. 5 Vgl. z. B. Art.157 Abs. 2, 160 EWGV, 126 Abs. 2, 129 EAGV, 12 Abs. 2 EGKSV.

3. Abschnitt: Funktionen und Rechtsnatur

55

"Zivil-, Arbeits- und Vollstreckungsgericht" 6 • Sogar Ansätze einer (ordnungs-)strafgerichtlichen Tätigkeit finden sich7 • Dazu tritt noch eine Reihe weiterer, über das ganze Vertragswerk verstreuter, z. B. (quasi-) legislatorischer und konsultativerB Befugnisse des EuGH9 • s Vgl. unten § 9 zu F. 3 ff. mit weiteren Nachweisen zur Funktion des EuGH als "Zivil- bzw. Arbeitsgericht", und zu seiner Eigenschaft als "Vollstreckungsgericht" s. unten § 77 F. 122 und § 78 F. 165. 7 Vgl. Art. 172 EWGV /144 EAGV /36 Abs. 2 EGKSV. B s. etwa den Erlaß der Verfahrensordnung des EuGH und dazu oben § 7 F. 4 sowie die Mitwirkung des EuGH als Gutachtergremium im Rahmen der Vertragsrevision gern. Art. 95 Abs. 4 EGKSV oder des Abschlusses von Abkommen mit Drittstaaten gern. Art. 228 Abs.1 EWGV oder gern. Art.103 Abs.3 EAGV. 9 Abgesehen von allen Einzelheiten teilen die verschiedenen Zuständigkeiten des EuGH- bzw. anfangs des GH der Montanunion -im wesentlichen ebenso ein: Amtl. Begründung zum EGKSV S. 5, 6, 15, 25; Bächle S.15 ff.; Bebr a.a.O. p. 22 bei N. 9; derselbe KSE 1 S. 79; Berber III S. 244/5; Rindschedler S. 226; Breitner MDR 58 S. 472 ff.; ders. EA 54 S. 6271; ders. Organakte S. 7 ff.; ders. Europ. Gerichtsbarkeit S. 10; Dahm II S. 668 ff., 671, 693/5; Delvaux p.ll, 19 ff.; Dumon/Rigaux Ann.Dr.Sc.pol. 1958 p. 288 ff. und ebenda 1959 p. 9 ff.; Ehle A WD 64 S. 41; Ehle Komm. Art. 164 RdNr. 4; Eichler NJW 53 S. 1046; ders. EA 54 S. 6787 ff. zum - mit dem GH der Montanunion identischen - GH der EVG; Erler, in: Göttinger-F. S. 44; Feld p. 36 ff.; Gaudet p.l12; Genzer EA 53 S. 5663 (zum GH der Europ. Polit. Gemeinschaft); Glaesner KSE 1 S. 155; Goossens Rev.dr.publ. 1955 p. 111 N. 35, S. 112; Hallier Internationale Gerichte S.175 ff.; Hallstein Frankfurter Universitätsreden Heft 5 S. 22 ff.; ders. Kieler Vorträge Heft 2 S. 16 ff.; ders. Sondersitzung des Bundesrats vom 15. 6. 1951 S. 4; Handbuch der Montanunion Bd. IV A 164 S. 7 ff.; Hay A.J.C.L. 1963 p. 21 ff.; van Houtte p. 186 ff.; Jerusalem S. 41, 44 ff., 58; Lagrange Rev.dr.publ. 1954 p. 419 ff., 431; ders. Rev.dr.publ. 1958 p. 861; Lorenz, in: Nipperdey-F. S. 798; Mason p. 49; Moser S. 34 ff., 79; Mosler ZaöRV 14 S. 43; Münch Jahrbuch für Int. Recht Bd. 11 (Laun-F. 1962) S. 324; Ophüls NJW 51 S. 694 ff.; Osterheld S. 36; Pinay p. 140 ff.; Prieur p. 66, 123 ff.; de Richemont p. 367 (No. 261) und p. 369 ff. (No. 262 ff.); Rietz S. 16 ff.; Riphagen Nederlands Tijdschrift 1955 S. 384, 408; Riese DRiZ 58 S. 2'10 ff., 273; Robertson (mit einer Übersicht über die in der Literatur vorgenommenen Klassiftzierungsversuche) p. 111 ff., 114 und 162 ff.; Sauer öZöR 1955 S. 3, 4; Schlochauer ArchVR Bd. 3 S.187, 386, 395 ff.; ders. ArchVR Bd. 5 S. 59; ders., in: Ophüls-F. S.173 ff.; Schumann ZZP 78 S. 80 ff.; Skaupy JR 63 S. 326; Steindorff, in: Strupp-Schlochauer Band 1, "EWG", S. 482; Strauß Referat S. 207 ff.; Ule DVBI. 1952 S. 65 ff.; ders. DB 1952 S. 244; ders. DVBI. 1953 S. 491 ff.; Vignes p. 40 ff.; Wohlfarth Komm. Vorbem. 3 vor Art. 164 EWGV. Eine andere Einteilung der Zuständigkeiten, nämlich nach den verschiedenen Klagen und Klagetypen der Verträge und nicht nach dogmatischen Kategorien und Sachgebieten (die in etwa den verschiedenen Zweigen der Gerichtsbarkeit im staatlichen Bereich entsprechen) nehmen vor: Amtt. Erläuterungen zu Art. 164 EWGV; Antoine p. 226 ff. (vgl. aber auch p. 260!); Bebr The Yale Law Journal Vol. 63 p. 26 ff.; Campbell/Thompson p . 96; La CECA p. 222 ff.; Daig AöR 83 S. 136, 164 ff.; Catalano Manuel p. 66 ff.; Croquez p. 9 ff., 13 ff.; Dederer S. 90 ff.; Jaenicke ZaöRV 14 S. 82 ff. (vgl. aber S. 85); Mühlenhöfer a.a.O., Vorbem. vor Art. 164 EWGV S. 103 ff., Art. 164 Anm. 2; Münch, in: Laun-F. 1953 S. 124 ff. (vgl. dagegen später Münch, in: Schätzel-F. S. 352 und besonders Münch, in: Laun-F. 1962 S. 364!); P. R. Rev.dr.publ. 1951 p. 119 ff.; Reuter p. 87 ff. (aber p. 89); Runge JuS 64 S. 474; Schüle ZaöRV 16 S. 239 ("Aktionensystem"); Stein Col. Law Review 1955 p. 989; Valentine Court I p. 9 ff.

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1. Teil: Gerichtsbarkeit des EuGH

Nur für Konflikte zwischen Privatpersonen oder zwischen solchen und den Mitgliedstaaten bzw. nationalen Behörden ist der EuGH niemals zuständig10• Die Kompetenzen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften liegen also in allererster Linie auf dem Gebiet des öffentlichen und des "überstaatlichen" Gemeinschaftsrechts; sei es, daß es sich um Streitigkeiten in bezug auf Verfassung und Organisation der Gemeinschaften, sei es, daß es sich um die Kontrolle der Ausübung ihrer "supranationalen" -sich unmittelbar an die einzelnen Mitgliedstaaten und deren Bürger richtenden -, eigenständigen Hoheitsgewalt1 1 handelt. Deshalb nimmt es nicht wunder, daß in der Judikatur des EuGH verwaltungsrechtliche Anfechtungs- und Untätigkeitsverfahren sowie beamtenrechtliche Streitigkeiten praktisch im Vordergrund stehen.

Vgl. Berie-Miller Art. 183 EWGV Anm. 1. Vgl. § 2 F. 21 und unten § 16 F. 1 ff. mit weiteren Hinweisen auf die Kriterien "supranationaler" Hoheitsgewalt to

11

Vierter Abschnitt

Die Zuständigkeiten des EuGH in bürgerlich-rechtlichen Streitsachen § 9 I. Begriff der "zivilgeridltlichen" Zuständigkeiten des EuGH Den deutschen Zivilrichter wird vor allem interessieren, ob und inwieweit der EuGH zur Entscheidung von Streitigkeiten berufen ist, die innerstaatlich der Jurisdiktion eines (deutschen) Zivilgerichts unterliegen würden. Der Begriff der "zivilgerichtlichen" Kompetenzen des EuGH umfaßt aus dieser Sicht sowohl die Zuständigkeiten des EuGH in materiell "bürgerlich-rechtlichen" Streitsachen als auch seine Befugnisse in solchen - möglicherweise funktionell "öffentlich-rechtlichen" - Streitigkeiten, die im nationalen Bereich1 in die Zuständigkeit eines Zivil- oder Arbeitsgerichts fallen. Tatsächlich schreibt - wie schon erwähnt wurde2 - eine weit verbreitete Ansicht in der Literatur dem EuGH neben einer Vielzahl von anderen Funktionen expressis verbis für gewisse Fälle auch die Eigenschaft oder Funktion eines "Zivilgerichts" (bzw. "Arbeitsgerichts") zu3 oder sieht ihn insoweit mit "zivilgerichtlichen Zuständigkeiten" oder Jedenfalls nach der positiven deutschen Rechtslage bzw. -auffassung. Vgl. oben § 8 F. 9. 3 So Bächle S. 22, 23 (für Klagen gern. Art. 34, 40 Abs.1 und 2 EGKSV I 178, 215 Abs. 2 EWGV I 151, 188 Abs. 2 EAGV - 42 EGKSV I 181 EWGV I 153 EAGV- 43 Abs. 2 EGKSV- 179 EWGV I 152 EAGV); Bebr Judicial Control p. 22 N. 9 ("civil court" gern. Art. 40, 66 § 5 EGKSV I 215 EWGV I 188 EAGV); Berber III S. 245 (Art. 40 EGKSV); Breitner Organakte S. 9 ("Zivilgericht" i.S. der deutschen Systematik gern. Art. 34, 40, 47 EGKSV); Dahm II S. 67112 (Art. 40 Abs. 2, 42, 43 Abs. 2 EGKSV), aber auch S. 693 ff.; DumoniRigaux a.a.O. 1958 p. 289, 290; Ehle Komm. Art. 164 RdNr. 4 (für Art. 215 Abs. 2, 178, 179 EWGV); EichZer EA 54 S. 6788 ff. (zu Art. 63, 114 § 2 Abs. 2, 60 EVGV); Glaesner KSE 1 S.155 (Art.178, 179 EWGV); Hallier Intern. Gerichte S.175ff. (Art. 42 EGKSV); Jerusalem S. 41 ff., 58 (hinsichtlich Art. 40 Abs. 2, wohl auch 42 und 43 Abs.2 EGKSV); Moser S.34ff., 47ff. (Art.40 Abs.2 EGKSV); Osterheld S. 36; Reuter p. 89 bei N.16 ("juridiction civile"); de Richemont p. 367 (No. 261); Riese DRiZ 58 S. 273; Schlochauer, in: Ophüls-F. S. 190 (Art.181 EWGV /153 EAGV /42 EGKSV); Schumann ZZP 78 S. 81/2 (für Amtshaftungsklagen und solche gern. Art. 145 Abs. 2 EAGV [?]). 1

2

58

1. Teil: Gerichtsbarkeit des EuGH

"Befugnissen (bzw. Zuständigkeiten) zivilrechtlicher Art (Natur)" oder Zuständigkeiten "in Zivilsachen" ausgestattet4• 6• Andere Autoren lassen den EuGH in diesem Rahmen wenigstens über "zivilrechtliche Fragen" oder "Ansprüche (Streitigkeiten) zivilrechtlicher Natur" 6 oder - noch vorsichtiger ausgedrückt - über Klagen entscheiden, die "im nationalen Bereich und nach innerstaatlicher Rechtsauffassung und Systematik in die Zuständigkeit eines Zivil- bzw. Arbeitsgerichts fallen können" 7 • 4 So: Breitner EA 54 S. 6271 (Art. 40 Abs. 2 S. 1 EGKSV); ebenso ders. Europ. Gerichtsbarkeit S. 10; vgl. auch ders. EA 54 S. 6267 (.,ordentliche Zivilgerichtsbarkeit"); Much S. 88, 67 ff. (Art. 40 Abs. 2 EGKSV); Ophüls NJW 51 S. 696 (Art. 40, 42, 43 Abs. 2 EGKSV); vgl. auch ders. NJW 51 S. 290; Schlochauer ArchVR Bd. 3 S. 407, 412; ders. Rechtsschutz S. 34 (Art. 40 Abs. 2 EGKSV); Stein-Jonas-Pohle, 19. Auflage, vor § 1 II G (.,spricht in bürgerlichen Streitsachen Recht"). 6 Derartige Einteilungsversuche, insbesondere die Aufspaltung der gerichtlichen Zuständigkeiten nach Sachgebieten, haben in der Literatur Kritik erfahren, da sie der Systematik der Verträge- die für alle Streitsachen nur einen GH mit einheitlicher Gerichtsverfassung und einheitlichem Verfahren kennen - nicht gerecht würden. Vgl. Breitner Organakte S. 6 ff.; Dederer S. 90 ff.; Münch, in: Laun-F. S. 124; Ophüls NJW 51 S. 694 (vgl. auch ders. JJb Bd. 4 S.149); wohl auch Reuter p. 89 ff. Dagegen will Hallier Schiedsinstanzen S.14, 15 mit fortschreitender Entwicklung bei .,völkerrechtlichen Schiedsinstanzen für Einzelpersonen" aller Art im allgemeinen nach deren sachlicher Funktion (Zivil-, Straf-, Verwaltungsjustiz etc.) unterscheiden. Jedoch bestreiten auch die obengenannten Autoren im Ergebnis nicht, daß der EuGH tatsächlich auch über Streitigkeiten zivilrechtlicher Natur (zumindest nach der deutschen Auffassung) zu entscheiden hat; vgl. Breitner Organakte S. 9; ders. Europ. Gerichtsbarkeit S. 10 und EA 54 S. 6267, 6271; Dederer S. 91; Münch, in: Laun-F. 1953 S.124, 138, 142; ders. in: Laun-F. 1962 S. 324; Ophüls NJW 51 S. 696 und ders. JJb Bd. 4 S. 159. & Vgl. Antoine p. 260; Dumon/Rigaux a.a.O. 1959 p. 9 ff. (die als Zuständigkeiten des EuGH .,en matiere civile" die Kompetenzen gern. Art. 178, 215 Abs. 2, 181 EWGV /151, 188 Abs. 2, 153 EAGV /40 Abs. 1 und 2, 42, 43 Abs. 2 EGKSV nennen); EichleT NJW 53 S.1046; ders. zum GH der EVG in EA 54 S. 6788 ff.; Handbuch der Montanunion Bd. IV A 164 S. 7 ff. (Art. 42 EGKSV); Hay A.J.C.L. 1963 p. 21, 22 (.,civil jurisdiction" bei Art. 178, 181, 215 EWGV); Lorenz, in: Nipperdey-F. S. 798; Münch, in: Laun-F. 1953 S. 138 (bei Art. 40 Abs. 2 EGKSV sei man auf dem Gebiet der ordentlichen Zivilgerichtsbarkeit angelangt), S. 142 (Art. 42 und 43 Abs. 2 EGKSV) und ders. in: Laun-F. 1962 S. 324 (.,Gerichtsbarkeit mit zivilrechtliehen Funktionen"); Pinay p.140 (.,Kompetenzen auf dem Gebiete des Zivilrechts"); Schlochauer ArchVR Bd. 3 S. 407 ff., 412 ff. (Art. 40 Abs. 2, 42 und 43 Abs. 2 EGKSV); ders. ArchVR Bd. 5 S. 59 und Rechtsschutz S. 29 N. 52; Strauß ReferatS. 209 (.,für die Amtshaftung"); Wohlfarth Vorbem. 3 e vor Art. 164 EWGV (Art. 181 EWGV). 1 Vgl. Breitner Organakte S. 6 ff., 9 (Art. 34, 40, 47 Abs. 4 EGKSV); Cartou Rev.dr.publ.1958 p. 201 (.,den staatlichen Gerichten analoge Kompetenzen"); Dederer S. 91 (Art. 40 EGKSV); Feld p. 36, 80 ff. (.,civil jurisdiction in a common law sense" bei Art.178, 179, 181 EWGV /151, 152, 153 EAGV /40, 42 EGKSV); Goossens Rev.dr.publ. 1955 p.lll/2 (Art. 34, 36, 40 Abs. 1 und 2 EGKSV); Ophüls NJW 51 S. 696 (hinsichtlich Art. 40 EGKSV); Rietz S.18, 19 (Art. 40, 34 Abs. 2, 42 EGKSV /178, 181 EWGV /151, 153 EAGV); Wohlfarth Vorbem. 3 e vor Art.164 EWGV (Art.178, 179, auch 181 EWGV).

4. Abschnitt: Zivilgerichlliche Zuständigkeiten

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ll. Originäre "zivilgericb.tlicb.e" Zuständigkeiten 1. Amtshaftungsstreitigkeiten

§ 10

a) Im Bereich von EWG und EAG

Die ausdrücklich und unmittelbar schon in den Verträgen selbst vorgesehenen Kompetenzen des EuGH für - der Sache nach! - bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten nehmen keinen breiten Raum ein. Der EuGH besitzt insoweit nach verbreiteter Ansicht "so gut wie keine originäre Zuständigkeit"s. Jedoch kommt hier in erster Linie der weite und sehr bedeutungsvolle Komplex des Amtshaftungsrechts als Ansatzpunkt "zivilgerichtlicher" Kompetenzen im obengenannten Sinne in Frage. I. Nach Art. 178 EWGV und 151 EAGV ist der EuGH für Schadensersatzklagen gern. Art. 215 Abs. 2 EWGV bzw. 188 Abs. 2 EAGV ausschließlich zuständig. Prima facie betrifft diese Bestimmung die Amtshaftung von EWG und EAG, die sonst- obwohl ihrer Natur nach ein öffentlich-rechtlicher Anspruch' - im nationalen Bereich der Mitgliedstaaten, jedenfalls in der Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 34 S. 3 GG i. V. mit § 40 Abs. 2 VwGO, vor den ordentlichen Zivilgerichten10 geltend gemaCht werden muß 11 : Man spricht hier von sogenannten "ZiviZprozeßsachen kraft Zuweisung" 12 • Die entsprechenden Kompetenzen des EuGH sind daher auch als "zivilgerichtliche" im Sinne der oben getroffenen Begrüfsbestimmung zu klassifizieren. II. Jedoch bedarf es noch einer eingehenderen Prüfung, ob der Schadensersatzanspruch gegen diese Gemeinschaften gern. Art. 215 Abs. 2 EWGV bzw. 188 Abs. 2 EAGV in allem allein dem öffentlich-rechtlichen Amtshaftungsanspruch gern. § 839 BGB i. V. mit Art. 34 GG entspricht. s Milhlenhöfer a.a.O. Art.l81 Anm.l. Nach Schlochauer ArchVR Bd. 3 S. 412, der die "ihrer Natur nach zivilrechtliehen Klagen" gem. Art. 40 Abs. 2 EGKSV zur Sonderkategorie des Amtshaftungsrechts zählt, kennt der EGKSV überhaupt keine originäre Zuständigkeit des GH in zivilrechtliehen Fragen; ähnlich ders. in: Ophüls-F. S. 174, 188 ff.; vgl. dagegen insoweit zutreffend: Ophüls NJW 51 S. 290 und besonders ebenda S . 696. 9 Bachof S. 26; Baumbach-Lauterbach § 13 GVG Anm. 6 C und 7 ("Amtspftichtsverletzung"); Much S. 27 N. 52, S. 88; Rosenberg § 11 11 1 a; Schlochauer ArchVR Bd. 3 S. 408. to Vgl. § 71 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 GVG i.V. mit Art. 14 Bay. AGGVG. 11 Wohlfarth Vorbem. 3 e vor Art. 164 EWGV. Dasselbe gilt bei Inanspruchnahme der öffentlichen Gewalt als solcher - auch in den übrigen Ländern der Gemeinschaften mit Ausnahme von Frankreich; vgl. Lagrange Schlußanträge Rs. 14 ff/60 RsprGH VII (1961) S. 375; vgl. auch ders. Schlußanträge Rs. 23/59 RsprGH V (1958/9) S. 548. 12 Bachof S. 26; Baumbach-Lauterbach a .a.O.; Eyermann-Fröhler § 40 VwGO Anm. B III 1 b RdNr. 80; Lent-Jauernig § 3 II; Much a.a.O.; Ophüls NJW 51 S. 696; Rosenberg a.a.O.; Schlochauer a.a.O.; Stein-Jonas-Pohle, 19. Auflage, vor § 1 11 C 2 a und vor § 1 II G 4.

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1. Teil: Gerichtsbarkeit des EuGH

Der Natur der Sache nach vermöchte er dann keine zivilgerichtliche Zuständigkeit zu begründen13• Es fragt sich aber, ob dieser Anspruch wenigstens teilweise auch dem privatrechtliehen Geschäftskreis von EWG und EAG entspringen und damit in den Bereich der §§ 31, 89, 831 BGB übergreifen kann. 1. Der Anwendungsbereich von Art. 215 Abs. 2 EWGV (188 Abs. 2 EAGV) erstreckt sich- wie schon der Wortlaut dieser Bestimmung14 erkennen läßt - nicht auf das gesamte Gebiet der außervertragZiehen Haftung der Gemeinschaften. Er beschränkt sich vielmehr auf die außervertragliche Schadenshaftung, also auf die deliktischen Ersatzansprüche im weiteren Sinn111 • Für andere Fälle außervertraglicher Haftung, z. B. Ungerechtfertigte Bereicherung, Geschäftsführung ohne Auftrag oder Ansprüche aus dem Eigentümer - Besitzerverhältnis, kommen dagegen die Art. 215 Abs. 1 EWGV und 188 Abs. 1 EAGV entsprechend16 - und damit die Zuständigkeit der gliedstaatliehen Gerichte 17 -zum Zuge. Wohlfarth und Strauß18 scheinen nun die Haftung der Gemeinschaften für den "durch ihre Organe oder Bediensteten19 in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schaden" im Bereiche außervertraglicher Schadenshaftung gern. Art. 215 Abs. 2 EWGV und 188 Abs. 2 EAGV noch weiter einzuschränken. Denn diese Autoren fassen sie schlechthin als die Amtshaftung der Gemeinschaften im Gegensatz zur Haftung aus allen anderen Gründen20, die nach Art. 215 Abs.1 EWGV bzw. 188 Abs.1 13 Eine "verwaltungsgerichtlic he Kompetenz" nehmen daher insoweit ohne weiteres an: z. B. Gaudet p. 112 und Robertson p. 162 ff., 164. Offenbar grundsätzlich anderer Ansicht: Bächle S. 22; Bebr Judicial Control p. 22 N. 9; Dumon/Rigaux a.a.O. 1959 p. 9 ff. ("competence civile"); Schumann ZZP 78 S. 82; Strauß Referat S. 209. 14 "Im Bereiche der außervertraglichen Haftung". 1s Daig AöR 83 S.181; Dumon/Rigaux a.a.O. ("responsabilite quasidelictuelle"); Heldrich Diss. S. 10. 1& Heldrich JZ 60 S. 681 N. 5; ebenso Wohlfarth Art. 215 Anm. 6. 17 Vgl. Mil.hlenhöfer a.a.O. Art.183 Anm.1 und Art.178 Anm.1; Wohljarth Art. 215 Anm. 3; vgl. auch unten § 61 zu F. 11. 18 Wohljarth Art. 215 Anm. 6, 10; Strauß ReferatS. 209; ebenso Ehle Komm. Art. 215 RdNr. 14, 24 ff. 18 Im weitesten Sinne; Heldrich Diss. S. 10 ff. und Wohljarth Art. 215 Anm. 9 rechnen dazu auch den Wirtschafts- und Sozialausschuß und andere Ausschüsse und deren Mitglieder (Art. 193 ff. EWGV, 165 ff. EAGV, Art. 5 des Abkommens über gemeinsame Organe). Vgl. jedoch auch Art. 4 Abs. 1, 212 Abs. 1 EWGV /3 Abs. 1, 186 Abs. 1 EAGV i.V. mit dem Statut und den Beschäftigungsbedingungen für EWG und EAG vom 18. 12. 1961 (ABI. Nr. 45 vom 14. 6. 1962 S. 1385 ff., 1444 ff.)! Nicht hierher gehören jedoch die Europ. Investitionsbank und ihre Bediensteten, da diese Einrichtung kein Gemeinschaftsorgan ist, sondern eigene Rechtspersönlichkeit besitzt; vgl. Art.129 Abs. 1 EWGV, Art. 28, 29 des Protokolls über die Satzung der Europ. Inv.Bank (BGB1.1957 II S. 964); s. auch Wohljarth Art. 215 EWGV Anmerkung 9. -Die Europäische Investitionsbank haftet vielmehr auch insoweit nach den allgemeinen privatrechtliehen Grundsätzen; die einzelstaatlichen Gerichte sind zur Entscheidung darüber berufen (Art. 29 Abs. 1 und 2 des Satzungsprotokolls).

4. Abschnitt: Zivilgerichtliche Zuständigkeiten

61

EAGV zu behandeln sei, auf. Auch Daig21 spricht ohne nähere Untersuchung vom "Amtshaftungsr echt" gern. Art. 215 Abs. 2 EWGV, und ebenso verfahren Knöpfle22 und Thiesing23 • Schließlich will Glaesner24 die Ersatzpflicht nur auf die Fälle hoheitLichen Handelns der Organe der Gemeinschaft beschränkt wissen25• Damit wird offenbar in der Literatur überwiegend eine Haftung der Gemeinschaft gern. Art. 215 Abs. 2 EWGV (188 Abs. 2 EAGV) für Schäden, die durch Handlungen der Organe und Bediensteten in der Privatrechtssphäre der Gemeinschaft entstanden sind, ausgeschlossen26• 2. Thiesing räumt allerdings dabei ein, der Begriff der "Ausübung der Amtstätigkeit" in Art. 215 Abs. 2 EWGV (188 Abs. 2 EAGV) müsse im Einzelfall - ebenso wie der dortige Schadensbegrif f - erst nach den "allgemeinen Rechtsgrundsät zen" überprüft werden, die den Rechtsordnunge n der Mitgliedstaaten gemeinsam seien27• Das bedeutet, daß es letztlich der Rechtsprechung des EuGH überlassen bleiben solle, ein einheitliches Amtshaftungsre cht zu entwickeln28• Auch der Grundsatz der Haftung der öffentlich-recht lichen Körperschaft für derartige, d. h. in Ausübung der Amtstätigkeit verursachte Schäden müsse diesen allgemeinen Rechtsgrundsät zen entnommen werden29• Überzeugend hat dagegen Heldrich30 nachgewiesen, daß die Verweisung auf die den Rechtsordnunge n der Mitgliedstaaten gemeinsamen Rechtsgrundsät ze nicht die in den Art. 215 Abs. 2 EWGV und 188 Abs. 2 EAGV selbst genannten Begriffe des abstrakten Haftungsrahme ns be2o D. h. also auch im Gegensatz zu der nicht zum Bereich der "Amtshaftung" i.e.S. zählenden privatrechtliehen Deliktshaftung! (Vgl. Thiesing a.a.O. Art. 215 Anm. 10, der einer Haftung nach Art. 215 Abs. 2 EWGV die Haftung . gern. § 831 BGB gegenüberstellt). 21 a.a.O. S. 184. 22 NJW 59 S. 555. 23 In Komm. a.a.O. Art. 215 Anm. 9 am Ende und Anm.l2 am Ende; vgl. auch Bächle S. 22 ("Amtshaftungskla~en ") und Bülow AWD 63 S. 2A4 ff. in einer Anmerkung zum Urteil des EuGH in der Rs. 25/62 ("Amtshaftungsanspruch"). 24 BAnZ 1959 Nr. 91 S. 4 und in DOV 59 S. 258. Ebenso neuestens Ehle Komm. Art. 215 RdNr. 32. 25 D. h. also selbst unter Ausschluß der nicht i.e.S. "hoheitlichen" Betätigung bei Erfüllung der öffentlichen Aufgaben der Gemeinschaften ("Daseinsvorsorge"); vgl. dagegen zu § 839 BGB i.V. mit Art. 34 GG: Palandt § 839 Anm. 2 c (auch "öffentliche Fürsorge" etc.); ders. § 89 Anm. 1. 26 So ausdrücklich Thi esi ng a.a.O. Art. 215 Anm. 10. Ehle Komm. Art. 215 RdNr. 33 tritt jedoch für eine Haftung nach den Regeln des IPR ein. 27 Art. 215 Abs. 2 EWGV, 188 Abs. 2 EAGV. 2s Thiesing a.a.O. Art. 215 Anm. 9, 11, 12; ebenso Wohlfarth Art. 215 Anm. 8, 10; vgl. auch Bächle S. 22. 29 Thiesing a.a.O. Art. 215 Anm. 12. Im deutschen Recht kämen hierfür § 839 BGB i.V. mit Art. 34 GG oder §§ 89, 31, 831 BGB in Frage; vgl. Henn S. 277; ebenso Thiesing a.a.O. (vgl. auch ders. Art. 215 Anm. 9 zu den ähnlichen Regelungen in den übrigen MSt.).

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1. Teil: Gerichtsbarkeit des EuGH

treffen kann und auch nicht einfach zur Heranziehung der Vorschrüten über die Beamtenhaftung nötigt, sondern nur für den konkreten Haftungsgrund - nämlich die Frage, wann überhaupt eine außervertragliche Schadensersatzverbindlichkeit natürlicher Personen31 entsteht, und welches ihr Inhalt ist - gilt32• Will man den Charakter der Haftungsnorm des Art. 215 Abs. 2 EWGV bzw. 188 Abs. 2 EAGV noch näher bestimmen, kann und muß deshalb sowohl der Begriff der "außervertraglichen Haftung der Gemeinschaft" als auch vor allem derjenige der "Ausübung einer Amtstätigkeit" durch Organe und Bedienstete entsprechend der allgemeinen Regel bei den Vertragsbestimmungen autonom, aus sich selbst heraus, ausgelegt werden3s. Zieht man nun den gleichermaßen verbindlichen34 französischen, italienischen und niederländischen Text der Vertragsbestimmungen heran, so ist darin jeweils nur von der Ausübung der "Funktionen" der betreffenden Personen ohne Beschränkung auf eine "Amtstätigkeit" die Rede35• Bei wirklichen Abweichungen der Texte36 so Diss. S.17 = JZ 60 S. 684 (in N. 30 a ausdrücklich gegen Thiesing a.a.O.); vgl. auch Daig AöR 83 S. 181. s1 d. h. nicht gerade bestimmter juristischer Personen! 32 Das ergibt sich auch aus einem Vergleich der Art. 215 Abs. 2 EWGV und 188 Abs. 2 EAGV mit der Verweisung auf die allgemeinen Vorschriften ("zum Schadensersatz verpflichtende Handlung") in der in ihrer rechtlichen Struktur ähnlichen Bestimmung des § 31 BGB und aus der "Überlegung, daß sonst die doch recht präzise Regelung des abstrakten Haftungsralunens in den genannten Vertragsbestimmungen überflüssig wäre. sa Vgl. Daig AöR 83 S. 156, ders. JZ 55 S. 369 und allgemein: Bernhardt S. 15 ff., 58 ff. - Zwar wird der EuGH auch bei der Interpretation und Präzisierung auslegungsbedürftiger Begriffe des Gemeinschaftsrechts auf die Rechtsprechung und anerkannten Lehren zur Auslegung der entsprechenden Begriffe des nationalen Rechts zurückgreifen, also letztlich doch- weitgehend auf rechtsvergleichender Basis - aus den juristischen Traditionen eines von allen, mehrerer oder gar sämtlicher MSt. schöpfen (vgl. Daig AO IV p. 64, 66; Delvaux p. 95; Lagrange Schlußanträge Rs. 3/54 RsprGH I (1954/5) S.156; Mathijsen p. 91, 113 ff., 116 ff., 142; Reuter p. 41 ff.; Steindorff ArchVR Bd. 8 S. 54, 122; Vignes p. 73 und unten§ 60 F.ll!); das ist aber etwas ganz anderes als die Verpflichtung, nach den "allen MSt. gemeinsamen allgemeinen Rechtsgrundsätzen", d. h. praktisch einem gemeinsamen Minimumstandard, zu entscheiden! (Vgl. Croquez D.E. 1958 S. 67 ff.; Heldrich Diss. S.19, 20, 161 ff. = JZ 60 S. 684/5; kritisch dazu: Lorenz, in: Nipperdey-F. S. 798 ff.). 34 Art. 248 Abs. 1 EWGV, 225 Abs. 1 EAGV. 35 Vgl. Heldrich Diss. S. 10, 11 = JZ 60 S. 682, der in N. 7 darauf hinweist, daß besonders im französischen Recht der Begriff der "fonctions" i.S. jeder Verrichtung verstanden wird (vgl. Art. 1384 Abs. V Code civil und zu Art. 1382 ff. C. civ. näher: Croquez S. 67 ff.). s. auch den im maßgeblichen französ. Text insoweit gleichlautenden Art. 40 Abs. 2 EGKSV ("dans l'exercice de ses fonctions"), der eine andere deutsche Übersetzung als EWGV und EAGV (nämlich: "in Ausübung seiner dienstlichen Obliegenheiten" statt "in Ausübung ihrer Amtstätigkeit") gefunden hat. - Vgl. endlich auch Durnon I Rigaux a.a.O. p. 9 ff., die insoweit generalisierend von der "responsabilite quasi-delictuelle" der EWG und EAG sprechen. 36 Sofern es sich nicht bloß um eine ungenaue, durch die anderen Texte zu präzisierende Formulierung der deutschen Fassung handelt!

4. Abschnitt: Zivilgerichtliche Zuständigkeiten

63

gilt aber im Zweifel nicht etwa einfach die "Mehrheit", sondern diejenige Interpretation, die am besten geeignet ist, den Sinn des Vertragswerks (die ratio legis) zu verwirklichen37 • Die Bestimmungen der Art. 215 Abs. 2 EWGV und 188 Abs. 2 EAGV wollen den von den Auswirkungen der Gemeinschaftst ätigkeit unmittelbar Betroffenen dann einen angemessenen und wirksamen Rechtsschutz gern. Art. 178 EWGV bzw. 151 EAGV garantieren, wenn der diesem Personenkreis im Einzelfall entstandene Schaden auf ein deliktisches Verhalten eines Gemeinschaftsorga ns i. w. S. zurückzuführen ist. Diesem Zweck wird aber am ehesten eine Auslegung gerecht, die die Haftung der Gemeinschaften gern. Art. 215 Abs. 2 EWGV bzw. 188 Abs. 2 EAGV für "Verrichtungen", d. h. eine "Amtstätigkeit" ihrer Organe und Bediensteten nur dahingehend einschränkt, daß das die Ersatzpflicht begründende Verhalten allgemein in den Kreis der dem betreffenden Organ oder Bediensteten übertragenen Tätigkeit fallen muß und nicht nur "bei Gelegenheit" - d. h. ohne inneren Zusammenhang mit - dieser Tätigkeit erfolgt sein darf38• 39• Dagegen verbietet der Sinn der Artikel 215 Abs. 2 EWGV bzw. 188 Abs. 2 EAGV jede Interpretation, die eine Verantwortlichkeit von EWG bzw. EAG für Verrichtungen innerhalb der pri vatrechtZiehen Sphäre von vornherein gänzlich ausschließt, was ja die Konsequenz einer Auffassung dieser Normen als Gewährleistung bloßer "Amtshaftungsa nsprüche" wäre. 37 Vgl. Daig AöR 83 S.156; Dölle RabelsZ 26 (1961) S. 27 ff., 31/4; Ophüls, in: Müller-Armack-F. S. 283 ff. (unter besonderer Betonung der Entstehungsgeschichte); Riese, in: Dölle-F. II S. 524; Rietz S. 43; Wenner AWD 63 S. 34. Näher zur Auslegung mehrsprachiger völkerrechtlicher Verträge im allgemeinen: Berber I S. 444 und vor allem Dölle RabelsZ 26 S. 19 ff. und Hardy p. 72 ff. - Wenner a.a.O. N. 8 bezweifelt jedoch die Anwendbarkeit dieser Praxis auch auf die europäischen Verträge; s. dagegen aber Dölle a.a.O. 38 So: Croquez p. 69 ff.; Heldrich Diss. S. 11 = JZ 60 S. 682 bei N. 8; SteinJonas-Pohle, 19. A., vor § 1 II G 4; Thi esing, in: Komm. Art. 215 Anm. 13 a; Wohlfarth Art. 215 Anm. 10. Vgl. ferner Daig AO IV p. 66, Much S. 79 ff., 82 und Münch, in: Laun-F. 1953 S. 138 zur insoweit inhaltlich entsprechenden Regelung des Art. 40 Abs. 2 EGKSV (insoweit anders und weiter jedoch: La CECA S. 227). Vergleiche auch die öffentlich-rechtlichen (§ 839 BGB in Verb. mit Art. 34 GG) und die bürgerlich-recht!. Haftungsnormen (§§ 31, 89, 831 BGB; s. dazu schon oben § 10 F. 29) des deutschen Rechts, wonach die betreffende "öffentlich-rechtliche Körperschaft" oder der "Geschäftsherr" ebenfalls nur für Schäden einzustehen haben, die ihre Beamten, Organe oder Gehilfen "in Ausübung eines anvertrauten öffentlichen Amtes", bzw. "in Ausführung der (ihnen zustehenden) Verrichtungen" verursacht haben; vgl. Palandt § 31 Anm. 3, § 831 Anm. 4 und § 839 Anm. 2 d. Kritisch zur unmittelbaren Heranziehung dieser Haftungsgrundsä tze im allgemeinen aber: Heldrich Diss. S. 17! 39 Von großer praktischer Bedeutung wird das bei der Haftung für Kraftfahrzeugunfälle sein, wo ein innerer Zusammenhang zwischen der Unfallfahrt und der dienstlichen Tätigkeit bestehen muß. Vgl. Croquez p. 69 ff.; Thiesing a.a.O. Art. 215 Anm. 10; Steindorff JZ 53 S. 721 N. 21 und vor allem Wohlfarth Art. 215 Anm.lO. Vgl. auch Palandt § 839 Anm. 2 c, 15 "Kfz.Benutzung".

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1. Teil: Gerichtsbarkeit des EuGH

Eine andere Auslegung als die zuletzt genannte erscheint auch schon

im Hinblick auf die vergleichbare Regelung in ·der Montanunion nicht

gangbar. Die Artikel 215 Abs. 2 EWGV und 188 Abs. 2 EAGV kennen zwar nicht die Unterscheidung, die Art. 40 EGKSV zwischen der Haftung der Gemeinschaft für "faute de service" gemäß Abs.1 und der persönlichen Haftung der Bediensteten für "faute personnelle" gern. Abs. 2 trifft, lassen jedoch nach herrschender Meinung die Haftung der EWG bzw. EAG sowohl in dem einen wie in dem anderen Fall eingreifen40 • Es ist aber anerkannt, daß schon der aus dem französischen Verwaltungsrecht stammende Begriff des "Amtsfehlers" im Sinne von Art. 40 Abs.1 EGKSV den Haftungsrahmen viel weiter als das deutsche Amtshaftungsrecht absteckt und zum Teil auch nicht-hoheitliche Tätigkeiten, die nach deutschem Recht zur privatrechtliehen Sphäre der betreffenden Körperschaft zählen würden, erfaßt41 • Darüber hinaus wird die Natur der Ansprüche wegen "faute personnelle" sogar überwiegend als privatrechtlich qualifiziert42 • Auch aus Art.176 Abs. 2 EWGV und 149 Abs. 2 EAGV, die die Art. 215 Abs. 2 EWGV bzw. 188 Abs. 2 EAGV vor allem im Zusammenhang mit der Nichtigerklärung einer vor dem EuGH angefochtenen hoheitlichen Organmaßnahme gern. Art. 173, 174 EWGV I 146, 147 EAGV erwähnen, läßt sich nicht etwa schließen, daß dies der einzige Fall der Art. 215 Abs. 2 EWGV I 188 Abs. 2 EAGV sein soll43 • 3. Art. 215 Abs. 2 EWGV und 188 Abs. 2 EAGV enthalten daher eine Haftungsregelung, die sowohl die Fälle der öffentlich-rechtlichen Amtshaftung der Gemeinschaften im eigentlichen Sinn als auch der außervertraglichen privatrechtliehen Organhaftung oder der Haftung für 40 So Heldrich Diss. S. 11 = JZ 60 S. 682 N. 10; Knöpfle NJW 59 S. 555; Wohlfarth Art. 215 Anm. 10; vgl. auch Bächle S. 22. 41 Vgl. Much S. 41/2; Schlochauer ArchVR Bd. 3 S. 407/8; Steindorff JZ 53

S. 721 N. 21; ders. Nichtigkeitsklage S. 24 N. 47 (gegen die Ansicht von Steindorf! a.a.O. S. 20 ff., sogar Nichtigkeitsklagen gem. Art. 33 EGKSV gegen privatrechtliche vertragliche Maßnahmen der Hohen Behörde zuzulassen, wendet sich aber Jaenicke ZaöRV 15 S. 311, 314) und besonders Thiesing a.a.O. Art. 215 Anm. 9. Jaenicke ZaöRV 15 S. 314 nennt in seiner Besprechung der Schrift von Much a.a.O. als Beispiele die unberechtigte Gewährung von Krediten sowie die Diskriminierung beim Abschluß privatrechtlicher Verträge; vgl. auch Steindorff Nichtigkeitsklage a.a.O. Bezeichnend auch van Houtte a.a.O. p. 194 bzw. 220 ("civil quasi-tort liability") und La CECA p. 227 (responsabilite civile sc. quasi-delictuelle!); ähnlich Lagrange Rev.dr.publ. 1954 p. 429, ders. AO IV p . 185 und 192 (responsabilite quasi-delictuelle de la CECA) und P. R. a.a.O. p. 124. Ganz entsprechend reden aber auch Dumonl Rigaux a.a.O. 1959 p. 9 von der "responsabilite quasi-delictuelle" der EWG und EAG gem. Art. 215 Abs. 2 EWGV I 188 Abs. 2 EAGV! 42 Vgl. oben § 9 F. 3 ff. und unten § 11 F. 64 ff. Art. 40 EGKSV und hierzu unten § 11 F. 51 43 Vgl. auch Art. 34 Abs. 1 mit weiteren Nachweisen, insbesondere EuGH Rs. 25/62 RsprGH IX (1963) s. 216, 239, 240.

4. Abschnitt: Zivilgerichtliche Zuständigkeiten

65

Verrichtungsgehilfen umfaßt44 • Letzterenfalls liegt daher gern. Art. 178 EWGV I 151 EAGV eine "echte" - materiell - zivilgerichtliche Zuständigkeit des EuGH vor. III. Entsprechend dem klaren und insoweit eindeutig von Art. 40 Abs. 2 EGKSV abweichenden Wortlaut der Art. 178 EWGV I 151 EAGV i. V. mit Art. 215 Abs. 2 EWGV /188 Abs. 2 EAGV45 besteht dagegen keine Zuständigkeit des EuGH für Klagen der geschädigten Dritten aufgrundeines etwaigen Ersatzanspruchs gegen die betreffenden Beamten und sonstigen Bediensteten der EWG oder EAG selbst48 • 44 Ebenso wohl Henn S. 277 und neuerdings auch Stein-Jonas-Pohle vor § 1 II G 4; anders Ehle Komm. Art. 215 RdNr. 13, 25, 32 ff. und offenbar Thiesing Art. 215 Anm. 10 (vgl. aber auch ders. a.a.O. Anm. 12, wo er diese

Frage anscheinend doch erst der Entsch. des EuGH überläßt); unklar

Wohlfarth Art. 211 Anm. 1 (Art. 215 sei lex specialis gegenüber § 31 BGB, was Henn a.a.O. übersehen habe (?)); neutral auch Breitner MDR 58 S. 472.

Vgl. aber auch Art. 181 EWGV, 153 EAGV. Darüber ist sich auch die Literatur einig; vgl. insbesondere Croquez p. 69; Daig S. 182; Mühlenhöfer Art. 178 Anm. 1; Thiesing a.a.O. Art. 215 Anm. 13 b; Wohlfarth Art. 215 Anm.U. Eine Gegenmeinung dürfte auch Bächle S. 22 nicht vertreten; er unterläßt insoweit nur die erforderliche Differenzierung zwischen EGKSV und EWGV bzw. EAGV. Anderer Ansicht jedoch ausdrücklich - aber ohne weitere Begründung - DumoniRigaux a.a.O. 1959 p.13. Nach allerdings umstrittener Ansicht haben diese beiden Verträge sogar eine persönli che Haftung der Bediensteten i.w.S. für ihr "in Ausübung ihrer Amtstätigkeit" erfolgtes Verhalten gegenüber Dritten (vgl. dagegen zu den möglichen Regreßansprüchen der Gemeinschaften Art. 215 Abs. 31188 Abs. 3 EAGV) überhaupt ausgeschlossen: So Daig a.a.O. S. 182 (wenn auch noch zweifelnd) und ausdrücklich Knöpfle NJW 59 S. 555 (unter Hinweis auf die Anlehnung an die deutschen Rechtsgrundsätze des Art. 34 GG i.V. mit § 839 BGB) und Thiesing Art. 215 Anm. 13 b; anderer Ansicht aber: Berie-Miller Art. 215 Anm. 3; Henn a.a.O.; Wohlfarth Art. 215 Anm.ll; offengelassen bei Heldrich Diss. S. 18 = JZ 60 S. 684 N. 31. Vgl. schließlich Bächle S.ll7 ff., 120 zum Ausschluß der "Amtshaftung" insbesondere der Richter und Generalanwälte des GH auch im Bereiche von EAG und EWG. Selbst wenn man dieser Meinung nicht folgen will, scheitert aber auch eine persönliche Inanspruchnahme der Gemeinschaftsbediensteten vor den allenfalls hierfür- mangels einer Zuständigkeit des EuGH- noch in Frage kommenden nationalen Gerichten insoweit in aller Regel an der Befreiung des genannten Personenkreises von der Gerichtsbarkeit der Mitgliedstaaten "bezüglich der von ihnen in amtlicher Eigenschaft vorgenommenen Handlungen" (vgl. Art. 218 EWGV /191 EAGV i.V. mit Art. 11 a der VorrechteProtokolle der EWG und EAG und hierzu DumoniRigaux 1959 p.13; übersehen bei Croquez D.E. 1958 p. 70); eine Aufhebung dieser Immunität gern. Art. 17 der genannten Vorrechte-Protok. dürfte gerade mit Rücksicht auf die ausschließliche EuGH-Zuständigkeit gern. Art. 178 i.V. mit 215 Abs. 2 EWGV /151 i.V. mit 188 Abs. 2 EAGV kaum in Frage kommen (vgl. Thi esing Art. 215 Anm. 13 b und Wohlfarth Art. 215 Anm. 11). Unberührt bleibt jedoch die - nach den Grundsätzen des Internationalen Privatrechts zu beurteilende - persönliche Haftung der Bediensteten für Schäden, die sie nur gelegentlich ihrer "Amtstätigkeit" und unabhängig davon verursacht haben (Thiesing Art. 215 Anm. 13 a; vgl. auch die weiteren Nachweise oben § 10 F. 38). Insoweit steht den Betroffenen allein der Rechtsweg vor den Gerichten der Mitgliedstaaten offen (Dumon/Ri gaux a.a.O. p. 13, 45 48

5 Basse

66 §11

1. Teil: Gerichtsbarkeit des EuGH

b) Im Bereich der EGKS

Weitgehend im Anschluß an das französische Recht und Rechtsschutzsystem47 hat die Amtshaftung in der Montanunion dagegen eine ganz andere Regelung als im EWGV und EAGV gefunden48 • I. Sie baut vor allem auf zwei verschiedenen, vornehmlich von der französischen Verwaltungsrechtsprechung entwickelten Tatbeständen der Amtspflichtsverletzung auf: einerseits der Haftung der Gemeinschaft für "faute de service" gemäß Art. 40 Abs. 1 EGKSV49 und andererseits der persönlichen Haftung der Gemeinschaftsbediensteten gemäß Art. 40 Abs. 2 EGKSV aufgrund eines "faute personnelle", d. h. per· sönlichen Verschuldeos des betreffenden Beamten in Ausübung seiner dienstlichen Obliegenheiten. Für "faute personnelle" kann die Gemeinschaft als solche nur subsidiär verantwortlich gemacht werden. Im Unterschied zur dementsprechenden auch gerichtlichen Zweigleisigkeit des französischen Amtshaftungsrechts60 ist jedoch im Bereiche der EGKS ausschließlich der EuGH gern. Art. 40 Abs.l und 2, 47 Abs. 4 EGKSV einheitlich für beide Gruppen von Amtshaftungsklagen zuständig51. 14; Thiesing Art. 215 Anm. 13 a; vgl. auch Art. 11 a der Vorrechte-Protokolle der EWG und der EAG, die die persönlichen Immunitäten der Gemeinschaftsbediensteten auf die "in amtlicher Eigenschaft vorgenommenen Handlungen" beschränken. Eine Ausnahme gilt insoweit für die grundsätzlich exemten Richter und Generalanwälte des EuGH; vgl. Art. 3 und 8 der GH-Protokolle der EWG und EAG i.V. mit Art. 20 der Vorrechte-Protokolle der EWG und EAG sowie hierzu Bächle S. 111 ff., 117). 47 Vgl. Amtl. Begründung zu Art. 40 EGKSV S.16; Breitner Organakte S. 7 und 9; ders. MDR 58 S. 472; Lagrange Rev.dr.publ. 1954 p. 429; ders. AO IV p. 191/2; Much S. 31 ff., 67 ff., 88.; Münch, in: Laun-F. 1953 S. 138; vgl. auch Reuter p. 93 ff. 48 Gem. Art. 34, 40 Abs. 1, 2, 47 Abs. 4 EGKSV; vgl. hierzu schon oben § 10 zu F. 40! Der Fusionsvertrag vom 8. 4.1965 will allerdings Art. 40 Abs. 2 EGKSV abändern; vgl. dazu Nicolaysen NJW 65 S.1656 und v. Stempel, in: Ophüls-F. S. 233 ff. 49 Die amtliche deutsche Übersetzung dieses Begrüfs (Amtsfehler) oder z. B. die von der Amtlichen Begründung a.a.O. S. 16 und Jerusalem S. 62 gewählte Terminologie "Dienstfehler" lassen kaum erkennen, daß darunter ein quasi anonymes Versagen der Verwaltung, eine mangelhafte Organisation und Funktion des Behördenapparates, unabhängig von einem nachweisbaren persönlichen Verschulden eines bestimmten Beamten, zu verstehen ist; vgl. Amtliche Begründung zu Art. 40 EGKSV S.16; Daig AO IV p. 64; Knöpfle NJW 59 S. 555; Moser S. 47 ff.; Much S. 31 ff., 41 ff.; Münch, in: Laun-F. 1953 S. 138; Ophüls NJW 51 S. 696; Schlochauer ArchVR Bd. 3 S. 408; vgl. auch Reuter p. 93, der es hierbei letztlich auf die Auslegung des Gerichtshofs abstellt. so Im ersten Falle ist der Staatsrat, im zweiten ein Zivilgericht zur Entscheidung berufen; vgl. Much S. 67/8 und Schlochauer ArchVR Bd. 3 S. 411. 51 Wie sich schon aus der Fassung von Art. 40 Abs. 1 EGKSV selbst ergibt ("vorbehaltlich der Bestimmungen des Art. 34 Abs. 1"), schließt aber die lex specialis des Art. 34 EGKSV- eine im Verhältnis zu den vergleichbaren Normen der Art. 176 Abs. 2 EWGV und 149 Abs. 2 EAGV ungleich detail-

4. Abschnitt: Zivilgerichtliche Zuständigkeiten

67

Die Abgrenzung zwischen Art. 40 Abs.l und Art. 40 Abs. 2 EGKSV hat daher nur eine materielle, nicht aber auch dieselbe prozessuale Bedeutung wie die Abgrenzung zwischen Staatshaftung und Beamtenhaftung in Frankreich62 • Französische Gerichte finden Kriterien für eine "faute de service" und eine in Ausübung dienstlicher Obliegenheiten vorgenommene "faute personnelle" in der bei der Schadenshandlung verfolgten Absicht und dem Grad des Beamtenverschuldens153, liertere Sonderregelung!- die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gem. Art. 40 Abs.1 vor dem EuGH gerade für den wohl praktisch bedeutsamsten Fall aus, daß der Schaden durch rechtsetzende oder vollziehende Maßnahmen bzw. eine diesbezügliche pflichtwidrige Untätigkeit der Hoben Behörde verursacht worden ist. Hier müssen vielmehr erst die betreffenden "Entscheidungen" oder "Empfehlungen" der Hohen Behörde bzw. deren konkludente oder fiktive Ablehnung, die im Einzelfall gebotene Maßnahme zu treffen (vgl. Art. 35 EGKSV), im Wege der "verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsklage" gem. Art. 33 ff. EGKSV für nichtig erklärt worden sein, bevor eine Beseitigung der Folgen der aufgehobenen Maßnahmen durchgeführt und gegebenenfalls für insoweit erlittene weitere und besondere Schäden eine angemessene Wiedergutmachung und erforderlichenfalls auch eine "billige Entschädigung" gewährt werden können. Das entspricht auch der überwiegenden Ansicht in der Literatur; vgl. Breitner MDR 58 S. 472 a.E.; Daig AO IV p. 51 ff., 64; Handbuch der Montanunion Bd. IV A 164 S. 15; Jerusalem S. 62 ff. und insbesondere Knöpfle NJW 61 S. 2287, 2289 in einer eingehenden Untersuchung des Verhältnisses von Art. 34 und 40 EGKSV mit weiteren Nach\Yeisen in N. 6; Matthies ÖJZ 55 S. 75, 76; Much S. 53 ff.; Schlochauer ArchVR Bd. 3 S. 409 ff.; Steindorff JZ 53 S. 721. In dieselbe Richtung geht auch eine neuere Entscheidung des EuGH zu Art. 215 Abs. 2, 178, 176 EWGV: Urteil vom 15.7.1963 Rs. 25/62 RsprGH IX (1963) S. 211 ff., 216, 239, 240 = AWD 63 S. 243 ff., wonach ein nicht für nichtig erklärter Verwaltungsakt als solcher keinen "Amtsfehler" darstellen und der Verwaltungsunterworfene daher aus einem solchen VA keine Schadensersatzansprüche herleiten könne. Zu Recht macht Bülow in einer Anmerkung A WD 63 S. 244 ff., 246 gegenüber dieser, jedenfalls für den Bereich des Art. 215 EWGV schwer verständlichen Entscheidung starke Bedenken geltend, sofern der EuGH damit die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen außerhalb eines erfolgreichen Anfechtungsverfahrens ausschließen wollte. Vgl. dagegen auch die Schlußanträge von Roemer in dieser Sache RsprGH IX S. 261 ff. Anderer Ansicht sind wohl Reuter p. 93, 94 und Wolany AO IV Compte rendu des seances p. 347. Vgl. aber auch EuGH Rs. 42 und 49/59 RsprGH VII (1961) S. 113 ff. sowie EuGH Rs. 9 und 12/60 RsprGH VII S. 463, wo diese Frage offengelassen wurde; zweifelnd offenbar auch Jaenicke ZaöRV 15 S. 314, ferner Münch, in: Laun-F. 1953 S.137/8, die anscheinend von einem Nebeneinander der Bestimmungen der Art. 34 und 40 EGKSV ausgehen; vgl. endlich de Visscher AO II p. 69, der insoweit zwischen Mitgliedstaaten und Montanunternehmen unterscheidet. Jedenfalls besitzen die Schadensersatzansprüche aufgrund von hoheitlichen Maßnahmen der Hohen Behörde gem. Art. 34 EGKSV eindeutig öffentlich-rechtlichen Charakter (vgl. Jerusalem S. 57 ff., 62 ff. und de Richemont p. 368 No. 261; anderer Ansicht offenbar Bächle S. 22; auch Breitner Organakte S. 9), was auch ihre Abhängigkeit von der Vorschaltung der öffentlich-rechtlichen Nichtigkeits- bzw. Untätigkeitsklage gem. Art. 33, 35 EGKSV beweist. s2 Vgl. Much S. 67 ff. und oben § 11 zu F. 50. ss s. Much S. 69 ff., 71/2; Schlochauer ArchVR Bd. 3 S. 408 ff., 411. Vgl. dazu, daß sich der EuGH bei der selbständigen Ausarbeitung dieser beiden

68

1. Teil: GerichtSbarkeit des EuGH

nicht aber darin, ob in Ausübung hoheitlicher oder nicht-hoheitlicher Funktionen gehandelt worden ist. Sollte im Bereich der Montanunion eine diesbezügliche Abgrenzung nicht möglich sein oder sollten im Einzelfall beide Haftungstatbestände zutreffen, so tritt eben eine kumulative, gesamtschuldnerische Haftung der Gemeinschaft und des betreffenden Bediensteten ein54• II. Soweit dabei gegen die Montanunion selbst - vor allem aufgrund einer faute de service nach Art. 40 Abs. 1 EGKSV - ein "Amtshaftungsanspruch" geltend gemacht werden soll, der ja sowohl nach Auffassung der deutschen als auch der vor allem für das Amtshaftungsrecht der Montanunion vorbildlichen französischen Rechtsordnung 55 einen öffentlich--rechtlichen Charakter besitzt58, handelt es sich daher der Natur der Sache nach in erster Linie57 um eine öffentlich-rechtliche und demgemäß in funktionell "verwaltungsgerichtlicher" Zuständigkeit des EuGH zu erledigende Streitigkeit58 • Hinzu kommt, daß der Anspruch gegen die Montangemeinschaft gern. Art. 40 Abs. 1 EGKSV in Anlehnung an das französische Amtshaftungsrecht ausgestaltet ist, dieses aber in der Judikatur der hierfür zuständigen Verwaltungs- und nicht der ordentlichen Zivilgerichtsbarkeit59 eine autonome, von den Grundsätzen des zivilen Schadensersatzrechts des Code civil völlig losgelöste Entwicklung genommen hat60 • Begriffe an die diesbezügliche französische Rspr. anlehnen dürfte: Catalano AO II p. 222 und de Visscher AO II p. 70. 54 Vgl. Jerusalem S. 62 ff.; Much S. 74 ff., 82 und Schlochauer ArchVR Bd. 3 s. 41112. 55 Vgl. Much S. 88 und oben§ 10 zu F. 9 mit weiteren Nachweisen. 56 Vgl. aber dazu, daß der Kreis der Amtshaftung im französischen Recht viel weiter als im deutschen Recht gezogen ist und auch Angelegenheiten in sich schließt, die nach unserer Auffassung zum nicht-hoheitlichen oder gar privatrechtliehen Bereich der öffentlichen Verwaltung zählen würden, oben § 10 zu F. 41. 57 Wenn auch aus der Sicht der deutschen Rechtsordnung nicht ausschließlich (vgl. auch Art.178 EWGV I 151 EAGV i.V. mit Art. 215 Abs. 2 EWGV I 188 Abs. 2 EAGV)! 58 So z. B. ausdrücklich: Breitner Europ. Gerichtsbarkeit S. 10; van Houtte p. 186 ff.; Jerusalem S. 41 ff., 57, 58; Maser S. 47 ff.; Much S. 87 ff.; de Richemont p. 368 (No. 261 ff.); Schlochauer ArchVR Bd. 3 S. 407 ff. ders. Rechtsschutz S. 29 N. 52, S. 34ff.; Schille ZaöRV 16 S. 239; Vignes p. 42, 45 ff. Dagegen lassen - ohne nähere Differenzierung und Begründung - den EuGH auch im Falle des Art. 40 Abs. 1 als "Zivilgericht" tätig werden: Bächle S. 22; Bebr p. 22 N. 9; Ophüls NJW 51 S. 696; Schumann ZZP 78 S. 82; vgl. auch Breitner Organakte S. 9 (zutreffend: "Zivilgericht im Sinne der deutschen Systematik"); ebenso Dederer S. 91, auch Dumon/Rigaux a.a.O. 1959 p. 10 ff. ("competence ... civile ... en matiere civile"). Vgl. ferner EichZer EA 54 S. 6788 ff. zum diesbezüglichen, nach dem EVGV erweiterten Zuständigkeitshereich des Gerichtshofs der Montanunion als Gerichtshof der EVG in "zivilgerichtlicher Funktion". 59 Wie in Deutschland gern. Art. 34 S. 3 GG und § 40 Abs. 2 VwGO. &o Vgl. Much S. 27 N. 52 und S. 31. Much S. 88 hält bereits die zuletzt genannten Umstände für entscheidend dafür, daß Fragen der Amtshaftung auch im Rechtsschutzsystem der Montanunion nur mittels eines Verwaltungs-

4. Abschnitt: Zivilgerichtliche Zuständigkeiten

69

Allerdings stellen im Hinblick auf die Rechtslage in der BRD gem. § 839 BGB i. V. mit Art. 34 S. 3 GG und§ 40 Abs. 2 VwG081, wo Amtshaftungsstreitig keiten als "Zivilprozeßsac hen kraft Zuweisung" gelten, auch die Kompetenzen des EuGH gem. Art. 40 Abs. 1 EGKSV "zivilgerichtliche" im Sinne dieser Untersuchungen dar. 111. Demgegenüber wird allgemein den Schadensersatz ansprüchen und -klagen gem. Art. 40 Abs. 2 EGKSV unmittelbar gegen einen der "Bediensteten" der Montanunion persönlich82 - gestützt auf dessen "faute personnelle" in Ausübung seiner dienstlichen Verrichtungen83 - eine privatrechtliche Natur zugeschrieben64. Das folgt einmal aus der Person des Anspruchsgegne rs, der ja bei der Ausübung seiner Amtstätigkeit - im Unterschied zur Montangemeins chaft selbst nicht als solcher zum geschädigten Dritten in einem Verhältnis der Über- und Unterordnung steht. Zum anderen drängt sich diese Qualifizierung häufig schon deshalb auf, weil das "persönliche Beamtenverschulden", offenbar in noch größerem Maße als die "faute de service"65, sich nicht auf die eigentliche hoheitliche "Amtsausübung " beschränkt, sondern auch im Rahmen der nicht-hoheitlich en, privatrechtliehen Tätigkeit der Montanunion Platz greifen kann, ohne doch einem prozesses geklärt werden könnten; vgl. auch Schlochauer ArchVR Bd. 3

s. 407/8.

61 Aber auch in anderen MSt.; vgl. oben § 10 F.ll mit entsprechenden Nachweisen. 62 Ausgenommen die Richter und Generalanwälte des EuGH; vgl. Art. 3 Abs.1 und 4, 13 des GH-Protokolls der EGKS in Verbindung mit Art.ll Buchst. a und Art. 15 des Vorrechte-Protokolls der EGKS und Art. 40 Abs. 2 EGKSV und dazu Bächle S.l17 ff., 120. -Die persönliche Haftung der Bediensteten wird aber mit lokrafttreten des Fusionsvertrags vom 8. 4. 1965 beseitigt; vgl. Nicolaysen NJW 65 S. 1656. 63 Ein rein "privates" Handeln des Bediensteten außerhalb des Dienstes und darauf gestützte Schadensersatzansprüche Dritter gegen den betreffenden Bediensteten persönlich unterliegen jedoch ausschließlich der Beurteilung durch das - nach den jeweiligen innerstaatlichen Kollisionsnormen des !PR im Einzelfall maßgebende - nationale Privatrecht und die Zivilgerichtsbarkeit der MSt. Vgl. Art. 40 Abs. 3 EGKSV i.V. mit Art.ll Buchst. a, 15 Vorrechte-Protokoll der EGKS und Art. 3 Abs. 1 S. 1, 13 GH-Protokoll der EGKS sowie hierzu: Delvaux p. 29; Dumon/Rigaux 1959 p. 13, 14; Jerusalem S. 62 ff.; Matthies JZ 54 S. 305 ff. sub Ziff. IV 1; Moser S. 47 ff.; Much S. 68 und 79; de Richemont p. 412/3 No. 277; Schlochauer ArchVR Bd. 3 S. 411 und oben § 10 F. 46 am Ende. Vgl. zur Abgrenzung des "privaten" Handeins gegenüber der Amtsausübung i.e.S.: oben § 10 zu F. 38 und 39, auch F. 46 am Ende; letztlich bleibt sie der Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung des fraglichen Begriffs "in Ausübung seiner dienstlichen Obliegenheiten" überlassen, wobei sich aber der EuGH an bewährte nationale Rechtsgrundsätz e anlehnen kann und wird; vgl. Much S. 79 ff., 82; Schlochauer a.a.O. S. 411 und vor allem oben § 10 F. 33 mit weiteren Hinweisen. 64 So vor allem: Bächle S. 117; Böhle-Stamschrä der S. 117; Jerusalem S; 62; Much S. 67 ff.; Schlochauer ArchVR Bd. 3 S. 407, 411/2; Schumann ZZP 78 S.82. 65 Vgl. dazu oben § 10 zu F. 41 und § 11 zu F. 56 ff.

70

1. Teil: Gerichtsbarkeit des EuGH

bloß "privaten" Handeln des betreffenden Bediensteten gleichzukommen66. Daher entscheidet der EuGH jedenfalls insoweit über "zivilrechtliehe Fragen" oder in "zivilgerichtlicher Kompetenz" 67. Dafür spricht auch ein Vergleich mit dem französischen Amtshaftungssystem, das ja weitgehend bei der Redaktion von Art. 40 EGKSV Pate gestanden hat und Schadensersatzklagen unmittelbar gegen die Beamten aufgrund ihres persönlichen Verschuldens - im Gegensatz zu einer "faute de service" - an die Zivilgerichte verweist, die darüber nach den zivilrechtlichen Grundsätzen und Haftungsregeln des Code civil68 zu befinden haben69 • 70.

2. Beamten- und arbeitsrechtliche Streitigkeiten § 12

a) Im Bereich von EWG und EAG

In der Literatur ist vielfach die Erwartung geäußert worden, Art. 179 EWGV und Art. 152 EAGV würden dem EuGH eine weitere Gelegenheit zur Entscheidung im Grunde bürgerlicher - nämlich arbeitsrechtlicher - Streitigkeiten bieten71 und nicht nur beamten- und damit 66 Vgl. Much S. 69 und Mii.nch, in: Laun-F. 1953 S. 138, wonach die "faute personnelle" nur einem Teil (!) unserer "Amtspfiichtsverletzungen" entspreche, aber auch nicht nur bei Gelegenheit der dienstlichen Verrichtungen verübt sein dürfe (vgl. dazu oben § 11 F. 63). 67 So: Bächle S. 22; Bebr p. 22 N. 9; Breitner Europ. Gerichtsbarkeit S. 10; ders. EA 54 S. 6271; Dahm II S. 671/2; Dumon/Rigaux 1959 p. 10 ff. ; Jerusalem S. 42, 58; Moser S. 47 ff.; Much S. 68 ff., 88; Mii.nch, in: Laun-F. 1953 S. 138; Ophii.ls NJW 51 S. 696; vgl. auch Osterheld S. 36 ff, und Schlochauer ArchVR Bd. 3 S. 407, 412; ders. Rechtsschutz S. 29 N. 52, S. 34/5; Schumann ZZP 78 S. 82. Als eine verwaltungsgerichtliche Zuständigkeit des EuGH begreifen dagegen auch den Art. 40 Abs. 2 EGKSV: Delvaux p. 19 ff. ; van Houtte p. 186 ff.; de Richemont p. 368 ff. (No. 261, 262 ff.) und Schille ZaöRV 16 S. 239. as Vgl. auch § 839 BGB! Im deutschen Recht haftet der Staat allerdings an Stelle des Beamten selbst für sämtliche Amtspflichtsverletzungen gern. Art.34 GG. 89 Vgl. Much S. 67 ff. 10 Entsprechend dem Wesen der "faute personnelle" wird der EuGH auch insoweit unter Heranziehung der diesbezüglichen Prinzipien der nationalen Rechte und in Anlehnung an die Rechtsprechung und Lehre in den MSt. ein ziviles Schadensersatzrecht der Gemeinschaft zu entwickeln haben, da der Vertrag selbst hierüber keine näheren Regelungen getroffen und auch nicht einfach etwa die Übernahme des französischen Rechts vorgesehen hat; vgl. Much S. 69 ff.; Schlochauer ArchVR Bd. 3 S. 411 ff. und ders. Rechtsschutz S.35. 71 Vgl. etwa Bächle S. 23; Daig AöR 83 S. 200; Ehle Komm. Art.l79 RdNr. 8; Knöpfle NJW 59 S. 553; Mii.hlenhöfer a.a.O. Art.l79 Anm.1; Schumann ZZP 78 S. 82; Wohlfarth Vorbem. 3 e vor Art.164.- Anderer Ansicht aber schon Breitner MDR 58 S. 472, wonach Art. 179 EWGV nur beamtenrechtliche Streitigkeiten erfassen wolle, die im Rahmen der Verfassungs- und Organisationsgerichtsbarkeit der Gemeinschaft zu erledigen seien; vgl. ferner Gaudet S. 112, Robertson p.162 ff. und Schlochauer, in: Ophüls-F. S. 174, 186 ff., die Art.l79 EWGV offenbar als eine rein verwaltungsgerichtliche Kompetenz des EuGH begreifen.

4. Abschnitt: Zivilgerichtliche Zuständigkeiten

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öffentlich-recht liche Streitfälle72 betreffen. Diese Ansicht hat jedoch weder durch die bisherige Judikatur des EuGH in Streitsachen zwischen den Gemeinschaften bzw. - in der Praxis! - deren Organen73 und ihren Bediensteten i. w. S. noch durch das gern. Art. 212 EWGV bzw. 186 EAGV erlassene Statut der Beamten der EWG und der EAG (BSt.) i. V. mit den Beschäftigungsb edingungen für die sonstigen Bediensteten beider Gemeinschaften (BB.)14 eine Bestätigung gefunden.

I. Die dienstrechtliche n Entscheidungen des EuGH im Bereich der EWG und EAG vor Erlaß des BSt. und der BB. haben nämlich nur Anstellungsver träge öffentlich-recht lichen Charakters, die im Hinblick auf eine Tätigkeit nach Art des öffentlichen Dienstes abgeschlossen worden sind und sich nach den Vorschriften des allgemeinen Verwaltungsrechts beurteilen, zum Gegenstand75 • 72 Diese Streitsachen unterfallen im deutschen Rechtsbereich der Kompetenz von Verwaltungsgeric hten. Vgl. z. B. §§ 71 Abs. 2 GVG, 126 BRRG, Art. 183 BayBG - Dementsprechen d wird auch der EuGH insoweit als internes Verwaltungsgeri cht der Gemeinschaften tätig; vgl. Schumann ZZP 78 S. 82. 73 Vgl. Art. 95 § 1 VerfO. Trotzdem handelt es sich genaugenommen um Prozesse zwischen der Gemeinschaft, vertreten durch das betreffende Organ, und den Bediensteten. (Vgl. Art. 179 EWGV / 152 EAGV i.V. mit Art. 91 Ziff. 1 des BSt.; Runge JuS 65 S.10, aber auch schon Wohlfarth Art.179 Anm. 3, Art. 211 Anm. 4 und neuerdings ausdrücklich ebenso: EuGH Rs. 18/63 RsprGH X [1964] S.175, 179, 202, bestätigt z. B. durch EuGH Rs. 27/63 RsprGH X S. 271, 290 und Rs. 102/63 RsprGH X S.1471/5, 1502 und Rs. 97/63 RsprGH X S. 1107, 1133 und Rs. 28/64 RsprGH XI [1965] S. 323 ff., 338; ungenau aber Schlußanträge Roemer Rs. 27/63 RsprGH X S. 303, wonach grundsätzlich die Organe "Parteien" in einem Prozeß seien; s. dazu ferner unten § 32 F. 151 mit weiteren Nachweisen). Denn die Bediensteten sind ja auch mit der jeweiligen Gemeinschaft selbst (bzw. allen drei Gemeinschaften) und nicht dem einzelnen ("gemeinsamen") Organ (als oberster Anstellungsbehö rde) dienstrechtlich verbunden; vgl. Art.1 der BB.; Schlußanträge Lagrange Rs. 18/63 RsprGH X S. 223; Runge a.a.O.; aber auch Wohlfarth Art. 179 Anm. 3. 74 Erlassen wurden das Statut und die Beschäftigungsb edingungen von den Räten der EWG und der EAG am 18. 12. 1961, und am 1. 1. 1962 sind diese Bestimmungen in Kraft getreten; ABI. Nr. 45 vom 14. 6. 1962 S. 1385 ff., 1444 ff. = BGBl. 1962 II S. 953 ff. 75 Vgl. die gern. Art.179 EWGV bzw. 152 EAGV erlassenen Urteile hinsichtlich praestatutarische r Anstellungsverh ältnisse in den Rs. Nr. 43, 45 und 48/59 RsprGH Vl/2 (1960) S. 965, 969 ff., 985 ff. (In dieser Entscheidung wird ausdrücklich und unter Hinweis auf den in Art.173 EWGV für Anfechtungsklagen aufgestellten Grundsatz die Anwendbarkeit von Art.179 EWGV auch vor Erlaß des Statuts und der BB. gern. Art. 212 EWGV bejaht; ebenso Roemer in seinen Schlußanträgen ebenda S. 995, 1003 ff., allerdings ohne Heranziehung von Art.173 EWGV; vgl. ferner Lagrange Schlußanträge Rs. 25/60 RsprGH VIII (1962) S. 71 ff.; Wohlfarth Art.179 Anm. 2; unklar Daig AöR 83 S. 200 ff., 203: "Art. 181 EWGV"). - s. ferner die EuGH-Urteile Rs. 44/59 RsprGH VI/2 (1960) S. 1115, 1119 ff., 1163 ff.; Rs. 25/60 RsprGH VIII (1962) S. 43, S. 60 ff. und Rs. 32/62 RsprGH IX (1963) S. 107, 127 mit den Schlußanträgen von Lagrange ebenda S. 129 ff. Auch Wohljarth Art. 246 Anm. 3 spricht den gern. Art. 246 Abs. 3 EWGV bzw. 214 Abs. 3 EAGV bis zur Aufstellung des Statuts und der Beschäftigungsbedingunge n von jedem Organ mit seinem Personal abgeschlossenen ,.befristeten" - (an diese Vorschrift hat sich die Praxis der Gemeinschaften

72

1. Teil: Gerichtsbarkeit des EuGH

II. Das gibt um so weniger Anlaß zur Verwunderung, als sich schon die EGKS in ihrem Personalstatut vom 28. 1. 1956 und nun die EWG und EAG in dem Statut für die Beamten und in den Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der beiden Gemeinschaften vom 18. 12. 1961 fast ausschließlich für eine öffentlich-rechtliche Regelung - hinsichtlich der Beamten i. e. S. sogar eine einseitige hoheitliche Gestaltung - ihres Dienstrechts entschieden haben76• Dementsprechend stellt auch die aufgrund des BSt. und der BB. der EWG und EAG ergangene neuere Rechtsprechung des EuGH materiell Verwaltungsgerichtsbarkeit dar77• Die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der EWG und EAG nehmen sogar ausdrücklich in Art. 81 Streitigkeiten zwischen Gemeinschaftsorganen und ihren "örtlichen Bediensteten", d. h. den gem. Art. 4 Abs. 1 BB. "zur Verrichtung von manuellen oder Hilfstätigkeiten" und wohl nur aufgrund privatrechtUeher Dienstverträge78 eingestellten Personen, von der grundsätzlichen Kompetenz des EuGH gem. Art. 179 EWGV und 152 EAGV aus und verweisen die Parteien insoweit auf die nach dem internationalen Prozeßrecht des Beschäftigungsorts zuständigen nationalen Zivil- oder allerdings nicht gehalten; vgl. Lagrange Schlußanträge Rs. 25/60 RsprGH VIII [1962] S. 71 ff.) - Dienstverträgen eine "überwiegend öffentlich-rechtliche Natur" zu. Ebenso: Rietz S. 72; offengelassen bei Daig a.a.O. S. 203; v. Boeckh Art. 246 Anm. 3 ("Dienstverträge"); anderer Ansicht eindeutig: Amtt. Erl. zu Art. 212 EWGV ("private Dienstverträge"). Interessanterweise hält auch die im Verfahren gern. Art. 185 und 186 EWGV in den Rs. 43, 45, 48/59 ergangene Präsidentenverfügung (RsprGH VI/2 S. 1023) den Art.179 EWGV offensichtlich nur für einen Unterfall des Art.173 EWGV, also der verwaltungsgerichtlichen "Anfechtungsklage'' (a.A. insoweit Roemer a.a.O. S. 1003 ff.). - Dagegen läßt sich allerdings dem in dieser Sache am 15. 7. 1960 erlassenen Urteil des EuGH (a.a.O. S. 965 ff.) wohl entnehmen, daß der EuGH vor Verabschiedung des BSt. und der BB. auch zur Entscheidung von Klagen der aufgrund von privatrechtliehen Verträgen eingestellten "Bediensteten"- quasi als Zivilgericht! -berufen gewesen wäre; denn gern. Leitsatz Nr. 2 dieser Entscheidung (a.a.O. S. 969, 970, vgl. auch S. 986) sind bis zu diesem Zeitpunkt als Bedienstete i.S. von Art. 179 EWGV "alte Personen anzusehen, die bei den Dienststellen der Gemeinschaft beschäftigt werden" (also z. B. auch Handwerker, Chauffeure, Putzfrauen etc.; vgl. aber jetzt Art. 81 i.V. mit Art. 4 der Beschäftigungsbedingungen!). 78 Vgl. hierzu schon Partsch DÖV 61 S. 281 ff., 283 ff. und zum neuen Beamtenstatut vom 18. 12. 1961 eingehend: Bruns ZBR 62 S. 310 ff., 341 ff., 345/6 unter Hinweis auf die "internationale Verwaltungsgerichtsbarkeit" für die Bediensteten internationaler Organisationen. 77 Vgl. z. B. EuGH Rs. 27/63 RsprGH X (1964) S. 271, 295 und Rs. 97/63 RsprGH X S.ll07, 1136 ("auf Grund Art.179 und 173 EWGV"). Auch in der Rs. 18/63 RsprGH X S. 175 ff., die die Klage einer als "Hilfskraft" eingestellten Krankenpflegerin gern. Art. 73 BB. betraf, ist der EuGH nicht anders verfahren. 78 Vgl. Art. 1 und 6 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der EWG und EAG. Diese Verträge unterliegen weitgehend den hierfür nach den Grundsätzen des IPR maßgebenden nationalen Privatrechtsordnungen; vgl. Wohlfarth Art. 246 Anm. 3 und 179 Anm.1, sowie unten § 60 F. 7 mit weiteren Hinweisen, auch F. 10 am Ende.

4. Abschnitt: Zivilgerichtlic he Zuständigkei ten

73

Arbeitsgeric hte79 • Nur die Streitsachen zwischen einer Gemeinschaf t und einem Beamten gern. Art. 1 des BSt. oder einem der offensichtlich ebenfalls mit Tätigkeiten des öffentlichen Dienstes befaßten und demzufolge durch öffentlich-re chtlichen Anstellungsv ertrag des Gemeinschaf tsrechts einzustellend en "Bedienstete n auf Zeit" 80 gern. Art. 1 und 2 der BB. oder einem "Hilfskraft"- Bediensteten gern. Art.1 und 3, einem "Sonderberater" gern. Art. 1 und 5 oder einem "Atomanlage nbedienstete n der Gemeinsame n Kernforschu ngsstelle" gern. Art. 1 und 4 Abs. 2 der BB. unterfallen der ausschließlic hen Zuständigke it des EuGH nach Art. 179, 183 EWGV I 152, 155 EAGV i. V. mit Art. 91 BSt.81 oder Art. 46, 73, 83 und 97 BB. Es scheint allerdings nicht völlig zweüelsfrei, ob der Ausschluß der Gemeinschaf tsgerichtsbar keit gern. Art. 81 der BB. wirklich den Bestimmungen der Art. 179 EWGV und 152 EAGV gerecht bzw. davon gedeckt wird, da diese offenbar nach ihrem Wortlaut ("alle Streitsachen") von vornherein dem gesamten Gemeinschaf tspersonal ohne Ausnahme ein Mindestmaß an Rechtsschutz vor dem EuGH82 gewähren wollen83 • Daher spricht viel dafür, die Art. 179 EWGV und 152 EAGV 84 sinngemäß dahingehend auszulegen, daß sie dem Beamtenstat ut und den Beschäftigun gsbedingung en z. B. die nähere Festlegung der Klagefristen und Verfahrensm odalitäten aufgeben- wie das etwa in Art. 91 BSt. erfolgt ist -, nicht aber auch für gewisse Streitsachen einen gänzlichen Ausschluß des Rechtswegs zum EuGH gestatten. Ein "örtlicher Bediensteter " könnte sich daher gegebenenfa lls gern. Art. 184 EWGV bzw. 156 EAGV vor dem EuGH auf die Unanwendb arkeit dieser, solcherart gegen die Mindestgara ntie angemessene n Rechtsschutz es verstoßende n Normen der Beschäftigun gsbedingung en berufen85 • 79 Vgl. auch Wohlfarth Art.179 Anm.1 und Ehle Komm. 1966 Art.179 RdNr. 7. 80 Vgl. dazu, daß der Unterschied zwischen einem "Beamten" und einem "sonstigen Bediensteten" nach dem europäischen Dienstrecht grundsätzlich nicht in der verschiedenar tigen Funktion, sondern in der Dauer des vorgesehenen Amtes liegt: Bruns a.a.O. S. 313. s. auch EuGH Rs. 18/63 RsprGH X s. 175, 206 ff. 81 Die Wurzel der Regelung des Art. 91 des Statuts der Beamten der EWG und EAG, wonach der EuGH vor allem zur unbeschränkt en überprüfung der Rechtmäßigke it personalrecht licher Verwaltungsa kte befugt ist, liegt in der französischen Verwaltungsg erichtsbarkeit ; vgl. Bruns a.a.O. S. 346. 82 Vgl. insbesondere EuGH Rs. 43, 45 und 48/59 RsprGH VI/2 (1960) S. 969, 970, 986! 83 Vgl. Daig AöR 83 S. 200, 201; aber auch Milhlenhöfer a.a.O. Art. 179 Anm.1, wonach die Beschäftigung sbedingungen nur die materielle Rechtsgrundlage für die gem. Art.179 EWGV bzw. 152 EAGV zu treffenden EuGHEntscheidung en bilden sollten. 84 Zuständigkeit des EuGH "innnerhalb der Grenzen und nach Maßgabe der Bedingungen ... ". 86 Vgl. Daig a.a.O. S. 200, 201 und zur sog. "Einrede der Rechtswidrig keW näher unten § 56 F. 208.

74

1.

Teil: Gerichtsbarkeit des EuGH

In demselben Rahmen, d. h. beschränkt auf die vorwiegend öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnisse des bereits genannten Personenkreises, ist der EuGH nunmehx-8 6 auch zur Entscheidung von Streitigkeiten wegen Regreßforderungen der Gemeinschaften gegen ihre Beamten und Bediensteten nach Maßgabe der Art. 215 Abs. 3, 212, 179, 212 EWGV I 188 Abs. 3, 186, 152, 186 EAGV i. V. mit Art. 22 Abs. 1 und 3, 91 des Statuts der Beamten bzw. Art. ll mit 46, 54 mit 73, 83, 87 mit 97 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der EWG und der EAG berufen87• III. Im übrigen zählen zu den gern. Art. 179 EWG I 152 EAGV i. V. mit dem BSt. und den BB. klageberechtigten bzw. passiv parteifähigen "Bediensteten" alle bei einem der Organe oder dem Wirtschafts- und Sozialausschuß88 der EWG oder der EAG ernannten "Beamten" i. S. des Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 des Statuts und die von diesen Gemeinschaften bei einem ihrer Organe, dem Wirtschafts- und Sozialausschuß, einer anderen Gemeinschaftseinrichtung89 oder etwa dem Kontrollausschuß nach Art. 206 EWGV90 durch Vertrag eingestellten "sonstigen Bediensteten" i. S. der Art. 1 ff., 6 der Beschäftigungsbedingungen. Nicht dagegen gehören hierher die Bediensteten der Europäischen Investitionsbank; denn diese stellt weder ein Organ91 noch sonst eine unselbständige Einrichtung der EWG dar, sondern verfügt über eine von der EWG verschiedene, eigene Rechtspersönlichkeit92 • 86 Vgl. zur Rechtslage im Bereich der EWG und EAG insoweit vor Erlaß des BSt. und der BB: Amtl. Erläuterungen zu Art. 215; Thiesing a.a.O. Art. 215 Anm. 14 und Wohlfarth Art. 215 Anm. 12. 87 Vgl. hierzu auch schon Henn S. 277; Thiesing a.a.O. Art. 215 Anm. 14; Wohlfarth Art.179 Anm. 3; aber auch § 78 Abs.1 und 2 des deutschen Bundesbeamtengesetzes. 88 Art. 193 ff. EWGV, 165 ff. EAGV i.V. mit Art. 5 des Abkommens über gemeinsame Organe. 89 Z. B. der Gemeinsamen Kernforschungsstelle gern. Art. 8 EAGV; vgl. auch Art. 1, 4 Abs. 2, 84 ff. der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der EWG und der EAG. 90 Vgl. Wohlfarth Art. 179 Anm. 4. 91 Vgl. Wohlfarth Art. 215 Anm. 9. 92 Gern. Art. 3 und 129 EWGV i.V. mit Art. 28 Abs. 1 des Protokolls über die Satzung der Europ. Investitionsbank (BGBl. 1957 II S. 964); vgl. hierzu Wohlfarth Art.179 Anm. 4 und Art. 212 Anm. 8 und Ehle Komm. Art. 179 RdNr. l4. Die von Wohlfarth a.a.O. insoweit vorgeschlagene "weite Auslegung von Art.179 EWGV oder Analogie" begegnet de lege lata im Hinblick auf Art. 29 Abs. 1 und 2 des obengenannten Protokolls i.V. mit Art. 180 und 183 EWGV Bedenken, da diese Bestimmungen insoweit die Zuständigkeit der einzelstaatlichen Gerichte vorbehalten (wie überhaupt für alle privatrechtlichen Streitigkeiten der Bank; vgl. Amtl. Erl. zu Art. 180; Berie-Miller Art.180 Anm.1; Daig AöR 83 S.191; Mühlenhöfer a.a.O. Art.180 Anm.1 und Wohlfarth Art.180 Anm. 2 und 179 Anm. 4 a.E.). Außerdem steht der allgemeine Grundsatz restriktiver Interpretation völkerrechtlicher Verträge (vgl. Bernhardt S.143 ff., 176 ff.) jedenfalls insoweit entgegen, als den Verträgen niCht auf diesem Wege positiv gar nicht vorgesehene Kompetenzen der

4. Abschnitt: Zivilgerichtliche Zuständigkeiten

§ 13

75

b) Im Bereich der EGKS

Im Montanvertrag fehlt eine den Art. 179 EWGV, 152 EAGV entsprechende Bestimmung. Üblich war jedoch zunächst die "Prorogation" des EuGH im Wege von in den Anstellungsverträge n gern. § 7 Ziff. 2 Abs. 2 des Übergangsabkommens enthaltenen Schiedsklauseln nach Art. 42 EGKSV, deren Vereinbarung vielfach bereits im vorläufigen Reglement des Personals der Organe vorgeschrieben war und in der Regel einfach durch Bezugnahme darauf erfolgte. Dadurch wurden Kompetenzen des Gerichtshofs für zumeist beamten-, jedenfalls öffentlich-, aber auch für privatrechtliche93 Streitigkeiten begründet94 • Danach trat am 1. 7. 1956 das vom Präsidentenausschuß des Art. 78 § 3 Abs. 2 EGKSV i. V. mit § 7 des Abkommens über die Übergangsbetreffenden internationalen Organisation entnommen werden dürfen; vgl. unten § 71 F. 21 mit weiteren Literaturnachweisen. Gegen eine extensive Auslegung bestehender Kompetenzen· des EuGH, soweit die Verträge nicht ausdrücklich sein Eingreifen vorsehen, sind auch Berie-Miller Einleitung V S. 20, 21 und Anm. zu Art. 164; ferner Dahm li S. 654; Dumon/Rigaux 1959 p. 8; Erades S. 345 ff. (360); Errera p. 236 (No. 245); HallieT Schiedsinstanzen S. 27 zu N. 127 und 129 mit Nachweisen völkerrechtlicher Judikatur; Lagrange Rev.dr.publ. 1954 p. 418; Mü.hlenhöfer a.a.O. Art. 164 Anm. 2 und Art.183 Anm.1; Rietz S.15, 98; wohl auch Riphagen Nederlands Tijdschrift 1955 S. 396, 406; vgl. auch Weser p. 615. Für eine unter Wahrung des Gemeinschaftsinteress es im Zweifel "souveränitätsschonen de" Auslegung von Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts, die Eingriffe in nationale Rechtsprechungsbefug nisse enthalten, ist endlich auch SchliedeT AWD 63 S. 87 (ähnlich Dumon/Rigaux a.a.O.; grundsätzlich einschränkend jedoch: Bernhardt S. 143 ff., 154 ff., 176 ff.). 93 Soweit es sich im Einzelfall um Dienstverträge privatrechtliehen Charakters (vgl. Ophü.ls NJW 51 S. 696) oder daraus resultierende zivilrechtliche Schadensersatzansprüc he (vgl. RoemeT Schlußanträge Rs. 1/55 RsprGH li S. 38) handelt! Zu den Dienstverträgen gern. § 7 Ziff. 2 Abs. 2 des Abkommens über die Übergangsbestimmung en s. aber EuGH Rs.1/55 RsprGH li S. 13, 22 ff. ("öffentlich-rechtliche Verträge als Vorstufe zum endgültigen Statut"). 94 Vgl. Antoine p. 251; Daig AöR 83 S. 200 ff., 203; ders. JZ 56 S. 279; Delvaux p. 36; Much S. 82 (hinsichtlich von Regreßansprüchen der Montanunion gegenüber ihren "Bediensteten", die sich eine gern. Art. 40 Abs.l oder Abs. 2 S. 2 EGKSV auch die Montangemeinschaft selbst zum Schadensersatz verpflichtende "faute personnelle" zuschulden kommen ließen); Mü.hlenhöfer a.a.O. Art.179 Anm.1; Mü.nch, in: Laun-F. 1953 8.138; Ophü.ls a.a.O.; Pinay p.145; ReuteT p. 89; de Richemont p. 441 (No. 294); Wohlfarth Art. 179 Anm. 6 und Art. 171 Anm. 1 und 2. Die Urteile des GH der Montanunion Rs. 1/55 RsprGH II (1955) S. 9, 13 ff., 21 ff., Rs. 10/55 RsprGH li S. 379, 383 ff., Rs. 1/56 RsprGH li S. 441, 457 ff., ferner Rs. 7/56 und Rs. 3 bis 7/57 RsprGH III (1957) S. 83, 117 ff. hatten aber durchwegs nur Streitigkeiten aus öffentlich-rechtlichen Anstellungsverträgen zum Gegenstand. Sie beschäftigten sich vornehmlich mit Fragen der Aufhebung bzw. "Nichtigerklärung" dienstlicher Verfügungen im Rahmen solcher Verträge, also materiell mit Problemen der Verwaltungsgerichtsb arkeit! Eine Besprechung aller dieser Entscheidungen findet sich bei Daig JZ 56 S. 278 ff. und JZ 58 S. 238 ff.

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1. Teil: Gerichtsbarkeit des EuGH

bestimmungen95 ausgearbeitete Personalstatut der EGKS vom 28. 1. 1956 in Kraft9e, das später für das Statut der Beamten und die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der EWG und der EAG vorbildlich geworden ist 97. Gemäß Art. 58 Abs.1 dieses Personalstatuts waren sämtliche98 Streitfälle zwischen der Montanunion und dem gesamten unter das Statut fallenden Personenkreis beim Gerichtshof anhängig zu machen99 • Schließlich wurde die Personalordnung von 1956 durch Verordnung des Ausschusses der Vier Präsidenten der EGKS vom 23. 1. 1962 gern. Art. 78 EGKSV abgelöst und in ein Statut umgewandeJt1°0 , das nach Numerierung und Inhalt der Vorschriften weitestgehend dem Beamtenstatut und den Beschäftigungsbedingungen der EWG und EAG angepaßt ist. Damit liegt mit Wirkung vom 1. 1. 1962 für alle drei Gemeinschaften ein einheitliches Beamtenrecht vor101 • Hinsichtlich der Korn95 Vom 18. 4. 1951 BGBI. 1952 II S. 491; vgl. auch Art.16 Abs. 1 des GHProtokolls der EGKS. 96 Geändert durch Beschluß des Ausschusses der Präsidenten vom 21.11. 1960, in Kraft getreten am 1.12.1960; vgl. Breitner EA 57 S. 9640; Bulletin der EGKS / Hohe Behörde Nr. 46 S. 49; auch Prieur p. 245 ff. und EuGH Rs. 11/63 RsprGH X (1964) S.131 ff., 161. Dieses Personalstatut ist nicht veröffentlicht worden. 97 Vgl. Bruns ZBR 62 S. 311/2; auch die Entschließung des Europ. Parlaments vom 19. 10. 1961 (ABI. Nr. 73 vom 15. 11. 1961 S. 1338) zum Entwurf des Beamtenstatuts der EWG und der EAG weist auf das bewährte Vorbild des Statuts der EGKS hin. es Z. B. auch Streitigkeiten über Regreßforderungen der Montangemeinschaft gegen ihre "Bediensteten"; vgl. Art. 14 des Personalstatuts der EGKS vom 28. 1.1956 (Thiesing Art. 215 Anm.14 a.E.; auch Bruns a.a.O. S. 311; eine Aufnahme entsprechender Regreßbestimmungen in das Personalstatut der Montanunion erwarteten bereits Much S. 82 und Schlochauer ArchVR Bd. 3 S. 412) i.V. mit Art. 58 Abs.1 des Personalstatuts (vgl. zur Zuständigkeit des GH der Montanunion insoweit schon Much S. 82). 99 Der Wortlaut der Bestimmung des Art. 58 Abs. 1 des Personalstatuts findet sich z. B. bei Daig JZ 56 S. 279 N. 29; vgl. ferner Partsch DÖV 61 S. 281 ff.; Pinay p. 145 und Wohlfarth Art.179 Anm. 6. Aufgrund dieser Vorschrift ergingen z. B. die Urteile Rs. 34/59 RsprGH VI/1 (1960) S. 223, 233, Rs. 27 und 39/59 RsprGH VI/2 (1960) S. 819, Rs. 15/60 RsprGH VII (1961) S. 239 und Rs. 22 und 23/60 RsprGH VII S. 389, allerdings durchwegs ebenfalls in "verwaltungsgerichtlichen" Verfahren. 1oo Das Statut der Beamten der EGKS und die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der EGKS sind- rückwirkend - ebenfalls am 1. 1. 1962 in Kraft getreten, aber nicht veröffentlicht worden. Die Hohe Behörde der EGKS erteilte am 14. 2. 1962 ihre Zustimmung; vgl. Bulletin der EGKS Nr. 46 vom 15.1.1964 S. 77; "Europ. Rechtsprechung" KSE 2 (1965) S. 321; auch EuGH Rs. 102/63 RsprGH X (1964) S. 1471, 1504/8 und Schlußanträge Roemer ebenda S.1513. Das BSt. der EGKS war auch Entscheidungsgrundlage des Urteils 15/65 RsprGH XI-10 (1965) S. 1375 ff. 101 Auf der Grundlage des noch nicht in Kraft getretenen Fusionsvertrags vom 8. 4. 1965 soll später ein neues - auch formell einheitliches Beamtenstatut für