129 111 16MB
German Pages 182 [183] Year 1984
REINHARD BORK
Das Verfahren vor den Ethik-Kommissionen der medizinischen Fachbereiche
MUNSTERISCHE BEITRÄGE ZUR RECHTSWISSENSCHAFT Heraqsgegeben im Auftrag des Fachbereichs Rechtswissenschaft der Westfälischen Wilhelms·Universität in Münster durch die Professoren Dr. Hans·Uwe Erichsen Dr. Helmut Kollhosser Dr. Jürgen Welp
Band 5
Das Verfahren vor den Ethik-Kommissionen der ßledizinischen Fachbereiche
Von
Dr. iur. Reinhard Bork
DUNCKER
&
HUMBLOT
/
BERLIN
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Bork, Reinhard: Das Verfahren vor den Ethik-Kommissionen der medizinischen Fachbereiche / von Reinhard Bork. Berlin: Duncker und Humblot, 1984. (Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft; Bd.5) ISBN 3-428-05687-6 NE:GT
D6 Alle Rechte vorbehalten & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1984 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed in Germany
S 1984 Duncker
ISBN 3-428-05687-6
Für Martina
Vorwort Die vorliegende Arbeit, über deren Gegenstand und Absicht eine Einführung (§ 1) nähere Auskunft gibt, ist im Sommersemester 1984 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität zu Münster/Westf. als Dissertation angenommen worden. Diese wurde angeregt und betreut von Herrn Prof. Dr. Helmut Kollhosser. Ihm schulde ich vielfältigen Dank für manchen wertvollen Hinweis, vor allem aber für die persönliche Fürsorge gegenüber dem Assisten.ten. Finanziell gefördert wurde die Arbeit durch ein Promotionsstipendium der Friedrich-Naumann-Stiftung aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft sowie einen Druckkostenzuschuß der Westfälischen Wilhelms-Universität. Beiden Institutionen bin ich ebenso zu Dank verpflichtet wie den Herausgebern dieser Schriftenreihe und Herrn Senator e. h. Prof. Dr. Dr. h. c. J. Broermann für die Aufnahme der Arbeit in das Verlagsprogramm. Schließlich gilt es, eine Dankesschuld abzutragen bei den Kollegen am Institut für Arbeits- und Wirtschaftsrecht, die mir stets geduldig als kompetente Gesprächspartner zur Verfügung gestanden haben, vor allem aber -bei meiner Frau, der diese Arbeit nicht nur deshalb gewidmet ist, weil sie die verschiedenen Manuskripte geschrieben hat und monatelang mit ihren berechtigten Ansprüchen zurückstand, um mir ein zügiges und erfolgreiches Arbeiten zu ermöglichen. Münster, den 1. Juli 1984 Reinhard Bark
Inhaltsübersicht § 1 überblick ...... .. ......... . ... . .. . .... . ..... .. ... .. .. . ............
21
Erster Teil Ethik-Kommissionen § 2 Entwicklung der Ethik-Kommissionen im Ausland
25
§ 3 .Entwicklung
der Ethik-Kommissionen in der Bundesrepublik Deutschland .. .. ..... . ............. . . . .................... . . . . . ... 32
§ 4 Ethik-Kommissionen als Instrument der Verkehrssicherung ..... ...
36
§ 5 Zusammensetzung der Kommissionen .. . ........ . .... . .... . .... . . .
43
§ 6 Organisationsrechtliche Standortbestimmung . . .... . ... .. .... . .. . ..
51
§ 7 Rechtsnatur der Voten ... .. ........................... . ...........
66
§ 8 Rechtsberatung ......... . .... .. ...................................
72
§ 9 Haftung ...... . ......... .. ......... . ........ . .......... . ....... . . .
77
Zweiter Teil Verfahren § 10 Vorzüge eines organisierten Verfahrens
87
§ 11 Ethik-Kommissionen im Lichte des VwVfG ... . .. .. .. . ... . ... . ....
90
§ 12 VerfassungsrechtIiche Determinanten .. . .... .. ... .. ............. . .
94
§ 13 Rechtsschutzmöglichkeiten . .................. . ..... . ....... . ...... 101
Dritter Teil Die Verfahrensordnung der Ethik-Kommissionen § 14 Rechtsnatur der Verfahrensordnung . ......... . .................... 117
10
Inhaltsübersicht
§ 15 Abgrenzung des Tätigkeitsbereichs ................................ 119 § 16 Unabhängigkeit ................................................... 124 § 17 Antragsgrundsatz ................................................. 130
§ 18 Untersuchungsgrundsatz .......................................... 134 § 19 Mündliche Beratung .............................................. 138 § 20 Rechtliches Gehör ................................................. 143
§ 21 Öffentlichkeit ..................................................... 150 § 22 Konzentrationsmaxime ............................................ 153
§ 23 Beschlußfähigkeit ................................................. 154 § 24 Beschlußfassung .................................................. 158 § 25 Sitzungsprotokoll ................................................. 162 § 26 Umsetzung des Beschlusses ...................... . ................. 163
Vierter Teil .
Zusammenfassung § 27 Ergebnisse ......................................................... 168 § 28 Vorschlag
........................................................ 170
Literaturverzeichnis
173
Inhaltsverzeichnis § 1 überblick .........................................................
21
Erster Teil Ethik-Kommissionen § 2 Entwicklung der Ethik-Kommissionen im Ausland ................
25
1. Ethik-Kommissionen in den USA .............................
2. Maßnahmen des DHEW ...................................
25 25 26
3. Die Richtlinien des DHEW ................................. 4. Adressat der Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 5. IRBs in den USA ..........................................
27 29 29
11. Ethik-Kommissionen im übrigen Ausland. .. .. . .. ... .. ... .. . ... 1. Beispiel Schweiz ......................... . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Beispiel Großbritannien ...................................
30 30 31
1. Anlässe ....................................................
§ 3 Entwicklung
der Ethik-Kommissionen in der Bundesrepublik Deutschland ...................................................... 32 1. Forschungsmißbrauch
........................................
32
I!. Ethik-Kommissionen im Lichte der Helsinki-Tokio-Deklaration und des Arzneimittelgesetzes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 33 111. Faktischer Zwang ............................................
34
IV. Ethik-Kommissionen in Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . ...
35
§ 4 Ethik-Kommissionen als Instrument der Verkehrssicherung ........
36
1. Verkehrs(sicherungs)pflichten .................................
36
I!. Ethik-Kommissionen als Instrument der Verkehrssicherung .... 1. für Forschungsinstitutionen ................................ 2. für Forschungsförderer ....................................
37 37 39
3. für Forscher .............................................. a) Erkundigungspflichten .................................. b) und Wissenschaftsfreiheit ............................... aal Art. 5 Abs.3 GG als Wertungsgesichtspunkt ......... bb) Schranken ......................................... ce) Sorgfaltspflichten und Wisenschaftsfreiheit .........
39 39 40 40 40 41
12
Inhaltsverzeichnis III. Auswirkungen ................................................ 1. Doppelfunktion der Kommissionen ........................ 2. Bedeutung der Verfahrensordnung ........................
42 42 43
§ 5 Zusammensetzung der Kommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
43
I. Vorhandene Modelle .......................................... 1. USA....................................................... 2. Bundesärztekammer ....................................... 3. Die Kommissionen der Fakultäten ......... . . . . . . . . . . . . . . . . .
44 44 45 46
II. Faktoren ..................................................... 1. Akzeptanz ................................................. 2. Selbstkontrolle ............................................ 3. Rechtskontrolle ............................................ 4. Ethik...................................................... 5. Laienbeteiligung und Effektivität ,.........................
46 46 47 47 49 49
III. Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
§ 6 Organisationsrechtliche Standortbestimmung ......................
51
I. Grundbegriffe ................................................
2. Organisationen ............................................ a) Juristische Personen .................................... b) Teilrechtsfähige Organisationen ......................... 3. Organ.....................................................
51 51 52 52 52 53
11. Bestimmung des Organträgers ....................... . ........ 1. Universität als juristische Person .......................... 2. Fachbereiche als teilrechtsfähige Organisationen ............ a) Staatsverwaltung und Selbstverwaltung ................ b) Historische Anmerkung ................................. aal vor der Hochschulreform .............. . ............ bb) nach der Hochschulreform .......................... c) Die Stellung des Fachbereichs heute .................... aal Organ der Universität ............... . .............. bb) oder teilrechtsfähige Organisation? .................. (1) Keine Vollrechtsfähigkeit ........................ (2) Satzungsautonomie ............................. " (3) Eigene Organe ................................... (4) Eigene Rechte und Pflichten ....................
54 54 54 55 55 55 56 56 56 56 57 57 57 57
111. Einordnung der Ethik-Kommissionen ........................
59
IV. Öffentlich-rechtliche Organisationsform ....................... a) nicht ausdrücklich erklärt .............................. b) nicht zwingend geboten .................................
60 60 61
1. Öffentliches Organisationsrecht ............................
Inhaltsverzeichnis c) aber zu vermuten
13 61
61 V. Innen- und Außenrecht 1. aus organisationsrechtlicher Sicht .......................... 62 2. aus beamtenrechtlicher Sicht .............................. 63 a) Innen-, Außen- und Beamtenrecht ...................... 63 b) Innen-, Außen- und Grundrecht ........................ 64 c) Außenrechtsbeziehung der Ethik-Kommission zum Forscher ................................................... 65 § 7 Rechtsnatur der Voten ............................................
66
1. Öffentlich-rechtliche Tätigkeit ................................ 1. Aufgabe und Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2. Dienstpflicht ............................................... 3. Verkehrssicherungspflicht .................................. 4. Vermutung ................................................
67 67 67 67 68
I!. Handlungsform ............................................... l. Verwaltungsakt ............................................ a) bei freiwilliger Vorlage ................................. b) bei von Dritten verlangter Vorlage ......................
69 69 69 70
2. Öffentlich-rechtlicher Vertrag.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3. Realakt ...................................................
71 72
§ 8 Rechtsberatung
1. Geschäftsmäßige Rechtsberatung .............................. 1. Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten .................
2. Geschäftsmäßigkeit ........................................
72
73 73 74
I!. Gutachtertätigkeit ............................................
75
II!. Zulässigkeit aus § 3 Nr. 1 RBerG ..............................
76
§ 9 Haftung ..........................................................
77
I. Haftung des Versuchsleiters .................................. l. bei Versuchen ohne oder gegen das Votum. . . . . . . .. . . . . . . ... 2. bei Versuchen gemäß einem fehlerhaften Votum ...... , . . . .. a) Entschuldigender Rechtsirrtum .......................... b) Weitere Voraussetzungen (Schutzzweck) .................
77 78 78 79 79
II. Haftung der Kommissionsmitglieder . .. . .. . .. .. . . . . . . .. .. . . . . ..
81
l. Amtspflicht gegenüber einem Dritten ......................
82 83 84 84 84
2. Kausalität ................................................. 3. Anspruchsgegner .......................................... a) stets das einzelne Mitglied .............................. b) nur für eigenes Verschulden. . . . . . . .. .. . . . ... .. . . . . . . . . ..
14
Inhal tsverzeichnis c) Staatshaftung .......................................... aal für Universitätsangehörige .......................... bb) für Externe ........................................
84 84 85
Zweiter Teil Verfahren § 10 Vorzüge eines organisierten Verfahrens
87
I. Richtigkeitsgewähr ...........................................
87
11. Transparenz und Vergleichbarkeit ............................
88
III. Akzeptanz ....................................................
89
§ 11 Ethik-Kommissionen im Lichte des VwVfG .......................
90
I. Anwendbarkeit des BundesVwVfG ............................
90
11. Anwendbarkeit der §§ 9 ff. VwVfG NW .......................
91
III. Anwendbarkeit der §§ 88-93 VwVfG NW ......................
92
IV. Anwendbarkeit der §§ 1-8 VwVfG NW ......................
92
V. "Restwert" des VwVfG NW ..................................
93
1. Analogiefähigkeit ..........................................
93
2. "Restwert" ................................................
94
§ 12 Verfassungsrechtliche Determinanten .............................
94
I. Verfassungsbindung durch Art. 1 Abs.3 und 20 Abs.3 GG ....
95
11. Forderung der Verfassung nach einem geregelten Verfahren ..
96
1. Menschenwürde ............................................
97
2. Grundrechtsschutz .........................................
97
3. Rechtsstaatsprinzip
99
§ 13 Rechtsschutzmöglichkeiten
101
I. Klage auf Begutachtung ...................................... 101
1. Rechtsweg
................................................ 102
2. Klageart .................................................. 102 a) Verpflichtungsklage ..................................... 102 b) Allgemeine Leistungsklage .............................. 102 3. Klagebefugnis ............................................. a) Sinn der Klagebefugnis ................................. b) § 42 Abs.2 VwGO analog ................................ aal nach der Ansicht von Gierth und Rupp ............ bb) nach der Ansicht von Achterberg .................. cc) nach der Ansicht von Erichsen ....................... dd) nach der Ansicht der hM ............................
102 102 103 103 103 105 105
Inhaltsverzeichnis
15
c) Klagebefugnis des Forschers ............................ 105 4. Vorverfahren und Klagefrist .............................. 106 5. Klagegegner ............................................... a) Beteiligtenfähigkeit ..................................... aa) der Universitäten .................................. bb) der Fachbereiche und Fachbereichsräte .............. ce) der Ethik-Kommissionen ............................. b) Prozeßführungsbefugnis der Fachbereiche und der Fachbereichsräte ............................................ aa) § 5 Abs. 1 AG VwGO NW ........................... bb) § 5 Abs. 2 AG VwGO NW ..........................
107 107 107 107 107 108 108 108
II. Klage gegen inhaltlich falsche Voten .......................... 109 1. Rechtsweg ................................................. 109
2. Klageart ................................................... 109 a) Anfechtungsklage ...................................... 109 b) Allgemeine Leistungsklage ............................. 109 3. Klagebefugnis ............................................. 110 a) bei Realakten .. :....................................... 110 b) keine Rechtsverletzung .................................. 110 III. Klage wegen Verfahrensfehlern ............................... 111 1. Rechtsweg und Klageart ................................... 112
2. Klagebefugnis ............................................. a) bei befürwortender Stellungnahme nie .................. b) Verfahrensgarantien als subjektive Rechte .............. c) Bedenken aus §§ 46 VwVfG, 563 ZPO, 144 Abs. 4 VwGO .. d) Verfahrensfehler und materielle Beschwer .............. e) Anwendung ............................................
112 112 112 114 114 115
Dritter Teil Die Verfahrensordnung der Ethik-Kommissionen § 14 Rechtsnatur der Verfahrensordnung ............................... 117 § 15 Abgrenzung des Tätigkeitsbereichs ................................ 119
I. Medizinische Versuche am Menschen .......................... 119 II. Einwände und Konkretisierungen ............................ 120 1. Abgrenzung zur Therapie .................................. 120
2. Kompetenz anderer Ethik-Kommissionen .................. 121 3. Beschränkung auf Forschungsvorhaben .................... 122 4. Keine Beratung begonnener Projekte ...................... 122 5. Keine Aussagen über spezielle Beurteilungskriterien ...... 123
16
Inhal tsverzeichnis II!. Ergebnis
124
§ 16 Unabhängigkeit ................................................... 124
I. Herleitung .................................................... 125 1. aus der Verkehrssicherungspflicht ......................... 125
2. aus Grundsätzen der Verfassung .......................... 125 3. aus Gründen der Akzeptanz ................................ 126 II. Auswirkungen ................................................ 126 1. im Organisationsstatut ................. : .................. 127
2. in a) b) c)
der Verfahrensordnung .................................. Ausschluß .............................................. Ablehnung.............................................. Selbstablehnung ........................................
127 128 129 129
III. Ergebnis ..................................................... 129 § 17 Antragsgrundsatz ................................................. 130 I. Vorgaben
.................................................... 130
II. Antragsgrundsatz ............................................ 131 IH. Schriftform .................................................. 131 IV. Antragsberechtigte ........................................... 132 1. Forscher
.................................................. 132
2. Versuchs teilnehmer ........................................ 132 3. Forschungsförderer und Institutionen ...................... 133 V. Rücknahme .................................................. 133 VI. Ergebnis ..................................................... 134 § 18 Untersuchungsgrundsatz .......................................... 134
I. im allgemeinen Verwaltungsverfahren ........................ 134
11. im Verfahren vor den Ethik-Kommissionen ... " ............... 135 1. bei der Subsumtion ........................................ 135
2. trotz des Antragsgrundsatzes .............................. 135 3. Geltung und Auswirkungen ................................ a) Abhängigkeit vom "Parteivortrag" ...................... b) Aufklärungsmöglichkeiten .............................. aa) Mitwirkungspflichten ............................... bb) Sachverständigenanhörung ..........................
135 136 136 137 138
II!. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 138 § 19 Mündliche Beratung .............................................. 138
I. Vorbereitung ................................................. 139
Inhaltsverzeichnis 11. Form der Beratung
17 139
111. Ausnahme ................................................... 141 1. Aktenumlaufverfahren ..................................... 141 2. Vorprüfungsausschuß ...................................... 142 IV. Sitzungsleitung ................. '. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 143 V. Ergebnis ..................................................... 143 § 20 Rechtliches Gehör. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 143
I. Herleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1. aus Grundsätzen der Verfassung ........................... 2. aus dem Verfahrenszweck "Richtigkeitsgewähr" ............ 3. aus Gründen der Entscheidungs-Akzeptanz ................ 11. Einzelheiten .................................................. 1. Umfang ................................................... 2. Form ...................................................... 3. Akteneinsicht ..............................................
144 144 144 145 145
146 146
147
IH. Berechtigte ................................................... 149 1. Antragsteller .............................................. 149 2. Versuchsteilnehmer ........................................ 149 IV. Ergebnis ..................................................... 150 § 21 Öffentlichkeit ..................................................... 150
I. Transparenz der Verwaltung .................................. 150
11. Geheimnisschutz .............................................. 151 IH. Ergebnis ...................................................... 153 § 22 Konzentrationsmaxime ............................................ 153
I. Bedeutung .................................................... 153
H. Auswirkungen ................................................ 154 IH. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 154 § 23 Beschlußfähigkeit ................................................. 154 I. Bestimmungsfaktoren ........................................ 155
11. Auswirkungen ................................................ 1. Ladung .................................................... 2. Stimmberechtigung ........................................ 3. Anwesenheit ............................................... 4. Qualifiziertes Quorum ...................................... 5. Hilfsbeschlußfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 2 Bork
155 155 156 156 156 157
18
Inhaltsverzeichnis 111. Ergebnis ...................................................... 157
§ 24 Beschlußfassung .................................................. 158
I. Mehrheitsprinzip ............................................. 158
11. Qualifizierte Mehrheit ........................................ 158 l. Relative Mehrheit ......................................... 158
2. Qualifizierte relative Mehrheit ............................. 158 111. Stimmenthaltung ............................................. 159 IV. Stimmengleichheit ............................................ 160 V. Form ........................................................ 161 VI. Ergebnis ...................................................... 161 § 25 Sitzungsprotokoll
162
I. Niederschrift
162
11. Ergebnis ..................................................... 163 § 26 Umsetzung des Beschlusses ........................................ 163
I. Mitteilung .................................................... 163 II. Inhalt ........................................................ 163 1. Formulierung .............................................. 164
2. Begründung ............................................... 164 a) bei negativem Votum ................................... 164 b) bei positivem Votum .................................... 165 3. Sondervoten ............................................... 165 III. Ergebnis ...................................................... 167
Vierter Teil Zusammenfassung § 27 Ergebnisse
168
§ 28 Vorschlag ........................................................ 170
Literaturverzeichnis
173
Abk Ül'zungsverzeichnis A
Atlantic (Regionalfallrechtssammlung) abgedruckt Appellate Division (Berufungsinstanz) Arizona (Höchstrichterliche Fallrechtssammlung des Staates)
CFR
Code of Federal Regulations (Sammlung der untergesetzlichen Normen des Bundes)
ders. DÄ DFG DHEW DHHS dies. DMW
derselbe Deutsches Ärzteblatt Deutsche Forschungsgemeinschaft Department of Health, Education, and Welfare Department of Health and Human Services dieselbe Deutsche Medizinische Wochenschrift
Einl. EVwVfG
Einleitung Musterentwurf zum VwVfG 1963
FR F.Supp.
Federal Register (Bundesanzeiger) Federal Supplement (Fallrechtssammlung der erstinstanzlichen Bundesgerichte)
Ga.
Georgia (HöchstrIchterliche Fallrechtssammlung des Staa,.. tes)
IRB
1. Institutional Review Board 2. IRB: A Review of Human Subjects Research (1.1979 ff.)
MedR m.Fn. Misc.
Medizinrecht (1.1983) mit Fußnote Miscellaneous (Erstinstanzliche und Berufungsentscheidungen) Münchner Medizinische Wochenschrift
abgedr. App.Div. Ariz.
MMW N.D. N.E.
NIH
N.J.
No. N.Y. N.Y.S.
NOl·th Dakota (Höchstrichterliche Fallrechtssammlung des Staates) North Eastern (Regionalfallrechtssammlung) National Institute of Health New Jersey (Höchst richterliche Fallrechtssammlung des Staates) Number, Nummer New York (Höchstrichterliche Fallrechtssammlung des Staates) New York Supplement (untergerichtliche Entscheidungen)
Abkürzungsverzeichnis
20 p.
P.
pp. Pub.L. S.Ct. S.E. Stat. Sup.Ct.
UCLA US USCA
page, pagina Pacific (Regionalfallrechtssammlung) pages Public Law (Bundesgesetz, numeriert) Supreme Court (Fallrechtssammlung des Obersten Bundesgerichtshofes) South Eastern (Regionalfallrechtssammlung) Statutes (Sammlung der Bundesgesetze) = S.Ct. University of California in Los Angeles 1. United States 2. Fallrechtssammlung des Obersten Bundesgerichtshofes United States Code Annotated (Sammlung der Bundesgesetze mit Anmerkungen)
v.
versus, gegen Vorbemerkung Verwaltungsrecht Verwaltungsrechtsprechung in Deutschland (1.1949 ff.)
Wash.
Washington (Höchstrichterliche Fallrechtssammlung des Staates) Wisconsin (Höchst richterliche Fallrechtssammlung des Staates) Wissenschaftsrecht, Wissenschaftsverwaltung, Wissenschaftsförderung (1.1968 ff.)
Vorb. VwR VwRspr.
Wisc. WissR Ziff.
Ziffer
Wegen aller übrigen Abkürzungen wird verwiesen auf: Kirchner, Hildebert, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 3. Aufl., Berlin / New York 1983
illi qui indigent regi consilio alieno saltem in hoc sibi
ipsis consulere sciunt, si gratiam habent, ut aliorum requirant consilia, et discernant consilia bona a malis. Thomas von Aquin
(summ. theol. II/II qu. 47, art. 14 ad 2)
~ 1 überblick
In den letzten zehn Jahren sind in Deutschland bei verschiedenen medizinischen Fakultäten bzw. Fachbereichen 1 , aber auch bei anderen Institutionen (wie den Landesärztekammern oder einigen Sonderforschungsbereichen der Deutschen Forschungsgemeinschaft) sogenannte "Ethik-Kommissionen" eingerichtet worden. Dies sind (in der Regel interdisziplinär besetzte) Gremien, die medizinische Forschung am Menschen auf ärztliche, rechtliche und ethische Zulässigkeit untersuchen. In von Fall zu Fall variierender Zusammensetzung bringen Mediziner, Theologen, Philosophen, Juristen und andere medizinische Laien ihr Wissen in die gemeinsame Beratung ihnen zur Begutachtung vorgelegter Forschungsvorhaben ein. In einem Überblick seien zur Einführung einige (später noch des näheren zu bestimmende) Aspekte der Ethik-Kommissionen und ihrer Arbeit erwähnt. Der Idee nach handelt es sich um eine mehr oder weniger "institutionalisierte Kontrolle" 2, die der Sicherheit der Versuchsteilnehmer und der begutachtenden Beratung der Forscher dienen soll. Forschung als ein auf die Zukunft angelegtes potentiell gefährliches Unternehmen birgt arteigene Unsicherheiten. Über Ausgang, Wirkungen und Nebenfolgen besteht noch kein sicheres Wissen. Die Aufgabe der Ethik-Kommissionen besteht in der Prüfung, ob diese Unsicherheit durch hinreichende Vorstudien (Labor- und Tierversuche) und durch geeignete Schutzmaßnahmen minimalisiert worden ist und ob das "Restrisiko" zu dem angestrebten Erkenntnisgewinn und dessen Bedeutung für die medizinische Wissenschaft, die Allgemeinheit und (beim Heilversuch) gegebenenfalls für den Patienten in einem angemessenen Verhältnis steht. Darüber hinaus ist vor allem zu überprüfen, ob die Rechte der Versuchsteilnehmer, insbesondere die Anforderungen an eine auf um1 Die Ausdrücke werden angesichts des uneinheitlichen Sprachgebrauchs in den einzelnen Bundesländern und Universitäten synonym gebraucht. 2 Piechowiak, Fortschritte der Medizin 1982, 1023.
22
§ 1 überblick
fassender Aufklärung beruhende freiwillige Einwilligung in die Versuchsteilnahme gewahrt sind. Wesentliche Beurteilungsgrundlage für die Arbeit der Ethik-Kommissionen ist heute in Deutschland das Arzneimittelgesetz (AMG) vom 24. August 19763 , das in seinen §§ 40-42 Zulässigkeitsvoraussetzungen für die klinische Prüfung von Arzneimitteln enthält und dessen Wertungsgrundlagen überwiegend analog auf andere Humanexperimente übertragbar sind. Da die Versuchsteilnehmer zum Zeitpunkt der Planung des Forschungsvorhabens in der Regel noch gar nicht bekannt sind, nimmt die Ethik-Kommission in derPlanungsphase eine Art Stellvertreterfunktion wahr, indem sie vorweg die Interessen der erst später zu bestimmenden Probanden berücksichtigt. Darin wird der besondere Wert einer Präventivkontrolle deutlich, die Schäden schon im Planungsstadium so weit wie möglich ausschalten soll, bevor eine konkrete Gefährdung eintreten kann4 • Der Ausdruck "institutionalisierte Kontrolle" legt allerdings den Eindruck nahe, daß die Einschaltung der Ethik-Kommissionen obligatorisch sei. Das ist gegenwärtig nicht der Fall und wäre im Hinblick auf die durch Art. 5 Abs. 3 GG garantierte Forschungsfreiheit wahrscheinlich - vorbehaltlich näherer Prüfung - auch nur begrenzt möglich. Ethik-Kommissionen sind zunächst einmal als Angebot an den Forscher gedacht, der rechtlich nicht unmittelbar gezwungen ist, es zu nutzen. Ebenso unverbindlich wie das Angebot ist die abschließende Stellungnahme der Kommissionen, die als Rat oder Empfehlung zu werten ist, die weder den Forscher noch Probanden oder Forschungsförderer rechtlich bindet. Es handelt sich vielmehr um ein Konzept ärztlicher Selbstkontrolle, eine "Selbsthilfeeinrichtung der Ärzteschaft"s. Auf all' das wird später zurückzukommen sein. In der Bundesrepublik Deutschland sind die Ethik-Kommissionen, trotz der Erfahrungen im Ausland, etwa in den USA6 und Schweden 7 seit 1966, eine junge und noch im Aufbau befindliche Erscheinung. In der Absicht, Erfahrungen aus dieser Aufbauphase auszutauschen, wurde in Münster am 19. 11. 1980 ein Symposion der deutschen EthikKommissionen abgehalten, dem ein zweites am 17.11. 1982 folgte. Auf diesem 2. Symposion wurde die Gründung einer Arbeitsgemeinschaft beschlossen, die sich mit Vorschlägen zur Vereinheitlichung der Zusammensetzung und Verfahrensweise der Ethik-Kommissionen aus3 4
5 6 7
BGBl. 1976 I , 2445 ff. Vgl. Weißauer, MMW 1979, 551, 552. Weißauer (Fn. 4), 553. Vgl. Robertson, UCLA Law Review 1979,484 ff. Vgl. Fischer, S. 72.
§
1
überbli~
23
einandersetzen und damit eine allgemeine Forderung erfüllen sollte, "im Interesse der gleichmäßigen Behandlung die Verfahrensgrundsätze möglichst einheitlich" 8 zu gestalten9 • Dieser Forderung zum Trotz; scheint es zunächst allerdings bei einem "Meinungsaustausch" zu bleiben. Ungeachtet des Kassandrarufes Samsons,.es sei "kaum möglich, den Zugang zur Ethik-Kommission rechtlich sinnvoll zu gestalten" 10,. will diese Arbeit einen Beitrag zur Ausgestaltung einer Verfahrensordnung für Ethik-Kommissionen anbieten. Innerhalb gewisser (noch genauer zu bestimmender) rechtlicher Grenzen ordnen die Ethik-Kommissionen ihr Verfahren selbst l l . Das ist eine der Folgen ihrer rechtlichen Unverbindlichkeit. Das bedeutet, daß sich die Arbeit nicht in einer Darstellung von gegebenen Sachverhalten und deren rechtlicher Analyse erschöpfen kann, sondern darüber hinaus untersuchen muß, welche Zusammensetzungen und Verfahrensweisen zur Vereinheitlichung zu empfehlen sind. Die dabei zu beachtenden Aspekte sind nicht immer im strengen Sinne rechtlicher Natur; vielmehr sind auch Fragen der Praktikabilität und vor allem der Akzeptierbarkeit einer freiwilligen Kontrollinstanz zu berücksichtigen l2 . Der Schwerpunkt soll die Erarbeitung einer Verfahrensordnung sein, wie sie sich als Vorschlag am Schluß dieser Untersuchung findet. Demzufolge können andere Aspekte nur soweit Gegenstand der Arbeit sein, wie sie für das Verfahren vor den Ethik-Kommissionen von Bedeutung sind. Dies gilt für das mit einer Verfahrensordnung nicht zu verwechselnde Organisationsstatut der Ethik-Kommissionen ebenso wie für Fragen der Haftung, die zudem schon anderenorts Gegenstand eingehender Untersuchungen gewesen sind l3 . Bei der rechtlichen14 Beurteilung sollen die Ethik-Kommissionen, die an medizinischen Fakultäten bzw. Fachbereichen der Universitäten eingerichtet sind, im Vordergrund stehen, da dort der Schwerpunkt biomedizinischer Forschung liegt und somit die intensivste InanspruchNJW 1981, 614, 616; vgl. auch S. 617. Vgl. etwa die Forderungen des Medizinischen Fakultätentages in: DA 1981, 1427, 1428; für die USA: National Commission, p. 56187. 10 In: DMW 1981, 667. 11 Vgl. Robertson (Fn.6), 493. Zur näheren Begründung dieses Satzes vgl. unten § 14. 12 Vgl. unten § 10 und Robertson (Fn. 6), 512 m. Fn. 152. 13 Vgl. v. Bar/Fischer, NJW 1980, 2734 ff. und Fischer, S. 103 f Zur Haftung unten § 9. I> Soweit Landesrecht anzuwenden ist, wird stellvertretend das Recht des Landes Nordrhein-Westfalen herangezogen. 8 9
Deutsch,
24
§
1 überblick
nahme der Ethik-Kommissionen zu erwarten ist. Die Ergebnisse dürften auf andere, insbesondere die an Krankenhäusern außerhalb der Universitäten und von den Ärztekammern eingerichteten Gremien weitgehend übertragbar sein, wobei allerdings den Besonderheiten privatrechtlich organisierter Träger Rechnung zu tragen wäre. Unter diesen Bedingungen nimmt der Gang der Arbeit im folgenden in einem ersten Teil seinen Ausgang von einer Darstellung und Einordnung der Ethik-Kommissionen selbst. Der zweite Teil beschäftigt sich mit den Bestimmungsfaktoren des Verfahrens, und in einem dritten Teil sollen die einzelnen Klauseln der Verfahrensordnung erarbeitet werden.
Erster Teil
Ethik-Kommissionen § 2 Entwicklung der Ethik-Kommissionen im Ausland I. Ethik-Kommissionen in den USA1
Ethik-Kommissionen - dort Institutional Review Boards (IRB) genannt - entwickelten sich Anfang der sechziger Jahre zuerst in den USA, nachdem in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg die Zulässigkeit und die ethischen wie rechtlichen Grenzen biomedizinischer Forschung erstmals in erheblichem Umfang Gegenstand öffentlicher Besorgnis wurden, als aus verschiedenen Quellen Nachrichten über zweifelhafte Versuche an Menschen in das Bewußtsein der Öffentlichkeit drangen2 • 1. Anlässe
Zunächst erzeugten die Experimente, die von nationalsozialistischen Ärzten an Konzentrationslager-Insassen durchgeführt worden waren, über die allgemeine Abscheu und Empörung hinaus besondere Unruhe über die Zulässigkeitsgrenzen des Humanexperiments. Das Urteil des amerikanischen Militärtribunals, das in dieser Sache gefällt wurde 3 , stellte konkrete Kriterien für die Zulässigkeit biomedizinischer Forschung auf und diente als "Nuremberg Code"4 in der Folgezeit als allgemein anerkannte Beurteilungsgrundlage. Die so weltweit erzeugte Aufmerksamkeit wurde in den USA noch verstärkt durch eine Studie der Boston-University, die ergab, daß an den meisten Forschungseinrichtungen weder Formulare noch Dienst1 Vgl. insgesamt: National Commission, p.56183; Robertson, UCLA Law Review 1979, 484, 486 ff.; Rickels, S. 94 ff.; Bork, NJW 1983, 2056 ff. 2 Vgl. Robertson (Fn. 1), S. 487 m. Fn. 17; Deutsch, NJW 1981, 614. 3 US v. Brandt, Official Transcript cf the Military Tribunal, sitting at Nürnberg, 19.3.1947, I p.11374; vgl. zu den Einzelheiten: Katz, S. 292 ff. 4 Abgedruckt bei Katz, S. 305 f. und bei Fischer, S. 110 f.; deutschsprachige Fassung in NJW 1949, 377.
26
1. Teil: Ethik-Kommissionen
anweisungen für die biomedizinische Forschung existierten 5 , sowie durch die Urteile in dem Fall Hyman v. Jewish Cronic Disease Hospital 6• In diesem Rechtsstreit begehrte ein Mitglied des Krankenhauskuratoriums Einsicht in die Krankenunterlagen, als er erfuht, daß zweiundzwanzig schwerkranken Patienten des Hospitals virulente Krebszellen unter die Haut gespritzt worden waren, um Abwehrreaktionen zu testen. Die Probanden waren lediglich dahin aufgeklärt worden, es solle bei ihnen eine Immunreaktion und die Widerstandskraft geprüft werden 7 • Besonderes Aufsehen erregte schließlich ein Aufsatz von Beechel's, der bei 100 in, einer anerkannten Fachzeitschrift publizierten Forschungsberichten 12 ethisch bedenkliche Fälle feststellte. 2. Maßnahmen des DHEW
Um dem öffentlich geäußerten Ruf nach staatlichen Maßnahmen zu begegnenD, erließ 1966 der Public Health Service, eine Behörde des Departement of Health, Education, and Welfare (DHEW) die Anordnung, daß Forschungsförderung mit Bundesmitteln nur noch bewilligt werden sollte, wenn die Rechte der Probanden in Form einer Präventivkontrolle durch ein Ärzte-Komitee gewährleistet waren. Das DHEW übernahm diese Anordnung später als "Institution al Guide to DHEW Policy on Protection of Human Subjects"lo. Diese Maßnahmen erwiesen sich als unzureichend, als die "Tuskegee syphilis study"ll bekannt wurde. Im Süden der USA wurden seit 1932 eine Testgruppe von 400 Syphilis-Infizierten und eine Kontrollgruppe von 200 gesunden Negern verglichen, wobei den Kranken keine Medikamente gegeben wurden, um den natürlichen Verlauf der Krankheit beobachten zu können. Die Studie wurde begonnen, bevor Penicillin bekannt war, aber trotz der Entdeckung des Penicillins zu Beginn der fünfziger Jahre fortgesetzt, teils unter Verabreichung von Placebos. 5 Beschrieben bei: Curran, Daedalus 98 (1969), 542, 546; vgl. auch: Deutsch, NJW 1981, 614 und Robertson (Fn. 1), 487 sowie National Commission, p. 56186 Fn.8. G 248 N.Y.S. 2d 245 (Sup.Ct. 1964), 42 Mise. 2d 427; 21 App.Div. 2d 495, 251 N.Y.S. 2d 818 (1964); 15 N.Y. 2d 317, 206 N.E. 2d 338 (1965). 7 Einer der an diesem Experiment beteiligten Forscher wurde später zum Präsidenten der American Association for Cancer Research gewählt; vgl. Katz, S. 65; Piechowiak, Fortschritte der Medizin 1982, 1023. 8 Ethics and clinical Research, New England Journal of Medicine 1966, 1354-1360. 9 Vgl. zur "Politologie" der Entwicklung: Frankel (1972); Robertson (Fn. 1), S. 486 ff.; Curran, Daedalus 98 (1969), 542-594. 10 DHEW Publication NIH 72-102 vom 2. 12.1972. 11 Vgl. Final Report, Tuskegee Syphilis Study, Ad Hoc Advisory Panel, US DHEW, Washington, D.C. vom 28.4. 1973; Robertson (Fn. 1), 488 m. Fn.28.
§ 2 Entwicklung im Ausland
27
1972 wurde das Experiment gestoppt. Damals lebten noch 74 Kranke. Mindestens 28 waren an den Folgen der Lues gestorben l2 • 3. Die Richtlinien des DHEW
In einem - für solche publikumswirksamen Fälle in den USA nicht untypischen - Wettlauf zwischen Administration und Congress veröffentlichte zuerst das DHEW im Mai 1974 unter Berufung auf seine allgemeine Organisationsbefugnis 13 Richtlinien, die die Gewährung von Bundesmitteln für die Forschungsförderung von der Einrichtung und zustimmenden Begutachtung eines "Institutional Review Board" abhängig machte 14 • Der Congress schob die Ermächtigungsgrundlage nach, als er am 12.7. 1974 den National Research Act of 197415 in den Public Health Service Act of 194416 einfügte und in Title 11 § 212 (a) des National Research Act 17 bestimmte: "The Secretary18 shall by regulation require that each entity which applies for a grant or contract under this chapter for any project or program which involves the conduct of biomedical or behavioral research involving human subjects submit in or with its application for such grant· or contract assurances satisfactory to the Secretary that it has established (in accordance with regulations which the Secretary shall prescribe) a board (to be known as an 'Institutional Review Board') to review biomedical and behavioral research involving human subjects conducted at or sponsored by such entity in order to protect the rights of the human subjects of such research." . Unter Einarbeitung dieser Ermächtigungsgrundlage erließ daraufhin das DHEW "Regulations for the Protection of Human Research Subjects"19, die detaillierte Angaben über die IRBs enthielten. Ebenfalls durch den National Research Act of 1974 wurde eine "National Commission for the Protection of Human Subjects of Biomedical and Behavioral Research" eingesetzt 20 , deren Aufgabe unter anderem 12 13 H
15 16 11
Brandt, Hastings Center Report 1978, 21-29; Piechowiak (Fn.7), 1023. 5 USCA § 301. . 39 FR 18914. Pub.L. 93-348, 88 Stat. 342. As amended 42 USCA §§ 201-300 t. = c. 373 Title IV § 474 Public Health Service Act = 42 USCA § 289 1-
3 (a).
18 Gemeint ist der Secretary ofHealth, Education, and Welfare, heute durch Pub.L. 96-88, Title VI § 601 vom 17. X. 1979 - Secretary of Health and Human Services (HHS); vgl. USCA Supplemental Pamphlet 1974-1980, 42 § 300 v, nach (e) (2). 19 45 CFR §§ 46.101-301. 20 42 USCA § 289 1 1 = Pub.L. 93-348 Title 11, §§ 201-205 = 88 Stat. 348-351; zur Geschichte der National Commission vgl. Omenn, Bioethics Quarterly 2 (1980), 76, 78 f.
1. Teil: Ethik-Kommissionen
28
die Erarbeitung von Studien über die Zulässigkeitsgrenzen biomedizinischer Forschung und über die Möglichkeiten von IRBs war. Die gesetzliche Amtszeit dieser Kommission endete im Oktober 197821 • Sie wurde ersetzt durch "The President's Commission for the Study of Ethical Problems in Medicine and Biomedical and Behavioral Research"22, deren Amtszeit am 30.9. 1982 mit Ablauf des Haushaltsjahres endete. Die National Commission legte unter dem 1. 9. 1978 den Bericht über IRBs als "Report and Recommendations: Institutional Review Boards"23 vor. Er wurde für das Ministerium, das zwischenzeitlich umbenannt war in Departement of Health and Human Services (DHHS)24, Anlaß und Grundlage einer überarbeitung der Richtlinien, deren endgültige Fassung25 am 27.7.1981 in Kraft trat, im wesentlichen gleichlautend mit den Richtlinien der Food and Drug Administration (FDA) für die Arzneimittelprüfung 26 und für die Erprobung medizinischer Geräte 27 auf der Grundlage des Federal Food, Drug, and Cosmetic Act 28 . Die neuen Richtlinien haben ferner durch Verweisung Gültigkeit bei anderen Behörden29 . Da das DHHS an das Votum eines IRB nicht gebunden ist 30 und bei seiner Entscheidung berücksichtigen darf, ob die die Förderung beantragende Institution auch im übrigen, d. h. auch bei nicht mit Bundesmitteln geförderten Vorhaben die ethischen und rechtlichen Grenzen beachtet31 , ist auf diesem Weg mittelbar auch für nicht durch den Bund geförderte Forschungsvorhaben die Einschaltung eines IRB erzwungen. Direkt vorgeschrieben ist sie in einigen Einzelstaaten der USA32. Darüber hinaus unterwerfen die meisten Institutionen aus Gründen der Gleichbehandlung alle Forschungsvorhaben unabhängig von der Finanzierungsquelle dem Votum eines IRB33. USCA Supplemental Pamphlet 1974-1980, 42 § 289 1 - 1, p. 201 f. PubL. 95-622; 42 USCA §§ 300 v - 300 v 3 vom 9. 11. 1978 sowie Executive Order Präsident Carters No. 12184 vom 17. 12. 1979, 44 FR 75091; vgl. auch: Ornenn (Fn. 20), S. 76 ff. 23 43 FR 56174-98; "IRB-Report"; zur Kritik an dem Report vgl. Annas, Bioethics Quarterly 2 (1980), 84 ff. 24 Vgl. oben Fn. 18. 25 45 CFR §§ 46.101-124 = 46 FR 8366-8392 mit Berichtigungen in 46 FR 19195 und 46 FR 29883. 26 21 CFR §§ 56.101-124 = 46 FR 8975-8979. 27 21 CFR 812. 28 21 USCA §§ 201-902. 29 National Commission, p. 56195 ff. 30 Arg. 45 CFR § 46.120; vgl. Robertson (Fn. 1), 497 m. Fn. 75. 31 45 CFR § 46.123 (b); vgl. zur Vereinbarkeit dieser Regelung mit der amerikanischen Verfassung: Robertson (Fn.l), 498 und 508 ff. sowie National Commission, p. 56192. 32 Robertson (Fn. 1), 485 m. Fn. 10 und S. 508 Fn. 139. 33 Deutsch, NJW 1981, 614; so auch eine Empfehlung der National Commission, p. 56175 und 56176. 21
!!
§ 2 Entwicklung im Ausland
29
4. Adressat der Richtlinien
Wichtig ist, daß sich die Richtlinien nicht an die Forscher oder die IRBs, sondern ausschließlich an die Institutionen34 wie Forschungszentren, Krankenhäuser oder Universitätskliniken wenden, bei denen das Forschungsvorhaben betrieben werden soll. Förderungsanträge werden von den Institutionen für ihre Forscher gestellt. Forscher außerhalb der Institutionen sind damit praktisch von der Förderung ausgeschlossen35 • Demgemäß definieren die Richtlinien der FDA in der einzigen gesdzlichen Definition einer Ethik-Kommission: "Institutional Review Board (IRB) means any board, committee, or other group formally designated by an institution to review, to approve the initiation of, and to conduct periodic review of biomedical research involving human subjects."36 Die Förderung wird nur gewährt, wenn die Institutionen entweder generell und für alle zukünftigen Anträge oder speziell begleitend zum Einzelantrag eine Grundsatzversicherung ("general/special assurance") darüber abgeben, daß sie die Richtlinien einhalten wollen und das Vorhaben durch ein IRB gebilligt ist, das den Anforderungen der Richtlinien genügt 37 • Dadurch werden die Institutionen gezwungen, IRBs einzurichten. Die Einhaltung der Richtlinien durch die Institutionen wird vom DHHS durch eine Unterabteilung überwacht, das Office for Protection from Research Risks in the Office of the Director, National Institute of Health (OPRR)38. 5. IRBs in den USA
Das IRB-System in den USA ist stark entwickelt. Schon 1978 waren an über 500 Institutionen ein oder mehrere IRBs tätig 39 , die in ihrer Besetzung zwischen 5 und 55 Mitgliedern schwankten; im Durchschnitt haben sie 14 Mitglieder. Davon sind 70 % Forscher; 3/4 aller IRBs beteiligten Juristen 40 • Beim DHHS liegen gleichzeitig etwa 1000 Förderungsanträge zur Bearbeitung vor. Durchschnittlich begutachtet ein IRB jährlich 43 Anträge. Über die Hälfte aller behandelten An34 Vgl. die Definition in 45 CFR § 46.102 (c) und die Aufzählung Commission, p. 56175. 35 Robertson (Fn. 1), 497. 36 21 CFR § 56.102 (g). 37 45 CFR § 46.103. 38 National Commission, p. 56185; Robertson (Fn. 1), 494 ff. 3g National Commission, pp. 56175,56184. 40 National Commission, p. 56186 f.
in National
1. Teil: Ethik-Kommissionen
30
träge werden formal oder sachlich modifiziert 41 • Beispielh aft sei die Statistik des !RB an der Medical School der University of California in Los Angeles aufgeführt 42 • Von etwa 1000 Projekten in der Zeit vom 1. 7. 1977 bis zum 30. 6. 1978 43 waren 50 Ofo neue Anträge, 23 Ofo genehmigungsbedürftige Verlängerungen und 27 Ofo Abänderungen oder Zusätze. Sofort genehmigt wurden 20 Ofo der Anträge, nach einer Überarbeitung weitere 47 Ofo. Zurückgezogen wurden 5,5 Ofo, endgültig abgelehnt trotz mehrfacher Überarbeitung 10f0. 11. Ethik-Kommissionen im übrigen Ausland
Ethik-Kommissionen sind im Ausland nicht auf die USA beschränkt, sondern finden sich auch in anderen Ländern. So hat etwa Schweden schon 1966 an medizinischen Fakultäten Ethik-Kommissionen eingerichtet44 • Ferner ist ein solches Gremium z. B. in Dänemark45 , Frankreich46 und Neuseeland 47 bekannt. Beispielhaft seien die Kommissionen in der Schweiz und in Großbritannien kurz erläutert. 1. Beispiel Schweiz48
Die rechtlich nicht vorgeschriebene Einrichtung 49 medizinisch-ethischer Komitees in der Schweiz geht auf eine Empfehlung der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften zurück, die schon im Dezember 197050 in ihren "Richtlinien für Forschungsuntersuchungen am Menschen" zu Konsultativgremien für die Beurteilung der ethischen Gesichtspunkte in der Forschung riet. Diesem Rat folgten von den fünf medizinischen Fakultäten der Schweiz bislang vier, die eine zentrale Ethik-Kommission an der Fakultät gründeten. Außerdem haben einzelne Kliniken aller fünf Universitäten Komitees eingerichtet, ebenso wie die Kantonsspitäler und größere Regionalkliniken. Zum Teil nimmt die Chefärzte- oder Klinikkonferenz die Aufgaben einer 41
42 43 44 45 46
47 48
National Commission, p. 56186 f. Berichtet von Thompson, RIAS-Funkuniversität vom 9.7.1979. Für die Zeit vom 1. 7. 1975 bis zum 30.6. 1976 vgl. Deutsch, S.184. Fischer, S. 72. Fischer, S. 72. Fischer, S. 72. Richmond, New Zealand Medical Journal 1977, 10-12. Vgl. Gsell, Schweizerische Ärztezeitung 1979, 1345-1350; MachlGsell,
Schweizerische Ärztezeitung 1980, 254. 49 Herrmann, der arzt im krankenhaus 1980, 600, 602. 50 Also lange vor der Empfehlung in der in Tokio 1975 revidierten Deklaration des Weltärztebundes; dazu unten § 3 II.
§ 2 Entwicklung im Ausland
31
Ethik-Kommission wahr. Die Kommissionen setzen sich in aller Regel aus kompetenten Ärzten und Laien (Theologen, Juristen) zusammen, häufig unter Beteiligung der Ober-/Stationsschwestern oder Außenstehender. Behandelt werden nicht nur Forschungsprojekte, sondern häufig auch andere Fragen medizinischer Ethik. Eine zentrale Kommission besteht bei der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften51 , die - ebenso wie die Kommissionen der Fakultäten52 - auch kleinere Kliniken, die keine eigene Kommission haben, berät und als Rekursinstanz gegen Entscheidungen. der örtlichen Komitees fungiert 53 • Die Schweizerische Akademie der Wissenschaften hat am 14.11. 1979 "Richtlinien für medizinisch-ethische Kommissionen"54 veröffentlicht, in denen die Aufstellung von Ethik-Kommissionen erneut empfohlen und das Arbeitsfeld weit (unter Einbeziehung von Behandlung, Diagnostik und präventiven Maßnahmen) abgesteckt wird. 2. Beispiel Großbritannien
Die Entwicklung von Ethik-Kommissionen in Großbritannien ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Schon 1964 schlug aber der Medical Research Council solche Gremien vor 55 , und ihm folgte eine Empfehlung des Royal College of Physicians of London 56 . In Anlehnung an das amerikanische Modell macht der Medical Research Council seit 1979 die Vergabe von Förderungsmitteln von der Einrichtung einer EthikKommission abhängig, indem er bestimmt: "Local ethical committee approval is required for research that involves clinical trials and for investigations involving human subjects, and appropriate evidence of such approval must be incorporated in the application."57
. Dieses Vorgehen wird vom britischen Gesundheitsministerium aus~ drücklich unterstützt 58 . Die Ethik-Kommissionen sind auf örtlicher und regionaler Basis eingerichtet, zum Teil bei Kliniken und Universitätsfakultäten. Eine Studie des Edinburgh Medical Group Research Project in Medical Ethics 51
Mach/Gsell (Fn.48), 254; Herrmann, der arzt im krankenhaus 1980, 600,
601 f.
54
Gsell (Fn. 48), 1345, 1346 und 1348. Mach/Gsell (Fn.48), 255. Abgedruckt bei Mach/Gsell (Fn. 48),254.
55
In: Responsibility in Investigations on Human Subjects -
52 53
Statement by
Medical Research Council, British Medical Journal 1964, Bd.3, S. 178, 179.
56 In: Report of committee oh the supervision of the ethics of clinical investigations in institutiöns, Landon 1967, 1973. 57 Medical Research Council, Project grants. Purpose pf scheme andconditian, London 1979. 58 Fischer, S. 72.
32
1. Teil: Ethik-Kommissionen
and Education der University of EdinburghS9 ergab, daß 1980 allein in Schottland 41 Kommissionen arbeiteten, die allerdings in vielen Punkten starke Unterschiede aufwiesen. So schwankte allein die Besetzung der Kommissionen zwischen 1 und 73 Mitgliedern60 • Eine landesweite Studie über Ethik-Kommissionen ist geplant.
§ 3 Entwicklung der Ethik-Kommissionen in der Bundesrepublik Deutschland I. Forschungsmißbrauch
Auch in Deutschland hatten Fälle mißbräuchlicher Forschung am Menschen gelegentlich behördliche Maßnahmen hervorgerufen. Erwähnt sei hier nur das BeispieP des Direktors der dermatologischen Klinik in Breslau, Albert Neisser (1855-1916), der bei seinen Versuchen, die später zur Entdeckung des Gonokokkus führten, das Serum syphilitischer Personen nicht an Syphilis erkrankten (und zum Teil minderjährigen) Prostituierten injizierte, ohne die Betroffenen darüber aufzuklären und ihre Einwilligung einzuholen. In einem Disziplinarverfahren wurde Neisser mit einem Verweis und einer Geldbuße von 300,RM bestraft. Seine Versuche lösten eine heftige Kontroverse und eine Verfügung des preußischen Kultusministers vom 29.12. 1900 2 aus, in der medizinische Eingriffe zu Versuchszwecken an minderjährigen oder geschäftsunfähigen Personen verboten und in den übrigen Fällen die Zustimmung nach sachgemäßer Belehrung gefordert wurde. Als 1930 infolge einer durch den Leiter des Allgemeinen Krankenhauses in Lübeck mit Hilfe des örtlichen Gesundheitsrates durchgeführten BCG-Schutzimpfaktion3 14 Kinder starben4, führte die dadurch ausgelöste Diskussion schließlich zu den "Richtlinien für neuartige Heilbehandlung und für die Vornahme wissenschaftlicher Versuche am Menschen" des Reichsministeriums des Innern vom 28. 2. 19315. Ein straff konzipiertes Kontrollsystem wie in den USA oder die Einschaltung von Ethik-Kommissionen wurden in Deutschland selbst 59 60 1
Thompson u. a., British Medical Journal 1981, 718. Thompson u. a. (Fn. 59), 719. Vgl. Toellner, Symposium, S. 18.
Zentralblatt der gesamten Unterrichtsverwaltung in Preußen, 1901, 188 f. BCG: Bacillus-Calmette-Guerin, Impfstoff gegen Tuberkulose. 4 Vgl. Toellner, Symposium, S. 18. i DMW 1931, 509; abgedruckt auch bei: Fischer, S. 107 ff. und bei Toellner, Arzt und Krankenhaus 1981, 155, 156 f. !
3
§ 3 Entwicklung in Deutschland
33
dann nicht eingeführt, als der BGH im "Thorotrast-Fall" 6 erstmals über eine Schadensersatzklage wegen mißbräuchlicher Forschung zu entscheiden hatte: Der als Wehrmachts-Soldat verwundete Kläger hatte eine Leberzirrhose erlitten, als ein Arzt an der Universitätsklinik in Heidelberg im Rahmen einer Versuchsreihe eine Arteriographie unter Verwendung von Thorotrast, einem radioaktiven Kontrastmittel, dessen Gefährlichkeitsgrad noch nicht abschließend ermittelt war, durchführte, um die seit 1938 in der medizinischen Fachliteratur laut gewordenen Warnungen vor diesem Mittel zu widerlegen. (Der BGH gab der Klage statt.) 11. Ethik-Kommissionen im Lichte der Helsillki-Tokio-Deklaration und des Arzneimittelgesetzes Auslösendes Moment für die Einrichtung von Ethik-Kommissionen in Deutschland war vielmehr neben den Nachrichten über die Erfahrungen mit IRBs in den USA die in Tokio revidierte Deklaration von Helsinki, beschlossen von der 29. Generalversammlung des Weltärztebundes am 10. Oktober 1975 in Tokio 7 , die eine "Empfehlung für Ärzte, die in der biomedizinischen Forschung am Menschen tätig sind" enthielt. Während in der 1964 in Helsinki verabschiedeten ursprünglichen FassungS Hinweise auf Ethik-Kommissionen noch nicht zu finden sind, heißt es in der Helsinki-Tokio-Deklaration unter I. 2.: "Die Planung und Durchführung eines jeden Versuchs am Menschen sollte eindeutig in einem Versuchsprotokoll niedergelegt werden; dieses sollte einem besonders berufenen unabhängigen Ausschuß zur Beratung, Stellungnahme und Orientierung zugeleitet werden."
Diese Aufgaben des unabhängigen Ausschusses nehmen heute in Deutschland Ethik-Kommissionen wahr, allerdings auf freiwilliger, gesetzlich nicht geregelter Basis. Lediglich § 41 Abs. 1 Nr. 1 StrahlenschutzV09, der den Nachweis des für wissenschaftliche Versuche mit radioaktiven Stoffen erforderlichen zwingenden Bedürfnisses für die Versuchsvornahme durch die Feststellungen einer Gutachtergruppe zuläßt, eröffnet eine rechtlich geregelte Möglichkeit des Einsatzes von Ethik-Kommissionen; da der Nachweis aber auch anders möglich bleibt, ist die Einschaltung einer Ethik-Kommission nicht obligatorisch10 • Auch das Arzneimittelgesetz ll , das in seinen §§ 40-42 die 6 7
BGHZ 20, 61 ff.
DÄ 1975, 3163 ff.
8 Bundesanzeiger Nr. 113 vom 25.6.1971, S.3; abgedruckt auch bei: Fischer, S. 112 ff. 9 Vom 13. 10. 1976, BGBl. I, 2919 f. 10 Fischer, S. 73. 11 Vom 24. 8. 1976, BGBl. I, 2445 ff.
3 Bork
34
1. Teil: Ethik-Kommissionen
klinische Prüfung neuer Arzneimittel ausführlich regelt, enthält keine Bestimmungen über Ethik-Kommissionen, obwohl die Deklaration von Helsinki ausdrücklich als Grundlage der §§ 40-42 AMG herangezogen wurde12 • Aus den in der amtlichen Begründung zum Regierungsentwurf angegebenen Fundstellen13 läßt sich allerdings schließen, daß den Beratungen nicht die in Tokio revidierte Fassung zugrunde lag, die erstmals unabhängige Kontrollorgane empfiehlt, sondern die ursprüngliche Fassung aus dem Jahre 1964. Jedenfalls erwähnen weder die amtliche Begründung 14 noch der Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit 15 noch die Diskussionsbeiträge während der Lesungen des Gesetzes im Bundestag16 die Möglichkeit einer Präventivkontrolle durch Ethik-Kommissionen.
IH. Faktischer Zwang Trotz des Fehlens einer gesetzlichen Anordnung17 besteht allerdings auch in der Bundesrepublik zum Teil ein faktischer Zwang, die Entscheidung einer Ethik-Kommission einzuholen18 • Viele ausländische medizinische Fachzeitschriften, insbesondere die amerikanischen, die auch den deutschen Forschern für die internationale Publikation ihrer Forschungsergebnisse unentbehrlich sind, machen die Veröffentlichung solcher Manuskripte, die über Humanexperimente berichten, von dem positiven Votum einer Ethik-Kommission abhängig. Das Bundesministerium für Forschung und Technologie verlangt ebenso wie andere öffentliche Geldgeber als Voraussetzung für die Gewährung von Zuschüssen die Zustimmung einer Ethik-Kommission, neuerdings darüber hinaus die vorherige und begleitende Begutachtung durch einen Juristen. Zudem haben sich viele Arzneimittelfirmen - vornehmlich die amerikanischen - entschlossen, ihre Medikamente nur noch bei Kliniken testen zu lassen, die Ethik-Kommissionen eingerichtet haben.
12 Vgl. etwa die amtliche Begründung zum Regierungsentwurf (BT-Drucksache 7/3060, S. 53) und den Redebeitrag des Abgeordneten Egert bei der Beratung des Gesetzes (Stenogr. Berichte Bd. 98, S. 16679). 13 BT-Drucksache 7/3060, S. 53. 14 BT-Drucksache 7/3060. 15 Vom 31. 3.1976, BT-Drucksache 7/5091, insbes. S. 8 f. und 17. 16 Stenogr. Berichte Bd.98, 238. Sitzung vom 6. 5. 1976, S. 16627-16690. 17 Zur Rolle der Ethik-Kommissionen als Instrument der Verkehrssicherung und dem damit verbundenen mittelbaren rechtlichen Zwang vgl. nachfolgend § 4. 18 Kollhosser, Symposium, S. 38 f.; vgl. auch Deutsch, NJW 1981, 614; Fischer, F. W., Arzt und Krankenhaus 1981, 157, 159.
§ 3 Entwicklung in Deutschland
35
IV. Ethik-I{ommissionen in Deutschland Die ersten Ethik-Kommissionen in der Bundesrepublik Deutschland wurden 1973 am Sonderforschungsbereich 89 (Kardiologie) der Deutschen Forschungsgemeinschaft in Göttingen sowie bei den Sonderforschungsbereichen in München (37) und Ulm (112) eingerichtet 19 • Die DFG hat später alle medizinischen Sonderforschungsbereiche, an denen Kliniker beteiligt sind, um die Einrichtung einer EthikKommission gebeten und einzelnen Fakultäten sowie der Bundesärztekammer "Entwicklungshilfe" bei der Errichtung von EthikKommissionen geleistet 20 • Sie hat es allerdings abgelehnt, örtliche oder zentrale Ethik-Kommissionen über diese an den Sonderforschungsbereichen bestehenden hinaus einzurichten, mit der Begründung, die DFG betreue einzelne Projekte, nicht aber die allgemeine örtliche Forschung. Der Senat der DFG hält es grundsätzlich für ausreichend, daß die Gutachter bei der Beurteilung der Förderungswürdigkeit eines Projektes die ethischen Aspekte mitberücksichtigen21 • Er stellt den Forschern aber frei, sich der Vorbeurteilung durch eine örtliche EthikKommission zu unterwerfen, deren Entscheidung für die DFG allerdings unverbindlich bleibt 22 • Obwohl die deutschen medizinischen Fakultäten auf den Vorschlag der Helsinki-Tokio-Deklaration, Ethik-Kommissionen zu errichten, zunächst nur zögernd reagierten23 , setzte sich der Gedanke einer freiwilligen interdisziplinären Präventivkontrolle doch allmählich durch. 1976 wurden an der medizinischen Fakultät der Universität Göttingen24, später an anderen Orten wie Hannover 25 , Bonn26 oder Tübingen 27 Ethik-Kommissionen gegründet. In Münster wurde die Ethik-Kommission durch einen freiwilligen Zusammenschluß von Hochschullehrern verschiedener Fachbereiche am 4. 12. 1978 gebildet und am 26. 5. 1982 durch einen Beschluß des Fakultätsrates der Medizinischen Fakultät an diese angebunden. Sie ist seitdem eine Kommission der Fakultät. 19 Deutsch, NJW 1981, 614; Fischer, S.73; Piechowiak, Fortschritte der Medizin 1982, 1023, 1024; ders., Fortschritte der Medizin 1983, 1344 ff. 20 Fischer, F. W., Symposium, S. 80; ders., Arzt und Krankenhaus 1981, 157, 158. 21 Piechowiak, Fortschritte der Medizin 1982, 1023, 1024. 22 Fischer, F. W., Symposium, S. 85. 23 Fischer, F. W., Symposium, S. 84. 24 Piechowiak (Fn.21), 1024; Kirchhoff, der arzt im krankenhaus 1980, 672, 674. 25 Kirchhof! (Fn. 24), 674. 26 Piechowiak (Fn. 21), 1024. 27 Piechowiak (Fn.21), 1024. Ausf. zur Arbeit der Tübinger Kommission: Malchow u. a., Der Internist 1982,227.
1. Teil: Ethik-Kommissionen
36
Durch Beschluß vom 12. 1. 1979 28 empfahl der Vorstand der Bundesärztekammer den zwölf Landesärztekammern, ebenfalls Ethik-Kommissionen einzurichten. Dieser Empfehlung ist weitgehend Folge geleistet worden. Die Kommission der Ärztekammer Westfalen-Lippe ist mit der an der medizinischen Fakultät der Universität Münster infolge der Aufnahme eines Vertreters der Standesorganisation identisch. Nachdem schließlich auch der Medizinische Fakultätentag 1979 die Einführung von Ethik-Kommissionen gefordert hatte 29 - eine Forderung, der der Medizinische Fakultätentag 1981 Nachdruck verlieh30 - , ließ sich bei dem Symposion der Ethik-Kommissionen am 19. November 1980 in Münster feststellen, daß an fast allen medizinischen Fakultäten Ethik-Kommissionen arbeiten3l .
§ 4 Ethik-Kommissionen als Instrument der Verkehrssicherung Obgleich in Deutschland kein gesetzlicher Zwang besteht, EthikKommissionen als Instrument der Präventivkontrolle der medizinischen Forschung am Menschen einzurichten oder einzuschalten, ist dennoch ein mittelbarer rechtlicher Zwang aus den allgemeinen Verkehrspflichten denkbar. Insbesondere für Institutionen wie etwa die Kliniken der Universitäten, zu deren gesetzlichem Auftrag die Forschung gehörtl, könnte sich die Einrichtung von Ethik-Kommissionen als ständige Kontrollinstanz als geeignete und deshalb im Rahmen der Verkehrspflicht notwendige Maßnahme darstellen, die Probanden vor den mit der Forschung grundsätzlich verbundenen Gefahren zu schützen. I. Verkehrs(sicherungs)pftichten Verkehrs(sicherungs)pflichten entspringen dem haftungs rechtlichen Grundsatz, daß jeder, der eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält, die notwendigen Vorkehrungen zum Schutz Dritter zu treffen hat 2 • Notwendig sind diejenigen Vorkehrungen, die im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren geeignet sind, Gefahren von Dritten abzuwenAbgedruckt bei: Kühn, Symposium, S. 74 f. Symposium, S.39. 30 DA 1981, 1427, 1428. 31 Wagner, DA 1981, 168. Inzwischen sind Ethik-Kommissionen an den folgenden Universitäten bekannt: Aachen, Berlin, Bochum, Bonn, Düsseldorf, Erlangen, Essen, Frankfurt, Freiburg, Giessen, Göttingen, Hamburg, Hannover, Heidelberg, Homburg/Saar, Kiel, Köln, Lübeck, Marburg, München, Münster, Tübingen, Ulm, Würzburg. 1 Vgl. etwa §§ 2,64 Abs. 2 HRG; 2,25 Abs.2, 37 Abs.2 WissHG NW. 2 BGHZ 5, 378, 380; 14, 83, 85; BGH NJW 1975, 533; v. Bar, S.43. 28
2U
Kollhosser,
§ 4 Instrument der Verkehrssicherung
37
den3 • Für die Feststellung der Verkehrspflicht ist dabei unerheblich, ob die Gefahrenquelle in Erfüllung öffentlicher Aufgaben oder in Wahrnehmung privater Interessen unterhalten wird und ob sich aus der Verletzung der Verkehrspflicht folgende Schadensersatzansprüche nach Vertrags-, Delikts- oder Amtshaftungsrecht richten4 • Verkehrspflichten können das Gebot zum Inhalt haben, die eigene Sphäre so zu organisieren, daß Schädigungen Dritter tunliehst vermieden werden 5 • Der Gefahrenkontrolle bei Sachen entspricht dabei die Aufsichtspflicht über Menschen 6 • Wer innerhalb seines Verantwortungsund Pflichtenkreises die gefährliche Tätigkeit und die zur Verkehrspflicht notwendigen Maßnahmen Dritten überläßt, hat seinen Betrieb so einzurichten, daß die Aufsicht über diese Dritte gewährleistet ist, sonst trifft ihn der Vorwurf fehlerhafter Organisation7 • Die Aufsichtspflicht als Aspekt der gefährdungsrelevanten Organisationspflicht entspringt "menschlichen Bedürfnissen"8, nämlich der Erkenntnis, daß mit einer sorgfältigen Erledigung der notwendigen Sicherungsmaßnahmen nur dann zu rechnen ist, wenn sich die Ausführenden kontrolliert fühlen 9 • Der Aufsichtspflichtige muß daher die Arbeiten daraufhin überwachen, daß die verkehrsnotwendigen Schutzmaßnahmen ergriffen werden 10 • 11. Ethik-Kommissionen als Instrument der Verkehrssicherung
Für die Einrichtung von Ethik-Kommissionen ergeben sich daraus folgende Konsequenzen: 1. für Forschungsinstitutionen
Institutionen, die die notwendige medizinische Forschung am Menschen organisieren oder zulassen - sei es kraft gesetzlichen Forschungsauftrages, sei es aus anderen Gründen -, eröffnen und unterhalten damit einen generell gefährlichen Verkehr, da Versuche am Menschen stets mit (wenn auch unterschiedlich großen) Gefahren verbunden sind. Obgleich in erster Linie der Forscher selbst für die BeBGH NJW 1975, 108; 1978, 1628; 1978, 1629. Vgl. BGHZ 34, 206, 209; BGH NJW 1966, 1456; 1978, 1626, 1627, v. Barl Fischer, NJW 1980,2734, 2735. 5 v. Bar, S. 96. 6 v. Bar, S. 94. 7 BGHZ 4, 1, 2; BGH BB 1957, 15; vgl. v. Bar, S. 36 ff., 96, 254 ff., 261 ff. 8 BGH NJW 1972, 1321, 1322. 9 v. Bar, S.35. 10 v. Staudinger-Schäfer, § 823 Rz.297. 3
4
1. Teil: Ethik-Kommissionen
38
achtung der Zulässigkeitsvoraussetzungen und die Vermeidung von Gefahren zuständig ist, trifft die Institution als "Veranstalter" die Verkehrspflicht, den Forschungsbetrieb so zu organisieren, daß die Gefahren gering gehalten und Schäden möglichst vermieden werden. Dazu gehört neben dem Erlaß entsprechender Richtlinien l l und der Belehrung der Forscher über die Zulässigkeitsvoraussetzungen 12 jede Maßnahme, die geeignet ist, die Einhaltung rechtlicher und ethischer Anforderungen an die medizinischen Versuche in einer Weise zu überwachen, die Mißbräuche weitgehend ausschließt 13 • Insbesondere muß bereits die Planung auf Fehler überprüft werden, bevor das eigentlich gefährliche Experiment beginnt14 und damit die Gefahrenverwirklichung durch Schadenseintritt möglich wird. Nachdem in der medizinischen Fachliteratur überwiegend positive Berichte über Erfahrungen mit Ethik-Kommissionen im Ausland publiziert und in der Helsinki-Tokio-Deklaration sowie durch die Bundesärztekammer und den Medizinischen Fakultätentag solche unabhängigen Ausschüsse empfohlen worden sind, stellt ihre Einrichtung möglicherweise eine geeignete Maßnahme zur Verkehrssicherung in der medizinischen Forschung dar. Unbestritten ist das nicht 15 • Die Eignung der Ethik-Kommission als Verkehrssicherungsinstrument ist mangels einheitlicher Gestaltungs- und Verfahrensweise jeweils im Einzelfall festzustellen. Solange die Gremien unterschiedlich konzipiert sind, wird auch ihre haftungsrechtliche Relevanz von Ort zu Ort unterschiedlich zu beurteilen sein. Eine einheitliche Betrachtungsweise verbietet sich, solange es nicht gelingt, di€ freiwillig organisierten Ethik-Kommissionen in Deutschland allgemein so zu strukturieren, daß sie effizient und zuverlässig arbeiten16 • Geeignet ist die Ethik-Kommission, wenn sie so organisiert ist, daß sie von Zusammensetzung und Verfahrensweise her die gestellte Aufgabe bewältigen kann, ein Forschungsvorhaben auf ethische und vor allem rechtliche Mängel zu überprufen17 • Das bedeutet vor allem die Mitwirkung eines Juristen18 und die Organisation eines Verfahrens, S. 100; vgl. v. Bar, S. 259. KG VersR 1979, 260. 13 Fischer, S. 102; Laufs, Rz. 240; Kollhosser, Symposium, S. 39. 14 v. Bar/Fischer, NJW 1980, 2734, 2737. 15 Vgl. die Kritik von Samson, DMW 1981, 667; dagegen Eser/Koch, DMW 1982,443. 16 Es wäre zu wünschen, daß die frisch gegründete Arbeitsgemeinschaft der Ethik-Kommissionen die Vereinheitlichung als ihre Aufgabe erkennt, um staatlichen Maßnahmen vorzubeugen, die ungeeignete Verkehrssicherungsinstrumente durch geeignete ersetzen wollen. 17 Vgl. Laufs, NJW 1983, 1345, 1346. 18 Einzelheiten später in § 5 11. 3. 11
12
Fischer,
§ 4 Instrument der Verkehrs sicherung
39
das darauf angelegt ist, die richtige Entscheidung finden zu helfen. Wie das geschehen kann, soll in dieser Arbeit erörtert werden. Die nachfolgenden Überlegungen haben deshalb insofern programmatischen Charakter, als sie vom "Idealtyp" einer sorgfältig konzipierten und dann auch als Verkehrssicherungsinstrument geeigneten Ethik-Kommission ausgehen, der mancherorts sicher schon effektiv arbeitet. Die Forschungsinstitutionen trifft unter dieser Prämisse eine Verkehrspflicht, die Kontrolle durch Ethik-Kommissionen in Anlehnung an diesen "Idealtyp" zu organisieren, da sie alle geeigneten Maßnahmen zum Schutz der Probanden zu ergreifen hat1 9 • 2. für Forschungsförderer
Neben den Forschungsträgern trifft auch den Forschungsförderer eine solche Pflicht, sofern ihm die Einwirkung möglich und zumutbar ist 20 • Diese Pflicht braucht allerdings nicht durch die Einrichtung eigener Ethik-Kommissionen erfüllt zu werden. Es reicht vielmehr aus, wenn das positive Votum einer örtlichen Kommission (etwa der medizinischen Fakultät) zur Bedingung der Förderung erhoben wird. 3. für Forscher
Ein mittelbarer rechtlicher Zwang zur Inanspruchnahme der EthikKommissionen könnte sich auch für den Forscher selbst ergeben. a) Ausgangspunkt ist die haftungsrechtliche Überlegung, daß dem Forscher, der wegen eines unzulässigen Versuchs in Anspruch genommen wird, vorzuwerfen sein könnte, daß er sich nicht in der Planungsphase über die Zulässigkeit seines Vorhabens von der Ethik-Kommission hat beraten lassen. Wer sich in einer (auch: rechtlich) komplizierten Materie auf sein eigenes Urteil verläßt, ohne die nötigen Kenntnisse zu besitzen, handelt schon allein deswegen schuldhaft, weil er es unterlassen hat, den Rat eines Kundigen oder einer eigens zu diesem Zweck eingerichteten und geeigneten Beratungsinstanz einzuholen 21 • Unter diesen Voraussetzungen besteht zwar keine ausdrücklich normierte generelle Vorlagepflicht für den Forscher. Über sein Vorhaben entscheidet er grundsätzlich allein und eigenverantwortlich selbst. Ein19 v. Bar/Fischer, NJW 1980, 2734, 2737; Deutsch, NJW 1981, 614, 615; Kallhasser, Symposium, S.39. 20 v. Bar/Fischer, NJW 1980, 2734, 2737; vgl. Fischer, S. 102: "Da sie (sc. die
DFG) die Möglichkeit hat, die Gefahrenquelle mit zu sichern, die die von ihr unterstützte Forschungstätigkeit bedeutet, ist sie zu dieser Sicherung verpflichtet." 21 BGH NJW 1970, 463, 464; BAGE 9, 7, 18; v. Staudinger-Löwisch, § 285 RZ.25.
40
1. Teil: Ethik-Kommissionen
fache und unproblematische Forschungsprojekte wird er ohne Anrufen der Ethik-Kommission planen und beurteilen können. Merkt er aber, daß die Zulässigkeitsgrenzen des Versuchs nicht ohne weiteres zu bestimmen sind 22 , so darf er nicht nur seinem eigenen Urteil vertrauen. Wenn andere, gleich zuverlässige Wege, sich der Rechtmäßigkeit des Vorhabens zu versichern, in solchen Fällen nicht zur Verfügung stehen, muß von dem Forscher gefordert werden, die Ethik-Kommission zu befragen. Tut er das schuldhaft nicht, so trägt er das Risiko, daß er wegen eines Planungsfehlers beim unzulässigen Versuch haftet. b) Fraglich ist, ob sich diese haftungsrechtliche Forderung mit der durch Art. 5 Abs.3 GG geschützten Wissenschaftsfreiheit vereinbaren läßt.,i~·~~~
aal Art. 5 Abs. 3 GG ist hier zwar nicht unmittelbar einschlägig, denn es geht um privatrechtliche Haftung, nicht um unmittelbare staatliche Grundrechtseingriffe. Aber auch dort, wo bürgerliches Recht ausgelegt und angewendet wird, ist wenigstens zu prüfen, ob die Auslegung und Anwendung der zivilrechtlichen Norm dem grundsätzlichen Wertgehalt des Grundrechts, seiner Bedeutung und dem Umfang seines Schutzbereiches Rechnung trägt 23 • Das Grundrecht der Wissenschafts freiheit kann und muß daher als Wertungsgesichtspunkt bei der Bestimmung der Verkehrssicherungspflicht herangezogen werden24 • bb) Der Freiraum des Wissenschaftlers umfaßt vor allem im Forschungsbereich ein von jeder Ingerenz öffentlicher Gewalt freies Feld 25 . Auch dieses Grundrecht hat jedoch Grenzen, die allerdings nur aus der Verfassung selbst bestimmt werden können 26 • Eine solche Grenzziehung hat das Bundesverfassungsgericht bei der Prüfung eines gesetzlichen Eingriffs in die Forschungsfreiheit mit dem Satz vorgenommen, ein Forscher dürfe sich "bei seiner Tätigkeit, insbesondere bei etwaigen Versuchen, nicht über die Rechte seiner Mitbürger auf Leben, Gesundheit oder Eigentum hinwegsetzen"27. Zum Schutz dieser Gren22 Das wird wegen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. § 40 Abs. 1 Nr.1 AMG) vor allem bei riskanten Versuchen der Fall sein. 23 St. Rspr. des Bundesverfassungsgerichts: zuerst BVerfGE 7, 198, 205 f. zuletzt BVerfGE 62, 230, 242 f. -. Vgl. auch Mallnz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 1 IIr Rz. 125 ff. 24 Darüber hinaus haben die folgenden überlegungen Bedeutung für die - hier nicht weiterzuverfolgende - Frage, ob der Bundes- oder Landesgesetzgeber Ethik-Kommissionen ggf. gesetzlich vorschreiben kann. Vgl. dazu vor allem Kollhosser, Symposium, S. 44 m. Fn. 13. 25 BVerfGE 35, 79, 112 ff. 26 BVerfG NJW 1978, 1621. 27 BVerfG NJW 1978, 1621; vgl. auch Mallnz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 5 III, Rz. 68, 191; Thieme, S. 54 f.
§ 4 Instrument der Verkehrssicherung
41
zen braucht sich der Staat dabei nicht darauf zu beschränken, an das Gewissen des Forschers zu appellieren, sondern er kann auch echte Rechtspflichten, die über sanktionslose moralische Appelle hinausgehen, statuieren, sofern sie verhältnismäßig sind. Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb § 6 HessUnivG28 mit der Begründung für verfassungskonform gehalten, daß die möglicherweise schwerwiegenden Folgen für verfassungsrechtlich besonders geschützte Rechtsgüter den in der Vorschrift liegenden schonenden Eingriff rechtfertigen 29 . cc) Ähnliches gilt für die vorstehend (unter a.) formulierte Sorgfaltspflicht des Forschers, in schwierigen Fällen die Ethik-Kommission einzuschalten. Diese Pflicht ist nicht ausdrücklich normiert, sondern sie ist ungeschriebene Rechtspflicht. Es handelt sich um eine mittelbar gebotene Pflicht, die sich aus einer haftungsrechtlichen Risikozuordnung im Schadensfall ergibt. Sie ist zwar Rechtspflicht, steht aber dem "sanktionierten Appell" näher als dem gesetzlichen Vorlagezwang. Sorgfaltspflichten dienen der Schadensabwehr. Im Bereich medizinischer Forschung droht der Schaden unter Umständen Leib oder Leben der Probanden, also "so hochwertige(n) verfassungsrechtlich geschützte(n) Rechtsgüter(n), daß grundsätzlich keine Bedenken bestehen, die freie wissenschaftliche Betätigung (. .. ) zu begrenzen, soweit es zum Schutz dieser Rechtsgüter im Einzelfall erforderlich und angemessen ist"30. Unter Berücksichtigung des Einzelfalles ist die forschungsreglementierende Forderung, Wissen durch Einholen fremden Rates zu ergänzen, erforderlich, sofern die Beurteilung des Forschungsvorhabens (insbesondere bei hohen Risiken) schwierig ist. Bei steigender Gefahr für die Versuchsteilnehmer nähert man sich den Grenzen zulässiger Versuche, deren überschreiten durch das Votum der Ethik-Kommission in den meisten Fällen sollte verhindert werden können. Der Probandenschutz erfordert Vorsorge, die durch einen sanktionslm~en Appell an den Forscher nicht gewährleistet werden kann, sofern dieser nicht als Kenner der juristischen und ethischen Zulässigkeitsgrenzen gelten darf3t . Unter den probandenschützenden Vorsorgemaßnahmen stellt 28 "Alle an Forschung und Lehre beteiligten Mitglieder und Angehörigen der Universitäten haben die gesellschaftlichen Folgen wissenschaftlicher Erkenntnis mitzubedenken. Werden ihnen Ergebnisse der Forschung, vor allem in ihrem Fachgebiet bekannt, die bei verantwortungsloser Verwendung erhebliche Gefahr für die Gesundheit, das Leben oder das friedliche Zusammenleben der Menschen herbeiführen können, so sollen sie den zuständigen Fachbereichsrat oder ein zentrales Organ der Universität davon unterrichten." 29 BVerfG NJW 1978, 1621, 1623 f. 30 BVerfG NJW 1978, 1621, 1624. 31 In Anlehnung an § 6 HessUnivG ließe sich sagen, daß der Forscher
42
1. Teil: Ethik-Kommissionen
die (haftungs rechtliche und somit mittelbar gebotene) Erkundigungspflicht bei Problemen jenseits des eigenen Kenntnisstandes gegenüber dem generellen Vorlagezwang oder einem Genehmigungsvorbehalt das mildeste Mittel dar, zumal die Eigenverantwortung des Wissenschaftlers aufrechterhalten bleibt. Es geht nicht um Kontrolle, sondern um Beratung. Die Formulierung der Sorgfaltspflicht führt angesichts des bezweckten Probandenschutzes auch nicht zu einer unzumutbaren Grundrechtsbeeinträchtigung. Das mag anders sein bei Versuchen mit (voraussichtlich) geringfügigen Auswirkungen 32 , gilt aber jedenfalls für riskante und (deshalb) schwierig zu beurteilende Versuche 33 • Die als Sorgfaltspflicht formulierte Forderung an den Forscher, schwierig einzuordnende Vorhaben der Ethik-Kommission vorzulegen, stellt sich demnach als mit der Forschungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG vereinbar dar. Hat die Institution, an der der Versuch durchgeführt wird, eine Ethik-Kommission eingerichtet, so gehört es deshalb in den erörterten Grenzen zu den Verkehrspflichten des Forschers, das Gremium einzuschalten34 • D~e Helsinki-Tokio-Deklaration, die die Einschaltung der Ethik-Kommission empfiehlt, ist insofern - wie andere berufsethische Empfehlungen der Standesorganisationen auch - nicht unmittelbar geltendes staatliches Recht, wohl aber die Formulierung einer von jedem gewissenhaften Arzt zu beachtenden Sorgfaltspflicht3 5 • Erweist sich der Versuch nachträglich als unzulässig, so muß sich der Forscher je nach den Umständen des Einzelfalles bereits als Verschulden vorwerfen lassen, daß er sein Forschungsvorhaben trotz gegebenem Anlaß nicht der Beurteilung durch eine Ethik-Kommission unterzogen hat. III. Auswirkungen 1. Doppelfunktion der Kommissionen
Die Ethik-Kommissionen der medizinischen Fakultäten nehmen somit unter dem Aspekt der Verkehrssicherung verschiedene Funktionen wahr. Sie dienen einmal dem Schutz der Universität vor dem Vorwurf diese Folgen mangels hinreichenden juristischen Fachwissens nicht selbst "mitbedenken" kann und deshalb aus der Pflicht, Folgen mitzubedenken, eine Erkundigungspflicht wird. 32 Dieses Kriterium auch in: BVerfG NJW 1978, 1621, 1623. 33 Ihrerseits schwierig ist die Trennung zwischen riskanten und risikoarmen Versuchen. Die Gefahrenprognose muß dem Forscher überlassen bleiben, der allerdings auch das Risiko schuldhafter (!) Fehleinschätzung trägt. 34 Vgl. Kollhosser, Symposium, S. 40. 35 Vgl. Kollhosser, Symposium, S. 37 ff., 46 f.; Fischer, S. 2.
§ 5 Zusammensetzung
43
fehlerhafter Organisation, mithin der Sicherung gegen eigene Haftung. Zugleich bieten sie dem forschenden Arzt eine Möglichkeit, haftungsrelevanten Fehlern vorzubeugen. In dieser Hinsicht kommt die Universität ihrer Fürsorgepflicht gegenüber den Forschern nach, indem sie die Ethik-Kommission als (aus der Sicht der Universität) freiwilliges und fakultatives Beratungsgremium zur Verfügung stellt. 2. Bedeutung der Verfahrensordnung
Der Charakter der Ethik-Kommission als Instrument der Verkehrssicherung hat nicht nur Auswirkungen auf die Organisationspflichten der Forschungsinstitutionen, sondern in Wahrnehmung dieser Pflichten zudem Auswirkungen auf ihre Gestaltung und Verfahrensordnung. Wenn Ethik-Kommissionen wirklich als Instrument der Gefahrenkontrolle effektiv werden sollen, dann muß die Zusammensetzung und die Verfahrensweise größtmögliche Gewähr dafür bieten, daß alle Aspekte beurteilt werden können, allen denkbaren Gefahren nachgegangen und unbeeinflußt darüber entschieden werden kann 36 . Die Organisationspflicht verlangt nicht nur, daß eine Ethik-Kommission überhaupt besteht, sondern auch, daß sie optimal im Hinblick auf den Schutz der Probanden ausgestattet wird. Das gilt auch für die Gestaltung der Verfahrensordnung. Bei einem interdisziplinär besetzten Gremium gehen die einzelnen Mitglieder die anstehenden Fragen mit z. T. völlig unterschiedlichen methodischen Ansätzen an. Dabei kann leicht die Gefahr entstehen, daß eine Sachfrage unbemerkt und ungelöst zwischen die Stühle fällt. Deshalb ist "das Verfahren der Ethik-Kommissionen so zu organisieren, daß die Sachfragen mit hinreichender Gründlichkeit behandelt und die Minimal anforderungen des Rechts für Entscheidungen dieser Art beachtet werden"37. Ein ordentlich organisiertes Entscheidungsverfahl"en wird so in weiten Bereichen den Vorwurf mangelnder Sorgfalt ausschließen können38 •
§5
Zusammense~zung
der Kommissionen
Große Meinungsvielfalt besteht über eine empfehlenswerte Zusammensetzung der Ethik-Kommissionen. Obwohl es sich hier eher um eine Frage des Organisationsstatutes als der Verfahrensordnung handelt, kann die Besetzung des Gremiums für die Verfahrensordnung 36 Vgl. v. Bar/Fischer, NJW 1980,2734, 2737 zu einzelnen Punkten wie "Unabhängigkeit" oder "Aktenumlaufverfahren"; Kollhosser, Symposium, S. 43 f. 31 Kollhosser, Symposium, S. 44. 38 Kollhosser, Symposium, S. 41.
1. Teil: Ethik-Kommissionen
44
nicht ohne Auswirkungen bleiben. Wenn etwa ein Jurist zu beteiligen ist, damit die juristischen Erwägungen zum Zuge kommen, dann muß gesichert sein, daß dies auch wirklich geschehen kann, wie die Verfahrensordnung überhaupt die Aufgabe hat, im interdisziplinären Diskurs vollständige Berücksichtigung aller relevanten Aspekte zu gewährleisten1 . Die Ansichten über die Zusammensetzung variieren beträchtlich. Während über eine repräsentative Beteiligung der Mediziner weitgehend Einigkeit besteht 2 , gibt es durchaus Meinungsverschiedenheiten darüber, ob überhaupt Nichtmediziner beteiligt werden sollen, und in welchem Umfang. Die Vorschläge erfassen in erster Linie Juristen 3, daneben aber auch andere medizinische Laien wie Philosophen, Theologen, Studenten, Mitglieder der Krankenhausverwaltung, Pflegepersonal, Patientenvertreter und Angehörige 4 • I. Vorhandene Modelle Von den bereits verwirklichten Modellen sollen die folgenden kurze Erwähnung finden. 1. USA
In den USA ist durch die Richtlinien des DHHS eine Mindestregelung getroffen5 • Das IRB muß aus wenigstens fünf erfahrenen und qualifizierten Mitgliedern unterschiedlicher Fachrichtungen bestehen, je nach den örtlichen Bedingungen möglichst auch verschiedener ethnischer, rassischer und kultureller Herkunft, ein im traditionellen Einwanderungsland USA nicht unerheblicher Gesichtspunkt 6 • Die Mitglieder des IRB, von denen wenigstens eines ein Nichtmediziner und eines ein außenstehender Laie ohne besondere Beziehungen zu der Institution und zu den Probanden sein soll, sollen beide Geschlechter repräsentieVgl. Kollhosser, Symposium, S. 43; ausf. unten § 10. Anders allerdings die polemische Kritik an der Dominanz der Forscher bei Annas, Bioethics Quarterly 2 (1980), 84, 85 ff. 3 So bei: Weißauer, MMW 1979, 551, 555; Eser/Koch, DMW 1982, 443, 445; LewandowskilSchnieders, Symposium, S. 68; Mach/Gsell, Schweizerische Ärztezeitung 1980, 254; Malchow u. a., Der Internist 1982,227, 228. 4 So bei: Annas, Bioethics Quarterly 2 (1980), 84 ff.; Ghio, IRB 2 (1980) No. 2, p. 7; Gsell, Schweizerische Ärztezeitung 1979, 1345, 1349; Freedman, Hastings Center Report 1981, 20-22; LewandowskilSchnieders, Symposium, S.68; Mach/Gsell (Fn.3), 254; Nolan, IRB 2 (1980) No. 8, pp. 1-4; National Commission, p. 56178. 5 45 CFR § 46.107. 6 Ähnlich verlangt die Schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaften die Beteiligung eines deutschsprechenden, eines französischsprechenden und eines italienischsprechenden Arztes (Mach/Gell [Fn.3], 255). 1
2
§ 5 Zusammensetzung
45
ren7 und sich in den einschlägigen ethischen und rechtlichen Vorschriften auskennen. Die Richtlinien sehen die fallweise Zuziehung von Sachverständigen vor. Eine Vereinheitlichung hat diese Regelung wegen ihres weitgehend fakultativen Charakters und der fehlenden Begrenzung der lVIitgliederzahl nach oben nicht gebracht. So ließen sich 1978 Besetzungen zwischen 5 und 55 Mitgliedern bei einer Durchschnittszahl von 14 Beteiligten feststellen 8 • Das IRB an der Medical School der University of California in Los Angeles etwa umfaßt 15 Mitglieder, davon 9 Kliniker 9 , 2 Theoretiker10 und 4 medizinische Laien, nämlich einen Theologen, einen Apotheker, ein Mitglied der Krankenhausverwaltung und einen Juristen 11 • 2. Bundesärztekammer
Eine wesentlich kleinere Besetzung sieht der Beschluß des Vorstandes der Bundesärztekammer vom 12. 1. 1979 12 vor. Hier heißt es unter "Nr.5: Die Kommissionen bestehen aus 5 Mitgliedern. Ihr gehören ein Jurist und vier Ärzte an. Die Ärzte sollen sich aus zwei klinisch erfahrenen und einem theoretisch erfahrenen Forscher sowie einem Vertreter der Ärztekammer zusammensetzen. Für die ständigen Mitglieder sollen Vertreter benannt werden. Die Mitglieder der Kommission werden vom Vorstand der Ärztekammer für die Dauer von 4 Jahren (Amtsperiode der Ärztekammer) auf Vorschlag der wissenschaftlichen Fachgesellschaften und der medizinischen Fakultäten bzw. Fachbereiche berufen. Den Vorsitz in der Kommission führt ein Arzt. Die Kommission kann, soweit erforderlich, Sachverständige berate~dhin zuziehen." Eine Ausnahme in der Zusammensetzung bildet die Kommission der Landesärztekammer Westfalen-Lippe, deren Aufgaben in Personalunion von dem Gremium der medizinischen Fakultät der Universität Münster wahrgenommen werden. Hier arbeiten vier Mediziner, ein Philosoph, ein Theologe, ein Jurist und der Vertreter der Ärztekammer zusammen. 7 Die Mitarbeit einer Ärztin ist auch für die Kommission der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften vorgesehen (Mach/Gsell [Fn. 3], 255). 8 National Commission, p.56186. In Großbritannien fand sich 1980 sogar eine Bandbreite von 1-73, überwiegend von 7 oder weniger Mitgliedern (Thompson u. a., British Medical Journal 1981, 718, 719). 9 Urologie, Radiologie, Hämatologie, Onkologie, Pädiatrie, Psychiatrie, Chirurgie, Gynäkologie, klinische Pharmakologie. 10 Anatomie und Biochemie. 11 Thompson, RIAS-Funkuniversität vom 9. 7.1979. 12 Abgedruckt bei Kühn, Symposium, S. 75.
46
1. Teil:
Ethik-Kommissionen
3. Die Kommissionen der Fakultäten
Das Bild der Ethik-Kommissionen an den medizinischen Fachbereichen ist äußerst buntscheckig. Eine Bestandsaufnahme auf dem 2. Symposion der Ethik-Kommissionen in Münster am 17.11.1982 13 ergab, daß die Anzahl der Mitglieder zwischen 3 und 21 schwankt, überwiegend wirken 6-8 Personen mit. Es stellte sich heraus, daß manche Kommissionen nur Mediziner beteiligen (z. B. Bochum, Bonn, Köln, Lübeck), andere sich vorbehalten, nach Bedarf einen Juristen zur Beratung hinzuzuziehen (z. B. Würz burg). Ob eine solche Vielfalt glücklich ist, soll im folgenden untersucht werden.
11. Faktoren Die Zusammensetzung der Ethik-Kommissionen muß sich an rechtlichen Erfordernissen, am Zweck ihrer Tätigkeit und den Erwartungen derjenigen orientieren, die sie in Anspruch nehmen sollen. Der Schutz der Versuchspersonen als Hauptzweck, damit eng verbunden die Rolle der Ethik-Kommission als Instrument der Verkehrssicherung sowie die Notwendigkeit ethischer und juristischer Erwägungen bei den Beratungen des Gremiums erfordern eine interdisziplinäre Besetzung, die sich an den folgenden Überlegungen ausrichten sollte. 1. Akzeptanz
Die Inanspruchnahme der Ethik-Kommissionen in Deutschland ist freiwillig. An sie wird sich daher - jenseits des oben beschriebenen faktischen Zwangs - nur der Arzt wenden, der bei der Sorge um die Rechte und den Schutz seiner Probanden nicht allein auf sein eigenes Urteil vertrauen will. Eine freiwillige Kontrolle wird darüber hinaus nur akzeptiert werden, wenn die Kommission schon von der Zusammensetzung die Gewähr kompetenter und effektiver Beratung bietet. Die lobenswerte Zielsetzung des Probandenschutzes allein wird die Akzeptanz der Kommission nicht begründen, wenn diese für den Forscher uninteressant zusammengesetzt ist. Überlegungen über die Besetzung der Ethik-Kommission müssen berücksichtigen, daß sie nicht nur für Probanden und die Gesellschaft, sondern auch und (wegen des fehlenden gesetzlichen Konsultationszwanges) vor allem für den Forscher attraktiv sein muß.
13 Zu den auf dem 1. Symposion ermittelten Daten vgl. Malchow u. a., Der Internist 1982, 227, 228 f.
§ 5 Zusammensetzung
47
2. Selbstkontrolle
Ethik-Kommissionen sind Einrichtungen der medizinischen Fachbereiche und dabei in erster Linie Organe ständischer Selbstkontrolle 14 : Ärzte sollen ihren Kollegen raten. Die Forscher suchen kollegiale Beurteilung und nicht nur Rechtsrat, den sie auch bei herkömmlichen Rechtsberatungsinstitutionen, etwa Anwälten, zu finden hoffen könnten. Deshalb muß die Kommission hauptsächlich von Ärzten getragen werden, die über ihr Fachwissen hinaus ihre Erfahrung mit der Materie "Forschung" und das darauf beruhende Verständnis für forschungsspezifische Probleme einbringen können. Die Präsenz der Mediziner dient nicht nur der Vermittlung medizinisch-fachlicher Information15 , sondern in erster Linie der Verwirklichung der vom Ärztestand getragenen Selbstkontrolle. Diesen Aspekten muß Rechnung getragen werden durch die Mitarbeit beruflich und moralisch anerkannter Ärzt'e 16 • Die Mediziner sollten wenigstens die Hälfte der Kommissionsmitglieder stellen, damit sich sinnvoll noch von ärztlicher Selbstkontrolle und der Wahrung der damit verbundenen kollegialen Vertrauensbasis reden läßt. Das bedeutet nicht ärztliche "Filzokratie" zu Lasten der Probanden, sondern Anerkennung kollegialer Autorität als Voraussetzung freiwilliger Unterwerfung auch unter die abschlägige Entscheidung. Um ein möglichst breites Wissensgebiet abzudecken, sollten klinisch und theoretisch erfahrene Forscher gleichermaßen vertreten sein. Angesichts der starken Spezialisierung auch in den medizinischen Disziplinen mag es allerdings den Ärzten in der Ethik-Kommission mitunter Schwierigkeiten bereiten, alle medizinischen Fragen kompetent zu beurteilen. Für diese Fälle muß die Zuziehung von Sachverständigen möglich sein17 • 3. Recbtskontrolle
Die reine Kollegen-Kontrolle ("Peer Review") ist dennoch nicht hinreichend. Die sorgfältige Beurteilung eines Forschungsvorhabens verlangt zur Wahrung der Probandenrechte häufig schwierige ethische und vor allem rechtliche Erwägungen. Auf beiden Gebieten sind Medi14 Vgl. Eser/Koch, DMW 1982, 443, 445, und oben § 1. Zum Selbstverwaltungsaspekt unten § 6 I!. 2. a. 15 Dies meint offenbar Annas (Bioethics Quarterly 2, 1980, 84, 86), der die Mitarbeit von Forschern kritisiert mit der Bemerkung, man beteilige schließlich auch keine Angestellten von McDonald-Douglas bei Untersuchungen über die Sicherheit der DC-I0. 18 Gsell, Schweizerische Ärztezeitung 1979, 1345, 1349; Deutsch, Arztrecht, RZ.337. 17 Dazu unten § 18 H. 3. b. bb.
1. Teil: Ethik-Kommissionen
48
ziner Laien. Schon der optimale Probandenschutz fordert daher die Beteiligung von Nichtmedizinern, insbesondere von Juristen. Das ergibt sich auch aus der Rolle der Ethik-Kommission als Instrument der Verkehrssicherung. Die Ethik-Kommission ist Verkehrssicherungsinstrument für die Gefahrenquelle Forschung, deren eigentümliche Gefährlichkeit unter anderem auch darin besteht, daß der Forscher bei der (grundsätzlich von ihm vorzunehmenden) Abwägung der beteiligten Belange in einem Konflikt zwischen den schutzwürdigen Interessen der Probanden und seinen eigenen wissenschaftlichen und persönlichen Interessen verhaftet ist, der sein Urteil einseitig beeinflussen könnte. Würde daher die Kommission nur aus Medizinern bestehen, wäre möglicherweise und trotz der angestrebten Unabhängigkeit der Mitglieder die Gefahr eines Interessenkonflikts in das Gremium hinein verlagert1 8 . Vor allem aber ist zu gewährleisten, daß die rechtlichen und ethischen Zulässigkeitsvoraussetzungen von fachkundiger Seite überprüft werden19 . Diese Überlegung erfordert teilweise schwierige rechtliche Erwägungen, die man Nicht-Juristen keinesfalls zutrauen darf. Nur wenn durch Beteiligung eines Juristen sichergestellt ist, daß die rechtlichen Voraussetzungen sachkundig geprüft werden, kann die Ethik-Kommission als geeignetes Verkehrssicherungsinstrument, ihre Gründung als Erfüllung haftungsrechtlicher Sorgfaltspflichten gelten. Eine Institution, die sich mit einem reinen "Peer Review Committee" begnügt und auf dessen Urteil verläßt, kann nicht für sich in Anspruch nehmen, alles getan zu haben, was ihr möglich und zumutbar ist, um Gefahren von den Probanden abzuwenden, wie es die gefährdungsrelevante Organisationspflicht von ihr verlangt. Darüber hinaus versprechen sich die Forscher - wie sich zeigen wird unter Umständen zu Recht 20 - von der Beratung in mancher Hinsicht Absicherung, auch rechtliche Präventivkontrolle zur weitestgehenden Vermeidung von Regreßansprüchen21 . Auch diese Hoffnung wird jedenfalls dann enttäuscht, wenn kein Jurist mitwirkt, auf dessen Auskunft sich der Forscher verlassen dürfte. Die Kollegen-Kontrolle ist deshalb (und "aus Gründen der Gegenseitigkeit"22, deren Schein zumindest nicht vermieden wird) nicht immer hinreichend. Gelegentlich hat sich gezeigt, daß Ethik-Kommissionen, die nur aus Ärzten bestehen, nicht oder nur selten angerufen werden 23 • Deshalb ist die Mitarbeit 18 19
20
21 22
v. Bar/Fischer, NJW 1980,2734,2737. Deutsch, Arztrecht, Rz. 336. Ausf. unten § 9 I. Vgl. Eser/Koch, DMW 1982,443,444. Deutsch, NJW 1981, 614, 615.
23 So nach Auskunft ihres Vorsitzenden etwa bei der nur aus 3 Ärzten bestehenden Ethik-Kommission der Medizinischen Hochschule Lübeck.
§ 5 Zusammensetzung
49
eines kompetenten Juristen unerläßlich, ungeachtet der Klage, daß es zur Zeit an einer ausreichenden Zahl in dieser komplizierten Materie erfahrener Juristen fehlt 24 • 4. Ethik
Notwendig ist ferner die Mitwirkung eines Kenners ethischer Kriterien. Weder die Juristen noch die Mediziner dürfen von Berufs wegen immer als solche gelten: Ethik ist nicht Standesethik, und das geschriebene Recht als "ethisches Minimum" kann längst nicht alle Fragen beantworten, die bei der Beurteilung eines Forschungsprojektes auftreten können25 • Zwar fließt der moralische Grundkonsens über die Generalklauseln (z. B. über §§ 138, 242, 826 BGB) auch in rechtliche Beurteilungen ein, und bei der Arbeit der Ethik-Kommission hat der Jurist im Rahmen der innerhalb der §§ 40, 41 AMG vorzunehmenden Abwägungen möglicherweise ethische Aspekte zu berücksichtigen. Trotzdem kann er den "Ethiker" nicht voll ersetzen. Dieser repräsentiert zum einen gegenüber den Medizinern das Laienelement und unterstützt darin den Juristen. Darüber hinaus sind - wenn auch nicht im Alltagsgeschäft der Kommission - Forschungsvorhaben denkbar, bei denen besondere ethische Fachkenntnisse erforderlich sind. Zu der Frage etwa, ob man das fälschlicherweise mit dem Schlagwort "Retortenbaby" gekennzeichnete Experiment der In-vitro-Fertilisation, der Befruchtung einer menschlichen Eizelle außerhalb des Mutterleibes überhaupt gutheißen solle oder nicht, kann der Jurist nur Marginales beitragen26 • Hier muß sich - zumal eine Grundüberzeugung in der Gesellschaft im Planungsstadium solcher Experimente häufig nicht existiert - die Ethik zu Wort melden. Bei der Auswahl des die Ethik repräsentierenden Mitglieds ist allerdings zu berücksichtigen, daß der Mangel an "Ethikern" noch größer ist als der an kompetenten Juristen Da Ethik heute überwiegend als Moraltheologie betrieben wird, kann den Platz des Philosophen auch ein Theologe einnehmen. 5. Laienbeteiligung und Effektivität
Zu der Forderung, über diese drei Disziplinen hinaus noch weitere Gruppen durch Vertreter in der Ethik-Kommission zu repräsentieren, steht zunächst das Bedürfnis nach einem möglichst klein zu haltenden arbeitsfähigen Gremium27 in Konkurrenz. Eine größere Zusammensetzung mag unter Umständen einer effektiven und beweglichen Arbeitsweise hinderlich sein. 24 25
26 21
Samson, DMW 1981, 667, 670. Deutsch, Arztrecht, Rz. 336. Ausf. dazu Bork, Die neue Ordnung 1979, 197 ff. Dazu: Gsell, Schweizerische Ärztezeitung 1979, 1345, 1349.
4 Bork
1. Teil: Ethik-Kommissionen
50
Dieses Argument darf natürlich nicht den Schutz der Probanden gefährden. Die Gründe, die für die Beteiligung von Studenten, Pflegepersonal, Mitgliedern der Verwaltung oder Angehörigen - die EthikKommission der Kinderklinik an der medizinischen Fakultät in Bern hat auch eine Mutter als Mitglied 28 - sprechen, daß nämlich das öffentliche Interesse repräsentiert29 und zusätzlich im Sinne der Probanden für Transparenz und Allgemeinverständlichkeit des Forschungsvorhabens und seiner Problematik gesorgt wäre, die der in der Kommission mitwirkende medizinische Laie so wie der spätere Proband beim Aufklärungsgespräch verstehen muß30: diese Gründe blieben auch ohne die Mitwirkung dieser Gruppen nicht unberücksichtigt. Die Fachsprache des Pädiaters, die eine Mutter nicht versteht, verstehen auch Juristen und Theologen nicht. Diese können in der Ethik-Kommission nicht votieren, wenn ihnen der Forscher sein Anliegen nicht in allgemeinverständlicher Sprache so vorgetragen hat, wie er es später bei der Aufklärung auch den Probanden vortragen muß, um eine wirksame Einwilligung zu erhalten31 . Die Rechte der Probanden sind daher durch die Teilnahme von Philosophen und Juristen hinreichend gesichert, von denen im übrigen auch die Wahrnehmung der öffentlichen Interessen an bedenkenfreier biomedizinischer Forschung zu erwarten ist. Die Akzeptanz bei den Forschern hingegen wird durch weitere Laienbeteiligung sicher nicht erhöht.
III. Vorschlag Die Kommission sollte sich daher aus theoretisch und klinisch erfahrenen Medizinern, einem Philosophen bzw. Theologen und einem Juristen zusammensetzen. Sofern - wie etwa in Münster - Personalunion mit der Kommission der Landesärztekammer besteht oder angestrebt ist, ist nach Ziffer 5 der Empfehlung des Vorstandes der Bundesärztekammer vom 12. 1. 1979 zusätzlich die Beteiligung eines Vertreters der Ärztekammer erforderlich. Die Mitgliederzahl sollte möglichst gering gehalten werden; im Interesse effektiver Arbeit sind bei ausgewogener Besetzung fünf bis höchstens neun Mitglieder sicher ausreichend 32 . Für den Fall, daß ständige Kommissionsmitglieder ausfallen oder ausgeschlossen sind33 , sind in den Qualifikationen gleichwertige Stellvertreter vorzusehen34 . 28
29
Gsell, Schweizerische Ärztezeitung 1979, 1347. Nolan, IRB 2 (1980) No. 8, p.4; Lewandowski/Schnieders, Symposium,
S.68. 30 31 32
33
Ghio, IRB 2 (1980) No. 2, p. 7. Vgl. Kollhosser, Symposium, S.38. Vgl. Gsell, Schweizerische Ärztezeitung 1979, 1345, 1349: 3-7 Mitglieder. Vgl. dazu unten § 16 H.2.
§ 6 Organisationsrechtliche Standortbestimmung
51
§ 6 Organisationsrechtliche Standortbestimmung Die folgenden Ausführungen dienen der Bestimmung des organisationsrechtlichen Standortes der Ethik-Kommissionen. Es geht dabei VOl allem um die Frage, ob die Ethik-Kommissionen in eigener oder fremder Trägerschaft tätig werden, ob sie eigene Rechte oder nur Zuständigkeiten zur Wahrnehmung fremder Rechte haben und wem ihr Handeln zuzurechnen ist. Diese Fragen zu stellen, ist kein Selbstzweck. Die Organisationsstruktur hat vielfältige Auswirkungen im Innen- wie im Außenbereicht, wovon hier im weiteren Gang der Arbeit vor allem interessieren wird, ob die Ethik-Kommissionen Behörden sind, ob sie Verwaltungsakte erlassen und welche Stellung ihnen im Prozeß zukommt. I. Grundbegriffe Da das öffentliche Organisationsrecht im allgemeinen ein Schattendasein führt 2 , empfiehlt es sich, vorweg einige Grundbegriffe 3 wenigstens kurz skizziert zu erläutern4 • 1. Öffentliches Organisationsrecht
Mit "öffentliches Organisationsrecht" läßt sich derjenige Komplex von Rechtsnormen bezeichnen, der die Errichtung, Rechtsstellung und Funktionsweise von Organen des Staates, von ihm abgeleiteter Verbände und anderer Organisationen betrifft s. So verstanden geht es der 34 Vgl. Ziffer 5 der Empfehlung des Bundesärztekammervorstandes vom 12. 1. 1979, abgedr. bei Kühn, Symposium, S. 75. 1 Vgl. die übersichten bei Eggers, S. 18 f., 106; Haas, Verw Arch. 49 (1958), 14, 30 ff.; ferner Achterberg, § 12 S.159 Rz.l; Schnapp, Jura 1980, 68, 69 f.; ders., AöR 105 (1980), 243, 246 f. 2 Vgl. die Klage bei Schnapp, Jura 1980,68. 3 Schnapp hat in seiner Habilitationsschrift (Amtsrecht und Beamtenrecht, S. 85 ff.; ebenso in: AöR 105 (1980), 243, 278) zutreffend festgestellt, daß das Organisationsrecht einer umfassenden Aufarbeitung harrt. Im Rahmen dieser Arbeit kann die Bewältigung einer solchen Aufgabe nicht geleistet werden. Zur Lösung der hier anstehenden Probleme der Praxis dürfte es ausreichen, sich an im allgemeinen unbestrittenen Grundbegriffen zu orientieren. Kritisch gegenüber dem auch heute noch maßgeblichen und hier zugrunde gelegten dogmatischen Ansatz von H. J. WoZff (aufbauend auf "Organschaft und juristische Person" in: WoZff/Bacho!, VwR H, S. 1 ff.) vor allem Böckenförde, S. 269 ff., und Brohm, VVDStRL 30 (1972), 245, 293 ff.; wie hier vor allem Schnapp, AöR 105 (1980), 243, 256 ff. und die nachstehend Genannten. 4 Vgl. zum folgenden insgesamt: Achterberg, § 12 S. 159 ff Rz. 1 ff.; Eggers, S. 102 ff.; Maurer, WissR 1977, 193, 203; RudoZ!, in: Erichsen/Martens, S. 545 ff.; Schnapp, Jura 1980, 68; Zimmerling, S. 10 ff. S Vgl. Achterberg, § 12 S. 159 Rz 1; Schnapp, Rechtstheorie 9 (1978), 275 ff., 295; WoZft/Bacho!, VwR II, S. 11, Zimmerling, S. 10.
4"
52
1. Teil: Ethik-Kommissionen
Organisationslehre unter dem "strukturell-institutionellen Aspekt" eines "schematisch-statischen Organisationsmodells"6 vor allem um die Frage, wie und wem das Handeln der natürlichen Personen in der Verwaltung zugerechnet werden kann. 2. Organisationen
Gefragt ist damit nach Organisationen, denen Verwaltungshandlungen zuzurechnen sind und die dem Bürger als rechts-, handlungsund haftungsfähige organisatorische Einheit gegenüberstehen7 • a) Zentraler Bezugspunkt des organisationsrechtlichen Begriffssystems ist dabei die juristische Person des öffentlichen Rechts 8 , die sich als die rechtlich verselbständigte rechts-, handlungs- und haftungsfähige organisatorische Einheit darstellt. Die juristische Person ist rechtsfähig, d. h. Träger eigener Rechte und Pflichten. Es handelt sich um eine (kraft staatlicher Rechtsordnung) rechtlich verselbständigte Organisation, die unabhängig von ihren Mitgliedern existiert9 • Juristische Personen in diesem Sinne sind vor allem Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. b) Die juristischen Personen sind aber nicht die einzigen organisationsrechtlichen Zurechnungssubjekte. Neben ihnen stehen die teilrechtsfähigen Organisationen 10 , denen keine umfassende Voll rechtsfähigkeit, sondern nur im Hinblick auf einzelne Rechtsbereiche oder Rechtssätze Rechtsfähigkeit verliehen istl l • Für Organisationen, die keine juristischen Personen sind, ist daher stets im Einzelfall zu prüfen, ob ihnen als Träger eigener Rechte Aufgaben zugewiesen sind. Innerhalb eines solchen Aufgabenkreises treten die Organisationen als teilrechtsfähige Zurechnungssubjekte auf. a Schnapp, AöR 105 (1980), 243, 256; ders., Rechtstheorie 9 (1978), 275, 279 ff. Demgegenüber betont insbesondere Böckentörde (S. 292 ff.) organisationssoziologische Aspekte und fordert eine mehr prozedurale als institutionelle Betrachtungsweise, der die Organisation als "organisierte menschliche Wirkungseinheit" erscheint. 7 Schnapp, Jura 1980, 68, 69 f. 8 Schnapp, AöR 105 (1980), 243, 257; ders., Jura 1980, 68, 70; vgl. auch Eggers, S. 111 f., 123. 9 Vgl. statt aller: Schnapp, Jura 1980, 68, 71; Woltt/Bachot, VwR I, S. 244 f. 10 Bachat, AöR 83 (1958), 208, 257 ff.; Eggers, S. 124; Enneccerus/Nipperdey, S. 618 f., 623 ff.; Maurer, WissR 1977, 193, 201 ff.; Walft/Bachot, VwR I, S.208. 11 Streng genommen sind auch die juristischen Personen des öffentlichen Rechts nur teilrechtsfähig, denn auch ihnen ist nur ein umgrenzter Aufgabenkreis zugewiesen (vgl. dazu Enneccerus/Nipperdey, S. 624 f.; Maurer, WissR 1977, 193, 202; Walft/Bachat, VwR I, S.208/245). Hier geht es eher um den Umstand, daß eine Organisation in einem Rechtsverhältnis Zurechnungsendsubjekt sein kann, in einem anderen hingegen nicht (vgl. Achterberg, Rechtsthearie 9 [1978] 385, 404; ders., § 12 S. 163 f. Rz. 15).
§ 6 Organisationsrechtliche Standortbestimmung
53
3. Organ
Weder die voll- noch die teilrechtsfähige Organisation kann aber ihre Rechte und Pflichten selbst wahrnehmen, da sie nicht handlungsfähig ist; handeln können nur Menschen. Die Lösung der Frage, wie und welcher Organisation das Handeln natürlicher Personen zugerechnet werden kann, erfolgt über den Begriff des Organs. Im Anschluß an H. J. Wolf! wird das Organ überwiegend definiert als ein "selbständiges, institutionelles Subjekt von transitorischen Zuständigkeiten zur funktionsteiligen Wahrnehmung von Aufgaben einer (teil-)rechtsfähigen Organisation" 12. Das bedeutet zunächst, daß die Organisation nicht durch ihre Organe handelt, denn auch das Organ ist nur eine künstliche Funktionseinhejt13. Es handelt vielmehr die natürliche Person (z. B. der Beamte) als Organwalter, dessen Handeln, vermittelt durch die dogmatische Konstruktion der Organschaft, der Organisation zugerechnet wird. Das Organhandeln betrifft dabei nicht eigene Rechte oder Pflichten des Organs, sondern solche der Organisation, die nur von dem Organ in eigener Zuständigkeit wahrgenommen werden l4 . Die Organisation ist daher Zurechnungsendsubjekt des OrganhandeIns: "Mit dem juristischen Organbegriff wird die rechtstechnische Seite organisatorischen HandeIns dadurch erfaßt, daß Handeln von Menschen (Organwaltern i. w. S.) dem Organ und durch dieses als einer Wirkeinheit der Organisation dieser nicht nur derart zugeordnet wird, daß die Rechtsfolgen des Organwalterverhaltens das Organ und die des Organverhaltens die Organisation (wie die des Vertreters den Vertretenen) treffen, sondern daß Organwalterverhalten Organverhalten und dieses Organisationsverhalten ist, d. h. daß das Verhalten zugerechnet und deshalb zugeordnet wird"15. Zugeordnet wird es dem Organträger, d. h. 12 In: WoIft/Bacho!, VwR 11, S. 48. 13 Achterberg, § 12 S.163 Rz.14; Maurer, WissR 1977, 193, 203; Schnapp, AöR 105 (1980), 243, 253 Fn. 56; ders., Jura 1980, 68, 73. 14 Diese Vorstellung stößt auf Schwierigkeiten beim Organstreit im Innenbereich, denn offenbar streiten dort Organe um (auf den Innenbereich beschränkte) eigene Rechte. Es darf dabei nicht verkannt werden, daß der Begriff der Organschaft nur der Zurechnung im Außenbereich dient und deshalb von "Organ"-Handeln nicht mehr gesprochen werden kann, wenn die Funktionseinheit in eigener Sache tätig wird. (Vgl. dazu Böcken!örde, S. 278 f.; EwaId, DVBl. 1970, 237, 241; Rupp, S.89; Schnapp, AöR 105 (1980), 243, 255 f.; ders., Jura 1980, 68, 73 f.) Es geht hier letztlich darum, das Subjekt zu bestimmen, das an dem einen "Ende" eines (Außen-)Rechtsverhältnisses steht, an dessen anderem der Bürger zu finden ist. Daneben kommen beim innendifferenzierten Rech tssubj ekt weitere (Innen -)Rech tsverhältnisse zwischen Organ und Organisation, Organen untereinander, Organen und Organwaltern, Organwaltern untereinander, etc. in Betracht (vgl. dazu ausf. Achterberg, Rechtstheorie 9 (978), 385, 398 ff., und Schnapp, S. 139 ff.). Zum Innenbereich s. noch nachstehend V. 15 WoIft/Bacho!, VwR 11, S. 49.
54
1. Teil: Ethik-Kommissionen
derjenigen Organisation, in deren Aufbau das Organ als innerorganisatorische Einrichtung eingegliedert ist1 6 • 11. Bestimmung des Organträgers Anhand dieser kurz skizzierten Grundbegriffe gilt es nun zunächst, den Organträger zu bestimmen, d. h. festzustellen, in welche Organisation die Ethik-Kommission eingegliedert ist l7 . In Betracht kommen die Universität und der Fachbereich Medizin. 1. Universität als juristische Person
Nach §§ 58 HRG, 2 WissHG NW sind die Universitäten Körperschaften des öffentlichen Rechts und zugleich staatliche Einrichtungen des Landes. Ob dieser Zusatz zum Ausdruck bringen will, daß die Universität keine "reine" Körperschaft ist, sondern auch anstaltlichen Charakter hat1 8 , braucht hier nicht diskutiert zu werden. Denn es ist im Ergebnis unbestritten, daß sie rechtsfähige juristische Person ist und Organträger sein kann19 • 2. Fachbereiche als teilrechtsfähige Organisationen
Umstritten ist hingegen, ob auch die Fachbereiche als Gliedkörperschaften der Universität, mithin als teilrechtsfähige Organisationen2o mit Organträgerfähigkeit, oder aber als Organe der Universität einzustufen sind. Dieser Streit kann, wie oben dargestellt, bei teilrechtsfähigen Organisationen nicht generell, sondern nur in bezug auf den in Rede stehenden Aufgabenkreis ausgetragen werden. Unter der Arbeitshypothese, daß der Fachbereich teilrechtsfähiger Organträger der Ethik-Kommissionen ist, muß deshalb zunächst die Aufgabenstellung präzisiert und dann geprüft werden, ob derartige Aufgaben eigene des Fachbereichs oder solche der Universität sind. 16 Achterberg, § 12 S.163 Rz.13; Eggers, S.113/122; Rudolf in: Erichsen/ Martens, S. 556; Zimmerling, S. 12. 17 Daß die Ethik-Kommission selbst nicht Organträger ist, ergibt sich aus dem bisher Gesagten von selbst. Sie ist weder juristische Person, noch hat sie überhaupt Organe, deren Träger sie sein könnte, denn die Kommissionsmitglieder sind Organteilwalter. Ausschüsse in der Verwaltung sind stets Organe oder Organteile; vgl. Eggers, S. 120 f. 18 So: Dallinger/Bode/Dellian, § 58 Rz.3; Maurer, WissR 1977, 193, 200; Wolff/Bachof, VwR II, S.300. Dagegen: BVerwG BayVBI. 1982, 411, 412 m. Anm. Reich; Kimminich, S. 890 m. w. N.; Rudolf, in: Erichsen/Martens, S. 550; Thieme, S. 108 ff.; Zimmerling, S. 6 ff. m. w. N. 10 Vgl. nur: BVerwGE 45, 39, 42; Kimminich, S.890; Maurer, WissR 1977, 193, 200. 20 Daß Voll rechtsfähigkeit nur der Universität selbst verliehen und der Fachbereich deshalb keine juristische Person ist, ist unbestritten.
§ 6 Organisationsrechtliche Standortbestimmung
55
a) Herkömmlicherweise wird innerhalb der Universitätsverwaltung zwischen staatlichen und Selbstverwaltungsaufgaben unterschieden 21 ; auch die Hochschulgesetze gehen davon aus 22 • Zu den staatlichen Aufgaben zählt man dabei vor allem die äußere Organisation durch Mittelbereitstellung23 • § 59 Abs.2 S. 1 HRG nennt beispielhaft Personalverwaltung, Wirtschaftsverwaltung, Haushalts- und Finanzverwaltung. Allgemein spricht man von Bedarfs- oder Intendanturverwaltung24 • Demgegenüber erfaßt die Selbstverwaltung die innere Organisation von Forschung und Lehre, insbesondere Planung und Koordination 25 , und damit - bei fließenden Grenzen26 - den in Art. 5 Abs. 3 GG grund rechtlich geschützten Kernbereich der Wissenschaftsfreiheit 27 • Die Tätigkeit der Ethik-Kommissionen ist dem Selbstverwaltungsbereich zuzuordnen. Ihre Aufgabe ist die Begutachtung medizinischer Forschungsvorhaben. Sie werden deshalb in die Forschungsorganisation eingeschaltet, werden in der Planungsphase tätig. Gerade Planung und Organisation konkreter Forschungsvorhaben im Zusammenwirken mit dem Forscher gehört aber zur Selbstverwaltung28 • Die im Hinblick auf die Teilrechtsfähigkeit gestellte Frage, ob Fakultäten Träger eigener Rechte und Pflichten sind, muß deshalb so präzisiert werden: Ist die Unterstützung der Forscher bei der Planung und Organisation medizinischer Forschungsaufgaben dem Fachbereich Medizin als Träger eigener Rechte und Pflichten (d. h. als Inhaber eines eigenen Aufgabenkreises) zugewiesen, oder nimmt der Fachbereich insoweit nur als Organ der Universität deren Aufgaben wahr? b) Die Antwort und das Verständnis für die zu dieser Frage geführten Diskussion wird erleichtert durch einen kurzen Hinweis auf die neuere Hochschulrechts-Geschichte. aal Vor der Hochschulreform, niedergelegt in den seit etwa 1970 ergangenen Hochschulgesetzen 29 , bestimmten einige Universitätsgesetze Vgl. nur: WolfflBachof, VwR 11, S. 300 ff.; Achterberg, § 11 S. 156 RZ.52. Vgl. §§ 58 Abs. 3, 59 Abs. 2 HRG; 2 Abs. 2 WissHG NW. 23 Vgl. WolfflBachof, VwR Ir, S. 300 ff.; MaunzlDüriglHerzoglScholz, Art. 5 IIr, Rz. 131 ff. 24 WolfflBachof, VwR I, S. 15. 25 Kimminich,S. 893; SchusterIStenbock-Fermor, WissR 1968, 28, 33. 26 Diffuse Grenzen versucht man durch die Beschreibung einer dritten Gruppe zu überlagern, den Kooperationsbereich; vgl. SchusterlStenbockFermor, WissR 1968,29,32 ff.; WolfflBachof, VwR Ir, S. 302. 27 Vgl. WolfflBachof, VwR 11, S.302; MaunzlDüriglHerzoglScholz, Art. 5 IIr, Rz. 133. 28 Kimminich, S. 893; Schuster/Stenbock-Fermor, WissR 1968, 28, 33; Wolff/ Bachof, VwR Ir, S. 30. 29 Vgl. die Nachweise bei Maurer, WissR 1977, 193 Fn. 1. 21
22
56
1. Teil: Ethik-Kommissionen
ausdrücklich den Rechtscharakter der Fakultäten als Organe der Universität 30 . Sie konnten daher weder als voll rechtsfähige juristische Personen31 noch als teil rechtsfähige Gliedkörperschaften32 angesehen werden. bb) Das heutige Hochschulrecht kennt als Organe der Universität nur die Leitung der Hochschule (Präsidenten, Rektor, Rektorat) und die zentralen Kollegialorgane (Senat, Konvent)33. Hingegen ist über den Fachbereich gesagt, daß er "die organisatorische Grundeinheit der Hochschule" sei, der "unbeschadet der Gesamtverantwortung der Hochschule und der Zuständigkeiten der zentralen Hochschulorgane für sein Gebiet die Aufgaben der Hochschule" erfüllt34 . Nach dem Gesetzeswortlaut ist er nicht Organ, sondern er hat Organe, nämlich den Fachbereichsrat und den Fachbereichssprecher/Dekan35 • c) Mit Formulierungen wie "organisatorische Grundeinheit", die der organisations rechtlichen Dogmatik fremd sind, hat der Gesetzgeber für einige Verwirrung gesorgt 36 . Gesetzestext und -kontext sind - aus organisationsrechtlicher Sicht - inkonsistent. aal Für die Charakterisierung der Fachbereiche als Organe der Universität spricht vor allem die Aussage, daß der Fachbereich "Aufgaben der Hochschule" erfüllen, also offenbar fremde Rechte und Pflichten in eigener Zuständigkeit wahrnehmen soll; ferner, daß nur die Universität, nicht aber der Fachbereich ausdrücklich zur Körperschaft des öffentlichen Rechts erklärt worden ist. Das könnte darauf schließen lassen, daß sich an der alten Rechtslage nichts geändert hat, daß also die Fachbereiche nicht Zurechnungsendsubjekte eigener Rechte und Pflichten sind, sondern Organe der Universität, deren Rechte und Pflichten sie in transitorischer Zuständigkeit wahrnehmen 37 . bb) Diese Auffassung muß Bedenken begegnen. 30 Z. B. § 4 lit. c der Satzung der FU Berlin i. d. F. vom 4.11. 1948, GVBl. S. 1487; § 8 Abs. 1 Hess. HochschulG vom 16.5.1966, GVBl. S. 121. 31 BVerwGE 45, 39, 41. 32 BayVGH VwRspr. 20 Nr. 152 S. 508; Ewald, WissR 1970, 34, 38; Gerber, I, S. 54; II, S.83 Anm. 137; Oppermann, S. 356 f.; Thieme, S. 188. 33 Vgl. § 18 WissHG NW. 34 §§ 64 Abs. 1 HRG, 25 Abs. 1 S.2, Abs. 2 S. 1 WissHG NW. 35 §§ 64 Abs. 2 HRG; 25 Abs. 3 WissHG NW. 36 Vgl. Maurer, WissR 1977, 193; Leuze/Bender, § 25 RZ.2. Dort (Rz.5) auch die vielfältig belegbare Bemerkung, das WissHG sei "mit der heißen Nadel genäht" . 37 So für das geltende Recht: Dallinger/Bode/Dellian, § 64 RZ.2 Fn.11 / Rz.4; Deumeland, § 64 Anm.1; Heinrich, S.97; Hoffmann-Becking, DVBl. 1972, 299, 304; Kimminich, S. 898; Zimmerling, S. 184. Unentschieden: Böckenförde, S.283 Fn. 45 einerseits, S. 304 f. andererseits.
§ 6 Organisations rechtliche Standortbestimmung
57
(1) Daß die Hochschulgesetze den Fachbereichen keine ausdrückliche Rechtsfähigkeit einräumen, bedeutet wenig. Teilrechtsfähigkeit wird, wie oben dargestellt, nicht durch ausdrückliche Erklärung, sondern durch Zuweisung eigener Rechte und Pflichten begründet. Daß im Gesetz über die Rechtsfähigkeit der Fachbereic.."he nichts gesagt ist, bedeutet nur, daß diese keine vollrechtsfähigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind38 • (2) Dagegen spricht die den Fachbereichen eingeräumte Satzungsautonomie 39 für die These, daß es sich um teilrechtsfähige Gliedkörperschaften handelt, denn Satzungen werden von (teil-)rechtsfähigen Verbänden des öffentlichen Rechts erlassen 40 . (3) Auch der heutige Wortlaut des § 64 Abs. 1 HRG, der die Hochschulorgane neben dem Fachbereich erwähnt, läßt - zumal angesichts der Formulierungen in älteren Hochschulgesetzen41 - vermuten, daß der Fachbereich eben kein Organ der Universität ist, sondern selbst Organe hat42 und damit wenigstens teilrechtsfähiger Organträger sein muß43. (4) Das alles sind aber nur Indizien, solange nicht festgestellt ist, daß es eigene, originäre Fachbereichsaufgaben gibt, denn Teilrechtsfähigkeit besteht eben nur soweit, wie eigene Aufgaben vorhanden sind.
In der Rechtsprechung war es bereits anerkannt, daß die Fakultäten Träger des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 3 GG und damit insoweit teilrechtsfähig sein können 44 , und § 25 Abs. 2 WissHG weist den Fachbereichen einige (vor allem organisatorische) Aufgaben zu. Für den hier in Rede stehenden Teilbereich (Unterstützung der Forscher bei der Planung und Organisation konkreter medizinischer Versuche) gibt § 37 Abs.2 WissHG NW den entscheidenden Hinweis. Nach dieser Vorschrift obliegt dem Fachbereich Medizin die Pflege der Wissenschaft in Forschung und Lehre in den medizinischen Einrichtungen. Diese Aufgabenzuweisung steht scheinbar im Widerspruch zu den §§ 2 Abs. 1 HRG, 3 Abs. 1 WissHG NW, wonach auch die Hochschulen der Pflege und 38
Maurer, WissR 1977, 193, 194.
§ 25 Abs. 4 WissHG NW. Vg1. Text und Nachweise unten § 14; ferner Maurer, WissR 1977, 193, 207/210 f.; Leuze/Bender, § 25 Rz. 5/7. 41 Vg1. vorstehend b) sowie Maurer, WissR 1977, 193, 205, Leuze/Bender, § 25 Rz. 4. 42 §§ 64 Abs. 2 HRG; 25 Abs. 3 WissHG NW. 43 Will man den Fachbereich als Organ auffassen, dann müssen diese im Gesetz genannten Organe als Unterorgane verstanden werden. Ob aber eine Institution, die selbst nicht (durch eigene Organwalter) handlungsfähig ist, sondern es erst durch (die Organwalter der) Unterorgane wird, selbst Organ sein kann, muß bezweifelt werden. Vg1. Maurer, WissR 1977, 193, 211 Fn.51. 44 BVerfGE 15, 256, 261 f.; 21, 362, 373 f.; 31, 314, 322; BVerwGE 45, 39, 42. 39
40
58
1. Teil: Ethik-Kommissionen
Entwicklung der Wissenschaften durch Forschung und Lehre dienen. Dieser Widerspruch läßt sich aber dadurch lösen, daß man die Vorschriften als Aufgabenzuweisung für den je eigenen Bereich versteht. Den Hochschulen kommt diese Aufgabe auf der vorwiegend staatlichen (wirtschaftsverwaltenden) und der fachbereichsübergreifenden gesamtuniversitären Ebene ZU 45 , während Forschung und Lehre und deren selbstverwaltende Organisation auf Fachbereichsebene originäre Aufgabe des Fachbereichs selbst ist 46 • In § 37 Abs. 2 WissHG NW vvird dies für den Fachbereich Medizin (stellvertretend für alle Fachbereiche47 ) bestimmt. Dieser Ansicht steht die Formulierung "unbeschadet der Gesamtverantwortung der Hochschule" nicht entgegen, denn damit sollen keine parallelen oder hilfsweisen (General-)Kompetenzen der Universität begründet 48 , sondern lediglich die (von denen der Fachbereiche verschiedenen) Rechte und Pflichten der Universität und ihrer Organe hinsichtlich der fachbereichsübergreifenden Angelegenheiten gewahrt werden 49 • Der - ohnehin nicht sehr glücklich formulierte - Gesetzeswortlaut hindert daher nicht die Feststellung, daß den Fachbereichen die Pflege der Wissenschaft in Forschung und Lehre als eigene Aufgabe zukommt und daß sie deshalb insoweit teilrechtsfähige Gliedkörperschaften der Universität sind 50 • Auch für den hier zu behandelnden Bereich ist daher die Teilrechtsfähigkeit der Fachbereiche zu bejahen. Die Unterstützung der dem Fachbereich angehörenden Forscher bei der Planung und Organisation ihrer Projekte gehört zum Kernbereich der Wissenschaftspflege, ist somit eigene Aufgabe des Fachbereichs. Die daraus resultierende Teilrechtsfähigkeit befähigt ihn zugleich, Organträger zu sein. Da die Ethik-Kommissionen in diesem, dem Fachbereich zugewiesenen Rechtskreis tätig werden, läßt sich zunächst feststellen, daß sie unmittelbar in die Organisation "Fachbereich", nicht in die Organisation "Universität" eingegliedert sind 51 • 45 46
Maurer, WissR 1977, 193,208. Maurer, WissR 1977, 193,209; Reich, § 64 Rz. 3.
47 Daß eine solche Klausel für die anderen Fachbereiche nicht im Gesetz zu finden ist, kann nur mit der unsorgfältigen Arbeit des Gesetzgebers erklärt werden. Dogmatisch begründen läßt es sich nicht. Vgl. Leuze/Bender, § 25 Rz.5. 48 So aber: Heinrich, S.97. 49 Leuze/Bender, § 25 Rz. 4; Maurer, WissR 1977, 193,209. 50 Ebenso: VG Hannover, DVBl. 1974, 53 f.; Besch/Gieseke, § 34 Anm.1; Eggers, S.124; Kopp, § 61 VwGO Rz.13; Leuze/Bender, § 25 Rz.4; Maurer, WissR 1977, 193, 209; Redeker/v.Oertzen, § 61 Rz.4; Stern, S. 101; Weise. S. 350 ff.; Wolft/Bacho!. VwR II, S.174/307. Vgl. noch für die Teilrechtsfähigkeit hinsichtlich der Verleihung akademischer Grade: OVG Hamburg VwRspr. 16 Nr.241 S.828, 829; VGH Mannheim VwRspr.21 Nr.58 S. 251 f.; Fuss, WissR 1972. 97, 98 Fn. 5. 51 Insoweit bezeichnen sich die Gremien zu Recht als "Kommission der Fakultät"; vgl. oben § 3 IV.
§ 6 Organisations rechtliche Standortbestimmung
59
IH. Einordnung der Ethik-Kommission
Damit ist aber noch nicht gesagt, daß die Ethik-Kommissionen auch Organe des Fachbereichs sind. Ausschüsse und vergleichbare Gremien in der Verwaltung können nämlich nicht nur Organe, sondern auch Unterorgane bzw. Organteile sein52 . Während Organe eigene Zuständigkeiten wahrnehmen (mit der Folge, daß ihr Handeln direkt dem Organträger zugerechnet wird), nehmen Unterorgane nur an der Zuständigkeit des Organs teil (mit der Folge, daß ihr Handeln dem Organ und nur durch dieses vermittelt dem Organträger zugerechnet wird)53. Ob ein Ausschuß Organ oder Unterorgan ist, läßt sich in der Regel durch Auslegung der Vorschriften über Errichtung, Zusammensetzung, Verfahren, Aufgaben und Befugnisse des Ausschusses ermitteln54 . Diese Methode führt hier jedoch nicht viel weiter, da solche Vorschriften fehlen. Häufig existiert nur ein reiner Kreationsbeschluß des Fachbereichsrates, während alles andere von der Ethik-Kommission selbst (und keineswegs einheitlich) geregelt wird. Aufschlußreich sind hingegen die Vorschriften der Hochschulgesetze über den Fachbereich selbst. So bestimmt § 25 Abs.3 WissHG NW in Anlehnung an § 64 Abs. 2 HRG: "Organe des Fachbereiches sind der Dekan und der Fachbereichsrat." überwiegend wird darin eine abschließende Aufzählung der Fachbereichsorgane gesehen 55 . Diese Ansicht findet ihre Bestätigung in § 28 Abs.5 WissHG NW56, wonach der Fachbereichsrat Ausschüsse bilden und auf sie jederzeit widerruflich Entscheidungsbefugnisse57 für bestimmte Aufgaben übertragen kann. Mit dieser Einteilung sind alle innerorganisatorischen Erscheinungen erfaßt: Dekan und Fachbereichsrat sind die alleinigen Fachbereichsorgane; der Fachbereichsrat kann jedoch Unterorgane in Form von Ausschüssen bilden. Auf diese können Entscheidungs-, aber auch Be·· ratungsbefugnisse übertragen werden. Ethik-Kommissionen lassen sich daher organisationsrechtlich nur als Unterorgane des Fachbereichsrates 52 Aehterberg, § 12 S.163 Hz. 14; Eggers, S. 120 f.; Wolff/Baehof, VwH II, S. 49 f., 52; kritisch zu diesen Begriffen: Böekenförde, S. 284 ff. 53 Eggers, S. 130; Wolff/Baehof, VwH II, S. 52. 54 Eggers, S. 131. 55 Dallinger/Bode/Dellian, § 64 Hz. 9; Leuze/Bender, § 25 Hz. 6; Beseh/ Gieseke, Vorbem. § 28; a. A.: Reich, § 64 Hz. 5. 56 Vgl. für das Bundesrecht: Dallinger/Bode/Dellian, § 64 Hz. 9. 57 Die übertragung von Beratungsbefugnissen ist in § 25 Abs. 5 WissHG nicht ausdrücklich genannt, ist aber als die weniger einschneidende Maßnahme erst recht möglich (argumentum a maiore ad minus). Vgl. auch den Wortlaut: " ... kann (1.) Ausschüsse bilden und (2., zusätzlich) auf sie ... Entscheidungsbefugnisse ... übertragen". Die Bildung beratender Ausschüsse ist daher stets möglich: Beseh/Gieseke, Vorbem. § 28.
60
1. Teil: Ethik-Kommissionen
verstehen, nicht als neben Dekan und Fachbereichsrat stehende Fachbereichsorgane58 .
IV. öffentlich-rechtliche Organisationsform Keineswegs zwingend folgt aus der bisherigen Untersuchung, daß die Ethik-Kommission in öffentlich-rechtlicher Form organisiert isP9. Auch im Organisationsrecht besteht nämlich grundsätzlich Freiheit der Formenwahl, d. h. der Träger öffentlicher Verwaltung kann sich - vorbehaltlich zwingender entgegenstehender Rechtsvorschriften - sowohl für die öffentlich-rechtliche als auch für die privatrechtliche Organisationsform entscheiden60 • Wofür er sich entschieden hat, ist allerdings nicht immer leicht festzustellen. a) Maßgebend ist zunächst der (erklärte oder erkennbare) Wille des Trägers öffentlicher Verwaltung 6 !. Mit diesem Kriterium ist im Falle der Ethik-Kommissionen nicht viel gewonnen, denn die Erklärungen des Fachbereichsrates als Kreationsorgan erschöpfen sich, wie gesagt, in der Regel im puren Kreationsbeschluß, dem über die Organisationsform nichts zu entnehmen ist. 58 Dieses Ergebnis bedeutet nicht, daß der Fachbereichsrat weisungsbefugt wäre (vgI. dazu unten § 16 II. 1), denn auch Unterorgane können weisungsfrei und eigenverantwortlich handeln (Eggers, S. 133). Es bedeutet - im Nachtrag zu oben § 5 - auch nicht, daß die Ethik-Kommission wie der Fachbereichs rat hochschulparitätisch besetzt sein müßte. §§ 28 Abs. 5 S.4 und 5, 21 Abs. 6 S.2 fordern dies nur für Ausschüsse, die anstelle des Fachbereichsrates Entscheidungen fällen. Es ist ja gerade der Sinn beratender Unterorgane, sich dabei in übergeordneten Organen nicht vertretenen Sachverstand, z. B. aus anderen wissenschaftlichen Disziplinen, zunutze machen zu können (Eggers, S. 132). 59 Zu der Frage, ob die (privat- oder öffentlich-rechtlich organisierte) Ethik-Kommission privat- oder öffentlich-rechtlich handelt, vgl. unten § 7. Zu den Kombinationsmöglichkeiten von Organisations- und Handlungsform s. Erichsen, Jura 1982, 537, 545. 60 Daß die Lehre von der Freiheit der Formenwahl auch im Organisationsrecht gilt (so: Erichsen, Jura 1982, 537, 545, Erichsen/Martens, in: dies., S. 308; Maurer, S.25; Ossenbühl, JuS 1979, 681, 686 f.; vgI. auch Ossenbühl, DVBI. 1974, 541; Rupp, Formenfreiheit, S.539), ergibt sich zwanglos, wenn man nicht die Organisationsform als Ergebnis, sondern den Kreationsakt als staatliches Verhalten ins Auge faßt, für das die Lehre von der Freiheit der Handlungsform entwickelt wurde. Allg. zu dieser Lehre: BVerwGE 35, 103, 105; 41, 127, 130; 47, 247, 250; BVerwG MDR 1976, 874 f.; BGHZ 52, 325, 328; BGH DVBI. 1979,778, 779; BayVGH NVwZ 1982, 120, 121; HessVGH ESVGH 27, 116, 118; Erichsen, Jura 1982, 537, 542; Erichsen/Martens, in: dies., S. 307 f. mit Nachweisen auch zur abweichenden Meinung; Wolff/Bachof, VwR I, S. 105. AbI. EyermannlFröhler, § 40 Rz. 52; Pestalozza, S. 166 ff.; kritisch auch Rupp, Formenfreiheit, S. 539 ff. 6! Erichsen, Jura 1982, 537, 545; OVG Lüneburg, NJW 1977, 450; kritisch: Ossenbühl, JuS 1979, 681, 686 f.
§ 6 Organisations rechtliche Standortbestimmung
61
b) Auch die Tatsache, daß Ethik-Kommissionen vom Fachbereichsrat in und zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben und Ziele 62 und auf der Grundlage einer Vorschrift des öffentlichen Rechts 63 eingerichtet werden, vermag keine endgültige Klarheit zu bringen. Denn die Lehre von der Freiheit der Formenwahl gilt auch dann, wenn der Träger öffentlicher Verwaltung auf der Grundlage öffentlich-rechtlicher Befugnisse öffentlich-rechtliche Ziele verfolgt64 • c) In solchen, nicht sicher entscheidbaren Fällen hilft aber eine Vermutungs re gel weiter. Da das öffentliche Recht Sonderrecht des Staates und seiner Untergliederungen ist, spricht eine Vermutung dafür, "daß ein Träger öffentlicher Verwaltung eine ihm durch einen Rechtssatz des öffentlichen Rechts zugewiesene Aufgabe oder Zuständigkeit in der Regel auch im Bereich und mit den Mitteln des öffentlichen Rechts erfüllen Will"65. Das gilt auch für Organisationsakte, so daß eine Vermutung dafür spricht, daß die Verwaltung sich bei der Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben auch der öffentlich-rechtlichen Organisationsform bedient66 • Auf der Grundlage dieser Vermutung kann daher mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, daß sich der Fachbereichsrat für die öffentlich-rechtliche Organisationsform entschieden hat. Die Ethik-Kommissionen der medizinischen Fachbereiche sind daher öffentlich-rechtlich organisiert67 •
v. Innen- und Außenrecht Abschließend ist zu untersuchen, ob es sich bei dem Rechtsverhältnis zwischen Ethik-Kommission und dem sie anrufenden Wissenschaftler um eine Innen- oder eine Außenrechtsbeziehung handelt. Die Antwort auf diese Frage präjudiziert dabei weder eine Entscheidung zwischen rechtlich geregeltem und rechtsfreiem Raum68 noch zwischen zwei geVgl. § 37 Abs. 2 S. 1 WissHG NW. § 28 Abs. 5 WissHG NW. 64 BVerwGE 35, 103, 105; 41, 127, 130; 47, 247, 250; BVerwG MDR 1976, 874 f.; BGHZ 52, 325, 328; Erichsen, Jura 1982, 537, 543 f.; Wolff/Bachof, VwR I, S. 105; a. A. Ossenbühl DVBl. 1974, 541; Schwarze, JuS 1978, 94, 97. 65 Erichsen, Jura 1982, 537, 544. Ebenso: VGH Mannheim, DÖV 1978, 569, 570; Erichsen, JR 1972, 130; Erichsen/Martens, in: dies., S.274; Kopp, § 40 VwGO, Rz.17; Lange, NVwZ 1983, 313, 322; Maurer, S.35 und 468; Menger/ Erichsen, VerwArch.60 (1969), 376, 378; Wolff/Bachof, VwR I, S.102. GG Erichsen, Jura 1982, 537, 545 m. w. N.; vgl. auch die vorstehend Genannten. 67 Im Ergebnis ebenso: Deutsch, NJW 1981, 614, 617. 68 So aber die heute nicht mehr vertretene Impermeabilitätstheorie, die den innerorganisatorischen Bereich des Staates als rechtsfrei ansah. Vgl. dazu und zur Kritik: Achterberg, § 12 S. 162 f. Rz. 11 f.; Erichsen, VuV I, S. 32 f.; Krebs, Jura 1981, 569, 572 f.; Schnapp, AöR 105 (1980), 243, 244 ff., alle m. w. N. 62
63
1. Teil: Ethik-Kommissionen
62
sonderten, antipodischen Rechtskreisen6D • "Die Zweiteilung verweist vielmehr auf einen je unterschiedlichen Kreis von Rechtsnormadressaten, dient also dazu, besondere GeItungsbereiche von Rechtssätzen hervorzuheben."70 1. aus organisationsrechtlicher Sicht
Aus organisationsrechtIicher Sicht ist die Beziehung zwischen EthikKommission und Forscher eindeutig dem Außenrecht zuzuordnen. Im Anschluß an Rupp werden im Organisationsrecht unter Innenrechtsbeziehungen allgemein diejenigen Rechtsverhältnisse verstanden, die "ausschließlich den organschaftIichen Funktionsablauf zwischen Organwaltern, Organen und Organismus betreffen", als Außenrechtsverhältnis dagegen der "Komplex von Rechtsrelationen, durch welche das Verhältnis von Verwaltungsorganisation einerseits zu Subjekten, die nicht in der Wahrnehmung einer Organfunktion begriffen sind, andererseits bestimmt wird"71. Die an der Universität forschenden Wissenschaftler sind Mitglieder der Universität'2 und des Fachbereiches,3, aber nicht deren Organe 74 . Sie können zwar Organwalter oder Organmitglieder sein, etwa als Dekan oder Mitglied des Fachbereichsrates, so daß möglicherweise Innenrechtsbeziehungen vorliegen können, wenn die Hochschullehrer in dieser Eigenschaft angesprochen sind 75 . Das ist aber hier nicht der Fall. Der Forscher tritt der Ethik-Kommission nicht als Organwalter oder Organmitglied gegenüber, sondern als Mitglied der Organisation. Die Rechtsbeziehung zwischen Organisation (bzw. deren Organen) und Organisationsmitglied 76 gehört aber stets zum Außenbereich 77 • Das gilt auch für das Rechtsverhältnis zwischen Universität bzw. Fachbereich einerseits und dem Hochschullehrer als Universitäts- bzw. Fachbereichsmitglied andererseits, das als Außenrechtsverhältnis zu qualifizieren isF8. Vgl. dazu Schnapp, S. 161. Schnapp, AöR 105 (1980), 243, 250; ders., S. 161. Vgl. auch Erichsen, VuV I, S. 35; Krebs, Jura 1981, 569, 573. 71 Rupp, S. 34. Ebenso: Achterberg, § 12 S. 162 Rz. 12; Fuss, WissR 1972, 97, 981102 f.; Schnapp, S. 160; Schwabe, JA 1975, 45 f.; vgl. auch Eggers, S. 139. 72 §§ 36 Abs. 1 HRG; 11 Abs. 1 Nr. 3 WissHG NW. 73 § 26 WissHG NW. 74 Fuss, WissR 1972, 97, 104; Maurer, WissR 1977, 193, 212 Fn.52. 75 Vgl. vor allem Fuss, WissR 1972, 97, 103 f. Beispiel: Der Hochschullehrer 69
70
wird nicht zur Sitzung des Fachbereichsrates geladen. 76 Vgl. zum Begriff: Achterberg, Rechtstheorie 9 (1978), 385, 399. 77 Beispiel: Ordnungsverfügung der Polizeibehörde als Organ der Organisation Staat gegen den Bürger als Mitglied dieser Organisation. 78 Ebenso: Fuss, WissR 1972, 97, 981102-104 und Fn.15; Maurer, WissR 1977, 193, 212 Fn. 52; Zimmerling, S. 5.
§ 6 Organisationsrechtliche Standortbestimmung
63
2. aus beamtenrechtlicher Sicht
Um eine Innenrechtsbeziehung könnte es sich aber aus beamtenrechtlicher Sicht handeln. Die Forscher, die sich an die Ethik-Kommission wenden, sind in aller Regel als Hochschullehrer Landesbeamte 79 . und die Forschung gehört zu ihren dienstlichen Aufgaben80 • Man könnte daher daran denken, die Beurteilung des Forschungsvorhabens lediglich als innerdienstliche Angelegenheit zu betrachten, die keine Außenwirkung entfaltet. a) Der Beamte ist als solcher nicht automatisch nur Adressat von Innenrechtssätzen81 • Dies ist nach heute vorherrschender Ansicht vielmehr nur dann der Fall, wenn die Maßnahmen den Beamten nur als Amtswalter, als (auswechselbares) Funktionssubjekt der Verwaltung via Amt treffen82 • Wo er hingegen in seiner persönlichen Rechtsstellung als (nicht auswechselbares) Rechtssubjekt angesprochen ist, liegt ein Außenrechtsverhältnis vorB 3 • Diese Differenzierung zwischen Innen- und Außenrecht wird anläßlieh der Unterscheidung zwischen Verwaltungsakt (Regelung, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist) und innerdienstlicher Weisung häufig dahin konkretisiert, daß eine Außenrechtsmaßnahme dann vorliege, wenn sie die individuelle Rechtssphäre des Beamten gestaltenB4, d. h. Rechte des Betroffenen unmittelbar begründen, verbindlich feststellen, beeinträchtigen, aufheben oder mit bindender Wirkung verneinen85 , also Rechtsfolgen herbeiführen 86 solJ87. Diese Definition birgt allerdings Gefahren. Zum einen trennt sie die einzel79
80 81 82
§§ 46 S. 1 HRG; 52 WissHG NW. §§ 43 Abs. 1 S. 1 HRG; 48 WissHG NW. Schwabe, JA 1975, 45, 46. BVerwGE 60, 144, 146; 14, 84, 86; Erichsen, DVBl. 1982, 95, 97 f. mit
Übersicht über die konkurrierenden, heute an Bedeutung verlierenden Kategorien (Grund-/Betriebsverhältnis; Amt im status rechtlichen bzw. funktionellen Sinne); ders., VuV I, S. 36 f.; Erichsen/Martens, in: dies., S.173 m. w. N.; Schnapp, S. 145 ff., 154; Schwabe, JA 1975, 45, 50; Wolff/Bachof, VwR 11, S.37. A. A. Enste, JA 1979, 423, 426 f.; undifferenziert Gönsch, JZ 1979, 16, 18 f. 83 BVerwGE 14, 84, 87; OVG Lüneburg VwRspr. 6 Nr. 158 S.692; Erichsen, VuV I, S.37; Schnapp, S. 145 ff., 154; vgl. auch Woltt/Bachof, VwR 11, S.37. 84 Erichsen, DVBl. 1982, 95, 98; Erichsen/Martens, in: dies., S.174; a. A. Teufel, ZBR 1981, 20, 22/24. 85 BVerwGE 60, 144, 145; Erichsen, DVBI. 1982, 95, 98 m. w. N.; Schwabe, JA 1975, 45, 49 m. w. N. 86 Erichsen, DVBI. 1982, 95, 98; Erichsen/Martens, in: dies., S.175. 87 Es kommt auf die Intention, nicht auf die tatsächlichen Folgen an: BVerwGE 60, 144, 145/147; Erichsen, DVBI. 1982, 95, 96 m. w. N.; Meyer/ Borgs, § 35 Rz.53; Teufel, ZBR 1981, 20, 25. Verkannt bei Enste, JA 1979, 423,427.
64
1. Teil: Ethik-Kommissionen
nen Tatbestandsmerkmale nicht sauber, d. h. sie verführt zu einer Misch-Subsumtion von "Regelung", "Außenwirkung" und "Unmittelbarkeit"88. Zum anderen (und deshalb) vernachlässigt sie das schlicht·· hoheitliche Außenhandeln der Verwaltung, das auch dann im Außenrechtsverhältnis stattfindet, wenn Rechte des Bürgers nicht einmal berührt werden89 . Die Frage nach dem Außenrechtsverhältnis muß daher unabhängig davon beantwortet werden, ob die Maßnahme einen (rechtmäßigen oder rechtswidrigen) Eingriff darstellt. Im Beamtenrecht darf daher, soweit es allein um die Abgrenzung zwischen Innen- und Außenrechtsbeziehung geht, nicht gefragt werden, ob die Maßnahme die individuelle Rechtssphäre des Beamten gestalten will, sondern nur, ob sie ihrem Inhalt nach Angelegenheiten der individuellen Rechtssphäre zum Gegenstand hat90 . b) Die individuelle Rechtssphäre des Bürgers wird im Verhältnis zum Staat besonders durch die Grundrechte geprägt. Diese gelten auch für den Beamten91 , finden jedoch am Amt ihre Grenzen, wenn und soweit diese gesetzlich festgelegt sind 92 • So kann z. B. ein Referendar gegenüber dem Richter, dem er zur Ausbildung zugewiesen ist, nicht unter Berufung auf Art. 2 Abs. 1 GG die ihm übertragene Arbeit verweigern, denn er ist zur Ausführung der Arbeit verpflichtet 93 • Die Weisung des Richters gegenüber dem Referendar bleibt daher innerdienstlich und ist kein Verwaltungs akt. Soweit solche gesetzlichen Grenzen aber nicht bestehen, kann eine Maßnahme Außenwirkung gegenüber dem Beamten als Grundrechtsträger entfalten, wenn sie Grundrechtsrelevanz 94 besitzt. Dabei ist wiederum darauf zu achten, daß es für die Feststellung der Außenrechtsbeziehung nicht darauf ankommt, ob in das Grundrecht (zu Recht oder Unrecht) eingegriffen wird. Zu fragen ist 88 Deutlich getrennt werden diese Tatbestandsmerkmale geprüft bei Erichsen, DVBl. 1982, 95, 96 ff. Ähnliche Bedenken auch bei Gönsch, JZ 1979, 16, 17 f. (im Hinblick auf Zulässigkeit und Begründetheit einer Klage) und bei
Teufel, ZBR 1981, 20, 24.
89 Beispiel: Bürgerberatung durch staatliche Dienststellen. 90 Synonym läßt sich davon sprechen, daß die individuelle Rechtssphäre durch die Maßnahme angesprochen oder betroffen wird; vgl. Erichsen, DVBl. 1982, 95, 98; ders., VerwArch. 71 (1980),429,432. 91 Erichsen, DVBl. 1982, 95, 98 Fn.57; ErichsenlKrebs, VerwArch. 68 (1977), 371, 388; v. Münch, S.61; Risken, S. 168 f.; Schnapp, S.275 m. w. N. 92 Erichsen, DVBl. 1982, 95, 99; ders., VerwArch. 71 (1980), 429, 437 f.; im Ergebnis ähnlich: Schnapp, S.157, 280 ff.; Risken, S.169; vgl. auch Wolffl Bachof, VwR II, S. 41 f.; a. A. Teufel, ZBR 1981, 20, 22/26 m. w. N. Auf die Frage, ob die Grundrechte insoweit nicht gelten (so Schnapp) oder ob der Beamte in diesem Bereich kein grundrechtsfähiges Rechtssubjekt ist (so Erichsen), braucht hier nicht weiter eingegangen zu werden. 93 §§ 37 S.2 BRRG; 55 S.2 BBG; 58 S.2 LBG NW; vgl. auch Enste, JA 1979, 423, 427. 94 Diese Vokabel bei Erichsen, DVBl. 1982, 95, 99.
§ 6 Organisationsrechtliche Standortbestimmung
65
nur, ob die Maßnahme jenseits der durch das Amt gezogenen Grenzen Angelegenheiten aus dem grundrechtlich geschützten Bereich zum Gegenstand hat, ob das Grundrecht "thematisch einschlägig"95 ist. c) Unter dieser Prämisse ist das Verhältnis zwischen Ethik-Kommission und Forscher auch aus beamtenrechtlicher Sicht als Außenrechtsbeziehung zu verstehen. Thematisch einschlägiges Grundrecht ist die Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs.3 GG), die einen Freiraum gewährt, in dem "absolute Freiheit vor jeder Ingerenz öffentlicher Gewalt"D6 herrscht: "In diesen Freiraum fallen vor allem die auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen bei dem Auffinden von Erkenntnissen, ihrer Deutung und Weitergabe" .97 Zum Kernbereich gehört also vor allem die inhaltliche Forschungsfreiheit, die Schutz vor staatlichem Einfluß auf Fragestellung, die Grundsätze der Methodik sowie die Bewertung der Forschungsergebnisse gewährt. Dieser Freiraum besteht nicht nur nach Maßgabe der allgemeinen beamtenrechtlichen oder organisatorischen Regelungen 98 , sondern er steht auch dem beamteten Wissenschaftler ZU 99 , und zwar auch in der Hochschule als Korporation loo • Dieser Grundrechtsposition wird auch durch die Hochschulgesetze keine Grenze gezogen. Im Gegenteil bestätigen §§ 3, 43 HRG; 4, 26 WissHG NW die Rechtslage: der Freiraum des an der Hochschule beamteten Wissenschaftlers wird - im Rahmen der Ausgestaltung des Dienstverhältnisses und der FunktionszuweisunglOI - ausdrücklich bestätigt. Beamtenrechtlich bedeutet das vor allem eine grund rechtlich garantierte Weisungsfreiheit in inhaltlichen Fragen l02 • Der Wissenschaftler hat ein Abwehrrecht gegen jede inhaltliche Fremdbestimmung, sei es durch unmittelbaren staatlichen Eingriff, sei es durch kollektive Entscheidungen der akademischen Selbstverwaltung lo3 • Schnapp, S.157; vgl. auch Erichsen, VerwArch. 71 (1980), 429, 438. BVerfGE 35, 79, 112; vgl. auch BVerfG NJW 1978, 162l. 97 BVerfGE 35, 79, 112; vgl. auch BVerfG NJW 1978, 1621. 98 Erichsen, VerwArch. 71 (1980), 429, 438; vgl. auch OVG Berlin NJW 1972,2099, 2100 und Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 5 111 Rz. 172. 99 BVerwGE 52, 313, 330 f.; v. Münch, S.66; Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 5 111 Rz. 172. 100 BVerfGE 35, 79, 115; BVerfG NJW 1978, 1621; Dallinger/Bode/Dellian, § 3 RZ.3/5. Erichsen/ Krebs, VerwArch. 68 (1977), 371, 378; Reich, § 3 Rz.2; OVG Berlin NJW 1972, 2099, 2100; Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art.5 111 RZ.121. 101 Vgl. § 43 Abs.l S.I; Abs.3 S.1 HRG und Dallinger/Bode/Dellian, § 3 RZ.3. 102 § 43 Abs.l S.1 HRG; vgl. Dallinger/Bode/Dellian, § 3 RZ.3/6 und § 43 Rz.4; Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 5 111 Rz.I72; Reich, § 43 Rz.2; s. auch OVG Berlin NJW 1972, 2099, 2100. 103 OVG Berlin NJW 1972, 2099, 2100; Dallinger/Bode/Dellian, § 3 Rz.5; 95
96
5 Bark
66
1. Teil: Ethik-Kommissionen
Sehr viel enger wird man die Grenzen auch dann nicht ziehen dürfen, wenn man Art. 5 Abs. 3 GG als Amtswalter- oder Funktionsgrundrecht versteht und damit dem Umstand Rechnung trägt, daß der Hochschullehrer nicht außerhalb des Staates, sondern eingebunden in (und zugleich garantiert durch) die staatliche Organisation als Amtsträger wirkt, auf die er durch nicht völlig bindungsfreie und verantwortliche Amtsführung Rücksicht zu nehmen hat 104 • Denn jedenfalls in inhaltlichen Fragen der Forschung und Lehre - soweit dürfen die gesetzgeberischen Entscheidungen in §§ 3, 43 HRG; 4, 26 WissHG NW als Wertmodelle für die staatlichen Bindungen herangezogen werden besteht auch für den beamteten Hochschullehrer ein (wenn auch staatlich ermöglichter und garantierter) Raum, der auf der Grundlage von Art. 5 Abs.3 GG als Abwehrrecht auch gegen den Staat vor jeglicher Einmischung zu schützen istl° 5 • Daraus folgt, daß alle Maßnahmen, die Angelegenheiten dieses Freiraums unmittelbar zum Gegenstand haben, Außenwirkung entfalten 106 • Wo es nach der Absicht der Verwaltung um Inhalt und Methode der Forschung geht, ist der Wissenschaftler nicht nur als Funktionsträger der Verwaltung via Amt, sondern als (Grund-)Rechtssubjekt angesprochen, dessen individuelle Rechtsposition in bezug genommen wird. Da die Ethik-Kommission Gegenstand und Methode, Inhalt und Verfahren eines Forschungsvorhabens beurteilt, haben ihre Entscheidungen Angelegenheiten des grundrechtlich geschützten Freiraums zum Gegenstand und damit Außenwirkung107 • Das Rechtsverhältnis zwischen Forscher und Ethik-Kommission ist daher als Außenrechtsbeziehung zu verstehen.
§ 7 Rechtsnatur der Voten Anzufügen ist die Untersuchung, in welcher Form die Ethik-Kommissionen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben handeln. ErichsenlKrebs, VerwArch. 68 (1977), 371, 378; MaunzlDüriglHerzoglScholz,
Art.5 III Rz.I72. Es ist gerade der Sinn dieser hochschulrechtlichen Vorschriften, das Verhältnis von Freiheitsrecht und Kompetenz der Hochschulorgane zu klären, vgl. Dallinger/BodeIDellian, § 3 Rz. 1/3. 104 So: Erichsenl Krebs, VerwArch. 68 (1977), 371, 373 ff.; Hailbronner, S. 21 ff., 26 ff., 73 ff.; ders., WissR 1980, 212, 216 f.; Lorenz, JZ 1981, 113, 115. 105 Im Ergebnis ebenso: Hailbronner, S. 260 ff., 265 ff. und WissR 1980, 212, 217 ff. mit Beispielen für die "Funktions gebundenheit" . 106 Vgl. auch Fuss, WissR 1972, 97, 104 f.; Schnapp, S.157 Fn. 146. 107 Noch einmal: Das gilt unabhängig davon, ob die Kommission nur unverbindlich berät oder verbindlich entscheidet und ob die Entscheidung das Grundrecht verletzt. Dazu nachfolgend § 7 u. ö.
§ 7 Rechtsnatur der Voten
67
I. Öffentlich-rechtliche Tätigkeit Eine wichtige Weichenstellung ergibt sich aus der Frage, ob die Ethik-Kommissionen öffentlich- oder privatrechtlich handeln. Eine ausdrückliche Entscheidung für eine der beiden Formen liegt nicht vor, so daß die folgenden Kriterien auf ihre Brauchbarkeit zu prüfen sind. 1. Aufgabe und Organisation
Wie bereits dargestelltl, gilt für die Verwaltung die Freiheit der Formenwahl. Ebenso, wie der Fachbereich die Wahl hat, ob er die Ethik-Kommission privat- oder öffentlich-rechtlich organisiert, hat diese die Wahl, ob sie privat- oder öffentlich-rechtlich handelt. Deshalb zwingt weder die öffentlich-rechtliche Organisation des Gremiums noch seine Tätigkeit im Bereich öffentlich-rechtlicher Ziel- und Zwecksetzung verbindlich zu dem Schluß, daß es auch öffentlich-rechtlich handele. 2. Dienstpflicht
Keine Indizwirkung kann auch dem Umstand zukommen, daß in dem Gremium Hochschullehrer mitwirken, zu deren dienstlichen Aufgaben die Begutachtung fremder wissenschaftlicher Leistungen gehört 2 • Die Frage nach der Anwendbarkeit öffentlichen Rechts ist unabhängig von der dienstlichen Stellung der Kommissionsmitglieder zu sehen, zum al eine Ethik-Kommission auch nicht nur aus beamteten Hochschullehrern bestehen muß. Wenn die Beratung durch eine Ethik-Kommission öffentlich-rechtliche Tätigkeit ist, dann ist sie es auch dann, wenn das Gremium nur aus Nicht-Beamten besteht, die mit der Wahrnehmung dieser Aufgabe betraut sind. Setzte etwa eine Fakultät als Ethik-Kommission ein Kollegium aus drei habilitierten niedergelassenen Ärzten, einem Pfarrer und einem Rechtsanwalt ein, um die besondere Unabhängigkeit des Ausschusses zu dokumentieren, so änderte das an der Charakterisierung als öffentlich-rechtliche Verwaltung nichts, wenn denn der Tätigkeit der Ethik-Kommission einer medizinischen Fakultät dieser Charakter überhaupt zukommt. 3. Verkehrssicherungspflicht
Zweifel an einer öffentlich-rechtlichen Handlungsform könnten sich aus der Rolle der Ethik-Kommissionen als Instrument der Verkehrssicherung insoweit ergeben, als die Einrichtung der Gremien auch dem 1 2
Oben § 6 IV. Dort auch Nachweise zum folgenden Text. Vgl. Fischer, S. 103.
68
1. Teil: Ethik-Kommissionen
eigenen Schutz der Universität vor dem Vorwurf mangelhafter Organisation dient. Die Verkehrssicherungspflichten der öffentlichen Gewalt werden mangels ausdrücklicher Wahl des Verkehrssicherungspflichtigen oder ausdrücklicher gesetzlicher Zuweisung in das öffentliche Recht 3 privatrechtlich qualifiziert 4 , so daß man von daher auf eine privatrechtliche Tätigkeit der Ethik-Kommission schließen könnte. Andererseits dient das Kollegium nicht nur der Absicherung der Universität, sondern in gleichem Maße dem Schutz der Forscher, denen als Fürsorgemaßnahme das Beratungsgremium zugänglich gemacht wird. Die Ethik-Kommission berät allein den Forscher und unterstützt ihn damit bei der Planung und Organisation seiner Vorhaben. Darin eine öffentlich-rechtliche Tätigkeit zu sehen, ist kein Widerspruch: Auch wenn im "Außenverhältnis" zwischen Forscher bzw. Universität und Patient Zivilrecht gilt, kann dennoch das "Innenverhältnis" zwischen Ethik-Kommission und Forscher öffentlich-rechtlich gestaltet sein5 • Gegen die Annahme einer öffentlich-rechtlichen Tätigkeit der Ethik-Kommission spricht daher weder die privatrechtlich einzuordnende Verkehrssicherungspflicht der Forscher bzw. der Universität gegenüber den Patienten und Probanden noch die Durchführung der Versuche auf der Grundlage bürgerlich-rechtlicher Arzt-/Krankenhausverträge. 4. Vermutung
Die vorgegebenen Umstände ergeben mithin kein eindeutiges Bild. Die Folgerung, daß sich die Ethik-Kommissionen der Handlungsformen des öffentlichen Rechts bedienen, läßt sich jedoch mangels ausdrücklich erklärten entgegenstehenden Willens auf die bereits erörterte Vermutung stützen, daß ein Träger öffentlicher Aufgaben sich innerhalb seines Kompetenzbereiches öffentlich-rechtlicher Mittel bedient6 • Daß die Ethik-Kommissionen am bürgerlich-rechtlichen Rechtsverkehr teilnehmen wollen, etwa durch Abschluß zivilrechtlicher Beratungsverträge, ist weder von ihnen erklärt noch aus der bisher zu beobachten3 Z. B. durch §§ 9 a LStrG NW, 10 Abs.4 StrWG SH; § 10 Abs.l NdsStrG; vgl. BGHZ 60, 54, 56. 4 BGHZ 9, 373, 389; 60, 54, 55 f.; 27, 278, 281; Erman-Drees, § 823 Rz. 73 ff. m. w. N. Kritisch dazu Erichsen, Jura 1982, 537, 544 Fn.79. Eine umfassende Zuordnung war in § 17 des Staatshaftungsgesetzes vorgesehen, das durch BVerfG NJW 1983, 25 für nichtig erklärt wurde. 5 Vgl. vor allem BGHZ 9, 145, 147, wo die einzelnen Rechtsverhältnisse innerhalb des Krankenhauses und zwischen Krankenhaus und Patient im Hinblick auf die Anwendung öffentlichen Rechts deutlich getrennt werden. GErichsen, JR 1972, 130; Erichsen/ Martens, in: dies., S.274; Lange, NVwZ 1983, 313, 322; Menger, Festschrift für Wolff, S. 165 f.; Menger/Erichsen, VwArch. 60 (1969), 376, 378; WoljjlBachoj, VwR I, S.102; vgl. auch VGH Mannheim DÖV 1978, 569, 570 f. sowie die Nachweise zu oben § 6 IV. c.
§ 7 Rechtsnatur der Voten
69
den Begutachtungspraxis zu entnehmen7 • Vielmehr wird die Vermutung zugunsten des öffentlichen Rechts noch verstärkt durch die Unentge1t1ichkeit der Beratung. Davon, daß "der Wille, aufgrund Privatrechts zu handeln, deutlich in Erscheinung tritt"B, kann kaum die Rede sein, so daß die Tätigkeit der Ethik-Kommissionen dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist 9 . 11. Handlungsfürm
Fraglich ist, in welcher Form des öffentlichen Rechts die EthikKommissionen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben tätig werden. Von den Handlungsformen des öffentlichen Rechts 10 kommen Verwaltungs·akt, öffentlich-rechtlicher Vertrag und Realakt in Betracht. 1. Verwaltullgsakt
Die abschließende Empfehlung der Ethik-Kommission ist kein Verwaltungsakt im Sinne der Legaldefinition des § 35 S.l VwVfG (NW)lI, wonach ein Verwaltungs akt jede Maßnahme einer Behörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts zur Regelung eines Einzelfalles ist, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Die abschließende Äußerung der Ethik-Kommission gegenüber dem Forscher enthält nämlich - unbeschadet der Zweifel an weiteren Tatbestandsmerkmalen 12 - keine Regelung, d. h. keine auf unmittelbare Rechtswirkung durch Begründung, Aufhebung, Änderung, verbindliche Feststellung oder Verneinung subjektiver Rechte oder Pflichten gerichtete Erklärung l3 . Bei der Begründung ist zu unterscheiden: . a) Soweit der Forscher die Ethik-Kommission aus eigenem Antrieb in Anspruch nimmt, enthält die beratende Stellungnahme keinerlei Verbindlichkeit. Der Forscher ist nicht gezwungen, dem Rat zu folgen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in ähnlich gelagerten Fällen mehrfach entschieden, daß bloße Meinungsäußerungen und Auskünfte l 4, HinEbenso: v. Bar/Fischer, NJW 1980,2734,2739. Diese Formel bei Walff/Bachof, VwR I, S. 102. 9 Im Ergebnis ebenso: Deutsch, NJW 1981, 614, 616. 10 Vgl. die Übersichten bei: Achterberg, § 20, S. 317 ff.; Erichsen/Martens, in: dies., S. 129 ff.; Wolff/Bachof, VwR I, S. 362 ff. 11 Zur Anwendbarkeit des VwVfG bzw. VwVfG NW vgl. unten § 11. 12 Zur Anwendung öffentlichen Rechts vgl. vorstehend 1., zur Außenwirkung oben § 6 V. 13 Vgl. dazu BVerwGE 60, 144, 145; 36, 192, 194; Kopp, § 35 RZ.32. 14 BVerwGE 31, 301, 306 f. 7
8
1. Teil: Ethik-Kommissionen
70
weiselS, Empfehlungen16 und Gutachten17 keine Verwaltungsakte sind, weil sie mangels Verbindlichkeit keine unmittelbare Rechtserheblichkeit entfalten, dies selbst dann nicht, wenn sie Rechtsauskunft oder Äußerung einer Rechtsauffassung sind 18 • b) Etwas anderes könnte gelten, wenn der Rat der Ethik-Kommission eingeholt wird, weil ein Forschungsförderer das positive Votum der Kommission zur Bedingung für die Mittelbewilligung gemacht hat. In solchen Fällen ähnelt die Äußerung der Ethik-Kommission einem Gutachten, das einer (anderen) Behörde zur Vorbereitung einer Entscheidung erstattet wird. Solche Gutachten sind grundsätzlich nicht als Verwaltungsakt zu qualifizieren, selbst wenn zu erwarten ist, daß sich die Behörde, der sie erstattet werden, bei ihrer Entscheidung danach richten wird 19 . Etwas anderes gilt nur, wenn das Gutachten eine rechtliche Bindungswirkung entfaltet20 • Soweit die Behörde an die Stellungnahme nicht gebunden ist, ist diese keine regelnde Maßnahme, die unmittelbare Rechtswirkung gegenüber ihr selbst oder dem Dritten entfalten, d. h. Rechtsfolgen herbeiführen könnte, mithin kein Verwaltungsakt 21 • Die Voten der Ethik-Kommission entfalten eine solche Bindungswirkung nicht22 • Kein Forschungsförderer ist gezwungen, sich an die Empfehlung der Ethik-Kommission zu halten. Dies hat z. B. die DFG ausdrücklich für sich in einem Senatsbeschluß in Anspruch genommen und bekräftigt23 • Die Stellungnahme einer Ethik-Kommission ist ein unterstützender, begutachtender Rat, kein auf unmittelbare Rechtswirkung zielender Verwaltungsakt24 • Demgegenüber ist die (hier noch näher auszugestaltende) Förmlichkeit des Verfahrens ohne Belang für die Einordnung als VerwaltungsBVerwGE 51, 55, 60. BVerwGE 53, 106, 110 f. 17 BVerwGE 59, 319, 320; 32, 21, 25; vgl. auch Dagtoglou, S. 53 f. und 89 ff. 18 Dazu Redeker/v.Oertzen, § 42 Rz.53. Vgl. ferner die Nachweise bei Kopp, § 35 Rz. 32. 19 BVerwGE 59, 319, 320; BVerwG DVBl. 1961, 87; Redeker/v.Oertzen, §42 RZ.54. 20 BVerwG DÖV 1962, 747, 748; 1977,571; DVBl. 1961,87. 21 Vgl. außer den vorstehend Genannten noch: BVerwGE 1, 169 f.; 14, 323, 325; 22, 342, 344 ff.; 28, 145, 147; 34, 65, 67 ff.; 45, 13, 17; BVerwG DÖV 1959, 61, 62; BayVGH n. F. 20, 131, 133 f.; Erichsen/Martens, in: dies., S. 178; Obermayer, § 35 Rz. 240 m. Fn. 254. 22 Anders in den USA, wo das negative Votum eines IRB die Forschungsinstitution bindet (45 CFR § 46.112), nicht hingegen das DHHS als Förderer. Deshalb ist dort in vielen Fällen die Möglichkeit eines Widerspruchsverfahrens eröffnet (Reatig, IRB 2, 1980, Nr.3 p. 8). !S Fischer, F. W., Symposium, S. 85. 24 Im Ergebnis ebenso: Deutsch, NJW 1981, 614, 616. 15
16
§ 7 Rechtsnatur der Voten
71
akt. Förmliche Verfahren müssen nicht auf die Vorbereitung einer regelnden Maßnahme gerichtet sein, sondern sie können auch allein der Gründlichkeit und Objektivität der Untersuchung dienen 25 • 2. Öffentlich-rechtlicher Vertrag
Die Stellungnahme der Ethik-Kommission erfolgt auch nicht auf der Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Vertrages, sondern in Ausführung eines Antragsverfahrens 26 • Zwar wäre es immerhin denkbar, den Antrag des Forschers als Vertragsangebot anzusehen, das von der Ethik-Kommission zumindest stillschweigend durch Aufnahme der Begutachtung (und unter Verzicht auf den Zugang der Annahmeerklärung gemäß § 151 S.l BGB) angenommen werden könnte. Die Folge einer solchen Betrachtungsweise wäre allerdings, daß in jedes Antragsverfahren der Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrages hineingedeutet werden könnte. Der öffentlich-rechtliche Vertrag ist deshalb vom mitwirkungsbedürftigen Verfahren abzugrenzen. Wie jeder Vertrag bedarf auch der öffentlich-rechtliche Vertrag der beiderseitigen Erklärung eines Rechtsfolgewillens. Die Parteien müssen mit Vertragswillen handeln 27 , so daß der Inhalt des Rechtsgeschäftes auf ihrem übereinstimmenden Willen beruht 28 • Darin liegt der wesentliche Unterschied zum mitwirkungsbedürftigen Verfahren. Bei diesem kann der Bürger durch seinen Verfahrensantrag nur Einfluß auf das "ob", auf den Bestand des staatlichen HandeIns nehmen, nicht aber auf dessen Inhalt, der nicht das Ergebnis juristisch gleichwertiger Vertragserklärungen der Beteiligten ist, sondern allein der einseitigen Ausgestaltung des Trägers öffentlicher Gewalt unterliegt 29 • Der notwendige Verfahrensantrag ist dann nur Voraussetzung dafür, daß der Staat tätig werden kann 30 , ist bloße Zustimmung zum im übrigen einseitigen Handeln31 . Darüber hinaus ist zu bedenken, daß derjenige, der von der Verwaltungeine Leistung begehrt, sich jedenfalls inzident mit seinem Antrag auf eine bereits bestehende Leistungspflicht beruft und nicht erst durch einen Vertrag eine solche Handlungspflicht begründen BVerwGE 14,323, 326; 32, 21, 25; 59, 319, 323. Dies muß im Vorgriff auf die späteren Untersuchungen - vgl. unten § 17 - behauptet werden. 27 Kopp, § 54 Rz.14; Stelkens/Bonk/Leonhardt, § 54 Rz.11; Knack, § 54 Anm. 5; Ule/Laubinger, S. 324 f.; Wolft/Bacho!, VwR I, S. 345. 28 Wolft/Bacho!, VwR I, S. 345. 29 OVG Münster DÖV 1967, 271; Achterberg, § 20 RZ.207 S. 396; Eyermannl Fröhler, § 42 Rz. 59 und § 40 Rz. 9. 30 Knack, § 54 Anm. 5.1.; Stelkens/Bonk/Leonhardt, § 54 Rz. 18. 3! Achterberg, § 20 Rz. 207, S. 396. 25 26
1. Teil: Ethik-Kommissionen
72
will 32 • Von daher gibt die Ethik-Kommission ihre Stellungnahme genauso wenig auf stillschweigender vertraglicher Grundlage ab wie eine Verwaltungsbehörde eine gesetzlich vorgeschriebene Auskunft oder eine sonstige pflichtige Leistung. Das Verhältnis zwischen Forscher und Ethik-Kommission ist somit nicht als Vertrag anzusehen. Durch die Vorlage seines Forschungsvorhabens verbunden mit dem Antrag auf Stellungnahme setzt der Forscher ein Verfahren in Gang, auf dessen weiteren Inhalt und Ausgestaltung er keinen Einfluß hat 33 • Der Antrag soll als Verfahrensvoraussetzung lediglich die fehlende gesetzliche Grundlage für eine "Zwangsbegutachtung" ersetzen34 • Im übrigen bestimmt allein die Ethik-Kommission Gang und Inhalt der Prüfung. Es ist nicht ersichtlich, daß sie mit dem Beginn der Prüfung stillschweigend Begutachtungsverträge schließen wil1 35 • 3. Realakt
übrig bleibt somit die Einordnung unter die Handlungsform "Realakt". Das Votum der Ethik-Kommission ist mangels einer auf die Herbeiführung von Rechtsfolgen gerichteten Regelung ebenso wie eine behördliche Auskunft 36 , eine Berichterstattung37 , ein Prüfbericht38 , eine Wissenserklärung39 oder sonstige Mitteilungshandlungen40 ein Realakt, ein tatsächlich schlicht-hoheitliches Handeln.
§ 8 Rechtsberatung Der Umstand, daß von der Ethik-Kommission (auch) die Prüfung der rechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen des Humanexperiments erwartet wird, legt die Frage nahe, ob die Beurteilung des Forschungsvorhabens in rechtlicher Hinsicht mit dem Rechtsberatungsgesetz (RBerG) in Einklang steht. Zur Leistungspflicht der Ethik-Kommission vgl. ausf. unten § 13 I. 3. b. Zu den Einflußmöglichkeiten unter der Herrschaft des Untersuchungsgrundsatzes vgl. unten § 18. Es bleibt die Einwirkung durch Sachvortrag, u. a. im Rahmen des rechtlichen Gehörs (unten § 20). 34 Vgl. unten § 1711. 35 Solche wären übrigens formnichtig: §§ 57, 59 Abs. 1 VwVfG, 125 S. 1 BGB. 36 Meyer/Borgs, § 25 Rz.5; Ule/Laubinger, S.132; Wolft/Bachof, VwR I, S.365. 37 BVerwGE 14,323,327 f. 38 OVG Münster DVBl. 1979,431, 432. 39 BVerwGE 58, 167, 169. 40 Achterberg. § 20 Rz.258, S.410. Weitere Beispiele bei Wolff/Bachof. VwR I, S. 364 ff. und Erichsen/Martens, in: dies., S. 314 Fn. 6. 32
33
§ 8 Rechtsberatung
73
I. Geschäftsmäßige Rechtsberatung § 1 Abs. 1 S. 1 RBerG bestimmt, daß die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten, einschließlich der Rechtsberatung, geschäftsmäßig - ohne Unterschied zwischen haupt- und nebenberuflicher oder entgeltlicher und unentgeltlicher Tätigkeit - nur von Personen betrieben werden darf, denen dazu von der zuständigen Behörde die Erlaubnis erteilt ist. Ohne eine solche Erlaubnis entfaltet § 1 RB erG die Wirkungen eines Verbotsgesetzes 1 • 1. Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten
Fraglich ist, ob die Ethik-Kommission fremde Rechtsangelegenheiten durch Rechtsberatung besorgt. Rechtsbesorgung ist die unmittelbare Förderung konkreter fremder Rechtsangelegenheiten2 , wozu auch die bloße Rechtsberatung nach innen zu zählen ist3 • Rechtsberatung ist die Unterrichtung des Ratsuchenden über die Rechtslage eines Einzelfalles sowie die zu ergreifenden Maßnahmen 4 und deren juristische Formgebungs. So gesehen ist die Tätigkeit der Ethik-Kommission eine Beratung, da sie u. a. auch die rechtlichen Voraussetzungen des Versuchs prüft und den Antragsteller über evtl. erforderliche Änderungen berät, z. B. bei der Abfassung der Aufklärungsleitfäden. Diese Beratung ist auch eine Rechtsberatung, obgleich sie nicht auf die rechtlichen Aspekte beschränkt ist, sondern auch auf andere, insbesondere ethische Kriterien abstellt. In solchen "Mischfällen" liegt Rechtsberatung immer dann vor, wenn eine Beratung stattfindet, bei der die rechtliche Erörterung im Vordergrund steht6 . Abzustellen ist vor allem auf die Intention des Ratsuchenden7 • Entscheidend ist, daß er vor allem rechtliche Aufklärung über einen bestimmten Einzelfall anstrebt und deshalb den Rat wegen der Rechtskenntnisse des Ratgebers einholts . Ob das bei den Ethik-Kommissionen so ist, muß von Fall zu Fall entschieden werden. Es mag Versuchsleiter geben, die vor allem an den allein sanktionierten rechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen interBGH NJW 1962, 2010 f.; Altenhoff/Busch/Kampmann, RZ.240. BGH NJW 1956, 591, 592; OLG Hamm NJW 1954, 516, 518; Altenhoff/ Busch/Kampmann, Rz. 26 und 28 ff.; Jonas, § 1 Anm. 2. a./b. 3 BayObLG AnwBl. 1964, 143; Altenhoff/Busch/Kampmann, RZ.26. 4 Altenhoff/Busch/Kampmann, Rz. 11. S Altenhoff/Busch/Kampmann, Rz. 26; Jonas, § 1 Anm. 2. a. 6 BGH NJW 1956, 591, 592; 1962, 807; BayObLG AnwBl. 1964, 143, 144; Altenhoff/Busch/Kampmann, Rz. 26. 7 Altenhoff/Busch/Kampmann, Rz. 15. 8 Altenhoff/Busch/Kampmann, RZ.34. 1
2
74
1. Teil: Ethik-Kommissionen
essiert sind, weil sie jeglicher Haftung möglichst aus dem Wege gehen wollen 9 • Das wird dann anschaulich dadurch belegt, daß die EthikKommissionen, in denen kein Jurist mitwirkt, mitunter gar nicht in Anspruch genommen werden10 • Das muß aber nicht der Regelfall sein. Bei der Arbeit der EthikKommissionen kann das Recht im Vordergrund stehen, insbesondere im Rahmen der Prüfung, ob die Einwilligung der Probanden auf einer korrekten Aufklärung beruhen wird und ob das zu erwartende Risiko verhältnismäßig ist. Es kann aber auch Fälle geben, in denen die rechtliche Problematik nur eine ganz untergeordnete Rolle spielt, in denen die Schwierigkeiten hauptsächlich im medizinischen oder tatsächlichen Bereich liegen. Allerdings wirken sich solche Probleme auch auf die Rechtsfragen aus, da sie über die juristischen Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffe (Rechtswidrigkeit, Verhältnismäßigkeit etc.) in die juristische Beurteilung einfließen. Man wird daher sagen können, daß die Ethik-Kommission zwar nicht immer und ausschließlich, aber doch in einem Gutteil der Fälle auch Rechtsberatung betreibt. Diesem Teil der vorgelegten Forschungsvorhaben gelten die folgenden überlegungen. 2. Geschäftsmäßigkeit
Diese Rechtsberatung durch die Ethik-Kommissionen wird auch geschäftsmäßig betrieben. Der Begriff der Geschäftsmäßigkeit im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes erfordert eine - keineswegs gewerbsmäßige l1 - Tätigkeit, bei der der Handelnde beabsichtigt, sie - sei es auch nur bei sich bietender Gelegenheit - in gleicher Art zu wiederholen und sie dadurch zu einem dauernden oder wiederkehrenden Bestandteil seiner Beschäftigung zu machen 12 • Ausschlaggebend ist allein die Wiederholungsabsicht 13 , die bei einem auf Dauer angelegten Kollegium wie der Ethik-Kommission ohne weiteres zu bejahen ist. Daß die Mitglieder der Ethik-Kommission ehrenamtlich und unentgeltlich arbeiten, ist schon nach dem Wortlaut der Vorschrift unerheblich. Ohne 9 Eser/Koch (DMW 1982, 443, 444) sprechen von einem "wesentlichen Element", das gelegentlich leider nur der "Köder" für die Vorlage sei. Ähnliche Motive scheinen einige Forschungsförderer zu leiten, die (wie etwa das BMFT) sogar in der Vorplanungsphase die begleitende Beratung durch einen Juristen verlangen. 10 Vgl. oben § 5 11. 3. 11 Altenhoff/Busch/Kampmann, Rz. 52 und 65. 12 OLG Hamburg MDR 1951, 693; OLG Hamm NJW 1952, 315; Altenhoff/ Busch/Kampmann, Rz. 52. 13 RGSt 72, 313, 315; OLG Hamburg MDR 1951, 693; KG JW 1938, 585; Altenhoff/Busch/Kampmann, Rz. 54.
§ 8 Rechtsberatung
75
Bedeutung ist auch, daß die Mitarbeit in der Ethik-Kommission für die meisten Mitglieder weder Haupt- noch Nebenberuf darstellt. Die mit Wiederholungsabsicht betriebene Beratung ist auch dann geschäftsmäßig, wenn sie überhaupt nicht berufsmäßig erfolgt 14 . Der Begriff der Geschäftsmäßigkeit schließt allerdings noch ein weiteres Element ein, das hier Probleme aufwirft: Die geschäftsmäßige Rechtsberatung muß selbständig betrieben werden, also nicht im Rahmen eines "Dienstverhältnisses"15. Das. Verbot des § 1 RBerG wendet sich - wie sich aus einer Zusammenschau mit § 6 RBerG ergibt - nicht an den, der konkret im Einzelfall berät, sondern an den "Arbeitgeber" (im allerweitesten Sinne), also an den, der die Beratung organisiert und veranstaltet, der sich anderer zur Beratung bedient1 6 • Auch hier ist unerheblich, ob die "Funktionsträger" entgeltlich oder unentgeltlich für den "Arbeitgeber" die Beratung durchführen17 . Spätestens seit der offiziellen Angliederung der Ethik-Kommissionen an die Fakultäten trifft daher diese das Verbot aus § 1 RB erG. Aus der Sicht des Rechtsberatungsgesetzes wird daher die Beratung der Forscher nicht durch die Ethik-Kommission, sondern durch die Fakultät durchgeführt, die sich der Ethik-Kommission als Funktionsträger bedient 18 . 11. Gutachtertätigkeit
Einer Erlaubnis nach § 1 RB erG bedürfte es allerdings nicht, wenn die Ethik-Kommissionen wissenschaftlich begründete Gutachten erstatteten (§ 2 RBerG). Rat und Gutachten haben gemeinsam, daß die Sach- und Rechtslage geprüft wird und daß auf Grund dieser Prüfung bestimmte Schlußfolgerungen gezogen werden, nach denen der Beratene sein Verhalten einrichten kann19 . Der Unterschied liegt darin, daß beim Rat nicht die Prüfung selbst, sondern nur das Ergebnis wichtig ist und mitgeteilt wird, das den Beratenen allein interessiert 20 , während das Gutachten neben dem Ergebnis als Begründung auch die RG5t 72, 313, 315; OLG Hamburg MDR 1951, 693, 694; Altenhoff/Busch/ Rz. 6I. 15 OLG Hamburg MDR 1951, 693; KG JW 1938, 585; LAG Frankfurt DB 1969, 2044; Altenhoff/Busch/Kampmann, Rz.53; Jonas, § 1 Anm. 3. a. 16 Altenhoff/Busch/Kampmann, Rz.473; vgl. LG Duisburg AnwBI. 1976, 175; KG JW 1938, 1844, 1845. 17 LG Duisburg AnwBl. 1976, 175; Altenhoff/Busch/Kampmann, Rz.48I. 18 Daß hier auf die Fakultät, nicht auf die Universität abzustellen ist, ergibt sich aus den Gründen, die auch für die Fakultät als Organ träger sprechen; vgl. deshalb oben § 6 11. 2. und nachfolgend 111. 19 Altenhoff/Busch/Kampmann, Rz.23I. 20 Altenhoff/Busch/Kampmann, Rz.232; AG Wiesbaden AnwBl. 1962, 51, 52. 14
Kampmann,
76
1.
Teil: Ethik-Kommissionen
Erörterung der einzelnen Fragen enthält, deren Beurteilung zu dem Ergebnis geführt hat 21 . Unter dieser Differenzierung erstattet die Ethik-Kommission keine wissenschaftlich begründeten Gutachten 22 , da sie ihr Votum nicht jedesmal ausführlich zu begründen braucht 23 • In vielen Fällen reicht die bloße Mitteilung, daß die Ethik-Kommission gegen das Vorhaben keine Bedenken hat. Daß darin kein Verhaltensvorschlag enthalten ist, ist für die Einordnung als Rat iSd Rechtsberatungsgesetzes unerheblich24 • III. Zulässigkeit aus § 3 Nr. 1 RBerG Die Erlaubnis nach § 1 RBerG ist weiter entbehrlich, wenn Rechtsberatung oder Rechtsbetreuung 25 von Behörden oder Körperschaften des öffentlichen Rechts im Rahmen ihrer Zuständigkeiten ausgeübt werden (§ 3 Nr. 1 RBerG). Hier ist auf die Fakultät abzustellen, die eine teil rechtsfähige Glied-Körperschaft des öffentlichen Rechts ist. Die Tätigkeit der Ethik-Kommissionen ist daher nach § 3 NI'. 1 RBerG erlaubnisfrei, wenn die Beratung der Forscher in den Zuständigkeitsbereich der Fakultät fällt. Dieser für § 3 Nr. 1 RBerG relevante Zuständigkeitsbereich kann gesetzlich bestimmt sein oder im Rahmen genereller Kompetenzen freiwillig übernommen werden 26 • Ein Beratungsrecht kann sich auch ohne ausdrückliche Erwähnung aus dem übertragenen Aufgabenkreis ergeben27 • Aufgabe der Fakultät ist die Pflege der Wissenschaft in Forschung und Lehre, und dazu gehört auch die Organisation der Forschung 28 . Forschungsorganisation bedeutet auch Organisation rechtlich und ethisch einwandfreier Forschung, die durch Beratung der Forscher über die rechtlichen und ethischen Probleme ihrer Tätigkeit erfolgen kann. Die Rechtsberatung durch die Ethik-Kommission fällt somit in den Zuständigkeitsbereich der Fakul21 OLG Stuttgart AnwBl. 1975, 173, 174; Altenhoff/Busch/Kampmann, Rz. 233; Jonas, § 2 Anm. 1. a. 22 Das steht zu der Einordnung als Gutachten bei der Abgrenzung zum VA (oben § 7 II. 1.) nicht in Widerspruch. Dort ging es um die Trennung zwischen Rat/Gutachten einerseits und regelnder verbindlicher Entscheidung andererseits. Es soll daher außerhalb dieses Kapitels - ungenau nur im Sinne des RBerG - auch weiterhin von der begutachtenden Tätigkeit der Ethik-Kommissionen die Rede sein. 23 Vgl. dazu eingehend unten § 26 II. 2. 24 Vgl. OLG Stuttgart AnwBl. 1975,173,174. 25 Beide unterscheiden sich durch den Antrag, den nur die Rechtsberatung voraussetzt (Altenhoff/Busch/Kampmann, RZ.245 m. w. N.; zum Antragsgrundsatz bei Ethik-Kommissionen unten § 17). 26 BayVGH VwRspr. 14 Nr.168 S.622; AG Göttingen AnwBl. 1953, 190, 191; Altenhoff/Busch/Kampmann, RZ.254. 27 BVerwG DVBl. 1957, 620, 622; Altenhoff/BuschIKampmann, RZ.249. 28 Vgl. im einzelnen oben § 6 II. 2.
§ 9 Haftung
77
tät und ist daher nach § 3 Nr. 1 RBerG erlaubnisfrei. Daß die Mitglieder der Ethik-Kommission teilweise universitätsfremd sind und ehrenamtlich arbeiten, ist auch hier wieder unerheblich, da auf den Träger der Beratung und nicht auf den Rechtscharakter des "Anstellungsverhältnisses" des Amtswalters abzustellen ist 29 •
§ 9 Haftung Eine umfassende Erörterung der haftungsrechtlichen Probleme, die mit der Tätigkeit der Ethik-Kommissionen verbunden sind, ist mit dieser Arbeit nicht beabsichtigt!. Für die bei der Ausarbeitung der Verfahrensordnung grundlegende Interessenlage sind aber wenigstens die grundsätzlichen Haftungsmöglichkeiten der Beteiligten zu berücksichtigen. Erheblich werden dabei vor allem zwei Aspekte: (1.) die Auswirkungen eines positiven aber fehlerhaften Votums der Ethik-Kommission auf die Haftung des Forschers und (II.) die Haftung der Mitglieder der Ethik-Kommission selbst.
I. Haftung des Versuchsleiters Werden die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Humanexperiments nicht erfüllt und erleidet der Proband dadurch einen Schaden, so unterliegt der Versuchsleiter zivilrechtlich einer vertraglichen (pVV)2 oder deliktischen (§§ 823, 839, 847)3 Verschuldenshaftung. Eine Gefährdungshaftung besteht nur bei wissenschaftlichen Versuchen mit radioaktiven Stoffen (§ 26 AtomG)4 und bei Versuchen, in denen erprobte und zugelassene Arzneimittel verwendet werden (§ 84 AMG), nicht aber bei der Prüfung von Arzneimitteln, wo es bei der allgemeinen Verschuldenshaftung bleibt (arg. § 42 AMG)5. Daneben besteht in seltenen Fällen eine Aufopferungshaftung6 , der hier nicht weiter nachgegangen werden soll. Vgl. Altenhoff/Busch/Kampmann, Rz.250; Jonas, § 3 Anm.1. 1. Vgl. zur Haftung grundsätzlich: v. Bar/Fischer, NJW 1980, 2734 ff.; Barnikel, MMW 1979, 767; Fischer, S. 103 f.; Kollhosser, Symposium, S. 40 ff.; Weißauer, MMW 1979, 551, 556 und 799. 2 Vgl. Fischer, S. 78 f. 3 Fischer, S. 79 ff.; Kollhosser, Symposium, S. 41 f. 4 Vgl. v. Bar/Fischer, NJW 1980, 2734, 2735; Fischer, S. 89 f. 5 Zum Verhältnis von § 84 AMG zu §§ 40-42 AMG: v. Bar/Fischer, NJW 1980, 2734, 2735; Fischer, S. 90 f. 6 Vgl. BGHZ 20, 61 ff.; v. Bar/Fischer, NJW 1980, 2734, 2735; Fischer, S. 92 ff. 29 1
78
1. Teil: Ethik-Kommissionen
Das Votum der Ethik-Kommission kann vor allem im Rahmen der VerscllUldenshaftung Bedeutung erlangen7 • 1. bei Versuchen ohne oder gegen das Votum
Führt der Versuchsleiter ein risikoreiches Experiment ohne oder gegen das Votum der Ethik-Kommission durch und kommt dabei ein Versuchsteilnehmer zu Schaden, so handelte der Versuchsleiter schon deshalb schuldhaft, weil er sich der Ethik-Kommission als Verkehrssicherungsinstrument nicht in der gebotenen Weise bedient hat, wenn der Schaden auf einem von der Ethik-Kommission korrigierbaren Fehler beruht8 • 2. bei Versuchen gemäß einem fehlerhaften Votum
Wenn von dem Versuchsleiter einerseits verlangt wird, daß er die Ethik-Kommission als geeignetes Verkehrssicherungsinstrument einschaltet, so stellt sich andererseits die Frage, ob der Forscher noch schuldhaft handelte, wenn er auf ein fehlerhaftes Votum der EthikKommission vertraut hat. Diese Frage wird durch v. Bar/Fischer mit dem lakonischen Satz bejaht, ein "solches Sich-Verschanzen hinter einem Placet Dritter" habe die Rechtsprechung grundsätzlich nie akzeptiert 9 • Sie berufen sich dazu auf Urteile des Bundesgerichtshofes, in denen die Frage zu beantworten war, ob die Bescheinigung der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Sicherheitsanforderungen durch eine Bauaufsichtsbehörde10 oder ein öffentlich-rechtliches Prüfinstitut ll den Verkehrssicherungspflichtigen von der zivil rechtlichen Verantwortlichkeit befreien könne. In ständiger Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof dazu ausgeführt, die Auffassung der Behörden enthebe den Verantwortlichen nicht der zivilrechtlichen Verkehrssicherungspflicht1 2 • Ob diese Rechtsprechung allerdings ohne nähere Beleuchtung der Begründung auf das Verhältnis zwischen dem Versuchsleiter und der Ethik-Kommission übertragbar ist, muß bezweifelt werden. 7 Bei der Gefährdungshaftung möglicherweise im Innenausgleich, der gleichfalls unerörtert bleiben muß; vgl. insoweit die oben Fn. 1 Genannten. 8 Ausführlich oben § 4 11. 3., wo allerdings wie auch im folgenden Text - vorausgesetzt ist, daß das Gremium so organisiert ist, daß es als Verkehrssicherungsinstrument wirklich "tauglich" ist. 9 In: NJW 1980, 2734, 2736; anders für die strafrechtliche Verantwortlichkeit bereits: Eser/Koch, DMW 1982, 443, 446; Weißauer, MMW 1979, 551, 556 und 799. 10 BGH VersR 1962,332. 11 BGH NJW 1978,2548. 12 BGHZ 39, 358, 365; BGH VersR 1962, 332; 1977, 543; 1978, 518; BGH NJW 1973, 458, 460.
§ 9 Haftung
79
a) Soweit die Ethik-Kommission Rechtsberatung betreibt l3 , informiert sich der Versuchsleiter bei ihr über die rechtlichen Grenzen seines Tuns, wie es seine (Verkehrssicherungs-)pflicht ist. Ist die Auskunft falsch, so handelt der Forscher in einem Rechtsirrtum. Ein Rechtsirrtum entlastet, wenn er nicht selbst auf Verschulden beruht l4 • Unvermeidbar und damit entschuldigt ist ein Rechtsirrtum, wenn durch einen Nichtjuristen die Belehrung bei einem kompetenten Ratgeber eingeholt wird, auf dessen Urteil sich der Ratsuchende verlassen darf l5 . Gehaftet wird dann nur noch für die Auswahl des Ratgebers - dieser muß eben kompetent und verläßlich sein - und dessen Instruktion, denn dem Rat muß der vollständige und richtige Sachverhalt zugrundeliegen l6 • Für das Verschulden des eingeschalteten Rechtsberaters haftet der Ratsuchende nicht, auch nicht nach § 278 BGBI7, denn der Ratsuchende schuldet dem Geschädigten nicht die Erteilung des Rates. Es wurde bereits dargestellt 18 , daß die Ethik-Kommission in Fragen des Rechts der klinischen Forschung zu den wenigen kompetenten Ratgebern gehört, sofern in ihr -ein dieser komplizierten Materie kundiger Jurist mitarbeitet. Wenn deshalb ein Forscher die Stellungnahme der Ethik-Kommission einholt, dann handelt er nicht schuldhaft, wenn er auf das positive Votum des Gremiums vertraut und in einem Rechtsirrtum die rechtlichen Grenzen seines Tuns überschreitet. Man wird ihm kaum vorwerfen können, daß er nicht alles ihm Mögliche und Zumutbare unternommen habe, um diesen Irrtum zu vermeiden l9 . b) Aber auch dort, wo nicht Rechtsirrtümer als Entschuldigungsgrund, sondern Fragen etwa der Fehleinschätzung medizinischer Fakten oder Zusammenhänge zur Rede stehen, tragen die genannten Entscheidungen die durch v. Bar/Fischer vorgetragene Ansicht nicht immer. Der Bundesgerichtshof hat dort ausdrücklich auf den begrenzten Schutzzweck der Sicherheitsvorschriften abgestellt und die Entscheidungen damit begründet, daß die öffentlich-rechtlichen Sicherheitsbestimmungen dem Schutz der Allgemeinheit im öffentlichen Interesse Vgl. oben § 8. HM seit RGZ 146, 133, 144 f.; vgl. RGZ 156, 113, 120; BGH NJW 1951, 398; 1972, 1045 f.; Erman-Battes, § 285 Rz. 5 und § 276 Rz. 60 m. w. N. 15 Es sei denn, das befürwortete Verhalten ist offensichtlich sittenwidrig: BGHZ 74, 281, 284. 16 Erman-Battes, § 285 Rz.6; Palandt-Heinrichs, § 285 Anm.2; Reichel, JW 1931, 525; Rittner, Festschrift für v. Hippel, S.415 Fn. 124; Wussow, JW 1938, 427,428; ders., Unfallhaftpflichtrecht, S. 31 RZ.40. 17 So aber: v. Staudinger-Löwisch, § 285 Rz.25, wohl auch RG JW 1930, 3479; offengelassen in BGH NJW 1970, 463, 464. Wie hier die in Fn.16 Genannten. 18 Oben § 4. 19 Eser/ Koch, DMW 1982,441, 446. So wohl auch Deutsch, Arztrecht, RZ.336. 13
14
1. Teil: Ethik-Kommissionen
80
dienten, nicht aber der Entlastung des Verkehrssicherungspflichtigen 20 • Diese Argumentation steht nun allerdings ohne Einordnung in den haftungsrechtlichen Zusammenhang im leeren Raum. Nach der Fahrlässigkeitsdefinition des § 276 Abs. 1 S.2 BGB ist zu fragen, ob das Vertrauen auf behördliche Genehmigungen oder Auskünfte die im Verkehr erforderliche Sorgfalt darstellt. Diese Frage kann guten Gewissens verneint werden, nicht etwa, weil die öffentlichen Stellen nicht gründlich und zuverlässig prüften, sondern weil sie andere Dinge prüfen, als die Einhaltung der Verkehrssicherungspflicht. Erst hier wird der Schutzzweck der Sicherheitsbestimmungen relevant. Die Prüfung der Behörden erfolgt aus dem Blickwinkelordnungsrechtlicher Gefahrenabwehr, deren Kriterien häufig nur einen Ausschnitt aus dem haftungsrechtlich Erforderlichen darstellen. Die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gebietet in aller Regel zusätzliche und andere Maßnahmen, um die sich der Verkehrssicherungspflichtige selbst zu kümmern hat. Im Unterschied dazu ist es Aufgabe der Ethik-Kommission, alle ethisch und rechtlich relevanten Aspekte zu untersuchen und eine befürwortende Stellungnahme erst abzugeben, wenn den schutzwürdigen Interessen der Probanden durch ein Optimum an Sicherheitsvorkehrungen Rechnung getragen ist, wie sie der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (§ 40 Abs. 1 Nr. 1 AMG) verlangt. Diese Konstellation bedeutet nun nicht, daß der Forscher die Sorge um die Zulässigkeit seines Vorhabens voll und ganz der Ethik-Kommission überlassen kann. Deren Votum enthebt ihn nicht der Pflicht, sein Projekt selbst sorgfältig zu prüfen, schon bevor er es der EthikKommission zur Begutachtung vorlegt, aber auch in allen weiteren Phasen der Durchführung. Das Risiko aber, daß ihm bei unzulässigen Vorhaben ein Verschuldensvorwurf gemacht werden kann mit dem Inhalt, der Mangel des Versuchs sei für ihn erkennbar und vermeidbar gewesen, wird für den Forscher durch die Einschaltung der Kommission wesentlich verringert. Denn kann die im Verkehr erforderliche Sorgfalt mehr verlangen als die Einschaltung eines (Probandenschutz-)Fachmanns? Der Bundesgerichtshof hält in solchen Fällen mehr nicht für erforderlich: "Wenn (... ) die zuständigen Fachleute allgemein eine Maßnahme nicht für erforderlich halten, so könnte das Unterlassen der Maßnahme nur schuldhaft sein, wenn die Meinung der Fachleute sich aus tatsächlichen oder auch aus rechtlichen Gründen als irrig erwiese, und zwar derart, daß derjenige, um dessen Verantwortung es geht, dies hätte erkennen müssen."21 Wenn und soweit daher die Ethik-Kommission als "Fachmann'· gelten darf - sei es aufgrund eigenen Wissens, sei es durch Hinzu20
BGHZ 39, 358, 364 f.; BGH NJW 1973,458,460.
21 BGH NJW 1971, 1881, 1882.
§ 9 Haftung
81
ziehung von Sachverständigen - , darf der Versuchsleiter in den vom
Bundesgerichtshof aufgezeigten Grenzen evidenter Fehlerhaftigkeit2 2
auch auf ihr positives Votum vertrauen, ohne die im Verkehr erforderliche Sorgfalt zu verletzen. Diese Voraussetzungen werden jedenfalls in bezug auf die Aspekte des Vorhabens erfüllt sein, die der Versuchsleiter kraft eigener Sachkunde nicht selbst beurteilen kann. Er handelt nicht schuldhaft, wenn die Ethik-Kommission kompetent besetzt ist (Auswahl), das fehlerhafte Votum auf einem vollständigen und richtigen Versuchsplan beruht (Instruktion) und der Forscher ohne Abweichung von Plan oder Votum den Versuch im übrigen korrekt durchführt (Kausalität)23. 11. Haftung der Kommissionsmitglieder Dieses Ergebnis legt die Frage nahe, ob sich der geschädigte Proband, wenn schon nicht an den Forscher, so aber doch an die Ethik-Kommission oder ihre Mitglieder halten kann, wenn der Versuchsleiter auf ein fehlerhaftes Votum vertraut hat. In den USA wird die Haftung der Mitglieder eines IRB für möglich gehalten24 • Die Haftung resultiert aus der Rechtsregel: "People who undertake to protect others have a duty to use care."25 Die im Zusammenhang mit IRBs angestrengten Prozesse 26 führten bisher allerdings zu keiner Verurteilung. In Deutschland kommt nach § 676 BGB eine Haftung für fehlerhaften Rat nur nach allgemeinen vertraglichen oder deliktischen Ansprüchen in Betracht. Da die Ethik-Kommissionen in schlicht-hoheitlicher Form öffentliche Aufgaben wahrnehmen, ist an Amtshaftungsansprüche zu denken, die die schuldhafte Verletzung einer einem Dritten gegenüber obliegenden Amtspflicht durch einen Beamten voraussetzen (§ 839 Abs. 1 S. 1 BGB)27. BGHZ 74, 281, 284; BGH NJW 1971, 1881, 1882. Vgl. zu den Einschränkungen: Eser/Koch, DMW 1982,441, 446. 24 Holder, IRB 1 (1979), No. 3, pp. 7/8; Woodward, IRB 1 (1979), No. 5, p. 10 m. Anm. Holder; Robertson, IRB 2 (1980), No. 1, p. 10 m. Anm. Holder; ders., UCLA Law Review 1979, 484, 532; National Commission, p. 56193; vgl. auch Veatch, IRB 1 (1979), No. 3, pp. 8/9. 25 Restatement, 2 d, Torts, §§ 323, 324 A; vgl. Indian Towning Co. v. U.S. 350 U.S. 61 (1955); Nelson v. Union Wire Rope Co. 199 N.E. 2 d 769 (1964); Adams v. State 555 P 2 d 235 (Alaska, 1976); Coffey v. Milwaukee 74 Wisc. 2 d 526 (1976). 2