Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG) [1 ed.] 9783428522606, 9783428122608

Durch das 4. Finanzmarktförderungsgesetz und das Anlegerschutzverbesserungsgesetz wurde der bisher in § 88 BörsG a.F. ge

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German Pages 492 [493] Year 2006

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Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG) [1 ed.]
 9783428522606, 9783428122608

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Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 199

Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG)

Von Jan Eichelberger

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

JAN EICHELBERGER

Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG)

Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 199

Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG) Von Dr. Jan Eichelberger, LL.M. oec.

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena hat diese Arbeit im Jahre 2006 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-026X ISBN 3-428-12260-7 978-3-428-12260-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2005/2006 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena als Dissertation angenommen. Für die Veröffentlichung konnten Rechtsprechung und Literatur noch bis Anfang Mai 2006 berücksichtigt werden. Danken möchte ich zunächst meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Dr. Günter Jerouschek M.A. Er hat mich über viele Jahre als Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl und darüber hinaus stets unterstützt und gefördert. Daneben danke ich Herrn Professor Dr. Volker M. Jänich, nicht nur für die Erstattung des Zweitgutachtens. Mein Dank geht ferner an die Stiftung der Deutschen Wirtschaft (sdw) mit ihrem Studienförderwerk Klaus Murmann für die Gewährung eines Promotionsstipendiums, das es mir ermöglichte, mich ganz der Wissenschaft zu widmen. Mein größter Dank gebührt jedoch meinen Eltern, Christine und Klaus Eichelberger. Sie haben mich über die vielen Jahre der Ausbildung stets mit großer Anteilnahme begleitet und mir unermüdlich jegliche Hilfe und Unterstützung gegeben. Sie haben damit diese Arbeit erst möglich gemacht. Ohne ihre Hilfe wäre ich nicht da, wo ich heute bin. Berlin, im Mai 2006

Jan Eichelberger

Inhaltsübersicht Einführung ....................................................................................................................... 1

Erster Teil

Grundlagen Erstes Kapitel Marktmanipulationen

11

A. Definition................................................................................................................... 11 B. Abgrenzung Manipulation – Spekulation.................................................................. 14 C. Abgrenzung Manipulation – Insiderhandel ............................................................... 15 D. Systematisierung der manipulativen Verhaltensweisen ............................................ 16 E. Weitere Manipulationstechniken............................................................................... 39 F. Keine Manipulationstechniken.................................................................................. 42 G. Zweck von Manipulationen....................................................................................... 43 H. Nachweis von Manipulationen .................................................................................. 50 Zweites Kapitel Aufgaben und Funktionsvoraussetzungen des Kapitalmarktes

51

A. Der Kapitalmarkt – Begriffsbestimmung .................................................................. 51 B. Aufgaben des Kapitalmarktes ................................................................................... 52 C. Funktionsbedingungen .............................................................................................. 59 D. Ökonomische Analyse von Marktmanipulationen .................................................... 71

VIII

Inhaltsübersicht Drittes Kapitel Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen gegen das Verbot der Marktmanipulation

83

A. Exkurs: US-amerikanisches Kapitalmarktrecht ........................................................ 84 B. Das strafrechtliche Subsidiaritätsprinzip................................................................... 87 C. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben......................................................................... 146 D. Unzureichende Erfaßbarkeit mittels bestehender Tatbestände................................ 150 E. Endergebnis ............................................................................................................. 152

Zweiter Teil

Das Manipulationsverbot Viertes Kapitel Entstehungsgeschichte, Rechtsrahmen und Regelungstechnik des Manipulationsverbotes

153

A. Entstehungsgeschichte............................................................................................. 153 B. Nationaler Rechtsrahmen ........................................................................................ 160 C. Regelungstechnik .................................................................................................... 161 Fünftes Kapitel Verfassungsrechtliche Vorgaben

170

A. Das Gesetzlichkeitsprinzip ...................................................................................... 170 B. Verordnungsermächtigung, § 20a V WpHG ........................................................... 181 C. Auslegung................................................................................................................ 196 Sechstes Kapitel Anwendungsbereich

200

A. Personeller Anwendungsbereich ............................................................................. 200 B. Sachlicher Anwendungsbereich .............................................................................. 201 C. Räumlicher Anwendungsbereich ............................................................................ 221 D. Schutzbereichsausnahmen....................................................................................... 236

Inhaltsübersicht

IX

Siebtes Kapitel Verbotstatbestände

237

A. § 20a I 1 Nr. 1 WpHG ............................................................................................. 237 B. § 20a I 1 Nr. 2 WpHG ............................................................................................. 288 C. § 20a I 1 Nr. 3 WpHG ............................................................................................. 304 D. Verhältnis der Tatbestände zueinander ................................................................... 319 E. Subjektiver Tatbestand des Verbotstatbestands ...................................................... 320 F. Stellungnahme zum neuen Manipulationsverbot .................................................... 321 Achtes Kapitel Rechtsfolgen von Verstößen gegen das Verbot der Marktmanipulation

323

A. Straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionierung.................................... 323 B. Zivilrechtliche Rechtsfolgen ................................................................................... 363 Neuntes Kapitel Zeitliche Anwendbarkeit der §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1, 2, II Nr. 11 WpHG 370 A. Problemstellung....................................................................................................... 370 B. Ausgangspunkt ........................................................................................................ 371 C. Meinungsstand......................................................................................................... 372 D. Anwendung auf § 88 BörsG a.F./§§ 38, 39, 20a WpHG ........................................ 378 E. Ergebnis................................................................................................................... 383 Zehntes Kapitel Die Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Marktmanipulation (Marktmanipulations-Konkretisierungsverordnung – MaKonV) 385 A. Wesentlicher Inhalt.................................................................................................. 385 B. Formelle Rechtmäßigkeit der MaKonV .................................................................. 386 C. Materielle Rechtmäßigkeit der MaKonV ................................................................ 386 D. Rechtswirkungen der MaKonV............................................................................... 389 E. Zeitliche Anwendbarkeit der Verordnung............................................................... 397 F. Die Irrtumsproblematik ........................................................................................... 399

X

Inhaltsübersicht

Zusammenfassung ....................................................................................................... 401 Literaturverzeichnis .................................................................................................... 415 Sachverzeichnis ............................................................................................................ 451

Inhaltsverzeichnis Einführung ....................................................................................................................... 1 I. Problemaufriß........................................................................................................ 1 II. Ziel der Arbeit ....................................................................................................... 6 III. Gang der Darstellung ............................................................................................ 7

Erster Teil

Grundlagen Erstes Kapitel Marktmanipulationen

11

A. Definition................................................................................................................... 11 B. Abgrenzung Manipulation – Spekulation.................................................................. 14 C. Abgrenzung Manipulation – Insiderhandel ............................................................... 15 D. Systematisierung der manipulativen Verhaltensweisen ............................................ 16 I. Informationsgestützte (information-based) Manipulationen............................... 18 1. Scalping ........................................................................................................ 21 2. Frontrunning ................................................................................................. 23 3. Abgabe falscher Ad hoc-Mitteilungen.......................................................... 23 II. Handelsgestützte (trade-based) Manipulationen ................................................. 24 1. Fiktive Geschäfte .......................................................................................... 25 a) Wash sales .............................................................................................. 26 b) Matched orders ....................................................................................... 27 c) Circular trades ........................................................................................ 28 2. Effektive Geschäfte....................................................................................... 28 a) Leerverkäufe........................................................................................... 31 b) Corners und squeezes ............................................................................. 32 c) Beeinflussung der Marktliquidität .......................................................... 34 (1) Marktverknappung (insb. parking und warehousing) ...................... 34 (2) Markterweiterung ............................................................................. 35 d) Kurspflege, Kursstabilisierung, Marktpflege ......................................... 36

XII

Inhaltsverzeichnis e) Designated Sponsoring........................................................................... 37 III. Handlungsgestützte (action-based) Manipulationen ........................................... 37

E. Weitere Manipulationstechniken............................................................................... 39 I. Painting the tape und marking the close ............................................................. 39 II. Creating a price-trend and trading against it ....................................................... 40 III. Stop loss-/stop buy-order fishing ........................................................................ 40 IV. Advancing the bid, pump and dump ................................................................... 41 V. Pools.................................................................................................................... 41 F. Keine Manipulationstechniken.................................................................................. 42 I. Churning.............................................................................................................. 42 II. Late-Trading, Market-Timing ............................................................................. 43 G. Zweck von Manipulationen....................................................................................... 43 I. Direkte Gewinnmöglichkeiten ............................................................................ 44 1. Nutzung der Preisdifferenz des manipulierten Vermögenswertes................ 44 2. Einsatz von Derivaten................................................................................... 45 3. Investmentfonds............................................................................................ 46 II. Indirekte Gewinnmöglichkeiten.......................................................................... 46 1. Beeinflussung der Berechnungsgrundlage.................................................... 46 2. Auslösen von (Vertrags-)Bedingungen ........................................................ 48 III. Sonstige Zwecke ................................................................................................. 49 H. Nachweis von Manipulationen .................................................................................. 50 Zweites Kapitel Aufgaben und Funktionsvoraussetzungen des Kapitalmarktes

51

A. Der Kapitalmarkt – Begriffsbestimmung .................................................................. 51 B. Aufgaben des Kapitalmarktes ................................................................................... 52 I. Überblick............................................................................................................. 52 II. Transformationsfunktion der Kapitalmärkte....................................................... 53 III. Allokationsfunktion............................................................................................. 55 IV. Bewertungs- und Informationsfunktion .............................................................. 56 V. Bedeutung der beiden Marktsegmente................................................................ 57 1. Bedeutung des Primärmarktes ...................................................................... 57 2. Bedeutung des Sekundärmarktes .................................................................. 57 VI. Preisbildung am Kapitalmarkt............................................................................. 58 C. Funktionsbedingungen .............................................................................................. 59 I. Keine Eingriffe in die Preisbildung..................................................................... 59 II. Informationseffizienz .......................................................................................... 60 III. Niedrige Transaktionskosten............................................................................... 62

Inhaltsverzeichnis

XIII

IV. Vertrauen in das ordnungsgemäße Funktionieren des Kapitalmarktes............... 63 1. Grundlegung ................................................................................................. 63 2. Folgen des Vertrauensverlustes .................................................................... 64 3. Kritik der Literatur........................................................................................ 66 4. Stellungnahme .............................................................................................. 67 V. Hohe Liquidität ................................................................................................... 71 D. Ökonomische Analyse von Marktmanipulationen .................................................... 71 I. Profitabilität von Manipulationen ....................................................................... 72 II. Negative Auswirkungen von Manipulationen .................................................... 74 1. Auswirkungen auf Anleger (Kapitalanbieter)............................................... 75 2. Auswirkungen auf den Kapitalmarkt............................................................ 77 a) Kapitalaufbringungsfunktion.................................................................. 77 b) Allokationsfunktion................................................................................ 77 c) Bewertungs- und Informationsfunktion ................................................. 78 3. Auswirkungen auf den Emittenten (Kapitalnachfrager) ............................... 78 III. Positive Effekte von Manipulationen.................................................................. 79 1. Managementanreize/principal-agent-theory ................................................. 79 2. Beitrag zur Steigerung der optimalen Kapitalallokation .............................. 81 3. Zwischenergebnis ......................................................................................... 82 IV. Ergebnis .............................................................................................................. 82 Drittes Kapitel Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen gegen das Verbot der Marktmanipulation

83

A. Exkurs: US-amerikanisches Kapitalmarktrecht ........................................................ 84 I. Geldbußen (civil penalties) ................................................................................. 84 II. Strafrechtliche Verfolgung.................................................................................. 85 III. Sonstige hoheitliche Maßnahmen ....................................................................... 85 IV. Zivilrechtliche Möglichkeiten............................................................................. 86 B. Das strafrechtliche Subsidiaritätsprinzip................................................................... 87 I. Strafwürdigkeit.................................................................................................... 88 1. Strafrecht als Rechtsgüterschutz................................................................... 89 a) Definitionsversuche................................................................................ 90 b) Überindividuelle Rechtsgüter im Strafrecht ........................................... 91 c) Vertrauen als Schutzgegenstand der Wirtschaftsdelikte ........................ 93 d) Begrenzter Nutzen des Rechtsgutsbegriffes ........................................... 95 2. Rechtsgut des § 20a WpHG.......................................................................... 96 a) Gesetzesbegründung............................................................................... 96 b) Rechtsprechung und Literatur ................................................................ 97

XIV

Inhaltsverzeichnis

c) Vergleich mit anderen Vorschriften ....................................................... 97 (1) § 88 BörsG a.F. (Kursbetrug)........................................................... 97 (2) §§ 12 ff. WpHG (Insiderhandelsverbot) .......................................... 98 (3) § 264a StGB (Kapitalanlagebetrug) ............................................... 101 d) Eigene Ansicht...................................................................................... 101 (1) Die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes als überindividuelles Rechtsgut........................................................................................ 101 (2) Gefährdbarkeit/Verletzbarkeit des Rechtsgutes ............................. 105 (a) Unverletzbarkeit von Wirtschaftsinstitutionen? ...................... 106 (b) Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes durch Marktmanipulationen..................................................... 108 (3) Individuelles Rechtsgut? ................................................................ 109 (4) Gründe für überindividuelles Rechtsgut ........................................ 111 e) Zwischenergebnis ................................................................................. 112 3. Ergebnis ...................................................................................................... 113 II. Strafbedürftigkeit .............................................................................................. 113 1. Prinzip der Selbstregulierung...................................................................... 116 2. Zivilrechtliche Sanktionen.......................................................................... 117 a) Probleme der zivilrechtlichen Lösung.................................................. 118 b) Voraussetzungen für effektive zivilrechtliche Sanktionen................... 119 (1) Anspruchsinhalt und Anspruchsumfang ........................................ 119 (a) Exkurs: punitive damages im US-amerikanischen Recht ........ 120 (b) Exkurs: multiple damages im US-amerikanischen Recht........ 121 (2) Anspruchsdurchsetzung ................................................................. 122 (a) Exkurs: Die class action im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht ................................................................................ 122 (b) Kollektive Rechtsdurchsetzung in Deutschland ...................... 124 (3) Materielle Kausalitäts- und prozessuale Beweiserleichterungen ... 126 (a) Exkurs: Die contemporaneous traders im US-amerikanischen Recht ........................................................................................ 126 (b) Übertragbarkeit auf Marktmanipulationen .............................. 127 c) Ergebnis................................................................................................ 128 3. Verwaltungsrechtliche Sanktionen ............................................................. 129 a) Wirtschaftsverwaltungsrechtliche Maßnahmen ................................... 129 b) Verhältnis von Strafrecht zu Ordnungswidrigkeitenrecht .................... 130 (1) Marktmanipulationen im Kernbereich des Kriminalunrechts? ...... 131 (2) Kriminalstrafe im Ermessen des Gesetzgebers .............................. 133 (a) Zunehmende Kriminalisierung ................................................ 133 (b) Die Bedeutung von Handlungs- und Erfolgsunwert................ 135 (c) Effektivität der Sanktion zur Verhinderung zukünftiger Verstöße ......................................................................................... 136 (d) Aufdeckungs- und Verfolgungseffektivität ............................. 141

Inhaltsverzeichnis

XV

(e) Hoher Unrechtsgehalt erfolgreicher Manipulationen .............. 142 c) Zwischenergebnis ................................................................................. 143 4. Vergleich mit anderen Straftatbeständen .................................................... 143 a) Insiderhandel (§§ 12 ff. WpHG) .......................................................... 144 b) Kapitalanlagebetrug (§ 264a StGB) ..................................................... 145 c) Kursbetrug (§ 88 BörsG a.F.) ............................................................... 145 d) Zwischenergebnis ................................................................................. 145 III. Ergebnis ............................................................................................................ 146 C. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben......................................................................... 146 I. Kompetenz der EG für strafrechtliche Regelungen? ........................................ 147 II. Lediglich zivilrechtliche Sanktionen?............................................................... 149 III. Ergebnis zum Gemeinschaftsrecht.................................................................... 149 D. Unzureichende Erfaßbarkeit mittels bestehender Tatbestände................................ 150 E. Endergebnis ............................................................................................................. 152

Zweiter Teil

Das Manipulationsverbot Viertes Kapitel Entstehungsgeschichte, Rechtsrahmen und Regelungstechnik des Manipulationsverbotes

153

A. Entstehungsgeschichte............................................................................................. 153 I. Bisherige Rechtslage; historische Entwicklung bis zum 4. FMFG................... 153 II. Änderungen durch das 4. FMFG....................................................................... 154 III. Änderungen durch das AnSVG......................................................................... 155 IV. Gemeinschaftsrechtlicher Hintergrund ............................................................. 156 1. Financial Services Action Plan (FSAP)...................................................... 156 2. Ausschuß der Weisen; Lamfalussy-Bericht................................................ 157 3. Die Marktmißbrauchsrichtlinie (MMRL)................................................... 158 4. Durchführungsmaßnahmen......................................................................... 159 a) Bereits erlassene Rechtsakte................................................................. 159 b) Rechtswirkungen der Durchführungsmaßnahmen ............................... 159 B. Nationaler Rechtsrahmen ........................................................................................ 160 C. Regelungstechnik .................................................................................................... 161 I. Relevanz der Blanketteigenschaft ..................................................................... 162 II. Der Begriff des Blanketts.................................................................................. 163 1. Echtes/unechtes Blankett ............................................................................ 164

XVI

Inhaltsverzeichnis

2. Inbezugnahme von Rechtsverordnungen.................................................... 166 3. Zwischenergebnis ....................................................................................... 167 III. Ergebnis ............................................................................................................ 168 Fünftes Kapitel Verfassungsrechtliche Vorgaben

170

A. Das Gesetzlichkeitsprinzip ...................................................................................... 170 I. Gesetzesvorbehalt ............................................................................................. 171 II. Bestimmtheitsgebot........................................................................................... 172 1. Anforderungen an die Gesetzesbestimmtheit ............................................. 173 2. Bestimmtheit von § 20a I 1 WpHG ............................................................ 175 a) Standpunkt der Rechtsprechung ........................................................... 175 b) Kritik der Literatur ............................................................................... 176 c) Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe ................................................. 177 d) Möglichkeit bestimmterer Gesetzesfassung ......................................... 177 e) Adressat der Vorschrift......................................................................... 179 f) Vergleich mit bestehenden Normen ..................................................... 180 III. Ergebnis ............................................................................................................ 181 B. Verordnungsermächtigung, § 20a V WpHG ........................................................... 181 I. Zweck der Vorschrift ........................................................................................ 182 II. Herkunft ............................................................................................................ 185 III. Ermächtigungsadressat...................................................................................... 186 1. Erstdelegation ............................................................................................. 186 2. Subdelegation, § 20a V 2 WpHG ............................................................... 187 a) Bundesratszustimmungserfordernis ..................................................... 187 b) Einvernehmenserfordernis.................................................................... 189 3. Initiativrecht des Bundesrates..................................................................... 191 IV. Keine Pflicht zum Verordnungserlaß................................................................ 191 V. Materielle Anforderungen an die Verordnungsermächtigung (Art. 80 I 2, 103 II, 104 I 1 GG)........................................................................ 192 1. Wesentlichkeitstheorie................................................................................ 192 2. Bestimmtheitsgebot .................................................................................... 193 3. Sonstige Anforderungen ............................................................................. 195 4. Zwischenergebnis ....................................................................................... 196 VI. Ergebnis ............................................................................................................ 196 C. Auslegung................................................................................................................ 196 I. Auslegungsgrundsätze ...................................................................................... 196 II. Normspaltung.................................................................................................... 198

Inhaltsverzeichnis

XVII

Sechstes Kapitel Anwendungsbereich

200

A. Personeller Anwendungsbereich ............................................................................. 200 B. Sachlicher Anwendungsbereich .............................................................................. 201 I. Finanzinstrumente ............................................................................................. 201 1. Wertpapiere (§ 2 I WpHG) ......................................................................... 201 2. Geldmarktinstrumente (§ 2 Ia WpHG) ....................................................... 204 3. Derivate (§ 2 II WpHG).............................................................................. 205 4. Rechte auf Zeichnung ................................................................................. 206 5. Sonstige Instrumente (§ 2 IIb 2 WpHG)..................................................... 206 II. Märkte ............................................................................................................... 206 1. Inländische Märkte (§ 20a I 2 Nr. 1 WpHG).............................................. 207 a) Zulassung zu einer inländischen Börse (§ 20a I 2 Nr. 1 Var. 1 WpHG)............................................................. 207 (1) Wertpapierbörsen ........................................................................... 208 (2) Sonstige Börsen.............................................................................. 210 (3) Alternative Handelssysteme........................................................... 210 b) Einbeziehung in den Geregelten Markt oder Freiverkehr (§ 20a I 2 Nr. 1 Var. 2 und 3 WpHG)................................................... 211 2. Organisierte Märkte der EU/des EWR (§ 20a I 2 Nr. 2 WpHG)................ 212 3. Nicht erfaßte „Märkte“ ............................................................................... 213 4. Rechtfertigung der Beschränkung auf Börsen und Organisierte Märkte.... 214 5. Gestellter oder öffentlich angekündigter Antrag auf Zulassung oder Einbeziehung (§ 20a I 3 WpHG)...................................................................... 215 III. Waren und ausländische Zahlungsmittel (§ 20a IV WpHG) ............................ 216 1. Waren.......................................................................................................... 216 2. Ausländische Zahlungsmittel...................................................................... 217 IV. Veränderungen gegenüber § 88 BörsG a.F. ...................................................... 218 1. In bezug auf die erfaßten Manipulationsgegenstände................................. 218 2. In bezug auf die erfaßten Märkte................................................................ 219 V. Einbeziehung außerbörslicher Manipulationshandlungen ................................ 219 VI. Beeinflussung eines Börsen- oder Marktpreises innerhalb der EU/des EWR .. 220 C. Räumlicher Anwendungsbereich ............................................................................ 221 I. Anwendungsbereich des Verbotes auf Manipulationen aus dem Ausland ....... 221 1. Auswirkung einer Manipulation als Anknüpfungspunkt............................ 222 2. Handel an einer inländischen Börse als Anknüpfungspunkt ...................... 223 3. Ergebnis zur Anwendbarkeit von § 20a WpHG ......................................... 225 II. Strafbarkeit (§ 38 II WpHG) von Manipulationen mit Auslandsberührung ..... 225 1. Doppelprüfung von Internationalem Verwaltungsrecht und Internationalem Strafrecht.......................................................................................... 225

XVIII

Inhaltsverzeichnis

2. Zur Funktion von § 38 V WpHG (= § 38 II WpHG a.F.)........................... 226 a) Erweiterung des räumlichen Anwendungsbereiches............................ 226 b) Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereiches ............................. 227 c) Manipulationsverbote außerhalb der EU/des EWR.............................. 228 d) Ergebnis zu § 38 V WpHG................................................................... 229 3. §§ 3-7, 9 StGB im einzelnen....................................................................... 229 a) Anknüpfung an den Handlungsort einer Manipulation ........................ 229 b) Anknüpfung an den Erfolgsort einer Manipulation.............................. 232 c) Sonstige Anknüpfungspunkte............................................................... 234 d) Strafbarkeit eines Teilnehmers ............................................................. 234 4. Zwischenergebnis zu den §§ 3-7, 9 StGB................................................... 235 III. Ahndbarkeit (§ 39 I Nr. 1, 2, II Nr. 11 WpHG) von Manipulationen mit Auslandsbezug......................................................................................................... 235 D. Schutzbereichsausnahmen....................................................................................... 236 Siebtes Kapitel Verbotstatbestände

237

A. § 20a I 1 Nr. 1 WpHG ............................................................................................. 237 I. Machen unrichtiger oder irreführender Angaben über bewertungserhebliche Umstände (Alternative 1).................................................................................. 237 1. Angaben über Umstände............................................................................. 238 a) Angabe.................................................................................................. 239 b) Über Umstände..................................................................................... 240 2. Unrichtig ..................................................................................................... 242 a) Auslegung der Erklärung; maßgeblicher Empfängerhorizont.............. 242 b) Unrichtigkeit von Tatsachen................................................................. 245 c) Unrichtigkeit von Werturteilen und Prognosen mit Tatsachenbasis .... 245 d) Unrichtigkeit von bloßen Werturteilen und Prognosen........................ 245 e) Angaben „ins Blaue hinein“ ................................................................. 246 f) Unrichtigkeit durch lediglich unvollständige Angaben........................ 247 g) Unrichtigkeit von für sich genommen zutreffenden, aber irreführenden Angaben......................................................................................... 249 3. Irreführend .................................................................................................. 250 a) Auslegung............................................................................................. 250 b) Fallgruppen irreführender Angaben ..................................................... 251 c) Eigener Anwendungsbereich................................................................ 252 4. Machen........................................................................................................ 253 a) Durch aktives Tun ................................................................................ 253 b) Durch unechtes Unterlassen ................................................................. 255 5. Bewertungserheblichkeit ............................................................................ 258

Inhaltsverzeichnis

XIX

a) Auslegung............................................................................................. 258 b) Maßgeblicher Beurteilungshorizont ..................................................... 261 (1) Maßgeblichkeit des Adressatenkreises........................................... 262 (2) Maßgeblichkeit des betroffenen Vermögensgegenstandes ............ 263 (3) Maßgeblichkeit sonstiger Umstände des Einzelfalles.................... 263 (4) Zusammenfassung.......................................................................... 263 c) Beurteilung der Bewertungserheblichkeit ............................................ 264 d) Bewertungserhebliche Umstände im einzelnen.................................... 264 e) Kritik am Merkmal der Bewertungserheblichkeit ................................ 265 II. Verschweigen von bewertungserheblichen Umständen (Alternative 2)........... 266 1. Verschweigen.............................................................................................. 267 2. Von bewertungserheblichen Umständen .................................................... 268 3. Entgegen bestehender Rechtsvorschriften .................................................. 269 a) Die Rechtsvorschriften im allgemeinen ............................................... 269 b) Ausgewählte Rechtspflichten im besonderen....................................... 271 c) Anwendbarkeit von § 14 StGB und § 9 OWiG.................................... 272 4. Verhältnis zu § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG ................................................ 273 III. Eignung zur Einwirkung auf einen Preis .......................................................... 273 1. Auslegung ................................................................................................... 273 2. Gegenstand der Einwirkungseignung ......................................................... 275 3. Bestimmung der Einwirkungseignung........................................................ 277 a) Beurteilungsgrundlage.......................................................................... 277 b) Wahrscheinlichkeitsurteil, Grad der Wahrscheinlichkeit..................... 278 4. Verhältnis zur Bewertungserheblichkeit..................................................... 281 IV. Besonderheiten für Journalisten (§ 20a VI WpHG).......................................... 281 1. Art. 5 I GG .................................................................................................. 282 2. Rechtliche Umsetzung ................................................................................ 284 a) Anwendungsbereich ............................................................................. 284 b) Berufsständische Regeln ...................................................................... 285 c) Kein eigenes Interesse .......................................................................... 285 d) Ergebnis................................................................................................ 287 V. Von § 20a I 1 Nr. 1 WpHG erfaßte Manipulationen......................................... 287 B. § 20a I 1 Nr. 2 WpHG ............................................................................................. 288 I. Bedeutung der Tatbestandsvariante .................................................................. 288 II. Vornahme von Geschäften bzw. Erteilung von Kauf- oder Verkaufsaufträgen ..................................................................................................................... 288 III. Eignung, falsche oder irreführende Signale für Angebot, Nachfrage oder Preis zu geben ................................................................................................... 290 IV. Eignung zur Herbeiführung eines künstlichen Preisniveaus............................. 293 V. Tatbestandsausschluß bei Vereinbarkeit mit der zulässigen Marktpraxis und Vorliegen legitimer Gründe (§ 20a II WpHG).................................................. 296

XX

Inhaltsverzeichnis 1. Zulässige Marktpraxis................................................................................. 296 a) Nach vernünftigem Ermessen zu erwartende Gepflogenheiten (§ 20a II 2 Halbs. 1 WpHG) ................................................................. 296 b) Anerkennung durch die BaFin (§ 20a II 2 Halbs. 2 WpHG)................ 296 c) Vorherige Anerkennung nicht notwendig (§ 20a II 3 WpHG)............. 297 d) Pflicht zur Anerkennung....................................................................... 298 e) Verordnungsermächtigung (§ 20 V Nr. 5 WpHG)............................... 298 f) Regelmäßige Überprüfung der anerkannten Marktpraktiken; intertemporale Geltung ................................................................................ 299 g) Verfassungsrechtliche Bewertung des Anerkennungserfordernisses ... 299 2. Legitime Gründe ......................................................................................... 300 3. Kritik........................................................................................................... 301 VI. Stellungnahme zum Tatbestand ........................................................................ 302 VII.Von § 20a I 1 Nr. 2 WpHG erfaßte Manipulationen ........................................ 303

C. § 20a I 1 Nr. 3 WpHG ............................................................................................. 304 I. Bisherige Bedeutung ......................................................................................... 304 II. Vornahme einer sonstigen Täuschungshandlung.............................................. 306 1. Grundlagen.................................................................................................. 306 2. Täuschungshandlung .................................................................................. 307 a) Täuschung............................................................................................. 307 b) Objektive Täuschungseignung ............................................................. 309 c) Kein Täuschungserfolg notwendig....................................................... 310 d) Subjektive Komponente der Täuschungshandlung .............................. 310 e) Definition der sonstigen Täuschungshandlung .................................... 313 III. Vornehmen........................................................................................................ 313 IV. Eignung zur Einwirkung auf einen Preis .......................................................... 313 V. Beispiele für sonstige Täuschungshandlungen ................................................. 314 1. Insbesondere Scalping ................................................................................ 316 2. Insbesondere handlungsgestützte Manipulationen ..................................... 317 VI. Von § 20a I 1 Nr. 3 WpHG erfaßte Manipulationen......................................... 318 D. Verhältnis der Tatbestände zueinander ................................................................... 319 E. Subjektiver Tatbestand des Verbotstatbestands ...................................................... 320 F. Stellungnahme zum neuen Manipulationsverbot .................................................... 321 Achtes Kapitel Rechtsfolgen von Verstößen gegen das Verbot der Marktmanipulation

323

A. Straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionierung.................................... 323 I. Die Marktmanipulation als Straftat (§ 38 II WpHG) ........................................ 323 1. Tatsächliche Einwirkung auf den Börsen- oder Marktpreis ....................... 323

Inhaltsverzeichnis

XXI

a) Kritik der Rechtsprechung und Literatur am Erfolgserfordernis.......... 323 b) Nachweis des Manipulationserfolges; „wahrer Preis“ ......................... 324 (1) Preisbeeinflussung bei handelsgestützten Manipulationen ............ 328 (a) Nachweis der Preisbeeinflussung durch den market impact.... 328 (b) Nachweis der Preisbeeinflussung durch die Informationswirkung .................................................................................... 330 (2) Preisbeeinflussung bei informationsgestützten Manipulationen.... 330 c) Notwendigkeit von Sachverständigengutachten................................... 332 2. Täterschaft und Teilnahme ......................................................................... 334 a) § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG ................................................................ 335 b) §§ 20a I 1 Nr. 2 und Nr. 3 WpHG ........................................................ 335 c) § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG ................................................................ 335 3. Tatbegehung durch Unterlassen.................................................................. 336 a) Haftung für tatbestandsmäßiges Verhalten Dritter (Geschäftsherrenhaftung)................................................................................................. 337 b) Exkurs: § 130 OWiG – Verletzung der Aufsichtspflicht ..................... 340 4. Horizontale Aufgabenverteilung und Kollegialentscheidungen................. 344 a) Horizontale Aufgabenverteilung .......................................................... 344 b) Mitwirkung an Kollegialentscheidungen ............................................. 345 5. Versuchsstrafbarkeit ................................................................................... 347 6. Sanktionen .................................................................................................. 347 II. Die Marktmanipulation als Ordnungswidrigkeit (§ 39 I Nr. 1, 2, II Nr. 11 WpHG) ..................................................................... 348 1. Tatbegehung durch Unterlassen.................................................................. 348 2. Sanktionen .................................................................................................. 349 3. Konkurrenz zwischen Straftat und Ordnungswidrigkeit ............................ 349 4. Exkurs: Geldbuße gegen juristische Personen und Personenvereinigungen (§ 30 OWiG) ............................................................................................... 349 III. Subjektiver Tatbestand der Sanktionsnormen (§§ 38 II, 39 I Nr. 1, 2, II Nr. 11 WpHG) ......................................................... 352 1. Vorsätzliche Tatbegehung .......................................................................... 352 a) Exkurs: Preiseinwirkungsabsicht in § 20a I 1 Nr. 2 WpHG [4. FMFG], § 88 BörsG a.F. ............................ 353 b) Besonderheiten bei Vorsatz und Irrtum................................................ 354 (1) Blankettatbestände ......................................................................... 354 (2) Normative Tatbestandsmerkmale................................................... 355 c) Vorsatz und Irrtum im einzelnen .......................................................... 356 (1) Unrichtigkeit der Angaben (§ 20a I 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG) ........... 356 (2) Bewertungserheblichkeit (§ 20a I 1 Nr. 1 Alt. 1 und Alt. 2 WpHG).......................................................................... 356 (3) Preiseinwirkungseignung (§ 20a I 1 Nr. 1 Alt. 1 und Alt. 2, Nr. 3 WpHG)................................................................ 357 (4) Rechtsvorschrift zur Offenbarung (§ 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG) 357

XXII

Inhaltsverzeichnis (5) Eignung, falsche oder irreführende Signale zu geben bzw. ein künstliches Preisniveau herbeizuführen (§ 20a I 1 Nr. 2 WpHG) . 359 (6) Sonstige Täuschungshandlung (§ 20a I 1 Nr. 3 WpHG) ............... 359 (7) MaKonV......................................................................................... 359 (8) Preiseinwirkung (§ 38 II WpHG)................................................... 360 d) Vermeidbarkeit eines Verbotsirrtums................................................... 360 2. Leichtfertige Tatbegehung.......................................................................... 362

B. Zivilrechtliche Rechtsfolgen ................................................................................... 363 Neuntes Kapitel Zeitliche Anwendbarkeit der §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1, 2, II Nr. 11 WpHG 370 A. Problemstellung....................................................................................................... 370 B. Ausgangspunkt ........................................................................................................ 371 C. Meinungsstand......................................................................................................... 372 I. Kontinuität des Unrechtskerns .......................................................................... 372 II. Gemeinsamer Unrechtskern und identische Angriffsrichtung.......................... 373 III. Identitätserfordernis .......................................................................................... 375 1. Erweiterung der Strafbarkeit....................................................................... 375 2. Beschränkung der Strafbarkeit.................................................................... 375 IV. Zwischenergebnis.............................................................................................. 378 D. Anwendung auf § 88 BörsG a.F./§§ 38, 39, 20a WpHG ........................................ 378 I. Literatur............................................................................................................. 378 II. LG München I (6. Strafkammer) – Fall Comroad ............................................ 379 III. Kritik ................................................................................................................. 379 IV. LG München I (4. Strafkammer) – Fall EM.TV............................................... 380 V. Kritik ................................................................................................................. 381 VI. BGH – Scalping, BGH – EM.TV ..................................................................... 382 VII.Kritik................................................................................................................. 382 VIII.Eigene Ansicht (Identitätslehre) ...................................................................... 382 E. Ergebnis................................................................................................................... 383 Zehntes Kapitel Die Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Marktmanipulation (Marktmanipulations-Konkretisierungsverordnung – MaKonV) 385 A. Wesentlicher Inhalt.................................................................................................. 385 B. Formelle Rechtmäßigkeit der MaKonV .................................................................. 386

Inhaltsverzeichnis

XXIII

C. Materielle Rechtmäßigkeit der MaKonV ................................................................ 386 I. Verbot der Strafbarkeitsausdehnung ................................................................. 387 II. Zulässigkeit der Strafbarkeitseinschränkung .................................................... 388 D. Rechtswirkungen der MaKonV............................................................................... 389 I. Verbindlichkeit der Verordnung für den Rechtsanwender ............................... 389 1. Allgemeinverbindlichkeit ........................................................................... 389 2. Prüfungs- und Verwerfungskompetenz ...................................................... 390 3. Kontrolldichte ............................................................................................. 391 II. Zwingende Vorschriften der MaKonV im einzelnen........................................ 391 III. Abschließende Regelung in der MaKonV ........................................................ 392 1. Legaldefinitionen ........................................................................................ 392 2. Regelbeispiele............................................................................................. 393 3. Safe-harbor-Regeln (§§ 5, 6 MaKonV) ...................................................... 395 IV. Auswirkung einer rechtswidrigen Verordnung................................................. 396 E. Zeitliche Anwendbarkeit der Verordnung............................................................... 397 F. Die Irrtumsproblematik ........................................................................................... 399 I. Safe-harbors und zulässige Marktpraktiken...................................................... 399 II. Bewertungserhebliche Umstände, falsche oder irreführende Signale, künstliches Preisniveau, sonstige Täuschungshandlungen ............................... 399 III. Ergebnis ............................................................................................................ 400 Zusammenfassung

401

I. Erster Teil der Untersuchung ............................................................................ 401 II. Zweiter Teil der Untersuchung ......................................................................... 406 III. Schlußbemerkung.............................................................................................. 412 Literaturverzeichnis .................................................................................................... 415 Sachverzeichnis ............................................................................................................ 451

XXIV

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. a.E. a.F. ABl. abl. AcP ADHGB Admin. L. J. Am. U. ADR AG AktG Alb. L. Rev. allg. Alt. Am. Crim. L. Rev. Am. Jur. 2d Amer. Econ. Rev. Anm. AnSVG AöR Art. AT ATS Aufl. ausf. AWG BaFin BAWe BayObLG BB Bd. Bedingungen-FWB

andere Ansicht am angegebenen Ort am Ende alte Fassung Amtsblatt ablehnend Archiv für die civilistische Praxis Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch Administrative Law Journal of The American University American Depositary Receipts Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift), Aktiengesellschaft, Amtsgericht Aktiengesetz Albany Law Review allgemein Alternative American Criminal Law Review American Jurisprudence, Second Edition American Economic Review Anmerkung Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes – Anlegerschutzverbesserungsgesetz Archiv des öffentlichen Rechts Artikel Allgemeiner Teil Alternative Trading System (alternatives Handelssystem) Auflage ausführlich Außenwirtschaftsgesetz Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel Bayerisches Oberstes Landesgericht Betriebs-Berater Band Bedingungen für Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse

XXVI Begr. BGB BGBl. BGH BGHSt BGHZ BKR BMF BMJ BörsenO-FWB BörsG BörsZulVO BR-Drs. Brook. J. Int’l L. bspw. BT BT-Drs. Bus. Law. BVerfG BVerfGE BVerwGE bzgl. BZRG

Abkürzungsverzeichnis

Begründung Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Bundesministerium der Finanzen Bundesministerium der Justiz Börsenordnung für die Frankfurter Wertpapierbörse Börsengesetz Börsenzulassungsverordnung Bundesrats-Drucksache Brooklyn Journal of International Law beispielsweise Bundestag Bundestags-Drucksache Business Lawyer Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts bezüglich Gesetz über das Zentralregister und das Erziehungsregister – Bundeszentralregistergesetz bzw. beziehungsweise ca. circa Cato J. Cato Journal CESR Committee of European Securities Regulators Ch. Chapter Colum. Bus. L. Rev. Columbia Business Law Review Colum. L. Rev. Columbia Law Review Comp. Law. Company Lawyer Cong. Congress Cornell L. Rev. Cornell Law Review Cr. App. R. Criminal Appeal Reports d.h. das heißt DAI Deutsches Aktien Institut DAX Deutscher Aktien Index DB Der Betrieb ders. derselbe dies. dieselbe(n)

Abkürzungsverzeichnis Diss. DJT DÖV DRiZ Duke L. J. Econ. Letters ed. EEX EG EGStGB EGV Emory L. J. endg. Eng. Rep. ESC etc. EU EuGH EuR EUV EuZW EWR EZB f., ff. F.2d F.3d F.Supp. F.Supp.2d FAZ FG FinDAG FMFG Fn. Fordham L. Rev. FS FSAP FTD

XXVII

Dissertation Deutscher Juristentag Die öffentliche Verwaltung Deutsche Richterzeitung Duke Law Journal Economic Letters edition, editor(s) European Energy Exchange Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. nach dem 1.5.1999 Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. vor dem 1.5.1999 Emory Law Journal endgültig English Reports European Securities Committee et cetera Europäische Union; Vertrag zur Gründung der Europäischen Union i.d.F. nach dem 1.5.1999 Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Europarecht Vertrag zur Gründung der Europäischen Union i.d.F. vor dem 1.5.1999 Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäischer Wirtschaftsraum Europäische Zentralbank folgend(e) Federal Reporter, Second Series Federal Reporter, Third Series Federal Supplement Federal Supplement, Second Series Frankfurter Allgemeine Zeitung Festgabe Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz Finanzmarktförderungsgesetz Fußnote Fordham Law Review Festschrift Financial Services Action Plan Financial Times Deutschland

XXVIII FWB GA GbR gem. Geo. Wash. L. Rev. GG GmbHG grdl. GrS GRUR GS GWB h.L. h.M. H.R. Rep. Halbs. HansOLG Harv. L. Rev. HGB Hrsg. i.d.F. i.S.d. i.S.v. i.V.m. IAA insb. inzw. IPO ITSA ITSFEA J. Account. Res. J. Banking Finance J. Econ. J. Econ. Lit. J. Exp. Psychol. Hum. Percept. Perform. J. Fin. Quant. Anal. J. Finan. Econ. J. Finance

Abkürzungsverzeichnis Frankfurter Wertpapierbörse Goltdammer’s Archiv für Strafrecht Gesellschaft bürgerlichen Rechts gemäß George Washington Law Review Grundgesetz Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung grundlegend Großer Senat Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gedächtnisschrift Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen herrschende Literatur herrschende Meinung House Report Halbsatz Hanseatisches Oberlandesgericht Harvard Law Review Handelsgesetzbuch Herausgeber in der Fassung im Sinne des/der im Sinne von in Verbindung mit Investment Advisers Act of 1940 insbesondere inzwischen Initial Public Offering Insider Trading Sanctions Act of 1984 Insider Trading and Securities Fraud Enforcement Act of 1988 Journal of Accounting Research Journal of Banking and Finance Journal of Economics Journal of Economic Literature Journal of Experimental Psychology: Human Perception and Performance Journal of Financial and Quantitative Analysis Journal of Financial Economics Journal of Finance

Abkürzungsverzeichnis J. Int. Money Finance J. Risk. Insur. JR Jura JuS JZ K.B. KG KO Komm. KritV KuMaKV Law & Contemp. Probs. LG Lief. lit. Lit. Lit. Rel. Loy. L.A. L. Rev. m.w.N. MaKonV Mass. Maule & S. MDAX MDR Mich. L. Rev. Mio. MMRL Mrd. MschrKrim N.B. N.C. L. Rev. n.F. N.Y. N.Y.L.F. N.Y.S. Nachw.

XXIX

Journal of International Money and Finance Journal of Risk and Insurance Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristenzeitung King’s Bench Kammergericht, Kommanditgesellschaft Konkursordnung Kommentar Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Kurs- und Marktpreismanipulation Law and Contemporary Problems Landgericht Lieferung litera Literatur Litigation Release Loyola of Los Angeles Law Review mit weiteren Nachweisen Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Marktmanipulation – Marktmanipulations-Konkretisierungsverordnung Massachusetts Reports Maule & Selwyn’s King’s Bench Reports Midcap-Index der Deutschen Börse Monatsschrift für deutsches Recht Michigan Law Review Million Marktmißbrauchsrichtlinie Milliarde Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform notabene North Carolina Law Review neue Fassung New York Reports New York Law Forum New York Supplement Nachweis

XXX NJW Notre Dame L. Rev. Nr. NStZ NStZ-RR NYSE NZA NZG o. o. Verf. ÖBA oHG OLG OTC OWiG Oxford J. Legal Stud. PCIJ PKS PrOVG Psychol. Bull. PTS Pub. L. Q.B. Quart. J. Bus. Econ. Quart. J. Econ. RAND J. Econ. RefE RegE resp. Rev. Finan. Stud. RG RGBl. RGSt RL Rn. Rs. RuP s. S. S. Rep.

Abkürzungsverzeichnis Neue Juristische Wochenschrift Notre Dame Law Review Nummer Neue Zeitschift für Strafrecht Neue Zeitschrift für Strafrecht - Rechtsprechungsreport New York Stock Exchange Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht oben ohne Verfasser Bank-Archiv: Zeitschrift für das gesamte Bank- und Börsenwesen offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Over the Counter Gesetz über Ordnungswidrigkeiten Oxford Journal of Legal Studies Permanent Court of International Justice Polizeiliche Kriminalstatistik Preußisches Oberverwaltungsgericht Psychological Bulletin Proprietary Trading System (proprietäres Handelssystem) Public Law Queen’s Bench Quarterly Journal of Business and Economics Quarterly Journal of Economics RAND Journal of Economics Referentenentwurf Regierungsentwurf repektive Review of Financial Studies Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Richtlinie Randnummer Rechtssache Recht und Politik siehe Satz, Seite Senate Report

Abkürzungsverzeichnis S.Ct. S.E.C. SA sc. SEA SEC SEC Rel. Sec. Sec. Reg. L. J. Sess. SJZ Slg. sog. Sp. SPO St. John’s J. Legal Comment. st. Rspr. Stan. L. Rev. Stat. StGB StPO StrK StV SUM Law & Contemp. Probs. SZ SZW ThürVBl. u. U. Chic. L. Rev. U. Miami L. Rev. U. Pitt. L. Rev. U.C.L.A. L. Rev. U.S. U.S.C.A. v. v.a. Va. L. Rev. Var. verb.

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Supreme Court Reporter Securities and Exchange Commission Decisions and Reports Securities Act of 1933 scilicet Securities Exchange Act of 1934 Securities and Exchange Commission Securities and Exchange Commission Release Section Securities Regulation Law Journal Session Süddeutsche Juristen-Zeitung Sammlung sogenannte, sogenannter, sogenannten Spalte Secondary Public Offering Saint John’s Journal of Legal Commentary ständige Rechtsprechung Stanford Law Review United States Statutes at Large Strafgesetzbuch Strafprozeßordnung Strafkammer Strafverteidiger Law and Contemporary Problems (Summer) Süddeutsche Zeitung Schweizerische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Thüringer Verwaltungsblätter unten University of Chicago Law Review University of Miami Law Review University of Pittsburgh Law Review University of California at Los Angeles Law Review United States Supreme Court Reports United States Codes Annotated versus, vom, von vor allem Virginia Law Review Variante(n) verbundene

XXXII VersR vgl. VO Vol. WiKG wistra WM WpHG WpÜG WStG WuB Yale L. J. z.B. z.T. ZBB ZfB zfbf ZfgK ZGR ZHR ZIP ZPO ZRP ZStW zust. zutr. ZZPInt

Abkürzungsverzeichnis Versicherungsrecht vergleiche Verordnung Volume Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht Wertpapier-Mitteilungen Wertpapierhandelsgesetz Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Wehrstrafgesetz Kommentierende Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht Yale Law Journal zum Beispiel zum Teil Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für Betriebswirtschaft Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft zustimmend zutreffend Zeitschrift für Zivilprozeß International

Einführung I. Problemaufriß

Marktmanipulationen sind kein Phänomen heutiger Zeit, sondern treten seit Jahrhunderten an allen Märkten mehr oder minder in Erscheinung.1 Oft bestand dabei ein deutlicher Zusammenhang mit historischen Finanzkrisen.2 Die Beeinflussung des Börsenkurses durch betrügerische Mittel wird deshalb zu Recht zu den ältesten anlegerschädigenden Praktiken an der Börse gerechnet.3 Ein klassisches und das wohl bekannteste Beispiel einer Börsenkursmanipulation ereignete sich 1814 in England4: Am Morgen des 21. Februar 1814 erschien de Berenger verkleidet als Offizier an der ohnehin heftig auf gute und schlechte Nachrichten vom Kriegsschauplatz des Kontinents reagierenden Londoner Börse und verbreitete das Gerücht, Napoleon sei getötet und die Alliierten stünden in Paris. Als kurze Zeit später seine ebenfalls uniformierten Komplizen dieses Gerücht bestätigten, zogen die Kurse in Erwartung eines sofortigen Kriegsendes stark an. De Berenger und seine Komplizen konnten daraufhin ihre Aktienbestände mit großem Gewinn verkaufen. Die Kurse fielen, nachdem die Unwahrheit des Gerüchts bekannt wurde, auf ihr Ausgangsniveau zurück. Manipulative Verhaltensweisen sind dabei nicht auf den Bereich des Wertpapierhandels beschränkt. So waren neben Fehlspekulationen wohl auch Manipulationen für den Crash des Amsterdamer Tulpenmarktes im Februar 1637 verantwortlich. Gleichwohl waren seit jeher die Wertpapierbörsen besonders häufig betroffen. In Frankreich nahm die Manipulation derartige Ausmaße an, daß Mirabeau 1787 die „Agiotage“ öffentlich in seiner Schrift an den König

___________ 1

So haben bereits Anfang des 18. Jahrhunderts einige der Ostindischen Handelscompagnie nahestehende Personen den Kurs deren Aktien dadurch nach oben getrieben, daß sie sich den Anschein gaben, etwas Günstiges über die Gesellschaft zu wissen (vgl. Ehrenberg, Fondsspekulation, S. 20 f.). 2 Vgl. die Beispiele bei Aschinger, Börsenkrach, S. 49 ff. 3 Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 491. 4 Rex v. de Berenger, 3 Maule & S. 67 = 105 Eng. Rep. 536 (K.B. 1814). Lesenswert dazu auch Birkenhead, Famous Trials, S. 193-204; vgl. dazu auch u. 1. Kap. I, Fn. 42 (S. 18).

2

Einführung

anprangerte.5 Am 6. Dezember 1802 wurde per Hofdekret angeordnet, daß auf dem Kurszettel der Wiener Börse nur noch effektive Durchschnittskurse festzuhalten seien, wodurch der bisherigen Praxis, die Kurse des Amtlichen Kurszettels durch fingierte Angebote oder Nachfragen zu beeinflussen, begegnet werden sollte.6 Und auch in Deutschland war die erste Kodifikation eines Manipulationsverbotes im Jahre 1884 eine Reaktion auf im Bereich des Börsenwesens zu Tage getretene Mißstände und Skandale.7 Die Blütezeit der Aktienspekulation war dann zu Beginn der Industrialisierung Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts, vor allem in den USA. Nach einer Schätzung aus dem Jahre 1903 waren circa ein Drittel der an der New York Stock Exchange gemachten Umsätze rein manipulativen Ursprungs.8 Ähnliches wird auch von der Londoner Börse berichtet.9 Obwohl auch in Deutschland seit 1884 die Beeinflussung von Kursen verboten war, wurde den betreffenden Vorschriften in der Praxis kaum Beachtung zuteil. So datiert die lange Zeit einzige gerichtliche Entscheidung aus dem Jahre 1892.10 Erst mit dem Neuen Markt und vor allem im Zuge dessen Untergangs gab es vereinzelte Judikate, die sich zumindest auch mit dem Manipulationsverbot befaßten.11 § 88 BörsG a.F. wurde als „totes Recht“ bezeichnet12, das mangels praktischer Bedeutung besser ersatzlos zu streichen sei.13

___________ 5 Mirabeau, Anklage gegen die Agiotage, Übersetzung durch von Rast, S. 14 f.: „Die Agiotage ist das Studium und die Anwendung von Umtrieben, zu dem Zwecke, um andere mittelst unerwarteter Fluctuationen im Course öffentlicher Papiere auszubeuten. [...] Das Spiel hat die Moral der Geschäftsleute bereits so verderbt, daß man eigentlich diese Bezeichnung [gemeint ist ‚Spieler‘, J.E.] nur auf jene Spekulanten anwenden kann, die bei ihren Operationen mehr oder minder schuldbarer Ränke sich bedienen; die falsche Nachrichten verbreiten, trügerische Rathschläge ertheilen; die sagen, sie kaufen, während sie verkaufen und umgekehrt; fictive Gesellschaften, um die Leute am Narrenseil zu führen, bilden; die sich um alberne Privilegien oder gehässige Exemptionen und sonstige Skandal erregende Begünstigung bewerben, und auf diese Weise nach der Reihe die Regierung, das Publikum und ihre Genossen täuschen.“. 6 Baltzarek, Geschichte der Wiener Börse, S. 34 f. m.w.N. 7 Vgl. dazu u. 4. Kap. A I (S. 153). 8 Loss, Fundamentals, Ch. 9, D 1. Fn. 1 (S. 844). 9 In Scott v. Brown, Doering, McNab & Co., 1892-2 Q.B. 724, 729 (CA) bemerkte Richter Lindley in Bezug auf Manipulationen „I am quite aware that what the plaintiff has done is very commonly done; it is done every day.”. 10 RGSt 23, 137 ff.

Einführung

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Über die Gründe für diese Bedeutungslosigkeit kann nur spekuliert werden. Falsch wäre es freilich anzunehmen, es hätte in Deutschland keine entsprechende Kriminalität gegeben.14 Dagegen sprechen zum einen die eingangs angeführten historischen Beispiele und zum anderen die Erfahrungen aus anderen Staaten, namentlich den USA. Insofern fehlt eine plausible Erklärung dafür, daß es ausgerechnet in Deutschland anders gewesen sein soll.15 Die fehlende praktische Relevanz des Manipulationsverbotes resultiert statt dessen aus einer bis vor wenigen Jahren gegen Null tendierenden Aufdeckungswahrscheinlichkeit für Manipulationsfälle, so daß in diesem Bereich von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist.16 Verantwortlich dafür war zunächst, daß es bis zum Inkrafttreten des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes (2. FMFG)17 keine lükkenlose Datenaufzeichnungspflicht gab. So waren Manipulationen an den ohnehin schon komplexen und anonymen Kapitalmärkten kaum nachzuvollziehen und Börsengeschäfte konnten spurenlos abgewickelt werden.18 Des weiteren war die Durchsetzung des Manipulationsverbotes bis 2002 allein Aufgabe der Staatsanwaltschaften.19 Erschwerend kam hinzu, daß mangels Zuständigkeitskonzentration grundsätzlich jede Staatsanwaltschaft mit dem Delikt des Kurs-

___________ 11 LG Frankfurt a.M., NJW 2000, 301 ff. – Fall Prior; OLG Frankfurt a.M., NJW 2001, 982 – Fall Prior (zu § 88 BörsG a.F.); LG München I (6. StrK), NStZ 2004, 291 f. – Comroad, München I (4. StrK), NJW 2003, 2328, 2330 – EM.TV; LG Stuttgart, BKR 2003, 167 ff.; BGHSt 48, 373 ff. – Scalping; BGH, NJW 2005, 445 ff. – EM.TV. Ferner ein Strafbefehl des AG München v. 23. August 1996, 1138 Cs 302 Js 23676/95, abgedruckt bei Benner, in: Wabnitz/Janovsky (Hrsg.), Handbuch, 9. Kapitel, Rn. 79. 12 Weber, NJW 2003, 18, 20; ferner Otto, Bekämpfung, S. 100; auch Hild, Grenzen, S. 140: „höchst überflüssiger Tatbestand“. 13 Rössner/Worms, in: Assmann/Schütze (Hrsg.), Handbuch, § 9 Rn. 4. 14 Ebenso Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 159; Scheu, Börsenstrafrecht, S. 62 f. – Dagegen verneint Bremer, Grundzüge, S. 141, die Existenz von Kriminalität auf dem Gebiet des Börsenwesens. 15 Treffend Scheu, Börsenstrafrecht, S. 62 f.: „Es ist kaum vorstellbar, daß sich in Ländern, in denen Aufsichtsbehörden eingerichtet und mit umfangreichen Rechten und Befugnissen ausgestattet sind und die gesetzlichen Straftatbestände heutigen wirtschaftlichen Erkenntnissen angepaßt sind, nahezu ständig Börsenmanipulationen ereignen, während sich hierzulande trotz fehlender Kontrolle und unpraktikabler Gesetze nicht ein einziger Deutscher in strafwürdiger Weise durch Börsenmanipulationen bereichern soll. Eine derartige Auffassung ist [...] als lebensfremd zu bezeichnen und muß daher erheblichen Bedenken hinsichtlich ihrer Richtigkeit ausgesetzt sein.“. 16 Ebenso Scheu, Börsenstrafrecht, S. 60-62. – Scheu (S. 64 ff.) hat durch eigene Ermittlungen bis 1974 19 Fälle von Kursmanipulationen aufgespürt. 17 Gesetz über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften (Zweites Finanzmarktförderungsgesetz), BGBl. I 1994, S. 1749-1785. 18 Benner, in: Wabnitz/Janovsky (Hrsg.), Handbuch1, 4. Kapitel, Rn. 28.

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betruges nach § 88 BörsG a.F. befaßt werden konnte.20 Daß diesen in der Regel aber die notwendige Sachkunde für eine effektive Verfolgung fehlte, liegt auf der Hand.21 Hierzu trug möglicherweise auch die generalklauselartige Weite des Tatbestandes mit den damit einhergehenden Problemen bei der praktischen Anwendung bei. Und schließlich fehlte auch das Interesse der von Manipulationen Betroffenen an einer Rechtsdurchsetzung, da nach nahezu unbestrittener Ansicht § 88 BörsG a.F. kein Schutzgesetz im Sinne von § 823 II BGB war, so daß auch von zivilrechtlicher Seite keine Entscheidungen zu erwarten waren.22 Sucht man nun nach den Gründen für das in den letzten Jahren neuerwachte Interesse am Phänomen der Marktmanipulation, so stößt man zunächst auf ein verändertes Umfeld. So ist auch der Bereich der Finanzmärkte von einer stetig fortschreitenden Globalisierung und Technisierung betroffen. Waren Investoren und Anleger früher zumeist auf ihren lokalen Kapitalmarkt beschränkt, führt die internationale Verflechtung der Märkte und die Computerisierung des Handels dazu, daß Ländergrenzen verwischen und die Transaktionen dort stattfinden, wo sich für sie die besten Bedingungen bieten. Zu diesen Funktionsbedingungen gehört aber auch ein effektiver Schutz vor unlauteren Marktpraktiken, wie Insiderhandel oder Manipulationen.23 In Deutschland mußte daher – wollte man nicht den internationalen Anschluß verlieren – die Wettbewerbsfähigkeit des inländischen Kapitalmarktes dadurch gestärkt werden, daß wirksame Mechanismen zur Herstellung eines integren, internationalen Standards entsprechenden Finanzplatzes ergriffen wurden. Dies führte u. a. im Zuge der Einführung des Insiderhandelsverbotes durch das 2. FMFG zu umfänglichen Dokumentationsverpflichtungen im Bereich des Wertpapierhandels. Zum einen sind die Handelsüberwachungsstellen der Börsen zur systematischen und lückenlo-

___________ 19 Lediglich die Insiderüberwachung lag ab 1995 (Inkrafttreten des 2. FMFG) in den Händen des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel (BAWe), das bei entsprechenden Anhaltspunkten eigene Ermittlungen durchführte und erst einen aufbereiteten Sachverhalt an die Staatsanwaltschaft zur Ahndung übergab (§§ 16 I, 18 I WpHG [2. FMFG]). – Die dennoch erstatteten Anzeigen wegen unerlaubter Eingriffe in die Börsenkursbildung (s. die Nachw. in u. Fn. 26) waren bei der Insiderüberwachung angefallene „Zufallsfunde“. 20 Die örtliche Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft richtet sich gem. § 143 I GVG nach dem örtlich zuständigen Gericht. Dessen Zuständigkeit wiederum bestimmt sich primär nach dem Tatort (§7 I StPO) oder dem Wohnsitz des Täters (§ 8 I StPO). 21 Pointiert meint Jahn, FAZ v. 18. Januar 2001, S. 15, daß es „die Wahrheitsfindung nicht sonderlich voran [bringt, J.E.], wenn ein Richter, der sonst für Ladendiebstahl oder Schwarzfahren zuständig ist, sich erst von einem Zeugen die Zuständigkeiten seiner Behörde oder von einem Sachverständigen Grundbegriffe des Wirtschaftsgeschehens erläutern lassen muß.“. 22 Vgl. dazu u. 8. Kap. B (S. 363). 23 Näher dazu u. 2. Kap. C (S. 59).

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sen Erfassung aller Geschäftsvorfälle (vgl. § 4 I 2 BörsG = § 1b I 2 BörsG a.F.) verpflichtet, anhand derer die automatische Untersuchung nach Auffälligkeiten, die Rekonstruktion von Orderlagen und Aufträgen durch die einzelnen Stationen der Börsengeschäftsabwicklung auf Sekundenbruchteile genau möglich wurde.24 Zudem sind seither alle im Wertpapierhandel tätigen Unternehmen verpflichtet, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)25 jedes von ihnen getätigte Geschäft mitzuteilen (vgl. § 9 WpHG). Im Zuge der Insiderüberwachung offenbarten sich dabei auch mehrere Verdachtsfälle von Manipulationen26 und seit dem Vierten Finanzmarktförderungsgesetz (4. FMFG)27 2002 ist die BaFin auch für die Überwachung des Manipulationsverbotes zuständig.28 Diese Maßnahmen haben dazu beigetragen, Licht in das Dunkelfeld der Manipulationen zu bringen. Das gestiegene Interesse an der Problematik der Marktmanipulation resultiert aber auch aus einer Veränderung des Anlageverhaltens der privaten Haushalte. So erfreuten sich Investments in Aktien und andere Wertpapiere steigender Beliebtheit. Immer mehr Private wurden Aktionäre oder investierten zumindest in Aktienfonds. Insbesondere die massive Öffentlichkeitsarbeit beim ___________ 24

Benner, in: Wabnitz/Janovsky (Hrsg.), Handbuch, 9. Kapitel, Rn. 38. Vor Inkrafttreten des Gesetzes über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht (FinDAG) v. 22. April 2002 (BGBl. I 2002, S. 1310 ff.) bestand diese Verpflichtung gegenüber dem Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (BAWe), das aber zum 1. Mai 2002 mit dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (BAKred) und dem Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen zur Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als sog. Allfinanzaufsicht zusammengelegt wurde. – Allg. zur BaFin s. Hagemann, WM 2002, 1773 ff. 26 Ein Fall im Jahr 1998 (BAWe Jahresbericht 1998, S. 25); 20 Fälle im Jahr 2000 (BAWe Jahresbericht 2000, S. 24); vier Fälle im Jahr 2001 (BAWe Jahresbericht 2001, S. 27 f.). 27 Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz), BGBl. I 2002, S. 2010-2072. 28 Vgl. § 4 WpHG (§ 20b WpHG [4. FMFG]. Gegen diese Übertragung regte sich zunächst Widerstand im Bundesrat, der die Überwachung von Marktmanipulationen bei den Börsenaufsichtsbehörden der Länder belassen wollte (vgl. Stellungnahme des Bundesrates zum RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8017, S. 160). Dies wurde von der Bundesregierung mit überzeugenden Gründen (vgl. Gegenäußerung der Bundesregierung, BTDrs. 14/8017, S. 179 f. sowie u. 4. Kap. A II (S. 154)) jedoch zu Recht abgelehnt. Die Zentralisierung ist nunmehr auch durch Art. 11 MMRL geboten, der die Einrichtung einer zentralen Behörde zur Bekämpfung des Marktmißbrauches vorschreibt. – Gleichwohl besteht nach wie vor eine unter Effektivitätsgesichtspunkten kaum haltbare Trennung zwischen durch die Länder wahrgenommener Börsenaufsicht und dem Bund obliegender Wertpapierhandelsaufsicht (ebenso Köndgen, FS Lutter, S. 1401, 1419; für eine Konzentration und Zentralisierung bereits Hopt/Baum, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 449 ff.; dagegen aber Kurth, ZfgK 1998, 553, 558 ff.). – Im Rahmen der neuen Überwachungskompetenz der BaFin für Manipulationen ergaben sich 17 Verdachtsfälle im Jahr 2002, 51 Fälle im Jahr 2003 und 52 Verdachtsfälle im Jahr 2004 (s. BaFin Jahresbericht 2004, S. 193). 25

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Börsengang der Deutschen Telekom AG 1996 machte die Aktie als Anlageform für Jedermann populär.29 Damit aber wurden große Teile der Bevölkerung für Mißstände und Unregelmäßigkeiten an den Kapitalmärkten sensibilisiert. Vor allem nach dem Zusammenbruch des Neuen Marktes, der durch seinen kometenhaften Anstieg30 neben den Investoren auch viele Kriminelle angezogen hat, versuchten einige, ihre Verluste bei den (vermeintlich) Verantwortlichen gerichtlich zu kompensieren. Wenn dies auch mangels Schutzgesetzeigenschaft von § 88 BörsG a.F. bzw. § 20a WpHG jedenfalls aufgrund dieser Vorschriften scheitern mußte, rückte das Manipulationsverbot nach vielen Jahrzehnten des „Dornröschenschlafes“ wieder verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit.31

II. Ziel der Arbeit

Diese Arbeit will einen Beitrag dazu leisten, daß dieser Trend anhält und damit das neugefaßte Verbot von Marktmanipulationen auch in der Praxis den Stellenwert findet, wie er ihm in der Theorie zukommt. Um dies zu erreichen, genügt es nicht, allein die Tatbestandsmerkmale von § 20a WpHG auszulegen. Vielmehr muß das Manipulationsverbot im Kontext mit den ökonomischen Grundlagen des Kapitalmarktes, der Phänomenologie der verschiedenen Manipulationstechniken und den (straf-)rechtsdogmatischen Grundlagen eines Verbotes und der zugehörigen Sanktionen betrachtet werden. Ohne die Herausarbeitung dieser Grundlagen eines Manipulationsverbotes ist die stetige Weiterentwicklung der äußeren Umstände und die daraus resultierende Reaktionsnotwendigkeit für den Gesetzgeber und den Rechtsanwender nicht handhabbar.32 ___________ 29 Schanz, Börseneinführung, § 1 Rn. 4. – So verdoppelte sich die Zahl der Aktionäre von 3,2 Mio. (1988) auf 6,2 Mio. (2000). Die Anzahl der Fondsbesitzer hat sich gar von 2,3 Mio. (1997) auf 9,8 Mio. (2001) entwickelt. Bis zum Jahr 2004 waren die Zahlen (wohl bedingt durch den Niedergang des Neuen Marktes und die allgemeine Baisse) rückläufig, jedoch Aktien- und Fondsbesitzer zusammengenommen immer noch fast doppelt so hoch wie 1997. Im Jahr 2005 war hingegen wieder ein leichter Anstieg zu verzeichnen (alle Zahlen nach dem DAI-Factbook, Stand: Januar 2006). 30 Der alle Unternehmen des Neuen Marktes vereinigende Nemax All Share stieg seit dem Start des Neuen Marktes am 10. März 1997 von 505 Punkten auf 8560 Punkte am 10. März 2000. Am 12. Juni 2002 befand er sich bei nur noch 732 Punkten (Zahlen nach Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 8.87 Fn. 188). Zum Platzen der Kursblase am Neuen Markt Claussen, BB 2002, 105 ff. 31 Vergleichbares war in die 1920er Jahren in den USA zu beobachten. Während der Hausse der Jahre 1921-1929 interessierte sich kaum einer für Manipulationen; diese waren fester Bestandteil des Börsenhandels. Das änderte sich freilich schlagartig mit dem Crash von 1929 (s. Dice/Eiteman, Stock Market, S. 303). 32 Schon jetzt sind die nationalen und europäischen kapitalmarktrechtlichen Vorschriften und deren permanente Umgestaltung nur noch schwer zu überblicken, vgl. M. Weber, NJW 2004, 3674.

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Die Untersuchung ist dementsprechend in zwei Teile untergliedert, von denen sich der erste den ökonomischen, tatsächlichen und rechtstheoretischen Grundlagen widmet und der zweite eine Auslegung des Manipulationsverbotes (§ 20a I 1 WpHG) sowie der Sanktionsnormen (§§ 38 und 39 WpHG) enthält. Angesichts des begrenzten Umfanges muß diese Untersuchung auf die Grundlagen des Verbotes der Marktmanipulation, auf die Herausarbeitung gemeinsamer Strukturen und allgemeiner Prinzipien beschränkt bleiben. Spezialfragen bei der Anwendung des Manipulationsverbotes bleiben ausgeklammert. So kann beispielsweise der in der Praxis immens wichtige Themenkomplex der Kursstabilisierung im Rahmen dieser Arbeit nicht näher untersucht werden. Die Ausführungen hierzu beschränken sich deshalb im wesentlichen auf den Nachweis weiterführender Literatur. Gleiches gilt für spezielle Manipulationsformen wie etwa das in jüngerer Zeit breit diskutierte Scalping. Und schließlich können auch nicht alle Tatbestände der Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Marktmanipulation (MaKonV) im einzelnen besprochen werden. Diese Beschränkung auf die Grundlagen ermöglicht es jedoch, das Manipulationsverbot im Gesamtzusammenhang zu betrachten, ohne sich dabei in Details zu verlieren. Letzteres birgt nämlich stets die Gefahr, nur Lösungen für den konkreten Einzelfall zu suchen und dabei die Norm, die mit ihr verfolgten Regelungszwecke und ihre Auswirkungen auf den Kapitalmarkt nicht angemessen zu berücksichtigen. III. Gang der Darstellung

Das dieser Einführung folgende erste Kapitel des ersten Teiles befaßt sich mit dem Phänomen Manipulation in tatsächlicher Hinsicht. Nach einer Definition des Begriffes und einer Abgrenzung zu (erlaubter) Spekulation und (verbotenem) Insiderhandel erfolgt eine Darstellung der verschiedensten Manipulationstechniken sowie der mit Manipulationen verfolgten Ziele. Nur mithilfe dieses Verständnisses ist es möglich, für den Markt schädliche Manipulationen überhaupt zu identifizieren und von legitimer Marktteilnahme hinreichend sicher abzugrenzen. Das zweite Kapitel geht der Frage nach, welches die Aufgaben eines Kapitalmarktes sind und welche Voraussetzungen für ein ordnungsgemäßes Funktionieren dieser Märkte notwendig sind. Der dritte Abschnitt beinhaltet dann eine ökonomische Analyse von Marktmanipulationen. Dabei ist zu untersuchen, ob sich Manipulationen überhaupt lohnen und welche Auswirkungen – negative wie positive – Manipulationen auf die Kapitalmärkte haben. Diese Ergebnisse sind für die Feststellung der Verbotswürdigkeit von Bedeutung. Nur wenn sich Manipulationen für den Handelnden lohnen, besteht Grund zur Annahme, daß solche auch vorgenommen werden. Und nur wenn Manipulationen negative Auswirkungen entfalten, läßt sich ihre Verbotswürdigkeit begründen.

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Nach der Feststellung der Verbotswürdigkeit von Manipulationen ist nunmehr zu entscheiden, welcher Art die Sanktion für einen Verstoß gegen dieses Verbot sein muß, um es wirksam durchzusetzen. Dabei bedarf besonderer Beachtung das strafrechtliche Subsidiaritätsprinzip, wonach Strafe nur als ultima ratio angewendet werden soll. Es wird – auch anhand von Vergleichen mit Rechtsordnungen anderer Länder – gezeigt, daß allein zivilrechtliche Sanktionen aus einer Reihe von Gründen hierzulande nicht ausreichend sind und der Gesetzgeber deshalb zu Recht eine straf- bzw. ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktion vorgesehen hat. Ferner ist der Frage nachzugehen, welche Anforderungen gemeinschaftsrechtliche Vorgaben an die Sanktion von Verstößen gegen das Verbot von Marktmanipulationen stellen. Und schließlich wird gezeigt, daß bestehende Straftatbestände nicht geeignet sind, Manipulationen effektiv zu verhindern, da sie nur in Ausnahmefällen auf derartige Verhaltensweisen anwendbar sind. Nachdem die für das Verständnis eines Manipulationsverbots notwendige Grundlegung erfolgt ist, widmet sich der zweite Teil der konkreten Umsetzung des Verbotes in § 20a WpHG, einschließlich der zugehörigen Sanktionsnormen (§§ 38, 39 WpHG). Dieser Teil beginnt mit einem Überblick über die historische Entwicklung des Manipulationsverbotes in Deutschland, insbesondere die Änderungen durch das 4. FMFG und das Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (AnSVG)33, sowie die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben aufgrund der Marktmißbrauchsrichtlinie (MMRL)34. Wie im Nebenstrafrecht häufig der Fall, zeichnet sich auch das Manipulationsverbot durch eine Trennung von Verbotsnorm und Sanktionsnorm aus, so daß kurz auf die Frage der Blanketteigenschaft und der damit in Verbindung stehenden Probleme einzugehen ist. Das fünfte Kapitel beleuchtet die verfassungsrechtliche Dimension des Manipulationsverbotes. Im Vordergrund steht hierbei dessen Vereinbarkeit mit dem in Art. 103 II, 104 I GG festgelegten Gesetzesvorbehalt und dem Bestimmtheitsgrundsatz. Beides wird in der Literatur teilweise in Zweifel gezogen. Insbesondere der Verordnungsermächtigung, aufgrund derer Tatbestandskonkretisierungen ermöglicht werden, werden Vorbehalte entgegengebracht. ___________ 33 Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG), BGBl. I 2004, S. 2630-2651. – Die vielen Änderungen bringen es mit sich, daß die Normen teilweise in verschiedenen Fassungen zitiert werden müssen. Dabei gilt folgendes Prinzip: Gesetzesbezeichnungen ohne Zusatz meinen stets die aktuelle Fassung. „BörsG a.F.“ bezieht sich auf das Börsengesetz vor Inkrafttreten des 4. FMFG. Ansonsten wird die gemeinte Fassung der Gesetzesbezeichnung in eckigen Klammern beigefügt (z.B. WpHG [4. FMFG] = Wertpapierhandelsgesetz i.d.F. des 4. FMFG). 34 Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) – MMRL, ABl. EG 2003 L 96, S. 16-25.

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Erläutert werden des weiteren die Grundsätze für die Auslegung von § 20a WpHG. Der Anwendungsbereich des Manipulationsverbotes ist Gegenstand des sechsten Kapitels. Dabei ist zu untersuchen, an wen sich das Manipulationsverbot richtet (personaler Anwendungsbereich), welche Vermögensgegenstände und welche Märkte von ihm erfaßt werden (sachlicher Anwendungsbereich) und auf welches Gebiet sich das Verbot erstreckt (räumlicher Anwendungsbereich). Mit letzterem in Verbindung steht die Frage, wie manipulative Verhaltensweisen mit Auslandsbezug zu behandeln sind. Das Kernstück des zweiten Teils bildet die Kommentierung der Verbotsvorschrift. Unterteilt nach den vier möglichen Tatbestandsvarianten wird versucht, die teilweise recht abstrakt und weit gefaßten Tatbestandsmerkmale mit Leben zu füllen. Wenngleich dabei stets Vergleiche mit den Vorläufern von § 20a WpHG und anderen Vorschriften angestellt werden, soll eine eigenständige Auslegung entwickelt werden, die sich an den Erkenntnissen aus dem ersten Teil der Untersuchung orientiert. Es wird dabei ein Konzept entwickelt, das eine Anwendung des Manipulationsverbotes in der Praxis ermöglicht und die Schwächen seiner konkreten Ausgestaltung kompensiert. Die möglichen Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das Manipulationsverbot sind Gegenstand des achten Kapitels. Zunächst wird die Ahndung als Straftat betrachtet. Im Mittelpunkt des Interesses steht dabei unter anderem, wie der Nachweis einer tatsächlichen Preiseinwirkung erfolgen kann. Diese ist zur Verwirklichung des Straftatbestandes notwendig und hat in der Literatur im Hinblick auf ihre angebliche Nichterweislichkeit bereits erhebliche Kritik erfahren. Weitere wesentliche Punkte sind Täterschaft und Teilnahme, die Tatbegehung durch Unterlassen sowie Probleme der horizontalen Aufgabenverteilung und von Kollektiventscheidungen. Dem folgen Ausführungen zur ordnungswidrigkeitenrechtlichen Ahndung sowie zur subjektiven Tatseite. Den Abschluß dieses Kapitels bilden mögliche zivilrechtliche Folgen. Hierfür interessiert insbesondere die Schutzgesetzeigenschaft von § 20a WpHG, die Voraussetzung für einen deliktischen Schadensersatzanspruch ist. Da sich bei Gesetzesänderungen stets Probleme bei der Behandlung von Sachverhalten, die aus der Zeit vor der Änderung herrühren, ergeben, ist der Frage der zeitlichen Anwendbarkeit ein eigenes Kapitel gewidmet. Bei § 20a WpHG ist dies von besonderer Bedeutung, da innerhalb von nur rund zwei Jahren zwei teils tiefgreifende Umgestaltungen vorgenommen wurden. Das zehnte Kapitel gibt einen Überblick über die Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Marktmanipulation (MaKonV)35, ihren Inhalt sowie ___________ 35 Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Marktmanipulation (Marktmanipulations-Konkretisierungsverordnung – MaKonV), BGBl. I 2005, S. 515-518.

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ihre formelle und materielle Rechtmäßigkeit. Behandelt werden ferner – abstrahiert von den konkreten Tatbeständen – deren grundsätzliche Wirkung bei der Rechtsanwendung, Fragen der zeitlichen Geltung und der Irrtumsproblematik. Das letzte Kapitel schließlich gibt eine Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung.

Erster Teil

Grundlagen Erstes Kapitel

Marktmanipulationen A. Definition Der Begriff Manipulation erscheint im deutschen Recht zwar des öfteren in der Gesetzesbegründung1 sowie als Überschrift von § 20a WpHG, nicht aber in dessen Tatbestand. Insofern ist es nicht verwunderlich, daß eine Legaldefinition fehlt. Das gilt ebenso für das US-amerikanische Recht, wo sowohl der Securities Act of 1933 (SA)2 als auch der Securities Exchange Act of 1934 (SEA)3 auf eine Definition verzichten.4 Die Marktmißbrauchsrichtlinie verwendet den Begriff der Marktmanipulation, verzichtet jedoch ebenfalls auf eine allgemeine Definition. Statt dessen führt sie zunächst zwei Kategorien manipulativer Verhaltensweisen auf. Art. 1 Nr. 2 lit. a) und b) MMRL beziehen sich auf die Beeinflussung von Angebot, Nachfrage oder Kurs mittels Geschäften oder Kauf- bzw. Verkaufsaufträgen. Art. 1 Nr. 2 lit. c) MMRL hingegen bezieht sich auf die Informationsverbreitung. Von diesen Basisdefinitionen werden anschließend typische Manipulationsformen beispielhaft abgeleitet (Art. 1 Nr. 2 1.-3. Spiegelstr. MMRL). Nähert man sich dem Begriff zunächst alltagssprachlich, dann läßt sich Manipulation umschreiben als bewußter, gezielter Eingriff oder absichtliche Verfälschung5, als undurchschaubares, geschicktes Vorgehen, mit dem sich jemand einen Vorteil verschafft6 oder schlicht als Beeinflussung7. Im Kern geht es also darum, auf etwas, hier Preise von Vermögensgegenständen, Einfluß zu nehmen. ___________ 1

Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8017, S. 62, 64, 89 f. u. passim. 48 Stat. 74, 15 U.S.C. § 77a-77aa. 3 48 Stat. 881, 15 U.S.C. § 78a-78mm. 4 Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 66. 5 Duden, Fremdwörterbuch, Stichwort: „Manipulation“. 6 Duden, Das große Wörterbuch, Stichwort: „Manipulation“. 7 Duden, Synonymwörterbuch, Stichwort: „Manipulation“. 2

1. Kap.: Marktmanipulationen

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Eine Marktmanipulation ist danach eine gezielte Beeinflussung des Preises eines Vermögensgegenstandes. Nach einer verbreiteten Ansicht sind Marktmanipulationen all jene Praktiken, die einen Preis herbeiführen, der nicht demjenigen entspricht, der bei einem unbeeinflußten Spiel der Marktkräfte (Angebot und Nachfrage) zustandegekommen wäre8, der Preis also nicht der wirklichen Marktlage am betroffenen Markt entspricht (sog. artificial price).9 Zu Recht stellt diese Begriffsbestimmung nicht auf die Manipulationsmittel und -techniken ab, sondern auf den Erfolg in Form eines verfälschten Preises. Diese Definition ist dabei nicht dahingehend zu verstehen, daß ein notwendiges Merkmal der Manipulation sei, auf den Prozeß der Preisbildung aus Angebot und Nachfrage einzuwirken, also einen Kurs zu produzieren, der nicht Angebot und Nachfrage entspricht. Zwar ist es theoretisch denkbar, daß ein Kursmakler einen solchen falschen Kurs bildet.10 Praktisch dürfte dies aber heute unmöglich sein. Zum einen erfolgt die Preisbildung in vielen Fällen automatisch durch ein Computersystem, in das Eingriffe zumindest nicht unbemerkt möglich sind. Zum anderen werden alle Börsenvorgänge nahezu lückenlos von den Handelsüberwachungsstellen erfaßt und aufgezeichnet, so daß jede Manipulation in diesem Sinne nachverfolgt werden könnte.11 Alle nachfolgend als Manipulation beschriebenen Verhaltensweisen berühren aber die Preisbildung aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage überhaupt nicht.12 Vielmehr werden ausschließlich diese beiden Größen selbst verändert. Der künstliche Preis ist nur das Ergebnis einer verfahrensmäßig korrekten Preisbildung, die auf beeinflußten Parametern beruht. Insofern entspricht der Preis auch der tatsächlichen Marktlage an der Börse, nur ist diese Marktlage eine andere als die ohne Manipulation. Diese Ansicht definiert also im Ergebnis Manipulation als Herbeiführung eines künstlichen Preisniveaus, eines artificial price. Damit allein ist jedoch noch ___________ 8

Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 3; Watter, SZW 1990, 193, 194; Ziouvas, ZGR 2003, 113, 130. – Dies entspricht der klassischen Definition der US-amerikanischen Rechtsprechung, s. Avgouleas, Market Abuse, S. 105. 9 Benner, in: Wabnitz/Janovsky (Hrsg.), Handbuch1, 4. Kapitel, Rn. 29. Zu verschiedenen Ansätzen im US-amerikanischen Recht s. Kozinn, 69 Fordham L. Rev. 243, 258 f. (2000). 10 Das hat wohl die Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zum 2. WiKG (BTDrs. 10/5058, S. 37) im Auge, wenn sie von der Bestechung des Skontroführers als sonstiger Täuschungshandlung i.S.v. § 88 Nr. 2 BörsG a.F. spricht. 11 Dazu näher Benner, in: Wabnitz/Janovsky (Hrsg.), Handbuch, 9. Kapitel, Rn. 27a, 34; vgl. § 4 BörsG. 12 Zu Recht kritisch in diesem Sinne Fischel/Ross, 105 Harv. L. Rev. 503, 507 (1991).

A. Definition

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kein Erkenntnisgewinn verbunden, denn es bleibt offen, wann ein Preisniveau als künstlich anzusehen ist.13 Zu weit gehend wäre es, einen Preis bereits dann als falsch anzusehen, wenn dieser nicht den Unternehmenswert widerspiegelt.14 Wenngleich der Börsenoder Marktpreis langfristig einen Bezug zum Unternehmenswert hat, ist doch der tägliche Preis von einer ganzen Reihe anderer Faktoren abhängig, ohne daß er als manipuliert anzusehen ist.15 Zu eng ist hingegen die insbesondere von Hopt vertretene Ansicht, Kursmanipulation sei die Verwendung von auf Täuschung des Effektenpublikums angelegten Mitteln, um die Kursentwicklung in bestimmter Richtung zu beeinflussen.16 Notwendig ist danach also ein täuschendes Element.17 Selbst wenn man dieses weitergefaßt als beim Betrugstatbestand ansieht, so daß nicht nur über Tatsachen getäuscht werden kann, sind damit all jene Fälle nicht erfaßt, bei denen die Kursbewegung ohne jede Mitwirkung anderer Marktteilnehmer, sondern allein durch die in manipulativer Absicht erteilten Kauf- bzw. Verkaufsaufträge, eintritt. Charakteristisch für eine Manipulation ist statt dessen die gezielte Einflußnahme auf den Preis eines Vermögensgegenstandes, also die Herbeiführung eines künstlichen Preisniveaus.18 Ein Preisniveau ist künstlich, wenn es nicht unbeeinflußt ist. Diese tautologisch anmutende Definition ist dem Umstand geschuldet, daß ein anderes Kriterium nicht vorhanden ist. Insbesondere kann nicht auf den „wahren“ Wert des Vermögensgegenstandes abgestellt werden.19 Abgesehen davon, daß dieser kaum zu bestimmen ist, kommt es für die negativen Auswirkungen von Manipulationen auf den Kapitalmarkt darauf überhaupt nicht an. Auch wenn eine Verhaltensweise zu einem Preis führte, der näher am hypothetischen wahren Wert liegt, hätte dies erhebliche negative Auswirkun___________ 13

Dazu sogleich. Dafür aber Watter, SZW 1990, 193, 194. 15 Altendorfer, in: Aicher/Kalss/Oppitz (Hrsg.), Grundfragen, S. 213 Fn. 26. 16 Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 491. 17 So auch das Verständnis des Merkmales „manipulative“ in Sec. 10 (b) SEA, vgl. Schreiber v. Burlington Northern, Inc., 472 U.S. 1 (1985). Zwar bezieht sich diese Entscheidung unmittelbar nur auf Sec. 14 (e) SEA, doch indem sie ausdrücklich auf eine Enscheidung zu Sec. 10 (b) SEA verweist (Ernst & Ernst v. Hochfelder, 425 U.S. 185 (1976)) bietet sie Anhaltspunkte dafür, daß der Supreme Court Sec. 10 (b) SEA genauso auslegt (Hazen, Securities Regulation, § 6.1 (S. 319 f.); Thel, 1988 Colum. Bus. L. Rev. 359, 388; Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 72 f., dort auch zur Kritik an dieser Rechtsprechung). 18 Vgl. Ernst & Ernst v. Hochfelder, 425 U.S. 185, 199 (1976); Schreiber v. Burlington Northern, Inc., 472 U.S. 1, 11 (1985); Teweles/Bradley, Stock Market, S. 330; Mathias, 3 U. Pitt. L. Rev. 7 (1936). 19 Dazu eingehend u. 7. Kap. B IV (S. 293). 14

1. Kap.: Marktmanipulationen

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gen auf das Vertrauen in die Integrität der Preisbildung am Kapitalmarkt20 und wäre eine nicht zu rechtfertigende Manipulation.21 Unter diesem Blickwinkel ist deshalb grundsätzlich auch die in gutem Glauben vorgenommene Preisbeeinflussung22 ebenso wie die Kursstabilisierung oder der Eingriff, um eine als nicht gerechtfertigt angesehene Preisbewegung auszugleichen, eine Manipulation. Ausgehend von dem eingangs dargestellten Ansatz sind Manipulationen deshalb all diejenigen Verhaltensweisen, die zu einem Preis führen, der nicht demjenigen entspricht, der bei unbeeinflußten Marktparametern (genauer: Preisparametern, das heißt Angebot und Nachfrage) zustandegekommen wäre, wobei es nicht darauf ankommt, ob der Preis vom „wahren“ Wert des Vermögensgegenstandes abweicht.23 Das Manipulationsverbot bezweckt demnach, einen Markt zu schaffen, an dem sich die Preise aus dem unbeeinflußten Spiel von Angebot und Nachfrage bilden können.24.

B. Abgrenzung Manipulation – Spekulation Von den Manipulationen sind sowohl Spekulation als auch Insiderhandel abzugrenzen. Spekulation werden in der Regel diejenigen Geschäfte genannt, die nicht um der Innehabung und Verwendung des Gutes (Aktien, Waren etc.) Willen getätigt werden, sondern die lediglich dazu genutzt werden, aus einer möglichst schnell eintretenden Preisänderung Profit zu schlagen. Es geht also nicht um die langfristige Kapitalanlage und Erträge aus Dividenden und Wertsteigerungen des Unternehmens und/oder Einflußnahme auf dessen Wirtschaftspolitik, sondern um kurzfristige Gewinne aus Preisschwankungen.25 Dieser kurzfristige Zeithorizont sowie der oft beträchtliche Erfolg umgibt Spekulationen teilweise mit einem negativen Anschein. Ferner wird ihnen unter bestimmten Umständen eine preisdestabilisierende Wirkung unterstellt.26 Überwiegend mißt man ihnen aber wichtige Funktionen in der Volkswirtschaft ___________ 20

Vgl. zu diesem wichtigen Schutzgut u. 2. Kap. C IV (S. 63). Vgl. U.S. v. Hall, 48 F.Supp.2d 386 (S.D.N.Y. 1999). 22 Beispielsweise weil man der Ansicht ist, der zutreffende Preis des Vermögensgegenstandes müßte höher sein, vgl. SEC Rel. No. 34-3056 (1941); U.S. v. Hall, 48 F.Supp.2d 386 (S.D.N.Y. 1999). 23 U.S. v. Hall, 48 F.Supp.2d 386, 387 (S.D.N.Y. 1999); U.S. v. Russo, 74 F.3d 1383, 1394 (2nd Cir. 1996), cert. denied 519 U.S. 927; Masland, Fernon & Anderson, 9 S.E.C. 339, 344 (1941); 24 Vgl. H.R. Rep. No. 1383, 73rd Cong., 2nd Sess., 1934, S. 10. 25 Vgl. Aschinger, Börsenkrach, S. 17 f.; siehe auch de Vauplane/Simart, 23 Brook. J. Int’l L. 203, 210 f. (1997). 26 Ausf. Aschinger, Börsenkrach, S. 18-36. 21

C. Abgrenzung Manipulation – Insiderhandel

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zu.27 Spekulationen sind deshalb legitimer Bestandteil des Kapitalmarktgeschehens und es wäre ökonomisch nicht vertretbar, diese zu verhindern.28 Ihr wesentlicher Unterschied zu Manipulationen besteht darin, daß der Spekulant Preisänderungen lediglich ausnutzt, sie aber im Gegensatz zum Manipulanten nicht hervorruft. Der Spekulant trifft genau wie jeder andere Anleger auf der Grundlage allgemein bekannter Umstände (anderenfalls wäre es Insiderhandel, dazu sogleich) und eigener Erfahrung eine Prognose zur Preisentwicklung und setzt diese um. Er handelt unter Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung und übernimmt damit ebenso wie der Anleger das volle wirtschaftliche Risiko seines Engagements. Er nutzt keine Sondervorteile aus, verhält sich nicht unlauter. Der Manipulant hingegen „kennt“ die zukünftige Preisentwicklung, da er sie selbst hervorruft. Sein Risiko besteht also lediglich darin, daß seine Manipulation nicht erfolgreich ist. Dieses Schaffen nahezu risikoloser Gewinnmöglichkeiten kennzeichnet Manipulationen und unterscheidet diese damit deutlich von der Spekulation.29 Eine Spekulation führt jedoch nicht zu einem manipulierten Preis. Fraglos hat die spekulative Transaktion Einfluß auf den Preis wie jede andere Transaktion auch. Doch ist dieser Einfluß allein auf die tatsächliche Änderung von Angebot bzw. Nachfrage zurückzuführen.30 Spekulationen sind deshalb keine Manipulationen und damit auch nicht Gegenstand von § 20a WpHG.

C. Abgrenzung Manipulation – Insiderhandel Von Insiderhandel spricht man, wenn jemand (der Insider) seine Kenntnis von einer nicht öffentlich bekannten Tatsache vor deren Bekanntwerden zu vorteilhaften Disposition ausnutzt (vgl. § 14 WpHG). Der Insider hat also gegenüber dem restlichen Anlegerpublikum einen ungerechtfertigten Informationsvorsprung, dessen Nutzung ihm einen nahezu sicheren Gewinn (der auch in der Vermeidung eines Verlustes, namentlich bei kurssenkenden Nachrichten bestehen kann) einbringt. Der Insider kennt eine preisbeeinflussende Information, ___________ 27 Schaffung von Liquidität, Kursglättung etc., vgl. Altendorfer, in: Aicher/Kalss/Oppitz (Hrsg.), Grundfragen, S. 217; Hopt/Baum, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 439; Hellwig, in: Obst/Hintner, S. 25; Wu, 68 Colum. L. Rev. 260, 265 (1969); Imo, Börsentermin- und Börsenoptionsgeschäfte, Rn. 662; s. auch H.R. Rep. No. 1383, 73rd Cong., 2nd Sess., 1934, S. 11. 28 Hopt/Baum, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 439. 29 Vgl. Meißner, Stabilisierung, S. 37. 30 Zudem fehlt dem Spekulanten typischerweise die Absicht, bereits durch seine Geschäfte eine Preisreaktion auszulösen, da er seinen Gewinn dann maximiert, wenn er nach dem Prinzip des „buy low, sell high“ ungestört seine spekulative Position einnehmen kann (Altendorfer, in: Aicher/Kalss/Oppitz (Hrsg.), Grundfragen, S. 217).

1. Kap.: Marktmanipulationen

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bevor diese in die Preisbildung eingehen kann, und weiß daher, daß der aktuelle Preis diese Information noch nicht widerspiegelt. Anders als ein Manipulant hat er diese für den Kapitalmarkt nachteilige Situation jedoch nicht selbst herbeigeführt, sondern nutzt die bereits bestehende Informationsasymmetrie lediglich aus. Den Insider trifft nach deutschem Recht zwar ein Handels- und ein Informationsweitergabeverbot, jedoch aus dem Insiderhandelsverbot keine Informationsoffenlegungspflicht.31 Er hat danach also keine Verpflichtung, die Insiderinformation bekannt zu machen, so daß sie in den Preis einfließen könnte. Das Insidergeschäft selbst hat keinen über das jeder Transaktion immanente Maß hinausgehenden Einfluß auf den Preis des Vermögensgegenstandes. Der Vorwurf besteht deshalb auch nicht in der Beeinflussung eines Preises, sondern im Mißbrauch einer privilegierten Informationsstellung. Zu Recht werden daher Insiderhandel und Marktmanipulation in Deutschland und in der EU durch unterschiedliche Normen erfaßt.32 Gleichwohl sind Verhaltensweisen denkbar, die zugleich sowohl als Manipulation als auch als Insiderhandel zu qualifizieren sind.33

D. Systematisierung der manipulativen Verhaltensweisen Trotz der Abgrenzung zu Spekulation und Insiderhandel ist der Begriff der Manipulation noch sehr weit und erfaßt unterschiedlichste Verhaltensweisen. Daß diese nicht nur theoretischer Natur sind, zeigt ein Blick insbesondere auf den US-amerikanischen Kapitalmarkt. Dort lassen sich Beispiele für alle im folgenden vorgestellten Manipulationen finden. Für die weitere Untersuchung ist daher eine Systematisierung sinnvoll. In Betracht kommt hierfür zunächst die Unterscheidung nach der handelnden Person. Watter hat – besonders im Hinblick auf präventive Maßnahmen – vorgeschlagen, nach dem Unternehmen nicht verbundenen Dritten, am Börsengeschehen direkt Beteiligten (Broker, Banken) sowie dem emittierenden Unter___________ 31

Anders das US-amerikanische Insiderrecht: Hier soll die angedrohte Sanktion bewirken, daß der Insider sein Wissen aufdeckt oder von der Transaktion absieht, sog. disclose or abstain (Tippach, Insider-Handelsverbot, S. 28 f.; grundlegend Securities and Exchange Commission v. Texas Gulf Sulphur Co., 401 F.2d 833, 848 (2nd Cir. 1968), cert. denied, 394 U.S. 976 (1969)). 32 Anders hier etwa die USA, wo Insiderhandel und Marktmanipulation teilweise unter die gleiche Norm (Rule 10 b-5) subsumiert werden (Tippach, Insider-Handelsverbot, S. 23). 33 Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 4. Unzutreffend insofern Ziouvas, ZGR 2003, 113, 130, der zwischen beiden stets ein Exklusivitätsverhältnis annimmt.

D. Systematisierung der manipulativen Verhaltensweisen

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nehmen und Großaktionären zu differenzieren.34 Das bringt jedoch nicht wesentlich weiter, denn prinzipiell können Angehörige jedes dieser drei Personenkreise auch alle Manipulationstechniken anwenden, auch wenn sich einige für bestimmte Personen besonders anbieten.35 Lediglich im Bereich der präventiven Maßnahmen gegen Manipulationen könnte diese Unterscheidung von Bedeutung sein. Eine andere Ansicht rückt die Richtung der Preisbeeinflussung in den Mittelpunkt und unterteilt danach, ob eine Preissteigerung („bull manipulation“), eine Preissenkung („bear manipulation“) oder eine Seitwärtsbewegung beabsichtigt wird.36 Auch diese Einteilung ist wenig hilfreich. Durch die heutzutage in unzähliger Form am Markt angebotenen Finanzinnovationen ist jede Preisbewegung und sogar das Verharren auf einem bestimmten Niveau gewinnbringend ausnutzbar.37 Hier wird deshalb im folgenden nach der Art der Angriffsweise, also der eingesetzten Tatmittel unterschieden.38 Nach dieser Systematisierung gibt es informationsgestützte („information-based“) Manipulationen, handelsgestützte („trade-based“) Manipulationen und handlungsgestützte („action-based“) Manipulationen. Dabei ist darauf hinzuweisen, daß sich die Darstellung auf die (vereinfachten) Grundformen beschränken muß und deshalb keinesfalls abschließend zu verstehen ist. Die Änderung von Gegebenheiten des Marktes und dessen Umfeldes sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht führt zu einer ständigen Fortentwicklung und Modifizierung dieser Formen. Ferner treten oft verschiedene manipulative Verhaltensweisen in Kombination oder auch zusammen mit anderen unlauteren Maßnahmen (namentlich Insiderhandel oder Prospektbetrug) auf. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß nicht jede nachfolgend als Manipulation identifizierte Verhaltensweise auch verboten und mit Strafe belegt sein muß. Selbst über die Marktschädlichkeit und damit die Notwendigkeit, das Verhalten zu unterbinden, ist an dieser Stelle noch keine Aussage getroffen. ___________ 34

So Watter, SZW 1990, 193, 197. Näher Watter, SZW 1990, 193, 197. 36 So Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 491. – Die Herkunft des Bildes vom Bullen für steigende bzw. vom Bären für fallende Kurs ist nicht sicher belegt. Eine Erklärung besteht darin, daß der Bulle mit seinen Hörnern die Kurse nach oben treibt, während der Bär sie mit seinen Tatzen nach unten drückt. 37 Vgl. dazu u. G I 2 (S. 45) u. G II 2 (S. 48). 38 Ebenso Altendorfer, in: Aicher/Kalss/Oppitz (Hrsg.), Grundfragen, S. 213 ff.; Allen/Gale, Rev. Finan. Stud. 5 (1992), 503, 505; Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 9 ff.; Varnholt, Finanzmarkt und Portfolio Management 7 (1993), 459 f.; Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, Vor § 20a Rn. 23 ff.; noch weiter differenzierend Avgouleas, Market Abuse, S. 118 f. 35

1. Kap.: Marktmanipulationen

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Dies wird erst in einem späteren Abschnitt im einzelnen untersucht.39 Vielmehr soll ein empirischer Überblick helfen, eventuelle Regelungslücken, aber auch Überregulierungen, die zu einer Behinderung des Börsenhandels führen können, zu erkennen.

I. Informationsgestützte (information-based) Manipulationen

Bei der Manipulation durch Informationsverbreitung macht sich der Manipulant die preisbeeinflussende Wirkung von Nachrichten zu Nutze.40 Durch die Verbreitung von falschen oder zumindest irreführenden Informationen und Gerüchten bewirkt er die gewünschte Preisbewegung.41 Je nach dem, ob die Nachricht positiv oder negativ ist, wird der Preis steigen oder fallen. Als Beispiel für derartige Manipulationen sei auf den eingangs dargestellten Fall Rex v. de Berenger verwiesen.42 Die informationsgestützte Manipulation gilt als besonders effektive Möglichkeit, in die Preisbildung einzugreifen.43 Inhaltlich kann Gegenstand der verbreiteten Information alles sein, was die Anleger in ihre Anlageentscheidung einbeziehen, diese somit beeinflussen kann. In Betracht kommen deshalb nicht nur Informationen, die sich auf das Papier selbst oder dessen Emittent (zum Beispiel zukünftige Ertragslage, Geschäftsgeheimnisse, Bilanzen44 etc.) beziehen, Unternehmens- oder Marktnachrichten, sondern auch allgemeine wirtschaftliche, politische oder sonstige Um___________ 39

Ausf. u. 2. Kap. D II (S. 74). Die kursbeeinflussende Wirkung von Informationen wurde sowohl empirisch (Schröder, Aktienhandel, S. 61 ff.) als auch mittels eines Modells (Benabou/Laroque, Quart. J. Econ. 107 (1992), 921 ff.; Vila, Econ. Letters, 29 (1989), 21 ff.) nachgewiesen und ist in der Literatur anerkannt (vgl. Allen/Gale, Rev. Finan. Stud. 5 (1992), 503). Vgl. auch u. 2. Kap. D I (S. 72). 41 Altendorfer, in: Aicher/Kalss/Oppitz (Hrsg.), Grundfragen, S. 213; Rudolph/Röhrl, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 187. Rider/Abrams/Ferran, Guide, ¶ 627 (S. 128): „Market rigging ... is the manipulation of the market by fraudulent or illegal means; for example, the spreading of false rumours.“. Vgl. auch Art. 1 Nr. 2 lit. c) MMRL. 42 Zum Sachverhalt s. o. Einführung, Fn. 4 (S. 1).; dazu Moore/Wiseman, 2 U. Chic. L. Rev. 46, 57 (1934); Loss/Seligman, Securities Regulation, VIII, S. 3943. – Überhaupt scheinen Kriegsmeldungen probates Mittel zur Beeinflussung von Preisen gewesen zu sein. So wird in einem anderen Fall von einer offiziös gehaltenen Meldung im Wiener Abendblatt im November 1891 berichtet, die Gerüchte um einen bevorstehenden Krieg mit Rußland bestätigte, woraufhin es zur einer regelrechten Panik kam, die erst nach einem Dementi des staatlichen Börsenkommissars endete (zit. nach Meier, Entstehung, S. 97 f.). 43 Arlt, Anlegerschutz, S. 57 m.w.N. 44 Dazu Meitner/Hüfner/Kleff/Lehmann/Lüders, FinanzBetrieb 2002, 537 ff. 40

D. Systematisierung der manipulativen Verhaltensweisen

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stände.45 Besonders hervorzuheben sind Übernahmegerüchte. Da in Folge eines Übernahmeangebotes oder sogar eines bloßen diesbezüglichen Gerüchtes die Kurse der Zielgesellschaft in Erwartung eines über dem aktuellen Kurs liegenden Übernahmeangebotes in aller Regel erheblich steigen46, eignen sich solche Informationen besonders gut für Manipulationen.47 Diese Vielfalt möglicher Nachrichten führt zu einem nahezu unbegrenzten Täterprofil. In Betracht kommen zwar vor allem Unternehmensangehörige oder dem Unternehmen nahestehende Personen wie dessen Finanzdienstleister, aber auch außenstehende Personen wie Analysten und Journalisten und unter bestimmten Umständen sogar unbeteiligte Dritte. Eine erfolgreiche Manipulation mit diesen Mitteln setzt voraus, daß viele Anleger die Information in ihre Anlageentscheidung einbeziehen. Dazu muß sie zum einen möglichst weit verbreitet werden und zum anderen muß sie glaubhaft sein. Dem ersten Erfordernis wird üblicherweise am besten mit der Veröffentlichung in einem Massenmedium, wie Rundfunk, Fernsehen oder Tageszeitung entsprochen.48 Die Medien, auch und gerade als seriös und objektiv berichtend bekannte, sind insbesondere nicht dagegen gefeit, daß Redakteure mit ihren Berichten eigene finanzielle Interessen verfolgen, beispielsweise bestochen wurden.49 Darüber weit hinausgehende Bedeutung erlangt hier in der heutigen Zeit jedoch das Internet. Neben den „seriösen“ Anwendungen wie die schnelle und kostengünstige Beschaffung von aktuellen Kursen, Geschäftsberichten oder Analysen, bietet das Internet eine inzwischen unübersehbare Fülle von newsgroups und chat-Foren, die sich mit „heißen“ Anlagetips befassen. Dort diskutieren selbsternannte Börsenprofis über Investmentchancen und können so schnell, unkompliziert und vor allem anonym50 ihre Empfehlungen unter einer ___________ 45 Vgl. Arlt, Anlegerschutz, S. 57; o. Verf., 56 Yale L. J. 509, 512 (1947) m.w.N. – Ausf. zu den Determinanten der Kursbildung Dette, Kursbildung, S. 104-143. 46 Vgl. Schacht, Insiderhandelsverbot, S. 58 f. 47 Watter, SZW 1990, 193, 199; Schröder, Aktienhandel, S. 72; Varnholt, Finanzmarkt und Portfolio Management 7 (1993), 459, 463. Ausf. zu Manipulationen durch Übernahmeangebote Bagnoli/Lipman, RAND J. Econ. 27 (1996), 124 ff. 48 Im Fall People v. Goslin, 73 N.Y.S. 520 (N.Y.A.D. 1901), aff’d. 171 N.Y. 627 (N.Y. 1902), wurden „Anlageempfehlungen“ mittels Zeitungsannoncen verbreitet. 49 Vgl. Dice/Eiteman, Stock Market, S. 318 f. m.w.N. für die Jahre 1928/1929. 50 In Chat-Foren wird üblicherweise mit fiktiven Namen („nicknames“) agiert. Zudem ist durch technische Gegebenheiten des Internets eine Zurückverfolgung zum Urheber nur sehr schwer möglich. Vgl. dazu Toross, 32 Loy. L.A. L. Rev. 1399-1403 (1999); Geffken, SZ v. 19. April 1999, S. 24.

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1. Kap.: Marktmanipulationen

großen Anzahl von Anlegern verbreiten.51 Mit auf diese Weise geschickt lancierten (Falsch-)Meldungen haben einige erhebliche Gewinne erzielt.52 Um ihren Empfehlungen den Anschein besonderer Sachkunde im Sinne der zweiten Voraussetzung zu geben, benutzen besonders dreiste Manipulanten Verweise (links) auf gefälschte Internet-Seiten seriöser Finanzinformationsdienste oder gestalten ihre Beiträge in deren Erscheinungsbild.53 Am 7. April 1999 erschien auf einer Internet-Seite die Meldung, die an der NASDAQ notierte PairGain Technology, Inc. sei an ein ausländisches Unternehmen verkauft worden. Zugleich fand sich dort ein Link zu einer weiteren Internet-Seite, die wie eine Seite der Nachrichtenagentur Bloomberg aussah und die diese Meldung bestätigte. Der Kurs von PairGain stieg deutlich an. Beide Internet-Seiten waren zum Zwecke der Manipulation gefälscht.54

Ansonsten treten vor allem die Emittenten selbst sowie ihnen nahestehende Personen, Banken und Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Analysten, Journalisten und Börseninformationsdienste, kurz all jene Personen auf, die als besonders informiert und kompetent gelten.55 Damit ist gewährleistet, daß die Information genügend glaubwürdig erscheint und von den Adressaten ernstgenommen wird. Am Morgen des 25. August 2000 verbreiteten unter anderem die renommierten Nachrichtenagenturen Bloomberg und Dow Jones eine Pressemitteilung über die kalifornische Emulex Corp., in der es hieß, der Ausrüster für Glasfasernetze müsse seine Quartalsergebnisse von 25 Cent Gewinn auf 15 Cent Verlust revidieren, das Unternehmen werde wegen Bilanzmanipulationen von der Börsenaufsicht SEC untersucht und der CEO sei zurückgetreten. Sie hatten diese Meldung von Internet Wire, Inc., einem Verteilservice für Pressemitteilungen, offenbar ungeprüft übernommen. Der Kurs der Emulex Corp. stürzte daraufhin innerhalb von 16 Minuten von US-$ 104 auf US-$ 43 ab. Als sich die Unwahrheit der Meldung herausstellte wurde der Handel der Aktie ausgesetzt und erst nach einem Dementi des Emulex-Vorstandes zu US-$ 120 wieder aufgenommen. Die Aktie schloß mit rund US-$ 105. Urheber der falschen Pressemitteilung war

___________ 51 Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 29 f. Zur Bedeutung und den Möglichkeiten des Internets in diesem Zusammenhang ausf. Toross, 32 Loy. L.A. L. Rev. 1399, 1399-1403 u. 1417-1437 (1999); Walker/Levine, 38 Am. Crim. L. Rev. 405 ff. (2001); ferner Zschäpitz, Die Welt v. 1. März 1999, S. 23; s. auch den Sachverhalt in SEC v. Tokyo Joe, 99 F.Supp.2d 889 (N.D.Ill. 2000). 52 So der 15jährige Jonathan G. Lebed (s. In the matter of Lebed, SEC Rel. No. 337891) rund US-$ 270.000. Lebed kaufte marktenge Nebenwerte und empfahl diese unter verschiedenen Pseudonymen in Diskussionsforen sowie mittels Spam-eMails. In Verbindung mit dem bereits durch den eigenen Kauf hervorgerufenen Kursanstieg führte dies zu massiv steigenden Kursen, die er zum gewinnbringenden Verkauf nutzte. S. auch SEC v. Fred Moldofsky, Lit. Rel. No. 16493; SEC v. Gary D. Hoke, Jr., Lit. Rel. No. 16266; SEC v. Leszek Zbierajewski, Lit. Rel. No. 16363; SEC v. Sheret, Jr. and Conley, Lit. Rel. No. 16451. 53 Toross, 32 Loy. L.A. L. Rev. 1399, 1420 u. 1432 f. (1999); Geffken, SZ v. 19. April 1999, S. 24. 54 SEC v. Gary D. Hoke, Jr., Lit. Rel. No. 16266. 55 Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 29.

D. Systematisierung der manipulativen Verhaltensweisen

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ein 23jähriger Student und ehemaliger Mitarbeiter der Internet Wire, der auf sinkende Kurse der Emulex spekuliert hatte. Da deren Aktien jedoch wider Erwarten stiegen, schickte er am Vortag seinem ehemaligen Arbeitgeber Internet Wire über einen eigens dafür eröffneten eMail-Account unter dem Namen „Ross Porter“ eine eMail mit der gefälschten Pressemitteilung und der Aufforderung, diese am nächsten Morgen zum Handelsbeginn der NASDAQ zu verbreiten.56 Der Manipulant wurde bereits wenige Tage später festgenommen und zu drei Jahren und acht Monaten Gefängnis verurteilt.57

Eine weitere Möglichkeit, die Überzeugungskraft einer Mitteilung zu erhöhen, besteht darin, ihr den Anschein einer Insiderinformation zu geben, die dem Empfänger nur irrtümlich zugänglich gemacht wurde. So wird von einem Fall berichtet, bei dem systematisch in Telefonzellen Schriftstükke mit kursrelevantem Inhalt (Großauftrag, Rückgabeansprüche in Bezug auf früher enteignete Immobilien sowie die Wiederaufnahme von Dividendenzahlung) „vergessen“ wurden. In einem anderen Fall wurde mittels angeblich fehlgeleiteter Telefaxe ein Schreiben an eine Vermögenstreuhand verbreitet, in dem der Absender diese mit dem Kauf von bestimmten Aktien mit einem weit über dem aktuellen Kursniveau gesetzten Limit beauftragte, da eine (noch geheime) Übernahme dieser Gesellschaft bevorstehe.58

Begrifflich kann eine informationsgestützte Manipulation auch durch Nichtinformation, das heißt insbesondere durch Zurückhalten oder Verzögerung einer preisrelevanten Nachricht (beispielsweise einer Gewinnwarnung usw.) geschehen.59 Würde diese Information publik, so würde sich der Preis des Finanzinstruments entsprechend anpassen, die Information würde „eingepreist“. Hält man die Nachricht dagegen zurück, bleibt diese Preisanpassung aus und man hat den Preis des Finanzinstruments manipulativ beeinflußt. Rechtlich setzen solche Manipulationen eine entsprechende Offenbarungspflicht voraus, da konstruktiv ein bloßes Unterlassen vorliegt, an das ohne gesetzliche Verhaltenspflicht keine Rechtsfolgen anknüpfen können.

1. Scalping Eine spezielle Form der informationsgestützten Manipulation ist das Scalping. Hier wirkt eine durch ihre Reputation als Anlageberater, Finanzjournalist, Analyst etc. für genügend kompetent befundene Person durch Anlageempfeh___________ 56 Minutiöse Sachverhaltsschilderung bei Ewing/Waldman/Wesch, Handelsblatt Nr. 171 v. 5. September 2000, S. 14. 57 SEC Lit. Rel. No. 17094, ferner mußte er den Gewinn in Höhe von rund US-$ 353.000 herausgeben sowie eine Geldstrafe in Höhe von US-$ 102.642 zahlen. – Vgl. auch die anschließenden Schadensersatzklagen gegen Internet Wire, Inc. und Bloomberg, Hart v. Internet Wire, 163 F.Supp.2d 316 (S.D.N.Y. 2001) und 145 F.Supp.2d 360 (S.D.N.Y. 2001). 58 Beide Fälle sind beschrieben bei Ledermann, in: Schäfer (Hrsg.), WpHG, § 88 BörsG Rn. 8, jedoch ohne Angabe von Quelle und Erfolg. 59 Dazu Scheu, Börsenstrafrecht, S. 122 f.

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1. Kap.: Marktmanipulationen

lungen auf das Anlageverhalten einer großen Anhängerschaft ein und beeinflußt dadurch den Preis eines Vermögenswertes.60 Sein Gewinn resultiert daraus, daß der Scalper durch entsprechende vorherige Disposition die für ihn vorhersehbare Preisentwicklung aufgrund seiner Äußerung ausnutzen kann. Ein typischer Scalping-Sachverhalt ist folgende Konstellation: Ein selbst ernannter Börsenguru empfiehlt am Freitagabend nach Börsenschluß in einer FernsehBörsensendung bestimmte Aktien zum Kauf, seine Anhängerschaft ordert die Papiere noch am Abend nahezu blind und erzeugt damit zu Börsenbeginn am Montag eine erhebliche Nachfrage. Das führt insbesondere bei marktengen Titeln zu starken Preisausschlägen nach oben, die der Scalper dann zum gewinnbringenden Verkauf seiner bereits am Freitag vorher günstig erworbenen Aktien nutzt. Dieses System funktioniert Woche für Woche besser, denn die Prognose einer Preissteigerung bewahrheitet sich ja stets („self fulfilling prophecy“).61

Scalping ist dabei nicht zwingend auf falsche Nachrichten angewiesen, sondern kann auch mit wahren Informationen, das heißt vor allem zutreffenden bzw. vertretbaren Empfehlungen betrieben werden, solange nur die Anleger den Empfehlungen Folge leisten.62 Möglich sind deshalb auch konkludente Handlungen wie beispielsweise die Führung eines über die Medien verbreiteten fiktiven Musterdepots im Rahmen eines Börsenspiels. Der Einfluß von Anlageempfehlungen auf das Anlageverhalten Dritter wurde in Experimenten sowie empirisch nachgewiesen.63 Anlegeempfehlungen haben dabei vor allem in Zeiten starker Preisbewegungen (beispielsweise während einer Hausse) besonderen Einfluß auf die Preisbildung, indem sie die Preisbewegungen verstärken.64

___________ 60 Siehe Eichelberger, WM 2003, 2121; Lenenbach, ZIP 2003, 243; BGHSt 48, 373 ff. – Scalping; LG Frankfurt a.M., NJW 2000, 301 – Fall Prior. Vgl. auch Art. 1 Nr. 2 3. Spiegelstr. MMRL sowie zum US-amerikanischen Recht Hazen, Securities Regulation, § 14.17 (S. 840 ff.); SEC v. Capital Gains Research Bureau, Inc., 375 U.S. 180 (1963); Zweig v. The Hearst Corp., 594 F.2d 1261, 1265 (9th Cir. 1979); SEC v. Tokyo Joe, 99 F.Supp.2d 889 (N.D.Ill. 2000). 61 Das Beispiel ist dem sog. Prior-Fall nachgebildet. Siehe dazu FAZ v. 21. November 1998, S. 22; Handelsblatt Nr. 25 v. 5./6. Februar 1999, S. 12 und Nr. 226 v. 23. November 1998, S. 27; Gerke, Handelsblatt Nr. 121 v. 29. Juni 1998, S. 39. 62 So bei einem berühmten Fall aus den USA (Carpenter v. United States, 108 S.Ct. 316 (1987)): Foster Winans gab als Kolumnist regelmäßig im Wall Street Journal unter dem Titel „Heard on the Street“ Anlageempfehlungen. Durch das große Ansehen dieser Kolumne kam es immer zu vorhersehbaren Kursbewegungen, die Winans zusammen mit Komplizen in Scalping-Manier ausnutzte. Falschmeldungen kamen weder vor noch waren sie beabsichtigt. Ähnlich verhielt es sich auch in den Fällen Scalping und Prior (s. o. Fn. 60). 63 Kiehling, Börsenpsychologie, S. 153; Pieper/Schireck/Weber, zfbf 45 (1993), 487 ff.; Stickel, J. Finan. Econ. 14 (1985), 121 ff. 64 Kiehling, Börsenpsychologie, S. 153 f.

D. Systematisierung der manipulativen Verhaltensweisen

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2. Frontrunning Scalping wird gelegentlich mit dem frontrunning (Vorlaufen) in Verbindung gebracht, obwohl zwischen beiden ein fundamentaler Unterschied besteht. Bei frontrunning nutzt der Täter (beispielsweise ein Wertpapierhändler) die Kenntnis einer bevorstehenden größeren (Kunden-)Order aus, um sich vor deren Ausführung selbst mit den betreffenden Wertpapieren einzudecken und mögliche, durch die größere Order hervorgerufene Preisausschläge gewinnbringend auszunutzen.65 Der entscheidende Unterschied zwischen beiden Verhaltensweisen liegt also darin, daß im Falle des Scalping der Täter mittels seiner Empfehlung auf den Preis einwirkt, er beim frontrunning hingegen Sonderwissen über eine bevorstehende Preisbewegung ausnutzt, dabei jedoch keinen Preis manipuliert. Frontrunning ist deshalb ein geradezu klassisches Insiderdelikt und keine Manipulation.66

3. Abgabe falscher Ad hoc-Mitteilungen Beliebtes Mittel der Manipulation durch Informationsverbreitung sind Ad hoc-Mitteilungen. Nach § 15 I 1 WpHG muß der Emittent von Finanzinstrumenten unverzüglich ihn unmittelbar betreffende Insiderinformationen veröffentlichen. Die Ad hoc-Publizität dient an sich der Erhöhung der Informationseffizienz des Marktes und damit zum einen der Bildung marktgerechter Preise und zum anderen der Erschwerung von Insiderhandelsmöglichkeiten.67 In der Vergangenheit wurden diese Mitteilungen jedoch häufig dazu genutzt, Einfluß auf den Preis von Wertpapieren zu nehmen. Dazu wurden mittels Ad hocMitteilungen falsche Unternehmenszahlen verbreitet, um den Aktienkurs in die Höhe zu treiben. So meldete der Telematik-Anbieter Comroad ad hoc einen Umsatz von 93,6 Mio. Euro, was sich verständlicherweise sehr positiv auf den Preis der Aktie auswirkte. Der tatsächliche Umsatz lag dagegen bei nur rund 1,3 Mio. Euro. Der Rest wurde durch Scheingeschäfte mit nicht existierenden Vertragspartnern generiert.68

___________ 65

Siehe Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 487 f.; Lowenfels/Bromberg, 55 Alb. L. Rev. 293, 313-337 (1991); Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 19 Rn. 56. 66 Eichelberger, WM 2003, 2121, 2124; Watter, SZW 1990, 193, 200. 67 Assmann, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 15 Rn. 2, 7. 68 Vgl. LG München I, wistra 2003, 277 ff. – Comroad; weitere Beispiele bei Arlt, Anlegerschutz, S. 69.

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1. Kap.: Marktmanipulationen

Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, daß Ad hoc-Mitteilungen äußerst kursrelevante Informationen für den Kapitalmarkt darstellen.69 Sie sind deshalb gut geeignet, informationsgestützte Manipulationen vorzunehmen.

II. Handelsgestützte (trade-based) Manipulationen

Auf den Preis eines Finanzinstruments kann auch durch den bloßen Handel damit eingewirkt werden, ohne daß es weiterer Aktionen wie etwa der Verbreitung von (falschen) Informationen bedarf. Dieser Einfluß besteht aus zwei Komponenten. Zum einen bewirken Transaktionen eine Veränderung von Angebot (Verkauf) bzw. Nachfrage (Kauf) des betroffenen Vermögensgegenstandes und damit unmittelbar der beiden preisbildenden Parameter. Sie haben bereits aus diesem Grunde eine unmittelbare preisbeeinflussende Wirkung.70 Dies gilt in besonderem Maße auf engen Märkten. Zum anderen transportieren sie zusammen mit den daraus resultierenden erhöhten Handelsumsätzen bestimmte Informationen, die von anderen Handelsteilnehmern zur Grundlage ihrer Anlageentscheidung gemacht werden könnten. So kann beispielsweise erhöhte Marktaktivität andere ebenfalls zu einem Investment bewegen.71

___________ 69 Dazu eingehend Röder, ZfB 70 (2000), 567 ff.; ferner ders., FinanzBetrieb 2002, 728 ff.; Nowak, ZBB 2001, 449 ff. 70 Diesen Zusammenhang sieht vor allem das juristische Schrifttum (Hopt/Baum, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 431; Rudolph/Röhrl, in: Hopt/Rudolph/ Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 172; Kapfer/Puck, ÖBA 2005, 517, 519). In der ökonomischen Literatur hingegen ist diese direkte Wirkung im Gegensatz zu der durch Informationen hervorgerufenen (vgl. o. Fn. 40) teilweise umstritten. Zum einen (sog. Substitutionshypothese) sei für den Anleger ein Wertpapier nicht nur durch ein solches der gleichen Gattung, sondern auch durch Wertpapiere anderer, vergleichbarer Gattungen ersetzbar, so daß ein wesentlich breiterer Markt entstehe, der um ein Vielfaches geringer auf einzelne Transaktionen reagiere. Zum anderen hinge die Preisentwicklung von der Elastizität von Angebot und Nachfrage ab, so daß der Preisbildungsprozeß viel komplexer sei. (näher u. 2. Kap. D I (S. 72) sowie 8. Kap. A I 1 b (1) (a) (S. 328)). 71 Altendorfer, in: Aicher/Kalss/Oppitz (Hrsg.), Grundfragen, S. 215: „Volume goes with the trend“; Vila, Econ. Letters, 29 (1989), 21, 22. – Zum „Herdentrieb“ an der Börse de Bondt, FAZ v. 20. Mai 1999, S. 34. Zur Bedeutung der Handelsumsätze bei der sog. Technischen Analyse s. Loistl, Computergestütztes Wertpapiermanagement, 1992, S. 64 ff. Treffend auch die Formulierung bei Dice/Eiteman, Stock Market, S. 315: „Nothing excites the speculating public as much as increased activity in an issue accompanied by mounting prices.“.

D. Systematisierung der manipulativen Verhaltensweisen

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1. Fiktive Geschäfte Für eine Teilmenge der handelsgestützten Manipulation hat sich der Begriff des fiktiven Geschäfts eingebürgert.72 Das ist jedoch insofern etwas irreführend, als dies nahelegt, es fänden überhaupt keine Börsengeschäfte statt. Tatsächlich nimmt der Manipulant sehr wohl am Börsenhandel teil. Er erteilt echte Kauf- und Verkaufsaufträge, die in die Preisbildung einfließen und damit grundsätzlich alle Wirkungen eines Börsengeschäftes entfalten. Durch unterschiedliche Konstruktionen vermeidet er jedoch, die Aufträge tatsächlich erfüllen zu müssen. Den Geschäften fehlt damit die wirtschaftliche Relevanz für den Manipulant. Für ihn sind sie lediglich „fiktiv“. Hintergrund der Übung ist einerseits zunächst das Vortäuschen erhöhter Handelsaktivität. Da die fiktiven Geschäfte nicht von realen Transaktionen zu unterscheiden sind, steigern sie Handelsvolumina des zu manipulierenden Papieres und erzeugen so den Eindruck eines aktiveren, liquideren Marktes als dies tatsächlich der Fall ist. Dadurch soll das Interesse von Spekulanten, aber auch von anderen Anlegern geweckt werden, in der Hoffnung, diese erliegen der Sogwirkung, „springen auf den fahrenden Zug auf“ und verstärken dadurch den Preistrend weiter.73 Bei der so generierten Nachfrage handelt es sich jetzt aber um tatsächliche Aufträge. Der Manipulant kann deshalb nunmehr den manipulierten Gegenstand in einer realen Transaktion an einen dieser Anleger zu einem überhöhten Preis abgeben oder die Auswirkungen auf den Preis eines Derivates ausnutzen. Im Vordergrund dieser Form von fiktiven Geschäften steht die mit den generierten Umsätzen verbundene Informationskomponente. Wesentliche Voraussetzung für das Gelingen einer solchen Manipulation ist deshalb die schnelle und weite Verbreitung der Handelsumsätze.74 Durch die heute verfügbaren Kommunikationsmittel, allen voran wiederum das Internet, ist dies jedoch einfacher denn je. Eine Vielzahl von (häufig sogar kostenlosen) Börseninformationsdiensten bietet nicht nur (nahezu) Echtzeit-Kurse, sondern gibt gleichzeitig Auskunft über die zugehörigen Handelsvolumina sowie deren Verläufe in ebenfalls (nahezu) Echtzeit und graphisch in Form von Kurven oder Balken aufbereitet. Es ist damit auch für den Laien ohne weiteres erkennbar, wenn der Umsatz eines Vermögenswertes plötzlich signifikant ansteigt. Mit fiktiven Geschäften läßt sich andererseits auch direkt auf den Preis Einfluß nehmen. Insbesondere bei Titeln mit geringen täglichen Umsätzen läßt sich mit aufeinander abgestimmt limitierten Kauf- und Verkaufsaufträgen der ___________ 72

Vgl. Altendorfer, in: Aicher/Kalss/Oppitz (Hrsg.), Grundfragen, S. 214 f.; Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 9 ff.: „Fiktive Transaktion“. 73 Altendorfer, in: Aicher/Kalss/Oppitz (Hrsg.), Grundfragen, S. 215; Vila, Econ. Letters, 29 (1989), 21, 22. 74 Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 10.

1. Kap.: Marktmanipulationen

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Preis in die gewünschte Richtung bewegen.75 Beispielsweise wird ein marktfern (Preis oberhalb des derzeitigen Preises) limitierter Verkaufsauftrag an die Börse gestellt. Dieser hat eigentlich keine Aussicht auf Ausführung, da jeder andere Marktteilnehmer zu einem günstigeren Preis kaufen kann. Kommt jedoch ein unlimitierter Kaufauftrag gleichen Umfangs hinzu, so wird der Preis, auf den allein es dem Manipulanten ankam, auf dem zu hohen Niveau festgestellt. Da beide Aufträge von wirtschaftlich identischen Personen stammen, muß zu dem zu hohen Preis weder geliefert noch bezahlt werden, so daß für den Manipulanten kein Nachteil entsteht. Selbstverständlich funktioniert das auch mit umgekehrten Vorzeichen in die andere Richtung. Die wesentlichen Formen fiktiver Geschäfte sind nachfolgend beschriebene wash sales, matched orders sowie circular trades.

a) Wash sales Als wash sales (synonym: cross trades oder crossing) bezeichnet man Transaktionen, bei denen Käufer und Verkäufer wirtschaftlich identisch sind.76 Das ist nicht nur bei tatsächlicher oder rechtlicher Identität, sondern auch bei verbundenen Unternehmen77 oder Einschaltung von Strohmännern der Fall. Durch die wenigstens wirtschaftliche Identität geht der Manipulant im Ergebnis mit sich selbst Geschäfte ein. Da es somit faktisch nur einen Berechtigten und Verpflichteten gibt, müssen die aus dem Geschäft entstehenden Liefer- und Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllt werden. In der Praxis gibt der Manipulant in Limit und Volumen aufeinander abgestimmte Kauf- und Verkaufsorders für das gleiche Papier zur gleichen Zeit in den Markt. Um den fiktiven Charakter zu verdecken, bedient er sich verschiedener Banken und Konten, einer Deckadresse oder eines Strohmannes.78 Die Aufträge werden dann von einem Makler oder einem elektronischen Handelssystem zusammengeführt und der sich daraus ergebende Preis festgestellt. Für Außenstehende ist nicht erkennbar, daß zum festgestellten Kurs keine wirtschaftlich relevanten Abschlüsse zustande kamen.79 ___________ 75

Altendorfer, in: Aicher/Kalss/Oppitz (Hrsg.), Grundfragen, S. 215. Ernst & Ernst v. Hochfelder, 425 U.S. 185, 205, Fn. 25 (1976); Dietrich v. Bauer, 76 F.Supp.2d 312, 339 (S.D.N.Y. 1999); Altendorfer, in: Aicher/Kalss/Oppitz (Hrsg.), Grundfragen, S. 214 f.; Dice/Eiteman, Stock Market, S. 315; Lee, Comp. Law. 1993, 14(5), 84, 85. Vgl. Sec. 9 (a) (1) (A) SEA. 77 Möller, WM 2002, 3009, 313. 78 Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 10; Dice/Eiteman, Stock Market, S. 316; s. auch o. Verf., 46 Yale L. J. 624, 627 (1937). 79 Derartige In-Sich-Geschäfte („Kompensationsgeschäfte“ oder „crossings“) sind nicht per se manipulativ und verboten, sondern dem Kursmakler bzw. dem elektroni76

D. Systematisierung der manipulativen Verhaltensweisen

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Einen typischen wash sale-Sachverhalt betrifft ein Strafbefehl des AG München80: Ein Bankmitarbeiter gab über das elektronische Orderleitsystem (BOSS-CUBE) eine Kauforder über 50 Aktien an den Skontroführer bei der Bayerischen Börse und erteilte gleichzeitig telefonisch über einen Münchener Freimakler eine über Marktniveau limitierte Verkaufsorder über diese 50 Aktien. Der Kurs wurde zu DM 625 bz festgestellt. Vor der Manipulation lag er bei DM 605 B81.

b) Matched orders Im Gegensatz dazu sind bei matched orders (synonym prearranged quotes bzw. prearranged trades82) wirtschaftlich verschiedene Marktteilnehmer beteiligt, so daß der wirtschaftliche Eigentümer der Wertpapiere tatsächlich wechselt.83 Sie sind dadurch besonders schwer zu durchschauen. Dennoch handelt es sich auch hier um fiktive Geschäfte, weil beide Beteiligten sich im vorhinein absprechen und entweder sogleich oder später in Preis und Volumen korrespondierende, aber gegenläufige Orders erteilen.84 Im Ergebnis führt das meist zu einem bloßen Hin- und Herschieben der Wertpapiere zwischen den Parteien. Möglich ist aber auch jede andere Absprache, so daß beispielsweise der Käufer die Papiere behält und beide einen Ausgleich für die Differenz zwischen wahrem Wert und Verkaufspreis vereinbaren.85 Wiederum wird mittels verschiede-

___________ schen Handelssystem anzuzeigen. Der Skontroführer darf jetzt nicht nur vorliegende Aufträge in die Preisfeststellung einbeziehen, sondern hat das Papier auszurufen und daraufhin erteilte Aufträge zu berücksichtigen (§ 4 III Bedingungen-FWB). Der Kurs wird mit dem Zusatz „C“ (= Kompensation) veröffentlicht (§ 33 II Nr. 20 BörsenOFWB. – Allg. zu den Kurszusätzen s. § 33 BörsenO-FWB sowie Peterhoff, in: Hellner/Steuer (Hrsg.), BuB, Rn. 7/626 f.). Näher Benner, in: Wabnitz/Janovsky (Hrsg.), Handbuch, 9. Kapitel, Rn. 78. 80 AG München, Strafbefehl v. 23. August 1996 – 1138 Cs 302 Js 23676/95, zit. nach Benner, in: Wabnitz/Janovsky (Hrsg.), Handbuch, 9. Kapitel, Rn. 79 (dort auch im Wortlaut abgedruckt). 81 Der Zusatz „bz“ bzw. ein Kurs ohne Zusatz bedeutet, daß zu diesem Preis alle Aufträge ausgeführt wurden. „B“ (= Brief) hingegen zeigt an, daß zu diesem Kurs ein Angebot bestand, jedoch keine Umsätze stattfanden. Im beschriebenen Fall hätte ein redlicher Interessent die gewünschten Papiere zu DM 605 kaufen können, so daß wirtschaftlich eigentlich keine Notwendigkeit bestand, ein höheres Kaufangebot abzugeben. Das ist ein deutliches Indiz für ein manipulatives Geschäft. 82 Altendorfer, in: Aicher/Kalss/Oppitz (Hrsg.), Grundfragen, S. 215 resp. Ziouvas, ZGR 2003, 113, 133. 83 Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 492; Lee, Comp. Law. 1993, 14(5), 84, 85. 84 Ernst & Ernst v. Hochfelder, 425 U.S. 185, 205, Fn. 25 (1976); Dietrich v. Bauer, 76 F.Supp.2d 312, 340 (S.D.N.Y. 1999); Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 492; vgl. Sec. 9 (a) (1) (B)-(C) SEA. 85 Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 11.

1. Kap.: Marktmanipulationen

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ner Vorkehrungen (Aufteilung in mehrere Teilorders etc.) versucht, die Zusammenarbeit zu verbergen.86

c) Circular trades Eine dritte Art fiktiver Geschäfte sind schließlich die circular trades. Im Prinzip handelt es sich dabei um matched orders mit mehr als zwei Beteiligten. Die betroffenen Wertpapiere werden in vorarrangierten Transaktionen gleichsam wie in einer Kette von einem zum nächsten weitergereicht. Am Anfang und am Ende steht dann in der Regel ein und dieselbe Person, so daß im Ergebnis wieder keine wirtschaftliche Relevanz der Geschäfte zu verzeichnen ist.87

2. Effektive Geschäfte Die zweite Untergruppe handelsgestützter Manipulationen sind die sog. effektiven Geschäfte.88 Im Gegensatz zu den fiktiven Geschäften kommt es hier zu wirtschaftlich relevanten Transaktionen am Markt, ohne daß vereinbarte Gegenaufträge vorliegen oder sonstige Absprachen zwischen den Beteiligten getroffen wurden. Es wechselt der wirtschaftliche Eigentümer und der Manipulant übernimmt damit das gleiche Anlagerisiko wie jeder andere auch.89 Objektiv unterscheiden sich die zu manipulativen Zwecken vorgenommenen effektiven Geschäfte deshalb in keiner Weise von normalen Geschäften. Es stellt sich also die Frage nach der Abgrenzung legitimer Marktteilnahme von unerwünschter Manipulation. Da objektive Kriterien, wie etwa unzutreffende Informationen oder vorherige Absprachen, nicht verfügbar sind, kann die Identifikation einer Transaktion als manipulativ deshalb endgültig nur anhand subjektiver Kriterien, namentlich einer Manipulationsabsicht vorgenommen werden.90 ___________ 86

Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 492. Vgl. Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 11; Lowenfels/Bromberg, 55 Alb. L. Rev. 293, 296 (1991). 88 Vereinzelt (v.a. Fischel/Ross, 105 Harv. L. Rev. 503, 517-519 (1991)) wird bestritten, daß damit Gewinne möglich sind. Wenn der Manipulant kaufe, steige aufgrund der erhöhten Nachfrage der Preis, um umgekehrt beim Verkauf wieder zu fallen. Der Manipulant kaufe also teuer und verkaufe billig. Handelsgestützte Manipulation seien „selbstabschreckend“ (self deterrent) und es bestehe deshalb keine Notwendigkeit für eine Regulierung. Dagegen ausf. zu Recht Allen/Gale, Rev. Finan. Stud. 5 (1992), 503 ff.; Thel, 79 Cornell L. Rev. 219 ff. (1994). Vgl. auch u. 2. Kap. D I (S. 72). 89 Altendorfer, in: Aicher/Kalss/Oppitz (Hrsg.), Grundfragen, S. 216. 90 Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 24 f.; Meißner, Stabilisierung, S. 124; Möller, WM 2002, 309, 313. Vgl. dazu u. 7. Kap. B III u. IV (S. 290). 87

D. Systematisierung der manipulativen Verhaltensweisen

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Einen solchen Weg beschreitet beispielsweise das US-amerikanische Recht. Nach Sec. 9 (a) (2) SEA handelt es sich um eine manipulative Transaktion, wenn diese in der Absicht vorgenommen wird, andere zum Kauf oder Verkauf des gehandelten Wertpapiers zu veranlassen.91 Damit stellt der SEA zwar nicht auf eine direkte Manipulationsabsicht ab, erhebt aber gleichwohl ein subjektives Element, nämlich das Ziel der Transaktion, zum alleinigen Unterscheidungskriterium. Dabei meint Absicht hier wie dort zielgerichtetes, absichtsvolles Handeln, so daß die bloße Kenntnis der preisbeeinflussenden Wirkung einer Transaktion nicht ausreicht.92 Eine andere Auslegung ist nicht möglich, da jede Transaktion eine Auswirkung auf den Preis mit sich bringt. Das ist die natürliche Konsequenz eines funktionierenden und freien Marktes und daher allein noch kein Ausdruck von Manipulation.93 Der Zweck von Manipulationsverboten besteht aber nicht darin, alle Transaktionen zu unterbinden, die eine Preisbewegung hervorrufen.94 Das Verhalten muß vielmehr gerade (zumindest auch) darauf angelegt sein, diese Preisbewegung herbeizuführen, um dadurch ein über die bloße Transaktion hinausgehendes manipulatives Ziel zu erreichen. Es ist daher nur folgerichtig, diejenigen Geschäfte von vornherein als nicht manipulativ anzusehen, denen allein ein legitimes wirtschaftliches Interesse zugrunde liegt.95 Ein Indiz für ein Geschäft mit rein wirtschaftlichem Interesse wird im allgemeinen darin gesehen, daß nach der durchgeführten Transaktion eine längere Zeitspanne vergeht, so daß sich ein von dieser Transaktion unabhängiger Preis bilden kann.96 Jedoch ist ein legitimes Interesse keine notwendige Voraussetzung, denn auch ein wirtschaftlich sinnloses oder gar ungünstiges Geschäft ist auf einem freien Kapitalmarkt weder unter ökonomischen noch unter rechtlichen Gesichtspunkten unzulässig. Unzulässig wird es erst mit Hinzu___________ 91

„[…] for the purpose of inducing the purchase or sale of such security by others.“. Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 12. 93 Auf diesen Aspekt hat bereits ein Richter im Fall Rex v. de Berenger, 3 Maule & S. 67, 73 f. = 105 Eng. Rep. 536, 539 (K.B. 1814) hingewiesen. Ferner H.R. Rep. No. 1383, 73rd Cong., 2nd Sess., 1934, S. 20: „Of course, any extensive purchases or sales are bound to cause changes in the market price of the security. If a person is merely trying to acquire a large block of stock for investment, or desires to dispose of a big holding, his knowledge that in doing so he will affect the market price does not make his action unlawful.“. S. auch Seagoing Uniform Corp. v. Texaco, Inc.,705 F.Supp. 918, 934 f. (S.D.N.Y. 1989); Crane Co. v. Westinghouse Air Brake Co., 419 F.2d 787, 794 (2nd Cir. 1969), cert. denied 400 U.S. 822. 94 Chris-Craft Industries, Inc. v. Piper Aircraft Co., 480 F.2d 341, 383 (2nd Cir. 1973). 95 Altendorfer, in: Aicher/Kalss/Oppitz (Hrsg.), Grundfragen, S. 219; grundlegend United States v. Mulheren, 938 F.2d 364 (2nd Cir. 1991). So nun auch im Gemeinschaftsrecht: Art. 1 Nr. 2 lit. a) 2. Halbs. MMRL. 96 SEC Rel. No. 34-3056; Loss, Fundamentals, S. 857. 92

1. Kap.: Marktmanipulationen

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treten der manipulativen Absicht. Die mit subjektiven Merkmalen verbundenen Nachweisprobleme liegen freilich auf der Hand. Auch deshalb kommt ein zweiter Ansatz in Betracht. Dieser basiert auf der Tatsache, daß in bestimmten Situationen und bei speziellen Verhaltensweisen ein besonders großer Anreiz für manipulatives Verhalten besteht. Da hier die Wahrscheinlichkeit für Manipulationen sehr hoch ist, ist es überlegenswert, in diesen Fällen angemessene Handelsbeschränkungen vorzunehmen.97 In der Praxis könnte dies durch die Einstufung dieser Handelsaktivitäten als per se manipulativ erfolgen. Man wäre dadurch von der Notwendigkeit des Nachweises einer Manipulationsabsicht im Einzelfall entbunden. Andererseits besteht dabei stets die Gefahr, auch den legitimen Handel zu beeinträchtigen. Zudem sei nochmals darauf hingewiesen, daß eine Vielzahl legitimer und erwünschter Verhaltensweisen allein durch Hinzutreten besonderer subjektiver Komponenten manipulativ wird. Diese sämtlich zu verbieten, machte einen Handel am Kapitalmarkt weitgehend unmöglich. Schon dies verdeutlicht, daß ein solcher Weg allein nicht die Lösung des Problems sein kann. Im Ergebnis bleibt also nur die Unterscheidung anhand der subjektiven Zielsetzung des Handelnden. Dieser muß bei Vornahme des Geschäfts (zumindest auch) mit Manipulationsabsicht handeln. Diese ist dabei im weitesten Sinne zu verstehen und umfaßt neben der unmittelbaren Preiseinwirkungsabsicht auch die im US-amerikanischen Recht genannte Absicht, andere zum Kauf oder Verkauf zu veranlassen. Hingegen muß die Absicht nicht auf eine Schädigung gerichtet sein; auch eine Manipulation in gutem Glauben und zum (vermeintlich) Besten beeinträchtigt die Integrität des Kapitalmarktes.98 Exemplarisch werden nachfolgend einige besonders manipulationsträchtige Verhaltensmuster und Konstellationen dargestellt. Dabei wird sich zeigen, daß trotz aller Typisierung auch hier nicht auf die subjektive Komponente verzichtet werden kann, da vielen manipulativ erscheinenden und dazu auch immer wieder benutzten Verhaltensweisen im Einzelfall ein anerkennenswertes, legitimes Interesse zugrunde liegen kann und wird. Die Beispiele sind daher stets nur als Indiz für die manipulative Absicht zu sehen. Ein dementsprechendes Verhalten einer Person oder das Vorliegen vergleichbarer Umstände kann also den Anlaß geben, nähere Untersuchungen anzustrengen.

___________ 97

Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 12. Siehe Loss/Seligman, Securities Regulation, S. 3967; ferner SEC Rel. No. 34-3056 (1941); U.S. v. Hall, 48 F.Supp.2d 386 (S.D.N.Y. 1999). 98

D. Systematisierung der manipulativen Verhaltensweisen

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a) Leerverkäufe Leerverkauf (short sale) bezeichnet den Verkauf von Vermögenswerten, ohne diese zu besitzen oder zu deren Veräußerung zu Lasten Dritter ermächtigt zu sein.99 Um seiner dennoch entstehenden Lieferpflicht nachzukommen, muß der Leerverkäufer die Papiere bis zum Erfüllungszeitpunkt durch einen Deckungskauf beschaffen oder sich die Papiere leihen100. Leerverkäufe sind nicht per se manipulativ, sondern liegen in vielen Fällen im Interesse des Marktes (beispielsweise Eigen- und Aufgabengeschäfte der Kursmakler) und sind zum Teil ausdrücklich gestattet.101 Leerverkäufe können zur Informationseffizienz des Marktes beitragen, die Liquidität erhöhen und ermöglichen durch das sog. Hedging eine Risikoverminderung.102 Der Gesetzgeber des 4. FMFG hat daher zu Recht darauf verzichtet, der BaFin die Befugnis einzuräumen, Leerverkäufe unter bestimmten Umständen für einen gewissen Zeitraum zu verbieten.103 Dennoch eignen sich Leerverkäufe besonders für (bear-)Manipulationen. Der Zusammenhang zwischen steigendem Angebot und sinkendem Preis wurde bereits dargestellt. Durch Leerverkäufe ist der Verkäufer nicht mehr auf seinen eigenen Bestand an Papieren beschränkt, sondern kann ein darüber hinausgehendes Volumen auf den Markt bringen und damit eine größere Preiswirkung nach unten erzielen. Anschließend – so das Kalkül – kann er die Papiere billiger zurückkaufen, zum einen, um seinen Lieferverpflichtungen nachkommen zu können und zum anderen, um einen Profit zu erzielen. In der Praxis wird allerdings insbesondere der Deckungskauf zu einer Erholung des Preises führen, so daß man an tatsächlichen Gewinnmöglichkeiten zweifeln kann. Jedoch kann ___________ 99

Schwark, BörsG, § 88 Rn. 7. Der Begriff Wertpapierleihe ist irreführend, denn der Entleiher ist nur zur Rückgabe von Wertpapieren gleicher Art und Güte verpflichtet, so daß es sich korrekt um ein Darlehen handelt (s. Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 9 Rn. 207). 101 Schwark, BörsG, § 88 Rn. 7; Weber, NZG 2000, 113, 115; Ziouvas, ZGR 2003, 113, 135 f.; vgl. auch Sullivan & Long, Inc. v. Scattered Corp., 47 F.3d 857 (7th Cir. 1995), cert. denied, Harkins v. Scattered Corp., 516 U.S. 818. – Gleichwohl werden short sales immer wieder mit den Börsencrashs von 1929 und 1987 in Verbindung gebracht (näher Macey/Mitchell/Netter, 74 Cornell L. Rev. 799-835 (1989); ferner Jennings/Marsh/Coffee, Securities Regulation, Ch. 11 Sec. 1 (S. 581)). 102 Macey/Mitchell/Netter, 74 Cornell L. Rev. 799-811 (1989); Janvey, 20 Sec. Reg. L. J. 270, 272 f. (1992); Diamond/Verrecchia, J. Finan. Econ. 18 (1987), 277, 289; H.R. Rep. No. 414, 102nd Cong., 1st Sess., 1991, S. 12 f. 103 Für eine Verbotsmöglichkeit noch der RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8017, S. 25 (§ 4a WpHG-E); dagegen der Bundesrat, BT-Drs. 14/8958, S. 1 sowie der Vermittlungsausschuß, BT-Drs. 14/9096, S. 2. – Auch historisch wurden Leerverkäufe immer wieder staatlich verboten (so etwa in Holland 1610 bzgl. der Ostindischen Compagnie und 1621 bzgl. der Westindischen Compagnie sowie in Frankreich 1785 allgemein, vgl. Ehrenberg, Fondsspekulation, S. 5, 6, 25), allerdings vornehmlich, weil die Spekulation à la baisse den Interessen des Staates zuwiderlief. 100

1. Kap.: Marktmanipulationen

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die Manipulation auch einen anderen Zweck als den direkten Verdienst durch die Preisdifferenz verfolgen.104 Wichtiger ist aber die von massiven Verkäufen ausgehende Informationswirkung für das Marktpublikum, die dieses zu ungerechtfertigten Verkäufen veranlassen kann, die in einer regelrechten „Verkaufspanik“ enden.105 Dadurch können die Preise weit stärker fallen, als durch die ursprünglichen Leerverkäufe.

b) Corners und squeezes Wie oben dargestellt, begründen Leerverkäufe für den Verkäufer die Pflicht, die verkauften Vermögenswerte bis zum Erfüllungszeitpunkt zu beschaffen. Ein Manipulant kann nun sein Wissen um in großem Umfang erfolgte Leerverkäufe dazu nutzen, alle am Markt verfügbaren Papiere dieser leerverkauften Gattung aufzukaufen und dadurch den Markt für den Titel auszutrocknen.106 Wenn ihm das gelingt, kann sich der Leerverkäufer, der sein Deckungsgeschäft tätigen muß, nur noch bei ihm die benötigten Werte beschaffen, weil anderweitig keine Wertpapiere mehr erhältlich sind. Der Leerverkäufer ist damit in die Ecke gedrängt und muß jeden Preis des Manipulanten akzeptieren.107 Der Manipulant kann eine corner-Situation auch gezielt dadurch herbeiführen, daß er selbst zugleich als Käufer der Terminposition und der Kassaposition auftritt.108 In allen Fällen läßt sich die Wirkung zudem dadurch steigern, daß er dem Leerverkäufer die Papiere mittels einer Wertpapierleihe zur Verfügung stellt und sie (mehrfach) erneut auf Termin kauft.109 Kennzeichnend für eine corner ist somit die durch den Manipulanten herbeigeführte künstliche Verknappung des Marktes durch den Aufbau einer marktbeherrschenden Stellung.110

___________ 104

Vgl. dazu u. G II (S. 46). Schröder, Aktienhandel, S. 76; Scheu, Börsenstrafrecht, S. 120. – Es gab deshalb die Forderung, Leerverkäufe wegen ihres Informationsgehaltes zu unterbinden (etwa Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, BT, S. 138). 106 Dabei kann es passieren, daß mehr Aktien (leer-)verkauft werden, als überhaupt emittiert wurden, da der Leerverkäufer nicht auf die Anzahl der in seinem Bestand befindliche Vermögenswerte beschränkt ist. 107 Cooper/Donaldson, F. Financ. Quant. Anal. 33 (1998), 117 f.; Dillon v. Militano, 731 F.Supp. 634, 635 (S.D.N.Y. 1990). 108 Vgl. Sampson v. Shaw, 101 Mass. 145 (1869). 109 Näher Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 19; Teweles/Bradley, Stock Market, S. 332. 110 Vgl. Fischel/Ross, 105 Harv. L. Rev. 503, 543 Fn. 180 (1991). So auch Art. 1 Nr. 2 1. Spiegelstr. MMRL. 105

D. Systematisierung der manipulativen Verhaltensweisen

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Ein legendäres Beispiel aus der Geschichte ist die First Harlem Railway Corner:111 Cornelius Vanderbilt kaufte Anfang 1863 Anteile der Harlem Railway zu US-$ 8-9 das Stück. Er wollte eine Straßenbahnlinie in New York entlang des Broadway errichten. Im April erhielt er dazu die Erlaubnis des Stadtrates. Der Aktienkurs stieg bis auf US-$ 75. Daraufhin faßten einige Mitglieder des Stadtrates zusammen mit einem anderen Spekulanten den Entschluß, Aktien der Harlem Railway leerzuverkaufen und dann die Konzession wieder zu entziehen, um den Kurs zu drücken. Vanderbilt jedoch erhielt Kenntnis von diesem Plan und es gelang ihm, heimlich alle verfügbaren und leerverkauften Anteile der Harlem Railway selbst zu kaufen. Als die Stadträte nach dem Entzug der Erlaubnis versuchten, ihre Leerverkäufe glattzustellen, mußten sie erkennen, daß am Markt keine Anteile der Harlem Railway mehr erhältlich waren, sie sich also in einer corner befanden; 110.000 tatsächlich ausgegebenen Aktien standen 137.000 verkaufte gegenüber. Sie einigten sich mit Vanderbilt zu US-$ 179, der damit einen Gewinn von rund fünf Mio. US-$ machte.112

Eine eng verwandte Manipulationsform sind squeezes.113 Im Gegensatz zu corners wird hier eine natürliche Knappheit auf dem Kassamarkt mit einer beherrschenden Stellung im Terminmarkt verbunden.114 Der Manipulant kauft ein bestimmtes Gut in großem Maße auf Termin. Die durch das Auslaufen dieser Terminposition generierte Nachfrage übersteigt das lieferbare Angebot.115 Wiederum kommt es zu einer Monopolstellung, weil die Leerverkäufer keine ausreichenden Deckungskäufe am Markt tätigen können. Sie sind „squeezed“ und müssen sich mit dem Manipulanten zu hohen Preisen einigen.116 ___________ 111 Dazu Allen/Gale, Rev. Finan. Stud. 5 (1992), 503, 504; Teweles/Bradley, Stock Market, S. 333; Dice/Eiteman, Stock Market, S. 325. – Von einer corner in Deutschland berichtet Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 20; dagegen aber Benner, in: Wabnitz/Janovsky (Hrsg.), Handbuch, 9. Kapitel, Rn. 91. 112 Interessanterweise ereignete sich wenige Zeit später ein zweiter Vorfall (Second Harlem Railway Corner) mit exakt den gleichen Beteiligten und identischem Ausgang (s. Dice/Eiteman, Stock Market, S. 325 f.). – Cornering war im 19. Jahrhundert anscheinend derart weit verbreitet, daß der Wall Street Finanzier Henry Clews mit den Worten „All large fortunes are made by corners.“ zitiert wird (s. bei Teweles/Bradley, Stock Market, S. 332). – Dieser Fall ist zugleich ein Beispiel dafür, daß Manipulationen mittels Leerverkäufe mit erheblichem Risiko verbunden sind. Ein weiteres Beispiel („Silbercorner“ von 1979/80, Verlust angeblich mehr als eine Mrd. US-Dollar!) findet sich bei Varnholt, Finanzmarkt und Portfolio Management 7 (1993), 459, 468 f. Weitere corners bei Jarrow, J. Finan. Quant. Anal. 27 (1992), 311; Teweles/Bradley, Stock Market, S. 333-337; Dice/Eiteman, Stock Market, S. 323 ff. 113 Teilweise werden beide Begriffe synonym verwandt, z.B. Friedman, 89 Mich. L. Rev. 30, 32 Fn. 3 (1990). 114 Kozinn, 69 Fordham L. Rev. 243, 257 Fn. 111 (2000); s. auch Cargill, Inc. v. Hardin, 452 F.2d 1154, 1162 (8th Cir. 1971). 115 Fischel/Ross, 105 Harv. L. Rev. 503, 543 Fn. 180 (1991). 116 Davidson, 40 Bus. Law. 1283, 1283 f. (1985). – Ein wesentlicher Grund dafür, daß es überhaupt zu das natürliche Angebot erheblich übersteigenden Leerverkäufen kommt, ist, daß die Terminkontrakte häufig entweder allein zu Spekulationszwecken erworben werden, das heißt ohne die Absicht, diese bei ihrem Auslaufen auszuüben oder um sich gegen Verluste abzusichern (sog. hedging; näher zum Ganzen Davidson,

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1. Kap.: Marktmanipulationen

Obwohl bei der corner-Bildung ein manipulativer Beweggrund naheliegt, ist es gleichwohl denkbar, daß der Aufkauf von Aktien legitimen Zwecken dient, etwa zur Erlangung einer Mehrheitsbeteiligung erfolgt, doch Spekulanten durch den Preisanstieg zu Leerverkäufen veranlaßt werden, ohne daß der Aufkäufer dies weiß oder will.117 Insofern bedarf es auch hier des Nachweises der manipulativen Absicht.

c) Beeinflussung der Marktliquidität Manipulationsmöglichkeiten ergeben sich durch Verringerung oder Erweiterung der Marktliquidität, das heißt der Anzahl der tatsächlich am Markt erhältlichen Stücke eines Vermögenswertes. Durch eine Verknappung reagiert der Preis sensitiver auf Veränderungen von Angebot oder Nachfrage, so daß andere Manipulationstechniken größeren Erfolg haben. Zum anderen führt schon allein die Verknappung zu steigenden Preisen. Gleiches gilt in entgegengesetzter Richtung für die Erhöhung der Liquidität.118

(1) Marktverknappung (insb. parking und warehousing) Eine Möglichkeit zur Marktverknappung besteht darin, Zurückhalteabkommen mit Eignern großer Anteilspakete zu schließen, in denen diese sich verpflichten, die Papiere während eines bestimmten Zeitraumes nicht auf den Markt zu bringen bzw. solche Absprachen bereits bei der Emission zu treffen.119 Ein anderer Weg besteht im massiven Aufkauf der am Markt erhältlichen Stücke und deren Immobilisierung. Hier kommen häufig die parking bzw. warehousing genannten Strategien zum Einsatz. Beide sind eng miteinander verwandt und werden deshalb gelegentlich synonym verwandt. Dennoch bestehen feine Unterschiede: Unter warehousing versteht man den Kauf von Vermögenswerten durch einen Strohmann für den Manipulanten.120 Bei parking hin___________ a.a.O.). – Die Deutsche Bank mußte sich 2002 wegen Marktmißbrauchs vor dem Sanktionsausschuß der Terminbörse Eurex verantworten. Ihre Anleihehändler hatten im März 2001 das Angebot an Bundesobligationen künstlich verknappt, so daß andere Banken, die die Papiere zur Erfüllung eigener Verpflichtungen dringend benötigten, hohe Preise zahlen mußten. Der Gewinn wird dieses sog. „Bobl-Squeeze“ wird auf 50 Mio. Euro geschätzt. (vgl. Die Zeit v. 11. April 2002, S. 32). 117 So zu Recht Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 20. 118 Vgl. de Toro, 17 Sec. Reg. L. J. 241, 250 (1989). 119 Jacobs, 18 N.Y.L.F. 511, 546 f. (1973). 120 Lowenfels/Bromberg, Alb. L. Rev. 293, 338 (1991).

D. Systematisierung der manipulativen Verhaltensweisen

35

gegen werden bereits gehaltene Anteilspakete auf fremde Depots temporär ausgelagert.121 Das kann nach Absprache geschehen, aber auch vom Empfänger unbemerkt, wenn der Manipulant beispielsweise als Wertpapierhändler (befugten) Zugriff auf dessen Depot hat und so die Papiere dort unterbringen kann. Bemerkt der Depotinhaber die Buchung, wird sie rückgängig gemacht und als Fehler dargestellt.122 Neben der Immobilisierung kann ein weiterer Zweck des parking/warehousing darin bestehen, den Aufbau einer wesentlichen Beteiligung zu verbergen,123 beispielsweise um damit Meldevorschriften bei Erreichen bestimmter Schwellenwerte (vgl. §§ 21 ff. WpHG) zu umgehen.124 Dies ist zwar an sich keine Manipulation im hier verstandenen Sinne, kann jedoch zur Unterstützung benutzt werden, beispielsweise um das Ausmaß von Transaktionen zu verschleiern und dadurch vorzeitige Preisänderungen zu vermeiden.125

(2) Markterweiterung Die umgekehrte Vorgehensweise der kurzfristigen Erhöhung der Marktliquidität zur Preissenkung wird häufig um den Jahreswechsel praktiziert. Ein Großaktionär einer Gesellschaft, deren restliche Anteile auf einem engen Markt gehandelt werden, verkauft einige Stücke. Das führt zu einem Preisrückgang. Im neuen Jahr können die Papiere in aller Regel zu einem ähnlichen Preis zurückgekauft werden. Hintergrund dieser auf den ersten Blick sinnlosen Übung ist die Beeinflussung einer auf dem Jahresendkurs basierenden Abrechnung (beispielsweise für die Steuer).126

___________ 121 Lowenfels/Bromberg, Alb. L. Rev. 293, 339 (1991). Letztlich werden die Pakete dadurch hin- und hergeschoben, was zu einem fiktiven Charakter der Transaktion führt. Häufig wird parking auch eingesetzt, um regen Handel vorzutäuschen, also zu einem für fiktive Geschäfte typischen Zweck (vgl. Lowenfels/Bromberg, a.a.O.). 122 Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 26. 123 Lee, Comp. Law. 1993, 14(5), 84, 88; s. bspw. Champion Parts, Inc. v. Oppenheimer & Co., 878 F.2d 1003, 1005 (7th Cir. 1989). 124 In Deutschland: §§ 21 ff. WpHG; weitere (EU-)Länder bei U.H. Schneider, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, Vor § 21 Rn. 3 Fn. 1; in den USA: Sec. 13 (d) SEA. 125 Näher Altendorfer, in: Aicher/Kalss/Oppitz (Hrsg.), Grundfragen, S. 216; Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 27 f. 126 Watter, SZW 1990, 193, 198.

1. Kap.: Marktmanipulationen

36

d) Kurspflege, Kursstabilisierung, Marktpflege Die Begriffe Kurspflege127, Marktpflege oder Kursstabilisierung werden in der Literatur nicht einheitlich gebraucht. Sie können in einem weiten Sinn verstanden werden und sind dann nichts anderes als eine euphemistische Umschreibung einer Manipulation;128 auf sie kann ohne weiteres verzichtet werden. Im folgenden wird deshalb ein enger Begriff zugrunde gelegt. Danach ist Kurspflege (synonym: Kursstabilisierung, Marktpflege) die gezielte Einwirkung auf den Börsenkurs eines Wertpapieres, um Zufallsschwankungen zu vermeiden, die nicht durch die aktuelle Geschäftslage des Emittenten oder die allgemeine Marktentwicklung begründet sind.129 Mittels verschiedener Maßnahmen (bloße An- und Verkäufe der betroffenen Papiere, aber auch Terminkontrakte sowie eine eventuelle Mehrzuteilungsoption, sog. „greenshoe“130) wird versucht, plötzlich fallende Kurse zu stützen sowie streng anziehende oder übersteigerte Notierungen zu dämpfen.131 Zumeist geht es dabei um die Glättung (Stabilisierung) abrupter Preisbewegungen nach oben oder unten im Rahmen von Primär- bzw. Sekundärplazierungen von Wertpapieren.132 Nicht hierher sollten hingegen alltägliche Schwankungen gehören, selbst wenn diese von erheblichem Ausmaß sind. Für die Zulässigkeit und die ökonomische Sinnhaftigkeit einer so verstandenen Kurspflege werden viele Gründe genannt. Der Anleger könne durch abrupte Kursausschläge erschreckt und verunsichert und dadurch zu unrichtigen Anlageentscheidungen hingerissen werden133, der Plazierungserfolg könnte gefährdet, die spätere Marktpräsenz beeinträchtigt werden134 etc.135 Nicht weniger gewichtige Argumente lassen sich aber gegen eine Einmischung in den Markt ___________ 127

Zum Thema Meißner, Stabilisierung; ferner Ekkenga, WM 2002, 317 ff.; Fleischer, ZIP 2003, 2045 ff.; Jennings/Marsh/Coffee, Securities Regulation, Ch. 11 Sec. 1 (S. 584 ff.); Krämer/Hess, FG Döser, S. 171 ff.; Meyer, AG 2004, 289 ff.; Schäfer, WM 1999, 1345 ff.; Vogel, WM 2003, 2437 ff. 128 So wenn z.B. die Kurspflege als Mittel des Marketings (Watter, SZW 1990, 193, 197), der Übernahmeabwehr oder Bilanzpflege (Schäfer, WM 1999, 1345, 1346 f.), der Sicherung des Emissionserfolges (Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 14) etc. verstanden wird. 129 Ekkenga, WM 2002, 317 m.w.N. 130 Vgl. Krämer/Hess, FG Döser, S. 171, 173 f. 131 Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 117. 132 Schäfer, WM 1999, 1345. 133 Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 117 f. u. 495. 134 Ekkenga, WM 2002, 317. 135 Ausführlich Ekkenga, WM 2002, 317 ff.; Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 117 f. u. 495-497; Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 14-16; Schäfer, WM 1999, 1345 ff.

D. Systematisierung der manipulativen Verhaltensweisen

37

durch Kurspflege finden. So nimmt sie nicht nur die Möglichkeit zu gewinnbringenden Spekulationen, sondern kann zu Fehlspekulationen führen.136 Auch kann der Kurs nach Ende der Kurspflegemaßnahme um so stärker fallen und all jene schädigen, die auf dem gestützten Niveau gekauft haben.137 Zudem führt die Kurspflege dazu, daß die Papiere zu „falschen“ Kursen den Eigentümer wechseln, was gesamtwirtschaftlich eigentlich unerwünscht ist.138 Diese hier nicht zu vertiefende Diskussion ändert jedoch nichts an der Tatsache, daß jede Kurspflege (auch wenn sie nur zur Glättung von Spitzen angewandt wird) danach strebt, eine richtige Kursbewegung zu verlangsamen.139 Sie ist daher stets eine (handelsgestützte) Manipulation im Sinne der hier verwendeten Definition. Das gilt sowohl objektiv – es wird auf die Marktparameter (Angebot bzw. Nachfrage) eingewirkt – als auch subjektiv – dies geschieht zum Zwecke der Beeinflussung des Kurses. Insofern wird sich im Rahmen des Manipulationsverbotes die Frage stellen, wie eine gegebenenfalls erwünschte Kurspflege von der unerwünschten Manipulation abzugrenzen ist. Dabei ist auf die angerissenen Interessenkonflikte Rücksicht zu nehmen.

e) Designated Sponsoring Unter bestimmten Umständen muß für bestimmte Wertpapiere ein sog. Designated Sponsor gestellt werden. Dieser hat die Aufgabe, für zusätzliche Liquidität im Handel mit dem „gesponserten“ Wertpapier zu sorgen, um temporäre Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage abzumildern. Das dient dazu, starke Preisbewegungen (hohe Volatilität), die durch dieses Ungleichgewicht auftreten würden, zu vermeiden. Im Ergebnis handelt es sich also um handelsgestützte Manipulationen. Diese erfolgen durch Kauf- bzw. Verkaufsaufträge, zu deren Abgabe der Designated Sponsor verpflichtet ist.140

III. Handlungsgestützte (action-based) Manipulationen

Die dritte Kategorie sind die sog. handlungsgestützten Manipulationen. Diese zeichnen sich dadurch aus, daß versucht wird, die beabsichtigte Kursänderung über die Einwirkung auf den inneren Wert des betroffenen Unternehmens ___________ 136

Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 495. Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 496; Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 15. 138 So zu Recht Watter, SZW 1990, 193, 199. 139 Hanley/Kumar/Seguin, J. Finan. Econ. 34 (1993), 177, 181; Benveniste/Erdal/ Wilhelm, J. Banking Finance 22 (1998), 741, 743. 140 Gebhardt, WM-Sonderbeil. 2/2003, S. 16. 137

1. Kap.: Marktmanipulationen

38

herbeizuführen.141 Nach der Kapitalmarkttheorie soll der Aktienkurs zumindest langfristig den Unternehmenswert widerspiegeln.142 Dieser Wert hängt seinerseits von einer Vielzahl von Faktoren ab. Dazu gehören neben „harten“ Fakten wie dem Unternehmensvermögen auch „weiche“ Umstände wie die Geschäftsaussichten, die Reputation des Unternehmens, der good will etc. Der Manipulant nimmt nun auf diese Faktoren Einfluß und erwartet eine Widerspiegelung im Aktienkurs. Die Möglichkeiten dazu sind vielfältig und reichen von physischen Eingriffen in Vermögensgegenstände bis zur bloßen Verbreitung von Nachrichten. Ebenso vielfältig sind die dazu in Betracht kommenden Personen. Das können nicht nur Unternehmensangehörige (Manager, Angestellte), sondern auch Externe sein. Dazu einige Beispiele aus den USA: 1901 leerverkauften Manager der American Steel and Wire Company Aktien der Gesellschaft und schlossen anschließend ihre Walzwerke. Nach dem Bekanntwerden dieser Nachricht fiel der Kurs von rund US-$ 60 auf rund US-$ 40. Die Manager deckten ihre zuvor getätigten Leerverkäufe und öffneten die Walzwerke wieder. Der Kurs stieg auf das ursprüngliche Niveau.143 Ein früherer Angestellter eines Wertpapierunternehmens versetzte Produkte eines Pharma-Unternehmens mit Rattengift, legte diese in Geschäfte und informierte das Fernsehen sowie den Hersteller. Dieser rief die betroffenen Produkte mit erheblichem finanziellen Aufwand zurück. Der Manipulant wollte auf diese Weise den Kurs des Pharma-Unternehmens senken, um seine zuvor erworbenen Verkaufsoptionen gewinnbringend auszunutzen.144 Ferner gehört hierher auch der bereits beschriebene Fall der Harlem Railway Corner. Dort wurde der Preis der Harlem Railway-Aktien durch den Entzug der Konzession gedrückt.145

Diese Beispiele machen deutlich, daß der Erfolg der handlungsgestützten Manipulationen häufig maßgeblich davon abhängt, daß die Handlung dem Börsenpublikum bekannt wird. Nur so kann sich die tatsächliche Beeinflussung des Unternehmenswertes auch im inneren Wert der Aktie und schließlich in deren Preis niederschlagen. Dieser läßt sich eben nicht mathematisch aus dem Unternehmenswert berechnen, sondern bildet sich durch die sich in Angebot und Nachfrage widerspiegelnde Wertschätzung der Anleger. Insofern sind die handlungsgestützten Manipulationen den informationsgestützten Manipulationen sehr ähnlich und die Grenzen zwischen beiden verwischen. Eine randscharfe Abgrenzung ist im Einzelfall schwierig, wenn nicht sogar unmöglich. So ist die Verbreitung des (unwahren) Gerüchtes, ein Unternehmen sei in Liquiditäts___________ 141

Rudolph/Röhrl, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 187. Vgl. Dette, Kursbildung, S. 25; Kasperzak, Aktienkursbildung, S. 121; ferner Saari, 29 Stan. L. Rev. 1031, 1035 Fn. 23 (1977). 143 Fall nach Allen/Gale, Rev. Finan. Stud. 5 (1992), 503, 504. 144 Fall nach Thel, 1988 Colum. Bus. L. Rev. 359, 389. 145 Siehe o. D II 2 b (S. 32). 142

E. Weitere Manipulationstechniken

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schwierigkeiten, ohne Zweifel eine informationsgestützte Manipulation. Zugleich kann eine solche Nachricht aber auch auf den Unternehmenswert wirken, wenn nämlich die Kreditwürdigkeit leidet und dadurch (zukünftige) Unternehmensaktivitäten nicht mehr durch Kreditaufnahmen oder Aktienausgaben finanzierbar sind.146 Insoweit handelt es sich auch um eine handlungsgestützte Manipulation. Auch das als handlungsgestützte Manipulation identifizierte greenmailing (Übernahmedrohung)147 läßt sich ohne weiteres als Manipulation durch Informationsverbreitung einordnen. Überhaupt ist hierbei nicht geklärt, ob eine Übernahmedrohung tatsächlich Einfluß auf den Unternehmenswert hat. Es spricht einiges dafür, daß die Kursrelevanz hier allein aus spekulativen Geschäften im Hinblick auf die erwartete Übernahme resultiert. Eine Unterscheidung mag man darin sehen, daß handlungsgestützte Manipulationen eine über die Verbreitung einer Information hinausgehende primäre Wirkung aufweisen. Informationsgestützte Manipulationen hingegen erschöpfen sich in der Kundgabe der Information.

E. Weitere Manipulationstechniken Neben diesen Grundformen von Manipulationstechniken gibt es weitere manipulative Verhaltensweisen, die einer pauschalen Einordnung in diese drei Kategorien der Manipulationen nicht zugänglich sind.148 Vielmehr handelt es sich dabei um die Beschreibung komplexer Situationen, bei denen mittels einer Kombination unterschiedlicher Verhaltensweisen versucht wird, auf einen Preis Einfluß zu nehmen.

I. Painting the tape und marking the close

Der Terminus painting the tape steht für Verhaltensweisen, mittels derer der Eindruck lebhaften Handels in einem Vermögensgegenstand erweckt wird, um dadurch andere zu gleichen Geschäften zu animieren.149 Die Bezeichnung rührt daher, daß man ursprünglich die Anzeigetafel im Börsensaal, auf der Kurse und Umsätze von Wertpapieren dargestellt werden, vor Augen hatte. ___________ 146

Vgl. Dette, Kursbildung, S. 25 Fn. 105. Vgl. Rudolph/Röhrl, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 187. 148 In der Literatur werden sie gleichwohl meist den handelsgestützten Manipulationen durch effektive Geschäfte zugeschlagen. 149 Dazu Fischel/Ross, 105 Harv. L. Rev. 503, 536 f. (1991); o. Verf., 46 Yale L. J. 624, 626 f. (1937); Crane Co. v. Westinghouse Air Brake Co., 419 F.2d 787, 793-795 (2nd Cir. 1969), cert. denied 400 U.S. 822. 147

40

1. Kap.: Marktmanipulationen

Marking the close dagegen beschreibt das gezielte Beeinflussen von Schlußkursen.150 Für eine Reihe von Dingen, beispielsweise die Berechnung des Wertes von Investmentfondsanteilen, sind Preise einer bestimmten Zeit (zumeist die Schlußkurse) von Bedeutung, die deshalb gezielt manipuliert werden.151 Beide Verhaltensmuster sagen jedoch nichts darüber aus, wie es zur entsprechenden Handelsentwicklung kommt. In Betracht kommen hierfür alle Maßnahmen, die Umsatz generieren, also insbesondere die bereits genannten fiktiven Geschäfte, aber auch effektive Geschäfte. Denkbar ist weiterhin die exakt terminierte Verbreitung von umsatzsteigernden Informationen, etwa die Abgabe von Ad hoc-Mitteilungen kurz vor Ende des Handels.

II. Creating a price-trend and trading against it

Creating a price-trend and trading against it beschreibt eine typische Verhaltensweise eines Manipulanten. Dieser versucht zunächst, eine allmähliche Preisbewegung hervorzurufen („creating a price-trend“). Er hofft dabei darauf, daß diese Bewegung von anderen Marktteilnehmern wahrgenommen wird und diese daraufhin – etwa weil sie vermuten, er habe Insiderinformationen oder weil die Preisbewegung Signale für die technische Analyse gibt – in gleicher Weise handeln. Dies verstärkt die angestoßene Preisbewegung. Der Manipulant kann nun ein entgegengesetztes Geschäft durchführen („trading against it“) und den manipulierten Preis für sich ausnutzen. Wiederum ist damit noch keine Aussage getroffen, auf welchem Wege die initiale Preisbewegung hervorgerufen wurde.

III. Stop loss-/stop buy-order fishing

Die sog. stop-orders werden den Anlegern von den Wertpapierdienstleistern angeboten. Es handelt sich dabei um eine Art bedingten Kauf- bzw. Verkaufsauftrag, der erst dann ausgeführt wird, wenn der Kurs des Wertpapieres eine bestimmte Marke erreicht hat. Unterschreitet er die stop-loss-Marke, wird ein unlimitierter Verkaufsauftrag („bestens“) ausgelöst, der zum nächstmöglichen Kurs ausgeführt wird. Umgekehrt löst ein Überschreiten einer stop-buy-Marke einen unlimitierten Kaufauftrag („billigst“) aus. Der Manipulant versucht nun, durch gezielte Manipulation des Kurses eines Finanzinstruments eine Vielzahl von stop-orders für dieses Finanzinstrument ___________ 150 Avgouleas, S. 137; Thel, Cornell L. Rev. 219, 257 (1994). Vgl. auch Art. 1 Nr. 2 2. Spiegelstr. MMRL. 151 Ferner auch die Berechnung mancher Indices usw., vgl. dazu u. G II (S. 46).

E. Weitere Manipulationstechniken

41

auszulösen.152 Der dadurch generierte massive Kauf- bzw. Verkaufsdruck hat dann den vom Manipulanten gewünschten Einfluß auf den Kurs, den er gewinnbringend ausnutzen kann. Presseberichten153 zufolge sollen derartige Verhaltensweisen insbesondere an der europäischen Terminbörse Eurex aufgetreten sein.

IV. Advancing the bid, pump and dump

Auch advancing the bid und pump and dump werden teilweise als eigene Manipulationstechniken aufgeführt und zu den Manipulationen durch effektive Geschäfte gerechnet154. Dies ist jedoch insoweit unzutreffend, als die Bezeichnung advancing the bid lediglich die Erhöhung der Nachfrage nach einem Vermögensgegenstand zur Steigerung dessen Preises umschreibt, ohne die dazu eingesetzten Mittel zu bezeichnen oder auf effektive Geschäfte zu beschränken. So kann die Nachfrage auch durch die Verbreitung einer Information angeregt werden. Und auch pump and dump umschreibt zunächst nur ein manipulatives Handlungsmuster. Erst wird der Kurs durch sukzessiv höhere Kaufaufträge „aufgepumpt“ und dann der Titel auf hohem Niveau „abgestoßen“.155 Dies kann zwar durch effektive Geschäfte im betroffenen Vermögensgegenstand geschehen; geeignet sind aber auch fiktive Transaktionen.

V. Pools

Ebenfalls keine besondere Form von Manipulationen sind die sog. Pools. Vielmehr handelt es sich dabei um einen Zusammenschluß mehrerer Personen, die gemeinsam durch koordiniertes Verhalten auf den Preis eines Wertpapieres Einfluß nehmen wollen.156 Dabei kommen oft unterschiedliche Manipulationstechniken gleichzeitig zur Anwendung. Pools hatten ihre Blütezeit in den 1920er und 1930er Jahren in den USA. So sollen 1929 bei 107 an der NYSE no___________ 152

So könnte er beispielsweise Leerverkäufe tätigen, was zur Erhöhung des Angebotes und damit tendenziell zu einer Senkung des Kurses führt. S. auch o. Verf., 46 Yale L. J. 624, 627 Fn. 14 (1937). 153 FAZ v. 8. April 2000, S. 25, 26. 154 So z.B. im Entwurf der MMRL (ZBB 2002, 144-158), Anhang Abschnitt B. Ebenso die Begr. KuMaKV, BR-Drs. 639/03, S. 12. 155 Meißner, Stabilisierung, S. 68; Ziouvas, ZGR 2003, 113, 130. 156 Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 492 f.; Poser, 40 U. Miami L. Rev. 671, 691-697 (1986); Mathias, 3 U Pitt. L. Rev. 7, 19 f. (1936); o. Verf., 46 Yale L. J. 624, 626-628 (1937); eingehend S. Rep. No. 1455, 73rd Cong., 2nd Sess., 1934, S. 30 ff.

1. Kap.: Marktmanipulationen

42

tierten Aktien Pools tätig gewesen sein.157 Ähnliche Berichte gibt es aber auch für die deutschen Börsen vor dem ersten Weltkrieg sowie noch wesentlich früher in den Niederlanden.158 Um welche finanziellen Werte es dabei gehen kann, zeigt der sog. „Radio Pool“ aus dem Jahre 1929159: Innerhalb von fünf Tagen wurden 998.400 Aktien verkauft und 1.176.300 Aktien gekauft (zumeist wash sales). Der Aktienkurs stieg aufgrund der fiktiven Handelstätigkeit von US-$ 93 auf US-$ 109. Bis zum Ende dieser Phase hatte der Pool Leerverkäufe im Umfang von 187.900 Aktien aufgebaut, die er einen Monat später nach dem unvermeidlichen Rückgang zu einem Kurs von US-$ 80 glattstellen konnte. Der Gewinn betrug rund 5 Mio. US-$.

Die Mitglieder eines Pools mußten dabei nicht zwangsläufig in das konkrete Geschehen eingebunden sein. Häufig beschränkte sich ihr Beitrag darauf, das notwendige Kapital zur Verfügung zu stellen und später an der erfolgreichen Tätigkeit des von einem Generalbevollmächtigten „betreuten“ Pools zu partizipieren (sog. „blind pools“).160

F. Keine Manipulationstechniken Obwohl häufig mit ihnen in Verbindung gebracht, sind sowohl churning als auch late-trading bzw. market-timing keine Manipulationstechniken. Der Profit ergibt sich hier aus anderen Gründen als durch die Beeinflussung von Kursen.

I. Churning

Beim churning (auch Provisions- oder Spesenschinderei) handelt es sich um eine primär anlegerschädigende Verhaltensweise, die darin besteht, durch unnötig häufiges Umschichten eines zur Verwaltung anvertrauten Kundendepots ___________ 157

S. Rep. No. 1455, 73rd Cong., 2nd Sess., 1934, S. 32f mit einer Aufzählung der betroffenen Unternehmen in Fn. 90 und 91. Dort auch Zahlen weiterer Jahre und bzgl. der New York Curb Exchange (ab 1921 American Stock Exchange – AMEX). – Die kriminelle Energie der Pools der damaligen Zeit erschöpfte sich nicht in der Anwendung der hier aufgezeigten Techniken. Zusätzlich wurden Finanzjournalisten und Broker bestochen, Angehörige der Top-Managements in die Manipulation mit einbezogen, Insidergeschäfte getätigt etc. (dazu S. Rep. No. 1455, 73rd Cong., 2nd Sess., 1934, S. 36 ff.). Vgl. auch Poser, 40 U. Miami L. Rev. 671, 694 (1986). 158 Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 135 m.w.N. 159 Dazu Watter, SZW 1990, 193, 197, Fn. 25. Noch wesentlich profitabler war der Sinclair Consolidated Oil pool mit rund US-$ 12,6 Mio. Gewinn (ausf. Teweles/Bradley, Stock Market, S. 337 ff.). Weitere Pools sind beschrieben bei Dice/Eiteman, Stock Market, S. 309-314. 160 Siehe Dice/Eiteman, Stock Market, S. 309.

G. Zweck von Manipulationen

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Provisionen und Gebühren zu verdienen.161 Dazu werden für das Depot Transaktionen vorgenommen, ohne daß diese durch ein Investitionsinteresse veranlaßt sind. Entweder wird ein Papier mehrfach innerhalb kurzer Zeit ge- und verkauft (in and out trading) oder es wird zwischen den verschiedenen vom Broker betreuten Depots hin- und hergebucht (sog. „Rundschicken“ oder cross trading).162

II. Late-Trading, Market-Timing

Ebenfalls keine Manipulationstechniken sind schließlich die insbesondere im Investmentfondsgeschäft anzutreffenden Verhaltensweisen late-trading und market-timing.163 Der Profit rührt bei ersterer daher, daß privilegierte Personen Fondstransaktionen noch nach dem offiziellen Annahmeschluß für Aufträge vornehmen und dabei die zwischenzeitliche Kursentwicklung der im Fonds enthaltenen Vermögenswerte in die Entscheidung mit einbeziehen können. Bei der zweiten werden Zeitdifferenzen zwischen Börsenschluß und der Fondsanteilberechnung ausgenutzt. Weil aber in beiden Fällen nicht auf den Anteilswert oder die zugrundeliegenden Vermögenswerte Einfluß genommen wird, sind solche Geschäfte keine Manipulationen, sondern eher mit dem Insiderhandel vergleichbar.

G. Zweck von Manipulationen Nach diesem Überblick über die verschiedenen Manipulationstechniken soll nun auf deren Zweck, das heißt vor allem die mit ihnen verbundenen, nicht minder vielfältigen Gewinnmöglichkeiten eingegangen werden. Diese Kenntnisse sind wichtig für den Nachweis der Manipulationsabsicht sowie für die sachgerechte Ausgestaltung etwaiger Handelsverbote. Ferner läßt sich der An___________ 161 BGH, WM 2004, 1768 ff. – Brokerhaftung = WuB IV A. § 826 BGB 2.04 Gramlich; BGH, WM 1995, 100, 101 f.; BGH, WM 1999, 2249, 2250; eingehend Hilgard, WM 2006, 409 ff.; Rössner/Arendts, WM 1996, 1517 ff.; ferner Barta, BKR 2004, 433, 434 f. – Das US-amerikanische Recht behandelt churning als Manipulation unter Sec. 10 (b) SEA/Rule 10b-5, s. grdl. Noris & Hirschberg Inc. v. Securities & Exchange Commission, 177 F.2d 228 (D.C. 1949); weitere Fälle bei Rössner/Arendts, WM 1996, 1517, 1518 Fn. 23; ferner Jennings/Marsh/Coffee, Securities Regulation, Ch. 11 Sec. 2 (S. 630 f.); Hazen, Securities Regulation, § 14.20 (S. 846 ff.). 162 Weitere Beispiele bei Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 480; Rössner/Arendts, WM 1996, 1517, 1521 f. 163 Instruktiv dazu Jaeger, FTD v. 27. November 2003, S. 30; Schwerdtfeger, Wirtschaftswoche Nr. 50 v. 4. Dezember 2003, S. 118 ff.

1. Kap.: Marktmanipulationen

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reiz zu Manipulationen reduzieren, wenn man die Gewinnmöglichkeiten beschränkt. Der Zweck einer Manipulation kann zum einen darin bestehen, die Differenz zwischen ursprünglichem und manipuliertem Preis des betroffenen Vermögensgegenstandes oder davon abhängiger Vermögensgegenstände auszunutzen. Dies wird im folgenden als direkte Gewinnmöglichkeit bezeichnet. Zum anderen kann die Preisbeeinflussung aber auch darüber hinausgehende wirtschaftlich relevante Folgen auslösen. Diese werden nachfolgend als indirekte Gewinnmöglichkeiten erörtert. Eine randscharfe Abgrenzung ist dabei weder möglich noch beabsichtigt. Überdies kann eine Manipulation beide Ziele zugleich verfolgen.

I. Direkte Gewinnmöglichkeiten

1. Nutzung der Preisdifferenz des manipulierten Vermögenswertes Naheliegend ist es, einfach die Preisbewegung des manipulierten Vermögensgegenstandes auszunutzen. Eine Aufwärtsbewegung (bull-Manipulation) nutzt man, um den vorher aufgebauten Bestand mit Gewinn zu verkaufen, die Abwärtsbewegung (bear-Manipulation), um günstig einzusteigen.164 Diese Möglichkeit ist mit relativ großem Kapitalaufwand für den Erwerb der Finanzinstrumente verbunden. Dem stehen – abgesehen von immer wieder vorkommenden spektakulären Fällen – in der Regel verhältnismäßig geringe Kursdifferenzen und damit auch nur beschränkte Gewinne gegenüber. Das gilt besonders für die handelsbezogenen Manipulationen mittels effektiver Geschäfte. Hier muß sich an das manipulative Geschäfte ein Geschäft in entgegengesetzter Richtung anschließen, um den Gewinn zu erzielen. Jedoch wird allein dadurch ein guter Teil der Kursdifferenz wieder egalisiert.165 Darüber hinaus sind solche Geschäfte verhältnismäßig leicht erkennbar und nachzuweisen.

___________ 164 In der Regel ist der Manipulant zwar gar nicht an einem (langfristigen) Investment interessiert. Er kann jedoch darauf spekulieren, daß der Preis nach Bekanntwerden des manipulativen Angriffs wieder auf sein Ausgangsniveau zurückkehrt, um dann die Anteile mit Gewinn abstoßen zu können. 165 Vgl. dazu o. D II 2 (S. 28) mit den Nachweisen in Fn. 88.

G. Zweck von Manipulationen

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2. Einsatz von Derivaten Erheblich lukrativer und schwieriger nachzuvollziehen ist der Einsatz von Derivaten. In der einfachsten Form kauft der Manipulant Optionen166 auf den zu manipulierenden Titel. Die Preisbewegung des Basiswertes (underlying) überträgt sich verstärkt durch den Hebeleffekt auf die Option, die anschließend mit großem Gewinn verkauft werden kann. Neben den geringen Kapitalkosten für die Optionen kann der Manipulant hier direkt nicht nur am Preisanstieg (mittels Kaufoptionen) partizipieren, sondern mittels Verkaufsoptionen auch am Preisrückgang, da diese bei sinkenden Preisen des Basiswertes im Wert steigen. Beides läßt sich im übrigen kombinieren und dadurch die nach erfolgreicher Manipulation unvermeidliche Rückkehr zum Ausgangsniveau nutzen. Insbesondere Optionen können zudem eine Strategie zur Verminderung und Kalkulierung des Risikos einer Manipulation sein. Schlägt diese fehl, das heißt, kommt es nicht zur gewünschten Preisentwicklung, läßt der Manipulant seine Option verfallen und verliert damit lediglich die gezahlte Optionsprämie.167 Auf der anderen Seite versucht der Stillhalter des Derivates den Preis des Basiswertes in die entgegengesetzte Richtung zu manipulieren, da für ihn nur dann ein Gewinn möglich ist. Im einfachsten Falle geht es darum, einen günstigen Deckungskauf zur Glattstellung eines fälligen Leerverkaufs zu ermöglichen. Es lassen sich deshalb kurz vor den Verfallstagen von Options- und Terminkontrakten besonders starke Kursbewegungen der zugrundeliegenden Titel beobachten, insbesondere, wenn sich viele Fälligkeiten häufen (sog. „Hexen___________ 166 Eine Option gibt deren Inhaber das Recht (und nicht auch die Pflicht wie bei Futures, die hier jedoch genauso zum Einsatz kommen können), den zugrundeliegenden Basiswert (underlying) innerhalb eines bestimmten Zeitraumes zu einem bereits festgelegten Preis vom Stillhalter der Option zu kaufen (Call-Option) oder an diesen zu verkaufen (Put-Option). Für dieses Recht zahlt der Optionsinhaber dem Stillhalter eine Optionsprämie, die letzterer in jedem Falle behalten darf und deshalb dessen Gewinn ist. Die Option selbst hat auch einen Wert, der sich unter anderem aus dem Preis des zugrundeliegenden Basiswertes berechnet. Ein wesentliches Merkmal der Option besteht darin, daß sich Preisänderungen des Basiswertes um ein Vielfaches verstärkt in deren Wert niederschlagen, sog. Hebelwirkung oder leverage-Effekt. Dadurch genügen verhältnismäßig geringe Preisänderungen im Basiswert, um erhebliche Gewinne zu erzielen. – Von diesem (vereinfachten) Grundmodell ausgehend, gibt es eine unüberschaubare Anzahl von Finanzinnovationen, mittels derer jede beliebige Kursbewegung ebenso gewinnbringend genutzt werden kann, wie deren Stillstand. Ferner geht es hier im allgemeinen auch nicht mehr um die tatsächliche Lieferung des underlyings. Dieses dient nur noch als Rechengröße, in deren Abhängigkeit sich der Wert des Produktes entwickelt; die Gewinnrealisierung erfolgt durch entsprechende Geldauszahlungen. – Ausf. zum Ganzen Eilenberger, Lexikon der Finanzinnovationen; Eller, in: Eller (Hrsg.), Handbuch derivativer Instrumente, S. 3-38; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 14.1 ff. 167 Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 23.

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1. Kap.: Marktmanipulationen

sabbat“).168 Dahinter werden Halter bzw. Stillhalter der Derivate vermutet, die ihre Profite maximieren und sichern wollen.

3. Investmentfonds Gewinnmöglichkeiten eröffnen schließlich auch Investmentfonds. Deren Preise errechnen sich direkt aus den Preisen der in ihnen enthaltenen Wertpapiere. Deren Preisbeeinflussung schlägt sich damit unmittelbar im Anteilspreis des Fonds nieder. Da ein Investmentfonds zur Risikodiversifikation und Volatilitätsminderung immer aus unterschiedlichen Anteilen besteht, fällt seine Preisbewegung, anders als bei den Derivaten, geringer aus, als die des manipulierten Wertpapieres selbst. Diese kann dennoch zum gewinnbringenden Kauf oder Verkauf ausgenutzt werden und hat überdies im Falle der Untersuchung von Unregelmäßigkeiten bei der Preisbildung den Vorteil, aufgrund der weiten Verbreitung von Investmentfonds auch und vor allem bei Kleinanlegern169, weniger verdächtig zu sein, als die Innehabung einer Derivateposition. Einem potentiellen Täter, der die betroffene Aktie oder sogar ein entsprechendes Derivat in seinem Depot hat, dürfte die Manipulationsabsicht eher nachzuweisen sein, als wenn er lediglich Investmentfondsanteile besitzt.

II. Indirekte Gewinnmöglichkeiten

1. Beeinflussung der Berechnungsgrundlage Der Preis eines Vermögenswertes kann in vielerlei Hinsicht als Berechnungsgrundlage für ein anderes Geschäft, Vergütungen oder Provisionen dienen. Zu denken ist hierbei zunächst wiederum an Investmentfonds. Deren Wert bzw. Wertzuwachs ist meist Grundlage für die Vergütung des Fondsmanagements. Neben einer prozentualen Beteiligung können zusätzlich Boni vereinbart sein, wenn die Performance des Fonds eine bestimmte Höhe erreicht. Hierdurch entsteht ein Anreiz, die Hürde zu überwinden. Dazu kann es zum Einsatz manipulativer Mittel kommen. Ferner zieht eine überdurchschnittliche Wertentwicklung neue Investoren an. Aus den USA wird von Fällen berichtet, in ___________ 168 Weber, NZG 2000, 113, 114. – Hexensabbat (eigentlich „großer Verfallstag“) ist viermal im Jahr, stets am dritten Freitag des letzten Monats jeden Quartals. Hier verfallen an der Eurex und an vielen anderen Börsen weltweit Optionen und Futures auf Indizes, Aktien und sonstige Vermögensgegenstände. Es kommt typischerweise zu einem starken Anstieg der Handelsvolumina und erheblichen Kursturbulenzen, da alle Beteiligten versuchen, die Preise der Basiswerte in die für sie günstige Richtung zu beeinflussen. 169 Vgl. Strenger/Bergmann, in: Obst/Hintner, S. 898 f.

G. Zweck von Manipulationen

47

denen jeweils kurz vor Ende des letzten Handelstages vor dem Berechnungsstichtag für den Fonds massive Käufe getätigt wurden, die zu höheren Anteilspreisen und damit zu höheren Vergütungen führten. Die anschließend eintretenden Verluste durch die auf das normale Niveau sinkenden Kurse trug der Fonds.170 Überhaupt lassen sich durch manipulierte Kurse Kundenabrechnungen beeinflussen.171 Der Preis bzw. die Wertentwicklung über einen bestimmten Zeitraum dient in zunehmendem Maße der zumindest anteiligen Vergütung des Managements, aber auch von Mitarbeitern, so daß auch hier Anreize für unlautere Beeinflussungen entstehen können.172 Denkbar ist aber auch der bereits beschriebene Fall der Beeinflussung einer auf Basis von Wertpapierkursen berechneten Steuer.173 Vor dem Stichtag wird der Kurs durch vorsichtige Verkäufe gedrückt; wenige Tage später werden die Papiere zurückgekauft. Hier kann es sogar wirtschaftlich Sinn machen, einen Kursverlust in Kauf zu nehmen. Im weiteren Sinne gehört hierher auch eine anstehende Kapitalerhöhung. Der Emissionskurs einer Zweitplazierung kann in aller Regel nicht über dem aktuellen Börsenkurs angesetzt werden, da dann kein Anreiz besteht, die jungen Aktien zu erwerben. Die emittierende Gesellschaft (und mit ihr die emissionsbegleitende Bank) haben deshalb Interesse an einem möglichst hohen Aktienkurs, um einen ähnlich hohen Emissionspreis, der viel neues Kapital (und Provisionen für die Bank) liefert, festsetzen zu können.174 Das gleiche gilt für die Plazierung einer weiteren Tranche aus dem Bestand von abgebenden Aktionären. Ein hoher Kurs sichert hier diesen zugleich noch einen guten Erlös. Bedeutung haben Manipulationen des weiteren im Rahmen von Unternehmensübernahmen, da sich deren Preis am Kurs der Aktien der Zielgesellschaft orientiert.175 Während aus deren Sicht ein nach oben beeinflußter Preis einen guten Erlös garantiert und in Fällen einer feindlichen Übernahme sogar als

___________ 170

Thel, 79 Cornell L. Rev. 219, 256 (1994). Benner, in: Wabnitz/Janovsky (Hrsg.), Handbuch, 9. Kapitel, Rn. 80 f. 172 Altendorfer, in: Aicher/Kalss/Oppitz (Hrsg.), Grundfragen, S. 222; Avgouleas, Market Abuse, S. 147; Kahan, 41 Duke L. J. 977, 1028 ff. (1992). 173 Dazu Watter, SZW 1990, 193, 198. 174 Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 14; s. auch In the Matter of R.L. Emacio & Co., Inc., et. al., 35 S.E.C. 191 ff. (1953); In the Matter of Federal Corp., 25 S.E.C. 227 (1947). 175 In den USA existiert mit Sec. 14 (e) SEA sogar eine spezielle Vorschrift, die manipulative Handlungen und Praktiken im Zusammenhang mit Übernahmeangeboten verbietet. 171

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1. Kap.: Marktmanipulationen

Abwehrstrategie eingesetzt werden kann176, ist die Erwerbergesellschaft an einer Manipulation nach unten interessiert. Ein niedriger Kurs der Zielgesellschaft erleichtert eine feindliche Übernahme und steigert die Attraktivität eines freundlichen Übernahmeangebotes. Soll dies in Form eines Aktientausches erfolgen, kommt noch ein Anreiz zur Erhöhung des Kurses der zum Tausch angebotenen Aktien hinzu, um den Tausch attraktiver und das Umtauschverhältnis günstiger zu gestalten.177

2. Auslösen von (Vertrags-)Bedingungen Neben der Funktion als Berechnungsgrundlage können an Kurse auch weitere (Vertrags-)Bedingungen geknüpft sein. Häufig werden in Emissions-, Übernahme- oder sonstigen Unternehmensverträgen Klauseln aufgenommen, die in Abhängigkeit von Kurs- oder Indexstand zu bestimmten Handlungen (beispielsweise Rückabwicklung der Übernahme, Ausübungsrecht einer Option etc.) berechtigen oder verpflichten.178 Zu nennen sind hier außerdem die in unzähligen Varianten erhältlichen Finanzinnovationen, die eine Auszahlung bzw. deren Ende an einen bestimmten Kursstand knüpfen. Das kann einmal in der Weise geschehen, daß bei Überund Unterschreitung eines Wertes oder bei Verlassen eines Kurskorridores überhaupt keine Zahlung mehr geleistet werden muß (zum Beispiel barrier options, knock-out/in options179), so daß deren Emittent ein Interesse am Erreichen dieser Schwelle hat und dem mit manipulativen Mitteln nachhilft.180 Die ___________ 176 Siehe bspw. Crane Co. v. Westinghouse Air Brake Co., 419 F.2d 787, 792 ff. (2nd Cir. 1969), cert. denied 400 U.S. 822. 177 Altendorfer, in: Aicher/Kalss/Oppitz (Hrsg.), Grundfragen, S. 223. – Ende der 1980er Jahre bot Guinness PLC zur Übernahme des schottischen Whiskeyerzeugers Distillers dessen Aktionären eine Kombination von Bargeld und eigenen Aktien. Im Nachhinein stellte sich heraus, daß das Management von Guinness durch unterschiedliche Maßnahmen den eigenen Kurs erheblich in die Höhe manipuliert hatte, um die Attraktivität des Übernahmeangebotes zu erhöhen (Handelsblatt v. 29. August 1990, S. 20; R. v. Saunders (No. 2), (1996) 1 Cr. App. R. 463, 467 f.). 178 Altendorfer, in: Aicher/Kalss/Oppitz (Hrsg.), Grundfragen, S. 222. – Ein Beispiel hierfür gibt U.S. v. Milken (759 F.Supp. 109 (S.D.N.Y. 1990); vgl. auch Indictment No. 89 Cr. 41; dazu Fischel/Ross, 105 Harv. L. Rev. 503, 530-532 (1991); Thel, 79 Cornell L. Rev. 219, 249 f. (1994)): Michael Milken und Ivan Boesky – zwei in den Insider- und Manipulationsfällen der 1980er Jahre immer wieder auftauchende Personen – beeinflußten den Kurs der Stammaktien der Wickes Corp., damit diese die hohen Dividenden auf ihre Vorzugsaktien nicht mehr zahlen mußte. 179 Barrier options enthalten Schranken, bei deren Überschreiten während der Laufzeit die Gültigkeit der Option erlischt (knock-out) oder erst beginnt (knock-in). Schranken und Richtung der Durchschreitung sind beliebig wählbar. 180 Benner, in: Wabnitz/Janovsky (Hrsg.), Handbuch, 9. Kapitel, Rn. 83; Ziouvas, ZGR 2003, 113, 134. S. hierzu das Beispiel von der Wiener Börse (nach Altendorfer, in:

G. Zweck von Manipulationen

49

gleiche Interessenlage besteht, wenn eine fortlaufende Auszahlung nur für den Zeitraum geleistet wird, während dessen sich der Kurs über, unter oder innerhalb eines Wertes resp. Korridores befindet (range warrants181). Umgekehrt versteht sich in allen Fällen, daß der jeweilige Inhaber dieser Produkte seinerseits einen Anreiz hat, den Kurs entgegengesetzt auf für ihn günstigem Niveau zu halten bzw. dorthin zu bringen.

III. Sonstige Zwecke

Marktmanipulationen müssen jedoch keinesfalls immer mit einem unmittelbaren finanziellen Vorteil in Verbindung stehen. Sie können beispielsweise auch der Imagepflege eines Unternehmens allgemein oder im Hinblick auf eine geplante weitere Emission dienen.182 Ferner kann die geringere Börsenkapitalisierung durch sinkende Kurse die Kreditwürdigkeit beeinträchtigen, so daß ein Anreiz zur „Stützung“ besteht.183 So wurden Manipulationen vorgenommen, um den Wert von Aktien, die als Sicherheit für einen Kredit an die Bank verpfändet worden waren, zu erhöhen, um damit eine vorzeitige Rückzahlung oder Verkleinerung des Kredits abzuwenden.184 Weiter lassen sich Marktmanipulationen einsetzen, um größere Preissprünge in mehrere Stufen aufzuteilen und dadurch Anzeigepflichten oder Volatilitätsunterbrechungen in den Handelssystemen zu umgehen. Ferner lassen sich damit die unterschiedlichsten elektronischen Systeme wie electronic eyes, Orderrouting Systeme, quote machines etc. beeinflussen.185 Insbesondere durch die ge___________ Aicher/Kalss/Oppitz (Hrsg.), Grundfragen, S. 212), bei dem am 16. Oktober 1996 die in den österreichischen Aktienindex ATX eingehenden Werte innerhalb weniger Minuten zwei Mrd. Schilling an Wert verloren. Dadurch konnte der ATX unter die in einem außerbörslichen Geschäft zweier Banken entscheidende Marke gedrückt werden. Am nächsten Tag machte der ATX die Verluste wieder mehr als wett. 181 Bandbreitenoptionsscheine (range warrants) ermöglichen dem Anleger einen Gewinn, solange sich das underlying innerhalb einer vorher fixierten Bandbreite hält (Büschgen, Börsenlexikon, Stichwort: „range warrant“). 182 Altendorfer, in: Aicher/Kalss/Oppitz (Hrsg.), Grundfragen, S. 221; Watter, SZW 1990, 193, 199; s. auch Collins v. U.S., 157 F.2d 409 (9th Cir. 1946). – So war es zu Zeiten des Börsenbooms der Jahre 1999/2000 nicht unüblich, den eigenen Aktienkurs und dessen täglichen Anstieg werbewirksam auf der Startseite des Internetauftritts zu präsentieren; diese Praxis verschwand mit dem Platzen der Spekulationsblase genauso schnell wieder. 183 Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 17. 184 SEC Rel. No. 34-3056 (1941), S. 3. 185 Näher Benner, in: Wabnitz/Janovsky (Hrsg.), Handbuch, 9. Kapitel, Rn. 82. – Electronic Eyes sind Computerprogramme, die fortlaufend Marktpreise von im elektronischen Handelssystem gehandelten Wertpapieren empfangen und auswerten und bei Erreichen einer vom Betreiber festgelegten Marke automatisch und eigenständig einen

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1. Kap.: Marktmanipulationen

zielte Auslösung von automatischen Ordererteilungen (stop buy bzw. stop loss) kann eine nahezu lawinenartige Kursbewegung einsetzen, die dann vom Manipulanten ausgenutzt wird.186

H. Nachweis von Manipulationen Die aufgezeigte Vielfalt der möglichen manipulativen Verhaltensweisen macht die Abgrenzung zwischen legitimer Marktteilnahme und unerwünschter Manipulation und den entsprechenden Nachweis im Einzelfall häufig schwer. Oft liegen beide nahe beieinander oder überschneiden sich sogar. Ferner fehlt es namentlich bei Manipulationen durch effektive Geschäfte an objektiven Unterscheidungsmerkmalen überhaupt. Diese lassen sich nur mit Hilfe einer subjektiven Komponente, der Manipulationsabsicht im weiteren Sinne voneinander unterscheiden. Damit sieht man sich mit dem Problem des Nachweises subjektiver Absichten konfrontiert. Hierzu bedarf es im Regelfall einer Reihe von Indizien, die dann den Schluß auf die Manipulationsabsicht mit hinreichender Sicherheit zulassen. Als solche Indizien können die dargestellten Verhaltensmuster und Ziele von Manipulationen dienen. Vor allem wenn beides in einer Person oder einer Gruppe einander nahestehender Personen zusammentrifft, diese also eine typische Manipulationshandlung vornimmt und gleichzeitig eine den dargestellten Manipulationszwecken entsprechende Interessenlage besteht, spricht einiges für das Vorliegen der erforderlichen Absicht.187

___________ Auftrag an das Handelssystem erteilen. Quote Machines sind Computerprogramme, die auf Basis von Preisinformationen und zusätzlichen, vom Handelsteilnehmer festgelegten Parametern automatisch Aufträge erzeugen und in das elektronische Handelssystem leiten. Vgl. dazu § 1 X und XI Durchführungsbestimmungen der FWB über technische Einrichtungen betreffend das elektronische Handelssystem. 186 Insbesondere stop loss-Orders stehen im Verdacht, an massiven Kursverlusten (Crash), beispielsweise dem im Oktober 1987 an der Wall Street, beteiligt zu sein (s. Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 9 Rn. 2). Inzwischen wurden deshalb bestimmte Sicherheitsmittel eingebaut, um panikartige Verkäufe durch Computer ohne Verifizierung durch Personen auszuschließen. 187 So bspw. im US-amerikanischen Recht, Loss/Seligman, Securities Regulation, S. 3969; Seagoing Uniform Corp. v. Texaco, Inc.,705 F.Supp. 918, 934 f. (S.D.N.Y. 1989); In the matter of Federal Corp., 25 S.E.C. 227, 230 (1947).

Zweites Kapitel

Aufgaben und Funktionsvoraussetzungen des Kapitalmarktes A. Der Kapitalmarkt – Begriffsbestimmung Eine Auseinandersetzung mit den Aufgaben und Funktionsvoraussetzungen des Kapitalmarktes setzt einen Blick auf den Inhalt dieses Begriffs voraus. Nach allgemeiner Ansicht ist der Kapitalmarkt ein institutionalisierter Markt für mittel- und langfristige Finanzierungstitel.1 Er umfaßt damit den Markt für Beteiligungskapital (Aktienmarkt), langfristige Kredite (Rentenmarkt) sowie Investmentanteile.2 In weiterem Sinne rechnet als drittes Segment auch der Markt für Derivate zum Kapitalmarkt, obwohl es dort nicht um die Finanzierung realer Investitionen geht.3 Der Kapitalmarkt wiederum ist ein Teil des umfassenden Finanzmarktes, einer fiktiven Zusammenfassung aller dem Handel von Geld, Wertpapieren und Finanzkontrakten dienenden Märkte in einem Finanzsystem, über die sich eine staatliche oder private Organisation finanzieren kann. Der Finanzmarkt ist durch die Beschränkung auf den Handel von Geld und geldwerten Titeln zu den Gütermärkten abgegrenzt.4 Neben dem Kapitalmarkt gehören zum Finanzmarkt der Geld- und Devisenmarkt, an denen sich der Handel mit kurzfristigen Guthaben bzw. Krediten resp. Devisen vollzieht. Der Kapitalmarkt wird (ebenso der Markt für Derivate) weiter in Primärund Sekundärmarkt unterteilt. Am Primärmarkt (Emissionsmarkt) stehen sich die Unternehmen als Nachfrager und die Anleger als Anbieter von Kapital gegenüber und es findet der erstmalige Tausch von neu herausgegebenen Finanzierungstiteln gegen Geld statt (sog. Emission). Er dient damit der beabsichtigten Kapitalaufnahme durch die Unternehmen. Am Sekundärmarkt (auch Zirkulationsmarkt) hingegen findet der Handel mit den bereits plazierten Finanzierungstiteln statt. Diese können dort weiterverkauft und damit aus Anlegersicht wieder in Geld zurückgetauscht werden, ohne daß dies mit einem Entzug des Kapitals beim Emittenten einhergeht. Es kommt also lediglich zu einer Umverteilung der gehandelten Vermögensgegenstände. Der Sekundärmarkt besteht ___________ 1

Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn. 1, 4. Woll (Hrsg.), Wirtschaftslexikon, Stichwort „Kapitalmarkt“. 3 Teilweise wird der Derivatemarkt auch dem Finanzmarkt zugerechnet, vgl. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 8.125. 4 Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn 1.5; Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn. 2. 2

2. Kap.: Aufgaben und Funktionsvoraussetzungen

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aus dem börslichen und dem außerbörslichen Handel. Börsen sind daher nur eine mögliche Form von Sekundärmärkten. Ihnen stehen die außerbörslichen Märkte, namentlich die sog. alternativen Handelssysteme gegenüber.5 Nach der Art der vorgenommenen Geschäfte läßt sich der Kapitalmarkt unterteilen in den Kassamarkt und den Terminmarkt. Am Kassamarkt geschlossene Geschäfte müssen sofort oder innerhalb einer marktabhängigen kurzen Frist erfüllt werden. Dagegen ist die Erfüllung von am Terminmarkt geschlossenen Geschäften zeitlich aufgeschoben (so bei den eigentlichen Termingeschäften) oder zudem noch potestativ bedingt (so bei den Optionsgeschäften).6 B. Aufgaben des Kapitalmarktes Funktionierende und international wettbewerbsfähige Kapitalmärkte sind eine unabdingbare Voraussetzung eine gut funktionierende und international wettbewerbsfähige Volkswirtschaft, für Wachstum und wirtschaftliche Innovation. Nur durch sie stehen den privaten Unternehmen und der öffentlichen Hand die benötigten langfristigen Mittel zur Deckung ihres Finanzbedarfs für die notwendigen Investitionen zur Verfügung.7 Neben diese überkommene, aber nach wie vor primäre Aufgabe der Kapitalmärkte, tritt zunehmend die Vermögensbildungsfunktion für die privaten Haushalte, auch und vor allem zur Ergänzung bzw. Herstellung ihrer Altersvorsorge.8 Vor dem Hintergrund dieser immensen Bedeutung von funktionsfähigen Kapitalmärkten für die gesamte Volkswirtschaft wird deshalb als Rechtfertigung und Ziel für das Verbot der Marktmanipulation sowie der sonstigen kapitalmarktbezogenen Vorschriften (Insiderhandelsverbot, Ad hoc-Publizität etc.) die Herstellung, Verbesserung und Sicherung funktionsfähiger Kapitalmärkte angeführt.9 I. Überblick

Die makroökonomische Aufgabe von Kapitalmärkten besteht dabei zunächst darin, die in einer Volkswirtschaft anlagebereiten Mittel zu mobilisieren und sie den Investitionsprojekten zuzuführen, die unter Berücksichtigung des mit ___________ 5

Eingehend zu den verschiedenen Märkten u. 6. Kap. B II (S. 206). Vgl. Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn. 10. 7 Begr. RegE 2. FMFG, BT-Drs. 12/6679, S. 33; Merkt/Rossbach, JuS 2003, 217, 220; Hopt, Gutachten G zum 51. DJT 1976, G 47. 8 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 8.396; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 1.37; Hopt, Gutachten G zum 51. DJT 1976, G 48; Monatsbericht der Deutschen Bundesbank, Januar 1997, S. 40. 9 Begr. RegE AnSVG, BT-Drs. 15/3174, S. 26; Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8017, S. 98; vgl. auch u. 3. Kap. B I 2 (S. 96); allg. Begr. RegE 2. FMFG, BT-Drs. 12/6679, S. 33; Hopt/Will, Europäisches Insiderrecht, S. 49. 6

B. Aufgaben des Kapitalmarktes

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der Anlage verbundenen Risikos die höchsten Erträge erwarten lassen.10 Der Kapitalgeber erhält auf diese Weise die Möglichkeit, nicht benötigte Mittel gewinnbringend anzulegen; der Kapitalnehmer dagegen kann Ausgaben finanzieren, für die seine eigenen Mittel (noch) nicht ausreichen.11 Insofern verhält sich der Kapitalmarkt zunächst wie jeder andere Markt, indem er Angebot und Nachfrage in Bezug auf Kapital zusammenbringt und durch die örtliche und zeitliche Konzentration den Handel vereinfacht bzw. überhaupt erst ermöglicht. Speziell beim Kapitalmarkt tritt neben diese Allokationsfunktion die Funktion der Bereitstellung von Investitionsmitteln. Diese der Verteilung vorgelagerte Aufgabe resultiert daraus, daß das von den Kapitalgebern bereitgestellte Kapital hinsichtlich wesentlicher Parameter nicht mit den von den Kapitalnehmern nachgefragten Mitteln kompatibel ist. Ohne Vermittlung durch den Kapitalmarkt käme es daher nicht zu der von beiden Seiten gewollten Übertragung des Kapitals von Kapitalgeber zu Kapitalnehmer. Diese Bereitstellung von Investitionskapital ist die sogenannte Transformationsfunktion des Kapitalmarktes. Des weiteren übernehmen die Kapitalmärkte durch die fortlaufende Feststellung von Kursen bzw. Preisen eine Bewertungs- und Informationsfunktion.12

II. Transformationsfunktion der Kapitalmärkte

Die auf dem Kapitalmarkt agierenden Personen verfolgen unterschiedliche vorrangige Ziele. Auf der einen Seite befinden sich die Unternehmen als Kapitalnachfrager, die für ihre Unternehmungen in erheblichem Umfang Finanzmittel benötigen. Diese sollten erstens langfristig (am besten dauerhaft) verfügbar sein, so daß der Finanzierungsbedarf endgültig befriedigt wird. Und zweitens sollte das Kapital billig sein, wozu insbesondere gehört, daß es nicht mit laufenden Kosten (vor allem Zins und Tilgung) belastet ist, die unabhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung des finanzierten Projektes anfallen. Zur Deckung ihres Finanzbedarfs stehen den Kapitalnehmern entweder Fremd- oder Eigenfinanzierung zur Verfügung.13 Ein Mittel der Fremdfinanzierung ist die Kreditaufnahme. Der Finanzierungsbedarf wird dadurch aber nur unzureichend erfüllt. Zum einen handelt es sich bei Darlehen nur um zeitlich begrenzte Kapitalüberlassungen. Eine Finanzierung damit ist nicht dauerhaft, sondern muß fortlaufend durch Anschlußfinanzierungen erneuert und schließ___________ 10

Fischer/Rudolph, in: Obst/Hintner, S. 375. Hellwig, in: Obst/Hintner, S. 3. 12 Zu weiteren Untergliederungen dieser drei Grundfunktionen s. Lüthje, Funktionsfähigkeit, S. 58 ff. 13 Näher bei Wöhe/Bilstein, Grundzüge der Unternehmensfinanzierung, S. 11 ff. 11

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2. Kap.: Aufgaben und Funktionsvoraussetzungen

lich zurückgezahlt werden. Das ist sowohl mit zusätzlichen Kosten als auch mit erheblichen Unsicherheiten (u.a. über das Ob einer weiteren Finanzierung und deren Konditionen) behaftet. Zum anderen fallen während der Laufzeit des Darlehens permanent Zinszahlungen als Gegenleistung für die Überlassung des Kapitals an. Diese bestehen unabhängig vom Erfolg der finanzierten Investition und von der wirtschaftlichen Entwicklung des Kapitalnehmers. Diese Nachteile vermeidet die Eigenfinanzierung. Die Emission von Aktien erfolgt mit einem grundsätzlich unendlichen Zeithorizont, so daß die dadurch erworbenen Mittel dauerhaft zur Verfügung stehen und nicht zurückgezahlt werden müssen. Damit ist keine fortlaufende Anschlußfinanzierung notwendig und die mit dieser verbundenen Kosten und Unsicherheiten entfallen. Als zweiter wichtiger Vorteil kommt hinzu, daß dieses Kapital nicht regelmäßig verzinst werden muß. Statt dessen erfolgt in Abhängigkeit der tatsächlichen wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens eine Beteiligung des Anlegers am Erfolg durch eine Gewinnausschüttung in Form der Zahlung einer Dividende. Diese kann im Falle eines Fehlschlages oder einer Verzögerung des Erfolges vorübergehend oder auch endgültig ausfallen. Namentlich autonome Investitionen (insbesondere Forschungsinvestitionen), von denen unsicher ist, ob und wann sie sich auszahlen, sind bei Fremdfinanzierung mit erheblichen Risiken für das Unternehmen belastet, die durch Eigenfinanzierung vermieden werden.14 Eine gute Eigenkapitalausstattung fördert die Bereitschaft zu derartigen Investitionen und sichert damit langfristig die technologische Fortentwicklung der deutschen Volkswirtschaft. Drittens schließlich ist eine ausreichende Basis an haftendem Eigenkapital unabdingbare Voraussetzung für eine zusätzliche Versorgung mit Fremdkapital.15 Dem Kapitalanbieter geht es dagegen vorrangig um eine gute Rendite für die Überlassung seines Kapitals. Zudem ist er in aller Regel risikoavers und daher nicht bereit, nur in ein Projekt zu investieren. Er möchte seine Mittel auf mehrere Investments verteilen und dadurch sein Risiko minimieren.16 Überhaupt ist der Anleger aus verschiedenen Gründen kaum bereit, seine Mittel direkt bei einem Realinvestment anzulegen.17 Dazu ist er ferner allein schon aufgrund des Umfanges der nachgefragten Mittel nicht in der Lage.18 Vor allem aber ist sein zeitlicher Anlagehorizont immer begrenzt. Häufig wird er an einer schnellen ___________ 14 Eingehend Reuter, Gutachten B zum 55. DJT 1984, B7 unter Bezugnahme auf das Jahresgutachten 1979/80 des Sachverständigenrater zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Rn. 351 ff. 15 Dingeldey, Insiderhandel, S. 65; Pfisterer, Machtmißbrauch, S. 8 f.; Fellmann, Rechtliche Erfassung, S. 27. 16 Zur Vorteilhaftigkeit diversifizierter Portefeuilles grdl. Markowitz, J. Finance 7 (1952), 77 ff. 17 Fischer/Rudolph, in: Obst/Hintner, S. 375. 18 Fischer/Rudolph, in: Obst/Hintner, S. 375.

B. Aufgaben des Kapitalmarktes

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oder sogar jederzeitigen Verfügbarkeit seiner Mittel interessiert sein. Seine Bereitschaft, sich durch Zeichnung oder Erwerb von Aktien an einem Unternehmen zu beteiligen, hängt deshalb wesentlich von dem Ausmaß der Bindung seines Kapitals ab.19 Ohne die Aussicht, sein Investment in absehbarer Zeit zu einem angemessenen Preis wieder liquidieren zu können, wird er dieses unterlassen. Damit stehen sich insbesondere die zeitlichen Interessen von Kapitalnachfrager (langfristige, möglichst dauerhafte Kapitalüberlassung) und Kapitalanbieter (jederzeitige Verfügbarkeit seiner Mittel) im Grundsatz diametral gegenüber. Eine wesentliche ökonomische Aufgabe des Kapitalmarktes ist daher, durch die Transformation von Spar- in Investitionskapital, diese Interessen in Ausgleich zu bringen.20 Diese Transformation erfolgt dabei hinsichtlich der Kapitalüberlassungsdauer (Fristen- und Liquiditätstransformation), der Menge des bereitgestellten resp. nachgefragten Kapitals (Losgrößentransformation) sowie des mit der Investition verbundenen Risikos (Risikotransformation).21

III. Allokationsfunktion

Nachdem im ersten Schritt mit Hilfe des Kapitalmarktes kurzfristiges Sparkapital umgewandelt und langfristiges Investitionskapital bereitgestellt wurde, muß dieses effizient an die Investitionsprojekte verteilt werden. Das Effizienzerfordernis resultiert aus dem Umstand, daß die in einer Volkswirtschaft verfügbaren Investitionsmittel knapp sind. Deren Umfang erreicht nur einen Bruchteil des Bedarfes. Die Kapitalnachfrage kann deshalb nicht annähernd vollständig befriedigt werden. Es müssen daher die zur Verfügung stehenden Investitionsalternativen verglichen und Prioritäten bei deren Durchführung gesetzt werden.22 Volkswirtschaftlich wünschenswert (effizient) ist eine Zuweisung des Kapitals an diejenige Unternehmung, die damit unter Berücksichtigung des mit ihr verbundenen Risikos den größten Erfolg erwirtschaften kann. Das Geld wird so der produktivsten Verwendung zugeführt und dadurch das gesamtwirtschaftliche Wachstum am besten gefördert.23 Der Anleger steht nun vor dem Problem, ___________ 19

Hax, in: Bitz u.a. (Hrsg.), Vahlens Kompendium BWL, Bd. 1, S. 194; Hopt/Will, Europäisches Insiderrecht, S. 49. 20 Fischer/Rudolph, in: Obst/Hintner, S. 378; Kübler, AG 1977, 85, 89. 21 Ausf. zu den verschiedenen Transformationsdimensionen Fischer/Rudolph, in: Obst/Hintner, S. 375-377. 22 Hellwig, in: Obst/Hintner, S. 5 f. 23 Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 355; Easterbrook/Fischel, 70 Va. L. Rev. 669, 673 f. (1984).

2. Kap.: Aufgaben und Funktionsvoraussetzungen

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die volkswirtschaftlich beste Möglichkeit aus den ihm zur Verfügung stehenden auszusuchen. Aufgrund der Fülle an Anlagemöglichkeiten wird ihm dies jedoch regelmäßig unmöglich sein. An dieser Stelle kommt die Allokationsfunktion des Kapitalmarktes zum Tragen. Die Attraktivität des Investments richtet sich nach dem Erwartungswert der Rendite und dem mit der Anlage verbundenen Risiko.24 In aller Regel können und werden diejenigen Unternehmen die beste Verzinsung des eingesetzten Kapitals bieten, die für ihre Unternehmung den größten Erfolg erwarten. Sie sind dadurch für die Anleger attraktiv, woraufhin diese das benötigte Kapital zur Verfügung stellen. Verlustbringende Unternehmen hingegen können keine oder nur eine geringere Rendite bieten. Sie haben es damit schwer(er), benötigtes Kapital zu beschaffen. Eine ökonomisch nicht oder nur wenig sinnvolle Investition in ein unrentables Projekt unterbleibt.25 Das Kapital fließt mithilfe der Allokationsfunktion somit in die unter Berücksichtigung der damit verbundenen Risiken profitabelsten Optionen und der volkswirtschaftliche Nutzen wird maximiert.26

IV. Bewertungs- und Informationsfunktion

Neben der Kapitalbereitstellung und Kapitallenkung nehmen die Kapitalmärkte nicht minder wichtige Bewertungs- und Informationsaufgaben wahr. Die Entwicklung eines finanzierten Projektes spiegelt sich langfristig im Preis des entsprechenden Titels wider. Dadurch ist zunächst jederzeit die Einschätzung und Bewertung eines getätigten Investments möglich, da sich dessen aktueller (tatsächlicher) und zukünftiger (erwarteter) Ertrag im aktuell festgestellten Preis abgebildet. Es kann damit über den Preis eine Kontrolle des getätigten Investments erfolgen. Die bisherige Preisentwicklung hat darüber hinaus häufig maßgeblichen Einfluß auf das weitere Anlageverhalten der Marktteilnehmer, so daß tendenziell die Chancen weiterer Emissionen des betroffenen Unternehmens erkennbar werden.27 Die Unternehmen können zudem an den Sekundärmarktpreisen die für zukünftige Investitionen anzusetzenden Kapitalkosten ableiten.28 Daneben spielen Börsenpreise oft eine wichtige Rolle als Berechnungsgrundlage. Dies kommt einmal in Betracht für die leistungsabhängige Entloh___________ 24

Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 355. Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 355. 26 Thel, 1988 Colum. Bus. L. Rev. 359, 374. 27 Hax, in: Bitz u.a. (Hrsg.), Vahlens Kompendium BWL, Bd. 1, S. 194; Mennicke, Sanktionen, S. 100. 28 Schweizer, Insiderverbote, S. 38. 25

B. Aufgaben des Kapitalmarktes

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nung des Managements eines Unternehmens oder eines Fondsmanagers, bei einer Unternehmensübernahme, für die Steuerberechnung usw. Zum anderen bestimmt der Wert eines Vermögensgegenstandes unmittelbar die Preise der von ihm abgeleiteten Derivate sowie der ihn beinhaltenden Investmentfonds.29

V. Bedeutung der beiden Marktsegmente

Die beiden Marktsegmente – Primärmarkt und Sekundärmarkt – tragen zur Erfüllung der dargestellten Aufgaben in unterschiedlichem Maße bei.

1. Bedeutung des Primärmarktes Die Transformation von Spar- in Investitionskapital vollzieht sich ausschließlich an den Primärmärkten. Hier werden die Finanztitel erstmalig verkauft (emittiert) und damit die Geldmittel der Investoren zusammengefaßt und den emittierenden Unternehmen dauerhaft zur Verfügung gestellt. Der Umfang der bereitgestellten Mittel ergibt sich aus dem Emissionskurs. Dieser wiederum hängt von den Renditeerwartungen der Anleger ab. Auf diese Weise erfolgt hier eine effiziente Allokation des Anlegerkapitals, denn je höher die Ertragserwartungen an den zu emittierenden Titel ausfallen, desto höhere Preise lassen sich dafür erzielen. Der Primärmarkt erfüllt damit sowohl die Transformationsals auch die Allokationsfunktion. Der Prozeß der Kapitalaufnahme ist mit der Emission des Finanzierungstitels am Primärmarkt abgeschlossen.

2. Bedeutung des Sekundärmarktes Am Sekundärmarkt findet anschließend der Handel mit den am Primärmarkt emittierten Papieren statt. Aus Sicht der Kapitalnehmer erfolgt dadurch lediglich ein Austausch der Kapitalgeber, der auf sie zunächst keinen direkten Einfluß hat. Die alleinige Zuweisung der Aufgabe der erstmaligen Bereitstellung von Kapital an den Primärmarkt darf jedoch nicht zu der Annahme verleiten, der Sekundärmarkt hätte keine maßgebende Bedeutung und an der Erhaltung seiner Funktionsfähigkeit bestünde deshalb kein Interesse.30 Das Gegenteil ist der Fall. Der Sekundärmarkt stellt sicher, daß die Transformation von Spar- in Investitionskapital aus der Sicht der Anleger umkehrbar ist, so daß diese jeder___________ 29

Vgl. dazu näher o. 1. Kap. G II 1 (S. 46). So aber Strebel, Insidervergehen, S. 16; dagegen wie hier Mennicke, Sanktionen, S. 100. 30

2. Kap.: Aufgaben und Funktionsvoraussetzungen

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zeit kurzfristig auf ihre Mittel zurückgreifen können.31 Damit stellt er die für den Anleger entscheidende Liquidierbarkeit seiner Investition her, ohne daß davon die Kapitalnehmer beeinträchtigt werden. Erst die Erwartung, daß der Austausch von Fälligkeiten reibungslos funktioniert, bringt Anleger dazu, Finanztitel mit ihren Planungshorizont weit übersteigenden Laufzeiten zu kaufen.32 Ein jederzeit funktionsfähiger Sekundärmarkt ist deshalb eine unabdingbare Voraussetzung für die ausreichende Bereitstellung von Kapital durch die Anleger am Primärmarkt. Je liquider der Sekundärmarkt ist, desto eher sind weitere potentielle Anleger bereit, am Primärmarkt zu investieren und damit neues Investitionskapital zur Verfügung zu stellen. Daneben übernimmt (nach der Plazierung allein) der Sekundärmarkt die Bewertungs- und Informationsfunktion, da nur hier fortlaufend Preise festgestellt werden. Diese sind für die Anleger ein wichtiger Indikator für weitere Engagements am Primärmarkt. Durch den engen Zusammenhang zwischen dem Erfolg getätigter Investitionen und den Chancen einer weiteren Emission beeinflußt der Sekundärmarkt in erheblichem Umfang die Entscheidungen am Primärmarkt.33 Er trägt damit wesentlich zur effizienten Kapitalallokation bei.34 Aufgrund dieser gegenseitigen Abhängigkeit kann sich der Funktionsschutz nicht auf den Primärmarkt beschränken, sondern muß zugleich auch den Sekundärmarkt einbeziehen.35

VI. Preisbildung am Kapitalmarkt

Wie an jedem anderen freien Markt auch, erfolgt die Preisbildung am Kapitalmarkt idealtypisch allein aus den Parametern Angebot und Nachfrage. Der Gleichgewichtspreis ist derjenige Preis, bei dem die Nachfrage durch das vorhandene Angebot bestmöglich befriedigt werden kann. Steigt oder fällt bei gleichbleibendem Angebot die Nachfrage, dann steigt bzw. fällt auch der Preis. Umgekehrt verhält es sich bei Veränderungen im Angebot. Für die Preisfeststellung an den Wertpapierbörsen enthält dementsprechend § 24 II 1 BörsG die ausdrückliche Regelung, daß die ermittelten Börsenpreise der wahren Marktlage des Börsenhandels entsprechen müssen.36 Wer einen Preis beeinflussen ___________ 31

Hellwig, in: Obst/Hintner, S. 25. Hellwig, in: Obst/Hintner, S. 25. 33 Vgl. Hopt, Gutachten zum 51. DJT 1976, G 48; Schacht, Kapitalmarktaufsicht, S. 39-42. 34 Kümpel, WM 1992, 381, 383. 35 So auch Mennicke, Sanktionen, S. 100. 36 Näher zur Preisfeststellung an den Wertpapierbörsen Arlt, Anlegerschutz, S. 47-55. 32

C. Funktionsbedingungen

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möchte, muß also auf mindestens einen der Parameter Angebot oder Nachfrage einwirken.37

C. Funktionsbedingungen Der Kapitalmarkt kann den ihm zukommenden Aufgaben nur gerecht werden, wenn einige Funktionsbedingungen erfüllt sind. Seine Funktionsfähigkeit wird dabei üblicherweise in drei Aspekte unterteilt:38 Die allokative Funktionsfähigkeit (allocational efficiency) bezeichnet die Fähigkeit des Kapitalmarktes zu optimaler Kapitalallokation, das heißt zur Lenkung des anlagebereiten Kapitals in die unter Berücksichtigung des damit verbundenen Risikos den größten Ertrag versprechende Anlageoption. Die institutionelle Funktionsfähigkeit (institutional efficiency) hingegen umfaßt die Grundvoraussetzungen eines wirksamen Marktmechanismus. Dazu zählen unter anderem der ungehinderte Zugang der Kapitalanbieter und der Kapitalnachfrager zum Markt, eine genügenden Breite (Vielfalt der Anlageoptionen) und Tiefe (Anzahl der potentiellen Investoren) des Marktes, standardisierte und damit leicht handelbare Anlagetitel sowie ein zuverlässiges Handels- und Abwicklungssystem. Vor allem aber zählt zur institutionellen Funktionsfähigkeit die Erhaltung und Festigung des Vertrauens der Marktteilnehmer in die Stabilität und Integrität des Marktes, da nur so die notwendige hohe Liquidität und Investitionsbereitschaft erreicht wird. Der dritte Aspekt schließlich betrifft die operationale Funktionsfähigkeit (operational efficiency), was hauptsächlich die Minimierung von Transaktionshindernissen, namentlich Transaktionskosten meint. Geringe Kosten erhöhen die Renditen der Anlagen. Effekten müssen daher möglichst rasch, billig, schwankungsfrei und transparent umgesetzt werden können.

I. Keine Eingriffe in die Preisbildung

Erste Bedingung für das Funktionieren des Kapitalmarktes ist, daß keinerlei Eingriffe, seien sie staatlich oder privat, in die Preisbildung vorgenommen werden.39 Wie oben gezeigt, erfolgt die effiziente Allokation über einen Vergleich ___________ 37 Theoretisch ist zwar denkbar, daß direkt auf die Preisfeststellung eingewirkt wird. Doch ist dies heutzutage nahezu unmöglich. Einerseits findet die Preisfeststellung inzwischen häufig automatisch mittels Computer statt und zum anderen würden solche Manipulationen durch die lückenlose Datensammlung der Handelsüberwachungsstellen schnell auffallen. 38 Vgl. Assmann, in: Assmann/Schütze (Hrsg.), Handbuch, § 1 Rn. 24-26; Kübler, AG 1977, 85, 89; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 8.399 ff.; Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn. 12-18. 39 Vgl. Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 356.

2. Kap.: Aufgaben und Funktionsvoraussetzungen

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der zu erwartenden Renditen der Investitionsoptionen. Technisch geschieht die Kapitallenkung dabei über den Preis des Finanzierungstitels. Nach den Vorstellungen der Kapitalmarkttheorie hängt dieser relativ zu anderen Wertpapieren nur von den Erwartungen der Marktteilnehmer über die Erfolgsaussichten des Titels im Vergleich zu den anderen ab, so daß sich die Preise aller Wertpapiere relativ zu den Erwartungswerten ihrer Erträge verhalten.40 Die Auswahl der besten Investitionsoption kann somit über ihren Preis erfolgen. Durch manipulative Eingriffe wird dieser Mechanismus jedoch außer Kraft gesetzt und der beeinflußte Preis spiegelt nicht mehr die wahre erwartete Rendite wider; diese wird verzerrt. Für den außenstehenden Investor ist diese Manipulation jedoch nicht erkennbar. Er wird die verzerrte Rendite seiner Anlageentscheidung zugrunde legen und es kommt im Ergebnis zu einer (teilweise) nicht mehr effizienten Allokation des Kapitals.41 Eingriffe in die Preisbildung beeinträchtigen also die Kapitallenkungsfunktion der Preise und führen zu Fehlallokationen.42 Die allokative Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes ist damit nicht mehr gewährleistet. Daneben werden die durch die Preise ausgeübten Signal- und Informationsfunktionen gestört.

II. Informationseffizienz

Optimale Allokationseffizienz erreicht der Kapitalmarkt nur, wenn das Kapital der unter Berücksichtigung des Risikos ertragreichsten Unternehmung zugeführt wird. Diese Kapitallenkungsfunktion übernehmen die Wertpapierkurse. Sie müssen dazu zu jeder Zeit alle verfügbaren kursrelevanten Informationen vollständig und korrekt beinhalten, das heißt, es dürfen weder wahre Informationen fehlen noch dürfen falsche Informationen enthalten sein. Ein Kapitalmarkt, an dem sich alle preisrelevanten Informationen unverzüglich im Preis des gehandelten Produktes niederschlagen, wird als informationseffizient bezeichnet.43 In Abhängigkeit von den im Preis enthaltenen Informationen unterscheidet man drei verschiedene Formen der Informationseffizienz:44 Die schwache Form enthält nur Informationen aus dem bereits vergangenen Marktgeschehen, so daß die technische Analyse45 keine andere Bewertung ergibt.46 ___________ 40

Hellwig, in: Obst/Hintner, S. 27. de Vauplane/Simrat, 23 Brookl. J. Int’l L. 203, 215 (1997). 42 Franke/Hax, Finanzwirtschaft, S. 356; Kahan, 41 Duke L. J. 977, 1006 (1992); Thel, 1988 Colum. Bus. L. Rev. 359, 374. 43 Grdl. Fama, J. Finance 25 (1970), 383 ff.; Fama, J. Finance 46 (1991), 1575. 44 Fama, J. Finance 25 (1970), 383, 388. 45 Methode der Kursprognose, die sich auf die Beobachtung der Kurs- und Umsatzverläufe der Anlageobjekte bezieht, vgl. Büschgen, Börsenlexikon, Stichwort: „technische Aktienanalyse“. 41

C. Funktionsbedingungen

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Die halbstrenge Effizienz umfaßt zusätzlich alle zum Betrachtungszeitpunkt öffentlich verfügbaren Informationen, so daß auch die Fundamentalanalyse47 keine andere Bewertung ergibt.48 Bei der strengen Informationseffizienz schließlich sind alle, auch nur exklusiv zugänglichen, Informationen im Preis verarbeitet.49 Auf einem (streng) informationseffizienten Markt ist es keinem Marktteilnehmer möglich, aufgrund der Kenntnis einer Information einen überdurchschnittlichen Gewinn zu erzielen, da sich diese Information bereits im Preis niedergeschlagen hat.50 Die Informationsverarbeitung erfolgt dabei stets „automatisch“, das heißt ohne daß dies der Anleger selbst tun müßte. Die kapitalmarkttheoretische Literatur bestätigt anhand von empirischen Untersuchungen, daß – mit Unterschieden im Detail und in Abhängigkeit vom Marktsegment – tendenziell lediglich die schwache Form der Informationseffizienz (nur Informationen über bereits vergangenes Marktgeschehen sind im aktuellen Preis enthalten) erreicht wird, was im übrigen mit der Theorie vom unvollkommenen Markt in der Praxis übereinstimmt.51 Der Grund dafür liegt in den Informationskosten.52 Je höher diese werden, desto unwahrscheinlicher ist die Einbeziehung der Information in den Preis. Besonders hohe Kosten verursachen nur wenigen bekannte Informationen, beispielsweise Unternehmensinterna. Diese sind deshalb im aktuellen Preis nicht berücksichtigt.53 Werden diese Informationen öffentlich, so sinken die Kosten und der Preis paßt sich ent___________ 46

Rudolph/Röhrl, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 181. Methode der Kursprognose, die sich auf die Analyse anlageobjektspezifischer oder gesamtwirtschaftlicher Daten stützt, vgl. Büschgen, Börsenlexikon, Stichwort: „Fundamentalanalyse“. 48 Rudolph/Röhrl, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 181. Überdurchschnittliche Gewinne eines Marktteilnehmers aufgrund seiner Kenntnis einer öffentlichen Information sind nicht möglich. 49 Rudolph/Röhrl, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 181 f. Überdurchschnittliche Gewinne sind auch einem Insider nicht mehr möglich, da selbst die Insiderinformation in den Preis eingeflossen ist. 50 Aschinger, Börsenkrach, S. 38. 51 Rudolph/Röhrl, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 182; ferner Ho/Michaely, J. Finan. Quant. Anal. 23 (1988), 53 ff.; Vaupel, WM 1999, 521, 525. 52 Vgl. Grossman/Stiglitz, Amer. Econ. Rev. 70 (1980), 393, 404 f. 53 Aus diesem Grunde ist der Insiderhandel ökonomisch lohnend. Da die nur wenigen bekannte Insiderinformation noch nicht im Preis enthalten ist, kann sie vom Insider gewinnbringend ausgenutzt werden. N.B.: Einige Autoren (s. die Nachw. in Fn. 140 sowie näher u. D III 2 (S. 81)) sehen Insiderhandel als Mittel zur Steigerung der Informationsund damit auch der Allokationseffizienz. Wenn jemand aufgrund einer Insiderinformation Transaktionen vornimmt, bewege er damit den Preis in Richtung des „wahren“, d. h. die Information beinhaltenden Wertes und trage so zur Effizienz bei. Dagegen ist aber einzuwenden, daß der Ausgleich von Informationsgefällen die genuine Aufgabe von Offenlegungspflichten (beispielweise von Ad hoc-Mitteilungen) ist (Magnus, ZfgK 1994, 543). Auf diese Weise bleibt der sonst den Insidern als (ungerechtfertigter) Gewinn zufließende Betrag volkswirtschaftlich nutzbar. 47

2. Kap.: Aufgaben und Funktionsvoraussetzungen

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sprechend der schwachen Effizienzthese an. Aufgrund dieser Wirkung läßt sich ein Preis durch das Zurückhalten von Informationen manipulieren, da diese dann nicht oder zumindest nicht sofort in den Preis eingehen. Umgekehrt folgt daraus aber auch, daß (nahezu) kostenlose Informationen eine direkte Preiswirkung entfalten. Deshalb sind Marktmanipulationen durch Informationsverbreitung erfolgversprechend, wobei hier nicht nur die informationsgestützten Manipulationen gemeint sind, sondern auch die handelsgestützten und handlungsgestützten Manipulationen, insoweit sie neben ihren anderen Auswirkungen auch Informationen transportieren. Voraussetzung ist lediglich, daß die Informationskosten möglichst niedrig gehalten werden, was vor allem mittels Verbreitung über die Massenmedien realisiert werden kann.54 Es zeigt sich, daß Manipulationen umso leichter möglich sind, je informationseffizienter ein Markt wird.55 Insofern scheint es paradox, (weitere) Anstrengungen, namentlich mit der Ad hoc-Publizität, dahingehend zu unternehmen und damit den Manipulationen weiteren Vorschub zu leisten. Auf der anderen Seite erfordert ein allokationseffizienter Kapitalmarkt zwingend größtmögliche Informationseffizienz, um alle ertrags- und risikorelevanten Umstände in die Preise zu integrieren. Nur so können diese ihre Kapitallenkungsfunktion erfüllen.56 Trotz dieser (unerwünschten) Erhöhung der Manipulationsanfälligkeit ist möglichst weitgehende Informationseffizienz wesentliche Funktionsbedingung für einen effizienten Kapitalmarkt. Der erhöhten Manipulationsanfälligkeit ist durch ein entsprechendes Manipulationsverbot entgegenzuwirken.

III. Niedrige Transaktionskosten

Eine weitere Funktionsbedingung für einen effizienten Kapitalmarkt sind niedrige Kosten für die Anlagevermittlung und Kapitalverschaffung. Die bei der Vorbereitung und Durchführung eines Geschäftes anfallenden Transaktionskosten mindern dessen Nutzen. Das gilt nicht nur hinsichtlich des Gewinns beider Geschäftspartner, sondern auch volkswirtschaftlich, da die für die Abwicklung der Transaktion aufgewendeten Mittel nicht mehr für den beabsich___________ 54

Ebenso Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 54. Dieses Dilemma wird deutlich bei den Ad hoc-Mitteilungen (§ 15 WpHG). Diese wurden Ende der neunziger Jahre verstärkt dazu benutzt, den Aktienkurs gezielt zu beeinflussen (Assmann, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 15 Rn. 25). Seit Inkrafttreten des 4. FMFG ist deshalb die Veröffentlichung von überflüssigen Ad hoc-Mitteilungen verboten (§ 15 II WpHG). 56 Die Erhöhung der Informationseffizienz ist zudem ein probates Mittel zur Erschwerung des Insiderhandels. 55

C. Funktionsbedingungen

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tigten Investitionszweck zur Verfügung stehen. Bei entsprechender Höhe können Transaktionskosten zudem prohibitiv wirken.57 Zu den Transaktionskosten rechnen neben den unmittelbar durch die Übertragung anfallenden Kosten wie Provisionen oder Courtagen auch die zur Bildung der Anlageentscheidung notwendigen Aufwendungen. Wenn die Anlageentscheidung allein anhand der sich im Kurs widerspiegelnden Renditeerwartung gefällt werden kann, so sind die Informationskosten sehr gering. Das ist jedoch nur solange möglich, wie der Investor dem Kurs als Renditeindikator vertrauen kann. Jede Unregelmäßigkeit am Kapitalmarkt durch Manipulationen, Insiderhandel etc. verringert aber die Vertrauensbasis. Für den Investor steigt das Risiko, daß auch der ihm angebotene Kurs nicht allein aufgrund der Renditeerwartung zustande gekommen ist. Er muß deshalb zusätzliche Informationen einholen, um den Kurs zu verifizieren. Diese Informationen sind aber – wenn überhaupt – nur zu hohen Kosten erhältlich. Unregelmäßigkeiten am Kapitalmarkt führen deshalb zu höheren Transaktionskosten. Diese steigen auf ein prohibitives Niveau, wenn überhaupt keine verläßlichen Informationen über die Integrität des Kurses erhältlich sind. Diese Gefahr besteht vor allem bei Manipulationen, da diese in der Regel heimlich ablaufen und deshalb nicht erkennbar sind.

IV. Vertrauen in das ordnungsgemäße Funktionieren des Kapitalmarktes

1. Grundlegung Der Kapitalmarkt kann kein Kapital „produzieren“, sondern lediglich in der Volkswirtschaft bereits vorhandenes Kapital verteilen. Er ist deshalb darauf angewiesen, daß die Kapitalanbieter in ausreichendem Maße Sparkapital zur Verfügung stellen. Sucht man nach den dafür notwendigen Bedingungen, stößt man immer wieder auf das Vertrauensschutzargument. Danach seien Anleger nur dann investitionsbereit, wenn neben die Aussicht auf eine jederzeitige Liquidierbarkeit ihres Investments die Aussicht auf einen dabei erzielbaren fairen Preis tritt, sie also Vertrauen in das ordnungsgemäße Funktionieren des Kapitalmarktes, in dessen Stabilität und Integrität haben.58 Eine wesentliche Kom___________ 57

Vgl. Picot/Dietl, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 13 (1994), 113. Erwägungsgrund 2 der MMRL; Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8017, S. 98; Begr. RegE 2. FMFG, BT-Drs. 12/6679, S. 33; Arbeitskreis Gesellschaftsrecht, S. 10 f.; Behrens, Risikokapitalbeschaffung, S. 9; Caspari, in: Deutsche Börse Group (Hrsg.), Kapitalmarkt Deutschland, S. 25; Dingeldey, Insider-Handel, S. 66; Fürhoff, Kapitalmarktrechtliche Ad hoc-Publizität, S. 96; Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 336; Hopt/Will, Europäisches Insiderrecht, S. 49 f.; Kahan, 41 Duke L. J. 977, 1017 f. (1992); Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 8.390; Kümpel, WM 1992, 381, 383; Lee, Comp. Law. 1993, 14(5), 84; Miller, Haftungsrecht, S. 57; Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 54; 58

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2. Kap.: Aufgaben und Funktionsvoraussetzungen

ponente ist dabei das Vertrauen in die Chancengleichheit aller Marktteilnehmer, das heißt die Erwartung, daß alle Marktteilnehmer grundsätzlich gleiche Chancen haben und einzelne keine unverdienten Sondervorteile für sich erzielen können. Dahinter steht die Tatsache, daß die Abläufe an den Kapitalmärkten und hier insbesondere die Preisfeststellung hochkomplex und unpersönlich sind. Die extreme Funktionalisierung und Anonymität machen die Kapitalmärkte für den Anleger undurchschaubar.59 Er ist ihnen förmlich ausgeliefert. Eine wirksame Kontrolle der Abläufe ist ihm nicht möglich und er kann sich deshalb nicht gegen Übervorteilungen schützen. Ihm bleibt lediglich, auf die Lauterkeit der anderen Marktteilnehmer, das ordnungsgemäße Funktionieren des Kapitalmarktes, die Einhaltung der Marktspielregeln (Marktfairneß) und damit schlußendlich auf seine Chancengleichheit im Verhältnis zu den anderen Teilnehmern zu vertrauen. Der Anleger will nicht zusätzlich zum allgemeinen Risiko der Wertentwicklung seines Investments noch seine Gewinnchance möglicherweise durch mit Informationsvorsprüngen handelnde Insider bzw. Manipulanten verringert wissen. Bekanntgewordene Unregelmäßigkeiten und Börsenskandale gefährden bzw. zerstören dieses Vertrauen und beeinträchtigen dadurch den Kapitalmarkt, weil sich die enttäuschten Anleger von den betroffenen Märkten abwenden und diesen dadurch die für die Funktionsfähigkeit unabdingbare Liquidität entziehen.

2. Folgen des Vertrauensverlustes Weil der Anleger nicht erkennen kann, ob bzw. wie stark ein Preis manipuliert ist, kann er die mit der Anlage verbundenen Chancen und Risiken nicht mehr zutreffend einschätzen. Im Gegensatz zum Kapitalnachfrager ist er aber ___________ Pananis, Insidertatsache, S. 37 f.; Pfisterer, Machtmißbrauch, S. 5; Samm, Börsenrecht, S. 138 f.; Soesters, Insiderhandelsverbote, S. 52 f.; Weber, Insiderrecht, S. 30; de Vauplane/Simrat, 23 Brookl. J. Int’l L. 203, 213 (1997); Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn. 31. – Auf die Notwendigkeit des Anlegervertrauens wurde bereits bei der Entstehung von SA und SEA hingewiesen (s. Präsident Roosevelts Mitteilung an den Senat: „It [der Gesetzesentwurf, J.E.] should give impetus to honest dealing in securities and thereby bring back public confidence.“, H.R. Rep. No. 85, 73rd Cong., 1st Sess., 1933, S. 2). Ähnlich die Äußerung des US-Gesetzgebers (zum Insider Trading and Securities Fraud Enforcement Act 1988): „But the far greater number of commentators support efforts to curb insider trading, viewing such efforts as crucial to the capital formation process that depends on investor confidence in the fairness and integrity of our securities markets. Insider trading damages the legitimacy of the capital market and diminishes the public’s faith.“, H.R. Rep. No. 910, 100th Cong., 2nd Sess., 1988, S. 8. – S. auch die ausdrückliche Erwähnung des Marktvertrauens in Sec. 2 (2) (a) und 3 (1) Financial Services and Markets Act 2000. 59 Hopt/Will, Europäisches Insiderrecht, S. 49.

C. Funktionsbedingungen

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nicht zwingend auf ein Investment am Kapitalmarkt angewiesen, sondern kann auf andere Produkte (Geldmarkt, Spareinlagen etc.) ausweichen oder sogar völlig verzichten. Fühlt er sich am Kapitalmarkt übervorteilt und von anderen Marktteilnehmern ausgebeutet, fehlt ihm also das Vertrauen in die Integrität, wird er sein Geld dort nicht zur Verfügung stellen.60 Das hat weitreichende Folgen. Durch das verminderte Marktengagement der Kapitalanbieter fehlt zum einen neues Investitionskapital am Primärmarkt. Der Wettbewerb um das verbliebene Kapital verstärkt sich, so daß die darauf angewiesenen Unternehmen höhere Renditen bieten müssen. Das verteuert für sie die Kapitalaufnahme bzw. macht sie gänzlich unmöglich oder zumindest unattraktiv. Es werden somit weniger Projekte verwirklicht, als dies bei effizienter Kapitalallokation der Fall wäre. Zum anderen verschlechtert sich die Liquidität des Sekundärmarktes. Der Liquiditätsverlust führt typischerweise zu größeren Geld-Brief-Spannen, höheren Risikoprämien, einem insgesamt niedrigeren Preisniveau, einer eingeschränkten Liquidierbarkeit von anderen Beteiligungen etc.61 All das verstärkt den Rückzugstrend von den Kapitalmärkten und hält potentielle Interessenten von dem Eintritt ab. Es kommt zu einer Abwärtsspirale, die bis zum teilweisen oder vollständigen Ausfall des Kapitalmarktes führen kann.62 Für den Fall, daß ein Anleger dennoch auf ein Investment nicht verzichten möchte (beispielsweise als institutioneller Anleger), wird er jedenfalls versuchen, den eventuell zu erwartenden Verlust zu kompensieren, indem er einen entsprechenden Risikoaufschlag fordert und sich so die gestörte Vertrauensbasis finanziell ausgleichen läßt.63 Das erhöht wiederum die Kapitalkosten, was die Kapitalaufnahme der Unternehmen beeinträchtigt. Zudem verlieren die Preise ihre Kapitallenkungsfunktion, da zunehmend subjektive Aspekte wie die Furcht vor Manipulationen und nicht mehr allein die Renditen zur Grundlage von Anlageentscheidungen gemacht werden.64 Die volkswirtschaftliche Ertragskraft sinkt durch ineffiziente Kapitalallokation. Es kommt zu Wohlfahrtsverlusten auf beiden Seiten. Den Kapitalnachfragern fehlt das notwendige Kapital zur Realisierung von Investitionen. Den Kapitalanbietern entgehen die rentabelsten Möglichkeiten zur Anlage ihrer Mittel. ___________ 60 Vgl. de Vauplane/Simrat, 23 Brook. J. Int’l L. 203, 213 (1997); Kahan, 41 Duke L. J. 977, 1017 (1992); König, Anlegerschutz, S. 20; Mayer, in: Ferran/Goodhart (Hrsg.), Regulating, S. 25, 29. 61 Vgl. Rudolph, FS Moxter, S. 1333, 1343; Kahan, 41 Duke L. J. 977, 1019 (1992). 62 Es kommt zu einer adverse selection, Magnus, ZfgK 1994, 543, 544; Picot/Dietl, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 13 (1994), 113, 120. 63 Thel, 1988 Colum. Bus. L. Rev. 359, 373; ähnlich Pananis, Insidertatsache, S. 37; Picot/Dietl, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 13 (1994), 113, 121. 64 Avgouleas, Market Abuse, S. 212; für den Insiderhandel ebenso Mennicke, Sanktionen, S. 107.

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2. Kap.: Aufgaben und Funktionsvoraussetzungen

3. Kritik der Literatur Diese Argumentation ist keineswegs unumstritten, sondern wurde insbesondere im Zusammenhang mit der Einführung der Insiderhandelsverbote äußerst kontrovers diskutiert.65 So wurde betont, daß trotz bereits ein Jahrhundert währenden Insiderhandels keine spürbaren Belastungen der Börse aufgetreten seien, so daß dieser wohl nur eine untergeordnete Bedeutung haben könne.66 Das Vertrauensargument sei deshalb empirisch nicht belegt.67 Investitionsentscheidungen hingen zudem im wesentlichen von anderen Faktoren als dem Vorhandensein von Insiderverboten ab68, beispielsweise von der Performance des Marktes und den Gewinnaussichten.69 Dafür spreche der anhaltende Kursanstieg an der Wall Street trotz der Aufdeckung des Levine/Boesky-Insiderskandales.70 Sollte dennoch ein Vertrauensverlust eintreten, so betreffe dieser nicht den gesamten Markt, sondern nur eine bestimmte Anlageform und es könne auf andere ausgewichen werden. So hätten spektakuläre Pleiten und Skandale in der Vergangenheit gezeigt, daß sich die Anleger nur von einer einzelnen Anlageform, nicht aber vom gesamten Kapitalmarkt zurückzögen.71 Schließlich seien auch andere Märkte von Informationsasymmetrien betroffen, weshalb der Anleger gar nicht ausweichen könne resp. wolle.72 Dem Anlegervertrauen als Funktionsbedingung für den Kapitalmarkt wird deshalb von einigen keine oder nur geringe Bedeutung zugemessen.

___________ 65 Die Stellungnahmen beziehen sich deshalb auch ganz überwiegend auf den Insiderhandel. Die Annahme vom Anlegervertrauen als Funktionsvoraussetzung für den Kapitalmarkt stellt sich aber in vergleichbarer Weise auch bei Manipulationen (so auch Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 52). Die Frage, ob Manipulationen das Vertrauen dann auch tatsächlich beeinträchtigen, wird gesondert untersucht. 66 von Stebut, DB 1974, 613, 617; Stratenwerth, FS Vischer, S. 667, 669; in diesem Sinne auch Kübler, AG 1977, 85, 87; Pfister, ZGR 1981, 318, 338. 67 Schweizer, Insiderverbote, S. 48. 68 Grunewald, ZBB 1990, 128, 130; Heller, 37 Bus. Law. 517, 556 (1982); Herman, 21 U.C.L.A. L. Rev. 1, 17 (1973). 69 Benston, Amer. Econ. Rev. 63 (1973), 132, 150; Craig, 59 Defense Counsel Journal 216, 220 (1992). 70 Schweizer, Insiderverbote, S. 48 f. 71 Worms, Anlegerschutz, S. 260 f.: So habe der Investment-Overseas-Services(IOS)-Skandal zwar den Markt für ausländische Investmentanteile nahezu zum Erliegen gebracht, aber statt dessen zu einem sprunghaften Anstieg beim Absatz von Immobilienzertifikaten geführt. 72 Schweizer, Insiderverbote, S. 46.

C. Funktionsbedingungen

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4. Stellungnahme Zugegebenermaßen fehlen empirische Studien über den Zusammenhang von Vertrauen und Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes und möglicherweise sind diese auch gar nicht durchführbar.73 Dennoch sprechen viele Indizien für einen solchen Zusammenhang.74 Gegen die Gleichgültigkeit des Publikums sprechen zunächst die heftigen Reaktionen der Öffentlichkeit auf Börsenskandale in der Vergangenheit.75 Es wäre deshalb lebensfremd anzunehmen, diese hätten keinen Einfluß auf das Anlegerverhalten. Wer will sich schon an einem Markt engagieren, in dem Wissen, mit großer Wahrscheinlichkeit durch andere übervorteilt zu werden.76 So war die Aufdeckung von Skandalen dann auch häufig mit einem drastischen Rückgang der Börsenumsätze und der Anlagebereitschaft verbunden.77 Dies betraf nicht nur die ohnehin nur einen geringen Anteil ausmachenden privaten Anleger, sondern auch die institutionellen Investoren.78 Vor allem bei den ausländischen institutionellen Anlegern war in Folge des Börsenskandals von 1991 ein Rückgang des Investments von 24,9 Mrd. DM im Jahr 1989 auf nur noch 1,5 Mrd. DM in 1991 zu verzeichnen.79 Überhaupt haben diese den deutschen Kapitalmarkt lange Zeit gemieden. Der Grund dafür wird in der bis zum Inkrafttreten des 2. FMFG 1994 kaum vorhandenen deutschen Kapitalmarktgesetzgebung gesehen, die nicht dem von den Anlegern international gewohnten und erwarteten Standard entsprach.80 Erklärtes Ziel dieses Gesetzes war es dann auch, die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Deutschland herzustellen, was insbesondere durch vertrauensbildende Maßnahmen wie die Einführung eines strafbewehrten Insiderhandelsverbotes erfolgen sollte.81 Der erhebliche Anstieg der ausländischen Investments in den dar___________ 73

Fürhoff, Kapitalmarktrechtliche Ad hoc-Publizität, S. 94; Mennicke, Sanktionen, S. 102; Engel, Jahrbuch für Sozialwissenschaft 42 (1991), 388, 399. 74 So für Insiderhandel auch Branson, 30 Emory L. J. 263, 296 f. (1981); Mennicke, Sanktionen, S. 103. 75 Hopt, ZGR 1991, 17, 27. S. dazu die Beispiele bei Mennicke, Sanktionen, S. 103 f. 76 Treffend die Formulierung in Schlanger v. Four Phase Systems Inc., 555 F.Supp. 535, 538 (D.C.N.Y. 1982): „[...] it is hard to imagine that there ever is a buyer or seller who does not rely on market integrity. Who would knowingly roll the dice in a crooked crap game?“. Diese Passage wird vom Supreme Court in Basic Inc. v. Levinson, 485 U.S. 224 (1988) zitiert. 77 Mennicke, Sanktionen, S. 103 f. 78 Otto, in: Blaurock (Hrsg.), Recht der Unternehmen, S. 65, 80. 79 Zahlen nach Perina/Schumacher, Die Zeit v. 27. November 1992, S. 23. 80 Fürhoff, Kapitalmarktrechtliche Ad hoc-Publizität, S. 95; Klose-Ullmann, Entwicklung, S. 1; Kümpel, WM 1992, 381, 383. 81 Begr. RegE 2. FMFG, BT-Drs. 12/6679, S. 33.

2. Kap.: Aufgaben und Funktionsvoraussetzungen

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auffolgenden Jahren spricht für den Erfolg dieser Maßnahmen und damit für den Zusammenhang von Vertrauen und Engagement.82 Die (Wieder-)Herstellung des beschädigten Anlegervertrauens war im übrigen auch in anderen Ländern häufig Anlaß für Kapitalmarktgesetze und Insiderregelungen.83 Ebenso können die weiteren Gegenargumente nicht überzeugen. Allein der Umstand, daß es infolge der Aufdeckung des Levine/Boesky-Skandals nicht zu einem Kurseinbruch kam, kann nicht ohne weiteres gegen das Vertrauensargument ins Feld geführt werden.84 Statt dessen könnte die Aufdeckung und Verfolgung dem Publikum gezeigt haben, daß solche Machenschaften nicht unbemerkt und folgenlos möglich sind und dadurch auf lange Sicht das Anlegervertrauen gestärkt haben.85 In diesem Zusammenhang darf die vertrauensbildende Signalwirkung eines wirksamen Manipulationsverbotes für die potentiellen Anleger nicht unterschätzt werden.86 Die Annahme, der Anleger werde von einer Anlageform auf eine andere ausweichen, setzt voraus, daß beide aus seiner Sicht überhaupt vollständig substituierbar sind und er deshalb eine Alternative hat. Hieran bestehen erhebliche Zweifel, da mit jeder Anlageform spezifische Vor- und Nachteile verbunden sind, die in die Anlageentscheidung mit einbezogen werden müssen. Ein Aktieninvestment läßt sich daher nicht einfach durch ein Immobilienzertifikat ersetzen.87 Möglich erscheint lediglich ein Ausweichen innerhalb einer Anlageform (beispielsweise von einer Aktie auf eine andere), nicht aber auf eine ganz andere Anlageform (Investmentzertifikat, Rentenwert etc.). Da jedoch in aller Regel Manipulationen und der damit einhergehende Vertrauensverlust nicht nur ein einzelnes Wertpapier einer Gattung betreffen, entfallen alternative Investmentmöglichkeiten innerhalb einer Anlageform und es kommt zum Ausfall eines ganzen Segmentes.88 Schließlich darf die Forderung nach Vertrauensbildung in die Chancengleichheit nicht dahingehend mißverstanden werden, daß dadurch jeder Marktteilnehmer alle Informationen in seine Anlageentscheidung einbeziehen kann ___________ 82

So auch Fürhoff, Kapitalmarktrechtliche Ad hoc-Publizität, S. 95 f., mit Zahlenmaterial. 83 Hopt, ZGR 1991, 17, 27. – So war beispielsweise der Erlaß des Securities Acts und des Securities Exchange Acts 1933/34 eine Reaktion auf den Börsen-Crash von 1929. – Gleiches gilt für den Insider Trading and Securities Fraud Enforcement Act of 1988 (ITSFEA, Pub. L. No. 100-704, 102 Stat. 4677) als Reaktion auf den Levine/ BoeskySkandal (vgl. Engel, Jahrbuch für Sozialwissenschaft 42 (1991), 388). 84 So aber Schweizer, Insiderverbote, S. 48 f. 85 Otto, in: Blaurock (Hrsg.), Recht der Unternehmen, S. 65, 77; Fürhoff, Kapitalmarktrechtliche Ad hoc-Publizität, S. 94. 86 So für eine Insiderregelung bereits Hopt/Will, Europäisches Insiderrecht, S. 50. 87 Ähnlich Mennicke, Sanktionen, S. 106. 88 Ähnlich Mennicke, Sanktionen, S. 106.

C. Funktionsbedingungen

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und wird.89 Vielen wird es dazu an Sachkunde, Zeit und Interesse mangeln.90 Es kommt zu einer asymmetrischen Informationsverteilung. Ein Handelspartner hat einen Wissensvorsprung, dessen Ausnutzung ihm eine Vorsprungrente in Form eines Gewinnes gewährt. Dieses Phänomen ist jedoch weder kapitalmarktspezifisch, sondern an allen Märkten zu finden, noch ist seine generelle Verhinderung erstrebenswert. Das Gegenteil ist der Fall. Informationsasymmetrien sind wesentliche Voraussetzungen für Wettbewerb. Ohne sie gäbe es keine unterschiedlichen Preisgrenzen bei Käufer und Verkäufer. Die Informationen selbst sind ein Wettbewerbsfaktor, dessen Nutzung die Ausübung wettbewerblicher Freiheit darstellt.91 Allerdings darf hierbei nicht übersehen werden, daß die Möglichkeiten des Abbaus dieser Informationsasymmetrien und damit der Selbstschutz an den vielen anderen Märkten ungleich einfacher zu leisten ist, als dies an den komplexen, weitgehend undurchschaubaren und unpersönlichen Kapitalmärkten der Fall ist.92 Chancengleichheit in diesem Zusammenhang bedeutet deshalb statt dessen nur, daß jeder Marktteilnehmer theoretisch die gleichen Ausgangsbedingungen vorfindet, sein Erfolg also nur von seinen persönlichen Leistungen abhängt und nicht von ihm unzugänglichem Sonderwissen anderer Marktteilnehmer. Das Prinzip des Leistungswettbewerbs anerkennt nur die Betätigung echter wirtschaftlicher Leistungskraft als legale und faire „Kampfeinsätze“.93 Wenn jemand allein von der Auswertung und richtigen Deutung von allgemein zugänglichen Informationen profitiert, so ist das seiner persönlichen Anstrengung zuzuschreiben und damit Ausprägung von Leistungswettbewerb. Zumindest theoretisch könnte jeder andere genauso handeln. Ein solches Verhalten wird Anerkennung und möglicherweise auch Neid hervorrufen, jedoch kein Mißtrauen erregen oder das Vertrauen in die Marktfairneß beeinträchtigen.94 Ein Manipulant hingegen agiert mit unfairen Mitteln. Vergleichbar mit dem Ausnutzen von Insiderkenntnissen schafft er damit für sich einen unverdienten Sondervorteil, der anderen Marktteilnehmern niemals zur Verfügung steht. Dieser Vorteil ist nicht ___________ 89

So aber wohl das Verständnis von Schweizer, Insiderverbote, S. 47. Allen Kleinanlegern aber pauschal die Unfähigkeit zur Informationsbeschaffung und -verwertung zu unterstellen (so Schweizer, Insiderverbote, S. 47; auch Schneider, DB 1993, 1429, 1430; Pfister, ZGR 1981, 318, 338), geht angesichts der Entwicklungen in der Informationstechnologie an den Tatsachen vorbei (vgl. Fürhoff, Kapitalmarktrechtliche Ad hoc-Publizität, S. 93). 91 Mennicke, Sanktionen, S. 91 f.; ferner Schneider, DB 1993, 1429, 1432. 92 Vgl. Fürhoff, Kapitalmarktrechtliche Ad hoc-Publizität, S. 77 f. 93 So bereits Böhm, Wettbewerb, S. 133. 94 Insofern ist es unglücklich, wenn Schweizer, Insiderverbote, S. 47, die professionellen Anleger, die genau dies tun, als Marktinsider bezeichnet und damit in die Nähe der echten Insider im Sinne der §§ 13 ff. WpHG rückt. 90

2. Kap.: Aufgaben und Funktionsvoraussetzungen

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leistungsbedingt und steht damit im Widerspruch zum erstrebten Leistungswettbewerb. Aufgrund von Marktmanipulationen und Insiderhandel verfügen nicht mehr alle Beteiligten über die gleiche Ausgangslage und die Chancengleichheit ist nicht mehr gewahrt. Diese der Marktfairneß und der formellen Gleichheit widersprechende nicht beeinflußbare Informationsasymmetrie muß durch wirksame Kapitalmarktgesetze verhindert werden, um das Vertrauen der Anleger in ihre Chancengleichheit am Kapitalmarkt zu stärken und ihre Anlagebereitschaft zu erhöhen. Es gibt also eine Vielzahl von Indizien, die auf einen Zusammenhang zwischen dem Vertrauen in die Lauterkeit, Integrität und Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes und dem Anlageverhalten hindeuten, so daß im Ergebnis viel für die Gültigkeit des Vertrauensargumentes spricht. Das Vertrauen der Anleger in einen nach bestimmten Regeln ablaufenden Kapitalmarkt und hier insbesondere in die Chancengleichheit aller Marktteilnehmer ist daher eine wesentliche Voraussetzung für dessen institutionelle Funktionsfähigkeit. Die negativen Folgen der Beeinträchtigung des Vertrauens in die Integrität und Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts lassen sich schließlich auch mithilfe des Modells der adverse selection belegen.95 Der Kapitalanbieter, der die Möglichkeit eines manipulierten Preises ist Betracht zieht, dem also das Vertrauen in den Markt fehlt, verlangt eine höhere Rendite für das bereitgestellte Kapital, um das durchschnittliche Verlustrisiko zu kompensieren. Der Preis liegt also unter demjenigen, den der Kapitalgeber bei vollem Vertrauen in den Markt bereit wäre zu zahlen. Je höher er dieses Risiko einschätzt, je geringer also sein Vertrauen ist, desto größer fällt der Risikoaufschlag aus. Das Kapital wird damit zunehmend teurer und immer weniger Nachfrager sind bereit oder überhaupt in der Lage, dieses Kapital aufzunehmen. In der Folge ziehen sich beide Seiten zunehmend aus dem Markt zurück.96 Marktmanipulationen können somit ebenso wie der Insiderhandel zu einer Verunsicherung der Investoren und infolgedessen zu einer Marktabwanderung nach dem Akerlofschen Phänomen des lemon markets führen und letztlich einen Zusammenbruch des Marktes hervorrufen.97

___________ 95

Grdl. zur adverse selection s. Akerlof, Quart. J. Econ. 84 (1970), 488 ff. Picot/Dietl, Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie 13 (1994), 113, 119. 97 Für den Insiderhandel Fleischer, ZGR 2001, 1, 30; Hopt, AG 1995, 353, 357. 96

D. Ökonomische Analyse von Marktmanipulationen

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V. Hohe Liquidität

Als weitere Funktionsvoraussetzung wird häufig eine hohe Marktliquidität, das heißt eine genügende Breite und Tiefe des Marktes, genannt.98 Das ist zwar in der Sache zutreffend, doch wenig erhellend, denn Liquidität als solche kann nicht geschaffen werden. Sie hängt statt dessen allein von der Anzahl der investitionsbereiten Anleger ab. Die Sicherstellung der Liquidität ist deshalb eng verwoben mit dem eben dargestellten Vertrauensschutzargument. Hohe Liquidität läßt sich damit als (Zwischen-)Ziel begreifen, das mit der Herstellung des Anlegervertrauens verfolgt wird. Sie bringt aber keine darüber hinausgehenden Voraussetzungen in die Diskussion ein. Auch die Auswirkungen, die ungenügende Marktliquidität mit sich bringt, wurden dort bereits dargestellt.

D. Ökonomische Analyse von Marktmanipulationen Zweifellos lassen sich Marktmanipulationen und daraus gezogene Profite als unehrlich, unmoralisch, gegen das Gebot des fair-play verstoßend und damit als unethisch brandmarken. Dies sind jedoch nur schwache Argumente, die spätestens bei der Beurteilung und Rechtfertigung der (Kriminal-)Strafwürdigkeit derartigen Verhaltens nicht mehr als Legitimation dienen können. Zudem gehen bekanntermaßen die Ansichten über Ethik und Moral weit auseinander. Hinzu kommt, daß die Bewertung häufig von der Perspektive des Betrachters abhängt. Besonders deutlich wird dies wiederum beim Insiderhandel, dem nach wie vor nicht wenige Autoren wichtige positive Effekte nachsagen. So existiert vor allem unter Ökonomen die Ansicht, Insiderhandel sei im Interesse des Funktionierens der kapitalistischen Wirtschaftsordnung unbedingt notwendig.99 Insiderhandel stelle die beste Möglichkeit zur Einkommensverbesserung dar und biete damit den notwendigen Leistungsanreiz für eine unternehmerisch denkende und handelnde Führungsschicht. Ferner beschleunige Insiderhandel die Bildung eines „richtigen“, also alle Informationen beinhaltenden Börsenkurses und fördere damit die Allokationseffizienz des Kapitalmarktes. Von die___________ 98

Kümpel, WM 1992, 381, 387; Mennicke, Sanktionen, S. 101. Die deutliche Diskrepanz zwischen ökonomischer und juristischer Bewertung (vgl. Carlton/Fischel, 35 Stan. L. Rev. 857, 860 (1983): „A fundamental difference exists between the legal and economic definitions of insider trading.“) des Insiderhandels beruht im wesentlichen auf einer unterschiedlichen Betrachtungsperspektive. Während für die ökonomische Seite Leistungsanreize und Effizienzgedanken im Vordergrund stehen, sind es für die Juristen normative Wertungen wie Fairneß, Chancengleichheit und damit die „Sauberkeit“ (Hopt, ZGR 1991, 17, 25) der Kapitalmärkte. Zur Kritik an der ökonomischen Sicht vgl. u. D III (S. 79) sowie umfassend Mennicke, Sanktionen, S. 59-76. Einen Überblick über die wesentlichen Argumente geben Noll/Klimscha, ÖJZ 2005, 658, 660 ff. 99

2. Kap.: Aufgaben und Funktionsvoraussetzungen

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sem Standpunkt aus ist Insiderhandel deshalb weder unethisch noch unmoralisch, sondern nachgerade volkswirtschaftlich wünschenswert. Ein Urteil über die Verwerflichkeit und nachfolgend die Verbotswürdigkeit setzt deshalb neben Untersuchungen zur Profitabilität vor allem dezidierte Aussagen über konkrete nachteilige Auswirkungen von Manipulationen voraus, die eventuell ebenso vorhandene positive Effekte überwiegen müßten. Dabei muß die ökonomische Analyse von Manipulationen im Rahmen dieser Darstellung kursorisch bleiben. Bei der parallelen Problematik im Insiderrecht ist eine abschließende Lösung in den letzten 40 Jahren nicht gelungen. Überdies kann auf diese Untersuchungen nur in begrenztem Umfang zurückgegriffen werden, da es um im Kern völlig verschiedene Verhaltensweisen geht.100 Beim Insiderhandel geht es um Informationsvorsprünge. Der Insider hat vor allen anderen Marktteilnehmern Kenntnis von Informationen, die bei ihrem Bekanntwerden den Kurs eines Wertpapieres beeinflussen werden. Diese Kenntnis von der zukünftigen Kursentwicklung nutzt er zu gewinnbringenden Transaktionen aus. Der Insider beeinflußt also nicht den Preis des Wertpapieres, sondern nutzt sein Wissen, um der bereits vorgezeichneten Entwicklung zuvor zu kommen. Demgegenüber nimmt der Manipulant aktiv Einfluß auf den Preis und führt so die für ihn positive Kursentwicklung erst herbei.101

I. Profitabilität von Manipulationen

Die Frage nach der Profitabilität von Manipulation, also ob diese sich für den Manipulanten „lohnen“, wird in der (vornehmlich ökonomischen) Literatur nicht ganz einheitlich beurteilt.102 Weitgehende Übereinstimmung besteht hinsichtlich der handlungsgestützten Manipulationen und der informationsgestützten Manipulationen. Sowohl anhand einer Reihe von Modellen103 als auch mit Hilfe von empirischen Untersuchungen104 sowie alltäglichen Beobachtungen105 konnte deren Profitabilität nachgewiesen werden.

___________ 100

Anders offenbar Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 52. Eingehend bereits o. 1. Kap. C (S. 15). 102 Ausführlich zum Ganzen Lenzen, Unterlaubte Eingriffe, S. 33-51. 103 Einerseits Bagnoli/Lipman, RAND J. Econ., 27 (1996), 124 ff. und Vila, Econ. Letters, 29 (1989), 21 ff.; andererseits Benabou/Laroque, Quart. J. Econ. 107 (1992), 921 ff. sowie ebenfalls Vila, a.a.O. 104 Schröder, Aktienhandel, S. 61 ff. 105 Für handlungsgestützte Manipulationen: Baums, FS Claussen, S. 3, 18 Fn. 78; für informationsgestützte Manipulationen: LG Frankfurt a. M., NJW 2000, 301 – Fall Prior; BGHSt 48, 373 ff. – Scalping. 101

D. Ökonomische Analyse von Marktmanipulationen

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Demgegenüber wird dies für handelsgestützte Manipulationen teilweise bestritten.106 Zunächst wird der unmittelbare Zusammenhang zwischen Handelsaktivität in einem Wertpapier und dessen Preisentwicklung (sog. market impact) in Frage gestellt.107 Der Preisbildungsprozeß sei viel komplexer. Die Preisentwicklung hinge von der Elastizität von Angebot und Nachfrage ab. Zudem käme es dem Anleger nicht auf ein bestimmtes Wertpapier an, so daß dieses durch eine Vielzahl anderer Wertpapiere vergleichbarer Gattungen substituiert werden könne. Hierdurch würde der Markt wesentlich breiter und reagiere damit um ein vielfaches geringer auf einzelne Transaktionen (sog. Substitutionshypothese). Allenfalls sehr große Volumina könnten so noch einen wesentlichen Einfluß ausüben. Die zur Verifizierung dieser Annahme herangezogene US-amerikanische Studie108, wonach 47% aller Blocktransaktionen ohne Auswirkungen auf den Preis geblieben sind, ist dabei allerdings wenig überzeugend, besagt sie doch im Umkehrschluß auch, daß es bei 53% der Transaktionen doch zu Preiswirkungen gekommen ist. Obwohl der genaue Wirkungsmechanismus bisher nicht endgültig bekannt ist, ist jedenfalls für Blocktransaktionen der Preis-MengenEffekt (market impact) anerkannt109 und dürfte auch für weitere Handelsaktivitäten gelten.110 Harris und Gurel haben nachgewiesen, daß im Anschluß an eine Veränderung der Zusammensetzung des S&P 500-Indexes und der damit einhergehenden Veränderung in Angebot und Nachfrage bezüglich der neu aufgenommenen bzw. herausgefallenen Werte signifikante Bewegungen in deren Preis nach oben resp. nach unten zu verzeichnen waren.111 Insgesamt sieht sich die Substitutionshypothese erheblichen empirischen Zweifeln ausgesetzt. Bei genauer Untersuchung zeigt sich, daß verschiedene Wertpapiere jeweils für sie eigentümliche Eigenschaften aufweisen, wodurch sie nicht in vollem Umfang subsitutierbar sind.112 Gegen die Profitabilität wird des weiteren eingewandt, daß, selbst wenn eine Preiswirkung einträte, diese nicht gewinnbringend ausgenutzt werden könnte. Der Manipulant müßte, um einen Gewinn zu erzielen, billig ein- und teu(r)er verkaufen. Da sein Kauf jedoch (aufgrund des market impacts) auch kurserhö___________ 106

So v. a. Fischel/Ross, 105 Harv. L. Rev. 503 ff. (1991). Asquith/Mullins, J. Finan. Econ. 15 (1986), 61 ff.; Fischel/Ross, 105 Harv. L. Rev. 503, 513 ff. (1991). 108 Holthausen/Leftwich/Mayers, J. Finan. Econ. 19 (1987), 237 ff. 109 Chan/Lakonishok, J. Finance 50 (1995), 1147, 1158; dies., J. Finan. Econ. 33 (1993), 173, 196; Rudolph/Röhrl, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 172; Hopt/Baum, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 431. 110 Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 39. 111 Harris/Gurel, J. Finance 41 (1986), 815 ff. 112 Avgouleas, Market Abuse, S. 135. 107

2. Kap.: Aufgaben und Funktionsvoraussetzungen

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hend wirke, sein Verkauf hingegen spiegelbildlich kurssenkend, sei dies schlechterdings undenkbar.113 Auch gegen dieses Bedenken sind beachtliche Argumente vorgebracht worden, die im Ergebnis die Profitabilität auch von handelsgestützten Manipulationen belegen.114 Beispielsweise wird als eine Ursache dafür die asymmetrische Informationsverteilung zwischen dem Manipulanten und den übrigen Marktteilnehmern gesehen.115 Zum anderen beziehen sich die gegen die Gewinnmöglichkeit vorgetragenen Argumente im wesentlichen auf die Unmöglichkeit der Erzielung unmittelbarer Gewinne, die aus der Differenz von Kauf- zu Verkaufspreis des manipulierten Titels beruhen.116 Bereits bei den Manipulationsformen wurde aber gezeigt, daß der Gewinn häufig mittelbar eintritt, sei es in Form von Derivaten oder Fonds oder sei es über die Auslösung von Vertragsbedingungen. Betrachtet sei nur der Einsatz von Optionen. Durch deren Hebeleffekt fällt ihre prozentuale Wertveränderung um ein Vielfaches höher aus, als die des zugrundeliegenden Basiswertes. Damit kann mit dem Gewinn bei der Option der Verlust beim Basiswert ausgeglichen werden und es verbleibt darüber hinaus ein nicht unerheblicher Nettogewinn.117 Es ist deshalb davon auszugehen, daß grundsätzlich alle manipulativen Verhaltensweisen mit Gewinn einsetzbar sind und – wie ein Blick in die USA zeigt – auch eingesetzt werden.118 Damit ist zumindest empirisch auch die gelegentlich vorgetragene Ansicht widerlegt, Manipulationen oder zumindest einige ihrer Formen seien mangels Gewinnmöglichkeit selbsthemmend (self deterrent) und deshalb nicht regelungsbedürftig.119

II. Negative Auswirkungen von Manipulationen

Allein von dem aus Manipulationen gezogenen Gewinnen des Manipulanten undifferenziert auf deren Schädlichkeit für andere schließen zu wollen, griffe jedoch angesichts der unpersönlichen Handelsvorgänge an den Kapitalmärkten und den vielen potentiell Beteiligten zu kurz. Im folgenden werden mögliche negative Auswirkungen von Manipulationen deshalb gesondert für die Anleger ___________ 113

Fischel/Ross, 105 Harv. L. Rev. 503, 518 f. (1991). Ausf. Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 34 ff. m.w.N. 115 So das Modell von Allen/Gale, Rev. Finan. Stud. 5 (1992), 503 ff. 116 So auch Thel, 79 Cornell, L. Rev. 219, 247 ff. (1994). 117 Vgl. hierzu Jarrow, J. Finan. Quant. Anal. 29 (1994) 241, 249 ff. sowie Kumar/ Seppi, J. Finance 47 (1992), 1485 ff. 118 Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 51. 119 So zu Recht auch Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 51; ferner Thel, 79 Cornell L. Rev. 219, 297 (1994). 114

D. Ökonomische Analyse von Marktmanipulationen

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(Kapitalanbieter), die Emittenten (Kapitalnachfrager) und den Kapitalmarkt als solchen untersucht.

1. Auswirkungen auf Anleger (Kapitalanbieter) Marktmanipulationen können sich nachteilig auf Anleger auswirken.120 Ein unmittelbarer Schaden121 besteht im einfachsten Falle darin, daß Vermögenswerte zu Preisen gehandelt werden, die nicht denen entsprechen, die bei unbeeinflußter Preisbildung entstanden wären. Dies wirkt sich in zweifacher Hinsicht aus. Der erste Aspekt betrifft die unmittelbare aus dem Geschäftsabschluß zum falschen Preis herrührende Einbuße. Durch den zu teuren Kauf resp. den zu billigen Verkauf des manipulierten Wertes erleidet der Anleger einen Verlust in Höhe der Differenz zwischen manipuliertem Preis und hypothetischem Preis. Dies gilt unabhängig davon, ob der unmanipulierte Preis entsprechend einer Preisbildungstheorie den inneren Wert des emittierenden Unternehmens zutreffend widerspiegelte. Preise nehmen nach Beendigung der manipulativen Eingriffe häufig ihr vorheriges Niveau wieder ein.122 Dem auf dem verfälschten Niveau kontrahierenden Anleger entsteht daher selbst dann ein Schaden, wenn der Preis durch die Manipulation in die Nähe seines zutreffenden, das heißt dem inneren Wert entsprechenden, Wertes, gebracht worden wäre. Es ist deshalb für die Bejahung eines Anlegerschadens unerheblich, in welche Richtung der Preis beeinflußt wurde, solange er sich für ihn nachteilig entwickelt hat. Der Schaden kann aber auch darin bestehen, daß überhaupt eine Transaktion vorgenommen wurde. Der manipulierte Preis oder die hervorgerufene Preisänderung kann dem Anleger ein falsches Signal geben und ihn damit zu Dispositionen veranlassen, die er bei unbeeinflußtem Preis nicht vorgenommen hätte. Dieser Fehldisposition folgt dann ein weiterer Schaden in Form eines Geschäftes zum falschen Preis nach. Neben den unmittelbaren Schäden durch den Handel mit selbst im Preis manipulierten Papieren stehen die mittelbaren Beeinträchtigungen, die dadurch auftreten, daß der manipulierte Titel als Bewertungs- oder Berechnungsgrundlage für andere Finanzinstrumente dient. Verwiesen sei hier wiederum auf den weiten Bereich der Derivate sowie der Investmentanteile.123 Neben der geziel___________ 120

Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 52; Watter, SZW 1990, 193, 196. Schaden ist hier im Rahmen der ökonomischen Analyse zunächst im untechnischen Sinne von Nachteilen jeder Art zu verstehen, ohne daß auf die juristische schadensrechtliche Dogmatik (Kausalität, Zurechnung) eingegangen wird. Vgl. dazu aber u. 3. Kap. B I 2 d) (3) (S. 109). 122 Vgl. Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 52. 123 Vgl. dazu auch o. 1. Kap. G II (S. 46). 121

2. Kap.: Aufgaben und Funktionsvoraussetzungen

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ten Beeinflussung dieser Werte analog dem vorstehend beschriebenen Szenario sind diese stets unbeabsichtigt mit betroffen. Da es inzwischen zu nahezu jeder Aktie auch das eine oder andere Derivat gibt und viele in Investmentfonds vertreten sind, handelt es sich hierbei auch nicht um Ausnahmeerscheinungen. Durch die Verzahnung verschiedener Wertpapiere entwickeln Manipulationen eine Art Fernwirkung und kommt es zu einer nicht unbeträchtlichen Erweiterung des Kreises der (potentiell) Geschädigten. Dennoch sind von Manipulationen keineswegs alle Anleger nachteilig betroffen. Unter ihnen gibt es auch eine Vielzahl von Gewinnern, ohne daß sie selbst Manipulanten sind oder sich überhaupt einer Manipulation bewußt wären. Durch den unpersönlichen und massenhaften Börsenhandel findet in aller Regel zum manipulierten Preis nicht nur ein Geschäft (sc. mit dem Manipulanten) statt, sondern parallel handeln auch andere, unbeteiligte Marktteilnehmer. All jene Anleger, die bildlich gesprochen auf der Geschäftsseite des Manipulanten stehen, profitieren dann genau wie dieser von dem unrichtigen Preis. Das gilt unmittelbar, sie können die Papiere billiger einkaufen resp. teurer verkaufen; das gilt aufgrund der Fernwirkung jedoch auch mittelbar, indem sich ihre Investmentanteile, Derivate etc. für sie positiv entwickeln. Diese Ambivalenz hat bedeutsame Auswirkungen auf das Rechtsgut von § 20a WpHG.124 Indes darf man darüber nicht vergessen, daß am Kapitalmarkt Kapital nicht „produziert“, sondern nur umverteilt werden kann. Der Vorteil der einen Seite korrespondiert daher zwangsläufig mit dem Nachteil der anderen Seite. Man kann deshalb nicht argumentieren, die Steigerung des Preises eines Vermögensgegenstandes sei deshalb kein Schaden, weil sie neben dem Manipulanten auch allen anderen Anlegern zugute käme.125 Diese Argumentation übersieht, daß die Erwerber des manipulierten Vermögensgegenstandes mehr Kapital aufwenden müssen, als dies ohne die Manipulation der Fall gewesen wäre. Diese Differenz schlägt sich für sie als Schaden nieder. Profitieren werden dagegen nur diejenigen, die den betroffenen Vermögensgegenstand bereits zuvor erworben hatten und diesen nunmehr zu höheren Preisen als ohne Manipulation verkaufen können. Als Zwischenergebnis bleibt deshalb festzuhalten, daß sich Manipulationen zumindest auf einen Teil der Anleger stets vermögensschädigend auswirken.

___________ 124

Vgl. dazu auch u. 3. Kap. B I 2 d) (3) (S. 109). So aber Kutzner, WM 2005, 1401, 1405, der damit die Verbotswürdigkeit des Scalpings in Zweifel zu ziehen versucht. 125

D. Ökonomische Analyse von Marktmanipulationen

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2. Auswirkungen auf den Kapitalmarkt Einige nachteilige Auswirkungen von Manipulationen auf den Kapitalmarkt als Einheit wurden bereits bei der Untersuchung von dessen Funktionsbedingungen angesprochen. Auf diese Ausführungen wird verwiesen. Nachfolgend werden deshalb lediglich die konkreten Folgen für die drei eingangs aufgezeigten Kapitalmarktfunktionen dargestellt.

a) Kapitalaufbringungsfunktion Eine wesentliche Aufgabe des Kapitalmarktes besteht darin, das von den Anlegern angebotene Sparkapital in von den Emittenten nachgefragtes Investitionskapital zu transformieren (Transformationsfunktion).126 Hierfür müssen aber die Anleger zunächst überhaupt in ausreichendem Maße Sparkapital zur Verfügung stellen. Es wurde gezeigt, daß es dazu vor allem des Vertrauens der Anleger in die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes bedarf.127 Dieses Vertrauen wird durch Manipulationen beeinträchtigt. In Folge dessen ziehen sich Anleger vom Kapitalmarkt zurück und potentielle Interessenten werden abgeschreckt. Es fehlt damit neues Kapital, das verteilt werden könnte.128 Der Kapitalmarkt kann seine Kapitalaufbringungsfunktion nicht mehr optimal erfüllen. Marktmanipulationen beeinträchtigen deshalb die Kapitalaufbringungsfunktion.

b) Allokationsfunktion Die Allokationsfunktion des Kapitalmarktes besteht darin, das Kapital der rentabelsten Unternehmung zuzuführen. Dies geschieht idealiter allein über den Preis des Finanzierungstitels. Dieser muß dazu aber die erwartete Rendite zutreffend darstellen.129 Das ist nicht mehr der Fall, wenn die Preise aufgrund von Manipulationen verzerrt sind. Das knappe Kapital wird dadurch nicht mehr in die besten Anlageoptionen investiert und der gesamtwirtschaftliche Nutzen fällt geringer aus. Die Kapitalallokation wird ineffizient.130 ___________ 126

Siehe o. B II (S. 53). Siehe o. C IV (S. 63). 128 Siehe o. C IV 2 (S. 64). 129 Siehe o. B III (S. 55). 130 Avgouleas, Market Abuse, S. 212; Kahan, 41 Duke L. J. 977, 1006 (1992). 127

2. Kap.: Aufgaben und Funktionsvoraussetzungen

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Das häufigere Auftreten von Manipulationen führt daneben dazu, daß die uninformierten Anleger mangels verläßlicher Informationen zunehmend irrationaler handeln, das heißt ihrer Investitionsentscheidung mehr und mehr subjektive oder psychologische Kriterien zugrunde legen.131 Ein derartiges Anlageverhalten ist volkswirtschaftlich nicht erwünscht, weil auf diese Weise das knappe Investitionskapital nicht mehr nach Effizienzgesichtspunkten verteilt wird. Marktmanipulationen beeinträchtigen daher auch die Allokationsfunktion des Kapitalmarktes.

c) Bewertungs- und Informationsfunktion Die am Kapitalmarkt festgestellten Preise können ihre umfangreichen Bewertungs- und Informationsfunktionen132 nur wahrnehmen, wenn sie den Unternehmenswert zutreffend widerspiegeln. Werden sie durch künstliche Eingriffe verzerrt, sind die von ihnen ausgehenden Signale nicht mehr brauchbar.133 Auf diese Weise wirkt sich jede Manipulation negativ aus. Wiederholte Manipulationen führen daneben dazu, daß die Bewertungs- und Informationsfunktion insgesamt an Wert verliert. Da dem einzelnen Kurs eine etwaige Manipulation nicht anzusehen ist, nimmt dessen Aussagekraft auch dann ab, wenn er im konkreten Fall nicht verzerrt ist.134 Marktmanipulationen beeinträchtigen somit schließlich auch die Bewertungs- und Informationsfunktion des Kapitalmarktes.

3. Auswirkungen auf den Emittenten (Kapitalnachfrager) Die eben dargestellten eher abstrakten Auswirkungen auf den Kapitalmarkt manifestieren sich sämtlich in konkreten Nachteilen für die Emittenten. Das durch den Anlegerrückzug bei gleicher Nachfrage knapper werdende Kapitalangebot erhöht dessen Preis, weil die kapitalsuchenden Emittenten höhere Renditen bieten müssen, um das benötigte Kapital bekommen zu können. Dies erhöht deren Kapitalkosten. Im Extremfall ist ihnen eine Kapitalaufnahme über-

___________ 131

Vgl. Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 54. Siehe o. B IV (S. 56). 133 Vgl. Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 55. 134 Die ist wieder ein Fall der adverse selection, vgl. bereits o. bei Fn. 95 (S. 70). 132

D. Ökonomische Analyse von Marktmanipulationen

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haupt nicht mehr möglich. Es können so weniger Investitionsprojekte verwirklicht werden, als dies ohne Manipulationen der Fall wäre.135 Neben das bereits knappere Angebot tritt die Gefahr von Fehlallokationen. Das wird, neben den gesamtwirtschaftlichen Nachteilen, für den einzelnen Emittenten vor allem dadurch zum Problem, daß sein Preis nicht mehr, wie es die Kapitalmarkttheorie verlangt, seine Profitabilität in Relation zu den anderen Marktteilnehmern abbildet. Er läuft damit Gefahr, in seiner Rentabilität falsch eingeschätzt zu werden und dadurch an dem noch vorhandenen Kapital nicht partizipieren zu können, was hingegen bei zutreffender Bewertung der Fall gewesen wäre. Schließlich kann auch die nicht mehr gegebene Bewertungs- und Informationsfunktion des Kapitalmarktes nachteilige Auswirkungen auf einen Emittenten entfalten. Die Spanne reicht hierbei von der nicht mehr der Unternehmensentwicklung angepaßten Entlohnung des Managements über die Auslösung von Vertragsbedingungen bis hin zu Einflüssen auf Unternehmensübernahmen.

III. Positive Effekte von Manipulationen

Eingangs wurde auf die vor allem unter Ökonomen verbreitete Ansicht verwiesen, Insiderhandel habe (auch oder sogar überwiegend) positive Auswirkungen und erfülle volkswirtschaftlich wichtige Funktionen. Ohne diese Annahmen auf ihre Richtigkeit in Bezug auf den Insiderhandel zu überprüfen, soll untersucht werden, ob sie sich auf Marktmanipulationen übertragen lassen. Etwaige positive Auswirkungen von Marktmanipulationen müßten dann bei der Bewertung der Verbots- und Strafwürdigkeit berücksichtigt werden.

1. Managementanreize/principal-agent-theory Die erste, dem Insiderhandel zugeschriebene Funktion besteht in der Schaffung und Erhaltung eines Leistungsanreizes für das Management. Diesem müsse die Möglichkeit zur Erzielung von persönlichen, außerarbeitsvertraglichen, leistungsabhängigen Gewinnen gegeben werden. Nur dann hätte es genügend Anreiz, diese für die positive Unternehmensentwicklung notwendigen und gesamtwirtschaftlich unentbehrlichen unternehmerischen Leistungen zu erbringen.136 In die gleiche Richtung zielt die sog. agency theory.137 Ausgehend von ___________ 135

Siehe o. C IV 2 (S. 64). Grdl. Manne, Insider Trading, S. 131 ff.; Carlton/Fischel, 35 Stan. L. Rev. 857 (1983); ähnlich Schneider, DB 1993, 1429, 1434 f. – Diese Argumentation beruht auf einer Arbeit Schumpeters (Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, S. 110 ff.), nach 136

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2. Kap.: Aufgaben und Funktionsvoraussetzungen

der für die moderne Gesellschaft üblichen Trennung von Eigentum (Aktionäre) und Kontrolle (Management) eines Unternehmens und der damit verbundenen Übertragung von Kompetenzen bedarf es eines Anreiz- und Belohnungssystems für das Management (agents), damit dieses im Interesse der Aktionäre (principals) handelt. Die Möglichkeit des Insiderhandels sei ein solcher Anreiz. Insiderhandel hätte auf diese Weise eine Effektivitätssteigerung des Managements zur Folge und würde sich damit letztlich positiv auf das Unternehmen auswirken. Die beiden Ansätze gehen hierbei davon aus, daß sich die Managementleistung bei ihrem Bekanntwerden im Preis niederschlägt und diese Preissteigerung den „Wert“ der Managementleistung widerspiegelt. Der Leistungsanreiz für das Management besteht nun darin, möglichst viele solcherart für das Unternehmen positive Effekte zu erzielen, damit den Unternehmenswert zu steigern und die sich daraufhin automatisch einstellende Kursbewegung durch Insidergeschäfte gewinnbringend vorwegzunehmen. Unter mehreren wirklichkeitsfremden Voraussetzungen (keine Gewinnmöglichkeit bei fallenden Preisen, Gewinnmöglichkeit nur für die tatsächlich beteiligten Führungskräfte etc.) läßt sich auf diese Weise tatsächlich zumindest theoretisch ein Anreizsystem konstruieren.138 Mit Marktmanipulationen ist das hingegen bereits aus grundsätzlichen Erwägungen nicht denkbar. Unter der Annahme, daß in der Regel der unbeeinflußte Preis dem wahren Wert des Vermögensgegenstandes zumindest nahekommt, führt erst die Manipulation zu einem vom wahren Wert abweichenden Preis. Jedenfalls sind Manipulationen unabhängig von Managementleistungen und deren Auswirkungen auf den Unternehmenswert. Insofern kann der manipulierte Preis niemals planmäßig den Wert dieser Managementleistung widerspiegeln, sondern allenfalls zufällig. Manipulationen bieten deshalb zwar Anreize für das Management, aber nicht dergestalt, durch Leistung den Unternehmenswert zu steigern, was sich dann im Aktienkurs niederschlägt, sondern allein die mit einer Führungsposition verbundenen Möglichkeiten zu gezielten Manipulationen auszunutzen. Diese können – wie Beispiele aus den USA zeigen139 – durchaus auch den Unternehmens- und Aktionärsinteressen zuwiderlaufen. ___________ der für den wirtschaftlichen Fortschritt Pionierleistungen, die von einem kreativen Unternehmertum erbracht werden, unentbehrlich seien. 137 Dazu Fenn/McGuire/Prentice, in: Hopt/Wymeersch (Hrsg.), European Insider Dealing, S. 3, 8 ff.; Jensen/Meckling, J. Finan. Econ. 3 (1976), 305 ff.; Schweizer, Insiderverbote, S. 51 f. 138 Zu den letztendlich aber entgegenstehenden Argumenten s. Mennicke, Sanktionen, S. 63-69 und Krauel, Insiderhandel, S. 31-41, jeweils m.w.N. 139 Beispielsweise der Fall American Steel and Wire, vgl. o. 1. Kap. D III (S. 37).

D. Ökonomische Analyse von Marktmanipulationen

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Die Möglichkeit zu Manipulationen für das Management ist deshalb unter keinen Umständen als Anreizsystem für dieses, den Unternehmenswert zu steigern, denkbar. Der parallele Ansatz aus dem Insiderrecht läßt sich nicht übertragen.

2. Beitrag zur Steigerung der optimalen Kapitalallokation Eine optimale Kapitalallokation ist dann erreicht, wenn das Kapital in diejenige Unternehmung investiert wird, die damit den größten Erfolg erwirtschaften kann. Um diese unter den anderen Optionen auswählen zu können, bedarf es eines Renditevergleichs. Dieser erfolgt über den Preis des Vermögensgegenstandes am Kapitalmarkt. Voraussetzung hierfür ist, daß die Preise zu jeder Zeit alle preisrelevanten Informationen enthalten, weil sie nur dann eine zutreffende Aussage über die zu erwartende Rendite treffen. Nicht öffentliche Informationen, das heißt Insiderinformationen, sind aufgrund der lediglich schwachen Informationseffizienz aber noch nicht im Marktpreis verarbeitet. Der Insider hat nun die Möglichkeit, mit seinen Transaktionen die zukünftige, durch die noch nicht öffentliche und somit auch noch nicht im Preis enthaltene Insiderinformation ausgelöste Preisbewegung teilweise vorwegzunehmen. Handelt es sich um eine positive, also preissteigernde Information, wird er das betroffene (tatsächliche unterbewertete) Wertpapier kaufen. Dadurch erhöht sich die Nachfrage und es kommt bereits jetzt zu einem höheren Preis. Dieser liegt näher an dem Preis, der sich nach Bekanntwerden der Insiderinformation einstellt. Das gleiche gilt natürlich umgekehrt auch für negative Informationen. Es wird deshalb argumentiert, da sich auf diese Weise schneller der „richtige“ Preis am Markt einstelle, trage Insiderhandel zur Informationseffizienz des Kapitalmarktes und damit zur optimalen Kapitalallokation bei.140 Obwohl auch diese Argumentation gegen ein Insiderhandelsverbot im Ergebnis nicht durchgreift141, ist der Ansatz zumindest folgerichtig und in der Theorie geeignet, Informationsdefizite abzubauen und damit daraus resultierende Abweichungen des aktuellen vom richtigen Preis zu verringern. Der Grund hierfür liegt darin, daß durch Insiderhandel eine bereits bestehende Abweichung des tatsächlichen Preises vom „richtigen“ Preis ausgenutzt und im Ergebnis abgebaut oder zumindest nicht vertieft wird. ___________ 140

Manne, Insider Trading, S. 80-90; ders., Cato J. 4 (1985), 933, 935; Carlton/Fischel, 35 Stan. L. Rev. 857, 879 (1983); ferner Engel, Jahrbuch für Sozialwissenschaft 42 (1991), 388, 397; Schweizer, Insiderverbote, S. 38 f. m.w.N.; auch Arlt, Anlegerschutz, S. 380 f. 141 Zu den zutreffenden Gegenargumenten umfassend Mennicke, Sanktionen, S. 7076 m.w.N.

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2. Kap.: Aufgaben und Funktionsvoraussetzungen

Wiederum ist dieser Ansatz aber nicht auf Manipulationen übertragbar. Diese sind darauf gerichtet, den Preis eines Wertpapieres in eine allein vom Manipulanten gewünschte Richtung zu bewegen, ohne daß es auf noch nicht verarbeitete preisrelevante Informationen ankommt. Es wäre dem Zufall geschuldet, wenn sie zu einer Annäherung an den richtigen Preis führen würde. Zumeist führt vielmehr erst die Manipulation zu einem vom wahren Wert abweichenden Preis. Manipulationen sind deshalb bereits theoretisch nicht geeignet, systematisch zur Informationseffizienz und optimalen Kapitalallokation beizutragen. Statt dessen werden sie regelmäßig die Diskrepanz zwischen tatsächlichem und „richtigem“ Preis vergrößern und damit die Kapitalallokation sogar nachteilig beeinflussen.

3. Zwischenergebnis Abgesehen von den Profiten für den Manipulanten haben Marktmanipulationen keine positiven Auswirkungen. Vor allem verfangen die für die Notwendigkeit des Insiderhandels vorgetragenen Argumente nicht. Weder bietet das Ausnutzen manipulierter Preise Managementanreize, noch trägt die Manipulation zur Annäherung an den „richtigen“ Preis bei.

IV. Ergebnis

Die ökonomische Analyse hat ergeben, daß Marktmanipulationen erhebliche negative Auswirkungen auf alle Kapitalmarktbeteiligten (Kapitalgeber und Kapitalnehmer) sowie den Kapitalmarkt selbst haben. Dem stehen keine saldierbaren positiven Effekte gegenüber. Insofern ist die Frage nach der Verbotswürdigkeit zu bejahen. Noch nicht beantwortet ist damit aber die dem nachgeordnete Entscheidung, welche juristischen Mittel dazu eingesetzt werden sollten.

Drittes Kapitel

Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen gegen das Verbot der Marktmanipulation Die ökonomische Analyse der Auswirkungen von Marktmanipulationen hat deren Verbotswürdigkeit ergeben. In keiner Weise entschieden ist damit jedoch, wie dieses Verbot durchgesetzt werden sollte. Im deutschen Recht stehen dazu drei grundsätzliche Möglichkeiten zur Verfügung. Zunächst ist eine rein zivilrechtliche Lösung denkbar, die im wesentlichen mit Schadensersatz- bzw. Bereicherungsansprüchen der Geschädigten arbeitet. Zum zweiten kommen verwaltungsrechtliche Sanktionen (Bußgelder) in Betracht. Drittens schließlich ist die Androhung von Kriminalstrafe möglich. Überdies können all diese Optionen gegebenenfalls auch miteinander kombiniert werden. Die Entscheidung über die Art der Sanktionierung ist dabei nicht nur von Zweckmäßigkeits- und Wirksamkeitsüberlegungen geprägt, sondern wird, da eine EG-Richtlinie (MMRL) umzusetzen war, gemeinschaftsrechtlich determiniert. Der deutsche Gesetzgeber hat sich bei dem Verbot der Marktmanipulation für eine Kombination aus Ordnungswidrigkeit (§ 39 I Nr. 1, 2, II Nr. 11 WpHG) und Straftat (§ 38 II WpHG) und damit gegen eine zivilrechtliche Lösung entschieden. Nicht zuletzt aus der verfassungsrechtlich garantierten allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG) folgt aber, daß nicht jedes beliebige Mittel zur Erreichung eines legitimen Zweckes eingesetzt werden darf, sondern dieses verhältnismäßig, das heißt geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne, sein muß. Zudem stößt die zunehmende Einführung neuer Straftatbestände, insbesondere solcher des Wirtschaftsstrafrechts, zum Schutze von überindividuellen Rechtsgütern verbreitet auf nicht unerhebliche Kritik.1 Auch nach der Entscheidung des deutschen Gesetzgebers für eine Kriminalisierung von Marktmanipulationen, soweit diese tatsächlich erfolgreich waren, bleibt deshalb zu untersuchen, ob dem unter normativen wie auch rechtspolitischen Gesichtspunkten zugestimmt werden kann. Der Gesetzgeber hat wie schon bei der Einführung des Insiderhandelsverbotes bedauerlicherweise versäumt, seine Entscheidung für eine (partielle) Kriminalisierung näher darzulegen. ___________ 1 Zusammenfassend für das Wirtschaftsstrafrecht Lampe, in: Albers (Hrsg.), Handwörterbuch, S. 311; näher u. B I 1 b (S. 91).

3. Kap.: Sanktionsmöglichkeiten

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A. Exkurs: US-amerikanisches Kapitalmarktrecht Bevor die deutsche Sanktionierung untersucht wird, soll ein rechtsvergleichender Blick auf die US-amerikanische Rechtslage geworfen werden. Dieser beschränkt sich jedoch entsprechend der Fragestellung auf die Folgen von Verstößen gegen die verschiedenen Manipulationsverbote. Nicht nachgegangen wird der Frage, wann ein Verhalten als Manipulation im Sinne der Gesetze anzusehen ist.2 Nachdem die ursprünglich im Securities Act und im Securities Exchange Act vorgesehenen Sanktionsmöglichkeiten mehr und mehr als nicht hinreichend zur Abschreckung geeignet erschienen, wurden diese 1990 mit Inkrafttreten des Securities Enforcement Remedies and Penny Stock Reform Act of 19903 erheblich erweitert. Seitdem kann die U.S. Securities & Exchange Commission (SEC) bei der Ahndung von Manipulationen im Einzelfall wesentlich flexibler agieren, unter einer ganzen Reihe von Möglichkeiten auswählen und so die verschiedenen Verstöße gegen die Kapitalmarktvorschriften mit den jeweils am besten geeigneten Mitteln ahnden.

I. Geldbußen (civil penalties)

Finanzielles Sanktionsmittel für Verstöße gegen die Wertpapiergesetze sowie die hierunter von der SEC erlassenen rules sind die civil penalties (Sec. 21B SEA). Die Höhe der zu zahlenden civil penalty hängt von der Schwere des Verstoßes ab und ist in drei Stufen („tiers“, Sec. 21 (d) (3) (B) (i)-(iii) SEA bzw. Sec. 21B (b) (1)-(3) SEA) eingeteilt: sie reicht von US-$ 5.000 (50.000) über US-$ 50.000 (250.000) bis zu US-$ 100.000 (500.000) pro Verstoß für natürliche (bzw. juristische) Personen. Für Manipulationen ist immer schon die zweite Stufe einschlägig, bei Eintritt eines wesentlichen Schadens oder des Risikos eines solchen bzw. bei einem wesentlichen Gewinn für den Manipulanten sogar die dritte Stufe. Die civil penalty kann zum einen direkt durch die SEC ohne Mitwirkung eines Gerichts verhängt werden (Sec. 21B SEA). Allerdings ist die „Jurisdiktionsgewalt“ der Behörde auf den von ihr regulierten Personenkreis (beispielsweise broker, dealer, mit diesen assoziierte Personen usw., sog. regulated persons) beschränkt. Zudem muß die Strafe im öffentlichen Interesse liegen und

___________ 2

Vgl. hierzu ausf. Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 79-131. Pub. L. No. 101-429, 104 Stat. 931. Dazu McLucas/DeTore/Colachis, 46 Bus. Law. 797 ff. (1991); Morris, 7 Admin. L. J. Am. U. 151 ff. (1993). 3

A. Exkurs: US-amerikanisches Kapitalmarktrecht

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dem Tatvorsatz angemessen sein.4 Diese Einschränkungen gelten nicht, wenn die SEC die civil penalty vor einem Federal Court geltend macht (s. Sec. 21 (d) (3) (A) SEA). Das Gericht kann die Geldbuße gegenüber jedermann aussprechen, ohne daß es weiterer Voraussetzungen bedarf. Vor allem aber kann das Gericht eine im Einzelfall weit höhere Geldbuße verhängen, nämlich bis maximal zur (einfachen5) Höhe des durch die Tat erlangten Gewinns (Sec. 21 (d) (3) (B) (i)-(iii) SEA).

II. Strafrechtliche Verfolgung

Vorsätzliche Verstöße gegen die Wertpapiergesetze und die darunter erlassenen rules können darüber hinaus auch strafrechtlich verfolgt werden (Sec. 24 SA, Sec. 32 SEA). Eine solche Verfolgung liegt aber nicht im Zuständigkeitsbereich der SEC, so daß diese die für strafwürdig befundenen Verstöße an das Department of Justice (Staatsanwaltschaft) abgeben muß. Diesem obliegt dann die endgültige Entscheidung über die Einleitung eines Strafverfahrens. Im Falle einer Verurteilung nach dem Securities Exchange Act können Geldstrafen bis zu US-$ 5 Mio. für natürliche Personen (ansonsten bis zu US-$ 25 Mio.) oder Freiheitsstrafe bis zu 20 Jahren verhängt werden (Sec. 32 SEA).6

III. Sonstige hoheitliche Maßnahmen

Die SEC kann ferner gegen alle Personen, die die Wertpapiergesetze oder darunter erlassene rules durch ein Tun oder Unterlassen verletzen, verletzt haben oder verletzen werden, sog. cease-and-desist orders erlassen und sie damit auffordern, diese Verletzung zu unterlassen bzw. entsprechende Schritte einzu___________ 4

Näher zu diesen Einschränkungen Morris, 7 Admin. L. J. Am. U. 151, 162 (1993) m.w.N. 5 Diesbezüglich strenger ist das Insiderrecht. Gem. Sec. 21A SEA kann hier die vom Gericht festzusetzende Geldbuße bis zum Dreifachen des Insidergewinns reichen. – Die Vorschrift wurde 1984 durch den Insider Trading Sanctions Act of 1984 (ITSA, Pub. L. No. 98-376, 98 Stat. 1264) (als Sec. 21 (d) (2) SEA) eingefügt und 1988 durch den ITSFEA geändert. Näher dazu Aldave, 52 Alb. L. Rev. 893, 905 ff. (1989). – Ebenfalls nur bei einem Insiderverstoß anwendbar ist eine Vorschrift (Sec. 21A (e) SEA), nach der bis zu 10 % der Summe von der SEC oder dem attorney general als „Prämie“ („bounty payment“) an einen Informanten (oder Denunzianten?!) gezahlt werden kann. S. hierzu H.R. Rep. No. 910, 100th Cong., 2nd Sess., 1988, S. 37; Friedman, 68 N.C. L. Rev. 465, 479 (1990); Kaswell, 45 Bus. Law. 145, 164-166 (1989); Loss/Seligman, Securities Regulation, S. 3758-3761. 6 Die Strafvorschriften wurden durch Sec. 1106 Sarbanes-Oxley Act of 2002 (Pub. L. No. 107-204, 116 Stat. 745) drastisch verschärft. Die Strafen betrugen vorher eine Mio. US-$ (bzw. 2,5 Mio. US-$) und 10 Jahre Freiheitsstrafe.

3. Kap.: Sanktionsmöglichkeiten

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leiten, um die Einhaltung der Gesetze in Zukunft sicherzustellen (Sec. 21C (a) SEA). In besonders eilbedürftigen Fällen können diese unter Abkürzung des Verfahrens auch als vorläufige Anordnung (temporary cease-and-desist order) ergehen (Sec. 21C (c) SEA), dann jedoch nur gegen regulated persons.7 In jedem Falle kann die cease-and-desist order mit einer Aufforderung zur Rechnungslegung und Herausgabe des Gewinns (disgorgement) einschließlich angemessener Zinsen verbunden werden (Sec. 21C (e) SEA). Die Verfügungen der SEC unterliegen voller gerichtlicher Kontrolle (Sec. 21C (d) (2) SEA). Verstöße gegen cease-and-desist orders können auf Antrag der SEC gerichtlich mit einem Bußgeld entsprechend der oben dargestellten Stufen geahndet werden (Sec. 21 (d) (3) (A) SEA). Die SEC kann ferner gem. Sec. 21 (d) (1) SEA gerichtliche Verfügungen (injunctions), Gewinnherausgaben (disgorgements) sowie gem. Sec. 21 (d) (2) SEA vorübergehende oder dauerhafte Berufsverbote als leitender Angestellter oder Vorstand einer Aktiengesellschaft erwirken.8 Des weiteren kann sie im Verwaltungsverfahren gegenüber bei ihr registrierten Personen (hier insbesondere broker, dealer, Anlageberater/Investmentgesellschaften) Rügen, Einschränkungen der beruflichen Aktivitäten bis hin zum Widerruf von deren Registrierung aussprechen.9 Schließlich kommen noch disziplinarische Maßnahmen der Börsen (u.a. Suspendierung, Lizenzbeschränkung, Geldstrafen, Rügen) in Betracht (Sec. 6 (b) (6) SEA).

IV. Zivilrechtliche Möglichkeiten

Neben den dargestellten behördlichen bzw. gerichtlichen Sanktionen kommt grundsätzlich immer auch eine zivilrechtliche Haftung des Manipulanten gegenüber den Geschädigten in Betracht.10 Die an sich einschlägige Vorschrift Sec. 9 (e) SEA, die eine Haftung für manipulative Handlungen nach den Absätzen (a) bis (c) vorsieht, hat in der Praxis keine Bedeutung. Aufgrund von Beweisschwierigkeiten und hohen subjektiven Anforderungen hat seit Einführung der Vorschrift 1934 kein Kläger einen auf Sec. 9 (e) SEA gestützten Prozeß gewonnen.11 Statt dessen werden die Ansprüche in der Regel auf eine Verlet-

___________ 7

Vgl. Morris, 7 Admin. L. J. Am. U. 151, 164 (1993) mit Fn. 53. Berufsverbote waren teilweise auch vor 1990 möglich, vgl. Morris, 7 Admin. L. J. Am. U. 151, 201 ff. (1993). 9 Vgl. Sec. 15 (b) (4), (6) SEA; Sec. 203 (e) (5), (6) IAA; näher Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 132. 10 Näher hierzu Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 135 ff. 11 Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 136. 8

B. Das strafrechtliche Subsidiaritätsprinzip

87

zung von Sec. 10 (b) SEA i.V.m. Rule 10b-5 gestützt.12 Nach Ansicht der Gerichte ist dies auch in den Fällen möglich, in denen an sich Sec. 9 (e) SEA einschlägig wäre, jedoch aus den genannten Gründen nicht durchsetzbar ist.13 Als weitere Anspruchsgrundlagen kommen Sec. 11, 12 SA sowie Sec. 17 (a) SEA (str.) in Betracht. Zur Durchsetzung der Ansprüche steht das Institut der class action zur Verfügung.14 Insgesamt hält damit das US-amerikanische Recht ein breites Spektrum von Sanktionen gegen Manipulationen bereit.

B. Das strafrechtliche Subsidiaritätsprinzip Der Verhältnismäßigkeit als alles staatliche Handeln begrenzendes Prinzip kommt eine besondere Bedeutung zu, wenn – wie hier – strafrechtliche Sanktionen im Raume stehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Gesetzgeber bei der Entscheidung, ein als schützenswert anerkanntes Rechtsgut mit den Mitteln des Strafrechts zu verteidigen, grundsätzlich frei.15 Die Kriminalstrafe ist aber „die schärfste Sanktion, über die die staatliche Gemeinschaft verfügt“16. Ihr Einsatz ist ultima ratio und besonders begründungsbedürftig. Die Androhung von Kriminalstrafe steht deshalb nicht im Belieben des Gesetzgebers, sondern wird durch das strafrechtliche Subsidiaritätsprinzip begrenzt.17 Der Einsatz von Strafrecht ist danach erst dann erlaubt, wenn der gleiche Effekt nicht ebenso gut durch weniger einschneidende Maßnahmen erreicht werden kann.18 Allerdings kommt dem Gesetzgeber auch hier eine Einschätzungsprärogative zu, insbesondere, wenn Ungewißheit über die Effektivität eines möglicherweise milderen Mittels besteht.19 Zur einfacheren Handhabung läßt sich das Subsidiaritätsprinzip im Strafrecht in die Komponenten Strafwürdigkeit und Strafbedürftigkeit eines Verhal___________ 12

Superintendent of Ins. of State of N.Y. v. Bankers Life & Cas. Co., 404 U.S. 6, 13 Fn. 9 (1971); Lee, Comp. Law. 1993, 14(5), 84, 87. 13 Chemetron Corp. v. Business Funds, Inc., 718 F.2d 725 (5th Cir. 1983); anders noch Chemetron Corp. v. Business Funds, Inc., 682 F.2d 1149 (5th Cir. 1982). 14 Vgl. dazu näher u. B II 2 b (2) (a) (S. 122). 15 BVerfG, NJW 1979, 1445, 1447; BVerfGE 39, 1, 44 ff. 16 BVerfGE 6, 389, 433. 17 Das insbesondere aus der katholischen Soziallehre bekannte (allgemeine) Subsidiaritätsprinzip fordert eine Beschränkung jeglicher staatlicher Tätigkeit auf das zur Unterstüzung individueller und gesellschaftlicher Aktivitäten notwendige Maß, kurz: „soviel Freiheit wie möglich und soviel Staat wie nötig“ (Arth. Kaufmann, FS Henkel, S. 89, 90); ausf. Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 9-34. 18 BVerfGE 39, 1, 46 f. 19 Vgl. BVerfG, NStZ 1989, 478; BVerfGE 37, 104, 118; 43, 291, 347.

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3. Kap.: Sanktionsmöglichkeiten

tens untergliedern.20 Während bei der Strafwürdigkeit schon begrifflich ein wertendes Element im Vordergrund steht, erfordert die Strafbedürftigkeit eine normative Entscheidung hinsichtlich des Zweckmoments staatlichen Strafens, was insbesondere das Nichtvorliegen eines gleichwirksamen, aber milderen Mittels bedeutet.21

I. Strafwürdigkeit

Die im ersten Schritt festzustellende Strafwürdigkeit eines Verhaltens findet ihren unmittelbaren Bezug im Begriff der Strafe. In der Strafe kommt eine bewußte und gewollte Mißbilligung von Tat und Täter zum Ausdruck, so daß sie – noch unabhängig von general- oder spezialpräventiven Aspekten – ein mit staatlicher Autorität versehenes sozialethisches Unwerturteil enthält.22 Der durch ihre Vollstreckung eintretende schwere Eingriff in Freiheit, Persönlichkeitsentwicklung und Würde des Bestraften erfordert es, Strafe nur dort als Reaktion zuzulassen, wo sie zur Gewährleistung des Rechtsfriedens unerläßlich ist.23 Dazu muß ein Verhalten einen so hohen Grad an Sozialgefährlichkeit oder Sozialschädlichkeit erreichen, daß es geeignet ist, die sozialen Beziehungen innerhalb der Rechtsgesellschaft erheblich zu gefährden oder zu schädigen.24 Strafwürdig sind deshalb nur gravierende Rechtsgutsbeeinträchtigungen, nicht aber bloß lästige oder unerwünschte Verhaltensweisen.25 Vorausgesetzt wird somit ein Zweifaches: Zunächst muß überhaupt ein (strafrechtliches) Rechtsgut durch die inkriminierte Handlung nachteilig betroffen sein. Zum Zweiten muß diese Betroffenheit erheblich sein, also eine bestimmte Intensität erreichen. Die Strafwürdigkeit betrifft deshalb nicht nur die Frage, ob überhaupt eine Kriminalisierung vorzunehmen ist, sondern weitergehend, wie weit diese bei grundsätzlicher Bejahung reichen soll. So kann zwar die vorsätzliche Rechtsgutsverletzung strafwürdig sein, weil hier sowohl Handlungs- als auch Erfolgsunwert vorliegen, während dies für den Versuch bzw. die Gefährdung (kein bzw. nur geringerer Erfolgsunwert) sowie eine Fahrlässigkeitstat (geringerer Handlungsunwert) nicht mehr gilt. ___________ 20 Otto, GS Schröder, S. 53; ders., AT, § 1 Rn. 48-50 m.w.N.; Sax, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Grundrechte, Bd. III/2, S. 923 ff. 21 Otto, AT, § 1 Rn. 50. 22 BVerfGE 27, 18, 29; Otto, GS Schröder, S. 53, 54. 23 Otto, GS Schröder, S. 53, 54. 24 Otto, GS Schröder, S. 53, 54. 25 Günther, JuS 1978, 8, 12 – Diese Beschränkung auf die Pönalisierung besonders schwerer Rechtsgutsverletzungen macht den „fragmentarischen Charakter“ (Binding, Lehrbuch BT, Bd. I, S. 20-22 – der dies freilich noch als „großen Mangel“ angesehen hatte) des Strafrechts aus.

B. Das strafrechtliche Subsidiaritätsprinzip

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Je höher der soziale Rang eines Rechtsgutes in der gesellschaftlichen Wertordnung zu veranschlagen ist, desto eher ist seine umfassende strafrechtliche Sicherung gegen jede Art von Eingriffen zu rechtfertigen. Dagegen kann ein geringerer Wert dazu zwingen, nur einzelne, besonders schwerwiegende Verletzungsformen zu kriminalisieren.26 Trotz dieser augenscheinlichen Rationalität ist noch einmal zu betonen, daß es sich bei der Strafwürdigkeitsentscheidung um ein Werturteil handelt, für das ein Wahrheitsbeweis nicht möglich ist. Insofern ist die gesetzgeberische Entscheidung auch nicht auf ihre absolute Richtigkeit, sondern lediglich auf ihre Folgerichtigkeit zu untersuchen.27 Letztlich muß in einem wertenden Beurteilungsverfahren anhand der sozialethischen Grundentscheidungen der Gesellschaft entschieden werden, ob eine gravierende, das soziale Miteinander wesentlich beeinträchtigende oder gar in Frage stellende Rechtsgutsverletzung oder bloß eine unerwünschte, lästige, aber eben hinzunehmende Beeinträchtigung vorliegt.28 Marktmanipulationen sind deshalb nur dann strafwürdig in diesem Sinne, wenn sie zu schwerwiegenden Gefährdungen oder sogar Beeinträchtigung strafrechtlich schützenswerter Rechtsgüter führen. Das macht es erforderlich, sich mit dem Rechtsgut des Verbotes der Marktmanipulation näher auseinanderzusetzen.

1. Strafrecht als Rechtsgüterschutz Heute herrscht weitgehend Einigkeit darüber, daß das Strafrecht dem Schutz von Rechtsgütern dient.29 Eine Norm ohne diesen Bezug kann bzw. darf es nicht geben.30 Der Begriff des Rechtsgutes selbst ist aber – obwohl schon 1834 von Birnbaum31 in die Rechtslehre eingeführt – weitgehend ungeklärt.32 Zudem

___________ 26

Günther, JuS 1978, 8, 13. So für die Kriminalisierung des Insiderhandels auch Mennicke, Sanktionen, S. 483 sowie Dingeldey, Insider-Handel, S. 127 f. 28 Vgl. Otto, ZStW 96 (1984), 339, 347. 29 A. Kaufmann, Aufgabe, 1, 20; Freund, in: Münchener Komm. StGB, Vor §§ 13 ff. Rn. 42; Lampe, FS R. Schmitt, S. 77, 84; Maurach/Zipf, AT 1, § 19 Rn. 4. S. auch BVerfGE 39, 1, 57; 45, 187, 253 f. m.w.N. Des weiteren führte der Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches, Allgemeiner Teil 1966 in § 2 I programmatisch aus: „Strafen und Maßregeln dienen dem Schutz der Rechtsgüter (...).“. 30 Maurach/Zipf, AT I, § 19 Rn. 17; Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, Vor §§ 13 ff. Rn. 9. 31 Birnbaum, Neues Archiv des Criminalrechts 15 (1834), 149 ff. 32 Roxin, AT I, § 2 Rn. 5; Stratenwerth, FS Lenckner, S. 377, 378 m.w.N. zu verschiedenen Definitionen. 27

3. Kap.: Sanktionsmöglichkeiten

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ist er nicht statisch, sondern befindet sich in ständigem Wandel und paßt sich allgemeinen Anschauungen und Überzeugungen in der Gesellschaft an.33

a) Definitionsversuche Zunächst bedeutet Rechtsgut nichts anderes als rechtlich geschütztes Gut und setzt damit ein Werturteil der positiven Rechtsordnung voraus.34 Bei der Entscheidung, ein Gut durch rechtliche Anerkennung zum Rechtsgut zu erheben, ist der Gesetzgeber jedoch nicht frei.35 Keine Klarheit besteht freilich hinsichtlich eben dieser Grenzen. Wenig hilfreich bei der Annäherung an diese Grenzen sind Überlegungen, die unter dem Rechtsgut einer Strafnorm nur eine „Abbreviatur des Zweckgedankens“36, den „Sinn und Zweck der einzelnen Strafrechtssätze“37 oder deren ratio legis38 sehen.39 Denn da dem Gesetzgeber zuzugestehen ist, mit jeder Norm einen Zweck zu verfolgen, verliert ein so bestimmter Rechtsgutbegriff jegliche Bedeutung.40 Auf der anderen Seite ist eine Beschränkung auf Individualrechtsgüter (Leben, Freiheit, Eigentum usw.) zu eng.41 Das Strafgesetzbuch selbst enthält eine Reihe von überindividuellen Rechtsgütern (Staat, Währung, Rechtspflege), deren strafrechtliche Schutzwürdigkeit außer Zweifel steht.42 Auch können neuere Bestrebungen nicht überzeugen, nach denen Interessen der Allgemeinheit nur insoweit als schutzwürdig anzuerkennen seien, wie sie auf personale Interessen zurückführbar sind.43 Hier läßt sich keine klare Linie erkennen, nach welchen Kriterien der personale Bezug herzustellen ist und wie weit dieser entfernt sein darf. Auf entsprechendem Abstraktionsniveau ist das ___________ 33

Maurach/Zipf, AT 1, § 19 Rn. 8; Frisch, FS Stree/Wessels, S. 69, 71 f. Rudolphi, in: System. Komm. StGB, Vor § 1 Rn. 4. 35 Rudolphi, in: System. Komm. StGB, Vor § 1 Rn. 1. 36 Grünhut, in: FG Frank I, S. 1, 8. 37 Honig, Einwilligung, S. 94. 38 Schwinge, Teleologische Begriffsbildung, S. 25. 39 Auch Binding, Normen I, S. 340, sah das Rechtsgut in der Definitionsgewalt des Gesetzgebers. 40 Roxin, AT I, § 2 Rn. 7. 41 In diese Richtung aber Naucke, Wechselwirkung, S. 35; ferner Hild, Grenzen, S. 187 f. 42 Roxin, AT I, § 2 Rn. 5. 43 Hassemer, in: Nomos Komm. StGB, Vor § 1 Rn. 275; ders., ZRP 1997, 316, 320; Hohmann, Umweltdelikte, S. 73. 34

B. Das strafrechtliche Subsidiaritätsprinzip

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nämlich für alle Universalrechtsgüter möglich.44 Hier nehmen Wirtschaftsinstitutionen keine Sonderstellung ein. Auch diese lassen sich auf personale Interessen zurückführen, bilden sie doch die Grundlage für die wirtschaftliche Existenz des einzelnen. Insofern ist der Bezug zu Eigentum und Vermögen nicht fernliegend. In Erweiterung der Ausgangsdefinition läßt sich ein Rechtsgut am ehesten als ein rechtlich geschützter abstrakter Wert der Sozialordnung verstehen, an dessen Erhaltung die Gemeinschaft ein Interesse hat und der entweder dem einzelnen oder der Gesamtheit als Träger zugeordnet werden kann.45 Es geht also um die Sicherung der sozialen Gegebenheiten, die für die verfassungsmäßige Stellung und Freiheit des einzelnen Bürgers und für dessen Gesellschaftsleben notwendig sind.46 Auch das Bundesverfassungsgericht spricht von der Aufgabe des Strafrechts, besonders wichtige Rechtsgüter und elementare Werte des Gemeinschaftslebens zu schützen und damit die Grundwerte des Gemeinschaftslebens zu sichern.47 Einen Anhaltspunkt für das Erhaltungsinteresse liefert hierbei die Wertordnung des Grundgesetzes.48 Hier haben die wesentlichen sozialethischen Grundentscheidungen den Rang verfassungsrechtlicher Entscheidungen erhalten.49 Die dort garantierten Güter des einzelnen sowie der Gesellschaft sind rechtlich anerkennenswert und – unter Beachtung des ultima ratioGrundsatzes – auch strafrechtlich schutzwürdig. Es handelt sich bei ihnen um Rechtsgüter.

b) Überindividuelle Rechtsgüter im Strafrecht Diese Weite des Begriffes trägt dazu bei, daß bei der Neuschaffung eines Straftatbestandes dessen Rechtsgut häufig lediglich postuliert, nicht aber hinreichend begründet wird. Dabei wird die kriminalpolitische Absicht für den Erlaß der Norm zugleich als deren Rechtsgut behauptet. Damit einher geht eine Wegbewegung vom Schutz individueller Rechtsgüter hin zu überindividuellen. ___________ 44 Müssig, Schutz abstrakter Rechtsgüter, S. 206. Die letztendliche Rückführbarkeit aller Universalrechtsgüter auf individuelle Interessen betont zu Recht auch Freund, in: Münchener Komm. StGB, Vor §§ 13 ff. Rn. 46. 45 So Jescheck/Weigend, AT, § 26 I 2 (S. 258) m.w.N. 46 Rudolphi, in: System. Komm. StGB, Vor § 1 Rn. 5. 47 BVerfGE 27, 18, 29; 39, 1, 57; 45, 187, 253 f.; s. dazu ausf. Vogel, StV 1996, 110 ff. 48 Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 3 Rn. 12; Roxin, AT I, § 2 Rn. 9; Wessels/Beulke, AT, Rn. 6; ähnlich auch BVerfGE 27, 18, 29 m.w.N. 49 Dazu BVerfGE 7, 198, 205; 21, 362, 372; 35, 79, 114; 39, 1, 41; 81, 242, 254; 37, 57, 65; kritisch aber Goerlich, Wertordnung, S. 131 ff.

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3. Kap.: Sanktionsmöglichkeiten

Mit der unreflektierten Anerkennung überindividueller Rechtsgüter ist aber stets die Gefahr einer unkontrollierten Ausdehnung des Bereiches strafrechtlich sanktionierter Verhaltensweisen verbunden. Das gilt namentlich im Bereich der Wirtschaftskriminalität und bei den Umweltdelikten. Vielfach ist vor allem hier eine Entmaterialisierungstendenz oder Entindividualisierungstendenz beklagt worden.50 Anstelle klassischer Individualrechtsgüter wie Eigentum, Vermögen etc. würden davon abstrahierte Gebilde als Rechtsgut anerkannt.51 Dadurch könne nahezu jede opportun empfundene Pönalisierung gerechtfertigt werden.52 Hinzu kommt, daß die Anerkennung überindividueller Rechtsgüter durch die (notwendige53) Ausgestaltung der Tatbestände als abstrakte Gefährdungsdelikte zu einer Vorverlagerung des strafrechtlichen Eingriffes führt.54 Durch diese Verschiebung in den Bereich potentiell gefährlichen Verhaltens soll nicht zuletzt Beweisführungsschwierigkeiten der Strafverfolgungsbehörden und der Gerichte entgegengewirkt und sollen Kausalitätsprobleme vermieden werden.55 Durch diese Vorverlagerung wird somit zwar einerseits das Kriminalitätsrisiko der agierenden Personen erhöht. Andererseits führt sie zu einer Sanktionierung lediglich potentiell gefährdenden Verhaltens, ohne daß im Einzelfall eine konkrete Gefahr für individuelle Rechtsgüter oder deren Verletzung eintritt. Gegen die Anerkennung überindividueller Rechtsgüter ist deshalb einige Kritik vorgebracht worden.56 Es wird vor allem deren fehlende Faßbarkeit und die damit verbundene Unsicherheit hinsichtlich der im Einzelfall inkriminierten Verhaltensweisen beklagt. Der Suche nach überindividuellen Rechtsgütern wird ein „geradezu inflationärer Erfolg“ bescheinigt.57 Dadurch aber nähme der Bereich strafrechtlich relevanten Verhaltens in einem nicht mehr zu rechtfertigendem Maße zu und die Freiheit des einzelnen würde übermäßig beschränkt.58 Dem ist entgegenzuhalten, daß Strafrecht auch freiheitssichernd wirkt. Repressiven Eingriffen kann der einzelne durch normkonformes Verhalten aus___________ 50 Hassemer, in: Nomos Komm. StGB, Vor § 1 Rn. 265; Krüger, Entmaterialisierungstendenz, S. 170. 51 Weigend, FS Triffterer, 695, 699 f. 52 Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 3 Rn. 14. 53 Tiedemann, JuS 1989, 689, 697; Otto, ZStW 96 (1984), 339, 363. 54 Vgl. auch Fürhoff, Kapitalmarktrechtliche Ad hoc-Publizität, S. 99. 55 Müller-Dietz, FS R. Schmitt, S. 95, 99; s. auch Weigend, FS Triffterer, 695, 699 f. 56 Hassemer, NStZ 1989, 553, 557; ders., ZRP 1992, 378, 381; Lampe, in: Albers (Hrsg.), Handwörterbuch, S. 311; Haouache, Börsenaufsicht, S. 77, spricht in Bezug auf das WpHG gar von Feindbildstrafrecht. 57 Lampe, in: Albers (Hrsg.), Handwörterbuch, S. 311; F. Herzog, Gesellschaftliche Unsicherheit, S. 118; kritisch auch Volk, JZ 1982, 85, 87 f.; Worms, Anlegerschutz, S. 278 f. 58 Für das Insiderrecht Haouache, Börsenaufsicht, S. 93.

B. Das strafrechtliche Subsidiaritätsprinzip

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weichen, während präventive Vorschriften notwendig jeden betreffen.59 Sachgerechte Pönalisierung schädlichen Verhaltens wirkt sich deshalb für die sich normkonform verhaltenden Personen weit weniger stark freiheitsbeschränkend aus, als ein engmaschiges Netz verwaltungsrechtlicher Verhaltensvorschriften präventiver Art.60 Das gilt umso mehr für überindividuelle Rechtsgüter. Diese präventiv adäquat zu schützen bedarf weitreichender Reglementierung und Überwachung. Und nicht selten wird dies mit vertretbarem Aufwand überhaupt nicht zu schaffen sein. Schließlich – und das wird häufig nicht hinreichend beachtet – kann sich auch das Strafrecht der Fortentwicklung der Gesellschaft nicht verschließen. Neuartige Risiken und Gefahren im sozialen Zusammenleben eröffnen neuartige Schädigungsmöglichkeiten, auf die der Gesetzgeber angemessen zu reagieren hat.61 Wenn eine bestimmte (Wirtschafts-)Institution von besonderer Bedeutung für die Gesellschaft ist und die klassischen (Individual-)Rechtsgüter zu deren Schutz nicht mehr ausreichen, so sind auch überindividuelle Interessen als Rechtsgüter anzuerkennen.62

c) Vertrauen als Schutzgegenstand der Wirtschaftsdelikte Bei vielen Wirtschaftsdelikten im engeren Sinne, also den Tatbeständen, die in erster Linie und nicht nur als Reflex die Wirtschaftsordnung und ihr Funktionieren schützen, wird der Vertrauenskomponente im Schutzgegenstand entscheidender Stellenwert zugemessen.63 Das ist auf den ersten Blick überraschend, scheint doch angesichts der regelmäßig diametral gegenläufigen Interessen der Wettbewerber ein Informationsgefälle zwischen ihnen geradezu zwingend und ein Vertrauen in den anderen deshalb weitgehend ausgeschlos___________ 59

Tiedemann, FS Stree/Wessels, 527, 530 f.; a.A. Volk, JZ 1982, 85, 88. Achenbach, GA 2004, 559, 562; Tiedemann, FS Stree/Wessels, S. 527, 530f; Tiedemann, ZStW 87 (1975), 253, 266 f.; Weber, ZStW 96 (1984), 376, 380 f.; Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 145 Fn. 22; ähnlich Dingeldey, Insider-Handel, S. 122; Pananis, Insidertatsache, S. 51; kritisch dazu aber Volk, ZHR 142 (1978), 1, 16. – In Bezug auf den Kapitalmarkt sind sind derartige Maßnahmen für die Marktteilnehmer Kosten, die, wenn sie höher werden als der aus den Maßnahmen erzielbare Nutzen, zu einem Rückzug vom Kapitalmarkt führen, so daß es zu einem Marktversagen durch Überregulierung kommt (vgl. Büche, Pflicht, S. 33 ff.). 61 So zu Recht Fürhoff, Kapitalmarktrechtliche Ad hoc-Publizität, S. 100. Vgl. dazu auch Schünemann, GA 1995, 201, 210-214; Tiedemann, ZStW 87 (1975), 253, 272 f.; von Rintelen, Überindividuelle Rechtsgüter, S. 1. 62 Ähnlich Fürhoff, Kapitalmarktrechtliche Ad hoc-Publizität, S. 100; ferner Otto, in: Schünemann/Suárez González (Hrsg.), Madrid-Symposium, S. 447, 457; Tiedemann, JuS 1989, 689, 691; ders., ZStW 87 (1975), 253, 272 f. 63 Dazu D. Geerds, Wirtschaftsstrafrecht, S. 56 ff., insb. S. 58 m.w.N. 60

3. Kap.: Sanktionsmöglichkeiten

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sen. Jeder müßte sich doch bewußt sein, daß der andere in aller Regel keine altruistischen Absichten hegt, sondern auf seinen Vorteil bedacht sein wird. Es ist schlichtweg ein Kennzeichen des Wettbewerbs, seinen eigenen Gewinn zu maximieren, was angesichts knapper Ressourcen notwendig nur zu Lasten eines anderen geschehen kann. In der Tat spielt bei Geschäften, die mit persönlichem Kontakt verbunden sind, das Vertrauen in die Lauterkeit des Vertragspartners eine geringere Rolle, da man sich auf andere Weise von der Angemessenheit des Geschäftes überzeugen kann und muß. So ist ein privater Gebrauchtwagenkäufer gut beraten, den ins Auge gefaßten Wagen selbst zu untersuchen (bzw. untersuchen zu lassen), und nicht allein auf die Aussagen seinen Gegenübers zu vertrauen. Der Käufer kann seine Preisvorstellung mit der des Verkäufers vergleichen und im Zweifelsfalle dann vom Geschäft Abstand nehmen und so Nachteile für sich vermeiden. Das gilt im Prinzip auch für das hier interessierende Börsenwesen. In früheren Zeiten war die Börse eine Veranstaltung eines kleinen, elitären Kreises des gehobenen, wohlhabenden Bürgertums.64 Für die wenigen Teilnehmer waren die Vorgänge überschaubar, so daß sie ihre Interessen selbst wahren konnten. In solch einem Szenario bedürfte es keiner oder nur geringer Überwachung und Regelung. Der Selbstschutz funktioniert jedoch mit zunehmender Entpersonalisierung und Komplexität nicht mehr. Es bedarf nur eines Blickes auf die Massenveranstaltung Kapitalmarkt in heutiger Zeit um zu erkennen, daß die überwiegende Anzahl der Handelsteilnehmer nicht in der Lage ist, die Ordnungsmäßigkeit des Handels selbst zu beurteilen. Ihnen bleibt nichts anderes, als auf das korrekte Funktionieren des Kapitalmarktes zu vertrauen. Kann der Gebrauchtwagenkäufer die Informationsasymmetrie zwischen sich und dem Verkäufer auf relativ problemlose Weise ausgleichen, ist dies am Kapitalmarkt ungleich schwerer, regelmäßig sogar unmöglich. Das gilt im Primärmarkt, wo der Anleger die Richtigkeit der Angaben im Verkaufsprospekt nicht annähernd mit vertretbarem Aufwand nachprüfen kann, genauso wie bei der Preisbildung im Sekundärmarkt, die für Außenstehende praktisch nicht nachvollziehbar ist. Die fehlende Selbstschutzmöglichkeit ist dabei zumindest im Rahmen von Manipulationen nicht lediglich ein Problem der privaten Anleger, sondern trifft gleichermaßen die institutionellen Investoren. Beeinflußte Preise sind auch für diese Gruppe kaum erkennbar. Allgemein ist Wirtschaften heute im Gegensatz zu früheren Zeiten oft nur noch als komplexer sozialer Prozeß möglich, zu dessen Funktionieren die Einhaltung von bestimmten Garantien und die Anwendung von bestimmten Mit___________ 64

Lücker, Straftatbestand, S. 20.

B. Das strafrechtliche Subsidiaritätsprinzip

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teln und Institutionen notwendig ist.65 Die persönlichen Beziehungen der Wirtschaftsteilnehmer treten angesichts der zunehmend globalisierten und dadurch anonymisierten (Massen-)Märkte zurück. Damit verbunden ist ein Verlust an Möglichkeiten zum Selbstschutz vor Übervorteilung, der durch bestimmte Regelungen kompensiert werden muß. Dadurch erlangt ein Vertrauen in Systeme und Institutionen („Systemvertrauen“) besonderes Gewicht.66 Aus dieser Perspektive steht Vertrauen auch nicht im Widerspruch zum Wettbewerb, denn man vertraut lediglich auf die Einhaltung der zur Entfaltung des Wettbewerbs notwendigen Rahmenbedingungen.67 Die herkömmlichen Schutzkonzepte, die im wesentlichen auf Einzelinteressen abstellen und für die Absicherung von eindimensionalen Geschäfte hinreichend Schutz bieten, sind dazu nicht mehr ausreichend, wie nicht zuletzt die permanente Einführung von neuartigen Tatbeständen zeigt. Für den Bereich des Kapitalmarktes ist diese Entwicklung nachvollziehbar. Die „klassischen“ vermögensschützenden Tatbestände wie insbesondere Betrug (§ 263 StGB) und Untreue (§ 266 StGB) sind für die Unterbindung von Insiderhandel und Marktmanipulationen ungeeignet.68

d) Begrenzter Nutzen des Rechtsgutsbegriffes Die skizzierten Schwierigkeiten bei der genauen Bestimmung des Rechtsgutsbegriffes sowie die Vorbehalte gegen überindividuelle Rechtsgüter zeigen die begrenzte Leistungsfähigkeit dieses Konzepts bei der Festlegung von Strafbarkeitsgrenzen. Das wird recht deutlich bei den immer weiter fortschreitenden Ausdehnungs- und Entmaterialisierungstendenzen des Strafrechts, insbesondere durch die Schaffung von abstrakten Gefährdungsdelikten mit überindividuellen Rechtsgütern. Es wäre jedoch voreilig, das Konzept des Rechtsgüterschutzes ___________ 65 Tiedemann, ZStW 87, 253, 273; kritisch dagegen von Rintelen, S. 132-136. – Als Beleg für die Notwendigkeit des Institutionenschutzes kann das Kreditgeschäft dienen. Die Kreditgewährung ist ein Vorleistungsgeschäft, da der Kreditgeber Geld hingibt und dessen Rückzahlung erst zu einem (teils viel) späteren Zeitraum erwartet. Angesichts der dabei eingegangenen erheblichen Risiken, wie beispielsweise Unvermögen oder Unwilligkeit des Kreditnehmers zur Rückzahlung, deren Verhinderung durch äußere Umstände etc., ist es überraschend, daß überhaupt Kreditgeschäfte getätigt werden. Offenbar ist das ein Verdienst eines genügend abgesicherten institutionellen Rahmens (so Franke, in: Obst/Hintner, Geld-, Bank- und Börsenwesen, S. 231 f.). 66 Otto, ZStW 96 (1984), 339, 343. 67 Hefendehl, Kollektive Rechtsgüter, S. 257. 68 Für den Insiderhandel Mennicke, Sanktionen, S. 222-226; für die Kursmanipulation Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 163-165; Altendorfer, in: Aicher/Kalss/Oppitz (Hrsg.), Grundfragen, S. 230-232 (für Österreich); Watter, SZW 1990, 193, 201 f. (für die Schweiz). – S. dazu ausf. u. D (S. 150).

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deshalb völlig aufzugeben. Man muß sich vielmehr dessen Rolle als Kontrollmechanismus bei der (kriminalpolitischen) Entscheidung über die Pönalisierung bestimmter Verhaltensweisen bewußt werden.69 Der Gesetzgeber ist außerhalb des allgemein anerkannten Kernbereichs der Strafbarkeit gehalten, die Inkriminierung eines Verhaltens ausführlich und plausibel zu begründen.70 Die Suche nach dem geschützten Rechtsgut macht die Probleme an der Grenze staatlicher Pönalisierungsbefugnis sichtbar und hilft, diese einer rationalen Lösung zuzuführen.71

2. Rechtsgut des § 20a WpHG a) Gesetzesbegründung Die Gesetzesbegründung zum 4. FMFG nennt als von § 20a WpHG geschütztes Rechtsgut die Zuverlässigkeit und Wahrheit der Preisbildung an Börsen und Märkten. Marktmanipulationen seien genauso wie Verstöße gegen das Insiderhandelsverbot geeignet, das Vertrauen in den Kapitalmarkt zu erschüttern und damit das Funktionieren eines wesentlichen Bereichs der geltenden Wirtschaftsordnung zu gefährden.72 Die Zuverlässigkeit und Wahrheit der Preisbildung meint letztlich nichts anderes als die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes.73 Der Gesetzgeber bewegt sich damit auf bekanntem Terrain. Ein in weiten Teilen identisches Rechtsgut wurde schon der Vorgängervorschrift (§ 88 BörsG a.F.)74, dem Insiderhandelsverbot (§§ 12 ff. WpHG)75 sowie dem Kapitalanlagebetrug (§ 264a StGB)76 attestiert. Neu ist jedoch der anscheinend voll___________ 69

Müller-Dietz, FS R. Schmitt, S. 95, 103 f.; Frisch, FS Stree/Wessels, S. 69, 72. Mennicke, Sanktionen, S. 494; Freund, in: Münchener Komm. StGB, Vor §§ 13 ff. Rn. 58 f. 71 Roxin, AT I, § 2 Rn. 17; ähnlich Müller-Dalhoff, Abgrenzung, S. 63 f. 72 BT-Drs. 14/8017, S. 98. 73 Insofern zutreffend Altenhain, BB 2002, 1874, 1875. Die Zuverlässigkeit und Wahrheit der Preisbildung ist das von der Marktmanipulation betroffene Angriffsobjekt, nicht aber das davon zu unterscheidende (statt aller Maurach/Zipf, AT 1, § 19 Rn. 14) Rechtsgut im eigentlichen Sinne. 74 „Zuverlässigkeit und Wahrheit der Preisbildung an Börsen und Märkten“, Begr. RegE 2. WiKG, BT-Drs. 10/318, S. 45. Näher u. B I 2 c (1) (S. 97). 75 „Funktionsfähigkeit der Wertpapiermärkte“, Begr. RegE 2. FMFG, BT-Drs. 12/6679, S. 45; Pananis, Insidertatsache, S. 41; Soesters, Insiderhandelsverbote, S. 55. Näher u. B I 2 c (2) (S. 98). 76 „Vertrauen in den Kapitalmarkt“, Begr. RegE 2. WiKG, BT-Drs. 10/318, S. 22; Tiedemann, in: Leipziger Komm. StGB, § 264a Rn. 13 m.w.N. Näher u. B I 2 c (3) (S. 101). 70

B. Das strafrechtliche Subsidiaritätsprinzip

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ständige Verzicht auf die Einbeziehung von Individualinteressen wie namentlich des Vermögens der Kapitalanleger.77 Statt dessen ist davon die Rede, Deutschland zu einem leistungsfähigen und attraktiven Wirtschaftsstandort und Finanzplatz auszubauen und dadurch seine Wettbewerbsfähigkeit in Europa und der Welt zu stärken.78

b) Rechtsprechung und Literatur Auch Rechtsprechung und Literatur sehen überwiegend die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes geschützt, entweder ausschließlich79, zumindest aber neben dem Anlegervermögensschutz80. Demgegenüber soll nach Altenhain die beabsichtigte Kapitalaufbringung und -allokation am besten dadurch erreicht werden können, daß jeder Marktteilnehmer unbeeinflußt über sein Vermögen verfügt. Deshalb sei allein der Schutz des Vermögens der Marktteilnehmer beabsichtigt. Der Anerkennung und strafrechtlichen Absicherung eines Universalrechtsgutes Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes bedürfe es nicht.81

c) Vergleich mit anderen Vorschriften (1) § 88 BörsG a.F. (Kursbetrug) Die Vorgängervorschrift des Verbotes von Marktmanipulation, § 88 BörsG a.F., hatte nach der ganz überwiegenden Ansicht ausschließlich ein überindividuelles Rechtsgut („Zuverlässigkeit und Wahrheit der Preisbildung an Börsen ___________ 77

Wenn die Gesetzesbegründung (Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8017, S. 1 u. passim) von der Stärkung des Anlegerschutzes als Ziel des 4. FMFG spricht, so ist dies kein Bekenntnis für einen Individualschutz (vgl. dazu sogleich Fn. 80). 78 Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8017, S. 62; so auch schon die Begr. RegE 2. FMFG, BT-Drs. 12/6679, S. 33. 79 Arlt, Anlegerschutz, S. 116 f.; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 16.367; Meißner, Stabilisierung, S. 103 f.; Möller, WM 2002, 309, 310; Sorgenfrei, in: Park (Hrsg.), Kapitalmarkt-Strafrecht, 4. Abschnitt, Rn. 4; wohl auch Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 5. Allg. zu diesem Rechtsgut Schmitz, ZStW 115 (2003), 501, 508 f. m.w.N. 80 Tripmaker, wistra 2002, 288, 291. – Die Betonung liegt hier auf Anlegervermögensschutz im Sinne eines Individualschutzes. Der Schutz des Anlegerpublikums in seiner Gesamtheit als Träger des Angebots- und Nachfragepotentials hingegen ist ein Aspekt des (überindividuellen) Funktionsschutzes (vgl. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 8.388 sowie o. 2. Kap. C (S. 59). – Insofern sind die Textstellen in der Gesetzesbegründung, die von der Stärkung des Anlegerschutzes sprechen, nicht in Richtung eines beabsichtigten Individualschutzes zu interpretieren. 81 Altenhain, BB 2002, 1874, 1875.

3. Kap.: Sanktionsmöglichkeiten

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und Märkten“) zum Gegenstand.82 Der Schutz des einzelnen Anlegers hingegen war nur ein Reflex dessen. Wegbereitend für dieses Verständnis war vor allem der Gesetzgeber selbst. Die Begründung zum 2. WiKG hob das überindividuelle Rechtsgut von § 88 BörsG a.F. ausdrücklich hervor. Der (auch) das Vermögen des Anlegers schützende Prospektbetrug (bis zum Inkrafttreten des 2. WiKG in § 88 I Nr. 2 BörsG [i.d.F. des EGStGB] enthalten) wurde als § 264a in das Strafgesetzbuch übertragen. Im Börsengesetz verblieb lediglich die institutionelle Absicherung der unbeeinflußten Kursbildung.83

(2) §§ 12 ff. WpHG (Insiderhandelsverbot) Die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes als überindividuelles Rechtsgut steht auch bei dem verwandten Insiderhandelsverbot im Vordergrund.84 Wiederum wird besonders das zur Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes notwendige Vertrauen der Anleger in die Lauterkeit der Marktmechanismen betont.85 Die Insiderregeln sollen dieses Vertrauen als wesentliches Funktionselement86 sicherstellen. Nur so können die Kapitalmärkte ihrer volkswirtschaftlichen Aufgabe gerecht werden. Der Vermögensschutz ist dafür lediglich zweitrangig, ___________ 82

Kümpel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG2, § 15 Rn. 186; Rössner/Worms, in: Assmann/Schütze (Hrsg.), Handbuch, § 9 Rn. 4; Schäfer, WM 1999, 1345, 1351; Möller, WM 2002, 309, 313; Groß, WM 2002, 477, 484; Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 159; Park, BB 2001, 2069; Schlüchter, 2. WiKG, S. 136 f.; Schwark, BörsG, § 88 Rn. 1; wohl auch Fuhrmann, in: Erbs/Kohlhaas (Hrsg.), Strafrechtliche Nebengesetze, Stand: 104. Lief., § 88 BörsG Rn. 2; Groß, Kapitalmarktrecht, § 88 BörsG Rn. 1; Ledermann, in: Schäfer (Hrsg.), WpHG § 88 BörsG Rn. 1; a.A. Möllers/Leisch, ZIP 2002, 1995, 1997; Möllers/Leisch, BKR 2001, 78, 82 f.; Rodewald/Siems, BB 2001, 2437, 2439. – Bereits der erste gegen den Kursbetrug gerichtete Tatbestand, § 249d ADHGB, sollte sicherstellen, daß die Börsenkurse die wahre Marktlage zum Ausdruck bringen und keine künstlichen Kurse herbeigeführt werden, die dem durch freie Konkurrenz gebildeten Börsenpreis nicht entsprechen, vgl. d. Begr. zum Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften, Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, 5. Legislaturperiode, IV. Session, 1884, Bd. 3, S. 215, 345 (Anlage Nr. 21). 83 Begr. RegE 2. WiKG, BT-Drs. 10/318, S. 45; s. auch OLG München, ZIP 2002, 1989, 1991 – Infomatec II. 84 Assmann, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, Vor § 12 Rn. 49; Hausmaninger, Insider Trading, S. 63 f.; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 16.64 ff.; Mennicke, Sanktionen, S. 505; Pananis, Insidertatsache, S. 41; Soesters, Insiderhandelsverbote, S. 55; Tippach, Das Insider-Handelsverbot, S. 293; kritisch Haouache, Börsenaufsicht, S. 72 f.; a.A. Stratenwerth, FS Vischer, 1983, S. 667, 671. 85 Vgl. Hopt/Will, Europäisches Insiderrecht, S. 49-53; Dingeldey, Insider-Handel, S. 66 f.; Fürhoff, Kapitalmarktrechtliche Ad hoc-Publizität, S. 96. 86 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 16.66; Soesters, Insiderhandelsverbote, S. 52-54.

B. Das strafrechtliche Subsidiaritätsprinzip

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da die Marktinteressen mehr sind als die zusammengefaßten Anlegerinteressen.87 Für ein überindividuelles Schutzgut wird des weiteren angeführt, daß als Rechtsgrundlage der den deutschen Insiderregeln zugrundeliegenden EGRichtlinie Art. 100a EGV a.F. (Verwirklichung des Binnenmarktes) gewählt wurde.88 Nach Ansicht des EuGH setzt das voraus, daß die Förderung des Binnenmarktes Ziel der Vorschrift und nicht bloß Nebenfolge ist.89 Ferner spricht gegen die Annahme eines vermögensschützenden Deliktes, daß weder der Anleger im Gesetzeswortlaut erwähnt wird, noch es auf eine Bereicherung des Insiders ankommt.90 Schließlich würde es gegen den Individualschutz sprechen, wenn die von §§ 12 ff. WpHG sowie der EG-Richtlinie erfaßten Insidergeschäfte nicht zu einem zurechenbaren Vermögensschaden führten.91 Auf einen solchen allein wegen des eventuell bei dem Insider eintretenden Gewinns zu schließen, ist unzulässig.92 Ein zurechenbarer Schaden tritt nur dann ein, wenn sich der Anleger am Markt ohne Teilnahme des Insiders am Markt anders verhalten, das heißt nicht bzw. zu einem günstigeren Preis ge- oder verkauft hätte. Bei einem face-to-face-Geschäft, also einem ohne Vermittlung durch eine Börse durchgeführten Geschäft, ist eine kausale Schädigung zu bejahen. Da sich hier zwei Handelspartner gegenüberstehen müssen, kommt es ohne Auftreten des Insiders nicht zu einem Geschäftsabschluß.93 Damit unterbleibt das für den Nichtinsider ungünstige Geschäft zu dem falschen, die Insidertatsache noch nicht berücksichtigenden Preis. Der Anleger erleidet keine Vermögenseinbuße. Derartige Privattransaktionen sind aber nicht vom Insiderhandelsverbot erfaßt. Bei einer davon erfaßten Börsentransaktion hingegen steht dem vom Insider erstrebten Gewinn im Regelfall kein zurechenbarer Vermögensschaden eines anderen Anlegers gegenüber. Kauft der Insider unter Ausnutzung seiner Kennt___________ 87 Vgl. Fürhoff, Kapitalmarktrechtliche Ad hoc-Publizität, S. 101; Pananis, Insidertatsache, S. 44. Allgemein für die Rechtsgüter des Wirtschaftsstrafrecht D. Geerds, Wirtschaftsstrafrecht, S. 279; Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 66. 88 Pananis, Insidertatsache, S. 41; auch Tippach, Das Insider-Handelsverbot, S. 7-10. 89 EuGH, Rs. C-155/91 (Kommission ./. Rat), Slg. I 1993, 939, 968 (Rn. 19); EuGH, Rs. C-70/88 (Parlament ./. Rat), Slg. I 1991, 4529, 4566 (Rn. 17). 90 Dazu Assmann, AG 1994, 196, 203; Kohlmann, FS Vieregge, S. 443, 455 f. 91 Die Frage nach einem zurechenbaren Schaden durch Insiderhandel wird in der Literatur kontrovers und sehr differenziert beurteilt. Hier werden nur die Grundlinien skizziert. Ausführlicher Fürhoff, Kapitalmarktrechtliche Ad hoc-Publizität, S. 75-83; Mennicke, Sanktionen, S. 77-85; Schneider, DB 1993, 1429, 1431 f.; Engel, Jahrbuch für Sozialwissenschaft 42 (1991), 388, 395 ff. 92 Zu Recht Fürhoff, Kapitalmarktrechtliche Ad hoc-Publizität, S. 76. 93 Hausmaninger, Insider Trading, S. 40.

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3. Kap.: Sanktionsmöglichkeiten

nis einer noch unbekannten kurssteigernden Tatsache, so erzielt er zwar unbestreitbar einen Gewinn. Dem entspricht aber kein Schaden eines anderen Anlegers auf der Marktgegenseite. Dieser hätte durch die Vielzahl von Käufern und Verkäufern an der Börse auch ohne Auftreten des Insiders zur gleichen Zeit zum gleichen Preis mit einem anderen Handelsteilnehmer kontrahiert.94 Seine Anlageentscheidung ist bereits vor dem Insidergeschäft gefallen und wurde durch dieses nicht beeinflußt. Das gilt vice versa für den Verkauf durch einen Insider in Kenntnis eines kursverringernden Umstandes. In beiden Fällen hätte der Anleger ohne Insiderhandel mit einem anderen Handelsteilnehmer kontrahiert und dort exakt den gleichen „Verlust“ erlitten.95 Für die jeweils eintretende Preisänderung ist nicht das Insidergeschäft kausal, sondern die Offenbarung der diesem zugrundeliegenden Insidertatsache. Nur in Ausnahmefällen sind Konstellationen (illiquider Markt, induced sellings etc.) denkbar, bei denen das Insidergeschäft zu einem zurechenbaren Schaden führen kann, indem es die entsprechende Preistendenz des Papieres verstärkt.96 Der Informationsvorsprung des Insiders und dessen damit einhergehende sichere Gewinnchance mag für die Nichtinsider ärgerlich sein, ist aber noch nicht schadensbegründend. Da das deutsche Insiderrecht dem Insider nur ein Handels- und Weitergabeverbot auferlegt, ihn aber nicht zur Offenlegung der Insidertatsache zwingt, kann deren Unterlassen auch nicht zum Anknüpfungspunkt für einen Schaden gemacht werden.97 Die unterlassene Informationsaufdeckung entgegen entsprechender Vorschriften (Ad hoc-Publizität etc.) ist vielmehr eine Marktmanipulation und wird von § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG sanktioniert. Insiderhandel führt also im Regelfall nicht zu einem zurechenbaren (Individual-)Vermögensschaden. Es ist deshalb fernliegend, den §§ 12 ff. WpHG ein Individualrechtsgut zuzuschreiben.

___________ 94

Näher Lücker, Straftatbestand, S. 21-23. Kausalität hier deshalb zu bejahen, weil der Anleger ohne Auftreten des Insiders mit diesem kein Geschäft abgeschlossen hätte, würde die Besonderheiten des Kapitalmarktes außer Acht lassen, die durch dessen Anonymität entstehen. Dadurch ist jeglicher persönlicher Kontakt zwischen Käufer und Verkäufer eines Vermögensgegenstandes ausgeschlossen. Sie stehen sich jeweils nur als einer unter vielen in dieser Eigenschaft gegenüber. Auf die konkrete Person kommt es dabei nicht an. 95 Horn, ZHR 136 (1972), 369, 390 f.; Stratenwerth, FS Vischer, 1983, S. 667, 670; von Stebut, DB 1974, 613, 618. 96 Kohlmann, FS Vieregge, S. 443, 456; näher Fürhoff, Kapitalmarktrechtliche Ad hoc-Publizität, S. 80-82; Mennicke, Sanktionen, S. 79-85. 97 Zweifelhaft deshalb die Konstruktion Hausmaningers, Insider Trading, S. 41, der durch die unterlassene Informationsoffenlegung eine Vermögensgefährdung aller Anleger annimmt.

B. Das strafrechtliche Subsidiaritätsprinzip

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(3) § 264a StGB (Kapitalanlagebetrug) Die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes ist Rechtsgut auch des § 264a StGB, hier allerdings nicht mehr ausschließlich, sondern neben dem Vermögen der Kapitalanleger.98 Während der individuelle Aspekt die Anleger vor der täuschenden Übervorteilung bei Geschäften im Bereich des weithin anonymisierten Kapitalanlagemarktes schützen soll99, soll die überindividuelle Komponente wiederum das für die Funktionsfähigkeit existenzielle Anlegervertrauen sicherstellen.100 Die herrschende Meinung stützt sich im wesentlichen auf die Gesetzesbegründung, die für ein doppeltes Rechtsgut spricht.101 Zusammenfassend ist festzustellen, daß allen drei mit der Marktmanipulation verwandten Vorschriften (zumindest auch) ein überindividuelles Rechtsgut, die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes, zugrunde liegt.

d) Eigene Ansicht (1) Die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes als überindividuelles Rechtsgut Zunächst sei mit der Gesetzesbegründung die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes als überindividuelles Rechtsgut der Marktmanipulation betrachtet. Funktionsfähigkeit meint in diesem Zusammenhang einerseits, daß das Angebot von Investitionskapital geschaffen und mit der Nachfrage danach institutionalisiert zusammengebracht wird und andererseits, daß über den allein von Angebot und Nachfrage gesteuerten Preis eine effiziente Allokation des Kapitals erreicht wird.102 Daß ein Interesse am Erhalt der Funktionsfähigkeit besteht, ist angesichts der immensen volkswirtschaftlichen Bedeutung eines funktionsfähigen Kapitalmarktes schwerlich zu bestreiten. Dennoch wird gelegentlich der strafrechtli___________ 98 Vgl. Cramer, in: Schönke/Schröder, StGB, § 264a Rn. 1 m.w.N.; BGHZ 116, 7, 13. Auf die individuelle Komponente verzichtend aber Knauth, NJW 1987, 28; Petersen, in: Gropp (Hrsg.), Wirtschaftskriminalität, S. 115, 117 f. Einige sehen hingegen auschließlich individuelle Interessen geschützt, vgl. Borchard, Gehalt, S. 33; Jacobi, Straftatbestand, S. 51; Joecks, wistra 1986, 142, 143 f.; Hellmann, in: Nomos Komm. StGB, § 264a Rn. 9; Maurach/Schröder/Maiwald, BT 1, § 41 Rn. 166; Samson/Günther, in: System. Komm. StGB, § 264a Rn. 7; von Schönborn, Kapitalanlagebetrug, S. 20; Worms, Anlegerschutz, S. 314; ders., wistra 1987, 242, 245. 99 Tröndle/Fischer, StGB, § 264a Rn. 2. 100 Otto, BT, § 61 Rn. 38 f. m.w.N. 101 Begr. RegE 2. WiKG, BT-Drs. 10/318, S. 22. 102 Ausführlich dazu o. 2. Kap. B (S. 52).

102

3. Kap.: Sanktionsmöglichkeiten

che Schutz von Wirtschaftsinstitutionen generell in Frage gestellt.103 Dagegen hat Bottke in Bezug auf den Kapitalanlagebetrug (§ 264a StGB) treffend formuliert, daß die Allgemeinheit ein schutzfähiges Interesse daran hat, daß Kapitalanleger auf schriftliche Informationen über kapitalanlagerelevante Daten ohne Kontrolle vertrauen dürfen, ebenso, wie alle Marktsubjekte ein Interesse daran haben, nicht Geldscheine zeitraubend auf ihre Echtheit und Unverfälschtheit kontrollieren zu müssen, die Echtheit von Urkunden nicht zeitintensiv überprüfen zu müssen oder beschädigte Urkunden zeitaufwendig zum Zwecke der Beweisführung rekonstruieren zu müssen.104 Institutionenschutz ist deshalb grundsätzlich ein legitimer Zweck für eine strafrechtliche Regelung. Entsprechend des hier vertretenen Rechtsgutsbegriffes muß sich die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes als Rechtsgut aus der Wertordnung des Grundgesetzes ableiten lassen. Seit dem Investitionshilfeurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Juli 1954 steht die wirtschaftspolitische Neutralität des Grundgesetzes außer Frage.105 Konkrete Aussagen über ein bestimmtes Wirtschaftssystem finden sich dort deshalb nicht. Der Gesetzgeber besitzt vielmehr einen weiten Spielraum bei dessen Ausgestaltung und der ihm jeweils sachgemäß erscheinenden Wirtschaftspolitik. Insofern überrascht es nicht, daß der Schutz der Kapitalmärkte nicht ausdrücklich erwähnt ist. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch zugleich klargestellt, daß sich die verfolgte Wirtschaftspolitik in vollem Umgang an den jeweiligen Einzelaussagen des Grundgesetzes messen lassen muß. Die Grundrechte entfalten dabei nicht nur eine Abwehrfunktion für den einzelnen gegen Eingriffe des Staates. Vielmehr ist seit langem anerkannt, daß das Grundgesetz „in seinem Grundrechtsabschnitt auch eine objektive Wertordnung aufgerichtet“ hat.106 Diese objektive Dimension der Grundrechte tritt neben deren Abwehrfunktion. Insbesondere durch die verfassungsrechtlich abgesicherte Privatautonomie, die Eigentumsgarantie, die Berufsfreiheit, die Gewerbefreiheit, die Preisbildungsfreiheit, die Wettbewerbsfreiheit und die Werbefreiheit wird damit ein grundsätzlich freier Markt konstituiert.107 Zum freien Markt in diesem Sinne rechnet auch der Kapitalmarkt, denn es geht hier um nichts anderes als die Zusammenführung von Angebot und Nachfrage in Bezug auf Kapital. Insofern kann der Verfassung eine grundsätzliche Anerkennung eines freien Kapitalmarktes jedenfalls in seinen Grundzügen entnommen werden. ___________ 103 Haouache, Börsenaufsicht, S. 77; Krüger, Entmaterialisierungstendenzen, S. 136. Vgl. auch F. Herzog, Gesellschaftliche Unsicherheit, S. 109 ff. 104 Bottke, in: Schünemann/Suárez González (Hrsg.), Madrid-Symposium, 109, 122. 105 BVerfGE 4, 7, 17 f. 106 BVerfGE 7, 198, 205; ferner die Nachw. in o. Fn. 49. 107 Vgl. Depenheuer, FS BVerfG, Bd. 2, S. 241, 248. Ferner BVerfGE 32, 311, 317: „Die bestehende Wirtschaftsverfassung enthält den grundsätzlich freien Wettbewerb (...) als eines ihrer Grundprinzipien.“.

B. Das strafrechtliche Subsidiaritätsprinzip

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Durch das Bekenntnis zum freien Markt ist eine dirigistische, staatsautoritäre Wirtschaftsform ebenso ausgeschlossen wie eine völlig liberale, die jegliche Staatseingriffe per se ablehnt. Statt dessen sind die Grundzüge einer gestaltungsoffenen sozialen Marktwirtschaft erkennbar.108 Diese durch das Grundgesetz aufgerichtete Wertordnung verpflichtet den Gesetzgeber, die notwendigen Institutionen zur Verwirklichung dieser Marktordnung bereitzustellen und bei deren Versagen gegebenenfalls regulierend einzugreifen.109 Das darf nicht in Richtung einer umfassenden staatlichen Reglementierung mißverstanden werden. Dieser stünden, da sie ihrerseits grundrechtsrelevante Eingriffe beinhaltet, die gleichen Grundrechte, diesmal in ihrer Abwehrfunktion, entgegen. Auch kommt dem Gesetzgeber ein weiter Ermessensspielraum hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung zu. Dabei muß er sich vom allgemeinen Prinzip der Verhältnismäßigkeit leiten lassen. Vor allem bedeutet das nicht notwendigerweise den Einsatz strafrechtlicher Mittel. Jedenfalls ist aber sicherzustellen, daß die abstrakten Grundrechtsverbürgungen durch die einfachrechtliche Ausgestaltung mit Leben gefüllt werden.110 Von besonderer Bedeutung ist hierbei zunächst die Beseitigung von tatsächlichen oder rechtlichen Ungleichgewichten der Akteure, die einer ausreichenden Grundrechtssicherung entgegenstehen.111 Der Gesetzgeber sieht sich bei der Ausgestaltung der Privatrechtsordnung vor einem Problem praktischer Konkordanz. Weil am Zivilrechtsverkehr gleichrangige Grundrechtsträger mit unterschiedlichen und vielfach gegenläufigen Interessen teilnehmen und sich alle auf den Schutz von Art. 2 I GG berufen können, darf nicht das Recht des Stärkeren gelten. Statt dessen sind die kollidierenden Grundrechtspositionen in ihrer Wechselwirkung zu sehen und so zu begrenzen, daß sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden.112 Die durch Art. 2 I GG gewährleistete Privatautonomie – und dazu rechnet auch die Teilnahme am Kapitalmarkt – setzt voraus, daß die Bedingungen der Selbstbestimmung des einzelnen auch tatsächlich gegeben sind.113 Damit ist es nicht vereinbar, wenn eine Vertragspartei ein solches Gewicht hat, daß sie den Vertragsinhalt faktisch einseitig bestimmen kann.114 Der Gesetzgeber ist deshalb von Verfassungs wegen zur ___________ 108

So bereits Huber, DÖV 1956, 97 ff.; Bottke, wistra 1991, 1, 3. Für Art. 12 und 14 GG Sodan, DÖV 2000, 361, 364 f.; ferner BVerfGE 81, 242, 254 f.; 89, 214, 231 f. 110 Die Garantie des Privateigentums (Art. 14 GG) nützt wenig, wenn dem Eigentümer keine einfachrechtlichen Instrumente zu dessen Schutz und Übertragung gewährt werden. 111 Dazu Wieland, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 12 Rn. 145-153. 112 BVerfGE 89, 214, 232. 113 Vgl. BVerfGE 81, 242, 254 f.; 103, 89, 100. 114 BVerfGE 89, 214, 232; 103, 89, 100. 109

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3. Kap.: Sanktionsmöglichkeiten

Herstellung von prinzipieller Chancengleichheit verpflichtet.115 Das ist naturgemäß nicht für jeden Einzelfall möglich und nötig, sondern nur dann, wenn ohne staatlichen Eingriff eine strukturelle Unterlegenheit einer Partei besteht.116 Strukturell meint in diesem Zusammenhang, daß die Unterlegenheit einer Partei kontinuierlich auftritt, weil sie in der Natur der Sache begründet ist. Das umfaßt, daß sie für den einzelnen typischerweise nicht abänderbar ist. Diese im wesentlichen zum Vertragsrecht ergangene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist auf den Kapitalmarkt übertragbar. Der Kapitalmarkt ist für den Anleger in aller Regel ein nicht durchschaubares Gebilde. Die dort ablaufenden Vorgänge, allen voran die Preisbildung, sind hochkomplex und für Außenstehende in weitem Maße nicht nachprüfbar oder gar beeinflußbar. Dies macht es unmöglich, die zur Herstellung eines annähernden Machtgleichgewichtes notwendigen Vorkehrungen selbst zu treffen. Der Anleger kann auf die Vertragsbedingung keinen Einfluß nehmen, steht also vor der alleinigen Wahl, das Geschäft (zu den diktierten Konditionen) zu tätigen oder es zu unterlassen. Ohne staatliche Einflußnahme ist er den „Marktinsidern“ deshalb strukturell unterlegen. Da eine erkannte strukturelle Unterlegenheit den Unterlegenen in aller Regel dazu veranlassen wird, diese Situation so weit es geht zu meiden, wird der Anleger dem Kapitalmarkt fernbleiben. Für ihn als Kapitalanbieter ist das möglich, da ihm auch andere Optionen zur Kapitalanlage zu Verfügung stehen oder er notwendigenfalls ganz auf Anlagen verzichten kann. Ihm entgehen zwar Gewinnmöglichkeiten, seine wirtschaftliche Existenz ist dadurch aber nicht betroffen. Im Gegensatz dazu stehen die Unternehmen, das heißt die Kapitalnachfrager. Diese sind auf das zur Verfügung gestellte Eigenkapital zur Durchführung ihrer Wirtschaftsprozesse angewiesen. Eine Substitution durch Fremdkapital ist nur in geringem Maße möglich. Fehlende Chancengleichheit am Kapitalmarkt beeinträchtigt die Unternehmen deshalb in ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit und damit letztendlich in ihrer grundgesetzlich verbürgten Berufsfreiheit. Es bedarf deshalb geeigneter Maßnahmen, um die strukturelle Ungleichheit auszugleichen oder zumindest abzumildern. Inzwischen ist, entgegen der laissez-faire-Haltung des Liberalismus, anerkannt, daß Wirtschaft nur als vom Staat durch seine Rechtsordnung geschaffene Erscheinung möglich und denkbar ist und nicht als ein aus sich heraus ablaufender, quasinaturgesetzlicher Marktautomatik folgender Prozeß.117 Der ___________ 115 BVerfGE 89, 214, 232. Zum Inhalt des Begriffes Chancengleichheit s. o. 2. Kap. C IV (S. 63). 116 BVerfGE 89, 214, 232; Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 2 Rn. 55a f.; kritisch bis ablehnend gegenüber diesem Konzept ausf. Zöllner, AcP 1996, 1 ff.; ferner Germelmann, NZA 1997, 236, 237 ff.; Depenheuer, ThürVBl. 1996, 270, 273 f. 117 Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 67. Zur Entwicklung Stober, Allg. WirtVerwR, § 3. Für den Kapitalmarkt ferner Schmitz, ZStW 115 (2003), 501, 504.

B. Das strafrechtliche Subsidiaritätsprinzip

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Staat muß deshalb geeignete Maßnahmen ergreifen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Marktes her- und sicherzustellen. So verstanden haben die auf den ersten Blick den freien Markt bzw. Wettbewerb beschränkenden Gesetze wie beispielsweise das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) oder das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) gerade eine unverzichtbare freiheitssichernde Funktion. Ohne sie kommt es zu wettbewerbstheoretisch unerwünschten Machtkonzentrationen, die zu Wohlfahrtsverlusten führen. In dieser Reihe stehen auch die kapitalmarktrechtlichen Vorschriften wie das Verbot des Insiderhandels und der Marktmanipulation. Indem sie allen Marktteilnehmern bestimmte Beschränkungen auferlegen und damit scheinbar in deren Wettbewerbsfreiheit eingreifen, schaffen sie erst das Umfeld, in dem Leistungswettbewerb ablaufen kann. Ein Handel mit Finanzierungstiteln, der den oben beschriebenen Anforderungen gerecht wird, das heißt die benötigten Investitionsmittel zur Verfügung stellt und diese einer volkswirtschaftlich notwendigen effizienten Kapitalallokation zuführt, bedarf eines bestimmten Regeln folgenden Umfeldes. Angesichts der schlechten Erfahrungen mit den freiwilligen Insiderregeln118 kommen hierfür nur staatliche Maßnahmen in Betracht. Ohne daß damit bereits Implikationen bezüglich der näheren Ausgestaltung verbunden sind, verpflichtet die Wertordnung des Grundgesetzes zur Schaffung und Erhaltung eines funktionsfähigen Kapitalmarktes. Die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes leistet einen unabdingbaren Beitrag zur Herstellung eines durch die grundgesetzliche Wertordnung vorgegebenen freien Marktes. Es bestehen deshalb keine Bedenken gegen die Formulierung eines derartigen Rechtsgutes.

(2) Gefährdbarkeit/Verletzbarkeit des Rechtsgutes Grundvoraussetzung für die Anerkennung eines Gutes als Rechtsgut ist, daß eine Verletzung oder Gefährdung dieses Gutes durch die Vornahme der tatbestandsmäßigen Handlung überhaupt möglich ist.119 Marktmanipulationen müssen also geeignet sein, das behauptete überindividuelle Rechtsgut der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte zu beeinträchtigen oder zumindest zu gefährden.

___________ 118 119

Krauel, Insiderhandel, S. 200-204; Soesters, Insiderhandelsverbote, S. 20. Vgl. dazu schon Binding, Normen I, S. 340.

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3. Kap.: Sanktionsmöglichkeiten

(a) Unverletzbarkeit von Wirtschaftsinstitutionen? In der Literatur wird die Verletzbarkeit von Wirtschaftsinstitutionen angesichts deren Vagheit und Konturenlosigkeit teilweise generell in Abrede gestellt. So fragt F. Herzog nach der Existenzberechtigung von Delikten, deren Unrecht nicht mit einem auf das geschützte Rechtsgut bezogenen Erfolgsunwert und nicht einmal mit einem Gefährdungsunwert begründet werden kann.120 Ähnlich argumentiert Hassemer, wenn er die „Sichtbarkeit und Fühlbarkeit des Unrechts“ bei weit formulierten Rechtsgütern vermißt.121 Des weiteren sei kaum ein Kreditbetrug vorstellbar, der die gesamte Kreditwirtschaft schädigen könnte.122 Ganze Wirtschaftsinstitutionen könnten nicht verletzt werden und seien deshalb nicht Rechtsgüter der Wirtschaftsdelikte.123 Dieser Kritik ist zuzugeben, daß ein einzelner Angriff auf eine Wirtschaftsinstitution kaum zu einer spürbaren Beeinträchtigung dieser führen wird. So hat in der Tat ein einzelner Scheckbetrug keinen Einfluß auf die Funktionsfähigkeit des bargeldlosen Zahlungsverkehrs im ganzen und auch Kreditbetrügereien im großen Stil (wie beispielsweise geschehen durch den Bauunternehmer Schneider) vermögen der gesamten Kreditwirtschaft nichts Greifbares anzuhaben.124 Und auch eine Marktmanipulation oder ein Insiderdelikt allein hat keinen nennenswerten Einfluß auf den Kapitalmarkt im ganzen. Diese Kritik ließe sich jedoch auch gegen anerkannte Rechtsgüter des Kernstrafrechts vorbringen. So verletzt augenscheinlich eine einzelne falsche Urkunde die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechtsverkehrs125 ebensowenig wie eine einzelne falsche Aussage die Rechtspflege126 oder ein bestechlicher Beamter das Vertrauen der Allgemeinheit in die Lauterkeit des öffentlichen

___________ 120

F. Herzog, Gesellschaftliche Unsicherheit, S. 130. Hassemer, ZRP 1992, 378, 381. 122 Kindhäuser, in: Schünemann/Suárez González (Hrsg.), Madrid-Symposium, S. 125, 129; ders., in: Lüderssen (Hrsg.), Aufgeklärte Kriminalpolitik, Bd. I, S. 263, 270 f. 123 So ausdrücklich Kindhäuser, in: Lüderssen (Hrsg.), Aufgeklärte Kriminalpolitik, Bd. I, S. 263, 270 f.; Krüger, Entmaterialisierungstendenz, S. 136, dessen Standpunkt, Wirtschaftsinstitutionen seien auch durch übersinguläres Auftreten von Verstößen nicht einmal gefährdet, jedoch zweifelhalft ist. Grundsätzlich gegen die Verletzbarkeit ferner Wohlers, Deliktstypen, S. 307 f. 124 Beispiele von Krüger, Entmaterialisierungstendenz, 127 f. S. auch Bottke, in: Schünemann/Suárez González, Madrid-Symposium, S. 109, 111 f. 125 Zum Rechtsgut der Urkundsdelikte BGHSt 2, 50 52; Tröndle/Fischer, StGB, § 267 Rn. 1. 126 Zum Rechtsgut der Aussagedelikte BGHSt (GrS) 8, 301, 309; Tröndle/Fischer, StGB, Vor § 153 Rn. 1. 121

B. Das strafrechtliche Subsidiaritätsprinzip

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Dienstes127, und dennoch sind die zu deren Schutze aufgerichteten Straftatbestände allgemein anerkannt. Zu einer (greifbaren, das heißt nicht nur marginalen) Beeinträchtigung kommt es aber, sobald die Verstöße nicht mehr nur singulär und mehr oder weniger sporadisch geschehen, sondern in großer Anzahl auftreten. Für die überindividuellen Rechtsgüter des Kernstrafrechts ist das nicht bestritten.128 Nichts anderes gilt aber in Bezug auf Wirtschaftsinstitutionen. Auch diese sind durch massenhafte Angriffe in ihrem Bestand gefährdet.129 Eine nachweisbare Beeinträchtigung eines überindividuellen Rechtsgutes durch einen singulären Angriff ist deshalb überhaupt nicht notwendig.130 Vielmehr ist auf deren massenhaftes Auftreten abzustellen. Die Kumulation der einzelnen Beiträge macht die Beeinträchtigung lediglich sichtbar.131 Wenn das massenhafte Auftreten von Angriffen geeignet ist, eine Institution zu beeinträchtigen, so muß jeder einzelne davon notwendig bereits eine Gefährdung dieser Institution als Vorstufe zur Verletzung sein. Anderenfalls sähe man sich vor der befremdlichen Konsequenz, daß alle Angriffe vor der Schwelle zur sichtbaren Beeinträchtigung der Institution für diese irrelevant sind, sie also noch nicht einmal gefährden, andererseits diejenigen nach dieser Schwelle die Institution verletzen. Es hinge damit vom Zeitpunkt der Vornahme und somit letztlich vom Zufall ab, ob identische Verhaltensweisen ein Gut beeinträchtigen oder völlig bedeutungslos für dieses sind. Unter diesem Blickwinkel ist jeder einzelne Angriff (mindestens) eine Gefährdung, die sich aber erst durch das Zusammenwirken vieler in einer spürbaren Beeinträchtigung manifestiert.132

___________ 127

Zum Rechtsgut der Bestechungsdelikte BGHSt 47, 22, 25; Tröndle/Fischer, StGB, § 331 Rn. 3. 128 Loos, FS Welzel, S. 879, 891 (Bestechungsdelikte); Otto, JuS 1984, 161, 165 f. (Aussagedelikte). 129 Bottke, wistra 1991, 1, 7; a.A. Krüger, Entmaterialisierungstendenz, S. 135 f. 130 Tiedemann, in: Leipziger Komm. StGB, § 265b Rn. 10; ferner Schüppen, Systematik, S. 117. 131 Es ist deshalb zutreffend, wenn Arzt/Weber, BT, § 21 Rn. 58, davon spricht, daß eine Einzeltat nicht geeignet ist, die Funktionsfähigkeit der Gesamtwirtschaft spürbar zu beeinträchtigen. 132 Unter dieser Prämisse bedarf es der Konstruktion des Kumulationsdeliktes im Umweltstrafrecht nicht. Kuhlen (GA 1986, 389, 399) geht von der wohl unzutreffenden Annahme aus, daß die Einleitung von Abwässern eines Haushaltes das Gewässer, das diese rückstandslos abbauen kann, nicht beeinträchtigt. Kritisch auch Walter, GA 2001, 131, 138. Jedes Abwasser beeinträchtigt das Gewässer, insoweit es dessen (endliche) Abbau- bzw. Reinigungskapazität in Anspruch nimmt. Wenn diese erschöpft ist, kommt es zu sichtbaren Schäden. Soll dafür allein der Letzteinleitende verantwortlich sein?

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3. Kap.: Sanktionsmöglichkeiten

Der These von der Unverletzbarkeit von Wirtschaftsinstitutionen und der daraus resultierenden Ungeeignetheit als Rechtsgut einer Strafnorm ist deshalb zu widersprechen.

(b) Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes durch Marktmanipulationen Die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes hat zwei Dimensionen, zum einen – und das wird in diesem Zusammenhang häufig allein angeführt – die (generelle) Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes im ganzen, zum anderen die konkrete Funktionsfähigkeit bei jeder einzelnen Transaktion. Eine Beeinträchtigung kann deshalb auf zweierlei Arten erfolgen. Zum einen hängt die Funktionsfähigkeit im ganzen in erheblichem Maße vom Vertrauen der Anleger in den Kapitalmarkt als Institution ab.133 Eine Vielzahl von Marktmanipulationen erschüttert das Vertrauen der Anleger in die Zuverlässigkeit der Preisbildung am Kapitalmarkt und dessen ordnungsgemäßes Funktionieren. Als Folge dessen sinkt deren Investitionsbereitschaft. Sie sehen aufgrund der Komplexität und Undurchschaubarkeit des Kapitalmarktes keine andere Handlungsalternative zur Vermeidung einer Übervorteilung als den Rückzug vom Kapitalmarkt. Damit ist dessen Hauptfunktion, die Bereitstellung von langfristigem Anlagekapital für die darauf angewiesenen Unternehmen, nicht mehr gewährleistet. Die Unternehmen müssen ihren Finanzierungsbedarf nunmehr über Fremdmittel, namentlich Kredite abdecken. Diese sind aber im Vergleich zur Eigenfinanzierung erheblich teurer und mit weiteren Nachteilen behaftet. Für die verbliebenen Handelsteilnehmer kommt es zur Verminderung der Marktliquidität. Damit gehen im besten Falle nur höhere Geld-BriefSpannen einher. Der Markt für ein bestimmtes Papier kann aber auch völlig zusammenbrechen. Damit ist auch die zweite Funktion der Börse, die jederzeitige Liquidierbarkeit eines Investments zu angemessenen Marktpreisen gestört oder gar aufgehoben. Hieran wird deutlich, daß keineswegs nur die Anleger beeinträchtigt werden, sondern im Gegenteil ein besonderes Interesse an der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes an sich besteht. Denn wenn diese gewährleistet ist, stellen sich auch reflexartige Schutzeffekte für Anleger und Unternehmen ein. Marktmanipulationen sind also geeignet, den Kapitalmarkt als Institution zu verletzen. Zum anderen stört jede einzelne Marktmanipulation die effiziente Allokation des Anlegerkapitals, da deren Steuerung über den Preis als Resultat von Angebot und Nachfrage partiell außer Kraft gesetzt wird. In jedem einzelnen Fall entstehen auf diese Weise Wohlfahrtsverluste. Auf einen Vertrauensverlust und ___________ 133

Vgl. dazu ausf. o. 2. Kap. C IV (S. 63).

B. Das strafrechtliche Subsidiaritätsprinzip

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somit auf eine Auswirkung auf den Kapitalmarkt im ganzen kommt es hierbei nicht an. Da richtigerweise keine existenzielle Schädigung notwendig ist134, wird dadurch in jedem Einzelfall die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes beeinträchtigt.135 Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, daß die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes sowohl in ihrer institutionellen Ausprägung als auch in jedem Einzelfall durch Marktmanipulationen beeinträchtigt wird.

(3) Individuelles Rechtsgut? Wenn eben dargelegt wurde, daß § 20a WpHG den Schutz des überindividuellen Rechtsgutes der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte bezweckt, so bedeutet das noch nicht, daß nicht daneben auch ein individuelles Rechtsgut umfaßt sein kann. Als solches kommt das Vermögen des Kapitalanlegers in Betracht. Das setzt zunächst voraus, daß dieses durch die inkriminierte Verhaltensweise überhaupt zurechenbar beschädigt werden kann. Als erstes läßt sich an einem Schaden überhaupt zweifeln, denn der Anleger muß für die gewünschten Aktien genau denjenigen Geldbetrag aufwenden, der sich aus dem aktuellen Preis ergibt, umgekehrt erhält er auch denjenigen Geldbetrag beim Verkauf der Aktien.136 Sein Vermögen verändert sich zum Zeitpunkt der Transaktion zwar in der Zusammensetzung, nicht aber im Wert. Insofern scheint kein Schaden eingetreten zu sein. Dabei übersieht man aber, daß der Abrechnungskurs nicht den wahren, das heißt durch unmanipuliertes Spiel von Angebot und Nachfrage zustandegekommenen Preis darstellt. Eine Transaktion zu einem manipulierten Preis stellt demzufolge eine Änderung des Gesamtsaldos des Vermögens dar, da man zu teuer kauft resp. zu billig verkauft. Diese Änderung muß dem Manipulanten zurechenbar sein. Das ist dann der Fall, wenn sie ohne das manipulative Verhalten nicht aufgetreten wäre. Anders als bei Insiderhandel ist die Kausalität regelmäßig gegeben. Dort hat der Insiderhandel keinen Einfluß auf den Preis, der Anleger steht folglich nicht anders als ohne ihn. Hier aber wäre der Transaktionspreis ohne die Manipulation ein anderer, nämlich gleich dem wahren Preis. Dann wäre keine Änderung im ___________ 134

Walter, GA 2001, 131, 137 f. Dies anerkennt zwar für die Aussagedelikte auch Krüger, Entmaterialisierungstendenz, S. 134, nicht aber für Wirtschaftsinstitutionen. 135 Ähnlich zum Kapitalanlagebetrug (§ 264a StGB) Bottke, in: Schünemann/Suárez González (Hrsg.), Madrid-Symposium, S. 109, 121; Worms, Anlegerschutz, S. 109. 136 Mit diesem Argument läßt sich die Anwendbarkeit von § 263 I StGB verneinen (so etwa Hellmann/Beckemper, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 166 f.). Näher dazu u. D (S. 150). – An dieser Stelle ist dagegen Schaden „untechnisch“ im Sinne eines Nachteils zu verstehen.

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3. Kap.: Sanktionsmöglichkeiten

Gesamtsaldo zu verzeichnen, und das Vermögen des Anlegers wäre nach der Transaktion wertmäßig identisch mit dem vorher. So aber kommt es durch den manipulierten Preis zu einer Abweichung. Diese Abweichung vom wahren Preis müßte sich bei dem Anleger als Schaden niederschlagen. Das ist nur dann der Fall, wenn das Anlegervermögen nach der Transaktion geringer ist als vor dieser, im Gesamtsaldo also ein Minus verbleibt. Zunächst ist man geneigt, für alle Fälle einer Manipulation eine solche negative Differenz zu unterstellen, denn wie sollte sonst der Manipulant einen Gewinn erlangen. Dabei verkennt man jedoch, daß es hier um die Beeinflussung von Preisen geht, zu denen in aller Regel eine Vielzahl von Geschäften unterschiedlicher Beteiligter abgeschlossen werden. Deshalb ist für jeden Beteiligten getrennt zu untersuchen, ob er selbst eine unmittelbare Vermögensminderung zu verzeichnen hat. Das ist nur für diejenigen zu bejahen, die einen „schlechteren“ Preis als den wahren erhalten, also für Käufer bei einer Manipulation nach oben, für Verkäufer bei einer Manipulation nach unten. Eine Ausführung zu einem „besseren“ Preis kann hingegen per definitionem kein Vermögensschaden für den betroffenen Anleger sein. Zunächst seien Manipulationen betrachtet, die selbst zu einem unmittelbaren Gewinn führen sollen. Als Beispiel kann hier das Scalping dienen.137 Hier erleiden all diejenigen Handelsteilnehmer, die auf der Marktgegenseite des Manipulanten stehen, einen Schaden, da sie die Aktien entweder zu teuer ein- oder zu billig verkaufen. Anders hingegen bei denjenigen, die auf der Seite des Scalpers handeln. Diese profitieren von der Preisbeeinflussung, indem sie – genau wie der Scalper – ihre Aktien teurer verkaufen resp. billiger einkaufen können. Diesen Personen entsteht aus der Manipulation kein Verlust, sondern im Gegenteil ein Gewinn. Das bedeutet, daß nicht alle Handelsteilnehmer einen Schaden erleiden, sondern – unter der (vereinfachenden) Annahme gleichvieler Käufer und Verkäufer – nur die Hälfte von ihnen. Darüber hinaus sind Manipulationen denkbar, die überhaupt nicht zu einem unmittelbaren Schaden führen. Als Beispiel können hier fiktive Transaktionen (matched orders, prearranged trades sowie circular trades) dienen.138 Diesen Geschäften ist eigen, daß sowohl auf Käufer- als auch auf Verkäuferseite zumindest wirtschaftlich die gleichen Personen stehen. Da deshalb das getätigte Geschäft nicht erfüllt werden muß bzw. die Verluste gegenseitig verrechnet werden, entsteht für diese beiden Parteien kein Schaden. Unter der Annahme, daß andere (unbeteiligte) Handelsteilnehmer nicht zum Zuge kommen, fehlt es ___________ 137 Vgl. dazu in tatsächlicher Hinsicht o. 1. Kap. D I 1 (S. 21). Das Beispiel bezieht sich auf die Grundform des Scalpings, ohne daß Derivate o.ä. einbezogen sind. 138 Vgl. dazu o. 1. Kap. D II 1 (S. 25).

B. Das strafrechtliche Subsidiaritätsprinzip

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bei einer solchen Manipulation an einem unmittelbaren Vermögensschaden überhaupt.139 Die Beispiele zeigen, daß nicht jede Manipulation zwangsläufig zu einem unmittelbaren Vermögensschaden bei einem Anleger führt. Wenn das doch der Fall ist, so gestaltet sich die Opferbestimmung schwierig. Es ist daher mehr als zweifelhaft, einer Vorschrift ein Rechtsgut zuzuschreiben, das in einem Großteil der Fälle überhaupt nicht verletzt ist. Gegen einen Individualschutz spricht schließlich, daß von § 20a WpHG Manipulationen nicht an allen Märkten erfaßt sind.140 Wenn aber Vermögensschutz intendiert ist, lassen sich diese Schutzlücken nicht erklären.

(4) Gründe für überindividuelles Rechtsgut Der intendierte Schutz der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes läßt sich also nicht über den Schutz des Vermögens der Handelsteilnehmer erreichen. Die durch Marktmanipulationen eintretende Störung der effizienten Allokation des Kapitals muß nicht notwendig mit einem Vermögensschaden einhergehen. Ferner geht die Bedeutung des Kapitalmarktes über die einzelnen Vermögensinteressen hinaus, denn er ist zusammen mit den anderen Wirtschaftsinstitutionen Grundlage der personalen Entfaltung aller Mitglieder der Rechtsgesellschaft im wirtschaftlichen Bereich.141 Es ist deshalb der institutionelle Schaden, der einerseits in der ineffizienten Allokation im konkreten Fall und andererseits in der „schleichenden“ Beeinträchtigung des Kapitalmarktes besteht, größer als der individuelle Vermögensschaden, wenn ein solcher überhaupt entsteht, des einzelnen. Darüber hinaus kommt es auf einen konkreten Schaden auch gar nicht an, weil schon der böse Schein ausreicht, das für das Funktionieren notwendige Vertrauen zu beeinträchtigen.142 Es ist deshalb nur folgerichtig, auch das überindividuelle Interesse als Rechtsgut der Vorschrift anzuerkennen. Dennoch wird teilweise der umgekehrte Weg propagiert, wonach über den Schutz des Vermögens jedes einzelnen Anlegers der Kapitalmarkt insgesamt

___________ 139 Zweifellos treten mittelbare Schäden auf, z.B. in Form eines geringeren Steueraufkommens, über die Preise bei Fondsanteilen, höhere Managementvergütungen etc. (dazu o. 1. Kap. G II (S. 46)). All dies ist jedoch unsicher und schwer nachzuweisen. Weiterhin treten sie häufig nicht bei Kapitalanlegern ein. 140 Vgl. u. 6. Kap. B II (S. 206). 141 D. Geerds, Wirtschaftsstrafrecht, S. 279; Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 66. 142 Für das Insiderrecht Fürhoff, Kapitalmarktrechtliche Ad hoc-Publizität, S. 82.

112

3. Kap.: Sanktionsmöglichkeiten

(als Reflexwirkung) geschützt ist.143 Um effektiv zu wirken, müßte man sich auch hier mit einem abstrakten Gefährdungsdelikt zufrieden geben und hinnehmen, daß in einem Großteil der Fälle ein Vermögensschaden definitiv ausgeschlossen ist. Diese Lösung sieht sich aber zum einen den häufig vorgebrachten grundsätzlichen Bedenken gegen die Legitimierung oder Erklärung von Straftatbeständen durch lediglich abstrakte Vermögensgefährdungen ausgesetzt.144 Dies hier umso mehr, weil ein Schaden vielfach ausgeschlossen ist. Und weiter lassen sich all diejenigen Manipulationstechniken, die nicht zu einem zurechenbaren Schaden führen, so nicht erfassen. Man „zäumt damit das Pferd“ gleichsam „von hinten auf“, ohne jedoch das beabsichtigte Ziel tatsächlich erreichen zu können. Schließlich haben sich auch andere Tatbestände, wie zum Beispiel Bilanzstraftaten und unlautere Werbung angesichts ihrer Bedeutung im modernen Wirtschaftsleben weitgehend vom Bezug auf den Vermögensschutz des einzelnen gelöst. Dadurch ist das materielle Wohlergehen des einzelnen zwar noch Motivation, aber nicht Inhalt oder Gegenstand dieses Interesses.145

e) Zwischenergebnis § 20a WpHG schützt allein die Zuverlässigkeit und Wahrheit der Preisbildung an Börsen und Märkten und damit deren Funktionsfähigkeit. Die Vorschrift hat somit lediglich ein überindividuelles Rechtsgut zum Gegenstand. Individualinteressen wie namentlich das Vermögen der Kapitalanleger sind nicht umfaßt, wenngleich diese faktisch teilweise betroffen sind und reflexhaft vom Institutionenschutz profitieren.146 Obwohl der Gesetzgeber des 4. FMFG dem oben dargestellten Begründungserfordernis, ebenso wie schon bei der Schaffung der Insiderregeln147, nicht nachgekommen ist und das Rechtsgut von § 20a WpHG lediglich postuliert hat, ändert dies nichts daran, das überindividuelle Rechtsgut der Funkti___________ 143 So Petersen, in: Gropp (Hrsg.), Wirtschafskriminalität, S. 115, 117; Worms, Anlegerschutz, S. 314. Für das Insiderrecht Otto, in: Schünemann/Suárez González (Hrsg.), Madrid-Symposium, S. 447, 453. 144 Siehe dazu Tiedemann, in: Leipziger Komm. StGB, § 265 Rn. 6; Schlüchter, 2. WiKG, S. 176.; Bottke, wistra 1991, 1, 7 f. Gegen diese Einwände Krüger, Entmaterialisierungstendenz, S. 137 f. Zur Notwendigkeit der Schaffung neuer Vermögensgefährdungsdelikte bei genereller Ablehnung von überindividuellen Rechtsgütern zutr. D. Geerds, Wirtschaftsstrafrecht, S. 283 f. 145 Tiedemann, ZStW 87 (1975), 253, 272 f. 146 Für das Insiderrecht Kümpel, Kapitalmarktrecht, S. 31; ders., WpHG, S. 52 f. 147 Mennicke, Sanktionen, S. 489.

B. Das strafrechtliche Subsidiaritätsprinzip

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onsfähigkeit des Kapitalmarktes als Mindestvoraussetzung einer Pönalisierung anzuerkennen.

3. Ergebnis Die Ableitung des Rechtsgutes der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes aus der Wertordnung des Grundgesetzes hat dessen hohen Rang verdeutlicht. In Verbindung mit den Ausführungen zu den schwerwiegenden Folgen von Manipulationen sowohl für einzelne als auch und vor allem für die Allgemeinheit ergibt sich deren uneingeschränkte Strafwürdigkeit. Das gilt nicht nur hinsichtlich der erfolgreichen Manipulation mit den offensichtlichen Auswirkungen auf Allokationseffizienz, Anlegervermögen etc. Auch der schleichende Vertrauensverlust durch lediglich versuchte (das heißt nicht erfolgreiche) Manipulationen wirkt sich negativ auf die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes aus und führt schließlich zu erheblichen volkswirtschaftlichen Wohlfahrtsverlusten.

II. Strafbedürftigkeit

Die eben bejahte Strafwürdigkeit von Manipulationen beinhaltet aber noch keine Entscheidung für die Zulässigkeit von Kriminalstrafe. Hierfür muß des weiteren die Prüfung der Strafbedürftigkeit positiv ausfallen. Ein strafwürdiges Verhalten ist auch strafbedürftig, wenn die Kriminalstrafe unerläßliches Mittel ist, um die Gesellschaft vor Rechtsgutsbedrohungen oder Rechtsgutsverletzungen zu schützen und damit die Rechtsordnung zu bewahren.148 Das darin zum Ausdruck kommende Zweckmoment staatlicher Strafe steht der Pönalisierung auch eines strafwürdigen Verhaltens entgegen, wenn andere, weniger gravierende Sanktionen, die aber mindestens den gleichen Erfolg versprechen, zur Verfügung stehen.149 Der Gesetzgeber ist somit verpflichtet, nach Alternativen zu Kriminalisierungsmodellen zu suchen, mit denen dem mißbilligten, sozialschädlichen Verhalten mindestens ebenso wirksam begegnet werden könnte.150 Das darf allerdings nicht zu der Annahme verleiten, daß zivilrechtliche oder verwaltungsrechtliche Regelungen stets Vorrang vor einer strafrechtlichen Lösung genießen.151 Es müssen auch die möglichen schädlichen Nebenwirkungen einer normativen Entscheidung (beispielsweise Eingriffe in die Rechte Unbetei___________ 148 149

8, 11. 150 151

Otto, GS Schröder, S. 53, 56; BVerfGE 39, 1, 46 f.; 88, 203, 258; Bloy, Bedeutung, S. 243; Günther, JuS 1978, Günther, JuS 1978, 8, 12. Otto, GS Schröder, S. 53, 57 in Fn. 16; Tiedemann, ZStW 87 (1975), 253, 266.

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3. Kap.: Sanktionsmöglichkeiten

ligter oder der Allgemeinheit) in die Beurteilung mit einbezogen werden.152 Gerade im Bereich des Wirtschaftsrechts können zivil- und verwaltungsrechtliche Regelungsmodelle eingriffsintensiver und damit für alle stärker belastend sein, als eine strafrechtliche Reaktion auf ein vorwerfbares Fehlverhalten.153 Immerhin kann jeder der repressiven strafrechtlichen Sanktion durch normkonformes Verhalten vollständig ausweichen. Die Strafdrohung stellt für ihn deshalb strenggenommen überhaupt keine grundrechtsrelevante (Mehr-)Belastung dar, als die von dem sowieso bestehenden Verbot (der Marktmanipulation) ausgehende. Verwaltungsrechtliche, das heißt zumeist präventiv-ordnungsrechtliche Eingriffsmöglichkeiten und Regulierungen hingegen sind auch für den sich normkonform Verhaltenden nicht vermeidbar. Nur eine auf die faktischen Auswirkungen einer Regelung abstellende Betrachtungsweise wird dem normativen Gehalt des Subsidiaritätsprinzips gerecht. Gegen diese relative Betrachtungsweise des Subsidiaritätsprinzips ist von Volk154 und F. Herzog155 eingewandt worden, daß diese auf die faktischen Auswirkungen abstellende Sicht die gravierende sozialethische Bedeutung der Strafe für den Bestraften unterlaufe, weil sie eine „wertneutrale Bilanzierung von Unbequemlichkeiten“ (Volk) vornehme und damit das absolut zu verstehende ultima ratio-Prinzip verletze. Dieser Kritik ist aber entgegenzuhalten, daß sie es ihrerseits versäumt, die dann notwendigen weitergehenden Einschränkungen zivilrechtlicher bzw. öffentlich-rechtlicher Natur in Konkordanz mit den Freiheitsrechten dadurch belasteter Dritter, nämlich der sich normkonform verhaltenden Allgemeinheit, zu bringen.156 Insofern bleibt daran festzuhalten, daß der strafrechtliche Subsidiaritätsgrundsatz nicht per se dazu nötigt, außerstrafrechtliche Mittel den strafrechtlichen vorzuziehen. Vorausgehen muß eine Untersuchung über die Effektivität der Mittel zur Normdurchsetzung einerseits und der Eingriffsintensität bei Täter und Allgemeinheit andererseits. Nur wenn sich die alternativen Möglichkeiten als weniger eingriffsintensiv bei mindestens gleicher Effektivität erweisen, ist die Strafbedürftigkeit zu verneinen. Als weiterer bedenkenswerter Punkt kommt hinzu, daß auch umfassende Präventivmaßnahmen in der Regel nicht verhindern können, daß Rechtsgüter

___________ 152

So auch Otto, MschrKrim 63 (1980), 397, 404. Siehe die Nachw. in Fn. 60. – Pointiert weist Otto, MschrKrim 63 (1980), 397, 403, darüber hinausgehend darauf hin, daß umfassende gesetzliche Regulierungen das zu schützende Rechtsgut durchaus schwerer beeinträchtigen können als einzelne rechtswidrige Verletzungen. 154 Volk, JZ 1982, 85, 88. 155 F. Herzog, Gesellschaftliche Unsicherheit, S. 121. 156 So zu Recht Tiedemann, FS Stree/Wessels, S. 527, 531; Mennicke, Sanktionen, S. 520. 153

B. Das strafrechtliche Subsidiaritätsprinzip

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verletzt oder in strafwürdiger Weise gefährdet werden.157 Je komplizierter und für Außenstehende undurchschaubarer wirtschaftliche (und technische) Vorgänge werden, um so weniger wirkt die Kraft der zivilrechtlichen Schadensersatzverpflichtung, um so schwieriger wird es selbst für eine aufgeblähte Bürokratie, durch verwaltungsrechtliche Vorkehrungen und Prüfungen hoch sozialschädliches Verhalten zu kontrollieren und rechtzeitig zu unterbinden.158 Das wirft die Frage nach der Geeignetheit solcher Maßnahmen zum Rechtsgüterschutz auf. Um die Vorschriften nicht vollends zu leges imperfectae verkommen zu lassen, bedürfen sie zu ihrer Durchsetzung wiederum der Androhung von repressiven Sanktionen für den Fall des Bruches. Als Erfolg hat man dann nach wie vor eine Strafdrohung, zu der aber zusätzlich erhebliche Freiheitsbeschränkung durch die präventiven Maßnahmen hinzukommen. Die Präventivmaßnahmen sind damit strenggenommen überflüssig. Die Frage, ob das Strafrecht das mildere oder härtere Mittel ist, mag in diesem Falle dann dahinstehen, denn es ist das unverzichtbare.159 Zudem darf nicht vergessen werden, daß mit dem Einsatz des Strafrechts besondere rechtsstaatliche Garantien (z. B. Art. 103, 104 GG) für den einzelnen verbunden sind, die ihn von einer übermäßigen Inanspruchnahme schützen. Gelegentlich scheint die Forderung nach einem Verzicht auf strafrechtliche Sanktionen deshalb in erster Linie dadurch motiviert, daß Sanktionen im Verwaltungsverfahren leichter und bisweilen effektiver durchsetzbar sind. Als letztes ist darauf hinzuweisen, daß gerade die Verletzung eines von detaillierten Präventivmaßnahmen geschützten Rechtsgutes einen besonders hohen Unrechts- und Schuldgehalt aufweist.160 Wenn es ein Rechtsgut „wert“ ist, umfassenden Präventivschutz (dessen Anordnung im übrigen auch dem Verhältnismäßigkeitsprinzip unterliegt) zu rechtfertigen, dann liegt bei einer dennoch erfolgenden Verletzung der Schluß auf die besondere Strafbedürftigkeit nahe. Im Ergebnis werden deshalb Straftatbestände nicht durch das Fehlen präventiver Verwaltungsvorschriften gerechtfertigt, sondern umgekehrt erst durch deren Existenz legitimiert.161 Die zur Durchsetzung des Marktmanipulationsverbotes neben dem Strafrecht in Betracht kommenden Mittel des Zivilrechts, des Ordnungswidrigkei___________ 157 So zu Recht Tiedemann, ZStW 87 (1975), 253, 266 sowie Weber, ZStW 96 (1984), 376, 379, der als Beispiel hierfür den Straßenverkehr nennt, bei dem umfassende Vorschriften über richtiges Verkehrsverhalten und polizeiliche Überwachung nicht verhindern können, daß es zu Verletzungen und massiven Gefährdungen von Leib, Leben und Sachgütern kommt, für deren Erfassung strafrechtliche Mittel unerläßlich sind. 158 Baumann, JZ 1983, 935, 938. 159 Baumann, JZ 1983, 935, 938. 160 Vgl. auch Weber, ZStW 96 (1984), 376, 380. 161 Weber, ZStW 96 (1984), 376, 380.

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3. Kap.: Sanktionsmöglichkeiten

tenrechts sowie der Selbstregulierung sind deshalb nachfolgend unter diesem Blickwinkel zu überprüfen.

1. Prinzip der Selbstregulierung Zunächst könnte man in Betracht ziehen, auf eine staatliche Regulierung überhaupt zu verzichten und statt dessen auf die Selbstregulierung durch die betroffenen Kreise mit Mitteln des Privatrechts162 zu vertrauen.163 Historisch und zum Teil sogar bis in die jüngere Vergangenheit funktionierte das Prinzip der Selbstregulierung durchaus. So hielt die London Stock Exchange noch bis Ende der 1970er Jahre staatliche Einflüsse nach Kräften fern und setzte statt dessen auf ein permanent fortentwickeltes privates Regelwerk164.165 Damit einher ging jedoch – vergleichbar mit den Börsen früherer Zeiten, die Veranstaltungen eines kleinen, elitären Kreises des gehobenen, wohlhabenden Bürgertums waren und damit ihre Interessen selbst wahren konnten166 – eine gewisse monopolistische Stellung der Londoner Börse167, insbesondere gefördert durch eine restriktive Beschränkung des Zuganges zum Kapitalmarkt. Mit der zunehmenden – nicht zuletzt gemeinschaftsrechtlich forcierten – Liberalisierung und dem dadurch ansteigenden internationalen Wettbewerbsdruck, aber auch als Folge einiger Finanzskandale, stieß dieses System jedoch an seine Grenzen und es begann mit dem Banking Act 1979 eine umfassende staatliche Regulierung, die sich mit dem Financial Services Act 1986 fortsetzte und ihren Höhepunkt im Financial Services and Markets Act (FSMA) 2000 fand. Es zeigte sich, daß das Prinzip der Selbstregulierung nur bei einem verhältnismäßig eng umrissenen und abgeschlossenen Teilnehmerkreis funktioniert. Mit einem gemeinschaftsweiten, liberalisierten Kapitalmarkt, der möglichst wenig Zugangshindernisse aufstellt, ist das Selbstregulierungsprinzip jedoch überfordert. Hinzu kam, daß die effektive Bekämpfung von Finanzmarktkriminalität, wie insbe___________ 162 Selbstregulierung im hier gebrauchten Sinne meint nicht die Ausübung delegierter Rechtssetzungsbefugnisse durch den Erlaß von Satzungen. – Überblicksmäßig zur Selbstregulierung in verschiedenen Bereichen Ogus, 15 Oxford J. Legal Stud. 97 ff. (1995). 163 Zu den Vor- und Nachteilen der Selbstregulierung im Vergleich zu staatlicher Aufsicht s. Avgouleas, Market Abuse, S. 227 f. m.w.N. 164 Das erste schriftlich niedergelegte „Rule Book of the House“ datiert aus dem Jahr 1802. 165 Zur Selbstregulierung im britischen Börsenrecht Fleischer, RIW 2001, 817 f.; Keßler, in: Keßler/Micklitz, Anlegerschutz, S. 163, 165 f.; Taylor, in: Blair (Hrsg.), Blackstone’s Guide, S. 1, 3 f. 166 Lücker, Straftatbestand, S. 20. 167 Fleischer, RIW 2001, 817, 818.

B. Das strafrechtliche Subsidiaritätsprinzip

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sondere Marktmanipulationen und Insiderhandel, auf diesem Wege nicht zu leisten war.168 Selbstregulierung auf privatrechtlicher Grundlage setzt stets voraus, daß sich die zu Regulierenden dem Regelwerk unterwerfen. Einige Selbstregulierungsversuche in Deutschland sind bereits an diesem Kriterium gescheitert.169 Die notwendige Reaktion auf eine solche Weigerung wäre der Ausschluß von der Kapitalmarktteilnahme. Dies freilich steht im Widerspruch zu dem Ziel, einen liberalisierten, allseits zugänglichen und international wettbewerbsfähigen Kapitalmarkt zu etablieren. Eine Vielzahl von Manipulationen, namentlich die informations- und handlungsgestützten, sind auf diese Weise überhaupt nicht erfaßbar, denn sie können prinzipiell von jedermann vorgenommen werden. Eine Selbstregulierung scheidet hier schon mangels Unterwerfungsmöglichkeit unter private Regeln aus. Es bedarf statt dessen des allgemeinverbindlichen Regimes, das nur staatliche Rechtssetzungsakte hervorbringen können. Schließlich setzt wirksame Selbstregulierung stets voraus, daß effektive Sanktionen für den Fall von Zuwiderhandlungen vorhanden sind, was jedoch häufig wiederum nur staatliche Maßnahmen leisten können.170 Selbstregulierung kann aus den genannten Gründen daher stets nur ergänzend zu staatlichen Maßnahmen eingesetzt werden, dann aber durchaus Vorteile bieten. So sind beispielsweise die Börsen in den USA verpflichtet, eigene Vorschriften gegen betrügerische und manipulative Handlungen und Praktiken zu erlassen, Sec. 6 (b) (5) SEA, und disziplinarische Maßnahmen171 bei Verstößen gegen diese Regeln sowie die Kapitalmarktgesetze vorzusehen, Sec. 6 (b) (6) SEA. Man macht sich damit die leichtere Zugriffsmöglichkeit der Börsen auf ihre Mitglieder zu Nutze.172

2. Zivilrechtliche Sanktionen Eine rein zivilrechtliche Sanktionierung von Manipulationen würde auf jedwede hoheitlichen Maßnahmen verzichten und statt dessen die geschädigten Marktteilnehmer in die Pflicht nehmen. Indem diese die ihnen durch die Manipulationen zugefügten Schäden gegenüber dem Manipulanten geltend machen ___________ 168

Siehe Taylor, in: Blair (Hrsg.), Blackstone’s Guide, S. 1, 15. So beispielsweise die freiwilligen Insiderhandelsregeln. Zu den wesentlichen Argumenten für und – letztlich deutlich überwiegend – gegen eine derartige Selbstregulierung Samm, Börsenrecht, S. 142 ff. Dort (S. 253 ff.) sind die IHR 1976 auch abgedruckt. 170 Vgl. Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn. 93. 171 Beispielsweise Ausschluß von der Börse oder Handelsbeschränkungen etc., vgl. etwa NYSE Constitution Art. IX u. NYSE Rule 476 (a). 172 Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 78; o. Verf., 46 Yale L. J. 624, 639 (1937). 169

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3. Kap.: Sanktionsmöglichkeiten

und ersetzt verlangen, würden sie für die Durchsetzung des Manipulationsverbotes sorgen. Die Forderung von allein zivilrechtlichen Sanktionen von Gesetzesverstößen ist im Kapitalmarktrecht nicht neu. So hatte bereits im Rahmen der Umsetzung der EG-Insider-Richtlinie Kirchner einen Vorschlag vorgelegt, der völlig auf das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht bei Verstößen gegen das Insiderhandelsverbot verzichtet und statt dessen allein auf den Einsatz von zivilrechtlichen Sanktionen setzt.173 Bekanntlich wurde dies bei der anschließenden Gesetzesfassung, die für Verstöße gegen das Insiderhandelsverbot allein strafrechtliche Konsequenzen vorsah (§ 38 I WpHG a.F.), nicht aufgegriffen. Trotzdem stellt sich auch nun wieder die Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen der zivilrechtlichen Durchsetzung des Manipulationsverbotes.

a) Probleme der zivilrechtlichen Lösung Das zivilrechtliche Sanktionsmodell setzt voraus, daß entsprechende Ansprüche gegen den Manipulanten bestehen. In Betracht kommen hierfür hauptsächlich Schadensersatzansprüche der von Manipulationen betroffenen (geschädigten) Marktteilnehmer aus entsprechenden spezialgesetzlichen Anspruchsgrundlagen oder allgemein gem. § 823 II BGB i.V.m. § 20a I 1 WpHG174. Dazu muß im konkreten Fall die Manipulation zunächst überhaupt zu einem zurechenbaren, das heißt kausalen und adäquaten Schaden bei dem Marktteilnehmer geführt haben. Schon dies ist – wie bereits angesprochen – in vielen Fällen äußerst zweifelhaft. Besteht ein Schaden, so müßte dieser dem Manipulanten nachweisbar sein. Und schließlich müßte der Geschädigte die mit nicht unerheblichen Kosten und Risiken verbundene (gerichtliche) Durchsetzung seines Anspruches betreiben. Das dürfte angesichts der häufig bei den Privatanlegern eintretenden und daher eher geringen Verluste utopisch anmuten. Doch selbst wenn all diese Voraussetzungen erfüllt sind, hätte der Manipulant keinen Anreiz, auf Manipulationen zu verzichten. Da ihm nur das genommen würde, was er vorher widerrechtlich erlangt hat, macht er schlimmstenfalls keinen Gewinn, erleidet aber keine Einbuße gegenüber dem status quo ante. Eine weitere Schwierigkeit des zivilrechtlichen Modells besteht darin, daß der meist weitaus größere gesamtwirtschaftliche Schaden durch die Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes auf diese Weise überhaupt ___________ 173

Kirchner, FS Kitagawa, S. 665, 677-682; dazu ausführlich Mennicke, Sanktionen, S. 522-529. 174 Zur Frage, ob § 20a WpHG überhaupt ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 II BGB ist, vgl. u. 8. Kap. B (S. 363).

B. Das strafrechtliche Subsidiaritätsprinzip

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nicht faßbar ist, da er nicht als materieller Schaden einer einzelnen Person angesehen und liquidiert werden kann.

b) Voraussetzungen für effektive zivilrechtliche Sanktionen (1) Anspruchsinhalt und Anspruchsumfang Schadensersatzansprüche des überkommenen deutschen Rechts sind allein auf die Restitution der entstandenen Einbuße gerichtet (vgl. § 249 BGB). Geht man davon aus, daß der Schaden beim Anspruchsteller der Höhe nach dem durch die Manipulation erlangten Vorteil entspricht, so läuft der Manipulant lediglich Gefahr, diesen Vorteil wieder herausgeben zu müssen. Er steht damit im schlechtesten Falle, das heißt wenn alle von der Tat Betroffenen ihre Ansprüche durchsetzen, so, wie er vor seiner Tat stand. Er hat dann zwar keinen Gewinn gemacht, jedoch auch keine Einbuße erlitten. Er kann also ohne Risiko fortlaufend Manipulationen durchführen. In jedem nicht aufgedeckten Fall macht er einen Gewinn. Die alleinige Wiederherstellung des status quo ante ist deshalb nicht zur Abschreckung vor weiteren Manipulationen geeignet, zumal die Aufdeckungswahrscheinlichkeit häufig nicht besonders hoch ist.175 Es ist deshalb notwendig, daß der Anspruchsumfang über den im konkreten Fall entstandenen Schaden hinausgeht. Nach ökonomischer Kosten-NutzenAnalyse müßte die Wahrscheinlichkeit der Aufdeckung der Tat berücksichtigt werden, so daß beispielsweise eine 25%ige Aufdeckungswahrscheinlichkeit eine Vervierfachung der Schadenssumme bedeutete.176 Erst ein Anspruch, der in der Höhe über diese Summe hinausgeht, ist theoretisch zur Abschreckung geeignet. Da die Feststellung von Wahrscheinlichkeiten aber sehr schwierig ist, muß man sich in der praktischen Umsetzung mit Pauschalierungen des Faktors behelfen. So hatte der Arbeitskreis Gesellschaftsrecht in § 25 seines Gesetzesvorschlages177 eine Haftung des Insiders auf das Doppelte des erlangten Vorteils vorgesehen. Damit nähert man sich aber den Grenzen des klassischen Schadensersatzrechts und gelangt in die Nähe der US-amerikanischen multiple bzw. punitive damages. Überhaupt ist die Anknüpfung an einen individuellen Schaden zwar zwingend, aber wenig sinnvoll, da aus den aufgezeigten Gründen ein solcher häufig nicht zurechenbar eingetreten oder sicher bezifferbar (Funktionsfähigkeit des ___________ 175

Blakey, 60-SUM Law & Contemp. Probs. 97, 116 (1997); Mennicke, Sanktionen, S. 539. 176 Kirchner, FS Kitagawa, S. 665, 680; ebenso für das US-amerikanische Kartellrecht Posner, Antitrust Law, S. 266 ff. 177 Vorschlag des Arbeitskreises Gesellschaftsrecht zum Insiderrecht, 1976.

120

3. Kap.: Sanktionsmöglichkeiten

Kapitalmarktes) ist. Es spricht deshalb viel dafür, nicht auf den verursachten Schaden, sondern auf den durch die Manipulation erlangten Vorteil abzustellen und diese Summe, gegebenenfalls in mehrfacher Höhe als Sanktion vorzusehen. Damit verläßt man jedoch endgültig die Dogmatik des deutschen Schadensersatzrechts.

(a) Exkurs: punitive damages im US-amerikanischen Recht Das Recht der meisten Einzelstaaten der USA sieht neben dem restitutiven Schadensersatz (compensatory damages) einen darüber hinausgehenden akzessorischen „Strafschadensersatz“ (punitive damages) vor. Auf diesen kann erkannt werden, wenn dem Täter erschwerende Umstände (absichtliches, bösartiges, rücksichtsloses Verhalten etc.) vorzuwerfen sind. Punitive damages können immense, den eigentlichen Schaden um ein Vielfaches übersteigende Höhen erreichen. Sie können damit auch zur Abschöpfung von gezogenen Gewinnen eingesetzt werden.178 Neben dem Ausgleich von sonst nicht ersatzfähigen Aufwendungen (Anwaltskosten, immaterielle Schäden), der Bestrafung des Täters für sein Fehlverhalten und der Genugtuung für den Geschädigten besteht eine wesentliche Funktion der punitive damages darin, für die Zukunft abschreckend zu wirken.179 Dem Täter und der Allgemeinheit wird verdeutlicht, daß sich ein Normverstoß nicht auszahlt („Tort does not pay.“). Sie verfolgen damit besonders spezial- und generalpräventive Zwecke.180 Daneben sollen punitive damages für den Geschädigten einen Anreiz zur Rechtsdurchsetzung bieten. Indem sie dem Kläger zugesprochen werden, wird dieser für seinen Aufwand vor Gericht belohnt. Dies wird vor allem dort relevant, wo ein Straftatbestand verletzt wurde, eine Bestrafung aber aufgrund hoher Beweisanforderungen im Strafprozeß oder mangels öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung nicht erfolgt.181 Der Kläger übernimmt damit praktisch die Funktionen einer (Straf-)Verfolgungsbehörde und sorgt für die Rechtsdurchsetzung.182 ___________ 178

Bungert, ZIP 1992, 1707, 1717; Beispiel bei Toy, 40 Emory L. J. 303, 320-323 (1991). 179 Näher zu den Funktionen Brockmeier, Punitive Damages, S. 17 ff.; Bungert, ZIP 1992, 1707, 1717; BGHZ 118, 312, 335 f. 180 Müller, Punitive Damages, S. 11; 22 Am. Jur. 2d, Damages, § 542. 181 Müller, Punitive Damages, S. 12. 182 Mann, 101 Yale L. J. 1795, 1800 (1992); Owen, 74 Mich. L. Rev. 1258, 12871295 (1976).

B. Das strafrechtliche Subsidiaritätsprinzip

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Dem heutigen deutschen Recht hingegen sind derartige „Privatstrafen“ unbekannt. Jegliche Strafsanktion sollte dem Strafrichter vorbehalten werden.183 Die Zivilrechtsordnung sieht als Folge für eine unerlaubte Handlung lediglich Schadensausgleich, nicht aber eine Bereicherung des Opfers vor. Zwar wurde diese strikte Trennung in nicht wenigen Bereichen durch die Rechtsprechung faktisch durchbrochen184, doch werden diese nach wie vor als nicht verallgemeinerungsfähige Ausnahmen behandelt. Zudem sieht der Bundesgerichtshof punitive damages als Verstoß gegen den deutschen materiellen ordre public und lehnt eine Vollstreckung von entsprechenden ausländischen Urteilen ab (§ 328 I Nr. 4 ZPO).185 Obwohl sich die rechtspolitischen Stimmen für punitive damages mehren186, sind diese mit der deutschen Zivilrechtsordnung und dem Strafmonopol des Staates und den dafür eingeführten besonderen Verfahrensgarantien nicht vereinbar.

(b) Exkurs: multiple damages im US-amerikanischen Recht Ein weiteres, weniger strafend, sondern noch stärker präventiv ausgerichtetes Institut sind die multiple damages, eine besondere Ausprägung der punitive damages.187 In den gesetzlich angeordneten Fällen188 hat der Schädiger den Schaden in mehrfacher Höhe (double, treble usw.) zu ersetzen, ohne daß es auf erschwerende Umstände wie bei den punitive damages ankommt.189 Insbesondere im Immaterialgüterrecht steht dahinter der Gedanke, dem Täter den Anreiz zur Selbstbedienung zu nehmen, der bestünde, wenn eine Haftung lediglich in Höhe der bei rechtmäßigem Verhalten zu zahlenden Lizenzgebühr droht. Die multiple damages sehen sich im deutschen Recht den gleichen Bedenken ausgesetzt wie die punitive damages. Wie diese sind sie nicht mehr in den Kategorien des auf Restitution ausgelegten Schadensersatzrechts einzuordnen.

___________ 183 Vgl. Mot. II, S. 17 f.; a.A. Großfeld, Privatstrafe, S. 116 ff., der die Privatstrafe für de lege lata zulässig hält. 184 Z.B. BGH, NJW 1995, 861, 865; BGH, NJW 1996, 984, 985 (beide zur Verletzung des Persönlichkeitsrechts); BGHZ 59, 286, 291 (GEMA); OLG Karlsruhe/Freiburg, NJW 1973, 851, 853 f. (dilatorische Schadensregulierung durch Versicherungen). 185 BGHZ 118, 312, 338. 186 Müller, Punitive Damages, S. 3 m.w.N. 187 Vgl. Brockmeier, Punitive Damages, S. 23 ff. 188 Z.B. 35 U.S.C.A § 284 (Patente); 15 U.S.C.A. § 1117 (Warenzeichen); 17 U.S.C.A. § 504 (Urheberrechte); Sec. 4 Clayton Act (15 U.S.C.A. § 15, Kartelle). 189 22 Am. Jur. 2d, Damages, § 619.

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3. Kap.: Sanktionsmöglichkeiten

(2) Anspruchsdurchsetzung Ein zivilrechtliches Modell steht und fällt mit der konsequenten und umfassenden Durchsetzung der Ansprüche gegen den Manipulanten. Wenn dieser nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Inanspruchnahme fürchten muß, nützt auch die Androhung von Schadensersatz in mehrfacher Höhe nichts. Das Problem besteht nun darin, daß eine Manipulation zwar zu einem in der Summe hohen (Individual-)Schaden führen kann, dieser sich aber auf viele Geschädigte verteilt. Jeder einzelne hat deshalb nur einen verhältnismäßig geringen Schaden erlitten.190 Dies kann dazu führen, daß er die mit einer Durchsetzung seines Anspruches verbundenen Risiken, Kosten und Mühen scheut und deshalb darauf verzichtet. Wenn sich viele so verhalten, kann selbst ein im Einzelfall zugesprochener Mehrfach- oder Strafschadensersatz nicht mehr abschreckend wirken, weil die verbliebenen Vorteile größer sind. Notwendig ist deshalb die Möglichkeit einer kollektiven Rechtsdurchsetzung der Betroffenen, die die Kosten und Risiken minimiert und dem einzelnen die mit der Anspruchsverfolgung verbundenen Mühen abnimmt.191 Die Institute des gegenwärtigen deutschen Prozeßrechts zur Bündelung von Verfahren sind dafür allerdings nicht ausreichend.192

(a) Exkurs: Die class action im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht Eine Form der kollektiven Geltendmachung von Ansprüchen ist die aus dem US-amerikanischen Recht bekannte class action. Diese zeichnet sich dadurch aus, daß einige oder sogar nur ein einzelner eine Klage erhebt, das Urteil aber im Ergebnis für und gegen alle anderen Betroffenen gilt. Streitgegenstand der class action sind also die Rechtsbeeinträchtigungen aller Verletzten.193 Diese können dann von einem zusprechenden Urteil profitieren, ohne selbst einen Prozeß führen und insbesondere die hierfür notwendigen Kosten aufbringen zu

___________ 190 Vgl. Fleischer, Gutachten F zum 64. DJT 2002, F 115 f.; Holzhüter, Class Action, S. 17; Kalss, ÖBA 2005, 322, 323 f.; RegE KapMuG, ZBB 2004, 522 ff. 191 So auch die Empfehlung des 64. DJT 2002 (Beschluss 1.15 der Abteilung Wirtschaftsrecht) sowie der Regierungskommission „Corporate Governance“ (BT-Drs. 14/7515, Rn. 186-190). 192 Näher Reuschle, WM 2004, 966, 967 f. 193 Zu den Zielen und Funktionen Koch, Kollektiver Rechtsschutz, 12 ff.; Spindler, Mitarbeiter-FS Ulmer, S. 369, 371 ff.; ausf. zur class action rule Bronsteen/Fiss, 78 Notre Dame L. Rev. 1419 ff. (2003); speziell zur kapitalmarktrechtlichen class action s. Holzhüter, Class Action, S. 91 ff.

B. Das strafrechtliche Subsidiaritätsprinzip

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müssen. Ein wesentlicher Anwendungsbereich der class action in den USA ist das Kapitalmarktrecht.194 Die class action ist dem gegenwärtigen deutschen Prozeßrecht unbekannt. Aber auch eine Einführung nach US-amerikanischem Vorbild sieht sich massiven Einwänden ausgesetzt.195 Ein wesentlicher Grund dafür wird in der automatischen Einbeziehung in die class gesehen. Nur diejenigen Geschädigten, die rechtzeitig ausdrücklich ihren Austritt (sog. opt-out) erklären, müssen die Rechtskraft des Urteils nicht gegen sich gelten lassen.196 Auf diese Weise kann ein Geschädigter ohne Wissen und Wollen in einen Prozeß hineingezogen werden, was einen Verstoß gegen die Dispositionsmaxime und das verfassungsrechtlich garantierte rechtliche Gehör darstelle.197 Ein anderer Kritikpunkt resultiert aus der dem deutschen Recht eigenen grundsätzlichen Trennung zwischen Schadensersatz und Strafe, also privater und öffentlicher Sanktion. Bei der von Privaten anzustrengenden class action in Verbindung mit punitive bzw. multiple damages stehe aber Abschreckung, Prävention und Normdurchsetzung stark im Vordergrund, die Ausgleichsfunktion des Haftungsrechts hingegen trete dahinter zurück.198 Hinzu kommt, daß die kapitalmarktrechtliche class action in den USA zu erheblichen Risiken für die Unternehmen geführt hat. Begünstigt durch systembedingte Erleichterungen für den Kläger199 sah man sich dort zunehmend mit dem Problem der mißbräuchlich erhobenen Sammelklagen (sog. strike suits) konfrontiert.200 Deren Ziel bestand nicht darin, eine (angebliche) Rechtsverlet___________ 194

Mennicke, Sanktionen, S. 555. Vgl. Koch, Kollektiver Rechtsschutz, S. 93-96; Mann, NJW 1994, 1187, 1188 f.; Mertens, ZHR 139 (1975), 438, 470; Schricker, ZHR 139 (1975), 208, 245 f.; Spindler, Mitarbeiter-FS Ulmer, S. 369, 378 ff. 196 Dieser Einwand ließe sich durch die umgekehrte Vorgehensweise mittels eines opt-in-Modells entkräften. 197 Mann, NJW 1994, 1187, 1188 f.; Mertens, ZHR 139 (1975), 438, 470. 198 Koch, Kollektiver Rechtsschutz, S. 97. 199 Kein Prozeßkostenrisiko, da jede Seite die eigenen Kosten selbst trägt (sog. american rule) und in der Regel Erfolgshonorare vereinbart sind, äußerst geringe Anforderungen an die Sustantiierung der Klage, nähere Sachverhaltsermittlung erst während des Verfahrens (discovery) usw. 200 Eindrucksvoll hierfür ist der Fall Philip Morris aus dem Jahr 1993 (In re Philip Morris, 872 F. Supp. 97 (S.D.N.Y. 1995)): Am Morgen des 2. April 1993 gab Philip Morris bekannt, die Preise für Marlboro-Zigaretten um 40 Cent pro Packung zu senken. Das Unternehmen wies darauf, daß dadurch der geplante Gewinn fast 40 Prozent geringer ausfallen werden. Der Kurs der Aktie verlor daraufhin nahezu 25 Prozent seines Wertes (später sog. „Marlboro Friday“). Weniger als fünf Stunden später wurden die ersten von zehn Sammelklagen wegen Verletzung von Sec. 10 (b) SEA und Rule 10b-5 gegen das Unternehmen erhoben. Die Klage wurde später – anders als in der großen Mehrzahl vergleichbarer Fälle, die durch Vergleiche beendet werden – abgewiesen, da keinerlei rechtswidriges Verhalten nachzuweisen war. Angesichts der kurzen Zeitspanne 195

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3. Kap.: Sanktionsmöglichkeiten

zung nachzuweisen und einen Schaden geltend zu machen, sondern das beklagte Unternehmen durch die mit der Klage verbundenen Kosten, den Aufwand des discovery-Verfahrens und die negative Öffentlichkeitswirkung mit dem damit verbundenen Druck auf den Aktienkurs zu einem Vergleich zu zwingen.201 In der Folge wurden bis zum Inkrafttreten des diesen Auswüchsen entgegenwirkenden Private Securities Litigation Reform Act of 1995202 und des Securities Litigation Uniform Standards Act of 1998203 nahezu alle kapitalmarktrechtlichen Sammelklagen verglichen.204 Man kam zu der Erkenntnis, daß die mißbräuchliche Klageerhebung nicht nur die kapitalmarktrechtliche Sammelklage selbst diskreditiert, sondern auch den Unternehmen, den Anlegern und der Volkswirtschaft immensen Schaden zufügt.205

(b) Kollektive Rechtsdurchsetzung in Deutschland An Vorschlägen für kollektive Rechtsschutzformen im Bereich des Kapitalmarktrechtes bestand auch hierzulande kein Mangel. Zwei Regelungsmodelle standen dabei jedoch im Vordergrund. Das eine war ein Gruppenklage- oder Vertretermodell. In unterschiedlichen Nuancierungen nimmt dabei ein bestellter Vertreter die Interessen derjenigen wahr, die sich ihm angeschlossen ha-

___________ zwischen Unternehmensmeldung und Klageerhebung zog das Gericht dabei ausdrücklich die Sorgfalt der klägerischen Anwälte bei der Untersuchung der Vorwürfe vor Klageerhebung in Zweifel. Bezeichnenderweise warf die erste Klageschrift dem Zigarettenhersteller Philip Morris vor, über den Erfolg in der Spielwarenindustrie getäuscht zu haben. Das Gericht stellte deshalb die Vermutung an, die Klageschrift sei ein im Computer gespeichertes Formular. – S. auch Ferber v. Travelers Corp., 785 F.Supp. 1101, 1106, Fn. 8 (D.Conn. 1991). 201 Näher Feinstein, 63 Geo. Wash. L. Rev. 851, 864 ff. (1995); Holzhüter, Class Action, S. 70 ff.; ferner Blue Chip Stamps v. Manor Drug Stores, 421 U.S. 723, 740 (1975); Surowitz v. Hilton Hotels Corp., 383 U.S. 363, 371 (1966); Haft v. Eastland Financial Corp., 755 F.Supp. 1123, 1130 (D.R.I. 1991). – Den typischen Ablauf einer “strike suit” schildert Kou, 73 N.Y.U. L. Rev. 253, 257 ff. (1998). 202 Pub. L. No. 104-67, 109 Stat. 737. – Einen Überblick über die wesentlichen Maßnahmen geben Micklitz/Beuchler, in: Keßler/Micklitz (Hrsg.), Anlegerschutz, S. 191, 248 ff. 203 Pub. L. No. 105-353, 112 Stat. 3227. – Für einen Überblick ebenfalls Micklitz/ Beuchler, in: Keßler/Micklitz (Hrsg.), Anlegerschutz, S. 191, 259 ff. 204 Holzhüter, Class Action, S. 79. – Von jährlich rund 300 Klagen wurden 93 % durch Vergleich beendet, wobei sich diese in der Regel nicht an den Ansprüchen, sondern an der Finanzkraft des beklagten Unternehmens orientieren, s. S. Rep. No. 98, 104th Cong., 1st Sess., 1995, S. 9. 205 Holzhüter, Class Action, S. 71 f.; S. Rep. No. 98, 104th Cong., 1st Sess., 1995, S. 4 ff.; Catina/Schmitt, 13 St. John’s J. Legal Comment. 295 ff. (1998).

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ben.206 Der zweite Ansatz favorisierte ein Musterverfahren in Anlehnung an § 93a VwGO.207 Seit mehreren Jahrzehnten existieren darüber hinaus (nicht kapitalmarktspezifische) Vorschläge für die Einführung einer Verwalter- bzw. Verbandsklage, bei der ein dazu berufener Verwalter oder Verband treuhänderisch oder aber aus eigenem Recht die Schäden kollektiv geltend macht und anschließend an die Geschädigten verteilt.208 Als Reaktion auf praktische Probleme bei der Bewältigung gerichtlicher Auseinandersetzungen im Bereich des Kapitalmarktrechtes209 ist am 1. November 2005 das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz inkraftgetreten.210 Dieses sieht für Schadensersatzansprüche wegen falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen sowie für Erfüllungsansprüche aus Vertrag, die auf Angeboten nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz beruhen, die Möglichkeit vor, das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer anspruchsbegründenden oder anspruchsausschließenden Voraussetzung oder eine Rechtsfrage mittels eines Musterfeststellungsantrages klären zu lassen. Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) ermöglicht jedoch keine Sammelklage nach amerikanischem Vorbild.211 Es entbindet nicht von ___________ 206

U. a. Regierungskommission „Corporate Governance“, BT-Drs. 14/7515, Rn. 190; Haß, Gruppenklage, 1996, S. 337 ff.; Stadler, in: Brönneke (Hrsg.), Kollektiver Rechtsschutz, S. 1, 31 ff. – einen Überblick mit kritischer Würdigung gibt Reuschle, WM 2004, 966, 973 f. 207 U. a. v. Bar, Gutachten A zum 62. DJT 1998, A 101; Hopt/Baetge, in: Basedow/ Hopt/Kötz/Baetge (Hrsg.), Bündelung, S. 57 ff.; Müller, VersR 1998, 1181, 1188 f.; kritisch dagegen Braun, NJW 1998, 2318, 2323; ablehnend Stadler, in: Brönneke (Hrsg.), Kollektiver Rechtsschutz, S. 1, 23 f. – Ein eigenes, ebenfalls auf den Grundgedanken von § 93a VwGO zurückgreifendes Modell entwickelt Reuschle, WM 2004, 966, 975 ff. 208 So der Vorschlag des Arbeitskreises Gesellschaftsrecht zum Insiderrecht (§ 30); Steindorff, ZHR 138 (1974), 504, 515 für das Kartellrecht sowie Mertens, ZHR 139 (1975), 438, 473 f. und Schricker, ZHR 139 (1975), 208, 246 f. für das UWG. Zur Kritik gegen eine Verbandsklage im Insiderrecht s. Mennicke, Sanktionen, S. 558-564. 209 Hauptauslöser waren die am LG Frankfurt a.M. eingereichten Klagen von rund 15.000 geschädigten Anlegern gegen die Deutsche Telekom AG. Näher Möllers/Wiechert, NJW 2005, 2737. 210 Gesetz über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten (Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz – KapMuG), BGBl. I 2005, S. 2437 ff.; dazu Kranz, MDR 2005, 1021 f.; Maier-Reimer/Wilsing, ZGR 2006, 79 ff.; Möllers/Weichert, NJW 2005, 2737 ff.; Plaßmeier, NZG 2005, 609 ff. ; B. Schneider, BB 2005, 2249 ff. Vorausgegangen war ein Regierungsentwurf, abgedruck in: ZBB 2004, 522 ff.; dazu Duve/Pfitzner, BB 2005, 673 ff.; Hess, WM 2004, 2329; Reuschle, WM 2004, 2334; Sessler, WM 2004, 2344; zum Diskussionsentwurf Braun/Rotter, BKR 2004, 296 ff.; Hess/Michailidou, ZIP 2004, 1381 ff.; Reuschle, NZG 2004, 590 ff. 211 B. Schneider, BB 2005, 2249.

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der Notwendigkeit, daß grundsätzlich jeder durch eine öffentliche Kapitalmarktinformation Geschädigte einen Individualprozeß gegen den Beklagten führen muß. Auf Antrag können lediglich für eine Mehrzahl von Parallelfällen relevante Tatsachen oder Rechtsfragen bindend festgestellt werden. Die eigentliche gerichtliche Anspruchsdurchsetzung bleibt dann wieder dem jeweiligen Individualprozeß vorbehalten.

(3) Materielle Kausalitäts- und prozessuale Beweiserleichterungen Ein Schadensersatzanspruch setzt voraus, daß jemand zurechenbar durch die Manipulation einen Vermögensschaden erlitten hat. Es wurde aber bereits darauf hingewiesen, daß Marktmanipulationen häufig gerade nicht zu einem zurechenbaren Individualschaden führen. Gleichwohl werden viele Marktteilnehmer zumindest mittelbar nachteilig betroffen. Das gleiche Problem besteht auch im Insiderhandelsrecht. Insiderhandel wurde deshalb schon als „victimless crime“ bezeichnet.212

(a) Exkurs: Die contemporaneous traders im US-amerikanischen Recht In den USA, wo den privaten Ansprüchen historisch eine besonders bedeutende Funktion zur Normdurchsetzung zukommt, bestand im Rahmen des Insiderrechts ein weiteres, jedoch ähnlich gelagertes Problem. Für einen individuellen Schadensersatzanspruch war es notwendig festzustellen, gegenüber welcher Person die vom Insider verletzte Aufdeckungspflicht (duty to disclose) bestand. Nur diese Person war anspruchsbefugt, weil sie durch die Insidertransaktion kausal geschädigt wurde. Alle anderen konnten mangels Verletzung einer ihnen gegenüber bestehenden Verpflichtung keinen Schaden geltend machen.213 Um dem abzuhelfen, wurde durch den Insider Trading and Securities Fraud Enforcement Act of 1988 (ITSFEA)214 mit Sec. 20A SEA ein Klagerecht für die sog. contemporaneous traders geschaffen. Damit wurde ausdrücklich ein Klagerecht für all diejenigen Anleger etabliert, die gleichzeitig („contemporaneously“) mit dem Insider, aber ohne Kenntnis von der Insiderinformation Wertpapiertransaktionen durchgeführt und einen Schaden erlitten haben.215 ___________ 212

Manne, Cato J. 4 (1985), 933, 937. Vgl. Mennicke, Sanktionen, S. 392 ff. 214 Pub. L. No. 100-704, 102 Stat. 4677. 215 Genaugenommen handelt es sich lediglich um eine Kodifizierung der Rechtsprechung, vgl. Shapiro v. Merrill Lynch, Pierce, Fenner & Smith, Inc., 495 F.2d 228 213

B. Das strafrechtliche Subsidiaritätsprinzip

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Insgesamt ist die vom Insider zu zahlende Summe auf den erlangten Vorteil begrenzt (vgl. Sec. 20A (b) (1) SEA). Freilich tritt damit der dem Schadensersatz eigentlich eigene Kompensationgedanke zunehmend hinter die Abschrekkungsfunktion zurück. Auch der bereits zitierte Gesetzentwurf des Arbeitskreises Gesellschaftsrecht sieht in § 25 I eine Haftung des Insiders gegenüber all denjenigen vor, die auf der Marktgegenseite in dem selben Zeitraum ohne Insiderwissen Börsengeschäfte in dem betroffenen Papier getätigt haben.

(b) Übertragbarkeit auf Marktmanipulationen Es fragt sich deshalb, ob diese Möglichkeit auch auf Schadensersatzansprüche im Rahmen von Marktmanipulationen übertragbar ist. Dazu wäre zunächst Voraussetzung, daß die typischerweise potentiell von Manipulationen Geschädigten hinreichend klar bestimmbar sind. Allein auf die auf der Marktgegenseite im betroffenen Papier Handelnden kann man sich dabei nicht beschränken. Wie gezeigt, haben Manipulationen auch und vor allem Auswirkungen auf eine Vielzahl von anderen Vermögensgegenständen, namentlich Investmentfondsanteile und Derivate. Gerade was letztere betrifft, ist der eintretende Schaden aufgrund des Hebeleffektes meist sogar größer als bei dem Basiswert. Es müßten deshalb auch die Inhaber von Derivaten und Fonds in den Kreis der Anspruchsberechtigten einbezogen werden. Alles andere wäre eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung. Damit nimmt aber die Zahl der potentiell Anspruchsberechtigten sprunghaft zu. Zudem ist aufgrund der starken gegenseitigen Abhängigkeiten am Kapitalmarkt eine treffgenaue Abgrenzung zu den nicht mehr Betroffenen nahezu unmöglich. Jedenfalls ist ein dazu geeignetes Kriterium nicht erkennbar. Des weiteren ergebe sich durch die große Anzahl von Geschädigten eine den Vorteil des Manipulanten um ein Vielfaches übersteigende Schadenssumme. Nicht nur, daß dies Zweifel hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit einer gleichsam erdrosselnden Verpflichtung des Schädigers begründet. Dem könnte mit einer Deckelung auf ein bestimmtes Vielfaches des erlangten Vorteils begegnet werden. Doch gerade dadurch würde ein solcher Anspruch ad absurdum geführt. Durch die dann notwendige pro rata-Aufteilung auf alle Anspruchsteller käme es regelmäßig zu Minimalsummen, die nicht annähernd als Kompensation des erlittenen Schadens angesehen werden könnten. Damit wäre zum einen der „Schadensersatzanspruch“ dann nur noch dem Namen nach ein solcher. Er nähme jedoch nahezu ausschließlich sanktionierende und präventive Aufgaben wahr und diente der Durchsetzung des Manipulati___________ (2nd Cir. 1974) und Elkind v. Liggett & Myers, Inc., 635 F.2d 156 (2nd Cir. 1980). Vgl. dazu Aldave, 52 Alb. L. Rev. 893, 913 ff. (1989); Friedman, 68 N.C.L.Rev. 465, 481 ff.

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3. Kap.: Sanktionsmöglichkeiten

onsverbotes.216 Dann wiederum ist aber nicht erkennbar, warum dies unter dem Deckmantel des individuellen Schadensersatzanspruchs und nicht zugleich als Verwaltungssanktion geschehen kann. Zum anderen darf mit guten Gründen bezweifelt werden, daß sich angesichts der nur minimalen zu erwartenden Summe überhaupt noch jemand zur (gerichtlichen) Durchsetzung bereitfindet.217 Ohne Sammelklage oder Verbandsklage dürfte dies wohl zu verneinen sein. Aus diesen Gründen ist eine Anspruchs- und Klagebefugnis für die contemporaneous traders nach amerikanischem Vorbild bei Marktmanipulationen abzulehnen. Das Institut mag in den USA im Rahmen des Insiderrechts seine Berechtigung haben;218 mit dem hiesigen Rechtssystem ist es aber kaum vereinbar.

c) Ergebnis Zusammenfassend bleibt somit festzustellen, daß die derzeitigen zivilrechtlichen Möglichkeiten nicht annähernd zur wirksamen Verhinderung von Manipulationen geeignet sind.219 Für die effektive zivilrechtliche Sanktionierung von Manipulationen bedürfte es daher einer Reihe von Voraussetzungen, deren Schaffung tiefgreifende Veränderungen in der überkommenen deutschen Zivilrechts- und Zivilprozeßrechtsdogmatik mit sich brächten. Notwendig wäre zum einen die Vervielfachung der zu ersetzenden Schadenssumme bzw. des herauszugebenden erlangten Vorteils (ähnlich punitive damages) und zum anderen die Möglichkeit der kollektiven Durchsetzung von Ansprüchen. Zudem müßte man über materielle Kausalitätserleichterungen und prozessuale Beweiserleichterungen nachdenken. Beides ist jedoch mit erheblichen Risiken und Nachteilen verbunden. Es ist deshalb fraglich, ob derartige Anstrengungen mit den daran anschließenden weitreichenden Auswirkungen auf das gesamte Rechtssystem de lege ferenda lohnenswert sind. Zudem läßt sich angesichts der skizzierten Probleme ___________ 216 Dies wird im übrigen für Sec. 20A SEA nicht geleugnet, vgl. H.R. Rep. No. 910, 100th Cong., 2nd Sess., 1988, S. 26: „[...] important supplement to the Commission’s enforcement of the federal securities laws.“. 217 Nicht ohne Recht sieht Aldave, 52 Alb. L. Rev. 893, 921 (1989), im privaten Klagerecht vornehmlich eine lukrative Beschäftigung für Rechtsanwälte. 218 Vgl. aber die Kritik an der US-amerikanischen Rechtslage Mennicke, Sanktionen, S. 409-413. 219 Ebenso für den Insiderhandel Dingeldey, Insider-Handel, S. 116; Fürhoff, Kapitalmarktrechtliche Ad hoc-Publizität, S. 114; Menicke, Sanktionen, S. 530/564; Soesters, Insiderhandelsverbote, S. 70.

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vor allem hinsichtlich der Begründung und Bezifferung eines Schadens daran zweifeln, ob dies überhaupt möglich ist. De lege lata sind aber jedenfalls effektive zivilrechtliche Sanktionen gegen Manipulationen ausgeschlossen. Der Gesetzgeber hat insofern zu Recht nicht auf eine zivilrechtliche Durchsetzung des Verbotes vertraut. Das Subsidiaritätsprinzip steht somit einer ordnungswidrigkeiten- oder strafrechtlichen Sanktionierung nicht entgegen.

3. Verwaltungsrechtliche Sanktionen Nachdem also rein privatrechtliche Sanktionsmöglichkeiten mangels hinreichender Effektivität ausgeschlossen sind, stellt sich die Frage, ob verwaltungsrechtliche Maßnahmen zur Durchsetzung des Verbots der Marktmanipulation geeignet sind. Das hierfür verfügbare Instrumentarium besteht einerseits in Maßnahmen des Wirtschaftsverwaltungsrechts und andererseits in Sanktionen des Ordnungswidrigkeitenrechts.220

a) Wirtschaftsverwaltungsrechtliche Maßnahmen Denkbare wirtschaftsverwaltungsrechtliche Maßnahmen außerhalb des Ordnungswidrigkeitenrechts sind zunächst behördliche Auflagen, die zu einem Tun oder Unterlassen verpflichten (vgl. die cease-and-desist orders des US-amerikanischen Kapitalmarktrechts), Betriebsschließungen, Entzug eventueller beruflicher Zulassungen (für Makler oder Händler), Berufsverbote (für Manager oder Journalisten) etc.221 All diesen Maßnahmen ist aber eigen, daß sie nur für einen bestimmten, eingeschränkten Adressatenkreis wirksam sind, Manipulationen aber nicht nur von diesen begangen werden. Notwendig ist deshalb ein gegenüber jedermann wirkendes Instrumentarium. Zudem wurde bereits darauf hingewiesen, daß auch verwaltungsrechtliche Maßnahmen ihrerseits der Durchsetzung bedürfen und damit die Gefahr besteht, nur eine weitere Regelungsebene einzuführen. Allein wirtschaftsverwaltungsrechtliche Sanktionen sind deshalb nicht geeignet, die Einhaltung des Verbotes der Marktmanipulation si-

___________ 220

Leppert/Stürwald, ZBB 2002, 90, 102. Siehe die Maßnahmen des US-amerikanischen Rechts, o. A III (S. 85). Vgl. ferner Fürhoff, Kapitalmarktrechtliche Ad hoc-Publizität, S. 116. – Hild, Grenzen, S. 200, schlägt gar ein präventives Verbot mit einer generellen Erlaubnisfiktion für die Kapitalmarktteilnehmer vor, die bei Zuwiderhandlungen widerrufen werden könne. 221

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cherzustellen. Wohl aber könnten sie im Einzelfall ergänzend zu anderen Maßnahmen zum Einsatz kommen.222 Gegenüber jedermann wirkendes und deshalb in die Strafbedürftigkeitsuntersuchung mit einzubeziehendes Mittel sind hingegen ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionen. Diese unterscheiden sich von Straftatbeständen nicht nur rechtsdogmatisch, sondern auch in ihrer praktischen Anwendung und Durchsetzung. Im folgenden soll deshalb der Frage nachgegangen werden, ob Ordnungswidrigkeitentatbestände als Alternative zu Straftatbeständen in Betracht kommen und letzteren gegebenenfalls vorzuziehen sind. Von besonderer Bedeutung ist dabei deren Effektivität im Hinblick auf die Verhinderung von Verbotsverstößen, aber auch auf ihre Angemessenheit im Verhältnis zur Schwere der Beeinträchtigungen durch Manipulationen.

b) Verhältnis von Strafrecht zu Ordnungswidrigkeitenrecht Die im Ordnungswidrigkeitenrecht zu verhängende Geldbuße ist keine Strafe im technischen Sinne, weil ihr das die Kriminalstrafe kennzeichnende sozialethische Unwerturteil fehlt.223 Daneben erfolgt keine Eintragung im Bundeszentralregister und damit auch keine Vorbestraftheit für den Täter. Das Bußgeldverfahren dient nicht der Ahndung kriminellen Unrechts, sondern der verwaltungsrechtlichen Pflichtenmahnung.224 Das verhängte Bußgeld soll dementsprechend nicht eine Tat sühnen, sondern zur Beachtung der gesetzten Ordnung anhalten, verfolgt also insofern neben spezialpräventiven auch generalpräventive Zwecke.225 Hierzu dient auch die gem. § 17 IV OWiG mögliche Gewinnabschöpfung, die den Anreiz zur Tatbegehung verringern soll.226 Die Schaffung eines Ordnungswidrigkeitentatbestandes ist ein im Rahmen der Subsidiarität der Strafe in Betracht zu ziehendes milderes Mittel. Der Gesetzgeber muß deshalb dort eine Ordnungswidrigkeit statuieren, wo eine nicht strafrechtliche Sanktion zur Erreichung des Zweckes hinreichend ist. Sie bietet sich damit an, wenn ein Gesetzesverstoß zwar einer staatlichen Reaktion, wegen seiner geringeren Sozialgefährlichkeit aber nicht schon einer Kriminalstrafe bedarf.227

___________ 222 Für den Insiderhandel so auch Fürhoff, Kapitalmarktrechtliche Ad hoc-Publizität, S. 116 f. 223 BVerfGE 22, 49, 80; 27, 18, 29; 45, 272, 288 f. 224 BVerfGE 27, 18, 28 f.; 45, 272, 288 f.; BGH, NJW 1993, 3081, 3083. 225 Göhler, OWiG, Vor § 1 Rn. 9; Steindorf, in: Karlsruher Komm. OWiG, § 17 Rn. 10. 226 Steindorf, in: Karlsruher Komm. OWiG, § 17 Rn. 11, 116 ff. 227 Roxin, AT I, § 2 Rn. 39.

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Nach wie vor streitig wird die Frage beurteilt, wie Ordnungswidrigkeit und Straftat materiell gegeneinander abzugrenzen sind, mit anderen Worten, ob es eindeutige Kriterien dafür gibt, ob ein Gesetzesverstoß als Ordnungswidrigkeit oder als Straftat zu ahnden ist, und wenn ja, welche Kriterien dies sind. Anders als die klassische Verwaltungsstrafrechtstheorie, die eine wesensmäßige („qualitative“) Verschiedenheit beider in Form eines aliuds annahm,228 spricht sich die heute herrschende Ansicht in der Literatur sowie die Rechtsprechung für einen Unterschied vornehmlich quantitativer, nicht qualitativer Art aus.229 Schlagwortartig verkürzt formuliert bedeutet das, leichtere Rechtsgutsbeeinträchtigungen sind als Ordnungswidrigkeit zu ahnden, während intensivere der Strafe bedürfen.230 Trotz dieser vorwiegend quantitativen Differenzierung gibt es aber einen Kernbereich von Normen, deren Bruch immer Strafe nach sich ziehen muß, unabhängig davon, wie intensiv der Eingriff im konkreten Fall auch ist, so daß besser von einer gemischt quantitativ-qualitativen Abgrenzung zu sprechen ist.231 Jenseits davon befindet sich hingegen ein weiter Bereich, in dem eine trennscharfe Abgrenzung unmöglich ist.

(1) Marktmanipulationen im Kernbereich des Kriminalunrechts? Könnte man die Marktmanipulation im Kernbereich des Kriminalunrechts verorten, wäre ein Verstoß gegen das Verbot als Straftat zu ahnden, ohne daß dem Gesetzgeber dabei ein Ermessen zukäme. Die parallele Frage stellte sich bei der Umsetzung der Insiderrichtlinie im Jahre 1994 und wurde dort verneint.232 Die Marktmanipulation wäre zunächst dann im Kernbereich des Kriminalunrechts, wenn eine Pönalisierungspflicht für solche Verhaltensweisen bestünde. Die Aufgabe des Strafrechts ist es, die elementaren Werte des Gemeinschaftslebens zu schützen. Nach einer verbreiteten Auffassung in Rechtswissenschaft und Rechtsprechung gilt deshalb für einen Kernbereich der Wertordnung des ___________ 228

Grdl. Goldschmidt, Verwaltungsstrafrecht, S. 529 f., 577; ihm folgend E. Wolf, FG Frank II, S. 516 ff.; Eb. Schmidt, SJZ 1948, 226, 230 ff.; ders., SJZ 1949, 665, 670; dem nahestehend auch Bohnert, in: Karlsruher Komm. OWiG, Einl. Rn. 110. 229 Roxin, AT I, § 2 Rn. 41. 230 Daß auch Ordnungswidrigkeiten Rechtsgüter gefährden und verletzen und nicht nur Verstöße gegen im Dienste der öffentlichen Ordnungs- und Wohlfahrtsaufgaben erlassene staatliche Anordnungen darstellen (so aber v. a. die in Fn. 228 Genannten), dürfte anerkannt sein (dazu Roxin, AT I, § 2 Rn. 4, 6, 39 sowie bereits Sax, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Grundrechte, Bd. III/2, S. 922). 231 Roxin, AT I, § 2 Rn. 41 f. m.w.N.; Jakobs, AT, 3/10; Maurach/Zipf, AT/1, § 1 Rn. 35; Stree, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbem §§ 38 Rn. 35; BVerfGE 27, 18, 28 ff.; 51, 60, 74. 232 Vgl. Mennicke, Sanktionen, S. 571.

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Grundgesetzes ein Pönalisierungsgebot, weil der Schutz dieser fundamentalen und für den Bestand der staatlichen Gemeinschaft wesentlichen sozialethischen Grundentscheidungen zwingend nach strafrechtlichen Mitteln verlange.233 Dieser Kernbereich ist allerdings sehr eng zu fassen und auf absolute Ausnahmefälle beschränkt. Eine Pönalisierungspflicht soll für (vorsätzliche) Angriffe auf das menschliche Leben bestehen.234 Darüber hinaus aber ist die Literatur äußerst zurückhaltend. Nicht in diesen Kernbereich fallen aber jedenfalls die der Wirtschaftskriminalität zuzurechnenden Verhaltensweisen.235 Zwar verpflichtet die Wertordnung des Grundgesetzes den Gesetzgeber zur Bereitstellung der für die freie wirtschaftliche Entfaltung notwendigen Institutionen. Sie rechtfertigt auch den Erlaß von Sanktionen, um diese Institutionen wirksam zu schützen.236 Die Wahl der Mittel ist damit aber nicht vorgegeben, so daß sich eine Verpflichtung, dies mit strafrechtlichen Mitteln zu tun, aus dem Grundgesetz weder hinsichtlich der gesamten Wirtschaftsordnung noch hinsichtlich einzelner Einrichtungen ergibt. Der Kernbereich des Kriminalunrechts ist jedoch weiter als der einer Pönalisierungspflicht. Dieser auf den ersten Blick überraschende Befund bedeutet, daß der Gesetzgeber, wenn er sich zur hoheitlichen Sanktionierung eines schädlichen Verhaltens entschließt, zwingend auf das Strafrecht zurückgreifen muß. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts gehören dazu alle bedeutsamen Unrechtstatbestände. Für das Ordnungswidrigkeitenrecht verbleiben Gesetzesübertretungen von geringerem Unrechtsgehalt, die nach allgemeinen gesellschaftlichen Auffassungen nicht als (kriminell) strafwürdig gelten.237 Weil hier zwischen kriminellem Unrecht und Ordnungsunrecht nur graduelle Unterschiede bestehen, ist es Sache des Gesetzgebers, die genaue Grenzlinie – gegebenen___________ 233 BVerfGE 27, 18, 29; Joecks, in: Münchener Komm. StGB, Einl. Rn. 19; Klein, NJW 1989, 1633, 1638; Müller-Dietz, FS Dreher, S. 97, 108 f.; Roxin, AT I, § 2 Rn. 26 f.; Tiedemann, Verfassungsrecht und Strafrecht, S. 50; Rudolphi, in: System. Komm. StGB, Vor § 1 Rn. 1a; Worms, Anlegerschutz, S. 270; Zipf, Kriminalpolitik, S. 104 f.; a.A. aber Appel, Verfassung und Strafe, S. 67 ff. m.w.N., 379: weder aus der Rechtsprechung des BVerfG noch aus der Wertordnung des Grundgesetzes ließen sich unmittelbar Pönalisierungspflichten entnehmen. 234 Müller-Dalhoff, Abgrenzung, S. 91: „ohne Zweifel“, ferner alle Verbrechen im Sinne von § 12 StGB (a.a.O., S. 92 f.), weiter § 223 als „klassisches Strafdelikt“ (a.a.O., S. 95) und wohl auch Diebstahl und Betrug (a.a.O., S. 96); ähnlich Tiedemann, Verfassungsrecht und Strafrecht, S. 53: Leben, Gesundheit und weitere fundamentale Rechtsgüter wie Bewegungsfreiheit und Eigentum; weitergehend in Bezug auf das Leben (auch Fahrlässigkeit umfassend) Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 2 Rn. 57; zurückhaltender Klein, NJW 1989, 1633, 1638: „nicht restitutionsfähige grundrechtliche Rechtsgüter“, wenn nicht nachgewiesenermaßen anderweitig effektiv geschützt. 235 Dingeldey, Insider-Handel, S. 129; Otto, MschrKrim 63 (1980), 397, 402; Worms, Anlegerschutz, S. 270. 236 Siehe dazu o. B I 2 d (1) (S. 101). 237 BVerfGE 22, 49, 81; 22, 125, 132 f.; 23, 113, 126; 27, 18, 28.

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falls unter Berücksichtigung der jeweiligen konkreten historischen Situation – im einzelnen festzulegen, zumal die Anschauungen über den Unrechtsgehalt in besonderem Maße dem Wandel der Zeit unterworfen sind. Solange sich der Gesetzgeber dabei im Einklang mit der verfassungsrechtlichen Wertordnung und den ungeschriebenen Verfassungsgrundsätzen und Grundentscheidungen des Grundgesetzes bewege, komme ihm ein nicht unerheblicher Spielraum eigenverantwortlicher Bewertung zu.238

(2) Kriminalstrafe im Ermessen des Gesetzgebers Da für Marktmanipulationen kein Pönalisierungsgebot besteht, bewegt sich die Art der Sanktionierung mithin grundsätzlich im Ermessensbereich des Gesetzgebers.239 Möglicherweise lassen sich aber ermessensleitende Kriterien finden, die eine Entscheidung erleichtern oder sogar vorgeben. Letzteres ist dann der Fall, wenn sich zwingende Gründe für oder gegen die Kriminalisierung von Manipulationen aufzeigen lassen.

(a) Zunehmende Kriminalisierung Ein Argument gegen den Einsatz des Strafrechts könnte in der zunehmenden Kriminalisierung verschiedenster Verhaltensweisen liegen. Die gegenwärtige Gesellschaft scheint dazu zu tendieren, zum einen fortlaufend neue strafrechtlich zu schützende Güter und Werte und damit neue Straftatbestände jenseits der überkommenen Delikte anzuerkennen. Zum anderen (und häufig in Verbindung mit dem ersten Phänomen) umfaßt die tatbestandliche Ausgestaltung mit Versuchsstrafbarkeit, als Unternehmens- oder lediglich (abstraktes) Gefährdungsdelikt oft bereits weit vor der tatsächlichen Rechtsgutsverletzung liegende Verhaltensweisen. Insofern scheint das strafrechtliche Ver- und Gebotssystem immer feinmaschiger und damit im Ergebnis eingriffsintensiver zu werden.240 Vor diesem Hintergrund meint man den Kritikern uneingeschränkt zustimmen zu müssen, wenn diese darin eine bedenkliche und zu bekämpfende Ausdehnung des Strafrechts sehen und deshalb vor allem den hier interessierenden Bereich der Funktionsfähigkeit der Wirtschaft und ihrer Einrichtungen aus dem Strafrecht ausnehmen wollen. ___________ 238

BVerfGE 27, 18, 29 f.; 45, 272, 289; 51, 60, 74; 80, 182, 186. Ebenso für den Insiderhandel Mennicke, Sanktionen, S. 571; Soesters, Insiderhandelsverbote, S. 71. 240 Sax, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Grundrechte, Bd. III/2, S. 919, spricht von der sich seit Ende des 19. Jahrhunderts ständig steigernden, viel beklagten „Hypertrophie staatlichen Strafens“. 239

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3. Kap.: Sanktionsmöglichkeiten

Es wurde aber ebenfalls bereits dargestellt, daß die generellen Bedenken gegen die überindividuellen Rechtsgüter (auch speziell des Wirtschaftsstrafrechts) nicht durchgreifen.241 Auch das Strafrecht kann nicht statisch verharren, sondern muß sich den allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen dynamisch anpassen. Den mit den zunehmenden Möglichkeiten der persönlichen Entfaltung verbundenen, ebenfalls erheblich zunehmenden Schädigungsmöglichkeiten kann sich der Gesetzgeber nicht verschließen, sondern muß wenn notwendig auch mit strafrechtlichen Mitteln reagieren. Insofern ist eine grundsätzlich ablehnende Haltung gegenüber neuartigen überindividuellen Rechtsgütern nicht angebracht. Zugegebenermaßen sollte man nicht – wie leider häufig zu beobachten – allzu sorglos mit Anerkennung von Strafrechtsgütern umgehen und es insbesondere nicht bei ihrer bloßen Postulierung belassen. Erhebliche Beachtung verdient aber die Kritik an der Vorverlagerung des Strafrechts, die häufig mit der Anerkennung überindividueller Rechtsgüter einher geht. Deren prinzipielle Anerkennung impliziert nämlich keinesfalls, daß sie auch umfassend und gegen jegliche Art der Beeinträchtigung geschützt werden müssen. Das Gegenteil ist der Fall. Die Zunahme der Zahl strafrechtlich schützenswerter (strafwürdiger) Rechtsgüter auf der einen Seite muß zu einer restriktiven Beurteilung der Strafbedürftigkeit und damit zu einer Begrenzung des Strafrechts auf besonders schwerwiegende Beeinträchtigungen auf der anderen Seite führen. Damit entscheidet die Strafbedürftigkeit nicht nur darüber, ob eine Rechtsgutsverletzung Strafe verdient und ihrer bedarf, sondern auch, inwieweit diese durch Normierungen von Versuchsstrafbarkeit oder Ausformung von Unternehmens- oder selbständigen Vorbereitungsstraftatbeständen in den Bereich der bloßen Rechtsgutsgefährdung vorverlegt werden darf.242 In einem ersten Schritt ist deshalb die soziale Wertigkeit des Rechtsgutes „Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes“ zu bestimmen. Dies ist oben243 bereits geschehen mit dem Ergebnis, daß dem Schutz dieses Rechtsgutes eine große Bedeutung und damit ein hoher Rang zukommt. Dem Einsatz strafrechtlicher Mittel steht damit grundsätzlich nichts entgegen. Mit der Anerkennung der Hochrangigkeit eines Rechtsgutes ist aber noch nicht entschieden, daß dieses Interesse in jeder Hinsicht strafrechtlichen Schutzes bedarf. Deshalb sind in einem zweiten Schritt die tatbestandsmäßigen Verhaltensweisen auf ihre Beeinträchtigungen dieses Rechtsgutes und damit auf ihre konkrete Strafbedürftigkeit zu untersuchen.

___________ 241

Siehe o. B I 1 b (S. 91). Sax, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Grundrechte, Bd. III/2, S. 926; Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 3 Rn. 19. 243 Vgl. o. B I 2 e (S. 112). 242

B. Das strafrechtliche Subsidiaritätsprinzip

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(b) Die Bedeutung von Handlungs- und Erfolgsunwert Für die Frage nach der Strafbedürftigkeit der einzelnen, das Rechtsgut beeinträchtigenden Verhaltensweisen und damit dem Umfang des Rechtsgüterschutzes läßt sich die Unterscheidung in deren Handlungs- und Erfolgsunwert nutzbar machen.244 Der Unrechtsgehalt einer Tat wird durch ihren Handlungsunwert (die Art und Weise des Handlungsvollzuges) und den Erfolgsunwert (die Verletzung oder Gefährdung des Schutzobjektes) bestimmt.245 Beide sowie der soziale Rang des betroffenen Rechtsgutes befinden sich in einer Wechselwirkung zueinander.246 Das heißt je stärker ausgeprägt eine Komponente ist, desto schwächer kann eine andere sein, ohne daß insgesamt die Strafbedürftigkeit zu verneinen wäre. Besonders hochwertige Rechtsgüter bedürfen der Androhung von Kriminalstrafe deshalb sowohl bei lediglich fahrlässiger Verletzung (ungeachtet des geringeren Handlungsunwertes) als auch bei bloßer Gefährdung (ungeachtet des geringeren Erfolgsunwertes).247 Bei der Marktmanipulation ist entsprechend der gesetzlichen Regelung zwischen der erfolglosen (§ 39 I Nr. 1, 2, II Nr. 11 WpHG), die sich in der Vornahme der tatbestandlichen Handlung erschöpft, und der erfolgreichen (§ 38 II WpHG), bei der zusätzlich eine tatsächliche Preisbeeinflussung eingetreten sein muß, zu unterscheiden. Erstere ist damit rechtstechnisch als schlichtes Tätigkeitsdelikt (in Bezug auf die Tathandlung) und abstraktes Gefährdungsdelikt (in Bezug auf das Handlungsobjekt) einzuordnen. Der Schwerpunkt des Unrechts liegt hier allein im Handlungsunwert, wohingegen der Erfolgsunwert aufgrund der bloßen (abstrakten) Gefährdung gering ist. Bei der erfolgreichen Manipulation jedoch kommt zum identischen Handlungsunwert noch der nunmehr erhebliche Erfolgsunwert in Form der tatsächlichen Beeinflussung des Preises mit den daraus resultierenden zusätzlichen nachteiligen Auswirkungen hinzu.248 Da der Rang des betroffenen Rechtsguts gleichgeblieben ist, hat die erfolgreiche Manipulation einen insgesamt deutlich höheren Gesamtunrechtsgehalt. Dieser Befund legt es nahe, über unterschiedliche Sanktionen für erfolglose und erfolgreiche Manipulationen nachzudenken. Das könnte einerseits lediglich im Strafrahmen Berücksichtigung finden, andererseits aber auch die Art der Sanktion bestimmen. Letzteren Weg ist der deutsche Gesetzgeber gegangen, indem er nur die erfolgreiche Manipulation als Straftat ausgestaltet hat, die er___________ 244

Vgl. Müller-Dalhoff, Abgrenzung, S. 77; Günther, JuS 1978, 8, 12. Dazu Wessels/Beulke, AT, Rn. 15; Jescheck/Weigend, AT, § 24 III 3 (S. 240). 246 Kratzsch, Verhaltenssteuerung, S. 425; Maurach/Zipf, AT 1, § 17 Rn. 6. 247 Vgl. Müller-Dalhoff, Abgrenzung, S. 78. 248 Rechtstechnisch handelt es sich bei § 38 II WpHG um ein VerletzungsErfolgsdelikt. 245

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3. Kap.: Sanktionsmöglichkeiten

folglose hingegen als Ordnungswidrigkeit.249 Für diese Variante spricht, daß die Auswirkungen auf die Allokationseffizienz etc. nur im Falle der tatsächlichen Preisbeeinflussung eintreten. Andererseits ist damit noch keine endgültige Entscheidung für eine bestimmte Art der Sanktionierung gefallen. Immerhin haben auch die nicht erfolgreichen Manipulationen über den durch sie verursachten schleichenden Vertrauensverlust schwerwiegende negative Auswirkungen auf einzelne und die Allgemeinheit. Ihr Unrechtsgehalt ist deshalb nicht so gering, daß eine Kriminalisierung von vornherein ausscheiden müßte und allenfalls eine Ordnungswidrigkeit in Betracht käme. Aus diesem Grunde ist es auch denkbar, daß überhaupt keine tatbestandliche Differenzierung vorgenommen wird, sondern statt dessen erst bei der Ahndung der Tat die fehlende Vollendung im Sanktionsmaß berücksichtigt wird.250 Im Ergebnis bleibt also festzuhalten, daß zwar ein deutlicher Unwertunterschied zwischen der erfolglosen und der erfolgreichen Marktmanipulation besteht, der Unwert aber in keinem der beiden Fälle so gering ausfällt, daß eine Kriminalisierung von vornherein ausgeschlossen wäre.

(c) Effektivität der Sanktion zur Verhinderung zukünftiger Verstöße Ein weiterer in die Strafbedürftigkeit einzubeziehender Punkt ist die Effektivität der gewählten Sanktion im Hinblick auf die Verhinderung zukünftiger Verstöße gegen das Verbot. Zweck der Kriminalstrafe ist (zumindest auch251) deren generalpräventive Wirkung, also die Verhinderung von Straftaten durch Einwirkung auf die Allgemeinheit.252 Dies geschieht zum einen dadurch, daß durch die Existenz von (Straf-)Normen das Rechtsbewußtsein in der Bevölkerung hinsichtlich der Unrechtmäßigkeit der pönalisierten Handlung gestärkt und bestätigt oder aber überhaupt erst geschaffen wird (sog. positive Generalprävention oder Integrationsprävention).253 Zum anderen soll die Allgemeinheit ___________ 249

Dieser Differenzierung zustimmend Schmitz, ZStW 115 (2003), 501, 527. Diesen Weg beschritt der Gesetzgeber bei § 88 BörsG a.F., der keinen tatbestandlichen Erfolg im Sinne einer tatsächlichen Beeinflussung voraussetzte (s. Schwark, BörsG, § 88 Rn. 12). 251 Je nach dem, ob man einer rein relativen Straftheorie oder aber einer Vereinigungslehre anhängt. Absolute Straftheorien, nach denen Strafe allein repressive, vergeltende Funktion hat (Kant, Hegel), werden in ihrer reinen Form nicht mehr vertreten. Zum Ganzen Jakobs, AT, 1/4-52; Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 3 Rn. 24-67. 252 Die Möglichkeiten der Spezialprävention als zweiter Komponente der relativen Straftheorien werden dagegen deutlich zurückhaltender beurteilt (vgl. Dölling, ZStW 102 (1990), 1). 253 Dieser Aspekt wird gerade im Bereich der Wirtschaftskriminalität bedeutsam, weil hier ein (Un-)Rechtsbewußtsein in weiten Teilen der Bevölkerung fehlt oder zu250

B. Das strafrechtliche Subsidiaritätsprinzip

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durch die Androhung von Sanktionen von der Begehung der rechtswidrigen Tat abgehalten werden (sog. negative Generalprävention oder Abschreckungsprävention). Um die gewünschte negative generalpräventive Wirkung zu erzielen, muß die angedrohte Sanktion für den potentiellen Täter einen hinreichenden „Anreiz“ enthalten, das Verbot der Marktmanipulation zu respektieren. Nur wenn eine ordnungswidrigkeitenrechtliche Lösung gleich effizient wirkt wie eine strafrechtliche, kommt diese als milderes Mittel in Betracht. Andernfalls ist sie nicht gleich „geeignet“ im Sinne des Verhältnismäßigkeitsprinzips und damit bei der Strafwürdigkeit nicht in die Abwägung einzustellen.254 Die Schwierigkeit besteht nun darin, die Effektivität von Straf- bzw. allgemein Sanktionsdrohungen in Bezug auf ihre negative generalpräventive Wirkung empirisch zu quantifizieren und zu verifizieren. Zwar befaßt sich eine kaum noch übersehbare Zahl von empirischen Untersuchungen mit dieser Frage255, doch sind deren Ergebnisse derart differenziert, daß ihnen im Hinblick auf den Nachweis der Abschreckungswirkung des Strafrechts, also der negativen Generalprävention, wenig Bedeutung zugemessen wird.256 Gewisse Übereinstimmungen sollen zumindest darüber bestehen, daß weniger die Sanktionsschwere als vielmehr die Entdeckungs- und damit die Strafwahrscheinlichkeit ___________ mindest schwächer ausgeprägt ist (vgl. Zipf, Kriminalpolitik, S. 171). Nach Volk, ZHR 142 (1978), 1, 12, waren Insidertransaktionen im Kreise der Beteiligten damals (1978) eher übliche Geschäftspraxis, denn sozialethisch scharf mißbilligt. Auch Dingeldey, Insider-Handel, S. 156, sieht 1983 wenig Verständnis und weitverbreitetes Desinteresse für die Probleme des Kapitalmarktstrafrechts in der Bevölkerung. – Inzwischen dürfte diese Bewertung jedoch nicht mehr zutreffen: Die weite Verbreitung von Aktien in Privatanlegerhänden (Stichwort: „T-Aktie“) und die Geschehnisse namentlich am ehemaligen Neuen Markt haben zu einem Bewußtseinswandel geführt, der jede Unregelmäßigkeit mit Argusaugen beobachten läßt. – Eine parallele Problematik findet sich im Kartellrecht. In der Begr. RegE GWB, BT-Drs. 2/1158, S. 27 f., heißt es, daß „weder in der deutschen Öffentlichkeit noch in den beteiligten Wirtschaftskreisen [...] bisher ein lebendiges Gefühl dafür verbreitet [ist, J.E.], daß wettbewerbsbeschränkende Verträge und Geschäftspraktiken unerlaubt und ethisch verwerflich seien.“. Auch dieser Befund aus den 1950er Jahren dürfte sich inzwischen gewandelt haben, freilich ohne daß der Gesetzgeber mit der 6. GWB-Novelle v. 26. August 1998 (BGBl. I 1998, S. 2546) darauf entsprechend reagiert hat (vgl. hierzu auch u. B II 3 b (2) (e) (S. 142)). – Der FSMA 2000 (UK) erhebt die öffentliche Bewußtseinsbildung gar zum Gesetzeszweck (Sec. 2 (2) (b) und Sec. 4). 254 Siehe o. B (S. 87). 255 Siehe hierzu nur die Überblicksarbeiten von Dölling, ZStW 102 (1990), 1 ff.; Köberer, MschrKrim 65 (1982), 200 ff.; Prisching, MschrKrim 65 (1982), 163 ff.; Schöch, FS Jescheck, S. 1081 ff. – Die Untersuchungen zur Generalprävention befassen sich überwiegend mit der negativen Seite, d. h. der Abschreckungsprävention, kaum dagegen mit der positiven, der Integrationsprävention. Das beruht darauf, daß der ohnehin schwierige empirische Zugang zur letzteren noch schwieriger ist und daneben die meisten Studien aus den USA stammen, wo die Generalprävention weitgehend auf ihre abschreckende Wirkung reduziert wird (vgl. Dölling, ZStW 102 (1990), 1, 3). 256 So Dölling, ZStW 102 (1990), 1, 8; Bock, JuS 1994, 89, 95.

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3. Kap.: Sanktionsmöglichkeiten

die gewünschte Senkung der Kriminalitätsrate erzielt.257 Ohne diese Ergebnisse im einzelnen zu kommentieren, ist lediglich darauf hinzuweisen, daß die Androhung einer spürbaren Sanktion der Untersuchung ihrer Verhängungswahrscheinlichkeit logisch vorgelagert ist. Das heißt selbst höchste Entdeckungsund Aufklärungswahrscheinlichkeit nützt nichts, wenn keine zu verhängende Sanktion zur Verfügung steht. Zudem darf bezweifelt werden, daß deren Art und Höhe tatsächlich völlig irrelevant ist.258 Näher liegt wohl eine gegenseitige Wechselwirkung von Entdeckungs- und Aufklärungswahrscheinlichkeit auf der einen Seite und Art und Höhe der Sanktion auf der anderen Seite. Angesichts dieser Vorbehalte gegen empirische Forschungen und weil für den Bereich der Marktmanipulation – soweit ersichtlich – überhaupt keine Studien vorliegen259, werden im folgenden einige theoretische Überlegungen angestellt. Ausgangspunkt dafür sind neuere kriminologische Forschungen, die vermehrt auf eine ökonomisch-rationale Betrachtung des Täters abstellen.260 Deren ökonomischen Konzepte sehen menschliches Verhalten (auch und gerade im gesetzwidrigen Bereich) als Ergebnis eines Abwägungsprozesses, der die Vor- und Nachteile dieses Verhaltens saldiert. Konkret werden dabei die Sanktion und die Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts sowie alle sonstigen negativen Effekte als Kosten in Rechnung gestellt. Solange diese niedriger sind als der aus der Tat durchschnittlich zu erlangende Gewinn, „lohnt“ sich die Tat. Unter Zugrundelegung dieser Hypothese muß also Ziel sein, die Schwere (Art und Höhe) der Sanktion und deren Verhängungswahrscheinlichkeit und damit die „Kosten“ der Tat so hoch zu wählen, daß sie deren durchschnittlichen Gewinn übersteigen. Der ökonomisch-rational handelnde Täter wird dann die Tat unterlassen. ___________ 257 Bock, JuS 1994, 89, 95; Dölling, ZStW 102 (1990), 1, 8; Schöch, FS Jescheck, S. 1081, 1104, der dies aber gerade für spezielle Wirtschaftsstraftäter wieder relativiert. 258 So auch Dölling, ZStW 102 (1990), 1, 8, der zu Recht davon ausgeht, daß die im Rahmen von Studien Befragten bei ihren Angaben zur Bestrafungswahrscheinlichkeit stets bestimmte Vorstellungen über Art und Höhe der Strafe mitbedachten. 259 Gleiches gilt für den Insiderhandel, vgl. Mennicke, Sanktionen, S. 576. Dingeldey, Insider-Handel, S. 158-163, gründet sein bejahendes Strafwürdigkeitsurteil auf empirische Untersuchungen zur Steuer- und Subventionsdelinquenz aus den 1960er resp. 1970er Jahren. 260 Vgl. z.B. Posner, Economic Analysis of Law, Ch. 7; allg. dazu Werner, KritV 1992, 433, 438 ff. m.w.N. – Diese Theorien gehen ihrerseits zurück auf Überlegungen aus der Aufklärung und dem Utilitarismus. Dort hatte man einen Menschen vor Auge, der in wohlverstandenem Eigeninteresse Vor- und Nachteile von Handlungsalternativen vernünftig abwägt, bei Überwiegen der Nachteile die Tat unterläßt und so der ideale Adressat der negativen Generalprävention ist (vgl. Bock, JuS 1994, 89, 95). Die klassischen Vertreter dieser Abschreckungstheorie sind Beccaria, Bentham und Feuerbach (Theorie vom psychologischen Zwang). Nachweise zu allen bei Vanberg, Verbrechen, S. 14 f.

B. Das strafrechtliche Subsidiaritätsprinzip

139

Diese Ansicht setzt voraus, daß sich der Täter streng nach dem Modell des homo oeconomicus verhält, das heißt tatsächlich ein rationales Kalkül anstellt. Für viele Deliktsbereiche dürfte dies eine zu starke Vereinfachung der Tätermotivation darstellen.261 So werden in vielen Fällen der klassischen Kriminalität nicht quantifizierbare soziale, psychische und emotionale Effekte wie beispielsweise Affekte oder Rache auf der Motivationsseite und Angst vor sozialer Ächtung auf der Rechtsfolgenseite hinzutreten. Das kann (und wird) dazu führen, daß Delikte trotz (erkannter) wirtschaftlicher Sinnlosigkeit im Sinne dieser Theorie begangen werden und umgekehrt. Im Bereich der Wirtschaftskriminalität und hier vor allem in dem Bereich der Kapitalmarktdelikte dürften diese nicht quantifizierbaren Effekte aber nur eine untergeordnete Rolle spielen. Hier geht es ganz überwiegend allein um die Erzielung von Vermögensvorteilen und die Delikte beruhen nicht auf plötzlichen emotionalen Entscheidungen, sondern sind das Ergebnis eines abwägenden Planungsprozesses.262 Es spricht deshalb viel dafür, daß der Täter in diesen Fällen die Chancen und Risiken seines Vorgehens genau kalkuliert und sein Handeln darauf einrichtet. Er kommt damit der Voraussetzung des homo oeconomicus zumindest nahe. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, daß Sanktionen, die lediglich in der Gewinnabschöpfung bestehen, nicht geeignet sind, hinreichende Abschreckung zu gewährleisten. Da eine Sanktionswahrscheinlichkeit von 100 Prozent unmöglich ist, bleibt rechnerisch stets ein Gewinn übrig.263 Solange mit der Sanktion nicht in vor der Normverletzung vorhandene Positionen eingegriffen und dem Täter damit mehr genommen wird als er durch die Tat erlangt hat, werden viele diese „Chance ohne Risiko“ ausprobieren.264 Notwendig ist deshalb zumindest die Abschöpfung eines Mehrfachen des Gewinns. Wie bereits bei der zivilrechtlichen Mehrfachabschöpfung erwähnt265, müßte der Faktor mit der Aufdeckungs- und Sanktionswahrscheinlichkeit korrelieren. Zweckmäßigerweise bedarf es dabei einer Pauschalierung. Das geltende Recht ermöglicht jedoch weder mittels Anordnung des Verfalls (§ 73 ff. StGB) im Strafrecht266 noch mittels der Geldbuße (§ 17 OWiG) im Ordnungswidrigkeitenrecht267 allgemein die Verhängung einer derartigen Sanktion in Höhe eines Mehrfachen ___________ 261 Bock, JuS 1994, 89, 95 f.; Stratenwerth/Kuhlen, AT, § 1 Rn. 24; ferner Werner, KritV 1992, 433, 443 ff. 262 Dingeldey, Insider-Handel, S. 157; Mennicke, Sanktionen, S. 574 f.; ferner Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 3 Rn. 28. 263 Siehe o. B II 2 b (1) (S. 119). 264 Dölling, ZStW 102 (1990), 1, 18. 265 Siehe o. B II 2 b (1) (S. 119). 266 Der Verfall ist der Höhe nach auf die aus der Tat erlangten Vorteile begrenzt. 267 Die Geldbuße darf nicht höher sein als der wirtschaftliche Vorteil aus der Tat zuzüglich des angedrohten Höchstmaßes der Geldbuße (Steindorf, in: Karlsruher Komm. OWiG, § 17 Rn. 140).

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3. Kap.: Sanktionsmöglichkeiten

des erzielten Gewinns. Die dies zumindest teilweise leistende Vermögensstrafe (§ 43a StGB a.F.) ist durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wegen ihrer Verfassungswidrigkeit 2002 für nichtig erklärt worden.268 Lediglich in einigen Spezialgesetzen findet sich gegenwärtig eine entsprechende Möglichkeit.269 Das WpHG hingegen verzichtet auf eine derartige Bestimmung. Doch selbst wenn de lege ferenda Bußgelder in mehrfacher Gewinnhöhe möglich wären, ist fraglich, ob dies hinreichend abschreckend auf potentielle Täter wirkt. Auf der einen Seite gewähren Manipulationen erhebliche Gewinnchancen und damit einen hohen Anreiz zur Tatbegehung. Dem steht ein geschätzt eher geringes Aufdeckungsrisiko gegenüber. Manipulationen sind (wie auch der Insiderhandel) wegen der Anonymität und Komplexität des Kapitalmarktes nur schwer verfolgbar.270 Obwohl die Polizeiliche Kriminalstatistik271 recht hohe Aufklärungsquoten im Bereich der Finanzanlagedelikte aufweist, dürfte ein großes Dunkelfeld an nicht erkannten und deshalb auch nicht angezeigten Taten bestehen. Insofern müßte die im Einzelfall zu verhängende Geldbuße einen so hohen Vervielfachungsfaktor erreichen, daß die konkrete Sanktion unverhältnismäßig würde.272 Damit kann die Sanktion nicht so hoch gewählt werden, wie es die Theorie erfordern würde. Aus diesem Grunde bestehen erhebliche Zweifel an der grundsätzlichen Eignung des Ordnungswidrigkeitenrechts zur (alleinigen) Ahndung von Marktmanipulationen. Angesichts der durch Manipulationen erreichbaren Gewinnhöhen ist die bloße Geldbuße – auch in Verbindung mit einer Gewinnabschöpfung – der ein eindeutiger Strafcharakter und ein sozialethisches Unwerturteil fehlt, nicht hinreichend abschreckend. Eine höhere generalpräventive Wirkung dürfte hingegen die Androhung von Kriminalstrafe haben. Zum einen ist diese mit einem sozialen Unwerturteil behaftet, das über den „Makel“ einer bloßen Pflichtverletzung (wie im Ordnungswidrigkeitenrecht) weit hinausgeht. Zudem hat ihre Verhängung eine Eintragung im Bundeszentralregister (§ 3 Nr. 1, § 4 BZRG) und damit die Vorbestraftheit des Täters zur Folge. Zum anderen – und das erscheint als der wichtigste Punkt in diesem Zusammenhang – ermöglicht nur eine Kriminalisierung die Androhung einer Freiheitsstrafe. In der Studie von Bre___________ 268

BVerfGE 105, 135 ff. Als Beispiel sei genannt § 81 II GWB, der für bestimmte Verstöße eine Geldbuße bis zum Dreifachen des erlangten Mehrerlöses vorsieht. 270 Für den Insiderhandel ebenso Mennicke, Sanktionen, S. 581. 271 Vgl. PKS 2003, 236 (99,2%); PKS 2002, 234 (99,4%); PKS 2001, 238 (99,7%); PKS 2000, 238 (99,3%). 272 Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit und den Ausführungen des BVerfG (E 105, 135 ff.) zur Vermögensstrafe dürfte die Begrenzung auf das Dreifache des Erlöses die absolute Obergrenze sein. 269

B. Das strafrechtliche Subsidiaritätsprinzip

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land273 wurde deutlich, daß vor allem die Furcht vor Freiheitsstrafe, insbesondere wenn diese nicht zur Bewährung ausgesetzt wird, zur positiven Beeinflussung des potentiellen Täters geeignet ist. Gerade strafrechtliche Sanktionen einschließlich einer Freiheitsstrafe erscheinen wegen der stigmatisierenden Wirkung der Kriminalstrafe und dem damit verbundenen Unwerturteil im Wirtschaftsstrafrecht besonders wirkungsvoll, besser, als dies Ordnungswidrigkeitentatbestände (allein) leisten könnten.274 Der in diesem Metier agierende Täter wägt in aller Regel sehr genau Vor- und Nachteile der Tat ab. Insofern bezieht er eine zu erwartende Geldbuße mit ein. Eine Kriminalstrafe, insbesondere wenn eine nicht unerhebliche Freiheitsstrafe (bei der Marktmanipulation ebenso wie bei Insiderhandel bis fünf Jahre) im Raume steht, läßt sich hingegen nicht in diese Kosten-Nutzen-Analyse einkalkulieren. Die persönlich zu verbüßende Freiheitsstrafe dürfte einer rationalen Wirtschaftlichkeitserwägung nicht zugänglich sein. Als äußerster Reaktion der Gesellschaft mit allen damit in Verbindung stehenden Einschränkungen und Belastungen in der persönlichen Lebensführung und der sozialen Wirkung kommt ihr deshalb für diesen Kriminalitätsbereich ein hohes Maß an Abschreckungswirkung zu.275 Diese Überlegungen lassen die Kriminalstrafe einschließlich einer erheblichen Freiheitsstrafe als sinnvolles und notwendiges Mittel zur Verhinderung von Marktmanipulationen erscheinen.

(d) Aufdeckungs- und Verfolgungseffektivität Die Androhung von Kriminalstrafe allein genügt jedoch nicht. Die empirischen Untersuchungen über die Abschreckungswirkung von Sanktionen haben statt dessen belegt, daß die Entdeckungs- und damit die Sanktionswahrscheinlichkeit maßgeblichen Einfluß auf die Kriminalitätsrate hat.276 Je höher die Wahrscheinlichkeit ist, daß eine Tat entdeckt, verfolgt und mit einer (effekti___________ 273

Breland, Lernen und Verlernen, S. 104 ff. – Breland (a.a.O., S. 146) hat darauf hingewiesen, daß die von ihm gefundenen Ergebnisse auf alle diejenigen Delikte übertragbar sind, bei denen die Opfer anonym sind und die Tatbegehung eine langfristige und umsichtige Planung voraussetzt. Dies ist für Marktmanipulationen (ebenso wie für den Insiderhandel, vgl. Dingeldey, Insider-Handel, S. 163; Mennicke, Sanktionen, S. 577 Fn. 424) zu bejahen. 274 Fürhoff, Kapitalmarktrechtliche Ad hoc-Publizität, S. 121; Mennicke, Sanktionen, S. 573. 275 Kritisch aber Jung, Bekämpfung, S. 5. – Ob allerdings der von Ott, Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie 3 (1972), 345, 357, nach amerikanischem Vorbild heraufbeschworene „sit-in manager“, also das Vorstandsmitglied, das unter Beibehaltung seiner Bezüge Freiheitsstrafen absitzt, (hierzulande) realistisch ist, darf bezeifelt werden. 276 Siehe die Nachweise in Fn. 257.

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3. Kap.: Sanktionsmöglichkeiten

ven) Sanktion geahndet wird, desto eher sieht ein potentieller Täter von der Tat ab. Ziel muß deshalb sein, eine Sanktion samt zugehörigem Sanktionierungsverfahren zu finden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit verhängt wird. Das setzt voraus, daß die Taten überhaupt entdeckt werden. Unter diesem Aspekt bestanden nach früherem Recht erhebliche Defizite; § 88 BörsG a.F. hat kaum Anwendung gefunden.277 Manipulationen sind (wie auch Insiderhandel278) wegen der Anonymität der Beteiligten und der Komplexität der Materie nicht ohne weiteres verfolgbar. Der Gesetzgeber hat darauf (nicht zuletzt im Hinblick auf Art. 11 und 12 MMRL) reagiert und die BaFin als zuständige Aufsichtsbehörde mit deutlich erweiterten Befugnissen ausgestattet. Zusammen mit den von den Landesbehörden und den Handelsüberwachungsstellen erhobenen Daten läßt dies eine erhebliche Steigerung der Entdeckungs- und Verfolgungseffizienz erwarten. Unerfüllt ist freilich bisher die Forderung nach spezialisierten Staatsanwaltschaften und Gerichten.

(e) Hoher Unrechtsgehalt erfolgreicher Manipulationen Ein letzter, in die Ermessensentscheidung einzubeziehender Gesichtspunkt ist der hohe Unrechtsgehalt vieler Manipulationen. Insbesondere die erfolgreiche Beeinflussung von Preisen mit den schwerwiegenden negativen Auswirkungen auf einzelne und die Allgemeinheit sind in ihrer Sozialschädlichkeit nicht mit den häufig eher bagatellartigen Pflichtverstößen des klassischen Ordnungswidrigkeitenrechts zu vergleichen.279 Das dort zu verhängende Bußgeld dient der Pflichtenmahnung. Manipulationen erschöpfen sich jedoch in ihrem Unrechtsgehalt nicht in bloßen Pflichtverletzungen. Eine gewisse Parallele hierzu findet sich im Kartellrecht. Dort existiert bis heute keine strafrechtliche Sanktionsmöglichkeit, was jedoch seit Jahrzehnten zumindest für besonders schwerwiegende Kartellverstöße von strafrechtswissenschaftlicher Seite vehement eingefordert wird.280 Angesichts der außerhalb ___________ 277

Lenzen, FinanzBetrieb 2001, 603; Möller, WM 2002, 309. Vgl. bereits o. Einführung (S. 1). 278 Dazu Mennicke, Sanktionen, S. 581. 279 Zum Bagatellcharakter der meisten Ordnungswidrigkeiten BVerfGE 45, 272, 290. 280 Tiedemann, Kartellrechtsverstöße, S. 25ff; Tiedemann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB2, Vor § 38 Rn. 1 ff., beide m.w.N.; Baumann/Arzt, ZHR 134 (1970), 24 ff.; Bottke, wistra 1991, 52, 56; a.A. aber überwiegend die wettbewerbsrechtliche Literatur: Steindorff, ZHR 138 (1974), 504 ff.; Kartte/von Portatius, BB 1975, 1169 ff.; K. Schmidt, wistra 1990, 131, 137 f. Deren Kritik beruht allerdings vor allem auf (vermeintlichen) Zweckmäßigkeitserwägungen insbesondere im Hinblick auf die Durchsetzung durch die sachnähere Kartellbehörde und die Flexibilität des Ordnungswidrigkeitenrechts.

B. Das strafrechtliche Subsidiaritätsprinzip

143

des Kernbereichs nach quantitativen Kriterien vorgenommenen Abgrenzung von Ordnungswidrigkeit zu Straftat sei die Einstufung selbst der gravierendsten Kartellverstöße als bloße Ordnungswidrigkeiten verfehlt und im Gesamtsystem des Strafrechts nicht mehr zu rechtfertigen. Schließlich handele es sich dabei nicht um Bagatellunrecht, sondern aufgrund der erheblichen Auswirkungen auf die Grundlagen der marktwirtschaftlichen Ordnung um strafwürdiges Kriminalunrecht.281 Pointiert halten es Baumann/Arzt für betrüblich, daß kleinere Eigentumsdelikte als Straftaten angesehen und verfolgt würden, während Verstöße gegen das GWB nur Ordnungswidrigkeiten seien.282 Manipulationen ausschließlich als Ordnungswidrigkeiten zu ahnden, sähe sich der gleichen Kritik ausgesetzt. Auch hier geht es um die Grundfesten der marktwirtschaftlichen Ordnung. Es sollten daher jedenfalls Manipulationen mit besonders hohem Unrechtsgehalt strafrechtlich sanktioniert werden. Allerdings läßt sich daraus nicht umkehrt ein Verbot für den Gesetzgeber, erfolglose Manipulationen auch strafrechtlich zu erfassen, herleiten. Auch wenn deren Unrechtsgehalt in der Regel geringer ist, als der erfolgreicher Manipulationen, ist er aufgrund der erheblichen nachteiligen Auswirkungen immer noch so beträchtlich, als daß er die Anwendung strafrechtlicher Mittel per se verböte.283

c) Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis bleibt festzuhalten, daß Marktmanipulationen nicht pönalisierungspflichtig sind und die Wahl der Sanktion damit grundsätzlich im gesetzgeberischen Ermessen liegt. Jedoch weisen insbesondere erfolgreiche Manipulationen einen so hohen Unrechtsgehalt auf, daß eine zumindest partielle strafrechtliche Sanktionierung mit der dadurch eröffneten Möglichkeit der Androhung von Freiheitsstrafe geboten erscheint. Hierfür spricht auch deren für den Bereich der Wirtschaftskriminalität höhere generalpräventive Wirkung.

4. Vergleich mit anderen Straftatbeständen Gewisse Anhaltspunkte für oder gegen eine strafrechtliche Erfassung von Marktmanipulationen könnten sich schließlich aus einem Vergleich mit ähnlichen (kapitalmarktbezogenen) Delikten ergeben, wenngleich noch einmal darauf hinzuweisen ist, daß dem Gesetzgeber bei der Wahl der Mittel ein sehr wei___________ 281 Tiedemann, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB2, Vor § 38 Rn. 5, 8. Zur erheblichen Sozialschädlichkeit einzelner Kartellrechtsverstöße BVerfGE 45, 272, 290 f. 282 Baumann/Arzt, ZHR 134 (1970), S. 24, 25 f. 283 Vgl. hier bereits o. B II 3 b (2) (b) (S. 135).

144

3. Kap.: Sanktionsmöglichkeiten

ter Ermessensspielraum zukommt und deshalb dieser Vergleich nur indiziellen Charakter haben kann. Als Vergleichstatbestände bieten sich das Insiderhandelsverbot (§§ 12 ff. WpHG), der Kapitalanlagebetrug (§ 264a StGB) und die Vorgängervorschrift von § 20a WpHG, der Kursbetrug (§ 88 BörsG a.F.) an. Bei allen drei Tatbeständen handelt es sich um Straftatbestände. Sie drohen Freiheitsstrafe bis zu drei (Kapitalanlagebetrug und Kursbetrug) bzw. sogar fünf Jahren (Insiderhandel) an.

a) Insiderhandel (§§ 12 ff. WpHG) Das Verbot des Insiderhandels dient ebenso wie das der Marktmanipulation nach ganz überwiegender Ansicht (zumindest auch) der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes.284 Das dafür notwendige Vertrauen der Anleger wird durch die von Insidern durch ungerechtfertigte Informationsvorsprünge zu erzielenden Gewinne beeinträchtigt. Obwohl sich Insiderhandel und Manipulationen damit auf den ersten Blick ähneln, macht ein Blick auf die jeweilige Angriffsweise des geschützten Rechtsgutes die doch erheblichen Unterschiede deutlich. Während beim Insiderhandel „lediglich“ ein bereits falscher Preis profitabel ausgenutzt wird, der Vorwurf also darin besteht, nichtöffentliches Sonderwissen ausgenutzt zu haben, führt der Manipulant einen falschen Preis erst herbei.285 Bildlich gesprochen findet der Insider eine für ihn vorteilhafte Lage vor, während sich der Manipulant diese erst selbst schafft. Manipulationen scheinen also einen höheren Unrechtsgehalt aufzuweisen als Insiderhandel, da der Manipulant eine für den Kapitalmarkt nachteilige Lage erst herbeiführt, während der Insider diese lediglich ausnutzt. Dafür spricht auch, daß sich, unabhängig von der Billigung im einzelnen, alle für die positiven Auswirkungen von Insiderhandel ins Feld geführten Argumente nicht auf Manipulationen übertragen lassen.286 Selbst wenn man dieser Argumentation nicht folgen möchte, stehen Manipulationen dem Insiderhandel in der Sozialschädlichkeit jedenfalls nicht nach. Es liegt damit ein Erst-Recht-Schluß auf die Strafbedürftigkeit von Marktmanipulationen nahe.

___________ 284

Vgl. o. B I 2 c (2) (S. 98). Vgl. dazu o. 1. Kap. C (S. 15). 286 Vgl. dazu o. 2. Kap. D III (S. 79). 285

B. Das strafrechtliche Subsidiaritätsprinzip

145

b) Kapitalanlagebetrug (§ 264a StGB) Ähnlich stellt sich der Vergleich zum Kapitalanlagebetrug (§ 264a StGB) dar. Diese Strafvorschrift soll die Richtigkeit und Vollständigkeit von Angaben in Verkaufsprospekten, Darstellungen etc., die für eine Investitionsentscheidung in Wertpapiere, Bezugsrechte und Unternehmensbeteiligungen erheblich sind, sicherstellen und damit vor Schädigungen während des Plazierungsverfahrens schützen. Das Vertrauen auf die Richtigkeit und Vollständigkeit von Angaben ist aber im anschließenden Handel nicht weniger schützenswert, als zur Emission. Zumindest für den Bereich der informationsgestützten Manipulationen ist kein Grund ersichtlich, warum die zutreffende Bildung des Preises, der ein wesentliches Investitionsentscheidungskriterium ist, weniger Bedeutung hat, als beim erstmaligen Vertrieb des Vermögensgegenstandes. Überdies hätte eine Vorschrift gegen den Kapitalanlagebetrug wenig praktischen Sinn, wenn nach der Emission eine manipulative Beeinträchtigung des Vermögensgegenstandes unsanktioniert bliebe. § 264a StGB und § 20a WpHG ergänzen sich deshalb gegenseitig in ihren Anwendungsbereichen. Damit wäre es zumindest erheblich begründungsbedürftig, warum der Schutz nach der Emission qualitativ geringer ausfallen soll.

c) Kursbetrug (§ 88 BörsG a.F.) Ein – zugegebenermaßen schwaches – Argument für eine strafrechtliche Ausgestaltung des Manipulationsverbotes geben schließlich dessen Vorgängernormen. Diese waren sämtlich als Strafvorschriften ausgestaltet.287

d) Zwischenergebnis Die beiden mit dem Verbot der Marktmanipulation verwandten Tatbestände des Insiderhandelsverbotes sowie des Kapitalanlagebetruges sind strafrechtlich sanktioniert, ebenso die Vorgängervorschriften von § 20a WpHG. Wenngleich dieser Befund für sich keinesfalls Ersatz für eine Begründung der Strafbedürftigkeit oder gar deren alleinige Grundlage ist, liefert er jedoch zusammen mit anderen Kriterien Anhaltspunkte für eine systemgerechte und in sich schlüssige Gesetzgebung. Im Ergebnis spricht deshalb aus vergleichender Sicht einiges für eine strafrechtliche Ausgestaltung des Verbots der Marktmanipulation. ___________ 287

Siehe die in den Fußnoten abgedruckten Gesetzestexte, u. 4. Kap. A I (S. 153).

146

3. Kap.: Sanktionsmöglichkeiten III. Ergebnis

Es wurde gezeigt, daß Marktmanipulationen ein hochrangiges Rechtsgut, die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes, massiv beeinträchtigen. Die gegen die Annahme eines derartigen überindividuellen Rechtsgutes vorgebrachten Einwände greifen sämtlich nicht durch. Marktmanipulationen sind deshalb strafwürdig. Sie sind darüber hinaus auch strafbedürftig. Andere, namentlich zivilrechtliche oder wirtschaftsverwaltungsrechtliche Maßnahmen zur Verhinderung von Manipulationen sind nicht im Ansatz erfolgversprechend. Daß der Gesetzgeber nur die erfolgreiche Manipulation mit einer Strafdrohung versehen hat, ist zum einen angesichts seines weiten Ermessensspielraumes bei der Ausgestaltung nicht zu kritisieren. Zum anderen spricht dafür, daß die erfolglose Manipulation zumindest nicht die negativen Auswirkungen auf die Allokationseffizienz des Marktes zeitigt, die der erfolgreichen Manipulation eigen sind, so daß insofern der volkswirtschaftliche Schaden und damit der Vorwurf geringer ausfällt. Jedenfalls hat der deutsche Gesetzgeber mit der Einführung eines Straftatbestandes für die erfolgreiche Marktmanipulation das strafrechtliche Subsidiaritätsprinzip nicht verletzt.

C. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben Nachdem die bisherigen Untersuchungen ergeben haben, daß die strafrechtliche Sanktionierung des Verbotes der Marktmanipulation keinen durchgreifenden Bedenken unterliegt, sondern zumindest in schweren Fällen sogar notwendig und zweckmäßig erscheint, schließt sich nun noch die Frage an, welche Anforderungen das Gemeinschaftsrecht an den deutschen Gesetzgeber im Hinblick auf die Sanktionierung von Marktmanipulationen stellt. Dieses Erfordernis rührt daher, daß es sich auch bei § 20a WpHG um gemeinschaftsrechtlich beeinflußte Rechtsmaterie handelt. Im Abschnitt über die Entstehungsgeschichte wurde bereits auf die gemeinschaftsrechtliche Determinierung durch die MMRL hingewiesen. Richtlinien sind gem. Art. 249 III EG (= Art. 189 III EGV) verbindlich hinsichtlich des zu erreichenden Zieles, überlassen den Mitgliedstaaten aber die Wahl der Form und Mittel. Kennzeichnend für sie ist also ein mehr oder weniger großer Umsetzungsspielraum. Die MMRL macht hier keine Ausnahme, sondern bestimmt in Art. 14 I 1 MMRL lediglich, daß die Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie sicherzustellen haben, daß gegen die für Verstöße verantwortlichen Personen geeignete Verwaltungsmaßnahmen ergriffen oder im Verwaltungsverfahren zu erlassende Sanktionen verhängt werden können, die „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sind (Art. 14 I 2 MMRL). Weitergehende, ausdrückliche Anforderungen an konkrete Art und Ausgestaltung der Sanktionierung von Marktmanipulationen enthält die MMRL nicht.

C. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben

147

Im folgenden soll deshalb untersucht werden, welche Art von Sanktionen aus der eingangs aufgezeigten Trias zu erlassen (gewesen) sind, um den Anforderungen der Richtlinie in vollem Umfang gerecht zu werden.

I. Kompetenz der EG für strafrechtliche Regelungen?

Zunächst ist der Frage nachzugehen, ob die EG im Wege der Richtlinie überhaupt verbindlich die strafrechtliche Sanktionierung von Marktmanipulationen durch die Mitgliedstaaten vorschreiben dürfte, sie also die hierfür notwendige strafrechtliche Kompetenz besitzt. Die Literatur geht weitgehend übereinstimmend davon aus, daß die EG keine eigene Rechtssetzungskompetenz im Kriminalstrafrecht besitzt, weil die hierfür notwendigen nationalen Souveränitätsverzichte anläßlich des Abschlusses der Römischen Verträge nicht erklärt wurden.288 Sie kann deshalb weder eigene (Kriminal-)Straftatbestände setzen (jurisdiction to prescribe) noch können ihre Organe Kriminalstrafen verhängen (jurisdiction to enforce).289 Diese Aussage betrifft in dieser Absolutheit aber nur den unmittelbaren Erlaß von Strafvorschriften durch Gemeinschaftsorgane, beispielsweise im Wege der Verordnung, das heißt die Schaffung von unmittelbaren EG-Straftatbeständen. Hiervon streng zu unterscheiden ist aber die Frage, ob die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung von europäischen Rechtsakten, also insbesondere von Richtlinien, möglicherweise zur Statuierung von strafrechtlichen Sanktionen verpflichtet sind. Maßgebend hierfür ist eine Entscheidung des EuGH im sog. „Mais-Skandal“. Die Republik Griechenland duldete die Abschöpfungshinterziehung bei Drittlandeinfuhren von Mais. Der EuGH beanstandete dies mit dem Argument, nach dem Grundsatz der Gemeinschaftstreue (Art. 5 EGV = Art. 10 EG) sei Griechenland dazu verpflichtet, die Gemeinschaftsinteressen unter den gleichen materiell- und verfahrensrechtlichen Bedingungen zu schützen wie die vergleichbaren nationalen Interessen. Bei der Verfolgung und Ahndung von Verstößen sei deshalb mit der gleichen Sorgfalt vorzugehen wie sie auch bei ___________ 288 Dannecker, FG BGH IV, S. 339, 348; Deutscher, Kompetenzen, S. 309 f.; Satzger, Europäisierung, S. 94; Chr. Schröder, Europäische Richtlinien, S. 105, jeweils m.w.N.; Musil, NStZ 2000, 68, 69; Ambos, in: Münchener Komm. StGB, Vor §§ 3-7 Rn. 9; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, BT, S. 216; vgl. auch EuGH, Rs. 203/80 (Casati), Slg. 1981, 2595, 2618 (Rn. 27): „Für die Strafgesetzgebung [...] bleiben grundsätzlich die Mitgliedstaaten zuständig.“; EuGH, Rs. 186/87 (Cowan ./. Trésor public), Slg. 1989, 195, 221 (Rn. 19); EuGH, Rs. C-226/97 (Lemmens), Slg. 1998, I-3725, 3731 (Rn. 19); BGHSt 25, 190, 193 f.; 27, 181, 182; 41, 127, 131 f.; a.A. Böse, Strafen und Sanktionen, S. 94 f.; Pache, EuR 1993, 173, 179 f.; Zieschang, ZStW 113 (2001), 255, 259 ff. 289 Tiedemann, NJW 1993, 23, 24.

148

3. Kap.: Sanktionsmöglichkeiten

entsprechenden innerstaatlichen Vorschriften anzuwenden wäre. Zwar hätten die Mitgliedstaaten weiterhin die Wahl der Mittel, doch müßten diese „wirksam (effektiv), angemessen (verhältnismäßig) und abschreckend“ sein.290 Ausreichend können hierfür auch verwaltungsstrafrechtliche Maßnahmen (beispielsweise Bußgelder nach dem OWiG) oder sogar private Sanktionen, etwa vergleichbar den civil penalties des US-amerikanischen Insiderrechts sein. Andererseits kann diese Rechtsprechung aber auch faktisch den Zwang zur Wahl des Strafrechtes bedeuten, wenn andere Sanktionen nicht hinreichend wirksam, angemessen und abschreckend sind.291 Davon ausgehend wird schließlich eine Anweisungskompetenz der EG gegenüber den Mitgliedstaaten zum Erlaß von Strafvorschriften bejaht, gestützt entweder auf die implied powers der Spezialermächtigungen als Annexkompetenz oder auf Grundlage der allgemeinen Harmonisierungsvorschriften der Art. 94 ff. EG (= Art. 100 ff. EGV), Art. 308 EG (= Art. 235 EGV) sowie Art. 29 ff. EU (= Art. K.1 ff. EUV).292 Umstritten ist aber deren Reichweite. Als gesichert kann gelten, daß jedenfalls die Einführung und Ausgestaltung der Tatbestandsvoraussetzungen umfaßt ist, solange die eigentliche Sanktion ausgespart bleibt.293 Es ist damit unbedenklich, daß – unterstellt die sonstigen Voraussetzungen liegen vor – überhaupt eine Sanktion für Verstöße gegen die MMRL vorgesehen wurde. Andere Autoren gehen jedoch bei der Anweisungskompetenz noch einen Schritt weiter und bejahen in unterschiedlicher Nuancierung eine solche auch hinsichtlich Art und Höhe einer konkreten Kriminalstrafe.294 Nach deren Ansicht hätte die Gemeinschaft also die Möglichkeit gehabt, eine Strafdrohung vorzugeben. Gleichwohl hat sie darauf verzichtet und sich wie im wesentlichen immer bisher295 darauf beschränkt, wirksame Sanktionen von den Mitgliedstaaten zu fordern, ohne jedoch konkret deren Art und Ausmaß näher festzulegen. ___________ 290 EuGH, Rs. 68/88 (Kommission ./. Griechenland), Slg. 1989, 2965, 2984 f. (Rn. 23). Ähnlich bereits früher der BGH im EURATOM-Urteil, BGHSt 17, 121, 122. 291 Ähnlich Mennicke, Sanktionen, S. 174. 292 Satzger, Europäisierung, S. 403 f. m.w.N. – Der EuGH, Rs. C-240/90 (Bundesrepublik Deutschland ./. Kommission), NJW 1993, 47, 48 (Rn. 24) hat diese Frage ausdrücklich offengelassen. 293 Satzger, Europäisierung, S. 471 f.; Tiedemann, NJW 1993, 23, 26; Dieblich, Der strafrechtliche Schutz, S. 283; Gröblinghoff, Verpflichtung, S. 142; Oehler, FS Jescheck, S. 1399, 1408. 294 Vogel, in: Dannecker (Hrsg.), Bekämpfung, S. 170, 172 (der dies zu Unrecht als überwiegende Ansicht bezeichnet); Grasso, in: Dannecker (Hrsg.), Bekämpfung, S. 127, 130; mit Einschränkungen auch Dannecker, Jura 1998, 79, 82; vgl. auch EuGH, Rs. C176/03 (Rn. 48). 295 Vgl. Dannecker, Jura 1998, 79, 81 f. So hat der Rat beispielsweise auch bei der Insider-Richtlinie von der ursprünglich vorgesehenen ausdrücklichen Verpflichtung zur Androhung von Kriminalstrafen abgesehen.

C. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben

149

Eine so weit gehende Anweisungskompetenz ist aber aus verschiedenen Gründen abzulehnen. Zum einen nimmt sie dem nationalen Gesetzgeber jeglichen Spielraum bei der Umsetzung der Richtlinie und umgeht damit faktisch die fehlende Kriminalstrafrechtssetzungskompetenz.296 Zudem dürfte eine derart ins Detail gehende Regelung kaum jemals zur Erreichung des Ziels eines Gemeinsamen Marktes notwendig sein, so daß die Grundsätze der Subsidiarität (Art. 5 II EG = Art. 3b II EGV) und der Verhältnismäßigkeit (Art. 5 III EG = Art. 3b III EGV) nicht gewahrt wären.297 Weiterhin herrscht auf Gemeinschaftsebene nach wie vor ein Demokratiedefizit, was gegen eine Übertragung der nationalen Strafgewalt auf die EG spricht (vgl. Art. 24 GG).298 Gemeinschaftsrechtlich besteht deshalb für die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der MMRL zwar die Möglichkeit zu strafrechtlichen Sanktionen (so ausdrücklich Art. 14 I 1 Halbs. 1 MMRL). Solange andere Sanktionen aber tatsächlich hinreichend wirksam, angemessen und abschreckend sind, ergibt sich aus der Richtlinie keine gemeinschaftsrechtliche Pönalisierungs- bzw. Kriminalisierungspflicht.299

II. Lediglich zivilrechtliche Sanktionen?

Rein zivilrechtliche Sanktionen wie namentlich von den Geschädigten selbst durchzusetzende Schadens- oder Bereicherungsansprüche genügen dagegen nicht. Bei diesen handelt es sich nicht um Verwaltungsmaßnahmen bzw. im Verwaltungsverfahren zu erlassende Sanktionen.

III. Ergebnis zum Gemeinschaftsrecht

Das Gemeinschaftsrecht überläßt also den Mitgliedsstaaten die Art der Sanktion, wenn diese zum einen hoheitlich verhängt wird und zum anderen hinreichend wirksam, angemessen und abschreckend ist. Die vom deutschen Gesetzgeber gewählte Kombination aus Ordnungswidrigkeitenrecht und Strafrecht erfüllt diese Anforderungen. ___________ 296

Satzger, Europäisierung, S. 455; Eisele, JZ 2001, 1157, 1161; Gröblinghoff, Verpflichtung, S. 141; Dieblich, Der strafrechtliche Schutz, S. 283; Chr. Schröder, Europäische Richtlinien, S. 184-192. 297 Eisele, JZ 2001, 1157, 1161; Satzger, Europäisierung, S. 456-459; ferner Mennikke, Sanktionen, S. 180. 298 Oehler, FS Jescheck, S. 1399, 1406 f. 299 Vgl. Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, Vor § 38 Rn. 6. Anders zum ähnlich formulierten Art. 13 Insiderrichtlinie Grunewald, ZBB 1990, 128, 132; Ebenroth/Wilken, JZ 1991, 1061, 1069; Schödermeier/Wallach, EuZW 1990, 122, 125.

3. Kap.: Sanktionsmöglichkeiten

150

D. Unzureichende Erfaßbarkeit mittels bestehender Tatbestände Eines eigenständigen Manipulationsverbotes bedürfte es nicht, wenn Manipulationen oder zumindest ein großer Teil von ihnen durch bestehende Vorschriften hinreichend erfaßt wären. Rein faktisch spricht dagegen, daß seit über 100 Jahren ein spezielles Manipulationsverbot existiert, zu dessen Einführung die Erkenntnis führte, daß die vorhandenen Vorschriften nicht hinreichend seien.300 Für das geltende Recht soll dieser Befund nachfolgend verifiziert werden. Denkbar ist zunächst § 264a StGB (Kapitalanlagebetrug). Wenn die Manipulation mittels unrichtiger Angaben und dem Verschweigen von nachteiligen Tatsachen in Prospekten, Darstellungen oder Übersichten gegenüber einem größeren Kreis von Personen im Zusammenhang mit dem erstmaligen Vertrieb von Finanzinstrumenten erfolgt, kommt eine Strafbarkeit nach § 264a StGB in Betracht. Erfaßbar ist damit also nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Bereich der informationsgestützten Manipulationen, da über die Informationsverbreitung hinaus weitere Voraussetzungen (Verkörperung in einem Prospekt, größerer Kreis von Adressaten, im Zusammenhang mit Vertrieb etc.) vorliegen müssen. Ebenfalls nur wenige, spezielle Fälle von informationsgestützten Manipulationen lassen sich über die Tatbestände der §§ 399, 400 AktG, § 331 HGB erfassen. Zum einen bedarf es fast immer301 einer besonderen Tätereigenschaft (wie etwa Gründer, Mitglied des Vorstands oder Aufsichtsrates, Abwickler). Zum anderen müssen die Angaben in ganz bestimmtem Zusammenhang (jeweils detailliert aufgezählt) wie etwa zum Zwecke der Eintragung oder in einer Bilanz gemacht oder verschwiegen werden. Dagegen scheidet der allgemeine Betrugstatbestand (§ 263 StGB) in aller Regel aus.302 Zwar wird man in vielen Manipulationsfällen eine Täuschungshandlung im Sinne des § 263 I StGB bejahen können.303 Doch schon eine Vermögensverfügung und ein daraus resultierender Schaden sind zweifelhaft.304 Und selbst wenn man in der Abrechnung einer Transaktion zu einem nachteilig manipulierten Preis einen Schaden im Sinne der Betrugsdogmatik sieht305, fehlt es jedenfalls an der notwendigen Stoffgleichheit. Diese setzt voraus, daß Vorteil und Schaden auf derselben Vermögensverfügung beruhen und daß der Vor___________ 300

Vgl. dazu ausf. u. 4. Kap. A I (S. 153). Ausnahme: § 399 I Nr. 3 AktG, der jedoch nur einen ganz speziellen Fall betrifft, näher Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 161 in Fn. 1097. 302 So schon von Hermann, §§ 88-93 BörsG, S. 12 ff.; Meyer, Kurs- und Prospektbetrug, S. 8-10. 303 Näher Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 163 f. 304 Vgl. Hellmann/Beckemper, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 166 f. 305 So etwa Arlt, Anlegerschutz, S. 252 ff. 301

D. Unzureichende Erfaßbarkeit mittels bestehender Tatbestände

151

teil dem Täter aus dem geschädigten Vermögen zufließt.306 Das aber ist im anonymen Börsenhandel praktisch nicht denkbar, da es keine persönlichen Beziehungen zwischen den Handelsteilnehmern und damit auch keine Verbindung zwischen erstrebtem Vorteil und geschädigtem Vermögen gibt.307 Zudem gibt es manipulative Verhaltensweisen, die nicht zwangsläufig zu einem Schaden bei anderen Marktteilnehmern führen, sondern Vorteile (etwa Steuervorteile, Managementvergütungen etc.) auf andere Weise erstreben.308 Regelmäßig ebenfalls nicht anwendbar ist der Untreuetatbestand (§ 266 StGB). Dieser setzt nach herrschender Meinung in beiden Tatbestandsvarianten eine Vermögensbetreuungspflicht des Täters über das Vermögen des Opfers voraus.309 Daran fehlt es aber meist schon mangels persönlichen Kontaktes bei Geschäften über einen Kapitalmarkt. Denkbar ist eine Vermögensbetreuungspflicht nur dann, wenn der Manipulant zugleich Vermögensinteressen des Opfers wahrnimmt, namentlich, wenn er dessen Depot betreut.310 Nimmt er dann Manipulationshandlungen vor, die sich nachteilig auf dieses Depot auswirken, so kann dies einen Untreuevorwurf begründen.311 Schließlich ist es auch eher die Ausnahme, daß eine Manipulationshandlung zugleich ein Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot (§§ 38 I, 39 II Nr. 3, 4 i.V.m. § 14 WpHG) ist. Auszuscheiden ist hierbei zunächst der Fall, daß der Manipulant nach erfolgreicher Einwirkung auf den Preis Transaktionen im manipulierten Finanzinstrument vornimmt. Zwar ist dies verbotener Insiderhandel, da das Wissen um die erfolgte Manipulation eine Insiderinformation ist.312 Doch ist diese Transaktion eine von der Manipulation zu trennende Handlung.313 Ansonsten kommt ein Insiderverstoß nur bei informationsgestützten Manipulationen in Betracht. Dazu muß die unrichtige Angabe im Sinne von § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG zugleich eine Insiderinformation nach § 13 WpHG sein. Aufgrund der deutlichen faktischen Unterschiede zwischen Manipulationen und Insiderhandel314 ist dies aber eher selten, wenngleich möglich.

___________ 306

Vgl. nur BGHSt 34, 379, 391; Tröndle/Fischer, StGB, § 263 Rn. 108 m.w.N. So auch Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 164; Arlt, Anlegerschutz, S. 255 f.; ferner Watter, SZW 1990, 193, 201. 308 Vgl. dazu o. 1. Kap G (S. 43). 309 Nachw. bei Tröndle/Fischer, StGB, § 266 Rn. 6. 310 Zur Treuepflicht in diesem Fall Otto, FS Pfeiffer, S. 80 f. 311 Ebenso Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 165 f. 312 Vgl. Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 162 f. 313 Strafrechtlich liegt insoweit Realkonkurrenz (§ 53 StGB) zwischen Manipulation und Insiderhandel vor. 314 Vgl. dazu o. 1. Kap. C (S. 15). 307

152

3. Kap.: Sanktionsmöglichkeiten

Keine Insiderinformation ist jedoch der eigene Entschluß, eine Manipulation vorzunehmen.315 Darüber hinaus können im Einzelfall weitere Tatbestände einschlägig sein. So können beispielsweise informationsgestützte Manipulationen die §§ 185187 StGB verwirklichen.316 Ferner ist eine Manipulation durch Verschweigen bewertungserheblicher Umstände (§ 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG) zugleich stets eine Verletzung der entsprechenden Offenbarungspflicht, die ihrerseits sanktioniert sein kann, wie etwa bei den Ad hoc-Mitteilungen (vgl. § 39 II Nr. 2 lit. c i.V.m. § 15 WpHG). Gleiches gilt für falsche Angaben beispielsweise in Rechenschafts- oder Halbjahresberichten (vgl. § 68 II Nr. 4 i.V.m. § 24a KAGG). Es handelt sich hierbei meist um Ordnungswidrigkeiten, die dafür aber auch häufig bereits eine leichtfertige Begehung genügen lassen.317 Insgesamt kommt somit zwar eine Reihe von Tatbeständen in Betracht. Doch erfassen diese nur jeweils punktuell ganz spezielle Manipulationsformen. Dagegen ermöglichen sie keine umfassende Sanktionierung von Manipulationen. Es bedarf deshalb einen speziellen Verbotstatbestandes, wie er bisher in § 88 BörsG a.F. existierte und nunmehr in § 20a WpHG besteht.

E. Endergebnis Von den drei grundsätzlichen zur Verfügung stehenden Sanktionsmöglichkeiten hat sich der Gesetzgeber zu Recht gegen eine rein zivilrechtliche Lösung entschieden und statt dessen zum Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht gegriffen. Manipulationen sind stets strafwürdig, und zumindest die erfolgreichen Manipulationen sind auch strafbedürftig. Es ist nichts dagegen einzuwenden, daß die einen geringeren Erfolgsunwert aufweisenden erfolglosen Manipulationen lediglich als Ordnungswidrigkeit ausgestaltet sind.

___________ 315

Vgl. BGHSt 48, 373, 377 f. – Scalping; anders die früher herrschende Ansicht zum sog. Scalping, die freilich nur einen Insiderverstoß annahm und den eigentlich gegebenen Kursbetrug überhaupt nicht thematisierte, näher dazu u. 7. Kap. C V 1 (S. 316). 316 Näher Arlt, Anlegerschutz, S. 275 ff. 317 Weitere bei Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 166.

Zweiter Teil

Das Manipulationsverbot Viertes Kapitel

Entstehungsgeschichte, Rechtsrahmen und Regelungstechnik des Manipulationsverbotes A. Entstehungsgeschichte I. Bisherige Rechtslage; historische Entwicklung bis zum 4. FMFG

§ 20a WpHG ist nicht das erste Verbot, das sich gegen die Beeinflussung von Börsen- oder Marktpreisen richtet. Nachdem bereits Ende des 19. Jahrhunderts Mißstände und Skandale im Bereich des Börsenwesens zu Tage traten und die bestehenden Rechtsvorschriften (insbesondere des Strafrechts) zu deren Bewältigung als nicht ausreichend angesehen wurden1, erfolgte 1884 die erste Kodifizierung eines Manipulationsverbotes, indem Art. 249d ADHGB die betrügerische Beeinflussung von Aktienkursen unter Strafe stellte.2 Nachdem sich die Beschränkung auf Aktien als ungenügend erwiesen hatte3, wurde der Anwendungsbereich dieses Verbotes auf Waren und Wertpapiere erweitert und die Vorschrift als § 75, später § 88, in das Börsengesetz überführt.4 Ferner war ne___________ 1 Dazu Otto, in: Hopt/Wiedemann (Hrsg.), Aktiengesetz, Vor § 399 Rn. 2; von Hermann, §§ 88-93 BörsG, S. 12 ff. Zu den Börsenverhältnissen vor Inkrafttreten des BörsG 1896 Meier, Entstehung, S. 7-18; ferner F.G. Nagelmann, Börsenschwindelei. Zur Entwicklung des Börsenrechts allgemein Merkt, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, 1. Kapitel. 2 § 249d ADHGB (RGBl. I 1884, S. 123, 167 f.): „I. Mit Gefängniß bis zu einem Jahre und zugleich mit Geldstrafe bis zu zehntausend Mark wird bestraft: […] 2. wer in betrügerischer Absicht auf Täuschung berechnete Mittel anwendet, um auf den Kurs von Aktien einzuwirken; […] II. Zugleich kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. III. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt ausschließlich die Geldstrafe ein.“. 3 Vgl. Feisenberger, in: Stengleins Kommentar, § 88 BörsG Anm. 1 a; von Hermann, §§ 88-93 BörsG, S. 8. 4 § 75 BörsG (RGBl. I 1896, S. 157, 174 f.), ab der Neubekanntmachung von 1908 § 88 BörsG (RGBl. I 1908, S. 215, 235): „I. Wer in betrügerischer Absicht auf Täuschung berechnete Mittel anwendet, um auf den Börsen- oder Marktpreis von Waaren oder Werthpapieren einzuwirken, wird mit Gefängniß und zugleich mit Geldstrafe bis zu

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4. Kap.: Entstehungsgeschichte, Rechtsrahmen, Regelungstechnik

ben dem Börsen- nunmehr auch der Marktpreis umfaßt. In subjektiver Hinsicht setzten alle Verbote eine betrügerische Absicht voraus. Darunter verstand man die Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen.5 Diese Bereicherungsabsicht blieb (in sprachlich veränderter Form) auch bei der Modernisierung des § 88 BörsG durch das EGStGB 1974 bestehen.6 Erst mit dem Zweiten Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität (2. WiKG)7 von 1986 wurde die Bereicherungsabsicht aufgegeben.8 Ferner wurde der bisher ebenfalls in § 88 BörsG enthaltene Prospektbetrug als § 264a in das StGB integriert. Die letzte Änderung von § 88 BörsG erfolgte durch das 2. FMFG, indem Derivate in die Strafvorschrift einbezogen wurden.9

II. Änderungen durch das 4. FMFG

Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz – 4. FMFG)10 zum 1. Juli 2002 wurde das Manipulationsverbot aus dem BörsG herausgenommen und mit einigen Änderungen als § 20a (Verbot der Kurs- und Marktpreismanipulation) in das WpHG implementiert.11 Diese Veränderung des Standortes ___________ fünfzehntausend Mark bestraft. Auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. II. Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann ausschließlich auf die Geldstrafe erkannt werden.“. 5 Feisenberger, in: Stengleins Kommentar, § 88 BörsG Anm. 6 c; Kahn, Börsengesetz, § 88 Anm. 3. 6 § 88 BörsG (i.d.F. des Art. 126 Nr. 3 EGStGB, BGBl. I 1974, S. 469, 569 f.): „(1) Wer in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern, 1. auf Täuschung berechnete Mittel anwendet, um auf den Börsen- oder Marktpreis von Waren oder Wertpapieren einzuwirken […] wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“. 7 BGBl. I 1986, S. 721 ff. 8 § 88 BörsG (i.d.F. des Art. 3 des 2. WiKG, BGBl. I 1986, S. 721, 725): „Wer zur Einwirkung auf den Börsen- oder Marktpreis von Wertpapieren, Bezugsrechten oder Waren oder von Anteilen, die eine Beteiligung an dem Ergebnis eines Unternehmens gewähren sollen, 1. unrichtige Angaben über Umstände macht, die für die Bewertung der Wertpapiere, Bezugsrechte, Waren oder Anteile erheblich sind, oder solche Umstände entgegen bestehenden Rechtsvorschriften verschweigt oder 2. sonstige auf Täuschung berechnete Mittel anwendet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“. 9 Art. 2 Nr. 34 des Gesetzes über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften (Zweites Finanzmarktförderungsgesetz), BGBl. I 1994, S. 1749-1785. – Allg. zu den FMFG 1-3 vgl. Kienle, in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, § 108. 10 BGBl. I 2002, S. 2010-2072. 11 Eine Gegenüberstellung von § 88 BörsG a.F. und §§ 20a, 38, 39 WpHG [4. FMFG] findet sich bei Trüstedt, Verbot, S. 29-47. – Allg. zum 4. FMFG Fleischer, NJW 2002, 2977 ff.; Großmann/Nikoleyczik, DB 2002, 2031 ff.; Hutter/Leppert, NZG 2002,

A. Entstehungsgeschichte

155

stieß im Gesetzgebungsverfahren auf einige Kritik durch den Bundesrat. Dieser schlug vor, das Manipulationsverbot aus systematischen Gründen im Börsengesetz zu belassen und die Zuständigkeit für dessen Überwachung den Börsenaufsichtsbehörden der Länder zu übertragen.12 Dem ist die Bundesregierung zu Recht entgegengetreten.13 Zum einen erfasse das Manipulationsverbot nicht nur börsliche Vorgänge; auf diese sind aber die Börsenaufsichtsbehörden beschränkt. Zudem würden Manipulationen sowohl länder- als auch staatenübergreifend vorgenommen, weshalb eine zentrale Behörde zur Verfolgung notwendig sei.14 Zum Zeitpunkt des Erlasses des 4. FMFG wurde auf Gemeinschaftsebene bereits an einer Richtlinie gegen Marktmißbrauch, die auch die Marktmanipulation umfaßt, gearbeitet. Leider hat der deutsche Gesetzgeber den Abschluß dieser Arbeiten nicht abgewartet, sondern die bis dahin erkennbaren Regelungen im Entwurf der Richtlinie in § 20a WpHG verarbeitet. Obwohl es grundsätzlich zu begrüßen ist, daß eine schnelle Umsetzung von Richtlinien erfolgt, machte dieser übereilte deutsche Vorstoß eine erneute Änderung des Manipulationsverbotes nach nur gut zwei Jahren erforderlich. Diese Änderungen erfolgten durch das am 30. Oktober 2004 inkraftgetretene Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG).15

III. Änderungen durch das AnSVG

Hervorzuheben ist hierbei vor allem der nunmehrige Verzicht auf das Erfordernis einer Manipulationsabsicht im Tatbestand der sonstigen Täuschungshandlung (§ 20a I 1 Nr. 3 WpHG, bisher § 20a I 1 Nr. 2 WpHG [4. FMFG]). Wie schon bisher für die anderen Tatbestände genügt damit die objektive Preiseinwirkungseignung der Täuschungshandlung. Hinzugekommen ist ein Tatbestand zur (ausdrücklichen) Erfassung von handelsgestützten Manipulationen (§ 20a I 1 Nr. 2 WpHG). Insoweit es sich dabei um legitime Marktpraktiken handelt, sind diese nach ihrer Anerkennung durch die BaFin vom Verbot ausgenommen (§ 20a II WpHG). ___________ 649 ff.; Möller, WM 2001, 2405 ff.; Reuschle (Hrsg.), Viertes FMFG (mit Gesetzesmaterialien); Rudolph, BB 2002, 1036 ff.; zum Entwurf Dreyling, Die Bank 2002, 16 ff. 12 Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 14/8017, S. 160. 13 Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 14/1817, S. 179 f. 14 Letzteres wird nunmehr ausdrücklich von Art. 11 MMRL geboten, der die Einrichtung einer zentralen Behörde zur Bekämpfung des Marktmißbrauches vorschreibt. 15 BGBl. I 2004, S. 2630-2651; dazu Bisson/Kunz, BKR 2005, 186 ff.; Bürgers, BKR 2004, 424 ff.; Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929, 937; Holzborn/Israel, WM 2004, 1948, 1953 f.; Kuthe, ZIP 2004, 883, 887; Spindler, NJW 2004, 3449, 3452 f.

156

4. Kap.: Entstehungsgeschichte, Rechtsrahmen, Regelungstechnik

Ebenfalls vom Verbot ausgenommen sind Aktienrückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen, die den Vorgaben der EG-Durchführungsmaßnahmen entsprechen, § 20a III WpHG. Die Verordnungsbefugnis (§ 20a V WpHG) wurde im Hinblick auf die neue Tatmodalität des § 20a I 1 Nr. 2 WpHG sowie um die Befugnis zur Bestimmung zulässiger Marktpraktiken und des Verfahrens ihrer Anerkennung erweitert. Zum Schutz der grundgesetzlich garantierten Pressefreiheit schreibt § 20a VI WpHG erstmals ausdrücklich die Berücksichtigung der berufsständischen Regeln für Journalisten vor, wenn die Voraussetzungen des § 20a I 1 Nr. 1 WpHG in Rede stehen. Auf der Sanktionsseite ergaben sich nur für den Bereich der Ordnungswidrigkeiten Änderungen. So ist nunmehr partiell auch die leichtfertige Tatbegehung bußgeldbewehrt (§ 39 II Nr. 11 WpHG). Des weiteren wurde das Manipulationsverbot an den Sprachgebrauch der MMRL und des WpHG angepaßt. Es gilt jetzt für Finanzinstrumente (§ 2 IIb WpHG n.F.) anstelle der bisher in § 20a I 2 WpHG [4. FMFG] definierten Vermögenswerte. Ferner erwähnt § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG neben unrichtigen nunmehr auch die irreführenden Angaben.

IV. Gemeinschaftsrechtlicher Hintergrund

1. Financial Services Action Plan (FSAP) Im Jahre 1999 hat die Europäische Union den Financial Services Action Plan (FSAP) verabschiedet.16 Dessen Ziel war es, möglichst rasch (spätestens bis 2005) einen integrierten europäischen Finanzmarkt zu schaffen. Zwar gab es schon bis dahin eine Reihe von Initiativen zur Rechtsangleichung auf diesem Sektor, die zu zahlreichen gemeinschaftsrechtlich determinierten Vorschriften geführt haben, doch konnte von einem einheitlichen EU-Binnenkapitalmarkt (noch) nicht die Rede sein.17 Ein wesentlicher Teil des FSAP sind Maßnahmen zur Integration der Wertpapiermärkte.

___________ 16 17

KOM (1999), S. 232 endg. v. 11. Mai 1999. Vgl. Seitz, BKR 2002, 340; eingehend Mülbert, WM 2001, 2085 ff.

A. Entstehungsgeschichte

157

2. Ausschuß der Weisen; Lamfalussy-Bericht Im Rahmen der Arbeiten am FSAP wurde angesichts der Fülle der zu regelnden Fragen und des dafür notwendigen Sachverstandes deutlich, daß die Rechtssetzung im herkömmlichen Verfahren durch Rat und Parlament18 bei der Integration der Wertpapiermärkte an ihre Grenzen stoßen würde. Um dem abzuhelfen, hat am 15. Februar 2001 der Ausschuß der Weisen unter Vorsitz von Baron Alexandre Lamfalussy in seinem Schlußbericht („Lamfalussy-Bericht“) Vorschläge zur Reform des Gesetzgebungsverfahrens im Wertpapierbereich vorgelegt.19 Deren wesentlicher Inhalt besteht darin, daß sich Rat und Parlament auf eine Art Rahmengesetzgebung beschränken und die Regelung technischer Details der Kommission überlassen, die dabei von hierzu gebildeten (Fach-)Ausschüssen20 unterstützt wird. Hierdurch sollen Rat und Parlament entlastet, die Dauer des Gesetzgebungsverfahrens verkürzt, technischer Sachverstand stärker berücksichtigt und die Möglichkeit zur flexibleren Reaktion auf Entwicklungen geschaffen werden.21 In der Sache handelt es sich um die Übertragung des bisher vor allem aus dem landwirtschaftlichen Bereich sowie aus dem Gentechnik- und Arzneimittelrecht bekannten Komitologie-Verfahrens auf die Kapitalmarktgesetzgebung.22 Rat und Parlament haben sich nach anfänglichem Zögern auf einen Kompromiß im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung des Verfahren geeinigt und im März 2001 bzw. Februar 2002 ihr politisches Einverständnis dazu erteilt.23 Der Lamfalussy-Bericht sieht ein vierstufiges Verfahren vor.24 Stufe 1 bildet eine nach dem üblichen Verfahren der EG (Mitentscheidungsverfahren) zu erlassende Rahmenrichtlinie, die die wesentlichen Grundsätze sowie die Befug___________ 18 Anwendbar ist das Verfahren der Mitentscheidung gem. Art. 251 EG, da die Rechtsgrundlage Art. 95 EG ist. 19 Schlußbericht des Ausschusses der Weisen über die Regulierung der europäischen Wertpapiermärkte, 2001; dazu v. Kopp-Colomb/Lenz, AG 2002, 24, 25 f. 20 Dies ist zum einen der Ausschuß der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (Committee of European Securities Regulators – CESR) und zum anderen der aus hochrangigen Vertretern der Mitgliedsstaaten zusammengesetzte Europäische Wertpapierausschuß (European Securities Committee – ESC). – Beide Ausschüsse wurden von der Kommission mit Beschlüssen vom 6. Juni 2001 (2001/527/EG und 2001/528/EG, ABl. EG 2001 L 191, S. 43-46) eingesetzt. 21 Vgl. Lamfalussy-Bericht, S. 31 f. 22 Die Rechtsgrundlagen für das Komitologie-Verfahren sind Art. 202, 3. Spiegelstr. EG i.V.m. dem Beschluß des Rates 1999/468/EG v. 28. Juni 1999 (ABl. EG 1999 L 184, S. 23-26, sog. Komitologie-Beschluß). Näher Hummer/Obwexer, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 202 EGV Rn. 25 ff. 23 Streinz/Ohler, WM 2004, 1309. 24 Überblick mit Beispielen bei Karpf, ÖBA 2005, 573 ff.

158

4. Kap.: Entstehungsgeschichte, Rechtsrahmen, Regelungstechnik

nisse der Kommission zu ihrer Durchführung enthält. Auf Stufe 2 erläßt die Kommission die Durchführungsmaßnahmen. Hierzu holt sie zunächst nach Anhörung des Europäischen Wertpapierausschusses (ESC) den Rat des Ausschusses der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (CESR) ein. Der CESR erarbeitet seine Ratschläge in Konsultation mit Marktteilnehmern, Endnutzern und Verbrauchern. Die Kommission prüft die Ratschläge und unterbreitet dem ESC einen Vorschlag, über den dieser innerhalb von drei Monaten abzustimmen hat. Über das gesamte Verfahren wird das Europäische Parlament fortlaufend unterrichtet und kann für den Fall, daß die Maßnahmen die Durchführungsbefugnisse überschreiten, eine Entschließung verabschieden. Auf Stufe 3 erarbeitet der CESR gemeinsame Empfehlungen zu Auslegungsfragen, Leitlinien und gemeinsame Standards in nicht vergemeinschafteten Bereichen sowie ein Peer-Review-Verfahren und vergleicht die Praxis der Regulierungsbehörden, um eine einheitliche Umsetzung und Anwendung zu gewährleisten. Auf Stufe 4 schließlich überprüft die Kommission die Einhaltung der EG-Rechtsvorschriften durch die Mitgliedstaaten und leitet gegebenenfalls rechtliche Schritte gegen Mitgliedstaaten ein, die eines Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht verdächtigt werden.

3. Die Marktmißbrauchsrichtlinie (MMRL) Die erste Stufe der Gesetzgebung im Lamfalussy-Verfahren bildete der Erlaß der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulationen (Marktmißbrauch).25 Diese sieht vor, daß die Mitgliedstaaten Insiderhandel26 und Marktmanipulationen als Erscheinungsformen des Marktmißbrauches entsprechend näherer Vorgaben verbieten. Die Richtlinie war bis zum 12. Oktober 2004 umzusetzen (Art. 18 I MMRL).27 Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, jedermann (Ausnahmen: Art. 7 MMRL) Marktmanipulationen zu verbieten (Art. 5 MMRL). Art. 1 Nr. 2 MMRL definiert den Begriff der Marktmanipulation und enthält drei Beispielstatbestände (cornering/abusive squeeze, marking the close und Scalping). Weitere Details können im Wege der Durchführungsmaßnahmen durch die Kommission geregelt werden (Art. 1 a.E. MMRL). Ebenfalls der Kommission ob___________ 25 ABl. EG 2003 L 96, S. 16-25; zum Verfahrensgang Grimme/v. Butlar, WM 2003, 901, 904 f. 26 Die bisherige Insider-Richtlinie 89/592/EWG, ABl. EG 1989 L 334, S. 30-32 wurde aufgehoben. 27 Allg. zur MMRL Brandl/Hohensinner, ÖBA 2003, 680 ff.; Goldmann, ÖBA 2001, 783 ff.; Leppert/Stürwald, ZBB 2002, 90 ff.; zum Entwurf Weber, EuZW 2002, 43 ff.; Dier/Fürhoff, AG 2002, 604 ff.

A. Entstehungsgeschichte

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liegt die Ausgestaltung der Freistellung des Handels mit eigenen Aktien im Rahmen von Rückkaufprogrammen sowie von Kursstabilisierungsmaßnahmen von dem Manipulationsverbot (Art. 8).

4. Durchführungsmaßnahmen Durch die MMRL wird die Kommission ermächtigt, Durchführungsmaßnahmen zu näher spezifizierten Punkten (vgl. Art. 1 a.E., Art. 6 X, Art. 8, Art. 16 V MMRL) im Komitologie-Verfahren (Art. 17 II MMRL) zu erlassen. Sie wird dabei vom Europäischen Wertpapierausschuß (ESC) unterstützt, Art. 17 I MMRL.

a) Bereits erlassene Rechtsakte Von dieser Ermächtigung hat die Kommission bisher viermal Gebrauch gemacht und die Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 über Ausnahmeregelungen für Rückkaufprogramme und Kursstabilisierungsmaßnahmen28, die Richtlinie 2003/124/EG betreffend die Begriffsbestimmung und die Veröffentlichung von Insider-Informationen und die Begriffsbestimmung der Marktmanipulation29, die Richtlinie 2003/125/EG über die sachgerechte Darbietung von Anlageempfehlungen und die Offenlegung von Interessenkonflikten30 sowie die Richtlinie 2004/72/EG betreffend zulässige Marktpraktiken, Definition von Insider-Informationen in Bezug auf Warenderivate, Erstellung von Insider-Verzeichnissen, Meldung von Eigengeschäften und Meldung verdächtiger Transaktionen31 erlassen. Die Verordnung gilt seit 23. Dezember 2003 unmittelbar; die drei Richtlinien waren wie die MMRL bis zum 12. Oktober 2004 in nationales Recht umzusetzen.

b) Rechtswirkungen der Durchführungsmaßnahmen Grundsätzlich entfalten die Durchführungsmaßnahmen die gleichen Wirkungen wie sonstige Rechtsakte auch. Das heißt Verordnungen sind direkt anwendbares Recht, wohingegen Richtlinien der mitgliedstaatlichen Umsetzung bedürfen. Eine Einschränkung besteht allerdings dahingehend, daß die Durchführungsmaßnahmen nur akzessorisch zum Basisrechtsakt anwendbar sind, also ___________ 28

ABl. EG 2003 L 336, S. 33-38; dazu Leppert/Stürwald, ZBB 2004, 302 ff. ABl. EG 2003 L 339, S. 70-72. 30 ABl. EG 2003 L 339, S. 73-77. 31 ABl. EG 2004 L 162, S. 70-75. 29

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4. Kap.: Entstehungsgeschichte, Rechtsrahmen, Regelungstechnik

ein der MMRL entsprechendes nationales, in Kraft befindliches Verbot voraussetzen.32 Dies ist mit § 20a WpHG gegeben, selbst wenn noch Anpassungsbedarf an gemeinschaftsrechtliche Vorgaben bestehen sollte.33 Die Verordnung (EG) 2273/2003 ist somit unmittelbar geltendes Recht. Zum Verhältnis von Basisrechtsakt (hier: MMRL) einerseits zu den zu seiner Durchführung erlassenen Rechtsakten (hier: Verordnungen und Richtlinien der Kommission) andererseits hat sich der EuGH dahingehend geäußert, daß letztere nicht gegen die Ermächtigungsgrundlage, das heißt den Basisrechtsakt verstoßen dürfen.34 Die Literatur nimmt deshalb an, das der Basisrechtsakt den Durchführungsrechtsakten übergeordnet ist.35 Eine derartige Kollision ist jedoch bei den bisher erlassenen Durchführungsmaßnahmen nicht erkennbar.36

B. Nationaler Rechtsrahmen Das Manipulationsverbot wird flankiert von eine Reihe von nationalen Regelwerken und Äußerungen unterschiedlichsten Charakters. Als wichtigstes Regelwerk ist hier die auf Grundlage der Ermächtigung in § 20a V WpHG erlassene Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Marktmanipulation (MaKonV) zu nennen. Ihr ist ein eigenes Kapitel gewidmet.37 Daneben gibt es seit einiger Zeit den von der BaFin herausgegebenen Emittentenleitfaden.38 Dieser enthält neben Hinweisen und Erläuterungen zum Insiderrecht, dem Recht der Ad hoc-Publizität, den directors’ dealings und den Insiderverzeichnissen auch einiges zum Verbot der Marktmanipulation. Die Frage nach der Rechtsnatur und damit den Rechtswirkungen des Emittentenleitfadens läßt sich zumindest dahingehend ohne weiteres beantworten, daß es sich bei diesem nicht um eine Rechtsverordnung handelt. Hierfür fehlt

___________ 32

Näher Streinz/Ohler, WM 2004, 1309, 1313. Streinz/Ohler, WM 2004, 1309, 1313. 34 EuGH, Rs. 121/83, Slg. 1984, 2039, 2057 f. Rn. 13 (Zuckerfabrik Franken); EuGH, verb. Rs. C-9/95, C-23/95, C-156/95, Slg. 1997, I-645, 681 Rn. 37 (Belgien u. Deutschland ./. Kommission). 35 Hofmann, Normenhierarchien, S. 238; Wiechart, in: Callies/Ruffert (Hrsg.), EUV/ EGV, Art. 202 EGV Rn. 9. 36 Streinz/Ohler, WM 2004, 1309, 1313. 37 Vgl. dazu ausf. u. 10. Kap. (S. 385). 38 Veröffentlicht am 15. Juli 2005. Dessen Entwurf wurde im Dezember 2004 zur Diskussion gestellt; am 31. Januar 2005 fand eine Anhörung bei der BaFin statt. Zum Leitfaden eingehend Claussen/Florian, AG 2005, 745 ff.; ferner Merkner/Sustmann, NZG 2005, 729 ff. 33

C. Regelungstechnik

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es bereits an einer entsprechenden gesetzlichen Ermächtigung.39 Ihm deshalb aber keinerlei rechtliche Wirkung zuzusprechen, würde jedoch weder dem damit verfolgten Ziel noch den Bedürfnissen der Adressaten gerecht. Der Leitfaden hat sich selbst zum Ziel gesetzt, „einen Einstieg in die Rechtsmaterie zu bieten und die entsprechende Verwaltungspraxis zu erläutern“. Der Verweis auf die Verwaltungspraxis gibt eine Hinweis auf die zutreffende Qualifikation als norminterpretierende Verwaltungsvorschrift.40 Solche Vorschriften bestimmen die Auslegung und Anwendung von Rechtsnormen innerhalb der Verwaltung, insbesondere wenn unbestimmte Rechtsbegriffe vorliegen, und gewährleisten damit vor allem eine einheitliche Anwendung der Gesetze. Außenwirkung kommt den norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften jedoch grundsätzlich nicht zu.41 Von diesem Grundsatz bestehen hier zwei Ausnahmen. Zum einen kann die längere Anwendung einer Verwaltungsvorschrift (vorausgesetzt, diese ist mit dem Gesetz vereinbar42) eine gleichmäßige Verwaltungspraxis begründen und damit zu einer Selbstbindung der Verwaltung nach Art. 3 I GG führen. Diese dürfte dann in gleichgelagerten Fälle nicht ohne sachlichen Grund anders entscheiden.43 Zum anderen, und dies dürfte in der Praxis die wichtigere Ausnahme sein, beeinflußt der Emittentenleitfaden die Beurteilung der Vermeidbarkeit eines Irrtums (§ 17 S. 2 StGB bzw. § 11 II OWiG) bei der Auslegung und Anwendung des Manipulationsverbotes. Das gilt selbst dann, wenn Regelungen des Leitfadens rechtswidrig wären, denn auf die Auskunft einer zuständigen Fachbehörde kann man sich grundsätzlich ohne weiteres verlassen.44

C. Regelungstechnik In gesetzgebungstechnischer Hinsicht fällt zunächst die Trennung zwischen Verbots- und Sanktionsnormen auf. Anders als bei § 88 BörsG a.F. und dessen Vorgängervorschriften enthält das Wertpapierhandelsgesetz seit dem 4. FMFG zunächst den Verbotstatbestand (§ 20a I 1 WpHG). Verstöße gegen das hier abschließend umschriebene Manipulationsverbot sind mit einer Strafvorschrift ___________ 39

Auch § 4 I 3 WpHG läßt sich dafür nicht heranziehen, vgl. Beck, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 4 WpHG Rn. 14. 40 Dafür auch Claussen/Florian, AG 2005, 745, 747; Merkner/Sustmann, NZG 2005, 729, 730. 41 BVerfGE 78, 214, 227; 80, 257, 265 f. 42 Keine Gleichheit im Unrecht, vgl. BVerwGE 34, 278 ff.; 45, 197, 200 f. 43 BVerwGE 44, 72, 74 f.; 61, 15, 18; für den Emittentenleitfaden Claussen/Florian, AG 2005, 745, 747; Merkner/Sustmann, NZG 2005, 729, 730. 44 Vgl. dazu u. 8. Kap. A III 1 d) (S. 360).

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4. Kap.: Entstehungsgeschichte, Rechtsrahmen, Regelungstechnik

(§ 38 II WpHG) und einem Ordnungswidrigkeitentatbestand (§ 39 I Nr. 1, 2, II Nr. 11 WpHG) sanktioniert. Um das zur Vermeidung von Verbotslücken notwendigerweise sehr weitgefaßte Manipulationsverbot handhabbarer zu machen, hat der Gesetzgeber die Ermächtigung zum Erlaß einer Rechtsverordnung erteilt (§ 20a V WpHG). Diese kann zum einen Tatbestandsmerkmale des Verbotes konkretisieren und zum anderen Verhaltensweisen bestimmen, die keinen Verbotsverstoß darstellen.45 Aufgrund dieser aufgezeigten Trennung des Tatbestandes sowie der Ermächtigung zum Erlaß einer das Verbot konkretisierenden Verordnung fällt schnell und häufig der Begriff des Blankettstrafgesetzes.46 Teilweise wird gar von einem mehrstufigen Blankett gesprochen.47 Zum einen seien § 38 II WpHG resp. § 39 I Nr. 1, 2, II Nr. 11 WpHG Blankette, weil sie den Unrechtstatbestand nicht (§ 39 I Nr. 1, 2, II Nr. 11 WpHG) oder nicht vollständig (§ 38 II WpHG) enthielten, sondern statt dessen auf die Verbotsvorschrift des § 20a I 1 WpHG verwiesen. Erst die Zusammenschau beider führe zu einem vollständigen Strafresp. Ordnungswidrigkeitentatbestand. Darüber hinaus sei zum zweiten § 20a WpHG (und damit mittelbar auch §§ 38, 39 WpHG) selbst ein Blankett, weil dessen Absatz 5 auf eine den Tatbestand konkretisierende Rechtsverordnung verweise. Gleiches müßte man nunmehr auch für den Verweis auf die EGDurchführungsbestimmungen in Absatz 3 annehmen. Jedoch ist – wie der nachfolgende skizzenhafte Überblick zeigen wird – die Qualifizierung eines Tatbestandes als Blankett ebenso unklar, wie die daraus im einzelnen folgenden Konsequenzen. Dies legt es nahe, auf den Blankettbegriff (zumindest hier) überhaupt zu verzichten.

I. Relevanz der Blanketteigenschaft

Im Zusammenhang mit den gemeinhin unter den Begriff der Blankettnorm gefaßten Vorschriften werden in der Literatur vor allem drei zu berücksichtigende Fragen aufgeworfen:48 Zunächst ist klärungsbedürftig, ob sich das für Straftatbestände geltende Bestimmtheitsgebot auch auf die das Blankett ausfül___________ 45

Näher dazu u. 5. Kap B (S. 181). Moosmayer, wistra 2002, 161, 167; Schmitz, ZStW 115 (2003), 501, 528; Schwark, FS Kümpel, S. 485, 488; Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 2; Trüstedt, Verbot, S. 39 f.; Vogel, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 20a Rn. 3; Zimmer, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 38 WpHG Rn. 4. 47 Arlt, Anlegerschutz, S. 102; Sorgenfrei, in: Park (Hrsg.), Kapitalmarkt-Strafrecht, 4. Abschnitt, Rn. 10. 48 Vgl. Wulf, wistra 2001, 41, 43. 46

C. Regelungstechnik

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lende Norm beziehen muß. Im weiteren Sinne geht es hier also um die unter dem Stichwort der Garantiefunktion des Strafgesetzes diskutierten Probleme. Eng damit verbunden ist die Anwendbarkeit der intertemporalen Vorschriften des StGB (§§ 2 III und IV) auf die ausfüllende Norm.49 Drittens schließlich ist die Frage zu beantworten, ob sich der strafrechtliche Vorsatz auch auf die das Blankett ausfüllende Norm erstrecken muß und wie etwaige Irrtümer zu behandeln sind.

II. Der Begriff des Blanketts

Klärungsbedürftig ist zunächst der Begriff des Blankettgesetzes. Obwohl in Literatur und Rechtsprechung anerkannt, variiert der Inhalt dieser Terminologie und damit deren Umfang erheblich.50 Einigkeit besteht lediglich insoweit, daß ein Blankett eine Norm ist, die in irgendeiner Art unvollständig und damit ohne eine weitere ausfüllende Norm nicht anwendbar ist. Die Unvollständigkeit des Blankettgesetzes wenigstens hinsichtlich eines Merkmals muß also durch Hinzufügung einer sog. Ausfüllungsnorm behoben werden, wobei Norm im weitesten Sinne zu verstehen ist und beispielsweise auch Verwaltungsakte etc. umfaßt. Erst das „Zusammenlesen“ beider Teile ergibt ein vollständiges Gesetz.51 Mit dieser Minimalanforderung der Unvollständigkeit ist jedoch nicht viel gewonnen, erfaßt sie doch jede verweisende (und damit begrifflich unvollständige) Norm, ohne daß man diese sogleich als Blankett bezeichnen würde.52 Besonders deutlich wird dies, wenn man dem Blankett die sog. normativen Tatbestandsmerkmale entgegensetzt. Beide sind zwar anerkanntermaßen gegensätzliche Kategorien, jedoch ist nicht endgültig geklärt, wo zwischen beiden die Grenze zu ziehen ist.53 Als Beispiel läßt sich der Eigentumsbegriff in § 242 StGB anführen. Obwohl zu dessen Inhaltsbestimmung die gesamte Zivilrechtsordnung heranzuziehen ist, das heißt das „strafrechtliche“ Eigentum dem zivilrechtlichen entspricht, handelt es sich dabei unstreitig um ein normatives Tatbestandsmerkmal und nicht um ein Blankett.54 ___________ 49 Praktisch relevant wäre dies für eine etwaige Änderung der MaKonV, wenn diese als tatbestandsausfüllende Norm eines Blanketts anzusehen wäre. Vgl. dazu näher u. 10. Kap. E (S. 397). 50 Vgl. dazu nur die Monographien von Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 79 ff.; Dietmeier, Blankettstrafrecht, S. 41 ff.; Warda, Abgrenzung, S. 5 ff. 51 Welzel, MDR 1952, 584, 586. 52 Moll, Europäisches Strafrecht, S. 25. 53 Zu den verschiedenen Ansätzen vgl. Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 79-111 sowie Kölbel, GA 2002, 403, 409, Fn. 29. 54 Hoyer, in: System. Komm. StGB, § 242 Rn. 65; Ruß, in: Leipziger Komm. StGB, § 242 Rn. 45.

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4. Kap.: Entstehungsgeschichte, Rechtsrahmen, Regelungstechnik

1. Echtes/unechtes Blankett Nach einer vom Bundesgerichtshof geprägten Definition liegt ein echtes Blankett dann vor, „wenn Tatbestand und Strafdrohung derart getrennt sind, daß die Ergänzung der Strafdrohung durch einen zugehörigen Tatbestand von einer anderen Stelle und zu einer anderen Zeit selbständig vorgenommen wird“.55 Kennzeichnend für ein echtes Blankett (oder synonym ein Blankett im engeren Sinne) ist die Überlassung bzw. Zuweisung der Ergänzung an eine andere rechtssetzende Stelle.56 Der komplette Tatbestand wird erst durch Hinzutreten der Ausfüllungsnorm gebildet.57 Wenn diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, spricht man von einem unechten Blankett (synonym: Blankett im weiteren Sinne). Der Bundesgerichtshof führt hierzu aus: „Wenn dasselbe Gesetz die Strafdrohung am Schluß zusammenfaßt und darin auf die vorangehenden Tatbestände desselben Gesetzes verweist, liegt nur eine gesetzestechnische Vereinfachung vor“. 58 Diese besonders im Nebenstrafrecht weit verbreitete Technik der Zusammenfassung von Sanktionen am Ende des Gesetzes unter dem Titel „Straf- und Bußgeldvorschriften“ dient im wesentlichen der Entlastung des Gesetzestextes und damit der Vereinfachung der Handhabbarkeit des Gesetzes.59 Sie wirft aber keine der im Zusammenhang mit (echten) Blankettgesetzen diskutierten Fragen auf.60 Zweck der echten Blankette hingegen ist die Flexibilisierung des Rechts. Wie in den anderen Rechtsgebieten führt auch im Strafrecht die immer dynamischer fortschreitende Entwicklung zu neuen Herausforderungen, auf die der

___________ 55 BGHSt 6, 30, 40 f. – Weitergehend der verfassungsrechtliche Blankettbegriff, der ein Auseinanderfallen der normsetzenden Instanz nicht verlangt (vgl. BVerfGE 41, 314, 319) und damit auch unechte Blankette umfaßt (näher Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 174 ff.). 56 Dietmeier, Blankettstrafrecht, S. 13. – Auch Binding, Normen I, S. 161 f., hatte diesen engen Ansatz mit dem Kompetenzübergang im Blick, wenn er von Normen spricht, in welchen „das Verbot, dessen Uebertretung mit Strafe belegt wird, ausgeht von der Landes- oder Ortspolizeibehörde oder einer sonstigen Behörde oder von der Partikulargesetzgebung [...]“. Noch deutlicher drückt es v. Liszt, Lehrbuch, S. 87, aus, wenn er unter Blankettgesetzen Normen versteht, „in denen nur die Strafdrohung durch Reichsgesetz bestimmt ist, während die Festsetzung des Tatbestandes anderen Gewalten, sei es dem Kaiser, dem Bundesrat, der Justizverwaltung, der Landesgesetzgebung oder der Polizei, vielleicht sogar der außerdeutschen Gesetzgebung, überlassen wird“. 57 Jescheck/Weigend, AT, § 12 III 2 (S. 111); Kühl, FS Lackner, S. 815, 819. 58 BGHSt 6, 30, 41. 59 Vgl. hierzu Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 65. 60 Dazu Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 83 f. Etwas anderes könnte dann gelten, wenn die Ausfüllung zwar durch den selben Normgeber (deshalb kein echtes Blankett), aber in einem anderen Gesetz erfolgt, vgl. Dietmeyer, Blankettstrafrecht, S. 42 f.

C. Regelungstechnik

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Gesetzgeber angemessen reagieren muß.61 Die gewünschte ordnungspolitische Wirksamkeit des Strafrechts setzt zudem eine prompte Reaktion auf die neu erkannten Gefahren und Beeinträchtigungen voraus. Gerade hier liegt aber ein Manko des parlamentarischen Gesetzgebers, der häufig nur langsam auf sich wandelnde Gegebenheiten reagieren kann. Die Einbeziehung der Exekutive in die konkrete Ausgestaltung eines Tatbestandes eröffnet dagegen die Möglichkeit, die oft langwierigen und aufwendigen Entscheidungsprozesse der Legislative abzukürzen.62 Zudem sind die Fachbehörden oft wesentlich sachnäher als die Parlamentarier. Es besteht also durchaus ein nicht unerhebliches rechtspraktisches Bedürfnis nach einer Normsetzung durch Behörden.63 Auf der anderen Seite darf dies aber nicht über den damit einhergehenden Verlust an demokratischer Legitimation sowie die Durchbrechung des gerade im legislativen Bereich wichtigen Gewaltenteilungsprinzips hinwegtäuschen. Aus diesem Punkt rühren die Bedenken, die den echten Blanketten insbesondere im Strafrecht entgegengebracht werden. Hinzu kommt in diesem Bereich, daß die Strafgesetzgebung besonders strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen (insb. Art. 103 II, 104 I 1 GG) unterworfen ist. Schon dieses erste Eingrenzungskriterium macht deutlich, daß § 38 II und § 39 I Nr. 1, 2, II Nr. 11 WpHG zumindest in Bezug auf den Verweis auf § 20a I 1 WpHG keine echten Blankette sind.64 Sie verweisen ausschließlich auf eine Bestimmung aus demselben Gesetz und sind mit dieser vollständig, das heißt ohne weitere Normen anwendbar. Der Gesetzgeber hätte ohne funktionelle Einbuße (abgesehen von der mit der Trennung beabsichtigten Übersichtlichkeit des Gesetzes) die „Blankett“norm und die „Ausfüllungs“norm zusammenfassen und in einem Paragraphen regeln können.65 Weder § 38 II WpHG noch § 39 I Nr. 1, 2, II Nr. 11 WpHG sind deshalb echte Blankette, insoweit sie auf § 20a I 1 WpHG verweisen. Ein echtes (Teil-)Blankett in diesem Sinne ist hingegen § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG durch die Inbezugnahme von Rechtspflichten zur Offenbarung.66 Wer___________ 61 Ob diese Entwicklung erfreulich ist, sei dahingestellt; sie ist aber nicht von der Hand zu weisen, vgl. dazu o. 3. Kap. B I 1 b (S. 91). 62 Dietmeier, Blankettstrafrecht, S. 11. 63 Nur nebenbei sei hier auf die diesbezüglich sehr weitreichenden Kompetenzen der US-amerikanischen Börsenaufsichtsbehörde (SEC) und die damit erzielten Erfolge verwiesen. Hierzu u. 5. Kap. B II (S. 185). 64 Ebenso für die parallele Problematik im Insiderrecht Nietsch, Internationales Insiderrecht, S. 98 f. 65 So hätte der Wortlaut des § 20a I 1 WpHG in den §§ 38, 39 WpHG wiederholt werden können und niemand hätte diesbezüglich den Begriff der Blankettnorm aufgeworfen. 66 Ebenso Vogel, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 20a Rn. 77. – Vgl. hierzu auch u. 7. Kap. A II 4 (S. 273).

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4. Kap.: Entstehungsgeschichte, Rechtsrahmen, Regelungstechnik

den diese Rechtspflichten nicht (durch den gleichen oder einen anderen Gesetzgeber) statuiert, dann ist die Unterlassungsvariante des Manipulationsverbotes unvollständig und geht ohne jeglichen Anwendungsbereich ins Leere. Das gleiche gilt hinsichtlich der Verordnungsermächtigung in § 20a V Nr. 4 WpHG. Ohne Erlaß der die safe-harbors definierenden Verordnung existieren diese Freistellungen vom Manipulationsverbot nicht. Problematisch ist jedoch die Behandlung der Verordnungsermächtigung des § 20a V Nr. 1, 2, 3 und 5 WpHG. Weil dort ein „Kompetenzsprung“ vom parlamentarischen Bundesgesetzgeber zur Bundesverwaltung (Bundesminister der Finanzen bzw. BaFin) vorliegt, könnte man hier an eine Blankettermächtigung denken, die dann mittelbar auf §§ 38, 39 WpHG zurückwirkt. Entsprechend der eben dargestellten, allgemein konsentierten Auffassung müßte dazu § 20a I 1 WpHG unvollständig, das heißt ohne die Ausfüllungsnorm (die Verordnung) nach Absatz 5 nicht anwendbar sein. Das aber ist gerade nicht der Fall, denn Absatz 5 ermächtigt lediglich zu einer Konkretisierung von normativen Tatbestandsmerkmalen (bewertungserhebliche Umstände, falsche oder irreführende Signale, künstliches Preisniveau, sonstige Täuschungshandlungen sowie zulässige Marktpraktiken) des Absatzes 1. Eine Konkretisierung ist jedoch nur dann möglich, wenn das zu Konkretisierende bereits vorhanden ist. Unstreitig ist deshalb § 20a I 1 WpHG auch ohne konkretisierende Verordnung anwendbar.

2. Inbezugnahme von Rechtsverordnungen Es könnte also an der für ein echtes Blankett zwingenden Unvollständigkeit von § 20a I 1 WpHG fehlen.67 Dennoch wird auch dieser Fall als echtes Blankett angesehen. Bei der Inbezugnahme von Rechtsverordnungen unterscheidet die Literatur einer Arbeit von Kast folgend komplettierende, ausdehnende, ändernde und konkretisierende Verordnungen.68 Lediglich im Komplettierungsfall bedarf es zwingend des Erlasses der in Bezug genommenen Rechtsverordnung, da erst sie den Gesamttatbestand herstellt, die Vorschrift zuvor hingegen ins Leere geht und keine rechtlichen Konsequenzen erzeugen kann.69 In den drei anderen Fällen ist das Ge- oder Verbot unabhängig von der ausdehnenden, ändernden oder konkretisierenden Verordnung und damit auch ohne sie tatbestandlich komplett. Insofern ist nach der eingangs aufgestellten Definition die ___________ 67 So insbesondere dann, wenn man einer Definition Wardas, Abgrenzung, S. 6 f., folgt, nach der Strafgesetze, die nur der Ergänzung durch beschreibende Erläuterung einzelner Begriffe bedürfen, keine Blankette seien. 68 Kast, Ausgestaltung, S. 20 ff.; Dietmeier, Blankettstrafrecht, S. 57 ff.; Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 30 ff. 69 Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 32.

C. Regelungstechnik

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Unvollständigkeit des Gesetzes, die als Voraussetzung für ein echtes Blankett angesehen wurde, fraglich.70 Auf der anderen Seite sind die mit diesen Tatbeständen verbundenen Probleme hinsichtlich des Gesetzlichkeitsprinzips mit denen im Komplettierungsfall vergleichbar. Wenn der Verordnungsgeber aufgrund einer Ermächtigung tätig wird und einen Tatbestand auf weitere Fälle ausdehnt, ihn ändert oder auch nur konkretisiert, so ist das dennoch in jedem Fall allgemein verbindlich und deshalb auch vom Rechtsanwender zu beachten.71 Im konkreten Fall macht es keinen Unterschied, ob ein Verhalten erst durch einen komplettierten Tatbestand strafbewehrt verboten wird (Komplettierungsfall) oder ob ein bereits bestehendes (anderweitiges) Verbot durch Verordnung auf diesen Fall erstreckt wird (Ausdehnungsfall). In jedem Falle wirkt die Verordnung strafbegründend. In beiden Fällen muß die Verordnung zusammen mit der von ihr ausgefüllten Norm den an Strafgesetze gestellten verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht werden.72 Es spricht deshalb zumindest im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Anforderungen einiges dafür, auch in den drei letztgenannten Fällen von einem echten Blankett zu sprechen und die geforderte Unvollständigkeit rein formell zu betrachten, so daß sie schon in dem Bezug auf die Rechtsverordnung zu sehen ist. Freilich verliert dieses Merkmal dann nahezu völlig seine Bedeutung und man kann noch nicht einmal mehr von einem Tatbestand sprechen, der nur durch das Zusammenlesen vollständig wird. All das ist jedoch weniger Kritik an der Definition des Blanketts als an der grundsätzlichen Sinnhaftigkeit dieser Rechtsfigur, zumindest für die hier vorliegende Gesetzestechnik.

3. Zwischenergebnis Als Ergebnis bleibt festzuhalten, daß mit der Klassifizierung eines Tatbestandes als Blankett nicht viel gewonnen ist. Der Begriff umfaßt aufgrund seiner Weite eine solche Vielzahl unterschiedlicher und unterschiedlich zu behandelnder Fälle, daß weitere Untergliederungen und Systematisierungen erfolgen müssen. Vor allem aber fehlt eine eindeutige Abgrenzung zu den normativen Tatbestandsmerkmalen. Ein wirklicher Ertrag durch die Verwendung des Blan___________ 70 Eine ähnlich aufgebaute Inbezugnahme einer Rechtsverordnung zur (fakultativen) Konkretisierung des Tatbestandes enthält bspw. § 58 I Nr. 18 JArbSchG. Nach Roggendorff, in: Zmarzlik/Anzinger (Hrsg.), Jugendarbeitsschutzgesetz, § 58 Rn. 12, handelt es sich dabei um eine komplette Norm und nicht um ein Blankett. 71 Näher dazu u. 10. Kap. D I 1 (S. 389). 72 Allg. Meinung, vgl. nur Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 189. – Ausf. dazu in Bezug auf § 20a sogleich 5. Kap. A I (S. 171).

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4. Kap.: Entstehungsgeschichte, Rechtsrahmen, Regelungstechnik

kettbegriffes als solchem ist damit nicht erkennbar. Jedenfalls darf nicht allein die Einordnung eines Tatbestandes als Blankett zu pauschalen Annahmen und Folgerungen verleiten. Zu Recht vermeiden viele deshalb ganz die Benutzung des inhaltsleeren Blankettbegriffes und befassen sich statt dessen sogleich mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Gesamttatbestand.

III. Ergebnis

Aufgrund der geringen inhaltlichen Ergiebigkeit der Einordnung eines Tatbestandes in die Kategorie „Blankett“ unterbleibt diese im weiteren Verlauf der Untersuchung. Dazu kommt, daß die bei dem Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitentatbestand der Marktmanipulation angewandte Gesetzestechnik nicht dem üblicherweise Bekannten entspricht, da einerseits in §§ 20a I, 38 II bzw. §§ 20a I, 39 I Nr. 1, 2 und 39 II Nr. 11 WpHG vollständige Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitentatbestände kodifiziert sind, was gegen ein Blankett im herkömmlichen Sinne spricht, andererseits aber zusätzlich die Möglichkeit einer verbindlichen Konkretisierung durch Rechtsverordnung vorgesehen ist. Dies macht eine zutreffende Einordnung in den überkommenen Kategorien an sich unmöglich. Zudem könnte dies dazu verleiten, allein aus der Einordnung in die eine oder andere Kategorie Rückschlüsse auf die zutreffende Behandlung beispielsweise der Irrtumsproblematik ziehen zu können. Möchte man dennoch am Blankettbegriff festhalten, so sind jedenfalls § 38 II und § 39 I Nr. 1, 2, II Nr. 11 WpHG hinsichtlich ihres Verweises auf § 20a I 1 WpHG lediglich unechte Blankette. Da der Verweis auch innerhalb des Gesetzes bleibt, ergeben sich daraus keine weiteren verfassungsrechtlichen und sonstigen Konsequenzen. Echte (Teil-)Blankette stellen dagegen § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG durch die Inbezugnahme von Rechtsvorschriften sowie § 20a II WpHG hinsichtlich der Definierung von safe-harbors und zulässigen Marktpraktiken dar. Schließlich sind auch § 20a V Nr. 1, 2, 3, 5 WpHG sowie mittelbar § 38 II und § 39 I Nr. 1, 2, II Nr. 11 WpHG insoweit sie auf die Rechtsverordnung verweisen im Ergebnis in verschiedener Hinsicht den echten Blanketten vergleichbar. Obwohl § 38 II bzw. § 39 I Nr. 1, 2, II Nr. 11 WpHG i.V.m. § 20a I 1 WpHG ohne jegliche Einschränkung auch ohne die Rechtsverordnung nach Absatz 5 anwendbar sind, kommt damit zum Ausdruck, daß hier eine andere Instanz mittels der ihr zugewiesenen Konkretisierungsbefugnis an der Sanktionierung beteiligt ist (Kompetenzsprung) und zudem ein Wechsel in der Normenhierarchieebene von formellem zu nur materiellem Gesetz (Rechtsverordnung) stattfindet. Allerdings ist davor zu warnen, allein aus dieser Einordnung Konsequenzen ziehen zu wollen, denn wenn in Literatur und Rechtsprechung von Blanketten die Rede ist, so sind damit zumeist die echten Blankette in dem

C. Regelungstechnik

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Sinne gemeint, daß zur unvollständigen Blankettstrafnorm zwingend eine sie ausfüllende Norm hinzutreten muß. Das ist hier gerade nicht der Fall. Von den eingangs aufgeführten Fragen ist die erste bereits beantwortet: Die ein gesetzliches Blankett ausfüllende Rechtsverordnung unterliegt den gleichen verfassungsrechtlichen Anforderungen (Art. 103 II, 104 I 1 GG) wie das Blankett selbst. Die Verordnungsermächtigung (§ 20a V WpHG) genügt diesen Anforderungen. Für die darunter erlassene MaKonV wird dies noch zu prüfen sein.73 Die beiden weiteren Fragen werden unten im entsprechenden Kontext beantwortet.74

___________ 73 74

Unten 10. Kap. C (S. 386). Unten 10. Kap. E (S. 397) u. F (S. 399).

Fünftes Kapitel

Verfassungsrechtliche Vorgaben A. Das Gesetzlichkeitsprinzip In den Art. 103 II, 104 I 1 GG sowie einfachgesetzlich in §§ 1, 2 StGB ist das sog. Gesetzlichkeitsprinzip des Strafrechts verankert. Dieses läßt sich im wesentlichen in vier ineinandergreifende Einzelprinzipien untergliedern: das Erfordernis der lex scripta (Gesetzesvorbehalt), der lex certa (Bestimmtheitsgebot), der lex stricta (Analogieverbot) und der lex praevia (Rückwirkungsverbot).1 Das Gesetzlichkeitsprinzip gilt nicht nur im Strafrecht, sondern umfaßt auch das Ordnungswidrigkeitenrecht.2 Vor diesem Hintergrund sieht sich § 20a WpHG in Verbindung mit §§ 38 II, 39 I Nr. 1, 2, II Nr. 11 WpHG in der Literatur teils erheblichen Bedenken hinsichtlich seiner Verfassungsmäßigkeit ausgesetzt. Der erste Vorwurf bezieht sich auf die weite Formulierung einiger Tatbestandsmerkmale. Insbesondere die „sonstige Täuschungshandlung“ in Absatz 1 Nr. 3 (= Nr. 2 a.F.) sei aufgrund ihrer Weite nicht hinreichend bestimmt3, ein Vorwurf übrigens, der auch schon § 88 Nr. 2 BörsG a.F. entgegengebracht wurde.4 Aber auch andere Merkmale werden kritisch betrachtet.5 Der zweite Vorwurf betrifft die gem. § 20a V WpHG (= § 20a II WpHG a.F.) eingeräumte Möglichkeit, Tatbestandsmerkmale sowie stets bzw. nie verbotene Verhaltensweisen mittels Rechtsverordnung zu spezifizieren.6 Träfe nur einer dieser Vorwürfe zu, wäre die Vorschrift verfassungswidrig und müßte dem Bundesverfassungsgericht zur Normenkontrolle und Nichtigerklärung vorgelegt werden. ___________ 1 Näher zum Ganzen Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, § 1 Rn. 6; Jescheck/Weigend, AT, § 15 III (S. 133 ff.); Rudolphi, in: System. Komm. StGB, § 1 Rn. 5 ff. 2 Vgl. § 3 OWiG; BVerfGE 71, 108, 114; Gribbohm, in: Leipziger Komm. StGB, § 1 Rn. 4. 3 Altenhain, BB 2002, 1874, 1876; Schmitz, ZStW 115 (2003), 501, 528. 4 Joecks, wistra 1986, 142, 148; Schwark, BörsG, § 88 Rn. 6. 5 Siehe Altenhain, BB 2002, 1874, 1876; Sorgenfrei, in: Park (Hrsg.), KapitalmarktStrafrecht, 4. Abschnitt, Rn. 10; ders., wistra 2002, 321, 325; allg. kritisch Kutzner, WM 2005, 1401, 1406. 6 Siehe Kutzner, WM 2005, 1401, 1406; Moosmayer, wistra 2002, 161, 169; Sorgenfrei, in: Park (Hrsg.), Kapitalmarkt-Strafrecht, 4. Abschnitt, Rn. 10.

A. Das Gesetzlichkeitsprinzip

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Der dritte Streitpunkt hingegen berührt nicht die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift insgesamt, sondern bezieht sich auf ihre Anwendung im Einzelfall. Er betrifft die Frage der intertemporalen Anwendbarkeit von §§ 38 II, 20a I WpHG bzw. § 88 BörsG a.F. auf Sachverhalte, die vor Inkrafttreten der Neuregelung durch das 4. FMFG (und ebenso durch das AnSVG) abgeschlossen waren, jedoch erst danach rechtskräftig abgeurteilt wurden. Der Gesetzgeber hat hier – wie so oft – auf eine ausdrückliche und eindeutige Regelung im 4. FMFG und im AnSVG verzichtet und auf die allgemeinen Vorschriften des § 2 StGB vertraut.7 I. Gesetzesvorbehalt

Nach Art. 103 II GG, § 1 StGB ist Grundvoraussetzung für jegliche Strafe die Existenz eines geschriebenen Gesetzes (lex scripta), das die Handlung für strafbar erklärt und eine (bestimmte) Strafe androht. Dem Art. 103 II wird ein strenger Gesetzesvorbehalt dahingehend entnommen, daß die Voraussetzungen der Strafbarkeit sowie die Art und Schwere der Strafe in einem formellen (Parlaments-)Gesetz enthalten sein müssen.8 Soweit die Verhängung von Freiheitsstrafe und anderen freiheitsentziehenden Maßnahmen im Raume steht, wird das durch Art. 104 I 1 GG ausdrücklich bestätigt.9 Das schließt es jedoch nicht aus, daß der Tatbestand durch nicht-förmliche Normen näher spezifiziert und ausgestaltet wird.10 Insofern sind Blankettatbestände, die auf Rechtsverordnungen oder gar Verwaltungsakte verweisen, grundsätzlich nicht unzulässig. Jedoch muß der Bürger bereits aus der formellgesetzlichen Rechtsgrundlage hinreichend deutlich die unter Strafe gestellten Handlungen sowie Art und Umfang der Strafe entnehmen können. Die Verbotsmaterie muß dort also jedenfalls in ihren Grundzügen hinreichend deutlich umschrieben sein, so daß die Voraussetzungen der Strafbarkeit und die Art der Strafe für den Bürger schon aufgrund des (förmlichen) Gesetzes und nicht erst aufgrund der darauf gestützten Verordnung vorhersehbar sind.11 Daraus folgt aber auch, daß eine nicht formell-gesetzliche Norm niemals ein zu weit geratenes und damit nicht selbst hinreichend bestimmtes Blankett vor dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit bewahren kann. ___________ 7 Welch schwerwiegendes Versäumnis dies war, zeigen mehrere kurz nach Inkrafttreten der Vorschrift ergangene einander widersprechende Judikate (LG München I (6. StrK), NStZ 2004, 291 f. – Comroad m. Anm. Eichelberger einerseits, LG München I (4. StrK), NJW 2003, 2328, 2330 – EM.TV andererseits). Eingehend dazu u. 9. Kap. (S. 370). 8 Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 103 Rn. 60. 9 Siehe BVerfGE 14, 245, 251; 75, 329, 342. 10 BVerfGE 14, 245, 251; 75, 329, 342; 87, 399, 407. 11 BVerfGE 75, 329, 342; 78, 374, 382; Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, § 1 Rn. 8; Nolte, in: v. Mangold/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 103 Rn. 152 f.

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5. Kap.: Verfassungsrechtliche Vorgaben

Für § 20a WpHG ergibt sich aus dem Vorstehenden folgende Konsequenz: Käme man zum Ergebnis, daß § 20a I 1 WpHG hinsichtlich auch nur eines Tatbestandsmerkmales nicht hinreichend bestimmt im Sinne von Art. 103 II, 104 I 1 GG ist, wäre die gesamte Norm verfassungswidrig, ohne daß es auf eine konkretisierende Verordnung nach Absatz 5 ankäme. Da letztere kein förmliches Gesetz im Sinne des Art. 104 I 1 GG darstellt, ist sie nicht geeignet, die mangelnde Bestimmtheit von § 20a I 1 WpHG auszugleichen und damit insgesamt dem Gesetzesvorbehalt zu genügen. Zwar wollte der Gesetzgeber durch die Möglichkeit der Konkretisierung durch die Rechtsverordnung genau dieses bekannte Problem der bezweifelten Bestimmtheit von § 88 BörsG a.F. resp. nunmehr § 20a I 1 WpHG lösen12, doch ist dies aufgrund des Gesetzesvorbehalts nicht möglich.13 Insofern kann und muß die Untersuchung von § 20a I 1 WpHG im Hinblick auf dessen Bestimmtheit völlig unabhängig von einer etwaigen Verordnung nach Absatz 5 erfolgen. § 20a I 1 WpHG ist also bei der Untersuchung der hinreichenden Bestimmtheit nicht im Zusammenhang mit einer nach Absatz 5 ergangenen Verordnung zu lesen. Erst wenn feststeht, daß § 20a I 1 WpHG dem Bestimmtheitsgebot genügt, kann in einem zweiten Schritt untersucht werden, ob eine Rechtsverordnung geeignet ist, nähere Spezifikationen des Tatbestandes vorzunehmen und wenn ja, welche Grenzen dabei bestehen. II. Bestimmtheitsgebot

Zunächst interessiert also die Bestimmtheit von § 20a I 1 WpHG. Dem Bestimmtheitsgebot (lex certa) kommen zwei Garantiefunktionen zu:14 Erstens soll es dem Normadressaten ermöglichen, das verbotene Verhalten eindeutig zu erkennen und sein Handeln darauf einzustellen. Nur wenn der Rechtsunterworfene weiß, welches Handeln verboten ist und welche Sanktion im Falle einer Zuwiderhandlung droht, kann eine Norm ihre verhaltensdeterminierende Wirkung entfalten. Zugleich wird der einzelne vor willkürlicher Bestrafung geschützt. Zum anderen sichert das Bestimmtheitsgebot das Gewaltenteilungsprinzip, indem es der gesetzgebenden Gewalt die alleinige abstrakt-generelle Entscheidung über die Strafbarkeit eines Verhaltens zuweist und damit der ___________ 12

Vgl. die Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8017, S. 90. Insoweit zu Recht Altenhain, BB 2002, 1874, 1876 sowie Vogel, in: Assmann/ Schneider (Hrsg.), WpHG, Vor § 20a Rn. 21. – Unrichtig hingegen Ziouvas, ZGR 2003, 113, 128, der dem Bestimmtheitsgrundsatz in Bezug auf § 20a I 1 Nr. 1 WpHG (erst) durch die Rechtsverordnung „par excellence“ Genüge getan sieht. In diese Richtung wohl auch Lenzen, ZBB 2002, 279, 286. 14 BVerfGE 87, 209, 224; 92, 1, 12; Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 103 Rn. 67; Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, § 1 Rn. 17; Schmitz, in: Münchener Komm. StGB, § 1 Rn. 39, jeweils m.w.N. 13

A. Das Gesetzlichkeitsprinzip

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rechtsprechenden und vollziehenden Gewalt verwehrt, die normativen Voraussetzungen einer Bestrafung festzulegen.

1. Anforderungen an die Gesetzesbestimmtheit Auf der Tatbestandsseite fordert das Bestimmtheitsgebot vom Gesetzgeber, Tatbestände so konkret zu formulieren, daß der Normunterworfene deren Tragweite und Anwendungsbereich erkennen bzw. durch Auslegung ermitteln und sein Handeln darauf einstellen kann.15 Er muß also möglichst klar ausdrücken, welche Verhaltensweise ver- oder geboten ist. Das Schwergewicht der Ausformung der Strafrechtssätze darf nicht auf die Rechtsprechung verlagert werden, sondern muß beim Gesetzgeber verbleiben. Diese Forderung tritt aber in Konflikt mit dem berechtigten „Bedarf an Vagheit“ des Strafrechtssystems,16 der Notwendigkeit zu unbestimmten Rechtsbegriffen und Generalklauseln. Zum einen ist kaum ein Begriff der Alltags- und Fachsprache denkbar, der nicht in verschiedener Weise auszulegen wäre, so daß das eindeutige, nicht auslegungsbedürftige Gesetz illusorisch bleiben muß.17 Zum anderen würde ein völliger Verzicht auf auslegungsbedürftige Begriffe zu einem starren und kasuistischen Gesetz führen, das der Vielgestaltigkeit des Lebens, dem Wandel der Verhältnisse oder der Besonderheit des Einzelfalles nicht mehr gerecht werden könnte.18 Die Folge wären hochkomplizierte, detailüberladene und nicht mehr übersehbare Tatbestände – ein Pyrrhussieg im Streben nach Bestimmtheit. Schließlich wären solch detaillistische Gesetze ungerecht, weil sie verböten, die Besonderheiten jedes Einzelfalles angemessen zu berücksichtigen. Das Gebot der Bestimmtheit darf deshalb nicht überspannt werden. Unbestimmte, wertungsbedürftige Begriffe und Generalklauseln sind bis zu einem gewissen Grade unentbehrlich und unvermeidbar.19 Ihre Verwendung ist deshalb nicht schlechthin verfassungswidrig.20 Das gilt selbst dann, wenn sie in ei-

___________ 15 BVerfGE 73, 206, 234; 92, 1, 12; a.A. Jerouschek, ZStW 110 (1998), 658, 669, der das Bestimmtheitsgebot an die Rechtsanwender adressiert sieht. 16 Hassemer, in: Nomos Komm. StGB, § 1 Rn. 18. 17 Vgl. Schmitz, in: Münchener Komm. StGB, § 1 Rn. 40; Hassemer, in: Nomos Komm. StGB, § 1 Rn. 30 ff. – Das Bild Montesquieus vom Richter als bloßem „Mund des Gesetzes“ (De L’Esprit des Loix, liv. XI, chap. VI (S. 282): „La bouche qui prononce les paroles de la loi.“) ist nicht umsetzbar. 18 BVerfGE 45, 363, 371; 87, 209, 224. 19 Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, § 1 Rn. 19; Gribbohm, in: Leipziger Komm. StGB, § 1 Rn. 46. 20 BVerfGE 45, 363, 371; 87, 209, 224; BVerfG, NJW 1999, 3399, 3400.

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5. Kap.: Verfassungsrechtliche Vorgaben

nem Tatbestand gehäuft vorkommen.21 Das Bestimmtheitsgebot fordert „Programmsicherung“, nicht Präzision um jeden Preis.22 Der Grad der Bestimmtheit ist dabei nicht abstrakt festlegbar. In jedem Falle ist notwendig, aber auch ausreichend, wenn der Inhalt der verwendeten Tatbestandsmerkmale anhand des Kanons der Auslegungsmethoden, insbesondere durch Heranziehen anderer Vorschriften desselben Gesetzes, durch Berücksichtigung des Normenzusammenhangs oder aufgrund einer gefestigten Rechtsprechung erschlossen werden kann.23 Dazu soll sogar genügen, wenn der Normadressat in Grenzfällen wenigstens das Risiko einer Bestrafung erkennen kann.24 In Grenzbereichen ist es ferner unschädlich, weil unvermeidlich, wenn die Tatbestandsmäßigkeit eines Verhaltens zweifelhaft ist, solange nur im Regelfall das Strafbarkeitsrisiko für den Normadressaten klar erkennbar ist.25 Der Gesetzgeber ist verpflichtet, so weit wie eben möglich bestimmte Begriffe zu verwenden, so daß die Grenze zur Verfassungswidrigkeit dann überschritten ist, wenn er ohne Not eine mögliche und gleichermaßen funktionsfähige Konkretisierung zugunsten eines unbestimmten Begriffs unterläßt.26 Es besteht weiterhin eine Wechselwirkung zwischen der Wertigkeit des zu schützenden Rechtsguts und der Bestimmtheit des Tatbestandes. So ist zum Schutz höherwertiger Güter ein größerer Spielraum des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der Norm notwendig und zulässig.27 Demgegenüber steigen die Anforderungen an die Bestimmtheit mit der Schwere der angedrohten Sanktion.28 Ferner kann auch der Adressat der Vorschrift von Bedeutung sein.29 Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Bundesverfassungsgericht bisher kaum einmal die mangelnde Bestimmtheit eines Tatbestandes festgestellt.30 Be___________ 21 BVerfGE 87, 209, 225; kritisch hierzu aber Schmitz, in: Münchener Komm. StGB, § 1 Rn. 45. 22 So treffend Hassemer, in: Nomos Komm. StGB, § 1 Rn. 19 f. 23 BVerfGE 45, 363, 371 f.; 86, 288, 311; 96, 68, 97 f.; BVerfG, NJW 1999, 3399, 3400; Gribbohm, in: Leipziger Komm. StGB, § 1 Rn. 49; Tröndle/Fischer, StGB, § 1 Rn. 5b m.w.N. 24 Vgl. BVerfGE 73, 206, 235; 87, 209, 224; 92, 1, 12. – Kritisch gegen die Verschiebung von Bestimmtheit zu bloßer Bestimmbarkeit Krahl, Rechtsprechung, S. 104 ff. 25 BVerfGE 71, 108, 115; 73, 206, 235. 26 Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, § 1 Rn. 20 m.w.N.; Jakobs, AT, 4/25; vgl. dazu BVerfGE 17, 306, 314 ff. 27 Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, § 1 Rn. 21. 28 BVerfGE 41, 314, 320; 75, 329, 342. 29 Vgl. BVerfGE 26, 186, 204; 48, 48, 57; Nolte, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 103 Rn. 146 30 Schmitz, in: Münchener Komm. StGB, § 1 Rn. 46. Vgl. die vielen Nachweise nicht beanstandeter Normen bei Gribbohm, in: Leipziger Komm. StGB, § 1 Rn. 53 f.; ferner die Beispiele bei Rudolphi, in: System. Komm. StGB, § 1 Rn. 14.

A. Das Gesetzlichkeitsprinzip

175

trachtet man die Fälle31, so wird deutlich, daß es sich dabei jeweils um besonders weit gefaßte Tatbestände handelte.

2. Bestimmtheit von § 20a I 1 WpHG § 20a I 1 WpHG enthält eine ganze Reihe von unbestimmten und in erheblichem Maße auslegungsbedürftigen Rechtsbegriffen. Im Mittelpunkt der verfassungsrechtlichen Kritik standen bisher vor allem die „bewertungserheblichen Angaben“ aus der Nummer 1 sowie die „sonstigen Täuschungshandlungen“ aus der Nummer 3. Diese Kritik dürfte in weiten Teilen auf die durch das AnSVG neu hinzugekommenen Tatbestandsmerkmale der Nummer 2 übertragbar sein.

a) Standpunkt der Rechtsprechung Die Rechtsprechung hat die hinreichende Bestimmtheit von § 20a I 1 Nr. 1 WpHG bisher nicht in Zweifel gezogen.32 Hinsichtlich des Merkmals der „sonstigen Täuschungshandlung“ des § 20a I 1 Nr. 2 WpHG a.F. (= Nr. 3 n.F.) hat sich der Bundesgerichtshof bisher lediglich in einem obiter dictum geäußert und dessen Bestimmtheit ebenfalls bejaht.33 Zum einen stelle die Formulierung „sonstige“ einen Bezug zu § 20a I 1 Nr. 1 WpHG her, der einzelne Täuschungshandlungen näher konkretisiere und damit Hinweise für die Auslegung biete. Zum anderen sei der Begriff der Täuschungshandlung ungeschriebenes, aus den im Tatbestand beschriebenen Tatmodalitäten (Vorspiegelung, Entstellung, Unterdrückung von Tatsachen) abgeleitetes Tatbestandsmerkmal des § 263 I StGB. Da § 20a I 1 Nr. 2 WpHG a.F. von keinem anderen Begriffsverständnis ausginge, seien die durch die Rechtsprechung zu den §§ 109a, 152a, 263, 267, 270, 276, 283 StGB entwickelten klaren Kriterien für das Vorliegen einer Täuschungshandlung übertragbar. Täuschung sei danach jedes Verhalten, das objektiv irreführt oder einen Irrtum unterhält und damit auf die Vorstellung eines anderen einwirkt.

___________ 31

Handeln gegen die „öffentliche Ordnung“; Handeln gegen die „Interessen der alliierten Streikräfte“; das Herumtreiben „nach Art eines Land- und Stadtstreichers“; eine den „Geboten rücksichtsvollen, besonnenen und höflichen Verhaltens zuwiderlaufende Beförderung im Straßenverkehr“ (Nachw. bei Rüping, in: Bonner Komm. GG, Art. 103 II Rn. 15). 32 BGH, NJW 2005, 445 ff. – EM.TV; LG München, NJW 2003, 2328, 2330 – EM.TV, beide jedoch ohne nähere Ausführungen. 33 BGHSt 48, 373, 383 f. – Scalping = WuB I G 7. – 2.04 Eichelberger.

176

5. Kap.: Verfassungsrechtliche Vorgaben

b) Kritik der Literatur Moosmayer versucht, anhand des Beispiels Scalping die Unbestimmtheit des Tatbestandes von § 20a I 1 WpHG zu begründen.34 Seiner Ansicht nach sprächen dafür die bisherigen Schwierigkeiten bei der strafrechtlichen Bewertung des Scalpings. Ihm ist dabei jedoch entgegenzuhalten, daß die von der bisher herrschenden Meinung vorgenommene Einordnung des Scalpings als Insiderdelikt verfehlt war, es sich richtigerweise statt dessen – wie der Bundesgerichtshof inzwischen bestätigt hat – um einen Kursbetrug (§ 88 BörsG a.F.) bzw. nunmehr eine Marktmanipulation handelt.35 Die Gründe für die Bevorzugung des Insidertatbestandes vor dem eigentlich anzuwendenden Manipulationstatbestand sind nicht mehr nachvollziehbar. Sie dürften jedoch zum einen aus einer gewissen Scheu vor dem wenig geläufigen § 88 BörsG a.F. resultiert haben und zum anderen darauf beruhen, daß nur das Insiderhandelsverbot von dem Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel (BAWe) überwacht wurde, so daß auffällige Verhaltensweisen von diesem nur unter insiderrechtlichen Gesichtspunkten aufbereitet an die Staatsanwaltschaft zur Anklage abgegeben werden konnten. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit § 88 BörsG a.F. ist jedoch nie erfolgt.36 Es lassen sich deshalb aus einer verfehlten Rechtsanwendung einer ganz anderen Vorschrift (sc. dem Insiderhandelsverbot) in der Vergangenheit schlechterdings keine durchgreifenden Bedenken gegen die Bestimmtheit des § 20a I 1 WpHG herleiten. Die weiteren Stellungnahmen37 beschränken sich auf eine bloße Behauptung der Unbestimmtheit des Tatbestandes oder äußern nebulös verfassungsrechtliche Zweifel an der Bestimmtheit, liefern hierfür jedoch keine nähere Begründung. Insofern ist die bisher dem Tatbestand entgegengebrachte Kritik aus der Literatur nicht überzeugend. Im folgenden wird deshalb § 20a I 1 WpHG einer umfassenden Begutachtung hinsichtlich dessen Bestimmtheit anhand der dargestellten Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts unterzogen.

___________ 34

Moosmayer, wistra 2002, 161, 169. BGHSt 48, 373 ff. – Scalping = WuB I G 7 – 2.04 Eichelberger. Nachweise zu den unterschiedlichen Ansichten bei Eichelberger, WM 2003, 2121, dort Fn. 10 u. 11. 36 Vgl. LG Frankfurt a.M., NJW 2000, 301 – Fall Prior. Das LG Stuttgart, BKR 2003, 167 (Vorinstanz zu BGHSt 48, 373 ff. – Scalping) erwähnt § 88 BörsG/§ 20a WpHG noch nicht einmal. 37 So insb. Schmitz, ZStW 115 (2002), 501, 528; ferner auch Sorgenfrei, wistra 2002, 321, 323; Tripmaker, wistra 2002, 288, 291 f. Lediglich Trüstedt, Verbot, widmet der Problematik mehrere Seiten (S. 156-161). 35

A. Das Gesetzlichkeitsprinzip

177

c) Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe Zunächst ließe sich gegen § 20a I 1 WpHG die große Zahl unbestimmter und ausfüllungsbedürftiger Begriffe ins Felde führen. Allein diese Häufung in einem Straftatbestand führt jedoch nicht per se zu dessen Unbestimmtheit. Eine Vielzahl von Tatbeständen selbst des Kernstrafrechts enthält ähnlich viele in erheblichem Maße auslegungsbedürftige Tatbestandsmerkmale. Das gilt namentlich für viele wirtschaftsstrafrechtliche Tatbestände wie zum Beispiel Subventions-, Kapitalanlage- und Kreditbetrug oder Untreue (§§ 264, 264a, 265b, 266 StGB).38 Dennoch wird deren Verfassungsmäßigkeit im Ergebnis nicht in Zweifel gezogen.39 Allein die Verwendung mehrerer unbestimmter und auslegungsbedürftiger Tatbestandsmerkmale ist deshalb für sich noch kein Argument für die Unbestimmtheit von § 20a I 1 WpHG. So erschließt sich der Inhalt einiger Tatbestandsmerkmale – obwohl auch diese fraglos auslegungsbedürftig sind – bereits aus ihrer natürlichen Wortbedeutung (zum Beispiel bedeutet Einwirken in § 38 II WpHG eben schlicht Beeinflussen, Verändern etc.). Und schließlich ist die Auslegung und Anwendung von Normen die Aufgabe des Rechtsanwenders.

d) Möglichkeit bestimmterer Gesetzesfassung Ein gewichtiges Argument für einen nicht hinreichend bestimmt geratenen Tatbestand wäre es, wenn dieser mit weniger auslegungsbedürftigen Tatbestandsmerkmalen auskommen und dabei den gleichen Erfolg erzielen würde. In der Literatur wird dies beispielsweise für den Begriff „gewisse Zeit“ in den §§ 109, 109a StGB, § 18 WStG sowie für den des „großen Ausmaßes“ in § 370a AO n.F. angenommen.40 Dem ist zuzustimmen, denn in beiden Fällen wäre es dem Gesetzgeber leicht möglich gewesen, entweder konkrete Zeiträume resp. Werte anzugeben oder doch zumindest nähere Leitlinien zur Auslegung in das Gesetz aufzunehmen. Es war daher unnötig, derart weite Formulierungen zu benutzen. §§ 20a I, 38 II WpHG hingegen unterscheiden sich davon insoweit fundamental, als daß sie keine quantitativ zu bestimmenden Begriffe (Zeiträume, ___________ 38 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, Vor § 20a Rn. 21; Vogel, WM 2003, 2437, 2440. 39 Vgl. Tiedemann, in: Leipziger Komm. StGB, § 264 Rn. 6, § 264a Rn. 7, § 265b Rn. 20. 40 Vgl. BGH, NJW 2004, 2990, 2991; Park, wistra 2003, 328, 331; Schmitz, in: Münchener Komm. StGB, § 1 Rn. 44.

178

5. Kap.: Verfassungsrechtliche Vorgaben

Werte etc.) enthalten, sondern wertungsbedürftige Merkmale. So kommt es bei der unrichtigen, bewertungserheblichen Angabe im Sinne der Nummer 1 nicht darauf an, wie stark sie auf einen Preis einzuwirken geeignet ist, sondern lediglich daß sie es ist. Dies gilt sinngemäß auch für die weiteren Tatbestandsmerkmale. Insofern scheidet diese einfache Möglichkeit der näheren gesetzlichen Konkretisierung aus. In der Literatur wird die Auffassung vertreten, der Gesetzgeber hätte die konkret verbotenen Verhaltensweisen selbst regeln müssen und nicht dem Verordnungsgeber überantworten dürfen.41 Nach dieser Ansicht wären also die in der MaKonV vertypten Manipulationstechniken in das WpHG zu übernehmen gewesen. Nur so könne der Normadressat dem Gesetz hinreichend bestimmte Verhaltensanweisungen entnehmen. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß dies keine funktionsäquivalente Alternative zur gegenwärtigen Gesetzesfassung wäre. Die modernen Kapitalmärkte sind einem raschen Wandel unterworfen42, so daß bezweifelt werden muß, ob eine abschließende Festlegung manipulativer Handlungen überhaupt je möglich ist. Die Marktteilnehmer – das ist aus anderen Bereichen bekannt – würden versuchen, die gesetzlichen Regelungen zu umgehen. Das führte, um ungewollte Strafbarkeitslücken43 (wieder) zu schließen, zu fortlaufendem Anpassungsbedarf, den ein regelmäßig und naturgemäß eher schwerfälliges formelles Gesetzgebungsverfahren nicht befriedigen könnte.44 Das Verbot würde der Bedeutung des von ihm geschützten Rechtsgutes, der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes, nicht gerecht und wäre ungenügend. Notwendig für einen wirksamen Schutz ist deshalb ein flexibler, anpassungsfähiger Tatbestand, der eine schnelle Reaktion auf neuartige Manipulationsformen ermöglicht.45 Diese Flexibilität läßt sich aber nur mittels eines weitergefaßten Tatbestandes ohne konkrete Auflistung aller verbotenen Verhaltensweisen erreichen.46 Ein kasuistischer Tatbestand, der dem Rechtsanwender keine Möglichkeit der Weiterentwicklung bietet, erzielte nicht den gleichen Erfolg wie die gewählte Form mit unbestimmten und auslegungsbedürftigen Rechtsbegriffen. Eine bestimmtere Formulierung des Tatbestandes bei gleicher Wirksamkeit war deshalb nicht möglich. ___________ 41

Altenhain, BB 2002, 1874, 1876; Moosmayer, wistra 2002, 161, 169. A.A. Trüstedt, Verbot, S. 162 f. 43 Nach Altenhain, BB 2002, 1874, 1876, sind diese hingegen „der von der Verfassung verlangte Preis für den Einsatz des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts“. 44 Lenzen, ZBB 2002, 279, 286. 45 Siehe die Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8017, S. 90. 46 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, Vor § 20a Rn. 21; ähnlich Lenzen, ZBB 2002, 279, 286. 42

A. Das Gesetzlichkeitsprinzip

179

e) Adressat der Vorschrift Die Anforderungen an die Gesetzesbestimmtheit hängen in gewissem Maße auch vom Adressaten der Vorschrift, also dem potentiellen Täter ab. Richtet sich die Vorschrift ausschließlich an Personen, bei denen aufgrund ihrer Ausbildung oder praktischen Erfahrung bestimmte Fachkenntnisse regelmäßig vorauszusetzen sind, und regelt sie Tatbestände, auf die sich solche Kenntnisse zu beziehen pflegen, so begegnet die Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen keinen Bedenken, insoweit davon ausgegangen werden kann, daß der Adressat aufgrund seines Fachwissens imstande ist, den Regelungsinhalt dieser Begriffe zu verstehen und ihnen konkrete Verhaltensanweisungen zu entnehmen.47 Manipulationen können grundsätzlich von jedermann begangen werden. Sie knüpfen insbesondere nicht von Rechts wegen an eine bestimmte Stellung oder Eigenschaft des Manipulanten an. Jedoch wurde im Rahmen der Darstellung der Manipulationsformen darauf hingewiesen, daß viele Manipulationen faktisch besondere Tätereigenschaften voraussetzen. So bedarf die erfolgreiche informationsgestützte Manipulation des besonderen Gewichtes der verbreiteten Information, damit andere dieser entsprechend handeln. In aller Regel kommt eine derartige „Autorität“ lediglich Finanzanalysten und -journalisten sowie dem Unternehmensmanagement zu.48 Gerade dieser Personenkreis weiß aber (oder muß zumindest wissen), welchen (straf-)rechtlichen Grenzen sein Handeln unterliegt. Insofern dürfen hier geringere Anforderungen an die Bestimmtheit gestellt werden. Diese Überlegungen lassen sich auf handelsgestützte Manipulationen und jedenfalls zum Teil auch auf handlungsgestützte Manipulationen übertragen. Erstere werden fast ausschließlich von „Börsenprofis“ (wozu auch Manager etc. zu zählen sind) begangen, weil nur diese die Möglichkeit zur Handelsabsprachen, Leerverkäufen usw. haben. Im Ergebnis ist zwar aus rechtlicher Sicht jedermann Adressat des Verbotes von Marktmanipulationen; faktisch ist dessen Anwendung aber auf näher mit der Materie befaßte und deshalb informierte Personen beschränkt. Diesen ist ein größeres Maß an ausfüllungsbedürftigen Begriffen zuzumuten, so daß die Anforderungen an die Bestimmtheit geringer zu fassen sind. Umgekehrt stellt dies im übrigen für den Laien keine Verschärfung der Rechtslage dar, denn ihm ist im Einzelfall eher ein Verbots- oder sogar Tatbestandsirrtum zugute zu halten. ___________ 47

BVerfGE 48, 48, 57; Gribbohm, in: Leipziger Komm. StGB, § 1 Rn. 50. Vgl. BGHSt 48, 373, 374 – Scalping: „Im Hinblick auf seine ‚überzeugende Performance‘ galt er [der Angeklagte, J.E.] deshalb 1999 und 2000 sowohl bei interessierten Privatanlegern als auch bei institutionellen Großanlegern als ‚der Anlagespezialist‘ und ‚Meinungsmacher‘ auf dem Gebiet des ‚Neuen Markts‘.“. 48

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5. Kap.: Verfassungsrechtliche Vorgaben

f) Vergleich mit bestehenden Normen Hinreichende Bestimmtheit kann ein Tatbestand auch dadurch erlangen, daß dessen unbestimmte und ausfüllungsbedürftige Begriffe bereits aus anderen Gesetzen bekannt sind und dort eine Auslegung erfahren haben. Auf den fast gleichlautenden § 88 BörsG a.F. wird man hierfür zwar nicht zurückgreifen können, denn dieser hat trotz der langen Zeit seines Bestehens keine nennenswerte Anwendung gefunden und damit auch kaum Auslegung durch Rechtsprechung und Literatur erfahren. Jedoch sind viele der im Tatbestand des § 20a I 1 WpHG (auch i.V.m. § 38 II WpHG) verwendeten Begriffe in gleicher oder zumindest vergleichbarer Form in vielen Tatbeständen auch des Kernstrafrechts enthalten.49 Ohne Anspruch auf Vollständigkeit werden einige Tatbestände, vornehmlich solche des Wirtschaftsstrafrechts aus dem StGB, im folgenden aufgeführt. Dabei bleiben die sich für die Auslegung des § 20a I 1 WpHG ergebenden Konsequenzen einstweilen vorbehalten. Zunächst findet sich der Begriff der unrichtigen Angabe (§ 20a I 1 Nr. 1 WpHG) wörtlich in den §§ 264 I Nr. 1 und Nr. 3, § 264a I, § 265b I Nr. 1 b) StGB, so daß diese Vorschriften wichtige Anhaltspunkte für die Auslegung liefern können.50 Gleiches gilt für den Begriff der bewertungserheblichen Umstände. Zwar ist dieser in den genannten Tatbeständen nicht ausdrücklich enthalten. Jedoch sprechen diese entsprechend ihrer jeweils eigenen Zielrichtung von subventionserheblichen Tatsachen (§ 264 I Nr. 1, 2, 3 StGB – Subventionsbetrug) bzw. von entscheidungserheblichen Tatsachen (§ 264a I StGB – Kapitalanlagebetrug; § 265b I Nr. 1 b) und Nr. 2 StGB – Kreditbetrug). In der Sache dient dieses Erheblichkeitsmerkmal stets dem gleichen Zweck, nämlich der Ausscheidung von unmaßgeblichen Angaben, das heißt solchen, die den durch den Straftatbestand geschützten Entscheidungsprozeß nicht beeinflussen können. So ist eine falsche Angabe, die in einem Kreditantrag nach Ergehen der Kreditentscheidung gemacht wird, nicht erheblich.51 Ebenso ist eine für die Bewertung eines Anlageangebotes nicht maßgebliche Angabe nicht erheblich im Sinne des § 264a StGB.52 Die Erheblichkeit ist deshalb nicht etwa als quantitative Anforderung im Sinne einer bestimmten Höhe zu verstehen (so beispielsweise in §§ 13, 15 WpHG, die eine „erhebliche“ Kursbeeinflussung, also eine solche von bestimmtem Umfang, verlangen), sondern als schlichtes

___________ 49

Ohne nähere Begründung jedoch gegen die Möglichkeit des Rückgriffs auf andere straf- und kapitalmarktrechtliche Vorschriften Sorgenfrei, wistra 2002, 321, 324 ff.; Trüstedt, Verbot, S. 157. 50 So auch Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 40. 51 Tiedemann, in: Leipziger Komm. StGB, § 265b Rn. 85. 52 Tröndle/Fischer, StGB, § 264a Rn. 16.

B. Verordnungsermächtigung, § 20a V WpHG

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Ja/Nein-Kriterium. Insofern können die genannten Tatbestände auch bei der Auslegung der bewertungserheblichen Umstände herangezogen werden.53 Schließlich gibt es auch für die besonders umstrittene „sonstige Täuschungshandlung“ (§ 20a I 1 Nr. 3 WpHG) Parallelen im Gesetz. So setzen viele Tatbestände eine Täuschung voraus (vgl. etwa §§ 263, 267 ff. StGB). Unter Beachtung der Unterschiede im Einzelfall ist damit jedes Verhalten gemeint, das objektiv irreführt oder einen Irrtum unterhält und damit auf die Vorstellung eines anderen einwirkt.54 Diese Zusammenstellung zeigt, daß sich der Rechtsanwender mit den kritisierten Tatbestandsmerkmalen des § 20a I 1 WpHG keineswegs auf unbekanntes Terrain begeben muß, sondern auf einen reichhaltigen Fundus aus Rechtsprechung und Literatur zurückgreifen kann.55 Wenn er dies tut, kann er die seinem Verhalten durch das Verbot der Marktmanipulation gesteckten Grenzen hinreichend genau bestimmen.

III. Ergebnis

Als Ergebnis ist damit festzustellen, daß der Tatbestand des § 20a I 1 WpHG (auch in Verbindung mit §§ 38 II, 39 I Nr. 1, 2, II Nr. 11 WpHG) dem Gesetzesvorbehalt entspricht und hinreichend bestimmt ist.56 Die durch Art. 103 II, 104 I 1 GG an Strafgesetze gestellten Anforderungen sind erfüllt. Die dagegen teilweise vorgetragene Kritik ist nicht durchgreifend.

B. Verordnungsermächtigung, § 20a V WpHG Ein besonderes Merkmal des neuen Verbotes der Marktmanipulation ist die Ermächtigung zum Erlaß einer konkretisierenden Verordnung in § 20a V WpHG. Diese Verordnung kann zum einen Bestimmungen enthalten über bewertungserhebliche Umstände, falsche oder irreführende Signale für das Angebot, die Nachfrage oder den Börsen- oder Marktpreis von Finanzinstrumenten oder das Vorliegen eines künstlichen Preisniveaus sowie das Vorliegen einer sonstigen Täuschungshandlung und damit der Konkretisierung der entsprechenden Tatbestandsmerkmale des § 20a I 1 WpHG dienen. Zum anderen kann sie Handlungen und Unterlassungen bestimmen, die in keinem Fall einen Ver___________ 53

So auch Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 54. Vgl. BGHSt 48, 373, 384 – Scalping. 55 A.A. Sorgenfrei, wistra 2002, 321, 325. 56 Ebenso Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, Vor § 20a Rn. 21 f.; Ziouvas/Walter, WM 2002, 1483, 1487. 54

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5. Kap.: Verfassungsrechtliche Vorgaben

stoß gegen das Manipulationsverbot darstellen (sog. „safe harbors“), sowie Handlungen definieren, die als zulässige Marktpraxis gelten und das Verfahren zu deren Anerkennung.

I. Zweck der Vorschrift

Ausweislich der Gesetzesbegründung dient diese Verordnungsermächtigung der Flexibilität der Verbotsvorschrift. Sie soll dem Umstand Rechnung tragen, daß sich in der Praxis eine Vielzahl von Manipulationstechniken entwickelt hätten und entwickeln würden, die umfassend gesetzlich zu regeln nicht möglich sei. Insbesondere könne nur so auf neuartige Manipulationsformen schnell reagiert werden.57 Gegen diese Begründung ist eingewandt worden, sie sei verfehlt, da die Flexibilität und die Einbeziehung neuartiger Manipulationstechniken bereits durch die unbestimmten Rechtsbegriffe des § 20a I 1 WpHG sichergestellt sei.58 Statt dessen müsse Sinn und Zweck der Ermächtigung in der Konkretisierung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe und damit letztlich in der Erhöhung der Rechtssicherheit für den Normadressaten gesehen werden.59 Dieser Einschätzung ist zuzustimmen. Wie soeben gezeigt, fordert das Gesetzlichkeitsprinzip des Strafrechts, daß bereits aus der formell-gesetzlichen Rechtsgrundlage (hier § 20a I 1 WpHG) hinreichend deutlich die unter Strafe gestellten Handlungen sowie Art und Umfang der Strafe zu entnehmen sind, die Verbotsmaterie dort also jedenfalls in ihren Grundzügen umschrieben sein muß, und nicht erst aufgrund der darauf gestützten Verordnung vorhersehbar sein darf.60 Daraus folgt aber, daß mittels Verordnung keine Verhaltensweise in den Verbotstatbestand einbezogen werden kann, die von ihm nicht ohnehin umfaßt ist. Wohl aber kann der Verordnungsgeber im Rahmen der Auslegungsgrenzen (möglicher Wortsinn, Analogieverbot) die Anwendung des Tatbestandes beeinflussen und steuern. Zweck und Ziel der Verordnungsermächtigung ist deshalb tatsächlich vor allem die Erhöhung der Rechtssicherheit durch die verbindliche Konkretisierung von auslegungsbedürftigen Tatbestandsmerkmalen einerseits und durch die Ko___________ 57 Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8017, S. 90. Eine solche Verordnungsermächtigung haben schon Hopt/Baum, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 441 f. sowie Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 257, favorisiert. 58 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 7. 59 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 7. 60 BVerfGE 75, 329, 342; 78, 374, 382; Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, § 1 Rn. 8; Nolte, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 103 Rn. 152 f. Näher dazu o. 5. Kap. A I (S. 171).

B. Verordnungsermächtigung, § 20a V WpHG

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difizierung „Sicherer Häfen“ und zulässiger Marktpraktiken andererseits. Für den Normadressaten wird so die Vorhersehbarkeit eines Gesetzesverstoßes verbessert. Der Gesetzgeber steht vor der Aufgabe, den Kapitalmarkt möglichst umfassend gegen manipulative Angriffe zu schützen, so daß angesichts der Formenvielfalt und des Erfindungsreichtums der Manipulanten ein nicht zu eng gefaßter Tatbestand vonnöten ist, der es den Gerichten ermöglicht, eine Entwicklung mitzuvollziehen. Eine Erfassung mittels einer „Generalklausel“ ist aufgrund deren Flexibilität im Vergleich zur detaillierten Auflistung aller erdenklichen Manipulationstechniken im Gesetz die einfachste und wohl auch effektivste Lösung.61 Gleichzeitig aber darf legitime und gewollte Marktteilnahme nicht (zu stark) behindert werden. Eine Reihe von erwünschten Verhaltensweisen läßt sich objektiv nicht von unerwünschten Manipulationen unterscheiden, sondern nur über die subjektive Einstellung des Handelnden (beispielsweise Leerverkäufe, Veröffentlichung von Wertpapieranalysen). Manche sind selbst damit nicht hinreichend ausscheidbar. Genannt sei hier die Kurspflege im Rahmen von IPOs. Dabei wird objektiv auf den Preis des zu pflegenden Wertpapieres eingewirkt und man wird nicht ernsthaft daran zweifeln können, daß dies nicht auch zu diesem Zweck und damit in manipulativer Absicht geschieht. Gleichwohl muß dies zulässig bleiben. Keinem wäre gedient, ganze Berufsgruppen (Finanzanalysten und -journalisten) an der Ausübung ihres Berufes zu hindern. Als Beispiel sei der Finanzanalyst genannt, der aufgrund seiner Reputation – wie er weiß – durch die Abgabe von Empfehlungen auf Wertpapierkurse Einfluß nehmen kann. Wenn dieser keine verläßlichen Kriterien dafür in der Hand hat, ob seine Empfehlung zulässig ist oder schon dem Manipulationsverbot unterfällt, wird er von einer Empfehlung Abstand nehmen und seine Analysen nicht mehr veröffentlichen, weil die Gefahr eines Gesetzesverstoßes zu groß ist.62 Der durch das 4. FMFG auch zu schützenden Anlegerschaft wäre in keiner Weise gedient, denn sie könnte ihre Anlageentscheidung nicht mehr auf Analysen stützen. Gleiches gilt in ähnlicher Weise für wirtschaftlich sinnvolle und gewollte Verhaltensweisen. Es ist deshalb von existenzieller Bedeutung, die Grenze zwischen legalem und illegalem Verhalten möglichst genau zu bestimmen. Dieses Bedürfnis tritt erkennbar in Widerspruch zu der eingangs dargelegten Notwendigkeit zu einem möglichst weitgefaßten Tatbestand. Gerade in Grenzfällen ist eine eindeutige und für die Zukunft planbare Zuordnung häufig nur schwer möglich. ___________ 61

Ebenso Lenzen, ZBB 2002, 279, 286. An dieser Problematik ändert zunächst auch § 20a VI WpHG nichts, denn dort wird nur die Berücksichtigung der berufsständischen Regeln angeordnet. Konkrete und v. a. verbindliche Verhaltensanweisungen sind damit noch nicht getroffen. 62

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5. Kap.: Verfassungsrechtliche Vorgaben

Durch den Erlaß einer Verordnung werden die Probleme in zweierlei Hinsicht abgemildert. Einmal erhält der weite Tatbestand eine stärkere Konturierung, so daß dessen Anwendbarkeit vereinfacht und vor allem planbarer wird. Zum anderen geben darüber hinausgehend die safe-harbor-Regelungen und die Definition zulässiger Marktpraktiken den Marktteilnehmern ganz konkrete Leitlinien an die Hand, mit Hilfe derer marktkonforme von verbotenen Verhaltensweisen eindeutig unterschieden werden können.63 Ein weiterer Vorteil ist die mit der Konkretisierung verbundene Harmonisierung der Rechtsanwendung im gesamten Bundesgebiet. Solange es keine Schwerpunktstaatsanwaltschaft(en) für die Verfolgung von Verstößen gegen § 20a WpHG gibt, kann grundsätzlich jedes Gericht mit dessen Auslegung befaßt werden.64 Dementsprechend unterschiedlich können die Ergebnisse ausfallen. Mit einer Verordnung kann die gleichmäßige Anwendung der Vorschrift durch Verwaltung und Gerichte sichergestellt werden. Schließlich kann die Verordnung einen maßgeblichen Beitrag dazu leisten, in der noch verhältnismäßig jungen Aktienkultur Deutschlands in der Bevölkerung ein Rechtsgefühl für die Trennlinie zwischen legaler und illegaler Kapitalmarktbetätigung zu etablieren.65 Den Kritikern der Verordnungsermächtigung ist zuzugestehen, daß all diese Ziele grundsätzlich auch durch eine formell-gesetzliche Regelung erreichbar wären, das heißt durch Legaldefinitionen und Beispielskataloge im Gesetz selbst, so daß die Rechtsverordnung und die mit dieser verbundenen verfassungsrechtlichen Probleme nicht notwendig wären.66 Mit dieser Lösung gäbe man aber die Möglichkeit zur schnellen Reaktion auf sich wandelnde Umstände aus der Hand. Gerade für die zeitnahe und sachverständige eher „technische“ Ausgestaltung der vom formellen Gesetzgeber vorgegebenen Leitlinien der Gesetzgebung und die damit bezweckte Entlastung des parlamentarischen Gesetzgebers von zeitaufwendiger Detailarbeit stellt das Grundgesetz die Möglichkeit der Übertragung von Rechtssetzungsbefugnissen auf die Exekutive zur Verfügung.67 Ein formelles Gesetzgebungsverfahren ist gerade im Bereich der Kapitalmärkte regelmäßig zu schwerfällig, um auf die raschen Veränderungen angemessen reagieren zu können.68 Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung ___________ 63

Vgl. Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drs. 15/8017, S. 90. Dazu Benner, ZRP 2001, 450, 451 f. sowie die Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8017, S. 64. 65 So auch Lenzen, ZBB 2002, 279, 286; Dreyling, in: von Rosen (Hrsg.), Aktienmarkt, S. 13, 17. 66 So Altenhain, BB 2002, 1874, 1876. 67 Brenner, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 80 Rn. 8. 68 Lenzen, ZBB 2002, 279, 286. Insofern ist der Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8017, S. 90 zuzustimmen. – Schon Jellinek, Gesetz, S. 369, hat auf die Unmöglich64

B. Verordnungsermächtigung, § 20a V WpHG

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für eine formell-gesetzliche Generalklausel in Verbindung mit deren näherer Ausgestaltung durch eine Rechtsverordnung ein angemessener Ausgleich zwischen Rechtssicherheit auf der einen und flexibler und wirkungsvoller Manipulationsbekämpfung auf der anderen Seite.

II. Herkunft

Die Konkretisierung eines Verbotstatbestandes durch eine Rechtsverordnung ist keine Erfindung des deutschen Gesetzgebers, sondern stellt lediglich eine Adaption europäischer und internationaler Vorbilder dar. Im US-amerikanischen Kapitalmarktrecht ermöglichen es der SA und der SEA seit 1933 bzw. 1934 der zuständigen Aufsichtsbehörde (SEC), im Verordnungswege Vorschriften zu erlassen, um schnell und flexibel auf neue, noch nicht im Gesetz berücksichtigte Manipulationstechniken zu reagieren, diese zu untersagen und damit jederzeit effektiv gegen Manipulationen vorgehen zu können.69 Die SEC hat seitdem von dieser Befugnis regen Gebrauch gemacht und eine Vielzahl derartiger rules erlassen, wobei sich erwiesen hat, daß gerade diese Befugnis ein wichtiger Beitrag zur Verhinderung von Manipulationen war.70 Gleichfalls aus dem US-amerikanischen Recht stammt die Möglichkeit, Fälle zu definieren, die keinesfalls unter die Verbotsnorm fallen, sog. safe harbors.71 Diese Techniken hat auch der europäische Gesetzgeber aufgegriffen. Bereits im Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie über InsiderGeschäfte und Marktmanipulationen (Marktmissbrauch) vom 30. Mai 200172 war ein ähnliches Regelungsmodell vorgesehen und wurde auch in die endgültige Richtlinie (MMRL) übernommen. Dabei wird die Kommission unter Beratung durch zwei von ihr einzusetzende Fachausschüsse im sog. KomitologieVerfahren nähere Spezifikationen festlegen (Art. 1 a.E. MMRL) und safe___________ keit hingewiesen, jeden Sachverhalt in Gesetzesform regeln zu können: „[...] ist das Gesetz doch in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle eine abstrakte Regel, welche nicht die Flexibilität besitzt, sich den rasch wechselnden concreten Bedürfnissen des Staates anzupassen. Der Apparat der Gesetzgebung ist viel zu schwerfällig, um in jedem Falle mit der nöthigen Schnelligkeit das Geeignete zu verfügen.“. Als geeignetes Mittel sah Jellinek die Verordnung, wobei er nachdrücklich darauf hinwies, daß diese weder gegen das Gesetz verstoßen noch aus eigener Machtvollkommenheit einen Akt der Gesetzgebung „supplieren“ [etwas ergänzen, hinzufügen, J.E.] dürfte: „Das Verordnungsrecht darf nur secundum und intra legem geübt werden.“ (S. 371). 69 Lowenfels/Bromberg, 55 Alb. L. Rev. 293, 294 f. (1991). 70 Vgl. Lenzen, WM 2000, 1131, 1134 f.; Hopt/Baum, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 441 f. 71 Vgl. Lenzen, WM 2000, 1131, 1135. 72 KOM (2001) 281 endg., ABl. EG 2001 C 240 E, S. 265-271.

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5. Kap.: Verfassungsrechtliche Vorgaben

harbor-Regeln für den Handel mit eigenen Aktien im Rahmen von Rückkaufprogrammen sowie Kursstabilisierungsmaßnahmen (Art. 8 MMRL) erlassen.73 Diese Regelungen des Richtlinienentwurfes hatte der deutsche Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des 4. FMFG vor Augen und in der Verordnungsermächtigung des § 20a V WpHG (= § 20a II WpHG [4. FMFG]) umgesetzt.

III. Ermächtigungsadressat

1. Erstdelegation Die Ermächtigung zum Erlaß der Rechtsverordnung wird zunächst dem Bundesministerium der Finanzen, genauer wäre dem Bundesminister der Finanzen, erteilt und hält sich damit im Kreise der zulässigen Erstdelegatare (vgl. Art. 80 I 1 GG). Der Verordnungserlaß bedarf der Zustimmung des Bundesrates.74 Zur Begründung hierfür wurde angeführt, daß zur Überwachung der Börsen und des ordnungsgemäßen Handels die Börsenaufsichtsbehörden auf der Grundlage des Börsengesetzes (vgl. § 1 IV BörsG) zuständig seien und es daher sachgerecht sei, die das Verbot konkretisierende Verordnung in enger Abstimmung mit den Ländern zu erlassen.75 Ob es hierfür notwendig war, den Bundesrat einzubeziehen, ist zweifelhaft. Der Beschleunigung des Verordnungserlasses dürfte dies jedenfalls kaum dienlich sein.76 Näher hätte bereits auf dieser Stufe eine Koordinierung mit den zuständigen Landesbehörden, eben den Börsenaufsichtsbehörden, gelegen, denn diese sind – wie die eben zitierte Gesetzesbegründung zu Recht bemerkt – mit dem täglichen Handelsgeschehen und den eventuellen Manipulationen unmittelbar befaßt. Insofern bleibt im Dunkeln, warum daraus nicht die richtige Konsequenz gezogen, sondern statt dessen der formelle und langwierigere Weg über den Bundesrat gewählt wurde. Die direkte Abstimmung mit den Börsenaufsichtsbehörden wäre verfassungsrechtlich unbedenklich und insbesondere kein Verstoß gegen das Verbot der gemischten Gesetzgebung durch Bundes- und Landesorgane, wenn und soweit sich die Mitwirkung der Länder auf eine Informations- und Anhörungsfunktion beschränkte.77 ___________ 73 Zum Komitologieverfahren im Rahmen der MMRL Dier/Fürhoff, AG 2002, 604 f.; Grimme/von Butlar, WM 2003, 901, 904 f.; ferner o. 4. Kap. A IV (S. 156). 74 Anders noch der ursprüngliche RegE 4. FMFG (BT-Drs. 14/8017, S. 27). Das Zustimmungserfordernis wurde im Rahmen der Beratung im Finanzausschuß in den Entwurf eingefügt (s. Beschlußempfehlung Finanzausschuß 4. FMFG, BT-Drs. 14/8600, S. 60). 75 Siehe Bericht Finanzausschuß 4. FMFG, BT-Drs. 14/8601, S. 20. 76 So auch Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 8. 77 Vgl. eingehend zum Problem der „förderativen Sperre“ unten B III 2 b (S. 189).

B. Verordnungsermächtigung, § 20a V WpHG

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2. Subdelegation, § 20a V 2 WpHG Der Bundesminister der Finanzen wird zudem ermächtigt, die Verordnungsermächtigung an die BaFin weiterzureichen. Da Adressat einer Subdelegation nicht nur eine in Art. 80 I 1 GG genannte Instanz sein kann78, ist die Übertragung an die BaFin, einer Bundesanstalt des öffentlichen Rechts (§ 1 I FinDAG) unbedenklich.79 Die Subdelegation wirkt dabei lediglich zuschiebend, nicht hingegen abschiebend, was bedeutet, daß der Bundesminister der Finanzen weiterhin zum eigenen Erlaß einer Verordnung ermächtigt bleibt.80 Durch die Möglichkeit zur Subdelegation auf die BaFin soll es ermöglicht werden, (noch) schneller auf neue Manipulationstechniken reagieren zu können.81 Dies ist durchaus naheliegend, da in der BaFin, einer speziell auch für die Aufsicht über die Kapitalmärkte geschaffenen Behörde82, die für diese Aufgabe notwendige Kompetenz vorhanden ist. Die in der Sache nachdrücklich zu begrüßende Subdelegationsmöglichkeit des § 20a V 2 WpHG wirft aber in ihrer hier erfolgten Ausgestaltung erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel auf. Zum einen ist fraglich, ob die Subdelegation und die von der BaFin zu erlassende Rechtsverordnung jeweils auch der Bundesratszustimmung bedürfen und zum anderen, ob die Bindung an das Einverständnis der Börsenaufsichtsbehörden der Länder verfassungsrechtlich zulässig ist.

a) Bundesratszustimmungserfordernis Die Zustimmung des Bundesrates ist ausdrücklich nur für den Erlaß der konkretisierenden Verordnung durch den Bundesminister der Finanzen angeordnet. Hinsichtlich der Subdelegation und des Verordnungserlasses durch den Subdelegatar hingegen schweigt das Gesetz. Bei unbefangener Betrachtung könnte man dies dahingehend verstehen, daß dem Bundesrat hier kein Mitwirkungsrecht zukommt, zumal die Länderbelange durch die ausdrücklich angeordnete Beteiligung der Börsenaufsichtsbehörden der Länder gewahrt sein könnten. ___________ 78

Stern, Staatsrecht, II, § 38 III 2; Wilke, AöR 98 (1973), 196, 223. Die Fähigkeit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts Subdelegatar zu sein, ist allg. anerkannt, vgl. Lücke, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 80 Rn. 32. 80 Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 80 Rn. 43.; a.A. Brenner, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 80 Rn. 57. 81 Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8017, S. 90. 82 Errichtet durch das Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz – FinDAG), BGBl. I 2002, S. 1310. 79

188

5. Kap.: Verfassungsrechtliche Vorgaben

Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen Verordnungen grundsätzlich in den in Art. 80 II GG geregelten Fällen, namentlich, wenn das ermächtigende Gesetz selbst dessen Zustimmung bedarf (Art. 80 II Halbs. 2 Var. 1 GG). Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts besteht die Zustimmungsbedürftigkeit auch dann, wenn die Ermächtigung und die unter ihr erlassenen Normen die Zustimmungsbedürftigkeit des ermächtigenden Gesetzes nicht ausgelöst haben.83 Folgt man dieser Ansicht, so ist die nach § 20a V 1 WpHG zu erlassende Rechtsverordnung gem. Art. 80 II Halbs. 2 Var. 1 GG zustimmungsbedürftig (der Gesetzeswortlaut insofern also nur deklaratorisch), weil das 4. FMFG selbst zustimmungsbedürftig war. Die Subdelegation wäre somit zustimmungsbedürftig. Nach ganz überwiegender Ansicht erstreckt sich das Zustimmungserfordernis auch auf die von Subdelegataren erlassene Rechtsverordnung.84 Das Zustimmungsrecht des Bundesrates folgt damit der Verordnungsbefugnis. Damit wäre auch die von der BaFin zu erlassende Verordnung zustimmungspflichtig, obwohl dies im Wortlaut von § 20a V 3 WpHG nicht vorgesehen ist und wohl auch nicht beabsichtigt war. Daran kann auch die von Jekewitz zur Begründung seiner gegenteiligen Ansicht angeführte anders lautende Rechtspraxis nichts ändern, denn diese kann verfassungswidrig sein und einen Verfassungsverstoß ohnehin nicht legitimieren.85 Freilich kann das Zustimmungsbedürfnis des Bundesrates in jedem Fall durch ein (seinerseits zustimmungspflichtiges86) Gesetz beseitigt werden.87 Jedoch darf dies nur im Einzelfall, und nicht etwa generell geschehen.88 Man wird deshalb wohl eine ausdrückliche Gesetzesäußerung verlangen müssen. Würde man dem bloßen Schweigen des Gesetzes in Bezug auf die Bundesratsbeteiligung bereits deren konkludente Aufhebung entnehmen, würde man Art. 80 II GG jeglichen Anwendungsbereiches berauben. Das Grundgesetz könnte sich eine Norm sparen, die durch bloße Nichtbeachtung durch den einfachen Gesetzgeber rechtmäßig (!) derogiert würde. Zwar ließe sich darüber nachdenken, ob die ausdrückliche Statuierung eines Zustimmungsvorbehaltes einer anderen Stelle zugleich das Erfordernis einer Zustimmung des Bundesrates entfallen läßt. Ebenso könnte der Bundesrat durch die erstmalige Zustim___________ 83 BVerfGE 24, 184, 194 ff. – Apostillenbeschluß; a.A. Wilke, AöR 98 (1973), 196, 225 f.; Ossenbühl, AöR 99 (1974), 369, 434-436; Lücke, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 80 Rn. 34. 84 Nierhaus, in: Bonner Komm. GG, Art. 80 Rn. 744 m.w.N.; a.A. neuerdings Jekewitz, RuP 1993, 72. 85 Nierhaus, in: Bonner Komm. GG, Art. 80 Rn. 746. 86 BVerfGE 28, 66, 76 f.; a.A. Lücke, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 80 Rn. 36 m.w.N. 87 Allg. Meinung, vgl. Brenner, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 80 Rn. 76 m.w.N. 88 Nierhaus, in: Bonner Komm. GG, Art. 80 Rn. 731.

B. Verordnungsermächtigung, § 20a V WpHG

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mung bereits vorab konkludent auf weitere Zustimmungsrechte verzichtet haben.89 Jedoch ist gerade in derart sensiblen Bereichen wie der Ausgestaltung eines Straf- und Ordnungswidrigkeitentatbestandes im Hinblick auf die Rechtssicherheit der strengsten Auslegung zu folgen. Danach bedarf nach geltendem Recht auch die von der BaFin zu erlassende Rechtsverordnung der Zustimmung des Bundesrates. Gleichwohl ist es dem Gesetzgeber unbenommen, bei einer zukünftigen Änderung dies ausdrücklich auszuschließen.

b) Einvernehmenserfordernis Das Gesetz sieht ausdrücklich (§ 20a V 3 WpHG) vor, daß die BaFin, eine Behörde des Bundes, bei Erlaß einer Verordnung im Einvernehmen mit den Börsenaufsichtsbehörden der Länder handeln muß.90 In der allgemeinen Gesetzessprache bedeutet Einvernehmen, die vorherige Zustimmung der anderen Stelle einzuholen.91 Daraus wird konsequent gefolgert, daß jede Börsenaufsichtsbehörde ein Vetorecht hätte.92 Aus einer Reihe von Gründen ist diese Auslegung jedoch zweifelhaft. Zunächst sprechen verfassungsrechtliche Argumente gegen ein Zustimmungserfordernis. Nach ganz überwiegender Auffassung ist außerhalb der verfassungsrechtlichen Vorgaben eine gemischte Bund-Länder-Rechtssetzung unzulässig.93 Diese „förderative Sperre“ (Wilke) schließt es aus, daß Bundes- und Landesorgane zum gemeinschaftlichen Erlaß von Rechtsverordnungen ermächtigt werden.94 Nichts anderes aber kann gelten, wenn derartige Zustimmungserfordernisse statuiert werden. Obwohl der Zustimmungsberechtigte vordergründig keinen Einfluß auf den Inhalt zu haben scheint, kann er dennoch jedes Vorhaben mittels seines Vetorechts endgültig verhindern. Aus diesem Grunde sind auch Zustimmungserfordernisse, die Bundes- und Landesorgane in verfassungswidriger Weise miteinander verknüpfen, unzulässig.95 Ohne weiteres zulässig ist es ___________ 89

So Nierhaus, in: Bonner Komm. GG, Art. 80 Rn. 746. Der ursprüngliche RegE 4. FMFG (BT-Drs. 14/8017, S. 27) enthielt das Einvernehmenserfordernis nicht. Es wurde erst im Rahmen der Beratung im Finanzausschuß in den Entwurf eingefügt (s. Beschlußempfehlung Finanzausschuß 4. FMFG, BT-Drs. 14/8600, S. 60). 91 Vgl. Creifelds, Rechtswörterbuch, Stichwort „Einvernehmen“. 92 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 8. 93 Lepa, AöR 105 (1980), 337, 358 f.; Lücke, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 80 Rn. 17 m.w.N. 94 Wilke, in: v. Mangoldt/Klein, GG2, Art. 80 Anm. V 5 b und V 6 d; Jarass/Pieroth, GG, Art. 80 Rn. 8; Lepa, AöR 105 (1980), 337, 358 f.; Ramsauer, in: Alternativ-Komm. GG, Art. 80 Rn. 43. 95 Nierhaus, in: Bonner Komm. GG, Art. 80 Rn. 238; Wilke, in: v. Mangoldt/Klein, GG2, Art. 80 Anm. V 6 d; Stern, Staatsrecht, II, § 38 III 1 d; Ramsauer, in: Alternativ90

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5. Kap.: Verfassungsrechtliche Vorgaben

hingegen, wenn sonstige Organe (Behörden, Vereine etc.) oder sogar Private lediglich beratend beteiligt, angehört werden müssen o. ä., nicht aber verbindlich Einfluß auf die Verordnung nehmen können, also entscheidend tätig werden.96 Diese förderative Sperre gilt auch für eine im Gesetz vorgesehene Subdelegation.97 Die Subdelegatare unterliegen hinsichtlich der Kooperation mit anderen Stellen den gleichen Anforderungen wie die Erstdelegatare. Aus diesem Grunde ist es unzulässig, den Erlaß der Rechtsverordnung durch die BaFin von der Zustimmung der Börsenaufsichtsbehörden der Länder abhängig zu machen. Keinen Bedenken begegnete es hingegen, wenn die Verordnung im Benehmen mit den Börsenaufsichtsbehörden der Länder zu erlassen wäre. Diese müßten dann in die Vorarbeiten einbezogen, ihnen müßte Gelegenheit zur Äußerung gegeben und die vorgetragenen Punkte müßten sachgerecht berücksichtigt werden.98 Das Letztentscheidungsrecht läge jedoch ausschließlich bei der BaFin und die Börsenaufsichtsbehörden hätten kein Vetorecht. Diese Form der Kooperation wäre verfassungsrechtlich unbedenklich, praktisch durchführbar und würde den beabsichtigten Zweck der angemessenen Beteiligung der Länder an der Ausgestaltung des Verbotes der Marktmanipulation erfüllen. Um der Subdelegationsermächtigung des § 20a V WpHG das Verdikt der Verfassungswidrigkeit zu ersparen, ist der in Satz 3 verwendete Begriff des Einvernehmens verfassungskonform im Sinne eines bloßen Benehmens zu interpretieren. Nicht zuletzt sprechen auch praktische Erwägungen gegen die Annahme eines Zustimmungserfordernisses. Immerhin gibt es 16 Börsenaufsichtsbehörden, die teils völlig unterschiedliche Börsenformen zu betreuen haben.99 Dies dürfte es in der Praxis erschweren, einen allen gerecht werdenden Konsens100 zu finden. Damit aber würde die mit der Subdelegation auf die BaFin beabsichtigte ___________ Komm. GG, Art. 80 Rn. 48; angedeutet, jedoch mangels Entscheidungserheblichkeit ausdr. offengelassen in BVerfGE 11, 77, 88; a.A. hinsichtlich der Zustimmungsbedürftigkeit einer Bundesverordnung durch die Landesregierung Bryde, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Art. 80 Rn. 18. 96 Bauer, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 80 Rn. 25; Bryde, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Art. 80 Rn. 19. 97 Nierhaus, in: Bonner Komm. GG, Art. 80 Rn. 260; Ramsauer, in: AlternativKomm. GG, Art. 80 Rn. 46. 98 Vgl. Creifelds, Rechtswörterbuch, Stichwort „Einvernehmen“. 99 Siehe hierzu http://www.boersenaufsicht.de. – Das Spektrum reicht von der Strombörse EEX (Leipzig) über die bloße Überwachung von Betreibern elektronischer Handelssysteme (Erfurt, Kiel, Magdeburg, Mainz, Potsdam, Sarbrücken, Schwerin) bis hin zu klassischen Wertpapier- und Warenterminbörsen (Berlin, Bremen, Düsseldorf, Frankfurt a.M., Hamburg, Hannover, München, Stuttgart). 100 Bloße Mehrheitsfähigkeit genügt dabei nicht.

B. Verordnungsermächtigung, § 20a V WpHG

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weitere Beschleunigung der Reaktionsfähigkeit auf neue Manipulationstechniken101 konterkariert.

3. Initiativrecht des Bundesrates Das Zustimmungserfordernis des Bundesrates räumt diesem zugleich ein Vorschlagsrecht ein, Art. 80 III GG. Obwohl nicht selbst Delegatar im Sinne des Art. 80 I GG, hat er damit ein Verordnungsinitiativrecht. Aus dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue ergibt sich die Pflicht der Bundesregierung, über die Bundesratsvorlagen binnen angemessener Frist zu entscheiden.102 Eine Verpflichtung, eine der Vorlage entsprechende oder überhaupt eine Rechtsverordnung zu erlassen, folgt daraus jedoch nicht.103 Im Ergebnis ergeben sich daraus also keinerlei materielle Kompetenzen für den Bundesrat, sondern er kann lediglich Anstöße liefern und ist nicht mehr wie bisher auf bloße Reaktion beschränkt.104

IV. Keine Pflicht zum Verordnungserlaß

Eine Verordnungsermächtigung begründet grundsätzlich keine Pflicht zum Tätigwerden der ermächtigten Stelle. Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn das ermächtigende Gesetz eine entsprechende Pflicht statuiert, die gesetzliche Regelung ohne die Verordnung nicht praktiziert werden kann oder das Untätigbleiben des Verordnungsgebers einen Verstoß gegen Art. 3 GG darstellte.105 Vorliegend besteht weder eine Verpflichtung zum Verordnungserlaß durch das ermächtigende Gesetz („kann ... erlassen“) noch ist § 20a I 1 WpHG ohne die konkretisierende Verordnung nicht anwendbar. Schließlich ist auch kein Anhaltspunkt für einen Verstoß gegen das Gleichheitsgebot erkennbar, wenn die Verordnung nicht erlassen werden würde. Es besteht deshalb keine Verpflichtung zum Erlaß der Rechtsverordnung nach § 20a V 1 WpHG.106

___________ 101

Vgl. Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8017, S. 90. Bauer, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 80 Rn. 47 m.w.N. 103 Lücke, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 80 Rn. 46. 104 Brenner, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 80 Rn. 101. 105 BVerfGE 78, 249, 272 ff.; Bauer, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 80 Rn. 41; Nierhaus, in: Bonner Komm. GG, Art. 80 Rn. 344-346. 106 So auch Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 12. 102

5. Kap.: Verfassungsrechtliche Vorgaben

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V. Materielle Anforderungen an die Verordnungsermächtigung (Art. 80 I 2, 103 II, 104 I 1 GG)

Die Übertragung von Rechtssetzungsbefugnissen an die Exekutive ist nicht schrankenlos, sondern unterliegt mehreren materiellen Bindungen. Die formellgesetzliche Verordnungsermächtigung muß namentlich den Anforderungen der Wesentlichkeitstheorie sowie dem Bestimmtheitsgebot genügen.

1. Wesentlichkeitstheorie Die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Wesentlichkeitsdoktrin betrifft die Frage, ob und bejahendenfalls wie weit eine Materie der Exekutive zur Regelung überantwortet werden darf. Sämtliche Entscheidungen, die wesentlich für die Grundrechtsverwirklichung sind, sind dem im Rechtsstaatsprinzip und im Demokratiegebot wurzelnden Parlamentsvorbehalt unterworfen und damit einer Regelung durch Parlamentsgesetz vorbehalten.107 Der Gesetzgeber muß deshalb die für die Verwirklichung und Ausübung von Grundrechten grundlegenden normativen Regelungen und die für das Gemeinwesen besonders bedeutsamen Entscheidungen selbst treffen.108 Für den hier relevanten Bereich des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts sind die Anforderungen aufgrund der Art. 103 II, 104 I 1 GG besonders streng. Die Voraussetzungen der Strafbarkeit sowie die Art und Schwere der Strafe müssen in einem formellen (Parlaments-)Gesetz enthalten sein; der Exekutive kann jedoch die Regelung gewisser Spezifikationen überlassen werden.109 Im Ergebnis ist es dem Gesetzgeber somit nicht grundsätzlich verwehrt, eine Verordnungsermächtigung zu erteilen, solange der zu spezifizierende gesetzliche Tatbestand selbst hinreichend bestimmt ist. Dies wurde für § 20a I 1 WpHG bereits bejaht. Zudem muß die Verordnungsermächtigung die Grenzen für den Verordnungsgeber hinreichend deutlich machen, also Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung aufzeigen. Für den konkreten Fall bedeutet das, daß der Parlamentsvorbehalt, obwohl nicht deckungsgleich mit dem Bestimmtheitsgebot, hier jedenfalls kein Mehr an gesetzgeberischer Regelung fordert als dieses.110 Insofern erfüllt eine dem nachfolgend darzustellenden Bestimmtheitsgebot genügende Verordnungsermächtigung zugleich den Parlamentsvorbehalt. ___________ 107

St. Rspr., vgl. BVerfGE 101, 1, 34 m.w.N.; BVerfG, NJW 1998, 669, 670. Bauer, in Dreier (Hrsg.), GG, Art. 80 Rn. 19; Brenner, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck (Hrsg.), GG, Art. 80 Rn. 29 f. 109 Vgl. zum Gesetzesvorbehalt ausf. bereits o. A I (S. 171). 110 So offenbar für jeden Fall das BVerfGE 56, 1, 21, was jedoch nicht ganz zutreffend sein dürfte, vgl. ausf. Cremer, AöR 122 (1997), 248-267; Ziekow, JZ 1999, 963, 965 f. 108

B. Verordnungsermächtigung, § 20a V WpHG

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2. Bestimmtheitsgebot Nach Art. 80 I 2 GG muß das Gesetz Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Verordnungsermächtigung bestimmen. Daraus wird von der Rechtsprechung und der überwiegenden Literatur ein einheitlich verstandenes Bestimmtheitsgebot abgeleitet.111 Dieses verpflichtet den Gesetzgeber, im formellen Gesetz selbst die Entscheidung darüber zu treffen, welche Fragen durch die Rechtsverordnung geregelt werden sollen; er muß die Grenzen einer solchen Regelung festsetzen und angeben, welchem Ziel die Regelung dienen soll.112 Es muß sich aus dem Gesetz ermitteln lassen, welches vom Gesetzgeber gesetzte Programm durch die Rechtsverordnung erreicht werden soll,113 so daß der Bürger schon aus dieser Rechtsnorm ersehen kann, in welchen Fällen und mit welcher Tendenz von der Ermächtigung Gebrauch gemacht werden wird und welchen Inhalt die aufgrund der Ermächtigung erlassene Rechtsverordnung haben kann.114 Die Regelungen sind so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist.115 Der Grad der Bestimmtheit läßt sich dabei nicht abstrakt festlegen, sondern nur in Bezug auf die beabsichtigte Ermächtigung. Im Grundsatz steigen die Anforderungen mit der Bedeutung der Regelungsmaterie und/oder dem Umfang der grundrechtsrelevanten Auswirkungen.116 Andererseits sind sie bei vielgestaltigen Sachverhalten oder solchen, bei denen eine alsbaldige Änderung der tatsächlichen Verhältnisse zu erwarten ist, geringer.117 Im übrigen genügt es, wenn sich die notwendige Bestimmtheit im gesamten, aus der Ermächtigungsnorm und weiteren Vorschriften bestehenden Gesetzeswerk niederschlägt und durch Auslegung ermittelt werden kann.118 Ein Höchstmaß an Bestimmtheit ist bei der Ausgestaltung von Straftatbeständen geboten, weil dort schon die Art. 103 II, 104 I 1 GG zwingend erfordern, daß die Voraussetzungen der Strafbarkeit sowie Art und Maß der Strafe vom parlamentarischen Gesetzgeber bestimmt und nicht der Exekutive überlassen werden.119 Dem Verordnungsgeber dürfen lediglich gewisse Spezifizierun___________ 111

Vgl. Brenner, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 80 Rn. 32 m.w.N. BVerfGE 2, 307, 334; 23, 62, 72 (sog. Selbstentscheidungsformel). 113 BVerfGE 5, 71, 77; 58, 257, 277 (sog. Programmformel). 114 BVerfGE 1, 14, 60; 56, 1, 12 (sog. Vorhersehbarkeitsformel). 115 BVerfGE 49, 168, 181; 62, 203, 210. 116 BVerfGE 62, 203, 210; Brenner, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 80 Rn. 34 f. 117 BVerfGE 8, 274, 326; 58, 257, 278. 118 Lücke, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 80 Rn. 28 m.w.N. 119 BVerfGE 75, 329, 342; 78, 374, 382; BVerfG, NJW 1998, 669, 670. 112

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5. Kap.: Verfassungsrechtliche Vorgaben

gen des Tatbestandes überlassen werden, insbesondere, wenn wechselnde und mannigfaltige Einzelregelungen erforderlich werden können.120 Im Strafrecht gelten diese Anforderungen in gleicher Weise bereits für die Bestimmtheit des formell-gesetzlichen Tatbestandes.121 Die Verordnungsermächtigung muß deshalb auf die Spezifizierung eines bereits seinerseits hinreichend bestimmten Tatbestandes beschränkt sein. Wenn aber der Rechtsanwender schon aus dem formell-gesetzlichen Tatbestand (§ 20a I 1 WpHG) hinreichend bestimmt die Voraussetzungen der Strafbarkeit entnehmen kann, folgt daraus im Umkehrschluß, daß auch die Verordnungsermächtigung jedenfalls dann hinreichend bestimmt ist, wenn sie die gleichen Tatbestandsmerkmale wie der formellgesetzliche Tatbestand verwendet. Dieser Zusammenhang wird in den die hinreichende Bestimmtheit des § 20a V 1 WpHG verneinenden Stellungnahmen zumeist nicht hinlänglich berücksichtigt. Vor allem darf die Frage nach der hinreichenden Bestimmtheit der Ermächtigungsnorm nicht mit der verwechselt werden, ob sich eine darunter erlassene Rechtsverordnung innerhalb der durch die Ermächtigung gesteckten Grenzen hält. Tut sie das nicht, ist sie rechtswidrig und nichtig. Sie macht die Ermächtigung selbst aber nicht etwa verfassungswidrig.122 Wenn also die MaKonV (teilweise) über die ihr durch Ermächtigungsnorm und Grundgesetz gesteckten Grenzen hinausgegangen sein sollte – was beispielsweise für die Kodifizierung des Scalpings behauptet wird123, jedoch eher für das Ausnutzen einer marktbeherrschenden Stellung gem. § 4 III Nr. 1 MaKonV (cornering/abusive squeeze) zu bejahen sein dürfte124 – , so ist diese rechtswidrig und nichtig; auf die Verfassungsmäßigkeit von § 20a V WpHG hat dies dagegen keinen Einfluß. Diesen Anforderungen an die Bestimmtheit genügt § 20a V WpHG, und zwar sowohl hinsichtlich der Erstdelegation an den Bundesminister der Finanzen sowie auch hinsichtlich der Subdelegationsbefugnis auf die BaFin.125 § 20a V Nr. 1, 2 und 3 WpHG beinhalten je ein Tatbestandsmerkmal aus § 20a I 1 Nr. 1, Nr. 2 bzw. Nr. 3 WpHG, deren hinreichende Bestimmtheit be___________ 120

BVerfGE 75, 329, 342; 78, 374, 383; BVerfG, NJW 1998, 669, 670. Vgl. dazu o. A II (S. 172). 122 Vgl. BVerfGE 101, 1, 30. 123 Vgl. Moosmayer, wistra 2002, 161, 169. 124 In diese Richtung auch Rückert/Kuthe, BKR 2003, 647 f.; Weber, NZG 2004, 23, 28 (beide zum insoweit identischen § 3 III Nr. 1 KuMaKV). Näher dazu u. 7. Kap. C V (S. 314). 125 Lenzen, ZBB 2002, 279, 286; Möller, WM 2002, 309, 314; ferner Schwark, FS Kümpel, S. 485, 488; Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, Vor § 20a Rn. 21 f.; Ziouvas/Walter, WM 2002, 1483, 1487; a.A. aber Moosmayer, wistra 2002, 161, 169; Schmitz, ZStW 115 (2003), 501, 528; Trüstedt, Verbot, S. 161-163; Gotzens/ Wegner, FAZ v. 6. April 2002, S. 21; wohl auch Altenhain, BB 2002, 1874, 1986; zweifelnd hinsichtlich § 20a II Nr. 2 WpHG a.F. auch Park, BB 2003, 1513, 1516; Tripmaker, wistra 2002, 288, 292. 121

B. Verordnungsermächtigung, § 20a V WpHG

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reits festgestellt wurde. Zu deren Konkretisierung darf der Verordnungsgeber „nähere Bestimmungen“ über die Auslegung dieser Begriffe erlassen. Damit sind Inhalt und Zweck der Verordnungsermächtigung erkennbar. Das Ausmaß der Ermächtigung, also die von der Exekutive zu beachtenden Grenzen, ergibt sich unmittelbar aus der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 103 II, 104 I 1 GG, nach der lediglich gewisse Spezifizierungen zulässig sind. Der Gesetzgeber hat damit die Entscheidung über eine Regelung und ihre Grenzen selbst getroffen und der Normadressat kann genau vorhersehen, in welchem Rahmen und mit welcher Tendenz sich die Normsetzung durch die Exekutive bewegen wird. Etwas anderes könnte sich hingegen für § 20a V Nr. 4 und Nr. 5 WpHG ergeben, weil dort nicht auf bereits bekannte Tatbestandsmerkmale Bezug genommen wird, sondern allgemein die Ermächtigung zum Erlaß von Bestimmungen über zulässige Marktpraktiken sowie Verhaltensweisen, die in keinem Falle einen Verstoß gegen § 20a I 1 WpHG darstellen, gegeben wird.126 Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß diese Verordnungsermächtigung ausschließlich zugunsten des Betroffenen wirkt, weil sie den Bereich der Strafbarkeit eingrenzt und nicht ausweitet. Weil deshalb keine grundrechtsrelevante Beeinträchtigung eintreten kann, sind die Anforderungen an die Bestimmtheit, trotzdem es sich um strafrechtliche Regelungen handelt, wesentlich geringer.127 Insofern können die Spezifizierungen größer ausfallen.

3. Sonstige Anforderungen Auch die weiteren gegen die Verfassungsmäßigkeit der Verordnungsermächtigung vorgebrachten Argumente überzeugen sämtlich nicht. Weder weist Art. 74 GG die Kompetenz für das Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht dem Parlament zu128, sondern regelt allein die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern. Noch ist es bereits von vornherein bedenklich, daß dieselbe Behörde, die die konkretisierende Rechtsverordnung erläßt, anschließend auch zu deren Durchsetzung und Ahndung berufen ist.129 Dies ist der Übertragung von Gesetzgebungsbefugnissen auf die Exekutive eigen und deshalb existieren die grundrechtlichen Sicherungsmaßnahmen, insbesondere der Art. 80 I 2, 103 II, 104 I 1 GG. ___________ 126 Nach Kutzner, WM 2005, 1401, 1406, genügt § 20a II i.V.m. § 20a V Nr. 5 WpHG nicht dem Bestimmtheitsgebot. 127 Schwark, FS Kümpel, S. 485, 488; allg. dazu BVerfGE 23, 62, 73; 62, 203, 210; a.A. hingegen wohl Kutzner, WM 2005, 1401, 1406; Vogel, WM 2003, 2437, 2440. 128 So aber Gotzens/Wegner, FAZ v. 6. April 2002, S. 21. 129 Wiederum Gotzens/Wegner, FAZ v. 6. April 2002, S. 21 sowie Park, BB 2003, 1513, 1516; Pfüller/Anders, WM 2003, 2445, 2448 in Fn. 26.

196

5. Kap.: Verfassungsrechtliche Vorgaben

4. Zwischenergebnis Die Verordnungsermächtigung des § 20a V WpHG berücksichtigt die Wesentlichkeitstheorie und das Bestimmtheitsgebot. Die Vorschrift entspricht damit den verfassungsrechtlichen Anforderungen (insb. Art. 80 I 2, 103 II, 104 I 1 GG). Die hiergegen teilweise vorgetragenen Bedenken sind nicht zutreffend.

VI. Ergebnis

Die gegen die Verfassungsmäßigkeit von § 20a WpHG vorgetragenen Bedenken sind unbegründet. Der Verbotstatbestand (§ 20a I 1 WpHG) ist trotz seiner weiten Formulierung selbst hinreichend bestimmt, so daß die Voraussetzungen der Strafbarkeit sowie Art und Maß der Strafe in einem formellen Gesetz enthalten sind. Gleiches gilt für die Verordnungsermächtigung (§ 20a V 1 WpHG). Etwaige Unzulänglichkeiten der darunter erlassenen Rechtsverordnung führen zu deren Rechtswidrigkeit, berühren aber nicht die Verordnungsermächtigung selbst. Bedenken begegnet allein die Koppelung des Verordnungserlasses durch die BaFin an das Einvernehmen der Börsenaufsichtsbehörden der Länder. Versteht man dieses entsprechend des üblichen Sprachgebrauchs als Vetorecht, wäre es verfassungswidrig. Das Einvernehmenserfordernis ist deshalb verfassungskonform im Sinne eines bloßen Benehmens, das heißt einer Beteiligung der Länderbehörden an der Rechtssetzung ohne Letztentscheidungs- oder Vetorecht, auszulegen.

C. Auslegung I. Auslegungsgrundsätze

Wie jede andere Rechtsnorm auch, ist das Verbot der Marktmanipulation mit Hilfe der Methoden des klassischen Auslegungskanons (grammatische, historische, systematische und teleologische Auslegung) sowie aufgrund der MMRL auch richtlinienkonform auszulegen. Insoweit es sich um eine Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitennorm handelt, unterliegt diese Auslegung aber strengeren Grenzen als bei der Anwendung nicht straf- bzw. ordnungswidrigkeitenrechtlicher Normen. Zunächst gilt bei der Anwendung das Verbot der strafbegründenden bzw. strafschärfenden Analogie (lex stricta).130 Das an den Gesetzgeber ge___________ 130 Hassemer, in: Nomos Komm. StGB, § 1 Rn. 70 m.w.N.; Rogall, in: Karlsruher Komm. OWiG, § 3 Rn. 51.

C. Auslegung

197

richtete Bestimmtheitsgebot wäre weitgehend bedeutungslos, wenn nicht auch der Richter strikt an das geschriebene Gesetz gebunden wäre. Das Bestimmtheitsgebot wird daher mittels des Analogieverbotes in die Rechtspraxis verlängert. Unzulässig ist deshalb die Anwendung eines Tatbestandes auf einen Sachverhalt, der von ihm nicht mehr erfaßt wird, selbst wenn er ihm ähnlich ist und von seinem Unwert entsprechend sein mag.131 Die Grenze der zulässigen Auslegung markiert stets der noch mögliche Wortsinn der Norm.132 Eine darüber hinausgehende extensive Auslegung steht im Ergebnis der verbotenen Analogie gleich.133 Wenn über diesen Grundsatz auch Einigkeit besteht, ist umstritten, ob dabei bis an die äußerste Grenze der Wortbedeutung gegangen werden darf oder ob sich die Auslegung innerhalb der natürlichen Wortbedeutung halten muß.134 Das kann hier aus dem folgenden Grund jedoch offenbleiben. Die tatbestandliche Weite und die Komplexität der Regelungsmaterie bedingen eine eher restriktive135 Auslegung des Verbotes der Marktmanipulation. Damit ist gemeint, daß bei der Auslegung der Vorschrift nicht bis an die Grenze des möglichen Wortsinns gegangen werden darf, sondern diese auf der Norm eindeutig unterfallende Verhaltensweisen beschränkt ist.136 Diese dem verfassungsrechtlichen Gesetzlichkeitsprinzip geschuldete Auslegungsschranke ist auch bei anderen (wirtschafts-)strafrechtlichen Tatbeständen anerkannt.137 Die genannten Auslegungsgrundsätze gelten auch bei der Anwendung der zur Konkretisierung des Manipulationsverbotes erlassenen Rechtsverordnung nach § 20a V WpHG sowie bei den von § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG in Bezug genommenen Rechtspflichten zur Offenbarung. Bei beiden handelt es sich um Blankettverweise138, bei denen sich das Analogieverbot auch auf die ausfüllenden Vorschriften erstreckt139. ___________ 131

Schmitz, in: Münchener Komm. StGB, § 1 Rn. 55. Allg. Meinung, vgl. BVerfGE 71, 108, 115; 92, 1, 12; BGHSt 22, 235 ff.; 29, 129, 133; Rudolphi, in: System. Komm. StGB, § 1 Rn. 35 m.w.N.; Rogall, in: Karlsruher Komm. OWiG, § 3 Rn. 53. 133 Gribbohm, in: Leipziger Komm. StGB, § 1 Rn. 87. 134 Vgl. hierzu Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 9 Rn. 84-86; Hassemer, in: Nomos Komm. StGB, § 1 Rn. 82 ff. 135 Zu streng aber Sorgenfrei, wistra 2002, 321, 325 sowie ders., in: Park (Hrsg.), Kapitalmarkt-Strafrecht, 4. Abschnitt, Rn. 10: „äußerst restriktive Auslegung der Norm“. 136 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, Vor § 20a Rn. 22. 137 Vgl. Tiedemann, in: Leipziger Komm. StGB, § 264a Rn. 48; Lackner/Kühl, StGB, § 264a Rn. 13. 138 Vgl. o. 4. Kap. C III (S. 168). 139 Rogall, in: Karlsruher Komm. OWiG, § 3 Rn. 61. 132

198

5. Kap.: Verfassungsrechtliche Vorgaben II. Normspaltung

Unter dem Topos der Normspaltung wird die Frage behandelt, ob eine Rechtsvorschrift unterschiedlich auszulegen ist, je nachdem in welchem Rechtsgebiet sie anzuwenden ist, das heißt welche Rechtsfolgen sie hervorbringt.140 Konkret geht es hier dabei darum, ob das Verbot der Marktmanipulation hinsichtlich seiner zivilrechtlichen Folgen (ggf. Schadensersatz, Vertragsnichtigkeit etc.) anders (sc. weiter) auszulegen (und namentlich Analogien zugänglich) ist, als in dem durch das strenge Gesetzlichkeitsprinzip geprägten Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht. Konsequent weitergeführt könnte man schließlich darüber nachdenken, zwischen diesen beiden Polen nicht repressive verwaltungsrechtliche Maßnahmen wie die Überwachung des Verbotes durch die BaFin (vgl. §§ 4 ff. WpHG) anzusiedeln, für die zwar nicht unmittelbar das strenge strafrechtliche Gesetzlichkeitsprinzip gilt, doch aber jedenfalls die allgemeine Gesetzesbindung der Verwaltung. Die Normspaltung betrifft zwei verschiedene Dimensionen. Über die Behandlung der ersten besteht kein Streit. Danach ist die Übernahme extensiver, das heißt über den möglichen Wortsinn hinausgehender Auslegungen sowie jeglicher Form von Analogieschlüssen aus dem Zivilrecht in das Strafrecht ausgeschlossen. Dies folgt ohne weiteres aus den Art. 103 II, 104 I 1 GG, die als äußerste Grenze den noch möglichen Wortsinn einer Vorschrift markieren. Damit ist auch die in manchen Bereichen (namentlich im Steuerrecht) praktizierte „faktische“ oder „wirtschaftliche“ Auslegung jedenfalls für das Strafund Ordnungswidrigkeitenverfahren klar abzulehnen.141 Weniger eindeutig hingegen ist der umgekehrte Fall, also die Frage, ob diese enge Auslegung auf das Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenrecht beschränkt bleibt. Verneinendenfalls wäre eine extensive Auslegung oder analoge Anwendung strafrechtlicher Normen im Zivilrecht, also eine unterschiedliche Auslegung ein und derselben Norm möglich. Tatsächlich gibt es Stimmen, die das Analogieverbot auf das Strafrecht beschränkt sehen, da dieses nur von den Rechtsfolgen der Tat, nämlich der Belastung des Normadressaten (mit Strafe), bestimmt werde.142 Von der überwiegenden Literatur143 wie auch von der ___________ 140

Dazu Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 186 f., 197 f., 204; Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 208 ff. 141 Für das Kartellrecht bereits BGHSt 25, 54, 61 f. – Teerfarbenfall; zur wirtschaftlichen Auslegung ausf. Rittner, Betrachtungsweise. 142 Herrschel, NJW 1968, 533, 534; Karollus, Schutzgesetzverletzung, S. 218 f. m.w.N.; Schmiedel, Deliktsobligationen, S. 239 f.; vorsichtig nahestehend auch von Olshausen, FS Bemmann, S. 125, 129 ff. Auch Cahn, ZHR 162 (1998), 1, 9 f. plädiert für eine Auslegung in Abhängigkeit von der jeweils in Frage stehenden Rechtsfolge. 143 Raisch, Juristische Methoden, Teil IV 6.5.2; Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, § 3 Rn. 4, § 5 Rn. 98; Spickhoff, Gesetzesverstoß, S. 201 f.; Tiedemann, in: Im-

C. Auslegung

199

Rechtsprechung144 wird dies hingegen zu Recht abgelehnt. In den Fällen, in denen an ein und denselben Tatbestand sowohl zivilrechtliche als auch strafrechtliche Sanktionen geknüpft werden, erscheine eine einheitliche Beurteilung der Analogiefrage geboten und sei im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtseinheit unerläßlich.145 Namentlich bei § 823 II BGB hat deshalb die Auslegung der als Schutzgesetz in Betracht kommenden Normen im Rahmen ihres ursprünglichen Zusammenhangs zu erfolgen.146 § 20a WpHG ist deshalb für den Fall, daß man die Vorschrift überhaupt als ein Schutzgesetz in diesem Sinne ansieht147, strafrechtlich auszulegen. Nichts anderes kann dann für weitere zivilrechtliche Folgen (beispielsweise § 134 BGB) gelten. Konsequenterweise muß dies schließlich auch für die Anwendung der §§ 4 ff. WpHG übernommen werden. Der Schwerpunkt der Überwachungstätigkeit der BaFin liegt in der Verfolgung und damit im Ergebnis auch in der Ahndung von begangenen Verstößen. Es machte deshalb keinen Sinn, der Behörde zwar die Ermittlungsbefugnisse bei einem „analogen“ Verstoß gegen § 20a WpHG zu geben, eine Sanktionierung aber anschließend wegen des Analogieverbotes abzulehnen. § 20a WpHG ist deshalb in allen Bereichen einheitlich nach strafrechtlichen Grundsätzen auszulegen und zu handhaben.148

___________ menga/Mestmäcker (Hrsg.), GWB2, Vor § 38 Rn. 27; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, ZugabeVO Rn. 12; Bergmann, AG 1987, 57, 67; R. Fischer, ZGR 1978, 235, 238 f.; Hoth, GRUR 1977, 233, 234 f. 144 BGH, BB 1978, 1487 (zu § 1 III ZugabeVO) m.w.N.; OLG Schleswig, GRUR 1979, 487, 488; angedeutet auch in BVerfGE 21, 292, 305 (zum RabattG); Raisch, Juristische Methoden, Teil IV 6.5.2. 145 So ausdr. der BGH, BB 1978, 1487 (zu § 1 III ZugabeVO) m.w.N. 146 Vgl. Schiemann, in: Erman, BGB, § 823 Rn. 158. 147 Dazu näher u. 8. Kap. B (S. 363). 148 So auch Arlt, Anlegerschutz, S. 105; Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 4; Assmann, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, Einl. Rn. 67.

Sechstes Kapitel

Anwendungsbereich A. Personeller Anwendungsbereich Das Verbot der Marktmanipulation besitzt keine Beschränkung auf einen bestimmten Personenkreis und richtet sich damit im Grundsatz an jedermann. Strafrechtlich handelt es sich somit um ein Allgemeindelikt und nicht um ein Sonderdelikt. Das gilt ohne Einschränkung für § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 1, § 20a I 1 Nr. 2 und Nr. 3 WpHG. Soweit hingegen die Unterlassungsvariante (§ 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG), das Verschweigen von Umständen entgegen bestehender Rechtspflichten, in Rede steht, kann nur derjenige Normadressat sein, den eine entsprechende Handlungspflicht trifft. Wer nicht dieser Rechtspflicht unterliegt, kann strafrechtlich lediglich als Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe, §§ 26, 27 StGB) an einer von einem Pflichtigen begangenen Tat belangt werden.1 Ordnungswidrigkeitenrechtlich hingegen wird er, wenn er mit einem Verpflichteten gemeinsam handelt, wie dieser behandelt (§ 14 I 2 OWiG), kann also trotz fehlender Handlungspflicht mit einem Bußgeld belegt werden. Dabei richtet sich das Verbot der Marktmanipulation nicht nur an natürliche, sondern auch an juristische Personen und sonstige Personenvereinigungen ohne Rücksicht auf deren Rechtsfähigkeit.2 Wie auch beim Insiderhandelsverbot legen weder der Wortlaut der Norm, noch deren Sinn und Zweck eine Beschränkung auf natürliche Personen nahe. Eine Reihe von Manipulationstechniken sind im Gegenteil häufig nur von Unternehmen wirksam anwendbar (beispielsweise Übernahmegerüchte, aber auch handelsgestützte Manipulationen usw.). Die Einbeziehung von juristischen Personen und sonstigen Personenvereinigungen in den Verbotstatbestand hat zur Folge, daß sie selbst möglichen zivilrechtlichen Folgen wie gegebenenfalls Schadensersatz3 und Vertragsnichtig___________ 1

Dabei ist § 28 I StGB zu beachten. Näher u. 8. Kap. A I 2 (S. 334). So auch Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 37. – Diese Auslegung ist auch gemeinschaftsrechtlich zwingend, weil Art. 1 Nr. 6 MMRL als Person im Sinne der Richtlinie ausdrücklich sowohl natürliche als auch juristische Personen nennt. 3 Jedoch nur, wenn man entgegen hier vertretener Ansicht § 20a WpHG als Schutzgesetz im Sinne von § 823 II BGB ansieht, näher u. 8. Kap. B (S. 363). 2

B. Sachlicher Anwendungsbereich

201

keit ausgesetzt sind. Ferner bestehen ihnen gegenüber die Befugnisse der BaFin nach § 4 WpHG. Vor allem aber ist damit die Möglichkeit der Verhängung von Bußgeldern ihnen gegenüber möglich (§ 30 OWiG). Strafrechtliche Konsequenzen für den Verband bestehen hingegen nicht, da – trotz wiederholter Forderungen4 – eine Verbandsstrafe dem gegenwärtigen deutschen Recht unbekannt ist. B. Sachlicher Anwendungsbereich Dem Manipulationsverbot unterliegen alle Finanzinstrumente, sofern sie an einer inländischen Börse zum Handel zugelassen oder in den Geregelten Markt oder in den Freiverkehr einbezogen sind oder in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder des EWR zum Handel an einem Organisierten Markt zugelassen sind (§ 20a I 2 WpHG). Darüber hinaus gilt es für Waren und ausländische Zahlungsmittel im Sinne des § 63 II BörsG, die an einem Organisierten Markt gehandelt werden (§ 20 III WpHG).5

I. Finanzinstrumente

Finanzinstrumente sind nach der Legaldefinition des § 2 IIb WpHG Wertpapiere, Geldmarktinstrumente, Derivate, und Rechte auf Zeichnung von Wertpapieren, zudem sonstige Instrumente, die zum Handel an einem Organisierten Markt im Inland oder der EU zugelassen sind oder für die eine solche Zulassung beantragt ist.6

1. Wertpapiere (§ 2 I WpHG) Eine Legaldefinition des Wertpapierbegriffes enthält § 2 I WpHG. Während es im klassischen Wertpapierrecht um die Begründung, Übertragung und Geltendmachung von Rechten aus Wertpapieren geht, steht beim WpHG die Ordnung der marktlichen Rahmenbedingung von Finanzierungsbeziehungen und die Aufsicht darüber im Vordergrund. Es bedarf daher eines an diesen Zwecken ausgerichteten kapitalmarktrechtlichen Begriffes.7 ___________ 4

Vgl. Radtke, in: Münchener Komm. StGB, § 14 Rn. 123 m.w.N. Der Anwendungsbereich entspricht damit weitgehend dem von § 20a WpHG in der Fassung des 4. FMFG. 6 § 2 IIb WpHG setzt Art. 1 Nr. 3 MMRL um (vgl. Begr. RegE AnSVG, BT-Drs. 15/3184, S. 29). 7 Assmann, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 2 Rn. 3; Beck, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 2 WpHG Rn. 3. 5

202

6. Kap.: Anwendungsbereich

Anders als der klassische Wertpapierbegriff8, der noch bei § 88 BörsG Anwendung fand9 und nach wie vor für § 264a StGB gilt10, verzichtet der im WpHG verwandte Wertpapierbegriff entsprechend der gesetzlichen Zielrichtung ausdrücklich auf eine urkundliche Verbriefung des Rechts (vgl. § 2 I 1 WpHG). Damit unterfallen der Definition neben den in Einzel- oder Globalurkunden verbrieften Rechten auch lediglich in Register eingetragene reine Wertrechte.11 Der Verzicht auf die Verbriefung trägt den Erfordernissen der Praxis Rechnung, da zunehmend nur noch unkörperliche Wertrechte zu finden sind.12 Konstitutiv für ein Wertpapier nach § 2 I 1 Nr. 1 und 2 WpHG ist seine Eignung, an einem Markt13 gehandelt zu werden, mit anderen Worten seine Fungibilität.14 Die hierfür erforderliche Austauschbarkeit der Papiere besteht, wenn sie wegen ihrer Gleichartigkeit im Verkehr nach Zahl oder Stück bestimmt werden, also vertretbar (§ 91 BGB) sind. Die weiterhin notwendige Zirkulationsfähigkeit, also die Umlauffähigkeit auf einem Markt, wird durch die Verbriefung des Rechts zwar erleichtert, ist davon aber nicht abhängig.15 Sie fehlt hingegen, wenn die Übertragung nur durch schriftliche Abtretung des verkörperten Rechts nach zessionsrechtlichen Grundsätzen (so namentlich bei den Rektapapieren wie etwa Namensschuldverschreibungen, Hypotheken-, Grundund Rentenschuldbriefen) erfolgt.16 Wertpapiere nach § 2 I 1 Nr. 1 Var. 1 WpHG sind zunächst Aktien in allen ihren Erscheinungsformen (Inhaber-, Namens- und vinkulierte Namensaktien, Stamm- und Vorzugsaktien), mangels selbständiger Handelbarkeit aber nicht die Kuponbögen (einschließlich Erneuerungsschein) oder einzelne Kupons.17 ___________ 8 Ein Wertpapier ist danach eine Urkunde, in der ein privates Recht in der Weise verbrieft ist, daß zur Geltendmachung des Rechts das Innehaben der Urkunde erforderlich ist (vgl. Hueck/Canaris, Wertpapiere, S. 1; Schwintowski/Schäfer, Bankrecht, § 16 Rn. 1). 9 Ledermann, in: Schäfer (Hrsg.), WpHG, § 88 BörsG Rn. 3. 10 Vgl. Tiedemann, in: Leipziger Komm. StGB, § 264a Rn. 19. 11 Beck, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 2 WpHG Rn. 4. 12 Zur Entwicklung von der Einzel- über Globalurkunden bis hin zu unkörperlichen Wertrechten, die lediglich in ein besonderes Register eingetragen sind, instruktiv Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 9 Rn. 110-118. 13 Entgegen der ursprünglichen Fassung des § 2 I WpHG bis zum Umsetzungsgesetz v. 22. Oktober 1997, muß es sich nicht mehr um einen Organisierten Markt handeln, so daß auch der außerbörsliche Handel (bspw. OTC, alternative Handelssysteme) genügt (vgl. Beck, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 2 WpHG Rn. 4). 14 Vgl. Begr. RegE Umsetzungsgesetz, BR-Drs. 963/96, S. 100. 15 Assmann, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 2 Rn. 10. 16 Begr. RegE 2. FMFG, BT-Drs. 12/6679, S. 39. 17 Assmann, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 2 Rn. 12; Beck, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 2 WpHG Rn. 5.

B. Sachlicher Anwendungsbereich

203

Aktien vertretende Zertifikate (Variante 2) sind neben den Global- und Sammelurkunden insbesondere Zertifikate, die den Handel mit vinkulierten inländischen Namensaktien erleichtern oder den mit US-Namensaktien (so die American Depositary Receipts – ADRs18) erst ermöglichen.19 Ferner dürften auch die aktienrechtlichen Jung- und Zwischenscheine (§ 8 VI AktG) erfaßt sein.20 Schuldverschreibungen (Variante 3) sind einmal alle fungiblen Schuldverschreibungen im Sinne des § 793 BGB.21 Dazu gehören sämtliche Anleihen öffentlicher (Bund, Länder, Sondervermögen etc.) und privater Emittenten (Banken, Industrie etc.), aber auch die unzähligen besonderen Formen wie beispielsweise Wandel- und Gewinnschuldverschreibungen, Optionsanleihen, Asset-Backed-Securities22, Floating-Rate-Notes, Zero-Bonds usw. sowie Finanzinnovationen, bei denen Schuldverschreibungen mit Gattungsmerkmalen anderer Finanzinstrumente kombiniert werden.23 Ausdrücklich erwähnt (aber an sich bereits als Schuldverschreibung erfaßt) sind ferner Genußrechte und Optionsscheine (Varianten 4 und 5), die wiederum in den unterschiedlichsten Ausgestaltungen auf dem Markt sind.24 Aufgrund dieser umfassenden Erfassung der meisten denkbaren Wertpapiere durch die Nummer 1 bleibt für die Nummer 2 nur ein beschränkter Anwendungsbereich. Den Aktien vergleichbare Wertpapiere sind solche, die ein Mitgliedschaftsrecht verkörpern, ohne Rücksicht auf die Organisationsform des verbandsrechtlichen Gebildes.25 Obwohl damit grundsätzlich auch Geschäftsanteile einer GmbH, die Beteiligung an einer KG oder gar die Vereinsmitgliedschaft in Betracht kommen, sind diese mangels der auch hier zu fordernden Fungibilität nicht erfaßt. Den Schuldverschreibungen vergleichbare Wertpapie___________ 18

Wieneke, AG 2001, 504 ff. Schäfer, in: Schäfer (Hrsg.), WpHG, § 2 WpHG Rn. 10. 20 Beck, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 2 WpHG Rn. 5; a.A. Assmann, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 2 Rn. 13, der diese statt dessen § 2 I 1 Nr. 2 WpHG zuordnet. 21 Beck, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 2 WpHG Rn. 5. 22 Zu diesen Siebel, BKR 2002, 795, 797. 23 Näher Assmann, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 2 Rn. 14; Beck, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 2 WpHG Rn. 5. 24 Bei den Genußrechten etwa Optionsgenußscheine, Wandelgenußscheine, Optionsgenußscheine mit Beifügung von Optionsscheinen etc. (s. Rid-Niebler, Genußrechte, S. 3 ff.); bei den Optionsscheinen etwa alle gedeckten („covered warrants“) und ungedeckten („naked warrants“), selbständigen und unselbständigen usw. (s. Jaskulla, Finanzinstrumente, S. 38 ff.; Assmann, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 2 Rn. 15). 25 Begr. RegE 2. FMFG, BT-Drs. 12/6679, S. 39; Assmann, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 2 Rn. 16. 19

204

6. Kap.: Anwendungsbereich

re sind solche, die ein schuldrechtliches Forderungsrecht beinhalten26, wobei Gegenstand der Forderung sowohl Geld- als auch Sachleistungen sein können.27 Als solche werden die Zinsscheine, die durch die seit 1997 mögliche Abtrennung vom Mantel (sog. Bondstripping) selbständig handelbar sind, angesehen.28 Dagegen ist die bürgerlich-rechtliche Anweisung jedenfalls mangels Fungibilität nicht erfaßt.29 Allgemein formuliert hat man immer zu fragen, ob ein in Frage stehendes (insbesondere ausländisches) Papier eine der deutschen Aktie oder Schuldverschreibung vergleichbare Ausstattung besitzt und fungibel ist.30 Durch die ausdrückliche Aufnahme der Anteile an einem Investmentvermögen einer Kapitalanlagegesellschaft oder einer ausländischen Investmentgesellschaft in den Kreis der Finanzinstrumente durch § 2 I 2 WpHG kann die Kontroverse über deren Einordnung als Wertpapier dahinstehen.31

2. Geldmarktinstrumente (§ 2 Ia WpHG) Das Wertpapierhandelsgesetz (§ 2 Ia) definiert Geldmarktinstrumente wenig aufschlußreich als Forderungen, die nicht unter Absatz 1 fallen und üblicherweise auf dem Geldmarkt gehandelt werden. Aufgrund des weiten Wertpapierbegriffes des § 2 I WpHG verbleibt für diese nur ein kleiner originärer Anwendungsbereich für solche Forderungen, die keine Schuldverschreibungen oder mit solchen vergleichbar, aber gleichwohl handelbar (fungibel) sind. Dies sind beispielsweise kurzfristige Schuldscheindarlehen.32 Mangels Fungibilität sind hingegen Termingelder und Sparbriefe keine Geldmarktinstrumente.33 Die in Erwägungsgrund 12 der Wertpapierdienstleistungs-RL genannten Schatzanweisungen, Einlagenzertifikate und Commercial Papers sind in Deutschland übli-

___________ 26

Begr. RegE 2. FMFG, BT-Drs. 12/6679, S. 39; Schäfer, in: Schäfer (Hrsg.), WpHG, § 2 WpHG Rn. 14. 27 Beck, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 2 WpHG Rn. 7. 28 Assmann, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 2 Rn. 17. – Der Mantel hingegen unterfällt Nr. 1. – Zum Bondstripping Weiss, Die Bank 1997, 338 ff. 29 Assmann, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 2 Rn. 17. 30 Beck, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 2 WpHG Rn. 7; Schäfer, in: Schäfer (Hrsg.), WpHG, § 2 WpHG Rn. 14. 31 Ablehnend etwa Baur, Investmentgesetze, § 19 Rn. 2b. 32 Beck, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 2 WpHG Rn. 8. 33 Begr. RegE Umsetzungsgesetz, BR-Drs. 963/96, S. 100; Mielk, WM 1997, 2200, 2204.

B. Sachlicher Anwendungsbereich

205

cherweise bereits Schuldverschreibungen und damit Wertpapiere im Sinne von § 2 I WpHG34, jedenfalls aber Geldmarktinstrumente. Um als Geldmarktinstrument im diesem Sinne zu gelten, muß die Forderung auf einem Markt tatsächlich gehandelt werden. Anders als bei den Wertpapieren genügt die Eignung dazu nicht.35

3. Derivate (§ 2 II WpHG) Derivate im Sinne der Wertpapierhandelsgesetzes sind gem. § 2 II Halbs. 1 WpHG als Festgeschäfte oder Optionsgeschäfte ausgestaltete Termingeschäfte, deren Preis unmittelbar oder mittelbar von einem Basiswert („underlying“) abhängt. Die dabei in Betracht kommenden Basiswerte sind in § 2 II Halbs. 2 WpHG enumerativ aufgeführt. Durch die Umschreibung der Derivate als Termingeschäfte ist die neue Definition deutlich präziser als die frühere Fassung.36 Dem § 2 II WpHG sind zwei maßgebliche Kriterien zu entnehmen, die typisch für ein Derivat sind.37 Das erste ist die unmittelbare oder mittelbare Abhängigkeit der Bewertung des Rechts von der Preisentwicklung des ihm zugrundeliegenden Basiswertes (des sog. underlying). Die in Frage kommenden Basiswerte sind Wertpapiere, Geldmarktinstrumente, Zinssätze oder andere Erträge, Waren oder Edelmetalle und nunmehr38 auch Preise von Devisen (§ 2 II Nr. 1-5 WpHG). Durch die Einbeziehung der mittelbaren Abhängigkeit sind auch Indizes (DAX etc.) oder synthetische Produkte wie etwa der BundFuture als Basiswert umfaßt, weil diese sich ihrerseits aus den genannten Basiswerten berechnen.39 Das zweite Kriterium ist der durch das Erfordernis des Termingeschäftes zum Ausdruck gebrachte hinausgeschobene Erfüllungszeit___________ 34 Schäfer, in: Schäfer (Hrsg.), WpHG, § 2 WpHG Rn. 16; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 16.19. 35 Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 10.7. 36 § 2 II WpHG i.d.F. des 2. FMFG lautete: „Derivate im Sinne dieses Gesetzes sind an einem inländischen oder ausländischen Markt im Sinne von Absatz 1 gehandelte Rechte, deren Börsen- oder Marktpreis unmittelbar oder mittelbar von der Entwicklung des Börsen- oder Marktpreises von Wertpapieren, oder ausländischen Zahlungsmitteln oder der Veränderung von Zinssätzen abhängt.“. 37 Ausf. Casper, WM 2003, 161 ff.; Beck, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 2 WpHG Rn. 9. 38 Die bisher in § 2 II Nr. 2 WpHG a.F. enthaltene katalogmäßige Erfassung von devisenbezogenen Derivaten war lückenhaft (insbesondere weil nur an einem Organisierten Markt gehandelte Devisentermingeschäfte umfaßt waren) und wurde zugunsten einer den anderen underlyings entsprechenden Formulierung aufgegeben (vgl. dazu Begr. RegE AnSVG, BT-Drs. 15/3174, S. 29). 39 Näher Schäfer, in: Schäfer (Hrsg.), WpHG, § 2 WpHG Rn. 20.

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6. Kap.: Anwendungsbereich

punkt. Dies kann sowohl als Festgeschäft (auch Future genannt) als auch als Optionsgeschäft ausgestaltet sein.40

4. Rechte auf Zeichnung Dem Manipulationsverbot unterliegen weiterhin Rechte auf Zeichnung. Hauptanwendungsfall dieses an die Stelle der in § 88 BörsG a.F. genannten Bezugsrechte getretenen Begriffes41 sind die gesetzlich (beispielsweise §§ 186, 203 AktG) oder vertraglich begründeten (§ 187 AktG) Bezugsrechte bei der Kapitalerhöhung einer AG oder KGaA. Anders als bei § 20a I 2 WpHG [4. FMFG]42 sind nunmehr nur noch Rechte auf Zeichnung von Wertpapieren umfaßt. Aufgrund der Weite des kapitalmarktrechtlichen Wertpapierbegriffes dürften sich daraus aber keine wesentlichen Einschränkungen ergeben. Eine Verbriefung des Zeichnungsrechts ist jedenfalls nicht erforderlich.43

5. Sonstige Instrumente (§ 2 IIb 2 WpHG) Als Finanzinstrumente gelten schließlich auch sonstige Instrumente, die zum Handel an einem Organisierten Markt im Sinne des Absatzes 5 im Inland oder in einem anderen Mitgliedsstaat der EU zugelassen sind oder für die eine solche Zulassung beantragt worden ist. § 2 IIb 2 WpHG enthält damit eine dem Art. 1 Nr. 3 letzter Spiegelstrich MMRL entsprechende weite Generalklausel. Im Unterschied zu den Finanzinstrumenten des Satzes 1 muß aber die genannte Zulassung an einem Organisierten Markt bzw. deren Beantragung vorliegen, so daß etwa die alleinige Notierung im deutschen Freiverkehr nicht genügt, da dies kein Organisierter Markt im Sinne von § 2 V WpHG ist.44

II. Märkte

Diese Finanzinstrumente unterfallen nur dann dem Manipulationsverbot, wenn sie an einem den Anforderungen von § 20a I 2 Nr. 1 oder 2 WpHG ent___________ 40 Dazu Assmann, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 2 Rn. 29; Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8017, S. 85; Schlüter, Börsenhandelsrecht, Rn. B 53 ff. 41 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG3, § 20a Rn. 20. 42 Dazu Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG3, § 20a Rn. 20. 43 Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 6. 44 Vgl. dazu u. B II 2 (S. 212).

B. Sachlicher Anwendungsbereich

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sprechenden Markt zugelassen bzw. einbezogen sind. Entsprechend den Anforderungen der MMRL genügt nunmehr der gestellte oder öffentlich angekündigte Antrag auf Zulassung oder Einbeziehung (§ 20a I 3 WpHG).45

1. Inländische Märkte (§ 20a I 2 Nr. 1 WpHG) Dem Manipulationsverbot unterliegen die Finanzinstrumente, die an einer inländischen Börse zum Handel zugelassen oder in den Geregelten Markt oder den Freiverkehr einbezogen sind (§ 20a I 2 Nr. 1 WpHG).

a) Zulassung zu einer inländischen Börse (§ 20a I 2 Nr. 1 Var. 1 WpHG) Der Marktbezug ist zunächst mit der Zulassung an einer inländischen Börse erfüllt. Entsprechend des eindeutigen Wortlautes genügt hierfür die Zulassung, also die Erlaubnis zur Benutzung der Börseneinrichtung zum Handel mit dem Finanzinstrument. Dagegen ist unbeachtlich, ob von dieser Erlaubnis auch tatsächlich Gebrauch gemacht wird.46 Nach einer gängigen Definition ist eine Börse ein organisierter, regelmäßig und in verhältnismäßig kurzen Zeitabständen stattfindender Markt, an dem Angebot und Nachfrage in vertretbaren, typischerweise nicht zur Stelle gebrachten Gütern nach einheitlichen Geschäftsbedingungen an einem Ort oder in einem elektronischen System zusammengeführt werden mit dem Ziel, Vertragsabschlüsse unter zugelassenen Handelsteilnehmern zu ermöglichen.47 Ohne Belang ist dabei die konkrete Ausgestaltung des Handelsablaufs, das heißt ob als klassischer Parketthandel, als computerunterstützter Handel oder als reiner Computerhandel.48 Diesem materiellen oder funktionalen Börsenbegriff kann

___________ 45 Dies genügte bei § 20a WpHG [4. FMFG] nicht, vgl. Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG3, § 20a Rn. 23. 46 Allerdings erlischt die Zulassung zum Handel am Amtlichen Markt, wenn nicht innerhalb von drei Monaten nach Veröffentlichung der Zulassungsentscheidung die Handelsaufnahme erfolgt, § 37 IV BörsG. 47 Sog. funktionaler oder materieller Börsenbegriff, vgl. Posegga, WM 2002, 2402 m.w.N. Ähnlich schon der historische Börsenbegriff, vgl. Bernstein, Börsengesetz, § 1 Anm. I. – Der Gesetzgeber konnte sich seit Inkrafttreten des Börsengesetzes nicht zu einer Legaldefinition des nach wie vor umstrittenen Börsenbegriffs entschließen, obwohl dies nicht zuletzt im Hinblick auf den Anwendungsbereich des Manipulationsverbotes wünschenswert ist (ebenso Arlt, Anlegerschutz, S. 44 f.; Hopt/Baum, in: Hopt/Rudolph/ Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 377 f.). 48 Heidelbach, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 30 BörsG Rn. 12.

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6. Kap.: Anwendungsbereich

ein formeller gegenübergestellt werden. Dieser ist enger, weil er nur die nach § 1 I BörsG genehmigten Börsen umfaßt.49 Somit fragt es sich, welcher Börsenbegriff in § 20a I 2 Nr. 1 WpHG gemeint ist. Im Hinblick auf eine möglichst lückenlose Erfassung von Manipulationen spricht einiges für den funktionalen Börsenbegriff, zumal viele nicht nach § 1 I BörsG als Börse zugelassene Handelsplattformen zunehmend die Funktionen der klassischen Börse im formellen Sinne wahrnehmen.50 Im Interesse der Rechtssicherheit und aufgrund der erhöhten Anforderungen (Art. 103 II GG) wegen der Strafbewehrung wird man jedoch den formellen Börsenbegriff anwenden müssen. Börse im Sinne von § 20a I 2 Nr. 1 WpHG ist danach nur eine nach § 1 I BörsG genehmigte Veranstaltung. Auswirkungen hat dies insbesondere auf die alternativen Handelssysteme, die zwar durchaus dem funktionalen Börsenbegriff unterfallen können, jedoch nicht als Börse im Sinne von § 20a I 2 Nr. 1 WpHG anzusehen sind, wenn sie nicht nach § 1 I BörsG genehmigt sind.51

(1) Wertpapierbörsen Die Marktsegmente Amtlicher Markt (§§ 30 ff. BörsG) und Geregelter Markt (§§ 49 ff. BörsG) der deutschen Wertpapierbörsen sind Börsen im Sinne des § 20a I 2 Nr. 1 WpHG.52 Bestritten wird dies dagegen allgemein für den Freiverkehr nach § 57 BörsG. Dieser sei keine Börse im rechtlichen Sinne, sondern vollziehe sich lediglich faktisch an einer solchen.53 Der Freiverkehr sei deshalb außerbörslicher Handel.54 Dem ist zu widersprechen. Zutreffend ist, daß der Freiverkehr kein Organisierter Markt im Sinne des § 2 V WpHG und der MMRL ist, weil er ausschließlich privatrechtlich normiert ist und damit die staatliche Regelung und Überwachung fehlt.55 Darauf kommt es aber für die ___________ 49 Fuhrmann, in: Erbs/Kohlhaas (Hrsg.), Strafrechtliche Nebengesetze, Stand: 104. Lief., § 1 BörsG Rn. 4. 50 Vgl. die Stellungnahme des Bundesrates zum RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8017, Anlage 2, S. 157. 51 Näher u. B II 1 a (3) (S. 210). 52 Reuschle/Fleckner, BKR 2002, 617, 623. 53 Breitkreuz, Ordnung, S. 43; Kümpel, Börsenrecht, S. 110. – Gleichwohl spricht man häufig vom Freiverkehr als drittem Marktsegment (vgl. Kümpel, a.a.O.; Wehowsky, in: Erbs/Kohlhaas (Hrsg.), Strafrechtliche Nebengesetze, Stand: 153. Lief., § 88 BörsG Vorbem. Rn. 7; Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 57 BörsG Rn. 1). 54 Reuschle/Fleckner, BKR 2002, 617. 55 Assmann, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 2 Rn 96; Beck, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 2 WpHG Rn. 46; Begr. RegE 2. FMFG, BT-Drs. 12/6679, S. 45.

B. Sachlicher Anwendungsbereich

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funktionelle Börsendefinition nicht an. Insbesondere ist eine staatlich geregelte und überwachte Preisermittlung kein konstitutives Merkmal einer Börse.56 Der Freiverkehr erfüllt deshalb jedenfalls die Anforderungen des funktionalen Börsenbegriffs. Allerdings wurde gezeigt, daß dies für § 20a I 2 Nr. 1 Var. 1 WpHG nicht hinreicht, sondern das Finanzinstrument zum Handel an einer nach § 1 I BörsG genehmigten Börse stattfinden muß. Für den Freiverkehr könnte man indes auch dieses Merkmal als erfüllt ansehen, denn dieser muß von einer Börse zugelassen sein (§ 57 I BörsG), so daß es keinen Freiverkehr außerhalb einer Börse nach § 1 I BörsG gibt.57 Der Freiverkehr ist statt dessen neben Amtlichem und Geregeltem Markt als drittes Segment der Wertpapierbörsen einzuordnen.58 Zudem sind die dort ermittelten Preise den Börsenpreisen (§ 24 BörsG) gleichgestellt (§ 57 II 1 BörsG).59 Es spräche somit einiges dafür, den Freiverkehr bereits als Börse im Sinne von § 20a I 2 Nr. 1 WpHG. Dagegen spricht jedoch vor allem, daß der Gesetzgeber von einem anderen Verständnis ausgegangen ist, da er den Freiverkehr ausdrücklich in § 20a I 2 Nr. 1 Var. 3 WpHG genannt hat. Zudem muß das Finanzinstrument an der Börse zum Handel „zugelassen“ sein. Zur Aufnahme in den Freiverkehr bedarf es jedoch keiner (staatlichen) Zulassung, sondern sie erfolgt durch Einbeziehung in den Handel durch den Freiverkehrsträger.60 Da auch die Einbeziehung in den Geregelten Markt (nach § 56 BörsG) einen eigenen Tatbestand in § 20a I 2 Nr. 1 WpHG erhielt (dazu sogleich), läßt sich mit einer engen Wortlautauslegung vertreten, daß die Einbeziehung in den Freiverkehr keine Zulassung zu einer Börse ist und deshalb nicht unter § 20a I 2 Nr. 1 Var. 1 WpHG fällt. Letztlich braucht diese hier aber nicht weiter vertieft zu werden, denn der Freiverkehr ist jedenfalls durch § 20a I 2 Nr. 1 Var. 3 WpHG ausdrücklich in den Kreis der dem Manipulationsverbot unterfallenden Märkte aufgenommen worden.

___________ 56 So zutr. Beck, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 1 BörsG Rn. 3; Hammen, WM 2001, 929, 930; a.A. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 17.50 ff. 57 Dies war früher anders, als es neben dem geregelten Freiverkehr noch den ungeregelten Freiverkehr gab, vgl. Schwark, BörsG, § 78 Rn. 1. 58 Vgl. auch Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 57 BörsG Rn. 6; Harrer/Müller, WM 2006, 653. 59 Konsequent wäre gewesen, diese nicht zunächst aus dem Anwendungsbereich des § 24 I 1 BörsG auszunehmen. 60 Dazu Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 57 BörsG Rn. 3.

210

6. Kap.: Anwendungsbereich

(2) Sonstige Börsen Börsen sind aber nicht nur Handelsplätze für Wertpapiere. Dem Manipulationsverbot unterliegen daher unter anderem auch die European Exchange (Eurex)61, die Warenterminbörse Hannover und die European Energy Exchange (EEX) in Leipzig.62 Bei diesen Börsen hat die Nennung des Geregelten Marktes und des Freiverkehrs keine Bedeutung, weil diese Marktsegmente wie auch der Amtliche Markt nur an Wertpapierbörsen existieren (vgl. §§ 30 I, 49 I, 57 I BörsG).63

(3) Alternative Handelssysteme Neben diesen Börsen gibt es eine Vielzahl von weiteren Handelssystemen unterschiedlichster Ausgestaltung und Bezeichnung64, die nach allgemeiner Ansicht keine Börse im Sinne des § 20a I 2 Nr. 1 WpHG sind.65 Dies ist jedoch keineswegs so eindeutig, wie es erscheinen mag, da durch die technologischen und strukturellen Veränderungen auf den Kapitalmärkten zunehmend die Grenzen zwischen Börsen und außerbörslichen Handelssystemen verwischen.66 Insbesondere die neuerdings in § 59 BörsG geregelten börsenähnlichen Einrichtungen unterfallen durchaus zumindest teilweise dem funktionalen Börsenbegriff. Noch ungeklärt ist, ob sie deshalb genehmigungspflichtig nach § 1 I BörsG sind und ihr ungenehmigter Betrieb einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung darstellt.67 Diese Unsicherheit mag im rein wirtschaftsverwaltungs___________ 61 Die European Exchange (Eurex) ging 1998 aus einem Zusammenschluß der Deutschen Terminbörse (DTB) mit der schweizerischen Swiss Options and Futures Exchange AG (Soffex) hervor. 62 Näher Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 11 BörsG Rn. 1. 63 Ungenau deshalb die Formulierung von Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 8, die Finanzinstrumente müßten „an einer inländischen Börse zum Handel im amtlichen oder geregelten Markt zugelassen oder in den geregelten Markt oder in den Freiverkehr einbezogen sein.“. 64 Sog. alternative oder proprietäre Handelssysteme (ATS/PTS), vgl. hierzu Domowitz, J. Int. Money Finance 12 (1993), 607 ff.; ferner Cohn, ZBB 2002, 365, 267 f.; Reuschle/Fleckner, BKR 2002, 617, 623; Spindler, WM 2002, 1325, 1326 f.; Spindler/ Hüther, RIW 2002, 649 f. 65 Möller, WM 2002, 309, 312. 66 Cohn, ZBB 2002, 365, 372; ebenso Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 59 BörsG Rn. 2. 67 So die überkommene Auffassung zum Betrieb einer ungenehmigten Börse, vgl. PrOVG 34, 315, 327 ff. – Feenpalast; Hemptenmacher, Börsengesetz, § 1 Anm. 2; Nußbaum, BörsG, § 1 I, S. 1 f.; Schwark, BörsG, § 1 Rn. 21. – Damit liefe aber der Anwendungsbereich der §§ 58, 59 BörsG n.F. weitgehend leer, so daß nach neuerer Ansicht nunmehr ein Wahlrecht bestehen soll, vgl. Reuschle/Fleckner, BKR 2002, 617, 625.

B. Sachlicher Anwendungsbereich

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rechtlichen Sinne beklagenswert, aber möglicherweise noch hinnehmbar sein. Wenn es aber um die Eröffnung des Anwendungsbereiches einer Strafvorschrift geht, bedarf es einer klaren Aussage. Hier ist deshalb nur der formelle Börsenbegriff geeignet. Damit sind alle alternativen Handelssysteme aus dem Anwendungsbereich ausgenommen, selbst wenn sie dem materiellen Börsenbegriff unterfallen. Freilich ist de lege ferenda darüber nachzudenken, ob nicht auch außerbörsliche Handelssysteme angesichts ihrer wachsenden Bedeutung dem Manipulationsverbot unterstellt werden sollten.68 Immerhin bezweckt dieses nicht Marktschutz als Selbstzweck, sondern soll die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte als Voraussetzung für eine prosperierende Volkswirtschaft sicherstellen. Zudem erbringen derartige Handelssysteme „mit den Börsen vergleichbare Dienstleistungen“.69 Des weiteren sind alternative Handelssysteme aufgrund der deutlich eingeschränkten Überwachung besonders anfällig für Manipulationen.70

b) Einbeziehung in den Geregelten Markt oder Freiverkehr (§ 20a I 2 Nr. 1 Var. 2 und 3 WpHG) Vermögensgegenstände können zum Geregelten Markt nicht nur zugelassen (§ 49 I Alt. 1 BörsG), sondern auch einbezogen (§ 56 BörsG) werden.71 Durch diese Änderung des Börsengesetzes sah sich der Gesetzgeber zur ausdrücklichen Aufnahme der Einbeziehung in den Geregelten Markt neben der Zulassung zu diesem gezwungen.72 Ferner bezieht § 20a I 2 Nr. 1 Var. 3 WpHG den Freiverkehr (§ 57 I BörsG) in den Kreis der erfaßten Märkte ein.73 Es kann somit dahinstehen, ob man diesen als Marktsegment einer Wertpapierbörse betrachtet und damit bereits der ___________ 68

Möller, WM 2002, 309, 312. – Aufgrund des Analogieverbotes ist dies nicht mittels Auslegung erreichbar. So aber (für den Insiderhandel) Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 12 WpHG Rn. 4. 69 Stellungnahme des Bundesrates zum RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8017, Anlage 2, S. 157. 70 Spindler/Hüther, RIW 2002, 649, 650. 71 Vereinfacht ausgedrückt müssen diese dazu bereits an einer anderen inländischen Börse zum Amtlichen oder Geregelten Markt oder einem Organisierten Markt des EU-/ EWR-Raumes oder unter weiteren Voraussetzungen auch eines Drittstaates zum Handel zugelassen sein. Der Vorteil besteht in einer vereinfachten Aufnahme in den Geregelten Markt. Näher zum Ganzen Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 56 BörsG. 72 Vgl. dazu Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8017, S. 87. 73 Überblick zum Freiverkehr bei Harrer/Müller, WM 2006, 653 ff.

6. Kap.: Anwendungsbereich

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ersten Variante unterstellt.74 Die Erstreckung des Manipulationsverbotes auf Finanzinstrumente, die nur im Freiverkehr gehandelt werden, ist ausdrücklich zu begrüßen75, insbesondere weil sie gemeinschaftsrechtlich nicht geboten war.76

2. Organisierte Märkte der EU/des EWR (§ 20a I 2 Nr. 2 WpHG) Organisierter Markt im Sinne von § 20a I 2 Nr. 2 WpHG ist ein Markt, der von staatlich anerkannten Stellen geregelt und überwacht wird, regelmäßig stattfindet und für das Publikum unmittelbar oder mittelbar zugänglich ist (§ 2 V WpHG). Diese Definition entspricht dem Wortlaut nach der des Geregelten Marktes in Art. 1 Nr. 13 Wertpapierdienstleistungs-RL77, auf die die MMRL (Art. 1 IV) verweist. Es liegt deshalb nahe, zunächst alle anerkannten europäischen Geregelten Märkte als Organisierte Märkte im Sinne von § 2 V WpHG anzusehen. Für die Anerkennung als Geregelten Markt ist es notwendig, daß neben der Erfüllung der genannten inhaltlichen Kriterien eine Eintragung der Märkte in ein Verzeichnis erfolgt ist. Dieses wird von der Europäischen Kommission jährlich im Amtsblatt veröffentlicht (Art. 1 Nr. 13, Art. 16 WertpapierdienstleistungsRL).78 In Deutschland sind der Amtliche und der Geregelte Markt der Wertpapierbörsen79 sowie die Eurex in das Verzeichnis eingetragen und damit Geregelte Märkte im Sinne der Wertpapierdienstleistungs-RL und der MMRL sowie zugleich Organisierte Märkte im Sinne von § 2 V WpHG. Dagegen ist der Freiverkehr an den deutschen Wertpapierbörsen mangels Regelung und Überwachung durch staatlich anerkannte Stellen kein Organisierter Markt.80 Gleiches gilt für die entsprechenden Marktveranstaltungen in anderen Ländern.

___________ 74 Ziouvas, ZGR 2003, 113, 122 kommt zu diesem Ergebnis über das Tatbestandsmerkmal „Börsenpreis“. 75 Näher Arlt, Anlegerschutz, S. 134 f. 76 Nach Art. 9 MMRL müssen nur Finanzinstrumente umfaßt sein, die zum Handel auf einem von staatlich anerkannten Stellen reglementierten und überwachten Markt zugelassen sind. Um einen solchen handelt es sich aber beim Freiverkehr gerade nicht. 77 Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom 10. Mai 1993 über Wertpapierdienstleistungen, ABl. EG 1993 L 141, S. 27-46. – Die unterschiedliche Terminologie beruht allein darauf, daß der Begriff Geregelter Markt in Deutschland bereits anderweitig besetzt war (vgl. Begr. RegE Umsetzungsgesetz, BR-Drs. 963/96, S. 103). 78 Aktuelles Verzeichnis veröffentlicht im ABl. EG 2005 C 300, S. 23-28. 79 Vgl. auch § 2 VII WpÜG. 80 Vgl. Assmann, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 2 Rn. 96; Beck, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 2 WpHG Rn. 46.

B. Sachlicher Anwendungsbereich

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Keine Geregelten Märkte im Sinne der Wertpapierdienstleistungs-RL sind dagegen mangels Eintragung die Warenterminbörse Hannover sowie die European Energy Exchange (EEX). Diese Märkte wären auch gar nicht eintragungsfähig, denn die Wertpapierdienstleistungs-RL gilt nur für Wertpapiere, zu denen jedoch Waren nicht rechnen (vgl. Art. 1 Nr. 4 WertpapierdienstleistungsRL). Würde man den Begriff des deutschen Organisierten Marktes des § 20a I 2 Nr. 2 WpHG mit dem des Geregelten Marktes der Wertpapierdienstleistungs-RL gleichsetzen und auf diesen beschränken, wären Warenmärkte von vornherein nicht erfaßt. Ein solches Ergebnis ist aber angesichts der ausdrücklichen Einbeziehung von Waren (§ 20a IV WpHG) in den Anwendungsbereich des Manipulationsverbotes zweifelhaft.81 Statt dessen ist Organisierter Markt im Sinne von § 20a I 2 Nr. 2 WpHG weiter zu verstehen. Er umfaßt damit zwar alle Geregelten Märkte im Sinne der Wertpapierdienstleistungs-RL, darüber hinaus aber auch all diejenigen Märkte (einschließlich der Warenmärkte), die die materiellen Anforderungen des § 2 V WpHG erfüllen, also insbesondere staatlicher Überwachung unterliegen, aber nicht in das genannte Verzeichnis eingetragen sind. Mit anderen Worten ist eine Eintragung in das Verzeichnis hinreichend, aber nicht notwendig. Das Manipulationsverbot gilt deshalb auch für Waren- und sonstige Märkte der EU/des EWR, sofern diese von staatlich anerkannten Stellen geregelt und überwacht werden, regelmäßig stattfinden und für das Publikum unmittelbar oder mittelbar zugänglich sind. Die Alternativen Handelssysteme, insbesondere die börsenähnlichen Einrichtungen im Sinne des § 59 BörsG dürften jedoch nicht als Organisierte Märkte aufzufassen sein, da die diesbezüglich bestehenden Aufsichts- und Eingriffsbefugnisse der Börsenaufsichtsbehörden (§ 60 BörsG) wohl nicht den für eine staatliche Regulierung notwendigen Umfang erreichen.82

3. Nicht erfaßte „Märkte“ Vermögensgegenstände, die nicht an einem dieser vorgenannten Märkte zugelassen oder einbezogen sind und für die auch kein entsprechender Antrag gestellt oder öffentlich angekündigt ist, unterfallen nicht dem Manipulationsverbot. Außer für die bereits behandelten alternativen Handelssysteme gilt dies ___________ 81

Diese Friktionen resultieren aus der Tatsache, daß das WpHG nach wie vor grundsätzlich nicht für den Handel mit Waren gilt (vgl. § 1 WpHG), diese aber in das Manipulationsverbot ausdrücklich einbezogen sind. 82 Näher Arlt, Anlegerschutz, S. 140.

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6. Kap.: Anwendungsbereich

namentlich für den außerbörslichen Telefonhandel, Over-The-Counter-(OTC-)Geschäfte, den Interbankenhandel und den sog. „Grauen Kapitalmarkt“.83

4. Rechtfertigung der Beschränkung auf Börsen und Organisierte Märkte Die Beschränkung des sachlichen Anwendungsbereiches des Manipulationsverbotes auf an Börsen oder Organisierten Märkten zugelassene Vermögensgegenstände wird mit dem Schutzgut der Vorschrift gerechtfertigt. Dieses bestehe in der Funktionsfähigkeit der überwachten Märkte, die für die Kapitalaufbringung in der Volkswirtschaft von entscheidender Bedeutung sei. Nur den geregelten und überwachten Märkten werde schützenswertes Vertrauen in das ordnungsgemäße Funktionieren des Preisbildungsmechanismus entgegen gebracht. Insoweit sei es legitim, daß der Gesetzgeber in Bezug auf die nicht überwachten Märkte und die dort agierenden Anleger kein über die allgemeinen Strafvorschriften (namentlich §§ 263 ff. StGB) hinausgehendes Strafbedürfnis erkenne.84 Dieser Einschätzung kann nicht uneingeschränkt beigetreten werden. Sie verfängt lediglich insoweit, wie sie den Grauen Kapitalmarkt und ähnliche Veranstaltungen betrifft. Störungen auf diesen Marktsegmenten werden von der Öffentlichkeit nicht mit einem Vertrauensverlust in die sonstigen Kapitalmärkte beantwortet. Zudem spielt der Graue Kapitalmarkt – ungeachtet seines erheblichen Volumens – volkswirtschaftlich nur eine geringe Rolle bei der von § 20a WpHG zu schützenden Kapitalaufbringung und -verteilung, sondern dient primär dem Vertrieb von Risikokapitalanlagen, darunter viele „Anlagen“ zweifelhafter Herkunft, wie etwa Abschreibungsmodelle. Das von § 20a WpHG geschützte Rechtsgut der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes ist daher nicht berührt, so daß diesbezüglich bereits die Strafwürdigkeit zu verneinen ist. Betroffen ist lediglich das individuelle Anlegervermögen. Jedoch ist (bzw. sollte) sich der an einem völlig ungeregelten Kapitalmarkt Engagierende des größeren Risikos und der fehlenden staatlichen Überwachung bewußt sein.85 Ohne viktimodogmatische Ansätze neu beleben zu wollen, ist hier die Schutzbedürftigkeit der Beteiligten zumindest deutlich gemindert.86 ___________ 83 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 27; Assmann, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 12 Rn. 6. – Zum Begriff „Grauer Kapitalmarkt“ s. eingehend B. Cramer, Grauer Kapitalmarkt, S. 11 ff. m.w.N.; Bericht der Bundesregierung zum „Grauen Kapitalmarkt“, BT-Drs. 14/1633. 84 Näher Ziouvas, ZGR 2003, 113, 123, 125 sowie ders., wistra 2003, 13, 16 ff., jeweils m.w.N. 85 Zutr. Trüstedt, Verbot, S. 42. Vgl. auch Plenarprotokoll BT, 8/132, S. 10441. 86 Unbestritten kam es in der Vergangenheit zu erheblichen Vermögensverlusten auf dem Grauen Kapitalmarkt (vgl. den Bericht der Bundesregierung zum „Grauen Kapi-

B. Sachlicher Anwendungsbereich

215

Dagegen ist die völlige Ausklammerung der alternativen Handelssysteme angesichts deren wachsender Bedeutung nicht sachgerecht.87 Der außerbörsliche Handel ist nicht mehr nur dem Interbankenhandel vorbehalten, sondern steht zunehmend auch den privaten Anlegern offen, da immer mehr Banken und Wertpapierdienstleistungsunternehmen ihren Kunden den außerbörslichen Handel als gleichrangige Alternative zum Börsenhandel anbieten. Jedoch geht es dort in aller Regel um den außerbörslichen Handel mit börsennotierten Wertpapieren. Diese aber sind bereits über ihre Börsennotierung in den sachlichen Anwendungsbereich des § 20a I 1 WpHG einbezogen, wobei dann auch außerbörsliche Manipulationshandlungen erfaßt sind.88 Ausgeklammert bleiben damit im Ergebnis nur die ausschließlich außerbörslich gehandelten Vermögenswerte. Deren Zahl und Bedeutung dürfte aber wohl als eher gering einzuschätzen sein.

5. Gestellter oder öffentlich angekündigter Antrag auf Zulassung oder Einbeziehung (§ 20a I 3 WpHG) Da nach § 20a I 3 WpHG nunmehr entsprechend Art. 9 I MMRL auch der gestellte oder öffentlich angekündigte Antrag auf Zulassung oder Einbeziehung hinreicht, unterliegen Manipulationen des Ausgabepreises einer bevorstehenden (Erst-)Emission bereits vor der Handelsaufnahme dem Verbot nach § 20a WpHG.89 Voraussetzung ist nur, daß ein entsprechender Antrag gestellt oder öffentlich angekündigt wurde.90 In diesem Bereich kommen daher auch Konkurrenzen mit § 264a StGB oder der zivilrechtlichen Prospekt- und Emissionshaftung in Betracht.

___________ talmarkt“, BT-Drs. 14/1633, S. 2 f.) und seit Jahren besteht eine Diskussion über dessen Regulierung (vgl. bereits den Beschluß des 51. DJT 1976 in Stuttgart, P207 f. sowie den Beschluß des 64. DJT 2002 in Berlin, P90). Der Gesetzgeber hat darauf nunmehr im Rahmen des AnSVG reagiert und erstmals eine Prospektpflicht für nicht wertpapiermäßig verbriefte Vermögensanlagen (§§ 8 f. VerkProspG) sowie eine diesbezügliche spezialgesetzliche Prospekthaftung (§§ 13, 13a VerkProspG) geschaffen. Dazu überblicksmäßig Fleischer, BKR 2004, 339 ff. m.w.N. 87 Vgl. o. B II 1 a (3) (S. 210). 88 Vgl. dazu u. B V u. VI (S. 219). 89 Zur alten Rechtslage vgl. Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG3, § 20a Rn. 23; Ziouvas, ZGR 2003, 113, 123. – Zum sog. Handel per Erscheinen s. Pfüller/ Koehler, WM 2002, 781 ff. 90 Der Antrag ist als gestellt anzusehen, wenn er bei der zuständigen Behörde oder dem Freiverkehrsträger eingegangen ist. Eine öffentliche Ankündigung ist eine an einen unbestimmten Personenkreis gerichtete und publizierte Absichtsbekundung (Begr. RegE 2. FMFG, BT-Drs. 12/6679, S. 45).

6. Kap.: Anwendungsbereich

216

III. Waren und ausländische Zahlungsmittel (§ 20a IV WpHG)

Dem Manipulationsverbot unterliegen jenseits der Finanzinstrumente auch Waren und ausländische Zahlungsmittel, sofern diese an einem Organisierten Markt gehandelt werden. Durch dieses Handelserfordernis ist der Kreis der erfaßten Waren und Zahlungsmittel etwas enger als bei den Finanzinstrumenten, da die dort genügende Einbeziehung in den Freiverkehr nunmehr mangels dessen Charakter als Organisierter Markt nicht mehr hinreicht.

1. Waren Waren im kapitalmarktrechtlichen Sinne werden üblicherweise definiert als zum börsen- oder marktmäßigen Handel geeignete bewegliche körperliche Gegenstände.91 Umfaßt sind damit alle an der Warenterminbörse Hannover gehandelten Gegenstände (Schweine, Weizen etc.). Auch Edelmetalle sind Waren92, ebenso Gas93, nicht aber Grundstücke, weil diese nicht beweglich sind.94 Zu Recht wird unter den Begriff der Waren auch Strom (elektrische Energie) subsumiert, so daß die European Energy Exchange (EEX) in Leipzig in den Anwendungsbereich des Manipulationsverbotes einbezogen ist.95 Dies scheint zunächst im Hinblick auf die eingangs genannte Definition bedenklich, weil dort – ebenso wie bei der Definition der Sache im BGB (§ 90) – von körperlichen Gegenständen die Rede ist, nach allgemeiner Ansicht aber elektrische Energie mangels Körperlichkeit gerade keine Sache im Sinne des BGB ist.96 Andererseits war zu § 1 II HGB a.F. anerkannt, daß Ware im Sinne dieser Vorschrift auch Strom ist, so daß der damit gewerblich Handelnde ein Handelsgeschäft betrieben hat.97 Es spricht nichts dagegen, dieses Verständnis auch bei § 20a WpHG anzuwenden, insbesondere, weil keine Gründe für eine Ausnah___________ 91 Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 6; Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 31. 92 Vgl. BGH, NJW 1987, 3193, 3195 – Die ausdrückliche Nennung der Edelmetalle ist deshalb bloß deklaratorisch (so auch die Begr. RegE Begleitgesetz, BT-Drs. 13/7143, S. 19). 93 Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 6; Sorgenfrei, wistra 2002, 321, 323; 94 Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 6; ebenso Fuhrmann, in: Erbs/Kohlhaas (Hrsg.), Strafrechtliche Nebengesetze, Stand: 104. Lief., § 88 BörsG Rn. 11. 95 Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 6; Sorgenfrei, in: Park (Hrsg.), Kapitalmarkt-Strafrecht, 4. Abschnitt, Rn. 15. 96 Statt aller Holch, in: Münchener Komm. BGB, § 90 Rn. 23 m.w.N. 97 Vgl. BGH, NJW 1961, 453, 455; K. Schmidt, in: Münchener Komm. HGB, § 1 Rn. 66.

B. Sachlicher Anwendungsbereich

217

me der Energiebörse aus dem Schutzbereich des Manipulationsverbotes erkennbar sind. Das stellt auch keinen Verstoß gegen das strafrechtliche Analogieverbot dar, denn es liegt noch innerhalb des möglichen Wortsinns, Energie – entsprechend dem überkommenen handelsrechtlichen Verständnis – als Ware anzusehen.98 Entgegen der bereits länger geäußerten rechtspolitischen Kritik (Praxisferne etc.)99 ist die Einbeziehung von Waren in das Manipulationsverbot sinnvoll, da nicht erkennbar ist, warum Waren anders zu behandeln sein sollen, als sonstige Vermögensgegenstände.100 Weil aber nicht zuletzt aus Gründen des Analogieverbotes die Manipulation von Waren nicht mit der von Warenderivaten gleichgesetzt werden kann, war die ausdrückliche Aufnahme der Waren in das Gesetz angezeigt.101 Nicht überzeugend ist hingegen die Gesetzesbegründung102, die die Einbeziehung damit rechtfertigt, daß Waren als Basiswert für Warenderivate fungieren können, denn das eine bedingt das andere nicht. Der Schutz des Preises von Warenderivaten vor Manipulationen ist nicht davon abhängig, daß auch der Preis der zugrundeliegenden Ware selbst dem Manipulationsverbot unterliegt.

2. Ausländische Zahlungsmittel Schließlich erstreckt sich das Manipulationsverbot noch auf ausländische Zahlungsmittel. Nach der hier anzuwendenden Legaldefinition des § 63 II BörsG gehören dazu außer Geldsorten, Papiergeld, Banknoten und dergleichen auch Auszahlungen, Anweisungen und Schecks.103 Im Ergebnis ist damit auch die Manipulation von Preisen ausländischer Währungen in den Schutzbereich des § 20a WpHG einbezogen.104

___________ 98 Gleichwohl wäre hier eine Klarstellung durch den Gesetzgeber angebrachter gewesen als in den erfolgten Fällen. 99 Rössner/Worms, in: Assmann/Schütze (Hrsg.), Handbuch, § 9 Rn. 6; Schlüchter, 2. WiKG, S. 140. 100 Vgl. bereits Begr. RegE 2. WiKG, BT-Drs. 10/318 , S. 46. 101 Ähnlich Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 31; Ziouvas, ZGR 2003, 113, 120 f. 102 Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8017, S. 89. 103 Dazu im einzelnen Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 63 BörsG Rn. 2 f.; Ledermann, in: Schäfer (Hrsg.), WpHG, § 96 BörsG Rn. 2 ff. (zur identischen Vorgängervorschrift). 104 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 31.

6. Kap.: Anwendungsbereich

218

IV. Veränderungen gegenüber § 88 BörsG a.F.

1. In bezug auf die erfaßten Manipulationsgegenstände Im Vergleich zu § 88 BörsG a.F. ist der Kreis der erfaßten Manipulationsgegenstände in § 20a WpHG erheblich weiter. Nach wie vor in den Schutzbereich einbezogen sind Wertpapiere, Derivate105, ausländische Zahlungsmittel106 und Waren, wobei allerdings nunmehr teilweise andere (weitere) Definitionen gelten.107 Die ehemals den Bezugsrechten des § 88 BörsG a.F. unterfallenden Vermögensgegenstände werden nunmehr von den Rechten auf Zeichnung (§ 2 IIb WpHG) umfaßt.108 Weggefallen sind hingegen die „Anteile, die eine Beteiligung am Ergebnis eines Unternehmens gewähren“. Dafür wurde teilweise schon bisher plädiert, weil diesem Merkmal keine praktische Relevanz und zu große Unsicherheit hinsichtlich der ihm unterfallenden Rechte konstatiert wurden.109 Anteil in diesem Sinne waren Beteiligungen an Unternehmen jedweder Rechtsform, für die Marktpreise gebildet werden.110 Dabei waren nach herrschender Meinung nicht nur gesellschaftsrechtliche Ansprüche, sondern auch unmittelbare schuldrechtliche Ansprüche (beispielsweise ein partiarisches Darlehen) umfaßt.111 Anwendungsgebiete solcher Anteile wären damit Beteiligungen an Abschreibungsgesellschaften und geschlossenen Immobilienfonds, mithin im wesentlichen Anlageformen des Grauen Kapitalmarktes gewesen; jedoch wurden diese mangels Bildung eines Marktpreises gerade nicht von § 88 BörsG erfaßt.112 Waren solche Anlagen hingegen verbrieft, wie zumeist bei Beteiligungen an ausländischen Kapitalanlagegesellschaften113, so waren sie schon Wertpapiere114 und die Variante „Anteil“ war überflüssig. ___________ 105 Die Derivate wurden erst durch das 2. FMFG (1994) in den Schutzbereich einbezogen. 106 Seit dem 2. FMFG ausdrücklich, zuvor über § 96 I BörsG. 107 So insbesondere bei den Wertpapieren, die nicht mehr verbrieft sein müssen, so daß nunmehr auch bloße Wertrechte umfaßt sind (vgl. o. B I 1 (S. 201)). 108 Ziouvas, ZGR 2003, 113, 119 f. 109 Möller, WM 2002, 309, 312; ferner Rössner/Worms, in: Assmann/Schütze (Hrsg.), Handbuch, § 9 Rn. 6. 110 Ledermann, in: Schäfer (Hrsg.), WpHG, § 88 BörsG Rn. 5; Schwark, BörsG, § 88 Rn. 3 111 Begr. RegE 2. WiKG, BT-Drs. 10/318, S. 22; a.A. Schwark, BörsG, § 88 Rn. 3. Zur Parallelproblematik bei § 264a StGB s. Hellmann, in: Nomos Komm. StGB, § 264a Rn. 21. 112 Näher Rössner/Worms, in: Assmann/Schütze (Hrsg.), Handbuch, § 9 Rn. 6. 113 Rössner/Worms, in: Assmann/Schütze (Hrsg.), Handbuch, § 9 Rn. 6.

B. Sachlicher Anwendungsbereich

219

Hinzugekommen sind schließlich die Geldmarktinstrumente. Dies ist die konsequente Folge der Erweiterung des Anwendungsbereiches des WpHG (vgl. §§ 1, 2 Ia WpHG) durch das Richtlinienumsetzungsgesetz.115

2. In bezug auf die erfaßten Märkte Bei § 88 BörsG a.F. mußte zur Einwirkung auf den „Börsen- oder Marktpreis“ gehandelt werden. Sein Anwendungsbereich erstreckte sich durch die Einbeziehung von Marktpreisen auch auf den außerbörslichen Handel, insoweit eine organisierte Markteinrichtung bestand.116 Damit war zwar der Graue Kapitalmarkt ausgeklammert, der institutionalisierte private Handel, wie der Interbankenhandel oder alternative Handelssysteme usw. hingegen eingeschlossen.117 Dem gegenüber scheint der Anwendungsbereich von § 20a WpHG deutlich enger. Durch die Beschränkung auf an Börsen (§ 1 I BörsG), im Freiverkehr (§ 57 I BörsG) und an Organisierten Märkten (§ 2 V WpHG) zugelassene oder einbezogene Finanzinstrumente ist nunmehr der gesamte Bereich der ausschließlich außerhalb dieser Märkte gehandelter Finanzinstrumente nicht dem Manipulationsverbot unterstellt. Tatsächlich ist diese Beschränkung jedoch häufig nicht relevant. Zum einen sind viele außerbörslich, insbesondere mittels alternativer Handelssysteme gehandelte Finanzinstrumente zugleich an einem Markt des § 20a I 2 WpHG zugelassen und damit aufgrund dessen vom Anwendungsbereich des Manipulationsverbotes erfaßt.118 Zum anderen erstreckt sich der Anwendungsbereich des Manipulationsverbotes stets auch auf außerbörslich vorgenommene Manipulationshandlungen.119

V. Einbeziehung außerbörslicher Manipulationshandlungen

§ 20a I 1 WpHG verlangt nicht, daß die Manipulationshandlung an oder mit Hilfe einer Börse oder einem Organisierten Markt, also an einem überwachten Handelsplatz vorgenommen wird.120 Sie kann vielmehr auch außerbörslich er___________ 114

Schwark, BörsG, § 88 Rn. 3. Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften, BGBl. I 1997, S. 2518-2580. 116 Hopt/Baum, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 441; Schwark, BörsG, § 88 Rn. 9. 117 Ziouvas/Walter, WM 2002, 1483, 1485 m.w.N. 118 Vgl. bereits o. B II 4 (S. 214). 119 Dazu sogleich. 120 Möller, WM 2002, 309, 312; Ziouvas, ZGR 2003, 113, 124. 115

220

6. Kap.: Anwendungsbereich

folgen. Für die informationsgestützten und die handlungsgestützten Manipulationen ist dies selbstverständlich, da es für diese Manipulationsformen auf die Benutzung eines Marktes nicht ankommt; gleiches gilt aber auch für die handelsgestützten Manipulationen.121 Damit fällt also auch die manipulative Benutzung eines alternativen Handelssystems, des telefonischen Interbankenhandels, des late-tradings von Investmentfondsanteilen sowie der selbstgewählten außerbörslichen Auftragsausführung (§ 22 I 1 BörsG) unter das Manipulationsverbot, solange nur der betroffene Vermögensgegenstand dem Anwendungsbereich des § 20a WpHG unterfällt.122 Insoweit ist die soeben kritisierte Ausklammerung dieser Systeme aus dem Manipulationsverbot weniger gravierend, weil sie somit nur die an keiner Börse oder Organisiertem Markt zugelassenen Vermögensgegenstände betrifft. Die Einbeziehung von außerbörslichen Manipulationshandlungen ist auch gemeinschaftsrechtlich vorgegeben, weil in Art. 9 I MMRL bestimmt ist, daß die Richtlinie unabhängig davon gilt, „ob das Geschäft selbst tatsächlich auf diesem Markt [gemeint ist ein Organisierter Markt, J.E.] getätigt wird oder nicht“.

VI. Beeinflussung eines Börsen- oder Marktpreises innerhalb der EU/des EWR

Die Manipulationshandlung muß geeignet sein bzw. bezwecken, auf den inländischen Börsen- oder Marktpreis oder auf den Preis an einem Organisierten Markt der EU/des EWR einzuwirken.123 Damit scheiden diejenigen Vermögensgegenstände aus, die zwar an einem solchen Markt zugelassen oder einbezogen sind, effektiv aber nicht an einem dieser Märkte gehandelt werden, weil sich dort auch kein Börsen- oder Marktpreis bilden kann. In diesen (seltenen) Fällen kommt das Manipulationsverbot trotz Vorliegens eines erfaßten Vermögensgegenstandes nicht zur Anwendung. Umgekehrt genügt es aber auch, daß die Manipulationshandlung geeignet ist oder bezweckt, auf einen EU/EWR-Börsen- oder Marktpreis einzuwirken. Eine aus Deutschland vorgenommene Manipulation eines an einer französischen Börse (sofern diese ein Organisierter Markt ist) notierten Vermögenswertes ist damit nach § 20a I 1 WpHG verboten, ohne daß es hierfür auf den nachfolgend zu untersuchenden räumlichen Anwendungsbereich der Norm ankommt. Und schließlich sind die in das Manipulationsverbot einbezogenen Vermögensgegenstände auch hinsichtlich der Beeinflussung eines außerbörslich er___________ 121

Zu Recht Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 39. Sorgenfrei, in: Park (Hrsg.), Kapitalmarkt-Strafrecht, 4. Abschnitt, Rn. 17. 123 Zu den Begriffen Börsen- und Marktpreis s. u. 7. Kap. A III 2 (S. 275). 122

C. Räumlicher Anwendungsbereich

221

mittelten Preises (beispielsweise auf einem alternativen Handelssystem) geschützt. Dies ergibt sich aus der Einbeziehung des inländischen Marktpreises.124

C. Räumlicher Anwendungsbereich Der räumliche Anwendungsbereich betrifft die Anwendbarkeit des deutschen Manipulationsverbotes und der zugehörigen Sanktionstatbestände auf Sachverhalte, bei denen die Manipulationshandlung nicht im Inland vorgenommen wird.125 Dabei sind zwei Aspekte streng auseinander zu halten. Der erste betrifft den Anwendungsbereich des Verbotestatbestandes (§ 20a WpHG) selbst. Weil es sich hierbei nur um eine rein verwaltungsrechtliche Vorschrift handelt126, kann nicht auf die straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Regelungen der §§ 3-7, 9 StGB bzw. §§ 5, 7 OWiG zurückgegriffen werden. Diese kommen jedoch bei der Frage nach der inländischen Straf- bzw. Ahndbarkeit eines Verstoßes gegen das Manipulationsverbot zum Zuge. Insofern ist ein Auseinanderfallen von verwaltungsrechtlichem und sanktionsrechtlichem Anwendungsbereich denkbar. Ferner ist die Rolle des § 38 V WpHG (= § 38 II a.F. WpHG), der ein dem § 20a WpHG entsprechendes ausländisches Manipulationsverbot dem deutschen Verbot gleichstellt, zu beleuchten.

I. Anwendungsbereich des Verbotes auf Manipulationen aus dem Ausland

Der Geltungsbereich einer Norm des öffentlichen Rechts, das heißt das territoriale Gebiet, in dem sie Geltung beansprucht, in dem also Gerichte und Behörden an die Norm gebunden sind und sie gegenüber Bürgern durchgesetzt werden kann (sog. jurisdiction to enforce), ist aufgrund des Territorialitätsprinzips stets auf das Staatsgebiet beschränkt.127 Davon zu unterscheiden ist jedoch der Anwendungsbereich der Norm. Dieser umgrenzt das räumliche Gebiet der von der Norm erfaßten Sachverhalte (sog. jurisdiction to prescribe). Nach heute herrschender Ansicht ist der Anwendungsbereich einer öffentlich-rechtlichen Norm nicht auf das Inland beschränkt, sondern kann auch grenzüberschreitende ___________ 124

Näher dazu u. 7. Kap. A III 2 (S. 275). Zum Ort der Manipulationshandlung ausf. u. 6. Kap. C II 3 a (S. 229). 126 Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8017, S. 99. 127 Linke, Verwaltungsrecht, S. 93; Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze, S. 15, jeweils m.w.N.; PCIJ, Series A-N° 10, S. 18 f. – Lotus. 125

6. Kap.: Anwendungsbereich

222

und sich im Ausland abspielende Sachverhalte erfassen.128 Dies ist völkerrechtlich unbedenklich, solange ein sinnvoller Anknüpfungspunkt („reasonable link“) mit dem Inland vorhanden ist.129 Durch das Völkerrecht als grundsätzlich ausreichend anerkannt ist dabei neben dem Territorialitäts- und dem Personalitätsprinzip auch das Wirkungsprinzip.130 Letzteres ist namentlich im Wettbewerbs- und Kartellrecht (auch international) gebräuchlich.131 So erklärt § 130 II GWB das Kartellrecht auf alle Absprachen für anwendbar, die im Inland eine Wettbewerbsbeschränkung verursachen, egal wo und zwischen wem die Absprachen getroffen wurden. Fehlt eine solche gesetzliche Regelung des Anwendungsbereiches einer Norm, so ist dieser durch Auslegung zu ermitteln, wobei der reasonable link mit dem Inland leitend sein muß.132

1. Auswirkung einer Manipulation als Anknüpfungspunkt Dieser Gedanke läßt sich auf das Manipulationsverbot übertragen, so daß sich als Anknüpfungspunkt der Ort der Auswirkung einer Manipulation, also der Ort des von der Manipulation betroffenen Marktes133 anbietet. Für die Beeinträchtigung der von § 20a WpHG geschützten Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes ist es unerheblich, von wo aus die Manipulation vorgenommen wurde. Entscheidend ist die Auswirkung auf einen dem Schutz des Manipulationsverbotes unterstehenden Markt. Die bereits angesprochene technische Fortentwicklung bringt eine weltweite Vernetzung der Finanzmärkte mit sich. Selbst für private Kleinanleger ist es heutzutage kein Problem mehr, weltweit an Kapitalmärkten zu handeln. Damit geht spiegelbildlich einher, daß die Manipulationshandlung ebenso problemlos aus dem Ausland vorgenommen werden kann.134 ___________ 128 Linke, Verwaltungsrecht, S. 94 u. 120 m.w.N. auch zur Gegenansicht; PCIJ, Series A-N° 10, S. 19 – Lotus; a.A. für § 20a WpHG Trüstedt, Verbot, S. 43: „rein verwaltungsrechtliche Vorschrift [...], die in ihrem Anwendungsbereich notwendigerweise auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt ist.“; im Erg. ablehnend auch Arlt, Anlegerschutz, S. 353 ff. 129 BVerfGE 63, 343, 369; Linke, Verwaltungsrecht, S. 94 ff. m.w.N. Ferner bereits PCIJ, Series A-N° 10, S. 19 ff. – Lotus. 130 Linke, Verwaltungsrecht, S. 94 ff. m.w.N. 131 Vgl. hierzu Schäfer, Anwendungsbereich, S. 51 f. 132 Feldmüller, Rechtsstellung, S. 259; Linke, Verwaltungsrecht, S. 120 f., beide m.w.N. – Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung des räumlichen Anwendungsbereiches einer Norm (wie hier) geht dem aber stets vor (Vogel, Anwendungsbereich, S. 357). 133 Zur Bestimmung dieses Ortes, insbesondere bei elektronischen Märkte s. u. C II 3 b (S. 232). 134 Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8017, S. 99.

C. Räumlicher Anwendungsbereich

223

Es wäre deshalb sachgerecht, § 20a WpHG einen weltweiten Anwendungsbereich zuzumessen, wenn die im Ausland vorgenommene Handlung zu einer Auswirkung auf einem inländischen Markt im Sinne von § 20a I 2 Nr. 1 WpHG geführt hat. Von einem solchen globalen Schutzbedürfnis ging offenbar der Gesetzgeber des 4. FMFG aus, da er der BaFin in § 19 V WpHG a.F. (i.V.m. § 20b VII 2 WpHG a.F.) den Datenaustausch bei der Überwachung von Insiderdelikten und Manipulationen auch mit Nicht-EU/EWR-Staaten ausdrücklich erlaubte.135 Darüber hinaus wäre es konsequent, auch die Manipulationshandlungen mit einzubeziehen, die geeignet sind oder bezwecken, auf einen Börsen- oder Marktpreis an einem EU/EWR-Markt im Sinne von § 20a I 2 Nr. 2 WpHG einzuwirken.136 Dahinter steht die Überlegung, daß durch die technischen und rechtlichen Veränderungen der Rahmenbedingungen zunehmend die Staatsgrenzen, insbesondere innerhalb der EU und des EWR, in Bezug auf den Kapitalmarkt verwischen und sich damit die Kapitalmärkte der Mitgliedsstaaten nach außen als ein großer Kapitalmarkt darstellen.137

2. Handel an einer inländischen Börse als Anknüpfungspunkt Der Gesetzgeber des AnSVG hat dagegen einen anderen Anknüpfungspunkt gewählt. Gem. § 1 II WpHG gilt das Manipulationsverbot auch für alle im Ausland vorgenommenen Handlungen und Unterlassungen, sofern sie Finanzinstrumente betreffen, die an einer inländischen Börse gehandelt werden. Die Anwendung auf Auslandshandlungen knüpft also nicht an die (zu erwartende) Auswirkung der Manipulation, mithin den Ort des betroffenen Marktes, an, sondern ausschließlich an den tatsächlichen börslichen Handel des Finanzierungsinstruments im Inland. Dem begegnet aus einer Reihe von Gründen Kritik. Zunächst ergeben sich durch die Verwendung des ohnehin unklaren Börsenbegriffs138 Divergenzen zu den Märkten des § 20a I 2 WpHG. Die dort explizite Nennung des Freiverkehrs deutet darauf hin, daß der Gesetzgeber diesen nicht als Börse betrachtet. Legt man bei § 1 II WpHG denselben Börsenbegriff zugrunde, unterfallen lediglich in den Freiverkehr einbezogene Finanzinstru___________ 135

Siehe dazu Begr. RegE 2. FMFG, BT-Drs. 12/6679, S. 51. So auch zu § 20a WpHG [4. FMFG] Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG3, § 20a Rn. 26; Sorgenfrei, in: Park (Hrsg.), Kapitalmarkt-Strafrecht, 4. Abschnitt, Rn. 77. 137 Vgl. Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8017, S. 99 und Begr. RegE 2. FMFG, BT-Drs. 12/6679, S. 57: „europäischer Kapitalmarkt“, S. 54; ferner Erwägungsgrund 10 der MMRL, ABl. EG 2003 L 96, S. 16. 138 Siehe dazu o. B II 1 a (S. 207). 136

224

6. Kap.: Anwendungsbereich

mente zwar grundsätzlich dem Manipulationsverbot, nicht aber vor Manipulationen aus dem Ausland. Eine Rechtfertigung hierfür ist nicht ersichtlich, denn wenn der Freiverkehr (zu Recht) schützenswert vor Manipulationen erscheint, dann genauso vor solchen aus dem Ausland. Statt dessen hätte eine dem § 20a I 2 WpHG parallele Ausgestaltung nahegelegen. Der zweite Punkt betrifft die Beschränkung auf inländische Börsen. Im Rahmen des sachlichen Anwendungsbereiches sind sowohl bei der Frage, ob ein Vermögensgegenstand ein Finanzinstrument im Sinne des Manipulationsverbotes darstellt, als auch bei der nach dem (beabsichtigten) Auswirkungsort einer Manipulation die Organisierten Märkte der EU/des EWR umfaßt. Insofern spräche einiges dafür, dies auch für die Anwendbarkeit von § 20a WpHG auf Auslandshandlungen hinreichen zu lassen. Praktisch wird diese Schutzlükke dadurch abgemildert, daß aufgrund der MMRL alle EU-Mitgliedsstaaten ein Manipulationsverbot erlassen müssen und dies über § 38 V WpHG auch in Deutschland sanktioniert werden kann.139 Drittens ist anzumerken, daß die Regelung in § 1 II WpHG nicht den Anforderungen von Art. 10 lit. a) MMRL gerecht wird. Dieser verpflichtet die Mitgliedsstaaten, das Manipulationsverbot (auch) auf im Ausland vorgenommene Handlungen anzuwenden, die Finanzinstrumente betreffen, die auf einem inländischen Geregelten Markt zugelassen sind oder für die ein entsprechender Antrag auf Zulassung zum Handel auf einem solchen Markt gestellt wurde. Die deutsche Umsetzung ist zum einen dadurch enger, daß sie nicht auf die Zulassung zum Handel, sondern ausdrücklich darauf abstellt, daß das Finanzinstrument tatsächlich gehandelt wird. Und zum anderen wird die bloße Antragstellung überhaupt nicht erfaßt. Dies wirft die Frage nach einer richtlinienkonformen erweiternden Auslegung auf. Jedoch ist diese hier unzulässig, weil aufgrund der straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Sanktionierung des § 20a WpHG auch dabei die Wortlautgrenze zu beachten ist.140 Als letztes bleibt schließlich zu erwähnen, daß § 1 II WpHG nur eine Regelung hinsichtlich der Finanzinstrumente trifft. Dazu zählen aber nicht Waren und Währungen. Insofern fehlt eine gesetzliche Bestimmung des Anwendungsbereiches hinsichtlich dieser Vermögensgegenstände. Aus Gründen der einheitlichen Handhabung wäre hier an sich eine Analogie geboten, die jedoch aufgrund des straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Analogieverbotes unzulässig ist.

___________ 139

Siehe dazu u. C II 2 (S. 226). Dazu Schmitz, in: Münchener Komm. StGB, § 1 Rn. 83; Hugger, NStZ 1993, 421 ff.; Dannecker, JZ 1996, 869, 872 f.; Satzger, Strafrecht, Rn. 84. 140

C. Räumlicher Anwendungsbereich

225

3. Ergebnis zur Anwendbarkeit von § 20a WpHG Seit Inkrafttreten des AnSVG ist der räumliche Anwendungsbereich von § 20a WpHG dergestalt geregelt, daß das Verbot auf im Ausland vorgenommene Manipulationshandlungen anwendbar ist, wenn ein an einer inländischen Börse gehandeltes Finanzinstrument betroffen ist.

II. Strafbarkeit (§ 38 II WpHG) von Manipulationen mit Auslandsberührung

Die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf Verhaltensweisen mit Auslandsberührung beurteilt sich nach dem (fälschlich sog.) Internationalen Strafrecht (§§ 3-7, 9 StGB). Diese Vorschriften gelten auch für das Nebenstrafrecht (Art. 1 I EGStGB). Die Schwierigkeit bei der Marktmanipulation besteht darin, daß zwar § 38 II WpHG eine Strafnorm im klassischen Sinne ist, die sie ausfüllende Verbotsnorm § 20a WpHG hingegen eine solche des Verwaltungsrechts.

1. Doppelprüfung von Internationalem Verwaltungsrecht und Internationalem Strafrecht Zur identisch gelagerten Problematik bei der Strafbarkeit von Verstößen gegen das Insiderhandelsverbot mit Auslandsbezug141 werden im wesentlichen drei Ansichten vertreten. Wegen der Beschränkung des Geltungsbereiches öffentlich-rechtlicher Normen – um eine solche handelt es sich bei § 14 WpHG – auf das Inland könne die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf Taten mit Auslandsbezug nicht den §§ 3-7, 9 StGB entnommen werden. Hierfür bedürfe es der ausdrücklichen Regelung in § 38 V WpHG (= § 38 II WpHG a.F.).142 Nach der Gegenansicht steht der verwaltungsrechtliche Charakter der Bezugsnorm (§ 14 WpHG) der Anwendung der allgemeinen internationalstrafrechtlichen Normen nicht entgegen, da die Bezugsnorm, insoweit sie den Blankettstraftatbestand ausfüllt, selbst materielles Strafrecht sei.143 § 38 V WpHG bedürfe es dafür nicht. Eine dritte Ansicht schließlich wendet für beide Normteile ___________ 141

Eingehend dazu Nietsch, Internationales Insiderrecht. Cramer, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG2, § 38 Rn. 4; ebenso Kaiser, WM 1997, 1557, 1558; Ledermann, in: Schäfer (Hrsg.), WpHG, § 38 WpHG Rn. 4; Begr. RegE 2. FMFG, BT-Drs. 12/6679, S. 57. Zu § 20a WpHG jetzt ebenso Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8017, S. 99; Ziouvas, ZGR 2003, 113, 124. – Zu § 38 V WpHG s. u. C II 2 (S. 226). 143 G. Schuster, Internationale Anwendung, S. 469 f.; so im Ergebnis auch BGHSt 21, 277 ff. (zu § 21 StVG a.F.); abl. dazu Lackner, JR 1968, 268 ff.; Oehler, JZ 1968, 191 ff. Nach Nietsch, Internationales Insiderrecht, S. 99-107, sind die §§ 12-14 WpHG sogar ausschließlich strafrechtlichen Charakters. 142

6. Kap.: Anwendungsbereich

226

(verwaltungsrechtliche Bezugsnorm und strafrechtliches Blankett) die für ihren Rechtskreis gültigen Vorschriften an, kommt also zu einer Doppelprüfung von Internationalem Verwaltungsrecht und Internationalem Strafrecht.144 Der vermittelnden Auffassung ist zuzustimmen. Die erstgenannte Ansicht beachtet nicht hinreichend, daß zwischen Geltungsbereich und Anwendungsbereich einer verwaltungsrechtlichen Norm zu differenzieren ist. Gegen die Ansicht der ausschließlichen Geltung der §§ 3-7, 9 StGB ist hingegen einzuwenden, daß nach nahezu einhelliger Auffassung eine strafrechtliche Sanktionsnorm den Geltungs- und Anwendungsbereich einer verwaltungsrechtlichen Verhaltensnorm nicht erweitern kann.145 In jedem Fall mit Auslandsbezug ist deshalb in einem ersten Schritt danach zu fragen, ob § 20a WpHG nach den Vorgaben des § 1 II WpHG anwendbar ist. Bejahendenfalls muß in einem zweiten Schritt die Anwendbarkeit der Strafvorschrift (§ 38 II WpHG) nach den §§ 3-7, 9 StGB untersucht werden. Diese Doppelprüfung hat zur Konsequenz, daß der räumliche Anwendungsbereich des Straftatbestandes nie weiter reichen kann, als der des verwaltungsrechtlichen Verbotstatbestandes, wohingegen das umkehrt der Fall sein kann.

2. Zur Funktion von § 38 V WpHG (= § 38 II WpHG a.F.) § 38 V WpHG stellt zum Zwecke der strafrechtlichen Ahndung dem deutschen Manipulationsverbot (§ 20a I 1 WpHG) ein entsprechendes ausländisches Verbot gleich. Dies ermöglicht es, einen Verstoß gegen ein ausländisches Manipulationsverbot in Deutschland (nach Maßgabe der §§ 3-7, 9 StGB) strafrechtlich zu sanktionieren. Im Ergebnis kann damit auch für Manipulationen, die nicht in den Anwendungsbereich von § 20a I 1 WpHG fallen, eine inländische Strafbarkeit begründet werden.

a) Erweiterung des räumlichen Anwendungsbereiches § 38 V WpHG gilt zunächst für Manipulationen, auf die das deutsche Manipulationsverbot räumlich nicht anwendbar ist. Das sind all jene Handlungen, die sich im Ausland abspielen und nicht ein an einer deutschen Börse gehandeltes Finanzinstrument betreffen (vgl. § 1 II WpHG).146 Verletzt dieses Verhalten ___________ 144

So ausf. Kondring, WM 1998, 1369, 1371; Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 38 Rn. 31; Arlt, Anlegerschutz, S. 352, 359; ferner Nowakowski, JZ 1971, 633, 637. 145 Kondring, WM 1998, 1369, 1370 m.w.N. 146 Vgl. o. C I (S. 221).

C. Räumlicher Anwendungsbereich

227

am Handlungsort ein dem deutschen entsprechendes Manipulationsverbot, so kann dies nach § 38 II, V WpHG in Deutschland strafbar sein.

b) Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereiches § 38 V WpHG könnte darüber hinaus auch zu einer Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereiches von § 38 II WpHG führen. Ist beispielsweise § 20a WpHG deshalb auf eine Inlandstat nicht anwendbar, weil nur ein Börsen- oder Marktpreis eines Nicht-EU/EWR-Marktes manipuliert wurde, könnte dennoch ein weitergefaßtes ausländisches Manipulationsverbot einschlägig sein, das diese Beschränkung nicht kennt. Weil dieses grundsätzlich auch auf Inlandstaten anwendbar sein kann147, käme es im Ergebnis zu einer faktischen Ausdehnung des sachlichen Anwendungsbereiches von des deutschen Manipulationsverbotes über den Regelungsgehalt von § 20a I 1 WpHG hinaus.148 Eine derartige Auslegung des § 38 V WpHG ist jedoch abzulehnen. Indem § 38 V WpHG auf ein „entsprechendes“ ausländisches Verbot verweist, kommt zum Ausdruck, daß dieses sachlich nicht über das deutsche Verbot hinausgehen darf.149 Dafür spricht, daß der Gesetzgeber mittels § 38 V WpHG lediglich sicherstellen wollte, daß vom Ausland her vorgenommene Manipulationen faßbar sind.150 Freilich läßt sich dem entgegenhalten, daß nicht von einem „identischen“, sondern nur von einem „entsprechenden“ Verbot die Rede ist.151 Jedoch bleibt diese Ansicht eindeutige Kriterien schuldig, wann ein ausländisches Verbot noch dem deutschen entspricht. Dies aber ist mit dem Bestimmtheitsgebot (Art. 103 II, 104 I GG) nicht zu vereinbaren.152 ___________ 147 Kaiser, WM 1997, 1557, 1558; Ledermann, in: Schäfer (Hrsg.), WpHG, § 38 WpHG Rn. 4 – Dies bemißt sich nach den Grundsätzen des Internationalen Verwaltungsrechts des ausländischen Staates. Dazu und zur Problematik einer evtl. völkerrechtswidrigen exorbitanten ausländischen Jurisdiktion Kondring, WM 1998, 1369, 1373 f. 148 Siehe dazu das Beispiel bei Kondring, WM 1998, 1369, 1373, Fn. 44, zum Insiderrecht. 149 So auch Arlt, Anlegerschutz, S. 357; Cramer, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG2, § 38 Rn. 6; Kondring, WM 1998, 1369, 1372; Ledermann, in: Schäfer (Hrsg.), WpHG, § 38 WpHG Rn. 4; Zimmer, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 38 WpHG Rn. 6; a.A. Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 38 Rn. 33; Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 142 (bis auf Arlt, Cramer/Vogel und Zimmer alle für das Insiderrecht). 150 Vgl. Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8017, S. 99; für das Insiderrecht Kondring, WM 1998, 1369, 1372. 151 So Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 38 Rn. 36. 152 Vgl. Arlt, Anlegerschutz, S. 357; Cramer, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG2, § 38 Rn. 6.

6. Kap.: Anwendungsbereich

228

Ist also ein manipulatives Verhalten aus sachlichen Gründen, beispielsweise mangels Beeinflussung eines Preises an einem inländischen153 oder EU/EWRMarkt oder weil kein an einem Organisierten Markt der EU/des EWR zugelassenes Finanzinstrument betroffen ist, nicht von § 20a I 1 WpHG erfaßt, kann eine Strafbarkeit auch nicht über ein weitergehendes ausländisches Verbot i.V.m. § 38 V WpHG begründet werden. Ein derartiges ausländisches Manipulationsverbot wäre kein dem deutschen entsprechendes. Im Ergebnis muß der ausländische Tatbestand also sachlich mit § 20a I 1 WpHG übereinstimmend sein. Solche Verbote werden daher faktisch lediglich in den EUMitgliedsstaaten (aufgrund der MMRL) und gegebenenfalls in den EWRStaaten existieren. § 38 V WpHG kommt somit nur zum Zuge, wenn das manipulative Verhalten, gedanklich ins Inland verlegt, einen Verstoß gegen § 20a I 1 WpHG darstellte.

c) Manipulationsverbote außerhalb der EU/des EWR Der Wortlaut von § 38 V WpHG spricht ganz allgemein von einem ausländischen Manipulationsverbot, so daß grundsätzlich auch ein solches aus einem Nicht-EU/EWR-Land, etwa aus den USA, erfaßt sein kann. Praktisch wird dies aber nicht der Fall sein. Nach hier vertretener Auffassung ist ein ausländisches Manipulationsverbot nur dann ein dem deutschen entsprechendes, wenn es sachlich mit diesem übereinstimmt. Dazu gehören sowohl die von ihm umfaßten Gegenstände als auch die geschützten Märkte. Es ist jedoch unwahrscheinlich, daß ein Nicht-EU/EWR-Land die Beeinflussung eines Preises eines in einem EU-/EWR-Land zum Handel zugelassenen Finanzinstruments an einem Organisierten Markt in der EU/dem EWR verbietet. Ein dem deutschen entsprechendes Manipulationsverbot wird lediglich in den EU-Mitgliedsstaaten und gegebenenfalls in den EWR-Staaten existieren. Im Ergebnis ist damit § 38 V WpHG faktisch auf die Manipulationsverbote der EU-Mitgliedsstaaten und gegebenenfalls der EWR-Staaten beschränkt. Dies ist gegenwärtig auch sachgerecht, denn die grenzüberschreitende Erfassung von Manipulationen ist dem Umstand geschuldet, daß die Kapitalmärkte der EU zunehmend zu einem integrierten Kapitalmarkt verschmelzen. Zwar gibt es eine solche Tendenz auch global, doch ist diese noch nicht so stark ausgeprägt wie innerhalb der EU und des EWR, und zudem fehlt international eine der europäischen entsprechende Harmonisierung. ___________ 153 Gemeint ist ein Markt in der Bundesrepublik Deutschland und nicht „inländisch“ aus der Sicht des ausländischen Staates (zutr. Trüstedt, Verbot, S. 43 f.). Bedeutung erlangt diese Einschränkung im Ergebnis nur, wenn ein Manipulationsverbot eines NichtEU/EWR-Landes in Rede steht.

C. Räumlicher Anwendungsbereich

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d) Ergebnis zu § 38 V WpHG Ein ausländisches Manipulationsverbot entspricht nur dann dem deutschen, wenn es mit ihm sachlich übereinstimmt. § 38 V WpHG erweitert damit nur die räumliche Reichweite des Manipulationsverbotes, nicht aber die sachliche. Unerheblich ist dagegen, ob das ausländische Verbot ebenfalls strafrechtlich sanktioniert ist.154 Da § 38 V WpHG nur auf die Entsprechung des Verbotes (§ 20a WpHG), nicht aber der zugehörigen Sanktion abstellt, ist dies der Vorschrift nicht zu entnehmen. Dies ist angesichts der Tatsache, daß die Art der Sanktion weitgehend den Mitgliedsstaaten überlassen bleibt (vgl. Art. 14 I MMRL), auch sachgerecht.

3. §§ 3-7, 9 StGB im einzelnen Im zweiten Schritt ist nunmehr die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts (§ 38 II WpHG) zu untersuchen. Deutsches Strafrecht ist zunächst auf alle im Inland begangenen Taten anwendbar (sog. Territorialitätsprinzip, § 3 StGB). Für eine Inlandstat bedarf es eines inländischen Handlungs- oder Erfolgsortes (sog. Ubiquitätsprinzip, § 9 StGB). Auf die Nationalität des Täters oder auf die Gegenseitigkeit der Strafbarkeit kommt es hier nicht an.

a) Anknüpfung an den Handlungsort einer Manipulation Handlungsort eines Begehungsdeliktes (solche sind §§ 38 II i.V.m. 20a I 1 Nr. 1 Alt. 1, Nr. 2 und Nr. 3 WpHG) ist gem. § 9 I Var. 1 StGB jeder Ort, an dem der Täter eine auf die Tatbestandsverwirklichung gerichtete Tätigkeit entfaltet oder versucht.155 Zur Begründung eines inländischen Handlungsortes muß also ein Teilakt der Manipulationshandlung im Inland vorgenommen werden. Da nach der überwiegenden Ansicht im wesentlichen auf den Aufenthaltsort des Täters abzustellen ist156, hat der sich im Inland aufhaltende Täter jedenfalls einen inländischen Handlungsort. Probleme bereitet aber der Fall, bei dem der Täter aus dem Ausland einen ausländischen EU/EWR-Markt-Preis157 manipuliert, dabei aber eine deutsche ___________ 154

Im Erg. ebenso Arlt, Anlegerschutz, S. 357 f.; Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 38 Rn. 33; a.A. Möller, WM 2002, 309, 316; Trüstedt, Verbot, S. 43. 155 BGHSt 34, 101, 106; Gribbohm, in: Leipziger Komm. StGB, § 9 Rn. 7 m.w.N. 156 Ambos/Ruegenberg, in: Münchener Komm. StGB, § 9 Rn. 8. 157 Gemeint ist also der Fall, daß gegen ein dem § 20a I 1 WpHG entsprechendes (deshalb auch die Beeinflussung eines EU/EWR-Markt-Preises) ausländisches Manipulationsverbot im Sinne des § 38 V WpHG verstoßen wurde.

230

6. Kap.: Anwendungsbereich

Einrichtung (eine Börse, ein Massenmedium158 etc.) benutzt. Zwar liegen hier Handlungs- und Erfolgsort anscheinend ausschließlich im Ausland, jedoch ereignet sich im Inland ein kausales Zwischengeschehen. Die Behandlung derartiger sog. Transitdelikte ist in der Literatur umstritten.159 Das gilt umso mehr, wenn Telekommunikationseinrichtungen und insbesondere das Internet benutzt werden.160 Einer Ansicht zufolge ist Handlungsort bei Äußerungs- und Verbreitungsdelikten (gleiches müßte konsequent aber auch auf Erfolgsdelikte erstreckt werden) im Internet nicht nur dort, wo der Täter körperlich gehandelt hat, sondern auch am Standort des Servers, auf dem die Daten abgespeichert werden.161 Dieser pauschale Ansatz verkennt jedoch bereits die technischen Abläufe bei der Internet-Nutzung.162 Im Regelfall kann der Internet-Nutzer den Standort des von ihm benutzten Servers nicht bestimmen; zumeist wird er ihn noch nicht einmal kennen. Ferner werden Inhalte zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit häufig zusätzlich auf andere Server übertragen („gespiegelt“), was weder vorherseh- noch steuerbar ist. Die Anknüpfung an den Serverstandort führte damit zu zufälligen Ergebnissen. Bei der zutreffenden Lösung ist zu berücksichtigen, daß eine zu weite Ausdehnung des Handlungsortes im Sinne von § 9 I Var. 1 StGB eine Hinwendung zum Weltrechtsgrundsatz beinhaltet, der aber im StGB nur für bestimmte Delikte (§ 6 StGB) vorgesehen ist.163 Die Gefahr, sich zu einer „Weltpolizei“ auf___________ 158 Gemeint sind hier Fälle folgender Art: (1) Der Täter plaziert aus dem Ausland (namentlich via Internet oder Computerhandelssystem) an einer deutschen Börse eine Vielzahl von (echten, deshalb keine wash sales etc.) Kaufaufträgen, woraufhin der Kurs des Wertpapieres steigt. Zugleich steigt aber (und darauf hatte es der Täter abgesehen) ein nur im Ausland notiertes Derivat in erheblich stärkerem Umfang. (2) Der Täter verbreitet aus dem Ausland über ein deutsches Massenmedium (Zeitung, Fernsehen, Internet etc.) falsche Angaben über eine im Ausland notierte Aktie, woraufhin sich deren Kurs verändert. 159 Einerseits (sc. einen inländischen Handlungsort bejahend) Gribbohm, in: Leipziger Komm. StGB, § 9 Rn. 12; Ambos/Ruegenberg, in: Münchener Komm. StGB, § 9 Rn. 11; dagegen Lemke, in: Nomos Komm. StGB, § 9 Rn. 12; Hoyer, in: System. Komm. StGB, § 9 Rn. 7. 160 Vgl. hierzu Ambos/Ruegenberg, in: Münchener Komm. StGB, § 9 Rn. 26-35 m.w.N. 161 Cornils, JZ 1999, 394, 396 ff.; ihr folgend Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, § 9 Rn. 4; ebenso Lemke, in: Nomos Komm. StGB, § 9 Rn. 13 (der überraschender Weise außerhalb dieser Fallgruppe bei Transitdelikten einen inländischen Handlungsort ablehnt). – S. auch KG, NJW 1999, 3500 ff.: Das Zeigen des Hitler-Grußes etc. bei einem Auslandsfußballspiel begründe auch einen inländischen Handlungsort (für § 86a StGB), wenn und weil es bei der Fernsehübertragung in Deutschland zu sehen ist. 162 Vgl. zur Kritik Hilgendorf, ZStW 113 (2001), 650, 665 f., der darin zu Recht Elemente der abgelegten „Theorie der langen Hand“ sieht. 163 Freilich umfaßt dieser Katalog auch den Subventionsbetrug und damit einen klassischen Tatbestand des Wirtschaftsstrafrechts.

C. Räumlicher Anwendungsbereich

231

zuschwingen, ist groß.164 Wohl auch deshalb verlangt der Bundesgerichtshof (in einer Entscheidung zu § 9 I Var. 3 StGB) einen „völkerrechtlich legitimierenden Anknüpfungspunkt“ im Inland.165 Ferner ist zu berücksichtigen, daß die Strafgewalt an den Grenzen Deutschlands endet, so daß die beschriebenen Taten zwar deutschem Strafrecht unterliegen, jedoch eine Aburteilung nahezu ausgeschlossen ist.166 Ohne hier ausführlicher das Für und Wider abwägen zu können spricht einiges dafür, einen inländischen Handlungsort nur dann zu bejahen, wenn die inländische Einrichtung zielgerichtet zur Manipulation benutzt wurde.167 Das ist im Falle des Handels über eine inländische Börse ebenso gegeben, wie bei der gezielten Verbreitung von Gerüchten über deutsche Medien. Nicht erfaßt werden sollten dagegen diejenigen Fälle, bei denen der Inlandsbezug – selbst wenn er damit rechnen konnte – ohne Wissen und Wollen des Täters zustande gekommen ist. Äußert beispielsweise der Täter im Ausland kursrelevante Gerüchte und werden diese, ohne daß er das beabsichtigt hat, auch nach Deutschland übertragen, so begründet dies keinen inländischen Tatort.168 Ebensowenig kann es einen inländischen Handlungsort begründen, wenn der Server des benutzten Handelssystems zufällig in Deutschland betrieben wird.169 Handlungsort eines Unterlassungsdeliktes (ein solches ist § 38 II WpHG i.V.m. § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG), ist jeder Ort, an dem der Täter „hätte handeln müssen“. Das sind die Orte, an denen sich der Täter während seiner Handlungspflicht aufhält sowie die, zu denen er sich hätte hinbegeben müssen.170 Konkret ist hier also danach zu fragen, ob die für § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG notwendige Aufklärungspflicht auch auf den sich im Ausland aufhaltenden Täter anwendbar ist, er also zu ihrer Beachtung verpflichtet ist.

___________ 164

Dazu Sieber, NJW 1999, 2065, 2068; Hilgendorf, NJW 1997, 1873, 1874. BGHSt 46, 212, 224 – Auschwitzlüge. – Diesen Anknüpfungspunkt sah das Gericht ohne Schwierigkeiten in der Einzigartigkeit der unter den Nationalsozialisten begangenen Verbrechen. 166 Vgl. dazu A. Koch, GA 2002, 703, 707. 167 Im Zusammenhang mit den Äußerungsdelikten im Internet in Bezug auf § 9 I Var. 3 StGB ebenso Werle/Jeßberger, JuS 2001, 35, 39; vgl. auch Hilgendorf, ZStW 113 (2001), 650, 668 ff. 168 Analog wäre im Fall des KG, NJW 1999, 3500 ff., zu entscheiden gewesen, denn die Täter hatten wohl kaum die Übertragung des Hitlergrußes nach Deutschland beabsichtigt. 169 Dazu sogleich ausf. u. C II 3 b (S. 232). 170 Lemke, in: Nomos Komm. StGB, § 9 Rn. 16. 165

232

6. Kap.: Anwendungsbereich

b) Anknüpfung an den Erfolgsort einer Manipulation Erfolgsort schließlich ist der Ort, an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eintritt (§ 9 I Var. 3 StGB). Der tatbestandliche Erfolg ist bei § 38 II WpHG die Beeinflussung eines Börsen- oder Marktpreises. Dieser Erfolg muß im Inland eintreten, das heißt einen inländischen Börsen- oder Marktpreis betreffen. Damit genügt für die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts nach §§ 3, 9 I Var. 3 StGB nicht, daß aus dem Ausland ein Preis eines nicht-deutschen EU/EWR-Marktes manipuliert wurde. Zwar genügt das als tatbestandlicher Erfolg des § 38 II WpHG (namentlich wenn die Manipulation aus dem Inland begangen wurde und damit deutsches Strafrecht nach §§ 3, 9 I Var. 1 StGB anwendbar ist), nicht aber für die Begründung eines inländischen Erfolgsortes im Sinne der internationalstrafrechtlichen Vorschriften. Ein inländischer Börsen- oder Marktpreis ist dann betroffen, wenn der Ort des Marktes, an dem die Preisbeeinflussung eingetreten ist, im Inland liegt. Das ist bei den klassischen Präsenzbörsen, bei denen die Preisbildung durch Makler in einem Handelsraum stattfindet, unproblematisch gegeben. Wiederum bereitet dagegen die zunehmende Virtualisierung und Globalisierung der Märkte durch die Nutzung von vernetzten Computern Probleme bei der Bestimmung des Marktortes und damit des Erfolgsortes. Allein auf die abstrakte Erreichbarkeit der Plattform im Inland abzustellen, wäre wenig sinnvoll. Insbesondere über das Internet betriebene Märkte sind grundsätzlich weltweit zugänglich und wären daher stets als inländische Märkte anzusehen. Das Merkmal des inländischen Erfolgsortes wäre damit jeglicher limitierender Funktion enthoben. Ferner zeigen die den Zugang zu ausländischen Systemen regelnden §§ 37i ff. WpHG, daß die bloße faktische Ausstrahlung ins Inland nicht genügen kann.171 Dagegen auf den Standort des Zentralrechners des Handelssystems abzustellen,172 verkennt die tatsächlichen Gegebenheiten des weltweiten Datennetzes. Der Standort des Servers ist gänzlich ungeeignet als Anknüpfungskriterium, denn die Kontrolle über das System und damit die Steuerung des Handelsablaufs ist daran nicht gebunden, sondern kann von überall her ausgeübt werden. Damit würde der Anknüpfungspunkt weitgehend zufällig gewählt und die unproblematische Umgehung des Manipulationsverbotes durch Verlagerung ins nichteuropäische Ausland ermöglicht.173 Als taugliches Lokalisationskriterium kommt daher zunächst die tatsächliche geschäftliche Niederlassung des Dien___________ 171

Spindler, WM 2002, 1325, 1339. So etwa Riehmer/Heuser, NZG 2001, 385, 388 f. m.w.N.; allgemein in Bezug auf die Aufsicht Beck, WM 1998, 417, 423 m.w.N.; Kurth, ZfgK 1998, 618, 622. 173 Zur Umgehung ebenso Spindler, WM 2001, 1689, 1697; Florian, Rechtsfragen, S. 254 f. 172

C. Räumlicher Anwendungsbereich

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steanbieters in Betracht, das heißt der Ort, an dem konkrete physische Verwaltungstätigkeit geleistet wird. Diensteanbieter in diesem Sinne ist dabei derjenige, der die Handelsplattform (nicht nur den Server) betreibt und die Kontrolle über den Handel ausübt.174 Jedoch ist auch mit dieser Erfolgsortbestimmung einerseits die Gefahr der Umgehung durch Verlagerung des gesamten Geschäftsbetriebes ins Ausland verbunden und andererseits nicht ohne weiteres einsichtig, warum ein aus dem Ausland betriebenes, aber auch oder sogar ausschließlich auf die Bedienung inländischer Handelsteilnehmer gerichtetes System nicht dem Manipulationsverbot unterfallen soll. Den tatsächlichen Gegebenheiten des Internet am besten gerecht würde eine Betrachtungsweise die auf den Ort desjenigen abstellt, an den sich die Handelsplattform richtet und der diese befugtermaßen nutzen kann.175 Für diesen Handelsteilnehmer stellt sich das Handelssystem funktional als ein inländisches dar, unabhängig von dem tatsächlichen Standort des Servers oder dem Verwaltungssitz des Betreibers. Der Schutzzweck des Manipulationsverbotes ist damit ebenso betroffen, wie bei einem inländischen Präsenzmarkt. Die bloß faktische Erreichbarkeit des Systems im Inland genügt hingegen nicht. Nach dieser Ansicht kann ein elektronisches Handelssystem Manipulationsverboten mehrerer Staaten unterliegen, wenn und soweit es sich an Handelsteilnehmer mit Sitz in verschiedenen Staaten richtet.176 Dies ist im Rahmen des Manipulationsverbotes unbedenklich, da dessen Einhaltung – anders als etwa besondere Erlaubnispflichten oder Mindestanforderungen bezüglich des Handelssystems – keine Belastung für den Betreiber darstellt. ___________ 174 In Bezug auf § 58 I BörsG ebenso der Bericht des Finanzausschusses zum RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8601, S. 15; Pfüller/Westerwelle, in: Hoeren/Sieber (Hrsg.), Hdb. Multimediarecht, Kap. 13.7 Rn. 153; Reuschle/Fleckner, BKR 2002, 617, 620; Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 58 BörsG Rn. 7; Spindler, WM 2002, 1325, 1339; Wastl/Schlitt, MMR 2000, 387, 390. 175 Für Verhaltenspflichten im Rahmen von Kapitalmarktangeboten und Dienstleistungen ebenso Spindler, WM 2001, 1689, 1699 (erkennbare Ausrichtung der Tätigkeiten auf inländischen Markt). Einen derartigen, auf den „Zielmarkt“ abstellenden Weg hat der Gesetzgeber bei § 37i I 1 WpHG beschritten, wonach ausländische organisierte Märkte oder ihre Betreiber der schriftlichen Erlaubnis der Bundesanstalt bedürfen, wenn sie Handelsteilnehmern mit Sitz im Inland über ein elektronisches Handelssystem einen unmittelbaren Marktzugang gewähren. – Einen solchen Ansatz verfolgt auch die SEC, vgl. SEC Rel. No. 3375, VII B. Danach sind ausländische Börsen solange nicht den Registrierungsvorschriften unterworfen, wie diese angemessene Vorkehrungen treffen, daß US-Einwohner an ihnen nicht handeln können (vgl. auch Florian, Rechtsfragen, S. 258). 176 Ebenso für § 37i WpHG Beck, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 37i WpHG Rn. 3; für das Insiderrecht im Hinblick auf Art. 5 S. 2 Insider-RL Hopt, ZGR 1991, 73, 65; Elster, Europäisches Kapitalmarktrecht, S. 113; allg. zum „Effekt der kumulativen Anwendung des öffentlichen Kapitalmarktrechts“ s. U.H. Schneider, AG 2001, 269, 273.

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6. Kap.: Anwendungsbereich

Ob sich eine elektronische Handelsplattform an inländische Handelsteilnehmer richtet, ist durch eine einzelfallbezogene Prüfung festzustellen. Dabei kann der Betreiber der Handelsplattform deren Zielgebiet durch entsprechende einschränkende Hinweise und Maßnahmen beeinflussen, sofern darin kein widersprüchliches Verhalten liegt.177 Für den Inlandsbezug ist es jedenfalls hinreichend, daß ein inländisches staatliches Zulassungs- oder Anzeigeerfordernis besteht. Dies ist der Fall, wenn der Markt im Inland als Börse genehmigt (§ 1 I BörsG) oder aufgrund Eintragung als Geregelter Markt im Sinne der Wertpapierdienstleistungs-RL anerkannt ist oder der Betrieb eines elektronischen Handelssystems im Inland (§ 58 I BörsG) angezeigt ist.

c) Sonstige Anknüpfungspunkte Liegen weder Handlungs- noch Erfolgsort im Inland, ist der Täter aber Deutscher, so ist § 38 II WpHG dennoch anwendbar, wenn die Tat auch am (ausländischen) Tatort strafbar ist oder – praktisch kaum relevant – dieser keiner Strafgewalt unterliegt (§ 7 II Nr. 1 StGB, sog. aktives Personalitätsprinzip).178 Dagegen ist das passive Personalitätsprinzip (§ 7 I StGB) nicht anwendbar. Selbst wenn deutsche Anleger an einer ausländischen Börse durch Manipulationen einen Schaden erleiden, fehlt es an einer Tatbegehung gegen einen Deutschen, weil § 20a WpHG nach hier vertretener Ansicht ausschließlich überindividuelle Rechtsgüter schützt179, diese allein aber für § 7 I StGB nicht genügen.180

d) Strafbarkeit eines Teilnehmers Für den Teilnehmer an einer strafbaren Marktmanipulation begründet § 9 II 1 StGB Tatorte sowohl am Ort der Haupttat (nach § 9 I StGB) als auch dort, wo der Teilnehmer gehandelt hat oder hätte handeln müssen. Zudem ist er selbst dann strafbar, wenn er an einer am Tatort nicht strafbaren Auslandstat vom Inland aus teilgenommen hat, § 9 II 2 StGB.

___________ 177

Vgl. Spindler, ZHR 165 (2001), 324, 330. Zu den Anforderungen an die Tatortstrafe Gribbohm, in: Leipziger Komm. StGB, § 7 Rn. 18 ff. 179 Vgl. o. 3. Kap. B I 2 (S. 96). – Anders müßten freilich die entscheiden, die dem Manipulationsverbot zumindest auch ein individuelles Rechtsgut beimessen. 180 Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, § 7 Rn. 6. 178

C. Räumlicher Anwendungsbereich

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4. Zwischenergebnis zu den §§ 3-7, 9 StGB Die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts kann sich zunächst aus dem Handlungsort der Manipulation ergeben. Um dabei der Gefahr einer zu weiten Ausdehnung der deutschen Strafgewalt vorzubeugen, ist zusätzlich zu fordern, daß eine inländische Einrichtung zielgerichtet zur Manipulation benutzt wurde. Der zweite mögliche Anknüpfungspunkt ist ein inländischer Erfolgsort. § 38 II WpHG ist daher anwendbar, wenn ein Preis einer inländischen Börse oder eines inländischen Marktes beeinflußt wurde.

III. Ahndbarkeit (§ 39 I Nr. 1, 2, II Nr. 11 WpHG) von Manipulationen mit Auslandsbezug

Die Anwendbarkeit des Ordnungswidrigkeitenrechts bestimmt sich ebenfalls durch eine Kombination des Territorialitätsgrundsatzes (§ 5 OWiG) mit dem Ubiquitätsprinzip (§ 7 OWiG). Der räumliche Anwendungsbereich des OWiG in dessen § 5 stimmt materiell mit dem Inland im Sinne des § 3 StGB überein181 und auch für die an den Ort der Handlung anknüpfenden Tatbestände (§ 7 I Alt. 1 und Alt. 2 OWiG) kann auf die entsprechenden Ausführungen zu § 9 I Alt. 1 und Alt. 2 StGB verwiesen werden. Dagegen besitzen nach verbreiteter Ansicht abstrakte Gefährdungsdelikte (solche sind § 39 I Nr. 1, 2, II Nr. 11 WpHG i.V.m. § 20a WpHG) im Gegensatz zu den konkreten Gefährdungsdelikten keinen tatbestandlichen Erfolg, so daß für diese die diesbezügliche Anknüpfung in § 7 I Alt. 3 OWiG (resp. § 9 I Alt. 3 StGB) hinfällig ist.182 Demgegenüber hat der Bundesgerichtshof in der Auschwitz-Entscheidung den Standpunkt vertreten, daß der Erfolg im Sinne von § 9 StGB auch dort eingetreten sei, wo die konkrete Tat ihre Gefährlichkeit im Hinblick auf das im Tatbestand umschriebene Rechtsgut entfalten kann.183 Für sog. abstrakt-konkrete Gefährdungsdelikte hat das zur Folge, daß schon dann ein inländischer Erfolgsort begründet ist, wenn das Verhalten geeignet ist, den tatbestandlichen Erfolg im Inland herbeizuführen. Da auch § 39 I Nr. 1, 2, II Nr. 11 WpHG i.V.m. § 20a WpHG als solch ein abstrakt-konkretes Gefährdungsdelikt ausgestaltet ist, käme – vorausgesetzt, die Entscheidung ist auf das insoweit identische Ordnungswidrigkeitenrecht übertragbar – deutsches Recht schon dann zur Anwendung, wenn die Manipulationshandlung geeignet ist, einen inländischen Börsen- oder Marktpreis zu beeinflussen, selbst wenn sie vollständig im Ausland ___________ 181

Rogall, in: Karlsruher Komm. OWiG, § 5 Rn. 7. Vgl. Rogall, Karlsruher Komm. OWiG, § 7 Rn. 11 m.w.N. 183 BGHSt 46, 212, 220 ff.; kritisch dazu A. Koch, GA 2002, 703, 706 ff. 182

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6. Kap.: Anwendungsbereich

abläuft.184 Die dieser Ansicht immanente Gefahr der Globalisierung deutscher Ahndungszuständigkeit über die gesetzlich eng umrissenen Tatbestände hinaus wurde bereits oben aufgezeigt.185

D. Schutzbereichsausnahmen Das Manipulationsverbot einschließlich der weiteren Vorschriften des 4. Abschnitts ist ebenso wie das Insiderhandelsverbot auf Geschäfte unanwendbar, die aus geld- oder währungspolitischen Gründen oder im Rahmen der öffentlichen Schuldenverwaltung von der Europäischen Zentralbank, dem Bund, einem seiner Sondervermögen, einem Land, der Deutschen Bundesbank, einem ausländischen Staat oder dessen Zentralbank oder einer anderen mit diesen Geschäften beauftragten Organisation oder mit für deren Rechnung handelnden Personen getätigt werden. Diese Beschränkung beruht auf Art. 7 MMRL (früher bzgl. des Insiderrechts Art. 2 IV Insiderrichtlinie). Mit der ausdrücklichen Aufnahme der EZB durch das AnSVG hat sich der Streit um deren Freistellung erledigt.186 Von der Freistellung nicht erfaßt sind hingegen die Schuldenverwaltungen der Gemeinden und Gemeindeverbände, weil diese nicht im Auftrag oder für Rechnung des Bundes oder der Länder erfolgt.187 Ihre Einbeziehung wäre zudem wohl gemeinschaftsrechtswidrig, weil Art. 7 S. 2 MMRL (früher Art. 7 S. 2 Insiderrichtlinie) nur die Erstreckung der Freistellung auf „die Gliedstaaten und die diesen gleichzustellenden Gebietskörperschaften“, wozu Gemeinden nicht zählen dürften, erlaubt.188 Die eben genannten Organisationen sind nur hinsichtlich der in § 20 WpHG genannten Geschäfte privilegiert. Nicht dazu zählen rein fiskalische Geschäfte und solche, die bloß unter dem Vorwand der genannten Zwecke durchgeführt werden.189

___________ 184

So wohl Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 39 Rn. 34. Vgl. o. 6. Kap. C II 3 (S. 229). – Sie besteht hier in besonderem Maße, da das Ordnungswidrigkeitenrecht keine dem in § 6 StGB verankerten Weltrechtsprinzip vergleichbare Regelung kennt. 186 Zum (überholten) Streitstand Zimmer, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20 WpHG Rn. 4; Assmann, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG3, § 20 Rn. 3. 187 Zimmer, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20 WpHG Rn. 3; a.A. offenbar Becker, WpHG, S. 72. 188 Vgl. Assmann, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG3, § 20 Rn. 3. 189 Assmann, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG3, § 20 Rn. 4; Becker, WpHG, S. 73; Zimmer, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20 WpHG Rn. 5. 185

Siebtes Kapitel

Verbotstatbestände § 20a I 1 WpHG enthält seit Inkrafttreten des AnSVG vier Verbotstatbestände. Drei davon (§§ 20a I 1 Nr. 1 Alt. 1, Nr. 2 und Nr. 3 WpHG) sind als Begehungsdelikte ausgestaltet, eines (§ 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG) als echtes Unterlassungsdelikt. A. § 20a I 1 Nr. 1 WpHG Nach § 20a I 1 Nr. 1 WpHG ist es verboten, unrichtige oder irreführende Angaben über Umstände zu machen, die für die Bewertung eines Finanzinstruments erheblich sind, oder solche Umstände entgegen bestehenden Rechtsvorschriften zu verschweigen, wenn die Angaben oder das Verschweigen geeignet sind, auf den inländischen Börsen- oder Marktpreis eines Finanzinstruments oder auf den Preis eines Finanzinstruments an einem organisierten Markt in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum einzuwirken. Diese Formulierung ist – abgesehen von den Anpassungen an die Terminologie des Wertpapierhandelsgesetzes – eng an den bisherigen Kursbetrug (§ 88 BörsG a.F.) angelehnt. Bei der Auslegung sind die zu dieser Vorschrift entwikkelten Grundsätze zumindest als Anhaltspunkte heranzuziehen. Weitere Auslegungshilfen können die §§ 264 I Nr. 1, 264a I, 265b I Nr. 1 StGB bieten, da von dort bekannte Begriffe auch im Manipulationsverbot verwendet werden.1 I. Machen unrichtiger oder irreführender Angaben über bewertungserhebliche Umstände (Alternative 1)

Die Begehungsvariante von § 20a I 1 Nr. 1 WpHG verbietet es, unrichtige oder irreführende Angaben über bewertungserhebliche Umstände zu machen. Für die Tatbestandsverwirklichung kommt es (anders als bei § 264a StGB) nicht auf die Vorteilhaftigkeit der unrichtigen oder irreführenden Angabe an. Es ist deshalb auch die beabsichtigte Senkung eines Preises durch nachteilige ___________ 1 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 40; a.A. Sorgenfrei, wistra 2002, 321, 324 f.

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7. Kap.: Verbotstatbestände

Angaben erfaßt.2 Das ist sachgerecht, da die mit Manipulationen verbundenen negativen Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit des Marktes unabhängig von der Richtung sind, in die die Beeinflussung erfolgt, auftreten.

1. Angaben über Umstände In der Literatur findet sich ganz überwiegend die Auffassung, Angaben im Sinne von § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG seien (wie schon bei § 88 BörsG a.F.) neben den unstreitig erfaßten nachprüfbaren Tatsachen3 zwar auch Prognosen und Bewertungen, jedoch nur, wenn diese einen Tatsachenkern enthielten.4 Dagegen seien reine Werturteile, namentlich Kauf- und Verkaufsempfehlungen, die ohne Angabe von Gründen erfolgen, nicht vom Angabenbegriff umfaßt.5 Gleiches gelte für Anpreisungen und schönfärberische Darstellungen6 sowie für Gerüchte als unverbürgte Nachrichten.7 Dies wird im wesentlichen damit begründet, daß das Verbot nach Nummer 1 sicherstellen solle, daß sich die Anleger ein unverfälschtes Bild vom „wahren“ Wert des betreffenden Wertpapieres machen können. Ein rational handelnder Anleger aber lasse sich bei seiner Einschätzung von reinen Werturteilen nicht beeinflussen.8 Schließlich spreche gegen die Einbeziehung von Werturteilen etc., daß diese nicht unrichtig sein könnten, wie es das Gesetz aber verlangt.9 Die Kundgabe von Werturteilen ___________ 2 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 47; ebenso zu § 88 BörsG a.F. Begr. RegE 2. WiKG, BT-Drs. 10/318, S. 46. 3 Insoweit allg. Meinung, statt aller Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 11. 4 Arlt, Anlegerschutz, S. 155 f.; BaFin (Hrsg.), Emittentenleitfaden, S. 89; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 16.375; Möller, WM 2002, 309, 312; Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 11; Sorgenfrei, in: Park (Hrsg.), Kapitalmarkt-Strafrecht, 4. Abschnitt, Rn. 18; Sorgenfrei, wistra 2002, 321, 323; Ziouvas, ZGR 2003, 113, 127. Zu § 88 Nr. 1 BörsG a.F.: Fuhrmann, in: Erbs/Kohlhaas (Hrsg.), Strafrechtliche Nebengesetze, Stand: 104. Lief., § 88 BörsG Rn. 7; Ledermann, in: Schäfer (Hrsg.), WpHG, § 88 BörsG Rn. 8; Park, BB 2001, 2069, 2070; Schwark, BörsG, § 88 Rn. 5; Trüstedt, Verbot, S. 138; M. Weber, NZG 2000, 113, 114. 5 Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 12; Schlüchter, 2. WiKG, S. 137. 6 Näher dazu A. Schmitz, wistra 2002, 208, 209; Ledermann, in: Schäfer (Hrsg.), WpHG, § 88 BörsG Rn. 8. 7 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 16.376; Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8017, S. 90. 8 Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 12. 9 Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 12; Trüstedt, Verbot, S. 137 f. – Dieses Argument hat erheblich an Überzeugungskraft verloren, da seit Inkrafttreten des AnSVG auch irreführende Angaben verboten sind. Irreführend können aber auch und gerade Werturteile sein.

A. § 20a I 1 Nr. 1 WpHG

239

könne daher allenfalls als sonstige Täuschungshandlung der Nummer 3 unterfallen.10 Diese – als herrschend zu bezeichnende – Ansicht begegnet jedoch erheblichen Zweifeln. Zum einen läßt sich allein dem Begriff der Angabe die genannte Forderung nach einem Tatsachenkern nicht entnehmen. Umgangssprachlich bedeutet Angabe lediglich Aussage oder Information11, was auch reine Werturteile umfaßt. Zum anderen ist davon auszugehen, daß die Zuverlässigkeit und Wahrheit der Preisbildung auch und häufig gerade aufgrund von Bewertungen und Prognosen und nicht zuletzt von Gerüchten tangiert sein kann.12 So sind etwa Anlageempfehlungen allein dazu bestimmt, Anleger in einem bestimmten Sinne zu motivieren. Solche Empfehlungen sind aber, wenn sie nicht zusammen mit weiterem Material (wie namentlich der Empfehlung zugrunde liegenden Unternehmenszahlen etc.) verbreitet werden, bloße Bewertungen und Prognosen und damit nach herrschender Ansicht keine Angabe. Es leuchtet unter dem Blickwinkel des Schutzzwecks des Manipulationsverbotes nicht ein, Empfehlungen diesem nur dann zu unterstellen, wenn mindestens eine Tatsache hinzugefügt wird. Diese überkommene Auffassung bedarf daher der Korrektur.

a) Angabe Der Begriff Angabe allein drückt lediglich aus, daß es sich um eine Erklärung, eine Äußerung, eine Mitteilung, mithin um einen kommunikativen Akt handeln muß, sei dieser auch lediglich konkludent. § 20a I 1 Nr. 1 WpHG ist ein sog. Äußerungsdelikt. Keine Angaben und damit von § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG nicht erfaßt sind deshalb bloße Tatsachenveränderungen, wie beispielsweise Einwirkungen auf Angebot und Nachfrage durch Handelstätigkeit (handelsgestützte Manipulationen) oder die als handlungsgestützten Manipulationen behandelten physischen Angriffe auf Unternehmenswerte. Diese Manipulationsformen können jedoch § 20a I 1 Nr. 2 oder Nr. 3 WpHG unterfallen.13 Weitere Anforderungen stellt der Begriff der Angabe dagegen nicht. Unerheblich sind deshalb zunächst deren Art, Kontext und Anlaß. Erfaßt sind damit Unternehmenszahlen (wie Bilanzen, Lageberichte etc.), Ad hoc-Mitteilungen im Sinne von § 15 WpHG und Emissionsprospekte14 ebenso wie Pressemittei___________ 10

Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 12. Vgl. Duden, Wörterbuch, Stichwort „Angabe“. 12 Park, BB 2001, 2069, 2070; in diese Richtung auch Zobl/Kramer, Schweizerisches Kapitalmarktrecht, Rn. 1041. 13 Ebenso für § 20a I 1 Nr. 2 WpHG a.F. Altenhain, BB 2002, 1874, 1877 m.w.N. 14 Da seit Inkrafttreten des AnSVG der gestellte oder öffentlich angekündigte Antrag auf Handelsaufnahme für die Anwendbarkeit des Manipulationsverbotes genügt (s. o. 11

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7. Kap.: Verbotstatbestände

lungen und rein private Äußerungen. Auch die angesprochenen Gerüchte, Anpreisungen, Werturteile und Prognosen sind damit Angaben. Unerheblich ist ferner die Form der Angabe, so daß hier neben mündlichen, schriftlichen, fernmündlichen Erklärungen auch solche elektronischer Art einschließlich der Massenmedien in Betracht kommen.15

b) Über Umstände Weitere Anforderungen an eine Angabe – wie etwa ein Tatsachenkern – können sich somit erst dadurch ergeben, daß nicht vom wenig ergiebigen Begriff der Angabe ausgegangen wird, sondern von dem der Angabe über (bewertungserhebliche) Umstände. Die Wahl des Begriffes Umstand anstelle des aus § 263 I StGB bekannten Begriffes Tatsache verdeutlicht, daß hier etwas anderes, genauer, etwas weiter reichendes gemeint sein muß. Hätte der Gesetzgeber tatsächlich eine Rückführbarkeit der in Frage stehenden Äußerung auf einen Tatsachenkern gewollt, so hätte er den etablierten Tatsachenbegriff verwenden können, der bekanntlich zwar neben Tatsachen auch Werturteile, die einen Tatsachenkern enthalten, umfaßt, jedoch keine reinen Werturteile und Künftiges wie Prognosen.16 Die statt dessen vom Gesetzgeber beabsichtigte Erweiterung des Anwendungsbereiches wird von der einen Tatsachenkern fordernde Ansicht konterkariert, da diese Angaben über Umstände nahezu gleichsetzt mit Tatsachen.17 Die Auslegung des Tatbestandsmerkmals hat sich an Sinn und Zweck des Manipulationsverbotes zu orientieren. Dieser besteht darin, die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte in Form der unbeeinflußten Preisbildung sicherzustellen. Hierfür ist es im Ergebnis unerheblich, wodurch eine Beeinflussung der Preise stattfindet. Gerade die in der Rechtsprechung bereits mehrfach behandelten Fälle der medienwirksamen Empfehlung von Wertpapieren18 haben gezeigt, daß Anleger häufig ohne weiteres bloßen Empfehlungen Folge leisten, insbesondere wenn diese von einer Person stammen, der (berechtigt oder unberechtigt) eine besondere Sachkunde zugeschrieben wird. Das Bild des „Börsengurus“, dem seine ___________ 6. Kap. B II 5 (S. 215)), können auch Angaben in Emissionsprospekten erfaßt sein. Bei einer Zweitplazierung (SPO) galt das bereits bisher. 15 Sorgenfrei, wistra 2002, 321, 323; enger Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 18: nur (bereichs-)öffentlichkeitsgerichtetes Informationsverhalten sei erfaßt. 16 Statt aller Cramer, in: Schönke/Schröder, StGB, § 263 Rn. 8 f. 17 So vor allem Otto, WM 1988, 729, 731 u. 737. 18 Vgl. dazu o. 1. Kap. D I (S. 18).

A. § 20a I 1 Nr. 1 WpHG

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Anhänger gleichsam blind vertrauen, ist keineswegs eine Erfindung der Literatur. In solchen Fällen sind nachprüfbare Tatsachen nebensächlich. Dies gilt nicht zuletzt auch deshalb, weil der Aussagegehalt von Wirtschaftskennzahlen vielen (Privat-)Anlegern ohnehin verschlossen bleibt. Das gleiche gilt für Gerüchte, die aus einer vermeintlich vertrauenswürdigen Quelle stammen.19 All dies mit der Begründung, ein rationaler Anleger stütze seine Anlageentscheidung nicht auf solche „weichen“ Aussagen20, dem Manipulationsverbot zu entziehen, legt ein Anlegerbild zugrunde, das in der Wirklichkeit nicht existiert. Dieses Argument verliert schließlich jegliche Überzeugungskraft, wenn man Analystenempfehlungen betrachtet. Beschränken sich diese auf die weitverbreitete Aussage „Kaufen“, „Halten“, „Verkaufen“, müßte die hier abgelehnte Ansicht eine Angabe über Umstände verneinen, da es sich hier nur um reine Werturteile handelt.21 Der Anleger – für den allein die Empfehlungen gedacht sind – „dürfte“ diese seiner Anlageentscheidung nicht zugrunde legen, denn als rational handelnde Person stütze dieser sich ja nicht auf bloße Werturteile. Erst wenn der Analyse ein Tatsachenkern, beispielsweise in Form von Umsatzzahlen etc. hinzufügt würde, wäre § 20a WpHG anwendbar. Ähnlich zweifelhaft wäre die Behandlung von Prognosen, die ebenfalls nur im Falle der „Anreicherung“ mit Fakten erfaßt wären. Der Sinn und Zweck des Manipulationsverbotes verlangt deshalb, jegliche unrichtigen Äußerungen zu untersagen, die auf die Anlegerentscheidung Einfluß haben. Damit wird allein die Eignung des Umstandes zur Beeinflussung eines Preises zum tatbestandsbegrenzenden Kriterium.22 Mithilfe dieses Merkmales wird der Tatbestand des Manipulationsverbotes auf die manipulationsgeeigneten Angaben beschränkt. An dieser Stelle sind dann auch gegebenenfalls die erkennbar übertreibenden Anpreisungen und verkehrsüblichen Anpreisungen etc. auszuscheiden, wenn und weil sie nicht bewertungserheblich sind. Eines darüber hinausgehenden Korrektivs bedarf es hingegen nicht. Eine so verstandene Auslegung erübrigt zudem die häufig zweifelhaften Versuche, einem Werturteil einen Tatsachenkern zu implantieren oder den Umweg über die innere Tatsache des von einem Werturteil Überzeugtseins zu gehen und dadurch den Anwendungsbereich zu eröffnen.23 Zudem läßt sich nur so wirkungsvoll eine Umgehung des Manipulationsverbotes verhindern, die ___________ 19 Gleichwohl ist die Vertrauenswürdigkeit ebenso wie die in Anspruch genommene Sachkunde keine Voraussetzung für das Vorliegen einer Angabe über Umstände. 20 So insb. Arlt, Anlegerschutz, S. 150 f.; Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 12. 21 So tatsächlich Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 12. 22 Dazu ausf. u. 7. Kap. A III (S. 273). 23 So zutr. (für § 264a StGB) Worms, in: Assmann/Schütze (Hrsg.), Handbuch, § 8 Rn. 69 a.E.

7. Kap.: Verbotstatbestände

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anderenfalls gegeben wäre, da man seine Aussagen lediglich in Form von Gerüchten kleiden müßte. Angaben über Umstände im Sinne des § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG sind somit Äußerungen über gegenwärtige oder vergangene Tatsachen, Werturteile jeder Art, ohne Rücksicht auf einen darin enthaltenen Tatsachenkern (Empfehlungen), Aussagen über zukünftiges Geschehen (Prognosen usw.), und schließlich Gerüchte sowie grundsätzlich auch Anpreisungen.24

2. Unrichtig Die Angaben sind unrichtig, wenn sie nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen.25 Maßgebend ist also ein objektiver Widerspruch zwischen Erklärungsinhalt der Angabe und tatsächlicher Sachlage. Das Urteil über die Richtigkeit bzw. Unrichtigkeit einer Angabe setzt daher voraus, zunächst deren Erklärungsinhalt durch Auslegung zu ermitteln. Erst danach ist ein Vergleich mit den tatsächlichen Gegebenheiten möglich. Je nach Inhalt der Angabe bestimmt sich die Unrichtigkeit dabei nach unterschiedlichen Gesichtspunkten.

a) Auslegung der Erklärung; maßgeblicher Empfängerhorizont Der Inhalt der Angabe ist nicht nach der Tätervorstellung zu bestimmen, sondern nach einem objektiven Empfängerhorizont.26 Die Auslegung anhand eines objektiven Empfängers ist die Konsequenz dessen, daß das Manipulationsverbot keine individualschützende Norm ist, es für die Tatbestandsverwirklichung nicht des Nachweises einer tatsächlich eingetretenen individuellen Täuschung bedarf und es damit auf eine konkrete individuelle Täuschung nicht ankommen kann. Offen ist jedoch noch, welcher Empfänger, das heißt insbesondere, welcher Kenntnisstand dabei zugrunde zu legen ist. Zwar wird es in vielen Fällen hierauf nicht ankommen, so beispielsweise, wenn mit für jeden eindeutig erkennbar unrichtigen Tatsachen operiert wird. Doch schon wenn es um Werturteile oder die Unrichtigkeit von unvollständigen Angaben geht, ist entscheidend, von ___________ 24 Im Ergebnis ebenso Spindler, NZG 2004, 1138, 1143; Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 52. Auch die MaKonV (§ 2 I 1) definiert bewertungserhebliche Umstände als „Tatsachen und Werturteile“. Vgl. auch BGH, WM 1982, 862, 865; dagegen Schwark, ZGR 1983, 162, 170 ff. 25 BaFin (Hrsg.), Emittentenleitfaden, S. 89. 26 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 43.

A. § 20a I 1 Nr. 1 WpHG

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welchen Vorkenntnissen und Verständnisfähigkeiten des Adressaten auszugehen ist. Die Problematik der Bestimmung des maßgeblichen Empfängerverständnisses tritt in vergleichbarer Weise bei § 264a StGB sowie bei der zivilrechtlichen Prospekthaftung auf. Insbesondere zu letzterer gibt es auch eine Reihe von gerichtlichen Entscheidungen, die sich explizit mit dieser Frage befassen. Eine unreflektierte Übertragung dieser Grundsätze auf § 20a WpHG kommt indes nicht in Betracht. Während es sich bei § 264a StGB um ein individualschützendes Delikt handelt und auch die zivilrechtliche Prospekthaftung allein auf den Ersatz individueller Schäden abzielt, steht bei § 20a WpHG der Kapitalmarkt als überindividuelles Interesse im Vordergrund. Die Bandbreite denkbarer Empfängerhorizonte reicht von einer stark subjektivierenden, auf jeden einzelnen oder einzelne Erklärungsempfänger abstellenden Betrachtungsweise bis zu einem idealisierten und objektivierten Marktteilnehmer, wobei hier dann weiter dessen Kenntnisstand näher zu bestimmen wäre. Jedenfalls eine subjektivierende Betrachtungsweise, die in ihrer stärksten Ausprägung jeden einzelnen noch so unwissenden Anleger zum Maßstab erhebt und sich an dessen Verständnis orientiert, ist abzulehnen. § 20a WpHG will nicht den einzelnen vor einer irrtumsbedingten Schädigung schützen, wie dies etwa §§ 263, 264a StGB oder die zivilrechtliche Prospekthaftung beabsichtigen. Folgerichtig ist deshalb auch weder ein Irrtum noch eine Schädigung für eine Verwirklichung des Tatbestandes notwendig. § 20a WpHG bezweckt vielmehr, den Kapitalmarkt als solchen vor unrichtigen Angaben zu bewahren, weil diese dessen Funktionsfähigkeit beeinträchtigen.27 Die Funktionsfähigkeit ist jedoch nicht betroffen, wenn die ganz überwiegende Anzahl der Marktteilnehmer die Angabe zutreffend versteht und nur einige wenige, besonders Unwissende, die Angabe falsch interpretieren. Selbst bei der Individualinteressen schützenden straf- und der zivilrechtlichen Prospekthaftung wird nicht auf jeden einzelnen Anleger abgestellt, sondern ein (wie auch immer) objektivierter „Normanleger“ zugrunde gelegt.28 Schließlich darf auch nicht vergessen werden, daß sich fast immer jemand finden läßt, der eine Aussage mißversteht. Nähme man diesen zum Maßstab, könnten kaum noch Angaben über bewertungserhebliche Umstände gemacht werden. Damit aber würde die aus kapitalmarkttheoretischer Sicht wünschenswerte Transparenz beeinträchtigt. ___________ 27

Diese Kapitalmarktbezogenheit zeigt sich auch daran, daß unrichtige Angaben dann irrelevant sind, wenn sie sich nicht auf bewertungserhebliche Umstände (dazu u. A I 5 (S. 258)) beziehen und/oder nicht geeignet sind, auf einen Preis einzuwirken, mit anderen Worten, für den Kapitalmarkt und dessen Funktionsfähigkeit ohne Belang sind. 28 Vgl. Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rn. 9.28; Samson/Günther, in: System. Komm. StGB, § 264a Rn. 36.

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7. Kap.: Verbotstatbestände

Der zutreffende Maßstab kann deshalb nur ein objektivierter, idealisierter Marktteilnehmer mit definiertem Kenntnisstand sein. Freilich ist damit nach wie vor offen, welches Anforderungsprofil zugrunde zu legen ist. Bei der Prospekthaftung reicht die diskutierte Spanne vom „unkundigen Kleinaktionär“ über den „durchschnittlichen Anleger“ und den Anleger, der zwar eine Bilanz lesen kann, aber über kein überdurchschnittliches Fachwissen verfügt bis hin zum kundigen Leser, der sich erforderlichenfalls durch Sachkundige beraten läßt.29 Ausgangspunkt muß sein, daß im Hinblick auf größtmögliche Markttransparenz grundsätzlich an allen zutreffenden Informationen ein Veröffentlichungsinteresse besteht. Damit wäre es nicht vereinbar, wenn besonders komplexe Informationen, zu deren zutreffendem Verständnis besondere Fachkenntnisse notwendig sind, deshalb nicht veröffentlicht werden dürften, weil ihnen die Gefahr innewohnt, daß sie von Nichtfachleuten falsch verstanden werden könnten. Auf der anderen Seite ist der Transparenz nicht damit gedient, daß Angaben dargeboten werden, die vom angesprochenen Publikum nahezu zwangsläufig mißverstanden werden. Das zwingt dazu, einen flexiblen Maßstab anzuwenden, der sich am Adressaten der Angabe orientiert.30 Verständnis und Vorkenntnisse sind also in Abhängigkeit von der Zielgruppe der gemachten Angabe zu bemessen. Diese sind beispielsweise bei dem Publikum der wöchentlichen TV-Börsensendung, in der Wertpapiere empfohlen werden, erheblich geringer anzusetzen, als bei einer Unternehmenspräsentation vor Fachpublikum, wie etwa Analysten. Bei der Bestimmung des relevanten Adressaten der Angabe kommt es nicht nur auf den Willen des Äußernden an, sondern es sind auch die objektiven Begleitumstände zu berücksichtigen. Eine im Rahmen einer Unternehmenspräsentation vor Fachpublikum getätigte Angabe ist auch dann nach dem hierfür geltenden Maßstab zu beurteilen, wenn sie unvorhergesehen, das heißt insbesondere nicht systematisch oder beabsichtigt, auch Laien zur Kenntnis gelangt ist. Umgekehrt kann der Äußernde den gewünschten Maßstab nicht durch entsprechende Hinweise („Nur für Fachleute geeignet.“ etc.) bestimmen, sondern muß sich den erkennbaren und tatsächlich regelmäßig erreichten Adressatenkreis und dessen Verständnis zurechnen lassen.

___________ 29 Nachw. zu allen Auffassungen bei Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 45 BörsG Rn. 18. 30 Im Ergebnis auch Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 43: „Auffassung und Verständnis des angesprochenen Personenkreises [sind] zu berücksichtigen“.

A. § 20a I 1 Nr. 1 WpHG

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b) Unrichtigkeit von Tatsachen Bei der Unrichtigkeit von Tatsachen ist deren objektive Unwahrheit maßgeblich. Eine Angabe ist danach unrichtig, wenn eine nicht vorhandene Tatsache als vorhanden, eine vorhandene Tatsache als nicht vorhanden oder eine Tatsache anders als in Wirklichkeit vorhanden dargestellt wird. Ein Bewertungsspielraum existiert dabei grundsätzlich nicht, das heißt die (Un-)Richtigkeit einer Tatsache ist stets eindeutig bestimmbar. Weil es sich aber bei den hier interessierenden Tatsachen zumeist nicht um solche quasi-naturgesetzlich vorgegebener Art handelt, sondern diese ihrerseits von Wertungen und Abwägungen abhängen, ist eine Tatsache solange nicht unrichtig, solange eine vertretbare Interpretation zur Übereinstimmung von Angabe und Wirklichkeit führt.31 Kommen beispielsweise für die Berechnung einer Unternehmenskennzahl unterschiedliche Methoden mit differierenden Ergebnissen in Betracht, so ist der Erklärende grundsätzlich frei, die ihm passende Methode zu wählen.32 In besonders gelagerten Konstellationen ist jedoch denkbar, daß eine solche Angabe dadurch unrichtig ist, daß der Empfänger die Verwendung einer anderen Berechnungsmethode erwartet hat und dies aus besonderen Gründen auch erwarten konnte.33

c) Unrichtigkeit von Werturteilen und Prognosen mit Tatsachenbasis Im Grunde ist die Unrichtigkeit von Werturteilen und Prognosen ebenso zu beurteilen, wenn sie mit einer Tatsachenbasis zur Unterstützung der Aussage gemacht werden. Diese sind jedenfalls dann unrichtig, wenn diese mitverbreitete Tatsachenbasis selbst unrichtig, also im eben beschriebenen Sinne objektiv unwahr ist.34 Die Unrichtigkeit kann sich hier aber zudem aus der nachfolgend beschriebenen Unvertretbarkeit ergeben.

d) Unrichtigkeit von bloßen Werturteilen und Prognosen Problematisch ist die Unrichtigkeit eines reinen Werturteils, da ein solches als persönliche Meinung des Erklärenden einem objektiven Richtigkeitsurteil nicht zugänglich zu sein scheint. Die ganz überwiegende Ansicht stellt deshalb ___________ 31

Vgl. Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 13. 32 Worms, in: Assmann/Schütze (Hrsg.), Handbuch, § 8 Rn. 71; Joecks, Kapitalanlagebetrug, Rn. 193. 33 Siehe dazu u. 7. Kap. A I 2 g (S. 249). 34 Ebenso Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 43.

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7. Kap.: Verbotstatbestände

in diesem Falle auf die Vertretbarkeit der Angabe ab, so daß ein Werturteil dann unrichtig ist, wenn es eindeutig und schlechterdings unvertretbar ist.35 Gleiches gilt für die Prognose, die aus den gegebenen Umständen nicht ableitbar ist.36 Dagegen wird gelegentlich eingewandt, die Gleichsetzung von unrichtig mit unvertretbar sei angesichts des im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht geltenden Analogieverbotes unzulässig.37 Diese Kritik trifft jedoch nicht zu. Die Auslegungsgrenze bildet der noch mögliche Wortsinn.38 Diesem aber widerspricht es nicht, eine nach allgemeiner Ansicht unzutreffende (= unvertretbare) Bewertung als unrichtig zu bezeichnen. Wenn in diesem Zusammenhang von Unvertretbarkeit gesprochen wird, ist dies lediglich eine andere Formulierung dafür. Werturteile oder Prognosen sind also erst dann falsch, wenn sie den regelmäßig weit gezogenen Beurteilungsspielraum verlassen, und dadurch unvertretbar sind.

e) Angaben „ins Blaue hinein“ Bedenken begegnet dagegen die Ansicht, auch eine „ins Blaue hinein“, also ohne jede Tatsachenprüfung gegebene Bewertung sei unvertretbar, soweit nach den Umständen erwartet werden dürfe, daß eine solche Prüfung stattgefunden hat.39 Vielmehr ist zu differenzieren. Ist die Bewertung in der Sache vertretbar, also zutreffend, kann allein die fehlende Tatsachenprüfung nicht zu deren Unrichtigkeit führen.40 Statt dessen ist hier darauf abzustellen, daß die Bewertung gegebenenfalls eine konkludente Erklärung enthält, daß eine entsprechende Tatsachenprüfung stattgefunden habe. Stimmt das nicht, liegt eine unrichtige (Tatsachen-)Angabe über diesen Umstand vor, ohne daß es auf die Bewertung in der Sache ankäme. Allerdings ist Vorsicht geboten, um nicht durch die weit___________ 35

BaFin (Hrsg.), Emittentenleitfaden, S. 89; Fischer zu Cramburg, in: Heidel (Hrsg.), Anwaltskommentar Aktienrecht, Abschnitt 14, Rn. 3; Möller, WM 2002, 309, 312; Sorgenfrei, in: Park (Hrsg.), Kapitalmarkt-Strafrecht, 4. Abschnitt, Rn. 18 m.w.N.; für § 264a StGB Tiedemann, in: Leipziger Komm. StGB, § 264a Rn. 54 m.w.N.; Worms, in: Assmann/Schütze (Hrsg.), Handbuch, § 8 Rn. 70. 36 Vgl. Tiedemann, in: Leipziger Komm. StGB, § 264a Rn. 54 m.w.N. 37 So Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 13; Trüstedt, Verbot, S. 139 f. 38 Vgl. o. 5. Kap. C I (S. 196). 39 So Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 43; wohl auch BaFin (Hrsg.), Emittentenleitfaden, S. 89; für § 264a StGB ebenso Tiedemann, in: Leipziger Komm. StGB, § 264a Rn. 54. 40 Selbstverständlich bleibt für den Äußernden das Risiko, daß seine Bewertung unvertretbar und deshalb unrichtig ist.

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reichende Anerkennung von konkludenten Miterklärungen letztlich jede gewünschte Aussage in eine Angabe hinein zu interpretieren. Zudem beeinträchtigt die Äußerung keine schutzwürdigen Interessen des Kapitalmarktes, da sie schließlich in der Sache zutreffend ist und nur über den Umstand der Prüfung getäuscht wurde. Dies allerdings wird regelmäßig nicht bewertungserheblich im Sinne von § 20a I 1 Nr. 1 WpHG sein und damit keinen Verstoß gegen das Manipulationsverbot begründen.

f) Unrichtigkeit durch lediglich unvollständige Angaben Da bei § 20a WpHG, anders als beispielsweise bei den §§ 264 I Nr. 1, 265b I Nr. 1 StGB, eine ausdrückliche gesetzliche Regelung fehlt, stellt sich die Frage, ob bloß unvollständige Angaben unrichtig im Sinne der ersten Tatbestandsalternative sein können. Bejahendenfalls wäre das Verschweigen von Umständen tatbestandsmäßig nach § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG, ohne daß es auf eine Rechtspflicht zur Offenbarung ankäme, wie dies der eigentliche Unterlassungstatbestand (§ 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG) erfordert. Eine vergleichbare Problematik ist von dem insoweit ähnlich formulierten § 264a StGB sowie von § 399 I Nr. 1 AktG (und § 82 GmbHG) bekannt.41 Ausgangspunkt muß die gesetzgeberische Wertung sein, nach der im Grundsatz das Verschweigen einer Angabe nur bei einer entsprechenden Rechtspflicht zur Offenbarung tatbestandsmäßig ist. Die uneingeschränkte Gleichsetzung von Unvollständigkeit mit Unrichtigkeit hätte zur Folge, daß jedermann durch das Machen einer einzelnen (punktuellen) Angabe zur umfassenden Offenbarung aller ihm weiter bekannten Angaben über bewertungserhebliche Umstände verpflichtet wäre. Die Wahl bestünde also nur zwischen allen oder keinen Angaben. Eine solche Ansicht läßt sich möglicherweise für § 264a StGB vertreten42, wenn man als Prospekt etc. im Sinne dieser Vorschrift lediglich solche Schriftstücke ansieht, die den Eindruck erwecken wollen, sämtliche für die Beurteilung der Anlage erforderlichen Angaben zu enthalten.43 Bei § 20a WpHG gibt es jedoch keinen vergleichbaren Anknüpfungspunkt für ein Vertrauen in die Vollständigkeit der gemachten Angaben. Abzulehnen ist insbesondere die Annahme, der Äußernde behaupte stets konkludent die Vollstän___________ 41 Näher Tiedemann, in: Leipziger Komm. StGB, § 264a Rn. 56; Otto, in: Hopt/Wiedemann (Hrsg.), Aktiengesetz, § 399 Rn. 41; Tiedemann, in: Scholz (Hrsg.), GmbHG, § 82 Rn. 62; Tiedemann, FS Lackner, S. 737, 743 ff. 42 Etwa Hellmann, in: Nomos Komm. StGB, § 264a Rn. 34. 43 So Hellmann, in: Nomos Komm. StGB, § 264a Rn. 26 m.w.N.; dagegen (wohl zu Recht) nicht Vollständigkeit fordernd Tröndle/Fischer, StGB, § 264a Rn. 12; Tiedemann, in: Leipziger Komm. StGB, § 264a Rn. 35.

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7. Kap.: Verbotstatbestände

digkeit der Angaben.44 Ein derartiger Erklärungsinhalt kann ohne weitere Anhaltspunkte einer Angabe im Regelfall nicht beigemessen werden und liefe damit auf eine bloße Unterstellung hinaus. Auf der anderen Seite läßt sich argumentieren, daß das Hervorheben einzelner Angaben bei gleichzeitigem Verschweigen anderer Angaben durchaus ein falsches Gesamtbild schaffen kann, weil das partielle Verschweigen einzelner Punkte den Kontext der gemachten Angabe verändert, wodurch diese einen anderen Inhalt gewinnt. Die zutreffende Lösung ist somit zwischen diesen Polen zu suchen. Unvollständige Angaben sollten nur dann als unrichtig angesehen werden, wenn mit den gemachten Angaben in engem Zusammenhang stehende Teilangaben verschwiegen werden, so daß bezüglich des von der Aussage konkret betroffenen Aspektes ein falsches Gesamtbild entsteht.45 Wer dezidiert die steuerliche Vorzugsbehandlung eines Vermögenswertes hervorhebt, zugleich aber deren fehlende Anerkennung durch die Finanzämter verschweigt46, macht ebenso unrichtige Angaben wie derjenige, der positive Angaben über Umsätze einer Gesellschaft macht, dabei aber erhebliche Risiken bei deren Realisierung verschweigt.47 In beiden Fällen stehen getätigte und unterlassene Angabe in so engem Zusammenhang, daß nur beide zusammen ein den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechendes Gesamtbild vermitteln. Werden dagegen bzgl. des Um-

___________ 44

In diese Richtung Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 22; Schlüchter, 2. WiKG, S. 88, 138. 45 Ebenso BaFin (Hrsg.), Emittentenleitfaden, S. 89; Sorgenfrei, in: Park (Hrsg.), Kapitalmarkt-Strafrecht, 4. Abschnitt, Rn. 18; Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 44; (für § 264a StGB): Tiedemann, in: Leipziger Komm. StGB, § 264a Rn. 56; (für § 82 GmbHG): Tiedemann, in: Scholz (Hrsg.), GmbHG, § 82 Rn. 62. Auch Fuhrmann, in: Erbs/Kohlhaas (Hrsg.), Strafrechtliche Nebengesetze, Stand: 104. Lief., § 88 BörsG Rn. 7; Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 14; Ledermann, in: Schäfer (Hrsg.), WpHG, § 88 BörsG Rn. 8, anerkennen die Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung durch unvollständige Angaben, lassen jedoch offen, ob dies immer oder (wie hier) nur in bestimmten Fällen gilt. Vgl. auch OLG Frankfurt, WM 1994, 291 ff.; a.A. dagegen Trüstedt, Verbot, S. 140-145, deren Argumentationslinie über die Ad hoc-Mitteilungen aber zu kurz greift, da auch außerhalb dieses Bereiches bewußt unvollständige Angaben gemacht werden können. – Vgl. auch die parallele Rechtsprechung des BGH (WRP 2006, 363 ff.) zu §§ 823 I, 1004 BGB i.V.m. § 186 StGB, wonach eine bewußt unvollständige Berichterstattung rechtlich wie eine unwahre Tatsachenbehauptung zu behandeln ist, wenn die Schlußfolgerung bei Mitteilung der verschwiegenen Tatsache weniger naheliegend erscheint und deshalb durch das Verschweigen dieser Tatsache ein falscher Eindruck entstehen kann. 46 Beispiel nach Rössner/Worms, BB 1988, 93, 94. 47 Beispiel nach Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 44.

A. § 20a I 1 Nr. 1 WpHG

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satzes überhaupt keine Aussagen getroffen, ist auch das Verschweigen eines Umsatzeinbruches keine unrichtige Angabe.48

g) Unrichtigkeit von für sich genommen zutreffenden, aber irreführenden Angaben Schließlich stellt sich die Frage, ob auch für sich genommen zutreffende, aber irreführende oder mißverständliche Angaben unrichtig im Sinne von § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG sein können. Die dies für § 263 I StGB bejahende Rechtsprechung des Bundesgerichtshof49 kann hierfür nicht ohne weiteres herangezogen werden, denn dort geht es um einen subjektiv50 zu bestimmenden Irrtum, hier jedoch um eine im Grundsatz objektiv zu beurteilende Unrichtigkeit. Die zutreffende Lösung ist vielmehr in der dem (Un-)Richtigkeitsurteil vorgelagerten Auslegung der Angaben zu suchen. Da hier mittels des Empfängerhorizontes auch subjektive Komponenten Beachtung finden, kann im Einzelfall eine Angabe, die nach (nicht anzuwendendem) Expertenverständnis zutreffend ist, am Maßstab des Durchschnittsbetrachters unrichtig sein, weil dieser sie anders versteht. Fälle der hier genannten Art sind also nach den allgemeinen Regeln zu beurteilen, das heißt, zunächst bedarf es einer Auslegung des Erklärungsinhaltes, der dann mit der Wirklichkeit verglichen wird. Diese Vorgehensweise entspricht der Rechtsprechung zur (zivilrechtlichen) Prospekthaftung. Im Fall Beton- und Monierbau AG war anläßlich einer Kapitalerhöhung im Börsenprospekt davon die Rede, daß sich das „Ergebnis [...] gegenüber dem Vorjahr verbessern [werde]“ und es wurden die Dividendenzahlungen der zurückliegenden drei Jahre mit jeweils acht bis zwölf Prozent angegeben. Beide Informationen waren für sich genommen zutreffend. Allerdings war das angesprochene verbesserte Vorjahresergebnis nach wie vor negativ, so daß lediglich eine Verminderung von Verlusten vorlag. Das OLG Düsseldorf war nun der Ansicht, ein durchschnittlicher Anleger messe den Angaben die Aussage zu, das Ergebnis sei nun wieder positiv, so daß die Prospektangaben unrichtig waren.51 ___________ 48 Beispiel nach Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 44. – Hier kommt deshalb nur die Unterlassungsalternative nach § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG in Betracht. 49 Vgl. BGHSt 47, 1 ff.; dazu Hoffmann, GA 2003, 610 ff. 50 Statt aller Tröndle/Fischer, StGB, § 263 Rn. 33. 51 OLG Düsseldorf, WM 1984, 586, 592; insoweit bestätigt in BGHZ 96, 231 ff.; ferner BGH, NJW 1982, 2823, 2824.

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7. Kap.: Verbotstatbestände

Bei der Ermittlung des Aussageinhaltes der Angabe können etwa existierende normative Richtigkeitsmaßstäbe (Vogel) Einfluß auf die Erwartungshaltung eines objektiven Empfängers und damit auf dessen Verständnis der Angabe haben. So dürfen beispielsweise Gewinne nur dann ausgewiesen werden, wenn sie am Abschlußstichtag realisiert worden sind (bilanzrechtliches Realisationsprinzip, § 252 I Nr. 4 Halbs. 2 HGB). Ein objektiver Empfänger erwartet deshalb, daß eine Gewinnmeldung diesen Anforderungen genügt. Eine dem nicht entsprechende Angabe ist deshalb – selbst wenn sie in der Sache zutreffend und damit für sich genommen richtig ist – nach dem maßgeblichen Empfängerverständnis unrichtig.52 Diese Folge läßt sich nur mittels eines entsprechend klarstellenden Hinweises vermeiden. Solche die Auslegung des Angabeninhaltes beeinflussenden Normen können sich nicht nur aus gesetzlichen Vorschriften ergeben, sondern es kommen ebenso Sitten und Gebräuche des bei der Auslegung relevanten Empfängerkreises, mithin dessen Vorverständnis in Betracht.

3. Irreführend Durch das AnSVG wurden den unrichtigen Angaben die irreführenden Angaben über bewertungserhebliche Umstände gleichgestellt. Damit sollen nach der Gesetzesbegründung diejenigen Angaben erfaßt werden, die zwar inhaltlich richtig sind, jedoch aufgrund ihrer Darstellung beim Empfänger eine falsche Vorstellung über den geschilderten Sachverhalt nahelegen.53

a) Auslegung Nach der Begründung des Referentenentwurfes des AnSVG ist irreführend im Sinne von § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG kapitalmarktspezifisch und nicht im Sinne der Auslegungspraxis nach dem UWG zu verstehen.54 Wie diese kapitalmarktspezifische Auslegung aussehen soll, wird allerdings nicht mitgeteilt. Der Emittentenleitfaden der BaFin definiert in Übereinstimmung mit der Gesetzesbegründung die irreführenden Angaben als Angaben, „die zwar inhaltlich richtig sind, jedoch durch ihre Darstellung beim Empfänger der Information eine falsche Vorstellung über den geschilderten Sachverhalt nahelegen.“55 Entscheidend sei dabei der Gesamtzusammenhang. Von irreführenden Angaben ___________ 52

So auch Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 46. Siehe Begr. RegE AnSVG, BT-Drs. 15/3174, S. 37. 54 Abgedruckt in: ZBB 2004, 168, 183. Diese Formulierung wurde nicht in die Begr. RegE AnSVG übernommen. 55 BaFin (Hrsg.), Emittentenleitfaden, S. 89; Begr. RegE AnSVG, BT-Drs. 15/3174, S. 37; so auch Bisson/Kunz, BKR 2005, 186, 187; Weber, NJW 2004, 3674, 3675. 53

A. § 20a I 1 Nr. 1 WpHG

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sei demnach auszugehen, „wenn die Unwahrheit zwar nicht ausdrücklich zum Ausdruck kommt, aber nach der Verkehrsanschauung durch sonstiges Verhalten schlüssig miterklärt wird“. Nach allgemeinem Sprachgebrauch kann eine Angabe als irreführend bezeichnet werden, wenn sie beim Erklärungsempfänger eine Fehlvorstellung über ihren Aussagegehalt hervorruft.56 Es ist deshalb wiederum zunächst zu ermitteln, welche Vorstellung der Erklärungsempfänger mit der gemachten Angabe verbindet. Hierzu bedarf es zunächst der Festlegung des dafür anzuwendenden Beurteilungsmaßstabes, mithin der Bestimmung des maßgeblichen Empfängerhorizontes. Nahezu jede Angabe kann irreführend sein, wenn nur das maßgebliche Empfängerverständnis niedrig genug angesetzt wird und umgekehrt. Auszuscheiden ist zunächst eine rein subjektivierende Auslegung, da § 20a WpHG keinen Individualschutz bezweckt, sondern die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte sicherstellen will. Diese ist aber durch die Irreführung eines besonders einfältigen Marktteilnehmers nicht berührt. Auf der anderen Seite kann auch der alle Hintergründe durchschauende Spezialist nicht Maßstab sein. Deshalb, und aus Gründen der einheitlichen Auslegung und Anwendung des Tatbestandes, bietet sich der gleiche Empfängerhorizont wie im Rahmen der Unrichtigkeit an. Zugrundezulegen ist deshalb ein objektivierter, idealisierter Marktteilnehmer mit situationsabhängig definiertem Kenntnisstand.57 Wenn dieser mit der Angabe eine relevante Fehlvorstellung verknüpft, dann ist diese Angabe irreführend.

b) Fallgruppen irreführender Angaben Einer Fehlvorstellung unterliegt zunächst derjenige, der aufgrund von unvollständigen Angaben ein unzutreffendes Gesamtbild erlangt. Jedoch ist hierbei zu berücksichtigen, daß § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG grundsätzlich nicht zu umfassender Information verpflichtet. Eine unvollständige Angabe führt daher nur dann zu einem unzutreffenden Gesamtbild, wenn mit der gemachten Angabe in engem Zusammenhang stehende Teilangaben verschwiegen werden, so daß bezüglich des von der Aussage konkret betroffenen Aspektes ein falsches ___________ 56 Vgl. Duden, Wörterbuch, Stichwort: „irreführen“: „einen falschen Eindruck entstehen lassen“, „zu einer falschen Annahme verleiten“. – Dies entspricht im übrigen auch der Definition der Irreführung im Wettbewerbsrecht, vgl. Dreyer, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig (Hrsg.), UWG, § 5 Rn. 151. 57 Vgl. dazu o. A I 2 a (S. 242).

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7. Kap.: Verbotstatbestände

Gesamtbild entsteht.58 Eine darüber hinaus gehende Vollständigkeit erwartet der objektivierte Erklärungsempfänger nicht. Irreführend sind des weiteren auch für sich genommen zutreffende Angaben, die aber vom maßgeblichen Empfänger mißverstanden werden, etwa, weil er aufgrund bestimmter gesetzlicher Vorgaben einen bestimmten Erklärungsinhalt erwartet.59 Beide Fallgruppen wurden aber soeben bereits zu den unrichtigen Angaben gerechnet.60 Das resultierte daraus, daß die Angaben nach der Auslegung anhand des maßgeblichen Empfängerhorizontes einen mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmenden Erklärungsinhalt aufwiesen und damit unrichtig waren. Die aus Tätersicht lediglich irreführenden Angaben werden aufgrund der Maßgeblichkeit eines objektiven Empfängerverständnisses zu unrichtigen Angaben. Für diese Fälle bedeutet die Einfügung des Irreführungsmerkmals also keine Erweiterung des Anwendungsbereiches von § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG, sondern allenfalls eine Klarstellung, derer es nach hier vertretender Ansicht nicht bedurft hätte. Nichts anderes ergibt sich aus der oben zitierten Definition des Emittentenleitfadens. Wenn eine Information eine falsche Vorstellung über den geschilderten Sachverhalt nahelegt oder eine Unwahrheit schlüssig miterklärt wird, dann ist die Angabe insgesamt aus Sicht des Erklärungsempfängers nicht nur irreführend, sondern unrichtig.

c) Eigener Anwendungsbereich Das führt zu der Frage, ob daneben ein eigenständiger Anwendungsbereich existiert, mit anderen Worten, ob eine Angabe zwar nicht unrichtig, aber dennoch irreführend sein kann. Für die meisten Fälle dürfte dies zu verneinen sein. Entweder der objektivierte Empfänger versteht eine zutreffende Angabe richtig, dann ist sie auch nicht irreführend oder aber er versteht sie in einem anderen Sinne, dann ist sie irreführend, aber zugleich in aller Regel auch falsch. Nur in dem eher theoretischen Fall, daß jemand eine Angabe zwar in einem anderen Sinne versteht, diese aber auch in diesem Sinne mit der Wirklichkeit übereinstimmt, liegt eine Irreführung ohne Unrichtigkeit vor. Ein relevanter eigener Anwendungsbereich für die Irreführung bliebe daher nur, wenn man ein weiteres Verständnis von einer irreführenden Angabe zugrunde legt, insbesondere durch geringere Anforderungen an das maßgebliche ___________ 58

Ausf. dazu o. A I 2 f (S. 247). Ausf. dazu o. A I 2 g (S. 249). 60 Vgl. o. A I 2 f (S. 247) und A I 2 g (S. 249). 59

A. § 20a I 1 Nr. 1 WpHG

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Empfängerverständnis. Im Ergebnis wäre damit die Bewertung einer Angabe als irreführend ein Minus zu ihrer Unrichtigkeit. Dies ist jedoch aus den genannten Gründen abzulehnen. Zum einen kann gerade im Bereich des Kapitalmarktes mit seinen komplexen Zusammenhängen und den nicht unerheblichen psychologischen und subjektiven Komponenten einer Information nahezu jede Angabe irreführend sein, wenn nur das Empfängerverständnis niedrig genug angesetzt wird. Zum anderen ist bereits die leichtfertige Tatbegehung eine Ordnungswidrigkeit (§ 39 II Nr. 11 WpHG). Jede Äußerung wäre damit selbst bei Redlichkeit des Äußernden mit der Gefahr behaftet, leichtfertig ihren irreführenden Charakter übersehen zu haben. Beides zusammen hätte ein faktisches Verbot jedweder Angaben zur Konsequenz, weil nie ausgeschlossen werden kann, daß ein bestimmter Empfängerkreis mit besonders niedrigem Verständnishorizont der Angabe einen irreführenden Inhalt beimißt. Das aber kann schwerlich das Ziel der Vorschrift sein. Im übrigen spricht auch die Gesetzesbegründung gegen ein derartiges Verständnis, denn sie legt nahe, daß nur auf die teilweise geäußerten Zweifel hinsichtlich der Einbeziehung der irreführenden Angaben in die unrichtigen Angaben des bisherigen Rechts klarstellend reagiert werden sollte. Anderenfalls wäre dort eine nähere Auseinandersetzung mit dem eingefügten Tatbestandsmerkmal angezeigt gewesen. Im Ergebnis kommt der Irreführung somit wohl kein eigener praktischer Anwendungsbereich, der nicht bereits durch die Tatbestandsvariante der unrichtigen Angabe erfaßt wäre, zu.

4. Machen Als Tathandlungen sieht § 20a I 1 Nr. 1 WpHG das Machen von Angaben über bewertungserhebliche Umstände (Alternative 1) und das Verschweigen solcher Umstände entgegen bestehenden Rechtsvorschriften (Alternative 2) vor.

a) Durch aktives Tun Tathandlung der ersten Alternative von § 20a I 1 Nr. 1 WpHG ist das „Machen“ von Angaben. Die Literatur versteht darunter deren Kundgabe.61 Hierzu müsse die Erklärung zwar nicht tatsächlich zur Kenntnis genommen werden, jedoch sei ihr Zugang bei mindestens einer Person dergestalt erforderlich, daß ___________ 61 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 48; Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 18.

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7. Kap.: Verbotstatbestände

diese von der Angabe Kenntnis nehmen könne; die bloße Abgabe der Erklärung genüge jedenfalls nicht.62 Aus dem Wortlaut ergibt sich das Zugangserfordernis aber nicht.63 Eine Angabe macht, wer sich ihrer entäußert, sie auf irgendeine Art in den Verkehr bringt. Zu einer Kenntnisnahmemöglichkeit muß es hierfür noch nicht gekommen sein. Ebenso wenig trägt der zumeist herangezogene Vergleich mit § 264a StGB. Läßt sich dort das Zugangserfordernis daraus herleiten, daß die Angaben gegenüber einem größeren Personenkreis gemacht sein müssen64, so verfängt diese Argumentation bei § 20a WpHG nicht, weil hier gerade keine Anforderungen an den Empfänger gestellt werden.65 Es ist deshalb das Machen einer Angabe als deren Abgabe, also deren willentliche Entäußerung zu verstehen. Eine schriftliche Angabe ist damit auch dann gemacht (und der Tatbestand bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen erfüllt), wenn der sie enthaltende Brief bei der Beförderung abhanden kommt. Jedenfalls verlangt § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG nicht, daß die Angabe gegenüber einem größeren Kreis von Personen (wie bei § 264a StGB) oder gar öffentlich gemacht wird. Es genügt – wenn man dies anders als hier überhaupt fordert – die Möglichkeit der Kenntnisnahme durch eine einzelne Person.66 Damit ist das ungezielte Ausstreuen von Gerüchten ebenso erfaßt wie ein vertrauliches Beratungsgespräch usw.67 Weder Wortlaut noch Systematik des Gesetzes fordern, daß die Art bzw. Form der Kundgabe abstrakt geeignet ist, eine Preisreaktion am Markt hervorzurufen, mit der Folge, daß nur eine Kundgabe an den Kapitalmarkt und dessen (Bereichs-)Öffentlichkeit hinreichend wäre.68 Die Geeignetheit zur Preiseinwirkung ist vielmehr ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal und deshalb nicht in die Tathandlung des Machens von Angaben hinein zu interpretieren. ___________ 62

Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 48; BaFin (Hrsg.), Emittentenleitfaden, S. 88; für § 264a StGB ebenso Hellmann, in: Nomos Komm. StGB, § 264a Rn. 37 m.w.N. 63 So zutr. für § 264a StGB auch Cramer, in: Schönke/Schröder, StGB, § 264a Rn. 37, der freilich dennoch der h.M. folgt. 64 So Cramer, in: Schönke/Schröder, StGB, § 264a Rn. 37. 65 Dazu sogleich. 66 Ebenso Claussen/Florian, AG 2005, 745, 761; Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 48; Ledermann, in: Schäfer (Hrsg.), WpHG, § 88 BörsG Rn. 8. – Dagegen stellt die MMRL auf ein „Verbreiten“ von Informationen ab, was höhere Anforderungen stellen dürfte. Jedoch enthält die Richtlinie nur Mindeststandards, über die das deutsche Recht hinausgehen kann (vgl. Ziouvas/Walter, WM 2002, 1483, 1486). 67 Vgl. Ledermann, in: Schäfer (Hrsg.), WpHG, § 88 BörsG Rn. 8 mit Beispielen. 68 So aber Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 18.

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Ferner wird auch keine Freiwilligkeit vorausgesetzt. Angaben macht deshalb auch derjenige, der gesetzlichen Publizitätspflichten (beispielsweise mittels Ad hoc-Mitteilungen) nachkommt. Wer dabei mindestens leichtfertig unrichtige Angaben macht, verstößt – bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen – gegen das Manipulationsverbot.

b) Durch unechtes Unterlassen Obwohl das Machen unrichtiger oder irreführender Angaben in der Regel durch aktives Tun geschieht, ist zumindest begrifflich denkbar, auch ein garantenpflichtwidriges Unterlassen im Sinne von § 8 OWiG bzw. § 13 I StGB darunter zu subsumieren. Die straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Vorschriften über die Tatbegehung durch Unterlassen (§ 13 I StGB, § 8 OWiG) kommen nach überwiegender Ansicht nicht nur für Erfolgsdelikte zur Anwendung, sondern auch für schlichte Tätigkeitsdelikte.69 Es ist deshalb sowohl der Straftatbestand (§ 38 II WpHG, Erfolgsdelikt) als auch der Ordnungswidrigkeitentatbestand (§ 39 I Nr. 1, 2, II Nr. 11 WpHG, Tätigkeitsdelikt) durch Unterlassen begehbar. An dieser Stelle geht es jedoch nicht allgemein um die Begehbarkeit des § 20a WpHG durch Unterlassen70, sondern speziell um die Frage, ob, und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen, das Unterlassen der Berichtigung oder Aktualisierung von zuvor (aktiv) gemachten Angaben tatbestandsmäßig sein kann. Bei ähnlichen Tatbeständen (§ 264a StGB, § 82 I Nr. 1 GmbHG und § 399 I Nr. 1 AktG) wird dies (mit Unterschieden im Detail) teilweise bejaht.71 Folgt man dem, wäre ein Unterlassen auch außerhalb der ausdrücklich normierten Unterlassungsstrafbarkeit (§ 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG) tatbestandsmäßig, ohne daß wie dort „bestehende Rechtsvorschriften“ eine Offenbarung gebieten müßten. Man könnte sich demgegenüber aber auch auf den Standpunkt stellen, der Gesetzgeber habe die Tatbestandsverwirklichung durch Verschweigen von Angaben durch § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG abschließend geregelt, so daß zumindest insoweit für § 8 OWiG bzw. § 13 I StGB kein Raum bliebe.72 Diese Argumentation verfängt jedoch nur, wenn der Unterlassungsvorwurf im Rahmen der §§ 13 I StGB bzw. 8 OWiG an die gleichen Rechtspflichten anknüpfte wie die tatbestandliche Unterlassungsvariante des § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG. ___________ 69 Freund, in: Münchener Komm. StGB, § 13 Rn. 214; Rengier, in: Karlsruher Komm. OWiG, § 8 Rn. 10, beide m.w.N.; a.A. Jescheck, in: Leipziger Komm. StGB, § 13 Rn. 2; Göhler, OWiG, § 8 Rn. 1. 70 Vgl. dazu ausführlich u. 8. Kap. A I 3 (S. 336). 71 Tiedemann, in: Leipziger Komm. StGB, § 264a Rn. 58; Tiedemann, in: Scholz (Hrsg.), GmbHG, § 82 Rn. 95 ff.; Geilen, Aktienstrafrecht, § 399 Rn. 56 f. 72 So etwa Arlt, Anlegerschutz, S. 176; Struck, Ad-hoc-Publizitätspflicht, S. 72.

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7. Kap.: Verbotstatbestände

Hier geht es demgegenüber aber um eine Unterlassungshaftung im Anschluß an ein vorangegangenes (aktives) Tun und damit um einen anderen Anknüpfungspunkt des Unterlassungsvorwurfes. Dem Gesetz ist insoweit jedoch nicht zu entnehmen, daß dies ausgeschlossen werden, § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG also abschließend zu verstehen sein sollte. Auszuscheiden ist hier zunächst die Konstellation, bei der dem Äußernden die Unrichtigkeit der Angabe bekannt ist, bevor er diese macht. Berichtigt er sie vor der Abgabe nicht, macht er unrichtige Angaben durch positives Tun. Auf ein Unterlassen kommt es insoweit nicht an.73 Ein Unterlassen kommt deshalb nur für die Fälle in Betracht, bei denen eine Angabe bereits gemacht wurde, diese aber entweder von vornherein unrichtig bzw. irreführend war, dies dem Äußernden aber erst nach Abgabe bekannt wird oder wenn die ursprünglich richtige Angabe durch zwischenzeitlich eingetretene Veränderungen später unrichtig oder irreführend geworden ist. Voraussetzung für die Ahndbarkeit dieser Konstellationen ist eine Garantenstellung des Unterlassenden (vgl. § 8 OWiG, § 13 I StGB). Diese kann sich hier allenfalls aus Ingerenz ergeben. Welche Anforderungen an das ingerenzbegründende Vorverhalten zu stellen sind, ist in der Literatur heftig umstritten.74 Zutreffender Ansicht nach ist hierfür aber mindestens eine objektive Pflichtwidrigkeit des vorangegangenen Tuns erforderlich.75 Das Vorverhalten muß hierfür zwar weder rechtswidrig noch schuldhaft sein; andererseits genügt bloße Kausalität nicht. Vielmehr muß es objektiv zurechenbar sein76, das heißt eine rechtlich mißbilligte Gefahr für den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges geschaffen haben, die sich anschließend tatsächlich realisiert. Auf das Manipulationsverbot übertragen muß also das (aktive) Machen der Angabe als Vorverhalten pflichtwidrig gewesen sein. Das ist dann nicht der Fall, wenn die Angabe zum Zeitpunkt ihrer Kundgabe richtig war. Daran kann eine nachträglich eintretende Unrichtigkeit nichts mehr ändern. Mangels Garantenstellung ist deshalb in diesen Fällen das Unterlassen der Berichtigung oder Aktualisierung nicht ahndbar. § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG bezweckt nicht, daß einmal gemachte Angaben fortlaufend überwacht, aktualisiert und ggf. berichtigt werden. Die Vorschrift bezweckt nur die Richtigkeit der Angabe ___________ 73

Die Diskussion in diesem Zusammenhang verdankt diese Konstellation der Tatsache, daß die herrschende Meinung die Kundgabe einer Angabe erst mit deren Kenntnisnahmemöglichkeit durch einen Adressaten und nicht bereits mit ihrer Abgabe bejaht, so daß dazwischen eine gewisse Zeitspanne liegen kann, innerhalb derer dem Äußernden die Unrichtigkeit bekannt werden kann. 74 Stree, in: Schönke/Schröder, StGB, § 13 Rn. 32 ff.; Rengier, in: Karlsruher Komm. OWiG, § 8 Rn. 38. 75 Nachw. bei Tröndle/Fischer, StGB, § 13 Rn. 11. 76 Roxin, AT II, § 32 Rn. 155 ff.

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im Zeitpunkt ihrer Kundgabe. Das Risiko, daß eine ursprünglich richtige Angabe später unrichtig oder irreführend wird, trägt deshalb allein der Adressat der Angabe.77 Es verbleibt somit nur die bereits im Zeitpunkt der Kundgabe unrichtige oder irreführende Angabe. Ist dem Handelnden diesbezüglich eine Pflichtwidrigkeit vorzuwerfen, so kommt eine Garantenstellung aus Ingerenz in Betracht, die ihn verpflichtet, die Unrichtigkeit zu korrigieren, indem er die Angaben berichtigt oder aktualisiert.78 Diese auf den ersten Blick einleuchtende Ansicht hätte zur Folge, daß eine im Grundsatz infinite Berichtigungs- und Aktualisierungspflicht ursprünglich unrichtiger oder irreführender Angaben begründet würde.79 Wenn man diese Konsequenz für die zum Vergleich herangezogenen §§ 264a StGB, 82 GmbHG und 399 AktG möglicherweise damit rechtfertigen kann, daß in all diesen Fällen die ursprünglich unrichtigen Angaben in Prospekten resp. Registern niedergelegt sind und so durch ihre Verkörperung die Unrichtigkeit bis zur Berichtigung fortlaufend perpetuiert wird, erscheint eine derartige unendliche Haftung dann unangemessen, wenn es – wie regelmäßig bei § 20a WpHG – nur um eine „flüchtige“ Äußerung geht. Auf der anderen Seite besteht für den Markt ein erhebliches Interesse an der Berichtigung unrichtiger Angaben. Allerdings – und hier wird die Grenze zu ziehen sein – besteht dieses Interesse nicht zeitlich unbegrenzt. Ab einem bestimmten Zeitpunkt führt die Berichtigung nur noch zu (weiterer) unerwünschter Verwirrung, weil die Ausgangsinformation nicht mehr hinreichend bekannt ist und damit kein Bezug zur Richtigstellung hergestellt werden kann. Eine Pflicht zur Berichtigung, Aktualisierung oder Klarstellung ursprünglich unrichtiger oder irreführender Angaben über bewertungserhebliche Umstände besteht damit nur solange, wie dadurch nicht eine erneute Marktverwirrung ein___________ 77 Im Ergebnis ebenso Hellmann, in: Nomos Komm. StGB, § 264a Rn. 41 (für § 264a StGB); Geilen, Aktienstrafrecht, § 399 Rn. 57 (für § 399 AktG); vgl. auch OLG Frankfurt a.M., ZIP 2004, 1411, 1413 – EM.TV II. – Andere Ansicht (sc. eine Rückruf- bzw. Warnpflicht zumindest partiell anerkennend) Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 50 sowie Samson/Günther, in: System. Komm. StGB, § 264a Rn. 52; Tiedemann, in: Leipziger Komm. StGB, § 264a Rn. 58 (beide zu § 264a StGB). 78 Ebenso Hellmann/Beckemper, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 70; Vogel, in: Assmann/ Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 50; BaFin (Hrsg.), Emittentenleitfaden, S. 90; für § 264a StGB Samson/Günther, in: System. Komm. StGB, § 264a Rn. 52; Tiedemann, in: Leipziger Komm. StGB, § 264a Rn. 58; Tiedemann, in: Scholz (Hrsg.), GmbHG, § 82 Rn. 98 (für § 82 GmbHG); im Ergebnis ebenso, jedoch mit abweichender Herleitung der Garantenpflicht Geilen, Aktienstrafrecht, § 399 Rn. 57 (für § 399 AktG). 79 So wohl die eben (Fn. 78) Genannten. Kritisch dagegen Geilen, Aktienstrafrecht, § 399 Rn. 57, der deshalb die Berichtigungspflicht auf den Zeitraum bis zur Eintragung begrenzt.

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7. Kap.: Verbotstatbestände

tritt, weil aufgrund des Zeitablaufs der Zusammenhang zur ursprünglichen Angabe nicht mehr ohne weiteres herzustellen ist.

5. Bewertungserheblichkeit Die gemachten bzw. pflichtwidrig verschwiegenen Umstände müssen für die Bewertung eines Finanzinstruments erheblich sein. Welche das sind bzw. wie diese sich bestimmen lassen, bleibt jedoch sowohl im Gesetzestext als auch in der Begründung dazu offen.

a) Auslegung Man könnte zunächst geneigt sein, Bewertung als Ermittlung des wirtschaftlichen Wertes, der wirtschaftlichen Chancen und Risiken eines Vermögensgegenstandes zu definieren.80 Dann wären bewertungserheblich zunächst die betriebswirtschaftlichen Zahlen des Unternehmens selbst; darüber hinaus aber auch Marktdaten und volkswirtschaftliche Umstände, wenn und weil diese auf das Unternehmen und damit auf dessen Finanzinstrumente zurückwirken. Problematisch ist bei einer derartigen Auslegung aber schon, wie es sich mit der politischen, ethnischen, ideologischen oder ökologischen Bewertung eines Unternehmens verhält. Für manchen mag beispielsweise die von einem Unternehmen für die Umwelt übernommene Verantwortung mehr als konkrete Umsatz- oder Gewinnzahlen anlageentscheidend sein.81 Ein Teil der Literatur verneint für derartige Umstände die Bewertungserheblichkeit.82 Da es sich hierbei nicht um eine wirtschaftliche Bewertung handele, seien diese Umstände nicht erfaßt. Dies ergebe sich aus einem Vergleich mit § 264a StGB, wo es um die Erheblichkeit „für die Entscheidung“ über eine Kapitalanlage gehe, sowie aus dem Vergleich mit § 265b StGB, wo es um die Erheblichkeit „für die Entscheidung“ über einen Kreditantrag gehe. Beide Formulierungen zielten eindeutig ___________ 80

So Schröder, Aktienhandel, S. 65; ferner Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 58. 81 So gibt es Aktienfonds, die streng thematisch investieren, beispielsweise in Unternehmen, die sich mit der Nutzung von erneuerbaren Energien befassen oder die keinerlei Anteil an der Rüstungsindustrie haben. Hier kann eine der Anlagephilosophie widersprechende (unrichtige) Äußerung erheblichen Einfluß auf das Anlageverhalten der an diesen Themenfonds Interessierten haben. Dies anerkennt auch Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 58. 82 So etwa Schröder, Aktienhandel, S. 66; Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 58.

A. § 20a I 1 Nr. 1 WpHG

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auf den Schutz der Dispositionsfreiheit der Anleger resp. der Kreditgeber ab. § 20a WpHG dagegen intendiere den Schutz wirtschaftlicher Werte.83 Jedenfalls nicht mehr umfaßt von einer solchen Auslegung wären vollends irrationale „Bewertungen“, wie namentlich psychologische Faktoren. Damit freilich wäre eine wesentliche Determinante für die Anlageentscheidung am Kapitalmarkt84 dem Schutz vor Manipulationen entzogen. So wurde beispielsweise bereits dargelegt, daß allein ein erhöhtes Handelsvolumen zu einer höheren Nachfrage und damit zu steigenden Preisen führen kann.85 Die Marktteilnehmer lassen sich also offensichtlich von solchen Umständen beeinflussen; diese sind somit für deren Anlageentscheidung erheblich. Allerdings wird man das bloße Handelsvolumen nicht mehr als wirtschaftliche Bewertung des Unternehmens ansehen können. Der eingangs aufgezeigten Auslegung ist daher zu widersprechen. Zunächst ist dem Gesetzeswortlaut keine diesbezügliche Einschränkung zu entnehmen. Dort ist gerade nicht von wirtschaftlicher Bewertung die Rede. Statt dessen wird ganz allgemein von Bewertung gesprochen. Eine solche ergibt sich aber nicht nur aus wirtschaftlichen Daten, sondern beinhaltet weitere, oft auch gerade subjektive, irrationale, „weiche“ Komponenten. Vor allem aber bezweckt § 20a WpHG den Schutz der Funktionsfähigkeit der Märkte durch die Sicherung des Vertrauens in deren ordnungsgemäßes Funktionieren. Dieses Vertrauen wird jedoch auch bei einem Eingriff in die Dispositionsfreiheit beeinträchtigt, denn diese soll dadurch sichergestellt werden, daß die Preisbildung unbeeinflußt von Manipulationen stattfindet. Dazu ist der Anleger davor zu schützen, daß er unrichtige Informationen in seine Anlageentscheidung einbezieht. Dies gilt auch für Informationen nicht-wirtschaftlicher Art, wie eben auch die genannten politischen, ethnischen und sonstigen Aspekte. Im Ergebnis geht es bei der Bewertungserheblichkeit also um die Erheblichkeit eines Umstandes für die Anlageentscheidung eines Anlegers. Für diese Auslegung läßt sich schließlich auch die Begründung zum 2. WiKG zum insoweit gleichlautenden § 88 Nr. 1 BörsG a.F. heranziehen, die den Hinweis beinhaltet, daß für ein Finanzinstrument bewertungserhebliche Umstände solche sind, die auf die Anlageentscheidung eines vernünftigen Anlegers von durchschnittlicher Vorsicht Einfluß haben können.86 Mangels gegenteiliger Ausfüh___________ 83

Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 58. Es ist inzwischen anerkannt, daß Anlageentscheidungen am Kapitalmarkt nicht ausschließlich anhand rationaler Kriterien getroffen werden, sondern zu einem guten Teil irrational bestimmt sind, vgl. Fleischer, FS Immenga, S. 575 ff., insb. S. 583 ff.; Prentice, 51 Duke L.J. 1397, 1409 ff. (2002), beide m.w.N. 85 Vgl. o. 1. Kap. D II (S. 24). 86 Begr. RegE 2. WiKG, BT-Drs. 10/318, S. 46 i.V.m. S. 24. 84

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7. Kap.: Verbotstatbestände

rungen durch den Gesetzgeber des 4. FMFG ist davon auszugehen, daß dieser ein gleiches Verständnis zugrunde gelegt sehen will.87 Bewertungserheblich im Sinne von § 20a I 1 Nr. 1 WpHG sind danach solche Umstände, die auf die Investitionsentscheidung eines – noch näher zu bestimmenden – Anlegers Einfluß haben können.88 Unerheblich ist, ob der Umstand für die Bewertung vor- oder nachteilig ist.89 Unerheblich ist auch die Stärke des Beeinflussungspotentials.90 Dies korrespondiert mit dem gesetzgeberischen Ziel der Verhinderung von Marktmanipulationen jeglicher Art, denn deren schädlichen Wirkungen können bereits bei geringster Einflußnahme eintreten. Wenn der – in seinem Verständnis noch näher zu bestimmende – Anleger einen Umstand in seine Anlageentscheidung einbezieht, dann ist dieser Umstand bewertungserheblich.91 Damit allein ist jedoch noch nicht viel gewonnen, denn es bleibt fraglich, welche Umstände der maßgebliche Anleger bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigt. Angesichts der zahlreichen für eine Anlageentscheidung maßgeblichen Parameter, die zudem noch individuell sehr unterschiedlich sein können, kann nahezu immer zumindest eine theoretisch mögliche Mitursächlichkeit und damit eine Bewertungserheblichkeit dargetan werden.92 Dies hätte die weitgehende Bedeutungslosigkeit des Tatbestandsmerkmales zur Folge. Jedoch sah sich der Gesetzgeber zu einer näheren Konkretisierung, namentlich einer kasuistischen Regelung, nicht imstande.93 Insofern ist das Merkmal zugegebenermaßen recht unbestimmt.94 Schon hier ist jedoch darauf hinzuweisen, daß das Tatbestandsmerkmal der Bewertungserheblichkeit systematisch und teleologisch zu Unrecht in § 20a I 1 Nr. 1 WpHG aufgenommen wurde.95 Da es aber gleichwohl geltendes Recht darstellt, muß eine handhabbare und der Zielsetzung des Gesetzes entsprechende Auslegung gefunden werden. ___________ 87

Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 16.391. So auch Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 15; Schwark, BörsG, Einl § 88 Rn. 8; Ledermann, in: Schäfer (Hrsg.), WpHG, § 88 BörsG Rn. 9; Schlüter, Börsenhandelsrecht, Rn. D 274. 89 Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 15. 90 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 16.366. 91 So auch § 2 I 1 MaKonV. 92 So zu Recht Sorgenfrei, wistra 2002, 321, 325. 93 Vgl. Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8017, S. 90; dazu auch o. 5. Kap. A I 2 d (S. 177). 94 Dagegen ist die Kritik Sorgenfreis (wistra 2002, 321, 323), das Erheblichkeitserfordernis sei „völlig unklar“, zurückzuweisen. 95 Siehe dazu eingehend u. A I 5 e (S. 265). 88

A. § 20a I 1 Nr. 1 WpHG

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b) Maßgeblicher Beurteilungshorizont Zunächst bedarf es dazu wieder der Bestimmung des maßgeblichen Beurteilungshorizontes, also des Anlegers, auf dessen Anlageentscheidung der Umstand Einfluß haben muß. Die Ausrichtung des Manipulationsverbotes auf das überindividuelle Rechtsgut der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes scheidet zunächst eine subjektive, an Ansichten einzelner, am Kapitalmarkt Tätiger orientierte Betrachtung zugunsten einer objektiven Sichtweise aus. Die Bewertungserheblichkeit eines Umstandes hängt also weder davon ab, was der Täter, noch was die Adressaten für erheblich gehalten haben.96 Noch unklar ist damit gleichwohl der genaue Maßstab. Zu § 88 BörsG a.F., §§ 264a, 265b StGB reichen dabei die Ansichten von dem Urteil eines verständigen, durchschnittlich vorsichtigen Anlegers97 über die Verkehrsauffassung des mit den unrichtigen Angaben angesprochenen und am Börsen- oder Marktpreis interessierten Personenkreises98 bis hin zum Maßstab eines ordentlichen Vertreibers oder Vermittlers von Anlagen unter Einbeziehung der Erwartungen des Kapitalmarktes im Hinblick auf den angebotenen Vermögenswert99. Bei §§ 13, 15 WpHG wird teilweise der verständige, das heißt mit den Marktgegebenheiten und Marktgesetzlichkeiten vertraute (also börsenkundige) Anleger zugrunde gelegt.100 Für § 20a WpHG schließlich wird auf die Auffassung des mit den unrichtigen Angaben angesprochenen und am jeweiligen Börsen- oder Marktpreis interessierten Personenkreises101, eines rationalen, fachkundigen, das heißt mit dem erforderlichen Beurteilungswissen ausgestatteten Anlegers102, eines verständigen Anlegers103 oder die Ansicht derer, die in die von der Manipulation betroffenen Papiere investieren104, abgestellt. All diese An-

___________ 96

Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 56; Arlt, Anlegerschutz, S. 162; vgl. auch BGHSt 30, 285, 293 (zu § 265b StGB). 97 Ledermann, in: Schäfer (Hrsg.), WpHG, § 88 BörsG Rn. 9; Schlüchter, 2. WiKG, S. 138; Schröder, Aktienhandel, S. 59; Schwark, BörsG, Einl. § 88 Rn. 8; Begr. RegE 2. WiKG, BT-Drs. 10/318, S. 24, 46. 98 Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 224; Fuhrmann, in: Erbs/Kohlhaas (Hrsg.), Strafrechtliche Nebengesetze, Stand: 104. Lief., § 88 BörsG Rn. 8. 99 Cramer, in: Schönke/Schröder, StGB, § 264a Rn. 32. 100 Assmann, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 13 Rn. 58. 101 Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 15. 102 Arlt, Anlegerschutz, S. 163f. 103 § 2 I 1 MaKonV. 104 Altenhain, BB 2002, 1874, 1878.

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7. Kap.: Verbotstatbestände

sätze teilen das Problem, daß damit ein auslegungsbedürftiges Tatbestandsmerkmal durch ein anderes ersetzt wird.105

(1) Maßgeblichkeit des Adressatenkreises Grundsätzlich ist also zunächst zu entscheiden, ob man stets denselben Anleger zugrunde legt, oder ob man darauf abstellt, wer Adressat der Umstände ist. Viele, und auch die MaKonV (vgl. § 2 I 1), gehen den erstgenannten Weg. Wenn man dann noch den durchschnittlichen Anleger zum Maßstab erhebt, scheiden viele Umstände aus dem Kreis der bewertungserheblichen aus, da sie Kriterien betreffen, denen der durchschnittliche Anleger mangels hinreichender Kompetenz keine Relevanz beimißt. Gleichwohl sind solche Umstände häufig gerade für die mit Fachwissen ausgestatteten institutionellen Anleger von immenser Bedeutung. Werden diese durch unrichtige oder irreführende Angaben fehlinformiert, dann kommt es aufgrund der meist hohen bewegten Volumina zu Fehlallokationen großen Ausmaßes und damit zu einer beträchtlichen Störung der Funktionsfähigkeit des Marktes.106 Der durchschnittliche Anleger als Maßstabsperson ist deshalb abzulehnen. Dagegen ginge es aber zu weit, stets den mit jeglichem Fachwissen ausgestatteten Anleger zu bemühen.107 So sind Umstände denkbar, die zwar ein Privatanleger seiner Investmententscheidung zugrunde legt, nicht aber ein professioneller Investor. Es macht einen erheblichen Unterschied, ob zielgerichtet oder zumindest vorhersehbar Privatanleger, denen in der Regel kein tiefgreifendes Verständnis von Bilanzen o.ä. unterstellt werden kann, angesprochen werden, oder aber institutionelle Investoren, die selbstverständlich über dieses Wissen verfügen. Insgesamt wird also ein starrer Bewertungsmaßstab dem mit dem Manipulationsverbot bezweckten Schutz der Kapitalmärkte nicht gerecht. Statt dessen bietet sich auch hier eine flexible Lösung, ähnlich der zur Unrichtigkeit der Angaben entwickelten108, an. Der Beurteilungsmaßstab für die Bewertungserheblichkeit hängt dabei davon ab, wer Adressat der gemachten Angaben über Umstände ist bzw. wem gegenüber im Falle des pflichtwidrigen Verschweigens die Offenbarungspflicht bestanden hat.109 Wiederum liegt die ___________ 105 So zu Recht Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 56. Ebenso (zu § 265b StGB) bereits Lampe, Kreditbetrug, S. 49: Es werde damit kein Maßstab aufgestellt, sondern der Richter lediglich auf die Suche nach einem solchen geschickt. 106 Arlt, Anlegerschutz, S. 163. 107 So aber Arlt, Anlegerschutz, S. 163f. 108 Vgl. dazu o. A I 2 a (S. 242). 109 Ähnlich Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 15; Fuhrmann, in: Erbs/Kohlhaas (Hrsg.), Strafrechtliche Nebengesetze, Stand: 104. Lief., § 88 BörsG Rn. 8; Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 224.

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Bestimmung des Adressaten nicht allein im Belieben des Handelnden, sondern folgt objektiven Kriterien. Maßgeblich ist, wer im konkreten Fall vorhersehbar Adressat ist. Die Beurteilung der Bewertungserheblichkeit eines Umstandes hat also unter Berücksichtigung des tatsächlichen Adressatenkreises der Angabe zu erfolgen und kann in Abhängigkeit von diesem unterschiedlich ausfallen.

(2) Maßgeblichkeit des betroffenen Vermögensgegenstandes Angesichts des weiten Spektrums der vom Manipulationsverbot erfaßten Finanzinstrumente und Vermögenswerte stellt sich des weiteren die Frage, ob der konkret betroffene Gegenstand bei der Beurteilung der Bewertungserheblichkeit eines Umstandes zu berücksichtigen ist. Die überwiegende Literatur bejaht das zu Recht.110 Dies ist dadurch gerechtfertigt, daß die Bewertung der teils völlig unterschiedlichen Vermögensgegenstände auf ebenso unterschiedlichen Parametern beruht. Wollte man nur die – durchaus vorhandenen – Gemeinsamkeiten zum Maßstab erheben, dann wäre der Kreis bewertungserheblicher Umstände zu eng gefaßt. Umgekehrt würde dieser aber zu weit, wenn man stets jeden, auch nur für einen einzelnen (exotischen) Vermögensgegenstand relevanten Umstand auf alle anderen Vermögensgegenstände erstreckt.

(3) Maßgeblichkeit sonstiger Umstände des Einzelfalles Mit den gleichen Überlegungen läßt sich auch der Markt, der von der Manipulation betroffen ist, sowie die konkrete Geschäftsart in die Beurteilung der Bewertungserheblichkeit einbeziehen.111

(4) Zusammenfassung Die Beurteilung der Bewertungserheblichkeit eines Umstandes hat stets anhand eines objektiven Maßstabes zu erfolgen. Einzubeziehen sind die Umstände des konkreten Einzelfalles in einer abstrakt-generellen Betrachtungsweise. In die Betrachtung fließen damit der tatsächliche Adressatenkreis, der betroffene Vermögensgegenstand, der betroffene Handelsplatz, die Geschäftsart usw. ein.

___________ 110 Arlt, Anlegerschutz, S. 164; Trüstedt, Verbot, S. 149f.; Vogel, in: Assmann/ Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 57. 111 So auch Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 57.

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7. Kap.: Verbotstatbestände

c) Beurteilung der Bewertungserheblichkeit Nachdem nunmehr der maßgebliche Beurteilungsmaßstab bestimmt ist, kann auf dieser Grundlage das Urteil über die Bewertungserheblichkeit eines Umstandes bestimmt werden. Danach ist ein Umstand bewertungserheblich, wenn er aus ex-ante-Sicht112 Einfluß auf das Investitionsverhalten des relevanten Anlegers haben kann. Diese vom Zeitpunkt der Manipulationshandlung in die Zukunft gerichtete Betrachtung impliziert, daß die tatsächliche Einwirkung auf Börsen- oder Marktpreis weder notwendiges noch hinreichendes Kriterium für die Bewertungserheblichkeit eines Umstandes ist. Gleichwohl kann der Eintritt bzw. Nichteintritt einer Beeinflussung als wichtiges Indiz herangezogen werden.113

d) Bewertungserhebliche Umstände im einzelnen Obwohl nun theoretisch die Bestimmung der Bewertungserheblichkeit geklärt ist, ist für die Praxis damit wenig gewonnen.114 Vielen Rechtsanwendern, einschließlich der Gerichte, wird es diesbezüglich an der notwendigen Sachkunde fehlen. Hier sind dann Sachverständigengutachten notwendig.115 Eine wichtige Hilfe und (bei aller Kritik) ein unverzichtbarer Beitrag zur Rechtssicherheit sind die in § 1 II, III MaKonV geregelten Umstände. Von Bedeutung sind auch die von verschiedenen Stellen aufgestellten Checklisten und Fachkataloge, wie etwa die zu § 15 WpHG.116 Diese enthalten typischerweise entscheidungserhebliche und damit nach hier vertretener Auffassung bewertungserhebliche Umstände. Gleichwohl ist zu beachten, daß derartige Kataloge – anders als die MaKonV117 – weder zwingend noch abschließend sind. Sie können daher lediglich Anhaltspunkte liefern und bei der Fallgruppenbildung helfen.118

___________ 112

Dazu näher Arlt, Anlegerschutz, S. 164 ff. sowie u. A III 3 a (S. 277). Arlt, Anlegerschutz, S. 166. 114 Auch dies ist ein Grund, auf das Merkmal der Bewertungserheblichkeit de lege ferenda zu verzichten, näher sogleich. 115 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 56. – Näher zu Sachverständigengutachen u. 8. Kap. A I 1 c (S. 332). 116 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 56. 117 Dazu näher u. 10. Kap. D (S. 389). 118 Ähnlich auch Arlt, Anlegerschutz, S. 167 f. 113

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e) Kritik am Merkmal der Bewertungserheblichkeit Die vorstehenden Überlegungen lassen die Schwierigkeiten bei der praktischen Anwendung im Hinblick auf die zuverlässige Bestimmung der Bewertungserheblichkeit eines Umstandes erahnen. Die diesbezügliche Kritik119 an diesem Tatbestandsmerkmal ist daher durchaus berechtigt. Darüber hinaus stellt sich die dieser vorgelagerte Frage nach der Bedeutung des Tatbestandsmerkmals. Zunächst fällt auf, daß die Bewertungserheblichkeit bereits Teil des Tatbestandes von § 88 BörsG a.F. war. Dort hatte sie auch ihre Berechtigung, denn in § 88 BörsG a.F. war die Preiseinwirkungseignung – anders als bei § 20a I 1 Nr. 1 WpHG – kein objektives Tatbestandsmerkmal, sondern als Einwirkungsabsicht ein subjektives Element. Mit dem Merkmal der Bewertungserheblichkeit sollten Bagatellfälle bereits aus dem objektiven Tatbestand ausgeschieden werden.120 Nunmehr enthält das Manipulationsverbot ein weiteres Korrektiv in Form der objektiven Preiseinwirkungseignung, wodurch objektiv ungeeignete Verhaltensweisen ausgeschieden werden.121 Es fragt sich daher, ob der Bewertungserheblichkeit ein eigener Anwendungsbereich zukommt. Man könnte nämlich durchaus argumentieren, daß ein Umstand, der geeignet ist, auf einen Preis einzuwirken, logisch zwingend auch bewertungserheblich ist und umgekehrt. Das wird um so deutlicher, wenn man sich vor Augen hält, daß für beide Tatbestandsmerkmale dieselben Kataloge potentiell bewertungserheblicher resp. preiseinwirkungsgeeigneter Umstände herangezogen werden. Wenn die Funktion der Bewertungserheblichkeit allein darin gesehen wird, Bagatellfälle auszuschließen, dann ist dem entgegenzuhalten, daß „Bagatellfälle“ die geeignet sind, einen Preis zu beeinflussen eben bei Lichte betrachtet gar keine Bagatellen sind. Die Funktionsfähigkeit des Marktes ist hier beeinträchtigt und damit genau der Zweck des Manipulationsverbotes berührt. Zu Recht ist daher ein der Bewertungserheblichkeit vergleichbares Tatbestandsmerkmal der MMRL unbekannt.122 Das Merkmal der Bewertungserheblichkeit im neuen Manipulationsverbot ist überflüssig und nicht (mehr) systemgerecht. Es verdankt seine Existenz offenbar einer Ungenauigkeit bei der Umgestaltung des bisherigen § 88 BörsG a.F. Dies zeigt auch ein Blick auf die MaKonV. Diese definiert in § 2 I 1 die bewertungserheblichen Umstände als diejenigen Tatsachen und Werturteile, die ___________ 119 Vgl. insb. Sorgenfrei, in: Park (Hrsg.), Kapitalmarkt-Strafrecht, 4. Abschnitt, Rn. 21. 120 Begr. RegE 2. WiKG, BT-Drs. 10/318, S. 46; Schwark, BörsG, § 88 Rn. 5 a.E. 121 Dazu ausf. u. A III (S. 273). 122 Dies ist bei der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung zu berücksichtigen.

7. Kap.: Verbotstatbestände

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ein verständiger Anleger bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde. Dies entspricht weitgehend identisch der gesetzlichen Definition der Eignung zur Preisbeeinflussung im Rahmen des Insiderhandelsverbots. Dort (§ 13 I 2 WpHG) heißt es, „Eine solche Eignung [zur Beeinflussung eines Börsen- oder Marktpreises, J.E.] ist gegeben, wenn ein verständiger Anleger die Information bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde“. Gegen die Existenzberechtigung der Bewertungserheblichkeit spricht schließlich der Schutzzweck des Manipulationsverbots. Dieser besteht darin, Eingriffe in die Preisbildung zu unterbinden. Im Ergebnis ist es dabei gleichgültig, warum ein Umstand Einfluß auf den Preis eines Vermögensgegenstandes hat, er also bewertungserheblich in dem ein oder anderen Sinne ist; es genügt vielmehr, daß er es ist. Die Eignung zur Beeinflussung eines Preises ist jedoch Inhalt des eigenständigen Tatbestandsmerkmals der Eignung zur Einwirkung auf einen Börsen- oder Marktpreis. De lege ferenda sollte deshalb das Tatbestandsmerkmal der Bewertungserheblichkeit aus § 20a I 1 Nr. 1 WpHG gestrichen werden, einmal, um den Anforderungen der MMRL gerecht zu werden, zum anderen aber auch, um die mit seiner praktischen Anwendung verbundenen Probleme zu beseitigen.

II. Verschweigen von bewertungserheblichen Umständen (Alternative 2)

§ 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG verbietet es, bewertungserhebliche Umstände entgegen bestehenden Rechtsvorschriften zu verschweigen. Konstruktiv handelt es sich dabei um ein echtes Unterlassungsdelikt.123 Der Unrechtsvorwurf folgt nicht aus einer mißachteten Erfolgsabwendungspflicht (hier etwa die unterlassene Verhinderung einer Einwirkung auf einen Börsen- oder Marktpreis124), sondern besteht in der (bloßen) Nichtvornahme der gebotenen Handlung (sc. die durch Rechtspflichten gebotene Offenbarung von bewertungserheblichen Umständen). Es bedarf deshalb keiner Garantenstellung im Sinne von § 8 OWiG bzw. § 13 I StGB. Gleichwohl kann durch den Bezug auf die bestehenden Rechtsvorschriften nicht jeder Täter sein, sondern nur derjenige, an den sich die dort statuierten Offenbarungspflichten richten, so daß die Norm insoweit als Sonderdelikt zu qualifizieren ist. ___________ 123 Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 19; a.A. Ledermann, in: Schäfer (Hrsg.) WpHG, § 88 BörsG Rn. 11 (zu § 88 BörsG a.F.); differenzierend Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 75. – Zur im Detail umstrittenen Differenzierung zwischen echten und unechten Unterlassungsdelikten vgl. Roxin, AT II, § 31 Rn. 16 ff. 124 Selbstverständlich muß diese Einwirkung für die Verwirklichung des Straftatbestandes i.S.d. § 38 II WpHG vorliegen. Dadurch wird das Delikt aber nicht zu einem unechten Unterlassungsdelikt (so jedoch offenbar Ziouvas, ZGR 2003, 113, 126).

A. § 20a I 1 Nr. 1 WpHG

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1. Verschweigen Tathandlung ist das Verschweigen von bewertungserheblichen Umständen. Nach dem natürlichen Sprachgebrauch sind jedenfalls solche Umstände, die überhaupt nicht, also niemandem gegenüber offenbart wurden, verschwiegen. Nach Vogel sind darüber hinaus diejenigen Angaben einzubeziehen, die zwar gegenüber einzelnen gemacht, jedoch gegenüber mindestens einer Person verschwiegen worden sind, gegenüber der die verletzte Offenbarungspflicht bestand.125 Dem ist insofern zuzustimmen, als eine Beschränkung des Anwendungsbereiches auf Fälle gänzlichen Verschweigens zu eng und mit Sinn und Zweck des Manipulationsverbotes nicht zu vereinbaren wäre. Jedoch ist das gewählte Kriterium zumindest irreführend, denn in aller Regel bestehen die hier relevanten Offenbarungspflichten gegenüber der Allgemeinheit, so daß im Ergebnis keine Person denkbar wäre, der gegenüber diese Pflicht nicht bestünde. Ausgangspunkt muß statt dessen sein, daß die Manipulationshandlung bei § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG darin besteht, daß jemand eine durch Rechtsvorschriften gebotene Offenbarung von bewertungserheblichen Umständen unterläßt. Es ist dabei unerheblich, wem gegenüber die Verpflichtung besteht und wie vielen Personen gegenüber ihr nicht nachgekommen wird. Maßgeblich ist allein ihre Verletzung. Das Verschweigen ist deshalb im Hinblick auf die aus Rechtsvorschriften folgende Offenbarungspflicht zu verstehen. Wer seiner Offenbarungspflicht nach den für diese geltenden Regeln ordnungsgemäß nachgekommen ist, verschweigt auch dann nicht im Sinne von § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG, wenn er die betreffenden Umstände gegenüber einzelnen Personen nicht erwähnt. Insofern fehlt nämlich der Bezugspunkt des Manipulationsvorwurfes, der hier in der Verletzung einer Offenbarungspflicht besteht. Faktisch ist damit Verschweigen im Sinne von § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG gleichzusetzen mit Verletzung der aus bestehenden Rechtsvorschriften folgenden Offenbarungspflicht. Diese Offenbarungspflicht muß sich zudem auf einen bewertungserheblichen Umstand beziehen. Die Verletzung einer aus anderen Rechtsvorschriften folgenden Offenbarungsverpflichtung ist damit notwendige, jedoch nicht hinreichende Bedingung für einen Verstoß gegen § 20a WpHG. Mit dieser Auslegung ist zwanglos auch der Fall der verspäteten Veröffentlichung erfaßt. Sofern dies eine Verletzung der betreffenden Offenbarungspflicht darstellt, ist das Merkmal des Verschweigens erfüllt. Es bedarf daher keiner näheren Ausführungen, ob ein Verschweigen ein endgültiges Nichtoffenbaren erfordert oder ob auch eine Verzögerung hinreicht und wie lange diese bejahendenfalls bemessen sein muß. ___________ 125

Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 78.

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7. Kap.: Verbotstatbestände

Schließlich verschweigt auch derjenige, der Befreiungstatbestände bei Offenbarungspflichten (etwa § 15 III 1 WpHG) in Anspruch nimmt, ohne daß deren Voraussetzungen vorliegen.126 Im Hinblick auf Sinn und Zweck des Manipulationsverbotes genügt aber nicht jede Verletzung der Offenbarungspflicht. Namentlich wenn lediglich Form oder Verfahren der Veröffentlichung nicht eingehalten wurden, liegt kein Verschweigen von bewertungserheblichen Umständen vor, soweit diese auf andere Weise funktional gleichwertig und dem Schutzzweck der Offenbarungspflicht entsprechend veröffentlicht werden.127 Die Pflichtverletzung muß deshalb gerade die Verhinderung oder zumindest wesentliche Erschwerung der Offenbarung betreffen.

2. Von bewertungserheblichen Umständen Anders als etwa § 264a StGB unterscheidet sich bei § 20a I 1 Nr. 1 WpHG der Gegenstand des Verschweigens bei der Unterlassungsalternative nicht von dem der Begehungsvariante, sondern besteht jeweils in bewertungserheblichen Umständen. Neben Tatsachen sind deshalb hier wie dort auch Werturteile, Prognosen, Gerüchte etc. erfaßt.128 Die notwendige Bewertungserheblichkeit der verschwiegenen Umstände bestimmt sich ebenfalls nach den gleichen Kriterien wie bei der Begehungsvariante von § 20a I 1 Nr. 1 WpHG.129 Allerdings ist davon auszugehen, daß die Bewertungserheblichkeit eines Umstandes im Regelfall bereits daraus folgt, daß ihn betreffend eine Offenbarungspflicht besteht.130 Deren Zweck besteht nämlich – insbesondere wenn es sich um kapitalmarktrechtliche handelt – meist gerade darin, die für die Bewertung eines Wertpapiers typischerweise relevanten Umstände zu publizieren.131 Tatbestandsmäßig ist ein Verhalten aber nur, wenn sich die aus den Rechtsvorschriften folgende Offenbarungspflicht gerade auf den konkret verschwiegenen bewertungserheblichen Umstand bezogen hat, was nach den für die betroffene Rechtsvorschrift geltenden Regeln zu bestimmen ist. § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG statuiert also kein allgemeines Offenbarungsgebot für jegliche bewertungserheblichen Umstände, sondern nur für solche, die bereits nach anderwei___________ 126

BaFin (Hrsg.), Emittentenleitfaden, S. 91. Im Ergebnis auch Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 78; BaFin (Hrsg.), Emittentenleitfaden, S. 91. 128 Vgl. dazu o. A I 1 b (S. 240). 129 Vgl. o. A I 5 (S. 258). 130 Ebenso Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 81. 131 Vgl. Assmann, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 15 Rn. 2; Sethe, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 15a Rn. 6 f.; s. auch Arlt, Anlegerschutz, S. 287. 127

A. § 20a I 1 Nr. 1 WpHG

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tigen Vorschriften zu offenbaren sind. Es handelt sich hierbei jedoch nicht um eine Einschränkung des Umstandsbegriffs, sondern es fehlt an der für die Tatbestandsverwirklichung notwendigen Offenbarungspflicht, so daß § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG bereits aus diesem Grunde nicht anwendbar ist.

3. Entgegen bestehender Rechtsvorschriften § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG gebietet nicht (wie etwa § 264a StGB) aus sich heraus die Offenbarung bewertungserheblicher Umstände, sondern setzt eine diesbezügliche anderweitig bestehende (außertatbestandliche) Rechtspflicht voraus. Wo eine solche Rechtspflicht fehlt, ist das Verschweigen auch von bewertungserheblichen Umständen jedenfalls nicht nach § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG verboten.

a) Die Rechtsvorschriften im allgemeinen Rechtsvorschriften im Sinne von § 20a I 1 Nr. 1 WpHG sind zunächst das gesamte deutsche Bundes- und Landesrecht. Neben (förmlichen) Parlamentsgesetzen rechnen dazu auch nur-materielle Gesetze wie Verordnungen und Satzungen. Ferner ist das Gemeinschaftsrecht erfaßt, wenn es unmittelbar anwendbar ist, wie dies etwa bei Verordnungen des Rates und der Kommission der Fall ist. Nicht umgesetzte Richtlinien zählen dagegen nicht dazu, da diesen bisher zu Lasten des einzelnen keine unmittelbare Anwendbarkeit zugesprochen wurde.132 Auch Offenbarungspflichten nach ausländischem Recht genügen nicht, da diese nach allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen in der Bundesrepublik keine Geltung beanspruchen können.133 Darüber hilft auch § 38 V WpHG nicht hinweg.134 Diese Norm ermöglicht zwar die strafrechtliche Ahndung eines Verstoßes gegen ein ausländisches Manipulationsverbot, das dem deutschen § 20a I 1 WpHG entspricht, setzt hierfür aber auch ausdrücklich einen kompletten ausländischen Verbotstatbestand voraus. Die Übernahme beliebiger ausländischer Rechtspflichten zur Komplettierung des deutschen Manipulationsverbotes ist dagegen nicht möglich. ___________ 132 Vgl. EuGH, Rs. 80/86 (Kolpinghuis Nijmegen BV), Slg. 1987, 3969, 3985 (Rn. 9); EuGH, verb. Rs. 372 bis 374/85 (Oscar Traen u.a.), Slg. 1987, 2141, 2159 (Rn. 24). 133 Anders BaFin (Hrsg.), Emittentenleitfaden, S. 92, nach dem auch ausländische Offenbarungspflichten genügen. 134 So aber Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 82. – Zur Funktion von § 38 V WpHG s. o. 6. Kap. C 2 (S. 226).

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7. Kap.: Verbotstatbestände

Ebenso nicht erfaßt sind lediglich auf privatrechtlichen Vereinbarungen beruhende Offenbarungspflichten, wie etwa die Insiderhandels-Regeln vor Inkrafttreten der §§ 12 ff. WpHG135, der Corporate Governance Kodex und der Analystenkodex136 sowie bloße Usancen137 oder Geschäftsbedingungen.138 Gleiches gilt für bloßes Richterrecht.139 Zwar ließen sich auch solche Normen grundsätzlich als Rechtsvorschriften begreifen; doch gebietet angesichts der straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Sanktionierung der Gedanke der Rechtssicherheit ein Mindestmaß an demokratisch legitimierter Rechtssetzung. Nach allgemeiner Ansicht muß die Rechtsvorschrift die Offenbarungspflicht ausdrücklich zum Inhalt haben, so daß allgemeine Rechtspflichten wie namentlich die Garantenpflichten der § 13 I StGB, § 8 OWiG nicht hinreichen.140 Für diese Auslegung läßt sich zum einen die Gesetzesbegründung heranziehen, die von „Rechtspflichten zur Offenbarung“ spricht.141 Zum anderen ist auch aus Gründen der Bestimmtheit und Vorhersehbarkeit eine ausdrücklich angeordnete Offenbarungspflicht vorzugswürdig.142 Des weiteren ist zu klären, ob inhaltliche Anforderungen an die Offenbarungspflicht zu stellen sind, so daß etwa nur anleger- und kapitalmarktschützende, nicht aber lediglich steuer- oder umweltrechtlich begründete Offenbarungspflichten umfaßt würden. Schlüchter will diesbezüglich darauf abstellen, ob man den Anleger als „zumindest mittelbar [...] angesprochen“ ansehen kann, so daß zwar ein faktischer Schutzreflex zugunsten der Anleger- bzw. Kapitalmärkte genügt, aber auch notwendig ist.143 Den entscheidenden Anhaltspunkt liefert der Gesetzeswortlaut selbst. Danach muß sich die Offenbarungspflicht auf einen Umstand beziehen, der für die Bewertung eines Vermögenswertes erheblich ist. Dementsprechend ist es unerheblich, aus welchem Grund eine Offenbarungspflicht im allgemeinen besteht, solange nur der zu offenbarende ___________ 135 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 84; Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 19. 136 Arlt, Anlegerschutz, S. 286. 137 Zur Rechtsnatur der Börsenusancen s. Samm, Börsenrecht, S. 42 f. 138 Park, BB 2001, 2069, 2070. 139 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 84; a.A. Baumbach/ Hopt, HGB30, § 88 BörsG Rn. 1. 140 Hellmann/Beckemper, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 70; Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 83; Ziouvas, ZGR 2003, 113, 126; Fuhrmann, in: Erbs/ Kohlhaas (Hrsg.), Strafrechtliche Nebengesetze, Stand: 104. Lief., § 88 BörsG Rn. 14; Schlüchter, 2. WiKG, S. 142. 141 Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8017, S. 89. Diese Textstelle anders verstehend, im Erg. jedoch wie hier Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 83. – Auch die Begr. RegE 2. WiKG, BT-Drs. 10/318, S. 46 zu § 88 Nr. 1 BörsG a.F. stellt auf das Bestehen einer gesetzlichen Regelung ab. 142 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 83. 143 Schlüchter, 2. WiKG, S. 145.

A. § 20a I 1 Nr. 1 WpHG

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Umstand bewertungserheblich ist. Eine solche Auslegung steht im Einklang mit Sinn und Zweck des Manipulationsverbotes. Grundsätzlich kommen damit auch steuer- und umweltrechtlich motivierte Pflichten in Betracht, wie umgekehrt anleger- oder kapitalmarktbezogene Pflichten im Einzelfall ausscheiden können, wenn die Bewertungserheblichkeit fehlt.

b) Ausgewählte Rechtspflichten im besonderen Wenn auch nach hier vertretener Ansicht im jeweiligen Einzelfall eine Prüfung stattzufinden hat, gibt es eine Reihe von Rechtsvorschriften, die regelmäßig die Offenbarung von bewertungserheblichen Umständen zum Inhalt haben und damit Rechtspflichten im Sinne von § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG darstellen. Aus dem kapitalmarktrechtlichen Bereich zählen dazu unter anderem § 15 WpHG (Ad hoc-Publizität)144, § 15a WpHG (directors’ dealings)145, §§ 21, 25 WpHG (Mitteilungs- und Veröffentlichungspflicht bei Veränderungen von Stimmrechtsanteilen)146, § 34b I 2 WpHG (Offenlegungspflicht bei Wertpapieranalysen)147, § 40 BörsG i.V.m. §§ 53 ff. BörsZulVO (Zwischenberichtspflicht)148 sowie die §§ 10, 35 WpÜG149. Aus dem handels- und gesellschaftlichen Bereich sind zu nennen u.a. die §§ 325 ff. i.V.m. 264 ff. HGB (bilanzrechtliche Publizität).150 Abzulehnen ist dagegen die Ansicht, auch die Pflicht, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen (§§ 130a, 177a S. 1 HGB, § 92 II AktG, § 64 II GmbHG) sei eine Offenbarungspflicht, weil diese Ereignisse von Amts wegen in das Handelsregister einzutragen seien (§ 32 I 1 HGB) und diese zwar nicht bekannt gemacht würden, aber jedermann ein Einsichtsrecht habe (§ 9 HGB), was Publizität ermögliche.151 Nach hier vertretener Auffassung bedarf es aufgrund des Gesetzeswortlautes und der strafrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit und Vorher___________ 144

Möller, WM 2002, 309, 312; Ziouvas, ZGR 2003, 113, 126 m.w.N. Sorgenfrei, in: Park (Hrsg.), Kapitalmarkt-Strafrecht, 4. Abschnitt, Rn. 35; Ziouvas, ZGR 2003, 113, 126. 146 Arlt, Anlegerschutz, S. 291. 147 Arlt, Anlegerschutz, S. 294 f. 148 Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 19. 149 Möller, WM 2002, 309, 312; Ziouvas, ZGR 2003, 113, 126. 150 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 87. 151 So aber Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 87; A. Schmitz, wistra 2002, 208, 210; Sorgenfrei, in: Park (Hrsg.), Kapitalmarkt-Strafrecht, 4. Abschnitt, Rn. 35. 145

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7. Kap.: Verbotstatbestände

sehbarkeit einer ausdrücklich statuierten Pflicht zur Offenbarung. Dafür genügt es nicht, daß eine aus anderen Gründen erfolgte Antragstellung (beispielsweise der zum Zwecke der Ingangsetzung des Insolvenzverfahrens gestellte Insolvenzantrag) in ein Register eingetragen wird und auf diese Weise Dritten zur Kenntnis gelangen kann. Seit Inkrafttreten des AnSVG können auch vor der Erstemission bestehende Publizitätspflichten genügen, da das Manipulationsverbot bereits dann anwendbar ist, wenn für das Finanzinstrument die Zulassung zum Handel beantragt oder der Antrag öffentlich angekündigt worden ist (vgl. § 20a I 3 WpHG).152

c) Anwendbarkeit von § 14 StGB und § 9 OWiG Für den Fall, daß – wie zumeist – die Rechtspflichten die Gesellschaft oder den Emittenten (also juristische Personen) treffen, sind deren Organe (Vorstand, Geschäftsführer) oder Vertreter für die Erfüllung zuständig. Dies ergibt sich unmittelbar aus deren Leitungs- und Führungsfunktion für die juristische Person. Zum Zwecke der straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtlichen Sanktionierung wird dies darüber hinaus ausdrücklich gesetzlich angeordnet, § 14 StGB, § 9 OWiG, denn die Eigenschaft Emittent zu sein, ist ein besonderes persönliches Verhältnis im Sinne dieser Vorschriften. Zwar sind die Einzelheiten umstritten, jedoch ist unstreitig, daß jedenfalls solche Merkmale dazurechnen, die durch Beschreibung einer sozialen Rolle ihres Trägers den Bereich abstecken, in dem ein Rechtsgut geschützt sein soll (sog. statusbezogene Merkmale) und dadurch Sonderpflichten begründen.153 Dies ist der Fall, wenn der Gesetzgeber Unternehmen bestimmte Pflichten auferlegt, so daß diese Unternehmenseigenschaft ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne der §§ 14 StGB, 9 OWiG ist. Damit sind die Organe und Vertreter selbst offenbarungspflichtig und deshalb Adressaten von § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG.154 Im Falle eines vorsätzlichen Verstoßes gegen das Manipulationsverbot drohen ihnen persönlich Strafe bzw. Buße nach §§ 38, 39 WpHG. Gegen die Gesellschaft oder den Emittenten kommt demgegenüber lediglich eine Buße gem. § 30 OWiG in Betracht.155 ___________ 152 Zur vorherigen Rechtslage s. Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG3, § 20a Rn. 69. 153 Vgl. nur Radtke, in: Münchener Komm. StGB, § 14 Rn. 54 ff.; Rogall, in: Karlsruher Komm. OWiG, § 9 Rn. 29. 154 Näher Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 86 sowie § 39 Rn. 37; Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 21. – Zum Problem der Zurechnung bei Kollektivorganen s. u. 8. Kap. A I 4 (S. 344). 155 Dazu näher u. 8. Kap. A II 4 (S. 349).

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Die Inbezugnahme der Rechtsvorschriften, die dynamisch und nicht auf das WpHG begrenzt ist, macht den Tatbestand des § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG zu einem (Teil-)Blankett.156 Die damit verbundenen Besonderheiten in Bezug auf Vorsatz und Irrtum werden später im Zusammenhang dargestellt.157

4. Verhältnis zu § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG Unterlassen ist nach allgemeinen Regeln subsidiär zu aktivem Handeln. Macht also jemand lediglich unvollständige Angaben, verschweigt also Teile, ist zunächst zu prüfen, ob dies nicht bereits den Tatbestand der ersten Alternative erfüllt. Dies ist insbesondere deshalb von Bedeutung, weil es bei der Alt. 1 keiner Offenbarungspflicht bedarf. Zudem ist darüber nachzudenken, ob jemand, der einer Offenbarungspflicht nachkommt, beispielsweise eine Ad hocMitteilung macht, damit zugleich konkludent erklärt, daß seine Angaben auch vollständig und umfassend sind, so daß er unrichtige Angaben im Sinne der ersten Alternative machte, falls das nicht zuträfe. Gleichwohl ist bei der Annahme konkludenter Erklärungsinhalte Vorsicht geboten. Allein die ordnungsgemäße Erfüllung einer Offenbarungspflicht kann grundsätzlich nicht dazu führen, alle zukünftigen möglicherweise bewertungserheblichen Umstände (die nicht ihrerseits Offenbarungspflichten auslösen) offenbaren zu müssen. Hierzu bedarf es weiterer Voraussetzungen.158

III. Eignung zur Einwirkung auf einen Preis

Das Machen von Angaben über bewertungserhebliche Umstände bzw. deren rechtspflichtwidriges Verschweigen muß geeignet sein, auf einen Börsen- oder Marktpreis einzuwirken.

1. Auslegung Alltagssprachlich bedeutet einwirken etwas gezielt beeinflussen, Einfluß nehmen oder eine bestimmte Veränderung herbeiführen.159 Das StGB verwendet den Begriff des Einwirkens ebenfalls im Sinne von jeder Art von Einfluß___________ 156

Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 77. Siehe dazu u. 8. Kap. A III 1 b (1) (S. 354). 158 Vgl. dazu bereits o. A I 2 f (S. 247). 159 Siehe Duden, Wörterbuch, Stichwort: „einwirken“. 157

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7. Kap.: Verbotstatbestände

nahme.160 Von einem solchen Verständnis ist deshalb auch hier auszugehen. Die Einwirkung kann zum einen darin bestehen, Preise nach oben bzw. unten zu bewegen. Zum anderen ist aber auch die künstliche Beibehaltung eines Preisniveaus gegen den Trend, also die Verhinderung einer Preisbewegung, eine Einflußnahme. Für die Verbotsnorm § 20a WpHG genügt die Eignung des Verhaltens zur Preiseinwirkung. Es bedarf also einerseits weder einer tatsächlichen Beeinflussung eines Preises. Andererseits scheiden aber völlig untaugliche Verhaltensweisen aus. Die Verbotsnorm § 20a I 1 WpHG ist somit als Eignungsdelikt (auch potentielles oder abstrakt-konkretes Gefährdungsdelikt genannt), einer besonderen Form abstrakter Gefährdungsdelikte161, ausgestaltet. Für deren Verwirklichung genügt es, daß das Verhalten generell, unter den gegebenen Umständen typischerweise dazu tauglich ist, den jeweiligen Erfolg herbeizuführen.162 Eignungsdelikte stellen damit geringere Anforderungen als konkrete Gefährdungsdelikte, denn anders als diese bedürfen sie keiner konkret-realer Opferbetroffenheit, sondern lassen eine hypothetisch-abstrakte Opferbetroffenheit genügen.163 Das Machen von Angaben oder deren rechtspflichtwidriges Verschweigen ist demnach bereits dann zur Einwirkung auf einen Preis geeignet, wenn es unter den Umständen des konkreten Einzelfalles generell dazu tauglich ist, Einfluß auf den Preis zu nehmen.164 Dabei ist weder die „Richtung“ der möglichen Preiseinwirkung (nach oben, nach unten oder zur Seite) beachtlich. Noch kommt es – wie etwa bei §§ 13, 15 WpHG auf eine quantitative Erheblichkeitsschwelle an165, so daß die dort damit verbundenen Schwierigkeiten im Hinblick auf die Bestimmung konkreter Schwellenwerte entfallen. Wenn demgegenüber Vogel aus Gründen der Schuldangemessenheit und der Verhältnismäßigkeit von Strafe und Geldbuße jedenfalls völlig unerhebliche, bagatellhafte Preisbeeinflussungen im Wege der teleologischen Restriktion ausnehmen will166, so begegnen dem zum einen dahingehend Bedenken, daß auch kleinste Preisveränderungen die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes beeinträchtigen können.167 ___________ 160

Vgl. Lenckner, in: Schönke/Schröder, StGB, § 125 Rn. 21; ferner Stree/SternbergLieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 89 Rn. 6; Cramer/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 316c Rn. 20. 161 Vgl. Heine, in: Schönke/Schröder, StGB, Vor § 306 Rn. 3. 162 BGHSt 39, 371, 372; Zieschang, Gefährdungsdelikte, S. 201. 163 Hoyer, Eignungsdelikte, S. 201, 107 f. 164 So auch Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 92; Sorgenfrei, in: Park (Hrsg.), Kapitalmarkt-Strafrecht, 4. Abschnitt, Rn. 30; ebenso für § 13 WpHG Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 13 WpHG Rn. 45. 165 Andere Ansicht Nowak, ZBB 2001, 449, 450; Park, BB 2001, 2069, 2071. 166 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 90. 167 Ähnlich Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 16.366.

A. § 20a I 1 Nr. 1 WpHG

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Weit wichtiger ist aber die Überlegung, daß namentlich mit Hilfe von Finanzinnovationen auch diese minimalen Ausschläge gewinnbringend ausgenutzt werden können. Insofern erscheint es nicht angebracht, diese bereits aus dem Tatbestand auszuscheiden. Näher liegt hier eine prozessuale Lösung (§§ 153, 153a StPO) im Einzelfall. Und schließlich wird auch bei der sonstigen Verwendung des Merkmals Einwirken im StGB keine Erheblichkeit vorausgesetzt.168 Bei der Beurteilung der Preiseinwirkungseignung sind zwar alle Umstände des konkreten Einzelfalles, hier insbesondere der betroffene bewertungserhebliche Umstand und die jeweiligen Marktverhältnisse einzubeziehen. Jedoch genügt die generelle (hypothetisch-abstrakte) Möglichkeit der Preisbeeinflussung. Der Eintritt einer diesbezüglichen konkreten Gefahr muß hingegen nicht nachgewiesen werden. Das Manipulationsverbot ist bewußt so ausgestaltet, daß bereits die Vornahme einer geeigneten Manipulationshandlung verboten und ggf. als Ordnungswidrigkeit ahndbar ist, ohne daß es jeweils der ähnlich schwer wie eine tatsächliche Preiseinwirkung nachzuweisenden konkreten Einwirkungsgefahr bedarf.

2. Gegenstand der Einwirkungseignung Die Einwirkungseignung (und im Rahmen des Straftatbestandes die tatsächliche Einwirkung) muß sich auf einen inländischen Börsen- oder Marktpreis oder auf einen Preis auf einem organisierten Markt im EU-/EWR-Raum beziehen. Das Verhalten muß also hypothetisch-abstrakt geeignet sein, einen solchen Preis zu beeinflussen. Inländische Börsenpreise sind gem. § 24 I BörsG Preise für Wertpapiere, die während der Börsenzeit an einer Wertpapierbörse im Amtlichen Markt, im Geregelten Markt sowie im Freiverkehr (§ 57 II BörsG), Preise, die an einer Warenbörse sowie Preise, die für Derivate an einer Börse ermittelt werden. Gleiches gilt für die an Börsen ermittelten Preise für Wechsel und ausländische Zahlungsmittel (§ 63 I BörsG). Marktpreise sind Gleichgewichtspreise, die sich auf (inländischen außerbörslichen) Märkten bei freiem Wirksamwerden von Angebot und Nachfrage bilden.169 Dazu rechnet die Preisbildung mittels sämtlicher Formen von alternativen Handelssystemen (insb. die börsenähnlichen Einrichtungen170) sowie der ___________ 168

Sorgenfrei, wistra 2002, 321, 326. Büschgen, Börsenlexikon, Stichwort „Marktpreis“; Sorgenfrei, wistra 2002, 321, 326; enger Arlt, Anlegerschutz, S. 188 ff., der nur an Organisierten Märkten im Sinne von § 2 V WpHG gebildete Preise als Marktpreise ansieht. Zur Entwicklung des Begriffes des Börsenpreises Köndgen/Theissen, WM 2003, 1497 ff. 170 Dazu o. 6. Kap. B II 1 a (3) (S. 210). 169

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7. Kap.: Verbotstatbestände

telefonische Interbankenhandel, wenn und soweit dort jeweils aus Angebot und Nachfrage gebildete Gleichgewichtspreise ermittelt werden.171 Zwar genügt die Zulassung oder Einbeziehung eines Vermögensgegenstandes allein an einem alternativen Handelssystem nicht, um ihn zum Finanzinstrument im Sinne von § 20a I 2 WpHG zu qualifizieren und in den Schutzbereich des Manipulationsverbotes einzubeziehen.172 Liegt jedoch ein einbezogener Vermögenswert vor, sind auch die für ihn an einem alternativen Handelssystem gebildeten Preise vor Manipulationen geschützt. Diese Einbeziehung der außerbörslich ermittelten Preise war notwendig, um die überwachten Kapitalmärkte umfassend vor Manipulationen zu schützen.173 Keine Marktpreise entstehen dagegen bei einseitiger Festsetzung von Preisen, etwa durch Interessengruppen oder Verbände.174 Schließlich genügt auch die Eignung, auf einen Preis an einem organisierten Markt im EU-/EWR-Raum einzuwirken. Die damit umfaßten Marktplätze entsprechen denen bei der Regelung der dem Manipulationsverbot unterfallenden Finanzinstrumente.175 Nicht ausreichend ist hingegen ein Verhalten, das ausschließlich auf einen Preis, der nicht an einem der vorgenannten Märkte ermittelt wird, einzuwirken geeignet ist, auch wenn ein Manipulationsgegenstand im Sinne von § 20a I 2 WpHG betroffen ist. Denkbar ist dies insbesondere für Direktgeschäfte (faceto-face) oder (trotz dessen Bezeichnung) beim Grauen Kapitalmarkt, wenn und weil dort mangels eines Marktes keine Marktpreise ermittelt werden. Das ist aber hinnehmbar, denn zum einen ist ein solches, sich nur isoliert auswirkendes Verhalten nur schwer vorstellbar und zum anderen ist in diesem Falle die Funktionsfähigkeit der überwachten Märkte und damit der Schutzzweck des Manipulationsverbotes gerade nicht betroffen.

___________ 171 Sorgenfrei, in: Park (Hrsg.), Kapitalmarkt-Strafrecht, 4. Abschnitt, Rn. 29. – Betreiber von börsenähnlichen Einrichtungen sind verpflichtet sicherzustellen, daß die Preise entsprechend § 24 II 1-3 BörsG zustande kommen (§ 59 1 Nr. 4 BörsG). Dazu Köndgen/Theissen, WM 2003, 1497, 1501 ff. 172 Dazu o. 6. Kap. B II 1 a (3) (S. 210). 173 Vgl. Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8017, S. 89; a.A. Arlt, Anlegerschutz, S. 193 f. – Technisch beruht dies darauf, daß über § 24 II 4 BörsG bei der Ermittlung von Börsenpreisen auch Preise einer inländischen börsenähnlichen Einrichtung berücksichtigt werden können (sog. Preisimport), dazu Beck, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 24 BörsG Rn. 17 ff. 174 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 89. 175 Vgl. dazu o. 6. Kap. B II 2 (S. 212).

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3. Bestimmung der Einwirkungseignung Nachdem somit der Inhalt des Merkmals der Einwirkungseignung herausgearbeitet wurde, ist nun zu untersuchen, wie diese Eignung im konkreten Fall zu bestimmen ist. Die dafür notwendigen Schritte sind im wesentlichen vergleichbar denen bei der Feststellung der Bewertungserheblichkeit. So bedarf es zunächst der Festlegung der dafür maßgeblichen Beurteilungsgrundlage, auf deren Grundlage sodann ein Wahrscheinlichkeitsurteil zu fällen ist.

a) Beurteilungsgrundlage Inhaltlich besteht die Beurteilungsgrundlage aus den gemachten Angaben über Umstände bzw. den rechtspflichtwidrig verschwiegenen Umständen sowie den jeweiligen Gegebenheiten des Einzelfalls. Zu diesen zählt zum einen insbesondere die handelnde Person. So liegt auf der Hand, daß ein bekannter Analyst oder Wirtschaftsjournalist aufgrund seiner Reputation mit seinen Äußerungen weit mehr erreichen kann, als ein unbekannter Privatanleger. Gleiches gilt etwa für Äußerungen eines Unternehmensmanagers. Zu berücksichtigen ist zum anderen aber auch die Art und der Anlaß der Äußerung. So ist die Verbreitung über ein Massenmedium im Regelfall eher manipulationsgeeignet als eine private Unterhaltung. Andererseits kommt in einigen Kreisen dem Internet eine bedeutende Rolle zu, die es auch völlig Unbekannten ermöglicht, auf den Preis Einfluß zu nehmen. Die Beurteilung der Preiseinwirkungseignung selbst ist eine vom Zeitpunkt der Tatbegehung in die Zukunft gerichtete Bewertung. Insofern können erst nachträglich eintretende Umstände grundsätzlich weder für noch gegen den Betroffenen berücksichtigt werden. Die maßgebliche Beurteilungsgrundlage ist deshalb aus der ex-ante-Perspektive zur Zeit der Tatbegehung zu ermitteln.176 Das bedeutet aber nicht, daß nur auf Umstände abzustellen ist, die der Betroffene kannte oder wenigstens hätte kennen können. Es entspricht nämlich wiederum überwiegender Ansicht, daß die Beurteilungsgrundlage objektiv zu bestimmen ist, also ohne Rücksicht auf individuelle Kenntnis oder Kenntnisnahmemöglichkeit in Bezug auf die relevanten Umstände.177 Das ermöglicht es, auch erst nachträglich offenbar gewordene (nicht: eingetretene) Umstände einzubeziehen. Die objektive Sichtweise hat den Vorteil, daß eine von den Indivi___________ 176

Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 94; ebenso für §§ 13, 15 WpHG Assmann, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 13 Rn. 55; Zimmer, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 15 WpHG Rn. 103, jeweils m.w.N. 177 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 93; ebenso für §§ 13, 15 WpHG Assmann, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 13 Rn. 54 m.w.N.; ebenso die h.A. für das StGB, vgl. Lenckner, in: Schönke/Schröder, StGB, § 126 Rn. 9 m.w.N.

7. Kap.: Verbotstatbestände

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dualkenntnissen abstrahierte einheitliche Rechtsanwendung erfolgen kann.178 Die individuelle Vorwerfbarkeit wird dagegen im subjektiven Tatbestand berücksichtigt.

b) Wahrscheinlichkeitsurteil, Grad der Wahrscheinlichkeit Auf Basis der so festgestellten Beurteilungsgrundlage ist nun das Eignungsurteil zu fällen. Dabei besteht die Problematik darin, daß exakte Kausalgesetze über die Preisrelevanz eines bestimmten Umstandes bisher fehlen und anscheinend auch nicht feststellbar sind. Zwar hat die Kapitalmarkttheorie Modelle der Preisbildung an den Kapitalmärkten entwickelt. Doch handelt es sich dabei meist um vereinfachende Annahmen und Erfahrungssätze die zwar in vielen Fällen der Realität durchaus nahe kommen, jedoch weit entfernt sind von quasinaturgesetzlichen Zusammenhängen. Verlangte man letztere in Bezug auf das Eignungsurteil wäre das Manipulationsverbot nicht anwendbar.179 Es muß deshalb genügen, daß gesicherte Erfahrungssätze einem bestimmten Umstand eine bestimmte Preiseinwirkungseignung am Kapitalmarkt zuschreiben.180 Die Einwirkungseignung ist also wie die Bewertungserheblichkeit eines Umstandes letztlich (nur) durch eine Wertung des Rechtsanwenders zu bestimmen. Von großer Bedeutung bei der Bestimmung der Eignung zur Preiseinwirkung sind Kataloge typischerweise einwirkungsgeeigneter Umstände, wie dies auch schon im Rahmen der Bewertungserheblichkeit der Fall und auch für die §§ 13, 15 WpHG181 anerkannt ist. Diese Kataloge werden zudem in weiten Teilen übereinstimmen, da einem bewertungserheblichen Umstand in den meisten Fällen auch eine Preiseinwirkungseignung zukommen dürfte. Dabei ist jedoch stets im Auge zu behalten, daß derartige Kataloge zwar in der Praxis eine gute Orientierungshilfe bieten, jedoch weder eine Einzelfallprüfung ersetzen noch abschließend sind.182 Eine (nicht unerhebliche) indizielle Wirkung sowohl für als auch gegen eine Preiseinwirkungseignung wird man ihnen dennoch zumessen können und müssen. ___________ 178

Ebenso Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 13 WpHG Rn. 46. 179 Zur Problematik noch einmal u. 8. Kap. A I 1 b (S. 324). 180 So auch Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 95. 181 Vgl. Assmann, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 13 Rn. 68; Zimmer, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 15 WpHG Rn. 103. 182 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 95; für § 13 WpHG ebenso Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 13 WpHG Rn. 44.

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Dagegen genügt die auf eine manipulative Handlung folgende Preisänderung ebensowenig ohne weiteres als Beweis für die Einwirkungseignung183 wie umgekehrt das Ausbleiben einer Änderung für die Nichteignung. Ersteres ergibt sich daraus, daß die Preisänderung auch auf anderen Gründen beruhen kann; letzteres, weil nur die generelle Eignung zur Preisbeeinflussung notwendig ist und nicht auch die im jeweiligen Einzelfall. Wiederum dürfte sich aber aus der Änderung bzw. Nichtänderung im Anschluß an eine manipulative Handlung ein gewichtiges Indiz für resp. gegen die Eignung zur Preiseinwirkung ergeben.184 Im Ergebnis bedarf es also stets einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalles. Hierzu ist Sachkunde notwendig. Wenn diese (insbesondere bei Gericht) nicht in ausreichendem Maße vorhanden ist, kann und muß die Frage nach der Eignung eines Umstandes zur Einwirkung auf den Preis mittels eines Sachverständigengutachtens geklärt werden.185 Zu diskutieren bleibt abschließend noch, mit welcher Wahrscheinlichkeit der betreffende Umstand zur Preiseinwirkung geeignet sein muß. Daß es überhaupt nur ein Wahrscheinlichkeitsurteil sein kann und ein solches auch genügen muß, ergibt sich daraus, daß logisch zwingende Naturgesetze, die ein (nahezu) sicheres Urteil ermöglichten, fehlen. Die gleiche Problematik stellt sich bei den §§ 13, 15 WpHG und führt dort zu einem weiten Spektrum vertretener Wahrscheinlichkeiten. Zumeist wird gefordert, die Preisbeeinflussung müsse wahrscheinlicher sein als ihr Ausbleiben, also eine Beeinflussungswahrscheinlichkeit von mehr als 50 Prozent bestehen.186 Ebenso unterschiedlich sind die zu den Eignungstatbeständen des StGB vertretenen Ansichten. Teilweise wird auch darauf abgestellt, ob ein Umstand bereits einmal zu einem entsprechenden Erfolg geführt hat.187 Dies ist aber wenig hilfreich, denn weder kann der Nachweis früherer Eignung notwendige Bedingung sein, denn damit wäre der jeweils erste Fall, trotz des ex-post erbrachten Nachweises der Eignung, nicht faßbar. Noch ist er hinreichende Bedingung, ___________ 183 Wenn hingegen der Kausalzusammenhang zwischen Handlung und tatsächlicher Preiseinwirkung nachgewiesen ist, d. h. eine Straftat i.S.v. § 38 II WpHG vorliegt, steht zugleich fest, daß die Handlung auch zur Preiseinwirkung geeignet war (zutr. Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 88). 184 Ähnlich Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 17. 185 Ebenso Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 97. – Vgl. hierzu auch u. 8. Kap. A I 1 c (S. 332). 186 Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 13 WpHG Rn. 47; Zimmer, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 15 WpHG Rn. 104, beide mit Nachw. der anderen Ansichten. 187 So Horn, in: System. Komm. StGB, § 325 Rn. 5; Rudolphi, NStZ 1984, 248, 250; dagegen zu Recht Cramer/Heine, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbem. §§ 324 ff. Rn. 9; Rogall, FS Köln, S. 505, 515 f.

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7. Kap.: Verbotstatbestände

weil zwar eine generelle Betrachtung erfolgt, dabei aber die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sind und damit die Eignung dennoch zu verneinen sein kann. Andere verlangen „hinreichende Wahrscheinlichkeit“ oder eine „massenstatistische Beweisführung“.188 Die geringsten Anforderungen stellt die Rechtsprechung, der es genügt, daß der Erfolg „nicht fernliegt“.189 Die zutreffende Lösung für § 20a WpHG ist unter Berücksichtigung des Normzweckes und der Deliktsnatur zu ermitteln. Ausgangspunkt muß dabei sein, daß es sich bei dem Manipulationsverbot um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt, das den Eintritt einer Gefahr oder gar eines Erfolges gerade nicht voraussetzt. Wenn hiervon durch das Merkmal der Eignung für die Fälle tatsächlicher Ungefährlichkeit eine Ausnahme gemacht wird, muß dies auch bei dem Wahrscheinlichkeitsurteil Berücksichtigung finden. Eine abstrakte Gefährdung des Marktes besteht bereits dann, wenn der betreffende Umstand zur Preiseinwirkung nicht völlig ungeeignet ist und die Eignung nicht nur rein theoretisch zu bejahen ist. Der Vergleich mit der Ad hoc-Publizität trägt insoweit nicht. Dort macht die Preiseinwirkungseignung eine Tatsache publizitätspflichtig. Ließe man hier jede Wahrscheinlichkeit genügen, käme es zu einer Überinformation des Marktes mit nur potentiell geeigneten Tatsachen mit der naheliegenden Gefahr, daß die Marktteilnehmer dadurch mehr verwirrt als zutreffend informiert werden würden und damit das eigentliche Anliegen der Ad hoc-Publizität konterkariert würde.190 Bei § 20a WpHG hingegen stellt sich die Situation umgekehrt dar. Je geringer die Wahrscheinlichkeitsschwelle angesetzt wird, desto geringer ist die Gefahr, daß preisbeeinflussende Informationen zu manipulativen Zwecken in den Markt gelangen oder zurückgehalten werden. Im Hinblick auf eine effektive Verhinderung von Marktmanipulationen ist es deshalb angezeigt, keine zu großen Anforderungen an das Wahrscheinlichkeitsurteil in Bezug auf die Eignung zur Preisbeeinflussung zu stellen. In Anlehnung an die Rechtsprechung zu den Eignungsdelikten des StGB ist die Eignung deshalb bereits dann zu bejahen, wenn die Möglichkeit der Preiseinwirkung nicht fernliegt.191 Auszuscheiden sind dagegen neben völlig ungeeigneten Umständen auch solche, deren Eignung lediglich rein theoretisch konstruiert werden kann. ___________ 188 Einerseits Rogall, FS Köln, S. 505, 516; andererseits Tiedemann, Umweltstrafrecht, S. 32. – Weitere Ansichten bei Hoyer, Eignungsdelikte, S. 71 f. 189 BGHSt 39, 371, 372. 190 Vgl. Zimmer, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 15 WpHG Rn. 104. 191 Enger wohl Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 96, der eine ernstzunehmende Möglichkeit der Einwirkung fordert.

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4. Verhältnis zur Bewertungserheblichkeit Abschließend stellt sich die Frage nach der Bedeutung des Tatbestandsmerkmales. Folgt man der Kapitalmarkttheorie, so bildet der Börsen- oder Marktpreis zu jeder Zeit den Wert des Unternehmens bzw. allgemein des Vermögensgegenstandes ab. Darauf aufbauend wurde argumentiert, jeder Umstand, der für die Bewertung eines Vermögenswertes erheblich ist, sei schon per definitionem im Falle seiner Mitteilung oder seines Verschweigens auch geeignet, auf einen Preis einzuwirken, so daß das Merkmal der Preiseinwirkungsgeeignetheit überflüssig sei.192 Dem ist zu widersprechen. Zwar mag dieser Zusammenhang grundsätzlich bestehen, doch ist die daraus gezogene Konsequenz die falsche. Wie bereits oben193 ausgeführt, ist die Preiseinwirkungseignung das richtige Korrektiv, um den Manipulationstatbestand sachgerecht zu begrenzen und insbesondere objektiv ungefährliche Verhaltensweisen davon auszunehmen. Überflüssig und nicht systemgerecht ist statt dessen die Bewertungserheblichkeit.

IV. Besonderheiten für Journalisten (§ 20a VI WpHG)

In Anlehnung an Art. 1 Nr. 2 lit. c) S. 2 MMRL ordnet nunmehr194 § 20 VI WpHG an, daß bei Journalisten, die in Ausübung ihres Berufs handeln, das Vorliegen der Voraussetzungen von § 20a I 1 Nr. 1 WpHG unter Berücksichtigung ihrer berufsständischen Regeln zu beurteilen ist, es sei denn, diese Personen ziehen aus den unrichtigen oder irreführenden Angaben direkt oder indirekt einen Nutzen oder schöpfen Gewinne. Hintergrund dessen ist, daß insbesondere bei solchen Verhaltensweisen die Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 I GG tangiert sein können.195 Weil bereits ein leichtfertiger Verstoß ordnungswidrig sein kann, ist eine Sonderregelung für Journalisten angezeigt, da anderenfalls möglicherweise die notwendige und

___________ 192 So Altenhain, BB 2002, 1874, 1877; ähnlich Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 17. 193 A I 5 e (S. 265). 194 Eingefügt durch das AnSVG. Eine vergleichbare Bestimmung fehlte in § 20a WpHG i.d.F. des 4. FMFG. 195 Beispiele: (1) Ein Journalist verbreitet eine bewußt unrichtige Angabe. (2) Ein Journalist verbreitet eine Meldung, an deren Wahrheitsgehalt er zwar Zweifel hat, eine weitere Recherche aber aus Aktualitätsgründen nicht möglich ist. (3) Wie (2), aber die Aufdeckung der Unrichtigkeit durch Recherchen wäre ohne weiteres möglich gewesen. (4) Ein Analyst gibt eine Bewertung ab, die schlechterdings nicht mehr vertretbar ist.

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7. Kap.: Verbotstatbestände

erwünschte Kapitalmarktberichterstattung in nicht zu rechtfertigender Weise beeinträchtigt wird.196 Dem gegenüber ist es aber nicht geboten, die Medien generell aus dem Anwendungsbereich des Manipulationsverbotes auszunehmen. Nicht selten wird gerade Printmedien ein besonderes Vertrauen im Hinblick auf sorgfältige und neutrale Recherchen entgegen gebracht.197 Diese Erwartungshaltung ist bei der Bemessung des Sorgfaltsmaßstabes bei der Berichterstattung zu berücksichtigen.

1. Art. 5 I GG Dem weit zu verstehenden Begriff der Meinung im Sinne des Art. 5 I GG unterfallen alle Werturteile sowie Tatsachenbehauptungen, jedenfalls wenn sie Voraussetzung für die Bildung von Meinungen sind.198 Erfaßt sind damit grundsätzlich alle Angaben im Sinne von § 20a WpHG. Für die hier interessierenden unrichtigen oder irreführenden Angaben ist nach überwiegender Ansicht zu differenzieren: Eine erwiesen oder bewußt unwahre Tatsachenbehauptung wird von Art. 5 I GG von vornherein nicht geschützt.199 Dies betrifft den Beispielsfall (1). Eine solche Konstellation wirft mangels Einschlägigkeit von Art. 5 I GG keine besonderen verfassungsrechtlichen Probleme auf. Es verbleiben deshalb nur Fälle, bei denen die Unrichtigkeit der Tatsache nicht offenkundig und der Äußernde sich dieser auch nicht bewußt war (er aber gleichwohl bedingt-vorsätzlich oder leichtfertig bzgl. der Unwahrheit gehandelt hat, da anderenfalls § 20a WpHG nicht anwendbar wäre und somit kein Konflikt mit Art. 5 I GG auftreten könnte) sowie die Äußerung von Werturteilen, die einem Wahrheitsurteil von vornherein nicht zugänglich sind. Angesprochen sind damit die Beispiele (2)-(4). Hier gilt, daß § 20a WpHG als allgemeines, das heißt sich nicht gegen die Äußerung einer Meinung als solches richtendes Gesetz200 die Kommunikati___________ 196

Ebenso Spindler, NZG 2004, 1138, 1143. Vgl. Loritz, WM 2004, 957, 962; Spindler, NZG 2004, 1138, 1143. 198 BVerfGE 94, 1, 7; Jarass/Pieroth, GG, Art. 5 Rn. 3; weitergehend Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Rn. 55. 199 BVerfGE 99, 185, 197; 90, 241, 247 f.; Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 5 Rn. 28; a.A. Wendt, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Art. 5 Rn. 10. – Teilweise werden darüber hinaus auch leichtfertig falsche Tatsachenäußerungen aus dem Anwendungbereich des Art. 5 I GG ausgenommen, vgl. Degenhart, in: Bonner Komm. GG, Art. 5 I, II Rn. 107; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 5 Rn. 20; dagegen aber ausdr. BVerfGE 99, 185, 197. 200 Zu den Anforderungen BVerfGE 71, 206, 214; Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 5 Rn. 142 ff. 197

A. § 20a I 1 Nr. 1 WpHG

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onsgrundrechte beschränkt (Art. 5 II GG). Dabei kommt es jedoch zu einer Wechselwirkung zwischen § 20a WpHG und Art. 5 I GG, das heißt zu einer fallbezogenen Güterabwägung zwischen dem beeinträchtigten Kommunikationsgrundrecht und den mit dem allgemeinen Gesetz verfolgten Interessen.201 Je weniger die Äußerung ein „Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage“ ist, desto geringer fällt der grundrechtliche Schutz aus.202 Das gilt in besonderem Maße dann, wenn die Äußerung wirtschaftlich motiviert ist. Im Regelfall führt die Anwendung dieser Grundsätze dazu, daß eine einschränkende Anwendung von § 20a WpHG nicht notwendig ist, denn es ist grundsätzlich von jedem zu verlangen, Zweifeln am Wahrheitsgehalt von Aussagen oder der Vertretbarkeit von Werturteilen nachzugehen bzw. auf Unzulänglichkeiten hinreichend deutlich hinzuweisen. Auch der ein schlechterdings nicht mehr vertretbares Werturteil Äußernde kann sich nicht auf seine Meinungsfreiheit berufen, da hier die vom Manipulationsverbot verfolgten Interessen weit überwiegen. Im Einzelfall und hier insbesondere im Bereich der Medien (Presse, Rundfunk, Fernsehen etc.) sind jedoch Besonderheiten zu beachten, denn gerade bei der Kapitalmarktberichterstattung kommt es besonders auf Aktualität an.203 Das Interesse an schneller Berichterstattung kann dabei in Konflikt mit dem Interesse an wahrer Berichterstattung geraten. Gemeint sind dabei nicht die Fälle bewußt unwahrer, sondern die nicht hinreichend ausrecherchierter und damit leichtfertig falscher Meldungen. Zwar betont das Bundesverfassungsgericht, daß die Presse „um ihrer Aufgabe bei der öffentlichen Meinungsbildung willen gehalten ist“, von ihr weitergegebene Nachrichten und Behauptungen auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen.204 Es sagt aber auch, daß diese Prüfungspflicht nicht überspannt werden darf.205 Vor diesem Hintergrund ist es zulässig, bei der Prüfung des Wahrheitsgehaltes einer Meldung geringere Anforderungen zu stellen, wenn dies durch besondere Aktualitätserfordernisse geboten ist und eine weitere Recherche den Informationszweck beeinträchtigen würde. Deshalb begegnet das Beispiel (2) keinen Bedenken, da hier alle situationsadäquat zur Verfügung stehenden Mittel ausgeschöpft wurden. Etwas anderes gilt hingegen für Beispiel (3), da dort die Unrichtigkeit durch zumutbare Informationsbeschaffung feststellbar war. Schließlich kann auch die Berichterstattung über Gerüchte und Spekulationen zulässig sein, wenn diese ausdrücklich als solche und nicht etwa als (gesicherte) Tatsachen dargestellt werden. ___________ 201

BVerfGE 85, 1, 16. Vgl. BVerfGE 54, 129, 137; Jarass/Pieroth, GG, Art. 5 Rn. 18. 203 Vgl. Spindler, NZG 2004, 1138, 1143. 204 BVerfGE 12, 113, 130; 54, 208, 219 f. 205 BVerfG, a.a.O.; ferner Degenhart, in: Bonner Komm. GG, Art. 5 I, II Rn. 106. 202

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7. Kap.: Verbotstatbestände

Die Grenze ist in jedem Falle dann überschritten, wenn nur noch unter dem Vorwand journalistischer Berichterstattung gehandelt wird, eigentlich aber die Förderung eigener oder fremder wirtschaftlicher Interessen im Vordergrund steht („geschmierter Journalist“).206 Paradigmatisch hierfür ist der Scalper, der unter dem Deckmantel journalistischer Tätigkeit eigennützige Ziele verfolgt.

2. Rechtliche Umsetzung Diesen verfassungsrechtlichen Besonderheiten ist der Gesetzgeber mit der Einfügung von § 20a VI WpHG gerecht geworden, indem er die Maßgeblichkeit von berufsständischen Regeln anordnet, wenn und soweit der Journalist aus den Angaben keinen Nutzen zieht oder Gewinne schöpft.

a) Anwendungsbereich Die Privilegierung des § 20a VI WpHG gilt für Journalisten, die in Ausübung ihres Berufes handeln. Vor dem Hintergrund des Art. 5 I GG ist der Begriff des Journalisten, der in Ausübung seines Berufes handelt, für die Zwecke des § 20a VI WpHG funktional und im Grundsatz weit zu verstehen.207 So ist dieser namentlich nicht auf natürliche Personen beschränkt, sondern umfaßt auch juristische Personen. Ferner muß die journalistische Tätigkeit weder als solche Hauptgegenstand der Tätigkeit sein. Noch ist die konkrete Ausgestaltung der Tätigkeit, etwa angestellt oder freiberuflich, von Bedeutung. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgericht knüpft der Schutz des Art. 5 I GG nicht an die berufsmäßige oder vorwiegende Betätigung im Pressewesen, sondern allein an das Medium Presse.208 Im Ergebnis genügt damit für § 20a VI WpHG, daß das Verhalten materiell in den Schutzbereich des Art. 5 I GG fällt.209 Dieser damit weitgefaßte Anwendungsbereich bedeutet keine Schwächung des Manipulationsverbotes. Denn die dadurch eintretende Privilegierung besteht lediglich in der Beachtlichkeit von berufsständischen Regeln. Für Tätigkeiten, für die es solche nicht gibt, ergeben sich somit aus § 20a VI WpHG keine Erleichterungen. Praktisch wird sich daher die Anwendung des § 20a VI WpHG im wesentlichen auf die klassische Pressetätigkeit beschränken. ___________ 206 Vgl. zur vorsätzlich falschen Berichterstattung im Medienbereich Loritz, WM 2004, 957 ff., insb. 964 ff. 207 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 107. 208 BVerfGE 95, 28, 35. 209 Ebenso Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 107.

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b) Berufsständische Regeln Die berufsständischen Regeln sind Verhaltensvorschriften, die durch die für Journalisten zuständigen Berufsvereinigungen aufgestellt worden sind. Einer gesetzlichen Anerkennung bedarf es dafür nicht, wohl aber, daß die Regeln allgemein anerkannt sind. Diese zu fordernde Einschränkung sorgt dafür, daß die Verhaltensregeln nicht nur die (möglicherweise zu weit gehende) Meinung einer kleinen Gruppe von Journalisten wiedergeben, sondern auf einem hinreichend breiten Konsens beruhen. Als Beispiel kann der Pressekodex des Deutschen Presserates dienen.210 In dessen Nummer 2 heißt es: „Zur Veröffentlichung bestimmte Nachrichten und Informationen in Wort und Bild sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen …“. Die Einschränkung auf die nach den Umständen gebotene Sorgfalt entspricht der bei Art. 5 I GG dargestellten Abwägung zwischen dem Interesse an schneller Information und wahrer Berichterstattung. Besteht ein besonderes Aktualitätsinteresse, dann sind die an die Prüfung des Wahrheitsgehaltes einer Meldung zu stellenden Anforderungen geringer anzusetzen, als dies unter normalen Umständen zu fordern ist. Eine unter nachvollziehbarem Zeitdruck gemachte unrichtige oder irreführende Angabe bleibt zwar unrichtig oder irreführend, doch hat der Journalist diesbezüglich nicht leichtfertig gehandelt. Es liegt damit kein ahnd- oder strafbarer Verstoß gegen das Manipulationsverbot vor. Dagegen ergeben sich keine Besonderheiten, wenn der Journalist die Unrichtigkeit einer Angabe positiv kennt oder sich diese ihm geradezu aufdrängt. Er erfüllt damit nie die nach den Umständen gebotene Sorgfalt hinsichtlich der Ermittlung des Wahrheitsgehaltes. Zudem ist dieser Fall nicht vom Grundrecht der Pressefreiheit umfaßt. Schließlich will § 20a VI WpHG nicht der Manipulation durch Journalisten Vorschub leisten, sondern die sachgerechte und lautere Kapitalmarktberichterstattung sicherstellen.

c) Kein eigenes Interesse Aus diesem Grunde sind die berufsständischen Regeln auch unbeachtlich, wenn der Journalist aus den unrichtigen oder irreführenden Angaben direkt oder indirekt einen Nutzen zieht oder Gewinne schöpft. Im Pressekodex ist in ___________ 210

Abrufbar unter www.presserat.de. – Vgl. auch die „Journalistischen Verhaltensgrundsätze des Deutschen Presserats zu Insider- und anderen Informationen mit potentiellen Auswirkungen auf Wertpapierkurse“ sowie die „Journalistischen Verhaltensgrundsätze und Empfehlungen des Deutschen Presserats zur Wirtschafts- und Finanzmarktberichterstattung“, beides abrufbar ebendort.

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7. Kap.: Verbotstatbestände

Nummer 9 ein ähnliches Gebot enthalten: „Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, daß redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflußt werden …“. Nutzen und Gewinne im Sinne von § 20a VI WpHG sind denkbar weit zu verstehen. Durch ihre Gegenüberstellung wird deutlich, daß sowohl wirtschaftliche Vorteile (Gewinne) als auch Vorteile jeder anderen Art (Nutzen) umfaßt sind. Hier bietet sich eine den Bestechungsdelikten (§§ 299, 331-334 StGB) vergleichbare Auslegung an. Vorteil ist danach jede Leistung, die den Journalisten in seiner wirtschaftlichen, rechtlichen oder persönlichen Lage besser stellt.211 Des weiteren muß der Vorteil nicht unmittelbar (direkt) aus der gemachten unrichtigen oder irreführenden Angabe und deren Wirkung auf den Preis eines Finanzinstrumentes stammen, sondern kann sich auch anderweitig (indirekt), beispielsweise durch die Zahlung eines Dritten ergeben. Es bedarf aber stets einer Verknüpfung zwischen der unrichtigen oder irreführenden Angabe und dem erlangten Vorteil. Es ist deshalb selbstverständlich unschädlich, daß ein Journalist für seine Tätigkeit als solche bezahlt wird. Ebenso ist ihm im Grundsatz unbenommen, über Finanzinstrumente zu berichten, die er selbst im Depot hält, selbst wenn seine Äußerungen Einfluß auf den Wert dieser Papiere haben.212 Erst wenn der Journalist für eine bestimmte Meinung oder das Unterlassen weiterer Recherchen bezahlt wird oder er eine Äußerung zumindest auch dazu vornimmt, um den Wert seiner eigenen Papiere zu steigern, dann zieht er einen Vorteil aus einer unrichtigen oder irreführenden Angabe und § 20a VI WpHG entfaltet für ihn keine privilegierende Wirkung mehr. In Fällen dieser Art wird aber meist die Privilegierung des § 20a VI WpHG schon deshalb nicht anwendbar sein, weil es nicht mehr um die Festlegung der Anforderungen an die notwendige Sorgfalt geht, sondern sich der Journalist der Unrichtigkeit seiner Äußerungen bewußt ist und damit ein vorsätzlicher Verstoß gegen das Manipulationsverbot im Raume steht.

___________ 211

Statt aller Tröndle/Fischer, StGB, § 331 Rn. 11 m.w.N. So auch Spindler, NZG 2004, 1138, 1143; Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 110. 212

A. § 20a I 1 Nr. 1 WpHG

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d) Ergebnis § 20a VI WpHG führt nicht dazu, daß Journalisten vorsätzlich unrichtige oder irreführende Angaben machen dürften, denn die bewußt wahrheitswidrige Berichterstattung widerspricht den berufsständischen Regeln und dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Praktisch relevant wird die Norm daher allein im Bereich der Leichtfertigkeit im Hinblick auf die Unrichtigkeit. Im Ergebnis ist dem lauter und den berufsständischen Regeln entsprechend handelnden Journalisten ein weiterer „Irrtumsbereich“ zuzugestehen als dies außerhalb dessen gilt. Verfassungsrechtlich, insbesondere im Hinblick auf Art. 103 II GG, begegnet die gewählte Regelung keinen Bedenken. Zwar hat sie Einfluß auf den Anwendungsbereich des strafbewehrten Manipulationsverbotes. Doch stellt sie – vergleichbar mit den safe-harbor-Tatbeständen und den Definitionen zulässiger Marktpraktiken – eine Privilegierung dar und unterfällt damit zumindest in der konkreten Ausgestaltung nicht den strengen Anforderungen an Straftatbestände.213

V. Von § 20a I 1 Nr. 1 WpHG erfaßte Manipulationen

Da die Tathandlung bei § 20a I 1 Nr. 1 WpHG das Machen von unrichtigen oder irreführenden Angaben über bewertungserhebliche Umstände bzw. deren rechtspflichtwidriges Verschweigen ist, erfaßt diese Tatbestandsvariante die meisten der als informationsgestützte Manipulationen bezeichneten Verhaltensweisen.214 Ausgenommen sind lediglich Manipulationen mittels wahrer und auch nicht irreführender Angaben (vgl. § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG). So ist namentlich das sog. Scalping auch mit zutreffenden Informationen denkbar.215 Im Einzelfall ist hier zwar darüber nachzudenken, ob der Handelnde aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift (beispielsweise § 34b I 2 WpHG) zur Offenlegung seines Interessenkonfliktes verpflichtet ist, so daß er gegen § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG verstößt, wenn er dies unterläßt. Meist ist das jedoch nicht der Fall. Gleichwohl ist das Scalping nicht straflos, sondern als sonstige Täuschungshandlung im Sinne von § 20a I 1 Nr. 3 WpHG verboten.216 ___________ 213 Ebenso Spindler, NZG 2004, 1138, 1143 f.; allg. dazu BVerfGE 23, 62, 73; vgl. o. 5. Kap. B V 2, bei Fn. 127 (S. 195). 214 Vgl. dazu ausf. o. 1. Kap. D I (S. 18). 215 So etwa im Fall Carpenter v. United States, 108 S.Ct. 316 (1987); vgl. dazu o. 1. Kap., Fn. 62 (S. 22); wohl auch bei BGHSt 48, 373 ff. – Scalping und LG Frankfurt a.M., NJW 2000, 301, 304 – Fall Prior. 216 Siehe BGHSt 48, 373 ff. – Scalping; vgl. dazu näher u. C V 1 (S. 316).

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7. Kap.: Verbotstatbestände

B. § 20a I 1 Nr. 2 WpHG Neu eingefügt – und bislang im deutschen Recht ohne Vorbild – wurde durch das AnSVG die Tatbestandsvariante § 20a I 1 Nr. 2 WpHG. Danach ist es verboten, Geschäfte vorzunehmen oder Kauf- oder Verkaufsaufträge zu erteilen, die geeignet sind, falsche oder irreführende Signale für das Angebot, die Nachfrage oder den Preis von Finanzinstrumenten zu geben oder ein künstliches Preisniveau herbeizuführen.

I. Bedeutung der Tatbestandsvariante

Die neue Tatbestandsvariante dient der Erfassung von handelsgestützten Manipulationen. Bisher wurden diese als sonstige Täuschungshandlung angesehen und unter § 20a I 1 Nr. 3 WpHG (= § 20a I 1 Nr. 2 WpHG [4. FMFG] bzw. § 88 Nr. 2 BörsG a.F.) subsumiert.217 In vielen Fällen war dies jedoch nicht unzweifelhaft. So war beispielsweise fraglich, worin beim Aufbau einer marktbeherrschenden Stellung (dem sog. cornering oder squeezing) die Täuschungshandlung bestehen soll.218 Und auch bei Manipulationen durch effektive Geschäfte war dies keineswegs eindeutig.219 Es ist daher ausdrücklich zu begrüßen, daß nunmehr ein für diese Fälle bestimmter Tatbestand existiert. Allerdings ist – um dies bereits vorwegzunehmen – dessen Ausgestaltung wenig gelungen.220

II. Vornahme von Geschäften bzw. Erteilung von Kauf- oder Verkaufsaufträgen

Tathandlung ist in allen Fällen die Vornahme von Geschäften bzw. die Erteilung von Kauf- oder Verkaufsaufträgen. Indes ergibt sich dies nicht unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut. § 20a I 1 Nr. 2 WpHG ließe sich auch so lesen, daß der zweite Halbsatz („...ein künstliches Preisniveau herbeizuführen“) unabhängig vom ersten Halbsatz ist.221 Dies entspräche der Formulierung des ursprüng___________ 217 Vgl. Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a Rn. 24 ff.; Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG3, § 20a Rn. 101 ff. 218 Näher dazu u. C V (S. 314). 219 Möller, WM 2002, 309, 313; Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 192 ff. m.w.N. 220 Dies ist jedoch nicht in erster Linie dem deutschen Gesetzgeber anzulasten, denn dieser hatte detaillierte Vorgaben durch Art. 1 Nr. 2 lit. a) MMRL zu beachten und sich deshalb sprachlich eng an der Richtlinie orientiert. 221 Die Vorschrift lautete dann: „Es ist verboten, ein künstliches Preisniveau herbeizuführen“.

B. § 20a I 1 Nr. 2 WpHG

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lichen Vorschlags der Kommission einer Marktmißbrauchsrichtlinie.222 Dessen Definition für Marktmanipulation in Art. 1 Nr. 2 a) lautet: „... Geschäfte oder Geschäftsaufträge, die falsche oder irreführende Signale für das Angebot von, die Nachfrage nach oder den Kurs von Finanzinstrumenten geben oder geben können; Beeinflussung des Kurses eines oder mehrerer Finanzinstrumente durch eine Person oder mehrere, in Absprache handelnde Personen in der Weise, daß ein anormales oder künstliches Kursniveau erzielt wird; oder Vorspiegelung falscher Tatsachen und sonstige Kunstgriffe und Formen der Täuschung ...“. Der Entwurf enthält damit drei selbständige Varianten handelsgestützter Manipulationen. Ohne Begründung wurde dann bereits im Gemeinsamen Standpunkt223 und später in der MMRL der Teil „Geschäfte oder Kaufbzw. Verkaufsaufträge“ vor die Klammer gesetzt und bezog sich nunmehr ausdrücklich auch auf die Variante des Erzielens eines anormalen oder künstlichen Kursniveaus. Da der deutsche Gesetzgeber mit dem AnSVG die Vorgaben der MMRL erfüllen wollte, ist die Umsetzung in § 20a I 1 Nr. 2 WpHG wie Art. 1 Nr. 2 lit. a) MMRL zu lesen mit der Folge, daß die Vornahme von Geschäften oder die Erteilung von Aufträgen auch für die Herbeiführung eines künstlichen Preisniveaus notwendig ist. Umfaßt sind durch die umfassende Formulierung sowohl (zweiseitige) Verträge über Finanzinstrumente als auch bereits bloße Angebote auf den Abschluß von Transaktionen. Es bedarf deshalb zur Verwirklichung des Tatbestandes keiner Durchführung der Transaktion. Dies ist sachgerecht, da in manchen Fällen manipulativen Verhaltens die Ausführung von Aufträgen überhaupt nicht erwünscht ist. Diese werden statt dessen zuvor wieder storniert oder schrittweise verändert (sog. Ausweichkurse). Weiterhin ist es nicht erforderlich, daß die Aufträge oder die Geschäfte eine wirtschaftliche Relevanz besitzen, namentlich, daß es zu Veränderungen beim Eigentümer kommt oder daß ein Geschäft überhaupt erfüllt wird. Der Tatbestand ist deshalb neben den effektiven Geschäften auch auf fiktive Transaktionen anwendbar, zu deren Erscheinungsbild es gehört, durch verschiedene Konstruktionen keine wirtschaftliche Relevanz zu entfalten.224 Die Geschäfte bzw. Kauf- oder Verkaufsaufträge brauchen des weiteren nicht über eine Börse oder einen Geregelten Markt abgewickelt werden. Ein solches Erfordernis ergibt sich weder aus dem Gesetzeswortlaut noch wäre es mit Sinn und Zweck des Manipulationsverbotes zu vereinbaren. Auch außerbörslich vorgenommene Handlungen können manipulativen Einfluß haben und ___________ 222

KOM (2001), 281 endg., ABl. EG 2001 C 240. (EG) Nr. 50/2002, ABl. EG 2002 C 228 E, S. 19 ff. 224 Näher zur Phänomenologie o. 1. Kap. D II 1 (S. 25). 223

7. Kap.: Verbotstatbestände

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sind deshalb zu Recht in den Anwendungsbereich von § 20a I 1 WpHG einbezogen.225

III. Eignung, falsche oder irreführende Signale für Angebot, Nachfrage oder Preis zu geben

Die Tathandlung muß geeignet sein, falsche oder irreführende Signale für das Angebot, die Nachfrage oder den Preis von Finanzinstrumenten zu geben. Hinsichtlich der Grundsätze für die Bestimmung der Eignung eines Verhaltens sowie der Vorgehensweise bei der Untersuchung, ob Signale falsch oder irreführend sind, kann auf die hier entsprechend anzuwendenden Ausführungen zur Preiseinwirkungseignung des § 20a I 1 Nr. 1 WpHG verwiesen werden.226 Ein Verhalten ist damit bereits dann geeignet, Signale zu geben, wenn es unter den Umständen des konkreten Einzelfalles generell dazu tauglich ist. Ohne Belang ist dabei, ob sich die Signale positiv oder negativ auswirken. Es handelt sich somit wiederum um einen sog. Eignungstatbestand, der nur bei konkret völlig ungefährlichen Verhaltensweisen ausscheidet. Falsch ist ein Signal, wenn es nach der Auslegung von der Wirklichkeit abweicht. Irreführend ist es schon dann, wenn es bei dem maßgeblichen Beurteiler eine Fehlvorstellung hervorruft. Problematisch ist in diesem Zusammenhang allein, was Bezugsgegenstand dieses Urteil ist, wonach sich also beurteilt, ob ein Signal falsch oder irreführend ist. Zunächst könnte man an einen Vergleich zum wahren Wert des Finanzinstrumentes denken. Man könnte ein Signal dann als falsch oder irreführend ansehen, wenn es nicht mit diesem korrespondiert, also beispielsweise große Nachfrage suggeriert, obwohl der wirtschaftliche Wert negativ zu beurteilen ist. Doch schon diese wenigen Überlegungen machen deutlich, daß solch eine Betrachtungsweise ausgeschlossen ist. Zum einen wird der Wert eines Finanzinstrumentes von unzähligen Faktoren bestimmt, so daß dessen Bestimmung äußerst schwer und meist nur näherungsweise möglich ist. Zudem korrespondiert der Preis eines Finanzinstrumentes (namentlich einer Aktie) nicht zwangsläufig mit dem wahren Wert des von ihm verkörperten Unternehmens. Zum anderen kann auch kein Zusammenhang postuliert werden, wonach eine große Nachfrage mit einem hohen wahren Wert korrespondiert. Gerade wenn ein Titel unterbewertet ist, kann dies zu Käufen und damit zu steigender Nachfrage motivieren. Zudem ist die hinter einem Investment stehende Motivation äußerst vielge___________ 225

Vgl. dazu o. 6. Kap. B V (S. 219). Vgl. dazu einerseits o. A III (S. 273) und andererseits o. A I 2 (S. 242) bzw. A I 3 (S. 250). 226

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staltig und nicht auf wenige Prämissen reduzierbar. Die Beurteilung, ob ein Signal falsch oder irreführend ist, kann demnach nicht am wahren Wert des Finanzinstrumentes festgemacht werden. Als weiterer Vergleichsmaßstab kommt die von dem Geschäft oder dem Auftrag ausgehende Information über Angebot und Nachfrage hinsichtlich eines Finanzinstrumentes in Betracht. Allerdings bringt auch dies nicht weiter, da auf dieser Grundlage die Signale stets wahr sind. Wenn ein vorgenommenes Geschäft oder ein Auftrag beispielsweise Nachfrage nach einem bestimmten Finanzinstrument signalisieren, dann besteht die Nachfrage tatsächlich, denn sie wird durch das Geschäft bzw. den Auftrag selbst hervorgerufen. Zwar mögen solche Geschäfte für den Manipulanten im Ergebnis keine wirtschaftliche Relevanz aufweisen (so etwa bei den fiktiven Geschäften), doch werden sie real über einen Handelsplatz abgewickelt und beeinflussen damit tatsächlich die Orderlage an diesem Handelsplatz. Als weitere Möglichkeit kommt in Betracht, bei der Beurteilung daran anzuknüpfen, ob dem Geschäft oder dem Auftrag ein echtes wirtschaftliches Interesse zugrunde liegt. Ist dies nicht der Fall, dann ist das von dem Geschäft oder Auftrag ausgehende Signal falsch bzw. irreführend. Unterstellt man, daß fiktiven Geschäften ein wirtschaftliches Interesse fehlt, wären diese zwanglos unter den Tatbestand zu subsumieren. Schwieriger wird es jedoch bereits bei den effektiven Geschäften, da diesen zumindest eine wirtschaftliche Relevanz dahingehend, daß der Eigentümer wechselt, gerade nicht abgesprochen werden kann. Hier offenbart sich, daß auch die Beurteilung nach einem wirtschaftlichen Interesse scheitern muß. Zunächst ist unklar, was ein wirtschaftliches Interesse ist und wie und anhand welchen Maßstabes dieses zu bestimmen ist. Immerhin hat auch der Manipulant ein wirtschaftliches Interesse, das aber selbstverständlich hier nicht gemeint sein kann. Es müßte also eine Einteilung in legitime und illegitime wirtschaftliche Interessen vorgenommen werden, was aber lediglich eine neue Bewertungsebene eröffnet. Zudem muß nicht jedem Geschäft ein (nachvollziehbares) wirtschaftliches Interesse zugrunde liegen. Es sind Konstellationen denkbar, die sogar den Interessen des Handelnden zuwider laufen (beispielsweise Zwangsverkauf wegen Liquiditätsbedarfes) oder die für andere nicht ohne weiteres nachvollziehbar sind (Änderung einer Anlagestrategie) und gleichwohl zulässig sein müssen. Das Recht eines freien Kapitalmarktes kann lediglich die Einhaltung formeller Parameter sichern, nicht aber in die materiellen Anlageentscheidungen der Marktteilnehmer eingreifen und diese wirtschaftlich bewerten. Dies aber geschähe, wenn Transaktionen ohne oder mit zweifelhaftem Sinn verboten würden. Jedem steht grundsätzlich frei, sein Vermögen nach seinen persönlichen Interessen anzulegen. Selbst absolut unsinniges Verhalten beinhaltet keinerlei Unwert in Bezug auf das von § 20a WpHG geschützte Rechtsgut. Insofern ist das einem Geschäft oder Auftrag zugrunde liegende wirtschaftliche Interesse kein tauglicher Ansatzpunkt.

292

7. Kap.: Verbotstatbestände

Die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes ist erst dann beeinträchtigt, wenn mit dem Geschäft oder Auftrag gezielt Einfluß auf Preise genommen werden soll, diese also zu manipulativen Zwecken getätigt werden. Entscheidendes Unterscheidungsmerkmal zwischen legitimer Marktteilnahme und Manipulation für den Bereich der handelsgestützten Manipulationen ist damit allein die subjektive Motivation des Handelnden, mit anderen Worten, die Manipulationsabsicht. Eine Manipulationsabsicht ist jedoch im neuen Tatbestand gerade nicht enthalten, da der Gesetzgeber die von Teilen der Literatur fortwährend beklagten damit (angeblich) verbundenen Anwendungsschwierigkeiten beseitigen wollte. Jedoch ist der Tatbestand ohne diese Manipulationsabsicht praktisch nicht mehr anwendbar, da ihm eine Vielzahl unstreitig nicht manipulativer Verhaltensweisen unterfallen würde. Kein tragfähiges Konzept stellt insoweit die Konkretisierung durch § 3 MaKonV dar. Die Verordnung macht in ihrem Absatz 1 schon im Wortlaut deutlich, daß die dort aufgeführten Verhaltensweisen lediglich Anzeichen für falsche oder irreführende Signale sind und drückt damit zu Recht aus, daß diese nicht per se verboten sind. Das wäre im übrigen auch gar nicht denkbar, denn mustert man die Verhaltensweisen im einzelnen durch, so stellt man fest, daß es sich dabei zumeist um alltägliche Marktaktivitäten handelt. Zwar können diese zu manipulativen Zwecken angewendet werden; doch läßt sich daraus allein nicht ihre generelle Rechtswidrigkeit ableiten. Das gilt auch für Absatz 2 der Verordnung, obwohl die dort aufgeführten Beispiele offenbar zwingend irreführende Signale geben sollen. Um den neuen Tatbestand nicht vollends der Bedeutungslosigkeit preiszugeben, bleibt nur, die Manipulationsabsicht in den an sich rein objektiv formulierten Tatbestand hinein zu interpretieren.227 Damit würden immer noch all die Fälle erfaßt, die der Gesetzgeber eigentlich im Blick hatte. Falsch oder irreführend sollen Geschäfte oder Aufträge sein, die dazu dienen, Einfluß auf die Anlageentscheidungen Anderer oder auf den Preis eines Finanzinstruments zu nehmen. Dies aber sind stets Fälle, bei denen eine Manipulationsabsicht vorliegt. Gesetzliche Anknüpfungspunkte für die subjektive Komponente sind dabei die Tatbestandsmerkmale „falsch“ und „irreführend“. Wie dargelegt spielt hier der maßgebliche Beurteilungshorizont eine wesentliche Rolle. Es ist zu fragen, welchen Bedeutungsgehalt der objektivierte Beobachter den von Geschäften oder Aufträgen ausgehenden Signalen beimißt. Um dabei nicht in den Bereich bloßer Unterstellungen abzugleiten, bedarf es für den beigemessenen Bedeu___________ 227 Bezeichnenderweise bringt auch die Begr. RegE AnSVG, BT-Drs. 15/3174, S. 37 i.R.v. § 20a II WpHG die „betrügerische[r] oder manipulative[r] Absicht“ ins Spiel und scheint damit selbst davon auszugehen, daß eine rein objektive Differenzierung unmöglich ist. Im Gesetzeswortlaut hat sich dies freilich nicht niedergeschlagen.

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tungsgehalt eines objektiven Anhaltspunktes. Unter diesen Prämissen wird das Publikum Geschäften bzw. Aufträgen Dritter nicht die Bedeutung zumessen (können), diese seien wirtschaftlich sinnvoll, sie drückten die tatsächlichen Anlagepräferenzen des Dritten aus etc. Jeder Marktteilnehmer ist sich bewußt, daß an Finanzmärkten kein Kapital geschaffen, sondern nur vorhandenes Kapital umverteilt werden kann, so daß jeder danach strebt, den eigenen Vorteil zu maximieren, auch wenn dies auf Kosten eines anderen geht. Insofern sind Vorstellungen über wirtschaftliche Überlegungen, die hinter einem Geschäft oder Auftrag stehen könnten, ebenso wie entsprechende Irrtümer darüber hier irrelevant. Der objektivierte Marktteilnehmer kann lediglich erwarten, daß Geschäfte oder Aufträge nicht zum Zwecke der Einflußnahme auf einen Preis vorgenommen werden. Diese Erwartungshaltung resultiert aus dem Vertrauen jedes Marktteilnehmers, daß alle anderen Teilnehmer grundlegende Regeln einhalten, wozu auch zählt, nicht auf unlautere Weise in die Preisbildung einzugreifen. Wer Geschäfte oder Aufträge in manipulativer Absicht vornimmt, täuscht damit über sein tatsächliches Interesse am Erwerb oder an der Veräußerung des betroffenen Vermögensgegenstandes. Die durch seine Aufträge oder Geschäfte gegebenen Signale sind falsch oder irreführend. Im Ergebnis sind somit von Geschäften oder Aufträgen gegebene Signale (nur) dann falsch bzw. irreführend, wenn mit ihnen eine Manipulation bezweckt wird. Maßgeblich ist also die Manipulationsabsicht des Handelnden bei Vornahme des Geschäftes oder Erteilung des Auftrages. Das bloße Wissen (im Sinne von direktem Vorsatz zweiten Grades), daß ein Geschäft oder Auftrag für andere falsche oder irreführende Signale gibt, genügt jedoch nicht. Kein Marktteilnehmer ist allgemein verpflicht, die von ihm vorgenommenen Handlungen zu erklären und andere vor eventuellen Irrtümern zu bewahren. Insofern ist die Motivation für das Verhalten unerheblich.

IV. Eignung zur Herbeiführung eines künstlichen Preisniveaus

Verboten sind ferner Geschäfte oder Aufträge, die geeignet sind, ein künstliches Preisniveau herbeizuführen. Erfaßt werden sollen damit Manipulationen, die auf der jeder Transaktion oder Veränderung der Auftragslage innewohnenden Beeinflussung des Preises beruhen. Wie bei der ersten Variante des Tatbestandes genügt auch hier die Eignung des Verhaltens, die genannte Wirkung hervorzurufen. Auf die insoweit übertragbaren Ausführungen wird deshalb verwiesen.228

___________ 228

Vgl. dazu o. B III (S. 290).

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7. Kap.: Verbotstatbestände

Das tatbestandlich vorausgesetzte „künstliche“ Preisniveau wurde vom Gesetzgeber weder im WpHG noch in der MaKonV definiert. § 3 I MaKonV beschränkt sich statt dessen darauf, einige Anzeichen für das Vorliegen eines künstlichen Preisniveaus zu geben. Die Begriffswahl erinnert jedoch auffallend an den artificial price des US-amerikanischen Rechts. Dort gilt ein Preis als „artificial“, wenn er nicht dem entspricht, den die verfügbaren Informationen und die Marktkräfte eigentlich bestimmen.229 Dabei kommt es nicht darauf, ob der künstliche Preis über oder unter dem wahren Wert des Vermögensgegenstandes liegt.230 Nähert man sich dem Begriff zunächst alltagssprachlich, so bedeutet er „nicht natürlich“, „falsch“ oder „unecht“.231 Ein künstliches Preisniveau wäre demnach ein falsches Preisniveau. Die MMRL stellt neben das künstliche Preisniveau noch das anormale. Ein solches Verständnis legt es nahe, daß es auch ein richtiges, ein normales Preisniveau gibt. Unklar bleibt jedoch weiterhin, worauf sich dies beziehen soll. Im Ergebnis hilft daher die allgemeine Wortbedeutung für die Auslegung des Tatbestandes nicht weiter. „Künstlich“ kann in diesem Zusammenhang nicht bedeuten, daß es sich um einen Preis handelt, der sich nicht aus dem ungehinderten Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage ergibt. Bereits an anderer Stelle wurde darauf hingewiesen, daß auf die Preisbildung als solche gerade nicht Einfluß genommen wird, sondern allein die diese bestimmenden Parameter – Angebot und Nachfrage – beeinflußt werden.232 Erst wenn man diese dennoch weit verbreitete Formulierung dahingehend abwandelte, daß ein Preisniveau dann künstlich ist, wenn es sich nicht aus dem ungehinderten Zusammenspiel von echtem Angebot und echter Nachfrage ergibt, ergäbe sie einen Sinn. Freilich erfolgte damit lediglich eine Verlagerung der Problematik auf eine andere Stufe, nämlich die, wann ein Angebot resp. eine Nachfrage „echt“ ist. Man müßte also echte Geschäfte und Aufträge von unechten unterscheiden und bei Vorliegen der letzteren von einem künstlichen Preisniveau sprechen. Da aber die hier zu verbietenden handelsgestützten Manipulationen sämtlich zunächst tatsächliche Aufträge und Geschäfte am Kapitalmarkt verursachen, kehren exakt die gleichen Fragen wieder, wie sie soeben bei der Frage behandelt wurden, ob durch Geschäfte oder Aufträge gegebene Signale falsch oder irreführend sind. Ein Preisniveau ist daher nicht allein deshalb künstlich, weil es nicht dem wahren Wert des Vermögensgegenstandes entspricht. Auf diesen kaum jemals ___________ 229 U.S. v. Russo, 74 F.3d 1383 (2nd Cir. 1996), cert. denied 519 U.S. 927; U.S. v. Hall, 48 F.Supp.2d 386 (S.D.N.Y. 1999). 230 U.S. v. Hall, 48 F.Supp.2d 386 (S.D.N.Y. 1999). 231 Vgl. Duden, Bedeutungswörterbuch, Stichwort: „künstlich“. 232 Vgl. dazu o. 1. Kap. A (S. 11).

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exakt zu bestimmenden Wert kommt es überhaupt nicht an. Das Schutzgut des Manipulationsverbotes ist solange nicht tangiert, wie die Preisbildung ohne äußere Einflußnahme stattfindet. Im Ergebnis kann „künstlich“ in diesem Zusammenhang deshalb nichts anderes bedeuten als „manipulativ beeinflußt“. Künstlich ist damit ein Preisniveau, wenn es manipuliert ist. Dies freilich hilft wenig weiter, da ein zu definierender Begriff lediglich durch einen anderen ausgetauscht wird. Allerdings wird auf diesem Wege deutlich, wie die Abgrenzung zu erfolgen hat. Analog zur ersten Variante von § 20a I 1 Nr. 2 WpHG ist allein die subjektive Einstellung des Handelnden entscheidend, mit anderen Worten, die Manipulationsabsicht. Ein Beispiel mag das verdeutlichen. Leerverkäufe, auch in größerem Umfange, sind zulässig und teilweise sogar wünschenswert, obwohl diese Einfluß auf den Preis des leerverkauften Finanzinstrumentes haben können. Dies ist schlicht die zwingende Folge der dem Verkauf vorausgehenden Angebotserhöhung bei gleichbleibender Nachfrage. Die Preisveränderung ist die natürliche Folge eines funktionierenden Marktes. Jeder Marktteilnehmer ist sich dem auch bewußt. Eine solche Verhaltensweise ist kapitalmarktkonform und tangiert die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes in keiner Weise. Andererseits ist unbestritten, daß es nicht mehr kapitalmarktadäquat und sogar verbotswürdig ist, durch Leerverkäufe gezielt einen Preis zu beeinflussen. Objektiv sind beide Verhaltensweisen jedoch nicht zu unterscheiden. Hier wie dort wird ein Verkaufsangebot an den Markt gegeben. Legitime Marktteilnahme und Manipulation unterscheiden sich allein im Subjektiven, in der mit dem Leerverkauf bezweckten Manipulation. Wiederum enthält der Tatbestand aber kein entsprechendes Merkmal, da gerade eine rein objektive Fassung beabsichtigt war. Weil auf diese Weise jedoch keine sinnvolle Anwendung des Manipulationsverbotes möglich ist, muß die Absicht durch Auslegung in den Tatbestand integriert werden. Anknüpfungspunkt dafür ist das Merkmal „künstlich“. Ob ein Preisniveau künstlich ist, hängt davon ab, ob die entsprechenden Geschäfte oder Aufträge zu Manipulationszwecken getätigt wurden. Wenn dies der Fall ist, dann ist das sich einstellende Preisniveau als manipuliert und damit als künstlich anzusehen. Fehlt dagegen die Manipulationsabsicht, ist das sich ergebende Preisniveau die „natürliche“ Folge des Zusammenspiels von Angebot und Nachfrage und daher nicht „künstlich“. Wie bei § 20a I 1 Nr. 2 Alt. 1 WpHG muß hinter den Geschäften oder Aufträgen keinerlei wirtschaftlicher Sinn o. ä. stecken, da dies wie gezeigt kein taugliches Kriterium zur Abgrenzung zwischen legitimen und illegitimen Verhaltensweisen darstellt. Dies leistet allein die subjektive Einstellung zur Tat. Wiederum genügt auch das bloße Wissen (im Sinne des strafrechtlichen dolus directus II) von der preisbeeinflussenden Wirkung nicht, da dies bei jedem informierten Marktteilnehmer vorhanden ist. Es bedarf vielmehr der zielgerichteten Absicht, strafrechtlich des dolus directus ersten Grades.

7. Kap.: Verbotstatbestände

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V. Tatbestandsausschluß bei Vereinbarkeit mit der zulässigen Marktpraxis und Vorliegen legitimer Gründe (§ 20a II WpHG)

Der Verbotstatbestand des § 20a I 1 Nr. 2 WpHG gilt nicht, wenn die Handlung mit der zulässigen Marktpraxis auf dem betreffenden organisierten Markt oder in dem betreffenden Freiverkehr vereinbar ist und der Handelnde dafür legitime Gründe hat, § 20a II WpHG. Diese Bestimmung und ihre Formulierung geht zurück auf Art. 1 Nr. 5 MMRL. Zwischenzeitlich wurde hierzu auch eine Durchführungsmaßnahme von der Kommission erlassen.233

1. Zulässige Marktpraxis Das in Frage stehende Verhalten muß zunächst als zulässige Marktpraxis anerkannt sein. Als zulässige Marktpraxis gelten dabei nur solche Gepflogenheiten, die auf dem jeweiligen Markt nach vernünftigem Ermessen erwartet werden können und von der Bundesanstalt als zulässige Marktpraxis anerkannt werden (§ 20a II 2 WpHG).

a) Nach vernünftigem Ermessen zu erwartende Gepflogenheiten (§ 20a II 2 Halbs. 1 WpHG) Es bedarf also zunächst einer auf den konkret betroffenen Markt bezogenen Analyse hinsichtlich der dort zu erwartenden Sitten und Gebräuche. In einem zweiten Schritt ist dann zu prüfen, ob die festgestellten Gepflogenheiten auch nach vernünftigem Ermessen zu erwarten sind. Damit wird die Erwartungshaltung objektiviert, indem an die Stelle der Überzeugung der Marktteilnehmer das vernünftige Ermessen gesetzt wird. Diese Einschränkung kann dazu führen, daß ein Marktverhalten zwar von allen oder vielen Marktteilnehmern akzeptiert oder befürwortet wird, gleichwohl aber unzulässig ist, weil es objektiv nicht zu erwarten ist.

b) Anerkennung durch die BaFin (§ 20a II 2 Halbs. 2 WpHG) Die nach vernünftigem Ermessen zu erwartende Gepflogenheit muß durch die BaFin anerkannt werden. Die Anerkennung ist für das Vorliegen einer zulässigen Marktpraxis im Sinne von § 20a II 1 WpHG konstitutiv. Einen bei der ___________ 233 Richtlinie 2004/72/EG der Kommission vom 29. April 2004 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates – Zulässige Marktpraktiken usw., ABl. EG 2004 L 162, S. 70-75.

B. § 20a I 1 Nr. 2 WpHG

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Entscheidung zu berücksichtigenden Kriterienkatalog enthält Art. 2 I der Richtlinie 2004/72/EG, der durch § 8 I MaKonV in deutsches Recht umgesetzt wurde. Für die Anerkennung enthält § 20a II WpHG weder Vorgaben hinsichtlich des dabei anzuwendenden Verfahrens noch über eine etwa einzuhaltende Form. Da das Anerkennungsverfahren durch eine Rechtsverordnung ausgestaltet werden kann (§ 20a V Nr. 5 WpHG), ergibt sich im Umkehrschluß, daß bis zum Erlaß einer solchen Verordnung kein bestimmtes Verfahren einzuhalten ist. Gleiches gilt für die Form. Die Anerkennung bedarf somit grundsätzlich keiner besonderen Veröffentlichung oder Bekanntmachung. Allerdings hat der Verordnungsgeber nunmehr in §§ 7, 8 II, 9, 10 MaKonV nähere Bestimmungen zu Verfahren, Form und Veröffentlichung erlassen.

c) Vorherige Anerkennung nicht notwendig (§ 20a II 3 WpHG) § 20a II 3 WpHG bestimmt, daß eine Marktpraxis nicht bereits deshalb unzulässig ist, weil sie zuvor nicht ausdrücklich anerkannt wurde. Dieser auf Empfehlung des Finanzausschusses angefügte Satz 3 soll lediglich klarstellen, „daß eine neu entwickelte Marktpraxis bereits ohne eine Anerkennung durch die Bundesanstalt zulässig sein kann“.234 Diese Formulierung in der Gesetzesbegründung könnte dahingehend verstanden werden, daß eine Anerkennung durch die BaFin gänzlich entbehrlich sein kann.235 Eine solche Auslegung ist aber abzulehnen. Zum einen macht § 20a II 2 WpHG deutlich, daß erst die Anerkennung durch die BaFin eine Gepflogenheit zur zulässigen Marktpraxis macht, die Anerkennung also konstitutiv ist. Dies dient der Rechtssicherheit und würde konterkariert, wenn Satz 3 als Ausnahme davon verstanden würde. Vor allem aber würde dies gegen Art. 1 Nr. 5 MMRL verstoßen, der die Anerkennung einer Marktpraxis durch die zuständige Behörde ausnahmslos vorsieht. Dementsprechend besagt Art. 2 II der Richtlinie 2004/72/EG auch nur, daß die Behörden eine neue Marktpraxis nicht allein deswegen für unzulässig erklären dürfen, weil sie zuvor nicht ausdrücklich anerkannt wurde. Es bleibt also dabei, daß die Wirkung von § 20a II 1 WpHG erst nach Anerkennung einer Verhaltensweise als zulässige Marktpraxis durch die BaFin eintritt. Die Anerkennung darf aber nicht allein deshalb verweigert werden, weil die Marktpraxis zuvor nicht ausdrücklich anerkannt wurde.236 ___________ 234 Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum AnSVG, BT-Drs. 15/3493, S. 52. Damit soll Art. 2 II der Richtlinie 2004/72/EG umgesetzt werden. 235 So etwa Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 140. 236 So nunmehr auch ausdr. die Begr. MaKonV, BR-Drs. 18/05, S. 19.

7. Kap.: Verbotstatbestände

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Für die Praxis bedeutet dies, daß derjenige, der sich entsprechend einer noch nicht anerkannten (namentlich neu entwickelten) Marktpraxis verhält, auf eigenes Risiko dahingehend handelt, daß die BaFin später die Anerkennung versagt und damit das Verbot des § 20a I 1 Nr. 2 WpHG bestehen bleibt und er mit den entsprechenden Sanktionen rechnen muß. Kommt es zu einer Verfolgung im Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren, so muß die BaFin um eine Entscheidung über die Anerkennung als zulässige Marktpraxis ersucht werden.237 Wenn diese erfolgt, hat sich die weitere Verfolgung erledigt, da gem. § 20a II 1 WpHG der Verbotstatbestand des § 20a I 1 Nr. 2 WpHG nicht gilt.238

d) Pflicht zur Anerkennung Ferner stellt sich die Frage, ob die BaFin verpflichtet ist, eine auf dem jeweiligen Markt nach vernünftigem Ermessen zu erwartende Gepflogenheit als zulässige Marktpraxis anzuerkennen.239 Man wird dies bejahen müssen. Das Manipulationsverbot verbietet Manipulationen nicht um ihrer selbst willen, sondern um die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes sicherzustellen. Dieses Ziel wird jedoch nicht beeinträchtigt, wenn sich auf einem Markt eine nach vernünftigem Ermessen zu erwartende Gepflogenheit etabliert. Im Hinblick auf die möglichst weitgehende Handlungsfreiheit der Marktteilnehmer muß dies zulässig sein. Da aber die Anerkennung durch die BaFin konstitutiv ist, kommt ihr eine Pflicht zu Anerkennung zu.

e) Verordnungsermächtigung (§ 20 V Nr. 5 WpHG) Der Bundesminister der Finanzen (bzw. im Falle der Subdelegation die BaFin) kann mittels Rechtsverordnung Handlungen, die als zulässige Marktpraxis gelten, sowie das Verfahren zur Anerkennung einer zulässigen Marktpraxis bestimmen.

___________ 237

Vgl. dazu auch § 7 II MaKonV sowie die Begr. MaKonV, BR-Drs. 18/05, S. 20. Dagegen bleiben §§ 20a I 1 Nr. 1 und Nr. 3 WpHG uneingeschränkt anwendbar, freilich mit der Maßgabe, daß dadurch die Privilegierung des § 20a II 1 WpHG nicht umgangen wird, namentlich weil eine sonstige Täuschungshandlung im Sinne des § 20a I 1 Nr. 3 WpHG bejaht wird (vgl. näher u. D (S. 319)). 239 § 7 I 1 MaKonV verpflichtet die BaFin zumindest, über die Anerkennung zu entscheiden, wenn sie im Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeit Kenntnis von einer Gepflogenheit erlangt. 238

B. § 20a I 1 Nr. 2 WpHG

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f) Regelmäßige Überprüfung der anerkannten Marktpraktiken; intertemporale Geltung Die Anerkennung als zulässige Marktpraxis ist aufzuheben, wenn das fragliche Verhalten nicht mehr den Gepflogenheiten des Marktes entspricht. Die BaFin und ebenso der Verordnungsgeber haben deshalb die Pflicht, die anerkannten Marktpraktiken regelmäßig auf ihre Vereinbarkeit mit den tatsächlichen Marktgegebenheiten zu überprüfen. Dabei sind insbesondere wesentliche Änderungen im Handelsumfeld des betreffenden Marktes wie geänderte Handelsregeln oder Infrastruktur zu berücksichtigen.240 Dies führt zu der Frage, wie sich das auf bereits abgeschlossene Sachverhalte auswirkt. Wird eine bisher bestehende Anerkennung als zulässige Marktpraxis aufgehoben, so gebietet es der aus Art. 103 II GG folgende Vorhersehbarkeitsgrundsatz, daß dies auf ein ehemals zulässiges zurückliegendes Verhalten keinen Einfluß haben kann.241 Die Aufhebung ist nicht mit einer bloßen Rechtsprechungsänderung242, sondern vielmehr mit einer Gesetzesänderung vergleichbar. Dagegen wirkt im umgekehrten Fall die Anerkennung als zulässige Marktpraxis auf bereits vergangenes, aber noch nicht rechtskräftig sanktioniertes Verhalten entsprechend § 2 III StGB zurück. Die für die Existenz dieser Vorschrift maßgeblichen Überlegungen243 haben auch hier ihre Berechtigung. Zudem besagt § 20a II 3 WpHG, daß eine Marktpraxis nicht bereits deshalb unzulässig ist, weil sie zuvor nicht ausdrücklich anerkannt wurde.

g) Verfassungsrechtliche Bewertung des Anerkennungserfordernisses Gegen das Erfordernis der Anerkennung als zulässige Marktpraxis ließen sich verfassungsrechtliche Bedenken dahingehend erheben, daß auf diese Weise eine Behörde und nicht mehr der Gesetzgeber über die Strafbarkeit eines Verhaltens entscheidet. Das aber ist mit dem aus Art. 103 II, 104 I GG fließenden Gesetzesvorbehalt (§ 1 StGB) an sich nicht zulässig.244 ___________ 240

Vgl. Art. 2 III der Richtlinie 2004/72/EG, umgesetzt durch § 7 I 2 MaKonV. Nach § 7 I 3 MaKonV kann die Anerkennung (nur) mit Wirkung für die Zukunft geändert oder widerrufen werden. 242 Eine solche kann zu Lasten des Betroffenen zurückwirken, vgl. Eser, in: Schönke/ Schröder, StGB, § 2 Rn. 8 m.w.N. 243 Zu den Gründen für dieses „Meistbegünstigungsprinzip“ s. z.B. Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 409 ff.; Sommer, Das „mildeste Gesetz“, S. 34 ff. 244 Vgl. dazu näher o. 5. Kap. A I (S. 171). 241

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7. Kap.: Verbotstatbestände

Hier verhält es sich jedoch in einem entscheidenden Punkt anders. Die Behörde ist nicht frei darin zu entscheiden, welche Verhaltensweisen zulässig sein sollen. Statt dessen enthalten Gesetz („Gepflogenheiten, die auf dem jeweiligen Markt nach vernünftigem Ermessen erwartet werden können“) und MaKonV (§ 8) detaillierte Kriterien für die Anerkennung. An diese ist die Behörde gebunden, sie hat sie ihrer Entscheidung zugrunde zu legen. Sie ist daher keineswegs frei in der Entscheidung über die Anerkennung, sondern vollzieht nur eine sich bereits aus dem Gesetz ergebende Rechtsfolge nach. Die (konstitutive) Anerkennung durch die Behörde dient im wesentlichen der Rechtssicherheit für alle Beteiligten. Damit ergeben sich die Voraussetzungen der Strafbarkeit aus dem Gesetz und die Anforderungen aus Art. 103 II, 104 I GG und § 1 StGB sind gewahrt.

2. Legitime Gründe Neben der Anerkennung als zulässige Marktpraxis muß der Handelnde für sein Verhalten legitime Gründe haben (§ 20a II 1 Halbs. 2 WpHG). Der Zweck dieser Bestimmung besteht darin zu verhindern, daß unter dem Deckmantel einer objektiv zulässigen Marktpraxis dennoch Manipulationen vorgenommen werden. Diese Rückausnahme ist notwendig, da die gegenwärtige Gesetzesfassung von § 20a I 1 Nr. 2 WpHG dazu zwingt, viele Verhaltensweisen als zulässige Marktpraxis anzuerkennen, weil anderenfalls legitime Marktteilnahme behindert oder vereitelt würde. Auf der anderen Seite aber sind genau diese Verhaltensweisen auch gut für Manipulationen geeignet. Ein Verhalten wird daher nur durch legitime Gründe zu einer zulässigen Marktteilnahme. Im Ergebnis bedeutet das nichts anderes, als daß die Motivation des Handelnden über die Verbotenheit entscheidet. Hier zeigt sich, daß der Gesetzgeber selbst nicht auf subjektive Gesichtspunkte verzichtet hat. Unklar ist dabei bereits, wonach sich die Legitimität eines Verhaltens bestimmen soll. Lediglich eine Negativabgrenzung ist sicher. Einem ausschließlich zu manipulativen Zwecken durchgeführten Verhalten fehlen legitime Gründe. Was aber ist mit einem Verhalten, daß lediglich auch zur Manipulation dienen soll? Sinn und Zweck des Manipulationsverbotes bestehen darin, möglichst jede Manipulation als prinzipiell marktschädlich zu verhindern. Deshalb ist die Vorschrift so zu lesen, daß ein Verhalten nur dann erlaubt ist, wenn es ausschließlich auf legitimen Gründen basiert. Ist dem Handelnden nachzuweisen, daß er zumindest auch manipulative Zwecke verfolgte, dann greift der Tatbestandsausschluß des § 20a II WpHG nicht.

B. § 20a I 1 Nr. 2 WpHG

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§ 20a II 1 WpHG könnte so verstanden werden, daß der Handelnde die legitimen Gründe für sein Verhalten darlegen und gegebenenfalls beweisen müßte.245 Wenn ihm dies nicht gelingt, bliebe sein Verhalten verboten. Eine derartige Beweislastumkehr mag im Zivilrecht weithin zulässig sein; für Zwecke der straf- bzw. ordnungswidrigkeitenrechtliche Verfolgung sähe sich ein solches Vorgehen jedoch erheblichen Bedenken ausgesetzt, da es im Prozeß auf ein in dubio contra reum hinausliefe. Zu Recht ist deshalb der deutsche Gesetzeswortlaut anders formuliert als die entsprechende Bestimmung der MMRL. Dem ist bei der Anwendung der Vorschrift dadurch Rechnung zu tragen, daß nicht der Handelnde seine legitimen Gründe, sondern die Behörde bzw. das Gericht ihm nachweisen muß, daß er nicht nur legitime Gründe hat, sondern auch manipulative Zwecke verfolgt. Obwohl objektiv formuliert, muß man sich dazu auf die Suche nach der Motivation des Handelnden begeben. Im Ergebnis kehrt damit in leicht abgewandelter Form die aus § 88 BörsG a.F. und § 20a I 1 Nr. 2 WpHG [4. FMFG] bekannte Manipulationsabsicht einschließlich der damit verbundenen Probleme des Nachweises von Absichten wieder. Dies ist indes nicht überraschend, denn es wurde bereits mehrfach darauf hingewiesen, daß sich Manipulation und legitimes Marktverhalten häufig nur durch die Motivation des Handelnden unterscheiden.

3. Kritik Der Gesetzgeber wollte, gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben folgend, die Abgrenzung zwischen Manipulation und legitimer Marktteilnahme allein anhand objektiver Kriterien vornehmen und zu diesem Zwecke legitime Verhaltensweisen nach § 20a II WpHG einzeln anerkennen und damit aus dem Verbotstatbestand ausnehmen. Dieses Konzept erscheint jedoch als in der Praxis undurchführbar. Zum einen wäre es notwendig, sehr viele Verhaltensweisen als zulässige Marktpraxis anzuerkennen, um den Handel nicht übermäßig zu beeinträchtigen. Dann aber entscheiden allein die legitimen Gründe und damit die Absicht des Handelnden über die Reichweite des Verbots – ein Ergebnis, was der Gesetzgeber eigentlich vermeiden wollte, das jedoch vorhersehbar war. Dies hätte man einfacher und vor allem dogmatisch wie gesetzgebungstechnisch „sauberer“ lösen können, indem man gleich ausdrücklich eine Manipulationsabsicht gefordert hätte. Um hier die praktische Anwendung und den Nachweis dieser subjektiven Komponente zu vereinfachen, wäre es denkbar, ___________ 245 Von einem solchen Verständnis geht Art. 1 Nr. 2 lit. a) MMRL aus: „... es sei denn, die Person [...] weist nach, daß sie legitime Gründe [für ihr Verhalten, J.E.] hatte ...“.

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7. Kap.: Verbotstatbestände

einen Katalog entsprechend dem in § 3 MaKonV enthaltenen aufzustellen, der Anzeichen und Indizien für das Vorliegen einer solchen Absicht enthält. Zum anderen darf bezweifelt werden, ob überhaupt eine Anerkennung aller denkbaren zulässigen Verhaltensweisen möglich ist. Der Verbotstatbestand ist so weit gefaßt, daß unter ihn grundsätzlich jede Umsetzung von Investmententscheidungen fallen kann. So kann die Liquidierung eines Investments vom Markt als Zeichen für schlechte Unternehmensdaten aufgefaßt werden und dadurch andere ebenfalls zum Verkauf animieren, obwohl der eigentliche Grund lediglich in einem persönlichen Liquiditätsproblem bestand. Das Geschäft hat damit – so könnte man argumentieren – falsche oder irreführende Signale für das Angebot oder die Nachfrage des Finanzinstruments gegeben und wäre damit gem. § 20a I 1 Nr. 2 WpHG verboten, da ja keine subjektiven Komponenten berücksichtigt werden sollen. Unstreitig ist aber, daß derartige Geschäfte ohne Einschränkung zulässig sein müssen. Immerhin sind legitime Gründe im Sinne von § 20a II 1 WpHG nachweisbar. Doch bedarf es zudem der Anerkennung als zulässige Marktpraxis. Hier aber ist fraglich, wie diese zu formulieren ist246, ohne daß dadurch der Anwendungsbereich von § 20a I 1 Nr. 2 WpHG vollends ausgehöhlt wird. Und schließlich kann man die Marktteilnehmer auch nicht darauf verweisen, daß ein Verhalten auch nachträglich, das heißt im Einzelfall, anerkannt werden kann. Abgesehen davon, daß damit das Risiko eines Verbotsverstoßes auf den einzelnen verlagert würde, käme dies einem präventiven Handelsverbot mit Erlaubnisvorbehalt nahe.

VI. Stellungnahme zum Tatbestand

Wenngleich die Einführung eines speziell auf handelsgestützte Manipulationen zugeschnittenen Tatbestandes ausdrücklich zu begrüßen ist, weil damit die teilweise zweifelhafte Subsumtion derartiger Verhaltensweisen unter § 20a I 1 Nr. 3 WpHG als sonstige Täuschungshandlungen unnötig wird, kann die konkrete Fassung nicht durchweg überzeugen.247

___________ 246 Sie müßte wohl lauten: „Die Umsetzung eigener Investmententscheidungen ist zulässig.“. 247 Bei aller Kritik ist allerdings zuzugeben, daß sich der deutsche Gesetzgeber mit sehr detaillierten Vorgaben durch die MMRL konfrontiert sah und offenbar um dem Vorwurf der unzureichenden Umsetzung zu entgehen, vieles unbesehen übernommen hat, ohne es an die deutsche Rechtskultur und hier insbesondere an die Strafrechtsdogmatik anzupassen.

B. § 20a I 1 Nr. 2 WpHG

303

Es wurde gezeigt, daß die Unterscheidung zwischen legitimer Marktteilnahme und Manipulation nur anhand der (subjektiven) Manipulationsabsicht und nicht mittels rein objektiver Kriterien erfolgen kann. Dem widersprechend verzichtet dagegen § 20a I 1 Nr. 2 WpHG auf den ersten Blick auf subjektive Elemente. Nähme man dies ernst, dann hätte das jedoch die praktische Unanwendbarkeit der Vorschrift oder aber untragbare Beeinträchtigung des Kapitalmarktes bis hin zu dessen Erliegen zur Folge. Es bleibt damit nur die hier vorgeschlagene Auslegung, die die Manipulationsabsicht über die Tatbestandsmerkmale „falsch“ bzw. „irreführend“ und „künstlich“ wieder aufgreift und zum einzig möglichen Abgrenzungskriterium erhebt. Da dies angesichts der nicht anders durchführbaren Abgrenzung zwischen zulässiger Marktteilnahme und unzulässiger Manipulation zu erwarten war, wäre es freilich besser gewesen, die Manipulationsabsicht sogleich ausdrücklich in den Tatbestand aufzunehmen und sie nicht in einem Objektivität suggerierenden Merkmal zu verbergen. Letztlich hat sich auch der Gesetzgeber selbst zu einer subjektivierenden Auslegung bekannt. Indem er auf „legitime Gründe“ abstellt, rekurriert er doch wieder auf die Motivation des Handelnden. Es sei in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, daß auch die häufig als Vorbild und Maßstab herangezogene US-amerikanische Kapitalmarktgesetzgebung bei der Regelung der handelsbezogenen Manipulationen nicht auf eine subjektive Komponente verzichtet hat.248

VII. Von § 20a I 1 Nr. 2 WpHG erfaßte Manipulationen

§ 20a I 1 Nr. 2 WpHG erfaßt große Teile der sog. handelsgestützten Manipulationen. Sowohl fiktive Transaktionen wie wash sales, matched orders oder circular trades als auch effektive Geschäfte wie Leerverkäufe können unter den Tatbestand subsumiert werden, stets vorausgesetzt, sie wurden in manipulativer Absicht vorgenommen. Nicht erfaßt ist hingegen das als cornering oder squeezing bekannte Ausnutzen einer marktbeherrschenden Stellung. Für diese Manipulationsform werden keine Geschäfte oder Aufträge genutzt, um ein „künstliches“ Preisniveau herbeizuführen, sondern es wird die bereits geschaffene marktbeherrschende Stel-

___________ 248 So verlangt Sec. 9 (a) (1) SEA die Absicht, einen falschen oder irreführenden Anschein aktiven Handels oder in Bezug auf die Marktlage hervorzurufen, Sec. 9 (a) (2) und (4) SEA die Absicht, andere zum Verkauf oder Kauf zu veranlassen und Sec. 9 (a) (3) SEA die Absicht, einen Preis zu erhöhen oder zu drücken.

304

7. Kap.: Verbotstatbestände

lung ausgenutzt. Dies aber ist vom Tatbestand nicht umfaßt.249 Dies wäre anders zu beurteilen, wenn der ursprüngliche Kommissionsentwurf der MMRL Gesetz geworden wäre. Dort war das Herbeiführen eines künstlichen oder anormalen Kursniveaus verboten, ohne daß dies durch Geschäfte oder Aufträge geschehen mußte.250 Damit konnte auch das durch die Monopolstellung ermöglichte einseitige Preisdiktat durch den Manipulanten unter das Verbot subsumiert werden. Bei der heutigen Fassung von Art. 1 Nr. 2 lit. a) MMRL und § 20a I 1 Nr. 2 WpHG hingegen ist diese Möglichkeit nicht mehr gegeben. Das künstliche Preisniveau muß unmittelbar durch Geschäfte oder Aufträge herbeigeführt worden sein, was beim cornering/squeezing nicht der Fall ist. Der Aufbau der marktbeherrschenden Stellung ist dort zunächst nur eine Vorbereitungshandlung für die eigentliche Manipulation. Zudem kann sich die Monopolstellung auch aufgrund einer natürlichen Marktknappheit ergeben, so daß sie überhaupt nicht vom Manipulanten herbeigeführt werden mußte. Lediglich die Geschäfte zum Aufbau der marktbeherrschenden Stellung selbst können gegebenenfalls einen Verstoß gegen § 20a I 1 Nr. 1 WpHG darstellen. Dazu müßte es dem Aufkaufenden aber schon auf eine Preisbeeinflussung durch den Aufkauf selbst ankommen, da anderenfalls die Manipulationsabsicht fehlt. Das bloße Wissen um die preisbeeinflussende Wirkung seiner Geschäfte genügt dazu jedoch ebenso wenig, wie die Absicht, die zukünftige marktbeherrschende Stellung auszunutzen.

C. § 20a I 1 Nr. 3 WpHG § 20a I 1 Nr. 3 WpHG verbietet die Vornahme sonstiger Täuschungshandlungen, die geeignet sind, auf den inländischen Börsen- oder Marktpreis eines Finanzinstruments oder auf den Preis eines Finanzinstruments an einem organisierten Markt einzuwirken.

I. Bisherige Bedeutung

Ähnliche Tatbestandsvarianten enthielten § 88 Nr. 2 BörsG a.F., der „sonstige auf Täuschung berechnete Mittel“ verbot, sowie § 20a I 1 Nr. 2 WpHG [4. FMFG], der es verbot, „sonstige Täuschungshandlungen vorzunehmen, um auf den inländischen Börsen- oder Marktpreis eines Vermögenswertes oder auf den ___________ 249

Das war dem Verordnungsgeber der MaKonV offenbar bewußt, so daß er diese Fallgestaltungen – freilich unzutreffend (vgl. dazu u. C V (S. 314)) – als sonstige Täuschungshandlung dem § 20a I 1 Nr. 3 WpHG unterstellt, § 4 III Nr. 1 MaKonV. 250 Vgl. dazu o. B II (S. 288).

C. § 20a I 1 Nr. 3 WpHG

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Preis eines Vermögenswertes an einem organisierten Markt [...] einzuwirken“. Nach der herrschenden Meinung handelte es sich jeweils im wesentlichen um einen Auffangtatbestand, der ungerechtfertigte Strafbarkeitslücken schließen sollte.251 Darüber hinaus wurden ihnen insbesondere die Manipulationen durch Handelstätigkeit, die über die tatsächliche Geschäftslage eines Finanzinstruments täuschen sollten (handelsgestützte Manipulationen) unterstellt, sei es durch fiktive Geschäfte (wash sales, matched orders, circular trades etc.) 252 oder durch effektive Geschäfte, wobei für diese Gruppe ungeklärt war, wonach diese von erlaubten Transaktionen abzugrenzen sind253. Ferner wurden das cornering und squeezing als sonstige Täuschungshandlung angesehen.254 Für die geltende Fassung kann auf diese Grundsätze in weiten Teilen nicht mehr zurückgegriffen werden, da der Bereich der Manipulationen durch Handelstätigkeit nunmehr ausdrücklich in § 20a I 1 Nr. 2 WpHG geregelt ist. Des weiteren sollte das Ausstreuen von Gerüchten, die nach verbreiteter Ansicht keine Angaben im Sinne von § 20a I 1 Nr. 1 WpHG bzw. § 88 Nr. 1 BörsG a.F. darstellen, tatbestandsmäßig sein.255 Und schließlich sahen manche die (mittelbare) Preisbeeinflussung durch Bestechung von Kursmaklern oder sonstigen Börsenhändlern umfaßt.256 Die genaue Auslegung des als zu weit und zu unbestimmt formuliert empfundenen Tatbestandes war indes umstritten. Zumeist wurde eine an § 20a I 1 Nr. 1 WpHG bzw. § 88 BörsG a.F. orientierte Auslegung gefordert.257 ___________ 251 Schwark, BörsG, § 88 Rn. 6; Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 164; Ziouvas, ZGR 2003, 113, 127. 252 Altenhain, BB 2002, 1874, 1877; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 16.372; Möller, WM 2002, 309, 313. 253 Ausf. Möller, WM 2002, 309, 313; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 16.372. Näher auch zur Entstehung Lenzen, ZBB 2002, 279, 284 f.; kritisch und die Erfassung effektiver Geschäfte im Ergebnis ablehnend Altenhain, BB 2002, 1874, 1877 f. (für § 20a I 1 Nr. 2 WpHG [4. FMFG]). 254 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 16.372; Möller, WM 2002, 309, 313; Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 30; Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8017, S. 89. 255 Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8017, S. 90; Ledermann, in: Schäfer (Hrsg.), WpHG, § 88 BörsG Rn. 12; Schwark, BörsG, § 88 Rn. 8; Arlt, Anlegerschutz, S. 184; Trüstedt, Verbot, S. 138 f.; Ziouvas, ZGR 2003, 113, 127; ferner Rössner/Worms, in: Assmann/Schütze (Hrsg.), Handbuch, § 9 Rn. 9 Fn. 23. 256 Ziouvas, ZGR 2003, 113, 127; Groß, Kapitalmarktrecht, § 88 BörsG Rn. 5; Möhrenschlager, wistra 1983, 17, 18; Rössner/Worms, in: Assmann/Schütze (Hrsg.), Handbuch, § 9 Rn. 9; Schwark, BörsG, § 88 Rn. 8; Feisenberger, in: Stengleins Kommentar, § 88 BörsG Anm. 6a. 257 Altenhain, BB 2002, 1874, 1877; ebenso zu § 88 BörsG a.F. Begr. RegE 2. WiKG, BT-Drs. 10/318, S. 46; Joecks, wistra 1986, 142, 148 f.; Möhrenschlager, wistra 1983, 17, 18; Schlüchter, 2. WiKG, S. 149.

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7. Kap.: Verbotstatbestände

Daraus leiteten nicht wenige ab, daß auch hier, insoweit es um die Äußerung von Gerüchten oder Werturteilen geht, diese einen Tatsachenkern aufweisen müßten.258 Schließlich wurde sogar vertreten, daß für informationsgestützte Manipulationen § 20a I 1 Nr. 1 WpHG eine abschließende Spezialregelung sei, so daß nicht ergänzend auf die Nummer 3 zurückgegriffen werden könne.259

II. Vornahme einer sonstigen Täuschungshandlung

1. Grundlagen Die Umschreibung der Tathandlung von § 20a I 1 Nr. 3 WpHG erschöpft sich darin, die Vornahme einer sonstigen Täuschungshandlung zu verbieten. Nähere Anhaltspunkte für die Auslegung dieser Tatbestandsvariante enthält weder das Gesetz noch die Begründung.260 Unter anderem daher rühren die rechtsstaatlichen Bedenken gegen die Vorschrift.261 Diese sind zwar im Ergebnis nicht durchgreifend, doch gebietet es das Gesetzlichkeitsprinzip, daß die Auslegung eher restriktiv zu erfolgen hat, das heißt, die Anwendung der Vorschrift auf ihr eindeutig unterfallende Verhaltensweisen beschränkt sein muß.262 Gleichwohl ist der Tatbestand mit den bekannten Auslegungsmitteln näher konturierbar und praktisch anwendbar. Zunächst liefert schon das allgemeinsprachliche Verständnis von „Täuschungshandlung“ Anhaltspunkte für die Auslegung. Und zum anderen ist der Begriff der Täuschung dem Strafrecht nicht unbekannt (vgl. beispielsweise §§ 145d, 263, 267 StGB). Zwar geht es dort meist um Individualtäuschungen in konkreten Kommunikationsbeziehungen, die nicht unbesehen auf das Verbot der Marktmanipulation übertragen werden können.263 Unter Beachtung der sich daraus ergebenden Besonderheiten lassen sich gleichwohl wichtige Erkenntnisse für die Auslegung von § 20a I 1 Nr. 3 WpHG gewinnen.264 ___________ 258

Arlt, Anlegerschutz, S. 183; Trüstedt, Verbot, S. 138 f.; Rössner/Worms, in: Assmann/Schütze (Hrsg.), Handbuch, § 9 Rn. 9 Fn. 23; A. Schmitz, wistra 2002, 208, 211; Fuhrmann, in: Erbs/Kohlhaas (Hrsg.), Strafrechtliche Nebengesetze, Stand: 104. Lief., § 88 BörsG Rn. 16. 259 Trüstedt, Verbot, S. 145. 260 In der Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8017, S. 89 f. finden sich lediglich Beispiele für (angebliche) sonstige Täuschungshandlungen. 261 Vgl. dazu o. 5. Kap. A (S. 170). 262 Ebenso Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, Vor § 20a Rn. 22; Sorgenfrei, in: Park (Hrsg.), Kapitalmarkt-Strafrecht, 4. Abschnitt, Rn. 36. 263 Grds. ablehnend deshalb Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 165. 264 Vgl. BGHSt 48, 373, 384 – Scalping; Arlt, Anlegerschutz, S. 179.

C. § 20a I 1 Nr. 3 WpHG

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Eine besondere Schwierigkeit ergibt sich daraus, daß seit Inkrafttreten des AnSVG keine Preisbeeinflussungsabsicht für die Verwirklichung des Tatbestandes mehr notwendig ist.265 Mittels dieses Merkmals konnten bisher viele Fälle legitimer Marktteilnahme, die gleichwohl objektiv als Täuschungshandlung anzusehen waren, aus dem Verbotstatbestand ausgeschlossen werden. Hier konnte nur die subjektive Einstellung des Täters zur Tat über deren manipulativen Charakter entscheiden. Diese Möglichkeit ist durch die jetzige Gesetzesfassung, die auf den ersten Blick keine subjektiven Elemente enthält, anscheinend genommen.

2. Täuschungshandlung Aus dem auf den ersten Blick eher farblosen Tatbestandsmerkmal der Täuschungshandlung lassen sich mehrere Kriterien ableiten, mit deren Hilfe eine präzisere Definition möglich wird.

a) Täuschung Dem natürlichen Sprachverständnis nach läßt sich Täuschung definieren als Einwirkung auf das Vorstellungsbild eines anderen, um dadurch eine Fehlvorstellung hervorzurufen.266 Eine Täuschungshandlung ist damit ein Verhalten, das geeignet ist, das Vorstellungsbild eines anderen zu beeinflussen und bei diesem eine Fehlvorstellung hervorzurufen. Täuschungshandlung kann daher zunächst eine ausdrückliche oder konkludente Erklärung sein.267 Gleichfalls eine Täuschungshandlung ist jedes andere kommunikative Verhalten, das sich auf das Vorstellungsbild eines anderen auswirken kann. So kann zum Beispiel die Vornahme von Wertpapiergeschäften in großem Stil andere zu der Vorstellung verleiten, der Handelnde hätte Sonderwissen.268 Eine Täuschungshandlung ist darüber hinaus aber grundsätzlich auch dergestalt denkbar, daß lediglich eine Veränderung in der Wirklichkeit (sog. Objektmanipulation) vorgenommen wird. Für diese ist kennzeichnend, daß nicht ___________ 265

Vgl. dazu u. 8. Kap. A III 1 a (S. 353). Vgl. Brockhaus, Enzyklopädie, Stichwort: „Täuschung“. 267 Dies wird von Trüstedt, Verbot, S. 118 bestritten mit dem Argument, aufgrund der Gesetzessystematik unterfielen informationsgestützte Manipulationen ausschließlich § 20a I 1 Nr. 1 WpHG und könnten deshalb keine sonstigen Täuschungshandlungen sein. 268 Dies ist zugleich ein Beispiel für Verhaltensweisen, bei denen allein die subjektive Einstellung des Täters zur Tat über deren manipulativen Charakter entscheidet. 266

308

7. Kap.: Verbotstatbestände

auf eine bestehende Vorstellung einer Person eingewirkt wird, sondern die dieser Vorstellung zugrunde liegenden Umstände verändert werden und dadurch eine Abweichung zwischen Vorstellung und Wirklichkeit eintritt. Im Rahmen der Betrugsdogmatik wird die Objektmanipulation von der herrschenden Meinung nicht als Täuschung im Sinne von § 263 I StGB angesehen, da eine bloße Manipulation von Objekten oder die Veränderung von Tatsachen keinen Einfluß auf das bereits bestehende Vorstellungsbild haben könne.269 Da der Betrug ein Kommunikationsdelikt sei, müsse einer Täuschungshandlung stets ein Erklärungswert zukommen.270 Dazu müsse das Opfer Kenntnis von den veränderten Umständen nehmen. Die Objektmanipulation sei nur eine Vorbereitungshandlung zum Betrug.271 Diese Grundsätze sind auf § 20a I 1 Nr. 3 WpHG übertragbar. Wenn Täuschung als Einwirkung auf das Vorstellungsbild definiert wird, dann genügt die Veränderung der Wirklichkeit nicht, da das Vorstellungsbild als solches in diesen Fällen gerade unangetastet bleibt. Eine Täuschung liegt jedoch vor, wenn mittels der manipulierten Realität auf die Vorstellung des Opfers eingewirkt wird. Die veränderte Wirklichkeit muß mithin dem zu Täuschenden zur Kenntnis gebracht werden.272 Im Ergebnis muß also auch der sonstigen Täuschungshandlung ein Erklärungswert zukommen.273 Freilich scheiden dadurch nur wenige Verhaltensweisen als Täuschungshandlung aus, denn es genügt die Eignung der Handlung, auf das Vorstellungsbild eines anderen einzuwirken. Und dies wird auch bei Objektmanipulationen regelmäßig der Fall sein. Schließlich ist noch zu klären, ob sich die Täuschungshandlung auf einen bestimmten Gegenstand richten muß. Teilweise wird vertreten, daß sich auch die sonstige Täuschungshandlung, wie dies die oben274 abgelehnte Ansicht für § 20a I 1 Nr. 1 WpHG fordert, auf Tatsachen oder wenigstens Angaben mit einem Tatsachenkern beziehen müsse.275 Dies ergäbe sich daraus, daß der Kapitalmarkt bei nicht verifizierbaren Werturteilen und Prognosen keinen Schutz ___________ 269

Tiedemann, in: Leipziger Komm. StGB, § 263 Rn. 23. Tiedemann, in: Leipziger Komm. StGB, § 263 Rn. 22. 271 Tiedemann, in: Leipziger Komm. StGB, § 263 Rn. 22. 272 So im Ergebnis auch die h.M. zu § 263, vgl. Cramer, in: Schönke/Schröder, StGB, § 263 Rn. 12. 273 Andere Ansicht Bisson/Kunz, BKR 2005, 186, 188 f.; Sorgenfrei, in: Park (Hrsg.), Kapitalmarkt-Strafrecht, 4. Abschnitt Rn. 36; Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 166. 274 A I 1 (S. 238). 275 So für § 88 BörsG a.F. Rössner/Worms, in: Assmann/Schütze (Hrsg.), Handbuch, § 9 Rn. 9 Fn. 23; Fuhrmann, in: Erbs/Kohlhaas (Hrsg.), Strafrechtliche Nebengesetze, Stand: 104. Lief., § 88 BörsG Rn. 16; A. Schmitz, wistra 2002, 208, 211. Noch enger Arlt, Anlegerschutz, S. 183 und Trüstedt, Verbot, S. 117, die eine Täuschung über bewertungserhebliche Umstände verlangen. 270

C. § 20a I 1 Nr. 3 WpHG

309

verdiene.276 Daß diese Einschätzung unzutreffend ist, wurde bereits bei der Untersuchung des Angabenbegriffes dargelegt.277 Die von § 20a WpHG sicherzustellende Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes ist auch bei Eingriffen in die Preisbildung durch Prognosen und Werturteile gefährdet. Gerade solche Manipulationen sind besonders erfolgversprechend.278 Weder Gesetzeswortlaut noch Begründung liefern Anhaltspunkte für einen Ausschluß dieser Begehungsweisen. Dem steht auch nicht die Gesetzessystematik entgegen, denn der Begriff der Angabe, an dem die hier abgelehnte Ansicht die Beschränkung von § 20a I 1 Nr. 1 WpHG auf Tatsachen festmacht, wird in § 20a I 1 Nr. 3 WpHG gerade nicht verwendet.279 Statt dessen wird ganz allgemein von sonstigen Täuschungshandlungen gesprochen. Die Beschränkung von § 20a I 1 Nr. 3 WpHG auf Täuschungen über Tatsachen ist daher abzulehnen. Ebensowenig bedarf es des Anscheins, eine Prognose sei das Ergebnis einer von besonderer Sachkunde getragenen Auswertung von Tatsachen.280 Gegenstand der sonstigen Täuschungshandlung kann alles sein, was auf das Vorstellungsbild eines anderen einzuwirken geeignet ist.281

b) Objektive Täuschungseignung Zunächst muß die Handlung objektiv geeignet sein, einen anderen zu täuschen.282 Bei § 88 Nr. 2 BörsG a.F. war dies umstritten, da dort eine subjektivierte Formulierung („auf Täuschung berechnete Mittel“) Verwendung fand, so daß es zumindest vom Wortlaut her möglich war, auch zur Täuschung objektiv untaugliche Handlungen unter § 88 Nr. 2 BörsG a.F. zu subsumieren.283 ___________ 276

Arlt, Anlegerschutz, S. 183. Vgl. dazu o. A I 1 (S. 238). 278 Nicht zuletzt aus diesem Grunde ist die Forderung nach einem Tatsachenkern bei Angaben im Sinne von § 20a I 1 Nr. 1 WpHG verfehlt. 279 Viele Vertreter dieser Ansicht schließen die durch die Beschränkung von § 20a I 1 Nr. 1 WpHG auf Tatsachen entstandene Schutzlücke deshalb gerade damit, daß sie beispielsweise das Ausstreuen von Gerüchten unter § 20a I 1 Nr. 3 WpHG fassen (vgl. nur Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 32; Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8017, S. 90). 280 So aber wohl Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 23. 281 Im Ergebnis ebenso Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 23; Ziouvas, ZGR 2003, 113, 127; Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8017, S. 90; Schwark, BörsG, § 88 Rn. 8. – Nach hier vertretener Ansicht handelt es sich dabei um Angaben, so daß (vorrangig) § 20a I 1 Nr. 1 WpHG einschlägig sein wird. 282 Arlt, Anlegerschutz, S. 179; Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 166. 283 So etwa Schwark, BörsG, § 88 Rn. 7; ferner Apt, Börsengesetz, § 88 Anm. 2; Bernstein, Börsengesetz, § 88 Anm. 2 a; Feisenberger, in: Stengleins Kommentar, § 88 277

7. Kap.: Verbotstatbestände

310

§ 20a I 1 Nr. 3 WpHG dagegen ist rein objektiv formuliert. Eine Handlung, die nicht objektiv zur Täuschung geeignet ist, ist jedoch schon nach dem natürlichen Sprachgebrauch keine Täuschungshandlung und damit auch keine Täuschungshandlung im Sinne von § 20a I 1 Nr. 3 WpHG. Für die Beurteilung der Täuschungseignung bedarf es wiederum der Bestimmung des maßgeblichen Verständnishorizonts. Hierfür bietet sich eine vergleichbare Lösung wie im Rahmen der Unrichtigkeit von Angaben bei § 20a I 1 Nr. 1 WpHG an.284 Wie dort ist auch hier ein flexibler Maßstab anzulegen, der sich am regelmäßigen Adressaten der sonstigen Täuschungshandlung orientiert. Der maßgebliche Adressatenkreis bestimmt sich dabei nicht allein am Vorstellungsbild des Täters, sondern danach, wer regelmäßig und vorhersehbar mit der sonstigen Täuschungshandlung konfrontiert wird.285 Nur diese Vorgehensweise ermöglicht es, den jeweils gebotenen Schutz zu gewährleisten, ohne dabei aber legitime Interessen bestimmter Marktteilnehmer zu stark zu beeinträchtigen.

c) Kein Täuschungserfolg notwendig Auf der anderen Seite ist die bloße Eignung zur Täuschung aber auch hinreichend. Eines Täuschungserfolges in Form eines tatsächlichen Irrtums bei einer konkreten Person bedarf es nicht.286 Dies ergibt sich daraus, daß lediglich von Vornahme einer Täuschungshandlung, und nicht von der Herbeiführung einer Täuschung im Sinne eines Täuschungserfolges die Rede ist. Ein solcher Täuschungserfolg muß folglich auch nicht nachgewiesen werden.

d) Subjektive Komponente der Täuschungshandlung Beläßt man es aber bei den genannten Komponenten für das Vorliegen einer sonstigen Täuschungshandlung, dann sind Verhaltensweisen denkbar, die unstreitig legitime Marktteilnahme sind, die aber gleichwohl objektiv Täuschungshandlungen darstellen.

___________ BörsG Anm. 6a; a.A. (sc. objektive Geeignetheit verlangend) Park, BB 2001, 2069, 2070. 284 Vgl. dazu o. A I 2 a (S. 242). 285 Ähnlich geht Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 166, vor, der deshalb zu Recht an Publikumsmärkten andere (sc. geringere) Anforderungen an die Täuschungseignung stellt als am Markt für institutionelle Anleger. 286 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 166.

C. § 20a I 1 Nr. 3 WpHG

311

Als Beispiel soll der Fall eines Großaktionärs dienen, der innerhalb kurzer Zeit ein erhebliches Aktienpaket veräußert. Obwohl er dies nur zum Zwecke der Beschaffung liquider Mittel tut – etwa um ein anderes Investment zu tätigen –, kann diese Handlung dazu geeignet sein, einen anderen irrezuführen, beispielsweise dahingehend, daß dieser annimmt, der Großinvestor verfüge über (negative) Insiderinformationen und verkaufe deshalb seinen Anteil. Der Verkauf ist damit objektiv eine Täuschungshandlung. Verdeutlichen läßt sich dies, indem man den Sachverhalt dahingehend abwandelt, daß der Verkäufer genau diese Beeinflussung des Vorstellungsbildes der anderen Marktteilnehmer beabsichtigt hatte, um durch den einsetzenden Verkaufsdruck auf den Preis der Aktien einzuwirken. Obwohl sich beide Verhaltensweisen objektiv nicht unterscheiden, ist unstreitig nur die letztere eine Manipulation. Die Unterscheidung liegt damit allein im subjektiven Bereich, in der Einstellung des Handelnden. Bisher bereiteten derartige Konstellationen keinerlei Probleme, da dem verkaufenden Großinvestor die Absicht287, einen Preis zu beeinflussen, fehlte und damit der subjektive Tatbestand von § 20a I 1 Nr. 2 WpHG [4. FMFG] bzw. von § 88 Nr. 2 BörsG a.F. nicht verwirklicht war. Durch die Ersetzung dieser Preisbeeinflussungsabsicht durch die objektive Preiseinwirkungseignung ist dies nunmehr – zumindest dem Gesetzeswortlaut nach – anders. Bezüglich der Preiseinwirkungseignung genügt schon bedingter Vorsatz. Jeder Großinvestor ist sich aber bewußt, daß der Verkauf eines größeren Aktienpaketes Einfluß auf den Börsenpreis hat. Ihm ist ebenfalls bekannt, daß diesem Verkauf die oben genannte Informationswirkung beigemessen werden kann und es sich damit um eine Täuschungshandlung handelt. Damit aber ist der Tatbestand von § 20a I 1 Nr. 3 WpHG objektiv wie subjektiv verwirklicht und der Verkauf wäre als sonstige Täuschungshandlung verboten. Dieser Konsequenz könnte man nun nur noch dadurch entgehen, daß man den Verkauf eines größeren Aktienpaketes zum Zwecke der Liquidierung eines Investments ausdrücklich mittels Rechtsverordnung nach § 20a V Nr. 4 WpHG (als sog. safe-harbor) erlaubt. Genauso müßte mit allen anderen legitimen Verhaltensweisen verfahren werden, die objektiv Täuschungscharakter haben könnten. Abgesehen davon, daß eine solche Vorgehensweise grundsätzlichen Bedenken begegnet, läßt sich die Unterscheidung wiederum nur anhand der Motivation des Handelnden vornehmen, da sich Manipulation und legitimes Verhalten lediglich auf der subjektiven Ebene unterscheiden. Damit aber kehrt eine Art Preisbeeinflussungsabsicht in den Manipulationstatbestand zurück, die gerade abgeschafft werden sollte. Der insofern eindeutige Gesetzeswortlaut, die Geset___________ 287 Nach zutreffender Ansicht war darunter dolus directus I zu verstehen, vgl. u. 8. Kap. A III 1 a (S. 353).

7. Kap.: Verbotstatbestände

312

zesbegründung und die MMRL, die ebenfalls auf eine Manipulationsabsicht verzichtet, sprechen dagegen, eine solche Absicht contra legem doch wieder einzuführen. Damit aber bleibt zu klären, wie der aufgezeigte Konflikt zum geltenden Recht aufzulösen ist. Die Lösung wäre, eine subjektive Komponente bei der Täuschungshandlung zu verlangen. Dies ist keineswegs abwegig, denn nach herrschender Meinung besitzt auch beim Betrug (§ 263 StGB) die Täuschung eine subjektive Komponente.288 Bei § 20a I 1 Nr. 3 WpHG könnte dies so aussehen, daß ein Verhalten nur dann als Täuschungshandlung anzusehen ist, wenn es eine Täuschung (zumindest auch) bezweckt. Der Täter müßte es damit auf die Irreführung im Sinne eines dolus directus I anlegen. Handelt jemand dagegen ausschließlich zu anderen als Täuschungszwecken, so stört das Bewußtsein, daß das Verhalten täuschen kann (im Sinne von dolus directus II oder dolus eventualis), nicht. Daraus ergibt sich für den eingangs beschriebenen Fall folgendes: Der Großinvestor, der ausschließlich zum Zwecke der Liquidierung seines Aktienpaketes verkauft, hat keine Täuschungsabsicht. Sein Verhalten ist damit keine Täuschungshandlung, selbst wenn es – was ihm auch bewußt ist – objektiv geeignet ist, andere irrezuführen. Anders verhält es sich in der Abwandlung. Da es dem Täter dort genau auf diese Irreführung ankommt, besitzt sein Verhalten die notwendige subjektive Täuschungskomponente und ist damit eine Täuschungshandlung. Der hier verfolgte Weg bedeutet nicht die stillschweigende Wiedereinführung der ausdrücklich abgeschafften Manipulationsabsicht. Der Manipulant muß nicht die Absicht haben, auf einen Preis einzuwirken, sondern ein Verhalten an den Tag legen, daß zur Täuschung bestimmt ist. Nur mit dieser subjektiven Komponente der Täuschungshandlung läßt sich sicher zwischen legitimer Marktteilnahme und verbotener Manipulation unterscheiden. Freilich soll nicht verschwiegen werden, daß damit einige Schwierigkeiten des alten Rechts, insbesondere hinsichtlich des Nachweises subjektiver Tatbestandsmerkmale (sc. der Täuschungsabsicht), zurückkehren. Das ist jedoch unvermeidlich, weil andere Wege für eine notwendige Differenzierung bisher nicht aufgezeigt worden sind. Nicht umsonst hat man die Beibehaltung der Manipulationsabsicht bei der Einführung des ursprünglichen Verbotes der Kurs- und Marktpreismanipulation durch das 4. FMFG mit der Begründung ge-

___________ 288

Vgl. BGHSt 47, 1, 5.

C. § 20a I 1 Nr. 3 WpHG

313

rechtfertigt, daß bei den sonstigen Täuschungshandlungen die Verwerflichkeit im Subjektiven läge.289

e) Definition der sonstigen Täuschungshandlung Unter Beachtung dieser vorstehenden Ausführungen ist die sonstige Täuschungshandlung zu definieren als Handlung, die objektiv geeignet und subjektiv dazu bestimmt ist, auf das Vorstellungsbild eines anderen einzuwirken, ihn irrezuführen.

III. Vornehmen

Die sonstige Täuschungshandlung muß „vorgenommen“ werden. Dies könnte dahingehend zu interpretieren sein, daß nur ein aktives Verhalten tatbestandsmäßig sein kann, eine Tatbegehung durch garantenpflichtwidriges Unterlassen (§ 13 StGB, § 8 OWiG) dagegen nicht erfaßt ist.290 Der Gesetzeswortlaut läßt sich dafür nicht ins Felde führen, denn sprachlich ist kaum eine andere Formulierung denkbar. Eine Täuschungshandlung „vornehmen“ ist deshalb lediglich zu verstehen wie diese „begehen“. Und die Begehung kann auch durch ein Unterlassen geschehen. Insofern spricht nichts dagegen, daß eine sonstige Täuschungshandlung auch durch garantenpflichtwidriges Unterlassen begangen werden kann.291 Praktische Relevanz erlangt dies vor allem in den Fällen der Geschäftsherrenhaftung.292

IV. Eignung zur Einwirkung auf einen Preis

Die Vornahme der sonstigen Täuschungshandlung muß geeignet sein, auf einen inländischen Börsen- oder Marktpreis eines Finanzinstruments oder einen Preis eines Finanzinstruments an einem Organisierten Markt einzuwirken. Die (objektive) Preiseinwirkungseignung ist erst seit Inkrafttreten des AnSVG am 30. Oktober 2004 ausdrückliches Tatbestandsmerkmal von § 20a I 1 Nr. 3 WpHG. In der zuvor geltenden Fassung des § 20a I 1 Nr. 2 WpHG [4. FMFG] ___________ 289 Vgl. Möller, WM 2002, 309, 313; ferner generell Altendorfer, in: Aicher/Kalss/ Oppitz (Hrsg.), Grundfragen, S. 207, 249; Fleischer, Gutachten F zum 64. DJT 2002, F 121; Lenzen, FinanzBetrieb 2001, 603, 608 f.; Fischel/Ross, 105 Harv. L. Rev. 503, 507 ff. (1991). 290 So etwa Trüstedt, Verbot, S. 100, 117. 291 Ebenso Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 167. 292 Vgl. dazu ausf. u. 8. Kap. A I 3 a (S. 337).

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7. Kap.: Verbotstatbestände

war statt dessen eine (rein subjektiv zu bestimmende) Preiseinwirkungsabsicht vonnöten. Diese sah sich jedoch einer erheblichen Kritik in der Literatur ausgesetzt, die insbesondere Beweisschwierigkeiten und damit die Bedeutungslosigkeit der Vorschrift sah.293 Inhaltlich ist die Preiseinwirkungseignung mit dem parallelen Tatbestandsmerkmal in § 20a I 1 Nr. 1 WpHG identisch. Die dort gemachten Ausführungen sind deshalb übertragbar und gelten hier in gleicher Weise.294

V. Beispiele für sonstige Täuschungshandlungen

Nach der Gesetzesbegründung und ihr folgend Teilen der Literatur ist unter die sonstige Täuschungshandlung ein wahres Sammelsurium von manipulativen Verhaltensweisen verschiedenster Art zu subsumieren.295 In vielen dieser Fälle ist das jedoch zweifelhaft. Zwar soll § 20a I 1 Nr. 3 WpHG (auch) als Auffangtatbestand fungieren. Doch darf dies nicht dazu führen, daß die Subsumtion durch die bloße Behauptung der Anwendbarkeit ersetzt wird. Unter diesem Blickwinkel sind aber einige der als sonstige Täuschungshandlungen angesehenen Verhaltensweisen mehr als fragwürdig. Zum einen betrifft dies den Aufbau einer Monopolstellung, das sog. cornering oder squeezing. Bisher häufig ohne weiteres als sonstige Täuschungshandlung angesehen296, ist bei näherer Betrachtung unklar, worin ein täuschendes Verhalten liegen soll. Denn diese Manipulationstechnik bedient sich ausschließlich effektiver, also wirtschaftlich relevanter, Geschäfte. Der Handelnde täuscht somit keine Marktaktivität vor. Eine Täuschung kann deshalb allenfalls in dessen Motiv für die Transaktion gesehen werden.297 Dies geht jedoch zu weit. Einer Transaktion kann kein allgemeiner Erklärungswert dahingehend beigelegt werden, daß sie ausschließlich auf anerkennenswerten Motiven beruhte und insbesondere nicht manipulative Zwecke verfolge, zumal über anerkennenswerte Motive trefflich gestritten werden kann.298 Cornering und squee-

___________ 293

Näher u. 8. Kap. A III 1 a (S. 353). Vgl. dazu o. A III (S. 273). 295 Vgl. die Nachw. o. C I (S. 304). 296 Siehe die Nachw. in o. Fn. 254 (S. 305). – Daran hält unverständlicherweise auch die MaKonV (§ 3 III Nr. 1) fest. 297 So etwa Iffland, répression pénale, S. 209; Iffland, SZW 1997, 121, 122 f.; JeanRichard, SZW 1995, 259, 261 f.; Möller, WM 2002, 309, 313. 298 Ebenso Altendorfer, in: Aicher/Kalss/Oppitz (Hrsg.), Grundfragen, S. 207, 232; Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 194; Schröder, Aktienhandel, S. 76; Thel, 1988 Colum. Bus. L. Rev. 359, 420. 294

C. § 20a I 1 Nr. 3 WpHG

315

zing sind deshalb keine sonstigen Täuschungshandlungen im Sinne von § 20a I 1 Nr. 3 WpHG.299 Gleiches gilt für die von einigen300 als sonstige Täuschungshandlung betrachteten Leerverkäufe. Zu Recht wird von der Gegenansicht darauf hingewiesen, daß es unserer Rechtsordnung keineswegs fremd ist, Sachen zu verkaufen, über die man zum Zeitpunkt des Abschlusses des Verpflichtungsgeschäfts noch keine Verfügungsgewalt hat. Insofern kann einem Leerverkauf auch kein dementsprechender Erklärungsinhalt beigemessen werden, über den dann getäuscht würde. Leerverkäufe sind deshalb ebenfalls keine sonstige Täuschungshandlung.301 Schließlich ist auch die vom Gesetzgeber und Teilen der Literatur genannte Bestechung eines Skontroführers keine Täuschungshandlung302, weil auch hierbei ein täuschendes Verhalten fehlt.303 Von Bedeutung ist § 20a I 1 Nr. 3 WpHG dagegen für diejenigen, die einen engen Angabenbegriff bei § 20a I 1 Nr. 1 WpHG vertreten und deshalb Gerüchte, Werturteile etc. nicht als Angaben über Umstände im Sinne von Nummer 1, sondern nur als sonstige Täuschungshandlung ansehen. Als Beispiel wird etwa das Vortäuschen eines Übernahmeangebotes genannt304, was aber nach hier vertretener Ansicht bereits als Machen falscher oder irreführender Angaben unter § 20a I 1 Nr. 1 WpHG zu subsumieren ist.

___________ 299

Arlt, Anlegerschutz, S. 316; Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG3, § 20a Rn. 106. In Betracht kommt hier stattdessen ein Verstoß gegen § 20a I 1 Nr. 2 WpHG sowie u.U. auch gegen § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG i.V.m. den §§ 21, 25 WpHG sowie § 35 WpÜG, wenn die bei Aufbau einer bedeutenden Beteiligung entstehenden Veröffentlichungspflichten nicht erfüllt werden. 300 Weber, NZG 2000, 113, 115; Schwark, BörsG, § 88 Rn. 7; Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8017, S. 89. 301 Ebenso Arlt, Anlegerschutz, S. 337; Fichtner, Strafvorschriften, S. 57; Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 209; Schröder, Aktienhandel, S. 76; Scheu, Börsenstrafrecht, S. 120. 302 Dafür aber Ledermann, in: Schäfer (Hrsg.), WpHG, § 88 BörsG Rn. 12; Rössner/ Worms, in: Assmann/Schütze (Hrsg.), Handbuch, § 9 Rn. 9. 303 Ebenso Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 177. – Eine andere (davon streng zu trennende) Frage ist freilich die, ob der Skontroführer anschließend gegen das Manipulationsverbot verstößt, wenn er nicht offenbart, daß sein Orderbuch von Dritten beeinflußt ist. 304 Park, BB 2001, 2069, 2070.

316

7. Kap.: Verbotstatbestände

1. Insbesondere Scalping Ein weiteres Beispiel für eine sonstige Täuschungshandlung und damit die Anwendbarkeit von § 20a I 1 Nr. 3 WpHG ist das Scalping.305 Indem der Scalper nicht offenlegt, daß er mit seiner Empfehlung einen Kurs zu seinen Gunsten zu beeinflussen beabsichtigt, verschleiert er den wahren Charakter seines Verhaltens und ruft diesbezüglich einen Irrtum hervor.306 Durch die Anknüpfung an die Motivation für die Abgabe einer Empfehlung kommt es auf deren sonstigen Inhalt, insbesondere darauf, ob sie sachlich zutreffend oder zumindest vertretbar ist307, nicht mehr an.308 Scalping kann deshalb auch mit richtigen Empfehlungen betrieben werden. Zudem entfällt damit die Notwendigkeit, dem Täter die Unrichtigkeit seiner Empfehlung nachzuweisen, was häufig nur sehr schwer möglich sein dürfte.309 Der Annahme, die Empfehlung enthalte zugleich die Erklärung, nicht aus Eigeninteresse zu handeln, wird teilweise entgegen gehalten, daß es keine umfassende dahingehende Offenbarungspflicht gäbe, so daß dies auf eine bloße Unterstellung eines konkludenten Erklärungsinhalts hinausliefe.310 Dem ist insoweit zuzustimmen, als bei der Bejahung konkludenter Erklärungsinhalte grundsätzlich Vorsicht geboten ist.311 Beim Scalping liegt die Besonderheit jedoch darin, daß der genannte Erklärungsinhalt nicht auf einer bloßen Fiktion beruht, sondern daraus resultiert, daß der Scalper kraft seiner Reputation (die ihm sein Verhalten erst ermöglicht) eine besondere Wirkung auf das Publikum hat und bei diesem bestimmte Vorstellungen hinsichtlich des Inhalts seiner ___________ 305

Ebenso BGHSt 48, 373 ff. – Scalping = WuB I G 7. – 2.04 Eichelberger; Eichelberger, WM 2003, 2121, 2125; Fleischer, DB 2004, 51, 53 f.; Lenenbach, ZIP 2003, 243, 246; Weber, NZG 2000, 113, 125; ders., NJW 2000, 562, 563 f.; A. Schmitz, wistra 2002, 208, 211; Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 33; Sorgenfrei, wistra 2002, 321, 327; Vogel, NStZ 2004, 252, 254; Widder, BB 2005, S. 15 f.; partiell auch Ledermann, in: Schäfer (Hrsg.), WpHG, § 88 BörsG Rn. 12; zweifelnd Groß, Kapitalmarktrecht, § 88 Rn. 5 mit Fn. 24; Schmitz, JZ 2004, 526, 527; offenlassend Kudlich, JR 2004, 191, 194; ablehnend dagegen LG Frankfurt a.M., NJW 2000, 301, 304 – Fall Prior; Arlt, Anlegerschutz, S. 186; Gaede/Mühlbauer, wistra 2005, 9, 13 ff.; Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 236; Pananis, NStZ 2004, 287, 288; Petersen, wistra 1999, 328, 332 f.; Schröder, Aktienhandel, S. 74 f.; Trüstedt, Verbot, S. 189 ff. 306 Vgl. Eichelberger, WM 2003, 2121, 2125 f. m.w.N. 307 Für den Fall, daß die Empfehlung als unrichtige oder irreführende Angabe anzusehen ist, kann gleichwohl (dann vorrangig) § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG einschlägig sein, da nach hier vertretener Ansicht auch Empfehlungen und Werturteile Angaben über Umstände im Sinne dieser Tatbestandsvariante sind. 308 So zu Recht ausdr. der BGHSt 48, 373, 380 f. – Scalping. 309 Näher Eichelberger, WM 2003, 2121, 2125. 310 Gaede/Mühlbauer, wistra 2005, 9, 13; Mühlbauer, wistra 2003, 169, 172 f.; Pananis, NStZ 2004, 287, 288. 311 Vgl. dazu o. A I 2 e (S. 246).

C. § 20a I 1 Nr. 3 WpHG

317

Empfehlung hervorruft. Weil diese Vorstellung aber gerade nicht darauf gerichtet ist, daß die Empfehlung zu eigennützigen manipulativen Zwecken abgegeben wird, täuscht der Scalper, wenn er sein Eigeninteresse nicht offenlegt. Die hier vertretene Ansicht hat zur Konsequenz, daß die Verbotswidrigkeit mangels Täuschungshandlung entfällt, wenn der Empfehlende seinen Interessenkonflikt hinreichend deutlich offenbart.312 Von dem Empfehlenden wird also lediglich verlangt, auf sein Eigeninteresse und den daraus resultierenden Interessenkonflikt hinzuweisen. Kommt er dem nach, dann scheidet ein Verbotsverstoß aus, selbst wenn der Empfehlende einen Preis beeinflußt und gewinnbringende Geschäfte getätigt hat. Damit ist zugleich sichergestellt, daß die verfassungsrechtlichen Verbürgungen, namentlich die Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 5 I, II GG) sowie die Berufsfreiheit (Art. 12 I GG), gewahrt sind.

2. Insbesondere handlungsgestützte Manipulationen Problematisch im Hinblick auf ihren täuschenden Charakter sind die unter dem Begriff der handlungsgestützten Manipulationen geführten Beeinflussungen von Preisen. Zunächst ist festzuhalten, daß der Sabotageakt, der sich gegen den Emittenten selbst und dessen Ertragskraft richtet, und auf die Verringerung des Unternehmenswertes abzielt, für sich genommen noch keine Täuschungshandlung darstellt.313 Es fehlt hier schlicht an einer Täuschung, denn der Unternehmenswert wird tatsächlich beeinträchtigt. Wenn sich dies dann im Preis niederschlägt, so ist das die zutreffende Reaktion des Kapitalmarktes. Wenn also jemand Produkte eines Pharma-Unternehmens vergiftet, das Management Unternehmenseinheiten schließt oder Konzerngewinne verlagert, um dadurch jeweils den Unternehmenswert negativ zu beeinflussen314, dann ist dies nicht nach § 20a I 1 Nr. 3 WpHG verboten. Gleiches gilt weiterhin, wenn der Täter die Öffentlichkeit von seinem tatsächlich erfolgten Sabotageakt in Kenntnis setzt, also die Vergiftung, Gewinnverlagerung etc. offenbart. Nach wie vor stimmen Wirklichkeit und Erklärung überein, so daß keine Täuschung vorliegt.315 Ein Verstoß gegen das Manipulationsverbot kommt erst dann in Betracht, wenn der Täter den Sabotageakt le___________ 312 Vogel, NStZ 2004, 252, 255; Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 33. 313 Arlt, Anlegerschutz, S. 342; Fleischer, Gutachten F zum 64. DJT 2002, F 119 f.; Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 242; Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 34; Trüstedt, Verbot, S. 178. 314 Vgl. zu den Fällen o. 1. Kap. D III (S. 37). 315 Auch § 20a I 1 Nr. 1 WpHG ist mangels unrichtiger oder irreführender Tatsachen nicht anwendbar.

7. Kap.: Verbotstatbestände

318

diglich vortäuscht. Diese Konstellation wäre aber regelmäßig als informationsgestützte Manipulation unter § 20a I 1 Nr. 1 WpHG zu subsumieren.316 Im Ergebnis bleibt somit festzuhalten, daß die Fallgruppe der handlungsgestützten Manipulationen mangels Täuschungscharakter nicht unter § 20a I 1 Nr. 3 WpHG zu fassen ist. Erst wenn die Vornahme einer solchen Handlung vorgespiegelt wird, kommt ein Verstoß gegen das Manipulationsverbot in Betracht. Dabei handelt es sich aber nicht mehr um eine handlungsgestützte Manipulation, sondern um eine informationsgestützte Manipulation, die in aller Regel nach § 20a I 1 Nr. 1 WpHG zu behandeln ist. In Deutschland besteht daher – wie auch in den USA – kein auf handlungsgestützte Manipulationen anwendbares Manipulationsverbot.317 Allerdings ist diesbezüglich auch kein Handlungsbedarf erkennbar, da die bestehenden Vorschriften die dazu eingesetzten Verhaltensweisen zumeist bereits im Vorfeld unter Strafe stellen. Neben den allgemeinen strafrechtlichen Vorschriften, insbesondere dem Betrug, der Untreue, der Sachbeschädigung und der Erpressung, ist dabei stets auch an das Insiderhandelsverbot zu denken.

VI. Von § 20a I 1 Nr. 3 WpHG erfaßte Manipulationen

Wie die vorstehende Untersuchung zeigt, ist der originäre Anwendungsbereich von § 20a I 1 Nr. 3 WpHG relativ klein. Viele als sonstige Täuschungshandlung zu qualifizierende Verhaltensweisen erfüllen bereits die Tatbestände der §§ 20a I 1 Nr. 1 oder Nr. 2 WpHG, die dann vorrangig sind.318 Von Bedeutung ist § 20a I 1 Nr. 3 WpHG deshalb vor allem dann, wenn es um Äußerungen geht, die nicht als falsch oder irreführend im Sinne von § 20a I 1 Nr. 1 WpHG angesehen werden können, denen aber gleichwohl Täuschungscharakter zukommt. Dies betrifft insbesondere den Fall des Scalpings. Dagegen lassen sich die sog. handlungsgestützten Manipulationen nicht unter § 20a I 1 Nr. 3 WpHG subsumieren, da die Einwirkung auf den Unternehmenswert nicht als Täuschungshandlung angesehen werden kann.

___________ 316

Ebenso Arlt, Anlegerschutz, S. 342. Vgl. Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 242 f. 318 Dazu sogleich. 317

D. Verhältnis der Tatbestände zueinander

319

D. Verhältnis der Tatbestände zueinander Die Untersuchung der vier Verbotstatbestände hat gezeigt, daß ein manipulatives Verhalten mehreren Tatbestandsvarianten unterfallen kann. Dies wirft die Frage nach den Konkurrenzen innerhalb des Manipulationsverbotes auf. Im Grundsatz gilt, daß die vier Tatbestände des Manipulationsverbotes voneinander unabhängig sind, also insbesondere nicht in einem Stufen- oder Exklusivitätsverhältnis zueinander stehen. Das ergibt sich zunächst aus dem Wortlaut, dem keine dementsprechenden Anhaltspunkte zu entnehmen sind. Statt dessen stehen die Tatbestände gleichrangig nebeneinander. Dafür spricht aber auch die Gesetzessystematik. Da Manipulationen auf so vielfältige Weise durchführbar sind, mußte sich der Gesetzgeber ihnen aus verschiedenen Richtungen nähern, um einerseits möglichst alle Formen manipulativen Verhaltens zu erfassen, andererseits aber dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz zu genügen. Dementsprechend knüpfen alle Tatbestandsvarianten an unterschiedliche Voraussetzungen an. Vor diesem Hintergrund ist es aber fernliegend, die einzelnen Tatbestände in ihrem Anwendungsbereich als abschließend anzusehen. Sollten daher die speziellen Voraussetzung von § 20a I 1 Nr. 1 oder Nr. 2 WpHG nicht vorliegen, kann das Verhalten ohne weiteres dennoch eine sonstige Täuschungshandlung im Sinne des § 20a I 1 Nr. 3 WpHG darstellen, der dann insoweit als Auffangtatbestand fungiert.319 Erfüllt beispielsweise eine informationsgestützte Manipulation ausnahmsweise nicht die Voraussetzungen des § 20a I 1 Nr. 1 WpHG, kann sie dennoch als sonstige Täuschungshandlung zu qualifizieren sein.320 Die Gleichrangigkeit der Tatbestände hat zur Folge, daß sich viele manipulative Verhaltensweisen unter verschiedene Tatbestandsvarianten subsumieren lassen, insbesondere häufig gleichzeitig auch als sonstige Täuschungshandlung im Sinne der Nummer 3 anzusehen sind. Lediglich aus Gründen der Klarheit sollte in diesen Fällen der jeweils spezielleren Norm der Vorrang vor der ebenfalls verwirklichten allgemeinen Variante gegeben werden. Zudem ist zu beachten, daß durch die Anwendung von § 20a I 1 Nr. 3 WpHG nicht eine Privilegierung umgangen wird. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Verbotstatbestand des § 20a I 1 Nr. 2 WpHG deshalb nicht anwendbar ist, weil das Verhalten der zulässigen Marktpraxis entspricht und legitimen Gründen entspringt (§ 20a II 1 WpHG). Die den Tatbestand des § 20a I 1 Nr. 2 WpHG bildenden Umstände können dann nicht zur Begründung einer sonstigen Täuschungshandlung im Sinne des § 20a I 1 Nr. 3 ___________ 319 Dies entspricht der bisherigen h.M. zu § 20a I 1 Nr. 2 WpHG [4. FMFG] und § 88 Nr. 2 BörsG a.F., vgl. die Nachw. o. Fn. 251 (S. 305). 320 Andere Ansicht Trüstedt, Verbot, S. 145.

7. Kap.: Verbotstatbestände

320

WpHG herangezogen werden. Liegen dagegen darüber hinausgehende Umstände vor, die für sich genommen eine sonstige Täuschungshandlung begründen, so ist § 20a I 1 Nr. 3 WpHG anwendbar.

E. Subjektiver Tatbestand des Verbotstatbestands Der Verbotstatbestand in § 20a I 1 WpHG enthält keine Angaben über die Anforderungen hinsichtlich der subjektiven Seite eines Verstoßes. Denkbar, und mit dem Gesetzeswortlaut vereinbar321, wäre daher, bereits den objektiven Verstoß als verboten anzusehen. Ließ sich früher zumindest für § 20a I 1 Nr. 2 WpHG a.F. von dem dort enthaltenen Absichtserfordernis auf subjektive Anforderungen schließen, ist dies mit dessen Wegfall seit Inkrafttreten des AnSVG nun nicht mehr möglich. Gleichwohl spricht vieles dafür, an den Verbotstatbestand die gleichen subjektiven Anforderungen wie an die zugehörige Sanktionsnorm (§ 39 I Nr. 1, 2, II Nr. 11 WpHG) zu stellen, so daß nur vorsätzliche und im Falle des § 20a I 1 Nr. 1 WpHG leichtfertige Verstöße verboten sind. Zunächst hätte ein Verbot fahrlässiger oder gar schuldloser Verstöße gegen § 20a WpHG keine Konsequenzen und damit wenig Sinn. Ein solcher käme der Vorschrift für einen Teilbereich lediglich dann zu, wenn man entgegen hier vertretener Ansicht322 § 20a WpHG als Schutzgesetz ansähe, weil dann zumindest fahrlässige Verstöße (§ 823 II 2 BGB) zum Schadensersatz verpflichten würden. Doch auch diese Möglichkeit unterstellt, spräche vieles dafür, daß nur vorsätzliche (bzw. partiell leichtfertige) Verstöße verboten sind. Anderenfalls ergäbe sich die Konsequenz der Schadensersatzhaftung für jede Form der Fahrlässigkeit, die zum einen in deutlichem Widerspruch zu den in verwandten Normen enthaltenen Beschränkungen auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (vgl. etwa §§ 37b, c WpHG) steht. Und zum anderen ist eine derart weitgefaßte Haftung unangemessen. Jenseits vorsätzlicher oder zumindest grob fahrlässiger Regelverstöße sollten künstliche Preisbeeinflussungen und daraus eventuell resultierende Schäden dem allgemeinen Kapitalmarktrisiko zugeschrieben werden. Die Einbeziehung nur vorsätzlicher (bzw. leichtfertiger) Verstöße hat im Übrigen auch keine negativen Auswirkungen auf die Befugnisse der BaFin. Zwar darf diese im Falle eines offensichtlich unvorsätzlichen Verstoßes gegen § 20a WpHG nicht einschreiten resp. muß ihre Untersuchungen einstellen. Doch genügt zur Aufnahme von Ermittlungen der Verdacht eines vorsätzlichen Versto___________ 321 322

Ebenso Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 2. Dazu ausf. u. 8. Kap. B (S. 363).

F. Stellungnahme zum neuen Manipulationsverbot

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ßes. Und einen solchen bietet auch die unvorsätzliche Manipulation solange, bis die Unvorsätzlichkeit zur Überzeugung der Behörde feststeht. Dann aber besteht auch kein Interesse mehr an einer (weiteren) Untersuchung.

F. Stellungnahme zum neuen Manipulationsverbot Die Vielzahl unterschiedlicher Manipulationstechniken macht es schwer, einen Tatbestand zu formulieren, der zwar möglichst umfassend Manipulationen jeglicher Art verbietet, dabei aber weder zu starr und kasuistisch noch zu unbestimmt gerät. Zudem darf legitime Marktteilnahme nicht mehr als notwendig beeinträchtigt werden. Vor diesem Hintergrund ist die vom Gesetzgeber gewählte Kombination aus gesetzlichem Tatbestand mit einer Reihe von unbestimmten Rechtsbegriffen und der Möglichkeit zu deren verordnungsrechtlichen Konkretisierung trotz der damit stets verbundenen verfassungsrechtlichen Problematik grundsätzlich zu begrüßen. Gleichwohl ist das Manipulationsverbot nicht in allen Teilen gelungen. Die wesentliche Kritik richtet sich dabei gegen den Verzicht auf eine ausdrückliche Manipulationsabsicht in § 20a I 1 Nr. 2 und Nr. 3 WpHG. Es wurde gezeigt, daß – wie von Teilen der Literatur und noch vom Gesetzgeber des 4. FMFG betont – bei vielen Verhaltensweisen die Unterscheidung zwischen erlaubter, häufig erwünschter und notwendiger Marktteilnahme einerseits und verbotener Manipulation andererseits allein im Subjektiven, in der Einstellung des Handelnden zur Tat liegt. Ohne subjektive Komponente ist diese Entscheidung häufig nicht zu treffen und das Manipulationsverbot wäre damit nicht anwendbar. Um diese Konsequenz zu vermeiden, müssen bei der Auslegung und Anwendung der rein objektiv formulierten Tatbestände auch subjektive Umstände berücksichtigt werden. Damit aber kehrt die Absicht auf Umwegen wieder zurück in den Tatbestand. Ein weiterer Kritikpunkt – freilich weit weniger gravierend – ist die Dualität von Bewertungserheblich und Eignung zur Preisbeeinflussung in § 20a I 1 Nr. 1 WpHG. Es wurde gezeigt, daß beide Tatbestandsmerkmale im wesentlichen dieselbe Funktion und Reichweite haben und deshalb eines von beiden überflüssig ist. Systematisch und teleologisch ist die Eignung zur Preisbeeinflussung das Mittel der Wahl, um die für den Kapitalmarkt unerheblichen und damit irrelevanten Informationen aus dem Anwendungsbereich des Manipulationsverbotes auszuschließen. Diese Arbeit ist jedoch nicht der richtige Ort für die Entwicklung eines Vorschlages für eine neue Fassung des Manipulationsverbotes. Zum einen ist angesichts der zweimaligen Umgestaltung des Manipulationsverbotes innerhalb von rund zwei Jahren nicht mit einer erneuten Änderung in absehbarer Zeit zu rechnen. Zum anderen ist der deutsche Gesetzgeber bei der Ausgestaltung an die

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7. Kap.: Verbotstatbestände

sehr detaillierten gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben der MMRL gebunden. Es wäre deshalb zunächst ein Rechtssetzungsprozeß auf Gemeinschaftsebene notwendig. Es bleibt zu hoffen, daß dies geschieht, wenn sich in mehreren Mitgliedsstaaten Probleme bei der Anwendung des Manipulationsverbotes herausstellen. Allerdings dürfte dies noch einige Jahre Zeit benötigen. Kurzfristig denkbar erscheint deshalb allenfalls eine Streichung des überflüssigen Merkmales der Bewertungserheblichkeit in § 20a I 1 Nr. 1 WpHG, wodurch die damit verbundenen Auslegungs- und Anwendungsschwierigkeiten entfielen. Dies wäre gemeinschaftsrechtlich unbedenklich, da ein vergleichbares Tatbestandsmerkmal in der MMRL nicht enthalten ist. Für den deutschen Rechtsanwender verbleibt damit gegenwärtig nur die Möglichkeit, die aufgezeigten gesetzgeberischen Unzulänglichkeiten durch eine sachgerechte Auslegung zu kompensieren.

Achtes Kapitel

Rechtsfolgen von Verstößen gegen das Verbot der Marktmanipulation A. Straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionierung Verstöße gegen das Verbot der Marktmanipulation können entweder als Ordnungswidrigkeit (§ 39 I Nr. 2, 3, II Nr. 11 WpHG) oder als Straftat (§ 38 II WpHG) geahndet werden. Die anzuwendende Sanktion hängt davon ab, ob die Manipulationshandlung zu einem Erfolg im Sinne einer Beeinflussung eines Börsen- oder Marktpreises geführt hat. Voraussetzung für eine strafrechtliche Sanktion ist eine zurechenbare Preiseinwirkung. Fehlt dieser Einwirkungserfolg oder ist er nicht nachweisbar, kann die Tat nur als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. I. Die Marktmanipulation als Straftat (§ 38 II WpHG)

1. Tatsächliche Einwirkung auf den Börsen- oder Marktpreis Der Eintritt eines Erfolges in Form einer tatsächlichen Einwirkung auf einen Börsen- oder Marktpreis macht den vorsätzlichen Verstoß gegen das Manipulationsverbot zur Straftat (§ 38 II WpHG i.V.m. § 39 I Nr. 1, 2, II Nr. 11 WpHG). Da der Erfolgseintritt das Unrecht der Tat mitbegründet, handelt es sich dabei nicht um eine objektive Bedingung der Strafbarkeit, sondern um ein Tatbestandsmerkmal.1 Wie bei jedem Erfolgsdelikt muß auch hier die manipulative Handlung kausal für den Eintritt des Erfolges gewesen sein. Dabei genügt Mitverursachung neben anderen Faktoren. Dieser bedarf es aber auch und sie muß nachgewiesen werden. a) Kritik der Rechtsprechung und Literatur am Erfolgserfordernis In Rechtsprechung und Literatur wurde die Einführung des Erfordernisses eines Taterfolges teils heftig kritisiert und darin die weitgehende Bedeutungslosigkeit der Vorschrift gesehen. Angesichts der Fülle von Faktoren, die die ___________ 1 Allg. zur Differenzierung Tröndle/Fischer, StGB, § 16 Rn. 32; Wessels/Beulke, AT, Rn. 148.

8. Kap.: Rechtsfolgen von Verbotsverstößen

324

Preisbildung beeinflussen, sei der Nachweis des Erfolges einer manipulativen Handlung kaum denkbar.2 Diese Einwände sind nicht von der Hand zu weisen. Ihr Gewicht hängt jedoch davon ab, welche Anforderungen man an den Nachweis des Taterfolges stellt. Ist man bereit, überkommene Grundsätze, namentlich des Kernstrafrechts, sachgerecht zu modifizieren und den Gegebenheiten der hier behandelten Materie anzupassen, sind durchaus praktikable Ergebnisse möglich.

b) Nachweis des Manipulationserfolges; „wahrer Preis“ Inhaltlich ist der Taterfolg bei § 38 II WpHG die Realisierung der Preiseinwirkungseignung des § 20a I 1 Nr. 1 und 3 WpHG. Er kann also in einer Bewegung des Preises nach oben bzw. nach unten oder dem künstlichen Halten auf einem Niveau gegen den Trend (sog. Seitwärtsbewegung) bestehen. Auf die Stärke der Einwirkung kommt es dabei wie schon bei der Preiseinwirkungseignung nicht an. Während es dort aber genügte festzustellen, daß ein Umstand bei genereller, vom konkreten Einzelfall abstrahierender Betrachtungsweise mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zur Beeinflussung eines Preises tauglich ist, muß hier die Einwirkung tatsächlich nachgewiesen werden. Voraussetzung hierfür ist an sich, daß man den Preis kennt, der sich ohne Vornahme der manipulativen Handlung3 gebildet hätte. Theoretisch ist dazu diese Handlung wegzudenken (bzw. im Falle des pflichtwidrigen Verschweigens hinzuzudenken) und sodann unter Außerachtlassung etwaiger Reserveursachen (ein anderer hätte zur gleichen Zeit manipuliert etc.) der sich hypothetisch ergebende Preis zu ermitteln.4 Weicht dieser von dem tatsächlich festgestellten Preis ab, ist der Preisbeeinflussungserfolg eingetreten und damit zugleich die Kausalität der Handlung für den Erfolgseintritt nachgewiesen.5 An___________ 2 Vgl. LG München I (4. StrK), NJW 2003, 2328, 2330 – EM.TV.; ferner Hahn, Ansätze, S. 207; Kutzner, WM 2005, 1401, 1406 ff.; Tripmaker, wistra 2002, 288, 292; Rössner, AG 2003, R16 f.; Ziouvas/Walter, WM 2002, 1483, 1487; skeptisch auch Arlt, Anlegerschutz, S. 196; Sorgenfrei, in: Park (Hrsg.), Kapitalmarkt-Strafrecht, 4. Abschnitt, Rn. 76; Zimmer, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 38 WpHG Rn. 5. 3 Damit ist auch das pflichtwidrige Verschweigen eines bewertungserheblichen Umstandes gemeint. 4 Dagegen ist es nicht erforderlich, daß man den „wahren“ Preis, also den allein aus dem Unternehmenswert resultierenden Preis, kennt. Die Kritiker des Einwirkungserfolges haben aber offenbar genau diesen „wahren“ Wert, den festzustellen in der Tat kaum möglich ist, im Blick. 5 Dieser Zusammenhang zwischen Erfolg und Kausalität beruht darauf, daß der Manipulationserfolg nicht festgestellt werden kann, ohne die potentiell dazu führende Handlung in die Betrachtung einzubeziehen. Der manipulierte Preis ist als solcher (an-

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ders als im Rahmen von zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen bedarf es für diesen Nachweis nicht der Untersuchung, welcher Preis sich ohne Manipulationshandlung gebildet hätte, sondern es genügt festzustellen, daß sich ein anderer Preis gebildet hätte.6 Die Schwierigkeit besteht nun darin, daß eindeutige wissenschaftlich gesicherte Kausalgesetze hinsichtlich der Preisbildung an Kapitalmärkten fehlen und sich möglicherweise überhaupt nicht finden lassen. Es existieren lediglich auf Erfahrungswerten und empirischen Untersuchungen basierende Modelle der Preisbildung. Zwar lassen diese eine in der Regel zutreffende näherungsweise Prognose zu. Jedoch handelt es sich dabei letztlich stets um subjektive Bewertungen und nicht um im Sinne von Naturgesetzen objektiv verifizierbare Kausalzusammenhänge.7 Eben diese sind jedoch nach einer in der Literatur viel vertretenen Ansicht für den Nachweis der Kausalität notwendig.8 Folgt man dieser Ansicht, enthebt man die Strafvorschrift jeglichen Anwendungsbereiches und die eingangs angeführten Zweifel an der neuen Gesetzesfassung träfen zu. Demgegenüber hat der Bundesgerichtshof in seiner ersten Stellungnahme zu § 20a WpHG den Standpunkt bezogen, daß an die Beurteilung der Frage, ob durch die manipulative Handlung tatsächlich eine Einwirkung auf den Preis eingetreten ist, angesichts der Vielzahl der – neben der Tathandlung – regelmäßig an der Preisbildung mitwirkenden Faktoren keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürften.9 Dies liegt ganz auf der Linie der ständigen Rechtsprechung zur Kausalität insbesondere zur strafrechtlichen Produkthaftung.10 Danach genügt es, daß der Richter nach einer Gesamtbewertung der vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse und anderer Indiztatsachen zur Überzeugung der (Mit-)Ursächlichkeit gelangt. Dafür bedarf es nicht des (positiven) Nachweises der Kausalität, sondern lediglich der Feststellung, daß andere mögliche (Mit-)Ursachen für denselben Erfolg ausgeschlossen werden können (das heißt im Bereich der „bloß theoretischen Denkmöglichkeit“ bleiben), wobei deren vollständige Aufzählung nicht verlangt wird. Der Bundesgerichtshof hat in der Holzschutzmit___________ ders als etwa der Tod eines Menschen oder die Beschädigung einer Sache) nicht erkennbar. Erst ein Vergleich mit dem hypothetischen Preis, der sich ohne die manipulative Handlung gebildet hätte, kann darüber Auskunft geben. Bejahendenfalls ist dann aber zugleich auch die Kausalität festgestellt. – In der Literatur wird dieser Zusammenhang oft nicht hinreichend beachtet (zutr. dagegen Sorgenfrei, in: Park (Hrsg.), KapitalmarktStrafrecht, 4. Abschnitt, Rn. 76). 6 Ebenso Hellgardt, ZIP 2005, 2000, 2003. 7 Dazu schon einmal o. 7. Kap. A III 3 b (S. 278). 8 Vgl. Roxin, AT I, § 11 Rn. 15 m.w.N. 9 BGHSt 48, 373, 384 – Scalping; krit. dazu Kutzner, WM 2002, 1401, 1406 ff. 10 Vgl. etwa BGHSt 37, 106, 111 ff. – Lederspray; 41, 206, 216 ff. – Holzschutzmittel.

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8. Kap.: Rechtsfolgen von Verbotsverstößen

tel-Entscheidung ausgeführt, daß der Nachweis von Kausalzusammenhängen keine absolute, von niemandem anzweifelbare Gewißheit verlange. Es genüge vielmehr ein mit den Mitteln des Strafverfahrens gewonnenes, nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das keinen vernünftigen Zweifel bestehen läßt. Dabei könne der Tatrichter sogar zu Ergebnissen gelangen, die Vertreter der maßgeblichen naturwissenschaftlichen Fachrichtungen mit ihren Methoden allein nicht belegen könnten.11 Es sei dabei noch nicht einmal notwendig, das konkret wirkende Naturgesetz zu kennen, um die Kausalität festzustellen, sondern es genüge, daß nach einer Gesamtbewertung der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und anderer Indiztatsachen die – zumindest – Mitverursachung zweifelsfrei festgestellt werde.12 Dem ist zuzustimmen. Die strenge Gegenansicht mag für die Delikte des klassischen Strafrechts, bei denen entsprechende Naturgesetze existieren und bekannt sind, ihre Berechtigung zur sinnvollen Tatbestandseingrenzung haben. Sie kann aber nicht unbesehen auf Bereiche übertragen werden, in denen solche Gesetze nicht bekannt sind und möglicherweise überhaupt nicht existieren. Anderenfalls wäre es dem Gesetzgeber unmöglich, dort Erfolgstatbestände zu etablieren. Er wäre genötigt, statt dessen abstrakte Gefährdungsdelikte zu schaffen, weil diese keinen Erfolg und damit auch keine Kausalität voraussetzen, so daß die geschilderte Problematik nicht auftritt. Dies geschehe freilich um den Preis einer weit vorverlagerten Strafbarkeit und sieht sich damit noch weit stärkeren Einwänden ausgesetzt. Gleichwohl ist den Kritikern insoweit zuzustimmen, daß zu geringe Anforderungen an den Nachweis der Kausalität die Gefahr einer Verschiebung des Erfolgsdeliktes contra legem hin zu einem Gefährdungsdelikt in sich bergen.13 Bei bloßen Vermutungen oder gar dem Schluß von der Preiseinwirkungseignung auf den Preiseinwirkungserfolg ist diese Grenze jedenfalls überschritten. Dennoch gibt es praktikable Möglichkeiten, die tatsächliche Einwirkung einer manipulativen Handlung auf einen Börsen- oder Marktpreis in vielen Fällen mit der notwendigen Sicherheit festzustellen. Dieser Nachweis basiert auf Indizien einerseits und auf Erfahrungssätzen andererseits. Der Bundesgerichtshof hat in seiner „Scalping“-Entscheidung Vergleiche von bisherigem Kursverlauf und Umsatz, die Kurs- und Umsatzentwicklung des betreffenden Papiers am konkreten Tag sowie die Ordergröße als taugliche Kriterien aufgeführt.14 Der

___________ 11

BGHSt 41, 206, 214 f. – Holzschutzmittel. BGHSt 41, 206, 215 f. – Holzschutzmittel. 13 So etwa Kutzner, WM 2005, 1401, 1408. 14 BGHSt 48, 373, 384 – Scalping. 12

A. Straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionierung

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Bundesgerichtshof bevorzugt damit offenbar den Nachweis anhand von sog. Ereignisstudien.15 Allgemein formuliert spricht für das Vorliegen eines beeinflußten Preises, wenn in engem zeitlichem Zusammenhang mit einer manipulativen Handlung eine untypische, das heißt eine dem bisherigen Geschehen nicht entsprechende Preisentwicklung eintritt. War also der Preis eines Vermögensgegenstandes auf leichtem Abwärtstrend und wird dieser plötzlich verstärkt, verlangsamt oder umgekehrt, so kann dies ebenso ein Indiz für einen beeinflußten Preis sein, wie wenn ein sich bisher in kleinen Schritten bewegender Preis plötzlich eine hohe Volatilität aufweist. Wenn für diese nach bisherigem Verhalten unerwarteten Preisbewegungen keine anderen (plausiblen) Ursachen erkennbar sind, dann ist dies ein Anzeichen für eine Manipulation. Hilfreich für die Beurteilung ist die von den Handelsüberwachungsstellen der Börsen besorgte lückenlose und teilweise bis auf Sekundenbruchteile genaue Aufzeichnung von Geschäftsvorfällen, aus denen alle relevanten Daten wie Ordervolumina, Preise, Transaktionsparteien usw. ersichtlich sind.16 Keine Voraussetzung dieser Vergleichsmethode ist die Feststellung, daß der Vergleichspreis vor der manipulativen Handlung seinerseits frei von manipulativem Einfluß war.17 Auch ein bereits manipulierter Preis kann erneut manipuliert werden. Schutzgegenstand von § 20a WpHG ist nicht die materielle Preiswahrheit im Sinne von Sicherstellung des „wahren“ Wertes eines Vermögensgegenstandes, sondern allein die formelle Preiswahrheit, das heißt das von äußeren Eingriffen unbeeinflußte Zustandekommen eines Preises. Praktisch vollzieht sich der Nachweis der Preisbeeinflussung somit in zwei Schritten. Zunächst ist festzustellen, ob das in Frage stehende Verhalten18 überhaupt geeignet ist, einen Preis zu beeinflussen. Da die Eignung eines Verhaltens zur Einwirkung auf einen Preis bereits Tatbestandsmerkmal von § 20a I 1 Nr. 1 und Nr. 3 WpHG sowie in Form der Eignung zur Herbeiführung eines künstlichen Preisniveaus auch von § 20a I 1 Nr. 2 Alt. 2 WpHG ist, be___________ 15 Ebenso Hellgardt, ZIP 2005, 2000, 2006. – Ereignisstudien („Event Studies“) sind empirische Untersuchungsverfahren, die eine Preisreaktion auf ein bestimmtes Ereignis – hier das manipulative Verhalten – messen. Danach ist eine Preisbewegung auf das Ereignis zurückzuführen, wenn diese in statistisch signifikanter Weise von der zu erwartenden („normalen“) Preisbewegung abweicht. Eingehend zu Ereignisstudien Henderson, J. Risk. Insur. 57 (1990), 282 ff.; Mitchell/Netter, 49 Bus. Law. 545, 556 ff. (1994); MacKinley, J. Econ. Lit. 35 (1997), 13 ff.; Peterson, Quart. J. Bus. Econ. 28 (1989), 36 ff. 16 Dazu Benner, in: Wabnitz/Janovsky (Hrsg.), Handbuch, 9. Kapitel, Rn. 27a, 34 m.w.N. 17 Dies fordert aber offenbar Kutzner, WM 2005, 1401, 1407. 18 Umfaßt ist auch der Fall des pflichtwidrigen Verschweigens i.S.v. § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG.

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8. Kap.: Rechtsfolgen von Verbotsverstößen

darf dies bei derartigen Manipulationen keiner näheren Begründung. Gleiches gilt aber auch für § 20a I 1 Nr. 2 Alt. 1 WpHG, denn ein Verhalten, daß falsche oder irreführende Signale für Angebot, Nachfrage oder Preis geben kann, ist im Regelfall auch geeignet, dadurch eine Preisveränderung zu bewirken. Nur deshalb ist ein solches Verhalten überhaupt verboten. Der zweite Schritt besteht darin, dieses Verhalten gedanklich zu eliminieren bzw. die pflichtwidrig verschwiegene Information hinzuzudenken und festzustellen, ob sich für diesen Fall hypothetisch ein anderer Preis gebildet hätte. Kann dies mit hinreichender Sicherheit bejaht werden, dann ist der Einwirkungserfolg nachgewiesen. Welcher Preis dies genau wäre, ist dabei nicht von Interesse, da es auf die Stärke der Einwirkung nicht ankommt. Damit dürfte der Nachweis der Preisbeeinflussung für die strafrechtliche Ahndung – trotz der hier geltenden strengeren Anforderungen – einfacher zu führen sein, als dies im Zivilrecht der Fall ist, da dort die Notwendigkeit der konkreten Bezifferung eines Schadens die Feststellung des hypothetischen Preises erfordert.

(1) Preisbeeinflussung bei handelsgestützten Manipulationen Handelsgestützte Manipulationen können bekanntlich auf zwei unterschiedlichen Wegen Einfluß auf einen Preis nehmen. Sie können zum einen bereits dadurch Einfluß auf einen Preis haben, weil sie die diesen bestimmenden Parameter – Angebot und/oder Nachfrage – verändern (sog. market impact). Zum anderen kann die Preiswirkung auf dem Informationsgehalt der getätigten Geschäfte beruhen.19

(a) Nachweis der Preisbeeinflussung durch den market impact Wie stark der Einfluß auf einen Preis durch die Veränderung von Angebot und Nachfrage ausfällt, ist abhängig einerseits vom Umfang der manipulativen Geschäfte oder Aufträge und andererseits von der Marktkapitalisierung und der frei gehandelten Anzahl (free float) des betroffenen Vermögensgegenstandes. Je größer ersterer und je geringer letztere im Verhältnis zueinander ausfallen, um so stärker wird die Preiswirkung sein. Der Nachweis dieses Effektes ist relativ einfach möglich, da die Preisbildung an Börsen und an sonstigen Märkten bestimmten Regeln folgt. So läßt sich der Preis eines Vermögensgegenstandes grundsätzlich allein aus Angebot und Nachfrage berechnen. Unter ökonomischem Blickwinkel ist dies die zwingende Folge einer freien Tätigkeit des Marktes, der dann effizient ist, wenn er ___________ 19

Vgl. o. 1. Kap. D II (S. 24).

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Angebot und Nachfrage bestmöglich zum Ausgleich bringt. Bei einem freien Markt ist dies jedoch nur durch Anpassung des Preises möglich. Für Preise für Wertpapiere und Derivate an Wertpapierbörsen im Amtlichen und Geregelten Markt sowie im Freiverkehr (s. § 57 II BörsG) ist dies auch normativ im Börsengesetz und in den Regelwerken der Wertpapierbörsen verankert. Gem. § 24 II 1 BörsG müssen Börsenpreise „... der wirklichen Marktlage“ entsprechen.20 Dabei repräsentiert „die Marktlage“ im wesentlichen die vorliegenden Kauf- und Verkaufsaufträge an der jeweiligen Börse.21 Diese Abhängigkeit des Preises (allein) von Angebot und Nachfrage und damit die Möglichkeit, diesen aus gegebener Marktlage eindeutig bestimmen zu können, finden sich bei allen Formen der Preisfeststellung. Bei Auktionsmärkten (order-driven markets) liegt dies auf der Hand. Hier werden Kauf- und Verkaufsaufträge entweder gesammelt und jeweils zu einem bestimmten Zeitpunkt der Gleichgewichtspreis bestimmt (Einheitspreisverfahren) oder fortlaufend ausgeführt, sobald sich Aufträge ausführbar gegenüberstehen (fortlaufende oder variable Notierung).22 Gleiches gilt aber auch bei Market-Maker-Systemen (quote-driven markets). Für diese ist charakteristisch, daß sog. Market-Maker permanent Kauf- und Verkaufspreise (die quotes) stellen, zu denen sie bereit sind, Geschäfte einzugehen.23 Der Einwand, hier hinge die Preisbildung im wesentlichen vom Verhalten der Market-Maker ab, ist insoweit nicht durchgreifend, als dabei vernachlässigt wird, daß diese ihre Quotes auf Basis der Marktlage bilden. Ein anderes Verhalten wäre schon ökonomisch nicht durchführbar.24 Dadurch haben handelsgestützte Manipulationen aber direkten Einfluß auf die von den Market-Maker gestellten Preise. Im Ergebnis läßt sich also aus einer bestimmten Marktlage stets feststellen, welcher Preis sich voraussichtlich gebildet hätte. Weicht der tatsächlich festgestellte Preis von diesem hypothetischen Preis ab, so ist der Einwirkungserfolg belegt. Die zur Rekonstruktion der hypothetischen Marktlage ohne die manipu___________ 20

So auch § 27 II 1 BörsenO-FWB: „Als Börsenpreis ist derjenige Preis festzustellen, welcher der wirklichen Geschäftslage des Handels an der Börse entspricht.“ 21 Beck, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 24 BörsG Rn. 10. – Vgl. auch § 32 II 1, 2 BörsenO-FWB: „Die Feststellung eines Börsenpreises erfolgt auf Basis der Auftragslage. Es ist derjenige Preis festzustellen, zu dem der größte Umsatz bei größtmöglichem Ausgleich der dem Skontroführer vorliegenden Aufträge stattfindet.“ 22 Näher Beck, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 25 BörsG Rn. 45 f. (Präsenzhandel) und Rn. 32-35 (elektronischer Handel). 23 Zu Recht weist Beck, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 25 BörsG Rn. 31, darauf hin, daß zunehmend Mischformen beider Systeme eingesetzt werden, insbesondere in Abhängigkeit von der Liquidität des zu handelnden Vermögensgegenstandes. 24 Dies nicht hinreichend berücksichtigend Kutzner, WM 2005, 1401, 1407.

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8. Kap.: Rechtsfolgen von Verbotsverstößen

lative Handlung notwendigen Daten sind zumindest für die börslich abgeschlossenen Geschäfte bei den Handelsüberwachungsstellen vorhanden.

(b) Nachweis der Preisbeeinflussung durch die Informationswirkung Beruht die Preiseinwirkung dagegen im wesentlichen oder möglicherweise sogar ausschließlich darauf, daß die manipulativen Geschäfte oder Aufträge andere Marktteilnehmer zu eigenen Geschäften oder Aufträgen in diesem Vermögensgegenstand veranlaßt haben, hilft diese Methode nicht unmittelbar weiter. Hier ist vielmehr zunächst feststellen, ob Angebot und Nachfrage tatsächlich aus dem manipulativen Verhalten resultieren oder lediglich eine zufällige zeitliche Koinzidenz dazu besteht. Läßt sich die alleinige Verursachung von Transaktionen durch das manipulative Verhalten feststellen, so kann nach der oben beschriebenen Methode vorgegangen werden; diese Transaktionen sind bei der Rekonstruktion der hypothetischen Marktlage hinwegzudenken und der sich daraus ergebende Preis zu ermitteln. Anderenfalls muß auf die allgemeinen Kriterien zur Feststellung der tatsächlichen Preiseinwirkung zurückgegriffen werden. Weil sich aber Manipulationen typischerweise auf marktenge und eher leichte Vermögensgegenstände beziehen, schon, weil dabei die zu erwartenden Preisänderungen und damit die erzielbaren Gewinne größer sind, läßt sich der Erfolgsnachweis meist bereits über die unmittelbare Preiswirkung der manipulativen Handlung führen.

(2) Preisbeeinflussung bei informationsgestützten Manipulationen Informationsgestützte Manipulationen wirken dadurch auf den Preis ein, daß sie andere Marktteilnehmer veranlassen, Kauf- oder Verkaufsaufträge zu erteilen, wodurch sich die Auftragslage und damit der festzustellende Preis verändert. Der Nachweis der Preisbeeinflussung setzt deshalb die Feststellung voraus, daß die verbreitete oder pflichtwidrig verschwiegene Information kausal für die Aufträge gewesen ist. Die grundsätzliche Eignung des manipulativen Verhaltens dazu wurde bereits im Rahmen der Eignung zur Einwirkung auf den Preis abstrakt-generell bejaht. Nunmehr muß der konkrete Einfluß belegt werden. Auszuschließen hierfür ist zunächst die Befragung der Marktteilnehmer über ihr hypothetisches Anlageverhalten ohne manipulative Handlung.25 Dies folgt schon aus der praktischen Undurchführbarkeit. So müßten einerseits alle Marktteilnehmer befragt werden, auch die nur potentiell interessierten, die sich ___________ 25

Dies hingegen fordernd LG München, NJW 2003, 2328, 2330 – EM.TV.

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bei einer anderen Informationslage möglicherweise für ein Investment entschieden hätten. Zum anderen müßte nicht nur deren hypothetische Anlageentscheidung ermittelt, sondern auch nach Auftragsvolumen gewichtet werden.26 Darüber hinaus ist die retrospektive Ermittlung des hypothetischen Anlageverhaltens kaum verläßlich möglich, da es für den einzelnen unmöglich ist, zwischenzeitlich bekanntgewordene Informationen und deren Einfluß auf die Entscheidung hinreichend sicher auszuschalten.27 Zu Recht hat der Bundesgerichtshof deshalb – wenn auch reichlich knapp – entschieden, daß eine Befragung der Marktteilnehmer nicht angezeigt ist.28 Der Nachweis der tatsächlichen Preisbeeinflussung durch eine informationsgestützte Manipulation muß statt dessen mittels der eingangs genannten Indizien erfolgen. Hierzu bedarf es zunächst der Feststellung, daß es nach dem manipulativen Verhalten zu einer untypischen Preisbewegung kam. Diese kann dabei auch darin bestehen, daß sich der Preis entgegen der Erwartung nicht verändert. Dabei ist das gesamte Marktumfeld zu berücksichtigen. So bedarf es insbesondere an volatilen Märkte oder während einer allgemeinen Hysterie einer deutlich stärkeren Bewegung des Preises als in ruhigen Zeiten an einem breiten Markt. Ein hinreichend sicheres Indiz für eine untypische Preisbewegung ist grundsätzlich erst dann gegeben, wenn diese signifikant höher ausfällt, als der Marktdurchschnitt. Sodann ist die Kausalität des manipulativen Verhaltens für die untypische Preisbewegung darzulegen. Ein wesentliches Kriterium hier ist der zeitliche Zusammenhang zwischen Verhalten und Preisreaktion. Je schneller diese aufeinander folgen, desto mehr spricht für eine kausale Verknüpfung. Diese Annahme beruht auf Studien, die ergeben haben, daß die Einpreisung preisrelevanter Informationen bereits wenige Momente nach deren Bekanntwerden beginnt und im Regelfall nach spätestens wenigen Stunden abgeschlossen ist, jeweils in Abhängigkeit von der Art der Information und der Bedeutung des betroffenen Marktes.29 Wenn in diesem Zeitraum nicht nur weit unterdurchschnittlicher Handel stattgefunden hat, ist zu erwarten, daß die Marktteilnehmer diese Informationen in ihre Anlageentscheidung einbezogen haben. Je weiter ___________ 26

Darauf weist zu Recht Hellgardt, ZIP 2005, 2000, 2003 f., hin. Hellgardt, ZIP 2005, 2000, 2005. – Grundlegend zu diesem als „hindsight bias“ bezeichneten Phänomen Fischhoff, J. Exp. Psychol. Hum. Percept. Perform. 1 (1975) 288 ff.; ferner Hawkins/Hastie, Psychol. Bull. 107 (1990), 311 ff.; Rachlinski, 65 U. Chi. L. Rev. 571 ff. (1998). 28 BGHSt 48, 375, 384 – Scalping. 29 Vgl. den Überblick bei Muntermann/Güttler, Intraday, S. 21; eingehend zu verschiedenen Informationen Gosnell/Keown/Pinkerton, J. Banking Finance 20 (1996), 247 ff.; Jennings/Starks, J. Account. Res. 23 (1985), 336 ff.; Patell/Wolfson, J. Finan. Econ. 13 (1984), 223 ff.; Woodruff/Senchack, J. Finance 43 (1984), 467 ff.; Smith/White/ Robinson/Nason, J. Banking Finance 21 (1997), 337 ff. 27

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8. Kap.: Rechtsfolgen von Verbotsverstößen

sich die untypische Preisreaktion zeitlich von dem manipulativen Verhalten entfernt, desto geringer ist jedoch die Wahrscheinlichkeit, daß eine kausale Beziehung zwischen beiden besteht. Die weiter heranzuziehenden Indizien sind vom konkreten manipulativen Verhalten abhängig. Besteht dies etwa im pflichtwidrigen Verschweigen eines bewertungserheblichen Umstandes, dann kommt der nach Veröffentlichung dieser Information eintretenden Preisbewegung erhebliches Gewicht zu. Denn nach der Theorie der informationseffizienten Kapitalmärkte war eine später nachgewiesenermaßen preisbeeinflussende Information dies grundsätzlich auch bereits zum früheren Zeitpunkt.30 Zugegebenermaßen mag dieses Verfahren des Nachweises der tatsächlichen Preisbeeinflussung in Einzelfällen versagen, beispielsweise weil das gesamte Marktumfeld keinen einheitlichen Trend erkennen läßt, der zum Vergleich herangezogen werden kann. Das ist hinzunehmen und aus rechtsstaatlicher Sicht konsequent. Immerhin bleibt hier als Reaktion auf das manipulative Verhalten stets die Möglichkeit der Ahndung als Ordnungswidrigkeit, bei der es des Nachweises der Preisbeeinflussung nicht bedarf. Aus Schwierigkeiten im Einzelfall läßt sich aber nicht ableiten, daß die Preisbeeinflussung grundsätzlich nicht nachweisbar sei.

c) Notwendigkeit von Sachverständigengutachten Mehr noch als die Bewertung der Preiseinwirkungseignung ist die Feststellung eines tatsächlichen Manipulationserfolges nur mit entsprechender Sachkunde möglich. Diese wird jedoch bei Gericht in der Regel nicht gegeben sein. Das gilt in besonderem Maße auch deshalb, weil bisher – entgegen der diesbezüglichen Forderungen aus der Praxis31 – keine Zuständigkeitskonzentration beispielsweise durch Schwerpunktstaatsanwaltschaften besteht. Im Regelfall wird deshalb ein Sachverständigengutachten zur Klärung des Taterfolges notwendig sein. Zwar ersetzt das Gutachten nicht die Beweiswürdigung durch das Gericht, dem auch die Letztentscheidung verbleibt, sondern bildet lediglich die Grundlage dafür. Jedoch muß das Gericht dabei gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen folgen, insbesondere wenn mehrere Gutachten zum gleichen Ergebnis kommen, auch wenn es die Wertungen im einzelnen selbst nicht nach___________ 30

Hellgardt, ZIP 2005, 2000, 2007. Nachweise bei Benner, in: Wabnitz/Janovsky (Hrsg.), Handbuch, 9. Kapitel, Rn. 48; ferner ders., ZRP 2001, 450 ff. Vgl. bereits o. Einführung, bei Fn. 19 (S. 4). 31

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vollziehen kann.32 Diese Verbindlichkeit wird in der Regel auch nicht durch vereinzelte Gegenansichten, die sich nicht auf eine ausreichende Erfahrungsbreite stützen können, beseitigt.33 Wie gezeigt, kann aber der Eintritt eines Manipulationserfolges nicht naturwissenschaftlichen Gesetzen gleich nachgewiesen werden, sondern es bedarf einer umfassenden Analyse und Bewertung aller Umstände des Einzelfalles, die in eine Prognose über die wahrscheinliche Preisentwicklung münden. Ein Gutachten ist damit zwangsläufig subjektiv geprägt und es ist nicht unwahrscheinlich, daß mehrere Gutachter zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen.34 Ist dabei ein Gutachten erkennbar von einseitiger Interessenwahrnehmung geprägt,35 spricht nichts dagegen, wenn sich das Gericht mit dieser Begründung einem Gutachten, das objektiv erstattet ist und zu einem anderen Ergebnis kommt, anschließt. Ohne daß dafür spezielle Fachkenntnis notwendig wäre, kann und muß das Gericht die Überzeugungskraft des Gutachtens bewerten. Einem offensichtlich einseitig erstatteten Gutachten kommt dabei ein geringerer Beweiswert zu. Problematisch wird es aber, wenn beide (oder alle) Gutachten objektiv, schlüssig und wohlbegründet sind, aber dennoch inhaltlich voneinander abweichen. Die wohl überwiegende Ansicht räumt auch hier dem Gericht einen weiten Spielraum ein und gesteht ihm zu, sich bei einem wissenschaftlichen Meinungsstreit im Wege einer Gesamtwürdigung einer Ansicht anzuschließen und zu einem Ergebnis zu gelangen, das die Vertreter der maßgeblichen naturwissenschaftlichen Fachrichtung mit ihren Methoden allein nicht belegen können.36 Ein Obergutachten sei nur ausnahmsweise erforderlich und auch nur dann, wenn ein weiterer Sachverständiger zur Klärung der Fragen überhaupt beitragen könne.37 Dem ist jedoch zu widersprechen. Wollte ein Gericht einen Meinungsstreit zwischen Gutachtern selbst entscheiden, müßte es hierzu die Sachkunde besitzen, die durch die Gutachten erst erlangt werden soll. Ebensowenig kann hier ein Obergutachten weiterhelfen. Unter der Annahme, daß beide Gutachten me___________ 32

BGHSt 5, 34, 36; 21, 157, 159; Gollwitzer, in: Löwe/Rosenberg, StPO, § 261 Rn. 52 f.; Maiwald, in: Alternativ-Komm. StPO, § 261 Rn. 17. 33 BGHSt 6, 70; Gollwitzer, in: Löwe/Rosenberg, StPO, § 261 Rn. 52. 34 Als Beispiel sei auf den Mannesmann-Prozeß verwiesen, bei dem renommierte Gutachter zu konträren Ansichten hinsichtlich der Angemessenheit der seinerzeit gezahlten Vergütungen kamen. 35 Dies soll nach Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 38 Rn. 25 in der wirtschaftsstrafrechtlichen Praxis nicht selten sein. 36 Vgl. BGHSt 41, 206, 215; Gollwitzer, in: Löwe/Rosenberg, StPO, § 261 Rn. 52; Schlüchter, in: System. Komm. StPO, § 261 Rn. 6; Schoreit, in: Karlsruher Komm. StPO, § 261 Rn. 33. 37 Schoreit, in: Karlsruher Komm. StPO, § 261 Rn. 33 m.w.N.

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8. Kap.: Rechtsfolgen von Verbotsverstößen

thodisch zutreffend sind, wäre die Parteinahme für eines von ihnen lediglich eine subjektive Entscheidung, die ein anderer Obergutachter ebenso zutreffend anders entscheiden könnte. Es ist deshalb in derartigen Zweifelsfällen nach dem Grundsatz in dubio pro reo freizusprechen.38 Mag das für andere Bereiche anders zu beurteilen sein, ist dieses Ergebnis hier zwingend, da die zu beantwortende Frage stark von Bewertungen abhängt und damit die wissenschaftliche Begutachtung hinsichtlich einer hinreichenden „Wahrheit“ des gefundenen Ergebnisses an ihre Grenzen stößt. Im Ergebnis können so nur eindeutige Fälle bestraft werden, bei denen kein ernstzunehmender Wissenschaftler ernstzunehmende Zweifel am Eintritt eines Manipulationserfolges äußert.39 Für alle anderen Fälle verbleibt der Ordnungswidrigkeitentatbestand, der gerade auch für die Fälle fehlenden Erfolgsnachweises einen Auffangtatbestand enthält.

2. Täterschaft und Teilnahme Wer Täter des § 38 II WpHG und wer Teilnehmer an einer solchen Tat ist, bestimmt sich grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln über die Abgrenzung beider Beteiligungsformen. Nach der herrschenden Literatur ist Täter, wer als Zentralgestalt des Geschehens die planvoll-lenkende oder mitgestaltende Tatherrschaft besitzt, die Tatbestandsverwirklichung somit nach seinem Willen hemmen oder ablaufen lassen kann. Teilnehmer hingegen ist, wer ohne eigene Tatherrschaft als Randfigur des realen Geschehens die Begehung der Tat veranlaßt oder fördert.40 Im wesentlichen nur noch begrifflich davon abweichend beurteilt die Rechtsprechung die Beteiligungsform aufgrund einer, alle von der Vorstellung der Beteiligten umfaßten Umstände einbeziehenden, wertenden Betrachtung, wobei neben dem Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat und dem Umfang der Tatbeteiligung auch die Tatherrschaft oder der Wille zur Tatherrschaft zu berücksichtigen sind.41 Davon ausgehend sind bei den einzelnen Tatbestandsvarianten des § 38 II i.V.m. § 20a I 1 WpHG die nachfolgend dargestellten Besonderheiten zu beachten.

___________ 38

So generell bei einem Gutachterstreit Maiwald, in: Alternativ-Komm. StPO, § 261 Rn. 17 m.w.N. 39 So auch Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 38 Rn. 25. 40 Roxin, in: Leipziger Komm. StGB, § 25 Rn. 7; Joecks, in: Münchener Komm. StGB, § 25 Rn. 10 ff. 41 BGH, NStZ-RR 2002, 74, 75; BGHSt 37, 289, 291.

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a) § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG stellt keine näheren Anforderungen an den Täter und ist deshalb von jedermann täterschaftlich begehbar und damit ein Allgemeindelikt. Dabei ist die Tathandlung des „Machens von Angaben“ denkbar weit gefaßt und bedarf der Einschränkung. Ob ein Tatbeteiligter im jeweiligen Einzelfall täterschaftlich unrichtige Angaben macht oder lediglich als Teilnehmer (meist Gehilfe) anzusehen ist, bestimmt sich nach den eingangs dargelegten allgemeinen Grundsätzen. Das hat zur Folge, daß nicht jeder irgendwie an der Veröffentlichung einer Angabe Mitwirkende täterschaftlich „Angaben macht“. Statt dessen bedarf es einer normativen Zurechnung, bei der im wesentlichen darauf abzustellen ist, ob der Beteiligte Einfluß auf den Inhalt der Angabe oder die Umstände ihrer Veröffentlichung hat oder sich die Angabe zu eigen gemacht hat.42 Wer dagegen nur „technisch“ etc. an der Veröffentlichung mitwirkt, ist lediglich als Teilnehmer anzusehen.

b) §§ 20a I 1 Nr. 2 und Nr. 3 WpHG §§ 20a I 1 Nr. 2 und Nr. 3 WpHG stellen ebenfalls keine näheren Anforderungen an den Täter und sind damit von jedermann täterschaftlich begehbare Allgemeindelikte. Wiederum entscheidet sich die Frage nach der Täterschaft oder der bloßen Teilnahme nach den allgemeinen Grundsätzen.

c) § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG Täter des § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG kann nur derjenige sein, an den sich die im Tatbestand vorausgesetzte Rechtspflicht zur Offenbarung von bewertungserheblichen Umständen richtet und der dadurch zur Offenbarung verpflichtet ist. Ein Nichtverpflichteter kann nur Teilnehmer an einer solchen Tat sein. Die Literatur schließt daraus ohne nähere Ausführungen den Sonderdeliktscharakter der Vorschrift.43 Strenggenommen ist aber eine isolierte Einordnung von § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG nicht möglich. Aufgrund dessen Blankettcharakters ist die die Offenbarung vorschreibende Rechtsvorschrift in den Verbots___________ 42

Grundlegend (für § 264a StGB) Tiedemann, in: Leipziger Komm. StGB, § 264a Rn. 75 ff.; ebenso Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 49; BaFin (Hrsg.), Emittentenleitfaden, S. 87. – Es handelt sich hierbei jedoch nicht um ein Spezifikum wirtschaftsstrafrechtlicher Tatbestände, sondern lediglich um eine Konkretisierung der Tatherrschaftslehre. 43 Vgl. Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 38.

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8. Kap.: Rechtsfolgen von Verbotsverstößen

tatbestand einzubeziehen. Richtet sich diese Rechtsvorschrift an jedermann, so handelt es sich bei § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG in Verbindung mit dieser Rechtsvorschrift faktisch um ein Allgemeindelikt. Da jedoch dieser Fall eher theoretischer Natur ist und sich die Offenbarungspflicht meist nur an einen nach bestimmten Merkmalen umschriebenen Adressatenkreis (beispielsweise „den Emittenten“) richtet, ist § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG im Regelfall als Sonderdelikt anzusehen. Da es sich bei der Eingrenzung des Adressatenkreises um besondere Eigenschaften, Verhältnisse oder Umstände des Adressaten handelt, sind diese besondere persönliche Merkmale im Sinne des § 28 I StGB. Fehlen sie bei einem Teilnehmer, so ist seine Strafe zu mildern. Ist er dagegen auch selbst Adressat der Offenbarungspflicht, kommt § 28 I StGB nicht zur Anwendung.

3. Tatbegehung durch Unterlassen § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG enthält ein echtes Unterlassungsdelikt für die Fälle des Verschweigens von Angaben über bewertungserhebliche Umstände. Vorsätzliche Verstöße gegen diese Offenbarungspflichten sind deshalb ohne weiteres nach § 38 II WpHG strafbar. Daneben kommt aber ein weiterer Bereich der Tatbegehung (als Täter oder Teilnehmer) durch (unechtes) Unterlassen in Betracht. Über § 13 I StGB bzw. § 8 OWiG ist grundsätzlich auch ein garantenpflichtwidriges Unterlassen im Rahmen von § 20a WpHG straf- bzw. ahndbar.44 Denkbar ist dies für alle45 Begehungsvarianten des § 20a I 1 WpHG (Nr. 1 Alt. 2, Nr. 2 und Nr. 3), jeweils vorausgesetzt, es besteht eine entsprechende Garantenpflicht. Zwei Fallgruppen sind jedoch von besonderem Interesse. Die erste betrifft die Frage, ob ein Machen von Angaben im Sinne von § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG auch darin zu sehen sein kann, daß die Berichtigung oder Aktualisierung von zuvor aktiv gemachten Angaben, die später aber als bereits ursprünglich unrichtig oder später unrichtig geworden erkannt werden, unterlassen wird. Dies wurde bereits oben46 eingehend untersucht. Die zweite Fallgruppe hinge___________ 44 Für § 38 II WpHG als Erfolgsdelikt ist das selbstverständlich. Nach zutreffender Auffassung (vgl. Stree, in: Schönke/Schröder, StGB, § 13 Rn. 3; Rengier, in: Karlsruher Komm. OWiG, § 8 Rn. 9 ff.) sind § 13 I StGB/§ 8 OWiG aber auch auf schlichte Tätigkeitsdelikte und damit auf § 39 I Nr. 1, 2 , II Nr. 11 WpHG anwendbar. 45 Andere Ansicht in Bezug auf § 20a I 1 Nr. 1 WpHG Arlt, Anlegerschutz, S. 176; Struck, Ad-hoc-Publizitätspflicht, S. 72, mit dem Argument, der Gesetzgeber habe die Unterlassungsvariante ausdrücklich geregelt. Dagegen bereits o. 7. Kap. A I 4 b, bei Fn. 72 (S. 255). 46 7. Kap. A I 4 b (S. 255).

A. Straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionierung

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gen betrifft die strafrechtliche Haftung für ein tatbestandsmäßiges Verhalten eines Dritten (sog. Geschäftsherrenhaftung) und damit ein Problem der vertikalen Aufgabenverteilung.47

a) Haftung für tatbestandsmäßiges Verhalten Dritter (Geschäftsherrenhaftung) Die Geschäftsherrenhaftung betrifft die Frage, ob neben dem vollverantwortlich handelnden Untergebenen auch dessen Vorgesetzter straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtlich verantwortlich bleibt.48 Einer weitverbreiteten Ansicht zufolge ist unter bestimmten Voraussetzungen eine solche Haftung für tatbestandsmäßiges Verhalten Dritter zu bejahen.49 Indem der Betriebsinhaber oder ein leitender Mitarbeiter (Geschäftsherr) die Begehung von Straftaten bzw. Ordnungswidrigkeiten durch Betriebsangehörige bzw. Untergebene nicht verhindert, kann er – neben dem unmittelbar Handelnden – selbst zum Unterlassungstäter oder (häufiger) Unterlassungsteilnehmer werden. Diese Ansicht sieht sich verschiedenen Einwänden ausgesetzt, etwa, daß sie gegen das im Strafrecht herrschende Eigenverantwortlichkeitsprinzip verstoße, das nur in den vom Gesetz selbst (abschließend) angeordneten Fällen (§ 357 StGB, § 130 OWiG, § 41 WStG) durchbrochen werde50 oder daß zivilrechtliche Grundsätze rein schematisch in das Strafrecht übertragen würden.51 Ausgangspunkt ist die anerkannte Sonderverantwortlichkeit für Gefahren aus dem eigenen Organisationskreis, hier die Garantenstellung des Betriebsinhabers und der von ihm mit Leitungsaufgaben betrauten Bediensteten hinsichtlich jener Gefahren für die Allgemeinheit, die von dem Betrieb als solchem

___________ 47 Auch die horizontale Aufteilung auf mehrere Geschäftsleitungsmitglieder kann entsprechende Unterlassungsproblematiken aufwerfen. Diese werden unten (A I 4 a (S. 344)) im Zusammenhang dargestellt. 48 Beispiel: Der Chef einer Broker-Firma unterbindet nicht die Manipulationen eines seiner Angestellten. – Nicht gemeint ist dagegen ein bewußtes Zusammenwirken zwischen Geschäftsherr und Untergebenen. Hier gelten die allgemeinen Vorschriften über die Beteiligung. 49 Vgl. etwa Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 101 ff.; ders., ZStW 96 (1984), 287, 317; Bottke, Haftung, S. 73 f.; Stree, in: Schönke/Schröder, StGB, § 13 Rn. 52; ablehnend hingegen Jescheck, in: Leipziger Komm. StGB, § 13 Rn. 45; Hsü, Garantenstellung, S. 253 f.; Ransiek, ZGR 1992, 203, 220; Rudolphi, in: System. Komm. StGB, § 13 Rn. 35a, alle m.w.N. 50 Jescheck, in: Leipziger Komm. StGB, § 13 Rn. 45; Rudophi, in: System. Komm. StGB, § 13 Rn. 35a. 51 Heise, Insiderhandel, S. 168 f. (für § 38 I WpHG a.F.).

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8. Kap.: Rechtsfolgen von Verbotsverstößen

ausgehen.52 Danach gilt ganz allgemein, daß, wer Nutzen daraus zieht (oder zu ziehen versucht), daß er einen Bereich erhöhten Risikos schafft (etwa ein Unternehmen eröffnet), umgekehrt auch dieses erhöhte Risiko tragen muß, also Anstrengungen zur Beherrschung dieses Risikos unternehmen muß.53 Diese Pflicht trifft dabei nicht nur den Inhaber des Unternehmens (dies ist meist ohnehin lediglich eine juristische Person), sondern all diejenigen Personen, die aufgrund ihrer Stellung im Unternehmen die Möglichkeit zur Risikosteuerung besitzen54, mit anderen Worten, die Leitungsfunktionen übernehmen. Vor diesem Hintergrund ist es aber nicht einsichtig, warum nicht in gleicher Weise die Pflicht bestehen soll, denjenigen deliktischen Handlungen der Mitarbeiter entgegenzuwirken, die durch die Betriebseröffnung erst ermöglicht oder gefördert werden. Für die Allgemeinheit ist es unerheblich, ob die Gefahr aus einem sachlichen Produktionsmittel resultiert oder von einem Mitarbeiter ausgeht. Wenn die Geschäftsherrenhaftung (allein) mit Hinweis auf das Eigenverantwortlichkeitsprinzip abgelehnt wird, so ist dem entgegenzuhalten, daß eine derartige Haftung für das Verhalten Dritter dem Strafrecht keineswegs fremd ist. So werden in bestimmtem Umfang Erziehungsberechtigte, Lehrer, Fahrlehrer, das Anstaltspersonal usw. als Überwachungsgaranten angesehen.55 Die Begründungen für deren Garantenpflicht sind dabei vielfältig;56 ihnen gemeinsam ist jedoch, daß sie letztlich auf das Bestehen eines Autoritäts- und Befehlsverhältnisses und die damit verbundene Möglichkeit der Einflußnahme und Risikosteuerung abheben.57 Der Geschäftsherr ist jedoch nicht für alle Taten des Untergebenen schlechthin verhinderungspflichtig, sondern nur für solche, die in spezifischer Weise auf den Betrieb bezogen sind, das heißt für solche, die durch den Betrieb erst ermöglicht oder zumindest erleichtert werden, sog. „betriebsbezogene Delikte“; für „betriebsneutrale“ Delikte, die nur bei Gelegenheit der Arbeitnehmertätigkeit begangen werden, haftet er dagegen nicht.58 Diese Begrenzung korrespon___________ 52

Vgl. Rudolphi, in: System. Komm. StGB, § 13 Rn. 28; Jescheck, in: Leipziger Komm. StGB, § 13 Rn. 35 ff.; Sangenstedt, Garantenstellung, S. 381 ff.; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 33 ff. 53 Freund, in: Münchener Komm. StGB, § 13 Rn. 90; ähnlich Bottke, Haftung, S. 25 f. 54 Vgl. Bottke, Haftung, S. 28 ff. 55 Vgl. nur Stree, in: Schönke/Schröder, StGB, § 13 Rn. 51 ff.; Jescheck, in: Leipziger Komm. StGB, § 13 Rn. 42, jeweils m.w.N. 56 Für die Geschäftsherrenhaftung vgl. Bottke, Haftung, S. 13 ff. 57 Vgl. Herzberg, Unterlassung, S. 320 ff.; Rogall, ZStW 98 (1986), 573, 616; Rudolphi, in: System. Komm. StGB, § 13 Rn. 32. 58 Stree, in: Schönke/Schröder, StGB, § 13 Rn. 52; Rengier, in: Karlsruher Komm. OWiG, § 8 Rn. 48; Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 105 f.

A. Straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionierung

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diert mit dem Grund der Haftung und beschränkt diese auf das erhöhte Risiko und die Reichweite der Einflußnahmemöglichkeit. Der Umfang der dem Geschäftsherr abverlangten Maßnahmen richtet sich nach den Gegebenheiten des konkreten Einzelfalles. Erlangt er Kenntnis von der bevorstehenden Begehung einer betriebsbezogenen Tat, hat er diese im Rahmen der ihm zumutbaren Möglichkeiten zu verhindern. Wurde sie bereits begangen, kann unter Umständen eine Pflicht zu Gegenmaßnahmen eintreten. Ferner treffen den Geschäftsherrn auch bestimmte Organisationspflichten und die Pflicht, seine Untergebenen hinreichend zu kontrollieren, um etwaige Verstöße zu erkennen und zu verhindern.59 Für eine Haftung des Geschäftsherrn nach § 13 StGB/§ 8 OWiG muß (anders als im Rahmen von § 130 OWiG) stets feststehen, daß die unterlassene Maßnahme quasi-kausal für den Erfolgseintritt (sc. die Tatbegehung durch den Mitarbeiter) war; die Risikoerhöhungslehre ist nach zutreffender Ansicht im Bereich der Unterlassungsdelikte abzulehnen.60 Diese Grundsätze der Geschäftsherrenhaftung lassen sich auf die Marktmanipulation übertragen.61 Um im oben62 dargestellten Beispiel zu bleiben: wer durch den Betrieb einer Broker-Firma ein Risiko dafür schafft, daß deren Angestellte – bedingt durch die Möglichkeiten des Unternehmens – Manipulationen vornehmen, muß hinreichende Maßnahmen ergreifen, um dies zu verhindern. Verhinderungspflichtig sind dabei aber nur die von Betriebsangehörigen durchgeführten Manipulationen, die einen spezifischen Bezug zum Anstellungsbetrieb haben. Dieser ist beispielsweise zu bejahen, wenn ein angestellter Investmentfondsmanager mithilfe von Transaktionen für den von ihm betreuten Fonds handelsgestützte Manipulationen durchführt63 oder wenn ein Unternehmensmitarbeiter im Rahmen einer Unternehmenspressekonferenz informationsgestützte Manipulationen betreibt. Dagegen fehlt der Betriebsbezug, wenn die Handlungen in rein privatem Umfeld, das heißt meist außerhalb des Betriebes vorgenommen werden. Die Unterlassungsstrafbarkeit tritt ein, wenn der Geschäftsherr von bevorstehenden Taten dieser Art Kenntnis hat und nichts dagegen unternimmt. Der ___________ 59

Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 107 f. Näher zu den Aufsichtsmaßnahmen u. A I 3 b (S. 340). 60 So allg. Freund, in: Münchener Komm. StGB, § 13 Rn. 211 m.w.N.; speziell für die Geschäftsherrenhaftung Bottke, Haftung, S. 69 f. 61 Ebenso Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 38 Rn. 47; für § 38 WpHG in Bezug auf den Insiderhandel auch Lücker, Straftatbestand, S. 141-143; abl. diesbezüglich hingegen Heise, Insiderhandel, S. 168 f. 62 Fn. 48. 63 So etwa im BGHSt 48, 373 ff. – Scalping, wenn der Angeklagte lediglich angestellt gewesen wäre.

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8. Kap.: Rechtsfolgen von Verbotsverstößen

positiven Kenntnis steht dabei das bewußte Sich-Verschließen gleich, insoweit dies als bedingter Vorsatz und nicht lediglich als bewußte Fahrlässigkeit zu werten ist. Letzteres folgt daraus, daß vorliegend lediglich eine Beteiligung an nur vorsätzlich begehbaren Straftaten (§§ 38 II WpHG) in Betracht kommt. Aus diesem Grunde bleibt auch die Verletzung der Aufsichts- und Kontrollpflicht hier regelmäßig folgenlos, denn dem Geschäftsherrn mindestens bedingten Vorsatz in Bezug auf die nichtverhinderten Taten nachzuweisen, dürfte bei schlichter Unkenntnis – selbst wenn diese pflichtwidrig ist – kaum möglich sein.64 Die Form der (strafrechtlichen) Beteiligung des Geschäftsherrn bestimmt sich nach den allgemeinen Grundsätzen über die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme. Obwohl prinzipiell beide Formen denkbar sind, dürfte in der Mehrzahl der Fälle lediglich eine Teilnahme in Form der Beihilfe durch Unterlassen vorliegen, da es dem Geschäftsherren meist an der subjektiven Einstellung zur Tat (Täterwillen) bzw. an der Innehabung der Tatherrschaft fehlt.65 Eine Strafminderung nach § 28 I StGB kommt jedoch mangels besonderer persönlicher Merkmale dabei nicht in Betracht.66 Eine Geschäftsherrenhaftung für betriebsbezogene Straftaten eines Kollegiumsmitgliedes kommt mangels eines Über-/Unterordnungsverhältnisses nicht in Betracht. Allerdings kann sich im Einzelfall eine Haftung unter dem Gesichtspunkt der Verantwortlichkeit für den eigenen Organisationskreis ergeben.67

b) Exkurs: § 130 OWiG – Verletzung der Aufsichtspflicht Ein weiteres Haftungsrisiko für den Betriebsinhaber stellt § 130 OWiG dar.68 Hierbei knüpft der Vorwurf der Ordnungswidrigkeit nicht an eine Beteiligung an der Manipulation, sondern an die Verletzung der Aufsichtspflicht, die den Betriebsinhaber in Bezug auf seine Untergebenen trifft. Relevanz besitzt diese Vorschrift namentlich für Emittenten, Wertpapierdienstleistungsunternehmen etc., also Unternehmen, deren Mitarbeiter aufgrund ihrer Tätigkeit häufig und gute Gelegenheit zu Manipulationen haben. ___________ 64 In diesen Fällen greift aber ggf. § 130 OWiG, dazu sogleich A I 3 b (S. 340). Die Ordnungswidrigkeit nach § 39 II Nr. 11 WpHG i.V.m. § 20a I 1 Nr. 1 WpHG ist darüber hinaus auch leichtfertig begehbar. Zu den sich daraus ergebenden Besonderheiten s. u. A III 2 (S. 362). 65 Allg. dazu Cramer/Heine, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorbem. §§ 25 ff. Rn. 98 ff. 66 Vgl. dazu o. A I 2 b (S. 335) und A I 2 c (S. 335). 67 Näher dazu u. A I 4 a (S. 344). 68 Instruktiv hierzu Többens, NStZ 1999, 1 ff.

A. Straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionierung

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Inhaber des Betriebes oder Unternehmens und damit Normadressat des § 130 OWiG ist derjenige, dem die Erfüllung der den Betrieb oder das Unternehmen treffenden Pflichten obliegt, um deren sanktionsrechtliche Durchsetzung es bei § 130 OWiG geht.69 Zumeist wird dies nicht eine natürliche Person, sondern eine juristische Person oder eine sonstige Personenvereinigung sein, die jedoch selbst nicht handlungsfähig ist. Hier kommt § 9 OWiG zur Anwendung, der die dort genannten Personen (Organe, Vertreter etc.) in den Kreis der Normadressaten aufnimmt, so daß diese in die Aufsichtspflicht einrücken.70 Dem Aufsichtspflichtigen71 muß eine vorsätzliche oder fahrlässige Verletzung seiner Aufsichtspflicht vorgeworfen werden können. Die jeweils erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen sind im Gesetz nicht näher definiert. Sie sind deshalb in jedem Falle anhand des betrieblichen Ablaufs und der weiteren Umstände zu ermitteln. Allgemein gehören dazu sorgfältige Mitarbeiterauswahl, sachgerechte Organisation, Instruktion und Aufklärung der Mitarbeiter, deren Überwachung und Kontrolle sowie schließlich auch das Einschreiten gegen Pflichtverstöße.72 Bei größeren Einheiten bedarf es der Bestellung von Aufsichtspersonen, die ihrerseits sorgfältig auszuwählen und zu überwachen sind (vgl. § 130 I 2 OWiG), bis hin zur Einrichtung einer personell hinreichend ausgestatteten Revisionsabteilung.73 Ferner können im Einzelfall gesteigerte Aufsichtspflichten bestehen, namentlich, wenn bereits einschlägige Pflichtenverstöße aufgetreten sind.74 Allgemeingültige Maßnahmen können an dieser Stelle freilich nicht aufgezeigt werden. Nach der Rechtsprechung ist die Aufsicht jedenfalls so auszuüben, daß die betriebsbezogenen Pflichten aller Voraussicht nach erfüllt werden.75 Hinzuweisen ist aber namentlich auf sog. Compliance-Maßnahmen76, vor ___________ 69

Rogall, in: Karlsruher Komm. OWiG, § 130 Rn. 23. Näher Rogall, in: Karlsruher Komm. OWiG, § 130 Rn. 31 ff., § 9 Rn. 91. 71 Es können mehrere Personen zugleich nebeneinander aufsichtspflichtig sein, so namentlich bei mehrgliedrigen Vorständen. Maßgeblich für die konkrete Aufsichtspflicht ist aber die interne Geschäftsverteilung. Die Pflicht der anderen Organmitglieder beschränkt sich dann auf die Kontrolle des zuständigen Mitglieds hinsichtlich dessen ordnungsgemäßer Aufgabenwahrnehmung (Rogall, in: Karlsruher Komm. OWiG, § 130 Rn. 66 ff. sowie ausf. u. A I 4 a (S. 344)). 72 Rogall, in: Karlsruher Komm. OWiG, § 130 Rn. 40. 73 BGH, wistra 1982, 34; OLG Köln, wistra 1994, 315 m.w.N.; Rogall, in: Karlsruher Komm. OWiG, § 130 Rn. 54. 74 Brenner, DRiZ 1975, 72, 75; Rogall, in: Karlsruher Komm. OWiG, § 130 Rn. 64 f.; RGSt 58, 130, 133 f. 75 BGHSt 9, 319, 323; 25, 158, 163; OLG Stuttgart, NJW 1977, 1410; eingehend zu Aufsichtsmaßnahmen im Bereich des WpHG Cramer, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG2, Vor § 38 Rn. 39 ff. 76 Dazu Eisele, WM 1993, 1021 ff.; Bergles, ZBB 2000, 140 ff.; Cramer, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG2, Vor § 38 Rn. 42; Koller, in: Assmann/Schneider 70

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8. Kap.: Rechtsfolgen von Verbotsverstößen

allem auf die organisatorische Trennung von verschiedenen sensiblen Geschäftsbereichen innerhalb eines (Finanz-)Unternehmens (sog. „Chinese Walls“77). Diese Maßnahmen erschweren zumindest die Vornahme manipulativer Handlungen unter Ausnutzung beruflich erworbener Kenntnisse oder Möglichkeiten. Werden trotz Bestehens solcher Vorkehrungen dennoch Manipulationen vorgenommen, so fällt dies dem Geschäftsinhaber nicht zur Last, da er seinen Pflichten nachgekommen ist. Als objektive Bedingung der Ahndbarkeit muß im Betrieb oder Unternehmen eine Zuwiderhandlung gegen Pflichten, die den Inhaber als solchen treffen und deren Verletzung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist, vorliegen. Aus der Gesetzesformulierung folgert eine Ansicht in der Literatur, es müsse sich bei den Pflichten um Sonderdelikte (des Betriebsinhabers) handeln.78 Folgt man dem, könnten über § 130 OWiG nur Zuwiderhandlungen gegen § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG geahndet werden, weil nur diese aufgrund der dort geforderten Rechtspflicht Sonderdelikte sein können.79 Dagegen genügen der herrschenden Ansicht auch Allgemeindelikte, solange sie im konkreten Fall betriebsbezogen sind.80 Die verletzten Pflichten müssen also lediglich in funktionalem Zusammenhang mit dem Betrieb oder Unternehmen stehen. Damit sind auch Manipulation nach § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 1, Nr. 2 und Nr. 3 WpHG umfaßt. Die Vorzugswürdigkeit dieser Ansicht zeigt sich darin, daß anderenfalls zwar das bewußte Unterlassen einer Ad hoc-Mitteilung (§ 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG) zu einer Haftung nach § 130 OWiG führt, nicht aber die gezielte Preisbeeinflussung durch Informationsverbreitung (§ 20a I 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG) oder manipulative Handelstätigkeit (§ 20a I 1 Nr. 2 WpHG). Gerade dies dürften aber die im Vergleich zu § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG häufigeren Fälle sein.

___________ (Hrsg.), WpHG § 33 Rn. 19 ff.; Lösler, Compliance, S. 9 ff.; ders., NZG 2005, 104 ff.; Schweizer, Insiderverbote, S. 161 ff.; vgl. auch § 33 WpHG sowie die seit Inkrafttreten des AnSVG bestehende Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen (§ 15b WpHG), dazu U.H. Schneider/von Butlar, ZIP 2004, 1621 ff. 77 Dazu Eisele, WM 1993, 1021, 1024 f.; Hoffmann, Rechtliche Schranken, S. 141 ff.; Lösler, Compliance, S. 73 ff.; Tippach, Insider-Handelsverbot, S. 231 ff.; Watter, SJZ 1991, 109 ff. 78 Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 113 ff.; Rogall, in: Karlsruher Komm. OWiG, § 130 Rn. 77 ff. m.w.N. zum Streitstand. In diesem Sinne auch die Gesetzesbegründung zum RegE OWiG, BR-Drs. 420/66, S. 68 f. – Die Zurechnung einer nur ein Unternehmen etc. treffenden Pflicht zum Handelnden erfolgt wiederum mittels § 9 OWiG bzw. § 14 StGB (vgl. Rogall, in: Karlsruher Komm. OWiG, § 130 Rn. 88). Vgl. dazu auch o. 7. Kap. A II 3 (S. 269). 79 Vgl. o. A I 2 c (S. 335) und o. 7. Kap. A II 3 (S. 269). 80 Göhler, OWiG, § 130 Rn. 18 m.w.N.; Cramer, in: Karlsruher Komm. OWiG1, § 130 Rn. 85.

A. Straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionierung

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Ob eine verletzte Pflicht im konkreten Falle betriebsbezogen ist, bestimmt sich nach den gleichen Kriterien wie bei der Geschäftsherrenhaftung.81 Wer diese Pflichten verletzt, ist für § 130 OWiG irrelevant. Es bedarf nicht der Feststellung eines bestimmten Täters.82 Es genügt, daß eine Zuwiderhandlung gegen eine betriebsbezogene Pflicht vorliegt. Ebensowenig bedarf es des Nachweises der Kausalität zwischen Aufsichtspflichtverletzung und Zuwiderhandlung; es reicht aus, daß letztere bei gehöriger Aufsicht wesentlich erschwert worden wäre. Schließlich muß der Zuwiderhandelnde etwaige bestimmte Tätereigenschaften der verletzten Pflicht nicht in eigener Person aufweisen.83 Die objektive Ahndbarkeitsbedingung ist auch dann erfüllt, wenn der Zuwiderhandelnde nicht Normadressat der Pflicht ist und damit selbst nicht verantwortlich gemacht werden kann.84 Eine vorsätzliche Aufsichtspflichtverletzung kann mit einer Geldbuße bis zu einer Million Euro geahndet werden, wenn ein vorsätzlicher Verstoß gegen § 20a I 1 WpHG vorliegt (§ 130 III 2 OWiG i.V.m. § 39 IV 1 WpHG). Dies gilt unabhängig davon, ob dieser Verstoß als Straftat oder als Ordnungswidrigkeit zu ahnden ist, da letztere stets in ersterer enthalten ist und damit § 130 III 3 OWiG gilt.85 Ist § 20a I 1 Nr. 1 WpHG nur leichtfertig verletzt, beträgt das Höchstmaß 500.000 Euro (§ 130 III 2 OWiG i.V.m. § 39 IV 1 WpHG i.V.m. § 17 II OWiG). Für die fahrlässige Aufsichtspflichtverletzung halbieren sich die genannten Beträge (§ 17 II OWiG). Für den Fall, daß der Aufsichtspflichtige (persönlich, nicht das von ihm vertretene Unternehmen86) durch die Tat einen wirtschaftlichen Vorteil erlangt hat, kann das Bußgeld auch höher ausfallen (§ 17 IV OWiG). § 130 OWiG ist zu allen Formen täterschaftlicher oder teilnehmerschaftlicher Tatbegehung der §§ 38 II, 39 I Nr. 1, 2, II Nr. 11 WpHG i.V.m. §§ 25 ff., 13 StGB, §§ 8, 9, 14 OWiG subsidiär.87 ___________ 81

Vgl. hierzu soeben A I 3 a (S. 337). Rogall, in: Karlsruher Komm. OWiG, § 130 Rn. 94. 83 Rogall, in: Karlsruher Komm. OWiG, § 130 Rn. 76. 84 Beispiel: Die Pflicht zur Ad hoc-Mitteilung triff den Emittenten, d. h. die Aktiengesellschaft. Über § 9 OWiG sind auch deren Organe und Vertreter verpflichtet, nicht aber der einfache Angestellte. Unterläßt dieser die Veröffentlichung, kommt für ihn ein Verstoß gegen § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG nicht in Betracht, da ihn persönlich keine Rechtspflicht trifft. Für die Haftung der Aufsichtspflichtigen nach § 130 OWiG hingegen genügt dieser Verstoß. – Im Ergebnis tritt eine mit den § 9 OWiG, § 14 StGB vergleichbare Wirkung ein, jedoch ohne für den Handelnden selbst eine Haftung zu begründen. 85 Zur Problematik Rogall, in: Karlsruher Komm. OWiG, § 130 Rn. 105 m.w.N. 86 BayObLG, wistra 1995, 360, 361 m.w.N. 87 Vgl. Rogall, in: Karlsruher Komm. OWiG, § 130 Rn. 108 f. m.w.N. 82

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4. Horizontale Aufgabenverteilung und Kollegialentscheidungen Zu komplizierten Fragen der Kausalität und Zurechnung kommt es, wenn an einer Manipulation mehrere Mitglieder eines Kollektivorgans (beispielsweise des Vorstandes einer AG) beteiligt sind.88 Ein Problemkreis betrifft dabei die Verantwortlichkeit jedes einzelnen Kollegiumsmitgliedes für die ordnungsgemäße Erfüllung von Pflichten, hier insbesondere die Offenbarungspflichten des § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG. Angesprochen ist damit die häufig zu beobachtende horizontale (sektorale) Aufgabenverteilung auf verschiedene Personen. Damit in Verbindung steht die Frage, wer als Geschäftsherr im Sinne der vorstehend untersuchten Geschäftsherrenhaftung anzusehen ist. Der zweite Problemkreis betrifft die straf- bzw. ordnungswidrigkeitenrechtliche Haftung für die Mitwirkung an rechtswidrigen Kollegialentscheidungen.

a) Horizontale Aufgabenverteilung Ausgangspunkt ist der gesellschaftsrechtliche Grundsatz der Gesamtverantwortung, der ganz überwiegend auch auf die Bestimmung der strafrechtlichen Pflichten von Gremiumsmitgliedern übertragen wird.89 Danach ist jedes Mitglied des Kollegialorgans grundsätzlich umfassend für alle Belange der Körperschaft, hier namentlich die Erfüllung der Offenbarungspflichten im Sinne des § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG bzw. der Aufsicht über die Mitarbeiter, verantwortlich. Eine Geschäftsaufteilung auf verschiedene Personen hat deshalb keine generell freistellende Wirkung für an sich unzuständige Gremiumsmitglieder.90 Gleichzeitig wird aber ganz überwiegend auch anerkannt, daß eine Aufteilung der Aufgaben auf verschiedene Personen weder zivil- noch strafrechtlich irrelevant sein kann.91 Klärungsbedürftig ist lediglich, inwieweit eine Entlastung des einzelnen durch eine Ressortaufteilung eintritt bzw. umgekehrt, welche Pflichten für ihn fortbestehen. ___________ 88 Allg. dazu Knauer, Kollegialentscheidung; Neudecker, Verantwortlichkeit; Schaal, Verantwortlichkeit; Weißer, Kausalitäts- und Täterschaftsprobleme. – Manipulationen durch mehrere Mitglieder eines Kollegialvorstand hat es durchaus gegeben, vgl. etwa LG Augsburg, ZIP 2001, 1881 ff. – Infomatec II. 89 Neudecker, Verantwortlichkeit, S. 27 m.w.N.; ausdr. offengelassen aber in BGHSt 37, 106, 123 – Lederspray. 90 Otto, in: Hopt/Wiedemann (Hrsg.), Aktiengesetz, Vor § 399 Rn. 97; BGHSt 31, 264, 277; BGH, ZIP 1996, 2017, 2019 f.; OLG Hamm, NJW 1971, 817. – Eine solche Möglichkeit generell verneinend Neudecker, Verantwortlichkeit, S. 249 m.w.N. 91 Schmidt-Salzer, Produkthaftung I, Rn. 1.119; Schünemann, Unternehmenskriminalität, S. 107 f.; s. auch BGHSt 37, 106, 124 – Lederspray; Busch, Unternehmen, S. 547 f.; Hilgendorf, Produzentenhaftung, S. 111 f.; Weißer, Kausalitäts- und Täterschaftsfragen, S. 74.

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Nach zutreffender Ansicht trifft alle Gremiumsmitglieder die Pflicht, das für eine Maßnahme konkret zuständige Mitglied in seiner Aufgabenwahrnehmung zu überwachen und gegebenenfalls selbst tätig zu werden. Diese Aufsichtspflicht beschränkt sich aber darauf nachzuprüfen, ob die Person ihren Aufgaben im allgemeinen gerecht wird (also insbesondere auf die Zuverlässigkeit und Fähigkeiten der Person) und umfaßt keine Verpflichtung, alle von ihr getroffenen Maßnahmen stets und auch sachlich zu überprüfen.92 Besteht also kein Anlaß, an der ordnungsgemäßen Aufgabenwahrnehmung durch das zuständige Gremiumsmitglied zu zweifeln, kommt eine Verantwortlichkeit der anderen Kollegen nicht in Betracht.93 Da die hier interessierende Marktmanipulation nur vorsätzlich begehbar ist94, genügt analog der Geschäftsherrenhaftung die fahrlässige Unkenntnis nicht, sondern das betreffende Gremiumsmitglied muß positiv Kenntnis vom nicht ordnungsgemäßen Verhalten seines Kollegen haben bzw. sich dieser Erkenntnis im Sinne eines bedingt vorsätzlichen Handelns bewußt verschließen. Wird es in diesem Falle dennoch nicht tätig, so kann ihm dies zum Vorwurf gemacht werden, selbst wenn es für die Erfüllung dieser Pflicht gemäß dem internen Geschäftsverteilungsplan gar nicht zuständig war. Wer also als Mitglied der Geschäftsleitung beispielsweise erkennt, daß eine die Gesellschaft treffende Offenbarungspflicht im Sinne des § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG vom dafür zuständigen Geschäftsleitungsmitglied nicht hinreichend erfüllt wird oder dieses seinen Pflichten aus der Geschäftsherrenhaftung nicht nachkommt, muß selbst tätig werden, um eine straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtliche Haftung für sich auszuschließen. Anderenfalls muß er sich trotz Unzuständigkeit im konkreten Fall so behandeln lassen wie die eigentlich zuständige Person.

b) Mitwirkung an Kollegialentscheidungen Bei der Mitwirkung an rechtswidrigen Kollegialentscheidungen ist nach der jeweiligen Entscheidung des betreffenden Mitgliedes zu differenzieren. Hat es für das rechtswidrige Verhalten abgestimmt95, dann ist es bei dessen Umsetzung auch straf- bzw. ordnungswidrigkeitenrechtlich verantwortlich. Seinem ___________ 92 Neudecker, Verantwortlichkeit, S. 171; U.H. Schneider, FS 100 Jahre GmbHGesetz, S. 473, 481 f.; Otto, in: Hopt/Wiedemann (Hrsg.), Aktiengesetz, Vor § 399 Rn. 97; Schlüchter, FS Salger, S. 139, 153 ff.; OLG Hamm, NJW 1971, 817 f.; zu weit hingegen HansOLG, GmbHR 1987, 272 f. 93 Otto, in: Hopt/Wiedemann (Hrsg.), Aktiengesetz, Vor § 399 Rn. 98. 94 Zur auch leichtfertig begehbaren Ordnungswidrigkeit vgl. u. A II 1 (S. 348). 95 Dies umfaßt einerseits, daß ein rechtswidriger Beschluß gefaßt wird sowie andererseits, daß pflichtwidrig ein (rechtmäßiger) Beschluß nicht gefaßt wird.

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8. Kap.: Rechtsfolgen von Verbotsverstößen

Einwand, die Entscheidung wäre auch ohne seine Stimme zustande gekommen, so daß es deshalb an der Kausalität fehle, kann entweder entgegen gehalten werden, er sei mit den anderen positiv Votierenden Mittäter, oder man bezieht sich auf die Konstruktion der kumulativen Kausalität bzw. die Theorie von der gesetzmäßigen Bedingung.96 Ebenso fehlt es nicht an der objektiven Zurechnung.97 Problematisch ist dagegen der umgekehrte Fall: Ein Gremiumsmitglied stimmt gegen einen rechtswidrigen Beschluß, wird dabei aber überstimmt. Einer Ansicht zufolge sollen – vornehmlich um anderenfalls drohenden Beweisschwierigkeiten zu entgehen – alle Mitglieder des Gremiums ohne Rücksicht auf ihre eigene Abstimmung für die Mehrheitsentscheidung einstehen müssen, es sei denn, sie legten ihr Mandat rechtzeitig nieder.98 Dem ist mit der ganz herrschenden Meinung zu widersprechen. Wer gegen einen Beschluß gestimmt hat, kann schlechterdings aus diesem (rechtmäßigen) Abstimmungsverhalten nicht haften.99 Damit ist jedoch noch nicht die Freistellung von jedweder Verantwortung verbunden.100 Vielmehr ist darauf abzustellen, ob dem rechtmäßig abstimmenden Mitglied ein Unterlassungsvorwurf im Hinblick auf die Nichtverhinderung des Beschlusses und dessen Umsetzung zu machen ist. Hierzu muß das Gremiumsmitglied eine Garantenstellung in Bezug auf das durch die (nicht mitgetragene) rechtswidrige Entscheidung beeinträchtigte Rechtsgut innehaben. Eine solche kann sich aber weder aus der Teilnahme an der Abstimmung (Ingerenz) ergeben, denn dies war als genuine Aufgabe eines Gremiumsmitgliedes rechtmäßig.101 Noch können die Grundsätze der Geschäftsherrenhaftung Anwendung finden, denn hierfür fehlt das diese legitimierende Über-/Unterordnungsverhältnis in bezug auf die weiteren Gremiumsmitglieder.102 ___________ 96 Eingehend zu den nur in der Begründung differierenden Ansätzen Neudecker, Verantwortlichkeit, S. 209-225 u. 260-264; Schaal, Verantwortlichkeit, S. 22-163; Weißer, Kausalitäts- und Täterschaftsprobleme, S. 105-119. 97 Vgl. wiederum Neudecker, Verantwortlichkeit, S. 225-235 u. 264. 98 In diese Richtung OLG Stuttgart, NStZ 1981, 27, 28; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13. September 1979 – 5 Ss 420/79 – 411/79 I, NJW 1980, 71 (LS); Goll, in: Westphalen (Hrsg.), Produkthaftungshandbuch1, § 46 Rn. 23. Ebenso für den Fall der Mitwirkung eines Richters an einer rechtsbeugenden Entscheidung Dencker, Kausalität, S. 182 f. 99 Joecks, in: Münchener Komm. StGB, § 25 Rn. 217; Neudecker, Verantwortlichkeit, S. 245. 100 So aber Heise, Insiderhandel, S. 171; wohl auch Assmann, AG 1994, 237, 249; ferner Böse, wistra 2005, 41, 43 ff.; Spendel, in: Leipziger Komm. StGB10, § 336 Rn. 109. 101 Neudecker, Verantwortlichkeit, S. 248. 102 So auch Heise, Insiderhandel, S. 170.

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Eine Garantenstellung ergibt sich aber aus der Verantwortlichkeit für Gefahren aus dem eigenen Organisationskreis.103 Diese verpflichtet die Person über die rechtmäßige Abstimmung hinaus, jedes rechtlich zulässige und ihr zumutbare Mittel zu ergreifen, um die deliktische Schädigung anderer zu verhindern.104 Es handelt sich damit also letztlich nicht um eine erst durch die Abstimmung ausgelöste Pflicht, sondern um eine die Organe und Leitungspersonen allgemein und jederzeit treffende Sonderverantwortlichkeit für Gefahren aus dem eigenen Organisationskreis. Allerdings ist hierbei die bereits dargestellte eingeschränkte Verantwortlichkeit außerhalb des eigenen Ressorts limitierend zu berücksichtigen.

5. Versuchsstrafbarkeit Der Versuch des § 38 II WpHG ist nicht strafbar, da es sich lediglich um ein Vergehen handelt und die Versuchsstrafbarkeit nicht ausdrücklich angeordnet ist (§§ 12 I, 23 I StGB). Insoweit § 38 II WpHG aber nur deshalb nicht vollendet ist, weil kein Erfolg eingetreten oder nachweisbar ist, greift stets § 39 I Nr. 1, 2 oder II Nr. 11 WpHG ein, da dort ein Erfolg nicht vorausgesetzt ist. Der Ordnungswidrigkeitentatbestand übernimmt damit die Ahndung von materialen Versuchskonstellationen.105

6. Sanktionen Als Sanktionen sieht das Gesetz Freiheitsstrafe bis fünf Jahre oder Geldstrafe vor. Daneben kommen sowohl ein Berufsverbot (§§ 70 ff. StGB) für den Täter106 als auch der Verfall (§§ 73 ff. StGB) in Betracht. Bei dem Verfall ist aber genau zu prüfen, ob gerade durch die Manipulation unmittelbar etwas erlangt wurde. Allein ein manipulierter Preis, der erst durch weitere Handlungen aus___________ 103

Siehe dazu o. bei Fn. 52; näher Weißer, Kausalitäts- und Täterschaftsprobleme, S. 178 ff. 104 BGHSt 9, 203, 215 f.; 37, 106, 131 f. – Lederspray; Fuhrmann, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff (Hrsg.), Aktiengesetz, § 399 Rn. 18; Geilen, Aktienstrafrecht, § 399 Rn. 46; Lücker, Straftatbestand, S. 144; Neudecker, Verantwortlichkeit, S. 248; Otto, in: Hopt/Wiedemann (Hrsg.), Aktiengesetz, Vor § 399 Rn. 99. Zu den zutreffenden Einschränkungen dabei vgl. Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 73 ff. 105 Der Anwendungsbereich des § 39 I Nr. 1, 2, II Nr. 11 WpHG ist aber nicht auf diese Fälle beschränkt. Inbesondere hindert fehlender Vollendungsvorsatz, der an sich eine Versuchsstrafbarkeit ausschließt, nicht die Ahndung als Ordnungswidrigkeit. Vgl. dazu u. 8. Kap. A II (S. 348). 106 Näher Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 38 Rn. 57.

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8. Kap.: Rechtsfolgen von Verbotsverstößen

genutzt werden soll, wird in der Regel keinen bezifferbaren und damit dem Verfall zugänglichen wirtschaftlichen Wert aufweisen.107

II. Die Marktmanipulation als Ordnungswidrigkeit (§ 39 I Nr. 1, 2, II Nr. 11 WpHG)

Der Ordnungswidrigkeitentatbestand unterscheidet sich vom Straftatbestand zunächst dadurch, daß er keinen Preiseinwirkungserfolg voraussetzt. Im Falle der vorsätzlichen Begehung ist er ansonsten jedoch völlig deckungsgleich. Auf diese Weise erfüllt der Tatbestand eine wichtige Auffangfunktion für die praktisch wohl häufigen Fälle, in denen ein Manipulationserfolg nicht nachgewiesen werden kann. Seit dem AnSVG ist daneben auch der leichtfertige Verstoß gegen § 20a I 1 Nr. 1 WpHG, also die leichtfertig begangene informationsgestützte Manipulation, als Ordnungswidrigkeit ahndbar.108

1. Tatbegehung durch Unterlassen Ordnungswidrig kann auch ein garantenpflichtwidriges Unterlassen sein (§ 8 OWiG). Hier sind zunächst die gleichen Grundsätze wie im Rahmen von § 13 StGB anwendbar.109 Besonderheiten ergeben sich aber im Bereich der Leichtfertigkeit. Da diese hier teilweise zur Tatbestandsverwirklichung genügt (§ 20a I 1 Nr. 1 i.V.m. § 39 II Nr. 11 WpHG), kann die Geschäftsherrenhaftung auch denjenigen treffen, der infolge leichtfertiger Unkenntnis nicht gegen die Verbreitung unrichtiger Angaben oder deren pflichtwidrige Nichtoffenbarung durch Untergebene einschreitet. Gleiches gilt analog im Rahmen der Verantwortlichkeit bei horizontaler Aufgabenverteilung.110

___________ 107

Vgl. dazu auch Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 38 Rn. 56. Näher u. A III 2 (S. 362). 109 Vgl. dazu o. A I 3 (S. 336). 110 Soweit allerdings ein leichtfertiger Verstoß gegen § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG in Frage steht, muß die Offenbarungspflicht auch den Täter treffen. § 14 OWiG, der an sich deren Vorliegen bei nur einem Beteiligten genügen läßt, ist nur auf die vorsätzliche Beteiligung anwendbar (allg.M., vgl. Rengier, in: Karlsruher Komm. OWiG, § 14 Rn. 5 m.w.N.). 108

A. Straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionierung

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2. Sanktionen Die Ordnungswidrigkeit kann im Falle der vorsätzlichen Begehung mit bis zu einer Million Euro (§ 39 IV WpHG)111, im Falle der leichtfertigen Begehung mit bis zu 500.000 Euro Bußgeld (§ 17 II OWiG i.V.m. § 39 IV WpHG) geahndet werden112. Daneben kommt auch hier die Gewinnabschöpfung nach § 17 IV OWiG und damit unter Umständen ein weitaus höherer Betrag in Betracht, vorausgesetzt, der Täter hat unmittelbar durch die Manipulation einen wirtschaftlichen Vorteil erlangt.113

3. Konkurrenz zwischen Straftat und Ordnungswidrigkeit Der Straftatbestand (§ 38 II WpHG) umfaßt den gesamten vorsätzlichen Ordnungswidrigkeitentatbestand (§ 39 I Nr. 1, 2, II Nr. 11 WpHG), der dadurch stets mitverwirklicht wird. Für derartige Fälle ordnet § 21 I 1 OWiG an, daß die Ordnungswidrigkeit im Wege der Subsidiarität zurücktritt114, jedoch nur, wenn tatsächlich eine Strafe verhängt wird (§ 21 II OWiG). Letzteres fehlt insbesondere im Falle der Einstellung des Strafverfahrens, entweder wegen fehlender Verurteilungswahrscheinlichkeit nach § 170 II StPO, weil dem Täter zwar die Manipulationshandlung, nicht aber der (eingetretene) Erfolg nachzuweisen ist oder aber aus Opportunitätsgründen nach §§ 153, 154a StPO.115

4. Exkurs: Geldbuße gegen juristische Personen und Personenvereinigungen (§ 30 OWiG) Sowohl Strafe (§ 38 II WpHG) als auch Geldbuße (§ 39 I Nr. 1, 2, II Nr. 11 WpHG) richten sich ausschließlich gegen natürliche Personen. § 30 OWiG ermöglicht es, darüber hinaus auch juristische Personen oder Personenvereini___________ 111 Das Höchstmaß der Geldbuße betrug nach dem 4. FMFG noch 1,5 Millionen Euro und wurde durch das AnSVG auf den nunmehr geltenden Betrag reduziert. Zu den Gründen für diesen Schritt finden sich in den Materialien keine Hinweise. 112 Der RefE AnSVG, abgedruckt in: ZBB 204, 168, 189, sah für die leichtfertige Marktmanipulation ein Höchstmaß von lediglich 200.000 Euro vor. Für diese drastische Erhöhung fehlt ebenfalls eine Begründung. 113 Dies wird in einer Vielzahl von Fällen aber gerade nicht der Fall sein, vgl. dazu Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 39 Rn. 56 sowie bereits o. A I 6 (S. 347). 114 So geschehen bspw. im Fall EM.TV (LG München I, NJW 2003, 2328, 2331), wo dieselbe Handlung sowohl eine Ordnungswidrigkeit nach § 39 I Nr. 1 i.V.m. § 20a I 1 Nr. 1 WpHG als auch eine Straftat nach § 400 AktG darstellte und deshalb nur wegen letzterer verurteilt wurde. 115 Weitere Gründe bei Bohnert, in: Karlsruher Komm. OWiG, § 21 Rn. 20 ff.

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8. Kap.: Rechtsfolgen von Verbotsverstößen

gungen mit einer Geldbuße für Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten ihrer Organe oder Vertreter zu belegen. Dahinter steht die Überlegung, daß häufig dem Verband die Vorteile der Tat zukommen, so daß allein die Sanktionierung des Täters keine ausreichende Ahndung des Verstoßes darstellt, namentlich weil sich die Schwere der Sanktion (auch) nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters richtet und nicht nach denen des Verbandes als eigentlich Profitierendem. Zudem ist denkbar, daß das Unternehmen die Geldbuße oder Geldstrafe für den Täter übernimmt. Adressat der Vorschrift sind juristische Personen (AG, GmbH etc.), nichtrechtsfähige Vereine und Personenhandelsgesellschaften (oHG, KG, umstritten für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts116). Umstritten ist ferner, ob Geldbußen gegen ausländische juristische Personen bzw. Personenvereinigungen möglich sind. Dagegen könnte insbesondere der Wortlaut von § 30 OWiG sprechen, der sprachlich auf deutsche Verhältnisse zugeschnitten ist. Andererseits ist nicht zu verkennen, daß der Gesetzgeber zunehmend auch internationale Sachverhalte in seine Regelungen mit einbezieht. So begründet gerade das WpHG auch für Unternehmen mit Sitz im Ausland Pflichten (vgl. etwa §§ 15 IV 4, 26 III, 32 III WpHG; ferner § 38 V WpHG). Ebenso wurde bereits ausführlich die Anwendbarkeit des Manipulationsverbotes auf Taten mit Auslandsbezug dargestellt.117 Insofern spricht viel dafür, grundsätzlich auch ausländische juristische Personen und Personenvereinigungen als Normadressat von § 30 OWiG anzuerkennen.118 Als Anknüpfungstat kommt zum einen jede Straftat oder Ordnungswidrigkeit in Betracht, durch die Pflichten, die die juristische Person oder die Personenvereinigung treffen, verletzt werden (§ 30 I Alt. 1 OWiG). Das können wie bei § 130 OWiG auch Allgemeindelikte sein, sofern diese betriebsbezogen sind.119 Erfaßt sind damit alle Verstöße gegen § 20a I 1 WpHG, wenn und soweit der Bezug zum Unternehmen besteht.120 Eine betriebsbezogene Pflicht ist aber auch die Aufsichtspflicht, so daß jede Ordnungswidrigkeit nach § 130 ___________ 116 Verneinend BayObLG, NStZ-RR 1997, 94; nach Göhler, OWiG, § 30 Rn. 6, soll dies trotz der die Rechtsfähigkeit der GbR bejahenden Entscheidung BGHZ 146, 341 auch weiterhin gelten; dagegen auf dieser Grundlage bejahend Bohnert, OWiG, § 30 Rn. 14; kritisch gegen den Ausschluß bereits Cramer, in: Karlsruher Komm. OWiG1, § 30 Rn. 29 ff.; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 113. 117 Vgl. dazu o. 6. Kap. C I (S. 221). 118 Ausf. Cramer, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG2, Vor § 38 Rn. 80 ff.; Papachristos, Sanktionen, S. 137 ff.; ferner Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 39 Rn. 56. 119 Cramer, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG2, Vor § 38 Rn. 68; Göhler, OWiG, § 30 Rn. 18 ff. 120 Zu den Einzelheiten vgl. o. A I 3 a (S. 337) und A I 3 b (S. 340).

A. Straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionierung

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OWiG eine für § 30 OWiG taugliche Anknüpfungstat darstellt.121 Zum anderen kommt als Bezugstat jede Straftat oder Ordnungswidrigkeit in Betracht, die die juristische Person oder Personenvereinigung bereichert hat oder bereichern sollte (§ 30 I Alt. 2 OWiG).122 Damit sind derartig bezweckte Manipulationen auch dann erfaßt, wenn man im Rahmen der Alt. 1 nur Sonderdelikte (hier also lediglich Verstöße gegen § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG) genügen ließe. In jedem Fall müssen mit der Tat (auch) Interessen der juristischen Person bzw. Personenvereinigung verfolgt werden, so daß lediglich eigennützige Taten keine Haftung nach § 30 OWiG begründen.123 Wenn also etwa ein Analyst, der zugleich Vorstand der Wertpapierdienstleistungs-AG (vgl. § 30 I Nr. 1 OWiG) ist, seine berufliche Stellung zu ausschließlich eigennützigen Manipulationen ausnutzt, so liegt darin zwar eine Verletzung einer betriebsbezogenen Pflicht, die bei Verletzung durch einen Angestellten eine Haftung des Geschäftsherren nach § 130 OWiG auslösen könnte, jedoch keine Tat im Interesse der AG und § 30 OWiG kommt nicht zur Anwendung. Eine solche Konstellation dürfte jedoch eher theoretischer Natur sein. Die Täter der Anknüpfungstat sind in § 30 I Nr. 1-3 OWiG zwar enumerativ aufgezählt. Da aber auch die ordnungswidrige Aufsichtspflichtverletzung (§ 130 OWiG) taugliche Anknüpfungstat ist, werden faktisch darüber hinaus in vielen Fällen ebenso Taten anderer Personen erfaßt. Begeht beispielsweise ein Angestellter eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens eine Manipulation, die durch gehörige Aufsicht verhindert oder wesentlich erschwert worden wäre (§ 130 OWiG), dann liegt darin in Verbindung mit § 9 OWiG zugleich ein Verstoß im Sinne von § 30 OWiG und es kommt eine Unternehmensbuße in Betracht.124 Die Höhe der Geldbuße beträgt bei vorsätzlichen Straftaten (§ 38 II WpHG) als Bezugstat 500.000 Euro (§ 30 II 1 Nr. 1 OWiG) und bei Ordnungswidrigkeiten bis zum jeweils dort angedrohten Höchstmaß (bei Leichtfertigkeit die Hälfte, § 17 II OWiG). Eine vorsätzliche Manipulation als Ordnungswidrigkeit (§ 39 I Nr. 1, 2, II Nr. 11 WpHG) kann daher mit bis zu einer Million Euro geahndet werden. Die gleiche Höchstsumme, mindestens aber 500.000 Euro, gilt für die Straftat nach § 38 II WpHG, da diese stets die vorsätzliche Ordnungswidrigkeit nach § 39 I Nr. 1, 2 oder II Nr. 11 WpHG umfaßt. Daneben kommt die Gewinnabschöpfung nach § 17 IV OWiG in Betracht (§ 30 III OWiG). Im ___________ 121

Rogall, in: Karlsruher Komm. OWiG, § 30 Rn. 75. Näher Cramer, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG2, Vor § 38 Rn. 69 f. 123 Vgl. Rogall, in: Karlsruher Komm. OWiG, § 30 Rn. 93 ff. 124 Ebenso Cramer, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG2, Vor § 38 Rn. 53; Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 39 Rn. 58. 122

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8. Kap.: Rechtsfolgen von Verbotsverstößen

Regelfall stellt damit der dem Verband aus der Tat zugeflossene Gewinn die untere Grenze der Geldbuße dar.125 Die Verhängung einer Unternehmensgeldbuße nach § 30 OWiG setzt nicht voraus, daß der Täter der Anknüpfungstat ermittelt wird. Es genügt insoweit, daß ein dem Verband zurechenbarer Verstoß feststeht. Damit ist ausgeschlossen, daß eine Verbandsstrafe nur deshalb unterbleiben muß, weil durch geschickte innerbetriebliche Organisation die Ermittlung des Täters unmöglich gemacht wurde.

III. Subjektiver Tatbestand der Sanktionsnormen (§§ 38 II, 39 I Nr. 1, 2, II Nr. 11 WpHG)

Nach bisherigem Recht waren nur vorsätzliche Verstöße gegen das Manipulationsverbot straf- bzw. bußbar, da die fahrlässige Begehung jeweils nicht ausdrücklich einbezogen war (vgl. § 15 StGB, 10 OWiG). Mit dem Inkrafttreten des AnSVG hat sich für den Bereich strafbarer Manipulationen (§ 38 II WpHG) daran nichts geändert, so daß wie bisher ausschließlich vorsätzliches Verhalten relevant ist. Für eine ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktion ist dagegen nunmehr punktuell (sc. für einen Verstoß gegen § 20a I 1 Nr. 1 WpHG) zusätzlich zur vorsätzlichen auch eine leichtfertige Tatbegehung ausreichend (§ 39 II Nr. 11 WpHG).

1. Vorsätzliche Tatbegehung Der Vorsatz muß sich auf alle Tatbestandsmerkmale beziehen; insbesondere ist auch die zur Straftat qualifizierende tatsächliche Preiseinwirkung (§ 38 II WpHG) vorsatzbedürftig und nicht lediglich objektive Strafbarkeitsbedingung.126 Als Vorsatzform genügt jeweils bedingter Vorsatz. Dieser liegt vor, wenn der Täter die Möglichkeit der Verwirklichung des Tatbestandsmerkmals ernst nimmt, aber sich damit abfindet127 bzw. wenn er die Verwirklichung für möglich hält und diese billigend in Kauf nimmt128. ___________ 125

Vgl. BGH, NJW 1975, 269, 270; näher zum Ganzen Cramer, in: Assmann/ Schneider (Hrsg.), WpHG2, Vor § 38 Rn. 72 ff. 126 Näher Trüstedt, Verbot, S. 124. 127 So die h.L., vgl. Jescheck/Weigend, AT, § 29 III 3 a (S. 299); Rudolphi, in: System. Komm. StGB, § 16 Rn. 43. 128 So insb. die Rspr., vgl. BGHSt 7, 363; 369 f.; 36, 1, 9 f.

A. Straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionierung

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Weitere Anforderungen stellen die Tatbestände nicht. Namentlich ist eine Schädigungs- oder Bereicherungsabsicht nicht notwendig, so daß auch wohlgemeinte oder altruistisch motivierte Manipulationen umfaßt sind.129 Gleiches gilt, wenn dem Täter die Beeinflussung gar unerwünscht ist. Schließlich bedarf es nunmehr für alle Tatbestandsvarianten keiner Manipulationsabsicht (wie bei § 88 BörsG a.F.) mehr.

a) Exkurs: Preiseinwirkungsabsicht in § 20a I 1 Nr. 2 WpHG [4. FMFG], § 88 BörsG a.F. Nach § 20a I 1 Nr. 2 WpHG [4. FMFG] waren Handlungen nur verboten und Verstöße dagegen straf- und ahndbar, wenn der Täter handelte, um auf den Börsen- oder Marktpreis eines Vermögenswertes einzuwirken. Der Tatbestand enthielt damit partiell ein aus § 88 BörsG a.F. bekanntes Absichtserfordernis. Nach herrschender Meinung verlangte dies nach dolus directus ersten Grades, so daß es dem Täter gerade auf die Einwirkung ankommen mußte und das bloß sichere Wissen einer Einwirkung (im Sinne von dolus directus II) nicht genügte.130 Dieses Absichtserfordernis war im ursprünglichen Gesetzentwurf zum 4. FMFG nicht enthalten und wurde erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens aufgenommen, da es als entscheidendes Kriterium zur Abgrenzung zwischen legitimen Transaktionen und unerwünschten Manipulationen dienen sollte und der Unrechtsgehalt auf der subjektiven Seite liegend angesehen wurde.131 Dem wurden verschiedene Bedenken entgegengehalten, etwa daß eine solche Absicht kaum jemals nachzuweisen wäre.132 Zudem sei die subjektivierende Auffassung unter anderem auch deshalb verfehlt, weil ebenso bei der erlaubten Kurspflege, namentlich dem Rückkauf eigener Aktien, eine Preiseinwirkungsabsicht vorliege.133 ___________ 129 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 99, 121, 171; Park, BB 2003, 1513, 1515. 130 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG3, § 20a Rn. 98 m.w.N. (dafür sprach u.a. der Wille des Gesetzgebers: „Ziel“, „Zweck“); a.A. (dolus directus II einbeziehend) ausf. Tripmaker, wistra 2002, 288 ff.; Ziouvas, ZGR 2003, 113, 142. 131 Bericht des Finanzausschusses zum RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8601, S. 19; Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 46; Lenzen, ZBB 2002, 279, 285; Möller, WM 2002, 309, 313, 316; Rudolph, BB 2002, 1036, 1041; ferner Empfehlungen der Ausschüsse (BR) zum MMRL-Vorschlag, BR-Drs. 504/1/01, S. 2. 132 Park, BB 2003, 1513, 1514; Ziouvas, ZGR 2003, 113, 142; gegen das Absichtserfordernis des § 88 BörsG a.F. de lege ferenda Kaiser, WM 1997, 1557, 1563 f.; s. ferner Weber, NZG 2000, 113, 116. 133 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG3, § 20a Rn. 97.

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8. Kap.: Rechtsfolgen von Verbotsverstößen

Die Preiseinwirkungsabsicht wurde durch das AnSVG ersatzlos gestrichen, was die Frage aufwirft, wie nunmehr die Abgrenzung zwischen erlaubten Handelstechniken und verbotenen Manipulationen erfolgen soll. Dies gilt insbesondere für die handelsgestützten Manipulationen. So ist es bisher auch im häufig als Vorbild herangezogenen US-amerikanischen Recht nicht gelungen, allein auf objektive Umstände abzustellen und auf die manipulative Absicht zu verzichten.134 Möglicherweise gibt es zumindest für diese Fälle keine objektiven Merkmale, die eine sachgerechte Differenzierung erlauben.135 Eine Vorschrift zur Verhinderung von handelsgestützten Manipulation, die auf ein subjektives Element verzichtet, dabei aber zugleich den legitimen Handel nicht beeinträchtigt, ist daher nicht denkbar.136 Aber auch im Bereich des sonstigen Täuschungshandlungen (§ 20a I 1 Nr. 3 WpHG) bedarf es einer subjektiven Komponente.137

b) Besonderheiten bei Vorsatz und Irrtum Die vom Gesetzgeber gewählte Regelungstechnik mit der Sanktionsnorm in den §§ 38, 39 WpHG, die von der Verbotsnorm (§ 20a WpHG) und der MaKonV ausgefüllt wird, sowie die Vielzahl von normativen Tatbestandsmerkmalen bedingen einige Besonderheiten hinsichtlich des Vorsatzes und der Behandlung von diesbezüglichen Irrtümern.

(1) Blankettatbestände Diese treten noch nicht im Verhältnis von §§ 38, 39 WpHG zu § 20a WpHG auf, denn dabei handelt es sich lediglich um sog. unechte Blankette, die wie eine zusammenhängende Norm zu behandeln sind.138 Allein die gesetzestechnisch bedingte Aufspaltung in zwei Paragraphen desselben Gesetzes führt nicht zu einer unterschiedlichen Behandlung. Insbesondere ist der Verstoß gegen § 20a WpHG nicht etwa ein normatives Tatbestandsmerkmal der §§ 38 und 39 WpHG. ___________ 134

So verlangt Sec. 9 (a) (1) SEA die Absicht, einen falschen oder irreführenden Anschein aktiven Handels oder in Bezug auf die Marktlage hervorzurufen, Sec. 9 (a) (2) und (4) SEA die Absicht, andere zum Verkauf oder Kauf zu veranlassen und Sec. 9 (a) (3) SEA die Absicht, einen Preis zu erhöhen oder zu drücken. 135 So Bartsch, Effektives Kapitalmarktrecht, S. 92; Lenzen, ZBB 2002, 279, 285; Möller, WM 2002, 309, 316: kritisch auch Dier/Fürhoff, AG 2002, 604, 609 f. 136 Eingehend dazu o. 7. Kap. B III (S. 290) und IV (S. 293). 137 Eingehend dazu o. 7. Kap. C II 2 d (S. 310). 138 Ebenso Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 38 Rn. 48. Vgl. auch o. 4. Kap. C II 1 (S. 164).

A. Straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionierung

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Die vorsatz- und irrtumsrechtliche Behandlung von echten Blankettatbeständen hingegen ist umstritten.139 Nach einer Ansicht muß der Tatbestandsvorsatz nicht nur den Inhalt der blankettausfüllenden Norm umfassen, sondern auch deren Existenz, so daß ein diesbezüglicher Irrtum in der Regel als vorsatzausschließender Irrtum nach § 16 I 1 StGB/§ 11 I 1 OWiG zu behandeln ist.140 Nach der herrschenden Gegenansicht ist dagegen die blankettausfüllende Norm als Bestandteil des Tatbestandes anzusehen, und auf das komplettierte Gesetz sind die allgemeinen Irrtumsregeln anzuwenden.141 Damit ist zwar ein Irrtum über das Vorliegen eines Tatbestandsmerkmals der ausfüllenden Norm gem. § 16 I 1 StGB/§ 11 I 1 OWiG vorsatzausschließend; ein Irrtum über die Existenz oder Auslegung der ausfüllenden Norm hingegen lediglich ein Verbotsirrtum. Die zweite Ansicht ist damit für den Täter ungünstiger, da ihn die Unkenntnis der blankettausfüllenden Norm anders als nach der ersten Ansicht nicht entlastet. Gleichwohl ist sie vorzugswürdig. Für sie spricht die Konsistenz innerhalb der Irrtumsdogmatik. Zudem bedeutet die erste Ansicht eine Wiederbelebung der Vorsatztheorie.142 Schließlich ermöglicht es die herrschende Auffassung, im Rahmen der Vermeidbarkeit flexibel auf den Irrtumseinwand des Täters zu reagieren, bis hin zum Ausschluß der Schuld oder Vorwerfbarkeit.143

(2) Normative Tatbestandsmerkmale Daneben resultieren besondere Schwierigkeiten daraus, daß der Tatbestand des § 20a WpHG eine Vielzahl von normativen Tatbestandsmerkmalen enthält. Diese unterscheiden sich von den deskriptiven Merkmalen dadurch, daß sie nicht kognitiv feststellbar sind, sondern einer (rechtlichen) Bewertung bedürfen.144 Es genügt deshalb nicht schon die Kenntnis der dieser zugrundeliegenden Umstände; statt dessen muß der Täter diese Bewertung sinngemäß nachvollziehen (sog. Parallelwertung in der Laiensphäre), um diesbezüglich vorsätzlich zu handeln.145 Dazu bedarf es zwar keiner juristisch exakten Subsumtion; ___________ 139 Ausf. dazu Dietmeier, Blankettstrafrecht, S. 152 ff.; Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 283-346; Warda, Abgrenzung. 140 Lange, JZ 1956, 73, 76, 79; ders., JZ 1957, 233 ff.; Lang-Hinrichsen, GA 1957, 225, 228; Bockelmann/Volk, § 14 III 7; Puppe, GA 1990, 145, 166; ausf. Enderle, Blankettstrafgesetze, S. 332 ff.; ähnlich das RG, RGSt 49, 323, 327; 56, 337, 339. 141 Jescheck/Weigend, AT, § 29 V 3 (S. 309) m.w.N.; Rengier, in: Karlsruher Komm. OWiG, § 11 Rn. 25; Warda, Abgrenzung, S. 36 ff.; Welzel, MDR 1952, 584, 586. 142 Vgl. Rengier, in: Karlsruher Komm. OWiG, § 11 Rn. 26. 143 Ausf. dazu u. A III 1 d (S. 360). 144 Roxin, AT I, § 10 Rn. 58. 145 Rudolphi, in: System. Komm. StGB, § 16 Rn. 23; Rengier, in: Karlsruher Komm. OWiG, § 11 Rn. 15 ff. m.w.N.; BayObLG, wistra 1995, 158, 159.

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8. Kap.: Rechtsfolgen von Verbotsverstößen

notwendig ist aber volle Bedeutungskenntnis des fraglichen Merkmals.146 Diese kann durchaus mit der rechtlichen Auslegung des Merkmales zusammenfallen.147 Das hat zur Folge, daß eine Reihe von Irrtümern, die bei deskriptiven Tatbestandsmerkmalen als nur bei Unvermeidbarkeit die Schuld bzw. Vorwerfbarkeit ausschließende Verbotsirrtümer (§ 17 S. 1 StGB/§ 11 II OWiG) behandelt würden, zu vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtümern (§ 16 I 1 StGB/ § 11 I 1 OWiG) werden.

c) Vorsatz und Irrtum im einzelnen (1) Unrichtigkeit der Angaben (§ 20a I 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG) Vorsätzliche Tatbegehung von § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG setzt voraus, daß der Täter die Unrichtigkeit der gemachten Angabe mindestens für möglich hält und billigend in Kauf nimmt. Bedingt vorsätzlich handelt deshalb beispielsweise auch derjenige, der Angaben „ins Blaue hinein“ macht, ohne sich näher mit deren Wahrheitsgehalt zu befassen und diese Angaben dann tatsächlich unrichtig sind. Dagegen handelt er nur fahrlässig, wenn er die Angaben nach einer – wenn auch möglicherweise nicht hinreichenden – Prüfung oder aus anderen Gründen für wahr hält. Beruht die Unrichtigkeit darauf, daß objektiv unvollständige Angaben gemacht wurden148 oder gegen normative Richtigkeitsmaßstäbe verstoßen wurde149, so muß dem Täter der Sollzustand bewußt gewesen sein.150 Diese Grundsätze gelten entsprechend auch für Vorsatz und Irrtum in Bezug auf irreführende Angaben.

(2) Bewertungserheblichkeit (§ 20a I 1 Nr. 1 Alt. 1 und Alt. 2 WpHG) Die Bewertungserheblichkeit eines Umstandes ist ein normatives Tatbestandsmerkmal. Daraus folgt, daß der Täter nicht nur die dem Bewertungserheblichkeitsurteil zugrundeliegenden Umstände kennen, sondern daraus auch die entsprechenden Schlüsse ziehen muß. Er muß also bei einer Parallelwertung ___________ 146

Jescheck/Weigend, AT, § 29 II 3 a (S. 295). So (für §§ 264a und 265b StGB) Tiedemann, in: Leipziger Komm. StGB, § 264a Rn. 66 und § 265b Rn. 98. 148 Vgl. dazu o. 7. Kap. A I 2 f (S. 247). 149 Vgl. dazu o. 7. Kap. A I 2 g (S. 249). 150 Näher (für §§ 264a und 265b StGB) Tiedemann, in: Leipziger Komm. StGB, § 264a Rn. 66 und § 265b Rn. 100; ebenso Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 101. 147

A. Straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionierung

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in der Laiensphäre die Bewertungserheblichkeit einer gemachten Angabe erkennen; anderenfalls befindet er sich in einem Tatbestandsirrtum (§ 16 I 1 StGB/§ 11 I 1 OWiG).151 Den zu erwartenden Einwänden, man habe die Bewertungserheblichkeit nicht erkannt, ist zum einen damit zu begegnen, daß zumindest institutionellen Marktteilnehmern – und um solche handelt es sich üblicherweise bei Manipulanten – ein erhöhter Kenntnisgrad in Bezug auf Funktionsabläufe im Börsengeschehen und damit auch hinsichtlich der Bewertungserheblichkeit eines Umstandes unterstellt werden kann.152 Und zum anderen liegt bei vorsätzlichen unrichtigen Angaben ein Schluß auf die Kenntnis von deren Bewertungserheblichkeit nahe.153 Das gleiche gilt bei vorsätzlichem Verschweigen eines Umstandes entgegen einer entsprechenden Offenbarungspflicht.154

(3) Preiseinwirkungseignung (§ 20a I 1 Nr. 1 Alt. 1 und Alt. 2, Nr. 3 WpHG) Ebenso ist die Eignung zur Preiseinwirkung ein normatives Tatbestandsmerkmal. Es sind deshalb die gleichen Grundsätze anwendbar. Auch hier genügt die Kenntnis der dem Eignungsurteil zugrunde liegenden Umstände (Beurteilungsgrundlage) nicht, sondern der Täter muß daraus entsprechende Schlüsse ziehen. Er muß also die wesentlichen Erfahrungssätze, die einem Umstand die Preiseinwirkungseignung zuschreiben, kennen. Da die Preiseinwirkungseignung kein aliud, sondern ein Minus zur tatsächlichen Preiseinwirkung (§ 38 II WpHG) ist, umfaßt der Vorsatz, auf einen Preis einzuwirken, stets auch den Vorsatz hinsichtlich der Eignung eines Verhaltens dazu.

(4) Rechtsvorschrift zur Offenbarung (§ 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG) § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG verlangt ein Verschweigen entgegen bestehender Rechtsvorschriften. Dieser Verweis ist kein normatives Tatbestandsmerkmal von § 20a WpHG, sondern ein (echter) Blankettverweis.155 Der Vorsatz des Täters muß sich deshalb zwar auf das Vorliegen der die Offenbarungspflicht auslösenden Umstände erstrecken; die sich daraus ergebende Offenbarungs___________ 151 Ebenso Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 101; vgl. (für § 264a StGB) Samson/Günther, in: System. Komm. StGB, § 264a Rn. 54. 152 Sorgenfrei, wistra 2002, 321, 330. 153 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 101. 154 Vgl. dazu u. Fn. 169 (S. 361). 155 Vgl. o. 4. Kap. C II 1 (S. 164).

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8. Kap.: Rechtsfolgen von Verbotsverstößen

pflicht selbst und sogar die Kenntnis der Rechtsvorschrift müssen hingegen nicht umfaßt sein. Ein Irrtum hinsichtlich der Existenz oder Reichweite einer Rechtsvorschrift zur Offenbarung ist also grundsätzlich nur ein für den Vorsatz irrelevanter Gebotsirrtum.156 Damit wird im Ergebnis vom Täter verlangt, daß er alle ihn betreffenden Offenbarungspflichten kennt und befolgt. Das kann angesichts der Vielzahl von Vorschriften, die den verschiedensten Gesetzen verstreut sind, Zweifel an der Zumutbarkeit hervorrufen. Auch aus diesem Grunde soll nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht im Nebenstrafrecht und im Ordnungswidrigkeitenrecht bei fehlendem Unrechtsbewußtsein (das heißt hier auch bei fehlender Kenntnis der Existenz der Norm) der Vorsatz zu verneinen sein.157 Dies ist in dieser Allgemeinheit aber aus den oben158 genannten Gründen abzulehnen. Statt dessen ist zu bedenken, daß zum straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Unterlassungsvorsatz mehr gehört, als schlicht das Bewußtsein, nichts zu tun. Dies würde den Vorsatzbegriff entleeren. Vielmehr gehört zum Unterlassungsvorsatz das aktuelle und konkrete (Mit-)Bewußtsein, die Verwirklichung des Tatbestandes durch eigenes Handeln verhindern zu können.159 Gleichwohl bleibt damit ein weiter Bereich des Unterlassens vorsätzlich, selbst wenn die Gebotsnorm und konkrete Sollenspflicht unbekannt war. Im Einzelfall kann dies als unvermeidbar anzusehen sein und damit die Schuld bzw. Vorwerfbarkeit entfallen lassen (§ 17 S. 1 StGB, § 11 II OWiG).160 Dabei gilt, daß je weniger selbstverständlich das Gebot des Gesetzes ist, desto eher entschuldigt werden kann, wer es aus Unkenntnis übertritt161, ein Gebotsirrtum also eher entschuldbar ist als ein Verbotsirrtum162. ___________ 156

Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 102; Sorgenfrei, in: Park (Hrsg.), Kapitalmarkt-Strafrecht, 4. Abschnitt, Rn. 82. – Im Kernstrafrecht entspricht dies der h.M., vgl. Hellmann, in: Nomos Komm. StGB, § 265b Rn. 57; Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, § 265b Rn. 48 (für § 265b StGB); Lenckner/ Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, § 264 Rn. 62; Samson/Günther, in: System. Komm. StGB, § 264 Rn. 90; Schmidt-Hieber, NJW 1980, 322, 326 f. (jew. für § 264a StGB); allg. BGHSt 19, 295, 298 f. 157 Vgl. die Nachw. in o. Fn. 140. Im Ergebnis ähnlich die Ansicht von Schwark, BörsG, § 88 Rn. 11, nach der die Existenz der Offenbarungspflicht (nicht auch deren Umfang) in den Vorsatz aufgenommen sein muß, so daß Unkenntnis der Rechtsvorschrift den Vorsatz entfallen läßt, ein Irrtum über deren Umfang hingegen lediglich nach § 17 StGB zu behandeln ist. 158 A III 1 b (S. 354). 159 Backes, Problematik, 162, 168 f., 173 f.; Cramer/Sternberg-Lieben, in: Schönke/ Schröder, StGB, § 15 Rn. 94; Rengier, in: Karlsruher Komm. OWiG, § 11 Rn. 34. 160 Näher dazu u. A III 1 d (S. 360). 161 BGHSt 19, 295, 299. 162 BGHSt 16, 155, 160; BGH, NJW 1964, 1330, 1331.

A. Straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionierung

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(5) Eignung, falsche oder irreführende Signale zu geben bzw. ein künstliches Preisniveau herbeizuführen (§ 20a I 1 Nr. 2 WpHG) Die Eignung, falsche oder irreführende Signale für das Angebot, die Nachfrage oder den Preis eines Finanzinstrumentes zu geben (§ 20a I 1 Nr. 2 Alt. 1 WpHG), ist ebenso ein normatives Tatbestandsmerkmal wie die Eignung, ein künstliches Preisniveau herbeizuführen. Hinsichtlich des Eignungsurteils als solchem sind dabei die gleichen Grundsätze anwendbar wie bei der Preiseinwirkungseignung.163

(6) Sonstige Täuschungshandlung (§ 20a I 1 Nr. 3 WpHG) Auch die sonstige Täuschungshandlung in § 20a I 1 Nr. 3 WpHG ist ein normatives Tatbestandsmerkmal, das einer Parallelwertung in der Laiensphäre bedarf. Der Täter muß hierfür erkannt haben, daß sein Verhalten Täuschungswert besitzt, das heißt geeignet ist, auf das Vorstellungsbild eines anderen einzuwirken, ihn irrezuführen. Wenn aber der Täter die Täuschungseignung seines Verhaltens zutreffend erkannt hat, so handelt er auch dann vorsätzlich, wenn er annimmt, diese Verhaltensweise sei börsen- oder marktüblich und daher erlaubt. Dieser Verbotsirrtum schließt lediglich bei Unvermeidbarkeit die Schuld bzw. Vorwerfbarkeit aus (§ 17 S. 1 StGB, § 11 II OWiG).164 Nach hier vertretener Ansicht besitzt die sonstige Täuschungshandlung zusätzlich eine besondere subjektive Komponente.165 Der Täter muß deshalb nicht nur Vorsatz in Bezug auf die Täuschungsgeeignetheit seines Verhaltens aufweisen, sondern es muß ihm (auch) auf die Täuschung ankommen. Dafür genügt dann aber weder bedingter Vorsatz noch Wissentlichkeit, sondern der Täter muß absichtlich im Sinne eines dolus directus ersten Grades handeln.

(7) MaKonV Soweit die MaKonV reicht und Legaldefinitionen, Beispiele, zulässige Marktpraktiken und safe-harbor-Regeln aufstellt, sind diese irrtumsrechtlich als Tatbestandsmerkmale zu behandeln. Das bedeutet, Fehler hinsichtlich ihrer Existenz oder Auslegung sind bloße nach § 17 StGB (§ 11 II OWiG) zu behandelnde Verbotsirrtümer, es sei denn, der Irrtum betrifft die Parallelwertung in ___________ 163

Vgl. dazu o. A III 1 c (3) (S. 357). Ebenso Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 96. – Näher zum Verbotsirrtum u. A III 1 d (S. 360). 165 Vgl. dazu o. 7. Kap. C II 2 d (S. 310). 164

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8. Kap.: Rechtsfolgen von Verbotsverstößen

der Laiensphäre. Diese würde sogar den Vorsatz ausschließen. Fehleinschätzungen über das Vorliegen von Tatbestandsmerkmalen der Verordnung in tatsächlicher Hinsicht hingegen sind stets nach § 16 I 1 StGB (§ 11 I 1 OWiG) zu behandelnde Tatbestandsirrtümer.166

(8) Preiseinwirkung (§ 38 II WpHG) Der Vorsatz hinsichtlich einer Preiseinwirkung ist dann zu bejahen, wenn der Täter die Möglichkeit einer Preiseinwirkung erkennt (ernst nimmt), sie aber billigend in Kauf nimmt. Der Vorsatz braucht dabei weder Richtung noch Stärke der Preiseinwirkung umfassen, sondern lediglich ihr Vorliegen. Es ist deshalb unschädlich (und nicht etwa eine vorsatzrelevante Abweichung vom Kausalverlauf), wenn eine Manipulation dergestalt fehlschlägt, daß statt einer Preissteigerung eine Verringerung eintritt oder umgekehrt. In objektiver Hinsicht ist die Preiseinwirkung die Fortsetzung der Preiseinwirkungseignung. Der Preiseinwirkungsvorsatz im Sinne des § 38 II WpHG umfaßt deshalb stets den Vorsatz hinsichtlich der Preiseinwirkungseignung.

d) Vermeidbarkeit eines Verbotsirrtums Die Annahme des Täters, rechtmäßig zu handeln, ist lediglich ein Verbotsirrtum, der nur im Falle der Unvermeidbarkeit die Schuld bzw. Vorwerfbarkeit ausschließt (§ 17 S. 1 StGB, § 11 II OWiG). Verbotsirrtümer sind bei dem Verbot der Marktmanipulation insbesondere in zwei Konstellationen zu erwarten. Die erste (und wohl wichtigste) Fallgruppe bilden die Rechtsvorschriften zur Offenbarung (§ 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG). Nach hier vertretener Ansicht läßt ein Irrtum über deren Existenz nicht den Vorsatz, sondern lediglich das Unrechtsbewußtsein entfallen (§ 17 S. 1 StGB, § 11 II OWiG). Zum anderen sind Verbotsirrtümer denkbar in Grenzbereichen des Verbotes, wie etwa zwischen noch erlaubtem effektiven Handel und bereits verbotener Manipulation (§ 20a I 1 Nr. 2 WpHG) und den sonstigen Täuschungshandlungen (§ 20a I 1 Nr. 3 WpHG), aber auch bei den Aktienrückkaufprogrammen und Stabilisierungsmaßnahmen (§ 20a III WpHG) sowie der zulässigen Marktpraxis nach § 20a II WpHG. Jeweils führt dies zu der Frage, wann ein solcher Irrtum unvermeidbar ist, so daß die Schuld bzw. Vorwerfbarkeit entfällt (§ 17 S. 1 StGB, § 11 II OWiG). Die Rechtsprechung stellt hier hohe Anforderungen an den Täter. Danach ist ein Verbotsirrtum vermeidbar, wenn dem Täter sein Vorhaben unter Berück___________ 166

Ausf. dazu u. 10. Kap. F (S. 399).

A. Straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionierung

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sichtigung seiner Fähigkeiten und Kenntnisse hätte Anlaß geben müssen, über die mögliche Rechtswidrigkeit seines Verhaltens nachzudenken oder sich darüber zu informieren.167 Naheliegend ist dies vor allem dann, wenn ein Sachverhalt in Frage steht, für den erfahrungsgemäß rechtliche Vorschriften bestehen oder wenn es sich um den beruflichen Lebenskreis des Täters handelt.168 Für § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG ergibt sich daraus folgendes. Adressat der Offenbarungspflichten ist in aller Regel eine beruflich mit dem Kapitalmarkt und den dort geltenden Gesetzmäßigkeiten vertraute Person. Wenn diese aber den Vorsatz hat, einen – wie sie weiß169 – bewertungserheblichen und preiseinwirkungsgeeigneten Umstand nicht zu offenbaren, dann muß sie damit rechnen, daß sie damit gegen eine Offenbarungspflicht verstößt, weil insbesondere die kapitalmarktrechtlichen Offenbarungspflichten (beispielsweise Ad hocPublizität, directors’ dealings) gerade dazu bestimmt sind, derartige Umstände publik zu machen.170 Es wäre also eher ungewöhnlich, daß ein als bewertungserheblich und preiseinwirkungsgeeignet erkannter Umstand nicht offenbarungspflichtig ist. Das muß für den Täter Anlaß sein, über die Rechtmäßigkeit seines Verhaltens nachzudenken und gegebenenfalls fachkundigen Rat einzuholen. Auf die Rechtsauskunft einer zuständigen und sachkundigen Person oder Behörde (hier namentlich der BaFin) darf dabei in aller Regel vertraut werden.171 Bleiben allerdings Zweifel an der Rechtmäßigkeit, so darf der Täter nicht ohne weiteres die für ihn günstigste Auslegung anwenden, denn wer weiß, daß eine Frage umstritten ist, nimmt bewußt das Risiko der Rechtswidrigkeit auf sich und kann sich deshalb meist nicht auf einen unvermeidbaren Irrtum berufen.172 ___________ 167 BGH, NJW 1999, 3569; Rudolphi, in: System. Komm. StGB, § 17 Rn. 31; Tröndle/Fischer, StGB, § 17 Rn. 7. 168 BGH, NJW 1988, 272, 273; BGHSt 4, 80, 86; 18, 192, 197; Cramer/SternbergLieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 17 Rn. 17 f. 169 Wenn der Täter hingegen schon die Bewertungserheblichkeit und/oder die Preiseinwirkungseignung des verschwiegenen Umstandes nicht erkannt hat, so fehlt ihm bezüglich dieser Tatbestandsmerkmale der Vorsatz (§ 16 I StGB) und es kommt auf die Frage der Vermeidbarkeit nicht mehr an. – § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG sanktioniert nicht den Verstoß gegen eine Offenbarungspflicht schlechthin, sondern nur wenn dies mit Manipulationsvorsatz geschieht. Freilich gilt auch hier, daß sich Offenbarungspflichten in aller Regel auf bewertungserhebliche und preiseinwirkungsgeeignete Umstände beziehen, so daß bei einem bewußten Verstoß gegen eine Offenbarungspflicht Vorsatz hinsichtlich dieser Tatbestandsmerkmale naheliegt. 170 Siehe o. 7. Kap. A II 2 (S. 268). 171 BGH, wistra 2000, 430, 432; BGH, NStZ 2000, 364; BGHSt 40, 257, 264; OLG Braunschweig, NStZ-RR 1998, 250, 251. 172 BGH, NJW 1999, 3568, 3569; BGH, NStZ 1996, 236, 237; BayObLG, NJW 1989, 1744, 1745; OLG Köln, MDR 1954, 374; a.A. Rudolphi, in: System. Komm. StGB, § 17 Rn. 40; Zaczyk, JuS 1990, 895.

8. Kap.: Rechtsfolgen von Verbotsverstößen

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Das gleiche gilt für die Grenzbereiche zwischen noch erlaubtem und schon verbotenem Verhalten. Hinzu kommt hier, daß diese Tatbestände eine teilweise sehr detaillierte Ausgestaltung durch die MaKonV und die (im Gesetzestext zitierten) Durchführungsmaßnahmen der EG erfahren haben, so daß bei bewußtem Überschreiten des so abgesteckten legalen Bereiches eine Berufung auf einen Verbotsirrtum eher fernliegt. Jedenfalls wird dieser regelmäßig vermeidbar sein.

2. Leichtfertige Tatbegehung Ordnungswidrig ist nunmehr auch der leichtfertige Verstoß gegen § 20a I 1 Nr. 1 WpHG (§ 39 II Nr. 11 WpHG). Leichtfertigkeit bedeutet einen erhöhten Grad von Fahrlässigkeit, der etwa der groben Fahrlässigkeit bürgerlichen Rechts entspricht.173 Sie liegt in der Regel vor, wenn der Täter in grober Achtlosigkeit nicht erkennt, daß er den Tatbestand verwirklicht, er also nicht beachtet, „was im gegebenen Fall jedem einleuchten mußte“, wenn er sich rücksichtslos über die klar erkannte Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung hinwegsetzt oder eine besonders ernstzunehmende Pflicht verletzt.174 Die Leichtfertigkeit kann sich dabei auf jedes Tatbestandsmerkmal des § 20a I 1 Nr. 1 WpHG beziehen, so daß insbesondere auch die jeweilige Handlung, das heißt das Machen von Angaben bzw. das Verschweigen von Umständen, leichtfertig verwirklicht werden kann. Damit sind die Anforderungen im subjektiven Tatbestand gegenüber der MMRL (Art. 1 Nr. 2 lit. c) und dem Referentenentwurf zum AnSVG (§ 39 IV Nr. 2 WpHG-RefE)175 ganz erheblich vermindert. Diese ließen Leichtfertigkeit nur dahingehend genügen, daß der ansonsten vorsätzlich176 Handelnde leichtfertig nicht erkennt, daß die Angaben unrichtig oder irreführend sind. Nunmehr ist die leichtfertige Tatbegehung (beider Alternativen) schlechthin ordnungswidrig. Diese Auslegung dürfte zwingend sein, denn der Gesetzgeber hat die engere Fassung des Referentenentwurfs nicht unerheblich umgestaltet und dabei (zu unterstellen: bewußt) erweitert. Gleichwohl ist die damit einhergehende deutliche Verschärfung nicht unbedenklich, da sie zu einer Beeinträchtigung der Kapitalmarktberichterstattung etc. führen kann. Dem ist dadurch zu begegnen, daß die Anforderungen an das Vorliegen eines leichtfertigen Handelns nicht zu niedrig angesetzt werden. ___________ 173 174

556. 175

BGHSt 14, 240, 255; Jescheck/Weigend, AT, § 54 II 2 (S. 569). Tröndle/Fischer, StGB, § 15 Rn. 20; BGHSt 33, 66; OLG Nürnberg, NStZ 1986,

RefE AnSVG, abgedruckt in: ZBB 2004, 168, 189. So ausdrücklich die Begründung zum RefE AnSVG, abgedruckt in: ZBB 2004, 168, 189. 176

B. Zivilrechtliche Rechtsfolgen

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Strafrechtlich genügt die leichtfertige Tatbegehung dagegen nach wie vor nicht. Dies ist gemeinschaftsrechtskonform, denn der EG fehlt ohnehin die Kompetenz, den Mitgliedstaaten strafrechtliche Sanktionen vorzuschreiben.177 Obschon Vorsatz und Fahrlässigkeit dogmatisch in einem aliud-Verhältnis stehen, sind die Fahrlässigkeitstatbestände als Auffangtatbestände für den Fall des nicht nachweisbaren Vorsatzes anzusehen.178 Für den Anwendungsbereich des § 20a I 1 Nr. 1 WpHG kommt daher dem leichtfertigen Ordnungswidrigkeitentatbestand eine Auffangfunktion für diejenigen Fälle zu, bei denen die vorsätzliche Begehung zweifelhaft oder nicht nachweisbar ist.

B. Zivilrechtliche Rechtsfolgen Im folgenden bleibt noch zu untersuchen, ob ein Verstoß gegen das Verbot der Marktmanipulation auch zivilrechtliche Rechtsfolgen auslösen kann. In Betracht kommt hier insbesondere ein Anspruch des Geschädigten auf Ersatz des durch die Manipulation entstandenen Schadens. Für einen vertraglichen Schadensersatzanspruch (namentlich aus § 280 BGB) fehlt es in aller Regel an der dort vorausgesetzten Sonderverbindung zwischen Schädiger und Geschädigten. In Betracht kommen deshalb überwiegend deliktische Ansprüche. Dabei kann nicht auf eine spezielle Anspruchsgrundlage zurückgegriffen werden, da eine solche – anders als etwa bei unterlassenen oder falschen Ad hoc-Mitteilungen (§§ 37b, 37c WpHG) – für Verstöße gegen das Manipulationsverbot nicht besteht. Außerhalb des punktuellen Anwendungsbereiches dieser Vorschriften bleibt es damit bei den allgemeinen Regelungen, namentlich bei § 826 BGB, wenn die Manipulation als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung anzusehen ist, und bei § 823 II BGB i.V.m. § 20a WpHG. § 823 II BGB setzt allerdings voraus, daß § 20a WpHG als Schutzgesetz im Sinne dieser Norm anzusehen ist. Nur dann kommt ein Schadensersatzanspruch der durch die Manipulation geschädigten Marktteilnehmer in Betracht. Für § 88 BörsG a.F. wurde die Frage nach dessen Schutzgesetzeigenschaft ganz überwiegend verneint mit der Folge, daß durch Manipulationen Geschädigte keine Ansprüche aus § 823 II BGB i.V.m. § 88 BörsG a.F. gegen den Manipulanten geltend machen konnten.179 Ein Judikat des LG Augsburg180, das ohne nähere ___________ 177

Vgl. dazu o. 3. Kap. C I (S. 147). BGHSt 17, 210, 212 f.; Tröndle/Fischer, StGB, § 1 Rn. 22; Cramer/SternbergLieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 15 Rn. 4. 179 BGH, WM 2004, 1721, 1722 f.; BGH, WM 2004, 1726, 1727 f.; BGH, WM 2004, 1731, 1733 (alle Infomatec); OLG München, ZIP 2002, 1989, 1991 – Infomatec II; LG Augsburg (6. Zivilkammer), ZIP 2002, 530; LG Kassel, NZG 2003, 136, 137; wohl auch 178

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8. Kap.: Rechtsfolgen von Verbotsverstößen

Begründung den konträren Standpunkt einnahm und einen auf § 823 II BGB i.V.m. § 88 BörsG a.F. gestützten Schadensersatzanspruch zusprach, wurde erwartungsgemäß in der Berufungsinstanz aufgehoben.181 Freilich ist das gefundene Ergebnis keineswegs eindeutig und in der Begründung durchaus angreifbar.182 Im Rahmen der Transferierung des Manipulationsverbotes in das WpHG durch das 4. FMFG oder bei dessen Novellierung durch das AnSVG wäre eine legislative Beilegung dieser Kontroverse möglich und notwendig gewesen; so besteht sie unter im wesentlichen gleichen Vorzeichen fort. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Norm dann ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 II BGB, wenn sie – sei es auch neben dem Schutz der Allgemeinheit – gerade dazu dienen soll, den einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines Rechtsguts zu schützen. Dabei kommt es nicht auf die faktische Wirkung, sondern auf Inhalt und Zweck des Gesetzes an sowie darauf, ob Individualschutz vom Gesetzgeber bei Erlaß der Norm (zumindest mit-) gewollt war.183 Es ist dann auch unschädlich, wenn daneben oder sogar in erster Linie der Schutz der Allgemeinheit bezweckt wird.184 Der Schaden muß an einem Rechtsgut entstanden sein, zu dessen Schutz die Norm erlassen ist.185 Da___________ BVerfG, ZIP 2002, 1986, 1988 f. – Met@box; ausf. Barnert, WM 2002, 1473 ff. m.w.N. und Haßlinger, Ansprüche, S. 47-57; ferner Arlt, Anlegerschutz, S. 364; Benner, in: Wabnitz/Janovsky, Handbuch, 9. Kap. Rn. 46; Ekkenga, WM 2002, 317, 323; Fischer zu Cramburg, in: Heidel (Hrsg.), Anwaltskommentar Aktienrecht, Abschnitt 14, Rn. 15; Gerber, DStR 2004, 1793, 1795; Groß, Kapitalmarktrecht, § 88 BörsG Rn. 1; Groß, WM 2002, 477, 484; Kort, AG 2005, 21, 23; Krause, ZGR 2002, 799, 816 f.; Ledermann, in: Schäfer (Hrsg.), WpHG § 88 BörsG Rn. 1; Lenzen, Unerlaubte Eingriffe, S. 159; Rieckers, BB 2002, 1213, 1215; Schlüchter, 2. WiKG, S. 136 f.; Schwark, BörsG, § 88 Rn. 1; Thümmel, DB 2001, 2331, 2332 f.; ausf. Trüstedt, Verbot, S. 66-78; Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 22; unklar Fuhrmann, in: Erbs/Kohlhaas (Hrsg.), Strafrechtliche Nebengesetze, Stand: 104. Lief., § 88 BörsG Rn. 2. 180 LG Augsburg (3. Zivilkammer), ZIP 2001, 1881 ff.; im Ergebnis ebenso Fuchs/ Dühn, BKR 2002, 1063, 1064 ff.; Grundmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost (Hrsg.), HGB, Bd. 2, VI Rn. 164; Baumbach/Hopt, HGB30, § 88 BörsG Rn. 1; Hahn, Ansätze, S. 225-228; Leisch, in: Möllers/Rotter (Hrsg.), Ad-hoc-Publizität, § 16 Rn. 13 ff.; Möllers/Leisch, ZIP 2002, 1995, 1997; Möllers/Leisch, BKR 2001, 78, 82 f.; Rodewald/ Siems, BB 2001, 2437, 2439; Ziouvas, ZGR 2003, 113, 114 in Fn. 5. 181 OLG München, ZIP 2002, 1989 ff. – Infomatec II. Vgl. ferner BVerfG, ZIP 2002, 1986 ff. – Met@box, das in der ohne nähere Auseinandersetzung mit Gesetzestext, Gesetzesmaterialien und der gegenteiligen herrschenden Ansicht erfolgten Bejahung des drittschützenden Charakters von § 88 BörsG a.F. durch das LG Hildesheim (Beschl. v. 30. April 2002 – 21 AR 1/02) zu Recht einen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Willkürverbot sieht. 182 Vgl. hierzu Möllers/Leisch, ZIP 2002, 1995 ff. 183 BGHZ 116, 7, 13. 184 BGHZ 116, 7, 13; 122, 1, 3 f.; Hager, in: Staudinger, BGB, § 823 Rn. G 19; Zeuner, in: Soergel, BGB, § 823 Rn. 289, jeweils m.w.N. 185 BGHZ 114, 161, 163; Hager, in: Staudinger, BGB, § 823 G 26.

B. Zivilrechtliche Rechtsfolgen

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gegen genügt ein bloß faktischer Schutzreflex einer im öffentlichen Interesse erlassenen Norm zugunsten des einzelnen nicht, weil kaum eine Norm denkbar ist, die nicht auch – unmittelbar oder mittelbar – Schutz und Förderung des einzelnen bewirkt oder bezweckt.186 Daneben setzt die Anerkennung eines individuellen Schadensersatzanspruches voraus, daß dieser „sinnvoll und im Lichte des haftpflichtrechtlichen Gesamtsystems tragbar erscheint“.187 Sieht man wie hier das Rechtsgut von § 20a WpHG ausschließlich in der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes, ohne daß zugleich auch Individualinteressen, wie namentlich das Anlegervermögen umfaßt sind188, ist damit zugleich die Schutzgesetzeigenschaft der Norm prädisponiert. Eine allein auf den Schutz überindividueller Interessen abzielende Strafnorm kann nicht im Zivilrecht dann doch gezielt und gewollt die Interessen der einzelnen Marktteilnehmer schützen.189 Und bloße Schutzreflexe sind unbeachtlich. Sieht man das Rechtsgut von § 20a WpHG hingegen auch oder sogar ausschließlich im Individualschutz, muß man sich der Frage stellen, ob der Gesetzgeber damit im Falle der Verletzung zugleich einen individuellen Schadensersatzanspruch gewähren wollte.190 Gegen die Schutzgesetzeigenschaft spricht zunächst die Entstehungsgeschichte der Norm. Zwar nennt die Begründung die Stärkung des Anlegerschutzes als allgemeines Gesetzesziel191, doch wird im weiteren der Institutionenschutz und die Wichtigkeit funktionierender Kapitalmärkte für die Volkswirtschaft in den Vordergrund gerückt, indem von der Modernisierung und Stärkung des Finanzplatzes Deutschland und seiner Wettbewerbsfähigkeit in Europa und der Welt die Rede ist.192 Im Rahmen der Rechtsgutsbestimmung wurde darauf hingewiesen, daß die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes nur unzureichend über einen Anlegervermögensschutz sichergestellt werden, umgekehrt aber der Anlegerschutz durch den Institutionenschutz mittelbar miterreicht werden kann.193 Überhaupt spricht einiges dafür, den Zweck des WpHG vornehmlich in der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes ___________ 186

BGHZ 84, 312, 314; 89, 383, 400 f.; 100, 13, 18; 122, 1, 3 f. BGHZ 66, 388, 390, anschließend an Knöpfle, NJW 1967, 697, 699 f. 188 Siehe o. 3. Kap. B I 2 (S. 96). 189 Vgl. hierzu allg. Hager, in: Staudinger, BGB, § 823 Rn. G 19; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, § 77 II 2 a). 190 Siehe hierzu die instruktiven Ausführungen von Barnert, WM 2002, 1473 ff. zu § 88 BörsG a.F., die jedoch im wesentlichen auf § 20a WpHG übertragbar sind. 191 Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8017, S. 1; ebenso Begr. RegE AnSVG, BTDrs. 15/3174, S. 26; beachte hierzu aber auch o. 3. Kap., Fn. 80 (S. 97). 192 Vgl. Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8017, S. 62; Begr. RegE AnSVG, BT-Drs. 15/3174, S. 26. 193 Vgl. dazu ausf. o. 3. Kap. B I 2 d (4) (S. 111). 187

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8. Kap.: Rechtsfolgen von Verbotsverstößen

und damit allein im öffentlichen Interesse zu sehen, mit der Folge, daß keiner seiner Normen Schutzgesetzeigenschaft zukommt und individuelle Schadensersatzansprüche nur bestehen, wenn der Gesetzgeber sie ausdrücklich statuiert.194 Für Insiderhandel und Marktmanipulationen stützt dies auch die MMRL, die in ihren Erwägungsgründen lediglich überindividuelle Ziele (Sicherstellung der Integrität der Finanzmärkte der Gemeinschaft und die Stärkung des Vertrauens der Anleger in die Märkte) aufführt.195 Bei der Änderung des § 88 BörsG a.F. durch das 2. WiKG hat der Gesetzgeber als dessen Schutzgut die „Zuverlässigkeit und Wahrheit der Preisbildung“ herausgestellt und von dem des individualschützenden § 264a StGB („Schutz der Kapitalanleger vor Irreführung“) abgegrenzt.196 § 264a StGB hat dabei die Funktion, den Anleger vor Täuschungen und Vermögensverlusten zu schützen, übernommen.197 Dafür, daß mit der Transferierung des Manipulationsverbotes aus dem Börsengesetz in das WpHG eine fundamentale Änderung verbunden sein sollte, fehlen jegliche Anhaltspunkte.198 Das gleiche Ergebnis legt die Gesetzessystematik nahe. Mit dem 4. FMFG wurden in den §§ 37b und 37c WpHG ausdrückliche Schadensersatzansprüche bei unterlassener Veröffentlichung kursbeeinflussender Tatsachen bzw. Veröffentlichung unwahrer Tatsachen durch einen Emittenten eingeführt. Dies hätte der Gesetzgeber auch für § 20a WpHG tun können, wenn er dies denn beabsichtigt hätte.199 Dem läßt sich nicht entgegenhalten, daß umgekehrt auch eine dem § 15 VI 1 WpHG entsprechende Haftungsausschlußklausel fehlt, was darauf hindeuten könnte, daß bei § 20a WpHG Schadensersatz nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist. Eine solche Argumentation übersieht nämlich, daß § 15 VI 1 WpHG zutreffender Ansicht nach lediglich deklaratorisch ist, da auch der Schutzzweck der Ad hoc-Publizität ausschließlich in der Herstellung der Markttransparenz und damit der Sicherung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes besteht.200 Zudem liefe die Privilegierung der Marktteilnehmer ___________ 194 In diese Richtung auch Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 5. 195 Erwägungsgründe 2 und 12 der MMRL; s. auch Edelmann, BB 2004, 2031, 2032. 196 Vgl. Begr. RegE 2. WiKG, BT-Drs. 10/318, S. 45. 197 BGH, WM 2004, 1721, 1723; BGH, WM 2004, 1726, 1728; BGH, WM 2004, 1731, 1733 (alle Infomatec). 198 So auch Groß, WM 2002, 477, 484; ferner Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 22. 199 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 22. 200 Sethe, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG3, § 15 Rn. 268. So bereits Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum RegE 2. FMFG, BT-Drs. 12/7918, S. 102; nunmehr auch Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8017, S. 87. – Der Gesetzgeber hielt jedoch angesichts der Bedeutung der Frage eine klarstellende Regelung für geboten.

B. Zivilrechtliche Rechtsfolgen

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durch die eng umrissenen Haftungstatbestände der §§ 37b und 37c WpHG i.V.m. § 15 VI 1 WpHG leer, wenn eine umfassende Haftung aus § 823 II BGB i.V.m. § 20a WpHG bestünde, die zumindest partiell auch die Nichtveröffentlichung resp. Falschveröffentlichung von Ad hoc-Mitteilungen umfaßt.201 Handelt es sich wie vorliegend um den Ersatz von reinen Vermögensschäden, so ist ferner zu bedenken, daß sich der Gesetzgeber durch die Beschränkung auf die in § 823 I BGB explizit genannten Güter grundsätzlich gegen einen allgemeinen deliktischen Vermögensschutz entschieden hat.202 Diese Entscheidung ist zu respektieren und darf nicht durch eine vorschnelle Annahme von Schutzgesetzen ausgehebelt werden. Insofern es also um eine vermögensschützende Norm geht, ist nicht die Ablehnung deren Schutzgesetzcharakters begründungsbedürftig, sondern dessen Bejahung. Selbst wenn man also den Individualschutz der Anleger als Rechtsgut von § 20a WpHG neben dem Funktionsschutz des Kapitalmarktes ansieht, spricht vieles dafür, der Norm dennoch keinen Schutzgesetzcharakter im Sinne von § 823 II BGB zuzumessen.203 Etwas anderes könnte allenfalls gelten, wenn man das Rechtsgut von § 20a WpHG allein im Vermögensschutz der Marktteilnehmer sieht, was jedoch aus den genannten Gründen nicht vertretbar erscheint.204 Schließlich wäre auch mit der Anerkennung des Schutzgesetzcharakters von § 20a WpHG dem geschädigten Anleger wenig geholfen. Ihm oblägen nämlich die Bezifferung und der Nachweis des tatsächlich eingetretenen Schadens, was ihm in aller Regel nicht gelingen dürfte. Die Probleme betreffen nicht den Nachweis, daß ein Schaden eingetreten ist. Dies ergibt sich bereits daraus, daß die tatsächliche Preisbeeinflussung ein Tatbestandsmerkmal der strafbaren Manipulation ist (§ 38 II WpHG)205 und auch die Richtung der induzierten Preisbewegung erkennbar sein wird. Unklar bleibt aber, wie stark die Einwirkung auf den Preis war, denn dafür müßte der hypothetische „richtige“ Preis genau berechnet werden, was als nahezu ausgeschlossen angesehen werden kann. Der geschädigte Marktteilnehmer steht somit vor dem Problem, den ihm zugefügten Schaden nicht konkret beziffern zu können. ___________ 201

Ausf. hierzu Barnert, WM 2002, 1473, 1481 ff.; ferner Fleischer, DB 2004, 2031, 2033; Edelmann, BB 2004, 2031, 2032; Spindler, WM 2004, 2089, 2091. – Dies verkennen Lenzen, ZBB 2002, 279, 284 und Ziouvas, ZGR 2003, 113, 144, wenn sie die Schutzgesetzeigenschaft von § 20a WpHG (auch) damit begründen wollen, daß nur so Schutzlücken, die durch Manipulationsfälle, die nicht unter §§ 37b, 37c WpHG fallen, geschlossen werden können. 202 Hager, in: Staudinger, BGB, § 823 G 4; BGHZ 66, 388, 391 ff. 203 So bspw. Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 22. – Eine Parallele bildet § 267 StGB, der zwar auch Vermögensdelikt (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, § 267 Rn. 1), aber kein Schutzgesetz ist (BGHZ 100, 13 ff.). 204 Vgl. dazu ausf. o. 3. Kap. B I 2 (S. 96). 205 Vgl. hierzu ausf. o. 8. Kap. A I b (S. 324).

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8. Kap.: Rechtsfolgen von Verbotsverstößen

Diese Problematik kann auch nicht dadurch entschärft werden, daß man ihm – vergleichbar mit § 264a StGB – die Möglichkeit einräumt, das nachteilige Geschäft rückgängig zu machen. Denn zum einen müssen Manipulationsschäden nicht mit einer Transaktion des Betroffenen einhergehen. Er erleidet bereits dann einen Schaden, wenn er ein manipuliertes Wertpapier oder ein davon abhängiges Derivat oder Investmentzertifikat im Depot hat. Doch selbst wenn er ein Wertpapier zu einem manipulierten Preis kauft bzw. verkauft, ist sein Handelspartner in aller Regel nicht der Manipulant, sondern ein ahnungsloser Dritter, der damit unbemerkt ein „gutes Geschäft“ macht. Dieses auf der Anonymität der Börsen beruhende unbewußte Trittbrettfahrerphänomen schließt eine Rückabwicklung manipulierter Transaktionen aus. Und schließlich würde wohl ein Großteil der Betroffenen angesichts nur geringer individueller Schäden vor einer gerichtlichen Geltendmachung zurückschrecken. Nicht ohne Grund sprechen sich deshalb einige Befürworter der Schutzgesetzeigenschaft von § 20a WpHG für eine Möglichkeit kollektiver Durchsetzung aus.206 Letztlich würden nur die institutionellen Großinvestoren profitieren, was mit dem (unausgesprochen) mitintendierten (Klein-)Anlegerschutz kaum vereinbar ist. Im Ergebnis ist deshalb das Verbot der Marktmanipulation kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 II BGB.207 Das gilt selbst dann, wenn man entgegen hier vertretener Ansicht als Rechtsgut neben der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes auch den Individualvermögensschutz ansieht. Mangels Schutzgesetzeigenschaft von § 20a WpHG hat der durch eine Manipulation Geschädigte keinen Schadensersatzanspruch aus § 823 II BGB. In Betracht kommt allenfalls ein Anspruch aus § 826 BGB, dessen Anwendung ___________ 206

Lenzen, ZBB 2002, 279, 284; dies., FinanzBetrieb 2001, 603, 608; Ziouvas, ZGR 2003, 113, 144; – Vgl. hierzu bereits o. 3. Kap. B II 2 b (2) (S. 122). 207 Ebenso Arlt, Anlegerschutz, S. 364; Barnert, WM 2002, 1473, 1478 ff.; Edelmann, BB 2004, 2031, 2032; Fischer zu Cramburg, in: Heidel (Hrsg.), Anwaltskommentar Aktienrecht, Abschnitt 14, Rn. 15; Fleischer, DB 2004, 2031, 2032 f.; Gerber, DStR 2004, 1793, 1795; Groß, WM 2002, 477, 484 (zum Entwurf); Holzborn/Foelsch, NJW 2003, 932, 938; Baumbach/Hopt, HGB, Einl WpHG Rn. 7; Horn, FS Ulmer, S. 817, 823; Kort, AG 2005, 21, 23; Maier-Reimer/Webering, WM 2002, 1857, 1864; Rützel, AG 2003, 69, 79; Schwark, FS Kümpel, S. 485, 499; Schwark, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskomm., § 20a WpHG Rn. 5; Spindler, WM 2004, 2089, 2091; Spindler/Christoph, BB 2004, 2197, 2202; Trüstedt, Verbot, S. 79-82; Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 22; Weitnauer, DB 2003, 1719, 1722. – Andere Ansicht Altenhain, BB 2002, 1874, 1875; Fuchs/Dühn, BKR 2002, 1063, 1064 ff.; Hellmann/Beckemper, Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 59; Lenzen, ZBB 2002, 279, 284; Tripmaker, wistra 2002, 288, 291; Ziouvas, ZGR 2003, 113, 143; Ziouvas/Walter, WM 2002, 1483, 1488 in Fn. 38.; Leisch, in: Möllers/Rotter (Hrsg.), Ad-hoc-Publizität, 2003, § 16 Rn. 35 ff.; grds. auch Ekkenga, ZIP 2004, 781, 792.

B. Zivilrechtliche Rechtsfolgen

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jedoch höhere Anforderungen stellt. Ausgeschlossen ist jedenfalls eine Haftung für nur leichtfertige Verstöße gegen § 20a I 1 WpHG.

Neuntes Kapitel

Zeitliche Anwendbarkeit der §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1, 2, II Nr. 11 WpHG A. Problemstellung Ändert sich zwischen Tatbegehung und rechtskräftiger Verurteilung des Täters das Gesetz, so stellt sich die Frage, welches Recht anzuwenden ist. Vorliegend stellt sich diese Frage gleich doppelt; einmal bei der Transformierung von § 88 BörsG a.F. in §§ 20a, 38, 39 WpHG [4. FMFG] durch das 4. FMFG und das andere Mal durch die Änderung von §§ 20a, 38, 39 WpHG durch das AnSVG. Allgemein regelt § 2 StGB (und vergleichbar § 4 OWiG) die temporale Geltung so, daß grundsätzlich das Tatzeitrecht zur Anwendung kommt (Absatz 1), es sei denn, das Gesetz ist nach der Änderung milder. In diesem Falle ist das mildere Gesetz anzuwenden (Absatz 3).1 Solange die Änderung lediglich den Strafrahmen betrifft, ist die Bestimmung des milderen Gesetzes unschwer möglich.2 Danach ist Geldstrafe milder als Freiheitsstrafe. Die Umwandlung einer Straftat in eine Ordnungswidrigkeit ist immer milder als eine Geldstrafe, selbst wenn das Bußgeld im konkreten Fall höher ausfällt als eine nach Tagessätzen berechnete Geldstrafe.3 Am mildesten ist das Gesetz, wenn es völlig aufgehoben wurde.4 Wurden hingegen (auch) Tatbestandsvoraussetzungen modifiziert, so ist in zwei Schritten vorzugehen. Zunächst ist zu untersuchen, ob das neue Gesetz die Fortsetzung des alten darstellt. Bejahendenfalls schließt sich die Frage nach dem milderen der beiden Gesetze in der bekannten Form an. Kommt man aber im ersten Schritt zu der Feststellung, die alte Strafnorm wurde ersatzlos aufge___________ 1

Zu den Gründen für dieses „Meistbegünstigungsprinzip“ s. z.B. Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 409 ff.; Sommer, Das „mildeste Gesetz“, S. 34 ff. 2 Die Einzelheiten bleiben im Rahmen dieser Untersuchung ausgespart. Vgl. dazu statt aller Gribbohm, in: Leipziger Komm. StGB, § 2 Rn. 20-28 m.w.N. auch zu abweichenden Ansichten. 3 BGHSt 12, 148, 155; 18, 12, 18; OLG Saarbrücken, NJW 1974, 1009; LG München I, NJW 2003, 2328, 2330 f. – EM.TV; Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 528; a.A. Sommer, Das „mildeste Gesetz“, S. 114-120. 4 Vgl. nur BGHSt 20, 116, 119.

B. Ausgangspunkt

371

hoben und ein neuer Straftatbestand eingeführt, so ergibt die Anwendung von § 2 III StGB, daß eine Strafbarkeit völlig entfällt, da die Aufhebung die stärkste Form der Milderung ist. Das Tatzeitrecht ist nicht mehr anwendbar (§ 2 III StGB), und das neue Recht ist noch nicht anwendbar (§ 2 I StGB). Bei § 88 BörsG a.F. hat es der Gesetzgeber des 4. FMFG nicht bei einer Transferierung der Norm aus dem BörsG in das WpHG und einer Änderung der Strafdrohung belassen, sondern den früheren Straftatbestand des Kursbetruges aufgespalten in eine Ordnungswidrigkeit mit im wesentlichen identischen Voraussetzungen (§§ 39 I Nr. 1, 2 i.V.m. § 20a I 1 WpHG [4. FMFG]) sowie eine im Tatbestand veränderte Strafvorschrift (§§ 38 I Nr. 4 i.V.m. 20a I WpHG [4. FMFG]). Durch das AnSVG erfolgte eine weitere tatbestandliche Veränderung und Ergänzung. Jede Variante des § 38 II i.V.m. § 20a I 1 WpHG bedarf deshalb der gesonderten Untersuchung, ob sie die Nachfolgevorschrift zu einer Variante des § 88 BörsG a.F. darstellt. Ist dies der Fall, bleibt § 88 BörsG a.F. anwendbar, denn er ist mit einem Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe milder als § 38 II WpHG, dessen Strafrahmen bis fünf Jahre reicht. Sollte dagegen § 39 I Nr. 1, 2, II Nr. 11 i.V.m. § 20a I 1 WpHG (gegebenenfalls teilweise) als Nachfolgevorschrift zu § 88 BörsG a.F. anzusehen sein, sind betroffene Altfälle nur noch als Ordnungswidrigkeiten zu ahnden. Schließlich kann die Untersuchung auch die völlige Sanktionslosigkeit ergeben. Das ist dann der Fall, wenn der frühere Kursbetrug völlig aufgehoben und in den §§ 38 II, 39 I Nr. 1, 2, II Nr. 11 i.V.m. § 20a WpHG neues, andersartiges Unrecht vertypt wurde. B. Ausgangspunkt Ob eine Norm (bzw. ein Teil von ihr) der anderen nachfolgt, ist eine Frage der Kontinuität zwischen den beiden. Dieses Erfordernis ist inzwischen allgemeine Meinung in Rechtsprechung5 und Literatur6. Die früher vertretene Ansicht7, nach der es ausreichte, wenn der Täter vor und nach der Gesetzesänderung (irgendwie) strafbar war, weitere Anforderungen aber nicht gestellt wurden, ist mit der Garantiefunktion des Art. 103 II GG nicht vereinbar.8 Schließ___________ 5

BGHSt (GrS) 26, 167, 172; 37, 320, 322; BGH, JZ 1975, 702, 703. Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 502; Elsner, Das intertemporale Strafrecht, S. 166; Maurach/Zipf, Strafrecht AT/1, § 12 Rn. 16; C. Schröder, ZStW 112 (2000), 44, 57; F.-C. Schroeder, FS Bockelmann, S. 785, 794; Tiedemann, JZ 1975, 692, 693. 7 Z.B. OLG Köln, NJW 1974, 1830 f. mit zust. Anm. von Loos, JR 1975, 248, 250; KG, NJW 1976, 813. 8 Um so überraschender ist es, daß noch 1975 der Große Senat des BGH (BGHSt (GrS) 26, 167, 170 f.) diese Ansicht ernsthaft in der Entscheidung referierte und ausdrücklich offenließ, ob ihr zu folgen sei, da in concreto auch die einschränkende Ansicht zur Kontinuität kam. 6

9. Kap.: Zeitliche Anwendbarkeit

372

lich erfolgt eine Bestrafung nicht um ihrer selbst willen, sondern als Reaktion auf ein bestimmtes Verhalten.9 Das Rückwirkungsverbot besteht nicht nur hinsichtlich der Strafdrohung als solcher, sondern auch und vor allem im Hinblick auf eine Verhaltensnorm.10 Es bezieht sich folglich nach heute herrschender Meinung nicht nur auf die Rechtsfolge, sondern auch auf die Tatbestandsseite der Norm.11 C. Meinungsstand Nach wie vor ungeklärt ist aber, nach welchen Kriterien zu entscheiden ist, ob ein Tatbestand die Fortsetzung des anderen ist und deshalb die geforderte Kontinuität besteht.

I. Kontinuität des Unrechtskerns

Insbesondere nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht Unrechtskontinuität bereits dann, wenn die zu vergleichenden Normen denselben Unrechtskern enthalten.12 Der Unrechtskern ist dabei gleichbedeutend mit dem geschützten Rechtsgut der Vorschrift.13 Stimmt dieses bei alter und neuer Vorschrift überein, besteht die notwendige Unrechtskontinuität. Der Große Senat sah sich deshalb in der zitierten Entscheidung nicht gehindert, wegen des vor der Entscheidung aufgehobenen Straßenraubes (als frühere Qualifikation des einfachen Raubes) zu verurteilen, wenn der Täter zugleich eine Waffe benutzte, und damit die damals neu geschaffene Qualifikation des schweren Raubes verwirklichte, da jeweils der in der gewaltsamen Wegnahme einer Sache liegende Angriff auf fremdes Eigentum als Unrechtskern angesehen wurde. Tatsächlich beschreibt dies jedoch nur den Unrechtskern des Grunddeliktes, des einfachen Raubes, nicht aber den der Qualifikation.14 Der Bundesgerichtshof hat damit die selbst aufgestellten Grundsätze zur Unrechtskontinuität nicht richtig angewandt. Die weitgehende Beliebigkeit dieses Kriteriums zeigte sich auch bei der Einführung des Straftatbestandes des Scheckkartenmißbrauchs (§ 266b StGB) durch das 2. WiKG. Der Bundesgerichtshof wendete die neue Vorschrift auf ___________ 9

F.-C. Schroeder, FS Bockelmann, S. 785, 794. Mazurek, JZ 1976, 233, 235. 11 So schon Tiedemann, JZ 1975, 692, 693. 12 BGHSt (GrS) 26, 167, 173 (zum Verhältnis Straßenraub/Raub mit Waffen); BGH, JZ 1975, 702, 703 (zum Verhältnis Raub zur Nachtzeit/Raub mit Waffen); BGH, JZ 1979, 75, 77 (zum Verhältnis § 239 KO a.F./§ 283 StGB n.F.). 13 Elsner, Das intertemporale Strafrecht, S. 169. 14 Siehe die Kritik bei Tiedemann, JZ 1975, 692 ff. 10

C. Meinungsstand

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Alttaten an, weil kein völlig neuer Unrechtstyp zum vorher entgegen der Literatur bejahten Betrug15 vorläge.16

II. Gemeinsamer Unrechtskern und identische Angriffsrichtung

Diese Entscheidungen stießen ganz überwiegend auf Kritik in der Literatur.17 Vor allem wurde darauf hingewiesen, daß das Wesen der Straftatbestände auch in der Vertypung von Unrecht durch Beschreibung bestimmter Unrechtshandlungen bestehe und nicht allein auf das Rechtsgut reduziert werden könne.18 Letztlich bestünde nach der Betrachtungsweise des Bundesgerichtshofs auch Unrechtskontinuität zwischen Diebstahl und Sachbeschädigung, da beide Eigentumsschutz bezwecken und insofern einen identischen Unrechtskern aufweisen.19 Daß eine derartige Auslegung nicht dem Anliegen von § 2 III StGB entspricht, liegt auf der Hand. Deswegen muß nach inzwischen herrschender Ansicht in der Literatur zum identischen Unrechtskern eine identische Angriffsrichtung hinzutreten.20 Für den Fall des Scheckkartenmißbrauchs wäre deshalb Unrechtskontinuität zu verneinen, weil § 266b StGB eine andere Angriffsmodalität erfaßt als § 263 StGB.21 Das gleiche gilt für den Straßenraub im Vergleich zum Raub mit Waffen. Zwar stimmen hier Unrechtskern und Angriffsrichtung in Bezug auf den Grundtatbestand des Raubes überein, so daß insoweit die Unrechtskontinuität zu bejahen ist. Die Qualifikationstatbestände knüpfen indes jeweils an unterschiedliche Erschwerungsgründe an und ein Kontinuität auch diesbezüglich liegt nicht vor. Es hätte damit eine Verurteilung wegen einfachen Raubes erfolgen müssen. Dennoch sieht sich dieser im Grundsatz zutreffende Standpunkt durchgreifenden Bedenken ausgesetzt. Letztlich unterliegt nämlich auch die Definition ___________ 15

Vgl. BGHSt 24, 386 ff. BGH, wistra 1987, 64; ebenso OLG Hamm, MDR 1987, 514, 515; KG, JR 1987, 257, 258. 17 Gegen BGHSt (GrS) 26, 167 ff. Mohrbotter, ZStW 88 (1976), 923, 950; F.-C. Schroeder, FS Bockelmann, S. 785, 798; Tiedemann, JZ 1975, 692, 693f; Roxin, AT I, § 5 Rn. 62. Gegen BGH, wistra 1987, 64, z.B. Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 506. 18 Tiedemann, FS Peters, S. 193, 205; Mohrbotter, ZStW 88 (1976), 923, 942 ff.; Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, § 2 Rn. 25. 19 So plastisch Tiedemann, JZ 1975, 692, 693. 20 Vgl. Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 508 m.w.N. 21 Näher Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 506. A.A. Weber, GS Küchenhoff, S. 485, 488; ders., JZ 1987, 215, 216; vgl. auch Küpper, NStZ 1988, 60. 16

374

9. Kap.: Zeitliche Anwendbarkeit

der Angriffsrichtung einer gewissen Beliebigkeit.22 Selbst Vertreter dieser Ansicht räumen gewisse Schwierigkeiten im Einzelfall ein.23 Zu welchen unvorhersehbaren Ergebnissen die eben dargestellten Ansichten führen können, zeigt sich an der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12. Juli 1977.24 Dort ging es um die rückwirkende Anwendbarkeit von § 34 I Nr. 1 Außenwirtschaftsgesetz (AWG) n.F.25 Dessen frühere Fassung26 stellte die vorsätzliche, ohne die erforderliche Genehmigung erfolgte Ausfuhr von Waren unter Strafe. Durch eine Gesetzesänderung wurden diese Tathandlungen (ohne sachliche Änderungen ansonsten) von Straftaten zu Ordnungswidrigkeiten umgewandelt (§ 33 AWG n.F.). Verwirklichte jedoch der Täter zusätzlich eines der in § 34 AWG n.F. neu eingeführten (erschwerenden) Merkmale (beispielsweise Beeinträchtigung der Sicherheit der BRD), so lag eine Straftat vor. Vor diesem Hintergrund stellte sich die Frage, ob zwischen der alten und der neuen Strafvorschrift eine Kontinuität des Unrechtstypus bestand, so daß ein vor der Gesetzesänderung handelnder Täter, der auch den neuen Tatbestand erfüllte, wegen einer Straftat verurteilt werden konnte. Auf Grundlage der eben dargestellten Ansichten läßt sich diese Frage bejahen: eine Änderung des Rechtsgutes liegt ebensowenig vor wie die der Angriffsrichtung. Dennoch verneint der Bundesgerichtshof die Kontinuität.27 Überraschenderweise geschieht dies unter ausdrücklichem Verweis auf die Rechtsprechung des Großen Senats. Zwischen altem und neuem Straftatbestand bestünde ein tiefgreifender Wesensunterschied. Der Gesetzgeber habe die bisherige Straftat generell zu einer Ordnungswidrigkeit herabgestuft und zu erkennen gegeben, daß eine Straftat nur noch dann anzunehmen sei, wenn ein erschwerendes Tatbestandsmerkmal hinzukomme. Dieses zusätzliche Merkmal müsse von der subjektiven Tatseite umfaßt sein. Das sei aber schlechterdings unmöglich, wenn dieses Merkmal im alten Tatbestand nicht enthalten war. Die Einführung eines Qualifikationsmerkmales, das nach altem Recht nicht Voraussetzung der Strafbarkeit war, führe zu einem wesensmäßig verschiedenen Tatbestand, der dem Täter bei Begehung der Tat nicht bekannt sein konnte.28 Seine Verurteilung aus dem neuen Gesetz würde gegen das Bestimmtheitsgebot und damit gegen das Rückwirkungsverbot verstoßen. ___________ 22

So vor allem Elsner, Das intertemporale Strafrecht, S. 172 ff.; s. auch Schmitz, in: Münchener Komm. StGB, § 2 Rn. 23 m.w.N. 23 Mazurek, JZ 1976, 233, 235. 24 BGH, MDR 1977, 858 f. 25 BGBl. I 1976, S. 872. 26 BGBl. I 1961, S. 489. 27 BGH, MDR 1977, 858, 858 f. 28 Andere Ansicht ausdrücklich aber z.B. BGH, JZ 1979, 75, 77.

C. Meinungsstand

375

Mit dieser Entscheidung wendete sich der Bundesgerichtshof unbewußt von seiner bis dahin und auch in Zukunft ständig vertretenen Ansicht ab und näherte sich stillschweigend der nachfolgend beschriebenen Identitätslehre an.

III. Identitätserfordernis

Nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht besteht die Kontinuität zwischen alter und neuer Norm nur im Falle der Identität beider.29 Das Identitätserfordernis darf dabei nicht dahingehend verstanden werden, daß jede tatbestandliche Änderung die Identität beseitigt. Vielmehr ist danach zu fragen, ob für den konkret zu entscheidenden Fall die Strafbarkeitsvoraussetzungen identisch geblieben sind, was nicht der Fall ist, wenn an zuvor irrelevante Sachverhaltselemente angeknüpft wird.30

1. Erweiterung der Strafbarkeit Identität liegt danach vor, wenn das neue Gesetz den Bereich des Strafbaren ausdehnt, indem es ein den alten Tatbestand beschränkendes Merkmal entfallen läßt oder einen engeren Begriff durch einen weiteren ersetzt. Die neue Strafbarkeit knüpft in diesem Fall nicht an über den alten Tatbestand hinausgehende Umstände an. Es tritt lediglich zum fortbestehenden Anwendungsbereich der alten Norm ein weiterer hinzu. Für ein nach altem Recht tatbestandsmäßiges Verhalten wirkt sich die Änderung somit nicht aus.

2. Beschränkung der Strafbarkeit Umgekehrt muß für eine Einschränkung des Tatbestandes durch zusätzliche strafbarkeitskonstituierende Merkmale die Identität der Normen hingegen verneint werden.31 Die Beschränkung auf bereits unter altem Recht relevante Sachverhaltsumstände resultiert zunächst daraus, daß sich nur auf sie der Unrechtsvorwurf der alten Norm bezog und der Täter auch nur diesbezüglich straf___________ 29 Grundlegend F.-C. Schroeder, FS Bockelmann, S. 785, 796 ff.; vgl. ferner Hassemer, in: Alternativ-Komm. StGB, § 2 Rn. 32; Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 514; Rudolphi, in: System. Komm. StGB, § 2 Rn. 10; Jakobs, Strafrecht AT, 4/73 ff.; Sommer, Das „mildeste Gesetz“, S. 163 ff.; Elsner, Das intertemporale Strafrecht, S. 174 ff. 30 F.-C. Schroeder, FS Bockelmann, S. 785, 796; Elsner, Das intertemporale Strafrecht, S. 174. 31 F.-C. Schroeder, FS Bockelmann, S. 785, 796; Hassemer, in: Alternativ-Komm. StGB, § 2 Rn. 32; Rudolphi, in: System. Komm. StGB, § 2 Rn. 10.

376

9. Kap.: Zeitliche Anwendbarkeit

rechtlich relevanten Vorsatz haben konnte. Ferner muß sich die Schuld des Täters auf alle Tatbestandsmerkmale beziehen, das heißt den gesamten Unrechtsgehalt der Tat umfassen.32 Dies ist bei Anknüpfung an bisher irrelevante Umstände aber schlechterdings unmöglich.33 Zwar kann dem Täter die Verwirklichung des neuen Merkmals in tatsächlicher Hinsicht bekannt und bewußt gewesen sein. Ihm fehlte aber die Einsicht und das Wissen bezüglich des damit verwirklichten Unrechts. Alles andere ist ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot.34 Das wird von einigen Vertretern der Identitätslehre für den Fall einer Einschränkung der Strafbarkeit mit dem Argument bestritten, der alte Tatbestand würde das limitierende Merkmal bereits enthalten haben, nur eben zusammen mit jeder möglichen anderen Spezies, also generell.35 Die vom Täter verletzte Verhaltensnorm bliebe mit der neuen identisch, wenn das von ihm verwirklichte Unrecht auch vom neuen Tatbestand erfaßt würde.36 Die Beschränkung des Tatbestandes durch Ersetzung eines generellen Begriffes in der alten Vorschrift durch einen Artbegriff in der neuen (also gleichsam umgekehrt zur Erweiterung der Strafbarkeit) hätte auf die Identität keinen Einfluß.37 Insofern sei der neue Tatbestand eine Teilmenge des alten und eine Bestrafung setze nur voraus, daß der Täter das zusätzliche (strafbarkeitsbeschränkende) Merkmal bei Begehung der Tat gekannt hat.38 Mit dieser Ansicht wird aber die eben gewonnene Eindeutigkeit bei der Feststellung der Identität zum großen Teil wieder aufgegeben, da es oft vom Zufall abhängt, ob ein Täter die zukünftige Spezifikation, die zur Tatzeit lediglich generell umschrieben ist, erkennt.39 So soll die Identität bei Einführung einer Wertgrenze beim Diebstahl erhalten bleiben, nicht hingegen, wenn dieser nach Investitions- oder Verbrauchsgütern differenziert.40 Um Zufallsergebnisse zu vermeiden, fordern deshalb einige, daß es sich bei den neueingeführten beschränkenden Merkmalen um im Rahmen der alten ___________ 32

A. Kaufmann, JZ 1963, 425, 426; Mohrbotter, ZStW 88 (1976), 923, 938. Tiedemann, NJW 1977, 777, 778. 34 F.-C. Schroeder, FS Bockelmann, S. 785, 796. 35 Jakobs, Strafrecht AT, 4/76. 36 Schmitz, in: Münchener Komm. StGB, § 2 Rn. 27. 37 Elsner, Das intertemporale Strafrecht, S. 177; Jakobs, Strafrecht AT, 4/76. 38 Schmitz, in: Münchener Komm. StGB, § 2 Rn. 27. 39 Dies räumt auch Jakobs, Strafrecht AT, 4/76 ein. 40 Jakobs, Strafrecht AT, 4/76. Des weiteren soll nach Rogall, in: Karlsruher Komm. OWiG, § 4 Rn. 26, die Unrechtskontinuität bestehen bleiben, wenn ein Einfuhrverbot für präparierte Vögel auf präparierte Raubvögel beschränkt würde. Das wird aber von Elsner, Das intertemporale Strafrecht, S. 178, Fn. 41, bestritten, obwohl doch ein Raubvogel eine Teilmenge der Gattung „Vogel“ ist. 33

C. Meinungsstand

377

Norm legitime Strafzumessungskriterien handeln muß.41 Dann wäre die Einführung einer bloßen Wertgrenze bei den Vermögensdelikten keine Unterbrechung der Identität, da der Schaden ein legitimes Strafzumessungskriterium ist.42 In der Tat könnte es dem „Rechtsgefühl“ widersprechen, nur durch Einführung einer Wertgrenze Straffreiheit zu erlangen.43 Andererseits ist es im Einzelfall nicht immer einfach festzustellen, ob ein Umstand Strafzumessungskriterium ist. Zudem bleibt es bei dem Einwand, daß der Täter einem zusätzlichen Makel ausgesetzt wird, der über das alte Tatzeitrecht hinausgeht.44 Demnach ist die strenge Identitätslehre vorzugswürdig. Diese Ansicht ist nicht auf die mehr oder weniger vage Bestimmung der Unrechtskontinuität oder von ehemals legitimen Strafzumessungskriterien angewiesen, sondern kann streng formalistisch vorgehen und damit für sich den großen Vorteil der Eindeutigkeit und Prognostizierbarkeit im konkreten Fall in Anspruch nehmen. Nur die damit gewonnene Rechtssicherheit wird dem Rückwirkungsverbot des Art. 103 II GG vollauf gerecht, denn dieses ist absolut und erfüllt seine rechtsstaatliche und grundrechtliche Gewährleistungsfunktion durch eine strikte Formalisierung.45 In anderen Rechtsgebieten vorkommende flexiblere Lösungen, die sich an der Rechtsstaatlichkeit und insbesondere dem Vertrauensschutz orientieren, sind im Strafrecht unzulässig.46 Die (möglicherweise) durch die einem Täter zuteil werdende zufällige Besserstellung eintretende Verletzung der materiellen Gerechtigkeit steht in einem Spannungsverhältnis zum verfassungsrechtlich gebotenen Rückwirkungsverbot.47 Dies sachgerecht zu lösen, ist Aufgabe des Gesetzgebers. Dieser hat es in jedem Fall in der Hand, die Fortgeltung der alten Norm auf die unter ihrem Regime begangenen Alttaten anzuordnen, da Rückwirkung des milderen Gesetzes (§ 2 III StGB) verfassungsrechtlich nicht geboten ist.48 Deshalb greift der Einwand nicht, man nähme durch die Forderung strikter Identität den Parlamenten

___________ 41

So vor allem Jakobs, Strafrecht AT, 4/76; ebenso Elsner, Das intertemporale Strafrecht, S. 177; Dannecker, Das intertemporale Strafrecht, S. 515. 42 Jakobs, Strafrecht AT, 4/76. 43 So Elsner, Das intertemporale Strafrecht, S. 177. Gegen das Argument des Rechtsgefühls zutr. Mohrbotter, ZStW 88 (1976), 923, 926, mit dem Hinweis, daß dem der Andersdenkende nur die Behauptung entgegensetzen müsse, er fühle anders. 44 F.-C. Schroeder, FS Bockelmann, S. 785, 796 f.; dagegen C. Schröder, ZStW 112 (2000), 44, 70 f. 45 Vgl. BVerfGE 95, 96, 131. 46 Dazu ausf. Krey/Weber-Linn, FS Blau, S. 123, 136 u. 149 f. m.w.N. 47 So auch Mohrbotter, ZStW 88 (1976), 923, 929. 48 Vgl. BGH (GrS), wistra 1996, 264, 266.

378

9. Kap.: Zeitliche Anwendbarkeit

die Möglichkeit zu aktiver Kriminalpolitik, da bei Änderungen immer die Gefahr der völligen Straflosigkeit früheren Verhaltens im Raum stehe.49 Der Kontinuitätslehre fehlen verläßliche Kriterien zur eindeutigen Entscheidung im Einzelfall. Sie versagt in komplexen Situationen völlig (vgl. den Bundesgerichtshof zum Außenwirtschaftsgesetz). Vorzugswürdig ist deshalb die streng formalistisch vorgehende Identitätslehre.

IV. Zwischenergebnis

§ 2 III StGB setzt voraus, daß alte und neue Vorschrift identisch im vorbeschriebenen Sinne sind. Dazu ist der Sachverhalt zunächst unter die alte Rechtslage zu subsumieren. Hier zeigt sich, welche Sachverhaltselemente zur Begründung der Strafbarkeit nach altem Recht erforderlich sind. Nur diese – und nicht auch möglicherweise zusätzlich vorhandene – Elemente dürfen anschließend unter das neue Recht subsumiert werden. Ergibt sich auch dann eine Strafbarkeit, so besteht Identität im hier verlangten Sinne. Die Identität fehlt hingegen, wenn erst zusätzliche Merkmale eine Strafbarkeit begründen.

D. Anwendung auf § 88 BörsG a.F./§§ 38, 39, 20a WpHG I. Literatur

Die Stimmen aus der Literatur sind wenig aufschlußreich. Während Tripmaker50 ohne nähere Begründung für eine Anwendbarkeit von § 88 BörsG a.F. auf Alttaten plädiert, kommen Hild51, Lenzen52 und Ziouvas53 unter Hinweis auf die Herabstufung der Straftat zur Ordnungswidrigkeit jedenfalls für die Fälle, in denen kein Manipulationserfolg nachzuweisen ist, (insoweit zutreffend) zum gegenteiligen Ergebnis. Wie bei Vorliegen eines solchen Erfolges zu entscheiden ist, lassen sie offen. Park54 und Zimmer55 schließlich entscheiden allein nach der Sanktionsdrohung, ohne zuvor nach einer wie auch immer gearteten Kontinuität zwischen alter und neuer Vorschrift zu fragen. Altfälle, die nicht zu einem Erfolg geführt haben, seien daher als Ordnungswidrigkeit zu ahnden, ___________ 49

So aber C. Schröder, ZStW 112 (2000), 44, 70. Wistra 2002, 288, 289 (für § 20a WpHG [4. FMFG]). 51 Grenzen, S. 180. 52 ZBB 2002, 279, 281 f. (für § 20a WpHG [4. FMFG]). 53 ZGR 2003, 113, 138 (für § 20a WpHG [4. FMFG]). 54 BB 2003, 1513, 1516 (für § 20a WpHG [4. FMFG]). 55 In: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechtskommentar, § 38 WpHG Rn. 13, § 39 Rn. 24. 50

D. Anwendung auf § 88 BörsG a.F./§§ 38, 39, 20a WpHG

379

weil der neue Bußgeldtatbestand milder ist als der frühere Straftatbestand § 88 BörsG a.F. Lag hingegen ein Manipulationserfolg vor, so käme § 88 BörsG a.F. als im Vergleich zur neuen Strafvorschrift mildere Vorschrift zur Anwendung. Diese Sichtweise kommt der heute einhellig abgelehnten Ansicht, die auf Kontinuität verzichtet und lediglich verlangt, daß ein Verhalten sowohl vor als auch nach der Gesetzesänderung einen Straftatbestand verwirklichte, bedenklich nahe und ist deshalb abzulehnen. Vogel schließlich bejaht eine Unrechtskontinuität zwischen § 88 BörsG a.F. und § 38 I Nr. 4 i.V.m. § 20a I 1 WpHG [4. FMFG], da das weitergehende Verbot der Gefährdung eines Rechtsgutes erst recht das engere Verbot seiner Verletzung enthalte.56

II. LG München I (6. Strafkammer) – Fall Comroad

Die 6. Strafkammer des LG München I hatte sich erstmalig mit der Frage der Unrechtskontinuität zwischen § 88 BörsG a.F. und §§ 20a, 38 I Nr. 4 WpHG [4. FMFG] zu befassen.57 Ganz auf der Linie der Leitentscheidung des Großen Senates stellte die Kammer fest, daß einer Bestrafung aus § 88 BörsG a.F. die Gesetzesänderung nicht entgegen stehe, da kein tiefgreifender Wesensunterschied zwischen der alten und der neuen Vorschrift festgestellt werden könne. § 38 I Nr. 4 WpHG [4. FMFG] konstituiere nur insoweit strengere Anforderungen an die Strafbarkeit, als er sie vom Eintritt eines Erfolges abhängig mache. § 88 BörsG a.F. stellte schon die falsche Angabe mit dem Ziel der Beeinflussung unter Strafe. Deshalb sei keine unterschiedliche Zielrichtung des neuen Gesetzes erkennbar. Sowohl nach altem wie auch nach neuem Recht bedürfe es eines auf die Einwirkung auf den Börsenpreis gerichteten Vorsatzes. Der Unterschied zwischen den Vorschriften bestehe lediglich darin, daß die alte eine quasi im Versuchsstadium steckengebliebene Tat für strafbar und vollendet erklärt. Eine andere Bewertung ergebe sich schließlich auch nicht aus den Gesetzesmaterialien. § 88 BörsG a.F. sollte bei Eintritt eines Kursbeeinflussungserfolges durch § 38 I Nr. 4 WpHG [4. FMFG] ersetzt werden.

III. Kritik

Unter Zugrundelegung der Lehre von der Unrechtskontinuität ist diese Entscheidung scheinbar folgerichtig. Am Rechtsgut der betroffenen Vorschriften hat sich nichts geändert (s. dazu oben). Die nahezu wörtlich identische Umschreibung der Tathandlung (abgesehen vom Erfordernis des Erfolgseintritts) ___________ 56 Vogel, NStZ 2004, 252, 255; Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, Vor § 20a Rn. 6. 57 LG München I (6. StrK), NStZ 2004, 291 f. – Comroad m. Anm. Eichelberger.

380

9. Kap.: Zeitliche Anwendbarkeit

führt ferner dazu, daß auch die Angriffsrichtung gleichgeblieben ist. Insofern besteht kein tiefgreifender Wesensunterschied. Überdies kommt es – was gerne kriminalpolitisch als Argument eingewandt wird – nicht zu zufälligen und ungerechtfertigten Strafbarkeitslücken. Rückt man allerdings die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum Außenwirtschaftsgesetz in das Blickfeld, so steht dieses Ergebnis in Frage, wurde doch dort in einem im wesentlichen gleichgelagerten Fall gerade mit dem Hinzutreten eines zusätzlichen Tatbestandsmerkmales der tiefgreifende Wesensunterschied zwischen alter und neuer Norm begründet.58 Wohl deshalb vermeidet die Kammer eine nähere Auseinandersetzung mit dieser Entscheidung, sondern behauptet die Unrechtskontinuität ohne weitere Begründung. Die Feststellung der Unrechtskontinuität zwischen § 88 BörsG a.F. und §§ 20a, 38 I Nr. 4 WpHG [4. FMFG] ist demnach mitnichten so eindeutig, wie es die Kammer sah.

IV. LG München I (4. Strafkammer) – Fall EM.TV

Bereits wenige Monate später mußte sich das LG München I (4. Strafkammer) erneut mit der Problematik befassen.59 In dem ausführlich und gut begründeten Urteil zog das Gericht diesmal aber die richtigen Schlüsse aus der BGH-Entscheidung zum AWG und lehnte unter ausdrücklicher Bezugnahme darauf die Unrechtskontinuität zwischen § 88 BörsG a.F. und § 38 I Nr. 4 WpHG [4. FMFG] ab. Dies ergebe sich noch nicht ohne weiteres allein aus Gründen des Vorsatzes, denn da § 88 BörsG a.F. die Kursbeeinflussungsabsicht voraussetzte, nahm der Täter auch den Erfolgseintritt und damit das zusätzliche Merkmal der neuen Vorschrift in seinen Vorsatz auf. Ausschlaggebend für das Gericht war aber, daß der Deliktstyp von einem abstrakten Gefährdungsdelikt in ein Erfolgsdelikt verändert wurde. Das führe zu einem wesensmäßig verschiedenen Tatbestand, der dem Täter bei Begehung der Tat nicht bekannt sein konnte. Deshalb sei § 39 I Nr. 1, 2 WpHG [4. FMFG] die Nachfolgevorschrift zu § 88 BörsG a.F. Zur weiteren Unterstützung dieser Auffassung zog das Gericht zutreffend auch die Gesetzgebungsmaterialien heran. In einem obiter dictum wirft die Kammer schließlich die Frage auf, ob nicht generell bei der Ablösung eines Straftatbestandes durch eine Ordnungswidrig___________ 58

BGH, MDR 1977, 858, 859. LG München I (4. StrK), NJW 2003, 2328, 2330 – EM.TV; dagegen ausdrücklich BGH, NJW 2005, 445, 450 – EM.TV. 59

D. Anwendung auf § 88 BörsG a.F./§§ 38, 39, 20a WpHG

381

keit (als Grundtatbestand) und einer Strafnorm (als Qualifikation) lediglich die Ordnungswidrigkeit zur Anwendung kommen müsse.60

V. Kritik

Diese Entscheidung verdient Zustimmung. Der Gesetzgeber hat eindeutig zu erkennen gegeben, daß die Marktmanipulation ohne Erfolgseintritt zukünftig lediglich als Ordnungswidrigkeit geahndet werden soll. Dies zum einen, weil der geringere Unrechtsgehalt erfolgloser Manipulationsversuche nicht mehr die Schwelle zum (Kriminal-)Strafwürdigen erreicht61, zum anderen, um eine wirksamere Verfolgung dieser dennoch dem Kapitalmarkt abträglichen Verstöße durch die BaFin zu ermöglichen.62 Um eine – mit wesentlich erhöhtem Strafrahmen versehene – Straftat handelt es sich nur bei Hinzutreten des Manipulationserfolges.63 Diese Wertung wird schlicht übergangen, wenn man die Unrechtskontinuität zwischen altem und neuem Straftatbestand bejaht.64 Ferner kann es nicht dem Zufall überlassen sein, ob dem Täter die geänderte Strafwürdigkeitserwägung zugute kommt und er lediglich mit einem Bußgeld belegt wird, oder ob ihm eine Kriminalstrafe droht, weil er bei der Tat einen Erfolg herbeigeführt hat, der zur Tatzeit strafrechtlich irrelevant und damit unvorhersehbar war. Des weiteren spricht die Änderung der Deliktsnatur von abstraktem Gefährdungsdelikt zum Erfolgsdelikt, verbunden mit der nicht unerheblichen Erhöhung des Strafrahmens von drei auf fünf Jahre, gegen die Unrechtskontinuität.

___________ 60 LG München I (4. StrK), NJW 2003, 2328, 2330 – EM.TV. Für die Aufstellung einer derartigen Regel besteht jedoch kein Anlaß. Welches Gesetz zur Anwendung kommt, entscheidet sich allein nach § 2 StGB. In Fällen wie dem vorliegenden, wo der neue Straftatbestand ein dem alten Recht nicht bekanntes Merkmal zusätzlich erfordert, ist die Regel immerhin faktisch zutreffend und auf diese Fälle hat sie das Gericht wohl auch bezogen. 61 Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8017, S. 99; so auch Park, BB 2003, 1513. 62 Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8017, S. 64. 63 Auch dieses Argument wurde zur Begründung des tiefgreifenden Wesensunterschiedes zwischen § 34 AWG a.F. und § 34 AWG n.F. herangezogen, vgl. BGH, MDR 1977, 858. 64 Auch Park, BB 2003, 1513, 1514, anerkennt (zu Recht), daß der Unrechtsgehalt durch das hinzugekommene Erfolgserfordernis „insgesamt eine qualitativ eigenständige Bedeutung erlangt“. Allerdings zieht er daraus nicht die logische Konsequenz der Inkontinuität zwischen § 88 BörsG a.F. und §§ 20a, 38 I Nr. 4 WpHG [4. FMFG].

382

9. Kap.: Zeitliche Anwendbarkeit VI. BGH – Scalping, BGH – EM.TV

Zwischenzeitlich hat sich auch der Bundesgerichtshof zur zeitlichen Anwendbarkeit von § 88 BörsG a.F. und §§ 38 I Nr. 4, 20a WpHG [4. FMFG] geäußert.65 Der Senat führt zunächst zutreffend aus, daß nur eine Ordnungswidrigkeit in Betracht kommt, wenn ein Beeinflussungserfolg nicht nachweisbar sei, denn diese entspreche in ihren tatbestandlichen Voraussetzungen dem § 88 BörsG a.F. Darüber hinaus bestünde aber auch Unrechtskontinuität zwischen § 88 BörsG a.F. und der Straftat nach § 38 I Nr. 4 WpHG [4. FMFG], weil die Verwirklichung des tatbestandlichen Erfolges im Sinne von § 38 I Nr. 4 WpHG [4. FMFG] auch nach altem Recht strafbar war, denn der Tatbestand des Gefährdungsdeliktes (§ 88 BörsG a.F.) sei erst recht erfüllt, wenn das geschützte Rechtsgut nicht nur gefährdet, sondern sogar verletzt worden ist. Das Gefährdungsdelikt des § 88 BörsG a.F. umfasse somit das Erfolgsdelikts (§ 38 I Nr. 4 WpHG [4. FMFG]).66 Bei nachgewiesenem Taterfolg komme daher bei Alttaten vor dem 4. FMFG § 88 BörsG a.F. zur Anwendung.

VII. Kritik

Der Bundesgerichtshof hat sich damit nunmehr ausdrücklich für die unzutreffende Lösung des LG München (6. StrK) im Fall Comroad entschieden, so daß auf die diesbezüglich geübte Kritik verwiesen werden kann. Indem der Bundesgerichtshof von einer Unrechtskontinuität zwischen § 88 BörsG a.F. und § 38 I Nr. 4 WpHG [4. FMFG] ausgeht, verkennt er zudem seine eigene Entscheidung zum Außenwirtschaftsgesetz.

VIII. Eigene Ansicht (Identitätslehre)

Die Anwendung der streng formalistischen Identitätslehre macht es einfach und kommt zu einem eindeutigen Ergebnis: Der Straftatbestand (§ 38 II WpHG) setzt den Eintritt eines Beeinflussungserfolges voraus. Dieses Tatbestandsmerkmal kannte § 88 BörsG a.F. nicht. Damit knüpft die neue Strafnorm notwendigerweise an unter altem Recht irrelevante Tatumstände an. Es besteht deshalb zwischen diesen Vorschriften keine Identität im Sinne der intertemporalen Geltung. § 38 II (bzw. § 38 I Nr. 4 WpHG [4. FMFG]) i.V.m. § 20a I 1 WpHG kann mithin auf Altfälle nicht angewandt werden, selbst wenn es zu einer nachweisbaren Preisbeeinflussung gekommen war. ___________ 65 BGH, NJW 2005, 445, 449 – EM.TV; angedeutet bereits in einem obiter dictum in BGHSt 48, 373, 383 – Scalping = WuB I G 7. – 2.04 Eichelberger. 66 BGH, NJW 2005, 445, 450 – EM.TV.

E. Ergebnis

383

Unrechtsidentität kommt daher nur zwischen § 88 BörsG a.F. und § 39 I Nr. 1, 2, II Nr. 11 i.V.m. § 20a I 1 WpHG in Betracht, insoweit die umschriebenen Verhaltensweisen trotz etwaiger Änderungen im Wortlaut identisch sind. Die konkrete Beantwortung dieser Frage ist an die Untersuchung anhand der jeweiligen Tatumstände in jedem Einzelfall gebunden. Hierbei ist unter anderem zu beachten, daß der Kreis der dem Manipulationsverbot unterfallenden Finanzinstrumente teils erweitert, teils verengt wurde und durch das AnSVG Änderungen und Ergänzungen am Tatbestand von § 20a I 1 WpHG vorgenommen wurden. Nur wenn das neue Recht ausschließlich an bereits nach altem Recht relevante Tatmerkmale anknüpft, ist der neue Ordnungswidrigkeitentatbestand auch im konkreten Fall mit dem alten Straftatbestand identisch und somit als milderes Gesetz im Sinne von § 2 III StGB auf den Altfall anzuwenden. Problematisch ist in diesem Zusammenhang insbesondere, daß mit Inkrafttreten des AnSVG § 20a I 1 Nr. 3 WpHG (ehemals § 20a I 1 Nr. 2 WpHG [4. FMFG] bzw. § 88 Nr. 2 BörsG a.F.) anstelle der bisher notwendigen (subjektiven) Preisbeeinflussungsabsicht nunmehr die objektive Eignung zur Preisbeeinflussung fordert. Wenn man nicht einer zum früheren Recht vertretenen Ansicht folgt, nach der die sonstige Täuschungshandlung objektiv zur Kursbeeinflussung geeignet sein mußte (auch ohne daß dies ausdrücklich im Gesetz stand)67, dann knüpft das neue Recht an Umstände an (sc. die Preisbeeinflussungseignung), die nach altem Recht irrelevant waren. Dies aber schlösse die Unrechtsidentität aus. Jedenfalls nicht anwendbar ist § 39 II Nr. 11 WpHG in der Leichtfertigkeitsvariante. Nach bisherigem Recht (sowohl § 88 BörsG a.F. als auch § 39 I WpHG [4. FMFG]) war nur vorsätzliches Handeln ahndbar.

E. Ergebnis Alttaten, die vor Inkrafttreten von § 20a WpHG nach § 88 BörsG a.F. strafbar gewesen wären, können nunmehr nur noch gegebenenfalls als Ordnungswidrigkeit nach §§ 39 I Nr. 1, 2, II Nr. 11 WpHG geahndet werden. Das gilt auch für den Fall, daß es zu einem nachweisbaren Manipulationserfolg kam, denn zwischen § 88 BörsG a.F. und § 38 II WpHG bzw. § 38 I Nr. 4 WpHG [4. FMFG] besteht keine Unrechtsidentität. ___________ 67

So etwa Fuhrmann, in: Erbs/Kohlhaas (Hrsg.), Strafrechtliche Nebengesetze, Stand: 104. Lief., § 88 BörsG Rn. 16; ferner Kahn, Börsengesetz, § 88 Anm. 3; Weinholz, Schutz, S. 28 f.; a.A. (sc. auch ungeeignete Verhaltensweisen einbeziehend) Bernstein, Börsengesetz, § 88 Anm. 2 a; differenzierend Scheu, Börsenstrafrecht, S. 19, der zwischen absolut und relativ untauglichen Mitteln unterscheidet.

384

9. Kap.: Zeitliche Anwendbarkeit

Alttaten, die nicht nach § 88 BörsG a.F. strafbar gewesen wären, etwa, weil sie nur leichtfertig begangen wurden, können auch jetzt weder bestraft noch als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Alttaten, die zwar bisher dem Manipulationsverbot unterfielen, inzwischen aber nicht mehr verboten sind, etwa, weil sie den Tatbestand eines safe-harbors erfüllen etc., bleiben sanktionslos.

Zehntes Kapitel

Die Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Marktmanipulation (Marktmanipulations-Konkretisierungsverordnung – MaKonV) § 20a V WpHG erteilt die Ermächtigung, im Wege der Verordnung nähere Bestimmungen zur Anwendung des Manipulationsverbotes zu erlassen. Der Bundesminister der Finanzen hat am 1. März 2005 zum zweiten Mal von diesem Verordnungsrecht Gebrauch gemacht und eine an die durch das AnSVG herbeigeführten Änderungen angepaßte Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Marktmanipulation (Marktmanipulations-Konkretisierungsverordnung – MaKonV) mit Zustimmung des Bundesrates erlassen.1 Sie ist am 11. März 2005 in Kraft getreten.2 A. Wesentlicher Inhalt Der Verordnungsgeber hat von fast allen ihm in § 20a V WpHG erteilten Ermächtigungen Gebrauch gemacht. Teil 1 der MaKonV bestimmt (lediglich deklaratorisch) den Anwendungsbereich der Verordnung und wiederholt zu diesem Zweck die Verordnungsermächtigung. Teil 2 der Verordnung dient der Konkretisierung der Tatbestandsmerkmale bewertungserhebliche Umstände (§ 20a I 1 Nr. 1 WpHG), falsche oder irreführende Signale oder künstliches Preisniveau (§ 20a I 1 Nr. 2 WpHG) und sonstige Täuschungshandlung (§ 20a I 1 Nr. 3 WpHG). Zu diesem Zweck enthalten die §§ 2 I und 4 I MaKonV Legaldefinitionen für die Begriffe der bewertungserheblichen Umstände sowie der sonstigen Täuschungshandlung. Ihnen sind in den jeweils folgenden Absätzen typische Beispiele und Situationen beigefügt. Für die Konkretisierung der Tatbestandsmerkmale von § 20a I 1 Nr. 2 WpHG verzichtet die MaKonV ___________ 1

VO v. 1. März 2005, BGBl. I 2005, S. 515-518. Bis zu diesem Zeitpunkt galt die Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Kurs- und Marktpreismanipulation v. 18. November 2003, BGBl. I 2003, S. 2300-2303. Die Verordnung basierte auf einem Entwurf (Stand: Juni 2003), der mit einigen Änderungen aufgrund der beim BMF am 19. August 2003 durchgeführten Anhörung der betroffenen Marktteilnehmer dem Bundesrat am 5. September 2003 zur Zustimmung zugeleitet wurde (BR-Drs. 639/03) Dieser hat mit der Maßgabe kleinerer Änderungen am 17. Oktober 2003 zugestimmt (BR-Drs. 639/03 (Beschluß)). Allg. zur KuMaKV Pfüller/Anders, WM 2003, 2445; Weber, NZG 2004, 23 ff.; zum Entwurf Rückert/Kuthe, BKR 2003, 647 ff. 2

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10. Kap.: MaKonV

dagegen auf Definitionen. Sie gibt statt dessen in § 3 MaKonV lediglich Beispiele für falsche oder irreführende Signale oder das Vorliegen eines künstlichen Preisniveaus. Viele dieser Beispiele erinnern an den später gestrichenen und nur teilweise in die MMRL (Art. 1 Nr. 2) übernommenen Beispielskatalog des Richtlinienentwurfes3. Teil 3 der Verordnung betrifft Verhaltensweisen (in Anlehnung an ihre US-amerikanischen Pendants „safe-harbors“ genannt), die in keinem Fall einen Verstoß gegen das Verbot der Marktmanipulation darstellen. Die MaKonV (§ 5) beschränkt sich dabei auf einen Verweis auf die zwischenzeitlich ergangene und unmittelbar anwendbare Verordnung (EG) Nr. 2273/2003. In der Sache geht es dabei um den Handel mit eigenen Aktien im Rahmen von Rückkaufprogrammen sowie Maßnahmen zur Stabilisierung des Preises von Finanzinstrumenten.4 Des weiteren werden entsprechende ausländische Stabilisierungsregeln anerkannt, sofern diese mit der genannten Verordnung gleichwertig sind (§ 6 MaKonV). Teil 4 schließlich betrifft die zulässige Marktpraxis im Sinne von § 20a II WpHG. B. Formelle Rechtmäßigkeit der MaKonV Gegen die formelle Rechtmäßigkeit bestehen keine Bedenken. Da der Bundesminister der Finanzen als Erstdelegatar nicht von seiner Subdelegationsbefugnis Gebrauch gemacht, sondern selbst verordnet hat, kommt es auf die Zustimmungs- und Einvernehmensproblematik bei dem Verordnungserlaß durch den Subdelegatar nicht an.5 C. Materielle Rechtmäßigkeit der MaKonV Die Verordnung muß sich zu ihrer Rechtmäßigkeit im Rahmen der durch § 20a V WpHG gegebenen Ermächtigung halten und mit dem gesamten höherrangigen Recht (insbesondere mit allen Bundesgesetzen und dem Grundgesetz) vereinbar sein. Innerhalb dieser Vorgaben ist der Verordnungsgeber aber nicht auf die bloße deduktive Ableitung aus gesetzlichen Vorgaben beschränkt, sondern hat einen Raum eigener Gestaltungsfreiheit, den er durch politische Sachund Willensentscheidungen im Rahmen des gesetzlichen Programms ausfüllt.6 Dieses „Verordnungsermessen“ (auch als Beurteilungs-, Bewertungs-, Einschätzungs-, Wertungs- oder Gestaltungsspielraum, Ermessen, Gestaltungsfreiheit bezeichnet) ergibt sich daraus, daß Verordnungsgebung Rechtssetzung und ___________ 3

KOM (2001) 281 endg., ABl. EG 2001 C 240 E, S. 265-271 – Anhang Abschnitt B. Entsprechende Regelungen waren bisher in den §§ 4-13 KuMaKV enthalten. 5 Vgl. dazu o. 5. Kap. B III 2 b (S. 189). 6 BVerfGE 38, 348, 363; Badura, GS Martens, S. 25 ff.; Ossenbühl, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), Handbuch, § 64 Rn. 33. 4

C. Materielle Rechtmäßigkeit der MaKonV

387

nicht bloße Rechtsanwendung ist.7 Die normkonkretisierende Rechtsverordnung ist deshalb grundsätzlich nicht auf die Normierung bereits interpretativ aus der zu konkretisierenden Gesetzesbestimmung feststellbarer Ergebnisse beschränkt, sondern kann selbständig auch zu einem anderen Ergebnis kommen.8 Die nähere Bestimmung von Gesetzesbegriffen ist damit eine „delegierte authentische Interpretation“ durch den Verordnungsgeber.9 Seine Grenzen findet das Verordnungsermessen dort, wo der Bedeutungsrahmen und das Ziel der gesetzlichen Regelung verlassen, die „Natur der zu regelnden Materie“ nicht beachtet wird.10 Vorliegend besteht jedoch die Besonderheit, daß es sich um strafund ordnungswidrigkeitenrechtliche Regelungen handelt, die den strengeren Anforderungen der Art. 103 II, 104 I 1 GG genügen müssen. Die Verordnung ist auf gewisse Spezifikationen beschränkt, während die Voraussetzung sowie Inhalt und Maß der Strafe bereits im formellen Gesetz festzulegen sind.11

I. Verbot der Strafbarkeitsausdehnung

Eine Schranke bildet hier das strafrechtliche Analogieverbot.12 Dieses verbietet auch dem Verordnungsgeber, Regelungen zu treffen, die den möglichen Wortsinn der gesetzlichen Vorschrift zu Lasten des Betroffenen verlassen, so daß eine Ausweitung der Verbotsmaterie über diesen Punkt hinaus unmöglich ist.13 Unter diesem Blickwinkel erscheinen manche Beispielstatbestände der MaKonV bedenklich weit geraten. Dies betrifft aber nicht den des Scalpings14, sondern insbesondere die Gleichstellung des Ausnutzens einer marktbeherrschenden Stellung (cornering/abusive squeeze) mit der sonstigen Täuschungshandlung (vgl. § 4 III Nr. 1 MaKonV).15

___________ 7

Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch, § 64 Rn. 33; ausf. zur verordnungsgeberischen Gestaltungsfreiheit von Danwitz, Gestaltungsfreiheit, S. 161 ff. 8 Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch, § 64 Rn. 33. 9 Jesch, JZ 1963, 241, 244 f. 10 BVerwGE 42, 169, 174. 11 Vgl. dazu o. 5. Kap. A I (S. 171). 12 Vgl. dazu o. 5. Kap. C I (S. 196). 13 So auch Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 9. 14 So zur KuMaKV aber Moosmayer, wistra 2002, 161, 169; dagegen (wie hier) Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, Vor § 20a Rn. 22. 15 In diese Richtung auch Rückert/Kuthe, BKR 2003, 647 f. (zum Entwurf der KuMaKV); Weber, NZG 2004, 23, 28; Vogel, in: von Rosen (Hrsg.), Aktienmarkt, S. 22, 33 f. (beide zur KuMaKV).

388

10. Kap.: MaKonV II. Zulässigkeit der Strafbarkeitseinschränkung

Eine mit dem Analogieverbot nicht zu beantwortende Frage ist hingegen, ob der Verordnungsgeber ein an sich dem § 20a I 1 WpHG unterfallendes Verhalten straflos stellen darf,16 oder ob er damit die Grenzen der „gewissen Spezifikationen“ verläßt. Diese Konstellation beträfe insbesondere möglicherweise zukünftig in der MaKonV auf Grundlage von § 20a V Nr. 4 WpHG aufzunehmenden safe-harbor-Regeln, die nicht gemeinschaftsrechtlich vorgegeben sind sowie zulässige Marktpraktiken im Sinne von § 20a V Nr. 5 Alt. 1 WpHG. Grundsätzlich ist es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, den Verordnungsgeber zum Erlaß einer Verordnung zu ermächtigen, die formell-gesetzliche Inhalte abweichend oder neu regelt, wenn dies auf Ausnahmefälle beschränkt bleibt und nicht den Kernbereich eines Gesetzes zur Disposition des Verordnungsgebers stellt.17 Wäre das Verbot der Marktmanipulation nicht straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtlich bewehrt (und damit Art. 103 II, 104 I 1 GG nicht berührt), bestünde kein Zweifel, daß zunächst gesetzlich umfassend jegliche Manipulation verboten und gleichzeitig der Exekutive ein Erlaubnisrecht für bestimmte Fälle qua Rechtsverordnung eingeräumt werden könnte. Dem stünde auch die Wesentlichkeitstheorie nicht entgegen, da es bei der Einschränkung eines gesetzlichen Verbotes nicht um unmittelbare grundrechtsrelevante Beeinträchtigungen geht. Handelt es sich aber wie vorliegend um eine straf- bzw. bußgeldbewehrte Norm, ließe sich gegen die Zulässigkeit einer Einschränkung des Anwendungsbereiches von § 20a I 1 WpHG vorbringen, daß dies einer Regelung der Grenzen der Strafbarkeit gleichkommt, die aber aufgrund des strafrechtlichen Gesetzlichkeitsprinzips (Art. 103 II, 104 I 1 GG) allein dem Gesetzgeber vorbehalten ist. Andernfalls könnte der Gesetzgeber ein umfassendes Verbot aussprechen, gleichzeitig den Verordnungsgeber im weiten Umfang zur Eingrenzung ermächtigen und damit im Ergebnis diesem die konkrete Ausgestaltung einer Strafvorschrift überlassen. Altenhain steht deshalb der verordnungsrechtlichen Regelung von safe-harbors kritisch gegenüber und sieht darin die Umkehrung des Grundsatzes „nulla poena sine lege“ in den Satz, daß alles verboten ist, was nicht ausdrücklich erlaubt ist.18 Diese Argumentation berücksichtigt jedoch nicht hinreichend, daß die aus dem Gesetzlichkeitsprinzip abgeleiteten Anforderungen an strafbegründende Gesetze in erster Linie dem Schutz des einzelnen vor staatlichen Eingriffen, ___________ 16

Dies verneinend Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 9. Sog. gesetzesändernde Rechtsverordnung, vgl. Lücke, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 80 Rn. 9; Stern, Staatsrecht, II, § 38 II 2 c. 18 Altenhain, BB 2002, 1874, 1876. 17

D. Rechtswirkungen der MaKonV

389

insbesondere vor nicht vorhersehbaren, willkürlichen Strafen dient.19 Es ist demzufolge unstreitig, daß das Analogieverbot nur zu Lasten des Täters gilt, nicht hingegen zu seinen Gunsten, namentlich durch analoge Anwendung eines Rechtfertigungsgrundes oder dessen extensive, über den Wortlaut hinausgehende Auslegung.20 Vor diesem Hintergrund ist es nicht überzeugend, dem Gesetzgeber zu verwehren, den Verordnungsgeber ausdrücklich zu einer sachlich gerechtfertigten Einschränkung eines Straftatbestandes zu ermächtigen. Die Befugnis findet ihre Grenze dort, wo die Verordnung den Kernbereich der Strafbarkeit aushöhlen würde und den mit dem Manipulationsverbot verfolgten Zielen zuwiderlaufen würde. Dem Verordnungsgeber ist es also nicht möglich, umfassende Straflosigkeit anzuordnen. Er ist entsprechend dem Willen des Gesetzgebers auf punktuelle Bereiche beschränkt. Zugegebenermaßen ist damit die konkrete Grenzziehung nicht leicht. Zulässig ist aber jedenfalls die Regelung derjenigen Verhaltensweisen, für die ein legitimes Interesse besteht, deren Strafbarkeit aber umstritten ist. Dem Verordnungsgeber ist es demnach innerhalb der skizzierten Grenzen erlaubt, bestimmte Verhaltensweisen vom Verbot der Marktmanipulation auszunehmen.

D. Rechtswirkungen der MaKonV I. Verbindlichkeit der Verordnung für den Rechtsanwender

1. Allgemeinverbindlichkeit Eine wirksame Rechtsverordnung, also eine solche, die namentlich von der zuständigen Stelle auf der Grundlage und in den Grenzen einer verfassungsgemäßen Ermächtigungsnorm und unter Beachtung der Vorgaben des Art. 80 GG erlassen wurde, ist für jedermann bindend und muß deshalb sowohl von der Verwaltung als auch von den Gerichten beachtet werden.21 Diese müssen die Verordnung deshalb auch dann anwenden, wenn sie die dort getroffenen Entscheidungen für unzweckmäßig, unrichtig o.ä. halten. Der Rechtsanwender muß daher die in der Verordnung nach § 20a V WpHG positiv getroffenen Regelungen uneingeschränkt beachten.22 Die MaKonV ist deshalb nicht bloß Hilfsmittel zur Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe des § 20a I 1 WpHG, ___________ 19

Vgl. Schmitz, in: Münchener Komm. StGB, § 1 Rn. 8. Statt aller Rudolphi, in: System. Komm. StGB, § Rn. 25 f. m.w.N. 21 BVerfGE 18, 52, 59; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch, § 64 Rn. 1. 22 Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20 Rn. 11. 20

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10. Kap.: MaKonV

wie dies beispielsweise im Außenverhältnis grundsätzlich unverbindliche Verwaltungsvorschriften wären, sondern für alle geltendes Recht. Die MaKonV wirkt damit vom Ergebnis her betrachtet wie eine blankettausfüllende Norm, muß also mit dem „Blankett“ (hier 20a I WpHG) „zusammengelesen“ werden. Die Rechtsfolgen für Normadressat und Rechtsanwender sind die gleichen, als wenn der Gesetzgeber die Tatbestände der MaKonV selbst im Gesetz geregelt hätte. Die gegenteilige Auffassung, die den Strafrichter bei der Auslegung des Straftatbestandes nicht an die Verordnung gebunden sieht23, verkennt die Allgemeinverbindlichkeit jeder Rechtsverordnung. Sie führt zudem die beabsichtigte Tatbestandskonkretisierung durch Verordnung ad absurdum und läuft der damit bezweckten Erhöhung der Rechtssicherheit zuwider.

2. Prüfungs- und Verwerfungskompetenz Eine die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen nicht erfüllende Rechtsverordnung hingegen ist von Anfang an (ex tunc) nichtig.24 Verwaltung und Gerichte haben aufgrund ihrer Gesetzesbindung (Art. 1 III, 20 III GG) die Befugnis und die Pflicht, eine Rechtsverordnung auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht zu prüfen (sog. Prüfungskompetenz)25 und diese dann gegebenenfalls nicht anzuwenden. Diese sog. Verwerfungskompetenz ist für Gerichte unbestritten, für die Verwaltung ganz überwiegende Ansicht.26 Es bedarf also (anders als bei formellen Gesetzen) keiner konkreten Normenkontrolle, um die Nichtigkeit einer Verordnung festzustellen.27 Dies erfolgt statt dessen inzident durch den Richter oder Verwaltungsbeamten bei der Gesetzesanwendung. Unter weiteren Voraussetzungen kommen daneben die abstrakte Normenkontrolle (Art. 93 I Nr. GG, §§ 13 Nr. 6, 76 BVerfGG) sowie die Verfassungsbeschwerde (Art. 93 I Nr. 4a GG, § 90 BVerfGG) in Betracht.

___________ 23

So Möller, WM 2002, 309, 314; Gotzens/Wegner, FAZ v. 6. April 2002, S. 21, die ferner offenlassen, ob dies nur für den Strafrichter und nur im Rahmen des Straftatbestandes gelten soll. 24 Brenner, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 80 Rn. 72. 25 Nierhaus, in: Bonner Komm. GG, Art. 80 Rn. 443. 26 Nierhaus, in: Bonner Komm. GG, Art. 80 Rn. 445; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch, § 64 Rn. 74. 27 Stern, Staatsrecht, II, § 38 III 5. – Die konkrete Normenkontrolle nach Art. 100 GG ist deshalb auch gar nicht möglich, da diese nur für förmliche (nachkonstitutionelle) Gesetze statthaft ist, Schlaich/Korioth, Bundesverfassungsgericht, Rn. 141 m.w.N.

D. Rechtswirkungen der MaKonV

391

3. Kontrolldichte Die bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Verordnung anzuwendende Kontrolldichte korrespondiert mit der verordnungsgeberischen Gestaltungsfreiheit.28 Die Gerichte und alle anderen Rechtsanwender sind lediglich befugt, die Einhaltung dieser Grenzen zu überprüfen.29 Das bedeutet vor allem, daß sie unter keinen Umständen eigene Zweckmäßigkeitsüberlegungen anstellen dürfen. Die in der Verordnung getroffenen Wertungen hinsichtlich der Legaldefinitionen, Beispielstatbestände und safe-harbor-Regelungen etc. sind ausschließlich auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht zu überprüfen, nicht aber darauf, ob ihre konkrete Ausgestaltung die bestmögliche, zweckmäßigste oder rechts- und kriminalpolitisch zutreffendste ist.

II. Zwingende Vorschriften der MaKonV im einzelnen

Zwingende Wirkung für den Rechtsanwender entfalten zunächst die in den §§ 2 I und 4 I MaKonV enthaltenen Legaldefinitionen für bewertungserhebliche Umstände resp. sonstige Täuschungshandlungen. Diese sind zwar ihrerseits der Auslegung zugänglich. Erfüllt jedoch ein Verhalten eine Legaldefinition, so ist dies für die anschließende Anwendung von § 20a I 1 WpHG verbindlich. Das gleiche gilt sinngemäß für die in der Verordnung typisierten Regelbeispiele. Erfüllt ein Verhalten die Kriterien der §§ 2 III, 3 II, 4 III MaKonV, so liegt zwingend ein bewertungserheblicher Umstand resp. ein irreführendes Signal resp. eine sonstige Täuschungshandlung vor. Umgekehrt verstoßen Handlungen, die im Einklang mit den Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 stehen, nie gegen das Manipulationsverbot. Nicht ebenso eindeutig ist die Verbindlichkeit des § 2 II MaKonV. Danach sind die dort aufgeführten Umstände (Ad hoc-Mitteilungen i.S.d. § 15 WpHG sowie nach §§ 10, 35 WpÜG veröffentlichungspflichtige Entscheidungen und Kontrollerwerbe) „regelmäßig“ bewertungserhebliche Umstände. Die im Vergleich zu den anderen Beispielstatbeständen verschiedene Wortwahl legt eine Auslegung dahingehend nahe, daß das Vorliegen solcher Umstände zwar im Regelfall einen bewertungserheblichen Umstand im Sinne des § 20a I 1 WpHG indiziert, jedoch im Einzelfall (mit entsprechend ausführlicher Begründung) anders entschieden werden kann. Hätte der Verordnungsgeber hier eine ebenso strikte Bindung des Rechtsanwenders wie bei den anderen Beispielen gewollt, hätte er dies deutlich machen müssen und auch ohne weiteres können. § 2 II ___________ 28 Ausf. von Danwitz, Gestaltungsfreiheit, S. 198 ff.; s. auch BVerfGE 50, 290, 332 f.; BVerwGE 72, 126, 132 m.w.N. 29 Zu den materiellen Grenzen s. o. C (S. 386).

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10. Kap.: MaKonV

MaKonV unterfallende Umstände sind deshalb nur in der Regel, nicht aber stets auch bewertungserhebliche Umstände im Sinne des § 20a I 1 WpHG.30 Nur eine Indizwirkung kommt schließlich §§ 3 I und 4 II MaKonV zu. Unterfällt ein Verhalten diesen Tatbeständen, dann ist dies lediglich ein „Anzeichen“ für falsche oder irreführende Signale, ein künstliches Preisniveau oder eine sonstige Täuschungshandlung. Eine Einzelfallbetrachtung kann dennoch ein gesetzeskonformes Verhalten ergeben.31

III. Abschließende Regelung in der MaKonV

Oben wurde die Frage nach der Verbindlichkeit der Rechtsverordnung innerhalb ihres Anwendungsbereiches bejaht. Davon zu trennen ist jedoch, ob und gegebenenfalls inwieweit die dort getroffenen Regelungen auch abschließend sind. Bejahendenfalls lägen dann niemals bewertungserhebliche Umstände, falsche oder irreführende Preissignale, künstliche Preisniveaus bzw. sonstige Täuschungshandlungen und damit auch keine Verstöße gegen § 20a WpHG vor, wenn nicht die Voraussetzungen der §§ 2, 3, 4 MaKonV erfüllt wären. Dem Rechtsanwender wäre also der Rückgriff auf die „Generalklausel“ des § 20a I 1 WpHG verwehrt. Der abschließende Charakter der Rechtsverordnung ist durch Auslegung zu ermitteln. Hierfür ist vor allem auf den Wortlaut sowie auf Sinn und Zweck der Regelung abzustellen.

1. Legaldefinitionen Die MaKonV enthält in den §§ 2 I und § 4 I Legaldefinitionen für die Begriffe bewertungserheblicher Umstand und sonstige Täuschungshandlung. Deren Formulierung („... sind ...“) deutet zumindest im Grundsatz auf eine abschließende Regelung hin. Der damit verfolgte Zweck der näheren Konkretisierung der weitgefaßten Tatbestandsmerkmale des § 20a I 1 WpHG würde konterkariert, wenn man diesen Legaldefinitionen keine abschließende, sondern dann nur indizielle Bedeutung bemessen würde. Insofern legt auch der Gesetzeszweck eine Auslegung als abschließend nahe. Daraus ergibt sich, daß jedes Verhalten, das hinsichtlich der Merkmale bewertungserheblicher Umstand bzw. sonstige Täuschungshandlung nicht unter die entsprechende Definition der MaKonV subsumiert werden kann, zwingend nicht verboten ist. Eine Anwen___________ 30

Andere Ansicht (sc. ad hoc-pflichtige Tatsache sei stets ein bewertungserheblicher Umstand) aber Pfüller/Anders, WM 2003, 2445, 2449, unter fehlgehendem Hinweis auf den dies angeblich ausdrückenden Wortlaut des § 2 II KuMaKV. 31 Begr. MaKonV, BR-Drs. 18/05, S. 13.

D. Rechtswirkungen der MaKonV

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dung des § 20a I 1 WpHG mit einer der MaKonV widersprechenden Auslegung der in der Verordnung verbindlich geregelten Tatbestandsmerkmale ist unzulässig. Die Gegenansicht32 ist mit der jeder wirksamen Rechtsverordnung zukommenden Allgemeinverbindlichkeit unvereinbar.

2. Regelbeispiele Etwas anderes gilt hinsichtlich der in den §§ 2 III, 3 und 4 II, III MaKonV normierten Beispiele für bewertungserhebliche Umstände, falsche oder irreführende Signale, künstliche Preisniveaus und sonstige Täuschungshandlungen. Schon deren Wortlaut („... insbesondere ...“, „... gilt auch ...“, „... können ... sein ...“) verdeutlicht, daß es sich hier nur um mögliche Formen handelt, jedoch nicht abschließend alle unter § 20a I 1 WpHG fallenden Verhaltensweisen aufgezählt sind.33 Der Rechtsanwender ist also nicht daran gehindert, einen Verstoß gegen § 20a I 1 WpHG anzunehmen, obwohl kein Beispiel der MaKonV verwirklicht wurde. Dem steht auch nicht das Analogieverbot entgegen. Da sich die Auslegung zum einen jedenfalls im Rahmen des gesetzlichen Tatbestandes, also § 20a I 1 WpHG, halten muß und zum anderen der Verordnungsgeber ausdrücklich keine abschließende Regelung vorgenommen hat, ist eine Bejahung von § 20a I 1 WpHG lediglich zulässige Gesetzesauslegung und keine analoge Anwendung eines Beispielstatbestandes der MaKonV. Die aufgezählten Beispielsfälle sind also unter den oben genannten Voraussetzungen im Falle ihres Vorliegens zwingend ein Verstoß gegen § 20a I 1 WpHG. Sie entfalten aber außerhalb ihres Anwendungsbereiches keine Sperrwirkung, die einen Rückgriff auf § 20a I 1 WpHG ausschlösse. Diskussionswürdig ist jedoch, ob der Rechtsanwender in diesem Falle einem erhöhten Begründungserfordernis unterliegt. Dafür könnte sprechen, daß den normierten Tatbeständen (negativ) indizielle Wirkung dahingehend beizumessen sein könnte, daß von ihnen nicht erfaßte Verhaltensweisen auch keinen Verstoß gegen die Generalklausel darstellen. Diese Ansicht ließe sich mit dem Argument stützen, daß die Verordnungsermächtigung nicht nur zur Erhöhung der Rechtssicherheit erteilt wurde, sondern auch, weil der Verordnungsgeber (insbesondere wenn es sich dabei um die BaFin handelt) schneller als der parlamentarische Gesetzgeber handeln kann.34 Bleibt er dennoch in einem be___________ 32

Möller, WM 2002, 309, 314; Gotzens/Wegner, FAZ v. 6. April 2002, S. 21; wie hier dagegen Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20a Rn. 11. 33 Zu § 3 MaKonV ausdrücklich Begr. MaKonV, BR-Drs. 18/05, S. 13; zu § 2 KuMaKV ausdrücklich die Begr. KuMaKV, BR-Drs. 639/03, S. 10. 34 Vgl. Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drs. 14/8017, S. 90.

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10. Kap.: MaKonV

stimmten Bereich untätig, so könnte das als Zeichen für die Rechtmäßigkeit des Verhaltens sprechen. Zur Beantwortung dieser Frage bietet sich zunächst ein Blick auf die Regelbeispielstechnik im Strafrecht an. Zwar unterscheidet diese sich von der hier in der MaKonV verwandten Beispielstechnik dadurch, daß sie auch im Falle ihres Vorliegens durch den Richter nicht zwingend, sondern nur „in der Regel“ anzuwenden sind. Wie die Beispiele der MaKonV entfalten sie aber im Falle ihres Nichtvorliegens keine Sperrwirkung. Jedoch wird ihnen in diesem Falle eine Gegenschlußwirkung zugemessen, was bedeutet, daß ein nichtverwirklichtes Regelbeispiel zunächst die Anwendung des normalen Strafrahmens indiziert und die Bejahung eines besonders schweren Falles außerhalb der geregelten Fälle über den Normalfall hinausgehende unrechts- und schulderhöhende Umstände erfordert, die gesondert begründungsbedürftig sind.35 Allein auf die Ähnlichkeit einer Verhaltensweise zu einem Regelbeispiel kann die Annahme eines besonders schweren Falles nicht gestützt werden.36 Für eine negative indizielle Wirkung, die im Regelfall die Tatbestandsmäßigkeit eines Verhaltens bei Nichtvorliegen eines Beispieltatbestandes ausschließt, könnte sprechen, daß die Verordnungsermächtigung vor allem deshalb erteilt wurde, weil die Behörde jederzeit und schnell auf tatsächliche Veränderungen reagieren kann. Konsequenterweise müßte sie dann umgekehrt auch daran gebunden sein. Zudem soll die Verordnung der Rechtssicherheit dienen, was gefährdet wäre, wenn trotz Vermeidung der Beispiele doch jedenfalls eine Verurteilung aus der Generalklausel möglich ist. Die Beispiele können nur dann eine verhaltensstabilisierende Wirkung entfalten, wenn der einzelne sein Verhalten mit gewisser Sicherheit darauf einrichten kann. Letztlich ist damit auch die flexible Anwendung des Verbotes nicht übermäßig beschränkt, denn die Behörde könnte die Verordnung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft ändern oder ergänzen. Gegen eine Indizwirkung läßt sich hingegen anführen, daß der Gesetzgeber angesichts der von ihm hoch eingeschätzten Schutzwürdigkeit des Rechtsguts von § 20a WpHG ein umfassendes Verbot jeglicher Manipulationen errichten wollte, was durch eine solche Indizwirkung beeinträchtigt werden könnte. Zudem finden sich dafür keine Anhaltspunkte im Gesetzes- oder Verordnungswortlaut oder in den Materialien. Eine derartige Sichtweise würde aber der mit der Verordnungsermächtigung ebenfalls beabsichtigten Erhöhung der Rechtssicherheit nicht gerecht. § 20a I 1 WpHG ist in seinen Tatbestandsmerkmalen denkbar weit formuliert. Ausweis___________ 35

Tröndle/Fischer, StGB, § 44 Rn. 94; BGHSt 28, 318, 322. Arzt/Weber, BT, § 14 Rn. 19 – Insofern wird z.T. irreführend von „Analogieverbot“ gesprochen. 36

D. Rechtswirkungen der MaKonV

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lich der Gesetzesbegründung verfolgt die Verordnungsermächtigung auch den Zweck, diese Unbestimmtheit durch Fallgruppenbildung abzumildern und dadurch in der Praxis handhabbare Tatbestände zu schaffen. Dazu gehört aber nicht nur zu wissen, welche Verhaltensweisen stets verboten sind, sondern auch, wo die Grenze zwischen erlaubtem und unerlaubtem Verhalten verläuft. Unter diesem Blickwinkel ist es nicht unbedenklich, daß der Verordnungsgeber nicht ausdrücklich abschließende Tatbestände geschaffen hat, die allein geeignet wären, diese Grenze sicher zu bestimmten. Dieser Nachteil an Rechtssicherheit ist dadurch zu kompensieren, daß man entsprechend der Regelbeispielstechnik des Strafrechts bei Nichtvorliegen eines Beispielstatbestandes der MaKonV einen erhöhten Begründungsaufwand bei der Anwendung von § 20a I 1 WpHG verlangt. Zudem kommt im Einzelfall ein Verbotsirrtum in Betracht.37 Wenn ein Verhalten also nicht unter einen ausdrücklich geregelten Beispielstatbestand der MaKonV zu subsumieren ist, kommt eine Anwendung von § 20a I 1 WpHG gleichwohl in Betracht, wenn und weil diese Beispielstatbestände nicht abschließend sind. Allerdings ergibt sich hier ein erhöhter Begründungsaufwand, dem nicht allein durch einen Verweis auf die Ähnlichkeit eines Verhaltens mit einem ausdrücklich geregelten Sachverhalt nachgekommen werden kann. Statt dessen ist hier besonders intensiv zu prüfen, warum das Verhalten, das trotz seiner Ähnlichkeit gerade nicht von der MaKonV erfaßt wird, verboten sein soll.

3. Safe-harbor-Regeln (§§ 5, 6 MaKonV) Die der Rechtssicherheit dienenden safe-harbor-Regeln sind zwingend, so daß ein von ihnen erfaßtes Verhalten in keinem Fall einen Verstoß gegen das Manipulationsverbot darstellt. Daraus läßt sich jedoch nicht im Umkehrschluß ableiten, daß ein Verhalten, das deren Tatbestand nicht erfüllt, nur deswegen als manipulativ anzusehen ist.38 Verhaltensweisen außerhalb der §§ 5, 6 MaKonV können die Voraussetzungen von § 20a I 1 WpHG erfüllen, sie müssen es aber nicht. Der Rechtsanwender muß deshalb im Einzelfall prüfen, ob die Tatbestandsmerkmale des § 20a I 1 WpHG gegebenenfalls in Verbindung mit der MaKonV vorliegen. Das strafrechtliche Analogieverbot steht einer ausdehnenden oder analogen Anwendung der Freistellungen nicht entgegen, da diese

___________ 37

Vgl. zu diesem ausf. o. 8. Kap. A III 1 d (S. 360). So zu Recht Vogel, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, § 20 Rn. 11; ders., in: von Rosen (Hrsg.), Aktienmarkt, S. 22, 34. 38

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396

hier zu Gunsten des Betroffenen, das heißt straf- bzw. sanktionsbefreiend wirkt.39

IV. Auswirkung einer rechtswidrigen Verordnung

Im folgenden geht es um die Frage, welche Auswirkungen die Nichtigkeit der Verordnung auf den Normadressaten hat. Ausgangspunkt ist, daß diese zu keinem Zeitpunkt rechtliche Wirkungen für oder gegen den Betroffenen entfalten konnte. Da es bei Verordnungen auch keines förmlichen Nichtigkeitsverfahrens bedarf, ist diese von Anfang an nichtig und nicht erst ab dem Zeitpunkt einer etwaigen Nichtigerklärung. Aus diesem Grunde konnte diese Verordnung niemals irgendwelche Wirkungen zeitigen. Da allerdings die Ansichten über die Rechtmäßigkeit auseinander gehen können, kann auch eine nichtige Verordnung faktisch über längere Zeit vollzogen worden sein. In der Sache geht es dabei letztlich um eine Frage der Irrtumsproblematik bei der Anwendung von § 20a I 1 WpHG. Im Grundsatz muß gelten, daß jemand, der sein Verhalten an den Anforderungen der Verordnung ausgerichtet hat und auf deren Gültigkeit vertraut hat und vertrauen durfte, durch die nachträglich erkannte Rechtswidrigkeit nicht belastet werden darf. Wenn der Handelnde bei seinem Verhalten einen legalisierenden Tatbestand der MaKonV in seinen Vorsatz aufgenommen hat, dann fehlt ihm der Vorsatz, gegen das Verbot zu verstoßen. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn er an der Gültigkeit der MaKonV zweifelt, denn dies begründet zunächst nur einen Fahrlässigkeitsvorwurf, der aber (abgesehen von § 39 II Nr. 11 WpHG) nicht sanktioniert ist. Erst wenn die Rechtswidrigkeit der Verordnung hinreichend bekannt und anerkannt ist, kann sich der Handelnde dem nicht mehr verschließen. Strafrechtlich wäre ihm in solch einem Fall dolus eventualis zu unterstellen. Besonderheiten sind freilich dort zu beachten, wo den Tatbeständen der MaKonV nur indizieller oder Regelbeispielcharakter zukommt, diese aber nicht abschließend sind. Hier kann sich der Handelnde grundsätzlich nicht darauf verlassen, daß sein mit der MaKonV konformes Verhalten nicht trotzdem als Verstoß gegen § 20a I 1 WpHG behandelt wird. Durch die ihm unbekannte Nichtigkeit der Verordnung ist er damit nicht beschwert.

___________ 39

Siehe dazu o. C II (S. 388).

E. Zeitliche Anwendbarkeit der Verordnung

397

E. Zeitliche Anwendbarkeit der Verordnung Im Falle der Änderung (oder gar Aufhebung) der MaKonV erhebt sich die Frage nach der Behandlung bereits begangener, aber noch nicht rechtskräftig abgeurteilter Taten. Anknüpfungspunkt hierfür ist § 2 StGB, der die zeitliche Anwendbarkeit einer Strafnorm regelt. Wenn die MaKonV ein Gesetz im Sinne dieser Vorschriften ist, gelten die Ausführungen zur zeitlichen Anwendbarkeit von § 88 BörsG a.F. resp. § 20a WpHG auf vor dem Inkrafttreten des 4. FMFG begangene Taten entsprechend.40 Dabei führt der bereits als inhaltsleer abgelehnte Blankettbegriff nicht weiter. Zwar sind nach heute nahezu einhelliger Ansicht auch blankettausfüllende Normen Gesetze im Sinne des § 2 III StGB, so daß ihre Änderung der des Blankettstrafgesetzes selbst gleichsteht.41 Jedoch verlagert dieser Befund die Problematik nur auf eine andere Stufe, weil aufgrund der aufgezeigten Schwierigkeit keineswegs eindeutig geklärt ist, wann ein Blankettstrafgesetz vorliegt.42 Eine Ansicht enthebt sich dieser Problematik und behandelt jede durch einen Straftatbestand in Bezug genommene Norm – unabhängig davon, ob es sich bei der Bezugnahme durch den Tatbestand um ein normatives Tatbestandsmerkmal oder um eine Blankettverweisung handelt – als Gesetz im Sinne von § 2 III StGB.43 Konsequenz dieser Ansicht ist, daß im bereits angeführten Eigentumsfall jede Änderung der Sachenrechtsordnung auf das Strafrecht einwirken würde und im Rahmen von § 2 III StGB zu beachten wäre. Dagegen wird ganz überwiegend vertreten, daß nicht jede Änderung der ausfüllenden Norm zurückwirke, sondern auf den Normenkreis, dem sie angehört, abzustellen sei.44 Änderungen außerstrafrechtlicher Normen, die nicht unmittelbar mit dem Blankettstraftatbestand verknüpft sind, sondern sich beispielsweise nur auf die Auslegung eines Tatbestandsmerkmales auswirken, seien danach unbeachtlich.45 Eine weitere Ansicht will danach unterscheiden, ob ein Blankettstrafgesetz lediglich den Gehorsam gegenüber der ausfüllenden Norm sicherstellen will (dann beachtlich) oder aber den Regelungseffekt der Ausfüllungsnorm schützen soll (dann unbeachtlich).46 Allerdings ist im konkreten Anwendungsfall die Entscheidung zwischen Sicherung des Gehorsams und Si___________ 40

Vgl. ausf. o. 9. Kap. (370). BGHSt 20, 177, 180 f.; Gribbohm, in: Leipziger Komm. StGB, § 2 Rn. 34; Rudolphi, in: System. Komm. StGB, § 2 Rn. 8a; a.A. noch BGHSt 7, 294 ff. 42 Vgl. o. 4. Kap. C (S. 161). 43 Vgl. Tiedemann, Steuerstrafrecht, 1985, S. 20 f. 44 Brandenstein, NJW 2000, 2326. 45 KG, NStZ 1994, 244, 245. 46 Vgl. Jakobs, AT, 4/70 ff.; Rudolphi, in: System. Komm. StGB, § 2 Rn. 8b, c; Samson, wistra 1983, 235, 237. 41

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10. Kap.: MaKonV

cherung des Regelungseffektes keineswegs trennscharf.47 Überhaupt ist die gesamte Argumentation auf den Standardfall ausgelegt, in dem eine Blankettstrafnorm lediglich eine Strafandrohung enthält, der eigentliche Unrechtstatbestand aber zumindest teilweise in der Ausfüllungsnorm beschrieben wird. So ist es aber bei dem Verbot der Marktmanipulation gerade nicht. § 20a I 1 WpHG ist jeweils in Verbindung mit § 38 II WpHG bzw. § 39 I Nr. 1, 2 WpHG ein vollständiges Straf- resp. Ordnungswidrigkeitengesetz. Die MaKonV ist hinsichtlich der näheren Bestimmungen über bewertungserhebliche Umstände usw. lediglich konkretisierend, enthält aber keine eigenständigen Verbote. Insofern ist unklar, in welche der beiden Kategorien – Gehorsamssicherung oder Regelungssicherung – sie einzuordnen ist. Auszugehen ist statt dessen von der zutreffenden Feststellung des Bundesgerichtshof, daß Gesetz im Sinne von § 2 III StGB „der gesamte Rechtszustand [ist, J.E.] von dem die Strafe abhängt“.48 Nimmt man die ratio dieser Vorschrift hinzu, die darin besteht, die materielle Ungerechtigkeit zu vermeiden, die entstünde, wenn jemand nach einem Gesetz bestraft würde, zu dem sich der Gesetzgeber selbst nicht mehr bekennt und es deshalb gemildert oder aufgehoben hat,49 so erhellt, daß jede Änderung der MaKonV eine Gesetzesänderung im Sinne der intertemporalen Vorschriften des StGB ist. Die MaKonV ist faktisch Teil der Verbotsvorschrift § 20a I 1 WpHG und nicht lediglich Auslegungshilfe.50 Hätte der Gesetzgeber die Legaldefinitionen und Beispielstatbestände selbst geregelt, bestünde kein Zweifel daran, daß diese im Falle einer Milderung Rückwirkung zugunsten des Täters entfalteten. Weil unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten allein die gewählte Gesetzestechnik nicht über die Anwendung von § 2 III StGB entscheiden kann,51 muß das gleiche für eine Konkretisierung mittels Verordnung gelten. Die MaKonV ist somit ohne Einschränkung als Gesetz im Sinne des § 2 III WpHG zu behandeln. Es ist daher bei jeder Änderung oder Aufhebung der Verordnung nach § 20a II WpHG für alle noch nicht rechtskräftig abgeurteilten Altfälle jeweils konkret zu prüfen, welche Rechtslage die mildere war. Diese ist dann anzuwenden. So kommt eine neu aufgenommene safe-harbor-Regel oder eine Definition einer zulässigen Marktpraxis dem Alttäter, dessen Verhalten darunter ___________ 47

Vgl. die Kritik bei Hassemer, in: Nomos Komm. StGB, § 1 Rn. 36. BGHSt 20, 177, 181. 49 Rudolphi, in: System. Komm. StGB, § 2 Rn. 8b. 50 Vgl. o. D I 1 (S. 389). – Es handelt sich deshalb nicht um einen nach allgemeiner Ansicht (s. nur Gribbohm, in: Leipziger Komm. StGB, § 2 Rn. 38 m.w.N.) nicht in den Anwendungsbereich von § 2 III StGB fallenden Wandel in der Gesetzesauslegung (Rechtsprechungsänderung). 51 So zu Recht auch Hassemer, in: Nomos Komm. StGB, § 1 Rn. 37. 48

F. Die Irrtumsproblematik

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fällt, zugute52; umgekehrt kann ihn aber die Abschaffung einer früheren safeharbor-Regel nicht belasten. Gleiches gilt sinngemäß für die Legaldefinitionen. Differenzierter verhält es sich bei den Beispielstatbeständen, da diese zwar im Falle ihres Vorliegens zwingend, jedoch nicht abschließend sind. Wird ein neuer Beispielstatbestand geschaffen, so kann dieser nicht zur Begründung der Strafbarkeit eines vergangenen Verhaltens herangezogen werden. Allerdings bleibt nach wie vor die Möglichkeit, das Verhalten direkt unter § 20a I 1 WpHG zu subsumieren. Das gilt umgekehrt auch für die Abschaffung eines solchen Tatbestandes, so daß dieser zwar nicht mehr eine Verurteilung tragen kann, die Möglichkeit eines Rückgriffs auf § 20a I 1 WpHG aber dennoch nicht verwehrt ist. Freilich ist in derartigen Fällen zu untersuchen, ob sich der Täter diesbezüglich in einem eventuell sogar unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden hat.

F. Die Irrtumsproblematik I. Safe-harbors und zulässige Marktpraktiken

Bei den Ermächtigungen zum Erlaß von Definitionen für safe-harbors und zulässige Marktpraktiken (§ 20a V Nr. 4 und Nr. 5 Alt. 1 WpHG) handelt es sich um echte Blankettverweise.53 Es finden deshalb die Regeln des Blankettirrtums Anwendung. Danach ist die blankettausfüllende Norm (die MaKonV) als Bestandteil des Tatbestandes anzusehen und auf das komplettierte Gesetz sind die allgemeinen Irrtumsregeln anzuwenden.54 Damit befindet sich in einem vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum (§ 16 I StGB, § 11 I OWiG), wer irrig das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen für einen safe-harbor oder eine zulässige Marktpraxis annimmt. Eine Überdehnung des Anwendungsbereiches der Tatbestände, also ein Auslegungsfehler, begründet dagegen lediglich einen Verbotsirrtum nach § 17 StGB bzw. § 11 II OWiG.

II. Bewertungserhebliche Umstände, falsche oder irreführende Signale, künstliches Preisniveau, sonstige Täuschungshandlungen

Unklar ist nach dem bisher Gesagten aber die Behandlung der Ermächtigung zum Erlaß von näheren Bestimmungen über bewertungserhebliche Umstände, ___________ 52

Ebenso Sorgenfrei, in: Park (Hrsg.), Kapitalmarkt-Strafrecht, 4. Abschnitt, Rn. 84. Vgl. dazu o. 4. Kap. C II 1 (S. 164). 54 Vgl. dazu o. 8. Kap. A III 1 b (1) (S. 354). 53

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falsche oder irreführende Signale, ein künstliches Preisniveau und sonstige Täuschungshandlungen. Einerseits könnte man hier die Auffassung vertreten, die MaKonV beeinflusse lediglich die Auslegung der entsprechenden normativen Tatbestandsmerkmale von § 20a I 1 WpHG. Andererseits könnte man die Verordnung auch für eine blankettausfüllende Norm halten, mit den Folgen des Blankettirrtums. Aufgrund der speziellen Gesetzestechnik mit einerseits komplettem Tatbestand mit normativen Tatbestandsmerkmalen und andererseits der Möglichkeit zu verbindlicher Konkretisierung ist eine eindeutige Einordnung nicht möglich. Die zutreffende Lösung ist deshalb auch hier wieder anhand einer Analyse der Funktion der Verordnung zu suchen. Diese ist nicht nur Hilfsmittel zur Auslegung normativer Tatbestandsmerkmale, sondern wird Teil des Tatbestandes. Hätte der Gesetzgeber die Legaldefinitionen, Beispiele und safe-harbors selbst im WpHG geregelt, gälten ohne weiteres die allgemeinen Irrtumsregeln. Es gibt deshalb keinen Grund, allein aus der Verlagerung in die Rechtsverordnung eine andere Bewertung ableiten zu wollen. Diese der Behandlung des Blankettirrtums entsprechende Lösung harmoniert mit der bei der zeitlichen Anwendbarkeit. Auch dort wurden die Regelungen der Verordnungen faktisch als Teil des Gesetzes angesehen und damit ihre Einbeziehung in § 2 III StGB begründet.

III. Ergebnis

Als Ergebnis ergibt sich für die Behandlung von Irrtümern, die die Verordnung betreffen, folgendes. Soweit die Verordnung reicht und Legaldefinitionen, Beispiele und safe-harbor-Regeln aufstellt, sind diese irrtumsrechtlich als Tatbestandsmerkmale zu behandeln. Das bedeutet, Fehler hinsichtlich ihrer Existenz oder Auslegung sind bloße nach § 17 StGB (§ 11 II OWiG) zu behandelnde Verbotsirrtümer, es sei denn, der Irrtum betrifft die Parallelwertung in der Laiensphäre. Diese würde sogar den Vorsatz ausschließen. Fehlvorstellungen über das Vorliegen von Tatbestandsmerkmalen der Verordnung in tatsächlicher Hinsicht hingegen sind stets nach § 16 I 1 StGB (§ 11 I 1 OWiG) zu behandelnde Tatbestandsirrtümer.

Zusammenfassung I. Erster Teil der Untersuchung

Marktmanipulationen sind ein seit Jahrhunderten weltweit bekanntes Phänomen, zu dessen Verhinderung verschiedenste Maßnahmen ergriffen wurden.1 In Deutschland existiert seit 1884 ein entsprechendes Verbot, das seitdem einige Veränderungen erfahren hat. Die vorletzte Novellierung datiert aus dem Jahre 2002. Der bis dahin im Börsengesetz geregelte Tatbestand des Kursbetruges (§ 88 BörsG a.F.) wurde durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz leicht modifiziert und in das Wertpapierhandelsgesetz (§ 20a WpHG) übertragen. Die derzeit geltende Fassung hat das Manipulationsverbot Ende 2004 durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz erhalten.2 Bis vor wenigen Jahren hatten die Manipulationsverbote nahezu keine praktische Relevanz. Dies resultierte nicht aus fehlender Kriminalität, sondern aus tatsächlichen Schwierigkeiten bei der Aufdeckung und Verfolgung von Taten, möglicherweise auch aus einer gewissen Gleichgültigkeit des Publikums. Erst mit dem sprunghaften Anstieg der Aktienkurse ab 1996 und im Zuge der schmerzhaften Erfahrungen vieler Anleger nach dem Platzen der Kursblase 2000/2001, rückte das Manipulationsverbot neu in den Fokus der Öffentlichkeit.3 Manipulation im hier verwendeten Sinne ist die gezielte Einflußnahme auf den Preis eines Finanzinstruments.4 Üblicherweise lassen sich Manipulationen nach der Art ihrer Angriffsweise in drei Hauptformen kategorisieren:5 Manipulationen durch Informationsverbreitung (informationsgestützte Manipulationen, Beispiele hierfür sind das sog. Scalping oder die Abgabe falscher Ad hocMitteilungen), Manipulationen durch Handel (handelsgestützte Manipulationen, Beispiele hierfür sind fiktive Geschäfte wie etwa wash sales oder matched orders oder effektive Geschäfte wie etwa Leerverkäufe) und Manipulationen durch Einwirkung auf den inneren Wert (handlungsgestützte Manipulationen, ___________ 1

Näher zum historischen Umfeld o. Einführung (S. 1). Näher zur Entwicklung o. 4. Kap. A (S. 153). 3 Näher o. Einführung (S. 1). 4 Näher o. 1. Kap. A (S. 11). 5 Näher o. 1. Kap. D (S. 16). 2

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Zusammenfassung

Beispiele hierfür sind die Stillegung von Betriebsteilen oder der Entzug einer wichtigen Konzession). Manipulationen sind für den Manipulanten profitabel.6 Es gibt direkte Gewinnmöglichkeiten. Diese bestehen darin, die durch die Manipulation eintretende Kursdifferenz auszunutzen, sei es durch bloße Dispositionen im manipulierten Finanzinstrument, sei es durch den Einsatz von Derivaten oder Investmentfonds. Daneben gibt es aber auch indirekte Gewinnmöglichkeiten. Zu nennen sind hier beispielsweise die kursabhängige Vergütung des Managements oder das Auslösen von Vertragsbedingungen (etwa bei Übernahmen). Die denkbaren Möglichkeiten sind vielfältig7 und es gibt eine Reihe von starken Anreizen, Manipulationen durchzuführen. Manipulationen haben erhebliche negative Auswirkungen. Zunächst beeinträchtigen sie die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte. Deren makroökonomische Aufgabe besteht darin, die in einer Volkswirtschaft anlagebereiten Mittel zu mobilisieren (sog. Transformationsfunktion)8 und sie den unter Berücksichtigung des Risikos rentabelsten Investitionsprojekten zuzuführen (sog. Allokationsfunktion).9 Daneben übernehmen die Kapitalmärkte durch die fortwährende Preisfeststellung eine Bewertungs- und Informationsfunktion.10 Die Kapitalmärkte können diesen Aufgaben jedoch nur nachkommen, wenn bestimmte Funktionsbedingung eingehalten werden.11 Neben der Informationseffizienz, niedrigen Transaktionskosten und der Abwesenheit von Eingriffen in die Preisbildung ist das Vertrauen in das ordnungsgemäße Funktionieren des Kapitalmarktes von grundlegender Bedeutung. Da die Abläufe an den Kapitalmärkten und hierbei insbesondere die Preisfeststellung hochkomplex sind, ist dem Marktteilnehmer eine wirksame Kontrolle unmöglich. Ihm bleibt lediglich, auf die Lauterkeit der anderen Marktteilnehmer, das ordnungsgemäße Funktionieren des Kapitalmarktes, die Einhaltung der Marktspielregeln (Marktfairneß) und damit auf seine Chancengleichheit im Vergleich zu den anderen Teilnehmern zu vertrauen. Wenn dieses Vertrauen durch bekanntgewordene Mißstände wie namentlich Manipulationen beeinträchtigt wird, wenden sich viele Anleger vom Kapitalmarkt ab und diesem wird dadurch Liquidität entzogen. Es fehlt neues Investitionskapital. Dies verteuert die Kapitalaufnahme auf dem Primärmarkt oder macht sie sogar unmöglich. Der Liquiditätsrückgang beeinträchtigt auch den Sekundärmarkt, indem größere Geld-Brief-Spannen und höhere Risikoprämien gefordert werden, die Liquidierbarkeit von Beteiligungen einge___________ 6

Näher o. 2. Kap. D I (S. 72). Näher o. 1. Kap. G (S. 43). 8 Näher o. 2. Kap. B II (S. 53). 9 Näher o. 2. Kap. B III (S. 55). 10 Näher o. 2. Kap. B IV (S. 56). 11 Näher o. 2. Kap. C (S. 59). 7

Zusammenfassung

403

schränkt wird und insgesamt ein niedrigeres Kursniveau entsteht. So wird der Rückzugstrend verstärkt, was bis zum Zusammenbruch des Marktes führen kann.12 Neben diesen Auswirkungen auf die Kapitalmärkte schädigen Manipulationen auch die Marktteilnehmer. Die Kapitalgeber (Anleger) können dadurch Schaden erleiden, daß sie Finanzinstrumente zu Preisen handeln, die für sie nachteilig beeinflußt sind oder dadurch, daß sie überhaupt Transaktionen durchführen, die sie bei unmanipulierten Preisen nicht getätigt hätten. Daneben können Schäden daraus resultieren, daß die manipulierten Preise Berechnungsgrundlage für ein anderes Finanzinstrument (beispielsweise Investmentfonds oder Derivate) sind.13 Für die Kapitalnehmer (Emittenten) bestehen die negativen Auswirkungen in der Verknappung und damit Verteuerung von Kapital.14 Diesen negativen Effekten stehen keine positiven gegenüber. Weder bieten Manipulationen Managementanreize noch tragen sie zur optimalen Kapitalallokation bei.15 Manipulationen sind deshalb aus volkswirtschaftlicher Sicht stets verbotswürdig. Zur Durchsetzung dieses Verbotes stehen drei Möglichkeiten zur Verfügung: Eine im wesentlichen auf Schadensersatz- und/oder Bereicherungsansprüchen des Geschädigten basierende zivilrechtliche Lösung, verwaltungsrechtliche Sanktionen (Wirtschaftsverwaltungsrecht, Ordnungswidrigkeitenrecht) und die Androhung von Kriminalstrafe. Der deutsche Gesetzgeber hat sich in Abhängigkeit vom Eintritt eines Manipulationserfolges für eine Kombination aus Ordnungswidrigkeit und Straftat entschieden. Zu Recht wurde eine rein zivilrechtliche Lösung verworfen. Wie der Vergleich mit anderen Ländern zeigt, hält die deutsche Zivilrechtsordnung dafür nicht die richtigen Werkzeuge bereit, wie etwa den Strafschadensersatz (punitive damages) und die Sammel- bzw. Gruppenklage (class action). Beides ist aber zwingend notwendig, um einerseits eine hinreichend abschreckende Wirkung auf potentielle Manipulanten zu erzielen und andererseits überhaupt Private zur Rechtsdurchsetzung zu motivieren. Zudem bedürfte es materieller Kausalitäts- und prozessualer Beweiserleichterungen, um einen Anspruch tatsächlich begründen zu können.16 Der Einsatz von Kriminalstrafe dagegen ist als „schärfste Sanktion, über die die staatliche Gemeinschaft verfügt“, ultima ratio und besonders begründungs___________ 12

Näher o. 2. Kap. C IV 4 (S. 67). Näher o. 2. Kap. D II 1 (S. 75). 14 Näher o. 2. Kap. D II 3 (S. 78). 15 Näher o. 2. Kap. D III (S. 79). 16 Näher o. 3. Kap. B II 2 (S. 117). 13

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Zusammenfassung

bedürftig. Erst wenn der beabsichtigte Zweck nicht auch mit weniger einschneidenden Maßnahmen erreicht werden kann, ist ihre Androhung zulässig. Das zu pönalisierende Verhalten muß deshalb sowohl strafwürdig als auch strafbedürftig sein.17 Strafwürdigkeit setzt ein Zweifaches voraus. Durch die inkriminierte Handlung muß ein strafrechtliches Rechtsgut nachteilig betroffen sein. Und diese Betroffenheit muß eine bestimmte Intensität erreichen, erheblich sein.18 Strafbedürftig ist ein derartiges Verhalten, wenn die Kriminalstrafe unerläßliches Mittel ist, um die Gesellschaft vor Rechtsgutsbedrohungen oder Rechtsgutsverletzungen zu schützen und damit die Rechtsordnung zu bewahren.19 Das vom Manipulationsverbot geschützte Rechtsgut ist allein die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes. Individualinteressen wie namentlich das Vermögen der Anleger mögen reflexartig umfaßt sein; als Rechtsgut von § 20a WpHG sind sie dennoch nicht anzuerkennen.20 So führt nicht jede Manipulation zu einem individuell zurechenbaren Schaden. Zudem können Manipulationen für einige (vom Manipulanten verschiedene) Marktteilnehmer sogar vorteilhaft sein.21 Der intendierte Schutz des Kapitalmarktes läßt sich deshalb umfassend nur über die Anerkennung des überindividuellen Rechtsgutes erreichen.22 Gegen überindividuelle Rechtsgüter wie hier die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes wird in der Literatur teils erbittert angekämpft. So wird fehlende Faßbarkeit und die damit verbundene Unsicherheit hinsichtlich der im Einzelfall inkriminierten Verhaltensweisen beklagt. Der Suche nach überindividuellen Rechtsgütern wird ein „geradezu inflationärer Erfolg“ bescheinigt, wodurch der Bereich strafrechtlich relevanten Verhaltens in einem nicht mehr zu rechtfertigendem Maße zunehme und die Freiheit des einzelnen übermäßig beschränkt würde. Wenngleich diese Kritik in einzelnen Punkten ihre Berechtigung hat, darf dabei nicht verkannt werden, daß das Strafrecht auch freiheitssichernd wirkt, da der einzelne staatlichen Eingriffen durch normkonformes Verhalten ausweichen kann. Zudem kann sich das Strafrecht der Fortentwicklung der Gesellschaft nicht verschließen, sondern muß auf neuartige Risiken und Gefahren angemessen reagieren.23 Das genannte Rechtsgut entspricht nicht nur dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, sondern läßt sich auch aus der grundgesetzlichen Wertordnung ___________ 17

Näher o. 3. Kap. B (S. 87). Näher o. 3. Kap. B I (S. 88). 19 Näher o. 3. Kap. B II (S. 113). 20 Näher o. 3. Kap. B I 2 (S. 96). 21 Näher o. 3. Kap. B I 2 d (3) (S. 109). 22 Näher o. 3. Kap. B I 2 d (4) S. 111). 23 Näher o. 3. Kap. B I 1 b (S. 91). 18

Zusammenfassung

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herleiten. Diese verpflichtet den Staat, grundlegende Institutionen zur Verwirklichung eines freien Marktes bereitzustellen und bei deren Versagen regulierend einzugreifen. Auf den Kapitalmarkt übertragen bedeutet dies, daß der Gesetzgeber grundlegende Vorkehrungen zu treffen hat, um das dort aufgrund der Komplexität und Undurchschaubarkeit herrschende Machtungleichgewicht, die „strukturelle Unterlegenheit“, zu beseitigen oder zumindest abzumildern.24 Die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes wird durch Manipulationen erheblich beeinträchtigt. Zwar wird teilweise die Verletzbarkeit von Wirtschaftsinstitutionen angesichts deren (angeblicher) Vagheit und Konturenlosigkeit generell in Abrede gestellt. Doch wurde gezeigt, daß diese Kritik weder im allgemeinen noch im speziellen zutrifft.25 Jede einzelne Manipulation beeinträchtigt die effiziente Allokation des Kapitals. Eine Vielzahl von Manipulationen zerstört das notwendige Vertrauen der Anleger in den Kapitalmarkt und hat deren Rückzug von diesem zur Folge.26 Die Strafbedürftigkeit von Manipulationen ist ebenfalls zu bejahen. Zunächst wurde gezeigt, daß eine zivilrechtliche Lösung nicht in Betracht kommt. Grundsätzlich denkbar ist dagegen eine Ahndung als Ordnungswidrigkeit. Der Gesetzgeber hat sich für ein Kombinationsmodell entschieden, bei dem der erfolglose Verstoß gegen das Manipulationsverbot als Ordnungswidrigkeit zu ahnden und erst bei Hinzutreten eines Manipulationserfolges zur Straftat wird. Diesem Modell ist zuzustimmen. Im Gegensatz zur Strafe fehlt der Geldbuße das sozialethische Unwerturteil. Sie dient nicht der Ahndung kriminellen Unrechts, sondern der verwaltungsrechtlichen Pflichtenmahnung. Als solche ist sie grundsätzlich dazu denkbar, den Gehorsam gegenüber dem Manipulationsverbot durchzusetzen. Allerdings spricht einiges dafür, zumindest die erfolgreiche Manipulation mit Kriminalstrafe zu bedrohen. Zunächst ist bei dieser der Erfolgsunwert ungleich größer als bei der erfolglosen Manipulation27, so daß erfolgreiche Manipulationen einen sehr hohen Unrechtsgehalt aufweisen.28 Vor allem aber ist die Androhung von Kriminalstrafe effektiver zur Abschreckung potentieller Täter als ein bloßer Ordnungswidrigkeitentatbestand. So wird der Verstoß gegen einen Ordnungswidrigkeitentatbestand häufig als bloße Pflichtverletzung angesehen, zumal lediglich eine finanzielle Sanktion droht. Da diese auch der Höhe nach beschränkt ist, lassen sich rationale Überlegungen anstellen, ob sich eine Manipulation „lohnt“. Zudem kann eine Geldbuße von Dritten, etwa dem Arbeitgeber, ___________ 24

Näher o. 3. Kap. B I 2 d (S. 101). Näher o. 3. Kap. B I 2 d (2) (a) (S. 106). 26 Näher o. 3. Kap. B I 2 d (2) (b) (S. 108). 27 Näher o. 3. Kap. B II 3 b (2) (b) (S. 135). 28 Näher o. 3. Kap. B II 3 b (2) (e) (S. 142). 25

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Zusammenfassung

übernommen werden. Erst wenn die Gefahr einer persönlich zu verbüßenden und mit deutlicher sozialer Ächtung verbundenen Freiheitsstrafe besteht, ist die Sanktionsdrohung effektiv. Schließlich hat ein Vergleich mit anderen kapitalmarktbezogenen Delikten gezeigt, daß Kriminalstrafe auf diesem Gebiet keine Ausnahme ist.29 Gemeinschaftsrechtlich gibt es keine Verpflichtung zur Einführung eines Tatbestandes, da auf Gemeinschaftsebene die Kompetenz zu einer solchen Anordnung fehlt. Ausgeschlossen ist lediglich eine rein zivilrechtliche Lösung, da die Marktmißbrauchsrichtlinie mindestens Verwaltungsmaßnahmen bzw. im Verwaltungsverfahren zu erlassende Sanktionen vorschreibt.30 Die Einführung bzw. Beibehaltung eines eigenen Manipulationsverbotes war schließlich auch deshalb geboten, da bestehende Tatbestände (Betrug, Untreue, Kapitalanlagebetrug etc.) jeweils nur punktuell spezielle Manipulationsformen erfassen, jedoch keine umfassende Sanktionierung von Manipulationen ermöglichen.31

II. Zweiter Teil der Untersuchung

Seit Inkrafttreten des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes ist das Manipulationsverbot als § 20a im Wertpapierhandelsgesetz verankert. Es beruht auf teils detaillierten gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben durch die Marktmißbrauchsrichtlinie. Seine derzeit gültige Fassung hat es durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz erhalten.32 Der Gesetzgeber hat bei der Kodifizierung des Manipulationsverbotes die verwaltungsrechtliche Verbotsnorm (§ 20a I 1 WpHG) von den Sanktionsnormen (§ 38 II WpHG und § 39 I Nr. 1, 2, II Nr. 11 WpHG) getrennt. Zudem wird der Verordnungsgeber zum Erlaß von konkretisierenden Verordnungen ermächtigt (§ 20a V WpHG). Beides wird von vielen als Blankettverweis angesehen. Es wurde jedoch gezeigt, daß diese Einordnung für die Anwendung und Auslegung des Tatbestandes angesichts des nach wie vor umstrittenen Blankettbegriffes wenig hilfreich ist.33 Von Anfang an sah sich § 20a I WpHG – ebenso wie die Vorgängervorschrift § 88 BörsG a.F. – in Teilen der Literatur erheblichen Bedenken hinsichtlich seiner Verfassungsmäßigkeit ausgesetzt. Insbesondere seien Tatbestands___________ 29

Näher o. 3. Kap. B II 4 (S. 143). Näher o. 3. Kap. C (S. 146). 31 Näher o. 3. Kap. D (S. 150). 32 Näher o. 4. Kap. A I (S. 153). 33 Näher o. 4. Kap. C (S. 161). 30

Zusammenfassung

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merkmale zu weit und ungenau formuliert, so daß die Bestimmtheit bezweifelt wurde. Andere Bedenken betrafen die Möglichkeit, konkretisierende Rechtsverordnungen zu erlassen.34 Es wurde gezeigt, daß all diese Bedenken unbegründet sind. Der Verbotstatbestand (§ 20a I 1 WpHG) ist trotz seiner weiten Formulierung selbst hinreichend bestimmt, so daß die Voraussetzungen der Strafbarkeit sowie Art und Maß der Strafe in einem formellen Gesetz enthalten sind.35 Gleiches gilt für die Verordnungsermächtigung (§ 20a V WpHG). Etwaige Unzulänglichkeiten der darunter erlassenen Rechtsverordnung führen zu deren Rechtswidrigkeit, berühren aber nicht die Verordnungsermächtigung selbst.36 Fragwürdig ist allein die Koppelung des Verordnungserlasses durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht an das Einvernehmen der Börsenaufsichtsbehörden der Länder. Versteht man dieses entsprechend des üblichen Sprachgebrauchs als Vetorecht, dann wäre es verfassungswidrig, da dies eine unzulässige gemischte Bund-Länder-Rechtssetzung darstellte. Das Einvernehmenserfordernis ist deshalb verfassungskonform im Sinne eines bloßen Benehmens, das heißt einer Beteiligung der Länderbehörden ohne Letztentscheidungs- oder Vetorecht, auszulegen.37 Bei der Auslegung des Manipulationsverbots ist zu beachten, daß aufgrund der Strafbewehrung strengere Anforderungen, insbesondere das Analogieverbot, gelten. Zudem bedingen dessen tatbestandliche Weite und die Komplexität der Regelungsmaterie eine eher restriktive Auslegung, so daß die Anwendung des Verbotes nur auf ihm eindeutig unterfallende Verhaltensweisen beschränkt ist.38 Das Verbot der Marktmanipulation besitzt keine Beschränkung auf einen bestimmten Personenkreis und richtet sich damit im Grundsatz an jedermann. Lediglich die Unterlassungsvariante (§ 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG) setzt voraus, daß den Täter eine entsprechende Handlungspflicht trifft. Normadressat sind neben natürlichen Personen auch juristische Personen und sonstige Personenvereinigungen.39 Dem Manipulationsverbot unterliegen Finanzinstrumente, die an einer inländischen Börse zum Handel zugelassen oder in den Geregelten Markt oder in den Freiverkehr einbezogen sind oder in einem anderen Mitgliedsstaat der EU oder des EWR zum Handel an einem Organisierten Markt zugelassen sind, so___________ 34

Näher o. 5. Kap. A (S. 170). Näher o. 5. Kap. A II 2 (S. 175). 36 Näher o. 5. Kap. B (S. 181). 37 Näher o. 5. Kap. B III 2 b (S. 189). 38 Näher o. 5. Kap. C I (S. 196). 39 Näher o. 6. Kap. A (S. 200). 35

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wie Waren und ausländische Zahlungsmittel, die an einem Organisierten Markt gehandelt werden.40 Im Hinblick auf den räumlichen Anwendungsbereich ist zwischen dem verwaltungsrechtlichen Verbot (§ 20a I 1 WpHG) und den straf- bzw. ordnungswidrigkeitenrechtlichen Sanktionsnormen (§§ 38 II, 39 I, II WpHG) zu trennen. Seit Inkrafttreten ist die Anwendbarkeit von § 20a I 1 WpHG dergestalt geregelt, daß die Norm auf im Ausland vorgenommene Manipulationshandlungen anwendbar ist, wenn ein an einer inländischen Börse gehandeltes Finanzinstrument betroffen ist (§ 1 II WpHG). Diese Bestimmung hat sich aus verschiedenen Gründen als zu eng erwiesen und widerspricht zum Teil gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben.41 Die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts (§ 38 II WpHG) bzw. Ordnungswidrigkeitenrechts (§ 39 I Nr. 1, 2, II Nr. 11 WpHG) ergibt sich aus den §§ 3-7, 9 StGB bzw. §§ 5-8 OWiG. § 38 II WpHG ist anwendbar, wenn der Handlungsort der Manipulation im Inland liegt. Um dabei der Gefahr einer zu weiten Ausdehnung der deutschen Strafgewalt vorzubeugen, ist zusätzlich zu fordern, daß eine inländische Einrichtung zielgerichtet zur Manipulation benutzt wurde. § 38 II WpHG ist darüber hinaus auch anwendbar, wenn ein Preis einer inländischen Börse oder eines inländischen Marktes beeinflußt wurde und somit ein inländischer Erfolgsort vorliegt.42 Für das Ordnungswidrigkeitenrecht gelten im wesentlichen analoge Grundsätze.43 Das Manipulationsverbot enthält vier Tatbestände. § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG richtet sich gegen Manipulationen mittels falscher oder irreführender Angaben über bewertungserhebliche Umstände. Erfaßt sind dabei nicht nur Tatsachen, sondern Äußerungen jeder Art und damit auch Werturteile, Prognosen, Gerüchte etc.44 Diese weite Auslegung trägt dem Umstand Rechnung, daß Manipulationen häufig gerade nicht mit Tatsachen vorgenommen werden. Ob die Angaben falsch oder irreführend sind, bestimmt sich am Maßstab eines objektiven Erklärungsempfängers mit definiertem Kenntnisstand. Dieser Kenntnisstand variiert in Abhängigkeit vom Adressatenkreis. So kann unter Fachpublikum mehr Verständnis auch für komplexe Informationen erwartet werden, die bei einer an die Allgemeinheit gerichteten Äußerung schon falsch oder irreführend sein können.45 Diese Flexibilität gewährleistet größtmöglichen Schutz vor unzutreffenden Aussagen, ohne dabei zugleich die notwendigen, jedoch häufig für Laien schwer zu verstehenden, Fachinformationen auszuschließen. § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG ist ein Begehungsdelikt. Unter weiteren Voraus___________ 40

Näher o. 6. Kap. B (S. 201). Näher o. 6. Kap. C I (S. 221). 42 Näher o. 6. Kap. C II 3 (S. 229). 43 Näher o. 6. Kap. C III (S. 235). 44 Näher o. 7. Kap. A I 1 (S. 238). 45 Näher o. 7. Kap. A I 2 (S. 242). 41

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setzungen kommt aber auch ein Begehen durch unechtes Unterlassen in Betracht, wenn falsche Angaben nicht berichtigt werden.46 Daneben hält § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG ein echtes Unterlassungsdelikt bereit. Sanktioniert wird hier das Verschweigen entgegen bestehender Rechtsvorschriften zur Offenbarung. Beide Tathandlungen müssen sich auf bewertungserhebliche Umstände beziehen. Bewertungserheblich sind Umstände, die auf die Investitionsentscheidung eines – näher zu bestimmenden – Anlegers Einfluß haben können. In die Bestimmung des maßgeblichen Anlegers fließen unter anderem der tatsächliche Adressatenkreis, der betroffene Vermögensgegenstand, der betroffene Handelsplatz und die Geschäftsart ein. Die Bewertungserheblichkeit ist also zwar objektiv, jedoch unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Einzelfalles festzustellen.47 Die Übernahme dieses Tatbestandsmerkmales der Bewertungserheblichkeit aus § 88 Nr. 1 BörsG a.F. war nicht notwendig. Das notwendige Korrektiv ist die Eignung zur Einwirkung auf den Preis. Im Ergebnis ist es gleichgültig, aus welchen Gründen ein Umstand zur Preiseinwirkung geeignet ist, solange nur diese Eignung feststeht. Nur wenn diese Eignung fehlt, ist das von § 20a WpHG geschützte Rechtsgut nicht gefährdet.48 Die Beurteilung der Eignung zur Preiseinwirkung erfordert eine aus ex-antePerspektive zur Zeit der Tatbegehung in die Zukunft gerichtete objektive Bewertung des konkreten Einzelfalles. Mangels gesicherter Kenntnisse über die Preisbildung an Märkten ist dies stets ein Wahrscheinlichkeitsurteil. Dabei genügt es, daß die Möglichkeit der Preiseinwirkung nicht fernliegt.49 § 20a I 1 Nr. 1 WpHG hat Auswirkungen auf die Berufsausübung von Journalisten. Um hier die grundrechtlichen Freiheiten (insbesondere Art. 5 I GG) zu wahren, sind bei der Gesetzesanwendung die maßgeblichen berufsständischen Regeln zu beachten (§ 20a VI WpHG). Dem kommt insbesondere für die leichtfertige Tatbegehung (§ 39 II Nr. 11 WpHG) Bedeutung zu. Wenn es dagegen um die bewußte Manipulation durch einen Journalisten mittels Falschmeldungen geht, greift die Privilegierung nicht ein. Zum einen widerspricht dies den berufsständischen Regeln. Und zum anderen sind derartige Äußerungen auch von Art. 5 I GG nicht geschützt.50

___________ 46

Näher o. 7. Kap. A I 4 (S. 253). Näher o. 7. Kap. A I 5 (S. 258). 48 Näher o. 7. Kap. A I 5 e (S. 265). 49 Näher o. 7. Kap. A III (S. 273). 50 Näher o. 7. Kap. A IV (S. 281). 47

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Durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz wurde ein spezieller Tatbestand zur Erfassung von handelsgestützten Manipulationen eingeführt (§ 20a I 1 Nr. 2 WpHG). Obwohl dies nachdrücklich zu begrüßen ist – die bislang erfolgte Behandlung als sonstige Täuschungshandlung war mehr als zweifelhaft –, ist die konkrete Umsetzung mißlungen. Der Gesetzgeber hat versucht, den Tatbestand ausschließlich mit objektiven Merkmalen zu gestalten. Das hat aber zur Folge, daß viele legitime Verhaltensweisen erfaßt werden. Nur durch die Hinzunahme einer Manipulationsabsicht lassen sich diese von Manipulationen sicher unterscheiden.51 Der vierte Tatbestand schließlich verbietet ganz allgemein die Vornahme sonstiger Täuschungshandlungen. Seitdem handelsgestützte Manipulationen von einem eigenständigen Tatbestand erfaßt werden, ist der Anwendungsbereich von § 20a I 1 Nr. 3 WpHG relativ gering. Von Bedeutung ist er insbesondere für das sog. Scalping.52 Allgemein sind sonstige Täuschungshandlungen Handlungen, die objektiv geeignet und subjektiv dazu bestimmt sind, auf das Vorstellungsbild eines anderen einzuwirken, ihn irrezuführen. Wie an dieser Definition zu erkennen ist, kann auch hier nicht auf eine subjektive Komponente verzichtet werden. Zwar wollte der Gesetzgeber einen rein objektiv formulierten Verbotstatbestand und hat dies durch die Streichung der bis zum Inkrafttreten des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes notwendige Manipulationsabsicht umgesetzt. Dies durchzusetzen hätte jedoch zur Folge, daß viele legitime Verhaltensweisen in den Anwendungsbereich des Manipulationsverbotes einbezogen wären, da sie sich von Manipulation nur im subjektiven, nicht aber im objektiven Erscheinungsbild unterscheiden.53 Der vorsätzliche Verstoß gegen das Manipulationsverbot ist eine Straftat, wenn es zu einer tatsächlichen Preisbeeinflussung kommt (§ 38 II WpHG). § 38 II WpHG i.V.m. § 20a I 1 WpHG ist demzufolge ein Erfolgsdelikt. Diese Ausgestaltung wird in Rechtsprechung und Literatur teilweise heftig kritisiert. Angesichts der Fülle von Faktoren, die die Preisbildung beeinflussen, sei der Nachweis des Erfolges einer manipulativen Handlung kaum denkbar. Dementgegen wurde gezeigt, daß der Nachweis eines Manipulationserfolges anhand von Indizien und Erfahrungssätzen erfolgen kann. Allgemein formuliert spricht für das Vorliegen eines beeinflußten Preises, wenn in engem zeitlichen Zusammenhang mit der manipulativen Handlung eine untypische, das heißt eine dem bisherigen Geschehen nicht entsprechende Preisentwicklung eintritt. Für diese Beurteilung sind nötigenfalls Sachverständigengutachten einzuholen.54 ___________ 51

Näher o. 7. Kap. B III (S. 290). Näher o. 7. Kap. C VI (S. 318). 53 Näher o. 7. Kap. C II 2 d (S. 310). 54 Näher o. 8. Kap. A I 1 (S. 323). 52

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Da § 38 II WpHG i.V.m. § 20a I 1 WpHG im wesentlichen ein Allgemeindelikt ist, kann grundsätzlich jeder Täter sein; die allgemeinen Regeln über die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme sind anwendbar. Die Rechtspflicht zur Offenbarung in § 20a I 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG ist ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne von § 28 I StGB.55 § 20a I 1 WpHG ist auch durch unechtes Unterlassen begehbar. Wesentlicher Anwendungsbereich hierfür ist die Haftung für tatbestandsmäßiges Verhalten Dritter (Geschäftsherrenhaftung). Unter bestimmten Voraussetzungen ist der Geschäftsherr strafrechtlich für Verstöße seiner Untergebenen gegen § 20a I 1 WpHG mitverantwortlich.56 Eine Mitverantwortung kommt im übrigen auch bei der horizontalen Aufgabenverteilung im Leitungsgremium oder bei der Mitwirkung an Kollegialentscheidungen in Betracht.57 Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln. Die vom Gesetzgeber gewählte Trennung von Verbots- und Sanktionsnorm sowie die Vielzahl von normativen Tatbestandsmerkmalen bedingen dabei einige Besonderheiten im subjektiven Tatbestand.58 Als Sanktionen sieht das Gesetz Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis fünf Jahre vor. Als Nebenfolgen kommen Berufsverbot (§§ 70 ff. StGB) oder Verfall (§§ 73 ff. StGB) in Betracht.59 Bleibt der Verstoß gegen das Manipulationsverbot erfolglos, ist die Tat als Ordnungswidrigkeit zu ahnden (§ 39 I Nr. 1, 2, II Nr. 11 WpHG). Dieser Tatbestand ist somit ein schlichtes Tätigkeitsdelikt. Ordnungswidrig ist stets vorsätzliches, partiell (§ 39 II Nr. 11 WpHG i.V.m. § 20a I 1 Nr. 1 WpHG) aber bereits leichtfertiges Handeln.60 § 20a I 1 WpHG ist nach ganz überwiegender Ansicht kein Schutzgesetz im Sinne von § 823 II BGB. Sowohl die Entstehungsgeschichte als auch die Gesetzessystematik sind diesbezüglich eindeutig. § 20a I 1 WpHG ist nicht zum Schutz von Individualinteressen bestimmt. Ein Verstoß gegen das Manipulationsverbot zieht deshalb keinen Schadensersatzanspruch gem. § 823 II BGB nach sich. Im übrigen wäre ein solcher im Einzelfall meist auch gar nicht bezifferbar.61

___________ 55

Näher o. 8. Kap. A I 2 (S. 334). Näher o. 8. Kap. A I 3 (S. 336). 57 Näher o. 8. Kap. A I 4 (S. 344). 58 Näher o. 8. Kap. A III 1 (S. 352). 59 Näher o. 8. Kap. A I 6 (S. 347). 60 Näher o. 8. Kap. A III 2 (S. 362). 61 Näher o. 8. Kap. B (S. 363). 56

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Durch die tatbestandliche Umgestaltung des Manipulationsverbotes durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz und das Anlegerschutzverbesserungsgesetz wurde die Frage aufgeworfen, welche Norm auf „Altfälle“ anzuwenden ist. § 2 I StGB bestimmt, daß grundsätzlich das zur Zeit der Tatbegehung geltende Recht anzuwenden ist und nur für den Fall, daß das neue Recht milder ist, dieses zur Anwendung kommt (§ 2 III StGB). Hierfür ist festzustellen, ob die neue Norm die Nachfolgevorschrift zur alten Norm darstellt. Die Rechtsprechung und große Teile der Literatur stellen hierfür auf die Unrechtskontinuität zwischen den Gesetzen ab. Es wurde gezeigt, daß im Einzelfall jedoch erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich deren Bestimmung bestehen. Dies hat in der kurzen Zeit der Existenz von § 20a WpHG schon zu völlig konträren Judikaten geführt. Es wurde deshalb dafür plädiert, statt dessen die Identitätstheorie anzuwenden. Diese hat den Vorteil, zu eindeutigen und vorhersehbaren Ergebnissen zu gelangen. In concreto bedeutet dies, daß jedenfalls eine Bestrafung von Alttaten nach § 38 II WpHG nicht möglich ist, da der dazu notwendige Preisbeeinflussungserfolg kein Tatbestandsmerkmal von § 88 BörsG a.F. war.62 Seit dem 11. März 2005 ist die mit Zustimmung des Bundesrates vom Bundesminister der Finanzen erlassene Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Marktmanipulation (MaKonV) in Kraft. Sie enthält im wesentlichen Definitionen und Regelbeispiele, die verschiedene Tatbestandsmerkmale des Manipulationsverbotes konkretisieren.63 Die Verordnung ist für den Rechtsanwender verbindlich und muß deshalb bei der Anwendung von § 20a I 1 WpHG stets beachtet werden. Ob die in der MaKonV geregelten Tatbestände zwingend oder nur indiziell sind und ob sie abschließend sind, ist im Einzelfall durch Auslegung zu bestimmen.64 Einige der Tatbestände begegnen jedoch Bedenken dahingehend, daß sie nicht mehr nur eine Konkretisierung, sondern eine Strafbarkeitsausdehnung über den möglichen Wortsinn hinaus darstellen. Diese Regelungen sind rechtswidrig.65

III. Schlußbemerkung

Die Untersuchung hat gezeigt, daß ein erhebliches Interesse an einem wirkungsvollen Manipulationsverbot besteht. Die gesetzgeberische Aktivität auf diesem Gebiet ist deshalb ausdrücklich zu begrüßen. Positiv anzumerken ist ___________ 62

Näher o. 9 Kap. (S. 370). Näher o. 10. Kap. A (S. 385). 64 Näher o. 10. Kap. D (S. 389). 65 Näher o. 7. Kap. C V (S. 314). 63

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ferner, daß bei der Ausgestaltung des Verbots neue Wege beschritten wurden, so etwa mit der Möglichkeit zu tatbestandskonkretisierenden Verordnungen. Gleichwohl ist das Manipulationsverbot in wesentlichen Teilen nicht optimal gelungen. Insbesondere der Versuch, in den Fällen des § 20a I 1 Nr. 2 und Nr. 3 WpHG auf eine subjektive Komponente in Form einer Manipulationsabsicht zu verzichten, ist gescheitert. Die mit diesen Tatbeständen zu unterbindenden Manipulationen lassen sich in vielen Fällen von legitimer Marktteilnahme nicht allein anhand objektiver Kriterien abgrenzen. Die hier vorgeschlagene Lösung behebt zwar dieses Problem. Dennoch wäre es nicht zuletzt im Hinblick auf die Normenklarheit wünschenswert, wenn der Gesetzgeber bei einer zukünftigen Revision wieder ausdrücklich auf eine subjektive Komponente zurückgriffe.

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Sachverzeichnis action-based manipulations siehe handlungsgestützte Manipulationen

Auktionsmarkt 329

Ad hoc-Publizität 271

Auslandssachverhalte

– Kursrelevanz 24

– Ahndbarkeit 235

– Manipulation durch ~ 23 advancing the bid 41

– Anwendbarkeit des Manipulationsverbotes 221

adverse selection 70

– Bedeutung von § 38 WpHG 226

Aktienmarkt 51

– Doppelprüfung 225

Aktualisierungspflicht 255

– Handlungsort 229

allocational efficiency 59

– Internationales Strafrecht 225

Allokationsfunktion 52

– Internationales 221

– Beeinträchtigung durch Manipulationen 77

Ausländische Zahlungsmittel 217

Verwaltungsrecht

– Strafbarkeit 225 Ausschuß der Weisen 157

– Begriff 55 Alternative Handelssysteme 210 – als Organisierte Märkte 213

bear manipulation 17

Amtlicher Markt 208

Berichtigungspflicht 255

Angaben

berufsständische Regeln 285

– Begriff 238

besonderes persönliches Merkmal 336

– irreführende ~ 250

Betrug 150

– kommunikativer Akt 239

Beweiserleichterungen 126

– Tatsachenkern 240

Bewertungs-/Informationsfunktion 56

– unrichtige ~ 242 Anwendungsbereich

– Beeinträchtigung durch Manipulationen 78

– Ausnahmen 236

Bewertungserheblichkeit 258

– außerbörsliche lungen 219

Manipulationshand-

– Adressatenkreis 262 – Begriff 258

– Märkte 206

– Beispiele 264

– personeller ~ 200

– Beurteilungsgrundsätze 264

– räumlicher ~ 221

– Beurteilungshorizont 261

– sachlicher ~ 201

– Kritik 265

– Veränderungen 218

– Vermögensgegenstand 263

artificial price 12, 13, 294

– Vorsatz 356

452

Sachverzeichnis

Blankett

Devisenmarkt 51

– Begriff 163

directors’ dealings 271

– echtes ~ 164

Direktgeschäfte 276

– Inbezugnahme von Rechtsverordnungen 166

discovery-Verfahren 123 disgorgement 86

– Kritik 167 – Relevanz 162

Edelmetalle 216

– und normative Tatbestandsmerkmale 163

effektive Geschäfte

– unechtes ~ 164

– Abgrenzung Manipulation - legitime Marktteilnahme 28

– Zweck 164

– Begriff 28

Blankettatbestand

– Manipulationsabsicht 28

– Vorsatz 354

– rechtliche Behandlung 303

blind pools 42

effiziente Allokation 55

Börsen 207

Eigenfinanzierung 53

Börsenpreise 275

Eignung zu falschen oder irreführenden Signalen

bull manipulation 17

– Begriff 290 cease-and-desist-order 85

– Manipulationsabsicht 292

Chancengleichheit 68, 103

– Vorsatz 359

chinese walls 341

Eignung zu künstlichem Preisniveau

Churning 42

– Begriff 293

circular trades

– künstliches Preisniveau 294

– Begriff 28

– Manipulationsabsicht 295

– rechtliche Behandlung 303

– Vorsatz 359

civil penalty 84

Einheitspreis 329

class action 122

electronic eyes 49

– Gefahren 123

Emissionsmarkt siehe Primärmarkt

Compliance-Maßnahmen 341

Emittentenleitfaden 160

contemporaneous traders 126

– Bindungswirkung 161

corners und squeezes 32

– Rechtsnatur 160

– rechtliche Behandlung 303, 314

Ereignisstudien 327

– sonstige Täuschungshandlung 314

Erfolgsort 232

creating a price-trend 40

– elektronische Handelssysteme 232

cross trades siehe wash sales

– Internet 232

crossing siehe wash sales

Erteilung von Aufträgen 288 Eurex 210

Derivate 205

European Energy Exchange 210

Designated Sponsoring 37

event studies 327

Sachverzeichnis

453

fiktive Geschäfte

– Leerverkäufe siehe Leerverkäufe

– Begriff 25

– Nachweis der Preiseinwirkung 328

– fehlende wirtschaftliche Relevanz 25

handlungsgestützte Manipulationen

Finanzinstrumente 201

– sonstige Täuschungshandlung 317

Finanzmarkt 51

Handlungsort 229

fortlaufende Notierung 329

– bei Auslandssachverhalten 229

free float 328

– Internet 229

Freiverkehr 208

horizontale Aufgabenverteilung 344

– Begriff 37

– Einbeziehung 211 Fremdfinanzierung 53 FSAP 156

information-based manipulations siehe informationsgestützte Manipulationen

Funktionsbedingungen 59

Informationseffizienz 60

– allokative Funktionsfähigkeit 59

informationsgestützte Manipulation

– hohe Liquidität 71

– Mittel 18

– Informationseffizienz 60

informationsgestützte Manipulationen

– institutionelle Funktionsfähigkeit 59

– Begriff 18

– keine Eingriffe in die Preisbildung 59

– im Internet 19

– niedrige Transaktionskosten 62

– rechtliche Behandlung 287

– operationelle Funktionsfähigkeit 59

– Übernahmegerüchte 19

– Vertrauen in Integrität trauen

injunction 86

frontrunning 23

siehe Ver-

– Nachweis der Preiseinwirkung 330

Insiderhandel 15

Gas 216

– Beitrag zur optimalen Kapitalallokation 81

Geldmarkt 51

– Managementanreize 79

Geldmarktinstrumente 204

– principal-agent-theory 79

Geregelter Markt 208

– volkswirtschaftlicher Nutzen 79

– Einbeziehung 211

Insiderhandelsverbot 151

Gerüchte 238

– Rechtsgut 98

Geschäftsherrenhaftung 337

– Sanktionierung 144

Grauer Kapitalmarkt 276

institutional efficiency 59

greenshoe siehe Kurspflege

Internationales Strafrecht 225

Gütermarkt 51

Internationales Verwaltungsrecht 221 Investitionskapital 55

handelsgestützte Manipulationen

irreführend

– Begriff 24

– Begriff 250

– Designated Sponsoring 37

– eigener Anwendungsbereich 252

Sachverzeichnis

454 – Fallgruppen 251

künstliches Preisniveau 13, 294

irreführende Angaben

Kursbetrug

– Vorsatz 356

– Rechtsgut 97 – Sanktionierung 145

Journalisten

Kurspflege

– Begriff 284

– als Manipulation 37

– berufsständische Regeln 285

– Begriff 36

– Pressekodex 285

– durch greenshoe 36

– Privilegierung 281

– durch Mehrzuteilungsoptionen 36 – negative Auswirkungen 36

Kapitalanlagebetrug 150

– Nutzen 36

– Rechtsgut 101

Kursstabilisierung siehe Kurspflege

– Sanktionierung 145 Lamfalussy-Bericht 157

Kapitalmarkt – Allokationsfunktion tionsfunktion

siehe Alloka-

late-trading 42 Leerverkäufe

– Aufgaben 52

– Begriff 31

– Auktionsmarkt 329

– Eignung zu Manipulationen 31

– Begriff 51

– Nutzen 31

– Bewertungs- und Informationsfunktion siehe Bewertungs-/Informationsfunktion

– rechtliche Behandlung 303

– Funktionsbedingungen siehe Funktionsbedingungen

legitime Gründe 300

– Grundlage für Volkswirtschaft 52

Leichtfertigkeit 362

– sonstige Täuschungshandlung 315 legitimes wirtschaftliches Interesse 29

– Kassamarkt 52 – Market-Maker-System 329

Machen von Angaben

– Preisbildung 58, 328

– durch aktives Tun 253

– Primärmarkt siehe Primärmarkt

– durch unechtes Unterlassen 255

– Sekundärmarkt siehe Sekundärmarkt

MaKonV 385

– Terminmarkt 52

– Auswirkungen der Rechtswidrigkeit 396

– Transformationsfunktion Transformationsfunktion

siehe

– Inhalt 385

– Vermögensbildung 52

– Irrtumsproblematik 399

KapMuG 125

– Kontrolldichte 391

Kassamarkt 52

– Legaldefinitionen 392, 393

Kausalitätserleichterungen 126 Kollegialentscheidungen 345

– Prüfungs-/Verwerfungskompetenz 390

kollektive Rechtsdurchsetzung 124

– Rechtmäßigkeit

Komitologieverfahren 157

– – formell 386

Sachverzeichnis – – materiell 386 – Rechtswirkungen 389 – safe-harbor-Regeln 395 – Strafbarkeitsausdehnung 387 – Strafbarkeitseinschränkung 388 – Vorsatz 359 – zeitliche Anwendbarkeit 397

455

– effektive Geschäfte siehe effektive Geschäfte – fiktive Geschäfte Geschäfte

siehe fiktive

– frontrunning siehe frontrunning – handelsgestützte ~ siehe handelsgestützte Manipulationen

– zwingende Vorschriften 391

– handlungsgestützte ~ siehe handlungsgestützte Manipulationen

Manipulation

– im Internet 19

– Abgrenzung zum Insiderhandel 15

– Individualschaden 109

– Abgrenzung zur Spekulation 14

– informationsgestützte ~ siehe informationsgestützte Manipulationen

– advancing the bid 41 – bear manipulation 17 – Beeinträchtigung des Kapitalmarktes 108 – Begriff 11 – Beispiele von ~en

– Leerverkäufe siehe Leerverkäufe – marking the close 40 – Markterweiterung 35 – Marktverknappung siehe Marktverknappung

– – American Steel and Wire 38

– matched orders ders

siehe matched or-

– – ATX 48

– mittels Ad hoc-Mitteilungen 23

– – Bobl-Squeeze 34

– Nachweis von ~en 50

– – Comroad 23

– negative Auswirkungen 74

– – Emulex Corp. 20

– ökonomische Analyse 71

– – Foster Winans 22

– painting the tape 39

– – Guinness/Distillers 48

– Pools 41

– – Harlem Railway Corner 33

– positive Auswirkungen 79

– – Ostindische Handelscompagnie 1

– Profitabilität 72

– – PairGain, Inc. 20

– pump and dump 41

– – Prior-Fall 22

– Scalping siehe Scalping

– – Radio-Pool 42

– short sales siehe Leerverkäufe

– – Rex v. de Berenger 1

– squeezes siehe corners und squeezes

– – Silbercorner 33

– stop orders 40

– – Sinclair Consolidated Oil pool 42

– Systematisierung 16

– – Wickes Corp. 48

– Unrechtsgehalt 142

– bull manipulation 17

– wash sales siehe wash sales

– circular trades siehe circular trades

– Zweck von ~en 43

– corners siehe corners und squeezes

– – Direkte Gewinnmöglichkeiten 44

– creating a price-trend 40

– – Indirekte Gewinnmöglichkeiten 46

– durch Designated Sponsoring 37

– – sonstige Zwecke 49

Sachverzeichnis

456 Manipulationsverbot

– – Rechtswirkungen 159

– Änderungen durch das 4. FMFG 154

– – Verhältnis zur MMRL 160

– Änderungen durch das AnSVG 155

Marktpflege siehe Kurspflege

– Anwendungsbereich 221, siehe auch Anwendungsbereich

Marktpreise 275

– Auslegungsgrundsätze 196

– parking 34

– Bestimmtheitsgebot 172

– Rückhalteabkommen 34

– Blankettatbestand 162

– warehousing 34

– Entstehungsgeschichte 153

matched orders

– Erfolgsort siehe Erfolgsort

– Begriff 27

– Geltungsbereich 221

– rechtliche Behandlung 303

– gemeinschaftsrechtlicher Hintergrund 156

Mehrzuteilungsoption pflege

– Gesetzesvorbehalt 171

MMRL 146

– Handlungsort siehe Handlungsort

multiple damages 121

Marktverknappung

siehe Kurs-

– Kritik 321 – nationaler Rechtsrahmen 160

normative Tatbestandsmerkmale

– Normspaltung 198

– Vorsatz 355

– Rechtsgut 96

Normspaltung 198

– Regelungstechnik 161 – Rückwirkung 370

Offenbarungspflichten 269

– Sanktionierung siehe Sanktionierung

– § 21 WpHG 271

– Schutzgesetz 363

– § 34b WpHG 271

– Sonderdelikt 335

– §§ 10, 35 WpÜG 271

– subjektiver Tatbestand 320, 352

– Ad hoc-Publizität 271

– Unrechtskontinuität 370

– allgemein 269

– verfassungsrechtliche Vorgaben 170

– bilanzrechtliche Publizität 271

– Verhältnis der Tatbestände 319

– directors’ dealings 271

– Vorgängervorschriften 153

– Vorsatz 357

– zeitliche Anwendbarkeit 370

– Zwischenberichtspflicht 271

– zulässige Marktpraxis 296

operational efficiency 59

market impact 73, 328

order-driven market 329

Market-Maker-System 329 market-timing 42

Ordnungswidrigkeit 130, 348, siehe auch Sanktionierung

marking the close 40

– Buße 349

Markterweiterung 35

– durch Unterlassen 348

Marktmißbrauchsrichtlinie 11, 158 – Durchführungsmaßnahmen 159

zur

~

– juristischer Personen (§ 30 OWiG) 349 – Konkurrenz zur Straftat 349

Sachverzeichnis – Leichtfertigkeit 362

– Wahrscheinlichkeit 278

– Verbotsirrtum 360

Pressekodex 285

– Verhältnis zur Straftat 130

Primärmarkt

– Verletzung der Aufsichtspflicht (§ 130 OWiG) 340

– Bedeutung 57

Organisierte Märkte 212

principal-agent-theory 79

457

– Begriff 51 Prognosen 238

painting the tape 39

pump and dump 41

parking 34

punitive damages 120

Pools 41 prearranged quotes siehe matched orders prearranged trades siehe matched orders

quote machines 49 quote-driven market 329

Preisbildung 328

Rechte auf Zeichnung 206

– Einheitspreisverfahren 329

Rechtsgut

– fortlaufende Notierung 329

– Begriff 90

– variable Notierung 329

– des Manipulationsverbotes 96

Preiseinwirkung 323

– Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes 101

– Befragung der Marktteilnehmer 330 – hypothetischer Preis 324 – Indizien 325 – Inhalt 324 – Kritik 323 – Nachweis 324 – – bei handelsgestützten Manipulationen 328

– Gefährdbarkeit/Verletzbarkeit 105 – individuelles ~ 109 – Nutzen 95 – überindividuelles ~ 91, 111 – Vertrauen 93 Rechtsgüterschutz 89 Rentenmarkt 51

– – bei informationsgestützten Manipulationen 330

Rückwirkungsverbot 370

– Sachverständigengutachten 332

Sachverständigengutachten 332

– Vorsatz 360

Sammelklage siehe class action

Preiseinwirkungsabsicht 353

Sanktionierung

Preiseinwirkungseignung 273

– als Ordnungswidrigkeit 348

– Begriff 273

– als Straftat 323

– Bestimmung 277

– Buße 349

– Beurteilungsgrundlage 277

– Strafe 347

– Gegenstand 275

– subjektiver Tatbestand 352

– Verhältnis zur Bewertungserheblichkeit 281

– zivilrechtliche ~ 363

– Vorsatz 357

Sanktionsmöglichkeiten 83

458

Sachverzeichnis

– Aufdeckungs-/Verfolgungseffektivität 141

– handlungsgestützte 317

Manipulationen

– bestehende Tatbestände 150

– kommunikatives Verhalten 307

– Effektivität 136

– objektive Eignung 309

– Gemeinschaftsrecht 146

– Objektmanipulation 307

– im US-amer. Recht 84

– Preiseinwirkungseignung 313

– Selbstregulierung 116

– Scalping 316

– Unrechtsgehalt 142

– subjektive Komponente 310

– Verwaltungsrecht 129

– Verständnishorizont 310

– – Ordnungswidrigkeit 130

– vornehmen 313

– – Wirtschafts~ 129

– Vorsatz 359

– Zivilrecht 117

Sparkapital 55

– – Anspruchsdurchsetzung 122

Spekulation 14

– – Beweiserleicherungen 126

squeezes siehe corners und squeezes

– – class action 122, siehe auch class action

stop orders 40

– – contemporaneous traders 126

– Handlungs-/Erfolgsunwert 135

– – KapMuG 125

– Unrechtsgehalt 142

– – Kausalitätserleicherungen 126

Strafe

– – kollektive Rechtsdurchsetzung 124

– Strafbedürftigkeit siehe Strafbedürftigkeit

– – multiple damages 121

Strafbedürftigkeit 113

– – punitive damages 120

– Strafwürdigkeit keit

– – Voraussetzungen 119

– Subsidiaritätsprinzip 87

Scalping

– ultima ratio 87

– Begriff 21

Straftat 323, siehe auch Sanktionierung

– – Probleme 118

– rechtliche Behandlung 287, 316 Schadensersatz 363 Schutzgesetz 363 Sekundärmarkt – Bedeutung 57 – Begriff 51 Selbstregulierung 116

siehe Strafwürdig-

– durch Unterlassen 336 – Geschäftsherrenhaftung 337 – horizontale Aufgabenverteilung 344 – Kollegialentscheidungen 345 – Konkurrenz zur Ordnungswidrigkeit 349

short sales siehe Leerverkäufe

– Preiseinwirkung kung

siehe Preiseinwir-

sonstige Täuschungshandlung 304

– Strafe 347

– Begriff 307, 313

– Täterschaft und Teilnahme 334

– Beispiele 314

– Verbotsirrtum 360

– bisherige Bedeutung 304

– Versuch 347

– Erfolg 310

– Vorsatz siehe Vorsatz

Sachverzeichnis

459

Strafwürdigkeit 88

– Initiativrecht 191

– Rang des Rechtsgutes 89

– Pflicht zum Erlaß 191

strike suits 123

– Subdelegation 187

Strom 216

– verfassungsrechtliche Vorgaben 181

Subsidiaritätsprinzip 87

– Wesentlichkeitstheorie 192 – Zustimmung des Bundesrates 187

Täterschaft

– Zweck 182

Täuschung 307

Verschweigen

Teilnahme 334

– Begriff 267

Terminmarkt 52

– Offenbarungspflichten siehe Offenbarungspflichten

trade-based manipulations siehe handelsgestützte Manipulationen Transaktionskosten 62 Transformationsfunktion 53

– Verhältnis zum Machen 273 – von bewertungserheblichen Angaben 268

– Beeinträchtigung durch Manipulationen 77

Vertrauen 63

– Begriff 53

– Gegenstand 63

– Folgen fehlenden ~s 64 – Kritik 66

unrichtig

– – Widerlegung 67

– Begriff 242

Vorlaufen siehe frontrunning

– bei Irreführung 249

Vornahme von Geschäften 288

– bei Prognosen 245

Vorsatz 352

– bei Tatsachen 245

– Bewertungserheblichkeit 356

– bei Unvollständigkeit 247

– Blankettatbestand 354

– bei Werturteilen 245

– Eignung zu falschen oder irreführenden Signalen 359

unrichtige Angaben – Vorsatz 356 Untreue 151 variable Notierung 329

– Eignung zu künstlichem Preisniveau 359 – irreführende Angaben 356 – MaKonV 359

Verbotsirrtum 360

– normative 355

Verletzung der Aufsichtspflicht 340

– Offenbarungspflichten 357

Verordnungsermächtigung

– Preiseinwirkung 360

– als Blankett 166

– Preiseinwirkungsabsicht 353

– Bestimmtheitsgebot 193

– Preiseinwirkungseignung 357

– Einvernehmen der Börsenaufsichtsbehörden 189

– sonstige Täuschungshandlung 359

– Ermächtigungsadressat 186 – Herkunft 185

Tatbestandsmerkmale

– unrichtige Angaben 356 warehousing 34

460

Sachverzeichnis

Waren 216

– zulässige Marktpraxis 299

Warenterminbörse 210 wash sales

Zirkulationsmarkt markt

– Begriff 26

zulässige Marktpraxis 296

– rechtliche Behandlung 303

– Anerkennung 296

Wertpapierbörsen 208

– – Pflicht zur ~ 298

Wertpapiere 201

– Überprüfung 299

Werturteile 238

– Verfassungsrecht 299

Wirtschaftsverwaltungsrecht 129

– Verordnungsermächtigung 298

siehe Sekundär-

– zeitliche Anwendbarkeit 299 zeitliche Anwendbarkeit

zunehmende Kriminalisierung 133