145 82 20MB
German Pages 214 [215] Year 1988
CORNEL.RUPERT MEYER
Die Stellung des Minderjährigen im öffentlichen Recht
Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Herausgegeben im Auftrag der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der WestfäUschen Wilhelms-Universität in Münster durch die Professoren Dr. Hans-Uwe Erichsen Dr. Helmut Kollhosser Dr. Jürgen Welp
Band 30
Die Stellung des Minderjährigen im 'öffentlichen Recht
Von
Dr. Comel-Rupert Meyer
Duncker & Humblot · Berlin
CIP-Tite1aufnahme der Deutschen Bibliothek Meyer, Comel-Rupert: Die Stellung des Minderjährigen im öffentlichen Recht / von Cornel-Rupert Meyer. - Berlin: Duncker u. Humblot, 1988 (Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft; Bd. 30) Zug!.: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 1987 ISBN 3-428-06463-1 NE:GT
D6 Alle Rechte vorbehalten © 1988 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Druck: Werner Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany ISBN 3-428-06463-1
Meiner Frau
und meiner Mutter
Vorwort Die Rechtsstellung des Minderjährigen im öffentlichen Recht ist in der letzten Zeit zunehmend in die juristische Diskussion geraten. Die vorliegende Arbeit hat sich daher zum Ziel gesetzt, den Beteiligten von Verwaltungsverfahren und -prozessen eine praktische Hilfe bei der Beurteilung von Rechtsfragen zu geben, die mit der Minderjährigkeit zusammenhängen. Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität hat die vorliegende Untersuchung im Sommersemester 1987 als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur wurden bis zum Frühjahr 1987 berücksichtigt; spätere FundsteIlen konnten nur noch vereinzelt eingearbeitet werden. Herrn Prof. Dr. Dirk Ehlers, der die Schrift angeregt und betreut hat, und der sich dabei für viele fruchtbare Gespräche Zeit nahm, möchte ich auch an dieser Stelle meinen herzlichen Dank sagen. Besonderer Dank gilt auch meiner Frau, die den Verlauf meiner Untersuchung mit Zuspruch und Ermunterung begleitet hat. Schließlich danke ich den Herausgebern der "Münsterischen Beiträge zur Rechtswissenschaft" für die Aufnahme dieser Arbeit in ihre Schriftenreihe. Münster, im März 1988
Cornel-Rupert Meyer
Inhaltsverzeichnis
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
A. Die verfassungsrechtliche Bindung des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der RechtssteUung des Minderjährigen im öffentlichen Recht .. . . . . . . . . . ..
25
I. Einschränkung der natürlichen und rechtlichen Handlungsfähigkeit im Verhältnis zum Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
1. Das Kriterium der Einsichtsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . .
27
2. Die Gefahren bei der Grundrechtsausübung ..........
28
3. Auswirkungen des elterlichen Erziehungsrechtes auf die selbständige Grundrechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 31 11. Einschränkung der natürlichen und rechtlichen Handlungsfähigkeit im Verhältnis zum Elternrecht gemäß Art. 6 II S. 1 GG . . . . . . . . . . . . .
31
1. Definition des Kindeswohls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
2. Konsequenzen für die Möglichkeit der Selbstbestimmung des Minderjährigen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 35 3. Die Abwehr rechtswidriger Erziehungsmaßnahmen durch den Minderjährigen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 37 a) Die Kontrolldichte im vormundschaftsgerichtlichen Verfahren ..
38
b) Die Handlungsfähigkei~ des Minderjährigen im vormundschaftsgerichtlichen Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 111. Zwischenergebnis B. Die rechtliche Handlungsfähigkeit des Minderjährigen
I. Überblick
11. Die Stellung des Minderjährigen im Verwaltungsprozeß 1. Diskussion des Institutes einer beschränkten Prozeßfähigkeit a) Der Streit um eine beschränkte Prozeßfähigkeit im Zivilprozeß ..
41 43 43
44 45 46
b) Übertragbarkeit der zivilprozessualen Ergebnisse auf den Verwaltungsprozeß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
10
Inhaltsverzeichnis 2. Verfahrensrechtliche Probleme im Zusammenhang mit der Prozeßführung Minderjähriger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 50 a) Die Rechte des gesetzlichen Vertreters bei bestehender Prozeßfähigkeit des Minderjährigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .50 aa) Die Rechtslage im Fall der partiellen Prozeßfähigkeit
. 50
bb) Die Rechtslage im Fall der relativen Prozeßfähigkeit
51
b) Auswirkungen der Prozeßunfähigkeit auf den Verlauf des Prozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
aa) Der prozeßunfähige Minderjährige als Kläger ..........
53
(1) Situation bei sofortiger Kenntnis des Gerichts vom Mangel der Prozeßfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
(a) Das Verfahren bei Minderjährigen, soweit der gesetzliche Vertreter aus tatsächlichen Gründen an der Prozeßführung gehindert ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 (b) Das Verfahren bei Minderjährigen, sofern sich der gesetzliche Vertreter weigert, tätig zu werden ......
55
(c) Die Klagerücknahme durch den prozeßunfähigen Minderjährigen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
58
(2) Situation, wenn der gesetzliche Vertreter in den Prozeß eintritt
58
(3) Situation, wenn trotz fehlender Prozeßfähigkeit ein Sachurteil ergeht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 (a) Das Problem der formellen Rechtskraft
60
(aa) Folgen der Zustellung an den prozeßunfähigen Minderjährigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 (bb) Möglichkeiten der Heilung des Zustellungsmangels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 (b) Problematik der Wirksamkeit und der materiellen Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
64
(aa) Abgrenzung zum nichtigen Urteil .........
64
(bb) Abweichungen im Fall des § 116 III VwGO . ..
66
(c) Zwischenergebnis
68
bb) Der Minderjährige als Beklagter
68
cc) Rechtsmittelprobleme (1) Wirksamkeit einer Rechtsmitteleinlegung
69 69
(2) Rechtsmittelverzicht und -rücknahme
70
(3) Rechtsmitteleinlegung gegen (noch) nicht existente Urteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
71
(4) Der Schutz des Minderjährigen im Verfahren der Urteilsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
11
Inhaltsverzeichnis IH. Die Stellung des Minderjährigen im Verwaltungsverfahren
73
1. Die verfahrensrechtliche Handlungsfähigkeit als Gegenstück zur Pro-
zeßfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
74
2. Anforderungen an den Rechtsnormcharakter der öffentlich-rechtlichen Vorschriften in § 12 I NI. 2, 2. Alt. VwVfG . . . . . . . . . . . . . . . . 75 3. Problematik einer beschränkten Handlungsfähigkeit nach bürgerlichem Recht im Verwaltungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 a) Rechtsnatur und Wirksamkeit der AntragsteIlung und der Vertragserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 b) Konsequenzen aus dem gleichzeitigen Vorliegen eines Verfahrens 79 c) Möglichkeit der nachträglichen Genehmigung von unwirksamen Verfahrenshandlungen aufgrund der Einheit von Verwaltungs- und 81 Verwaltungsstreitverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
82
4. Auswirkungen der fehlenden Verfahrensfähigkeit auf die Durchführung des Verwaltungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 a) Die AntragsteIlung des Minderjährigen .................
83
b) Wirksamkeit eines gegen den Minderjährigen persönlich gerichteten Verwaltungsaktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 c) Auswirkungen der mangelhaften AntragsteIlung auf den mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
90
d) Auswirkungen auf den Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 e) Die Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts
..............
95
5. Die Bedeutung der nach öffentlichem Recht beschränkten Handlungsfähigkeit für das Verwaltungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
6. Rechts- und Vollstreckungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
IV. Der Minderjährige bei der Abgabe rein materieller Willenserklärungen.
100
V. Das Verhältnis von Handlungsfähigkeit und schlichtem Verwaltungshandeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 1. Beantragung und Abwehr schlichten Verwaltungshandelns
103
2. Rechtsgeschäftsähnliche Wissenserklärungen
105
VI. Der Zusammenhang von selbständiger Grundrechtsausübung und der Handlungsfähigkeit im Verwaltungsverfahren, im -prozeß und im Verfassungsbeschwerdeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 1. Die Bedeutung des verfassungsrechtlich gebotenen Minderjährigen-
schutzes für die Anerkennung der einfach-gesetzlichen Handlungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
12
Inhaltsverzeichnis 2. Das Erfordernis der Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
109
3. Auswirkung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Handlungsfähigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren ........ 109 4. Das Verhältnis von höchstpersönlichen Wertentscheidungen des Minderjährigen und dem Elternrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 5. Das Petitionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
c.
113
Die Stellung des Minderjährigen in den Kemgebieten des öffentlichen Rechts. 116
I. Das Gebiet der Polizei- und Ordnungsverwaltung ...... .
116
1. Die polizei- und ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit .
116
2. Versammlungsrecht ......... .
119
3. Straßenverkehrsrecht ........ .
121
a) Die Geltung der Verkehrs- und Lichtzeichen
122
b) Die Befugnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ............ 123 c) Die Zulassung eines Kraftfahrzeugs auf den Namen eines Minderjährigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 4. Gewerberecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 a) Der gewerberechtliche Zulassungsanspruch des Minderjährigen . 126 b) Die gewerberechtliche Handlungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 128 5. Ausländer- und Asylrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 a) Das Aufenthaltsrecht des Minderjährigen b) Das Asylrecht des Minderjährigen
. . . . . . . . . . . . . . . 130
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
c) Die asylrechtliche und die allgemeine ausländerrechtliche Handlungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 132 6. Staatsangehörigkeitsrecht
135
a) Die Berücksichtigung der Minderjährigkeit i. R. der Erwerbs- und Verlusttatbestände der Staatsangehörigkeit . . . . . . . . . . . . . . 135. b) Die Handlungsfähigkeit in Staatsangehörigkeitsfragen
136
11. Sonderrechtsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 1. Wehr- und Zivildienstverhältnis a) Die vorzeitige Ableistung des Grundwehrdienstes
137 .......... 137
b) Kriegsdienstverweigerung als Voraussetzung für die Ableistung des Zivildienstes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 aa) Die Auswirkungen des Art. 4 III GG auf die Rechtsstellung des Minderjährigen im Kriegsdienstverweigerungsverfahren . 140 bb) Die Rechtsstellung im Zivildienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
Inhaltsverzeichnis
13
2. Schulverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 a) Rechte und Pflichten der Schüler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 b) Die rechtliche Stellung des Schülers, insbesondere bei Konflikten mit der Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 c) Einfluß des Elternrechtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 3. Beamtenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 a) Die Begründung des Beamtenverhältnisses . . . . . . . . . . . . . .. 150 b) Rechtliche Auswirkungen einer nichtigen Beamtenernennung . .. 151 c) Die rechtliche Handlungsfähigkeit des minderjährigen Beamten im Innen- und Außenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 4. Die Nutzung kommunaler öffentlicher Einrichtungen
154
a) Die Begründung von Nutzungsverhältnissen durch Minderjährige . 155 aa) Die Rechtslage im Falle eines privatrechtlichen Benutzungsregimes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 (1) Außerachtiassung der Geschäftsfähigkeit bei Annahme eines faktischen Vertragsverhältnisses ............ 157 (2) Die Rechtsstellung des Minderjährigen im unwirksamen Benutzungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 (3) Konsequenzen für die Ausgestaltung des Leistungsverhältniss es 161 bb) Die Rechtslage im Fall eines öffentlich-rechtlichen Benutzungsregimes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 162 (1) Anforderungen an die wirksame Begründung des Benutzungsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 (a) Die Berücksichtigung der Handlungsfähigkeit in den möglichen Begründungstatbeständen .......... 162 (b) Die "Willentlichkeit" als Tatbestandsmerkmal der Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung .... 164 (c) Erfordernis einer satzungsförmigen Benutzungsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 (d) Die Haftung der Gemeinde im wirksamen Benutzungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 (e) Die Haftung des Minderjährigen im wirksamen Benutzungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 (2) Rechtsfolgen eines unwirksamen Benutzungsverhältnisses 168 (a) Die Haftung der Gemeinde gegenüber dem Minderjährigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 (b) Die Haftung des Min'derjährigen ............. 169 b) Zulässigkeit von Haftungsbeschränkungen gegenüber Minderjährigen 170
14
Inhaltsverzeichnis aa) Rechtslage im Fall eines privatrechtlichen Benutzungsregimes 170 bb) Rechtslage im Fall eines öffentlich-rechtlichen Benutzungsregimes ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 172 5. Postbenutzungsverhältnisse
174
a) Begründung von Post- und Fernmeldebenutzungsverhältnissen .. 174 aa) Die Begründung von Postbenutzungsverhältnissen, die dem PostG unterliegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 (1) Die rechtliche Bedeutung des § 8 I S. 2 PostG ....... 175 (2) Beschränkungen der postrechtlichen Handlungsfähigkeit durch das Kriterium der Einsichtsfähigkeit ......... 178 bb) Die Begründung von fernmelderechtlichen Benutzungsverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 b) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 8 I S. 2 PostG
180
aa) Der Gesichtspunkt der Selbstgefährdung . . . . . . . . . . . . . 181 bb) Auswirkung des Elternrechtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 cc) Verfassungskonforme Auslegung des § 8 I S. 2 PostG ..... 183 c) Ausgestaltung des Minderjährigenschutzes in den Postbenutzungs184 verhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schutz des Minderjährigen im Postsparkassendienst ....
184
bb) Schutz des Minderjährigen im Postgirodienst
185
........
(1) Das Euroscheck-Verfahren der DBP . . . . . . . . . . . . . 186 (2) Die Gewährung von Post-Dispokrediten (3) Ausgabe von Postschecks
.... . ....
186
...................
187
(a) Die Benutzung des Postschecks als Postbarscheck .. 187 (b) Die Verwendung von Postschecks als Zahlungsmittel 188 (4) Postüberweisungs- und Dauerauftragsverfahren ...... 189 (5) Lastschriftverfahren . . . . . . . . . . . . . . (a) Abbuchungsauftragsverfahren (b) Einzugsermächtigungsverfahren
190 190 ...... . 191
(aa) Die Auswirkung des § 8 I S. 2 PostG nach der Ermächtigungs- oder Vollmachtstheorie 191 (bb) Die Auswirkung des § 8 I S. 2 PostG nach der ........ . 192 Genehmigungstheorie (cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 (6) Ansprüche der DBP bei Überziehung eines Postgirokontos 193 (a) Der Kontoausgleichsanspruch der DBP gemäß § 12 I S. 3 PostGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 (b) Anspruch aus öffentlich-rechtlicher pVV
196
Inhaltsverzeichnis (c) Deliktsrechtliche Ansprüche
15 197
(d) Auswirkung des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 (aa) Die Stellung des Minderjährigen als Schuldner des Erstattungsanspruches im Mehrpersonenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 (aaa) Die Behandlung der "unwirksamen Weisung" in der zivilrechtlichen Dogmatik . 199 (bbb) Übertragbarkeit dieser Grundsätze auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 (a) In den "echten" Drittbeteiligungsfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
(ß) In den "unechten" Drittbeteiligungsfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 (bb) Der Einwand des schutzwürdigen Vertrauensinteresses 201 Literaturverzeichnis
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .... 203
Abkürzungsverzeichnis a.A.
anderer Ansicht
a.a.O.
am angegebenen Ort
AcP
Archiv für die civilistische Praxis
a.E.
am Ende
a.F.
alte Fassung
AFG
Arbeitsförderungsgesetz
AG
Aktiengesellschaft
AGBGB
Ausführungsgesetz zum BGB
AG PersonalausweisG
Ausführungsgesetz zum Bundesgesetz über Personalausweise
AGB-G
Gesetz über Allgemeine Geschäftsbedingungen
allg.
allgemein
ALR
Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten
Anm.
Anmerkung
AO
Abgabenordnung
ArchivPF.
Archiv für das Post- und Fernmeldewesen
Art.
Artikel
AS
Amtliche Sammlung der Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster, sowie für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein in Lüneburg
ASchO
Allgemeine Schulordnung
AsylVfG
Asylverfahrensgesetz
Aufl.
Auflage
AuslG
Ausländergesetz
AuslVwV
Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des Ausländergesetzes
Az.
Aktenzeichen
B.
Beschluß
BAföG
Bundesausbildungsförderungsgesetz
Bay., bay.
Bayern, bayerisch
BayBgm
Der Bayerische Bürgermeister
BayObLG
Bayerisches Oberstes Landesgericht
BayVBI.
Bayerische Verwaltungsblätter
BayVerfGH
Bayerischer Verfassungsgerichtshof
BayVGH
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
BB
Der Betriebs-Berater
Abkürzungsverzeichnis BBG
Bundesbeamtengesetz
BBIG
BerufsbJidungsgesetz
Bd
Band
BDO
Bundesdisziplillarordnung
BeamtVG
Beamtenversorgungsgesetz
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BGBI
Bundesgesetzblatt
BGH
Bundesgenchtshof
BGHZ
Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BGH III ZlVllsachen
BK
Bonner Kommentar
BLV
Bundeslaufbahnverordnung
BRRG
Beamtenrechtsrahmengesetz
BSG
Bundessozlalgencht
BT-Drucks.
Bundestagsdrucksache
BtMG
Betäubungsmittelgesetz
Buchholz
Sammel- und Nachschlagewerk der Rspr des BVerwG, hrsg v Buchholz
BVerfG
Bundesverfassungsgencht
BVerfGE
Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BVerfG
BVerfGG
Bundesverfassungsgenchtsgesetz
BVerwG
Bundesverwaltungsgencht
BVerwGE
Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BVerwG
DA
Dienstanweisung
DAPSpPÄ
Dienstanweisung für den Postsparkassendienst bel den Postämtern
DB
Der Betneb
DBP
Deutsche Bundespost
ders.
derselbe
Diss. Jur
Junstlsche Dissertation
DO
DIszIplinarordnung
DÖV
Die öffentliche Verwaltung
DVBI
Deutsches Verwaltungsblatt
EG
Europäische Gemeillschaft
EGBGB
Elllführungsgesetz zum BGB
EheG
Ehegesetz
Ellli
Elllieitung
ESVGH
Amtliche Sammlung der Entscheidungen des hesslschen und des baden-württemberglschen VGH
f , ff
folgende Seite, folgende Selten
FamRZ
Zeltschnft für das gesamte Familienrecht
FernmG
Fernmeldegesetz
FeuerbestG
Gesetz über die Feuerbestattung
FGG
Gesetz über Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit
2 C·R Meyer
17
18 FGO
Abkürzungsverzeichnis Finanzgerichtsordnung
FischersZ
Fischer's Zeitschrift für Verwaltungsrecht
Fn.
Fußnote
FO
Fernmeldeverordnung
GaststG
Gaststättengesetz
GebG
Gebührengesetz
gern.
gemäß
GewO
Gewerbeordnung
GG
Grundgesetz
GKÖD
Gesamtkommentar öffentliches Dienstrecht
GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GMBI.
Gemeinsames Ministerialblatt
GO
Gemeindeordnung
GoA
Geschäftsführung ohne Auftrag
GV
Gesetz- und Verordnungsblatt
GVBI.
Gesetz- und Verordnungsblatt
Halbs.
Halbsatz
HandwO
Handwerksordnung
Hess., hess.
Hessen, hessisch
Hess.StGH
Hessischer Staatsgerichtshof
HGB
Handelsgesetzbuch
HkWP
Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis
h.M.
herrschende Meinung
Hrsg., hrsg.
Herausgeber, herausgegeben
i.d.F.
in der Fassung
i.d.R.
inder Regel
InfAuslR
Informationsbrief Ausländerrecht
insbes.
insbesondere
i.R.
im Rahmen
i.S.
im Sinne
i.S.v.
im Sinne von
i.V.
im Verhältnis
i.V.m.
in Verbindung mit
JA
Juristische Arbeitsblätter
JGG
Jugendgerichtsgesetz
Jura
Juristische Ausbildung
JuS
Juristische Schulung
JW
Juristische Wochenschrift
JZ
Juristenzeitung
KAG
Kommunalabgabengesetz
KDV
Kriegsdienstverweigerung
Abkürzungsverzeichnis KDVNG
Kriegsdienstverweigerungs-N euordnungsgesetz
KG
Kammergericht
KMK
Konferenz der Kultusminister
KostO
Kostenordnung
KStZ
Kommunale Steuer-Zeitschrift
KWG
Gesetz über das Kreditwesen
LBauO
Landesbauordnung
LBG
Landesbeamtengesetz
lfde.
laufende
LG
Landgericht
LM
Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des BGH
LVO
Laufbahnverordnung
LVO Feuerwehr
Verordnung über die Laufbahn der ehrenamtlichen Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr
LVOPol
Laufbahnverordnung der Polizei
MB!.
Ministerialblatt
MDR
Monatsschrift für Deutsches Recht
MG
Meldegesetz
m.H.a.
mit Hinweis auf
MK
Münchener Kommentar zum BGB
MRK
Menschenrechtskonvention
m.w.N.
mit weiteren Nachweisen
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
Nr.
Nummer
NVwZ
Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht
NW
Nordrhein-Westfalen, nordrhein-westfälisch
nwLV
Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen
OBG
Ordnungsbehördengesetz
OLG
Oberlandesgericht
OLGZ
Entscheidungen der OLGe in Zivilsachen
OVG
Oberverwaltungsgericht
PaßG
Paßgesetz
PflVG
Pflichtversicherungsgesetz
PolG
Polizeigesetz
PostG
Postgesetz
PostGO
Postgiroordnung
PostRE
Altmannsperger, Postrecht Entscheidungen 1955 - 1985 Heidelberg, Stand Dez. 1985
PostSpO
Postsparordnung
PostVerwG
Postverwaltungsgesetz
PSpDV
Post-Spar- und Darlehensverein
2*
19
20
Abkürzungsverzeichnis
PStG
Personenstandsgesetz
pVV
positive Vertragsverletzung
RdErlaß
Runderlaß
RdJ
Recht der Jugend
Rdnr(n).
Randnummer(n)
RelKEG
Gesetz über die religiöse Kindererziehung
RettG
Gesetz über den Rettungsdienst
RG
Reichsgericht
RGRK
Kommentar zum BGB, herausgegeben von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern
RGZ
Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen
RiA
Das Recht im Amt
RPfieger
Der Deutsche Rechtspfleger
Rspr.
Rechtsprechung
RuStAG
Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz
S.
Seite, Satz (bei Rechtsnormen)
ScheckG
Scheckgesetz
SchMG SchOG
Schulmitwirkungsgesetz . Schulordnungsgesetz
SchpfiG
Schulpflichtgesetz
SchVG
Schulverwaltungsgesetz
SG
Soldatengesetz
SGb
Die Sozialgerichtsbarkeit
SGB-AT
Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil
SGB-X
Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren
SGG
Sozialgerichtsgesetz
SLV
Soldatenlaufbahnverordnung
1. StAngRegG 1. Gesetz zur Regelung der Staatsangehörigkeit
StGB
Strafgesetzbuch
StKV
Staats- und Kommunal-Verwaltung
StVG
Straßenverkehrsgesetz
StVO
Straßenverkehrsordnung
StVZO
Straßenverkehrszulassungsordnung
Tz.
Textziffer
U.
Urteil
u.U.
unter Umständen
v.
vorn, von
Var.
Variante
VerkMitt
Verkehrsrechtliche Mitteilungen
VersammlG
Versammlungsgesetz
VersR
Zeitschrift für Versicherungsrecht
Abkürzungsverzeichnis VerwArch
Verwaltungs archiv
VerwRspr.
Verwaltungsrechtsprechung
VG
Verwaltungsgericht
VGH
Verwaltungsgerichtshof
vgl.
vergleiche
VO, VOen
Verordnung, Verordnungen
Vorbem.
Vorbemerkung
VwGO
Verwaltungsgerichtsordnung
VwVfG
Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG
Verwaltungsvollstreckungsgesetz
VwZG
Verwaltungszustellungsgesetz
WBO
Wehrbeschwerdeordnung
WDO
Wehrdisziplinarordnung
WM
Wertpapier-Mitteilungen
WPflG
Wehrpflichtgesetz
ZBlJR
Zentralblatt für Jugendrecht und Jugendwohlfahrt
ZDG
Zivildienstgesetz
Zf.
Ziffer
ZIP
Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis
zit.
zitiert
ZPO
Zivilprozeßordnung
z.T.
zum Teil
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Einleitung Gegenstand der Untersuchung ist die Stellung des Minderjährigen im öffentlichen Recht. Unter den Begriff des Minderjährigen fallen im öffentlichen Recht ebenso wie im bürgerlichen Recht alle Personen, die das in § 2 BGB festgelegte Volljährigkeitsalter von 18 Lebensjahren noch nicht erreicht haben. 1 Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt gemäß § 1 BGB mit Vollendung der Geburt. Daher können die Minderjährigen unumstritten Träger von Rechten und Pflichten sein. Zweifelhaft ist jedoch, inwieweit der Minderjährige darüber hinaus aktiv und eigenverantwortlich seine Rechte wahrnehmen und seine Pflichten erfüllen kann. Diese Befähigung zu rechtlich relevantem Verhalten wird allgemein unter dem Begriff Handlungsfähigkeit zusammengefaßt. Die Frage nach der Handlungsfähigkeit stellt sich bei zwei Arten von Handlungen. Zum einen geht es um natürliche Handlungen, also z. B. um das Führen eines Kraftfahrzeugs, das Demonstrieren, das Jagen oder Schießen. Das Problem, ob diese natürliche Tätigkeit auch schon dem Minderjährigen erlaubt ist, wird zumeist durch das einschlägige Gesetz geregelt, das so die natürliche Handlungsfähigkeit festlegt. Zum anderen sind die rechtlichen Handlungen anzutreffen. Sie zeichnen sich dadurch aus, daß dem natürlichen Geschehen durch die Rechtsordnung eine zusätzliche, von der Natur allein nicht erzielte Wirkung beigelegt wird. Der Minderjährige muß also handlungsfähig sein, um mit seiner Handlung eine Rechtswirkung erzielen zu können. Während die Handlungsfähigkeit im Zivilrecht mit den §§ 104 ff., 827 f. BGB und den §§ 51, 52 ZPO umfassend geregelt ist, fehlen dem öffentlichen Recht vergleichbare Bestimmungen. Mit dem § 12 I Nr. 2 VwVfG und dem § 62 I Nr. 2 VwGO bestehen nur Teilregelungen der rechtlichen Handlungsfähigkeit, die das Verwaltungsverfahren und den Verwaltungsprozeß betreffen. Bei der Suche nach den Grundlagen der rechtlichen Handlungsfähigkeit im öffentlichen Recht richtet sich das Hauptaugenmerk auf die Minderjährigen, die das siebente, aber noch nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben. 1 Die Anwendbarkeit des § 2 BGB im öffentlichen Recht ergibt sich daraus, daß sowohl § 12 I Nr. 1 VwVfG als auch § 62 I Nr. 1 VwGO auf die Geschäftsfähigkeit i.S. des bürgerlichen Rechts verweisen.
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Einleitung
Denn das öffentliche Recht nimmt in den §§ 12 I Nr. 2 VwVfG und 62 I Nr. 2 VwGO auf die nach bürgerlichem Recht beschränkte Geschäftsfähigkeit Bezug.
Im Teil A werden zunächst die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Rechtsstellung des Minderjährigen entwickelt. Hier steht die Frage im Vordergrund, welche verfassungsrechtlichen Erwägungen eine Beschränkung der rechtlichen und natürlichen Handlungsfähigkeit rechtfertigen. Sodann gilt im Teil B das Interesse der Ausgestaltung der rechtlichen Handlungsfähigkeit. Hier geht es vor allem um die Handlungsfähigkeit im Verwaltungsverfahren und im -prozeß. Die verfassungsrechtlichen Grundlagen besitzen eine besondere Bedeutung für das Verhältnis des Minderjährigen zu seinem gesetzlichen Vertreter und für die Frage, ob die Fähigkeit zur Grundrechtsausübung in jedem Fall zur Anerkennung der rechtlichen Handlungsfähigkeit in damit verbundenen Verfahren und Prozessen führt.
Im Teil C werden einige Kerngebiete des öffentlichen Rechts daraufhin untersucht, welche Modifikationen die rechtliche und die natürliche Handlungsfähigkeit des Minderjährigen im Vergleich zu den Volljährigen erfahren haben.
A. Die verfassungsrechtliche Bindung des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der Rechtsstellung des Minderjährigen im öffentlichen Recht Bevor das einfach-gesetzliche Recht darauf untersucht werden kann, welche Rechte und Pflichten es dem Minderjährigen vermittelt und welche verfahrensmäßigen Formen der Geltendmachung von Rechten es für ihn bereithält, ist die Bedeutung des Verfassungsrechtes für die Rechtsstellung des Minderjährigen zu ermitteln. Der Zusammenhang von Verfassungsrecht und einfachem Gesetzesrecht wird deutlich, wenn man die Betätigung der natürlichen Handlungsfähigkeit (z. B. die Teilnahme an einer Versammlung) oder der rechtlichen Handlungsfähigkeit (Teilnahme an der Privatautonomie ) als selbständige Grundrechtsausübung ansieht. Die einfach-gesetzlichen Normen, die die Rechte des Minderjährigen näher eingrenzen, stellen sich dann als Schranken der grundsätzlich gewährleisteten Grundrechtsausübung dar. Eine Beschränkung der grundrechtlichen Freiheit liegt z. B. darin, daß dem Minderjährigen eine natürliche Handlung verboten ist, oder daß er bei einem Rechtsgeschäft durch seinen gesetzlichen Vertreter vertreten werden muß. Da die Fähigkeit zur selbständigen Grundrechtsausübung (verfassungsrechtliche Handlungsfähigkeit) insoweit der einfach-gesetzlichen Handlungsfähigkeit entspricht!, sind die verfassungsrechtlichen Kriterien zu entwickeln, an denen sich die Ausgestaltung der Handlungsfähigkeit im konkreten Rechtsbereich auszurichten hat. Auf Verfassungsebene geht es um das Problem, ob der Minderjährige überhaupt Träger von Grundrechten sein kann, und ob er darüber hinaus in der Lage ist, diese selbst auszuüben. Diese Fragestellung wird in der allgemeinen Diskussion mit den Begriffen Grundrechtsfähigkeit und Grundrechtsmündigkeit umschrieben. 2 Die Fähigkeit, Träger von Grundrechten zu sein, wird zumeist als eine Parallele zur Rechtsfähigkeit des bürgerlichen Rechts gemäß § 1 BGB verstanden. 3 Damit hat der Staat die Grundrechte des Minderjähri1 Ähnlich Fehnemann S. 58; Reuter, FamRZ 1969, 622 (623); vgl. aber unter B., VI. zu der Frage, ob von der selbständigen Ausübung von Grundrechten auf die rechtliche Handlungsfähigkeit in mit der Grundrechtsausübung zusammenhängenden Verfahren geschlossen werden kann. 2 Vgl. dazu allgemein: Bleckmann § 17 S. 337 ff. Zum Problem der Grundrechtsmündigkeit siehe jüngst v. Mutius, Jura 1987, 272 ff. 3 Vgl. zu der Frage, ob die Grundrechtsfähigkeit mit der Rechtsfähigkeit identisch ist oder nicht: Ablehnend: v. Münch, GG, Vorbem. zu Art. 1, Rdnr. 8 f.; zur Begründung wird angeführt, daß die Grundrechtsfähigkeit teilweise enger (Unterscheidung von
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A. Verfassungsrechtliche Bindungen des Minderjährigenrechts
gen grundsätzlich mit der Vollendung der Geburt zu achten. Grundrechtlichen Schutz genießt zwar auch das werdende Leben. Der nasciturus zählt jedoch nicht zum Begriff des Minderjährigen. Ungelöst bleibt die Frage, inwieweit der Minderjährige zur selbstverantwortlichen Grundrechtsausübung in der Lage ist. 4 Die inhaltliche, grundrechtsbezogene Handlungsfähigkeit besitzt eine wesentliche Bedeutung in dem Dreiecksverhältnis zwischen Staat, Minderjährigem und Eltern. 5 In dem Verhältnis zwischen Minderjährigem und Staat geht es darum, inwieweit der Staat die eigenständigen Entscheidungen des Minderjährigen anerkennen muß, die in der selbständigen Grundrechtsausübung liegen. Die Beziehung zwischen Minderj ährigem und Eltern ist von der Frage geprägt, in welcher Weise sich das elterliche Erziehungsrecht auf das Selbstbestimmungsrecht des Minderjährigen auswirkt. Zuletzt darf nicht unberücksichtigt bleiben, daß jede Teilmündigkeit, die der Staat dem Minderjährigen gewährt, einen Einschnitt des Staates in das Elternrecht darstellt. Da sich die Grundrechte grundsätzlich nur gegen den Staat richten 6 , eine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte mithin abzulehnen ist?, muß die Frage der Grundrechtsmündigkeit im Verhältnis zum Staat und die Überlagerung dieses Verhältnisses durch das nach Art. 611 S. 1 GG geschützte Elternrecht auf unterschiedlichen Ebenen behandelt werden. 8
Menschen- und Deutschenrechten) und teilweise weiter (Grundrechtsfähigkeit des nasciturus) sei, als die Rechtsfähigkeit. Befürwortend: Fehnemann S. 20 ff., die darauf hinweist, daß sich das Problem der Erweiterung und Verengung der Rechtsfähigkeit sowohl auf einfach-gesetzlicher als auch auf grundrechtlicher Ebene stellt. 4 Die Unterscheidung von "Haben" und "Ausüben" eines Grundrechts läßt sich aber nicht durchführen, wenn das Grundrecht den Willen des Kindes als solchen schützt. Vgl. dazu Stein S. 20, 34; Reuter, FamRZ 1969,622 (623); Roell S. 17 ff. So ist die Ausübung der Versammlungs- und Meinungsfreiheit einer Fremdbestimmung nicht zugänglich. Der Minderjährige, der sich eine Meinung gebildet hat, ist in Bezug auf Art. 5 I GG inhaltlich voll handlungsfähig. Vgl. Franke S. 18. Die Eltern können dann nur zur Durchsetzung des Kindeswillen beitragen. So Stein a.a.O.; ähnlich Roell a.a.O., die die Eltern zur gerichtlichen Verfolgung von Grundrechtsverletzungen hinzuziehen will. 5 Träger des Elternrechts i.S.v. Art. 6 11 GG sind die Eltern im Rechtssinn (vgl. MaunzlDürig, Band I, Art. 611 Rdnr. 25), also nicht nur die leiblichen Eltern, sondern z. B. auch die Adoptiveltern. Vgl. dazu BVerfGE 24,119 (150). Vormündern und Pflegern steht das Elternrecht weder im naturrechtlichen noch im verfassungsrechtlichen Sinn zu. Vgl. zum Vormund BVerfGE 10, 302 (328); im übrigen Maunz/Dürig a.a.O., Rdnr. 26; E. v. Münch in v. Münch, GG, Art. 6 Rdnr. 21. Auch die Pflegeeltern i.S. des § 1630 III BGB sind keine Inhaber des Elternrechts. Vgl. E. v. Münch, a.a.O. 6 Als Ausnahme ist Art. 9 II! S. 2 GG anzusehen. 7 Vgl. zur mittelbaren Grundrechtsgeltung unter Privaten v. Münch, GG, Vorbem. Rdnr. 28 ff.; Bleckmann § 10 V. S. 152 ff.; BVerfGE 7,198; 30,173 (199). 8 Wie hier Roell S. 23 f., ähnlich Fehnemann, RdJ 67,281 (286); Franke S. 16.
I. Einschränkung der Handlungsfähigkeit im Verhältnis zum Staat
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I. Einschränkung der natürlichen und rechtlichen Handlungsfähigkeit im Verhältnis zum Staat Beschränkungen der selbständigen Grundrechtsausübung könnten sich aufgrund der fehlenden Reife des Minderjährigen ergeben. Zu denken ist auch an die drohende Selbstgefährdung des Minderjährigen und den Schutz der Allgemeinheit, falls mit der Grundrechtsausübung Gefahren verbunden sind. Weiterhin ist darauf hinzuweisen, daß die Gewährung von eigenständigen Rechtsausübungsbefugnissen des Minderjährigen an den Erfordernissen des elterlichen Erziehungsrechtes gemessen werden muß.
1. Das Kriterium der Einsichtsfähigkeit Nach überwiegender Meinung ist die selbständige Grundrechtswahrnehmung an das Vorhandensein der dazu nötigen natürlichen Fähigkeiten geknüpft.! Danach soll ein Minderjähriger ein Grundrecht erst dann selbständig ausüben können, wenn er über die dazu nötige Reife und Einsichtsfähigkeit verfügt. Diese Grundrechtsmündigkeit sei als eine ungeschriebene, persönliche Gewährleistungsschranke auf Verfassungsebene anzusehen. 2 Gegen die Einführung der Verstandesreife als verfassungsrechtlich gebotene Voraussetzung für die selbständige Ausübung eines Grundrechtes erheben sich Bedenken. Das Grundgesetz stellt mit Art. 3811 S. 1 GG zwar eine Altersgrenze auf und weist in einzelnen Bestimmungen auch auf das Erfordernis des Jugendschutzes hin. 3 Es enthält darüber hinaus aber kein Kriterium der Verstandesreife, so daß sich eine solche Schranke nicht aus der Verfassung herleiten läßt. 4 Außerdem schützen die Grundrechte schon die potentielle Fähigkeit zur freien Entscheidung, so daß es nicht darauf ankommen kann, ob der einzelne zur Grundrechtsausübung in der Lage ist. 5 Soweit der Grundrechtsträger geistig oder körperlich nicht fähig ist, das Grundrecht auszuüben, so kann darin keine besondere verfassungsrechtliche Schranke gesehen werden. Dringt der Grundrechtsträger mit seiner Handlung nicht in einen grundrechtlich geschützten Bereich vor, so liegt keine Ausübung des in Rede stehenden Grundrechts vor. 6 Diese Überlegung soll an einem Beispiel verdeutlicht werden. Wird ein Kind im Vorschulalter von seinen Eltern zu einer Demonstration mit genom1 Seifert/Hömig Vorbem. Art. 1 Rdnr. 9; Dürig in MaunzlDürig, Bd. II, Art. 19 III Rdnr. 16; Schwerdtner, AcP 173, 227 (228). 2 Vgl. dazu Wipfelder, BayVBI. 1981,457 (460). 3 Vgl. die Art. 5 II, 11 II, 13 III GG. 4 Perschel S. 85; Höhnberg S. 89. 5 So Kuhn S. 40 m.w.N. in Fn. 33; im Anschluß daran Roell S. 37. 6 So jetzt auch Hühm, NJW 1986, 3107 (1311 f.).
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A. Verfassungsrechtliche Bindungen des Minderjährigenrechts
men, so kann nicht davon ausgegangen werden, daß es seine Anwesenheit als Mittel geistiger Kundgabe begreift. Infolgedessen übt es durch seine Anwesenheit nicht das Versammlungsrecht aus.?
2. Die Gefahren bei der Grundrechtsausübung Eine Einschränkung der Grundrechtsausübung kann schon eher aus der Überlegung hergeleitet werden, daß es Aufgabe des Staates sein muß, die Allgemeinheit und den Minderjährigen selbst vor Gefahren zu schützen, die mit der selbständigen Grundrechtsausübung verbunden sind. Wirft der jugendliche Demonstrant eine Scheibe ein, oder verletzt er durch seine Äußerungen in jugendlicher Direktheit die Ehre Dritter, muß der Schutz der Allgemeinheit gewährleistet werden,s Aber auch dazu ist es nicht nötig, die Grundrechtsausübung auf Verfassungsebene zu beschränken. Wenn der Minderjährige in ehrverletzender Weise von seiner Meinungsfreiheit Gebrauch macht, so verwirklicht er damit die Schranke des Rechtes der persönlichen Ehre, so daß er schon insoweit den Schutzbereich des Art. 5 I GG verläßt. 9 Schutz vor Schäden, die mit der Wahrnehmung von Grundrechten einhergehen und ihre Verfolgung und Regulierung, können auch durch einfach-gesetzliche Normen gewährleistet werden. Als solche sind die Haftung der Aufsichtspflichtigen gemäß § 832 BGB und des Minderjährigen selbst gemäß § 82ß 11 BGB anzusehen. Die strafrechtliche Verfolgung wird durch seine Verantwortlichkeit nach dem JGG gesichert. lO Daneben ist auch noch auf die Möglichkeit der polizei- und ordnungsrechtlichen Inanspruchnahme der Minderjährigen bzw. der Aufsichtspflichtigen hinzuweisen. 11 Fraglich ist jedoch, wie der Selbstgefährdung des Minderjährigen, die sowohl bei natürlichem Handeln 12 als auch bei rechtsgescMftlichem Handeln 13 7 Ähnlich Kirchhof S. 177, der darauf hinweist, daß ein Freiheitsrecht noch nicht die reale subjektive Fähigkeit vermittele, das Recht in Anspruch zu nehmen. 8 Vgl. zu dieser Überlegung: Kuhn S. 38 ff.; Roell S. 38 ff. 9 Vgl. auch das BVerfG in NJW 1982, 1375 (1377): "Das Kind hat aus Art. 2 I GG ein Recht auf eine möglichst ungehinderte Entfaltung seiner eigenen Persönlichkeit, das aIIerdings den in dieser Verfassungsbestimmung genannten Eingrenzungen unterliegt. " 10 Darauf weisen Kuhn a.a.O. und Roell a.a.O. hin. 11 Vgl. zur polizei- und ordnungsrechtlichen Verantwortlichkeit des Minderjährigen unter c., 1., 1. 12 Z. B. beim Führen eines Kraftfahrzeuges. 13 Ein Minderjähriger verzichtet auf einen ihm zustehenden Schadensersatzanspruch.
I. Einschränkung der Handlungsfähigkeit im Verhältnis zum Staat
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möglich ist, zu begegnen ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß der Minderjährige auch bei der Möglichkeit der Selbstgefährdung in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht von der Grundrechtsausübung ausgeschlossen ist. Die beschränkten natürlichen Fähigkeiten und die fehlende Reife in rechts geschäftlicher Hinsicht führen dazu, daß der Gesetzgeber in Ausfüllung des ihm eigenen Gestaltungsspielraumes verpflichtet ist, einen ausreichenden Minderjährigenschutz zu gewähren. Diese Verpflichtung ist in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus dem objektiv-rechtlichen Gehalt der Grundrechte herzuleiten.1 4 Danach trifft den Gesetzgeber die Pflicht, sich schützend vor die grund rechtlich garantierten Rechtsgüter zu stellen. Diese Schutzpflicht hat das Bundesverfassungsgericht bei Minderjährigen in anderem Zusammenhang ausdrücklich anerkannt. Danach folgt die Pflicht des Staates, die Pflege und Erziehung des Kindes sicherzustellen, in erster Linie daraus, "daß das Kind als Grundrechtsträger selbst Anspruch auf den Schutz des Staates hat" .15 Keine Schwierigkeiten bereiten hier die natürlichen Handlungen. Soweit die Unreife und Unfertigkeit einer Tätigkeit entgegensteht, so kann sie verboten werden.1 6 Die Mindestanforderungen an den Schutz in rechtsgeschäftlicher Hinsicht sind jedoch nur schwierig zu ermitteln. Auf verfassungsrechtlicher Ebene, werden bei der Gewährung der Handlungsfähigkeit nur folgende Begrenzungen zu beachten sein. Zum einen dürfen die rechtsgeschäftlichen Handlungen, die in den Schutzbereich der Grundrechte fallen, nicht über Gebühr eingeschränkt werden. Denn der Gesetzgeber bleibt bei der Ausgestaltung des einfachen Gesetzesrechts über Art. 1 III GG an die grundgesetzliehe Garantie gebunden. Zum anderen trifft den Staat aber auch die Pflicht, den Minderjährigen bei der Teilnahme an der durch Art. 2 I GG gewährleisteten Privatautonomie zu schützen. 17 Dabei spielt es keine Rolle, ob mit dieser Pflicht des Staates ein subjektiver Anspruch des Betroffenen korrespondiert oder nicht. 18 Der Gesetzgeber bleibt in jedem Fall verpflichtet, Normen zu unterlassen, die es dem Minderjährigen ermöglichen könnten, sich finanziell zu ruinieren. 19 Problematisch ist 14 Vgl. zur Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten BVerfGE 39,1 (42); 46, 160 (164); 49, 89 (142); 53, 30 (57). Vgl. auch BVerfG NJW 1986, 3129 f. 15 So BVerfGE 24, 119 (144). Vgl. auch BVerfG NJW 1986, 3129. 16 Vor Vollendung des 18. Lebensjahres ist das Führen eines KFZ gemäß § 7 I Nr. 1 StVZO verboten. 17 Vgl. Ehlers, JZ 1985, 675 (676). 18 Siehe dazu Hesse Rdnr. 350; Schwabe, NVwZ 1983, 523 (524), sieht z. B. keine positive Ausgestaltungspflicht des Gesetzgebers, sondern dem klassischen Grundrechtsverständnis folgend, lediglich die Pflicht Normen zu unterlassen, die "Gefahren für Grundrechtsschutzgüter mit sich bringen". 19 Vgl. Ehlers a.a.O. Vgl. dazu jetzt auch das BVerfG NJW 1986, 1859 ff.
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A. Verfassungsrechtliche Bindungen des Minderjährigenrechts
jedoch, wie im Einzelfall die Grenze dieses verfassungsrechtlichen Mindestschutzes bestimmt werden kann. Während auf dem Gebiet des Zivilrechts mit den Vorschriften der §§ 104 ff. BGB und der Überwachung der elterlichen Sorge gemäß den §§ 1666, 1643, 1822 BGB umfassende Regelungen bestehen, fehlen im öffentlichen Recht vergleichbare Normen. Daher könnte man es in Erwägung ziehen, die Vorschriften der §§ 104 ff. BGB, als Fundamentalprinzip unserer Rechtsordnung, immer dann subsidiär anzuwenden, wenn in dem jeweiligen Rechtsbereich keine konkreten Regelungen zum Schutz der Minderjährigen bestehen. Die §§ 104 ff. BGB würden soweit korrigierend eingreifen, wie es der erforderliche Schutz gebietet. 2o Eine solche Auslegung wäre jedoch als ein Verstoß gegen die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers anzusehen 21, der je nach dem Maß der zu besorgenden Selbstgefährdung der Minderjährigen unterschiedliche Regelungen treffen kann. 22 Der Gesetzgeber verfügt dabei über einen weiten Ermessensspielraum. Nur soweit eine Gefährdungslage für den Minderjährigen besteht, die sowohl im Zivilrecht als auch im öffentlichen Recht anzutreffen ist, muß sich der Gesetzgeber bei seiner Entscheidung an Art. 3 I GG messen lassen. 23 Läßt sich daher bei einer solchen gleichen Interessenlage kein sachlich einleuchtender Grund für einen unterschiedlichen Minderjährigenschutz finden, so ist der gesetzgeberische Ermessensspielraum verletzt. Ausgehend vom starken zivilrechtlichen Minderjährigenschutz kann in diesen Fällen die Frage so gestellt werden, welche Eigenart des öffentlichen Rechts eine Abweichung davon gerechtfertigt erscheinen läßt. Insoweit ist zwar für die Bestimmung der Mindestanforderungen im Hinblick auf den Minderjährigenschutz keine feste Grenze ähnlich der Altersstufen im Zivilrecht gefunden worden. Mit den umfangreichen zivilrechtlichen Minderjährigenschutzvorschriften liegt jedoch ein Vergleichsmaßstab vor, mit dessen Hilfe sie im Einzelfall gewonnen werden können. Öffentlich-rechtliche Normen, die eine zu große Selbstgefährdung des Minderjährigen ermöglichen und damit den Mindestanforderungen nicht gerecht werden, können dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit nur durch eine verfassungskonforme Auslegung entgehen.
20 Canaris, Lücken, S. 104; Gitter in MK Vorbem. § 104 Rdnr. 103; ablehnend Jauernig, NJW 1972, 1 (5). 21 Vgl. zur Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers BVerfGE 12, 326 (337 f.); 12, 341 (348); 49, 260 (271); 18, 121 (124). 22 BVerwG JZ 1985, 675; Ehlers, a.a.O. 23 Vgl. zur Pflicht des Gesetzgebers im Hinblick auf die Systemgerechtigtkeit Degenhardt S. 79 ff.
H. Handlungsfähigkeit und Elternrecht
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Auf jeden Fall ist die Beschränkung der rechtlichen Handlungsfähigkeit unter dem Gesichtspunkt der Selbstgefährdung verfassungsrechtlich zulässig und teilweise geboten. 24
3. Auswirkungen des elterlichen Erziehungsrechtes auf die selbständige Grundrechtsausübung Die selbständige Ausübung von Kindesgrundrechten unterliegt iVl Verhältnis zum Staat weiterhin Beschränkungen, die sich als Reflex des Elternrechtes ergeben. Erkennt der Staat eine vom Minderjährigen getroffene Entscheidung an25 , wird dadurch das Erziehungsrecht und damit die konkrete Einwirkungsmöglichkeit der Eltern beschränkt.26 Die Maßnahme, die für den Minderjährigen eine Erweiterung seiner Handlungsfähigkeit bedeutet, kann sich damit für die Eltern als Grundrechtseingriff darstellen. Damit darf das Erziehungsrecht nicht durch die Anerkennung von Teilmündigkeiten ausgehöhlt werden.27 Der Staat muß daher ein Erziehungsrecht und einfach-gesetzliche Handlungsfähigkeitsnormen schaffen, die sowohl den Kindesgrundrechten als auch dem Elternrecht gerecht werden. 28
11. Einschränkung der natürlichen und rechtlichen Handlungsfähigkeit im Verhältnis zum Elternrecht gemäß Art. 6 11 S. 1 GG Damit kommt dem Innenverhältnis von Eltern und Kind im Hinblick auf die Einschränkung der natürlichen und rechtlichen Handlungsfähigkeit eine wesentliche Bedeutung zu. Das Elternrecht i.S.v. Art. 6 II GG ist ein staatsgerichtetes Grundrecht und schützt die Erziehungs- und Pflegeposition der Eltern gegenüber den Kindern vor Eingriffen des Staates.! Es wird durch Art. 6 II S. 1 GG ausdrücklich als natürliches Recht anerkannt. Der Staat verleiht das Elternrecht also nicht, 24 So ausdrücklich auch Kuhn S. 54; vgl. auch Kirchhof S. 177. Danach beauftragt das Grundgesetz den Gesetzgeber, die Eigenheiten des Kindes als eine reale Ungleichheit zu beachten. 25 Z. B. die Wahl des religiösen Bekenntnisses gemäß § 5 ReIKEG. 26 Die einzelne Regelung ist daher auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 6 H S. 1 GG hin zu überprüfen. So z. B. in BVerfG NJW 1982,1375 (1377) oder VGH Mannheim NJW 1985, 2965. 27 Die Gesamtverantwortung der Eltern dauert an, solange die Erziehungspflicht gemäß Art. 6 H GG besteht - vgl. Kirchhof S. 179. Auch mit der Religionsmündigkeit erlischt das elterliche Erziehungsrecht auf religiösem Gebiet nicht schlechthin - vgl. BVerwG DVBI. 1984,268. 28 Vgl. Kirchhof S. 180. 1 Vgl. Böckenförde S. 59 m.w.N. in Fn. 26.
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A. Verfassungsrechtliche Bindungen des Minderjährigenrechts
sondern sieht es als vorgegeben an. 2 Gemäß Art. 6 II S. 2 GG beschränkt sich die Aufgabe des Staates darin, über die Ausübung des elterlichen Erziehungsrechtes zu wachen. Daraus wird deutlich, daß die Eltern grundsätzlich den Vorrang vor allen anderen Erziehungsträgern genießen. 3 Da sich die Kindesgrundrechte ebenfalls nur gegen den Staat richten, kann man der Verfassung selbst keine Entscheidung entnehmen, wann die selbständige Grundrechtsausübung der Kinder zugunsten des Elternrechtes endet. 4 Da die Grundrechte zwischen Privaten lediglich mittelbar gelten, kann es auch nicht zu einer Grundrechtskollision von Eltern und Kindern kommen. 5 Von der Verfassung kann die gewünschte Feinabstimmung nicht erwartet werden. 6 Auf Verfassungsebene läßt sich eine Beschränkung des Elternrechtes auch nicht daraus herleiten, daß der Minderjährige in einem besonderen Pflichtenkreis wie der Schule steht.? Der Minderjährige ist auch dann der elterlichen Erziehungsverantwortung noch nicht entwachsen, da diese bis zum Eintritt der Volljährigkeit noch andauert. Ebenso ist aus der Verfassung nicht zu ersehen, daß das Erziehungsrecht der Freiheit des Kindes grundsätzlich vorgeht.8 Der mögliche Interessengegensatz zwischen Eltern und Kindern läßt sich auch nicht mit der Begründung leugnen, daß das Elternrecht nicht gegen die Kinder gerichtet sei, sondern gerade im Interesse der Kinder bestehe. 9 Das gleiche gilt für die These, daß die anthropologisch vorgegebene Schutzund Erziehungsbedürftigkeit durch bevormundende Fürsorge ausgeglichen werde. 10 Fraglich bleibt, wie Konfliktfälle zu lösen sind, in denen die Ausübung des Grundrechtes durch den Minderjährigen und die Wahrnehmung des ElternVgl. Böckenförde S. 69 f. Siehe dazu: BVerfGE 24, 119 (143); BVerfG NJW 1985, 1375 (1377). Vgl. auch Böckenförde S. 75; Erichsen, Elternrecht, S. 49 f. 4 Vgl. OVG Rheinland-Pfalz DÖV 1981, 586 (587); Stein S. 28 f. 5 Stein, S. 29; ebenso Franke S. 16 und v. Münch, GG, Vorbem. Art. 1 Rdnr. 14. Dagegen hat das BayObLG FamRZ 1985, 737 (738) m. H. a. BayObLG FamRZ 1984, 1259 ff. in einem Herausgabeverfahren nach § 33 II FGG (Rückführung einer 15jährigen Türkin zu ihren Eltern in die Türkei) zu Unrecht einen Fall der Grundrechtskollision angenommen. Das Gericht war i.R. seiner Entscheidung aber verpflichtet, sowohl die Belange des Elternrechts als auch das Selbstbestimmungsrecht der jungen Türkin zu berücksichtigen. Vgl. auch die Besprechung von Hohloch in JuS 1986, 234 f. 6 Darauf weist Diederichsen in FamRZ 1978, 461 (462) hin. 7 Diesen Vorschlag macht Krüger, FamRZ 1956, 329 (332). 8 So aber Wipfelder, BayVBI. 1981,457 (461). 9 Vgl. dazu Dürig in MaunzlDürig, Bd. 11, Art. 19111 Rdnr. 21 f.; v. Münch, GG Vorbem. Rdnr. 14; ähnlich BVerfG NJW 1982, 1375 (1377). 10 Höhnberg S. 70; auch wenn die elterlichen Rechte ihre Rechtfertigung allein im Bedürfnis des Kindes nach Schutz und Hilfe finden (so BVerfG NJW 1986, 1859 (1860)), können konträre Ansichten im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden. 2
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H. Handlungsfähigkeit und Elternrecht
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rechtes aufeinanderprallen.1 1 Als Beispiel für einen solchen Konflikt kann die Situation im Versammlungsrecht dienen. Der Minderjährige möchte an einer Demonstration teilnehmen, die sich gegen die Raketenstationierung, gegen Atomkraftwerke oder gegen die Abtreibungspraxis richtet. Seine Eltern verweigern ihm jedoch die Erlaubnis, weil ihnen z. B. das jeweilige Anliegen politisch mißfällt oder weil sie aufgrund etwaiger Krawalle (angekündigte Gegendemonstration) um Leben oder Gesundheit ihres Kindes fürchten. Bei der Problemlösung ist von der Intention auszugehen, die mit der Anerkennung des Elternrechts verbunden ist. Die Rechte und Pflichten, die den Eltern aufgrund von Art. 611 S. 1 GG zustehen, werden ihnen nicht um ihrer selbst willen zugestanden, sondern sie sind bei der Ausübung des Erziehungsrechtes materiell an das Wohl ihrer Kinder gebunden. 12 Maßnahmen der Eltern, die sich nicht mehr am Kindeswohl orientieren, sind daher nicht vom Elternrecht gedeckt. Die Eltern verlassen damit ihren erzieherischen Gestaltungsspielraum. Damit stellt sich die Frage, wie das Kindeswohl definiert werden kann. Unklar ist ebenfalls, wer das Recht hat, das Kindeswohl im konkreten Einzelfall festzulegen. Weiterhin ist zu klären, welche Abwehrmöglichkeiten der Minderjährige gegen rechtswidrige Erziehungsrnaßnahmen hat.
1. Definition des Kindeswohls Die Definition des Begriffes "Kindeswohl" fiele leicht, wenn dem Grundgesetz Anhaltspunkte für ein Erziehungsziel entnommen werden könnten, das seinerseits auf das Kindeswohl ausgerichtet wäre. Auch ein Überschreiten des Elternrechts ließe sich dann relativ einfach feststellen. Dieses läge immer schon dann vor, wenn die einzelne Maßnahme gegen das Erziehungsziel des Grundgesetzes verstoßen würde. Die Bestimmung eines solchen abstrakten Erziehungszieles macht jedoch Schwierigkeiten. Zum einen wird im Schrifttum ein eher formelles Erziehungsziel in den Vordergrund gestellt. Danach ist die Erziehung so zu gestalten, "daß sie die Fähig11 Vgl. zu dieser Fragestellung Roe11 S. 50 f.; ausführlich Kuhn S. 59 ff., der die Auswirkungen des Elternrechts auf jedes einzelne Grundrecht untersucht. Siehe auch v. Mutius, a.a.O., der eine flexible, individuelle und situationsbedingte Interpretation der koexistierenden Rechte fordert. 12 Vgl. Roe11 S. 51; Höhnberg S. 73; Schwerdtner, AcP 173, 227 (248). Das Elternrecht kann nur insoweit als eigennützig definiert werden, wie die Pflege und Erziehung eines Kindes auch den Eltern die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung und Daseinserfüllung bietet. Vgl. dazu Erichsen, Elternrecht, S. 32. Auch das BVerfG betont die Bindung des Elternrechts an das Kindeswohl (vgl. NJW 1982, 1375 (1377» und bezeichnet diese Bindung als die oberste Richtschnur der elterlichen Pflege und Erziehung (vgl. BVerfGE 60, 79 (88».
3 C.-R. Meyer
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A. Verfassungsrechtliche Bindungen des Minderjährigenrechts
keit des Kindes zur Selbstentscheidung und Selbstverantwortung, die mündige Persönlichkeit erreicht".13 Diese Überlegung findet sich in der Argumentation des Bundesverfassungsgerichts wieder .14 "Das Elternrecht dient als pflichtgebundenes Recht dem Wohl des Kindes; es muß seinem Wesen und Zweck nach zurücktreten, wenn das Kind ein Alter erreicht hat, in dem es eine genügende Reife zur selbständigen Beurteilung der Lebensverhältnisse und zum eigenverantwortlichen Auftreten im Rechtsverkehr erlangt hat." Zum anderen wird die Frage diskutiert, ob dem Grundgesetz darüber hinaus auch materielle Erziehungsziele zu entnehmen sind. Im Gegensatz zu den meisten Länderverfassungen 15 enthält das Grundgesetz keine vorformulierten Erziehungsinhalte. Daran wird deutlich, daß der Verfassungsgesetzgeber ausdrücklich den Vorrang der Erziehungsverantwortung der Eltern gegenüber staatlichen Eingriffen anerkennen wollte. Es kann jedoch nicht zweifelhaft sein, daß der Staat es nicht tolerieren kann, wenn die Eltern ihre Kinder verwahrlosen lassen oder zu Kriminellen oder Anarchisten erziehen. Sonst würde das Positive in der Anerkennung des Erziehungsvorranges der Eltern, daß nämlich die Kinder die beste und aufopferungsvollste Erziehung von ihren eigenen Eltern erwarten können, in sein Gegenteil verkehrt. Daher wird versucht, zumindest das Menschenbild des Grundgesetzes als Erziehungsdirektive herauszuarbeiten, um damit die nötige Begrenzung des Elternrechts vorzunehmen. 16 Folgt man dieser Überlegung, dann hätten die Eltern i.R. ihrer Erziehung die menschliche Würde des Kindes zu achten und dessen Recht auf die freie Entwicklung der Persönlichkeit. 17 Die Grundrechte des Kindes würden dann die Eltern mittelbar berühren, in dem sie den Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Erziehungsrechtes binden. 18 Bei der Ausgestaltung des Erziehungsrechtes nähme der Staat eine Schutzfunktion bzgl. der Kindesgrundrechte ein, die mit der Ausübung des Wächteramts gemäß Art. 6 II S. 2 GG wirksam wird.
So Böckenförde S. 65, 106; Schmitt-Kammler S. 27. Vgl. dazu BVerfG NJW 1982, 1375 (1378). 15 Vgl. Art. 7 I nw LV: Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor der Würde des Menschen, Bereitschaft zum sozialen Handeln. Weitere Beispiele in Art. 711 nw LV. Wegen des Vorranges des Grundgesetzes können die angeführten Vorschriften der Landesverfassungen keine normative Wirkung entfalten. Vgl. dazu Böckenförde S. 67. So verstößt z. B. eine atheistische Erziehung in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht gegen das Kindeswohl. 16 Ossenbühl, Erziehungsrecht, S. 56; Erichsen, Elternrecht, S. 41 f. 17 Vgl. Erichsen a.a.O. Die in Art. 7 I, 11 nw LV genannten Erziehungsziele lassen sich als Versuch begreifen, das Menschenbild des Grundgesetzes näher zu konkretisieren. 18 Vgl. Ossenbühl a.a.O.; Erichsen a.a.O. S. 44; Kirchhof S. 176. 13 14
H. Handlungsfähigkeit und Elternrecht
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Diese Festlegung auf das Menschenbild des Grundgesetzes könnte jedoch eine unangemessene Einschränkung des Elternrechts darstellen. 19 Dagegen spricht, daß mit dem Menschenbild des Grundgesetzes die Vermittlung einer jeden weltanschaulichen Position in Einklang steht, die selbst grundrechtlich geschützt ist. 20 Da das Grundgesetz auf kein bestimmtes Persönlichkeitsbild festgelegt ist, können die Eltern jedes Erziehungsziel wählen, das sich als der Verfassung entsprechende Entfaltung der Persönlichkeit darstellt. Sie können ihr Kind zu beruflicher Tüchtigkeit erziehen oder auf ein alternatives Leben vorbereiten. 21 Innerhalb dieser verfassungskonformen Erziehungsziele können die Eltern bestimmen, was sie als Wohl des Kindes ansehen. Diese Ermächtigung wird teilweise als Erziehungsprimat der Eltern angesehen. 22 Sie wird weiterhin als ein Beurteilungsspielraum interpretiert, der den Eltern zur Festsetzung des unbestimmten Begriffes "Kindeswohl" eingeräumt ist. 23 Nach anderer Ansicht steht den Eltern ein Ermessen bei der Ausfüllung des Begriffes Kindeswohl zu. 24 Wie man diese Bestimmungsmöglichkeit auch umschreibt, "die Eltern können grundsätzlich frei von staatlichen Einflüssen nach eigenen Vorstellungen darüber entscheiden, wie sie die Pflege und Erziehung ihrer Kinder gestalten und damit ihrer Elternverantwortung gerecht werden wollen" .25
2. Konsequenzen für die Möglichkeit der Selbstbestimmung des Minderjährigen Trotz des Erziehungsvorranges der Eltern gegenüber dem Staat unterliegt das Elternrecht Bindungen. Fraglich ist, wie sich diese Bindungen des Elternrechtes auf das Recht des Minderjährigen zur Selbstbestimmung auswirken. Das formelle Erziehungsziel der Hinführung zur Mündigkeit läßt die Entscheidungsbefugnis des Minderjährigen in dem Maß wachsen, wie die SelbstDiese Auffassung vertritt Schmitt-Kammler S. 23. Vgl. Erichsen a.a.O. S. 42. 21 Siehe zu diesen Beispielen Erichsen a.a.O. 22 Vgl. Ossenbühl a.a.O. S. 53. 23 So Böckenförde, Diskussionsbeitrag in: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche, S. 127. 24 Vgl. Erichsen a.a.O. S. 43. 25 So ausdrücklich das BVerfG BVerfGE 60, 79 (88). Ob sich das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern als Herrschaftsverhältnis begreifen läßt, ist umstritten. Befürwortend: Böckenförde S. 60; ablehnend: Stein S. 29; Becker S. 40; Roell S. 49. Man wird nicht leugnen können, daß die Eltern i.V. zum Kind i.d.R. die abschließende Entscheidungsbefugnis besitzen. Darin wird man eine Form von Herrschaft sehen können. So auch Erichsen, Elternrecht, S. 32. Die Eltern haben aber keinen eigennützigen Machtanspruch gegenüber ihren Kindern, da diese nicht ihr Rechtsobjekt sind. Eine andere Auslegung wäre mit der Würde des Menschen unvereinbar. Vgl. dazu BVerfG NJW 1986, 1859 (1860). 19
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A. Verfassungsrechtliche Bindungen des Minderjährigenrechts
bestimmungsfähigkeit die Erziehungsbedürftigkeit überwiegt. Gerade höchstpersönliche Rechte soll der schon urteilsfähige Minderjährige eigenverantwortlich wahrnehmen können. 26 Dieser Tatsache kann der einfach-gesetzliche Gesetzgeber dadurch Rechnung tragen, daß er Teilmündigkeitsregelungen erläßt, die eine Vorverlegung der rechtlichen Handlungsfähigkeit mit sich bringen. Jede Teilmündigkeitsregelung ist der Abwägung zwischen Selbstbestimmungsfähigkeit und Erziehungsbedürftigkeit zu unterziehen. Nur so kann sichergestellt werden, daß die Eltern ihrer, bis zur Volljährigkeit der Kinder andauernden, erzieherischen Verantwortung überhaupt gerecht werden können. Eine verfrühte und zu weite Ausgliederung von Teilmündigkeitsbereichen aus dem Erziehungsverhältnis würde den Vorrang der Eltern bei der Kindeserziehung gefährden und damit gegen Art. 6 II GG verstoßen. 27 Ein Eingriff der Eltern in die selbständige Grundrechtsausübung des Kindes ist dann nicht gerechtfertigt, wenn ihnen nachgewiesen werden kann, daß sie das oben umrissene Kindeswohl mißachtet haben. 28 Dabei ist zu berücksichtigen, daß Verbote, die nur den Zweck haben, den Minderjährigen in Unmündigkeit zu halten, gegen das Kindeswohl verstoßen. So werden die Eltern gemäß § 1626 II BGB dazu angehalten, bei der Pflege und Erziehung die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem, verantwortungsbewußtem Handeln zu berücksichtigen, Fragen der elterlichen Sorge zu besprechen und zu einem Einvernehmen zu kommen. Da die Eltern aufgrund ihres Erziehungsprimates ein positives Erziehungsziel verfolgen können, umfaßt ihr Erziehungsrecht mehr als nur den Ausgleich der Schutzbedürftigkeit des Minderjährigen. 29 Es verbleibt daher bei der abschließenden Entscheidungsbefugnis der Eltern, wenn es zu keiner Einigung mit dem Kind kommt. 3o Eine Verletzung der in § 1626 II BGB niedergelegten Verpflichtung der Eltern kann jedoch im Rahmen der Überwachung der elterlichen Sorge gemäß § 1666 I BGB berücksichtigt werden. 31 Vgl. BVerfG in NJW 1982, 1375 (1378). Ähnlich Kirchhof S. 179. 28 Das Spannungsverhältnis von Selbstbestimmungsrecht und Elternrecht wird damit auf die einfach-gesetzliche Ebene des Erziehungsrechtes herabtransformiert. Vgl. Ossenbühl a.a.O. S. 55 m.w.N. in Fn. 59; ihm folgend Roell S. 52. 29 Wie hier Fehnemann, DÖV 1985, 501 (502); a.A. Roell S. 55. 30 Vgl. dazu die Begründung zu § 1626 II BGB: BT-Drucks. 7/2060, S. 17; 8/2788, S. 45. 31 § 1626 11 BGB ist selbst nicht mit einer Sanktion verknüpft. Wegen der engen Beziehung dieser Vorschrift zu § 1666 BGB und der damit drohenden Verrechtlichung der Familienbeziehungen wurde die Aufnahme von § 1626 11 in das Gesetzgebungsvorhaben von der Ausschußminderheit abgelehnt, vgl. BT-Drucks. 8/2788, S. 45; wie hier Jauernig/Schlechtriem § 1626 Anm. 4. 26
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H. Handlungsfähigkeit und Elternrecht
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Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber i.R. der Ausgestaltung des Erziehungsrechts dafür Sorge getragen, daß das verfassungsrechtlich gewährleistete Selbstbestimmungsrecht des Kindes nicht leerläuft. Den Kindesgrundrechten kann mit anderen Worten "der Zeit und Grenze bestimmende Rahmen für die gesetzgeberische Ausgestaltung des Elternrechts entnommen werden" .32 Danach ergibt sich für den obigen Beispielsfall aus dem Versammlungsrecht folgende Lösung. Die Eltern müssen die Entscheidung ihres Kindes, an der Demonstration teilnehmen zu wollen, um so eher akzeptieren, als dieses herangewachsen ist und die auftretenden Gefahren in physischer und psychischer Hinsicht zu beurteilen vermag. Bei einem geistig aufgeschlossenen 15 - 17jährigen wäre ein elterliches Verbot der Demonstrationsteilnahme dann vom Erziehungsrecht gedeckt, wenn eine konkrete Gefahr für die körperliche Unversehrtheit bestünde, der geistige Inhalt der Demonstration eindeutig verfassungswidrig wäre oder Hinweise für eine kriminelle Verwicklung des Minderjährigen (z. B. gewalttätige Ausschreitungen anläßlich von Demonstrationen) vorlägen. Auf keinen Fall wäre eine pauschale Mißbilligung der dort vorherrschenden politischen Grundgesinnung ausreichend, wenn diese selbst verfassungsrechtlichen Schutz genießt. Soweit das Ziel der in Rede stehenden Demonstration selbst nicht verfassungswidrig ist, sondern nur im Gegensatz zu dem von den Eltern gewählten Erziehungsziel steht, ließe sich ein Teilnahmeverbot nur aufrechterhalten, wenn ein intensiver und offener Meinungsaustausch vorausgegangen ist. Der in einem solchen qualifizierten Verbot liegende Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht des Minderjährigen kann gerechtfertigt sein, da das Erziehungsrecht über den bloßen Ausgleich der Schutzbedürftigkeit des Minderjährigen hinausgeht. 3. Die Abwehr rechtswidriger Erziehungsmaßnahmen durch den Minderjährigen Werden die Eltern ihrer Erziehungsverantwortung nicht gerecht, greift das Wächteramt des Staates gemäß Art. 6 II S. 2 GG ein. Die wichtigste gesetzliche Ausprägung hat dieses Wächteramt in § 1666 I BGB gefunden. Danach hat das Vormundschaftsgericht bei Gefährdung des Kindeswohls die zur Abwendung der Gefahr notwendigen Maßnahmen zu treffen. Die konkrete Wahrnehmung der Kindesgrundrechte erfahren also im Verhältnis zu den Eltern nur einen mittelbaren Schutz. Dieser besteht in der Aufsicht des Staates über die Ausübung der elterlichen Sorge. 33 Damit gewinnen im Hinblick auf den Rechtsschutz des Minderjährigen gegen seine Eltern zwei Fragen eine besondere Bedeutung. So Erichsen, Elternrecht, S. 44; ähnlich Kirchhof S. 176. VgI. Kirchhof S. 181; ähnlich Böckenförde S. 73,78; ausführlich Erichsen, Elternrecht, S. 48 f. 32 33
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A. Verfassungsrechtliche Bindungen des Minderjährigenrechts
Zum einen ist die Kontrolldichte des Vormundschaftsgerichts gegenüber den elterlichen Erziehungsmaßnahmen zu bestimmen, und zum anderen ist zu klären, inwieweit der Minderjährige eine vormundschaftsgerichtliche Entscheidung herbeiführen kann. a) Die Kontrolldichte im vormundschaftsgerichtlichen Verfahren
Da die Eltern den Vorrang vor der staatlichen Erziehung genießen, hat der Staat jede ihrer Entscheidungen zu akzeptieren, die noch mit dem Kindeswohl in Einklang steht. Sie genießen damit i.R. der Ausübung des Erziehungsrechtes in dem selben Maße Schutz vor staatlichen Eingriffen, wie ihr Recht zur Bestimmung des Kindeswohls reicht. Der Staat kann also nicht in die Erziehung eingreifen, solange es nur um die Fragen von "gut" oder "besser" geht.3 4 Die Aufhebung einer elterlichen Erziehungsmaßnahme kommt daher erst in Betracht, wenn die getroffene Entscheidung offensichtlich den verfassungs rechtlich abgesicherten Beurteilungsspielraum verläßt. 35 Das wird man nicht schon dann annehmen können, wenn sich das Kind im Einzelfall von den Eltern ungerecht behandelt fühlt, da sonst eine Erziehung im herkömmlichen Sinn nicht mehr möglich wäre. 36 Erforderlich ist vielmehr ein objektiver Gefahrenzustand für die Kindesentwicklung und das KindeswohlY Um eine Bevormundung der Eltern zu vermeiden, wird die Entwicklung der Kinder zur Mündigkeit nur gegen relativ schwere Eingriffe seitens der Eltern geschützt. 38 Erreicht die in der Erziehungsmaßnahme liegende Mißachtung der Selbstbestimmungsfähigkeit diese Intensität nicht, so haben die Kinder diese Entscheidung hinzunehmen. Das erscheint auch gerechtfertigt. Denn zum einen werden die Eltern im Regelfall am besten wissen, was dem Wohl ihrer Kinder dient. Und zum anderen soll das Erziehungsrechtsverhältnis möglichst frei von staatlichen Eingriffen bleiben. Da sich ein vormundschaftsgerichtliches Verfahren äußerst negativ auf die Familienatmosphäre auswirkt, stünde die Aufhebung einer als gering anzusehenden Verletzung des Erziehungsrechts in keinem Verhältnis zu der Belastung des Erziehungsrechtsverhältnisses. Böckenförde S. 76. Vgl. Erichsen a.a.O. S. 51 f. Es besteht kein Kindesgrundrecht auf optimale Erziehung, das der Staat gegenüber den Eltern durchsetzen könnte. Vgl. dazu Ossenbühl S. 68 Fn. 3, 141; ihm folgend Schmitt-Kammler S. 26; vgl. auch BVerfGE 60, 79 (94); BVerfGE 34, 165 (184). 36 Erichsen a.a.O. S. 54. 37 So Böckenfärde S. 76; ähnlich Erichsen a.a.O. S. 54 f. 38 Auch Erichsen a.a.O. geht von negativen Auswirkungen des elterlichen Verhaltens auf das Kindeswohl aus, die von "einiger Erheblichkeit" sein müssen. 34 35
11. Handlungsfähigkeit und Elternrecht
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Wann diese Schwelle überschritten wird, kann nur im Einzelfall entschieden werden. Wird z. B. einem 17jährigen die Teilnahme an einer Demonstration verboten, obwohl er die auftretenden Gefahren selbständig zu beurteilen vermag, verkennt die Erziehungsmaßnahme das Selbstbestimmungsrecht und die -fähigkeit des Minderjährigen. 39 Ein einmaliges Verbot stellt jedoch noch keinen objektiven Gefahrenzustand für die Kindesentwicklung und das -wohl dar. Etwas anderes muß jedoch dann gelten, wenn die Eltern das Recht ihrer Kinder auf "Erwachsenwerden" völlig mißachten, indem sie mehrere ungerechtfertigte Verbote aussprechen oder gar die gesamte politische Betätigung unterbinden. In diesen Fällen liegt ein Eingriffstatbestand i.S. des § 1666 I BGB vor. b) Die Handlungsfähigkeit des Minderjährigen im vormundschaftsgerichtlichen Verfahren
Damit bleibt die Frage zu beantworten, was der Minderjährige unternehmen kann, um seine Auffassung mit Hilfe des Vormundschaftsgerichtes gegenüber seinen Eltern durchzusetzen. Nach herrschender Auffassung40 steht dem Minderjährigen im vormundschaftsgerichtlichen Verfahren nach § 1666 BGB kein wirksames Antragsrecht ZU. 41 Danach verfügt er nur über die Möglichkeit, beim Vormundschaftsgericht bestimmte Maßnahmen anzuregen. Stellt das Vormundschaftsgericht in dem daraufhin einzuleitenden amtswegigen 42 Verfahren einen Verstoß gegen das Kindeswohl fest, kann es der Anregung nachkommen. Gemäß den §§ 59 I, III i.V.m. 57 I Zf. 8 FGG steht dem Minderjährigen nach Vollendung des 14. Lebensjahres jedoch das Beschwerderecht zu, sofern das Vormundschaftsgericht Maßnahmen nach § 1666 I BGB anordnet oder deren Anordnung ablehnt. Vor Vollendung des 14. Lebensjahres wird das Kind bei einer Beschwerde gern. § 1629 I BGB durch seinen gesetzlichen Vertreter vertreten. Diese Regelung versagt, wenn bei der zu treffenden Entscheidung ein Interessengegensatz zwischen dem Minderjährigen und dem gesetzlichen Vertreter besteht. Da der Minderjährige in dieser Situation nicht ohne Schutz gelassen werden darf43, hat das Bundesverfassungsgericht i.R. einer Verfassungsbeschwerde gegen eine Sorgerechtsentscheidung die Notwendigkeit einer Ergänzungspflegschaft gern. § 1909 I BGB bejaht, damit die Inter39 Die Durchsetzung eines Erziehungsziels gegen den Willen eines Minderjährigen in diesem Alter wird in der Regel nicht mehr vom Elternrecht gedeckt sein. 40 Vgl. den Meinungsstand bei Roell S. 59 Fn. 11. 41 Der Gesetzgeber hat ein formelles Antragsrecht sogar ausdrücklich abgelehnt, da er darin einen zu starken Eingriff in die Familienautonomie sah - vgl. BT-Drucks. 7/ 2060 S. 16 Nr. 10. 42 Vgl. dazu PalandtlDiederichsen § 1666 Anm. 7. 43 Vgl. zu den Schutzpflichten des Staates unter A., 1., 2.
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A. Verfassungsrechtliche Bindungen des Minderjährigenrechts
essen des Minderjährigen im Wege der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden können. 44 Das Bedürfnis nach der Bestellung eines Ergänzungspflegers besteht jedoch nicht erst im Verfassungsbeschwerdeverfahren, sondern schon dann, wenn dem Minderjährigen die Handlungsfähigkeit für das vormundschaftsgerichtliche Verfahren fehlt. Auf der Grundlage der vorliegenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist daher dem handlungsunfähigen Minderjährigen in allen vormundschaftsgerichtlichen Verfahren ein Ergänzungspfleger zu bestellen, in denen ein Interessenkonflikt zwischen gesetzlichem Vertreter und Minderjährigem besteht. 45 Unterläßt das Vormundschaftsgericht eine vom Minderjährigen angeregte Maßnahme, so steht diesem demnach ab Vollendung des 14. Lebensjahres das Rechtsmittel der Beschwerde zu. Die unterschiedliche Ausgestaltung der Handlungsfähigkeit in den Fällen des Antrags- und Beschwerderechts wird mit dem Unterschied zwischen staatlicher Gewalt und elterlichem Erziehungsrecht erklärt. 46 Danach korrespondiere das Beschwerderecht mit dem Anspruch auf pflichtgemäße und richtige Entscheidung der staatlichen Gewalt, während der Anspruch auf pflichtgemäßes Elternverhalten noch nicht zu verfahrensrechtlichen Konsequenzen geführt habe. 47 Gegen diese Argumentation spricht jedoch, daß die Kinder bei Eingriffen der staatlichen Gewalt in die familiäre Sphäre die wohl besten Anwälte in ihren Eltern haben werden. Die Eltern werden daher in aller Regel solche Eingriffe abwehren, so daß der Minderjährige von seinem Beschwerderecht kaum Gebrauch machen muß. Bei Eingriffen der Eltern in das Selbstbestimmungsrecht ihrer Kinder ist jedoch zu beachten, daß diese ihre Grundrechte nur auf dem Weg über das Vormundschaftsgericht verteidigen können. Da der Anregung des Minderjährigen über den Umweg der Beschwerde de facto Antragsqualität zukommt, ist dem Minderjährigen ein Antragsrecht einzuräumen, soweit das Beschwerderecht reicht. 48 Der Einwand der Überlastung der Gerichte greift dagegen nicht durch 49 , da das Vormundschaftsgericht Vgl. BVerfG NJW 1986, 3129 f. Dieses Vorgehen ist mit der Regelung des § 104 des Kommissionsentwurfs einer Verfahrensordnung für die freiwillige Gerichtsbarkeit (herausgegeben vom Bundesministerium der Justiz, Dezember 1977) vergleichbar, in dem es wörtlich heißt: "Hat ein Kind, das zur Vornahme von Verfahrenshandlungen nicht fähig ist, keinen gesetzlichen Vertreter oder ist dieser an der Vertretung verhindert, so ist das Jugendamt Pfleger für das Verfahren." 46 Becker S. 62 Fn. 98. 47 Die verfahrensrechtliche Konsequenz, die Becker, a.a.O., nicht anerkennen will, ist das Antragsrecht. 48 So auch Roe11 S. 60 m.w.N. in Fn. 20. 49 Becker S. 62. 44
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III. Zwischenergebnis
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wegen der Möglichkeit der Beschwerde gezwungen ist, sich auch mit der Anregung des Minderjährigen eingehend zu befassen. Der nicht zu leugnenden Gefahr der Verprozessualisierung des Erziehungsrechtsverhältnisses 50 ist die Pflicht des Staates entgegenzuhalten, die Kindesgrundrechte u.U. auch gegen die Eltern zu schützen. Diese Pflicht des Staates muß dazu führen, daß sich die Minderjährigen mit ihren Konflikten im grundrechtlichen Bereich möglichst umfassend an den Staat wenden können. Dem widerspricht es nicht, daß das Vormundschaftsgericht nur offensichtlich pflichtwidrige Entscheidungen der Eltern aufheben kann. 51 Der Minderjährige wird mit seiner Auffassung zumindest ernstgenommen, wenn auch wohl die meisten seiner Anträge im vormundschaftsgerichtlichen Verfahren "ausgesiebt" werden. Aufgrund dieser gebotenen Zurückhaltung bei Eingriffen in das elterliche Erziehungsrecht ist die Gefahr der Verprozessualisierung des Erziehungsrechtsverhältnisses gebannt.
111. Zwischenergebnis Die bisherige Untersuchung hat ergeben, daß der Minderjährige sowohl im Verhältnis zum Staat als auch in dem zu seinen Eltern bei der grundrechtlich geschützten Betätigung der natürlichen und rechtlichen Handlungsfähigkeit beschränkt werden kann. Die Schutzbedürftigkeit des Minderjährigen als Grundrechtsträger verpflichtet den Gesetzgeber, bei der Ausgestaltung des einfachen Gesetzesrechtes einen ausreichenden Minderjährigenschutz zu gewähren. Darüber hinaus hat er mit Hilfe des Erziehungsrechtes und den einfach-gesetzlichen Regelungen der Handlungsfähigkeit in den einzelnen Rechtsbereichen einen rechtsstaatlieh ausgewogenen Ausgleich der Kindesgrundrechte und des Erziehungsrechtes vorzunehmen. Damit gilt für die natürlichen Handlungen in verfassungsrechtlicher Sicht: Grundsätzlich darf der Minderjährige all das, was den Volljährigen zukommt, es sei denn der Staat verbietet es ihm in Ausübung seines Gestaltungsspielraumes. Eine natürliche Handlung kann auch in rechtmäßiger Ausübung des Elternrechts verboten werden.
In bezug auf die rechtliche Handlungsfähigkeit ist festzustellen, daß der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des speziellen Rechtsbereiches die Teilnahme am Rechtsverkehr weder über Gebühr beschränken, noch den Minderjährigen ohne jeden Schutz lassen darf. 50 51
Becker a.a.O. Vgl. zur Kontrolldichte im vormundschaftsgerichtlichen Verfahren unter A., II.,
3., a).
42
A. Verfassungsrechtliche Bindungen des Minderjährigenrechts
Im Zivilrecht ist der Schutz bei Rechtsgeschäften wie folgt ausgestaltet: Soweit keine eigene Wahrnehmung von Rechten durch das Kind in Betracht kommt und eine Vertretung möglich ist 1, handeln die Eltern anstelle und für das Kind gemäß § 1626 I BGB. Die abstufungsmäßige Anerkennung des eigenen Willens des Kindes folgt über die §§ 107, 108, 111 BGB als beschränkte Geschäftsfähigkeit bis hin zur partiellen Vollgeschäftsfähigkeit gemäß den §§ 112, 113 BGB. Die volle Geschäftsfähigkeit erlangt er gemäß § 2 BGB erst mit der Vollendung des 18. Lebensjahres. Auf die Ausgestaltung der rechtlichen Handlungsfähigkeit im öffentlichen Recht ist im folgenden einzugehen.
1 Eine Vertretung ist ausgeschlossen bei den sogenannten höchstpersönlichen Rechtsgeschäften wie z. B. Ehe gern. § 13 I EheG oder die Errichtung eines Testamentes gern. § 2064 BGB.
B. Die rechtliche Handlungsfähigkeit des Minderjährigen J. Überblick Die rechtliche Handlungsfähigkeit i.S.d. Verwaltungsrechtes stellt den Oberbegriff für die Fähigkeit des Bürgers dar, Willenserklärungen auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts wirksam abzugeben oder entgegenzunehmen. 1 Der Minderjährige kann mit seiner Willenserklärung also nur dann selbständig eine Rechtsfolge auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts herbeiführen, wenn er über diese Handlungsfähigkeit verfügt. 2 Je nachdem, ob die Willenserklärung i.R. eines Verwaltungsverfahrens oder eines Verwaltungsstreitverfahrens abgegeben werden soll, kann man auch von seiner Verfahrenshandlungs- oder Prozeßfähigkeit sprechen. Die jeweiligen Teilregelungen der Handlungsfähigkeit im Verwaltungsverfahren und im -prozeß in § 12 VwVfG und in § 62 VwGO entsprechen sich inhaltlich weitgehend. 3 Da die Prozeßfähigkeit schon wesentlich früher als die Verfahrenshandlungsfähigkeit gesetzlich geregelt worden ist, soll zunächst die Rechtsstellung des Minderjährigen im Verwaltungsprozeß untersucht werden. Die dabei gewonnenen Ergebnisse können bei der Ausfüllung des Begriffes der Verfahrenshandlungsfähigkeit fruchtbar gemacht werden. Abschließend wird die Frage zu klären sein, wie im Fall der Abgabe von "rein materiellen" Willenserklärungen zu verfahren ist. Darunter sind die Willenserklärungen zu verstehen, die weder in einem Verwaltungsverfahren noch in einem Verwaltungsprozeß abgegeben werden.
Mayer/Kopp § 33 II. Beruht der Eintritt der Rechtsfolge bei der Abgabe einer Erklärung nicht auf dem Willen des Bürgers, sondern unmittelbar auf dem Gesetz, ist von der "Willenserklärung" die sogenannte "Wissenserklärung" zu unterscheiden. Vgl. zur Behandlung der Wissenserklärung unter B., V., 2. 3 Vgl. Mayer/Kopp a.a.O.; Borgs in Meyer/Borgs § 12 Rdnr. 1; eine ähnliche Strukturierung ist auch im Bereich des Finanz- und Sozialrechtsweges anzutreffen. Vgl. dazu die §§ 79 I Nr. 2 AO und 58 I Nr. 2 FGO einerseits und die §§ 11 SGB-X und 71 II SGG andererseits. Vgl. außerdem zur engen Verbindung zwischen § 12 VwVfG und § 62 VwGO die Begründung zu § 12 VwVfG BT-Drucks. 7/910 S. 41. 1
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B. Die rechtliche Handlungsfähigkeit des Minderjährigen
11. Die Stellung des Minderjährigen im Verwaltungsprozeß Der durch Art. 19 IV GG verfassungs rechtlich garantierte Rechtsschutz gegenüber staatlichen Eingriffen steht auch dem Minderjährigen zu. Infolgedessen ist der Minderjährige auch nach allen Verfahrensordnungen Verfahrensbeteiligter; er ist als natürliche Person parteifähig. 1 Davon ist die Frage zu trennen, ob er dieses verfahrensrechtliche Grundrecht auch selbständig ausüben kann. Grundsätzlich knüpft § 62 I Nr. 1 VwGO die Fähigkeit zur selbständigen Führung eines Verwaltungsprozesses an die volle bürgerlich-rechtliche Geschäftsfähigkeit. Eine Ausnahme vom Erfordernis der Volljährigkeit sieht § 62 I Nr. 2 VwGO nur dann vor, wenn der Minderjährige durch Vorschriften des bürgerlichen oder des öffentlichen Rechts für den Gegenstand des Verfahrens als geschäftsfähig bzw. handlungsfähig anerkannt wird. 2 Damit ist der Minderjährige nach bürgerlichem Recht unter den Voraussetzungen der §§ 112, 113 BGB für alle Verwaltungsprozesse als prozeßfähig anzusehen, die mit der selbständigen Arbeitsaufnahme oder mit dem selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäftes zusammenhängen. 3 Nach öffentlichem Recht ergibt sich die Prozeßfähigkeit z. B. nach § 5 S. 1 ReIKEG4, aufgrund dessen das religiöse Bekenntnis schon nach Vollendung des 14. Lebensjahres selbständig gewählt werden kann. Das Bestehen der Prozeßfähigkeit kann dann angenommen werden, wenn die einzelnen Gesetze dem Minderjährigen die volle Handlungsfähigkeit einräumen, wie es z. B. bei § 6 AsylVfG der Fall ist. Gesteht das öffentliche Recht dem Minderjährigen dagegen nur eine beschränkte Handlungsfähigkeit zu, wie z. B. in § 7 11 2 b PaßG oder § 8 I Nr. 1 i.V.m. § 711 S. 2 RuStAG, folgt daraus keine volle Prozeßfähigkeit.5
1 Vgl. z. B. die §§ 61 NT. 1 VwGO, 57 NT. 1 und 2 FGO, § 70 NT. 1 SGG und § 50 I ZPO i.V.m. § 1 BGB. 2 Beruht die Prozeßfähigkeit auf bürgerlichem Recht, wird allgemein von partieller Prozeßfähigkeit gesprochen. Verleihen öffentlich-rechtliche Vorschriften die Prozeßfähigkeit, so wird vom Verfasser der Begriff relative Prozeßfähigkeit vorgeschlagen. Dadurch soll zum Ausdruck gebracht werden, daß die Prozeßfähigkeit nur in bezug auf ein bestimmtes Teilgebiet des öffentlichen Rechts anerkannt wird. 3 Kopp, VwGO § 62 Rdnr. 4; Redeker/v. Oertzen § 62 Rdnr. 3; der § 110 BGB (Taschengeldparagraph) kann hierzu nicht gezählt werden, da er nur als ein Unterfall des § 107 BGB anzusehen ist. Die Anwendung des § 110 BGB kann also nur zur Prozeßfähigkeit führen, wenn dies auch bei § 107 BGB der Fall ist. 4 EyermannlFröhler § 62 Rdnr. 5. 5 So auch Fehnemann S. 46 und Kunz, ZBIJR 1978, 212 (214). Vgl. zu den Auswirkungen der nach öffentlichem Recht beschränkten Handlungsfähigkeit auch unter B., III.,5.
II. Die Stellung des Minderjährigen im Verwaltungsprozeß
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In vielen Bereichen des öffentlichen Rechts fehlen Vorschriften über die Handlungsfähigkeit. Daher wurde des öfteren der Versuch unternommen, den bestehenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften über die Handlungsfähigkeit ein System zu entnehmen, nach dem dann die Handlungsfähigkeit in ungeregelten Materien bestimmt werden könnte. 6 Sie ergaben, daß den bestehenden Regelungen kein einheitliches System innewohnt, da keiner Altersstufe ein bestimmtes Maß an Handlungsfähigkeit zugeordnet werden kann. Das wird deutlich, wenn man bedenkt, daß ein 14jähriger gemäß § 5 S. 1 Rel KEG die volle Bekenntnisfreiheit hat, ein 15jähriger gemäß § 36 SGB-AT allein Sozialleistungen beantragen kann, ein 16jähriger gemäß den §§ 8 I Nr. 1 i.V.m. 7 11 RuStAG für das Einbürgerungsverfahren nur als beschränkt handlungsfähig gilt, einem 16jährigen jedoch gemäß § 6 AsylVfG die volle Handlungsfähigkeit für einen Asylantrag zukommt, aber erst ein 17 1/zjähriger zur Stellung eines Kriegsdienstverweigerungsantrages gemäß § 2 IV KDVNG berechtigt ist. Das schließt aber nicht aus, daß im Wege der Analogie in Einzelfällen solche Vorschriften herangezogen werden können, um bestehende Lücken auszufüllenJ Besondere Schwierigkeiten tauchen aber immer dann auf, wenn - wie es bei den §§ 7 I Nr. 4, 8 StVZO oder § 2 11 Nr. 1 AuslG der Fall ist - lediglich Altersgrenzen genannt werden, mit der bestimmte Erlaubnisse oder Pflichten verbunden sind. In diesen Fällen muß durch Auslegung ermittelt werden, ob die fehlende Geschäftsfähigkeit der Ausübung einer Tätigkeit, bzw. der Erlangung eines Rechtes, lediglich nicht mehr entgegenstehen soll, oder ob es dem Minderjährigen darüber hinaus ermöglicht werden soll, seine Rechte selbst geltend zu machen. Auf diese Frage ist in den einzelnen Teilgebieten des öffentlichen Rechts einzugehen. 8 An dieser Stelle steht das Problem im Vordergrund, wie Prozeßhandlungen von Minderjährigen zu bewerten sind, denen die volle Prozeßfähigkeit für den Verwaltungsprozeß weder nach bürgerlichem noch nach öffentlichem Recht zusteht.
1. Diskussion des Instituts einer beschränkten Prozeßfähigkeit Der Regelung des § 62 I Nr. 2 VwGO kann direkt nicht entnommen werden, wie Prozeßhandlungen von solchen Minderjährigen zu bewerten sind, denen nach dieser Vorschrift keine volle Prozeßfähigkeit zukommt. Für dieses Problem bestehen jedoch nur zwei Lösungsmöglichkeiten: 6 Vgl. die Untersuchung allerdings z.T. veralteter Gesetze bei Grüter S. 16 - 24 und Middel S. 145 f. 7 Grüter S. 38; Middel S. 147 weist auf die Analogie innerhalb eines Sachgebietes hin. 8 Vgl. zu den angesprochenen Fällen C., I., 3., b) und C., I., 5., cl.
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B. Die rechtliche Handlungsfähigkeit des Minderjährigen
Einerseits könnte man davon ausgehen, daß die Prozeßfähigkeit durch § 62 I Nr. 2 VwGO abschließend geregelt ist. Die von diesen Minderjährigen vorgenommenen Prozeßhandlungen wären dann unwirksam und damit als unzulässig anzusehen. Folgt man dieser Ansicht, wären die Minderjährigen nach bürgerlichem oder öffentlichem Recht entweder prozeßfähig oder aber prozeßunfähig. Der Zwischenbereich einer beschränkten Prozeßfähigkeit schiede demnach aus. Andererseits kommt auch eine analoge Anwendung der §§ 107, 108 BGB auf die Prozeßhandlungen im Verwaltungsprozeß in Betracht. Lediglich rechtlich vorteilhafte Prozeßhandlungen könnte der Minderjährige dann selbständig vornehmen. Zu befürchtende rechtliche Nachteile machten die Wirksamkeit der einzelnen Prozeßhandlung von der Zustimmung bzw. Genehmigung des gesetzlichen Vertreters abhängig. 9 Ein solches Vorgehen würde zur Anerkennung einer beschränkten Prozeßfähigkeit führen. Auf der Suche nach der richtigen Lösung bietet es sich an, die umfangreiche Literatur und Rechtsprechung zur Prozeßfähigkeit im Zivilprozeß heranzuziehen. Dieser Rückgriff auf den Zivilprozeß ist gerechtfertigt, da die ZPO im Vergleich zur VwGO schon weitaus länger besteht, und die Prozeßfähigkeit im Verwaltungsprozeß weitgehend der des Zivilprozesses entsprichPo Die Erörterungen um eine beschränkte Prozeßfähigkeit im Zivilprozeß besitzen also eine starke Indizwirkung für die Lage im Verwaltungsprozeß. Soweit es um die Anwendung materieller Geschäftsfähigkeitsregeln in einem gerichtlichen Verfahren geht, stellt sich dann nur noch die Frage, was gegen eine Übertragung der zivilprozessualen Ergebnisse auf den Verwaltungsprozeß spricht. a) Der Streit um eine beschränkte Prozeßfähigkeit im Zivilprozeß
Die nahezu einhellige zivilprozessuale Dogmatik sieht den Minderjährigen schlechthin als prozeßunfähig an. Zur Begründung wird darauf abgestellt, daß die §§ 51, 52 ZPO mangels einschlägiger bürgerlich-rechtlicher Vorschriften die Prozeßfähigkeit an die Möglichkeit einer selbständigen vertraglichen Verpflichtung knüpfen. 11 Diese selbständige Verpflichtungsmöglichkeit liege aber nicht schon dann vor, wenn u.U. das einzelne Rechtsgeschäft nach den §§ 107 ff. BGB wirksam 9 Die Genehmigungsmöglichkeit hinge davon ab, daß § 111 BGB nicht vorrangig anwendbar wäre. Vgl. allgemein zur vorrangigen Anwendung der §§ 107, 108 BGB anstatt des § 111 BGB: Middel S. 177 ff.; Schmitt S. 142 ff. 10 Kopp, VwGO § 62 Rdnr. 1 und Redeker/v. Oertzen § 62 Rdnr. 1 führen die Prozeßfähigkeit des Verwaltungsprozesses auf die des Zivilprozesses zurück. 11 Vgl. Zeiss § 23 II 2 a; Rosenberg/Schwab § 44 II 1; BaumbachiLauterbach § 52 Anm. 1 b m.w.N. auf die Rechtsprechung in § 51 Anm. 1.
11. Die Stellung des Minderjährigen im Verwaltungsprozeß
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sei. Es komme insofern immer auf die volle Geschäftsfähigkeit oder doch zumindest auf die partielle Vollgeschäftsfähigkeit an.1 2 Daneben wird der tiefere Grund für die Ablehnung einer beschränkten Prozeßfähigkeit darin gesehen, daß ein solcher Schwebezustand nicht mit dem Interesse der Rechtspflege an einer zügigen, sicheren und klaren Durchführung des Prozesses zu vereinbaren sei.1 3 Dieser Auffassung könnte man jedoch die Vorschriften der §§ 551 Nr. 5, 579 I Nr. 4 ZPO entgegenhalten. Diese sehen im Fall der fehlenden Prozeßfähigkeit eine nachträgliche Genehmigung von zunächst unwirksamen Prozeßhandlungen ausdrücklich VOr. 14 Damit ist nach den Vorschriften der ZPO durchaus ein Schwebezustand anerkannt l 5, der zumindest eine Parallelität zur schwebenden Unwirksamkeit materieller Rechtsgeschäfte erkennen läßt. Aus diesem Umstand wurde im älteren Schrifttum vereinzelt in Anwendung des § 107 BGB geschlossen, daß auch die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters in bestimmte einzelne Prozeßhandlungen zu einer darauf beschränkten Prozeßfähigkeit des Minderjährigen führe. 16 Gegen diese Auffassung sprechen jedoch die Unterschiede zwischen rechtsgeschäftlicher Handlung und Prozeßhandlung. Eine den rechtsgeschäftlichen Erklärungen vergleichbare Wirkung besitzt im Prozeß allein das Endurteil, das seinerseits wiederum auf vielen einzelnen Prozeßhandlungen beruht. Jede neue Prozeßsituation würde die erneute Einschaltung des gesetzlichen Vertreters erfordern, und bis dahin würde das Verfahren stocken. Aufgrund dieser Unsicherheit wäre es für den Prozeßverlauf unerträglich, wenn in einzelne Prozeßhandlungen eingewilligt werden könnte und in andere nicht. 17 Nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht sollen diese Bedenken dadurch entkräftet werden, daß nur eine generelle Pauschaleinwilligung ähnlich wie im Fall der nachträglichen Genehmigung gemäß den §§ 551 Nr. 5,579 I Nr. 4 ZPO in alle Prozeßhandlungen des Minderjährigen gestattet wird. 1B Gegenüber diesem Vorschlag bestehen jedoch Bedenken. Im Fall der nachträglichen Genehmigung kann sich der gesetzliche Vertreter den gesamten bisherigen Prozeßverlauf in einer Art Rückschau vergegenwärtigen.1 9 Er kann Baumgärtel S. 103 f. Vgl. Henckel S. 67 ff. (71); Leipold in Stein/Jonas § 51 Rdnr. 3. 14 Bei dieser Genehmigungsmöglichkeit wird allerdings nicht zwischen Geschäftsunfähigen und beschränkt Geschäftsfähigen unterschieden. Vgl. Rosenberg/Schwab § 44 12 13
III 2. 15
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Vgl. Baumgärtel S. 105. Vgl. z. B. Oertmann Judicium 1, 169 ff.; Levin, JW 29, 1641. Baumgärtel S. 104; Henckel S. 71; Grundmann S. 16. So Grunsky S. 254. Grundmann S. 17.
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B. Die rechtliche Handlungsfähigkeit des Minderjährigen
sich daher genau überlegen, ob er das Prozeßgeschehen wirksam werden lassen will oder nicht. Die bestehende Unsicherheit wird durch seine Entscheidung dann mit einem Schlag beseitigt. Die uneingeschränkte Pauschaleinwilligung wäre hingegen von Anfang an mit der Beurteilung des Prozeßrisikos belastet. 2o Dieses müßte der Minderjährige im Verlauf des Prozesses tragen, da die nochmalige Übertragung der Prozeßführung auf den gesetzlichen Vertreter nur schwer mit dem Grundsatz der Prozeßklarheit zu vereinbaren wäre.2 1 Eine etwaige Pauschal einwilligung wird dem erforderlichen Minderjährigenschutz also nicht in gleicher Weise gerecht, wie die spätere Genehmigungsmöglichkeit durch den gesetzlichen Vertreter.22 Dieses Ergebnis läßt sich auch auf die Überlegung stützen, daß die Interessenlage beim beschränkten Generalkonsens im materiellen Recht nicht mit der im Prozeßrecht vergleichbar ist. Im materiellen Recht wird der beschränkte Generalkonsens nur für einen voraussehbaren und abgrenzbaren Kreis von zunächst nur noch nicht individualisierbaren Geschäften als wirksam angesehen. Dagegen sind die verschiedenen Situationen im Prozeß schwerer verständlich und undurchschaubarer, so daß die Gefahr einer Selbstschädigung für den Minderjährigen wächst.2 3 Aufgrund der unterschiedlichen Interessenlage im materiellen Recht und im Prozeßrecht scheidet eine analoge Anwendung der Geschäftsfähigkeitsregeln auf die Prozeßfähigkeit aus. Eine beschränkte Prozeßfähigkeit ist für den Zivilprozeß daher abzulehnen. 24 b) Übertragbarkeit der zivilprozessualen Ergebnisse auf den Verwaltungsprozeß
Fraglich ist, ob die Situation im Verwaltungsprozeß eine Änderung des für den Zivilprozeß gefundenen Ergebnisses erfordert. 25 Eine unterschiedliche Lage ist sicherlich allein aufgrund der Tatsache gegeben, daß sich der Minderjährige im Verwaltungsprozeß nicht mehr einer privaten Partei, sondern i.d.R. einer Verwaltungsbehörde gegenübersieht. Der Verwaltungsprozeß weicht vom Zivilprozeß auch dadurch ab, daß anstelle Henckel S. 72; Grundmann a.a.O. Diese Möglichkeit ablehnend: Grundmann a.a.O.; ebenso Henckel a.a.O. 22 Die Genehmigungsmöglichkeit dient daneben auch der Prozeßökonomie, da die bisherige Prozeßführung als Urteilsgrundlage erhalten bleibt. Vgl. Baumgärtel S. 105; Grundmann S. 18. 23 Henckel a.a.O. 24 So im Ergebnis auch Fenger S. 23 ff. 25 Ablehnend Höhnberg S. 152 Fn. 3, nach dem alle Verfahrensordnungen keine beschränkte Prozeßfähigkeit kennen. 20
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des Verhandlungsgrundsatzes26 der Untersuchungsgrundsatz27 gilt. Daher erscheint die Möglichkeit der Selbstgefährdung in der Tat geringer. 28 Trotzdem wäre der Minderjährige, der mit der Einwilligung seiner gesetzlichen Vertreter selbständig einen Prozeß führen wollte, in der Regel überfordert. Außerdem ist auch ein Verwaltungsprozeß nicht so überschaubar , als daß man einen darauf bezogenen Generalkonsens für wirksam halten könnte. Ein Wirksamwerden der Prozeßhandlung aufgrund einer einzelnen Zustimmung oder Genehmigung i.S. der §§ 107,108 oder 110 BGB scheitert an dem auch im Verwaltungsprozeß bestehenden Interesse der Rechtspflege an Klarheit und Sicherheit hinsichtlich der Prozeßführung. Diesem Bedürfnis hat die VwGO dadurch Rechnung getragen, daß sie - in ähnlicher Weise wie die ZPO - gemäß den §§ 138, 153 II VwGO i.V.m. § 579 I Nr. 4 ZPO nur eine nachträgliche Genehmigung zunächst unwirksamer Prozeßhandlungen vorsieht. Mit der Rechtsprechung des BVerwG folgt daraus, daß eine Heilung des Mangels der Prozeßfähigkeit nur in zwei Fällen in Betracht kommt. Entweder muß der gesetzliche Vertreter der gesamten bisherigen Prozeßführung zustimmen, oder es muß feststehen, daß sich der inzwischen volljährig und damit prozeßfähig gewordene Minderjährige ausdrücklich an der bisherigen Prozeßführung festhalten lassen will.29 Das Institut einer beschränkten Prozeßfähigkeit ist damit auch für den Verwaltungsprozeß abzulehnen. 3o Das Erfordernis der Rechtsklarheit und -sicherheit läßt eine formlose Änderung 31 des Klagerubrums 32 auch dann nicht zu, wenn die Klageschrift mit einem Generalkonsens des gesetzlichen Vertreters versehen ist. Denn so könnte nicht sichergestellt werden, daß der gesetzliche Vertreter die Prozeßführung auch tatsächlich übernimmt. Eine berichtigende Auslegung scheitert also.
Vgl. dazu: BaumbachILauterbach Grundzüge § 128 Anm. 3 B. Eyermann/Fröhler § 86 Rdnr. 1. Vgl. zur Bedeutung des Untersuchungsgrundsatzes: Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, s. 288. 28 Roe11 S. 61 f. fordert mit dieser Begründung die Anerkennung einer beschränkten Prozeß- und Handlungsfähigkeit. 29 BVerwG Buchholz 237.2 § 79 LBG Berlin Nr. 2 S. 1 (6 f.). Die Genehmigung ist also nicht teilbar, so daß eine Genehmigung einzelner Prozeßhandlungen ausgeschlossen ist. Vgl. dazu auch: BVerwG, B. v. 28.6.1961 VCB 207.59. 30 So für das Prozeßrecht ausdrücklich: Kopp, VwGO § 62 Rdnr. 3. Vgl. nun auch: Eh1ers, DVBI. 1986, 912 (918). 31 Zu denken wäre daran, daß die Klageschrift des prozeßunfähigen Klägers mit den Worten versehen wird: "gesetzlich vertreten durch seine Eltern X, Y." 32 Vgl. allgemein zur Auslegbarkeit des Klagerubrums im Fall der gesetzlichen Vertretung: BaumbachiLauterbach § 253 Anm. 3 A. 26
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4 C.-R. Meyer
B. Die rechtliche Handlungsfähigkeit des Minderjährigen
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2. Verfahrensrechtliche Probleme im Zusammenhang mit der Prozeßführung Minderjähriger Die Prozeßführung durch einen Minderjährigen wirft in zweifacher Hinsicht Probleme auf. Zunächst sind die prozessualen Rechte des gesetzlichen Vertreters zu bestimmen, sofern der Minderjährige in einem Prozeß über die Prozeßfähigkeit verfügt. 33 Danach sind die rechtlichen Auswirkungen der Prozeßunfähigkeit des Minderjährigen auf die einzelnen Verfahrenssituationen zu ermitteln. a) Die Rechte des gesetzlichen Vertreters bei bestehender Prozeßfähigkeit des Minderjährigen
Die Prozeßfähigkeit des Minderjährigen könnte eine eigenständige Prozeßführung durch den gesetzlichen Vertreter ausschließen. Eine andere Möglichkeit besteht darin, daß die Prozeßführung des gesetzlichen Vertreters neben die des Minderjährigen tritt. Sie ist jedoch mit der Ungewißheit belastet, wer sich bei widersprüchlichen Prozeßhandlungen durchsetzt. Da die Prozeßfähigkeit sowohl auf bürgerlich-rechtlichen als auch auf öffentlich-rechtlichen Entstehungsgründen beruhen kann, empfiehlt sich eine nach Rechtsbereichen getrennte Untersuchung. aal Die Rechtslage im Fall der partiellen Prozeßfähigkeit
Die partielle Prozeßfähigkeit nach bürgerlichem Recht erfordert gemäß § 112 I BGB die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters und des Vormundschaftsgerichtes und gemäß § 113 I BGB nur die des gesetzlichen Vertreters.
Diese Abhängigkeit des Minderjährigen von den erklärten Ermächtigungen und die Möglichkeit ihrer Rücknahme könnten für die Befugnis des gesetzlichen Vertreters sprechen, neben dem Minderjährigen selbständig Prozeßhandlungen vorzunehmen. 34 Dieser Auffassung ließe sich allerdings das Bedürfnis der Rechtspflege nach Prozeßklarheit und -sicherheit entgegenhalten, da widersprüchliche Prozeßhandlungen von gesetzlichem Vertreter und Minderjährigem zu einem heillosen Durcheinander führen könnten. Um diese Kollision der Prozeßhandlungen zu vermeiden, soll nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht die gesetzliche Vertretung durch die Prozeßfähigkeit des Minderjährigen verdrängt werden. 35 Vgl. zu dieser Problematik nunmehr auch Robbers, DVBl. 1987,709 (715). So Fehnemann S. 48 f.; Kopp, VwGO § 62 Rdnr. 9. 35 Vgl. Lappe, RPfleger 1982, 10; Rosenberg/Schwab § 44 II 3 a; Thomas/Putzo § 52 Anm.2g. 33
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II. Die Stellung des Minderjährigen im Verwaltungsprozeß
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Für eine Entscheidung dieses prozessualen Problems kann die materiellrechtliche Wertung der §§ 112, 113 BGB als Orientierungshilfe herangezogen werden. Im Bereich des materiellen Rechts werden die bestehenden Ermächtigungen des Minderjährigen so ausgelegt, daß sie die Vertretungsmacht des gesetzlichen Vertreters ruhen lassen. 36 Rechtshandlungen des gesetzlichen Vertreters, die denen des Minderjährigen widersprechen, werden jedoch als konkludente Einschränkungen der eingeräumten Vertretungsmacht angesehen.37 Diese Möglichkeit der konkludenten Einschränkung ist allerdings auf die Ermächtigung nach § 113 II BGB beschränkt, da für eine Rücknahme nach § 112 II BGB die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts vorliegen muß. Die materiell-rechtlichen Wertungen lassen sich auf das Prozeßrecht übertragen. Besteht eine Ermächtigung i.S. der §§ 112, 113 BGB, erscheint es gerechtfertigt, auch nur den Minderjährigen als prozeßführungsbefugt anzusehen. Der gesetzliche Vertreter kann die Prozeßführung also nur dann übernehmen, wenn er die Ermächtigung des Minderjährigen unter den Voraussetzungen der §§ 112 II, 113 II BGB zurückgenommen hat. Einzelne Widersprüche gegen Prozeßhandlungen des Minderjährigen - so wie sie nach materiellem Recht gegenüber einzelnen Rechtsgeschäften in Betracht kommen - sind dagegen unzulässig. Eine andere Auslegung würde gegen das Gebot der Rechtssicherheit verstoßen. Solange die Ermächtigungen i.S. der §§ 112, 113 BGB also nicht wirksam zurückgenommen worden sind, ist demnach allein der Minderjährige befugt, Prozeßhandlungen vorzunehmen. bb) Die Rechtslage im FaD der relativen Prozeßfähigkeit
Für ein Nebeneinander der Prozeßführung von gesetzlichem Vertreter und Minderjährigem im gesamten Bereich des § 62 I Nr. 2 VwGO wird die Rechtsstellung des prozeßunfähigen Pfleglings im Pflegschaftsrecht angeführt. 38 Dieser gilt neben seinem Pfleger in solchen Verfahren als prozeßfähig, in denen es gerade um seine Prozeßfähigkeit geht. 39
PalandtlHeinrichs § 112 Anm. l. PalandtlHeinrichs § 113 Anm. 4 d; Erman/Brox § 113 Anm. 18. 38 Kopp, VwGO § 62 Rdnr. 9. Dieser Vorschlag soll also sowohl die partielle als auch die relative Prozeßfähigkeit betreffen. Vgl. zu diesen Begriffen B., 11., Fn. 2. 39 Sofern ein Antrag des geschäftsunfähigen Pfleglings auf Aufhebung der Pflegschaft wegen des Mangels der Geschäftsfähigkeit als unzulässig angesehen wird, steht ihm aus verfassungsrechtlichen Grundsätzen für das Rechtsmittel der Beschwerde die Prozeßfähigkeit zu. Vgl. dazu BVerfGE 10, 302 (306); 19, 93 (100); BGHZ 35,1 (7 ff.); BGH NJW 1978, 992 ff. 36 37
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B. Die rechtliche Handlungsfähigkeit des Minderjährigen
Der Hinweis auf das Pflegschaftsrecht vermag jedoch nicht zu überzeugen. Gemäß § 53 ZPO verliert sogar der an sich geschäfts- und damit auch prozeßfähige Pflegling seine Prozeßfähigkeit, falls der Pfleger in einen vom Pflegling bereits angestrengten Prozeß eintritt. 40 Diese Fallkonstellation stünde der Lage im Verwaltungsprozeß viel näher, da der Minderjährige hier ebenfalls - jedoch nach öffentlichem Recht - prozeßfähig ist. Wollte man also das Pflegschaftsrecht analog auf das Verhältnis zwischen gesetzlichem Vertreter und Minderjährigem im Verwaltungsprozeß anwenden, müßte man den Minderjährigen zugunsten des gesetzlichen Vertreters von der Prozeßführung ausschließen. Dieses Ergebnis wäre aber nicht vertretbar, da die Prozeßfähigkeit des Minderjährigen gerade gesetzlich anerkannt ist. Eine Lösung des Problems läßt sich nur finden, wenn die Anerkennung der relativen Prozeßfähigkeit auf ihre verfassungsrechtlichen Grundlagen zurückgeführt wird. Sie beruht nicht auf einem Zustimmungsakt des gesetzlichen Vertreters, sondern auf einer eigenständigen gesetzlichen Anordnung. Da die Gewährung der einfach-gesetzlichen Handlungsfähigkeit als gesetzgeberische Konsequenz aus der überwiegenden Selbstbestimmungsfähigkeit des Minderjährigen anzusehen ist 41 , liegt die Annahme nahe, daß der gesetzliche Vertreter in diesem Bereich von der Prozeßführung ausgeschlossen ist. 42 Dieser Auffassung wäre - vorbehaltlich entgegenstehender gesetzlicher Regelungen 43 - zuzustimmen, sofern mit der Anerkennung der Teilmündigkeit die gesamten Erziehungsrechte und -pflichten erlöschen würden. Hierbei bliebe jedoch unberücksichtigt, daß die Gesamtverantwortung der Eltern für die Erziehung bis zur Volljährigkeit andauert und das Erziehungsrecht der Eltern auch auf dem Gebiet der Teilmündigkeit nicht völlig erlischt. 44 So umfaßt das Elternrecht im Bereich der Religionsmündigkeit nach Auffassung des BVerwG - trotz seiner Reduzierung durch § 5 RelKEG - noch immer die Befugnis "ihr minderjähriges über 14 Jahre altes Kind in seinen religiösen Bemühungen zu unterstützen und Rechte, die das Kind auf diesem Gebiet zu haben glaubt, mit der verwaltungsgerichtlichen Klage auch im eigenen Namen geltend zu machen".45 Damit werden die Verfahrensrechte des 40 Damit soll die Gefahr sich widersprechender Prozeßhandlungen gebannt werden. Vgl. dazu BGHZ 41, 303 (306). In materieller Hinsicht bleibt der Pflegling dagegen voll verfügungsbefugt. So ausdrücklich OLG Düsseldorf OLGZ 81, 105 (106). 41 Vgl. A., 11., 2. 42 So für das Verwaltungsverfahren: Obermayer § 12 Rdnr. 18; Borgs in Meyer/ Borgs § 12 Rdnr. 4. 43 Vgl. z. B. die §§ 19 V WPflG, 11 KDVNG. 44 Vgl. dazu A., 1., Fn. 27. Ähnlich jetzt auch Robbers, DVBI. 1987,709 (714). 45 So BVerwG DVBI. 1984,268 f.; ausdrücklich a.A. ist das OVG Rheinland-Pfalz DÖV 1981, 586 f., das aus Art. 6 GG kein eigenes Recht zur eigenständigen Rechtsverfolgung herleitet.
11. Die Stellung des Minderjährigen im Verwaltungsprozeß
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gesetzlichen Vertreters nur deshalb anerkannt, damit dieser weiterhin die materiellen Interessen des Minderjährigen verfolgen kann. Was in seinem Interesse liegt, entscheidet der Minderjährige selbst, da sein Selbstbestimmungsrecht das Erziehungsrecht aufgrund der Teilmündigkeitsregelung überwiegt. Widerspricht der gesetzliche Vertreter einer Prozeßhandlung des Minderjährigen, so hat das also nicht zur Folge, daß das Gericht i.S.d. gesetzlichen Vertreters zu entscheiden hätte. Das Gericht kann bei einem Urteil aber die vom gesetzlichen Vertreter geltend gemachten Gründe mit in seine Abwägung einbeziehen. Die Prozeßführung des Minderjährigen wird somit von der des gesetzlichen Vertreters nur indirekt berührt. Das hat auch zur Folge, daß sich eine eventuelle Klagerücknahme durch den gesetzlichen Vertreter nur auf seine eigene Klage, nicht aber auf die des Minderjährigen beziehen kann.
b) Auswirkungen der Prozeßunfähigkeit auf den Verlauf des Prozesses aa) Der prozeßunfähige Minderjährige als Kläger
Die Prozeßfähigkeit stellt die Bedingung dafür dar, daß gegenüber einem Beteiligten überhaupt ein Sachurteil ergehen kann. Da von ihrem Vorliegen aber auch die Wirksamkeit der einzelnen vorgenommenen Prozeßhandlung abhängt, kann sie als Prozeß- und Prozeßhandlungsvoraussetzung angesehen werden. 46 (1) Situation bei sofortiger Kenntnis des Gerichts
vom Mangel der Prozeßfähigkeit
Der Mangel der Prozeßfähigkeit hindert das Gericht daran, über die eingereichte Klage durch Sachurteil zu entscheiden. Für das Gericht bestehen nun zwei Entscheidungsmöglichkeiten. Das Fehlen einer Prozeßvoraussetzung könnte dazu führen, daß die eingelegte Klage des Minderjährigen als unzulässig abzuweisen wäre. Die anfallenden Kosten müßten ihm in diesem Fall aus dem Gesichtspunkt der Erfolgshaftung auferlegt werden. 47 Das Prozeßurteil wäre gemäß § 56 I und 11 VwGO i.V.m. § 7 I VwZG dem gesetzlichen Vertreter zuzustellen. 48 Eine andere Möglichkeit besteht darin, daß das Gericht dem Mangel der Prozeßfähigkeit abhilft, also entweder die Eltern hinzuzieht oder aber einen 46 Redeker/v. Oertzen § 62 Rdnr. 7; Eyermann/Fröhler § 62 Rdnr. 8; vgl. auch Baur Rdnr. 84. 47 Baumgärtel S. 103; Krause, VerwArch 1970, 297 (313). 48 A.A. Redeker/v. Oertzen § 62 Rdnr. 11, die auch eine Zustellung an den Minderjährigen persönlich als wirksam ansehen.
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B. Die rechtliche Handlungsfähigkeit des Minderjährigen
Prozeßpfleger bestellt. Während für den Zivilprozeß der Grundsatz gilt, daß die Klage eines Prozeßunfähigen ohne weiteres als unzulässig abgewiesen werden kann 49 , wird diese Konsequenz für den Verwaltungsprozeß nicht gezogen. Zunächst wird dem prozeßunfähigen Beteiligten gemäß § 62 III VwGO i.V.m. § 56 II ZPO die Möglichkeit eingeräumt, die Prozeßführung vorläufig zu übernehmen, sofern mit dem Verzug Gefahr verbunden ist. 50 Es wird ihm auch eine Frist zugestanden, in der er durch Hinzuziehung seines gesetzlichen Vertreters den Mangel der Prozeßfähigkeit beheben kann. 51 Darüber hinaus soll § 57 I ZPO, der sich unmittelbar nur auf den Beklagten bezieht, in Ausnahmefällen auch auf den prozeßunfähigen Kläger anwendbar sein. Dieser besäße damit die Möglichkeit, seine Rechte in einem Prozeß mit Hilfe eines Prozeßpflegers durchzusetzen. Bisher wurde die selbständige Bestellung eines Prozeßpflegers durch ein Gericht nur in zwei Bereichen uneingeschränkt als geboten anerkannt. So dürfe i.R. der Eingriffsverwaltung das Problem der Bestandskraft von Verwaltungsakten gegenüber möglicherweise Prozeßunfähigen nicht ungeklärt bleiben. Da das Gericht gemäß § 86 I, III VwGO verpflichtet sei, den Sachverhalt zu erforschen und auf die Stellung von sachdienlichen, also verfahrensrechtlich gültigen Anträgen hinzuwirken, habe es für eine ordnungsgemäße Vertretung des Klägers zu sorgen. 52 Des weiteren soll dem prozeßunfähigen Kläger i.R. einer Klage auf Sozialhilfe ein Pfleger zur Seite gestellt werden. 53 Teilweise wird aus den verfassungsrechtlichen Grundsätzen der Art. 103 und 19 IV GG für alle Klagen im Über- und Unterordnungsverhältnis eine Pflicht zur Prozeßpflegerbestellung hergeleitet.5 4 Nach a.A. gehen alle angeführten Verpflichtungen des Gerichts zu weit, da § 57 I ZPO ausdrücklich nur in den Fällen eingreife, in denen mit dem Verzug
Gefahr verbunden sei. 55
49 Ein Prozeßurteil befürworten BaumbachlLauterbach § 56 Anm. E) b) aa) und Baur Rdnr. 84. Vgl. zu den Ausnahmen bei Geisteskranken und Entmündigten B., 11., Fn.39. 50 EyermannlFröhIer § 62 Anm. 15. 51 So für den Zivilprozeß auch: BaumbachlLauterbach § 56 Anm. E. 52 BVerwGE 23,15 (16); BVerwG Buchholz 310 § 62 VwGO Nr. 14; vgl. in diesem Zusammenhang zur Sachaufklärungspflicht des Gerichts: BVerwG Buchholz 310 § 86 VwGO Nr. 13. 53 Soweit z. B. ein geistig Behinderter aufgrund seiner Behinderung Sozialhilfe erhalten kann, soll die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen wegen eben dieser Behinderung nicht am Mangel der Prozeßfähigkeit scheitern. Vgl. dazu BVerwGE 25,36; vgl. zu den Auswirkungen der Prozeßunfähigkeit bei der Anfechtung von Verwaltungs akten der Betreuungsverwaltung BVerwG DVBI. 1968,887. 54 Kopp, VwGO § 62 Rdnr. 13 m.w.N. 55 Eyermann/Fröhler § 62 Rdnr. 8.
H. Die Stellung des Minderjährigen im Verwaltungsprozeß
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Die dargestellten Vorschläge gehen nicht auf den Umstand ein, daß die Prozeßunfähigkeit gerade auf der Minderjährigkeit beruht. Eine eigenständige Lösung muß daher vor allem berücksichtigen, daß im Fall eines Minderjährigen die Prozeßvertretung grundsätzlich dem gesetzlichen Vertreter obliegt. (a) Das Verfahren bei Minderjährigen, soweit der gesetzliche Vertreter aus tatsächlichen Gründen an der Prozeßführung gehindert ist Eine Pflegerbestellung für Minderjährige nur in den von der Rechtsprechung bisher anerkannten Fällen, würde den Grundsätzen des Rechtsschutzes und der Pflicht zur Gewährung des rechtlichen Gehörs nicht gerecht. Auch die Anerkennung der Prozeßfähigkeit für solche Verfahren, in denen es gerade um die Prozeßfähigkeit geht, stellt für den Minderjährigen keine Verbesserung seiner Rechtsschutzsituation dar. Sie läuft vielmehr ins Leere. Denn die altersbedingte Prozeßunfähigkeit steht insoweit fest und kann nicht umstritten sein, wie etwa in den Fällen der Geistesschwäche oder des Querulantenwahns. 56 Aus diesen Überlegungen sind z. B. für das ausländerrechtliche Aufenthaltserlaubnisverfahren Konsequenzen gezogen worden. So wurden die Voraussetzungen einer Ergänzungspflegschaft gemäß § 1909 BGB bejaht, sofern die Eltern des Minderjährigen an der gesetzlichen Vertretung gehindert waren.57 Insofern erscheint es generell der richtige Weg zu sein, den minderjährigen Klägern effektiven Rechtsschutz nicht über eine entsprechende Anwendung des § 57 ZPO im Verwaltungsprozeß zu gewährleisten, sondern über die Ergänzungspflegschaft. Eine solche Lösung dient auch der Prozeßökonomie, da mit der Ergänzungspflegschaft eine Bedürfnisprüfung verbunden ist. Im Fall einer tatsächlichen Verhinderung des gesetzlichen Vertreters muß das Gericht also entweder selbst beim Vormundschaftsgericht die Bestellung eines Ergänzungspflegers beantragen, oder es hat den Minderjährigen auf diesen Weg zu verweisen. Die Klage kann jedenfalls nicht allein aufgrund der bestehenden Prozeßunfähigkeit als unzulässig abgewiesen werden. (b) Das Verfahren bei Minderjährigen, sofern sich der gesetzliche Vertreter weigert, tätig zu werden Damit bleibt die Frage zu beantworten, wie sich das Gericht zu verhalten hat, wenn der gesetzliche Vertreter nicht aus tatsächlichen Gründen an der 56 57
Vgl. dazu etwa BVerwG Buchholz 310 § 62 VwGO Nr. 3. So das KG Berlin NJW 1982, 526; ebenso Palandt/Diederichsen § 1909 Anm. 2 b.
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B. Die rechtliche Handlungsfähigkeit des Minderjährigen
Prozeßvertretung gehindert ist, sondern die Rechtsverfolgung schlechthin ablehnt, z. B. weil er keine Erfolgsaussichten für die Klage sieht, weil er zu träge ist oder von dieser Rechtsordnung ohnehin nichts erwartet. Eine rechtsstaatlich einwandfreie Lösung muß sowohl die Belange des Elternrechts gemäß Art. 6 I GG als auch das Selbstbestimmungsrecht des Minderjährigen berücksichtigen. Die Ansprüche des Minderjährigen auf Rechtsschutz und auf rechtliches Gehör müssen ebenfalls in die Untersuchung einbezogen werden. In dem vergleichbaren Verhältnis zwischen Gebrechlichkeitspfleger und dem geschäfts- und prozeßunfähigen Pflegling gilt der Grundsatz, daß der Pflegling auf die Prozeßvertretung durch den Pfleger angewiesen ist und daß ihm das rechtliche Gehör in der Person seines Pflegers gewährt wird. 58 Sofern man diese Grundsätze auf das Verhältnis zwischen den Eltern und ihren Kindern überträgt, kommt man zu dem Ergebnis, daß die Kinder die Entscheidungen ihres gesetzlichen Vertreters hinzunehmen haben. Die vom Minderjährigen angestrengte Klage wäre dann als unzulässig abzuweisen. Etwas anderes könnte sich nur aufgrund einer Anwendung des § 1666 BGB ergeben, wenn man die Weigerung des gesetzlichen Vertreters, die Prozeßführung zu übernehmen, als eine mißbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge auffaßt. Dann könnte das Vormundschaftsgericht i.R. seiner Gefahrabwendungspflicht einen Pfleger mit der Prozeßvertretung beauftragen. 59 Der Minderjährige, der an der Führung des Prozesses festhalten will, muß also eine dahingehende Entscheidung des Vormundschaftsgerichts beantragen. 60 Da ein so direktes Eingreifen des Staates in den Familienbereich mit vielerlei emotionalen Spannungen verbunden ist und zu erheblichen psychischen Belastungen des Kindes führen kann, ist in letzter Zeit vorgeschlagen worden, auf das vormundschaftsgerichtliche Verfahren zu verzichten. Der Mangel der Prozeßfähigkeit soll danach schon allein vom angerufenen Verwaltungsgericht durch eine Prozeßvertreterbestellung gemäß § 67 II S. 2 VwG061 behoben werden können. Familiäre Spannungen, wie sie bei einem Vorgehen nach § 1666 BGB zu befürchten wären, könnten so vermieden werden. 62 Dieser Vorschlag vermag allerdings nicht zu überzeugen. Nach überwiegender Auffassung wird die Anwendbarkeit des § 67 II S. 2 VwGO schon dann 58 VgI. BGH WM 1974, 272 (273); BGHZ 35, 1 (5, 9) m.H.a. BVerfG NJW 1965, 205l. 59 Ähnlich Dürig in Maunz/Dürig Art. 19 III Rdnr. 27. 60 VgI. zum Antragsrecht des Minderjährigen A., 11., 3., b). 61 Für das Verwaltungsverfahren ist § 16 I Nr. 4 VwVfG vergleichbar. 62 Roell S. 65 führt für ihren Vorschlag aber nur soziologische und keine juristischen Argumente an.
11. Die Stellung des Minderjährigen im Verwaltungsprozeß
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abgelehnt, wenn Zweifel an der Prozeßfähigkeit des Beteiligten bestehen. 63 Dieses muß bei der Beteiligung eines Minderjährigen erst recht gelten, da seine Prozeßunfähigkeit insoweit feststeht. Außerdem würde ein solches Vorgehen dem Verhältnis von staatlicher Aufsicht über die Erziehung und dem Elternrecht nicht gerecht. Das Recht zur Vertretung ihrer Kinder steht "zuvörderst" wie es in Art. 6 II GG heißt, den Eltern zu. Die staatliche Gemeinschaft wacht gemäß Art. 6 III GG nur über die Ausübung der elterlichen Sorge i.S. von § 1629 BGB. Die Vorschriften der §§ 1666 ff. BGB sind demnach als Ausfüllung des Wächteramtes zu verstehen. Wenn die Eltern in Ausübung ihres Elternrechtes eine Prozeßführung ablehnen, dann können dafür jedoch gewichtige Argumente sprechen. Diese können nicht einfach außer acht gelassen werden, in dem das vom Minderjährigen angerufene Verwaltungsgericht selbständig und gegen den Willen der Eltern einen Prozeßvertreter bestellt. Wenn der Staat in das Erziehungsrecht eingreifen will, bedarf es dazu gerade der Ausprägung des förmlichen vormundschaftsgerichtlichen Verfahrens, in dem ein etwaiger Mißbrauch des Elternrechts festzustellen ist. Eine andere Regelung würde gegen Art. 6 II GG verstoßen und wäre damit verfassungswidrig. Sofern die Ansicht des Minderjährigen und der Eltern hinsichtlich der Prozeßführung divergieren, muß der Staat in dem oben genannten vormundschaftsgerichtlichen Verfahren entscheiden, ob die konkrete Maßnahme noch vom Elternrecht gedeckt ist. Darüber hinaus wäre mit dem Versuch, eine solche förmliche Entscheidung zu vermeiden, wenig gewonnen. Zum einen ist damit zu rechnen, daß die Eltern gegen eine formlose Bestellung eines Prozeßbevollmächtigten wegen des Verstoßes gegen Art. 6 II GG gerichtlich vorgehen werden. Zum anderen wiegt das Argument, daß bei einem Vorgehen nach § 67 II S. 2 VwGO Spannungen vermieden würden - wie Roell auch selbst feststellt 64 - nicht viel, da ein solcher indirekter Eingriff in das Elternrecht ebenfalls zu Spannungen führen würde. Sofern die Eltern daher eine Prozeßführung ablehnen, hat das angerufene Verwaltungsgericht gemäß § 86 III VwGO die Pflicht, den Minderjährigen auf das vormundschaftsgerichtliche Verfahren hinzuweisen. Bis zum Abschluß des Verfahrens nach § 1666 BGB ist die Verhandlung gemäß § 94 VwGO auszusetzen. Wenn in der Verweigerung der Prozeßführung ein Mißbrauch des Sorgerechtes liegt, hat das Vormundschaftsgericht für den Minderjährigen einen Ergänzungspfleger zu bestellen. Im anderen Fall ist die Klage vom Verwaltungsgericht als unzulässig abzuweisen.
63 64
Redeker/v. Oertzen § 67 Rdnr. 17 m.w.N.; Kopp, VwGO § 67 Rdnr. 21. Vgl. Roell S. 65.
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B. Die rechtliche Handlungsfähigkeit des Minderjährigen
(c) Die Klagerücknahme durch den prozeßunfähigen Minderj ährigen Zweifelhaft ist, ob der Minderjährige die Abweisung der Klage als unzulässig dadurch abwenden kann, daß er sie gemäß § 92 VwGO zurücknimmt. Teilweise wird die Klagerücknahme eines Prozeßunfähigen in Literatur65 und Rechtsprechung66 für wirksam gehalten. Zur Begründung wird ein Vergleich zwischen einseitiger Klagerücknahme und Prozeßurteil angeführt. Der Minderjährige könne mit seiner Klage ein wirksames Prozeßrechtsverhältnis auslösen. Dieses habe zwar nur zur Folge, daß die Klage als unzulässig abzuweisen sei. Wenn aber der Prozeß durch ein Prozeßurteii förmlich abgeschlossen werden könne, so stehe nichts der Annahme entgegen, daß dieses auch durch die einseitige Klagerücknahme geschehen könne. 67 Die Anerkennung der Prozeßfähigkeit des Minderjährigen für die Prozeßhandlung "Klagerücknahme"68 ist jedoch mit dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 62 VwGO nicht zu vereinbaren. Danach ist die Wirksamkeit der Klagerücknahme von der Prozeßfähigkeit des Erklärenden abhängig. 69 Eine andere Auffassung verstieße gegen das mit § 62 VwGO bezweckte Minderjährigenschutzprinzip. Das wird besonders deutlich, wenn der Minderjährige gegen einen ihm persönlich gegenüber erlassenen Verwaltungs akt geklagt hatte.7° In dieser Situation darf die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes nicht ungeklärt bleiben. Vor allem muß verhindert werden, daß ein u.V. unwirksamer Verwaltungsakt aufgrund der Klagerücknahme weiterhin eine Scheinwirkung entfaltet. (2) Situation, wenn der gesetzliche Vertreter in den Prozeß eintritt Falls der gesetzliche Vertreter die Prozeßführung übernimmt, bestehen für ihn zwei Handlungsmöglichkeiten. Billigt er in entsprechender Anwendung der §§ 138 Nr. 4, 153 VwGO i.V.m. § 579 I Nr. 4 ZPO die gesamte Prozeßführung71 , wird der Mangel der Prozeßfähigkeit rückwirkend behoben.72 Diese Genehmigung führt zur Wirksamkeit aller mit dem Mangel der ProzeßfähigRedeker/v. Oertzen § 62 Rdnr. 11. BSG NJW 1979,1224; OVG Lüneburg AS 8, 446 (447). 67 Vgl. das OVG Lüneburg a.a.O. 68 Vgl. für den Zivilprozeß: Baur Rdnr. 93. 69 Die Prozeßfähigkeit halten ebenfalls für erforderlich: Krause, VerwArch 1970, 297 (318); Kopp, VwGO § 62 Rdnr. 1. Auch das BVerwG Buchholz 310 § 92 VwGO Nr. 2 scheint zu dieser Auffassung zu tendieren. So hat es die fehlende Prozeßfähigkeit im entschiedenen Fall nur deswegen für bedeutungslos gehalten, weil sie erst im, auf die Klagerücknahme folgenden Termin vorlag. 70 Vgl. zu dieser Situation auch B., 111., 6. 71 Vgl. zu dieser Möglichkeit B., 11.,1., b). 72 Siehe dazu auch: BVerwG Buchholz 238.4 § 44 SG Nr. 2. 65
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H. Die Stellung des Minderjährigen im Verwaltungsprozeß
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keit belasteten Prozeßhandlungen und schafft die Voraussetzung dafür, daß nunmehr ein Sachurteil ergehen kann. Eine derartige Heilung ist sogar noch in der Revisionsinstanz möglich.?3 Sofern sich der Prozeßverlauf z. B. aufgrund der Unreife des Minderjährigen ungünstig entwickelt hatte, kann der gesetzliche Vertreter seine Genehmigung jedoch auch verweigern. Dann verbleibt es endgültig bei der Unwirksamkeit aller bisherigen Prozeßhandlungen, die daher insgesamt nachzuholen sind. Die rügelose Weiterführung eines vom Minderjährigen angestrengten Prozesses durch den gesetzlichen Vertreter kann als eine stillschweigende Genehmigung des bisherigen Verfahrens mit den angeführten Folgen angesehen werden.?4 (3) Situation, wenn trotz fehlender Prozeßfähigkeit ein Sachurteil ergeht Die Auswirkungen eines mit dem Mangel der Prozeßfähigkeit behafteten Sachurteils lassen sich dadurch transparent machen, daß man sie in Bezug zu den einzelnen Phasen der Entstehung des Urteils und der jeweiligen rechtlichen Bedeutung setzt. Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob ein solches Sachurteil wirksam werden kann und ob es darüber hinaus der formellen und materiellen Rechtskraft fähig ist. Existent wird ein Urteil dadurch, daß es von den Richtern in der Beratung i.S.v. § 112 VwGO gefällt und im Anschluß an die mündliche Verhandlung verkündet wird.?5 Damit ist das Urteil erlassen.?6 Mit dem Begriff der Wirksamkeit wird nunmehr die Tatsache umschrieben, daß das erkennende Gericht mit der Verkündung gemäß den §§ 173 VwGO i.V.m. 318 ZPO an das Urteil gebunden ist.?7 Das Gericht kann das verkündete Urteil also nicht mehr ändern, selbst wenn es dessen Unrichtigkeit später erkennt. Diese Innenbindung des Gerichts darf nicht mit der äußeren bzw. inneren Wirksamkeit eines Urteils i.S. der formellen oder materiellen Rechtskraft verwechselt werden. 78 Die formelle und materielle Rechtskraft eines 73 Vgl. BVerwG B. v. 28.6.1961 VCB 207/59 m.H.a. RGZ 126, 261. 74 Bloßes Schweigen kann dagegen nicht als Genehmigung ausgelegt werden. Vgl. BVerwG Buchholz 237.2 § 79 LBG Berlin Nr. 2 S. 1 (6 f.); BVerwG Buchholz 402.25 § 6 AsylVfG Nr. 1. 75 Sofern gemäß § 116 IH VwGO einverständlich auf die mündliche Verhandlung verzichtet worden ist, wird die Verkündung durch die Zustellung des Urteils ersetzt. Zu den damit zusammenhängenden Problemen siehe unter B., H., 2., b), aa), (3), (b), (bb). 76 EyermannlFröhler § 116 Rdnr. 5; Redeker/v. Oertzen § 116 Rdnr. 5. 77 Kopp, VwGO § 116 Rdnr. 6; Baur Rdnr. 206. 78 Vgl. zur Abgrenzung: Thomas/Putzo § 318 Anm. 2 d m.w.N.
B. Die rechtliche Handlungsfähigkeit des Minderjährigen
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Urteils tritt mit seiner Verkündung nur dann ein, wenn gegen das Urteil kein Rechtsmittel mehr statthaft ist.79 Mit der Zustellung des Urteils gemäß § 116 I S. 2 bzw. 11 VwGO läuft gemäß § 12411 S. 1 VwGO die Berufungsfrist von einem Monat. Nach Ablauf der Frist wird das Urteil unanfechtbar und damit formell rechtskräftig. Die formelle Rechtskraft ist wiederum Voraussetzung für den Eintritt der materiellen Rechtskraft.8° Nach der auch im Verwaltungsprozeß überwiegend vertretenen prozeßrechtlichen Rechtskrafttheorie 81 führt die materielle Rechtskraft dazu, daß das formell rechtskräftige Urteil für einen zweiten Prozeß maßgeblich ist.8z Damit kann kein zweiter Prozeß über denselben Streitgegenstand geführt werden.83 Außerdem ist jedes Gericht in einem zweiten Prozeß bei der Beurteilung einer Vorfrage seiner Entscheidung gebunden, wenn diese Vorfrage Gegenstand des Urteils im ersten Prozeß war.8 4 Die fehlende Prozeßfähigkeit des Minderjährigen kann sich damit auf die formelle und materielle Rechtskraft, sowie auf die Wirksamkeit des Urteils auswirken. (a) Das Problem der formellen Rechtskraft Der Eintritt der formellen Rechtskraft setzt außer in den Fällen, in denen sie schon mit der Verkündung des Urteils eintritt, den Ablauf der Berufungsfrist von einem Monat gemäß § 12411 VwGO voraus. Diese Frist läuft jedoch erst ab dem Zeitpunkt, in dem das Urteil zugestellt worden ist. (aa) Folgen der Zustellung an den prozeßunfähigen Minderjährigen Gemäß § 56 VwGO i.V.m. § 7 I VwZG muß ein Urteil, das einen prozeßunfähigen Minderjährigen betrifft, dem gesetzlichen Vertreter zugestellt werden. Eine Zustellung, die unter Verstoß gegen diese Vorschriften an den Minderjährigen persönlich erfolgt ist, kann daher nur als unwirksam angesehen werden. 85 Es stellt sich also die Frage, ob auch eine unwirksame Zustellung die Rechtsmittelfristen auszulösen vermag. Einen Ansatzpunkt zur Lösung dieses Vgl. Braun, JuS 1986, 364 (365). Redeker/v. Oertzen § 121 Rdnr. 1. 81 Kopp, VwGO § 121 Rdnr. 2. 82 Kopp a.a.O. 83 Redeker/v. Oertzen § 121 Rdnr. 4. 84 Baur Rdnr. 235. 85 Vgl. zu diesem Ergebnis: Kopp, VwGO § 56 Rdnr. 13; Eyermann/Fröhler § 56 Rdnr. 19; Redeker/v. Oertzen § 56 Rdnr. 11. 79
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Problems könnte die Behandlung dieser Frage durch die zivil prozessuale Dogmatik bieten,86 Nach der dort vorherrschenden Auffassung kann auch ein unter Verstoß gegen § 171 I ZP087 zugestelltes Urteil in formelle Rechtskraft erwachsen. 88 Dafür werden vor allem zwei Überlegungen angeführt: Zum einen ergebe sich schon aus den Vorschriften der §§ 578 I, 579 I Nr. 4 i.V.m. 586 I, III ZPO, daß der Gesetzgeber offenbar vom Eintritt der formellen Rechtskraft auch im Fall der mangelnden Vertretung ausgegangen sei,89 Zum anderen stünde eine Aushöhlung der Vorschriften über die Nichtigkeitsklage zu befürchten, wenn ein solches Sachurteil auch noch nach Jahren durch eine Rechtsmitteleinlegung angreifbar wäre. Ein solcher Zustand lasse sich mit dem Bedürfnis der Rechtspflege nach Sicherheit und Klarheit nicht vereinbaren. Für solche Fälle sei eben die Nichtigkeitsklage zur Durchbrechung der Rechtskraft angezeigt. 9o Diese Auffassung überzeugt nach der derzeit geltenden Fassung der §§ 516, 522 ZPO, die eine wechselvolle Geschichte hinter sich haben91 , nicht mehr. 92 Denn diese sehen trotz der unwirksamen Zustellung spätestens nach dem Ablauf einer Fünfmonatsfrist den Eintritt der formellen Rechtskraft VOr. 93 Unabhängig von der letzten Überlegung, zum al der VwGO eine vergleichbare Fünfmonatsfrist fehlt, hat sich das BVerwG94 und mit ihm ein großer Teil des verwaltungsrechtlichen Schrifttums95 der herrschenden zivilrechtlichen Auffassung angeschlossen. Aus dem Bedürfnis des Rechtsverkehrs nach Rechtsklarheit und dem Regelungskomplex der Nichtigkeitsklage folge auch für den Verwaltungsprozeß, daß ein Sachurteil gegen einen Prozeßunfähigen in formelle Rechtskraft erwachsen könne. Nach dem Ablauf der Rechtsmittelfrist soll das rechtskräftige Urteil jedoch mit der Nichtigkeitsklage gemäß § 153 VwGO i.V.m. § 579 I Nr. 4 ZPO angreifbar bleiben. Da eine Heilung Vgl. die Übersicht bei Grundmann S. 47 - 55. Diese Vorschrift entspricht § 7 I VwZG. 88 Grundlegend RGZ 121, 63; BGH LM § 52 ZPO Nr. 3; BGH FamRZ 1963,131 ff.; BaumbachlLauterbach § 56 Anm. 1 C, § 586 Anm. 2 A. 89 Vgl. dazu LG Paderbom NJW 1975,1748. 90 Vgl. das RG a.a.O.; BGH LM § 52 ZPO Nr. 3. 91 Siehe dazu die Darstellung bei Grundmann S. 50 f., die jedoch seit der Änderung der §§ 516,552 ZPO durch Gesetz v. 13.6.1980 (BGBI. I S. 677) schon wieder veraltet ist. Außer bei Versäumnisurteilen (vgl. dazu LG Frankfurt NJW 1976, 557 (558)) tritt die formelle Rechtskraft nun spätestens fünf Monate nach Urteilsverkündung ein. 92 Vgl. dazu auch Niemeyer, NJW 1976, 742 f.; LG Frankfurt a.a.O. 93 Auch Grundmann hat seine gegenteilige Auffassung gerade auf die alte Fassung der §§ 516, 552 ZPO ohne die Fünfmonatsfrist gestützt. Kritisch dazu Walter, FamRZ 1981, 1021 (1022). 94 BVerwG NJW 1964, 1819; BVerwG NJW 1970, 962 (963). 95 Redeker/v. Oertzen § 62 Rdnr. 13; Eyermann/Fröhler § 62 Rdnr. 16. 86 87
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B. Die rechtliche Handlungsfähigkeit des Minderjährigen
des Vertretungsmangels wegen der Geltendmachung i.R. der Nichtigkeitsklage ausscheide, soll der Schutz der Prozeßunfähigen dadurch gewährleistet werden, daß das ergangene, rechtskräftige Sachurteil durch ein Prozeßurteil ersetzt wird. Dieses stehe einer erneuten Geltendmachung des Anspruchs bei ordnungsgemäßer Vertretung nicht im Wege. 96 Fraglich ist jedoch, ob die nach § 56 11 VwGO anwendbaren Vorschriften des VwZG nicht eine andere Auslegung gebieten. Auszugehen ist dabei von der Tatsache, daß das für die Zustellung von Urteilen vorgeschriebene, förmliche Zustellungsverfahren dazu dient, den Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 GG sicherzustellen. 97 Wird ein den Minderjährigen betreffendes Sachurteil nicht an den gesetzlichen Vertreter, sondern ihm persönlich zugestellt, so verstößt das gegen § 7 I VwZG. Diese Formvorschrift kann nicht als Formalie abgetan werden, um den darin liegenden Minderjährigenschutz zu durchbrechen. 98 Wenn die Minderjährigkeit zur Unwirksamkeit der Zustellung führt, muß man daraus auch die Konsequenz ziehen, daß die Rechtsmittelfrist nicht zu laufen beginnt. Folgt man dieser Überlegung, kann auch die formelle Rechtskraft nicht eintreten. Das Bedürfnis des Rechtsverkehrs nach Sicherheit kann gegen dieses Ergebnis nicht eingewandt werden. So schließt § 911 VwZG die mögliche Heilung eines Zustellungsmangels gerade für den Fall aus, daß dadurch eine Rechtsmittelfrist in Gang gesetzt wird. Damit wird der Nichteintritt der formellen Rechtskraft bewußt in Kauf genommen. Zudem war auch die Rechtsprechung - außer in den Fällen der unwirksamen Zustellung an einen Minderjährigen - immer wieder bereit, das Gebot der Rechtssicherheit zurückzustellen, sofern die Zustellung an sich fehlerhaft war. 99 In den angeführten Urteilen wurde ein Lauf der Rechtsmittelfristen und damit ein Eintritt der formellen Rechtskraft abgelehnt. Auch das BVerwG hat die Zustellung eines Widerspruchsbescheides an einen Minderjährigen für unwirksam gehalten und daraus die Konsequenz gezogen, daß die Klagefrist nicht in Gang gesetzt wird. 100 Für eine unterschiedliche Bewertung der formellen Bestandskraft von Verwaltungsakten gegenüber der formellen Rechtskraft von Urteilen lassen sich Vgl. zu dieser Argumentation BVerwG BayVBI. 1976,213 ff. Die Nichteinhaltung der Formvorschriften verletzt also den Anspruch der Beteiligten aufrechtliches Gehör. Vgl. Kopp, VwGO § 56 Rdnr. 1. 98 Für das Zivilrecht betont den Minderjährigenschutz ebenfalls: Niemeyer NJW 1976, 742 f. Zur Verschlechterung der Rechtsschutzposition durch das alleinige Angewiesensein auf die Nichtigkeitsklage vgl.: LG Frankfurt a.a.O.; Kirberger, JuS 1976, 642 (644). 99 Vgl. Z. B. BGHZ 32, 370 (fehlerhafte Auslandszustellung); BGH NJW 1963, 154 f. (unwirksame Zustellung an nicht vertretungsberechtigten Rechtsanwalt) oder BVerwG VerwRspr. 18 Nr. 187 (fehlerhafte Ersatzzustellung). 100 BVerwG Buchholz 340 § 7 VwZG Nr. 1. 96 97
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jedoch keine Gründe anführen, da sie insoweit beide von der ordnungsgemäßen Einhaltung des Zustellungsverfahrens abhängen. Das von der Gegenauffassung befürchtete Leerlaufen der Regelungen über die Nichtigkeitsklage ist aufgrund der eindeutigen Vorschrift in § 911 VwZG hinzunehmen .101 Damit bleibt als Ergebnis festzuhalten, daß ein Sachurteil dem Minderjährigen persönlich nicht wirksam zugestellt werden kann. Dieses hat zur Folge, daß die formelle Rechtskraft nicht eintreten kann. 102 (bb) Möglichkeiten der Heilung des Zustellungsmangels Man könnte zunächst an eine Heilung des Zustellungsmangels gemäß § 9 I VwZG denken, sofern der gesetzliche Vertreter das Urteil als Empfangsberechtigter nachweislich erhalten hat. Die Anwendung des § 9 I VwZG scheidet jedoch aus, wenn an eine andere Person als an den Empfangsberechtigten zugestellt worden isP03 Eine solche Situation liegt jedoch gerade vor, wenn die Zustellung an den Minderjährigen persönlich, an statt an den gesetzlichen Vertreter gerichtet war. Selbst wenn man entgegen der hier vertretenen Auffassung in diesem Fall eine Heilung nach § 9 I VwZG grundsätzlich für möglich hielte, würde sich an dem Nichteintritt der formellen Rechtskraft nichts ändern, da § 911 VwZG dem Lauf der Rechtsmittelfrist entgegensteht. Der Eintritt der formellen Rechtskraft läßt sich dann erzielen, wenn das Zustellungsverfahren wiederholt wird und die Zustellung nunmehr an den gesetzlichen Vertreter gemäß § 7 I VwZG erfolgt. Da der Empfangsberechtigte ordnungsgemäß Kenntnis von dem Urteil erhält, laufen ab diesem Zeitpunkt die Rechtmittelfristen. In dieser Lage muß sich der gesetzliche Vertreter rühren. Er kann den Mangel der Prozeßfähigkeit mit Rechtsmitteln rügen. Sofern ihm das Urteil günstig erscheint, kann er die Prozeßführung jedoch auch genehmigen. Damit würde das Urteil dann endgültig wirksam. Unklar ist, ob die Unwirksamkeit der Zustellung allein durch die Wiederholung des Zustellungsverfahrens behoben werden kann. Man könnte daran denken, auch den fehlerhaften Zustellungsakt an den Minderjährigen persönlich in Anwendung des § 138 Nr. 4 VwGO für genehmigungsfähig zu halten. 104 Der Zweck des § 7 I VwZG liegt darin begründet, eine Einwirkung auf den Rechtskreis des Minderjährigen ohne Beteiligung seines gesetzlichen Vertre101 Die Vorschriften über die Nichtigkeitsklage behalten aber dann ihre Bedeutung, wenn die formelle Rechtskraft schon mit der Verkündung eintritt. 102 So im Ergebnis auch Krause, VerwArch 70, 297 (317 f.). 103 OVG Hamburg ZBIJR 1982, 178 und DVBI. 1982, 218. 104 Vgl. zur Möglichkeit einer Heilung des Zustellungsaktes an sich: bejahend BVerwG DÖV 1985, 407; ablehnend: Kopp, VwGO § 56 Rdnr. 8.
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B. Die rechtliche Handlungsfähigkeit des Minderjährigen
ters zu verhindern. Daher bestehen keine Bedenken, die Genehmigungsmöglichkeit auch auf die unwirksame Zustellung zu erstrecken. Sofern der Minderjährige ein günstiges Urteil erstritten hat, kann der gesetzliche Vertreter also die gesamte Prozeßführung einschließlich der unwirksamen Zustellung genehmigen. (b) Problematik der Wirksamkeit und der materiellen Rechtskraft Die Untersuchung der Wirksamkeit des gegen den Minderjährigen ergangenen Sachurteils hat verschiedene Fallgruppen zu berücksichtigen. Zunächst geht es um das Problem, wie ein Urteil zu bewerten ist, das unwirksam zugestellt worden ist. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Frage einzugehen, wie sich die Möglichkeit einer Heilung des Zustellungsmangels auf die Wirksamkeit des Urteils auswirkt. Daran anschließend sind die Abweichungen darzulegen, falls die Verkündung des Urteils gemäß § 116 III VwGO durch die Zustellung an die Beteiligten ersetzt wird. (aa) Abgrenzung zum nichtigen Urteil Die unwirksame Zustellung hemmt den Lauf der Rechtsmittelfristen und damit auch den Eintritt der formellen Rechtskraft. Fraglich ist, ob der damit verbundene Ausschluß der materiellen Rechtskraft zur Nichtigkeit des Urteils führt. Die Antwort hängt davon ab, wie man ein mit dem Mangel der Prozeßfähigkeit behaftetes Urteil in die Kategorie der Wirksamkeit von Urteilen einordnepo5 Da eine echte gerichtliche Entscheidung vorliegt und das Urteil vom Gericht auch entäußert worden ist, kann das Vorliegen einer gänzlich wirkungslosen Scheinentscheidung (Nichturteil) ausgeschlossen werden. 106 Damit steht nur noch das Vorliegen eines nichtigen oder eines mangelhaften, im übrigen aber wirksamen Urteils zur Entscheidung. Das nichtige Urteil zeichnet sich dadurch aus, daß ihm nur die sogenannten Formalwirkungen wie Beendigung der Instanz, Kostenerzeugung und Rechtsmittelfähigkeit, nicht aber die materielle Rechtskraft zukommen SOll.l07 Die mangelhafte Entscheidung bleibt dagegen bis zu ihrer Aufhebung voll wirksam und ist damit sowohl der formellen als auch der materiellen Rechts105 Vgl. die Übersicht bei Eyermann/Fröhler § 107 Rdnr. 11-13; BaumbachILauterbach Übersicht 3 vor § 300. 106 Vgl. zum Nichturteil: Lüke, JuS 1985, 767 (768). 107 Vgl. dazu Lüke a.a.O.
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kraft fähig. lo8 Diejenigen Autoren, die den Eintritt der formellen Rechtskraft eines dem Minderjährigen persönlich zugestellten Urteils befürworten, wollen den Schutz des Minderjährigen dadurch gewährleisten, daß sie diesem Urteil die Fähigkeit zur materiellen Rechtskraft absprechen. 109 Nach dem Vorausgesagten wird damit das Vorliegen eines nichtigen Urteils behauptet. Gegenüber diesem Ergebnis bestehen jedoch Bedenken. Selbst wenn man dem hier abgelehnten Ausgangspunkt - Eintritt der formellen Rechtskraft folgen will, läßt sich diese Auffassung nicht mit dem Regelungskomplex der Nichtigkeitsklage vereinbaren. Für den Zivilprozeß wird gerade aus den Vorschriften der Nichtigkeitsklage geschlossen, daß das gegen einen Prozeßunfähigen ergangene und ihm zugestellte Sachurteil formell und materiell rechtskräftig werden kann.1 l0 Danach sei ein solches Urteil allseits zu respektieren. Bis zum Eintritt der formellen Rechtskraft soll es mit der Berufung und Revision und danach mit dem Wiederaufnahmeverfahren als außerordentlichem Rechtsbehelf anfechtbar sein.1 11 Besonders wird darauf hingewiesen, daß man bei Vorliegen eines Nichtigkeitsgrundes die Herbeiführung nicht etwa mit der Feststellung einer schon bestehenden Nichtigkeit verwechseln dürfe. 1l2 Zweck der Wiederaufnahme sei es also, der im Prozeß unterlegenen Partei die Möglichkeit zu geben, in gewissen Fällen trotz zwischenzeitlichen Eintretens der materiellen Rechtskraft, die Unrichtigkeit des Urteils zu behaupten.1 13 Erst die justizförmige Feststellung der Nichtigkeit führe zur Nichtigkeit ex tune, so daß es erst jetzt von Anfang an einem nichtigen Urteil gleichstehe. 114 Diese zivilprozessualen Überlegungen lassen sich zwar nicht insgesamt auf den Verwaltungsprozeß übertragen, da nach der hier vertretenen Auffassung der Eintritt der formellen Rechtskraft ausgeschlossen ist, sofern sie von der Zustellung des Urteils abhängt. Der Nichteintritt der materiellen Rechtskraft des verwaltungsgerichtlichen Urteils beruht aber ebenso wenig wie im Zivilprozeß auf seiner Nichtigkeit, sondern allein auf der Tatsache, daß die unwirksame Zustellung die formelle Rechtskraft hemmt. Tritt die formelle und materielle Rechtskraft schon mit der Verkündung ein, ist das gegen den Minderjährigen erlassene Urteil voll wirksam. Es bleibt wegen mangelnder gesetzlicher BaumbachlLauterbach a.a.O. Redeker/v. Oertzen § 62 Rdnr. 13; ähnlich EyermannIFröhler § 62 Rdnr. 8 a.E.: Wirkung des § 121 VwGO tritt nicht ein. 110 Jauernig, ZPO § 20 IV e, § 76 I, § 60 IV; BaumbachiLauterbach § 56 Anm. 1 b a.E. 111 Grunsky in Stein/Jonas Vorbem. § 578 I Rdnr. 15. 112 Grundmann S. 55. 113 Grunsky a.a.O. Vorbem. § 578 II Rdnr. 18. 114 Vgl. dazu Henckel S. 73. 108 109
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B. Die rechtliche Handlungsfähigkeit des Minderjährigen
Vertretung aber nach den Vorschriften über die Nichtigkeitsklage anfechtbar. lJ5 Das einem Minderjährigen persönlich zugestellte Urteil ist damit ebenso wirksam, wie jedes andere, das noch der Berufung und der Revision ausgesetzt ist. Damit steht das gegen den Minderjährigen persönlich erlassene und zugestellte Sachurteil zwischen dem nichtigen und dem nur mangelhaften Urteil. Im Gegensatz zum nichtigen Urteil gilt ein solches Urteil bis zu einer etwaigen Rechtsmitteleinlegung. Die darin liegende Gefährdung des Minderjährigen kann aber hingenommen werden, da er sowohl vor dem Eintritt der formellen als auch der materiellen Rechtskraft geschützt ist. Tritt die formelle und materielle Rechtskraft ausnahmsweise schon mit der Verkündung ein, wird der Schutz des Minderjährigen über die Regeln der Nichtigkeitsklage gewährleistet. Für die hier vertretene Auffassung spricht weiter, daß dem gesetzlichen Vertreter bei Annahme der Nichtigkeit eine etwaige Genehmigung des Urteils versagt bliebe. Vor der Herbeiführung der Nichtigkeit des Urteils im Rechtsmittelverfahren soll es aber aufgrund der bestehenden Genehmigungsmöglichkeit in der Hand des gesetzlichen Vertreters liegen, ob das Urteil einem nichtigen Urteil gleichzustellen ist oder nicht. (bb) Abweichungen im Fall des § 116 III VwGO Die Verkündung des Urteils wird gemäß § 116 III VwGO durch die Zustellung ersetzt, sofern das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheidet. Damit kommt der Zustellung im schriftlichen Verfahren eine doppelte Funktion zu. Sie soll einerseits wie im Fall der Urteilsverkündung die Rechtsmittelfristen in Gang setzen, andererseits aber auch die Wirksamkeit des Urteils herbeiführen. Besondere Schwierigkeiten verursacht die Festlegung des Zeitpunktes, der dem der Urteilsverkündung entspricht. Ein weiteres Problem besteht darin, wie in diesem Zusammenhang die Unwirksamkeit der an den Minderjährigen persönlich gerichteten Zustellung zu berücksichtigen ist. Für die Bestimmung des Wirksamkeitszeitpunktes kommen mehrere Möglichkeiten in Betracht. Man könnte den wirksamen Erlaß des Urteils erst mit der letzten vorzunehmenden Zustellung annehmen. 116 Bis dahin würde es sich dann um ein 115 Auch das BVerwG ging in BayVBI. 1976,213 (214) vom zwischenzeitIichen Eintritt der materiellen Rechtskraft aus. Damit wird deutlich, daß es die Nichtigkeit eines solchen Urteils erst annimmt, wenn der Mangel der Prozeßfähigkeit i.R. der Nichtigkeitsklage geltend gemacht wird. 116 So wohl die überwiegende Meinung, vgl. BGHZ 32, 370; BaumbachiLauterbach § 310 Anm. 3; OLG Nürnberg NJW 1978, 832; OLG Frankfurt NJW 1981, 291.
1I. Die Stellung des Minderjährigen im Verwaltungsprozeß
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(Noch)-Nichturteil handeln, dem jede Wirkung zu versagen ist.1 17 Diese Konsequenz ließe sich vermeiden, wenn man in diesen Fällen zwischen dem Existentwerden und dem Wirksamwerden des Urteils unterscheiden würde.1 18 So soll die Anfechtbarkeit und Unabänderlichkeit als Folge der Existenz des Urteils schon mit der ersten Entäußerung eintreten. Darunter wird die Herausgabe aus dem inneren Gerichtsbetrieb 119 oder die erste wirksame Zustellung an einen Beteiligten 120 verstanden. Die Wirksamkeit für den einzelnen Beteiligten und der Lauf der Fristen trete erst mit der jeweiligen Zustellung ein.1 21 Hiernach wäre jedoch folgendes Dilemma zu befürchten: Die Zustellung des Urteils an die beteiligte Behörde würde ihr gegenüber das Urteil wirksam werden lassen, dem prozeßunfähigen Minderjährigen gegenüber aber nicht. Da eine Teilwirksamkeit von Urteilen abzulehnen ist l22 , hätte diese Lage die Nichtigkeit des Urteils zur Folge. Ein anderes Ergebnis könnte nur dann erzielt werden, wenn man den Sinn der Zustellung auf die Auslösung der Rechtsmittelfristen begrenzen und die Verbindlichkeit für alle schon mit der ersten wirksamen Zustellung, z. B. an die beteiligte Behörde, annehmen würde. 123 Danach wäre das Urteil auch einem Minderjährigen gegenüber trotz der mangelhaften Zustellung wirksam. Eine solche Lösung erscheint jedoch mit dem Sinn des § 116 II, III VwGO nicht vereinbar, nach der die Wirksamkeit des Urteils von einer vorherigen, wirksamen Zustellung abhängt. Den Vorzug verdient daher die Auffassung, die die Wirksamkeit des Urteils erst mit der letzten wirksamen Zustellung annimmt, da nur nach ihr eine einheitliche Beurteilung eines solchen Urteils gewährleistet ist. Im schriftlichen Verfahren nach § 116 III VwGO gilt das Urteil damit allen Beteiligten gegenüber als nicht existent und unwirksam, solange es dem Minderjährigen, bzw. seinem gesetzlichen Vertreter nicht ordnungsgemäß zugestellt worden ist. 124 Der Wiederholung des Zustellungsverfahrens steht eine Heilung des Zustellungsmangels gleich.
117 Vgl. zum (noch) nicht erlassenen Urteil: Redeker/v. Oertzen § 107 Rdnr. 10; Lüke, JuS 1985, 767 (768). 118 Vgl. Kopp, VwGO § 56 Rdnr. 13; Schneider, NJW 1978, 833. 119 So Schneider a.a.O. 120 So Redeker/v. Oertzen § 116 Rdnr. 7; Baumbach/Lauterbach § 318 Anm. 3. 121 Vgl. EyermannlFröhler § 116 Rdnr. 15. 122 Siehe dazu das OLG Nürnberg a.a.O.; RGZ 123, 333 ff. 123 So offenbar Kopp, VwGO § 56 Rdnr. 13. 124 Vgl. zum Rechtsschutz in diesem Fall B., II., 2., b), cc), (3).
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B. Die rechtliche Handlungsfähigkeit des Minderjährigen
(c) Zwischenergebnis Nach ergangenem Sachurteil stellt sich die Rechtslage demnach folgendermaßen dar. Wird das Urteil schon mit seiner Verkündung formell und materiell rechtskräftig, so ist es voll wirksam. Rechtsschutz erfährt der Minderjährige in dieser Situation über die Vorschriften der Nichtigkeitsklage. Die unwirksame Zustellung vermag in keinem Fall, den Lauf der Rechtsmittelfristen in Gang zu setzen. Da somit die formelle Rechtskraft nicht eintreten kann, bleibt ein solches Urteil unter Umständen jahrelang mit Rechtsmitteln anfechtbar.1 25 Durch die Verkündung wird das Urteil wirksam. Damit wirkt es gegenüber dem Minderjährigen wie jedes mit Rechtsmitteln angreifbare Urteil. Voll wirksam, d.h. formell und materiell rechtskräftig kann das Urteil dann nur werden, wenn das Zustellungsverfahren ordnungsgemäß wiederholt wird. Das gleiche gilt, wenn der gesetzliche Vertreter die unwirksame Zustellung zusammen mit der gesamten Prozeßführung genehmigt. Wird die Verkündung des Urteils durch die Zustellung ersetzt, so ist es solange nicht als existent zu behandeln, wie es dem Minderjährigen nicht ordnungsgemäß zugestellt worden ist oder eine Heilung des Zustellungsmangels in Betracht kommt. bb) Der Minderjährige als Beklagter
Die Rolle des Beklagten wird der Minderjährige verhältnismäßig selten einnehmen, da den Behörden zur Durchsetzung ihrer Ansprüche i.d.R. die Befugnis zum Erlaß eines Verwaltungs aktes zukommt. Die Behörde, die zum Erlaß eines Verwaltungsaktes ermächtigt ist, muß ihren Anspruch auch durch Verwaltungs akt durchzusetzen versuchen und kann nicht sofort den Klageweg beschreiten. 126 Eine Klage gegen den Minderjährigen kommt also nur dann in Betracht, wenn der Behörde die Befugnis zum Erlaß eines Verwaltungsaktes fehlt. So muß die Behörde z. B. innerhalb eines öffentlich-rechtlichen Vertrages den Bürger mit einer Leistungsklage in Anspruch nehmen, da ihr insoweit die Verwaltungsaktsbefugnis fehlt. 127 Richtet sich eine verwaltungsgerichtliche Klage gegen den Minderjährigen, ergeben sich vom Vorstehenden kaum Abweichungen. 125 Beschränkungen hinsichtlich der Rechtsmitteleinlegung können sich allenfalls aus dem Gesichtspunkt der Verwirkung ergeben. Vgl. zur Anwendbarkeit des Gedankens der Verwirkung auf das Prozeßrecht: Tschira/Schmitt Glaeser S. 72. 126 Vgl. zu dieser Problematik Ehlers, JZ 1985, 675 (678). 127 Vgl. Maurer, AllgVwR § 14 Rdnr. 54.
11. Die Stellung des Minderjährigen im Verwaltungsprozeß
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Auch die Prozeßfähigkeit des Beklagten ist eine Prozeßvoraussetzung. Fehlt sie, so muß die Klage durch Prozeßurteil als unzulässig abgewiesen werden. 128 Die Kosten sind in Anwendung des Prinzips der Erfolgshaftung dem Kläger aufzuerlegen. Gemäß § 62 III VwGO i.V.m. § 57 I ZPO kann dem prozeßunfähigen Beklagten jedoch bis zum Eintritt des gesetzlichen Vertreters ein besonderer Vertreter bestellt werden, falls mit einem Verzug Gefahr verbunden ist. Tritt der gesetzliche Vertreter in einen vom Minderjährigen geführten Prozeß ein, kann er die bisherige Prozeßführung durch eine rügelose Fortsetzung des Prozesses genehmigen. Das hat eine Heilung aller bisher unwirksamen Prozeßhandlungen zur Folge. Verweigert er jedoch seine Genehmigung, müssen alle Prozeßhandlungen neu vorgenommen werden. Auch der Erlaß eines Sachurteils gegen den minderjährigen Beklagten weist keine Diskrepanz zur beschriebenen Rechtslage in der Situation des minderjährigen Klägers auf. ce) Rechtsmittelprobleme
Der prozeßunfähige Minderjährige ist im Verwaltungsprozeß auf die Gewährung eines ausreichenden Rechtsschutzes angewiesen, sofern ihm gegenüber eine gerichtliche Entscheidung getroffen wird. Es stellt sich daher die Frage, ob der Minderjährige wirksam ein Rechtsmittel gegen ein ihn gerichtetes Prozeß- oder Sachurteil einlegen kann. Im Fall einer positiven Antwort könnte man weiter daran denken, dem Minderjährigen auch die Möglichkeit einer wirksamen Rechtsmittelrücknahme bzw. eines wirksamen Rechtsmittelverzichtes zuzugestehen. Weiterhin ist auf die Rechtsschutzmöglichkeiten im schriftlichen Verfahren gegenüber noch nicht existenten Urteilen einzugehen. Ebenfalls nicht unberücksichtigt bleiben darf der Schutz des Minderjährigen vor einer etwaigen Urteilsvollstreckung. (1) Wirksamkeit einer Rechtsmitteleinlegung
Die Rechtsmitteleinlegung eines Prozeßunfähigen läßt sich i.d.R. auf folgende Überlegungen stützen: Nach ergangenem Prozeßurteil kann sich der Minderjährige mit der Behauptung einlassen, daß seine Prozeßfähigkeit in der ersten Instanz zu Unrecht verneint worden ist. Nach ergangenem Sachurteil kann er jedoch auch einwenden, daß seine Prozeßfähigkeit zu Unrecht bejaht worden ist. Im letzten Fall kommt jedoch auch in Betracht, daß er die Entscheidung aus sachlichen Gründen, z. B. wegen einer Gesetzesverletzung rügen will. 128
Redeker/v. Oertzen § 62 Rdnr. 8.
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B. Die rechtliche Handlungsfähigkeit des Minderjährigen
Man könnte vielleicht versucht sein, die Rechtsmitteleinlegung wegen der Prozeßunfähigkeit als eine unwirksame und damit unzulässige Prozeßhandlung anzusehen. Ein solches Vorgehen würde allerdings zu folgendem Wertungswiderspruch führen 129 : Aufgrund der generellen Unzulässigkeit der Rechtsmitteleinlegung bliebe die fehlerhafte Beurteilung der Prozeßfähigkeit im erstinstanzlichen Urteil folgenlos, so daß man sogar von ihrer Heilung sprechen könnte. Wegen dieser doppelten Auswirkung der Prozeßunfähigkeit muß der Prozeßunfähige neben seinem gesetzlichen Vertreter für alle Prozeßhandlungen als prozeßfähig angesehen werden, bei denen es gerade um die Beurteilung seiner Prozeßfähigkeit geht.1 3o Soweit daher zu Unrecht ein Prozeßurteil gegen den Minderjährigen ergangen ist, muß es aufgrund der wirksamen Rechtsmitteleinlegung aufgehoben werden. Danach ist in der Sache zu entscheiden. Ein zu Unrecht ergangenes Sachurteil ist durch ein Prozeßurteil zu ersetzen.!31 Ein Prozeßunfähiger kann mit einer Rechtsmitteleinlegung jedoch nicht die Verletzung sachlichen Rechts rügen, da es insoweit an der Doppelrelevanz fehlt. (2) Rechtsmittelverzicht und -rücknahme Fraglich ist, ob der Minderjährige wirksam auf die Einlegung eines Rechtsmittels verzichten bzw. es zurücknehmen kann. Dann stünde dem Eintritt der formellen Rechtskraft nichts mehr entgegen. Die herrschende Auffassung 132 bejaht die Wirksamkeit aufgrund der gleichen Überlegung, die für den Eintritt der formellen Rechtskraft trotz unwirksamer Zustellung an den Minderjährigen herangezogen wurde. 133 So wird es mit den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs und der Rechtssicherheit für unvereinbar gehalten, "wollte man es zulassen, daß die sich aus einem Rechtsmittelverzicht oder einer Rücknahme des Rechtsmittels ergebende Rechtskraft einer Entscheidung mit dem Vorbringen, die Partei sei bei Vornahme der Prozeßhandlung prozeßunfähig gewesen, in Zweifel gezogen werden könnte" .134
Vgl. zum folgenden Grundmann S. 47 f. m.w.N. Für den Verwaltungsprozeß: Redeker/v. Oertzen § 62 Rdnr. 10; Kopp, VwGO § 62 Rdnr. 11. 13l So verfuhr auch das BVerwG in BayVBI. 1976, 213 ff.; siehe auch Leipold in Stein/Jonas § 56 Rdnr. 16. 132 EyermannlFröhler § 62 Rdnr. 10; BVerwG NJW 1964, 1819; BSG NJW 1970, 1624. 133 Vgl. dazu B., 11., 2., b), (3), (a), (aa). 134 So ausdrücklich BGH LM § 52 ZPO Nr. 3. 129
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11. Die Stellung des Minderjährigen im Verwaltungsprozeß
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Aus dem Gesamtzusammenhang der Nichtigkeitsklage ergebe sich, daß es keinen Unterschied machen könne, ob die Rechtskraft durch Fristablauf oder durch Rechtsmittelverzicht bzw. -rücknahme eintrete.1 35 Diese Auffassung ist abzulehnen, da schon ihr Ausgangspunkt unzutreffend ist.1 36 Die Vorschriften über das Zustellungsverfahren machen deutlich, daß der Minderjährige vor dem Eintritt der formellen Rechtskraft einer Entscheidung gerade geschützt werden soll. So wäre es mit dem darin zum Ausdruck kommenden Prinzip des Minderjährigenschutzes unvereinbar, wenn die Rechtskraft aufgrund einer Prozeßhandlung des Minderjährigen herbeigeführt werden könnte. Die Rücknahme und der Verzicht auf ein Rechtsmittel durch einen Minderjährigen sind daher ebenso wie die persönlich an ihn gerichtete Zustellung als unwirksam zu bewerten. Der Eintritt der formellen und der materiellen Rechtskraft kann dadurch also nicht erreicht werden. 137 (3) Rechtsmitteleinlegung gegen (noch) nicht existente Urteile
Die Einlegung eines Rechtsmittels ist grundsätzlich nur gegen bereits erlassene und damit wirksame Urteile statthaft. 138 Vor diesem Zeitpunkt eingelegte Rechtsmittel werden auch nicht als vorsorgliche anerkannt, die sich dann gegen ein tatsächlich ergangenes Urteil wenden könnten.l 39 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz muß jedoch für das schriftliche Verfahren gemäß § 116 II, III VwGO gelten, wenn sich der Minderjährige gegen ein ihm persönlich zugestelltes und damit insgesamt unwirksames Urteil wenden will. 140 Falls einem unwirksamen Urteil Rechtswirkung beigemessen wird, muß dem Minderjährigen eine Rechtsschutzmöglichkeit eingeräumt werden. Wird von einem unwirksamen Urteil Gebrauch gemacht, ist die Einlegung eines Rechtsmittels zur Beseitigung der Scheinwirkung auch durch den Minderjährigen als wirksam anzusehen.1 41
Vgl. Grundmann S. 54. Vgl. dazu B., 11., 2., b), (3), (a), (bb). 137 So im Ergebnis auch Krause, VerwArch 1970,297 (318). 138 EyermannlFröhler § 116 Rdnr. 7; Kopp, VwGO Vorbem. § 124 Rdnr. 19. 139 Vgl. dazu Kopp a.a.O. 140 Vgl. zu dieser Rechtslage B., 11., 2., b), (3), (b), (bb). 141 Siehe allgemein zur Beseitigung der Scheinwirkung von unwirksamen Urteilen: Thomas/Putzo Vorbem. § 300 Anm. 111 1 c; BaumbachlLauterbach Vorbem. § 300 Anm. 3 B. !35
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B. Die rechtliche Handlungsfähigkeit des Minderjährigen
(4) Der Schutz des Minderjährigen im Verfahren der Urteilsvollstreckung Unterliegt der Minderjährige in einer Anfechtungssache, wird nicht das verwaltungsgerichtliche Urteil, sondern der gerichtlich bestätigte Verwaltungsakt im Verwaltungsvollstreckungsverfahren vollstreckt. 142 Dem Verwaltungs gericht verbleibt daher im wesentlichen nur die Vollstreckung von Kosten und die aus Leistungsklagen gegen den Minderjährigen. 143 Eine Vollstreckung zugunsten der öffentlichen Hand hat der Gerichtsvorsitzende des ersten Rechtszuges als Vollstreckungsbehörde gemäß § 169 I VwGO nach dem VwVG vorzunehmen. Als Vollstreckungsvoraussetzungen müssen ein rechtskräftiger Titel gemäß § 168 VwGO und die wirksame Zustellung des Titels an den Schuldner vorliegen.1 44 Das weitere Vorgehen richtet sich danach, ob eine Geldforderung i.S. der §§ 1 ff. VwVG vollstreckt wird, oder ob eine Handlung, Duldung oder Unterlassung i.S. der §§ 6 ff. VwVG erzwungen wird. In beiden Fällen kann der
Gerichtsvorsitzende als Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung entweder selbst durchführen oder aber die Amtshilfe von Organen der Länder in Anspruch nehmen. 145 Die Beteiligung eines Minderjährigen als Vollstreckungspflichtiger führt zu folgenden Problemen. Da die fehlende Prozeßfähigkeit den Eintritt der formellen und materiellen Rechtskraft und dazu auch die Wirksamkeit der Zustellung ausschließt, liegen die Vollstreckungsvoraussetzungen nicht vor. Es stellt sich die Frage, wie in dieser Situation ein wirksamer Vollstreckungsschutz gewährleistet werden kann. Die Antwort hängt davon ab, ob der Gerichtsvorsitzende die Vollstreckung selbst durchgeführt hat oder ob Organe der Länder im Wege der Amtshilfe beteiligt waren. An dieser Stelle interessiert nur der erste Fall, da die Vollstreckung im Wege der Amtshilfe nach den Landesverwaltungsvollstreckungsgesetzen erfolgt und sich in dieser Lage keine Abweichungen mehr zum Vollstreckungsschutz gegenüber Verwaltungsakten ergeben. 146 Droht die Vollstreckung eines Urteils, muß im Hinblick auf die Einlegung eines Rechtsbehelfs zwischen dem zu vollstreckenden Urteil und der einzelnen Vollstreckungsmaßnahme unterschieden werden. 142 Vgl. Redeker/v. Oertzen § 169 Rdnr. 1 und § 168 Rdnr. 4; zum Rechtsschutz in diesen Fällen siehe unter B., III., 6. 143 Redeker/v. Oertzen § 169 Rdnr. 3. 144 Redeker/v. Oertzen § 169 Rdnr. 4. 145 Diese Alternativen ergeben sich hinsichtlich der Geldforderungen aus § 5 I, II VwVG und im übrigen aus § 169 I S. 2 VwGO. 146 Redeker/v. Oertzen § 169 Rdnr. 14; vgl. zum hier gebotenen Rechtsschutz B., I1I.,6.
111. Die Stellung des Minderjährigen im Verwaltungsverfahren
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Die auf der fehlenden Prozeßfähigkeit beruhenden Einwendungen gegen das Urteil können nicht im Vollstreckungsverfahren, sondern nur mit den für das Urteil zugelassenen Rechtsmitteln geltend gemacht werden. 147 Der Minderjährige kann 148 und muß den Mangel der Prozeßfähigkeit also mit der Berufung oder Revision rügen. Darüber hinaus muß jedoch verhindert werden, daß eine etwaige Vollstrekkung bis zur Urteils aufhebung vollendete Tatsachen schafft. Die Prozeßfähigkeit des Vollstreckungspflichtigen ist - gerade im Hinblick auf die vorzunehmende Titelzustellung - als eine Vollstreckungsvoraussetzung anzusehen.1 49 Fehlt sie, so ist die Vollstreckung auf die Beschwerde gemäß § 146 I VwGO oder die Erinnerung gemäß § 167 I VwGO i.V.m. § 766 I ZPO hin einzustellen.1 50 Für die Einlegung dieser Rechtsmittel muß der Minderjährige neben seinem gesetzlichen Vertreter als prozeßfähig angesehen werden, da der Mangel der Vollstreckung gerade auf seiner Prozeßunfähigkeit beruht. Erkennt das Gericht selbständig den Mangel der Prozeßfähigkeit, so hat es von sich aus die Vollstreckung einzustellen.
III. Die Stellung des Minderjährigen im Verwaltungsverfahren Im öffentlichen Recht vermitteln die bestehenden Gesetze dem Minderjährigen wie jedem anderen Bürger Rechte und Pflichten, aus denen sich seine materielle Rechtsposition zusammensetzt. Jedesmal wenn in der Person eines Bürgers der Tatbestand einer Rechtsnorm erfüllt ist, der ihm ein Recht einräumt oder eine Pflicht auferlegt, entsteht ein (materielles) Verwaltungsrechtsverhältnis zwischen dem betroffenen Bürger und der Verwaltung. 1 Dieses Verwaltungsrechtsverhältnis gewinnt jedoch erst dadurch rechtliche Relevanz, daß die jeweiligen Rechte und Pflichten von den Beteiligten geltend gemacht werden. 2 Während das Verwaltungsrechtsverhältnis materiell umschreibt, was Bürger und Verwaltung voneinander verlangen können 3 , besitzt das dazugehörige Verwaltungsverfahren eine doppelte Funktion. Zunächst dient es dazu, den einzelnen Anspruch überhaupt geltend zu machen und ihn damit in die Vgl. speziell § 5 I VwVG i.V.m. § 256 AO. Vgl. B., 11., 2., b), ce), (1). 149 Vgl. BaumbachlLauterbach § 766 Anm. 3 B und Grundzüge 6 C b vor § 704. 150 Die Statthaftigkeit der einzelnen Rechtsbehelfe ist umstritten. Vgl. dazu im einzelnen: Redeker/v. Oertzen § 169 Rdnr. 11; Kopp, VwGO § 169 Rdnr. 2. 1 Martens, JuS 1977, 666. Vgl. auch Ehlers, DVBI. 1986,912 f. 2 Vgl. Martens, Verwaltungsverfahren Rdnrn. 32 ff. 3 Häberle S. 68. 147
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B. Die rechtliche Handlungsfähigkeit des Minderjährigen
Rechtswirklichkeit einzuführen. Und da die Sach- und Rechtslage vielfach unsicher und streitig sein wird, liegt die weitere Aufgabe des Verwaltungsverfahrens darin, konkret und verbindlich festzulegen, ob dem Bürger ein Anspruch zusteht oder ihn eine Pflicht trifft. 4 Erfolgt die verbindliche Festlegung der Rechtsposition des Bürgers durch einen Verwaltungsakt oder einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, handelt es sich um ein Verwaltungsverfahren i.S.v. § 9 VwVfG, das mit dem VwVfG weitgehend geregelt ist. Dem materiellen Rechtsverhältnis ist damit ein Verfahrensrechtsverhältnis vorgelagertS , das wiederum eigene, sich aus dem VwVfG ergebende Rechte und Pflichten kennt. Da auch die materielle Rechtsposition des Minderjährigen mit Hilfe des Verwaltungsverfahrens konkretisiert und aktualisiert werden muß, steht ihm als natürliche Person gemäß § 11 Nr. 1 VwVfG die Beteiligtenfähigkeit zu. Fraglich ist aber, inwieweit der Minderjährige durch die selbständige Abgabe und Entgegennahme von Verfahrenshandlungen Einfluß auf die Gestaltung seiner materiellen Rechtsposition nehmen kann. Diese rechtliche Handlungsfähigkeit im Verwaltungsverfahren wird entscheidend durch § 12 I Nr. 2 VwVfG geprägt.
1. Die verfahrensrechtliche Handlungsfähigkeit als Gegenstück zur Prozeßfähigkeit Die verfahrensrechtliche Handlungsfähigkeit i.S.v. § 12 VwVfG lehnt sich inhaltlich weitgehend an die Regelung der Prozeßfähigkeit an und legt fest, wer wirksam Verfahrenshandlungen vornehmen kann. 6 Diese Vorschrift regelt nicht nur die Fähigkeit zur aktiven Abgabe von Verfahrenshandlungen, sondern auch die zu ihrer passiven Entgegennahme.? Minderjährige sind nach dem hier einschlägigen § 12 I Nr. 2 VwVfG verfahrensfähig, soweit sie durch Vorschriften des bürgerlichen Rechts als geschäftsfähig oder durch Vorschriften des öffentlichen Rechts als handlungsfähig anerkannt sind. Da der Änderung des Wortlauts8 i.V. zu § 62 I Nr. 2 VwGO keine inhalt.liche Abweichung zukommt 9 , ist der Minderjährige grundsätzlich in den Fällen handlungsfähig, in denen er prozeßfähig ist. Martens, Verwaltungsverfahren Rdnr. 34; ders., JuS 1977, 666 (667). Vgl. dazu Häberle S. 72 und Schnapp, SGb 1979, S. 200 (204 f.): "DasVerfahrensrechtsverhältnis kann aus dem materiellen Verwaltungsrechtsverhältnis nicht ausgelagert werden, da dadurch der Umstand verdeckt würde, daß auch und gerade dem verwaltungsmäßigen Organisations- und Verfahrensrecht eine erhebliche Bedeutung bei der Auslegung, Anwendung und Durchsetzung des sogenannten materiellen Rechts zukommt." Ähnlich zum Zusammenhang von formellem und materiellem Recht: Henke, DÖV 1980,621 (626). 6 Borgs in Meyer/Borgs § 12 Rdnr. 1; BT-Drucks. 7/910 S. 42. 7 Vgl. BT-Drucks. 7/910 S. 43. 4
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111. Die Stellung des Minderjährigen im Verwaltungsverfahren
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Die verfahrensrechtliche Handlungsfähigkeit ergibt sich nach bürgerlichem Recht - wie im Prozeßrecht - nach den §§ 112, 113 BGB. Ob darüber hinaus im Verwaltungsverfahren im Gegensatz zum Verwaltungsprozeß eine beschränkte Handlungsfähigkeit gemäß den §§ 107,108 und 110 BGB anzuerkennen ist, bedarf einer eingehenden Untersuchung. Das öffentliche Recht verleiht dem Minderjährigen die verfahrensrechtliche Handlungsfähigkeit in den Fällen, in denen er über die volle inhaltliche Handlungsfähigkeit verfügt. 10 Den Normen des öffentlichen Rechts kann vereinzelt aber auch die Anordnung einer beschränkten Handlungsfähigkeit entnommen werden. l1 Das Problem, wie sich die Anerkennung der beschränkten Handlungsfähigkeit nach öffentlichem Recht auf die weitere Durchführung des Verwaltungsverfahrens auswirkt, ist neben der Situation der Handlungsfähigkeit und der Handlungsunfähigkeit gesondert zu untersuchen.12 Verfügt der Minderjährige über die volle verfahrens rechtliche Handlungsfähigkeit, so ergeben sich für sein Verhältnis zu seinem gesetzlichen Vertreter keine Abweichungen zur Situation im Prozeßrecht.
2. Anforderungen an den Rechtsnormcharakter der öffentlich-rechtlichen Vorschriften in § 12 I Nr. 2, 2. Alt. VwVfG Sowohl in § 12 I Nr. 2 VwVfG als auch in § 62 I Nr. 2 VwGO wird neutral von Vorschriften des öffentlichen Rechts gesprochen, die die Minderjährigen als handlungsfähig anerkennen. Offen bleibt jedoch, welche Anforderungen an den Rechtsnormcharakter dieser Vorschriften zu stellen sind. Es fällt auf, daß in der Begründung zum VwVfG13 und in seiner Kommentierung l4 lediglich auf formelle Gesetze verwiesen wird. Das Problem, ob auch der örtliche Satzungsgeber i.R. seiner rechtlichen Gestaltungsfreiheit dem Minderjährigen die Handlungsfähigkeit zugestehen kann, wird dagegen nicht erörtert. Diese Frage besitzt gerade im Hinblick auf die selbständige Ausübung des sich aus den Gemeindeordnungen l5 ergebenden kommunalen 8 Da es keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften gibt, die den Minderjährigen als geschäftsfähig anerkennen, wurde das Wort "geschäftsfähig" durch den Begriff "handlungsfähig" ersetzt. 9 Vgl. BT-Drucks. 7/910 S. 42 f. 10 So z. B. in § 5 FeuerbestG; § 5 ReIKEG; § 411 AG PersonalausweisG NW. 11 So z. B. in § 711 StVZO; § 8 I Nr. 1 RuStAG; § 711 b PaßG; § 111 S. 1 LVO FeuerwehrNW. 12 Vgl. dazu B., III., 5. 13 Vgl. BT-Drucks. 7/910 S. 43. 14 Borgs in MeyerlBorgs § 12 Rdnr. 5; Kopp, VwVfG § 12 Rdnr. 6; Leonhardt in Stelkensl Bonk/Leonhardt § 12 Rdnr. 10. 15 Vgl. für NW § 1811 GO NW.
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B. Die rechtliche Handlungsfähigkeit des Minderjährigen
Benutzungsrechtes eine erhebliche Bedeutung. In diesen Fällen ist nämlich zu entscheiden, ob der Minderjährige einen wirksamen Antrag auf Zulassung zur Benutzung einer öffentlichen Einrichtung stellen kann. 16
In der Praxis ist es häufig anzutreffen, daß schon einem Zehnjährigen das Recht zur Benutzung eines Schwimmbades ohne Begleitung seiner Eltern zugestanden wird. Dieses Vorgehen wird dann problematisch, wenn man darin nicht nur eine Regelung der natürlichen Handlungsfähigkeit 17 , sondern gleichzeitig auch eine der rechtlichen Handlungsfähigkeit sieht. Dann wäre der Minderjährige für die Verfahrenshandlung "Zulassungs antrag" als handlungsfähig i.S. des § 12 VwVfG anzusehen. Eine solche Regelung der Handlungsfähigkeit durch Satzung kann nur dann als zulässig angesehen werden, wenn sie noch von der den Kommunen eingeräumten Satzungs befugnis gedeckt ist. Den Gemeinden wird durch die §§ 4, 18 GO NW das Recht und die Pflicht zugesprochen, öffentliche Einrichtungen zur Verfügung zu stellen und auch deren Benutzung zu regeln. Damit liegt die Gewährung der Handlungsfähigkeit für die Benutzung einer öffentlichen Einrichtung i.R. der Satzungskompetenz der Gemeinde. Die Einräumung der Handlungsfähigkeit ist auch nicht so wesentlich, daß der Gesetzesvorbehalt eingreifen würde. 18 Damit verfügt der Satzungsgeber über die Möglichkeit, dem Minderjährigen die für die Benutzung einer öffentlichen Einrichtung notwendige Handlungsfähigkeit zuzugestehen.1 9 Einer schlichten Anstaltsordnung in Form einer Allgemeinverfügung i.S.v. § 35 S. 2, 3. Var. VwVfG fehlt dagegen der Rechtsnormcharakter. Sie kann daher nicht dazu dienen, die Handlungsfähigkeit einzuräumen. Der Satzungsgeber hat bei der konkreten Festlegung der Altersgrenze die Grundrechte und die Schutzbedürftigkeit des Kindes sowie das Elternrecht gemäß Art. 6 I GG zu beachten. 2o Sofern die Satzungsnorm dem Minderjährigen die volle inhaltliche Handlungsfähigkeit bzgl. der Benutzung verleiht, folgt daraus auch die verfahrensrechtliche Handlungsfähigkeit.
Vgl. zu dieser Problematik C., 11., 4., a), bb), (1), (a) - (c). Im Sinn der Erlaubtheit der Handlung. 18 Vgl. zum Gesetzesvorbehalt als Schranke der Satzungsbefugnis: Maurer, AllgVwR § 4 Rdnr. 17. 19 So im Ergebnis auch: Ehlers, DVBI. 1986,912 (918). 20 Für die Satzung gilt in dieser Beziehung nichts anderes als für ein formelles Gesetz. 16 17
III. Die Stellung des Minderjährigen im Verwaltungsverfahren
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3. Problematik einer beschränkten Handlungsfähigkeit nach bürgerlichem Recht im Verwaltungsverfahren
Fraglich bleibt, wie Verfahrenshandlungen zu bewerten sind, die von Minderjährigen vorgenommen werden, denen die Handlungsfähigkeit weder nach den §§ 112, 113 BGB noch nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften zukommt. Die Lösung dieser Frage ist vom Regelungsgehalt des § 12 VwVfG abhängig. Hier bieten sich zwei Auslegungsmöglichkeiten an: Zum einen könnte man in § 12 VwVfG eine abschließende Regelung der Handlungsfähigkeit sehen, so daß solche Minderjährige auf die gesetzliche Vertretung angewiesen wären. Der lediglich rechtliche Vorteil einer Verfahrenshandlung für den Minderjährigen und die Zustimmung bzw. die Genehmigung durch den gesetzlichen Vertreter wären damit für die Beurteilung der Wirksamkeit unerheblich. 21 Die andere Möglichkeit besteht darin, daß man in § 12 VwVfG lediglich eine Regelung der vollen Handlungsfähigkeit sieht. Die hier angesprochenen Minderjährigen würden dann gar nicht in den Anwendungsbereich des § 12 VwVfG fallen. Es läge daher eine Regelungslücke vor, die u.U. durch eine analoge Heranziehung zivilrechtlicher Vorschriften geschlossen werden könnte. a) Rechtsnatur und Wirksamkeit der AntragsteIlung und der Vertragserklärung
Im Fall des mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsaktes 22 soll der Antrag das Verwaltungsverfahren eröffnen und darüber hinaus das erforderliche Einverständnis zum Erlaß des Verwaltungsaktes zum Ausdruck bringen. 23 Die Vertragserklärung zielt gemäß § 54 S. 1 VwVfG hingegen auf die Begründung eines materiellen Rechtsverhältnisses ab. 24 21 So BVerwG NJW 1982, 539; vgl. auch BVerwG DÖV 1985, 407; auch nach Lappe, RPfleger 1982, 10 ist die Verfahrensfähigkeit außer in den Fällen der §§ 112, 113 BGB von der vollen Geschäftsfähigkeit abhängig. Siehe dazu auch Robbers, DVBI. 1987,709 (711). 22 V gl. zur speziellen Problematik des mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsaktes B., III., 4., c). 23 Daneben gibt es jedoch auch Anträge, deren Bedeutung sich in der Einleitung des Verwaltungsverfahrens erschöpft. Der daraufhin erfolgende Verwaltungsakt könnte ebenso im amtswegigen Verfahren erlassen werden. Vgl. dazu: Leonhardt in Stelkensl BonkiLeonhardt § 22 Rdnrn. 11 ff. 24 Nach h.M. wird der Bürger durch die Abgabe eines Vertrags angebotes noch nicht zum Beteiligten eines Verwaltungsverfahrens LS. von § 13 I Nr. 3. Vgl. statt aller: Borgs in MeyerlBorgs § 13 Rdnr. 7. Gerade im Hinblick auf die Austauschbarkeit der Handlungsformen läßt es sich aber nicht begründen, daß die Anhörungs- und Begründungspflicht gern. den §§ 28, 39 VwVfG nur im Fall der Versagung eines begünstigen-
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B. Die rechtliche Handlungsfähigkeit des Minderjährigen
Da der Antrag und die Vertragserklärung eine Rechtsfolge auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts herbeiführen wollen, fallen beide unter den Begriff der öffentlich-rechtlichen Willenserklärung. 25 Das öffentliche Recht enthält keine umfassende, eigene Regelung der Wirksamkeit von öffentlich-rechtlichen Willenserklärungen. Daher werden die zivilrechtlichen Vorschriften der §§ 104 ff. BGB zumeist unmittelbar, sinngemäß oder analog auf die öffentlich-rechtlichen Willenserklärungen angewandt. 26 Vor Erlaß des VwVfG wurde für den vermögens rechtlichen Bereich die Auffassung vertreten, daß die §§ 104 ff., 107, 108 BGB auch dann anzuwenden seien, wenn die Willenserklärung in einem Verwaltungsverfahren abgegeben werde. 27 Innerhalb des persönlichen Bereiches wurde der Minderjährige je nach der Intensität des persönlichen Charakters als "vollgeschäftsfähig" angesehen, im übrigen sollte die Wirksamkeit der im Verfahren abgegebenen Willenserklärung von der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters abhängen. 28 Eine solche, vor allem durch Zustimmung des gesetzlichen Vertreters herstellbare, Handlungsfähigkeit läßt sich i.R. des Verwaltungsverfahrens nach Erlaß des § 12 VwVfG jedoch nur aufrecht erhalten, wenn diese Vorschrift die analoge Anwendung der zivilrechtlichen Vorschriften über die beschränkte Geschäftsfähigkeit nicht gerade ausschlösse. 29 Für das Bestehen einer Gesetzeslücke könnte die Tatsache sprechen, daß auch nach Erlaß des VwVfG die Verfahrenshandlung eines Minderjährigen nicht schlechthin als nichtig bzw. unwirksam angesehen wird. So führt der lediglich rechtliche Vorteil nach einer im Schrifttum vertretenen Auffassung zur Wirksamkeit einer öffentlich-rechtlichen Vertragserklärung. 30 Diese Erklärung soll im übrigen dann wirksam sein, wenn die Zustimden Verwaltungs aktes und nicht bei der Weigerung der Behörde, einen Vertrag abzuschließen, eingreifen soll. Da die Schutzbedürftigkeit des Bürgers in beiden Fällen gleich ist, spricht die identische Interessenlage für eine analoge Anwendung des§ 13 I Nr. 1 VwVfG. Vgl. zu diesem Problem auch Ehlers a.a.O. S. 918. 25 Vgl. Krause, VerwArch 1970, 297 (304); siehe für die Vertragserklärung: Meyer in Meyer/Borgs § 54 Rdnr. 80; für den Antrag: ErichsenlMartens § 10 II 3. 26 Vgl. die Nachweise bei Erichsen/Martens a.a.O. 27 So Middel S. 158 ff., 162, 164 ff., 171 ff.; ablehnend zum Kriterium des rechtlichen Vorteils i. R. öffentlich-rechtlicher Willenserklärungen Grüter S. 27. 28 Middel S. 173 ff. (176); a.A. schon vor Erlaß des VwVfG Krause, VerwArch 1970,297 (312 f.). 29 Dieses Problem bleibt bei ErichseniMartens a.a.O. offen, wenn sie ausführen, daß die Regelungen des VwVfG bzgl. der Handlungsfähigkeit eine unmittelbare oder sinngemäße Anwendung der §§ 104 ff. BGB vorsähen. Damit würde nämlich indirekt das Institut einer beschränkten verfahrensrechtlichen Handlungsfähigkeit ohne nähere Prüfung anerkannt. 30 Meyer in Meyer/Borgs § 62 Rdnr. 11.
III. Die Stellung des Minderjährigen im Verwaltungsverfahren
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mung des gesetzlichen Vertreters vorliegt. 31 Da zwischen den Verfahrenshandlungen "Vertragserklärung" und "Antrag" keine Unterschiede bestehen, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen, müßte diese Überlegung - wenn sie durchgreift - auch für den Antrag gelten. Damit wäre ein vom Minderjährigen gestellter Antrag wirksam, wenn und soweit die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters vorläge. 32 Gegen die Nichtigkeit einer vom nicht voll Geschäftsfähigen vorgenommenen Verfahrenshandlung wird weiter eingewandt, daß sie generell durch die Genehmigung des gesetzlichen Vertreters geheilt werden könne. 33 Damit wird das Vorliegen einer beschränkten Handlungsfähigkeit nach bürgerlichem Recht im Verwaltungsverfahren behauptet. 34 Diese Auffassung erscheint jedoch zweifelhaft, da die materielle Willenserklärung hier gleichzeitig eine Verfahrenshandlung darstellt und dieser Doppe1charakter dem Institut einer beschränkten Handlungsfähigkeit entgegenstehen kann. b) Konsequenzen aus dem gleichzeitigen Vorliegen eines Verfahrens
Gemäß § 12 I Nr. 2, 1. Alt. VwVfG können Minderjährige wirksam Verfahrenshandlungen vornehmen, soweit sie für den Gegenstand des Verfahrens durch Vorschriften des bürgerlichen Rechts als geschäftsfähig anerkannt sind. Diese Fähigkeit entspricht vom Wortlaut her der vergleichbaren Prozeßfähigkeit nach § 62 I Nr. 2, 1. Alt. VwGO. Beide Vorschriften regeln das Problem der Handlungsfähigkeit für das Verwaltungsverfahren und den Verwaltungsprozeß also in gleicher Weise. Für den Verwaltungsprozeß gilt, daß eine beschränkte Prozeßfähigkeit wegen der zu fordernden Klarheit und Sicherheit des Rechtsverkehrs und den Belangen des Minderjährigenschutzes abzulehnen ist. Es stellt sich also die Frage, ob das Verwaltungsverfahren ein hiervon abweichendes Ergebnis rechtfertigt. Das Verwaltungsverfahren und der Verwaltungsprozeß verfolgen unterschiedliche Zwecke. 35 Denn während es im Verwaltungsverfahren um den Schmitt S. 129; U1e/Laubinger § 70 II 1. Vgl. OVG Lüneburg DVBI. 1982,219; Schmitt a.a.O.; Kopp, VwVfG, 3. Auf!. § 12 Rdnr. 3, anders nun Kopp, VwVfG, 4. Auf!. § 12 Rdnr. 3. 33 Vgl. zur Heilbarkeit von Verfahrenshandlungen: Kopp, VwVfG § 12 Rdnr. 21. 34 So ausdrücklich Schmitt S. 81 ff., 125 - 130, der von einer Lücke des § 12 VwVfG (bzw. des vergleichbaren § 11 SGB-X) ausgeht und der diese Lücke analog den §§ 107, 108 BGB durch das Institut einer beschränkten Handlungsfähigkeit schließt. 3S Vgl. zum Verhältnis von Verwaltungsverfahren und -prozeß: UlelLaubinger § 3 III. 31
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B. Die rechtliche Handlungsfähigkeit des Minderjährigen
Erlaß eines Verwaltungsaktes oder um den Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrages geht, steht im Prozeß die Rechtmäßigkeit des behördlichen Handeins im Vordergrund. Aber ebenso wie im Verwaltungsprozeß ist das Interesse der Verwaltungsbehörden an klaren und sicheren Verfahrensvoraussetzungen anzuerkennen. Dieses ist aber nur gewährleistet, wenn sie einem Bürger gegenübersteht, der bis zum Abschluß des Verfahrens wirksam Verfahrenshandlungen vornehmen kann. 36 Besonders deutlich wird dieses Problem i.R. eines öffentlich-rechtlichen Vertrages. Das Verfahren wäre auch hier unerträglich belastet, wenn die Wirksamkeit einer jeden Verfahrenshandlung davon abhinge, daß sie noch von der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters gedeckt ist. Diese Unsicherheit ließe sich zwar beseitigen, in dem man eine Pauschaleinwilligung in alle Verfahrenshandlungen zuläßt.37 Gegen einen solchen Generalkonsens sprechen jedoch die gleichen Überlegungen wie im Verwaltungsprozeß.38 Der Minderjährige wird durch die selbständige Führung eines Verwaltungsverfahrens überfordert, zumal das gesamte Verfahrensrisiko auf ihm lastet. Die Gefährdung des Minderjährigen ist im Verwaltungsverfahren zwar nicht so stark wie im Zivil- oder Verwaltungsprozeß, da die Behörden umfangreiche Auskunfts- und Beratungspflichten treffen. Dennoch besteht die Gefahr einer ungeschickten Verfahrensführung, die eine erfolgreiche Durchsetzung eines Anspruches verhindern kann. So wird der Minderjährige oftmals nicht in der Lage sein, seine Ansichten hinreichend und wirksam zu begründen. 39 36 Dieser Grundsatz erfaßt alle Verfahrensarten. Es verwunderte daher, daß Kopp aufgrund dieses Prinzips zum einen die beschränkte Verfahrenshandlungsfähigkeit ausdrücklich ablehnte (vgl. Mayer/Kopp § 3311 für Verwaltungsverfahren und -prozeß, für den Prozeß: Kopp, VwGO § 62 Rdnr. 3), während er an anderer Stelle systemwidrig den Minderjährigen im Verwaltungsverfahren mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters für handlungsfähig hielt. Vgl. dazu Kopp, VwVfG, 3. Auf!. § 12 Rdnr. 3. Die in der Kommentierung des VwVfG vertretene Auffassung hat Kopp aufgegeben. Für die Anerkennung der Verfahrenshandlungsfähigkeit erachtet er nunmehr weder die Zustimmung zu einer einzelnen Verfahrenshandlung durch den gesetzlichen Vertreter noch eine generelle Einwilligung analog § 107 BGB in die Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens als ausreichend. Vgl. dazu: Kopp, VwVfG, 4. Auf!. § 12 Rdnrn. 3,5. 3? So Schnell S. 52 ff. 38 Vgl. dazu B., 11., 1., a); a.A. Schnell a.a.O., der wegen der Gewährung der Handlungsfähigkeit nach den §§ 112, 113 BGB einen Generalkonsens für das Verwaltungsverfahren "erst recht" als zulässig ansieht. Der von Schnell vorgenommene "erst recht Schluß" ist abzulehnen. Die Möglichkeit einer Generaleinwilligung muß wegen der Gefährdung des Minderjährigen eng ausgelegt werden und darf nicht zu einer partiell erweiterten Geschäftsfähigkeit führen (vgl. dazu Palandt/Heinrichs § 107 Anm. 3 b). Die Zulässigkeit einer Generaleinwilligung in das Verwaltungsverfahren hätte aber gerade die partielle Erweiterung der Geschäftsfähigkeit zur Folge. 39 Auch das BVerwG DÖV 1985, 407 betont das in § 12 VwVfG zum Ausdruck kommende Prinzip eines umfassenden Schutzes Minderjähriger.
111. Die Stellung des Minderjährigen im Verwaltungsverfahren
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Damit spricht vieles dafür, daß sich die Handlungsfähigkeit nach § 12 I Nr. 2, 1. Alt. VwVfG - ebenso wie im Prozeßrecht - nur als Folge der Vollgeschäftsfähigkeit oder der partiellen Vollgeschäftsfähigkeit ergibt. Die Minderjährigen wären dann - außer in den Fällen der §§ 112, 113 BGB - ebenso wie die Geschäftsunfähigen insgesamt handlungsunfähig. Dieses Ergebnis befriedigt zwar das Bedürfnis nach Rechtssicherheit und -klarheit und wird auch den Belangen des Minderjährigenschutzes gerecht. Es ist jedoch dem Einwand ausgesetzt, daß die von einem Minderjährigen vorgenommene Verfahrenshandlung eben nicht als nichtig, sondern als heilbar angesehen wird. 4O Ob die Annahme einer beschränkten Handlungsfähigkeit analog den §§ 107, 108 BGB auf diese Möglichkeit der Heilung gestützt werden kann, erscheint indes zweifelhaft. Ein solcher Schluß ist nur zulässig, wenn die Grundlagen der Heilbarkeit in den Vorschriften der §§ 107, 108 BGB gesehen werden können. c) Möglichkeit der nachträglichen Genehmigung von unwirksamen Verfahrenshandlungen aufgrund der Einheit von Verwaltungs- und Verwaltungsstreitverfahren
Wenn man die Heilbarkeit von unwirksamen Verfahrenshandlungen mit der analogen Anwendung der §§ 107, 108 BGB begründet41 , könnte der gesetzliche Vertreter einzelne Verfahrenshandlungen genehmigen und andere nicht. 42 Für das Prozeßrecht gilt der Grundsatz, daß die Genehmigung einer Prozeßführung nicht teilbar ist. 43 Da das Prinzip der Verfahrensklarheit eine Übertragung dieses Grundsatzes auf das Verwaltungsverfahren rechtfertigt, läßt sich eine entsprechende Anwendung der §§ 107, 108 BGB nicht aufrecht erhalten. So faßt die Rechtsprechung44 die Heilungsmöglichkeit auch nicht als eine Genehmigung i.S. des materiellen Rechts der Willenserklärung auf. Denn es 40 So ausdrücklich Schmitt S. 83; anders Koch § 79 Rdnr. 13, der i.R. der mit § 12 VwVfG vergleichbaren steuerrechtlichen Handlungsfähigkeit eine Heilung von unwirksamen Verfahrenshandlungen ausdrücklich nicht für möglich hält. § 79 AO kenne nur handlungsfähige und handlungsunfähige Beteiligte, so daß eine Heilung nach zivilrechtlichen Grundsätzen nicht mit dem Gesetz zu vereinbaren sei. 41 So für das sozialrechtliche und für das allgemeine Verwaltungsverfahren Schmitt S. 142 ff. (145); für eine Anwendung des § 108 BGB auch Schnell S. 53 f. 42 Dieser Konsequenz will Schnell a.a.O. dadurch aus dem Weg gehen, daß er nur eine "Generalgenehmigung" für zulässig hält. 43 Vgl. oben B., 11., Fn. 29. 44 Vgl. hierzu und zum folgenden: BVerwG Buchholz 237.2 § 79 LBG Berlin Nr. 2 S. 1 (7). Dieser Fall betraf die Ein1egung eines Widerspruchs durch einen wegen Geschäftsunfähigkeit Handlungsunfähigen.
6 C.-R. Meyer
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B. Die rechtliche Handlungsfähigkeit des Minderjährigen
wird die Frage aufgeworfen, welchen Sinn die nachträgliche Heilbarkeit von Mängeln im Prozeß haben sollte, wenn sie sich nicht auch auf solche des Verwaltungsverfahrens erstrecken würde. Ein Leerlaufen der Vorschriften über die Nichtigkeitsklage sei daher mit dem Prinzip der Einheit von Verwaltungsund Verwaltungsstreitverfahren nicht vereinbar. Die Rechtsprechung stützt die Genehmigung also auf prozeßrechtliche Erwägungen. Der Anwendung prozeßrechtlicher Grundsätze ist zuzustimmen. Nur so läßt es sich erklären, daß auch die Verfahrenshandlungen eines Geschäftsunfähigen genehmigungsfähig sind. Denn die prozeßrechtliche Genehmigung unterscheidet im Gegensatz zu den §§ 107, 108 BGB insoweit nicht zwischen beschränkt Geschäftsfähigen und Geschäftsunfähigen. 45 Diese Tatsache ist auch ein weiteres Argument für die These, daß § 12 VwVfG außer in den Fällen der §§ 112, 113 BGB nicht zwischen beschränkt Geschäftsfähigen und Geschäftsunfähigen trennt. Damit sind Verfahrenshandlungen, die ein Minderjähriger vornimmt oder solche, die ihm gegenüber vorgenommen werden, aufgrund der prozeßrechtlichen Grundsätze nachträglich heilbar. Die Genehmigung muß jedoch wie im Prozeß die gesamte bisherige Verfahrensführung betreffen. 46 Die formell-rechtliche Verfahrenshandlung unterliegt damit gegenüber den §§ 107, 108 oder 131 BGB eigenen Regelungen. Die Verfahrenshandlung teilt
also nicht das rechtliche Schicksal der in ihr liegenden materiell-rechtlichen Willenserklärung. 47 d) Zwischenergebnis
Die Untersuchung hat gezeigt, daß dem Verwaltungsverfahren eine auf der analogen Anwendung der §§ 107, 108 BGB beruhende beschränkte Handlungsfähigkeit fremd ist. Selbst wenn die in der Verfahrenshandlung liegende materielle Willenserklärung48 in analoger Anwendung der §§ 107, 108 BGB wirksam sein sollte, so bedingt der besondere Charakter einer Verfahrenshandlung doch die Unwirksamkeit. 49 So ausdrücklich Rosenberg/Schwab § 44 III 2; vgl. auch Fenger S. 17 ff. Sowohl der gesetzliche Vertreter als auch der handlungsfähig gewordene Minderjährige kann die Verfahrensführung genehmigen. 47 Dagegen vertritt Middel S. 26 die Auffassung, daß sich ein Eingehen auf den Rechtscharakter der formellen Verfahrenshandlung erübrige, da allein die Rechtsnatur der materiellen Willenserklärung entscheidend sei. Dem kann seit dem Erlaß des § 12 VwVfG nicht mehr gefolgt werden. 48 Zu denken ist an die Zustimmungserklärung beim mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt und an die Vertragserklärung. 49 Vgl. zu den Fällen, in denen die beschränkte Handlungsfähigkeit auf öffentlichem Recht beruht, B., III., 5. 45
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IH. Die Stellung des Minderjährigen im Verwaltungsverfahren
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Die Regelung in § 12 VwVfG schließt innerhalb des Verwaltungsverfahrens auch für materielle Willenserklärungen eine den §§ 107, 108 BGB entsprechende beschränkte Handlungsfähigkeit aus. Die formelle Unwirksamkeit schlägt also auf die materielle Wirksamkeit durch. Diese Auffassung könnte einen Wertungswiderspruch darstellen, wenn man bedenkt, daß das formelle Recht zur Durchsetzung des materiellen Rechts dient. Zwischen formellem und materiellem Recht bestehen jedoch Unterschiede. Auch im Zivilrecht werden in bezug auf das materielle Schuldverhältnis und das dazugehörige Prozeßrechtsverhältnis mit der Geschäftsfähigkeit und der Prozeßfähigkeit unterschiedliche Handlungsvoraussetzungen aufgestellt. 50 4. Auswirkungen der fehlenden Verfahrensfähigkeit auf die Durchführung des Verwaltungsverfahrens
Sofern der Minderjährige nicht über die Handlungsfähigkeit verfügt, führt dieser Mangel zu verschiedenen Problemen des Verwaltungsverfahrens. Zunächst stellt sich die Frage, wie ein Antrag des Minderjährigen rechtlich zu behandeln ist. Wird gegenüber dem Minderjährigen ein Verwaltungs akt erlassen, muß dessen Wirksamkeit bestimmt werden. In diesem Zusammenhang ist auch auf den Spezialfall des mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsaktes einzugehen. Auch die Beteiligung des Minderjährigen an einem öffentlich-rechtlichen Vertrag darf nicht unberücksichtigt bleiben. Schwierigkeiten bereiten außerdem die Folgen einer vom Minderjährigen erteilten Verfahrensvollmacht, z. B. an einen Rechtsanwalt. a) Die AntragsteIlung des Minderjährigen
Die Behörde darf gemäß § 24 III VwVfG die Entgegennahme eines Antrages nicht deshalb verweigern, weil sie ihn für unzulässig hält. Daher kann sie den bei ihr eingegangenen Antrag des Handlungsunfähigen nicht einfach ignorieren. Der Antrag muß wegen der fehlenden Handlungsvoraussetzung als unzulässig zurückgewiesen werden. 51 Wenn die Antragstellung mit einer Gebührenpflicht verbunden ist, hat die Behörde zugleich über die Kosten zu entscheiden. Die anfallenden Kosten sind dem Minderjährigen aufzuerlegen, denn das Prinzip der Erfolgshaftung 50 Der Minderjährige kann mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters zwar einen Vertrag abschließen, er kann aber nicht mit dessen Zustimmung aus dem Vertrag auf Erfüllung klagen. 51 Vgl. Krause, VerwArch 1970, 297 (316); Clausen in Knack § 12 Rdnr. 8; UlelLaubinger § 16 III.
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B. Die rechtliche Handlungsfähigkeit des Minderjährigen
verdrängt - ebenso wie im Verwaltungsprozeß - den Gedanken des Minderjährigenschutzes. 52 Eine vorläufige Zulassung zum Verfahren, die § 62 III VwGO i.V.m. § 56 II ZPO für den Prozeß vorsieht, kennt das Verwaltungsverfahren nicht.5 3 Will der Minderjährige einen Verwaltungsakt beantragen, muß ihm ein Ergänzungspfleger bestellt werden, sofern sein gesetzlicher Vertreter aus tatsächlichen Gründen an der Vertretung gehindert ist.5 4 Wenn der gesetzliche Vertreter die Durchführung des Verwaltungsverfahrens ablehnt, hat die Behörde den elterlichen Willen zu respektieren. Es ist ihr daher verwehrt, dem Minderjährigen in Anwendung des § 16 I Nr. 4 VwVfG einen Vertreter von Amts wegen zu bestellen. 55 Auch hier liegt der einzige, rechtsstaatlich einwandfreie Weg in dem Verfahren nach § 1666 BGB.56 Tritt der gesetzliche Vertreter in das Verwaltungsverfahren ein, kann er die bisherige Verfahrensführung des Minderjährigen in Anwendung der obigen prozeßrechtlichen Grundsätze genehmigen. Damit wird der Mangel der Handlungsfähigkeit, der jede einzelne Verfahrenshandlung des Minderjährigen belastet ex tunc57 geheilt. Die Heilungsmöglichkeit besteht also nicht nur für aktive Verfahrenshandlungen im Widerspruchsverfahren, sondern sie umfaßt auch schon die, das Verwaltungsverfahren einleitende, AntragsteIlung. Wird der Antrag genehmigt, kann über den geltend gemachten Anspruch in der Sache entschieden werden. Ähnlich wie im Fall der Klagerücknahme 58 stellt sich die Frage, ob der Minderjährige einen von ihm persönlich gestellten Antrag wirksam zurücknehmen kann, um einer drohenden Abweisung des Antrages zu entgehen. Solange die Behörde noch nicht abschließend entschieden hat, verfügt der Bürger grundsätzlich über das Recht, den gestellten Antrag wiederzurückzunehmen. 59 Da aber auch die Rücknahme eines Antrages als Verfahrenshandlung anzusehen ist 60 , steht ihrer Wirksamkeit grundsätzlich die HandlungsunWie hier Krause a.a.O. S. 317. Vgl. dazu die Begründung für § 12 VwVfG: BT-Drucks. 7/910 S. 43. 54 Es besteht die gleiche Wertung wie im Prozeßrecht. Vgl. dazu B., 1I., 2., b), aa), (1), (a). So auch Kopp, VwVfG § 12 Rdnr. 13. 55 A.A. Roell S. 65. 56 Vgl. B., H., 2., b), aa), (1), (b). 57 Vgl. zur rückwirkenden Heilung der aktiven Verfahrenshandlung: BVerwG Buchholz 237.2 § 79 LBG Berlin Nr. 2 S. 1; BVerwG Buchholz 402.25 § 6 AsylVfG Nr. 1; BVerwG 1nfAuslR 1985, 54 (55); Pietzner/Ronelienfitsch S. 204; Borgs in Meyer/Borgs § 12 Rdnr. 1. 58 Vgl. dazu und zum folgenden B., 1I., 2., b), aa), (1), (c). 59 Weides S. 42 f.; Stelkens in Stelkens/BonklLeonhardt § 35 Rdnr. 118 a. 52
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fähigkeit entgegen. Zwar ist zu bedenken, daß die Rücknahme eines Antrages einer erneuten AntragsteIlung nicht im Wege steht61 , so daß eine Gefährdung des Minderjährigen kaum zu befürchten ist. Die Anerkennung der Handlungsfähigkeit für die Rücknahme des Antrages widerspricht jedoch dem eindeutigen Wortlaut des § 12 VwVfG.62 b) Wirksamkeit eines gegen den Minderjährigen persönlich gerichteten VerwaItungsaktes Wird gegenüber einem Minderjährigen ein Verwaltungs akt erlassen, stellt sich die Frage nach der Wirksamkeit dieses Verwaltungsaktes. Dieses Problem wird deutlich, wenn man die äußere Wirksamkeit von der inneren unterscheidet. 63 Unter der äußeren Wirksamkeit wird die rechtliche Existenz und die Anfechtbarkeit des Verwaltungs aktes verstanden. Mit dem Begriff der inneren Wirksamkeit werden dagegen die materiellen Rechtsfolgen eines Verwaltungsaktes umschrieben. Zu diesen materiellen Rechtsfolgen eines Verwaltungsaktes gehören die Bindungswirkung64 , die Tatbestands- und die Feststellungswirkung. 65 Die innere Wirksamkeit eines Verwaltungs aktes tritt im Regelfall zu dem Zeitpunkt ein, in dem der Verwaltungsakt gemäß den §§ 41, 43 VwVfG bekanntgegeben wird. Ausnahmen gelten z. B. dann, wenn die in dem Verwaltungsakt enthaltene Regelung aufschiebend bedingt ist oder als Folge der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 VwGO suspendiert ist. Ein Verwaltungsakt kann mündlich oder schriftlich bekanntgegeben werden. Nur soweit es ausdrücklich gesetzlich angeordnet wird 66 , ist die schriftliche Bekanntgabe gemäß dem förmlichen Zustellungsverfahren des VwZG durchzuführen. 67 Wirksam bekanntgegeben werden kann ein Verwaltungsakt nur, wenn sein Adressat handlungsfähig i.S.des § 12 VwVfG ist oder wenn die Bekanntgabe 60 Argumentum e contrario: wenn die AntragsteIlung eine Verfahrenshandlung ist, so gilt das auch für die Rücknahme. 61 Clausen in Knack § 22 Anm. 4.8. 62 Es gilt insoweit das schon zur Klagerücknahme des Minderjährigen Gesagte. Vgl. B., 11., 2., b), aa), (1), (c). 63 Vgl. dazu ErichsenlMartens § 13; Kopp, VwVfG § 43 Rdnm. 4 ff. 64 Der Verwaltungsakt bindet die erlassende Behörde, andere Behörden und die Gerichte. Vgl. ErichsenlMartens a.a.O. Selbst die Zivilgerichte haben sich mit der Wirksamkeit von Verwaltungs akten auseinanderzusetzen. Vgl. für das Verfahren über die Anordnung der Abschiebungshaft: BayObLG DÖV 1979, 62 f. 65 Vgl. zur Tatbestands- und Feststellungswirkung: Kopp, VwVfG Vorbem. § 35 Rdnm. 25 ff. 66 Vgl. die §§ 33 BBG, 44 WPflG, 74 VwGO. 67 Meyer in Meyer/Borgs § 41 Rdnr. 35; Kopp, VwVfG § 41 Rdnr. 55.
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B. Die rechtliche Handlungsfähigkeit des Minderjährigen
an den gesetzlichen Vertreter erfolgt. 68 Dabei ist jedoch zu beachten, daß das Erfordernis der Handlungsfähigkeit nicht nur für den Bekanntgabeakt als solchen besteht, sondern für alle Verfahrenshandlungen, die zum Erlaß des Verwaltungsaktes geführt haben. 69 Problematisch ist, wie der Minderjährige gegenüber einem Verstoß gegen § 12 VwVfG geschützt ist. Die Bekanntgabe des Verwaltungs aktes an den Minderjährigen persönlich anstatt an den gesetzlichen Vertreter könnte zur Rechtswidrigkeit führen. In diesem Fall wäre er bis zu seiner Aufhebung voll wirksam. Diese Auslegung wird der Regelung in § 12 VwVfG nicht gerecht. Nach dem Rechtsgedanken des § 12 VwVfG soll der Minderjährige vor der Rechtswirkung eines Verwaltungsaktes ohne die Hinzuziehung seines gesetzlichen Vertreters gerade geschützt werden. Dem Verwaltungsakt muß daher die Wirkung auch bis zum Zeitpunkt der Aufhebung versagt bleiben. Etwas anderes gilt jedoch in den Fällen, in denen das gesamte Verfahren unter Verstoß gegen § 12 VwVfG mit dem Minderjährigen durchgeführt wurde, die Bekanntgabe des abschließenden Verwaltungs aktes jedoch an den gesetzlichen Vertreter erfolgte. Ein solcher Verwaltungs akt ist voll wirksam, der Verstoß gegen § 12 VwVfG führt hier nur zur Rechtswidrigkeit und damit zur Aufhebbarkeit. Der Schutz des Minderjährigen wäre dann gewährleistet, wenn die unwirksame Bekanntgabe zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes führte. So wird in der Literatur teilweise von der unwirksamen Bekanntgabe auf die Nichtigkeit geschlossen. Da nur eine ordnungsgemäße Bekanntgabe dem Verwaltungsakt Rechtswirkung verleihen könne, sei dieser von Anfang an nichtigJo Diese Nichtigkeit in Gestalt des (Noch)Nichtaktes unterscheide sich von der in § 44 I VwVfG dadurch, daß § 44 I VwVfG den Erlaß und damit die Existenz des Verwaltungs aktes voraussetzeJl Zu einem anderen Ergebnis als die Nichtigkeit des Verwaltungs aktes könnte man dann gelangen, wenn man eine Heilung des Bekanntgabemangels ex nunc72 für möglich hielte. Bis zur erfolgten Heilung wäre der Verwaltungsakt demnach schwebend unwirksam. 68 Im färmlichen Zustellungsverfahren hat der Minderjährigenschutz in § 7 VwZG seinen besonderen Niederschlag gefunden. 69 Dieses Ergebnis beruht auf der Überlegung, daß die Handlungsfähigkeit nicht nur eine Verfahrens-, sondern auch eine Verfahrenshandlungsvoraussetzung ist; ähnlich Kopp, VwVfG § 12 Rdnr. 20; abweichend UlelLaubinger § 16 III 2. 70 Für die Nichtigkeit plädieren: Stelkens in StelkenslBonklLeonhardt § 41 Rdnr. 22 a, § 43 Rdnr. 12 und Kopp, VwVfG § 12 Rdnr. 22, § 41 Rdnr. 57. 71 So Stelkens in Stelkens/BonklLeonhardt § 41 Rdnr. 17; Kopp, VwVfG § 41 Rdnr. 57; dagegen hält Obermayer § 44 Rdnr. 27 schwerwiegende Bekanntmachungsfehler für einen Fall des § 44 I VwVfG. 72 Für eine Heilung "ex nunc": Wolff/Bachof III § 156 Rdnr. 20 und Clausen in Knack § 12 Rdnr. 9.
III. Die Stellung des Minderjährigen im Verwaltungsverfahren
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Die Entscheidung für die eine oder andere Auffassung hängt im wesentlichen davon ab, ob die unwirksame Bekanntgabe des Verwaltungs aktes heilbar ist oder nicht. Eine Heilung nach den §§ 45 I Nr. 1,46 VwVfG scheidet aus. Die Heilungsmöglichkeit nach § 45 I Nr. 1 VwVfG wird zwar unmittelbar73 oder analog74 auch auf die Situation angewandt, daß der erforderliche Antrag wegen der Handlungsunfähigkeit unwirksam ist. Sie greift aber nur dann ein, wenn der betroffene Verwaltungsakt ordnungsgemäß bekanntgegeben wurde und der Fehler allein in der unwirksamen Antragstellung liegt. Der Bekanntgabefehler kann auch nicht nach § 46 VwVfG unbeachtlich sein. Denn § 46 VwVfG ist nicht anwendbar, wenn der Verwaltungsakt von Anfang an unwirksam ist. 75 In Betracht kommt jedoch, daß die tatsächliche Kenntnisnahme des gesetzlichen Vertreters vom Verwaltungsakt nach den Rechtsgedanken der §§ 7, 9 VwZG zur Heilung des Bekanntgabefehlers und damit zur Wirksamkeit führt. Diese Auffassung scheint das BVerwG76 zu vertreten. In dem entschiedenen Fall ging es um einen Widerspruchsbescheid, der entgegen § 7 VwZG an einen Minderjährigen persönlich adressiert war. Da der Minderjährige nicht erreichbar war, wurde der Widerspruchsbescheid im Wege der Ersatzzustellung der Mutter des Minderjährigen zugestellt. Das Gericht stellte hier die Unwirksamkeit der Ersatzzustellung fest. Nicht der Minderjährige, sondern die Mutter sei empfangsberechtigt gewesen. Daher hätte der Widerspruchsbescheid der Mutter direkt zugestellt werden müssen. Die Mutter habe den Bescheid zwar tatsächlich erhalten, so daß eine Heilung nach § 9 I VwZG in Betracht käme. Diese Möglichkeit scheide jedoch gemäß § 9 II VwZG aus, da sonst eine Rechtsmittelfrist liefe. Den Ausführungen des Gerichts kann nicht entnommen werden, daß es die äußere Wirksamkeit des Bescheides bezweifelt. Allein der Lauf der Rechtsmittelfrist wird abgelehnt. Demnach würde die tatsächliche Kenntnisnahme des gesetzlichen Vertreters vom Verwaltungsakt zur Wirksamkeit des Verwaltungsaktes führen; nur die Vollziehbarkeit wäre gehemmt, sofern sie vom Ablauf der Anfechtungsfristen gemäß den §§ 70,74 VwGO abhängig wäre. Diese unterschiedliche Behandlung von Wirksamkeit und Vollziehbarkeit ist abzulehnen, denn die falsche Bekanntgabe kann den Verwaltungs akt schon nicht wirksam machen. Die Heilungsmöglichkeit des § 9 I VwZG scheidet von vornherein aus, wenn an einen anderen als den Empfangsberechtigten zuge73 74 75
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Obermayer § 45 Rdnr. 9. Kopp, VwVfG § 45 Rdnr. 16; Meyer in MeyerlBorgs § 45 Rdnr. 16. Vgl. Meyer in MeyerlBorgs § 46 Rdnr. 18. Vgl. zum folgenden: BVerwG Buchholz 340 § 7 VwZG Nr. 1.
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B. Die rechtliche Handlungsfähigkeit des Minderjährigen
stellt wurde.?7 Diese einschränkende Auslegung des § 9 I VwZG wird unmittelbar durch die Belange des Minderjährigenschutzes geboten. Denn der Minderjährige muß nicht erst gegen die Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes geschützt werden, sondern schon gegen die mit der Bekanntgabe eintretende Wirksamkeit. 78 Die tatsächliche Kenntnisnahme des gesetzlichen Vertreters vom Verwaltungsakt i.S. des § 9 I VwZG ist für die Heilung des Zustellungsmangels und damit für die Wirksamkeit ohne Bedeutung. Dieser Rechtsgedanke gilt nicht nur für das spezielle Zustellungsverfahren, sondern auch für die allgemeine Bekanntgabe. Damit kann weder den Vorschriften des VwVfG noch denen des VwZG eine Heilungsmöglichkeit entnommen werden. Daraus wird im Schrifttum teilweise die Konsequenz gezogen, daß der Mangel einer unwirksamen Bekanntgabe nicht heilbar sei. So soll es in diesen Fällen bei der Nichtigkeit des Verwaltungsaktes bleiben.?9 Diese Auffassung läßt jedoch den, für das Verwaltungs- und Verwaltungsstreitverfahren entwickelten Grundsatz außer Betracht, nach dem fehlerhafte Verfahrenshandlungen durch spätere Genehmigung geheilt werden können. Dieser Grundsatz ist zwar zunächst nur für aktive Verfahrenshandlungen innerhalb des dem Gerichtsverfahren vorgeschalteten Widerspruchsverfahrens entwickelt worden.8° Darüber hinaus wird er jedoch schon auf die Anträge in der "ersten Instanz" angewendet.8 1 Problematisch ist, ob sich der Anwendungsbereich dieses Grundsatzes damit erschöpft. Gegen eine Beschränkung der Heilungsmöglichkeit auf aktive Verfahrenshandlungen spricht, daß der Grundsatz auch für passive Verfahrenshandlungen entwickelt worden ist.82 Auch der Erlaß eines Verwaltungsaktes ist eine Verfahrenshandlung. 83 Warum sollte ein gesetzlicher Vertreter nach Kenntnisnahme vom unwirksam bekanntgegebenen Verwaltungsakt nicht die Möglichkeit haben, die Vgl. dazu die Nachweise oben B., H., Fn. 103. Die Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes ist nicht an seine Vollziehbarkeit geknüpft. Vgl. dazu Wallerath § 7 V 3. 79 So Stelkens in StelkenslBonklLeonhardt § 41 Rdnr. 22 a, § 43 Rdnr. 12. Eine Heilung soll jedoch für den Fall in Betracht kommen, daß die Behörde willentlich eine Bekanntgabe an den Minderjährigen und an den gesetzlichen Vertreter durch Zustellung an beide herbeigeführt habe. Im Regelfall habe die Behörde den Verwaltungsakt neu bekanntzugeben. 80 Vgl. B., III., Fn. 44. 81 VgI.B.,III.,4.,a). 82 Vgl. B., III., 3., c). 83 Gemäß § 9 VwVfG schließt das Verwaltungsverfahren den Erlaß des Verwaltungsaktes ein. 77
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111. Die Stellung des Minderjährigen im Verwaltungsverfahren
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unwirksame Bekanntgabe zu genehmigen und den Verwaltungsakt damit wirksam werden zu lassen? Wenn der gesetzliche Vertreter gute Argumente gegen die Sachentscheidung besitzt und er daher an einer raschen Klärung der Rechtslage interessiert ist, spricht gerade der Grundsatz der Verfahrensökonomie für die Heilungsmöglichkeit. Durch die Einlegung eines Widerspruches, in dem die fehlende Handlungsfähigkeit nicht gerügt wird, kann er in das Verfahren eintreten und es damit voll übernehmen. 84 Es wäre nicht ersichtlich, warum der Verwaltungs akt noch einmal, nunmehr gegen den gesetzlichen Vertreter, erlassen werden sollte, wenn sich gegen ihn dieselben Argumente richten. Auf der anderen Seite muß dem gesetzlichen Vertreter jedoch auch die Möglichkeit eingeräumt werden, es bei der Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes aufgrund der Handlungsunfähigkeit zu belassen, bzw. die unwirksame Bekanntgabe zu rügen. Davon wird er dann Gebrauch machen, wenn er Zeit gewinnen will, um sich zu informieren und die Qualität seines Sachvortrages zu verbessern. Als Genehmigung wird man dabei nicht etwa schon die Kenntnisnahme vom Verwaltungs akt durch den gesetzlichen Vertreter als ausreichend ansehen können. 85 Zu fordern ist eine positive Genehmigungserklärung, die allerdings auch stillschweigend erfolgen kann.8 6 Allein aus dem Schweigen auf einen unwirksamen Verwaltungsakt kann nicht auf eine Genehmigung geschlossen werden. In diesem Fall verbleibt es bei der Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes, so daß er endgültig als nichtig anzusehen ist. Da der Verwaltungsakt nie wirksam geworden ist, gewährleistet diese Konstruktion die Belange des Minderjährigenschutzes. Entgegen anderer Auffassung 87 ist die Figur der "schwebenden Unwirksamkeit" eines Verwaltungs aktes mit dem Regelungsgehalt der §§ 44, 45 VwVfG vereinbar. Es ist zwar zuzugeben, daß ein wirksam bekanntgegebener Verwaltungsakt in der Tat nur nichtig oder rechtswidrig aufheb bar sein kann. Im Fall der unwirksamen Bekanntgabe handelt es sich jedoch gerade um eine besondere Form der Nichtigkeit - und zwar um die der "Noch-nicht Existenz".88 Die Genehmigung des gesetzlichen Vertreters heilt zunächst nur die unwirksame Bekanntgabe und führt damit überhaupt erst zur Existenz des VerwaltungsakVgl. dazu den BayVGH in BayVBI. 1979,733 und in DÖV 1984, 433 (434). So aber Leonhardt in Stelkens/Bonk/Leonhardt § 12 Rdnr. 5; WolffiBachof III § 156 Rdnr. 20. Diese Ansicht verstößt gegen das in § 12 VwVfG und §§ 7, 9 VwZG niedergelegte Prinzip des Minderjährigenschutzes. 86 Vgl. zur Möglichkeit der stillschweigenden Genehmigung BVerwG Buchholz 402.2? § 6 AsylVfG Nr. .1; BVerwG in InfAuslR 1985, 54 f.; BVerwG Buchholz 237.2 § 79 LBG Berlin Nr. 2S.l(6f.); vgl. speziell auch den BayVGH a.a.O. 87 Stelkens in StelkensIBonkiLeonhardt § 43 Rdnr. 15 a. 88 Vgl. dazu auch: Kopp, VwVfG § 43 Rdnr. 27. 84 85
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B. Die rechtliche Handlungsfähigkeit des Minderjährigen
tes. Daher werden die §§ 44,45 VwVfG, die insofern eine wirksame Bekanntgabe voraussetzen, durch die Genehmigung nicht tangiert. Der gesetzliche Vertreter kann also grundsätzlich die gesamte bisherige Verfahrensführung genehmigen und damit einen bis dahin unwirksamen Verwaltungsakt heilen.89 Die Genehmigung der unwirksamen Bekanntgabe wirkt nur ex nunc. Das gilt damit auch für die äußere Wirksamkeit des Verwaltungsaktes. Nur so kann der gesetzliche Vertreter direkt gegen den Verwaltungsakt angehen, ohne sich gleich auf die unwirksame Bekanntgabe und auf die Nichtigkeit berufen zu müssen. Bei eider Heilung ex tunc hingegen, wäre die Rechtsmittelfrist in vielen Fällen schon abgelaufen. 9o Dann könnte der gesetzliche Vertreter seine Genehmigung nur noch verweigern und sich auf die Nichtigkeit berufen. Verweigert er die Genehmigung, muß das gesamte bisherige Verfahren noch einmal mit ihm durchgeführt werden. Er ist daher gegebenenfalls gemäß § 28 VwVfG anzuhören, bevor der Verwaltungs akt erneut erlassen werden kann. 91 c) Auswirkungen der mangelhaften AntragsteIlung auf den mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt
Ein Sonderproblem stellt die Behandlung des gegen den Minderjährigen ergangenen mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsaktes dar. Der mitwirkungsbedürftige Verwaltungsakt unterscheidet sich von den sonstigen Verwaltungsakten dadurch, daß sein Erlaß grundsätzlich von einer Mitwirkungshandlung des Bürgers - und zwar von einem Antrag - abhängig ist. 92 Dieser Antrag kann auf seine verfahrensrechtliche Bedeutung beschränkt sein. So stellt das Antragserfordernis bei rein begünstigenden Verwaltungsakten lediglich eine Verfahrensvoraussetzung dar. 93
89 Von einer Heilungsmöglichkeit des bis zur Genehmigung unwirksamen Verwaltungsaktes gehen ebenfalls aus: BayVGH DÖV 1984, 433 (434); BVerwG DÖV 1985, 407; BVerwG Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 80 S. 2l. 90 Darauf weisen Tipke/Kruse § 79 AO Tz. 4 hin. 91 Allein die Wiederholung des Zustellungsverfahrens bzw. der Bekanntgabe reicht nicht aus. Vgl. dazu schon B., III., Fn. 69. 92 Badura in Erichsen/Martens § 39 III. 93 Es handelt sich dann um einen antragsbedürftigen Verwaltungsakt. Vgl. Badura a.a.O.; Wallerath § 7 II 3. b) cc). Bestimmt der Antragszeitpunkt nach dem einschlägigen Gesetz den zulässigen Bewilligungszeitraum für eine Geldleistung, wie es z. B. § 15 I 2. Halbs. BaföG anordnet, kommt einem solchen Antrag auch materiell-rechtliche Bedeutung zu. Vgl. dazu: Wallerath a.a.O. Fn. 167.
III. Die Stellung des Minderjährigen im Verwaltungsverfahren
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Dem Antrag kann jedoch auch eine doppelte Funktion zukommen. 94 Dann hat er zum einen den Sinn, das Verwaltungsverfahren gemäß § 22 11 S. 2 VwVfG zu eröffnen. Und zum anderen soll er als materiell-rechtliche Willenserklärung das Einverständnis des Antragstellers mit dem Inhalt des begehrten Verwaltungsaktes zum Ausdruck bringen. Je nach der Tragweite der begehrten Entscheidung ist der Antrag entweder als Wirksamkeitsvoraussetzung oder nur als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung des Verwaltungsaktes anzusehen. 95 Nach allgemeiner Auffassung werden die Fälle schwerwiegender Statusveränderungen, zu denen vor allem die Beamtenernennung, die Einbürgerung sowie die Entlassung aus der deutschen Staatsangehörigkeit zu zählen sind, der ersten Kategorie zugeordnet. Daher sind solche Verwaltungsakte ohne die erforderliche Mitwirkungshandlung unwirksam. 96 Umstritten ist allerdings, ob dieser Mangel zur Nichtigkeit 97 oder lediglich zur schwebenden Unwirksamkeit98 des Verwaltungs aktes führt. Für die Nichtigkeit spricht, daß die existentielle Bedeutung der Entscheidung eine abschließende Beurteilung der Wirksamkeit zum Entscheidungszeitpunkt erfordert. Etwas anderes gilt, wenn der Antrag nur ein Tatbestandsmerkmal darstellt, das als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung eines Verwaltungsaktes erfüllt sein muß. So wird in diesem Falle aus § 45 I Nr. 1 VwVfG hergeleitet, daß ein ohne Mitwirkungsakt zustande gekommen er Verwaltungsakt wirksam, aber rechtswidrig anfechtbar sei. 99 Zu diesem Bereich werden vornehmlich die Fälle gerechnet, in denen der Bürger um Erlaubnisse oder Genehmigungen bei den Verwaltungsbehörden nachsucht. 100
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Vgl. zu den verschiedenen Auswirkungen des Antrages: Weides, JuS 1985, 364
(369); Stelkens, Natur und Recht 1985, S. 213; Gusy, BayVBl. 1985,484.
Vgl. zu dieser Unterscheidung: Wallerath § 7 II 3 b) aa) und bb). Vgl. Wallerath a.a.O.; Badura a.a.O.; es ist zu beachten, daß die materielle Erklärung der Zustimmung mit dem verfahrensrechtlichen Antrag zusammenfallen kann, aber nicht muß. Vgl. dazu Gusy a.a.O. S. 489; Stelkens a.a.O. S. 214. Es ist also auch eine rein materielle Zustimmungserklärung denkbar. 97 So die h.M.: Wallerath a.a.O.; Badura a.a.O.; Forsthoff S. 213; Krause, Verw Arch 1970, 297 (310). 98 WolfflBachof I § 48 II; auch Gusy a.a.O. S. 491 geht von der Nachholbarkeit des Antrages aus. 99 Kopp, VwVfG § 45 Rdnr. 16; Badura a.a.O.; Weides a.a.O. Die Heilungsmöglichkeit nach § 45 I Nr. 1 VwVfG betrifft direkt zwar nur die unwirksame Verfahrenshandlung. Man wird sie darüber hinaus aber auch auf die fehlende materielle Zustimmung anwenden können. So auch Stelkens in StelkenslBonk/Leonhardt § 45 Rdnr. 6; ders., Natur und Recht 1985, 213 (221). 100 Wie hier Wallerath a.a.O. m.w.N. pro et contra in Fn. 164. 95
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B. Die rechtliche Handlungsfähigkeit des Minderjährigen
Damit sind in bezug auf den mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt folgende Punkte zu beachten, denen i.R. der Beteiligung von Minderjährigen eine besondere Bedeutung zukommt. Die fehlende Handlungsfähigkeit i.S.v. § 12 VwVfG führt dazu, daß der Antrag verfahrensrechtlich unwirksam ist. Damit fehlt es auch an der - nach materiellem Recht erforderlichen - wirksamen Einverständniserklärung,lol Eine weitere Folge ist, daß der beantragte Verwaltungsakt dem Minderjährigen persönlich nicht wirksam bekanntgegeben werden darf. Die verfahrensrechtliche Unwirksamkeit des Antrages und die unwirksame Bekanntmachung weichen in ihrer Problematik nicht vom normalen Verwaltungsakt102 ab. Denn hier wie dort hätte es der gesetzliche Vertreter in der Hand, die unwirksamen Verfahrenshandlungen zu genehmigen,l03 Fraglich ist, ob die Genehmigungsmöglichkeit auch für die materiell-rechtliche Zustimmungserklärung in Betracht kommt. Zweifel könnten sich dann ergeben, wenn man die wegen der Handlungsunfähigkeit unwirksame Zustimmungserklärung mit dem Fall der fehlenden Zustimmungserklärung gleichsetzt. Das hätte in den Fällen schwerwiegender Statusveränderungen zur Folge, daß bei Erlaß des Verwaltungsaktes eine Wirksamkeitsvoraussetzung fehlt. Nach den oben aufgestellten Grundsätzen wäre ein solcher Verwaltungs akt wegen der zu fordernden Rechtsklarheit und -sicherheit als nichtig anzusehen. Die fehlende und die unwirksame Zustimmungserklärung unterscheiden sich zwar dadurch, daß mit der Zustimmungserklärung des Minderjährigen immerhin eine Erklärung im natürlichen Sinn vorliegt. Das ändert jedoch nichts daran, daß der Erklärung des Minderjährigen die rechtliche Wirkung versagt bleibt. Auf diese kommt es jedoch an, wenn die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes gerade von einem wirksamen Einverständnis zum Entscheidungszeitpunkt abhängt. Daher führt die unwirksame Einverständniserklärung in den Fällen schwerwiegender Statusveränderungen zur Nichtigkeit des mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsaktes. Der materielle Fehler ist hier so stark, daß eine Heilung des Fehlers durch eine nachträgliche Genehmigung aus Gründen der Rechtsklarheit und -sicherheit ausscheidet. 104 101 Vgl. zur doppelten Auswirkung des § 12 VwVfG B., III., 3., d); abweichend Stelkens a.a.O. S. 219. Danach soll auf den verfahrensrechtlichen Antrag § 12 VwVfG und auf die materielle Willenserklärung die §§ 104 ff. BGB anzuwenden sein. Diese Auffassung ist abzulehnen, da Stelkens den Unterschied von Verfahrensfähigkeit und materieller Geschäftsfähigkeit verkennt. Eine Anwendung der §§ 104 ff. BGB kommt nur in Betracht, wenn die materielle Willenserklärung nicht mit einer Verfahrenshandlung zusammenfällt. 102 Vgl. B., III., 4., b). 103 Vgl. dazu B., III., 4., a) und b). 104 Die grundsätzlich mögliche verfahrensrechtliche Genehmigung schlägt in diesem Fall also ins Leere.
111. Die Stellung des Minderjährigen im Verwaltungsverfahren
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Anders ist die Rechtslage jedoch in den Fällen zu beurteilen, in denen die Zustimmungserklärung nur eine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung darstellt. Hat der Minderjährige also z. B. eine Baugenehmigung beantragt und ist ihm daraufhin die begehrte Erlaubnis persönlich bekanntgemacht worden, liegt rechtsdogmatisch ein verfahrensrechtlich unwirksamer Verwaltungsakt vor, der dazu materiell rechtswidrig ist. Genehmigt der gesetzliche Vertreter die unwirksamen Verfahrenshandlungen, also die Bekanntgabe und den unwirksamen Antrag, so wird der Verwaltungsakt verfahrensrechtlich wirksam. In der Genehmigung des verfahrensrechtlich unwirksamen Antrages ist auch die Nachholung der materiellen Einverständnis erklärung zu sehen, so daß damit auch der materielle Fehler geheilt wird. lOs Für den Fall der Baugenehmigung würde das also bedeuten, daß sie durch die Genehmigung des gesetzlichen Vertreters verfahrensrechtlich wirksam und materiell rechtmäßig würde. d) Auswirkungen auf den Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrages
Die Auswirkungen der Handlungsunfähigkeit auf den öffentlich-rechtlichen Vertrag werden in der Literatur sehr uneinheitlich dargestellt. Diese Unsicherheit bzgl. des Minderjährigenrechts beruht darauf, daß die Vertragserklärung des Bürgers eine Doppelnatur besitzP06 So stellt sie einerseits eine Verfahrenshandlung i.S.v. § 9 VwVfG und andererseits eine materiell-rechtliche Willenserklärung dar. Ausgehend von der gesetzlichen Regelung in den §§ 59 I, 62 S. 2 VwVfG wird vornehmlich der materiell-rechtliche Teil in den Vordergrund gestellt. Diese verengte Sicht hat zur Folge, daß die Wirksamkeit der Vertragserklärung zumeist in Abhängigkeit der materiellen BGB-Regeln über die Geschäftsfähigkeit beurteilt wird. Wie schon in der Begründung zum VwVfG ausgeführt 107 , soll sich die Nichtigkeit der Vertragserklärung eines Geschäftsunfähigen in entsprechender Anwendung des § 105 BGB gemäß § 59 I VwVfG ergeben. lOB Dieser Auffassung wird vereinzelt mit der Begründung entgegengetreten, daß die Möglichkeit einer entsprechenden Anwendung des § 105 BGB weder der Regelung des § 59 I VwVfG noch der des § 62 S. 2 VwVfG zu entnehmen sei, sondern unmittelbar der Anordnung in § 12 I Nr. 1 VwVfG.109 Vgl. dazu die Nachweise B., 111., Pn. 99. Vgl. dazu B., III., 3., a); Kopp, VwVfG Vorbem. § 54 Rdnr. 3; Bonk in Stelkensl BonkiLeonhardt § 54 Rdnr. 15. Vgl. zur BeteiligtensteIlung des Bürgers in diesem Fall B., III., Pn. 24. 107 Vgl. BT-Drucks. 7/910 S. 81. 108 Erichsen/Martens § 27 IV; Knack § 59 Anm. 3; Ule/Laubinger § 7011 1. 105 106
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B. Die rechtliche Handlungsfähigkeit des Minderjährigen
Nach der wohl h.M. führt der materiell-rechtliche Charakter der Vertragserklärung dazu, daß bei Minderjährigen neben § 105 BGB auch die §§ 107, 108 BGB angewendet werden können. 110 Der alleinige rechtliche Vorteil soll damit ebenso zur Wirksamkeit der öffentlich-rechtlichen Vertragserklärung führen, wie die Zustimmung oder die Genehmigung durch den gesetzlichen Vertreter. Eine solche Anwendung der §§ 107, 108 BGB setzt jedoch eine Lücke des VwVfG voraus, da die Vorschriften des BGB gemäß § 62 S. 2 VwVfG ergänzend nur für den Fall gelten, daß sich aus den Vorschriften des VwVfG selbst nichts ergibt. 111 Diese Voraussetzung kann jedoch für die öffentlich-rechtliche Vertragserklärung nicht bejaht werden. Für eine entsprechende Anwendung der §§ 107, 108 BGB auf die öffentlich-rechtliche Vertragserklärung könnte zwar die Tatsache sprechen, daß es im öffentlichen Recht keine vergleichbaren materiellen Geschäftsfähigkeitsregeln gibt. Die Vertrags erklärung stellt jedoch nicht nur eine materielle Willenserklärung, sondern auch eine Verfahrenshandlung i.S.v. § 9 VwVfG dar. Die verfahrensrechtliche Handlungsfähigkeit ist jedoch mit § 12 VwVfG abschließend geregelt ll2 und umfaßt so indirekt auch die Fähigkeit zur Abgabe des materiell-rechtlichen Teils der Vertragserklärung. Die Minderjährigen können damit die Vertragserklärung im Verwaltungsverfahren nur dann wirksam artikulieren, wenn sie partiell als vollgeschäftsfähig anerkannt sind. Das sind sie aber nur in den Fällen der §§ 112, 113 BGB und nicht in denen der §§ 107,108 BGB.113 Eine lediglich rechtlich vorteilhafte Vertrags erklärung ist daher ebenso als unwirksam anzusehen, als wenn sie mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters vorgenommen worden wäre. Denn dadurch werden die besonderen Handlungsvoraussetzungen des § 12 I Nr. 2 VwVfG nicht erfüllt. Fraglich ist, ob der aus dem Prozeßrecht entwickelte Grundsatz der Heilbarkeit von Verfahrenshandlungen auch auf die Verfahrenshandlungen 109 So Bonk a. a. O. § 59 Rdnr. 23; ähnlich auch Meyer in Meyer/Borgs § 62 Rdnr. 11, der sich allerdings widerspricht, da er an anderer Stelle die §§ 104 ff. BGB über § 62 S. 2 i.V.m. § 12 VwVfG anwenden will. Vgl. dazu Meyer a.a.O. § 54 Rdnr. 85. 110 Vgl. dazu die Nachweise unter B., III., Fn. 32; außerdem Knack § 62 Rdnr. 3; Maurer, AllgVwR § 14 Rdnr. 39; Robbers, DVBI. 1987,709 (718). 111 Schmitt S. 82 hält diese Voraussetzung für gegeben. 112 Vgl. dazu B., III., 3., d); so im Ergebnis auch Bonk a.a.O. § 54 Rdnr. 17, nach dem die §§ 104 ff. BGB durch § 12 VwVfG verdrängt werden. 113 Es verwundert, wenn Meyer a.a.O. § 62 Rdnr. 11 zur Wirksamkeit der Vertragserklärung einerseits nur die partielle Vollgeschäftsfähigkeit ausreichen lassen will (wozu er unzutreffend auch § 107 BGB zählt) und die Anwendbarkeit des § 108 BGB ausdrücklich ablehnt, während er an anderer Stelle a.a.O. § 54 Rdnr. 85 in eindeutigem Widerspruch zu obiger Aussage eine Vertragserklärung mit Genehmigung des gesetzlichen Vertreters für wirksam hält. Ein ähnlicher Widerspruch taucht bei Robbers, DVBI. 1987,709 (711, 718) auf.
IH. Die Stellung des Minderjährigen im Verwaltungsverfahren
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anwendbar ist, die auf den Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrages i.S.v. § 9 VwVfG gerichtet sind. Für die Anwendbarkeit sprechen dieselben Gründe wie beim Verwaltungsakt. Wenn der handlungsunfähige und prozeßunfähige Minderjährige aus dem öffentlich-rechtlichen Vertrag klagt, verfügt der gesetzliche Vertreter über die Möglichkeit, die bisherigen unwirksamen Prozeßhandlungen zu genehmigen. Daher wäre es nicht einsichtig, warum es dem gesetzlichen Vertreter verwehrt sein sollte, die zum Vertrags abschluß führenden Verfahrenshandlungen zu genehmigen. Die Gefahr des Leerlaufens der prozeßrechtlichen Heilungsmöglichkeit wäre im anderen Fall besonders offensichtlich. Durch die Genehmigung des gesetzlichen Vertreters werden sowohl die Vertragserklärung des Minderjährigen als auch die der Verwaltungsbehörde wirksam.l 14 Die verfahrensrechtliche Heilung der Vertragserklärung hat demnach auch ihre materielle Wirksamkeit zur Folge. Diese Genehmigungsmöglichkeit darf nicht mit der Annahme einer beschränkten Handlungsfähigkeit gemäß den §§ 107, 108 BGB verwechselt werden. So ist die Wirksamkeit der Vertrags er klärung nicht durch Zustimmung herstellbar . Genehmigt der gesetzliche Vertreter das Vertrags angebot der Behörde, so muß er die Verfahrensführung übernehmen. Damit muß er den Minderjährigen bei der Abgabe der Annahmeerklärung vertreten. e) Die Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts
Probleme bereitet die Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts gemäß § 14 I VwVfG durch einen Minderjährigen, wenn der gesetzliche Vertreter insoweit zugestimmt hat. Man könnte daran denken, daß der Anwalt durch die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters zur wirksamen Vornahme von Verfahrenshandlungen hinreichend legitimiert ist. Die Antwort hängt davon ab, ob die Bevollmächtigung als ein materielles Rechtsgeschäft oder als eine Verfahrenshandlung anzusehen ist oder ob eine Mischform vorliegt. Die Beauftragung führt zu zwei verschiedenen Rechtsverhältnissen. 115 Zwischen dem Minderjährigen und dem Anwalt besteht im Innenverhältnis i.d.R. ein Geschäftsbesorgungsdienstvertrag gemäß § 675 BGB.116 Im Verhältnis zur Behörde - also im Außenverhältnis - ist die Beauftragung des Rechtsanwalts als eine Bevollmächtigung i.S.v. § 14 I VwVfG anzusehen. 114 Die Genehmigung heilt die aktiven Verfahrenshandlungen des Minderjährigen und die an ihn gerichteten. Vgl. dazu B., III., 3., c). 115 Leonhardt in StelkenslBonk/Leonhardt § 14 Rdnr. 8. 116 JauernigNollkommer § 675 Anm. 4.
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B. Die rechtliche Handlungsfähigkeit des Minderjährigen
Die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters hat in materieller Sicht die Wirksamkeit des Geschäftsbesorgungsvertrages zur Folge. Es ist jedoch zweifelhaft, ob das auch für die Bevollmächtigung gilt. Diese dient, ähnlich wie im Zivilprozeß117, der Vorbereitung und Gestaltung des künftigen Verfahrens. Die enge Beziehung zum Verfahren wird deutlich, wenn man daran denkt, daß die von einem vollmachtlosen Vertreter vorgenommenen Verfahrenshandlungen unwirksam sind. Da es keinen Vertretungszwang im Verwaltungsverfahren gibt1l8 , liegt der Sinn der Bevollmächtigung darin, daß sich nur der eines Bevollmächtigten bedienen kann, der es sonst auch selbständig durchführen könnte. Die Bevollmächtigung wird daher zu Recht als eine Verfahrenshandlung angesehen, die nur dann wirksam ist, wenn die Handlungsfähigkeit sowohl beim Vertretenen als auch beim Bevollmächtigten vorliegt.1 19 Damit ist die vom Minderjährigen mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters vorgenommene Vollmachtserteilung unwirksam.1 20 Der Bevollmächtigte kann also keine wirksamen Verfahrenshandlungen für den Minderjährigen vornehmen und steht insoweit einem vollmachtlosem Vertreter gleich,121 Man könnte daran denken, die unwirksame Vollmachtserteilung als eine Ermächtigung der betroffenen Behörde zu interpretieren, den Verwaltungsakt dem Bevollmächtigten anstelle des gesetzlichen Vertreters bekanntzugeben. 122 Diese Konstruktion berücksichtigt zwar die Belange des Minderjährigenrechts, da der Minderjährige im Verwaltungsverfahren trotz der Beteiligung des Rechtsanwaltes durch seinen gesetzlichen Vertreter vertreten würde. Voraussetzung für die Ermächtigung wäre jedoch eine wirksame Vollmacht. Diese liegt aber nicht vor, da der wirksame Anwaltsvertrag nicht mit der unwirksamen Vollmacht verwechselt werden darf.1 23 Die unwirksame Bevollmächtigung des Rechtsanwalts durch den Minderjährigen kann nicht in eine wirksame seitens des gesetzlichen Vertreters umgedeutet werden. Sonst bliebe unklar, ob die Zustellung an den Anwalt in seiner Eigenschaft als 117 Vgl. hierzu und zum folgenden die Ausführungen von Baumgärtel S. 173 ff., der für die wirksame Erteilung einer Vollmacht die Prozeßfähigkeit des Vollmachtgebers fordert. A.a. Henckel S. 75; RosenbergiSchwab § 54 H 1. 118 Kopp, VwVfG § 14 Rdnr. 2; Ule/Laubinger § 17 I. 119 Leonhardt a.a.O.; Borgs in Meyer/Borgs § 14 Rdnr. 20; Ule/Laubinger § 17 H. So wird auch eine Überforderung des Minderjährigen vermieden, indem er weder mit dem Verfahrensrisiko noch mit der Kontrolle des Anwalts belastet wird. 120 Der gesetzliche Vertreter muß die Bevollmächtigung selbst vornehmen. 121 Siehe zur Rechtsfigur des vollmachtlosen Vertreters: Kopp, VwVfG § 14 Rdnr. 12; Leonhardt in StelkenslBonk/Leonhardt § 14 Rdnr. 13. 122 Offengelassen in BVerwG NJW 1982, 539 (540); bejaht vom OVG Bremen zit. vom BVerwG a.a.O. 123 Diesen Fehler begeht das BVerwG in DÖV 1985, 407.
III. Die Stellung des Minderjährigen im Verwaltungsverfahren
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Bevollmächtigter des Minderjährigen oder als der des gesetzlichen Vertreters erfolgt.
5. Die Bedeutung der nach öffentlichem Recht heschränkten Handlungsfähigkeit für das Verwaltungsverfahren Zweifelhaft ist, wie sich die durch öffentlich-rechtliche Spezialvorschriften angeordnete, beschränkte Handlungsfähigkeit auf die weitere Durchführung des Verwaltungsverfahrens auswirkt. Die möglichen Folgen sollen anhand eines Beispiels aus dem Staatsangehörigkeitsrecht dargestellt werden. So setzen die §§ 8 I Nr. 1 i.V.m. 711 RuStAG fest, daß der Antrag eines 16 - 18jährigen auf Einbürgerung der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters bedarf. Dieser Regelung kann nicht entnommen werden, zu welchen Folgen das Fehlen der Zustimmung des Minderjährigen im Alter von 16 - 18 Jahren oder der des gesetzlichen Vertreters führt. Unklar bleibt außerdem, mit wem das weitere Verwaltungsverfahren durchzuführen ist. So könnte man daran denken, daß der Minderjährige aufgrund des Zustimmungsaktes zur selbständigen Führung des weiteren Verwaltungsverfahrens befugt ist. Zur Klärung dieser Fragen ist es erforderlich, genau zwischen dem formellen und materiellen Charakter des Antrags zu unterscheiden. Die Anordnung der beschränkten Handlungsfähigkeit bezieht sich zunächst nur auf den materiellen Teil des Antrages. Diese Aussage wird deutlich, wenn man die Problematik des mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsaktes mit in die Überlegung einbezieht. 124 Für die Rechtmäßigkeit und die Wirksamkeit des mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsaktes "Einbürgerung" kommt es kumulativ sowohl auf das Einverständnis des Minderjährigen selbst als auch auf das des gesetzlichen Vertreters an. Ein vom gesetzlichen Vertreter allein gestellter Antrag wäre im Hinblick auf die erfolgte Vertretung gemäß § 12 VwVfG zwar verfahrensrechtlich wirksam. Er brächte aber nicht das vom Gesetz geforderte Einverständnis des Minderjährigen zum Ausdruck. Dieser Mangel würde auch im Fall der verfahrensrechtlich wirksamen Bekanntgabe der "Einbürgerung" an den gesetzlichen Vertreter zur Nichtigkeit führen, da mit dem fehlenden Einverständnis des Minderjährigen eine Wirksamkeitsvoraussetzung nicht vorläge. In bezug auf die verfahrensrechtlichen Auswirkungen der nach materiellem Recht beschränkten Handlungsfähigkeit muß unterschieden werden. Sofern dem materiellen Antrag auch eine verfahrens rechtliche Bedeutung zukommt, indem er das Verwaltungsverfahren einleitet, wird man auch eine beschränkte verfahrensrechtliche Handlungsfähigkeit anerkennen müssen. 124
Vgl. dazu B., III., 4., c).
7 C.-R. Meyer
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B. Die rechtliche Handlungsfähigkeit des Minderjährigen
Die Regelung der materiellen Handlungsfähigkeit schlägt dann auf die verfahrensrechtliche Handlungsfähigkeit durch. Dieses Ergebnis läßt sich vor allem auf das in § 1 I 2. Halbs. VwVfG niedergelegte Subsidiaritätsprinzip des VwVfG stützen. Der i.R. des § 12 VwVfG geltende Grundsatz, nachdem nur zwischen der vollen Handlungsfähigkeit und der Handlungsunfähigkeit zu unterscheiden ist, wird also verdrängt. Diese Verdrängung des § 12 VwVfG beschränkt sich jedoch auf die aktive Handlungsfähigkeit. Sie geht nicht so weit, als daß der Minderjährige für den Rest des Verwaltungsverfahrens und damit für die Bekanntgabe der "Einbürgerung" oder für ein etwaiges Widerspruchsverfahren als handlungsfähig angesehen werden könnte. Hier verbleibt es bei dem Grundsatz, daß die verfahrensrechtliche Handlungsfähigkeit nur der vollen materiellen Handlungsfähigkeit folgt. Der Minderjährige ist also für die weitere Durchführung des Verwaltungsverfahrens oder für einen Verwaltungsprozeß auf die gesetzliche Vertretung angewiesen. Für diese Auslegung kann auch die Situation im Wehrrecht herangezogen werden. Dort wird der Minderjährige für den Antrag auf vorzeitiges Dienen durch § 5 I S. 5 WPflG als beschränkt handlungsfähig anerkannt. Auch diese Vorschrift stellt nur eine Regelung der materiellen Handlungsfähigkeit dar. Daraus werden für das weitere Verfahren mit den §§ 19 V, 44 I WPflG auch Konsequenzen gezogen, indem die verfahrensrechtliche Handlungsfähigkeit für das Musterungsverfahren und für die vorzunehmenden Zustellungen ausdrücklich angeordnet wird. Dieser Anordnung hätte es nicht bedurft, wenn der Minderjährige schon aufgrund des Zustimmungsaktes für den Rest des Verfahrens über die Handlungsfähigkeit verfügte.
6. Rechts- und Vollstreckungsschutz Zuletzt ist auf den Rechts- und Vollstreckungsschutz des Minderjährigen einzugehen, den er gegenüber einem Verwaltungs akt oder einer Inanspruchnahme aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag im Fall seiner Handlungsunfähigkeit besitzt. Ein dem Minderjährigen persönlich bekanntgegebener Verwaltungsakt ist unwirksam. Das ändert aber nichts an der Notwendigkeit eines ausreichenden Rechtsschutzes, wenn die Verwaltungs behörde dem Verwaltungsakt Rechtswirkung beizulegen versucht. Im Rahmen der konkreten Ausgestaltung des Rechtsschutzes ist zu berücksichtigen, daß neben den ursprünglichen Verwaltungsakt das Vollstreckungsverfahren tritt. Insofern muß also zwischen dem Rechtsschutz gegenüber dem Grundverwaltungsakt und den Vollstreckungsmaßnahmen unterschieden werden. In bezug auf den Grundverwaltungsakt ist dem Minderjährigen neben seinem gesetzlichen Vertreter die Handlungsfähigkeit für die Einlegung eines Widerspruchs zuzugestehen.l 25
In. Die Stellung des Minderjährigen im Verwaltungsverfahren
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Dafür sprechen die gleichen Argumente, die schon für die wirksame Rechtsmitteleinlegung gegen zu Unrecht ergangene Sachurteile angeführt worden sind. 126 Daneben ist der Minderjährige gemäß § 44 V VwVfG berechtigt, die Feststellung der Nichtigkeit des Verwaltungs aktes zu begehren. Er kann gemäß § 43 I VwGO allerdings auch unmittelbar Klage auf Feststellung der Nichtigkeit oder Anfechtungsklage gemäß § 42 I VwGO erheben.1 27 Soweit dem Widerspruch nach Maßgabe des § 80 II VwGO keine aufschiebende Wirkung zukommt, sind die Widerspruchsbehörde nach § 80 IV S. 1 VwGO und das angerufene Gericht gemäß § 80 V S. 1 VwGO gehalten, diesen Rechtsschein auszuräumen. Sie müssen daher die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegenüber dem nichtigen Verwaltungsakt ausdrücklich anordnen.1 28 Die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes hindert zwar die Vollziehbarkeit und führt damit zur Unzulässigkeit der Vollstreckung.1 29 Fraglich ist, wie der Minderjährige geschützt werden kann, wenn die Verwaltungsbehörde ungeachtet der Nichtigkeit des Verwaltungsaktes die Vollstreckung einleitet. In dieser Situation wird man dem Minderjährigen die Handlungsfähigkeit für die Einlegung eines Widerspruchs gegen die unwirksame Vollstreckungsmaßnahme selbst einräumen müssen. Im Beitreibungsverfahren 130 kann der Minderjährige also z. B. gegen eine Pfändungsverfügung l3l Widerspruch einlegen. Das gleiche gilt im Verwaltungszwangsverfahren 132 für die Einlegung eines Widerspruches gegen die Anordnung oder Festsetzung eines Zwangsmittels. Die alleinige Wirksamkeit des Widerspruches reicht im Vollstreckungsverfahren zur Gewährleistung des Minderjährigenschutzes jedoch nicht aus. Denn die einzelnen Landesbestimmungen 133 können auf der Grundlage des § 187 III VwGO vorsehen, daß einem Widerspruch gegen eine Vollstreckungsmaßnahme keine aufschiebende Wirkung zukommt. In diesen Fällen ist dem Minderjährigen neben 125 Auch das Widerspruchsverfahren stellt ein Verwaltungsverfahren dar, so daß § 12 VwVfG über § 79 VwVfG Anwendung findet. Vgl. dazu: Allesch S. 92 m.w.N. 126 Vgl. dazu B., 11., 2., b), (ce), (1). 127 Vgl. zu diesem Nebeneinander der Rechtsschutzmöglichkeiten Kopp, VwVfG § 44 Rdnr. 66f. 128 So ausdrücklich für das Verfahren nach § 80 V S. 1: OVG Hamburg ZBIJR 1982, 178 (179). 129 Erlenkämper § 7 VwVG NW Anm. 2. 130 Darunter versteht man die Vollstreckung von Geldforderungen. Vgl. die §§ 1 - 6 VwVG und die §§ 1 - 54 VwVG NW. 131 Vgl. zum Verwaltungsaktscharakter und zum Rechtsschutz in diesem Fall: BVerwG BayVBI. 1978, 184; ErichsenlMartens § 20 I 4 a. 132 Vgl. dazu die §§ 6 - 18 VwVG und die §§ 55 - 76 VwVG NW. 133 Vgl. für NW: § 8 AG VwGO.
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B. Die rechtliche Handlungsfähigkeit des Minderjährigen
seinem gesetzlichen Vertreter die Prozeßfähigkeit für einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 V VwGO zuzuges tehen. 134 Sofern der Minderjährige aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag in Anspruch genommen werden soll, gilt folgendes: Die Behörde kann ihren Leistungsanspruch nicht durch Verwaltungs akt festsetzen und vollstrecken, sondern sie ist wie der Bürger auf die Erwirkung eines Titels angewiesen. 135 Diesen wird sie kaum erstreiten können, da dem Minderjährigen in diesem Fall als Beklagtem die Prozeßfähigkeit fehlt. 136 Schwierigkeiten können jedoch auftreten, wenn sich die Parteien der sofortigen Vollstreckung gemäß § 61 VwVfG unterworfen haben. Die Unterwerfungserklärung ist als Verfahrenshandlung zwar ebenso wie der öffentlichrechtliche Vertrag als nichtig anzusehen. Dennoch ist ein ausreichender Rechtsschutz sicherzustellen, sofern die Verwaltungsbehörde die Vollstrekkung einleitet. Der Minderjährige ist als befugt anzusehen, Feststellungsklage hinsichtlich der Nichtigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrages zu erheben,!37 In bezug auf den Vollstreckungsschutz ergeben sich gegenüber der Situation beim Verwaltungs akt keine Abweichungen, da die Vollstreckung aus öffentlich-rechtlichen Verträgen zugunsten des Staates gemäß § 61 11 S. 1 VwVfG nach dem VwVG erfolgt.
IV. Der Minderjährige bei der Abgabe rein materieller Willenserklärungen Im folgenden soll die Fähigkeit des Minderjährigen untersucht werden, rein materielle Willenserklärungen abzugeben. Bisher wurde die materielle Willenserklärung nur im Verbund mit der gleichzeitig vorliegenden Verfahrenshandlung "Antrag" oder "Vertragserklärung" behandelt. Dabei hat sich ergeben, daß innerhalb eines Verwaltungsverfahrens nur derjenige wirksam materielle Willenserklärungen abgeben kann, der über die verfahrensrechtliche Handlungsfähigkeit i.S.v. § 12 VwVfG verfügt. Damit schied im Falle des Minderjährigen ein Wirksamwerden der Willenserklärung gemäß den §§ 107, 108 BGB aus.! 134 Vgl. zur Anwendung des § 80 V VwGO im Bereich des § 187 III VwGO Finkeinburg Rdnr. 394. 135 Maurer, AllgVwR § 14 Rdnr. 54. 136 Vgl. B., H., 2., b), bb). 137 Maurer a.a.O. § 14 Rdnr. 44 betont, daß die Nichtigkeit von jeder Behörde und jedem Gericht zu berücksichtigen sei und von jedem Bürger geltend gemacht werden könne. I Vgl.B.,III.,3.,d).
IV. Die Abgabe rein materieller Willenserklärungen
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Fraglich ist, nach welcher Regelung sich die Wirksamkeit von Willenserklärungen in den Fällen beurteilt, in denen der Minderjährige allein oder im Zusammenwirken mit seinem gesetzlichen Vertreter eine materielle Rechtsfolge bedingt, ohne daß es dabei eines vorherigen Verwaltungsverfahrens bedarf.2 Als Beispiele sind hier die Aufrechnungserklärung 3 und die Verzichtserklärung4 anzuführen. Das in den §§ 387 ff. BGB geregelte Rechtsinstitut der Aufrechnung hat als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens auch Anerkennung im öffentlichen Recht gefunden. 5 Die Verzichts erklärung spielt gerade im öffentlichen Recht eine dominante Rolle 6 , da sie als einseitige Willenserklärung materielle Berechtigungen zum Erlöschen bringen kann.7 In beiden Fällen tritt die Rechtsfolge also nicht aufgrund einer abschließenden Entscheidung in einem Verfahren ein, sondern schon unmittelbar mit der Abgabe der Willenserklärung. 8 2 Auch Tipke, Steuerrecht, § 17 2.2.1 S. 562 unterscheidet Handlungen, die eine unmittelbare materiell-rechtliche Relevanz haben (insbes. Willenserklärungen des Steuerpflichtigen, die sich unmittelbar auf die Höhe der Steuerschuld auswirken) und Verfahrenshandlungen. Ähnlich Wallerath, der zwischen allgemeiner Handlungsfähigkeit (§ 6 V 2 b) und verfahrensrechtlicher Handlungsfähigkeit unterscheidet (§ 9 12 b). 3 Vgl. Erichsen/Martens § 10 II, Wallerath § 6 V 5 b; zur Aufrechnungserklärung des Bürgers speziell vgl. Ebsen, DÖV 82, 389 (390 f.), allerdings ohne Eingehen auf das Problem der Geschäftsfähigkeit. 4 Vgl. Erichsen/Martens, a.a.O., Wallerath § 6 V 5 c. 5 Die Vorschriften des BGB werden daher entsprechend angewendet, soweit keine öffentlich-rechtlichen Spezialregeln wie die §§ 51 SGB-AT, 226 AO oder 51 II BeamtVG bestehen; siehe Wallerath § 6 V 5 b; Forsthoff § 142. a. Vgl. auch Eh1ers, NVwZ 1983, 446. 6 Im bürgerlichen Recht kann nicht einseitig auf einen schuldrechtlichen Anspruch verzichtet werden; vgl. Brox, Allg. Schuldrecht, Rdnr. 192. Bei vertraglicher Begründung des Rechts wird im öffentlichen Recht dementsprechend eine Beendigung des Rechts nur durch Erlaßvertrag für möglich gehalten; vgl. ErichseniMartens § 10 II 7 b. 7 Vgl. dazu Wolff/Bachof I § 43 IV, § 54 I c 2. Die Folge ist, daß das Verwaltungsrechtsverhältnis erlischt. 8 Der Verzicht auf die Fahrerlaubnis i.S. der §§ 28 Nr. 6 StVG und 13 I Nr. 4 StVZO läßt die Fahrerlaubnis unmittelbar erlöschen. Vgl. dazu OVG NW DÖV 1986, 526. Eine unmittelbare Rechtsfolge liegt ebenfalls vor, wenn ein irrtümlich gezahlter verlorener Zuschuß (vgl. zum Begriff: Maurer, Allg.VwR, § 17 Rdnrn. 6, 29) ohne vorgängigen Leistungsbescheid durch Aufrechnung zurückgezahlt wird. Wird dagegen gegenüber einer in einem Leistungsbescheid konkretisierten Forderung aufgerechnet, kann ein rein materieller Charakter der Erklärung nicht mehr angenommen werden. Die Aufrechnung ist dann nämlich in das System verwaltungsverfahrensrechtlicher Handlungsformen und prozessualen Rechtsschutzes einzupassen; vgl. zu dieser Problematik OVG NW NJW 1976, 2036; Neupert, JuS 1978, 825 ff. Eine ähnliche Problematik ist auch im Fall der Verzichtserklärung anzutreffen. Ist z. B. durch eine Amtspflichtverletzung ein Verwaltungsrechtsverhältnis entstanden (vgl. dazu Häberle S. 62, 79), kann der Bürger auf seinen materiell-rechtlichen Schadensersatzanspruch verzichten. Allein durch dieses einseitige Rechtsgeschäft erlischt das Verwaltungsrechtsverhältnis. Das darf jedoch nicht zu dem Trugschluß verleiten, als könne die Verzichtserklärung niemals gleichzeitig Verfahrenshandlung sein. (Vgl. zum Verzicht des Nachbarn auf nachbarschützende Vorschriften innerhalb eines Baugenehmigungsverfahrens: VGH Mannheim NVwZ 1983, 229).
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B. Die rechtliche Handlungsfähigkeit des Minderjährigen
Für diese rein materiellen Willenserklärungen hält das öffentliche Recht keine eigenständige Regelung der Handlungsfähigkeit bereit. Es kommen zwei Lösungsmöglichkeiten in Betracht. Zum einen könnte man die §§ 104 ff. BGB und damit auch die §§ 107, 108 BGB analog oder als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens anwenden, wie dies vor Erlaß des VwVfG für alle Willenserklärungen - auch für solche innerhalb eines Verwaltungsverfahrens - allgemein vertreten wurde. 9 Zum anderen könnte man auch an eine analoge Anwendung des § 12 VwVfG denken, womit diese Vorschrift zur umfassenden Regelung der verwaltungsrechtlichen Handlungsfähigkeit avancieren würde. Ein solches Vorgehen hätte vor allem zur Folge, daß eine Anwendung der §§ 107, 108 BGB nicht mehr in Betracht käme. Damit wären die Handlungsvoraussetzungen von rein materieller und verfahrensrechtlicher Willenserklärung identisch,lo Für diese Lösung spricht der Vorteil der Einheitlichkeit. Hier wie dort müßte der handlungsunfähige Minderjährige bei der Abgabe von Willenserklärungen durch seinen gesetzlichen Vertreter vertreten werden. Ob ihr jedoch gefolgt werden kann, hängt davon ab, daß die Überlegungen, die zu einer Ablehnung der beschränkten Verfahrenshandlungsfähigkeit geführt haben, auch i.R. der materiellen Willenserklärungen Geltung beanspruchen können. Diese beruhten auf dem Gedanken, daß es mit dem Bedürfnis des Rechtsverkehrs nach Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nicht zu vereinbaren sei, wenn eine in die Zukunft wirkende Zustimmung bzw. Ermächtigung zu Verfahrenshandlungen anerkannt würde. 11 Ausgehend vom Verhältnis des materiellen bürgerlichen Rechts zum Zivilprozeßrecht wurden die unterschiedlichen Anforderungen an die Geschäftsfähigkeit und die Prozeßfähigkeit damit erklärt, daß die Abgabe einer Willenserklärung die beabsichtigte Rechtsfolge direkt herbeiführen könnte; eine vergleichbare Wirkung komme im Prozeßrecht aber erst dem Urteil zu, das auf einer Unzahl von Prozeßhandlungen beruhe. Da Verfahrenshandlungen insofern mit Prozeßhandlungen vergleichbar sind, als daß sie ebenfalls auf die Klärung und konkrete Festlegung eines Rechtsverhältnisses gerichtet sind, wurden an die Handlungsfähigkeit die gleichen Anforderungen gestellt, wie an die Prozeßfähigkeit. Bei den hier in Rede stehenden materiellen Willenserklärungen fehlt es jedoch gerade an dem Verfahren, das der Herbeiführung der Rechtsfolge vorVgl. dazu B., III., Fn. 27. So schon vor Erfaß des VwVfG Krause, VerwArch 1970, 297 (312); ähnlich Wallerath § 6 V 2 b mit ausdrücklichem Hinweis auf § 12 VwVfG in Fn. 142; auch Tipke, Steuerrecht, § 17 2.2.1 S. 562, fordert in beiden Fällen die Handlungsfähigkeit nach § 79 AO. 11 Im konkreten Fall bliebe immer zu klären, ob eine Verfahrenshandlung noch von der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters gedeckt ist oder nicht. Vgl. B., 111., 3., b). 9
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V. Handlungsfähigkeit und schlichtes Verwaltungshandeln
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geschaltet ist. Insofern greift auch der Gesichtspunkt der Verfahrenssicherheit und Klarheit nicht ein, der das Erfordernis der unwiderruflichen Handlungsvoraussetzungen mit sich bringt. Damit entfällt aber auch die Anlehnung an die verfahrensrechtliche Handlungsfähigkeit, so daß die auf einen unmittelbaren Rechtserfolg abzielende Willenserklärung in Ermangelung einer eigenen öffentlich-rechtlichen Regelung in Analogie 12 zu den §§ 107,108 BGB bzw. in Anwendung ihres Rechtsgedankens an die Voraussetzungen der bürgerlich-rechtlichen Geschäftsfähigkeit geknüpft werden können.!3 Soweit daher durch eine einseitige rechts geschäftliche Willenserklärung auf ein bestehendes materielles Rechtsverhältnis eingewirkt wird, reicht dafür die beschränkte Geschäftsfähigkeit aus.!4
V. Das Verhältnis von Handlungsfähigkeit und schlichtem Verwaltungshandeln
1. Beantragung und Abwehr schlichten Verwaltungshandelns Soweit der Bürger eine Verwaltungsleistung begehrt, die nicht in dem Erlaß eines Verwaltungsaktes, sondern in einer tatsächlichen Verrichtung! besteht, greift auch die Regelung des § 12 VwVfG nicht ein. Fraglich ist also, welche Anforderungen an die Handlungsfähigkeit in diesem Bereich zu stellen sind, sofern der Bürger ein solches Verwaltungshandeln beantragt oder es ab wehren2 will. Es fällt auf, daß hier durchaus ein Verfahrensrechtsverhältnis zwischen der Verwaltung und dem Bürger besteht, mit dessen Hilfe dem materiellen Recht Geltung verschafft werden soll. Es handelt sich also um Verwaltungsverfah12 Man wird mit Middel S. 171 ff. die Analogie auf den vermögensrechtlichen Bereich beschränken müssen, da im persönlichen Bereich, so insbesondere in Statusangelegenheiten meist eine gesetzliche Regelung besteht. So kann der Minderjährige gern. den §§ 26 IV, 19 RuStAG nicht mit Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters auf seine Staatsangehörigkeit verzichten, sondern der gesetzliche Vertreter hat die Erklärung für ihn abzugeben. 13 Auch nach Mayer/Kopp § 33 11 gibt es wegen des Erfordernisses der Verfahrensklarheit nur bei der Verfahrenshandlungsfähigkeit keine beschränkte Handlungsfähigkeit. 14 Auch Tipke/Kruse § 226 AO Rdnr. 18 halten i.R. der steuerlichen Aufrechnungserklärung die Geschäftsfähigkeit des Bürgers für ausreichend und verweisen insofern nicht auf die steuerrechtliche Handlungsfähigkeit i.S. des § 79 AO. I Erichsen/Martens § 33 sprechen von sonstigen Verrichtungen wie Errichtung und Unterhaltung von Verkehrswegen, Krankenbehandlung etc. Zu denken ist weiterhin an die schlichte Auszahlung von Geldbeträgen (vgl. Maurer, Allg.VwR, § 15 Rdnr. 2) und an die Auskunfts- und Beratungspflichten der Behörden. 2 Z. B. die Forderung, hoheitlich bewirkte Immissionen zu unterlassen.
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B. Die rechtliche Handlungsfähigkeit des Minderjährigen
ren, die nur deshalb nicht in den Anwendungsbereich des VwVfG fallen, da dem Verwaltungshandeln insofern kein Regelungscharakter zukommt. 3 Der beschränkte Anwendungsbereich wurde vom Gesetzgeber damit begründet, daß diese Handlungsformen im Gegensatz zum Verwaltungs akt und zum öffentlich-rechtlichen Vertrag in ihrer Rechtsentwicklung und dogmatischen Verfestigung noch nicht als abgeschlossen betrachtet werden könnten. Eine verfrühte Kodifizierung schneide die notwendige Rechtsfortbildung ab und stehe damit einer weiteren rechtsstaatlichen Durchdringung im Wege. 4 Trotzdem könnte man daran denken, die Regelung des § 12 VwVfG auch auf diese Verfahren anzuwenden. 5 Für ein solches Vorgehen spricht, daß der Gesetzgeber selbst einer Reihe von Vorschriften des VwVfG über den eigentlichen, engeren Anwendungsbereich hinaus eine allgemeine Bedeutung auch für vom VwVfG nicht erfaßte Verfahrensarten beigemessen hat. 6 Eine analoge Anwendung des § 12 VwVfG hätte zur Folge, daß nur Vollgeschäftsfähige und partiell bzw. relativ handlungsfähige Personen wirksam tätig werden könnten. Im Fall der Handlungsunfähigkeit der Minderjährigen müßten die gesetzlichen Vertreter die Rechtsverfolgung übernehmen; auch hier schiede die Figur der beschränkten Handlungsfähigkeit aus. So kann z. B. nur derjenige Minderjährige die Auszahlung des Krankengeldes verlangen, der nach § 113 BGB ermächtigt ist, ein Dienstverhältnis aufzunehmen. Für eine analoge Anwendung des § 12 VwVfG läßt sich auch der enge Zusammenhang zwischen Handlungsfähigkeit und Prozeßfähigkeit anführen. Will der Minderjährige seinen Anspruch auf eine schlichte Verwaltungsleistung direkt im Klagewege durchsetzen 7 , so muß er für die Erhebung einer allgemeinen Leistungsklage über die Prozeßfähigkeit i.S. v. § 62 VwGO verfügen. Daher liegt die Annahme nahe, nur demjenigen die Möglichkeit einzuräumen, schlichte Verwaltungsleistungen in einem Verwaltungsverfahren zu beantragen oder abzuwehren, der für einen etwaigen anschließenden Prozeß auch prozeßfähig ist. Dafür spricht auch, daß im Prozeß und im Verwaltungsverfahren ein vergleichbares Interesse an unwiderruflichen Handlungsvoraussetzungen und an Rechtssicherheit besteht. In bezug auf die Auskunfts- und Beratungspflichten ist jedoch ein vergleichbares Interesse an unwiderruflichen Handlungsvoraussetzungen nicht zu erkennen und es ist auch keine Rechtsunsicherheit zu befürchten. Man könnte daher insoweit durchaus die Auffassung vertreten, daß die Ablehnung einer beschränkten Handlungsfähigkeit nicht zwingend geboten ist. Vgl. Leonhardt in StelkenslBonklLeonhardt § 9 Rdnr. 6. BT-Drucks. 7/910 S. 41. 5 Auf den Antrag schlichten Verwaltungshandelns (Beispiel: Antrag auf Krankengeld) hält Schmitt, S. 92 ff. § 12 VwVfG bzw. § 11 SGB-X für analog anwendbar. 6 BT-Drucks. 7/910 S. 42. 7 Gemäß § 68 VwGO ist ein Vorverfahren nur in den Fällen der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erforderlich. 3 4
V. Handlungsfähigkeit und schlichtes Verwaltungshandeln
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In der Tat soll einem Minderjährigen, der kurz vor dem Eintritt in eine neue Lebenslage steht, die Möglichkeit der Information gegeben werden. Zu denken ist hier vor allem an die Berufsberatung8 oder an die Wehrdienstberatung. Diese Dienste der Verwaltung muß der Minderjährige auch selbständig in Anspruch nehmen können. 9 Etwas anderes muß jedoch gelten, wenn es um die speziellen Auskunfts- und Beratungspflichten gemäß § 25 VwVfG geht, die ein Verwaltungsverfahrensverhältnis i.S.v. § 9 VwVfG umlagern. Denn die Anforderungen an die Handlungsfähigkeit in bezug auf die Beantragung dieser Verwaltungstätigkeit lassen sich schon § 12 VwVfG entnehmen. So erfordert es das Prinzip der Verwaltungsökonomie, daß nur solche Personen beraten werden, die das der Beratung folgende Verwaltungsverfahren selbständig durchführen können. Das ist aber nur der Fall, wenn sie über die Handlungsfähigkeit i.S.v. § 12 VwVfG verfügen. Da die Behörden aber verpflichtet sind, auf die Stellung von sachdienlichen Anträgen hinzuwirken, müssen sie den Minderjährigen auf die Handlungsunfähigkeit und die Notwendigkeit der gesetzlichen Vertretung hinweisen. Eine darüber hinausgehende Beratungspflicht besteht nicht.
2. Rechtsgeschäftsähnliche Wissenserklärungen Neben der Willenserklärung kann sich der Bürger noch mit einer anderen Art von Rechtshandlung an die Behörde wenden. Diese zeichnet sich dadurch aus, daß die an die Behörde gerichtete Erklärung unabhängig von einem darauf gerichteten Willen des Äußernden eine Rechtsfolge begründet. Die durch die Abgabe der Erklärung erzielte Rechtsfolge tritt ein, weil sie vom Gesetz an die Erklärung geknüpft wird. Solche Erklärungen werden als rechtsgeschäftsähnliche Wissenserklärungen bezeichnet. 1o Sie sind häufig in den Fällen anzutreffen, in denen den Bürger eine Anzeigepflicht trifft. 11 Soweit keine Spezialregelung vorliegt12 besteht die Frage, ob auch ein Minderjähriger wirksam die Wissens erklärung abgeben kann. Unmittelbar greifen weder die Vorschriften der materiellen Willenserklärung noch die der verfahrensrechtlichen Handlungsfähigkeit 13 ein.
Vgl. die §§ 25 ff. AFG. Im Sozialrecht wird durch § 14 SGB-AT ausdrücklich jedem ein Beratungsanspruch eingeräumt und damit auch dem Minderjährigen. 10 Vgl. Wolff/Bachof I § 3611 b 2, so z. B. die Steuererklärung, Koch § 150 Rdnr. 4. Siehe dazu auch Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform S. 488 f. 11 Geburts- und Sterbeanzeige gern. §§ 16,32 PStG; die Meldepflicht nach den Meldegesetzen, z. B. § 13 I MG NW. Die Eintragung in das Register wird also vorgenommen, weil es das Gesetz nach der Kenntnisnahme vom registerpflichtigen Vorgang so verlangt; sie ist damit nicht von einem Antrag des Anmeldepflichtigen abhängig. 12 § 13 111 S. 2 MG NW fordert die Vollendung des 16. Lebensjahres. 8
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B. Die rechtliche Handlungsfähigkeit des Minderjährigen
Einen ersten Anhaltspunkt könnte die Behandlung von rechtsgeschäftsähnlichen Handlungen im Zivilrecht bieten. Als solche werden z. B. die Mahnung gemäß den §§ 284 ff. BGB, die Fristsetzung gemäß § 326 BGB oder die Mängelrüge gemäß den §§ 377, 378 HGB angesehen. Auch hier treten die vom Gesetz vorgesehenen Rechtsfolgen ohne Rücksicht darauf ein, ob sie im Einzelfall vom Erklärenden gewollt sind. Da diese Erklärungen jedoch von rechtlicher Bedeutung sind, wird für den Eintritt der Rechtsfolgen verlangt, daß der Erklärende in der Lage ist, die Konsequenzen seines Handeins zu erfassen.1 4 Diese Fähigkeit wird im Zivilrecht analog zu den Bestimmungen über die Geschäftsfähigkeit beurteilP5 Soweit man dieses Ergebnis auf das öffentliche Recht übertragen wollte und damit die Geschäftsfähigkeit als Wirksamkeitsvoraussetzung ausreichen lassen würde, könnte der Minderjährige unter dem Vorbehalt der analog anzuwendenden §§ 107, 108 BGB wirksam handeln.
In Betracht kommt aber auch eine analoge Anwendung des § 12 VwVfG, der die analoge Anwendung der §§ 107, 108 BGB gerade ausschließt. Die analoge Anwendung des § 12 VwVfG ist vorrangig, wenn bei der Abgabe der Wissenserklärung eine ähnliche Interessenlage wie bei einer Verfahrenshandlung besteht. Diese kann immer dann angenommen werden, wenn die Wissenserklärung innerhalb eines Verwaltungsverfahrens i.S.v. § 9 VwVfG abgegeben wird. 16 Denn es ist kein Grund ersichtlich, der für die Beantragung eines Verwaltungs aktes und damit verbundene Wissenserklärungen unterschiedliche Handlungsvoraussetzungen rechtfertigen würde. Soweit es kein Verwaltungsverfahren i.S.v. § 9 VwVfG gibt, auf das sich die Wissenserklärung bezieht, besteht ähnlich wie im Fall der rein materiellen Willenserklärung kein Interesse an unwiderruflichen Handlungsvoraussetzungen. So erschöpft sich z. B. die Meldeanzeige gemäß § 13 I MG NW mit der daraufhin vorzunehmenden Registereintragung. 17 In diesen Fällen reicht also in Anlehnung an die zivil rechtlichen Überlegungen die Geschäftsfähigkeit des Anzeigenden aus. Besitzt die Wissenserklärung keinen vermögensrechtlichen Bezugspunkt, ist die für die einzelne Wissenserklärung vorauszusetzende Einsichtsfähigkeit das 13 Die Eintragung ist kein Verwaltungsakt, da es an der nach außen hin wirksamen Regelung fehlt. Der VGH Mannheim NJW 1985, 2965 (2966) wendet § 12 VwVfG fälschlicherweise direkt auf das melderechtliche Verfahren an, da er dessen beschränkten Anwendungsbereich verkennt. 14 Larenz BGB-AT § 26. 15 Vgl. Larenz a.a.O.; Gitter in MK Vorbem. § 104 Rdnr. 83; Jauernig, Vorbem. § 104 Anm. 4 a. 16 Diese Situation ist z. B. im Steuerrecht anzutreffen. Dort wird die Steuererklärung als rechtsgeschäftsähnliche Wissenserklärung innerhalb eines Steuerverwaltungsverfahrens abgegeben, das auf die Rückerstattung von zuviel gezahlten Steuern gerichtet ist. Vgl. Koch a.a.O. 17 Durch die Eintragung wird also keine etwaige unklare Rechtslage wie im Falle eines Verwaltungs aktes beseitigt.
VI. Handlungsfähigkeit und selbständige Grundrechtsausübung
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entscheidende Kriterium. Für die Geburts- und Sterbeanzeige wird diese Einsichtsfähigkeit generalisierend ab dem 14. Lebensjahr angenommen.1 8
VI. Der Zusammenhang von selbständiger Grundrechtsausübung und der Handlungsfähigkeit im Verwaltungsvedahren, im -prozeß sowie im Vedassungsbeschwerdevedahren Die Bedeutung des Verwaltungs- und des Verwaltungsstreitverfahrens für die Verwirklichung der Grundrechte wird zunehmend anerkannt. 1 Schon früh setzte sich die Erkenntnis durch, daß es das Grundrecht der Unverletzlichkeit der menschlichen Würde verbiete, den Menschen zum bloßen Objekt eines Verfahrens zu machen. Die verfassungsrechtlichen Bestimmungen der Art. 1, 2 I und 11 und 103 I GG modifizieren daher den Grundsatz, daß der Handlungsunfähige nicht verfahrens- und prozeßfähig ist. Entmündigte und Geisteskranke gelten für solche Verfahren als handlungsfähig, in denen über die wegen ihres Geisteszustandes zu treffenden Maßnahmen entschieden wird. 2 Ihnen soll es nicht verwehrt sein, in diesem für sie existentiell wichtigen Bereich ihre Rechte selbst wahrzunehmen. Diese Wertung kann man auch zur Begründung der Handlungsfähigkeit des Minderjährigen heranziehen, sofern es in dem einzelnen Verfahren gerade um Entscheidungen geht, die seine Handlungsfähigkeit betreffen. 3 In letzter Zeit ist die Grundrechtsrelevanz des Verfahrens für Minderjährige verstärkt in den Vordergrund geschoben worden. Soweit für den Minderjährigen eine selbständige Ausübung seiner Grundrechte in Betracht komme, müßten daraus auch die verfahrensrechtlichen Konsequenzen gezogen werden. Der Minderjährige sei daher für alle Verfahren und Prozesse als handlungs- und prozeßfähig anzusehen, die mit seiner selbständigen Grundrechtsausübung zusammenhängen. 4 Es bestehen jedoch Bedenken, ob eine solche Erweiterung der einfachgesetzlichen Handlungsfähigkeit mit dem verfassungsrechtlich gebotenen Minderjährigenschutz zu vereinbaren ist. 5 Weitere Probleme ergeben sich 18 Vgl. zu dieser Frage: Danner, Das Standesamt 1955, S. 244 m.w.N. zu den DA der Standesbeamten. 1 Erichsen, Elternrecht, S. 21 m.w.N. in Fn. 27. 2 Vgl. dazu schon B., 11., Fn. 39. 3 V gl. zu den Auswirkungen der Prozeßunfähigkeit im Rechtsmittelverfahren B., 11., 2., b), cc) und B., III., 6. 4 So vor allem Kopp, VwVfG § 12 Rdnr. 7; ders. VwGO § 62 Rdnr. 6; ähnlich Roell S. 62 f.; vgl. auch das VG Köln in NVwZ 1985, 218, das die Grundrechtsmündigkeit als eine (verfassungsrechtliche) Vorschrift i.S. der §§ 12 I Nr. 2 VwVfG bzw. 62 I 2 VwGO ansieht, die den Minderjährigen handlungsfähig macht; so neuestens auch das Urteil vom BVerwG v. 4.7.1986 - BVerwG 8 C 84.85 - S. 9 f. Kritisch dazu: Ule/Laubinger §16II2b)bb). 5 Vgl. dazu A., 1.,2.
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B. Die rechtliche Handlungsfähigkeit des Minderjährigen
daraus, daß die Anerkennung der Handlungsfähigkeit aufgrund solcher inneren Merkmale mit dem Interesse des Rechtsverkehrs an Rechtssicherheit kollidiert.
1. Die Bedeutung des verfassungsrechtlich gebotenen Minderjährigenschutzes für die Anerkennung der einfach-gesetzlichen Handlungsfähigkeit Der Schluß von der selbständigen Ausübung der Grundrechte auf die Gewährung der vollen rechtlichen Handlungsfähigkeit ist nur dann gerechtfertigt, wenn in beiden Fällen die gleichen Anforderungen an das Können und die geistige Reife des Minderjährigen gestellt werden. Diese Überlegung soll anhand einiger Beispiele verdeutlicht werden. Ein jugendlicher Demonstrant trägt ein Transparent mit beleidigendem Inhalt. Dieses wird daraufhin von der Polizei sichergestellt. Kann der Minderjährige, der sich auf seine Grundrechte aus Art. 5 und Art. 8 GG beruft, nun selbständig in einem Prozeß die Rechtmäßigkeit der Sicher stellung klären lassen? Die Wohnung eines Minderjährigen wird wegen des Verdachtes eines Verstoßes gegen das BtMG von der Polizei durchsucht. Dabei wird auch die Korrespondenz des Minderjährigen geöffnet. Dieser hält das gesamte Vorgehen der Polizei unter Berufung auf die Art. 13 I und Art. 10 I GG für rechtswidrig. Ist der Minderjährige damit für eine entsprechende Klage als prozeßfähig anzusehen? Gegen die Gewährung der rechtlichen Handlungsfähigkeit im Fall der selbständigen Grundrechtsausübung spricht, daß die selbständige Ausübbarkeit von Grundrechten auf ganz anderen Kriterien beruht, als ihre prozessuale Durchsetzung. 6 Die Durchführung eines Verfahrens und eines Prozesses stellt weitaus höhere Anforderungen an die geistige Reife des Minderjährigen als die bloße Ausübung des Grundrechtes.? Dazu kommt in den obigen Beispie1sfällen die Prüfung der speziellen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Polizeigesetze, des Versammlungsgesetzes und nicht zuletzt der allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechtes. Gegenstand des Verfahrens ist zumeist auch nicht abstrakt das jeweils betroffene Grundrecht, sondern nur seine Ausstrahlung auf das konkrete Verwaltungsverfahren.8 Diese unterschiedlichen Anforderungen sind nicht nur im 6 Vgl. dazu Dürig in Maunz/Dürig, Bd. II, Art. 19 III Rdnr. 27.; so auch Kuhn S. 53 f. 7 Dem Minderjährigen entstehen Kosten. Dazu muß er das gesamte Verfahren überblicken. B Als Ausnahme zu diesem Grundsatz sind das KDV-Verfahren gern. Art. 4 III GG (vgl. dazu c., II., 1., b), aa)), das Asylverfahren gern. Art. 16 II S. 2 GG (vgl. dazu C.,
VI. Handlungsfähigkeit und selbständige Grundrechtsausübung
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öffentlichen Recht anzutreffen. So kann z. B. auch ein Minderjähriger große künstlerische Leistungen vollbringen, ohne daß er im Einzelfall als fähig angesehen werden kann, seine Urheberrechte selbständig wahrzunehmen. 9 Damit spricht das verfassungsrechtliche Minderjährigenschutzprinzip gegen die Gewährung der Handlungsfähigkeit im Fall der selbständigen Grundrechtsausübung. Die weitgehende Anordnung der Handlungs- und Prozeßunfähigkeit in den §§ 12 VwVfG, 62 VwGO bleibt als Konkretisierung des gebotenen Minderjährigenschutzes notwendig.
2. Das Erfordernis der Rechtssicherheit Die Rechtspflege ist auf leicht überschaubare und damit sichere Verfahrensvoraussetzungen angewiesen. So ist es verständlich, daß alle Verfahrensordnungen von dem Grundsatz ausgehen, daß erst der Vollgeschäftsfähige handlungs- bzw. prozeßfähig ist. Dieses generalisierende Vorgehen schafft klare prozessuale Verhältnisse. Soll sich die Handlungs- bzw. Prozeßfähigkeit hingegen schon als Folge der möglichen, selbständigen Grundrechtsausübung ergeben, sind damit große Unsicherheiten bzgl. dieser Verfahrensvoraussetzungen verbunden. In Anbetracht des höchst unterschiedlichen Entwicklungsstandes bei Jugendlichen ein- und derselben Altersstufe kann die Fähigkeit zur Grundrechtsausübung stark divergieren und somit auch nur im Einzelfall ermittelt werden. Das von einem "Grundrechtsmündigen" angestrengte Verfahren wäre also mit der Ungewißheit behaftet, daß die zur Handlungsfähigkeit führende Grundrechtsmündigkeit doch nicht gegeben ist und damit eine Zulässigkeitsvoraussetzung fehlt.
3. Auswirkung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Handlungsfähigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren Für eine Erweiterung der einfach-gesetzlichen Handlungsfähigkeit könnte aber die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes 10 zur besonderen Handlungsfähigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren sprechen. Da das BVerfGG keine Bestimmung über die Prozeßfähigkeit enthält, war das Bundesverfassungsgericht gezwungen, die Anforderungen an die Prozeßfähigkeit selbst zu bestimmen. Es hat dazu ausgeführt, daß eine analoge Anwendung der einfach-gesetzlichen Verfahrensvorschriften, die hinsichtlich der Prozeßfähigkeit an die Geschäftsfähigkeit anknüpften, ausscheide. Diese 1.,5., b) und c» und das Petitionsverfahren gern. Art. 17 GG (vgl. dazu B., VI. 5.) anzusehen. 9 Vgl. zu diesem Beispiel: Fehnemann S. 36,49. 10 Vgl. zum folgenden: BVerfGE 1, 87 (88 f.); 19, 93 (100); 10, 302 (306); 28, 243 (254); 51, 405 (407).
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B. Die rechtliche Handlungsfähigkeit des Minderjährigen
müsse sich vielmehr nach der Ausgestaltung der in Anspruch genommenen Grundrechte und deren Beziehung auf das im Ausgangsverfahren streitige Rechtsverhältnis richten. 11 Eine vielfach vertretene Auffassung leitet aus diesen Ausführungen eine eigenständige Verfahrensfähigkeit innerhalb des Verfassungsbeschwerdeverfahrens ab. Diese soll unabhängig von der einfach-gesetzlichen Handlungsfähigkeit immer schon dann gegeben sein, wenn der Minderjährige in der Lage sei, die in Rede stehenden Grundrechte selbständig auszuüben. 12 Folgt man dieser Auffassung, wäre es wegen des Erfordernisses der Rechtswegerschöpfung i.S.v. § 90 II BVerfGG wenig zweckmäßig, diese Überlegung allein auf das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu beschränken. Unterblieb das Beschreiten des Rechtsweges, weil der gesetzliche Vertreter eine verfahrensmäßige Vertretung des Minderjährigen ablehnte, würde eine Zulässigkeitsvoraussetzung der Verfassungsbeschwerde fehlen. Sie müßte daher als unzulässig verworfen werden. Um diese Konsequenz zu vermeiden, soll die besondere verfassungsrechtliche Handlungsfähigkeit auch die einfach-gesetzliche Handlungsfähigkeit mit sich bringen. 13 Dieses Ergebnis läßt sich aber nur dann auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stützen, wenn dessen Ausführungen tatsächlich entnommen werden kann, daß es von einer gegenüber dem Verwaltungsverfahren und -prozeß eigenständigen Handlungsfähigkeit ausgeht. Dieses ist nicht der Fall. Es wird zwar die Geschäftsfähigkeit als alleiniger Anknüpfungspunkt der Prozeßfähigkeit abgelehnt. Diesem Erfordernis wird aber schon die Ausgestaltung der Handlungsfähigkeit im Verwaltungsverfahren und -prozeß gerecht, da sich die Handlungsfähigkeit auch nach Vorschriften des öffentlichen Rechtes ergeben kann. Dementsprechend untersucht das Bundesverfassungsgericht das einzelne betroffene Verwaltungsrechtsverhältnis darauf, ob einfach-gesetzliche Regelungen bestehen, die auf die selbständige Ausübung von Verfahrensrechten hindeuten. Zuerst wurde diese Überlegung für das Verfahren nach dem Gesetz über die religiöse Kindererziehung angestellt. Danach sollen die dort anzutreffenden Altersangaben auch schon Auswirkungen auf die einfach-gesetzliche Handlungsfähigkeit haben,14 Ähnlich geht das Gericht bei dem Problem der Handlungsfähigkeit minderjähriger Wehrpflichtiger vor. Auch dort schließt es von der durch öffentlich-rechtliche Vorschriften erweiterten, einfach-gesetzlichen Handlungsfähigkeit auf die dadurch erweiterte Verfahrensfähigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren,l5 Vgl. dazu die Nachweise unter B., VI., Fn. 10. Maunz/Schmidt-B1eibtreu/K1einlUlsamer § 90 Rdnr. 35; Zuck Rdnrn. 148 - 150; Schlaich S. 104 f. 13 Darauf weist Roe11 S. 63 hin. 14 Vgl. BVerfGE 1, 87 (89). 11
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VI. Handlungsfähigkeit und selbständige Grundrechtsausübung
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"Kann ein minderjähriger Soldat aber im Disziplinarverfahren seine aus der Wehrpflicht entstehenden oder dem Wehrdienst entgegenstehenden Rechte selbst wahrnehmen und dabei auch sein Recht auf Kriegsdienstverweigerung geltend machen, so ist nicht zu befürchten, daß es ihm an der nötigen Einsicht in die Voraussetzungen und den Zweck einer Verfassungs beschwerde gegen die im Disziplinarverfahren ergehenden Entscheidungen und an der Fähigkeit zur ordnungsgemäßen und selbständigen Führung des Verfassungsbeschwerdeverfahrens fehlen wird." Damit geht das Bundesverfassungsgericht von einem Verwaltungsrechtsverhältnis aus, in dem der Minderjährige inhaltlich voll handlungsfähig ist und in dem ihm auch die einfach-gesetzliche Handlungsfähigkeit zugestanden wird.!6 Daher will es ihm nicht die Möglichkeit nehmen, sich mit dem letzten zur Verfügung stehenden Mittel gegen die getroffene Entscheidung zu wehren.!? Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes kann also nicht von der selbständigen Ausübung der Grundrechte auf die Gewährung der Handlungsfähigkeit geschlossen werden, sofern in dem konkreten Rechtsverhältnis keine Anhaltspunkte für eine einfach-gesetzliche Verfahrenshandlungsfähigkeit vorliegen. 18 Und umgekehrt kann der Minderjährige seine Grundrechte nur dann selbständig mit einer Verfassungsbeschwerde verfolgen, wenn ihm die Handlungsfähigkeit schon nach dem einfachen Verfahrensrecht zusteht. Für diese Auslegung läßt sich auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Prozeßfähigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren gegen Sorgerechtsentscheidungen anführen. 19 Auch dort hat das Gericht geprüft, ob in der Vorschrift des § 59 I, III FGG eine Norm gesehen werden kann, die dem Minderjährigen neben dem Beschwerderecht auch die Prozeßfähigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren verleiht. 20 Diese Anknüpfung der Prozeßfähigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren an die einfach-gesetzliche Handlungsfähigkeit verstößt nicht gegen den Rechtsschutzanspruch gemäß Art. 19 IV GG, da der Minderjährige parteiBVerfGE 28,243 (255). Die einfach-gesetzliche Handlungsfähigkeit und die verfassungsrechtliche Verfahrensfähigkeit sind also identisch. 17 So auch Geiger, § 90 Rdnr. 1 "Inwieweit zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde volle Geschäftsfähigkeit erforderlich ist, be mißt sich nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen. Soweit die Rechtsordnung einem Minderjährigen die Befugnis einräumt, eine rechtserhebliche Entscheidung zu treffen oder selbständig einen Prozeß zu führen, kann er auch selbständig Verfassungsbeschwerde einlegen. Auch der Hess.StGH ESVGH 16, 1 ff. weist auf den Zusammenhang von einfach-gesetzlicher Prozeßfähigkeit und der im Verfassungsbeschwerdeverfahren hin. 18 So im Ergebnis auch Fehnemann S. 54. 19 Vgl. zum folgenden: BVerfG NJW 1986, 3129. 20 Wenn man dem Minderjährigen analog § 59 I, 111 FGG ein formelles Antragsrecht und damit eine umfassende einfach-gesetzliche Handlungsfähigkeit zugesteht (vgl. dazu A., 11., 3., b», ist auch die Prozeßfähigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren zu bejahen. So im Ergebnis auch Fehnemann S. 52. 15
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B. Die rechtliche Handlungsfähigkeit des Minderjährigen
fähig ist und dem gesetzlichen Vertreter nur die Ausübung der Rechte des Minderjährigen obliegt.2 1 Verfolgt der gesetzliche Vertreter etwaige Grundrechtsverletzungen des Minderjährigen mit einer Verfassungsbeschwerde, so ist dieses Vorgehen dogmatisch als ein Fall der Stellvertretung anzusehen. Es handelt sich also um eine Verfassungs beschwerde des vertretenen Minderjährigen. Etwas anderes gilt nur, wenn der gesetzliche Vertreter die Verfassungsbeschwerde im eigenen Namen wegen Verletzung eigener Rechte aus Art. 6 II GG erhebt. 22 4. Das Verhältnis von höchstpersönlichen Wertentscheidungen des Minderjährigen und dem Elternrecht Es ist zweifelhaft, ob von diesen aufgestellten Grundsätzen Ausnahmen zuzulassen sind. So könnte man daran denken, den Minderjährigen generell die verfahrensmäßige Wahrnehmung von höchstpersönlichen Rechten zuzugestehen, sofern sie nur zur faktischen Grundrechtsausübung in der Lage sind. Dieses Ergebnis wäre zwingend, wenn die höchstpersönliche Natur der einzelnen Entscheidung ihre verfahrensmäßige Geltendmachung durch den gesetzlichen Vertreter ausschlösse. 23 Gegen diese Argumentation spricht aber, daß die in der Grundrechtsausübung liegende, materielle Entscheidung durchaus von ihrer verfahrensmäßigen Geltendmachung getrennt werden kann. Das gilt auch für die Fälle, in denen es um die Selbstbestimmung und damit um höchstpersönliche Werte ntscheidungen des Minderjährigen geht. 24 Der gesetzliche Vertreter kann die Entscheidung zwar nicht anstelle des Minderjährigen und damit ohne oder gar gegen seinen Willen treffen. Insofern kann es nur auf die eigene Entscheidung des Grundrechtsträgers ankommen. 25 Vgl. Kuhn S. 54. So auch BVerfGE 1, 97 (102), 10 (59 ff.); siehe auch BVerfG NJW 1986, 3129; ebenso Maunz/Schmidt-B1eibtreu/KleinlUlsamer, § 90 Rdnr. 41; abweichend Roell S. 51, nach deren Ansicht die Ein1egung einer Verfassungsbeschwerde durch den gesetzlichen Vertreter in jedem Fall dogmatisch eine Ausübung des Elternrechts nach Art. 6 II S. 1 GG darstellt, so daß es sich immer um eine Verfassungsbeschwerde des gesetzlichen Vertreters handelt. Ähnlich der Hess.StGH DVBI. 1982,409 (414), der auf den Rechtsreflex für den Minderjährigen hinweist, der von der auf das Elternrecht gestützten Verfassungsbeschwerde ausgeht. 23 Diese Auffassung vertreten im Hinblick auf das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung gern. Art. 4 III GG: v. Münch, GG Art. 4, Rdnr. 66; Zippelius in BK Art. 4 Rdnr. 107; Günther, DVBI. 1983, 1083 (1084 f.); offengelassen von Kunze, NVwZ 1983,595 (597). Vgl. zu dieser speziellen Problematik C., II., 1., b), aa). 24 So ausdrücklich Fehnemann S. 59. 25 Vgl. zu dieser Problematik auch Reuter, FamRZ 1969, 622 (624 f.), der de lege ferenda ein stärker ausdifferenziertes Mündigkeitsalter fordert. Nach seiner Auffassung hängt die Mündigkeit für Gewissensentscheidungen und lebensgestaltenden Entschei21
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VI. Handlungsfähigkeit und selbständige Grundrechtsausübung
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Soweit diese Tatsache aber noch keinen Niederschlag in den einfach-gesetzlichen Vorschriften über die Handlungsfähigkeit gefunden hat, verbleibt es bei der Geltendmachung der von Minderjährigen getroffenen Entscheidung durch den gesetzlichen Vertreter. Diese Konstruktion wirkt sich in den meisten Fällen auch zugunsten der Minderjährigen aus. So können sie im Schulverhältnis durchaus in der Lage sein, eigenständige Gewissensentscheidungen i.S.v. Art. 4 GG zu treffen oder ihre Meinung gemäß Art. 5 GG zu äußern. Sollte es nach ihrer Auffassung zu Grundrechtseingriffen durch die Schule kommen, so gebietet es das verfassungsrechtliche Minderjährigenschutzprinzip, daß der Minderjährige bei der Einlegung von Rechtsmitteln und der Durchführung damit verbundener Verfahren durch den gesetzlichen Vertreter vertreten wird. Diese Abhängigkeit schützt den Minderjährigen auch vor einem etwaigen Übereifer bei der Rechtsverfolgung, der sich in der Schule sehr nachteilig auswirken kann. Sofern es der Gesetzgeber jedoch versäumt hat, Handlungsfähigkeitsnormen zu schaffen, die der Selbstbestimmungsfähigkeit des Minderjährigen Rechnung tragen, kann dieses "Angewiesen sein" auf den gesetzlichen Vertreter im Einzelfall unerträglich werden. 26 Diese Situation kommt in Betracht, wenn das einfach-gesetzliche Verwaltungsverfahren gerade in der Ausübung des Grundrechtes besteht. Hier kann das Interesse an der selbständigen Durchführung des Verwaltungs- bzw. Verwaltungsstreitverfahrens durch den Minderjährigen die dagegen angeführten Bedenken überwiegen.
5. Das Petitionsrecht Eine solche Sonderrolle nimmt das Petitionsrecht des Minderjährigen ein. Nach allgemeiner Auffassung steht auch ihm gemäß Art. 17 GG das Recht zu, sich schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden.27 Unter den Begriff der Petition fallen auch die gesetzlich nicht näher ausgestalteten verwaltungsrechtlichen Institute der Gegendarstellung und der Aufsichtsbeschwerde. 28 Zur Begründung wird zumeist analog die Bestimmung des § 107 BGB herangezogen. Da dem Minderjährigen kein rechtlicher Nachteil durch die Eindungen im konkreten Fall von der Fähigkeit des einzelnen ab, eine sachgerechte Entscheidung zu treffen. Ob dieser Mündigkeit auch die einfach-gesetzliche Handlungsfähigkeit folgen soll, kann seinen Ausführungen nicht entnommen werden. 26 Die Möglichkeit der Anrufung des Vormundschaftsgerichts ändert an diesem Zustand nichts. 27 Seifert/Hömig Art. 17 Rdnr. 1; Rauball in v. Münch GG Art. 17 Rdnr. 5; Dagtoglou in BK Art. 17 Rdnr. 51; Dürig in MaunzlDürig Art. 17 Rdnr. 25; a.A. v. Mangoldt/Klein, Vorbem. BXV 2 c, die das Petitionsrecht an das aktive Wahlrecht anknüpfen. 28 Den Bezug zu Art. 17 GG stellen ebenfalls WolfflBachof III § 161 IV b her. 8 C.-R. Meyer
114
B. Die rechtliche Handlungsfähigkeit des Minderjährigen
bringung der Petition drohe, müsse er das Petitionsrecht selbständig ausüben können. 29 Dieser Auffassung kann zwar im Ergebnis, nicht aber in der Begründung zugestimmt werden. Die Anwendung des § 107 BGB läßt erhebliche Rechtsschutzlücken für den Minderjährigen befürchten. Diese werden spätestens dann sichtbar, wenn seine Petition nicht ordnungsgemäß behandelt worden ist und er dagegen gerichtlich vorgehen will. Die Petition ist als eine Verfahrenshandlung anzusehen, die auf den Erlaß eines Petitionsbescheides durch die zuständige Stelle gerichtet ist. Da der Petitionsbescheid in sachlicher Beziehung nichts mit unmittelbarer Außenwirkung regelt, sondern nur die tatsächliche Erfüllung der Verpflichtung aus Art. 17 GG darstellt, kommt ihm keine Verwaltungsaktqualität ZU. 3D Es handelt sich somit nicht um ein Verwaltungsverfahren i.S.v. § 9 VwVfG, sondern um ein schlichtes Verwaltungsverfahren. Wirksam kann daher nur der eine Petition einreichen, der analog § 12 I Nr. 2 VwVfG durch Vorschriften des bürgerlichen oder des öffentlichen Rechts als handlungsfähig anerkannt wird. 31 Da sich aus § 107 BGB keine Handlungsfähigkeit ergibt, kann sie auch nicht zur Begründung der Wirksamkeit einer Petition herangezogen werden. Als öffentlich-rechtliche Vorschrift kommt Art. 17 GG in Betracht. Sie vermittelt dem Minderjährigen neben der vollen inhaltlichen Handlungsfähigkeit hinsichtlich der Ausübung des Grundrechtes auch die verfahrensrechtliche Handlungsfähigkeit.32 Dafür spricht, daß sich die Verfahrenshandlung in der Ausübung des Grundrechts nahezu erschöpft. Das Petitionsrecht garantiert dem Bürger die Möglichkeit, sich mit seinen Sorgen und Nöten außerhalb der ordentlichen Rechtsmittel an den Staat zu wenden. 33 Soweit das Petitonsrecht einfach-gesetzlich geregelt ist, wird dieser Tatsache dadurch Rechnung getragen, daß ausdrücklich auch Minderjährige als handlungsfähig anerkannt werden. 34 Diese Vorschrift im Land Berlin wird man über ihren landesrechtlichen Bereich hinaus als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens ansehen können. Dagtoglou a.a.O.; Dürig a.a.O.; ebenso Kuhn S. 106. Vgl. Seidel S. 20 m.w.N. pro et contra; wie hier OVG Berlin DVBI. 1976,261 (262); offengelassen von BVerwG in NJW 1976, 637; a.A. Dürig a.a.O. Art. 17 Rdnr. 81 Fn. 4. . 31 Vgl. zur Wirksamkeit von Verfahrenshandlungen innerhalb eines schlichten Verwaltungsverfahrens B., V., 1. 32 Art. 17 GG stellt somit eine Ausnahme zu dem unter B., VI., 1. angeführten Prinzip dar, nach dem von der selbständigen Ausübung des Grundrechtes nicht auf die einfach-gesetzliche Verfahrensfähigkeit geschlossen werden kann. 33 Vgl. dazu die Ausführungen des OVG Berlin a.a.O. 34 Eine gesetzliche Regelung besteht bisher nur im Land Berlin. Gemäß § 1 11 des Berliner Gesetzes über die Behandlung von Petitionen v. 25.11.1969 (GVBI. S. 2511) steht die Geschäftsunfähigkeit, Anordnung der Pflegeschaft, Entmündigung und mangelnde Volljährigkeit der selbständigen Ausübung des Petitionsrechtes nicht entgegen. 29
30
VI. Handlungsfähigkeit und selbständige Grundrechtsausübung
115
Die Anerkennung der Handlungsfähigkeit erstreckt sich auch auf die Prozeßfähigkeit in einem anschließenden Prozeß. Da der Minderjährige mit der hier einschlägigen Leistungsklage nicht die materiellen Probleme der Petition, sondern nur Mängel des Petitionsverfahrens überprüfen lassen kann 35 , wird er durch die Gewährung der Handlungs- und Prozeßfähigkeit keiner unannehmbaren Gefährdung ausgesetzt.
3S
8'
V gl. Seidel S. 21.
c. Die Stellung des Minderjährigen
in den Kerngebieten des öffentlichen Rechtes Nachdem die Grundstrukturen der natürlichen und rechtlichen Handlungsfähigkeit Minderjähriger offengelegt worden sind, soll im folgenden die Stellung des Minderjährigen in den wichtigsten Kerngebieten des öffentlichen Rechts untersucht werden.
I. Das Gebiet der Polizei- und Ordnungsverwaltung 1. Die polizei- und ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit Die Problematik der Lage des Minderjährigen im Polizei- und Ordnungsrecht wird deutlich, wenn man sich folgende Fälle vor Augen führt: Ein Kind sitzt angetrunken auf einer Fahrbahn und blockiert den Straßenverkehr. Oder ein Minderjähriger erbt ein einsturzgefährdetes Haus, das eine erhebliche Gefahr für vorbeigehende Passanten darstellt. Im Vordergrund stehen vor allem die drei Fragen, ob die zuständigen Behörden überhaupt gegen den Minderjährigen vorgehen können, wie dieses zu geschehen hat und welche Rechtsschutzmöglichkeiten der Minderjährige gegen die getroffenen Maßnahmen haLl Gemäß den gefahrabwehrrechtlichen Generalklauseln können die zuständigen Behörden die notwendigen Maßnahmen gegen den Verantwortlichen treffen, um Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwenden. Wer für die Gefahren verantwortlich ist, ergibt sich aus den Vorschriften über die Verhaltens- und Zustandshaftung. 2 Danach hat jeder einzelne Mensch sein Verhalten und den Zustand seiner Sachen so einzurichten, daß daraus keine Störungen oder Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung entstehen. Dabei ist zu beachten, daß die Störereigenschaft lediglich an ein objektiv 1 Zur Verdeutlichung wird im folgenden nur mit der polizei- und ordnungsrechtlichen (Jeneralklausel (vgl. dazu z. B. § 8 I PolG NW bzw. § 14 I OBG NW) gearbeitet. Diese Uberlegungen gelten dem Grunde nach aber auch für die Spezialermächtigungen (vgl. dazu z. B. §§ 9 - 24 PolG NW, §§ 24 OBG NW i.V.m. 9, 11 - 24 PolG NW), für die Verantwortlichkeit im Straßenverkehr und im Baurecht (vgl. z. B. § 58 12 LBauO NW). 2 Vgl. z. B. die §§ 4,5 PolG NW oder die §§ 17,18 OBG NW.
1. 1. Die polizei- und ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit
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störendes Verhalten bzw. einen objektiv störenden Zustand anknüpft. 3 Auf die Delikts- oder Geschäftsfähigkeit des Störers kommt es daher nicht an. 4 Die einschlägigen Gesetze ordnen daher, soweit der Störer unter 14 Jahre alt, entmündigt oder unter vorläufige Vormundschaft gestellt ist, nur eine Zusatzhaftung der Aufsichtspflichtigen an. 5 In diesen Fällen besteht ein Wahlrecht; d.h., es ist zu prüfen, wie die Gefahr am besten beseitigt werden kann, durch eine Inanspruchnahme des Kindes oder des Aufsichtspflichtigen. 6 Soweit eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung gegeben ist?, schützt die Minderjährigkeit in materieller Hinsicht also nicht vor einer gefahrenabwehrrechtlichen Maßnahme. Die von den zuständigen Behörden getroffenen ordnungsrechtlichen Verfügungen sind Verwaltungsakte i.S.v. § 35 VwVfG. Ihre Wirksamkeit hängt damit von der Handlungsfähigkeit der Adressaten i.S.v. § 12 I Nr. 2 VwVfG ab. 8 Da die hier in Betracht kommenden Minderjährigen nicht über die Handlungsfähigkeit nach bürgerlichem Recht gemäß § 12 I Nr. 2, 1. Alt. VwVfG verfügen, stehen die Ordnungsbehörden vor dem Problem, wie sie verfahrensrechtlich wirksam handeln können. Zumeist hilft man sich damit, daß die Vorschriften der Verhaltens- und Zustandshaftung faktisch als öffentlich-rechtliche Vorschriften i.S. des § 12 I Nr. 2, 2. Alt. VwVfG angesehen werden, die den Minderjährigen als handlungsfähig anerkennen. 9 Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Die Notwendigkeit eines wirksamen gefahrenabwehrrechtlichen Handeins verlangt, daß der gefahrenrechtlichen Verantwortlichkeit des Minderjährigen ein gewisses Maß an Handlungsfähigkeit entsprichPo Zweifelhaft ist jedoch, wie weit die Handlungsfähigkeit des Minderjährigen anerkannt werden kann. Zur Bestimmung der Handlungsfähigkeit ist eine Abwägung zu treffen zwischen dem Gebot der Effizienz des Verwaltungshandelns und den Belangen des Minderjährigenschutzes.1 1 3 4
258.
DrewslWacke/Vogel/Martens S. 293. Dietel/Gintzel S. 128; Götz Rdnr. 202; WolfflBachof I § 32 V c; Habermehl Tz.
Vgl. § 411 PolG NW und § 17 11 OBG NW. LangelWilhelm S. 62; ähnlich Götz a.a.O., der den Minderjährigen in Anspruch nehmen will, wenn diese Maßnahme "geeignet" sei. 7 Im obigen Beispielsfall besteht sowohl eine Gefährdung des Kindes selbst als auch des Straßenverkehrs. Auch durch die Gefährdung der Passanten werden die Belange der öffentlichen Sicherheit berührt. 8 Vgl. zu dieser Frage auch den BayVGH DÖV 1984, 433. 9 So schon der Gesetzgeber des VwVfG, vgl. BT-Drucks. 7/910 S. 43. Der Unterschied zu den anderen Regelungen der Handlungsfähigkeit im öffentlichen Recht besteht darin, daß die polizei- und ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit auch zur Handlungsfähigkeit der Geschäftsunfähigen führt, die in § 12 VwVfG nicht genannt werden. 10 Wallerath § 6 V 2 b; BayVGH a.a.O. 5 6
118
C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
Das in § 12 I Nr. 2 VwVfG zum Ausdruck kommende Prinzip des Minderjährigenschutzes darf nur soweit zurücktreten, wie es die Erfüllung der Verwaltungsaufgabe unbedingt erforderlich macht. Dieses wird nur in den Fällen des sofortigen Vollzuges anzunehmen sein, wenn ein sofortiges Einschreiten der zuständigen Behörden zur Abwendung einer drohenden Gefahr erforderlich ist.1 2 Damit wäre in den obigen Beispielsfällen wohl eine Ingewahrsamnahme des Kindes wirksam, nicht aber die gegen ihn gerichtete Bauordnungsverfügung. Soweit die Verfügung aufgrund des Gebotes der Verwaltungseffizienz dem Minderjährigen wirksam bekanntgegeben werden kann, stellt sich die Frage des Rechtsschutzes. Zweifelhaft ist, ob dem Minderjährigen im Fall seiner passiven Handlungsfähigkeit auch die aktive Handlungsfähigkeit gemäß den §§ 12 I Nr. 2, 2. Alt. VwVfG, 62 I Nr. 2,2. Alt. VwGO zusteht. Dann besäße der Minderjährige die Möglichkeit, mit einem Rechtsmittel gegen den wirksamen Verwaltungsakt vorzugehen. 13 Da sich der anzugreifende Verwaltungsakt im Augenblick seines Vollzuges durch Zeitablauf i.S.v. § 43 11 VwVfG erledigt hat l 4, müßte dem Minderjährigen Rechtsschutz in Form einer Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 I S. 4 VwGO gewährt werden.1 5 Gegen die Gewährung der Prozeßfähigkeit spricht jedoch, daß eine Aushöhlung des mit § 62 I Nr. 2 VwGO bezweckten Minderjährigenschutzes zu befürchten ist. Der Minderjährige darf nur soweit als handlungsfähig angesehen werden, wie es die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben unbedingt erfordert. Die ordnungsrechtliche Inanspruchnahme kann nicht mit der Erhebung einer Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 I S. 4 VwGO gleichgesetzt werden, die zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit des erledigten staatlichen Handeins dient. Kinder und Jugendliche können zwar sehr wohl Störer im polizeirechtlichen Sinne sein. Es wird ihnen aber regelmäßig an der Fähigkeit fehlen, die an sie gestellten Anforderungen innerhalb eines Verwaltungsstreitverfahrens zu überblikken. Daher ist ein Schluß von der passiven Handlungsfähigkeit auf die aktive Handlungsfähigkeit abzulehnen .16 Etwas anderes muß jedoch gelten, wenn die Handlungsfähigkeit des Minderjährigen zu Unrecht bejaht worden ist 17 und die (Schein-) Wirkung des Kopp, VwVfG § 12 Rdnr. 6; BayVGH a.a.O.; OVG Lüneburg DVBI. 1982,219. Wallerath a.a.O. 13 Befürwortend: Forsthoff S. 182 im Anschluß an das Sächsische OVG, Jahrbuch Bd. 34, S. 339; offengelassen bei Wallerath a.a.O. 14 Kopp, VwGO § 113 Rdnr. 52. 15 Vgl. zur analogen Anwendung des § 113 I S. 4 VwGO Kopp, VwGO § 113 Rdnr. 49; Tschira/Schmitt-Glaeser S. 199. 16 Die Minderjährigen bleiben in diesen Fällen auf die Vertretung durch ihre gesetzlichen Vertreter angewiesen. 17 So im obigen Fall der bauordnungsrechtlichen Verfügung. 11
12
I. 2. Versammlungsrecht
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Verwaltungsaktes noch anhält. Dann muß der Minderjährige die Unwirksamkeit der Verfügung rechtlich feststellen lassen können.1 8 2. Versammlungsrecht Die unter dem Schutz des Art. 8 I GG stehende Versammlungsfreiheit steht auch dem Minderjährigen zu. Soweit sie im Wege kollektiven Handeins ihrer Meinung Ausdruck verleihen, sind sie grundrechtlich geschützt.l 9 Es kommen verschiedene Ausübungsformen des Versammlungsrechtes in Betracht. Zu unterscheiden sind die schlichte Teilnahme an einer Versammlung und deren Veranstaltung und Leitung. 20 Keine Besonderheiten ergeben sich i.R. der schlichten Teilnahme an einer Versammlung. Sie ist dem Minderjährigen als natürliche Handlung erlaubt. Will der Minderjährige eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel oder einen Aufzug selbst veranstalten, trifft ihn gemäß § 14 I VersammlG die Pflicht, sein Vorhaben anzumelden. 21 Fraglich ist, ob die Wirksamkeit der Anmeldung von der Handlungsfähigkeit i.S.v. § 12 VwVfG abhängig ist. Das wäre der Fall, wenn man die Anmeldung als einen verwaltungsverfahrensrechtlichen Antrag i.S.d. VwVfG interpretieren könnte, der auf die Gewährung einer Versammlungs erlaubnis gerichtet ist.22 Dagegen spricht jedoch, daß die Anmeldung allein der möglichst frühzeitigen Information der Polizeibehörden dient23 und das Versammlungsgesetz gerade keine Pflicht zur Einholung einer polizeilichen Erlaubnis vor Abhalten einer Versammlung kennt.2 4 Ein Rückgriff auf § 12 VwVfG entfällt damit. Dogmatisch kann die Anmeldung der Veranstaltung daher nur in den Bereich der rechtsgeschäfts ähnlichen Wissenserklärungen eingeordnet werden. 25 Da die Anmeldung nicht innerhalb eines Verwaltungsverfahrens i.S.v. § 9 VwVfG abgegeben wird und kein Vermögensbezug ersichtlich ist, hängt ihre Wirksamkeit von der notwendigen Reife und Einsichtsfähigkeit des Vgl. zur Begründung B., IH., 6. Dietel/Gintzel § 1 Rdnr. 36; Ott, Das Recht auf freie Demonstration S. 94; Samper S. 28; Meyer Art. 8 GG Anm. 7; Höhnberg S. 174 f. Soweit Kinder, vor allem im Vorschulalter nur von den Eltern mitgeführt werden, fällt das nicht in den Schutzbereich des Art. 8 I GG. Es fehlt an dem notwendigen Zusammenhang zwischen dem räumlich-örtlichen sich Versammeln und der geistigen Kundgabe. Dazu beruht die Teilnahme des Kindes nicht auf seinem eigenen Entschluß. Vgl. dazu auch Dietel/Gintzel a.a.O. 20 Vgl. §§ 1 I, 7 I VersammlG. 21 Vgl. zur Anmeldepflicht Werbke NJW 1970, S. 1 ff. 22 Dann würde es sich um einen mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt handeln. 23 DietellGintzel § 14 Rdnrn. 5 ff. Die Polizei soll in die Lage versetzt werden, die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Allgemeinheit und der Versammlung selbst zu treffen. 24 Vgl. Crombach S. 33 f.; Schwäble S. 196 f. 25 Vgl. dazu und zum folgenden B., V., 2. 18
19
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C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
Minderjährigen ab. Dabei hat als Grundsatz zu gelten, daß derjenige Minderjährige, der sich zum Zweck der kollektiven Meinungsäußerung versammeln kann, auch als fähig anzusehen ist, die Anmeldung vorzunehmen. Die Anforderungen an die Reife und die Einsichtsfähigkeit bzgl. des "sich Versammeins" und der Anmeldung entsprechen sich also. Damit kann der minderjährige Veranstalter auch wirksam seiner Anmeldungspflicht gemäß § 14 I VersammlG nachkommen. 26 Gemäß § 7 I VersammlG muß jede öffentliche Versammlung einen Leiter haben.27 Da auch die reine Minderjährigenversammlung dieser Verpflichtung unterliegt, stellt sich die Frage, ob der Leiter volljährig sein muß.28 Aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Art. 8 I GG ist zu schließen, daß die Durchführung der Versammlung nicht an der Minderjährigkeit des Leiters scheitern darf. 29 Das gleiche Ergebnis ergibt sich aus dem Normenzusammenhang des § 7 I und 11 VersammlG. Gemäß § 7 11 VersammlG ist der Veranstalter der Leiter der Versammlung. Wenn aber der Veranstalter minderjährig sein kann, muß das auch für den Leiter gelten. Umstritten ist das Problem, ob die Minderjährigen grundsätzlich durch § 9 I S. 2 VersammlG von der Ordnerfunktion ausgeschlossen sind. Für einen solchen Ausschluß könnte der eindeutige Gesetzestext sprechen, nach dem ausdrücklich das Kriterium der Volljährigkeit verlangt wird. Es ist jedoch zweifelhaft, ob eine solche Auslegung mit Art. 8 I GG zu vereinbaren ist. Für die Vereinbarkeit spricht, daß man von keiner Grundrechtsschranke im eigentlichen Sinne sprechen kann. Die Durchführung einer Versammlung ist nicht an das Vorhandensein von Ordnern geknüpft, im Gegensatz zu dem zwingenden Erfordernis eines Leiters gemäß § 7 I VersammlG. Bei einer von Erwachsenen veranstalteten und geleiteten Versammlung verursacht die Regelung des § 9 I S. 2 VersammlG keine rechtlichen Probleme, da genügend volljährige Ordner vorhanden sein werden. 3D Erhebliche Bedenken ergeben sich jedoch im Fall einer reinen Minderjährigenversammlung. Soweit diese eine große Resonanz in der Bevölkerung findet, ist ihr ordnungsgemäßer Ablauf nur mit Hilfe von Ordnern zu gewährleisten. Sollte der Minderjährige aber keine volljährigen Ordner finden, darf die sichere Durchführung der Versammlung nicht an den fehlenden Ordnern scheitern. 31 So im Ergebnis auch Kuhn S. 142. Dieser kann, muß aber nicht unbedingt mit dem Veranstalter identisch sein. Vgl. § 7 II, III VersammlG. 28 Bejahend Füßlein § 7 Anm. 2. 29 So im Ergebnis auch Ott § 7 Rdnr. 3; Dietel/Gintzel § 7 Rdnrn. 7 ff.; Sam per S.28. 30 Ott § 9 Rdnr. 4. 31 Vgl. Ott a.a.O. 26 27
1. 3. Straßenverkehrsrecht
121
Für die Zulassung von minderjährigen Ordnern spricht weiterhin die Tatsache, daß sie ihre Stellung vom Versammlungsleiter ableiten. Wenn dieser aber als Minderjähriger gemäß § 7 IV VersammlG das Hausrecht selbständig ausüben kann, muß man auch minderjährige Ordner als fähig ansehen, an der Aufrechterhaltung der Ordnung mitzuwirken. Man wird daher für diesen Fall den § 9 I S. 2 VersammlG gegen den klaren Gesetzeswortlaut verfassungskonform dahingehend auslegen müssen, daß minderjährige Ordner zuzulassen sind. 32 Beschränkungen der Versammlungsfreiheit können sich durch Erziehungsrnaßnahmen der Eltern und durch die allgemeine Schulpflicht ergeben. Die Eltern können die Teilnahme an einer Versammlung verbieten, soweit sie damit nicht sorgerechtswidrig handeln. Schulrechtliche Vorschriften können das Versammlungsrecht dann einschränken, wenn der Besuch einer Versammlung mit der Schulpflicht kollidiert. Während der Schulzeit kann das Versammlungsrecht also reflexartig beschränkt sein. 33 Konkrete Versammlungs- und Teilnahmeverbote werden von den schulrechtlichen Ermächtigungsgrundlagen nicht umfaßt und sind damit rechtswidrig. Es steht im Ermessen der Schulleitung, im Einzelfall Unterrichtsbefreiung zu erteilen, um den Schülern die Teilnahme an der Versammlung zu ermöglichen. 34 Bei besonders wichtigen Anlässen wird man einen ablehnenden Bescheid nicht allein auf die Erfüllung der Schulpflicht stützen können. 35 3. Straßenverkehrsrecht Für den Straßenverkehr stellt § 1 StVZO den Grundsatz der Verkehrsfreiheit auf.3 6 Danach ist jedermann zum Verkehr auf öffentlichen Straßen zugelassen. Das bedeutet für den Minderjährigen, daß er grundsätzlich wie jeder andere Verkehrsteilnehmer am Straßenverkehr teilnehmen kann. Dabei muß sich gemäß § 1 11 StVO allerdings auch der Minderjährige so verhalten, daß andere Verkehrsteilnehmer nicht geschädigt, gefährdet oder mehr als vermeidbar behindert oder belästigt werden. Er unterliegt also allen in der StVO niedergelegten Ge- und Verboten, die diese allgemeine Verpflichtung näher konkretisieren. 32 So im Ergebnis auch Dietel/Gintzel § 9 Rdnr. 7, die im zwingenden Gebot der Volljährigkeit einen Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip sehen; ähnlich Ott a.a.O.; a.A. Meyer § 9 Anm. 4, der darauf abstellt, daß eine Minderjährigenversammlung nicht auf Ordner angewiesen sei. 33 Ott, Einführung Rdnr. 26. 34 Ott a.a.O. 35 Vgl. zu den Auswirkungen des Verhältnismäßigkeitsgebotes auf die Möglichkeit der Unterrichtsbefreiung Niehues Rdnr. 238. 36 Vgl. dazu JaguschlHentschel § 1 StVZO Rdnr. 1.
122
C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
Im Interesse der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs wird der allgemeine Grundsatz der Verkehrsfreiheit jedoch wieder eingeschränkt. Soweit körperliche oder geistige Mängel des einzelnen eine sichere Teilnahme am Verkehr ausschließen, bzw. diese gefährden, müssen gemäß § 2 I StVZO Vorsorgemaßnahmen getroffen werden, die jede Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausschließen. Die mangelnde Entwicklung in der Kindheit ist als ein solcher Mangel anzusehen, die der Erziehungsberechtigte durch geeignete Maßnahmen auszugleichen hat. 37 Darüber hinaus bestehen weitere Zulassungsbeschränkungen und zwar sowohl im Hinblick auf einzelne Kraftfahrzeuge als auch auf die Fahrer. 38 Die Beteiligung von minderjährigen Verkehrsteilnehmern führt zu mehreren Problemen. Zum einen stellt sich die Frage, wie die Wirksamkeit von Verkehrs- und Lichtzeichen im Hinblick auf die Handlungsfähigkeit des Minderjährigen rechtsdogmatisch zu erklären ist. Zum anderen sind die Auswirkungen der Minderjährigkeit auf die Befugnis zum Führen eines KFZ zu ermitteln. Zuletzt ist darauf einzugehen, ob ein KFZ auch auf den Namen eines Minderjährigen zugelassen werden kann und wie die Handlungsfähigkeit in einem darauf gerichteten Verwaltungsverfahren zu bewerten ist. a) Die Geltung der Verkehrs- und Lichtzeichen
Es bestehen im Ergebnis keine Zweifel, daß auch der Minderjährige vor einer roten Ampel oder einem Stoppschild anzuhalten hat. Fraglich ist allein, wie dieses Ergebnis begründet werden kann. Der Streit um die Rechtsnatur der Verkehrszeichen kann wohl dahingehend als entschieden angesehen werden, daß es sich bei ihnen um Allgemeinverfügungen LS.v. § 35 I S. 2, 3. Var. VwVfG handelt. 39 So ist das Verkehrszeichen als ein Verwaltungs akt anzusehen, durch den die Benutzung einer öffentlichen Sache durch die Allgemeinheit geregelt werden sol1. 40 Neben der öffentlichen Sache an sich besitzt das Verkehrszeichen also auch noch einen Personenkreis als Adressaten, der allerdings erst durch das Merkmal der Benutzung näher festgelegt wird. 41 Aufgrund dieses doppelten Rege37 Siehe § 2 I S. 2 StVZO und die DA zu den §§ 2 und 3 StVZO; abgedruckt bei Jagusch/Hentschel a.a.O. Rdnr. 3. Soweit sich ein Kind nicht auf sichere Weise selbständig durch den Verkehr bewegen kann, ist es von den Eltern z. B. an die Hand zu nehmen. 38 So ist die Zulassung eines KFZ gern. § 1 StVG i.V.m. § 18 StVZO von der Erteilung einer Betriebserlaubnis und der Zuteilung eines amtlichen Kennzeichens abhängig. Wer ein solches zugelassenes KFZ führen will, bedarf dazu gern. § 2 StVG i.V.m. §§ 4 ff. StVZO einer, auf die jeweilige Fahrzeugklasse bezogenen, Fahrerlaubnis. 39 Vgl. den Überblick bei Triebel S. 28 - 35; ErichsenlMartens § 11 II 6 b. 40 So ErichsenlMartens a.a.O.; Wallerath § 7 I 5 f. 41 Meyer in Meyer/Borgs § 35 Rdnr. 73. Es heißt also nicht allein: "Diese Örtlichkeit wird dermaßen geregelt, daß sich jeder Passant dem Schilde entsprechend verhalten
I. 3. Straßenverkehrsrecht
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lungsgehaltes wird daher auch von einer gemischt sach- und personalbezogenen Allgemeinverfügung gesprochen. 42 Unklar ist, wie die Handlungsfähigkeit des Minderjährigen berücksichtigt werden muß. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß die Allgemeinverfügung wie jeder andere Verwaltungsakt behandelt werden muß.43 Danach fordert die personalbezogene Komponente des Verwaltungsaktes, daß die getroffene Regelung dem Minderjährigen gegenüber nur dann wirksam wird, wenn dieser als handlungsfähig anzusehen ist. 44 Ein rein reflexartiges "Hinnehmenmüssen" der dinglich getroffenen Zustandsregelung durch den Minderjährigen, der wie jeder andere davon betroffen wird, scheidet also aus. Die erforderliche passive Handlungsfähigkeit i.S.v. § 12 VwVfG folgt dann der polizei- und ordnungsrechtlichen Verantwortlichkeit 45, da die Aufstellung von Verkehrs- und Lichtzeichen dem Bereich der Gefahrenabwehr zuzuordnen ist. 46 b) Die Befugnis zum Führen eines Kraftfahrzeuges
Zum Schutz des Straßenverkehrs ist der Erwerb einer Fahrerlaubnis an ein bestimmtes Mindestalter des KFZ-Führers geknüpft. Dabei variiert das erforderliche Mindestalter, je nachdem zu welcher Fahrzeugklasse i.S.v. § 5 I StVZO das zu führende KFZ gehört. KFZ, die überhaupt keiner KFZ-Klasse angehören, darf der Minderjährige gemäß § 7 I Nr. 5 StVZO nach Vollendung des 15. Lebensjahres führen. 47 Nach Vollendung des 16. Lebensjahres kommt er gemäß § 7 I Nr. 4 als Führer eines KFZ der Klassen 4 oder 5 in Betracht. Eine Fahrerlaubnis der Klassen 148 , 2 oder 3 kann er dagegen gemäß § 7 II StVZO nur mit einer Ausnahmegenehmigung der Verwaltungsbehörde und der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters erwerben. 49 darf bzw. soll." Sondern es heißt auch: "Jeder, der diesen Ort passiert, darf bzw. soll sich dem Zeichen entsprechend verhalten." Vgl. dazu Triebel S. 31. 42 Vgl. Meyer a.a.O. 43 Vgl. Maurer, Allg.VwR, § 9 Rdnr. 36. 44 Auch der Erlaß einer Allgemeinverfügung ist als ein Verwaltungsverfahren i.S.v. § 9 VwVfG anzusehen, so daß es auf die Handlungsfähigkeit LS.v. § 12 VwVfG ankommt. 45 Siehe dazu C., 1., 1. 46 Das Verkehrszeichen ist also genauso wirksam, wie eine gefahrenabwehrrechtliche Verfügung eines Polizeibeamten. Vgl. auch Prutsch, JuS 1980, 566 (570). 47 Der wichtigste Fall war das erlaubnisfreie Führen eines Mofas gern. § 4 I Nr. 1 StVZO. Beachte aber nunmehr die durch § 4 a StVZO angeordnete Pflicht einer Mofaprüfbescheinigung. 48 Zu beachten ist jedoch die abweichende Altersgrenze für Leichtkrafträder gern. § 7 I S. 2 StVZO. 49 Vgl. die dazu ergangene DA, abgedruckt bei Jagusch/Hentschel § 7 StVZO Rdnr. 1.
124
C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
Soweit der Minderjährige nach diesen Bestimmungen als Kraftfahrzeugführer in Betracht kommt, hat er die Fahrerlaubnis gemäß § 8 StVZO zu beantragen. Da es sich bei der Erteilung einer Fahrerlaubnis um einen Verwaltungsakt handelt, ist die Wirksamkeit des Antrages von der Handlungsfähigkeit i.S.d. § 12 VwVfG abhängig. Die Frage, ob § 7 I Nr. 4 StVZO als eine öffentlich-rechtliche Norm anzusehen ist, die dem Minderjährigen die Handlungsfähigkeit zuerkennt, ist umstritten. Zum Teil wird diese Norm nur als Regelung der natürlichen Handlungsfähigkeit angesehen, nach der das Führen eines KFZ der Klassen 4 und 5 erlaubt ist. Der Vorschrift sei also nicht zu entnehmen, daß der Minderjährige den Antrag auch selbständig stellen könne. 50 Die Rechtsprechung geht zwar auch davon aus, daß eine gesetzlich angeordnete Erlaubnis einer natürlichen Handlung nicht in jedem Fall auf eine damit verbundene, rechtliche Handlungsfähigkeit schließen läßt. Sie hält eine solche Vorschrift aber für auslegungsfähig. 51 Soweit eine Erlaubnis einem gewissen Maß an Reife des Minderjährigen Rechnung trage, das auch für die eigenständige Durchführung eines Verwaltungsverfahrens ausreiche, könne darin ausnahmsweise auch eine Regelung der rechtlichen Handlungsfähigkeit gesehen werden. Wenn daher ein Minderjähriger zum Führen eines KFZ der Klassen 4 oder 5 als fähig angesehen werde, müsse das auch für die Beantragung der Fahrerlaubnis gelten. Für die von der Rechtsprechung vorgenommene Auslegung spricht, daß es in dem Fall des § 7 I StVZO zum Schutz des Minderjährigen nicht nötig ist, die Trennung von rechtlicher und natürlicher Handlungsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Aufgrund der besonderen Reife des Minderjährigen ist die in dem Verwaltungsverfahren liegende Gefährdung hinnehmbar. Da eine solche Auslegung der Eigenverantwortlichkeit des Minderjährigen Rechnung trägt, liegt in der Gewährung der Handlungsfähigkeit keine Verletzung des Elternrechtes. Außerdem muß berücksichtigt werden, daß eine Zustimmung des gesetzlichen Vertreters gemäß § 7 II StVZO nur für eine Vorverlegung der gesetzlichen Altersgrenzen im Einzelfall gefordert wird. Daher ist derjenige Minderjährige, der eine Fahrerlaubnis erwerben darf, auch als befugt anzusehen, diese selbständig zu beantragen.
50 So vor allem Middel S. 44 ff.; offengelassen von Hablitzel, BayVBI. 1973, 197 (199 f.). 51 Vgl. hierzu und zum folgenden: BayVGH VerwRspr. Bd. 9 Nr. 88; BVerwG Buchholz 442.16 § 7 StVZO Nr. 1; auch die Literatur ist der Rechtsprechung überwiegend gefolgt. Vgl. statt vieler: Borgs in Meyer/Borgs § 12 Rdnr. 5; Kopp, VwVfG § 12 Rdnr.6.
1. 3. Straßenverkehrsrecht
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c) Die Zulassung eines Kraftfahrzeugs auf den Namen eines Minderjährigen
Bevor ein KFZ im öffentlichen Verkehr betrieben werden darf, muß es gemäß § 18 I StVZO von der Verwaltungsbehörde zugelassen worden sein. Die Zulassung von KFZ erfolgt durch Erteilung einer Betriebserlaubnis und durch Zuteilung eines amtlichen Kennzeichens. Da die Betriebserlaubnis gemäß § 20 StVZO i.d.R. für einen ganzen Fahrzeugtyp schon dem Hersteller der KFZ erteilt wird, ist die Zulassung zumeist von der Beantragung eines amtlichen Kennzeichens gemäß § 23 I S. 1 StVZO abhängig. Diejenige Person, für die das KFZ zugelassen wird, ist dann als der Halter i.S.v. § 7 StVG anzusehen. 52 Da die Minderjährigkeit der Fähigkeit Halter eines KFZ zu sein, nicht entgegensteht53 , stellt sich die Frage, ob der Minderjährige selbst wirksam ein KFZ zulassen kann. Die Zulassung ist als ein Verwaltungs akt anzusehen 54 , so daß es auf seine Handlungsfähigkeit i.S.v. § 12 VwVfG ankommt. Zur Bestimmung der Handlungsfähigkeit müssen zwei verschiedene Fälle des Zulassungsverfahrens unterschieden werden. Der Minderjährige kann die Zulassung für ein KFZ beantragen, daß er selbst noch nicht führen darf. Er kann das für das jeweilige KFZ zu fordernde Mindestalter aber auch schon erreicht haben. Im ersten Fall ist keine Norm zu erblicken, die die Handlungsfähigkeit des Minderjährigen anerkennt. Daher bleibt er auf die gesetzliche Vertretung durch seine Eltern angewiesen. Nicht ausreichend ist eine Zustimmungserklärung der Eltern zu dem ansonsten selbständigen Antrag des Minderjährigen. 55 Will der Minderjährige ein KFZ zulassen, das er selbst führen kann, könnte man daran denken, die Handlungsfähigkeit - wie bei der Beantragung der Fahrerlaubnis - aus der Vorschrift des § 7 I Nr. 4 StVZO herzuleiten. So ließe sich die These aufstellen, daß der Führer eines KFZ dieses auch selbständig zulassen kann. Dieser Schluß ist jedoch nur zulässig, wenn die Befugnis zur Teilnahme am Straßenverkehr und die Zulassung eines KFZ hinsichtlich der rechtlichen Bedeutung und den damit verbundenen Anforderungen an den Minderjährigen miteinander vergleichbar sind. Gegen die Vergleichbarkeit spricht, daß die Fahrerlaubnis dem Minderjährigen lediglich die Möglichkeit verschafft, selbst ein KFZ im Verkehr zu fühJagusch/Hentschel § 23 StVZO Rdnr. 17. JaguschlHentschel § 7 StVG Rdnr. 22; vgl. aus zivil rechtlicher Sicht auch Hofmann, NJW 1964, 228 ff. S4 Vgl. Wolff/Bachof III § 134 Rdnr. 12. S5 Vgl. zur Begründung B., III., 3., d). A.A. Jagusch/Hentschel § 23 StVZO Rdnr. 16 und die gängige Verwaltungspraxis. S2 S3
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C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
ren. 56 Dagegen begründet die Zulassung auf den Namen des Minderjährigen dessen Haltereigenschaft, an die zahlreiche öffentlich-rechtliche und zivilrechtliche Pflichten anknüpfenY Daher kann § 7 I Nr. 4 StVZO i.R. des Zulassungsverfahrens nicht als eine, die Handlungsfähigkeit einräumende Vorschrift angesehen werden. 58 Es verbleibt damit auch in diesem Fall beim Erfordernis der gesetzlichen Vertretung. 4. Gewerberecht
Seit der Herabsetzung des Volljährigkeitsalters von 21 auf 18 Jahre 59 spielt die Problematik des minderjährigen Gewerbetreibenden keine große Rolle mehr. 60 Dennoch sind vor allem zwei Grundfragen von Bedeutung. So läßt sich die Frage aufwerfen, ob die Minderjährigkeit der Zulassung zu einem Gewerbebetrieb entgegensteht. Und soweit man dieses verneint, ist zu entscheiden, ob der Minderjährige für die Abgabe von Erklärungen und die Stellung von Anträgen, die mit seiner Gewerbeausübung in Zusammenhang stehen, als handlungsfähig anzusehen ist. a) Der gewerberechtliche Zulassungsanspruch des Minderjährigen
Die Gewerbeordnung sieht für die Zulassung zu einem Gewerbebetrieb keine Altersgrenze vor. 61 Diese auf den ersten Blick verblüffend anmutende Feststellung wird verständlich, wenn man die Intention des historischen Gesetzgebers einer näheren Betrachtung unterzieht. 62
In dem Entwurf einer Reichsgewerbeordnung von 1869 wurde in einem § 10 die Zulassung zum Gewerbebetrieb noch von der Dispositionsfreiheit des Antragstellers abhängig gemacht. Der Reichstag strich jedoch diesen Paragraphen. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, daß die Gewerbeordnung 56 Vgl. zu den daran anknüpfenden zivilrechtlichen Haftungstatbeständen Medicus Rdnr. 604. Die §§ 823 I BGB und 18 StVG stellen eine verschuldensabhängige Haftung dar. 57 Z. B. Pflicht zum Abschluß einer KFZ-Haftpflichtversicherung gern. § 1 PflVG, Gefährdungshaftung gern. § 7 StVG oder die Verantwortlichkeit für Führung 'und Zustand des Fahrzeugs gern. den §§ 17,23,27,31 StVZO. 58 So im Ergebnis auch der BayVGH in VerkMitt 1969, 17. 59 Durch Gesetz zur Neuregelung des Volljährigkeitsalters v. 31.7.1974 (BGBI. I S. 1713). 60 So werden Ermächtigungen i.S.v. § 112 BGB kaum noch erteilt. Vgl. Palandt/ Heinrichs § 112 Anm. 1. 61 Salewski in Landmann/Rohmer § 1 Anm. 14 f. 62 Vgl. zum folgenden das Zitat bei Landmann/Rohmer a.a.O. und die umfangreichen Nachweise bei Baring in FischersZ Bd. 72, 1 (10 ff.).
I. 4. Gewerberecht
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allein den gewöhnlichen Bestimmungen des Zivilrechtes ihren Lauf nehmen lassen und keine speziellen Geschäftsfähigkeitsregeln aufstellen wolle. Daher habe sich das normale Publikum bei einem Gewerbetreibenden genauso wie bei jedem anderen davon zu überzeugen, ob bei ihm die Geschäftsfähigkeit vorliege. Die mangelnde Geschäftsfähigkeit sei also kein Hinderungsgrund für die Zulassung zum Gewerbebetrieb. Folglich steht die Gewerbefreiheit, die durch § 1 GewO "jedermann" gewährt wird, auch dem Minderjährigen zu. In materieller Sicht steht also die fehlende Geschäftsfähigkeit weder der Zulassung zu einem erlaubnispflichtigen noch zu einem nur anzeigepflichtigen Gewerbe entgegen. 63 Im Vergleich zu den volljährigen Gewerbetreibenden wird die rechtliche Stellung des Minderj ährigen verschiedentlich modifiziert. Die wichtigste Abweichung stellt das durch verschiedene Normen gewährte Weiterführungsrecht des minderjährigen Erben dar. 64 Um wirtschaftliche Härten zu vermeiden, die durch den Tod des Betriebsinhabers eintreten, wird dem Minderjährigen das Privileg zugestanden, das Gewerbe ohne die an sich erforderliche Erlaubnis 65 auszuüben. 66 Er tritt damit in gewerberechtlicher Hinsicht an die Stelle des verstorbenen Erlaubnisinhabers. 67 Das Weiterführungsrecht endet mit dem Eintritt der Volljährigkeit, danach ist eine eigene Erlaubnis nötig. 68 Weitere Unterschiede bestehen im Ausschluß von der Ausbildungsberechtigung gemäß § 21 III Handw0 69 und der Anordnung der Nichtigkeit von KonkurrenzverbotenJo Darüber hinaus sah der inzwischen aufgehobene § 57 a I Nr. 3 Gew0 71 die Minderjährigkeit noch als einen fakultativen Versagungsgrund der Reisegewerbekarte an. Motiv dafür war der Schutz des Minderjährigen und der Sicherheit des Rechtsverkehrs wegen der beschränkten Geschäftsfähigkeit.72 Fuhr § 1 Anm. 4. Vgl. die §§ 46 II, III GewO, 4 I HandwO, 10 GaststG. 65 Bei nur anzeigepflichtigen Gewerben greift das Weiterführungsrecht nicht ein, da der minderjährige Erbe selbst als Gewerbetreibender auftreten kann. Vgl. Fröhler/ Kormann § 46 Rdnr. 2. 66 Fröhler/Kormann § 46 Rdnrn. 2, 3. 67 Salewski a.a.O., § 46 Rdnrn. 10 f. 68 MicheVKienzle § 10 GaststG Rdnr. 4. Die höhere Altersgrenze in § 4 I HandwO (Vollendung des 25. Lebensjahres) resultiert aus der Überlegung, daß der Minderjährige bis dahin selbst seine Meisterprüfung abgelegt haben kann, so daß er den Betrieb ohne unwirtschaftliche Zwischenlösungen betreiben kann. Vgl. EyermannlFröhler/ Honig § 4 Rdnr. 7. 69 Voraussetzung ist das Bestehen der Meisterprüfung und die Vollendung des 24. Lebensjahres, um die für die Ausbildung notwendige Reife zu gewährleisten. Vgl. Eyermann/Fröhler/Honig § 21 Rdnr. 10. 70 Vgl. § 133 f. II GewO; ähnliche Vorschriften stellen § 74 a II HGB und § 5 BBiG dar. 71 Durch Gesetz vom 25.7.1984 (BGBl. I S. 1008). 72 Vgl. zur alten Gesetzeslage: Fröhler/Kormann § 57 a Rdnr. 5. 63
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C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
Zur Begründung der Aufhebung wurde angeführt, daß der Tatbestand der Nicht-Volljährigkeit keine Bedeutung gehabt habe. Da die Gewerbekarte nun auf Lebenszeit erteilt werde, spreche gegen die alte Regelung auch, daß die zuständige Behörde zu Beginn der Tätigkeit nur zu einer Momentaufnahme in der Lage sei, die innerhalb kurzer Zeit unzutreffend werden könne.73 Damit .ergeben sich also keine Abweichungen mehr zu den Vorschriften des stehenden Gewerbes. 74 b) Die gewerberechtliche Handlungsfähigkeit
Das Problem der Handlungsfähigkeit stellt sich vor allem dann, wenn der Minderjährige gemäß den §§ 30 ff. GewO eine Gewerbeerlaubnis beantragen will, oder wenn er ein erlaubnisfreies Gewerbe gemäß § 14 GewO anzeigt. Da es sich im Fall der Erlaubnis bzw. der Konzessionserteilung um einen mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt handelt75 , ist die wirksame AntragsteIlung von der Handlungsfähigkeit gemäß § 12 VwVfG abhängig. Fraglich ist damit, ob öffentlich-rechtliche oder zivilrechtliche Vorschriften erkennbar sind, die den Minderjährigen als handlungsfähig anerkennen. Der Gewerbeordnung ist keine derartige Regelung zu entnehmen, da sie allein den Vorschriften des BGB ihren Lauf nehmen lassen will. Auch der allgemeine Grundsatz der Gewerbefreiheit verschafft dem Minderjährigen keine Handlungsfähigkeit. Allein die Tatsache, daß die Ausübung eines Gewerbes durch ihn im Verhältnis zum Staat grundsätzlich erlaubt ist, läßt in materieller Hinsicht das Erfordernis der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters nicht entfallen. Es kann im Bereich des Gewerberechts nämlich nicht von einem so hohen Maß an Eigenverantwortlichkeit und Reife des Minderjährigen ausgegangen werden, als daß die Gewährung der Handlungsfähigkeit durch den Staat mit den Belangen des Elternrechtes zu vereinbaren wäre. 76 Damit kann sich die Handlungsfähigkeit nur noch nach bürgerlichem Recht ergeben und zwar gemäß § 112 BGB durch eine Ermächtigung des gesetzlichen Vertreters, die zudem noch vom Vormundschaftsgericht genehmigt worden ist. Nicht unmittelbar erkennbar sind die Anforderungen, die an eine wirksame gewerberechtliche Anzeige zu stellen sind. Es stellt sich die Frage, ob sie auch nur unter den strengen Anforderungen des § 12 I Nr. 2 VwVfG i.V.m. § 112 Vgl. BT-Drucks. 10/1125, S. 14. Wenn aber bei einem minderjährigen Reisegewerbetreibenden Tatsachen vorliegen, die auf die fehlende Zuverlässigkeit hinweisen, bleibt es der Behörde unbenommen, die Reisegewerbekarte nach § 57 GewO zu versagen. 75 Vgl. Forsthoff S. 213; WolfflBachof I § 4811 a. 76 Vgl. zur Begründung A., 1.,3. und A., 11.,2. 73
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I. 4. Gewerberecht
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BGB wirksam abgegeben werden kann. Voraussetzung dafür wäre, daß die Anzeige ein Verwaltungsverfahren i.S.v. § 9 VwVfG auslöst. Die Eintragung in das Gewerberegister und die darüber gemäß § 15 GewO auszustellende Bescheinigung haben lediglich den Sinn, eine wirksame Gewerbeüberwachung zu ermöglichen.?7 So soll der Bestätigung nur eine Nachweisfunktion gegenüber einem eventuellen Ordnungswidrigkeitenverfahren gemäß § 146 GewO zukommen. Sie enthalte auch keine behördliche Entscheidung darüber, ob die Aufnahme des Gewerbes zulässig ist. Daraus ergibt sich, daß die für die Annahme eines Verwaltungs aktes erforderliche unmittelbare Rechtswirkung nach außen fehlt. 78 Es liegt also kein Verwaltungsverfahren i.S.v. § 9 VwVfG vor, so daß auch die Grundsätze des § 12 VwVfG zumindest nicht direkt angewendet werden können. Außerdem ist zu beachten, daß die Gewerbeanzeige nicht den verfahrensrechtlichen Willenserklärungen sondern den rechtsgeschäftsähnlichen Wissenserklärungen zuzurechnen ist. 79 Die angezeigte Gewerbeausübung wird registriert und zwar von Amts wegen, ohne daß es einer darauf gerichteten Willenserklärung des Anzeigenden bedarf.8° Sofern man die Anzeige für sich allein betrachtet, ist für ihre wirksame Abgabe die beschränkte Geschäftsfähigkeit ausreichend 81 und wegen ihres vermögensrechtlichen Bezuges auch erforderlich.8z Fraglich ist, wie sich das Fehlen einer wirksamen Ermächtigung zur Gewerbeausübung nach § 112 BGB auf die Gewerbeanzeige auswirkt. Man könnte die Auffassung vertreten, daß die Aufnahme des Gewerbes rechtswidrig ist und die Anzeige daher von den Behörden als unzulässig zurückzuweisen ist.8 3 Vgl. hierzu und zum folgenden: BVerwGE 38,160 (161). So im Ergebnis auch Fröhler/Kormann § 15 Rdnr. 2. Dagegen ist die Weigerung, eine Gewerbeanmeldung entgegenzunehmen und die vorgeschriebene Anzeige über ihren Empfang zu erteilen, als ein Verwaltungsakt anzusehen. So schon das Sächsische OVG, Jahrbuch 38,102 (103). 79 Vgl. dazu B., V., 2. 80 V gl. zur Behandlung der Gewerbeanzeige z. B. die Ausführungsanweisung zu § 14 GewO in Nordrhein-Westfalen v. 24.6.1980 MBl. NW 1980, S. 1694. Zuständig sind nach § 1 I i.V.m. Anlage III lfde. Nr. 1 der VO v. 10.12.1974 (GV NW S. 1558) die örtlichen Ordnungsbehörden. 81 Die Gewerbeanzeige ist mit keinen Verpflichtungen verbunden und der Minderjährige vermeidet mit ihr einen Verstoß gegen § 14611 Nr. 1 GewO wegen unterlassener Anzeige. Er erlangt durch sie also lediglich einen rechtlichen Vorteil analog § 107 BGB. Vgl. Marcks in Landmann/Rohmer § 15 Rdnr. 9; Fröhler/Kormann § 15 Rdnr. 6. 82 Vgl. B., V., 2.; a.A. Fuhr § 15 Rdnr. 9, der die Wirksamkeit der Anzeige eines Minderjährigen schon allein der Tatsache entnimmt, daß die Minderjährigkeit der Zulassung zum Gewerbe nicht entgegensteht. Vgl. zur Kritik dieser Auffassung C., 1.,4., b). 83 Diese Auffassung vertritt Baring in FischersZ Bd. 72, 1 (17). 77
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9 C.-R. Meyer
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C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
Dagegen spricht aber der beschränkte Normzweck des gewerberechtlichen Anzeigeverfahrens. Die Bescheinigung nach § 15 GewO hat nicht den Bedeutungsgehalt, daß die Aufnahme des Gewerbes zulässig ist84 oder daß eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung nachgewiesen worden ist. 85 Die Wirksamkeit der Anzeige ist also von der Zulässigkeit der Gewerbeaufnahme unabhängig. Die Behörde bleibt damit verpflichtet, auch dem Minderjährigen eine Bescheinigung nach § 15 GewO zu erteilen. Sie hat in diesem Fall allerdings das Vormundschaftsgericht von der Gewerbeaufnahme zu verständigen.86 5. Ausländer- und Asylrecht
Das Problem der Minderjährigkeit hat in jüngerer Zeit gerade im Ausländer- und Asylrecht die Wissenschaft und Praxis beschäftigt. Den Anlaß dafür gaben zumeist die Auswirkungen der Handlungsunfähigkeit auf das ausländerrechtliche Verfahren. Angesichts des hohen Anteils Minderjähriger an der Zahl der in der Bundesrepublik lebenden Ausländer8?, besitzt die Frage nach der Ausgestaltung ihrer materiellen Rechtsstellung eine besondere Bedeutung. 88 a) Das Aufenthaltsrecht des Minderjährigen
Bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres bereitet die Anwesenheit von ausländischen Kindern und Jugendlichen im Bundesgebiet keine speziellen ausländerrechtlichen Probleme, da sie gemäß § 211 Nr. 1 AuslG von dem Erfordernis der Aufenthaltserlaubnis befreit sind. Sie können bis dahin also ohne weiteres in die Bundesrepublik einreisen und sich bei ihren Eltern aufhalten.89 Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn sich kein Elternteil im Bundesgebiet aufhält. 9o 84 Nach Zf. 5.6. des Runderlasses v. 30.7.1980 (MBl. NW S. 1698) wird sogar für ein erlaubnispflichtiges Gewerbe die Bescheinigung erteilt, selbst wenn die Erlaubnis noch nicht vorliegt. 85 Vgl. Fuhr a.a.O. 86 Vgl. dazu auch Zf. 5.7. des zitierten Runderlasses. 87 Im Jahr 1984 waren von den insgesamt 4363600 Ausländern 338800 unter sechs Jahre alt, 275900 sechs bis zehn Jahre alt, 368500 zehn bis fünfzehn Jahre alt, 204300 fünfzehn bis achtzehn Jahre alt. Vgl. das Statistische Jahrbuch der Bundesrepublik Deutschland von 1984 S. 69. 88 Vgl. den Überblick zur restriktiven Ausländerpolitik seit 1980: Schiedermair/Wollenschläger, Einl. Rdnrn. 61 ff. Die folgenden Ausführungen beziehen sich nicht auf minderjährige Ausländer aus EG-Staaten. Vgl. zu den dort geltenden Grundsätzen Huber Rdnrn. 403 ff. 89 Einschränkungen ergeben sich aber, wenn nur ein Elternteil in der Bundesrepublik lebt. Vgl. dazu Huber Rdnr. 84 m.w.N. 90 Vgl. Huber Rdnr. 75. Der Minderjährige unter sechzehn Jahren hat aber keinen Rechtsanspruch auf Einreise, sondern sein Aufenthalt in der Bundesrepublik steht im Hinblick auf § 10 I Nr. 10 AuslG im Ermessen der Ausländerbehörde.
I. 5. Ausländer- und Asylrecht
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Mit Erreichen der Altersgrenze ist ihre weitere Anwesenheit von der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis abhängig. Die Entscheidung darüber steht gemäß § 2 I S. 2 AuslG im pflichtgemäßen Ermessen der Ausländerbehörden. 91 Befand sich der Minderjährige schon vor der Vollendung des 16. Lebensjahres in der Bundesrepublik bei seinen Eltern, so wird das Ermessen aufgrund der Ausstrahlung des Art. 6 I GG und des Art. 8 MRK im Hinblick auf die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis reduziert sein. 92 Die Aufenthaltserlaubnis wird in diesem Fall gemäß § 7 II AuslG i.V.m. Zf. 3 der AuslVwV zu § 7 AuslG i.d.R. nur befristet erteilt; eine Befristung ist gemäß Zf. 4 III S. 4 AuslVwV zu § 7 AuslG dann nicht vorgesehen, wenn das Kind sich vor Vollendung des 16. Lebensjahres fünf Jahre ununterbrochen in der Bundesrepublik aufgehalten hat. 93 Heftig umstritten ist das Nachzugsrecht der 16 und 17jährigen Ausländer zu ihrer Familie. In dem Beschluß der Bundesregierung vom 2.12.1981 werden die Bundesländer gebeten, diese Personengruppe vom Familiennachzug auszuschließen. 94 Ob diese Praxis allerdings im Hinblick auf den durch Art. 6 I, II GG und Art. 8 MRK bezweckten Schutz der Familie und des elterlichen Erziehungsrechtes als verfassungskonform bezeichnet werden kann, erscheint fraglich. 95 b) Das Asylrecht des Minderjährigen Das Grundrecht auf Asyl gemäß Art. 16 II S. 2 GG steht auch dem minderjährigen Ausländer zu. 96 Unterliegt er in seinem Heimatland politischer Verfolgung, kann er sich also auf dieses Grundrecht berufen. 97 Dabei ist zu beachten, daß das Asylrecht des Minderjährigen gegenüber seinem Aufenthaltsrecht nach dem AuslG nicht subsidiär ist. 98 Problematisch bleibt damit nur noch die Rechtsstellung der Kinder von Asylbewerbern bzw. -berechtigten, die selbst nicht politisch verfolgt wurden. Da das AsylVfG gemäß § 1 II 91 Vg!. Zf. 6 AuslVwV zu § 2 AuslG (abgedruckt bei SchiedermairlWollenschläger 3. Teil D). 92 Zur Berücksichtigung des Art. 6 GG im einfach-gesetzlichen Aufenthaltsrecht vg!. Gusy, DÖV 1986, 321 ff. mit umfangreichen Nachweisen auf Rechtsprechung und Literatur. 93 Zu weiteren Einzelheiten vg!. weiter Kunz ZBlJR 1980, 153 f. 94 Der Beschluß ist abgedruckt bei SchiedermairlWollenschläger, Ein!. Rdnr. 63. Die Länder sind dieser Aufforderung weitgehend gefolgt. Vg!. für NW: RdErlaß v. 26.6.1982 (MB!. NW S. 1186) Zf. 1.2.1. 95 Huber hält das Nachzugsverbot für verfassungswidrig, vg!. Rdnrn. 77 ff. m.w.N. pro et contra in Fn. 94. 96 Roe11 S. 45. 97 Beachte dazu aber die Ausführungen zur asylrechtlichen Handlungsfähigkeit des Minderjährigen unter C., 1., 5., c). 98 Vg!. dazu BVerwG NVwZ 1987, 505.
9*
132
C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
AsylVfG nur die Rechtsstellung der Asylbewerber und nicht ihrer Angehörigen regelt, findet auf diese grundsätzlich das allgemeine Ausländerrecht Anwendung. 99 Bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres greift damit wieder die Privilegierung des § 211 Nr. 1 AuslG ein. Nach Erreichen dieser Altersgrenze bleibt das Nachzugsrecht regelmäßig ausgeschlossen, da dem Asylbewerber der Aufenthalt in der Bundesrepublik nur vorläufig gestattet ist. Die damit verbundene Trennung für die Zeit der Klärung der Asylberechtigung kann dem Asylbewerber regelmäßig zugemutet werden.1°o Auch die unanfechtbare Anerkennung der Asylbewerber räumt gemäß § 29 I AsylVfG lediglich dem Asylbewerber und nicht seinen Angehörigen einen Anspruch auf eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis ein. 101 Es ist aber anerkannt, daß der Familie des Asylberechtigten der Aufenthalt in der Bundesrepublik ebenfalls zu gestatten ist, sofern dagegen keine besonders schwerwiegenden Gründe sprechen. Die Rechtsgrundlage dieses Anspruches ist umstritten. Zum einen wird aus dem Grundsatz der Familieneinheit ein abgeleiteter Asylanspruch der Angehörigen konstruiert. Dieser soll ein eigenes, wenn auch vom Bestand des unmittelbaren Asylrechtes abhängiges Aufenthaltsrecht zur Folge haben.1 02 Nach zutreffender Ansicht folgt dieser Schutz nicht aus einem abgeleiteten Asylanspruch der Angehörigen, denn die Anerkennung als Asylberechtigter kann sich nur als Folge eigener politischer Verfolgung ergeben. I03 Den durch Art. 6 GG und Art. 8 MRK vermittelten Schutz der Familieneinheit, hat die Behörde aber i.R. ihrer Entscheidung über das Aufenthaltsrecht zu berücksichtigen. lo4 c) Die asylrechtliehe und die allgemeine ausländerrechtliche Handlungsfähigkeit
Mit § 6 AsylVfG hat die Handlungsfähigkeit Minderjähriger für das Asylverfahren eine konkrete gesetzliche Regelung erfahren. Nach Vollendung des Vgl. Huber Rdnr. 91. Vgl. zu den Ausnahmen, vor allem bei zu befürchtenden Repressionsmaßnahmen: Hailbronner Rdnrn. 953 ff.; Huber Rdnr. 92 m.w.N. 101 Huber Rdnr. 93. 102 So vor allem die ältere Rechtsprechung des BVerwG DÖV 1974, 784 (785) m.w.N.; BayVGH in BayVBl. 1980, 118 f.; v. Pollern in Beitz/Wollenschläger S. 243. 103 Vgl. BVerwG NVwZ 1987, 505. Nach Auffassung des BVerwG streitet aber eine (widerlegbare) Vermutung dafür, daß bei minderjährigen Kindern eines politisch Verfolgten die Gefahr einer eigenen politischen Verfolgung besteht. Siehe das BVerwG a.a.0.,507. 104 Vgl. dazu BVerwG DÖV 1983, 249 ff.; Gusy, Asylrecht Rdnr. 121; Hailbronner Rdnrn. 950 f.; VGH Baden-Württemberg InfAuslR 1986,196 ff. 99
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1. 5. Ausländer- und Asylrecht
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16. Lebensjahres werden sie als handlungsfähig i.S.v. § 12 I Nr. 2 VwVfG anerkannt, sofern sie nach Maßgabe des BGB weder geschäftsunfähig noch außer wegen ihrer Minderjährigkeit beschränkt geschäftsfähig sind.1 05 Sie können also selbst den Asylantrag gemäß § 7 AsylVfG stellen und auch Adressat der asylrechtlichen Entscheidung sein. Da der Anwendungsbereich des AsylVfG auf das asylrechtliche Verfahren begrenzt ist, hat § 6 AsylVfG für das allgemeine ausländerrechtliche Verfahren keine Bedeutung. Nach den Grundsätzen des § 12 VwVfG kann sich die Handlungsfähigkeit demnach nur nach bürgerlichem Recht oder nach sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften ergeben. Ausländische zivilrechtliche Vorschriften über die Geschäftsfähigkeit, die gemäß Art. 7 I EG BGB das Volljährigkeitsalter mit Wirkung für die Bundesrepublik vor das 18. Lebensjahr verlegen, gibt es nur ausnahmsweise. 106 Über Art. 7 111 S. 1 EG BGB werden die Minderjährigen unter den Voraussetzungen des § 113 BGB für alle Rechtsgeschäfte als geschäftsfähig anerkannt, die mit der Eingehung oder Aufhebung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses zusammenhängen. Soweit nachgewiesen werden kann, daß der Minderjährige mit Genehmigung seiner Eltern zur Arbeitsaufnahme in die Bundesrepublik eingereist ist, folgt daraus nach ganz herrschender Auffassung die Handlungsfähigkeit für das Aufenthalts- und sonstige öffentlich-rechtliche Verfahren.1°7 Äußerst umstritten ist die Beurteilung der Handlungsfähigkeit, wenn eine solche Genehmigung nicht nachgewiesen werden kann. Teilweise wird § 2 11 Nr. 1 AuslG die Gewährung der verfahrensrechtlichen Handlungsfähigkeit entnommen.1°8 Diese Vorschrift stellt aber nur eine Altersgrenze auf, nach deren Erreichen die natürliche Handlung des Aufenthalts in der Bundesrepublik nicht mehr grundsätzlich als erlaubt gilt. Unklar ist, ob § 211 Nr. 1 AuslG erweiternd dahin ausgelegt werden kann, daß dem Minderjährigen gleichzei105 Stellt ein Handlungsunfähiger einen unwirksamen Asylantrag und wird der ablehnende Bescheid unter Verstoß gegen § 12 VwVfG ihm persönlich bekanntgegeben, fehlt nach Auffassung des BVerwG das Rechtsschutzinteresse für eine auf Feststellung der Nichtigkeit gerichtete Klage. Sollte er im Verwaltungsverfahren nicht in der Lage gewesen sein, seinen Asylanspruch hinreichend zu begründen, so dürfe ihm das in bezug auf die zu erhebende Verpflichtungsklage nicht entgegengehalten werden. Vgl. BVerwG Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 80 m.w.N. 106 StaudingerlBeitzke Art. 7 EG BGB Rdnr. 20: Ausnahmen sind Sambia (16 Jahre) und Jordanien (17 Jahre). 107 So das BVerwG in ständiger Rechtsprechung: DÖV 1972, 797; NJW 1982, 539; DÖV 1985, 407; a.A. Huber Rdnr. 233, der sich dabei zu Unrecht auf die Rspr. des BVerwG beruft. Die Zustimmung zu einem Lehrvertrag reicht dabei in Anlehnung an die zivilrechtliche Dogmatik nicht aus. Vgl. das BayObLG VerwRspr. 1979,206. 108 So Borgs in MeyerlBorgs § 12 Rdnr. 5; VGH Baden-Württemberg in ESVGH 31, 314; OVG Lüneburg DVBI. 1982, 219; Kloesel/Christ § 2 Rdnr. 27, § 10 Rdnr. 24; Kunz, ZBIJR 1980,153 (164 ff.).
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C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
tig die rechtliche Handlungsfähigkeit zur Durchführung des nunmehr erforderlichen Aufenthaltsverfahrens zu übertragen wäre. 109 Für eine solche Auslegung soll das Erfordernis einer eigenen Aufenthaltserlaubnis sprechen, aus dem zu schließen sei, daß der Gesetzgeber dem 16jährigen die einem Volljährigen entsprechende Einsichts- und Entscheidungsfähigkeit auf diesem Gebiet zubillige. Es wird weiter darauf hingewiesen, daß die Handlungsfähigkeit immer zu bejahen sei, wenn ein übergeordnetes öffentliches Interesse an der Erfüllung staatsbürgerlicher oder ordnungsrechtlicher Aufgaben bestehe. Das Erlaubnisverfahren diene aber gerade der ordnungsrechtlichen Frage, ob die Anwesenheit des Ausländers die Belange der Bundesrepublik beeinträchtige. Man könne daher nicht hinnehmen, daß eine Verfügung gegen den Minderjährigen ausgeschlossen sei. Diese auf rechtspolitische- und Praktikabilitätserwägungen gestützte Auffassung verstößt jedoch gegen das in § 12 VwVfG niederlegte Minderjährigenschutzprinzip. In § 2 I Nr. 1 AuslG ist lediglich die Beseitigung der Privilegierung der bis zu 16 Jahre alten Ausländer zu sehen. lIo Es kann auch keine mit Volljährigen vergleichbare Einsichtsfähigkeit der Minderjährigen angenommen werden, da sie regelmäßig mit der Durchführung des gesamten Rechtsverkehrs überfordert sind. Diese Unreife darf nicht zulasten der Minderjährigen durchschlagen, nur um eine schnellere und reibungslosere Abwicklung des ausländerrechtlichen Verfahrens zu ermöglichen. Soweit es dadurch zu Verzögerungen kommt, daß die Eltern nicht greifbar sind, muß das aus Gründen des Minderjährigenschutzes hingenommen und eine Ergänzungspflegschaft gemäß § 1909 BGB beantragt werden. lll Aus dem Erfordernis einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 2 I Nr. 1 AuslG folgt die Handlungsfähigkeit also nicht. 112 Der minderjährige Ausländer ist damit für das aufenthaltsrechtliche Verfahren außer im Fall des § 113 BGB als handlungsunfähig anzusehen. Trotz seines unwirksamen Antrages hat sein Aufenthalt bis zum Abschluß eines neuen Verfahrens mit ordnungsgemäßer Vertretung analog § 21 AuslG als erlaubt zu gelten. 1l3
Vgl. zu dieser Auslegungsfrage B., II., a.E. BVerwG NJW 1982, 539. 111 Vgl. dazu B., II., 2., b), aa), (1), (a). 112 So das BVerwG a.a.O; OVG Hamburg InfAuslR 1982, 178; BayObLG in BayVBI. 1978,770; OVG Berlin in MDR 1979, 522; Huber Rdnr. 233. 113 Offen gelassen vom OVG Hamburg DVBI. 1982, 218; eine andere Auslegung würde den durch § 12 VwVfG bezweckten Schutz des Minderjährigen in sein Gegenteil verkehren. 109
110
I. 6. Staatsangehörigkeitsrecht
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6. Staatsangehörigkeitsrecht
Das Staatsangehörigkeitsrecht1l4 enthält vielfache Regelungen, die sich mit der Minderjährigkeit des Staatsangehörigkeitsbewerbers bzw. des Staatsangehörigen befassen. Das RuStAG115 stellt darüber hinaus eigene Vorschriften über die Handlungsfähigkeit auf, die im Hinblick auf die passive Verfahrensfähigkeit Auslegungsschwierigkeiten aufwerfen. a) Die Berücksichtigung der Minderjährigkeit i.R. der Erwerbs- und Verlusttatbestände der Staatsangehörigkeit
Ein Kind kann die deutsche Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes 116 gemäß den §§ 4 - 6 RuStAG, aufgrund eines besonderen Antrages gemäß den §§ 8 10 RuStAG oder durch Erstreckungserwerb gemäß den §§ 6 S. 2, 16 RuStAG erlangen. Im ersten Fall ist zu beachten, daß die deutsche Staatsangehörigkeit durch Adoption nach § 6 RuStAG nur von minderjährigen ausländischen Kindern erworben werden kann,117 Dagegen bewirkt die nach deutschen Gesetzen wirksame Legitimation auch eines volljährigen Kindes durch einen Deutschen die deutsche Staatsangehörigkeit. Im Rahmen der antragsbedingten Einbürgerung stehen die minderjährigen Ehegatten Deutscher gemäß § 9 III RuStAG den Volljährigen gleich. l18 Das nichteheliche Kind eines Deutschen hat gemäß § 10 RuStAG nach Feststellung der Vaterschaft und nach dreijährigem rechtmäßigen Aufenthalt 114 Nicht eingegangen wird auf das Problem der deutschen Volkszugehörigkeit und die rechtliche Fähigkeit des Minderjährigen, sich zum deutschen Volkstum zu bekennen. Vgl. dazu Schroer, BayVBI. 1973,148 ff., 177 ff. m.w.N. 115 Vgl. zur rechtlichen Handlungsfähigkeit des Minderjährigen nach den §§ 14, 15 des 1. Gesetzes zur Regelung von Staatsangehörigkeitsfragen vom 22.2.1955 (BGBI. I S. 65 i.d.F. v. 18.7.1979, BGBI. I S. 1061) Makarov/v. Mangoldt, § 141. StAngRegG Rdnrn. 1 ff. Diese Vorschriften entsprechen seit der Herabsetzung des Volljährigkeitsalters auf 18 Jahre der allg. Regelung der Handlungsfähigkeit nach § 12 VwVfG und begünstigen die Ausländer, in deren Heimatland ein höheres Volljährigkeitsalter besteht. Aufgrund dieser Begünstigung sind die §§ 14, 15 des 1. StAngRegG auch analog auf die Erklärungen nach dem 2. StAngRegG v. 17.5.1956 (BGBI. I S. 431 i.d.F. v. 18.7.1979, BGBI. I S. 1061) anzuwenden. 116 Der wichtigste Fall ist der durch Geburt: - als eheliches Kind, wenn ein Elternteil Deutscher ist gern. § 4 I Nr. 1 RuStAG und - als uneheliches Kind, wenn seine Mutter Deutsche ist gern. § 4 I Nr. 2 RuStAG. 117 Die Minderjährigkeit bedeutet hier das Andauern der elterlichen Sorge und ist unter Heranziehung des Art. 7 I EG BGB nach dem Heimatrecht des adoptierten Ausländers zu beurteilen. Vgl. dazu mit eingehender Begründung und umfangreichen Nachweisen Makarov/v. Mangoldt § 6 RuStAG Rdnrn. 20 ff. 118 Sie werden also unter den gleichen Voraussetzungen eingebürgert wie Volljährige. Vgl. Makarov/v. Mangoldt § 9 RuStAG Rdnr. 32.
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C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
im Inland einen zwingenden Anspruch auf Einbürgerung.1 19 Ein Erstrekkungserwerb der Staatsangehörigkeit ist für die Abkömmlinge des minderjährigen Adoptierten gemäß § 6 S. 2 RuStAG vorgesehen. Gleiches ergibt sich gemäß § 16 II RuStAG für die minderjährigen Kinder eines Eingebürgerten. Die Einbürgerungsurkunde darf im letzten Fall allerdings keinen entsprechenden Vorbehalt enthalten. 120 Im Rahmen des Verlustes der Staatsangehörigkeit findet die Minderjährigkeit außer in den speziellen Vorschriften über die rechtliche Handlungsfähigkeit mit den §§ 19, 24 IV RuStAG keine von den Volljährigen abweichende rechtliche Regelung. b) Die Handlungsfähigkeit in Staatsangehörigkeitsfragen
Die Handlungsfähigkeit auf dem Gebiet des Staatsangehörigkeitsrechts unterliegt einer umfangreichen Regelung durch das RuStAG. Die Wirksamkeit des Einbürgerungsantrags ist gemäß § 8 I Nr. 1 RuStAG an die volle Geschäftsfähigkeit des Antragstellers geknüpft. 121 Für die 16 - 18jährigen gilt gemäß §§ 8 I Nr. 1 i.V.m. 7 II RuStAG, daß ihr Antrag von der Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters abhängig ist. Diese Vorschrift verdrängt die Regelung des § 12 VwVfG, die nur die volle Handlungsfähigkeit oder aber die Handlungsunfähigkeit kennt.l 22 Bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres hat der gesetzliche Vertreter für den Minderjährigen den Antrag zu stellen. Soll der minderjährige Ehegatte eines Deutschen eingebürgert werden, fallen in dem darauf gerichteten Verwaltungsverfahren die Beschränkungen der Handlungsfähigkeit weg. Er steht gemäß § 9 III RuStAG einem Volljährigen gleich.1 23 Gegen den leichtfertigen Verlust der Staatsangehörigkeit durch Entlassung oder einseitigen Verzicht wird der Minderjährige durch die §§ 19 und 26 IV RuStAG geschützt. Solange die elterliche Sorge andauert, kann die auf den Verlust der Staatsangehörigkeit gerichtete Erklärung nur vom gesetzlichen Vertreter abgegeben werden. Gibt der gesetzliche Vertreter seine Staatsange119 Der Einbürgerungsantrag muß jedoch vor Vollendung des 23. Lebensjahres gestellt werden. 120 Die amtlichen Formblätter sind aufgrund einschlägiger Verwaltungsvorschriften ausnahmslos mit einem solchen Vorbehalt versehen. Vgl. dazu und zur rechtlichen Bewertung dieses Vorgehens Makarov/v. Mangoldt § 16 Rdnr. 36. 121 Diese kann sich sowohl nach ausländischem wie nach deutschem Recht ergeben. Es gilt insoweit das GÜnstigkeitsprinzip. 122 Siehe dazu schon B., III., 5.; außerdem Makarov/v. Mangoldt § 7 RuStAG Rdnr. 2. 123 Vgl. Makarov/v. Mangoldt § 9 RuStAG Rdnr. 32.
11. 1. Wehr- und Zivildienstverhältnis
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hörigkeit nicht gleichzeitig mit auf, bedarf die Erklärung der Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht,124 Die Vorschriften der §§ 7, 8, 19,26 IV RuStAG betreffen direkt nur die Regelung der Wirksamkeit des Einbürgerungs- oder des Entlassungsantrages bzw. des Verzichtes. Für die Fälle der Handlungsunfähigkeit verbleibt es damit i.R. der passiven Handlungsfähigkeit bei der Regelung des § 12 VwVfG. Damit ist der Verwaltungsakt dem gesetzlichen Vertreter bekanntzugeben. l25 Das gilt auch dann, wenn der Minderjährige im Hinblick auf die AntragsteIlung über die beschränkte Handlungsfähigkeit verfügt.1 26
11. Sonderrechtsverhältnisse 1. Wehr- und Zivildienstverhältnis Da die Wehrpflicht gemäß Art. 12 a I GG i.V.m. § 1 I WPflG erst mit der Vollendung des 18. Lebensjahres beginnt, kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß der Soldat bzw. der Zivildienstleistende nach Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer volljährig ist. In den letzten Jahren hat das Problem der Minderjährigkeit in beiden Bereichen jedoch wieder erheblich an Bedeutung gewonnen. So hat die relativ hohe Jugendarbeitslosigkeit den Gesetzgeber dazu veranlaßt, die vorzeitige Ableistung des Grundwehrdienstes schon vor dem Erreichen der Volljährigkeit zu gestatten. l Jugendliche, die nach Abschluß ihrer Schulausbildung oder einer Lehre keinen Arbeitsplatz finden, besitzen damit gemäß § 5 I S. 5 WPflG die Möglichkeit, die anfallende Wartezeit mit der Ableistung des Grundwehrdienstes zu überbrücken. Im Rahmen des Zivildienstes wird seit dem Erlaß des KDVNG2 das Interesse des noch Minderjährigen anerkannt, über die Möglichkeit der Kriegsdienstverweigerung Klarheit zu erhalten.
a) Die vorzeitige Ableistung des Grundwehrdienstes Aus § 5 I S. 5 WPflG ergibt sich, daß die Ableistung des Grundwehrdienstes an die Vollendung des 17. Lebensjahres geknüpft ist. Dieses stellt eine AbweiAuch diese Vorschriften verdrängen die allgemeine Vorschrift des § 12 VwVfG. Durch die wirksame Verzichts erklärung erlischt die Staatsangehörigkeit unmittelbar, ohne daß es eines weiteren Entlassungsaktes bedarf. 126 Vgl. zur Begründung B., 111., 5. 1 Vgl. dazu die Begründung zum WPflG BT-Drucks. 9/1897, S. 12,13. 2 Das KDVNG ist durch Gesetz v. 5.6.1986 (BGBL 1 S. 850) über den 30.6.1986 bis zum 31.12.1990 verlängert worden. 124 125
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C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
chung zur Rechtslage vor der Novellierung des WPflG im Jahre 1983 dar, nach der ein Eintritt in die Bundeswehr vor Vollendung des 18. Lebensjahres lediglich im Falle eines Zeitsoldaten3 und nicht aufgrund der Erfüllung der Wehrpflicht möglich war. 4 Voraussetzung für ein vorzeitiges Dienen ist gemäß § 5 I S. 5 WPflG ein darauf gerichteter Antrag des Minderjährigen. 5 Nach der speziellen Regelung in § 5 I S. 5 WPflG ist die Wirksamkeit des Antrages auf vorzeitiges Dienen im Fall eines Minderjährigen von der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters abhängig. 6 Daneben muß auch noch die vorzeitige Musterung des Minderjährigen begehrt werden. Für diesen Antrag und das weitere Musterungsverfahren wird der Minderjährige durch § 19 V WPflG neben seinem gesetzlichen Vertreter als handlungsfähig anerkannt. 7 Die Gefahr sich widersprechender Verfahrens- und Prozeßhandlungen von Minderjährigem und gesetzlichem Vertreter kann hier nicht auftreten, da es zu einer vorzeitigen Musterung des Minderjährigen nur noch dann kommen kann, wenn der gesetzliche Vertreter mit dem vorzeitigen Dienen einverstanden ist. Der daraufhin gemäß § 21 WPflG erfolgende Einberufungsbescheid ist gemäß § 44 I S. 5 WPflG dem Minderjährigen zuzustellen.8 Diese Einberufung zur vorzeitigen Ableistung des Grundwehrdienstes ist als ein mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt anzusehen. Daher stellt sich die Frage, ob ein wirksames Wehrdienstverhältnis auch dann zustandegekommen ist, wenn die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters zum vorzeitigen Dienen i.S.v. § 5 I S. 5 WPflG im Einzelfall nicht vorlag. Die Beantwortung Vgl. dazu die §§ 7 11,11 I 1, 18 11,24 11 SLV. Hahnenfeld/Boehm-Tettelbach § 5 Rdnr. 6. 5 Vorher muß bei den Meldebehörden die vorzeitige Erfassung beantragt werden, damit die Eintragung in die Wehrstammrolle erfolgen kann. Dieser Antrag ist bei Minderjährigen von der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters abhängig. Vgl. zu den Einzelheiten vor allem Zf. 16 Nr. 3 der allgemeinen Verwaltungsvorschriften über die Erfassung der Wehrpflichtigen v. 21.8.1968 (GMBI. S. 235). 6 Der Antrag kann schon vor Vollendung des 17. Lebensjahres gestellt werden, sofern das erforderliche Alter bei Dienstbeginn erreicht ist. Vgl. HahnenfeldlBoehmTettelbach a.a.O. Vgl. im übrigen zur Bedeutung der beschränkten Handlungsfähigkeit nach öffentlichem Recht und zu den verfahrensrechtlichen Auswirkungen: B., IH., 5. 7 Vgl. zu dieser Verfahrenssituation schon B., II., 2., a), bb). Der Minderjährige ist im Verhältnis zum gesetzlichen Vertreter kein "Dritter" i.S.v. § 65 VwGO, so daß er bei einem vom gesetzlichen Vertreter angestrengten Prozeß nicht notwendig beizuladen ist. Vgl. BVerwG Buchholz 448.0 § 19 WPflG Nr. 6. Über ein und denselben Anspruch können nicht zwei Sachentscheidungen der Wehrbehörden begehrt werden. Vgl. BVerwG Buchholz 448.0 § 19 WPflG Nr. 9. 8 Alle Zustellungen nach dem WPflG haben an den Minderjährigen direkt zu erfolgen. Das gilt auch dann, wenn die Zustellung auf einem Verfahren beruht, das der gesetzliche Vertreter angestrengt hat. Der gesetzliche Vertreter hat allerdings einen Anspruch auf Bekanntgabe dieser Verwaltungsakte. Vgl. BVerwG Buchholz 448.0 § 19 WPflG Nr. 10. 3
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II. 1. Wehr- und Zivildienstverhältnis
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hängt davon ab, ob die Einberufung wegen der unwirksamen Mitwirkungshandlung nichtig oder nur rechtswidrig aufhebbar ist. Die Einberufung zum Wehrdienst wird zu den schwerwiegenden Fällen der Statusveränderungen zu rechnen sein, in denen es auf die wirksame materielle Einverständniserklärung zum Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungs aktes ankommt. 9 Die Einberufung ist daher nichtig, so daß kein wirksames Wehrdienstverhältnis begründet worden ist.1 0 Der Minderjährige ist unverzüglich aus dem Wehrdienst zu entfernen. ll Liegt eine ordnungsgemäße Einberufung vor, erlangt der Minderjährige die Rechtsstellung eines aufgrund der Wehrpflicht dienenden Soldaten gemäß § 4 III WPflG.12 Ab diesem Zeitpunkt besitzt er damit die gleichen Rechte wie ein volljähriger Soldat. Er verfügt also über die Prozeßfähigkeit für Klagen aus dem Wehrdienstverhältnis gemäß § 59 SG.1 3 Das gleiche gilt für seine Fähigkeit, Beschwerde nach der WBO einzulegen 14 und diese gemäß § 1711 WBO weiter vor dem Truppendienstgericht zu verfolgen.1 5 Davon geht auch die WDO aus, die das weitere Verfahren regelt. So bestimmt § 84 I S. 3 WDO, daß einem minderjährigen Soldaten in einem Verfahren vor dem Truppendienstgericht auf jeden Fall ein Verteidiger zu bestellen sei. Daneben räumt § 126 I Nr. 1 WDO ihm neben seinem gesetzlichen Vertreter die Antragsberechtigung zur Wiederaufnahme des Verfahrens ein.
Vgl. zur Problematik des mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsaktes B., III., 4., c). A.A. Hahnenfeld/Boehm-Tettelbach § 4 Rdnr. 11, die ein wirksames Wehrdienstverhältnis annehmen. Der Einberufungsbescheid sei allerdings zu widerrufen, sofern die Behörde vom Fehler Kenntnis erhalte; wie hier: Scherer-Flor-Krekeler § 4 Anm. III 2 c, § 21 Anm. 17; Schwenk S. 29,38; entgegen Scherer-Flor-Krekeler § 21 Anm. I 7 ist die nichtige Einberufung nicht heilbar; siehe dazu B., III., 4., c). 11 Es handelt sich um keine Entlassung im rechtlichen Sinn, da diese immer ein wirksames Dienstverhältnis voraussetzt. Bis zur Entfernung liegt nur ein faktisches Dienstverhältnis vor. Der Minderjährige hat als de-facto-Soldat nur Rechte (z. B. geldliche Abfindung wegen des geleisteten Dienstes in Höhe der Bezüge) und keine militärischen Pflichten. Vgl. zu dieser Problematik Schwenk S. 32; Scherer-Flor-Krekeler § 21 Anm. 17; Scherer § 1 SG Rdnrn. 29 ff. IZ Vgl. dazu auch BT-Drucks. 9/1897 S. 13. 13 Man kann die Anerkennung der rechtlichen Handlungsfähigkeit auch auf eine analoge Anwendung des § 113 BGB auf das vorzeitig zustandegekommene Wehrdienstverhältnis stützen. So, allerdings für den Soldaten auf Zeit, das BVerwG in RiA 1969, 219 f. 14 Gemäß § 23 I WBO tritt das Beschwerdeverfahren an die Stelle des Vorverfahrens, sofern der Verwaltungsrechtsweg i.S.v. § 59 SG einschlägig ist. 15 Hat die Beschwerde eine Verletzung seiner Rechte oder eine Verletzung von Pflichten eines Vorgesetzten ihm gegenüber zum Gegenstand, so tritt gern. § 17 I, II WBO das Verfahren vor dem Truppendienstgericht an die Stelle des Verwaltungsrechtsweges gern. § 59 SG. 9
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C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
b) Kriegsdienstverweigerung als Voraussetzung für die Ableistung des Zivildienstes Die Ableistung des Zivildienstes als Alternative zum Grundwehrdienst i.S.v. Art. 12 a II GG ist gemäß den §§ 1, 2 KDVNG von der vorherigen Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer abhängig. Damit lassen sich zwei Rechtsbereiche unterscheiden - und zwar zum einen das Kriegsdienstverweigerungsverfahren und zum anderen das Zivildienstverhältnis. aa) Die Auswirkungen des Art. 4 III GG auf die Rechtsstellung des Minderjährigen im Kriegsdienstverweigerungsverfahren
Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung wird durch Art. 4 III GG grundrechtlich geschützt. Die Frage, wann dem Minderjährigen die einfach-gesetzliche Handlungsfähigkeit für die Ausübung dieses Grundrechts zusteht, ist seit dem Inkrafttreten des KDVNG am 1. 6. 1984 gesetzlich geregelt. So bestimmt § 2 IV KDVNG, daß der Antrag eines ungedienten Wehrpflichtigen frühestens sechs Monate vor Vollendung des 18. Lebensjahres zulässig ist. Diese Vorverlegung der Altersgrenze stellt zwar eine Verbesserung gegenüber der alten Gesetzeslage nach den §§ 25, 26 WPflG (a.F.) dar, die keine derartige Vorschrift enthielten. 16 Von den Interessenverbänden der Kriegsdienstverweigerer wird die mit § 2 IV KDVNG gewählte Altersgrenze immer noch für zu hoch gehalten. Zur Begründung wird oftmals angeführt, daß der Entschluß zur Kriegsdienstverweigerung ebenso wie die Wahl des religiösen Bekenntnisses eine Gewissensentscheidung im Bereich des Art. 4 GG sei. Da die Wahl des Bekenntnisses gemäß § 5 RelKEG schon dem 14jährigen zustehe, müsse dieses auch für das Recht auf Kriegsdienstverweigerung gelten. In Anbetracht dieser Kritik stellt sich die Frage, ob die Altersgrenze von 171J2 Jahren dem Selbstbestimmungsrecht des Minderjährigen gerecht wird. Die Ausübung des Grundrechtes auf Kriegsdienstverweigerung setzt zunächst eine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst voraus. Wann eine solche im Fall eines Minderjährigen angenommen werden kann, läßt sich nur individuell bestimmen. Die Altersgrenze von 14 Jahren in § 5 RelKEG kann man analog allenfalls als Richtschnur heranziehen.!7 16 So ist auch die große Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Wirksamkeit von Kriegsdienstverweigerungsanträgen zu verstehen, die bis zum 1. Juli 1983 gestellt wurden, um der in § 24 II ZDG festgelegten Verlängerung des Zivildienstes gegenüber dem Wehrdienst zu entgehen. Nach Auskunft der Bundesregierung (vgl. BT-Drucks. 10/1530) wurden im Jahre 1983 genau 19362 KDV-Anträge von oder für Personen unter 17V2 Jahren bis hin zum Säuglings alter (Babyanträge) abgegeben. Nach dem Grundsatzurteil des BVerwG v. 4.7.1986 Az.: 8 C 84.85 mußten die Minderjährigen spätestens am 1.7.1983 17V2 Jahre alt sein, um noch in den Genuß des kürzeren Zivildienstes zu kommen.
II. 1. Wehr- und Zivildienstverhältnis
141
Allein die Tatsache, daß der Minderjährige zu einer solchen Gewissensentscheidung in der Lage ist, bedingt grundsätzlich jedoch noch nicht das Recht, es verfahrensmäßig geltend zu machen. 18 Insoweit bliebe die Vertretung des Minderjährigen im KDV-Verfahren durch seinen gesetzlichen Vertreter im Hinblick auf seine Handlungsunfähigkeit i.S.v. § 12 VwVfG erforderlich.19 Da sich die Wirkung des KDV-Antrages ebenso wie im Fall der Petition 20 in der Ausübung des Grundrechtes erschöpft, wird man zusätzlich auch ein selbständiges Antragsrecht des Minderjährigen annehmen können. 21 Ein solcher - im Hinblick auf die Handlungsfähigkeit unbedenklicher Antrag setzt allerdings ein Rechtsschutzbedürfnis voraus. Dieses besteht erst dann, wenn ein gewisser Bezug zur Wehrpflicht gegeben ist, da das Grundrecht auf Kriegdienstverweigerung bewußt als Korrelat zur Wehrpflicht konzipiert worden ist. Die häufig zur Rechtslage vor Erlaß des KDVNG vertretene Auffassung, nach der das Rechtsschutzbedürfnis erst bei bestehender Wehrpflicht zu bejahen ist22 , geht zu weit. Eine solche Auslegung würde das Recht des zukünftigen Zivildienstleistenden mißachten, seine unmittelbare Zukunft zu gestalten. Dieses Recht wirkt sich aber nach Vollendung des 14. Lebensjahres noch nicht aus, so daß es einer Entscheidung über einen solchen Antrag nocht nicht bedarf.23 Das Rechtsschutzbedürfnis für einen solchen Antrag besteht darüber hinaus nur dann, wenn im Musterungsverfahren die Verfügbarkeit des Betroffenen festgestellt worden ist. 24 17 Das BVerwG a.a.O. hat die Frage offengelassen und zumindest einen 17lhjährigen für eine Gewissensentscheidung fähig gehalten. 18 Vgl. dazu B., VI. !9 Der gesetzliche Vertreter könnte diesen Antrag aber nicht gegen oder ohne den Willen des Minderjährigen stellen, da dieser die Gewissensentscheidung höchstpersönlich zu treffen hat. Vgl. zur Begründung B., VI., 4. Vgl. auch § 11 I KDVNG, der im Falle der Handlungsfähigkeit des Minderjährigen auch dem gesetzlichen Vertreter Verfahrensrechte einräumt. Wie hier: Fritz/Baumüller/Brunn § 11 Rdnr. 6. 20 Siehe dazu B., VI., 5. 2! So im Ergebnis auch das BVerwG a.a.O. Es beruft sich zur Begründung auf die dargestellte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. dazu B., VI., 3.) nach der die im Hinblick auf das einzelne Grundrecht erreichte Mündigkeit die Handlungsund Prozeßfähigkeit mit sich bringen soll. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt bei dieser Argumentation jedoch, daß dieser Schluß aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gerade nicht gezogen werden kann. Vgl. zur näheren Begründung B., VI., 3. 22 Vgl. den Bericht der Bundesregierung (BT-Drucks. 10/3936 S. 9); Kunze, NVwZ 1983, 595 ff. 23 Fritz/BaumüllerlBrunn § 2 Rdnr. 13 schlägt vor, den Antrag eines 17jährigen nicht zurückzuschicken, sondern liegenzulassen, bis die Wehrpflicht für ihn rechtlich relevant geworden ist.
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C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
Das KDV-Verfahre·n hat also primär nicht die offizielle Anerkennung des einzelnen als Pazifisten zum Ziel, sondern es soll nur die Frage klären, ob der sonst drohende Kriegsdienst aus Gewissensgründen verweigert werden darf. Der Gesetzgeber hat mit der Festlegung der Altersgrenze in § 2 IV KDVNG diesen Bezug zur Wehrpflicht erst sechs Monate vor Vollendung des 18. Lebensjahres angenommen und daraus als verfahrensrechtliche Konsequenz die Gewährung der einfach-gesetzlichen Handlungsfähigkeit gezogen. Dabei bleibt jedoch unberücksichtigt, daß der Minderjährige schon ab dem vollendeten 17. Lebensjahr mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters vorzeitig den Grundwehrdienst ableisten kann. 25 Besitzt der Minderjährige erst einmal die Rechtsstellung eines Soldaten, so verfügt er über die Möglichkeit, selbständig einen verfahrensmäßig wirksamen KDV-Antrag zu stellen. 26 Damit er sich nun nicht zur vorzeitigen Meldung zum Grundwehrdienst gezwungen sieht27 , um dann als Soldat den Kriegsdienst zu verweigern, hätte der Gesetzgeber die Altersgrenze analog zu § 5 I S. 5 WPflG auf das vollendete 17. Lebensjahr festlegen müssen. Denn der zukünftige Zivildienstleistende hat ein ebenso großes, persönliches Interesse 28 wie der zukünftige Grundwehrdienstleistende, eine bestehende Übergangszeit der Arbeitslosigkeit mit der Ableistung des Zivildienstes zu überbrücken. 29 Nach Auffassung des BVerwG fehlt zwar im allgemeinen das Rechtsschutzinteresse, wenn die Befreiung von einer noch nicht entstandenen Pflicht begehrt wird. Etwas anderes soll aber dann gelten, wenn der Antrag auf ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse gestützt werden kann. 3o Ein solches Inter24 Dieser Gedanke hat in § 2 V KDVNG seinen Niederschlag gefunden. Danach leitet das Kreiswehrersatzamt den KDV-Antrag erst nach Abschluß der Musterung an das Bundesamt weiter. Liegt ein Tatbestand der Wehrdienstunfähigkeit i.S.v. § 9 WPflG vor, bedarf es keiner Entscheidung über den KDV-Antrag. Vgl. dazu den Bericht der Bundesregierung (BT-Drucks. 10/3936 S. 9). 25 Den Bezug zur Möglichkeit des vorzeitigen Dienstes stellt ebenfalls das VG Köln NVwZ 1985, 217 (218) her. 26 Der erfolgreiche KDV-Antrag eines Soldaten hat gern. § 19 II S. 2 ZDG die Umwandlung des Wehrdienstverhältnisses in ein Zivildienstverhältnis zur Folge. Ein solches Vorgehen (vgl. dazu Steiniechner, NJW 1983,1827 (1828)) muß im Hinblick auf die Geltendmachung der zur Kriegsdienstverweigerung führenden Gewissensgründe als ein venire contra factum propium angesehen werden. Uber einen solchen Antrag würde gern. § 9 I KDVNG nicht das Bundesamt für Zivildienst, sondern die Ausschüsse für KDVentscheiden. 27 In diesem Fall würde es ihm wohl auch nicht mehr gelingen, seine Gewissensentscheidung LS. des Art. 4 III GG glaubwürdig darzulegen. 28 Vgl. im folgenden zum rechtlichen Schutz dieses Interesses. 29 Es sind keine Gründe ersichtlich, die im Hinblick auf das Gebot der Systemgerechtigkeit eine unterschiedliche Altersrege1ung rechtfertigen. 30 Vgl. BVerwG v. 4.7.1986 - BVerwG 8 C 84.85 S. 11 f. m.H.a. BVerwG Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 130 S. 19 (22). Es wirft die Frage auf, "ob sich Situationen denken lassen, in denen aus sachlichen Gründen - etwa weil davon eine fundamentale persön-
11. 1. Wehr- und Zivildienstverhältnis
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esse hat es in den Fällen anerkannt, in denen die Antragsteller durch die rechtzeitige AntragsteIlung bis zum 1.7.1983 der verlängerten Zivildienstzeit entgehen wollten. 3! Das Interesse der minderjährigen Arbeitslosen an einer sinnvollen Überbrückung der Arbeitslosigkeit wird man zumindest ebenso hoch einstufen müssen. Fraglich ist, wie dieses Interesse des minderjährigen Kriegsdienstverweigerers i.R. der bestehenden Gesetzeslage durchgesetzt werden kann. Zunächst müßte sich der Minderjährige vorzeitig erfassen und mustern lassen, damit seine Verfügbarkeit für den etwaigen Grundwehrdienst festgestellt wird. Als nächstes hätte die Stellung des KDV-Antrages durch ihn persönlich oder durch den gesetzlichen Vertreter zu erfolgen. Diesem verfahrensrechtlich wirksamen Antrag kann das Rechtsschutzbedürfnis im Falle der festgestellten Wehrdiensttauglichkeit aufgrund des dargestellten qualifizierten Rechtsschutzinteresses nicht mehr abgesprochen werden. Die Vorschrift des § 2 IV KDVNG ist daher verfassungskonform dahingehend auszulegen, daß ein KDV-Antrag bei bestehender Arbeitslosigkeit schon nach Vollendung des 17. Lebensjahres wirksam gestellt werden kann. bb) Die Rechtsstellung im Zivildienst
Das für die Ableistung des Zivildienstes in Betracht kommende Lebensalter beträgt gemäß § 24 I ZDG höchstens 28 Lebensjahre und wird nach unten nur durch die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer begrenzt.32 Sofern nach Durchführung eines vorzeitigen Musterungsverfahrens ein vollständiger KDV-Antrag vorliegt 33 , kann beim Bundesamt für Zivildienst von einer durchschnittlichen Verfahrens dauer von einem Monat ausgegangen werden. 34 Aufgrund dieser relativ kurzen Verfahrensdauer kann es also durchaus dazu kommen, daß schon ein Minderjähriger als Kriegsdienstverweigerer anerliehe Entscheidung abhängt - ausnahmsweise ein vorzeitiger Anerkennungsantrag schutzwürdig gestellt (und eine vorzeitige Entscheidung verlangt) werden kann". 31 Dieses qualifizierte Rechtsschutzinteresse hat es aber nicht schon im Fall der "Grundrechtsmündigkeit", sondern analog zu § 2 IV KDVNG erst 6 Monate vor Vollendung des 18. Lebensjahres bejaht. 32 Brecht § 24 Anm. 1. 33 Nach Auskunft des Bundesamtes für den Zivildienst (Aug. 1986) ist von der Möglichkeit einer vorzeitigen Musterung zum Zweck der vorzeitigen Ableistung des Zivildienstes bisher kein Gebrauch gemacht worden. Daher sei es in der bisherigen Anerkennungspraxis nach dem KDVNG noch nicht zur Anerkennung eines Minderjährigen als Kriegsdienstverweigerer oder gar zu dessen Einberufung zum Zivildienst gekommen. 34 Vgl. zur Dauer des Verfahrens den Bericht der Bundesregierung (BT-Drucks. 10/ 3936 S. 11).
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C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
kannt wird und damit zum Zivildienst gemäß § 19 ZDG einberufen werden kann. 35 Auch der minderjährige Zivildienstleistende ist - wie der minderjährige Soldat - selbständig rechtlich handlungsfähig. Das gilt sowohl für das auf die Feststellung seiner Verfügbarkeit für den Zivildienst i.S. der §§ 7 - 16 ZDG gerichtete Verfahren als auch für innerdienstliche Rechtsstreitigkeiten wie das Antrags- und Beschwerderecht i.S.v. § 41 ZDG und die Einlegung von Rechtsmitteln. Lediglich i.R. der Verfügbarkeit für den Zivildienst räumt § 76 ZDG dem gesetzlichen Vertreter neben dem Minderjährigen selbständige Verfahrensrechte ein. 2. Schulverhältnis
Mit dem Abschied vom besonderen Gewaltverhältnis36 hat der grundrechtliche Schutz der Rechtsposition des Schülers im Schulverhältnis37 als einem Rechtsverhältnis unumstrittene Anerkennung gefunden. 38 Damit stehen dem minderjährigen Schüler die Grundrechte nicht nur zu, sondern er kann sie auch und gerade in der Schule ausüben. Und umgekehrt bedarf es zu Eingriffen in die Grundrechtssphäre der Schüler stets einer gesetzlichen Grundlage. Diese Entwicklung hat immer mehr die Frage in den Vordergrund gestellt, wie die zur ordnungsgemäßen Aufrechterhaltung des Schulbetriebs erforderlichen Grenzen der Grundrechtsausübung zu bestimmen sind. Weitere Probleme ergeben sich daraus, daß zu den Beteiligten des Schulverhältnisses neben der Schule und den Schülern auch deren Eltern gehören. a) Rechte und Pflichten der Schüler
Eine grundlegende Prägung erfährt das Schulverhältnis durch das gemäß Art. 2 I GG geschützte Entfaltungsrecht des Schülers, das die Entwicklung seiner geistigen, seelischen und körperlichen Anlagen sichert. 39Aus diesem Grundrecht wird neben den einschlägigen Bestimmungen der Landesverfassungen wie z. B. Art. 8 I S. 1 nw LV ein Recht des Kindes auf Bildung hergeleitet. 40 Aus dem Abwehrrecht des Art. 2 I GG lassen sich jedoch nur in Aus35 Sämtliche Verwaltungsakte und damit auch die Einberufung sind gern. § 71 S. 1, 2. Halbs. ZDG dem Minderjährigen persönlich zuzustellen. 36 Grundlegend ist die "Strafvollzugsentscheidung" des BVerfG in BVerfGE 33, 1. 37 Im folgenden wird nur die öffentliche Schule nach nordrhein-westfälischem Recht behandelt. 38 Vgl. dazu Niehues Rdnrn. 30 ff., außerdem die Erklärung der Ständigen Konferenz der Kultusminister (KMK) v. 25.5.1973 (GMBI. S. 267) "Zur Stellung des Schülers in der Schule" unter 11. 39 Vgl. HeckellAvenarius S. 299. 40 Vgl. zum Recht auf Bildung: BVerwGE 47,201 (206); sehr kritisch dazu Erichsen, VerwArch 1976, 93 (103); Oppermann S. 85; Pieroth/Schürmann, Verwaltungsrund-
11. 2. Schulverhältnis
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nahmefällen originäre Leistungsrechte gegen den Staat herleiten. Außerdem wird das in den Landesverfassungen erwähnte Grundrecht auf Bildung gesetzlich nicht näher konkretisiert, so daß diese Bestimmungen nur als Verfassungsauftrag interpretiert werden können. 41 Ein subjektives Recht auf Bildung kann den verfassungsrechtlichen Bestimmungen daher nicht entnommen werden. Selbst wenn man ein Grundrecht auf Bildung bejahte, so könnte es originär allenfalls einen Minimalstandard von Bildungseinrichtungen gewähren. 42 Dem Minderjährigen steht jedoch als derivatives Leistungsrecht aus Art. 12 I i.V.m. Art. 3 GG ein Anspruch auf Zulassung zu den vom Staat geschaffenen Ausbildungseinrichtungen ZU. 43 Die Schüler können damit nicht verlangen, daß ihnen eine ihren individuellen Wünschen entsprechende Schule zur Verfügung gestellt wird. 44 Auch die freie Wahl zwischen den vom Staat angebotenen Ausbildungsstätten sichert nicht den Zugang zu einer bestimmten Schule, sondern nur zu einer bestimmten Schulform. 45 Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht die grundrechtliehe Gewährleistung eines bestimmten Schultyps abgelehnt. 46 Für ausreichend wird eine effektive Wahlmöglichkeit erachtet, die - unabhängig von der jeweiligen Organisationsform - den verschiedenen Begabungsrichtungen der Schüler gerecht wird. 47 In § 25 I, II SchVG i.V.m. den §§ 36, 37 ASchO wird ausdrücklich festgelegt, daß den Schülern die Ausübung der Meinungs- und Pressefreiheit48 auch innerhalb des Schulbetriebes49 zusteht. 50 Die kollektive Mitwirkung der Schüler an der Gestaltung des Schulbetriebes wird durch § 12 SchMG gewährleistet. Das Entfaltungsrecht des Schülers kann in der Schule aber nicht unbeschränkt gelten. Zum einen wird es durch die Schranke der "Rechte anderer" i.S.v. Art. 2 I, 2. Halbs. GG, also vor allem durch die der Mitschüler und der schau 1981, 373 (374). Das Bundesverfassungsgericht hat in BVerfGE 53, 185 (203) das Bestehen eines Grundrechts auf Bildung ausdrücklich offengelassen. 41 Vgl. insoweit Erichsen a.a.O. 42 So Niehues Rdnr. 207; BVerwG DÖV 1979, 911. Das Recht auf Bildung könnte also keine konkreten Ansprüche gegen den Staat sichern. 43 Stein, Staatsrecht, § 19 I; Oppermann S. 91. 44 Niehues a.a.O. mit Hinweis auf das BVerwG MDR 1975, 605. 45 Niehues Rdnr. 208; OVG NW NJW 1976, 725. 46 BVerfGE 53, 185 (197) (Gymnasium). 47 Vgl. Niehues Rdnr. 147 c. 48 Vgl. zu den Möglichkeiten und Grenzen der Schülerpresse Jarass, DÖV 1983, 609 m.w.N. 49 Auf das außerschulische Verhalten des Schülers hat die Schule grundsätzlich keinen Einfluß. Vgl. dazu Heckel/Avenarius S. 372. 50 Zur Beeinflussung des Versammlungsrechtes durch die allgemeine Schulpflicht vgl. C., 1., 2. a.E. 10 C.·R. Meyer
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C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
Lehrer begrenzt. Weiterhin folgt aus der in Art. 7 GG festgelegten staatlichen Schulhoheit und dem damit verbundenen Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule, daß sich der Schüler den allgemeinen Organisationsformen und Ordnungsmechanismen des Schulbetriebes anzupassen hat. 51 Eine besondere Rolle spielen die grundrechtsrelevanten Disziplinarmaßnahmen wie der schriftliche Verweis durch die Klassenkonferenz oder die Androhung der Entlassung von der Schule. 52 Sie bedürfen einer speziellen, formell-gesetzlichen Grundlage, die in NW mit § 26 a SchVG vorliegt. 53 Die Ausübung der Meinungsfreiheit54 wird gemäß § 25 III SchVG i.V.m. § 36 III ASchO speziell durch den Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule und die Rechte anderer eingeschränkt.55 Ob eine Meinungsäußerung in der Schule danach zu dulden ist, kann nur im Einzelfall entschieden werden. Als abstrakte Kriterien werden die Stellungnahme zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung, das Verhältnis zum Grundsatz gegenseitiger Toleranz, die Form und die zu erwartenden Reaktionen der Mitschüler genannt. 56 Da der Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule gerade in der Hinführung zur Mündigkeit besteht, darf die Grenze der Meinungsfreiheit nicht zu früh angesetzt werden. Es ist jedoch sicherzustellen, daß die parteipolitische Neutralität der Schule, der ungestörte Schulbetrieb und der Schulfriede unbeeinträchtigt bleibenY Diesen umfangreichen Rechten des Schülers stehen auch Pflichten gegenüber. Als Hauptpflicht ist die im SchpflG niedergelegte allgemeine Schulpflicht anzusehen. Weiter ist die Pflicht zur regelmäßigen Teilnahme am Unterricht gemäß § 8 I ASchO zu nennen. 58 51 Vgl. hierzu Niehues Rdnr. 34, 219; HeckellAvenarius S. 370; hierzu werden die im Unterricht oder zur Aufrechterhaltung der Ordnung des Schulbetriebes notwendigen Weisungen des Schulleiters oder der Lehrer gezählt. Diese allgemeine, auch in den §§ 25 III Sch VG und 3 IV Nr. 2 ASchO zum Ausdruck kommende Ermächtigung ist für diese Maßnahmen ausreichend, da sie keine rechtsrelevanten Einschränkungen der allgemeinen Persönlichkeitssphäre darstellen. Vgl. dazu auch Niehues Rdnr. 180. 52 Siehe dazu Niehues a.a.O. 53 § 26 aSch VG enthält eine detaillierte Regelung der Anwendung von Ordnungsrnaßnahmen. 54 Die Gerichte wurden mit diesem Grundrecht vor allem in der Form des Plakettentragens konfrontiert. Vgl. dazu HeckellAvenarius S. 375 mit umfangreichen Nachweisen auf Rechtsprechung und Literatur. 55 Diese Begrenzung der Meinungsfreiheit begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, da eine formellgesetzliche Grundlage gegeben ist. Das gleiche gilt gern. § 25 II, III SchVG für die Begrenzung der Pressefreiheit. 56 Vgl. Kästner, DÖV 1977, 500 (506). 57 Vgl. Heckel/Avenarius a.a.O. Das Tragen von politischen Plaketten erreicht diese Intensität im allgemeinen nicht. Es ist aber zu beachten, daß dem Grundrecht der Schüler auf freie politische Meinungsäußerung die Rechte der anderen Schüler und deren Eltern gegenüberstehen, die politische Beeinflussungen ablehnen. Vgl. dazu den BayVerfGH NJW 1982, 1089 f.
11. 2. Schulverhältnis
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Neben den dargestellten allgemeinen Verhaltenspflichten59 , trifft den Schüler damit auch die Pficht zur aktiven Mitarbeit im Unterricht. 60 b) Die rechtliche Stellung des Schülers, insbesondere bei Konflikten mit der Schule
Im Schulalltag kann es zu mancherlei rechtlichen Störungen zwischen Schüler und Schule kommen. Damit stellt sich die Frage, wie der Schüler reagieren kann, wenn er sich durch eine schulische Maßnahme im Einzelfall ungerecht behandelt fühlt. Zunächst verfügt er gemäß § 50 I ASchO über die Möglichkeit, auftretende Meinungsverschiedenheiten im Wege der Aussprache beizulegen. Schlägt dieser Versuch fehl, gewährleistet § 50 II ASchO das Recht, sich beim Schulleiter zu beschweren. Kommt es bei der Redaktion einer Schülerzeitung zu rechtlichen Problemen, so sieht § 37 IV ASchO die Anrufung eines Vermittlungsausschusses VOr. 61
Vom formlosen Rechtsbehelf der Aufsichtsbeschwerde wird der Minderjährige durch § 50 III S. 1 ASchO ausgeschlossen, da dieses nur dem Erziehungsberechtigten oder dem volljährigen Schüler zustehen soll. Dieser Ausschluß des Minderj ährigen verstößt gegen Art. 17 GG. Dieses Grundrecht sichert auch ihm die Befugnis zu, sich mit seiner Beschwerde an die zur Aufsicht berufene, nächsthöhere Stelle zu wenden. 62 Da dem Minderjährigen trotz seiner inhaltlichen Handlungsfähigkeit bzgl. der einzelnen Grundrechte die verfahrensrechtliche Handlungsfähigkeit versagt bleibt63 , wird er - wie es auch in § 50 IV ASchO zum Ausdruck kommt bei der Einlegung von förmlichen Rechtsbehelfen durch seinen gesetzlichen Vertreter vertreten. Die verfahrensrechtliche Handlungsunfähigkeit führt auch dazu, daß dem Minderjährigen gegenüber zu erlassende Verwaltungsakte, wie z. B. die Entscheidung über eine Nichtversetzung, den gesetzlichen Vertretern bekanntzu58 Regelmäßige Teilnahme heißt ununterbrochener Besuch des gesamten Unterrichts. Die Teilnahmepflicht besteht auch für Schüler, die nicht mehr schulpflichtig sind, aber noch eine Schule besuchen. Die sogenannten Schülerstreiks verstoßen gegen diese Teilnahmepflicht und sind daher rechtswidrig. Vgl. dazu die zitierte KMK-Erklärung v. 25.5.1973 unter III und IX. 59 Vgl. dazu auch die Aufzählung in § 3 IV Nr. 1-5 ASchO. 60 HeckeIlA venarius S. 369. 61 Die Schülerredaktion behält gern. § 37 IV S. 3 ASchO die letztendliche Entscheidungsbefugnis über die Veröffentlichung. Bei einem Verstoß gegen § 36 III ASchO müssen die Schüler allerdings damit rechnen, daß der Vertrieb der Schülerzeitung auf dem Schulgrundstück gern. § 37 V S. 1 ASchO untersagt werden kann. 62 V gl. zur Begründung B., VI., 5. 63 V gl. dazu B., VI.
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C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
geben sind. 64 Etwas anderes muß jedoch für Ordnungsrnaßnahmen gelten, die diese Intensität nicht erreichen. So verfügt der Minderjährige für solche Verwaltungsakte über die passive Handlungsfähigkeit, die im Schulbetrieb zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Disziplin erlassen werden. 65 Diese Gewährung der Handlungsfähigkeit kann man auf die Überlegung stützen, daß solche Ordnungsrnaßnahmen örtlich und zeitlich in den Schulbetrieb eingebunden sind und die Hinzuziehung der Eltern den Zweck der Maßnahme gefährden würde. Durch § 34 SchOG wird das Recht des religionsmündigen Schülers anerkannt, sich selbständig vom Religionsunterricht abzumelden. Mit dem Eintritt der Volljährigkeit fallen sämtliche Beschränkungen des minderjährigen Schülers weg. c) Einfluß des Elternrechtes
Der Gesetzgeber hat sich bei der Ausgestaltung des Schulverhältnisses in den §§ 38 ff. ASchO von der Zielvorstellung leiten lassen, eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Erziehungsberechtigten und der Schule zu gewährleisten. Trotz dieses niedergelegten Grundprinzips ist eine Abgrenzung der Kompetenzen von staatlicher Schulhoheit und Elternrecht unerläßlich. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß das Elternrecht i.S.v. Art. 6 GG gleichberechtigt neben dem staatlichen Erziehungsauftrag gemäß Art. 7 I GG steht. 66 Zur Kompetenz des Staates werden allgemein die Organisation des Schulwesens nach Schul arten und -stufen und die Festlegung der Unterrichtsinhalte und -methoden gezählt. Den Eltern obliegt hingegen das Bestimmungsrecht bzgl. des Bildungsweges ihrer Kinder, damit sie ihrer Erziehungsverantwortung gerecht werden können. Damit steht ihnen vor allem das Recht zu, zwischen den verschiedenen Schularten, die der Staat im Anschluß an die für alle Kinder gemeinsame Grundschule zur Verfügung stellt, frei zu wählen. Dieses durch Art. 6 GG geschützte Elternrecht ist inhaltlich mit den entsprechenden Kindergrundrechten identisch. Soweit die Eltern ihr Kind bei einer von ihnen ausgewählten Schule anmelden, kann man dieses zum einen als stellvertretende Wahrnehmung der Kindesgrundrechte und zum anderen als eigenständige Ausübung des Elternrechtes ansehen. 67 Das Elternrecht und So auch HeckellAvenarius S. 300. Vgl. für den Fall des Nachsitzens: VGH Baden-Württemberg DVBI. 1985,65 (66). 66 Vgl. hierzu und zur folgenden Abgrenzung: HeckellAvenarius S. 303 f.; Niehues Rdnr. 42 b; BVerfG NJW 1982, 1375 ff. 67 Überwiegend wird nur auf die Komponente des Elternrechtes abgestellt. A.A. Franke S. 53, 18, die die Wahl der Ausbildungsstätte durch die Eltern allein als einen 64 65
11. 3. Beamtenverhältnis
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die Kindesgrundrechte stehen dem Staat insoweit gebündelt gegenüber. Orientieren sich die Eltern in Angelegenheiten der Ausbildung ihres Kindes nicht an dessen Eignung und Neigung, so kann das Vormundschaftsgericht unter den Voraussetzungen des § 1631 a BGB eingreifen. 68 Entgegen der herrschenden zivil rechtlichen Auffassung muß dem Kind ein formelles Antragsrecht für dieses Verfahren eingeräumt werden. 69 Aufgrund des Elternrechtes sind die Eltern für alle Verfahren widerspruchsund klagebefugt, in denen es um die Abwehr von staatlichen Eingriffen in ihre Erziehungsverantwortung und in die Grundrechtssphäre ihrer Kinder geht.?o Weiterhin stehen den Eltern umfangreiche Informationsrechte zu, die für die Ausübung des Elternrechts wesentlich sind.?!
3. Beamtenverhältnis Nach den Vorschriften der Laufbahnverordnungen des Bundes und der Länder ist es möglich, daß ein Minderjähriger zum Beamten ernannt werden kann. So ist die Einstellung in den Vorbereitungsdienst des einfachen Dienstes gemäß § 17 BLV und § 16 L VO NW bereits nach dem Besuch der Hauptschule möglich. Und der Eintritt in den Vorbereitungsdienst des mittleren Dienstes setzt gemäß § 19 BLV und § 19 L VO NW den Abschluß einer Realschule voraus.?2 Da Minderjährige in aller Regel diese Qualifikationen erreichen, werden auch sie gemäß § 14 I BLV und § 14 I LVO NW als Beamte auf Widerruf in den jeweiligen Vorbereitungsdienst eingestellt. Dieser Tatsache wird auch dadurch Rechnung getragen, daß für jugendliche Beamte besondere Arbeitsschutzbestimmungen gelten. 73
Fall der Stellvertretung ansieht. Nach zutreffender Ansicht handelt es sich immer um einen Fall der Stellvertretung, sofern der gesetzliche Vertreter den Rechtsweg nicht in eigenem Namen, wegen Verletzung eigener Rechte aus Art. 6 H GG beschreitet. VgI. dazu auch schon B., VI., Fn. 22. 68 VgI. zu den Einzelheiten Jauernig/Schlechtriem §§ 1631 - 1633 Anm. 4. 69 VgI. zur Begründung A., H., 3., b). 70 VgI. HeckeUAvenarius S. 307, das gleiche gilt für Vornahmefälle. 71 Siehe dazu BVerfG NJW 1982, 1375 ff. 72 Es werden also keine festen Altersgrenzen aufgestellt oder gar die Volljährigkeit des Bewerbers gefordert. Als Ausnahme hiervon kommt lediglich § 10 I 2 L VO Pol NW in Betracht, nach dem der Eintritt in den mittleren Dienst der Polizei vom Erreichen des 17. Lebensjahres abhängig ist. 73 Für den Bund: § 80 a BBG verweist auf das Jugendarbeitsschutzgesetz v. 12.4.1976 (BGBI. I S. 965). Für NW: VO über den Arbeitsschutz für jugendliche Beamte v. 29.5.1979 (GV NW S. 454) mit späteren Änderungen.
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C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
a) Die Begründung des Beamtenverhältnisses
Das Beamtenverhältnis entsteht durch die Ernennung des einzelnen Laufbahnbewerbers zum Beamten auf Widerruf. Die Ernennung gehört damit in die Kategorie der rechtsgestaltenden Verwaltungsakte. Da niemandem ein Beamtenverhältnis aufgedrängt werden darf, ist sie darüber hinaus als ein mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt anzusehen. 74 Als besondere Bekanntgabeform der Ernennung schreiben die Beamtengesetze75 grundsätzlich76 die Aushändigung der Ernennungsurkunde vor. In ihrer vorbehaltslosen Entgegennahme wird eine ausreichende Form der Zustimmungserklärung gesehen.?7 Die Ernennung eines Minderjährigen zum Beamten ist also nur dann ohne rechtlichen Mangel, wenn dieser wirksam sein Einverständnis erklärt hat und die passive Handlungsfähigkeit i.S.v. § 12 VwVfG vorliegt. Haben die Eltern des Laufbahnbewerbers ihre Zustimmung zum Eintritt in den Vorbereitungsdienst erteilt und hält man § 113 BGB auf das Beamtenverhältnis für anwendbar78 , so ergeben sich keine Probleme. Diese Zustimmung kann dann als eine Ermächtigung i.S.v. § 113 BGB angesehen werden, die dem Minderjährigen die partielle Vollgeschäftsfähigkeit für alle mit dem Beamtenverhältnis zusammenhängenden Rechtshandlungen verleiht. 79 Dann könnte der Minderjährige materiell wirksam seine Zustimmung erklären und wäre zudem handlungsfähig i.S.v. § 12 I Nr. 2, 1. Alt. VwVfG. Gegen die Anwendbarkeit des § 113 BGB auf den Vorbereitungsdienst sprechen jedoch die gleichen Argumente, wie im Fall des privaten Berufsausbildungsverhältnisses.B° Hier wie dort steht nicht die Leistung eines Dienstes, sondern die Ausbildung im Vordergrund.B 1 Nimmt der Minderjährige also mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters die Ernennungsurkunde entgegen, so liegt zwar aufgrund der dafür ausreichenden Geschäftsfähigkeit ein materiell wirksames Einverständnis vor. 82 Die Vgl. hierzu Scheerbarth/Höffken S. 223 f. Vgl. § 611 S. 1 BBG, § 811 S. 1 LBG NW. 76 Vgl. hierzu und zu den Ausnahmen ScheerbarthlHöffken S. 227. 77 Vgl. Scheerbarth/Höffken S. 224 m.w.N. in Fn. 10. 78 Für die generelle Anwendbarkeit des § 113 BGB: Niedermaier in Fürst (Hrsg.) GKÖD Bd. I K § 6 Rdnr. 43. Ähnlich Robbers, DVBI. 1987,709 (710). 79 Die Praxis wird von der Anwendung des § 113 BGB beherrscht, da nach der einmaligen Zustimmung der Eltern auf ihre Beteiligung bei rechtlichen Entscheidungen bzgl. des Minderjährigen verzichtet wird. 80 Vgl. für das private Berufsausbildungsverhältnis PalandtiHeinrichs § 113 Anm. 3 m.w.N. 81 Das BVerwG hat diese Frage in BVerwGE 34, 169 f. offengelassen, tendiert aber zu der hier vertretenen Auffassung. 74 75
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fehlende verfahrensrechtliche Handlungsfähigkeit führt aber dazu, daß die Ernennung erst wirksam wird, wenn sie auch dem gesetzlichen Vertreter bekannt gegeben wird.83 Fraglich ist, wie die Beamtenernennung zu bewerten ist, wenn die Eltern nicht zugestimmt haben. Die materielle Zustimmungserklärung des Minderjährigen ist in diesem Fall wegen der mangelnden Geschäftsfähigkeit unwirksam und mit einer fehlenden gleichzusetzen, so daß die vorgenommene Ernennung unheilbar nichtig ist.84 Soweit die Zustimmung nicht beigebracht und die Ernennung damit nicht nachgeholt werden kann, ist der Minderjährige also umgehend aus dem Vorbereitungsdienst zu entlassen. 85 b) Rechtliche Auswirkungen einer nichtigen Beamtenernennung
Das Problem, wie die tatsächlich geleistete Dienstzeit - von der unwirksamen Beamtenernennung bis zur Entdeckung des Mangels - rechtlich zu bewerten ist, wird durch § 14 BBG und § 14 LBG NW nur unzureichend geregelt. So wird nur die Wirksamkeit der Amtshandlungen angeordnet, die von "nichtig" ernannten Beamten vorgenommen worden sind. Dazu wird die Rückzahlung der gezahlten Dienstbezüge in das Ermessen des Dienstherrn gestellt. In der Literatur wird überwiegend die Annahme eines faktischen öffentlichrechtlichen Dienstverhältnisses vorgeschlagen, auf das die beamtenrechtlichen Vorschriften analog angewendet werden können.8 6 Damit wird die Ausübung des Ermessens bei der Rückforderung der gezahlten Bezüge in der Weise reduziert, daß der Minderjährige das Erhaltene wie ein wirksam ernannter Beamter behalten kann.87 82 Die Zustimmungserklärung ist eine rein materielle Willenserklärung. Sie hat keinen verfahrensrechtlichen Charakter und kann nicht etwa als verfahrensrechtlicher Antrag angesehen werden. Vgl. zu dieser Möglichkeit die Nachweise unter B., IH., Fn. 96. Die Wirksamkeit hängt daher allein von der Geschäftsfähigkeit ab. Vgl. dazu B., IV. 83 Die verfahrensrechtlich beste Lösung bestünde darin, daß der gesetzliche Vertreter die nach der Aushändigung der Ernennungsurkunde folgende Unterzeichnung der Empfangsbestätigung ebenfalls vornimmt. Man wird aber ausnahmsweise eine verfahrensrechtliche Heilung des Bekanntgabefehlers bei Kenntnisnahme von der Ernennung durch den gesetzlichen Vertreter annehmen können. Diese Ansicht verstößt nicht gegen das Minderjährigenschutzprinzip (vgl. B., III., Fn. 85), da hier die materielle Zustimmung des gesetzlichen Vertreters ja vorliegt. 84 Vgl. zur Begründung B., III., 4., c). 85 Die Versagung der Erlaubnis kann sich aber als ein Mißbrauch des elterlichen Sorgerechtes darstellen, so daß das Vormundschaftsgericht eingreifen könnte. 86 v. Münch, BesVwR, S. 33; ScheerbarthlHöffken S. 274 f. vor allem Fn. 253, die unmittelbare Anwendung der beamtenrechtlichen Vorschriften bei Annahme eines faktischen Beamtenverhältnisses scheitert an der Formstrenge des Beamtenrechtes.
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C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
Die analoge Anwendung der beamtenrechtlichen Vorschriften darf im Falle eines Minderjährigen nur zu dessen rechtlichen Vorteil gereichen, da sich die Nichtigkeit des Beamtenverhältnisses gerade aus dem Prinzip des Minderjährigenschutzes ergibt. Dieser Schutz darf z. B. bei Pflichtverletzungen durch eine analoge Anwendung der Vorschriften über das Disziplinarverfahren nicht wieder verlorengehen.8S c) Die rechtliche Handlungsfähigkeit des minderjährigen Beamten im Innen- und Außenverhältnis
Da § 113 BGB auf den minderjährigen Beamten im Vorbereitungsdienst nicht anwendbar ist, verbleibt es grundsätzlich bei dessen Handlungsunfähigkeit. Will er also gemäß § 126 BRRG aus dem Beamtenverhältnis klagen, so muß er ebenso wie im obligatorischen Vorverfahren durch seinen gesetzlichen Vertreter vertreten werden. Soll der Beamte auf Widerruf gemäß § 32 II BBG bzw. § 35 II LBG NW entlassen werden, z. B. weil er den gestellten Anforderungen nicht genügt, so muß die Entlassung dem gesetzlichen Vertreter bekanntgegeben werden. Der Minderjährige kann auch keinen wirksamen Entlassungsantrag i.S.v. § 30 I BBG bzw. § 33 I LBG NW stellen. s9 Besonderheiten gelten im Disziplinarverfahren. Dem Beamten steht gegen eine Disziplinarmaßnahme90 zunächst das außergerichtliche Rechtsmittel der Beschwerde gemäß § 31 I BDO und § 31 I DO NW zur Verfügung. Bleibt die Beschwerde erfolglos, kann der Beamte gemäß § 31 III BDO die Entscheidung des Bundesdisziplinargerichtes bzw. gemäß § 31 III DO NW die der Disziplinarkammer beantragen. Auch der minderjährige Beamte kann sich gegen eine Disziplinarmaßnahme selbständig zur Wehr setzen. Da die beamtenrechtliche Beschwerde eine Form der Dienstaufsichtsbeschwerde ist91 , ergibt sich für den Minderjährigen die Handlungsfähigkeit direkt aus Art. 17 GG.92 Vgl. zu weiteren Folgen ScheerbarthlHöffken a.a.O. Dieser Gedanke klingt an bei Schröcker, DVBI. 1957,661 (668), der im Fall der fehlenden Geschäftsfähigkeit darauf hinweist, daß keine beamtenrechtlichen Pflichten entstehen. 89 Auch das BVerwG entwickelte in BVerwGE 34, 169 ff. die Handlungsfähigkeit des minderjährigen Beamten für den Entlassungsantrag nur aus der entsprechenden Anwendung des § 113 BGB. 90 Gegen einen Beamten auf Widerruf sind gern. § 5 III BDO und § 5 III DO NW nur Warnung, Verweis und Geldbuße zulässig. 91 v. Münch a.a.O. S. 77. 92 Vgl. B., VI., 5. 87 88
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Die für die Anrufung der Disziplinargerichte erforderliche Handlungsfähigkeit folgt aus einer entsprechenden Auslegung des § 100 I Nr. 1 BDO und § 100 I Nr. 1 DO NW. Danach kann der verurteilte (minderjährige) Beamte neben seinem gesetzlichen Vertreter sogar die Wiederaufnahme des förmlichen Disziplinarverfahrens beantragen. Umstritten ist, ob sich die Handlungsunfähigkeit des minderjährigen Beamten auch im Außenverhältnis, also auf die Wirksamkeit einer von ihm vorgenommenen Amtshandlung, auswirkt. So wird die Auffassung vertreten, daß die Behörde bei Amtshandlungen nur durch einen vollgeschäftsfähigen Amtsträger wirksam i.S.v. § 12 I Nr. 4 VwVfG vertreten werden kann. 93 Die von einem minderjährigen Amtsträger vorgenommenen Amtshandlungen und damit die von ihm erlassenen Verwaltungsakte sollen also als nichtig anzusehen sein. Nach a.A. ist die fehlende Geschäftsfähigkeit für die Wirksamkeit der Amtshandlung völlig unerheblich. 94 Für die zweite Auffassung spricht neben einer historischen Auslegung 95 vor allem ein majore ad minus-Schluß aus § 14 BBG. Danach gelten sogar die von einem "nichtig" ernannten Beamten vorgenommenen Amtshandlungen als wirksam. Die erste Auffassung übersieht, daß sich die verfahrensrechtliche Handlungsfähigkeit nicht allein nur aus dem bürgerlichen Recht ergeben kann, sondern auch aus dem öffentlichen Recht. Das Amtswalterverhältnis, in dem der Minderjährige steht, umfaßt demgemäß die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis für die Behörde. 96 Darin wird man eine Anerkennung der Handlungsfähigkeit i.S.v. § 12 I Nr. 2,2. Alt. VwVfG sehen können. Außerdem dient die Anordnung der Handlungsunfähigkeit für Minderjährige in § 12 I Nr. 2, 1. Alt. VwVfG neben dem Verkehrs schutz hauptsächlich dem persönlichen Rechtsschutz. Da durch die Amtshandlung allein die Behörde berechtigt und verpflichtet wird 97 , bedarf es des persönlichen Schutzes98 gar nicht. 99 Dazu kommt, daß die fehlende Geschäftsfähigkeit des Amtswalters nicht zu den in § 4411 VwVfG aufgezählten Fällen der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes gehört. Die Nichtigkeit könnte sich also bei Annahme eines besonders So Obermayer § 12 Rdnrn. 36, 40, 33, 28. Forsthoff S. 233. 95 Forsthoff a.a.O. Fn. 4 verweist auf § 810 ALR: "Wird jemandem vor erlangter Volljährigkeit ein Amt übertragen, so hat der Mangel des Alters auf die Verbindlichkeit und Rechtskraft seiner Amtshandlung keinen Einfluß." 96 Vgl. dazu WolffiBachof II § 73 III c 3. 97 Vgl. WolfflBachof 1 § 45 1 c. 98 Auf den Verkehrsschutz wird im folgenden eingegangen. 99 Dieser Gedanke liegt auch § 165 BGB zugrunde, nach dem die beschränkte Geschäftsfähigkeit einer wirksamen Vertretung nicht im Wege steht. 93
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C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
schwerwiegenden und für jeden offensichtlichen loo Fehler aus der Generalklausei des § 44 I VwVfG ergeben. Zumindest ein offenkundiger Fehler kann hier nicht angenommen werden, da es für den Bürger nicht erkennbar ist, wer auf Seiten der Behörde persönlich handelt und ob dieser geschäftsfähig ist oder nicht. Insoweit überwiegt das Interesse des Rechtsverkehrs an der Bestandskraft des Verwaltungsaktes, wie es auch in § 14 BBG zum Ausdruck kommt. Zudem müßte eine Berufung auf die Nichtigkeit des Verwaltungsaktes als ein Verstoß gegen das Prinzip von Treu und Glauben im öffentlichen Recht 101 bewertet werden, da sie ihren Personaleinsatz viel eher als der Bürger überblicken kann. Will sich die Behörde an dem Verwaltungsakt nicht festhalten lassen, kommen daher nur eine Rücknahme oder ein Widerruf in Betracht.
4. Die Nutzung kommunaler öffentlicher Einrichtungen Im folgenden soll untersucht werden, inwieweit der Minderjährige fähig ist, kommunale öffentliche Einrichtungen (etwa Verkehrsbetriebe, Badeanstalten, Museen oder Kinderspielplätze) zu benutzen. Diese Problematik ist im Grenzbereich von öffentlichem und privatem Recht anzusiedeln, da die Gemeinde bei der Errichtung öffentlicher Einrichtungen ein Wahlrechtl 02 zwischen öffentlich-rechtlichen und zivil rechtlichen Organisations- 103 und Handlungsformen 104 besitzt. So stellt es z. B. § 6 I S. 1 KAG NW den Gemeinden ausdrücklich frei, ob sie für die Benutzung ihrer Einrichtungen Gebühren erheben oder privatrechtliche Entgelte fordern wollen. IOD Vgl. zur Offenkundigkeit eines Fehlers i.S.v. § 44 I VwVfG: Kopp, VwVfG § 44 Rdnrn. 8,9. 101 Vgl. zur grundsätzlichen Anwendbarkeit des Grundsatzes von Treu und Glauben im öffentlichen Recht: Erichsen/Martens § 10 II 7 c; Maurer, Allg.VwR § 3 Rdnr. 28. 102 Vgl. zum Wahlrecht der Gemeinde hinsichtlich der Organisations- und Handlungsformen: ErichseniMartens § 31; Erichsen, Jura 1986, 148 (150) und 196 (198); Schmidt-Aßmann in v. Münch (Hrsg.), BesVwR S. 164; Frotscher in Püttner (Hrsg.) HkWP Bd. 3 S. 155. 103 Ein kommunaler Verkehrs betrieb kann also z. B. als nichtrechtsfähige Anstalt oder als kommunale Eigengesellschaft in Form einer GmbH oder AG betrieben werden. 104 Die Wahlfreiheit bzgl. der Handlungsformen ist begrenzt, sofern sich die Gemeinde für eine privatrechtliche Organisationsform entschieden hat. Ein öffentlichrechtliches Benutzungsverhältnis scheidet dann aus, da es für eine denkbare Beleihung an der notwendigen gesetzlichen Ermächtigung fehlt. Vgl. Frotscher a.a.O. S. 155; WolfflBachof II § 104 II; Schmidt-Aßmann a.a.O. S. 165. Ebenso ist die Anordnung eines Anschluß- und Benutzungszwanges nur auf einer öffentlich-rechtlichen Grundlage möglich. Vgl. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 176; a.A. Erichsen, Jura 1986,202 f.
H. 4. Die Nutzung kommunaler Einrichtungen
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Fraglich ist in diesem Zusammenhang, wie es sich rechtfertigen läßt, daß Kinder zumeist eine niedrigere Gebühr für die Benutzung zu entrichten haben, als die erwachsenen Benutzer. 105 Bedenken bestehen insoweit, als daß die Höhe der Gebühr 106 allgemein in strenger Abhängigkeit vom tatsächlichen Verwaltungsaufwand berechnet wird, der mit der Inanspruchnahme der Einrichtung verbunden ispo7 Es gilt insoweit also das Äquivalenzprinzip.108 Trotzdem wird in Literatur und Rechtsprechung ein teilweiser Erlaß aus Sozial- oder Billigkeitserwägungen für möglich erachtet. 109 Da dieses Ergebnis nicht zu einer Mehrbelastung der "Vollzahlungspflichtigen" führen darf, wird man einen solchen Sozialtarif nur durch das gleichzeitige Vorliegen der Voraussetzungen einer Subvention rechtfertigen können. Es muß daher ein eigener Haushaltstitel im Gemeindehaushalt in Höhe der jeweiligen Mindereinnahmen vorhanden sein.1 10 a) Die Begründung von Nutzungsverhältnissen durch Minderjährige
Fraglich ist, wie zu verfahren ist, wenn ein Minderjähriger unter Berufung auf § 18 11 GO NW die Benutzung einer kommunalen öffentlichen Einrichtung begehrt. Die Lösung hängt zunächst einmal davon ab, ob die öffentliche Einrichtung über ein öffentlich-rechtliches oder privatrechtliches Benutzungsregime verfügt. aa) Die Rechtslage im FaDe eines privatrechtlichen Benutzungsregimes
Liegt ein privatrechtliches Benutzungsverhältnis vor, so wird es im Regelfall allein durch den Abschluß eines privatrechtlichen Vertrages begründet,111
105 Zu denken ist z. B. an die geringeren Eintrittsgelder bei Badeanstalten und Museen. 106 Für das private Entgelt darf nichts anderes gelten, da sich die Verwaltung auch bei privatrechtlichen Handlungsformen nicht ihrer öffentlich-rechtlichen Bindungen entledigen darf. 107 Vgl. für NW: § 6 III S. 1 KAG NW und § 25 I, H GebG NW. 108 Vgl. zum Äquivalenzprinzip oder dem Prinzip der speziellen Entgeltlichkeit: Hess.VGH NJW 1977, 455; Salzwedel in ErichsenlMartens § 44 V. 109 Vgl. Loening/Schmitz S. 50; Bauernfeind/Zimmermann S. 54,91; BVerwGE 13, 214 (219); diese Überlegung hat Eingang in § 6 GebG NW gefunden, der gern. § 24 H GebG NW auch auf die Bemessung von Benutzungsgebühren Anwendung findet. In § 6 S. 1 GebG NW heißt es: "Aus Gründen der Billigkeit, insbesondere zur Vermeidung sozialer Härten kann Gebührenermäßigung und Auslagenermäßigung sowie Gebührenbefreiung und Auslagenbefreiung vorgesehen und zugelassen werden." 110 So Bauernfeind/Zimmermann S. 91; kritisch zu dieser Form der Sozialtarifpolitik Bohley S. 138 m.w.N. in Fn. 42. III Ehlers a.a.O. S. 177; Erichsen, Jura 1986,198.
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C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
Nach a.A. soll in Anwendung der 2-Stufen-Theorie ll2 über das "Ob" des Benutzungs anspruches durch Verwaltungsakt entschieden werden. Diese hoheitliche Zulassung soll im Abschluß des privatrechtlichen Vertrages liegen,113 Die alltäglichen Nutzungsvorgänge kommunaler Einrichtungen lassen jedoch neben dem Abschluß des privatrechtlichen Vertrages keine hoheitliche Zulassung erkennen, so daß die Annahme eines Verwaltungsaktes überkonstruiert wirkt.1 14 Da es bei der Begründung eines privatrechtlichen Vertragsverhältnisses auf die Geschäftsfähigkeit ankommt, ist diese also grundsätzlich für die Begründung eines privatrechtlichen Nutzungsverhältnisses zu einer öffentlichen Einrichtung nötig. 115 Die fehlende Geschäftsfähigkeit steht der Benutzung der öffentlichen Einrichtung also nur dann nicht entgegen, wenn eine Zustimmung bzw. eine Genehmigung des Vertrages i.S. der §§ 107, 108 BGB durch den gesetzlichen Vertreter oder die Voraussetzungen des § 110 BGB116 nachgewiesen werden können. Soweit die Voraussetzungen der §§ 107, 108 BGB erfüllt sind, ist der vom Minderjährigen geschlossene Benutzungsvertrag wirksam. Damit ist der Minderjährige auch zur Leistung des jeweiligen Benutzungsentgeltes verpflichtet. Besteht ein Generalkonsens i.S. des § 107 BGB bzgl. der Benutzung eines Verkehrsmittels, stellt sich die Frage, ob der Minderjährige im Falle einer Schwarzfahrt auf der Grundlage allgemeiner Beförderungsbedingungen zur Entrichtung eines "erhöhten Fahrtentgeltes" herangezogen werden kann. Die Antwort hängt davon ab, ob sich die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters auch auf die Vereinbarung einer Vertragsstrafe bezieht. ll7
In der Regel bezieht sich die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters nur auf den Abschluß eines ordnungsgemäßen Beförderungsvertrages. Gemeint ist der Fall, daß der Minderjährige sein Fahrgeld entrichtet und nicht, daß er eine Schwarzfahrt unternimmt. Bei einer Schwarzfahrt liegt demnach keine Einwilligung vor. Daher kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Vereinbarung einer Vertragsstrafe von der Generaleinwilligung gedeckt ist. Die 112
149.
Vgl. dazu: Wolff/Bachof II § 99 III a, V a; aus neuerer Zeit Frotscher a.a.O. S.
113 Forsthoff S. 414; Salzwedel in Erichsen/Martens § 44 II; jüngst Löwer, DVBI. 1985,928 (937). 114 Ebenso Schmidt-Aßmann a.a.O. S. 164; Martens, JuS 1979, 416 (421); Ehlers a.a.O. S. 177 ff.; Bethge, StKV 1972,123 ff. 115 So im Ergebnis auch Jauernig, NJW 1972,1 (3); Ehlers a.a.O. S. 256; Stober, JA 1975,739 (740). 116 Ähnlich Stober a.a.O. S. 739 und Ehlers a.a.O. S. 256. Zu beachten ist allerdings, daß der Vertrag erst mit der Hingabe des Geldes wirksam wird. Vgl. dazu: Palandtl Heinrichs § 110 Anm. 4. 117 Vgl. zum Charakter des erhöhten Fahrgeldes als Vertragsstrafe: JauerniglVollkommer § 339 Anm. 2. g. aa.
H. 4. Die Nutzung kommunaler Einrichtungen
157
Vereinbarung der Vertragsstrafe ist unwirksam, so daß der Minderjährige nicht zu einem erhöhten Beförderungsentgelt herangezogen werden kann.l 18 Etwas anderes muß jedoch dann gelten, wenn eine derartige Beschränkung des Generalkonsenses auf den Fall des ordnungsgemäßen Beförderungsvertrages gegen Treu und Glauben i.S.v. § 242 BGB verstößt. Dann wäre die Vertragsstrafe wirksam vereinbart, und der Minderjährige müßte das erhöhte Fahrgeld zahlen. Für einen Verstoß gegen § 242 BGB könnte sprechen, daß der gesetzliche Vertreter sonst die Möglichkeit hätte, das Risiko, ob der Minderjährige zahlt, auf den Betreiber der Verkehrseinrichtung abzuwälzen. Diesem würde dazu noch die Möglichkeit genommen, auf die Zahlungs m oral der minderjährigen Kunden durch eine Vertragsstrafe einzuwirken. 1l9 Bei dieser Argumentation bleibt jedoch unberücksichtigt, daß die Berufung auf die beschränkte Geschäftsfähigkeit dem gesetzlichen Wertungsmodell entspricht und dieses Ergebnis grundsätzlich nicht durch eine Anwendung des § 242 BGB wieder aufgehoben werden kann. 120 In Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH121 wird man den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung gegenüber der Berufung auf die fehlende Geschäftsfähigkeit nur dann für zulässig erachten können, wenn der gesetzliche Vertreter arglistig gehandelt hat. Ein solches Verhalten wäre in den Schwarzfahrerfällen aber nur dann anzunehmen, wenn bei der Erteilung des Generalkonsenses oder später Anhaltspunkte dafür vorlagen, daß der Minderjährige schon öfter schwarz gefahren ist. Da die Überprüfung der Geschäftsfähigkeit im öffentlichen Massenverkehr undurchführbar erscheint, ist in der zivilrechtlichen Dogmatik versucht worden, einen neuen (faktischen) Vertragstyp zu entwickeln. (1) Außerachtlassung der Geschäftsfähigkeit bei Annahme eines faktischen Vertrags verhältnisses
Damit wird im Fall der Inanspruchnahme der Daseinsvorsorge und des Massenverkehrs der Versuch unternommen, einen individuellen Vertragsschluß, auf den alle bürgerlich-rechtlichen Regeln über Willenserklärungen 118 So im Ergebnis auch das AG Hamburg NJW 1987, 448. Vgl. dazu auch die Besprechung von Winkler von Mohrenfels, JuS 1987, 692 ff. 119 So argumentiert das AG Köln NJW 1987, 447 und kommt zu dem Ergebnis, daß der Minderjährige das erhöhte Fahrgeld zahlen muß. Vgl. dazu auch die Besprechung von Winkler von Mohrenfels, JuS 1987, 692 ff. 120 Vgl. dazu Gernhuber, JuS 1983,764 (768). 121 Vgl. BGHZ 44, 367 ff. In diesem Fall wurde einem Erben die Berufung auf die Nichtigkeit des Vertrages verwehrt, der zwischen dem Erblasser und einem Dritten geschlossen worden war. Der BGH stützte dieses Ergebnis auf den Umstand, daß der Erbe an dem Abschluß des Vertrages mitgewirkt hatte und die Geschäftsunfähigkeit des Erblassers positiv kannte.
158
C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
Anwendung finden würden, durch ein faktisches Vertragsverhältnis kraft sozialer Leistungsverpflichtung zu ersetzen .122 Dieses faktische Vertragsverhältnis soll also nicht durch einen herkömmlichen Vertragsschluß, sondern durch einen tatsächlichen Vorgang, nämlich die sozialtypische Inanspruchnahme der Leistung begründet werden. 123 Dies führe dann dazu, daß die Geschäftsfähigkeit für die Begründung eines solchen faktischen Vertragsverhältnisses zwar nicht grundsätzlich ohne Bedeutung sei, aber immer dann, "wenn es mit der glatten Abwicklung des Vertragsverhältnisses unvereinbar wäre, jeweils das Vorliegen der Geschäftsfähigkeit festzustellen. "124 In diesen Fällen könne man den persönlichen Eigenschaften der Beteiligten und insbesondere der ihnen von der Rechtsordnung beigelegten Fähigkeit zur verbindlichen Selbstgestaltung ihrer Rechtsbeziehungen keine Bedeutung beimessen. 125 Dieser Versuch, die Geschäftsfähigkeitsregeln zu umgehen, ist in der Literatur auf starke Kritik gestoßen. 126 Die Kritik stützt sich zumeist darauf, daß auch die tatsächliche Inanspruchnahme öffentlicher Massenleistungen noch als konkludente oder abgekürzte Willenserklärung aufgefaßt werden kann. Durch die Inanspruchnahme der Leistung werde das auf die Leistung gerichtete Angebot ad incertam person am angenommen. Da somit durchaus ein Vertragsschluß vorliege 127 , sei eine Nichtberücksichtigung der Auswirkungen der fehlenden Geschäftsfähigkeit eine Auslegung contra legem. 128 Vgl. Haupt S. 21-27. Haupt S. 21, auf S. 25 (vor allem in Fn. 63) weist er auf die parallele Problematik im öffentlich-rechtlichen Anstaltsbenutzungsverhältnis hin. Bullinger S. 84 f. will demgemäß "ein Gemeinrecht für die entgeltliche Leistungsgewähr nach typisierten Bedingungen ausbilden". Zeitweilig ist auch die oberste Rechtsprechung dieser Lehre gefolgt, vgl. BGHZ 21,319 (333 ff.); 23, 175 (177 f.). Danach ist der BGH einer Entscheidung ausgewichen. Vgl. die Nachweise bei Jauernig, Vorbem. § 145 Anm. 5. So sollen die Grundsätze sozialtypischen Verhaltens beim Schwarzf!ug nicht gelten, weil jeder Fluggast namentlich erfaßt werde, vgl. dazu BGHZ 55, 128 ff. Befürwortend auch Merkel S. 84, 105. 124 Haupt S. 31; vgl. auch Herschel S. 247 und Lange S. 104. 125 Vgl. Haupt a.a.O.; so ursprünglich auch Larenz, BGB-AT (bis 2. Auf!.), der nun aber auch bei der Vertragsannahme durch sozialtypisches Verhalten doch die Geschäftsfähigkeitsregeln anwenden will, da es sich "in der Mehrzahl der Fälle um eine Willens betätigung handelt, die von einem aktuellen oder doch latenten Annahmewillen getragen wird". Vgl. nunmehr Larenz, BGB-AT § 28 II S. 526 f. 126 Jauernig, Vorbem. § 145 Anm. 5; Medicus Rdnrn. 189 ff.; Flume § 8 II; Soergel/ Heinrich Lange/Hefermehl Vorbem. § 145 Rdnrn. 85-98; EsserlSchmidt, SchRAT 5. Auf!. § 10 II und 6. Auf!. § 10 I 2; Hablitzel, BayVBI. 1973, 197 (201); Bayer S. 111 114. 127 Verschiedentlich wird darauf hingewiesen, daß der Annahme eines Vertragsschlusses nicht entgegenstehe, daß der Vertrag auf das "Ob" der Inanspruchnahme beschränkt sei. "Auch bei den Geschäften des täglichen Lebens wird nicht gefeilscht, so daß der Kunde auf die Bestimmung des "Ob" des Geschäfts beschränkt ist." Medicus a.a.O.; Flume a.a.O. 128 Soergel/Heinrich Lange/Hefermehl a.a.O. Rdnr. 95. 122 123
II. 4. Die Nutzung kommunaler Einrichtungen
159
Es ist daher Medicus zuzustimmen, wenn er pointiert ausführt, daß das Schlagwort von der Daseinsvorsorge hier dazu mißbraucht würde, dem zu versorgenden Einzelnen vertragliche Pflichten aufzubürden, vor denen das Gesetz ihn schützen wollte. "Vorgesorgt wird also nicht für das Dasein des zu Versorgenden, sondern für das Dasein des Versorgers. "129 Der gesetzlichen Wertung des BGB nach sollen die Minderjährigen gerade vor einer vertraglichen Inanspruchnahme geschützt werden. Das hat zur Folge, daß er bei Eingriffen in den Zuweisungsgehalt fremder Rechte nur nach Bereicherungsrecht, gegebenenfalls nach Deliktsrecht haftet.1 3o
(2) Die Rechtsstellung des Minderjährigen im unwirksamen Benutzungsverhältnis
Im Rahmen der deliktischen Haftung aufgrund § 82311 BGB i.V.m. § 265 a StGBl3l wird zur Bestimmung der Verantwortlichkeit überwiegend auf strafrechtliche Grundsätze und damit auf § 19 StGB abgestellt. 132 Die Anwendung des § 19 StGB hätte zur Folge, daß sich der strafunmündige Minderjährige bei einer "Schwarzfahrt" einerseits nicht strafbar und andererseits nicht schadensersatzpflichtig machen könnte. Bei Jugendlichen, also den 14 - 18jährigen müßte gemäß § 111 i.V.m. § 3 JGG die Schuldfähigkeit immer positiv festgestellt werden. Die Anwendung des § 19 StGB zur Bestimmung der Verantwortlichkeit i.R. des § 823 11 BGB überzeugt jedoch nicht. 133 Der Schadensersatz nach § 823 11 BGB setzt nur einen Schutzgesetzverstoß in Form der Nichtbeachtung der dort angeordneten Verhaltensnorm voraus. Die übrigen Voraussetzungen einer strafrechtlichen Sanktion brauchen dagegen nicht vorzuliegen. Das gilt vor allem für die strafrechtliche Verantwortlichkeit, da das Zivilrecht dieses Problem mit § 828 BGB selbständig geregelt hat. Der Umstand, daß sich der noch nicht 14 Jahre alte Täter nicht strafbar machen kann, ist also von der Frage zu trennen, ob der Strafunmündige die aus seinem Verhalten resultierenden Schäden ausgleichen muß. Das Problem der Verantwortlichkeit bestimmt sich damit auch im Fall des § 823 11 BGB allein nach § 828 BGB. Medicus a.a.O. Vgl. SoergellHeinrich Lange/Hefermehl a.a.O.; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform S. 256; Medicus Rdnr. 191. Die deliktsrechtliche Haftung trifft den Minderjährigen unabhängig von der Wirksamkeit des Benutzungsverhältnisses. J3J Unter § 265 a StGB fallen das Fahren als "blinder Passagier" und der erschlichene Eintritt zu sonstigen öffentlichen Einrichtungen wie Badeanstalten oder Museen. Vgl. Dreherrrröndle § 265 a Rdnr. 2. 132 Vgl. Jauernigrreichmann § 823 Anm. V 3 c. m.w.N. 133 Vgl. zum folgenden: Dörner, JuS 1987, 522 ff. (526). 129
130
160
C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
Ob man die Nichtentrichtung des Entgeltes im Fall einer ungerechtfertigten Benutzung allerdings als einen Schaden ansehen kann, erscheint fraglich. In der Regel wird die Schwarzfahrt mit keinem nachweisbaren Schaden verbunden sein. 134 Die Gemeinde kann sich daher in diesen Fällen nur auf einen bereicherungsrechtlichen Anspruch stützen. Als erlangtes "Etwas" kann man entweder die unberechtigte Benutzung an sich oder die damit verbundenen ersparten Aufwendungen ansehen. Da die Gemeinde mit der gestatteten Benutzung nicht einen vermeintlich wirksamen Benutzungsvertrag erfüllen wollte, erfüllt die Handlung den Tatbestand einer Eingriffskondiktion gemäß § 812 I S. 1, 2. Alt. BGB. Da der Minderjährige die nicht gegenständliche Leistung der Benutzung nicht in natura herausgeben kann, hätte die Gemeinde einen Anspruch auf Wertersatz gemäß § 818 II BGB in Höhe des zu bezahlenden Benutzungsentgeltes. Diesem Anspruch steht allerdings der Einwand der Entreicherung gemäß § 818 III BGB entgegen, da die ersparten Aufwendungen nicht mehr als ein abgrenzbarer Vermögensgegenstand im Gesamtvermögen des Minderjährigen vorhanden sind. Die Frage, ob dieser Einwand durchgreift oder der Minderjährige letziich zahlen muß, hängt davon ab, ob man bei der Beurteilung der Bösgläubigkeit i.R. des § 819 I BGB auf die Einsichtsfähigkeit des Minderjährigen selbst gemäß § 828 11 BGB oder auf die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters abstellt. 135 Da hier sowohl eine Eingriffskondiktion als auch eine unerlaubte Handlung vorliegt, ist die Bösgläubigkeit mit dem BGH analog § 828 11 BGB anhand der Einsichtsfähigkeit bestimmen. Unter den Voraussetzungen des § 828 II BGB wäre demnach ein Bereicherungsanspruch in Höhe des Benutzungsentgeltes gegeben. 136 Dieser Rechtsprechung ist zu folgen, soweit dem Bereicherungsanspruch ursprünglich eine wertgleiche Bereicherung des Minderjährigen gegenübergestanden hat. Das ist immer dann der Fall, wenn es sich bei dem erlangten 134 Etwas anderes wäre nur denkbar, wenn die ungerechtfertigte Benutzung des Minderjährigen dazu geführt hätte, daß ein "ordentlicher" Benutzer die Einrichtung nicht hätte in Anspruch nehmen können. Auch der BGH hat im Flugreisefall (vgl. BGHZ 55, 128 ff.) einen Schaden abgelehnt. 135 - z.T. soll aus Gründen des Minderjährigenschutzes stets gern. den §§ 104 ff., 166 BGB die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters ausschlaggebend sein; so Medicus Rdnr. 176; Canaris, JZ 1971, 562; - für eine generelle Anwendung des § 828 II BGB z. B. Soergel/Mühl § 819 Rdnr. 6; - differenzierende Auffassung, die bei Leistungskondiktionen § 166 BGB, bei Eingriffskondiktionen § 828 II BGB anwenden will; vgl. Larenz SchRBT § 70 IV, RGRK-Heimann-Trosien § 819 Rdnr. 7; - nach BGHZ 55, 128 (136 f.) u. PalandtlThomas § 819 Anm. 2 e, richtet sich die Bestimmung der Bösgläubigkeit nach der vorhandenen Einsichtsfähigkeit analog § 828 II BGB, sofern sich der Minderjährige das Erlangte durch eine vorsätzliche unerlaubte Handlung verschafft hat. 136 So dem BGH folgend: Fischedick S. 38.
11. 4. Die Nutzung kommunaler Einrichtungen
161
"Etwas" nicht um außergewöhnliche Dinge handelt, die sich der Minderjährige sonst nie geleistet hätte. Solche Luxusaufwendungen 137 stellen nämlich von vornherein keine Vermögensvermehrung und damit keine Bereicherung dar. 138 In den Fällen der Benutzung von Museen, Badeanstalten und Verkehrsmitteln liegt dagegen eine echte Bereicherung vor, da die Nutzung von öffentlichen Einrichtungen durchaus zum Lebenskreis eines Minderjährigen gehört. Damit muß der Minderjährige zu Recht in Höhe des Benutzungsentgeltes haften, ohne sich auf den Wegfall der Bereicherung berufen zu können. Den Minderjährigen kommen während der Benutzung einer Badeanstalt oder eines Verkehrsmittels die vertraglichen Schutzpflichten zugute, obwohl sie keinen wirksamen Benutzungsvertrag schließen können.1 39 Daneben werden sie noch durch die §§ 823 ff. BGB geschützt. 140 (3) Konsequenzen für die Ausgestaltung des Leistungsverhältnisses Bei der Wahl der Handlungsform ist also davon auszugehen, daß die von der zivilrechtlichen Dogmatik entwickelten faktischen Vertragsbeziehungen nicht dazu herangezogen werden können, um im öffentlichen Massenverkehr einen wirksamen Benutzungsvertrag zu begründen. Von diesem Grundsatz kann auch nicht einseitig eine Ausnahme zugunsten der privatrechtsförmigen Verwaltung zugelassen werden.1 41 Es ist nämlich kein Grund ersichtlich, die öffentlichen Einrichtungen stärker in ihrem Vertrauen zu schützen, so daß sich eine solche Privilegierung nicht rechtfertigen ließe. 142 Wie z. B. die Flugreise des Minderjährigen in BGHZ 55, 128 ff. Solange dem Bereicherungsgläubiger kein Schaden entstanden ist, überwiegt in diesen Fällen das Bedürfnis nach Minderjährigenschutz. Dieser erfordert die Anwendung der §§ 104 ff., 166 BGB, anstelle der §§ 819 I, 828 11 BGB, zumal zu bedenken ist, daß die Bereicherungsansprüche durch den Schutzzweck der die Vertragswirksamkeit hindernden Norm beschränkt sind. Vgl. dazu Medicus Rdnr. 176; a.A. BGH a.a.O. 139 Nach h.M. besteht im Falle der Unwirksamkeit des Vertrages ein - gesetzlichesSchuldverhältnis, das die Partner gern. § 242 BGB insoweit zur Sorgfalt verpflichtet, als der andere darauf vertrauen durfte. Vgl. ausführlich dazu: Canaris, JZ 1965, 475 ff.; Larenz SchRAT § 911; außerdem Larenz BGB-AT § 2811 S. 526 f. Fn. 19. 140 Nach zutreffender Ansicht ergibt sich die Abgrenzung von Deliktsrecht und Staatshaftungsrecht in Abhängigkeit von der Rechtsnatur des Benutzungsverhältnisses. Vgl. Börner S. 96; JauerniglTeichmann § 839 Anm. 11 1 a; SoergeUGlaser § 839 Rdnrn. 75 ff., 81. Eine a.A. wird von denjenigen Autoren vertreten, die im Hinblick auf die staatliche Pflicht der Erfüllung öffentlicher Aufgaben stets Staatshaftungsrecht anwenden wollen. Vgl. dazu Ossenbühl, Staatshaftungsrecht S. 18; Maunz in Maunz/Dürig Art. 34 Rdnr. 17. 141 So aber WolfflBachof 1 § 23 11 b. 142 So im Ergebnis auch Flume § 811; Ehlers, a.a.O. S. 258. 137
138
11 c.-R. Meyer
162
C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts bb) Die Rechtslage im Fall eines öffentlich-rechtlichen Benutzungsregimes
Zumeist wird die Verwendung eines öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnisses als die ideale Lösung für alle Rechtsprobleme angesehen, die bei der Benutzung einer öffentlichen Einrichtung durch Minderjährige auftreten. Es ist jedoch fraglich, ob diese Erwartung gerechtfertigt ist. (1) Anforderungen an die wirksame Begründung
des Benutzungsverhältnisses
(a) Die Berücksichtigung der Handlungsfähigkeit in den möglichen Begründungstatbeständen Über das Zustandekommen eines öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnisses wird grundSätzlich durch Verwaltungsakt oder i.R. eines öffentlichrechtlichen Vertrages entschieden. 143 Die Gemeinde ist aufgrund ihrer organisatorischen Gestaltungsfreiheit jedoch auch befugt, die Begründung des Benutzungsverhältnisses allein von der tatsächlichen Inanspruchnahme abhängig zu machen. So entsteht es im Falle eines Parks oder eines Kinderspielplatzes schon allein durch das Betreten, ohne daß es dazu eines besonderen Zulassungsaktes bedarf. 144 Es wird zwar versucht, an der Konstruktion der Zulassung festzuhalten, indem ein konkludenter, durch Duldung ausgesprochener Verwaltungsakt angenommen wird.1 45 Eine hoheitliche Entscheidung über das kommunale Benutzungsrecht läßt sich nicht nachweisen. Gegen einen obligatorischen Zulassungsakt spricht auch die Tatsache, daß die verschiedenen Gemeindeordnungen den Einwohnern und Forensen nur ein Recht auf Benutzung, und kein Recht auf Zulassung zur Benutzung einräumen. Da dieses schlicht-hoheitliche Benutzungsverhältnis allein durch die tatsächliche Inanspruchnahme und durch faktisches Gewähren zustande kommtI 46 , bedarf es keines rechtlich relevanten, willensgetragenen Begründungsaktes auf seiten des Benutzers. Es kommt daher auch nicht auf seine Geschäftsfähigkeit an.1 47 Vgl. ErbguthlBecker S. 74. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform S. 256; vgl. auch Erichsen, Jura 1986, 198 f.; Frotschera.a.O. S. 149. 145 Salzwedel in Erichsen/Martens § 4411; WolffiBachof 11 § 99 III a. 146 Nach Erichsen a.a.O. handelt es sich um ein konsensual begründetes, schlichtes verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis, das nicht der in § 57 VwVfG angeordneten Schriftform unterliegt. 147 Ehlers, a.a.O.; Jauernig, NJW 1972, 1 (2); Fischedick S. 36 f.; Stüber, JA 1975, 737 (739). 143
144
H. 4. Die Nutzung kommunaler Einrichtungen
163
Der Anwendungsbereich solcher faktischen Benutzungsverhältnisse wird jedoch allgemein überschätzt. So wird auch bei der Benutzung eines Verkehrsmittels oder einer Badeanstalt die Auffassung vertreten, daß allein die tatsächliche Inanspruchnahme ausreiche, um das Benutzungsverhältnis zu begründen und damit die Gebührenpflicht auszulösen. Erforderlich sei nur, daß der Benutzer über die für die Benutzung nötige Einsichtsfähigkeit verfüge. 148 Diese Auffassung verkennt, daß in allen Fällen, in denen die Benutzung an die Entrichtung eines öffentlich-rechtlichen Entgelts geknüpft ist, ein besonderes Zulassungsverfahren vorliegt.1 49 Aufgrund des synallagmatischen Verhältnisses zwischen der Benutzung und des Benutzungsentgelts läßt sich schon begrifflich nicht von einer bloß schlichten, faktischen Benutzung sprechen. Es müßte sich daher grundsätzlich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag handeln, wenn nicht die in § 57 VwVfG niedergelegte Schriftformklausel dieser Möglichkeit entgegenstünde .150 So kann man das Besteigen eines Verkehrsmittels oder das Betreten einer Badeanstalt durchaus als eine auf das "Ob" der Inanspruchnahme verkürzte Willenserklärung ansehen 151, die i.S. des Verwaltungsverfahrensrechts als Antrag auf Zulassung zur Benutzung 152 gewertet werden kann. Das bereitet auch keine rechts dogmatischen Probleme, da sich die Zulassung von ihrem Rechtscharakter her durchaus als mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt auffassen läßt. Da die Beantragung der Zulassung also als eine Verfahrenshandlung i.S.v. § 9 VwVfG anzusehen ist, hängt ihre Wirksamkeit von der Handlungsfähigkeit des Benutzers i.S.v. § 12 VwVfG ab. 153 Diese Handlungsfähigkeit liegt
aber in aller Regel bei den minderjährigen Benutzern nicht vor, da die Anwendung der §§ 107, 108, 110 BGB gerade nicht zur verfahrensrechtlichen 148 Jauernig a.a.O. S. 3; Dahmen, KStZ 1983, 41 (44); Fischedick a.a.O. Die Argumentation sieht dabei bei der Benutzung von Verkehrsmitteln wie folgt aus: Jeder, der im Bus sitzt, wird zugelassen. Also braucht man nur im Bus sitzen, um zugelassen zu werden. Wer aber zugelassen worden ist, muß auch die Gebühr entrichten. So vor allem Jauernig a.a.O. S. 2; Fischedick S. 38. 149 Vgl. dazu Forsthoff S. 414. 150 Der Gemeinde steht nicht die Befugnis zu, durch Satzungsbestimmung einen mündlichen oder konkludenten Vertragsschluß für ausreichend zu erklären. Vgl. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform S. 208. 151 So vor Erlaß des VwVfG schon Hablitzel, BayVBI. 1973,201; Dahlhoff S. 96 f. 152 Die ebenfalls denkbare Interpretation als Antrag auf Vertragsabschluß scheidet wegen der Schriftformklausel in § 57 VwVfG aus. 153 Auch wenn man auf die Geltung der Schriftformklausel bei alltäglichen Massenverträgen verzichtet (so wohl Maurer Allg.VwR § 14 Rdnr. 29) und den ganzen Vorgang als öffentlich-rechtlichen Vertrag interpretiert, ergeben sich davon keine Abweichungen. Denn auch die Vertragserklärungen fallen unter § 9 VwVfG. Vgl. B., IH.,
4., d). 11*
164
C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
Handlungsfähigkeit führt.1 54 Eine dennoch erfolgte Zulassung ist daher unwirksam. 155 Es ist also kein wirksames öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis zustande gekommen. Damit kann es auch nicht herangezogen werden, um eine Gebührenpflicht des Minderjährigen zu begründen. Dieses Ergebnis stellt sich als konsequente Folge des in § 12 VwVfG liegenden Minderjährigenschutzes dar. Der Minderjährige kann ebensowenig wie im Zivilrecht quasi-vertraglich für die Entrichtung einer Gebühr in Anspruch genommen werden. Er ist auch nicht zur Zahlung eines "erhöhten" Entgeltes verpflichtet, wenn er ohne einen gültigen Fahr- oder Benutzungsausweis angetroffen wird. Eine andere Auslegung würde gegen den prinzipiellen Minderjährigenschutz in § 12 VwVfG verstoßen.l 56 (b) Die "Willentlichkeit" als Tatbestandsmerkmal der Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung Der nach der hier vertretenen Auffassung in § 12 VwVfG liegende Minderjährigenschutz i.R. kommunaler Nutzungsverhältnisse korrespondiert mit dem Begriff der "Inanspruchnahme" öffentlicher Einrichtungen in den §§ 4,6 KAGNW. So wird besonders im Bereich der kommunalen Rettungsdienste die Frage diskutiert, inwiefern die "Willentlichkeit" als ein Tatbestandsmerkmal der "Inanspruchnahme" anzusehen ist und nach welchen Kriterien diese "Willentlichkeit" zu bestimmen ist. Das VG Köln 157 verlangt das Merkmal der Willentlichkeit und mißt die Wirksamkeit des erklärten Willens analog an den §§ 104 ff. BGB. Liege die Geschäftsfähigkeit nicht vor, sei der erklärte Willen unwirksam, so daß es am Tatbestand der Willentlichkeit fehle. Demnach sei auch keine Gebühr nach dem KAG fällig.l 58 Vgl. dazu B., III., 3. Vgl. zu den Auswirkungen der fehlenden passiven Handlungsfähigkeit B., 111., 4., b). 156 Vgl. dazu Medicus BGB-AT Rdnr. 252. 157 Vgl. VG Köln U. v. 27.6.82 Az.: 14 K 1240/81; ähnlich hat das Gericht bei der mißbräuchlichen Alarmierung eines Feuermelders judiziert. Vgl. das U. v. 21.6.83 Az.: 14 K 4812/82. 158 Nach Auffassung des VG Köln kommen als Ersatzanspruchsgrundlagen in den Rettungsfällen in Betracht: Entweder § 11 II Nr. 7 KostO NW i.V.m. den §§ 55 ff. VwVG NW, §§ 28 ff. PolG NW als Kosten der Ersatzvornahme, wenn die Polizei den Rettungstransport veranlaßt hatte oder die Vorschriften der öffentlich-rechtlichen GoA. Gemäß § 679 BGB sei in den Rettungsfällen sogar der entgegenstehende Wille des Geschäftsherrn unbeachtlich. Es sei damit nicht erforderlich, die Willentlichkeit i.R. der §§ 4, 6 KAG NW zu fingieren, um Aufwendungsersatz zu erhalten. 154 155
H. 4. Die Nutzung kommunaler Einrichtungen
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Das OVG NW159 ist diesem Ergebnis in der Sache nicht beigetreten. Es hält zwar grundsätzlich an dem Erfordernis der Willentlichkeit fest, zumal niemandem eine Leistung aufgedrängt werden dürfe. Da ein Notfall i.S.v. § 1 RettG NW jedoch in vielen Fällen das Merkmal der Willentlichkeit gerade ausschließe, könne darauf verzichtet werden, wenn z. B. eine bewußtlose oder unter Schockwirkung stehende Person den städtischen Rettungsdienst benutze. Bemerkenswert ist jedoch, wie das Gericht in dem entschiedenen Fall den Abwehrreaktionen des Betroffenen gegen den Abtransport jegliche rechtliche Bedeutung absprach. Die Volltrunkenheit des Benutzers habe zu einem, die freie Willensentschließung ausschließendem Zustand geführt. Damit sei seine Erklärung gemäß § 105 11 BGB, der analog auch für die verwaltungsrechtliche Handlungsfähigkeit gelte, unwirksam. Rechtlich relevant könne der entgegenstehende Wille nur sein, wenn er erkennbar sei und in rechtserheblicher Weise geäußert werde. 160 Aus dieser Argumentation des OVG NW kann damit auch eine Aussage für den umgekehrten Fall, also für die Beurteilung der Wirksamkeit des Willens zur Benutzung gewonnen werden. Wenn das Gericht die Rechtserheblichkeit des gegen die Benutzung gerichteten Willen an den Grundsätzen der verwaltungsrechtlichen Handlungsfähigkeit mißt, so muß dies auch für den auf die Benutzung hin gerichteten Willen gelten. Damit reicht also auch nach Auffassung des OVG NW - außer in den speziellen Rettungsfällen - die tatsächliche Inanspruchnahme nicht aus, um ein gebührenpflichtiges Benutzungsverhältnis zu begründen. Dieses soll vielmehr vom wirksam erklärten Willen zur Benutzung abhängen (Willentlichkeit). Die Wirksamkeit wird demnach zutreffend nach den Grundsätzen der verwaltungsrechtlichen Handlungsfähigkeit beurteilt. Da es sich bei dem Zulassungsverfahren um ein Verwaltungsverfahren i.S.v. § 9 VwVfG handelt, kommt also auch nach dieser Auffassung § 12 VwVfG zur Anwendung. Das alleinige Vorliegen der Einsichtsfähigkeit wird für das Tatbestandsmerkmal der "Willentlichkeit" der Inanspruchnahme damit ebenfalls nicht als ausreichend erachtet. (c) Erfordernis einer satzungsförmigen Benutzungsordnung In vielen Fällen erscheint es notwendig, die Minderjährigen selbständig zur Benutzung öffentlicher Einrichtungen zuzulassen, wenn auch nur gegen Entrichtung einer Gebühr. Dieses Ziel kann dadurch erreicht werden, daß die Gemeinden Benutzungsordnungen in Form von Satzungen erlassen, die den Minderjährigen ausdrücklich die Handlungsfähigkeit i.S.v. § 12 I Nr. 2 159
160
Vgl. hierzu und zum folgenden OVG NW KStZ 1984, 12 ff. Vgl. das OVG NW a.a.O. S. 14 f.
166
C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
VwVfG zugestehen. 161 Die Einräumung der Handlungsfähigkeit ist in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden, sofern sie den natürlichen Fähigkeiten und Bedürfnissen der Kinder entspricht und somit keinen Eingriff in das Elternrecht darstellt. 162 Die Zulässigkeit von erhöhten Tarifen im Fall einer "Schwarzfahrt" begegnet allerdings Bedenken, wenn sie so hoch sind (40 - 80 DM), daß sie ein Minderjähriger kaum ohne finanzielle Beteiligung der Eltern entrichten könnte. Das öffentlich-rechtliche Benutzungsverhältnis kann die von Minderjährigen ausgelösten Rechtsprobleme also lösen, wenn eine satzungsmäßige Norm vorliegt, die ihm die Handlungsfähigkeit einräumt. (d) Die Haftung der Gemeinde im wirksamen Benutzungsverhältnis Die Gemeinde haftet innerhalb eines öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnisses grundSätzlich nach Amtshaftungsrecht. Daneben trifft sie auch noch eine vertragsähnliche Haftung aus schuldrechtsähnlicher Sonderverbindung, sofern das Benutzungsverhältnis eine dem zivilrechtlichen Schuldverhältnis vergleichbare Intensität erreicht. 163 Diese Intensität wird man bei der Benutzung eines Verkehrsmittels oder einer Badeanstalt, nicht aber bei den faktischen Benutzungsverhältnissen, wie der Benutzung eines Kinderspielplatzes, annehmen können. Im Rahmen dieser faktischen Benutzungsverhältnisse haftet die Gemeinde dem Minderjährigen für etwaige Verkehrspflichtverletzungen nach Amtshaftungsrecht. Denn nach zutreffender Ansicht läßt sich die öffentlich-rechtlich zu beurteilende Pflicht der Gemeinde, öffentliche Einrichtungen bereitzustellen, nicht von der Aufgabe trennen, sie in einem ordnungsgemäßen Zustand zu erhalten. 164
Vgl. dazu B., III., 2.; so auch Ehlers, DVBI. 1986,912 (918). Vgl. zu diesem Prüfungsschritt A., 11., 2. 163 Eine sinngemäße Anwendung der Grundsätze der pVV und anderer privater Vertragsnormen wird allgemein für die Fälle bejaht, in denen ein besonders enges Verhältnis des einzelnen zur Verwaltung begründet worden ist und mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung ein Bedürfnis für eine angemessene Verteilung der Verantwortung innerhalb des öffentlichen Rechts vorliegt. So ausdrücklich BGH NJW 1973, 1741; vgl. auch Schneider, NJW 1962, 705 (707); Rüfner, DÖV 1973, 808; Tiemann, VerwArch 1974, 381 (388 ff.). 164 Vgl. das OLG Düsseldorf VersR 1976, 1160 f.; so neuerdings auch Ehlers, DVBI. 1986,912 (922); a.A. die ständige Rechtsprechung des BGH: BGH NJW 1953, 1297 f.; BGH NJW 1977,1965; BGH NJW 1978, 1626 f. 161
162
H. 4. Die Nutzung kommunaler Einrichtungen
167
(e) Die Haftung des Minderjährigen im wirksamen Benutzungsverhältnis Der Minderjährige muß die Benutzungsgebühr als Kostenschuldner i.S. der §§ 28 I a GebG NW, 6 I KAG NW tragen.
Fraglich ist, wie er für eventuelle Sachschäden haftet. Erreicht das Benutzungsverhältnis eine dem zivilrechtlichen Schuldverhältnis vergleichbare Intensität, trifft auch den Minderjährigen die Haftung aus schuldrechtsähnlicher Sonderverbindung.165 Verletzt er Rechtsgüter der Gemeinde, indem er z. B. im städtischen Bus die Sitze beschädigt, stellt dieses Verhalten eine öffentlich-rechtliche pVV dar, für die der Minderjährige einzustehen hat. Darüber hinaus könnte man an eine deliktische Haftung des Minderjährigen nach den §§ 823 ff. BGB denken. Ein solcher Anspruch der Gemeinde gegen den Minderjährigen würde allerdings die Anwendbarkeit der §§ 823 ff. BGB im öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnis voraussetzen. Der Schutz öffentlicher Sachen durch die §§ 823 ff. BGB ist außerhalb von schuldrechtsähnlichen Sonderverbindungen unumstritten .166 Beschädigt ein Minderjähriger z. B. einen Kinderspielplatz, trifft ihn daher grundsätzlich die Haftung nach den §§ 823 ff. BGB.167 Innerhalb einer schuldrechtsähnlichen Sonderverbindung hängt die Anwendbarkeit der §§ 823 ff. BGB davon ab, ob öffentliche und private Pflichten bei demselben Lebenssachverhalt konkurrieren können. Denn die zivilrechtlichen, deliktischen Vorschriften können sich nur auf eine privatrechtliehe und nicht auf eine öffentlich-rechtliche Pflichtverletzung beziehen. 168 In dem angeführten Beispiel der Beschädigung eines Busses stellt sich also die Frage, ob das Verhalten nicht nur eine öffentlich-rechtliche, sondern auch eine privatrechtliehe Pflichtverletzung darstellt. Gegen das gleichzeitige Vorliegen einer privatrechtlichen Pflichtverletzung spricht, daß eine Pflichtverletzung nur alternativ entweder dem öffentlichen Recht oder dem Privatrecht zugeordnet werden kann, so daß ein Dualismus insoweit ausgeschlossen ist.l 69 Vgl. zur Haftung des Benutzers in diesem Fall auch Ehlers, a.a.O. S. 921. Vgl. dazu Hüttenbrink, DÖV 1982, 489 ff. 167 So auch Ehlers, a.a.O. S. 921 f. Dem steht nicht entgegen, daß hier die Gemeinde für die Verkehrspflichten nach Staatshaftungsrecht haftet. Vgl. dazu C., II., 4., a), bb), 165
166
(1), (d).
168 Die unmittelbare Anwendung der §§ 823 ff. BGB im öffentlichen Recht wird von Simons S. 98 zu Recht als systemwidrig bezeichnet. Das gilt auch im umgekehrten Verhältnis bei Ansprüchen des Bürgers gegen den Staat, denn der Problembereich der unerlaubten Handlung des Staates ist durch die Staatshaftungsregeln des Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB abschließend geregelt. 169 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform S. 513.
168
C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
Da die Beschädigung i.R. der schuldrechtsähnlichen Haftung eine öffentlich-rechtliche Pflichtverletzung darstellt, scheidet ein Rückgriff auf die §§ 823 ff. BGB aus. Der öffentlich-rechtlichen Rechtsnatur könnte nur dadurch Rechnung getragen werden, daß man den privatrechtlichen Anspruch aus § 823 BGB in das öffentliche Recht überträgt.1 70 Gegen eine solche entsprechende Anwendung des § 823 BGB im öffentlichen Recht spricht aber, daß sich eine solche Verschlechterung der Rechtsposition des Bürgers am Vorbehalt des Gesetzes messen lassen müßte. Erforderlich wäre damit also eine gesetzliche Regelung.1 71 Die Verwaltung kann sich gegenüber dem Minderjährigen also nicht auf einen Anspruch aus § 823 BGB stützen. (2) Rechtsfalgen eines unwirksamen Benutzungsverhältnisses In der Praxis werden zumeist nur sogenannte "schlichte" Benutzungsordnungen in Form von Allgemeinverfügungen vorliegen, die keine Handlungsfähigkeit bewirken.172 Es stellt sich daher die Frage, welche Rechtsfolgen sich aus dem Nichtbestehen des Benutzungsverhältnisses ergeben. Die Unwirksamkeit des Benutzungsverhältnisses könnte sich auf die Haftung der Verwaltung für Schädigungen des Benutzers auswirken, die mit der Benutzung zusammenhängen. (a) Die Haftung der Gemeinde gegenüber dem Minderjährigen Die Unwirksamkeit des Benutzungsverhältnisses führt dazu, daß die vertragsähnliche Haftung aus schuldrechtsähnlicher Sonderverbindung nicht besteht. Der Minderjährige kann aber i.R. eines nichtigen öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnisses ebensowenig ohne jeden Schutz gelassen werden, wie in der vergleichbaren privatrechtlichen Situation. Da der Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB auch im öffentlichen Recht Anwendung findet, greift die gesetzliche Schutzpflichthaftung auch im Fall eines unwirksamen öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnisses zugunsten des Minderjährigen ein. Neben diese öffentlich-rechtlich zu beurteilende Schutzpflichthaftung tritt die nach Amtshaftungsrecht. Die Unwirksamkeit des Benutzungsverhältnisses darf sich nicht zulasten der Minderjährigen auf den Umfang der Staatshaftung auswirken. 170
171 172
Dafür plädieren ErbguthlBecker S. 14. So auch Ehlers a.a.O. Vgl. dazu B., III., 2.
II. 4. Die Nutzung kommunaler Einrichtungen
169
In umgekehrter Anspruchsrichtung stellt sich das Problem, ob der Verwaltung zum Ausgleich von etwaigen Sachschäden an der öffentlichen Einrichtung oder zur Durchsetzung des Gebührenanspruchs deliktische oder sonstige Anspruchsgrundlagen zur Verfügung stehen. (b) Die Haftung des Minderjährigen Zunächst ist fraglich, wie der Minderjährige haftet, wenn er während der unberechtigten Benutzung die öffentliche Einrichtung beschädigt. Zivilrechtliche Ansprüche gemäß den §§ 823 ff. BGB scheiden auch in dieser Situation aus. Denn der öffentlich-rechtliche Rechtscharakter des Benutzungsverhältnisses bleibt von der Wirksamkeit des Begründungsaktes unabhängig. Die Beschädigung der öffentlichen Einrichtung könnte die vertragsähnliche Haftung des Minderjährigen aus der öffentlich-rechtlichen Sonderverbindung "Benutzungsverhältnis" auslösen. Der Minderjährige müßte dann nach den Grundsätzen der öffentlich-rechtlichen pVV für den Schaden einstehen. Gegen diese Haftungsfolge spricht jedoch, daß die Handlungsunfähigkeit des Minderjährigen die Wirksamkeit des Benutzungsverhältnisses und damit die Anwendbarkeit der vertragsähnlichen Haftung gerade verhindert. Die Verwaltung kann sich daher nur auf die Verletzung der - hier öffentlich-rechtlich zu beurteilenden - gesetzlichen Schutzpflichthaftung durch den Minderjährigen berufen,173 Denn auch für den Minderjährigen gilt das Prinzip, daß trotz der Unwirksamkeit des Benutzungsverhältnisses die gleiche Sorge für die gefährdeten Rechtsgüter des Partners besteht. Die auf der Handlungsunfähigkeit des Minderjährigen beruhende Unwirksamkeit des Benutzungsverhältnisses soll ihn zwar vor Sorgfaltspflichten bewahren, die den vertraglichen gleichkommen. Das gilt aber nicht für solche Pflichtverletzungen, die einen deliktischen Tatbestand, wie z. B. eine Eigentumsverletzung nach § 823 I BGB, erfüllen,174 In diesen Fällen haftet der Minderjährige also wegen pVV der gesetzlichen Schutzpflichthaftung. Die Verantwortlichkeit für diese Schutzpflichtverletzung ist analog § 828 II BGB anhand der Einsichtsfähigkeit zu bestimmen. Fraglich bleibt, in welcher Weise der Minderjährige dem Gebührenanspruch der Verwaltung ausgesetzt ist. Den speziellen gebührenrechtlichen Ansprüchen gegen den Minderjährigen steht die Unwirksamkeit des Benutzungsverhältnisses entgegen. Ein deliktsrechtlicher Anspruch scheitert an der fehlenden Anwendbarkeit des Deliktsrechtes, selbst wenn man die Nichtentrichtung der Benutzungsgebühr als einen Schaden ansehen Will. 175 173 174 175
Vgl. zur Herleitung der gesetzlichen Schutzpflichthaftung c., 1I., Fn. 139. Vgl. Medicus Rdnr. 203 m.w.N. Vgl. zu dieser Problematik c., II., Fn. 134.
170
C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
Die Gemeinde bleibt demnach auf die Geltendmachung des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs angewiesen. Der Minderjährige hat auf Kosten der Gemeinde die Benutzung der Einrichtung erlangt und zwar nicht durch Leistung, sondern in sonstiger Weise. 176 Ob der Erstattungsanspruch durchgreift, hängt davon ab, ob der Minderjährige sich auf den Wegfall der Bereicherung berufen kann. Nach der Rechtsprechung des BVerwG177 folgt aus der Eigenständigkeit des Erstattungsanspruchs als Institut des öffentlichen Rechts, daß eine analoge Anwendung der §§ 818 III, 819 I BGB insoweit nicht möglich ist. Eine Rückgabepflicht des Erlangten sei aber in jedem Fall ausgeschlossen, "wenn das private Vertrauensschutzinteresse das öffentliche Interesse an der Wiederherstellung einer dem Gesetz entsprechenden Vermögenslage überwiegt". Im Unterschied zu § 819 I BGB entfalle der Vertrauensschutz nicht erst bei positiver Kenntnis vom Mangel des rechtlichen Grundes, sondern schon bei grob fahrlässiger Unkenntnis. Fraglich ist, wie sich diese Rechtsprechung auf den Minderjährigen als Schuldner des Erstattungsanspruches auswirkt. Da hier eine Eingriffskondiktion vorliegt, kommt es i.R. der Abwägung des Vertrauensschutzinteresses analog § 828 II BGB auf die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis des Minderjährigen selbst an.1 78 Ein Minderjähriger weiß bzw. muß wissen, daß er trotz eines unwirksamen Benutzungsvertrages die öffentliche Einrichtung nicht gebührenfrei benutzen darf. Damit überwiegt das öffentliche Interesse an der Entrichtung der Gebühr, so daß der Minderjährige Wert ersatz für die Benutzung in Höhe der Benutzungsgebühr zu leisten hat. b) Zulässigkeit von Haftungsbeschränkungen gegenüber Minderjährigen aa) Rechtslage im Fall eines privatrechtlichen Benutzungsregimes
Soweit das Benutzungsverhältnis durch einen privatrechtlichen Vertrag zustande kommt, kann auch die Verwaltung die Haftung gemäß § 11 Nr. 7 AGB-GI79 durch Einbeziehung von AGB auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit begrenzen. Die deliktische Haftung wird durch diese vertragliche Haftungsbeschränkung ebenfalls miterfaßt,180 Da diese Freizeichnung auch einem 176 Nach der jüngsten Grundsatzentscheidung des BVerwG kann der öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch auch im Falle einer Eingriffskondiktion angewendet werden. Vgl. dazu BVerwG NJW 1985, 2436 f.; Weber, JuS 1986, 29 (30). 177 Vgl. hierzu und zum folgenden das BVerwG a.a.O.; Weber a.a.O. S. 34 f. stimmt der Rechtsprechung des BVerwG zu und hält die alte Streitfrage um die analoge Anwendung der §§ 818 III, 819 I BGB für entschieden. 178 Die Anwendung des § 82811 BGB folgt aus der gleichen Überlegung wie im Falle eines privatrechtlichen Leistungsverhältnisses. Vgl. dazu c., 11., 4., a), aa), (2). 179 Die Anwendbarkeit des AGB-G ergibt sich aus einem Umkehrschluß zu § 24 I Nr. 2 AGB-G. Vgl. dazu Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform S. 352. 180 Vgl. BGHZ 9,301 (306); JauernigfIeichmann Vorbem. § 823 Anm. 2 b.
11. 4. Die Nutzung kommunaler Einrichtungen
171
Minderjährigen gegenüber nur durch einen Enthaftungsvertrag herbeigeführt werden kann 181 , scheidet diese Möglichkeit wegen des darin liegenden rechtlichen Nachteils aus,182 Die Gemeinde ist damit auf eine Genehmigung des Enthaftungsvertrages durch den gesetzlichen Vertreter gemäß den §§ 107,108 BGB angewiesen. An eine solche Genehmigung sind jedoch strenge Anforderungen zu stellen. Diese sind nach der Auffassung des BGH nicht schon dann erfüllt, wenn dem Haftungsausschluß nicht eindeutig widersprochen worden ist. So wurde noch nicht einmal für den Fall, in dem die Eltern eine Freizeichnungsklausel gelesen hatten, ein dem Minderjährigen gegenüber wirksamer Haftungsausschluß angenommen. 183 Daran wird deutlich, daß sich die Verwaltung wohl nie mit Erfolg auf eine Genehmigung des Enthaftungsvertrages durch den gesetzlichen Vertreter berufen kann. Denn es wird ihr kaum gelingen, die vom BGH geforderte, ausdrückliche Genehmigung nachzuweisen. 184 Etwas anders könnte nur dann gelten, wenn sich aus der Überlassung der zur .Benutzung erforderlichen Mittel durch die Eltern gemäß § 110 BGB nicht nur eine konkludente Einwilligung in den Benutzungsvertrag185 , sondern auch eine in den speziellen Enthaftungsvertrag herleiten ließe. Dagegen spricht aber, daß sich § 110 BGB von seinem Anwendungsbereich weitgehend nur auf Bargeschäfte bezieht 186 und ein vorheriges Einverständnis der Eltern sich nicht auf ausgesprochen schädliche oder gefährliche Geschäfte erstreckt, die mit nicht kalkulierbaren Vermögens- oder Gesundheitsrisiken einhergehen,187 Daher wird man in diesen Fällen nicht von einer konkludenten Einwilligung in die Haftungsvereinbarung ausgehen können. Es besteht jedoch die Möglichkeit, den Benutzungsvertrag vom Enthaftungsvertrag zu trennen, so daß mit der Entrichtung des Entgeltes zumindest der Benutzungsvertrag durch Erfüllung wirksam wird,188 Solange also die vom BGH geforderte ausdrückliche Genehmigung des Enthaftungsvertrages durch den gesetzlichen Vertreter 181 Auch die privatrechtliche Verkehrspflichthaftung für öffentliche Einrichtungen, die nach der hier abgelehnten Rspr. des BGH außerhalb öffentlich-rechtlicher Sonderverbindungen eingreifen soll (vgl. C., 11., Fn. 164) läßt sich nicht durch einseitige Erklärungen wie "Benutzung auf eigene Gefahr" ausschließen. Ein "Handeln auf eigene Gefahr" kann sich nur anspruchsmindernd LR. des § 254 BGB auswirken. Vgl. dazu Börner S. 388 f. mit umfangreichen Nachweisen pro et contra. 182 ErmanlDrees Vorbem. § 823 Rdnr. 41; OLG Köln VersR 1970, 577 (578); Schneider, NJW 1962, 705; Gaisbauer, VersR 1970, 505 (510). 183 Vgl. zu dieser Problematik BGH VersR 1982, 482. 184 A.A. Wiethaup, VersR 1972, 817 (818), der auch eine stillschweigende Genehmigung für möglich hält. 185 Vgl. zu dieser Konstruktion PalandtlHeinrichs § 110 Anm. 1. 186 Gitter in MK § 110 Rdnr. 3. 187 Lindacher in Festschrift für F. W. Bosch S. 533 (543). 188 Vgl. zur Bedeutung des § 266 BGB im Anwendungsbereich des § 110 BGB: SoergellHefermehl § 110 Rdnr. 3.
172
C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
nicht von der Verwaltung nachgewiesen werden kann, bleibt die Haftungsbeschränkung dem Minderjährigen gegenüber unwirksam. bb) Rechtslage im Fall eines öffentlich-rechtlichen Benutzungsregimes
Fraglich ist, ob die Gemeinde ihre Haftungslage durch eine öffentlich-rechtliche Ausgestaltung des Leistungsverhältnisses verbessern kann. In bezug auf die vertragsähnliche Haftung ist anerkannt, daß sie in ähnlicher Weise wie die vertragliche Haftung beschränkt werden kann. 189 Die durch eine Rechtsnorm 190 einseitig l91 angeordnete Freizeichnung muß dabei in bezug auf ihre materielle Gerechtigkeit nach verwaltungsrechtlichen Grundsätzen beurteilt werden.1 92 Damit verfügt die Verwaltung über die Möglichkeit, durch Satzung ihre vertragsähnliche Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu beschränken. Dagegen reicht die Satzungsmacht - entgegen der Auffassung des BayVGH193 - nicht aus, um die mit der vertrags ähnlichen Haftung konkurrierende Amtshaftung zu begrenzen.194 Der Landesgesetzgeber besitzt zwar i.R. des Art. 34 GG die Kompetenz zur Haftungsverlagerung auf den Staat l95 , doch kann diese nur durch ein formelles Gesetz vorgenommen werden. l96 Das Erfordernis eines formellen Gesetzes ergibt sich daraus, daß durch eine Beschränkung der Staatshaftung die unerwünschte Eigenhaftung des Beamten wieder aufleben würde; das würde auf 189 BGH NJW 1973, 1741; BGH NJW 1973, 2101; Tiemann, VerwArch 1974, 381 (401); Schneider, NJW 1962, 705 (708). 190 In Betracht kommt nur eine Regelung durch Satzung, da Sonderverordnungen rechtsstaatlichen Anforderungen nicht gerecht werden (vgl. Ehlers a.a.O. S. 182; Krebs, NVwZ 1985, 609 (612» und eine so wichtige Entscheidung nicht durch eine Allgemeinverfügung getroffen werden kann. Vgl. zum Erfordernis einer rechtsnormmäßigen Regelung bei wesentlichen Entscheidungen auf kommunaler Ebene: Bethge, NVwZ 1983, 577 (580), im Anschluß daran Löwer, DVBI. 1985,929 (939). 191 Eine Haftungsvereinbarung durch öffentlich-rechtlichen Vertrag scheitert zumeist an der Schriftformklause1 i.S.v. § 57 VwVfG. Vgl. Ehlers, a.a.O. S. 356 m.w.N. 192 Eine Freizeichnung wäre unverhältnismäßig, wenn sie ohne sachlich einleuchtenden Grund hinter den Anforderungen des AGB-G zurückbleiben würde (vgl. Ehlers a.a.O. S. 358 f.). 193 Vgl. BayVGH in DVBI. 1985,903 (904). 194 BGH NJW 1973, 1741 (1743); Tiemann a.a.O. S. 397; Schneider a.a.O. S. 710; Maurer, Allg.VwR § 25 Rdnr. 39; Ehlers a.a.O. S. 360 f.; ders., DVBI. 1986,921 Fn. 141; zweifelnd Erichsen, Jura 1986, 205; a.A. Maunz in Maunz/Dürig Art. 34 Rdnr. 34. 195 BGH NJW 1973,1741 (1743); BVerfGE 61,149 (199); a.A. Erichsen, VerwArch 1974, 219 (225), der die Kompetenz zur Haftungsverlagerung nur dem Bund zusprechen will, um die sonst wieder auflebende Eigenhaftung des Beamten nach § 839 BGB zu vermeiden. 196 Vgl. den BGH a.a.O.; verschiedentlich wird auch eine formell-gesetzliche Grundlage für ausreichend gehalten. Vgl. Ehlers a.a.O. S. 360 f.; Maurer a.a.O.
11. 4. Die Nutzung kommunaler Einrichtungen
173
seiten der Gemeinde dazu führen, daß die Spontanität und Initiative der handelnden Amtsträger gehemmt würden. Dem Bürger würde darüber hinaus mit dem Staat ein "solventer" Anspruchsverpflichteter genommen. I97 Für eine solch weitreichende Entscheidung reicht die den Gemeinden zur Regelung ihrer Selbstverwaltungsangelegenheiten verliehene Satzungsbefugnis nicht aus. An diesem für die Verwaltung unbefriedigenden Ergebnis vermag auch die von Rüfner I98 vorgeschlagene Trennung von gesetzlichen und freiwilligen Amtspflichten nichts zu ändern. Danach stelle die Begrenzung der Haftung für Amtspflichten im Vergleich zu ihrer Statuierung in einem verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis nur ein rechtliches Minus dar. Wenn die Verwaltung also eine Amtspflicht freiwillig übernehmen könne, so verfüge sie auch über die Kompetenz, die diesbezügliche Haftung zu begrenzen. I99 Eine solche Unterscheidung von gesetzlichen und freiwilligen Amtspflichten scheitert jedoch an der Tatsache, daß eine Haftungsbeschränkung ausscheidet, wenn eine Amtspflicht - sei es auch nur durch eine Satzung - erst einmal begründet worden ist. Denn § 839 BGB ist für den Satzungsgeber dann unantastbar. 2oo Damit geht es also nur noch um die Frage, ob die vertragsähnliche Haftung gegenüber einem Minderjährigen ausgeschlossen werden kann. Diese Frage wird von all den Autoren bejaht, die den Anwendungsbereich der angeführten faktischen, "schlichten" Benutzungsverhältnisse in unzulässiger Weise auch auf die zulassungspflichtigen öffentlichen Einrichtungen ausdehnen. 20I Der Minderjährige sei der Benutzungssatzung als einer dem Benutzungsverhältnis vorgegebenen Regelungseinheit wie jeder volljährige Benutzer unterworfen. Das Benutzungsverhältnis bilde eine Einheit, Vorteile und Nachteile, wie z. B. die beschränkte Haftung seien untrennbar miteinander verbunden. Mit der Zulassung zur Benutzung werde daher auch die Haftungsbeschränkung dem Minderjährigen gegenüber wirksam. 202 Diese Auffassung vermag schon aufgrund des unzutreffenden Ausgangspunktes nicht zu überzeugen. 197 Der BGH a,a.O. S. 1743 sieht darin sogar einen Eingriff in Freiheit und Eigentum des Bürgers. 198 Vgl. zum folgenden Rüfner, DÖV 1973, 808 ff.; ders., in ErichsenlMartens § 53 IV. 199 Die nach dieser Auffassung mögliche Haftungsbeschränkung soll sowohl die Staatshaftung als auch die Eigenhaftung des Beamten umfassen. 200 Vgl. Brehm, DÖV 1974, 415 ff.; Erichsen, Jura 1986, 205. 201 Vgl. zu diesem Problem C., 11., 4., a), bb), (1), (a). 202 Diese Auffassung vertreten: Schneider, NJW 1962, 705 (708); Schullan, BayBgm 1965, 165 (168); Jauernig, NJW 1972, 1 (4); Tiemann, VerwArch 1974, 380 (403 f.); neuestens Fischedick S. 78 und das OLG München VersR 1974, 200 (201).
174
C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
Es muß vielmehr differenziert werden, ob die Benutzungssatzung eine Vorschrift enthält, die den Minderjährigen die Handlungsfähigkeit in rechtlicher Sicht einräumt oder nicht. 203 Liegt keine derartige Regelung vor, folgt daraus die Nichtigkeit des Benutzungsverhältnisses. Diese auf dem Minderjährigenschutzprinzip beruhende Rechtsfolge bewirkt, daß die Enthaftung, die nur im wirksamen Benutzungsverhältnis zum Tragen kommen kann, gegenüber dem Minderjährigen leerläuft. Kommt es daher zu einer Schädigung des Minderjährigen innerhalb des unwirksamen Benutzungsverhältnisses, muß die Verwaltung auch für leicht fahrlässige Schutzpflichtverletzungen haften. Wird der Minderj ährige durch die Benutzungssatzung als handlungsfähig anerkannt, so kommt ein wirksames Benutzungsverhältnis mit der vorgegebenen Haftungsbeschränkung zustande. Gegen dieses Ergebnis könnten sich verfassungsrechtliche Bedenken in bezug auf einen unzureichenden Minderjährigenschutz erheben, da die Gewährung der Handlungsfähigkeit immerhin mit der Folge einer wirksamen Enthaftung verbunden ist. Diese Bedenken greifen jedoch nicht durch. Zum einen wiegt die Gefährdung des Minderjährigen nicht so schwer, da die konkurrierende Staatshaftung bestehen bleibt. Und zum anderen kann es der Verwaltung nicht zugemutet werden, die öffentliche Einrichtung volljährigen und minderjährigen Benutzern zu unterschiedlichen Bedingungen anzubieten. 5. Postbenutzungsverhältnisse
Mit der Nutzung kommunaler Einrichtungen vergleichbar ist die Postbenutzung Minderjähriger. Im Rahmen der Postbenutzung können zwei Bereiche unterschieden werden. Es kommt zum einen die Inanspruchnahme der in § 1 Nr. 1 - 5 PostG aufgeführten Dienste in Betracht und zum anderen die des Fernmeldedienstes, welche dem FernmG unterliegen. Die Klärung des Problems, ob ein Minderjähriger selbständig Post- und Fernmeldebenutzungsverhältnisse eingehen kann, hängt zunächst davon ab, wie diese überhaupt begründet werden. Im weiteren kommt es darauf an, ob die Eltern bei der Begründung des Benutzungsverhältnisses mitwirken müssen oder wie der Schutz des Minderjährigen sonst ausgestaltet ist. a) Begründung von Post- und Fernmeldebenutzungsverhältnissen
Sowohl im Post- als auch im Fernmeldebereich entsteht ein Benutzungsverhältnis zwischen dem einzelnen Benutzer und der DBP.204 Aufgrund der 203 Soll die Enthaftung im Einzelfall durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag herbeigeführt werden, wird der Minderjährige durch § 12 VwVfG geschützt.
H. 5. Postbenutzungsverhältnisse
175
unterschiedlichen gesetzlichen Ausgestaltung empfiehlt sich jedoch eine getrennte Untersuchung der Voraussetzungen, die für die Begründung der einzelnen Benutzungsverhältnisse zu fordern sind. aa) Die Begründung von PostbenutzungsverhäItnissen, die dem PostG unterliegen
Wie § 7 PostG ausdrücklich klarstellt, werden die Postbenutzungsverhältnisse durch das PostG und durch die aufgrund von § 14 PostVerwG erlassenen Benutzungsverordnungen geregelt, so daß das Rechtsverhältnis zwischen der DBP und dem Benutzer nur als öffentlich-rechtlich qualifiziert werden kann. Umstritten ist, ob sich das Postbenutzungsverhältnis als Anstaltsbenutzungsverhältnis auffassen läßt. Das wird teilweise mit der Begründung abgelehnt, daß es an der für den Anstaltsbegriff vorauszusetzenden Trennung der Organisation von Anstalt und Anstaltsträger fehle. Die DBP werde gemäß § 1 I PostVerwG von einem Bundesminister geleitet, der zugleich oberste Dienstbehörde und oberster Dienstvorgesetzter der Bediensteten der DBP sei. 2os Gegen diese Argumentation spricht jedoch, daß Anstalten auch in Form des Regiebetriebs geführt werden können. Auch in diesem Fall fehlt es an einer Trennung von Anstalt und Anstaltsträger , da sich der Regiebetrieb eng an die Gemeindeadministration anlehnt. So bildet der Regiebetrieb nur eine Abteilung der Gemeindeadministration. 206 Insofern kann das Postbenutzungsverhältnis durchaus als Anstaltsbenutzungsverhältnis angesehen werden. 20 ? Aber selbst wenn man der hier vertretenen Auffassung nicht folgt, kann auf das Anstaltsrecht und damit auf das Recht der öffentlichen Einrichtungen insoweit zurückgegriffen werden, als auch das Postbenutzungsverhältnis durch Zulassung entsteht. (1) Die rechtliche Bedeutung des § 81 S. 2 PostG Der Rechtscharakter der Zulassung und die Berücksichtigung der Minderjährigkeit ist nach allgemeiner Auffassung davon abhängig, ob es sich um eine Einzel- oder Dauernutzung handelt. 208 Das Benutzungsverhältnis soll im 204 Die DBP ist teilrechtsfähig, da sie gern. § 4 I PostVerwG im Rechtsverkehr unter ihrem Namen handeln, klagen und verklagt werden kann. 205 Vgl. dazu Kämmerer, DVBI. 1966,357 ff., 396 ff.; Eidenmüller, Einführung C Anm. 2 bezeichnet die Postbenutzung daher als Rechtsverhältnis besonderer Art. 206 Vgl. zum Regiebetrieb: Schmidt-Aßmann in v. Münch, BesVwR, S. 17l. 207 Jauernig, NJW 1972, 1 (2 Fn. 23) will unter Bezugnahme auf Wolff 11 § 98 I b 4 generell materielles Anstaltsrecht anwenden. Abweichend von der Vorauflage vertreten WolfflBachof 11 § 99 I nunmehr die Auffassung, daß das Anstaltsrecht nur noch im Wege der Analogie angewendet werden kann. 208 Zur Unterscheidung von Einzel- und Dauernutzung vgl. Eidenmüller, NJW 1972, 1309 f.
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C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
Bereich der Einzeinutzungen209 - ähnlich wie in den Fällen der kommunalen Einrichtungen210 - allein durch die tatsächliche Inanspruchnahme und die tatsächliche Gewährung des Postdienstes entstehen. Daher komme es nicht auf die Geschäftsfähigkeit des Benutzers an. 21l Diese Situation stelle sich jedoch anders dar, wenn es um die sogenannten Dauernutzungen gehe. Hierbei sei für die Zulassung zu dem jeweiligen Postdienst ein Antrag zu stellen. So sei z. B. die Eröffnung eines Postgirokontos und die eines Postsparbuches von einer vorherigen AntragsteIlung abhängig.212 Nach Prüfung der für die Benutzung notwendigen Voraussetzungen entscheide die DBP durch Verwaltungsakt213 über die Zulassung. Damit komme es für die Inanspruchnahme dieser Dauernutzungsverhältnisse prinzipiell auf die Geschäftsfähigkeit resp. die verfahrensrechtliche Handlungsfähigkeit des Benutzers an.2 14 Für diese Fälle erlange aber § 8 I S. 2 PostG konstitutive Bedeutung. Danach sei die Begründung des Postbenutzungsverhältnisses von der Geschäftsfähigkeit des Benutzers unabhängig, sofern die einschlägige Benutzungsordnung nicht im Einzelfall die Geschäftsfähigkeit verlange. 215 Dieser h.M. kann zwar im Ergebnis, nicht aber in der Begründung zugestimmt werden. Soweit die Trennung von Einzel- und Dauernutzungen dazu dienen soll, die Wirksamkeit eines Postbenutzungsverhältnisses mit der faktischen Inanspruchnahme und der faktischen Gewährung zu begründen, richten sich dagegen die gleichen Überlegungen, wie im Fall der kommunalen Nutzungsverhältnisse. Die Inanspruchnahme von postalischen Einrichtungen ist überwiegend gebührenpflichtig. 216 Würde allein die faktische Inanspruchnahme zur wirksamen Begründung eines Postbenutzungsverhältnisses ausreichen, besäße die DBP Gebührenansprüche gegen den Minderjährigen, vor denen dieser grundsätzlich geschützt sein soll. Dieser Gedanke besitzt z. B. auf dem Gebiet der Personenbeförderung sowohl bei der Inanspruchnahme des Postreisedienstes als auch bei der Benutzung eines kommunalen Verkehrsbetriebes Gültigkeit. 217 Daher spricht nichts dagegen auch in den Fällen der Einzelnutzungen konkludente Verwaltungsakte anzunehmen, durch die der Minderjährige zur 209 Darunter sollen z. B. der Transport eines Briefes, die Aufgabe von Päckchen und Paketen oder das Besteigen eines Postreisebusses fallen. 210 Vgl. zu dieser Konstruktion C., H., 4., a), bb), (1), (a). 211 Altmannsperger § 8 Rdnr. 29; Jauernig a.a.O. S. 1 Fn. 4; Eidenmüller, Einführung D Anm. 3 b; Willwater S. 47 f.; dieser Lehre hat sich auch das BVerwG in NJW 1977,162 angeschlossen. 212 Vgl. § 3 PostGO und § 3 PostSpO. 213 Altmannsperger § 7 PostG Rdnr. 22. 214 Altmannsperger § 8 PostG Rdnr. 29; Jauernig a.a.O. S. 4. 215 Vgl. Jauernig a.a.O. 216 Gemäß § 9 PostG können die Gebühren nach dem VwVG beigetrieben werden. 217 Vgl. dazu C., II., 4., a), bb), (1), (a).
11. 5. Postbenutzungsverhältnisse
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Benutzung zugelassen wird. Um den erforderlichen Minderjährigenschutz zu gewährleisten, könnte man die Wirksamkeit des Benutzungsverhältnisses von der Handlungsfähigkeit des Benutzers abhängig machen. Dieses Erfordernis der Handlungsfähigkeit läßt sich zwar nicht direkt auf § 12 VwVfG stützen, da die Verfahren bzgl. der Benutzung von Einrichtungen des Post- und Fernmeldewesens gemäß § 2 III Nr. 4 VwVfG ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich des VwVfG herausgenommen wurden. 218 Die damit verbundene Erleichterung darf jedoch nicht soweit gehen, daß das Interesse an einem reibungslosen Dienstablauf auf Kosten des Minderjährigenschutzes verwirklicht wird. Die Fähigkeit zur wirksamen Begründung eines Postbenutzungsverhältnisses ist also analog § 12 VwVfG an die Handlungsfähigkeit des Minderjährigen zu knüpfen. Damit hängt die Wirksamkeit des Einzelnutzungs- und erst recht die des Dauernutzungsverhältnisses davon ab, ob § 8 I S. 2 PostG die rechtliche Handlungsfähigkeit verleiht. 219 Diese Frage wäre zu verneinen, wenn § 8 I S. 2 PostG lediglich i.S. einer Erlaubnis der Postbenutzung zu verstehen wäre. Dann enthielte diese Vorschrift keine Aussage über die rechtliche Handlungsfähigkeit und die Möglichkeit einer selbständigen finanziellen Verpflichtung des Minderjährigen. 22o Gegen eine solche Auslegung spricht jedoch der eindeutige Wortlaut des § 8 I S. 2 PostG. Die Gewährung der Benutzungsmöglichkeit für Minderjährige ist unmittelbar und untrennbar mit der Pflicht zur Gebührenentrichtung verknüpft. Damit wird grundsätzlich in Kauf genommen, daß auch finanzielle Nachteile, zumindest in Höhe der Gebühren für den Minderjährigen auftreten können. Soll der Minderjährige also ein selbständiges Benutzungsrecht haben, so muß er auch über die Möglichkeit verfügen, sich finanziell zu verpflichten. Solange die einzelnen Benutzungsverordnungen also nicht das Erfordernis der Volljährigkeit aufstellen, ist § 8 I S. 2 PostG als eine öffentlich-rechtliche Vorschrift anzusehen, die dem Minderjährigen analog § 12 I Nr. 2 VwVfG die Handlungsfähigkeit einräumt. 221
218 Diese Ausnahme wurde damit begründet, daß es sich bei der Benutzung von Postund Fernmeldeeinrichtungen um Massenvorgänge handele, die mit größter Beschleunigung und nach möglichst einfach zu handhabenden Vorschriften bewältigt werden müßten. Vgl. BT-Drucks. 7/910 S. 36. 219 Vgl. zu dieser grundsätzlichen Frage B., 11. 220 So wohl Medicus BGB-AT Rdnr. 590 a. 221 So im Ergebnis auch Jauernig, NJW 1972, 1 (4); BVerwG JZ 1985, 675; Ehlers, JZ 1985, 675 (676); VGH Baden-Württemberg PostRE 2.06.1 Nr. 7 mit zustimmender Anmerkung von Schneider in ArchivPF 1986, 56 (58).
12 C.-R. Meyer
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C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
(2) Beschränkungen der postrechtlichen Handlungsfähigkeit durch das Kriterium der Einsichtsfähigkeit Übereinstimmend wird trotz der Anerkennung der einfach-gesetzlichen Handlungsfähigkeit in § 8 I S. 2 PostG nicht die Auffassung vertreten, daß jeder Minderjährige jede Posteinrichtung benutzen kann. Einschränkungen sollen sich nach überwiegender Auffassung222 daraus ergeben, daß der Benutzer über die natürliche Einsichtsfähigkeit verfügen muß. Danach reicht es aus, wenn der Minderjährige den Sinn und Zweck des jeweiligen Postdienstes erfassen kann. Teilweise werden noch weitergehende Benutzungsbeschränkungen befürwortet. So hänge die Begründung von Dauernutzungsverhältnissen von der "Antragsfähigkeit" des Benutzers ab und darüber hinaus könnte sich ein Ausschluß von der Postbenutzung auch "aus der Natur der Sache" ergeben. 223 Die Anwendung dieser Kriterien hätte den Ausschluß gleich ganzer Gruppen von potentiellen Benutzern zur Folge. So sollen im Bereich der Dauernutzungsverhältnisse Geschäftsunfähige niemals 224 , und beschränkt Geschäftsfähige nur dann antragsfähig sein, wenn sie sowohl den Sinn und Zweck der Antragstellung und des Dienstes begreifen könnten 225 , als auch für den Postsparkassendienst schreibkundig226 wären und für den Postgiro dienst ausreichend lesen und schreiben könnten. 227 Die Auswirkung der Natur der Sache soll dabei soweit gehen, daß ein zehnjähriger Schüler, der über kein Vermögen verfügt, vom Postgirodienst ausgeschlossen werden dürfte. 228 Da die Kunst des Lesens und des Schreibens bei Erwachsenen aber genauso fehlen kann, ist ein einseitiger Ausschluß minderjähriger Analphabeten nicht gerechtfertigt. 229 Auch für den Fall des Ausschlusses des Zehnjährigen läßt sich im Hinblick auf § 8 PostG keine Stütze im Gesetz finden. Die generelle, positiv-rechtliche Anerkennung der Handlungsfähigkeit läßt für die Aufstellung derartiger, ungeschriebener Benutzungsbedingungen keinen Raum. Die Wirksamkeit eines solchen Vorbehaltes hängt allein von der Aufnahme in die einzelne Benutzungsordnung ab.
222 Jauernig, FamRZ 1974, 631 (632); Altmannsperger § 8 Rdnr. 43; Ehlers, JZ 1985, 675 (676 Fn. 15); VGH Baden-Württemberg a.a.O.; Schneider a.a.O. 223 Vgl. dazu Eidenmüller § 8 PostG Anm. 6. 224 Eidenmüller § 3 PostSpO Anm. 1 (6). 225 Eidenmüller § 3 PostSpO Anm. 1 (3). 226 Eidenmüller § 3 PostSpO Anm. 1 (5). 227 Eidenmüller § 8 PostG Anm. 6. 228 Eidenmüller a.a.O. und Einführung C Anm. 2. 229 Zur Kritik Jauernig, FamRZ 1974, 631 (633).
11. 5. Postbenutzungsverhältnisse
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Somit ist es nach der geltenden Rechtslage für die wirksame Begründung von postrechtlichen Nutzungsverhältnissen als ausreichend anzusehen, wenn der Minderjährige über die nötige Einsichtsfähigkeit verfügt. bb) Die Begründung von fernmelderechtlichen Benutzungsverhältnissen
Im Rahmen des Fernmelderechts wird ebenfalls zwischen Einzelnutzungen, wie dem Telefonieren aus einer öffentlichen Telefonzelle und Dauernutzungen, wie dem Innehaben eines eigenen Telefonhauptanschlusses unterschieden. 23o Die sich dabei ergebenden Benutzungsverhältnisse werden durch das FernmG und die aufgrund von § 14 PostVerwG erlassenen Benutzungsverordnungen geregelt. Diese Normen berechtigen und verpflichten ausschließlich einen Träger hoheitlicher Gewalt231 , nämlich die DBP, so daß das fernmelderechtliche Benutzungsverhältnis eindeutig dem öffentlichen Recht zugeordnet werden kann. 232 Die Begründung des Benutzungsverhältnisses erfolgt dabei nicht durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag233 , sondern einseitig durch Verwaltungsakt 234 , der auch als Zulassung bezeichnet werden kann. Das gilt nicht nur für die antrags bedingten Dauernutzungen, sondern auch für die Einzelnutzungen, da das Telefonieren von einer öffentlichen Telefonzelle nur gegen eine Gebühr möglich ist. Es kommt daher in beiden Fällen auf die Handlungsfähigkeit an. 235 Die Gewährung der dazu erforderlichen Handlungsfähigkeit wird teilweise § 7 FernmG entnommen. 236 Danach hat jedermann gegen Zahlung von Gebühren das Recht auf Zulassung zu einem ordnungsmäßigen Gespräch auf den für den öffentlichen Fernmeldeverkehr bestimmten Anlagen. Diesem Ergebnis ist zuzustimmen, doch wird man es zusätzlich auf eine Analogie zu § 8 I S. 2 PostG stützen müssen. Das Fernrneiderecht kennt keine dem § 8 I S. 2 PostG vergleichbare Vorschrift. 237 Es besteht jedoch auch hier 230 Vgl. allgemein zu dieser Unterscheidung im Fernmelderecht: Eidenmüller, Hinweis im Anschluß an § 8 FernmG Anm. 7. 231 Vgl. zur herrschenden Sonderrechtstheorie WolfflBachofI § 2211 c. 232 Eidenmüller, Vorbem. zu den Fernmeldebenutzungsverordnungen Anm. 1 (1); Aubert S. 155 m.w.N. in Fn. 706. 233 So noch RGZ 155, 333. 234 Aubert S. 156 f. 235 Es ergeben sich keine Abweichungen von den vergleichbaren Fällen der Einzelnutzungen im Postrecht. A.A. Aubert S. 156, der wiederum auf das tatsächliche Gebrauchmachen und Gewähren abstellt. 236 Vgl. Eidenmüller § 7 FernmG Anm. l. 237 Vgl. Aubert S. 157; Jauernig hat sich in FamRZ 1974, 631 Fn. 2 von seiner entgegengesetzten Meinung in NJW 1972, 1 (4) ausdrücklich distanziert und sich Aubert angeschlossen. Vgl. auch Altmannsperger § 8 Rdnr. 29.
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C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
das Bedürfnis, den Minderjährigen zumindest zu den Einzelnutzungen zuzulassen. Da der Minderjährige auch hier vergleichbar geringen finanziellen Belastungen ausgesetzt ist, die im übrigen vor der eigentlichen Benutzung auftreten238 , ist eine solche Analogie gerechtfertigt. Sehr zweifelhaft erscheint eine solche Analogie jedoch in den Fällen der Dauernutzungen, wenn der Minderjährige z. B. den nach § 11 111 FO erforderlichen Antrag auf Anschließung oder Übernahme eines Telefonhauptanschlusses stellt. 239 Zum einen scheidet eine Anwendung des § 7 FernmG aus, da sein Anwendungsbereich eindeutig auf den öffentlichen Fernmeldeverkehr beschränkt ist. Und zum anderen fehlt es an einer, für die analoge Anwendung des § 8 I S. 2 PostG erforderlichen, vergleichbaren Interessenlage. Im Gegensatz zu den relativ geringen Postgebühren kann es zu außerordentlich hohen Telefongebühren kommen, für die der Minderjährige als Inhaber des Hauptanschlusses gemäß § 13 FO aufkommen müßte. Da eine analoge Anwendung des § 8 I S. 2 PostG in diesen Fällen nicht in Betracht kommt, bleibt dem Minderjährigen die Anerkennung der Handlungsfähigkeit verwehrt.24o Der Schutz des Minderjährigen im Fernrneiderecht besteht damit darin, daß sie von der selbständigen Begründung von Dauernutzungsverhältnissen ausgeschlossen sind. 241 b) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 8 I S. 2 PostG Die generelle Anerkennung der Handlungsfähigkeit für die Begründung242 von Postbenutzungsverhältnissen durch § 8 I S. 2 PostG stößt auf verfassungsrechtliche Bedenken. Zum einen ist es fraglich, ob § 8 I S. 2 PostG i.V.m. den einzelnen Benutzungsordnungen, den unverzichtbaren, verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Minderjährigenschutz gerecht wird. Und zum anderen erscheinen 238 Das Führen eines Telefongespräches ist vom vorherigen Einwurf der Münzen in den Münzfernsprecher abhängig. 239 Die Einrichtung des Telefonhauptanschlusses ist als ein mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt anzusehen. 240 So im Ergebnis auch Aubert S. 157; a.A. Eidenmüller, der die Auffassung vertritt, daß auch das Fernrneiderecht keine beschränkte Geschäftsfähigkeit und Geschäftsunfähigkeit kenne (vgl. Vorbem. FernmeldebenutzungsVOen Anm. 2 S. 6), so daß es auch hier ausreichen würde, wenn der Minderjährige wie im Postrecht antragsfähig sei und im übrigen die objektiven Zulassungsbedingungen erfüllt (vgl. § 8 FernmG Hinweis nach Anm. 7). 241 Der Minderjährige kann aber bei der AntragsteIlung durch seinen gesetzlichen Vertreter vertreten werden. 242 Vgl. zu den verfassungsrechtlichen Bedenken, die i.R. der Benutzung eines Postgirokontos auftreten c., 11., 5., c), bb), (6), (a).
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die Belange des Elternrechtes i.S.v. Art. 6 II GG bei der Anerkennung der Teilmündigkeit nicht genügend berücksichtigt.
In der Literatur243 und in der Verwaltungspraxis244 wird zwar der Versuch unternommen, die stillschweigende Zustimmung der Eltern zur Postbenutzung als eine ungeschriebene Zulassungsbedingung zu konstruieren. Diese Benutzungsbedingung soll sich z. B. imPostbankrecht dahingehend auswirken, daß ein Widerspruch der Eltern bei der Eröffnung eines Kontos von der DBP berücksichtigt werden müsse. 245 Eine solche Auslegung ist mit der derzeitigen Fassung des § 8 I S. 2 PostG i. V.m. den einzelnen Benutzungsverordnungen unvereinbar. Denn diese anerkennen gerade die Handlungsfähigkeit des Minderjährigen und schalten damit den gesetzlichen Vertreter aus, sofern der Minderjährige nur über die nötige Einsichtsfähigkeit verfügt. 246 Die vorgeschlagene Berücksichtigung des Elternrechts ist daher nur i.R. einer verfassungskonformen Auslegung möglich, falls § 8 I S. 2 PostG in seiner derzeitigen Ausgestaltung sonst verfassungswidrig wäre. aa) Der Gesichtspunkt der Selbstgefährdung
Die verfassungsrechtlichen Untersuchungen hinsichtlich der Mindestanforderungen an den zu gewährleistenden Minderjährigenschutz hatten ergeben, daß der diesbezügliche Ermessensspielraum des Gesetzgebers im öffentlichen Recht dann verletzt ist, wenn ohne triftigen Grund vom zivilrechtlichen Minderjährigenschutz abgewichen wird. 247
Im Privatrecht ist sowohl für die Eröffnung eines Sparkontos als auch für die Eröffnung eines Girokontos ein Kontoeröffnungsvertrag notwendig, dessen Wirksamkeit grundsätzlich248 von der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters abhängt. 249 Fraglich ist also, ob es einen Grund gibt, der die materielle Regelung in § 8 I S. 2 PostG rechtfertigt. Die Gewährung der Handlungsfähigkeit soll in erster Linie der raschen und problemlosen Abwicklung der PostbenutzungsverhältAltmannsperger § 8 Rdnr. 43 a; Kämmerer, DVBI. 1974,273 (276). Vgl. den Nachweis bei Kämmerer a.a.O. in Fn. 45. 245 Das VG Gelsenkirchen PostRE 3.00.2 Nr. 18 S. 49 hat diese Frage ausdrücklich offengelassen . 246 Insoweit zutreffend: Jauernig, FamRZ 1974, 631 (634 f.); Ohnheiser § 8 Anm. 8; Ehlers, JZ 1985, 675 (676). 247 V gl. dazu A., 1., 2. 248 Vgl. Schönle § 411 1; Westermann, FamRZ 1967, 645 (648/651). 249 Anders ist die Rechtslage bei der Benutzung von öffentlichen Sparkassen in Bayern. Gern. Art. 31 AG BGB v. 20.9.1982 (BayGVBI. 1982, S. 803) i.V.m. Art. 99 EG BGB können Minderjährige ohne Einwilligung Spareinlagen machen. 243 244
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C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
nisse dienen. Das begegnet auch solange keinen rechtlichen Bedenken, wie damit keine unannehmbare Gefährdung des Minderjährigen verbunden ist. Die i.R. der Einzelnutzungen auftretenden Gebührenverpflichtungen sind damit durchaus mit dem Mindestschutz vereinbar. Auch die Eröffnung eines Postsparbuchs verstößt noch nicht gegen die verfassungsrechtlichen Grundlagen, da sich die Kontobewegungen nur innerhalb des Guthabens abspielen können. Das Innehaben von Postgirokonten eröffnet dagegen weitaus größere Gefahren für den Minderjährigen. Er kommt in den Besitz von Scheckvordrucken und es kann zu Kontoüberziehungen kommen. Diese Gefährdungslage wird vom Bundesverfassungsgericht mit der Begründung geleugnet, daß die DBP in bundeseigener Verwaltung geführt werde und damit keine dem Privatrechtsverkehr vergleichbaren Risiken bestünden. 250 Dieser Hinweis vermag allerdings nicht zu überzeugen, da die tatsächliche Gefährdung des Minderjährigen im Postrecht die gleiche ist wie im Zivilrecht. Auch die Geltung des Rechtsstaatsprinzips ändert nichts daran, daß der Minderjährige i.R. des Postgiroverhältnisses finanziellen Verpflichtungen ausgesetzt sein kann, deren Wirksamkeit im Zivilrecht sogar von einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung abhängig wäre. 251 Da auch der Gedanke der Leichtigkeit des Postverkehrs i.R. des Postgiroverhältnisses nicht zum Tragen kommt, ist die uneingeschränkte Anerkennung der Handlungsfähigkeit durch § 8 I S. 2 PostG i.V.m. der Post GO im Hinblick auf die vergleichbare Rechtslage im Privatrecht ungerechtfertigt. Sie stellt damit eine Verletzung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums i.S.v. Art. 3 GG dar. 252 bb) Auswirkung des Elternrechtes
Es stellt sich weiterhin die Frage, ob die durch § 8 I S. 2 PostG gewährte Handlungsfähigkeit als postrechtliche Teilmündigkeitsregelung der erforderlichen Abwägung von Selbstbestimmungsfähigkeit und Erziehungsbedürftigkeit standhält. 253 Danach darf der einfach-gesetzliche Gesetzgeber eine Teilmündigkeitsregelung nur dann erlassen, wenn die Selbstbestimmungsfähigkeit des Minderjäh250 Vgl. dazu BVerfG (Entscheidung der Kammer) PostRE 2.06.1 Nr. 6, diese Argumentation wurde bisher auch schon von Kämmerer, DVBI. 1974,274 (275) verwendet. Danach liege die geringere Gefährdung darin, daß die DBP als eine gemeinwirtschaftliche Fürsorgeeinrichtung im besonderen Maß dem Gebot der Rechtsstaatlichkeit verpflichtet sei. 25l Dieses Problem stellt sich vor allem bei Kontoüberziehungen. Vgl. dazu c., H., Fn.270. 252 A.A. BVerwG JZ 1985, 675; das BVerfG a.a.O. hat die Rechtsprechung des BVerwG a.a.O. bestätigt. 253 V gl. zu dieser grundsätzlichen Überlegung A., 1I., 2.
11. 5. Postbenutzungsverhältnisse
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rigen seine Erziehungsbedürftigkeit überwiegt. Ansonsten wäre der Vorrang der Eltern bei der Kindererziehung verletzt und es läge ein Verstoß gegen das Elternrecht gemäß Art. 6 GG vor. Nach wohl überwiegender Meinung soll diese Selbstbestimmungsfähigkeit in jedem Fall dann gegeben sein, wenn der Minderjährige die zur Benutzung erforderliche Einsichtsfähigkeit besitzt. 254 Ob diese Gleichsetzung von Selbstbestimmungsfähigkeit und Einsichtsfähigkeit mit Art. 6 11 GG vereinbar ist, erscheint äußerst fraglich. Dagegen spricht, daß der Minderjährige zwar durchaus die Einsicht besitzen kann, den Sinn des einzelnen Postdienstes formell zu erfassen, nicht aber die Reife, materiell damit umzugehen. Die Literatur stellt hingegen bei der Beurteilung der Einsichtsfähigkeit allein auf die formellen Kriterien wie Lesen und Schreiben ab. Die in verfassungsrechtlicher Hinsicht zu fordernde Selbstbestimmungsfähigkeit setzt dagegen mehr voraus. Sie verlangt eine Reife, die den Minderjährigen in die Lage versetzt, mit all den auftretenden Gefahren eigenverantwortlich fertig zu werden. Dieses Vermögen liegt jedoch erst dann vor, wenn er mit den finanziellen Gefahren ebensogut umzugehen versteht, wie man es von einem Volljährigen erwarten kann. Die pauschale Anerkennung der Handlungsfähigkeit in § 8 I S. 2 PostG wird den hier dargestellten Anforderungen an die Selbstbestimmungsfähigkeit nicht gerecht. Sie gliedert einen Lebensbereich aus der elterlichen Erziehungsverantwortung heraus, obwohl die Minderjährigen noch des Schutzes bedürfen. Damit liegt ein Verstoß gegen das Elternrecht gemäß Art. 611 GG vor. ce) Verfassungskonforme Auslegung des § 8 I S. 2 PostG
Fraglich ist, welche Konsequenzen aus den, bei der Anwendung des § 8 I S. 2 PostG aufgetretenen, Verfassungsverletzungen für eine verfassungskonforme Auslegung zu ziehen sind. Der Gedanke der Systemgerechtigkeit spricht dafür, die Zulassung zu den sogenannten Dauernutzungsverhältnissen von einer vorherigen Zustimmung der Eltern abhängig zu machen. Man wird den Gesetzgeber jedoch nicht auf diese konkrete Ausgestaltung des Minderjährigenschutzes festlegen können, da dieser über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügt. Ein tragfähiger Kompromiß zwischen dem Willen des Gesetzgebers in § 8 I S. 2 PostG und den Belangen des Minderjährigenschutzes und des Elternrechtes kann jedoch in der Einräumung eines Widerspruchsrechtes für die Eltern gesehen werden. Die Post könnte die Minderjährigen damit zur Postbenutzung zulassen, ohne 254 Jauernig, FamRZ 1974, 631 (634 f.); Ehlers, JZ 1985, 675 (676) fordert zusätzlich, daß die Benutzungsordnungen auf die Belange des Minderjährigen Rücksicht nehmen müssen; VGH Baden-Württemberg PostRE 2.06.1 Nr. 7.
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C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
daß eine Zustimmungserklärung seitens der Eltern erforderlich wäre. Sofern die Eltern die selbständige Postbenutzung des Minderjährigen jedoch mit ihrer Vorstellung vom Kindeswohl für unvereinbar halten, wäre ihr Widerspruch für die Post beachtlich. Damit wäre auch den unverzichtbaren Anforderungen an den Minderjährigenschutz genüge getan. Die Entscheidung der Eltern ist für die DBP bindend. Ihr steht damit kein Kontrollrecht über die Ausübung der elterlichen Sorge ZU. 255 Hält der Minderjährige die Entscheidung der Eltern für einen Mißbrauch der elterlichen Sorge, so kann er sie vom Vormundschaftsgericht überprüfen lassen. 256 c) Ausgestaltung des Minderjährigenschutzes in den Postbenutzungsverhältnissen Gerade wenn man die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 8 I S. 2 PostG nicht teilt, kommt der Ausgestaltung der Benutzungsverordnungen im Hinblick auf den Schutz der Minderjährigen eine besondere Bedeutung zu. Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang das Postbankrecht, also der Sparkassen- und Girodienst der DBP. aa) Schutz des Minderjährigen im Postsparkassendienst
Die Gefahr vermögensschädigender Dispositionen ist in diesem Benutzungsverhältnis relativ gering, da Rückzahlungen i.S.v. § 11 PostSpO nur i.R. der vorher geleisteten Einlagen i.S.v. § 9 PostSpO von der DBP getätigt werden. In Anlehnung an § 22 I KWG ist gemäß § 12 I PostSpO wie im privaten Bankrecht eine gesetzliche Kündigungsfrist von 30 Zinstagen für 2000 DM vorgesehen. Für darüber hinausgehende Beträge und im Fall der vereinbarten Kündigungsfrist ist eine vorherige Kündigung gemäß den §§ 13, 14 PostSpO notwendig. Das Postsparbuch mit Ausweiskarte ohne Berechtigungsausweis i.S. des § 5 IIl. Alt. PostSp0257 kann aufgrund der Legitimationswirkung des § 5 III S. 1 PostSp0258 als ein hinkendes Inhaberpapier i.S. des § 808 BGB angesehen werden. 259 Man könnte daher daran denken, den zivilrechtlichen Minderjährigenschutz beim Abheben eines Geldbetrages von einem Sparbuch auf das PostOb die DBP die getroffene Entscheidung für mißbräuchlich hält, ist unerheblich. Vgl. dazu A., 11., 3. 257 Vgl. zur näheren Ausgestaltung § 13 Nr. 1 DAP SpPÄ. 258 Danach ist die DBP bei Postsparbüchern ohne Berechtigungsausweis berechtigt, aber nicht verpflichtet, Rückzahlungen an jeden Vorleger des Postsparbuches und der Ausweiskarte zu leisten. 259 Vgl. Eidenmüller § 5 PostSpO Anm. 2. 255
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11. 5. Postbenutzungsverhältnisse
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sparbuch zu übertragen. Dort wird die Verminderung des Rückzahlungsanspruchs gegen die Bank als ein rechtlicher Nachteil i.S. des § 107 BGB gewertet, so daß sich die Befreiungswirkung in Höhe des ausgezahlten Betrages allein aus der analogen Anwendung des § 808 I BGB260 auf den Fall der Leistung an Minderjährige ergeben sol1. 261 Die Rechtsprechung262 versagt die Legitimationswirkung des § 808 I BGB zumindest dann, wenn von der Bank in Abweichung von § 23 KWG (a.F.) mehr als die dort genannten 1000 DM vor Ablauf der Kündigungsfrist an den Minderjährigen ausgezahlt werden. 263 Denn die in der Kündigung liegende Abänderung des Sparvertrages soll Geschäftsfähigkeit erfordern. 264 Das Übertragen dieser Grundsätze scheitert jedoch an der Tatsache, daß § 8 I S. 2 PostG den Minderjährigen für die Begründung eines Postsparkassen-
verhältnisses als handlungsfähig anerkennt. Damit kann weder die Legitimationswirkung des § 5 III S. 1 PostSpO gegenüber einem Minderjährigen noch die Wirksamkeit einer etwaigen Kündigungserklärung in Zweifel gezogen werden. Die allein maßgebliche PostSpO schützt den Minderjährigen nur in den Fällen, in denen die DBP Zahlungen an Dritte leistet, die entgegen § 12 I PostSpO die 2000 DM Grenze innerhalb von 30 Tagen überschreiten. Die Post wird dann - ebenso wie bei jedem volljährigen Postsparer - nur insoweit frei, wie sie die 2000 DM Grenze innerhalb von 30 Tagen beachtet. 265 bb) Schutz des Minderjährigen im Postgiro dienst
Auch bei der Benutzung des Postgirodienstes stellt sich die Frage, wie der Minderjährige bei den einzelnen Benutzungsformen geschützt ist. Besonders hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die Teilnahme am EuroscheckVerfahren, die Gewährung von Post-Dispokrediten, die Ausgabe von Postschecks, das Überweisungs- und Dauerauftragsverfahren, das Lastschriftverfahren und die Rechtslage im Fall von Kontoüberziehungen.
260 Direkt betrifft § 808 I BGB die Befreiungswirkung bei der Leistung an einen Nichtberechtigten. 261 Nach Westermann, FamRZ 1967,645 (652) und Schönle § 411 1 soll die einmalige Zustimmung der Eltern zur Kontoeröffnung zur Folge haben, daß die Banken nicht mehr mit der Prüfung der Geschäftsfähigkeit belastet werden dürften. Gegen die analoge Anwendung des § 808 I BGB wenden sich Canaris, Bankvertragsrecht Anm. 89 u. Beule S. 48 - 52. 262 Vgl. BGHZ 28,368 (372 f.); 42, 302 (304 ff.). 263 Nach dem neuen KWG i.d.F. vom 11.7.1985 (BGBI. I S. 1472) beträgt die Grenze gern. § 22 I nunmehr 2000 DM. 264 BGHZ 28,368 (374). 265 Vgl. dazu OVG Bremen NJW 1979, 1619. Man wird diese Rechtsprechung auch auf die Fälle ausdehnen können, in denen entgegen § 12 11 PostSpO mehr als 500 DM an einem Tag an einen Dritten geleistet werden.
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C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
(1) Das Euroscheck-Verfahren der DBP
Die Teilnahme am Euroscheck-Verfahren, das sich vom normalen Postgirodienst dadurch unterscheidet, daß die DBP (bzw. das bezogene Postgiroamt) gemäß § 16 II PostGO eine beschränkte Einlösungsgarantie übernommen hat, erfordert gemäß § 16 I PostGO volle Geschäftsfähigkeit. Das Erfordernis der Geschäftsfähigkeit wirkt sich nur indirekt zum Schutz des Minderjährigen aus, da es nicht zu diesem Zweck konzipiert worden ist. Das Euroscheck-Verfahren stellt nämlich keinen ursprünglichen Dienst der DBP dar, sondern sie hat sich dem Verfahren, das schon vorher von den privaten Kreditinstituten betrieben wurde, nur angeschlossen. Der Sinn des § 16 I PostGO liegt allein in dem Bestreben begründet, eine rechtliche Harmonisierung mit den am Euroscheck-Verkehr beteiligten privaten Kreditinstituten herbeizuführen. 266 Der Schutz der Minderjährigen liegt daher in ihrem völligen Ausschluß vom Euroscheck-Verfahren.
(2) Die Gewährung von Post-Dispokrediten Den Bediensteten der DBP ist ein außerordentliches Benutzungsverhältnis i.R. des Postgirodienstes eröffnet und zwar in Form des Dispokredites. 267 Voraussetzung dafür ist aber, daß sie daneben Mitglied der Selbsthilfeorganisation des PSpDV sind. Zwischen dem einzelnen Arbeitnehmer und dem PSpDV kommt dabei ein Kreditverschaffungsvertrag zustande, der auf einem großen Kreditauftrag zwischen dem PSpDV und dem jeweiligen Postgiroamt fußt. Das Minusguthaben, das durch die Überziehung entsteht, wird dabei sofort vom PSpDV ausgeglichen. Sobald das Konto durch Einzahlungen des Arbeitnehmers oder durch die Gehaltsüberweisung ausgeglichen ist, erhält der PSpDV das Geld vom Postgiroamt zurück. 268 Die eingeräumte Möglichkeit der Überziehung beruht damit nicht auf Vorschriften der PostGO, sondern stellt einen Geschäftsbesorgungsvertrag entsprechend § 675 BGB dar. Auch die Bürgschaft, die der PSpDV für die Rückzahlung übernimmt, ist gemäß § 778 BGB im Zivilrecht begründet. 269 Für die minderjährigen Auszubildenden der DBP gelten daher auch die zivilrechtlichen Vorschriften der §§ 104, 1822 Nr. 9 BGB. Zu ihrem Schutz ist Willwater S. 48. Vgl. zum Begriff Eidenmüller § 12 PostGO Anm. 3. 268 Nach Auskunft der Oberpostdirektion Münster soll durch diese Regelung der Nachteil der Post angestellten ausgeglichen werden, daß sie ihr Gehaltskonto bei der Post begründen müssen, die im Gegensatz zur privaten Kreditwirtschaft sonst keine Dispokredite gewährt. 269 Vgl. zum Ganzen Eidenmüller a.a.O., zur Bürgschaft beim Kreditauftrag vgl. JauernigNolikommer § 778 Anm. 1. 266 267
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die Wirksamkeit eines solchen Kreditverschaffungsvertrages von der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters und der des Vormundschaftsgerichts abhängig. 270
(3) Ausgabe von Postschecks Auch der minderjährige Postgiro teilnehmer erhält gemäß § 5 PostGO Postschecks, die im wesentlichen zwei Funktionen erfüllen. 271 Zum einen dienen sie für Barabhebungen bei einem auszuwählenden Postamt in ähnlicher Weise wie eine Quittung (Postbarscheck). Zum anderen sind sie auch als Zahlungsmittel zu verwenden, indem sie entweder zur Verrechnung gegeben werden (Verrechnungsscheck) oder als Kassenscheck272 ausgestellt werden. Damit fallen Parallelen zum zivilrechtlichen Bankscheck insoweit auf, als auch hier Verwendungsmöglichkeiten mit und ohne Begebungsvertrag bestehen. (a) Die Benutzung des Postschecks als Postbarscheck Soweit ein Postscheck als Postbarscheck benutzt wird, ist allein das Postgiroverhältnis zwischen Postgiroamt und Giroteilnehmer angesprochen. Daraus folgt, daß diese Verwendungsmäglichkeit allein dem Postrecht als öffentlichem Recht unterliegt. Eine Besonderheit liegt lediglich darin, daß auch ein (unberechtigter) Dritter mit einem vom Postgiroteilnehmer unterschriebenen Postbarscheck und der Ausweiskarte Geldabhebungen vornehmen kann.273 Abhebungen im Postbarscheckverfahren dürfen sich in Anwendung von § 12 I S. 1 PostG0274 nur i.R. des vorhandenen Guthabens abspielen, was auch keinen rechtlichen Bedenken unterliegt. 275 270 Gemäß den §§ 1643 I i.V.m. § 1822 Nr. 8 BGB reicht bei einer Kreditaufnahme die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters zu einem Darlehensvertrag nach den §§ 607 ff. BGB nicht aus. Die Aufnahme von Geld auf den Kredit des Mündels durch den Minderjährigen selbst oder durch den gesetzlichen Vertreter ist vielmehr von einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung abhängig. Vgl. dazu: Palandt/Diederichsen § 1822 Rdnr. 8; Erman/Hefermehl § 1822 Rdnr. 9; für den Fall der Überziehung ausdrücklich Canaris, Bankvertragsrecht Rdnr. 168. 27l Vgl. den Überblick über die Scheckarten des Postbankrechtes bei Eidenmüller § 15 PostGO Anm. 3. 272 Mit einem Kassenscheck kann der Postgiroteilnehmer oder jede andere Person in der Zahlstelle des kontoführenden Postgiroamtes Barbeträge aus dem verfügbaren Postgiroguthaben abheben und zwar ohne Ausweiskarte. 273 Dieses ergibt sich aus § 1511 PostGO i.V.m. Nr. 6 und Nr. 7 der Bedingungen für das Einlösen von Postbarschecks bei den Postämtern; vgl. auch Altmannsperger § 19 PostG Rdnr. 35. 274 Zur Bedeutung des § 12 PostGO siehe unter C., 11., 5., c), bb), (6), (a). 275 Auch im Zivilrecht soll die Verwendung von Schecks als Quittung bei Barabhebungen vom Guthaben nicht unter die Genehmigungspflicht i.S.v. § 1822 Nr. 9 BGB fallen, da die Verbindlichkeit nicht schon durch die Ausfüllung des Schecks entstehe, sondern erst mit einer Begebung in Form einer Inzahlunggabe des Schecks. Vgl. zur
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C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
(b) Die Verwendung von Postschecks als Zahlungsmittel Fraglich ist aber, ob ein Minderjähriger wirksam einen Postscheck als Verrechnungsscheck oder Kassenscheck zur Bezahlung verwenden, ihn also begeben kann. Zur Lösung dieses Problems ist zunächst auf die Rechtsnatur des begebenen Postschecks einzugehen. Die Begebung eines Postschecks begründet ein Dreierverhältnis zwischen dem Aussteller, dem bezogenen Postgiroamt und dem Schecknehmer. Hierbei ist das Verhältnis zwischen dem Giroamt und dem Aussteller gemäß der PostGO dem öffentlichen Recht unterstellt, so daß der Minderjährige insoweit als handlungsfähig anzusehen ist. 276 Anders ist die Sachlage jedoch im Verhältnis von Scheckaussteller und Schecknehmer. Dabei handelt es sich um ein rein privatrechtliches Rechtsverhältnis, auf das die Vorschriften des ScheckG und des BGB unmittelbar Anwendung finden.277 Trotz der unterschiedlichen Ausgestaltung der Handlungs- bzw. Geschäftsfähigkeit im Privat- und öffentlichen Recht kann man die auftretenden Rechtsverhältnisse - ähnlich wie beim Bankscheck - dem Anweisungsrecht, wenn auch in modifizierter Form zurechnen. 278 Infolgedessen gilt in diesem Verhältnis auch der zivil rechtliche Minderjährigenschutz. Das bedeutet, daß der Schecknehmer u. U. zwar den Inhaberscheck gutgläubig gemäß Art. 21 ScheckG erwerben kann 279 , der Minderjährige jedoch den Einwand des unwirksamen Begebungsvertrages geltend machen kann. 28o Im Falle der fehlenden Geschäftsfähigkeit ist keine scheckrechtliche Verpflichtung des Minderjährigen als Aussteller i.S.v. § 12 ScheckG entstanden. Diese Einwendung kann der Minderjährige gegenüber jedem Scheckinhaber geltend machen, da ihm der durch die Unterschrift gesetzte Rechtsschein nicht zugerechnet wird. 281 Im Verhältnis zum Scheckinhaber ist der Minderjährige bei Begebung eines Postschecks also wie im Falle des Bankschecks vor einer scheckrechtlichen Inanspruchnahme geschützt, sofern dieser bei Nichteinlösung des Postschecks durch das Postgiroamt gemäß den §§ 40 ff. ScheckG Regreß beim MinderjähBegründung BaumbachlHefermehl Ein!. ScheckG Rdnr. 12; Capeller, BB 1961, 682 (683); kritisch: Schütz, BB 1965,693 (694); Westermann, FamRZ 1967,645 (650). 276 Im Zivilrecht wäre der Scheckvertrag als ein Teil des Girovertrages zustimmungsbedürftig i.S.v. § 107 BGB; vg!. Westermann a.a.O. S. 650 m.w.N. in Fn. 56. 277 Willwater S. 91. 278 Willwater S. 102 - 104. 279 Brox, Handelsrecht und Wertpapierrecht Rdnr. 668. 280 Die wirksame Scheckbegebung ist gern. § 1822 Nr. 9 BGB von einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung abhängig. Vg!. Baumbach/Hefermehl Ein!. ScheckG Rdnr. 12; Schönle § 411 2; Westermann a.a.O. S. 650 m.w.N. in Fn. 59. 281 Es gilt insoweit das gleiche wie beim Wechsel: Vg!. dazu Brox a.a.O. Rdnrn. 568, 627.
H. 5. Postbenutzungsverhältnisse
189
rigen nehmen Will. 282 Problematisch ist jedoch, ob die Belastung des Postgirokontos in Höhe des Einlösungsbetrages wirksam ist, wenn das Postgiroamt einen vom Minderjährigen ausgestellten Scheck trotz der Unwirksamkeit der Scheckverpflichtung einlöst. Zur Lösung dieses Problems kann die zivilrechtliche Dogmatik zum Ausgleich fehlerhafter Anweisungslagen herangezogen werden, da der Postscheck - ähnlich wie die Anweisung i.S.v. § 783 BGB - eine doppelte Ermächtigung enthält. 283 Hierbei gilt der Grundsatz, daß im Fall evtl. Mängel Bereicherungsansprüche nur in den jeweiligen Leistungsverhältnissen geltend gemacht werden können und eine Durchgriffskondiktion des Angewiesenen gegen den Anweisungsempfänger folglich ausscheidet. 284 Fraglich ist, wie sich diese Grundsätze auf den Postscheck auswirken. Die Einlösung des Schecks ist sowohl als eine Leistung des Postgiroamtes an den Aussteller als auch als eine Leistung des Ausstellers an den Scheck inhaber anzusehen. Fehlerhaft ist hierbei nicht das Verhältnis zwischen Postgiroamt und Minderjährigem (Deckungsverhältnis), da dieser durch § 8 I S. 2 PostG als handlungsfähig anerkannt wird. Der Fehler liegt vielmehr im Verhältnis zwischen Minderjährigem und Scheckinhaber (Valutaverhältnis), da keine scheckrechtliche Verpflichtung entstanden ist und der Scheckinhaber folglich nicht berechtigt war, die Zahlung beim bezogenen Postgiroamt zu erheben. Das Postgiroamt braucht sich daher nicht auf eine Durchgriffskondiktion gegen den Scheckinhaber verweisen zu lassen, sondern kann eine Lastbuchung in Höhe des Einlösungsbetrages vornehmen. Dem Minderjährigen steht nur ein Kondiktionsanspruch gegen den Scheckinhaber zu. (4) Postüberweisungs- und Dauerauftragsverfahren
Postüberweisungs- und Dauerauftragsverfahren stellen weitere Grundbenutzungsarten des Postgirokontos dar. Mit Hilfe der Postüberweisung kann der Postgiroteilnehmer das Postgiroamt gemäß § 14 PostGO beauftragen, einen bestimmten Betrag von seinem Konto abzubuchen und einem anderen Konto gutzuschreiben. Der Dauerauftrag gemäß § 17 PostGO unterscheidet sich von der Postüberweisung nur dadurch, daß der einzelne Auftrag in zeitlicher Regelmäßigkeit wiederholt wird,285 282 Vgl. zur unmittelbaren Anwendung der Art. 40 ff. ScheckG auf das Verhältnis Postscheck aussteller und Postschecknehmer: Willwater S. 91. 283 Zum einen die Ermächtigung an das bezogene Postgiroamt, an den Schecknehmer aus dem Postgirokonto des Ausstellers für dessen Rechnung zu zahlen und zum anderen die Ermächtigung an den Schecknehmer, bei der bezogenen Bank die Zahlung zu erheben. 284 Larenz SchRBT § 68 III d; Medicus Rdnr. 675; BGHZ 61,289 (291); 67, 75 (77). 285 Eidenmüller § 17 PostGO Anm. 1.
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C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
Wie schon beim Kassen- und Verrechnungsscheck entsteht durch die Postüberweisung ein Dreierverhältnis, das als eine Anweisungslage im weiteren Sinne anzusehen ist. 286 Dabei gilt der Minderjährige gemäß § 8 I S. 2 PostG im Deckungsverhältnis für die Erteilung des Auftrages als handlungsfähig. Dagegen kann es im Valutaverhältnis zwischen Überweisendem und Überweisungsempfänger an der Geschäftsfähigkeit fehlen. Soweit daher das Valutaverhältnis fehlerhaft ist, z. B. weil der zugrundeliegende Kaufvertrag vom gesetzlichen Vertreter nicht genehmigt geworden ist, muß der bereicherungsrechtliche Ausgleich auch dort durchgeführt werden. Solange der Minderjährige also innerhalb seines Guthabens Postüberweisungen vornimmt, wird er nur zivilrechtlich im Verhältnis zum Überweisungsempfänger geschützt. 287 (5) Lastschriftverfahren
Als letzte bedeutende Benutzungsform des Postgirokontos kommt für den Minderjährigen die Teilnahme am Lastschriftverfahren in Betracht. 288 Dieses stellt insoweit eine Ergänzung des Dauerauftragsverfahrens dar, als daß der Lastschriftberechtigte damit die Möglichkeit hat, unregelmäßige Beträge vom Konto des Lastschriftschuldners einziehen zu lassen. Während das Überweisungsverfahren nämlich vom Schuldner ausgeht, geht jenes in Form einer "rückläufigen Überweisung" vom Gläubiger als Lastschriftberechtigten aus. 289 Das Lastschriftverfahren tritt in zwei verschiedenen Formen auf - und zwar als Abbuchungsauftrags- und als Einzugsermächtigungsverfahren. (a) Abbuchungsauftragsverfahren Das Abbuchungsauftragsverfahren zeichnet sich dadurch aus, daß der Giroteilnehmer als Lastschriftschuldner das Postgiroamt beauftragt, Lastschriften zugunsten eines bestimmten Zahlungsempfängers abzubuchen. Diese Beauftragung unterliegt dem öffentlichen Recht, da sie - ähnlich wie im Fall der Postüberweisung290 - dem Innenverhältnis zwischen Postgiroamt und Kontoinhaber zuzuordnen ist. Die Handlungsfähigkeit des Minderjährigen für Medicus Rdnr. 674; BaumbachlDudenlHopt BankGesch III Anm. 2 A. Die Rechtslage ist damit die gleiche wie bei der Verwendung eines Postschecks als Zahlungsmittel. 288 Die Post ist Vertragspartner des "Neuen Abkommens über den Lastschriftverkehr und Sonderbedingungen für den Lastschriftverkehr" , abgedruckt in ZIP 1982, 750 ff. 289 So BGHZ 69, 82 (84). 290 Die Parallele zum Überweisungsauftrag stellt ebenfalls fest: Canaris, WM 1980, 354 (359). 286 287
11. 5. Postbenutzungsverhältnisse
191
eine wirksame Beauftragung ergibt sich damit aus § 8 I S. 2 PostG. Etwaige Mängel des Valutaverhälnisses sind daher auch nur dort auszugleichen. (b) Einzugsermächtigungsverfahren Im Rahmen des Einzugsermächtigungsverfahrens hingegen muß der Postgiroteilnehmer als Lastschriftschuldner dem Gläubiger eine Einzugsermächtigung erteilen. Da im zivilrechtlichen Schrifttum die Bedeutung und Wirkung dieser Einzugsermächtigung außerordentlich umstritten sind, ist die Auswirkung des § 8 I S. 2 PostG auf die jeweilige rechtliche Konstruktion gesondert zu untersuchen. (aa) Die Auswirkung des § 8 I S. 2 PostG nach der Ermächtigungs- oder Vollmachtstheorie Die Einzugsermächtigung wird teilweise als eine Ermächtigung291 oder Vollmacht292 angesehen. Sie soll den Gläubiger in die Lage versetzen, die Zahlstelle des Schuldners wirksam zur Einlösung der Lastschrift und zur Vornahme einer entsprechenden Belastung auf dessen Konto anzuweisen. Im privaten Bankverkehr führt die fehlende Geschäftsfähigkeit zur Unwirksamkeit der Ermächtigung, so daß die Anweisung des Lastschriftberechtigten von Anfang an mit einem Fehler behaftet ist. Soweit das Geldinstitut des Schulderns dennoch zahlt, wird das nicht als Leistung des Geldinstitutes an seinen Kunden angesehen, da er diese von vornherein nicht wirksam veranlassen konnte, sie ihm also nicht zurechenbar ist. Das Geldinstitut könnte daher das Konto des minderjährigen Giroteilnehmers im Fall der fehlenden Geschäftsfähigkeit nicht belasten, sondern wäre auf eine Durchgriffskondiktion gegen den Zahlungsempfänger angewiesen. 293 Fraglich ist, wie sich nach dieser Theorie die Tatsache auswirkt, daß der Minderjährige im Deckungsverhältnis als handlungsfähig anerkannt ist, während die Ermächtigung im Valutaverhältnis unwirksam ist. Gerade wenn man das Lastschriftverfahren als rückläufiges Überweisungsverfahren ansieht, kann es dabei im Verhältnis der DBP zum minderjährigen Postgiroteilnehmer zu keinem abweichenden Ergebnis kommen. Daher kann sich die zivilrechtlich unwirksame Ermächtigung nur im Valutaverhältnis auswirken, während das Deckungsverhältnis genauso unberührt bleibt, als wenn der Minderjährige selbst i.R. des Guthabens mittels einer Überweisung verfügt hätte. Das 291 Vgl. dazu: Canaris a.a.O. S. 361 ff.; ders. Bankvertragsrecht Rdnr. 532 m.w.N. in Fn. 2. 292 Dazu: Sandberger, JZ 1977, 285 (286). 293 Vgl. zur Entwicklung dieses Ergebnisses vor allem Canaris, WM 1980, 354 (361, 360,355).
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C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
bedeutet, daß sich die DBP nicht auf eine Durchgriffskondiktion verweisen zu lassen bräuchte, sondern das Konto des Minderjährigen belasten könnte. Der bereicherungsrechtliche Ausgleich müßte wiederum im Valutaverhältnis durchgeführt werden. (bb) Die Auswirkung des § 8 I S. 2 PostG nach der Genehmigungstheorie Nach a.A.294, der auch der BGH295 zuzuneigen scheint, kann in der Erteilung der Einzugsermächtigung keine Ermächtigung i.S. der obigen Theorie gesehen werden; ja es soll gar keine Weisung des Lastschriftpflichtigen vorliegen. Danach erteilt die Bank des Lastschriftberechtigten der Schuldnerbank eine Weisung mit dem Inhalt, das Schuldnerkonto zu belasten und ihr den Betrag zu überweisen. Da insoweit kein Auftrag des Schuldners vorliege, sei die Kontobelastung von der Genehmigung des Kontoinhabers abhängig, die allerdings konkludent im Schweigen auf die Lastschrift gesehen werden könnte. Damit sei die Kontobelastung solange gerechtfertigt, wie der Schuldner nicht widerspreche. 296 Die fehlende Geschäftsfähigkeit des Kontoinhabers führt dazu, daß der Minderjährige die Weisung nicht genehmigen kann, so daß ihm die Leistung wiederum nicht zurechenbar ist. Die Schuldnerbank müßte demnach die Buchung rückgängig machen, da ihr kein buchungsfähiger Anspruch auf Aufwendungsersatz gemäß den §§ 675,670 BGB zustünde. 297 Die Schuldnerbank hätte aber die Möglichkeit einer Leistungskondiktion gegen die Gläubigerbank, da die Gutschrift als Leistung im Giroverhältnis zwischen Schuldnerbank als Zahlstelle und der Gläubigerbank anzusehen ist. 298 Bei Zugrundelegung dieser Ansicht wird die Wirkung des § 8 I S. 2 PostG noch leichter erkennbar. Da die Genehmigung der Weisung im Deckungsverhältnis zwischen DBP und Postgiroteilnehmer erteilt wird, kann sie auch der Minderjährige wirksam vornehmen. Die Belastung seines Kontos wäre damit gerechtfertigt. Der bereicherungsrechtliche Ausgleich müßte wiederum im Valutaverhältnis stattfinden. Da die Gläubigerbank lediglich als Leistungsmittlerin angesehen wird, richtet sich der Rückzahlungsanspruch direkt gegen den Zahlungsempfänger. 299
294 Vgl. dazu vor allem Hadding, WM 1978, 1366 (1367 f.) und HaddinglHäuser, WM 1983 Sonderbeilage Nr. 1 S. 16 ff. 295 BGHZ 69,82 (84 f.); BGH in DB 1978, 1826. 296 Hadding a.a.O. S. 1368. 297 HaddinglHäuser a.a.O. S. 16. 298 Vgl. zu dieser Problematik auch Hadding a.a.O. S. 1376. 299 Hadding a.a.O.
11. 5. Postbenutzungsverhältnisse
193
(cc) Zwischenergebnis Nach beiden Theorien führt § 8 I S. 2 PostG zur Wirksamkeit des Dekkungsverhältnisses, so daß die Kontobelastung gerechtfertigt ist und der Minderjährige im Valutaverhältnis geschützt werden muß. Dieses Ergebnis wird aber dadurch relativiert, daß der Lastschriftschuldner i.R. des Einzugsermächtigungsverfahrens gemäß Abschnitt In Nr. 2 des erwähnten Abkommens über den Lastschriftverkehr300 der Belastung seines Kontos widersprechen kann. Das hat zur Folge, daß die Schuldnerbank die Lastschrift wiedergutbuchen muß und den Betrag von der Gläubigerbank gemäß Abschnitt In Nr. 1 des Lastschriftabkommens zurückverlangen kann. 30l Für einen bereicherungsrechtlichen Ausgleich besteht also höchstens dann ein Bedürfnis, wenn die gemäß Abschnitt In Nr. 2 Lastschriftabkommen bestehende sechswöchige Widerspruchsfrist überschritten ist.
(6) Ansprüche der DBP bei Überziehung eines Postgirokontos Eine besondere Gefahr birgt für den Minderjährigen die Überziehung seines Postgirokontos. Nach Auffassung der Rechtsprechung bedingt die Anerkennung der Handlungsfähigkeit in § 8 I S. 2 PostG, daß die Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Minderjährigenschutzvorschriften ausgeschlossen ist. 302 Danach ist der Minderjährige den gleichen Ansprüchen seitens der DBP ausgesetzt wie es bei Volljährigen der Fall ist. Damit muß auch der Minderjährige gemäß § 12 I S. 3 PostGO sein überzogenes Postgirokonto wieder ausgleichen. 303 Neben diesem Anspruch soll er auch noch wegen pVV eines öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisses und deliktisch nach § 823 BGB haften. 304 Für Verfügungen über Fehlgutschriften soll er dem allgemeinen öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch ausgesetzt sein. 30s Er muß auch für Beträge haften, die ein unberechtigter Dritter mit Blankopostbarschecks und Ausweiskarte abgehoben hap06 Dieses wurde auch in einem extremen Fall befürwortet, indem Dritte mit Postbarschecks, die von einem Minderjährigen unterVgl. den Nachweis unter c., 11., Fn. 288. Darauf weist hin: Canaris, WM 1980, 354 (361). 302 Vgl. BVerwG JZ 1985, 675; LG Karlsruhe PostRE 2.06.1 Nr. 1, S. 3. Kritisch dazu Ehlers, JZ 1985, 675 ff. 303 VG Hamburg PostRE 3.00.2 Nr. 7; VG Frankfurt/M. PostRE 3.00.2 Nr. 19. 304 Vgl. LG Karlsruhe a.a.O. 305 VG Hannover PostRE 3.00.2 Nr. 8; OVG Berlin PostRE 3.00.2 Nr. 9. 306 VG Berlin PostRE 3.00.2 Nr. 10. Das soll nur dann nicht gelten, wenn die Unterschrift auf der Vorderseite des Schecks und die hinterlegte Unterschriftsprobe leicht erkennbar nicht übereinstimmen. So VG Berlin PostRE 3.00.2 Nr. 11. 300 301
13 C.-R. Meyer
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C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
schrieben worden waren, Beträge von insgesamt 35150 DM abgehoben hatten. 307 Diese Summe befand sich nur deshalb auf dem Konto des Minderjährigen, weil Angestellte des Postgiroamtes in kollusivem Zusammenwirken mit den Dritten entsprechende Fehlgutschriften veranlaßt hatten. (a) Der Kontoausgleichsanspruch der DBP gemäß § 12 I S. 3 PostGO Die zentrale Vorschrift bei Kontoüberziehungen ist § 12 I S. 1 - 3 PostGO. Danach soll der Postgiroteilnehmer Vermögensverfügungen grundsätzlich nur innerhalb seines Guthabens vornehmen können. Zur Erleichterung des Massenverkehrs soll die Post aber Aufträge ausführen können, die zu einer Überziehung des Kontos führen. Der Betrag der Überziehung ist jedoch nach einer zu § 12 PostGO ergangenen Verwaltungsvorschrift auf 1000 DM begrenzt. 308 Diese Möglichkeit der Kontoüberziehung, die im Zivilrecht gemäß § 1822 Nr. 8 BGB sowohl die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung als auch die des gesetzlichen Vertreters erfordern würde 309 , wird dabei nicht als rechtsgeschäftliche Kreditgewährung angesehen. Sie soll den Postgiroämtern lediglich eine gewisse Flexibilität einräumen310 und gleichzeitig eine Konkurrenz zu den privaten Kreditinstituten vermeiden. 311 Ihr weiterer Sinn wird darin gesehen, daß durch die sofortige Ausgleichspflicht zwar die Vermögensinteressen der DBP geschützt werden sollen. Die Begrenzung der Überziehungsmöglichkeit bezwecke aber nicht den Schutz der Vermögensinteressen des Postgiroteilnehmers. 312 Aus Nr. 3 der Bedingungen für die Teilnahme am Postbarscheckverfahren313 ergebe sich die Pflicht des Teilnehmers, vor jeder Abhebung genau zu prüfen, ob sein Guthaben ausreiche, so daß er bei einer Überziehung nicht von der Ausgleichspflicht frei würde. 314 Auch Minderjährige sollen diesem Ausgleichsanspruch in unbegrenzter Höhe ausgesetzt sein. Verfassungsrechtliche Bedenken bzgl. der schutzlosen Situation werden mit dem Hinweis ausgeräumt, daß es den nicht voll Geschäftsfähigen unbenommen bleibe, die aufgrund der Kontoüberziehung Vgl. das BVerwG a.a.O.; so im Anschluß auch das BVerfG PostRE 2.06.1 NI. 6. Vgl. Eidenmüller § 12 Post GO Anm. 3. 309 Vgl. dazu die Nachweise unter c., II., Fn. 270. 310 So VG Frankfurt/M. PostRE 3.00.2 NI. 19; ähnlich auch VG Ansbach Post RE 2.06.4 NI. 1/2. 311 Vgl. Ehlers, JZ 1985, 675 (677). 3!2 Altmannsperger § 19 PostG RdnI. 35; VG Gelsenkirchen PostRE 3.00.2 NI. 26 S. 74 f. 3J3 Abgedruckt bei Eidenmüller, Hinweis NI. 1 nach Anm. 16 zu § 15 PostGO. 314 VG Gelsenkirchen PostRE 3.00.2 NI. 18 S. 49. 307
308
H. 5. Postbenutzungsverhältnisse
195
getätigten Rechtsgeschäfte auf dem Zivilrechtsweg anzugreifen. 315 Es ist aber fraglich, ob dieser zivilrechtliche Begleitschutz ausreichend ist, um die verfassungsrechtlichen Bedenken auszuräumen. Dagegen spricht, daß der Minderjährige mit dem auf ihm lastenden Prozeßrisiko überlastet wäre. Außerdem bliebe er in den Fällen schutzlos, in denen er gar keine Verfügungsrnacht über das Geld erlangt. Eine solche Situation liegt vor, wenn unberechtigte Dritte das Geld mit einem Postbarscheck abgehoben haben und der Minderjährige daher das Geld nie erhalten hat. Daraus folgt, daß diese Problematik nur durch eine verfassungskonforme Auslegung des Ausgleichsanspruches der DBP gemäß § 12 I S. 3 PostGO gelöst werden kann. Eine solche wäre dann gegeben, wenn man § 12 I S. 3 PostGO zum Schutz des Minderjährigen dahin auslegen würde, daß die durch § 8 I S. 2 PostG gewährte Handlungsfähigkeit nur zu Kontoüberziehungen in Höhe von 1000 DM ausreicht. Höhere Beträge könnte die Post vom Minderjährigen nach § 12 I S. 3 PostGO nur dann zurückverlangen, wenn im Einzelfall eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung der Kontoüberziehung vorlag. 316 Eine wirksame Selbstbelastung in Höhe von 1000 DM erscheint in verfassungsrechtlicher Sicht gerade noch gerechtfertigt, da eine solche Verschuldung noch nicht den finanziellen Ruin bedeutet. 317 Außerdem sind der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit bei 1000 DM überschreitenden Beträgen Grenzen gesetzt, da das Bedürfnis des Minderjährigenschutzes spätestens dann im gleichen Maß wie im Zivilrecht bestehP18 Es ist auch nicht ersichtlich, warum die DBP gegenüber den privaten Kreditinstituten privilegiert werden sollte, indem sie den Minderjährigen (quasi-) vertraglich in Anspruch nehmen könnte. 319 Damit bleibt festzuhalten, daß Überziehungen über 1000 DM hinaus ohne die Zustimmung des Vormundschaftsgerichtes unwirksam sind. Soweit es also zu Kontoüberziehungen über 1000 DM hinaus gekommen ist, kann die DBP diese nicht aufgrund von § 12 I S. 3 PostGO zurückverlangen. Dieser Auslegung des § 12 I S. 3 PostGO kann nicht entgegengehalten werden, daß es sich um eine gegen § 8 I S. 2 PostG verstoßende, entsprechende VG Frankfurt/M. Post RE 3.00.2 Nr. 19 S. 53. Eine solche Auslegung vertritt Ehlers, JZ 1985, 677. 317 Ehlers, JZ 1985, 675 (677) will die Überziehung bei Minderjährigen auf einen geringeren Betrag begrenzen. In anderem Zusammenhang hat auch das BVerfG NJW 1986, 1859 ff. betont, daß die Möglichkeit einer unbegrenzten finanziellen Verpflichtung Minderjähriger nicht mit Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG vereinbar ist. 318 Vgl. dazu auch A., 1.,2. und Ehlers a.a.O. S. 676. 319 Medicus BGB-AT Rdnr. 590 a sieht nicht nur einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorsprung der Post, "sondern letzten Endes auch ein unsoziales - weil zu Lasten von Schutzbedürftigen gehendes - Fiskusprivileg" . 315
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C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
Anwendung der §§ 104 ff., 1822 BGB im öffentlichen Recht handelt. Die dargelegte Beschränkung des § 8 I S. 2 PostG i.V.m. § 12 I S. 3 PostGO beruht nämlich unmittelbar auf den verfassungsrechtlichen Grundlagen des Minderjährigenschutzes. (b) Anspruch aus öffentlich-rechtlicher pVV Fraglich ist, ob die DBP den Betrag der Kontoüberziehung i.R. eines Schadensersatzanspruchs aus öffentlich-rechtlicher pVV der Pflichten aus dem Postgiroverhältnis ersetzt verlangen kann. Die Voraussetzungen für einen solchen Anspruch scheinen vorzuliegen. Das öffentlich-rechtliche Postgiroverhältnis erfüllt die Merkmale einer öffentlich-rechtlichen Sonderverbindung. Daher kommt der für alle Schuldverhältnisse geltende, allgemeine Rechtsgrundsatz zur Anwendung, nach dem jede Forderungs- bzw. Pflichtverletzung eine Haftungsfolge zu Lasten des dafür verantwortlichen Rechtssubjektes auslöst. 32o Eine solche Pflichtverletzung liegt z. B. vor, wenn der Postgiroteilnehmer mit einem Postbarscheck sein Konto überzogen hat. Denn dann liegt ein Verstoß gegen die zum Schutz der DBP bestehende Nr. 3 der Bedingungen für die Teilnahme am Postbarscheckverfahren vor. 321 Fraglich ist, ob dieser Anspruch aus öffentlich-rechtlicher pVV auch dann unbegrenzt besteht, wenn er sich gegen einen Minderjährigen richtet. Dieses könnte man in Anbetracht der bestehenden Handlungsfähigkeit des Minderjährigen im Postrecht bejahen. 322 Diese Folgerung ist jedoch im Hinblick auf das i.R. der Prüfung von § 12 I S. 3 PostGO erlangte Ergebnis nicht mehr haltbar. Aufgrund der Tatsache, daß eine Kontoüberziehung eines Minderjährigen über den Betrag von 1000 DM hinaus unwirksam ist, muß der oben beschriebene allgemeine Haftungsgrundsatz in bezug auf den Minderjährigen eingeschränkt werden. Die Unwirksamkeit der Überziehung führt dazu, daß eine (quasi-)vertragliche Haftung des Minderj ährigen entfällt. 323 Damit geht ein Anspruch der DBP aus öffentlich-rechtlicher pVV gegen einen Minderjährigen nicht weiter als der spezielle Ausgleichsanspruch gemäß § 12 I S. 3 PostGO.
320 Vgl. Si mons S. 138 ff. (141), 176; vgl. für die grundsätzliche Anerkennung der öffentlich-rechtlichen Forderungsverletzungen im Verhältnis Staat zum Bürger: Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform S. 512 m.w.N. in Fn. 509. 321 Vgl. C., 11., Fn. 313,314. 322 So LG Karlsruhe PostRE 2.06.1 Nr. 1, S. 1 ff. (3). 323 So auch Ehlers, JZ 1985, 675 (677).
11. 5. Postbenutzungsverhältnisse
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(c) Deliktsrechtliche Ansprüche In Betracht kommt weiterhin eine deliktsrechtliche Haftung des Minderjährigen für Kontoüberziehungen gemäß § 823 BGB. So könnte man z. B. in der Vorlage eines ungedeckten Postbarschecks am Postschalter eine Schutzgesetzverletzung gemäß § 82311 BGB i.V.m. § 263 StGB324 sehen325 , so daß der zu leistende Schadensersatz den Betrag der Kontoüberziehung umfassen würde. Ein solcher Anspruch scheitert aber an der Tatsache, daß der zivilrechtliche Deliktsanspruch im öffentlich-rechtlichen Postgiroverhältnis nicht anwendbar ist. 326 Selbst wenn man - entgegen der hier vertretenen Ansicht - eine analoge Anwendung der §§ 823 ff. BGB grundsätzlich für möglich halten sollte, würde sich an dem erlangten Ergebnis nichts ändern. Denn § 19 PostG verweist bzgl. der Haftung im Postgirodienst lediglich auf die allgemeinen, gesetzlichen Vorschriften über die Haftung des Schuldners für die Erfüllung seiner Verbindlichkeiten. Darunter werden aber lediglich die Normen des allgemeinen Schuldrechts verstanden, so daß die Vorschriften über die unerlaubten Handlungen im Postgiroverhältnis unanwendbar sind. 327 Daher haftet weder die DBP noch der Postgiroteilnehmer analog den §§ 823 ff. BGB.328 Damit kann die DBP weder aufgrund einer unmittelbaren noch einer entsprechenden Anwendung der §§ 823 ff. BGB verlangen, daß
der Betrag der Kontoüberziehung vom Minderjährigen ersetzt wird. (d) Auswirkung des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches Soweit die Benutzung des Postgirokontos zu einer Überziehung über den Betrag von 1000 DM hinausführt, kommt danach nur noch der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch für die DBP in Betracht. Da es sich bei dem Schuldner des Erstattungsanspruches um einen Minderjährigen handelt, stellt sich die Frage, ob und inwieweit die Behandlung des Minderjährigen im Bereicherungsrecht eine Entsprechung im öffentlichen Recht findet. Die Beantwortung dieser Frage besitzt eine wesentliche Bedeutung für die Fälle, in denen außer dem Minderjährigen noch andere Personen an der KonVgl. zum Schutzgesetzcharakter des § 263 StGB: Palandtrrhomas § 823 Anm. 9f. Als Täuschungshandlung käme hier das konkludente Vorspiegeln der Kontodekkung in Betracht. Vgl. dazu das LG Karlsruhe a.a.O. 326 Es gilt das gleiche, wie im kommunalen, öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnis. Vgl. dazu c., 11., 4., a), bb), (1), (e). 327 Vgl. Eidenmüller § 19 PostG Vorbem. zu den §§ 19, 20 S. 210; Altmannsperger § 19 PostG Rdnr. 11. 328 Die entgegengesetze Ansicht des LG Karlsruhe a.a.O. verkennt daher die Bedeutung des § 19 PostG. 324 325
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C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
tobenutzung beteiligt waren. Denn sofern man die bereicherungsrechtlichen Regeln über das Dreiecksverhältnis bei fehlerhaften Anweisungslagen auch auf den Erstattungsanspruch anwendet, ergeben sich Zweifel, ob sich der Erstattungsanspruch der DBP überhaupt gegen den Minderjährigen richtet. Für das sich daran anschließende Problem, ob der Minderjährige das rechtsgrundlos Erlangte behalten kann oder nicht, ist das Bereicherungsrecht allerdings ohne Belang. Zur Bestimmung des Vertrauensschutzes hat das öffentliche Recht eigene Kriterien entwickelt. 329 Allgemein wird man die bereicherungsrechtlichen Regeln zumindest als eine Orientierungshilfe für den Erstattungsanspruch ansehen können, da trotz der verschiedenen Rechtsgebiete eine gewisse Parallelität besteht. 330 Sowohl die Ansprüche aus den §§ 812 ff. BGB als auch der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch beruhen auf dem Rechtsgrundsatz, daß Leistungen ohne Rechtsgrund und sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen rückgängig zu machen sind. 331 Damit jedoch eine einzelne bereicherungsrechtliche Regel auf den Erstattungsanspruch angewendet werden kann, muß eine dem Zivilrecht vergleichbare Interessenlage gegeben sein. 332 (aa) Die Stellung des Minderjährigen als Schuldner des Erstattungsanspruches im Mehrpersonenverhältnis Die Untersuchung der einzelnen Benutzungsformen des Postgirokontos ergab, daß der Minderjährige auch in den Drittbeteiligungsfällen für die Beträge haften muß, die Dritte aufgrund der Beauftragung des Postgiroamtes erhalten haben. Dieses Ergebnis beruhte vor allem auf der Überlegung, daß der Minderjährige im Deckungsverhältnis gemäß § 8 I S. 2 PostG über die Handlungsfähigkeit verfügte und der Mangel der Geschäftsfähigkeit daher nur im zivilrechtlichen Valutaverhältnis zu berücksichtigen war. Die uneingeschränkte Anerkennung der Handlungsfähigkeit durch § 8 I S. 2 PostG gilt aus verfassungsrechtlichen Gründen jedoch nicht, wenn die Kontobenutzung zu Überziehungsbeträgen von 1000 DM und mehr führt. Der Unterschied zu den obigen Fällen besteht also darin, daß sowohl das Deckungsverhältnis als auch das Valutaverhältnis Mängel aufgrund der fehlenden Handlungs- und Geschäftsfähigkeit aufweisen. Damit ist eine auffallende Parallelität zu der vergleichbaren zivilrechtlichen Rechtslage gegeben, die unter dem Begriff der "unwirksamen Weisung" behandelt wird. Vgl. zu diesem Problem C., U., 4., a), bb), (2), (b). Maurer, Allg.VwR § 28 Rdnr. 21 spricht davon, daß der Erstattungsanspruch nach Struktur und Zielrichtung den Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung des BGB entspreche. 331 Vgl. auch BVerwGE 36,108 (110); BVerwG NJW 1985, 2436. 332 So fordern ErichseniMartens § 30 IU, Wolff/Bachof I § 44 I b 6 eine der privatrechtlichen kongruente Interessenlage. 329 330
11. 5. Postbenutzungsverhältnisse
199
(aaa) Die Behandlung der "unwirksamen Weisung" in der zivilrechtlichen Dogmatik Zwar gilt auch bei den fehlerhaften Anweisungslagen der Grundsatz, daß eventuelle Mängel Kondiktionsansprüche nur in den jeweiligen Leistungsverhältnissen auslösen kann und eine Durchgriffskondiktion des Angewiesenen gegen den Anweisungsempfänger daher regelmäßig ausscheidet. 333 Davon wird jedoch für die Fälle eine Ausnahme gemacht, in denen aufgrund der mangelnden Geschäftsfähigkeit von vornherein keine gültige Anweisung bestand. Dann soll das Subsidiaritätsprinzip der Durchgriffskondiktion durchbrochen werden. 334 Dieses kann man damit begründen, daß die Zahlung der angewiesenen Bank an den Begünstigten nicht als eine Leistung der Bank an den Minderjährigen gewertet werden kann, da der minderjährige Anweisende diese von Anfang an nicht wirksam veranlassen konnte. Die Anweisung wäre ihm dann also gar nicht zurechenbar. 335 Die Durchbrechung des Subsidiaritätsprinzips läßt sich aber auch weiterhin auf die gesetzlichen Wertungsmodelle zum Verhältnis von Bestands- und Verkehrsschutz stützen, wozu auch die Gutglaubensvorschriften gemäß den §§ 932 ff. BGB gehören. 336 Soweit also der Begünstigte weiß, daß er den angewiesenen Betrag von einem Minderjährigen erhalten hat, kann dieses als zusätzliches Indiz dafür gewertet werden, daß das Verkehrsschutz- hinter das Bestandsschutzinteresse zurücktreten muß.337 Der Minderjährige wird damit im Bereicherungsrecht als besonders schutzwürdig angesehen, so daß er aus einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung möglichst herausgehalten werden soll. In den zivilrechtlichen Anweisungsfällen könnte die Bank das Geld also direkt vom Begünstigten zurückverlangen. (bbb) Übertragbarkeit dieser Grundsätze auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch Fraglich ist demnach, bei welchen Benutzungsformen des Postgirokontos sich vergleichbare Anweisungslagen ergeben, so daß eine Durchgriffskondiktion der DBP gegen den Zahlungsempfänger gerechtfertigt erscheint. Vgl. dazu die Nachweise unter C., 11., Fn. 284. So Medicus Rdnr. 677; Canaris, WM 1980, 354 (355). 335 Canaris, Festschrift für Larenz, S. 823 will die Zurechnung grundsätzlich von der vollen Geschäftsfähigkeit abhängig machen, da er sie als einen Unterfall der mit der Privatautonomie verbundenen Selbstverantwortung ansieht. Vgl. auch Erman/H. P. Westermann § 812 Rdnr. 22; MK-Lieb § 812 Rdnr. 74 m.w.N. in Fn. 140; v. Caemmerer, JZ 1962, 385 (387). 336 Siehe dazu Erman/H. P. Westermann § 812 Rdnr. 85; Reeb, JuS 1973, 227 ff. (230). 337 Vgl. dazu OLG Koblenz WM 1976, 94 (95); BGHZ 67,75 (78). 333
334
200
C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
(a) In den "echten" Drittbeteiligungsfällen Von "echten" Drittbeteiligungsfällen kann immer dann gesprochen werden, wenn eine eindeutige Trennung von Deckungs- und Valutaverhältnis möglich ist. Diese Trennung bereitet keine Schwierigkeiten, wenn die DBP, Giroteilnehmer und Zahlungsempfänger rechtlich voneinander unabhängig sind. Eine solche Situation liegt vor, wenn der Giroteilnehmer einen Geldbetrag überweist oder einen Kassen- bzw. einen Verrechnungspostscheck ausstellt oder in den verschiedenen Formen des Lastschriftverfahrens. Hier hat der Zahlungsempfänger nämlich sowohl gegenüber der DBP als auch gegenüber dem Postgiroteilnehmer eine eigenständige Rechtsposition inne. Damit richtet sich der Erstattungsanspruch bei den angesprochenen Kontobenutzungen, die zu Überziehungen über den Betrag von 1000 DM hinausführen, nicht mehr gegen den Minderjährigen sondern gegen den Dritten. Denn die Belange des Minderjährigenschutzes kommen dann im Postgiroverhältnis in gleicher Weise zum Tragen, wie bei einer privaten Bank. (ß) In den "unechten" Drittbeteiligungsfällen Problematisch ist jedoch, ob auch im Postbarscheckverfahren eine dem Zivilrecht vergleichbare Anweisunglage zu bejahen,ist, wenn ein Dritter mit einem vom Postgiroteilnehmer unterschriebenen Postbarscheck und der Ausweiskarte Abhebungen vornimmt. 338 Es lassen sich zwar keine Unterschiede im Deckungsverhältnis feststellen. Soweit der Minderjährige einen Postbarscheck ausstellt, stellt dieses ohne Zweifel eine Anweisung des Minderjährigen an die DBP dar, zu zahlen. Schwierigkeiten ergeben sich jedoch bei der Beurteilung des Valutaverhältnisses, insbesondere bei der rechtlichen Qualifikation der Übergabe des Postbarschecks und der Ausweiskarte an einen Dritten. Man kann in diesem Vorgang keine scheckrechtliche Begebung sehen, so daß dem Minderjährigen nicht der zivilrechtliche Schutz zuteil wird. Es spricht aber viel dafür, in diesem Vorgehen nur die zivilrechtliche Einsetzung eines Erklärungsboten zu sehen, so daß der Dritte die Auszahlungsanweisung des Minderjährigen nur übergibt. Die Auszahlung des Geldbetrages müßte dann als an den Minderjährigen erfolgt gelten. Dann läge nur tatsächlich ein Dreierverhältnis vor, in rechtlichem Sinn jedoch nur ein Zweierverhältnis. Für dieses Auslegungsergebnis kann auch folgende Überlegung herangezogen werden. Soweit der Minderjährige selbst mit einem Postbarscheck Geld abhebt, um es dann z. B. zwecks Schuldentilgung an einen Dritten weiterzugeben, ist ohne Zweifel nur eine scheckrechtliche Zweierbeziehung gegeben. 338
Vgl. zu dieser Möglichkeit:
c., II., Fn. 273.
II. 5. Postbenutzungsverhältnisse
201
Wird dabei das Konto überzogen, kann nur der Minderjährige Schuldner des Erstattungsanspruchs sein. An diesem Ergebnis kann sich nichts ändern, wenn der Minderjährige nicht selbst abhebt, sondern die Abhebung durch einen Dritten - der auch Gläubiger des Minderjährigen sein kann - vornehmen läßt. Dieser Dritte steht nämlich rechtlich auf seiten des Postgiroteilnehmers, so daß ihm nicht die rechtliche Selbständigkeit zukommt, wie z. B. dem Empfänger eines Verrechnungspostschecks. Diese Unselbständigkeit dokumentiert sich in der Abhängigkeit des Dritten von der Ausweiskarte des Postgiroteilnehmers. 339 Daraus folgt, daß in den Fällen, in denen ein Dritter mittels Postbarscheck und Ausweiskarte Abhebungen vornimmt, keine Vergleichbarkeit mit den zivil rechtlichen Anweisungsfällen gegeben ist. Daher ist der Minderjährige und nicht der Dritte als Schuldner des Erstattungsanspruchs anzusehen. 34o Ein Schutz des Minderjährigen besteht dann nur noch insoweit, wie sein Vertrauen auf den Bestand der Leistung schutzwürdig ist. (bb) Der Einwand des schutzwürdigen Vertrauensinteresses Der Minderjährige kann sich als Schuldner des Erstattungsanspruches nur dann erfolgreich gegen eine Inanspruchnahme wenden, wenn sein Vertrauensschutzinteresse das Interesse der DBP an der Kontoausgleichung überwiegt. Nach Auffassung des BVerwG entfällt der Schutz des Vertrauens i.R. des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches nicht erst dann, wenn der Empfänger der Leistung den Mangel des rechtlichen Grundes kannte, sondern bereits, wenn er die Rechtsgrundlosigkeit aus grober Fahrlässigkeit nicht erkannt hat. Könne das Vertrauen danach als schutzwürdig angesehen werden, spiele es keine Rolle, ob der Vermögenswert noch vorhanden sei oder ob insofern eine Entreicherung vorliege. 341 Diese Rechtsprechung muß bei der Beteiligung eines Minderjährigen jedoch modifiziert werden. Denn es stellt sich wie beim vergleichbaren zivilrechtlichen Bereicherungsanspruch die Frage, ob es zur Bestimmung der Schutzwürdigkeit auf den Kenntnisstand des Minderjährigen selbst oder auf den des gesetzlichen Vertreters ankommt. Im vergleichbaren Bereicherungsrecht gilt der Grundsatz, daß es auf die Einsichtsfähigkeit des Minderjährigen analog § 828 11 BGB ankommt, wenn 339 Auf die Wirksamkeit oder zumindest das tatsächliche Bestehen der Botenmacht kommt es nicht an, da gern. Zf. 6 der Bedingungen für die Teilnahme am Postbarscheckverfahren an jeden gezahlt wird, der einen vom Postgiroteilnehmer unterschriebenen Postbarscheck zusammen mit der Ausweiskarte vorlegt. 340 A.A. Ehlers, JZ 1985,675 (677 f.). 341 Vgl. BVerwG NJW 1985, 2436 (2437).
202
C. Der Minderjährige in den Kerngebieten des öffentlichen Rechts
er sich das Erlangte durch eine Eingriffskondiktion oder eine unerlaubte Handlung bzw. eine Straftat verschafft hat. Handelt es sich dagegen um eine Leistungskondiktion, wird gemäß den §§ 104 ff., 166 BGB auf die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters abgestellt. 342 Diese Grundsätze können und müssen auch auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch Anwendung finden, sofern eine vergleichbare Interessenlage vorliegt. Soweit es um die Rückgewährung von Kontoüberziehungen im Postgiroverhältnis als einem öffentlich-rechtlichen Leistungsverhältnis geht, käme es demnach auf die Kenntnis bzw. die grob fahrlässige Unkenntnis des gesetzlichen Vertreters an. Nur mit dieser Auslegung läßt sich der Schutz des Minderjährigen verwirklichen, der mit der verfassungskonformen Auslegung der §§ 8 I S. 2 PostG i.V.m. 12 I S. 3 PostGO bezweckt wird. Denn eine Begrenzung des (quasi-)vertraglichen Rückzahlungsanspruches auf 1000 DM besäße wenig Sinn, wenn die Haftung für darüber hinausgehende Beträge vom Kenntnisstand des Minderjährigen abhängig wäre. Auch für den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch muß das bereicherungsrechtliche Prinzip gelten, daß die Haftung des Rückzahlungsschuldners durch den Schutzzweck der die "Vertragswirksamkeit" hindernden Norm begrenzt wird. Daher kann es bei der Bestimmung der Bösgläubigkeit nur auf den Kenntnisstand des gesetzlichen Vertreters ankommen. Etwas anderes muß jedoch dann gelten, wenn es dem Minderjährigen bewußt darauf ankommt, Barauszahlungen zu erreichen, obwohl er Kenntnis von der fehlenden Deckung hat. Dieses Verhalten ist in strafrechtlicher Sicht als ein Betrug gemäß § 263 StGB zu werten, so daß es analog § 828 II BGB auf die Kenntnis des Minderjährigen selbst ankommt. Ist dem Minderjährigen ein betrügerisches Handeln nicht nachzuweisen, müßte sein Vertrauen nach den aufgestellten Grundsätzen analog den §§ 104 ff., 166 BGB als geschützt angesehen werden. Dieser besondere Schutz des Minderjährigen ist allerdings nicht erforderlich, wenn er über die rechtsgrund los erlangten Vermögenswerte noch verfügt. In diesem Fall bleibt er trotz seiner prinzipiellen Schutzwürdigkeit zur Rückgewähr des Erlangten verpflichtet.
342
Vgl. die Nachweise unter C., II., Fn. 135.
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